greifen die Autoren der Lux-Lesebogen auf. Dichter, Geschichtsforscher, Kunstgelehrte, Weltreisende, Geographen, Botani...
99 downloads
550 Views
929KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
greifen die Autoren der Lux-Lesebogen auf. Dichter, Geschichtsforscher, Kunstgelehrte, Weltreisende, Geographen, Botaniker, Zoologen, Physiker und Astronomen berichten in lebendigem Plauderton aus ihren Wissensbereichen. Jeder Lesebogen ersetzt ein ganzes Buch; gesammelt sind die bunten Hefte eine kleine Bibliothek. Wer seine Lux-Lesebogen-Sammlung ergänzen möchte, bestelle, was ihm noch fehlt. Die unten genannten Nummern sind noch in begrenzter Zahl lieferbar. Kunst: 49 Moderne Kunst 55/56 Beim Herrn Geheimrat 58 Michelangelo 61 Gemälde 72 Wilhelm Leibl Ans der Geschichte: 50 Pompeji 51 Cortez — der weiße Gott 54 Im Tal der Könige 59 Jäger der Urzeit 66 Der Prozeß Sokrates Erd- und Länderkunde: 43 Der sechste Erdteil 65 Nordost-Passage 67 Im Reich der Höhlen 69 Japan 71 Das Land Sibir 73 Roald Amundsen 75 Urwald
Naturkunde: 35 Der Pilzsammler 45 Augen auf! 47 Das überlistete Tier 52 Tier-Riesen der Urzeit 53 Das verwandelte Tier 57 Tiervölker wandern 62 über Wald und Heide 64 Ringvogel B 32521 70 Tierleben (A Brehm) 74 Hydra 76 Die Sonne
Physik und Technik: 41 Der brennende Stein 42 Vom Tretrad zur Turbine 46 Helium — der Sonnenstoff 48 Luftgaukler 60 Meteore 63 Weltraum-Raketen 68 Triumphe der Forschung
Wenden Sie sich an Ihren Buchhändler oder schreiben Sie an den Verlag, welche Nummern wir Ihnen zuschicken sollen. Jedes Heft kostet 20 Pfennig. Werden Sie \Dauerbezieher der Lux-Lesebogenl Die Hefte können in jeder guten Buchhandlung bestellt oder wie eine Zeitschrift durch die Post bezogen werden. Bei Postbezug bringt der Briefträger Ihnen die Lesebogen alle 14 Tage in einem ^ Sonderumschlag ins Haus.
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU / MÜNCHEN
KLEINE BIBLIOTHEK DES
WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDL'-ICHE
HEFTE
HANS WILHELM SMOLIK
INHALT DES
HEFTES
78
Grimback erwacht — Der erste Ausflug — Der fliegende Tod — Kurze schöne Zweisamkeit — Böse Abenteuer — Sonne und reiche Ernte — Ausklang und Abgesang Grimbacks, des Hamsters
Signature Not Verified
Manni
Digitally signed by Manni DN: cn=Manni, c=US Date: 2006.05.01 15:44:41 +01'00'
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU/MUNCHEN
Grimbaek e r w a c h t ief verschneit lagen die Felder am Rande der sich mächtig in der Ebene dehnenden Großstadt und schliefen noch fest. In der Stadt freilich flockte der Schnee schon mürbe von den Straßenbäumen und setzte weiße Tupfen auf den trüben Brei der Fahrbahnen. Aber hier draußen, wo der steife Ost noch ungehemmt übers flache Land orgelte, hier hielt der Schnee stand. Und wenn ihn die Sonne über Mittag auch tüchtig anleckte, in der nächsten Nacht backte er um so fester zusammen und schuf sich eine harte, knisternde Kristalldecke. So hart war diese Eiskruste, daß sich die Feldhasen die Läufe an ihr zerschnitten und frierend und hungernd im Lager hocken blieben, daß die Rebhühner kein Samenkorn mehr erscharren konnten und hilflos umherirrten. Die Krähen schenkten idieser vereisten Einöde kaum einen Blick sondern ruderten schaukelnd der Stadt zu, wo sie in Schulhöfen, auf Schuttabladeplätzen, an Mülltonnen kärgliches Mahl fanden. Aber die gelbgrauen Feldmäuse, die sich wintersüber in die alte Scheune und in die Gartenlauben der angrenzenden Gärten geflüchtet hatten, die tanzten fröhlich in der Märzsonne und spürten, daß es nun doch bald Frühling werden mußte. Auch der Igel, der sich ein Winterlager in einen Komposthaufen gewühlt hatte, merkte die wärmenden Strahlen bis in seinen tiefen Schlaf hinein. Er grunzte zufrieden, rekelte sich und sagte sich: Warte nur, balde! 2
Und noch einer erwachte um diese Zeit. Fast zwei Meter tief in der Erde lag dieser Schläfer in seiner mit feinsten Halmscheiden warm und weich gepolsterten Kammer. Lag, den spitzen Kopf zwischen die Hinterbeine und an den schwarzen Bauch gedrückt, fest zusammengerollt und bewegungslos schon seit November. Aber heute, heute zitterten die steil aufgerichteten Haare des dichten, braungelben Felles, zuckten die kleinen Ohren, verlor der gedrungene Körper die totenähnliche Starre. Flache Atemzüge hoben und senkten die Flanken. Und plötzlich löste sich die rotbraune Schnauze vom Bauche, lugte lustig zwischen den Hinterbeinen hervor. Die gelbgefleckten, feisten Backen blähten sich ein wenig auf, ein mächtiges Gähnen riß die Kinnladen des weißgesäumten Mundes auseinander. Die schwarzen Beine mit den weißen Füßen streckten sich. Ein tiefes, hohles Grunzen, ein faules Röcheln wurde laut. Und dann waren auf einmal zwei große, helle, feurige Augen da und spähten umher. Grimback, der Hamster, war erwacht! Das erste, was er spürte, war die Kälte, die ihm tief in den Knochen saß. Brrr! Grimback zitterte und schüttelte sich. Hundekälte! Ob da wieder solch verflixte, neugierige Ackermaus sein Falloch aufgewühlt hatte? Lottervolk! -Grimback versucht sich aufzusetzen, purzelt aber kraftlos wieder um. Sapperlot! Noch einmal! Wieder nichts! Steif und starr ist man bis ins Herz hinein. Und hungrig! Hungrig! Es ist gar nicht zu sagen, wie hungrig! Das Fell schlottert einem ja um die Knochen wie einem winterdürren Hasen. Und es zieht in die Wohnkammer hinein. Es zieht teuflisch! Man muß etwas tun, damit die Knochen wieder geschmeidig werden! Wieder versucht Grimback hochzukommen. Fast wütend ist er auf seine Schwäche, auf die Kälte, die Zugluft, das Grimmen in seinen Gedärmen, auf das ganze Leben überhaupt. Er faucht mit aufgeblasenen Backen, bleckt die großen, scharfen Nagezähne, schlägt sie aufeinander und hockt endlich sicher auf den Hinterhaxen. Na also! Aber die Kälte schüttelt ihn. Er tapst unbeholfen herum, plumpst auf die Seite, rappelt sich wieder hoch, grunzt und faucht, schießt vorwärts, überkegelt sich und kommt endlich in einen erwärmenden Trab. So, die Glieder 3
gehorchen also wieder. Schön! Er hockt sich triumphierend nieder, spürt, wie ihm das Herz unter dem rotbraunen Halsband klopft und überschaut sein enges Reich. Prüfend ischweifen die hellen Augen über die zugestopften Gänge, die zum steil aufsteigenden Falloch und zu dem in sanftem Bogen nach oben führenden Schlupfloch gehen. Jetzt bleibt der Blick am festverrammelten Gang zur Vorratskammer hängen und leuchtet auf. Richtig, der Hunger! Mit einem Satz ist Grimback an der Vorratskammer, bricht mit den Zähnen und reißt mit den Krallen die aus fest zusammengepreßten Körnern bestehende Scheidewand auf, daß sich der aufgespeicherte Segen rieselnd in die Wohnkammer ergießt, wühlt gierig darin herum, quiekt vor Wonne und stillt den knurrenden Magen. Ah, das wärmt, das stärkt, das beruhigt! Korn um Korn führen die Vorderpfoten, die er geschickt wie Hände gebraucht, zum Munde, spalten die kräftigen Zähne, daß das weiße Samenfleisch hell aufleuchtet. O ja, es schmeckt ihm! Und er braucht nicht zu sparen. Die große Kammer ist gestopft voll, ist voll bis an die Decke. Saftiger Weizen, kerniger Roggen, wunderbar sämige Leinenknollen, süße Erbsen, alles ist da, ist in Hülle und Fülle da. So an die hundert Pfund hat er im Laufe des Sommers eingetragen. Und es freut ihn der Segen um so mehr, weil er weiß, daß jetzt die Mäuse, die Hasen, die Sperlinge, die Rebhühner, die Krähen Hunger leiden. Seine Augen glitzern geradezu vor boshaftem Vergnügen, vor Schadenfreude und Freßlust. Ja, damit müssen wir uns gleich zu Anfang unserer Geschichte abfinden: ein feiner Kerl ist Grimback nicht. Nein, gar nicht! Er ist ein herzloser, gefühlsroher, jähzorniger und hartgesottener Bursche. Er beißt das Weibchen tot, das ihm vor wenigen Monaten die entzückendsten Kinder geschenkt hat. Er liebt seine Kinder nicht, er kümmert sich überhaupt nicht um sie, und sie müssen sich vorsehen, daß sie ihm nicht über den Weg laufen, denn er frißt sie bedenkenlos. Grimback liebt überhaupt kein Wesen auf dieser Erde, er verträgt sich mit keinem, er kennt kein Mitleid und kein Erbarmen. Nur eines kann man ihm nicht nachsagen: feige ist Grimback nicht! Nein, Furcht und Angst kennt er nicht. Er wehrt sich, solange noch ein Hauch in seiner Brust ist. Er greift tollkühn jedes Tier, selbst den Menschen an. Ob Bussard, Habicht, Eule, ob Wiesel, Iltis, Igel, ob Ratte, Maulwurf, Otter, er fürchtet sich vor keinem. Selbst Hund, Katze und 4
Storch machen, ihn nicht bange. Er ist ein Ritter ohne Furcht, doch voller Tadel. Ungezählte Narben an Kopf, Hals, Leib und Beinen zeugen von seinem wilden Raubritterleben. Und mit jedem Jahr ist er schlechter, härter, zorniger und gewitzter geworden. Fünf Jahre trägt er schon auf dem Buckel, der alte Rammler, und ist im Vollbesitz seiner Kräfte und Sinne. Seine Muskeln sind eisern, seine Erfahrungen sind groß, und wenn er in Wut gerät, ist er furchtbar. Ja, das ist Grimback, der sich jetzt den Bauch vollschlägt, so voll, daß sich das Fell wieder strafft, und der sich nun wieder stöhnend auf sein Lager wirft, alle Viere von sich streckt und isich der Verdauung hingibt. Aber er hat doch keine rechte Ruhe mehr im Leibe. Er spannt auf jedes Geräusch der Welt da droben, lauscht mißtrauisch umher und kann es nur schwer glauben, daß alles noch ruht, daß niemand daran denkt, ihn zu ärgern. Solange sich Grimback aber nicht ärgern und ergrimmen kann, solange hat das Leben überhaupt keinen Reiz für ihn. Und darum ärgert er sich einstweilen über sich., wirft sich hin und her, schnauft, grunzt und faucht, stürzt plötzlich auf das vermauerte Schlupfloch, bricht es wütend auf und drückt sich in eine ausgesparte Ecke des Ganges, allwo er seinen Darm unter tiefem Röcheln und Stöhnen reinigt. Ntin ist ihm wohler, und er überlegt, ob er nicht doch schon heute das Falloch öffnen soll. Aber nein, man ist noch nicht auf der Höhe, man ist noch viel zu benommen vom Winterschlaf, ist noch viel zu unbeholfen und zu tapsig. Solche Voreiligkeit kann sich bitter rächen. Grimback gedenkt knurrend jenes Tages, da er fast das Opfer einiger hungriger Krähen geworden war, vor zwei Jahren, als er allzufrüh zur Erde hinaufstieg. Das linke Ohr, das heute noch arg zerfetzt ist, spricht Bände von diesem Kampfe. Und wer durch ein zerfetztes Ohr nicht klug wird, der ist wert, daß er noch den Kopf dazu verliert. Freilich, eine Maus, die wäre jetzt wohl das Richtige. Das Wasser läuft Grimback im Munde zusammen. Aber er beherrscht sich. Er knabbert ein paar Erbsen und träumt dabei von künftigen Jagden. Und schließlich findet er doch wieder Schlaf und ratzt so seine sechsunddreißig Stunden in einem Zuge herunter. 5
Der erste Ausflug n kommenden Tagen und Wochen aber verändert sich die Welt von Grund auf. In der gleichen Stunde, da Grimback sich seinem Verdauungsschlummer hingab, sprang tief im Süden der schneeverzehrende Föhn über die Alpen, ließ Lawinen donnern, ließ kleine Gebirgsbäche zu reißenden Strömen werden, flog über das Land und trieb den Winter gleich im ersten Ansturm bis weit in den Norden und Osten zurück. Wohin sein heißer Atem traf, krachten und donnerten die Schollen auf Bächen und Flüssen, auf Seen und Teichen, da klirrten die Eiszapfen, da fiel der Schnee kläglich in sich zusammen, da stieg der Saft in den Rinden und Ruten, da gärte es in den Blattrieben und Fruchtknoten, da klopfte das Leben in Samenkörnern und zuckte in Puppen und Larven. Und mit dem Föhn kamen die Scharen und Schwärme der Wachteln und Lerchen, der Stare und Bachstelzen, die gestaffelten Züge der wilden Enten und Gänse, die stattlichen Geschwader der Störche ins Land. Glucksend und wohlig seufzend trank die Erde das köstliche Schmelzwasser und gab den Überfluß an Rinnsale und Bächlein, an Senke und Graben. Die entfesselten Wasser gurgelten, rauschten, schäumten und schössen in ihren viel zu schmal gewordenen Ufern dahin, rissen Büsche, Bäume, Zäune, Scheunen, Ställe und Häuser mit sich, überfluteten die tiefgelegenen Wiesen und Felder, kamen wie die Sintflut über große Mäusestaaten, ließen Tümpel und Teiche überlaufen und spülten den Winter gründlich über Bord. Und obwohl dieses Ungetüm des Frühlings mancherlei Not, Schaden und Gefahr für Pflanze, Tier und Mensch brachte, waren doch alle glücklich. Die Hasen dachten gleich ans Heiraten und kapriolten wie albern über die Felder. Die Mäuse tanzten Ringelreihen und pfiffen wie die Gassenjungen. Die Bachstelzen wippten verzückt um ihre schmucken Weibchen herum, spreizten die Flügel, warfen sich in die Brust und beteten die Sonne an. Jubilierend. stiegen die Lerchen bis zu den dicken weißen Gutwetterwolken empor und bauten auch schon an ihren einfachen Nestern. Die Sperlinge waren überall 6
und nirgends auf der Wohnungssuche, schlugen sich mit Staren, Amseln, Hausrotschwänzen und Finken herum. Die Regenwürmer arbeiteten sich aus der Tiefe der Erde empor. Die Drahtwürmer und Tausendfüßler lösten sich aus der Totenstarre. Die Spinnen verließen ihre Schlupfwinkel hinter den Baumrinden und unter dem Fallaub. Der Bauer aber zog Pflug, Egge und Walze aus der Scheuer, und ihm nach stiegen die schillernden Stare, die hüpfenden Krähen und Dohlen und untersuchten gewissenhaft die schweren, feuchten und schimmernden Schollen. Auch über Grimfoacks unterirdisches Reich ging der Pflug und schreckte ihn aus seiner Beschaulichkeit. Dumpf dröhnten die schweren Hufe der Pferde, polternd drang der Sturz der Erdschollen in seine gespannten Ohren. Diese Geräusche kannte er, auf diese Laute hatte er gewartet. Nun war es an der Zeit, daß man das Einsiedlerleben hier unten aufgab. Ein strammes Wänstlein hatte er sich inzwischen angemästet. Große Lücken klafften dagegen in der Vorratskammer. Da, jetzt kam das Dröhnen und Poltern wieder näher und näher! Jetzt war es direkt über ihm! Grimbacks Augen funkelten. Nimm dich in acht, Bauer, zerstöre mir nicht wieder alle Gänge! Du weißt, ich hing schon einmal an der Hinterhand deines Braunen, daß er scheuend übers Feld raste und dich weithin schleifte! Hier ist mein Reich! Knurrend duckte sich Grimback nieder, blies wütend fauchend die Backen auf. Aber der Pflug entfernte sich schon wieder, und auch der Bauer hatte schöne Segenswünsche für Grimback in den Bart gemurmelt, hatte gar wohl die Einfahrten des Raubritters erkannt. Es liegt in ihrer Natur, daß sich diese Zwei nie vertragen konnten und nie vertragen werden. Denn wer läßt sich gern die Früchte seiner Arbeit von Faulenzern wegstibitzen, und wer hört es gern, wenn man ihn immer Spitzbub schimpft? Trotz seiner Wut wartete Grimback aber noch lange, ehe er sich entschloß, die verstopften Gänge aufzubrechen. Erst als seine Lauscher keinen Laut mehr meldeten, begab er sich ans Werk, dann aber mit einem Eifer und einer Wucht, als grabe er um sein Leben. Mit den Zähnen und Vorderfüßen riß er die Erde unter sich, schleuderte sie mit den Hinterbeinen zurück, daß es nur so Steine und Brocken hagelte und ruhte nicht 7
eher, als bis er ganz hinauf zu den frischgebrochenen Scholleri gedrungen war. I Achtung, Grimback! Vorsichtig! Noch wenige Griffe, und diel große feindliche Welt ist da! Grimback verschnauft. Seine Augen glühen. Alle seine Muskeln sind gespannt. Alle Sinne stehen auf höchster Alarmstufe. Erregend dringt die kühle, frische Luft in seine Lungen, macht ihn fast schwindlig, läßt sein Blut schneller kreisen. Das kräftige Herz schlägt einen Generalmarsch. Und jetzt wirft sich Grimback mit voller Wucht wider die letzte dünne Scheidewand zwischen sich und der Welt. Eine dicke Scholle purzelt um, eine einsame Krähe hüpft zu Tode erschrocken zur Seite — Grimback ist wieder da! Grimback ist auferstanden! Seine erste Tat ist ein wütender Faucher und ein gefährliches Knurren in Richtung der entsetzt abstreichenden Krähe. So! Schön! Da wären wir wieder! Und nun hütet euer Leben, ihr alle, die ihr mir jetzt über den Weg lauft, ihr schmackhaften Räupchen und Käferchen, ihr fetten Acker- und Feldmäuse, ihr zarten Vögelchen, ihr leckeren Blindschleichen und Eidechsen! Und kommt mir nicht ins Gehege, ihr Krähen und Dohlen, ihr Elstern und Kiebitze, ihr täppischen Maulwürfe und dreisten Igel, ihr Iltisse und Wiesel, ich dulde niemanden in meinem Jagdrevier, niemanden! Verstanden? Grimback spähte ringsum, ob nicht doch ein Störenfried in der Nähe sei, ein Wagehals, dem er beweisen mußte, daß er nicht bloß so daherredete, daß er es bitterernst meinte. Aber es war weit und breit kein Wesen zu erblicken noch zu erlauschen. Schwer und dunstig war die Luft, feucht und frisch. Und tiefer Friede lag über dem Felde. Fast verächtlich schnaufend hockte sich Grimback nieder und begann sich sorgfältig zu putzen. Geschickt griff er mit den Vorderfüßen Büschel um Büschel seines Felles, rieb sie kräftig aus, daß es stiebte, leckte sich dann die Beine und den Bauch, fuhr sich gewissenhaft wohl zehnmal über den Kopf und sah nun wirklich recht nett und sauber aus. Man rannte ja schließlich nicht wie ein schmieriger Höhlenbewohner in das neue Leben hinein! 8
Und gemächlich setzte Grimback seine kurzen Beine in Bewegung, die so kurz wfaren, daß sein Bauch fast auf der Erde schleifte, die aber eine ganz verblüffende Schnell- und Sprungkraft in sich hatten. Und da ihm das Holpern und Stolpern über die großen Schollen zu dumm war, machte . er, daß er auf den schmalen Weg längs der Gärten kam. Hier, irn Schatten des hohen Holzzaunes, trottete er gesichert und langsam dahin. Genießerisch schnupperte er in die Mäuselöcher, naschte bedachtsam aromatische Schafgarbenspitzen, und als ihm ein dummes Mäuslein geradezu zwischen die Beine schoß, schlug er rasch zu, tötete es mit einem einzigen Biß in den Kopi und ließ es sich schmecken. Ein schöner Abend! Wirklich, Grimback war fast friedsam aufgelegt, er ärgerte sich nicht einmal über den tolpatschigen Frühlingsmistkäfer, der ihm wider die Nase prallte. Er gab ihm nur einen tüchtigen Klaps, daß sich der kleine, blauschillernde Käfermann ein paarmal überschlug, und schenkte ihm das Lehen. Ja, Grimback war heute die gute Laune selber. Er sah zwar die goldenen Sterne nicht, die jetzt zwischen den ziehenden Wolken hervorfunkelten, aber er empfand doch den Frieden und die feierliche Stille des abendlichen Landes. Leider mußte ihm da an der Ecke des Zaunes, gerade als er sich über den herrlichen Stand der Wintergerste freute und in Gedanken schon die saftigen Spitzen mummelte, ja, leider mußte ihm da ausgerechnet dieser hämische Kerl, der Igel, begegnen. Wenn man schon einmal vergnügt und zufrieden war, gleich mußte einem solch ein Kerl über den Weg laufen! Und natürlich dachte der Igel gar nicht daran, respektvoll auszuweichen. Aber warte nur, mein Lieber! Vertraue nur nicht allzusehr deinem Stachelpanzer! Und innerlich kochend vor Wut, äußerlich aber ganz gleichgültig ausschauend, trottete Grimback an dem Igel vorbei, machte scheinbar willig einen Bogen um den Gelassenen. Der Igel hielt es auch nicht einmal für nötig, ihm den Kopf zuzuwenden. Und da sprang Grimback zu! Sprang mit einem Satz und einem bitterbösen Grollen mitten in die blitzschnell nach vorn geworfenen Stachellanzen. Die Nase, die Lippen, die Pfoten bluteten ihm, der Schmerz trieb ihm das Blut in die Augen. Hohl fauchend warf er sich mit verdoppelter Wucht auf den Stachelritter, versuchte ihn umzuwerfen und fuhr quiekend und wehklagend zurück. Und 9
jetzt ging der Igel seinerseits zum Angriff vor! Rückte ihm bedrohlich auf den Leib. Da wich Grimback aus und kauerte sich tückisch hinter einen schattenwerfenden Feldstein, Mit windender Nase kam der Igel heran, roch wohl seinen alten Gegner, konnte ihn aber nicht sehen. Und da saß ihm Grimback an der Nase, daß der überrumpelte hell aufschrie und sich vor Schmerzen herumwälzte. Dabei bekam Grimback zwar noch manchen Stich in den Leib, aber er genoß doch den Triumph, daß der Igel, nachdem er ihn abgeschüttelt und lange fauchend zusammengekugelt gelegen, wie gehetzt davonlief. Ihm nachzusetzen, verspürte unser Held keine Lust. Er leckte seine Wunden, stöhnte und fauchte dazwischen und hatte den Leib voll Wut und Grimm. Und er ließ seine Wut in dieser Nacht an allen aus, die er antraf. Wie der böse Geist des Feldes streifte er umher und biß zuletzt noch ein junges, hübsches Hamsterweibchen aus dem kaum angefangenen Sommerbau. Raus hier! Fort! Ich, Grimback, werde mir hier meine Burg bauen! Noch im Schlafe röchelte er vor Zorn und warf sich so wild herum, daß einer kleinen Spitzmaus, die hier auf Mäusebraten gerechnet hatte, vor Entsetzen der Herzschlag stockte. Ja, Spitzmäuschen, kleiner Räuberhauptmann, hier wohnt ein Stärkerer und ist noch im Schlafe schrecklich!
Der fliegende Tod riraback baute die eroberte Sommerwohnung schon am nächsten Tag gründlich aus. Er grub sich zwar nicht tiefer in die Erde hinein, denn dreißig Zentimeter Schutzdecke genügten jetzt vollkommen. Aber er weitete die rundliche Wohnkammer, weil er gewöhnt war, es gemütlich zu haben. Er gab dem Gang zum Schlupfloch eine viel .stärkere Biegung und fast die doppelte Länge. Schließlich brauchte ihn ja nicht gleich jeder dumme Bub mit dem kunstvoll gebogenen Draht aufzustöbern. Er kannte diese dummen Spaße! Der Vorratskammer gab er den doppelten Umfang. Der kluge Mann baut vor! Er schaffte tüchtig, obwohl ihn die wundgestochenen Pfoten noch schmerz10
ten. Ganze Fuhren Erde schob er rückwärtslaufend nach oben, wo er sie breittrug. Denn Wiesel und Iltis sind scharfäugig und gleich zur Stelle, wo ein Hamster baut! Und jedesmal, wenn er droben verschnaufte, 'freute er sich, daß sein neuer Bau so schön inmitten der sprossenden Saat lag, daß ihm sozusagen die vollen Salatschüsseln geradezu vor der Haustür standen. In vierzehn Tagen würde das Getreide so hoch stehen, daß es volle Deckung bot, und auf die mußte ein Hamster jederzeit bedacht sein. Feinde gab es genug. Und ausgerechnet begegnete man seinen Feinden am häufigsten bei der in diesem Jahre so ergiebigen Mäusejagd; denn es war ein richtiges Mäusejahr! Die anliegende Wiese war ein Wirrwarr tiefausgetretener Mäusepfade. Am hellen Tage wie in der Vollmondnacht huschten die braunen und grauen Nager in Hülle und Fülle umher. Und was unseren Grimback besonders anzog: es gab schon rosige, nackte Mäusejunge, gleich so sechs, acht, zehn Appetitshappen in einem Nest. Zwar verteidigten die Mäusemütter ihre Gehege mit wahrem Löwenmut, griffen den Räuber furchtlos an, aber das gab der Jagd erst den Reiz. Ums tägliche Brot brauchte sich Grimback also nicht zu sorgen. Aber auf der Hut sein mußte er im Mäuseparadies zu jeder Sekunde. Denn nicht nur die Raben und die Krähen> nicht nur das alte Ekel, der Igel, nein, leider auch die Iltisse und Wiesel, die Eulen und Bussarde, ja sogar der Storch und der Fuchs kamen täglich und nächtlich auf die Wiese und pflegten der Mäusejagd. Na, und wenn die da noch außerdem einen fetten Hamster ergattern konnten, so war das ihnen nur lieb. Da hieß es also Augen, Ohren und Nase wachhalten, sonst hatte man plötzlich ein paar Schnabelhiebe überm Kopf, daß einem Hören und Sehen verging, oder man hatte die dolchartigen Fänge im Rücken, daß das Leben zerrann. Wie oft war Grimback nur mit knapper Mühe und Not dem Tode entronnen! Wie oft hatte sein wildes Leben nur an einem seidenen Faden gehangen! Aber Grimback kannte alle die Schliche seiner Gegner. So leicht übertölpelte ihn keiner. Manchem seiner Feinde hatte er schon gezeigt, was eine Harke ist, und daß man einen alten erfahrenen Hamster nicht ungestraft angreift. Und so wartete Grimback denn geduldig, bis die Sonne in der Mitte des Himmels stand. Um diese Zeit dösten die Eulen 11
in ihren Horsten, schlief der Fuchs, ruhten sich Iltis und Wie^ ' sei von nächtlichen Streifzügen aus, gaben sich die Bussarde. Habichte, Weihen und Falken ihren Flugspielen hoch unterm Himmel hin. Um diese Zeit galt es nur auf Mensch, Hund, Storch und Krähe zu achten. Trotzdem sicherte Grimback lange,, ehe er seinen Bau verließ, drückte sich tief in die Saatrillen und schob sich achtsam vorwärts. Als Vorspeise nahm er dabei unterwegs einige Happen von jungen Löwenzahnblättern, zermalmte einen zappelnden Goldschmied, der hungrig nach Beute spähte, und trank ein paar Tropfen Tau aus einer Distelrosette. Kein Laut störte die mittägliche Stille. Nicht einmal die Spatzen waren unterwegs. Aber was war das? Ein heller Blitz und ein kurzes Klatschen war plötzlich in der Luft! Grimback duckte sich. Nichts geschah. Und da war es wieder! Dicht über ihm! Blitz und Klatsch. Ein Taubenschwarm, der jetzt aufs frischgesäte Nachbarfeld einfiel. Ungefährlich! Grimback richtete sich auf und spähte mißtrauisch umher. Die Vorderfüße herabhängen lassend, die eine Hand etwas tiefer als die andere, hockte er da und prüfte Luft und Raum. Alles ruhig! Zufrieden knurrend zog Grimback weiter, sprang mit wenigen Sätzen über den Feldrain und hatte auch schon die erste Maus zwischen den Zähnen. Die Jagd begann gut. Grimback schmatzte. Es geht doch nichts über blutwarmes Fleisch. Dieses ewige Grünfutter war er leid. Noch einen Mäusebraten? Klar! Man brauchte sich ja nur an solch eine Mäusestraße zu legen, die dummen Dinger rannten einem ja direkt ins Maul! Ja, recht hast du schon, Grimback, aber auch du bist längst erspäht. Es gibt durchaus nicht nur dumme Mäuse und kluge Hamster auf dieser Welt. Es gibt auch noch wildernde Katzen vom nahen Dorfe und vom Kunstflug hungrig gewordene Raubvögel. In zweifacher Gestalt naht sich der Tod! Mit funkelnden Augen, die grüne Blitze schießen, schleicht die bunte Katze heran. Jetzt duckt sie sich zum Sprunge! Die Ohren zurückgelegt, mit bebenden Knurrhaaren und leise zuckendem Schwänze schätzt sie die Entfernung. Zwanzig Meter höher aber glühen die Seher des Bussards, haben die Beute scharf erfaßt. Auf dem Fleck rüttelnd und sorgend, daß sein Schatten das Opfer nicht warne, ist er zum Sturzflug bereit. Aber die Katze springt eher! Unfehlbar läge Grimback zwischen ihren Krallen, wenn nicht der Schatten des stürzenden Raubvogels den Sprung abgelenkt hätte. In diesem Bruchteil einer Sekunde 12
aber springt Grimback der Katze schon ins Gesicht, daß sie klagend zurückfährt und der Bussard erschrocken hochtaumelt. Ein tiefes, hohles, böses Röcheln kommt aus Grimbacks Brust. Fest hängt er an der Backe der Katze, die ihn verzweifelt mit ihren Krallen bearbeitet und vor Schmerz gar nicht weiß, wohin sie schlägt. So kommt Grimback mit wenigen Kratzern davon, springt ab und stellt sich herausfordernd auf. Gift und Galle fauchend, mustern sich die zwei. Ihre Augen sprühen Feuer, ihre Felle knistern, ihre Flanken beben. Grimbacks Zähne schlagen wie im Fieber aufeinander. Und dann drückt sich die Katze seitwärts und bringt sich mit langen und hohen Sätzen in Sicherheit. Ja, meine Liebe, ein Hamster ist keine Maus, auch keine Ratte! Junge einjährige Hamster magst du ja wohl schon einmal überwältigt haben, aber niemals einen alten Rammler! Richtig fröhlich wird Grimback zumute. Aufrecht bleibt er sitzen und blickt im Triumph umher. Um so lähmender ist darum das Entsetzen, das ihn gleichzeitig mit einem durchdringenden Schmerz im Rücken überfällt. Der Bussard! Grimbacks Sinne verdunkeln sich, ein roter Schleier legt sich über seine Augen, seine Füße verlieren den Halt, zappeln hilflos herum, und jetzt bekommt er noch einen mörderischen Schnabelhieb übern.Schädel und verliert das Bewußtsein. Aus! Mit starken Flügelschlägen gewinnt der Bussard Höhe und fliegt mit der Beute in den Fängen dem nahen Erlenhain zu. Dort steht der alte Feldstein aus rotem Granit, und dort hält der Bussard gewöhnlich sein Mahl, kröpft er seine' Opfer. Diesmal jedoch sollte es anders kommen als gewöhnlich. Denn ein Hamsterschädel verträgt eine Portion. Schon nach wenigen Sekunden erwachte Grimback und erkannte scharf seine schier hoffnungslose Lage. Er wußte aber auch, daß jede Bewegung seinerseits die Dolche tiefer in den Rücken drücken würde und ihm weitere Schnabelhiebe einbrächte. Also hing er still in den Fängen, obwohl ihn die Schmerzen arg peinigten. Also wartete er, bis der nunmehr aufgeblockte Bussard den Griff lockerte und sich sichernd nach allen Seiten drehte. In diesem Augenblick riß sich Grimback so heftig los, daß ganze Fetzen und Büschel in den Krallen des gefiederten Räu13
bers hängen blieben, und sprang ihm mit einer solchen Wucht an den Hals, daß der Gegner vom Stein heruntertorkelte und erschrocken mit den Flügeln um sich schlug. Grimback aber ließ nicht loß! Er hätte sich jetzt schnell in Sicherheit bringen können. Der Vogel war so verdattert, daß er ihn hätte sausen lassen. Grimback dachte jedoch gar nicht daran. Nicht eine Sekunde dachte er an Flucht. Racheglühend und rasend vor Schmerz und Wut hing er am Halse des Bussards und grub seine Zähne tief, tief in den sprudelnden Lebensborn. Klatschend, rauschend und betäubend trafen ihn die verzweifelten Schläge der Flügel. Auf den Rücken warf sich der Bussard und grub dem Würger die Krallen in den Leib! Alles umsonst! Grimback blieb ihm an der Gurgel! Die Flügelschläge wurden matt und matter. Die Krallendolche lösten sich kraftlos. Der Bussard unterlag, warf sich noch einmal hoch, noch einmal, und hauchte sein Leben aus. Grimback wartete, bis der Leib des Gegners ausgezuckt hatte, dann ließ er los, dann wankte er mehr als er lief ins Feld hinein. Er traf auf seinen Winterbau, schloff ein und fiel, wie er ging und stand, in einen tiefen Schlaf. Als er erwachte, brannte ihm der ganze Leib, raste das Fieber durch die Adern, waren ihm alle Glieder geschwollen. Der Feind war geschlagen, das Leben war gerettet. Aber dieses Leben war eine Pein, eine Qual! Dieses Leben war geschunden, zerfetzt, von Fieber gepeinigt. Mochte es zum Teufel gehen!
Kurze schöne Zweisamkeit ber das Leben ging weiter. In diesen launigen Aprilwochen gab der Frühling allen Dingen und Wesen, was sie brauchten. Gab den Feldern Regen und Sonnenschein, der jungen Saat stärkende Winde und abhärtende Fröste, wirbelte den bauenden Vögeln dürre Gräser, Halme und Zweige in Massen zuhauf, umschmeichelte 14
warm die glänzenden, prallen Knospen und warnte sie mit gelegentlichen Schneeschauern vor jedem Vorwitz. Er klopfte an Bienenstöcke und Ameisenburgen, er führte die letzten Zugvögel ins Land, er weckte die Gänseblumen in den Wiesen, den Huflattich an den Feldrainen, die Sumpfdotterblumen am Bach, die Himmelschlüssel im Erlenhain. Er lockte die ersten Zitronenfalter und Hummeln aus ihren Schlupfwinkeln. Und einem Mandelstrauch und einem Aprikosenbäumchen und einer Sauerkirsche erlaubte er, ihre Blütenpracht zu entfalten. Da rief es der Kuckuck laut übers Land, da zwitscherten es die Schwalben von den Telephondrähten, da schrien es nächtens die Eulen und Käuze, daß es nun an der Zeit sei, sich des Lebens zu freuen, sich zu paaren, Nester zu bauen und Eier zu legen und Junge großzuziehen. Sogar Grimback, der so arg zerkrallte Raubritter, hörte den Ruf. Seine bösen Wunden vernarbten, seine Brust hob sich wieder, seine Augen bekamen den alten Glanz. Nun ging es wieder bergan. Nun hatte er schon wieder das Bedürfnis, sich zu putzen. Und nachdem er eines Nachts seinen unbändigen Durst am Bache gelöscht hatte, lebte er zusehends auf. Er sonnte sich unter Mittag in der Nähe des Fallochs, erwischte dabei auch einmal eine Zwergrnaus, ein andermal ein paar Laufkäfer und gewann wieder Lebensmut und Unternehmungsgeist. Siehe da, an einem schönen Abend, so gegen Ende April, können wir Grimback auf dem Wege zur Mäusewiese sehen. Er ist zwar sehr vorsichtig, das geringste Geräusch läßt ihn Deckung suchen, aber er strebt doch zielsicher vorwärts. Und er hat Glück! Er erbeutet ein vollbesetztes Mäusewochenbett. Rechtzeitig bemerkt er auch den geisternden Schatten des Kauzes und macht sich steif, es gelingt ihm, dem streifenden Wiesel den Wind abzugewinnen, und er findet den Streifen Acker, wo Leinsamen ausgeworfen wurde. In dem Maße, wie sich sein Magen füllt, kehrt ihm das alte Draufgängertum zurück. Grimback grunzte zufrieden. Jetzt fiel ihm auch seine hübsche Sommerwohnung wieder ein, nicht zuletzt auch die Roggen- und Gerstensaat. Das gab einen leckeren Nachtiscfi. Also auf! Grimback trollte los, schmauste von der jungen Saat, fand seinen Sommerbau und stutzte. Das roch doch gerade so, als 15
ob sich hier ein anderer breitgemacht hatte. Klar, das Falloch glänzte geradezu vom vielen Ein- und Ausfahren. Das Schlupfloch war genau so glattgescheuert. Und da waren ja auch noch zwei, nein, drei neue Fallöcher da! Grimback fühlte, wie ihm die Wut hochstieg. Seine Narben spannten und brannten. Das war doch eine tolle Dreistigkeit! Da hatte doch sicher ein freches Hamsterweibchen seinen Bau bezogen. Klar, wozu sonst die vielen Fallöcher?! Hm, ob es gar das hübsche junge Ding war, das er vor wenigen Wochen hier verjagt hatte? Grimbacks Wut verflog. Der Geruch war ihm nicht zuwider. Nein, durchaus nicht! Er war recht anregend. Na, mal nachschauen mußte man ja trotzdem. Schließlich war es ja sein Bau. Und also schloff Grimback ein. Richtig, da hockte das Weibchen in seiner Wohnkammer! Hatte sich erschrocken aufgerichtet und fauchte nicht schlecht, obwohl ihm die helle Angst in den Augen saß. Denn Grimback war berüchtigt und verrufen genug im Hamsterreich. Und ! natürlich war es das junge Ding von damals. Ja, es war wahrhaftig ein schmuckes Weibchen! Sein Fell glänzte wie Seide, . die großen Augen waren hell und feurig, von schönen braunen ! Monden überlagert und umrahmt, die Hände schneeweiß mit feinen, lichten Krallen, das Halsband fast rostrot, und dabei j sehr schlank. Auch Grimback richtete sich auf. Er war fast doppelt so hoch! Und seltsam, er fauchte nicht, er fletschte und schlug nicht die Zähne. Er saß ganz still, ließ die Pfoten hängen und hatte große, runde Augen. Meinetwegen kann sie ja hierbleiben, dachte er sich. Ja, warum auch nicht?! Er hatte nichts gegen die Geselligkeit. Und das Weibchen spürte wohl, daß der gefürchtete alte Rammler ihr nicht übelwollte. Es tat einen • kurzen, erleichterten Schnaufer und streckte sich aufs Lager, \ war aber sehr auf der Hut, denn man konnte ja nie wissen. Aber Grimback verdiente heute kein Mißtrauen. Er trottete unschlüssig hin und her, schaute in die Vorratskammer, untersuchte die Anlage der neu hinzugekommenen Fallöcher und wartete sichtlich auf eine freundliche Ansprache. Die ward ihm jedoch nicht zuteil. Das Weibchen schloß vielmehr die Augen und schien überhaupt keine Notiz von ihm zu nehmen. Was tun? 16
Grimback ging hin und stieß sie, mit der Nas'e in die Seite. Der Dank war ein Fauchen. Sonst jedoch erfolgte nichts. Nun, das war kein ungünstiges Zeichen. Grimback stieß noch einmal. Das Weibchen grunzte unwillig, blieb aber still liegen. Na, da rieb Grimback seinen zerschundenen Buckel an ihrem seidenweichen Fell. Das tat gut. Er brummte. Sie gab leise schnurrende Laute von sich. Und dann betrachtete sie sich die Narben, die ihn zierten, fuhr leise mit der Nase darüber. Sie war offensichtlich stolz, daß solch alter Recke «ich um sie bemühte. Aber sie iieß es ihn nicht merken, sie lief vielmehr dem Schlupfloch zu, und er — er folgte ihr. Gemeinsam spazierten sie über das Feld. Grimback übernahm bald die Führung. Er zeigte ihr, daß er ein ganzer Kerl war. Er sprang eine dreiste Elster so jäh an, daß sie über ihren langen Schwanz kippte UIK! betappert abstrich.* Er gab dem Maulwurf, der ihnen frech antgegentrat, eine Abreibung, daß er für viele Tage von der Oberwelt genug hatte. Er zeigte ihr die Erdnester der Feldleichen und Haubenlerchen. In wenigen Wochen waren da zarte Vogeljunge zu holen. Er fing ihr am Bach einen kleinen Grasfrosch und vermutete ganz richtig, daß das Weibchen solch einen Leckerbissen noch nicht gekostet hatte. Er legte ihr zwei Feldmäuse zu Füßen und fraß keinen Happen davon. Er biß in kurzen, hitzigen Gefechten alle Nebenbuhler in die Flucht Er verteidigte sie mit Erfolg gegen einen wildbelfernden Dor Köter, der mit blutender Nase und eingekniffenem Schwänze heimzog. Und beide zusammen schlugen sogar den plötzlichen Angriff eines Wiesels zurück. übrigens zeigte sich das Weibchen dabei so tapfer und kühn, daß es Giimbacks Achtung gewann. Den ganzen Abend und die ganze Nacht stromerten sie umher. Als sie dann beim ersten Sonnenstrahl in ihren Bau zurückkehrten, da waren sie so vertraut, daß ihm das Weibchen keine Gunst versagte. Viele schöne Tage und Wochen vergingen so in ungetrübter Eintracht. Der Mai zog ins Land. An den Chausseen und in den Gärten blühten die Kirschen und die Birnen. Auf den Wiesen herrschte in goldener Pracht der Löwenzahn. Das Getreide schoß empor. Bienen und Hummeln trugen süße Lasten. Der rote Ackermohn zog Käfer und Fliegen von weit und breit heran. Die Häsinnen betreuten schon ihren zweiten Wurf. 17
Zaungrasmücken, Goldammern, Grauammern und Lerchen saßen auf ihren Eiern. Die Blindschleichen, Ringelnattern und Kreuzottern waren erwacht. Eidechsen, Frösche und Kröten belebten die Raine, die Tümpel und schattigen Fleckchen. Maikäfer purrten an den warmen Abenden übers Feld. Es war eine Lust, das Leben! Leider wurde gerade jetzt das Hamsterweibchen von Tag zu Tag schwerfälliger und unfreundlicher. Es verbat sich jede Zärtlichkeit, blieb immer öfter im Bau hocken. Schließlich fauchte es Grimback schon an, wenn er sich nur sehen ließ. Zu dumm! Immer das gleiche. Grimback kannte das schon. So war es ja immer gewesen. Was war da zu machen? Aufdrängeln, um Schönwetter bitten? Nein! Das hatte er nicht mehr nötig. Ausgetollt hatte man sich. Und so zog sich Grimback wütend zurück, kam es zu allerhand Tätlichkeiten, bis er es endgültig satt hatte. Mochte sie ihre schlechte Laune an sich selbst auslassen. Gute Nacht! Kurz entschlossen zog Grimback aus und bezog wieder seinen schönen alten Winterbau. Die Mausfamilien, die sich inzwischen dort breitgemacht hatten, rottete er grimmig aus. Aus der Traum! Die Einsiedelei war eben doch die beste, die einzige Lebensform!
Böse Abenteuer ie Tage gingen dahin. In den Gärten reiften die ersten Erdbeeren und Kirschen. Ein Göttermahl für Schnecken, Spatzen, Amseln, Drosseln, Stare und Ammern. Auch der Igel und Grimback kamen Erdbeeren naschen. Und während ihr Herr Gemahl sich in der Welt verlustierte, warf das verlassene Hamsterweibchen in ihrem weichen Wochenbett zwölf winzige, nackte, blinde Junge. Ja, das war ein piepe! Das stieß beim Tasten nach Gier und Hast der
hilfloses Gezappel und Gekrabbel und Geund drängelte und quiekte beim Säugen, den köstlichen Milchquellen. Das tat vor geduldigen Mutter unnötig weh. Denn die 18
kleinen Hamster kommen gleich mit Zähnen auf die Welt. Aber Mutter bleibt eben Mutter, und sogar die Hamstermutter ist lieb und nachsichtig. Sie erlebt denn auch die Freude, daß alle Zwölf am Leben bleiben, daß sie schon am dritten Tage ein feines, dichtes Flaumhaar bekommen, daß sie am achten Tage alle die Augen öffnen. Gerade um diese Zeit trieb die Neugierde unseren Grimback in den Bau. Er wurde nicht gut empfangen. Das Weibchen sprang ihm giftig ins Gesicht, warf ihn zurück und stürzte sich mit ihren Jungen in den nächsten Gang. Das war also ihre Liebe?! Wütend fuhr Grimback den Flüchtenden nach. Ein Hagel von Erde, Sand und Steinen spritzte ihm entgegen. Das Weibchen grub sich in wilder Hast in die schützende Erde. Die Jungen folgten ihr auf den Fersen. Aber zwei Stück erwischte Grimback doch, er war so wütend und so aller Vaterliebe bar, daß er sie tötete und fraß. Seine eigenen Kinder! Aber ich habe es ja gleich gesagt: ein feiner Kerl ist Grimback nicht! Nein! Er beging an diesem Tage noch eine andere schlimme Tat. Er lenkte den Fuchs auf die Fährte des Igels, schlüpfte in letzter Sekunde in ein Rattenloch, und der Fuchs prallte geradezu auf den Igel. Das alles geschah in nächster Nähe des Wiesenbaches, und so war es dem Fuchs ein Leichtes, den Stachelritter ins Wasser zu rollen und den Schwimmenden abzuwürgen. Grimback aber freute sich. Nun hatte er es dem Igel endlich heimgezahlt, nun war eine alte böse Rechnung beglichen! Die Ratte bekam gleich darauf als Dank für den gebotenen Unterschlupf ein paar solche Bisse von Grimback, daß sie pfeifend ins Wasser stürzte. Diese falsche Art, den Verfolger auf einen anderen zu hetzen, hatte Grimback dem Feldhasen abgelauscht. Was ihn natürlich nicht entschuldigt. Denn der Feldhase greift nur in höchster Angst und Bedrängnis zu dieser List, daß er auf der Flucht einen seiner Artgenossen hochjagt und sich in dessen Lager niederwirft, so daß der verfolgende Hund oder Fuchs nun diesem Frischaufgeschreckten nachrennt. Grimback aber lenkte den Fuchs absichtlich auf die Fährte des Igels, aus Rachsucht. Wie dem jedoch auch sei, der Igel war hin, der Fuchs verzehrte ihn mit Genuß, und Grimback lachte sich ins Fäustchen. 19
Er war halt wieder der alte, bösartige Einzelgänger, und nichts war vor ihm sicher. Sogar die Erdnester der Wiesen- und Gartenhummeln und der Wespen plünderte er und kümmerte sich wenig um die zornigen und wütenden Summer und Brummer. Genau so wenig achtete er des Zischens der Kreuzottern, nahm auch die giftigen Bisse hin, obwohl er nicht viele ohne Schaden vertrug. Er verschlang die Ringelnatter am Wiesentümpel mitsamt dem Frosch, an dem sie gerade schluckte. Er lauerte um die Mittagszeit den Eidechsen am sonnigen Rain auf, dort, wo die Feldsteine in Haufen lagen. Er sprang nach gold- und kupfergrünen Ackersandkäfern, schlug die kleinen Pelz- und Sandbienen aus dem Fluge nieder, plünderte grausam die Nester der Feldlerchen, griff sich die zirpende Grille, schluckte den Ohrwurm, langte sich die Schnecken aus den bunten Häusern und ließ vor seinem ewigen Hunger nichts gelten. Aber er fand auch ab und zu seinen Herrn und mußte manche Wunde hinnehmen. So auch heute. Müde und satt war er gerade in seinen Bau eingefahren, hatte sich aufs Ohr gelegt, als er plötzlich ein verdächtiges Geräusch und gleich darauf einen nur allzugut bekannten Feindgeruch wahrnahm. Grimback richtete sich auf. Alle Müdigkeit war verflogen. Hellwach war er. Das Geräusch kam zögernd näher. Der Wildgeruch wurde stärker. Im Eingang zur Wohnkammer leuchteten kleine feurige Augen auf. Eine stumpfe Nase witterte herein, ein schmaler Kopf mit abgerundeten und weit hinten stehenden Ohren schob sich nach. Und jetzt fuhr mit einem Ruck ein langer, schmaler, rötlichbrauner Körper in der Kammer. Es war der Todfeind! War ein großes, starkes Wiesel! Grimback wußte, dieser Besuch bedeutete einen Kampf auf Leben und Tod. Aber er floh nicht. Ein dumpfes hohles Grollen kam ihm aus tiefster Brust. Seine Zähne schlugen wild aufeinander, seine Ohren zuckten, seine Augen sprühten. Das Wiesel jedoch schien von diesen drohenden Gesten nicht sehr beeindruckt. Es richtete sich ebenfalls auf. Hell leuchtete sein Bauch im Dunkel der Höhle. Die schiefliegenden Augen schössen tückische Blitze. Leise zuckten die hängenden, behaarten und mit spitzen, dolchartigen Krallen bewehrten Vorderpfoten. Die weiße Oberlippe hob sich. Es sah aus, als ob das Wiesel höhnisch lachte. 20
Sekundenlang saßen die beiden sich so gegenüber. Todfeinde von alters her. Obwohl das Wiesel fast zehn Zentimeter kleiner war, ahnte man doch, daß es die fehlende Größe durch Gewandtheit und Schneid wohl aufwiegen würde. Das Wiesel war es auch, das den Angriff eröffnete. Ein tiefes, heftiges Gemurmel ausstoßend, sprang es Grimback an, riß ihn nieder, erwischte ein Ohr und riß es der Länge nach auf. Grimback aber schlug sein Gebiß tief in den Rücken des Gegners. Dann waren sie so ineinander verbissen, daß man überhaupt nicht mehr feststellen konnte, wer unten und wer oben lag, wo das Wiesel aufhörte und der Hamster begann. Staub und Halme quirlten hoch. Fauchend, knurrend, schreiend wälzten sie sich in der engen Kammer, bluteten beide schon aus vielen kleinen Wunden. Bis es endlich doch dem geschmeidigen Wiesel gelang, Grimback abzuschütteln und sich mit einem Satz von ihm abzusetzen. Ihre Lungen keuchten, ihre Flanken bebten, ihre Augen waren blutunterlaufen. Aufgerichtet saßen sie sich wieder gegenüber, zitternd, rachedurstig und blutgierig, beide entschlossen, diesen Kampf bis zum bitteren Ende durchzustehen. So oder so! Ein Ausweichen gab es hier nicht mehr. Die ganze Welt war für sie versunken. Es gab nichts mehr als diese unterirdische Höhle und in ihr den Todfeind. Und wieder sprang das Wiesel an! Sprang mit solcher Wucht, daß Grimback heftig gegen die Wand geschleudert wurde, daß er im nächsten Moment den Gegner am Halse hatte, daß er für Augenblicke wie gelähmt war. Und es geschah das Furchtbare, daß das Wiesel ihm mit seinen Krallendolchen das linke Auge zerstörte und halb herausriß. Ein höllischer Schmerz! Grimback fuhr wie ein Wahnsinniger hoch, schleuderte den Gegner ab, saß ihm im Nacken und hielt ihn mit seinem Gewicht nieder. Schon wollte er triumphieren, schon schlugen seine Zähne nach dem Kopf des Wiesels, da war es doch wieder weggewischt. Grimback gönnte ihm keine neue Atempause, halb blind und schäumend stürmte er los — und rannte ins Leere! Wie verrückt kreiselte er um seine Achse, das Wiesel war weg. Hinterher! Jedoch auch oben war nichts zu sehen, so hell auch die Nacht war. Ziellos irrte Grimback umher! Nichts! Der Kampf war zu Ende. Das Wiesel war der Entscheidung im letzten Augenblick ausgewichen und hatte ihn zerschunden, verstümmelt und blutend zurückgelassen. Oh, und das war schmerzlicher als alles andere! Das fraß, schlim21
mer als der Brand im zerstörten Auge! So sicher schien der Sieg, der so teuer erkaufte, und war ihm doch entglitten. Wohin sollte er nun mit seiner Rachsucht, mit seiner Wut, mit seinen Schmerzen? Wo war er überhaupt? Und was war das für ein Sausen und Brausen im Schädel? Wer zog ihn an allen Haaren? Verzweifelt drückte er den wunden Kopf in das taufeuchte Gras, auf die kühlen Kräuter. Und nur unter Aufbietung aller der unglaublich zähen Lebenskraft, die in ihm saß, fand er sich wieder heim. So büßte Grimback manche seiner Schandtaten ab! So bekam auch er seine Abreibung. Aber ändern konnte er sich doch nicht. Im Gegenteil, er wurde nur wilder, jähzorniger, grimmiger. Und wenn ihn auch in den nächsten Tagen das Wundfieber schüttelte, der Kopf, der Leib, die Beine unförmig aufschwollen, er kannte nur einen Gedanken, hatte nur ein Gefühl: Rache! Rache am Wiesel! Rache für das Erlittene! Er wußte, das letzte Wort war hier noch nicht gesprochen. Du oder ich! Wiesel und Hamster haben nebeneinander keinen Platz. Und hätte er gewußt, daß auch das Wiesel fiebernd in seinem Schlupfwinkel zwischen den alten Weidenstämmen lag, er hätte sich hingeschleppt und ihm den Garaus gemacht. Nun, er wußte es nicht. Er begegnete dem Wiesel überhaupt nicht mehr, denn das wurde von Bauernjungen aufgestöbert und schmählich mit den Holzpantinen erschlagen. Dieselben Bauernjungen sollten später auch unserem Grimback ein bitteres Ende bereiten, aber bis dahin hatte es noch gute Zeit.
Sonne und r e i c h e Ernte arbensprühend und sonnenträchtig zog inzwischen der Sommer ins Land. Dem ibuntbefrackten Maikäfer war der schlichte Junikäfer und diesem der prächtige Julikäfer gefolgt. Wie ein blau- und grünschillernder Edelstein saß er in den wilden Sträuchern am Feldrain, und die grüngoldenen und weißgebänderten 22
Rosenkäfer leisteten ihm Gesellschaft. Das tiefe, satte Blau der Kornblumen und das helle Blau der Wegwarten wetteiferten mit den Farben des wolkenlosen Himmels. Prahlerisch standen die brennenden Tupfen des Mohns zwischen den schon gilbenden und raschelnden Halmen. Selbst die großen Felddisteln hatten sich mit prachtvollen Blüten geschmückt und hoben sie wie kostbare Kronen über die fruchtschweren und geneigten Ähren. Hummeln in braunen und weißgesäumten Pelzen, Bienen in dicken goldenen Hosen summten selig und eifrig von Blumenkelch zu Blumenkelch. Wie flirrende, rote Propeller schwirrten die Steinbrechwidderchen, wie funkelnde Nadeln die Libellen umher. Feuergoldwespen, Rapsglanzkäferchen, Gold-, Rauh- und Schwebefliegen schössen wie wilde Wirbel durch die flimmernde Luft. In seidig schimmernde und golden glänzende Fluten verwandelten Wind und Sonnenstrahl die Getreidefelder. Das war ein Wogen, ein leises Sirren, ein geheimnisvolles Rauschen und war bis an den Rand angefüllt mit heimlichem Leben. Von der winzigen, scharlachroten Samtmilbe an den Getreidehalmen bis zur Rehmutter mit ihren Kitzen, vom gefräßigen Saatschnellkäfer bis zum Hasen, vom behenden, braunen Ohrwurm bis zu den heimlichen Wachteln, vom lustigen, kleinen Grashüpfer bis zur Ackerschnecke bargen die reifenden Felder eine Welt von Tieren und boten ihnen Heimat, Nahrung und Sicherheit. Hier waren die fleißigen und immer geschäftigen Rasen-, Knoten- und Wegameisen zu Haus, bauten an ihren Erdburgen, die sie oft noch mit einer kleinen Kuppel überwölbten, pflegten ihre Blattlausherden und sammelten ölige Samenkörner. Hier bauten die samtschwarze Erdhummel mit der gelben Schärpe um Leib und Halskragen, die kleine Steinhummel mit der roten Hose, die bärenstarke, schwarzweißgelb befrackte Gartenhummel ihre Erdnester. Hier grub sich die fuchsrote Hosenbiene ihre lange Röhre in den Boden, gleich daneben die haarige Erdbiene. Hier trieben die großen Laufkäfer ihr räuberisches Handwerk. Hier gingen die Wolfs- und die Luchsspinnen auf die freie, wilde Jagd. Hier zogen die Garten- und Hainschnecken still und gemessen ihres Weges. Hier war das Paradies der Grillen, der Warzenbeißer, ier Heupferde. Hier schafften die Aaskäfer und Totengräber im Schweiße ihres Angesichts. Hier war der immer gedeckte Tisch für Wanderfalke, Sperber, Habicht, Bussard, Eule und Meuntöter. Und hier war kein Mensch! 23
Heilig und unverletzlich sind die reifenden Felder, sind eine Welt in der Welt, sind unantastbare, goldene Inseln im Meere der Wiesen und Wälder, sind der schutzbietende Hafen für alles gehetzte Getier. In ihnen tanzt die verfolgte Maus, kegelt sich der gejagte Hase, sonnt sich die verkannte Ringelnatter, brütet die schutzlose Lerche, freut sich die verabscheute Kröte ihres Lebens, führt das Rebhuhn seine Jungen, geht der Maulwurf am hellen Tag spazieren, tummelt sich der Igel. Den ganzen Sommer über ist hier die Freistatt der Gejagten, Gehetzten, Verfolgten, Verkannten, Gequälten und Wehrlosen. Den ganzen Sommer über sind die reifenden Felder das unbestrittene Reich Grimbacks. Ja, es ist eine schöne, selige Zeit für Griimback, wenn das Korn reift, wenn es im Felde kribbelt und krabbelt, schlüpft und schlängelt, schwirrt und schwebt, hüpft und hoppst, saust und surrt, wispert und knistert, wenn man gar nicht weiß, welche Beute man zuerst schnappen soll! Und wenn man in den hellen und warmen Nächten die süßen, saftigen Körner einernten kann! Ja, das ist die hohe Zeit der Hamster! Jeden Abend, kaum daß die flachen Berge im Westen die Sonne verschluckt haben, zieht Grimback jetzt aus, fährt er seine Ernte ein. Der Himmel ist noch glührot, da sitzt er schon an den Halmen und nagt sie mit wenigen geschickten Bissen durch. Leise rauschend stürzt der schlanke, hohe Schaft, wird rasch zur Erde gezogen. Die Hände fassen die volle Ähre, reiben sie behend und schieben die Körner in die Backen. So fällt Halm um Halm, so geht es Nacht um Nacht. Bis zum Platzen voll sind die Backen gestopft, wenn Grimback sich heimtrollt. Fünfzig Gramm schiebt er glatt zwischen die Zähne. Und er ist dann so unbeholfen, daß ihn jedes kleine Wiesel, jeder Iltis, jede Katze, jeder Hund und jeder Raubvogel unbedenklich greifen könnte. Sogar der Maulwurf könnte ihn in diesem vollgestopften Zustand umwerfen. Natürlich müßte dann der tödliche Biß oder Hieb sehr schnell folgen, denn sonst streicht Grimback schnell die Körner aus den Backentaschen und ist urplötzlich wieder der gefährlichste Gegner. Aber Grimback gab schon acht, daß er ungestört einfahren konnte, was des Bauers Fleiß und Schweiß ihm in den Schoß warfen. Er arbeitete wie ein braver Schnitter, er arbeitete, 24
daß er schwitzte, er fuhr die ganze Nacht ein und aus, war unermüdlich am Werke. Er scheute keinen Weg und keine Mühe, lief weit, um auch sämige Leinenknoten und süße Erbsen einzuheimsen. Was sein Magen außerdem brauchte, das fing er, ohne sich aufzuhalten, so zwischendurch auf den Wegen vom Bau zum Ernteplatz. Er ärgerte sich sehr über jeden anderen Sammler, ob es nun ein Artgenosse, eine behende Feldmaus oder die winzige Haselmaus war. Er fuhr wütend zwischen die Sperlinge und Tauben, die hier nach Herzenslust schmausten. Der Sammeltrieb erfüllte sein ganzes Sein, machte ihn noch gieriger, jähzorniger und ungeselliger. Und da er zu spüren meinte, daß es einen langen und harten Winter geben würde, grub er sich noch eine zweite und dritte Vorratskammer. Gerade war er mit dieser Arbeit fertig, gerade hockte er verschnaufend neben der herausgebrachten Erde, da vernahm er die Geräusche, die seinen Ohren die fürchterlichsten waren. Das Entsetzen trieb ihm die Haare zu Berge, steil richtete er sich auf und knurrte. Es bestand kein Zweifel, jetzt kamen sie wieder, die knatternden und puffenden Ungeheuer, die hinter sich her die schwingenden Arme, das blitzende, rauschende Messer zogen. Dröhnend und donnernd, zischend und polternd wälzten sie sich wieder über die Felder. Und wieder würde die goldene Flut fallen, würde rauschend niedersinken. Der Mensch kam und forderte sein Recht! Er kam mit unwiderstehlichen Gewalten, mit Schrecken und Grauen. Der heilige Bann der Felder verlor seine Kraft. Das heimliche Reich der Tiere zerfiel. Grimback wußte, jetzt half kein Eilen, keine Wut, kein Wehren. Jetzt konnte man sich nur tief in seinem Bau bergen. Jetzt mußte man warten, bis diese lärmenden Ungeheuer sich ausgetobt hatten, und sich dann tüchtig sputen, um nachzulesen. Grimback verkroch sich tief. Inzwischen aber trugen die Traktoren und Mähmaschinen das Entsetzen tief und tiefer in die Felder. Verstört prasselten die Wachteln und Rebhühner von einem Winkel in den anderen. Schier kopflos irrten die Fasanen und jungen Hasen umher, rannten gar in die mordenden Messer. 25
Zerschnittene Vogel-, Frosch- und Mäuseleiber wirbelten durch die Luft. In den Spuren der Raupenketten und eisernen Räder lagen zermalmt und in die Erde gewalzt Erdläufer und Tausendfüßler, Regenwurm und Warzenbeißer, Saatschnellkäfer und Blindschleiche, Grashüpfer und Wolfsspinne, Ameise und Schnecke. Krähen, Stare, Dohlen und Tauben überflügelten ängstlich die rauschenden Maschinen und ließen sich an diesem Tage nicht mehr sehen. Die Rehe waren ins nahe Erlenholz geflüchtet. Lähmende Angst und zitternde Furcht saß in den Herzen aller Tiere. Nur die Sperlinge und die Ammern kamen rasch über den ersten panischen Schreck hinweg. Sie saßen schon wieder lärmend und eifrig pickend auf den eben gebundenen Garben, äugten dreist umher, schwirrten den Maschinen nach. Sie waren es auch, die das Feld mit ihren Stimmen erfüllten, als sich die Dämmerung schmeichelnd über das Land legte und Mensch und Menschenspuk verzogen waren. Ja, vorüber war der grausige Spuk! Vernichtet war das stille Reich der schlanken Halme. Vorüber das Blühen und Prangen der Blumen und Kräuter. Zerstört die Zuflucht der Tiere. Alles vorüber, alles aus! Alles? O nein! Das Leben geht immer weiter. Tief in die Stoppeln gedrückt, leuchten die gelben Sternchen des Lattichs, die blauen Blüten der Sonnenwende, die roten Sonnen des Ackergauchheils, schimmert hell die Ackerminze, lacht der Augentrost. Jetzt ist ihre Zeit gekommen. Jetzt werden sie dem Feld einen Blütenteppich schenken, der keiner Frühlingspracht nachstehen wird. Ackerknorpelkraut, Vogelkopf, Zwergknöterich und Klee heben ihre Köpfchen und versprechen den Bienen, Hummeln, Käfern und Schmetterlingen noch manch schönen Trank, noch manch leckeren Schmaus. Nur nicht den Mut verlieren! Und das sagt sich auch der Goldschmied und wagt sich unter seinem Stein hervor und geht frisch an die Jagd. Das sagen sich die Ameisen und Wespen und bauen bereits an ihren zerstörten Burgen. Das wispern sich die Mäuse zu, springen auf die Garben, nagen die Ähren ab und zerren sie zum Bau. Das denken auch die Totengräber und wühlen einer Eidechse die letzte Ruhestatt. Das sagt sich auch Grimback, 26
wirft alle Trauer um die heimliche Geborgenheit und die ganze Sommerseligkeit hinter sich, ohrfeigt die frechen Mäuse und schleppt heim, was eT nur erschleppen kann. Immer 'ran! Immer 'ran! Schmerz und Trauer helfen hier nicht. Sehe jeder zu, daß er trotz alledem sein Leben erhält!
Ausklang a n d Abgesang mmer 'ran! Immer 'ran! Das sagten sich anderentags auch die Tauben aller umliegenden Dörfer und Wälder, die Dohlen von den Türmen der nahen Stadt, die Krähen weit und breit und halfen Maus und Hamster, so viel wie nur möglich von der Ernte in Sicherheit zu bringen. Na, und was sich alles an Sperlingen, Feld- und Goldammern, Wachteln, Birk- und Rebhühnern zusammenzog, das war einfach erstaunlich, das mußte jedem Bauern ins Herz schneiden. Was wunder, daß der goldene Segen bald auf schwankenden Wagen entführt wurde, daß der große Rechen immer wieder übers Feld zog, daß ihm die Ährenleser folgten und der Schwelgerei ein Ende gesetzt wurde. Immer 'ran! ist nämlich auch der Leibspruch des Bauern, der erst die Ruhe seines Herzens findet, wenn die Ernte unter Scheuer und Dach gebracht ist. So! Und das war nun geschafft! Die Tauben hielten zwar noch einige Tage Nachlese, zogen sich aber immer mehr in die Höfe zurück. Die Mäuse wanderten der Ernte nach, bezogen Scheunen und Speicher. Die Sperlinge entdeckten eine besondere Vorliebe für Tennen und Dreschmaschinen. Die Krähen liebäugelten bereits wieder mit den Möglichkeiten, die Dorf und Stadt boten. Immer geringer wurde die Zahl der Schmetterlinge, der Libellen, Hummeln, Wespen, Fliegen, Bienen, Blumenkäfer, Grashüpfer und Grillen. Die Schwalben, die Stare und die Störche träumten vom schönen Süden. Die Eidechsen, die Blindschleichen, die Ringelnattern und Kreuzottern ließen sich oft tagelang nicht mehr blicken. 27
Von Woche zu Woche wurde es einsamer auf dem Felde. Von Tag zu Tag wurden die Nächte kälter. Auch die Wolfsund die Krabbenspinnen wurden ihrer Heimat untreu und segelten mit ihren seidenen Luftschiffen in die Welt hinaus. Ja, es war nicht mehr viel los. Grimback mußte jetzt schon schön antraben und stundenlang auflauern, wenn er seinen Magen stillen wollte. Er schätzte sich glücklich, wenn er in den nahen Gärten oder im Straßengraben einen süßen Apfel oder eine überreife Pflaume fand. Seine drei Vorratskammern waren zwar bis obenhin gefüllt, aber er dachte gar nicht daran, sie schon jetzt zu plündern. Da ließ er sich schon lieber auf harte Kämpfe mit seinen Artgenossen, mit Maulwurf und Ratte, mit Spitzmaus und Iltis ein. Und er stand noch seinen Mann, wenn er auch nur ein Auge und viele hemmende Narben hatte. Er war jetzt auch immer in der schönsten Wut, immer bereit, aufs Ganze zu geben. Er war noch immer der Herr des Feldes, und wehe dem, der das vergaß! Er fühlte sich, obwohl der schützende Halmenwald gefallen, wieder so sicher, daß er am hellen lichten Tage seine Streifzüge unternahm. Die Nächte waren ihm zu kalt. Aber unter Mittag, da hatte die Sonne noch Kraft und Wärme, da glaubte man nicht, daß es nun schon Ende September war. Leider störten ihn jetzt allzuoft die Jungen der Dörfer und der nahen Stadt. In Rotten und Rudeln kamen sie an den schönen Nachmittagen aufs Feld und ließen ihre bunten Papierdrachen steigen. Das war ein Lärmen, Schreien und Spektakeln, ein Hin- und Widerlaufen, und nahm kein Ende, und wurde immer schlimmer. Grimback hatte eine schöne Wut im Bauche. Als ihm eines Tages einer der Jungen fast auf den Stummelschwanz trat, da war es aus mit seiner Geduld, da sprang er wütend hoch und biß sich in der Wade des Störenfrieds fest. Der kleine Kerl ließ vor Schrecken seinen Drachen fahren und schrie auf wie einer, der am Spieße steckt. Verzweifelt schlenkerte er das Bein, traute sich aber doch nicht, Grimback beim Schöpfe zu fassen. Nun kamen aber die anderen Jungen gerannt, und da hielt es Grimback doch für klüger, erst einmal loszulassen. Er sprang ab, setzte sich steil hin und fauchte die staunende Jungenschar an. Die Lage schien ihm selbst ein bißchen kitzlich, aber an Flucht dachte er nicht. Nur heran, wer seine Zähne spüren 28'
wollte! Nun, es verspürte vorläufig keiner die Lust dazu. Etwas wie Hochachtung vor dem erstaunlichen Mut des Hamsters hielt die Gegner in Bann. Sie starrten ihn an, und er starrte sie an. Es war ganz komisch. Bis der gebissene kleine Kerl plötzlich wieder aufheulte und schrie: „Schlagt ihn doch tot!" Da war der Bann gebrochen, da fuhren an die zwanzig Hände und Beine nach Grimback, da flogen ihm Steine um die Ohren. Grimback floh zum ersten Male in seinem wilden Raubritterleben. In mächtigen Sätzen stob er übers Feld, trampelnde Schritte hinter sich, von Wurfgeschossen umprasselt, und stürzte sich zitternd in sein Falloch. Lärmend verzogen sich die Jungen. Aber einer kam noch einmal zurück, türmte einige Steine auf und murmelte: „Warte nur, mein Lieber, das kriegst du heimgezahlt!" Dann ging er zu dem Gebissenen, saugte ihm das Blut aus der Wunde und flüsterte ihm etwas ins Ohr. So kam es denn, daß am nächsten Tage vier mit Spaten, Eisendraht und Knüppeln bewaffnete Jungen suchend über das Feld zogen, den kleinen Steinhaufen fanden und leise und besonnen ihr Werk begannen. Zuerst verstopften sie das Schlupfloch gründlich mit Steinen und stampften noch Erde darüber. Dann setzten sie gleichzeitig die Spaten an und warfen den Boden rund ums Falloch auf. Ab und zu stocherte einer mit dem Draht in die Tiefe, spürte den Gang auf, und wieder flogen die Spaten. In seiner Wohnkammer saß Grimback und lauschte. Was war das? Was ging da vor? Er hatte seit gestern den Bau nicht verlassen, hatte schlecht geschlafen. Die Schande, daß er geflohen war, brannte ihm im Blut. Mit bösen Blitzen im Auge schlich er sich langsam im Schlupfloch aufwärts, fuhr plötzlich zurück. Was lag da dunkel und zusammengeballt im Gang? Er rührte sich nicht. Es roch nicht. Grimback fauchte und knurrte. Das dunkle Ding blieb ruhig. Grimback schoß drauflos — ein Stein! Wie kam denn der hierher? Da lagen ja noch mehr Steine! Und was war das für ein Gepolter hinter ihm? Grimback schloff in die Wohnkammer zurück. Vom Falloch her rieselte Erde in den Gang. Aha! So ist das! Ausgraben wollte man ihn! Auch dieser Gefahr stand Grimback nicht zum ersten Male gegenüber. Das hatte man schon vor zwei Jahren einmal versucht. 29
Jetzt hieß es, Ruhe bewahren, überlegt handeln. Vom Fälloch her kam der Feind. Das Schlupfloch hatte man wieder verstopft, oder es stand einer mit dem Knüppel davor. Da brauchte er also gar nicht noch einmal hin. Da kam ja auch schon der bekannte Eisendraht! Nun aber ran! Nun aber verklüftet! Mal sehen, wer hier schneller ist! Mit grimmiger Wut begann Grimback vom Anfang des Schlupfloches aus sich in das Erdreich zu wühlen. Ein Glück, daß die Erde hier so locker und sandig war! Die Arbeit fleckte, Brocken und Steine flogen, schon war es dunkel hinter ihm. Immer weiter! Jetzt geht es um jede Sekunde! Wie ein Rasender riß Grimback mit Zähnen und Krallen die Erde unter sich, drückte sie hinter sich fest zusammen. Nur einmal hielt er an. Das war, als die Jungen die Wohnkammer freigegraben hatten und in ein lautes Indianergeheul ausbrachen. Heult ihr nur! Der Bau ist leer! Jetzt werden sie noch den Gang des Schlupfloches aufwühlen und dann enttäuscht wieder abziehen. Inzwischen aber würde er weit vom Schuß sein. Einem alten Hamster kommt ihr nicht auf die Schliche! Mäuse könnt ihr vielleicht erbuddeln, mich nicht! Und wieder flogen die Brocken. Aber die Jungen waren leider auch keine Anfänger. Sie hatten schon manchen Hamster ausgegraben. Sie dachten gar nicht daran, den langen Gang des Schlupfloches aufzuwühlen. Sie untersuchten mit dem gebogenen Draht, ja sogar mit den Fingern die Wände und hatten bald heraus, wo sich Grimback verklüftet hatte. „Jetzt haben wir ihn! Jetzt gräbt er sich sein eigenes Grab! Jetzt vorsichtig und aufgepaßt! Weit kann er noch nicht sein!" Zu allem Überfluß aber bewachte einer der Jungen von jetzt ab die nähere Umgebung, damit den etwa nach oben ausbrechenden Hamster sofort der Knüppel begrüße. Grimback, du bist verloren! Siehst es zwar noch nicht ein, buddelst noch drauflos, aber schon der nächste Spatenstich ist unmittelbar hinter dir. Da, jetzt trifft dich schon der nachfühlende Draht! Es ist aus, Grimback! Gib es auf! Aber Grimback wäre ja nicht Grimback, wenn er das einsehen würde. Nein, Grimback kennt kein Aufgeben. Er wird 30
sich wehren, solange er noch ein Glied rühren kann. Das Buddeln hat ja nun keinen Zweck mehr, also herum! Also dem Gegner die Zähne gezeigt! Komm nur an! Ich bin bereit! Und die letzte Wand fiel. Wieder starrten die Jungen den fauchenden und zähnefletschenden Grimback an, wieder überrumpelte ihre ehrlichen und warmen Herzen dieser tollkühne Mut des kleinen Raubtiers. Grimback sprang hoch, erreichte mit einem Satz die Höhe der Stoppeln und — brach unter drei gleichzeitig auf ihn niederprasselnden Knüppelhieben zusammen. Er war sofort tot. Die Jungen erhoben kein Siegesgeschrei. Sie lühlten, das war kein Sieg. Sie fühlten, hier brach ein tapferes und furchtloses Herz. Sicher kein liebenswertes Tier, dieser alte böse Hamster, ganz sicher sogar ein großer Schädling und Raubritter, aber eben doch, und das stand felsenfest, ein ganzer Kerl. Und Grimback konnte getrost sterben. Unter seinen vielen, vielen Söhnen war sicher einer, der ein echter und rechter Grimback werden konnte. Gute Nacht, Grimback!
Umschlagentwurl und
Textzeichnungen: Karlheinz Dobsky
L u x - L e s © b o g e n Nr. 78 / H e f t p r e i s 20 P f e n n i g e Natur- und kulturkundliche Hefte • Bestellungen (viertelj. 6 Hefte DM 1,20) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt • Verlag Sebastian Lux, Murnau-München . Druck: Hans Holzmann, Bad Wörisholen
31
Der Handwerkskasten
Gut Deutsch schreiben
von M. Holzner, 160 Seiten, 80 Abb., 1,50 DM
von F. Fikenscher, 104 Seiten, 1,50 DM
Jedes Handwerk hat seine Griffe und Kniffe, herausgebildet in jahrhundertelanger Erfahrung. Wer in Wohnung und Haus ohne fremde Hilfe reparieren, ergänzen oder neu schaffen will, wird sich die Mühe erleichtern und ärgerliche, oft kostspielige Fehler vermeiden, wenn er die mit überlegener Sachkenntnis zusammengestellten Ratschläge des Buches beachtet. Das Buch führt bis zur Selbsthersteltung kleiner Anbauten, Wochen^ndhäuschen und Behelf heime.
Das Buch ist keine Grammatik, kein theoretisches Lehrbuch, sondern ein praktischer Helfer und Anreger für den Alltag im privaten und beruflichen Bereich. Man sagt, daß der Briefstil ein Charakterspiegel des Menschen ist und daß aus den Geschäftsschreiben der Geist erkannt werden kann, der ein Unternehmen beseelt. Wer gut und richtig deutsch schreibt, ist den anderen um ein großes Stück voraus. Hier lernt man den flüssigen und fehlerfreien Stil.
i
1.50 DM
1.50 DM
Der praktische Gartenfreund v. Albert Fabian, 128 Seiten, 107 Abbildungen, 1,50 DM Es ist ein Bastelbuch für den Gartenbesitzer, eine Auslese der Erfahrungen, Kniffe und Einfälle alter Gartenpraktiker. Selbst der mit allen Wassern gewaschene Praktikus wird mit vergnügtem Erstaunen feststellen, wie leicht und selbstverständlich manche Arbeit mit Hammer, Zange und Säge wird, wenn man den richtigen Tip weiß. Mit Hilfe dieser Anregungen wird der Haus- und Kleingarten zu einer freundlich ausgestatteten Erholungsstätte für Jung und Alt.
Zu beziehen durch jede gute ßuchliuudlung
VERLAG SEBASTIAN LUX-MURNAU
Buchführung leicht zu lernen von M. Weiß, 128 Seiten, viele Tabellen, 1,50 DM
10000 Fremdwörter von Otto Ulric, 160 Seiten,
1,75 DM
Der Band kommt in einer neuen Unübersehbar ist die Zahl der Auflage heraus. Seit seinem er- Fremdwörter, die im Sprachgesten Erscheinen im Jahre 1947 brauch des Alltags, in den Spalhat er sich einen großen Freun- ten der Zeitungen und in den deskreis erworben. Er wurde in Seiten der BuchveröffentlichunFachschulen als Unterrichtsbuch gen Verwendung finden. Die vorverwendet und hat vielen Be- liegende Sammlung ist ein rufstätigen Erfolg gebracht. Die immer bereites Hilfsbuch zum beiden neu hinzugefügten Teile Nachschlagen. Wenn man schon ,,Buchführung des Landwirts" Fremdwörter anwendet, soll man und „Kassenführung der Haus- sie beherrschen und um ihre Befrau' ' mit zahlreichen Buchungs- deutung wissen. Jeder Ausdruck beispielen bedeuten eine wesent- findet in dem Bändchen seine liche Bereicherung des Inhalts. klare, unmißverständliche Deutung und Übersetzung 1.50 DM
1.75 DM
Mein Blumenbuch von M. Lux, 160 Seiten, 51 Abbildungen, 1,75 DM Blumen im Haus sind Quellen reiner, beglückender Freude; sie machen das Leben schöner und bereiten ein behagliches Heim. Wie man sie pflegt und behandelt, daß sie gedeihen und prächtig erblühen, wie man sie zu Sträußen bindet, in Vasen ordnet und zum Schmuck der festlichen Tafel streut, das hat die Verfasserin aus ihrer reichen Erfahrung als Mitarbeiterin bei Versuchsanstalten, als Gartenbaulehrerin und sorgende Hausfrau auf eine neuartige Weise dargestellt.
Zu beziehen durch jede gute Buchhandlung
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU