Cathy East Dubowski
Gilmore Girls WAS IST LIEBE?
Roman Aus dem Amerikanischen von Antje Görnig
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Bibliografische...
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Cathy East Dubowski
Gilmore Girls WAS IST LIEBE?
Roman Aus dem Amerikanischen von Antje Görnig
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Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Der Roman »Gilmore Girls – Was ist Liebe?« entstand auf der Basis der gleichnamigen Fernsehserie von Amy Sherman-Palladino, produziert von Warner Bros, ausgestrahlt bei Vox. Erstveröffentlichung bei HarperCollins Publishers, Inc. New York, 2002. Titel der amerikanischen Originalausgabe: Gilmore Girls. I love you, you Idiot. Copyright © 2004 Warner Bros. Entertainment Inc. GILMORE GIRLS and all related characters and elements are trademarks of and Warner Bros. Entertainment Inc. WB SHIELD: TM ©Warner Bros. Entertainment Inc. (sO4)VGSC 1990 © der deutschsprachigen Ausgabe: Egmont vgs Verlagsgesellschaft Köln, 2004 Alle Rechte vorbehalten Lektorat: Bettina Oder Produktion: Elisabeth Hardenbicker Umschlaggestaltung: Sens, Köln Senderlogo: ©Vox 2004 Titelfoto: © 2004 Warner Bros. Satz: Hans Winkens, Wegberg Printed in Germany ISBN 3-8025-3261-9 Besuchen Sie unsere Homepage: www.vgs.de Scanner: crazy2001 K-Leser: klr
Dieses E-Book ist nicht für den Verkauf bestimmt
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1 Die Welt ist schwarz und weiß. Frauen tragen weite Röcke, Perlen, roten Lippenstift und mit Haarspray fixierte Haare, die nicht flattern, wenn der Wind weht – und das ist ihr lässiger Freizeitlook, wenn sie zu Hause sind und in der Küche Rührei mit Schinken machen. Die Kinder sind alle sauber und höflich – die Mädchen in kessen pastellfarbenen Pullovern und karierten Röcken, die Jungs in adretten Hemden und Hosen – und sie sagen Dinge wie »Du lieber Himmel, Mom«, wenn sie richtig erschüttert sind. Und jede Familie hat einen ruhigen, vernünftigen Ehemann und Vater, der am Ende des Tages mit einer Pfeife, einer Aktentasche und einem regelmäßigen Gehaltsscheck nach Hause kommt. Mom und ich sahen schwarzweiße Wiederholungen der Donna Reed Show. Sie war wie eine bizarre Zeitkapsel aus den späten Fünfzigern. Eine Serie, die die Haushalte nach dem Zweiten Weltkrieg reflektierte – oder vielleicht sogar prägte – und zeigte, wie die perfekte amerikanische Familie auszusehen, zu handeln, sprechen und denken hatte. Ich sah meine Mom Lorelai an. Sie lümmelte sich auf der Couch und trug ein bequemes HEAVY-METAL-HERRSCHT-T-Shirt über ihren zerschlissenen Lieblingsjeans. Mit 32 ist sie nur sechzehn Jahre älter als ich und wird oft für meine große Schwester gehalten. Ich bin ein Einzelkind, sodass ich es nicht mit Sicherheit weiß, aber nach dem, was ich bei anderen Leuten und ihren Geschwistern gesehen habe, denke ich, dass ich sie viel mehr mag als eine Schwester. Wir leben allein, seit ich geboren wurde, und sie ist mehr als meine Mom – sie ist meine beste Freundin. Es klopfte an der Tür, und eine männliche Stimme rief: »Hallo?« »Hast du Pizza mitgebracht?«, fragte Mom. »Ich bin schließlich kein Idiot«, antwortete die Stimme. »Komm rein!«, befahl sie. Mein Freund Dean kam hereingeschlendert. Groß und schlank, dunkelhaarig und hinreißend, brachte uns, wie gewünscht, das Abendessen mit. Ja, er ist der perfekte feste Freund. »Hey.« Ich grinste ihn an.
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»Hey.« Er grinste zurück. »Setz dich«, sagte Mom, zu sehr auf Donna konzentriert, um die perfekte Gastgeberin zu spielen. »Sonst verpasst du es noch.« Dean warf einen Blick auf den Fernseher, als er zu mir kam. »Was seht ihr euch an?« Mom strahlte. »Die wahre, total unvergleichliche Donna Reed Show.« Dean stellte zwei große Pizzaschachteln auf den Couchtisch. Auf den Schachteln lag eine braune Papiertüte. Ich musterte sie neugierig. »Was ist da drin?« Dean zuckte mit den Schultern, als er seine schwarze Lederjacke auszog und auf einen Stuhl warf. »Salat.« »Salat?« Dean nickte. »Ja. Das ist ein putziges Gericht, das manchmal vor großen Portionen Pizza gegessen wird.« Mom und ich starrten ihn an. Dean trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Er ist… für mich?« »Sicher«, nickte ich. Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich esse Salat. Ich mag Salat. Mom und ich haben hin und wieder sogar Salat im Haus. Aber an diesem Abend hatten wir Zwiebeln und grüne Paprika auf den Pizzas, und damit war unser Bedarf an Gemüse gedeckt. Mom legte ihre Füße auf den Couchtisch und öffnete eine der Schachteln auf ihrem Schoß. Sie gab mir ein Stück, und ich nahm einen Bissen und genoss die langen Fäden aus leckerem Käse. Dean setzte sich neben mich und aß seinen Salat. »Also, wer ist Donna Reed?«, fragte er. »Was?« Ich ließ fast meine Pizza fallen. »Du weißt nicht, wer Donna Reed ist?«, rief Mom. »Der Inbegriff der Fünfzigerjahre-Mom – mit der perfekten FünfzigerjahreFamilie?« »Niemals ohne ein Lächeln und hochhackige Schuhe unterwegs?«, erklärte ich weiter. »Haare, die zerbrechen würden, wenn man mit einem Hammer draufschlägt?«, fügte Mom hinzu. Dean blinzelte. »Also… es ist eine Serie?« »Es ist ein Lebensstil«, sagte ich. »Es ist eine Religion«, meinte Mom.
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Ich wischte mir den Mund mit einer Serviette ab. »Meine Lieblingsepisode…« »Ja! Sag es mir, sag es mir!«, bat Mom. »… ist die, in der ihr Sohn Jeff von der Schule nach Hause kommt… und nichts passiert.« »Oh, die ist gut.« Mom grinste Dean an. »Eine meiner Lieblingsfolgen ist die, in der Mary, die Tochter, einen Teilzeitjob bekommt… und nichts passiert.« »Ein weiterer Klassiker«, bestätigte ich. Dean wies mit seiner Plastiksalatgabel auf den Bildschirm. »Und um was geht es in dieser?« Mom beugte sich vor. »Nun, diese ist eigentlich ziemlich spannend. Ihr Mann Alex kommt zu spät zum Abendessen nach Hause« – sie warf mir einen Seitenblick zu – »und er hat nicht angerufen!« Ich schüttelte in gespielter Abscheu den Kopf. »Ebenso gut könnte er auch den Hund treten.« »Oh, oh, seht mal!«, rief Mom und zeigte auf den Fernseher. »Sie macht Doughnuts!« Wir schauten einen Moment lang zu, wie Donna Reed als Donna Stone zusammen mit Jeff Doughnuts machte. »Hey, du kommst mit dem Zucker nicht nach«, flötete Donna. »Oh, ich schätze, ich habe an etwas anderes gedacht, Mom«, erwiderte Jeff. »Nicht, dass mein Zuckerverbrauch irgendjemanden sofort zum Diabetiker machen würde«, warf Mom ein und ahmte dabei Donnas Stimme nach. Kurz darauf standen Donna und ihre heranwachsende Tochter zu beiden Seiten der offenen Hintertür, noch immer perfekt gekleidet, und putzten wie wild die Fensterscheiben der Tür. »Mutter-Tochter-Fensterputz. Wir sollten das auch versuchen«, meinte ich. »Ja«, stimmte Mom zu. »Sofort nach der Mutter-TochterSchockbehandlung.« Dann übernahmen Mom und ich die Donna-Reed-Episode. »Weißt du, Tochter, es gibt nichts Befriedigenderes als die Fenster zu putzen«, begann Mom. »Oh, nein!« »Was?«, keuchte ich. »Habe ich einen Fleck übersehen?« »Nein. Ich hatte gerade nur einen unzüchtigen Gedanken über dei-
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nen Vater Alex. Komisch, ich weiß gar nicht, warum. Es ist schließlich nicht der zweite Samstag im Monat.« Dr. Alex Stone trat auf und steckte vom Hinterhof aus seinen Kopf durch das Küchenfenster. Ich senkte meine Stimme. »Hey, ich hörte, du hattest einen unzüchtigen Gedanken über mich!« Mom war verzweifelt. »Ich muss jetzt all meine unzüchtigen Gedanken sublimieren, indem ich in die Küche gehe und einen endlosen Strom von perfekten Aufläufen produziere.« »Ihr hört euch die Dialoge ja gar nicht an!«, protestierte Dean. »Unsere sind besser«, sagte ich. Dean starrte in seinen Salat und schob die Croutons in dem verbliebenen Dressing hin und her. »Ich weiß nicht… Mir kommt das alles gar nicht so übel vor.« »Was?«, fragte ich. Er zuckte mit den Schultern. »Du weißt schon, Familien, die zusammen sind.« Er sah wieder auf den Bildschirm. »Ich meine, eine Frau kocht Abendessen für ihren Mann. Und seht mal – sie scheint richtig glücklich zu sein.« »Sie steht unter Medikamenten«, sagte Mom. »Und spielt nach einem Drehbuch«, erklärte ich. »Geschrieben von einem Mann!«, rief Mom in gespielter Empörung. »Gut gesprochen, Schwester Suffragette!« Ich klatschte ihre Hand ab. Doch dann bemerkte ich, dass Dean nicht mit uns lachte. »Aber was ist, wenn es ihr gefällt, Doughnuts und Abendessen für ihre Familie zu machen und alles für sie sauber zu halten und…« Mom und ich saßen nur da und starrten ihn an. Dean zuckte zusammen. »Okay, mit dieser Bemerkung habe ich mich wohl nicht gerade beliebt gemacht.« »Nein, nein, ich weiß schließlich, woher das kommt. Ich meine, du und Donna, ihr seid verwandte Seelen. Ihr tragt beide Schürzen bei der Arbeit«, stichelte Mom und bezog sich dabei auf Deans Arbeitskleidung bei seinem Teilzeit) ob in Doose’s Market. »Sehen wir uns doch weiter die Show an«, sagte er in dem Versuch, die Aufmerksamkeit von sich selbst abzulenken. »Oh, wir machen nur Spaß«, versicherte ich ihm. »Ah, okay. Die Augen jetzt von mir abwenden«, erwiderte Dean,
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der sichtlich bedauerte, überhaupt etwas gesagt zu haben. Dann sprach die perfekte Donna weiter. » Weißt du was, Schatz«, wandte sie sich fröhlich an ihren Mann, als sie eine weitere Kasserolle auf den Tisch stellte, »in den ersten zehn Jahren unserer Ehe war ich wütend, wenn du zu spät zum Abendessen nach Hause gekommen bist.« Dr. Stone blickte überrascht drein. »Jetzt bist du es nicht mehr?« »Nein«, sagte Donna leichthin. »Du kommst nicht mehr zu spät zum Abendessen, du kommst nur extrem früh zum Frühstück.« Während das Tonband mit den Lachern lief, rutschte Dean unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Hey.« Er hob seine Hände. »Ich sage kein Wort mehr.«
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2 Am nächsten Morgen gingen Mom und ich zum Frühstücken in Luke’s Diner. Luke hat das beste Frühstück der Stadt. Er ist für Leute, die nicht in Stars Hollow leben, nicht leicht zu finden, da auf dem Schild draußen »Williams Hardware« steht. Lukes Dad hat dort früher eine Eisenwarenhandlung geführt. Als sein Vater starb, entschloss sich Luke, ein Lokal daraus zu machen, aber er änderte nie das Schild, was Mom für sehr süß hält. Es gibt sogar ein paar Eisenwaren als Dekoration. »Können Gehirne wehtun?«, fragte ich, als wir durch die Tür gingen. »Ja!«, sagte Mom, während wir an den nächsten freien Tisch traten. »Es ist Hypochondria Hour.« »Ich meine es ernst«, erklärte ich, als ich mich setzte. »Gestern Nacht, als ich in meinem Biologiebuch las, hörte ich deutlich ein Ping in meinem Gehirn.« Mom nahm Platz. »Dein Gehirn hat gepingt?« »Ja, es machte… Dink.« »Nun, dann, Schätzchen, hat dein Gehirn gedinkt, nicht gepingt«. »Nun, ich denke nicht, dass ein dinkendes Gehirn weniger beunruhigend ist als ein pingendes.« »Da hast du Recht.« »Soll ich zu einem Tumorarzt gehen?«, hakte ich nach. »Nein, du hast keinen Tumor«, sagte Mom. »Du liest zu viel. Du verlierst wahrscheinlich nur deine Sehkraft.« »Vielen Dank.« »Keine Ursache.« Luke kam herüber, um die Bestellung aufzunehmen. Hoch gewachsen und knorrig, etwa in Moms Alter, trägt er fast immer ein kariertes Flanellhemd, Jeans und eine verkehrt herum aufgesetzte Baseballkappe, unter der seine dunklen Haare hervorschauen. Er lächelte nicht, als er an unserem Tisch stehen blieb und den Bestellblock aus seiner Gesäßtasche zog. Wer ihn nicht kannte, mochte denken, dass er unfreundlich sei. A-
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ber er ist ein wirklich netter Kerl. Er und Mom sind in der letzten Zeit sehr gute Freunde geworden. Mom grinste Luke auf ihre gewohnt fröhliche Art an. »Hey, kannst du konstruktive Kritik vertragen?« Luke zog einen Bleistift hinter seinem Ohr hervor. »Nein.« »Okay«, sagte sie heiter und fuhr fort, als hätte er Ja klar! gesagt. »Dieses Lokal könnte etwas mehr Pep gebrauchen«, erklärte sie. Luke kniff die Augen zusammen. »Häh?« »Du weißt schon, eine kleine Verschönerung. Einen neuen Anstrich…« Luke schüttelte den Kopf. »Ich verschönere nicht.« »Wie meinst du das, du verschönerst nicht?« Die Antwort kam von hinten, als sich ein schwergewichtiger Mann in einer Strickjacke auf seinem Hocker am Tresen umdrehte. »Er meint damit, er will nicht verschönern. Das ist es, was er meint.« Luke verdrehte die Augen. »Fang nicht wieder damit an.« Aber Taylor Doose, Inhaber von Doose’s Market, ignorierte die Warnung. Sein Salz-und-Pfeffer-Bart ließ ihn wie einen empörten Professor aussehen. »Ich und der Rest des Stadtverschönerungskomitees drängen ihn schon seit Jahren, das Lokal aufzupolieren, vielleicht ein paar hübsche Zinnientöpfe draußen zu platzieren, eine gelbe Markise anzubringen… und ein peppiges kleines Pappschwein mit den Tagesgerichten darauf aufzustellen.« Ich wechselte einen Blick mit Mom – sie hatte Mühe, nicht laut loszulachen. »Aber er ist ein richtiger Maulesel«, fuhr Taylor fort. »Er will nicht reden, er will nicht zur Vernunft kommen, er will nicht verschönern. Du solltest es einfach vergessen, Lorelai. Ich vergesse es auch.« Er wandte sich wieder seinem Essen zu. »Endlich«, sagte Luke laut genug, um gehört zu werden, »ein Taylor-Doose-Standpunkt, den auch ich vertreten kann.« Taylor fuhr wieder herum. »Abblätternde Farbe wirft ein schlechtes Licht auf die ganze Stadt!« »Was ist bloß aus dem Vergessen geworden?«, murmelte Luke. »Wenn das Niveau sinkt, fliehen die Familien«, erklärte Taylor, »und Gesindel zieht ein. Du handelst dir nur Ärger ein, mein Freund…« »Hier in River City!«, sagte Mom und beendete damit einen Satz
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aus The Music Man, während sie mit der Hand auf den Tisch schlug. »Das ist nicht witzig, Lorelai«, wies Taylor sie zurecht. »Möchte irgendjemand irgendetwas haben?«, fragte Luke völlig entnervt. »Ja, ich«, sagte Mom. Sie wurde wieder ernst und studierte die Speisekarte. »Ich möchte… wissen, warum du dieses Lokal nicht streichst«, sprudelte sie hervor und lächelte ihn erneut an. Luke beugte sich vor. »Streichen ist Mist. Ich muss das Lokal einen Tag lang schließen, was ich mir nicht leisten kann, oder es mitten in der Nacht streichen, was ich nicht will, weil ich das Streichen hasse.« »Okay, wie wäre es damit? Ich werde dir helfen.« Sie strahlte. »Ich liebe das Streichen.« Luke runzelte die Stirn. »Tatsächlich.« »Ja, tatsächlich.« »Du liebst es.« »Ich würde es am liebsten heiraten.« Luke schüttelte den Kopf. »Du hast seltsame Leidenschaften.« »Sie liebt auch das Geschirrspülen«, warf ich ein. »Sie ist multipel abnormal.« »Ach, komm schon«, versuchte Mom ihn zu überzeugen. »Wir trinken ein paar Bier, wir singen Anstreicherlieder…« »Anstreicherlieder«, wiederholte Luke. »Ja, Anstreicherlieder!« Luke und ich wechselten einen skeptischen Blick, als Mom fortfuhr. »Du weißt schon, das Lied, in dem es heißt, äh…« Sie begann zu singen und klopfte den Takt auf dem Wasserglas, während sie sich den Text ausdachte. »Nehmt eure Pinsel und nehmt eure Rollen… all ihr Kids und all ihr… Dollen… wir streichen heute an!«, sang Mom mit Genuss. Luke starrte sie an. »Sag Ja, oder es kommt eine zweite Strophe«, warnte Mom. Sie weiß, wie man hart verhandelt. Luke seufzte und sah sich im Lokal um. »Nun, ich schätze, vielleicht, wenn ich Hilfe hätte…« Taylor Doose fuhr erneut auf seinem Hocker herum. »Wirklich? Oh, mein Gott! Das ist wundervoll! Hurra!« Luke knirschte mit den Zähnen und drehte sich nicht um. »Taylor, es ist nicht für dich, es ist für mich.«
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Aber Taylor war so aufgeregt, dass er von seinem Hocker aufsprang. »Ich kann es gar nicht erwarten, das dem Rest des Komitees zu erzählen! Sie werden es nicht glauben!« Die Glocke an der Tür bimmelte, als er hinaus auf die Straße stürmte. Luke sah ihm nach. »Ich bin sauer darüber, dass er sich freut.« »Ach, du wirst einfach später ein Kaugummipapier vor seinem Laden fallen lassen«, sagte Mom. Luke nickte. »Ja, gute Idee.« Ich lächelte, als Luke unsere Bestellung aufnahm. Das Ping in meinem Kopf war vergessen. An diesem Abend fuhren wir hübsch gekleidet zu unserem Freitagabendessen im Haus meiner Großeltern. Diese wöchentlichen Mahlzeiten waren eine Bedingung, die meine Großmutter uns gestellt hatte, als Mom sie gebeten hatte, ihr das Geld für Chilton zu leihen, nachdem ich dort aufgenommen wurde. Mir gefallen diese Treffen sogar, denn sie geben mir die Chance, meine Großeltern besser kennen zu lernen, und unsere Abendessen sind außerdem eleganter als in jedem Restaurant, in dem ich bisher gewesen bin… weiße Leinentischdecke, Blumen, Kerzen, Wein und jemand, der die Mahlzeiten kocht und serviert. Mom ist nicht unbedingt begeistert davon, aber ich denke, sie gewöhnt sich allmählich daran. Sie sah wunderschön aus, als sie einen Schluck aus ihrem Weinglas trank. »Sauguter Wein.« »Wie poetisch«, erwiderte Grandma sarkastisch. »Er riecht gut«, fuhr Mom fort. »Erdig. Lebendig. Man kann förmlich die Füße der Italiener schmecken.« »Es ist ein Bordeaux«, korrigierte mein Großvater sie. »Er kommt aus Frankreich.« »Na so was.« Mom starrte das Glas an. »Nun, was macht der Fuß eines Italieners in einem französischen Wein?« Ich konnte sehen, wohin dies fuhren würde, deshalb versuchte ich hastig, das Thema zu wechseln. »Wann fahrt ihr nach Marthas Vineyard?«, fragte ich. »Wir fahren dieses Jahr nicht nach Martha’s Vineyard«, sagte Gran dpa. »Wirklich? Warum nicht?« »Unser altes Haus war nicht frei, als „wir anfragten.« Er funkelte Grandma an. »Zu spät.«
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»Wir hätten eben Vorjahren eine Wohnung kaufen sollen, so wie ich es wollte«, erwiderte Grandma mit verkniffenem Mund. »Das wäre nicht klug gewesen«, meinte Grandpa. »Jetzt wissen wir nicht, wohin wir nächste Woche fahren sollen«, klagte Grandma. »Ihr könntet doch einfach woandershin fahren, oder?«, schlug ich vor. Grandpa blickte verdutzt drein. »Wir fahren zu dieser Jahreszeit immer nach Martha’s Vineyard.« »Ihr braucht Abwechslung, Dad«, sagte Mom. »Fliegt nach Paris.« »Ja, Paris!«, stimmte ich zu. »Impressionismus. Pudel«, sagte Mom. »Creme brulee«, fügte ich hinzu. Mom nickte. »Ooh, das ist gut.« »Unmöglich!«, entfuhr es Grandpa. »Pourquoi?« Mom lächelte mich an. »Französisch.« »Wir fliegen nur im Herbst nach Europa«, erklärte Grandma verärgert. »Weißt du, Mom, ich habe so ein Gerücht gehört, dass Europa auch im Frühling da ist.« »Das habe ich auch gehört«, sagte ich hilfsbereit. »Wir „wissen, dass es im Frühling da ist, aber wir fliegen nie im Frühling hin, weil wir immer im Herbst hinfliegen.« »Okay, das wird mir ein wenig zu Lewis-Carroll-mäßig«, murmelte Mom. Ich hörte mir den Streit weiter an, während ich mein Abendessen verzehrte. »Es kostet ein Vermögen, erster Klasse nach Europa zu fliegen«, sagte Grandpa. »Das machen wir nur alle zwei Jahre.« »Im Herbst«, erklärte Grandma. »Es würde in diesem Jahr das Budget sprengen«, fügte Grandpa hinzu. »Ihr müsst ja nicht unbedingt erster Klasse fliegen«, sagte Mom. Im Raum wurde es ganz still. Grandma sah Mom an, die Gabel auf halbem Weg zu ihrem Mund erstarrt. Grandpa sah sie ebenfalls an, sein Weinglas in der Luft eingefroren. »Denn… äh, es gibt schließlich noch die Touristenklasse«, fuhr Mom fort.
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Meine Großeltern starrten sie weiter an, von der bloßen Vorstellung entsetzt. »Oder… die Businessclass ist auch nicht übel«, plapperte Mom weiter, tapfer gegen das Schweigen ankämpfend. »Es gibt günstige Angebote im Internet.« Meine Großeltern wechselten über den langen Tisch hinweg einen Blick miteinander. »Gib mir die Kartoffeln«, bat Mom, um das Thema zu wechseln. »Gute Idee«, sagte ich. Der Montagmorgen kam, und ich beschäftigte mich in der Küche mit meinen Merkkarten für den Geschichtsunterricht, während Mom versuchte, sich auf den Knopf zu konzentrieren, den sie an die Strickjacke meiner Schuluniform nähen wollte. Das gehört zu Moms überraschenden hausfraulichen Fähigkeiten: Sie könnte Donna Reed unter den Tisch nähen. Sie sollten mal einige ihrer erstaunlichen Kreationen sehen. »Katharina die Große, 1729 bis ‘96«, murmelte ich, über meine Merkkarten gebeugt. »Zarin von Russland 1762 bis ‘96…« »Okay. Halt bitte still«, befahl Mom. »Ursprünglicher Name: Sophie Auguste Friederike von AnhaltZerbst…« »Aber alle haben sie Kätzchen genannt«, fügte Mom hinzu. »Heiratete 1754 Großherzog Peter von Holstein…« »Okay, Rory, im Ernst…« »Ihre Ehe war unglücklich«, fuhr ich fort. »Nun, sie hatte einfach zu viele Namen«, erwiderte Mom. Ich griff über den Tisch nach dem Rest meiner Karten. »Au!« Mom zuckte zusammen und steckte ihren Daumen in den Mund. »Okay, Lady mit Merkkarten sieht Lady mit Nadel an und versucht, sich nur eine Sekunde lang zu konzentrieren, damit ich den Knopf an die Strickjacke statt an meinen Daumen nähen kann.« »Es tut mir Leid.« Ich wandte mich wieder meinen Merkkarten zu, als jemand an die Küchentür klopfte. »Ich mach auf.« Ich stürzte zur Tür und zerriss dabei den Faden. »Man könnte meinen, du bist erst vier Jahre alt!«, rief Mom frustriert. Ich öffnete die Tür und unsere Nachbarin Babette stürmte herein.
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Sie war eine kleine Frau mit blonden Locken und einem großen Herzen, die Mom und mich zusammen mit dem Rest der Stadt vor Jahren adoptiert hatte. »Oh, hallo, Püppchen.« »Willst du einen Kaffee?«, bot Mom an. »Oh, nein, danke, ich bin nur herübergekommen, um euch um einen großen Gefallen zu bitten.« »Nur zu«, sagte Mom und stand auf, um Babette trotzdem eine Tasse Kaffee zu holen. »Nun, Morey hat gerade einen Anruf bekommen. Er soll heute Abend im Village Vanguard spielen, und deshalb müssen wir nach New York.« Morey, Babettes Mann, ist Jazzpianist. Ich liebe die Sommer, wenn alle Fenster offen stehen und wir Morey spielen hören können. Er ist immer in Schwarz gekleidet und mindestens dreißig Zentimeter größer als Babette, sodass sie einen seltsamen Anblick bieten, wenn sie nebeneinander die Straße hinuntergehen. »Oh, wow«, machte Mom, als sie Babette ihre Tasse reichte. »Sahne?« »Und Zucker. Danke. Jedenfalls haben Morey und ich gestern endlich den Entschluss gefasst, uns ein neues Baby zu holen.« Das konnte bei Morey und Babette nur eines bedeuten. Ein Kätzchen. »Wie heißt es?« »Apricot!«, sprudelte Babette hervor. »Oh, es ist total süß, aber so winzig. Wir können es unmöglich mitnehmen, und ich möchte nicht, dass es die ganze Zeit allein im Haus ist. Deshalb dachte ich mir, dass Rory vielleicht herüberkommen und heute Nacht auf das Haus aufpassen könnte.« »Liebend gern.« »Na, großartig!«, rief Babette. »Unsere Küche ist voller Essen, und Morey hat gerade einen Kabelanschluss besorgt, sodass du dir, wenn du willst, diese vier Mädchen ansehen kannst, die die ganze Zeit über unanständige Sachen reden.« Ich lächelte. »Klingt gut.« »Du bist ein Engel. Ihr beide seid Engel. Ihr habt den Schlüssel, oder?« »Ja«, bestätigte Mom. »Haben wir.« »Großartig! In Ordnung, ich hinterlasse dir die Nummer unseres Hotels. Mach es dir gemütlich. Wir sind morgen Früh wieder zurück. Ich liebe euch verrückte Mädchen. Tschüss!«
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Die Tür fiel hinter ihr zu. »Wow«, machte Mom. »Ich kann nicht glauben, wie schnell du die Chance ergriffen hast, die Nacht ohne mich zu verbringen.« Ich sammelte meine Schulsachen ein und steckte sie in meinen Rucksack. »Du bist verrückt. Ich tue ihr einen Gefallen.« »Hmmm. Sicher tust du das.« »Mom…« »Nein, nein, es ist okay.« Sie seufzte theatralisch. »Mach dir wegen mir keine Sorgen. Ich komm schon zurecht.« »Ich würde gerne mit dir über diesen letzten Punkt diskutieren, aber dann verpasse ich den Bus.« »Du weißt, dass dies erst die zweite Nacht ist, die wir getrennt voneinander verbringen. Macht dich das nicht traurig?« »Ja«, versicherte ich ihr. »Aber ich werde darüber hinwegkommen.« »Nun, Paul und Linda McCartney haben während ihrer gesamten Beziehung nur elf Nächte getrennt verbracht«, sagte sie, während sie mir durch die Küche folgte. »Wusstest du das?« »Das wusste ich nicht.« »Sie haben sehr aneinander gehangen. Getrennt zu sein war sogar zu schmerzhaft, um auch nur darüber zu reden.« »Ich verstehe.« »Ich glaube nicht, dass Linda auch nur daran gedacht hätte, ohne Paul eine Katze zu hüten.« Ich hörte auf, meinen Rucksack zu packen, und sah sie an. »Weißt du, Mom, wenn ich aufs College gehe, werde ich jede Nacht weg sein. Was machst du dann bloß?« »Nun, ich… werde mit dir gehen. Ich werde neben deinem Bett auf dem Boden deines Wohnheims schlafen.« »Wenigstens hast du einen Plan.« Ich nahm meinen Rucksack und wandte mich ab. »Ja. Vielleicht möchtest du heute Abend ein Foto von mir mitnehmen«, sagte sie, als sie mir durch den Flur zur Haustür folgte. »Du weißt schon, wenn du dich einsam fühlst, kannst du mit ihm reden…« »Tschüss«, sagte ich und ging hinaus. Ich blickte von meinem Buch auf, als der Bus, der mich von Chilton nach Hause bringt, die Stadt erreichte. Als er an der Haltestelle
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stoppte, sah ich dort Dean auf der Rücklehne der Bank sitzen. Eine angenehme Überraschung. Er starrte den Vogelkäfig in meiner Hand an, als ich aus dem Bus stieg. »Haben Sie einen Vogel, Miss?«, fragte er. »Hi«, sagte ich. »Ich habe nicht erwartet, dich hier zu sehen.« »Ich wollte nur hallo sagen«, erwiderte er. Er beugte sich zu mir und gab mir einen Kuss. Ich lächelte. »Hallo.« »Hallo.« Er beugte sich erneut zu mir, um mich zu küssen. »Hallo«, wiederholte ich. Dean nahm den Vogelkäfig, und wir gingen los, vorbei an unserem Stadttroubadour Grant, der an der Straßenecke Gitarre spielte und sang. »Nun, wer ist dein Freund?«, fragte Dean und zeigte auf den Käfig. »Hausaufgabe.« »Wirklich?« »Wir werden den nächsten Monat zusammen verbringen, damit ich jede seiner Bewegungen beobachten kann. Eifersüchtig?« Er lachte. »Ich werde darüber hinwegkommen.« »Hör mal, ich hüte heute Nacht Babettes Haus, und ich dachte, wenn ich das richtige Angebot bekomme, muss ich dabei ja nicht alleine bleiben.« »Nun, ich biete dir meine Gesellschaft an.« »Ich akzeptiere.« »Gut.« Ich lächelte. Die Welt schien perfekt zu sein – ich hatte meinen Geschichtstest bestanden und die Sonne schien. »Möchtest du einen Kaffee trinken?« Dean seufzte. »Ich kann nicht. Ich muss arbeiten.« »Ich dachte, du arbeitest erst ab fünf Uhr.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, donnerstags ab vier. Aus irgendwelchen Gründen ist an den Donnerstagen immer viel los.« Er lachte leise. »Eine Menge unterdrückter Hausfrauen kaufen das Abendessen für ihre Männer ein.« Bumm. Ich blieb stehen. »Wow.« Dean verharrte und drehte sich um. »Was?« »Das war ziemlich bissig!«
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Dean blickte völlig verwirrt drein. »Wovon redest du?« Ich starrte ihn total verblüfft an, weil er gar nicht zu begreifen schien, was er da gesagt hatte. »Diese Bemerkung über Hausfrauen, die das Abendessen für ihre Männer einkaufen.« Dean lachte. »Komm schon, das war ein Scherz.« »Na ja, aus deinem Mund war es ein ziemlich merkwürdiger Scherz.« Endlich dämmerte ihm, dass ich es ernst meinte, und er runzelte die Stirn. »Du bist sehr empfindlich, was diese ganze Donna-Reed-Sache angeht.« »Ich bin nicht empfindlich!«, erwiderte ich hitzig. »Ich finde sie nur lächerlich.« »Warum?« »Was meinst du mit >warum« Er zuckte mit den Schultern. »Sie kocht eben sehr viel.« »Sehr viel?«, rief ich. »Sie hat in einer Episode Doughnuts, Schokoladenkuchen, ein Abendessen mit Lammkoteletts und Stampfkartoffeln und genug Eintopf gemacht, um ganz Kambodscha zu ernähren.« »Na und?« »Dir gefällt dieses Konzept, nicht wahr?«, fauchte ich. < »Nein, ich…«, protestierte er. »Naja. Irgendwie schon.« »Oh, mein Gott.« Ich ging weiter und Dean folgte mir. »Ich meine, es ist ein wenig übertrieben«, fuhr Dean fort, »aber dass eine Frau für ihren Mann und ihre Familie Abendessen macht, ist eine nette Vorstellung.« Er musterte meinen Gesichtsausdruck. »Warum ist das nicht nett?« »Das ist ja nicht alles«, beharrte ich. »Es geht darum, dass das Abendessen auf dem Tisch stehen muss, sobald der Mann nach Hause kommt, und dass man bei der Hausarbeit perfekt aussehen muss und dass der einzige Lebenszweck einer Ehefrau darin besteht, jemand anderem zu dienen.« »Schön. Ja«, sagte er und klang allmählich so verärgert, wie ich mich fühlte. »Aber vielleicht gibt es hier zwei unterschiedliche Sichtweisen.« Ich verschränkte die Arme. »Das glaube ich nicht.« »So denkst du doch nur, weil deine Mutter so denkt!« »Oh, ich habe also keine eigene Meinung.«
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»Das habe ich nicht gemeint!« »Nun, wenn ich keine eigene Meinung habe, dann bin ich wohl genau die Art Mädchen, die dir gefällt.« Ein paar Leute gingen vorbei und verfolgten mit Interesse unsere hitzige Diskussion. Dean zog mich beiseite und senkte seine Stimme. »Rory, meine Mom hat jeden Tag für meinen Dad Abendessen gemacht, bevor sie anfing zu arbeiten, und jetzt macht sie es an den Wochenenden. Was sagt das über sie aus?« »Es sagt, dass sie selbst die Wahl hat und Donna Reed nicht.« »Dir ist doch klar, dass Donna Reed nicht real ist, oder?« »Ja, ich weiß, dass sie nicht real ist. Aber sie repräsentiert Millionen von Frauen, die real waren und sich wie sie kleiden und wie sie handeln mussten und…« »Okay, kannst du mir bitte erklären, wieso wir uns über die Donna Reed Show streiten?« »Ich weiß es nicht!« Wir beide standen frustriert da. Unser erster richtiger Streit. Schließlich seufzte Dean. »Okay, hör zu, ich muss arbeiten, also… tschüss.« Er machte kehrt und ging zu Doose’s Market, ohne sich umzusehen. »Dean«, rief ich ihm nach. »Was?« Er drehte sich halb um. Ich streckte meine Hand aus. »Vogel?« Er starrte mich verwirrt an und sah dann auf den Vogelkäfig hinunter, den er noch in der Hand hielt. »Oh.« Er gab mir den Vogel. Ich nahm ihn. Wir trennten uns ohne ein weiteres Wort, und ich ging nach Hause.
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3 Als ich nach Hause kam, saß meine Mutter am Esszimmertisch und blätterte in Hausverschönerungszeitschriften. »Hey, gut, ich wollte gerade gehen«, rief sie mir zu. Ich ließ meinen Rucksack auf den Wohnzimmerboden fallen. »Wo willst du hin?« »Ins Lwfee’s. Wir wählen heute die Anstrichfarben aus. Es wird stundenlang Ja! Nein! Ja! Nein! gehen, bis meine weltberühmte Hartnäckigkeit die Oberhand über ihn gewinnt und er zusammengerollt auf dem Boden liegt und wie ein Mädchen heult. Willst du zuschauen?« »Ich hüte heute Nacht das Haus, schon vergessen?« »Ja, aber du musst etwas essen. Komm auf einen Burger vorbei.« »Nein, danke.« Ich ging ins Esszimmer und stellte den Käfig auf den Tisch. Mom schmolz sofort dahin. Sie liebt Babys jeder Art. »Was ist das?« »Das ist für die Schule.« Ich öffnete die kleine Käfigtür und füllte den Futternapf mit Vogelfutter aus einem Plastikbeutel. »Aaah, der ist aber süß«, säuselte Mom. »Wie heißt er?« »Fallstudie Nummer 12.« »Ist das ein Bindestrichwort?« Mom runzelte die Stirn. »Schatz, er ist so putzig. Er sollte einen Namen haben.« »Ich werde nicht mit meiner Hausaufgabe fraternisieren, vielen Dank.« »In Ordnung, dann werde ich ihm einen Namen geben.« Mom spähte in den Käfig und sprach mit Kleinmädchenstimme auf das Küken ein. »Hi. Dein Name ist Stanley. Hi, Stanley.« »Es ist ein Mädchen.« Ich wischte Vogelfutter von meinen Händen und ging in mein Zimmer. »Oh. Tut mir Leid wegen der Stanley-Sache.« Sie überlegte einen Moment. »Dein Name ist Stella!«, sagte sie zu dem Küken. »Stella ist nett – hey, und Stella war mit Stanley verheiratet!«, rief sie mir nach. »Nenn es, wie du willst.«
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»Mann, bist du mürrisch«, sagte Mom. »Was ist passiert?« »Nichts. Es war nur ein langer Tag.« »Weißt du, was das richtige Mittel gegen lange Tage ist?«, fragte Mom. »Ein Logenplatz, während Luke sich vorstellt, wie er mich mit seiner Baseballkappe stranguliert.« Ich packte Schulbücher, eine Zahnbürste und Kleidung zum Wechseln in meinen Rucksack und kehrte dann ins Esszimmer zurück. »Ich lass das Küken über Nacht hier, damit das Kätzchen nicht auf dumme Gedanken kommt.« »Okay.« »Es ist bereits gefüttert worden, und wenn es zu laut wird, bring es einfach in mein Zimmer. Ich ruf dich später an.« Ich nahm meine Jacke vom Tisch und wandte mich zum Gehen, aber Mom hielt mich zurück. »Hey… bist du wirklich okay?«, fragte sie sanft. Ich weiß, dass ich meiner Mom alles erzählen kann, aber irgendwie war mir nicht nach Reden zu Mute. Was sollte ich auch sagen? Dass ich mich mit Dean wegen Donna Reed gestritten hatte? »Ja, war nur ein mieser Nachmittag«, erwiderte ich. »Ich krieg das schon wieder hin.« »Okay. Ruf mich an, wenn du einen Schraubenschlüssel oder so brauchst.« Ich lächelte. »Mach’ ich.« In Babettes Haus befolgte ich ihre detaillierten Anweisungen für Apricot, gab Futter in einen Napf, fügte etwas Tunfisch hinzu und verrührte die Mischung mit einem Handmixer. Ich nahm den Napf von der Anrichte und stellte ihn auf eine gehäkelte Matte, wo das winzig kleine Kätzchen Apricot geduldig auf sein Abendessen wartete. Ich war ein wenig überrascht, dass es nicht auf die Anrichte gesprungen war, um sich das Futter zu holen; sie ist nämlich nicht besonders hoch. Dies war das Haus der kleinen Babette gewesen, bevor sie Morey geheiratet hatte. Alles ist an ihre geringe Größe angepasst: die Tische, die Anrichte, die Küchenspüle…Als sie heirateten, blieb alles so, wie es war, und Morey gewöhnte sich daran. Jedes Mal, wenn Morey durch eine Tür geht, zieht er den Kopf ein, wird aber nicht langsamer. Ich setzte mich auf die Couch, wo ich all meine Schulbücher ausbreitete, und versuchte zu lernen, aber die Worte auf der Seite ver-
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schwammen. Ich fragte mich, was Mom wohl gerade machte. Vielleicht sollte ich sie anrufen und mit ihr über diese Dean-Sache reden. Vielleicht würde es helfen…Aber dann fiel es mir wieder ein. Sie war drüben im Luke’s und redete über Farbe. Natürlich gab es noch eine andere Person, mit der ich mich über den Vorfall unterhalten konnte. Ich schlug mein Buch zu, ging in die Küche und nahm das schnurlose Telefon. Ich wählte die vertraute Nummer und kehrte zur Couch zurück, um mich wieder zu setzen. »Hi. Ist Dean da? Hier ist Rory… Oh, nun, würden Sie ihm bitte ausrichten, dass ich angerufen habe? Okay, danke.« Ich unterbrach die Verbindung und legte das Telefon auf den Couchtisch. Während ich es anstarrte, entwickelte sich in mir eine vage Idee. Ich griff nach meiner Jacke und rannte hinaus. Kurz darauf erreichte ich Lanes Haus – sie ist neben meiner Mom meine beste Freundin. Ich lief die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf und klopfte an die Tür. »Lane?« »Yo!«, rief sie. Ich öffnete die Tür und fand sie lernend an ihrem Schreibtisch vor. »Hey, wie geht’s?« »Sehr gut«, sagte sie. »Ich habe entdeckt, dass ich nicht nur schlecht in Geometrie bin, sondern auch niemals Biologin, Französischübersetzerin oder Bürgerkriegsexpertin werden kann.« »Damit bleibt dir nur der Job als Bassistin bei den Foo Fighters.« »Ich würde auch nicht ausschließen, dass ich Keyboarderin bei der Siouxsie and the Banshees-Reuniontour werde.« »Mir gefällt, dass du für alles offen bist.« »Nun, was liegt an?« »Ich muss mir eine CD leihen.« »Welche?« »Die abgefahrene.« »Brauche mehr Informationen.« »Nun, es ist die… mit diesem Instrument.« »Im Gegensatz zu all den instrumentlosen CDs, die heutzutage so beliebt bei den Kids sind?« »Ich weiß nicht mehr, wie sie heißt, aber ich erkenne sie, wenn ich sie sehe.« Sie stieß sich von ihrem Schreibtisch ab. »Okay. Schauen wir uns
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mal um.« Sie eilte zum Fenster und fiel auf die Knie. Lane lebt für die Musik. Ihre riesige CD-Sammlung kann es mit denen vieler Indie-Plattenläden aufnehmen. Aber ihre traditionsverhafteten und hoffnungslos konservativen koreanischen Eltern missbilligen diese Leidenschaft, und deshalb muss Lanes Sammlung… im Untergrund bleiben. Ja, ich meine versteckt unter dem Boden ihres Zimmers. Lane löste eine der polierten weißen Dielen. Dutzende von CDs standen dort, in alphabetischer Reihenfolge geordnet. »Okay«, sagte sie und zeigte auf jedes Genre, »wir haben Classic Rock, Progressive Rock, Pretty Boy Rock…« »Wie bitte?« »Bon Jovi, Duran Duran, die Wallflowers, Bush…« Ich nickte. »Verstanden.« Aber das war es nicht, was ich suchte. »Weiter.« Sie befestigte das Brett wieder an seinem Platz, kroch über ihr Bett und löste dann eine andere Diele auf der anderen Seite. »Punk, New Wave, deutsche Metal-Bands, Broadway, Soundtracks…« »Interessantes Ablagesystem«, meinte ich. »Ist sie dabei?« »Nein. Tut mir Leid.« Sie befestigte das Brett wieder und dachte einen Moment nach. »Okay, dort drüben haben wir Jazz, Jazz Vocals, Classical, Country Rock-a-Billy, Sinatra, die Capitol Years…« Dann klatschte sie in die Hände. »Oh, warte. Die Kategorie >Vermischtes<.« »Hey, das klingt gut.« Ich folgte ihr zur anderen Seite des Zimmers und blieb vor ihrer Frisierkommode stehen. Als sie die Diele entfernte, konnte ich erkennen, dass dies eine ihrer Lieblingskategorien war. »William Shatner!«, sagte ich beeindruckt, als ich nach einer der CDs griff. »Ist das die, wo er >Tambourine Man< singt?« »Und >Lucy in the Sky with Diamonds<«, erklärte sie stolz. »Hey, erinnere mich daran, die meiner Mom zum Geburtstag zu besorgen.« Ich stellte sie zurück an ihren Platz. »Oh, warte!« Erwartungsvoll zog ich eine CD heraus und betrachtete das Cover. »Hey! Das ist sie!« Ich studierte die Songtitel auf der Rückseite der Plastikhülle. Perfekt. »Darf ich?«
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Lane zuckte nur mit den Schultern. »Nimm sie mit.« »Danke.« Ich griff nach meiner Jacke und wandte mich zur Tür. Ich spürte, wie meine Aufregung zunahm. »Also, was hast du vor?«, fragte Lane, als sie die Diele wieder befestigte. »Ah, ich bin mir noch nicht ganz sicher.« »Okay!«, rief sie, während ich schon die Treppe hinunterrannte. »Aber ich will Details hören!« Bald war alles vorbereitet. Als das Telefon klingelte, nahm ich ab. »Hallo?« »Ich bin mir nicht sicher, ob du noch immer willst, dass ich herüberkomme.« »Oh, ich will. Ich will! Ich will es absolut!« »Bist du sicher?« »Ich bin total, völlig…« Ich hörte ihn am anderen Ende der Leitung lachen. »Du machst dich über mich lustig.« »Ein wenig. Aber ich weiß deine Begeisterung zu schätzen.« »Also, wie lange brauchst du, bis du hier bist?« »Eigentlich nicht lange.« »Warum? Wo bist du?« »Direkt vor dem Haus.« Ich legte auf, rannte zur Tür und öffnete sie. Dean stand auf dem Bürgersteig und steckte sein Handy in die Tasche seiner Lederjacke. Er blickte auf, und seine Kinnlade fiel nach unten. »Was zum…« »Schatz, du bist zu Hause!«, flötete ich.
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4 Dean starrte mich nur an. Wer konnte es ihm verdenken? Ich trug ein orangefarbenes, ärmelloses Fünfzigerjahrekleid mit winzig kleinen Knöpfen vorne und einem weiten Rock mit mehreren Petticoats darunter. Ein Paar dazu passende orangefarbene, hochhackige, spitz zulaufende Schuhe rundeten das Bild ab: Donna Reed, zum Leben erwacht. »Nun, sag doch was.« Ich lächelte süßlich und strich meine rüschenbesetzte Schürze glatt. »Äh, Süßes oder Saures?«, erwiderte Dean. »Wie, gefällt es dir etwa nicht?« Ich wirbelte des Effektes wegen auf meinen Absätzen herum. »Äh, doch. Ich find’s toll!«, stieß er hervor. »Es ist, äh…« Er fuchtelte mit der Hand, während er nach den richtigen Worten suchte. »Es hat einen ziemlichen Umfang.« »Vielen Dank. Jetzt komm rein. Es ist kalt draußen.« Ich ging hinein und duckte mich ein wenig, um nicht gegen Babettes niedrigen Türrahmen zu stoßen. Dean stieg zögernd die Treppe hinauf und folgte mir ins Haus. »Oh, mein Gott«, sagte er, sobald er drinnen war. Ich sah mich in Babettes Haus um, zufrieden mit dem, was ich in so kurzer Zeit vollbracht hatte. Ein Feuer prasselte im Kamin, und überall im Zimmer, auch auf dem mit Blumen und feinem Porzellan gedeckten Esszimmertisch, brannten Kerzen – ein romantisches Abendessen für zwei. Aus der Stereoanlage drang »Flower Girl of Bordeaux« von Juan Esquivel. »Hier. Gib mir deine Jacke.« »Danke.« »Keine Ursache.« Ich zog die Jacke von seinen Schultern und hängte sie an den Kleiderständer im Flur. Als ich mich umdrehte, betrat Dean zögernd das Wohnzimmer. »Interessante Musik«, bemerkte Dean. »Ich bin froh, dass sie dir gefällt.« Esquivel wird auch der »King des Weltraumzeitalter-Pop« genannt. Wenn Sie je die Chance haben sollten, Esquivels Musik und Leben kennen zu lernen, tun Sie es. Er
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gehört zu Recht in die Kategorie >Vermischtes< in Lanes CDSammlung. »Und was ist das?« Er zeigte auf ein ovales Tablett mit Crackern und Streichkäse. »Oh, nur ein paar Appetithappen vor dem Abendessen.« »Vor dem Abendessen?« »Ja.« »Gehen wir aus?« »Nein.« Ich hielt wie eine perfekte kleine Gastgeberin das Tablett hoch, und er steckte sich einen Cracker in den Mund. »Bestellen wir Pizza?« »Nein.« »Oh. Also…« »Ich habe dir Abendessen gemacht.« »Wie bitte?« »Steak, grüne Bohnen, Stampfkartoffeln…« »Du hast mir Abendessen gemacht?« »Das ist richtig.« »Du… hast mir… Abendessen gemacht.« »Und Nachtisch.« Dean blickte völlig verwirrt drein. »Okay, was geht hier ab?« »Tut mir Leid. Ich dachte, das wäre offensichtlich.« Ich lächelte. »Es ist Donna-Reed-Nacht.« Ich zog Dean zum Tisch und drückte ihn auf einen Stuhl. Ich suchte die passende Musik zum Abendessen aus und begann mit Shelley Fabares’ »Johnny Angel«. Dann servierte ich ihm ein selbst gekochtes Mahl, das Donna Reed stolz gemacht hätte. »Nun?«, fragte ich, nachdem er Gelegenheit gehabt hatte, die Mahlzeit zu kosten. »Was soll ich sagen?« »Du kannst sagen, es ist perfekt.« »Es ist perfekt.« »Vielen Dank. Nun, wie ist es wirklich?« »Es ist…perfekt.« »Ja?« »Wundervoll.« Er schüttelte den Kopf. »Ich meine, für mich hat noch nie jemand Abendessen gemacht. Abgesehen von meiner Mom, und glaube mir, das ist nicht dasselbe.«
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Wie lächelten uns im Kerzenlicht an. »Ich bin extrem froh, das zu hören.« Dean wollte sich eine weitere Portion Stampfkartoffeln nehmen. »Warte!«, rief ich. »Du musst doch noch Platz für den Nachtisch lassen!« »Oh, richtig.« Er lehnte sich zurück. »Was gibt es denn?« Ich grinste. »Limonen-Fantasie Supreme.« »Und das ist?« Ich sprang auf und rannte zum Kühlschrank, drehte mich dann um und hielt zwei Dessertgläser hoch. »Grüne Götterspeise mit Schlagsahne.« Dean lachte laut. »Du bist verrückt!« Aber als ich mich umdrehte, um unseren Nachtisch abzustellen, bemerkte ich etwas. Dort im Kühlschrank lag noch eine Packung mit Fertigteig. »Oh, nein. Ich habe die Brötchen vergessen.« »Was?« Ich nahm die Packung heraus und kehrte an den Tisch zurück, um sie Dean zu zeigen. »Ich wollte Brötchen machen!« »Nun, das ist okay.« »Ich kann nicht fassen, dass ich sie vergessen habe.« Stirnrunzelnd hämmerte ich die Packung auf den Tisch, damit sie aufplatzte. Aber sie prallte nur von der Tischkante ab. »Was machst du denn da?«, rief Dean. »Ich werde jetzt Brötchen machen.« Ich schlug wieder und wieder mit der Packung auf den Tisch. »Okay, wow! Hör auf. Komm schon…« Dean ergriff meine Hände und zog mich auf seinen Schoß, nahm mir dann die Packung ab und legte sie auf den Tisch. »Wir brauchen wirklich keine Brötchen«, sagte er sanft. »Donna hätte nie die Brötchen vergessen«, schmollte ich. »Man wird mich zwingen, meine Perlen zurückzugeben.« Dean lachte und gab mir einen langen, süßen Kuss. Als wir uns voneinander lösten, grinste er. »Ich verspreche dir, ich werde jedem in den Hintern treten, der auch nur in die Nähe dieser Perlen kommt.« Ich lächelte, und er küsste mich wieder. Dann seufzte er. »Rory…« »Ja?« »So wundervoll diese ganze Sache auch war, ich meine die Musik,
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das Kleid, das Abendessen… ich hoffe, du weißt, dass ich nicht von dir erwarte, dass du Donna Reed bist. Ich will nicht, dass du Donna Reed bist. Das war es nicht, was ich gemeint habe. Diese ganze Sache ist nur total außer Kontrolle geraten. Ich bin wirklich glücklich mit dir.« »Ich weiß«, sagte ich. »Und ich weiß das zu schätzen. Aber davon abgesehen, dass es richtig Spaß macht – ich habe ein paar Nachforschungen über Donna Reed angestellt.« »Du hast Nachforschungen über Donna Reed angestellt?« »Sieh mal.« Ich stand auf und griff nach den Seiten, die ich aus dem Internet ausgedruckt hatte. »Hier, sie hat die mustergültige, Milch und Kekse servierende Hausfrau in den weiten Röcken gespielt, aber abgesehen davon war sie auch die Produzentin und Regisseurin ihrer Fernsehserie, was sie zu einer der ersten maßgeblichen Frauen beim Fernsehen machte. Das ist schon ziemlich beeindruckend.« »Da bin ich aber froh, dass sich das als eine so positive Erfahrung für dich entpuppt hat.« »So ist es. Und obwohl ich in meinem linken kleinen Zeh wahrscheinlich nie wieder etwas fühlen werde«, fügte ich hinzu, »würde ich es wieder tun.« »Ja?« »Eines Tages.« Ich lächelte Dean an. »Aber jetzt sollte ich besser die Teller spülen.« Ich stand auf und begann den Tisch abzuräumen. Dean sprang auf. »Ich helfe dir.« »Tut mir Leid«, scherzte ich. »Du bist ein Mann. Du kannst mir erst in fünfzehn Jahren helfen.« »Okay«, sagte Dean, »dann werde ich als Mann das tun, was von einem Mann erwartet wird.« »Bowlen gehen?« »Den Müll rausbringen.« Wir lachten, froh, dass zwischen uns wieder alles in Ordnung war. Dean brachte den Müll nach draußen und ich beeilte mich, den Tisch abzuräumen und die Teller in die Küche zu tragen. Ich deckte den Tisch neu, nahm unseren Nachtisch aus dem Kühlschrank und servierte ihn. Da Dean noch nicht zurückgekommen war, belud ich den Geschirrspüler.
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Ein paar Minuten später war Dean noch immer nicht zurückgekehrt und unser Nachtisch sah merkwürdig aus, deshalb rannte ich auf die hintere Veranda, um ihn zu suchen. »Hey, die Götterspeise schmilzt bereits und…« Ich erstarrte. Dean stand mit seinem Müllbeutel im Hinterhof, während Luke auf der anderen Seite des Hofes einen mit Abfall gefüllten Karton in den Händen hielt, aus dem eine unserer Lampen ragte, – zerbrochen. Mom und ich standen wie Spiegelbilder da und sahen uns über das Geländer der Seitenveranden der beiden Häuser an. »Oh, Mom. Luke.« »Rory«, grüßte Luke. »Hi«, sagte ich lässig, als würde ich nicht ein weites Fünfzigerjahrekleid tragen, während mein Freund den Müll nach draußen brachte. »Ah… was zum Teufel habt ihr beide gemacht?«, fragte Mom unverblümt. »Nichts!«, sagte Dean hastig. »Sie, äh, wir haben zu Abend gegessen, wissen Sie, Steaks und Bohnen…« »Aus der Dose«, warf ich ein. Mom nickte. »Aus der Dose.« »Nicht frisch«, sagte ich. »Nein«, nickte Luke. »Nein«, wiederholte Mom. »Und Kartoffeln«, sagte Dean, als würde das alle Fragen klären. »Aus einer Fertigpackung«, fügte ich hinzu. »Aber sie waren trotzdem gut.« Dean drehte sich um und lächelte mich an. »Danke.« »Keine Ursache.« Mom und Luke starrten uns nur weiter an. Dann fragte ich mich, was Luke zu dieser späten Stunde in unserem Haus trieb. »Und was habt ihr gemacht?«, fragte ich unschuldig. Luke wurde daraufhin ganz blass und wandte sich Hilfe suchend an Mom. »Wir? Oh, wir waren nur… äh, im Haus…« »Ja«, sagte Luke, »und dann ist die Lampe irgendwie… Ich muss gehen.« »Ja«, nickte Mom.
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»Es tut mir Leid wegen der…«, fuhr Luke fort. »Oh, vergiss es«, wehrte Mom ab. »Tschüss«, murmelte er und ging. Dean drehte sich um und sah mich an. »Ich sollte wahrscheinlich auch gehen«, meinte er. »Danke für das Abendessen.« »Keine Ursache.« Und dann gab es nur noch Mom und mich. Wir starrten uns an. Ich hatte die Arme verschränkt und wartete. Und dann legte Mom den Kopf zur Seite und grinste. Ich trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Was?«, fragte ich. »Okay, du bist sechzehn«, sagte Mom. »Du hast an diesem Abend ein ganzes Haus für dich allein. Ich erwarte, dass du deinen Freund bei dir hast.« Dann kicherte sie. »Aber was soll die Schürze?« Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist eine lange Geschichte.« »Gehört dazu auch ein harter Schlag gegen den Kopf?« Ich lächelte nur und wies über meine Schulter. »Ich muss nach Apricot schauen.« »Oh, mein Gott! Ich habe sehe gerade die Perlen.« »Ich gehe jetzt«, erklärte ich und stieß die Tür auf. »Ja. Gut. Ich muss auch reingehen«, sagte Mom, am Rande eines hysterischen Gelächters. »Ich muss mir dringend aufschreiben, auf welche Weise ich dich foltern werde, um etwas über diese Aufmachung herauszukriegen.« »Gute Nacht!«, rief ich fröhlich. »Oh, aber könnte ich vielleicht noch ein Foto haben?«, rief Mom mir nach. »Denn ein visueller Beweis würde sicherlich helfen. Oh! Oh, diese Schuhe!«, kreischte sie. »Ich sterbe!« Ich verdrehte die Augen und schloss die Tür. Drinnen sah ich mich in der Küche und im Wohnzimmer um, betrachtete die Kerzen, die noch immer brannten, und die LimonenFantasie Supreme auf dem Tisch. Ich dachte daran, wie nett alles gewesen war… Dann wandte ich mich ab, um nach Apricot zu sehen. Ich hatte das Kätzchen schlafend auf einem bestickten Kissen auf der Couch zurückgelassen. Aber jetzt war es fort. Ich rief seinen Namen und durchsuchte hastig das Haus. Hatte ich die Tür offen gelassen, als ich nach draußen gegangen
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war? In Panik rannte ich hinaus. »Mom!«, schrie ich. »Ich kann Apricot nicht finden!« »Was? Nein!« »Es war auf der Couch, als ich nach draußen ging, und jetzt ist es nirgendwo zu sehen!« »Okay. Das reicht. Wir sind keine Tierfreunde! Punkt!« Und sie eilte herüber, um mir bei der Suche nach dem Kätzchen zu helfen. Wir fanden es schließlich zusammengerollt in einer von Moreys Slippern. Dann brachte ich Mom dazu, mir zu erzählen, warum Luke in unserem Haus gewesen war. Sie gestand, dass Stella aus ihrem Käfig entkommen war und sie Luke angerufen hatte, damit er ihr half, sie wieder einzufangen. Ich fragte mich, warum sie von allen Leuten in der Stadt ausgerechnet Luke angerufen hatte. Sie sagte, sie hätte es getan, weil sie gerade den Abend mit ihm verbracht hatte, aber manchmal wundere ich mich über die beiden. Doch bevor ich Mom weitere Fragen stellen konnte, sah sie den grünen Nachtisch, und ich war gezwungen, sie durch die Tür zu schieben, um etwas Ruhe zu bekommen.
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5 Am nächsten Abend fuhren wir zu unserem regelmäßigen Freitagabendessen zu Grandma und Grandpa. Wir klingelten und warteten. Klingelten erneut. Klopften. Niemand öffnete. Mom wollte auf dem Absatz kehrtmachen und heimfahren, aber das ich ließ nicht zu. Jetzt waren wir schon mal da, und ich wusste, dass Grandma und Grandpa uns auf keinen Fall versetzen würden. Während wir weiter darauf warteten, dass die Tür geöffnet wurde, ließ sich Mom erneut über meine Donna-Reed-Aufmachung aus. Sie war während der ganzen Fahrt das Hauptthema gewesen, mit leichten Variationen. Diesmal schlug sie vor, dass wir uns beide entsprechend anziehen sollten, wenn wir die Donna Reed Show sahen – eine Art verdrehte Rocky Horror Picture Show. Verzweifelt klopfte ich erneut und hoffte, die Tür würde sich endlich öffnen. Wundersamerweise tat sie es auch. »Lorelai, Rory«, stieß Grandma hervor. »Hey, ich dachte schon, die Klingel ist kaputt, weil…«, begann Mom. »Kommt rein, kommt rein!« »… wir schon eine Weile hier stehen und klingeln und…«, fuhr Mom fort. Aber Grandma war bereits davongerauscht. Mom und ich wechselten einen Blick. »Okay«, sagte sie zu mir. »Ich schätze, wir sollten jetzt reingehen.« Wir begaben uns ins Wohnzimmer, wo meine Großeltern über die Freisprecheinrichtung des Telefons redeten. Grandma und Grandpa gingen im Raum auf und ab, während sie sich mit jemandem unterhielten. »Und das wäre derselbe Preis, den wir für unser altes Haus gezahlt haben?«, fragte Grandma. »Genau derselbe«, bestätigte der Mann am anderen Ende. »Abgesehen von der Grundsteuer«, stellte Grandpa fest. »Nun, die Grundsteuer ist höher«, bestätigte der Telefonmann. Mom und ich sahen uns an und fragten uns, in was wir da wohl hineingeplatzt waren. Wir zogen unsere Jacken aus, während sie
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weiterredeten. »Aber das Grundstück ist größer, Richard«, sagte Grandma. »Ich versuche nur, alle Informationen zu bekommen, Emily«, erwiderte er. »Alle Informationen besagen, dass dies unsere letzte Chance ist, in dieser Saison nach Martha’s Vineyard zu kommen. Das sind alle Informationen«, erwiderte Grandma. »Mir ist klar, in welcher Lage wir uns befinden, aber dies ist eine geschäftliche Transaktion«, erklärte Grandpa. »Oh, um Himmels willen«, seufzte Grandma. Mom öffnete ihre Handtasche und nahm eine angebrochene Tüte Gummibärchen heraus, als wir uns setzten, um die Show zu genießen, und Grandma und Grandpa enttäuschten uns nicht. »Da dies eine geschäftliche Transaktion ist, bei der wir Geld ausgeben und bestimmte Güter und Dienstleistungen erhalten…«, fuhr Grandpa fort. »Jetzt behandelt er mich auch noch von oben herab. Wie schön.« »… muss ich dieses Gespräch mit derselben Sorgfalt und Genauigkeit führen wie jedes andere Gespräch, bei dem es um eine geschäftliche Transaktion geht. Sei bitte so freundlich und erlaube es mir.« »Richard! Emily! Bitte!«, schrie der Mann aus dem Lautsprecher. »Du liebe Zeit, Sie haben mich erschreckt«, sagte Grandma. »Das tut mir Leid. Ich wollte nur sagen, dass ich sicher bin, dass wir über die Grundsteuer verhandeln können.« »Nun, das wäre schön«, entgegnete Grandpa. Sie beendeten das Gespräch und legten sichtlich zufrieden den Hörer auf. »Was ist los?«, fragte Mom. »Oh, deine Mutter und ich haben uns gerade ein Haus in Marthas Vineyard gesichert«, erklärte Grandpa selbstgefällig. »Wirklich?«, sagte ich. »Das ist toll.« »Ich dachte, euer altes Haus wäre besetzt«, warf Mom ein. »Das ist es auch«, bestätigte Grandma. »Aber heute Nachmittag haben wir erfahren, dass Arthur Roundtree gestorben ist.« »Er war ein Trinker«, verriet Grandpa. »Wir griffen also nach dem Telefon« – Grandma schnippte mit den Fingern – »und schnappten uns dieses Haus!« Ich starrte meine Mom an. Sie war genauso verblüfft wie ich. »Ein schönes Grundstück«, sagte Gran dpa.
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»Viel besser als unser altes«, stimmte Grandma zu. Sie sahen begeistert aus. »Ihr beide werdet direkt zur Hölle fahren«, verkündete Mom. »Ich hoffe, ihr wisst das.« »Nun, wenigstens werden wir es vorher gemütlich haben.« Grandpa kicherte über seinen kleinen Scherz. »Touche«, erwiderte Mom. »Ihr beide müsst uns am Wochenende besuchen«, drängte Grandma. »Es ist so schön. Rory wird es gefallen.« »Können wir am Wochenende hinfahren?«, fragte ich Mom. Sie tätschelte meine Hand. »Wir werden sehen, wie viel Valium Tante Sookie Mommy leihen kann, okay?« »Der einzige Nachteil ist natürlich, dass wir das Haus möbliert mieten mussten«, fuhr Grandma fort, »und Arthur hatte einen schrecklichen Geschmack. Erinnerst du dich an die Bibliothek, Richard?« Sie griff nach seiner Hand. Grandpa nahm ihre Hand in seine und lachte herzhaft. »Grün und rosa! Entsetzlich, einfach entsetzlich!« »Nun, da er jetzt tot ist, schätze ich, dass er seine Strafe bekommen hat«, fügte Mom hinzu. Meine Großeltern erstarrten und sahen sie peinlich berührt an. »Lorelau«, schalt Grandma. »Du bist geschmacklos.« Moms Kinnlade fiel nach unten. »Ich bin geschmacklos?« »Neues Thema bitte«, warf ich ein. »Joan und Melissa Rivers sagen mir, dass ich geschmacklos bin!«, murmelte Mom. Ich gab ihr einen Rippenstoß. »Rory«, sagte Grandma, während sie nach ihrem Drink griff und lächelte, als hätte es den Wortwechsel nie gegeben, »was gibt es Neues in deinem Leben?« Ich zuckte mit den Schultern. »Nicht viel. Nur Schule, Hausaufgaben…« »Schürzen«, sagte Mom. Ich funkelte sie an. »Tu das nicht.« Aber natürlich hört Grandma alle Dinge, die sie nicht hören soll. »Was meinst du mit Schürzen?« »Nichts, Mom. Ich habe sie nur ein bisschen geärgert.« »Ich verstehe nicht.«
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»Es ist nicht wichtig«, sagte Mom. »Dann klär mich auf«, beharrte Grandma. »Es ist nichts. Rory hat gestern eine niedliche Schürze angezogen, und ich habe sie deswegen geärgert.« »Warum hast du eine Schürze angezogen?«, fragte Grandma. Mom sah mich an. Ich schüttelte andeutungsweise den Kopf. Nicht! Bitte! »Nun«, sagte Mom, »wir haben uns entschlossen, diesen nervtötenden Harvard-Traum aufzugeben und uns auf etwas Realistischeres zu konzentrieren. Mom… Dad…« Sie legte eine Hand auf meine Schulter und lächelte, als sei dies der stolzeste Tag ihres Lebens. »Rory hat sich entschlossen, Zimmermädchen zu werden, genau wie ich damals.« Die Welt hörte eine Sekunde lang auf, sich zu drehen, als meine Großeltern uns anstarrten. »Soll das witzig sein?«, brachte Grandma schließlich hervor. Sie wandte sich an Grandpa. »Hält sie das etwa für witzig?« Grandpa war gleichermaßen erschüttert. »Was bringt dich nur dazu, so etwas zu sagen?« »Und dann noch vor Rory!«, fügte Grandma hinzu. »Es war ein Scherz«, erklärte Mom. Ich denke, sie amüsierte sich prächtig über die Reaktion, die sie erntete. »Gott!« Grandma griff sich an die Brust. »Mein Herz ist stehen geblieben.« Grandpa nahm sein Glas Scotch. »Warum erzählst du ihnen nicht von deinem Vogel?«, schlug Mom vor und tätschelte mein Bein. »Das scheint mir ein sicheres Thema zu sein.« »Dein Vogel?« Grandpa trank einen Schluck. Ich nickte erleichtert. »Ja, es ist für die Schule. Jeder von uns soll ein Küken bei seinem gesamten Wachstumsprozess begleiten. Über alles muss genau Buch geführt werden. Fressgewohnheiten, Schlafgewohnheiten…« »Houdini-Gewohnheiten«, warf Mom ein. »Es ist ausgebüxt«, erklärte ich. »Und weit gekommen.« »Aber es lebt.« »Und es ist ein besserer Vogel geworden.«
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»Gott sei Dank, dass Luke es gefunden hat«, sagte ich. »Luke hat es gefunden?«, fragte Grandma sofort. Mom schnitt eine Grimasse. »Was?« »Rory sagte, dass Luke es gefunden hat.« »Das ist deine Rache für die Sache mit der Schürze, was?«, murmelte Mom. »Tut mir Leid«, flüsterte ich zurück. »Ist der Vogel in Luke’s Diner ausgebüxt?«, hakte Grandma nach. Mom schüttelte den Kopf. »Der Vogel ist zu Hause ausgebüxt.« »In deinem Haus«, sagte Grandma. »Ja-a.« Mom sprang auf und wandte sich zur Bar. »Ah.« Ich versuchte hastig das Thema zu wechseln. »Nun, Grandpa, wohin geht deine nächste Reise?« »Nach Madrid. Am zwölften.« »Wow.« »Ich glaube, für dich ist vielleicht eine schöne Ausgabe von Cervantes drin«, erklärte er mir mit einem Lächeln. Die Liebe zur Weltliteratur gehört zu den Dingen, die wir gemeinsam haben, und er unterstützt meine Leidenschaft, indem er regelmäßig meine Bibliothek wertvoller gebundener Bücher aufstockt. »Gracias«, erwiderte ich. Ich sah Grandma an. Es funktionierte nicht. Das einzige Wort, das sie in den letzten zehn Minuten gehört zu haben schien, war »Luke«. »Was hat Luke denn in deinem Haus gemacht?«, fragte sie Mom. Mom verspannte sich. »Oh, sieh mal. Kein Eis mehr da«, sagte sie und hielt den Eiseimer hoch. »Ich hole welches.« Und sie entkam in die Küche. Grandma war sofort auf den Beinen. »Ich habe dir eine Frage gestellt.« Sie redeten so laut, dass ich jedes Wort hören konnte. »Er hat mir bei der Suche nach dem Vogel geholfen, Mom.« »Wirklich?« »Ja, wirklich.« »Und woher wusste er, dass der Vogel verschwunden war? Ist er etwa am Haus vorbeispaziert und hörte deine flehenden Hilferufe?« »Mom…« »Oder das hilflose Piepen eines Kükens in Not?«
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»Ich habe ihn angerufen, Mom. Okay? Ich habe ihn angerufen und ihn gebeten, herüberzukommen und mir bei der Suche nach dem Vogel zu helfen. Okay?« »Dieser Mann scheint immer in der Nähe zu sein, wenn du in Schwierigkeiten bist.« »Er ist ein guter Freund.« »Oh, bitte.« »Müssen wir das denn unbedingt ausdiskutieren?«, fragte Mom in dem verzweifelten Versuch, das Gespräch zu beenden. »Lorelai, ich bin es allmählich leid, angelogen zu werden.« »Offenbar gilt das für uns beide.« »Dieser Mann war auf Rorys Geburtstagsparty. Er ist mit dir ins Krankenhaus gekommen. Er ist die männliche Hauptfigur in jeder Geschichte, die du erzählst. Du gehst jeden Tag in sein Lokal. Ich habe bemerkt, wie er dich ansieht und wie du ihn ansiehst. Ich bin keine Närrin.« »Mom, biiiitte.« »Warum behandelst du mich, als hätte ich nicht die leiseste Ahnung, was in deinem Leben vor sich geht?« In ihrer Stimme lag ein gekränkter Unterton. »Jetzt bitte ich dich, mir den Gefallen zu tun – sofern du mich als deine Mutter überhaupt noch respektierst – und mir zu sagen, ob du Gefühle für diesen Mann hast.« »Ich weiß es nicht. Vielleicht. Ich habe noch nicht richtig darüber nachgedacht… vielleicht ist es so.« »Danke«, sagte Grandma leise. »Ich bin froh, dass du endlich ehrlich zu mir gewesen bist.« Und dann: »Jetzt können wir darüber reden, was in aller Welt du dir dabei gedacht hast!« Mom und Grandma kamen schließlich ins Wohnzimmer zurück, und wir aßen zu Abend, als hätte es nie die Diskussion über Schürzen, Küken und Luke gegeben. Am nächsten Nachmittag traf ich auf dem Heimweg von der Bücherei Mom und Luke. Sie hatten gerade vor dem Diner Unmengen an Farbeimern aus seinem Truck entladen. Mom ging davon, und ich rannte los, um sie einzuholen. »Hey!« »Hey, du«, sagte sie, legte ihren Arm um mich, und wir gingen zusammen über den Bürgersteig. Sie war bester Laune. Die Straßen waren nass vom Regen, aber die Sonne war herausgekommen und zeichnete den Schatten eines Baumastes auf das Pflaster.
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»Jesses, denkst du, er hat genug Farbe?«, fragte ich. »Ich weiß.« Mom nickte. »Ich habe versucht, es ihm zu sagen. Jetzt zum Abendessen. Irgendwelche Vorschläge?« »Lass uns etwas essen«, erklärte ich nachdrücklich. »Wie wäre es mit Chinesisch?« »Klingt gut.« »Toll. Ich muss nur vorher zum Market und Obst holen«, sagte sie. »Warum?« »Ich denke, ich bekomme Skorbut.« »Wirklich?« »Ja. Nun, das oder eine Erkältung. Aber so oder so, ich brauche Obst.« Wir erreichten Doose’s Market, wo große Kisten mit Orangen, Äpfeln, Pfirsichen und Weintrauben vor der Tür standen. Wir wählten die Früchte aus, als ein Motorrad über den Platz dröhnte. Taylor Doose stürmte mit finsterem Gesicht aus seinem Laden. »Verdammte Motorräder! Sie sind eine Geißel.« »Ja!«, rief ich in gespielter Empörung. »Ja!«, fiel Mom ein. »Sie sind laut, sie sind gefährlich. Wir sollten sie aus der Stadt verbannen«, ereiferte sich Taylor. »Hmm. Vielleicht sollten wir Barrikaden errichten und alle unerwünschten Fremden daran hindern, die Grenze zu überqueren«, sagte Mom. Taylor steckte seine Hände in die Hosentaschen und nickte – sich nicht bewusst, dass Mom ihn verspottete –, doch dann dämmerte es ihm… »Nun… nun, das können wir nicht tun. Es wäre illegal.« »Verdammte Gesetze«, knurrte Mom. Der Motorradfahrer ließ seinen Motor aufheulen. »Ach! Ich muss weg von diesem Krach!« Und Taylor stampfte zurück in den Laden. Mom hakte sich bei mir ein und trat an den Straßenrand, um besser sehen zu können. »Töte mich und begrab mich mit diesem Motorrad«, sagte sie sehnsüchtig. »Was ist das, eine Harley?«, fragte ich. »Das ist eine 2000 Indian, achtzig Pferdestärken, Fünf-Gang-
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Andrews-Getriebe. Und ich will eine haben.« »Nein«, sagte ich nachdrücklich. »Warum nicht?« »Du würdest sterben.« »Oh. Deshalb.« Und dann hielt das besagte Motorrad am Straßenrand. Der Scheinwerfer erlosch, der Motor erstarb. Wir drehten uns um und gingen zurück zum Market. »Hey!«, rief der Motorradfahrer. Wir konnten sein Gesicht nicht erkennen – er trug einen glänzenden, schwarzen Helm und eine Sonnenbrille –, aber ich wusste, dass ich dieses Motorrad noch nie in der Stadt gesehen hatte. Mom blieb stehen und blickte misstrauisch über ihre Schulter. Sie starrte den Motorradfahrer an. Dann sagte sie: »Hi.« Ich war bereits halb im Market, aber ich verharrte und spähte hinaus, als der Motorradfahrer sagte: »Nettes Shirt…« Er stieg von dem Motorrad. »Zieh es aus.« Wir waren empört. Für wen hielt sich dieser Kerl? Wir verfolgten, wie der Motorradfahrer seinen Helm abnahm. »Christopher…«, flüsterte Mom. »Dad!«, schrie ich und flog in seine Arme.
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6 Mein Dad packte mich und wirbelte mich herum. »Das ist toll!«, rief ich, als er mich wieder abstellte. »Was machst du hier?« »Ich bin hier, um dich zu sehen… und deine Mom«, er warf ihr einen Seitenblick zu, »die allerdings keinen Ton von sich gibt.« »Hallo«, murmelte Mom, noch immer völlig verblüfft. »Ein Wort!«, sagte Dad. »Hu! Vielleicht gibt es in nicht allzu ferner Zukunft einen Satz.« Aber dann sah er an ihr vorbei und senkte seine Stimme. »Okay, warum starrt der Mann mich denn so an?« Mom folgte seinem Blick, als ich antwortete. »Oh, das ist Taylor Doose. Ihm gehört der Laden. Er kennt alle und sieht alles!« »Also, äh, wieso tauchst du so plötzlich auf, Mr Spontaneität?«, fragte Mom. Dad zuckte die Schultern. »Nun, meine Eltern sind wieder in Connecticut. Ich bin hier, um sie zu besuchen, und unterwegs dachte ich mir, am besten schaue ich mal vorbei und überrasche die Gilmore Girls. Bist du überrascht?« »Und ob. Die kleinste Feder… könnte mich glatt umhauen«, sagte Mom. »Nun, wo kann man hier übernachten?«, fragte er mich. »Übernachten? Wirklich? Du übernachtest hier?« Das war zu schön, um wahr zu sein. »Ich denke darüber nach.« »Übernachte doch bei uns!«, sagte ich und wurde immer aufgeregter. Mom trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Äh… Schätzchen…« Dad war auch ein ‘wenig unbehaglich zu Mute. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass deine Mom möchte, dass ich…« »Nein, nein, nein, das ist es nicht«, unterbrach Mom, »es ist nur so… ich bin noch immer überrascht.« »Mom, bitte!«, flehte ich. Mom seufzte und gab nach. »Warum bleibst du nicht ein paar Tage bei uns?«, sagte sie zu ihm.
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Dad strahlte. »Danke, Lor! Du wirst nicht einmal merken, dass ich hier bin.« Dann wandte er sich an mich und zeigte aufsein Motorrad. »Hey! Spring auf!« »Spring ab!«, sagte Mom sofort. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihr um. »Spring auf!« Dad gab mir den Helm. »Spring ab!« »Lorelai…« Dad schenkte ihr eines seiner charmantesten Lächeln. Ich fügte mein eigenes hinzu. Mom seufzte resigniert. »Spring auf.« Ich setzte den Helm auf, schwang mich hinter Dad aufs Motorrad, und wir brausten davon. Ich sah mich einen Sekundenbruchteil lang um und erhaschte einen Blick auf Mom, die dort stand und den Kopf schüttelte. Als wir nach Hause kamen, ging Dad nach oben, um zu duschen, während ich die Couch im Wohnzimmer zu einem Bett für ihn herrichtete. Ich schleppte tonnenweise Decken an, um es ihm so bequem und gemütlich wie möglich zu machen. »Er sieht gut aus, findest du nicht auch?«, fragte ich Mom, die auf und ab ging. »Er sieht gut aus«, stimmte sie zu. »Mir gefallen seine kurzen Haare.« »Kürzer ist netter.« »Denkst du, er wird lange bleiben?«, fragte ich, ohne sie anzusehen. »Ich würde nicht viel Geld darauf wetten«, erwiderte sie sanft. »Vielleicht können wir ihn überreden, ein paar Wochen zu bleiben«, sagte ich, während ich eine weitere Decke ausbreitete. »Absolut«, meinte sie. »Indem wir ihn unter Decken begraben.« Okay, möglicherweise übertrieb ich ein wenig. Aber ich war so aufgeregt. »Ich will es ihm nur bequem machen.« »Er wird kommen und gehen, wie es ihm gefällt, Babe«, sagte sie mit leiser, ernster Stimme. »Du weißt das.« »Ja. Ich weiß«, gestand ich. »Und es gibt nicht genug Bettzeug, um das zu ändern.« »Ja, aber er ist vorher noch nie nach Stars Hollow gekommen«, wandte ich ein. »Ich weiß.«
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»Nun, das bedeutet, dass sich irgendetwas geändert hat, stimmt’s?« Ich sah sie an. Mom lächelte wehmütig. »Warum genießt du nicht einfach die Zeit, die dir bleibt, okay?« Ich hörte eine Sekunde lang auf, die Decken auszubreiten, und drehte mich zu meiner Mom um. »Ja, okay.« Ich lächelte und schüttelte wieder Kissen auf, die bereits aufgeschüttelt waren. Ich verstand, warum Mom misstrauisch war. Doch ich wusste auch, dass sie es gewesen war, die sich von ihm getrennt hatte, nicht umgekehrt. »Aber ich glaube trotzdem, dass sich etwas geändert hat«, beharrte ich. Mom sah aus, als wollte sie etwas sagen, doch dann kam Dad die Treppe herunter, die Haare nass, ein Handtuch um seinen Hals geschlungen. »Das ist die schlimmste Dusche, die ich je benutzt habe«, beklagte er sich mit einem Grinsen, als er ins Wohnzimmer kam. »Der Wasserdruck ändert sich alle zwei Sekunden. Ich werde sie morgen reparieren.« »Hey, du bleibst von meiner Dusche weg«, warnte Mom. Ich lächelte, während ich sie beobachtete. »Wir haben chinesisches Essen bestellt«, sagte ich zu pad. »Es müsste jeden Moment hier sein.« »Gut. Ich verhungere.« »Hier.« Mom gab mir einen Becher Kaffee. »Hey, wie geht’s Diane?«, fragte ich, einen gehäkelten Afghanen an meine Brust gedrückt. Dad blickte ein wenig unbehaglich drein. »Ah, Diane ist längst Geschichte«, erklärte er mit einem schiefen Grinsen. Das schien Mom, die sich auf der Couch niederließ, nicht besonders zu erstaunen. »Als ich sie Ostern getroffen habe, hast du noch gesagt, sie könnte diejenige sein«, erinnerte ich ihn, leicht überrascht von der Neuigkeit. »Diejenige, die am Volkstrauertag wieder weg ist«, scherzte Dad, als er neben Mom auf der Couch Platz nahm. Ich verzog das Gesicht. »Du bist schlimmer als Mom.« »Tiefschlag!«
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»Kannst du denn einen Mann nicht glücklich machen?«, stichelte Dad. »Oh, ich mache sie glücklich«, erwiderte sie. »Ich mache sie sehr glücklich.« »Okay, nun übertreib mal nicht!«, sagte ich. »Ja, du verstörst uns!«, fügte Dad hinzu. Eigentlich hatte meine Mom Recht. Sie konnte einen Mann glücklich machen. Um genau zu sein, vor kurzem hatte sie sich von meinem Englischlehrer Max Medina getrennt, weil sie so glücklich waren, dass sie die Beherrschung verloren und beim Elternabend in Chilton wie Teenager herumgeknutscht hatten. Und wie das Glück es wollte, hatte Paris Geller, eine Klassenkameradin, die sich nichts sehnsüchtiger wünschte, als mich versagen zu sehen, die ganze Sache beobachtet und die Neuigkeit binnen Minuten in der Schule verbreitet. Sogar Grandma hatte es bei unserem nächsten Freitagabendessen schon gehört. Mom sagte, sie hätte sich getrennt, um mich zu schützen, aber ich halte das für Quatsch. Doch ich weiß, dass der kleine Zwischenfall Mr Medina fast seinen Job gekostet hätte, und es ist vielleicht besser, dass sie getrennt sind, bis sie lernen, sich zu beherrschen. Aber im Moment war es eigentlich nicht weiter wichtig. Ich war heilfroh, dass mein Dad ein paar Tage bei uns war, und wer weiß? Vielleicht würden sich die Dinge zwischen ihnen ändern, wenn sie etwas Zeit miteinander verbrachten. Es konnte nicht schaden, ihnen diese Chance zu geben. »Ich werde ein wenig lernen, bis das Essen kommt«, sagte ich unschuldig. Dad starrte mich verblüfft an. »Was?« »Ich will meine Wochenendhausaufgaben bis Samstag erledigen, damit ich mich am Sonntag mit anderen Dingen beschäftigen kann«, erklärte ich. Als ich in mein Zimmer ging, hörte ich Mom murmeln: »Sieh mich nicht an…« Ich konnte sie im anderen Raum reden hören, als ich meine Bücher herausnahm. Es klang richtig nett. Manch mal lag ich nachts wach und fragte mich, wie es wohl wäre, beim Klang der Stimmen meiner Eltern einzuschlafen, wenn sie sich leise im anderen Zimmer unterhielten. Als ich mit meinen Hausaufgaben begann, fiel mir ein, dass ich für
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den nächsten Morgen Pläne hatte, und ich fragte mich, ob mein Dad mitkommen würde. Ich eilte zurück ins Wohnzimmer. »Hey, ich habe vergessen, dich etwas zu fragen. Morgen früh gehe ich zu einem Softballspiel. Willst du mitkommen?« Dad war überrascht. »Du spielst Softball?« Mom und ich lachten. »Ah, nein.« »Okay, schön«, sagte Dad. »Wer spielt dann?« »Mein Freund Dean.« »Dean…« »Ja. Dean. Es fängt um neun an.« »Äh, sicher. Abgemacht«, erklärte er. Ich kehrte in mein Zimmer zurück. Ich grinste, als ich Dad sagen hörte: »Sie hat einen Dean?« »Sie hat einen Dean«, bestätigte Mom. Am nächsten Morgen gingen Dad und ich zum Sportplatz hinüber, wo eine Hand voll Stadtbewohner in unregelmäßigen Abständen vor einer ständig wechselnden Gruppe von Zuschauern spielen. »Welcher davon ist Dean?«, fragte Dad, als wir uns der unüberdachten Tribüne näherten. »Der dort drüben.« Ich zeigte auf einen anderen Spieler. »Und das ist Luke.« »Luke ist der Kerl vom Diner.« »Ja. Wir essen praktisch jeden Tag dort«, sagte ich, als wir uns setzten. »Wie es aussieht, geht unsere Nummer drei zur Platte, Leute!«, schrie Luke seinen Mannschaftskameraden vom Wurfmal aus zu, als Dean auf die Platte trat. »Ich an deiner Stelle würde deine Jungs weiter hinten auf dem Feld postieren, Luke«, erwiderte Dean. »Warum? Damit sie besser sehen können, wie du es verpatzt?« Dean lachte. »Ich werde den Ball nur dann nicht treffen, wenn du zu schwach bist, um ihn über die Platte zu bekommen.« Kirk, einer der Einheimischen, die hinter uns saßen, rief: »Die Wahrheit ist, dass er nicht werfen und du nicht treffen kannst. Ihr passt also perfekt zusammen.« »Halt die Klappe, Kirk«, fauchte Luke. »Ein geradezu historischer Mangel an Taten«, fuhr Kirk fort.
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»Weißt du mit deinen Wochenenden nichts Besseres anzufangen?«, fragte Luke. »Was soll ich sagen, ich bin einfach comedysüchtig«, entgegnete Kirk. Dean bemerkte mich und winkte mir kurz zu, als sich Kirk an mich und meinen Dad wandte. »Sie spielen schon eine halbe Stunde, und es steht noch immer null zu null.« Er konzentrierte sich wieder auf das Feld und verspottete weiter die Spieler. »Hey, wenn ihr mit dieser Show auf Tournee gehen wollt, habe ich einen Namen dafür! Null und Null. Dean Null und Luke Null. Kapiert?« »Das klingt nicht mal ansatzweise clever!«, schrie Luke zurück. »Ich hab’s für dich vereinfacht, Alfalfa.« Dad schien von diesem Wortwechsel genauso amüsiert zu sein wie ich selbst. »Wie lange dauern diese Spiele?« »Bis sie müde werden«, erklärte ich. »Dann sagen sie einfach >Das erste Team, das einen Lauf erzielt, gewinnt<.« »Ja, es geht hier richtig professionell zu«, warf Kirk ein. »Hey, Luke, spielt dein Ehemann auch Softball?« »Das reicht!« Luke warf seinen Handschuh auf den Boden und stürmte zur Tribüne. Kirk stand hastig auf. »Mein Pager hat sich gemeldet, ich muss gehen!«, sagte er, als er davoneilte. Dean nutzte die unerwartete Unterbrechung um herüberzukommen, während mein Dad verfolgte, wie Kirk davonrannte, und die Show genoss, die ihm geboten wurde. »Hey.« »Hey.« Mein Dad und ich standen auf, und ich stellte sie einander vor. »Dean, das ist mein Dad. Dad, das ist Dean.« Dad nickte. »Dean.« »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen«, sagte Dean höflich. »Ich auch.« »Nun, leben Sie in der Gegend?«, fragte Dean. »Nein. Ich habe etwas Zeit und bin mit meinem Motorrad von Berkeley hierher gefahren.« Deans Augen leuchteten auf. »Wirklich? Was für eins haben Sie?« »Eine 2000er Indian.« »Ich habe eine ‘86er Suzuki.« »Nett.«
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»Ja.« »Dean, komm!«, unterbrach Luke, der wieder auf dem Wurfmal stand. »Ich muss gehen«, sagte Dean. »Wir sehen uns später. Es war nett, Sie kennen zu lernen.« Dad und ich setzten uns wieder auf die Bank. Er hatte dieses seltsame Grinsen auf dem Gesicht. »Das war also ein Dean.« »Das war ein Dean«, bestätigte ich stolz. Dean, wieder auf dem Feld, wandte sich an Luke. »Hey, der nächste Lauf gewinnt, in Ordnung?« Luke sah ihn an und antwortete schließlich. »In Ordnung.« Nach dem Spiel machte ich mit Dad die VIP-Tour durch Stars Hollow. »Das ist das Blumengeschäft der Stadt. Dort drüben ist die gute Pizzeria, das ist die Schreibwarenhandlung und das ist Al’s Pancake World.« »Gute Pfannkuchen?« »Oh, da gibt’s keine Pfannkuchen.« »Okay.« »Er hat vor ein paar Jahren auf internationale Küche umgestellt und die Pfannkuchen aus dem Programm genommen. Er hätte auch den Namen geändert, aber er hatte schon ungefähr eine Million Servietten mit seinem ursprünglichen Namen bedruckt, und deshalb hat er ihn einfach behalten.« Ich konnte erkennen, dass Dad versuchte, nicht zu lachen. »Was für eine Art internationale Küche?« »Das wechselt ständig. Letzten Monat galt sein Gruß Paraguay.« »Hat irgendjemand zurückgegrüßt?« »Eigentlich nicht.« Dann hörte ich, wie jemand meinen Namen rief. »Rory, Schätzchen, wie geht es dir, Liebes?« Ich lächelte, als ich mich zu Miss Patty umdrehte, die früher Tänzerin am Broadway war und jetzt die Inhaberin und Lehrerin von Stars Hollows einzigem Tanzstudio ist. Man kann sich darauf verlassen, dass sie nicht nur alles weiß, was in der Stadt vor sich geht, sondern auch hilft, jede Neuigkeit sofort zu verbreiten. Heute hatte sie einen glitzernden roten Schal um ihre Schultern gelegt und ihr Gesicht so geschminkt, als wollte sie ausgehen.
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»Miss Patty, das ist mein Dad Christopher.« Ihre Augen „weiteten sich in plötzlichem Interesse. »Dein Dad?« »Ich freue mich, Sie kennen zu lernen.« Dad schüttelte Miss Pattys Hand. »Sie sind Rorys Vater, gut, gut, gut.« Sie musterte ihn von Kopf bis Fuß und klimperte dann mit den Wimpern. »Wissen Sie, Christopher, wir alle sind hier irgendwie Rorys Eltern. Ich bin eine ihrer Mütter. Und da Sie ihr Vater sind, nun, das macht uns quasi zu – einem Paar. Was für ein Paar, weiß ich allerdings nicht.« »Okay, wir müssen jetzt gehen«, sagte ich. Miss Patty zwinkerte Dad zu. »Kommen Sie wieder und besuchen Sie mich.« »Mach’ ich«, versicherte er. Als wir davongingen, warf ich einen Blick über die Schulter zurück und sah, wie Miss Patty nach ihrem Handy griff. Eine Sekunde später hörten wir: »Nun, Sie müssen Rorys Vater sein!« Taylor Doose war aus seinem Laden gekommen, um uns auf der Straße zu begrüßen. »Taylor Doose«, stellte er sich vor. »Lebensmittelhändler von Stars Hollow.« Dad schüttelte Taylors Hand. »Es ist sehr nett, Sie kennen zu lernen.« Dad legte seinen Arm um mich, als wir weitergingen. »Neuigkeiten verbreiten sich hier schnell«, flüsterte er. »Ja, so ist es.« Als wir die Buchhandlung von Stars Hollow passierten, leuchteten Dads Augen auf, und er zog mich zur Tür. »Eine Buchhandlung! Gut. Komm mit.« Wir öffneten die Glastür und traten ein. »Hey, hey, Christopher!«, schrie jemand. Dad zuckte zusammen, als er sich zu der Stimme umdrehte. Ein bärtiger Mann lehnte mit dem Rücken am Ladentisch und grinste Dad breit an. Er trug eine karierte, orangefarbene Holzfällerjacke, einen Pullover über einem Jeansoverall und eine Strickmütze auf dem Kopf. »Jackson Belleville!«, stellte er sich mit dröhnender Stimme vor. Er schüttelte Dads Hand, als wären sie alte Collegekumpel. »Ah, hallo«, sagte Dad unsicher. Jackson lächelte und lehnte sich wieder an den Ladentisch. »Junge,
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ich muss Ihnen sagen, man hat Sie falsch beschrieben.« Dad blickte amüsiert drein. »Wirklich?« »Oh, ja. Viel mehr George Clooney als Brad Pitt. Hey, Andrew«, sagte er zu dem Mann hinter dem Ladentisch, der meinen Dad ebenfalls offen anstarrte. »Ja?« »Denkst du nicht auch, dass er mehr an George Clooney als an Brad Pitt erinnert?« Andrew, der Inhaber der Buchhandlung, musterte Dad und schüttelte den Kopf. »Ich würde ihn eher mit Billy Crudup vergleichen.« »Wirklich?« »Oh, ja.« Jackson schüttelte den Kopf. »Das sehe ich nicht so. Vielleicht von der Seite. Hey, gestatten Sie?« Er streckte die Hände aus und ergriff Dad an den Schultern. »Was? Oh, ja. Sicher.« Jackson drehte Dad von einer Seite zur anderen und betrachtete sein Profil. Dad nahm es mit Fassung hin. »Ah, nun ja, er hat etwas von Crudup an sich«, gab Jackson schließlich zu. »Aaalso, es ist nett, Sie kennen zu lernen, wem auch immer Sie ähneln.« »Ich hab mich auch gefreut, Sie kennen zu lernen«, erwiderte Dad. Er grinste mich an, als er mich vom Ladentisch wegzog und wir uns in der Buchhandlung umschauten. »Okay, ich entführe dich und bring dich von hier fort«, sagte er gedämpft. »Sie alle meinen es nur gut.« »Ja, ich bin sicher, dass alle Irren nur die besten Absichten haben.« Er lächelte. »Okay, ich hörte, du magst Bücher.« »Warum? Ja, das stimmt.« »Nun, ich möchte, dass du dir eins aussuchst. Ich werde es dir kaufen«, erklärte Dad und wies auf die Regale. »Dad! Du musst mir nichts kaufen.« »Komm schon«, beharrte er. »Was ist im Moment das Buch deiner Träume?« »Nun, das wäre eindeutig das Compact Oxford English Dictionary, aber, Dad…« »Entschuldigung!«, rief Dad über ein Bücherregal hinweg Andrew zu. »Einmal das Compact Oxford English Dictionary bitte!«
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»O-kay«, erwiderte Andrew, als er sich abwandte, um das Buch zu holen. »Dad, nein. Es kostet ein Vermögen!« »Du brauchst etwas, was dich an diesen Besuch erinnert«, beharrte Dad. Dads Augen weiteten sich, als er die riesige schwarze Box sah, die Andrew ihm brachte. »Hier, für Sie«, sagte Andrew, unter dem Gewicht leicht keuchend. »Heilige Mutter…« Dad nahm das Buch und hielt es vor sich. »Das ist der Monolith aus 2001!« »Es enthält alle Wörter der englischen Sprache und ihre Herkunft und ihren frühesten Gebrauch«, erklärte ich, als wir zur Kasse gingen. »Bist du sicher, dass du nicht lieber ein Auto möchtest?«, fragte er, als er es auf den Ladentisch legte. »Das wiegt ungefähr dasselbe.« Er zog eine goldene Kreditkarte aus der Tasche und gab sie Andrew. »Hier, für Sie.« Ich konnte es kaum glauben. »Das ist so lieb von dir.« »Nun ja, ich muss eine Menge Dinge wieder gutmachen«, sagte er sanft. »Nein, musst du nicht.« »Ja, muss ich doch«, beharrte er. Dann kam Andrew herüber. »Ah, es tut mir wirklich Leid, Christopher«, flüsterte er verlegen und hielt Dads Kreditkarte hoch, »aber Ihre Karte wurde…« – er formte mit dem Mund das letzte Wort – »… zurückgewiesen.« »Zurückgewiesen?« Dad blickte verblüfft drein. »Wovon reden Sie?« Andrew zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Ich könnte sie noch einmal durchlaufen lassen, wenn Sie wollen.« »Ja«, sagte ich nachdrücklich. Dad griff nach seiner Karte. »Äh… nein.« Er sah mich verlegen an. »Er muss sie nicht noch einmal durchlaufen lassen.« »Oh.« Ich starrte meine Hände an. »Okay.« »Äh, könnten Sie es vielleicht für uns zurücklegen?«, fragte Dad Andrew. »Ich komme morgen mit einer anderen Karte wieder.« »Sicher, Chris. Kein Problem.« »Danke. Komm«, sagte er zu mir.
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Draußen gingen wir eine Weile schweigend weiter. Dann sagte Dad: »Jetzt wirst du dich wirklich an mich erinnern.« »Ich wollte es sowieso nicht so dringend haben.« Er legte seinen Arm um mich und küsste mich auf die Stirn. »Hey, hör zu, erzähl deiner Mom nichts davon, okay?« »Okay.« »Danke.« Wir gingen weiter, blieben aber abrupt stehen, als wir eine laute Stimme sagen hörten: »Ja, das ist ihr richtiger Dad.« Wir blickten neugierig zu einer Menschenmenge hinüber, die sich an der Ecke versammelt hatte. Alle Augen waren auf Jackson gerichtet. »Er scheint sehr nett zu sein, ist irgendwie lässig-locker gekleidet, wie ein Großstädter, und er scheint Geld zu haben, denn er hat diese Geldnase und…« Jemand räusperte sich, und Jackson brach ab. Er drehte sich langsam um und lächelte uns gezwungen an. Dann tippte er sich an seine Strickmütze und ging die Straße hinunter. Als Dad und ich an Luke’s Diner vorbeikamen, entdeckten wir Mom, die lesend an einem Tisch am Fenster saß, und das machte, was sie immer macht, wenn sie in Lukes Lokal ist und eine große Tasse Kaffee trinkt. Wir gingen hinein und gesellten uns zu ihr. »Hey, wo seid ihr gewesen?«, fragte Mom. »Nun, wir haben das paraguayische Pfannkuchenhaus gesehen, wir sind von mehreren Einheimischen verfolgt worden, und ich sehe offenbar wie Billy Crudup aus«, erwiderte Dad. »Das tust du nicht.« »Klär das mit Jackson.« Als wir uns setzten, klingelte Dads Handy. »Hey, hey!«, sagte Mom, als er danach griff. Sie wies auf ein Schild hinter dem Tresen, auf dem »Handys verboten« unter der großen Zeichnung eines Handys in einem dicken, roten, durchstrichenen Kreis stand. Luke mag die moderne Technologie nicht besonders. Dad ignorierte das Schild und nahm den Anruf entgegen. Zu seinem Glück war Luke gerade im Hinterzimmer. »Hallo?… Emily!«
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»Emily?«, wiederholte Mom. »Es ist deine Mutter«, flüsterte Dad. »Hi, Grandma!«, rief ich. »Mhm. Nun, eigentlich sitze ich hier mit deinen Mädchen… sicher.« Er reichte das Handy Mom und grinste. »Sie will mit dir sprechen.« Dad und ich sahen uns die Speisekarte an, während Mom mit Grandma telefonierte. Wir achteten nicht weiter auf das, was sie sagte, aber wir wussten, dass es nichts Gutes war, als sie auflegte. Grandma wollte am nächsten Freitagabend eine Art Familienwiedersehensfeier veranstalten und hatte Dad und seine Eltern eingeladen. Dies würde das erste Mal sein, dass wir alle zusammen sein würden, soweit ich mich erinnern konnte, was ich irgendwie aufregend fand, aber nach ihren Reaktionen zu urteilen, teilten Mom und Dad meine Begeisterung nicht gerade.
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7 Am Freitagabend standen wir drei vor der Tür des Hauses meiner Großeltern. Mom und Dad sahen großartig aus – Dad in seinem Anzug mit Krawatte und Mom in ihrem engen schwarzen Pullover über einem chinesisch inspirierten roten Seidenrock. Mom holte tief Luft. »Ich muss meine Eltern besuchen.« Dad seufzte. »Ich muss meine Eltern besuchen.« »Ladys und Gentlemen«, sagte ich, »der König und die Königin des Theaters aus Connecticut.« Mom holte erneut tief Luft und trat vor. Sie klingelte oder klopfte nicht, wie wir es normalerweise taten, sondern benutzte ihren Schlüssel, um die Tür zu öffnen. »Hallo? Jemand zu Hause?«, rief sie, als wir hineingingen. Grandma stürzte ins Foyer, verwirrt durch unser Eindringen. »Oh, mein Gott! Ihr seid hier! Christopher, lass dich anschauen!« Sie umarmte meinen Dad liebevoll. »Emily, wie immer perfekt«, sagte er galant. »Ich bin so froh, dich zu sehen«, fuhr Grandma fort. »Ich habe die Klingel gar nicht gehört.« »Wir haben nicht geklingelt«, erklärte Mom. »Ihr habt euch selbst hereingelassen?« Grandma blickte überrascht drein. »Es ist okay, Mom. Sieh mal, keiner von uns ist ein Vergewaltiger.« »Hi, Grandma.« Wir gaben unsere Mäntel dem Hausmädchen. »Normalerweise klopft ihr.« »Nicht seitdem du uns den Schlüssel gegeben hast.« »Der ist für Notfälle.« »Nun, Mom, ich bin am Verhungern. Ist das ein ausreichender Notfall für dich?« Grandma warf Mom einen durchdringenden Blick zu, war aber zu sehr perfekte Gastgeberin, um vor einem Gast eine Szene zu machen, und so setzte sie ein strahlendes Lächeln auf. »Richard ist im Wohnzimmer. Kommt herein. Er freut sich darauf, euch zu sehen.«
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Grandma ging voraus und ich folgte. Hinter mir konnte ich Mom murmeln hören: »Sie hat mir diesen Schlüssel extra gegeben, damit ich ihn benutze. Es ist schließlich das Haus meiner Eltern.« Mein Dad war sichtlich amüsiert. »Halt den Mund!«, befahl sie, bevor Dad auch nur ein Wort sagen konnte. »Nun, da sind sie ja«, rief Grandpa. »Hi, Grandpa.« »Hallo, Rory. Lorelai. Christopher, alter Junge, wie geht es dir?« Er kam herüber und schüttelte Dads Hand. »Mein Gott, es ist schön, dich zu sehen!« »Wie geht es dir, Richard?« »Oh, besser als den meisten, nicht so gut wie einigen.« »Und sauer auf alle«, fügte Dad hinzu. »Ha, ha! Da sagst du etwas Wahres, junger Mann.« Er wandte sich zur Bar. »Ich habe Martinis gemacht. Nun, Christopher, wie gehen die Geschäfte?«, fragte Grandpa, als er ihm zwei Gläser reichte. »Oh, Richard. Lass den armen Jungen doch damit in Ruhe«, tadelte Grandma ihn, als Dad ihr einen Drink gab. »Nun, ich will ja nur wissen, wie seine Geschäfte so gehen.« Grandpa gab Dad ein weiteres Glas, das der an Mom weiterreichte, bevor er sich setzte. »Sie gehen großartig, Richard«, sagte Dad fröhlich. »Ich furchte fast, sie zu verderben, wenn ich dir erzähle, wie gut sie gehen.« »Oh, das ist wundervoll. Ich habe immer gewusst, dass etwas in dir steckt. Du hast einen Schuss Genius, wie meine Mutter sagen würde. Du hattest schon immer diesen Schuss Genius.« Er ließ sich in seinem Lieblingssessel am Kamin nieder und trank einen Schluck von seinem Martini. Mom hatte ihren bereits geleert und stand auf, um ihr Glas aufzufüllen. »Ja, ich hätte auch gern einen Schuss Genius, wenn du nichts dagegen hast.« Einen Moment lang saßen meine Großeltern nur da und strahlten meinen Dad und mich an. »Oh, Richard«, sagte Grandma stolz. »Ist Rory nicht das Ebenbild von Christopher?« »Ich hoffe nur, du hast auch den Geschäftssinn deines Vaters geerbt, mein Liebling«, fügte Grandpa hinzu. »Eins weiß ich mit Sicherheit«, erklärte Grandma. »Du hast zwei-
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fellos das musikalische Talent deines Vaters.« »Oh, jetzt wartet einen Moment«, mischte sich Mom ein, als sie wieder neben mir Platz nahm. »Was?«, fragte Grandma. »Keiner von den beiden hat musikalisches Talent.« »Hey«, protestierte Dad. »Ich spiele Gitarre.« Mom blickte skeptisch drein. »Du beherrschst den Eröffnungslick von >Smoke on the Water<.« »Und inzwischen habe ich den Eröffnungslick von >Jumpin’Jack Flash< gelernt«, erwiderte Dad. »Ich bin selbst ein Chuck-Berry-Fan«, warf Grandpa ein. Mom verschluckte sich fast an ihrem Drink. »Stimmt etwas nicht?«, fragte Grandpa. »Ich hätte nie erwartet, diesen letzten Satz aus deinem Mund zu hören«, sagte Mom. »Und warum nicht?« »Chuck Berry!« »Ja, Chuck Berry. Er war der Star, als ich in der Schule war«, verteidigte sich Grandpa. »Wir reden also von der Prä->My-Ding-a-Ling<-Zeit?« »Ich glaube schon.« Grandma beugte sich lächelnd vor. »Erinnerst du dich noch, als ihr beide etwa zehn Jahre alt wart und du uns diese bezaubernde Show geboten hast?« »Was für eine Show, Mom?«, fragte meine Mom. Dad lachte leise. »Lucy und Schroeder von den Peanuts! Du lagst auf dem Couchtisch…« »Du hast getan, als wäre er ein Klavier… richtig«, fuhr Mom fort. »Oh, Gott. Warum ist das so denkwürdig?« »Weil es eine wundervolle Produktion war!«, erklärte Grandma. »Nun, ich weiß nicht, ob es eine Produktion war, Mom. Es war bloß ein Song.« Sie und Dad lachten, als sie sich an den Vorfall erinnerten. »Suppertime«, sagte Dad. »Hattest du das geschrieben?«, rief Grandpa. »Der Song war wirklich gut.« »Dad! Er ist aus You’re a Good Man, Charlie Brotun. Es ist ein berühmtes Musical.«
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»Nun, ich dachte, dass Christopher ihn geschrieben haben könnte. Er ist ein sehr talentierter Mann.« Es klingelte. Grandmas Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln, als sie anmutig aufstand. »Das müssen Strobe und Francine sein.« Als sie hinausging, um die Tür zu öffnen, lehnte sich Mom zurück und flüsterte Dad spöttisch zu: »Ha, ha. Jetzt bist du dran.« »Ich habe deine Eltern schon seit einigen Jahren nicht mehr gesehen«, sagte Grandpa fröhlich. »Obwohl wir eine Zeit lang praktisch unzertrennlich waren.« Er stellte sein Glas ab und ging ebenfalls zur Tür. »Das ist seltsam«, sagte ich zu meinen Eltern. »Das sind meine anderen Großeltern. Ich kenne sie nicht einmal. Wie soll ich sie denn nennen?« »Nenn sie so wie ich«, sagte Dad und lockerte seine Krawatte. »Arsch…« Mom fiel ihm ins Wort. »Chris!« »Tut mir Leid. Meine Krawatte ist zu eng.« »Nenn sie einfach… Strobe und Francine«, schlug Mom vor. »Oder Mr und Mrs Haden. Sir und Ma’am. Warum vermeidest du es nicht einfach, sie direkt anzusprechen?« Und dann führte Grandpa sie plötzlich ins Zimmer. »Seht mal, wer hier ist!«, verkündete er. Wir alle sprangen auf. Der Dad meines Dads war klein, mit weißem Haar und Bart, am Scheitel schon ein wenig schütter. Seine Mom wirkte sehr schick in ihrem eisblauen seidenen Cocktailanzug, die dunklen Haare hochgesteckt. »Hallo, Mutter. Hallo, Pop.« »Christopher.« Mr Haden schüttelte Dads Hand. »Christopher. Hallo.« Mrs Haden rückte Dads Krawatte zurecht. »Mr und Mrs Haden. Wir haben uns lange Zeit nicht gesehen«, sagte Mom strahlend. »Lorelai.« Sie drehte sich um und musterte Mom von Kopf bis Fuß. »Sie sehen gut aus.« Aber ihr Lächeln war gezwungen. »Mir geht’s auch gut. Danke. Sie erinnern sich an Rory? Sie haben sie eine ganze Weile nicht mehr gesehen.« »Nein, das haben wir nicht«, bestätigte Mr Haden.
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»Ich glaube, sie hatte gerade gelernt, in ganzen Sätzen zu sprechen«, fügte Mrs Haden hinzu. »Also seit zwei Jahren nicht?« Mr Haden räusperte sich, und er und seine Frau wechselten einen unbehaglichen Blick. Grandma und Grandpa ebenfalls. Mom fuhr fort: »Wissen Sie, sie beherrscht das Sprechen offensichtlich schon ziemlich lange, sodass ich einfach eine humorvolle Bemerkung gemacht habe, was gelegentlich auch als Scherz bezeichnet wird.« »Wie ich sehe, haben Sie sich nicht geändert, Lorelai«, sagte Mr Haden. »Nein. Überhaupt nicht.« »Rory, hallo«, wandte sich Mrs Haden mit einem liebevollen Lächeln an mich. Dann starrten mich alle an, und ich fühlte mich total unbehaglich. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, und machte einen kleinen Knicks, als ich hallo sagte. Mom unterdrückte ein Lachen. »Hast du…hast du gerade einen Knicks gemacht?«, flüsterte Mom. »Halt den Mund!«, flüsterte ich zurück. »Tut mir Leid, Mylady.« »Strobe, Francine, wie wäre es mit einem Martini?«, fragte Grandpa seine Gäste. »Gern«, erwiderte Mr Haden. Er und Grandpa bereiteten die Drinks zu, während wir uns setzten. »Nun, Strobe, wie bekommt Ihnen der Ruhestand?«, fragte Grandpa. »Ja, erzählen Sie uns von den Bahamas«, bat Grandma. »Man kann dort eine ganze Insel für den Preis eines normalen Hauses hier kaufen«, erwiderte Mr Haden. »Tatsächlich?« »Wie ist es mit Ihnen, Richard? Ist Ihnen schon einmal der Gedanke gekommen, in den Ruhestand zu gehen?« Grandpa lachte nur und machte eine abwehrende Handbewegung. »Oh, Strobe, wenn Sie ihn doch nur dazu überreden könnten«, seufzte Grandma. »Ich habe es aufgegeben.« »Wir waren sehr froh, als wir von Christophers geschäftlichem Erfolg drüben in Kalifornien hörten«, sagte Grandpa, als er sich in seinem Lieblingssessel niederließ, während Mr Haden neben ihm auf der Couch Platz nahm.
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Dads Dad nickte. »Ja. Es hat lange gedauert, aber es beginnt sich endlich zu rentieren. Es scheint jedenfalls so.« Neben mir nestelte Dad an seinem Kragen. »Christopher, deine Krawatte«, sagte seine Mom. »Bitte.« Ich entschied, dass es Zeit war, etwas zu sagen. Ich räusperte mich. »Strobe und Fran… Mr und Mrs Ha… Sir… Gefällt es Ihnen hier? Ihnen…beiden?« »Das hat sie von mir«, flüsterte Dad hinter mir Mom zu. »Wie alt bist du jetzt, junge Dame?«, fragte Mr Haden. »Sechzehn.« »Ein gefährliches Alter für Mädchen«, raunte Mr Haden seiner Frau zu. »Strobe«, warnte Mrs Haden leise. »Rory ist ein ganz besonderes Kind«, warf Grandma ein. »Eine ausgezeichnete Schülerin. Sehr klug.« »Sie sollten sich mal mit ihr unterhalten, Strobe.« Grandpa lachte leise. »Sie hält einen auf Trab.« »Ist das so?«, fragte Mr Haden. »Das ist richtig«, bestätigte Grandma stolz. Ich lächelte. Ihr Lob bedeutete mir sehr viel. Dann starrten mich alle wieder an. Warteten darauf, dass ich etwas Kluges sagte. Warteten darauf, dass ich Mr Haden auf Trab hielt. Mein Kopf war völlig leer. Ich sah hilflos Mom und Dad an. »Nun, ich denke, ich muss nicht unbedingt auf Trab gehalten werden«, erklärte Mr Haden arrogant. Ich spürte, wie sich Mom neben mir versteifte. »Ich hasse Präsident Bush!«, stieß sie plötzlich hervor. »Was?!«, rief Mr Haden ungläubig. »Lorelai…«, sagte Grandma streng. Dad senkte den Kopf. »Oh, Mann.« »Er ist dumm, und sein Gesicht ist zu klein für seinen Kopf, und ich will, dass er aus dem Amt geworfen wird.« »Er ist der Führer unseres Landes, junge Dame!«, sagte Mr Haden hitzig. Grandpa stützte seinen Kopf auf die Hand und hatte einen »Jetzt geht’s los«-Ausdruck auf dem Gesicht. »Ignorieren Sie sie einfach«, bat er Strobe. »Sein Gesicht ist zu klein für seinen Kopf?«, wiederholte Mrs Ha-
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den fassungslos. »Was ist denn das für eine Aussage?« »Wie ich sehe, ist Ihre Tochter noch immer außer Kontrolle, Richard«, erklärte Mr Haden. Grandpa setzte sich auf. »Pop, bitte!«, mahnte Dad. »Lass uns höflich bleiben.« Aber Mr Haden ignorierte ihn. »Nun, Lorelai«, sagte er barsch, »was haben Sie mit Ihrem Leben angefangen, abgesehen von der Tatsache, dass Sie erfolgreiche Geschäftsleute hassen? Ich bin nur neugierig.« »Warum gehen wir nicht alle ins Esszimmer?«, fragte Grandma strahlend. »Nun, äh… Strobe«, erwiderte Mom, »ich führe in der Nähe von Stars Hollow einen Gasthof.« »Wirklich?« »Ja, wirklich.« »Dad, komm schon«, sagte mein Dad. »Schön zu hören, dass Sie Ihre Berufung gefunden haben«, meinte Mr Haden abfällig. »Das Abendessen ist fertig!«, rief Grandma verzweifelt. Dad nestelte wieder an seiner Krawatte. »Christopher, deine Krawatte!«, wiederholte seine Mutter. »Mom, bitte!« »Und ist Ihr Leben so, wie Sie es sich erhofft haben?«, fuhr Mr Haden fort. »Ja, das ist es.« »Mir scheint nur, Sie sollten vielleicht nicht unbedingt einen ganz so überheblichen Tonfall benutzen, wenn Sie der Welt verkünden, dass Sie in einem. Hotel arbeiten.« »An meiner Arbeit ist nichts auszusetzen…« »Strobe, bitte«, sagte Mrs Haden. »Ich bekomme Kopfschmerzen.« »Komm, Richard«, drängte Grandma. »Führe uns bitte ins Esszimmer. Sofort!« Aber Mr Haden machte mit bitterer und harter Stimme weiter. »Hätten Sie eine Universität besucht, wie Ihre Eltern es geplant hatten und wie wir es vergeblich für Christopher geplant hatten, dann würden Sie jetzt vielleicht eine höhere Position bekleiden.« »Lass das«, sagte Dad. Mom saß nur mit verschränkten Armen da und bezwang ihren
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Zorn. »Mir wäre es ja völlig egal, dass Sie Ihr Leben ruinieren, wenn Sie meinen Sohn nicht mit in den Untergang gerissen hätten!«, fuhr Mr Haden fort. Mom wandte sich an mich. »Schatz, geh ins Nebenzimmer«, sagte sie ruhig. »Geh ruhig, geh.« Ich verließ den Raum, aber ich konnte noch immer jedes Wort hören, das gesprochen wurde. Grandpa ergriff das Wort. »Ich muss Christophers Bitte wiederholen, höflich zu bleiben. Vor Jahren haben diese beiden einen Fehler begangen, aber sie haben sich seitdem geändert.« »Ein Fehler, Richard?«, gab Mr Haden zurück. »Dieser ganze Abend ist lächerlich. Man erwartet von uns, dass wir hier wie eine große, glückliche Familie zusammensitzen und so tun, als wäre nichts Schlimmes passiert. Als wäre alles vorbei. Mir ist es egal, ob dieses Mädchen eine gute Schülerin ist!« »Hey…« brauste Mom auf. »Unser Sohn sollte nach Princeton gehen«, fuhr Mr Haden fort. »Jeder männliche Haden hat Princeton besucht, ich eingeschlossen, aber mit Christopher hörte alles auf. Es ist eine Demütigung, mit der wir jeden Tag leben müssen – alles nur, weil Sie ihn dazu verfuhrt haben, sein Leben zu ruinieren! Sie bekam dieses Baby und sie zerstörte seine Zukunft!« »Sie nehmen das zurück, Strobe«, sagte Grandpa aufgebracht. »Sie schulden meiner Tochter eine Entschuldigung!« »Eine Entschuldigung! Das ist stark.« Ich spähte ins Wohnzimmer um zu sehen, was passierte, als Grandpa aufsprang und wütend die Stimme hob. »Wie können Sie es wagen! Wie können Sie es wagen!« Er packte Dads Dad am Revers und schüttelte ihn. »Richard, was tust du?«, rief Grandma schockiert. »Lassen Sie mich auf der Stelle los!« »Wie können Sie es wagen, in mein Haus zu kommen und meine Tochter auf eine derartige Weise zu beleidigen!« »Ich sagte, lassen Sie mich los!« »He! Was soll das denn?« Dad trat zwischen die beiden Männer und versuchte, sie zu trennen. »Sie sollten sich schämen, Strobe!«, sagte Grandpa zornig. »Sie
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sollten sich dafür schämen, dass Sie all das wieder aufgewühlt haben.« »Nimm deine Handtasche, Francine!«, befahl Mr Haden seiner Frau. »Meine Tochter ist sehr erfolgreich in ihrem Beruf!« »Wir gehen«, sagte Mr Haden. »Sie gehen nicht!«, brüllte Grandpa. »Ich werfe Sie raus!« Grandpa marschierte ins Foyer. Mr Haden folgte ihm. Mrs Haden stand auf, gab Grandma ihr Martiniglas, drückte ihre Handtasche an ihre Seite und verließ den Raum. Grandma ging hinterher. Mom und Dad standen völlig erschüttert vor dem Kamin. Mom hielt Dads Arm. Sie starrten sich an. »Und du hast Bush erwähnt, weil…?« »Es mir zu diesem Zeitpunkt eine gute Idee zu sein schien? Wow.« »Ja.« »Ich komme mir wie… sechzehn vor.« Ich wich zurück in die Küche. Ich hatte scholl viel zu viel gesehen.
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8 Grandpa zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und alle anderen schienen einfach zu verschwinden. Das Abendessen war vergessen. Ich blieb in der Küche, und Grandmas und Grandpas Hausmädchen räumte das Essen weg. Kurze Zeit später kam Grandma fröhlich hineingeschneit. »Oh, da bist du ja! Ich habe mich schon gefragt, wohin du gegangen bist.« »Tut mir Leid.« »Nein, du musst dich nicht entschuldigen.« Sie eilte geschäftig im Raum hin und her. »Kann ich dir etwas zu essen machen?« »Ich habe alles.« Ich hielt die Mineralwasserflasche hoch, die ich gerade geöffnet hatte. »Oh, das ist wohl kaum ein Abendessen.« Sie zog die Tür ihres riesigen Kühlschranks auf und nahm all das Essen heraus, das ihr Hausmädchen gerade weggestellt hatte. »Nun, heute Abend war einiges los«, sagte sie mit einem breiten Lächeln. »Oh, ja.« »Allerdings nichts Gutes.« »Nein.« Sie sah mich einen langen Moment an, und dann wurde ihre Stimme weicher. »Es hat nichts zu bedeuten, Rory.« »Oh, ich weiß.« »Strobe ist eigentlich ein guter Mensch, sehr klug.« Sie nahm einen Teller und füllte ihn mit genug Essen, um ein paar Footballspieler satt zu machen. »Er war einer der besten Anwälte auf seinem Gebiet, einem sehr obskuren Bereich des internationalen Rechts, und er ist immer sehr aktiv in seiner Gemeinde gewesen. Er hat seine Wohltätigkeitsarbeit in all den Jahren nie vernachlässigt.« Ich nickte höflich. Plötzlich knallte der Teller auf die Anrichte. »Oh, seien wir ehrlich!«, sagte Grandma, die plötzlich ihre Fassung verlor. »Er ist ein richtiger Arsch.« Ich blickte überrascht auf und lachte dann. Grandma setzte sich mir gegenüber auf den Hocker. »Rory, ich weiß, dass du heute Abend viele Bemerkungen über verschiedene Enttäuschungen gehört hast. Und ich weiß, dass du
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auch in der Vergangenheit schon viele Bemerkungen darüber gehört hast. Aber ich will eins ganz klarmachen.« Sie sah mir durchdringend in die Augen. »Du, junge Lady, bist nie, nicht einmal eine Sekunde lang, ein Teil dieser Liste gewesen.« Sie schwieg, um die Worte wirken zu lassen. »Verstehst du mich?« Ich lächelte sie an. »Ja, das tu ich.« »Gut!« Sie lächelte und hielt mir meinen Teller hin. »Jetzt iss.« Ich verbrachte den Rest des Abends mit Grandma. Mom und Dad tauchten schließlich wieder auf, und wir stiegen in Moms Jeep, um nach Hause zu fahren. Dad saß am Steuer. Meine Eltern waren ungewöhnlich still. »Also, wo seid ihr gewesen, Leute?«, fragte ich. »Nirgendwo«, antwortete Mom etwas zu schnell. »Wo ist nirgendwo?«, hakte ich nach. »Da, wo wir waren«, erwiderte Dad. »Hmmm«, machte Mom so leise, dass ich sie kaum hören konnte. »Ahhh«, nickte ich. Ich würde offenbar nichts aus ihnen herausbekommen, und so ließ ich das Thema fallen. Während der ganzen Heimfahrt sagte niemand ein weiteres Wort. Als wir zu Hause waren, gab Dad mir einen Kuss und sagte Gute Nacht. Ich verfolgte, wie sich Mom und Dad ebenfalls Gute Nacht sagten, aber es wirkte irgendwie gezwungen. Dad lächelte mich an und ging ins Wohnzimmer. Ich musterte Mom im hellen Flurlicht. »Du hast hier etwas Schmutz oder Dreck oder so.« Ich streckte die Hand aus, um ihr das Gesicht abzuwischen. »Wo hast du…« Sie ließ mich meinen Satz nicht beenden. »Hör zu, es war ein langer Abend. Eine Menge verrückter Sachen sind passiert.« »Okay.« »Hey, komm her. Wir hatten gar keine Gelegenheit, miteinander zu reden.« Sie führte mich in die Küche. »Über die verrückten Sachen?« »Nein. Über all die warmen und lauschigen Familienmomente, die es heute Abend gegeben hat.« Sie warf ihre Tasche auf die Anrichte und sah mir ins Gesicht. »Bist du okay?« »Ja, mir geht’s gut.« »Weißt du, all die schrecklichen Dinge, die diese verrückten Leute
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gesagt haben, waren auf mich gemünzt. Nicht auf dich.« »Sie waren auf dich gemünzt, weil du mich hast«, korrigierte ich. »Nein. Es ging darum, dass ich ihre großen Citizen-Kane-Pläne vermasselt habe. Das ist alles.« Plötzlich verstand ich, was an diesem Abend passiert war, und ich erhaschte einen Blick auf das Leben, das Mom hinter sich gelassen hatte. »Sie wollen mich nicht einmal kennen lernen, oder?«, sagte ich und versuchte den Schmerz hinunterzuschlucken. »Das stimmt nicht!«, widersprach Mom. »Sie sind nur so voller Zorn und dummem Stolz, dass… sie einfach nicht erkennen, wie gern sie dich eigentlich kennen lernen möchten.« »Ja.« Ich zuckte mit den Schultern. »Ein Verlust für sie«, fügte Mom hinzu. »Und zwar ein ziemlich großer.« Ich seufzte. »Ich gehe jetzt ins Bett.« Ich wandte mich zu meinem Zimmer. Es gab eine Menge, über das ich nachdenken musste. »Hey«, rief Mom. Ich drehte mich um. »Weder ich noch dein Vater bedauern es«, erklärte sie. »Ja?«, sagte ich, mich etwas besser fühlend. »Nun, ich meine, wir bedauern nichts, was dich betrifft. Es gibt da diesen Zwischenfall mit dem falsch geschriebenen Tattoo, den er liebend gern aus seiner Biografie streichen möchte, aber du – du bist kein Problem.« »Wo hat Dad ein falsch geschriebenes Tattoo?« »Ach! Eine andere Geschichte für eine andere Zeit. Ich erzähle sie dir vor deiner ersten Reise nach Mazatlan. Gute Nacht, Babe.« »Gute Nacht, Mom.« . Früh am nächsten Morgen saß Dad vor unserem Haus auf seinem Motorrad. Es war ein wundervoller Tag, kalt, mit einer hellen Sonne an einem hellblauen Himmel. Aber ich achtete kaum darauf. Dad reiste ab. »Ruf uns an, wenn du zu Hause bist«, sagte Mom, als wir nebeneinander standen und ihn ansahen. »Das mach ich.« »Und ruf öfter mal an«, fügte ich hinzu. Er grinste. »Das mach’ ich.« »Wir sehen uns.«
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»Fahr vorsichtig.« Er umarmte und küsste mich zum Abschied. Dann flüsterte er in mein Ohr. Ich lächelte und ging zu Mom hinüber. »Dad will wissen, ob du es dir überlegen wirst.« Moms Lächeln war bittersüß, und sie winkte mich zu sich, damit sie mir ihre Antwort geben konnte. »Sie sagt >Nein, Offspring ist Mist und Metallica ist Spitze«, teilte ich Dad mit. »Das ist nur fair«, erwiderte er. Dann umarmte er Mom. Und ich sah traurig zu. »Fahr vorsichtig«, flüsterte sie. Dad setzte seinen Helm auf und fuhr davon. Ich blickte ihm nach, bis er verschwunden war, und wandte mich dann an Mom. »Er wollte dich heiraten, stimmt’s?«, fragte ich leise. »Spionin.« »Weißt du, es sind schon verrücktere Dinge passiert«, stellte ich fest. »Du meinst, verrückter als eine Heirat von deiner Mom und deinem Dad?« »Ja.« »Das denke ich nicht.« »Warum? Warum ist das so verrückt?« Ich konnte nicht fassen, dass sie ihn gehen ließ. »Weil es das eben ist«, erklärte Mom, nach den richtigen Worten suchend. »Weil er… er Dinge will, für die er nicht bereit ist.« »Woher weißt du das?« »Ich weiß es. Ich kenne ihn gut genug.« Und jetzt kämpfte sie gegen die Tränen an. »Du hast keine Ahnung.« »Vielleicht kann er sich ändern«, meinte ich. »Rory…« »Vielleicht ist es jetzt anders«, beharrte ich. »Er ist diesmal hierher gekommen. Das hat er vorher noch nie getan…« »Hey, hör auf.« »Warum?« Mom blickte gequält drein. »Weil ich’ nicht will, dass du dir falsche Hoffnungen machst.«
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»Er liebt dich«, sagte ich. »Er liebt mich tatsächlich.« »Liebst du ihn?«, fragte ich. Mom wandte den Blick ab. »Schätzchen, komm schon…« »Antworte mir.« Ich wollte es wirklich wissen. »Ehrlich?« »Ja.« Mom seufzte. »Ich werde ihn wahrscheinlich immer lieben.« »Okay, aber…?« »Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass er einen weiten Weg zurückzulegen hat, bis er bereit ist, uns seine ganze Zeit zu widmen. Ich meine, du kannst einen ganz schön auf Trab halten, und obwohl ich in all meinen wachen Stunden ein wahrer Sonnenschein und der reine Frohsinn bin, habe ich meine eigenen Bedürfnisse, die befriedigt werden müssen. Es wäre einfach nicht richtig, Babe. Du musst mir in diesem Punkt vertrauen.« Wir wandten uns ab, um ins Haus zurückzukehren. Ich sagte kein Wort. Mom tätschelte sanft meinen Arm. »Rede bitte weiter.« »Ich denke noch immer, dass sich etwas geändert hat«, murmelte ich. »Vielleicht hast du Recht.« »Wirklich?« »Es wäre nett.« »Ja, das wäre es.« »Ich sag dir was.« Mom lächelte. »Lass uns noch nicht alle Hoffnung aufgeben.« »Wirklich?«, fragte ich. Sie sah über ihre Schulter zur Straße. »Man weiß nie.«
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9 Obwohl mein Dad nur ein paar Tage bei uns gewesen war, hatte ich mich daran gewöhnt, ihn um mich zu haben, und ohne ihn fühlte ich mich ein wenig verloren. Glücklicherweise lenkte mich das Feuerfestival der Stars-Hollow-Gründer davon ab. Die Straßen waren voller Leute, die zu den Vorbereitungen für das größte Fest der Stadt unterwegs waren, einer altmodischen Veranstaltung zu Ehren des Liebespaares, das die Stadt gegründet hatte. Als mein Bus, mit dem ich von Chilton kam, die Stadt erreichte und Miss Pattys Tanzstudio passierte, sah ich sie am Türrahmen lehnen, eine Zigarette rauchen und einer Gruppe Kinder die Geschichte der verbotenen Liebe unserer Stadtgründer und des Zaubers erzählen, der sie an diesen Ort geführt hatte. Ich konnte ihre Geschichte, die ich im Laufe der vielen Jahre auswendig gelernt hatte, förmlich hören. Dies, Jungen und Mädchen, ist eine Geschichte über die wahre Liebe. Ein wunderschönes Mädchen aus einem County und ein hübscher Junge aus einem anderen lernten sich kennen und verliebten sich ineinander. Getrennt durch die große Entfernung und durch Eltern, die ihre Verbindung nicht billigten, träumte das junge Paar von dem Tag, an dem sie zusammen sein würden. Sie schrieben einander wunderschöne Briefe, Briefe der Sehnsucht und Leidenschaft, Briefe voller Versprechen und Pläne für die Zukunft. Bald wurde die Trennung für beide unerträglich. Und eines Nachts, kalt und finster und ohne Licht, das ihnen den Weg weisen konnte, schlichen sie aus ihren Häusern und rannten, so schnell sie konnten, von zu Hause fort. Es war draußen so dunkel, dass sie sich beide bald verirrten, und es schien, als würden sie niemals zueinander finden. Schließlich fiel das Mädchen auf die Knie, und Tränen rannen über ihr liebliches Gesicht. »Oh, mein Liebster, wo bist du? Wie soll ich dich finden?« Plötzlich erschien ein Band aus Sternen am Himmel. Diese Sterne leuchteten so strahlend, dass sie die gesamte Landschaft erhellten. Das Mädchen sprang auf und folgte dem Weg der Sterne, bis sie endlich an der Stelle stand, wo sich heute die Gartenlaube der Stadt
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befindet. Dort wartete ihre wahre Liebe auf sie, der Junge, der ebenfalls von dem Band der freundlichen Sterne dorthin geführt worden war. Der Bus hielt an, und ich sah Dean in seiner schwarzen Lederjacke auf der Rücklehne der Bank sitzen und eine Taschenbuchausgabe von Anna Karenina lesen. Ich hatte sie ihm geliehen. Er runzelte leicht die Stirn und studierte die Seite, völlig in Tolstois tragischromantischen Roman versunken. Ich stieg aus dem Bus und ging zu Dean, neugierig darauf, was er von einem meiner Lieblingsbücher hielt. »Und?«, begrüßte ich ihn. Dean holte tief Luft und suchte nach den richtigen Worten, um seine Gefühle auszudrücken. »Es ist…« Er verzog das Gesicht. »… deprimierend«, sagte er schließlich. »Es ist wunderschön]«, erwiderte ich. »Sie wirft sich vor einen Zug.« »Aber ich wette, sie sah dabei großartig aus.« Ich nahm meinen gelben Rucksack ab und setzte mich zu ihm auf die Rücklehne der Bank. Dean zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich denke, vielleicht ist Tolstoi etwas zu anspruchsvoll für mich.« »Nein, das stimmt nicht! Tolstoi hat für das Volk geschrieben«, beharrte ich. »Den Mann auf der Straße. Es stimmt absolut nicht, dass man eine Art Genie sein muss, um seine Sachen zu lesen.« Dean rutschte unbehaglich hin und her. »Ja, aber…« »Nun, ich weiß, dass es dick…« »Sehr dick.« »… und lang ist…« »Sehr, sehr lang.« »…und viele der russischen Namen sehr ähnlich klingen und deshalb zur Verwirrung fuhren können«, gab ich zu. »Der Name jeder einzelnen Person endet mit >sky
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»Wirklich?« Er wollte ein dickes Buch lesen, das er hasste – nur für mich. Nun, das war romantisch. Ich lächelte und sah in seine wunderschönen dunklen Augen. Er erwiderte meinen Blick. »Ja.« »Du wirst es nicht bereuen.« »Kaffee?«, schlug er vor. »Bitte.« Wir stiegen von der Bank und schulterten unsere Rucksäcke. »Mann«, sagte Dean, als er sich auf dem Platz umschaute, wo die umfangreichen Vorbereitungen für das Festival getroffen wurden. »Und ich dachte, Weihnachten wäre hier eine große Sache.« Er hatte Recht. Leute standen auf Leitern und hängten riesige Pappmascheesterne auf. Hunderte von kleinen Silbersternen flatterten an den Bäumen. Sternenübersäte Girlanden und Lametta schmückten jedes Verandageländer und die Schaufenster in der Umgebung. Verkaufsstände wurden aufgebaut, an denen man sternförmiges Essen und sternförmige Souvenirs erstehen konnte. Überall waren weiße Lichterketten angebracht, die nach Einbruch der Dunkelheit wie eine Million winziger Sterne funkeln würden. An jedem Laternenpfahl hing das offizielle Feuerfestival-Poster, das die Silhouette eines Liebespaars vor einem wunderschönen Feuer unter einem Himmel voller Sterne zeigte. »Nun, dies ist eine Stadt, die Feste wirklich mag«, erklärte ich. »Letztes Jahr haben wir einen Monat lang ein Volksfest gefeiert, als wir endlich eine Kläranlage bekamen.« Dean fiel die Kinnlade nach unten. »Einen Monat lang? Du machst Witze.« »Nein«, erwiderte ich. »Es gab Karussells und einen Streichelzoo und Ballontiere und eine Freakshow…« Dean lachte, als er begriff, dass ich ihn aufzog. »Okay, einen Moment lang hätte ich dir die Story fast geglaubt.« Ich grinste. »Nun, jedenfalls gab es eine Einweihungsfeier.« Wir gingen weiter und schlängelten uns durch die Kisten und Leute, die den Bürgersteig versperrten. Dean holte tief Luft. »Also, äh, was machst du Freitagabend?«, fragte er. »Nun, wie immer bin ich Freitag zum Abendessen bei meinen Großeltern eingeladen.« Er schnitt eine Grimasse, und ich fügte eilig hinzu: »Aber ich dachte mir, wenn wir früh genug zurückkommen,
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könnten wir beide uns das Lagerfeuer ansehen. Ich meine, es ist ein wenig kitschig, aber wirklich schön.« Ich warf ihm den entscheidenden Köder hin. »Und sie verkaufen sternförmige Hotdogs.« Dean grinste. »Wie wäre es, wenn du diese Woche das Abendessen bei deinen Großeltern ausfallen lassen würdest?« »Ich denke nicht«, sagte ich abweisend. »Aber was ist, wenn es einen ganz besonderen Anlass gibt?« Ich konnte mir nicht vorstellen, was er meinte. Es gab Freitagabend in Stars Hollow absolut nichts, das nichts mit dem Feuerfestival zu tun hatte. »Nun, zu diesem besonderen Anlass müsste schon gehören, dass ich permanent in eine Plastikblase gesteckt werde, damit meine Großmutter erlaubt, dass ich das Abendessen verpasse«, sagte ich. »Es muss irgendeine Entschuldigung geben, die du benutzen könntest«, meinte Dean stur. »Zum Beispiel?« »Zum Beispiel… dass du dein dreimonatiges Jubiläum mit deinem Freund hast?«, erklärte er, ohne mich anzusehen. Damit hatte ich nun überhaupt nicht gerechnet. Ich blieb stehen. »Wirklich?« Dean drehte sich mit den Händen in den Taschen um und starrte mich an. »Ja«, bestätigte er. »Seit deinem Geburtstag sind drei Monate vergangen. Damals habe ich dir den Armreif geschenkt, und so, wie ich das sehe, hat die ganze Sache damit irgendwie angefangen.« Ich war verblüfft. Ich hatte es völlig vergessen. »Wow. Drei Monate«, war alles, was ich sagen konnte. »Genau genommen war dein Geburtstag an einem Samstag, sodass es im Grunde Samstag sein sollte« – er redete jetzt wie ein Wasserfall – »aber ich arbeite am Samstag und habe diese ganz große Sache geplant… Deshalb dachte ich, wir könnten es vielleicht am Freitag machen.« Er verstummte und lächelte hoffnungsvoll. Ich starrte ihn an. »Welche ganz große Sache?« Er ignorierte meine Frage und trat näher. »Nur dieses eine Mal«, sagte er leise. »Verzichte auf das Abendessen. Bitte. Zwing mich nicht dazu, mich vor einen Zug zu werfen.« Wie konnte da ich Nein sagen? »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
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Dean lächelte. »Danke.« »Keine Ursache.« Ich schwieg einen Moment. »Es ist unser dreimonatiges Jubiläum«, wiederholte ich dann. »Ja, das ist es.« »Ich komme mir irgendwie dumm vor, weil ich es nicht einmal wusste.« »Das ist schon in Ordnung«, beruhigte mich Dean. »Und ich fühle mich richtig schlecht bei dem Gedanken, dass ich unser zweimonatiges Jubiläum verpasst habe«, fügte ich hinzu. »Das ist auch in Ordnung.« »Wie war es denn?« Er grinste. »Sehr schön.« Ich grinste zurück. »Das freut mich.« Wir gingen weiter über den Bürgersteig und grinsten beide von Ohr zu Ohr. Wir passierten den Stadttroubadour Grant, der an einem dekorierten Laternenpfahl lehnte. Er klimperte auf seiner akustischen Gitarre herum und sang einen Song mit dem Titel »Himmlisch«. Der Text lautete in etwa: »Himmlisch, himmlisch, keine andere Liebe war für mich bestimmt.« Es ist unheimlich, dass seine Songs immer zu meinem Leben zu passen scheinen, wenn ich ihm begegne. Als ich an diesem Nachmittag nach Hause kam, fand ich Mom in der Küche sitzend vor, wie sie eine Schachtel HamburgerFertigmischung anstarrte. Ich schlug mit den Händen auf den Küchentisch und sah ihr direkt in die Augen. »Nein«, sagte ich nachdrücklich. »Stell das weg!« »Aber ich will kochen!«, jammerte sie. Okay, ich weiß, dass es überall in dieser großen Nation Leute gibt, für die das keine große Sache ist. Leute, die darauf abfahren, vier Stunden lang Fleischsoße für ihre Spagetti zu kochen, die sich die Zeit zum Waschen, Kleinhacken und Braten nehmen und die ihre Zimteiscreme selber machen. Leute, die die Herausforderung reizt. Die so etwas viel befriedigender finden, als Frühlingsrollen aus Pappschachteln zu essen. Leute wie Sookie, die selbst im Schlaf von Soßen und Bratensaft träumen. Aber meine Mom kocht nicht. Und da sie nicht kocht, hat sie mir nie beigebracht, wie man kocht, und da es in Chilton keine Hauswirtschaftskunde gibt, könnte diese genetische Mutation generationenlang von einer Gilmore-Frau zur anderen weitergegeben werden. Wenn ich näher darüber nachdenke: Grandma kocht auch nicht. Sie
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stellt einfach Leute ein, die für sie kochen. Diese Sache könnte noch weiter zurückreichen, als mir bislang bewusst war. Jetzt war Mom von ihrer Schachtel Hamburger-Fertigmischung fasziniert. Ich musste sie aufhalten, ehe es zu spät war. »Du kannst Suppe machen«, informierte ich sie streng. Wir wissen, wie man Konserven öffnet. »Nein!« Sie nahm die Schachtel. »Ich will wirklich kochen, wie im Kochkanal. Ich will etwas anbraten und klein hacken und Bumm! machen und Sachen auf einem Teller arrangieren, damit sie wie ein hübscher kleiner Hut aussehen.« Ihre Augen blitzten. »Ich will Chefköchin sein!« Ich seufzte. Man kann Lorelai Gilmore nicht bremsen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat. »Schön«, sagte ich. Ihre Augen leuchteten auf. »Wirklich?« »Ja. Ich werde dir helfen.« »Okay, gut.« Sie starrte die Rückseite der Schachtel an und runzelte die Stirn, während sie die Anweisungen las. »Ich brauche… eine Pfanne«, erklärte sie. »Und einen Feuerlöscher.« »Witziges, witziges Mädchen.« Ich öffnete den Backofen, den wir als Vorratsschrank benutzen, da wir nicht kochen, und suchte nach einer passenden Bratpfanne. »Okay.« Mom las weiter das Rezept und biss sich auf die Lippe. »Jetzt… wenn ich doch bloß ein paar fertige Hamburger gekauft hätte…« Ich starrte sie erstaunt an. »Du hast keine Hamburger gekauft?« »Doch, ich habe Hamburger gekauft! Ich sage solche Dinge nur, damit du mich ansiehst, als wäre ich verrückt.« Sie stand auf und durchwühlte den Kühlschrank. Ich schüttelte nur den Kopf und suchte weiter. Da ich im Backofen kein Glück hatte, sah ich in den Wandschränken nach. »Sag mal, woher kommt eigentlich dieser plötzliche Drang, die Hausfrau zu spielen?« »Ich weiß es nicht«, gestand Mom. »Ich bin einfach in der Stimmung.« »Warum?« »Zu viele Sterne. Zu viel Liebe! Es macht mich verrückt.« Nun, im Allgemeinen liebt Mom alles, was mit Liebe zu tun hat.
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Und Stars Hollow steckte mitten in den Vorbereitungen für sein jährliches Fest der Romantik und der Liebe. Selbst lang verheiratete Paare, die einundfünfzig Wochen im Jahr miteinander stritten, gerieten in dieser besonderen Woche wieder in den Liebesrausch. Mom fühlte sich ausgeschlossen. »Ich nehme an, du hast nichts von Mr Medina gehört«, spekulierte ich. »Nein, das habe ich nicht.« Mom setzte sich an den Tisch und stellte die Packung Gehacktes neben die Hamburger-Fertigmischung. »Vielleicht bist du deshalb verrückt«, meinte ich. »Okay«, sagte sie. »Neues Thema, bitte.« »Weißt du«, fuhr ich trotz ihres bösen Blicks fort, »du hast auch ein Telefon.« »Hey, was ist jetzt mit der Pfanne?«, fragte sie und klatschte in die Hände. Ich schüttelte den Kopf. »Kleopatra, Königin der Verleugnung…« Mom warf mir einen Blick zu. »Die Pfanne, Shecky, bitte.« …… »Okay, schön. Neues Thema.« »Danke.« Ich ließ mich ihr gegenüber auf einen Stuhl nieder. »Ich muss dich um einen großen Gefallen bitten.« Moms Augen leuchteten auf und sie rieb sich entzückt die Hände. »Oooh, etwas, das ich dir später vorhalten kann. Lass hören.« »Freitagabend haben Dean und ich dreimonatiges Jubiläum.« Mom blinzelte. Das hatte sie nicht erwartet. »Drei Monate? Wow.« Sie trank einen Schluck Kaffee. »Und Dean hat offenbar einen großen, tollen Abend für uns geplant«, fuhr ich fort. »Das zeugt von Klasse«, meinte Mom. »Ja, das stimmt. Aber damit ich an dem soeben erwähnten tollen Abend teilnehmen kann…« Ich holte tief Luft und stieß hervor: »Muss ich das Freitagabendessen sausen lassen.« Die Ungezwungenheit unseres Wortwechsels starb einen plötzlichen Tod. »Ah«, machte Mom. »Ja«, sagte ich. »Nun, viel Glück dabei.« »Mom!«
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Sie sah mich entnervt an. »Weißt du eigentlich, wie egal Emily dein dreimonatiges Jubiläum ist?« »Ich dachte, du könntest mit ihr reden.« »Wenn es einen Wettkampf geben würde, was Emily Gilmore gleichgültiger ist, ein Toilettenpapiersonderangebot bei Costco oder dein dreimonatiges Jubiläum, dann würde dein Jubiläum mit großem Vorsprung gewinnen.« »Du wirst also nicht mal versuchen, mir zu helfen?« »Oh, doch. Ich werde versuchen, dir zu helfen, weil du mir nicht egal bist. Aber Emily Gilmore…« »Telefon, bitte.« Mom konnte sich stundenlang über ihre Mutter auslassen. Doch ich hatte nicht so viel Zeit. Ich wollte, dass sie sofort etwas unternahm. Mom warf resigniert die Hände hoch. »Okay.« Sie riss sich zusammen, atmete tief durch, stand dann auf und lachte, als sie nach dem Hörer griff. »Was?« »Nichts, nur…« Sie begann eine gespielte Unterhaltung mit Grandma, während sie wählte. »Hey, Mom, Rory und Dean haben am Freitag ihr dreimonatiges Jubiläum.« »Wirklich, Lorelai?«, antwortete sie in einer absolut miserablen Imitation von Grandmas Stimme. »Nun, das ist wundervoll! Ich bin begeistert.« »Hör auf«, sagte ich. »Drei Monate?«, jauchzte Mom als Grandma. »Nun, juhuu! Warte, ich muss einen Purzelbaum schlagen!« »Vergiss es.« »Nein, warte! Sie erzählt es jetzt meinem Dad«, spielte sie weiter ihre Scharade. »Das reicht. Such dir deine Pfanne selbst.« »Hallo?«, hörte ich Grandmas plärrende Stimme aus dem Hörer dringen. Mom straffte sich abrupt wie ein gescholtenes Schulkind. »Mom?«, sagte sie in das Telefon. »Hü, wie geht’s dir?« Mom drehte mir den Rücken zu und ging auf und ab. Sie sitzt fast niemals still, wenn sie mit Grandma redet – es macht sie zu nervös. Ich folgte ihr, als sie ins Wohnzimmer marschierte, um mitzuhören, was Grandma sagte. »Nun, das ist gut«, nickte Mom. »Wie geht’s Dad?… Äh, ich rufe
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nur an… um hallo zu sagen. Um genau zu sein, es gibt schon einen Grund«, fuhr sie fort. »Nun, weißt du, Rory wollte auch hallo sagen.« Ich stöhnte. Mom ist normalerweise ziemlich hart im Nehmen. Sie ist ihren eigenen Weg in der Welt gegangen, seit ich geboren wurde, und hat sich vom Hausmädchen zur Managerin einer ganzen Gruppe nicht leicht zu managender Leute im Independence Inn hochgearbeitet. Aber Grandma kann sie mit einem einzigen Wort in einen Klecks Wackelpudding verwandeln. »Na gut, Mom«, sagte sie, »hör mir einfach zu, okay? Sag nichts. Sieh mal, Freitag ist Rorys und Deans dreimonatiges Jubiläum, und obwohl dir das nicht wie eine große Sache vorkommen mag, ist es wichtig für sie. Und ich weiß, dass ich dich bitte, etwas zu tun, was du nur ungern tust, aber ich flehe dich an, es von ihrem Standpunkt aus zu sehen und ihr vielleicht, nur vielleicht, nur dieses eine Mal zu erlauben, nicht zum Abendessen am Freitag zu kommen.« Ich hielt den Atem an. Mom blickte völlig verblüfft drein. Dann setzte sie sich auf die Couch. »Was?«, sagte sie in das Telefon. Ich kniete mich neben ihr auf der Couch nieder. »Mom?«, flüsterte ich. Sie ignorierte mich. »Bist du sicher?« Ärgerlich, nur eine Seite dieses Gesprächs zu hören. »Keine Diskussion?«, fragte Mom und runzelte dann die Stirn. »Sie wird nicht da sein… überhaupt nicht… den ganzen Abend lang…«, verdeutlichte sie. Ich hielt den Atem an. Konnte ich wagen zu hoffen…? »In Ordnung«, sagte Mom. Sie sah plötzlich ihre Chance und griff zu. »Weißt du, Mom, sie wird eine Menge Hilfe brauchen, um sich auf den großen Abend vorzubereiten, sodass ich besser auch zu Hause bleiben sollte und…« Grandma fiel ihr ins Wort. »Richtig.« Moms Schultern sackten nach unten. »Okay. Tschüss.« Mom legte auf und starrte ins Wohnzimmer. »Und?«, fragte ich ungeduldig. Sie sah mich an. »Das Ende der Welt ist offiziell eingetreten.« Ich sah meine Mom erstaunt an. Ich würde an diesem Freitag mit Dean ausgehen.
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10 »Oh, wir haben neue Kaffeemaschinen bekommen. Was habe ich mir dabei nur gedacht?« Mom war frustriert. Sie war vorhin in Luke’s Diner gewesen und hatte mit Luke darüber gelästert, wie sehr sie beide das Feuerfestival der Stars-Hollow-Gründer hassten und wie entnervend der übertriebene Liebesrausch der Stadt war. Und dann war Rachel hereingekommen. Eine Gestalt aus Lukes Vergangenheit. Seine frühere bessere Hälfte. Ich schätze, das hat Mom die Freude am gemeinsamen Lästern verdorben. Es war Freitagabend und Mom half mir, mich für das große Date fertig zu machen. Ich saß vor dem Spiegel der Frisierkommode, während sie meine Haare bürstete. Oder an meinen Haaren riss. »Au! Ich bin noch immer mit dem Kopf verbunden, Mom.« »Tut mir Leid«, entschuldigte sich Mom und senkte die Bürste. »Ich bin nur ein wenig überreizt.« »Mom, sie ist bloß Lukes Ex-Freundin«, erinnerte ich sie. Sie hörte auf zu bürsten und strich meine Haare zurück. »Ich weiß. Ich habe mich nur blöderweise zur Idiotin gemacht…« »Luke?«, fragte ich. »Nein, Rachel«, berichtigte sie. »Sie stand da, frisch aus einem Flugzeug gestiegen, und sie hatte überhaupt keine Flugzeughaare, wie ich neidlos anerkennen muss.« »Was genau sind Flugzeughaare?« »Du weißt schon, ganz zerzaust und alles… Und er sieht sie an, als wäre sie Miss September, und sie sieht ihn an, als wäre er Johnny Depp, und ich habe nur wie eine Vollidiotin geplappert. Gott, was ist nur los mit mir?« Sie begann wieder wie wild zu bürsten. »Au, au.« Ich hob abwehrend die Hände. »Okay, du bist offiziell von der Frisierpflicht befreit.« »Oh, es tut mir Leid, Schatz, ich war nur…« »Nein, es ist schon gut. Ich denke bloß, es ist etwas zu früh dafür, dass Dean mich völlig kahl sieht.« »Richtig, das ist mehr eine Sechsmonatssache.« »Nun, was ist mit dir los?«, fragte ich ernst. »Ich weiß es nicht. Es ist nur all diese Liebe in der Luft, verstehst
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du… Ich vermisse Max.« Sie ließ sich auf mein Bett fallen. »Es ist so viel passiert… dein Dad ist nach Hause gekommen, Familienangelegenheiten und deine ständige Existenz…« »Danke für die Liebe.« »Kein Problem. Und… ich hatte wenig Zeit für mich und… ich vermisse Max. Ich habe gestern Nacht von ihm geträumt.« »Wirklich? Was Schmutziges?« »Nein. Absolut nicht. Und wenn du einundzwanzig wirst, gebe ich dir eine ehrliche Antwort. Aber ich weiß nicht, seitdem bin ich irgendwie deprimiert.« »Das tut mir Leid.« »Mir auch. Wir könnten noch jahrelang über mich reden, und glaube mir, wir werden es auch tun, aber wir sollten uns jetzt auf dich konzentrieren, die Schöne der Nacht – die frivole Anspielung war nicht beabsichtigt.« »Freut mich zu hören.« »Nun, was willst du dazu anziehen?«, fragte Mom. Ich trug ein knielanges, schulterfreies, kirschrotes Kleid. Ich hielt zwei Pullover hoch. »Sag du es mir.« Mom betrachtete sie. »Nun, wohin führt er dich aus?« »Warum?« »Weil du nicht willst, dass sich deine Aufmachung mit dem Dekor beißt. Eine Lady plant voraus.« »Nun«, erwiderte ich, »wenn du es unbedingt wissen musst, er geht mit mir ins Andoloro’s.« »Oh, ist das nicht romantisch?«, rief Mom. »Ich weiß.« »Wow. Es wird wie in Die Lady und der Tramp sein! Ihr werdet euch einen Teller Spagetti teilen, und die werden nur aus einer einzigen langen Nudel bestehen, aber das werdet ihr erst bemerken, wenn ihr euch zufällig in der Mitte trefft. Und dann wird er dir mit der Nase einen Fleischkloß zuschieben. Und du wirst ihn mit deiner Nase zurückschieben. Und dann wirst du den Fleischkloß mit nach Hause nehmen und ihn jahrelang im Kühlschrank aufbewahren und…« »Mom?«, unterbrach ich und hielt die beiden Pullover hoch, um sie daran zu erinnern, dass ich mich anziehen musste. »Keinen von beiden«, entschied Mom. »Trag nur deinen Mantel.«
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»Okay.« »Aber deine Blume ist ein wenig zerdrückt.« Sie beugte sich zu mir und strich die Stoffblume am Kragen meines Kleides glatt. Ich hörte Lane rufen, als sie durch die Haustür kam. »So, alles erledigt«, sagte Mom. Sie schien ein wenig traurig zu sein. »Bist du in Ordnung?«, fragte ich sanft. »Oh, ja!« Sie machte eine abwehrende Handbewegung. »Du siehst wunderschön aus. Geh nur.« Ich lief hinaus und traf Lane am Eingang. »Ich kann es einfach nicht glauben!«, quiekte sie, als sie mich sah. »Ich weiß!« »Ich meine, drei Monate!«, erklärte sie. »Das ist etwa ein Vierundsechzigstel deines Lebens!« »Ich weiß!« »Ich muss aufhören, mit dir herumzuhängen«, meinte sie, als wir ins Wohnzimmer gingen. »Du lässt mein Leben zu erbärmlich erscheinen.« »Willkommen im Klub«, scherzte Mom, als wir an ihr vorbeikamen. »Gehst du auch zum Festival?«, fragte ich sie. »Vielleicht könnten wir uns später dort treffen.« »Oh, ja, das wäre romantisch.« »Lane!« Wir setzten uns einen Moment ins Wohnzimmer. »Ja, ich werde auch zum Festival gehen, und willst du wissen, warum? Meine Mutter hat mich schon wieder verkuppelt.« »Mit einem weiteren zukünftigen Arzt?« »Einem zukünftigen Chiropraktiker. Ich denke, sie verliert das Vertrauen in meine Zukunft.« »Vielleicht ist er nett.« »Oh, es ist nicht nur er. Wir gehen mit seinen Eltern, seinen Großeltern, zwei Schwestern, drei Brüdern und mindestens einer unverheirateten, älteren Tante aus.« Auf der Straße hupte es. »Das ist Dean!« Lane grinste, und wir gingen zur Haustür. »Denk daran, mir hinterher alles zu erzählen.« »Okay, du auch«, sagte ich.
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»Oh, ja. Nach dem Spaziergang, dem Schweigen, dem Herumsitzen und dem Tschüssi wird der Spaß wahrscheinlich erst so richtig losgehen.« »Ich will es trotzdem wissen.« Ich wandte mich ab und umarmte meine Mutter. »Tschüss, Mom.« »Tschüss, Schatz, amüsier dich.« Ich schlüpfte in meinen Mantel und griff nach meiner Handtasche. »Vergiss den Fleischkloß nicht!« Sie zwinkerte mir zu. Lane runzelte die Stirn. »Den Fleischkloß?« Ich lächelte sie an, winkte und rannte nach draußen. Das Restaurant war klein und intim, sehr nobel. Perfekt. Dean sah in seinem dunkelbraunen Rollkragenpullover und im Kerzenlicht hinreißend aus. Er bemühte sich den ganzen Abend über, alles perfekt für mich zu machen. »Das war wirklich gut«, sagte ich, als der Kellner den Tisch abräumte. Dean sah besorgt aus. »War es das?« »Ja, das war es.« »Wie war der Salat?« »Toll.« »Was war mit dem Käsebrot? Zu schwer?« »Gerade schwer genug.« »Wirklich?« »Alles war perfekt«, versicherte ich ihm. »Sogar das Mineralwasser war gut. Ich weiß nicht, wie sie das machen, aber die Coke hier ist eindeutig besser als die Coke an jedem anderen Ort.« »Okay…« Dean beugte sich über den Tisch. »An welcher Stelle hast du angefangen, dich über mich lustig zu machen?« »Ich würde mich niemals über dich lustig machen«, wehrte ich ab. »Vor allem nicht, nachdem du drei verschiedene Sorten Pasta für mich bestellt hast, nur weil ich mich nicht entscheiden konnte.« »Nun, du musstest dich auch nicht entscheiden«, erklärte Dean. »Ich meine, heute Abend sollst du alles haben, was du willst.« Ich sah ihm in die Augen. »Ich muss sagen, ich bin jetzt ein großer Fan des dreimonatigen Jubiläums.« »Oh, ja?« »Definitiv. Ich denke, es sollte entsprechende T-Shirts und Rundschreiben geben.«
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»Das freut mich.« »Du hast das alles für mich getan.« Er lächelte. »Es ist noch nicht vorbei.« »Wow«, meinte ich kopfschüttelnd. »Das ist fast wie das Weihnachtsfest, an dem ich eine Sammlung illustrierter Enzyklopädien geschenkt bekommen habe.« Dean starrte mich leicht verwirrt an. »Nein! Ich wollte sie haben!«, erklärte ich. »Oh, gut«. In diesem Moment kam der Kellner mit unserem Nachtisch herüber. »Ein Tiramisu, zwei Gabeln und…« Er lachte leise und hielt eine Papiertüte hoch. »Ein Fleischkloß zum Mitnehmen.« »Danke.« Ich lächelte und stellte die Tüte neben meine Handtasche. »Möchtest du mir den Fleischkloß vielleicht erklären?«, fragte Dean. Ich zuckte mit den Schultern. »Das ist eine Mutter-Tochter-Sache.« »Okay.« Er wies auf den Nachtisch. »Nun, du zuerst.« »Danke.« Ich griff nach meiner Gabel und nahm einen Bissen. Es war köstlich. »Okay, habe ich schon erwähnt, wie sehr ich diese Sache mit dem dreimonatigen Jubiläum liebe?« »Ja, das hast du.« »Denn dieses Tiramisu ist so gut, dass es das Jubiläum gerettet hätte, selbst wenn wir es völlig vermasselt hätten.« Er grinste, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah mich nur an. »Was?«, fragte ich. »Nichts.« »Hör auf damit.« »Nein, du siehst süß aus.« »Ich esse.« »Du isst süß.« »Ich esse nicht süß. Niemand isst süß. Bambi vielleicht, aber das ist eine Zeichentrickfigur.« »Nun, wenn wir hier fertig sind«, sagte er und beugte sich vor, »beginnt Phase zwei unseres Jubiläumsabends.« »Phase zwei. Klingt sehr technisch. Als hätte es was mit Raumanzügen zu tun.«
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»Mit passenden Helmen.« »Beeindruckend.« Ich fragte mich, was er sonst noch geplant hatte, aber Dean nahm einen Bissen vom Nachtisch und wollte nichts weiter verraten. Nach dem Abendessen schlenderten wir Händchen haltend zu Deans Truck. Leute strömten auf die Straßen, um zu feiern; hauptsächlich waren es glückliche Paare, Arm in Arm. »Welches Buch hast du eigentlich mitgebracht?«, fragte Dean, als wir die Straße überquerten. »Was?« »Komm schon. Du bringst immer ein Buch mit, und ich frage mich nur, was das dreimonatige Jubiläumsbuch ist.« »Eigentlich habe ich den New Yorker mitgebracht.« »Eine Zeitschrift. Wirklich?« »Es ist die Literaturausgabe«, verteidigte ich mich. Als wir die Gartenlaube im Zentrum der Stadt erreichten, trat Harrison Porter, der Bürgermeister von Stars Hollow, flankiert von Taylor Doose und Miss Patty, auf das Podium. »Bürger von Stars Hollow und unsere vielen Freunde!«, begann er. »Es ist mir ein großes Vergnügen, zum dreißigsten Mal unser jährliches Feuerfestival zu eröffnen.« Die große Menschenmenge, die sich versammelt hatte, der Kälte wegen mit Hüten und Mänteln vermummt, applaudierte. »Viele große Lieben haben an der Stelle, auf der ich jetzt stehe, begonnen«, fuhr der Bürgermeister fort. »Und ich schäme mich nicht, euch zu sagen, dass auch ich bei einem dieser Festivals, direkt an der Gartenlaube, meine einzige wahre Liebe kennen gelernt habe, Miss Dora Braithwaite!« Beifall brandete auf. »Wir sind jetzt seit dreiundvierzig Jahren verheiratet«, verkündete der Bürgermeister stolz, »und alles hat hier angefangen.« Taylor hielt das Mikro zu. »Sagen Sie ihr, sie soll winken.« Bürgermeister Porter trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Ich kann nicht.« »Warum nicht?« »Sie ist zum Bingo nach Bridgeport gefahren«, flüsterte der Bürgermeister und wandte sich wieder an die Menge. »Und jetzt, meine Freunde«, fuhr er fort, »werden wir gemeinsam
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das Feuer entzünden!« Ich nahm Deans Hand und sagte: »Okay, bring mich jetzt zu der Überraschung.« Dean sah mich verwirrt an. »Aber Bürgermeister Porter hat gerade gesagt…« »Vertrau mir, es wird eine Weile dauern, bis es angezündet ist. Wir sind rechtzeitig zurück.« Auf dem Podium suchten Bürgermeister Porter, Taylor Doose und Miss Patty in ihren Taschen. »Jedes verdammte Jahr!«, sagte der Bürgermeister. Dean und ich eilten an der Gartenlaube vorbei. »Lenny war dafür zuständig«, erklärte Taylor. »Oh, um Petri willen!«, murmelte der Bürgermeister. Er sah zur Menge hinunter. »Hat einer von euch Streichhölzer?« »Wir sind da«, erklärte Dean, als wir vor einem Maschendrahtzaun stehen blieben. »Wir sind wo?« »Komm«, drängte Dean aufgeregt. Ich spähte durch den Zaun und sah rostige alte Autos. Ein einsam klingender Hund bellte traurig in der Ferne. »Dean, was ist das?« »Okay«, sagte er, »hast du schon mal Christine gesehen?« Er meinte den Film über ein Auto mit dämonischen Kräften. »Ja…«, erwiderte ich. »Nun, es ist nichts derartiges«, sagte Dean. »Komm endlich.« Er öffnete das Maschendrahttor weit genug, dass wir hindurchschlüpfen konnten. Ich betrachtete die Stapel aus Schrott und Autowracks. »Du hast mich nach Beirut gebracht?« »Es ist ein Schrottplatz«, sagte er und führte mich tiefer in das Gewirr der Wracks. »Ah. Aber es sieht wie in Beirut aus.« Wir passierten die Skelette von Dutzenden alter Autos und blieben schließlich vor einem Haufen aus Metall stehen, der mit teils glänzenden, teils rostigen Radkappen und einer einzelnen Lichterkette geschmückt war. »Okay«, erklärte Dean. »Wir sind da.« Er sah mich erwartungsvoll an. »Wow«, machte ich leicht verwirrt.
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»Es ist ein Auto«, fügte er hinzu. Ich sah den Haufen aus Metall an. Es war im Grunde ein Rahmen mit Sitzen und einem Lenkrad. »Tatsächlich?« »Nun«, sagte er, »es wird mal eins werden.« »Wenn es erwachsen ist?«, fragte ich. Dean lachte nervös. »Wenn ich es… repariert habe.« »Was?« Ich sah ihm in die Augen. Er meinte es todernst. »Ah, es ist deins«, sagte er. »Wie meinst du das, es ist meins?« »Ich meine, ich habe es Stück für Stück gebaut… für dich.« »Nein…« »Ja! Ich… ich habe mit dem Rahmen angefangen. Die Sitze und die Windschutzscheibe wurden erst gestern eingebaut…« »Du baust mir ein Auto?« »Es wird eine Weile dauern, aber wenn ich fertig bin, wird es toll sein.« »Du baust mir ein Auto.« Ich starrte ihn ungläubig an. »Du baust mir ein Auto?« »Das ist richtig.« »Du baust mir ein Auto?« »Ich baue dir ein Auto.« »Das ist verrückt!«, rief ich grinsend. »Warum tust du so etwas?« »Ich weiß nicht. Du hast keins.« »Du bist total verrückt!« »Was? Ich will nicht, dass du deine Zeit noch länger im Bus verschwendest. Ich meine, das ist wertvolle Zeit, in der wir über deine anhaltende Leidenschaft für sehr verwirrende russische Autoren streiten könnten.« »Ich glaub das einfach nicht.« »Ah… gefällt es dir?« »Ob es mir gefällt? Machst du Witze?« Ich schlang meine Arme um ihn und gab ihm den längsten Kuss seines Lebens. »Ich nehme an, das ist ein Ja«, sagte Dean, als wir uns schließlich voneinander lösten. Ich grinste. »Richtig, Mister.« »Komm, steig ein.« Er streckte den Arm aus und öffnete für mich die Tür; sie quietschte, als sie sich aus den Angeln löste und zu Boden krachte.
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»Ah, ich werde das später reparieren«, sagte Dean hastig. »Nein! Ich mag es so, wie es ist.« Auf dem Sitz lag eine alte karierte Decke, die Dean dort ausgebreitet hatte, und ich schlüpfte hinter das Lenkrad und bewunderte das Innere meines neuen Autos. Dean rannte zur anderen Seite, aber die Tür wollte sich nicht öffnen, und so schwang er sich über sie hinweg und glitt auf den Sitz neben mir. »Das ist wundervoll.« »Ich bin froh, dass es dir gefällt.« »Ich hatte keine Ahnung, dass nach drei Monaten das Autojubiläum ist.« »Nach vier Monaten bekommst du ein Flugzeug.« »Mann, die Beziehungen haben sich geändert, seit ich ein Kind war.« Dean lächelte und legte seinen Arm um mich, und ich schmiegte mich an seine Schulter. Sterne glitzerten über uns am Himmel. Es war perfekt. »Ich habe einen dieser Momente«, flüsterte ich. »Jetzt.« »Welcher Momente?« »Einen dieser Momente, wenn alles so vollkommen und so wundervoll ist, dass man sich fast traurig fühlt, weil nichts jemals wieder so gut sein kann.« »Also«, sagte Dean, »deprimiere ich dich im Grunde.« »Ja.« »Du bist total abgedreht.« . »Und du bist unglaublich.« Wir küssten uns zärtlich und lösten uns langsam voneinander. »Rory?«, sagte Dean. »Ja?«, flüsterte ich und sah ihm in die Augen. Dean zögerte und sagte dann sanft: »Ich liebe dich.« Alles erstarrte. Ich blinzelte. Ich konnte nicht sprechen. Dean wartete ungeduldig, und als ich noch immer nichts sagte, runzelte er besorgt die Stirn. »Rory?«, drängte er. »Ja?« »Hast du mich gehört?« »Mhm.«
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»Dann… Sag etwas.« »Ich…« Ich setzte mich auf. »Ich…« »Ja?«, ermutigte er mich, musterte mein Gesicht, sah mir in die Augen. Ich wandte mich ab und starrte das Lenkrad an, das Armaturenbrett. »Ich… ich liebe das Auto!« »Das… das ist alles?« »Nein. Ich bin bloß… ich bin überrascht. Ich habe nicht erwartet… ich habe nicht…« »Du liebst mich nicht.« Er nahm seinen Arm von meinen Schultern und setzte sich aufrecht hin. »Nein! Ich… ich muss nur eine Minute nachdenken.« »Nachdenken über was’?« >»Ich liebe dich< zu sagen, ist wirklich sehr schwer.« »Nun, ich hab’s gerade getan.« »Und du hast es wirklich gut gemacht.« »Was zum Teufel bedeutet das?« »Es tut mir Leid…« Dean atmete aus, und sein Gesicht verwandelte sich in Stein. »Ich… bitte«, sagte ich, »das war eine totale Überraschung. Ich meine, das Abendessen und das Auto und dann die… Ich brauche nur eine Minute, um darüber nachzudenken.« »Das ist nichts, über das man nachdenkt, Rory! Das ist etwas, das man fühlt oder nicht.« »Bitte, sei nicht wütend.« »Warum? Weil ich sage >Ich liebe dich<… und du darüber nachdenken willst? Nach Hause gehen und mit deiner Mutter darüber diskutieren? Auf deine Pro-und-Kontra-Liste setzen?«, fragte er wütend. Ich starrte meine Hände an. »Das ist nicht fair«, sagte ich. »Es tut mir Leid. Ich bin ein Idiot«, murmelte er. »Ich weiß nicht mal, was ich mir dabei gedacht habe.« »Dean, bitte«, flehte ich, »es ist bloß nicht so leicht für mich. Ich meine, >Ich liebe dich< zu sagen, bedeutet eine Menge. Sieh es doch mal von meinem Standpunkt aus. Nimm meine Mom und unser Leben… meine Mom sagt, dass sie meinen Dad geliebt hat, und dann…« »Man wird nicht schwanger, indem man >Ich liebe dich sagt<«,
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erwiderte er verärgert. »Ich weiß!«, sagte ich. »Ich bin bloß durcheinander. Ich muss… Es ist eine wirklich große Sache.« »Schön. Komm.« Er wollte aus dem Auto steigen. »Bitte!«, rief ich und griff nach ihm. »Sei nicht böse.« Er wich vor mir zurück und hielt beide Hände hoch. »Ich bring dich jetzt nach Hause.« »Dean, der Abend war wundervoll«, sagte ich, um es wieder gutzumachen. »Er war perfekt. Bitte. Ich schwöre, ich brauche nur eine Minute…« »Wie du willst. Es spielt keine Rolle«, murmelte er. »Gehen wir.« Er stieg aus dem Auto und ging zum Zaun, während ich wie betäubt auf dem Vordersitz meines Wagens sitzen blieb. Ich holte tief Luft. Was war da gerade bloß passiert? Es war eine lange, schweigsame Heimfahrt. Als ich das Haus betrat, telefonierte Mom, aber sie legte sofort auf, als sie mich sah, und machte ein besorgtes Gesicht. Ich schaute sie an und erzählte es ihr. »Wir haben uns gerade getrennt.«
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11 Mom war sofort an meiner Seite, und ich fiel in ihre Arme. »Erzähl mir, was passiert ist.« »Wir haben uns getrennt. Wir haben uns gerade getrennt.« »Aber ich verstehe das nicht.« »Wir… wir haben zu Abend gegessen und sind am Lagerfeuer vorbeigegangen, aber es war noch nicht angezündet, und deshalb sind wir zum Schrottplatz gefahren, und wir saßen dort in diesem Auto und dann… oh, Gott!« »Was?«, fragte sie alarmiert. »Ich habe deinen Fleischkloß im Auto liegen gelassen.« »Oh, Schatz, vergiss ihn.« »Ich kann nicht glauben, dass ich deinen Fleischkloß im Auto liegen gelassen habe.« »Okay. Komm.« Sie führte mich ins Wohnzimmer und drückte mich auf die Couch. Sie schlüpfte aus ihrem Mantel und setzte sich neben mich. »Dabei habe ich dem Kellner extra gesagt, er soll ihn einpacken und alles. Und alle wollten wissen, was ich mit einem Fleischkloß will. Und ich sagte, das ist eine Mutter-Tochter-Sache. Und ich bin sicher, er hielt mich für verrückt, aber er war so nett und hat es trotzdem getan, und dann« – ich warf beide Hände hoch – »habe ich ihn einfach im Auto liegen gelassen.« »Vergiss den Fleischkloß, okay? Erzähl mir einfach, was passiert ist.« »Er hat gerade mit mir Schluss gemacht, okay?« Ich rang mir ein Lächeln ab. Mom sah mich verwirrt an. »Aber das ergibt keinen Sinn. Wir reden hier von Dean. Er ist verrückt nach dir. Er ruft fünfundzwanzigmal am Tag an. Hast du den Einband seines Notizbuchs gesehen? Das könnte man fast schon als Beweismaterial bei einer Klage wegen Belästigung gebrauchen.« Ich konnte mir das nicht anhören. Ich stand von der Couch auf. »Ich gehe ins Bett.« »Aber – warte!« Mom folgte mir in mein Zimmer. »Erzähl mir ganz genau, was an diesem Abend los war, Schritt für Schritt.«
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»Warum?« »Damit ich verstehen kann, was passiert ist.« »Passiert ist«, sagte ich, ohne sie anzusehen, »dass wir uns getrennt haben. Er will nicht mehr mein Freund sein. Ende der Geschichte.« »Er hat doch nicht einen ganzen romantischen Abend komplett mit Abendessen und Schrottplatz geplant – auf den wir später noch zurückkommen werden – um dich plötzlich ohne jeden Grund abzuservieren.« Ich trat an meinen Kleiderschrank und kippte den Inhalt eines Pappkartons auf den Boden. »Woher weißt du das?« »Weil ich jeden Nancy-Drew-Krimi gelesen habe, der je geschrieben wurde. Den über die Amish sogar zweimal.« Ich drängte mich an ihr vorbei und stellte den Karton auf mein Bett. »Ich weiß, dass mehr hinter dieser Geschichte steckt, als du mir verraten hast«, fuhr sie fort. Ich sagte nichts, sondern wartete, bis sie zur Seite trat, damit ich einige Bücher auf meinem Schreibtisch erreichen konnte. Mom sah erst den Karton an, dann mich und runzelte die Stirn. »Was machst du?« »Ich werfe all seine Sachen weg.« »Welche Sachen?« Ich legte die Bücher in den Karton. »Alles, was er mir gegeben hat, alles, was er berührt hat…« Ich warf ein gelbes Stofftier dazu. »… alles, was er angesehen hat…« »Okay, Schatz, könntest du dich bitte eine Sekunde beruhigen?« »Er will nicht mehr mein Freund sein.« Ich zog eine Schublade auf und nahm einige Kleidungsstücke heraus. »Schön.« »Okay, alles wird gut, aber…« Sie riss mir ein schwarzes Shirt aus der Hand. »Was?« »Meins.« »Oh.« Ich ging wieder zu meinem Kleiderschrank, dicht gefolgt von Mom. Ich nahm ein paar Pullover zusammen mit den Kleiderbügeln heraus und warf sie in den Karton. »Gibt es eine andere?« »Nein.« »Zieht er um?« »Nein.«
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»Stirbt er? Hat sein Footballteam ein Spiel verloren?« »Was?« »Hey, so was ist schon vorgekommen.« Ich trug den Karton zum Kleiderschrank. Mom stellte auffallend nervös und verlegen die nächste Frage. »Hat er, äh… etwas versucht?« Ich blieb stehen, von ihrer Frage verwirrt. »Was?« »Du weißt schon, wollte er…« »Was?« Mom brachte nur mühsam die Worte hervor. »Wollte er… mehr, als du…« »Gott, nein!« »Okay, okay…« »Jesses!« »Es tut mir Leid! Du gibst mir einfach keinen Hinweis, mit dem ich arbeiten kann.« Ich nahm ein Kleid aus dem Schrank und stopfte es in den Karton. »Schatz, das ist dein Lieblingskleid, das ich für dich gemacht habe…« »Das ich trug, als ich mit ihm tanzen ging.« »Oh. Nun ja…« Ich füllte weiter den Karton. »Dieser Pullover ist brandneu«, sagte Mom. »Er hat mich gestern darin gesehen, und er hat ihm gefallen.« »Nun, dann hat er wenigstens einen guten Geschmack.« »Er sagte, er bringt das Blau meiner Augen zur Geltung…«, seufzte ich. »Dann ist er schwul.« Ich starrte sie an. »Du bist nicht witzig, und er kommt weg.« Ich stopfte ihn tiefer in den Karton. »Ich bin durchaus witzig, und wenn du alles wegwirfst, in dem dich Dean je gesehen hat, wirst du mit einem Handtuch herumlaufen müssen.« Ich warf mein Stoffhuhn hinterher. »Colonel Clucker?« Mom nahm den großen dicken Vogel und hielt ihn hoch. »Meinst du das ernst? Du hast ihn, seit du vier warst.« »Als Dean zum ersten Mal hier war, hat er ihn in die Hand genommen«, erklärte ich.
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»Nun ja, das ist nicht die Schuld des Colonels. Er hat einfach da gesessen und sich um seine eigenen Angelegenheiten gekümmert, als plötzlich so ein Kerl hereinkommt und ihn in die Hand nimmt. Was kann ein Stoffvogel schon dagegen tun?«, fragte sie, um mich aufzumuntern. »Ich will keine Witze darüber machen!«, sagte ich heftig. »Nicht jetzt.« Ich nahm meinen Armreif ab, warf ihn in den Karton und legte dann Colonel Clucker dazu. Ich gab den Karton Mom. »Hier. Nimm ihn. Ich will ihn nicht mehr sehen.« »Okay«, sagte Mom mit trauriger Stimme. »Ich, äh, werde ihn wegstellen.« »Nein! Schaff ihn aus dem Haus! Wirf ihn in den Mülleimer. Verbrenn ihn. Nur…« Ich sank auf mein Bett. »Ich will, dass er verschwindet.« Mom stellte den Karton auf das Ende meines Bettes und setzte sich zu mir. »Weißt du, Schatz, eines Tages, wenn all das in der Vergangenheit liegt, wird es dir vielleicht Leid tun, diese Dinge nicht mehr zu haben…« »Das ist mir egal.« »Aber, Rory…« »Das ist mir egal!« »Okay. Schön. Er ist weg.« »Danke.« Ich starrte in meinen Schoß. »Ich schaff ihn also weg, und du gehst zu Bett. Ruh dich aus. Vielleicht bist du morgen eher bereit, mit mir zu reden.« »Okay.« »Oh, Schatz. Gute Nacht.« Sie beugte sich zu mir und küsste mich, nahm dann den Karton und wandte sich zur Tür. »Mom?« »Ja?« »Weit, weit weg vom Haus. Okay?« »Hey, er „wird bei den Fischen schlafen.« »Danke.« Sie zwinkerte mir zu und schloss die Tür hinter sich. Ich löschte das Licht und kroch unter die Decke. »Mom?« »Mmmmm.«
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»Mom. Steh auf!« Ich schüttelte sie wach. »Rory? Was ist los?«, murmelte Mom durch die Decke. »Nichts. Ich will nur anfangen.« Ich ging zum Fenster, zog die Jalousie hoch und ließ das morgendliche Sonnenlicht in ihr Zimmer. »Ich habe eine Liste all der Dinge aufgestellt, die wir immer an den Wochenenden machen wollten, aber wenn das Wochenende kommt, sagst du, dass sie viel zu langweilig sind, um sie an einem Wochenendtag zu erledigen und dass wir sie während der Woche machen werden, was wir natürlich nie tun.« Mom hielt sich ihren purpurroten Plüschwecker vor das Gesicht und versuchte, die Uhrzeit abzulesen. »Deshalb«, fuhr ich fort, »denke ich, dass wir sie heute erledigen sollten, ein für alle Mal. Und um es interessant zu machen, könnten wir uns eine Art Belohnungssystem ausdenken, dass wir beispielsweise, wenn wir mit allem auf der Liste fertig sind, uns eine Maniküre machen lassen.« Ich öffnete ihren Schrank und nahm ein paar Sachen für sie heraus. Mom rieb sich die Augen und versuchte erneut, die Uhrzeit abzulesen. »Oder«, fügte ich plötzlich aufgeregt hinzu, »wir könnten abends in dieses Schweizer Restaurant gehen und Fondue essen. Oder wir könnten unsere Handtaschen mit Schokolade und Gummibärchen voll stopfen und uns die Produktion der Stars Hollow Elementary School von Wer hat Angst vor Virginia Wolf ansehen.« Ich setzte mich aufs Bett und lächelte in ihr verschlafenes Gesicht. Mom hielt ungläubig den Wecker hoch. »Es ist sechs Uhr.« »Ich weiß.« »Am Samstagmorgen.« »Das ist richtig.« »Ah! Es ist sechs Uhr am Samstagmorgen«, wiederholte sie. »Möchtest du Docs oder Sneakers anziehen?« »Ich will… Slipper anziehen.« Ich schenkte ihr mein fröhlichstes Lächeln. »Bitte aufstehen.« »Rory, mein Herz, es ist Samstag. Der Tag der Ruhe.«: »Sonntag ist der Tag der Ruhe.« »Und Samstag ist der Tag der Vorruhe.« »Vorruhe?«
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»Damit du am Sonntag ausgeruht genug bist… um die Ruhe zu genießen.« »Das ergibt absolut keinen Sinn.« Sie fuchtelte mit dem Wecker herum und protestierte: »Weil es sechs Uhr am Samstagmorgen ist!« Ich lächelte – und riss die Decke von ihrem Bett. »Geh weg!« »Raus aus dem Bett!« »Hey, das reimt sich.« »Wir treffen uns unten.« Ich rannte die Treppe hinunter, während Mom sich anzog. Eine kurze Weile später tauchte sie auf und fand mich am Küchentisch sitzend vor, wo ich an meiner Liste arbeitete. »Hallo«, sagte Mom mit fröhlicher Stimme. Dann fragte sie: »Hast du die Möbel umgestellt?« »Ja«, nickte ich stolz. Ich kam mir sehr tüchtig vor. »Oh, gut. Denn einen Moment lang dachte ich, wir hätten ein Problem mit den Heinzelmännchen und ich müsste den Kammerjäger rufen und das Haus ausräuchern lassen… aber das warst bloß du. Toll.« Sie schwieg einen Augenblick lang und fuhr dann fort: »Nun, gibt es irgendeinen besonderen Grund dafür, dass du plötzlich das Bedürfnis hattest, morgens als Erstes große Möbelstücke zu verrücken?« »Ich war auf. Ich war da.« Ich lächelte und wandte mich wieder meiner Liste zu. »Okay. Guter Gedankengang. Aber mir fällt auf, dass du den Fernseher nicht verrückt hast.« »Er war zu schwer.« »Richtig, okay. Gefällt mir. Ja. Das ist gut. Wenn das Sofa vor dem Fernseher stehen würde, könnte man natürlich besser fernsehen, aber so ist es auch gut. Es wird, äh, du weißt schon, wie Radiohören sein.« »Bist du bereit loszulegen?« »Ja, das bin ich. Nur eine Sekunde.« Mom setzte sich zu mir. »Ah, warum machst du nicht…Würdest du bitte mal den Kugelschreiber weglegen?« »Ich mache die Liste fertig.«
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»Ja, das sehe ich. Und so sehr ich deine Listen auch liebe, lass uns einfach« – sie nahm mir sanft den Kugelschreiber aus der Hand – »diese spezielle hier später fertig stellen, okay?« »Okay«, sagte ich und blickte zu ihr auf. »Schatz, ich mach mir Sorgen um dich«, begann sie. »Ich wünschte, du würdest mit mir reden.« »Ich will mich im Moment wirklich nicht damit befassen. Ich kann mich jetzt nicht damit befassen.« »Ich weiß. Aber hör zu. Mir wurde auch schon einmal das Herz gebrochen. Das ist sehr hart. Es ist für jeden hart. Kann ich dir einen kleinen Rat geben?« »Okay.« »Ich denke, dass du in Selbstmitleid schwelgen solltest.« »In Selbstmitleid?« »Zieh deinen Pyjama wieder an, geh ins Bett, iss nichts außer kiloweise Eiscreme und Tonnen von Pizza, dusch dich nicht, rasier dir deine Beine nicht und schmink dich auf keinen Fall, sitz im Dunkeln herum, sieh dir richtig traurige Filme an, weine ausgiebig und schwelge einfach in Selbstmitleid. Du musst in Selbstmitleid schwelgen.« »Nein«, sagte ich schnell. »Rory, die erste Liebe ist intensiv. Die erste Trennung ist sogar noch intensiver. Es einfach beiseite zu schieben und zu ignorieren, während du Listen aufstellst, wird dir nicht helfen.« »Ich will nicht in Selbstmitleid schwelgen.« »Versuch es wenigstens einen Tag lang.« »Nein.« »Einen Tag. Einen Tag der Pizzas und Pyjamas. Ich werde dir Lovestory und The Champ, Die große Liebe meines Lebens, Ishtar…« »Ich will nicht diese Art Mädchen sein.« »Die Art Mädchen, die sich Ishtar ansieht?« »Die Art Mädchen, die zusammenbricht, nur weil sie keinen Freund mehr hat.« »Diese Beschreibung passt schwerlich auf dich.« »Nun, das wird sie, wenn ich in Selbstmitleid schwelge.« »Das ist nicht wahr.« »Ich war daran gewöhnt, einen Freund zu haben, und jetzt habe ich
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keinen mehr.« Ich nahm mein Notizbuch und die Stifte und mein leeres Glas und stand auf. »Okay. So ist es nun mal. Ich meine, im Dunkeln zu sitzen, Junkfood zu essen und mir nicht die Beine zu rasieren wird nichts daran ändern, nicht wahr?« Ich warf meine Sachen auf die Anrichte und spülte geistesabwesend mein Glas. »Nein, aber…« »Ich will das nicht tun. Ich habe Sachen zu erledigen. Ich habe Schule und muss an Harvard denken.« »Schatz, Harvard ist noch drei Jahre entfernt.« »Aber jetzt ist die Zeit, in der ich mich darauf vorbereiten sollte.« Ich stellte mein Glas in die Spüle und drehte mich zu ihr um. »Ich meine, es ist schwer, nach Harvard zu kommen. Und ich weiß nicht, warum ich überhaupt meine Zeit damit verschwende, an etwas anderes zu denken.« »Weil du ein ganz normaler Teenager und keine vertrocknete Streberin bist«, erwiderte Mom. »Ich bin sechzehn. Ich habe noch den ganzen Rest meines Lebens Zeit, einen Freund zu haben. Ich sollte mich im Moment auf das Wesentliche konzentrieren.« »Ich bewundere deine Einstellung.« »Danke.« »Sollen wir uns auch Old Yeller leihen, oder ist das bloß ein Heulfilm für Jungs?« »Du hörst mir nicht zu.« »Ich höre dir zu. Ich stimme dir nur nicht zu.« »Ich will nicht in Selbstmitleid schwelgen«, sagte ich hitzig. »Und du kannst mich nicht dazu zwingen.« »Okay, schön.« »Danke.« Ich nahm mein Blatt und den Kugelschreiber von der Anrichte und setzte mich wieder an den Tisch. »So, das ist wohl deine Liste.« . »Ja, das ist sie.« »Dürfte ich sie bitte sehen?« Ich gab ihr das Blatt und sie überflog es. »Wir brauchen keinen Gartenschlauch.« »Wir haben aber keinen.« »Wir haben auch keinen Garten.« »Nun, vielleicht können wir mithilfe eines Schlauches einen wach-
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sen lassen.« »Okay. Dürfte ich den Kugelschreiber haben?« »Warum?« »Nur ein paar kleine Änderungen.« Sie nahm meinen Kugelschreiber, schrieb dann etwas auf den unteren Rand und gab mir das Blatt bedächtig zurück. Sie hatte ein winziges Wort geschrieben. In Großbuchstaben. SELBSTMITLEID. »Mom…« »Was? Es steht auf deiner Liste. Musst du es nicht tun, wenn es auf deiner Liste steht?« »Ich werde nicht in Selbstmitleid schwelgen«, erklärte ich, als ich es durchstrich. »Aber ich habe es nach dem Besuch im Recyclingzentrum angesetzt!«, sagte sie. Ich sah sie nur an, und sie gab nach. »Schön. Vergiss es. Ich gebe auf. Ich brauche Kaffee. Gehen wir.« Wir zogen unsere Mäntel an und machten uns auf den Weg ins Luke’s. Stars Hollow war voller Menschen, die nach dem Feuerfestival sauber machten. Mom sah sich ungläubig um. »Warum sind all diese Leute so früh auf den Beinen? Es ist Samstagmorgen!« »Manchen Leuten gefällt es, früh aufzustehen«, erinnerte ich sie. »Du lügst.« »Sie tun es freiwillig.« »Wirklich?« »Jeden Tag.« »Ach, geh!« »Wie bitte?« »Kevin Bacon. Footloose. Reaktion auf die Tanzen-verbotenVorschrift in der Stadt, die ihm von Chris Penn enthüllt wird, Bruder von Sean.« »Ich hätte es wissen müssen.« »Ja, das hättest du. Ich weiß nicht, was sie euch in dieser verdammten Schule beibringen.« Plötzlich blieb ich mitten auf dem Bürgersteig stehen. »Was?« »Ich kann nicht in diese Richtung gehen.«
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»Warum nicht? Wir gehen ins Luke’s.« »Nein.« »Du wirfst mich um sechs Uhr morgens aus dem Bett, und dann sagst du Nein zum Luke’s? Ist dir nicht klar, wie gefährlich das ist?« »Ich kann nicht in diese Richtung gehen.« »Grund, bitte.« »Weil wir an Doose’s Market vorbeikommen.« »Und?« »Und… wir könnten…« »Oh.« »Ja.« »Richtig. Du weißt nicht, ob er arbeitet?« »Ich kann mich nicht erinnern. Seine Arbeitszeiten am Wochenende ändern sich ständig.« »Okay, dann nehmen wir eben den langen Weg.« »Nein.« »Warum nicht?« »Weil wir dann an der Schule vorbeikommen.« »Heute ist keine Schule.« »Nein, aber an den Tagen, an denen er nicht arbeitet, spielt er mit einigen seiner Freunde Football in der Schule.« »Um wie viel Uhr?« »Das ändert sich ständig.« »Gut, dann gehen wir einfach die Peach hinunter und biegen… Du schüttelst den Kopf. Warum?« »Dean wohnt in der Peach.« Mom blickte allmählich verzweifelt drein. »Okay, Rory, Schatz, Liebe meines Lebens, dir ist klar, dass du uns völlig vom Luke’s abschneidest, wo der fröhliche Kaffee auf uns wartet?« »Es tut mir Leid.« »Nein, nein, es ist okay, es ist okay.« Mom hakte sich bei mir ein und warf einen Blick in die Runde. »Wir werden einfach… wir werden uns etwas einfallen lassen.« Bald bogen wir in eine Gassen, drängten uns an Mülltüten und einer Straßenkatze vorbei, die aus einer alten Konservendose fraß, und näherten uns der Rückseite von Luke’s Diner. »Es tut mir Leid«, sagte ich. »Nein, ist schon gut«, erwiderte Mom. »Es ist wie in Die Akte Ja-
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ne. Nur dass wir unsere Haare behalten können.« »Ich konnte einfach nicht…« »Schatz, sag nichts mehr. Nimm es einfach als Abenteuer. Zwei Mädchen, die gegen die Elemente kämpfen. Aufs Überleben erpicht.« »Oder Kaffee.« . »Das ist dasselbe.« »Weißt du, ich wette, man kann eine Menge über Leute erfahren, wenn man sich ihren Müll ansieht«, sagte ich, als wir weitergingen. »Ja?« »Denk mal drüber nach. Abfälle sind weggeworfene Aspekte ihres Lebens. Sie erzählen von ihren Essgewohnheiten, was sie lesen, ob sie in Konzerte gehen, ob sie verantwortungsbewusst sind, ob sie ihre Rechnungen pünktlich bezahlen…« Mom drehte sich zu mir um. Sie ergriff leicht besorgt meine Hände. »Weißt du, Schatz, Müll erzählt uns eigentlich nichts, sofern er nicht in der Sesamstraße liegt.« »Ich versuche nur, dir etwas klarzumachen.« »Dass es interessant ist, den Müll anderer Leute zu durchwühlen?« »Und lehrreich.« »Und stinkig. Und ein wenig verrückt.« »Es ist nicht verrückt, mehr über die menschliche Natur erfahren zu wollen. Neugier hilft uns beim Erwachsenwerden.« Ich wühlte in einem Haufen alter Kleidung. Mom rümpfte die Nase und zog mich weiter. »Wir müssen dich sofort aus dieser Gasse rausschaffen.« Im Luke’s war es unglaublich voll, und obwohl wir dort jeden Morgen essen, kannten wir niemanden. »Wer sind all diese Leute?«, fragte Mom, völlig verblüfft von dem, was sie sah. »Das ist die Sechs-Uhr-morgens-Kundschaft.« »Ich erkenne absolut niemanden in diesem Lokal.« »Hey«, sagte eine Stimme hinter uns. Mom fuhr herum und stand Lukes alter Freundin Rachel gegenüber. Mit ihren langen, honigblonden, nach hinten gekämmten Locken, den großen braunen Augen, klar und ausgeruht, und der schimmernden Haut sah sie hellwach aus – und wunderschön. »Oh, hi«, sagte Mom mit ihrem besten gezwungenen Lächeln.
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Rachel hielt zwei große Becher in einer Hand und eine Kanne Kaffee in der anderen. »Kaffee, während ihr wartet?« »Ah, Gott segne dich!«, seufzte Mom. Wir nahmen dankbar die Becher entgegen. »Luke hat dich zum wohl Arbeiten gebracht, was?«, fragte Mom. Rachel füllte unsere Becher. »Nun ja, ich dachte mir, wenn ich schon eine Weile hier bleibe, kann ich ihm wenigstens helfen.« »Aha, du wirst also bleiben? Eine Weile? Hier?«, fragte Mom ein wenig überrascht. »Ja.« Rachel lächelte. »Ich denke schon.« »Oh, nun ja.« Mom nickte. »Das ist nett.« »Ja.« Rachel nickte ebenfalls. »Wo ist Luke?«, fragte ich. »Wir waren gestern recht lange auf«, sagte Rachel, »deshalb lasse ich ihn ausschlafen.« »Ausschlafen? Luke?«, wiederholte Mom mit einem Lachen. »Glaube mir, es war nicht leicht, ihn dazu zu bringen, aber am Ende, mit einiger Überredungskunst und nach ein paar Schlaftabletten, hat er schließlich nachgegeben«, erklärte Rachel. Dann wandte sie sich den anderen Gästen zu. Wir setzten uns an den Tisch am Frontfenster. Ein paar Tische weiter lachte jemand. Eine Welle der Paranoia schlug über mir zusammen, und ich sah mich um. »Ich habe das Gefühl, dass alle mich anstarren.« »Nun ja«, sagte Mom ohne zu zögern. »Weil eine Bananenschale an deinem Fuß klebt.« »Wirklich?« Ich spähte unter den Tisch und untersuchte meinen Schuh. »Das war doch nur ein Witz! Niemand starrt dich an.« Ich zog meinen Mantel aus und verharrte plötzlich, ein Arm noch immer im Ärmel. Ich sah mich erneut um. »Sie wissen es.« »Sie wissen es nicht.« »Es hat sich wahrscheinlich inzwischen in der ganzen Stadt herumgesprochen.« »Schatz, es ist gestern Abend passiert. Jetzt ist es kurz nach sechs Uhr morgens«, beruhigte Mom mich. »Die ganze Stadt weiß es.« Ich zog den Rest meines Mantels aus und legte ihn auf meinen Schoß. »Alle wissen, dass ich abserviert
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wurde.« »Willst du nach Hause gehen?«, fragte Mom, als sie ihre Hand auf meine legte. »Nein. Wir haben eine Liste!«, sagte ich nachdrücklich. Mom unterstützte mich sofort. »Okay. Toll. Ich werde uns etwas bestellen. Irgendwelche Wünsche? Eier? Toast? Den Schlüssel für den Müllcontainer?« »Ist mir egal.« »Ich bin gleich wieder da.« Mom ging zum Tresen und passierte den Eingang, als Miss Patty hereinkam. »Lorelai«, sagte sie. »Was für eine nette Überraschung so früh am Morgen. Nun… wie geht’s?« Sie plauderten ein paar Momente, dann wandte sich Mom dem Tresen zu, hinter dem Luke stand, der gerade die Treppe heruntergekommen war. Kirk trat an meinen Tisch und sagte unverblümt: »Ich habe ihn nie gemocht. Ich weiß nicht genau, ‘woran es lag. Vielleicht an der Form seiner Stirn oder seiner Größe oder an der komischen Frisur. Im Nachhinein denke ich, es war die Frisur.« Ich war völlig überrumpelt. Mom tauchte plötzlich auf und rettete mich. »Guten Morgen, Kirk.« »Lorelai.« Kirk drehte sich um. »Ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich nicht schon früher meine Besorgnis über diesen Idioten mit der komischen Frisur ausgedrückt habe, denn wenn ich es getan hätte…« »Halt! Weißt du was? Du musst jetzt gehen!«, sagte Mom hastig. »Ich kann nicht gehen, bis du meine Entschuldigung angenommen hast«, fuhr Kirk fort. »Ich nehme deine Entschuldigung an«, erklärte Mom. »In Ordnung.« Er wandte sich zum Gehen, drehte sich dann noch einmal um und versicherte uns: »Es wird nicht noch einmal passieren.« Mom schlüpfte auf ihren Platz. »Schatz, bist du sicher, dass du nicht…« »Sag bloß nicht Selbstmitleid«, warnte ich. »… deinen Kaffee trinken willst, bevor du isst?« »Mir geht’s gut«, versicherte ich mit einem Lächeln. »Aber wenn du den Ausdruck auf deinem Gesicht sehen könntest…«
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»Es ist derselbe Ausdruck, den du auf deinem Gesicht hattest, als du dich von Max getrennt hast. Hat Selbstmitleid dir geholfen, über ihn hinwegzukommen?« »Ich behaupte nicht, dass Selbstmitleid dir helfen wird, über Dean hinwegzukommen«, räumte Mom ein. »Es ist ein Teil des Prozesses. Es ist die Trauerphase. Es ist ein Schritt. Ein wichtiger Schritt. Aber nur die Zeit wird dir helfen, über ihn hinwegzukommen.« »Wie lange hat es gedauert, bis du über Max hinweggekommen bist?« »Oh, nun ja, ich weiß es nicht genau.« »Ungefähr.« »Ich habe die Zeit nicht gestoppt.« »Richtzahl«, drängte ich. »Eine Weile.« »Geht’s nicht noch ein bisschen ungenauer?« »Rory, komm schon.« »Mehr Kaffee?«, unterbrach Luke, als er unsere Tassen füllte, ohne eine Antwort abzuwarten. Dann wies er auf mich und lächelte fast. »Die Pfannkuchen kommen sofort. Kann ich dir sonst noch etwas bringen?« »Nein, danke.« »Hey!«, sagte er plötzlich. »Ich habe hinten noch ein paar Erdbeeren. Du magst Erdbeeren, stimmt’s?« Ich blinzelte. Luke war ungewohnt freundlich. »Ja, ich mag Erdbeeren, aber…« »Ich hole dir Erdbeeren.« Er zeigte auf mich und grinste, als er davonging. Ich seufzte und sah Mom an. »Du hast es ihm erzählt, nicht wahr?« »Nein! Miss Patty war’s.« Ich war nicht sicher, ob ich ihr glauben sollte. »Wenn du es Miss Patty erzählt hast, werden es alle in der Stadt erfahren«, erklärte ich. »Schatz, die Leute haben ihr eigenes Leben und ihre eigenen Probleme. Ich glaube nicht, dass deine Trennung von Dean das Einzige ist, was sie interessiert.« Mom trank einen Schluck von ihrem Kaffee, sah aus dem Fenster und erstickte dann fast. Ihre Hand flog zu ihrem Mund. »Oh, mein Gott!« »Was?« Ich folgte ihrem Blick.
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Luke hatte Dean mitten auf der Straße in den Schwitzkasten genommen, und Dean wehrte sich heftig. »Oh, mein Gott!« Ich war wie betäubt. Was war da bloß los? Mom griff nach ihrer Handtasche und war schon halb durch die Tür, bevor ich reagieren konnte. Ich nahm meine Sachen und rannte ihr hinterher. »Hey! Hey! Schluss damit! Hört auf!«, rief Mom und trennte die beiden schließlich voneinander. »Was hast du dir dabei gedacht?«, schrie sie Luke an. »Er hat angefangen!«, sagte Luke keuchend. »Indem er was getan hat?« »Er kam herein.« Als würde das alles erklären. »Bist du wahnsinnig? Er ist sechzehn!« »Was hätte ich denn tun sollen?«, fauchte er. »Nun, natürlich mitten auf der Straße stehen und ihm ein paar Ohrfeigen verpassen.« Sie packte ihn am Arm und zog ihn zum Eingang des Diner. »Komm rein.« Ich drehte mich zu Dean um. Er stand nur da, mitten auf der Straße, und atmete schwer. »Bist du okay?«, fragte ich. »Mir geht’s gut«, murmelte er. Er wollte mich nicht einmal ansehen. »Oh, gut!«, sagte ich. »Ich weiß nicht, was in Luke gefahren ist. Er ist normalerweise so…« Dean drängte sich an mir vorbei. »Ich muss gehen.« »Oh, sicher. Mach’s gut.« Er marschierte davon, an Luke vorbei. Luke wollte wieder auf ihn losgehen, und Dean hob abwehrend die Hände und wich zurück. »Geh jetzt rein!«, forderte Mom und zog Luke an der Schulter. »Aber…« »Rein! Sofort!«, befahl sie. »Er hat angefangen«, schmollte Luke, als er zurück ins Diner ging. Ich stand mitten auf der Straße und sah Dean nach. Er schaute sich nicht um.
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12 Ich spürte, wie jemand an meiner Jacke zog. Mom war an meiner Seite. »Hey.« »Hey.« »Also… was steht als Erstes auf der Liste?«, fragte sie mit einem strahlenden Lächeln. »Was?« »Die Liste. Wir haben heute eine Menge zu erledigen, Missy. Ansonsten werde ich morgen Früh um sechs deinen Hintern aus dem Bett zerren. Nun, wo fangen wir an?« »Nun ja, äh…« Meine Hände zitterten leicht, als ich die Liste aus meiner Tasche nahm und auseinander faltete. »Wir brauchen… eine Seifenschale für die Küche.« »Ah! Eine Küchenseifenschale!«, sagte Mom. »Sehr dekadent, aber zum Teufel damit…« Sie hakte sich bei mir ein und führte mich die Straße hinunter. »Gehen wir.« Was soll ich sagen? Am Ende amüsierten wir uns sogar. Mom sorgte dafür, dass wir uns amüsierten. Als wir nach Hause kamen, war der Zwischenfall fast vergessen. »Nun, das war eine sehr erfolgreiche Einkaufstour«, sagte ich fröhlich, als ich meine Einkaufstaschen abstellte. »Bis auf das braune Verlängerungskabel haben wir alles auf der Liste besorgt.« »Wir werden es am Dienstag holen.« »Ich denke, damit haben wir praktisch alles erledigt.« »Bist du zufrieden?« »Ich weiß gute Arbeit zu schätzen. Ja.« Mom suchte in den Einkaufstaschen. »Ich kann es kaum erwarten, die Toasterpizza zu probieren, sie sieht so lecker aus. Was normalerweise typisch für tolles Fastfood ist.« »Beef a Roni«, warf ich ein. »Gut gesagt.« »Ich werde meinen neuen Wandluftreiniger anschließen«, sagte ich zu Mom. »Gib mir fünf Minuten, und dann komm in mein Zimmer und rieche.« Sie hielt die beiden Pizzaschachteln hoch. »Käse oder Peperoni?«
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»Egal.« »Beide? Gute Wahl.« Ich schloss meine Tür, um die Wirkung des Luftreinigers zu beschleunigen, und probierte ihn an verschiedenen Steckdosen aus, um mich dann für die neben der Tür zu entscheiden. Ich ging zu Mom und den Pizzas zurück, blieb jedoch stehen, als ich Mom draußen auf der Veranda hörte, wo sie mit Babette sprach. »Aber ich kann helfen!«, erklärte Babette. »Ich kann ihr sagen, dass man eine Menge schlechter Beziehungen durchstehen muss, bis man diese wirklich gute eingeht. Ich kann ihr von all den schrecklichen Männern erzählen, die ich in meinem Leben kennen gelernt habe. Total grauenhafte Männer.« »Wirklich, Babette…« »Ich bin einmal aus einem fahrenden Auto geworfen worden.« »Nun, das ist eine nette kleine Anekdote«, meinte Mom. »Ich möchte, dass du ihr alles darüber erzählst. Nur nicht im Moment.« »Geht es ihr wirklich so schlecht?« »Sie kommt schon zurecht. Ehrlich.« Ich zog mich in mein Zimmer zurück, schloss die Tür, fiel rücklings auf mein Bett und sah mein Handgelenk an, wo ich Deans Armreif getragen hatte. Ich rollte mich auf der Seite zusammen und hätte am liebsten losgeheult. Entschlossen, mich nicht davon überwältigen zu lassen, setzte ich mich auf und griff nach meinem Rucksack. Mit neuerlicher Entschlossenheit öffnete ich ihn und nahm meine Hausaufgaben heraus. Ein zerknüllter Zettel fiel heraus, und ich faltete den computergedruckten Flyer mit dem bunten Rand auseinander. Es war Madelines Partyeinladung. Ich hatte sie ganz vergessen, weil ich nicht vorgehabt hatte, hinzugehen. Ich stand vom Bett auf und kehrte in die Küche zurück. »Sieh mal.« Ich hielt den Flyer hoch. Mom nahm ihn mir aus der Hand. »Madeline gibt heute Abend eine Party«, las sie. Ich nickte und erklärte: »Ich werde hingehen.« »Du gehst auf eine Party?« »Ja, so ist es.« Es war ein wenig überraschend, wenn man bedachte, dass man das Wort »Madeline« sonst niemals aussprechen konnte, ohne »Paris«
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und »Louise« hinzuzufügen. Sie waren immer zusammen. »Schatz, warum bleibst du nicht einfach zu Hause und liest Die Glasglocke? Derselbe Effekt.« Sie öffnete die Pizzaschachteln und steckte zwei Pizzas in den Toaster. »Hey, ich werde diese Schule noch während der nächsten zweieinhalb Jahren besuchen. Es kann nicht schaden, mich unter die Leute zu mischen. Richtig? Was ist daran falsch?«, argumentierte ich. »Nichts.« »Also gut. Damit wäre das geklärt.« Ich öffnete den Küchenschrank, um den Parmesankäse herauszunehmen. Mom räusperte sich. »Ah, kann ich einen Vorschlag machen?« »Nur zu.« »Warum fragst du nicht Lane, ob sie mitkommen will? Du weißt schon, auf diese Weise hast du ein freundliches Gesicht um dich, wenn es mit dem Unter-die-Leute-Mischen nicht wie geplant klappt.« »Okay. Gute Idee. Danke.« »Keine Ursache.« »Kann ich den Wagen haben?« »Ja.« »Kann ich mir etwas zum Anziehen borgen?« »Ja.« »Wirst du jetzt zu allem Ja sagen, weil du Mitleid mit mir hast?« »Ja!« »Ich werde eine Liste aufstellen.« Ich fühlte mich wieder okay. Ich lief los, tun Lane anzurufen. Lane trug einen niedlichen roten Pullover, einen kurzen Jeansrock, eine schwarze Strumpfhose und hochhackige Schuhe, als sie an diesem Abend herüberkam. Sie sah großartig aus. Ich hatte mich für ein hübsches Kleid mit Blumenmuster entschieden. Wir hatten viel Spaß, als wir unseren Outfits den letzten Schliff gaben. »Bin ich hier hinten zerknittert?«, fragte ich sie. Sie musterte die Rückseite meines Kleides. »Ein wenig. Hier.« Als sie die Rückseite meines Kleides glatt strich, wurde sie plötzlich ganz still. »Nun… wie geht es dir?« Wir hatten über die letzten Vorfälle noch gar nicht gesprochen. »Mir… geht’s gut.« »Wie geht es dir wirklich?«
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Ich zuckte mit den Schultern und drehte mich mit einem automatischen Lächeln um. »Das Leben geht weiter, stimmt’s?« »Weißt du, ich habe Dean heute gesehen – ich war mir nicht sicher, ob ich es dir erzählen soll.« »Warum nicht?« »Ich meine, ich war mir nicht sicher, ob du es wissen willst.« »Das ist schon okay.« Ich versuchte, gelassen zu klingen, als ich fragte: »Was hat er gesagt?« »Nichts. Er hat sofort die Straße überquert, als ich ihn sah.« »Oh.« Ich ging zu meinem Bett und starrte meine Hände an. Lane folgte mir, und wir setzten uns beide aufs Bett. »Aber wenn es dir ein Trost ist, er sah richtig traurig aus.« »Ich ‘will nicht, dass er traurig ist.« Ich nahm ein Buch von dem Stapel auf dem Bett und steckte es in meine Tasche. »Rory, bist du sicher, dass du heute ausgehen willst?«, fragte Lane sanft. »Warum stellt mir jeder diese Frage?« »Weil du dich gerade von deinem Freund getrennt hast. Ich meine, ich hätte absolut nichts dagegen, einfach hier zu bleiben und Musik zu hören. Reden. Nicht reden. Was auch immer.« »Nein, ich bleibe nicht hier!« Ich stand auf. »Wir gehen zu dieser Party. Es wird toll werden. Ich will nicht darüber reden, und das ist mein letztes Wort.« »Streite nicht mit ihr, oder du wirst feststellen, dass du die stolze Besitzerin von drei Gartenscheren bist«, sagte Mora, als sie mit einer Kette in mein Zimmer kam. »Mom…« Ich versuchte meinen Einkauf von heute zu verteidigen. »Drei. Denn eine ist einfach nicht genug. Dreh dich um.« »Warum?« »Vierzehn Stunden Arbeit, darum.« »Schön.« Ich blickte mich im Spiegel an, als sie mir die Kette umlegte. »Was ist das?«, fragte ich. »Ich dachte, sie würde zu deinem Kleid passen, und so ist es auch.« Sie war perfekt. »Hübsch.« »Ja. Sie ist wirklich hübsch. Nun, hier ist das Handy und etwas Spielgeld. Wenn du aus irgendeinem Grund nicht vor zwölf zu Hause sein kannst, ruf mich an.«
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»Oh, wir werden bis zwölf zurück sein«, versicherte Lane. »Ruf mich einfach an«, bekräftigte Mom. »Tut mir Leid«, sagte Lane. Ich schloss meine Make-up-Schatulle und erstarrte dann, als ich die kleine gelbe Schachtel sah, die an meinem Spiegel lehnte. »Rory?«, fragte Mom besorgt. »Das Stärkemehl.« »Was?« »Das Stärkemehl, das… das erste Mal, als Dean mich geküsst hat…« Das erste Mal, als Dean mich geküsst hatte, war ich in Doose’s Market gewesen und hatte so getan, als wollte ich Stärkemehl kaufen, aber als er mich geküsst hatte, war ich so verblüfft gewesen, dass ich aus dem Laden gerannt war, ohne dafür zu bezahlen. Seitdem stand die Packung auf meiner Frisierkommode, ein Andenken an meinen ersten Kuss. »Ich habe vergessen, es mit den anderen Sachen wegzuschaffen«, sagte ich. »Ich werde es einfach wegwerfen.« »Hey!« Mom entriss mir die Packung. »Warum überlässt du das nicht mir? Ihr geht jetzt aus.« »Okay.« Wir küssten uns zum Abschied. »Tschüss! Amüsiert euch!«, rief sie uns nach. »Benehmt euch. Ooh! Denkt daran, einen Blick in die Sockenschubladen zu werfen. Reiche Leute haben irrsinnig komische Sockenschubladen.« Lane und ich lachten, als wir unsere Mäntel nahmen und hinaus in die Nacht gingen. Lane war mächtig beeindruckt von Madelines Haus. Es war wie das Herrenhaus in Citizen Kerne, nur war dieses hier voller Teenager und erfüllt von der guten Musik von Beck, Billy Bragg und Elvis Costello. Der Ballsaal war mit seinen Marmorsäulen, dem geometrisch gemusterten Boden und der riesigen Kuppeldecke aus vergoldetem Glas wirklich beeindruckend. »Wow!«, machte Lane. »Das ist unglaublich. Ich werde nicht mal meine Hochzeit in so einem tollen Schuppen feiern!« »Ja.« Ich kicherte. »Das ist erstaunlich. Hier leben Leute?« »Hier lebt Madeline«, erklärte ich. »Sieht so auch das Haus deiner Großeltern aus?«
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»Nein, ich meine, es ist groß, aber es ist nicht vergleichbar mit diesem Schloss.« »Es sollte hier irgendwo einen Fremdenführer geben oder wenigstens eine Broschüre mit Lageplan oder so«, sagte Lane. »Hey, Lane?«, fragte ich. »Ja?« »Danke, dass du mitgekommen bist.« »Kein Problem.« Dann entdeckte sie etwas. »Oh, mein Gott, dort ist ein Billardtisch!« »Und ein DJ.« »Es ist wie Sodom und Gomorrha für Teenager.« Plötzlich bahnte sich Madeline ihren Weg durch die Menge, wie erwartet gefolgt von Louise und Paris. »Du bist wirklich gekommen!«, quiekte Madeline. »Wer passt denn inzwischen auf die Farm auf?«, fragte Louise trocken. Ich ignorierte sie. »Madeline, dein Haus ist wunderschön.« »Danke. Es gehört meinem Stiefvater.« »Und… wo ist er?«, fragte Louise. »Mein Stiefvater?« Madeline schüttelte den Kopf. »Er ist in Japan. Das habe ich dir doch schon gesagt.« »Nicht dein Stiefvater.« Louise grinste mich an. »Der Märchenprinz.« Ich sah nach unten und versuchte zu lächeln. »Er ist nicht mitgekommen.« »Warum nicht?« »Ah, sein weißes Pferd ist in der Werkstatt.« »Ihr habt euch doch wohl hoffentlich nicht getrennt, oder?«, fragte Louise. Neben mir wechselte Lane hastig das Thema. »Hi, ich bin Lane.« Louise musterte sie von oben bis unten. »Wie in Penny…?« »Ja. Genau.« »Hi. Ich bin Madeline«, erklärte unsere Gastgeberin freundlich. In diesem Moment kamen ein paar Jungen herüber und stürzten sich auf Madeline und Louise. »Also, wann beginnt die Tour durch das Poolhaus?«, fragte einer von ihnen. Madeline schüttelte den Kopf. »Du hast das Poolhaus doch schon
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gesehen.« »Ja, aber ich habe es noch nie nachts gesehen. Stimmt’s?«, erwiderte er. Madeline blickte ratlos drein. »Aber…« »Madeline«, unterbrach Louise. »Verstehst du? Denk nach! Konzentrier dich!« Lane und ich wechselten einen Blick. Und dann verstand Madeline plötzlich. »Ohhh.« Sie grinste uns an. »Tschüss.« »Bis später, Paris«, säuselte Louise. »Keine Triebe, keine Liebe«, entgegnete Paris, als sie auf ihre Uhr sah. »Reizend«, meinte Louise, als sie davonging. »Nun«, sagte Paris, als wir ihr durch die Menge folgten, »ich dachte, du bist kein Party-Girl.« Ich zuckte mit den Schultern. »Normalerweise nicht. Ich dachte einfach, ich komm mal her und schau mich um.« »Tja, es sind genau dieselben Leute, die wir jeden Tag in der Schule sehen, nur dass wir sie jetzt tanzen sehen. Also, wo ist dein Freund?« »Wir, äh… haben uns getrennt«, gab ich zu. Eine Sekunde lang blitzte ein Funke Menschlichkeit in Paris’ Augen auf, als sie etwas von einem Tisch nahm. »Tja, wenigstens hattest du eine Weile lang einen Freund.« »Weißt du zufällig, welcher Weg zum Mineralwasser führt?«, fragte ich in dem Versuch, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. Paris’ Gesicht wurde wieder zur eiskalten Maske und sie führte uns durch die Menge. »Haltet Schritt, denn ich werde mich nicht umdrehen.« »Wow«, flüsterte Lane hinter mir. »Du hast nicht übertrieben.« »Paris bedarf keiner Ausschmückung«, flüsterte ich zurück. Bald erreichten wir einen riesigen Berg aus eisgekühlten Flaschen und Dosen. Lane sah sich sämtliche Etiketten an. »All dieses Mineralwasser ist französisch!« »Madelines Mutter hat einen Frankreich-Tick«, erklärte Paris. »Sie ist von allem Französischen besessen. Französischer Wein, französisches Essen, französisches Wasser, französische Zellulitisproduk-
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te…« Dann drang eine Stimme an mein Ohr. »Hör mal, warum antwortest du mir nicht?« Es war Tristin in Begleitung von Summer, seiner neuesten Freundin. »Weil du nicht bitte gesagt hast«, erwiderte Summer. »Summer…« »Können wir später darüber reden? Das ist eine Party«, sagte Summer mit einem Schmollmund. »Verrat mir einfach, was du zusammen mit Austin in der abgesperrten Toilette gemacht hast!«, drängte Tristin. Summer warf ihre langen braunen Haare über die Schulter und blickte gelangweilt drein. »Nichts.« »Nichts?« »Ja.« »Nein.« »Nun, warum erzählst du mir nicht, was ich gemacht habe, denn du scheinst ja alles zu wissen.« »Hey, du bist schließlich meine Freundin!« »Ooh, jetzt mutiert er zum Höhlenmenschen«, stichelte sie. »Was „willst du tun?«, fragte sie laut. »Mir mit deiner Keule auf den Kopf schlagen und mich in deinen Porsche zerren?« Sie ging davon. Tristin packte ihren Arm. »Summer, bitte…« Sie wandte sich ab und schnippte mit den Fingern. »Ooh, guter Song.« Und sie tänzelte in eine Gruppe wartender Jungen. »Ich liebe Summer, ihr nicht auch?«, sagte Paris leichthin. Sie seufzte und sah wieder auf ihre Uhr. »Viertel vor zehn.« »Warum siehst du ständig auf die Uhr?«, fragte ich. »Meine Mom sagte, ich muss bis halb elf bleiben.« Sie ging zum Eingang des Ballsaals, lehnte sich an den Türrahmen und starrte die tanzende Menge an. Ich folgte ihr, während Lane zurückblieb, fasziniert von den französischen Getränken. »Warum will sie das?« »Sie findet, dass ich nicht gesellig genug bin. Schockierend, was?« »Ich bin erschüttert.« »Naja, ich bezweifle sehr, dass sich Madame Curie wie Jennifer Lopez gekleidet hat.« »Du willst Wissenschaftlerin werden?«
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»Krebsforscherin.« »Cool.« »Ja.« Lane war wieder zu uns gestoßen und zog plötzlich den Kopf ein. »Oh, nein«, stöhnte sie. »Was?« »Wie es scheint, hat der einzige koreanische Junge auf dieser Party sein Koreanisches-Mädchen-Radar eingeschaltet«, sagte sie. Ich blickte auf und sah diesen wirklich süßen koreanischen Jungen auf uns zukommen. Er war mir schon in Chilton aufgefallen, aber ich kannte seinen Namen nicht. »Hi«, sagte er mit einem netten Lächeln zu Lane. »Ich bin Henry.« »Ich bin Lane. Das sind Rory und Paris.« »Wir kennen uns«, murmelte Paris. »Hi, Paris«, sagte er höflich. Dann sah er wieder Lane an. »Möchtest du tanzen?« »Nun ja… wir unterhaken uns gerade.« »Oh. Sicher. Aber ich meine – ein Tanz?« Wieder blitzte das bezaubernde Lächeln auf. »Ihr könnt die Unterhaltung für einen Tanz unterbrechen, oder? Sofern dies keine nahöstliche Friedenskonferenz ist.« Lane gab nach. »Ein Tanz.« »Ein ganz kurzer. Keine verrückten Tanzmixe«, versprach Henry. »Okay« »Danke.« Lane zog ihren Mantel aus und gab ihn mir. »Wenn ich nach einem Tanz nicht zurück bin«, flüsterte sie, »bekommst du irgendeine schlimme Krankheit, die bedeutet, dass wir nach Hause gehen müssen.« »Ooh, ist es hier drinnen so warm, oder liegt es nur an mir?«, sagte ich. »Danke.« Paris sah Lane und Henry nach, als sie zur Tanzfläche gingen. »Unglaublich. Sie ist gerade mal fünf Minuten hier und hat schon ein Date. Ich gehe seit neun Jahren auf diese Schule und muss mich um das französische Wasser kümmern.« Sie ging davon, und ich entschied, sie in Ruhe ihr Leid genießen zu lassen. Ich sah wieder zu Lane hinüber. Sie und Henry waren ein wirklich
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hübsches Paar. Er war ein großartiger Tänzer, fast so gut wie sie, und sie machte keinen besonders unglücklichen Eindruck, sodass ich mich entschloss, mir den Rest des Hauses anzusehen. Als ich herumwanderte, entdeckte ich Tristin, der an einer Wand lehnte und beobachtete, wie Summer mit einem anderen Jungen tanzte. Er sah todunglücklich aus. Billy Braggs »From Red to Blue« dröhnte aus den Lautsprechern. Mir dämmerte, dass es wahrscheinlich Zeit war, nach Lane zu sehen, und so kehrte ich in den Ballsaal zurück. Sie tanzte so eng umschlungen mit Henry, als würden sie sich schon Jahre kennen. Ich klopfte ihr auf die Schulter und flüsterte: »Bin ich schon krank?« Lane lächelte. »Noch nicht. Es könnte sich vielleicht nur um eine Allergie handeln.« »Halt mich auf dem Laufenden«, flüsterte ich zurück. Ich lächelte sie an und ging davon. Plötzlich eilte Paris zu mir, völlig in Panik. »Meine Uhr ist stehen geblieben!«, sagte sie verzweifelt. »Wie spät ist es?« Ich sah auf meine Uhr. »Fünf nach halb elf.« »Ja! Tschüss!« Und sie stürmte zur Tür. Ich spazierte in ein relativ ruhiges Nebenzimmer, setzte mich in einen bequemen Polstersessel und nahm das stets bereite Buch aus meiner Handtasche. Als ich gerade zu lesen begann, stürzte Summer herein, mit Tristin im Schlepptau. »Tristin, hör auf!« »Du zwingst mich, dich auf der ganzen Party zu verfolgen«, klagte er. »Ich versuche nur, mich zu amüsieren.« »Du willst nicht mit mir reden, du willst nicht mit mir tanzen. Warum zum Teufel bist du überhaupt mit mir gekommen?« »Hör auf zu schreien.« »Summer, bitte, können wir nicht einfach gehen?« »Nein!« »Bitte.« Inzwischen hatte sich eine kleine Menschenmenge versammelt. »Nein! Ich habe es satt, mit dir zu streiten. Ich habe es satt, fünfundzwanzigmal am Tag zu hören >Du bist meine Freundin<.«
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Tristin bemerkte plötzlich das Publikum, das sich eingefunden hatte, und senkte die Stimme. »Können wir dies vielleicht irgendwo besprechen, wo wir nicht von einem Haufen Leute angestarrt werden?« »Ich denke, wir sollten uns trennen«, sagte sie, während sie auf einer Brezel kaute. »Okay, ich würde wirklich gerne nach draußen gehen und darüber reden…« »Dann geh doch«, sagte Summer gleichgültig. »Tschüss!« Und sie kehrte zur Party zurück. »Summer, komm schon!«, rief Tristin ihr nach. Aber sie war fort. Einige der herumstehenden Leute lachten spöttisch. Trotz unserer Geschichte tat er mir Leid. Er sah, dass ich ihn beobachtete. Ich wandte den Blick ab, und er marschierte aus dem Zimmer, wobei er fast Lane umrannte, die gerade hereinstürmte. Sie war sichtlich aufgelöst. »Ich habe ein großes Problem.« »Welches?«, fragte ich. »Henry, der Junge, mit dem ich getanzt habe.« »Ja?« »Okay.« Sie ging vor mir auf und ab. »Er ist richtig gut in der Schule, er wird später mal Arzt, Kinderarzt, um genau zu sein, und seine Eltern engagieren sich extrem in der örtlichen Kirche. Er selbst hilft in der Sonntagsschule. Er spricht fließend Koreanisch, er respektiert seine Eltern und er ist so süß, richtig witzig und überraschend interessant.« »Lane, es tut mir Leid, aber ich sehe hier absolut kein Problem.« »Ich bin dabei, mich in einen Jungen zu verknallen, der meinen Eltern gefallen würde! Sie würden ihn liehen). Sie würden durchdrehen! Sie würden im Kim-Haus herumtanzen! Tanzen!«, rief sie, der Hysterie nahe. »Wirklich?« »Gefolgt würde das von einem Haufen Gebete, aber zuerst würden sie tanzen«, sagte sie händeringend. »Das ist grauenhaft. Es darf nicht sein. Ich muss dem ein Ende machen. Wir müssen gehen.« »Aber…« »Nein, sofort!« Sie zog an meinem Arm. »Du musst deine Sachen
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nehmen! Wir müssen gehen!« »Ganz wie du meinst.« Ich griff hastig nach meinem Buch und meiner Handtasche und stand auf. Wir eilten zum Ausgang, als Henry um die Ecke kam. »Hey«, sagte er. Lane erstarrte. »Henry. Hi.« Er wandte sich an mich. »Es tut mir Leid, dass ich Lane den ganzen Abend für mich beansprucht habe.« Und wieder dieses hinreißende Lächeln. »Oh, das ist schon okay. Ich hatte sie ja schon fünfzehn Jahre lang. Ich bin sie eigentlich ein wenig leid.« »Danke«, murmelte Lane. »Keine Ursache.« Ich sah Lane an. »Wir sollten gehen.« Henry blickte überrascht drein. »Ihr geht?« »Ja, ich muss nach Hause. Ich habe eine sehr strenge Mutter.« Henry zuckte zusammen. »Oh, wow. Das tut mir Leid.« Er wandte sich an Lane. »Und du kannst nicht einmal für einen weiteren Tanz bleiben?« Ich schüttelte den Kopf, um den Eindruck zu erwecken, dass alles meine Schuld war. »Ich denke nicht…« »Ja!«, unterbrach Lane. »Wie bitte?« »Ein Tanz wäre schön«, sagte sie. Henrys Augen leuchteten auf. »Toll!« »Aber…« Henry zog Lane zurück auf die Tanzfläche. »Ich bin gleich wieder da!«, rief sie glücklich über die Schulter zurück. Mir blieb nichts anderes übrig, als wieder ziellos herumzuwandern . Glücklicherweise war Madelines Haus wie ein Hotel; jeder neue Korridor schien zu Dutzenden weiterer Räume zu fuhren. Ich ging in ein Zimmer, von dem ich gehofft hatte, dass es leer war, hörte dann aber jemanden auf dem Klavier spielen. Tristin saß an einem großen Piano und klimperte traurig auf den Tasten herum. »Oh. Entschuldigung«, sagte ich. »Kein Problem.« »Es… tut mir Leid.« »Was?« »Die Sache mit dir und Summer.«
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Er schüttelte den Kopf und sah auf die Tasten. »Ich will nicht über Summer reden.« »Okay.« Ich trat einen Schritt vor. »Nun, wie fandest du den Biologietest?« »Was?« »Der Test. Er war ganz schön schwer, oder?« »Ja«, sagte er verwirrt. »Er war ziemlich schwer.« »Ich habe eine Zwei plus bekommen.« Ich legte meine Tasche auf das Klavier. »Was machst du da?«, fragte er. »Ich rede über den Test.« »Warum?« »Weil du nicht über Summer reden wolltest.« »Will ich auch nicht.«:. »Okay. Deshalb bin ich auf Biologie gekommen. Tut mir Leid. Willst du über Spanisch reden?« Tristin glaubte, ich würde mich über ihn lustig machen. »Dir hat es richtig gefallen, nicht wahr?« »Was hat mir gefallen?« »Zu sehen, wie ich abserviert wurde. Muss ein toller Augenblick gewesen sein.« »Eigentlich nicht.« »Erzähl doch nichts! Dir hat es gefallen. Ihr hat es gefallen. Allen hat es gefallen.« Ich hatte ihn noch nie so… so real erlebt. Wie ein normaler Mensch mit normalen Gefühlen. »Mir hat es nicht gefallen«, erklärte ich und setzte mich neben ihn auf die Klavierbank. »Ich habe sie wirklich gemocht«, sagte er leise. »Ja. Ich weiß.« »Nun«, fuhr er fort, »wo ist dein Freund heute Abend?«, wobei er dem Wort »Freund« einen sarkastischen Klang gab. Ich weiß nicht warum, aber ich sagte ihm die Wahrheit. »Er ist… nicht mehr mein Freund.« Er war überrascht. »Warum nicht?« »Er wollte nicht mehr.« »Idiot.« »Genau wie Summer«, erwiderte ich. Er hörte jetzt auf zu spielen und saß einfach da und starrte ins Lee-
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re. »Glaubst du, ihr kommt wieder zusammen?«, fragte er mich. Ich sah auf meine Hände. »Er schien sich seiner Entscheidung sehr sicher zu sein.« Tristin drehte sich zu mir um. »Wann ist es passiert?«, fragte er sanft. »Gestern.« »Wow.« Ich nickte. »Es war unser dreimonatiges Jubiläum.« »Das ist ätzend.« »Ja. Es ist ätzend. Denkst du, ihr beide werdet…?« … »Nein. Nein. Nein, nein, nein!«, sagte er und schüttelte heftig den Kopf. »Also… nein?«,fragte ich. Er lächelte. »Nein.« Wir saßen einen Moment lang schweigend da, in unsere Gedanken versunken. »Hey«, sagte er schließlich. »Es tut mir Leid, dass ich dir eine Zeit lang das Leben schwer gemacht habe.« »Oh. Das ist schon in Ordnung.« »Wirklich?« »Nein.« Ich lächelte ihn an. »Aber du bist traurig.« »Ja. Nun, es tut mir jedenfalls ehrlich Leid.« »Ich nehme deine Entschuldigung an.« Wir beiden schwiegen wieder. »Oh, Mann«, sagte er, »das ist eine tolle Party, was?« »Ja, nicht schlecht. Ich hatte jedenfalls die Gelegenheit, mein Buch weiterzulesen.« Er sah mich an. »Du bist ganz schön merkwürdig, weißt du das?« »Danke.« »Keine Ursache.« Wir sahen uns an, im Schmerz vereint. Er beugte sich vor und küsste mich. Und einen kurzen, stillen Moment lang erwiderte ich seinen Kuss. Dann wich ich zurück und kämpfte gegen die Tränen an. »Es tut mir Leid«, murmelte Tristin verlegen. »Was habe ich getan? Habe ich dir auf die Lippe gebissen oder so?« Ich sprang auf. »Nein. Es liegt nicht an dir. Ich… ich muss gehen.« Ich rannte durch die Tür und zurück auf die Party, drängte mich
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durch die Menge, suchte Lane und versuchte, nicht vor all meinen Chilton-Klassenkameraden loszuheulen. Endlich entdeckte ich sie. »Wir müssen gehen«, sagte ich nachdrücklich. »Rory? Bist du okay?«, fragte Lane besorgt. Ich spürte, wie die Tränen über mein Gesicht rannen, wandte mich ab und lief zur Tür. Ich hörte noch, wie Lane zu Henry sagte: »Ich muss leider jetzt gehen.« »Warte, kann ich deine Nummer haben?«, rief Henry ihr hinterher. »Nachname Kim. Wir sind die einzigen Kims in Stars Hollow!«, rief sie zurück, als sie loslief, um mich einzuholen. Wir fuhren heim, und Lane kam mit mir in das leere Haus. Sie wollte mich nicht allein lassen, bis Mom zurückkehrte. Ich versicherte ihr, dass es mir gut ging und dass meine Mom nicht weit sein konnte, da wir ja ihr Auto hatten. Schließlich ging sie, weil sie nach Hause musste und ihre Mom wahrscheinlich schon auf sie wartete. Ich verzog mich in mein Zimmer und versuchte zu lesen, aber ich konnte mich nicht konzentrieren. Ich schlüpfte schließlich in meinen Pyjama und wanderte in die Küche. Dort stand ein großer Becher Ben & Jerry-Eiscreme im Tiefkühlfach. Ich nahm ihn heraus, ging ins Wohnzimmer und legte mich auf die Couch. Mom kam ein paar Minuten später nach Hause und betrat das Wohnzimmer mit einem Lächeln auf dem Gesicht, das in der Sekunde verschwand, als sie mich sah. »Ich bin jetzt bereit, in Selbstmitleid zu schwelgen«, erklärte ich ihr, während mir die Tränen, die ich bisher zurückgehalten hatte, übers Gesicht strömten. Mom war sofort an meiner Seite und küsste meinen Schmerz fort. Ohne ein Wort nahm sie mir den Eiscremebecher aus den Händen, zog dann ein Kissen auf ihren Schoß und klopfte darauf. Ich legte mich auf das Kissen und begann, richtig zu weinen. Mit einer Hand streichelte Mom mein Haar und wählte mit der anderen eine Nummer am schnurlosen Telefon. »Heyjoe, hier ist Lorelai«, flüsterte sie, während ich leise schluchzte. »Ich brauche eine große Pizza mit allem…«
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13 In Selbstmitleid schwelgen half, die Trennung ein wenig erträglicher zu machen, und wenn ich vor Madelines Party in Selbstmitleid geschwelgt hätte, wäre vielleicht die ganze Tristin-Kuss-Sache nicht passiert, aber sie war passiert. Und wie das Schicksal es wollte, wurden wir am folgenden Montag in der Schule derselben Studiengruppe zugeteilt. Mir war während des Treffens etwas unbehaglich zu Mute, aber hinterher redeten wir darüber und waren uns einig, dass es für uns beide eine schlimme Nacht gewesen war. Ich schlug vor, dass er sich vielleicht nach einer anderen Art Mädchen umsehen sollte, und überzeugte ihn sogar davon, Paris um eine Verabredung zu bitten. Das endete allerdings nicht so gut, wie ich gehofft hatte, und sorgte überdies dafür, dass Paris mich wieder hasste. Das war sehr schade, weil Paris und ich gerade den Punkt erreicht hatten, „wo Außenstehende uns vielleicht für Freundinnen gehalten hätten. Die Schule war eine angenehme Ablenkung, aber bald wurde mir klar, wie sehr mein Leben von der Trennung von Dean beeinflusst „wurde. Zum Beispiel konnte ich nicht mehr mittwochs zum Doose’s Market gehen aus Angst, ihm dort zu begegnen. Und die Leute fingen an, mich wie eine Porzellanpuppe zu behandeln, sobald das Thema Dean zur Sprache kam oder vermieden es, ihn überhaupt zu erwähnen. Es machte mich völlig verrückt. Lane und ich hatten den größten Streit unseres Lebens, als ich sie dabei erwischte, wie sie zusammen mit Dean lernte. Sie hatte zu große Angst gehabt, mich an die Trennung zu erinnern, um mir zu erzählen, dass sie einander als Studienpartner für die Naturwissenschaften zugeteilt worden waren. Und das führte zu einem noch größeren Streit mit meiner Mom, als ich herausfand, dass auch sie mir Informationen vorenthalten hatte, wie zum Beispiel die überaus wichtige Tatsache, dass sie und Max darüber geredet hatten, wieder zusammenzukommen, denn sie wollte nicht mit ihrem möglicherweise neu erblühenden Liebesleben prahlen, während meines gerade abgestorben war. Ich hatte die Nase gestrichen voll und brauchte etwas Abstand.
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Deshalb nahm ich ein Taxi zum Haus meiner Großeltern. Meine Großmutter hatte dort gerade für mich ein Zimmer hergerichtet, und es kam mir wie ein sicherer Ort vor, an den ich mich zurückziehen konnte. Ich schätze, ich hätte meiner Mom sagen müssen, wo ich war, denn sie nippte aus, als sie nach Hause kam und mich nicht finden konnte. Grandma rief sie an und erzählte ihr, dass ich bei ihr war, aber dass diese Information von meiner Großmutter kam, machte die ganze Sache nicht viel besser. Mom regte sich furchtbar auf und wurde so wütend über die Tatsache, dass ich verletzt und traurig war, dass sie zu Doose’s Market ging und Dean anschrie, weil er so ein Idiot war. Dort erfuhr sie dann den Grund für unsere Trennung, nämlich dass ich nicht reagiert hatte, als Dean mir erklärt hatte, dass er mich liebt. Da ich über die genauen Umstände unserer Trennung geschwiegen hatte, war dies völlig neu für sie, und sie kam sich ziemlich dumm vor, Dean Vorwürfe gemacht zu haben. Aber das half ihr zu erkennen, dass diese Bindungsangst vielleicht eine weitere Eigenschaft war, die ich von ihr geerbt hatte, und sie beschloss, es noch einmal mit Max zu versuchen, was eine gute Sache war. Also waren Mom und Max wieder offiziell ein Paar und ich war offiziell noch immer von Dean getrennt. Und um ehrlich zu sein, ich vermisste ihn irgendwie. Und dann fand ich den Karton. Es war am frühen Morgen. Mom und ich hatten vor der Schule und der Arbeit in der Küche geplaudert, was ein wenig schwierig war, weil Luke laut auf dem Dach herumhämmerte. Luke war in der letzten Zeit oft bei uns gewesen, hatte das Verandageländer repariert, die Dachschindeln erneuert, noch einmal das Verandageländer und viele andere Dinge repariert, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie kaputt waren. Als Mom auf die Veranda ging, um Luke anzubrüllen, und ich zum Kleiderschrank lief, um meine Schuljacke zu holen, rutschte sie vom Haken und landete direkt auf meinem Dean-Karton. Ich konnte es nicht glauben. Aber es war unverkennbar mein Karton. Der Rock von meinem Tanzkleid hing heraus. Ich stand fassungslos im Flur und hielt den Karton in den Händen. Mom kam herein und sah mich dort stehen. Ich hatte sie noch nie zuvor so schuldbewusst erlebt. »Ah. Der Dean-Karton«, seufzte sie.
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Ich sagte kein Wort. »Okay, ich weiß, dass ich ihn wegwerfen sollte«, fuhr sie fort, »aber… ich konnte es nicht. Ich meine, du bist jung und dein Kopf ist voller Flausen und du hast keine Ahnung, was im Leben noch alles auf dich zukommt, weil du eben ein junges Ding mit einem Kopf voller Flausen bist. Also hör mir bitte zu, bevor du wütend wirst. Eines Tages wirst du dieses Zeug haben wollen. Wenn du alt und verheiratet bist und zurückblickst und denkst, dass du zweifellos ein interessantes Leben hattest. Und dann kannst du deine Alte-FreundeKartons herausholen. Was gut ist, weil ich selbst nämlich Sachen weggeworfen habe, die ich heute liebend gern wiederhätte. Hör zu, ich habe ihn zu dem Max-Karton gestellt, damit sie miteinander plaudern und einander Gesellschaft leisten und darüber jammern können, dass sie beide ein Gilmore Girl hatten und ein Gilmore Girl verloren haben und… es tut mir Leid.« Ich sagte keinen Ton. Ich stellte mich einfach auf die Zehenspitzen und küsste sie auf die Wange. »Danke.« Dann trug ich den Dean-Karton in mein Zimmer und schloss die Tür. Ich setzte mich auf mein Bett und öffnete den Karton. Nacheinander nahm ich den Inhalt heraus. Das blaue Tanzkleid, das Mom für mich gemacht hatte. Colonel Clucker. Die gelbe Packung Stärkemehl. Den Armreif. Ich starrte die Gegenstände an und erinnerte mich, warum ich sie in den Karton gelegt hatte. Ich traf Lane nach der Schule, und während wir die Straße hinuntergingen, nahm Lane von den Fritten aus der Schale, die ich trug. Sie quasselte ununterbrochen. Aber ich war weder hungrig noch gesprächig. Ich dachte nach. »… und ich wollte sagen >Janie Fertman, du bist ein elender Schwachkopf und wirst eines Tages als Beruf Buchstaben umdrehen, und du wirst nur wissen, welchen Buchstaben du umdrehen musst, wenn er Ding macht und aufleuchtet, und ich habe keine Lust, überhaupt mit dir zu redenWas, Jane?< Und dann sagt sie >Du bist Cheerleadermaterial, Cheerleadermaterial! Einfach so. Ich konnte es nicht fassen.«
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Lane blieb stehen und sah mich an. »Hast du überhaupt ein Wort von dem gehört, was ich gesagt habe?« »Nein.« »Das gefällt mir nicht. Ich bin eine witzige Gesprächspartnerin.« Ich blieb stehen. Wir waren vor Doose’s Market. Ich starrte die Tür an. »Was?«, fragte Lane. Ich lächelte entschlossen. »Ich gehe rein.« »Das kannst du nicht.« »Es ist Donnerstagnachmittag.« »Ich weiß.« »Er arbeitet donnerstagnachmittags.« »Ich weiß.« »Du weißt, von wem wir reden.« »Ich weiß.« »Oh, mein Gott!«, schrie Lane, als ihr plötzlich dämmerte, was ich da sagte. »Beruhige dich.« Lane sprang auf und ab. »Oh, mein Gott!« »Du fällst unangenehm auf.« »Du willst dich mit Dean versöhnen!«, sagte sie, während sie weiter auf und ab sprang. »Wenn du weiter so springst, werde ich es auf Video aufnehmen und als Cheerleaderbewerbung an Janie Fertman schicken«, warnte ich. Sie hörte auf zu springen, war aber noch immer aufgeregt. »Wann ist es passiert?« »Nichts ist passiert«, erklärte ich mit einem Blick zur Tür. »Ich weiß nicht genau, was ich tun werde oder was er denkt oder ob er all meine Briefe und Fotos verbrannt hat oder ob er mich hasst oder was, aber…«Ich holte tief Luft. »Ich gehe rein.« »Ich kann dich nur dazu ermutigen«, sagte Lane. »Ich liebe dich, aber in den letzten Wochen hast du dich wie Brummbär und Schlafmütz und zwölf andere melancholische Zwerge aufgeführt, und ich vermisse die alte Rory.« »Ich vermisse auch mein altes Ich.« »Und mir tut die neue Rory Leid.« »Nun, sie wagt ein Come-back.«
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»Möge es erfolgreicher sein als Peter Framptons.« »Wünsch mir Glück.« »Glück!« Ich atmete tief durch, strich meinen Rock glatt und ging hinein. Sobald ich drinnen war, wurde ich nervös. Ich sah aus dem Fenster und entdeckte Lane, die neugierig hineinspähte. Ich bedeutete ihr mit einem Wink, zu verschwinden. Ich schlenderte den Gang entlang und suchte Dean. Dann nahm ich eine Dose schwarzer Oliven und tat so, als würde ich aufmerksam das Etikett studieren, während ich mich weiter umschaute, und stellte sie dann wieder weg. »Rory!« Die Stimme ließ mich zusammenzucken. »Oh, Taylor. Sie haben mich erschreckt.« Taylor starrte mich misstrauisch an. »Was machst du da? Du benimmst dich wie…« »Wie was?« »Ich möchte fast sagen, wie eine Ladendiebin.« Ich spürte, wie ich errötete, als ich an die Packung Stärkemehl dachte. »Oh, ich bin nicht hier, um zu klauen!«, sagte ich etwas zu fröhlich. »Nun, du erfüllst jedenfalls derzeit alle Kriterien«, erklärte Taylor. »Tatsächlich?«, sagte ich nervös. »Du bist allein. Du wirkst nervös. Du wanderst ziellos durch die Gänge. Und du trägst einen weiten Mantel.« »Oh, ich friere leicht«, erwiderte ich. Taylor runzelte argwöhnisch die Stirn. »Also, warum bist du hier?« »Ich suche Ihre Aushilfe«, sagte ich. »Ich hatte eine Frage, und ich wollte Sie nicht belästigen.« »Nun, er stapelt gerade Waren.« Taylor rief um die Ecke. »Komm doch bitte mal her.« Es war so weit. Ich schluckte und nahm all meinen Mut zusammen. Ein kleiner, schlaksiger Junge mit Brille tauchte plötzlich auf. »Mikey, das ist Miss Gilmore«, stellte Taylor uns vor. »Sie braucht deine Hilfe. Mach’s gut, Rory.« Als er ging, flüsterte er Mikey laut zu: »Behalt sie im Auge!« »Ja?«, fragte Mikey. »Äh, hi«, sagte ich völlig überrumpelt. »Ich habe mich nur ge-
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fragt… gefällt es dir, hier zu arbeiten?« Mikey sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. »Was…?« »Ich meine, gefällt dir der Aushilfsjob als Beruf?« Er schüttelte den Kopf. »Nein.« »Okay. Nein. Gut. Also kann ich das von meiner Liste streichen. Danke, dass du dir die Zeit für mich genommen hast.« Ich wandte mich ab und verschwand eiligst durch die Tür. Draußen ging ich schnell weiter. Lane musste rennen, um mich einzuholen. »Nun?«, fragte sie. »Er war nicht da.« »Aber er arbeitet jeden Donnerstag.« »Nun, ich schätze, er hat heute frei.« Ich ging noch schneller. »Das ist nicht gut.« »Wieso ist das nicht gut?« »Das bedeutet, dass er eine andere hat.« »Wovon redest du?« »Offenbar hat er eins dieser Donnerstagnachmittagmädchen kennen gelernt.« »Was ist ein Donnerstagnachmittagmädchen?« »Das sind diese unanständigen Mädchen, für die Jungs ihre Donnerstagnachmittage mit anderen Aushilfen tauschen, damit sie unanständige Donnerstagnachmittagssachen tun können«, sagte ich trotzig. Wir überquerten die Straße. »Ich schätze, du deutest da viel zu viel hinein.« »Ich hätte nicht reingehen sollen«, murmelte ich. »Es war gut, reinzugehen.« »Taylor denkt, ich hätte seinen Laden abgecheckt. Als würde ich dort klauen.« »Du hast dort geklaut«, erinnerte Lane. Ich blieb an der Ecke stehen und drehte mich zu ihr um. »Lane, ich werde dir jetzt eine Frage stellen und ich möchte, dass du ehrlicher zu mir bist als je zuvor in deinem Leben. Hast du ihn in der Schule mit einem anderen Mädchen gesehen?« »Nein«, antwortete sie ohne zu zögern. Ich musterte sie skeptisch. »Lane…« »Nein!«
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»Du würdest es mir doch sagen, oder?«, hakte ich nach. »Natürlich!« Dann runzelte sie die Stirn und rang besorgt die Hände. »Nein, das würde ich nicht, weil es dir das Herz brechen würde, aber ich habe nichts Derartiges gesehen.« »Schwörst du es?«, fragte ich. »Bei dem Leben des Leadsängers von Blur?« »Bei der Seele von Nico, ich schwöre, dass ich Dean nicht mit einem anderen Mädchen gesehen habe.« Ich seufzte und beließ es dabei. »Okay.« Wir gingen weiter. »Er ist unglücklich«, bemerkte Lane. »Gut.« »Und«, fügte sie hinzu, »er braucht dringend einen Haarschnitt.« Ich grinste sie an. »Danke.« Wir trafen Grant, der auf der Treppe vor der Kirche saß und Gitarre spielte. Ich musste mein Gespräch mit Dean wohl auf ein anderes Mal verschieben. Am nächsten Tag in der Schule fing Tristin mich an meinem Spind ab. Als ich meine Bücher herausnahm, betrachtete er die Fotos der berühmten Frauen, die ich an die Innenseite meiner Spindtür geklebt hatte. Emily Dickinson, Virginia Woolf, Colette… »Du solltest dieses Ding dekorieren«, sagte er. »Das habe ich«, stellte ich fest. »Ich meine, mit etwas anderem als einem Haufen toter SchwarzWeiß-Frauen.« »Mit was dann? Vorhängen?« »Du weißt, was ich meine. Ich habe meinen geschmückt.« Ich lachte. »Ja, hab ich gesehen. Das Nacktfoto der siamesischen Zwillinge hat besondere Klasse.« Tristin hielt zwei Eintrittskarten hoch, eine in jeder Hand. »Weißt du, was das ist?« »Sieht wie Eintrittskarten aus.« »Für P. J. Harvey!«, prahlte er. Ich war ein wenig überrascht. »Wow, du hast einen guten Geschmack. Das muss ich dir lassen.« »Du stehst auch auf P. J. Harvey, stimmt’s?« Ich sah zu ihm auf. »Ja. Woher weißt du das?« Er grinste. »Ich bin allwissend.« »Ich bin schwer beeindruckt«, erwiderte ich.
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Ich wandte mich wieder meinem Spind zu, aber dann hielt er mir eine der Eintrittskarten hin und sagte sanft: »Die ist für dich.« »Oh, ich denke nicht, dass wir zusammen zu einem Konzert gehen sollten.« »Warum nicht?« »Weil es wie ein Date aussehen würde«, erklärte ich. »Nun, es würde wie ein Date aussehen, weil es ein Date wäre«, sagte Tristin lachend. »Ich kann nicht mir dir ausgehen, Tristin!« »Nun, ich erteile dir hiermit die Erlaubnis.« »Und nach dieser bescheidenen Bemerkung…« Ich warf die Spindtür zu und rauschte davon. Als ich um die Ecke bog, traf ich Madeline, Louise und Paris. »Oh, Rory. Kannst du mir einen Riesengefallen tun?«, fragte Madeline. Sie grinste und zeigte auf sich selbst. »Sieh mir ins Gesicht.« »Und?«, fragte ich. »Kann ich deine Biologieunterlagen vom Dienstag haben? Ich war nicht da.« »Mittagessen«, fügte Louise erklärend hinzu. »Sicher«, sagte ich zu Madeline. »Sie sind zu Hause. Ich kann sie dir später bringen.« »Danke, danke, danke…« »Noch mal danke, und es reicht«, unterbrach Paris sie. Ich ging in den Unterricht. Als ich an diesem Nachmittag nach Hause kam, beschloss ich, einen erneuten Dean-Versuch zu starten. Ich zog mich um und ging zu seinem Haus. Ich folgte dem Weg und trat auf die Veranda. Ein fröhliches, handgemaltes »Willkommen«-Schild hing an der Haustür. Ich holte tief Luft, nahm allen Mut zusammen und klopfte. Die Tür schwang auf, und ein kleines Mädchen steckte den Kopf heraus. »Hi.« Es war nicht das, was ich erwartet hatte. Das musste Deans kleine Schwester sein. »Oh, Hi. Wie geht’s dir so?« Das kleine Mädchen lächelte. »Gut.« »Gut, gut.« Ich sah mich um. »Bist du hier, um meinen Bruder zu besuchen?«, fragte sie mit ei-
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nem Lächeln. »Oh! Nein, nein, ganz und gar nicht«, sagte ich, völlig mit den Nerven am Ende. »Ich, äh… bin bei den Pfadfinderinnen.« »Ich werde eines Tages auch eine Pfadfinderin sein«, vertraute das kleine Mädchen mir an. »Ich bin jetzt ein Wölfling.« »Oh, gut, toll! Das war ich auch mal.« Sie betrachtete meine Jeansjacke, die schwarze Hose und die Sneakers. »Wo ist denn deine Uniform?« »Ach, wir tragen keine Uniformen mehr«, behauptete ich. »Wir versuchen uns ins allgemeine Bild einzufügen, verstehst du, um uns besser mit dem Mann auf der Straße zu verständigen. Das war ja schon eine sehr erfolgreiche Strategie für die Hare Krishnas, und so…« Sie kniff die Augen zusammen und musterte mein Gesicht. »Du siehst wie jemand Bestimmtes aus.« »Tatsächlich?« Dann lächelte sie. »Du bist das Mädchen auf den Fotos.« »Welche Fotos?« »Die, die Dean in seinem Zimmer hat.« Mein Herz machte einen Sprung. »Dean hat Fotos in seinem Zimmer?« Sie kicherte. »Es gibt ein komisches von dir, auf dem du die Zunge rausstreckst. Er hatte eine ganze Menge.« »Warte, warte. >Hat< oder >hatte« Sie war verwirrt. »Was?« »Du hast von >hat< zu >hatte< gewechselt. Das ist ein Riesenunterschied.« »Wirklich?« »Ja.« Ich beugte mich zu ihr hinunter. »Wie heißt du?« »Clara.« »Du bist ein hübsches Mädchen, Clara«, sagte ich. Sie blickte argwöhnisch drein. »Danke.« »Nun, war es >hat< oder >hatte«, fragte ich. Sie machte ein verdutztes Gesicht. »Weiß ich nicht.« »Du weißt es, Clara«, beharrte ich. >»Hatte< ist die Vergangenheits-, >hat< die Gegenwartsform. Jetzt denk nach.«. »Ich versuche es ja!« »Kannst du nicht mal kurz in sein Zimmer gehen?«
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»Er will mich nicht in seinem Zimmer haben.« »Schleich dich rein!«, drängte ich sie. »Er wird es gar nicht merken.« Claras Gesicht wurde plötzlich weinerlich. »Oh, nein, nein, Clara, nicht weinen!« Ich versuchte, sie zu besänftigen. »Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen. Ich bin ein netter Mensch. Ich bin eine Pfadfinderin.« Plötzlich hörte ich aus dem Innern des Hauses eine Stimme rufen. »Clara?« Dean! »Tschüss«, sagte ich hastig. Ich war schon um die Ecke gebogen, bevor Dean sehen konnte, wer an der Tür war. Hoffte ich jedenfalls.
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14 Am nächsten Abend gingen Mom und ich mit Max zu Miss Pattys Tanzstudio, wo die berüchtigten Bürgerversammlungen von Stars Hollow stattfinden. Ich lächelte die beiden an, als wir die Straße hinunterspazierten. Ich mochte und bewunderte Max und mir gefiel es, wie Mom aussah, wenn er in der Nähe war. »Hey, bist du sicher, dass du dort hingehen willst?«, fragte Mom ihn. »Du erzählst mir seit Monaten von diesen Bürgerversammlungen«, erwiderte er. »Da möchte ich jetzt selbst mal eine erleben.« »Sie sind zumindest nie langweilig«, sagte Mom. »Und wenn du Glück hast«, fügte ich mit einem Lächeln hinzu, »wird irgendeine verrückte Lady mit Pommes frites nach den Leuten werfen, die anderer Meinung sind als sie, so wie beim letzten Mal.« »Waren sie kalt?«, fragte Max Mom. »Nein«, antwortete sie. »Ich war satt.« »Oh, das hatte ich ganz vergessen.« Max kramte in der großen Tüte mit Junkfood, die er trug. »Einen für dich«, sagte er und gab Mom etwas Rotes. »Und einen für dich.« Er reichte mir dasselbe Ding in Lila. »Was ist das?«, fragte ich. »Das sind Ringe, aber der Edelstein ist in Wirklichkeit ein Bonbon, sodass du ihn essen kannst.« »Max«, sagte Mom, »das ist sehr süß, aber wir sind keine acht mehr.« Dann gab Mom mir hinter seinem Rücken einen Wink. »Was ist deiner?«, flüsterte sie laut. »Weintraube«, erwiderte ich. »Und deiner?« »Kirsch.« »Tauschen wir?« »Ja!« Max lachte. Und wir eilten hinein. Der Saal war bereits voll; mehrere Leute standen an der Rückwand und an den Seiten. Die Debatte war in vollem Gang.
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»Genug, genug mit der Streiterei!«, schrie Taylor Doose vom Podium. »Es wird Zeit, dass wir darüber abstimmen. Okay, zeigt mir eure Hände. Alle, die dafür sind…« Ein paar Leute hoben ihre Hände. »Oh, Mist«, stöhnte Mom, »es hat bereits angefangen.« Wir sahen uns nach einem Sitzplatz um. »Alle, die dagegen sind…« Dutzende von Händen gingen hoch. Mom stand im Gang und hob ihre Hand, um ebenfalls abzustimmen. »Lorelai«, ächzte Taylor, »du weißt nicht einmal, worüber wir abstimmen.« »Ja, aber ich bin dagegen«, erklärte Mom. Einige Leute lachten. Mom benahm sich immer so bei diesen Versammlungen, doch Taylor schien sich nie daran zu gewöhnen. Max amüsierte sich bereits prächtig, wie ich sehen konnte. Ich hatte das Gefühl, dass es eine unserer aufregenderen Bürgerversammlungen werden würde. Taylor seufzte theatralisch. »In Ordnung, der Antrag ist abgelehnt. Das muss ins Protokoll.« Dann entdeckte ich Dean, der mit seiner Schwester in der letzten Reihe saß. Er musste wissen, dass ich hier war, nachdem Mom so viel Aufmerksamkeit erregt hatte, doch er vermied es, mich anzusehen. Mom fand ein paar Plätze im vorderen Teil und schob Max durch den Gang. Ich zog den Kopf ein und eilte an Dean vorbei, um ihnen zu folgen, wobei ich spürte, wie Clara mich anstarrte. »Lorelai«, rief Taylor, »ich hoffe, in dieser Tüte ist kein Essen. Essen ist bei Bürgerversammlungen nicht erlaubt.« »Nein, Taylor«, versicherte Mom ihm, als wir Platz nahmen. »Es sind, äh, Windeln für die Kleinen.« »Die was?« »Das ist nur mein Strickzeug«, fuhr sie fort. Taylor wandte sich an Miss Patty, die direkt hinter dem Podium saß. »Was hat sie gesagt?« Mom beugte sich zu Max, um es ihm zu erklären. »Ich verwirre ihn, bis er den Faden verliert, und dann macht er weiter. Hotdog?« »In Ordnung«, sagte Taylor, »kommen wir jetzt zum Tagesord-
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nungspunkt >Verschiedenes<.« »Ich stelle einen Antrag«, rief jemand in der vordersten Reihe und hob seine Hand. Es war Grant. »Wer sind Sie?«, fragte Taylor. Grant stand auf. »Der Stadttroubadour.« Taylor runzelte die Stirn. »Der was?« »Den haben Sie doch schon gesehen, Taylor«, rief Babette hinter uns. »Mit seiner Gitarre.« »Ri-i-ichtig. Die Gitarre«, sagte Taylor verächtlich. »Er spielt an den Straßenecken«, fügte Miss Patty hinzu. »Er lungert an den Straßenecken herum«, berichtigte Luke sie von seinem Platz aus, zwei Stühle weiter. »In diesem Punkt sind wir uns einig, Luke«, sagte Taylor. »Ein unheimlicher Gedanke, Taylor«, murmelte Luke. »Mach weiter, Schätzchen«, ermunterte Babette Grant. »Danke.« Grant straffte sich und rückte seine Retrosonnenbrille zurecht. Vielleicht sah er mit seinen zotteligen braunen Haaren und der karierten Jacke aus dem Billigladen tatsächlich ein wenig vergammelt aus. Aber seine Straßenmusik war ein Teil unseres Lebens geworden, und mir gefiel es, dass er hier war. »Ich bin jetzt seit sechs Monaten der Stadttroubadour«, begann Grant, »und ich denke, ich habe ziemlich gute Arbeit geleistet, und dann« – er zeigte wütend auf einen Kerl, der in der vordersten Reihe saß – »taucht er auf.« Der Mann, auf den er zeigte, war groß und schlank, mit langen blonden, strähnigen Haaren und einer Brille. Der Mann rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her, winkte aber schüchtern der Menge zu. »Hi.« »Es gibt keinen Platz für einen zweiten Troubadour in Stars Hollow!«, erklärte Grant. »Genau«, stimmte Morey zu. Taylor war außer sich. »Das ist das bei weitem Lächerlichste, was ich je gehört habe!« »Hör ihn doch wenigstens an, Taylor!«, schrie Mom und warf entnervt die Hände hoch. »Das kann doch nicht schaden.« Unglücklicherweise hielt sie eine Fastfoodtüte in einer ihrer Hände. Taylor funkelte sie an. »Äh, das sind keine Fritten«, versicherte Mom. »Es ist… Fahrfu-
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nugen Dugen Sugen.« Max musste so sehr lachen, dass er sich fast an seinem Mineralwasser verschluckte. »Ich habe um Anträge mit Substanz gebeten«, erklärte Taylor. »Dieser hat keine.« »Sei nicht uncool, Taylor«, rief Morey. »Musik ist Substanz.« »Pass auf, Morey. Nach dem anatomisch expliziten Schimpfnamen, den deine Frau mir vorhin zugerufen hat, seid ihr beide auf Bewährung«, erwiderte Taylor. All das wäre an einem normalen Abend sehr unterhaltsam gewesen, hätte ich nicht andere Dinge im Kopf gehabt. Von meinem Platz aus am Gang versuchte ich verstohlen zu Dean hinüberzusehen, aber er ertappte mich dabei, wie ich ihn anstarrte. Ich zog den Kopf ein und drehte mich schnell wieder um. »Ich bitte nur darum, dass die Stadttroubadourgesetze durchgesetzt werden«, sagte Grant. »Es gibt keine Stadttroubadourgesetze!«, beharrte Taylor. »Es sollte aber welche geben«, warf Miss Patty ein. »Ich habe hier die Gemeindeordnung«, rief Kirk. »Ich versteh das nicht, Leute«, fuhr Taylor fort. »Dieser Mann ist praktisch ein Stadtstreicher. Ich meine, wo wohnen Sie überhaupt? Womit verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt?« »Ich will nicht, dass andere Leute diese Dinge wissen«, erwiderte Grant sichtlich geschockt. »Warum nicht?«, fragte Taylor. »Weil«, erklärte Grant, »das zum Dasein eines Troubadours gehört.« »Was gehört zum Dasein eines Troubadours?«, hakte Taylor nach. »Der geheimnisvolle Nimbus!«, erwiderte Grant. »Das ist absolut lächerlich!« Taylor wandte sich an den neuen Troubadour. »Bestehen Sie auch auf diesem >geheimmsvollen Troubadournimbus« Der zweite Troubadour zuckte mit den Schultern. »Ich habe einen Copyshop in Groton.« »Sehen Sie, das sagt alles!«, sagte Grant indigniert. »Er respektiert den Kodex nicht! Du hast nicht das Recht, hier zu reden!« Er wandte sich an seinen Konkurrenten. »Du hast nicht das Recht, einen Copyshop zu fuhren. Du solltest durch deine Musik sprechen. Darum
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geht es.« »Was ist eigentlich Ihr Plan?«, unterbrach Taylor Grant. »Mein Plan?« »Denn wenn Sie die anständigen Leute von Stars Hollow nur benutzen, um einen schnellen Dollar zu machen…« »Oh, nein, Taylor«, mischte sich Miss Patty ein. »Er nimmt kein Geld. Ich habe es versucht.« »Vielleicht jetzt nicht, aber das kommt noch«, warnte Taylor. »Bei dieser Troubadoursache geht es nur ums Geld. Warum sollte er es wohl sonst tun?« Plötzlich sprang ich auf, und all meine Gefühle sprudelten aus meinem Mund: »Weil man manchmal etwas hat, das man sagen muss, aber man kann nicht, weil die Worte nicht herauskommen wollen oder weil man Angst hat oder sich dumm vorkommt, doch wenn man einen Song schreiben und ihn singen könnte, dann könnte man sagen, was man sagen muss, und es wäre wunderschön, und die Leute würden zuhören, und man würde nicht einen kompletten Idioten aus sich machen. Aber nicht alle von uns können Songschreiber sein, und so… werden manche von uns nie in der Lage sein zu sagen, was sie denken, und so werden wir nie die Chance bekommen, manche Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Niemals.« Ich verstummte, um Luft zu holen, und mir dämmerte, was ich getan hatte. Ich hatte noch nie zuvor bei einer Bürgerversammlung gesprochen. Mom sagte gewöhnlich genug für uns beide. Der gesamte Saal war totenstill geworden. Selbst Grant war vor mir auf seinen Stuhl gesunken, um mir zuzuhören. Alle starrten mich an und warteten darauf, was ich als Nächstes sagen würde. Ich gab Grant einen leichten Klaps auf die Schulter. »Also… geben Sie dem Mann eine Lizenz.« Ich setzte mich. Ich konnte nicht glauben, was ich getan hatte. Ich hatte eine totale Närrin aus mir gemacht. Aber dann brach der Saal in Beifall aus. Mom legte sichtlich überrascht ihren Arm um mich. »Nun, mir hat deine kleine Rede gefallen.« Und aus dem hinteren Teil des Raumes hörte ich Deans kleine Schwester sagen: »Das ist die Pfadfinderin.«
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Ich sank auf meinem Stuhl in mich zusammen und wünschte, ich hätte etwas, unter dem ich mich verstecken konnte. »Okay, um nicht noch mehr Zeit mit diesem Thema vergeuden zu müssen«, erklärte Taylor, »ernenne ich den >Nimbusmann< dort drüben zum offiziellen Stadttroubadour. Und kein anderer Troubadour darf sein Territorium in Besitz nehmen, womit ich diesen anderen Kerl meine.« Mit diesen Worten endete die Versammlung. Die Leute standen auf und strömten aus Miss Pattys Tanzstudio. Ich sah zu Dean hinüber, aber sein Platz war leer.
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15 Als ich am Montagmorgen auf dem Weg zum Unterricht den Campus überquerte, entdeckte ich Madeline. »Oh, hey, Madeline«, rief ich und lief los, um sie einzuholen. »Ich habe die Unterlagen dabei, die du haben wolltest.« Aber sie ging einfach weiter, ohne sich umzudrehen. »Nein, danke.« »Die Sachen, um die du gebeten hast«, verdeutlichte ich. »Die Biologieunterlagen vom Dienstag! Du hast doch gesagt…« »Nein, danke.« »Aber…« Sie rannte davon. »Was ist denn mit ihr los?«, fragte ich, als Louise neben mir stehen blieb. Louise zuckte mit den Schultern. »Nichts ist mit ihr los… Maria.« »Maria?« Ich stöhnte. »Oh, nein, nicht schon wieder diese Jungfrau-Maria-Sache.« So hatten sie mich genannt, als ich nach Chilton gekommen war. »Nicht Jungfrau Maria«, berichtigte Louise mich. »Sondern Maria Magdalena.« Sie ging ebenfalls davon, und dann tauchte Paris auf und funkelte mich wütend an. »Was ist?«, fragte ich. »Weißt du, als wir uns am Anfang des Jahres kennen gelernt haben, mochte ich dich nicht«, sagte Paris, »weil ich dich für einen Trottel hielt, und ich habe keine Geduld mit Trotteln.« »Wie überaus erleuchtend«, meinte ich. »Aber dann fand ich heraus, dass du gar nicht so dumm bist. Du schienst manchmal sogar relativ interessant zu sein. Das führte zu meinem großen Fehler: Ich war nicht mehr auf der Hut. Das wird nicht noch einmal passieren.« »Wovon redest du?«, fragte ich. Paris baute sich vor mir auf. »Ich rede davon, dass du Leute für deine kranken Absichten missbrauchst. Ich rede davon, dass du dir Feinde machst, wo du dir Freunde machen solltest.«
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»Wie habe ich dich zu meiner Feindin gemacht?« »Oh, ich glaube, das weißt du ganz genau.« Sie marschierte wieder davon, und ich folgte ihr. »Was? Weil ich dich mit Tristin zusammengebracht habe? Es tut mir Leid. Ich wollte nur nett sein.« »Oh, sicher wolltest du das.« »Ich habe dir geholfen, dich zurechtzumachen«, erinnerte ich sie. »Ich habe dir Sachen von meiner Mutter geliehen, die ich, nebenbei bemerkt, noch immer nicht zurückbekommen habe.« »Oh, mein Gott, du hast Recht! Ich hoffe, das sind nicht die, auf denen Skippy ihre Welpen zur Welt gebracht hat. Ich werde nachsehen, wenn ich nach Hause komme.« »Sag mir, was ich Schreckliches getan habe!«, drängte ich, als wir im Innern des Gebäudes waren. Sie ignorierte mich. »Paris!«, schrie ich und packte ihren Arm. Sie fuhr herum und funkelte mich an. »Denk bei P. J. Harvey darüber nach!« Und dann dämmerte mir, was passiert war. »Das ist also der Punkt? Ich gehe nicht zu P.J. Harvey.« »Tristin sagt das Gegenteil.« »Dann hat er gelogen.« »Ich habe die Eintrittskarten gesehen.« »Er hat diese Karten allein gekauft, ohne mein Wissen«, beharrte ich. Aber Paris machte nur eine abfällige Handbewegung. »Hör zu, ich bin über Tristin hinweg, also musst du wegen mir bestimmt nicht verzichten.« »Es gibt nichts, auf das ich verzichten muss.« »Ich habe sowieso keine Zeit für Dinge wie Konzerte«, erklärte sie und ging wieder davon. »Ich plane bereits meine Freizeitaktivitäten für das nächste Jahr. Übrigens, willst du noch immer für die Schülerzeitung arbeiten?« »Ja, das weißt du doch.« »Du wirst eine Empfehlung des Lehrkörpers brauchen.« »Ich denke, die kann ich kriegen.« »Und die Unterstützung der Herausgeberin.« »Darum mache ich mir keine Sorgen.«
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Paris lächelte. »Den Job habe ich gerade bekommen.« »Oh. Gratuliere.« »Danke. Und keine Sorge. Du wirst schon irgendeinen Auftrag bekommen. Wie klingt ein Bericht über den Bau des neuen Parkplatzes?« »Prima.« »Zu schade, dass ich die Musiksparte bereits vergeben habe«, fuhr sie fort. »Du weißt schon, Plattenkritiken und so weiter? Du wärst perfekt dafür gewesen. Jetzt habe ich den Job Louise gegeben.« »Louise besitzt gerade mal zwei CDs!«, protestierte ich. »Ja.« Sie lächelte selbstgefällig. »Nun, ich muss gehen.« Sie stieg die Treppe zum ersten Stock hinauf, drehte sich dann um und warf mir einen letzten, triumphierenden Blick zu, während Louise und Madeline hinter und neben ihr standen, als wären sie die Hexen von Eastwick. »Ich wünsch dir einen wirklich schönen Sommer«, sagte sie, bevor sie sich abwandten und weitergingen. Ich stand da und sah ihnen hinterher. Nach der Schule wartete Tristin draußen auf mich. Ich ignorierte ihn und ging an ihm vorbei, aber er folgte mir. »Du hast dieses Spiel also satt«, sagte er, als er mich einholte. »Welches Spiel?«, fauchte ich. »Treffen wir uns jetzt eigentlich, oder was?« »Wovon redest du?« »Das Konzert ist heute Abend«, erinnerte er mich. »Ich hoffe, du und der leere Platz an deiner Seite habt eine Menge Spaß«, erwiderte ich. »Ich bin ein wenig irritiert.« »Ich auch.« »Warum bist du so wütend?« Ich drehte mich zu ihm um. »Du hast allen erzählt, dass ich mit dir zu diesem Konzert gehe!« »Nur ein paar Leuten.« »Du hast es Paris erzählt«, sagte ich. »Paris und ich fingen gerade an, miteinander auszukommen, und jetzt hasst sie mich wieder.« »Wenn der Schaden sowieso schon angerichtet ist, kannst du ebenso gut mit mir zu P.J. Harvey gehen.« »Niemals!«, erklärte ich nachdrücklich. »Niemals. Ich werde niemals mit dir irgendwohin gehen.«
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Er wurde allmählich wütend. »Weißt du, diese Karten haben mich ein Vermögen gekostet.« »Sie haben deinen Daddy ein Vermögen gekostet«, gab ich zurück. »Ich kenne sonst niemanden, der auf diesen blöden Kerl steht!«, fauchte er. »P. J. Harvey ist eine Frau«, korrigierte ich. Ich wandte mich ab und wollte davongehen, aber dann entriss er mir meine Bücher. »Was machst du da?«, rief ich ungläubig. »Ich werde sie dir zurückgeben, wenn du dich bereit erklärst, mitzukommen«, sagte er, sehr zufrieden mit seiner neuen Taktik. »Du bist erbärmlich, Tristin. Behalt die Bücher. Ich gehe.« Ich marschierte weiter. Tristin folgte mir eilig. Dann erstarrte ich. Ich konnte nicht fassen, was ich sah. Ein grüner Truck parkte in der Auffahrt und ein Junge lehnte wartend daran. »Dean?«, murmelte ich vor mich hin. Ich rannte zu ihm. Er richtete sich auf, als er mich sah, aber dann entdeckte er hinter mir Tristin und schüttelte angewidert den Kopf. »Dean! Was machst du hier?« »Ich verschwinde«, fauchte er. »Geh nicht«, bat ich. Er riss die Tür des Trucks auf, aber ich schlug sie zu. »Ich hätte nicht kommen sollen«, murmelte er. »Nein, warte!« »Ich fühle mich wie ein Idiot!« »Warum?« Schließlich sah er mich an, die Augen voller Schmerz und Zorn. »Weil ich den ganzen Weg hierher gefahren bin und dich jetzt mit ihm sehe!«, schrie er, während er auf die Schule zeigte. »Das ist einfach toll.« Ich folgte Deans ausgestrecktem Arm. Tristin stand dort und hielt meine Bücher. »Nein, Tristin hat nur…« »Das ist mir egal!« »Nein, hör zu…« »Er hat deine Bücher, Rory!« »Aber er hat sie mir weggenommen und wollte sie einfach nicht zurückgeben! Bitte, sag mir, warum du hier bist.«
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Dean warf frustriert die Hände hoch und ging davon. »Ich weiß es gar nicht.« Ich folgte ihm. »Doch, du weißt es!« Er wirbelte herum. »Weil ich dachte…« Er sah mich an, dann sah er Tristin an. »Vergiss es.« »Nein, sag es!«, drängte ich. »Ich dachte, du wolltest mit mir reden.« »Oh.« »Ich meine, du bist zu mir nach Hause gekommen…« Ich zuckte zusammen. »Das bin ich nicht.« »Meine Schwester hat dich durch die Fotos in meinem Karton erkannt.« Ich blinzelte. »In welchem Karton?« »Dem Karton mit unseren Sachen. Fotos und Briefe und alles, was ich von dir bekommen habe.« »Du hast einen Rory-Karton?«, fragte ich leise. »Und was hatte das bei der Bürgerversammlung zu bedeuten?«, fuhr er fort. »All dieses Gerede über das Schreiben eines Songs?« »Ich… ich weiß nicht genau, wovon ich geredet habe…«, stotterte ich und trat unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. »Das hatte also nichts mit mir zu tun?«, fragte er. Ich öffnete den Mund, aber die Worte wollten nicht herauskommen. »Nun, dann muss ich mir das alles eingebildet haben.« Wir beide standen da und wussten nicht, was wir sagen sollten. Als ich weiter schwieg, zuckte Dean mit den Schultern und wies auf Tristin. »Dein Freund wartet«, sagte er voller Abscheu. Er ging zum Track. »Er ist nicht mein Freund!«, rief ich ihm nach. »Ich hasse ihn!« »Was auch immer«, murmelte Dean, als er die Autotür öffnete. »Dean!«, rief ich verzweifelt. Er zögerte, drehte sich aber nicht um. »Was?« »Warte!« »Warum?« Eine einfache Frage. Aber warum konnte ich ihm nicht die einfache Antwort geben? Sag es!, schrie ich im Stillen. Sag es – bevor es zu spät ist! Ich holte tief Luft, stieg auf den Gipfel eines unheimlichen Berges
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– und sprang. »Weil ich dich liebe, du Idiot!« Dean fuhr herum und kam direkt auf mich zu. Und dann küsste er mich vor aller Augen. Mom hatte eine Nachricht für mich hinterlassen, dass ich sie um sieben im Luke’s treffen sollte. Große Neuigkeiten, schrieb sie. Aber sie wollte mir nichts Genaues verraten. Es ging um gelbe Gänseblümchen. Und Max. Ich war so glücklich, dass ich wieder mit Dean zusammen war, dass ich mir keine größeren Neuigkeiten vorstellen konnte, aber ich konnte es auch nicht erwarten, sie zu sehen. Konnte es nicht erwarten, ihr meine Neuigkeiten zu erzählen. Doch Dean und ich verbrachten den ganzen Nachmittag miteinander und redeten, und ich verlor jedes Zeitgefühl. Jetzt war es dunkel, und ich kam zu spät. Ich rannte durch die Stadt zum Luke’s und hatte das Gefühl, mich in einem Traum zu befinden. Die Stadt glitzerte vor Nässe und die Lichter an den Bäumen ließen alles wie verzaubert erscheinen. Nur dass ich wusste, dass ich mich nicht in einem Traum befand; es war noch besser, denn es war Wirklichkeit. Ich traf Grant, dem seine offizielle Ernennung zum Stadttroubadour gewährt worden war, und schickte eine Nachricht auf Moms Pager, um ihr mitzuteilen, dass ich fast da war. Als ich um die Ecke bog, sah ich, wie Mom aus dem Luke’s stürzte. Dann entdeckte sie mich, und wir beide blieben stehen, wo wir waren. Meine Augen füllten sich mit Tränen, als ich sie anlächelte. Und als sie mein Gesicht sah, lächelte auch sie. Dann rannten wir aufeinander zu und trafen uns in der Mitte der Main Street von Stars Hollow. Und als wir schließlich voreinander standen, ergriffen wir uns an den Händen und lachten und waren außer Atem und redeten beide gleichzeitig. »Er hat gerade…« »Ich habe…« »Du zuerst!«, sagten wir gleichzeitig. »Ich habe Dean gesagt, dass ich ihn liebe.« »Max hat mich gefragt, ob ich ihn heirate.« Und dann lachten wir und schrien und sprangen auf und ab, und ich konnte nur daran denken, wie wunderschön das Leben war und wie
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wunderschön es war, in Stars Hollow zu leben, und wie glücklich ich mich schätzen konnte, dass ich Lorelai Gilmore zur Mom hatte.
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