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Lars Espeter
HIYAKE IV
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INHALT Fähre Prometheus der U.S. Navy 035.2212 07:27 SET.................................................................................................... 4 Mondstation Caesar 035.2212 09.42 SET..................................................................................................................... 8 Landefähre Zulu II der F.I.G. 048.2212 08:22 SET....................................................................................................... 20 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 08:46 SET............................................................................................... 25 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 08:58 SET............................................................................................... 30 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 09:01 SET............................................................................................... 34 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 09:26 SET............................................................................................... 40 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 10:39 SET............................................................................................... 51 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 11:05 SET............................................................................................... 54 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 12:17 SET............................................................................................... 67 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 13:14 SET............................................................................................... 73 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 13:30 SET............................................................................................... 76 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 13:37 SET............................................................................................... 78 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 13:38 SET............................................................................................... 83 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 13:43 SET............................................................................................... 84 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 13:49 SET............................................................................................... 86 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:04 SET............................................................................................... 89 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:06 SET............................................................................................... 91 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:08 SET............................................................................................... 93 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:09 SET............................................................................................... 95 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:11 SET............................................................................................... 97 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:13 SET............................................................................................... 99 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:14 SET............................................................................................. 101 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:14 SET............................................................................................. 103 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:16 SET............................................................................................. 105 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:21 SET............................................................................................. 111 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:23 SET............................................................................................. 113 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:27 SET............................................................................................. 115 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:27 SET............................................................................................. 121 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:32 SET............................................................................................. 125 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 14:36 SET............................................................................................. 128 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 16:31 SET............................................................................................. 138 Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E 042.2212 19:48 SET............................................................................................. 141 Abschlußbericht 3321/A *PROTOTYPE* 056.2212 09.30 SET....................................................................................... 142
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F.I.G. FILE: 3321/a *Prototype* Fähre Prometheus der U.S. Navy
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Der Botschafter der ROBOT DEVELOPMENT INDUSTRIES, Inc. starrte ausdruckslos aus dem mehrfachverglasten Seitenfenster neben seinem Reisesessel nach draußen in das unendliche Sternenmeer zwischen dem weiß-blauen Leuchten der sonnenbeschienenen Seite der Erde und ihrem kleinen, grauen Trabanten, auf den sie die kleine Privatfähre seiner Firma innerhalb der nächsten zwei Stunden bringen sollte. Sie, das waren er selbst, Erster Firmenrats-vorsitzender Nagashima, und der selbst den reserviert wirkenden Japaner an Steifheit übertreffenden amerikanischen General O’Hara, der in seiner frischgebügelten Uniform und mit dem sorgfältig polierten Ordengehänge in dem zweiten Reisesessel seinem asiatischen Reisegefährten gegenüber saß. Nagashima hatte die genetisch aufbereiteten Orangen und auch den aus ihnen gepreßten Saft noch nichtmal in Gedanken angerührt. Sie standen von der künstlichen Schwerkraft angezogen auf dem kleinen Tisch vor ihm und warteten geduldig. Schlecht würden sie nicht in einem Jahrtausend werden, daß versprach zumindest ihr Hersteller. Wie fast alle natürlichen Nahrungsmittel waren auch diese durch und durch optimiert. Das gedämpfte Summen der leistungsstarken Triebwerke war kaum zu hören, so gut war die Reisekabine isoliert. Auch die übrige Ausstattung mit ihren teuren Teppichen, der geräuschlosen Klimaanlage und all den anderen höchsten Reisekomfort bietenden Assecoires hielt alles, was man sich von einem Erste-Klasse-Raumreisefahrzeug versprechen konnte. Aber all das beachtete Nagashima nicht. In diesem Augenblick war es ihm ziemlich egal, ob er in einem kolonialen Viehfrachter oder in einer Luxusyacht saß. Seine Gedanken kreisten unablässig um die bevorstehenden Verhandlungen mit den einzigen Männern, die ihm jetzt helfen File Status: Closed
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konnten. Er gestand es sich nicht gerne ein, aber er, daß hieß eigentlich sein Vorgesetzter und er, hatten einige schwere Fehler gemacht. Und so wie es aussah, hing das Wohlergehen seiner Firma von einer halb-militärischen, unkultivierten Bande von Söldnern ab, die sich Fast Intervene Group, oder auch nur kurz F.I.G. nannte. Aber auch das verdankte er nur dem glücklichen Umstand, daß die Firma, die er vertrat, zur Zeit eng mit der amerikanischen Armee zusammenarbeitete. „Sie sind nicht gerade bester Laune, mein Freund", sagte O’Hara mit einem nichtssagenden Lächeln. Er nahm einen Schluck von seinem Saft. „Was bedrückt Sie?” Nagashima wandte sich im ersten Moment ein wenig verwirrt an den General und seufzte dann. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß diese F.I.G., oder wie immer sie sich nennt, unserer Firma aus dieser” - er zögerte - „peinlichen Situation helfen kann. Es hängt enorm viel davon ab. Schließlich ist die ROBOT DEVELOPMENT eine der drei marktführenden Firmen. Was es für Folgen hätte, wenn unser Fehler der Presse bekannt würde...” Er nahm beinahe gegen seinen eigenen Willen einen ersten Schluck aus seinem Becher. „Sie trauen wohl dem Rat der US-Navy nicht besonders, was?” lachte O’Hara künstlich. Das einzige was sich beim Lachen in seinem Gesicht bewegte waren seine Lippen. Der Rest blieb kalt und ausdruckslos. „Ein Japaner traut nicht einmal sich selbst, wenn es um das Fortbestehen seiner Firma geht", begründete Nagashima seine Haltung wahrheitsgetreu. Dieser General hat ja keinen blassen Schimmer davon, was einem Japaner seine Firma bedeutete. Sie war der Organismus, der ihn am Leben hielt. Sie sicherte ihn und seine Familie ab, gab ihm Arbeit, den Kindern eine Ausbildung und vieles mehr. Es war nicht einfach bloß irgendein Arbeitsplatz, den man wechselte, wenn man ihn Leid war. Jeder Angestellte würde alles tun, um seine Firma vor dem Untergang zu bewahren.
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„Die Jungs, die ich Ihnen gleich vorstellen werde, sind bestimmt keine überaus disziplinierten Armee-Einheiten, dazu ist ihre Auffassung von Befehl und Gehorsam zu… unkonventionell. Aber es gibt unter ihnen Männer, die ich persönlich kenne. Gute Soldaten und harte Kämpfer. Ich selbst habe sie schon des öfteren zur Unterstützung meiner Einheiten eingesetzt. Und immer mit Erfolg. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen zu machen.” O’Hara drückte auf den Rufknopf seiner Armlehne, als er den Satz beendet hatte. Aus dem Nichts ertönte die leise rauschende Stimme des Piloten. „Ja, Sir?” „Wie lange wird der Flug zur Mondstation Caesar noch in etwa dauern, Malcolm?” erkundigte sich der General. Es dauerte einen kleinen Augenblick bis die Antwort kam. „Noch knapp neunzig Minuten, Sir!” O’Hara ließ den Rufknopf los. Er setzte wieder sein Lächeln auf, daß er immer dann benutzte, wenn er mit Leuten redete, die er im Grunde seines Herzens nicht leiden konnte, aber trotzdem respektierte, weil das seine Pflicht war. „Pünktlich wie die gute alte Post", lächelte er. Nagashima erwiderte diese Geste nicht im geringsten. „Sind die Söldner alles ehemalige amerikanische Soldaten?” wollte er von dem kurzhaarigen Mann vor sich wissen. „Zuerst waren sie es", antwortete der General. „Aber mit der Zeit meldeten sich mehr und mehr junge Männer und Frauen aus allen Teilen der Erde bei der F.I.G.. Heute besteht sie aus mehr als fünfzig Mann.” Nagashima blickte ihn ungläubig an. „Nur fünfzig Mann? Ich dachte...” „Was? Das Sie es hier mit einer Art UNO-Truppe zu tun haben?” stellte er den Vergleich mit der vor Jahrzehnten aufgehobenen Bündnis-Armee und lachte. Nagashima sah so aus, als stelle er sich jetzt selber diese Frage. Was hatte er wirklich erwartet?
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„Vielleicht klingt es so, als seien fünfzig Männer und Frauen zu wenig für eine ernsthafte militärische Organisation, aber das täuscht. Es sind alles keine Supermänner oder optimierte Elite-Krieger, aber als Einheit sind sie unschlagbar, weil sie sich gegenseitig perfekt ergänzen. Die suchen ihre Rekruten unter sehr strengen Gesichtspunkten aus. Versuchen Sie das mal in einer richtigen Armee-Truppe hinzukriegen!” „Mag sein das sie recht haben, General O’Hara", murmelte Nagashima nachdenklich. Dann sah er dem Soldaten plötzlich direkt in die Augen. „Aber sie werden es mit einer noch perfekteren Einheit zu tun bekommen, wie Sie wohl wissen.” Der General wußte das natürlich. Er war einer der wenigen, die das wußten. Und er würde dafür sorgen, daß es so blieb, wie es war.
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F.I.G. FILE: 3321/a *Prototype* Mondstation Caesar
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In den Quartieren der F.I.G.-Soldaten sah es genau so aus, wie man es bei einer Militäreinheit gerade nicht erwartete. In jedem der vier Zehn-Bett-Zimmer herrschte heilloses Durcheinander, daß aber keinen zu stören schien. Die Pritschen sahen aus, als seien sie bei einer Razzia durchwühlt worden. Die Hälfte der Spinde neben den Kojen stand offen und gewährte Einblick in ihr unsortiertes Innenleben, wo sich gepanzerte Kampfanzugteile, die entfernt an Ritterrüstungen erinnerten, unter persönliche Dinge des jeweiligen Besitzers, gehamsterte Lebensmittelrationen und Zeitschriften mischten. Irgendwie war alles in den Quartieren in grau, oliv oder schwarz gehalten. Selbst die längst überalterten Fassungen für die Leuchtstoffröhren an der Decke waren oliv gestrichen worden. Allerorten herrschte reges Treiben. Die Männer und Frauen die im Dienst der F.I.G. standen, waren alle mit irgend etwas beschäftigt, selbst wenn sie jetzt eigentlich Pause hatten. Niemand tat nichts. Hanteln wurden gestemmt, Gewehre poliert, frisch eingetroffene Panzeranzüge mit Hilfe von Lackstiften verschönert, elektronische Ausrüstungsteile wurden gewartet und repariert, wenn sie defekt waren. Nahkampfspezialisten schärften ihre Kampfmesser, Funker luden ihre Geräte auf und machten lautstarke Funktionstests, was meistens den Protest der Kollegen zur Folge hatte. Man kam und ging. Der eine oder andere derbe Spaß wurde gemacht und Neuigkeiten von den jüngsten Einsätzen wurden unter den Anwesenden verbreitet. Der bunte Haufen von Soldaten war eine verschworene Gemeinschaft, der so leicht nicht auseinanderzubringen war. Die vorherrschende Hautfarbe war zwar weiß, aber daß hieß noch überhaupt nichts. Denn die Weißen kamen selbst aus den verschiedensten Teilen der Erde, wie O’Hara schon gesagt hatte. Da gab es Russen, Skandinavier, Franzosen, Deutsche, File Status: Closed
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Briten, Australier und Amerikaner. Auch ein paar Spanier, Mexikaner und Italiener waren vertreten. Außer den vielen Weißen fand man Asiaten, Schwarz-Afrikaner und noch andere Vertreter der Spezies Mensch. Zuerst hatte es noch Probleme deswegen gegeben. Auch die verschiedenen Religionen, die hier aufeinandertrafen, hatten anfänglich für Meinungsverschiedenheiten gesorgt, aber mit der Zeit und vielen gemeinsamen Einsätzen wurden diese Abgründe überbrückt. Gegenseitiger Respekt und Achtung der Kultur des anderen waren im Laufe der Dienstzeit zur Selbstverständlichkeit geworden. Heute war keiner von ihnen für irgendeinen Auftrag aufgestellt worden und so vertrieb man sich ungeduldig die Zeit, bis zum nächsten Abwurf über irgendeinem FöderationsPlaneten. Es war nur eine Frage der Zeit, bis etwas passierte, wofür man ihre Kampfkraft, Abgebrühtheit und vor allen Dingen ihre Ausdauer und Intelligenz benötigte. Keiner von den Soldaten war nur ein einfacher Schütze, der sich zu einem abenteuerlichen Dienst freiwillig gemeldet hatte. Das war auch gar nicht möglich, denn die Prüfungen und Tests vor der Aufnahme in die Fast Intervene Group waren auf physischer, psychischer und auch auf ethischer Basis aufgebaut und verlangten einiges. Doch selbst wer durch dieses Programm, das im allgemeinen `die Aufnahmefolter’ genannt wurde, kam, war noch lange nicht volles Mitglied. Erst nach einigen erfolgreich absolvierten Aufträgen bekam man seinen eigenen Spind und seine private Kampfausrüstung, die auf jeden Soldaten und sein Einsatzgebiet abgestimmt war. Auch der farbige Master Sergeant Waldo Broose hatte diese Prozedur über sich ergehen lassen müssen und nur durchschnittlich abgeschnitten. Das war vor fünf Jahren gewesen. Jetzt war er einer der führenden Köpfe der Truppe und führte trotzdem immer noch selber Kampfeinheiten in riskanten Einsätzen. Wenn es etwas gab, daß er haßte, dann waren das Befehlshaber, die sich nur auf alte Erfahrungen und File Status: Closed
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theoretischen Quark verließen. Außerdem fühlte er sich mit seinen zweiundvierzig Lenzen viel zu jung, um sich hier in dem Hauptquartier auf einen Sessel zu setzen und insgeheim Wetten darüber abzuschließen, wieviele Soldaten wohl diesesmal wieder zurückkommen würden und dann neue Rekruten einzuziehen, welche die Aufnahmeprüfung bewältigt hatten und nun auf der Warteliste standen. Auf dem Weg zur Einsatzbesprechung kam er an den vier Quartieren der einfachen Soldaten vorbei. Von einigen Jungs im vorbeigehen gegrüßt, warf er einen Blick in den letzten Schlafsaal des Ganges, der wie alles auf dieser ausrangierten Mondstation aus dunklem Metall und Beton bestand. Auch hier wurde er angemessen und freundschaftlich gegrüßt. Er grüßte lächelnd vage in die Runde. An den Anblick dieses Saustalls hatte er sich schon lange gewöhnt. Es gehörte einfach zur F.I.G.-Truppe, daß man es außerhalb der Einsätze mit Disziplin und Ordnung nicht allzu genau nahm. Deshalb waren die Soldaten wahrscheinlich auch so gerne hier. Es kam nur selten militärischen Drill wie in einer staatlichen Armee. Dazu kamen die Kampfeinsätze zu kurz hintereinander. Broose ging weiter. „Master Sergeant Broose wird dringend zur Einsatzbesprechungszentrale gebeten", plärrte die elektronische und bemüht weibliche Stimme aus einem der vielen versteckten Lautsprechern an der Decke. Broose schnitt eine Grimasse in die Richtung, in der er den Plapperkasten vermutete. „Klugscheißer!” Warum rief das Ding immer nur ihn auf, wenn er mal mit fünf Minuten Verspätung zu einer Besprechung kam. Wahrscheinlich war der unbekannte Programmierer dieses Computers ein Rassist gewesen, der keine Farbigen ausstehen konnte. „I have a dream...", knurrte Waldo Broose und bog in einen Seitentrakt ab, der ihn zu seinem Ziel führte. Am Gangende drückte er auf die Öffnungstaste neben der einzigen Tür und sie glitt mit
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einem leisen Rattern zur Seite. Broose räusperte sich noch kurz und trat ein. Man wartete schon spürbar ungeduldig auf ihn. In der vordersten Sitzreihe des Raumes, der mit seinem Projektionsschirm an der Stirnwand und den vielen Reihen mit Klappsitzen an ein kleines terranisches Kino erinnerte, hatten vier Männer Platz genommen. Zwei von ihnen kannte Waldo. Der asketisch wirkende, grauhaarige Mann, der sich sofort nach ihm umdrehte, als Waldo durch die Tür schritt, war General Lou Nichelson. Er war der Boss der F.I.G. und ihr Gründer. Ein Sohn äußerst reicher Eltern, der sein ganzes Erbe in diese Organisation gesteckt hatte. Der andere, ein etwas kleinerer und stämmiger Soldat mit dem typischen Bürstenhaarschnitt, hieß Ray Penman. Ebenso wie Broose war er Master Sergeant und zusammen mit Waldo im Befehlstab. Anscheinend hatte man ihn dazu verdonnert, das Protokoll zu führen. Er hielt das Diktaphon bereit und machte das passende Gesicht dazu. Waldo konnte ein Grinsen nicht unterdrücken, als sich ihre Blicke trafen. Die anderen zwei Männer waren ihm unbekannt. Der Japaner machte in seinem mausgrauen Anzug auf ihn den Eindruck eines typischen Managers oder höhergestellten Firmenmitglieds. Der kantige General der U.S.-Navy neben dem Asiaten war einer von der Sorte Vorgesetzter, die Waldo Broose in seiner langen Dienstzeit bei der Armee hassen gelernt hatte. Streng, von sich überzeugt und unbelehrbar. Ihn grüßte Waldo als ersten, um das Übel hinter sich zu haben. Er reichte ihm die Hand und schüttelte sie kräftig. „Guten Tag, General...” - er laß das Namenszeichen auf der Brust des Mannes - „O’Hara.” O’Hara verzog nicht im geringsten das Gesicht, als er den Gruß erwiderte. „Master Sergeant Broose", nickte er steif. „Ich freue mich, ihre Bekanntschaft zu machen. Ich habe durch ihren Vorgesetzten, General Nichelson von ihrem letzten Einsatz auf dem zivilen Raumflughafen von Runek V gehört.” File Status: Closed
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Waldo machte eine abwertende Handbewegung. „Ich glaube, daß sie meinem japanischen Freund hier helfen können.” Der General wies mit der freien Hand auf der Asiaten, der Waldo so eingehend musterte, als lese er gerade eine Dateikarte mit seinen Angaben darauf. O'Hara ließ Waldos Hand los. „Mr. Nagashima ist Erster Firmenratsvorsitzender der Robot Development, Inc.” Der Asiate und der Farbige grüßten sich knapp und unpersönlich. General Nichelson bat Waldo Broose sich zu setzen und anzuhören, was O’Hara ihnen zu sagen hatte. Broose tat wie ihm geheißen und ließ sich auf dem Sitz rechts von Penman nieder. „Also, General", wandte Nichelson sich dann höflich an den ehemaligen Kollegen. „Berichten sie uns von dem Problem, daß sie beide hierhergeführt hat.” „Vielen Dank", erwiderte O’Hara und erhob sich von seinem Sitz. Er baute sich vor ihnen auf und man konnte ihm ansehen, daß er gerne so dastand und sich mindestens genauso gerne selber reden hörte. „Die Robot Development, Inc. arbeitet schon lange Jahre mit der U.S. Navy zusammen. Bisher mit großem Erfolg. Daher sehe ich es als meine Pflicht an, meinem Freund Mr. Nagashima und seiner Firma aus ihrer jetzigen Lage zu helfen. Darum habe ich ihn mit hierher gebracht, um ihn davon zu überzeugen, daß die F.I.G. ihm helfen kann.” Es folgte eine kurze Pause. Der General sah von einem Zuhörer zum anderen. Er kam sich anscheinend vor wie ein Prophet vor seinen Jüngern. Broose langweilte sich jetzt schon und er sehnte sich nach einer geschmackvollen Zigarre. Der Tag war anstrengend genug gewesen. „Vor zwei Jahren", redete O’Hara endlich weiter, „gaben wir die Entwicklung eines neuen Roboters in die Hände der Robot Development. Die Armee der Vereinigten Staaten von Amerika steckte viel Geld in die Entwicklung, da sie sich von diesem Projekt sehr viel bessere Kampfergebnisse in kleinen
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Guerillakriegen, Revolten, Aufständen und beim Schutz wichtiger Objekte in den Kolonialwelten versprach.” „Also handelt es sich um einen neuen Kampfroboter", verkürzte Broose das umständliche Geschwafel des Generals, was ihm einen mißbilligenden Blick des Redners einhandelte. Dann lächelte O’Hara lobend. „Sie haben das sehr schnell erfaßt, Master Sergeant. Genau darum handelt es sich hier. Aber eigentlich auch wieder nicht.” O’Hara sah mit mit sichtlichem Genuß die fragenden Blicke der F.I.G.-Mitglieder. „Die MBE-1/P ist eine universell einsatzfähige Gefechtseinheit mit großer, variabler Feuerkraft.” Er drückte auf den Knopf einer kleinen Fernbedienung, die er unbemerkt aus der Jackettasche geholt hatte. Auf dem blassen Schirm hinter ihm erschien eine Konstruktionszeichnung der besagten Maschine. Auf den ersten Blick erkannte Broose überhaupt nichts aus dem Gewirr verschiedenfarbiger, exakter Linien und Striche, die wie nach Zufallsprinzip mit Zahlen und Schriftzeichen versehen waren. Erst als er die roten, blauen, schwarzen und grünen Striche, die sich über das grau-weiße Zeichenraster verteilten, voneinander abgegrenzt und geordnet hatte, konnte er klar und deutlich ausmachen, was davon die Umrisse der MBE-1/P waren. Die schwarzen Linien hatten eine Form, die ihn ungefähr an eine auf zwei angewinkelten Beinen laufende Kreuzung zwischen Ameise und Heuschrecke mit zwei Armen erinnerte. Was sich da rot von der schwarzen Zeichnung abhob, war unschwer als eine ansehnliche Sammlung verschiedenster Waffen samt Modellnummern zu erkennen. Broose, sowie sein Kollege Ray Penman, kannten die Modellnummern der meisten Waffen im Schlaf oder konnten sie zumindest nach einigem Überlegen, ähnlich wie ein Chemiker chemische Formeln, entschlüsseln. Sie tauschten erstaunte Blicke, als sie still einige Zahlenreihen übersetzt hatten.
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Die Bewaffnung dieser Maschine war stark genug, um ein schweres All-Geländefahrzeug restlos zu Altmetall zu verarbeiten. Allein schon die am Heuschreckenschädel angebrachten Geschützlafetten ließen Waldo einen Schauer über den Rücken laufen, als er daran dachte, was möglicherweise sein Auftrag sein könnte. „Ich werde ihnen ein paar technische Daten geben, die ihnen ein ungefähres Bild von dem Potential unseres Roboters vermitteln werden", nahm O'Hara seinen Vortrag wieder auf. „Die Bewaffnung ist unter Berücksichtigung der breiten Einsatzpalette der Maschine ausgewählt worden. Die zwei Arme sind an ihren Ende mit Greifzangen versehen, die gleichzeitig als Werkzeuge und Nahkampfwaffen eingesetzt werden können. Weiterhin sind die, sagen wir Unterarme, an ihren Unterseiten mit Schneiden bestückt, die ebenfalls im Kampf Maschine-Mann Verwendung finden. Oberhalb der Greifwerkzeuge sind am rechten Arm ein Flammenwerfer und am linken Arm ein Granatenwerfer installiert.” Es folgte ein kurze Das-Beste-kommt-erst-noch-Pause. „Die Schädelbewaffnung ist die Primärbewaffnung der Einheit. Beide Lafetten können unabhängig voneinander bewegt werden, ähnlich wie die Augen eines Chamäleons. Die Zielsucher sind ebenfalls dort angebracht. Die Bestückungen beider Geschützhalter sind identisch. Das heißt im Klartext: je ein 20mm Schnellfeuergeschütz, doppelläufig, ein unterstützendes 10mm Geschütz und ein Werfer für panzerbrechende „Stinger MK II” Miniraketen. Diese haben eine effektive Reichweite von mehr als vierhundertundfünfzig Metern. Die Munition für alle Waffenarten ist in den ringförmigen Vorrichtungen seitlich jedes Geschützes enthalten. Es handelt sich hier um eine neuentwickelte Art von Magazinen, die sehr viele Sorten von Munition führen und verwenden kann. Spezialmunition würde den Aktionsradius der Einheit nur eingrenzen. Wir haben die MBE-1/P so entwickelt, daß sie auf Jahre hin operieren kann, wenn nötig. File Status: Closed
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Die gesamte Panzerung und auch die Waffen bestehen aus einer äußerst robusten und leichten Titanlegierung. Ein winziger Konverter der einen der Kernfusion ähnlichen Vorgang durchführt, versorgt den Roboter mit Strom. Der Wasserstoff kann aus der Luft gewonnen werden, so ist der Roboter vollkommen unabhängig von nahen Energiequellen. Haben sie bis hierhin irgendwelche fragen?” Die drei Abgeordneten der F.I.G. saßen schweigend da und verdauten den Informationsfluß wie ein Pfund hartgekochte Eier nach dem Frühstück. Es war beeindruckend. Das war überhaupt keine Frage. Sie hatten es hier mit einer neuen Art von Ein-Mann-Armee zu tun, die auf irgendein Ziel losgelassen werden konnte und solange immer wieder angreifen konnte, bis dem Gegner die Munition aus- oder der Glaube an seine Waffen verging und sich zurückzog oder irgendwann ausradiert war. Der General wartete geduldig und sah beinahe zufrieden von oben auf die ernsten Gesichter der Söldner in der ersten Sitzreihe. Ray Penman fand als erster seine Stimme zurück. „Die Bewaffnung Ihres Babys ist wirklich mehr als ausreichend, daß steht völlig außer Frage. Aber wieso hat man einer Kampfmaschine wie dieser Beine gegeben?” O’Hara setzte wieder sein gütiges Lächeln auf, bei dem sich nur sein Mund bewegte. Natürlich war er auf diese Frage gefaßt gewesen. „Sie gewährleisten größere Mobilität, ganz einfach. Die MBE1/P ist ohne weiteres in der Lage auch in unwegsamstem Gelände eingesetzt werden zu können. Stellen sie sich ein altes Modell mit Kettenantrieb oder gar Rädern vor, das vor einer steilen Fels- oder Hauswand steht.” Er machte eine Geste, als schaue er eine imaginäre Steigung hinauf und für Broose sah er einen Moment so aus, als bete er zu einem Götzenbild. „Sie ist am Ende, sie wird das Ziel hinter dem Hindernis wenn überhaupt, dann nur auf Umwegen erreichen und womöglich noch von den dort installierten Wachposten File Status: Closed
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vernichtet. Aber stellen sie sich deren Gesichter vor, wenn unser Prototyp über die Berge kommt, was man von einem Roboter ja nun wirklich gewohnt ist!” O’Hara wies auf Nagashima, der sich still und steif gab. „Mr .Nagashima selbst hat die Klettertauglichkeit der Maschine überprüft und bis aufs i-Tüpfelchen perfektioniert. Es gibt kein Hindernis für den Roboter. Selbst senkrechte Metallwände kann er erklettern. Seine Greifwerkzeuge sind aus- und einschaltbare Elektromagnete. Nichts kann ihn aufhalten.” „Gibt es Filmaufnahmen?” fragte Waldo kurz und knapp. Er hatte nicht vor noch mehr auf die Details einzugehen. Einem Mann der ihm so unsympathisch war wie O’Hara durch noch mehr Fragen den Stolz auf sein Baby zu rechtfertigen, ließ ihn sein berufsbedingte Neugierde vergessen. „Äh… nein", schmunzelte der General mit einem entschuldigendem Gesichtsausdruck. „Doch Mr. Nagashima wird ihnen dazu jetzt einiges zu sagen haben. Wenn ich sie bitten dürfte unseren Freunden den Grund für unser Kommen zu erklären, Mr. Nagashima.” Der Japaner in dem grauen Anzug erhob sich mit asiatischer Würde und General O’Hara setzte sich vollends zufrieden mit der Wirkung seiner Rede auf dessen Platz. Broose und Penman war die Abwechslung nur recht. Der Asiate war wenigstens nicht so eingebildet und arrogant wie sein Vorgänger. Nach einer kurzen Pause aus Unschlüssigkeit darüber wie er anfangen sollte, begann Nagashima mit seinem Bericht, indem er sich leicht vor ihnen verbeugte. Diese Höflichkeit hätte O’Hara ganz gut getan. „Meine Herren", begann er förmlich und in makellosem Englisch, „General O’Hara hat sie ja gerade über die hauptsächlichen technischen Aspekte der MBE-1/P aufgeklärt. Ich bin nun derjenige, der eigentlich ihr Auftraggeber ist. Wie sie sicherlich bemerkt haben, ist die Maschine, um die es sich hier handelt, nur ein Prototyp und hat vielleicht noch einige File Status: Closed
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Fehler, auf die wir bisher noch nicht aufmerksam geworden sind. Daher schickte ihn meine Firma auf Anraten der amerikanischen Armee auf den Planeten Hiyake IV, der neben ein paar anderen Siedlungsprojekten eine kleine Probekolonie zur Treibstoffförderung mit der Kennung R9/E, die übrigens in amerikanisch-japanischer Zusammenarbeit errichtet worden ist, beherbergt. Dort sollte er als Wache getestet werden und ein paar ferngesteuerte Feinde abwehren. Doch dann muß etwas schiefgelaufen sein. Wir müssen davon ausgehen, daß die Einheit auch die Kolonisten angegriffen hat und es wahrscheinlich ein paar Tote gegeben hat.” Man sah ihm an, daß er sich schämte. Nur wofür er sich so schämte, war Broose nicht ganz klar. Wegen der Toten oder dem Versagen seiner Erfindung? „Es ist im Interesse meiner Firma, daß die Maschine vernichtet wird und die Überlebenden in Sicherheit gebracht werden.” Broose meldete sich zu Wort. „Ja, bitte?” „Wenn dieser Roboter für die Navy gebaut wurde, warum werden dann nicht ein paar Marines auf Hiyake IV abgesetzt?” Der Japaner wechselte mit O’Hara ein paar hilflose Blicke. Nach ein paar Sekunden kam er dann zur Antwort. „Es liegt meiner Firma sehr an Diskretion und ihre Organisation ist eben dafür bekannt. Bei den Marines rutscht schon mal dieses oder jenes durch und eine Firma wie die unsrige kann sich keine schlechte Publicity leisten. Sie haben mit solchen Aufträgen ja schon genug Erfahrung und es wurde mir versichert, daß es da keine Probleme gibt.” Bevor Broose eine schnippische Antwort geben konnte, bestätigte Nichelson die Verschwiegenheit der F.I.G. und beruhigte den Asiaten mit ein paar sehr vagen Beispielen aus früheren Aufträgen, wo ebenfalls spezielle Bedingungen gestellt worden waren. Über einen Auftrag zu schweigen, war aber etwas Neues, soweit Broose sich zu erinnern vermochte. File Status: Closed
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Nagashima schien aber überzeugt davon zu sein, daß Nichelson ein ehrenhafter Mensch war, dem man ein Geheimnis anvertrauen konnte. „Alle weiteren Details über den Auftrag und ihr Einsatzgebiet haben wir auf Disc festgehalten”, erklärte Nagashima weiter. „General Nichelson wird sie ihnen dann überreichen. Die Zeit drängt. Das Leben vieler unschuldiger Menschen hängt davon ab, wie schnell sie einsatzbereit sind.” Damit war die Auftragsbesprechung auch schon wieder vorbei. Man bedankte sich bei den Anwesenden F.I.G. Mitgliedern und verließ den Raum, um im Zimmer des Generals die Formalitäten abzuhalten. Broose und Penman blieben noch im Besprechungssaal zurück. Als die Gäste und General Nichelson hinter der Tür verschwunden waren, meinte Penman: „Ein ganz schönes Ding, hm?” „Kann man wohl sagen", bestätigte Broose und sah nochmal zum Projektionsschirm hinüber. „Und ich darf dieses Mistding wieder in seine Einzelteile zerlegen. Ich habe da ein ganz mieses Gefühl.” „Viel Spaß wünsch ich", grinste der Brite den Farbigen an. Waldo bedachte ihn mit ein paar funkelnden Blicken, aber schließlich grinste er auch. „Ich dir auch, Penman. Machst du gerade Gedächtnistraining?” „Nein, wie kommst du darauf?” „Dann hast du wohl doch nur vergessen, das Diktiergerät einzuschalten oder?” „Wa...? Scheiße", stöhnte Penman, als er auf sein Gerät schaute und feststellte, daß Broose recht hatte. Dann aber lachte er kopfschüttelnd. „Ach was soll’s.” Er klopfte Waldo auf die Schulter und steckte das Aufnahmegerät in die Hosentasche. „Los komm, ich geb dir einen aus. Auf deinen Auftrag und einen glücklichen Verlauf.” „Wie soll er denn sonst verlaufen?” lachte Waldo. „R9/E! Noch ein Kolonie-Planet, der in seinem Ursprungszustand ist. File Status: Closed
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Wahrscheinlich wieder so ein Sumpf wie beim letzten Einsatz.” Sie verließen den Raum ohne noch einen weiteren Blick auf die metallene Heuschrecke auf dem Projektionsschirm zu werfen, die auf einem weit, weit entfernten Planeten auf sie wartete - wie eine stählerne Spinne in ihrem tödlichem Netz.
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F.I.G. FILE: 3321/a *Prototype* Landefähre Zulu II der F.I.G.
last Changes: 232.2212 16:35 SET 048.2212 08:22 SET
Die Einheit die Broose anführte bestand aus nicht mehr als sechs Mann. Waldo war der ranghöchste Offizier und somit der Anführer. Private John Paxton war der Techniker der Einheit, Private First Class Nick „Skull” Dillinger und Michail Andrejeff waren die Nahkampfspezialisten. Der MedTech war die noch recht junge Kimberley Foster, die nach einstimmiger Meinung der männlichen Besatzung der F.I.G. mit Abstand die hübscheste Soldatin der Einheit und ganz im Gegensatz zu allen Vorurteilen auch noch sehr intelligent war. Waldo hatte sie gerne auf Einsätzen dabei. Sie war eine moralische Stütze. Ihr Optimismus war ein vernichtender Gegner für jede Art von Problemen. Allerdings war sie unerreichbar für alle anderen Soldaten außer John Paxton. Alle waren überrascht gewesen, als herauskam, daß die beiden ein Paar waren. Dann war da noch der Fährenpilot Sergeant Günther Freitag, den alle Nicht-Deutschen nur Fritz nannten, weil er wirklich unverkennbar deutsch aussah und man in geheimen Sitzungen bei ihm Sauerkraut und Weißwurst aß, die nicht synthetisch hergestellt worden waren. Seine Mutter versorgte in direkt aus dem bayrischen Dorf, aus dem er kam, mit diesen Raritäten. Den Gamsbart, den er an seinem Helm seines Kampfanzuges trug, hatte ihm Penman im Namen seiner Einheit geschenkt, als ihm die Purple-Heart Auszeichnung für Verwundung im Kampfeinsatz verliehen wurden. Der Truppentransporter setzte sie mit der Raumfähre dicht über der Atmosphäre des Planeten ab. Hiyake IV war erst kürzlich besiedelt worden und die Klima-Regulierung hatte noch keine nennenswerten Erfolge erzielt. Daher befanden sich die Kolonie auch zumeist noch in der Erprobungsphase. Das Klima auf Hiyake IV war alles andere als feucht, wie Broose zunächst befürchtet hatte. Es war in seiner Unterteilung in mehrere Zonen der Erde vor der weltweiten File Status: Closed
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Verbreitung der Wetterkontrolle nicht unähnlich. Die Region in der sie landen würden, war eine staubtrockene und wahrscheinlich kochendheiße Wüste. Der Sinkflug dauert knapp eine Viertelstunde. Schon aus der Luft war das Ausmaß der Zerstörung gut zu erkennen. Die kleinen kubischen Leichtmetallhütten, die in einem etwas unregelmäßigen Schachbrettmuster angeordnet waren, sahen aus, als habe eine Panzerkolonne sich ihren Weg quer durch das Gebiet geschossen. Hier und da war der leicht rot schimmernde Sandboden mit schwarzen Kratern und unidentifizierbaren, geschwärzten Wracks übersät wie mit schwarzen Pusteln oder Warzen. Bei manchen Wohnbauten fehlten ganze Seitenteile oder die Decken. Metallsplitter waren über das ganze Gebiet verstreut wie kalt blitzendes Konfetti. „Mannomann", murmelte der das Raumschiff fliegende Fritz nur und sah zweifelnd zu Waldo hinüber, der neben ihm auf dem Kopilotensitz saß. „Bist du sicher, daß es sich nur um einen Roboter handelt?” Die Frage war ernst gemeint. Broose nickte schweigend. „Wir sollen Überlebende finden?” zweifelte Andrejeff, der sich gerade hinter Fritz auf dessen Kopfstütze lehnte und an ihnen vorbei ebenfalls auf die durcheinandergewürfelten Trümmer zu ihren Füßen schaute. „Wenn da jemand überlebt hat, dann geh ich ab nächsten Sonntag wieder in die Kirche.” „Sieht ganz so aus, als könntest du Atheist bleiben", meinte Fritz und kippte ein paar Schalter um. Ein leises Surren ertönte und der Pilot machte ein zufriedenes Gesicht. Die Landestelzen fuhren aus, ohne Ärger zu machen. Er hatte daran gezweifelt, da der Eintritt in die Atmosphäre etwas heftig gewesen war. Die oberen Luftschichten waren so turbulent wie eine Achterbahn. Aber es war offensichtlich nichts beschädigt worden. Die, im Verhältnis zu dem Transporter, der sie alle ins Orbit des Planeten gebracht hatte, kleine Raumfähre senkte sich File Status: Closed
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mit ausgestreckten Landebeinen auf den provisorisch angelegten Landeplatz im Zentrum des Chaos herab. Aufgewirbelte Sandwolken verteilten sich bald wieder und die Sicht um das Schiff herum wurde klar. Vorerst tat sich aber nichts. So hätte es zumindest für einen Beobachter von außen ausgesehen. Im Innern des Gefährts hingegen herrschte regelrechte Hektik. Die Soldaten machten sich zum Ausstieg aus der Seitenluke bereit. „Fritz, Außentemperatur- und Luftanalyse!” bellte Broose zu dem Deutschen herüber, der immer noch in dem Pilotensitz sitzend an den Amaturen herumfingerte und von den Anzeigen bald für sein gekonntes Bedienen mit den angeforderten Daten belohnt wurde. „Fünfundvierzig Komma sieben Grad Celsius, Atmosphäre atembar, nicht kontaminiert!” „Du bist ja auch noch nicht draußen!” lachte Nick, der Kimberley gerade die Schulterpanzerung Kampfanzuges festzurrte. „Gib ihm mal einer ‘nen Tritt in den Arsch, ich bin leider gerade beschäftigt!” Andrejeff tat es tatsächlich, fast ohne zu zögern, worauf Nick „Skull” den Weißrussen böse angiftete. Waldo grinste und setzte sich den Schutzhelm auf, der mit Infrarot-Sichthilfe, Kurzstrecken-Funkgerät und einer kleinen aber leistungsfähigen Lampe versehen war. Der Helm gehörte ebenso wie die Gefechtspanzer, die mit ihrer dunkel-oliv oder schwarzen Farbe ihre Träger gefährlich und aggressiv aussehen ließen, zu der Standardausrüstung jedes F.I.G.Kriegers. John Paxton reichte ihm eines der großkalibrigen Schnellfeuergewehre der F.I.G., welche an der Unterseite noch über einen Granatenwerfer und einen Flammenwerfer verfügte. Diese Ergänzung war eine hochentwickelte Vorrichtung, welche spezielle Kleingranaten verschoß und ein ebenso hochkomprimiertes wie teures Spezialnapalm verwendete. Das machte jeden Einsatz zwar kostspielig, aber File Status: Closed
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den Drilling, wie man die Kombi-Waffe gemeinhin nannte, wollte niemand mehr missen. Paxtons Gesicht war das des typischen All-American-Boy, offen, sanft und ganz und gar nicht soldatenhaft, sowie Skulls oder Andrejeffs eisenharte Visagen, die schon zahlreiche Narben aufwiesen. Kimberley zwinkerte ihm lächelnd zu, als sich ihre Blicke trafen. Paxton packte die behandschuhte Rechte der Australierin im Gefährten-Griff und wünschte ihr Glück. Fritz war jetzt auch aufgestanden und zwängte sich an den beiden Turteltauben vorbei, um seine Ausrüstung zusammenzusuchen. Andrejeff und Nick tauschten die ErstMagazine ihrer Waffen aus und kreuzten mit einem unartikulierten Schlachtruf ihre Läufe. Sie waren beide heiß auf den Geruch von Pulverdampf und Gefechtslärm. Waldo wurde von einem Zusammengehörigkeitsgefühl erfaßt, daß er mit dieser Mannschaft jedesmal aufs Neue spürte und es genoß. Es gab ihm ein Gefühl der Sicherheit. Dann besann er sich jedoch wieder auf seine Aufgabe. „Schluß mit dem Getrödel, Männer! Man erwartet von uns Pflichtbewußtsein! Paxton, Foster! Schmusen könnt ihr, wenn ihr wieder zu Hause auf dem Mond seid! Jetzt verlange ich von euch Disziplin!” John und Kimberley setzten ihre Helme auf und entsicherten mit knappen Bewegungen ihre Schußwaffen. Fritz öffnete auf Waldos Zeichen hin die Luke. Das grelle Licht blendet sie einen Moment. Warme, sandige Luft und ein paar Metallfolienfetzen wurden hereingeweht. Andrejeff grunzte mißmutig irgend etwas Unverständliches, daß sich aber bestimmt auf seine erste Meinung über diesen Planeten bezog. Er und Nick schoben ihre massigen Körper als erste durch die Luke nach draußen, die unförmigen Waffen im Anschlag suchten sie die Gegend mechanisch nach potentiellen Feinden ab. Dann stapften sie die schmale Rampe herunter. Broose war der nächste, gefolgt von John und Fritz. Kimberley bildete das Schlußlicht und sie wartete einen Augenblick. Sie sah von der Luke aus über das Szenario, das File Status: Closed
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sich ihr hier bot. Es war fürchterlich. Trümmer über Trümmer, zerschossene Häuserwände, Fahrzeuge, Förderanlagen. Es gab auf den ersten Blick nichts, das noch halbwegs intakt war oder wenigstens diesen Anschein erweckte. Ihr schien es, als sei eine Bestie aus der tiefsten Hölle durch die kleine Kolonie gerast und habe mit unbändigem Haß alles zerrissen, zerquetscht, umgeworfen und zerstört, was ihr gerade in den Weg gekommen war. Von oben hatte man das ganze Ausmaß der Vernichtung gar nicht ausmachen können. Aus der jetzigen Sicht war alles mindestens noch dreimal so schlimm. Kimberley goldenes, langes Haar wurde von dem heißen Wind durcheinandergewirbelt, als sie mit langsamen Schritten die Rampe hinunterschritt. John wartete unten auf sie. Sein Gesicht zeigte den selben Ausdruck von Faszination und Fassungslosigkeit wie Kimberleys. „Ich glaube, wir wären besser zu Hause geblieben.” Kimberley nickte stumm und steckte sich das störende Haar unter den Helm. Hinter ihnen schloß sich mit einem fauchenden Luftsog die Luke und die Rampe fuhr sich selbstständig ein. Die Gruppe bewegte sich vorwärts.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 08:46 SET
Überall bot sich ihnen dasselbe Bild. Verwüstung wohin man nur sah. An manchen Stellen war der Sand aufgewühlt und geschwärzt durch Geschoßsalven und Explosionen. Der Fahrzeugunterstand in der Nähe des Flugplatzes schien von einer Bombe direkt getroffen worden zu sein. Gegenüber dem Landeplatz der Raumfähre befand sich ein großes Lagerhaus, das einem zweistöckigen Bunker ähnelte und im Gegensatz zu den anderen Gebäuden nicht aus Metallegierungen, sondern aus Beton bestand. Die große Zufahrt stand offen, wie der Rachen eines gähnenden Ungetüms und in gezackten Linien zogen sich Spuren von kleinen und großen Geschossen über die graue, robuste Außenhaut des Gebäudes. In loser Formation schritten die sechs Infanteristen durch die stille Trümmerlandschaft, die sie umgab. Das klagende Heulen des Windes und ab und zu Geklapper von irgend etwas, das sich im Wind bewegte, waren die einzigen Geräusche neben den leisen Schrittgeräuschen der sechs Menschen. Waldo versuchte, sich das grauenvolle Geschehen auszumalen, das sich hier abgespielt haben mußte. Es mußte an allen Ecken und Enden gebrannt haben. Die Kolonisten waren nicht zum Kampf ausgerüstet gewesen. In ihrer Panik hatten sie bestimmt leichte Ziele für die mit tödlicher Präzision arbeitende Kampfmaschine abgegeben. Die MBE-1/P mußte wie ein Berserker unter ihnen gehaust haben. Der Roboter hatte auf nichts Rücksicht genommen, weder auf Frauen oder Kinder, Alte oder Kranke, soviel war sicher. Darauf war er nämlich nicht programmiert. Seine Aufgabe war die Erfassung eines Ziels und dessen Vernichtung. Es war nichtmal sicher, daß irgendeine Gegenwehr stattgefunden hatte. Die Kolonisten waren ein paar wild durcheinander rennende Ziele in einem Schießstand gewesen, nicht mehr. Aber etwas stimmte nicht. Waldo wußte zuerst nicht genau was, aber dann fand er ebenso schnell die Antwort. File Status: Closed
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„Wo sind die Leichen?” Die Truppe hielt wie auf Befehl an. Ratlos blickten sich die hartgesottenen Soldaten um. Broose hatte recht. Überall in dieser Geisterstadt gab es Zeichen für ein großes Schlachtfest, einen barbarisch geführten, einseitigen Kampf mit einem übermächtigen Gegner. Doch nirgendwo waren sie bisher auf Leichen gestoßen. Es schien ganz so, als ob kein Mensch in dem Feuerorkan ums Leben gekommen war. „Vielleicht haben sie rechtzeitig gemerkt was los war und haben sich irgendwo in den Bergen nördlich von hier in Sicherheit gebracht", meinte Kimberley tonlos. Die Sonne brannte sengend vom Himmel herab. Inmitten der Metallbauten wurde der Backenofeneffekt beinahe unerträglich. „Nein, dann sähe es hier bestimmt nicht so aus", murmelte Fritz, der sich umsah und das alles hier immer noch nicht zu glauben schien. Er wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. „Fritz hat recht", sagte Waldo rauh. „Der Robbi mag einen defekt in seiner Zielerfassung haben, aber er würde nicht wild in der Gegend herumballern. Außerdem haben sie sich, wenn auch kaum spürbar, gewehrt.” Er deutete auf ein paar unregelmäßig verlaufende Einschußlöcher. „Das waren in Panik geratene oder unfähige Schützen. Kein noch so defektes Programm würde ein solch unkontrolliertes Feuer zulassen.” Er holte seufzend Luft und sah Kimberley beinahe entschuldigend an. „Nein, es muß etwas anderes mit den Opfern passiert sein.” Sie setzten sich wieder in Bewegung. Langsam gingen sie zwischen den demolierten Bauten entlang und hielten Ausschau nach etwas Großem aus Metall oder nach totem Fleisch. Paxton versuchte im Laufen mit einem SenderPeilgerät irgendwelche Hilferufe aus dem Äther zu fischen, aber außer statischem Rauschen gab es da nichts. Das Gerät
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schwieg. Sichtlich frustriert steckte der junge Soldat wieder in die Brusttasche seine Anzuges. Fritz schritt zusammen mit Skull an der Spitze der Sextetts. Sie kamen jetzt an einer Reihe von Wohnbauten vorbei. Skull blieb vor einer stehen, deren Tür aus den Angeln gerissen worden war, als sei etwas von innen heraus gekommen ohne sich die Mühe zu machen die Tür vorher zu öffnen. Er sah fragend zu Waldo herüber, der nickte und der Soldat macht einen Schritt durch die ausgefranste Türöffnung. Fritz kam hinterher und gab ihm Rückendeckung, so gut es ging. Er war darauf gefaßt, den Roboter hinter jeder Ecke hervorstampfen zu sehen. In der Wohnabteilung der Hütte sah es nicht besser aus, als das Äußere des Hauses hatte vermuten lassen. Die beiden Männer durchkämmten vorsichtig das Chaos und machten sich geistig schon auf eine Begegnung mit Leichen gefaßt. Sie hatten schon viele gesehen im Laufe ihrer Dienstzeit, aber der Schrecken blieb immer derselbe. Fritz kam jetzt in den Raum, der das Schlafzimmer gewesen sein mochte. Das was er hier sah, ließ ihn erstarren. „Skull", rief er Nick herbei, der nebenan in der Küche gestanden hatte. Als er neben Fritz stand, sah er, was den Deutschen so erstaunt hatte. Ein riesiges gezacktes Loch befand sich dort, wo eigentlich die Rückwand hätte sein müssen. Die scharfen Metallkanten war nach innen gewölbt und man konnte auf die große, aus unzähligen Rohren- und Stahlträgern bestehende ProbeFörderstation sehen, die keine fünfzig Meter entfernt gegenüber in den wolkenlosen Himmel ragte. Das Bett war nur noch schwer als ein solches zu erkennen. Es war von etwas mit großer Feuerkraft zu Kleinholz verarbeitet worden. Bettdecke, Kissen, Matratze und Laken waren durchlöchert und aufgeplustert, Schaumstoffflocken waren wie Schnee im ganzen Raum verteilt. Aber da war noch etwas anderes. Es war überall, an den Wänden neben der Tür, File Status: Closed
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den Bettlaken, auf dem Boden, an der Decke, an der schmucklosen Neonlampe und an den Resten eines zerfetzten koloniegebundenen Radioempfängers. Blut. „Gottgütiger", flüsterte Fritz heiser. „Das Ding muß sie im Schlaf erwischt haben.” Skull nickte. Mit dem Lauf seines Gewehrs durchstöberte er die Überreste des Bettes. Unter den blutgetränkten Stoffetzen fand sich aber nichts außer noch mehr Schaumstoff. Nicks Blicke schweiften durch den Raum, er schluckte hart. „Ja, er hat sie abgeschlachtet. Aber wo sind die Leichen Fritz, wo sind die verdammten Leichen?” „Gehen wir", schlug Fritz vor. Die Augen nicht von dem schaurigen Bild lassend verließen beide rückwärts das Haus. Die anderen hatten sich jetzt aufgeteilt und durchsuchten systematisch Haus für Haus. Andrejeff und Waldo übernahmen die linke Häuserreihe, Kimberley und Paxton die rechte. Fritz und Skull stiefelten mit düsteren Mienen über den sandigen Weg und ließen ihre Blicke schweifen. Der Tod war jetzt allgegenwärtig. Es war ihnen zuerst gar nicht aufgefallen, weil sie es nicht erkannt hatten, aber überall waren kleine und große Blutlachen oder -spritzer auszumachen, manche fast im Sand eingesickert, manche an Hauswänden, als habe man Farbbeutel mit rostroter Farbe dagegen geworfen. Es war immer noch so still wie zuvor. „Nick?” schnarrte Waldos Stimme aus dem Empfänger an Skulls Helm. „Ja, Sir?” meldete sich der Amerikaner wieder beherrscht und sachlich. Er hatte den Schrecken wie üblich schnell verdaut. „Habt ihr etwas gefunden?” „Nein, Sir, nur das Übliche. Schutt und jede Menge Blut, aber keine Leichen.” Er machte eine kurze Pause, um aufkeimende Erinnerungen loszuwerden. „Und es sieht so aus, als sei unser Baby in der Nacht gekommen und habe die Bewohner des Hauses im Schlaf überrascht. Fest steht zumindest, daß er File Status: Closed
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durch die Wand gekommen ist. Ohne Waffeneinsatz. Es gab kein geschmolzenes Metall, nur zerrissenes. Er ist durch die Wand gegangen als bestünde sie aus Alufolie.” „Gut, dann nehmt euch andere Häuser vor. Vielleicht haben sich irgendwo Überlebende versteckt. Wir treffen uns an dem Lagerbunker um spätestens neun drei null,” Waldo schaltete sich aus. Beim vorletzten Satz klang der farbige Master Sergeant so, als würde er selbst nicht an seine Worte glauben. Fritz hatte das Gespräch auch mitbekommen. Er wies mit dem Kinn auf ein noch recht gut aussehendes Leichtmetallgebäude am Ende der Straße. Sie bewegten sich darauf zu.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 08:58 SET
Paxton und Kimberley untersuchten nun ihr mittlerweile viertes Haus. Sie hatten, ohne es zu wissen, dieselben Erfahrungen wie die übrige Mannschaft gemacht. Aber sie ließen sich dadurch nicht abschrecken. Kimberley machte das Blut das einfach überall war, am wenigsten aus. Als FeldSanitäterin war sie daran gewöhnt. In der Küche lief noch rauschend der Wasserhahn des Waschbeckens, so als sei die Hausfrau gerade im Nebenzimmer und Decke den nicht mehr existierenden Tisch und warte darauf, in dem Wasser irgend etwas abwaschen zu können. John drehte ihn zu und das Rauschen erstarb für immer. Durch die halb heruntergelassenen Jalousien vor dem zerplatzten Fenster sickerte goldenes Sonnenlicht. Kimberley schob sich an John vorbei und zog sie mit der im Wind hin und her baumelnden Schnur ganz hoch. Es wurde schlagartig heller. Aber die neue Helligkeit enthüllte keine neuen Details, das Chaos wirkte nur ein wenig chaotischer. Auf der Arbeitsfläche neben dem Kühlschrank und der Mikrowelle lag ein Haufen zerbrochenen Geschirrs vermengt mit Besteck und vertrockneten Essensresten. Eine gerade Reihe faustgroßer Krater zog sich über den Tisch, die Schränke und den Kühlschrank bis hin zu der einzigen Tür im Raum. Vielleicht war die Familie gerade beim Abendessen gewesen, als der ungebetene Gast zum Fenster hineingefeuert hatte. Aber wieder gab es nirgendwo Leichen. Kimberley ertappte sich bei einem Gedanken, der sie selbst vor sich erschrecken ließ: Nichtmal Leichenteile! Aber so schwarz dieser Gedanke auch klingen mochte, so logisch war er. Bei solcher Feuerkraft war es nur normal, daß bei Treffern gegen Gliedmaße, diese abgerissen wurden. Aber entweder hatte der Roboter sehr genau geschossen oder er hatte sich die Mühe gemacht alles von den Opfern zu beseitigen. Und dabei war er ziemlich ordentlich gewesen. File Status: Closed
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„Wo sind sie nur alle?” murmelte John und öffnete von links nach rechts ein paar über der Arbeitsfläche angebrachte Hängeschränke, die von dem Feuer verschont geblieben waren. Glasscherben knirschten bei jedem Schritt unter seinen Füßen. „In den Schränken bestimmt nicht", grinste Kimberley ihn an. Er schnitt ihr eine Grimasse und öffnete trotzig den nächsten Schranktür. Er zuckte zurück, als aus dem halbgeöffneten Schrank etwas mit einem leisen Platschen in das vollgelaufene Waschbecken fiel. Er atmete auf und richtete die instinktiv gezogene Waffe wieder zu Boden, als er erkannte, daß es nur ein totes Kätzchen war. Die Leichenstarre verlieh ihr mehr Ähnlichkeit mit einem Stofftier als mit einem ehemals lebendigen Wesen. Wie ein Angelschwimmer wippte das Jungtier auf dem in Bewegung geratenen Wasser auf und ab. Paxton verzog das Gesicht, als sich getrocknetes Blut wie roter Farbstoff aus dem Fell des Kadavers löste und das Wasser verfärbte. Kimberley schulterte ihr Gewehr, um beide Hände frei zu haben und hob die Katze am Schwanz aus dem Wasser. Gestank hatte sich im Raum ausgebreitet, süß und penetrant wie ein perveses Parfüm. Kimberley legte das Kätzchen mit bedauerndem Gesicht auf die klebrige Ablage. Blut war an der Wand hinter dem Schrank, aus dem die Katze gefallen war, durchgesickert und hatte sich über die Ablage verteilt. Paxton stellte das Fenster auf Kippe, um frische Luft hereinzulassen, als er den Gestank nicht mehr aushielt. Kimberleys Gesicht bekam argwöhnische Grübelfalten, als sie die Katze auf Wunden untersuchte. Irgend etwas schien nicht zu stimmen. Paxton kam vom Fenster zu ihr herüber, als ihr Kopf plötzlich hochruckte und sie in den noch etwas offen stehenden Schrank starrte. Kimberley schrie gellend auf, stolperte immer noch schreiend rückwärts und fiel über einen Stuhl. Ihr Gesicht spiegelte das reine, unverhüllte Entsetzen wieder. Paxton war schnell bei ihr und mit der Waffe auf den Schrank gerichtet, File Status: Closed
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hielt er sie fest. Angesichts Kimberleys heftiger Reaktion war er überrascht und verwirrt. Tröstend redete er auf sie ein und als ihr Verstand ihrem Entsetzen die Kontrolle über die Körperfunktionen wieder abnahm, begann die junge Frau zu schluchzen und klammerte sich an John fest. Ihren Helm hatte sie beim Sturz verloren, so konnte Paxton ihr tröstend den Kopf streicheln. Nebenbei versuchte er zu erkennen, was Kimberley so erschreckt hatte. Er sah zum Schrank hinüber, dessen Tür jetzt vom Luftzug langsam hin und her schwankte. John kniff blitzartig die Augen zu, als ein schwindelerregender Ekel ihn heimsuchte wie ein Sturmwind. Er drückte Kimberley noch fester an sich und rang mit seinen Magensäften. Die Katze war in ihrem Sarg nicht allein gewesen. Wie ein rohes Stück Fleisch in einer Speisekammer lag in dem notdürftig ausgeräumten, engen Schrank die grausam entstellte Leiche eines kleinen Babys. Es hatte den Schnuller noch im Mund und seine Augen starrten tot und auf grauenerregende Weise gleichzeitig doch noch lebendig wirkend aus dem Halbdunkel heraus. Die kleinen Ärmchen waren mit unzähligen Bißwunden übersät und der gelbe Strampler mit einer aufgenähten Ente auf der Brust war mit dem geronnenen Blut des Kleinkindes beschmiert. Auch das Gesicht mit den Pausbacken war zerkratzt und das linke Ohr fehlte fast ganz. Die Katze war verdurstet, nicht verhungert oder gar verblutet. Die Eltern hatten beide in der Hitze des Gefechts wohl hier versteckt, in der Hoffnung irgendwann zurückzukommen und mit dem Baby zu fliehen. Die Anwesenheit der Leiche ihres Kindes war aber der untrügliche Beweis dafür, daß der Prototyp einer neuen KampfroboterFamilie der ROBOT DEVELOPMENT, Inc. fast perfekt funktionierte. John wartete so lange, bis Kimberley aufgehört hatte zu weinen und stand dann zusammen mit ihr auf. „Laß uns verschwinden", sagte er und setzte ihr den Helm wieder auf, den er neben dem Stuhl fand. Sie nickte fest und strengte sich File Status: Closed
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an, die Fassung zu bewahren. In ihren Augen flackerte noch gnadenloser Horror, als er sie vor sich herschob und sie die Küche mit den zwei Leichen wieder verließen. Im Türrahmen blieb der Soldat noch einmal kurz stehen, drehte sich um und blies einen kurzen, gleißenden Feuerstoß aus seinem Flammenwerfer in den Schrank mit dem verstümmelten Baby. Dann ging er endgültig hinter Kimberley her, die davon nichts mitbekommen hatte. Er hoffte inständig, daß mit den Flammen auch seine Erinnerungen an diese Szene verbrennen würden, aber das glaubte er nicht; nicht wirklich.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 09:01 SET
Zur selben Zeit als Kimberley Foster ihre furchtbare Entdeckung machte, trat Andrejeff in den großen Lagerbunker. Die Deckenlampen brannten nicht mehr. Wahrscheinlich war der Reaktor der Kolonie defekt. Die geräumige Halle wurde nach hinten hin immer dunkler und keine fünfzehn Meter weiter im Innern war es stockfinster. Waldo erreichte den Eingang, als Andrejeff seine Lampe einschaltete. Der helle Lichtkegel reichte über zehn Meter weit in die Dämmerung herein und glitt über graue Metallcontainer mit gelben Schriftzeichen und Warnschildern, die in endlosen Reihen übereinander gestapelt waren und stumm darauf warteten abgeholt zu werden. Waldo knipste sein Licht an und ging schußbereit in die Lagerhalle hinein. Das Sonnenlicht und die staubige Hitze blieben hinter ihm zurück. Andrejeff folgte ihm auf dem Fuße. Bald reichten die Lichtstrahlen ihrer Helmlampen nur noch aus, um kleine Ausschnitte aus der Dunkelheit herauszutrennen und für das menschliche Auge erfaßbar zu machen. Die zwei Lichtflecke tasteten den glatten Betonboden, die mit ein paar Rohren und Leitungen verzierte Decke und die unzähligen Frachtcontainer mit ihren Bezeichnungen ab. Waldo las manche im Vorübergehen. Es handelte sich fast ausschließlich um Treibstoffbehälter, die den hier geförderten Brennstoff enthielten und vor Entzündung sicherten. Den Ausmaßen des Lagers nach zu urteilen, liefen sie gerade zwischen knapp fünfzig Millionen Dollar Treibstoff hindurch. Vieles davon war aber schon vor mehr als fünf Monaten gefördert worden, so sagten es zumindest die Identifizierungsetiketten mit ihren endlosen Zahlenreihen aus. Waldo fragte sich, weshalb man sie noch nicht abgeholt hatte.
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„Fällt Ihnen was auf, Sir?” Andrejeffs Stimme hallte mehrfach aus der Dunkelheit zurück. Sie befanden sich jetzt schätzungsweise in der Mitte der unteren Halle. „Was?” „Keine Trümmer, keine Einschußlöcher", antwortete der Russe. „Hier ist nicht gekämpft worden.” Waldo nickte bestätigend, was Andrejeff nur am leichten aufund abwippen des Lichtstrahls seines Vorgesetzten vor ihnen bemerkte. „Und wenn hier gekämpft worden wäre, dann könnten wir bestimmt jetzt einen riesengroßen Krater untersuchen. Soviel Treibstoff wie hier gelagert ist...” Er stieß einen leisen Pfiff aus. „Reicht aus, um ein hübsches Freudenfeuer zu entfachen.” Vor ihnen tauchte unvermittelt das chrombeschichtete Gestänge eines breiten Lastenaufzugs in der Dunkelheit auf. Andrejeff stieg auf die eiserne Plattform und betätigte den Aufwärts-Hebel. „Bis gleich", meinte er noch und dann fuhr er quietschend und ratternd nach oben. Der Sand hatte der Konstruktion wohl mehr zugesetzt, als die Konstrukteure hatten vorhersehen können. Waldo sah ihm nicht nach. Er war jetzt alleine und das hieß, daß er doppelt so aufmerksam die Umgebung beobachten mußte. Der plötzliche Gedanke, daß der Feind irgendwo in dem Nichts hinter den Containern lauernd konnte, machte die vorher schon bedrohlich wirkende Düsternis des Bunkers noch um ein paar Grad beklemmender. Der Aufzug hielt mit einem lauten Rappeln von Metallseilen und -gittern an. Andrejeff war jetzt in der oberen Etage. „Wie sieht’s da oben aus, Andrejeff?” stellte er die Verbindung über das Funkgerät mit seinem Gefährten her. Es knackte und rauschte eine Sekunde lang, dann meldete sich der Soldat. „Genauso wie unten. Alles voll mit Containern. Es ist nur ein bißchen heller, weil eine Verladerampe an der rechten Seite offensteht. Der Lastenkran ist allerdings nicht ausgefahren File Status: Closed
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worden. Ich melde mich, wenn ich etwas gefunden habe. Ende und Aus.” Das Funkgerät des Russen verstummte. Waldo fühlte sich schlagartig wieder allein. Es war seltsam, aber diese Halle war ihm sehr suspekt. Wenn er jetzt der Maschine begegnen sollte, war er so oder so dem Tode geweiht. Entweder starb er durch die Geschütze des anderen oder jagte sich mit einem Fehlschuß oder Querschläger selbst in die Luft, wenn er einen Container traf. Die Dinger waren zwar recht stabil konstruiert, aber einen direkten Treffer aus solcher Nähe hielten sie auch nicht aus. Broose beschloß diese Höhle zu verlassen und zu der Verladerampe an der Außenseite zu laufen, von der Andrejeff erzählt hatte. Draußen empfing ihn die Hitze des Planeten und das stechende Sonnenlicht, welches ihn blendete. Er zwinkerte heftig mit den Augen, um sie an das Licht zu gewöhnen und schaltete die noch brennende Lampe ab. Außer der Raumfähre war nichts auf dem Landeplatz auszumachen. Alles war ruhig. Waldo erreichte die Rampe nach wenigen Schritten und schaute hinauf. Da ihm die fremde Sonne in die Augen stach, klappte er das durchgehende Sonnenvisier seines Helmes über die Augen. Andrejeff sah sich wohl noch im Innern der oberen Etage um oder trieb irgendwas anderes, auf jedenfall war er auf der Rampe noch nicht erschienen. Waldo war allein. Er sah sich um, um sicher zu sein, daß er wirklich allein war und kein fast drei Meter großes Monstrum aus Metall hinter irgendeiner Deckung darauf lauerte, ihn umblasen zu können. Nein, es war nichts und niemand zu sehen. „Andrejeff?” Das Mikro knisterte leicht wegen irgendwelcher atmosphärischer Störungen. „Andrejeff?” Es kam keine Antwort. „Andrejeff?” Was war nur los mit ihm? File Status: Closed
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„Verdammt nochmal, Andrejeff! Melde dich endlich!” Nichts. Waldo Broose wurde es in der Wüstenhitze noch ein wenig heißer. Wo steckte Andrejeff? Vielleicht war das Funkgerät defekt. Waldo wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Nick?” funkte er probehalber den Nahkampfspezialisten an. Im Stillen hoffte er, daß dieser sich auch nicht meldete, was bedeuten würde, daß sein eigenes Gerät einen Defekt hatte, und Andrejeff ihn nicht empfangen konnte. „Jau!” meldete sich der Soldat salopp und so prompt, daß es Waldo überraschte. Unwillkürlich sah Waldo nach oben zur Rampe und biß sich überlegend auf die Unterlippe. „Nichts, nur ein Test. Wie ist die Verbindung mit Kimberley und Johnny?” murmelte Waldo mechanisch und lud nebenbei den Granatwerfer mit einer zögernden Bewegung durch. Sein Herz begann heftig zu klopfen, als er sich langsam unter die ausladende Rampe über ihm begab, ohne dabei die Rampe aus den Augen zu lassen. Von oben aus konnte man ihn jetzt nicht so schnell entdecken, aber er konnte durch das feinmaschige Metallgitter sehen, ob sich jemand auf ihr befand. „Alles okay. Habt ihr irgendwelche Probleme?” Es knisterte im Empfänger, als Nick sprach. Der farbige Master Sergeant schielte weiter unter seiner Helmkante hinauf zur Rampe. Die Granate würde sie glatt durchschlagen und alles auf ihrer Oberseite in Stücke reißen. „Noch nicht", antwortete Waldo auf Nicks Frage. Er wollte die anderen nicht unnötig beunruhigen. Vielleicht war es ja auch eine Störung in Andrejeffs Gerät. „Ich melde mich wieder", beendete Waldo das Gespräch mit seinem Gefährten, von dem er nichtmal wußte, wo er genau war. „Scheiße", knurrte der Farbige leise. „Andrejeff!?” rief Waldo kurz darauf so laut er konnte in die Luft über sich. Nichts tat sich. Waldo wartete mit wachsender Spannung. Es hatte keinen Schußwechsel gegeben, das hätte File Status: Closed
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man hören müssen. Aber im selben Augenblick, in dem ihm dieser Hoffnungsschimmer kam, erinnerte er sich auch an die rasiermesserscharfen Klingen an den Unterarmen der Kampfeinheit, die O’Hara bei ihrem Treffen auf der Mondstation Caesar so eindringlich beschrieben hatte. Waldo erstarrte von einer Sekunde auf die andere. Etwas Schweres war mit zwei Schritten lautstark auf die Rampe über ihm hinausgetreten. In einem Atemzug ging sein Finger zum Abzug, richtete er die Waffe nach oben und zielte. Sein Herz stand still. Keine Millisekunde bevor er abdrücken wollte, erkannte er Andrejeff. Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung sicherte Broose seine Waffe wieder und sein Pulsschlag regulierte sich von selbst. Aber dann wich die anfängliche Erleichterung einer brodelnden Wut, die keine Gnade kannte. „Private Andrejeff! Wieso haben Sie sich nicht gemeldet, nachdem ich Sie angefunkt habe?!” bellte er lautstark zu dem lächelnden Russen hinauf. „Und wieso grinsen Sie so bescheuert?! Ist Ihnen die Sonne nicht bekommen?!” Er kam so richtig in Fahrt! Herrlich! „Ich verlange ein sofortige Erklärung!” „Die Außenwände dieses Bunkers sind mit Funkstörern durchsetzt. Daher konnte ich sie nicht empfangen. Tut mir fürchterlich leid", grinste Andrejeff und stützte sich auf sein Gewehr. Die Sonne brannte ihm auf den Pelz und er ließ es sich gefallen. Waldos Wut ebbte schnell wieder ab. Natürlich hatte er das wissen müssen. Jedes Gebäude, das ähnlich benutzt wurde wie dieser Bunker, war gegen Funkwellen geschützt, um eventuellen Anschläge mit ferngezündeten Bomben zuvorzukommen. Innerhalb war Verständigung kein Problem. Daher hatte es auch nur leicht geknistert, wenn sie sich per Funk unterhalten hatte. Er stand sehr nahe an den Störsendern und das beeinträchtigte natürlich sein Gerät.
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Vielleicht wurde er doch langsam zu alt für den aktiven Einsatz.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
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Der Rest der Einheit erreichte bald den Bunker. Etwas war anders als vorhin, bevor sie die Kolonie untersucht hatten. Es wurde nicht wie sonst gescherzt, gelacht oder viel geredet. Bedrücktes Schweigen herrschte in der Mannschaft, das Waldo an die Zeit kurz nach einer Niederlage erinnerte. Sogar Skull war still und man konnte ihm nur zu gut ansehen, daß er sich nicht wohl in seiner Haut fühlte. „Laß uns das Stahlvieh finden, laß es uns zum Polarstern blasen und dann laß uns hier schnell wieder verschwinden, ganz, ganz schnell", war das erste was er zu Waldo Broose sagte und damit sprach er aus, was auf den Gesichtern der übrigen Soldaten der Einheit in dicken Lettern geschrieben stand. Sogar Kimberley, die Waldo noch nie ohne ein ansteckendes Lächeln gesehen hatte, war leichenblaß und in ihren Augen las er noch brühfrischen Schrecken. Paxton hatte tröstend einen Arm um ihre Schulter gelegt. „Ich fürchte", meinte Fritz, „daß das Ding reinen Tisch gemacht hat. Man kann hier nichtmal von einer Fehlfunktion reden. Die neue Erfindung unserer Auftraggeber hat perfekt funktioniert.” „Für deine beschissenen Witze ist jetzt nicht gerade der beste Augenblick, Fritz!” herrschte Kimberley den Deutschen an. Die beiden Soldaten starrten sich einen endlosen Moment lang schweigend an. Fritz machte ein todernstes Gesicht, während Kimberley zum erstenmal in ihrer ganzen Dienstzeit vor der Gruppe in Tränen ausbrach. „Das war von mir auch ganz bestimmt nicht als Witz gedacht", sagte Fritz und sah sich unter seinen Gefährten um. „Er hat unschuldige Menschen niedergemäht, als wäre er irgendein biblischer Racheengel und du behauptest, daß er keine Fehlfunktion hatte?” fragte Skull mit einem ungläubigen Lachen.
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„Nenn’ mir einen Krieg, in dem kein Unschuldiger ums Leben gekommen ist", entgegnete Fritz seinem Freund. Nick wollte noch etwas sagen, aber schließlich beließ er es dabei. „Sicher", redete Fritz weiter. „Mag sein, daß er auf die falschen Ziele geschossen hat, aber das ist falsche Programmierung. Seinen eigentlichen Zweck aber hat er erfüllt. Für seine Erbauer hat er damit wohl sein Klassenziel erreicht, die paar Toten interessieren die doch nur am Rande.” „Fritz hat ganz recht", knurrte Andrejeff von oben herab. „Für die sind die armen Schweine hier doch nur ein zusammenaddierter, roter Balken auf einem ihrer zahllosen Checkbogen. Fehlerhafte Kills: soundsoviel!” Waldo hatte nichts mehr zu sagen. Alles was es zu sagen gab, war gesagt worden. Jetzt blieb für sie nur noch die Erledigung ihres Auftrags übrig. Einen Augenblick wartete der Master Sergeant noch ab, bis sich die Gemüter beruhigt hatte. Der einsame Wind heulte durch die Geisterstadt und trieb den feinen Wüstensand vor sich her. Einmal glaubte Waldo ein klagendes Seufzen gehört zu haben, aber das war wohl ein Stück Metall, das sich im Wind hin und her bewegte. „Also gut", klatschte er dann endlich in die Hände, was auch ihn selbst aus seinen Gedanken reißen sollte. „Wir sind nicht zum erstenmal in einer solchen Situation.” Das war gelogen und er wußte das nur zu gut. „Wir sind hier, um ihr hübsches Spielzeug wieder auseinanderzunehmen. Packen wir’s an. Ich will einen ordentlichen Einsatz sehen! Zeigt dem Mistding, daß es seine Transistoren nicht mit dem Grips eines F.I.G.Soldaten aufnehmen können.” Seine Leute sprachen positiv auf seine Aufforderung an, zumindest taten sie so. Kimberley wischte sich die Tränen aus den Augen und löste sich aus Paxtons Arm. Beide rückten die Helme zurecht und überprüften ihre Waffen auf ihre Einsatzbereitschaft. Nick tat dasselbe und schlug ein, als Fritz ihm seine rechte Handfläche hinhielt.
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„Ja, zeigen wir dem Aas, wo der Hammer hängt!” knurrte Andrejeff, so daß alle es hören konnten und drehte auf dem Absatz in Richtung Rampenöffnung um. Waldo konnte später nicht sagen, was er zuerst wahrgenommen hatte: den grotesken Satz vorwärts, den Andrejeff wie eine getretene Marionette vollführte, oder das krachende Stakkato einer 20mm-Kanone. Blut regnete auf die Männer und die Frau am Erdboden nieder, als der Russe mit zerfetztem Rückgrat in der Öffnung vor ihm verschwand. Er hatte nichtmal Zeit aufzuschreien. Wahrscheinlich hatte er nie gemerkt, was sein Leben so plötzlich und unerwartet beendet hatte. So war es selbst seinen Kameraden in den ersten erschrockenen Sekunden ergangen - dann war das Chaos über sie hereingebrochen. Jeder reagierte für sich alleine. Waldo brüllte einen kurzen Befehl, der aber in einer weiteren Salve unterging. Nick schrie Andrejeffs Namen wie ein aufheulender Hund, Paxton und Fritz wirbelten mit ihren Waffen im Anschlag herum und hielten nach ihrem Gegner Ausschau, während eine Sekunde später Kimberley auf Nick zuhechtete und ihn zu Boden riß, kurz bevor die Betonwand hinter ihnen von todbringenden Geschossen in einen Schweizer Käse verwandelt wurde und graue Splitter und Staub durch die heiße Luft spritzten. Adrenalin schoß in Waldos Blut, als habe jemand sämtliche Schleusen eines inneren, unsichtbaren Staudamms geöffnet. Alles lief in Zeitlupe zäh wie Sirup vor seinen Augen ab. „Zurück zu den Häusern, wir müssen die Häuser als Deckung benutzen!” brüllte er aus Leibeskräften und suchte gleichzeitig die Quelle der Geschoßsalven. Nick sprang auf, Kimberley auf die Füße zerrend. Das schwere Gewehr in der einen und Kimberley an ihrem Arm in der anderen Hand bewegte er sich als einziger nach Waldos Befehlen auf die Kette von würfelförmigen Hütten zu, die sich gegenüber dem Bunkereingang befanden. Dazwischen lag die unendlich weit erscheinende Strecke von zwanzig Metern. File Status: Closed
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Paxton feuerte mit einem Wutschrei seine Waffe ab, als er sein Ziel ausgemacht hatte. Waldo zuckte herum und erkannte die MBE-1/P erst auf den zweiten Blick. Wie absichtlich stand sie beinahe unerkennbar vor dem Gewirr aus metallenen Rohren, Streben und Stahlträgern der Förderstation, hoch aufgerichtet und ausdruckslos. Ein böses Monster aus einem schlechten Film, das sich von der Leinwand herabgelassen hatte. Wie eine gigantische Gottesanbeterin, fiel Waldo sein Vergleich wieder ein. „Sperrfeuer! Wir ziehen uns zurück! Sofort!” befahl Waldo. Sein Finger hatte schon wie ganz von alleine den Abzug seiner Waffe durchgezogen und die Kanone spie pausenlos Geschosse auf den Metallkoloß. Fritz und Paxton bewegten sich her abwechselnd auf den Roboter feuernd hinter Nick und Kim. Das Inferno um sie herum war unfaßbar. Funken tanzten wie Feenfeuer auf dem Stahlmantel der Bestie und auf der Anlage hinter ihr. Dazwischen blitzten ihre zwei Armkanonen und die Kopfgeschütze auf, gefolgt von dem tiefen Wummern der krachenden Miniexplosionen jeder Salve. Der Sand um die Soldaten herum wurde von den Geschossen regelrecht umgepflügt. Nur mit Mühe widerstand Waldo Broose dem heftigen Verlangen, so schnell wie er nur konnte dieser Hölle zu entfliehen und sich kopflos einfach irgendwo in Sicherheit zu bringen. Aber das wäre nur sein sicherer Tod und der seiner Leute. „Kommt", hörte er Nicks Stimme wie ein Flüstern durch das an- und abschwellende Donnern. „Wir geben euch Feuerschutz!” „Okay, nichts wie weg hier!” Waldo feuerte noch eine Salve ab, die den Schädel der Kampfmaschine traf, ohne das diese sich davon beeindrucken ließ; dann lief er in geduckter Haltung über die Straße zwischen Bunker und den Unterkünften. Kugel sirrten wie unsichtbare Hornissen an ihm vorbei. Er sah Nick aus einem Fenster feuern, Kimberley
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schoß aus dem Eingang daneben, auf den Waldo zusteuerte. Was Paxton und Fritz taten, konnte er nicht feststellen. Ein neues Geräusch mischte sich unter das ohrenzerfetzende Kriegskonzert. Eine dumpfe Explosion echote, kurz alles andere übertönend, über den Platz. Hitze griff für eine Lidzucken nach Waldos Rücken. Das war nutzlos, diese Entfernung war für Granatwerfer viel zu weit! Mit einem letzten langen Satz war Waldo dann endlich in dem schützenden Gebäude angekommen und bezog, ohne auch nur einmal kurz Luft zu holen, neben Kimberley Stellung und verschaffte sich als allererstes einen Überblick über die Situation. Paxton war dicht hinter ihm gewesen. Mit einer Hand am Helm und einem verzerrten Gesicht, das seine ganze Gespanntheit ausdrückte, kam er angerannt und sprintete durch den Eingang. Er hatte soviel Schwung, daß er nur mit Mühe und Not rechtzeitig vor einer geschlossenen Tür zum Stehen kam. Fritz war derjenige gewesen, der die Granate abgefeuert hatte. Er war erst auf der Hälfte der Straße und bewegte sich wie ein hakenschlagendes Karnickel im Zickzack rückwärts. Der ersten Granate folgte eine zweite, und der eine dritte! Doch das einzige was sie bei der Entfernung bewirkten war, daß sie weit vor dem Angreifer einschlugen und Sand in rauhen Menge in die Luft schleuderten! Waldo mußte grinsen. „Der Mann ist nicht mit Gold aufzuwiegen", murmelte er beinahe stolz wie ein Vater, als er erkannte, was die scheinbar sinnlose Ballerei des Deutschen bewirkte. Die dichten Wolken aus Sand und Ruß nahmen dem Roboter die Sicht auf seine Feinde. Er konnte die Leistungsfähigkeit seiner Zielerfassungssysteme nicht vollkommen ausschöpfen! Das hatte ihnen allen wohl das Leben gerettet.
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Waldo machte es dem Soldaten nach und gab ihm dadurch die Möglichkeit, sich nun endlich auch zurückziehen zu können. Er nutzte sie augenblicklich. Völlig außer Atem wurde er von Kimberley und Paxton empfangen und gestützt, als er in dem kleinen Flur fast zusammenbrach. Nick und Waldo bekamen das nicht mit. Sie konzentrierten sich auf den Roboter, der zu ihrer völligen Überraschung das Feuer eingestellt hatte. Gespenstische Ruhe kehrte ein, als Nicks letzter verirrter Schuß verhallte. Waldo schloß die Augen, ging in die Hocke und atmete tief ein und aus. Er lauschte dem rasenden Pochen seines Herzen, das half meistens. Tatsächlich verlangsamte sich der Pulsschlag bald und seine Atemrythmus normalisierte sich wieder. Fritz keuchte gequält in einer anderen Ecke des Raumes. Wenn auch seine Bewegungen ruhig gewirkt hatten, so war seine Aktion gerade doch enorm anstrengend gewesen. Mit seinem unentwegten Zickzack, hatte er die doppelte Strecke im andauernden Sprint-Stop-Wechsel hinter sich gebracht. Nur wer einmal Squash gespielt hatte, konnte erahnen, wie anstrengend das war. Kimberley sprach leise mit ihm und gab ihm wohl etwas zu trinken. Waldo öffnete die Augen wieder und starrte blinzelnd hinüber zur Förderanlage, die Sonne wirkte unangenehm grell nach der kurzen Zeit der Dunkelheit. Der Roboter war nirgendwo zu entdecken. „Wo steckt er?” murmelte Broose wie zu sich selbst. „Nick, wo ist er hin?” fragte er dann lauter den Soldaten im Raum nebenan. „Er ist zwischen den Trümmerhaufen rechts von der Anlage verschwunden", kam die heisere Antwort. Nicks Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt. Paxton kniete sich neben den Türrahmen nieder und blickte über das aufgewühlte Schlachtfeld hinüber zu ihrem File Status: Closed
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Landegefährt, zu dem Bunker und schließlich hinauf zur Rampe, wo kaum eine Minute zuvor noch ein Mann geatmet, gedacht, gelebt hatte. „Andrejeff", murmelte John Paxton rauh. Die grimmige Miene eines Kämpfers, war der des junge Mannes gewichen, der um einen Freund trauerte. „Mein Gott, er wollte nächste Woche heiraten.” Waldo sah den jungen Nachrichtentechniker in einer Mischung aus Erstaunen und Unglauben an. „Er hat es mir vor unserem Abflug verraten", erzählte John, wobei er hart schlucken mußte. „Es sollte eine Überraschungsparty werden und gleichzeitig seine Ausmusterungsfeier.” Waldo sagte nichts dazu. Es war zwar schwer, aber er durfte als Anführer dieses Haufens keine Gefühle zeigen - sich keine Gefühle eingestehen - denn sonst war er nicht mehr zu objektivem Handeln fähig. Gefühlsduselei hatte im Einsatz nichts verloren. Kimberley hatte Fritz wieder auf die Beine gebracht. Sie lachte, als er eine seiner trockenen Bemerkungen abließ. Offensichtlich ging es ihm schon wieder viel besser. Draußen heulte nur der Wüstenwind weiter zwischen den Hütten hindurch. Vom Gegner war kein Zeichen auszumachen. Soetwas hatte Waldo schon immer beunruhigt, aber jetzt verspürte er regelrecht Angst. Andrejeffs Tod war der untrügliche Beweis dafür, daß die Stahlmaschine sich auf Hinterlist und Tücke verstand. Das sie fast unsichtbar getarnt vor den Anlagen der Station gestanden hatte, konnte kein Zufall gewesen sein. „Was schlägst du als nächstes vor?” Paxton hatte sich etwas bequemer hingesetzt und seine Waffe lag in seinem Schoß. Waldo überlegte einen Moment lang. Auch Kimberley, deren Gesicht wieder Farbe angenommen hatte und Fritz warteten auf eine Antwort. Beide waren etwas näher gerückt. Was Nick tat, konnte Waldo nicht File Status: Closed
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sehen, aber auf jedenfall hörte er mit. Der Master Sergeant räusperte sich. „Er hat uns überrascht, wir hatten keine Zeit einen geordneten Angriff durchzuführen. Darum hatten wir auch keine Chance", resümierte Waldo das Geschehen kurz. „Wir werden uns jetzt einen Schlachtplan ausdenken und dann systematisch gegen ihn vorgehen. Wenn wir ihn einmal irgendwo festgenagelt haben, knacken wir ihn.” Nick lachte bitter. „Dann brauchen wir aber ein paar bessere Nußknacker als unsere Babys hier! Hast du gar nicht mitgekriegt, daß wir ihm mit unseren Knarren allerhöchstens ein paar Dellen in den Pelz gebrannt haben?!” „Nick hat recht", bestätigte Fritz. „Wir haben ihn angekratzt, mehr nicht. Er ist verdammt gut gepanzert.” Waldo winkte ab. „Wenn wir ihn vor die Granatwerfer bekommen, hat er nichts mehr zu lachen!” „Wenn wir lebend so nah an ihn rankommen”, murmelte Paxton und wechselte einen vielsagenden Blick mit seinem Vorgesetzten. „Ich sagte doch, wir müssen uns einen guten Plan ausdenken!” entgegnete Waldo gereizt. Die Moral unter seinen Leuten war schlechter, als es im ersten Augenblick den Anschein gehabt hatte. Er wußte nicht, was sie in der Kolonie gesehen hatten, aber es hatte sie tiefer berührt, als alles bisherige. Das Donnern eines Automatikgewehrs ließ alle zusammenfahren. Es war Nick der plötzlich zu feuern begonnen hatte. „Er kommt, dort...” Ein Raketeneinschlag dicht vor dem Fenster verschluckte seine letzten Worte und ließ den Boden erbeben. Erdbrocken und Schutt schossen durch das Fenster in den Innenraum und nur ein geistesgegenwärtiger Sprung aus der Hocke nach hinten, bewahrte Nick vor ernsthaften Verletzungen. „Fuck!” File Status: Closed
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Paxton benutzte den Türrahmen als Deckung und eröffnete das Feuer auf den mechanisch heranstampfenden Kampfroboter, der quer vom Bunkereingang schnell zu ihnen herüberkam. Wieder pfiffen zwei Explosivgeschosse heran. Die Doppeldetonation zerfetzte den Großteil des Nachbarhauses. Glühende Metallfetzen wirbelten, zittrige Rauchfahnen hinter sich herziehend, umher. Die Druckwelle schleuderte Paxton von der Tür weg gegen die andere Wand, als habe ihn eine unsichtbare Faust getroffen. Der Aufschlag preßte mit einem einzigen Hieb sämtliche Luft aus seinen Lungen. Waldo sah sich gehetzt um. Eine Salve schlug scheppernd in die Hauswand ein. Nirgendwo gab es einen zweiten Ausgang. Sie saßen in einer Falle! Nick kam angestolpert. Zahlreiche Schrammen glänzten blutig auf seinem rußgeschwärzten Gesicht. Mit ungestümen, wütenden Bewegung machte er sich Platz, pumpte eine Granate hoch und sprang durch die Tür ins Freie. „Da!” Die Granate traf nicht direkt. Dennoch verschlang der Feuerball die Kampfeinheit mit einem lauten Brüllen. Der Roboter wankte kurz - und lief weiter. Bevor eine Vergeltungsgarbe aus den 20mm Geschützen nach ihm griff, war Nick schon wieder in die Deckung abgetaucht. „Was schlägst du jetzt vor, hä?!” brüllte er Broose an. Er hatte entweder sämtliche Verhaltensregeln vergessen oder sie waren ihm vollkommen egal. Paxton versuchte weiter die heranstaksende Heuschrecke in Schach zu halten. Sein Flammenwerfer rülpste eine flirrende Flammenlanze gegen den Roboter. Sie verpuffte lange bevor sie ihn erreichte. Fritz und Kimberley konnten in dem Gedränge nichts anderes tun, als auszuharren und abzuwarten, was sich tat. Unaufhaltsam kam die Todesmaschine näher. Verzweiflung griff nach Waldos Verstand. File Status: Closed
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Der Raumer auf dem Rollfeld lag unerreichbar weit weg, keiner würde ihn lebend erreichen. Sie waren auf ihrer Flucht vom Regen in die Traufe geraten. Wie ein plötzlicher überspringender Funke, kam ihm endlich die rettende Idee. „Paxton, mach mit deinem Flammenwerfer weiter! Das ist gut so!” Dann riß er seine eigene Waffe hoch und schoß mit dem Granatenwerfer auf einen Punkt in der Mitte der Straße. Treffer! Wie eine zerschossene Tontaube zerplatzte der anvisierte Abflußdeckel und gab dampfend den Schacht unter sich frei. „Los, rein da!” Waldo trieb Kimberley und Fritz als erste hinaus. Nick erkannte, was er meinte und bewegte sich seitlich und weiterfeuernd hinter ihnen her. Als die ersten beiden in die Unterwelt stiegen, gab er Fersengeld. Paxton feuerte nochmal eine langgezogene Flammenwelle ab und spurtete dann, gefolgt von Broose auf das Loch in der Straße zu. Um sie herum schien erneut die Hölle auf Erden zu erwachen. Raketen jagten über ihre Köpfe hinweg, Feuerbälle loderten orangerot auf, verteilten Hitzewellen und Qualm. Detonation auf Detonation wollte ihre Trommelfelle sprengen. Die beiden Soldaten sprinteten die Verwirrung des Roboters durch die noch störende Hitze des Flammenwerfers und die der explodierenden Raketen nutzend, wie von Furien gejagt davon. Je dichter die Einschläge des Gegners kamen, desto schneller wurden ihre Beine. Irgendwann erreichten sie einen Punkt an dem sie aber nicht mehr schneller werden konnten und die Kugeln und Flammen ihnen trotzdem näher kamen. Paxton wurde vom Boden verschluckt. Waldo ließ sich nur wenig später in das dunkle Loch fallen. Die letzte Kugel striff mit einem enttäuschten Heulen seinen Helm. File Status: Closed
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Als er nach einem ihm endlosen scheinenden Fall unten ankam, landete er dicht neben Paxton und verlor das Bewußtsein.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 10:39 SET
Das erste was er spürte, als er wieder zu sich kam, waren warme Hände. Zärtlich und wohltuend streichelten sie seine Stirn, so wie Mutter es immer getan hatte - vor so vielen Jahren. Träumte er, oder war es Wirklichkeit und er schon tot? Hatte er sich das Genick gebrochen? Das Letzte an das er sich noch erinnerte, war, wie er auf Paxton zustürzte, dann nichts mehr. Endlich schlug er die Augen auf. „Gut geschlafen, Sir?” fragte Kimberley und lächelte ihn an wie eine Krankenschwester ihren Patienten. In gewisser Weise traf das ja auch zu. Waldo versuchte sich zu orientieren. Es war verdammt dunkel um ihn herum. Eine einzelne batteriebetriebene Stehlampe spendete kaltes Licht und beleuchtete kahle, gewölbte Betonwände. Sie formten einen höhlenartigen Raum, der an vier Seiten direkt gegenüber kreisrunde Ausgänge besaß, die knapp mannshoch waren. Die Decke war nicht zu erkennen. Über den zum Mittelpunkt des Raumes leicht abfallenden Boden verliefen in flachen Furchen dünne Rinnsaale, die diesen fauligen Gestank verbreiteten, den Broose im selben Moment bemerkt hatte, wie die Hände auf seiner Stirn. Nick, Fritz und Paxton hockten an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Lagen auf dem Boden. Sie waren sichtlich geschafft. Paxton hielt Waldos Helm in Händen und fingerte an ihm herum. Die Kugel hatte wohl etwas von den kleinen Geräten an seiner Außenseite erwischt. „Wie geht’s dir, Waldo?” erkundigte sich Fritz, als sich ihre Blicke trafen. Er zwang sich zu einem Lächeln. „Prächtig", murmelte Broose. „Bis auf den Kerl, der andauernd mit seinem Hammer vor meine Stirn schlägt.” „Du hast mächtig Schwein gehabt", meinte der Deutsche dann ernster und wies mit einer Kopfbewegung auf Paxton
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und Waldos Helm. „Hätte nicht viel gefehlt und die Kugel hätte nicht nur die Funzel zerschossen.” Kimberley sprühte etwas Kühlendes auf Waldos Stirn. Das Brummen in seinem Schädel ließ sofort nach, und er konnte wieder klarer denken. Der Versuch sich aufzurichten, fiel ihm leichter als erwartet und er bedankte sich bei Kimberley, für ihre ärztliche Behandlung. „Dafür bin ich ja hier", lächelte sie nur. Sie packte ihre Medictasche wieder zusammen, ging zu Paxton und setzte sich neben ihn. Die junge Soldatin hielt ihn am Arm fest und legte ihren Kopf auf seine Schulter. Den Helm hatte sie längst abgelegt, so wie alle anderen. Nick saß da wie ein asiatischer Buddha, sein klobiges Gewehr über die Knie gelegt. Weiße Streifen zierten sein Gesicht, wo vorher feine Schnittwunden und Kratzer geblutet hatten. Kim hatte ihm ein Wundverschlußmittel aufgetragen und die Blutung gestoppt. „Wo sind wir hier?” wollte Waldo wissen. „In einem kleinen Zusammenfluß von verschiedenen Kanalröhren", antwortete Fritz. „Riecht man das nicht?” „Mm, könnt auch bei mir zu Hause sein", grinste Waldo schwach. Verhaltenes Gelächter folgte. „Ist noch irgend etwas passiert, was ich wissen sollte?” Allgemeines Kopfschütteln. „Unser Freund hat dich zwar noch von oben braten wollen, aber Paxton und Nick haben dich noch rechtzeitig unter dem Schacht weggezogen", berichtete Fritz. Waldo nickte seinen zwei Lebensrettern dankend zu. „Keine Ursache, Chef", meinte Paxton. „Ohne deinen Einfall, wären wir wohl nie dazu gekommen.” Waldo lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Die angenehme Ruhe, die jetzt für ein paar Minuten herrschte, tat allen gut. Hier unten konnten sie sich ausruhen, ohne unliebsamen Besuch erwarten zu müssen. Insgeheim gratulierte Waldo Broose sich selber zu dem Einfall, sich unter File Status: Closed
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die Erde zurückzuziehen. Es gab auf diesem ganzen Scheißplaneten wohl keinen Ort, der sicherer war. Wenn der Kampfroboter nicht mit A-, B-, oder C-Waffen bestückt war, konnte ihnen überhaupt nichts passieren. Die Gänge waren zu niedrig und zu eng für die Maschine. Waldo bezweifelte, daß dieses Wunder der Technik seine Größe nach Belieben verändern konnte. „Waldo?” Nick schaute aus seiner eigenartigen Sitzweise auf. „Hm?” „Wie geht’s weiter?” Mit einem Seufzen rutschte Waldo auf seinem Hosenboden hin und her, bis er bequem saß. „Willst du weiter systematisch an die ganze Sache herangehen, oder hast du dir es anders überlegt?” fragte Nick weiter. Keinerlei Sarkasmus lag in seiner Stimme. Er war absolut ernst und bei der Sache. „Ich habe dem Ding eine Granate genau unter den Arsch gesetzt. Alles andere wäre dabei in seine Einzelteile zersprungen. Aber der Blechklotz wurde nichtmal langsamer. Soweit zu deiner Theorie mit den Granatwerfern von vorhin.” Das leichte Echo in diesem Miniatur-Dom verlieh den düsteren Worten des NahkampfSpezialisten einen noch unheimlicheren Klang. „Wir werden mit dem Landeraumer abhauen und dann geht’s ab nach Hause. Alles andere wäre Selbstmord.” Waldos Leute schauten ihren Anführer alle gleichermaßen erstaunt und erleichtert an. Er schluckte einmal und zog die Beine an den Körper heran. Das war das erstemal in seinem Leben, daß er sich geschlagen gab. Er wurde tatsächlich zu alt für soetwas. Wann war man überhaupt im richtigen Alter dafür? „Ja, und dann laß uns diese Kolonie mit Bomben beschmeißen, bis hier kein Stein mehr auf dem anderen steht!” knurrte Nick grimmig. „Das sind wir Andrejeff schuldig.” File Status: Closed
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Niemand widersprach ihm. „Wie wollen wir ohne seinen Besuch bis zum Schiff kommen?” Kimberley sprach aus, was Fritz schon geraume Zeit beschäftigte. „Da gibt es wirklich ein winziges Problem", meldete er sich zu Wort. „Wir können die Gangway nicht mehr von weitem ausfahren. Beim Sprung in den Schacht ist die Fernbedienung für den Öffnungsmechanismus draufgegangen.” „Na toll", stöhnte Nick und hieb mit der geballten Faust auf den Boden. „Oh, Mann, ist das alles eine Scheiße.” „Das ist noch untertrieben", brummte Paxton. „Kann man die Gangway nicht von außen öffnen?” wollte Kimberley wissen. „Ich hab keine Ahnung von Raumschifftechnik, tut mir Leid", fügte sie hinzu, als Fritz sie leicht spöttisch anlächelte. „Doch man kann", antwortete der Pilot dann. „Es gibt einen Schalter an einer der Landestelzen.” „Aber bis sich die Gangway ausgefahren hat", führte Paxton Fritz’ Erklärung zu Ende, „hat uns ein gewisser jemand schon lange gefunden und gebraten. Ich verwette meinen Arsch darauf, daß er in der Nähe des Rollfelds auf uns lauert.” „Das glaube ich auch", meinte Waldo. Alle sahen wieder ihn an. „Du klingst, als hättest du aber schon einen Ausweg gefunden", kommentierte Fritz sein Empfinden. „Es ist nur eine kleine Chance, aber wenn die Architekten dieser Kanalisation vernünftig gearbeitet haben, dann klappt sie vielleicht", fing Waldo an. Seine vier Gefährten rückten näher heran. Ein Funke aufkeimender Hoffnung hatte sich entzündet.
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Waldos Plan lag eigentlich auf der Hand. Er ging davon aus, daß einer dieser Kanalschächte bis unter den Landeplatz File Status: Closed
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führte, wo ihr Raumschiff stand. Wenn sie diesen fanden, sofern er überhaupt existierte, dann konnten sie unentdeckt zum Schiff kommen, die Gangway betätigen und in Deckung solange abwarten, bis sich die Einstiegsluke geöffnet hatte, ohne das der Roboter etwas davon mitbekam. Doch bevor es soweit war, mußte dieser Schacht erst einmal gefunden werden. Waldo und Fritz hatten sich das zur Aufgabe gemacht. Kimberley, Paxton und Nick blieben in dem Raum zurück. Paxton versuchte die Fernbedienung zu retten, was aber wohl eher eine Art sich selbst verschriebene Beschäftigungstherapie war. Sollte es aber klappen, so würde die Aktion noch einfacher werden, als sie jetzt schon war vorausgesetzt alles lief, wie vorgesehen. Nick hatte zuerst noch darauf bestanden, die beiden zu begleiten, weil es ihm einfach stank, untätig herumzusitzen und sich auf andere zu verlassen. Doch Waldo gab ihm den Befehl die Waffen durchzuchecken und die Magazine auszuwechseln, damit sie keine bösen Überraschungen erlebten, sollte es nochmal zum Kampf kommen. Nick hielt das für Unsinn, aber ein Befehl war ein Befehl. Die unterirdischen Kanäle waren sehr groß im Vergleich zu der Abwasserkapazität der Kolonie. Ohne Probleme konnten die beiden Männer aufrecht nebeneinander hergehen. Der Grund dafür war einleuchtend. Kolonien wie diese waren daraufhin ausgelegt, beliebig vergrößert zu werden. Daher mußte schon ein Abwassersystem angelegt werden, das steigenden Anforderungen genügen konnte. Offensichtlich hatte man sich von Hiyake IV einiges versprochen. Ihre Stiefel versanken bei jedem Schritt mit einem widerlichen, schmatzenden Geräusch in der Schlammschicht, die dünn den Boden bedeckte. Waldo konnte im Zwielicht nicht erkennen, worin sie da herumspazierten und in Wirklichkeit wollte er es auch gar nicht wissen. Allein der penetrante Gestank sprach Bände. File Status: Closed
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Lange liefen sie schweigend nebeneinander her. Die Röhren hatten viele Abzweige und Windungen, so daß sie nicht den direkten Weg zum Rollfeld gehen konnten. Der Belag unter ihren Sohlen war so rutschig, daß sie nur im Schrittempo vorankommen konnten, wenn sie nicht ausrutschen wollten. Mochten oben an der Oberfläche Temperaturen wie im Hochsommer auf der Erde herrschen, so merkte man davon hier nichts mehr. Es war kühl und die Luft war feucht. Irgendwie erinnerte sie Waldo an die Höhlen auf Kareena 3. Das war ein kleiner Planet in einem Planeten-System nahe dem Pferdekopf-Nebel. Er war damals noch Private First Class bei den Marines gewesen, unter dem Kommando eines gewissen Colonel Terjong. Man hatte ihnen den Auftrag gegeben, die großen Höhlenlabyrinthe unter Kareena-City nach Revolutionären zu durchsuchen. Sie waren fündig geworden. Terjong hatte den Befehl gegeben, sie alle zu terminieren. Als seien sie Rudel tollwütiger Karnickel, hatten die Marines die nur spärlich bewaffneten und vollkommen ausgehungerten Männer und Frauen durch die Höhlen gejagt. Mit Schaudern dachte Waldo Broose noch heute an das Blitzen und Krachen von Mündungsfeuern und Explosionen, die gequälten Schreie der Getroffenen und der Verletzten. Marines strömten in wachsendem Blutrausch aus den kleinen Transportern in die Höhleneingänge, sie waren in den schwarzen Höhlen und vor den Helmleuchten ihrer Mitkämpfer nur schwarze Umrisse, durch ihre Panzerung grausamen Insekten ähnlicher als Menschen - und sie brachten Tod und Verderben. Waldo war dem Nachschub zugeteilt gewesen und kam erst in die Höhlen, als das Gemetzel schon in seiner Endphase war. Rauch und Qualm hingen in den Schächten wie dichter weißer Nebel, und es war Waldo vorgekommen, als liefe er durch den Vorhof der Hölle. Überall zwischen den Felsen, hinter Rauchschleiern und im sich brechenden Schein der Lampe waren verrenkte Leiber zu erkennen gewesen. Hier ein File Status: Closed
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zerschossenes Gesicht, dort ein abgetrennter Arm, wieder woanders ein Verletzter, mehr tot als lebendig, aus zahllosen Wunden blutend, der versuchte, sich vor ihnen in Sicherheit zu bringen. Irgendwann hatte Waldo sich dann von der übrigen Mannschaft getrennt, weil seine Aufgabe das Zählen der eigenen Verluste war. Alleine war er durch diese schreckliche Geisterbahn gegangen, hatte den süßlichen Geruch von Blut und verbranntem Fleisch geatmet und das ferne Stöhnen und Klagen dieser armen Menschen gehört, die ihr Leben für ihre Freiheit gelassen hatten. Noch heute irrte er manchmal in seinen Alpträumen durch dieses Labyrinth. Und dann war er in diesen Raum gekommen, in dem unzählige Kisten, Säcke und Fässer aufgestapelt gewesen waren und den er sofort als Vorratslager erkannt hatte. Die Sicht war hier sehr klar und an der Decke brannte eine kalte, leicht flackernde Lampe. Die Schrecken vorher waren ein Teil des Kriegs gewesen, den man mit der Sache selbst noch entschuldigen konnte. Doch das was er hier sah, war nichts anderes mehr als ein unmenschliches Verbrechen und veränderte mit einem Schlag alles. Vor ihm, auf einer Art groteskem Altar aus aneinandergestellten Holzkisten, schändeten zwei Marines aus der Sturmeinheit ein junges Mädchen. Es war nicht viel, was er von ihr sah, nur ihre Augen. Es waren die Augen eines Mädchens, dem kein normaler Mensch ein Leid antun konnte. Und da war noch etwas Anderes an ihrem Blick - er war gebrochen! Das arme Ding, an dem die beiden Männer ihre Lust stillten, war schon tot. Wie eine schlaffe Puppe hing sie leblos in den Armen ihres Peinigers und wahrscheinlich auch Mörders. Ihr Kopf wippte haltlos bei jeder obszönen Bewegung des Marines hin und her. Das dreckige Lachen des einen Soldaten und das primitive Grunzen des anderen hatten
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sich für immer unauslöschlich in Waldos Gehirnwindungen verfangen. Das Nächste an das er sich erinnern konnte, war die Überraschung über die gezogene Waffe in seiner Hand und das ungläubige Gesicht des Soldaten, der ihn fragend ansah. Die übrige Handlungen geschahen wie automatisch. Die Leichen wurden auf die Kisten gezogen, einem Magazin entnahm Waldo die bei ihm fehlenden Kugeln, um nicht nach ihrem Verbleib gefragt zu werden, dann schritt er aus der Vorratshöhle heraus, drehte sich um und vernichtete alle Spuren mit dem reinigenden Feuer seines Flammenwerfers. Man hatte nie etwas herausgefunden. Aber das war der Tag, an dem Waldo Broose seinen Dienst quittierte. Drei Wochen später unterzeichnete er den Vertrag bei der F.I.G.. „Wenn ich bloß wüßte, wo wir hier sind?” Fritz Stimme rüttelte Waldo aus seinem Tagtraum. Ohne das er es richtig mitbekommen hatte, war er hinter Fritz hergelaufen, wie ein Hund an der Leine seines Herrchen. Der Deutsche hielt abrupt an und Waldo wäre fast gegen ihn geprallt. Verblüfft schaute sich Master Sergeant Broose in der neuen Umgebung um. Sie waren an einer Art unterirdischer Kreuzung angelangt. Zwei gegenüberliegende Kanalisationsröhren flossen in eine mit etwas tiefer ausgehöhltem Bauch. In der linken Richtung schien sie sich ins Unendliche zu erstrecken. Die weißen Kegel der zwei Helmlampen verloren sich wirkungslos im schwarzen Nichts des Tunnels. Die glatten Betonwände wiesen in regelmäßigen Abständen weitere Mündungen auf von dessen unteren Rändern angetrocknetes Schmutzwasser klebte, als hätten sich die Röhren übergeben müssen. In diesem Hauptabfluß stand das dunkelbraune Dreckwasser brusthoch. Da aber aus den Zubringer-Röhren kein neues Dreckwasser nachfloß, oder zumindest nicht in ausreichenden Mengen, mußte irgend etwas die restliche Wassermenge am Abfluß hindern.
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Die beiden Soldaten wateten, die Waffen und die wichtigste Ausrüstung über dem Kopf haltend, durch die Brühe. Fritz war der Meinung, daß der Abzweig ihnen gegenüber sie direkt zum Ziel bringen würde. Woher er den Grund für seine Vermutung nahm, wußte er wohl selber nicht genau. Früher oder später würden sie schon feststellen, ob er richtig lag oder nicht. Das Brackwasser, in das sie stiegen, war erstaunlich warm. Pißwarm, dachte Waldo bei sich und verdrängte den Gedanken ganz schnell wieder. Der folgende Gang war dem, durch den sie gekommen waren, sehr ähnlich. Lediglich die Schmierschicht am Boden war ein wenig dicker und flüssiger. Bei jedem Schritt den sie weiter in diesen Tunnel machten, wurde auch der Gestank schrecklicher. Bald konnte man keine Luft mehr holen, ohne dabei zu Husten. Fritz und Waldo setzten sich die Atemmasken auf, die sich für Notfälle in ihren Gürteltaschen befanden. Sie hatten ungünstiger Weise keinen Atmosphäreprüfer dabei. Wer konnte schon wissen, was sich aus zerschossenen, zerrissenen oder sonstwie zerstörten Leitungen in die Kanalisation ergossen hatte. Vielleicht war auch irgendwo ein Gasleitung geplatzt. Bei diesem Gedanken wurde Waldo dieser Schacht noch ein wenig unsympathischer. Ein falscher Furz und BUMM! „Ich liebe meinen Job", murmelte er unter der Maske zu sich selbst und ging weiter in die Nacht vor ihm. Fritz hielt sich dicht hinter ihn. Das Atmen unter den Gummimasken fiel auch nach dem hundertsten Mal noch schwer und es strengte auf die Dauer an. Nach ungefähr zwanzig oder dreißig Metern knickte der Gang im rechten Winkel nach rechts ab. Sie waren jetzt wieder so dicht unter der Erde, daß hier wieder Gullideckel in die Decke eingelassen waren. Durch die Ritzen der Metallroste fiel gesiebtes Licht fahl in den Gang und man konnte ein File Status: Closed
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wenig mehr erkennen, als wenn man nur das Licht der Lampen zur Verfügung hatte. Plötzlich trat Waldo vor ein Hindernis am Boden und schlug schmatzend der Länge nach in den undefinierbaren Schmier. Das war die gerechte Strafe für einen Hans-Guck-In-Die-Luft! Fluchend stemmte er sich wieder hoch. Das Zeug an seinen Händen klebte wie Kleister und mußte erbärmlich stinken. Seine ganze Vorderseite war voll davon! „So’n Dreck!” Auch seine Waffe lag im Schlick. Waldo hob sie auf und untersuchte sie nach eventuellen Beschädigungen. Aber offenbar hatte sie der Sturz nicht beschädigt. Fritz stand da und Waldo erwartete eine schnippische Bemerkung von dem Deutschen oder wenigstens ein Lachen, aber Fritz sagte gar nichts. Er deutete nur stumm mit dem Gewehrlauf auf den Boden vor ihm. Selbst durch die Sichtscheibe seiner Atemmaske hindurch sah Waldo, daß der Pilot kreidebleich war. Waldo folgte dem Gewehrlauf und seiner imaginären Verlängerung bis direkt vor seine Füße. Ein kalter Schauer fuhr durch seinen ganzen Körper. Sie hatten einen Kolonisten gefunden. Das Hindernis, über das Waldo gestolpert war, war nichts anderes, als die grausam entstellte Leiche eines Mannes. Aber mehr konnte man auch wirklich nicht mehr erkennen. Sein Alter war nicht abzuschätzen, genausowenig wie seine Hautfarbe. Er war geröstet worden. Die ganze Haut, die er noch hatte, war schwarz und dunkelbraun. Blasen, Pusteln und feine Haarrisse wie auf einem eingetrockneten Acker maserten sie auf grauenhafte Weise. Aber dabei war es nicht geblieben. Irgend etwas hatte sein Gesicht fortgerissen, als habe man es wie eine Karnevalsmaske abgezogen. Darunter lugte aus einem Kranz roten Fleisches der blanke Schädel hervor, in dem noch die Augen wie zwei milchige Murmeln in ihren Höhlen lagen. Das leicht eingeschlagene Gebiß grinste sie an, als spotte die File Status: Closed
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Leiche über die schreckverzerrten Gesichter der beiden Lebenden. Der Körper war mit zahllosen Wunden übersät. Ein blutiger Krater am anderen eiterte naßglänzend vor sich hin. So sah jemand aus, der einer explodierenden Splittergranate zu nahe gekommen war. Die Haltung des Toten war für einen Menschen ganz unmöglich. Wie ein Stofftier, das man in einem Wutanfall um die eigene Achse gedreht hatte, lag der Kolonist mit dem Schoß auf dem Boden während sein Schädel zum Gullideckel an der Decke grinste, als hoffe er einen verirrten Sonnenstrahl zu erhaschen. „Wie ist der hier her gekommen?” fragte Fritz, nachdem er den ersten Schreck überwunden hatte. Es war nicht das erste Horrorgemälde, das er heute sah. „Wahrscheinlich hatten ein paar Kolonisten die selbe Idee wie wir und haben sich in die Kanalisation geflüchtet", mutmaßte Waldo. „Anscheinend ohne Erfolg.” „Du meinst, der verdammte Roboter kann munter auch hier unten herumspazieren?” Fritz klang äußerst beunruhigt. „Aber dazu ist er doch viel zu groß!” Beide schauten auf den unbekannten Toten herab. „Das Ding wird ihn von oben durch den Gulli mit dem Flammenwerfer erwischt haben", suchte Fritz nach einer Erklärung. „Das hat es ja bei dir auch versucht.” „So wie der aussieht, hat ihn nicht nur ein Flammenwerfer erwischt", entgegnete Waldo tonlos. „Sieh dir die ganzen Wunden an. Die stammen von keinem Flammer den ich kenne. Ich glaube, der hat eine von den Raketen abgekriegt.” „Aber die kann nicht durch den Deckel gekommen sein!” „Siehst du", meinte Waldo Broose mit einem Kopfnicken, als sein Freund seinen eigenen Zweifeln den Boden unter den Füßen wegzog. Fritz packte seine Waffe fester, starrte zur Decke mit dem Rost, dann in die Richtung aus der sie gekommen waren und dann in die Richtung in die sie gehen wollten. File Status: Closed
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„Ich kann nicht glauben, daß der sich so klein machen kann", murmelte er. „Niemals!” „Wir werden ja sehen", meinte Waldo lediglich dazu und stieg mit einem weiten Schritt über die Leiche hinweg. Diese grinste weiter wissend die Decke an. Die beiden Männer erreichten nie das Ende dieses Tunnels. Es waren nur noch wenige Schritte, bis ihre Helmlampen ein undefinierbares zweites Hindernis ausmachten. Waldo ahnte im gleichen Moment, daß sie die Lösung auf die Größte ihrer Fragen gefunden hatten. Der tote Kolonist zehn Meter weiter hinter ihnen, war nur das Vorgeplänkel einer grausigen Entdeckung gewesen. Im Schein der zwei Lichtkegel schimmerten tote Augen. Unmöglich weit aufgerissene Münder, mit Zähnen an den noch Blut klebte, schluckten das Licht. Verrenkte Arme und Beine lugten hier und da meist zerfetzt und eiternd unter den Leichen hervor. Ein Toter war respektlos auf den anderen geschüttet worden. Es sah aus, als sei eine Räummaschine durch die endlosen Tunnel gefahren und habe alle Leichen zu einem grotesken Schrotthaufen aus organischem Material aufgeschichtet. Blut aus tausend Wunden bildete eine tiefbraune Schicht auf dem Boden. Wie lange sie schon darin herumliefen, wollte Waldo gar nicht wissen. Er stand vor dem Berg aus totem Fleisch und konnte sich nicht rühren. Dieses bestialische Kunstwerk war zuviel für seine Sinne. Sein Gehirn weigerte sich, daß Gesehene als real zu akzeptieren. Fritz war nicht gegen diesen Anblick geschützt gewesen. Kaum hatte er erkannt, was da den Tunnel ganz und gar verschüttet hatte, da hörte Waldo ihn unter seinem Atemgerät ächzen. Drei Schritte machte er rückwärts, drehte sich dann um die eigene Achse und rannte taumelnd davon. Er verlor seinen Helm und kurz darauf seine Waffe. Waldo eilte ihm hinterher, um ihm zu helfen. Fritz lief schlitternd bis hinter den Abzweig.
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Als Waldo Broose ihn erreichte, riß der Deutsche sich gerade das Atemgerät vom Gesicht und begann sich an die Wand gelehnt zu übergeben. Mit einem kehligen Gurgeln drückte sich grüne Galle seinen Schlund empor, als quetsche ihm eine unsichtbare Riesenhand den Lebenssaft aus dem gequälten Körper. Waldo konnte nichts anderes tun, als ihn stützen, wenn die Muskeln unkontrolliert den Körper durcheinanderschüttelten, und er sich in mitleiderregender Agonie bis auf die Zehenspitzen aufbäumte, weil sich jeder Teil des Mannes spannte wie unter Elektroschocks. Am Ende sank Fritz entkräftet in Waldos Armen zusammen. Broose setzte ihn etwas weiter von der Lache Erbrochenem entfernt an die Wand. In seinen Augen stand noch das nackte Entsetzen. „Geht’s wieder?” Der farbige Sergeant machte ein besorgtes Gesicht. Fritz sah fürchterlich aus. Trotzdem nickte er und versuchte zu lächeln. „Ja,’s geht schon wieder.” „Okay", sagte Waldo und legte dem Piloten ermutigend die Hand auf die Schulter. Dann lief er den kurzen Weg zurück, um Helm und Maske wieder einzusammeln. Waldo vermied es, dem schaurigen Leichenberg zu nahe zu kommen. Ein zweitesmal wäre auch für seinen Magen bestimmt zuviel. Als er den Helm auflas, starrte er gebannt auf ihn und nicht weiter nach vorne, wo vor seinem geistigen Auge die erkalteten Gesichter der Kolonisten ihn mit glasigen Blicken beobachteten; neidisch darauf, daß er noch atmen und sehen konnte. Ein Geräusch ließ Waldo zusammenzucken, als sei er auf ein freigelegtes Stromkabel getreten. Es klang, als wenn man seine Hand aus einem Topf voller rohem Fleisch zog. Stille fiel wie ein fast sichtbarer schwarzer Vorhang um Waldo herum. Nur ihn und das seltsame Geräusch gab es noch in diesem Schacht. Wäre es von hinten gekommen, dann
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hätte es Fritz sein können, aber es kam von vorne, aus dem Leichenberg! Aber das war noch nicht alles. Jetzt bewegte sich dort auch noch etwas! Waldo zweifelte an seinem Verstand. Drehte er nun durch, hatten ihm die Schrecken des heutigen Tages doch stärker zugesetzt, als er selber geglaubt hatte? Wieder bewegte sich etwas in den Leichen. Konnte ein armer Mensch dieses Massaker überlebt haben? Selbst wenn, dann war er wohl jenseits aller Katatonie. Kein menschlicher Verstand überstand es, tagelang unter Toten begraben zu sein, ohne Schaden zu nehmen. Waldo ertappte sich dabei, mechanisch Schritt um Schritt vorwärts zu machen. Der helle Fleck seiner Lampe huschte unstet über den Fleischhaufen vor sich und suchte und suchte. Sein Instinkt schrie ihm zu, das Weite zusuchen, aber eine plötzliche Welle von Neugier ließ ihn unvorsichtig werden, um ihren Hunger zu stillen. Wer oder was hatte sich da bewegt? Oder war einfach nur ein Leichnahm ein Stückchen verrutscht? Der Master Sergeant entsicherte seinen Flammenwerfer. Ein Schlürfen lenkte seine Aufmerksamkeit nach rechts. Nichts. Nur Menschengesichter, Arme, Beine, Bäuche, Füße und Hände in allen nur möglichen und unmöglichen Stellungen, verdreht, verzerrt, verstümmelt. Waldo mußte sauer aufstoßen. Die Geräusche nahmen schlagartig zu, ganz so, als erwache jede Leiche zu neuem, unheiligen Leben. Etwas schnappte nach Waldos Gesicht. Ein Gebiß mit schrecklichen Hauern verfehlte seine Nase um Millimeter. Sein Schrei gellte durch die unterirdischen Gewölbe. Das heftige Ausweichmanöver des Soldaten kostete ihn das Gleichgewicht und er stürzte hart auf den Rücken. Mit einem klatschenden Geräusch landete ein Ding vor seinen Füßen, das direkt aus dem fleischigen Brei geboren wurde. Etwas Längliches, mit Haut wie feuchtem Leder und einem Maul, das seine ganze Vorderseite einnahm, bewegte File Status: Closed
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sich mit einem Knurren wie eine beingroße Made auf Waldo Broose zu. Die Beißer schnappten hungrig in die Luft. Waldo war wie von der Tarantel gestochen wieder auf den Beinen und rammte seinen Gewehrkolben mit aller Kraft auf die Stelle des Wesens, wo er den Schädel nur vermuten konnte, da alles ineinander über ging. Mit einem häßlichen Knacken brach der Knochen oder wasauchimmer in dem Biest und seine Bewegungen erschlafften. „Aasfresser", keuchte Waldo entsetzt, als ihm bewußt wurde, wo er gelandet war. Dieser Tunnel mit den aufgehäuften Toten, war nichts anderes als die Speisekammer dieser Viecher. Sie waren es gewesen, die die Leichen hierhergeschafft hatten. Ein vielstimmiges, böses Knurren aus vielen Mäulern ließ ihm die Nackenaare zu Berge stehen. Im Schein der Helmlampe warf der Leichenhaufen jetzt Wurm um Wurm. Es mußten fast hundert, wenn nicht mehr sein, die sich da in allen Größen wie hervorbrechendes Gedärm aus den Toten herausschlängelten und auf dem Boden aufprallten. Waldo drückte ab. Flüssiges Napalm ergoß sich wie eine angenehme Dusche auf die Aasfresser. Erschrocken stellte Waldo fest, daß sein Sturz von vorhin den Zünder verstopft hatte. Der erste Wurm biß in den Kampfstiefel und quetschte ihn wie ein Schraubstock zusammen. Er starb wie sein Vorgänger. Waldo ergriff die Flucht. Die Meute setzte ihm nach. Mochten sie auch wie behäbige Maden gewirkt haben, so überraschten sie den Mensch nun mit ihrer erstaunlichen Geschwindigkeit. Er mußte alles geben, um den Abstand zwischen sich und dem Gewürm zu erweitern. Als er an Fritz vorbeikam, packte er ihn, riß ihn auf die Füße und zerrte ihn mit sich. Der Deutsche wollte noch fragen, was das alles zu bedeuten hatte, aber da ergossen sich auch schon hunderte gliederloser Leiber aus der Dunkelheit. Waldo brauchte seinen Gefährten nicht mehr zu ziehen.
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Im Rennen sah Waldo sich nach ihren Verfolgern um. Als spule man einen Film mit doppelter Geschwindigkeit ab, so bewegten sich die Gestalten durch den Schlick. Die Männer machten langsam Meter um Meter gut. Dann verschwand der Boden unter ihren Füßen. Binnen einer halben Sekunde landeten sie in dem Hauptabfluß und stinkende Brühe kroch durch jede Ritze ihrer Kleidung, verteilte sich über die Haut und verklebte sie zwickend mit dem Stoff. Waldo beachtete das überhaupt nicht. Er kämpfte sich hoch, eilte Dreckwasser verspritzend zu dem höher gelegenen Eingang zurück, aus dem sie gekommen waren und reinigte in Windeseile den Zünder seines Flammenwerfers. Das Kriechen, Platschen und Knurren unzähliger Aasfresser kam schnell näher. Fritz war schon schußbereit und wartete auf sein erstes Opfer. Die zwei Waffen würden die ganze Brut in ein wahres Flammenmeer tauchen, dessen war sich Waldo ganz sicher. Als das erste Wurmmaul im Kegel von Fritz’ Lampe auftauchte spien die Flammenwerfer sengendes Feuer. Züngelnde Flammen schossen in den Gang hinein, verkochten die ersten Aasfresser - und kamen wieder zurück! Eine wahre Springflut aus explodierendem Feuer wälzte sich mit dem Brüllen eines wütenden Drachen auf die fassungslosen Soldaten zu. Würmer wurden von den Flammen zerfetzt, mitgerissen und durcheinandergewirbelt wie lose Blätter im Wind. Eine Wand heißer Luft schoß vor der Feuerwelle davon und warf Waldo und Fritz wie kleine Spielzeuge um. Millisekunden später fegte die Feuerwalze über sie hinweg. Dann war es vorbei.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 12:17 SET
„Irgend etwas stimmt nicht!” Nick schritt ungeduldig in dem kleinen Zufluchtsraum auf und ab, von einem Ende der leichten Senke bis zum anderen und wieder zurück, mit nur wenigen, nervösen Schritten. Seit zehn Minuten ging das nun schon so mit ihm. Wenn er Raucher gewesen wäre, hätte er wahrscheinlich schon mindestens eine ganze Schachtel aufgeraucht. „Die sind jetzt schon seit mehr als anderthalb Stunden weg und haben sich noch nicht wieder gemeldet!” „Was glaubst du, wie groß dieses beschissene Kanalisationssystem ist?” Paxtons Frage war rein rhetorisch gewesen. „Bis die den Ausgang gefunden haben, der uns zum Schiff führt, kann noch verdammt viel Zeit ins Land gehen. Hier unten gibt’s bestimmt keine Wegweiser!” „Trotzdem hätte Broose sich bestimmt gemeldet, wenn er gekonnt hätte, John!” entgegnete Nick und baute sich vor Paxton und Kimberley auf wie ein gereizter Lehrer vor seinen Schülern. Die beiden saßen zusammen auf dem Boden und sahen zu Skull auf. „Was soll ihnen den schon passiert sein? Die Gänge hier unten sind so klein, daß der Roboter hier unten nicht hinein kann. Ihnen kann gar nichts passiert sein", versuchte Kimberley den Gefährten zu beruhigen, aber Skull ließ sich durch ihre Argumente nicht von dem ablenken, was ihm sein Instinkt sagte. „Es wäre doch immerhin möglich, daß die beiden versucht das System verlassen haben, weil sie den nahegelegensten Ausgang gefunden haben und dabei hat er sie dann gepackt!” Paxton verdrehte genervt die Augen. „Glaubst du wirklich, daß Waldo so blöd ist?” „Ach was weiß ich! Auf jedenfall werd ich losgehen und sie suchen, wenn sie in einer halben Stunde nicht hier aufkreuzen!”
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„Das wirst du nicht!” sagte Kimberley scharf und unterstrich die Schärfe noch mit einer energischen Handbewegung. „Sollen wir uns dann alle aus den Augen verlieren, oder wie hast du dir das vorgestellt? Demnächst machen wir bei ‘nem Einsatz dann alle was wir wollen!” „Ihr könnt ja bleiben, wenn ihr wollt!” blaffte der Soldat trotzig. „Aber ich werde gehen!” „Dann verpaß ich dir einen hiermit! Darauf kannst du Gift nehmen!” drohte die Medizinerin und hielt ihm die kleine Pistole mit den Betäubungsgeschossen unter die Nase, als sie aufstand. „Danach schläfst du solange, bis die beiden wieder hier aufgekreuzt sind! Wie ein kleiner, lieber Junge!” „Foster", raunte Skull böse. „Wenn ich dann wieder aufwache, solltest du dich aber nicht mehr auf diesem Planeten befinden!” „Hört auf!” unterbrach Paxton den Streit der beiden, als er endgültig die Nase voll hatte. „Wir werden jetzt hier warten. Wenn wir in einer Stunde nichts von ihnen gehört haben, können wir sie ja suchen. Aber bis dahin werden wir hier bleiben und uns nicht von der Stelle rühren! Ist das jetzt endlich klar!” Das hatte die gewünschte Wirkung. Die zwei Streithähne schenkten sich zwar noch giftige Blicke, setzten sich schließlich aber wieder auf den Boden und schwiegen sich an. Es folgte eine lange Zeit des Nichtssagens. Jeder der drei Menschen hockte da und grübelte vor sich hin. Was geschehen war, hatte bei allen Spuren hinterlassen. Keiner von ihnen war ein Neuling, keinem waren Schmerzen, Tod und Leichen unbekannt und sie waren schon mehr als nur einmal knapp dem Tod entronnen, aber doch war es heute anders als sonst gewesen. Man hatte sie vollkommen überrascht. Keiner hatte sich auf das was kam, einstellen können. Abstoßende Unmenschlichkeit stand hinter all dem Grauen, daß ihnen hier in so vielen Gestalten begegnet war. Andrejeffs plötzlicher Tod hatte sie alle mehr getroffen, als sonst ein Verlust in der File Status: Closed
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Vergangenheit. Vielleicht gerade deshalb, weil er der lebendigste und fröhlichste unter ihnen gewesen war. Selbst wenn sie in einer ausweglosen Lage gewesen waren, hatte ihn sein Optimismus nie verlassen. Die Tatsache, daß er als Soldat vorgehabt hatte zu heiraten, war ein Zeichen dafür, daß er nie mit dem Tod gerechnet hatte. Der Roboter hatte ihm mit kalter Berechnung in den Rücken geschossen. Paxton erinnerte sich, während er an seinem Zigarettenstummel zog, wie er in seiner Ausbildung zusammen mit Andrejeff als Zimmergefährten eine wundervolle Zeit verbracht hatte. Der Russe war zwar ein Brocken von einem Kerl gewesen, aber so freundlich, ja schon fast sanft, wie ein großer Teddybär. Paxton hatte heute einen Freund verloren und er war sich selbst nicht sicher, ob er das schon alles richtig begriffen hatte, mit all den Konsequenzen, die daraus erwuchsen. Um Abstand von den trüben Gedanken zu gewinnen, nahm sich der Nachrichtentechniker die Fernbedienung für die Raumschiffsrampe und schraubte dort weiter, wo er aufgehört hatte, als Nick zu lamentieren angefangen hatte. Die vielen kleinen Drähte und Chips waren an den meisten Stellen ausgerissen, gesprungen oder freigelegt und durch den Schlick verschmutzt worden. Das ganze verfluchte Gerät war ein hoffnungsloser Fall - Schrott, durch und durch! Es hatte schon eine Engelsgeduld gebraucht, die gesprungene Hülle zu öffnen und die Kabel zu entwirren, aber die kleinen fummeligen Mistdinger mit den Platinen zu verbinden, die sich doch immerwieder lösten und die zerbrechlichen Chips wieder so in das Gehäuse einzusetzen, daß sie nicht beschädigt wurden, überstieg die Toleranz des jungen Soldaten bei weitem. Mit einem gereizten Fluch warf er das Gerät an die Decke schräg über sich, wo es wie eine chinesische Vase zersprang. Nick sah Paxton darauf kurz an, sagte nichts und schloß wieder die Augen, als wenn er schliefe. In Wirklichkeit war er File Status: Closed
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aber so hellwach, wie er nur sein konnte. Paxton war sich sicher, daß er Nahkampf-Spezialist sofort aufbrechen würde, wenn Kimberley und er eingeschlafen waren. John beschloß wachzubleiben, damit Nick auf keine Dummheiten kam. Kimberley rutschte unbemerkt auf dem Hosenboden herüber zu Paxton. Er bemerkte ihre Nähe erst, als sie schon ihren Arm um ihn legte und sich an ihm wärmte. Mit einem Lächeln zog er sie noch näher an sich heran und hielt sie fest. Auf ihren Unterarmen, die Jackenärmel hatte sie sich hochgekrempelt, bildete sich eine Gänsehaut. John war erstaunt darüber. So kalt war es doch gar nicht. „Frierst du?” flüsterte er in ihr Ohr, wobei ihm die langen weichen Haare im Gesicht lagen. Er kannte ihren Geruch schon seit so langer Zeit, daß er manchmal glaubte, ihn schon immer gekannt zu haben. „Ein bißchen, aber es geht gleich wieder", kam die müde Antwort. „Schlaf doch einfach", schlug John vor. „Wenn Waldo und Fritz zurückkommen und den richtigen Ausgang gefunden haben, mußt du ausgeruht sein.” „Hast vielleicht recht.” Kimberley zog die Knie bis unter das Kinn und kuschelte sich an Paxton. Ihre beiden Kampfanzüge schabten kratzend aufeinander. Ein eigenartig unpersönliches Geräusch für eine solche Bewegung. Aber man gewöhnte sich mit der Zeit daran. Tatsächlich schlief Kimberley eine Minute später tief und fest. Sie atmete ruhig und gleichmäßig. Als Paxton sich darauf konzentrierte, merkte er nicht, wie es ihn einlullte. Kopf an Kopf gelehnt schliefen sie schließlich beide. Es roch nach Frühling und die Sonne schien vom azurblauen Himmel herab. Die Luft war wie Seide. Sie trug ein langes, weißes Kleid und lief über einen frischgemähten Rasen, der zu einem wundervollen Haus gehörte, das in den alten Filmen über den amerikanischen Bürgerkrieg oft zu sehen war. Ein große Veranda mit File Status: Closed
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eingetopften Pflanzen, eine weiß gestrichene Schaukel, gepflochtene Körbe und Blumen mit prächtigen Farben und herrlichem Duft gab es dort zu sehen. Ein Gefühl tiefster Zufriedenheit und vollkommenen Glücks überkam sie. Sie begann schneller zu laufen, denn sie glaubte eine bekannte Stimme zu hören. Es war John. Sie sah seine Silhouette in einem der Fenster im oberen Geschoß. Er winkte ihr zu. Kimberley winkte zurück und lief noch schneller. Es war wundervoll. Dieses war ihr Traumland. Eine perfekte Idylle. Mit einem glücklichen Lachen eilte sie die Stufen zur Veranda hinauf und kam ihn das prachtvoll eingerichtete Wohnzimmer des Hauses, daß kein Ende zu haben schien. Irgendwie kam es ihr seltsam vertraut vor. Auf der mit roten Teppich ausgelegten Treppe, die die linke Wand des Zimmers erfüllte, stand John, der ihr entgegengekommen war. Er trug volle Kampfausrüstung. Er sah aus, als käme er gerade aus einem harten Gefecht. Schweiß glänzte auf seinen Armen und seiner Stirn. Die Hose war zerrissen und der Lauf der Waffe qualmte noch. „John?” „Ja?” „Was ist los mit dir?” John kam mit einem freundlichen Lächeln die Stufen hinunter. Er kam zu ihr und nahm sie in die Arme. „Ich habe nur gearbeitet", sagte er wie selbstverständlich. Seine Stimme klang fremd, paßte so wenig in diesen Traum, wie sein Kampfanzug nicht in diesen Raum paßte. Kimberley fühlte plötzliche Angst. Angst vor etwas bedrohlich Nahem. „Wovor hast du Angst?” fragte John. „Ich weiß es nicht.” „Du brauchst keine Angst zu haben, Schatz", sagte John und drückte sie an sich. „Ich liebe dich.”
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Die Fensterscheiben barsten, von unsichtbaren Geschossen zerfetzt. Die Wände explodierten im Kugelhagel. Flammen loderten plötzlich überall, Rauch, sengende Hitze und beißender, schwarzer Qualm vertrieben den Frühling. Ein Treffer in Johns Schulter ließ ihn zurücktaumeln. Ein zweiter traf ihn im Magen. Ein dritter die Hand die die Waffe hielt. Kimberley schrie vor Entsetzen. Johns Gesicht starrte sie mit den toten Augen eines Babys an. Wie in Zeitlupe fiel seine Hand zu Boden, als ein Treffer das Gelenk explodieren ließ. Blut schoß bis zur Decke. Kimberley schrie und schrie und schrie. Immer weiter taumelte John im bizarren Todestanz von ihr fort. Er heulte mit der Stimme eines Babys Kimberley floh, rannte zur Tür. Dort stand er und glänzte im Schein des brennenden Paradieses. Kimberley hörte sich kreischen.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 13:14 SET
„Kimberley! Kimberley, wach auf!” Die junge Soldatin schreckte hoch. Ihre flackernden Blicke suchten wie wild umher, und sie brauchte Sekunden, um zu verstehen, daß dies die Wirklichkeit war. Das Gesicht vor ihr, war das von Waldo. „Waldo?” Sie hatte mit John gerechnet. Der Traum kehrte in ihr Bewußtsein zurück. „Was ist mit John?” Eine dumpfe Panik stieg für die Dauer eines Lidschlages in ihr auf. „Hier bin ich, Kim.” Kimberley atmete auf. John stand bei Fritz. Sie wirkten besorgt. „Kimberley, hast du Nick gesehen?” fragte Waldo während er ihr aufhalf. Er hatte leichte Verbrennungen an den Händen und im Gesicht. Er roch fürchterlich nach Abfall und etwas anderem. „Nick?” wunderte sich Kimberley verwirrt über all die neuen Eindrücke, die da auf sie eindrangen. „Ist er denn nicht hier?” „Verdammt, ich hätte nicht einschlafen sollen!” schimpfte Paxton wütend über sich selbst. „Dieser verfluchte Idiot hat die ganze Zeit abhauen wollen!” „Du bist nicht sein Kindermädchen. Er muß selber wissen, was er tut", beruhigte Fritz den jungen Soldaten. Paxton winkte entschieden ab. „Quatsch! Ich wußte doch, daß er irgendwie abgedreht war. Es war sonnenklar, daß er euch alleine suchen würde, wenn Kim und ich schliefen.” „Wir hatten Probleme, darum konnten wir nicht früher wieder hier sein", murmelte Waldo müde. „Was war denn los?” erkundigte sich Kimberley besorgt. Sie begutachtete vorsichtig seine Verletzungen. „Wir haben die restlichen Kolonisten gefunden.” Fritz Stimme konnte sein Schaudern nicht verbergen.
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„Sie sind alle tot", berichtete Waldo weiter. Fritz begann damit, seine Waffe zu reinigen und nachzuladen. „Was soll das heißen?” fragte John. „Ihr habt sie alle auf einmal gefunden?” Waldo und Fritz wechselten kurze Blicke. „Aasfresser haben sie hier unten deponiert", rückte Waldo mit der grausigen Geschichte heraus. „Die Biester haben sich auf uns gestürzt und als wir sie mit unseren Babies hier grillten, da ist uns der ganz Schacht um die Ohren geflogen.” „Da muß irgendwo ein Leck in einer Gasleitung gewesen sein", mutmaßte Fritz und sicherte sein Gewehr, als er fertig war. „Habt ihr die Masken aufgehabt?” wollte Kim wissen. „Ja, natürlich", sagte Waldo. „Mit verwesenden Leichen in Fremdatmosphären ist nicht zu spaßen", warnte die Med-Soldatin ihre Kameraden ernst. „Dies hier ist immer noch eine Probekolonie. Die Atmosphäre ist noch nicht hundertprozentig identisch mit der irdischen. Die Bakterien könnten hier in Nullkommanichts mutieren.” „Deswegen sollten wir jetzt nicht lange hier herumplappern, sondern dafür sorgen, daß Nick nicht in diese Scheiße reingerät", schlug John ungeduldig vor. Fritz stimmte ihm sofort zu. „Gut, okay", meinte Waldo Broose. „Fritz! Du und Kim, ihr nehmt diesen Gang. John kommt mit mir.” „Kann ich nicht mit Kim gehen und Fritz mit dir?” bat John seinen Anführer. Waldo verneinte. „In jeder Gruppe muß einer sein, der sich hier unten ein wenig auskennt. Fritz und ich haben unsere Erfahrungen schon gemacht.” John gab kommentarlos nach, es hatte keinen Sinn mit Waldo zu diskutieren. Er war ein Starrkopf. „Also auf", befahl Waldo. Die zusammengschrumpfte Gruppe setzte sich in Bewegung. Paxton packte seine Waffe und schob sich an Kimberley vorbei. File Status: Closed
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„Bis gleich", verabschiedete er sich und folgte Waldo in den Tunnel. Kim verwarf einen aufkeimenden schwarzen Gedanken wieder und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Fritz wartete schon auf sie. Sie entsicherte das Gewehr und tauchte in die Dunkelheit ein. Fritz überprüfte sein Funkgerät und lief ihr dann hinterher. Er konnte nicht sagen, ob es Angst oder etwas anderes war, aber irgend etwas schnürte ihm die Brust zu.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 13:30 SET
Die Gänge sahen überall gleich aus. Waldo markierte die Wände, um zu ihrem Nest zurückkehren zu können, wenn sie Nick gefunden hatten. Sich den Weg einfach einzuprägen, war absolut unmöglich. Man hatte hier unten einfach zu wenig Anhaltspunkte für eine sichere Orientierung. Wie lange sie unterwegs waren, konnte er nicht sagen. Sein Chronometer hatte irgendwann heute den Geist aufgegeben. Fritz und Kimberley hatten sich zwischendurch mehrmals gemeldet und immer wieder nur durchgeben können, daß sie keine Spur von Nick gefunden hatten. „Wo steckt der Idiot bloß?” knurrte der Master Sergeant leise. „Waldo?” schnarrte der Lautsprecher seines Helmes. Es war Kimberleys Stimme. „Ja?” meldete Broose sich zurück. „Habt ihr schon was gesehen?” „Nein, nichts", gab Waldo zurück. „Aber unter diesen elenden Masken sieht man in diesem finsteren Loch eh nicht die Hand vor Augen.” Er spielte damit auf die Atemgeräte an, die auf Kimberleys Anweisung hin zu tragen waren. Mochte sein, daß es besser war sie zu tragen, aber behindern taten sie die Sicht trotzdem. „Wir haben schon fast jeden Winkel durchsucht", schaltete sich Fritz ein. „Ich glaube, daß er nicht mehr hier unten ist.” „Du meinst er sucht nach dem Roboter?” „Ich halte ihn für so verrückt, ja.” „Das glaube ich auch", meinte Paxton zu Waldo. Das Gesicht unterhalb der hellen Helmlampe verriet innerliche Anspannung. „Wir suchen hier unten weiter!” ordnete Broose nach einer kurzen Pause für alle gut hörbar an. „Aber...” Kimberleys Einwende traf auf betonharten Widerstand. File Status: Closed
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„Ich werde niemanden nur wegen einer Vermutung nach da draußen schicken, wo dieser Schraubensack auf uns wartet! Ist das klar?!” „Jawohl, Sir", maulte die Med-Soldatin und schaltete ihren Empfänger ab. „Gehen wir weiter.” Kimberley ging los. Fritz blieb noch kurz stehen. Einen Moment lang, hatte er den Eindruck gehabt, der Tunnel habe sich um die eigene Achse gedreht. Der Druck auf seiner Brust kam wieder. Und die Abstände wurde von mal zu mal kürzer. „Jetzt komm schon", hörte er die Sanitäterin rufen. Fritz rieb sich die pochende Stirn und ging los. Nach wenigen Schritten ließ das Schwindelgefühl wieder nach.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 13:37 SET
„Verdammte Biester!” Die krachende Salve aus Paxtons Automatikgewehr pflügte durch den knöcheltiefen Brei und am Ende der Schneise zerplatzte der feucht schimmernde Wurstkörper eines verirrten Aasfressers. Der Lärm wurde hier unten so verstärkt, daß die Trommelfelle mit einem langanhaltenden Pfeifen protestierten. „Bist du wahnsinnig!” herrschte Waldo seinen Soldaten gepreßt an. „Was soll der Scheiß? Willst du uns unbedingt verraten?” „Der Blechheini weiß doch sowieso, daß wir hier unten stecken!” blaffte Paxton trotzig zurück. „Paxton, ich warne dich: ich bin immer noch dein Vorgesetzter. Also beherrsch dich gefälligst!” John gab sich Mühe, sein Gemüt wieder unter Kontrolle zu bringen. Es fiel ihm nicht leicht, aber er schaffte es schließlich doch. Zu guter Letzt nickte er. „Okay, tut mir leid, Sergeant", sagte er. „Soll nicht wieder vorkommen. Sind wohl meine Nerven.” „Geht uns allen so, John. Aber reiß dich trotzdem am Riemen.” „Was ist mit Kim?” Waldo lächelte. Paxton kannte keine größeren Sorgen. „Kimberley?” Das Funkgerät knackte und knisterte. „Hier.” „Wie steht’s bei euch?” „Unverändert", Die Stimme war nicht wiederzuerkennen. Das Rauschen nahm zu. „Bleib bitte stehen, der Empfang wird immer schlechter.” „Wir bewegen uns nicht.” Waldo fummelte kurz an seiner Apparatur herum.
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„Dieses Drecksding hat beim Sturz wohl mehr abbekommen, als ich dachte", vermutete Paxton. Er half Waldo Broose bei der Feineinstellung. „Wald... ich kann d... icht meh... stehen... aldo?” Die Störungen zerhackten den Empfang in kleine Wortfetzen. Sekunden später gab es selbst die nicht mehr. „Verfluchter Mist!” schimpfte der Master Sergeant genervt. „Das hat mir gerade jetzt noch gefehlt. Scheißmist! Am liebsten würde ich den ganzen Krempel an die Wand schmeißen! Verflu...” Paxton erstickte die letzten Worte mit seiner Hand, die er kräftig auf Waldos Mund preßte. „Still!” zischte er. Waldo gehorchte, sah seinen Techniker aber fragend an. „Hörst du das?” Paxtons Stimme war plötzlich so rauh wie ein Reibeisen. Er stellte Waldos Funkgerät ab, so daß absolute Stille herrschte. Es begann als kaum wahrnehmbares, gestaltloses Hintergrundgeräusch. Doch es wuchs rasend schnell an. Erst ein leises Trommeln, dann ein bedrohliches Stampfen und zuletzt ein regelrechtes Beben, kündete es von etwas Großem und Schwerem, das über den feinen heißen Wüstensand stakste. Waldo und Paxton handelten in stummer Übereinkunft. Mit einem hastigen Wink gab Waldo die Richtung an und trotz ihrer aufsteigenden Panik, die die Beine zum Schnellerwerden antrieb, bewegten sich die zwei Männer so leise wie nur möglich und so schnell es nur eben auf diese Art ging von dem näherkommenden Geräusch davon. Ein helles Pfeifen, gefolgt von einem dumpfen Krachen ließ sie zusammenfahren und ihre Vorsicht vergessen. Der Abflußdeckel nahe ihrem ehemaligen Standort zersprang in tausend Fetzen.
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„Wie hat der uns gefunden!” fluchte Paxton. Waldo wollte eine schnelle Antwort geben, aber ein erneutes Pfeifen ließ ihn umdenken. „Runter!” Er riß den Nachrichtentechniker mit in den Dreck. Es war keinen Moment zu früh gewesen. Der Schachtdeckel kurz vor ihnen verschwand in einem Feuerball. Splitter und Bruchstücke prasselten auf ihre Gefechtspanzer und versengten mit ihrer Hitze die Haut, wo sie unter der Kleidung hervorlugte. „Aaah, verdammt! Verdammt!!” Paxton zappelte wie ein Fisch auf einem heißen Pfannenboden. Broose kam ihm zur Hilfe, aber bevor er dem jungen Soldaten die glühenden Steinbrocken aus dem Nackenhaar schlagen konnte, wurde er auf eine neue Gefahr aufmerksam. Zu seinem puren Entsetzen tauchte ein funkelnder Geschützarm der MBE-1/P in dem neuen Loch auf und richtete sich auf sie. „Weg hier!” schrie der Farbige und schleifte Paxton ungeachtet seiner Schmerzen mit. Der Flammenwerfer seiner Waffe rülpste Feuer. Doch der Arm besaß keine Sichtsensoren, die die flirrende Flammenlanze hätte verwirren können. Der Roboter schoß auf gut Glück. Die abgefeuerte Granate jagte nach einem hohlen Knall auf sie beide zu. Obwohl sie verfehlte und weit hinter den Menschen einschlug, warf die heftige Druckwelle, die sich tosend einen Weg ins Freie suchte, sie nieder. Hitze ließ den schmierigen Bodenbelag dampfen. Paxton, dessen Körper zu Gunsten seiner Kampffähigkeit die Schmerzen halbwegs ignorierte, war als Erster wieder auf den Beinen und feuerte eine Granate ab. Wie durch ein Wunder fand sie genau ihr Ziel. Der Arm verwandelte sich schlagartig in einen Stumpf geschmolzenen und zerrissenen Metalls. Eine zweite Granate explodierte am Rand der Öffnung, aber der andere waffenstarrende Arm kam nicht zum Vorschein. File Status: Closed
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„Hauen wir ab, schnell!” Waldo rappelte sich auf und sie stürmten los, dorthin zurück, wo der erste Deckel zerschossen worden war. „Waldo... as ist... ch los?! Meldet eu...” Waldo antwortete nicht. Ihm war klar geworden, daß diese Kampfmaschine den Funkverkehr in ihrer unmittelbaren Umgebung stören konnte. Es war ernüchternd, daß er als erfahrener Soldat erst jetzt dahinter gekommen war. Paxton und er passierten Seite an Seite mit fliegenden Schritten den gähnenden Schacht über ihnen. Sie waren eine Sekunde schneller als ihr mechanischer Feind. Mit einem infernalischen Brüllen packte eine Feuerkralle nach ihnen. Der Flammenwerfer des rechten Arms spuckte unablässig kochende Hitze in alle Richtungen. Waldo gab aus vollem Lauf eine verzweifelte Salve hinterrücks ab. Sie fräste sich wirkungslos in den Beton der Decke. Die Flammen kamen ihnen schlagartig näher, Hitze biß wie ein tollwütiges Raubtier in ihre Rücken. Beide schrien in Todesangst. Von einem Augenblick auf den nächsten erstarb das Inferno, die Hitze verflog. Die Soldaten kamen stolpernd zum Stehen, nicht wissend, was als nächstes geschehen mochte. „Waldo ?Wald… worte doch! Waldo!” krächzte es aus dem Helmlautsprecher. Abwesend betätigte er seinen Apparat. Seine Augen glitten hektisch von einem Gullideckel zum nächsten. Der Tod konnte überall wieder auftauchen. „Was?” „Was ist… ei euch los?” Es war Fritz, der sich sehr besorgt anhörte. „Der Roboter hat uns gefunden", keuchte Waldo. Seitenstiche plagten ihnen, störten beim Sprechen. „Er hat uns gejagt.” „Wir kom… en! Bringt euch… cherheit!”
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„Nein!” befahl Waldo Broose bestimmt. „Bleibt wo ihr seid! Das ist zu gefährlich.” Waldo gab John mit einer schnellen Handbewegung zu verstehen, daß er die Kanalöffnungen im Auge behalten solle. Paxton tat wie ihm befohlen. Er schwitzte am ganzen Körper. Man sah ihm an, daß er einen furchtbaren Schrecken durch den plötzlichen Überfall bekommen hatte. „Aber...” „Kein aber! Wir werden...” Der Master Sergeant brach abrupt ab, als draußen das Krachen von Gewehrfeuer erklang. Die Antwort kam als tiefes Wummern schwererer Geschütze. „Wer schießt da?!” Die zorngeladene Frage war gleichzeitig an John und Fritz gerichtet. „Fritz, was soll das?” „Wir schießen ni… Kimber… eht neben mir.” Paxton schaltete eine Millisekunde früher als Broose. „Nick!” Der Nachrichtentechniker stürmte mit schußbereiter Waffe davon, noch bevor Waldo ihn aufhalten konnte. „Paxton !Komm zurück! Das ist ein Befehl!” John konnte oder wollte ihn nicht hören. Unbeirrbar lief er auf die Sprossen zu, die zur Oberfläche hinaufführten. „Fritz, Kimberley! Wir brauchen euch hier! Beeilt euch! Schnell!” Paxton war draußen, bevor Waldo zu Ende gesprochen hatte. Der Master Sergeant hörte seinen Untergeben feuern. „Paxton!”
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 13:38 SET
Kimberley rannte vor. Fritz versuchte vergebens, mit ihr mitzuhalten. Der Druck auf seiner Brust war beklemmend und die Schwindelanfälle ließen ihn taumeln. Übelkeit überkam ihn in immer heftigeren Wellen. Er schluckte. „Gott, nein, bitte", betete er leise.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 13:43 SET
Paxton schmeckte Sand, als er sich nach seinem Sprung hinter das Fahrzeugwrack wieder auf die Beine zog. Er linste gehetzt über die Deckung hinweg, um seinen Feind zu sichten. Die MBE-1/P kämpfte in drei Richtungen zugleich, während sie sich ständig bewegte, mechanisch durch den Kugelhagel stapfte. Der Lärm war unbeschreiblich. Waldo nahm sie aus dem Loch im Boden unter Beschuß, Paxton schoß Granate um Granate vom Wrack aus auf sie ab und aus dem Eingang eines schon hoffnungslos zerschossenen Wohnhauses blitzte Nicks Mündungsfeuer in regelmäßigen Abständen auf. Doch der Kampfmaschine schien das nichts auszumachen. Wie Erbsen prasselten die Stahlmantelgeschosse von ihr ab. Mit einer kräftigen Bewegung lud Paxton den Granatwerfer durch. Es war die letzte Granate. Der Gedanke daran, ließ den jungen Soldaten paradoxerweise ruhiger werden. Ein Treffer aus Nicks Granate ließ den Roboter wanken. Zwei weitere Explosionen rollten wie grollender Donner über den Ort. Der Kopf der Maschine zuckte nach rechts, die Raketenwerfer dampften. Neben dem Einstieg in die Kanalisation klafften zwei große Krater. Waldo war nicht mehr zu sehen. Nick schoß. Die Kopfseite bekam einen Volltreffer ab. Metallsplitter, verglühender Stahl, Feuer. Paxton sah Nick, wie er zielte und abdrückte. Aber etwas stimmte nicht. Nick fluchte, fummelte hektisch an der Waffe herum, zog sich rückwärts in die Deckung zurück. Die MBE-1/P schwenkte den beschädigten Schädel herum. Die Geschützlafette der rechten Kopfseite war ein einziger Klumpen verformten und geschwärzten Metalls. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt jetzt Nick, den ihre Programme als den potentiell gefährlichsten Gegner kennzeichneten. Wie eine File Status: Closed
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wilde Furie setzte sich der Roboter in Bewegung und stapfte insektenhaft auf die zerschossene Aluminiumhütte zu. Paxton konnte sie nicht daran hindern. Das Feuer seiner Waffe trieb das Monstrum nur noch mehr an. Der linke intakte Raketenwerfer schoß. Aus dem Eingang schlugen dem Stahlmonster Flammen und andere Dinge entgegen. „Du Miststück!” fluchte Paxton und tauchte ganz hinter seiner Deckung auf. Den Granatwerfer im Anschlag hetzte er zu einem umgestürzten Antennenmast, dann hinüber zu etwas Verkohltem, das einst ein Trafohäuschen gewesen sein mochte. Jetzt war er nah genug. Er legte an und feuerte. Es war eine Sekunde zu spät. Der große Kampfroboter tauchte in die Hütte ein, wobei er wie nebenbei den Türrahmen mit einigen Bewegungen seines gesunden Arms vergrößerte. Der Feuerball der Granate riß nur ein Loch in die Frontwand der Unterkunft. „Verdammt!” Schlagartig wurde es still. Die rauchgeschwängerte Luft flimmerte vor Hitze, erkaltendes Metall knisterte. Paxton riskierte einen Blick zu Waldo, der jetzt aus seinem schützenden Schacht geklettert kam. Die hellblaue Zündflamme seines Flammenwerfers zischte leise vor sich hin. Beide bewegten sich auf das Haus zu, in dem Nick und die Maschine verschwunden waren. Einmal war gedämpftes Gewehrfeuer zu hören, das so schnell wieder erstarb, wie es begonnen hatte.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 13:49 SET
Sand wehte vom heißen Wind aufgewirbelt durch die Straße, durch die Kimberley mit größtmöglicher Aufmerksamkeit schritt. Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie das Krachen von Gewehrsalven und das tiefe Grollen von Explosionen gehört. Nun war es vollkommen still. Ganz so, als habe es hier nie einen Kampf gegeben. Selbst das rhythmische Stampfen schwerer Maschinenschritte war verklungen. Kimberley sah sich nach Fritz um. Schon in den unterirdischen Gängen war er oft stehengeblieben und sie hatte auf ihn warten müssen. Jetzt ging er langsam, so als bereite ihm jeder weitere Schritt große Schmerzen. Sie erschrak innerlich, als sie sah, wie blaß er war. Seine Wangen waren eingefallen und seine Augen gerötet. „Fritz?” Sie eilte zu ihm. Der Deutsche gab sich Mühe, aufrecht zu stehen. „Du siehst aus, als würdest du gleich tot umfallen.” Sie legte seinen Arm um ihre Schulter und stützte ihn. „Sehr charmant, danke", murmelte er mit einem schiefen Grinsen. „Keine Ahnung, was mit mir los ist. Das ist vielleicht die Hitze hier.” „Komm", sagte Kimberley, während sie sich nach einem geeigneten Ruheplatz umsah. „Wir bringen dich erstmal in Sicherheit. Dort drüben in die Schatten am besten.” Sie half ihm hinüber zu einem Unterstand, der die Kämpfe annähernd unbeschädigt überstanden hatte. Einige Frachtkisten waren hier gestapelt worden und würden Schutz gegen den schneidenden Wind und der Sonne bieten. Fritz sank schwach auf den Boden nieder und Kimberley nahm ihm den Waffengürtel und die schweren Waffen ab. Dann zog sie seine Wasserflasche aus dem Rucksack und gab ihm zu trinken. Fritz trank mit gierigen Schlucken. Sein Hals fühlte sich ausgetrocknet und rauh an. Das kühle Wasser mit den revitalisierenden Zusatzstoffen tat ihm File Status: Closed
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unbeschreiblich gut. Er nahm Kimberley die Flasche ab und bedankte sich bei ihr. „Du wirst zu alt für diesen Job", frotzelte die MedTech. „Vielleicht solltest du endlich die Beförderung annehmen.” „Nicht, solange ich noch mit euch jungem Gemüse mithalten kann", gab Fritz zurück und unterdrückte ein Husten. „Warte, ich helfe dir", sagte Kimberley und öffnete den Verschluß des Brustschutzes. Der Schnallen schnappten mit einem scharfen Klickgeräusch zurück. Darunter kam die Thermowäsche zum Vorschein. „Was ist das denn?” Kimberley öffnete den Brustschutz etwas mehr und untersuchte den hellgrauen Stoff darunter. Ein verkrustete Substanz hatte sich dort abgelagert. Sie zupfte daran, bis sie etwas davon zwischen die Finger bekam. Fritz versuchte ebenfalls zu erkennen, was seine Begleiterin gefunden hatte. Sie schnupperte daran und verzog sogleich das Gesicht. „Wann hast du dich übergeben?” Ihre Hand befühlte seine Stirn und die Seiten seines Halses. Sie waren unnatürlich warm. „Kurz nachdem wir die Leichen gefunden...” „Verdammt, Fritz!” Kimberley war plötzlich außer sich. „Wir waren weit davon entfernt, Kim!” Fritz wußte, worauf sie hinauswollte. „Ich hatte vorher die Maske auf, ich...” „Wie weit glaubst du denn, können sich so verdammte Bakterien ausbreiten!” Hastig fingerte sie an ihrem MedPack herum. „Seit wann hast du diese Anfälle?” Fritz versuchte, sich zu erinnern. „Seit wir aufbrachen, um Nick zu suchen.” Kim fischte ein Injektionsgerät aus der Tasche und schob eine kleine Ampulle mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit ein. „Stillhalten!” wies sie ihn an, als sie seinen Kopf faßte und zur Seite drehte. Fritz spürte einen stechenden Schmerz durch seinen Hals fahren. „Was war das?” File Status: Closed
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„Das wird dich stabilisieren", erklärte Kimberley. „Aber ich muß dich so schnell es geht in ein MedLab verfrachten. Je länger ich dich nicht behandeln kann, desto schlechter werden deine Chancen.” „Wie schlimm kann es werden?” „Sehr schlimm, Fritz!” Kimberleys Gesicht zeigte Sorgenfalten. „Das Mutieren von Viren und Bakterien in außerirdischen Atmosphären ist nicht vorauszuberechnen. Es ist schon vorgekommen, daß eine simple Grippe eine zu früh besiedelte Kolonie innerhalb weniger Tage ausgerottet hat. Verglichen damit ist so mancher Bio-Kampfstoff nicht mehr als ein unangenehmes Kratzen im Hals.” Fritz wußte, daß sie nicht zu Übertreibungen neigte - im Gegenteil. Allmählich taten die Medikamente ihre Wirkung. Die Übelkeit sank auf erträgliches Maß und sein Kreislauf arbeitete wieder normal. „Es geht mir besser", meinte er schließlich. „Wir können weiter.” „Gut.” Kimberley half ihm auf und half ihm, die Ausrüstung wieder anzulegen. „Je früher wir von hier verschwinden, desto besser.”
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:04 SET
Er wagte kaum zu atmen, als er durch die Dunkelheit der Werkstatt kroch. Die Werkbänke, Stühle, Kisten und Regale wurden nur durch die halbgeöffneten Tore mit Licht versorgt. Direkt vor ihm befanden sich einige Bauteile irgendeiner Maschine, die wohl nie fertiggestellt werden würde. Wo und wann ihr ehemaliger Erbauer gestorben war, ließ sich nicht erkennen. Vermutlich war er aber nicht hier, sondern wie alle anderen zu Hause gewesen. Die meisten Anzeichen deuteten darauf hin, daß sich das grausame Massaker des Nachts oder wenigstens am späten Abend ereignet hatte. Daher war hier wohl auch so wenig von der allerorts anzutreffenden Zerstörungswut der Kriegsmaschine zu sehen. Das meiste hier war noch in einem nahezu unberührten Zustand. Das Tor voraus führte auf einen offen Platz oder eine Straße hinaus, soviel war sicher. Nur was dahinter noch auf ihn wartete, war nicht im geringsten abzuschätzen. Sorgsam darauf bedacht, keine allzu großen Geräusche zu machen, kroch Paxton weiter. Von Nick oder dem Droiden hatte er keine Spur gefunden. Nachdem ihr Feind hinter Nick hergestelzt und in der Wohnbarracke verschwunden war, hatte der Nachrichtentechniker versucht, sich dem Gebäude durch andere Wohnungen und Gebäudeteile von seitwärts davon zu nähern. Nun mußte er ganz in der Nähe der Stelle sein, wo dieser letzte Kampf stattgefunden hatte. Außer dem kleinen Seiteneingang durch den er gekommen war, wies diese Werkstatt aber nur das halbgeöffnete Tor als Ausweg auf. Sie führte zur Rückseite des Hauses, in dem Nick sich verschanzt hatte, während sie die MBE-1/P bekämpften. Er mußte also Wohl oder Übel dort hinaus. Kimberley war hoffentlich in Sicherheit. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, sie per Funk zu kontaktieren, aber die File Status: Closed
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Gefahr entdeckt zu werden, war ihm zu groß. Außerdem hatte er keinerlei Gefechtsgeräusche mehr gehört. Das war ein gutes Zeichen - zumindest was Kimberleys Überleben anging. Was das im Hinblick auf Nicks Lage bedeutete, wollte Paxton sich lieber nicht zu genau ausmalen. Noch einen weiteren Verlust zu verbuchen, wäre für sie alle nicht leicht und sie brauchten Nicks Kampferfahrung, wenn sie wenigstens die Spur einer Chance gegen diesen seelenlosen Stahlkrieger haben wollten. Andrejeffs Verlust wog für ihn selbst aber weit schwerer. Er hatte einen Freund verloren. Sein Tod war absolut sinnlos gewesen, wenn sie versagten. Schon um Andrejeffs Tod zu rächen, mußten sie diesen Roboter auseinandernehmen. Die unschuldigen Opfer aus dieser Kolonie verlangten ebenfalls nach Genugtuung. Dieses neue Kriegsspielzeug hatte schon zuviel Leid in die Welt gebracht. Der Ausgang war erreicht. Paxton stellte erleichtert fest, daß er die Tür nicht noch weiter öffnen mußte. Er zwängte sich vorsichtig durch den Spalt und glitt in das helle Tageslicht hinaus.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:06 SET
Die Tür vor dem farbigen Soldaten stand halb offen. Kopfgroße Löcher ließen das Licht von draußen herein und gewährten einen spärlichen Blick auf das, was dahinter lag. Waldos Atem ging schnell. Um ihn herum war es dunkel. Vage konnte er umgestürzte Stühle und die bunten Blätter von zerfetzten Magazinen erkennen. Er hatte sich in dieses Gebäude geschlichen, nachdem die Todesmaschine hinter Nick hergestampft war. Wo Paxton sich derzeit befand, vermochte er nichtmal zu ahnen. Vor ihm mußte eine Seitenstraße liegen, welche von dem Platz zwischen den Häusern herführte. Vermutlich würde der Roboter dort auf sie lauern. Wenn er sich weiterbewegt hätte, dann hätten sie etwas gehört. In der ganzen Zeit war es totenstill. Das letzte Geräusch war das Rattern von MG-Salven gewesen. Waldo fürchte daher, daß Nick nicht mehr am Leben war. Jetzt hatte er die Tür erreicht und spähte durch eines der Einschußlöcher hinaus. Er hatte richtig vermutet. Auf der anderen Seite dieser Tür befand sich eine Straße. Etwa dreißig Schritte gegenüber waren weitere Bauten zu erkennen. Das mittlere davon war eine Art Café. Sie wurden je nach Nationalität der Kolonisten in unterschiedlichen Ausführungen geliefert. Dieses Version war wie ein japanisches Restaurant ausgestattet gewesen. Nun war davon nur noch herzlich wenig zu erkennen. Weiter rechts standen die verkohlten Überreste eines Mehrpersonentransporters auf noch funktionierenden Antigrav-Spulen. Der Wagen selbst war völlig ausgebrannt. Offenbar hatte eine Salve die Mini-Fusionszelle zu Explosion gebracht. Von dem Roboter oder einem seiner Männer fehlte jedoch jede Spur. So leise wie nur möglich zog Waldo die Tür nach
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innen und trat in geduckter Haltung in den Türrahmen. Dann sah er sich genauer nach allen Seiten um. Broose atmete erleichtert auf. Das Gelände war frei. Die Waffe im Anschlag ging er leise rechter Hand an den Hauswänden entlang. Hier irgendwo mußten sich Nick oder der Roboter befinden. Hätte der Gigant sich fortbewegt, hätte man das sicherlich gehört. Wohl war Waldo bei dieser Aussicht allerdings nicht. Der Sand unter seinen Stiefel knirschte. Es war eigentlich lächerlich, aber selbst dieses Geräusch war dem Master Sergeant schon um einiges zu laut. Insgeheim hoffte er sehr, daß die MBE-1/P nicht mit Infrarot-Sensoren oder einer neuen Art von Bewegungsortungssystem ausgestattet worden war. Vielleicht hatte man ihm bei dem Briefing auf Mondstation Caesar nicht alles erzählt.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:08 SET
Fritz schwitzte so stark, daß seine gesamte Unterwäsche so naß war, als sei sie gerade aus der Wäsche gekommen. Sie scheuerte beim Gehen und zwickte unangenehm im Schritt und unter den Achselhöhlen. Das Schwindelgefühl war zwar weitestgehend verschwunden, aber er spürte, wie sich sein Magen mehr und mehr bemerkbar machte. Es würde nicht mehr lange dauern, dann würde er sich wahrscheinlich wie ein hilfloser Säugling in die Hose machen und seinen Mageninhalt ausspeien. Warum hatte er nur diese verwünschte Maske nicht etwas später vom Kopf gerissen? Und warum hatten sie nicht einen anderen Abzweig genommen? Nun, es half nichts. Es blieb zu hoffen, daß sie es rechtzeitig schafften, diesen verfluchten Sandhaufen zu verlassen. Ansonsten sah es schlecht für ihn aus - auch ohne den Roboter zum Feind. Kimberley ging einige Schritte vor ihm. Wachsam beobachtete sie die Ruinen und Straßen um sich herum. Ihre Waffe war schußbereit und würde in dem Moment Tod und Verderben spucken, in dem sie die ersten Körperteile dieses Stahlmonstrums sichten würde. Vielleicht war es seine Krankheit, die sich auf seine Psyche niederschlug, aber Fritz hatte seine Angst vor dem Roboter völlig verloren. Ihn hatte eine plötzliche Ruhe erfaßt, die sich ähnlich anfühlte, wie jene Stimmung, die sich nach einem erfolgreichen Einsatz zeigte. Der Feind war zu etwas geworden, dessen Niederlage nicht mehr wichtig oder erstrebenswert erschien. Ob es nun daran lag, daß Fritz’ Unterbewußtsein sich damit abgefunden hatte, daß diese Bestie unbesiegbar war oder sein Selbsterhaltungsinstinkt ihm einen Streich spielte, war im Endeffekt egal. Alles war besser als diese nagende Angst. Kimberley blieb stehen. Hier kreuzten sich zwei kleinere Straßen und die verkohlten Überreste von Frachtkontainern ragten vor ihnen auf, wie gigantische schwarz-gesprenkelte File Status: Closed
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Eier, aus denen etwas geschlüpft war. Der Boden um sie herum war geschwärzt und aufgewühlt. Nachdem sie sich umgesehen und kurz gelauscht hatte, sah sich die MedTech nach ihrem Gefährten um. Er wirkte wieder etwas schlaffer, als noch vor wenigen Minuten. „Geht es?” erkundigte Foster sich. Fritz nickte mit einem beruhigenden Lächeln. „Mein Magen rumort ein bißchen, aber sonst bin ich okay.” „Gut", meinte Kimberley. Sie sah sich nochmals um und atmete tief ein. „Meinst du, wir können es wagen, die anderen anzufunken?” „Aber nur kurz,” sagte Fritz. „Wir wissen nicht, ober dieses Mistvieh uns anpeilen kann. Wir wissen nur, daß er über einen Störsensor verfügt.” „Okay .Versuchen wir’s.” Sie fingerte an ihrem Mikro herum. Es knackte und rauschte. „Paxton? Paxton kommen. Hier ist Foster.” Fritz verkniff sein Gesicht. Sein Hand ging zu seinem Magen.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:09 SET
Die Hitze war nach der Kühle der schattigen Ruinen kaum zu ertragen. Im Schutz eines umgestürzten Funkmastes kroch Paxton durch den glühenden Sand der Straße keine vier Meter von der Werkstatt entfernt, aus der er gerade gekommen war. Auf der anderen Seite der Straße waren nur verlassene Aluminiumhütten zu sehen und weiter die Straße hinab war bis auf das Hitzeflimmern alles ruhig. Das verbogene und teilweise geschwärzte Stahlskelett neben ihm wiegte sich leicht seufzend im Wind hin und her. Es war von dem Werkstatt-Gebäude gestürzt und lag nun mit dem zerfetzten Fußende auf dem Dachrand und mit den verbeulten und eingedrückten Empfangsschüsseln und abgeknickten Antennen im Staub. Die fast drei Meter hohen zerquetschten Reste eines Wassertanks ragten darunter auf. Sein Inhalt war schon vor langer Zeit von der Sonne verzehrt worden. Was hielt dieser Hitze überhaupt stand? Paxton versuchte, sich so dicht an die Konstruktion zu halten, wie es eben ging, ohne daran zu stoßen und verräterischen Lärm zu machen. Das würde ihn zwar mehr als vier Meter weit von den Häusern fort und somit auf die Mitte der Straße führen, aber das war unumgänglich. Er fragte sich, wo Broose stecken mochte. Er hatte nicht sehen können, wohin es ihn in dem Geschoßhagel verschlagen hatte. Wahrscheinlich hatte er sich einen Weg durch die Kanalisation gesucht, nachdem er vor den Raketen in Sicherheit gegangen war. Paxton merkte, wie sich nach dem Gedanken an das verdunstete Wasser aus dem Tank sein Durst immer größer wurde. Seine Zunge fühlte sich geschwollen an. Er hatte die Hälfte des zerstörten Mastes erreicht und den demolierten Behälter hinter sich gelassen. Auf dem Bauch liegend faßte er mit seiner linken Hand zu seinem Gürtel, wo sich die kleine File Status: Closed
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Wasserflasche befand. Es war schon verrückt. Die ganze Zeit vorher hatte er kaum das Verlangen nach Flüssigkeit gespürt. Jetzt, wo er versuchte, die Flasche vom Haken zu lösen, stieg sein Durst fast sekündlich an. Innerlich mußte er über seine offensichtliche Abhängigkeit von äußeren Reizen lachen. Paxton führte die Flasche zum Mund und drehte den Verschluß ab, indem er ihn mit den Zähne packte und die Flasche drehte. Es war verdammt unbequem, aber er wollte die Waffe in seiner rechten Hand nicht in den Dreck legen, und so blieb ihm nichts anderes übrig. Wieder strich eine leichte Windbö über ihn. Sie trug den Geruch von Rauch und Staub mit sich. Das schimmernde Metallgerüst neben ihm bewegte sich erneut mit einem leisen Ächzen und Stöhnen, das durch seine malträtierten Streben ging. Nicks blutüberströmtes Gesicht starrte mit weit geöffnetem Rachen und starrem Blick zum wolkenlosen Himmel empor. Der abgeschraubte Flaschendeckel landete im Sand und der Inhalt der Flasche begann, sich auf ihn zu entleeren.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:11 SET
Waldo spähte mit angehaltenem Atem über die ausgebrannte Front des Antigrav-Transporters hinweg. Er hatte sich auf die andere Straßenseite begeben, um dann in Richtung des Hauses zu gehen, in welchem der Roboter untergetaucht war. Er ging zwischen den Häuserfronten und dem Wrack her, um möglichst gut gedeckt zu sein. Es erstaunte ihn, daß die Aggregate des Fahrzeugs immer noch funktionierten. Die japanischen Konstrukteure hatten anscheinend robuste Arbeit geleistet. Das Summen der Antigrav-Spulen klang irgendwie zufrieden. Die Führerkabine war leer. Durch die geborstenen Scheiben konnte er auf die Straßenseite blicken, von der er gekommen war. Zunächst war sein Blick auf die Überreste dieses Antennenmastes gefallen, der mit seinem Gewicht etwas unter sich zermalmt hatte, daß er aus der Entfernung nicht erkennen konnte. Das Metall der Sendeeinheit blitzte und funkelte vom vielfach reflektierten Sonnenlicht. Dann hatte er den toten Körper gesehen und war erschrocken stehengeblieben. Einen Moment lang hatte er gehofft, daß es sich um einen von den Aasfressern vergessenen Kolonisten handelte, aber dann erkannte er seinen Nahkampfspezialisten. Nicks Brustpanzer war völlig zerfetzt und schwelte vor sich hin. Seine Waffe lag einige Meter weit hinter ihm auf der Straße. Waldo gab einen enttäuschten Laut von sich und wollte hinter dem Wrack hervortreten, als ihm ein eiskalter Schreck durch die Glieder fuhr. Im Eingang des Hauses leicht geduckt und auf den toten Soldaten hinabstarrend hockte die MBE-1/P in der gleißenden Sonne. Mit seinen Greifwerkzeugen griff es nach einem Bein der Leiche und zog sie mühelos zu sich heran. Die stählernen Gliedmaßen arbeiteten so geräuschlos wie eine Fata Morgana. Künstliche Muskeln aus Servomotoren, File Status: Closed
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Glasfaserzügen und verchromten Drehlagern handelten in perfekter, stummer Übereinkunft. Der von den zahlreichen Treffern ramponierte Schädel bewegte sich leicht, als untersuche er Nicks erschlafften Körper mit großem Interesse. Waldo beobachtete das Geschehen mit einer Mischung aus Faszination und Abscheu. Die Greifwerkzeuge zerrten an dem Brustpanzer und lösten ihn langsam Stück für Stück abreißend von seinem ehemaligen Besitzer. Der Roboter schien sie kurz anzusehen und ließ sie dann achtlos fallen. Vermutlich analysierte er ihre Zusammensetzung und ihre Haltbarkeit. Oder er erfreute sich an seinem Zerstörungswerk. Waldo hielt mittlerweile nichts mehr für undenkbar. Waldo versuchte sich zu erinnern, ob in dem Briefing davon gesprochen worden war, daß diese Maschine neue Feinde analysieren und über ihre Schwächen lernen konnte. Er kam zu keinem Ergebnis, aber es hätte ihn sehr gewundert, wenn dem nicht so wäre. Das alles würde bedeuten, daß sie es von nun an noch schwerer haben würden. Sie mußten diesen Planeten verlassen. Je früher, desto besser. In diesem Augenblick hob sich plötzlich ein Arm des Monstrum und ein kurzer hohler Knall war zu hören. Etwas schlug in den toten Körper ein, der von dem Treffer leicht durchgeschüttelt wurde. Danach blieb es still. Waldo runzelte die Stirn. War es eine Blindgänger-Granate gewesen? Der Droide schien keine Anstalten zu machen, den Schuß zu wiederholen. Er trat nun aus dem Eingang hinaus ins Freie.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:13 SET
Paxton hielt die Wasserflasche noch immer halb erhoben. Das letzte Wasser war schon lange im Sand versickert. Durch die Streben des Mastes hindurch konnte er Nicks übel zugerichtete Leiche erkennen. Eine Geschützsalve hatte in frontal in die Brust getroffen. Unter dem zerfetzten Panzer glänzten blutverschmierte Rippen elfenbeinartig in der Sonne. In Nicks starrem Gesicht war noch das maßlose Erschrecken zu erkennen, das ihn angesichts des nahenden Todes erfaßt haben mußte. Doch schrecklicher als dieser Anblick war Paxtons Angst. Die Killermaschine war keine zwei Meter von ihm entfernt. Nur ein paar lächerliche Metallstangen und Radarschüsseln trennten sie voneinander. Er konnte das leise Surren und das vielfache hektische Klicken vernehmen, mit dem die Gelenke und Gliedmaßen der Stahlbestie arbeiteten, während sie sich mit Nicks Leichnam beschäftigte. Nachdem dieses Geschoß in den Körper eingedrungen war, hatte die Maschine einen Schritt nach vorne gemacht und Stand nun auf gleicher Höhe mit Paxton. Die glänzenden Stahlkrallenfüsse, die fähig waren, sich in massiven Fels zu bohren, ruhten ihm Sand vor ihm. Paxton schwitzte und ging in Gedanken durch, was er über die Ortungssysteme des Droiden wußte oder was er sich aus seinem Verhalten zusammenreimen konnte. Er kam zu dem Schluß, daß er zu wenig wußte und schlichtweg alles möglich war. Todesangst griff nach seinen Innereien. Es rauschte und knackte plötzlich. „Paxt..?” Johns Hand hatte nach dem Sender/Empfänger gegriffen und ihn ausgeschaltet, bevor sein Verstand wirklich verarbeiten konnte, was geschehen war. Paxtons Atem begann jetzt zu rasen, und als er sich noch flacher auf den Boden preßte, spürte er sein Herz pochen, als schlüge es gegen die Innenseite seines Kampfanzuges. Im File Status: Closed
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gleichen Moment hatte sich die Maschine mit einem Ruck zu voller Größe aufgerichtet. Das Geräusch, das ihre Motoren dabei machten, klang fast wie ein überraschter, erstaunter Laut von abgrundtiefer Boshaftigkeit. Aus dem Augenwinkel heraus sah Paxton, wie sich die Metallkralle eines Arms zu Nick hinabsenkte und nach seinem Sender griff. Er war zerstört. Der Sender fiel wieder zu Boden. Mit einer mechanischen Bewegung reckte der Gigant seinen Kopf in die Höhe und John hörte, wie er sich kurz umsah. Zu Paxtons Seite des Mastes konnte er nicht blicken, weil das Wrack ihn an dieser Stelle noch überragte. Daher stampfte es folgerichtig an dem Sendemast entlang. Paxton griff nach seiner Waffe und zielte auf das Ende des umgestürzten Anlage, wo der Roboter bald erscheinen würde. Dem Nachrichtentechniker war allerdings klar, daß er wahrscheinlich nichtmal einen Schuß abgeben würde, bevor er durch die präzisen Schüsse der MBE-1/P starb.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:14 SET
Waldo hatte Paxton gesehen, kurz bevor der Roboter durch etwas aufgeschreckt worden war. Er mußte Paxton entdeckt haben oder wenigstens ahnen, daß ein Gegner irgendwo in unmittelbarer Nähe war. Noch ein paar Schritte und er würde ihn sehen können. Das wäre Paxtons sicherer Tod. Waldo hob die Waffe, zielte und schoß in einem Atemzug. Das einzelne Geschoß schlug funkenschlagend auf der Schädelseite des Stahlkriegers ein. Der schwere Kopf fuhr herum, suchte und erfaßte sein Ziel und schoß im Bruchteil einer Sekunde. Der Master Sergeant sprang seitwärts hinter das Fahrzeug. Die Geschosse trafen es keine Sekunde später. Die Wand hinter der Stelle wo Broose gerade noch gestanden hatte, wurde von ihnen durchsiebt. Wäre der Droide mit einem Lasergeschütz ausgerüstet gewesen, hätte er mit Sicherheit getroffen. Zum Glück waren Kugeln relativ langsam im Vergleich zu einer Strahlenwaffe. Viel Zeit zum Nachdenken blieb Waldo nicht. Das helle Kreischen eines Raketengeschosses erscholl und wurde lauter. Als es das Wrack traf und es auf seinem reibungsfreien Energiefeld vor sich hertrieb, verschwand Broose gerade durch die Tür eines Hauses vor sich. Der Transporter wurde von der Druckwelle der Explosion gegen die Hauswand geschleudert. Fensterscheiben, Glassplitter und Wandbehänge schossen weit in den Raum hinein. Waldo warf sich hinter einem auf der Seite liegenden Tisch in Deckung. Der Treffer hatte den AntiGrav-Spulen den Rest gegeben. Sie versagten. Der Transporter ging donnernd zu Boden und zermalmte mit seinem eigenen Gewicht die sündhaft teuren Aggregate unter sich. Waldo stand auf und sah sich um. Die schweren Schritte kamen näher.
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Mit wenigen Sätzen hatte er im Halbdunkel einen Raum erreicht, der soetwas wie ein Eßzimmer darstellte. In der Rückwand erkannte er ein Fenster. Dahinter war in einiger Entfernung die Rückseite des Lagerbunkers zu erkennen. Von hier aus konnte er mit Leichtigkeit die Fähre erreichen. Er war zwar kein richtiger Pilot, aber um die Mühle zu starten und wieder zu landen, reichte es noch. Außerdem wußte er, daß das Bordgeschütz ihres Raumschiffes mit schweren Partikelbeschleunigern bestückt war. Denen würde selbst dieses Ungetüm nicht standhalten können. Erneut erklang das Fauchen des Raketenwerfers. Die Explosion brachte das Haus zum Erbeben. Geschirr und Besteck flogen klirrend und scheppernd durcheinander. Eine Hitzewelle rollte durch die Räume und Stoffe im Nebenraum fingen Feuer. Waldo schrie. Das Fenster zerplatzte unter den Treffern einer Gewehrsalve und der Master Sergeant hechtete hindurch, bevor ein zweiter Treffer das Innere des Eßzimmer in Flammen aufgehen ließ. Waldo raffte sich benommen auf und hielt auf den Lagerbunker zu. Er spürte Schmerz in seiner Schulter. Blut rann warm die Innenseite seines Anzuges hinab.
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042.2212 14:14 SET
Das Stechen in seinem Hals ebbte schnell wieder ab. Die Wirkung des Medikaments setzte spürbar rasch ein und Fritz nahm ergänzend einen Schluck aus seiner Flasche. Es war nicht mehr zu leugnen, daß er sich da unten bei den Leichen etwas eingefangen hatte. Foster hatte mit ihrer Vermutung wahrscheinlich recht. Wie sich Leichengift in fremden Atmosphären zusammensetzte, war allerdings weitgehend unerforscht. Die MedTech hatte zur Zeit aber ganz andere Sorgen. „Warum hat er sich nicht gemeldet?” Nach ihrem ersten Versuch Paxton zu erreichen, hatte es geknackt und dann war der Empfang tot gewesen. Das konnte zum einen bedeuten, daß John das Gerät absichtlich abgestellt hatte. Zum anderen bestand aber auch die Möglichkeit, daß der Roboter ihn erwischt hatte. Kimberley machte sich große Sorgen. Immer wieder kehrte die Erinnerung an diesen Alptraum zurück. „Vielleicht ist er auch gestürzt und das Gerät wurde dabei beschädigt", versuchte Fritz sie zu beruhigen. „Wir haben schon lange keinen Gefechtslärm mehr gehört.” Kimberley sah ihn mit einer sehr kritischen Miene an. „Dieses Ding braucht keine Geschütze, um einen Menschen zu töten.” „Paxton hätte sich bestimmt gewehrt", hielt Fritz dagegen. „Das hätten wir gehört.” „Ich hoffe, daß du recht hast, Fritz.” Foster legte ihre Hand auf seine Stirn und untersuchte seine Augen. „Wie geht es dir?” „Wieder besser", sagte der Deutsche. „Aber es wird jedesmal schlimmer. Die letzte Dosis hat nicht so lange vorgehalten, wie die davor.” „Verdammt", murmelte Kimberley. „Wenn ich nur einen Blutanalyse-Stift dabei hätte.” „Was würde das helfen?” Fritz kannte diese Dinger. Sie waren ähnlich wie Spritzen aufgebaut und hatten an ihrem File Status: Closed
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Ende einen elektronischen Aufsatz, mit dem das abgezapfte Blut direkt untersucht werden konnte. Die Dinger taten verdammt weh. „Dann könnte ich die Injektion genauer auf deine Bedürfnisse abstimmen", erklärte Foster. „Ich könnte vielleicht sogar das Fortschreiten der Krankheit aufhalten oder wenigstens verlangsamen.” „Hast Du einen in der Fähre?” Hoffnung keimte in Fritz auf. Kimberley nickte. „Dann sollten wir versuchen...” Donnerhall brachte Fritz zum Schweigen. Instinktiv gingen beide in Deckung, obwohl für sie keine Gefahr bestand, wie sich sogleich herausstellte. Eine weitere Explosion folgte. Dazwischen mischte sich das Krachen von Geschützsalven. „John!” Foster lud den Granatwerfer durch und stürmte in Richtung des Lärms davon. Zwei kurze Feuerstöße echoten zwischen den Bauten her. „Kimberley, warte!” Fritz nahm seine Waffe auf, die an der Wand neben ihm lehnte. „Sei vorsichtig!” Die MedTech hörte ihn nicht und rannte durch die Hitze ihren Kameraden zur Hilfe. Ihr Gefährte versuchte, ihr zu folgen ohne sie zu verlieren. Sie lief in ein Haus rechts von ihr und war nicht mehr zu sehen. Fritz betete, daß sie in ihrer Eile nicht dem Roboter in die Arme lief. Sie war höchstwahrscheinlich seine einzige Hoffnung, diesen Wahnsinn hier zu überleben.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:16 SET
Paxton hob Nicks Gewehr auf. Er bewegte sich so langsam und vorsichtig wie möglich. Die MBE-1/P stand keine zehn Meter von ihm entfernt vor dem Wrack des Transporters und suchte nach einem Weg in das Innere des Gebäudes. Von Waldo war nichts mehr zu hören oder zu sehen gewesen. Es war riskant, was John hier tat, aber Nicks Waffe verfügte noch über Granaten, so glaubte er. Jetzt bewegte er sich langsam rückwärts. Er mußte die Häuser erreichen, bevor der Kampfroboter etwas merkte oder sich umdrehte, um einen anderen Weg zu suchen. Wäre Waldo nicht gewesen, dann wäre er jetzt vermutlich tot. Der Schuß gegen den Kopf hatte die Aufmerksamkeit der Maschine auf Broose gelenkt und Paxton konnte sich in Sicherheit bringen. Er hängte sich seine Waffe um und versuchte, eine Granate hochzupumpen. Es funktionierte. Nicks Ladehemmung hatte sich nur auf das Maschinengewehr beschränkt. Paxton zielte auf den Roboter und ging weiter rückwärts. Sollte sein Feind sich jetzt umdrehen, würde Paxton ihn zuerst treffen. Nicks Körper lag immer noch da, wo der Droide ihn untersucht hatte. Seine toten Augen starrten zum Himmel hinauf. Paxton konnte die zerrissene Lunge und gesplitterte Knochen sehen. Der Anblick hatte viel von seinem Schrecken verloren. Sie würden ihn begraben, wenn sie Zeit dafür hatten. Erst galt es, ihren Gegner zu vernichten. Mit einem metallischen Knirschen zog die MBE-1/P den AntiGrav-Wagen von dem Eingang fort. Sie vermutete wohl Broose dahinter. Wenn sie recht hatte, dann saß Waldo in einer Todesfalle. Paxton sah sich um. Hinter ihm führte ein schmaler Weg zwischen zwei Häusern zu einer Nebentür. Dort konnte er sich verstecken. Die Granate traf das Stahlvieh seitlich in den Rücken. Völlig von der Druckwelle überrascht, hatte es dem nichts
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entgegenzusetzen und wurde gegen die metallene Hauswand geschleudert. Paxton begann loszurennen. Mit suchend umherzuckendem Schädel richtete sich das Biest ohne Zeit zu verlieren wieder auf. Es sah direkt in Paxtons Richtung, wie dieser bemerkte, als er die Tür auftrat und verschwand. Die erwartete Geschütz-Garbe blieb aus und Paxton hatte nicht den Wunsch, sie abzuwarten. Er lief weiter. Wenn die MBE-1/P ihn auch verfolgte, so hatte er wenigstens Waldo etwas Zeit verschafft. Das Innere des Gebäudes war dunkel. Tische aus Stahl und Chrom versperrten ihm den Weg. Paxton setzte im vollen Lauf über sie hinweg. Er stolperte, fing sich und erreichte die gegenüberliegende Wand. Neben einem Getränkeautomaten dessen Neonbeleuchtung ausgefallen war, verharrte er einen Augenblick und lauschte. Das Stampfen des Droiden war gut zu hören, aber nur schlecht zu orten. Er mußte noch irgendwo auf der Straße sein. Seine Bewegungsrichtung konnte Paxton aber nichtmal ungefähr schätzen. Etwas weiter rechts von dem Techniker stand eine Seitentür offen. Sie führte in einen ähnlichen Raum, der allerdings etwas größer war und mehrere dieser Automaten aufwies. Einige von ihnen waren beschädigt. Wodurch vermochte Paxton nicht zu erkennen. Die Wände und Fenster hier waren verglichen mit dem Rest dieser Kolonie nahezu unversehrt. Nur einige Fensterscheiben waren zu Bruch gegangen. Gesiebtes Sonnenlicht fiel durch die herabgefallenen Jalousien. Einen Ausgang nach draußen gab es hier nicht. Paxton ging an Tischen und Stühlen vorbei hinüber zu den Fenstern. Es gab keine umgestürzten Möbel oder zersprungenes Geschirr hier. Diese Gaststätte oder was immer es gewesen sein mochte, war offenbar nicht besetzt gewesen, als die Maschine hier zugeschlagen hatte. Die Funktionsstörung war offenbar nicht so gravierend, daß die Maschine wahllos auf alles schoß, was ihr vor das Visier kam. File Status: Closed
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Paxton sah hinaus. Die Straße war zu beiden Seiten frei, zumindest dort, wo sie in seinem Blickfeld lag. Weder von dem Roboter noch von Fritz und Kimberley war irgend etwas zu sehen. Vermutlich hatte sie mittlerweile mehrmals versucht, ihn anzufunken. Ihr letzter Versuch hatte ihn fast das Leben gekostet. Sie konnte so verdammt unvorsichtig sein! Sie hatte ihre Gefühle ganz einfach nicht genug unter Kontrolle. Er schluckte schließlich den aufkommenden Zorn hinunter und konzentrierte sich wieder auf seine Arbeit. Er untersuchte Nicks Waffe genauer. Die Patronenkammer war stark verschmutzt, wie er schnell feststellte. Da war ohne Reinigungsutensilien nichts zu machen. Paxton stieß einen leisen Fluch aus. Etwas rumpelte hinter ihm. Die Waffe im Anschlag wirbelte Paxton herum und zielte. Der schwache Schein seiner Lampe tastete durch das Dunkel weiter hinten im Raum, wo das Sonnenlicht nicht hinkam. Dort war nichts zu sehen. Fing er schon an, Gespenster zu sehen? Die Waffe schußbereit machte er langsam ein paar Schritte vorwärts. Der Lichtkegel seiner Lampe tanzte bei jeder Bewegung seines Kopfes auf den ramponierten Automaten hin und her. Zerbrochenes Glas und zerrissene Frischhaltefolien reflektierten den Schein mit einem hellen Funkeln. Mit einem Schlag blieb Paxton stehen. Wieder rumpelte dort hinten etwas. Und es kam eindeutig von den Automaten her. Vielleicht waren die Automaten absichtlich beschädigt worden. Er ging in die Hocke und versuchte unter den Tischen hindurch, etwas zu erkennen. Aber das Licht wurde von dem verchromten Gewirr von Stuhl- und Tischbeinen so häufig zurückgeworfen, daß Paxton fast geblendet wurde. Er stand wieder auf und ging in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
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„Wer ist da?” Möglicherweise hatten sich irgendwo Überlebende versteckt. „Ist da jemand?” Er versuchte nicht allzu laut zu sein. In diesem Moment fiel ihm der süßliche Gestank auf. „Verdammt!” Mit geübten Griffen riß er die Atemmaske vom Gürtel und legte sie an. „Wo steckt ihr elenden Mistviecher?” Diese Aasfresser hatten offenbar ihren Geschmack auf Diet Coke und Cracker entdeckt. Paxton wartete. Nichts rührte sich. Die zerpflückten Tüten und durcheinandergeworfenen Getränkebehälter blieben still und regungslos. John machte einen weiteren Schritt auf das Durcheinander zu. Er fragte sich, ob diese Viecher tatsächlich so kräftige Kiefer hatten, daß sie Glas und Blech durchbrechen konnten. Wenn ja, dann waren sie auch imstande, Knochen zu zermalmen. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seiner Magengegend aus. Der Strahl seiner Lampe glitt suchend über den Boden. Im Stillen verfluchte er die Konstrukteure seines Atemschutzgerätes. Die Gläser waren in diesem Halbdunkel und angesichts der reflektierenden Fetzen ein echtes Hindernis. Sie setzten immer irrsinnig teure Filter ein, sie benutzten immer das teuerste Material für die verdammten Halteriemen, und keine Nähte an irgendeinem Kleidungsstück seines Anzuges waren mit einem derartig hitzebeständigen Kleber versiegelt - man konnte schon lange unter der Maske gegart sein, die Nähte würden nicht aufgehen. Nur bei den Gläsern wurde gespart. Paxton neigte den Kopf ein wenig zur Seite, um den Lichteinfall zu verringern. Es half kaum etwas. Vorsichtig ging er weiter. Als er den letzten Tisch vor dem Automaten erreichte, gab er einen kurzen, leise fauchenden Feuerstoß aus seinem Flammenwerfer ab auf den Platz dahinter ab. Nichts geschah. Keine Schmerzensschreie, keine Viecher, die versuchten, der Hitze zu entkommen. File Status: Closed
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Immer noch höchst angespannt lief er um den Tisch herum. „Pfui Teufel!” Paxtons Vermutung stellte sich als korrekt heraus. In einem Durcheinander aus zerfetzten Packungen, Frischhaltefolien und zerquetschten und verbeulten Getränkedosen, die jetzt zum Teil angeschmort waren, lagen fünf dieser fetten Würmer regungslos auf dem Boden. Der eine oder andere hatte den Rachen leicht geöffnet und Verpackungsreste lugten daraus hervor. Sie hatten tatsächlich versucht. hier etwas zu Fressen zu finden. Der kleinste unter ihnen wies blutige Bißwunden auf. Ganze Hautteile fehlten in seinem Leib. Mit der Spitze seines Stiefels stieß er die Kadaver an. Keiner von ihnen reagierte darauf. Sie waren ausnahmslos verreckt. Er riskierte einen Blick in den aufgebrochenen Automaten. Dort befand sich ein sechster Aasfresser. Er bewegte sich leicht. Er hatte wohl die Geräusche verursacht, wegen denen Paxton hierhergeschlichen war. Der Nachrichtentechniker beobachtete das fremde Wesen. Er fühlte sich an ein Spielzeug erinnert, dessen Batterie kurz davor war, zu versagen. Die Bewegungen wurden immer schwächer und schwächer. Man konnte sehen, wie das Leben aus dem Körper wich. Wenige Augenblicke später war er tot. Die Biester gingen elendiglich zu Grunde. Was auch immer der Grund dafür war, Futtermangel konnte es nicht sein. Die Packungen waren leer und nur noch einige wenige Fleischreste zierten den Boden unter ihren Leibern. Aber da war noch etwas. Durch die Aktivitäten der hungrigen Biester hatte sich der Automat verschoben. Erst jetzt, wo er so dicht davor stand, hörte Paxton das leise Schnarren, daß von irgendwo dahinter erscholl - und sah den schwachen Lichtschein, der durch den Spalt zwischen Wand und Automatengehäuse fiel. Paxton hing sich die Waffe um, griff mit beiden Händen nach der hinteren Kante des schweren Behälters und zog. File Status: Closed
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042.2212 14:21 SET
Während Paxton seine unerwartete Entdeckung machte, eilte Waldo an der Wand des Lagerbunkers entlang. Er war außer Atem und schwitzte stark. Die Schmerzen in seiner Schulter verdrängte er, so gut es eben ging. Irgendwer hatte den Roboter von ihm abgelenkt. Nachdem er die Hütte hinter Waldo in Schutt und Asche gelegt hatte, war nichts mehr geschehen. Dennoch sah der Soldat in regelmäßigen Abständen sichernd über die Schulter. Hundert Meter oder mehr voraus glänzte die Hülle des Transporters in der sengenden Sonne. Die Rampe würde eine halbe Minute brauchen, bis sie ausgefahren war und sie war nicht leise. Die Gefahr, daß der Feind auf sein Tun aufmerksam wurde war hoch. Waldo wollte das Risiko dennoch eingehen. Wenn er einmal im Cockpit saß und einen Blitzstart ausführte, dann war er überlegen. Die Zielerfassung der Bordwaffen funktionierte so leicht wie ein Kinderspielzeug. Er mußte den Vogel nur in die Luft kriegen. Die Waffen vom Boden aus abzufeuern war aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Möglicherweise schaffte er es sogar, die anderen aufzulesen, bevor der Droide den Flieger unter Beschuß nahm. Dann konnte er aus sicherer Höhe die ganze Kolonie mit einem Teppich aus Fragment- und Plasmabomben ausradieren. Eine Reihe von in regelmäßigem Zickzack angeordneten Löchern, welche sich den Beton der Bunkerwand hinaufschlängelte lenkte ihn von seinem Plan ab. Wie eine in den Stein gehauene Treppe führte sie zu der Verladerampe hinauf, auf der es Andrejeff erwischt hatte. Das Gestänge war verbogen. Die Spuren konnten nur von dem Droiden stammen, der mit seinen Stahlkrallen an der Wand hinaufgeklettert war. Was
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hatte er von Andrejeffs Leiche gewollt? Waldos Instinkt drängte darauf, sich die Sache genauer anzusehen. Die Löcher im Beton waren zu klein, als das er sie hätte als Kletterhilfe nutzen können. Kurzentschlossen eilte er zum Haupttor und betrat den riesigen Lagerraum ein zweites Mal.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:23 SET
Der Bildschirm zeigte endlose Zahlenreihen die der Rechner unablässig hintereinander ausspuckte. Neben dem Terminal befand sich ein schwerer Panzerschrank, in welchem die Rechnereinheit verstaut war, um die hochempfindliche Elektronik vor Staub und Hitze zu schützen. Diese Anlage war dafür bestimmt, die Kommunikation mit dem Sender-Gate zu steuern. Diese Gates genannten Mini-Hyperraumtore waren das Herzstück des gesamten interstellaren Informationsaustausches. Ohne sie war es nicht möglich Online-Gespräche mit anderen Kolonien oder Raumschiffen zu führen. Mit Hilfe der Gates wurden die Signale durch den Hyperraum geschickt. So war es möglich, ohne eine Verzögerung zu kommunizieren und Daten auszutauschen. Die herkömmlichen Übertragungen über Fast-Link Satelliten waren zwar wesentlich schneller, als die reine Funkwellenübertragungen, aber für eine Botschaft zum Beispiel von Hiyake IV zur Erde benötigten sie immerhin noch wenigsten drei Wochen. Die meisten Kolonien verfügten nur über Fast-Link Verbindungen. Sie waren zuverlässig und vor allen Dingen preiswert. Gate-Verbindungen waren sündhaft teuer. Nur Kolonien mit administrativen Zentren oder Militärbasen wurden damit ausgestattet. Die Installation eines einzelnen Gates in einem Raumsektor verschlang mehr Kosten als der Bau einer gesamten Standard-Kolonie. Mal ganz abgesehen von den laufenden Kosten für Abwehranlagen, Wartung und Energiezellen. Paxton wußte haargenau, daß er hier kein Standard-KolonieEquipment vor sich hatte. Der winzige Bildschirm erhellte den kleinen Raum hinter der Wand der Kantine mit seinem blassen grünlichen Licht. Neben den Stromleitungen und den Steuerungselementen für die Kühlung der Essensautomaten war gerade noch Platz für die Rechnereinheit gewesen. Fingerdicke Kabelstränge wanden sich vom unteren Teil des File Status: Closed
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Gehäuses hinüber zur Außenwand, verliefen dann senkrecht bis zur Decke und mischten sich unter das restliche Leitungsgewirr. Sie führten vermutlich zu der umgestürzten Sendeeinheit. Paxton versuchte die Zeichenfolgen zu entziffern. Er war nicht erstaunt, daß er kein Neo-Japanisch sondern GlobalSpeak-Lettern vor sich hatte. Die Zeichenzusammensetzung machte auf den ersten Blick keinerlei Sinn. Aber sie kam Paxton dennoch sehr vertraut vor. Es waren zum größten Teil kodierte Botschaften. Diese Anlage war von der U.S.-Navy hier installiert worden. Das war so gut wie sicher. Der Rest waren Meßdaten. Der Bildschirm war fest installierte Standardausrüstung. Wahrscheinlich brauchte man ihn hier gar nicht, weil niemand von der Existenz oder zumindest von der Funktion dieses Rechners wußte. Und der Monitor zeigte an, daß die Verbindung mit dem Empfänger sowie dem Sender noch bestand. Wer genau die Adressaten waren, ging aus den Anzeigen nicht hervor. Wer der Übersender der Meßdaten war, stand außer Zweifel. Die Daten sprachen von System-Effizienzen, Munitions-Status, Trefferquoten und wiesen äußerst differenzierte Schadensberichte sowie Umweltdaten und Positionsdaten von mehreren Zielen und deren Bewegungswahrscheinlichkeit auf, welche permanent geupdated wurden. Das bedeutete aber auch, daß die Kabel nicht zu der Sendeanlage führen konnten. Die war viel zu demoliert, um auch nur ansatzweise Signale übermitteln zu können. Die Sendeeinheit zu finden, würde einige Zeit dauern. Zeit, die sie nicht hatten. Der Zahlenfluß fiel mit einem leisen Pfeifen in sich zusammen, als Paxtons Kampfmesser mit einem schnellen Hieb die Stromzufuhr zum Rechner kappte.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:27 SET
Der heiße Wind blies von der verunstalteten Laderampe mit dem ausfahrbaren Lastkran in den oberen Teil des Bunkers hinein. Waldo war aus dem Aufzug getreten, den Stunden zuvor Andrejeff benutzt hatte. Seine Waffe hatte er lose über der Schulter hängen. Der Kampfroboter konnte nicht hier oben sein. Er suchte wahrscheinlich irgendwo in der Kolonie nach Waldos Kameraden. Der Master Sergeant sah sich um. Hier standen nur leichte Container. Sie waren ebenfalls mit Warnzeichen beschriftet und viele waren mit Stoßsicherungen und schweren Versiegelungsringen versehen, die alle ein Tastenfeld und I.D.Scanner aufwiesen. Vermutlich handelte es sich hier um experimentelle Brennstoffe oder um Proben eines neuen Rohstoffes. Die Firmen wachten äußerst eifersüchtig und penibel darüber, daß die Konkurrenz nichts von möglichen neuen Entdeckungen bemerkte, bis man damit auf dem Markt war. Die Entdeckungen, die auf manchen Planeten gemacht worden waren, hatten mehrmals die Vormachtstellung großer Überfirmen empfindlich gestört und kleinen, eher unbedeutenden Firmen ein großes Stück vom Kuchen eingebracht. Seitdem wurde nahezu alles in solchen Behältern transportiert. Auch wenn man nicht wußte, was man da eigentlich hatte. Für Waldo hatten diese Sicherheitselemente nichts Wichtiges mehr an sich. Er ging achtlos an ihnen vorüber, auf der Suche nach seinem gefallenen Freund. Er hatte erwartet, ihn unweit der Verladerampe zu finden, aber dort war er nicht. Daher ging er weiter in das Gebäudeinnere hinein, bis er auf eine dunkle Blutspur stieß. Es sah aus, als sei Andrejeffs Körper über den Betonboden geschleift worden, wie ein nasser Sack. Die Spur führte Waldo Broose hinter einen im Dunklen liegenden Kistenstapel.
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Dort lag Andrejeff mit dem schlaff herabhängenden Kopf an einen Behälter gelehnt auf dem Rücken. Seine Augen starrten Waldo aus dem Dunkel heraus an. Sie hatten einen grotesken, fragenden Ausdruck. Eine Blutlache umgab den in sich zusammengesunkenen Körper wie ein übergroßer, bizarrer Heiligenschein. Die Geschosse, welche ihn in den Rücken getroffen hatten, hatte den Brustpanzer durchschlagen. Er war auf der Stelle tot gewesen. Der Droide hatte ihn hierhergeschleppt. Die Waffe des Russen lag in ihre Einzelteile zerlegt neben ihm. Das Magazin war leer. Waldo überwand seinen Schrecken und kniete sich neben den Leichnam nieder. Mit einer sachten Bewegung drückte er ihm die Augenlider herunter. „Es tut mir so Leid, alter Freund.” Er griff nach den Identifizierungs-Chips, die an der dünnen Kette um Andrejeffs Hals hingen und nahm sie an sich. Dann löste er den Ring am Finger seiner rechten Hand. Er hatte ihn erst jetzt bemerkt. In den Einsätzen zuvor, war ihm das kleine Schmuckstück nie aufgefallen. Gedankenversunken drehte er ihn zwischen den Fingern, bis er auf der Innenseite auf eine Gravur stieß: Michail und Jaqueline, ewige Liebe. Jaqueline. Damit konnte nur Private First Class Jaqueline N’byu gemeint sein. Sie war eine erstklassige Helijet-Pilotin. Broose wußte, daß die beiden so manchen Einsatz zusammen geflogen hatten. Dies war wohl das Gegenstück zu ihrem Verlobungsring. Mit einem traurigen Seufzen ließ Waldo das glänzende Stück Metall in seiner Hosentasche verschwinden. Er würde es ihr bei seiner Rückkehr überreichen. Es würde die Sache aber nicht leichter machen. Es war nie leicht. Nicht für Waldo. Er durchsuchte die Taschen des Anzuges nach weiteren persönlichen Dingen des Soldaten. Außer einem Päckchen Kaugummis fand er jedoch nichts, was nicht zur Ausrüstung gehörte. Als er sich leicht über den Körper beugte, roch er das verbrannte Fleisch und die austretenden Dämpfe der File Status: Closed
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Körpersäfte. Er kannte diesen Geruch, er war natürlich. Dennoch bereitete es ihm Unbehagen. Schließlich griff er nach der Namensplakette am Brustpanzer. Ein stechender Schmerz schoß durch seinen Finger. Erschrocken riß er den Arm zurück, um im gleichen Moment vor Entsetzen rückwärts zu stolpern und rücklings gegen einige Sicherheitsbehälter zu krachen. Sein Herz begann zu rasen und sein Atem ging in kurzen heftigen Stößen, als er die Augen nicht von der Leiche lassend versuchte, die hinter seiner Schulter eingeklemmte Waffe zu greifen. Wie ein blutverschmierter Finger wand sich etwas aus den Austrittslöchern in Andrejeffs Brustkorb heraus. Ein leises unwilliges Quieken begleitete diesen schrecklichen Anblick. Waldo erkannte ein kleines Maul voller Zähne am Kopfende des tentakelartigen Dings. Es war ein Aasfresser-Junges. Waldos Bewegungen erstarrten. Nur seine Lungen pumpten mit unverminderter Heftigkeit und sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Ein zweiter und ein dritter Wurm folgten dem ersten. Ungelenk und plump krochen sie vom Blut glänzend über den Leichnam, suchten nach Falten in der Kleidung und Löchern in der harten Panzerung. Einer von ihnen kroch in Richtung des Gesichts empor. Waldo rappelte sich auf und stieß wutentbrannt mit dem Messer auf die Jungtiere ein, bis keines von ihnen mehr am Leben war. Die prall gefüllten Wänste platzten und noch mehr Blut und Fleischreste verteilten sich auf Andrejeffs geschändeter Leiche. Es dauerte eine kleine Weile, bis Waldo sich wieder soweit beruhigt hatte, daß er wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Mit der Messerspitze drehte er die kleinen Bestien hin und her, um sie genauer zu untersuchen. Zwei von ihnen verloren ihre Haut, als er sie anstieß. Sie waren kurz davor gewesen, sich zu häuten. Offenbar wuchsen sie sehr schnell. Es gab File Status: Closed
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zahlreiche Lebensformen mit einem derart schnellen Wachstum. Doch nichts konnte erklären, wie sie Andrejeff hier oben hatten finden, geschweige denn wie sie überhaupt hatten hierhergelangen können. Diese war eine Sackgasse. Der einzige Zugang war der Lift. Waldo glaubte nicht, daß diese Würmer die Wand emporgekrochen waren. Außerdem waren sie viel zu klein und zu schwach, um große Strecken zu meistern. Einem leisen Verdacht folgend, machte Waldo sich daran, Andrejeff noch genauer zu untersuchen. Als er den Kopf des toten Gefährten anhob, klappte der Unterkiefer herunter und dickflüssiges, schwarzes Blut lief über das stoppelige Kinn. Ein widerlicher Gestank nach Fäulnis erfüllte den Raum. Die Luft anhaltend versuchte der Master Sergeant in den Rachen hineinzusehen. Im hinteren Teil kurz unterhalb der Glottis hatte sich etwas in das Fleisch gebohrt. Inmitten des Blutes glänzte etwas weißlich im Schein der Helmlampe. Da waren auch zahlreiche, kleine Löcher, die im gesamten Bereich des hinteren Rachens zu sehen waren. Wie Wurmlöcher in einem guten Mutterboden. Es kostete den Soldaten einiges an Selbstüberwindung, die eine Hand in den Mund von Andrejeff zu stecken, um an den Fremdkörper zu gelangen. Er merkte, daß er die Handschuhe ausziehen mußte. Er brauchte Fingerspitzengefühl, wenn er nach dem Ding tasten wollte. Also zog er den Finger wieder zurück und zupfte den blutigen Handschuh von seiner Linken. Dann versuchte er es erneut. Eiskalte Schauer stillen Entsetzens rannen über seinen Rücken, als er die eigenartige Wärme spürte. Langsam glitt sein Finger tiefer hinein. Die kraftlose, weiche Zunge war hinderlich, und er mußte sie gegen den Unterkiefer drücken, um weiterzukommen. Die Nässe war halb so schlimm, wie er gedacht hatte. Viel mehr machte ihm das weiche, leicht widerstrebende Fleisch zu schaffen, an welchem die Haut File Status: Closed
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seiner ungeschützten Hand entlangglitt. Die schmatzenden Geräusche, die entstanden, wenn er seine Finger bewegte oder die Hand leicht drehte, wobei der Schmier der alles umgab sich neu verteilte, verdrängte er, so gut es eben ging. Endlich bekamen seine Fingerspitzen den Gegenstand zu fassen. Er war hohl und die Kanten waren scharf. Es fühlte sich in etwa an wie ein aufgesprungener Tischtennisball. Vorsichtig begann Waldo zu ziehen. Der Kopf folgte der Bewegung ohne Verzögerung, wodurch Waldos Hand noch tiefer in Andrejeffs Schlund rutschte. Waldo ächzte. Er mußte tief durchatmen, um sich nicht zu übergeben. Nach kurzem Suchen hatte er seinen Halt an dem Ding wieder und drückte diesesmal mit der freien Hand an Andrejeffs Stirn des Kopf zurück, während er zog. Es saß ziemlich fest. Seine Fingerspitzen begannen abzurutschen, und Waldo griff nochmal nach, um fester ziehen zu können. Nur ganz allmählich bewegte es sich. Dann gab es mit einem feuchten Ploppen endlich nach. Schnell zog Waldo die Hand heraus und wusch sie hastig mit Wasser aus Andrejeffs Feldflasche ab. Andrejeffs Kopf kippte leicht wippend nach vorne und das Blut begann erneut zu fließen. Weil er es nicht mehr aushielt, ging Waldo in Richtung des Lastkrans davon. Hier war es heller und die frische Luft tat ihm gut. Seine Beine fühlten sich an wie Pudding. Angewidert schüttelte er sich und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Für heute hatte er mehr Blut und Tod gesehen, als er gewohnt war. Als Kämpfer war man sehr bald an den Anblick von Wunden, Leichen und Verstümmlungen gewöhnt, aber das war auch eine Frage der Distanz - zu den Menschen, zu dem Geschehen an sich. Dieser Einsatz war anders. Waldo konnte nicht mit Bestimmtheit sagen warum, aber dies alles hier setzte ihm weiter mehr zu, als so mancher Einsatz zuvor. File Status: Closed
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Wahrscheinlich konnte ein Mensch nur ein gewisses Maß solcher Bilder aufnehmen. Auf Hiyake IV war für Waldo eben dieses Maß erreicht und sogar überschritten. Ihm fiel seine Beute zwischen seinen Fingern wieder ein. Sogleich kehrte seine soldatische Professionalität wieder zurück. Das war etwas, das den meisten Soldaten seit jeher schnell zur zweiten Natur wurde. Aufgaben halfen, Dinge zu verdrängen; sie weiter hinauszuschieben. Vielleicht hatten deswegen auch die meisten von ihnen unbewußt angst vor dem Ruhestand. Es kam die Zeit, da holten einen die Alpträume des Schlachtfeldes ein. Auch in dieser Hinsicht war das Leben eine Sackgasse. Aber zum Glück war es für Waldo noch nicht soweit. Hier und jetzt hatte er eine Aufgabe. Der Gegenstand in seiner Hand war tatsächlich einem Pingpong-Ball sehr ähnlich. Durch das Wasser vom Blut gereinigt zeigte sich die Hülle des runden Objekts in einem Eierschalen-Weiß. Das Material hatte die Konsistenz und Widerstandsfähigkeit von dünnem Plastik, war aber aus einem anderen Stoff, den Waldo nicht sofort zu identifizieren vermochte. Ein etwa daumengroßes Stück war herausgebrochen und darin befanden sich noch Reste einer milchigen Substanz, die von hauchdünnen roten Linien durchzogen war. Waldo sah genauer hin. Dort war noch etwas eingebettet. Mit der Spitze seines Messers förderte er es zu Tage. Ein erstaunter Laut entfuhr ihm.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:27 SET
Sie preßte sich gegen die Hauswand in ihrem Rücken. Der letzte Explosionsdonner, den sie gehört hatte, war vor einigen Minuten verhallt. Seitdem hatte sich nichts mehr gerührt. Ihre Deckung befand sich an einer Kreuzung. Sie warf einen vorsichtigen Blick um die Ecke die sandige Piste hinunter. Ein zerstörter Sendemast, ein demoliertes AntiGrav-Fahrzeug und zahlreiche Metallfetzen und angeschlagene Häuserfronten waren die einzigen Dinge, die auf die Anwesenheit ihres Gegners hinwiesen. Von ihren Verbündeten war keine Spur zu sehen. Der schwarze Qualm, der aus dem Haus hinter dem Wrack in den stahlblauen Himmel quoll, deutete aber unmißverständlich auf eine Begegnung zwischen beiden hin. „Ich frage mich, wie dieser Riese es schafft, sich hier vor uns zu verstecken.” Fritz spähte an Kimberley vorbei und sprach aus, was sie dachte. Er hatte den schwer gewordenen Helm abgenommen und trug ihn am Gürtel. Sein graumeliertes Haar war strubbelig und feucht von Schweiß. „Mir wäre lieber, ich wüßte, wo sich unsere Leute gerade befinden.” Kimberley schob sich mit vorgehaltener Waffe um die Ecke und machte ein paar zaghafte Schritte die Straße entlang. „Nein...” Sie blieb plötzlich stehen und ihre Hände begannen zu zittern. Dort lag eine Leiche etwa fünfzig Meter entfernt. Sie trug einen Kampfanzug. Fast widerstrebend hob sie den kleinen Feldstecher vor die Augen und sah hindurch. Mit bebenden Fingern drehte sie an den Rädchen für die Schärfeneinstellung, bis sie ein klares Bild hatte. Beinahe erleichtert setzte sie das Gerät wieder ab, als sie erkannte, um wen es sich handelte. „Nick ist gefallen.” Die Worte klangen, als habe sich für sie eine alte Vermutung bewahrheitet. Fritz trat hinter der Wand hervor. Er sagte nichts. Sein Gesicht zeigte jedoch, daß er durch Nicks Tod tief betroffen war. File Status: Closed
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„Sonst ist niemand zu sehen gewesen”, ergänzte die MedTech, als könne das den Verlust mindern. Fritz kam ihr nach. Er hustete und würgte kurz. Dann spuckte er etwas in den Dreck. „Wir müssen uns beeilen”, meinte er nur dazu. Kimberley bejahte. „Laß uns versuchen, zum Flieger durchzukommen. Vielleicht jagt er die anderen noch und wir schaffen es rechtzeitig. Dann können wir sie rausholen. Irgendwo hier muß ein Zugang zu den Kanälen sein.” „Ja, machen wir das,” sagte die Soldatin und drehte sich zu ihm um. „Das hat sowieso keinen Zweck hier.” Sie gingen zurück zur Kreuzung und sicherten die Umgebung. Auch hier war weit und breit niemand zu sehen. Fritz gab das Handzeichen, sich in Bewegung zu setzen. Die Straße war etwa sechs Meter breit. Das andere Ende säumten wieder die standardisierten Blechhütten. Wind ließ zerrissene Folien und Dämmstoffe auf ihren Dächern flattern und knattern. An der nächsten Häuserecke gingen sie hinter einigen Wrackteilen in Deckung. Fritz starrte die Straße hinauf. Sein Blick war glasig. „Glaubst du, du schaffst es, die Fähre zu fliegen?” erkundigte sich seine Kameradin besorgt. „Was ist mit deinen Schwindelgefühlen?” Fritz zeigte ein dünnes Lächeln. „Wenn du es schaffst, mich solange halbwegs zu stabilisieren, daß ich uns ins Orbit bringen kann, um uns auf den Leitstrahl des Transporters einzuklinken, ja.” „Mit der Bordausrüstung bekomme ich das hin, kein Problem.” „Na, dann müssen wir nur noch zur Fähre spazieren und einsteigen”, hustete Fritz. „Ein Kinderspiel.” „Wenn du das sagst, Fritz”, lächelte Kim. „Dann sollten wir uns beeilen, bevor unserem Freund langweilig wird.” Fritz nickte und richtete sich auf. Ein schneller Rundumblick, dann schritt er aus der der Deckung heraus. Kimberley folgte File Status: Closed
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ihm und den seinen Rücken. Die Ruhe war nahezu gespenstisch. Aus den Augenwinkeln heraus entdeckte sie plötzlich eine Bewegung. Sofort riß sie die Waffe herum und zielte auf einen Punkt in Ferne. „John!” Sie atmete erleichtert auf und ließ die Waffe sinken. Paxton zwängte sich keine zwanzig Meter von ihnen entfernt durch ein Fenster und landete etwas unbeholfen auf der Straße. Als er sich sichernd umsah, erkannte er seine beiden Gefährten und bedeutete ihnen, in Deckung zu bleiben, er wolle zu ihnen stoßen. „Fritz”, rief Foster den Deutschen zurück. „Paxton hat uns gefunden. Warten wir hier auf ihn.” Der Pilot kam zurück und beide knieten sich hinter den Sichtschutz. „Ist Waldo bei ihm?” „Ich habe ihn nicht gesehen”, antwortete Kimberley. „Aber ich glaube nicht.” „Beide gleichzeitig zu treffen und zum Schiff zurückzukehren, ohne dem Droiden zu begegnen, wäre auch wohl zuviel verlangt...” Kimberley hörte ihm schon gar nicht mehr zu. Sie beobachtete Paxton, der die Straßenseite gewechselt hatte, wie er sich jede nur mögliche Deckung ausnutzend auf sie zu bewegte. Er kam nur langsam voran. Vor jedem Hauseingang wartete er ab und lauschte, bevor er ihn passierte. Er trug zwei Waffen mit sich. Im Stillen hoffte sie, daß es Nicks Waffe war. Etwas andere würde bedeuten, daß Waldo ebenfalls tot war. Die Unwissenheit nagte an ihr. Sie funkte Waldo an. „Waldo? Hörst du mich?” Nur Rauschen und diverse Störgeräusche klangen aus ihrem Lautsprecher. „Kimberley.” Fritz’ Stimme klang drängend. „Hör mit der Funkerei auf. Wir wissen nicht, ob der verdammte Roboter uns anpeilen kann!” File Status: Closed
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„Ich kriege ohnehin keine Verbindung mit Waldo”, meinte sie resignierend. „Hoffentlich hat es ihn nicht erwischt.” Paxton hatte die Hälfte der Strecke jetzt hinter sich. Er deutete auf einen Eingang etwas weiter vor Fritz und Kimberley. „Gut. Komm, Fritz”, sagte sie, als sie verstanden hatte, was der Nachrichtentechniker vorschlug und nickte ihm deutlich zu. „Wohin?” „John will sich mit uns in dem Haus da vorne treffen.” Sie zeigte auf ein Gebäude, daß noch gut intakt war, wenn man es mit den anderen umstehenden Häusern verglich. „Kannst Du noch?” Fritz nickte schwach und erhob sich, wobei der Schmerz sein Gesicht verzerrte. „Wenn wir da sind”, meinte die MedTech, „dann geb ich dir eine etwas stärkere Dosis.” „Würde mich freuen.”
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 14:32 SET
Das Innere des ihres neuen Verstecks war nahezu leer. Ein einziger Raum mit einem kleinen angrenzenden Nebenraum waren mit leeren Transportkisten und einigen Maschinenteilen, die mit Chipkarten versehen worden waren nichtmal annähernd gefüllt. Fenster an der Rückwand ließen Licht hinein, welches sich golden in der staubigen Luft brach. Der deutsche Pilot ließ sich direkt neben dem Eingang nieder und kauerte sich zusammen, während er nach draußen blickte. Kimberley untersuchte derweil die hier gelagerten Gegenstände. Sie fand nichts außer scheinbar defekten Maschinenkomponenten. Paxton erreichte den Unterschlupf ein wenig später. Er sah fürchterlich aus. Von oben bis unten mit Sand bedeckt und verschwitzt war er. Sein Gesicht war erschreckend ausdruckslos. Er grüßte nicht, als er eintrat, sondern sah nur kurz von einem zum anderen und stellte dann eine der zwei Waffen an die Wand. „Wessen Waffe ist das?” wollte Kimberley wissen. „Nicks Waffe”, antwortete John knapp. „Habt ihr Waldo gesehen?” Beide verneinten. „Seit wir uns getrennt haben nicht mehr”, sagte Fritz, der zu ihm aufsah. „Er ist vor dem Droiden in ein Haus geflohen, als ich ihn das letztemal sah”, berichtete Paxton. „Ob er es geschafft hat, weiß ich nicht.” „Mit dir alles in Ordnung?” fragte Kimberley. Paxton wirkte eigenartig fremd und das hatte nichts mit seinem äußeren Zustand zu tun. „Es könnte besser sein”, meinte er und warf einen kurzen Blick durch die hinteren Fenster, nachdem er an ihr vorbei gegangen war.
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„Foster und ich wollten versuchen, zur Fähre zurückzukehren”, sagte Fritz. „Durch die Kanäle müßte das von hieraus zu schaffen sein.” Paxton sah sich nach ihnen um und trat vom Fenster weg. „Fritz hat sich in dem Tunnel mit den Leichen infiziert”, erklärte Kimberley, während sie dem Piloten eine neue Dosis verpaßte. „Ich muß so schnell wie möglich an meine Ausrüstung da kommen, wenn wir ihn nicht verlieren wollen.” „Die wissen, was hier vorgeht”, sagte Paxton völlig unvermittelt, so als habe er gar nicht gehört, was Kimberley gesagt hatte. Seine zwei Kameraden blickten ihn fragend an. „Die wissen, daß nur noch drei oder vier von uns am leben sind, wann wir gestorben sind und wieviel Munition wir noch ungefähr haben, die wissen sogar, wann wir welche Waffe auf ihre Erfindung abgefeuert haben.” „Wie kommst du darauf?” Fritz erhob sich, als die Dosis ihre Wirkung zeigte. „Und wer sind die?” „Dieser General O’Hara und wahrscheinlich auch diese japanische Firma”, antwortete Paxton. „Ich habe eine verborgene Rechnereinheit gefunden, die für Datentransfer via Gates geeignet ist und Botschaften mit Armee-Codes abschickt. Die übersendeten Daten kamen direkt von unserem stählernen Freund da draußen.” „Du meinst, wir sind sowas wie Versuchskaninchen?” Paxton zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich”, meinte er. „Aber auf jedenfall haben die gewußt, was uns hier erwartet und das keiner der Kolonisten mehr am Leben ist.” Er lehnte sich an die Wand und fingerte an seiner Waffe herum. „Ich habe nie darüber nachgedacht, aber die Leichen und die Zerstörung hier sind noch keine zwei Wochen alt.” „Das kommt in etwa hin”, bestätigte Foster. „Kolonien wie diese hier verfügen aber nur in den seltensten Fällen über Gate-Kommunikation,” redete Paxton einfach weiter. „Was bedeuten würde, wenn der Kontakt abbricht,
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merkt man das auf der Erde erst in höchstens drei Wochen von jetzt an.” „Es sei denn, der Auftraggeber verfügt über eine GateVerbindung und hat gezählt, wieviele Abschüsse der Droide gemacht hat”, schloß Fritz Paxtons Ausführungen ab. Paxton schulterte die Waffe und nickte. „Ich kann mir nicht vorstellen,” sagte Kimberley, „daß die hier die Zivilisten geopfert haben, um ihren neuen Krieger zu testen.” „Das habe ich auch nicht behauptet”, entgegnete John. „Aber sie haben uns nicht die Wahrheit gesagt.” „Waldo hat auf dem Flug hierher schon sowas angedeutet”, erinnerte sich Fritz an ein paar Kommentare zu der Auftragsbesprechung, die Waldo abgelassen hatte. „Er meinte, Nichelson würde anscheinend wohl auch Schweigegeld nehmen. Ich habe das nicht so ernst genommen, weil er ohnehin schlechte Laune hatte. Scheint als hätte er recht.” „Noch ein Grund mehr, so schnell wie möglich zu unsere Fähre zu gelangen.” Kimberley ging zu Paxton hinüber. „Mit dir alles in Ordnung.” Paxton nickte knapp, während er weiter nach draußen sah. „Dann sollten wir uns beeilen”, sagte Fritz. „Der Roboter langweilt sich bestimmt schon. Keine Lust abzuwarten, bis er wieder etwas ausheckt. Laßt uns gehen.” Vorsichtig verließen sie das Gebäude.
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042.2212 14:36 SET
Waldo stürmte vorwärts. Dieses elektronische Biest war hinterlistiger, als er gedacht hatte. Es hatte ihm aufgelauert. Es war absolut berechnend vorgegangen. Da war nichts von irgendeiner Fehlfunktion zu merken gewesen. Vom Landeplatz aus hatte es ihn hierher verfolgt. Waldo konnte von Glück reden, daß er die Maschine gesehen hatte, bevor er den elenden Lagerbunker durch das Haupttor verlassen hatte. Der Sprung von der Verladeplattform hatte zwar seinen alten Knochen nicht besonders gut getan, aber immerhin hatte sein Vorsprung ausgereicht, um vor diesem Stahlmonster die schützenden Hütten zu erreichen. Der Roboter hatte gar nicht erst versucht, auf ihn zu schießen. Warum er so handelte war Waldo im Endeffekt egal. Vielleicht ging seine Munition zu Ende, und er schoß nur noch, wenn er sicher war, daß er treffen würde. Jetzt hatte er ihn nur verfolgt, nachdem er ihn hatte weglaufen sehen. Broose hatte noch nie etwas auf zwei Beinen so schnell laufen sehen. Mit gewaltigen Sätzen von gut und gerne zwei Metern stelzte das Biest durch den Wüstensand von Hiyake IV. Jedesmal wenn ein Bein aufkam, bebte der Boden leicht. Jetzt, wo er zwischen den Gebäuden war, sah er sich nach einem Versteck um. Der Feind kam rasend schnell näher. Zu Waldos Füßen befand sich eine Art Wartungsschachtklappe, die unter eine Koloniehütte rechts von ihm führte. Durch sie konnte man die Stromleitungen und Röhrensysteme der Behausungen erreichen. Aus Erfahrung wußte Broose, daß diese Löcher ein beliebtes Versteck von außerirdischen Äquivalenten von fetten Spinnen und Schlangen aller Art waren. Heute hielt ihn diese Vorstellung allerdings nicht davon ab, so schnell wie möglich durch das enge Loch zu verschwinden. Er war sich flach auf den Boden, schob die Waffe vor und zwängte sich hastig durch die Luke. File Status: Closed
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Der Helm war zu hoch und Waldo rammte gegen die Metallkante der Einstiegs. Seine Helmlampe gab den Geist auf. Broose stieß einen leisen Fluch aus und kroch weiter. Die Dunkelheit unter dem Hüttenboden war staubig und stickig. Außerdem war es selbst hier unerträglich warm. Das Schlimmste von allem war aber die fürchterliche Enge. Waldo war auf dem Bauch hineingekrochen und robbte ein paar Meter vorwärts. Mit den Füßen hatte er gegen die Außenwand getreten und die Klappe war zugefallen. Es war schwierig vorwärtszukommen. An den zahlreichen Röhren und Stangen, die Waldo nicht sehen, sondern nur erahnen konnte, blieb er mal für mal mit seiner Ausrüstungen hängen. Manchmal mußte er sich mit Gewalt hindurchzwängen. Er hoffte inständig, daß er nicht in eine Sackgasse geriet. An ein Umkehren war nicht zu denken und rückwärts zu kriechen, war nicht machbar. Er würde überall hängenbleiben und irgendwann festsitzen. Mangels Alternativen bewegte er sich weiter geradeaus. Das Stampfen des Roboters war nicht mehr zu hören. Zuletzt war es so nah gewesen, daß Waldo sich sicher war, der Droide stünde ganz dicht in der Nähe des Hauses. Der Master Sergeant blieb eine kurze Zeit ruhig liegen und lauschte. Außer dem gelegentlichen Gluckern in den Rohren und Schläuchen und dem leisen Summen von irgendwelchen Transformatoren in der Dunkelheit um ihn, war nichts zu hören. Er arbeitete sich weiter vor. Halb das Gesicht im Staub sah er sich regelmäßig nach einem Lichtschein um, der eine weitere Wartungsklappe verriet - wenn es eine gab. Kurz darauf hörte Waldo ein leises Geräusch. Dem folgte unvermittelt ein ohrenbetäubendes Dröhnen. Um ihn herum brach die Welt auseinander. Rohre und Leitungen verbogen sich und rissen kreischend auseinander, Flüssigkeit spritzte umher. Waldo fühlte, daß der Platz schlagartig enger wurde. Die Dunkelheit schnürte sich um ihn zusammen. Rasende File Status: Closed
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Panik schoß durch seine Glieder. Verzweifelt kämpfte er gegen den Drang an, das Heil in der Flucht zu suchen. Wenn er jetzt durchdrehte, würde er mit Sicherheit irgendwo hängenbleiben oder sich an irgendwelchen defekten Leitungen lebensgefährlich verletzen. Das Inferno um ihn herum verging so schnell wieder, wie es gekommen war. Sein Atem galoppierte immer noch. Auslaufende Flüssigkeit plätscherte irgendwo rechts von ihm. Wenn es irgendein Kühlmittel für die Stromaggregate war, dann mußte er so schnell wie möglich hier raus. Das Zeug griff die menschliche Haut an. Die Wunden waren nicht so schlimm, aber die Schmerzen waren abartig. Die Flüssigkeit schlich sich flink einen Weg suchend über den Boden. Er konnte es hören. Wieder erbebte das Haus über ihm - allerdings nur zwei-, dreimal in kurzen Intervallen. Der Mistkerl war auf dem Dach. Hoffentlich kam er nicht auf die Idee, es in Grund und Boden zu stampfen. Feuchtigkeit griff nach seinem Bauch. Die Haut vor Schreck wie elektrisiert, versuchte er reflexartig aufzuspringen und krachte mit voller Wucht unter den Boden. Einen leises Dröhnen ging durch die Wände. Wieder bewegte sich der Gigant über das Dach. Einige Streben verzogen sich seufzend. Dann war es wieder ruhig. Waldo atmete erleichtert auf, als der erwartete Schmerz nicht einsetzte. Offenbar war es nur Wasser oder etwas ähnlich Harmloses. Er mußte wieder ins Freie. Die ganze Hütte drohte auf ihn zu krachen, wenn der Droide sich dort oben noch länger aufhielt. Meter für Meter arbeitete Broose sich voran. Seine Rettung kam unerwartet und er hätte sie fast nicht erkannt. Eine dünne helle Linie von einem Lichtstrahl gezeichnet, der durch einen feinen Spalt in dem Fußboden über ihm fiel, ließ in die Stelle genauer untersuchen.
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Da war eine Klappe im Fußboden. Anscheinend wurden manche Dinge auch vom Inneren der Hütten aus gewartet. Behutsam und so leise wie nur irgendwie möglich öffnete er die kleine Falltür. Sie klemmte etwas, weil sich der Boden verzogen hatte. So war auch der Spalt entstanden. Der verfluchte Roboter hatte ihm, ohne es zu wollen, einen Fluchtweg verraten. Waldo drehte sich auf den Rücken und zog sich soweit hinauf, daß er über den Rand der Öffnung in den Raum darüber blicken konnte. Er war in der Küche des Gebäudes gelandet. Sie sah genauso aus, wie die anderen Küchen die er gesehen hatte. Abgesehen von den Zerstörungen, dachte Broose bei sich. Die Decke über ihm verriet nichts von den Aktivitäten des Feindes. Die Tür zum Flur und den anderen Räumen stand offen. Durch das aus dem Rahmen gesprungene Fenster wehte der Wind hinein und rasselte mit den Jalousien. Schranktüren der Küchenzeile klapperten hin und her. Mit etwas Mühe zwängte sich der Farbige hinaus und griff hinab, um seine Waffe zu holen. Dann setzte er sich mit dem Rücken an eine Wand und erholte sich, wobei er immer die Decke im Auge behielt. Der Koloß war direkt über ihm. Wenn ihn irgendein Geräusch verriet, dann würde die Stahlbestie wahrscheinlich ohne große Umschweife und Anstrengung einfach durch das Dach kommen. Glücklicherweise war die Geräuschkulisse so laut, daß sie das meiste einfach übertönte - vorausgesetzt die Audio-Sensoren der Einheit hatte keinen Hintergrundfilter. Sein Puls ging jetzt den Umständen entsprechend wieder halbwegs normal. Broose erhob sich und schlich mit vorgehaltener Waffe zum Flur. Die Tür nach draußen stand offen. Die Durchgänge zum Wohnzimmer und zum Schlafraum waren mit Schutt blockiert. Ein leichtes Ächzen ging durch die Decke. Waldo ertappte sich dabei, wie er einem Urtrieb folgte und sich klein machte. File Status: Closed
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Das war höchst gefährlich. Diese Situation hatte nichts mehr mit den natürlichen Jagdsituationen der menschlichen Vorfahren zu tun. Dieser Kampf hatte eine ganz andere Dimension. Hier galt es, möglichst flexibel und schnell zu sein. Die Hoffnung, nicht entdeckt zu werden, wenn man sich ins Gras kauerte, war trügerisch. Dieser Feind konnte einen sogar in völliger Finsternis aufspüren, wenn er ahnte, daß man in seiner Nähe war. Solche Laster wie Hunger, Müdigkeit und Ungeduld kannte er nicht. Wenn er auf seine Beute wartete, dann hatte er alle Zeit der Welt. Wenn er wollte, konnte er den Gegner in seinem so sicheren Versteck sogar verhungern lassen. Waldos einziger Vorteil in dieser Situation war, daß der Droide wohl nicht wußte, daß er sich unter seinen Füßen hin und her bewegte. Etwa einen Meter vor dem Ausgang blieb er stehen uns sah hinaus. Die gegenüberliegenden Häuser zeigten schwere Schäden. Die Straße war von Geschoßsalven gezeichnet. Deckung sah Waldo keine. Die andere Seite zu erreichen, ohne die Aufmerksamkeit des Droiden auf sich zu ziehen, war so gut wie unmöglich. Er hätte versuchen können, die anderen anzufunken, aber daß würde wahrscheinlich auf das gleiche Ergebnis hinauslaufen. Seine Entdeckung und seinen Tod. Grüblerisch auf der Unterlippe kauend, sah er sich den Schutt an, der den Weg ins Wohnzimmer blockierte. Es hatte den Anschein, als hätte jemand versucht, sich hier zu verschanzen. Ein großes Sofa und ein Schrank lagen übereinander. Die Austrittslöcher von schweren MGGeschossen waren auf Waldos Seite zu sehen. Blut war unter dem Sofa durchgesickert. Dort lagen auch zwei Kissen. Waldo hob sie auf. Sie waren erstaunlich schwer für ihr Aussehen. Probehalber hielt er sie vor den Lauf seiner Waffe. Sie deckten ihn gut ab. Der Master Sergeant sog scharf die Luft ein. Leise trat er wieder etwas näher an den Ausgang File Status: Closed
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heran. Er blickte hinüber zu anderen Straßenseite. Dort war eine schmale Lücke zwischen zwei der Kolonisten-Hütten. Wenn er in einem leichten Bogen schoß, war sie gut zu treffen, ohne Gefahr zu laufen, daß das Geschoß schon auf der Straße einschlug. Ob den Roboter das Ablenken würde war schwer zu sagen. Außerdem versuchte er abzuschätzen, wie laut das Austrittsgeräusch einer Granate war, wenn er den Werfer so gut es ging mit den Kissen abdeckte. War sie zu laut, würde der Droide mit Sicherheit merken, was die Explosion verursacht hatte. Dann war klar, was geschehen würde. War sie zu leise, um gehört zu werden, dann bestand die Chance, daß er seinen jetzigen Posten verlassen würde, um nachzusehen, was dort geschehen war. Das war die einzige Möglichkeit, sich hinter seinem Rücken ein anderes Versteck zu suchen. Es half nichts. Es kam auf einen Versuch an. Waldo richtete die Waffe auf sein Ziel, hielt die beiden Kissen mit der linken Hand darunter und bettete den Lauf der Werfers dazwischen. So würde die Granate keinen nennenswerten Widerstand haben und gleich beim Austritt explodieren. Konzentriert lauschte Waldo. Einmal kam der Wind nur kurz auf. Kurz bevor er abdrücken wollte, ließ das Rappeln und Klappern innerhalb der Hütte wieder nach. Hitze flimmerte über dem Sand. Er packte den Griff fester und zielte neu. Wieder blies ein warmer Lufthauch durch die Öffnungen. Türen klapperten, die Rollos flatterten auf und ab, der Werfer knallte hohl, dann ebbte der Tumult wieder ab. Ein orangeroter Feuerball rollte die Hauswände hinauf und verwandelte sich in schwarzen Ruß. Der Explosionslärm echote über die Kolonie. Die Decke riß unter der plötzlichen Belastung über Waldo auf, Dämmmaterial und gelöste Halterungen gingen auf ihn nieder. Das Haus erzitterte.
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Fast hätte er erneut abgedrückt, als die zweieinhalb Meter hohe Stahlkonstruktion direkt vor dem Ausgang auf ihren Klauen landete. Die Explosion hätte Waldo in Stücke gerissen, bevor der Roboter überhaupt gewußt hätte, wer da auf ihn geschossen hatte. Aber sie wußte von nichts. Mit ihren fremd anmutenden, eleganten Sätzen stampfte sie dorthin, wo wenige Sekunden zuvor noch die Explosion in den Himmel gestiegen war. „Reingefallen.” Broose konnte einen leisen Triumphschrei nicht unterdrücken. Jetzt mußte er schnell sein. Hastig verließ er das Haus und sah sich schnell nach der nächstbesten Deckung um. Die MBE-1/P hatte die Stelle fast erreicht, an der die Granate eingeschlagen war. Die Sensoren des Elektronenhirn würden nicht lange brauchen, um die Finte zu durchschauen. Da gab es einen Haufen geschwärzten und verformten Metalls. Die Waffe immer auf den Roboter gerichtet, hielt Broose darauf zu. Mit zwei kurzen Schritte bewegte sich der Gigant in der sengenden Sonne funkelnd seitwärts. Jetzt verharrte er und nur die minimalen Bewegungen seines von Geschoßtreffern gezeichneten Schädels verrieten, daß er überhaupt noch aktiv war. Waldo hatte seine Deckung erreicht. Das Glück war auf seiner Seite. Keine zwei Meter vor ihm erblickte er einen Abflußdeckel in der Straße. Der Roboter war immer noch beschäftigt. Der Deckel war schwer. Waldo nahm sein Kampfmesser zur Hilfe, um ihn auszuhebeln und zog ihn dann mit einiger Anstrengung so leise wie möglich zur Seite. Das schleifende Geräusch war für Waldos empfinden unerträglich laut. Die sechs oder sieben Meter, die ihn von dem Feind trennten, würde dieser mit zwei höchstens drei langen Sätzen überwinden, wenn er ihn bemerkte. In dieser Zeit würde Waldo
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nichtmal den Boden der Kanalröhre erreichen, wenn er sich den Schacht hinabfallen ließ. Der Weg hinab lag jetzt offen vor ihm. Waldo stieg auf die oberste Sprosse der Metalleiter. Zerreißendes Metall kreischte und Funken stieben in alle Richtungen, als die MBE-1/P mit einer nahezu spielerischen Bewegung ihres rechten Arms die Leichtmetallwand des Hauses auf der gleichen Seite von oben bis unten aufriß und hineingriff. Mit fassungslosem Entsetzen mußte Broose mitansehen, wie der Roboter etwas durch den schmalen Spalt riß, der sich nur wiederstrebend erweiterte. Ein lädierter Helm polterte zu Boden und hüpfte ein paarmal durch den Sand, bis er liegenblieb. Lange blonde Haare wehten im Wind und verfingen sich in den verchromten Streben der künstlichen Gliedmaße, verhedderten sich in den Servogelenken, rissen büschelweise aus. Die Klaue hatte sich um das ungeschützte Gesicht gelegt und zog die Soldatin rücksichtslos durch die Öffnung. Ein Bein blieb an einem Stück Wandverkleidung hängen und wurde wie Butter von einem heißen Messer von oben bis unten aufgeschlitzt. Erstickte, spitze Schreie gellten über das Stöhnen von sich verformendem Metall hinweg durch die Kolonie. Blut strömte über den Arm und sein Opfer, zeichnete feine, braune Linien und Kurven in den Sand. Mit den bloßen Händen drosch sie auf das Metallgestänge ein, an dem die Attacken wirkungslos verpufften. Das Gewehr pendelte haltlos an dem Halteriemen um ihren Hals. Als der Roboter ihren geschundenen Körper ganz aus dem Inneren des Gebäudes gezerrt hatte und sie zappelnd einen halben Meter über dem Boden versuchte, sich zu befreien, betrachtete der Gigant ihren ebenso verzweifelten wie aussichtslosen Kampf, ohne sich zu regen. Ihre Bewegungen wurden schnell schwächer.
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Brüllend brach Paxton durch die Vordertür des Hauses, aus dem der Roboter sein Opfer geholt hatte. Er war blutüberströmt. Als er sah, was Kimberley geschehen war, ging er mit einem wütenden Heulen in die Knie. Er schrie Dinge, die Waldo in seinem eigenen Schrecken nicht verstand. Dann begann er auf das Stahlmonster zu feuern, das seine Aufmerksamkeit jetzt auf ihn richtete, während es Kimberley weiter am ausgestreckten Arm in der Luft hielt. Die junge Soldatin hing schlaff daran herunter, wie ein Stück Vieh an einem Fleischerhaken. Nur noch selten ging ein Zucken durch ihren Körper und zeugte von ihrem Überlebenskampf. Die noch intakte Werfer des Roboterschädels richtete sich zielstrebig auf Paxton, dessen Waffe unablässig Feuer spie. Waldo brüllte Befehle. Setzte zum Zielen an, hatte aber keine freie Schußbahn. Kimberley Körper hing zwischen ihm und dem Ziel. Seine Hände zitterten so stark, daß er die Waffe beinahe fallen ließ. Kimberley bewegte sich plötzlich wie in Zeitlupe. Sie griff nach ihrer Waffe. Paxton feuerte weiter. Er war keine drei Meter von der Maschine entfernt. Fritz preschte mit einem Schrei aus dem Schutz des Hauses heraus und riß den immer noch feuernden Nachrichtentechniker mit einem Hechtsprung zur Seite. Sand spritzte meterhoch in die Luft, als die Geschoßgarbe ihr Ziel verfehlte. Paxton fluchte und schrie, versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, um Kimberley zu helfen, aber der deutsche Pilot packte ihn am Kragen und zog ihn von dem Roboter fort, selber stolpernd und das Gesicht angstverzerrt. Kimberley drückte ab. Das Opfer und ihr Peiniger verschwanden in einem lodernden Feuerball. Die beiden Soldaten unweit der Stelle wurden von der Druckwelle zu Boden geschmettert. Glühende Metallfetzen schossen kreuz und quer weiße Rauchfahnen hinter sich herziehend durch die Luft. File Status: Closed
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Ein klagender Schrei unterbrach die Stille, die auf den Explosionsdonner folgte.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 16:31 SET
Sie hatten einen Arm der Kanalisation gefunden, der offenbar zu einer anderen, weiter entfernten Anlage führte. Dort wurde vermutlich der Abfall dieser Kolonie aufbereitet. Es war ihr einziger Weg zurück. Dort würde es wahrscheinlich irgendwelche Koloniearbeiter geben, welche sie auf einem Versorgungsschiff würden zurückbringen können. Nachdem Foster die Granate aus nächster Nähe abgefeuert hatte, war der Droide schwer beschädigt gewesen. Kimberley war verschwunden. Die MBE-1/P hatte sich unter gnadenlosem Abwehrfeuer davongeschleppt. Broose, Fritz und Paxton hatten sich in der Kanalisation versteckt. Der Roboter würde sich bald repariert haben und erneut auf die Jagd gehen. Waldo wußte, daß der Versuch, zur Fähre zu kommen, keinen Sinn mehr machte. Als er versucht hatte, die Maschine zu erreichen und zu starten, hatte er gesehen, daß der Roboter die Triebwerke demoliert hatte. Die Fähre würde niewieder von Hiyake IV abheben. Jetzt saßen sie in der Dunkelheit und schwiegen seit einer ganzen Weile. Paxton hockte schon von Anfang an stumm da und starrte ausdruckslos auf den Boden vor ihm. Seit Kimberleys Tod hatte er nicht mehr gesprochen. Fritz lag im Dreck und sein Gesicht war aschfahl. Seine Vergiftung gewann Oberhand und setzte ihr zerstörerisches Werk an seinem Körper nun ungehindert fort. Waldo hatte sich angehört, was Paxton laut Fritz’ Bericht entdeckt hatte. Es wunderte ihn eigentlich nicht mehr. Wie die Wahrheit nun wirklich war oder wer den Auftrag gegeben und wer der oder die Lügner waren, spielte keine wirkliche Rolle mehr. „Was hältst du hiervon?” Im war eingefallen, daß er bei Andrejeffs Leiche etwas gefunden hatte. Fritz nahm es entgegen. Schweiß rann seine Stirn hinab. File Status: Closed
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„Sieht aus, wie ein künstliches Ei, oder so” „Darin war die Larve eines Aasfressers. Andrejeffs Leiche war voll mit den Biestern, nicht größer als ein Finger.” „Wie kann denn...” „Ich habe gesehen, wie die MBE-1/P irgend etwas Nicks Körper geschossen hat,” erzählte Waldo. „Ich bin mir sicher, daß er diese Dinger verschießt.” „Leichenentsorgung,” folgerte der kranke Pilot. Ein humorloses Lachen kam über seine Lippen. Waldo sah ihn fragend an. „Warum sollte man an soetwas interessiert sein?” „Der perfekte Krieg,” sagte Fritz. „Das Biest ist wirklich in der Lage, ein Ziel anzugreifen, die Leichen völlig unauffällig verschwinden zu lassen und wieder abzuhauen.” „Warum sollte es die Leichen nicht einfach mit Säure oder extremer Hitze entsorgen.” „Da ließe sich irgendeine künstliche Fremdeinwirkung nachweisen,” erklärte Fritz. Er hustete und übergab sich. Waldo sah ihm traurig zu. Er sah seinen Freund sterben und konnte nichts tun. „So aber sieht alles ganz natürlich aus. Darauf kommen nicht die meisten. Wer weiß schon, woran die gestorben sind? Die Aasfresser hat's auch dahingerafft. Es gibt keine Beweise, die Sache ist erledigt.” „Schattenkrieg.” Fritz nickte. „Wir sind Schnee von gestern, Waldo. Der öffentliche Krieg ist nicht effektiv genug. Es muß zu sehr darauf geachtet werden, daß man keine Fehler macht, die auf der eigenen Seite Protest wecken oder politische Nachwirkungen haben. Mit dieser Art der Konfliktlösung wird man solche Probleme in Zukunft umgehen können. Die Öffentlichkeit wird wahrscheinlich sogar erfreut darüber sein, daß es bald kaum noch Kriege gibt, ohne zu merken warum.” Waldo runzelte die Stirn. „Wahrscheinlich wird sogar die Armee verkleinert, was diversen Politikern Ruhm und hohes Ansehen in der File Status: Closed
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Bevölkerung bringt. Im Endeffekt ist dieser Stahlkrieger weit billiger als eine Soldatentruppe. Kein Lohn, keine medizinische Versorgung, keine Abfindungen, kein gar nichts. Vor allen Dingen kann unser Kollege da draußen nicht sprechen. Er würde nie über irgendwelche Kriegsverbrechen oder unschuldige Opfer ein Wort verlieren.” „Wir wurden auch zum Stillschweigen verdonnert,” erinnerte Broose sich. „Aber das ist keine Garantie.” „Genau. Menschen eben.” Broose sah zu Paxton hinüber. Er saß da wie eine Statue.
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Hiyake IV - Bergbaukolonie R9/E
042.2212 19:48 SET
Fritz starb in Waldos Armen. Zuletzt spie er nur noch Blut und verlor die Kontrolle über seine Blase. Das Letzte, worum er Broose bat, als sein Verstand noch klar genug war, war, daß Waldo seine Leiche verbrannte. Er wollte nicht von irgendeinem Aasfresser angefallen werden. Waldo tat ihm den Gefallen. Noch während der Leichnam verbrannte, machte Waldo sich zum Aufbruch bereit. Paxton konnte er nicht zu mitkommen bewegen. Er redete auf ihn ein, aber Paxton reagierte nicht. Broose war sich nichtmal sicher, ob der Nachrichtentechniker überhaupt noch hörte, daß man mit ihm sprach. Schweren Herzens ließ Waldo ihn zurück und machte sich auf den Weg. Hinter seinem Rücken hörte er das leise Platschen von wurmartigen Körpern, die sich durch den Schlick wanden. Er kümmerte sich nicht darum. Wenn es stimmte, daß ihre Lebenszeit genetisch begrenzt worden war, wie Fritz gemeint hatte, dann würden sie weder ihn noch Paxton überleben. Er hatte einen langen Weg vor sich. Irgendwann hörte er das Geräusch einer Fähre über der Kolonie. Man vergewisserte sich, daß alles glatt gelaufen war. Wenn Paxton die GateVerbindung gekappt hatte, dann konnte das nur O’Hara sein, der da kam, um sich um seinen Zögling zu kümmern. Waldo blieb nicht stehen. Wenn er die Station am Ende dieses Tunnels erreichte, dann würde O’Hara bald sein blaues Wunder erleben. Die goldenen Sonnenstrahlen der untergehenden Sonne fielen durch ein Gitter über ihm. Der Master Sergeant badete sein Gesicht darin. Die Wärme tat gut. Vor ihm lag die Dunkelheit. Waldo Broose ging weiter. Das Licht blieb hinter ihm zurück. Er sah es nie wieder.
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Abschlußbericht 3321/A *PROTOTYPE* 056.2212 09.30 SET
Der Einsatz war erfolgreich. Leider starben alle Mitglieder der Einsatztruppe bis auf den Nachrichtentechniker John Paxton. Paxton wurde aufgrund seines Geisteszustands in ein Sanatorium eingeliefert. Die Ärzte geben ihm keine Hoffnung auf eine Besserung seiner Katatonie. Eine F.I.G.-Einheit, die nach den überfälligen Soldaten suchte, fand keine Spuren von Master Sergeant Waldo Broose oder dem Droiden. Es wird vermutet, daß die Einheit vernichtet wurde. Die U.S.-Army bestätigte diese Vermutung, da keine Peilsignale mehr empfangen wurden, die auf Aktivitäten des Droiden hinweisen. Mr. Nagashima verschwand ebenfalls aus ungeklärten Gründen. Seine Firma vermutet, er habe sich abgesetzt, um sich der Verantwortung für das fehlgeschlagene Experiment zu entziehen. General O’Hara bedauert den Tod der fünf F.I.G.-Mitglieder und verlieh den Männern und Frauen posthum einen Orden für außerordentliche Tapferkeit im Kampfeinsatz.
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P a g e : 142
Lieber Kunde! Wir bedanken uns für das Vertrauen, daß sie in Digibuch gesetzt haben und wünschen ihnen viel Freude mit ihrem neuen Buch. Wir hoffen, sie bald wieder bei Digibuch begrüßen zu dürfen und freuen uns auf ihren nächsten Besuch. Sollten Sie Wünsche oder Anregungen für uns haben, können Sie uns unter
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