KLEINE
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DES WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
ALBERT
HEFTE
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KLEINE
BIBLIOTHEK
DES WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
KULTURKUNDLICHE
ALBERT
HEFTE
HOCHHEIMER
GOLD IN SÜDAFRIKA GLUCK UND V E R H Ä N G N I S DES B U R E N V O L K E S
VERLAG
SEBASTIAN
LUX
MURNAU•MÜNCHEN•INNSBRUCK-BASEL
Moderne Nibelungen Johannesburg in Transvaal ist eine große, leuchtende Stadt von außerordentlichem Reichtum, mit mächtigen, bis zu zwanzig Stockwerke hohen Häuserblocks, mit herrlich angelegten Straßen und Avenuen. Das Industrie- und Handelszentrum ist erbaut über einer anderen, unsichtbaren Stadt, die sich mit Schächten, Stollen, Tunnels und Maschinenhallen bis zu dreitausend Meter Tiefe im Dunkel der Erde hinzieht, voller Getöse, voll lärmender Betriebsamkeit der Bohrhämmer, der Sprengungen, der rollenden Loren und bevölkert von einer nach Zehntausenden zählenden Arbeiterschaft, Weißen und Schwarzen. Seit der Entdeckung der Goldfelder des Witwatersrandes, des Höhenzuges im Süden Transvaals, ist in dieser unterirdischen Stadt durch die ununterbrochene Arbeit von Armeen von Menschen in dem kurzen Zeitraum von sechzig Jahren mehr Gold zutage gefördert worden als in den Jahrtausenden des Altertums, mehr als in Spanien, Nubien, Abessinien und Ophir, mehr aber auch als in dem reichen Westen der Vereinigten Staaten, in Australien, in Sibirien, und das Doppelte von dem, was ganz Asien seit Anbeginn gefördert hat. Die Schätze der Konquistadoren, der Azteken, der Inkas, so bedeutend sie für ihre Zeit gewesen sein mögen: im Vergleich zu der Goldförderung des Witwatersrandes — des „Randes", wie der Afrikaner sagt — sind sie ganz unerheblich, geradezu ärmlich; denn die gesamte Goldmenge aus den Bergen und Flüssen Kolumbiens, Perus, Chiles und Mittelamerikas ist geringer als eine Jahresproduktion hierzulande. Was seit alters von den Bergbauingenieuren der Pharaonen, von den Bergaufsehern Kretas, den Bergknappen der Karpaten und der deutschen Goldreviere bis zu den modernen Bergschulen erdacht und an technischen Erfindungen des Abbaus und der Gewinnung ersonnen worden ist: Entlüftungs- und Berieselungsanlagen, 2
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Verbauung, Bohrmethoden, hydraulische Riesenhämmer, Mühlen, chemische Prozesse, elektrische Schmelzöfen; was an medizinischer Erfahrung im Kampf gegen die Silikose, die Bergkrankheit, und jede Art von Unfällen gesammelt wurde — am Witwatersrand hat es seine höchste Vollendung erfahren. Hier ist alles ins Gewaltige gewachsen, sind die größten Tiefen erbohrt, die Menschen je erreichten, sind die mächtigsten Ventilationsanlagen aufgestellt worden, die in einer Minute zweihundertachtzigtausend Kubikmeter Luft aus einer Tiefe von zweieinhalb Kilometern absaugen, so daß in den geraden Tunnels ein sturmartiger Zug entsteht. Der höllische Lärm der Maschinen übertage begleitet bei Schichtwechsel den langen schweigenden Zug der schwarzen Arbeiter in ihrem grotesken Schuhwerk, den alten Kleidern und Dedien von allen Farben und Arten, wenn sie ihren Siedlungen am Rande der Mine entgegenziehen. Der Lärm verschlingt ihre heimwehkranken, endlos wiederholten Gesänge und die eintönigen Klänge der primitiven Instrumente. Die Luft ist von feinem, puderartigem Staub erfüllt; so weit das Auge reicht, erheben sich längs der großen Goldader, künstliche Hügel, die Abfallhalden jahrzehntelanger besessener Arbeit; darüber wölbt sich der Himmel in majestätischer Ruhe und Erhabenheit, von der untergehenden Sonne in ein immer wechselndes, immer wundervolles, einzigartiges Farbenspiel getaucht. Diese Anhäufung von Industrieanlagen, diese Emsigkeit moderner Nibelungen, die unermüdlich den Fels sprengen, durchbohren und aushöhlen, unterstützt von einem vielfältigen Maschinenpark, einer enormen Zusammenballung von elektrischer Energie — diese ganze unterirdische Welt, durch das Gold für das Gold geschaffen, ist das Sinnbild jener dämonischen Unrast, die Gold in der menschlichen Seele erweckt. Was immer die Schatzgräber in fernen Tagen erlebt und erlitten haben, hier ist es wiedererstanden, aber tausendfach vergrößert. Und wie die Förderung des südafrikanischen Edelmetalls alle Erfahrungen und Maßstäbe anderer Fundstellen hinter sich läßt, so ist auch der Kampf um den Besitz der Goldadern des Witwatersrandes von größerer Bedeutung gewesen als jeder andere Streit, der um des Goldes willen je ausgetragen worden ist. 3
Zwei Welten prallten hier aufeinander: die der Buren unter ihrem Präsidenten „Ohm Krüger" und die Welt des nach wirtschaftlicher und kolonialer Herrschaft strebenden England. Kurierstation am Tafelberg Buren gibt es im südlichsten Zipfel Afrikas seit dem Tage, da der Vertreter der Holländisch-Ostindischen Kompanie 1652 das erste Fort an der Tafelbai, der Bucht unterhalb des schroff abfallenden, großartigen Gipfels des Tafelberges, anlegte, wo sich heute Kapstadt ausdehnt. Die Siedlung war eine Verpflegungs- und Kurierstation für die nach Indien segelnden Holländerschiffe, ein kleiner Posten am Zusammenstrom des Atlantischen und des Indischen Ozeans. Die Holländer kauften das Land von den Eingeborenen. Für den Nennbetrag von sechzehnhundert Pfund Sterling, in Wirklichkeit für Waren im Gegenwert von kaum zehn Pfund gaben die Hottentotten die ganze Kapkolonie her. Schon bald setzte die große Besiedlung durch Europäer, durch französische Hugenotten, Holländer, Belgier und Deutsche ein; doch ordnete sich alles Fremdländische dem eigentümlichen Wesen des Holländertums unter und verschmolz vollständig mit den alten Ansiedlern, so daß man im wahren Sinn des Wortes von einer „burischen Nationalität" sprechen kann. In den Wirren der napoleonischen Epoche, die auch in diesem verlorenen Winkel des Globus ein Echo fand, fiel Kapland 1814 an England. Schon begann der hartnäckige Widerstand der Buren gegen die neuen Herren der Kapkolonie, der Kampf eines kleinen, zähen, bodenständigen Bauernvolkes gegen eine Weltmacht, ein Streit, dessen Ausgang vom ersten Tag an nicht zweifelhaft war, der sich aber fast über ein Jahrhundert hinzog. Und das Gold spielte in diesem ungleichen Zweikampf eine entscheidende Rolle. Der „Große Treck" In den Anfängen dieser Auseinandersetzung wurde am 10. Oktober 1825 auf der Farm Vaalbank Paul Krüger geboren. Seine Eltern und Ahnen waren Bauern und Kolonisten; nichts war darum selbstverständlicher, als daß er und seine Geschwister das Land bestell4
Schwarze Jungknappen eines südafrikanischen Goldbergwerks werden mit den Geräten vertraut gemacht. Die ihnen von den Gesellschaften gelieferten Schuhe sind ihnen lästig ten: „Meine Eltern waren einfache Bauern", erzählte Paul Krüger später, „und auf der elterlichen Farm bin ich herangewachsen gleich anderen Bauernjungen, damit beschäftigt, die Herden zu hüten und bei den landwirtschaftlichen Arbeiten Hand anzulegen. Abgesehen von der Weissagung einer alten Frau, die mir eine höhere Lebensbahn prophezeite, ließ nichts ahnen, daß mir Gott ein besonderes Werk übertragen werde." Das erste entscheidende Ereignis in Krügers jungem Leben war der Auszug aus der Heimat, der „Große Treck" des Jahres 1836, mit dem ein großer Teil der Buren, verbittert durch offenes Unrecht und herabsetzende Behandlung, die Kapkolonie verließ, um im Osten und im Norden, jenseits des Vaalflusses, neues Land, neue Weideplätze und uneingeschränkte Freiheit zu suchen. 5
Auf diesem Zug mit den schweren, von Ochsen gezogenen Planwagen, in den furchtbaren Kämpfen mit den Zulus, in Not, Verzweiflung und Dürftigkeit des Kolonistenlebens reifte der junge Krüger sehr früh zur Selbständigkeit und männlichen Zähigkeit heran. Seine Erziehung war nur auf das Notwendigste beschränkt. Er lernte den ungefügen Ochsenwägen lenken, mit der Büchse umgehen, in der Bibel lesen. Stärker als jeder andere Einfluß formte die Heilige Schrift den jugendlichen, aufnahmebereiten Geist, bildete Charakter und Persönlichkeit; die Bibel wurde ihm in Wahrheit zum Buch der Bücher. Daß dieser Mann ein Leben lang seine Leidenschaft beherrschte, daß man nie eine heftige Wallung des Zornes, der Erbitterung, der Erregung in seinem unbeweglichen, gleichsam in Schweigen und Ruhe vermauerten Gesicht entdecken konnte, daß er mit der gleichen gelassenen Stimme das Gewöhnliche wie das Entscheidende aussprach und mit dem gleichen festen Schritt durch die europäischen Paläste wie durch eine tobende Volksmenge zu schreiten wußte — diese unvergleichliche Disziplin der Selbstbeherrschung schöpfte er aus der Bibel. Eindrücklich, ehrfurchtgebietend stand der Auszug der Juden aus dem tyrannischen Ägypten vor seinem inneren Auge. Und wie Gott seine Hand schützend über die Kinder Israels gehalten und sie in das Gelobte Land geführt hatte, so würde er auch sein Volk in Südafrika nicht im Stich lassen und in die Freiheit hinausgeleiten. Das war die tiefe Überzeugung aller, die an dem „Großen Treck" teilnahmen, und vor allem war es die Überzeugung des jungen Krüger und blieb es bis in seine späten Jahre. In ihrer bis dahin fast menschenleeren neuen Heimat hinter dem Vaal gründeten die Auswanderer mehrere Freistaaten, von denen Transvaal das eigentliche Kerngebiet war, das auch die Engländer als unabhängig anerkannten. Im Jahre 1864 ernannten die Buren Paul Krüger, der sich als Farmer, Jäger und Kriegsmann bewährt hatte, zum Generalkommandanten ihrer Streitmacht. In jenen Jahren bedeutete dieses Amt nicht viel mehr als etwa die Stellung eines Patriarchen, der sich um alles kümmert, Streitigkeiten schlichtet und danach trachtet, das gute Einvernehmen der freien Männer untereinenader zu erhalten. Das Kommando über die Streitkräfte glich der Tätigkeit eines Hordenführers. Der Bur 6
kannte keine militärische Disziplin; er war ein ausgezeichneter Reiter und ein unübertrefflicher Schütze, aber dem Zwang beugte er sich nur widerwillig. Im Freistaat Transvaal gab es vorerst nur Abwehrkämpfe an den Grenzen und manchmal auch innere Auseinandersetzungen. Die Gewitter standen noch unsichtbar hinter dem Horizont. Gier nach burischem Gold Da wurde Anfang der siebziger Jahre auf burischem Boden Gold gefunden, und sofort regte sich in England der Wunsch, dieses zukunftsreiche Land, trotz der Garantieerklärung, dem Union-Jack zu unterwerfen. Die Streitigkeiten der Buren mit den benachbarten Negerstämmen und die mancherlei Konflikte im Innern schienen den britischen Staatsmännern eine vorzügliche Handhabe für eine Intervention. Hinzu kam, daß nach der Entdeckung der Goldfelder eine wahre Sintflut von zweifelhaften Elementen sich über das Land ergoß. Die Einwanderer kamen meist aus England; bald nach ihrem Auftauchen las man von ihnen in den englischen Zeitungen anklagende Berichte über die „verworrenen Zustände" im Freistaat. In Wahrheit aber waren diese Beschwerden aufgebauscht oder erfunden. Trotzdem wurden sie bereitwillig von der Tagespresse aufgenommen und breitgetreten. Wenn man all diese Erzählungen und Berichte, die dazu bestimmt waren, die öffentliche Meinung Englands aufzuputschen, für bare Münze nehmen wollte, hätten die schlichten, jeder bewußten Grausamkeit schon aus Religiosität abholden Buren wahre Scheusale in Menschengestalt sein müssen. Aber die Greuelmeldungen hatten Erfolg, und die englischen Wähler stellten sich hinter die Absichten ihrer Regierung. Das Burengold vernebelte die Geister. Gewissermaßen als Vorreiter schickte man den Gouverneur Sir Theophil Sheptone 1877 nach Pretoria, in die Hauptstadt Transvaals, um mit dem „Ausführenden Rat" der Buren Rücksprache zu nehmen. Geschickt und ganz im Sinne der vorgesehenen Politik schlug der Engländer eine Vereinigung sämtlicher südafrikanischen Territorien und Kolonien vor. Nur von weitem brauchte er zu drohen, und schon fiel dem Präsidenten Transvaals und seinen Beamten die Furcht in den Nacken; sie dachten, besser ein rascher Rückzug, 7
lieber beizeiten kapitulieren, als allein gegen das mächtige England kämpfen. So beugten sie sich der Gewalt, lieferten die Schlüs- 1 sei zum Regierungsgebäude aus, anerkannten die Verwandlung Transvaals in eine Provinz der Kapkolonie und duldeten das Hissen des Union Jack. Damit wäre die Besitzergreifung vollendete Tatsache gewesen, wenn nicht plötzlich Paul Krüger als Freiheits- j führer Transvaals die Bühne betreten hätte. England weicht aus dem Goldland Krüger macht sich keine Illusion über die Hintergründe für den britischen Gewaltstreich — allzu deutlich ist das Interesse Englands an den Goldfeldern des Landes. Doch er stürmt nicht gleich los, sondern verhandelt, um den guten Willen zu zeigen, reist nach Kapstadt, von da nach London und tritt aus seinen engen bäuerlichen Verhältnissen und aus dem wilden Grenzerleben ganz unvorbereitet in die große Welt ein. Man sollte meinen, der übergangslose Wechsel vom Bauernhof in den Regierungspalast, von der Verhandlung mit seinesgleichen zu den Konferenzen mit Staatsmännern müsse ihn aus der Fassung bringen; aber nichts dergleichen geschieht. Sein schlichtes Wesen bringt alle Schliche und Ausreden der gerissenen Gesprächspartner auf einen einfachen Nenner; die glatten Reden können ihn nicht beeinflussen, die ordensbesäten Würdenträger machen nicht den geringsten Eindruck auf ihn. Einem ehemaligen Vizekönig von Indien, der mit dem besonderen Vertrauen der Königin prahlt, erwidert er in großer Seelenruhe: Er selbst könne von sich nur sagen, daß er Schafhirt gewesen sei, sein Vater habe einen Bauernhof in der Kolonie gehabt, und er sei als Bauer nach London gekommen; er scheue sich nicht, auch der Königin Rede und Antwort zu stehen. Aber trotz aller Geduld und Schläue erreicht Krüger nur einige Zugeständnisse und kehrt grollend nach Hause zurück. Die Spannung ist nun kaum mehr zu ertragen. Auch die Unpolitischen, die Abseitsstehenden wissen, daß es mit ihrer Freiheit zu Ende sein wird. Bei einer Verhandlung mit dem britischen Gouverneur kommt es zu einem ersten, ernsthaften Zusammenstoß, als der Brite das Wort Rebell fallen läßt. Krüger erwidert finster: „Mein 8
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Im Kampf um das Gold und die Freiheit des Burenvolkes: links „Ohm Krüger", Präsident Transvaals und Führer des Freiheitskampfes der Buren, rechts sein großer Gegenspieler, der Brite Cecil Rhodes
Gewissen sagt mir, daß ich für meine Taten verantwortlich bin, ich schiebe die Verantwortung nicht auf die Schultern des Volkes ab. Ich habe bis jetzt versucht, das Volk zurückzuhalten, aber wenn ich ihm jetzt sage, wie die Dinge wirklich stehen, dann muß es selbst über sein Los entscheiden . . . " Das Volk entscheidet sich für den Freiheitskampf. Als die Engländer zögern und den Waffeneinsatz hinausschieben möchten, weil sie gerade in andere Kolonialhändel verwickelt sind, spricht Krüger das entscheidende Wort: „Wir erklären vor Gott, dem Kenner der Herzen, und vor der Welt: Jeder, der von uns als ,Rebellen' spricht, ist ein Verleumder. Das Volk von Transvaal ist Ihrer Majestät nie untertänig gewesen und will es auch nicht sein." Der Krieg ist kurz. Die englischen Garnisonen werden eine nach der anderen zur Übergabe gezwungen und die Hauptmacht bei Majuba Hill entscheidend geschlagen. 1881 erhält Transvaal seine Unabhängigkeit wieder und 1882 wird Krüger zum Präsidenten gewählt und bleibt es zwanzig Jahre lang, bis zum Ende des unabhängigen Transvaalstaates. Aber diese Ereignisse sollten nur ein Vorspiel sein. Die größeren, reicheren Goldfelder des Witw.atersrandes werden erst vier Jahre später entdeckt, und der größte Gegner Krügers, der Engländer Cecil Rhodes, ist noch nicht so reich, noch nicht so hoch gestiegen, daß sein Wort entscheidenden Einfluß haben könnte. 9
Der große Gegenspieler Cecil Rhodes ist am 5. Juli 1853 in Bishop's Sortford als Sohn des Vikars F. W. Rhodes geboren worden. Er ist ein zartes Kind und wird ein hochaufgeschossener, kränklicher Jüngling, dem das englische Klima nicht bekommt. Scheu und einsam hängt er seinen Träumen nach, im Gegensatz zu seinen resoluten Geschwistern läßt er jede Eignung zu einem tatenfreudigen Leben vermissen. Was also tun mit einem so zart geratenen Sprößling? fragen sich die Eltern nicht ohne Sorge; denn das England dieser Epoche hat keinen Raum für schwächliche Naturen. Man schickt das Sorgenkind nach Südafrika zu seinem Bruder Herbert, der in Natal als Baumwollpflanzer lebt. Mit 170 Pfund Sterling in der Tasche geht Cecil Rhodes am 1. September 1870 an der Ostküste, in Durban, an Land — verschüchtert und unsicher noch, aber mit biegsamem, unruhigem Geist. Unerfahren und unausgereift wie er ist, lockt es ihn schon bald, sich an Diamantspekulationen zu beteiligen, anfangs noch mit halbem Interesse; denn er hat nur die Absicht, etwas Geld zu verdienen, um daheim studieren zu können. Allein sein Glück und sein wacher Verstand bringen ihn rasch in den Vordergrund; der Weg, den zu gehen ihm bestimmt ist, beginnt sich schon hier abzuzeichnen. Hartnäckig bemüht er sich, die verschiedenen Teilhaber der De Beer's Diamant-Minenfelder unter einen Hut zu bringen. 1874 gelingt ihm dieser Zusammenschluß, und sechs Jahre später wird die De Beer's Mining — die größte Diamant-Minengesellschaft der Welt — mit einem Kapital von 200 000 Pfund amtlich registriert. Rhodes gewinnt entscheidenden Einfluß auf den Welthandel mit Diamanten und einen finanziellen Rückhalt für seine weitgespannten Kolonisationspläne, die ihn anfangs der achtziger Jahre zum ersten Mal mit Paul Krüger zusammenbringen. Man kann sich keinen größeren Gegensatz vorstellen als diese beiden Männer. Krüger ist die Verkörperung des alten südafrikanischen Bauerntums, Rhodes fühlt sich als Vertreter der gewaltigen britischen See-, Industrie- und Kapitalmacht, mit deren Mitteln und für de10
Manni Hesse
Digital unterschrieben von Manni Hesse DN: cn=Manni Hesse, c=DE Datum: 2007.01.14 10:48:09 +01'00'
ren Ziele er kämpft. Krüger ist seiner Gesinnung nach bodenverwurzelt, „agrarisch", ihm schwebt die völlige Selbständigkeit seines Landes als ein Idealzustand vor; er ist tief religiös und konservativ bis ins Mark. Rhodes hingegen ist durch und durch modern. Er will der Industrialisierung Tür und Tor öffnen und Südafrika bis über den Sambesi hinaus mit allen Mitteln der modernen Technik erschließen. Er schafft oder beeinflußt den Bau von fast 3500 Kilometern Eisenbahn, um für die Reichtümer des Landes bequeme und schnelle Transportwege zu haben. Carl Peters — der hervorragende Kenner der afrikanischen Verhältnisse — schreibt über Krüger und Rhodes: „Wer, wie ich, beide Männer persönlich gekannt hat, konnte lange voraussagen, daß das weite Südafrika keinen Raum für beide zugleich haben könne. Sie mußten in Gegensatz und Kampf miteinander geraten, und keinem konnte es auch nur einen Augenblick zweifelhaft sein, wem der endgültige Sieg zufallen müsse." Das Gold vom Witwatersrand Mit der Entdeckung der großen Goldfelder vom Witwatersrand hat indes gegen den Willen Paul Krügers für die Burenrepublik Transvaal eine neue Ära begonnen. Das Gold verändert die Menschen, das Gold bezahlt alles: den Bau einer Eisenbahn bis zum Indischen Ozean, die Gehälter der Beamten, den Import von Fleisch aus Argentinien, den Bau von Straßen, Städten, die Modernisierung des Bauernstaates, der in seiner Entwicklung um mehr als ein Jahrhundert zurückgeblieben ist. Für die anspruchslosen, unverwöhnten Buren scheinen herrliche Zeiten heraufzuziehen. Es gibt die absonderlichsten Errungenschaften zu bestaunen. Den Bürgern von Pretoria, Krügersdorp, Leydenburg, den Farmern am Sand- und Olifant-River gehen die Augen über. Sie haben niemals Grund gehabt, ihrem Dasein Loblieder zu singen in Transvaal; seit Jahrzehnten nicht. Schwer lag die Last eines kargen Lebens auf ihnen, seit Menschen denken können. Ihr Tag war Mühsal, ihre Nacht Alptraum gewesen. Drei Generationen hindurch hatten sie mit den Schwarzen um ihr Vieh kämpfen, mit den Engländern um ihre Selbständigkeit ringen müs11
sen. Aber all der Schweiß des Landes, das vergossene Blut der Väter und Söhne, die Bitternis, die Tränen der tapferen Frauen, hatten sich nur in dürftige Ernten, in magere Herden verwandelt, die häufig genug von der Rinderpest dezimiert wurden. Wahrlich, dieses Leben glich einem Marsch über eine trostlose Steppe! Und jetzt ist mit einem Schlag alles anders geworden. Der Weg zum Wohlstand ist nicht mehr verrammelt, die graue Flut von bitterer, stummer, nüchterner Hoffnungslosigkeit ist versiegt. Mag jenes Feuer, das vom Gold des „Randes" emporzüngelt, vielleicht auch das Feuer des Scheiterhaufens sein, auf dem ihre Freiheit eines Tages verbrennen wird, wie manche ahnungsvoll prophezeien — die Flamme wirft fürs erste noch einen wärmenden Schein. Das Gold des Witwatersrandes verschärft aber auch die Haltung des Britischen Reiches gegen die Burenrepublik. Zunächst freilich, in den ersten Jahren nach der Entdeckung, bleibt noch alles beim alten, wenigstens nach außen hin; denn es wäre undiplomatisch, so bald nach der Niederlage von Majuba Hill Begehrlichkeit offen zur Schau zu stellen. Aber es gibt viele Mittel, um Transvaal und seine Goldfelder unauffällig an sich zu ziehen. Da ist als willkommenes Werkzeug die bunt zusammengewürfelte Masse von Einwanderern, die das Gold herbeigelockt hat; außer Engländern sind es Deutsche, Franzosen, Italiener und Hindus. Diese Menschen sind leicht beeinflußbar, immer unzufrieden, bereit zu jedem Putsch, ein gefährlicher Sauerteig in dem trägen, schwerfälligen Staatsgefüge der Buren. Wichtiger aber ist, daß wegen des Mangels an eigenem Kapital die Goldgewinnung im Burenlande von den Engländern finanziert wird, die der Bur verächtlich „Uitländer", Hergelaufene, nennt. Zunehmend wechselt das Schwergewicht von der eingesessenen bäuerlichen Klasse zu den betriebsamen „Uitlanders" hinüber. Sie wehren sich dagegen, daß der Staatspräsident herabsetzende Unterschiede macht, seine Buren als eine Art „Volk Israel" hinstellt, die Ausländer, die Pioniere des Fortschritts, die Geldgeber der Buren aber als hergelaufenes Fremdvolk bezeichnet, dem man das Bürgerrecht verweigert. Schon aus Selbstachtung ist dieser Zustand für die im Freistaat tätigen englischen Wirtschaftsleute untragbar. 12
In der „Goldfabrfk". In riesigen Kläranlagen — jede einzelne Planne Ist größer als ein Haus — wird das Gold aus dem zermahlenen Erz der Johannesburger Minen herausgeläutert. Nur der Großbetrieb lohnt sich hier, birgt aber auch größere Gefahren In London begnügt man sich zunächst mit einem formellen Protest; da es hier aber um Gold geht, um die reichsten Goldfelder der Welt, wieder erhält die Presse einen Wink, so daß eine Haupt- und Staatsaktion aus diesem Ehrenhandel wird. Daran ändert auch der Vorschlag Präsident Krügers nichts mehr, für die Zugewanderten einen zweiten „Volksrat' einzurichten und den „Uitlanders" nach zwei Jahren Aufenthalt im Lande das Bürgerrecht zu gewähren. Krügers Nachgiebigkeit wird als ein Zeichen der Schwäche ausgelegt. Jamesons Putsch Die Regisseure des Dramas, dessen Höhepunkt sich anzukündigen beginnt — Handelsminister Joseph Chamberlain in London und 13
Cecil Rhodes in Kapstadt — legen Krüger gefährliche Fußangeln. Von ihren Agenten, Dr. Jameson, Lionel Philipps und einem Bruder Cecil Rhodes', wird die „Union der Uitlanders" ins Leben gerufen. Ihre Ansprüche auf die politische Führung im Burenlande sind offensichtlich. Diese Parteiführer drängen ungeduldig. Wozu noch, da man gut im Sattel sitzt, Rücksicht nehmen? Wozu noch, da der Freistaat von den Goldminen abhängig geworden ist, einen eifrigen Wächter wie Krüger in Amt und Würden lassen? Man muß ihn erledigen, diesen ewigen Ränkespinner und Widersacher! Unablässig und beharrlich wühlen die Anhänger Cecil Rhodes' und reden auf die Zögernden ihres Gefolges ein. Ende Dezember 1895 hält man die Zeit zum entscheidenden Zugriff für gekommen. Während Dr. Jameson jenseits der Grenze von Transvaal Freiwillige zusammenzieht, werden im burischen Johannesburg heimlich Waffen und Munition an die Aufrührer verteilt; von fern ist Cecil Rhodes bereit, die Mine zur Zündung zu bringen. Der Morgen des 30. Dezember bricht an — ein welthistorischer Tag. In dem ahnungsosen Johannesburg herrscht eine ungewohnte Unruhe. Auf den Straßen stehen die Verschwörer beisammen; nie hat man so viele britenhörige Minenarbeiter auf den Plätzen und in den Wirtschaften gesehen; von Mund zu Mund hat sich unter ihnen die Nachricht verbreitet, daß Jameson mit seinen Truppen die Grenze überschritten habe und heranmarschiere. Morgen oder übermorgen werde er Abrechnung halten mit Krüger. Der Staatspräsident sitzt unterdes scheinbar seelenruhig in seiner Hauptstadt Pretoria. Daß sich im geheimen etwas zusammenbraut, hat dieser wachsame, argwöhnische Geist längst an der auffälligen Betriebsamkeit der „Uitlanders" und an der übertriebenen Höflichkeit ihrer Führer gespürt. Irgendein Schlag aus dem Dunkel ist geplant,, und er kennt auch die Hand, die diesen Schlag vorbereitet hat. Seine Fühler tasten vorsichtig aus: Spione und Vertrauensleute im feindlichen Lager haben ihm Schritt für Schritt jeden Gang, jedes Telegramm, jedes Gespräch Cecil Rhodes' und der anderen Verschwörer gemeldet. Seine eigenen Getreuen warnen ihn oder raten, die Feinde zu fassen, ehe sie sich sammeln können. Doch er nimmt bis zum entscheidenden Tag die Maske der Gleich14
gültigkeit nicht vom Gesicht, bleibt in seiner Residenz, empfängt Leute, geht spazieren und zieht sich um neun Uhr abends, wie es seine Gewohnheit ist, zurück. Eines ist sicher: Cecil Rhodes unterschätzt seinen Gegner. Denn tatenloser Verzicht ist nicht Krügers Sache. Er kann, wenn er will, auf unheimlich rasche Weise reagieren. Als Jameson in Transvaal einfällt und die „Uitlanders" in Johannesburg schon den sicheren Sieg mit Sekt und Reden feiern, gibt er dem Kommandierenden der Streitkräfte, Joubert, einen Befehl. Im Nu sind ein paar hundert Buren mobilisiert und bereit, den heranziehenden Heerhaufen in eine Falle zu locken. An einem einzigen Tag ist alles beendet. Die Rebellen werden bis auf den letzten Mann gefangen, ihre Parteigänger in Johannesburg werden zerstreut, entwaffnet und Ruhe und Sicherheit wiederhergestellt. Die vier englischen Rädelsführer kommen vor ein Gericht. Man verurteilt sie als Friedensstörer und Staatsfeinde zum Tode, die Mitläufer, selbst die britischen Offiziere, läßt man laufen. Später werden auch die Verurteilten geschont und an England ausgeliefert, um den Löwen nicht zu reizen. Krüger ist zufrieden, daß er die Gefahr abgewendet hat und daß die Briten sich gezwungen sehen, den Drahtzieher Cecil Rhodes — seit 1890 Minister der Kapkolonie — seiner öffentlichen Ämter zu entkleiden. Paul Krüger ist wieder einmal in seiner Beharrlichkeit, Selbstsicherheit und Ruhe Sieger geblieben; doch seinen Sieg durch eine kraftvolle Bereinigung aller Streitpunkte auszunutzen, vermag er nicht. Sein ganzer Erfolg ist schließlich ein leeres Versprechen aus London, von wo Chamberlain depeschiert: „Ich habe von Ihrer Majestät der Königin den Befehl erhalten, Ihnen mitzuteilen, daß Ihre Majestät mit Befriedigung von Ihrem Beschluß Kenntnis genommen hat, die Gefangenen der Regierung der Königin zu übergeben. Diese Tat wird Ihnen hoch angerechnet werden und wird zur Befriedigung Südafrikas beitragen." Es ist eine unverbindliche, diplomatische Anerkennung. Drei Jahre später wird der Krieg von neuem entbrennen; denn obwohl das Unternehmen Jamesons gescheitert ist, denkt die britische Regierung nicht daran, ihre Angriffe auf das Goldland aufzugeben. In ihrem Entschluß, die Burenrepublik und die Goldfelder von Jo15
hannesburg um jeden Preis unter ihre Oberhoheit zu bringen, wird sie nachdrücklich bestärkt dtsrch ein Telegramm des deutschen Kaisers an Paul Krüger. In dieser vom Berliner Auswärtigen Amt redigierten Depesche beglückwünscht Wilhelm II. den Präsidenten Transvaals zur Niederschlagung des Putsches. Er freue sich, daß die Buren die Hilfe einer befreundeten Macht — Deutschlands — nicht hätten anrufen müssen. — Seit dieser Zeit sieht England im Deutschen Reich den Störenfried auf afrikanischem Boden. Der Burenkrieg und das Ende Gegen Ende des Jahrhunderts liefert der Witwatersrand mit einer Jahresproduktion von hundertzwanzigtausend Kilogramm schon vierzehn Prozent der Welterzeugung an Gold. Auf dem Gelände der ehemaligen Farmen Randjeslaagte, Turffontein und Doornfontein ist Johannesburg innerhalb eines Jahrzehnts zu einer modernen Großstadt mit hunderttausend Einwohnern herangewachsen. Der Staatshaushalt Transvaals hat die zehnfache Höhe der Beträge aus jenen ärmlichen Zeiten erreicht, als jeder Bürger des Freistaates nur für seinen eigenen Bedarf das Land bestellte. Und noch ist kein Ende abzusehen. Die Zahl der Pochwerke mehrt sich unablässig, neue Betriebe wachsen wie Pilze aus dem Boden, der Witwatersrand steht am Anfang einer großartigen Entwicklung, die, einem Baum mit mächtiger Krone gleich, ihren Schatten auf alle Börsen der Welt zu werfen beginnt. In diesem Augenblick größter Hoffnungen bricht 1899 der Krieg der Buren gegen die Engländer aus, der letzte Waffengang des freien Bauernvolkes. Die Räder am Witwatersrand stehen still, die Goldförderung sinkt auf achttausend Kilo herab. Auf die Angebote südafrikanischer Minenaktien tönt kein rechtes Echo mehr von den Kapitalmärkten Europas und Amerikas. Dem Krieg ist eine systematische Einkreisung des Burenstaates vorangegangen. Betschuanaland im Westen Transvaals ist unter englisches Protektorat genommen, um eine Ausdehnung des Freistaates nach Westen zu unterbinden; im Norden ist das Land der Matabele, das nach Cecil Rhodes benannte Rhodesien, in britischen Besitz übergegangen; im Süden, in der Kapkolonie, ist Cecil 16
der Pianne wird das glühend-flüssige reine Gold mit einem Schöpftrog entnommen und in Barren gegossen Rhodes auch ohne öffentliche Bestallung die Seele und die motorische Kraft der britischen Bewegung. Er gründet die SüdafrikaLiga, eine Gruppe rücksichtsloser Draufgänger, die die Forderungen der „Uitlanders" in Transvaal auf ihre Fahnen geschrieben haben. Von vielen Seiten beginnt das oft erprobte Kesseltreiben gegen Paul Krüger. Bald nach rechts, bald nach links sich die Ellbogen freimachend, schießt Rhodes aus dem Dunkel seine tödlichen Pfeile. Die Südafrika-Liga veranlaßt er, in einer Petition die Königin um Hilfe gegen die „Rechtlosigkeit" der englischen Untertanen im Burenlande zu bitten. Zwar kann Krüger nachweisen, daß diese Bittschrift zur Hälfte falsche Unterschriften trägt, aber was hilft ihm das? Eine gewisse Unsicherheit hat sich seiner bemächtigt. Er schwankt zwischen Mäßigung und Halsstarrigkeit. 17
Trotz der gefährlichen Zuspitzung der Lage wünscht weder Paul Krüger, den die Welt als „Ohm Krüger" bewundert, noch Cecil Rhodes einen bewaffneten Konflikt. Rhodes ist der Gedanke an die Herrschaft des Militärs in „seinem Südafrika" im höchsten Grade zuwider. Alle seine Anstrengungen zielen darauf, seinen Gegner durch Verhandlungen und Tricks auszuschalten und ihm die Aussichtslosigkeit seines Widerstandes gegen das längst Beschlossene sinnfällig vor Augen zu führen. Sein Ziel ist nicht nur die Herrschaft über das burische Gold, sondern auch die Vollendung der Kap—Kairo—Linie, die geschlossene Kette britischer Besitzungen zwischen dem Kap der Guten Hoffnung und der Nilmündung. Transvaal liegt als eine der letzten Sperren in dieser Linie. Im Juni 1899 beginnt die britische Regierung indische Truppen nach Südafrika zu verschiffen. Aus England wird Armeekorps um Armeekorps nach der Kapkolonie verlegt und im Norden an den Grenzen des Burenfreistaates konzentriert. Nach menschlicher Voraussicht müßte Krüger vor der massiven Drohung weichen und endgültig das Feld räumen; so denkt man in London, und so denkt auch Cecil Rhodes in Kapstadt. Aber Krüger, in stürmischen Zeiten an tragischer Erfahrung gereift, läßt es zum Äußersten kommen. Was die wenigsteh im englischen Lager für möglich gehalten haben, wird am 11. Oktober 1899 zur Wirklichkeit. Um diese Stunde läuft ohne Ergebnis das Ultimatum ab, mit dem Ohm Krüger die sofortige Zurückziehung der englischen Truppen von den Grenzen gefordert hat. Das bedeutet den Krieg. In den nächsten Monaten meldet der Telegraph unglaubliche Nachrichten nach Kapstadt und London: Der Burenführer Cronje durchbricht die britischen Regimenter bei Magerfontein, am Tugela wird General Buller, bei Stornberg die Armee des Generals Gatarce 'vernichtend geschlagen, und bei Colesberg, schon auf britischem Gebiet, wo einst Krügers kleines Geburtshaus gestanden hat, weht der „Vierkleur", die Flagge der Burenrepublik. Der BurenFeldzug läßt sich ganz anders an, als er am grünen Tisch in Kapstadt geplant und errechnet worden ist. Die englische Armee ist von der Kriegführung, die ihr von den Buren aufgezwungen wird, völlig überrascht; ihre Infanterie, nach 18
veraltetem System geschult und geführt, ist zu unbeweglich; für die Pferde mit ihren schweren Sätteln sind die Strapazen zu groß, die Artillerie manövriert wie auf dem Exerzierplatz, meist sind die Kanoniere schon gefallen, bevor die Geschütze in Stellung gebracht werden können. Die Kriegführung, die im Sudan und in Indien zum Erfolg geführt hat: hier, in den Steppen und Bergen Transvaals und des mit Transvaal verbündeten Oranje-Freistaates, bringt sie nur Schlappen, Niederlagen und schwerste Verluste. Eine Zeitlang gelingt es so den Buren, einen Raum von Furcht um sich zu verbreiten, dann wendet sich allmählich das Blatt. Der Buren-Armee fehlt die zentrale Führung und die Beständigkeit. Immer sind sie darauf aus, den Feind herankommen zu lassen und aus sicherer Deckung zu schlagen. Wenn sie damit Erfolg haben, ein Treffen gewinnen und der Gegner auf dem Rückzug ist, dann reiten viele einfach nach Hause zu ihren Familien und satteln ab. Mit solchen Methoden läßt sich auf die Dauer kein Krieg gegen eine Weltmacht führen. Als der altmodische Britengencral Buller durch Lord Roberts und General Kitchener ersetzt ist, beginnt ein anderer Wind zu wehen. Die schwachen burischen Streitkräfte werden mit gewaltiger Übermacht angefallen und über Kimberley, Modderfluß, Bloemfontein, Johannesburg und Pretoria hin aufgerollt. Damit wäre der Feldzug im Februar 1900 eigentlich zu Ende gewesen, in Wirklichkeit aber beginnt erst jetzt seine ganze grausame Härte. Es hebt ein zäher, erbitterter Kleinkrieg gegen die geschickten und kühnen Burengenerale an. Unfähig, des flinken, listenreichen Gegners Herr zu werden, entvölkern die englischen Führer die burischen Heimatgebiete, deportieren die Familienangehörigen und vernichten die Siedlungen und Gehöfte. Die letzten Kampfhandlungen um die Minenfelder des Witwatersrandes sind nicht mehr die Sache Krügers und Cecil Rhodes'. Die Macht ist ihnen entzogen worden und an die Militärs übergegangen. Im Mai 1902 wird ohne die beiden Wortführer des Kampfes der Friede geschlossen. Transvaal wird in die Kapkolonie einbezogen. Cecil Rhodes hat sich, müde der Menschen und des Lebens und schon vom Tode gezeichnet, nach Muizenburg in ein kleines Landhaus zurückgezogen und stirbt, ohne den Tag des Friedensschlusses 19
erlebt zu haben, am 26. März 1902. Er wird in den Matoppo Hills in Rhodesien beigesetzt; die einfache Grabplatte trägt die Inschrift: „Hier liegen die sterblichen Reste von Cecil Rhodes". Kein Rang, kein Titel — so wie er es gewünscht hat. Wie sein großer Widersacher, so ist auch Paul Krüger mehr und mehr von seinen Generalen überspielt worden. Dem Untergang seines kleinen Reiches hat er nur aus der Ferne zusehen können. Denn man hat ihn nach Europa geschickt, um für die Burenrepublik Freunde zu werben, wie es in der amtlichen Verlautbarung heißt. Als wenn sich jetzt noch jemand dem untergehenden Schiff anvertrauen würde! Man will ihn fort haben — seine Starrköpfigkeit ist für die neue Generation untragbar geworden. Und so geistert die breite, leicht vornüber gebeugte Bauerngestalt mit dem grob geschnittenen Gesicht, aus dem unter dichten, ergrauten Brauen die Augen durchdringend blitzen, wie ein Phantom durch die Städte Frankreichs, Deutschlands und Hollands. Er hätte zum Symbol unerschütterlicher Freiheitsliebe werden müssen und wird doch nur, mit großer Begeisterung zwar, höflich als Sehenswürdigkeit herumgereicht. Der deutsche Kaiser läßt sich verleugnen, Frankreich liebäugelt mit England, und Holland wagt nicht für ihn einzutreten. Endlich erlaubt man ihm, sich nach Ciarens in der Schweiz zu begeben. Dorthin zieht sich der enttäuschte und müde Mann vor der Vergeßlichkeit einer Welt zurück, die ihn früher als einen Fels patriotischer Gesinnung, als einen unermüdlichen Freiheitskämpfer hochgepriesen hat. Auch jetzt noch kann er sich lange nicht von dem Wahn trennen, man müsse ihn, den Hochverdienten, noch einmal in sein Amt zurückrufen, noch einmal würde wie so oft die himmlische Macht sich seiner annehmen. Sein Leben endet, nachdem England sich des Goldlands Transvaal bemächtigt hatte, am 14. Juli 1904. In den Goldminen von Johannesburg Das Gold des Witwatersrandes in Transvaal ist in urzeitliches Geröll eingebettet, das im Laufe von Jahrmillionen zu einem äußerst harten Gestein zusammengekittet worden ist. In der Urzeit 20
Gegossen, gewogen und gestempelt; Gold für drei Millionen Mark der Erde strömte hier ein gewaltiger Fluß mit einer hundert Kilometer breiten Mündung. Seine Fluten führten blankgeschliffene Kiesel, goldhaltigen Lehm und Sand mit sich. Dieses Geschiebe wurde von anderen Schichten überdeckt, durch schwere Erderschütterungen durcheinandergewühlt und bildete sich allmählich zu den für den „Rand" typischen Gesteinsformationen um. Bei den gewaltsamen geologischen Veränderungen wurde das Gold, soweit es in Nuggets — gediegenen Klumpen — vom Gebirge herabgeschwemmt war, zerdrückt und als feinste Körnchen in den Fels hineingepreßt, so daß seine Gewinnung nicht mit den primitiven Geräten der frühen Goldgräber erfolgen konnte, sondern einen mit allen Erfahrungen der Ingenieurkunst geleiteten Bergbau erforderte. Durch die umständliche Förderung wurden die Minenfelder zu Großbetrieben; ihre Gründung verschlang ungeheure Gelder. Ähnlich wie über den Kohlenflözen der Ruhr ist über der Goldader Südafrikas eine Zusammenballung von Maschinenhallen, Fördertürmen und Abraumhalden entstanden, ein vielfältiges, verflochtenes 21
Getriebe, das nach den Ergebnissen einer sorgfältigen Statistik geleitet werden muß; denn selbst der geringste Posten der Kostenberechnung ist von Bedeutung, und eins ist vom anderen abhängig: die Abräumarbeiten vom Vortrieb, die hydraulischen Hämmer, Mühlen und Laugereien von der Förderung und alles zusammen von einem harmonischen Zusammenspiel. Nur höchste Leistung sichert den Goldbergwerken eine einigermaßen solide Existenz, nur durch unermüdliches Experimentieren erreichten sie ihre technische Höhe. So bedurfte es jahrzehntelanger Vorarbeiten, um ©inen leistungsfähigen Stahl für die Gesteinsmeißel zu finden, und ebenso langer Versuche für eine geeignete Bohrmaschine; denn der Fels ist außerordentlich hart und nicht vergleichbar mit dem Stein anderer Bergwerke. Anfangs bediente man sich des Handbohrers zum Vorbringen der Sprenglöcher, oder der Stoßbohrmaschine, die auf eine stählerne Säule montiert war. Allein die schweren Säulen komplizierten die Handhabung der Maschine. Nach unzähligen Experimenten gelang schließlich die Konstruktion eines hydraulischen Handhammers und eines Meißels aus vorzüglichem Stahl. Trotzdem müssen zum Beispiel auf der „West Rand Mines" täglich 10 000 Bohrer, nach dem Niederbringen von 20 Sprenglöchern je Bohrer, neu geschweißt und geschärft werden. Der Abbau vor Ort ist meist nach einem durch lange Erfahrung erprobten System geordnet. Unter der Aufsicht eines weißen Bergmanns wechseln sich vier Neger an den beiden Handhämmern ab, ein fünfter sorgt für die Bohrer, für die Nachführung der Schläuche, während der Rest der Arbeiter das Gebirge, das „Hangende", abstützt. Wegen der Staubgefahr darf nur einmal am Tage gesprengt werden, nachdem sämtliche am Sprengen Unbeteiligten die Stollen verkäsen haben. Die Reihenfolge der Sprengschüsse muß so geregelt sein, daß niemals Arbeiter in die abziehenden Dämpfe benachbarter Schläge geraten. Je nach den Verhältnissen der Grube dürfen die Abbaustellen erst vier oder sechs Stunden nach der Sprengung wieder betreten werden, doch sind Unfälle bei diesem schwierigsten und gefährlichsten Teil des Abbaus trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht zu vermeiden. 22
Die Abräumung des losgesprengten Gesteins geschieht in der Nachtsdiicht, nach der vorgeschriebenen Staubpause. Das Material wird in Loren geschaufelt und zu den Haupttunnels weiterbefördert, wo die Ein-Tonnen-Wagen umgeladen, zu Zügen zusammengestellt und mit starken elektrischen Maschinen zum Förderschacht gezogen werden. Die Stollen vor Ort sind klein im Verhältnis zu den Tunnels. Man kann nur tief gebückt in sie eintreten, denn ihre Mitte ist nur etwas über einen Meter hoch. Der ohrenbetäubende Lärm der Hämmer, die außerordentliche Hitze, die in Tiefen von 2500—3000 Metern trotz guter Wetterführung 40 Grad erreicht, und die schwierige Arbeit machen den Aufenthalt in diesen dunklen Nestern zu einer unglaublichen Mühsal. Die Luft ist feucht, beklemmend, von beißendem Geruch erfüllt. Auf engem Raum drängen die Menschen aneinander vorbei, schaffen gebückt, in Hockstellung oder flach auf dem Boden liegend, eingehüllt in eine Wolke von Ausdünstungen der Azetylenlampen. In den viele Kilometer langen Tunnels der Minen laufen Hochdruckwasserleitungen, die den gefährlichen, beim Sprengen und Abräumen freigewordenen Staub aufsaugen oder binden. Riesiggroße Ventilationsanlagen blasen unablässig frische Luft bis in die verstecktesten Winkel und Vortriebe, um die Atmosphäre aufzufrischen und zu säubern. Ohne diese Wetterführung wäre der Aufenthalt in den großen Tiefen unmöglich, ja, von ihrer Weiterentwicklung ist die Zukunft des Witwatersrandes in hohem Maße abhängig; hält sie mit der Tiefbohrung Schritt, so lassen sich auch die Goldadern weiter in die Tiefe abbauen. Kampf gegen die „Staublunge" Eine andere, nicht minder wichtige Aufgabe dieser Entlüftung und Berieselung ist die Eindämmung der Silikose. Der Kampf gegen die heimtückische Krankheit der „Staublunge" beherrscht den ganzen Betrieb und schnürt ihn in ein Netz von behördlichen Vorschriften, das kaum seinesgleichen hat. Außerordentlich groß ist die Belastung der Selbstkosten durch die Entschädigungspflicht für die 23
Opfer des Staubes, für die Hinterbliebenen, die Invaliden und Halbinvaliden. „Man versteht unter Silikose eine durch Einatmung von Gesteinsstaub entstehende fiebrige Veränderung der Lunge, die selbst in höheren Graden das menschliche Leben nicht unmittelbar bedroht, aber durch den Umstand gefährlich wird, daß sie die Infektion mit Tuberkulose begünstigt und daß diese Krankheit in Verbindung mit Silikose einen äußerst raschen, oft schnell zum Tode führenden Verlauf nimmt. Bevor man diese Zusammenhänge erkannte, hat das Übel Jahre hindurch wahrhaft verheerende Wirkungen unter den weißen ständigen Bergleuten am ,Rande' ausgeübt. Dagegen reicht die meist kurze, vorübergehende Arbeitszeit der Schwarzen nicht aus, um sie besonders zu gefährden. Für die weißen Arbeiter galt früher das achte Jahr ununterbrochener unterirdischer Tätigkeit für besonders kritisch. Die Silikose wird nicht, wie man lange hindurch annahm, durch jeden beliebigen Gesteinsstaub und auch nicht durch jeden beliebigen Quarzstaub erzeugt. Seit 1913 weiß man, daß nur die allerfeinsten Kieselteilchen in der Lunge bleiben und die krankhafte Erscheinung hervorrufen. Aller gröberer Staub wird wieder ausgehustet, wenn er sich auch vorübergehend in der Lunge aufhalten und die Atmungsorgane schädigen mag. Erst mit der Erkenntnis, daß die Krankheit nur mit den feinsten, mit dem bloßen Auge gar nicht erkennbaren Staubteilchen zusammenhängt, konnte eine wirksame Bekämpfung einsetzen" (nach D. Wolff). Die unablässige Berieselung schlägt zwar die Staubwolken nieder, führt aber zu bedenklichen Nebenerscheinungen, die den beabsichtigten Zweck geradezu in Frage stellen. Die Widerstandskraft der Arbeiter wird nämlich durch den übermäßigen Feuchtigkeitsgehalt der Luft und die hohen Temperaturen sehr .beeinträchtigt. Die drückende, kaum zu atmende, gewitterschwüle Atmosphäre verhindert das Abkühlen des Körpers und führt zu Hitzschlägen; schlimmer noch ist die allgemeine Anfälligkeit für die Erreger der Tuberkulose und anderer Seuchen, die in feuchter Luft leichter übertragbar sind als in trockener. In Wirklichkeit also erreichte man zwar mit der Bekämpfung der Silikose einen Rückgang dieses Leides, tauschte dafür aber die 24
Und was übrigbleibt: Riesige Sandhalden, die das Landschaftsbdld rings um Johannesburg völlig verändert haben hochgradige Gefährdung des Gesundheitszustandes der ganzen Belegschaft und die Verminderung ihrer Leistungsfähigkeit ein. Durch künstliche Abkühlung und Trocknung der Luft mit Hilfe kostspieliger Anlagen unter Tag bemüht man sich seit neuester Zeit, Abhilfe zu schaffen und die Gefahr leicht übertragbarer Krankheiten einzudämmen. Gefährliches Gebirge Die Minen des Witwatersrandes sind berüchtigt für ihre Gebirgsschläge, für das Zusammenbrechen der Stollen, das Absprengen von Gesteinsbrocken, die dem Druck aus dem Inneren des Berges weichen. Zuweilen wird die Stadt Johannesburg durch leichte Erdstöße erschüttert, wenn solche Vorgänge in stilliegenden Werken größeren Umfang annehmen; die Bewohner der stattlichen Gebäude und Villen werden das Gefühl nicht los, über einem Abgrund zu wohnen, von dessen Tiefe sie nur eine dünne, brüchige Erdkruste trennt. 25
Wegen der außergewöhnlichen Festigkeit der Gesteinsschichten wurde in den ersten 20 bis 30 Jahren auf den Druck des Berges überhaupt keine Rücksicht genommen. Das „Hangende", die Gesteinsdecke im Abbau, trug sich selbst und machte deshalb eine solide Verbauung überflüssig. Mit zunehmender Tiefe aber wichen die leichten Stützbalken aus Holz, Stein oder Eisen immer häufiger der Belastung. Sie brachen plötzlich zusammen, und der Fels begrub unter sich, wer immer in der Nähe war. Auch heute noch sind trotz sorgfältiger Verbauung solche verhängnisvollen Einstürze häufig, weil sie nicht immer vorauszuberechnen sind. Der Druck kann sich durch Umstände, die außerhalb menschlicher Voraussicht liegen, überraschend auf irgendeine scheinbar ungefährdete Stelle konzentrieren, wenn größere Grubenstrecken in dem längst abgebauten Teil des Feldes plötzlich zusammenbrechen — in solchen Fällen nützen die stärksten Pfeiler nichts. Eine andere Gefahr liegt in dem Umstand, daß in Grubenbezirken mit vielen Stützpfeilern allmählich ein ziemlich verwickeltes System von Druckgewölben entsteht, wo kleinere Gewölbe wieder von größeren überspannt werden, bis der Hauptdruck schließlich von ganz großen und massiven Stützen aufgenommen wird. So kann es geschehen, daß unbedeutende Veränderungen, wie die Entfernung einzelner Stützen, die aus irgendwelchen Gründen notwendig ist, ganz unerwartete, verheerende Wirkungen in weit entfernten Teilen der Grube auslösen. Solche Druckschläge führen zu Massenunfällen mit vielen Todesopfern. Eine andere Art dieser gefahrvollen Begleiterscheinungen des Abbaus sind die Spannungsschläge, schußartiges Abspringen größerer oder kleinerer Erz- oder Gesteinsstücke, die plötzlich vom Fels weggeschleudert werden, zuweilen einzeln, manchmal in großer Menge. Der Vorstoß in große Tiefen wird jedoch am Witwatersrand durch einen Umstand begünstigt, der geradezu als Ausnahme von einer fast gesetzmäßig auf der ganzen Erde zu beobachtenden Erscheinung anzusehen ist. Während im allgemeinen die Wärme dem Erdinnern zu um 1 Grad Celsius auf 33 Meter zunimmt, haben Messungen im „Rande" ein Ansteigen von 1 Grad Celsius auf 119 Meter ergeben. Ohne diese auffallende Erscheinung hätten die Schächte 26
der Goldminen nie in solche Tiefe hinabgeführt werden können. Jährlich schreitet der Abbau in die Tiefe um etwa 50 Meter fort; 3500 Meter sind vorausgesehen und geplant. Das „Goldausbringen" Das Erz, das vor Ort vom Felsen abgesprengt, durch die Picken zerkleinert ist, wird auf Schüttelrutschen geschaufelt und fällt in die Loren. Starke Maschinen ziehen die kleinen Waggons aus jeder Tiefe, aus allen Richtungen steile Hänge hinauf zum Haupttunnel, wo die kleineren Wagen auf größere umgeladen werden und zum Förderschacht rollen. Wie Finger einer Hand zweigen von der Vorhalle des großen Förderschachtes die Tunnels ab, ziehen sich kilometerweit in den Berg hinein, verästeln sich in Nebenarme, die sich wieder in Querschläge unterteilen und die Verbindung mit den Vortrieben herstellen. Es herrscht eine merkwürdig gespensterhafte Betriebsamkeit in der durch das harte elektrische Licht zur Hälfte aufgehellten Riesenhalle. Lange Reihen von Lampen laufen von hier an den Decken der Tunnels entlang, und diese Lichterreihen erstrecken sich, so weit der Blick reicht. Schwere Güterzüge mit Golderz beladen rattern herbei. In das Donnern ihrer Räder mischt sich das Donnern anderer Züge, die in den höheren und tieferen Förderhallen zum Schacht rollen, und alle Geräusche werden durch das Echo hundertfach verstärkt; sie verklingen plötzlich in Totenstille, um wieder von neuem zu beginnen. Dazwischen eilen die Menschen lautlos, mit geisterhaft farblosen oder grauen Gesichtern durch die halbe Dämmerung. Sie gleichen Wesen aus einer anderen Welt. In ihrer Winzigkeit vor dem Riesenbau der Technik sind sie wie die zwergenhaften Diener einer Macht, die irgendwo in den Abgründen des Berges herrscht; wie von unsichtbaren Fäden gelenkt, wirken ihre marionettenhaften, geräuschlosen Handgriffe. Hier unten, vor den mit rasender Geschwindigkeit steigenden und fallenden Förderkörben, ist die erste Station des Goldes auf seinem Wege zur Läuterung. Tagtäglich werden von dieser Stelle aus 6000—8000 Tonnen Gestein aus der Tiefe der übereinanderliegenden Sohlen ans Tageslicht gebracht und das nach Tausenden zählende Heer der Arbeiter hinauf und hinunter befördert. Auch alles 27
Material, das dem Abbau dient, die Stützbalken, Bohrhämmer, Schienen, Lokomotiven und Rutschen, geht diesen Weg. Die Menge des weiterverarbeiteten Fördergutes aus den 43 größeren Bergbaubetrieben des „Randes" läßt sich nur durch nüchterne Zahlen veranschaulichen, weil das Vorstellungsvermögen versagt: im Jahre 1950 gelangten 54 Millionen Tonnen Erz in die Aufbereitungsmühlen, und diese Förderung ergab 363 000 kg Gold. Das „Goldausbringen" schwankt zwischen fünfeinhalb und achteinhalb Gramm je Tonne gefördertes Gestein — und war die Mühe schon groß, eine Tonne Gestein aus der Tiefe der Erde heraufzuschaffen: Der Prozeß, der notwendig ist, um ihr die wenigen Gramm edlen Metalls zu entziehen, ist nicht weniger umständlich. Das Fördergut gelangt vom Förderschacht automatisch in riesige Tanks, die ihren Inhalt auf schräge Rollbänder verteilen. Diese laufenden Bänder liefern ihre Last, nachdem sie durch hundert flinke Hände während des Vorübergleitens von dem tauben, an seiner Farbe erkennbaren Gestein befreit ist, bei den hydraulischen Riesenhämmern ab. Hier erst beginnt die eigentliche Ausscheidung. Das Gestein wird zertrümmert, von Pochstempeln mit 500 kg schweren Schlaggewichten zu Mehl zerstampft und von immer feiner und feiner mahlenden Mühlen in zementfarbigen Staub verwandelt. Wenn alle diese Maschinen dröhnend ihr Werk getan haben und die achttausend Tonnen Mineralien der Tagesförderung pulverisiert sind, wird dem Gesteinsstaub Wasser zugefügt, und die „Poch-Trübe", das Gemisch aus Gesteinsstaub und Wasser, fließt langsam über schwach geneigte Kupferplatten, die mit Quecksilber behandelt sind. Hier binden sich die feinen Goldsplitter des Gesteinsbreis mit dem Quecksilber der Plattenoberfläche und bleiben haften. Die Oberfläche der Kupferplatten wird täglich mit eisernen Schabern abgekratzt und das Gold durch Abdestillieren des Quecksilbers gewonnen. Um das bei diesem Prozeß verlorene Gold — etwa 20 Prozent — zu erfassen, ist noch ein anderer umständlicher Prozeß erforderlich: Die „Poch-Trübe" wird in große eiserne Bottiche gefüllt und mit einer Lösung von Cyankalium behandelt, in der sich das Gold auflöst. Man pumpt dann den goldhaltigen Schlamm durch Schichten 2H
von Zinkspänen, die sich nun ihrerseits in der goldhaltigen Lösung zersetzen, während gleichzeitig das Gold als feiner schwarzer Schlamm ausfällt. Durch Umschmelzung mit verschiedenen Flußmitteln wird aus diesem Schlamm endlich das Gold gewonnen. Am Abend ist der Arbeitskreis geschlossen, und in jedem Betrieb werden einige gewichtige Goldbarren in die geräumigen Safes geschafft. Jeder Barren ist nicht viel größer als ein Ziegelstein, von einem unansehnlichen, dunklen Gelb und außerordentlich schwer. Das geläuterte Feingold wird mit 995,9 °/oo Feingehalt verkauft. Goldgräber von heute Von jenem abenteuerlichen Ruhm aus den Tagen des Goldrausches in Australien, Kalifornien und Kanada fiel nie ein Schimmer auf die Minenfelder des Witwatersrandes, selbst heute nicht, da in den Gruben auch Uranerze entdeckt worden sind. Die Gruben waren von allem Anfang an nüchterne Kapitalanlagen. Glückhafte Zufälle, die Sensation zentnerschwerer Nuggets, der ganze geheimnisvolle Nimbus, der von dem Gold ausgeht, verloren hier alle Kraft und Wirkung. Der gefahrenvolle, von mancherlei unberechenbaren Dingen abhängige Bergbau des „Randes" gleicht einem überempfindlichen Instrument. Selbst die geringste Abweichung vom Normalen wird spürbar und bewirkt, daß die Entwicklung der riesigen Minenunternehmen zu einem Tanz auf einer rollenden Kugel wird. Die Existenz einer Grube ist gefährdet, wenn der Goldgehalt des Fördergutes unter das abbauwürdige Maß sinkt, wenn der Handelspreis des Goldes fällt, bei starken Wassereinbrüchen, bei Zubruchgehen ganzer Strecken, beim Erreichen von Tiefen, die menschliche Tätigkeit unmöglich machen, und vor allem, wenn es nicht gelingt, die notwendigen Arbeitskräfte zu beschaffen. Die Goldproduktion sinkt schon bei guter Ernte im Hinterland, weil den Eingeborenen dann der Anreiz fehlt, sich für die schwere Arbeit in den Gruben zu verdingen. Die Arbeiterfrage ist seit je von größter Bedeutung gewesen, denn es gibt außer den weißen Bergleuten, die nur etwa ein Sechstel der Belegschaften stellen, keinen festen Arbeiterstamm. Der Kaffer betrachtet die Beschäftigung in den Minenfeldern als eine kurze, freiwillige Dienstzeit, die ihn in den Stand setzt, sich eine 29
Frau und später vielleicht noch eine andere oder für die Frau eine Nähmaschine zu kaufen. In der portugiesischen Kolonie Mozambique gehört es geradezu zum guten Ton, daß der junge Neger einmal am „Rand" arbeitet, um sich mit allen möglichen Ladenhütern zu behängen und auszustatten. „Während sie", so berichtet der Afrikareisende K. Schmeißer, „mit außerordentlich leichtem Gepäck, meist nur mit einem Blechkessel zum Wasser- und Maiskochen, einem kleinen Bündel mit Nahrungsmitteln, vielleicht in den trockenen Jahreszeiten mit einer Wasserkalabasse ausgerüstet, im übrigen bis auf den Hüftschurz nackt, im Goldfeld anlangen, wandern sie nach Beendigung ihrer Arbeitszeit vollständig bekleidet, mit so schweren Kisten und Paketen, gefüllt mit Decken, Tüchern, Messern, Perlen, Picken, Äxten, Spiegeln und anderen Artikeln, heimwärts, daß man nicht begreifen kann, wie sie diese Lasten so viele Meilen weit zu tragen vermögen. — Dem Reisenden begegnen besonders auf den nach Norden und Osten führenden Landstraßen zu jeder Jahreszeit ganze Trupps im üblichen Gänsemarsch nach den Goldfeldern hin- und von den Goldfeldern heimziehender Neger. Abends, bei anbrechender Dunkelheit, findet er sie gelagert am Fluß beim kochenden Maispapp oder, selbst nach mühseliger Tageswanderung in glühender Sonne, bei Gesang und Tanz um das Lagerfeuer." Während der Arbeitsperiode ist der Neger gezwungen, nur mit Männern zusammen im Compound, der Negerkaserne, zu wohnen. 5000—6000 Mann hausen in solchen Siedlungen dicht beieinander, zwanzig Mann teilen sich in einen Raum. Für die Verpflegung sorgt eine Gemeinschaftsküche, doch erhält jede Wohngemeinschaft das Fleisch in rohem Zustand, um es nach eigenem Geschmack und überkommenem Brauch am „Grill" selbst zu braten. Verbrechen und Streit der verschiedenen Stammesangehörigen untereinander sind häufig, deshalb gelangt Alkohol nur in geringen Mengen zur Verteilung, hingegen ist für Sport, Unterhaltung und für die Erziehung der Kinder hinlänglich gesorgt. Vorbildliche Spitäler betreuen die Kranken und die zahlreichen unter Tag Verletzten. 1958 wurden, in den Minenfeldern des Witwatersrandes etwa 300 000 Eingeborene beschäftigt, dabei vergrößert sich noch mit sin30
kendem Goldgehalt des Gesteins und zunehmender Tiefe des Abbaus der Bedarf an Arbeitskräften. Menschenhände aber sind unter Tag nur in verhältnismäßig geringem "Maß durch die Maschine zu ersetzen, darum wird bei wachsender Produktion die Arbeiterfrage immer eine dringende Sorge bleiben. Etwa tausend Kilometer nordöstlich von Johannesburg liegt Sofala, die Hafenstadt des alten Goldlandes Ophir, zwischen Sambesi und Limpopo. Aus Ophir wanderten im Zeitalter des Königs Salomo Goldsucher bis zum Olifant-Fluß, in die Nähe des Witwatersrandes, und gründeten dort die Stadt Zimbabwe. Zahlreiche wiedergefundene Schächte, Schmelzöfen, Tiegel und Gußformen halten die Erinnerungen an die Schatzgräber des Altertums wach. Es ist ein weiter Weg von diesen primitiven Anfängen durch die Jahrtausende — von den Grabwerkzeugen zu den Bohrmaschinen, von den Stufeneinstiegen zu den modernen Schachtanlagen, von den Tiegeln und Gußformen zu den elektrischen Schmelzöfen. Aber wie vieles auf der Welt nur scheinbar neu ist, weil vieles schon einmal da war und immer fortdauert, so läßt sich auch hier sagen, daß dieser weite Weg von den Minenfeldern Ophirs zu den riesenhaften Anlagen von Johannesburg an seinen Ausgang zurückführt. Die Goldindustrie des Witwatersrandes arbeitet nach den gleichen Methoden wie die handwerksmäßige Goldgewinnung vor vier Jahrtausenden, wenn auch aus den handgetriebenen Gesteinsmühlen und Pochwerken gewaltige Maschinen geworden sind und das chemische Verfahren das oberflächliche Durchwaschen des goldhaltigen Steins vervollkommnet hat.
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(Erdkunde)
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Natur- und kulturkundliche Heite - Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM 1.50) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt. — Alle früher erschienenen Lux-Lesebogen sind in jeder guten Buchhandlung vorrätig oder können dort nachbestellt werden. — Druck: Hieronymus Mühlberger, Augsburg, — Verlag: Sebastian Lux, Murnau vor München. 31
IN JEDES HAUS GEHÖRT DIESES WERK das ist das überzeugende Urteil von Presse und Rundfunk über die große, spannend geschriebene Weltgeschichte „Bild der Jahrhunderte" des Münchner Historikers Otto Zierer. Von ungeheurer Dramatik sind die Bände dieses neuartigen, erregenden Geschichtswerkes erfüllt. Hier sind nicht, wie in Lehrbüchern alter Art, die historischen Ereignisse mit trockener Sachlichkeit aneinandergereiht! die Vergangenheit wird vor dem Auge des Lesers in kulturgeschichtlichen Bildern zu neuem Leben erweckt. Menschen wie Du und ich schreiten über die wechselnde Bühne der Geschichte und lassen den Ablauf der Jahrhunderte, das Schauspiel vom Schicksal der Menschheit, ergriffen miterleben. Zierers »Bild der Jahrhundert»" ist ein Werk für die Menschen unserer Zeit, für die Erwachsenen wie für die Jugend.
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