Leo Sillner Gewußt woher Ursprungshandbuch deutschsprachiger Wörter und Redensarten
Deutscher Bücherbund Stuttgart
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Leo Sillner Gewußt woher Ursprungshandbuch deutschsprachiger Wörter und Redensarten
Deutscher Bücherbund Stuttgart
Lizenzausgabe für die Mitglieder des Deutschen Bücherbundes Stuttgart Hamburg München Alle Rechte vorbehalten • Societäts-Verlag © 1973 Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH Gesamtherstellung: Friedrich Pustet, Regensburg Papier: Bohnenberger & Cie, Papierfabrik Niefern -09376/5-
Vorwort Woher kommt das denn, oder warum sagt man so - diese Fragen stellt sich jeder irgendeinmal, wenn ihm ein ungewohntes Wort unterkommt, wenn er plötzlich über den Sinngehalt einer Redensart ins Nachdenken gerät. Meist geht er über die Frage wieder hinweg, denn am Wichtigeren - was das Wort oder die Wendung aussagt - gibt es nur geringere oder gar keine Zweifel. Und doch bleibt ein kleiner Rest dieser Frage hängen. Diese knappe Feststellung mag sogleich deutlich machen, an wen sich das vorliegende kleine Nachschlagewerk wenden will: nicht an den Wissenschaftler, dem ein umfangreicher etymologischer Apparat zur Verfügung steht, sondern an den sprachlich interessierten Laien, der sich hin und wieder mit derartigen Fragen konfrontiert sieht. Das kleine Lexikon entstand auf dem Boden der Zeitungsarbeit. Hauptsächlich auf Anfragen aus dem Leserkreis hin ergab sich die verlockende Gelegenheit, die Beantwortungen in einer regelmäßigen kleinen Kolumne zu geben; sie erscheint seit 1967 wöchentlich in der »Süddeutschen Zeitung«. Dieser Ausgangspunkt mag die Auswahl der Stichwörter erklären. Es waren nicht jene Begriffe der deutschen Sprache, die ihr die breite Grundlage und das feste Gerüst geben, sondern das Interesse entzündete sich mehr an den »ausgefallenen« Wörtern und Wendungen, die freilich in vielen Fällen nicht minder zu ihrem unerläßlichen Bestand gehören. Vollständigkeit auch nur in einem Teilbereich anzustreben war in diesem Rahmen weder beabsichtigt noch möglich. Trotz dieser notwendigen Einschränkungen mag der Leser vielleicht gerade wegen der »Ausgefallenheit« der Auswahl seine Freude an der Vielschichtigkeit und Buntheit der Sprache auskosten und angeregt werden, dem täglichen Werkzeug Sprache ein wenig intensiver auf den Grund zu gehen.
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A A das A und das O: In der Bibel (Offenbarung des Johannes, 1,8) heißt es: »Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende, spricht Gott der Herr, der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige«, Anfang und Ende deshalb, weil Alpha der erste, Omega der letzte Buchstabe des griechischen Alphabets ist. Abblitzen jemanden a. lassen: Die Vermutung, der Redewendung liege das - wirkungslose - Abblitzen des Pulvers auf der Pfanne, auf das kein Schuß folgt, zugrunde, hat einiges für sich. Jedoch liegt ähnlich nahe das Verb blitzen im Sinne von ausschlagen, wie es Tiere, vor allem Pferde und Esel, tun. So heißt es bei Kaysersberg: »gleich als ein ungezemptes pfert, das da blitzt hinden und fornen, das nieman geheben (halten) kan«. Blitzen liegt auch der Sinn zugrunde: sich schnell bewegen. Dazu gehört etwa das schlesische mit der Tür, dem Fenster blitzen (schlagen). Abenteuer Zugrunde liegt das lateinische Verb advenire (herankommen, erscheinen, sich ereignen, geschehen), das ein vulgärlateinisches adventura (substantiviertes Partizip der Zukunft) für Ereignis ergab. Daraus ergab sich das altfranzösische aventure für unerwartetes Erlebnis, Abenteuer. Das Mittelhochdeutsche übernahm das Wort als aventiure (Adjektiv aventiurlich), woraus dann Abenteuer wurde. Der eigentliche Sinn von Abenteuer ist also das, was auf einen zukommt, ein unerwartetes, aber doch gesuchtes (abenteuerliches) Erlebnis, wie es dem ritterlichen Ideal entsprach.
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Abfahren jemanden a. lassen: So wie etwa ein Werkzeug, mit dem man ungeschickt umgeht, von dem zu bearbeitenden Objekt abfährt, das heißt abgleitet, läßt jemand einen anderen an sich abrutschen oder abgleiten, mit dem er nichts zu tun haben will; er läßt ihn gleichsam an sich abfahren (Goethe: »Fräulein Luise ließ Karin, der sie zum Spaziergange einlud, auf eine sehr schnippische Weise abfahren.«). Abfuhr jemandem eine A. erteilen: Die Redensart entstand in der Studentensprache. Wenn ein Teilnehmer an der Mensur, dem studentischen Zweikampf, verletzt war, wurde er von seinen Sekundanten »abgeführt«. Daß diese Abfuhr manchmal den Charakter des Blamablen hatte, begünstigte die heutige Bedeutung der Redensart, die vielleicht auch von der Wendung jemanden abfahren lassen (vgl. abfahren) beeinflußt wurde. Abgebrannt a. sein: Seit dem 16. Jahrhundert wird das Partizip abgebrannt, das sich eigentlich zunächst nur auf das durch Feuer Vernichtete bezieht, auch auf den Menschen angewandt, der durch einen Brand seine Habe verloren hat. Von da aus nahm es dann den allgemeinen Sinn von völlig mittellos an, weil es am deutlichsten die plötzlich eingetretene Verarmung kennzeichnet. Die Übertragung des Begriffs kommt in einem Zitat Moscheroschs von 1640 zum Ausdruck: »Underwegs stieße uns auff ein gut Gesell, den ich wol kante der beklagte sich, daß er abgebrant war, das ist nach Feldsprach soviel, als daß er umb alles kommen und erarmet war, daß er alles zugesetzt und verlohren hatte.« Abgefeimt Feim ist ein altes deutsches Wort für Schaum, das im übrigen auf die gleiche indogermanische Wurzel wie Schaum - (s)poimno, Schaum, Gischt - zurückgeht und seine Entsprechung im englischen foam (Schaum), aber auch im bairischen foam (das Schriftdeutsch Faim heißen müßte) hat. Dazu gehört das Verb feimen für schäumen und ab-
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schäumen. »Laß das über nacht sten und des morgens so feume es schone«, heißt es in einer Nürnberger Quelle von 1489. Das Abschäumen oder eben Abfeimen einer Flüssigkeit stellt zunächst eine Säuberung, Verfeinerung, Läuterung dar; ähnlich wie das dem Französischen entnommene raffiniert, das ebenfalls eigentlich verfeinert, geläutert bedeutet, nahm dann abgefeimt im Sinne von durchtrieben eine negative Bedeutung an, ein Wort, das sich gehalten hat, auch als Feim in wenige Mundarten verdrängt wurde. Abgekartet ein a.es Spiel, eine a.e Sache: karten als Verb bedeutet Kartenspielen (daneben gibt es die hauptsächlich oberdeutsche Form kartein). Häufig war früher die transitive Form »ein Spiel karten« (es spielen); ebenso »es karten« (Hast dus wol gemischt, so kart es wol«, bei Simrock). Es karten nahm dann die übertragene Bedeutung an, eine Angelegenheit einrichten, einfädeln, künstlich, schlau nach seinem Interesse lenken, »es« wurde dabei häufig durch ein bestimmtes Objekt ersetzt; »das Ding so zu karten suchen«, heißt es bei Lessing. Seit dem 18. Jahrhundert trat dann für karten in diesem Sinne das Verb abkarten in den Vordergrund. Abgetakelt s. aufgetakelt. Abgott Schon im Althochdeutschen ist das Wort als abgot für Götzenbild, Götterbild, Abgott gebräuchlich. Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde es in der Frühzeit der Christianisierung zunächst als Adjektiv geprägt, so wie es im Gotischen das Adjektiv afguths für gottlos, frevlerisch, ruchlos gibt. Abhalftern jemanden a.: So wie man einem Pferd die Halfter abnimmt (es abhalftert) und es damit aus dem Gespann nimmt, weil es den Wagen nicht mehr ziehen muß, halftert man jemanden ab, weil man seine Dienste nicht mehr haben will.
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Abbauen Hauen hatte schon im Frühneuhochdeutschen auch die Bedeutung laufen, eilen. So heißt es zum Beispiel bei Kaysersberg um 1500: »Darnoch macht er sich uff die fart und houwt weidlich dohin, vollbringt unverzagt sin bilgerf art.« Auch im älteren Bairisch etwa bedeutete hauen laufen, sich schnell bewegen; es hat sich zum Teil bis heute erhalten, vor allem als davonhauen für wegrennen (er ist davong'haut: er ist weggelaufen, hat sich davongemacht). Im gleichen Sinne hat sich abhauen für weggehen, -laufen, flüchten, sich davonmachen ausgebildet, freilich nur im derben Sprachgebrauch. Es wäre denkbar, daß hauen in dieser Bedeutung sich ursprünglich an das Einhauen der Sporen in das Pferd anlehnte, doch ist es näherliegend, den Ausgang beim Einhauen der Fersen während des Laufens zu suchen. Abknöpfen jemandem Geld, etwas a.: Das Knöpfen ist zwar keine schwierige, aber doch eine etwas mühsame Tätigkeit. Wenn man jemandem Geld abknöpft, befreit man es sozusagen von den Knöpfen, mit denen es am Besitzer haftet, aber man muß einige Mühe und ein bißchen Geschick aufwenden. Abraham in A.s Schoß sitzen: Der Begriff des Schoßes ist in gewissem Sinne mit der Vorstellung des Sitzens verbunden. So sitzt ein Kind auf dem Schoß des Vaters oder der Mutter, aber auch die Seligen sitzen oder ruhen im Schoß Gottes (daraus entstanden auch übertragenere Begriffe wie vom Schoß des Glücks). Wegen seines frommen Lebens und Glaubens gilt Abraham, der Stammvater der Israeliten, als im Paradies bevorrechtet (im Brief des Paulus an die Galater heißt es etwa, daß die, die des Glaubens sind, Abrahams Kinder sind), und im Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus (Lukas 16) wird erzählt, daß Lazarus, nachdem er gestorben war, »ward getragen in Abrahams Schoß«. So wurde der Ausdruck zum Sinnbild für die Geborgenheit.
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Abschaum A. der Menschheit: Abschaum ist eigentlich das, was auf Flüssigkeiten obenauf als Schaum schwimmt und als wertlos oder unreinlich abgeschöpft, abgeschäumt wird; dies ist vor allem bei Flüssigkeiten, die gekocht werden, der Fall; durch das Abschäumen werden sie klar. So nahm das Wort auch die Bedeutung Auswurf, das Schlechteste seiner Art an. Die Zusammenfügung Abschaum der Menschheit findet ihre erste geläufige Verwendung wohl im ersten Korintherbrief, wo (4,13) vom Kehricht, Auswurf oder eben Abschaum der Welt oder Menschheit die Rede ist (Luther übersetzte: ein Fluch der Welt). Abspenstig a. machen: Im Althochdeutschen hieß spenst Verlockung, spenstig verlockend; beide Wörter gehören zu dem Verb spanan (überreden, lokken, verlocken). Davon hatten sich im Frühneuhochdeutschen noch abspanen (ablocken) und abspenig (abspenstig) gehalten; während das Verb verlorenging, entwickelte sich abspenstig zu seiner heutigen Form und Bedeutung. Von gleicher Wurzel ist Gespenst mit dem ursprünglichen Sinn von Lockung. Abstecher Gemeint ist ursprünglich mit dem Bootshaken abstechen, vom Schiff wegschieben. Abstechen wurde vom Niederländischen übernommen, wo afsteken das gleiche heißt. Auch die Wendung einen Abstecher machen geht auf das Niederländische zurück: een afsteker maken. Ursprünglicher Sinn der Wendung war, sich im Boot mit dem Bootshaken vom Schiff »abzustechen«, um eine kurze Fahrt zu unternehmen, woraus sich dann die weitere Bedeutung entwickelte. Achillesferse Achilles galt als der schnellste und stärkste Held der Griechen vor Troj a. Seine Mutter Thetis hatte ihn als Neugeborenen in den Styx, den Fluß der Unterwelt, gehalten, um ihn unverwundbar zu machen. An der Ferse aber, an der sie ihn hielt, hatte das Wasser keine Wirkung. So konnte ihn Paris durch einen Pfeilschuß in die Ferse töten. Deshalb
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nennt man die verwundbare Stelle eines Menschen im übertragenen Sinn Achillesferse. Adam Riese »Nach Adam Riese« sagt man, um die Selbstverständlichkeit, Einfachheit einer Rechnung zu charakterisieren. Adam Riese war ein um 1492 in Staffelstein geborener Rechenmeister, der mehrere sehr weit verbreitete Rechenbücher verfaßte. Adamsapfel Im Hebräischen bedeutet tappuach Erhebung am menschlichen Körper, wörtlich Apfel; tappuach ha adam ist demnach der Schildknorpel des Menschen (adam für Mann, Mensch). Der in mehreren europäischen Sprachen vorhandene Ausdruck Adamsapfel (zum Beispiel italienisch pomo d'Adamo) beruhte dann auf der volkstümlichen Vorstellung, daß Adam der ihm von Eva gereichte Apfel im Hals stecken geblieben sei. Adamskostüm In der Bibel wird berichtet, daß die ersten beiden von Gott geschaffenen Menschen, Adam und Eva, nackt lebten: »Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und schämten sich nicht« (Mosel, 25); aber als sie beide vom Baum der Erkenntnis gegessen hatten, wurden sie ihrer Nacktheit gewahr und bedeckten sich. Im Adams- oder Evaskostüm meint also völlig nackt. Die Formulierung »der Mensch und sein Weib« beruht darauf, daß in der älteren Sprache Mensch häufig identisch mit Mann war (vgl. Mensch). Adonis Nach der griechischen Mythologie wurde Adonis aus einem Myrrhenbaum geboren (in den seine Mutter verwandelt worden war). Zeus entschied, daß er je ein Drittel des Jahres bei Persephone und bei Aphrodite bleiben sollte, über das dritte Drittel sollte er frei entscheiden; er verbrachte auch dieses mit Aphrodite und wird als Liebling der Aphrodite gewöhnlich als achtzehn- oder neunzehnjähriger Jüngling geschildert von blühendem, rosigem Aussehen und noch flaumbärtig, so daß sein
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Kuß nicht steche. Deshalb nennt man einen schönen jungen Mann Adonis, freilich meist mit einem ironischen Ton. Affe einen A.n haben: In den verschiedensten europäischen Sprachen werden Tiere zum Vergleich herangezogen, um den durch Alkohol bewirkten Rausch des Menschen zu charakterisieren. Am häufigsten ist das der Affe. So heißt es im Deutschen einen Affen haben, im Englischen to suck the monkey (wörtlich: den Affen saugen), im Spanischen dormir la mona (seinen Rausch ausschlafen, mona ist die weibliche Form von Affe und bedeutet auch Rausch), ebenso im Portugiesischen, Italienischen, Tschechischen. Zugrunde liegt, daß ein Betrunkener sich so lebhaft, verrückt, possenartig wie ein Affe benimmt. Affe mich laust der A.: Wanderaussteller und fahrendes Volk früherer Jahre führten in der Regel einen Affen, der sich bekannterweise immer sehr lustig zu geben weiß, mit. Es kam dann häufig vor, daß der Affe ins Publikum sprang und sich einem Zuschauer unvermutet auf die Schulter setzte, in seinen Haaren zu krabbeln anfing, so wie er das auch mit seinen Artgenossen macht, und gleichsam nach Läusen suchte. Aus der Überraschung, die das für den Betroffenen bedeutete, entstand die Redewendung als Ausdruck der Verblüffung. Affenliebe Der Mensch empfindet die Verhaltensweisen des Affen zwar als lustig oder komisch, aber ebensosehr als dumm oder töricht. So führte etwa die Eigenschaft des Affen, Gesten des Menschen nachzuahmen oder sich beibringen zu lassen, zu den Verben äffen, nachäffen (etwas auf so dumme Weise wie ein Affe nachmachen), Albernheit wird mit dem Adjektiv äffisch charakterisiert. Die lebhafte und unentwegte Beschäftigung des Affen mit seinen Jungen führte im Verein mit der allgemeinen Einschätzung des Affen als töricht zu dem Ausdruck Affenliebe für blinde, unvernünftige Liebe vor allem der Eltern zu ihren Kindern.
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Ägyptische Finsternis Eine der Plagen, die Gott durch Moses über Ägypten verhängte, weil der Pharao Moses und sein Volk nicht ziehen ließ, war eine dreitägige Finsternis. Im zweiten Buch Mose (10,21—23) heißt es: »Der Herr sprach zu Mose: Recke deine Hand gen Himmel, daß es so finster werde in Ägyptenland, daß man's greifen mag. Und Mose reckte seine Hand gen Himmel; da ward eine dicke Finsternis in ganz Ägyptenland drei Tage, daß niemand den ändern sah noch aufstand von dem Ort, da er war, in drei Tagen.« Akribie Akribeia bedeutet im Griechischen ebenso wie das davon entnommene Akribie, peinliche Genauigkeit, Gründlichkeit Sorgfalt. Akrobat Das griechische akrobatos bedeutet wörtlich auf den Zehen gehend, zusammengesetzt aus akros (äußerst, oberst) und batein (gehen). Akrobat wurde im Deutschen zunächst Anfang des 19. Jahrhunderts auch nur der Seiltänzer genannt; dann wurde das Wort auf alle turnerischen Zirkuskünste übertragen. Albern Das Wort ist germanischer Herkunft und hatte im Althochdeutschen als alawari die Bedeutung gütig, freundlich. Im Mittelhochdeutschen entwickelte es sich zu alwaere und verschob seinen Sinn gleichzeitig von gütig zu einfältig, dumm (aufgefaßt als allzu gütig, gutmütig dumm). Frühneuhochdeutsch erscheint es als alber für schlicht, naiv, einfältig, unzurechnungsfähig, bis es dann seine dem naheliegende heutige Bedeutung annahm. Alibi Im Lateinischen heißt alibi anderswo. Hat jemand ein Alibi, kann er nachweisen, er sei »anderswo« gewesen als am Ort einer inkriminierten Tat.
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Allerhand das ist a.: Hand hat hier die Bedeutung von Seite; das Wort allerhand meint also eigentlich aller Seiten, von allen Seiten (etwas). Im Mittelhochdeutschen war dieser Genitiv noch deutlich: aller hende, aller hande und später allerhande bedeutete jederart; auch die Verkleinerungsform von hand war gebräuchlich: aller hendlin kauf. Das ist (ja) allerhand meint also, daß man hier von allem möglichen überrascht wird. Allotria aus dem Griechischen. Allotrios heißt fremdartig, sonderbar, auffallend, unpassend. Almauftrieb s. Pfingstochse. Alter biblisches A.: Nach dem ersten Buch Mose erlangten die Patriarchen von Adam bis Noah ein außergewöhnlich hohes Alter (vgl. Methusalem). Der Begriff biblisches Alter für hohes Alter könnte indessen auch noch vom 90. Psalm beeinflußt worden sein, in dem es heißt: »Unser Leben währet siebzig Jahre, und wenn's hoch kommt, so sind's achtzig Jahre.« Altfränkisch Ein früher Anklang an das Wort findet sich um 1300 bei dem in der Nähe von Würzburg geborenen Hugo von Trimberg: »Man sprichet gerne, swen man lobt hiute, er si der alten frenkischen liute, die waren einveltic, getriu, gewaere, wolte got, daz ich alsam waere.« Als altfränkisch und altfrensch ist das Wort dann im 14. Jahrhundert belegt und meint bereits sowohl altvaterisch wie auch altmodisch. Zugrunde liegt dem Begriff die Erinnerung an die beherrschende politische und kulturelle Stellung der Franken im alten Reich. Von der »altfränkischen Art« ist dann häufig im 16. Jahrhundert die Rede, so bei Hans Sachs:
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» Alfrenkisch sind dein werk und daiding (Gerede), gleich also sind auch all dein klaiding.« So hielt sich das Wort in der gebildeten Sprache bis in die Gegenwart (Wieland: »die etwas altfränkische Sprache«1; Goethe: »daß die Kleidung zwar altfränkisch, aber wohlerhalten und von edlem Stoff sei«). Amen Das hebräische Wort amen bedeutet wahrlich, gewiß, es geschehe also und drückt die Zustimmung der Gemeinde zu Rede, Gebet und Segen aus. Amok A. laufen: Im Malaiischen bedeutet amuk Wut, wütend, rasend. Die Malaien nennen einen Menschen amuk, der in einem plötzlichen Anfall von Geistesverwirrung, die vor allem durch Epilepsie hervorgerufen wird, in einem rasenden Lauf jeden niedersticht. Amüsieren Im Galloromanischen bedeutete musus Schnauze, Maul; der ursprüngliche Sinn des französischen Wortes amuser ist also: jemanden dazu bringen, daß er das Maul aufreißt. Im Altfranzösischen bedeutete es deshalb auch zunächst foppen, narren; erst später nahm es die heutige Bedeutung unterhalten an. Anbinden mit jemanden a.: Vermutlich geht die Redewendung auf die Fechtersprache zurück. Vor dem Kampf wurden die Klingen gekreuzt, übereinandergelegt, gleichsam gebunden. Andrehen jemandem etwas a.: s. Dreh.
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Angeben, Angeber Die eigentliche Bedeutung von angeben ist mitteilen, kundtun. Im Sinne von großtun, prahlen ist das Wort erst seit dem 20. Jahrhundert üblich; es setzt ein näher bestimmendes Adverb wie prahlerisch, großsprecherisch voraus, das indessen nicht ausgesprochen wird, weil der Ausdruck gerade ohne nähere Bestimmung seinen lapidaren Klang hat. Eine humorvoll drastische Intensivierung ist die häufig gebrauchte Redensart angeben wie zehn nackte Neger, die keine Beziehung zur Realität haben will, sondern durch kräftige Absurdität wirkt, wobei allenfalls die Ausgelassenheit »wilder« Naturvölker assoziiert wird. Angebinde Das Wort ist seit dem 17. Jahrhundert in Gebrauch und meinte ursprünglich wörtlich das Geschenk, das dem Beschenkten (an den Arm) angebunden wird. Angeschrieben bei jemandem gut, schlecht a. sein: Die Wendung geht auf den Brauch zurück, daß man beim Einkauf von Waren seinen Schuldbetrag anschreiben ließ, wenn man nicht bar zahlen konnte; ebenso konnte natürlich auch ein Guthaben angeschrieben sein. Schlecht angeschrieben war der, der soviel Schulden hatte, daß er nichts mehr geborgt bekam, gut angeschrieben der Kreditwürdige oder der ein Guthaben hatte. Angetan es jemandem a. haben, von jemandem a. sein: Angetan ist in diesem Fall ein Verhüllungswort, gemeint ist nämlich jemanden bezaubert haben, von jemandem bezaubert sein; man scheut sich gleichsam nur, es auszusprechen. Anhauen jemanden a., jemanden um etwas a.: Jemanden anhauen meint in der Vulgärsprache jemanden ansprechen (zum Beispiel ein Mädchen anhauen), jemanden um etwas anhauen in gleich derber Sprache jeman-
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den um etwas angehen (zum Beispiel jemanden um Geld anhauen). In beiden Fällen liegt die Vorstellung zugrunde, daß man jemanden tatsächlich an-haut, das heißt ihm einen derb-freundlichen oder plumpvertraulichen Schlag auf die Schulter oder in die Seite gibt, um eine Vertrauensbasis herzustellen. Zu anhauen, häufiger angehauen kommen (oberdeutsch: daherhauen, dahergehauen kommen), im Sinne von sich nähern, eilig daherkommen; vgl. abhauen. Anprangern Der Pranger (zu mittelniederdeutsch prangen für drücken, pressen gehörend, das im Mittelhochdeutschen die Entsprechung pfrengen hatte) war ursprünglich ein Halseisen, mit dem ein Verbrecher oder Übeltäter an den Schandpfahl gefesselt wurde, dann nannte man den ganzen Schandpfahl so. Der Delinquent wurde am Pranger dem öffentlichen Schimpf anheimgegeben. Anprangern bedeutet also eigentlich: etwas der Öffentlichkeit zur Verurteilung anheimstellen. Aperitif Als Adjektiv bedeutet das französische aperitif zunächst im medizinischen Sinne sowohl abführend wie auch appetiterregend (erstere Bedeutung ist veraltet). Dann nannte man auch ein Getränk, das den Appetit reizt, so, und in diesem Sinne findet sich das Wort seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in internationalem Gebrauch. Seine Grundbedeutung ist öffnend, zurückgehend auf das lateinische Verb aperire für öffnen. Apparatschik Apparat bedeutet auch im Russischen so wie im Deutschen Apparat, Vorrichtung und übertragen Staatsapparat, das heißt die Gesamtheit der Einrichtungen, mit denen der Staat seine Funktionen ausübt. Apparatschik ist wörtlich ein Mann des Apparats, ein Exekutivorgan, ein Stück des durchführenden Apparats und eigentlich kein führender Politiker. Das Wort hat indessen sehr rasch einen abwertenden Klang angenommen und gilt häufig als negatives Charakteristikum für einen kleinlichen, bürokratischen Funktionär.
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Appetit Im Lateinischen bedeutet appetitus (ebenso wie appetitio) Streben, Verlangen, Trachten, Sehnsucht, Trieb (von appetere, greifen, langen, streben, trachten; zusammengesetzt aus ad, zu, und petere, nach etwas verlangen). Im Französischen verminderte sich die Bedeutung von appetit auf die Eßlust, das Verlangen nach Speise, und in diesem Sinne wurde es im 15. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Argusaugen etwas oder jemanden mit A. beobachten: Argos (lateinisch Argus) Panoptes war nach der griechischen Mythologie ein Hirte und Urenkel eines Sohnes von Zeus und Niobe, der nach den verschiedenen Versionen mit einem Auge, zwei Augenpaaren, hundert oder ungezählten Augen ausgestattet war, in jedem Fall aber als besonders scharfsichtig galt. Die Göttin Hera beauftragte ihn, die Priesterin lo — die Zeus als seine Geliebte in eine Kuh verwandelt hatte, um sie vor Hera zu verbergen — zu beobachten, weil er alles sehen konnte. Argos wurde daraufhin auf Befehl des Zeus von Hermes getötet. Ariadnefaden Nach der griechischen Mythologie gebar Pasiphae, die Gattin des Königs Minos von Kreta, den Minotauros, der halb Mensch, halb Stier war und im Labyrinth eingesperrt war; ihm wurden jährlich sieben attische Jünglinge und sieben attische Mädchen als Sühne für die Tötung eines Sohnes von Minos geopfert. Als Theseus, der attische Herakles, sich freiwillig den Opfern anschloß, gab ihm Ariadne, eine Tochter des Minos, ein Garnknäuel, mit dessen Hilfe er sich im Labyrinth zurechtfinden konnte, um den Minotauros zu töten. Asche sich A. aufs Haupt streuen: Zum Zeichen der Buße oder auch der Trauer, der Demütigung vor Gott streuten sich schon die alttestamentarischen Juden Asche aufs Haupt. So heißt es etwa in der Bibel: »An diesem Ort (Mizpa) kamen sie jetzt auch zusammen, fasteten da und zogen Säcke an, streuten Asche auf ihre Häupter und zerrissen ihre
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Kleider« (1. Makkabäer 3,47). Sich Asche aufs Haupt streuen meint heute vor allem sich demütig geben. Daneben sagt man auch in Sack und Asche gehen, so ebenfalls in der Bibel etwa im Matthäusevangelium (11,21): »Wären solche Taten zu Tyrus und Sidon geschehen, wie bei euch geschehen sind, sie hätten vorzeiten im Sack und in der Asche Buße getan.« Ast sich einen Ast lachen: In der Volkssprache bedeutet A. auch Buckel, Auswuchs, so wie man sich einen knorrigen Ast oder überhaupt etwas Knorriges vorstellt. Sich einen Ast lachen meint also: sich einen Buckel lachen, wobei die Vorstellung zugrunde liegt, daß der Körper- durch die heftigen Zuckungen des Lachens einen Auswuchs bekommt; man sagt aus dem gleichen Grunde: sich bucklig und krumm, sich schief lachen. Astrein Wie lupenrein bezeichnet auch astrein eine gewisse Reinheit, zunächst eines Stoffes, dann auch auf andere Sachen oder menschliches Verhalten übertragen. Eigentlich gemeint ist ein Brett, das keine Äste und damit keine Astlöcher hat, welche seinen Wert mindern. Attentat Das lateinische attentatum bedeutet wörtlich Versuchtes, Versuch, das zu attentare für antasten, beizukommen suchen, angreifen gehört. Im Französischen bildete sich daraus attentat (Angriff, Anschlag); das Wort wurde im 17. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Wiewohl Attentat eigentlich nur den Mordversuch meint, wurde es dann auch für den erfolgreichen Anschlag oder den vollzogenen Mord gebraucht. Das Wort Attentäter ist dann eine zufällige Volksprägung, die die letzte Silbe von Attentat als Tat auffaßte und daraus den Täter machte. Nach einem Attentat auf Friedrich Wilhelm IV. von Preußen 1844 in Berlin war Attentäter zum erstenmal in einem Drehorgellied zu hören, in dessen Kehrreim es hieß: »So 'n verfluchter Hochverräter, Königsmörder, Attentäter. Hätt' uns ja bei einem Haar, erschossen 's janze Königspaar.«
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Aufgedonnert Donner dürfte bei der Bildung dieses Begriffes nur sekundär mitgewirkt haben. Aller Wahrscheinlichkeit liegt das italienische Wort donna (Dame) zugrunde; den Anstoß könnte das in ganz Europa bekannte Wort Primadonna gegeben haben. Aufgedonnert wurde danach in Analogie zu aufgemacht gebildet und meint also wohl eigentlich wie eine Donna (so pompös) herausgeputzt. Aufgeräumt Aufgeräumt in der übertragenen Bedeutung von heiter, guter Laune leitete sich zunächst von der ganz konkreten Bedeutung des Wortes wie etwa in aufgeräumtes Zimmer ab. Den Übergang dürfte die Vorstellung des durch das Aufräumen zustande gebrachten Geordneten geschaffen haben; aufgeräumt meinte bezüglich der Kleidung der Frau im 16. Jahrhundert auch aufgeputzt (Fischart: »angestrichen und aufgeräumt« für geschminkt und aufgeputzt). Einen Übergang zur übertragenen Bedeutung stellt wohl auch noch die folgende Stelle im Simplicissimus dar: »Ein Mensch, der sich nicht überisset und immer nüchtern und mäßig bleibet, ist allezeit fertiger, seinem lieben Gott zu dienen, ja er bleibet in dem Gedechtnüs und Capacität besser auf geräumet und wird also zu allen Werken munterer und fähiger als so ein angefüllter Freßnarr sein.« Aufgeschmissen a. sein: Schmeißen hat sowohl die Bedeutung werfen wie schlagen. Ist man aufgeschmissen (das heißt, ist man in ausweglose Not geraten, etwa weil man völlig mittelos geworden ist), so will das ausdrücken, daß man gleichsam zu Boden geworfen oder geschlagen worden ist. Aufgetakelt Takelung oder Takelage nennt man die gesamte Segeleinrichtung eines Segelschiffes. Hinweise auf das mit Zacken verwandte Wort geben das mittelniederdeutsche tacke (Zweig, Zacke), das englische tack (Pflock), to tack (lose befestigen). Das Verb takeln bedeutet zunächst ein Schiff mit allem, was zum Segeln gehört, ausrüsten, im engeren Sinne meint
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auftakeln alle Segel setzen. Übertragen nennt man vor allem eine Frau, die sich überladen kleidet und schminkt, aufgetakelt, sie habe sich also mit allen möglichen Attributen versehen. Das Gegenteil ist abtakeln; abgetakelt nennt man jemanden, der alle Zeichen guten Aussehens oder alle nützlichen Eigenschaften abgelegt oder verloren hat. Aufhebens großes A. machen: Die Wendung entstammt der Fechtersprache. Vor dem Beginn des Kampfes wurden die Waffen zur gegenseitigen und zur Begrüßung der Zuschauer in einer Art Zeremoniell aufgehoben; dieses Aufheben ging manchmal, wie es sich versteht, mit viel Getue und Wichtigtuerei vor sich. In einem Drama von Jacob Ayrer um 1600 heißt es: »Nimmt eins (ein Schwert), macht ein Aufhebens, gibt dem Jungen eins, tun ein Gang zusammen.« Aufmöbeln sich mit etwas a., jemanden a.: Das seit Beginn dieses Jahrhunderts gebräuchliche Verb aufmöbeln meint soviel wie munter machen. Der Ausdruck lehnt sich an die Instandsetzung gebrauchter Möbel an, die danach wieder in besserem Zustand oder wie neu sind. Zwar wird aufmöbeln nicht als handwerklicher Fachausdruck verwandt (wohl schon allein deshalb nicht, weil an Anfertigung und Reparatur von Möbeln eine ganze Reihe von Handwerksberufen beteiligt ist), doch Zusammensetzungen mit auf- sind in der Handwerkersprache in diesem Sinn sehr geläufig wie etwa aufrichten (ein Sofa aufrichten) oder aufarbeiten. Vielleicht hat auch mobil (jemanden gleichsam wieder mobil machen) mitgewirkt. Aufmucken s. Mucks (keinen M. machen). Aufmüpfig Mit dem Adjektiv charakterisiert man jemanden, der aufbegehrt; es leitet sich von Mupf (eigentlich der oberdeutschen Form von Muff als Bezeichnung des Murrens oder eines mürrischen Tadlers) ab. Dazu ge-
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hört das Verb mupfen für murren, brummen, die Nase rümpfen, spotten, in manchen Mundarten auch mupfen. Aufnehmen es mit jemandem a. (können): Vor einem Zweikampf lagen die Waffen der Duellanten auf dem Boden, so daß sie von keiner der beiden Parteien berührt werden konnten. Nahm man die Waffe auf, zeigte man sich willens, mit dem anderen zu kämpfen. Das Objekt »es« ist nur eine abstrahierende Verallgemeinerung. Aufpäppeln Papp ist eigentlich ein Kinderwort für Brei, gilt vor allem im Oberdeutschen, daran angelehnt auch für Kleister. Päppeln bedeutet mit Brei füttern, Brei geben, und wenn man ein Kind besonders liebevoll behandelt, verwöhnt, indem man ihm wörtlich und übertragen den Brei löffelweise eingibt, auch weil es nicht kräftig genug ist und deshalb viel nahrhaften Brei zu sich nehmen muß, päppelt man es auf oder päppelt man es groß. Aufschneiden Das Schneiden, Vorschneiden der Speisen am Tisch hat mehrere bildliche Wendungen ergeben. So sagte man früher zum Beispiel Raupen schneiden für einen derben Schwank erzählen. Schneiden ohne Vorsilbe hatte schon im frühen Neuhochdeutsch den Sinn von Prahlen; bei Moscherosch etwa ist die Rede davon, daß einer » daher schneidet«, daß sich die Balken biegen möchten. Noch plastischer ist das Bild vom Aufschneiden: jemand schneidet gleichsam ganz ungewöhnliche, unglaubliche Sachen am Tisch für die ändern auf. Aufsitzen jemanden a. lassen: Läßt einer den anderen im Stich, hintergeht er ihn oder läßt er ihn warten, so läßt er ihn gleichsam aufsitzen, wie ein Boot auf einer Untiefe oder wie ein Wagen auf einem schlechten Weg aufsitzt.
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Aufstecken eine Sache a.: Wenn man eine Sache, eine Beschäftigung oder auch einen Beruf aufgibt, sagt man, man hänge sie oder ihn an den Nagel, so wie man ein Werkzeug, mit dem man gearbeitet hat, nach der Arbeit aufbewahrend an den dafür bestimmten Nagel hängt. Genau das gleiche meint auch aufstecken, indem man ebenfalls das Gerät, dessen man sich bedient hat, gleichsam irgendwo hinsteckt, ganz deutlich zum Beispiel die Nadel in das Nadelkissen oder Werkzeuge mit einem langen Stiel in die Halter. Vom Gerät übertrug sich die Bedeutung auf die Sache, an der man nicht weiterarbeitet. Aufziehen jemanden a.: Wenn man einen aufzieht, verspottet man ihn. Das Bild geht zurück bis auf die Folter, wo ein der Tortur Unterworfener häufig mit Gewichten an den Füßen hochgezogen, aufgezogen wurde; einer, der aufgezogen wird, wird gleichsam quälend verspottet. Augiasstall Augias (griechisch Augeias) war ein elischer König, und sein Stall, in dem er 3000 Rinder hatte, war schon seit drei Jahrzehnten nicht mehr gereinigt worden. Mit dieser Aufgabe wurde nun Herakles (Herkules) betraut, und er säuberte den Stall an einem Tag, indem er den Fluß Alpheios durchleitete. Schon im Altertum diente diese Tat als Beispiel, die Beseitigung von Mißständen zu charakterisieren (vgl. Herkulesarbeit). Auguren Die Auguren (Einzahl Augur) waren ein römisches Priesterkollegium, das der römischen Regierung aus den Vorzeichen, die die Götter zu erkennen gaben, den Willen der Götter deutete. Der Glaube, daß die Götter ihre Zustimmung oder Ablehnung zu einer Handlung der Menschen durch bestimmte Zeichen zu erkennen geben, war im Altertum allge-
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mein verbreitet. Die Auguren machten ihre Weissagung aus dem Flug oder dem Schrei von Vögeln, aus der Art, wie die heiligen Hühner das Korn fraßen, und aus Blitzen und Donnerschlägen. Das Kollegium bestand bis zum Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr.; auch Cicero war Augur. Heute versteht man unter Auguren Eingeweihte, und das Wort tritt etwa in Fragen wie »Was sagen die Auguren?« (Was sagen, meinen die Eingeweihten?) auf; unter Augurenlächeln versteht man das wissende Lächeln Eingeweihter gegenüber den Unwissenden. Ausbaden eine Sache a. müssen: Die öffentlichen Bäder, das heißt Badestuben mit Wannen, spielten im ausgehenden Mittelalter eine ungewöhnlich große Rolle im Volksleben. Selbst die meisten Dörfer hatten eine Badestube, in Wien zählte man 29, in Frankfurt 15, in Nürnberg 12 Badehäuser. In dieser Zeit bildeten sich die Wendungen das Bad austragen müssen (es ausgießen müssen), derber auch es austrinken, aussaufen müssen, und daneben wurde auch sehr häufig ausbaden müssen gebraucht. So mag sicher eine Rolle gespielt haben, daß der letzte, der das Bad benützte und es ausgießen mußte, gleichermaßen etwas auszubaden hatte. Die Redewendung dürfte aber zumindest von folgendem Faktum gefördert worden sein, das noch in die mittelalterliche Badeerotik gehört: dem sogenannten Hochzeitsbad, bei dem am Hochzeitstag oder am Tag vorher oder nachher die Hochzeitsgäste mit dem Brautpaar badeten. Dieses Bad hatte jedenfalls teilweise orgiastischen Charakter. Aus Erfurt ist überliefert, daß es ußbade (Ausbad oder Ausbaden) hieß. Und da es bei diesem Bad ziemlich übermütig und ausgelassen zuging - so war etwa von einem »unordentlichen geseuffe« die Rede -, würde ausbaden auch bedeuten, die Folgen dieses Gelages tragen. Ausbaldowern In der Gaunersprache ist der Baldower (auch Baldowerer, Baldewerer, Baidober) der Auskundschafter, der die Gelegenheit zu einer Diebestat ausspäht. Das Wort leitet sich vom hebräisch-jiddischen baal (Herr, Mann) und dem jiddischen dowor (Sache) ab; der Baldower ist gleichsam der Herr einer Sache, die er an eine Diebesbande weiterverkauft. Das heutige Verb wurde nur durch die Vorsilbe aus- intensiviert, so wie
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schon im Rotwelsch zu Anfang des 19. Jahrhunderts Ausbaldover enthalten ist. Ausbooten jemanden a.: In der Seemannssprache versteht man unter ausbooten jemanden mit dem Boot vom Schiff an Land bringen; vor allem die Passagiere werden bei niedrigem Wasserstand »ausgebootet«. Von hier aus entwickelte sich die Bedeutung: nicht mehr am Geschehen teilnehmen, beiseite gestellt, entlassen werden. Ausbund Das Wort wurde in der Kaufmannssprache entwickelt und bedeutet ursprünglich eine Warenprobe, die oben auf (außen an) den Ballen gebunden war. Da der Ausbund dem Kunden die Ware anpreisen sollte, handelt es sich um ein besonders gutes Stück. Ausbund (ausbündig) wurde sehr rasch im übertragenen Sinn gebraucht (Ausbund von Tugend). Ausgepicht eine a.e Kehle, ein a.er Kerl: Die hölzernen Bierfässer werden innen mit Pech haltbar gemacht, so daß weder das Bier das Holz durchdringen, noch das Holz den Biergeschmack beeinträchtigen kann; diesen Vorgang nennt man auspichen. Wer eine ausgepichte Kehle hat, hat sie gleichsam so intensiv wie ein Faß mit dem Alkohol in Berührung gebracht, ist also ein leidenschaftlicher Trinker; ein ausgepichter Kerl hat ebenfalls viel Erfahrung und ist davon ganz raffiniert geworden, ihm kann so leicht nichts etwas anhaben. Aushecken etwas a.: Im Mittelhochdeutschen bedeutete hecken sich fortpflanzen, begatten, vor allem von Vögeln; im Frühneuhochdeutschen meinte
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dann hecken brüten, Junge werfen, sich hecken, sich fortpflanzen, so wie hecken in der Jägersprache bis in die Gegenwart ausbrüten und Heckzeit bei den Vögeln die Zeit des Eierlegens, Brütens und Aufziehens der Jungen meint (vgl. Nesthäkchen). Im Frühneuhochdeutschen war dann aber auch schon aushecken gebräuchlich, das auch den übertragenen Sinn von ausbrüten, das heißt ersinnen, ausdenken, annahm. Ausposaunen Die Posaune als das lauteste Instrument (s. Posaunenengel) gilt schon in der Bibel als das Instrument der Ankündigung. Ausposaunen in seiner Bedeutung: etwas, das eigentlich geheim bleiben sollte, laut kundgeben lehnt sich aller Wahrscheinlichkeit nach überdies an ein Zitat aus der Bergpredigt an, in der es heißt: »Wenn du nun Almosen gibst, sollst du nicht lassen vor dir posaunen, wie die Heuchler tun in den Schulen und auf den Gassen, auf daß sie von den Leuten gepriesen werden« (Matthäus 6,2). Auspowern Aus dem Französischen wurde im 17./18. Jahrhundert das Adjektiv pauvre (arm) entlehnt und findet sich als pover in der Umgangssprache (Holtei: »Im übrigen fiel die Erbschaft pover aus«). Auspowern im Sinne von bis zur Armseligkeit ausbeuten ist dazu eine verbale Intensivbildung. Ausschlachten eine Sache a.: Schlachten, verwandt mit schlagen, meint im eigentlichen Sinne Vieh töten und zerlegen. Das dazugehörende ausschlachten meint im eigentlichen Sinne ein Schlachttier zerlegen und alle Teile nützen oder verarbeiten. Davon leitete sich der ganz spezielle Ausdruck Güter schlachten (Güter aufkaufen und sie parzellenweise mit großem Gewinn verkaufen) ab, der heute kaum noch gebräuchlich ist, und schließlich die allgemeine übertragene Bedeutung eine Sache ausschlachten (gleichsam eine Sache zerlegen und sie sich soweit wie möglich dienlich machen).
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Ausstechen jemanden a.: Der Ausdruck besagt nicht nur jemanden übertreffen, sondern auch ihn aus dem Wettbewerb nehmen. Er geht zurück auf das ritterliche Turnier: Wer den ändern mit der Lanze vom Pferd stach, stach ihn aus, besiegte ihn und warf ihn aus dem Wettkampf.
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B Badengehen Die Redewendung meint mit einer Sache hereinfallen, Mißerfolg erleiden, gleichsam damit ins Wasser fallen; für das letztere ist badengehen ein verhüllender, beschönigender Ausdruck. Baff b. sein: Baff ist eigentlich ein lautmalerisches Wort; so macht zum Beispiel ein Schuß baff oder paff, und das Wort wird auch in diesem Sinne als Interjektion gebraucht. Daran anlehnen dürfte sich: baff sein im Sinne von völlig überrascht, sprachlos sein, gleichsam wie wenn man einen völlig unvermuteten Knall gehört hätte. Bagatelle Zugrunde liegt das lateinische baca (Beere), das im Italienischen in verkleinerter Form bagatella (Lappalie, Nichtigkeit) ergab, von da ins Französische als bagatelle entlehnt wurde und in der französischen Form ins Deutsche gelangte. Bammel einen B. vor etwas haben: Im Jiddischen bedeutet baalemoh Furchtsamer. Es zog sich im Rotwelsch zu Bammel zusammen und wurde aus einem Mißverständnis zu einem Wort für Furcht, Angst. Banal Heute noch hat im Französischen banal neben abgedroschen, alltäglich (also unserem Wortgebrauch entsprechend) die Bedeutung gemeinnütZ18) jedermann gehörig - zurückweisend auf den ursprünglichen Sinn
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des Wortes, einer Ableitung von ban. Ban gelangte als fränkisches Wort ins Altfranzösische und bedeutete zunächst öffentliche Verkündigung, Aufgebot, Gerichtsbezirk (dazu gehört das althochdeutsche ban, Gebot, Aufgebot zum Gerichtstag, Gerichtsbarkeit, Gebiet einer Gerichtsbarkeit, Bann). So bedeutet ban auch heute noch im Französischen Bekanntmachung, Sprengel, Bezirk, Gerichtsbarkeit (der Sinn von Bezirk, Bereich ist ja auch in den Wörtern verbannen, gebannt sein, im Banne von jemandem sein erhalten). Banal bezeichnete als Adjektiv von ban ursprünglich »was einem ganzen Bann, den innerhalb eines Gerichtsbezirkes angesiedelten Hörigen, gehört«, zum Beispiel four banal, allgemein benutzbarer Ofen. Daraus ergab sich der Sinn von allgemein, ohne besonderen Wert und damit die heutige Bedeutung, wie sie ins Deutsche des 19. Jahrhunderts übernommen worden ist. Auch banalite (Banalität), im 17. Jahrhundert geprägt, meinte zunächst Entschädigung für die Benützung einer von der Herrschaft für die Hörigen errichteten öffentlichen Einrichtung. Banause Das Wort wurde Anfang des 19. Jahrhunderts dem Griechischen als Scheltwort entnommen; griechisch banausos bedeutet ein Handwerk betreibend, handwerksmäßig, Handwerker, niedrig, gemein, Spießbürger. Bande Das Wort wurde im 17. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, wo bände Trupp, Schar bedeutet. Das französische bände geht auf ein westgermanisches banda zurück, das seine Entsprechung im gotischen bandwa (Zeichen, Feldzeichen) hat; gemeint sind also ursprünglich Leute, die einem gemeinsamen Zeichen folgen. In der dann vor allem auf eine Musikkapelle eingeengten Bedeutung findet sich das Wort als bände auch im Italienischen; das auf die gleiche Wurzel zurückgehende spanische banda bedeutet Schar, Partei, Musikkapelle, Orchester; auch das englische band, aus dem Französischen kommend, das Schar Musikkapelle meint und in der letzten Bedeutung in den letzten Jahrzehnten auch in Deutschland gebräuchlich wurde (Jazzband), gehört hierher.
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Bandit Das altfränkische bannjan (verbannen) ergab durch eine Vermischung mit dem westgermanischen banda (Zeichen, dann Schar; vgl. Bande) das italienische bandire (verbannen). Das davon gebildete Partizip bandito (eigentlich Verbannter) nahm die Bedeutung Räuber an und wurde dann über das Schweizerische im 16. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Bank durch die B.: Kennzeichen der Bank ist es, daß auf ihr mehrere, eine ganze Reihe Menschen sitzen, im Gegensatz zum Stuhl; vor unserer Gegenwart war die Bank ein viel gebräuchlicheres Sitzmöbel als heute und fand sich fast an jedem größeren Eßtisch jedenfalls der einfacheren Leute. Die Redewendung hatte nun den Sinn, daß jeder auf der Bank Sitzende gleich behandelt wurde, keine Unterschiede gemacht wurden, alle hintereinander an die Reihe kamen. Sie ist schon im Spätmittelhochdeutschen im übertragenen Sinn überliefert. Bank etwas auf die lange B. schieben: Bevor die Gerichtsakten in Schränken untergebracht wurden, verstaute man sie in langen bankartigen Truhen. Was einmal dort gelandet war, blieb meist lange liegen. Bankert Heute meist nur noch als Schimpfwort für ein ungezogenes Kind gebraucht, ist die eigentliche Bedeutung des Wortes uneheliches Kind; das gleiche bedeutete schon das mittelhochdeutsche banchart. Der Bankert ist eigentlich das auf der Schlafbank der Magd gezeugte Kind. Bar Das englische Wort bar bedeutet Stange, Schranke, Barriere, abgesperrter Platz und davon abgeleitet auch Schanktisch, Büfett und schließlich einen Schankraum, der einen Schanktisch hat, an dem die Gäste Platz nehmen. In den beiden letzten Bedeutungen wurde das Wort Ende des 19. Jahrhunderts ins Deutsche aufgenommen.
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Barbar Das griechische Adjektiv barbaros bedeutet fremdsprechend, unverständlich, nicht griechisch, ausländisch; gemeint waren mit Barbaren im Griechischen also zunächst Leute, die nicht richtig (griechisch) sprechen, nur stammeln oder stottern, also Ausländer. Das Wort ist mit dem altindischen barbarah (stammelnd) verwandt. Die Römer übernahmen barbaros als barbarus und meinten damit die Völker außerhalb ihres Imperiums. Natürlich faßte man das Wort schon in der Antike auch als identisch mit roh und ungebildet auf, wie es das Wort heute meint, doch keineswegs immer; diesen ausschließlichen Sinn hat es erst später im abendländischen Gebrauch bekommen. Barbieren jemanden über den Löffel b.: Der Barbier oder Bader (wie der Friseur landschaftlich noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hieß) schob früher zahnlosen Männern einen Löffel in den Mund, um die Haut zum Rasieren zu straffen, das heißt, sie machten nicht viele Umstände. Erst später bekam die Redewendung auch einen Unterton des Betrügerischen. Barbieren leitet sich vom mittellateinischen barbarius (Bartscherer) ab. Barras So wie Kommiß (s. d.) im engeren Sinn das Brot des Soldaten, im weiteren das Militärische überhaupt meint, tut das auch Barras. Das Wort gelangte zu Anfang des 19. Jahrhunderts in Mainfranken in die Soldatensprache. Es könnte ihm ebenso das rotwelsche barra für Zopf (zu dieser Zeit bereits als militärische Rückständigkeit empfunden) wie das jiddische baras (Fladenbrot) zugrunde liegen oder auch eine Vermischung aus beiden. Bart Streit um des Kaisers B.: Es gibt mehrere hübsche Erklärungen - beispielsweise die eines angeblichen Gelehrtenstreits, ob die römischen Kaiser Barte getragen hätten —, die aber alle nicht zutreffen. In Wirklichkeit handelt es sich um ein sprachliches Mißverständnis; die Rede-
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wendung müßte richtig heißen: Streit um den Geißbart. In dieser Form geht sie auf Horaz zurück, der einmal harmlose oder wertlose Tischgespräche einen Streit um die Ziegenwolle nannte, um die Frage nämlich, ob man Ziegenhaare mit Wolle bezeichnen könne, einen unsinnigen Streit also. In dieser Form ist die Redewendung in anderen Sprachen heute noch erhalten, zum Beispiel im Englischen: to contend about a goat's wool. Der ähnliche Klang mit dem Wort Kaiser verführte im Deutschen zu der - freilich kräftiger klingenden - Umbildung. Barthel wissen, wo der B. den Most holt: Die Redewendung geht auf zwei ähnlich klingende Wörter zurück; Barthel ist ursprünglich das gaunerdeutsche barzel oder barsei, das so viel wie Eisen, wohl auch Stemmeisen bedeutet (Schoberbarthel galt für Brecheisen); Most ist eine Verballhornung (vielleicht auch ursprüngliche Verschleierung) von Moos, und Moos bedeutet in der Gaunersprache schon seit geraumer Zeit Geld (diese Bedeutung von Moos dürfte sich vom hebräischen maoth, kleine Münze, ableiten und hat also nichts mit dem eigentlichen Moos zu tun). Die ursprüngliche Bedeutung der Redewendung ist also: Bescheid wissen, wo man mit dem Brecheisen Geld holen kann; sie deckt sich so mit dem heutigen Sinn (alle Schliche kennen). Dem gegenüber ist die Auslegung, mit Barthel sei der niederdeutsche Bartheld (Storch) und mit Moos mus (Mäuse) gemeint, von geringer Wahrscheinlichkeit. Basiliskenblick Der Basilisk (griechisch basiliskos, wörtlich: kleiner König) war ein schlangenartiges antikes Fabeltier, das jedes Geschöpf durch seinen Blick töten konnte. Daran lehnte sich wohl auch der Ausdruck vernichtender Blick ursprünglich an. Basta und damit b.: Basta ist ein italienisches Wort und bedeutet genug als Ausruf, abgeleitet von dem Verb bastare (genügen, reichen). Im 17. Jahrhundert drang es ins Deutsche ein.
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Bausch in B. und Bogen: Busch bedeutete im Mittelhochdeutschen einmal Knüttel, Knüttelschlag und überhaupt einen Schlag, der Beulen gibt, dann auch Wulst, Bausch. Der heutige Sinn von Bausch enthüllt sich in dem Verb aufbauschen (oder: etwas bauscht sich), aber in dem Wort Bausch selbst noch, etwa bei einem Wundverband, früher eine zusammengelegte Leinwand, als Kompresse, oder in dem Ausdruck ein Bausch Stroh. Bei Grundstücken nannte man früher eine auswärtsgehende Fläche Bausch (dem der Begriff des Schwellens zugrunde liegt), die einwärtsgehende Bogen (das Einbiegende). Daraus dürfte sich die Redewendung wohl entwickelt haben. Beelzebub s. Teufel, den T. durch Beelzebub austreiben. Befangen b. sein: Das mittelhochdeutsche bevahen (bevan) bedeutete umfassen, umfangen; das dazugehörige Partizip bevangen meinte ergriffen, umfaßt, woraus sich der Sinn von unfrei, schüchtern und dann voreingenommen entwickelte. Beigeben klein b.: Wenn man beim Kartenspiel die Karte des Gegners nicht stechen kann, bleibt nichts übrig, als eine möglichst kleine (niedrige) Karte dazuzugeben, beizugeben; die Fassung klein beigeben entspricht nordund westdeutschem Sprachgebrauch. Beileibe Die ursprüngliche Bedeutung von Leib war Leben (wie noch bei dem verwandten englischen life). Sie hat sich in einigen Begriffen erhalten wie etwa in Leibrente (eigentlich eine Lebensrente, das heißt eine Rente auf Lebenszeit), leibeigen (eigentlich mit dem Leben eigen) und in dem Ausruf beileibe oder beileibe nicht. Beileibe heißt also eigentlich bei (meinem, deinem) Leben, schwurartig ausgesprochen oder als Drohung, das Leben aufs Spiel zu setzen.
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Bekloppt b. sein: s. Hammer, einen H. haben. Bemänteln eine Sache b.: s. Mäntelchen, einer Sache ein M. umhängen. Benjamin Nach der Bibel (erstes Buch Mose 35) war Benjamin der jüngste Sohn Jakobs und Rahels. Rahel nannte den Sohn eigentlich Ben-Oni (Sohn der Schmerzen), weil sie nach der Geburt starb, doch Jakob hieß ihn Ben-Jamin (Sohn des Glücks). Daran angelehnt nennt man den jüngsten Sohn einer Familie und von da aus übertragen den Jüngsten oder auch Kleinsten einer Gruppe Benjamin. Berserker Schon im Altnordischen wurden die Wörter beri (Bär) und serkr (Gewand) zusammengefügt zu berserkr, worunter ein in Bärenfelle gehüllter Krieger verstanden wurde. In der Edda ist berserkr Ehrenname der wilden Krieger der Vorzeit. Berücken jemanden b.: Vogelsteller berückten früher die Tiere, indem sie mit einem Ruck das Netz über ihnen zusammenzogen. Berücken bedeutet also eigentlich (mit dem Netz und mit einem Ruck) einfangen. Später nahm das Wort die Bedeutung bezaubern an, wobei die List, mit der man zu Werke ging, in dem Bild noch eine Zeitlang erhalten blieb. Beschlagen (gut) b. sein: Im Sinne von erfahren, mit guten Kenntnissen ausgerüstet sein, leitet sich beschlagen vom Hufbeschlag der Pferde ab. Ein Pferd, dessen Hufe gut beschlagen sind, ist auch für einen schwierigen Weg gut gerüstet.
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Besten zum besten geben: Das Beste nannte man früher bei Wettkämpfen (etwa einem Schützenwettbewerb) den ersten Preis. Fischart (1576) schreibt zum Beispiel von einem »hauptschießen schön mit lust zugleich mit büchsen und armbrust«, bei dem »das best hundert gülden« war. Zum besten geben meint also eigentlich bei einem derartigen Wettbewerb etwas als (ersten) Preis stiften. Übertragen gibt man dann irgend etwas zum besten, ohne noch an einen Preis zu denken, aber immerhin zunächst noch mit dem Gefühl des Spenders. Betreten b. sein, b. schweigen: Während betreten heute meist nur noch einen sehr einfachen konkreten Sinn hat (ein Zimmer betreten), war seine Bedeutung in der früheren Sprache wesentlich ausgeprägter. So bedeutete betreten etwa an einen herantreten, einen betreffen (zum Beispiel heißt es heute in der Bibel, 4. Mose 20,14: »Du weißt alle die Mühsal, die uns betroffen hat«, während in älterer Übersetzung stand: »Du weist alle die mühe, die uns betretten hat«; indessen steht auch in heutiger Übersetzung noch im 5. Mose31,17: »Und wenn sie dann viel Unglück und Angst treffen wird, werden sie sagen: Hat mich nicht dies Übel alles betreten, weil mein Gott nicht mit mir ist?«). Häufig bedeutete in älterer Sprache einen betreten auch einen erwischen, ertappen, so bei Bürger: »Der Dieb läßt sich betreten.« Aus solchen Bedeutungen hat sich das Partizip betreten im Sinne von betroffen, beschämt erhalten. Betriebsnudel s. Nudel, lustige N. Bettelstab an den B. kommen, jemanden an den B. bringen: Der Stab galt als unerläßliches Requisit eines Menschen, der weit zu gehen hat, etwa des Wanderers (Wanderstab) oder Pilgers. Auch der Bettler befand sich immerfort auf Wanderung und benützte zum bequemeren Gehen einen Stab, den Bettelstab. An den Bettelstab kommen heißt also zum Bettler werden und den Stab benützen müssen. Die Wendung findet sich schon
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im Mittelhochdeutschen, so bei Heinrich dem Teichner: »So tuo dich niur der eren abe und ge betein mit dem Stabe.« Bezirzen Nach der griechischen Mythologie war Kirke (lateinisch Circe) eine Zauberin auf der Insel Aiaia; sie hatte die Fähigkeit, Neuankömmlinge auf der Insel in Tiere zu verwandeln. Auch einige Gefährten des Odysseus verzauberte sie in Schweine, Odysseus selber erhielt von Hermes ein Schutzkraut gegen Kirke, so daß er ihr widerstehen konnte. Von ihrem Namen leitete sich Anfang des 20. Jahrhunderts das vermutlich in der Studentensprache entstandene Verb bezirzen im Sinne von bezaubern, verzaubern ab, meist auf die Verführungskünste einer Frau bezogen. Bier das ist nicht mein B., das ist dein B.: Das Wort Bier steht in einer Anzahl von Redewendungen stellvertretend für das Wort Angelegenheit. Das nimmt nicht wunder, ist Bier doch in den meisten deutschen Gegenden das volkstümlichste Getränk, und gerade weil es meist als etwas Geringeres als der Wein angesehen wird, dadurch freilich um so selbstverständlicher ist, wurde es in Redensarten bevorzugt. Im Rheinland sagt man zum Beispiel »Das ist ein anderes Maß Bier« (das ist etwas ganz anderes); in Norddeutschland kann man hören »Ja, wenn es Bier wäre« (wenn eine schwierige Aufgabe, die man erledigen soll, Bier wäre). So hat sich auch die verhältnismäßig junge Wendung »Das ist nicht mein Bier« (das ist nicht meine Angelegenheit) oder »Das ist dein Bier« (das ist deine Sache) eingebürgert. Bier etwas wie saures B. ausbieten: die sprichwörtliche Redensart, die ausdrücken will, daß man etwas anzubieten hat, das wegen seiner schlechten Qualität niemand haben will, geht auf die Sitte zurück, daß der Bierhersteller tatsächlich ausrufen ging, wenn sein Bier fertig war. Saures (oder sauer gewordenes) Bier mag natürlich niemand. So schon bei Hans Sachs: »Wer meint, das saures pier ausschrey?«
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Biest Das lateinische bestia (Tier, Raubtier, reißendes Tier) ergab über das vulgärlateinische besta das altfranzösische beste (daraus entwickelte sich das neufranzösische bete: Tier, Vieh). Beste wurde vom Mittelniederländischen und Mittelniederdeutschen als beest übernommen und drang von hier ins Frühneuhochdeutsche als biest ein. In der Regel ist die alte Bedeutung geschwunden und wird heute nur noch scherzhaft übertragen gebraucht. Ebenfalls von bestia leiten sich Bestie und das dazugehörige Adjektiv bestialisch ab. Bikini Bikini ist ein zu den Marshallinseln gehörendes Atoll in der Südsee, bei dem 1946 die USA Atombombentests durchführten. In einer eigentlich ziemlich frivolen Übertragung nannte man die zur gleichen Zeit in Gebrauch kommenden zweiteiligen Damenbadeanzüge von einer vorher nicht üblichen Knappheit danach, etwa auf der Basis, daß sie ähnlich explosiv seien oder ebenfalls wie eine Bombe einschlügen. Als dann Mitte der sechziger Jahre von einigen Modeschöpfern eine nur aus dem Unterteil bestehende Badebekleidung (zunächst mit Trägern) für Damen propagiert wurde, erfand man in Anlehnung an Bikini und an das Wort Minimum (lateinisch für das Kleinste, Wenigste, Geringste) den Begriff Minikini, der sich indessen kaum stärker einbürgerte als die Sache selber. Bild im B.e sein: Die Wendung im Sinne von informiert sein entstand erst um die Jahrhundertwende in militärischen Kreisen. Wer auf der Kriegsakademie aus der vorgegebenen Kriegslage nicht die richtigen Schlüsse zog, die Lage also falsch beurteilte, war »nicht im richtigen Bilde«; »richtig« fiel bald weg, und die Wendung wurde auch positiv verwandt. Binsen in die B. gehen: Die Redewendung will sagen, daß etwas verloren-, dann auch danebengeht. Binsen sind krautige, grasartige Pflanzen am Wasser, vor allem an Sümpfen und auf sumpfigen Wiesen, die sehr dicht ste-
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hen und deshalb Vogelwild, das der Jäger nicht richtig getroffen hat, gut verbergen; das Wild entkommt, indem es gleichsam in die Binsen geht. Unterstützt wurde die Vorstellung vom Verlorengehen durch die geringe Nutzbarkeit oder Wertlosigkeit des Binsengewächses, wodurch die Redewendung noch einen zusätzlichen Akzent bekommt: das geht dahin, wo ohnehin nur Wertloses ist. Binsenwahrheit Der Ausdruck kam erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch und wurde an den lateinischen Spruch nodum in scirpo quaerere (den Knoten an der Binse suchen) angelehnt. Die Binse hat keinerlei Knoten am Halm, sondern ist ganz glatt, und so heißt es schon bei Terenz: »Du wirst mir ganz fatal mit deinen Skrupeln, an Binsen suchst nach Knoten du!« Eine Binsenwahrheit ist so selbstverständlich, daß selbst ein derart skrupelhafter Mensch von ihr überzeugt ist. Bisschen ein b.: Ursprünglich war Bißchen nur die Verkleinerung von Biß; das dazugehörige Substantiv, von dem ein Bissen oder Bißchen genommen wurde, stand denn auch gern im Genitiv (ein Bißchen Brotes). Dann wurde bißchen allgemein in der Bedeutung für wenig gebraucht wie heute noch. Bissen da soll einem gleich der B. im Hals stecken bleiben: Heute denkt man bei dieser Redensart daran, daß einem vor Schreck die Schluckfähigkeit vergeht und der Bissen, den man gerade hinunterschlucken wollte, wegen dieser Erstarrung im Hals bleibt. Es gibt indessen im alten Recht das Gottesurteil des sogenannten geweihten Bissens oder Probebissens. Der Geprüfte mußte ein Stück trockenes Gerstenbrot oder dürren Käse hinunterschlucken; er galt als schuldig, wenn er den ziemlich großen Bissen nicht hinunterschlingen konnte.
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Blank b. sein: Dem Wort blank liegt die Bedeutung weiß, glänzend zugrunde (in ersterer ist es in einige romanische Sprachen eingedrungen und hat das lateinische albus verdrängt: französisch blanc, italienisch bianco); so bedeutet althochdeutsch blang weiß, mittelhochdeutsch blanc weißglänzend, eine Bedeutung, die blank heute noch etwa unmittelbar in der Zusammensetzung blankes Eis hat. An das Glänzen erinnert auch noch die Wendung blankziehen von Waffen, die, aus der Scheide gezogen, glänzen, blinken. Blank im Sinne von sauber, rein (ohne Schmutz und daher glänzend) und blankziehen (im Sinne von bloßziehen) hat dann allmählich zu der Bedeutung frei von etwas, entblößt geführt. Blank sein kann so ohne Geld bedeuten (ich bin blank, ich habe kein Geld; beim Kartenspielen: ich habe all mein Geld verloren). Blau jemandem b.en Dunst vormachen: Zauberer lassen bei ihrer Tätigkeit gern blauen Rauch, blauen Dunst hochsteigen, ohne daß sie gänzlich unsichtbar würden und also noch den Anschein der Realität behalten; dadurch werden ihre Manipulationen verhüllt. Beigetragen mag auch haben, daß im blauen Dunst am Horizont die Konturen verschwimmen. Blaustrumpf Das Wort ist eine Lehnübersetzung des englischen blue-stocking (wörtlich blauer Strumpf). Der Begriff erzielte zunächst in England um die Mitte des 18. Jahrhunderts seinen ironischen Sinn, als Teilnehmer eines schöngeistigen Kreises, den Lady Montagu in ihrem Londoner Haus versammelte, blaue Wollstrümpfe statt der konventionellen schwarzen Seidenstrümpfe trugen. Im Sinne von »gelehrtes Frauenzimmer« wurde Blaustrumpf im Deutschen, daran angelehnt, zum erstenmal gegen Ende des 18. Jahrhunderts verwandt. Blech B. reden: Wiewohl Blech in der Herstellung handwerkliches Geschick voraussetzt und zur Fertigung vieler Nutzgegenstände unerläßlich erscheint, steht es doch in keinem guten Ansehen, vermutlich weil es we-
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gen seiner Dünne nicht als solides Metall betrachtet wird; natürlich bezieht sich diese Geringschätzung auf das billige Eisenblech und nicht auf das Blech aus wertvolleren Metallen. So wurde die verhältnismäßig junge Redensart Blech reden zum Synonym für wertloses Zeug reden; vielleicht spielte dabei auch noch der schlechte Klang, den Blech von sich gibt, mit. Blechen Geringe Münzen werden aus dem Blech billiger Metalle hergestellt. Daran lehnt sich blechen im Sinne von zahlen an, das in der Studentensprache des 18. Jahrhunderts gebräuchlich war und auch von Goethe verwandt wurde: »Ist mir mancher schöne Taler nebenaus gegangen. Das unerhörte Blechen!« Blöd Im Althochdeutschen ist blodi (plodi) im Sinne von scheu, zaghaft belegt; daraus wurde mittelhochdeutsch bloede (gebrechlich, schwach, zart, zaghaft). Diese Bedeutungen entsprechen denen verwandter Wörter in anderen germanischen Sprachen, zum Beispiel altnordisch blautr (furchtsam), gotisch blauthjan (kraftlos machen), altenglisch blead (sanft, furchtsam); wurzelverwandt ist vermutlich bloß. So hatte das Wort auch im Frühneuhochdeutschen noch den Sinn von furchtsam, schwach, schüchtern (blödikeit: Zaghaftigkeit, Schüchternheit), und so läßt sich etwa mittelhochdeutsch bloedez blat bei einer Pflanze als zartes Blatt und noch später blöder leib als schwacher Leib verstehen; auch bei Zwingli etwa hat blöd noch den Sinn von verzagt: »Eine meinung, die den festen nit nachteilig und den blöden nit voreilig oder ärgerlich wäre.« Erst im Neuhochdeutschen vollzog sich dann die Einschränkung auf eine Schwäche des Geistes, und blöd wurde vor allem in der Umgangssprache für dumm gesetzt (vgl. entblöden). Blümchenkaffee Sehr schwacher Kaffee wird deshalb so genannt, weil er so dünn ist, daß man die gemalten Blümchen auf der Innenseite und auf dem Boden der Tasse sieht.
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Blümerant aus dem Französischen. Bleu mourant heißt blaßblau, wörtlich sterbendes Blau. Im 17. Jahrhundert ins Deutsche eindringend, bezog sich das Wort zuerst auf die Farbe, bis es dann unter gleichzeitiger lautlicher Veränderung den heutigen Sinn zur Beschreibung eines Schwindelzustandes annahm. Bockbeinig Das hartnäckig bedeutende Adjektiv beruht auf der Vorstellung eines Bockes, der sich mit gespreizten Beinen überaus kräftig sträubt. Bockbier Die bayerischen Herzöge bezogen im 16. Jahrhundert aus der niedersächsischen Bierstadt Einbeck ein damals wegen seines vorzüglichen Geschmackes berühmtes Bier, das wegen seiner Herkunft Ainpöckisch Bier hieß. Auch als die Münchner Braumeister dann selber in der Lage waren, so gutes und starkes Bier zu brauen, blieb der Name, etwa als ampokhisch pier im 17. Jahrhundert. Über Einpockbier und Einbockbier (in der Mundart bald auch Oanbockbier gesprochen, was die Lostrennung von Bockbier erleichterte, weil man um so eher Ein- als unbestimmten Artikel auffassen konnte) wurde schließlich um 1800 endgültig Bockbier daraus. Daß die Volksetymologie die Assoziation zum Bock, der stößt, einen umstößt (das Bockbier ist das stärkste Bier und hat um die 18 Prozent Stammwürze, normales Vollbier dagegen nur circa 11), schuf, hat mit dem Namen nichts zu tun. Er war indessen so einprägsam, und das Bier erlangte einen derartigen Ruf, daß das Französische das Wort bock übernahm, sowohl für Bockbier wie auch für ein Bierglas. Bockshorn jemanden ins B. jagen: Heute bedeutet die Redensart jemandem einen Schrecken einjagen, verblüffen, irreführen, in die Enge treiben; einst aber hatte sie einen ganz konkreten Sinn. Das Bockshorn war nämlich das Fell eines Bockes, in das man denjenigen steckte, an dem das Volk seine Sühnejustiz ausübte (etwa beim süddeutschen Haber-
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feldtreiben). Horn ist nur ein verstümmeltes ham (mittelhochdeutsch ham, hame bedeutet Haut, Hülle, Kleid, sackförmiges Fangnetz). Statt jagen sagte man früher auch ins Bockshorn zwingen, treiben, stoßen. Bodensee wie dem Reiter über den B. ergehen: Die Redensart besagt, daß man erst hinterher über eine bereits ausgestandene Gefahr oder schwierige Situation erschrickt. Sie geht auf eine alemannische Sage zurück, die von einem Mann erzählt, der über den zugefrorenen und von Schnee bedeckten Bodensee ritt, ohne zu wissen, wo er sich wirklich befand; als er hinterher erfuhr, in welcher Gefahr er gewesen war, fiel er vor Schreck tot vom Pferd. Böhmisch b. Dörfer, das sind ihm b. Dörfer: Ähnlich wie man etwa im Englischen »that is Greek to him« (das kommt ihm griechisch vor, das ist griechisch für ihn) oder im Französischen »c'est de l'hébreu pour lui« (das ist hebräisch für ihn) sagt, hat sich im frühen Neuhochdeutschen der Ausdruck von den böhmischen Dörfern eingebürgert, um auszudrücken, daß man eine Sache nicht versteht. Ausgangspunkt war wohl eher die Sprache, die man nicht verstehe, worauf etwa die Redensart »red, das ich verstehe, ich kan nit böhmisch« oder auch Grimmeishausens »Es waren mir nur böhmische Dörfer und alles eine ganz unverständliche Sprache« noch hinweist. Analog zum Englischen und Französischen zog man für den Ausdruck einen geographischen Begriff herbei, der zwar allen bekannt war, der aber eine in der Regel unverständliche, schwere Sprache (in der Folge wohl auch die schwer aussprechbaren Ortsnamen des Böhmischen) meinte. Bohnenstroh dumm wie B.: Das Wort Stroh wird, vor allem in der Zusammensetzung strohdumm, gebraucht, um die Geistlosigkeit eines Menschen zu charakterisieren; einer ist so dumm, daß man ihm unterstellt, er habe gleichsam nur Stroh im Kopf, also etwas Wirres, Wertloses; auch das Stroh selber erscheint in seiner Wertlosigkeit gleichsam als dumm. Das Stroh des Getreides hat in der bäuerlichen Wirtschaft indessen noch
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mancherlei, wenn auch nicht hoch geschätzten Nutzwert, das der Bohnen ist dagegen fast zu gar nichts zu gebrauchen. Ist also jemand dumm wie Bohnenstroh, ist er gleichsam noch dümmer als gewöhnliches Stroh. Von der rauhen Struppigkeit des Bohnenstrohs leitet sich auch der Ausdruck grob wie Bohnenstroh ab. Bombastisch Im Englischen bedeutet bombast Wortschwall, Schwulst, bombastic schwülstig, hochtrabend; als Bombast und bombastisch übernahm sie das Deutsche im 18. Jahrhundert. Zunächst war mit dem englischen bombast eine baumwollene Watte gemeint, mit der man das Wams ausstopfte, eine Kleidermode vor allem des 17. Jahrhunderts, um gewichtiger auszusehen; von hier fand die Übertragung auf Schwulst statt. Das Wort geht auf das persische pänbä zurück, das schon Baumwolle bedeutete und über griechisch pambakion, lateinisch bombacium, altfranzösisch bombace, englisch bombast ergab. Bonze Das Wort ist japanischer Herkunft und gelangte über das Portugiesische (die Portugiesen gründeten die ersten europäischen Niederlassungen in Ostasien) in die europäischen Sprachen. Im Japanischen bedeutet bonzo einen buddhistischen Priester. Wahrscheinlich geht es auf ein chinesisches fan-seng (religiöse Person) zurück, vielleicht liegt ihm auch ein ähnliches japanisches Wort für Frommer zugrunde. Im 18. Jahrhundert meinte es dann auch im Deutschen zunächst nur einen chinesischen oder japanischen Priester, während der Aufklärungszeit bekam es aber immer mehr die Betonung auf das Abergläubische und wurde auch im abwertenden Sinn auf christliche Geistliche angewandt (Wieland unterschied »einen echten christlichen Pfarrherrn von den Pfaffen, Bonzen usw.«). Seit dem 19. Jahrhundert fand Bonze schließlich allgemeine Anwendung auf jeden, den man wegen seiner führenden Stellung oder Pfründe negativ charakterisieren wollte. Bordell Im Altfranzösischen bedeutete borde Bauernhof (das Wort hielt sich fast bis in die Gegenwart). Das Wort geht auf das germanische (fränkische) bord für Brett zurück und ist im Deutschen heute noch als Bord - 42 -
für Wandbrett erhalten (dazu gehört auch das englische board für Brett). Zu borde bildete sich im Französischen die Verkleinerung bordel im Sinne von Hütte {Bretterhütte), ebenso mittellateinisch bordellum und italienisch bordello. Dieses Wort wurde dann für Freudenhaus gebraucht und gelangte noch in frühneuhochdeutscher Zeit ins Deutsche. Bösewicht s. Wicht. Boß Im Englischen heißt boss Meister, Arbeitgeber, Vorgesetzter; daneben auch tonangebender Mann, Macher, Herrscher, Tyrann. Es gelangte erst in den letzten Jahrzehnten ins Deutsche und hat meist einen mehr oder weniger rauhen Klang. Das englische boss leitete sich vom niederländischen baas ab, das Meister bedeutet und seine Entsprechung sowohl im Norwegischen, Dänischen und Schwedischen (bas, Obmann) als auch im Niederdeutschen (Heuerbaas, Matrosenvermittler; Schlafbaas, Matrosenwirt) findet. Die eindeutschende Schreibung mit ß ist eigentlich unsinnig, da der Vokal in Boß seine Kürze behalten hat, und ist auf das gleiche Mißverständnis zurückzuführen wie die pseudodeutsche Schreibung von Miß, Stewardeß und Fairneß. Boulevard Das französische boulevard für Promenadestraße, breite Straße (eigentlich eine die Stadt umgebende Promenade, Baumallee, dann überhaupt eine breite, lange Straße mit Bäumen) wurde im 15. Jahrhundert aus dem Mittelniederländischen entlehnt von bolwerc, das identisch ist mit dem deutschen Bollwerk, bezeichnete also zunächst einen Festungswall, Wallgang zwischen der Brustwehr und der inneren Böschung. Alten Stadtbefestigungen entlang ließen sich später breite Straßen anlegen, im Deutschen oft Ringstraßen genannt. Bourgeoisie Das französische Wort bourgeois (bürgerlich, Bürger) geht über das galloromanische burgensis auf das fränkische bürg (Stadt, Burg) zu-
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rück, dessen ursprüngliche Bedeutung wahrscheinlich befestigte Höhe war (die gleiche Bedeutung hatte das althochdeutsche bürg; ebenso altenglisch bürg). Mit bourgeoisie (Bürgerschaft) war ursprünglich die Stadtbürgerschaft im Gegensatz zum Adel und zu den Bauern gemeint; im 19. Jahrhundert hatte sich dann Bourgeoisie auch als Gegensatz zu den unteren Bevölkerungsschichten der Städte herausgebildet. (So heißt es in einer Definition aus dem Jahre 1850: »Allein in neuerer Zeit hat das Wort einen anderen Sinn bekommen, und man bezeichnet mit Bourgeois nur noch den berechtigten und vermögenden Bürger . . . Also der eigentliche französische Geldadel unteren Ranges, der Spießbürger, Krämer heißt Bourgeois, und das Wort hat die Nebenbedeutung erhalten, daß es einen habsüchtigen, herzlosen, geistig vertrockneten, alles seinem Vortheile opfernden Menschen bezeichnet«.) Die sozialistischen Autoren des 19. Jahrhunderts bedienten sich des Wortes Bourgeoisie dann zur Charakterisierung der »im Besitze der Produktionsmittel befindlichen Kapitalistenklasse«. Boutique Aus dem griechischen apotheke (Niederlage, Ablage, Speicher; unser Wort Apotheke) wurde unter Fortfall der ersten Silbe im Französischen des 14. Jahrhunderts boutique; es bedeutet Kaufladen, Kramladen, Handelsgeschäft, Warenlager (das aber unbedeutender ist als Magazin). In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts fand es sich bereits im Kaufmannsdeutsch, wo es sich dann als Butike und Budike deutscher Orthographie anglich und einen verhältnismäßig schlechten Klang bekam und nur noch einen kleinen Laden bedeutete (vermutlich in Anlehnung an Bude), so vor allem in Berlin (Budiker, Inhaber einer kleinen Kneipe). In den jüngst vergangenen Jahren wurde boutique dann in französischer Schreibweise erneut entlehnt und meint heute zwar auch einen verhältnismäßig kleinen Laden, der aber ausgewählte modische Artikel anbietet. Boykott Im Englischen bildete sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts das Verb to boycott in Anlehnung an den Eigennamen Boycott. Charles Boycott war ein Güterverwalter in Irland, der wegen seiner unnachgiebigen Härte gegenüber den Pächtern auf Initiative der irischen Landliga so
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lang »boykottiert« wurde (keine Arbeiter mehr bekam, keine Geschäftspartner mehr fand, gesellschaftlich geächtet wurde), bis er das Land verließ. Bramarbasieren Der Name Bramarbas ist eine literarische Schöpfung und erscheint zum erstenmal in dem anonymen satirischen Gedicht »Cartell des Bramarbas an Don Quixote« um das Jahr 1700. Er wurde zu dem spanischen Verb bramar (brüllen, heulen) gebildet und dann zunächst literarisch weiterverbreitet (»Bramarbas oder der großsprecherische Offizier« hieß die deutsche Übersetzung eines Lustspiels des dänischen Dichters Ludvig Holberg, der 1754 starb; dabei lehnte sich der Übersetzer auch an das dänische bram für Prunk, Prahlerei an, obwohl im dänischen Original Bramarbas nicht erwähnt ist). Mitte des 18. Jahrhunderts wurde dazu das Verb bramarbasieren für prahlen, großtun gebildet. Brandbrief Ähnlich wie Fehdebrief, der eine Fehde ankündigt, bedeutete Brandbrief zunächst die Drohung, jemandes Haus und Hof niederzubrennen, und war hauptsächlich norddeutschen Gebrauchs. Im 17. Jahrhundert nahm dann das Wort die Bedeutung einer amtlichen Erlaubnis an, daß ein durch Brand Geschädigter Geld und Gaben sammeln darf. Daraus entwickelte sich, zunächst in der Studentensprache, die Bedeutung Bettelbrief, dringende Bitte um Geld, wobei die Dringlichkeit durch die Assoziation mit brandeilig noch unterstrichen wird. Brandmarken Das Wort meint, jemandem ein Zeichen (eine Marke) einbrennen, genauso sagte man früher auch brandmalen. Es war alter Rechtsbrauch, daß man Verbrechern ein Zeichen einbrannte; heute verwendet man das Wort mehr im Sinne von anprangern.
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Brandschatzen Das Verb taucht im späten Mittelhochdeutschen als brantschatzen auf und bedeutete soviel wie Raub und Brand erlassen und dafür Kontribution auferlegen, eine Maßnahme, deren sich die Heere aller Zeiten bedienten. Im Mittelhochdeutschen bedeutete schetzen (schätzen) das Geld abnehmen, besteuern, Lösegeld auferlegen (neben schätzen, erwägen, meinen). Brennen sich b.: Die Bedeutung sich täuschen des reflexiven Verbs sich brennen geht von der Vorstellung aus, daß man sich gleichsam unversehens am Feuer brennt (Schiller: »Da brennst du dich«). Brenzlig Zu brennen bildete sich im Frühneuhochdeutschen brenzen (verbrannt riechen) und davon wiederum als Verkleinerung brenzeln in der gleichen Bedeutung. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich dazu das Adjektiv brenzelicht, später brenzelich und schließlich brenzlig, zunächst im Sinne von angebrannt, dann übertragen im Sinne von bedenklich, kritisch (man nimmt gleichsam Brandgeruch wahr und merkt dadurch, daß etwas nicht in Ordnung ist). Bresche eine B. schlagen, in die B. springen: Das Wort Bresche wurde Ende des 16. Jahrhunderts aus dem Französischen übernommen, wo breche Bruch, Riß, Scharte und im militärischen Bereich Lücke in einer Befestigungsmauer bedeutet wie im Deutschen (breche geht zurück auf das fränkische breka für Bruch und ist somit mit brechen verwandt). Bresche meinte zunächst nur die Lücke in einer Festungsmauer (eine Bresche sprengen, schlagen), und da beim Sturm auf ein Festungswerk an diesen Einbruchsstellen naturgemäß am heißesten gekämpft wurde, gab es hier auch vor allem auf Seiten des Angreifers die meisten Gefallenen, für die dann jeweils die nächsten in die Bresche sprangen. Die Ausdrücke wurden bald auch übertragen wie heute gebraucht.
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Brief B. und Siegel geben: Das Wort Brief leitet sich vom lateinischen breve scriptum (kurzes Schreiben), das Wort Siegel vom lateinischen sigillum (Bildchen) ab. Im Mittelhochdeutschen meinte brief Urkunde, Brief, Geschriebenes; die Bedeutung Urkunde, vor allem in der Kanzleisprache, war lange die vorherrschende und ist heute noch in Zusammensetzungen wie Pfandbrief und im Verb verbriefen erhalten. Gibt man jemandem Brief und Siegel, das heißt eine Urkunde, die rechtskräftig gesiegelt ist, so ist das gleichsam die höchste Garantie, die man ihm geben kann. Brimborium aus dem Französischen, wo brimborion Kleinigkeit, Lappalie bedeutet. Das französische Wort wiederum leitet sich vom lateinischen breviarium (Urkunde, Brevier) ab. Brotkorb den B. höher hängen: Der Brotkorb ist der Behälter, in dem das Brot aufbewahrt wird. Ihn höher hängen meint, ihn aus der Reichweite dessen nehmen, der essen will, womit man eine aus einer Notlage entstandene größere Sparsamkeit ausdrücken will. Das Bild wurde aller Wahrscheinlichkeit vom Futterkorb für Pferde entlehnt, der, wenn das Pferd satt war, hochgezogen wurde. Brücke jemandem eine goldene B. bauen: Man baut jemandem eine Brücke, wenn man ihn zum Verlassen seines bisherigen Standpunktes, der gleichsam durch einen unüberschreitbaren Graben von dem eigenen getrennt ist, bewegen und ihm dies leichtmachen will. Das Adjektiv golden drückt dabei aus, für wie wertvoll man diese Brücke für den ändern hält. Brummen In der Bedeutung von gefangen sitzen, im Gefängnis sitzen ist brummen seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts belegt und in der Gauner- 47 -
und Studentensprache entstanden. Brummen meint eigentlich unverständliche Töne von sich geben, verdrossen vor sich hin summen, nörgelnd vor sich hin reden, murren. So stellte man sich den mit seinem Geschick hadernden Häftling vor und Übertrag dieses Bild auf das Gefangensein. Entsprechend wurde das Gefängnis Brummstall benannt; dazu: jemandem drei Jahre aufbrummen für jemanden zu drei Jahren Gefängnis verurteilen. Brüskieren jemanden b.: Das französische Verb brusquer bedeutet hart oder barsch anfahren; es wurde von dem Adjektiv brusque abgeleitet. Brusque wurde im 16. Jahrhundert aus dem italienischen brusco (herb, barsch, rauh) gebildet, das zu brusca (Bürste, Striegel) gehört und auf das spätlateinische bruscum (Besenheide) zurückgeht; es bedeutet rauh, barsch, kurz angebunden, unhöflich. Im 18. Jahrhundert wurden brüsk und brüskieren aus dem Französischen entlehnt. Brust sich an die B. schlagen: In der katholischen Kirche ist es üblich, vor Gott seine Schuld mit den Worten »meine Schuld, meine Schuld, meine übergroße Schuld« (lateinisch: mea culpa, mea culpa, mea maxima culpa) zu bekennen und sich dabei dreimal an die Brust zu schlagen. Die Geste, mit der man sowohl auf sich deutet als auch sich selber gleichsam kasteit, will das Bekenntnis intensivieren. Wer sich an die Brust schlägt, gibt seine Schuld zu. Bubenstück, Büberei Der Ursprung des Wortes Bube ist ungeklärt; das mittelhochdeutsche buobe hatte sowohl die Bedeutung Knabe, Diener, Troßknecht wie auch zuchtloser Mensch, buobenie stand bereits für Büberei. Während Bube im Oberdeutschen aber bis in die Gegenwart hauptsächlich im guten Sinn für Knabe oder Junge gebraucht wird, nahm es im nördlichen Deutsch immer stärker einen abwertenden Sinn an, vor allem gefördert durch den Gebrauch des Wortes bei Luther. So finden sich seit dem 16. Jahrhundert die Begriffe Bubenstück und Büberei für eine schurkenhafte Tat.
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Bullenbeißer ursprünglich ein Hund, der auf Stiere (Bullen) gehetzt wurde, Bulldogge (engl. Bulldog). Bungalow Im Hindustani nennt man ein strohbedecktes, in der Regel ebenerdiges Haus bangla; wörtlich bedeutet bangla zu Bengalen gehörend, bengalisch (Bangla Desh, das ist Bengalenland, heißt der 1971 auf dem ehemaligen ostpakistanischen Territorium entstandene bengalische Staat). Die Engländer nahmen das Wort während der Kolonialzeit auf und gaben ihm ihre eigene Orthographie; bungalow spricht sich freilich eher wie bangla aus, als es die deutsche Aussprache von Bungalow tut (solche im Deutschen der englischen Schreibweise angepaßte Aussprache findet sich zum Beispiel auch in Dschungel, das im Indischen dschängäl heißt und deshalb englisch jungle geschrieben wird). Burschikos Das Wort Bursch, Bursche geht auf das mittellateinische bursa zurück, das Ledersack, Beutel, dann auch gemeinsame Kasse bedeutete. Als burse wurde es ins Mittelhochdeutsche übernommen und meinte ebenfalls Beutel, Börse (auch Börse selber geht auf bursa zurück), dann zusammenlebende Genossenschaft (die eine gemeinsame Kasse hat, von ihr lebt), das Haus dieser Genossenschaft, vor allem bei Studenten. Auch im frühen Neuhochdeutschen behielt das Wort als burse diese Bedeutungen bei und erweiterte sich noch zu Wirtshaus, Asyl, Gesellschaft, Gesindel, Haufen von (zehn) Kriegsknechten; bursgesell war der Kommilitone, der der gleichen Burse angehört, auch der Kriegskamerad. Daneben hatte sich aber schon die Form bursch oder bursche herausgebildet. Entsprechend der burse war es zunächst ebenfalls Femininum, bildete dann aber, weil man es mißverständlich als Plural aufzufassen begann, einen neuen, maskulinen Singular: der Bursch(e). Als solcher trat es an die Stelle von bursgesell, zunächst bei den Studenten. Andere Berufsstände nahmen das Wort auf, und so erhielt Bursch(e) den allgemeinen Sinn eines jungen Mannes, teils auch etwas abwertend. In Anlehnung an das Griechische bildete sich in der Studentensprache des 18. Jahrhunderts dann das zunächst scherzhaft ge-
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meinte Adjektiv burschikos heraus und hat seinen Sinn bis heute behalten. Bürstenbinder saufen wie ein B.: Der Berufsstand der Bürstenbinder, nie sehr angesehen, steht durch die Redewendung schon ziemlich lang im Verruf, besonders gern zu trinken. Das ist indessen ein Mißverständnis, denn erst in der Schwankdichtung des 16. Jahrhunderts entstand diese Verbindung. Früher schon ist das Verb bürsten für trinken in Gebrauch gewesen. Es geht auf das mittelhochdeutsche burse für Zechgesellschaft (vgl. burschikos) zurück, zu dem sich bursieren und dann bürschen für zechen bildeten. Bürsten, das man später quasi als Kehle ausputzen verstand, war bis in die jüngste Zeit für trinken, saufen gebräuchlich. Busch auf den B. klopfen: Wenn man (etwa der Jäger oder der Treiber) auf den Busch, das Gebüsch klopft, kommt das darunter verborgene Wild heraus und will flüchten. Da man natürlich nicht von vornherein weiß, ob sich unter dem Busch etwas verbirgt, nahm die Redewendung den Sinn an, daß man gleichsam auf den Busch klopft, in der Hoffnung, es komme etwas heraus. Busenfreund Zurückgehend auf eine indogermanische Wurzel bh(e)u im Sinne von aufblasen, schwellen, bedeutete althochdeutsch buosem, buosen sowohl Busen wie auch Bausch des Gewandes und Schoß; ebenso das mittelhochdeutsche buosem, buosen für Busen, Schoß und den busenbedeckenden Teil des Gewandes. Busen meinte aber nicht nur die weibliche Brust (wobei noch im 18. Jahrhundert nur beide Brüste gemeint waren, nicht aber eine einzelne, etwa wie man heute vom linken oder rechten Busen sprechen kann), sondern auch die männliche Brust (wie das im übertragenen Sinne auch heute noch möglich ist). Ganz wie Brust im allgemeinen Sinne galt der Busen als der Sitz des Herzens und damit der Gefühle und Empfindungen, und so bildete sich im 18. Jahrhundert das Wort Busenfreund für jemanden, den man gleichsam in sein Herz geschlossen hat, für einen vertrauten Freund.
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Butter es ist alles in B.: Butter gilt bis heute als das wertvollste und wohlschmeckendste Fett in der Küche. Die Redensart, alles (sei) in Butter, geht davon aus, daß alles in Butter gekocht und deshalb alles in (bester) Ordnung sei. So wird von einem Berliner Gastwirt erzählt, der, als sich nach 1875 die Margarine verbreitete, auf die Frage, welches Fett er verwende, stolz geantwortet habe: »Bei uns ist alles in Butter!«
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C Canossagang In dem mittelalterlichen Machtstreit zwischen Kaiser und Papst hatte sich die Situation so zugespitzt, daß im Jahre 1076 Reichstag und Synode in Worms Papst Gregor VII. für abgesetzt erklärten. Gregor belegte daraufhin Heinrich IV. mit dem Kirchenbann. Um von diesem Bann wieder freigesprochen zu werden, wovon die Fürsten es abhängig machten, ob Heinrich den Thron behalten könne, pilgerte der König unter schwierigsten Bedingungen nach Italien und erschien Ende Januar 1077 auf der Burg Canossa (am Nordabhang des Apennin) vor Gregor als Büßer. Drei Tage ließ der Papst den König, der ohne königlichen Schmuck, barfuß und mit einem wollenen Hemd bekleidet war, vor dem Tor warten. Dann erst empfing er ihn und löste den Bann unter der Bedingung, daß Heinrich im Streit mit den deutschen Fürsten die Entscheidung des Papstes anerkenne. Daran anlehnend nennt man einen Bittgang unter demütigenden Bedingungen Canossagang. Caudinisches Joch Im Jahre 321 v. Chr. wurden die römischen Legionen von den Samniten, einem italienischen Volksstamm in Mittelitalien, bei Gaudium in eine Falle gelockt und in den Furculae Caudinae, zwei Engpässen, aussichtslos eingeschlossen. Die Samniten entwaffneten sie, dann mußten die Römer durch ein aus Spießen gebildetes »Joch« schmachvoll abziehen. Der Ausdruck caudinisches Joch meint also eine äußerst unangenehme Situation, aus der man sich nur gedemütigt lösen kann. Chance Im Französischen hat chance heute noch im engeren Sinne die Bedeutung Wurf (donner la chance, die Augenzahl, die man werfen will, angeben). Chance (altfranzösisch cheance) hatte denn auch ursprünglich
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den Sinn (glücklicher) Fall der Würfel beim Spiel, ausgehend von vulgärlateinisch cadentia, das ebenfalls Fall bedeutete (cadere, fallen). Erst die weitere Entwicklung gab dem Wort im Französischen seine umfangreiche Bedeutung, und mit dieser drang es dann im 19. Jahrhundert ins Deutsche ein. Während des Mittelhochdeutschen hatte es allerdings bereits das Wort Schanz ergeben, das beim Glücksspiel gebraucht wurde (vgl. zuschanzen). Charme Das Wort wurde im 18. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, wo charme Zauber, Zauberei und übertragen Reiz, Anmut bedeutet, dazu gehören charmant (entzückend, reizend, bezaubernd) und charmeur (Zauberer). Zugrunde liegen lateinisch carmen (Gedicht, Weissagespruch, im Mittellateinischen Zauberformel) und das galloromanische carminare (dichten, mittellateinisch bezaubern). Chef aus dem Französischen, wo chef Haupt, Oberhaupt, Anführer, Vorgesetzter bedeutet, zurückgehend auf lateinisch caput (Kopf, Haupt). Es erscheint Anfang des 17. Jahrhunderts im Deutschen und wurde zunächst auf das Militärische beschränkt; seit dem 18. Jahrhundert hat es den allgemeineren Sinn von Vorgesetzter. Chic Im Französischen bedeutet das Wort als Adjektiv ausgezeichnet, famos, piekfein; im ähnlichen Sinn wurde es im 19. Jahrhundert ins Deutsche übernommen, vor allem auf die Mode bezogen. Es wird manchmal eindeutschend auch schick geschrieben, was allein deshalb einen Nutzen hat, weil damit der bei der Angleichung an das Substantiv oder beim Komparativ auftretenden lautlichen Diskrepanz abgeholfen wird (zum Beispiel: eine chice Frau). Die Schreibung schick ließe sich aber auch deshalb rechtfertigen, weil das französische chic ursprünglich auf ein deutsches Schick zurückgeht. Der Schick ist seit dem 14. Jahrhundert im Hochdeutschen belegt und leitete sich von schicken ab, das im Mittelhochdeutschen neben anderen Bedeutungen auch fügen, ordnen, zurechtlegen, rüsten meinte; so bedeutete der Schick im Neuhochdeut-
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sehen dann gute Art, Ordnung, gutes Aussehen, Anstand, Lebensart; dazu gehört das Adjektiv schicklich; Schick galt freilich im 18. Jahrhundert bereits wieder als veraltet. Im 16. Jahrhundert wurde es vom Französischen aus dem Niederdeutschen, wo es Ordnung, Geschick bedeutete, entlehnt. Chuzpe Im Jiddischen bedeutet chuzpo Unverschämtheit, chuzpeponim frecher, unverschämter Mensch (ponim: Gesicht). Im Sinne von Unverschämtheit, Frechheit wurde es ins Deutsche übernommen, wobei aber häufig ein Unterton von Bewunderung über die mitwirkende Raffinesse mitklingt und Chuzpe eine Art von Unverschämtheit ist, die nicht den Charakter des Gemeinen hat. City Im Englischen heißt city (bedeutende) Stadt, Großstadt; in England auch eine inkorporierte Stadt, meist mit einer Kathedrale, im spezielleren Sinn auch die Altstadt oder das Geschäftsviertel von London. Das Wort geht über das altfranzösische ehe (Stadt) auf das lateinische civitas (Bürgerschaft, Staat, Stadt, Gemeinde) zurück, dem civis (Bürger, Mitbürger, ursprünglich Haus- oder Gemeindegenosse) zugrunde liegt. Das Wort wurde erst in den letzten Jahrzehnten ins Deutsche übernommen und wird hauptsächlich für Stadtkern, Geschäftsviertel einer Stadt gebraucht, wobei es den Begriff Zentrum teilweise verdrängte. Clique Im 13. Jahrhundert erscheint irn Altfranzösischen das Verb cliquer (auch clinquer) für lärmen, klingen, klatschen. Vielleicht lehnte es sich an das gleichbedeutende niederländische Verb klikken an, oder es war nur lautmalerisch. Dazu bildete sich im 14. Jahrhundert das Substantiv clique für Sippschaft, vermutlich aufgefaßt als die Beifall gebende Gesellschaft. Clou Im Französischen bedeutet clou (von lateinisch clavus für Nagel,
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Pflock) sowohl Nagel als auch Glanzpunkt, Hauptzugsmittel, Schlager im Theater. Im Sinne von Glanzstück einer Darbietung, (theatralischer) Höhepunkt wurde das Wort ins Deutsche übernommen. Der übertragenen Bedeutung von clou liegt vermutlich die Vorstellung zugrunde, daß das Glanzstück das Ganze zusammenhalte oder für jedermann sichtbar festnagle. Club Im Englischen bedeutet club eigentlich Keule, Knüttel, Prügel, so wie schon das altnordische klubba und dann das mittelenglische clubbe Keule meinte. Club entwickelte sich deshalb zur Bedeutung Verein, (geschlossene) Gesellschaft (dem Sinn, den das Wort auch aus dem Englischen ins Deutsche brachte), weil die Einladung zu einem Treffen früher dergestalt geschah, daß man ein bestimmtes Brett oder eben eine Keule herumsandte und die in Frage kommenden Männer mit diesem Zeichen aufforderte. Dieser Brauch wird deutlicher, wenn man bedenkt, daß auch hinter dem deutschen Verb (ein-)laden die gleiche Sitte steckt: laden im Sinne von jemanden zum Kommen auffordern geht darauf zurück, daß man ein mit bestimmten Zeichen versehenes Brett herumschickte; noch im Mittelhochdeutschen aber hieß Brett lade, laden. Laden war also: mit dem (der) »lade« zum Kommen auffordern.
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D Dach unter D. und Fach: Dach und Fach werden in der Redewendung als die wesentlichen Teile eines Hauses angesehen, wobei das Fach, das sowohl Wand, Mauer als auch Abteilung bedeuten kann, mehr dem ersten Sinn nach gebraucht wird. Dachs schlafen wie ein D.: Der Dachs hält einen ziemlich langen Winterschlaf, der freilich nicht intensiver ist als der vergleichbarer Tiere; überdies unterbricht er ihn gelegentlich. Das reichte freilich für den Volksmund aus, um ihn zum Vergleich heranzuziehen. Ein Fibelvers lautete: »Drei Viertel seines Lebens verschläft der Dachs vergebens.« Dalli meist dalli dalli: Im Polnischen ist dalej der Komparativ zu dem Adverb daleko (weit) und bedeutet »weiter!«, genauso wie dalli im Sinne von »schnell, vorwärts!«. Mitte des 19. Jahrhunderts wurde das Wort ins Ostdeutsche und Berlinische aufgenommen. Damaskus sein D. erleben: s. Saulus, aus einem S. ein Paulus werden. Damm auf dem D. sein: Unter Damm versteht man einerseits einen aufgeschütteten Wall an Gewässern, andererseits, vor allem in Norddeutschland auch eine - aufgeschüttete - Fahrstraße (ebenso Bahndamm). Die Grundbedeutung geht aus dem gotischen faurdammjan für versperren
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hervor, sie liegt auch der Bedeutung Straße zugrunde, weil sie ähnlich wie ein Wasserdamm auf geschüttet wird. Auf dem Damm sein bedeutet soviel wie wohlauf, tüchtig, wachsam sein (in der Verneinung meist nicht gesund sein). Dabei wurde wohl weniger an den Wasserdamm, der Schutz gewährt, gedacht als an den Fahrdamm; wer sich auf ihm befindet, kommt weiter, voran. Die Redewendung entstand auf norddeutschem Gebiet, wo Damm auch die Bedeutung Fahrweg hat. Damoklesschwert Cicero erzählt die Geschichte von Damokles, einem Günstling von Dionys dem Älteren, dem Tyrannen von Syrakus, Damokles habe Dionys als den glücklichsten aller Sterblichen gerühmt; daraufhin habe ihn der Tyrann an all seinen Genüssen und seiner Pracht teilhaben lassen. Über dem Haupt des Damokles aber habe Dionys ein Schwert an einem Pferdehaar aufhängen lassen. Damokles erkannte die Gefahr und verstand die Unsicherheit, die die irdischen Güter nur bedeuten, und bat Dionys, ihn wieder aus dieser nur scheinbar angenehmen Situation zu entlassen. So wurde Damoklesschwert sprichwörtlich für eine drohende Gefahr. Dampf D. (vor etwas) haben: In der Gaunersprache bedeutet Dampf auch soviel wie Angstschweiß; Dampf haben meint also Angst haben. Dämpfer jemandem einen Dämpfer aufsetzen: In der Musik nennt man Dämpfer eine Vorrichtung, die den Klang dämpft, das heißt leiser, weicher macht. Bei der Geige etwa ist es ein kleines Holzstück mit Einschnitten für die vier Saiten, das auf die Saiten gesetzt wird. Diese Art, die Tonstärke zu schwächen, wurde dann auch im übertragenen Sinne gebraucht, wenn man jemanden mit irgendwelchen Mitteln dazu bringt, sich zurückhaltender zu verhalten. Danaergeschenk Bei Homer heißen die griechischen Helden Danaer. Laokoon warnte die Trojaner, das von den Danaern zurückgelassene hölzerne Pferd in die
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Stadt zu schaffen, doch sie hörten nicht darauf und lieferten sich so den Feinden aus. »Was es auch sei«, steht bei Vergil, »die Danaer fürchte ich, auch wenn sie Geschenke geben.« Danaidenfaß Danaiden heißen in der griechischen Mythologie die fünfzig Töchter des Danaos, eines Enkels Poseidons. Die fünfzig Söhne des Aigyptos hatten ihnen die Hochzeit aufgezwungen; die Danaiden aber töteten ihre Männer in der Hochzeitsnacht mit Dolchen. Im Hades müssen sie zur Strafe ständig Wasser in ein Faß mit Löchern schöpfen. In ein Danaidenfaß schöpfen will also heißen: unablässig eine vergebliche, sinnlose Sache tun, die sich nicht vollenden läßt, sondern immer nur neue Kraft oder Mittel beansprucht. Daumen einem den D. halten, drücken: Im alten Volksglauben wurde angenommen, daß die Finger alpartige Geister seien oder deren Kräfte hätten; vor allem der Daumen galt als übernatürlich begabt. So entwickelte sich der Brauch, daß man für jemanden den (eigenen) Daumen hielt, um gleichermaßen den Alp festzuhalten, der sonst das Unternehmen des anderen hätte stören können. Den Daumen drücken meint das gleiche, indem man den Daumen mit den anderen vier Fingern festdrückt. Decke sich nach der D. strecken: Mit der Zimmerdecke hat die Redewendung nichts zu tun. Gemeint ist vielmehr die Decke, mit der man sich zudeckt. Wenn man nicht will, daß die Füße oder andere Körperpartien unbedeckt bleiben und einen dann friert, muß man sich den Maßen der Decke entsprechend strecken. Wer sich nach der Decke streckt, hat also eigentlich eine zu kleine Decke, gibt sich aber Mühe, damit auszukommen. Denkzettel jemandem einen D. verpassen: Denkcedel ist bereits im Mittelniederdeutschen für Urkunde, schriftliche Nachricht belegt. Luther ver-
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wandte dieses Wort für Phylakterion (den Gebetsriemen mit Gesetzessprüchen, den die Juden beim Beten an Haupt und Arm tragen, an Leder befestigte Holzstücke, worin auf Pergament geschriebene Stücke aus dem Gesetz Moses aufbewahrt sind) in seiner Übersetzung des Matthäusevangeliums: »Alle ihre Werke aber tun sie (die Schriftgelehrten und Pharisäer), daß sie von den Leuten gesehen werden. Sie machen ihre Denkzettel breit und die Säume an ihren Kleidern groß.« Daneben aber verwandte er das Wort auch schon im Sinne eines Zettels, auf dem notiert steht, was man nicht vergessen will. Denkzettel nannte man auch jene Zettel in den Lateinschulen, auf denen die Vergehen eines Schülers stehen und den er mit sich führen mußte, um immer daran erinnert zu werden. Daraus entwickelte sich dann allmählich der heutige übertragene Sinn, daß ein Mißgeschick oder eine Strafe als Mahnung empfunden wird. Deut in Redewendungen wie: das kümmert mich keinen Deut. Duit nannte man seit dem 16. Jahrhundert in den Niederlanden eine Kupfermünze von geringem Wert (160 auf den Gulden). Im Mittelniederdeutschen ist das Wort schon als doyt enthalten, ebenso im Englischen (doit). Seine ursprüngliche Bedeutung war abgehauenes Stück. Deutscher Michel Michael (nach dem Erzengel Michael, der in der Offenbarung des Johannes als der siegreiche Bekämpf er des Drachens oder Satans dargestellt wird; der hebräische Name bedeutet »wer ist wie Gott?«) war seit der Verbreitung des Christentums ein häufiger Name im deutschen Gebrauch. Das kirchliche Fest zu seinem Gedächtnis wurde schon von Karl dem Großen eingebürgert. So wurde er, vor allem in Erinnerung als der Satansbekämpfer, in Deutschland gern zum Schutzpatron gemacht, ja oft auch als Schutzpatron Deutschlands verstanden. In Verbindung mit der häufigen Verwendung als Vornamen findet sich dann seit dem 16. Jahrhundert Michel als Appellativum für die Deutschen; die früheste Stelle steht wohl bei Sebastian Frank (»ein rechter dummer Jan, der teutsch Michel«). Doch ist diese Bezeichnung nicht immer nur abwertend gemeint gewesen. Nicht nur der 1625 gefallene pfälzische Generalleutnant Obentraut erhielt die Bezeichnung (Michael Germani-
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cus) als Ehrennamen, auch im 18. Jahrhundert konnte deutscher Michel noch einen tüchtigen Bauern bedeuten. Goethe meinte es freilich ironisch: »Diese Maxime lag zum Grund allen unsern geselligen Gelagen, bei welchen uns denn freilich manchen Abend Vetter Michel in seiner wohlbekannten Deutschheit zu besuchen nicht verfehlte.« Nach den Napoleonischen Kriegen wurde das Wort dann zum reinen Spottnamen, und gelegentliche spätere Aufwertungen unter Bismarck oder während des Ersten Weltkriegs änderten nicht viel an seinem Ruf als biedere, gutmütige, aber unbeholfene, obrigkeitshörige, etwas beschränkte brave Figur. Dick durch d. und dünn: Dick hatte in der älteren Sprache auch die Bedeutung von dicht. So meint durch dick und dünn eigentlich durch Dichtes, das heißt durch Kot, kotigen Schmutz, und durch Dünnes, womit wohl dann an Wasserpfützen zu denken ist; dünn wurde indessen in der Formel mehr des alliterierenden Gegensatzes wegen verwandt. Dienen man kann nicht zwei Herren d.: Die sprichwörtliche Redensart geht auf eine Stelle im Lukasevangelium zurück: »Kein Knecht kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den ändern lieben oder wird dem einen anhangen und den ändern verachten. Ihr könnt nicht Gott samt dem Mammon dienen« (vgl. Mammon). Dietrich Der Nachschlüssel trägt seit dem 15. Jahrhundert als Verschleierung den Namen Dietrich, so auch bei Luther. Es handelt sich um eine scherzhaft gemeinte Übertragung des Personennamens Dietrich, wie sie auch in anderen Sprachen auf Werkzeuge üblich ist; im Frühneuhochdeutschen sagt man auch Diez dazu. Dilettant Vom gleichbedeutenden italienischen dilettante übernommen. Italienisch dilettarsi bedeutet an etwas Vergnügen finden, sich amüsieren, et-
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was aus Vergnügen tun (dilettarsi di un'arte, zu seinem Vergnügen eine Kunst betreiben). Das Wort geht zurück auf das lateinische Verbum delectari (sich ergötzen). Dingfest jemanden d. machen: Die alte Bedeutung von Ding war Volksversammlung (so althochdeutsch thing, ding; das mittelhochdeutsche dinc meinte Gerichtsverhandlung, Gerichtstag neben vielen neuen Bedeutungen). Dazu gehörte das mittelhochdeutsche dincflühtic (der sich durch Flucht dem Gericht entzieht). Wiewohl dingfest erst im 19. Jahrhundert belegt ist, gehört es doch zu dieser alten Bedeutung. Doof Das niederdeutsche doof entspricht neuhochdeutsch taub (mittelhochdeutsch toub, mittelniederdeutsch dof) und ist mit englisch deaf (taub) verwandt. So wie taub im weiteren Sinne nicht nur die Gehörlosigkeit bezeichnet, sondern auch ein allgemeineres Stumpfsein der Sinne, tut das auch doof. Allgemeinen Einzug in die Umgangssprache fand doof erst im 20. Jahrhundert. Doria Donner und D.: In Schillers »Fiesco« flucht Gianettino Doria, der Neffe des Dogen von Genua, von Schiller als »rauh und anstößig in Sprache, Gang und Manieren, bäurisch-stolz, die Bildung zerrissen« charakterisiert, auf das Versprechen eines seiner Vertrauten hin, ihm die Bekanntschaft eines Frauenzimmers zu verschaffen: »Donner und Doria! Du sollst Prokurator werden«. Der Ausruf Donner und Doria wurde volkstümlich. Die Doria waren ein genuesisches Geschlecht; Andrea Doria gab Genua eine streng aristokratische Verfassung und wurde zur Gestalt im »Fiesco«. Vielleicht ist es nicht abwegig zu mutmaßen, daß Schiller bei der Formulierung des Fluches auch an den nordischen Donnergott Thor gedacht hat.
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Drachensaat Die griechische Mythologie erzählt, daß Kadmos, ein Sohn des Agenor oder des Phönix, den heiligen Drachen, der den kastalischen Quell bewachte, erschlug, weil er einige seiner Gefährten beim Wasserholen getötet hatte. Athene gab ihm den Rat, die Zähne des Drachen auszusäen; aus diesen Zähnen wuchsen bewaffnete Männer, die einander bis auf fünf töteten (diese fünf waren die Stammheroen der Thebaner). Deshalb nennt man die Ursachen einer Zwietracht Drachensaat, oft in der Wendung die Drachensaat geht auf. Drakonisch Um 621 v. Chr. kodifizierte Drakon das bereits geltende athenische Recht. Diese Strafgesetze waren von beträchtlicher Strenge, was freilich seinen Grund darin hatte, daß man die Geschlechter nur dadurch zur Aufgabe der Blutrache zwingen konnte, wenn an deren Stelle hart urteilende staatliche Instanzen traten. Auf viele Fälle stand die Todesstrafe, und schon im Altertum wurden die »drakonischen Gesetze« als hart angesehen, weil Drakon sie »mit Blut und nicht mit Tinte schrieb« (Plutarch). Drastisch Zu dem griechischen Verb dran (tun, handeln, wirken, bewirken) gehört das Adjektiv drastikos (wirksam), das als drasticus ins Lateinische übernommen wurde. Es wurde vor allem viel in der älteren Medizin gebraucht, um stark wirkende Mittel zu bezeichnen (remedia drastica, Abführmittel). Die heutige Form des Wortes ist an das französische drastique angelehnt; seinen heutigen Sinn bildete es im 19. Jahrhundert aus. Dreck D. am Stecken haben: Mit Stecken ist der Spazierstock, Wanderstab gemeint. Hat man einen langen Weg durch eine unsaubere Gegend hinter
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sich, haftet natürlich Dreck am Stecken. So wird das Bild übertragen aufgefaßt, daß der Teil des Lebens, den jemand durchschritten hat, von Schmutz und unsauberen Dingen erfüllt war, so daß an seinem natürlich imaginären Wanderstab noch etwas von dem Dreck haftet. Dreckspatz s. Schmutzfink. Dreh Das Wort meint Finte, List, Täuschung und entwickelte sich aus der Vorstellung, daß man eine Sache oder Angelegenheit so wendet oder dreht, daß das Gegenüber die Mängel daran nicht bemerkt; es ist hauptsächlich erst im 20. Jahrhundert in Gebrauch gekommen. In der Bedeutung Trick, Geschicklichkeit erfordernder Griff sagt man auch den Dreh heraushaben (wissen, wie man es machen muß, um eine Sache zu meistern oder um Vorteile zu erlangen). Von Dreh im Sinne von Täuschung leitete sich jemandem etwas andrehen ab. Ebenso sagt man einen Dreh finden, was sowohl Täuschung als auch eine durch Geschicklichkeit mögliche Lösung bedeutet. Drei aller guten Dinge sind d.: Die Zahl drei wird in der Zahlensymbolik als die erste nicht zusammengesetzte Zahl und kleinste Vielheit als heilige Zahl, als Zahl der Vollkommenheit angesehen. Nicht nur die Dreieinigkeit der christlichen Gottesauffassung verschaffte der Zahl dieses Ansehen, schon vorher war sie bei religiösen Handlungen von höchster Wichtigkeit. Auch Aristoteles faßte die Dreiheit als Ordnungsgesetz auf. Die Bezüge in Mythologie und Volksbräuchen sind zahllos, häufig kräftig durchsetzt von abergläubischen Pseudogesetzlichkeiten. So entwickelte sich schon in alter Zeit der Glaube, daß die Zahl drei das Gute symbolisiere, daß aller guten Dinge (jeweils) drei seien.
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Drücken sich d.: Der Ausdruck geht auf die Jägersprache zurück, wo er sich auf die Erde oder Äste ducken bedeutet, was vornehmlich vom Hasen, aber auch von anderem Wild gesagt wird, wenn es versucht, sich durch dieses Zubodendrücken den Blicken des Jägers und Hundes zu entziehen. Es drückt sich gleichsam selber zusammen, macht sich kleiner. Übertragen tut das auch jemand, der eine Aufgabe oder einen Auftrag nicht annehmen will und sich deshalb gleichsam unsichtbar macht, indem er sich drückt. Das gelingt ihm freilich am besten, wenn er sich entfernt. So sagt man auch von jemandem, der sich anderen Leuten oder einer Aufgabe entzieht, er verdrückt sich, das heißt, er macht sich klein, um so ungesehen zu verschwinden. Hier hat freilich noch verdrücken im Sinne von verdrängen, beiseiteschieben mitgewirkt. Duckmäuser Im Mittelhochdeutschen bedeutete das Verb tockelmusen Heimlichkeiten treiben, zusammengesetzt aus musen für mausen, Mäuse fangen, suchend schleichen, und vermutlich tocken für verbergen, das später an ducken angeglichen wurde; tockelmuser war ein Schleicher, Heuchler, eben Duckmäuser. Im Frühneuhochdeutschen erscheint das Wort als tuckenmäuser (verschlagener, hinterlistiger Schleicher) und bildete sich dann allmählich zu der heutigen Form aus. Dumm d. wie die Nacht: Als eine Abstumpfung des Geistes und der Sinne bedeutete dumm früher nicht nur töricht, geistlos, sondern auch stumm, taub, finster. Thum und stumb heißt es beispielsweise bei Weckherlin, an einer anderen Stelle ist von einem Mann die Rede, der stumm und dumm (also taub) sei. Die Bedeutung stumm hat sich bis zum 17. Jahrhundert lebendig erhalten, und hier ist wohl der Ursprung des Ausdrucks zu suchen, auch wenn er später nicht mehr verstanden worden ist. Dunkelmänner Das in der Regel nur im Plural gebrauchte Substantiv ist die wörtliche Übersetzung des lateinischen viri obscuri. Ausgang des Begriffs, der erst - 64 -
gegen 1800 deutsch übersetzt gebraucht wurde, waren die »epistolae obscurorum virorum« (wörtlich »Dunkelmännerbriefe«), die in Deutschland kurz vor der Reformation erschienen waren. Der Humanist Johannes Reuchlin hatte das von den Kölner Dominikanern unterstützte Verlangen, alle jüdischen Bücher zu verbieten und zu verbrennen, streng abgelehnt und war daraufhin in eine Kontroverse verwickelt worden. Diese Auseinandersetzung wurde zu einem Streit zwischen der humanistischen und der scholastischen Weltanschauung. Mit den epistolae obscurorum virorum griffen andere Humanisten zugunsten Reuchlins in den Streit ein. Die Briefe waren eine gelehrte Satire (die vorgeblich von den »finsteren« Scholastikern geschrieben war), mit der Engstirnigkeit, Unbildung und Frömmelei getroffen werden sollten. Sie erschienen 1515 und 1517 in zwei Teilen; ihre Autoren waren Crotus Rubeanus, Hütten, N. Gerbel, Herman v. d. Busche und vermutlich noch andere. Durchbrennen Im Sinne von ausreißen, fliehen ist das Verb erst in der Studentensprache der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Gebrauch gekommen. Zugrunde liegt wohl die Vorstellung, sich gleichsam mit der Kraft des Feuers durchzuschlagen, weil man auch ungewöhnliche Wege ohne Rücksicht auf Hindernisse nimmt, auch wenn das unter Umständen heimlich geschieht. Vielleicht wurde das Bild auch von Wendungen wie »es brennt mir unter den Sohlen « als Ausdruck des Eiligseins beeinflußt. Durchtrieben Das mittelhochdeutsche Verb durchtriben bedeutete durchziehen, durchdringen, durcharbeiten. Das Partizip durchtriben meinte damals schon durch und durch listig, durchtrieben; es hat diese Bedeutung bis heute erhalten, der die Vorstellung zugrunde liegt, jemand sei mit List förmlich durchgearbeitet. Dusel Das mit dösen und Dunst verwandte Wort bedeutete ursprünglich Schlummer, Halbschlaf, wobei die Abwesenheit des Bewußtseins charakterisiert wird. Daraus ergaben sich auch Bedeutungen wie Taumel,
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Schwindel und schließlich eine Betäubung durch Trunkenheit (heute noch umgangssprachlich: sich einen anduseln, sich leicht betrinken). Dusel im Sinne von Glück (einen Dusel haben) leitet sich von dem Glück, das der Betrunkene oder der Träumer hat, ab.
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E Ebenbürtig Ursprüngliche Bedeutung des Worts ist von gleicher Geburt, so schon mittelhochdeutsch ebenbürtig (Schwabenspiegel: »Ist ein man sinem wibe nit ebenbürtic, er ist doch ir vormunt«). Ecke jemanden um die E. bringen: Die Redensart meint ganz konkret jemanden ermorden. Vordergründig dürfte bei ihrer Entstehung das Bild mitgewirkt haben, daß man jemanden um die Straßenecke bringt, um ihn dort außer Sicht zu töten. Doch ist wohl Ecke hier etwas weiter zu begreifen als Knick, Wendung in der Landschaft, hinter denen jemand verschwindet. So bedeutet, schon bevor die obige Redewendung belegt ist, alemannisch oms egg omma gnoh werda nicht nur hart hergenommen werden, sondern auch sterben, und ebenfalls vorher ist auch schon die Redewendung er ist um die Ecke (er ist zugrunde gerichtet, tot, vorüber) überliefert. So ließe sich um die Ecke (um das Eck) also gleichsam als das letzte Stück Land oder Weg deuten, das derjenige durchschreitet oder über das der gebracht wird, der vom Leben zum Tod kommt und hinter dem er dann entschwindet. Im Falle des Ermordens bringt ihn der Mörder dorthin. Analog dazu heißt es im Rotwelschen das Eck machen für sterben. Egal Das lateinische Adjektiv aequalis (gleichhoch, eben, flach, gleichförmig, gleichwertig, das zu aequus für waagrecht, flach, gleich groß gehört), ergab im Französischen egal (gleich); in dieser Form wurde es im 18. Jahrhundert ins Deutsche entlehnt.
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Ei das E. des Kolumbus: Als Kolumbus von seiner ersten Amerikareise zurückkam, meinte auf einem Festmahl der Kardinal Mendoza, Kolumbus' Tat sei gar nicht so schwer gewesen. Kolumbus fragte daraufhin die Anwesenden, wer von ihnen ein Ei auf die Spitze stellen könne. Als niemand das Kunststück fertigbrachte, nahm Kolumbus das Ei und schlug es an der Spitze auf, so daß es ohne weiteres stehen blieb, womit er zeigen wollte, daß es auf den richtigen Einfall ankomme, um eine Aufgabe zu lösen. Diese Geschichte wurde Kolumbus zum erstenmal in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unterstellt und seither mit ihm in Verbindung gebracht. Ihr Wahrheitsgehalt ist indessen keineswegs erwiesen. Die Anekdote mit dem Ei ist vielmehr orientalischen Ursprungs und wurde 1550 auch schon mit dem 1444 gestorbenen Baumeister Filippo Brunelleschi in Verbindung gebracht. Eiertanz einen E. aufführen: Der Eiertanz ist im eigentlichen Sinne tatsächlich ein Tanz gewesen. Der oder die Tänzer führten, häufig mit verbundenen Augen, ihre Tanzbewegungen zwischen auf dem Boden liegenden rohen Eiern aus, was natürlich nicht nur eine große Geschicklichkeit und Sicherheit voraussetzte, sondern auch zu allerhand gekünstelten Schritten zwang, denn es durfte kein Ei zerbrochen werden. Wer einen Eiertanz aufführt, versucht, sich mit allerhand Drehungen und Finten aus einer Sache herauszuwinden; das Bild wird freilich heute viel lockerer als aufgeregtes Getue aufgefaßt. Eigenbrötler Als das Grundnahrungsmittel schlechthin diente Brot schon im Mittelhochdeutschen zur Bildung eines Adjektivs, das denjenigen charakterisierte, der es sich selber buk und damit selber einen Hausstand hatte: einbroetic bedeutete sein eigenes Brot, seinen eigenen Herd habend. Dennoch gelangte Eigenbrötler erst im 19. Jahrhundert aus dem Alemannischen in die allgemeine Umgangssprache. Das Verb eigenbrötlen hatte in den südwestdeutschen Mundarten zunächst ebenfalls den konkreten Sinn: sein eigen Brot essen, dann übertragen für sich allein einen eigenen Haushalt führen, besonders von Ledigen beiderlei Geschlechts.
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Auf dieser Grundlage fand die Differenzierung zu Hagestolz, Sonderling, eigentümlicher Mensch, auch geiziger, selbstsüchtiger Mensch statt. Unterstützt wurden diese Bedeutungen vor allem durch die besonderen Bedeutungen des Adjektivs eigen im Sinne von wunderlich, absonderlich, seltsam, gleichsam Charakterzüge, die einen bestimmten Menschen von den anderen abheben: er ist ein sehr eigener Mensch, das heißt, er ist ein sehr seltsamer Mensch, eine Ausdrucksweise, die vor allem in den Mundarten vertreten ist. Einbleuen jemandem etwas e.: Bleuen bedeutet schlagen, althochdeutsch bliuwan (schlagen, geißeln), mittelhochdeutsch bliuwen (schlagen; dazu bliuwe, Stampfmühle); mit blau (blauschlagen) hat es nichts zu tun. Dazu gehört auch Pleuelstange und Bleuel (ein hölzerner Schlegel, mit dem die Wäsche geklopft wird). Jemandem etwas einbleuen meint also, ihm mit Schlägen etwas beibringen; jemanden verbleuen, ihn verprügeln. Einheimsen Schon im Mittelhochdeutschen gab es das Verb heimsen (heimbringen, an sich nehmen). Zugrunde liegt Heim für Haus, Wohnung. Zu den vielen Zusammensetzungen mit Heim gehört auch einheimisch, das im 15. und 16. Jahrhundert häufig für zu Hause sein (einheimisch sein) gebraucht wurde; daneben einheimisch werden (nach Hause kommen). Wahrscheinlich dürfte diese spezielle Bedeutung von einheimisch die Ableitung einheimsen (auch einheimschen), die nicht vor dem 17. Jahrhundert belegt ist, unmittelbar beeinflußt haben. Einhellig Im Althochdeutschen gab es das Verb hellan im Sinne von klingen, erklingen, ertönen, übereinstimmen; in ein hellan bedeutete im Einklang stehen. Im Mittelhochdeutschen entwickelte sich daraus einhellec für übereinstimmend. Dazu gehört als Gegenstück mißhellig für nicht übereinstimmend.
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Einlegen mit etwas Ehre e.: Einlegen ist in dieser Wendung im Sinne von zurücktragen, heimtragen, einpacken (einer Ware) gemeint. Diese Verwendung des Wortes ist heute nicht mehr gebräuchlich, doch findet sie sich zum Beispiel bei Gryphius: »Legt ein, der Markt ist aus, schließt Kram und Laden zu.« Man kann mit einer Sache oder Leistung also gleichsam die dadurch erworbene Ehre einpacken und davontragen. Eintrichtern jemandem etwas e.: Der Trichter, ein Gerät, das zum Einfüllen dient, wird seit Anfang des 16. Jahrhunderts gern bildlich als Gerät dargestellt, mit dem man dem Menschen Verstandesgaben einfüllt (Höniger, 1574: »Vermeinen also, das sie gelehrt gnug sein, gleich als wann sie die kunst schon gantz durch ein trechter hinab hetten gesoffen durch die viele der bücher«). 1647 erschien in Nürnberg ein Buch von Georg Philipp Harsdörffer mit dem Titel: »Poetischer Trichter, die Teutsche Dicht- und Reimkunst, ohne Behuf der lateinischen Sprache, in VI Stunden einzugießen.« Dieser »Nürnberger Trichter« wurde bald sprichwörtlich, so schon bei Abraham a Santa Clara: »Wann jemand kein unverständiger Esel bleiben will, so muß er die Bücher lesen, sonst wird ihm der Trachter von Nürnberg schlecht Doctorconcepten mitteilen.« Die Redensart: mit einem Trichter eingießen findet sich schon in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts; dafür bürgerte sich dann das Verb eintrichtern ein. Eisen mehrere E. im Feuer haben: Eisen bearbeitet der Schmied meist in glühendem Zustand, weil es dann bieg- und hämmerbar ist (deshalb auch das Sprichwort, man muß das Eisen schmieden, solang es heiß ist). Während nun der Schmied an dem einen Stück arbeitet, hat er weitere bereits im Feuer, so daß er keine Arbeitsunterbrechung erleidet. Hat man mehrere Eisen im Feuer, heißt das, daß man vielseitig tätig ist, daß man irgend etwas jedenfalls zum Gelingen bringt, auch wenn anderes scheitert.
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Eisenbahn es ist höchste E.: In dem Lustspiel »Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße« von Adolf Glaßbrenner (1810-1876), einem Berliner Lokalhumoristen von schlagfertigem Witz, macht ein schusseliger Postbote einen Heiratsantrag. Aber mittendrin verabschiedet er sich überstürzt, weil er Briefe, die mit der Eisenbahn ankommen, austragen müsse. Er gebraucht dabei die Worte: »Es ist höchste Eisenbahn, die Zeit ist schon vor drei Stunden angekommen.« Die Verbreitung des Zitats als Redewendung wurde durch die als üblich angesehene präzise Ankunfts- und Abfahrtszeit der Eisenbahn gefördert; die »Bahnzeit« gilt bis in unsere Tage als verbindliche genaue Zeit. Eiserner Vorhang Vermutlich ist die übertragene Verwendung des Begriffs in einer gelegentlichen mündlichen oder schriftlichen Äußerung nicht wesentlich jünger als die Sache selbst (eisernen Vorhang nennt man den feuersicheren Bühnenvorhang im Theater). So sagte etwa 1914 die belgische Königin, eine gebürtige Wittelsbacherin, daß zwischen »diesen Leuten und mir« ein eiserner Vorhang (un rideau de fer) niedergegangen sei. Ende 1924/ Anfang 1925 meinte der britische Botschafter in Berlin, Lord Edgar Vincent d'Abernon, daß der beste Schutz zwischen Frankreich und Deutschland ein eiserner Vorhang (eine neutralisierte Zone) sei. Und schließlich gebrauchte Propagandaminister Joseph Goebbels den Ausdruck am 25. Februar 1945 in einem Zeitungsartikel (»Vor diesem einschließlich der Sowjetunion riesigen Territorium würde sich sofort ein eiserner Vorhang heruntersenken«). Aber alle diese Zitate trugen nicht zu einer Begriffsbildung im heutigen Sinne oder zu einem politischen Terminus bei. Das bewirkte erst die Verwendung des Wortes durch Winston Churchill. In einem Telegramm vom 12. Mai 1945 an Präsident Truman meinte der britische Premier: »Ein eiserner Vorhang ist vor ihrer (der sowjetischen) Front niedergegangen. Was dahinter vorgeht, wissen wir nicht.« Und am 4. Juni 1945 wiederholte er in einem Kabel an Truman: »Ich sehe dem im Mittelabschnitt unserer Front beabsichtigten Rückzug der amerikanischen Armee auf unsere Zonengrenzen mit größtem Unbehagen entgegen, ist doch damit der Vormarsch der Sowjetmacht ins Herz Westeuropas und die Senkung eines eisernen Vorhanges zwischen uns und dem ganzen Osten verbun-
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den.« Nun machte das Wort rasch die Runde und wurde zum Begriff für die Trennung zwischen den Ostblockstaaten und den westlichen Ländern; die effektive Ausprägung zum allgemeinen Terminus geht also trotz vorheriger Erwähnungen von Churchill aus. Ekstase Das griechische ekstasis bedeutet wörtlich das Außer-sich-sein (aus ek für aus und histanai für setzen). Über das kirchenlateinische ecstasis (Verzückung) gewann es allgemeine Bedeutung. Elan Das Wort wurde im 19. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt; französisch elan bedeutet Anlauf, Satz, Sprung, Erregung, Feuer, Begeisterung. Elan ist ein postverbales Substantiv zu elancer (vorwärtsschnellen, stürzen), eine Ableitung von lancer (schleudern, loslassen), das auf lateinisch lanceare (die Lanze schwingen) zurückgeht. Elegant Das lateinische Adjektiv elegans bedeutet wählerisch, geschmackvoll, fein, anständig, schicklich (dazu elegantia: feiner Geschmack, Feinheit, Anstand); es gehört zu dem Verb eligere für auswählen. Im Französischen ergab es elegant (fein, zierlich, schick, elegant), das im 18. Jahrhundert ins Deutsche übernommen wurde. Im 16. Jahrhundert war schon Eleganz aus dem Lateinischen entlehnt worden für Gewähltheit, Geschmack in der Rhetorik, das sich dann der Bedeutung von elegant anglich. Element in seinem E. sein: Nach der Naturauffassung der Alten bestand alles aus den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft (zu denen sich als fünftes Element noch der Äther gesellte). Auch die Menschen setzen sich danach aus diesen Elementen zusammen, wobei jeweils eines im Individuum überwiegt. In seinem Element befindet sich also jemand dann, wenn er sich in dem ihn bestimmenden befindet. Vermutlich leitete sich die Redensart mit deutlichem Blick auf die Fische, deren Element das
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Wasser ist, in dem sie sich überaus beweglich und wohlbefindend zeigen, ab. Ende das dicke E. kommt nach: In dem 1763 erschienenen Buch »Schulmeister und dero Sitten« heißt es: »Sie flechten Draht in die Ruten oder kehren die Ruten um und brauchen das dicke Ende.« Das Zitat könnte ein Hinweis auf die Entstehung der Redewendung sein, deren Ausgang dann bei der Bestrafung zu suchen wäre, wo mit dem dickeren Teil des Strafinstruments eine härtere Strafe vollzogen wird, die in der Regel der leichteren folgt. Beigetragen kann dann auch der als dickes Ende verstandene Kolben des Gewehrs haben, mit dem man im Nahkampf zuschlägt; auch bei schweren Raufereien schlägt man mit dem schweren Ende etwa eines Stockes zu. Es dürften indessen Formulierungen wie »jetzt kommt es aber dick, ihm geht es dick hinein« von Einfluß auf die Redensart gewesen sein, wenn sie nicht doch überhaupt Pate gestanden haben; ihnen liegt die Vorstellung zugrunde, daß sich Tatsachen, Ereignisse unangenehmer Natur häufen und zusammen gleichsam eine dicke Masse bilden. Das dicke Ende ist ja auch die größere Massierung unangenehmer Dinge. Entblöden sich (nicht) e.: Wörtlich bedeutet das Verb die Blödigkeit ablegen, in der (eigentlich doppelten) Verneinung die Blödigkeit nicht ablegen, blöd bleiben. Im 17. Jahrhundert in Gebrauch gekommen, bedeutete es zunächst (sich) erkühnen, beherzt, dreist machen (vgl. für die Bedeutungsentwicklung blöd). So heißt es Ende des 17. Jahrhunderts bei Christian Scriver: »Jona verliebt sich so sehr in den Kürbiß, daß er, als er verdorrete, mit dem Herrn selbst zu zürnen und zu keifen sich entblödet.« Im 19. Jahrhundert hat sich dann sich nicht entblöden im heutigen Sinn (meist ungefähr wie sich nicht schämen) durchgesetzt (Seume: »Die entsetzlichen Franzosen hatten sich nicht entblödet, der heiligen Jungfrau offenbar Gewalt anzuthun«), wenn es auch zum Teil noch als unrichtig aufgefaßt wurde.
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Entpuppen sich e.: Puppe nennt man jenen Zustand in der Entwicklung eines Insekts, in dem das Tier »verpuppt« ist, das heißt in einer festen Haut liegt und von der Larve sich zum voll ausgebildeten Tier entwickelt. Am Ende dieses Zustands »entpuppt« es sich, und es kommt dabei heraus, was vorher gleichsam verborgen war. Entrüsten sich e.: Die ursprüngliche Bedeutung von entrüsten war, (jemandem) die Waffen, die Rüstung ausziehen. Über die Bedeutung: aus der Fassung bringen, in Unwillen versetzen kam der heutige Sinn von aufgebracht sein zustande. Erpicht e. sein auf etwas: Im Frühneuhochdeutschen gab es das Verb verpichen (verbichen) für mit Pech bestreichen; im übertragenen Sinn sagte man schon verbicht sein für versessen sein (eigentlich mit Pech bestrichen sein und deshalb festkleben an einer Sache). Ende des 17. Jahrhunderts kam für die übertragene Bedeutung erpichen dazu, das fast immer nur im Partizip gebraucht wurde. Eskalation Der Begriff kam erst während des sich seit 1965 immer mehr ausweitenden Vietnamkrieges in Gebrauch und wurde vom Amerikanischen übernommen, wo escalation das gleiche bedeutet und ebenso junger Herkunft ist. Es liegt ihm das englische Wort scale mit seiner Bedeutung Stufenleiter, Abstufung zugrunde, das über das französische escalier (Leiter, Treppe) auf das lateinische scalae (Leiter, Treppe) zurückgeht. Verwandte ältere englische Wörter sind escalade (Ersteigung einer Mauer mit Sturmleitern) und escalator (Rolltreppe). Gemeint ist mit Eskalation die planungsgemäße Ausweitung der Kriegshandlungen sowohl in räumlicher Hinsicht als auch in der Schwere der Waffen oder in der Stärke der Truppen, wobei auch der Gedanke zugrunde liegt, das Kriegsgeschehen jeweils in dem Maße zu »eskalieren«, wie man sicher zu sein glaubt, diese Erweiterung könne keine neuen internationalen
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Konfliktsituationen herbeiführen. Gerade diese präzisen Überlegungen brachten das neue Wort als speziellen Terminus hervor, der inzwischen aber in verschiedensten Bereichen Verwendung findet. Espenlaub zittern wie E.: Die Blätter der Espe (die auch Zitterpappel genannt wird, lateinisch populus tremula, das ebenfalls Zitterpappel heißt) bewegen sich (zittern) wegen ihres feinen Stieles beim geringsten Lufthauch. Zittern wie Espenlaub wurde deshalb schon zu mittelhochdeutscher Zeit als Vergleich für einen sehr rasch und von großer Furcht erfüllten Menschen gebraucht. Man erzählte sich die Legende, daß sich alle Bäume einmal vor Gott gebeugt hätten, nur die Espe nicht; zur Strafe sei sie in ewige Unruhe versetzt worden. Bürger vergleicht damit die nie zur Ruhe kommende Redelust der Frauen: »Ein Sprichwort, das ich glaube, sagt: Weiberzung hat nimmer Ruh, sie ist von Espenlaube.« Establishment Das lateinische Verb Stabilire (befestigen, stärken; dazu gehören auch die Fremdwörter stabilisieren und stabil) ergab altfranzösisch establir (befestigen) und entwickelte sich im Englischen zum Verb to establish (festsetzen, errichten, einrichten, einsetzen; to establish oneself sich niederlassen, gründen; established bedeutet fest, ständig bestehend, the Established Church, Staatskirche). Ebenso gehört zum französischen Substantiv etablissement (Festmachen, Gründung, Einrichtung, Errichtung, auch Anstalt, Anlage, Niederlassung, Geschäft) das englische establishment mit der Bedeutung von Einrichtung, Gründung, Errichtung, Niederlassung, Einsetzung, Festsetzung, Anstalt, Institut, Geschäft. Establishment enthält also vor allem den Begriff des in den bestehenden Zuständen zur Ruhe Gekommenen, Gefestigten. Die weltweite gesellschaftspolitische Bewegung bedient sich seit Beginn der sechziger Jahre dieses Jahrhunderts des Wortes, um damit im zumeist abwertenden Sinn eine bestimmte staatsbürgerliche und politische Haltung zu charakterisieren, in der sich nach ihrer Meinung eine nicht akzeptable Zufriedenheit mit den politischen Gegebenheiten spiegelt. Im weiteren Sinn hat sich das Wort in der jüngsten Zeit als genereller und aggressiv kritischer Begriff für jede Art von »etablierter« Ordnung herausgebildet.
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Eule E.n nach Athen tragen: Die Redensart im Sinne von etwas Unnützes tun tritt schon in Aristophanes' satirischer Komödie hervor, wo eine Eule herbeifliegt und die Frage gestellt wird: »Wer hat die Eule nach Athen gebracht?« Das alte Athen war bekannt dafür, daß es viele Eulen beherbergte, besonders in dem zerklüfteten Fels, auf dem die Akropolis steht. Überdies war die Eule das heilige Tier der Göttin Athene, der Schutzgöttin der Stadt, und die Eule findet sich deshalb auch auf athenischen Münzen. Es wäre also sinnlos gewesen, in die eulenreiche Stadt ausgerechnet Eulen zu bringen. Evaskostüm s. Adamskostüm. Exakt Im Lateinischen bedeutet das Adjektiv exactus genau, pünktlich, vollkommen, genau zugewogen. Es gehört zu dem Verb exigere (exegi, exactus), das sowohl den Sinn von hinaustreiben wie auch den von genau abmessen, vollenden hat. Es wurde im 17. Jahrhundert ins Deutsche entlehnt. Extravaganz Zugrunde liegt das mittellateinische extravagans für ausschweifend, zusammengesetzt aus extra (außerhalb, außer, aus — hinaus, über — hinaus) und vagari (umherschweifen, abschweifen, unstet sein). Daraus wurde das französische Verb extravaguer (abschweifen), wozu extravagant (eigentlich: abschweifend; übertragen: überspannt, närrisch, toll) und das Substantiv extravagance (Überspanntsein, Narrheit, Ausgefallenheit) gehören, die im 18. Jahrhundert ins Deutsche entlehnt wurden.
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F Fachidiot Politisch gemeintes Schimpfwort der linken Studentenbewegung gegen Professoren, die sich auf ihr wissenschaftliches Spezialistentum zurückziehen und nach Auffassung der revolutionär gesinnten Studenten die gesellschaftlichen Relationen der Wissenschaft nicht sehen wollen. Das Wort wurde zum ersten Mal im Wintersemester 1966/67 an der Freien Universität Berlin in Umlauf gebracht. Auf einem Flugblatt hieß es: »Wir müssen uns herumschlagen mit schlechten Arbeitsbedingungen, mit miserablen Vorlesungen, stumpfsinnigen Seminaren und absurden Prüfungsbestimmungen. Wenn wir uns weigern, uns von professoralen Fachidioten zu Fachidioten ausbilden zu lassen, bezahlen wir mit dem Risiko, das Studium ohne Abschluß beenden zu müssen.« Fackeln nicht lange f.: Das althochdeutsche Wort faccala (Fackel) geht auf das lateinische facula (ebenfalls Fackel) zurück. Gegen Ende des Mittelhochdeutschen leitete sich das Verb vacklen ab, das zunächst das unstete Flackern der Flamme ausdrückte und dann die heutige übertragene Bedeutung des unsicheren Schwankens annahm. Goethe zum Beispiel spricht vom vielen Hin- und Herfackeln; heute ist das Wort fast nur noch in der festen Formel nicht lange fackeln gebräuchlich. Fad Das Wort wurde im 18. Jahrhundert aus dem Französischen übernommen, wo fade ähnlich wie jetzt im Deutschen abgeschmackt, geschmacklos bedeutet. Es ist eine Kreuzung aus zwei lateinischen Adjektiven: fatuus (albern, einfältig, nüchtern, taub; albern meinte fade auch noch im Altfranzösischen) und vapidus (verdorben), die zusammen ein nicht belegtes galloromanisches fatidus ergeben haben.
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Faden es hängt an einem (seidenen) Faden, an einem Haar: Angelehnt an die Geschichte von Damokles und das drohend über ihm an einem Pferdehaar hängende Schwert (s. Damoklesschwert), will die Redensart ausdrücken, daß eine Sache in äußerster Gefahr ist, zu mißlingen, weil der eine Faden oder das eine Haar, mit dem sie gleichsam nur mit der Verwirklichung verbunden ist oder die sie allein hält, sehr leicht reißen kann. Fair Fair wurde im 19. Jahrhundert im Rahmen der sich ausbreitenden sportlichen Gedanken in seinen Bedeutungen gerecht, ehrlich, unparteiisch, anständig ins Deutsche übernommen; im Englischen hat das Wort erheblich mehr Bedeutungen. Sie alle gehen zurück auf das angelsächsische faeger, das sowohl schön als auch passend, angenehm bedeutete und verwandt ist mit dem gotischen fagrs (geeignet, fähig). Dazugehörig ist im Deutschen auch das Substantiv Fairneß gebräuchlich (englisch fairness; die Schreibung mit ß ist so unsinnig wie bei Boß oder Streß, wobei hier noch die Frage hinzukommt, warum man glaubt, zwar das doppelte s »eindeutschen« zu müssen, dieser Logik aber zuwiderlaufend das gesprochene ä und i in der fremden Orthographie beläßt). Faktotum Das Wort setzt sich aus dem lateinischen fac (Imperativ zu facere, machen; also mach!) und dem lateinischen totum (alles) zusammen, meint also einen, der alles macht, dem man alles befehlen kann, Mädchen für alles. Fan Aus dem Englischen im 20. Jahrhundert übernommen, weiter verbreitet erst seit den letzten zwanzig Jahren. Fan bedeutet im Englischen einen leidenschaftlichen Liebhaber des Sports, Films, Jazz; das Wort ist eine Abkürzung von fanatic (fanatisch), das auf das lateinische fanaticus zurückgeht (vgl. Fanatiker).
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Fanatiker Im Lateinischen bedeutet fanaticus begeistert, rasend, besessen, im eigentlichen Sinne aber von der Gottheit ergriffen; es gehört zu lateinisch fanum; heiliger Ort, Tempel, Heiligtum. Auch im Deutschen behielt fanatisch lange Zeit nur die Bedeutung der religiösen Schwärmerei. Farbe F. bekennen: Im Kartenspiel gibt es vier Farben, das heißt vier verschiedene Reihen von Karten, die sich freilich schon seit langem nicht nur und auch nicht hauptsächlich durch ihre Farbe unterscheiden, aber nach wie vor so genannt werden (bei den sogenannten französischen Karten heißen sie Kreuz oder Treff, Pik, Herz, Karo, bei den Tarockoder deutschen, auch bayerischen Karten Eichel, Grün oder Gras, Herz oder Rot, Schellen). Farbe bekennen bedeutet, daß Partner wie Gegner gezwungen sind, die gleiche Farbe zuzugeben, auf den Tisch zu legen, die angespielt (als erste ausgespielt) ist, auch wenn das für ihn ungünstig ist. So hat sich die Redewendung im Sinne von ehrlich zugeben, sich ehrlich zu erkennen geben eingebürgert. Farbe heraus mit der F.: ursprünglich eine auf das Kartenspiel bezogene Aufforderung (vgl. Farbe bekennen), mit welcher der andere Spieler den Regeln entsprechend gezwungen wird, die entsprechende Farbe auf den Tisch zu legen, auszuspielen, auch wenn ihm das gerade nicht paßt und wozu er (sich) gleichsam bekennen muß. Faust auf eigene F.: Dem Begriff der Faust wohnt die Vorstellung der zum Schlag oder Stoß, zum Kampf geballten Hand inne. Vor allem bei den Hieb- und Stichwaffen spielte eine kräftige Faust ja eine ausschlaggebende Rolle. Das Schwert zur Faust nehmen ist geradezu der Inbegriff des zum Kampf entschlossenen starken Mannes. So entstand etwa auch die Wendung: eine Sache auf die Faust setzen (Luther: »Joab muß ein Geherzter Kriegsmann gewesen sein, denn er setzts frei auf die Feuste «). Unternimmt jemand etwas auf eigene Faust, zieht er gleichsam sel-
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her, allein, ohne die Unterstützung seiner Genossen aus, um die Sache zu erledigen. Faxen F. machen: Das Verb fickfacken für sich hin und her bewegen ist in den Dialekten vielfach beheimatet. Davon leiteten sich die früher gebräuchlichen mundartlichen Substantive Fickfacker (Betrüger), Fickfackerin (Rankemacherin), Fickfackerei (Betrug) ab, ebenso Fickesfackes (Possen). Von letzterem losgelöst, sagte man auch nur Fackes, das wiederum Faxen (meist nur im Plural gebraucht) ergab. Fechten f. gehen: Fechten (gehen) im Sinne von Betteln geht auf Söldner und Landsknechte früherer Jahrhunderte zurück, die, wenn sie aus dem Heer entlassen worden waren, sich damit durchschlugen, daß sie von Ort zu Ort zogen und ihre Fechtkünste vorführten; dafür erhielten sie dann ein paar Pfennige oder Speis und Trank. Die Erscheinung dieser »Fechtbrüder« (Fechtbruder nennt man noch heute einen Bettler oder Schnorrer) war so häufig, daß fechten identisch wurde mit betteln, schnorren. Feder sich mit fremden F.n schmücken: Nach einer Fabel des Phädrus schmückt sich die Krähe mit den Federn des Pfaus. Als Ende des 17. Jahrhunderts die Türken an der Südostgrenze des Reiches geschlagen waren, bediente sich ein Spottlied des Vergleichs gegenüber dem gallischen Hahn, also gegenüber den Franzosen, die sich das Elsaß angeeignet hatten, mit den Worten: »Wenn man hat die Hund geklopft, kann seyn, daß man Vögel ropft, so dermals ungerochen in fremden Federn pochen.« Federfuchser Zugrunde liegt aller Wahrscheinlichkeit nach das mundartliche Verb fucken, schlüpfen, behende sein, hin und her fahren. Hinzu kam das Verb fuchsen (jemanden) ärgern.
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Federlesen nicht viel F.s machen: Mit Federlesen ist eigentlich gemeint von jemandes Gewand die zufällig angeflogenen daraufbefindlichen Federn ablesen. Im gleichen Sinne sagte man früher auch Federklauben; und beide Wörter hatten als Federleser und Federklauber beschimpfenden Sinn, denn Federlesen und Federklauben wurden als schmeichlerische Handlung aufgefaßt. »Du wilt federlesen, du bist ein Lügner!« heißt es bei Kaysersberg. Das Gegenteil dieser Tätigkeit bedeutet dann, mit jemandem oder mit einer Sache ohne Umstände grob verfahren. Die heute allein gebräuchliche Form nicht viel Federlesens machen ist eine Genitivform (eigentlich: nicht viel des Federlesens), die mittlerweile formelhaft geworden ist. Fehdehandschuh jemandem den F. hinwerfen: Das althochdeutsche gifeh und das mittelhochdeutsche geveeh bedeuteten feindselig; dazu mittelhochdeutsch gevehe und vehede für Feindschaft, Haß, woraus das Wort Fehde wurde. Unter Fehde versteht man vor allem die kriegerische Auseinandersetzung zweier verfeindeter Familien. Ein Zeichen, jemanden die Fehde zu erklären, war es, ihm einen Handschuh hinzuwerfen, womit symbolisch ein Schlag mit der Hand ausgedrückt werden sollte, den die ritterlichen Sitten nicht zuließen. Feld das F. behaupten, räumen: Dem Wort Feld liegt die Bedeutung platt, eben, ausgebreitet zugrunde; so stellt es sich als Gegensatz zu Wald und Gebirge und konnte vor allem die Bedeutung Acker annehmen, auch wird es gerne mit der Vorstellung des Weiten, Freien verbunden. Entsprechend dem lateinischen campus, das sowohl Feld, Ebene als auch Schlachtfeld bedeutet, nahm Feld auch im Deutschen den Sinn von Schlachtfeld an, weil sich der große Aufmarsch der Truppen auf freiem Feld leichter vollziehen läßt als in unübersichtlichem Gelände (von da aus bedeutet Feld schließlich überhaupt Kriegsgebiet). Der Sieger kann das Feld behaupten, der Verlierer muß es räumen.
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Fell seine F.e davonschwimmen sehen: Als noch mit Lohe gegerbt wurde, wurden die Felle (Häute) in das nach Möglichkeit fließende Wasser gehängt, um die Gerbstoffe und restlichen Haare abzulösen. Waren die Felle nicht gut genug festgebunden, schwammen sie unversehens davon. Fell jemandem das F. über die Ohren ziehen: Aus der bäuerlichen Sprache; jemanden bei einem Handel derartig betrügen, daß man ihm auch noch das Fell, nämlich die eigene Haut, wegnimmt, indem man es ihm wie beim Enthäuten eines Tieres den Körper entlang über die Ohren herunterzieht. Fersengeld geben Die erste Erwähnung eines ähnlichen Begriffes findet sich im Sachsenspiegel um 1230, wo davon die Rede ist, daß die Wenden ihre Weiber entlassen dürfen, wenn sie ihrem Herrn drei Schillinge als »Fersenpfennige« bezahlen: »Sie muten irme herren die versne penninge geven, dat sin dri Schillinge.« Es liegt zwar die Vermutung nicht fern, daß damit eine Färse (eine Kuh, die noch nicht gekalbt hat, mittelhochdeutsch verse) gemeint war, der entlassenen Frau also Geld zum Erwerb einer Kuh gegeben werden mußte, doch spricht einiges dafür, daß eher die Ferse am Fuß gemeint war, die man bei der Trennung gleichsam zeigte; schon im 13. Jahrhundert erscheint versengelt geben denn auch für fliehen. Jedenfalls fand sehr rasch die Identifizierung mit Ferse statt, die der Fliehende zeigt, mit der er seinen »Tribut« entrichtet. Fertig f. sein, mit jemandem f. sein, jemanden f. machen: Das Adjektiv fertig gehört eigentlich zu Fahrt und fahren. So bedeuteten althochdeutsch fartig und mittelhochdeutsch vertec zum Aufbruch, zur Fahrt bereit; das Mittelhochdeutsche hatte bereits eine Fülle von Bedeutungen in diesem Sinne ausgebildet: gehen könnend, beweglich, gehend, weggehend, im Gange, in Übung, in Ordnung befindlich, geschickt, gewandt, tauglich. Auch noch im Frühneuhochdeutschen meinte fertig fahrtbe-
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reit, bereit, rüstig, geläufig, geschickt; fertigen hatte den Sinn: zur Fahrt bereitmachen, expedieren, bereit halten, entlassen, verabschieden. Aus Zusammensetzungen wie bußfertig oder dienstfertig (die eigentlich die Bereitschaft dazu zu erkennen geben) ist dieser alte Sinn von fertig noch ersichtlich. Aus der Vorstellung des Bereitseins entwickelte sich dann die des Vollendetseins im heutigen Sinne von fertig. Fertig kann so auch bedeuten, daß jemand mit seinen Kräften am Ende ist (umgangssprachlich: er ist fertig) oder daß man jemanden seiner Kräfte entblößt (derbe Umgangssprache: man hat ihn fertiggemacht) oder daß man die Beziehungen zu jemandem als beendet betrachtet (man ist mit ihm fertig). Fesch Englische Mode und Lebensart galten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts nachahmenswert; das englische Adjektiv fashionable (modisch, modern, elegant) fand Eingang in die deutsche Umgangssprache. Im Wienerischen wurde fashionable dann (der Aussprache entsprechend) zu fesch abgekürzt. Fetisch Im Portugiesischen bedeutet feitico Zauber, Amulett; es leitet sich vom lateinischen facticius (künstlich gemacht, nachgemacht, facticium, Machwerk) ab. Mit feitico bezeichneten die portugiesischen Seefahrer im 15. und 16. Jahrhundert zuerst eine Art Holzfiguren der westafrikanischen Eingeborenen, die als krafthaltig galten oder als Sitz eines Geistes betrachtet wurden; der Fetischglaube findet sich auch bei anderen Naturvölkern. Das Wort glich sich dann im Deutschen des 18. Jahrhunderts der französischen Form (fetiche) an, obwohl es schon vorher bekannt war. Den sexualpathologischen Begriff Fetischismus gebrauchte in Anlehnung an die dem Fetisch angeblich innewohnende Kraft 1877 der französische Psychologe Alfred Binet zuerst. Fett sein F. weghaben, sein F. kriegen: Beide Redewendungen meinen, daß jemand einen Tadel, eine Strafe oder Prügel bekommen hat oder bekommt. Dabei wird Fett im übertragenen Sinn ironisch als eine Gabe empfunden, so wie jemand Fett (Butter, Schmalz, vom Geschlachteten)
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als Entlohnung oder Geschenk erhält. Vor allem auf dem Lande ist es noch heute üblich, daß jemand mit Naturalien wie Fett beschenkt, für eine kleine Dienstleistung auch entlohnt wird. Die Wendung sein Fett kriegen ist verhältnismäßig alt; schon Goethes Mutter äußerte: »Göschen ist ein Lumpenhund . . . Aber er soll sein Fett kriegen, ich habe eine Epistel an Ort und Stelle geschickt und mich gegen dieses unmusterhafte Betragen höchlich beschwert.« Fettnäpfchen (bei jemandem) ins F. treten: In Bauernhäusern stand früher nahe der Tür ein Näpfchen mit Fett. Beim Betreten des Hauses wurde nasses Schuhzeug mit Fett eingeschmiert, damit das Leder nicht hart wurde. Trat nun jemand aus Versehen in diesen Napf (oder warf ihn um), machte er sich bei der Bäuerin verständlicherweise unbeliebt. Feuertaufe In der Bibel (Matthäusevangelium 3) wird berichtet, daß Johannes in der Wüste des jüdischen Landes am Jordan Buße predigte und die Menschen taufte. Dabei sagte er: »Ich taufe euch mit Wasser zur Buße; der aber nach mir kommt, ist stärker denn ich, dem ich auch nicht genugsam bin, seine Schuhe zu tragen; der wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen.« So verstand man im 18. Jahrhundert unter Feuertaufe die Taufe mit dem Heiligen Geist (»Feuertaufe des Heiligen Geistes«). Später übertrug man den Begriff auf das Militärische und meinte damit das erste Gefecht eines Soldaten, und von da übertrug sich das Wort dann auf die verschiedensten Situationen, in denen sich jemand zum erstenmal zu bewähren hat. FF eine Sache aus dem ff verstehen: Ein Teil des Corpus Juris, der Rechtssammlung Kaiser Justinians aus dem 6. Jahrhundert, hieß die Pandekten oder Digesten; er enthält das alte Juristenrecht. Digesten wurde abgekürzt mit einem D geschrieben, das durchgestrichen war und deshalb so ähnlich wie zwei f aussah. Wer sich in den Digesten gut auskannte, verstand gleichsam eine Sache »aus dem ff«. Mit dem Ausdruck »ff Fleischwaren« etc. hat das nur scheinbar etwas zu tun. In der Handels-
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Sprache wurde es Usus, das Wort fein abgekürzt nur f zu schreiben; analog zu Bezeichnungen in der Musik (p für piano, leise, pp für pianissimo, sehr leise) schrieb man dann für »sehr fein« ff. Filibuster Im politischen Sprachgebrauch bedeutet Filibuster (mit dem Verb filibustern) eine Art Obstruktion im Parlament und auch den Abgeordneten, der diese ausübt; das Wort wurde in diesem Sinn in den Parlamenten angelsächsischer Länder gebräuchlich. Da nicht abgestimmt werden kann, solange Wortmeldungen vorliegen, und da die Redezeit nicht begrenzt ist, kann durch endlos lange Reden und immer neue Wortmeldungen — Filibuster(n) genannt - eine Abstimmung verzögert oder gar verhindert werden, gegebenenfalls auch durch eine Minderheit. Diese Verschleppungstaktik wird zwar als legale, aber ziemlich unfaire Übung aufgefaßt und wurde deshalb mit einem Namen belegt, der eigentlich Freibeuterei bedeutet. Filibuster lehnt sich an das spanische filibustero an, das vom französischen flibustier gebildet wurde; so nannte man im 17. Jahrhundert die westindischen Seeräuber. Es geht auf das niederländische vrijbuiter (frij, frei; buit, Beute) zurück, das identisch ist mit dem deutschen Freibeuter. Filz Schon im Mittelhochdeutschen bedeutete vilz nicht nur den Stoff, sondern wurde auch auf den angewandt, der die aus Filz gefertigte einfache, häufig bäuerliche Kleidung trug; so verstand man unter vilz einen groben oder geizigen Menschen, vilzgebure nannte man einen groben Bauern, auch vilzhuot (Filzhut) diente als Schelte. Genauso meinte im Frühneuhochdeutschen filz einen Menschen, der in Loden gekleidet ist wie die Bauern und daneben einen Tölpel und Geizhals; filzig bedeutete bäuerisch, geizig. Die Bedeutungsübertragung ist hier noch offensichtlich: der (in Filz gekleidete) Bauer galt einmal als grob, zum ändern als geizig. So hat sich Filz im Sinne von Geizhals bis heute erhalten. Filzen Irn Sinne von durchsuchen wurde filzen in der Gaunersprache entwikkelt. Hier heißt der Kamm Filtzer, angelehnt an die Bezeichnung Filz - 85 -
für Haar (eigentlich verworrenes, verfilztes Haar), und filzen war also zunächst auskämmen, durchkämmen; das aber gibt die unmittelbare Assoziation zu durchsuchen, zunächst noch im konkreten Sinne die Kleidung auf Ungeziefer durchsuchen, dann übertragen auf die Untersuchung durch die Polizei. Finger sich etwas aus den F.n saugen: Die Geste allein schon könnte die Entstehung dieser Redensart bewirkt haben, denn der Nachdenkende steckt oft die Spitze eines Fingers in den Mund oder legt ihn an die Lippen. Nach altem Volksglauben hatten die Finger gewisse magische Kräfte (vgl. Daumen, jemandem den D. halten) und auch die der Mitteilungsgabe, eine Vorstellung, die freilich durch die reine Geste erst entstanden sein kann. Wenn etwas nach purer Erfindung oder Unwahrheit klingt, sagt man deshalb auch in einem etwas umgekehrten Sinn, das habe sich jemand aus den Fingern gesogen. In diesen Bereich fällt auch die scherzhaft abergläubische Meinung, daß das Jucken der Hand eine Bedeutung haben könne, etwa wenn die linke Hand jucke, daß man Geld zu bezahlen habe, wenn es die rechte tue, daß man Geld zu erwarten habe. Und in Shakespeares »Macbeth« meinte die dritte Hexe: »Juckend sagt mein Daumen mir: Etwas Böses naht sich hier!« Fingieren s. Finte. Finte Das lateinische Verb fingere (ersinnen, erdichten, verstellen, fälschlich vorgeben) liegt dem italienischen finta für Verstellung, Finte zugrunde; im 16. Jahrhundert wurde finta, zunächst als Ausdruck beim Fechten, ins Deutsche übernommen. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde das Verb fingieren unmittelbar aus dem Lateinischen entlehnt. Firlefanz Aller Wahrscheinlichkeit liegt das altfranzösische virelai zugrunde, das Ringellied bedeutete (virer, sich drehen). Firlei, vierlei und firlefel sind
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dann auch bereits im Mittelhochdeutschen vorhanden und meinen eine Art Tanz; ebenso findet sich firli-fanz im gleichen Sinne. Im Frühneuhochdeutschen wird firlefenzen schon allgemein als Possen treiben verstanden. Fisch gesund wie der (ein) F. im Wasser: Im Gegensatz zu eigentlich allen anderen größeren Tieren, die dem Menschen aus dem Alltag vertraut sind, sieht man im allgemeinen niemals einen kranken Fisch; er wird von den Wasserbewohnern gefressen oder verschwindet sonstwie. Hinzu kommt, daß der Fisch nur selten im Ruhezustand beobachtet wird, also den Eindruck großer Lebenskraft macht. Aus solchen Beobachtungen bildete sich schon früh in der Sprache die Redensart: heraus gesund, wohl wie ein Fisch im Wasser sein. Fisimatenten Das Wort ist seit ungefähr 1500 belegt, vor allem aber seit dem 19. Jahrhundert in Gebrauch, wiewohl es früher kaum literarische Verwendung fand und auch heute noch als minderwertiges Wort der Umgangssprache empfunden wird. Über seine Herkunft gibt es eine ganze Reihe von Deutungen, von denen freilich manche keinen Anspruch auf Gültigkeit haben (wie zum Beispiel die Ableitung vom französischen [je] visite ma tante oder visiter ma tante, ich besuche meine Tante, als Ausrede). Ernsthafterer Betrachtung halten stand: eine Ableitung aus dem italienischen fisima (Laune, Einbildung) oder vistamente (schnell), letzteres als Ausruf von Gauklern verstanden. Unter Hinweis, daß im 16. Jahrhundert auch die Form visipatentes für Albernheit belegt ist, läßt sich vor allem an visae patentes (literae) oder visa patentia für ein ordnungsgemäß ausgefertigtes Patent, ein öffentliches Empfehlungsschreiben, das Marktschreiber benötigten, denken, das dann einen allgemeineren und schlechteren Sinn angenommen hat. Auch ist an das mittelhochdeutsche visament(e), visimente zu denken, das eigentlich Gesicht, Physiognomie, aber auch Beschreibung eines Wappens bedeutet, wobei dann visament in bezug auf Wappen unverständlichen Zierat meinte. Es kann angenommen werden, daß vielleicht mehrere Wörter dieser Art sich vermischt haben, gegebenenfalls auch noch unter Anlehnung an einen Ausdruck wie das frühneuhoch-
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deutsche visigunk (Sonderling), das wohl mit fisel (Scherz) zusammenhängt. Fix Zugrunde liegt das lateinische Adjektiv fixus (fest, bleibend, unabänderlich; in diesem Sinn ist das Wort in Fixstern enthalten, von dem man früher glaubte, daß er sich nicht bewege). Die Alchimisten des 16. Jahrhunderts entlehnten davon fix und gebrauchten es für den festen Aggregatzustand. In dem Verb fixieren (etwas festlegen) ist diese eine Bedeutung von fix noch erhalten. Aus der Vorstellung des Festen, Beständigen entwickelte sich die Vorstellung zu Geschicktem und führte zu der Bedeutung rasch. Die Formel fix und fertig (eigentlich fest, befestigt und fertig) trug dazu bei, fix den Sinn des Raschen zu geben, weil sie ausdrücken will, daß man etwas (schon) erledigt hat. Flausen F. im Kopf haben, F. machen: Ebenso wie Flausch bedeutet auch die Nebenform Flaus ein Büschel Wolle, dazu auch wollener Rock (Flauschrock). Es gehört zu mittelhochdeutsch vlius, vlus, vlies für Schaffell (das Goldene Vlies ist in der griechischen Sage das Fell des goldenen Widders, das die Argonauten zurückholen sollten). Flausen sind kleine Wollflocken, die leicht in der Luft herumfliegen. Wer sie im Kopf hat, hat nichts Gescheites im Sinn, wer sie macht, macht Unsinn. Flegel Das lateinische flagellum (zunächst Peitsche, Geißel, dann Dreschflegel) wurde bereits vom Althochdeutschen als f legil übernommen, was ebenfalls Dreschflegel bedeutete. Als Flegel bezeichnete man dann im Frühneuhochdeutschen auch den Bauern selber (der mit dem Dreschflegel arbeitet), und von da nahm das Wort dann den allgemeinen Sinn eines ungebildeten, rüpelhaften Menschen an.
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Flinte die F. ins Korn werfen: Dieser Ausdruck der Mutlosigkeit und Resignation bezieht sich darauf, daß Soldaten, die nach einer Niederlage in der Schlacht nicht mehr kämpfen wollten, ihre Flinten ins Korn (das heißt ins Getreidefeld) warfen, weil sie nur noch an Flucht dachten. Flirt Aus dem Englischen. Das Verbum to flirt bedeutet schnellen, springen und kokettieren, liebeln. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelangte das Wort ins Deutsche. Es geht auf das französische fleureter (mit Blumen verzieren) zurück, das heute noch schöntun bedeutet. Das Französische übernahm freilich wie das Deutsche in jüngerer Zeit wiederum das englische flirt (flirter). Flitterwochen Im frühen Neuhochdeutschen bedeutete flittern neben der heutigen Bedeutung auch lachen (gevlitter: heimliches, unterdrücktes Gelächter) und ebenso liebkosen, schmeicheln. Dieser Sinn klingt in Flitterwochen noch an, so wie er sich auch aus dem älteren bairischen Wort Kuderwoche entnehmen läßt (kudern: anhaltend lachen, unterdrückt lachen). Floskel Das lateinische flosculus bedeutet Blümlein und ist die Verkleinerung von flos (Blume). Hoskel, das gegen Ende des 18. Jahrhunderts im Deutschen gebräuchlich wurde, heißt also eigentlich Blümlein, wird aber nur als Wortblume, blumenreiche Ausdrucksweise verstanden. Früher war die Bedeutung nicht ganz so eingeschränkt, zum Beispiel war von seidenen Floskeln die Rede, doch konnte sich dieser Sinn nicht halten. Flötengehen Die Herkunft des Ausdrucks ist noch nicht geklärt, doch spricht einiges dafür, daß es genauso wie Pleite (s. d.) auf das hebräische peleta (Rettung, Entrinnen) zurückgeht, und zwar dürfte es von den Sephardim
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(den spanisch-portugiesischen Juden) aus ins Niederländische und von da ins Niederdeutsche gelangt sein. In Hamburg ist aus dem Jahre 1755 die Redensart dat Geld ist fleuten gähn überliefert, die wohl Kaufmannskreisen entstammt. Föhn Die alten Griechen nannten den milden, warmen Westwind zephyros, die Römer sagten ventus favonius (ventus, Wind) oder nur favonius dazu; letzteres ergab das deutsche Föhn. Favonius leitet sich von fovere (warm halten, erwärmen) ab. Seine vulgärlateinische Form faonius wurde schon vom Germanischen übernommen, doch ins Hochdeutsche drang es aus dem Schweizerischen erst im 16. Jahrhundert ein. Der Föhn ist zwar ein Südwind, da er aber ähnlich wärmende Wirkung hat wie der mittelmeerische Westwind, konnte das Wort ohne weiteres auf ihn angewandt werden. Freilich verstand man lange Zeit darunter nur den stürmischen Wind selber und nicht oder kaum die durch diesen Südwind hervorgerufenen Erscheinungen, die heute vor allem sensibleren Leuten in Alpennähe zu schaffen machen. In einem Zeitungsbericht aus den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts findet sich eine eindrucksvolle Schilderung des Naturereignisses: »Es war der Föhn, der am heißen Sonntag (18. Juli 1841) übermeinem Kopf toste in den Fichten des Perlacherwaldes, am Bodensee haushohe Wellen weit ins Land hinaus wälzte, doch die 500 Lustfahrer des Dampfers Ludwig mit Todesängsten abkommen ließ. Nachrichten aus Italien von demselben Tage sollen zeigen, ob dieser Föhn eine Fortsetzung des Scirocco sey. An demselben Tage hatte man in Wien 29, in Berlin 28 Grad R. (Reaumur) im Schatten. In Coblenz wurde die Schiffbrücke fortgerissen. In Paris Südoststurm mit Blitz und Donner, der Bäume ausriß und Felder nieder blies. In Gundelfingen wurden drey bedeutende, von Süd nach Nord gehende Erdstöße wahrgenommen; in Murten die 365 Jahre alte Sieges-Linde umgerissen.« Wie sich herausstellte, war tags zuvor starker Schirokko in Italien. Fraktur mit jemandem F. reden: Fraktur meint die Frakturschrift, oft auch deutsche Schrift genannt, die deshalb so heißt, weil ihre Buchstaben »gebrochen« aussehen im Gegensatz zur runden lateinischen Schrift,
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der Antiqua (das Wort Fraktur leitet sich von lateinisch fractura für Bruch ab). Die Redensart ist seit dem 17. Jahrhundert gebräuchlich und meint wohl, mit jemandem so eckig reden, wie die Frakturschrift ausschaut (wobei eckig dann als derb oder gerade verstanden worden wäre). Französisch sich auf f. empfehlen: Die unhöfliche Handlung, sich ohne Verabschiedung zu entfernen (die Wendung kann auch flüchten bedeuten im Sinne von sich heimlich davonmachen), hat keine Herleitung von irgendeiner Eigenart der Franzosen. Der Volksmund liebt es nur, negative Handlungen oder Dinge Nachbarvölkern anzuhängen. Analog sagt man auch im Englischen French leave. Übrigens schieben auch die volkstümlichen Namen für die Syphilis in vielen Sprachen die Herkunft dieser Krankheit jeweils einem verachteten Nachbarvolk in die Schuhe (wenngleich das zum Teil identisch ist mit dem Weg, den diese Krankheit gemacht hat): Die Franzosen sprechen (oder sprachen) von neapolitanischer oder sizilianischer Krankheit, daneben auch von spanischem oder persischem Feuer. Die Italiener dagegen reden von französischer Krankheit, ebenso die Spanier mit dem Ausdruck mal galico (gallische Krankheit), die Engländer (French pox; daneben auch noch spanische und neapolitanische Pocken), die Portugiesen, die Deutschen (neben französisch war auch welsch und neapolitanisch in Gebrauch), die Ungarn und die Russen. Bei den Russen iieißt die Syphilis auch noch polnische oder kalmückische Krankheit; bei den Esten wiederum hieß es das russische Übel. Die Araber gaben der Krankheit das Beiwort christlich, die Perser türkisch. Frechdachs Eigentlich kann man vom Dachs nicht behaupten, daß er im Vergleich zu anderen einheimischen Wildtieren besonders frech sei. Man bescheinigt ihm sogar eine gewisse Furchtsamkeit und auch Plumpheit. Andererseits ist er freilich sehr mißtrauisch und setzt sich gegen die Hunde sehr heftig und mutig zur Wehr, was man ihm auch als tückisch und bösartig auslegt. So war seine Klugheit schon bei den Dichtern des 13. Jahrhunderts sprichwörtlich (»kündic wie ein dahs«; kündic meint erfahren). Seine heftige Gegenwehr, verbunden mit seinem mißtraui-
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sehen Einzelgängertum, und vielleicht auch sein verhältnismäßig selteneres Auftreten (das zum Interesse an ihm beitrug) ließen ihn für das Scheltwort Frechdachs geeignet erscheinen. Freibrief (k)einen F. auf etwas haben: Freibrief nennt man eine Urkunde, durch die gewisse Freiheiten zugesichert werden, etwa eine Befreiung von Lasten, oder auch freies Geleit. Der Begriff wird auch übertragen gebraucht. Frivol Das lateinische Adjektiv frivolus bedeutete wertlos, unbedeutend, armselig (dazu friare, zerreiben). In den romanischen Sprachen (französisch frivole, italienisch und spanisch frivolo) nahm es über unbedeutend, nichtig die Bedeutung von leichtfertig an und wurde im 18. Jahrhundert für leichtfertig und in seiner weiteren Ausprägung zu schlüpfrig aus dem Französischen ins Deutsche entlehnt. Früchte an ihren F.n sollt ihr sie erkennen: Das Zitat steht so wörtlich im Mathäusevangelium. Nachdem am Schluß der Bergpredigt vor den falschen Propheten in Schafskleidern, die inwendig aber reißende Wölfe sind, gewarnt worden ist (vgl. Wolf im Schafspelz), fährt der Text fort: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man auch Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln? Also ein jeglicher guter Baum bringt gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt arge Früchte. Ein guter Baum kann nicht arge Früchte bringen, und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen« (7, 16-18). Frustration, frustrieren Zugrunde liegt das lateinische frustratio (Täuschung, Hinhalten, Verzögerung), dazu frustrare oder frustrari (täuschen, hintergehen, foppen, vereiteln, betrügen). Bis vor wenigen Jahren war Frustration nur ein wissenschaftlicher und weiter kaum bekannter Ausdruck, im Sinne Freuds die Versagung einer Triebbefriedigung durch äußere Einwir-
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kung meinend. Nach psychologischer Erkenntnis kann solche Frustration zu psychischen Schwierigkeiten mit Komplexen und Konflikten als Folge führen. Seit etwa einem Jahrzehnt ist Frustration (dazu frustrieren, frustriert) indessen zu einem Modewort ersten Ranges geworden, mit dem jedes unangenehme Erlebnis, das eine gewisse Enttäuschung gebracht hat, erklärt wird, gleichsam als ob erzieherisches Fehlverhalten, widrige gesellschaftliche Kräfte und ähnliches die Triebhemmung verursacht hätten. Fuchtel Eine Ableitung von fechten (wovon eine mittelhochdeutsche Vergangenheitsform vuhten lautete). Man bezeichnete damit ursprünglich einen Degen mit breiter Klinge zu flachem Schlagen, auch Schlagdegen, Raufdegen genannt. Mit dem unscharfen Fechtdegen konnte man umso kräftigere Hiebe austeilen. Über die Vorstellung der soldatisch strengen Zucht (in das Bild fügt sich auch der strafende Schlag mit der flachen Klinge), daß man gleichsam immer unter dieser drohenden Fuchtel stehe, entwickelte sich die heutige Bedeutung. Von Fuchtel abgeleitet ist das Verb fuchteln, eigentlich mit der Fuchtel hin- und herfahren, was einen weiteren Schluß auf die allzeit hiebbereite Fuchtel zuläßt. Fug mit F. und Recht: Der ursprüngliche Sinn des Verbs fügen war vermutlich: passend verbinden; das althochdeutsche Verb fuogen meinte dann fügen, verbinden, zusammenfügen, zugehören; dazu ist im Mittelhochdeutschen das Substantiv vuoc (Schicklichkeit) belegt. Zu der Bedeutung »das, was paßt« stellt sich »das, was gebührt« und die gebührliche, zukommende Freiheit zu einer Handlung, die begründete Zuständigkeit. Häufige Verwendung fand so die Verbindung Fug haben. Zum Beispiel heißt es bei Melanchthon: »So doch die bawrschaft vil begert, das sie nicht fug hat«; später bei Opitz: »Ein reicher Sinn und gabenreicher Geist, dem obenab der gute Fug verliehen, des Herren Lob in Reimen hoch zu ziehen.« In Verbindung mit anderen Substantiven findet sich »Fug und Macht zu etwas haben« und dann am häufigsten »Fug und Recht«, zumindest seit dem 16. Jahrhundert, das freilich bereits tautologischen Charakter hat. Heute wird Fug in aller Regel nur noch in dieser formelhaften Wendung gebraucht; es findet sich ferner in be-
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fugt, Befugnis, füglich und natürlich in Unfug, dem Gegenteil von Fug, das, anders als Fug, keine Einschränkung erfahren hat. fünf f. gerade sein lassen: s. Gerade, fünf g. sein lassen. Fünfte Kolonne Als im spanischen Bürgerkrieg Francos Truppen in vier »Kolonnen« auf das noch von Republikanern gehaltene Madrid marschierten, sprach der Franco-General Mola über den Rundfunk von fünf Kolonnen, den vier, die die Hauptstadt belagerten, und einer fünften, die sich in der Stadt befinde. Er meinte damit Francos Anhänger in der belagerten Stadt. Der Ausdruck bürgerte sich rasch für eine Gruppe von Leuten ein, die den Feind unterstützen. Furie wie von F.n gejagt: In der griechischen Mythologie waren als Rachegöttinnen die Erinyen gefürchtet, die mitleidlos jeden Frevel bestraften (der Muttermörder Orestes wurde von ihnen zum Beispiel in den Wahnsinn getrieben). Der lateinische Name der Erinyen war Furien (furere bedeutet wüten, rasen, das dazugehörige furia Wut, Raserei). Übrigens wurde früher Furie ohne Anlehnung an die Rachegöttinnen auch für Wut oder Raserei gebraucht (Simplicissimus: »Etliche wollen sie gleich in der ersten Furi todt schießen«). Fuß mit jemandem auf gutem F. stehen: Fuß wird in dieser und vergleichbaren Redewendungen gleichsam als die Basis aufgefaßt, auf der etwas steht. So läßt sich auch in noch stärkerer Abstrahierung sagen mit jemandem auf vertrautem Fuß stehen oder mit jemandem auf dem Duzfuß stehen. Analog zum Duzfuß wurde auch die Wendung mit jemandem auf dem Kriegsfuß stehen gebildet.
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Futsch Das Wort ist in erster Linie wohl lautmalerisch, ein Geräusch bezeichnend, mit dem etwas in großer Geschwindigkeit vorbeihuscht, verschwindet. Es stellt sich freilich auch zu einem Verb futschen für hin und her rutschen (so in der Mundart von Glarus); auch flutschen im Sinne von rasch dahingleiten wird in der Umgangssprache gebraucht. Pseudofremdsprachliche Hinzufügungen wie futschikato sind nur scherzhaft entstanden.
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G Galgenfrist wörtlich und ursprünglich der kurze Aufschub, der einem zum Galgen Verurteilten vor der Hinrichtung gnadenhalber gewährt wurde, auch etwa, um noch eine Sache regeln zu können. Der Ausdruck wurde schon sehr früh im übertragenen Sinn gebraucht. Galgenvogel Gemeint ist eigentlich der Rabe, der den Gehenkten am Galgen umkreist und frißt; davon fand Übertragung auf einen Menschen statt, der für den Galgen reif ist (man nennt in manchen Dialekten und auch in der Umgangssprache einen Menschen, der sich durch lockere Sitten und Unbekümmertheit hervortut, auch einfach Vogel, wohl wegen der ungebundenen Art, die die Vögel zeigen). Genauso kamen die gleiches bedeutenden Ausdrücke Galgenaas, Galgenbraten (analog zu Teufelsbraten für einen Menschen, der so durchtrieben ist, daß er dem Teufel als Braten dienen könnte), Galgenbube, Galgendieb (so diebisch, daß er für den Galgen reif ist), Galgenfrüchtlein, Galgengelichter, Galgengesindel, Galgenschelm, Galgenschwengel (weil er am Galgen wie ein Glockenschwengel baumelt), Galgenstrick (der Strick zum Aufknüpfen wird auf den Menschen übertragen) zustande. Gang und gäbe Gänge ist ein Adjektiv, das sich zu dem althochdeutschen Verb gangan (gehen, schreiten) gebildet hat und schon zu dieser Zeit als genge den Sinn von gebräuchlich hatte. Ebenso ist gäbe (mittelhochdeutsch gaebe für annehmbar, willkommen) Adjektiv zu geben. Heute werden beide Wörter nur noch in dieser formelhaften Verbindung gebraucht.
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Gängelband Das Verb gängeln gehört zu Gang und ist eine Bildung zu dem heute nicht mehr gebräuchlichen Verb gengen (mittelhochdeutsch für gehen machen, losgehen). Das Gängelband ist eigentlich ein Band, an dem ein Kind gehen lernt (Lessing: »Bis an das Gängelband, bis an die Ammenbrust ist, was er litt und tat, ihm alles noch bewußt«). Garaus jemandem den G. machen: Die ursprüngliche Bedeutung von gar (garo) im Althochdeutschen war bereit, fertig; schon im Mittelhochdeutschen bedeutete gar als Adverb gänzlich, völlig, und so hieß es im Frühneuhochdeutschen ganz, völlig, alles, so wie es auch der adverbialen Verwendung in der Gegenwart (ganz, sehr, vollends) entspricht und sich auch in der Wendung »ganz und gar« erhalten hat. Aus dem Frühneuhochdeutschen ist nun schon der garaus überliefert für Untergang, Geläut bei Sonnenauf- und -Untergang, ebenso wie die Redewendungen einem den garaus singen (mit ihm ein Ende machen), ein garaus machen mit jemandem (ihn zugrunde richten). Das Wort bildete sich aus gar in seinen entsprechenden Bedeutungen und aus im Sinne von zu Ende. Der Garaus ist nichts anderes als die Substantivierung des Ausrufes »gar aus!«, unterstützt von dem häufigen Gebrauch von »gar aus« im Sinne von ganz zu Ende, ganz fertig (Luther: »Als sollte der Jüngste Tag ehe daher brechen, denn wir die Heilige Schrift gar aus verdeutschen könnten«). Dieser Ausruf ist besonders überliefert aus Nürnberg und Regensburg, wo zumindest seit Ende des 15. Jahrhunderts mit dem »Garaus«, dem Glockenschlag, der das Ende des Tages ankündigte, die Tore geschlossen werden mußten, aber auch die Wirtschaften, womit sich auch die Assoziation zum endgültigen Austrinken ergab. In der Volkssprache entwickelte sich schon sehr früh die heutige Redewendung im Sinne von jemandem ein Ende machen; so heißt es bei Hans Sachs: »Wenn man die garaußglocken leut, dann muß ichs zalen mit der heut.« Gardinenpredigt Als »Predigt« wurde das vorwurfsvolle Schimpfen von Ehefrauen natürlich schon sehr früh spöttisch-treffend bezeichnet, wie überhaupt
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predigen, entlehnt aus dem kirchenlateinischen predicare (lateinisch praedicare, bekannt machen, ankündigen), neben dem kirchlichen Sinn dann übertragen in der Art eines Predigers etwas vorbringen, ermahnen, schelten bedeutet. Mit Gardine ist der Bettvorhang gemeint, aus dem heraus die Frau ihrem Mann predigt, etwa wenn er zu spät nach Hause kommt. Das plastische Bild wurde auch im Englischen zu dem Ausdruck uartain lecture geprägt. Garn jemandem ins G. gehen, jemanden ins G. locken: da die Netze der Vogelsteller und Fischer aus Garn geflochten sind, steht Garn auch gern allein für dieses Netz. Jemandem ins Garn gehen meint übertragen: in sein Netz gehen, sich von ihm fangen lassen (Schiller: »Ist was ins Garn gelaufen?«). Gau jemandem ins G. gehen: Gau ist die oberdeutsche Form von Gau, mit Ausnahme von geographischen Namen wie Allgäu oder Gäuboden (in Niederbayern) heute in die Mundart abgedrängt. Es hat schon früh den Sinn von Bezirk, Landschaft, Gegend, Gebiet angenommen, und dieser Sinn wurde räumlich reduziert bis auf den Rechtsbereich eines einzelnen Hofes, übertragen bedeutete er dann auch den Wirkungsbereich eines einzelnen Menschen (der Metzger zum Beispiel kaufte das Schlachtvieh früher in - seinem — Gau; vgl. Metzgergang). Jemandem ins Gau gehen meint also, jemandem in dem Bereich, den dieser als seinen eigenen betrachtet, konkurrierend nahetreten, auch einem ins Gehege kommen (s. d.). Gaudi Im Lateinischen bedeutet gaudium Freude, Genuß. Zwar entsprach es auch der Sprache der humanistisch Gebildeten, von einem gaudium zu reden, doch wurde gaudium dabei weiterhin als Fremdwort empfunden. Durch die Kirchensprache drang es indessen auch in die Volkssprache des Oberdeutschen ein und prägte sich in der verkürzten Form als Begriff für ein lustiges, spaßiges, auch derb-lustiges Geschehen aus. Erst in jüngerer Zeit wurde das Wort so auch in die allgemeinere
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Umgangssprache übernommen. Geht man von der Tatsache aus, daß Gaudi im Oberdeutschen schon lang als Femininum gebraucht wurde, ist dieses Geschlecht dem Neutrum vorzuziehen, wiewohl gaudium im Lateinischen Neutrum ist. Gaul einem geschenkten G. schaut man nicht ins Maul: Das Alter und damit den Wert eines Pferdes kann man am besten an den Zähnen erkennen (vgl. jemandem auf den Zahn fühlen). Wenn man einen Gaul geschenkt bekommt, prüft man nicht seinen Wert, und so macht man das mit keinem Geschenk. Gauner Aus dem Frühneuhochdeutschen sind die Wörter jonen (spielen) und joner (Spieler) überliefert, dem Rotwelsch zugehörig, die bald, außerhalb des Rotwelschen, die allgemeinere Bedeutung betrügen, Betrüger annahmen. Die Vermutung dürfte zutreffen, daß dieses jonen auf das jiddische Wort jowen zurückgeht, das Grieche bedeutete; die Griechen waren als betrügerische Spieler bekannt. Geck Das Wort ist niederdeutscher Herkunft; das entsprechende oberdeutsche Wort ist gagg, gaggel, gogg. Seine eigentliche Bedeutung ist Narr (so wie bairisch gacks sein närrisch sein bedeutete). Ende des 14. Jahrhunderts wurden die Hofnarren in Köln und Lüttich gecke genannt; einem ein gecken stechen bedeutete im Frühneuhochdeutschen ihm zum Hohn mit dem Zeigefinger auf die eigene Stirn weisen. Zum Substantiv prägte sich das gleichlautende Adjektiv geck, über den Dialekt hinaus aus dem kölnischen Gebiet als jeck bekannt (Jecken nennen sich die Karnevalsnarren). Gefeit g. gegen etwas sein: Im Mittelhochdeutschen bedeutete feie, fei und feine Fee, zurückgehend auf das vulgärlateinische fata (Schicksalsgöttin), das aus fatua (Weissagerin) entstanden ist. Dazu gehört das Verb
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feinen (nach Art der Feen begaben oder bezaubern, fest machen), das in jüngerer Zeit als feien gebraucht wurde. Davon ist gefeit das Partizip, das heute allein gebräuchlich ist. Gefressen jemanden g. haben: Man sagt von jemandem, den man nicht leiden kann, man könne ihn nicht fressen; er sei so widerlich, daß man ihn nicht einmal wie ein Tier seine Beute fressen könne. An diese Vorstellung lehnt sich wohl die genauso vulgäre Wendung jemanden gefressen haben an, vermutlich mit der Konsequenz, obwohl man ihn eigentlich nicht fressen könne, habe man das doch getan, und nun liege er einem so im Magen, daß man um so mehr spüre, wie wenig ihn man eigentlich fressen könne. Geharnischt s. Harnisch. Gehege jemandem ins G. kommen: Gehege, zu Hag gehörend, ist zunächst eine Einfriedigung, Umzäunung und meint dann auch das eingefriedete Gebiet. Übertragen bedeutet es auch das Gebiet, das jemand als sein eigenes betrachtet, in dem er zu gebieten hat. Kommt man ihm ins Gehege, greift man gleichsam unberechtigt in seine Sachen ein. Geheuer jemandem ist nicht ganz g.: Im Mittelhochdeutschen, wo geheuer die Form gehiure hatte und am häufigsten gebraucht wurde, bedeutete es lieblich, angenehm, nichts Unheimliches an sich habend. In der späteren Sprache verloren sich die meisten Bedeutungen wieder, bis die heute allein übliche Verwendung in der Redewendung übrigblieb. Geheuer geht zurück auf ein indogermanisches kei, dem der Sinn von liegen innewohnt, woraus sich über den Begriff des Lagers die Vorstellung der Heimstätte entwickelte. Germanische Sprachen leiteten davon Adjektive ab, die sich auf die Vertrautheit und Behaglichkeit einer Heimstätte beziehen, so wie sich das in dem mittelhochdeutschen Wort spiegelt.
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Wenn es einem nicht geheuer ist, ist es einem also unheimelig, unheimlich. Daneben findet sich geheuer noch in dem Substantiv Ungeheuer, entsprechend der Bedeutung zahm, die geheuer ebenfalls innewohnte (di thyr geheur unt wild) und die durch die Vorsilbe un verneint wird. Geizhals, Geizkragen Im Mittelhochdeutschen bedeutete giten oder gitesen gierig sein, habgierig sein, geizen; dazu gehörte das Substantiv git(e) für Gierigkeit, Habgier, Geiz (althochdeutsch gitegi stand für Gier der Kehle). Daraus entwickelten sich Geiz und geizen; im Frühneuhochdeutschen meinte geizen noch gierig trachten nach, nichts geben, geizig bedeutete gierig; daneben standen geit für Gier und Habsicht, geiten für gierig sein, geitsack für Geizhals. Ein Rest der ursprünglicheren Bedeutung von Geiz ist heute noch in Ehrgeiz erhalten, das eigentlich Gier nach Ehre bedeutet. Hals als zweiter Teil des Wortes Geizhals weist indessen ebenfalls noch auf die Gier hin, denn eigentlich ist Geizhals, seit dem 16. Jahrhundert belegt, ein gieriger Hals und wurde ursprünglich auch als ein nach Essen und Trinken begieriger Hals verstanden (»Sauf, daß dirs der teufel gesegne, in geitzhals hinein«, heißt es in einem Schwank des 16. Jahrhunderts). Aus der Gier nach Gütern (bei Luther: »alles zu mir gegeitzet und gescharret«) entwickelte sich Geiz dann zu übertriebener Besitzsucht und Sparsamkeit, und Geizhals nahm seinen heutigen Sinn an. Da der Hals auch Kragen genannt wird (es ist sogar die ursprüngliche Bedeutung; erst daran anschließend wurde auch das Kleidungsstück, das den Hals bedeckt, als Kragen bezeichnet), sprach man dann auch von einem Geizkragen. Gelassen Das mittelhochdeutsche Verb gelazen bedeutete sich benehmen, sich niederlassen, anheim geben. Dazu gehörte das Partizip gelazen im Sinne von gottergeben; gemeint ist eigentlich die Welt und sich selbst gelassen und sich Gott gelassen haben. Meister Eckhart (um 1300): »Der mensche, der gelazen hat unde gelazen ist unde nie mer gesiht einen blik uf daz daz er gelazen hat, unde stete unde unbeweget blibet und unwandelliche in ime selber, der mensche ist alleine gelazen.« Vom Begriff der ruhigen Gottergebenheit nahm das Wort dann den Sinn allgemeiner Ruhe des Gemüts an.
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Geld G. stinkt nicht: der römische Kaiser Titus Flavius Vespasianus (69—79), der sich durch eine scharfe Steuerpolitik und große Sparsamkeit auszeichnete, erhob auch auf die öffentlichen Bedürfnisanstalten Steuern. Seinen Kritikern begegnete er damit, daß dieses Geld nicht stinke. In Anlehnung an Vespasian heißen öffentliche Bedürfnisanstalten in Frankreich vespasiennes. Geldschneiderei Das Verb schneiden hat auch die Bedeutung: einen Gewinn erlangen. Es dürfte dabei die Vorstellung zugrunde liegen, daß man das Geld oder den Gewinn gleichsam dem anderen wegschneidet. So sagte man früher auch Finanzen, Almosen schneiden. Demgegenüber dürfte der Vergleich mit dem Beschneiden der (aus Edelmetall gefertigten) Münzen allenfalls sekundär gewirkt haben. Geliefert g, sein: Einen liefern hat auch die ganz konkrete Bedeutung: einen Verbrecher der Obrigkeit oder Justiz übergeben (Schiller: »Man hat tausend Louisd'or geboten, wer den großen Räuber lebendig liefert«). Da der Verbrecher schwere Strafe, häufig auch den Tod zu erwarten hatte, prägte sich die Formel geliefert sein in dem Sinne aus: dem Tod verfallen sein. Im übertragenen Sinn ist dann ein gelieferter Mensch einer, der am Ende ist. Gelt Im ober- und mitteldeutschen Sprachraum wird die Interjektion gelt gern zur Verstärkung einer Behauptung oder Frage gebraucht (in den verschiedensten Dialektfärbungen liegt die Aussprache zwischen gelle und göi). In dieser Verwendung ist gelt seit dem Spätmittelhochdeutschen belegt. So heißt es zum Beispiel in der Züricher Bibel von 1530: »gelt dich habe dein gott vor den löuwenwol mögen beschirmen«. Aber auch noch Annette von Droste-Hülshoff verwendet es: »Und als er just in Schatten die alte Klingel stellt, es kommt ihm wohl zustatten, da
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rauscht es draußen, gelt!« Dieses gelt ist eine konjunktivische Präsensform von gelten, also etwa in dem Sinne: es gelte, gelte es, möge es gelten; sie hat heute meist die Bedeutung von »nicht wahr!«. Gemeinplatz Als lateinisch locus communis wurde der Ausdruck während des Humanismus in der Gelehrtensprache allgemein gebräuchlich. Ursprünglich eine Passage, Stelle, auf die man sich allgemein bezieht, nahm es dann den Sinn einer abgedroschenen Bemerkung, Binsenwahrheit, Plattheit an. Die Übersetzung erfolgte im 18. Jahrhundert ('Wieland: »Es giebt wenige gelehrte Gemeinplätze, wenn uns erlaubt ist, das was man locos communes nennt, durch dieses Wort im Deutschen zu bezeichnen«). Genösse Grundlage des Wortes ist das germanische Substantiv nautaz, das sowohl Vieh wie Eigentum bedeutete (noch im Mittelhochdeutschen als noz für Vieh, Nutzvieh erhalten). Der Genösse ist zunächst also jemand, der zusammen mit anderen etwas besitzt. So war denn wohl auch die ursprüngliche Bedeutung des Verbs genießen mitbesitzen. In dem Substantiv Genossenschaft hat sich der anfängliche Sinn der beiden Wörter am ursprünglichsten erhalten. Im Althochdeutschen haben sich ginoz (ganoz, guenoz, kanoz) und ginozo bereits zu den allgemeineren Bedeutungen von Gefährte, Genösse, Jünger entwickelt; ebenso bedeutet mittelhochdeutsch genoz(e) Genösse, Gefährte. Der ursprüngliche Sinn der gemeinsamen Teilhabe blieb in dem Wort indessen erhalten, auch wenn sie nun von irgendeiner Art sein konnte; sie führte vor allem zu den vielfältigsten Zusammensetzungen wie Eidgenossen, Altersgenossen, Glaubensgenossen, Spielgenossen. Zum politischen Begriff im Sinne der Zugehörigkeit zur gleichen Partei wurde Genösse durch die Arbeiterbewegung, vor allem nach Gründung der sozialdemokratischen Partei. Während in der DDR der Ausdruck Genösse für die Mitglieder der SED verbindlichen Charakter hatte, gab es in der SPD der Bundesrepublik in den fünfziger und sechziger Jahren erhebliche Kontroversen über seine Verwendung. Verschiedene Bestrebungen innerhalb der SPD trachteten auf Abschaffung von Genösse, vor allem mit der Begründung, daß das Wort durch seinen Gebrauch in der kommu-
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nistischen Partei entwertet worden sei. In allerjüngster Zeit hat es sich indessen wieder stärker durchgesetzt. Gerade fünf g. sein lassen: Die Redensart drückt aus, daß man etwas nicht so genau nimmt, daß man durch die Finger sehen will. Fünf ist eine ungerade Zahl; wer sie gerade lassen will, ist gegenüber dem, der dies behauptet, überaus nachsichtig. Die Wendung ist seit dem 16. Jahrhundert belegt und findet sich auch mit anderen ungeraden Zahlen, so im Simplicissimus: »Ich schwiege dem nach also maußstille und ließe immer so hin in allen, was sie nur anfiengen, siebene grad sein«; auch »dreizehn gerade sein lassen« wurde gebraucht. Auch ein Zitat von Wieland drückt noch deutlich aus, daß man an die ungerade Zahl denkt: »Zumal wenn sie wohl verdauten, gut schliefen und keine besondere Ursache hatten, fünf für gerade gelten zu lassen.« Aus der Identifikation mit den fünf Fingern schlich sich dann das Mißverständnis ein, daß die Wendung meine, man lasse aus Trägheit alle Finger ruhen, strecke sie faul weg, um nichts arbeiten zu müssen (deshalb hört man auch alle fünf gerade sein lassen), und die Wendung meint deshalb manchmal stärker ausgeprägt als dem eigentlichen Sinn entsprechend: sich um nichts kümmern. Gerädert sich wie g. fühlen: Wie radebrechen (s. d.) bedeutete auch rädern mit dem Rad hinrichten. Wem die Glieder, etwa nach schlechtem Schlaf, weh tun, der fühlt sich, wie wenn er gerädert worden wäre. Geratewohl aufs G.: Zugrunde liegt dem nur noch in dieser Formel gebrauchten Substantiv der Imperativ »gerate wohl!«, der Wunsch also, etwas möge wohl (gut) geraten. Macht man etwas aufs Geratewohl, verläßt man sich also sehr auf die Kraft dieses Wunsches, ohne noch tätigen Einfluß zu nehmen.
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Gerben jemandem das Fell g.: Gerben bedeutete ursprünglich fertig machen, zubereiten und ist verwandt mit gar. Doch verengte sich die Bedeutung teilweise schon in mittelhochdeutscher Zeit auf die Zubereitung einer tierischen Haut zu Leder, also der heutigen Bedeutung von gerben (mittelhochdeutsch gerwen: gar machen, bereiten, gerben; gerwe: Zubereitung, Zurüstung, Gerberei). Die übertragene Bedeutung prügeln (jemandem das Fell gerben für ihn tüchtig durchprügeln) lehnt sich an das Walken (eigentlich kneten; deshalb sagt man auch: jemanden durchwalken für verprügeln), Klopfen und Kneten des Leders durch den Gerber an; so heißt es auch im gleichen Sinne jemanden ledern. Fell ist ein beliebtes derberes Wort für menschliche Haut. Gerieben ein g.er Bursche: Reiben hat neben anderen Bedeutungen auch sowohl die von drehen, wenden (bairisch Reibe steht für Kurve) wie die von sich feindlich streifen (wovon sich Reiberei ableitet). Mehr aus der ersteren entwickelte sich die Bedeutung durchtrieben, raffiniert; hinzu kam, daß abgerieben (eigentlich abgeschliffen, verfeinert, geglättet) ebenfalls schlau, verschlagen bedeutete, also bei der weiteren Verbreitung des ursprünglich nur oberdeutschen Wortes nur die Vorsilbe ab wegfiel. Die Bedeutung sich feindlich streifen dürfte dann bei der Entwicklung von gerieben mitgewirkt haben (für jemanden, der sich in mancherlei Streitfällen schon bewährt hat). Gerissen ein g.er Bursche: Ausgang der übertragenen Bedeutung von gerissen (dem Partizip von reißen) ist allem Anschein nach die Jägersprache. Ein Tier reißen bedeutet soviel wie es fangen und töten, was hauptsächlich vom Wolf gesagt wird, aber auch von anderem Wild. Danach ist gerissen soviel wie oft angefallen worden sein, doch immer wieder davongekommen sein, übertragen also in vielen kritischen Situationen erprobt, aber mit stark abwertendem Ton gesagt.
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Gerumpel Dem Wort liegt das seit dem Mittelhochdeutschen gebräuchliche Verb rumpeln (auch rummeln, beide für mit Ungestüm, geräuschvoll sich bewegen, fallen, lärmen, poltern) zugrunde. Gerumpel ist also zunächst alter Hausrat, der gleichsam rumpelnd zusammenfällt. Die Kammer, in der das Gerumpel aufbewahrt wird, heißt noch ganz deutlich Rumpelkammer. Gerüttelt g. voll: Wenn man feste Stoffe, wie zum Beispiel Körner (des Getreides), in einen Behälter oder in ein Hohlmaß gibt und dann den Behälter rüttelt, sacken sie noch etwas in sich zusammen (werden die Hohlräume geringer), und es geht mehr hinein; etwas ist dann gerüttelt voll. Geschlagen eine g.e Stunde: Gemeint ist eine volle Stunde bis zum Glockenschlag, an der also auch nicht eine Sekunde fehlt. Noch deutlicher sagte man deshalb früher auch eine ausgeschlagene Stunde (Arndt: »Oft bedurfte es einer vollen ausgeschlagenen Stunde«) oder auch eine Glockenstunde (Fontäne: »Und quäle mich nun schon eine Glockenstunde«), und gleichsam überdeutlich eine geschlagene Glockenstunde. Gesindel Das Wort ist eine Verkleinerungsform von Gesinde und nahm erst im Neuhochdeutschen den abwertenden Charakter an, womit dann auch die alte Bedeutung nicht mehr verstanden wurde. Das mittelhochdeutsche gesinde, auch gesinne, bedeutete Gefolge, Dienerschaft, Kriegsleute, Truppen, Gesellschaft. Es liegt ihm das althochdeutsche Wort sind, mittelhochdeutsch sint zugrunde, das Weg, Gang, Reise, Fahrt bedeutete. Gespenst s. abspenstig, a. machen.
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Gestern nicht von g. sein: In der Bibel (Buch Hiob 8, 8-9) heißt es: »Denn frage die vorigen Geschlechter und merke auf das, was ihre Väter erforscht haben; denn wir sind von gestern her und wissen nichts.« Darauf bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit die Redensart »nicht von gestern sein«, mit der man ausdrücken will, daß man Bescheid weiß. Gesundstoßen sich g.: In der Gaunersprache bedeutet stoßen stehlen, Stoßer ist der Marktdieb. Das dürfte wohl bei der heute einem derben Kaufmannsdeutsch angehörenden und erst in diesem Jahrhundert entstandenen Wendung sich gesundstoßen für reich werden von Einfluß gewesen sein, zumal zumindest darin ein etwas rigoroses Geschäftsgebaren anklingt. Doch war wohl der Ausgang dieser Wendung stoßen im Sinne einer heftigen Bewegung, die auf nichts Rücksicht nimmt, verbunden mit der Vorstellung, daß der wirtschaftliche Gewinn gleichermaßen stoßweise, in einer Folge von Stößen, erfolgt sei. Ghetto Das Wort ist italienisch; über seinen Ursprung gibt es einige Versionen. Sicher ist nur, daß ghetto zu Anfang des 16. Jahrhunderts zum erstenmal in Venedig auftaucht. Das venezianische Judenviertel befand sich zu dieser Zeit in unmittelbarer Nähe einer Eisengießerei, und es wurde ghetto genannt; es wäre demnach möglich, daß dieses Viertel in Venedig schon früher Ghetto geheißen hat, abgeleitet von ghettare für gießen. Eine andere Erklärung ist das hebräische Wort ghet (Scheidung, Absonderung) oder die Ableitung von Aegyptius, was voraussetzen würde, daß man die Juden in Venedig so genannt hätte. Gift auf etwas G. nehmen können: Die zugrunde liegende Vorstellung ist, daß etwas so sicher ist, daß man gleich einem Gottesurteil Gift nehmen könnte, und es würde unwirksam bleiben. Aus dem altdeutschen Recht ist indessen nicht bekannt, daß Gift bei Gottesurteilen verwandt wurde. Die Redensart ist denn auch erst aus dem 19. Jahrhundert literarisch bezeugt, knüpft aber an alte Rechtsvorstellungen an. - 107 -
Gigolo Eigentlich bedeutet das französische (nicht italienische) Wort gigolo Liebhaber einer (Straßen-)Dirne. Es leitet sich nämlich aller Wahrscheinlichkeit von gigolette (Dirne, Straßendirne) ab, ein Wort, das wiederum vermutlich auf gigue (langes Bein, was auf das Hin- und Hergehen der Straßendirnen anspielen könnte) zurückgeht; gigue meint in der derberen Sprache auch mageres flinkes Mädchen. Gigolo wurde dann auch der Eintänzer, der gegen Honorar tanzt, genannt. Gimpel Der Gimpel ist ein Finkenvogel, auch Dompfaff genannt; das Wort leitet sich von dem Verb gumpen (hüpfen, springen) ab. Als hüpfender Vogel läßt er sich leicht einfangen; deshalb nennt man einen tölpelhaften Menschen, der leicht auf andere hereinfällt, Gimpel (Wieland: »Ist gleich die Schlinge zu sichtbar, ein kluges Mädchen zu fangen, so bleibt doch zuweilen daran ein blödes Gimpelchen hangen«). So spricht man auch von Gimpelfang (Gimpelfängerei) für Übertölpelung und nennt einen, der andere wegen ihrer Dummheit hereinlegt, Gimpelfänger. Glauben daran g. müssen: Unter dieser Wendung versteht man im engeren Sinne sterben müssen, im erweiterten etwas Unangenehmes auf sich nehmen müssen. Zugrunde liegt die Vorstellung, daß der Betroffene an die Tatsächlichkeit, Unvermeidlichkeit von etwas glauben müsse, das ihm im höchsten Maße unerwünscht ist, auch wenn er es eigentlich gar nicht glauben kann, daß solches mit ihm geschieht. Glauben wer glaubt, wird selig: In der Bibel (Markusevangelium 16,15-16) stehen die Worte: »Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Kreatur. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden.« Daraus machte der Volksmund die meist ironisch gemeinte Redensart.
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Glocke etwas an die große G. hängen: Das Läuten der Glocken spielte im Volksleben bis in die jüngste Vergangenheit eine größere Rolle als heute (so läuteten die Glocken etwa die verschiedenen Tagesabschnitte ein). Auch im Rechtsleben war die Glocke in vielfachem Gebrauch. An die große Glocke laufen bedeutete freilich schon im 16. Jahrhundert soviel wie sich vergeblich beschweren, was darauf schließen läßt, daß diese Übung eines Klägers, sich zu beschweren, nicht mehr lebendig war (große Glocke ist hier wohl die Glocke, die zum Gericht lädt). Etwas an die große Glocke hängen, meint heute etwas allen bekanntmachen. Es gibt keinen Beleg dafür, daß ein Klagezettel oder etwas Ähnliches direkt an die Glocke gehängt worden wäre. Indessen ist hängen wohl nur als eine Umschreibung anzusehen. Genauso gab es die Wendungen an die Glocke schlagen, kommen, bringen, binden, schreiben. Gemeint ist vermutlich in allen Fällen im übertragenen Sinn: etwas der Glocke anheimzugeben, es mitzuteilen; große Glocke soll nur eine Verstärkung sein, weil eine große Glocke weiter zu hören ist als eine kleinere. Glückspik Zugrunde liegt die Vorstellung, daß jemand so plötzlich vom Glück begünstigt werde wie ein Pilz, der aufschießt. Die ursprüngliche Bedeutung war also die eines Emporkömmlings, und diesen Sinn mit negativem Unterton hatte Glückspilz auch bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Wort ist nicht sonderlich alt, und es ist anzunehmen, daß es unter dem Einfluß des englischen mushroom, das ebenfalls Pilz und Emporkömmling bedeutet, eingeführt wurde. Golf Im Sinne von Meerbusen leitet sich das Wort vom griechischen kolpos (Busen, Meerbusen) ab, das über das lateinische colphus zu italienisch golfo wurde. Der Name des Rasenspiels Golf geht aller Wahrscheinlichkeit auf das schottische gowf für schlagen (ebenso gowf für Schlag mit der offenen Hand) zurück.
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Gordischer Knoten Der römische Historiker Curtius Rufus (1. Jahrhundert n. Chr.) berichtet, daß sich am Wagen des Königs Gordios, des sagenhaften Gründers der Stadt Gordion in Phrygien (heute Yassihüyük), im Jupitertempel von Gordion ein so kompliziert verschlungener, unentwirrbarer Knoten befunden habe, daß ein Orakel demjenigen, der ihn zu lösen vermöge, die Herrschaft über Asien versprach. Alexander der Große habe 334 auf seinem großen Zug nach Asien den Knoten mit dem Schwert durchhauen und dazu gesagt: »Es kommt nicht darauf an, wie er gelöst wird.« So versteht man heute unter einem gordischen Knoten ein eigentlich nicht zu lösendes Problem; seine Lösung gilt nur durch eine Gewaltmaßnahme als möglich. Gottlose der Rest für die G.n: Im 75. Psalm heißt es: »Denn der Herr hat einen Becher in der Hand und mit starkem Wein voll eingeschenkt und schenkt aus demselben; aber die Gottlosen müssen alle trinken und die Hefen aussaufen.« Daraus entwickelte sich die Redensart als Scherzwort, manchmal auch »Den Gottlosen gehört die Hefe« zitiert. Gras das G. wachsen hören: Wer sich als überklug gebärdet, dem wird gern nachgesagt, daß er das Gras wachsen höre (früher gelegentlich auch das Gras wachsen sehen), wozu Sinnesgaben gehörten, die undenkbar sind. Die Redensart kam in frühneuhochdeutscher Zeit auf; zum Beispiel heißt es in Thomas Murners »Narrenbeschwörung« von 1512: »Die weit ist also wol gelert, das sy das graß yetz wachsen hört.« Ein ähnliches drastisches Wort ist die Flöhe husten hören; früher sagte man auch noch: die Spinnen weben hören, die Krebse niesen hören, die Mücken zur Ader lassen können. Gretchenfrage In Goethes »Faust« fragt Gretchen: »Nun sag, wie hast du's mit der Religion?« Stellt man jemandem die Gretchenfrage, fragt man ihn das
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Entscheidende, fragt man ihn nach seinem Gewissen oder seiner Gesinnung. Griesgram Im Althochdeutschen bedeutete griscramon mit den Zähnen knirschen, klappern, griscramod Grimm; ebenso das mittelhochdeutsche grisgram fürZähneknirschen, grisgramen mit den Zähnen knirschen, brummen, knurren. Zugrunde liegt die Wurzel ghri für hart darüber streichen; das althochdeutsche gram bedeutete zornig. Vor allem hielt sich das Verb griesgramen. Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich dann griesgram als Adjektiv zur Bedeutung von mürrisch, Griesgram als Substantiv zu der von mürrischem Menschen entwickelt. Grill Das Wort gelangte erst im 20. Jahrhundert aus dem Englischen, wo es als Verb rösten (grillen), als Substantiv sowohl Bratrost wie auch Röstfleisch bedeutet, ins Deutsche. Es leitet sich vom lateinischen craticulum, craticula (kleines Flechtwerk, kleiner Rost; von cratis, Flechtwerk, Geflecht) ab und wurde im Altfranzösischen zu grail, graiille, woraus das Verb griller (rösten, mit einem Gitter versehen) entstand. Das Englische entnahm das Wort aus dem Französischen. Grips In verschiedenen deutschen Mundarten ist grippen und gripsen verbreitet im Sinne von an sich raffen (auch stehlen). Von gripsen wurde das Substantiv Grips gebildet, um die Fähigkeit raschen geistigen Erfassens zu beschreiben. Grog Der Name dieses Getränks aus Rum, heißem Wasser und Zucker geht auf den britischen Admiral Edward Vernon (1684—1757) zurück. Ver-
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non hatte wegen seines Mantels aus Grogram-Stoff (das ist ein grober Stoff aus Seide und Wolle) bei den Matrosen den Spitznamen Old Grog (alter Grog). Als er den Schiffsbesatzungen die Rumration kürzte und anordnete, daß Rum mit Wasser verdünnt werde, bürgerte sich Grog als Name für dieses Getränk ein. Großkotzig Im Jiddischen bedeutet kozin Reicher. Das Rotwelsche übernahm das Wort als Kotz (Prahler) und versah es auch mit dem verstärkenden Wort groß. Über das Berlinerische gelangte es in die Umgangssprache. Grün jemandem nicht g. sein: Die ursprüngliche Bedeutung von grün war sprossend, zu dem althochdeutschen Verb gruonen (grünen) und dem mittelhochdeutschen Verb grüejen (grünen, wachsen) gehörend; in grünen hat sich dieser Sinn noch annähernd erhalten. Grün hat dabei im spezielleren Sinne die Bedeutungen des Triebkräftigen, Blühenden, aber auch des Unreifen (noch Wachsenden) angenommen. Dazu gehört auch grün im Sinne von günstig (so meinte das altnordische grönn gut, nützlich), ist man jemandem nicht grün, ist man ihm nicht günstig gesonnen. Grundeis ihm geht der Arsch mit G.: Grundeis, eigentlich das Bodeneis eines Gewässers, wird bildlich im Sinne von auftauendem, morschem Eis gebraucht, vermutlich an die Wendung angelehnt, daß das Grundeis geht, womit das Eis endgültig weggeht. Daran knüpft sich die bildliche Verwendung von Grundeis im Sinne von es geht los, beginnt (»Hie gehet Grundteiß, hie rühret König David allen Wust und Gräwel«, heißt es in einer Psalmenübersetzung aus dem Jahre 1608). Daran lehnen sich Wendungen an, bei denen das freigewordene Grundeis sozusagen ein den Menschen bedrängendes Element darstellt. Gebräuchlich waren etwa der Kopf geht mit Grundeis, bei ihm ging es mit Grundeis, ins Grundeis geraten. Im Sinne von in großer Verlegenheit oder Angst sein
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sagte man seit dem 18. Jahrhundert etwa auch ihm geht der Hintere, der Arsch, das Loch, die Buchse mit Grundeis (Friedrich Engels in einem Brief an Marx: »Die Erklärung des alten Justizrats M. wird dem Stieber schon den Hintern mit Grundeis gehen machen«). Gschaftlhuber Das Wort bezeichnet im Oberdeutschen, vor allem im Bairischen, einen Wichtigtuer, einen, der sich in alles hineinmischt und so tut, als ob seine Betätigung oder Mitwirkung unentbehrlich wäre, einen, der sich anderen bei jeder Gelegenheit aufdrängt. Dem Wort liegt das Verb geschäftein (bairisch gschaftln) zugrunde, das eigentlich kleine Geschäfte machen bedeutet, dann aber auch geschäftig sein, sich wichtig machen; ebenso nannte man früher eine lebhafte Person, besonders ein Kind Gschafterl. Die Verbindung mit -huber lag nahe, weil Huber ein überaus häufiger Familienname im Bairischen ist (er leitet sich von Hube ab, der oberdeutschen Form von Hufe, womit sowohl ein in der Größe schwankendes Landmaß wie ein kleinerer Bauernhof von höchstens 15 Hektar Größe gemeint war). Guerilla Das spanische guerra heißt Krieg. Zugrunde liegt das germanische Wort werra, das mit Wirren zusammenhängt (althochdeutsch werra: Ärgernis, Zwietracht, Streit) und nach der Völkerwanderung in den romanischen Sprachen bellum für Krieg ersetzte (französisch guerre). Guerrilla (die häufige deutsche Schreibweise mit einem r ist eine eigentlich überflüssige Angleichung an das deutsche Lautempfinden) ist eine Diminutivform von guerra und bedeutet also kleiner Krieg, Kleinkrieg; es wird im Deutschen (ebenso wie im Englischen) eigentlich falsch gebraucht, wenn man damit den Guerrillakämpfer meint, wie es in der Regel der Fall ist; das richtige spanische Wort ist guerrillero (als Folge des falschen Gebrauchs wurde dann das tautologische Guerrillakrieg gebildet, zu dem sich dann noch überflüssiger der Guerrillakrieger stellte; in der Zeitungssprache der letzten Jahre läßt sich indessen bemerken, daß nun häufig richtig von Guerrilleros die Rede ist). Das Wort Guerilla bürgerte sich in den europäischen Sprachen durch den Kleinkrieg ein, den
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die irregulären spanischen Freiheitskämpfer (die guerrilleros) gegen die napoleonische Herrschaft führten. Gulasch Gulya heißt im Ungarischen Rinderherde, der Rinderhirte gulyäs. Das gepfefferte Fleischgericht, das sich der Hirte im Kessel kocht, nannte man nun nach ihm gulyäs hüs oder auch gulyäs le (Fleisch oder Suppe der Rinderhirten), in verkürzter Sprache wiederum nur gulyäs genannt (die häufig anzutreffende Schreibweise Goulasch ist also völlig unsinnig). Mit gulyäs bezeichnet man in Ungarn aber nur das sogenannte Kesselgulasch oder auch die sogenannte Gulaschsuppe. So kritisiert denn auch ein ungarisches Kochbuch aus den dreißiger Jahren: »Unter der Bezeichnung >Gulyäs< versteht der Ausländer aber etwas ganz anderes, als was dieser Name auf der Speisekarte bedeutet« und führt auf: Gulyäs (eine mit reichlichem Saft, suppig bereitete Speise), Pörkölt (mit dickem Saft), dazu noch Tokäny (ähnlich wie Pörkölt) und Paprikas (mit Rahm). Das deutsche Gulasch ist also in der Regel eigentlich Pörkölt, doch der Name Gulasch wurde schon von den Österreichern des 19. Jahrhunderts mißverstanden eingebürgert. Güte O du meine G.: Güte wird neben Gnade als die hervorstechendste Eigenschaft Gottes betrachtet; vor allem in Gebeten ist viel von der großen Güte Gottes die Rede. Aus Scheu, den Namen Gottes direkt auszusprechen, wurde es üblich, statt o du mein Gott auch o du meine Güte und o du liebe oder große Güte zu sagen. Gütlich sich g. tun: Das Wort erscheint schon im Althochdeutschen als guotlih (gut, gütig, freundlich, herrlich, ehrenvoll, ruhmreich); das mittelhochdeutsche guotlich bedeutete dann gut, gütig, liebreich, freundlich, ruhmvoll, herrlich. Es leitet sich von gut im generellen Sinn von wohlmeinend, geneigt, freundlich ab und wurde von dem Substantiv Güte im Sinne von Wohlwollen, Freundlichkeit, freundliche Handlungsweise beeinflußt. So sagte man in der älteren Sprache auch einem gütlich tun für ihn freundlich behandeln (Grimmeishausen: »Ließ Joseph auch
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nicht unterwegen, seinen Brüdern gütlich zu tun«) und im engeren Sinne für ihn bewirten. Davon hat sich in der Sprache der Gegenwart vor allem sich gütlich tun gehalten mit dem Sinn es sich gut gehen lassen, sich Angenehmes verschaffen. Daneben wird das Adverb noch in Verbindung wie sich gütlich einigen, vertragen gebraucht.
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H Haar kein gutes H. an jemandem lassen: Ausgang ist die Wendung »an ihm ist kein gutes Haar«, er ist nicht das geringste wert, das einzelne Haar ist gleichsam das Nichtigste am Menschen (Goethe: Dem Menschen treu zu sein, an dem kein gutes Haar). Wer jemandem kein (einziges) gutes Haar läßt, macht ihn so schlecht, wie es überhaupt geht. Haar ein H. in etwas finden: Wiewohl es der Betroffene als wenig appetitlich ansehen mag, wenn er in der Speise ein Haar findet, wird mit der Redensart doch ausgedrückt, daß jemand, der in etwas ein Haar findet, sich an der winzigsten Kleinigkeit stoße. Im Simplicissimus findet sich die Stelle: »Ein Spehvogel rufte Simplicissimus auch herzu und sagte, weil er auch in einem Ei ein Haar finden könte (was schlechterdings eine Unmöglichkeit ist), so solle er sagen, was dieser Tafel mangele, oder worin der Maler gefehlet hätte.« Haar etwas an den H. herbeiziehen: Gemeint ist, daß eine Sache, ein Argument so wenig paßt, daß es sich selber sträubt und nicht anders beizubringen ist, als daß man es wie einen widerspenstigen Menschen oder ein widerspenstiges Tier an den Haaren herbeizieht. Haar H.e auf den Zähnen haben: Ausgang ist aller Wahrscheinlichkeit nach die alte Vorstellung, daß ein starker Haarwuchs beim Mann an Kopf und Bart als Zeichen der Kraft gilt. So bedeutete denn Haare auf den Zähnen haben früher auch, ein starker, ganzer Mann sein (weil sich
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selbst dort Haare befinden, wo sie normalerweise nicht wachsen); im gleichen Sinne: Haare auf der Zunge haben. Die Vorstellung der Stärke wandelte sich in die des Schwierigseins, der Aggressivität, und als der ursprüngliche Sinn dem Sprachbewußtsein entschwunden war, konnte die Redewendung um so leichter auf eine Frau wegen ihrer zänkischen Angriffslust übertragen werden. Die gleiche Vorstellung und Entwicklung liegt auch dem manchmal gebrauchten Ausdruck »ein haariger Mensch, Kerl« zugrunde; wobei haarig auch hier früher im Sinne einer gewissen Tüchtigkeit gebraucht wurde. Haarig eine h.e Sache: Starker Haarwuchs galt als ein Zeichen der Kraft und Männlichkeit, so daß etwa ein haariger Kerl für ein tüchtiger Kerl stand. Von da übertrug sich haarig in die Vorstellung des Ungewöhnlichen (haarig schwer für ungewöhnlich schwer) und in die des Heftigen (es geht haarig her für es geht heftig oder ungestüm her) und schließlich in die des Kritischen (eine haarige Situation oder Sache ist eine kritische, das heißt nicht leicht zu bewältigende Sache oder eine Situation mit Ungewissem Ausgang). Haarspalterei Das Haar wird wegen seiner Dünne in der Sprache gern als Vergleich gebraucht, um Winzigkeit oder Unbedeutendheit auszudrücken. So bedeutet etwa um ein Haar um ein ganz geringes, einander aufs Haar gleichen sich bis ins kleinste ähnlich sein. Wegen seiner Dünne ist es auch mit normalen Mitteln unmöglich, ein Haar der Länge nach zu teilen; wer sich um so eine winzige Kleinigkeit noch auseinandersetzt, betreibt Haarspalterei. Hafer ihn sticht der H.: Ein Pferd, das reichlich mit Hafer (ebenso gutes Schriftdeutsch ist die Form Haber) gefüttert wird, wird temperamentvoll und unbändig; der Hafer sticht (kitzelt, reizt) es gleichsam und reizt es zu erwünschten Kraftanstrengungen wie zu unerwünschten Ausschlägen; auf die zweite Wirkung bezieht sich die Redewendung.
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Haftelmacher aufpassen wie ein H.: Haftel (so die oberdeutsche Form), Haftel oder Heftel nannte man die kleinen Haken und Ösen, mit denen ein Kleidungsstück zusammengehalten wurde. Sie waren meist aus Draht hergestellt und so klein, daß ihre Herstellung, als dies noch in Handarbeit geschah, große Aufmerksamkeit beanspruchte. Hagestolz Das Wort ist im Althochdeutschen als hagustalt und hagastalt überliefert; der erste Teil des Wortes ist das heutige Hag, auf den zweiten weist das gotische Verb staldan (besitzen) hin. Im Mittelhochdeutschen findet sich das Wort als hagestalt, aber auch schon als hagestolz, und es bezeichnete einen Unverheirateten, der noch keinen eigenen Hausstand gegründet hat, auch einen unverheirateten Menschen überhaupt ohne Rücksicht auf das Geschlecht. Der ursprünglichen Bedeutung von Hagbesitzer liegt das alte deutsche Recht zugrunde, daß nur der erstgeborene Sohn das Haupterbe erhält, die Nachgeborenen indessen ein Nebengut ohne die Hofgerechtsame, das heißt einen Hag erhalten (Hag bedeutete zunächst einen Zaun zur Abgrenzung eines Eigentums, dann aber auch diesen Besitz selber, ein Bauerngut, ohne aber je auf ein Hauptgut, einen Herrensitz angewandt zu werden; auch Hag im Sinne eines Gesträuchs, Geheges, Gehölzes gehört hierher). Durch diese Art der Erbvergabe waren die jüngeren Erben in einem gewissen Abhängigkeitsverhältnis zum ältesten und in der Gründung eines eigenen Hausstandes behindert. So konnte sich Hagestolz rasch für einen Unverheirateten einbürgern, wobei man freilich nicht übersehen darf, daß -stolz nichts mit dem Stolz, Stolzsein zu tun hat; natürlich erhielt durch diese Verwechslung das Wort seinen eigenen heutigen Klang. Hahn H. im Korb: Ähnlich wie das Wort Korb, das vermutlich aus dem Lateinischen (corbis, Korb) entlehnt wurde und als ursprüngliche Bedeutung Geflochtenes meint, für das Vogelbauer stand (Vogelkorb), wurde auch die korbartige Umzäunung, in der man die Hühner hielt, Korb (Hühnerkorb) genannt; »hunerkorb, darein die hüner legend«, ein Wort, das freilich heute nicht mehr in Gebrauch ist. Am ehesten ist unter Korb
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wohl die Umzäunung oder das Flechtwerk zu verstehen, in die die Hühner nachts eingesperrt wurden. Die den Menschen als Bevorzugung erscheinende Stellung des Hahns inmitten einer Schar von Hennen wurde im Volksmund als Beliebtheit gedeutet. Schon in indischen Mythen erschien der Hahn als Begünstigter von Liebschaften; bei den Vermählungsfesten der alten Römer bezeichnete er den Bräutigam. Aus solcher bevorzugter Stellung entwickelte sich die Redensart Hahn im Korb sein, das heißt in einer Gruppe von weiblichen Wesen der Mann zu sein, dem die meisten Sympathien gelten, dann auch übertragen auf die Bevorzugung eines einzelnen in einer Gesellschaft überhaupt. Hahn danach kräht kein H.: Der Hahn kräht auf dem Hühnerhof bei jeder Gelegenheit; eine Sache, nach der kein Hahn kräht, ist also völlig bedeutungslos und nicht einmal des Aufsehens eines Hahnes wert. Halbwelt Der Titel des 1855 erschienenen Lustspiels »Le Demi-Monde« von Alexandre Dumas d. J. wurde ins Deutsche als Halbwelt übersetzt, was es auch wörtlich heißt. Seither wurde im Französischen wie im Deutschen der Begriff zur Bezeichnung für anrüchige, aber elegant auftretende Frauen. Dumas meinte jedoch, er habe damit nur die Klasse der Deklassierten gemeint; »alle Frauen, die ihre Wurzeln in der regulären Gesellschaft gehabt haben und deren Fehltritt zur Entschuldigung die Liebe hat, nur die Liebe. Diese Welt beginnt, wo die legale Ehefrau aufhört, und endet, wo die käufliche Frau beginnt.« Hals sich (oder einem anderen) jemanden vom Hals schaffen: Ausgang der Wendung ist, daß einem der Gegner - wie an die Gurgel - an den Hals will; er »geht einem an den Hals, will einem zu Halse«. Das Bild wird noch intensiviert durch die Hunde, die das Wild am Hals packen (»auf den Hals hetzen«). Schafft man sich jemanden vom Hals, befreit man sich aus einer bedrängenden Situation.
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Hals H. über Kopf: Der Redewendung, die früher auch in anderen ähnlichen Formen gebraucht wurde (über Hals über Kopf, über Hals und Kopf; im 16. Jahrhundert findet sich auch die Wendung über ars und köpf bürzelen), liegt die Vorstellung zugrunde, daß etwas so eilig getan wird, daß gleichsam die Körperteile des Ausführenden übereinanderstürzen. Halunke Im Tschechischen bedeutet holy nackt, kahl, arm, holomek soviel wie nackter Bettler, Nichtswürdiger. Seit dem 16. Jahrhundert ist das Wort in verschiedenen Schreibweisen im Deutschen nachgewiesen, wie etwa hollunck, helunke, holunke, holanke. Bei Lessing und Schiller heißt es noch Holunke; seit dem 16. Jahrhundert tauchen aber auch schon die Variationen Halluck, Hallunck, Halunke auf. Da das Wort auf der zweiten Silbe betont wird, konnte die Verwechslung von o zu a leicht erfolgen. Anfänglich hatte es auch den Sinn von niederen Bediensteten. Hammelsprung Im parlamentarischen Leben ist es Sitte, bei strittigen Mehrheitsverhältnissen dergestalt abzustimmen, daß alle Stimmberechtigten den Sitzungssaal verlassen und ihn dann durch eine von drei Türen wieder betreten: entweder durch die Tür für die Jastimmen oder durch die für Neinstimmen oder durch die für Enthaltungen; dabei werden sie gezählt. Diesen Vorgang nennt man Hammelsprung. Im alten Berliner Reichstag befand sich ein Bild, auf dem ein Schäfer die durch seine Beine laufenden Schafe zählt. Diese sinnbildliche Darstellung der Stimmenzählung dürfte den Ausdruck inspiriert haben; außerdem wurde schon der Abstimmungsplatz auf dem Marsplatz im alten Rom Schafhürde (ovile) genannt. Hammer einen H. haben: In der vulgären Umgangssprache bedeutet die Redensart soviel wie verrückt sein. Sie beruht ebenso wie der das gleiche bedeutende Ausdruck bekloppt sein auf der Vorstellung, der Betreffende
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habe einen Schlag mit dem Hammer auf den Kopf bekommen und sei davon so benommen, daß er wie ein Verrückter wirke. Hand um jemandes Hand anhalten: Das Ergreifen der Hand eines anderen symbolisiert die Vereinigung (das ist auch der ureigentliche Sinn des Händeschüttelns bei der Begrüßung), das Einigsein, und so wird sie auch zum äußeren Zeichen beim Abschluß eines Bündnisses gegeben. Das Verlöbnis und die Verheiratung werden als Bündnis, Bund aufgefaßt; hält man um die Hand eines Weibes an, bittet man sie, mit einem dieses Bündnis einzugehen, ebenso: jemandem die Hand geben, ihre (seine) Hand ist noch frei. Hand von der H. in den Mund leben: Eigentlicher Sinn ist, was die Hand zustande gebracht, geschaffen, erzeugt hat, wird sogleich vom Mund wieder aufgebraucht, die Hand müsse gleichsam sofort das Verdiente zum Mund führen. Hand etwas von langer H. vorbereiten: Die Hand dient, ähnlich wie auch Arm, Fuß oder Haar, als volkstümliche Maßangabe, und zwar nicht nur für die naheliegenden Raummaße (eine Handvoll, eine Handbreit), sondern auch als Zeitmaß. Das geläufigste Beispiel dafür ist »im Handumdrehen«, also in einer so kurzen Zeit, wie man sie braucht, um die Hand umzudrehen. So entstand auch die formelhafte Verbindung kurzerhand (gleichsam mit sehr kurzer Hand, ohne Umstände zu tun) und der Gegensatz dazu: langer Hand (weniger adverbial abgeschliffen und deshalb nicht zusammengeschrieben). Hand öffentliche H.: Der Begriff meint Staat und Gemeinden in ihrer Eigenschaft als Verwalter des Gemeineigentums und wirtschaftliche Unternehmer. Die Hand ist in vielfältiger Hinsicht und in vielen Redewendungen und formelhaften Ausdrücken Symbol des Besitzes und der
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Gewalt über eine Sache. Ausgangspunkt ist die Hand, die etwas hält, zunächst wörtlich, dann übertragen, so daß die Hand an oder auf etwas legen auch die Besitzergreifung symbolisiert; schon im Mittelhochdeutschen hatte Hand diesen Sinn, wie sie auch schon den Besitzer selber meinte (lebende hant: eine Person, die Eigentum veräußert), und das Mittelhochdeutsche verwandte auch schon die Begriffe obere, höchste Hand als Bezeichnung der obersten Gewalt. Der Begriff öffentliche Hand ist dagegen ziemlich jung; er setzte erst ein republikanisches Denken voraus, das die Staatsgewalt und den Staat als »Öffentlichkeit« verstand. So ist öffentlich in diesem Sinne eine Übertragung des lateinischen publicus (zum Volke, dem Volke, dem Staat gehörig, wie es auch in Republik enthalten ist: res publica, öffentliche Sache, Staat, GemeinHand jemandes rechte H. sein: Da der überwiegende Teil der Menschen rechtshänderisch veranlagt ist, entwickelte sich die Vorstellung, daß die rechte Hand die geschicktere, kräftigere, brauchbarere ist, über die physiologische Tatsache hinaus; so wurde sie auch die schöne, bessere genannt. Hand steht oft als Begriff stellvertretend für den Menschen, und so wird jemand, der einem in enger Verbindung dauernd assistiert, gleichsam mit der eigenen rechten Hand verglichen. Hand unter der H.: So wie man (das liegt) auf der Hand sagt, weil das, was auf der Hand dargeboten wird, von jedermann gesehen werden darf, zur allseitigen Kenntnis dient, gilt das, was unter der Hand gehalten wird, im Gegensatz dazu als verborgen. Dabei behielt der Ausdruck zum einen den Sinn des heimlichen, auch nicht ganz legalen Tuns, zum ändern entwickelte er sich über die Vorstellung »ohne Aufsehen« zur Bedeutung »etwas nebenher tun«, ohne die ganze Aufmerksamkeit darauf zu konzentrieren. Hand und Fuß eine Sache hat H. und F.: Die formelartige Wendung geht von der Vorstellung aus, daß ein Körper nur dann vollkommen, intakt, funktions-
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fähig ist, wenn er alle Gliedmaßen besitzt. So wurde sie in älterer Sprache auch meist in der Mehrzahl gebraucht; bei Schiller heißt es: »Der Brief hat Hand' und Fuß'.« Und eine Quelle aus dem 16. Jahrhundert erklärt: »Ein gerader, ungestümmelter Leib hat sein Art an Händen und Füßen. Also brauchen wir diß Wort, es hat Hand und Fuß, was er thut und redt, das ist, es ist rechtschaffen, es hat einen Bestand, es ist wol gestalt und wol gethon.« Handgemein h. werden: Das Wort handgemein bedeutet eigentlich die Hände vereinigt haben; so war es durchaus möglich, das Wort auch im Sinne einer Vereinigung und nicht einer Auseinandersetzung zu gebrauchen (Theodor Gottlieb Hippel: »Wehe dem Jüngling, der mit einer Dirne handgemein wird, wenn er nicht herzgemein mit ihr zu werden in den Umständen ist«; zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts). Diese Verwendung war freilich selten; in der Regel versteht man unter handgemein einen mit den Händen ausgetragenen Streit, eine Rauferei oder einen Kampf (Schiller: »Sie werden handgemein, die Degen blitzen«). Handwerk jemandem das H. legen: Der Verstoß gegen die strengen Zunftordnungen der Handwerker wurde früher häufig mit dem Ausschluß aus der Zunft geahndet. Das kam vielfach einem Berufsverbot gleich; man nannte dies das Handwerk legen, so wie man heute stillegen sagt. So heißt es in einer Leipziger Ordnung von 1701: »Soll niemand kein Kalb herein schlachten, es habe dann 24 Pfund, was drunter ist, soll ihnen genommen, derjenige auch gestraffet oder ihm das Handwerk geleget werden.« Hanebüchen Die ältere Form des Wortes ist hagebüchen, hagenbüchen (die sich im Bairischen als hagelbüchen erhalten hat), das Adjektiv zu Hagebuche, Hagenbuche (Weißbuche, carpinus betulus) ist. Vor allem im Mitteldeutschen wurde Hagebuche zu Hahnebuche, Hahnbuche, Hainbuche, auch Hanbuche. Das harte, knorrige Holz bot sich zum Vergleich an für einen derben, groben Menschen, dann auch mit der weiteren Bedeu-
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tung von simpel, primitiv, einfältig, Eigenschaften, wie man sie von einem groben Menschen erwartet. Hansdampf H. in allen Gassen: s. Hanswurst. Hänseln Im Mittelhochdeutschen bedeutete hanse eine kaufmännische Gesellschaft oder Vereinigung mit bestimmten richterlichen Befugnissen; im Althochdeutschen hatte hansa den Sinn von Kriegerschar, zurückgehend auf ein germanisches hanso für Schar. Hanse wurde dabei nicht nur auf die bekannten Genossenschaften der norddeutschen Hansestädte angewandt, sondern fand sich auch in Süddeutschland. Zu hanse bildete sich nun das Verb hansen, hänsen, hänseln, das ursprünglich bedeutete: jemanden feierlich unter gewissen Gebräuchen in die hanse aufnehmen. Da die Aufnahmezeremonien vielfach humorvoll ausgeschmückt waren und der Kandidat dabei gefoppt, zum besten gehalten wurde, nahm hänseln den heute alleinigen Sinn an. Hanswurst Der aus Johannes gekürzte Vorname Hans wurde ebenso wie Hinz, Kunz oder Grete schon früh wegen seines häufigen Gebrauchs auch allgemein als Anrede oder Bezeichnung für einen Menschen verwandt. Einen großen Hans etwa nannte man im 16. und 17. Jahrhundert einen reichen, angesehenen Mann; großer Hans, kleiner Hans bezeichnete bei den Landsknechten die höhere oder niedere Stellung im Heer; Hans hat aber daneben und in späterer Zeit immer häufiger auch einen mehr oder minder abwertenden Sinn (Gaffhans für Schwätzer, Schmalhans für Hungerleider, Prahlhans für Angeber u. ä.). So wird Hans seit dem 15. Jahrhundert auch als Synonym für Dummkopf, Narr gebraucht (darauf beruht auch die Redensart: wenn das nicht stimmt, so will ich Hans heißen). In dieser Bedeutung wurde Hans dann mit allerlei treffenden Nachnamen zusammengesetzt, zunächst meist nicht zusammengeschrieben: Hans Äff, Hans Dampf (heute noch zur Charakterisierung eines Menschen, der überall dabeisein will, aber nichts oder nur wertlosen Dampf beizusteuern hat, als Hansdampf und verstärkt als
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Hansdampf in allen Gassen häufig gebraucht), Hans Dumm, Hans Liederlich, Hans Nimmersatt, Hans Trapp ins Mus, Hans Tölpel und schließlich Hans Wurst. Der älteste Beleg für Hanswurst (Hans worst) stammt aus dem Jahre 1519. Der Name will einen Menschen charakterisieren, der so dick wie eine Wurst und also unbeholfen ist. Noch im 16. Jahrhundert tritt der Hanswurst als Narr im Lustspiel auf. Hantieren Das Wort hat heute in den Dialekten und in der Umgangssprache eine beträchtliche Bedeutungsverengung durchgemacht und in der Hauptsache nur noch Bedeutungen, die sich in mehr oder weniger übertragenem Sinn mit Hand in Verbindung bringen lassen, von handhaben bis zu Begriffen wie umtreiben. Daran ist indessen ein Mißverständnis schuld, denn Ausgangspunkt war das altfranzösische Verbum hanter, das häufig aufsuchen, auch hausen und wohnen bedeutete (heute: oft besuchen). Der Ursprung von hanter ist ungeklärt, läßt sich aber wohl mit einem germanischen Stammwort in Verbindung bringen (etwa dem angelsächsischen hamettan, beherbergen). Hanter gelangte zunächst in das Mittelniederländische (hanteeren heißt heute noch im Niederländischen hantieren oder handhaben) und wurde dann vom Deutschen aufgenommen, wo es zunächst handeln, kaufen, verkehren, ein Gewerbe treiben bedeutete. Happig Das ursprünglich niederdeutsche, zu Happen gehörende Wort bedeutet eigentlich begierig zugreifend, gefräßig, gierig (sei nicht so happig: sei nicht so gierig). Von hier fand dann über die Vorstellung des Begierigseins und deshalb des ungebührlichen Verlangens die Übertragung zu happig im Sinne von übertrieben hoch (happige Preise), derb oder ungewöhnlich stark (happig mit einem verfahren) statt. Harke jemandem zeigen, was eine H. ist: Harke ist die hauptsächlich norddeutsche Bezeichnung für das in Süd- und Mitteldeutschland Rechen genannte Garten- und landwirtschaftliche Gerät. Mit der Redewendung will man ausdrücken, daß man jemandem eine an sich völlig ein-
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fache Sache klarmachen will, denn in der früher überwiegend ländlichen Bevölkerung war eine Harke etwas jedermann Bekanntes. So sagt man in Holstein auch von jemandem, der sich in der Heimat, zu Hause wie ein Fremder gebärdet, he kennt de Hark nig, er kennt die Harke nicht (er tut so, als ob er das Selbstverständliche nicht kenne). Harnisch jemanden in H. bringen: Harnisch (das Wort wurde im Mittelhochdeutschen aus dem Französischen übernommen) nannte man im weiteren Sinne die gesamte Kriegsrüstung eines Mannes, im engeren seine gepanzerte Kleidung (so gab es den Bein- und den Brustharnisch). Bringt man jemanden in Harnisch, will man sagen, daß man ihn so aufgebracht hat, daß er seine Rüstung anlegt und den Streit mit Waffen austragen will; ebenso sagt man in Harnisch geraten. Das Partizip geharnischt (eine geharnischte Rede, also eine kriegerische, angriffslustige, militante Rede) gehört zu dem ausgestorbenen Verb hämischen für sich rüsten. Hartnäckig Das Wort bedeutet mit einem harten Nacken ausgestattet und steht deshalb für unnachgiebig, eigensinnig, unbeugsam; die Formen -nackig und -nackig (krummnackig) stehen nebeneinander, wozu früher noch -näckicht kam. Haschisch Das Wort ist arabisch und bedeutet eigentlich Gras, Kraut. Haschisch, das schon in alter Zeit in China bekannt war, kam um 800 v. Chr. nach Indien, verbreitete sich von da über den ganzen Orient, und die Pflanze, aus der es produziert wird, der indische Hanf, wurde von den Arabern einfach Kraut genannt. Im 16. Jahrhundert gelangte das Wort mit dem Produkt nach Europa. Im letzten Jahrzehnt wurde es im Jargon der Haschischkonsumenten zu Hasch abgekürzt (daneben ist mindestens ein Dutzend anderer, zum Teil verschleiernder Wörter in Gebrauch, wie Cannabis, Pot, Tee, Stoff etc.). Von Hasch leiteten sich das Substantiv Hascher (Haschischkonsument) und haschen (Haschisch zu sich nehmen) ab.
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Hase wissen, wie der H. läuft: Wenn der Hase gejagt wird, wechselt er oft unvermutet die Richtung, indem er Haken schlägt, und ist nicht so leicht zu erwischen. Weiß jemand, wie der Hase läuft, kennt er von allen möglichen Wendungen, die eine Sache nehmen könnte, die zutreffende, ist also sehr erfahren. Hase hier liegt der H. im Pfeffer: Der Hase im Pfeffer ist das, worauf es ankommt, und das ist bei einem Gericht das Fleisch, in diesem Fall das Hasenfleisch, das aber in so viel Sauce liegt, daß man es gleichsam gar nicht so leicht findet (wohl weil die Hausfrau sparen will). Pfeffer war, seit er im Mittelalter in Europa bekannt wurde, das beliebteste Gewürz und erlangte deshalb auch eine allgemeinere Bedeutung für Gewürz überhaupt, so daß man Saucen oder Brühen, zu deren Bereitung Pfeffer verwandt wurde, auch Pfeffer nannte, wenn noch andere Gewürze dabei waren. »Der pfeffer«, so heißt es in einem alten Rezept, »wird gemacht uß zymet, ymber, neglin, pfefferkörnli, dieselben specerei allesamt werden under einander gestoßen, vermüschet und geschüt, und würt ein würtz daruß.« So heißen entsprechende Gerichte denn auch Hasenpfeffer, Gänsepfeffer, Schweinepfeffer. Hase mein Name ist Hase, ich weiß von nichts: Die Redensart geht auf einen Vorfall in Heidelberger Studentenkreisen zurück, in den ein Student namens Viktor Hase verwickelt war. Die Geschichte wurde von seinem Bruder so erzählt: »Ende des vorigen Semesters 1854/55 hatte mein Bruder einem fremden Studenten einen Dienst erwiesen. Dieser hatte das Unglück gehabt, im Duell einen anderen zu erschießen, war auf der Flucht nach Heidelberg gekommen, von wo er in Straßburg über die französische Grenze wollte. Dieser Student wandte sich an Viktor um Zuflucht und Hilfe. Nun war jeder Mißbrauch der Studentenlegitimationskarte streng verboten, aber das ließ sich nicht verbieten, die Karte zu verlieren. Viktor verlor sie, jener fand sie, kam glücklich über die Grenze und ließ die Karte wieder fallen. Sie wurde gefunden und als verdächtig dem Universitätsgericht übersandt. Zur Untersuchung ge-
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zogen, äußerte sich der junge Jurist sofort: >Mein Name ist Hase, ich verneine die Generalfragen, ich weiß von nichts!<« Der etwas verkürzte Ausspruch machte in Studentenkreisen sehr rasch die Runde und drang in die allgemeine Umgangssprache ein. Hasenfuß Die Angst des Hasen, dessen einzige »Waffe« die schnelle Flucht ist, ist sprichwörtlich (vgl. Hasenpanier). Deshalb nennt man jemanden, der aus Furchtsamkeit sogleich bereit ist, schnellfüßig die Flucht zu ergreifen, Hasenfuß. Hasenpanier das H. ergreifen: Panier (auch Banner) nennt man scherzhaft den Schwanz des Hasen, den das Tier bei der Flucht in die Höhe reckt. Da der Hase als sehr leicht zu erschreckendes Tier immer sofort die Flucht ergreift, lag der Vergleich mit einem furchtsamen Menschen nahe. Bei Opitz heißt es: »So nimmt ein feiger Mensch gar leichthin das Panier, das auch ein Hase sucht.« Hasenrein Die Jäger nennen einen Hund, der vollkommen auf die Hasenjagd abgerichtet ist, »der die Hasen fest steht, aber nicht ohne besondere Aufforderung an ihnen jagt«, hasenrein. Hasenrein ist also eigentlich ein Mensch oder eine Sache ohne Makel; der Gebrauch des Wortes findet meist in Anlehnung an lupenrein (so rein, daß man auch mit der Lupe nichts Makelhaftes findet) statt. Haube unter die H. kommen, bringen: Die Haube war jahrhundertelang der Kopfschmuck der verheirateten Frau im Gegensatz zum ledigen Mädchen, das das Haar offen trug.
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Haubitze voll wie eine H.: Die Haubitze ist ein gedrungener grober Geschütztyp, der zwischen der Kanone und dem Mörser liegt und mit dem sowohl Granaten wie Kartätschen verschossen werden können. Das Wort wurde während der Hussitenkriege in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts aus dem Tschechischen übernommen, wo houfnice hölzerne Steinschleuder bedeutete. Die Redewendung spielt auf die grobe massive Ladung des Geschützes an; ein Betrunkener ist gleichsam mit Alkohol so stark geladen wie eine Haubitze. Haufen etwas über den H. werfen: Dem Begriff Haufen wohnt u. a. die Vorstellung einer ungeordnet zusammengeschichteten Menge inne, die wie zufällig daliegt. Wenn man etwas über den (einen) Haufen wirft, wirft man es gleichsam zu dem schon sinnlos Daliegenden dazu, wirft man es so, daß es selber einen Haufen bildet; man trennt sich von ihm, weil man nichts mehr damit zu tun haben will. Vor allem mundartlich verbreitet ist auch die Wendung jemanden über den Haufen werfen; damit ist gemeint, man werfe ihn so über einen Haufen, daß er stolpert und umfällt und dann gleichsam ebenso ungeordnet auf dem Haufen liegt oder daß er selber einen Haufen bildet, nachdem er gefallen ist. Hausmannskost Das mittelhochdeutsche husman bedeutete sowohl Hausherr als auch Hausbewohner, Mietsmann, Burgwart (der Hausherr hieß auch husmeister), im Frühneuhochdeutschen konnte hausman dann auch Bauer bedeuten; heute hat das Wort allein kaum noch eine Bedeutung (bei Schiller steht noch: »Ich habe Langes und Breites von einer sogenannten Blutliebe schwatzen gehört, das einem ordentlichen Hausmann den Kopf heiß machen könnte«). An Hausmann im Sinne von Hausvater (und wohl auch Hausbewohner) knüpfte im 16. Jahrhundert die Wortbildung Hausmannskost an, eine Kost, wie sie ein Hausvater gewöhnlich für sich und die Hausbewohner zubereiten läßt oder wie sie Hausbewohner gewöhnlich zu sich nehmen.
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Haussegen der H. hängt schief: Mit Haussegen meint man einen frommen Spruch, der sich auf das Glück der Hausbewohner bezieht und der entweder in den Türbalken geschnitten ist oder gerahmt an der Wand hängt. Ist Unfrieden im Hause, wird er gleichsam aus seiner ordentlichen Lage gebracht, vielleicht durch einen handgreiflichen Streit, und hängt schief. Häuschen aus dem H. sein: Zwar ist es möglich, an ein Häuschen zu denken, in das Tobsüchtige gesperrt werden (solche Tobhäuschen oder Narrenhäusel gab es früher; in der Zimmerischen Chronik aus dem 16. Jahrhundert heißt es zum Beispiel: »Damit namen sie den gueten glaser und mit im in das narenheusle, so uf dem platz stat und mit eisen ist vergettert«), aber zumindest ergänzend spielte wohl bei der Entstehung dieser Redensart die Vorstellung des Leibes als eines Hauses (einer Behausung) des Geistes eine Rolle. Wenn der Verstand diesem Gehäuse entkommt, benimmt sich der Mensch verrückt oder übermütig. Man sagte früher auch aus dem Haus sein; Goethe verwendet beide Formen an einer Stelle: »Warum bis du gleich äußern Haus, warum gleich aus dem Häuschen.« Hecht wie der H. im Karpfenteich: Der Hecht ist der gefürchtetste Raubfisch unter den europäischen Süßwasserfischen. Es ist seit alters üblich, in einen Karpfenteich einige kleinere Hechte, die den Karpfen zwar nicht unmittelbar gefährlich werden, sie aber dennoch in Unruhe halten und dadurch zu ihrem Gedeihen beitragen sollen, einzusetzen. Benimmt sich jemand wie der Hecht im Karpfenteich, sorgte er also eigentlich für Unruhe; gleichzeitig wird mit dieser sprichwörtlichen Redensart aber auch das räuberische Wesen charakterisiert (Jean Paul: »So trifft meine Bemerkung hier ein, daß ein guter Filou immer der motivierende Hecht wird, der den frommen Karpfensatz der Stillen im Teiche zum Schwimmen bringt«).
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Hecht toller H.: Der sehr schnell und geschickt schwimmende Raubfisch, in allen europäischen Süßwassern beheimatet, diente schon früh zum Vergleich für einen Menschen, der sich ähnlich räuberisch verhält (Megenberg: »Bei dem hecht versten ich all wüetreich, die arm laut frezzent und auch ir aigen mag und freunt verderbent«); später nahm das Wort im gemilderten Sinn die allgemeinere Bedeutung Kerl, Bursche mit losem Charakter an. Hefe die H. des Volkes: Hefe dient einerseits als Gärungsmittel (so hat sie auch ihren Namen, der mit heben verwandt ist), andererseits tritt sie vielfach als Bodensatz von Flüssigkeiten auf, den man als ungenießbar betrachtet. An diese zweite Vorstellung von Hefe knüpft der abwertende Begriff Hefe des Volkes an. Er wurde schon von Cicero gebraucht, der sowohl von der faex civitatis (Hefe des Volkes) wie von der Faex urbis (Hefe der Stadt) sprach. Jean Paul: »Jetzt leider scheint man in beiden Städten das Faß des Staats, weil der obere Bierhahn sauers Gesöff herausließ, unten einen Zoll hoch über der Hefe des Pöbels angezapft zu haben.« Heft das H. in der Hand haben, das H. ergreifen, das H. nicht aus der Hand lassen: Gemeint ist der Griff einer Waffe, des Schwertes oder Dolches. Wer es (fest) in der Hand hat und so in der Lage ist, jederzeit zu kämpfen, besitzt auch die entsprechende Macht; wer es ergreift, greift nach der Macht etc. Das Bild findet sich noch deutlicher etwa in einem Zitat aus dem 16. Jahrhundert: »Als zwei junge Leuthlein mit einander Hochzeit gehalten hetten, begäbe sichs nach Außgang der Flitterwochen, daß die Fraw das Schwerdt bei dem Heft zu fassen sich beflisse«. Uhland: »Behalt das Messerheft in deiner Hand! Du bist der recht natürlich Herr übers württembergisch Land.« Ebenso bei Schiller: »Jetzt sind wir noch beisammen im Land, wir habens Heft noch in der Hand.« Genauso kann man jemandem das Heft, das heißt die Macht in die Hand spielen (Lohenstein: »Hieraus entspannen sich die innerlichen Kriege, welche dem Kaiser Julius das Heft allein in die Hand spielten«).
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Hehl aus einer Sache kein H. machen: Das Wort Hehl, das in verschiedenen Formen früher gebräuchlicher war (heute findet es sich nur noch in Hehler, verhehlen, unverhohlen), geht auf ein indogermanisches kel zurück, das den Sinn von verhüllen, bergen, verbergen, schützen hatte. Althochdeutschhala (Verbergen), mittelhochdeutsch haele (Verheimlichung) und frühneuhochdeutsch hei (Geheimhaltung, Verschweigen; dazu etwas hei haben, mit einem Bekenntnis zurückhalten) gingen dem heutigen Hehl voraus. Heidenangst Heidengeld etc: Mit den Heiden verband sich die Assoziation des Unzivilisierten, Wilden und damit des Schrecklichen und Fürchterlichen. So wie nun etwa Wörter, die eigentlich etwas Unmäßiges oder Schreckliches bedeuten, gern zur Intensivierung oder Steigerung verwendet werden (etwa: fürchterlich viel Geld, Mordsangst), bot sich Heiden bei dieser Vorstellung förmlich ebenfalls als verstärkendes Wort an. Heimgeigen jemandem h.: Die Wendung spielt auf die wohl auch heute noch nicht ganz ausgestorbene Sitte an, daß sich jemand nach einem heiteren Beisammensein, einem Gelage oder ähnlichem von der Musik nach Hause begleiten und sich dabei noch einmal aufspielen läßt. Jemandem heimgeigen meint heute jemanden mit Gewalt, Prügeln und dergleichen verjagen; das Bild dreht also die ursprüngliche Sitte ins Ironische (vgl. heimleuchten, jemandem h.). Heimleuchten jemandem h.: Als es noch keine oder nur eine sehr schlechte Straßenbeleuchtung gab und zudem die Wege miserabel waren, gebot es die Höflichkeit, daß man seinen Gast noch ein Stück mit einer Lampe begleitete, man leuchtete ihm heim. Ähnlich wie bei jemandem heimgeigen (s. d.) wurde die Wendung ins Ironische verkehrt und meint, daß man jemanden mit Gewalt vertreibt.
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Heimzahlen jemandem etwas h.: Die Verbindung heimzahlen ist nicht vor dem 19. Jahrhundert belegt und bedeutete zunächst auch ganz konkret zurückzahlen. So heißt es in einem Lexikon von 1835: »Oft sind mit den Staatspapieren Lotterien verbunden, um die Zinsen oder auch die Heimzahlungen danach zu bestimmen.« Heute versteht man unter heimzahlen nur noch vergelten im Sinne der Rache; etwas wird gleichsam wieder dorthin zurückgezahlt, von wo es gekommen ist. Heinzelmännchen Heinzel ist eine Verkleinerungsform von Heinz, das bereits Koseform des Vornamens Heinrich ist. Als überaus häufiger Vorname wurde Heinz auch im allgemeineren Sinn für Bauer, Knecht, gewöhnlicher Mann gebraucht (deshalb Hinz und Kunz); so bei Uhland: »Merk, Baur! Du bist ein grober Heinz.« Den Hausgeist oder Kobold nannte man analog dazu nun ebenfalls Heinzel und Heinzelmann oder Heinzelmännchen, belegt seit dem 16. Jahrhundert, und der Volksglaube nahm an, daß diese Hausgeister über Nacht die Arbeit für die Menschen verrichteten. August Kopisch (1799-1853) hat das sehr hübsch in seinem Gedicht über die Heinzelmännchen von Köln dargestellt: »Wie war zu Köln es doch vordem mit Heinzelmännchen so bequem! Denn, war man faul, man legte sich hin auf die Bank und pflegte sich: Da kamen bei Nacht, ehe man's gedacht, die Männlein und schwärmten und klappten und lärmten . . . Und eh ein Faulpelz noch erwacht, war all sein Tagewerk bereits gemacht.« Heinz diente auch sonst noch als Name für mancherlei Geräte, die die Arbeit erleichtern; so nannte man im Bergbau eine Wasserhebemaschine Heinz (auch Heinzenkunst), fauler Heinz war ein sparsam brennender Ofen, wie ihn Chemiker und Apotheker verwandten, Stiefelheinz der Stiefelzieher, Heuheinz ein Holzgerüst zum Heutrocknen. Heißer Draht Mit diesem sehr plastischen Begriff bezeichnet man die Fernschreibverbindung zwischen dem Amtssitz des amerikanischen Präsidenten und dem des sowjetischen Ministerpräsidenten. Der Gedanke an eine solche Direktverbindung, mit der es möglich gemacht wurde, daß die Regie-
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renden der beiden mächtigsten Staaten der Welt innerhalb von Minutenfrist miteinander konferieren können, kam nach der Kuba-Krise im Herbst 1962 auf und wurde durch das Abkommen vom 20. Juni 1963 in die Tat umgesetzt. Zugrunde lag die Überlegung, daß in einer äußerst kritischen Situation zwischen den beiden einander mißtrauenden Weltmächten gleichsam durch einen Irrtum ein Krieg ausgelöst werden könnte, der aber durch eine sofort herstellbare Verbindung vermieden werden könne. Heißer Draht lehnt sich an die Vorstellung einer gleichsam heißen Situation und an den Begriff des heißen Krieges im Gegensatz zum kalten Krieg (s. d.) an. Heller keinen roten H. wert sein: Der Heller war eine Münze, die zunächst, seit 1208, in der Reichsstadt Schwäbisch-Hall geprägt wurde. Sie hieß auch ursprünglich Haller, später Häller und schließlich Heller und war nur von kleinem Wert (in Österreich war der Heller bis 1924 die kleinste Münzeinheit). Schon früh weisen manche Redensarten auf diese Tatsache hin (eins hellers wert nit lassen; wir achten sein trawen nicht eins heilers wert). Die Geringwertigkeit wird noch durch das Attribut rot unterstrichen, womit das im Vergleich zu edleren Metallen minderwertige Kupfer gemeint ist, aus dem er hergestellt ist. Herausnehmen sich viel h.: Die Redewendung besagt heute, daß sich jemand Freiheiten erlaubt, auf die er eigentlich keinen rechten Anspruch hat. Zugrunde liegt aber aller Wahrscheinlichkeit nach ein ganz konkreter Vorgang: Bis in unser Jahrhundert herein war es bei den einfachen Leuten, vor allem den Bauern, Sitte, daß das warme Essen in einer großen Schüssel auf den Tisch kam, aus der dann jeder gleich mit dem Löffel oder der Gabel aß, ohne sich die Speisen erst auf einen eigenen Teller vorzulegen. Man kann sich denken, daß es da manchen kleinen Strauß um den besten oder größten Bissen gab und daß es vor allem auch eine Frage war, wie rasch einer essen konnte, wenn er möglichst viel haben wollte. Es wird nicht immer ganz gerecht zugegangen sein. Gelang es einem, mehr zu erlangen, als ihm zustand, dann nahm er sich viel heraus.
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Herhalten für etwas h. müssen: Zugrunde liegt die konkrete Vorstellung, einen Körperteil zum Vollzug einer Strafe darbieten zu müssen, im schärfsten Sinne den Kopf zur Erleidung der Todesstrafe (den Kopf herhalten müssen). Aus dem formelhaften Gebrauch fand dann die Übertragung im Sinne von leiden müssen, Unbill, Spott, Schimpf ertragen müssen statt, wobei meist gemeint ist, daß der eine für andere zur Rechenschaft gezogen wird. Herkulesarbeit Herkules (Hercules) ist der lateinische Name des Herakles, eines Sohnes des Zeus und der Alkmene, den Zeus rühmt, er sei gewaltiger als alle Männer. Ihm rühmt die griechische Mythologie vor allem zwölf Taten nach, die zum erstenmal bei Euripides zusammengestellt sind: die Erwürgung des mit einem unverwundbaren Fell ausgestatteten nemeischen Löwen; die Vernichtung der neunköpfigen Schlange Hydra (s. d.); das Einfangen der mit einem goldenen Geweih versehenen Hirschkuh auf dem Berg Keryneia; die Tötung oder Vertreibung der menschenfressenden Vögel am See Stymphalos; die Gefangennahme des erymanthischen Ebers; die Reinigung des Augiasstalles (s. d.); die Gefangennahme des rasenden kretischen Stiers; die Gefangennahme der menschenfressenden Rosse des thrakischen Königs Diomedes; die Erringung des Gürtels der Amazonenkönigin Hippolyte; die Gewinnung der Rinderherden des Geryoneus auf dem Zug nach Erytheia (Epirus oder Spanien); die Erringung der goldenen Äpfel der Hesperiden, die der Drache Ladon bewacht; die Überwältigung von Kerberos, dem Hund der Unterwelt. Dazu gesellten sich weitere Abenteuer, die mit den ersteren in Zusammenhang stehen. So galt Herakles den Griechen als beliebtester Heros und Urbild männlicher Kraft; seine Taten, »Arbeiten«, allen voran die Reinigung des Augiasstalles, wurden sprichwörtlich für eine normalerweise nicht zu bewältigende, unmenschlich schwere Arbeit. Hermetisch Wenn man zum Ausdruck bringen will, daß etwas überaus fest verschlossen oder abgeriegelt ist, fehlt meist das Adverb hermetisch nicht.
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Es gehp-zuriick auf Hermes Trismegistos, den griechischen Namen für den ägyptischen Gott Thoth; Hermes Trismegistos (wörtlich »dreimal größter Hermes«) oder Thoth galt als Gott der Schrift und der Zahlen und Bücher. Er soll ein Siegel geschaffen haben, mit dem man eine Glasröhre luftdicht verschließen konnte (sigillum Hermetis). Die spätantike ägyptisch-griechische Geheimlehre von Thoth-Hermes fand Niederschlag in der Alchemie; seit dem 16. Jahrhundert gebrauchte man so das Wort hermetisch. Herz ein H. und eine Seele sein: Die Redensart, die volle Einmütigkeit ausdrückt, lehnt sich an eine in der Apostelgeschichte (4, 32) zitierte Stelle an, wo es heißt: »Die Menge aber der Gläubigen war ein Herz und eine Seele; auch keiner sagte von seinen Gütern, daß sie sein wären, sondern es war ihnen alles gemein.« Herz jemanden auf H. und Nieren prüfen: In noch viel größerem Maße als die Leber und die Nieren gilt das Herz als Sitz der vielfältigsten Gefühle und Gemütsbewegungen, aber auch des Verstandes, der Meinung und der Gesinnung. In Verbindung mit Nieren (vgl. auch Nieren, das geht einem an die N.n) findet sich Herz in diesem Sinne mehrere Male in der Bibel: »Prüfe mich, Herr, und versuche mich; läutere meine Nieren und mein Herz« (Psalter 26, 2); »Aber du, Herr Zebaoth, du gerechter Richter, der du Nieren und Herzen prüfst« (Jeremia 11, 20); »Und alle Gemeinden sollen anerkennen, daß ich es bin, der die Nieren und Herzen erforscht« (Offenbarung 2, 23); »Denn du, gerechter Gott, prüfest Herzen und Nieren« (Psalter 7, 10). An diesen biblischen Gebrauch lehnte sich dann die allgemeiner gebrauchte Redewendung an. Herzhaft Das Herz gilt als der Sitz des Mutes und der Tatkraft. Davon leitete sich herzhaft (ebenso wie beherzt) im Sinne von mutig, entschlossen ab (Wieland: »Herzhaft, gnädiger Herr! Ein feiges Herz freit keine schöne Frau«; in der Amadis-Übersetzung ist von einem herzhaften Ritter die Rede). Diese Bedeutung entwickelte sich weiter zu tüchtig, entschieden,
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ordentlich, so daß man etwa auch von einem herzhaften (das heißt tüchtigen) Schluck sprechen kann. Heu Geld wie H.: Wiewohl Heu ein wertvolles Winterfutter ist, mißt man ihm wegen seiner Selbstverständlichkeit keinen großen Wert bei, jeder Bauer hat es; Geld wie Heu haben würde danach besagen, daß jemand viel Geld so selbstverständlich hat wie der Bauer Heu. Mehr zur Übertragung von Heu im Sinne einer großen Menge dürfte indessen beigetragen haben, daß Heu eigentlich immer nur in beträchtlichen Mengen erscheint, auf der Wiese zusammengerecht als Haufen, auf dem Heufuhrwerk oder im Heustadel. Heulen und Zähneklappern Die Verbindung der beiden Wörter, um äußerste Bangigkeit auszudrücken, geht auf die Bibel zurück, wo sie sich mehrere Male findet, so im Matthäusevangelium: »Viele werden kommen vom Morgen und vom Abend und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen; aber die Kinder des Reichs werden ausgestoßen in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappen« (8, 11-12). Luther sagte -klappen und nicht -klappern; letzteres ist indessen heute die geläufigere Form und meint ja auch das gleiche. High Seit Anfang der sechziger Jahre ist das englische Adjektiv high, das verwandt mit dem deutschen hoch ist und auch fröhlich, lustig, munter, fidel (analog zum deutschen hochgestimmt) bedeutet, in die deutsche Umgangssprache im Sinne von bester Stimmung, ausgelassen, beschwingt sein eingedrungen, wenn es auch den Charakter eines Jargonwortes hat. Ausgangspunkt war die amerikanische Slangbedeutung betrunken, berauscht (auch von Drogen). Im speziellen Sinn bezeichnen Rauschgiftsüchtige ihren euphorischen Zustand mit high; das war auch der Ausgang für den Gebrauch im Deutschen.
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Himmel im siebenten H.: Die Vorstellung, daß es mehrere Himmel gebe, bildete sich im Altertum heraus und hielt sich durch das Mittelalter, bis sie durch die Erkenntnisse der Astronomie, vor allem durch das kopernikanische System zerstört wurde. So dachte man sich den Himmel als eine glockenförmige Wölbung über der Erde, aus der sich die Idee von mehreren, meist sieben Himmeln entwickelte; im siebenten Himmel, der obersten Stufe, befinde sich Gott mit den Engeln. Zum Teil ist diese palästinische Auffassung auch in der Bibel zu finden, wenn Paulus im 2. Korintherbrief (12, 2) schreibt: ». . . ward derselbe entzückt bis in den dritten Himmel.« Auch Dante übernahm dieses Himmelssystem und stellt es in seiner »Göttlichen Komödie« als zehn Himmelskreise dar. Ebenso übernahm der Koran die Idee von sieben Himmeln. Sprichwörtlich als Beschreibung höchster Glückseligkeit hat sich der Ausdruck bis heute erhalten. Hin h. sein: Hin, das eigentlich die Richtung von einem nahen zu einem entfernten Punkt bezeichnet, hat in Erweiterung dieser Vorstellung auch den Sinn von fort, weg. Von da aus nahm es dann auch die Bedeutung fort im Sinne von verloren an. So sagt man von Sachen, die kaputt- oder verlorengegangen sind, sie sind hin, und in der derben Sprache auch von einem Menschen, er ist hin, wenn er zugrunde gegangen, gestorben ist. Ganz hin sein im Sinne von sich physisch oder psychisch schlecht fühlen ist eine bildliche Erweiterung der Vorstellung des Kaputtgegangenseins oder auch des Sterbens. Hinterhand in der H. sitzen: Die Wendung stammt aus dem Kartenspiel. In der Hinterhand sitzt jener Spieler, der zuletzt ausspielen muß und der deshalb seine Berechnungen gegebenenfalls nach den schon ausgespielten und auf dem Tisch liegenden Karten richten kann, was meist einen Vorteil bedeutet. Mit der Hinterhand von Tieren hat der Ausdruck nichts zu tun; der letzte Ausspieler ist gleichsam der hintere, und Hand wird künftig stellvertretend für einen Menschen in einer bestimmten Funktion gesagt, wobei hier noch hinzukommen mag, daß man die Karten
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in der Hand hat. Bismarck meinte einmal: »Es ist außerordentlich bequem, die Regierung immer sozusagen herauskommen zu lassen, sich in die Hinterhand setzen und alles anzugreifen«; der Vergleich mit dem Cartenspiel ist hier ziemlich deutlich. Hintertreffen ins H. geraten: Das Substantiv Treffen bedeutet auch einen militärischen Zusammenstoß, Kampf. Vermutlich aus Wendungen wie »im Treffen sein« entwickelte sich das Wort weiter und meinte dann auch die einzelnen Teile eines kämpfenden Heeres. Hintertreffen nannte man Jen hinteren Teil des Heeres während der Schlacht. Ins Hintertreffen geraten bedeutet also zunächst, während des Kampfes hintangesetzt zu verden. So heißt es noch bei Bürger: »Mir geziemt es nicht, im Hinterreffen zu kämpfen, noch viel minder zu zittern.« Hinz und Kunz Hinz ist die Kurzform des Vornamens Heinrich, Kunz die von Konrad (mittelhochdeutsch Kuonrat). Die beiden Namen waren so häufig, daß sie allgemeineren Charakter annahmen wie etwa auch Hans (vgl. lanswurst). Bereits um 1300 findet man sie miteinander verknüpft und formelhaft für beliebige Leute stehend, so bei Eckhart: »Da endarf (braucht) man weder Kuonrat noch Heinrich gedenken« (also noch in der vollen Form). Im Alsfelder Passionsspiel von 1501 heißt es: »Wer da betreden wird in disem kreiß, er si Heinz adder Conz adder wie er heiß.« Manchmal nahm die Formel auch den Sinn von hoch und niedrig an, wobei Hinz der Höhergestellte ist. Doch in der Regel wird jedernann, gemeines Volk damit gemeint; im 16. und 17. Jahrhundert stehen die beiden auch als Namen von Dienern: »Die Herren sagen oft »lauft Kunz weg (aus dem Dienst), so kompt Heinz wieder.« Und so bedeutet heute die Formel Hinz und Kunz noch jedermann mit spürbarem äezug auf die etwas abwertend gemeinte Volksmasse. Hiobsbotschaft Im Alten Testament wird im Buch Hiob von »einem Mann im Lande Jz« namens Hiob berichtet, der gottesfürchtig, wohlhabend und »herrlicher denn alle, die gegen Morgen wohnten«, war. Der Satan
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wollte seine Frömmigkeit auf die Probe stellen, und der Herr ging darauf ein: »Alles, was er hat, sei in deiner Hand; nur an ihn selbst lege deine Hand nicht.« Von dieser Stunde an empfing Hiob lauter schlechte Nachrichten: seine Knechte wurden erschlagen, sein Vieh geraubt oder verbrannt, seine Kinder ums Leben gebracht (Hiob l, 14—19). Davon leitet sich das Wort Hiobsbotschaft ab, und da heute Post nicht mehr unmittelbar den Begriff der Nachricht ausdrückt, wird es meist durch Botschaft ersetzt. Hippie Das Wort ist erst 1965 entstanden und sogleich ins Gespräch gekommen, als sich in San Francisco Beatniks (eine amerikanische Protestbewegung der sechziger Jahre mit ausgeprägter Verachtung für Tradition und Leistungsgesellschaft) so nannten. Es stößt indessen auf einige Schwierigkeiten der Erklärung; vermutlich liegt das daran, daß sich mit dem neuen Wort mehrere Begriffe verbinden lassen und der Anteil nicht feststellbar ist. Nahe dürfte das Adjektiv hippish kommen, das schwermütig, melancholisch bedeutet, was sich mit der sanftmütigen Art der Hippies, die Liebe, Frieden und Bedürfnislosigkeit als Ideale ansehen, in Einklang bringen ließe. Dazu passen würde aber auch hip als Ausruf (hip hip hurrah, englisch wie deutsch), denn auch ein gewisses Hochgefühl liegt den Hippies. Möglich, daß auch hipster (Klassemann, Eingeweihter im Slang) mitgewirkt hat. Und schließlich darf wohl nicht die beeinflussende Wirkung von happy glücklich) unterschätzt werden, denn das Bemühen, in der Loslösung aus gesellschaftlichen Bindungen das eigentliche Glück zu finden, ist in der Bewegung stark ausgeprägt. Hirnrissig Das Gehirn eines solchen Menschen hat gleichsam Risse, so daß er nicht mehr korrekt denken kann und deshalb auf die absurdesten Ideen kommt. Hit Das Wort hit bedeutet im Englischen neben Schlag, Stoß auch Treffer, Glücksfall, Zufall, Erfolg und auf dem künstlerischen Gebiet, vor allem im Bereich der Unterhaltung, Schlager (s. d.). Indogermanische Wurzel
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des Wortes istkeid (fallen); das angelsächsische hittan bedeutete bereits ebenso wie das altnordische hitta treffen, finden, stoßen, kommen auf. In den fünfziger Jahren wurde es im Sinne von Schlager, neuester Musikerfolg mit der auf diesem Gebiet führenden amerikanischen Unterhaltungs- und Tanzmusik ins Deutsche übernommen und drängte das Wort Schlager zurück. Hobby In den letzten Jahrzehnten ersetzte das englische Hobby das deutsche Steckenpferd mehr und mehr. Die Herkunft von hobby ist unsicher. Vermutlich leitet es sich von Hob, einer familiären Form von Rob, ab, das wiederum Abkürzung des Namens Robin, Robert ist. Hobby-horse heißt im Englischen Stecken-, Schaukelpferd; die verkürzte Form hobby ist heute allgemein für Steckenpferd im Sinne von Liebhaberei üblich (vgl. Steckenpferd). Hoch etwas h. und heilig versprechen: Hoch in bezug auf den hohen Wert einer Sache findet sich in vielerlei Ausdrücken auch im übertragenen Sinn, so etwa in den Ausdrücken einen hohen Eid schwören, einen hohen Schwur leisten, gleichsam als Intensivierung des Eides. Analog dazu bildete sich etwas hoch versprechen heraus, das durch den beschwörerisch-religiösen Begriff heilig, der zusätzlich noch eine Alliteration abgibt, verstärkt wird. Hochstapler Stapeln bedeutet in verschiedenen deutschen Mundarten gehen und hängt vermutlich mit stapfen zusammen (mit stapeln im Sinne von aufhäufen, einen Stapel errichten hat es nichts zu tun). So heißt es zum Beispiel bei Seume: »Ich stapelte immer rasch den Sandberg hinauf.« Daneben hatte stapeln, stappeln auch den Sinn von bettelnd umherziehen, vermutlich im Zusammenhang mit der Bedeutung wiederholt hinund hergehen. Im Rotwelsch wurden diese Wörter in den verschiedensten Varianten gebraucht: stabein (betteln), abstapeln (häufig aufsuchen, heimsuchen), Stabeier, Stappier (Bettler) u. a. Die Vorsilbe hochwar ursprünglich vielleicht nur eine Verstärkungssilbe (unverbesserli- 141 -
eher Bettler), deutete aber sicher sehr rasch die »Vornehmheit« dieses Betteins an. Da der Bettler gern vorgibt, aus besseren Verhältnissen zu stammen, und dabei auch mit betrügerischen Mitteln vorgeht, entwikkelte sich die heutige Bedeutung von Hochstapler. Hof jemandem den H. machen: Das Wort Hof, zunächst ein eingefriedeter, von Wirtschaftsgebäuden umgebener Platz, nahm neben der Bedeutung Bauerngut, Bauernhof, Landgut, auch städtische Gebäude mit ausgedehnten Wirtschaftsräumlichkeiten und Besitzung eines Grundherrn früh den Sinn Residenz eines Fürsten an. Übertragen wurde das Wort dann auch auf die ständig an einem (fürstlichen) Hof befindlichen Personen und schließlich auf den »Hofhalt« eines Fürsten und die Gesamtheit der dazugehörigen Personen. So war die Ausgangsbedeutung der Redewendung: Hof dienste verrichten, ein Amt als Hofmann gegenüber dem Fürsten ausüben. Wenn man jemandem den Hof macht, dient man ihm gleichsam wie einem Fürsten. Holzweg auf dem H. sein: In den Wald (der auch Holz heißt) werden primitive Wege geschlagen, um die gefällten Bäume abtransportieren zu können. So ein »Holzweg« verbindet in aller Regel nicht zwei Orte miteinander, sondern hört irgendwo mitten im Wald auf; wer ihn beschreitet, gelangt also eigentlich nirgendwo hin, befindet sich sozusagen in einer Sackgasse, ist auf dem falschen Weg. Der Vergleich war schon im Mittelhochdeutschen gebräuchlich: »Daran sich manger verschriet, der einen holzwec geriet.« Homerisches Gelächter In Homers Werk ist an mehreren Stellen die Rede von »unauslöschlichem Gelächter der seligen Götter«. Danach nennt man ein schallendes, unaufhörliches Lachen homerisches Gelächter.
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Hopfen an ihm ist H. und Malz verloren: Zwar gab es schon bei römischen Schriftstellern den Spruch oleum et operam perdidi (Ich habe das Öl und die Mühe verloren), doch mag diese Wendung allenfalls gelehrte Humanisten an eine Ähnlichkeit mit dem Zitat vom verlorenen Hopfen und Malz erinnert haben. Der Spruch dürfte sich vielmehr mit Sicherheit unmittelbar aus dem Bierbrauen (wo Hopfen und Malz die wichtigsten Bestandteile sind, zu denen nur noch Wasser und Hefe kommen) entwickelt haben, und zwar zu einer Zeit, da Bier vielfach für den eigenen Hausgebrauch ohne die technischen Hilfen von heute hergestellt wurde. Wurde das Bier sauer, waren Hopfen und Malz vergebens verbraucht, verloren. So ist etwa im Allgäu der Spruch erhalten geblieben: »Am sauren Bier ist Hopfen und Malz verloren.« Von solchen Formulierungen fand dann die Übertragung auf einen Menschen, der zu nichts nütze ist, statt. Auf die reiche Verwendung des Spruches deutet etwa ein Breslauer Zitat aus dem Jahre 1722 hin, in dem es heißt: »Ist einer ohne Scheu ein Bruder Lüderlich, der in der Schmauserey allein nur hält den Strich, so spricht man: An ihm ist Hopp als Schmalz vertorben«. Schmalz ist natürlich nur eine Entstellung. Hopsgehen Die Interjektion hops und das Verb hopsen drücken eine springende, hüpfende Bewegung aus, ebenso wie hopp und hoppen (so heißt der Frosch in manchen Mundarten Hopper, Hopzger). Auf der Vorstellung, daß etwas mit einem Sprung aufhüpft oder weghüpft, beruht das derbe Verb hopsgehen für sterben und auch für bankrott sein; hops sein für tot sein, bankrott sein: Ein Mensch oder eine Sache ist gleichsam mit einem Hops weg. Hornberger Schießen ausgehen wie das H.S.: Es gibt mehrere Geschichten über die Entstehung des Ausdrucks, der besagen will, daß aus einer Sache, die mit viel Getön angekündigt worden ist, nichts wird, daß sie erfolglos ausgeht. Alle werden mit dem Ort Hornberg im Schwarzwald in Verbindung gebracht. Nach der einen hatte der Herzog von Schwaben seinen Besuch angekündigt; die Hornberger übten das Böllerschießen so sehr, daß sie
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kein Pulver mehr hatten, als der hohe Herr wirklich kam. Nach der anderen verwechselten die Hornberger Späher, die den Herzog ausmachen und ankündigen sollten, immer wieder ein anderes Fahrzeug mit dem herzoglichen Geleit, so daß dauernd vergebens Salut geschossen wurde und ebenfalls kein Pulver mehr vorhanden war, als es wirklich Grund zum Schießen gegeben hätte. Nach einer dritten veranstalteten die Hornberger ein Preisschießen, machten viel Aufwand und luden viele Gäste ein, mußten dann aber, als das Fest begann, feststellen, daß sie vergessen hatten, Pulver zu besorgen. Und nach einer vierten gab es Krieg zwischen Hornberg und Villingen; die Hornberger schössen dabei so schlecht, daß sie sich ergeben mußten. Diese letzte Geschichte hat den Vorzug, daß sie in Heinrich Hugs »Villinger Chronik« (1495-1533) belegt ist, jedoch ist auch in diesem Falle nicht erwiesen, ob die Redensart darauf zurückgeht. Denkbar wäre jede der vier Möglichkeiten, auch wenn es sich nur um eine fiktive Erzählung, die den Hornbergern ihr Versagen nur unterstellte, handelte. Hühnchen mit jemandem ein H. zu rupfen haben: Das Rupfen eines geschlachteten Huhns, das heißt die Federn aus dem Körper zu reißen, bevor man es kochen kann, ist eine etwas mühselige, aber auch sehr intensive Tätigkeit. Wenn man mit jemandem ein Hühnchen zu rupfen hat, verrichtet man mit ihm gleichsam eine derart mühevolle, einem nicht gefallende Tätigkeit; hinzu mag die Herausforderung treten, dann werde man schon sehen, wer dabei mehr zu Rande kommt. Gegen die Vermutung, daß dabei das Verb rupfen im Sinne von jemanden rupfen (jemanden tadeln, schelten, hernehmen) im Vordergrund stehe, spricht die andere Form: ein Hühnchen mit jemandem pflücken. Übrigens sagt man im Englischen im gleichen Sinn tq have a bone to pick with a person, wörtlich: Mit jemandem einen Knochen abzunagen haben. Dieser Wendung liegt die gleiche Vorstellung zugrunde, mit jenamden eine nicht sehr angenehme, mühevolle Tätigkeit auszuüben haben, die trotz gegenseitiger Abneigung gemeinsam zu geschehen hat, so wie man eben auch einen Streitfall auszustehen, auszutragen hat.
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Hülle und Fülle in H. u. F. leben: Die alte Bedeutung von Hülle ist ein den Körper schützendes Stück Zeug als Kleidung oder nur als Decke, Obergewand; Fülle meinte neben dem schon immer vorhandenen Begriff der Reichhaltigkeit unter anderem auch die Nahrung (mit der der Mensch sich füllt). In der reimenden Verbindung Hülle und Fülle bedeuteten dann beide Begriffe zunächst lange Zeit das zum Leben Notwendige, also keineswegs den Überfluß, der heute damit ausgedrückt wird. »Er keinen Lohn verdient hatte, denn Hülle und Fülle« heißt es bei Luther oder: »Wir sollen uns genügen lassen, wenn wir Hülle und Fülle haben.« Bis ins 18. Jahrhundert konnte der Ausdruck so verstanden werden. Im 17. Jahrhundert aber begann der Begriff schon sich umzukehren; der Ausgang ist, daß man Fülle mehr und mehr nur noch als Überfluß, reichliche Menge verstand, von der gereimten Formel aber nicht abgehen wollte. Humor Nach der antiken und mittelalterlichen Naturauffassung wird die Wesensart, das Temperament eines Menschen von verschiedenen Säften im Körper bestimmt; sie wurden humores genannt (lateinisch humor oderumor: Feuchtigkeit, Flüssigkeit, Wasser und Saft). Mit Choleriker, Melancholiker, Phlegmatiker und Sanguiniker charakterisierte man, wie das auch heute noch geläufig ist, die vier verschiedenen Menschentypen nach ihrer Grundwesensart; in dieser Beziehung sprach man früher von den »vier humoren«. Daraus entwickelte sich Humor allgemein für Stimmung, Laune. Noch bei Goethe ist von gutem, üblem und schlimmem Humor die Rede. Das heute übliche nur noch positive Verständnis von Humor prägte sich zuerst in England auf literarischem Gebiet aus. Hund auf den H. kommen: Die Sprache hat sich des Hundes als des ältesten Haustiers für vielerlei Redewendungen und Vergleiche bemächtigt. Einerseits werden seine vielen positiven Eigenschaften hervorgehoben, andererseits ist es ein überaus beliebtes Wort, um Verächtliches, Wertloses oder Schimpf auszudrücken, und zum dritten charakterisiert
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Hund in vielen Zusammensetzungen eine mühselige Anstrengung. Die Verächtlichkeit des Hundes führte dazu, daß er zur Steigerung einer Strafe mit Verurteilten in Verbindung gebracht wurde; so wurden Verbrecher etwa oft zwischen zwei Hunde gehängt. Die Redewendung »auf den Hund kommen, gekommen sein« dürfte aller Vermutung nach mit dem sogenannten Hundstragen zusammenhängen, das heißt, ein Delinquent mußte auf seinem Rücken einen Hund tragen, womit die ganze Verachtung, die ihm die Gesellschaft entgegenbrachte, zum Ausdruck kommen sollte. Daß der Hund zugleich als sehr armseliges Geschöpf aufgefaßt wurde (wohl wegen seiner starken Abhängigkeit von seinem Herrn, der oft das Schlechteste gerade gut genug für ihn hielt), spielte dabei natürlich eine stark beeinflussende Rolle. Hund mit allen H.en gehetzt sein: Die Redensart drückt aus, daß jemand so gerissen (s. d.) und schlau ist wie ein Wild, das den es hetzenden Hunden immer wieder zu entgehen wußte, also ein Mensch ist, dem nichts und niemand etwas anhaben kann. Hund vor die H.e gehen: Eigentlich ist damit gemeint, wie angeschossenes oder krankes Wild hilflos den Hunden ausgeliefert, ausgesetzt sein. Einfluß auf die Ausprägung der Redewendung oder jedenfalls auf ihre Verbreitung hatte aber auch die generelle Einschätzung des Hundes als eines armseligen Geschöpfes (vgl. auf den Hund kommen); wer vor die Hunde geht, ist gleichsam auf der niedersten Elendsstufe angelangt und kann nicht mehr weiterexistieren. Hundert vom H.sten ins Tausendste kommen: Auf alten Rechenbrettern gab es einzelne Reihen für die Einer, Zehner, Hunderter, Tausender. Es läßt sich vorstellen, wie leicht man die eine Kolumne mit der anderen verwechselte. Vor allem war das möglich durch die sogenannten Rechenpfennige oder Rechenmarken aus Metall, Stein oder Glas, die zu den einzelnen Rechenvorgängen in die jeweiligen Reihen gelegt, auch geworfen wurden. So sagte man früher auch: das Hundert in das Tausend
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werfen (so bei Luther: »Sie haben eine seltsame Weise zu reden, als die keine Ordnung halten, sondern das Hundert ins Tausend werfen«). Hundsfott Das Wort gilt zwar als grobes, derbes Schimpfwort, doch der noch derbere Sinn, der ihm zugrunde liegt, ist dem allgemeinen Sprachbewußtsein entschwunden. Die gelegentliche Ableitung von dem nicht anstößigen Hundsvogt (Hundevogt als der mit dem Abfangen herrenlos herumlaufender Hunde Beauftragte, was auf einen ehrlosen Beruf hinweisen könnte) geht an der Sache vorbei. Vielmehr weist die ältere, als Schimpfwort seit dem 16. Jahrhundert nachgewiesene Form Hundfutt (mit dem Plural Hundsfütt, Hundsfütter) eindeutig auf die Vulva der Hündin hin. Im frühen Neuhochdeutsch ist auch das Scheltwort füttin für Hundsfott belegt. Fut, häufig wegen des kurzen Vokals Futt geschrieben, ist ein seit alters in der derben Sprache gebräuchliches Wort für den weiblichen Geschlechtsteil, wie es auch heute noch in der banalerotischen Sprache benutzt wird. Logau faßte den doppelten und eigentlichen Sinn von Hundsfott in die zutreffenden Worte: »Den, der sich nicht wehren will, heißt man, wie man heißt das Teil, das des Hundes Weib so frei pflegt zu brauchen und so geil.« Bei der starken Geringschätzung des Hundes und noch dazu der Reduzierung auf den als unreinlich angesehenen Geschlechtsteil, den die derbe Lust der Volkssprache überdies mit einem schmutzigen, ordinären Wort bedachte, gab es nicht viel Schimpfwörter, die jemanden mehr abwerten konnten. Hundstage So nennt man im allgemeinen Sinn mühevolle, anstrengende Tage; auf das Wetter bezogen, meint man in der Regel sehr heiße, trockene Tage, die einem zu schaffen machen. Im Jahresablauf werden auch die Tage zwischen dem 24. Juli und dem 23. August, die an und für sich die heißesten Tage des Jahres sind, so genannt. Der Name bezieht sich aber nicht auf diese Erfahrungstatsache, sondern darauf, daß während dieser Zeit die Sonne in der Nähe des sogenannten Hundssterns, des Sirius, steht.
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Hungertuch am H. nagen: Im Mittelalter wurde es Brauch, daß während der Fastenzeit der Altar mit einem großen Tuch, dem Velum oder Fastenvelum, verhängt wurde, um an die Vertreibung aus dem Paradies zu erinnern und zur Buße zu mahnen; der Volksmund gab dem Tuch oder Vorhang den Namen Hungertuch (mhd. hungertuoch) in Anbetracht des fastenzeitlichen Hungerns. Wer am Hungertuch nähte, also ein Hungertuch anfertigte, bereitete sich auf ein kärgliches Leben vor oder hatte im übertragenen Sinne bereits kärglich zu leben. In dieser Form (auch: am Hungertuch flicken) ist die Redewendung bereits aus dem 16. Jahrhundert überliefert. Zugleich taucht aber auch schon die heutige Form (nagen) auf. Vermutlich trifft die Auffassung zu, daß nagen nur eine bewußte Verstümmelung von nähen ist, auch im Sinne einer Intensivierung des Bildes. Hurrikan s. Orkan. Hut auf der H. sein: Die Hut, mit dem Hut verwandt, ging aus der indogermanischen Wurzel kadh (schützend bedecken; deshalb auch lateinisch cassis und cassida für Helm) über ein germanisches hod hervor; im Althochdeutschen bedeutete huota Wache, Vorsorge, huoten behüten, bewachen, auf etwas achten; gleichen Sinn hatte das mittelhochdeutsche huote, dazu auch Hüteplatz, Talisman (huote han, sich in acht nehmen). Das Wort hat sich in Zusammensetzungen wie Vorhut, Nachhut, Obhut erhalten und daneben vor allem in der obigen Redewendung. Hutschnur das geht über die H.: Mit Hutschnur ist entweder die um den Hut laufende Zierschnur oder die Schnur, mit der man den Hut um den Hals festhält, gemeint. In jedem Fall reicht etwas, das über die Hutschnur (hinauf) geht, sehr hoch, ähnlich wie wenn jemandem das Wasser bis zum Hals steht.
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Hydra Die Schlange Hydra im Sumpfe Lerna (deshalb auch Lernäische Schlange) war ein verderbenbrütendes Ungeheuer, das das Böse, das immer wieder der Vernichtung standhält und erneut sein Haupt erhebt, versinnbildlicht. In der Regel sagt man, sie habe neun Köpfe gehabt, obwohl die Zahl verschieden angegeben wird. Wenn ihr ein Kopf abgehauen wurde, wuchsen ihr zwei neue nach. Herakles (Herkules) tötete sie, indem er die Halsstümpfe mit Feuer ausbrannte (vgl. Herkulesarbeit).
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I Idee Das griechische idea (woraus das gleichlautende lateinische idea wurde) bedeutet eigentlich Gestalt, Form, Erscheinung (zu dem Verb idein für sehen, erkennen gehörend, das urverwandt mit wissen ist). Entscheidende Ausprägung empfing idea durch die platonische Ideenlehre: Die Ideen sind für Platon die Norm für das Wahrgenommene; die allgemeinen Begriffe sind nicht aus den Dingen der Erscheinungswelt geschöpft, aber neben dem Vergänglichen gibt es die objektive Welt der Ideen als ewig seiende, unveränderliche Formen; die Ideen sind das eigentlich Wirkliche; die Dinge sind Nachahmungen der Ideen; durch ihre Präexistenz in der Region der Ideenwelt hat die Seele die Fähigkeit, sich der Ideen zu erinnern und sie zu erkennen. Die Idee ist also das »Urbild», und so wurde sie von der Philosophie seit dem 17. Jahrhundert verstanden und weiterinterpretiert. Teils unter dem Einfluß des französischen Gebrauchs (Idee ist die französische Form des Wortes; idee) entwickelten sich dann die heutigen vielfältigen Bedeutungen auch der Umgangssprache. Idiot Idiotes hieß im Griechischen der Privatmann, Laie, einfache Mann, aber auch der Unpolitische, in Staatsangelegenheiten Unkundige, abgeleitet von idios (eigen). Hierin lag zwar schon eine gewisse Distanzierung, doch ohne gravierende Diskriminierung. Noch bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts bezeichnete Idiot so immer noch den Nichtwissenschaftler im Gegensatz zum gelehrten Fachmann; in diesem Sinn konnte noch Herder Sokrates einen Idioten nennen, Seume bezeichnete sich noch selbst so. Dann aber wandelte sich der Sinn in die heutige Bedeutung von Dummkopf, Schwachsinniger, wobei als Ausgangspunkt die schärfere Distanzierung des Fachmanns vom Laien eine Rolle gespielt hat. Ein wenig von der ursprünglicheren Trennung des politisch Kundi-
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gen zum gleichsam privat handelnden Unpolitischen scheint in dem jungen Wort Fachidiot (s. d.) unbeabsichtigt mitzuschwingen. Imponderabilien Im Lateinischen bedeutet pondus Gewicht, Schwere, Masse, wozu ein Adjektiv ponderabilis (wägbar) sich stellt; die Verneinung davon heißt imponderabilis (unwägbar). Imponderabilien sind also Unwägbarkeiten. Ironie Zugrunde liegt das griechische eironeia (Verstellung, Spott, Ironie, geheuchelte Unwissenheit); eiron galt ursprünglich vermutlich für jemanden, der redet, es aber anders meint. Vor allem Sokrates pflegte die Ironie - mit vorgegebenem Ernst das Gegenteil des Gemeinten sagen - als pädagogisches Mittel: ein methodisches Ausfragen, bei dem sich an die Antwort des Schülers immer wieder eine scheinbar darauf eingehende Frage des sich unwissend stellenden Lehrers anschließt, bis der Befragte eingestehen muß, daß seine vorausgehende Behauptung nicht wahr sei (sokratische Ironie genannt). Das Lateinische übernahm das Wort als ironia (dazu das Adverb ironice: höhnisch, spöttisch). Im 18. Jahrhundert wurde es in der französischen Form ins Deutsche aufgenommen. Irritieren Im Lateinischen bedeutet irritare reizen, erbittern, erzürnen, erregen. In diesem Sinne wurde das Verb im 16. Jahrhundert aus dem Lateinischen entlehnt und bedeutete lange Zeit nur reizen, verärgern. Die Volksetymologie scheint in den letzten Jahrzehnten indessen stärker und hat das Verb allmählich zur Bedeutung von verwirren gewandelt, wobei die zufällige Nähe zu irre, irren und verwirren den Anstoß gab. Irrwisch Irrwisch bedeutet das gleiche wie Irrlicht, also ein auf dem Moor hin und her irrendes Licht. Der erste Bestandteil des Wortes bezieht sich auf irren, der zweite auf wischen im Sinne von sich schnell bewegen. Früherer Volksglaube faßte Irrwische als ruhelose Gespenster auf; im Moor
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führten Irrwische in die Irre, wenn man die Orientierung verloren hatte. Heute gebraucht man Irrwisch übertragen für flatterhafte Jugendliche, besonders Mädchen.
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J Jacke das ist J. wie Hose: Man will damit sagen, das eine sei wie das andere, es sei einerlei. Ursprünglich gemeint war, Jacke wie Hose seien aus dem gleichen Stoff. Jäger ein gewaltiger J. vor dem Herrn: Die, einen leidenschaftlichen Jäger charakterisierende, Redensart geht auf den im ersten Buch Mose erwähnten Nimrod, einen Urenkel Noahs, zurück, von dem es im 10. Kapitel heißt: »Der fing an, ein gewaltiger Herr zu sein auf Erden, und war ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn. Daher spricht man: Das ist ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn wie Nimrod« (der sprichwörtliche Hinweis findet sich also schon in der Bibel). Jahr nach J. und Tag: Heute meint man mit diesem Ausdruck einen Zeitpunkt, der sehr entfernt liegt, ursprünglich aber handelte es sich dabei um eine Rechtsformel, mit der die Verjährung ausgedrückt wurde, wobei der Tag (oder die Tage) nach dem Jahr (oder den Jahren) noch eine Zugabe waren, um die Frist einhalten zu können. Jemine O J.: Der Schmerzens- oder Klageruf ist eine Zusammenziehung von O Jesu domine (lateinisch für O Herr Jesus). Die Abschleifung erfolgte
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wohl nicht nur aus Aussprachegründen, sondern auch, um den Charakter eines Fluches zu vermeiden. Jeremiade Jeremia war einer der bedeutendsten Propheten des Alten Testaments und beklagt in seinen »Klageliedern« das verödete und beschimpfte Jerusalem, die Verwüstung Judas und Jerusalems und das Elend und die Schmach Jerusalems. Das Wort wurde im 18. Jahrhundert im Französischen gebräuchlich (jeremiade) und bald ins Deutsche übernommen im Sinne einer langen und ausdrucksreichen Klage, meist mit einem abwertenden Unterton gesagt. Jet Im internationalen Jargon ist es Mode geworden, Düsenflugzeuge englisch jets zu nennen. Jet bedeutet Strahl, Düse; für Düsenflugzeug ist es Verkürzung von jet aircraft, jet plane. Deshalb ist die in der deutschen Umgangssprache öfter zu hörende Form Düsenjet Unsinn. Das englische Verb to jet (auswerfen, ausspeien, ausströmen) entstammt dem Französischen (jeter, werfen, von lateinisch iactare, werfen, über vulgärlateinisch jectare). (S. Jet-Set.) Jet-Set Smart set ist ein jüngeres englisches Wort für elegante Welt, feine Leute, zusammengesetzt aus smart (rührig, tüchtig, munter, flott, elegant) und set (Gruppe, Gesellschaft, Clique). Die Ausweitung des Flugverkehrs durch die Düsenflugzeuge (englisch jets, s. jet) ermöglicht es seit der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre, daß man mit dem Jet überall in ein paar Stunden sein kann. Die Smart-Set wandelte sich zur Jet-Set, zur eleganten Welt von heute, die sozusagen mit dem Jet überall dorthin fliegt, wo »man« sich gerade trifft.
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Jovial Das Wort bezieht sich auf Jupiter (Genitiv Jovis), den altrömischen Himmelsgott; sein Stern gewährt nach Auffassung der mittelalterlichen Astronomie den Menschen Fröhlichkeit; wer unter diesem Zeichen steht, soll fröhlich sein und wurde deshalb spätlateinisch jovialis genannt. Jubeljahr alle J.e: Im Lateinischen gab es zwar das Verb iubilare (jauchzen, jubeln), aber seine Ausprägung erfuhr das Wort Jubel(-jahr) erst unter dem Einfluß des hebräischen jobel, womit das Widderhorn gemeint war, mit dem jedes 50. Jahr eingeblasen wurde. So darf man zwar jubilieren im Sinne von frohlocken allein auf das Lateinische zurückführen (entsprechend auch das umgangssprachliche verjubeln, etwas aus jauchzender Lebensfreude vertun), Zusammensetzungen aber wie Jubelfeier (dann auch Jubelpaar, Jubelhochzeit) weisen auf die runde Jahreszahl hin und werden gleichsam mit dem jobel eingeblasen. Papst Bonifaz VIII. führte im Jahre 1300 das sogenannte Jubeljahr als ein Gnadenjahr in der Kirche ein, das alle hundert Jahre wiederkehre (später wurde der Zeitraum verkürzt). Junta Das spanische Wort bedeutet zunächst Vereinigung, Versammlung, Kommission, Rat, Sitzung, Sammlung, Ausschuß und geht auf das lateinische Verb iungere (iunctus) für verbinden, vereinigen zurück. Eigentlich ist die Junta ein politisches Gremium, ein Regierungs- oder Volksausschuß, der örtliche oder vorübergehende Regierungsbefugnisse ausübt. Den speziellen heutigen Sinn erhielt Junta im lateinamerikanischen Sprachgebrauch, wobei man darunter eine Gruppe von Personen (häufig Militärs) versteht, die gegen die bestehende politische Macht opponiert und an die Regierung zu kommen trachtet. Wird sie international mit Mißtrauen betrachtet, dann wird sie, auch wenn sie die Regierungsgewalt bereits innehat, abwertend ebenfalls noch Junta genannt.
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Jux Grundlage des Wortes ist das lateinische iocus (Scherz, Spaß, Kurzweil). In der Studentensprache, vielleicht schon früher in der Sprache der Kleriker wurde daraus spaßhaft und wohl des Klanges wegen Jux gebildet. Das Wort ging dann sehr rasch in die meisten deutschen Dialekte ein, teilweise etwa als Gucks.
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K Kadavergehorsam Die Ordensregeln der Jesuiten, formuliert von Ignatius von Loyola, dem Ordensstifter, verlangen, daß die Ordensmitglieder ihren Oberen (und damit Gott) gegenüber Gehorsam üben, »perinde ac si cadaver essent, quod quoquo versus ferri et quacunque ratione tractari se sink«, das heißt, »als wären sie ein Leichnam, der sich überall hintragen und auf jede Weise behandeln läßt«. Dieser Gehorsam braucht allerdings nur in Fällen vollzogen zu werden, in denen nichts Sündhaftes erblickt werde, und bezieht sich nur auf Dinge, auf die er sich ohne Beeinträchtigung der göttlichen Liebe erstrecken könne. Das Wort Kadavergehorsam (lateinisch cadaver, Leichnam) prägte sich dann im 19. Jahrhundert als blinder Gehorsam, vor allem im militärischen Bereich, aus. Kaffee aus dem Arabischen, wo qahuah zunächst Wein bedeutete, dann aber, wohl beeinflußt vom Weinverbot in der islamischen Religion, einen aus Beeren gebrühten Trank, eben Kaffee, meinte. Das heutige deutsche Wort beruht, seit dem 18. Jahrhundert, auf dem französischen cafe. Kaffer Im Hebräischen bedeutet kafri Dörfler, das Wort wurde im Jiddischen zu kapher für Bauer. Den bäuerlichen Dorfbewohnern wird gerne Dummheit, Beschränktheit, Tölpelhaftigkeit nachgesagt, und so konnte das Wort auch im Deutschen, als es über das Rotwelsch eindrang, in diesem Sinn gebraucht werden. Es ist im Deutschen seit Anfang des 18. Jahrhunderts belegt und eroberte sich auch die gröbere Umgangssprache. Eine Ableitung von Kaffer ist Kaff für einen kleinen Ort in ausgesprochen verächtlichem Sinne, ein Ort, in dem »nichts los« ist, in dem seine Bewohner in Beschränktheit leben. Mit den südostafri-
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kanischen Bantus, die ebenfalls Kaffern genannt werden, hat das Wort nichts zu tun; dieses Kaff er ist vielmehr das portugiesische cafre (Barbar), das auf das arabische kafir (Ungläubiger) zurückgeht. Freilich findet sich gelegentlich auch das Schimpfwort Zulukaffer, doch beruht dies auf einem Mißverständnis. Im übrigen rühmen selbst ältere Reiseberichte den afrikanischen Kaffern eine Reihe von Eigenschaften nach, die mit Tölpelhaftigkeit nichts zu tun haben. Kakao jemanden durch den K. ziehen: eine stark euphemistische Redewendung, bei der der Kakao stellvertretend für Dreck und ähnliches steht, um auszudrücken: wer da durchgezogen worden sei, sehe fürchterlich beschmutzt aus. Der Kakao bot sich einerseits wegen seiner exotischen Herkunft und seiner Beliebtheit, vor allem als Kindergetränk, das aber von den Männern ironisch abgetan wird, andererseits wegen seiner schokoladenbraunen Farbe und seiner Undurchsichtigkeit mehr zum Vergleich an als andere genießbare Flüssigkeiten. - Das Wort Kakao ist in seiner heutigen Form spanisch (cacao) und leitet sich von dem mittelamerikanischen kakauatl mit der gleichen Bedeutung ab. Kalauer Im 18. Jahrhundert aus dem Französischen, übernommen wo calembour das gleiche, also Wortspiel, bedeutet; der genaue Ursprung von calembour ist unbekannt. Kalter Krieg Als sich nach dem Zweiten Weltkrieg die Hoffnungen der Alliierten auf gänzliche Entspannung der Welt nicht erfüllten und statt dessen die Welt in zwei Blöcke zerfiel, die zwar aus beiderseitiger Furcht vor einem dritten Weltkrieg nicht in großem Umfang zu den Waffen griffen, sich aber feindselig gegenüberstanden, wurde -gleichsam als Verminderung eines solchen »heißen Krieges« — der Begriff kalter Krieg geprägt. Die Situation ist durch einander bedrohende Militärbündnisse und aufwendige Rüstung, diplomatische Reibereien, Infiltration und Geheimdiensttätigkeit, lautstarke Propaganda, wirtschaftliche Pressionen, aber auch durch lokale militärische Konflikte gekennzeichnet, aus der gege-
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benenfalls ein »heißer Krieg« entstehen könnte. Als einen der Höhepunkte sieht man die Berlin-Krise von 1948/49 an. Der Begriff wurde zum erstenmal 1947 von Bernard M. Baruch, einem Berater des amerikanischen Präsidenten Truman, gebraucht. Baruch schreibt über die Entstehung: »Gewiß, es war eine neue Art des Krieges, in dem die Kanonen schwiegen, aber unsere Existenz stand trotzdem auf dem Spiel. Es war eine Situation, die bald unter dem Namen der >kalte Krieg< bekannt wurde, eine Beziehung, die ich zum erstenmal in einer Rede vor dem Staatsparlament in Süd-Carolina im April 1947 anwandte.« Baruch verhehlt dabei nicht die Urheberschaft: »Ich verdanke Herbert Swope (ebenfalls ein politischer Berater) diesen anschaulichen Ausdruck, der sofort in der Öffentlichkeit Wurzel faßte und in unsere Sprache einging. Swope hatte diesen Ausdruck schon ein Jahr früher gebraucht, um das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und den Sowjets zu charakterisieren. Damals jedoch hatte ich Bedenken ich arbeitete zu der Zeit in der Atomenergiekommission der UNO — und bemühte mich, das fast pathologische Mißtrauen der Russen und ihre Furcht vor uns nicht zu wecken.« Kaltstellen jemanden k.: Wenn warme Speisen nicht sogleich gebraucht werden, stellt man sie kalt. Übertragen auf einen Menschen, bedeutet das, daß man ihn gleichsam wie eine aufzubewahrende Speise beiseite stellt, ihn gleichsam einfriert, bis man ihn wieder braucht, wiewohl kaltstellen hier auch meinen kann, daß man mit ihm überhaupt nichts mehr zu tun haben will. Kamm alle(s) über einen K. scheren: Gemeint ist, alle Leute oder alle Dinge, Probleme gleich behandeln oder ansehen ohne Rücksicht auf ihre Eigenart. So führt die Entstehung der Redensart wohl in die spätmittelalterlichen Badestuben, in denen der Bader nicht alle Leute gleich bediente, sondern Unterschiede nach Herkunft und Stand machte, sozusagen nicht alle über den (d. h. mit dem) gleichen Kamm schor. Daß auch bei Schafen die gröbere wie die feinere Wolle über den gleichen Kamm abgeschoren wurde, mag zur Verbreitung der Redewendung beigetragen haben.
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Kamm einem schwillt der K.: Wenn der Hahn in Zorn gerät und rauflustig wird, schwillt ihm tatsächlich der Kamm und färbt sich röter; Kamm nennt man beim Hahn den häutigen roten Auswuchs auf dem Kopf. Kanaille Im Französischen bedeutet Canaille Gesindel, Lumpenpack, Pöbel, Schurke; es wurde im 16. Jahrhundert aus dem Italienischen übernommen, wo canaglia Hundepack meint, zurückgehend auf das lateinische canis (Hund). Im 17. Jahrhundert aus dem Französischen ins Deutsche übernommen, meinte Kanaille anfänglich nur Gesindel, dann entwikkelte sich die heutige, auf einen einzelnen bezogene Bedeutung. Kandare jemanden an die K. nehmen: Die Kandare ist eine — ursprünglich ungarische - Art der Zäumung (im Ungarischen heißt Zaum kantär); mit der über der Zunge angebrachten Gebißstange (der Kandare) kann das Pferd schärfer gezügelt werden, es ist noch kürzer in seinen Bewegungen gehalten als bei der einfachen Zäumung. Kanone er ist eine K.: Die Redensart will besagen, daß jemand auf einem bestimmten Gebiet überaus tüchtig ist, so wie die Kanone unter den Feuerwaffen den größten Effekt erzielt. Das Wort Kanone hat seinen Ursprung im Akkadischen und Hebräischen, wo qanu bzw. qaneh Schilfrohr bedeutete. Das Wort wurde ins Griechische als kane (kleines Rohr) übernommen und gelangte von hier als canna (Rohr) ins Lateinische. Es erhielt sich unverändert als canna im Italienischen, wo es zunächst ebenfalls Rohr, dann auch Flintenlauf bedeutete; cannone ist eine vergrößernde Ableitung von canna und bedeutet also großes Rohr, Kanone. Im 16. Jahrhundert wurde es ins Deutsche entlehnt. Ursprünglich verwandt damit ist auch Kanon (vgl. unter aller Kanone).
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Kanone unter aller K.: Das semitische qanu/qaneh ergab im Griechischen kane für Rohr (vgl. Kanone, er ist eine K.), aus dem sich dann kanon für Rohrstab, Meßrohr, Meßstab, dann Maß, Regel ableitete. Als canon wurde es im Sinne von Regel, Richtschnur, dann kirchliche Bestimmung ins Lateinische entlehnt (dazu canonicus, nach kirchlichem Recht, Stiftsherr, Domherr). Die Redensart unter aller Kanone ist eine scherzhafte Schülerübersetzung des lateinischen sub omne canone (unter aller Richtschnur), wobei in humorvoller Anlehnung an eine Kanone absichtlich das e des lateinischen Ablativs belassen wurde. Kante etwas auf die hohe K. legen: Mit hoher Kante ist die obere Seite eines Schrankes oder ein im Zimmer hoch oben angebrachtes Brett gemeint, wo allerhand kleine Gegenstände verwahrt werden; die Örtlichkeit wird gleichzeitig gern als Versteck gebraucht, und so legte man auch Geld oder andere Dinge, die man aufheben will, auf die hohe Kante. Kantonist unsicherer K.: Im Jahre 1733 wurde Preußen in Kreise eingeteilt, die man Kantone nannte und aus denen die einzelnen Regimenter ihre Rekruten bezogen, dergestalt, daß die Einwohner verpflichtet waren, jeweils in dem Regiment zu dienen, zu dessen Kanton sie gehörten. Jeder männliche Neugeborene wurde in eine Liste eingetragen, die dem Regiment mitgeteilt wurde. Ausnahmen bildeten nur die Söhne von Edelleuten, Bürgern mit einem bestimmten hohen Vermögen und Predigersöhne, die Theologie studierten. Die Dienstpflichtigen wurden Kantonisten genannt. Wer sich der Wehrpflicht auf irgendeine Weise entziehen konnte, war ein unsicherer Kantonist. Kappe etwas auf seine (eigene) K. nehmen: Kappe gilt in manchen Wendungen stellvertretend für Kopf, vor allem wenn der Kopf Schläge bekommt (einem etwas auf die Kappe geben, wie: einem etwas auf den Hut ge-
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ben). Wenn jemand etwas auf seine Kappe nimmt, übernimmt er die Verantwortung, d. h., er ist auch bereit, dafür Schläge in Kauf zu nehmen, seinen Kopf hinzuhalten. Kappes K. reden: s. Kohl, K. reden. Kapriolen Im Italienischen bedeutet capriola Bocksprung, abgeleitet von caprio, Ziegenbock, capriuolo, Rehbock. Das Wort wurde im 16. Jahrhundert ins Deutsche übernommen; aller Wahrscheinlichkeit nach durch Vermittlung italienischer Tänzer, die sehr kunstvolle Sprünge auszuführen wußten. Die übertragene Bedeutung ergab sich sehr leicht angesichts der lustigen Sprünge, die Böcke vollführen. Kaputt Im Dreißigjährigen Krieg drang aus dem Französischen das Wort caput (capot) ein, zunächst als Ausdruck beim Kartenspielen; etre capot bedeutet im Französischen keinen Stich machen, und so wurde es zunächst auch in der Soldatensprache verwendet. In der von rohen Verschleierungen strotzenden Ausdrucksweise der Soldaten nahm caput machen sehr rasch die Bedeutung von jemanden erschlagen, töten an. Das Wort hielt sich gut und erweiterte sich zur generellen Bedeutung von heute. Die genaue Herkunft des französischen capot ist nicht bekannt. Es könnte zu capoter und faire capot (umschlagen, kentern; zurückgehend auf das lateinische caput, Kopf, Vorderteil eines Schiffes) gehören, vielleicht aber auch zu capoter (chapoter) für abschnitzen, kastrieren. Kapuzinerp redigt In »Wallensteins Lager« von Schiller platzt ein Kapuzinermönch mitten in das ausgelassene Lagerleben. Er hält ihnen darob eine halb derbe, halb launige Strafpredigt, die mit den Worten beginnt: »Heisa, juchheia! Dudeldumdei! Das geht ja hoch her. Bin auch dabei! Ist das eine Armee von Christen? Sind wir Türken? Sind wir Antibaplisten? Treibt man so mit dem Sonntag Spott, als hätte der allmächtige Gott das Chi-
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ragra, könnte nicht dreinschlagen?« Zu Anfang des 18. Jahrhunderts schon war im Französischen das Wort capucinade aufgekommen (die Kapuziner standen im Ruf des Derben). Davon her und bestärkt durch die Schillersche Szene spricht man von einer Kapuzinerpredigt im Sinne einer derben, aber auch launigen, drolligen Strafpredigt. Karacho Das in diesem Jahrhundert sehr häufig gebrauchte Kraftwort wird meist in der Zusammensetzung »mit Karacho« verwandt und meint im Deutschen mit großer Geschwindigkeit, Vehemenz, draufgängerisch. Es ist ein vulgäres spanisches Fluchwort: carajo (karacho gesprochen) bedeutet verdammt (noch mal), eigentlich aber ist es ein Vulgärwort für das männliche Glied (so wie in vielen Sprachen Vulgärbezeichnungen für die Geschlechtsorgane als Fluchwörter dienen). Oft wird karacho auch in Verbindung mit caramba (einem anderen spanischen Kraftwort, das Donnerwetter, hol's der Teufel bedeutet) gebraucht (zum Beispiel in einem jahrzehntelang gesungenen Schlager, in dem es hieß: »Karamba, karacho, ein Whisky, karamba, karacho ein Gin«). Karte sich nicht in die K.n schauen lassen: Wie so viele Redensarten leitet sich auch diese von Kartenspielen ab. Natürlich läßt man sich nicht gern in seine, in der Hand fächerartig gehaltenen, Karten schauen, weil sonst der Gegner sein Spiel darauf einzurichten weiß und einen unerlaubten Vorteil hat; übertragen bedeutet die Redensart also, sein Vorhaben oder seine Mittel nicht zu erkennen geben wollen (Lessing: »Denn so schlecht unser Spiel auch ist, so müssen wir uns doch niemals in die Karten sehen lassen«). Karikatur Das Wort wurde aus dem Italienischen übernommen, wo caricatura das gleiche bedeutet; es wurde aus dem Verb caricare für beladen, im figürlichen Sinne auch übertreiben, gebildet.
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Kartenhaus zusammenfallen wie ein K.: Es ist heute noch ein beliebtes Spiel, vor allem der Kinder, aus Spielkarten, die man senkrecht auf die Kante stellt, ein Haus zu bauen. Die geringste Erschütterung bringt so ein Kartenhaus zum Einfallen, und es bleibt dabei auch nicht ein Rest stehen. Kartoffel Die Kartoffel erhielt, nachdem sie durch die Spanier im 16. Jahrhundert aus Amerika nach Europa gebracht worden war und seit dem 18. Jahrhundert im großen angebaut wird, in den einzelnen deutschen Landschaften die vielfältigsten Namen; häufigster ist - neben dem heute allgemein gültigen Kartoffel - Erdapfel (dem französischen pomme de terre entsprechend), auch Erdbirne. Weil sie äußerlich den Trüffeln ähnlich schien, wurde sie in Italien zunächst tartuffulo (tartuffo ist die Trüffel) genannt, auch Formen wie taratopholi sind überliefert. Davon abgeleitete Formen erscheinen im Deutschen seit Beginn des 17. Jahrhunderts, zum Beispiel Tartuffeln. Daraus entstand dann das heutige deutsche Wort. Ein etwas derber Volksspruch lautet: Die dümmsten Bauern haben die größten Kartoffeln, wohl anspielend auf die Einfachheit, die der Kartoffelanbau nur verlangt. Der Spruch will ein Glück, einen Erfolg abwertend charakterisieren, den der Dümmste eigentlich gar nicht verdiene. Verkürzt sagt man deshalb auch von einem, der gerade eine Glückssträhne hat: Hat der Kartoffeln! Kartoffel rin in die K.n, raus aus die K.n: Im Jahre 1881 veröffentlichten die »Fliegenden Blätter« eine Karikatur unter dem Titel »Vom Manöver«, auf der gezeigt wurde, wie die Soldaten einmal in den Kartoffelacker gehetzt werden, das anderemal wieder zurückbefohlen werden. Im Text dazu stand der in Berlinischer Mundart verfaßte Satz: »Rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln«. Der Verfasser, Friedrich Wülfing, wollte damit die Unsinnigkeit und Widersprüchlichkeit militärischer Befehle treffen, die sich so oft widersprechen. Das Wort wurde zur Redensart, um das Hin und Her oder Unsinnige mancher Anordnungen überhaupt zu charakterisieren.
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Kaschemme In der Zigeunersprache bedeutet katschima (auch kertschima) Wirtshaus, Schenke. Über die Gaunersprache gelangte das Wort als Kaschemme in die deutsche Umgangssprache und bezog sich naturgemäß nur auf Kneipen mit einem schlechten Ruf. Kassel ab nach K.: Während des nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieges war Kassel Sammelplatz für jene jungen Männer, die als Soldaten nach England verkauft wurden. »Ab nach Kassel!« bedeutete dann gleichsam soviel wie fort mit einem. Kassiber Im Jiddischen heißt Brief, Schrift kessaw; dazu gehört kaswenen für schreiben. Im Rotwelschen nahm kessaw neben vielen anderen Schreibweisen auch die Form kassiwer und kassiber an. Im Sinne eines heimlichen Briefes oder Zettels, mit der ein Häftling einem anderen Inhaftierten oder jemandem außerhalb des Gefängnisses eine Mitteilung macht, drang das Wort auch in die deutsche Umgangssprache ein. Kastanien für jemanden die K. aus dem Feuer holen: Die Redensart geht wohl auf eine orientalische Fabel zurück und wird in Europa zum erstenmal im 16. Jahrhundert verbreitet. Lafontaine faßte sie dann als bekanntestes Beispiel in seiner Fabel »Der Affe und die Katze«; der Affe bringt die Katze dazu, daß sie ihm mit den Pfoten die gerösteten Kastanien aus dem Feuer holt, weil er sich nicht selber die Pfoten verbrennen will. Goethe weist darauf hin: »Behandelst mich, daß ich wie jene Katze dir die Kastanien aus den Gluten kratze.« Kaste Das Wort gelangte über das Französische (caste) aus dem Portugiesischen ins Deutsche. Es leitet sich vom lateinischen castus (sittenrein, keusch; rein) ab. Gemeint waren ursprünglich die unvermischten Iberer
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im Gegensatz zu den Mauren. Im 16. Jahrhundert wandten es dann die portugiesischen Seefahrer und Eroberer auf die indischen Stände an. (Vgl. auch kasteien, das den gleichen Stamm hat.) Kasteien Aus lateinisch castus (sittenrein, keusch) entwickelte sich das lateinische Verbum castigare (züchtigen, strafen, zurechtweisen, zügeln). Aus dem Kirchenlatein wurde es schon ins Althochdeutsche aufgenommen, denn in der mittelalterlichen Religionsauffassung spielte vor allem die Selbstzüchtigung eine große Rolle. Schon der Sinn des lateinischen castigare ist es, durch Züchtigung oder Zurechtweisung zu einem züchtigen, moralischen Leben anzuhalten. Da die Kasteiung auch Enthaltsamkeit im Essen und Trinken einschließt, konnte der Begriff um so leichter den erweiterten Sinn annehmen. Kater Wiewohl auch Katzenjammer (s. d.) den Zustand beschreiben kann, der sich am Tag nach einem Rausch einstellt, hat Kater zunächst nichts damit zu tun. Kater ist vielmehr eine sächsische Verballhornung von Katarrh und bezeichnete ursprünglich vor allem in der Studentensprache jenen Zustand, der sich durch Kopfweh, Übelkeit, Appetitlosigkeit und entsprechende Laune äußert. Die Assoziation zu Katarrh, der vergleichbare unangenehme Zustände im Kopf hervorruft, ist zumindest nicht sehr fernliegend. Ausschlaggebend war aber für diesen Sinn wohl das Vorhandensein des etwas älteren Wortes Katzenjammer. Katze wie die K. um den heißen Brei gehen: Katzen mögen kein heißes Fressen. Ist es ihnen noch zu warm, versuchen sie immer wieder ganz vorsichtig davon zu kosten und gehen dabei um die Schüssel herum, um die Speise (etwa einen Milchbrei) an allen Seiten probieren zu können. Dieses vorsichtige Herumgehen und Kosten wurde zum übertragenen Bild für jemanden, der an ein Thema nicht direkt herangehen will, sondern ähnlich vorsichtig oder ängstlich darum herumredet.
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Katze das ist alles für die Katz: Wiewohl sich die Katze seit alter Zeit als nützliches Haustier bewährt hat, waren für sie bis in die jüngste Zeit in vielen Häusern schlechtes Futter und Abfälle gut genug (wobei man freilich annahm, daß sie sich ja die eigentliche Nahrung durch das Mäusefangen beschaffen könne). Was für die Katz(e) ist, ist demnach für die Menschen wertlos. Katze Der K. die Schelle nicht umhängen wollen: in einer weitverbreiteten Fabel wird erzählt, daß die Mäuse beschließen, der sie beschleichenden Katze eine Schelle (Glocke) umzuhängen, so daß sie sie schon von weitem hören und nicht mehr von ihr überrascht werden. Es findet sich jedoch keine Maus, die dieses selbstmörderische Unternehmen wagen würde. Übertragen meint die Redensart, daß sich niemand findet, der einen gefährlichen oder unangenehmen Auftrag ausführen will. Katzelmacher Der Ausdruck ist in Österreich (seit dem 18. Jahrhundert belegt) und in Süddeutschland ein Schimpfwort für Italiener und wird ausgesprochen verächtlich gemeint. Über seine Herkunft gibt es verschiedene Meinungen, etwa die, daß er sich von den italienischen Wanderhändlern ableitet, die mit Ton- und Gipsfiguren handelten (also auch mit Katzen); nach einer anderen Deutung ist das Wort aus Kesselmacher (Kesselflicker) verderbt, und die herumziehenden Kesselflicker waren denn auch ziemlich verrufen (möglich, daß dieses Wort bei der Entwicklung von Katzelmacher mitgewirkt hat, zumindest in der Konstruktion des Wortes); auch an den italienischen Fluch »cazzo!« (ein Vulgärwort für das männliche Glied) wurde gedacht. Die größte Wahrscheinlichkeit hat indessen das dialektitalienische cazza oder gazza für Rührlöffel für sich (zurückgehend auf das lateinische catinus für Napf, Schüssel); gleichen Stammes ist das im südlichen Oberdeutschen beheimatet alte Wort Gatzen (Gätzi, Gatzl) für Schöpfkelle. Die italienischen Hausierer verkauften unter anderem auch solche Kellen.
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Katzenjammer Ursprünglich nur das vor allem nächtliche Jaulen der Katzen, das sich sehr herzzerreißend anhört, übertrug sich das Wort auch auf den Zustand dessen, der es anhören muß, dann aber auch genereller auf unangenehme Empfindungen, vor allem auf den Zustand nach einem Rausch (vgl. Kater). Kauderwelsch Welsch ist ein altes deutsches Wort für romanische Völker; im Althochdeutschen bedeutete walh, walah Romane, walhisc, walahisc romanisch; ebenso im Mittelhochdeutschen walhisch, weihisch, walsch, welsch italienisch, französisch, romanisch. Als Welsche bezeichnete man bis in die jüngste Zeit die Romanen, häufig in feindseligem, herabsetzendem Sinn (anzumerken wäre hier, daß welsch in der cimbrisch genannten alten bairischen Sprache der Sieben und Dreizehn Gemeinderrnördlich von Verona und Vicenza noch ohne jeden negativen Beiklang gebraucht wird: »suach un schraip de belische bortar« heißt es etwa in der April-Nummer 1970 der cimbrischen Zeitschrift Taucias Gareida für: such und schreibe die italienischen Wörter); das Adjektiv welsch nahm daneben die Bedeutung einer unverständlichen Sprache (wie sie anderssprachige Nachbarn sprechen) an. Nicht geklärt ist, ob sich Kauder- an die Stadt Chur, Hauptstadt Graubündens, anlehnt, die im Tirolerischen Kauer hieß und deren Rätoromanisch den Tirolern unverständlich war (also Kauer-, Kaurer-, Kauderwelsch), oder ob das alte oberdeutsche Verb kaudern (Zwischenhandel treiben, mäkeln), dazu Kauderer, Kauderei (Wucherer im kleinen, Wucherhandel) den Ausgang darstellt. In beiden Fällen könnte kaudern, kudern für plappern, schreien wie ein Hahn, auch unterdrückt lachen mitgewirkt haben. Kaufen sich jemanden k.: Den kaufe ich mir, sagt man und meint, den nehme ich mir vor, mit dem gehe ich grob um. Zugrunde liegt die Vorstellung, daß man den Betreffenden gleichsam käuflich erwirbt, um dann mit ihm tun zu können, was man will. Ganz geläufig war übrigens früher das Wort kaufen für eine Frau erwerben, weil der Bräutigam den Brautpreis
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zu entrichten hatte. Geliert: »Bald wollte ich mir ein Haus, bald einen Lustgarten, bald ein Rittergut, endlich gar eine liebe Frau kaufen.« Kegel mit Kind und K.: Seit langem ist die ursprüngliche Bedeutung von Kegel in diesem Zusammenhang verlorengegangen; man meint mit der Wendung ungefähr mit allem, was man hat, oder mit der ganzen Familie, wozu dann auch eventuell Dienstboten und sogar Haustiere gerechnet werden. Im Mittelhochdeutschen hatte indessen kegel einen ganz bestimmten Sinn: neben Kegel im Kegelspiel, Knüppel, Stock und Eiszapfen bedeutete es nämlich uneheliches Kind. Mit Kind und Kegel bedeutet also eigentlich: mit ehelichen und unehelichen Kindern. Für diese Bedeutung von Kegel hat sich freilich bislang keine befriedigende Erklärung gefunden. Etwas unwahrscheinlich will erscheinen, daß entsprechend der Erzählung einer untreuen Frau, sie habe Schnee gegessen und davon habe sie ein Kind bekommen (im Modus Liebinc), Kegel in der Bedeutung Eiszapfen dann auch uneheliches Kind gemeint habe. Den meisten Anschein von Richtigkeit dürfte doch wohl die Vermutung haben, daß Kegel einen obszönen Sinn hatte und für männliches Glied stand; die Derbheit der Vergleiche, die der Volksmund für die Geschlechtsteile liebt, spräche dafür, das männliche Glied mit einem Kegel oder auch einem Eiszapfen oder nur Zapfen zu vergleichen. Die Übertragung dann auf das als Kind der Liebe gezeugte uneheliche Kind wäre kein zu weiter Weg. Keile K. austeilen, K. kriegen: Der Keil ist eigentlich ein Gerät zum Spalten, vor allem von Holz. Da es mit kräftigen Schlägen in den auseinanderzutreibenden Stoff geschlagen wird, nahm keilen in der Gaunersprache die Bedeutung Schläge austeilen an. In diesem Sinn wurde es wieder in die (norddeutsche) Umgangssprache aufgenommen, und Keile nahm die Bedeutung Schläge an. Kerbholz etwas auf dem K. haben: Das Kerbholz war, zunächst in vor- und frühgeschichtlicher Zeit, dann aber auch im Mittelalter und in die jüngsten
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Jahrhunderte herein ein primitives, aber wohldurchdachtes Instrument, um einen Sachverhalt für zwei Parteien, etwa eine Schuld, festzuhalten. Ein Holzstab wurde der Länge nach in zwei Teile gespalten, aneinander gelegt wurde eine Kerbe über beide Teile geschnitten, und bei der späteren Kontrolle ließ sich die Richtigkeit durch abermaliges Aneinanderlegen nachprüfen. Die heutige Redewendung verengte sich ausschließlich auf den Schuldner und nahm einen ausgesprochen diskriminierenden Sinn an: sich etwas haben zuschulden kommen lassen. Kerl Das Wort ist bereits im Germanischen als karla, das es auch in der Form kerla gegeben hat, nachweisbar. Die ursprüngliche Bedeutung war wohl alter Mann, zurückgehend auf die indogermanische Wurzel ger (reif, alt werden). Das althochdeutsche charal und auch karl hatte dann den Sinn Ehemann, Mann, Geliebter, ebenso das mittelhochdeutsche karl, in dieser Form noch als Personenname erhalten. Daneben stellte sich die mittel- und niederdeutsche Form kerl, oft mit einer verächtlichen Nebenbedeutung, wozu etwa das angelsächsische ceorl (Unfreier) und das englische churl (Bauer, Tölpel) gehören. Im Neuhochdeutschen setzte sich dann diese Form allein durch und nahm die heutige Bedeutung an. Kess Das Wort stammt aus der Gaunersprache und drang erst im 20. Jahrhundert über das Berlinerische in die Umgangssprache ein. Es bedeutet im Rotwelschen klug, gescheit, der Gaunerei kundig, dem Gaunertum angehörig. Kess ist das jiddische chess, der Name für das ch; chess wird verhüllend für das mit ch beginnende Wort chochom (Kluger, Weiser) gebraucht. Ketzer Ende des 10. Jahrhunderts machte sich im südlichen und westlichen Europa die manichäische, streng asketische Sekte der Katharer breit. Sie nannten sich nach dem griechischen Wort katharos (rein); im Italienischen hießen sie Gazari. Letzteres gab das mittelhochdeutsche ketzer ab.
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Kidnapping Der erste Teil des englischen Wortes bedeutet in familiärer Sprache Kind oder überhaupt junge Person, im eigentlichen Sinn junge Ziege, Kitzlein, Kitz (Kid ist mit Kitz verwandt). Der zweite Teil - nap — ist eine mundartliche Form von nah, einem Verb, das schnappen, erschnappen, erhäschen, erwischen meint. Kidnapping ist also eigentlich nur das Verbrechen des Kindsraubes zum Zwecke der Erpressung; im Englischen bedeutet freilich kidnapper auch Menschenräuber allgemein, to kidnap jemanden gewaltsam entführen (dazu auch: durch List zum Kriegsdienst pressen, kapern). Eine Entlehnung ins Deutsche (im 20. Jahrhundert; vor allem die Entführung des Kindes des Ozeanfliegers Lindbergh anfang der dreißiger Jahre erregte internationales Aufsehen) wäre angesichts bereits vorhandener mehrerer gleichwertiger, ja stärker differenzierender Wörter nicht nötig gewesen. Kiebitz Im Rotwelsch bedeutet kiebitschen in verschiedenen Schreibweisen spähen, prüfen, untersuchen; kiewisch ist die Durchsuchung, Untersuchung, Visitation. Davon leitete sich kiebitzen im Sinne von: beim Kartenspielen zuschauen ab; Kiebitz ist der (beim Kartenspiel) Zuschauende. Mit dem Vogelnamen Kiebitz hat der Begriff allenfalls sekundär zu tun, indem die Schreibweise davon beeinflußt sein könnte und man, als die ursprüngliche Bedeutung nicht mehr verstanden wurde, an einen Vogel (der zuschaut, überall dabei ist) dachte; dabei könnte dann auch noch der als vorwitzig aufgefaßte Ruf des Vogels - kiwit - mitgespielt haben; denn für den Kiebitz beim Spiel gilt absolutes Schweigegebot, sagt er etwas, wird ihm das als unerwünschte Vorwitzigkeit verübelt und er mit dem etwas derben Spruch »Kiebitz, halt 's Maul!« zurechtgewiesen. Kind das K. im Manne: Der Ausdruck geht auf Friedrich Nietzsches »Zarathustra« zurück, in dem es heißt: »Im echten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen, auf ihr Frauen, so entdeckt mir doch das Kind im Manne!«
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Kiosk Das Wort wurde im 18. Jahrhundert aus dem Französischen übernommen, wo es kiosque geschrieben wird, stammt indessen aus dem Türkischen, wo kösk, kjösk Pavillon bedeutet; das türkische Wort geht auf das persische kuschk für Palast zurück. Kirche die K. im Dorf (stehen) lassen: Die Redewendung geht von dem Gedanken aus, daß es absurd wäre, die Kirche aus dem Dorf zu nehmen oder außerhalb des Dorfes zu bauen, da die Kirche gemeinhin den Mittelpunkt der menschlichen Ansiedlung bildet und man sich ein Dorf ohne zentrale Kirche gar nicht vorstellen könne. Kirchenlicht kein K. sein: Als lumen ecclesiae (wörtlich: Licht der Kirche, lateinisch) bezeichnete die mittelalterliche Kirche einen hervorragenden Kirchenlehrer, einen ausgezeichneten Mann der Kirche; vor allem Augustinus erhielt diesen Ehrennamen. Schon im 16. Jahrhundert nahm das Wort indessen einen spöttischen Klang an. Sagt man von jemandem heute, er sei kein Kirchenlicht, will das ausdrücken, daß er dumm, einfältig sei. Kirchenmaus arm wie eine K.: Mäuse gab es früher überall, also auch in der Kirche. Die Kirchenmaus ist freilich arm, weil in der Kirche keine Vorräte gelagert werden und sie deshalb nichts zum Fressen findet. Kirchweih jemanden auf die K. laden: s. Kirmes. Kirmes Das Wort ist eigentlich eine verkürzte lautliche Form von Kirchmesse und war schon im Mittelhochdeutschen neben kirchmesse zu kirmesse abgeschliffen. Ursprünglich meinte es die jährlich zur Erinnerung am
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Tag der Kirchenweihe gelesene Messe, ein Brauch, der auch heute noch lebendig ist; an dieses Kirchfest knüpfte sich ein weltliches Freudenfest der Gemeinde, die zu der betreffenden Kirche gehörte, und da aus Anlaß dieses Festes auch in der Regel ein Jahrmarkt stattfand, bedeutete Kirmes schließlich auch überhaupt Jahrmarkt, meist im Sinne eines sogenannten Volksfestes. In manchen ländlichen Gegenden ist es heute noch üblich, dieses kirchliche und weltliche Fest einfach »das Fest« zu nennen, das die Gemeinde am Namenstag des Schutzpatrons der Kirche feiert. Deutlicher erinnern die in Süddeutschland gebräuchlichen Bezeichnungen Kirchweih(e) und Kirchtag an den ursprünglichen Ausgangspunkt. Ein origineller Euphemismus wurde in Süddeutschland entwickelt, um die nach Götz von Berlichingen benannte vielzitierte Aufforderung zu kaschieren, indem man sagt: jemanden auf die Kirchweih laden. Kirschen mit dem ist nicht gut K. essen: Die Redewendung wurde in spätmittelhochdeutscher Zeit und später zunächst in erweiterter Form als Volksweisheit zitiert: wer mit Herren oder hohen Herren Kirschen esse oder essen wolle, dem würfen sie danach die Stiele in die Augen; also eine Warnung vor allzu vertraulichem Umgang mit Höhergestellten, die mit dem gemeinen Volk gern ihren mehr oder weniger grausamen Spaß trieben. So heißt es noch bei Gotthelf: »Das Sprichwort gilt, es sei bös mit großen Herren Kirschen essen, weil sie den Mitessern gern Steine und Stiele ins Gesicht würfen, das Fleisch aber behielten.« An anderen, früheren Stellen heißt es auch, daß die großen Herren einem die Kerne ins Gesicht würfen, einem die Steine in die Augen spien. Klauen Das zu dem Substantiv Klaue gehörende Verbum bedeutete ursprünglich kratzen, krauen, krabbeln, auch mit der Klaue packen, scharren und ist in diesen Bedeutungen nur in einzelnen Regionen häufiger. Im Sinne von zupacken drückte es auch manchenorts (niederrheinisch, sächsisch) schon früh die Vorstellung des Stehlens aus; diese Bedeutung wurde dann im 20. Jahrhundert, vor allem während des Ersten Weltkrieges, Bestandteil der allgemeinen Umgangssprache.
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Klee etwas über den griinenK. loben: Bis zum Ende des Mittelalters und später zählte der Klee zu den Blüten und Blumen, die immer wieder poetische Verherrlichung fanden (systematischer Kleeanbau kam erst im 14. Jahrhundert in Norditalien auf, es gab ihn dann im 16. Jahrhundert auch in Deutschland, was aber durch den Dreißigjährigen Krieg wieder in Vergessenheit geriet; erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bürgerte sich der Anbau dann wieder in Deutschland ein). Klee war dichterischer Ausdruck für den Rasen (auf dem Kleeblumen wuchsen), es ist von einem schapel von kle (einem Kranz von Klee) als Kopfschmuck die Rede, Berg und Tal sind mit rosen und clee geziert, die geliebte Frau wird als mines herzens chle besungen, und sehr häufig ist Klee dabei mit dem Attribut grün verbunden, was ja naheliegend ist. Wenn man also etwas über den grünen Klee lobt, lobt man etwas noch mehr, als das poetische Volksempfinden und die Dichter den Klee loben. Klette wie eine K. an jemandem hängen: Die Klette gehört zur Gattung der hochwüchsigen Korbblütlerstauden; ihre Blüten- und Fruchtköpfe sind mit einer Vielzahl von kleinen Widerhaken versehen. Es ist ein beliebtes Kinderspiel, die kleinen Köpfe einem anderen ans Gewand zu werfen, wo sie dann fest haften. So ungebeten klebt oder hängt im übertragenen Sinn auch ein Mensch an einem anderen, wenn er sich unentwegt aufdrängt. Klimbim Das Wort ist nicht vor dem Ende des 19. Jahrhundert belegt und lautmalerischen Ursprungs, wobei bei seinem zweiten Teil gewiß an bimmeln zu denken ist, bei seinem ersten aller Wahrscheinlichkeit an klingeln, das dann verkürzt an bim angelehnt wurde. So nannte man denn kurz vor 1900 schon beim Militär das Musikkorps insgesamt KlimBim, was deutlich auf den Klang der Militärmusik zurückzuführen ist und humorvoll abwertend gemeint war. Dann nahm das aller Wahrscheinlichkeit nach vom Berlinerischen ausgehende Substantiv allgemeinere Bedeutung im Sinne von Drum und Dran, unnützer Aufwand, aufwendiges Getue an. - 174 -
Klinge jemanden über die K. springen lassen: Die sehr drastische Redewendung meint eigentlich nicht die ganze Person, sondern nur ihren Kopf, der über die Klinge des Henkers springt, wenn er abgeschlagen wird. Klipp und klar Klipp gehört zu dem niederdeutschen Verb klippen, das im Ablaut zu klappen gebildet wurde und das man etwa zum Zuschlagen eines Dekkels sagt (Klippe ist ein kleinerer Deckel, auch eine Klappe); es bedeutet das feinere, hellere Klappen. Dazu läßt sich die Bedeutung von passen assoziieren, und in diesem Sinn kam es auch im Hochdeutschen vor, zum Beispiel es klippt und klappt nicht (thüringisch). Klipp und klar bedeutet also eigentlich passend und klar. Kluft In der Umgangssprache und in verschiedenen Mundarten bezeichnet Kluft die Bekleidung (mit Kluft im Sinne von Erdspalte hat das Wort nichts zu tun). Es ist aus dem Rotwelschen ins Deutsche eingedrungen und geht auf das hebräische qilluph, das Schale bedeutet, zurück. Klüngel )as westdeutsche Wort bedeutet eigentlich Knäuel wie schon das mittelhochdeutsche klüngel, klüngelin; dazu gehört das schwedische klunga (gedrängter Haufen). Daraus entwickelte sich in jüngerer Zeit die heutige übertragene Bedeutung von Clique, Anhang. Knall (auf) K. und Fall: Die Bedeutung des formelhaften Ausdrucks - plötzlich, in einem Augenblick, sehr rasch - ergibt sich aus der Jäger- und Soldatensprache: Auf den Knall des Schusses erfolgt sogleich der Fall des Wildes oder Feindes.
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Knast Das umgangssprachlich verwendete Wort gehört eigentlich der Gaunersprache an und leitet sich vom jiddischen knas (Geldstrafe) und knassen (bestrafen) ab. Knatsch Das Wort bedeutet eigentlich breiartiger, kotiger Boden oder Weg, Straßenschmutz und ist lautmalerischen Ursprungs wie die ähnliches bedeutenden Matsch, Patsch oder Tratsch (vgl. Patsche). Im übertragenen Sinn meint Knatsch ein leichtes Zerwürfnis, eine Auseinandersetzung (es hat einen Knatsch gegeben), die man mit dem breiartigen Knatsch vergleicht; das vorher bessere Verhältnis ist gleichsam zerknatscht. Kneifen vor etwas k.: Ausgang ist das niederdeutsche Verb kneipen, knipen, das auf germanisch knip zurückgeht und zwicken im Sinne von eng sein, klemmen bedeutet (entsprechend niederländisch knijpen); dazu gehört auch das mittelhochdeutsche Verb kmfen (kneifen kratzen), aber in den Mundarten findet sich kneifen heute nur in Norddeutschland. Kneifen wurde seit dem 16. Jahrhundert im Schriftsprachlichen gebraucht. Die Bedeutung vor etwas oder jemandem kneifen (sich drükken) entwickelte sich in der Studentensprache, wenn einer bei der Mensur aus Angst vor einem Hieb den Kopf einklemmte, einkniff. Kneipe Der seit dem 18. Jahrhundert zunächst vor allem in der Studentensprache verwandte Ausdruck geht auf das niederdeutsche Verb kneipen (knipen) zurück und leitet sich von dem unter kneifen (s. d.) entwickelten Begriff der Enge (wenn etwas kneift, ist es sehr oder zu eng) ab. Die Kneipschenke war eine kleine, billige Schankwirtschaft, die wegen ihres engen Raumes so genannt wurde. Dazu gehört das Verb kneipen für zechen und die studentische Kneipe, eine nach strengen Regeln abgehaltene Zecherei in einer Kneipschenke oder in einem Lokal, das man mit einer solchen burschikos identifiziert.
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Knie eine Sache übers K. brechen: Wenn man ein Stück Holz brechen will, tut man das über dem Knie; das geht verhältnismäßig leicht, aber der Bruch fällt dabei nicht immer so aus, wie man es gewünscht hätte. Wer eine Sache übers Knie bricht, erledigt sie zwar auf rasche Weise, aber es kommt dabei keine feine Arbeit heraus. Kniff Das Wort gehört zu kneifen und bedeutete ursprünglich nur allgemein die durch Kneifen entstandene Falte. Von dem Kniff, den betrügerische Kartenspieler in eine Spielkarte machen (um sie zu kennzeichnen), nahm Kniff dann die Bedeutung eines betrügerischen Tricks an. In der jüngsten Zeit verflachte diese Bedeutung wieder, und Kniff ist heute allgemein ein ideenreicher Kunstgriff, freilich oft mit dem Unterton des Raffinierten. Knirps Das Wort ist erst seit dem 18. Jahrhundert belegt und stammt aus dem Ostmitteldeutschen. Aller Wahrscheinlichkeit gehört es zu Knorpel; ein Knirps ist also entweder so klein, daß man ihn mit einem Knorpel vergleicht, oder wirkt wie verknorpelt und deshalb klein. Knobeln In verschiedenen deutschen Mundarten heißen die Fingerknöchel Knübel und ähnlich; schon das mittelhochdeutsche Wort knübel ist in diesem Sinn überliefert. Knobeln bedeutet also eigentlich mit Knochen spielen, denn die Würfel waren früher aus Knochen geschnitten, und das Würfelspiel heißt denn auch heute allgemein Knobeln (ausknobeln, auswürfeln; Knobelbecher, Würfelbecher und davon der Soldatenausdruck für Stiefel). Neben dem Knobeln mit Würfeln gibt es noch einige Spiele etwa mit Streichhölzern (dabei muß geraten, »geknobelt« werden, wie viele Hölzer der andere in der Hand verbirgt), bei denen eine gewisse Kombinationsgabe noch mehr nötig ist als beim Würfeln, so daß die übertragene Bedeutung von knobeln - durch Kombinieren erraten - um so eher Berechtigung hat.
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Knorke Das Berliner Dialektwort im Sinne von vorzüglich, ausgezeichnet, prima ist erst um die Jahrhundertwende entstanden, wurde aber rasch Bestandteil der Umgangssprache. Der erste Gebrauch wird der Kabarettistin Ciaire Waldoff um 1910 zugeschrieben, die sich während einer Theaterprobe einen Kaffee bestellte und zum Kellner sagte, der Kaffee dürfe aber keine Lorke (ein mitteldeutsches Wort für ein geschmackloses, schales Getränk, speziell für einen Kaffee, der noch dünner ist als Blümchenkaffee) sein, sondern er müsse - und dann habe sie nach einem passenden Ausdruck als Gegensatz zu Lorke gesucht — »knorke« sein, das sich in diesem Fall gleichsam situationskomisch auf Lorke reimte und rein lautmalerisch etwas Kräftigeres ausdrückte. Knüppel einen K. am Bein haben: Früher band man den Hunden einen Knüppel oder Knüttel (auch Klöppel) an, damit sie nicht Jagd auf das Federvieh und auf Wild machen konnten; man sprach von einem gekuppelten oder geklöppelten Hund. So mag sich jemand fühlen, der irgend etwas deshalb nicht oder nicht so leicht machen kann, weil er mit einem schweren Handikap zu kämpfen hat. Kognak Cognac ist eine französische Stadt etwa hundert Kilometer nördlich von Bordeaux im Departement Charente-Maritime. Nach ihr wurde der bekannte französische Weinbrand benannt, der nach Gesetz nur aus Weinen hergestellt werden darf, die in bestimmten Teilen dieses Gebietes wachsen. Der »Cognac« erlangte freilich eine solche Berühmtheit, daß man umgangssprachlich auch anderen Weinbrand so nannte; der Name taucht in Deutschland im 18. Jahrhundert auf. Im Versailler Vertrag von 1919 (Artikel 275) wurde es dann für Deutschland untersagt, anderen Weinbrand als den aus dem eigentlichen Gebiet Kognak zu nennen.
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Kohl K. reden: Die bildliche Verwendung eines so weitverbreiteten und gleichzeitig billigen Lebensmittels, wie es der Kohl ist, wäre an und für sich eine Selbstverständlichkeit, und der Volksmund denkt denn auch bei der Redensart an den Gemüsekohl. Aller Wahrscheinlichkeit nach liegt dem Wort Kohl in der Bedeutung von Unsinn, Geschwätz zunächst das hebräische kol (Stimme, Rede) zugrunde, das in der hallischen Studentensprache Ende des 18. Jahrhunderts die Bedeutung von Unsinn annahm. Sicher aber wurde es um so leichter Bestandteil der Umgangssprache, als sich eine Assoziation zu dem zwar schmackhaften, aber nicht allzu geschätzten Gemüse herstellen ließ. In gleicher Bedeutung spricht man im Westdeutschen von Kappes, das dort Kohl in beiden Bedeutungen meint (Kappes leitet sich vom mittellateinischen caputia für Kohl als Gemüse ab). Kohldampf Im Rotwelsch hat schwarz die Bedeutung arm, ohne Geld (so sagt man auch im Kartenspiel, wenn man keinen Stich gemacht hat, man sei schwarz). Das Zigeunerwort für schwarz ist kalo. Setzt man an, daß arm, ohne Geld sein auch bedeutet, daß man hungern muß, lassen sich die verschiedenen rotwelschen Wörter Kohler, Koller, Kolter (Hunger), kolern, kollern (hungern), kolerig (hungrig) als von kalo kommend erklären, zumal kohlerisch im Rotwelsch auch für schwarz belegt ist. Ebenso wird das Wort Dampf im Rotwelsch für Hunger gebraucht. Kohldampf ist demnach also nur eine verstärkende Zusammenziehung der beiden Begriffe und im Rotwelsch für Hunger sehr gebräuchlich. Seinen Eingang in den deutschen Jargon (vor allem reich in der Soldatensprache belegt) konnte es durch seine Assoziation mit Kohl um so leichter finden. Kohlen In der familiären Umgangssprache bezeichnet Kohlen das Geld (die Kohlen müssen stimmen, die Bezahlung muß gut sein). Das Wort ist nicht sehr weit von der Ganovensprache entfernt (in der so eigenwillige Geldbezeichnungen wie Zwickel, Heiermann, Pfund, halber Schein, Schein, Riese für zwei, fünf, zwanzig, fünfzig, hundert, tausend Mark
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auch in der Gegenwart florieren, die freilich ebenfalls in die familiärste Schicht der Umgangssprache eingedrungen sind). In der Gaunersprache bedeutete Kohlen haben allerdings zunächst ohne Geld sein. Kohlen ist nämlich die Ableitung von zigeunerisch kalo, das schwarz bedeutet (vgl. Kohldampf), und schwarz bedeutet arm, ohne Geld. Da das Brennmaterial Kohlen indessen einen materiellen Wert darstellt (in den Notzeiten während und nach den beiden Weltkriegen sogar einen sehr hervorragenden und zum Tauschhandel geeigneten), konnte die Umstellung des Begriffs im Deutschen leicht stattfinden. Kokett Im Französischen bedeutet coquet (weibliche Form coquette) gefallsüchtig, auch niedlich, zierlich, als Substantiv ist coquette die Gefallsüchtige. Dazu gehören das Verb coqueter (gefallsüchtig sein, kokettieren) und das Substantiv coquetterie (Gefallsucht, Koketterie, Ziererei). Sie sind von coq für Hahn abgeleitet; coquet ist also eigentlich hahnenhaft, eine Anspielung auf das gezierte Wesen des Hahnes (coq ist lautnachahmend, verkürzt aus coco; vgl. Kokotte). Kokotte Vom französischen coq für Hahn (s. kokett), das selbst lautmalerischen Ursprungs über coco ist, leitete sich in der Kindersprache cocotte für Hühnchen ab, das dann auf Mädchen übertragen wurde und in der derberen Umgangssprache ein Wort für Dirne, Freudenmädchen wurde. Als Kokotte wurde das Wort im letzten Sinn im 19. Jahrhundert ins Deutsche übernommen. Koller Das griechisch-lateinische Wort cholera (Gallenbrechruhr, griechisch chole, Galle; identisch mit dem medizinischen Begriff Cholera) wurde schon im Althochdeutschen als Kolero, im Mittelhochdeutschen als kolre gebraucht. Es nahm den Sinn eines plötzlichen Wutausbruchs an, genauso wie das ebenfalls auf cholera zurückgehende französische colere Zorn bedeutet.
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Koloß Das Wort kolossos bedeutet im Griechischen Riesenbildsäule; seine weitere Herkunft ist unbekannt. Das Lateinische entlehnte es als colossus in der gleichen Bedeutung, und ebenso wurde das Wort als Koloß im 16. Jahrhundert ins Deutsche übernommen, auch im übertragenen Sinne auf einen Riesen angewandt. Im 16. Jahrhundert stellte man daneben auch noch den Begriff ruland (Roland), den man aus dem um 1100 entstandenen altfranzösischen »Rolandslied« kannte (Roland war ein bretonischer Graf, der 778 Führer der Nachhut Karls des Großen bei seinem Feldzug in Spanien war, die von den Basken überfallen und vernichtet wurde; das Epos machte daraus einen ebenso gigantischen wie tragischen Kampf der Christen gegen die Heiden; wurde bereits um 1135 ins Deutsche übersetzt). Die in vielen mittelalterlichen Städten zu findenden Bildsäulen eines Ritters mit Schwert, wahrscheinlich Rechtswahrzeichen, trugen den Namen Roland, am bekanntesten ist der Roland in Bremen (Rückert: »Roland, der Ries, am Rathaus zu Bremen, steht er als Standbild standhaft und wacht; Roland der Ries, am Rathaus zu Bremen, Kämpfer einst Kaiser Karls in der Schlacht«). Das Wort Roland konnte indessen die Verbreitung des Wortes Koloß nicht beeinflussen. Auf der Bibel (Daniel 2) beruht der Ausdruck Koloß auf tönernen Füßen. Daniel legt den Traum Nebukadnezars von den vier Wahrzeichen und dem ewigen Reiche Gottes aus und sagt unter anderem: »Du, König, sähest, und siehe, ein großes und hohes und sehr glänzendes Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen. Des Bildes Haupt war von feinem Golde, seine Brust und Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Erz, seine Schenkel waren Eisen, seine Füße waren eines Teils Eisen und eines Teils Ton. Solches sähest du, bis daß ein Stein herabgerissen ward ohne Hände; der schlug das Bild an seine Füße, die Eisen und Ton waren, und zermalmte sie.« Im 19. Jahrhundert wandte man dieses Bild auf das zaristische Rußland an. Kommiß Im Lateinischen bedeutet commissum das Anvertraute. Daraus wurde im Frühneuhochdeutschen kommiß für Heeresvorräte, Soldatenverpflegung. Im engeren Sinn meint Kommiß bis heute das Kommißbrot. Daneben gab es eine Reihe von Zusammensetzungen wie Kommißha-
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fer, Kommißmetzger etc. So bildete sich der Begriff Kommiß auch als identisch mit Militär (beim Kommiß sein, zum Kommiß eingezogen werden) heraus und wird so auch im 20. Jahrhundert allgemein gebraucht. Eine vergleichbare Identifikation ist Barras (s. d.). Komplex Das lateinische complecti (umschlingen, umarmen, umfassen, zusammenfassen), zu plectere (flechten) gehörend, ergab das Substantiv complexus (Umschlingung, Umarmung, Umfangen), wovon das Fremdwort Komplex im 19. Jahrhundert entlehnt wurde, in vielerlei Sinn Zusammenfassung, Gesamtheit bedeutend. Komplice Das lateinische complex (Akkusativ complicem) für Genösse (als Adjektiv bedeutet es verbündet) ergab im 14. Jahrhundert im Französischen complice, das heute im engeren Sinne mitschuldig, Mitschuldiger, Helfershelfer, im weiteren Teilnehmer bedeutet. Es beruht auf lateinisch cum (mit) und plicare (zusammenfalten, -rollen). Im 17. Jahrhundert drang das französische Wort ins Deutsche. Korb jemandem einen Korb geben: Es ist bis zur mittelalterlichen Minnesängerzeit zurück überliefert, daß manches Burgfräulein ihren heimlichen Geliebten in einem Korb die hohen Burgmauern hochziehen ließ, um mit ihm zusammenzutreffen. Genoß der hartnäckige Anbeter aber nicht die wirkliche Gunst der Dame, legte sie ihn auf die Weise herein, daß der Korb einen schadhaften oder zu dünnen Boden hatte und der Liebhaber dann durchfiel. Von anderen Fällen wird berichtet, daß die Dame den Korb in halber Höhe bis zum anderen Tag hängen ließ und der Liebhaber so dem Gespött der Leute preisgegeben war. Die Übung der Burgbewohnerinnen wurde vom Volk im Laufe der Zeit insoweit aufgenommen, daß es Sitte wurde, einem Bewerber, dem man nicht nachgeben wollte, symbolisch einen Korb ohne Boden zu schicken. Die Redensart blieb, auch als man keinen wirklichen Korb mehr übergeben ließ, und man vergaß auch allmählich zu erwähnen, daß der Korb keinen Boden habe, so schon im 17. Jahrhundert: »Wilt du heiraten und
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hast kein Geld, so bleib nur daheim, dann du wirst ausgelacht, ein Gespött der Leute sein und an Statt der Braut einen Korb bekommen.« Korn jemanden, etwas aufs Korn nehmen: Das Korn ist der eine (kornförmige) Teil der Zieleinrichtung am Gewehr; wenn es sich fürs Auge in den Einschnitt der Kimme, des anderen Teils, fügt und sich gleichzeitig mit dem Ziel deckt, trifft der Schuß. Beim Zielen sucht man nun zuerst die optische Übereinstimmung des Korns mit dem Ziel, man nimmt es gleichsam aufs Korn. Ausgehend von der Jäger- und Soldatensprache, nahm die Redewendung dann übertragene Bedeutung an. Koscher Das hebräische kascher bedeutet im rechten Zustand, gesetzmäßig und meint im speziellen Sinne bei den orthodoxen Juden rein, wie es den Speisegesetzen entspricht. Seit dem 18. Jahrhundert ist es auch in der deutschen Umgangssprache gebräuchlich und ebenso in den Dialekten. An die dem jüdischen Glauben entsprechende Bedeutung lehnt sich noch koscher in bezug auf Lebensmittel, vor allem Fleisch an, wenn man meint, sie seien nicht mehr koscher, das heißt nicht mehr frisch; auch auf Menschen bezogen, kann man von jemandem sagen, man halte ihn nicht für ganz koscher, also nicht für ganz unverdächtig. Kostspielig Im Althochdeutschen gab es das Verb spildan für verschwenden; im Mittelhochdeutschen war davon noch das Adjektiv spildec (althochdeutsch spildigi) für verschwenderisch erhalten. Kostspielig, das sich später an Spiel anlehnte, ist also eigentlich geldvergeudend. Kotau vor jemandem einen K. machen: Das Wort ist chinesischer Herkunft, wo k'o-t'u wörtlich den Kopf abschlagen bedeutet. In der chinesischen Kaiserzeit war es Sitte, daß man sich vor dem Kaiser zu Boden warf, den Boden mit der Stirn berührte und den Kopf in voller Unterwürfigkeit gleichsam darbot, um ihn sich abschlagen zu lassen, ein Zeichen
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absoluter Ergebenheit. Das Wort gelangte um 1900 ins Deutsche; vor jemandem einen Kotau machen bedeutet heute, sich gegenüber jemandem unterwürfig höflich benehmen. Krähwinkel Wiewohl es den Ortsnamen Krähwinkel mehrere Male im deutschen Sprachraum gibt, bezieht sich Krähwinkel im Sinne einer verträumten, zurückgebliebenen, hinterwäldlerischen Kleinstadt auf keinen von ihnen. Es meint vielmehr einen zwar fiktiven, aber dennoch typischen kleinstädtischen Ort, der ganz entlegen in einem Winkel ist und in dem allein der Hahn kräht. Krähwinkel wurde durch Jean Pauls »Das heimliche Klaglied der jetzigen Männer« (1801) und durch August von Kotzebues Lustspiel »Die deutschen Kleinstädter« (1803) sprichwörtlich. Kram das paßt mir nicht in den K.: Im Mittelhochdeutschen bedeutet kram ausgespanntes Tuch, Zeltdecke, Bedachung eines Kramstandes, Krambude, ferner Handelsgeschäft, Ware; dazu gehörten die Wörter kramaere, kramen (Kramhandel treiben). Ausgangspunkt ist wohl Kram im Sinne von Zeltdach, das der Krämer über seinen Wagen oder über seine Bude, seinen Verkaufsstand spannte. Geblieben ist hauptsächlich Krämer für einen Händler, der alles mögliche verkauft, Kram für alle mögliche Ware, in der Regel abschätzig gemeint, und kramen für im Kram herumwühlen. Nicht in den Kram passen meint: nicht in die eigenen Angelegenheiten passen. Krämerseele Dem Krämer sagte der Volksmund seit alters nach, daß er eine kleinliche Vorteils- und Gewinnsucht habe und so eigentlich das Gegenteil einer heroischen Natur sei. Aus dieser Vorstellung bildeten sich allerlei abwertende Zusammensetzungen wie Krämergeist, krämerhaft (krämerhafte Sparsamkeit), Krämerherz (Kaysersberg: »hütet euch vor dem krämerherz«), Krämerpolitik, Krämerseele, Krämersinn (Schiller: »Leute, die selbst da, wo es die Rettung des Vaterlandes galt, ihren Krämersinn nicht zu verleugnen wußten«), Krämervolk.
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Krampf das ist (ein) K., mach keinen K.: Ausgehend von dem germanischen Adjektiv kramp a (krumm, gekrümmt) und über das althochdeutsche Verb krimphan (krümmen), bedeutet Krampf im eigentlichen Sinne ein krümmendes Sicheinziehen oder Zusammenziehen des Körpers. Daran lehnt sich in jüngerer Zeit Krampf übertragen für eine unnatürliche Verhaltensweise an, die man gleichsam nur zustande bringt, wenn man sich verkrampft, also eine Übertreibung, Verdrehung. So kann man auch eine Sache, die gekünstelt oder dumm erscheint, Krampf nennen, und von hier aus bedeutet Krampf (auch in der Mehrzahl als Krampfe) auch etwa soviel wie Gaudi. Mach keinen Krampf ist die Aufforderung, keinen Unsinn zu machen oder die Wahrheit nicht zu verdrehen. Kraut ins K. schießen: Während Kohl ursprünglich mehr Stengel, Strunk bedeutete, weist Kraut mehr auf das Blattwerk, die grünenden Blätter einer Pflanze hin (in Krauter hat sich dieser Sinn am deutlichsten erhalten). Wenn eine Pflanze ins Kraut schießt, meint man, daß eine Kulturpflanze übermäßigen Blattwuchs entwickelt und deshalb meist für den Genuß untauglich wird; sie wächst aus. Übertragen bedeutet die Redewendung, daß eine Sache übermäßig wuchert. Kraut und Rüben durcheinander wie K. u. R.: Kraut und Rüben waren früher wegen ihrer Billigkeit sehr häufig vorgesetzte Speisen (auch die große Runkelrübe gibt ja ein schmackhaftes Gericht ab). Freilich, zusammen oder gar zusammengemischt vorgesetzt zu werden, eignen sie sich nicht. Stellte also eine ebenso sparsame wie wenig auf Geschmack bedachte Hausfrau Kraut und Rüben auf den Tisch, sprach man mit Recht von einem Durcheinander. Goethe sagte einmal über die Newtonsche Optik: »Dieser Micmac (Verwirrung, Mischmasch) von Kraut und Rüben«, denn sie lief seiner Auffassung von der Farbenlehre zuwider.
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Kreide in der K. stehen: Mit Kreide schrieben früher Wirte und Krämer die Schulden ihrer Kunden an; auf die Kreide bedeutete soviel wie auf Borg (in einer Quelle heißt es: »In Sonderheit die huren meid, sonst must du kaufen auf die kreid«). An der Kreide oder in der Kreide sein (stehen) gebrauchte man für Schulden bei jemandem haben. Krethi und Plethi Nach der Bibel waren die Krethi und Plethi König Davids Leibwache (2. Samuel). Die geläufige Form stammt aus der Lutherschen Übersetzung; in dem heutigen vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß herausgegebenen Text heißt es an den betreffenden Stellen »Kreter und Plether«; es ist freilich strittig, ob damit die Kreter und Philister gemeint sein können. Kreuz zu K. kriechen: Ausgang und eigentlicher Sinn der Redewendung ist aller Wahrscheinlichkeit nach das tatsächliche Hinkriechen zum Kreuze, um reuig und demütig Buße zu tun. So ist es in der katholischen Kirche bis in die Gegenwart üblich, am Karfreitag sich dem Kreuz in der Kirche in tief gebückter Haltung oder auch kriechend im Gebet zu nähern, um den sogenannten Kreuzablaß zu erwerben. Der ursprünglich stark ausgeprägte Sinn der Buße verblaßte indessen in der Redensart und machte der Vorstellung Platz, wer zu Kreuz(e) krieche, demütige sich unter dem Eingeständnis einer tatsächlichen oder vermeintlichen Schuld vor einem anderen. Kritikaster Das Wort findet sich zum erstenmal bei Lessing (»Nur daß sich nicht jeder kleine Kritikaster für das Publikum halte«). Gemeint ist damit ein kleiner, aber eingebildeter Kritiker. Das Wort wurde wohl nach dem Vorbild von Poetaster für einen Dichterling gebildet, das sich schon im 16. Jahrhundert findet, ebenso war Philosophaster (Scheinphilosoph) geläufig.
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Krokodilstränen Nach altem Volksglauben nahm man an, daß das Krokodil wie ein Kind weine, um Opfer anzulocken; als Variante wurde erzählt, daß das Krokodil heuchlerische Tränen vergieße, wenn es sein Opfer verzehrt. Krösus Kroisos (lateinisch Croesus) war 560-547 v. Chr. König von Lydien. Er beherrschte große Teile Kleinasiens, auch die Griechenstädte des Festlandes waren ihm zur Abgabe verpflichtet; 546 wurde er von den Persern besiegt und ging seines Reiches verlustig. Er war von so fabelhaftem Reichtum, daß sein Name sprichwörtlich für einen ungewöhnlich reichen Mann wurde. Krummnehmen etwas, eine Sache, ein Wort k.: Krumm ist das Gegenteil von gerade. Nimmt man eine Sache krumm, so nimmt man sie nicht gleichsam so gerade auf, wie sie ist, oder wie ein Wort gemeint war, sondern faßt es falsch auf, sozusagen verkrümmt, mit einer falschen Drehung. Ein anderer Ausgang wäre krumm in der Bedeutung von unrecht, unredlich, böse; krummnehmen wäre demnach etwas als böse auffassen. Kuckuck hol's der K., zum K.: Durch seinen ungewöhnlichen Ruf und sein seltsames Gebaren hat der Kuckuck bei vielen Völkern die Phantasie und zur Mythenbildung angeregt. So gebraucht man im Deutschen seit dem 16. Jahrhundert seinen Namen als verhüllendes Wort für Teufel. Zum Beispiel heißt es bei Claudius: »Drum tanzen auch der Kuckuck und sein Küster auf ihm (dem Blocksberg) die kreuz und quer.« Hol's der Kuckuck heißt also eigentlich: Hol's der Teufel; jemanden zum Kukkuck schicken heißt: ihn zum Teufel schicken. Kuckucksei jemandem ein K. ins Nest legen: Gemeint ist mit der Redensart, daß man jemandem ein zweifelhaftes Geschenk mache oder ihm den Keim
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zu etwas Schlechtem lege. In Luthers Tischreden sind der Vorgang und seine üblen Folgen, die den Volksmund zu dieser Redensart führten, genau beschrieben: ». . . daß der kuckuck hat die natur und art, daß er der grasmücken ihrer eier aussäuft und seine eier dargegen ins nest, daß sie die grasmücke muß ausbrüten. Darnach, wenn die jungen kuckuck aus der schalen gekrochen und groß sind, so kann die grasmücke sie nicht bedecken. Darvon werden die kuckuck aufsätzig, und zuletzt fressen die jungen kuckuck ihre mutter die grasmücken.« Kuddelmuddel In dieser Form ist das Wort niederdeutsch und speziell berlinerisch, von wo aus es im 19. Jahrhundert in die Umgangssprache einging. Beide Teile des Wortes finden sich in ähnlichen Formen in verschiedenen deutschen Mundarten. Koddern heißt im Norddeutschen Wäsche halten, koddeln kleine Wäsche, Sudelwäsche halten, utkoddeln flüchtig auswaschen, aber auch schlesisch katern, schlecht waschen. Dazu gehören dürfte auch schweizerisch kotzen, ein Geschäft, etwa das Waschen, unreinlich abtun; Kölsche sagte man von einer unreinlichen Hausfrau. Vom gleichen Stamm ist wohl auch kodderig (lumpig, lappig) und Kodder (Lappen). Im Schlesischen waren Kudeln, Kotteln wirre Haare, kudeln hatte manchenorts die Bedeutung von wirren. Der zweite Teil des Wortes ist wohl das mittelniederdeutsche modder für Schlamm (dazu englisch mud, Schlamm), moddich, muddich für schlammig, sumpfig. Kugel eine ruhige K. schieben: Die vor dem 20. Jahrhundert nicht belegte Redensart, mit der man ausdrücken will, daß sich jemand bei der Arbeit nicht anstrengt oder anstrengen muß, leitet sich aller Wahrscheinlichkeit nach vom Kegeln ab. Wenn kein anstrengender Schub nötig ist, kann man mit wenig Kraft gleichsam die Kugel ganz ruhig hinausschieben und gerät dabei nicht ins Schwitzen. Kuhhandel Bäuerliche Handelsgeschäfte stehen seit alters häufig in zweideutigem Ruf; vor allem beim Handel mit Tieren ist leicht die Möglichkeit gege-
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ben, daß der eine den ändern übervorteilt; indem er Alter, Gesundheitszustand, Leistungskraft oder Gewicht des Tieres zu fälschen sucht, vor allem beim Kauf von Pferden. Außerdem zeichnen sich solche Geschäfte oft durch langes Feilschen und Hin und Her aus. Dennoch ist der Ausdruck Kuhhandel nicht vor dem Ende des 19. Jahrhunderts belegt, mit dem man einen nicht ganz sauberen, von widerlichem Feilschen begleiteten Handelsvorgang, etwa in der Politik, der auch betrügerische Züge haben kann, kennzeichnen will. Kuhhaut das geht auf keine K.: Die Redensart will ausdrücken, daß etwas, meist eine (moralische) Schuld, ein schlechtes Verhalten, dann aber auch irgendein ungutes Ereignis so groß sei, daß man es kaum oder gar nicht fassen könne. Zugrunde liegt die Vorstellung, daß die Schuld eines Menschen auf eine Kuhhaut geschrieben wird; entsprechend präparierte Häute von kleineren Tieren wurden bis in die Neuzeit als Schreibmaterial verwandt; wenn etwas nicht einmal auf eine so große Haut wie die einer Kuh geht, muß es ungewöhnlich viel sein. Im Mittelalter glaubte man vielfach, daß der Teufel die Sünden eines Menschen auf einer Kuhhaut registriere. So finden sich zum Beispiel auf einer aus dem 14. Jahrhundert stammenden Darstellung im Kloster Reichenau im Bodensee zwei klatschende Frauen; unter ihnen halten vier Teufel eine Kuhhaut, und ein fünfter schreibt darauf die Sünden nieder, die die Frauen durch ihr bösartiges Geschwätz begehen. Kulinarisch Ein Fremdwort des 18. Jahrhunderts, das vorher schon vom Französischen als culinaire (zur Küche gehörig) aus dem Lateinischen entlehnt wurde. Zugrunde liegt lateinisch culinarius, das sich von culina (Küche, Kost, Essen) ableitet. Kumpan Als kompan und kumpan tritt das Wort schon im Mittelhochdeutschen in Erscheinung mit den Bedeutungen Geselle, Genösse, Beisitzer einer städtischen Behörde. Es wurde aus dem Altfranzösischen übernommen, wo compaign, compain Genösse bedeutete (das auch ins Deutsche
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übernommene französische compagnon ist im Altfranzösischen der Akkusativ zu compain). Das Wort geht zurück auf ein galloromanisches companio, eine Zusammensetzung von com (lateinisch cum) mit, und lateinisch panis, Brot (französisch pain). Compain und Kumpan ist also eigentlich jemand, mit dem man das Brot gemeinsam ißt, teilt. Es gab eine fränkische Entsprechung dieses Wortes: gahlebo (hieb, Brot), nach dessen Vorbild das galloromanische Wort vermutlich gebildet wurde. Kumpan konnte das deutsche Wort Geselle nie verdrängen, sondern wurde statt dessen in der neueren Sprache mit einem abschätzigen Sinn erfüllt. Eine Ableitung von Kumpan ist Kumpel (s. d.) Kumpel Das bereits im Mittelhochdeutschen vorhandene Wort kumpan (s. d.) ergab im frühen Neuhochdeutsch die abgeschliffenen Nebenformen kumpe und kump. So heißt es in einem Schwank des 16. Jahrhundets: »Denn wie das kleid, so ist der mann, leicht kumpen leichte lumpen han.« Ebenso wie Kumpan hatte es die Bedeutung Freund, Geselle. Seine Wiederbelebung und heutige allgemeine Verbreitung empfing Kumpe in der Form Kumpel durch den Bergbau. Zum erstenmal in diesem Sinn (noch als kumpe) ist das Wort 1684 im Unterharzer Bergbau belegt. Seither meint es in diesem speziellen Sinn Arbeitsgenosse, Kamerad und verbreitete sich über den gesamten Bergbau. Von da gelangte es im 19. Jahrhundert in die Soldatensprache und von da wiederum in die allgemeine Umgangssprache. Der Sinn des Genossen, mit dem man etwas teilt, etwa die Arbeit, gemeinsame Interessen und dergleichen, ist heute wie früher das bestimmende Element des Wortes. Im Gegensatz zu Kumpan hat es kaum einen abschätzigen Charakter. Kunterbunt In der Musik versteht man unter Kontrapunkt die mehrstimmige Komposition, den mehrstimmigen Tonsatz (das Wort wurde aus lateinisch punctus contra punctum, Punkt gegen Punkt, also Note gegen Note, gebildet). Ende des 15. Jahrhunderts hatte sich aus Kontrapunkt das Adjektiv contrabund im Sinne von vielstimmig, mehrstimmig gebildet. Daraus entwickelte sich dann kunterbunt in der heutigen Bedeutung, wobei vor allem das mißverstandene -bunt eine Rolle spielte.
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Kuppelpelz sich einen K. verdienen: Heute hat die Redewendung einen anrüchigen Sinn und weist mehr oder weniger auf ein illegales Kuppeln hin. Früher war der Pelz aber (wie auch andere Güter) der ganz legitime Lohn für den, der zwei Leute zu einem Eheverhältnis zusammenführte. Kuratel unter K. stehen: Kuratel wurde dem Lateinischen entlehnt, wo curatela Vormundschaft, Pflegschaft bedeutet (Grundwort ist cura für Sorge, Pflege, Aufsicht). Wer unter Kuratel steht, wird also streng beaufsichtigt, eine Wendung, die heute nur noch im übertragenen Sinn und meist scherzhaft gebraucht wird. Kurz k. angebunden sein: Aller Wahrscheinlichkeit bezieht sich die Redewendung auf den an die Kette gelegten Hofhund, den man kurz angebunden hat (das heißt, dem man nur geringen Spielraum läßt), damit er niemanden anfallen kann (weil es genügt, wenn er durch Gebell einen Fremden ankündigt). Der kurz angebundene Hund knurrt und bellt aber gerade, weil er sich nicht frei bewegen kann, bei der geringsten Gelegenheit. Sagt man von jemandem, er sei kurz angebunden, will das ausdrücken, daß er sich nicht auf ein höfliches Gespräch einläßt und sogleich unwirsch ist. Kurz jemanden k. halten: Die Redewendung geht vom Zügel, mit dem man das Pferd hält oder führt, aus. Hält man den Zügel kurz, gewährt man dem Pferd nur wenig Spielraum; übertragen auf den Menschen bedeutet das, daß man ihm wenig Freiheit läßt oder daß man ihm wenig zukommen läßt, etwa Geld. Kurz zu k. kommen: Die Wendung geht von der Vorstellung aus, daß einer das Ziel nicht erreicht hat. Wer zu kurz kommt, erreicht es nicht, auch
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wenn es sich nur um ein kurzes fehlendes Stück handelt, und er kann so den erhofften Gewinn oder die Belohnung nicht erhalten, geht bei der Verteilung (etwa der Beute) leer aus. Kurz K. und klein schlagen: Das Adjektiv kurz hat in mancherlei Beziehung eine dem Begriff klein angenäherte Bedeutung. Das ist vor allem in Kurzwaren deutlich; in der Jägersprache nannte man die Hoden des Hirsches das kurze Wildbret; kurzes Futter bedeutete das kleingeschnittene Futter (wobei hier noch der Gegensatz zu lang im Vordergrund steht), aber auch Körner. Und so ist kurz und klein schlagen nur eine alliterierende, verstärkte Verdeutlichung von klein schlagen. Kürzer den k.en ziehen: Heute noch ist es Sitte, daß man bei einer Entscheidung, die beiden Seiten gleiche Chancen einräumen will - ähnlich wie bei einer auf dem Zufall beruhenden Entscheidung durch das Los -, zwei Grashalme oder zwei Hölzchen so in die Hand nimmt, daß nur die Spitzen herausschauen, und beide Parteien ziehen läßt; wer den kürzeren oder das kürzere zieht, hat verloren (Kaysersberg: »Unser leben ist nüt anders dan das helme ziehen, einer wönt, er wel ein vast lang heimle ziehen, so würt eim etwan das allerkurzes!«).
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L Lackieren jemanden L: Das Wort Lack wurde im 16. Jahrhundert aus dem Italienischen entlehnt (lacca, Lack); es geht auf das arabische lakk und das persische lak zurück, denen ein indisches lakkha zugrunde liegt. Zu Lack wurden die Verben lacken und lackieren gebildet. Die übertragene Bedeutung von lackieren (jemanden betrügen) lehnt sich an die gleiche Bedeutung von anschmieren (auch ausschmieren) an und ist gleichsam nur eine scherzhafte Pointierung davon. Zu lacken und lackieren bildeten sich dann die Wörter der Gelackte, der Lackierte, der Gelackmeierte, meist in den Formeln: wir sind die Gelackten, Lackierten, Gelackmeierten, ebenso ich bin der Gelackte etc. Lakonisch Lakonien (Lakedaimon) war eine antike Landschaft auf der Halbinsel Peloponnes mit der Hauptstadt Sparta. Ihre Bewohner waren so wortkarge Leute, daß schon in der Antike die Knappheit der Rede lakonisch genannt wurde; Sokrates gebrauchte den Ausdruck »eine Art lakonischer Kürze«. Lamento Das lateinische lamentum (Wehklage, meist im Plural als lamenta gebraucht) ergab im Italienischen lamento (Klage). Im 18. Jahrhundert wurde es ins Deutsche, zunächst als musikalische Ausdrucksbezeichnung, übernommen und nahm die Bedeutung Gejammer an. Dazu wurde analog dem italienischen Verb lamentare (beklagen) lamentieren für jammern gebildet.
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Landfrieden dem L. nicht trauen: Der Landfrieden war eine Art gesetzlicher Regelung des öffentlichen Friedens im Lande, durch den vor allem die Fehde eingeschränkt wurde und der entweder für ein bestimmtes Territorium oder auch für das gesamte Reich ausgerufen wurde. Maximilian I. verkündete 1495 den Ewigen Reichslandfrieden, mit dem jedes Fehderecht abgeschafft wurde. Da der Landfrieden natürlich nicht immer eingehalten wurde, konnte man ihm auch nicht immer trauen. Landpomeranze Die Pomeranze ist eine Apfelsinenart, deren zusammengesetzter Name im Mittellateinischen entstand: Die bittere Orange heißt auf persisch narandsch (das später im Italienischen zu arancia wurde); der erste Teil von Pomeranze ist das lateinische pomum (Apfel). Daraus bildete sich im Mittellateinischen pomerancia, pomorancium, pomerantium. Anfang des 15. Jahrhunderts erscheint das Wort im Deutschen als pomeranz; daneben gab es auch die Formen pamerantze, baumerantz und schließlich Pomeranze. Ayrer pries sie: »Das best obs, pomerantzn und weintraubn«. Seit Anfang des 19. Jahrhunderts ist das Scherz- und (leichte) Schmähwort Landpomeranze belegt. Es meinte vor allem Mädchen vom Lande mit ihrem prallen Aussehen und ihren roten Pausbacken, wozu sich als Vergleich die Pomeranze anbot. Lanze für jemanden oder etwas eine L. brechen: Die Lanze ist eine vor allem im ritterlichen Turnier häufig gebrauchte Stoßwaffe (ursprünglich Wurfwaffe); die Ulanen waren aber bis ins 20. Jahrhundert herein mit Lanzen bewaffnet. Zwar ist die Redewendung erst seit dem 17. Jahrhundert belegt (vorher sagte man Speer brechen, Stangen brechen), doch wurde sie in Anlehnung an den ritterlichen Kampf geprägt. Wenn man für jemanden eine Lanze bricht (auch einlegt, das heißt zum Stoß bereithält), steht man ihm bei, hilft man ihm, verwendet man sich für ihn (eigentlich: kämpft man für ihn); brechen deshalb, weil die Lanze häufig brach oder weil man so lange kämpfte, bis sie brach.
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Lappalie Eine zunächst scherzhafte Bildung wohl in der Studentensprache, die das Wort Lappen als wertlosen Gegenstand mit einer latinisierenden Endung versah (ursprünglich dürfte das Wort Lappalia geheißen haben). Lappen durch die L. gehen: Die Jäger nennen nicht nur die Ohren des Jagdhundes Lappen (die Grundbedeutung von Lappen ist niederhängendes Stück Zeug, worauf zum Beispiel isländisch und norwegisch lapa, schlaff hängen hinweist, abgesehen von den deutschen Verwendungen wie Ohrläppchen), sondern entwickelten auch den speziellen Begriff Lappjagen (auch Lappstatt): mit Feder- oder Tuchlappen zugestelltes Jagen, wobei durch aufgehängte Lappen das Wild daran gehindert wurde, auszubrechen. So sprach man auch von Lappentreibjagd, und die Gestelle zum Aufhängen der Lappen hießen Lappenstäbe, -Stangen, Lappreiser. Gelingt es dem Wild, in seiner Angst dennoch auszubrechen, geht es durch die Lappen. Läppern es läppert sich zusammen. Das heute kaum noch gebräuchliche Verb läppen bedeutete lecken, schlürfen, angelehnt wohl an die tierische Art, die Nahrung aufzunehmen, vor allem des Hundes, wobei an das Herunterhängen der Zunge gedacht wird (die Grundbedeutung von Lappen ist Niederhängendes). Das Verb läppern ist eine Bildung zu läppen und meint eigentlich ebenso lecken, schlürfen, vor allem im Sinne von öfters in kleinen Schlucken trinken, teilweise auch Flüssigkeit aus einer Vertiefung hinauswerfen (mit der Schaufel oder mit der Hand). An diese Bedeutung, in kleinen Teilen eine Flüssigkeit zu sich nehmen oder befördern, schloß sich läppern im Sinne von: in kleinen Teilen etwas ansammeln an.
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Lapsus Das lateinische lapsus bedeutet Gleiten, Fallen, Fall, Sturz und übertragen auch Fehltritt, Verstoß; es gehört zu dem Verb labi (gleiten, straucheln, fallen, irren). Larifari Ausdruck für leeres Gerede, Geschwätz. Er dürfte sich aller Wahrscheinlichkeit nach von der Solmisation, den italienischen Tonsilben (la, re, fa, re), gegen Ende des 17. Jahrhunderts abgeleitet haben. Das Wort soll jedenfalls ein nichtssagendes Trällern bezeichnen und ist auch als lori fa überliefert. Seine Fixierung auf die eine Form und seine Verbreitung wurden dann gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch den Kasperl Larifari gefördert, eine zunächst in Wien an die Stelle des Hanswurstes tretende Figur. Latein mit seinem L. am Ende sein: Latein reden zu können war der Vorzug der Gebildeten seit den mittelalterlichen Klosterschulen. So wurde die Beherrschung des Lateins überhaupt sprichwörtlich für hohe Kunstfertigkeit; wer mit seinem Latein am Ende war, war zu Ende mit seinem Wissen oder seiner Kunst. Die Wendung mag davon beeinflußt worden sein, daß mancher Prüfling, der in Latein zu antworten hatte, aus mangelnder Beherrschung der Sprache keine rechte Antwort mehr zu geben wußte. Laube . . . und fertig ist die Laube: Die Wendung drückt aus, daß eine Sache ganz einfach und ohne Schwierigkeit zu bewältigen war. Sie bezieht sich auf die einfache und oft primitive, daher mühelose Weise, wie eine Gartenlaube zusammengezimmert wird.
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Lauffeuer sich wie ein L. ausbreiten: Unter Lauffeuer verstand man früher das in einem Strich ausgeschüttete Pulver, um eine etwas entfernt angelegte Ladung oder auch ein Feuerwerk zu entzünden; mit verhältnismäßig großer Geschwindigkeit läuft das Feuer diesen Strich entlang. Daneben nannte man auch das Schießen einer ganzen Linie so, »wenn ein Mann nach dem ändern von dem einen Flügel zum ändern sein Gewehr losbrennet und abfeuert«, wie es in einem Kriegslexikon aus dem Jahre 1757 heißt. Wenn sich etwas wie ein Lauffeuer ausbreitet, eilt es - zum Beispiel eine Nachricht - gleichsam rasch von Punkt zu Punkt. Laufpaß jemandem den L. geben: Seit Ende des 18. Jahrhunderts ist das Wort Laufpaß für eine Art Entlassungsschein der Soldaten und Dienstboten überliefert; es ist möglich, daß das Wort schon früher in umgangssprachlichem Gebrauch war. Gleichzeitig nahm der Ausdruck auch die heute übliche negative Wendung an. Laune Das Mittelhochdeutsche übernahm das lateinische luna (Mond, Mondschein) als lune für Mond, Mondphase, Zeit des Mondwechsels. In der mittelalterlichen Astrologie nahm man an, daß Mond und Mondwechsel Einfluß auf die Stimme des Menschen haben, so daß dann lune auch schon Veränderlichkeit, Laune des Glücks, überhaupt Glück, wechselnde Gemütsstimmung, Laune, Neigung bedeutete. Der größere Teil der Bedeutungen ging verloren, und Laune blieb allein im heutigen Sinn erhalten. Von dem dazugehörigen Verb launen blieb nur das Partizip gelaunt. Laus die L. um den Balg schinden: Die ursprüngliche Bedeutung von schinden ist enthäuten (vgl. Schindluder, Schund). Der eigentliche Sinn ist also: so geizig sein, daß man selbst der Laus (einem absolut wertlosen Tier) noch den Balg (die Haut) abzieht, also aus Habgier selbst nach dem Erwerb von etwas völlig Wertlosem trachtet, hartnäckig auf den geringsten Gewinn oder Vorteil versessen ist. - 197 -
Laus ihm ist eine L. über die Leber gelaufen: s. Leber. Läuten etwas 1. hören: Bis in die Gegenwart hinein wurden Verlautbarungen oder sonst wichtige Dinge mit dem Läuten einer Glocke angekündigt; so war es in kleineren Gemeinden noch bis vor wenigen Jahrzehnten üblich, daß der Gemeindediener an verschiedenen Plätzen des Ortes Bekanntmachungen verlas und diese durch eine Glocke ankündigte. Deutlicher noch kündigen die Kirchenglocken sowohl die kirchlichen Ereignisse wie auch die Tageszeiten (zum Gebet) an. Der eigentliche Sinn der Redewendung - etwas gehört haben, aber nur unbestimmt erklärt sich indessen aus der erweiterten Form der Redensart, wie sie früher häufig gebraucht wurde: er hat läuten hören, aber nicht zusammen schlagen. Das bezog sich darauf, daß für den Hauptgottesdienst zuerst mit einer einzigen Glocke, ein weniger später mit allen Glocken zusammen geläutet wurde (für zusammen läuten wurde auch zusammen schlagen gesagt). Wer nur läuten, aber nicht zusammen schlagen hörte, wußte sozusagen zwar, daß etwas im Gange war, aber er wußte nichts Genaues. So gebrauchte die Wendung etwa Lessing: »Der Mann hat lauten hören, aber nicht zusammen schlagen« (lauten stand früher gleichbedeutend neben läuten). Die Ungenauigkeit dessen, was einer weiß, wenn er etwas läuten hat hören, wurde früher auch durch manche andere Zusätze deutlich gemacht: Er hat läuten hören, ohne zu wissen, wo die Glocken hängen, aber er weiß nicht in welchem Dorf, in welcher Kirche. Leber frisch, frei von der L. weg: Die Leber galt vor modernen medizinischen Erkenntnissen im Zusammenhang mit der Bluterzeugung als Sitz vieler menschlicher Triebe und Gefühle; sprach jemand frisch von der Leber weg, machte er sich von bedrückenden Gefühlen frei und konnte deshalb freier reden. Wenn etwas über die Leber läuft, so war ursprünglich auch gemeint, die Leber (in diesem Fall Sitz des Zornes) sei übergelaufen.
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Leber ihm ist eine Laus über die L. gelaufen: Die Leber dachte man sich in früheren Zeiten als Bereitungsstätte des Blutes und deshalb als Sitz von Trieben, die mit dem Blut in Zusammenhang gebracht wurden, so vor allem auch als Sitz des Zornes oder Unmuts. So heißt es etwa bei Goethe: »Da er nach einer ziemlichen Pause sich wieder einmal im Zorn habe ergehen müssen, um die Leber zu befreien.« Dieses so sensible Organ, so stellte man sich das in heiterer Übertreibung vor, wird schon durch geringe Belastung in Wallung gebracht und gereizt, und das wurde vor allem in das Bild gefaßt, daß etwas über die Leber krieche oder laufe. So sagt man ja auch heute noch zu jemandem, der unmutig ist: Was ist dir denn über die Leber gelaufen? Auch ganz ernst kann das Bild aufgefaßt werden, wie es zum Beispiel bei Schiller heißt: »Itzt hat er einen Eid geschworen, daß es uns eiskalt über die Leber lief, er wolle ihm eine Todesfackel anzünden, wie sie noch keinem Könige geleuchtet hat.« Doch herrscht die heitere Auffassung vor, und aus der früheren Vertrautheit mit Ungeziefer am menschlichen Körper und zugleich vermutlich aus Freude an der Alliteration fügte sich die geringgewichtige Laus hinzu; die Wendung ist seit dem 16. Jahrhundert üblich. Leder vom L. ziehen: Mit Leder ist die lederne Schwertscheide gemeint, von (aus) der man das Schwert zieht, um den Kampf zu beginnen. Legion ihre Zahl ist L.: In der Bibel wird berichtet, daß Jesus aus einem besessenen Menschen den »unsauberen Geist« getrieben habe; auf die Frage, wie er heiße, antwortete er: »Legion heiße ich; denn wir sind unser viele« (Markusevangelium 5,9). Davon leitet sich Legion im Sinne einer großen Menge unguter Menschen ab (die Legion, lateinisch legio, war eine römische Heereseinheit von ungefähr 6000 Mann). Lehrgeld L. zahlen müssen: Bis ins 20. Jahrhundert bekamen die Lehrlinge nicht nur keinen Lohn, sondern mußten vielmehr Geld für die Lehre zahlen.
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Daraus entwickelte sich die sprichwörtliche Wendung Lehrgeld für etwas zahlen müssen, wenn man in einer Sache, die man noch nicht kennt, zunächst einmal Schaden erleidet (J. B.Schuppius: »Ich kenne die Welt. Ich habe aber gar zuviel Lehrgeld außgeben, biß ich die Welt hab kennen lernen«). Der Begriff Lehrgeld deckt sich in vielem mit Schulgeld (s. d.). Leichenbittermiene Noch bis in die letzten Jahrzehnte war es auf dem Land Sitte, daß die Angehörigen eines Verstorbenen in die Umgebung einen Leichenbitter von Haus zu Haus schickten, um die Bekannten zur Beerdigung zu bitten. Leichenbitter waren in der Regel arme Leute, die dafür von Haus zu Haus ein paar Pfennige bekamen; obwohl sie von dem Todesfall nicht persönlich betroffen waren, setzten sie doch ein ernstes Gesicht, eine Leichenbittermiene auf. Leib und Leben Das althochdeutsche lib bedeutete sowohl Leib als auch Leben. Auch im Mittelhochdeutschen stand lip noch mal für Leib oder Körper und für Leben, und ebenso konnte noch im Frühneuhochdeutschen leib Leben bedeuten (im Mittelhochdeutschen wurde der Infinitiv leben substantiviert). So drückt eigentlich die alliterierende Formel »Leib und Leben« mit beiden Teilen das gleiche aus, sie entstand nur aus Gründen der Verstärkung, etwa mit Leib und Leben für: mit allem, was in einem lebt. Leibhaftigkeit der L.e: Leibhaftig bedeutet eigentlich in persönlicher Erscheinung (leibhaftig vor einem stehen) und drückt oft eine gewisse Überraschung aus, wenn man jemanden leibhaftig, gleichsam unvermutet und plötzlich sieht. So wandte man das Wort gern auf den Teufel an, der einem ja nicht gerade alltäglich erscheint. Aus Scheu, den Namen des Teufels auszusprechen, gebrauchte man dann das Adjektiv substantiviert allein (Jeremias Gotthelf: »Wenn ich den sehe, wäre es mir immer, der Leibhaftige wäre da und wolle mich nehmen«).
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Leim jemandem auf den L. gehen: Früher fing man Vögel entweder mit dem Netz oder mit Leimruten (Ruten, die mit Leim beschmiert waren, an denen der Vogel dann kleben blieb). Man sprach auch von Leimbinden, -spindein oder -spülen. Sie wurden auf eine Leimbank (ein tragbares Gestell) oder einen Leimbaum (-bock, -stange) gesteckt. Leimsieder Früher wurde Leim aus Knochen gesotten. Das sah man, wohl nicht zu Unrecht, als eine äußerst eintönige Arbeit an, und so wurde Leimsieder zu einem Scheltwort für einen langweiligen, teilnahmslosen Menschen. Im 19. Jahrhundert nannten sich dann in Süddeutschland freilich manche Geselligkeitsvereine in ironischer Weise Leimsieder, latinisiert auch Leimsudia. Leisten alles über einen L. schlagen: Leisten nennt der Schuster den hölzernen und in neuerer Zeit auch metallenen Fuß, über den das Leder gespannt wird, wenn es zum Schuh zusammengenäht wird; die Größe des Leistens bestimmt die Größe des Schuhs. Spannt man alles über einen (gleichen) Leisten, kommen nur Schuhe gleicher Größe zustande. Schlagen meint hier umschlagen, um den Leisten herumlegen, nicht hämmern, weil das Leder zunächst mit Ahle und Faden genäht wird, bevor am Schluß die Sohle noch festgenagelt wird. Leporelloliste In Mozarts Oper »Don Giovanni« hat Leporello, der Diener Don Giovannis (Don Juans), eine Liste der Geliebten seines Herrn angelegt, die beträchtlich lang war. So versteht man heute unter einer Leporelloliste eine lange Namensliste, häufig mit einem negativen Unterton gemeint. Genauso nannte man eine bestimmte Art von Drucksache (zum Beispiel postkartenartige Städteansichten) wegen der Art ihrer Faltung Leporelloalbum.
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Letzt zu guter L.: Das mittelhochdeutsche Verb letzen bedeutete ursprünglich matt machen, dann aufhalten, hemmen, bedrücken, schädigen und gehört zu dem heute veralteten Adjektiv laß (matt, müde); es wandelte noch während des Mittelhochdeutschen seine Bedeutung zu ein Ende machen, scheiden, Abschied feiern. Davon bildete sich das Substantiv Letze für Abschiedsmahl, auch in der heute noch erhaltenen Form Letzt (die Letzte geben, den Abschiedsgruß geben, den Abschiedstrunk, Abschiedsschmaus geben). Zu guter Letzt ist also eigentlich »zum guten Abschied (-schmaus)«. Gehalten hat es sich wohl vor allem wegen seiner Nähe zu letzt. Leumund Das althochdeutsche (h)liumunt liument bedeutete Kunde, Ruf, Ruhm, Gerücht, ebenso das mittelhochdeutsche liumunt, liument (Ruf, Ruhm). Im Frühneuhochdeutschen hatte das Wort als leumd bereits den Sinn von Leumund; daneben hielt sich auch die volle zweite Silbe, so daß sich Luther der Form Leumund bedienen konnte. (Durch Abschleifung der zweiten Silbe, die zum Teil schon im Mittelhochdeutschen liumde ergeben hatte, konnten die Formen beleumden, verleumden entstehen.) Zugrunde liegt dem Wort ein indogermanisches kleu für hören. Leumund hatte früher auch den Sinn von Gerücht, Hörensagen, was sich die Leute über jemanden erzählen, und engte sich dann auf die heutige Bedeutung eines Rufes, den jemand wegen seines moralischen Verhaltens hat, ein. Leviten einem die L. lesen: Im Alten Testament hieß der Stamm der Söhne Levis Leviten. Ihnen war der Schutz des Heiligtums und der Opferdienst übertragen. Das 3. Buch Mose, das hauptsächlich die kultische Gesetzgebung enthält, wurde nach den Leviten auch Leviticus genannt; im 26. Kapitel werden die Flüche gegen Gesetzesübertretungen aufgezählt. Von diesen Vorschriften und Verfluchungen nahm die Redewendung ihren Ausgang; sie ist seit dem 15. Jahrhundert belegt und wurde wohl noch dadurch unterstützt, daß im Mittelalter die Geistlichen, die Hilfsdienste verrichteten und das Evangelium vorlasen, Leviten hießen.
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licht jemanden hinters L. führen: Die Redewendung geht von der Vorstellung aus, daß es »hinter« dem Licht (also außerhalb des Lichtscheins) finster ist; es ist dabei ganz konkret an eine künstliche Lichtquelle gedacht. Im Dunkeln kann man dann jemanden leichter täuschen oder betrügen. Licht sein L. nicht unter den Scheffel stellen: Scheffel ist ein hölzerner Behälter, vor allem für Getreide. Das Matthäusevangelium (5, 14-16) berichtet, daß Jesus bei der Bergpredigt zu seinen Zuhörern sprach: »Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auch einen Leuchter; so leuchtet es denn allen, die im Hause sind. Also laßt euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen!« Liegen richtig L: Wenn jemand richtig liegt, bedeutet das, daß er recht hat, auf dem rechten Weg ist, das Richtige tut. Die Wendung ist verhältnismäßig jung und wurde der Seemannssprache entnommen, wo man sagt, das Schiff liegt auf dem richtigen Kurs, kommt also nicht vom Weg ab. Links jemanden 1. liegen lassen: Gemeint ist eigentlich, seinen Weg so wählen oder ändern, daß jemand, mit dem man nichts (mehr) zu tun haben will, links, das heißt auf der linken Seite des Weges zurückbleibt. Beim schlechten Klang, den links im Vergleich zu rechts in der Sprache seit langem hat, versteht es sich, daß diese Seite für die Redensart bevorzugt wurde. Linsengericht eine Sache für ein L. tun, hergeben: In der Bibel wird berichtet (1. Mose, 25, 29—34), daß Esau müde vom Felde heimkam und seinen Bruder
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Jakob bat, von dem Gericht kosten zu dürfen, das Jakob gekocht hatte. Jakob aber verlangte, daß Esau ihm seine Erstgeburt verkaufe. Esau tat es, »da gab ihm Jakob Brot und das Linsengericht, und er aß und trank und stand auf und ging davon. Also verachtete Esau seine Erstgeburt.« Gemeint ist also, etwas Wertvolles für etwas Wertloses hergeben. Liste jemanden auf die schwarze L. setzen: Die schwarze Farbe symbolisiert das Unheilvolle, Böse, Schlimme (zum Beispiel, wenn man von einem schwarzen Tag spricht), und so erscheint schon ziemlich früh der Ausdruck schwarzes Buch für Gerichtsbuch: 1647 ist in Augsburg beispielsweise ein »schwarzes Büchlein« als Verzeichnis von Strafen für Reukäufe belegt. Auch wenn sich das zunächst vielleicht auf den Einband bezogen haben mag, hatte dessen schwarze Farbe doch symbolische Bedeutung. In gleicher Weise nannte man ein Buch zur Verzeichnung von Strafen und Bußen auch schwarzes Register. Im schwarzen Register oder schwarzen Buch eingeschrieben sein, bedeutete für seine Untaten notiert sein. In der neueren Zeit lehnt sich daran der Begriff schwarze Liste an, auch wenn er einschließt, daß jemand gegebenenfalls zu Unrecht auf diese Liste kommt. Loch jemandem ein Loch in den Bauch reden: Manche Verletzung des Körpers wird in der Umgangssprache als Loch bezeichnet (ein Loch im Kopf, Bein). Redet jemand auf einen unentwegt ein, verletzt er ihn gleichsam körperlich. Neben Bauch ist auch geläufig ein Loch in den Kopf reden. Locker nicht 1. lassen: Gemeint sind die Zügel, die man nicht locker läßt, sondern angezogen in der Hand hält, um das Gespann im Griff zu behalten und lenken zu können.
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Lorbeer L. ernten, auf seinen L.en ausruhen: Der Lorbeer ist eine Wild- und dann auch Kulturpflanze des Mittelmeergebietes, seine immergrünen Blätter wurden wegen ihres Aromas geschätzt. Die antike Mythologie brachte die Pflanze in die vielfältigsten Beziehungen zu den Göttern, und so wurde er zum Siegessymbol erhoben, auch deswegen, weil man annahm, daß der Lorbeer der einzige von Menschenhand gepflanzte Baum sei, den der Blitz nicht treffe. Ein Lorbeerzweig wurde dem Sieger eines Wettbewerbs überreicht. Lorbeeren ernten (richtiger eigentlich Lorbeer ernten) bedeutete, sich Verdienste erwerben, auf seinen Lorbeeren ausruhen meinte zunächst nach dem siegreichen Kampf der ehrenvollen Ruhe pflegen, bedeutet aber heute mehr sich trägerweise um keine weiteren Verdienste bemühen. Lot im L. sein: Lot (ursprünglich ein Wort für Blei) ist das Senkblei, mit dem der Bauhandwerker prüft, ob Mauer oder Gebälk waagrecht und senkrecht sind und im richtigen Winkel zueinander stehen. Wenn etwas im Lot ist, ist es also in Ordnung. In der jüngeren Umgangssprache hat sich daran angelehnt auch der Ausdruck »das ist senkrecht« für ordentlich, vortrefflich ausgeprägt. Lotterbett, Lotterbube, lottern s. verlottern. Löwe gut gebrüllt L.: In Shakespeares »Ein Sommernachtstraum« kommt das Zitat vor »Gut gebrüllt, Löwe!« (»Well roared, lion!«). Es wurde sprichwörtlich und wird zu jemandem gesagt, der soeben etwas Großsprecherisches von sich gegeben hat, meist ironisch gemeint. Löwe sich in die Höhle des L.n wagen: Die Redensart geht auf eine Fabel Äsops zurück. Der Löwe lag krank in der Höhle, und als er den Fuchs
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fragte, warum er nicht eintrete, antwortete dieser: »Ich würde schon eintreten, wenn ich nicht sähe, daß viele Spuren hineinführen, aber keine hinaus«, und er war schlau genug, sich nicht in die Höhle des Löwen zu wagen. Lückenbüßer Im Althochdeutschen bedeutet puozen, buozen bessern, ausbessern, verbessern und daneben auch schon büßen; ebenso meint das mittelhochdeutsche büezen bessern, ausbessern, gutmachen neben Buße tun, und auch noch im Frühneuhochdeutschen heißt büßen besser machen, ausbessern. Das seit der Luther-Zeit vorhandene Lückenbüßer bedeutet also eigentlich einen, der eine Lücke ausbessert, und hat mit büßen im heutigen eingeschränkten Sinn nichts zu tun. Luder Im Mittelhochdeutschen bedeutete luoder zunächst Lockspeise, dann auch, vor allem seit dem frühen Neuhochdeutsch, luder, Aas (Aas wurde vorwiegend bei der Jagd von Raubtieren als Lockspeise verwandt). Daraus entwickelte sich Luder für Lockung, Anreizung, Lockmittel überhaupt, vor allem für den Menschen, und nahm so die Bedeutung sündiges Wohlleben, Schlemmerei (was in die Hölle lockt) an (so zum Beispiel bei Gryphius im 17. Jahrhundert: »Als ich noch jung, war ich der Arbeit heftig gram, schlug dieselbige aus und geriet ins Luder«), wozu das heutige Verb ludern (ein dubioses, schlechtes Leben führen) gehört. Von der Bedeutung Aas ausgehend und unterstützt von der Vorstellung eines sündigen Lebens, entwickelte sich das heutige Schimpfwort. Luft die L. ist rein: Die Redensart drückt aus, daß keinerlei Gefahr besteht, von Feinden, Verfolgern, Spähern oder Horchern entdeckt zu werden. Luft wird also als ein Raum oder als die Umgebung verstanden, in der Gefahr drohen könnte. Dafür kann man auch sichere Luft sagen, wie zum Beispiel Gottfried Keller: »So zog jedesmal ein Trupp bewaffneter Leute aus, bald bei Nacht und Nebel auf Seitenwegen, bald am hellen Tage auf offener Landstraße, je nachdem ihnen die Luft sicher schien.«
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Lügen 1. wie gedruckt: Die sprichwörtliche Redensart ist seit etwa 1800 überliefert; sie bezieht sich wohl in erster Linie nicht darauf, daß jemand so ungeheuer lügen könne, wie man es in Gedrucktem, vor allem in Zeitungen finde, sondern daß jemand so glatt und ohne sich zu verraten lügt wie ein gedruckter Text, der fertig konzipiert vorliegt. Dazu gehört das Sprichwort »Er lügt, wie wenn's gedruckt war', er stiehlt, wie wenn's erlaubt war'« (bei Simrock). Bismarck meinte dann 1869 im preußischen Herrenhaus: »Es wird vielleicht auch dahin kommen, zu sagen: er lügt wie telegraphiert.« Lukullisch Der römische Feldherr Lucullus hatte im letzten vorchristlichen Jahrhundert außerordentlichen Reichtum erworben und war bekannt wegen seiner Liebe zum raffiniertesten Lebensgenuß. Danach nennt man vor allem ein verschwenderisches Essen einen lukullischen Genuß. Lump Seit dem Mittelhochdeutschen bedeutete lumpe Lumpen, Fetzen, verwandt mit dem Verb lampen, welk niederhängen; im Frühneuhochdeutschen meinte lumpechtig herabhängend. Im 17. Jahrhundert entwickelte sich die Sonderbedeutung für einen Menschen von niedriger Gesinnung; gemeint ist eigentlich ein Mensch, der abgerissene Kleidung, Lumpen trägt. Lumpe für Fetzen nahm dann die Form Lumpen an. Lumpen sich nicht 1. lassen: Das Verb gehört zu Lump (s. d.) und bedeutet eigentlich jemanden einen Lumpen nennen. Wer sich nicht lumpen läßt, will also nicht für einen Lumpen gehalten werden, nicht ein Lump gescholten werden.
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Lunte L. riechen: Die Lunte genannte leicht brennbare Schnur, mit der das Pulver entzündet wurde, entwickelte einen Geruch, der ziemlich weit zu riechen war und einen in der Nähe befindlichen Gegner eventuell aufmerksam machen konnte. So heißt es bei Schiller: »Die Hellebardierer hatten sich auf den Bauch in das Dickicht gelegt, die Schützen standen weiter hinten, daß man die brennenden Lunten nicht riechen sollte.« Lynchen, Lynchjustiz Das Wort ist in seiner heutigen Bedeutung zum erstenmal Anfang des 19. Jahrhunderts in den USA als Lynch law (law, Gesetz; also Lynchjustiz) belegt. Sicher ist, daß sich das Wort (das entsprechende englische Verb lautet to lynch) von einem Amerikaner namens Lynch ableitet, der entsprechende illegale Urteile ausgesprochen und vollzogen hat. Die Person ist indessen nicht mehr zu ermitteln. Nach der einen Version handelt es sich um einen Oberst Charles Lynch, der in Virginia tätig war und 1796 starb, nach der anderen um einen Hauptmann William Lynch, der Richter in Virginia war und 1820 starb.
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M Mache das ist alles M.: So wie Mache die Handlung des Machens bezeichnet (vgl. jemanden in die Mache nehmen), meinte es früher und zum Teil heute noch auch die Herstellungsart, die fertige Arbeit. Ein Kleidungsstück etwa hat eine schöne Mache, ist also schön gearbeitet. Im 19. Jahrhundert nahm das Wort, das vorher schon in der Schriftsprache nicht sehr oft verwandt wurde, übertragen auf Geisteserzeugnisse, einen negativen Sinn an und meint heute Schein, Vortäuschung, auch mit Anklang an Machenschaften. Mache jemanden in die M. nehmen: So modern das Wort in dieser Redewendung klingt, so alt ist es eigentlich. Es bedeutete zunächst einfach die Handlung des Machens oder Verf ertigens; so sagt man auch heute noch von einem Gegenstand, der gerade angefertigt wird, er sei in der Mache. Jemand, der in die Mache genommen wird, wird sozusagen bearbeitet; auch bearbeiten hat ja im übertragenen Sinn die Bedeutung jemandem mehr oder minder zusetzen. (Vgl. Mache, das ist alles M.) Madig eine Sache, jemanden m. machen: Wenn in eine Speise die Maden gekommen sind, wird sie unappetitlich oder ungenießbar; »hut dich vor alten madigen keß«, lautete schon eine alte Küchenregel. Macht man jemanden oder etwas madig, setzt man gleichsam Maden hinein. Mai wie einst im M.: Die Redensart aus der familiären Umgangssprache will ausdrücken, daß ein Zustand gleich geblieben ist oder daß sich eine
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Situation wiederholt, meist mit einem leicht kritischen oder resignierenden Ton, oft auch nur scherzhaft gesagt. Der Mai wird von alters her als der angenehmste Monat angesehen, gern auch mit der Blüte des Lebens verglichen, die allzu schnell vorbei ist, weit zurückliegt. Die Redensart spielt freilich kaum auf derartige Gemütsinhalte an, sondern meint nur eine eben schon lang zurückliegende Zeit. Dem Anschein nach wurde sie allgemein gebräuchlich durch das Gedicht » Allerseelen « von Hermann von Gilm, das 1864 veröffentlicht wurde. Makulatur Das Wort wurde zu Anfang des Buchdrucks als Bezeichnung von Fehldrucken, nicht benutzbaren bedruckten Bogen eingeführt. Es ist identisch mit dem mittellateinischen maculatura (beflecktes Stück), das zurückgeht auf das lateinische macula (Flecken), maculare (beflecken); von macula leitete sich in mittelhochdeutscher Zeit auch das Wort Makel ab. Malochen Aus der Gaunersprache trat in die familiärste Form der Umgangssprache malochen im Sinne von (schwer) arbeiten ein, kaum vor dem 20. Jahrhundert. Es leitet sich vom jiddischen melocho für Arbeit ab. Mammon Es handelt sich um ein aramäisches Wort mamon, das eigentlich Hinterlegtes bedeutet im Sinne von Besitz. Es findet sich im Neuen Testament an mehreren Stellen personifiziert für einen Gott des Reichtums. Eben deshalb wurde es auch in den Bibelübersetzungen nicht übertragen, sondern bei Luther als Mammon beibehalten (»Ihr könnt nicht Gott samt dem Mammon dienen«). Die Verbindung mit schnöd (schnöder Mammon) beruht auf dem Sinn verächtlich, erbärmlich, den schnöd vor allem früher hatte. Manager Das spätlateinische Verb manidiare (von lateinisch manus, Hand) ergab im Italienischen maneggiare (handhaben, verwalten, Pferde zureiten;
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dazu maneggio, Handhabung, Schulreiten, Reitbahn). Im 17. Jahrhundert wurde maneggio vom Französischen als manege (Pferdedressur, Reitbahn, also Manege) übernommen und gelangte auch ins Englische. Das englische Verb to manage bedeutete dann zunächst ein Pferd in den Gangarten dressieren; von da leitete sich die übertragene Bedeutung ein Instrument, Werkzeug handhaben, führen und weiter übertragen überhaupt etwas führen, dirigieren, verwalten ab, bis das Verb schließlich auch die heutige Bedeutung von (eine Aufgabe) bewerkstelligen, bewältigen, leiten annahm. Ins Deutsche gelangte das Wort nicht vor dem 20. Jahrhundert und erlebte seine große Verbreitung erst nach dem Zweiten Weltkrieg innerhalb der Fülle neuer Anglizismen. Mangel jemanden in die M. nehmen: Mangel nannte man zunächst eine Kriegsmaschine, mit der man Steine schleuderte, dann übertrug sich der Name auf die Glättrolle für Wäsche; zugrunde liegt wohl das griechische magganon (Schleudermaschine). Auf der Vorstellung des Durchdrehens beruht dann der derbe Jargonausdruck jemanden in die Mangel nehmen für jemandem kräftig zusetzen. Manko Die Kaufmannssprache des 19. Jahrhunderts übernahm das Wort aus dem Italienischen; manco bedeutet Fehlbetrag, Mangel und geht auf das lateinische Adjektiv mancus (gebrechlich, verstümmelt, unvollständig, mangelhaft) zurück. Mann seinen M. stehen: Die formelhafte Wendung geht von der Kampffähigkeit des Mannes aus, der sich im Kampf dem Gegner stellt, so steht, daß er kämpfen kann. Die Verbindung mit dem Possessivpronomen weist noch deutlicher auf die dem Manne (einzeln wie kollektiv) innewohnende gleichsam moralische Verpflichtung zum Kampf hin. Die Wendung war früher auch ohne das Pronomen gebräuchlich (so bei Körner: »Wie ich die Stadt verließ, erzählte man, das Heer zöge aus, bei Raab sich zu verschanzen, und dort dem Feinde rüstig Mann zu stehn«).
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Mannequin Das Französische übernahm im 15. Jahrhundert aus dem Südniederländischen manekin (Männchen, eine Verkleinerung von niederländisch man, Mann) und bezeichnete zunächst damit eine Gliederpuppe. Dann wurde es auch auf Schneiderpuppe und auf Schaufensterpuppe angewandt. Aus der letzten Bedeutung leitete sich der Sinn von Vorführdame, die gleichsam nur als lebendige Vorführpuppe aufgefaßt wurde, ab. Mannsbild, Weibsbild Das althochdeutsche bilidi (ebenso bilithi, bilde, pilidi) bedeutete neben Bild, Bildwerk, Darstellung, Abbild auch Gestalt; ebenso stand das mittelhochdeutsche bilde auch noch für Körperbildung, Gestalt (mannes, wibes bilde finden sich hier bereits als Wort für Mann oder Weib). Die Bedeutung von Gestalt hat sich in den heute nur in Dialekten noch zu findenden Ausdrücken Mannsbild und Weibsbild erhalten; bei Luther erscheint das Wort als Weibsbild. Manschette M.n vor etwas (jemandem) haben: Im 17. und 18. Jahrhundert waren die langen Spitzenmanschetten groß in Mode. Wer sie trug, konnte nicht nur nicht kräftig zupacken, sondern mußte auch aufpassen, daß sie nicht beschmutzt oder beschädigt wurden, legte also ein zimperliches, ängstliches Gebaren an den Tag. Besonders hinderlich waren sie im Duell, weshalb man übertragen meinte, wer sie trage, tue das, um sich nicht schlagen zu müssen. So »hatte jemand Manschetten«, der Besorgnis oder Furcht zeigte. Dazu ergaben sich dann die analogen Bildungen Manschetten bekommen (Angst bekommen), einem Manschetten machen (ihm Angst einjagen). Mäntelchen einer Sache ein M. umhängen: Dem Mantel als dem den Körper am meisten bedeckenden Kleidungsstück wurde schon früh auch symbolischer Charakter beigelegt. So war es zum Beispiel Rechtsbrauch, daß uneheliche Kinder bei der Trauung unter den Mantel genommen wur-
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den, wodurch sie legitimiert wurden (daran angelehnt nannte man sie Mantelkinder). Auch galt der Mantel als Symbol des Schutzes; man nahm denjenigen unter den Mantel, den man zu schützen bereit war. An die Möglichkeit, mit dem Mantel etwas zu verhüllen, erinnert die im christlichen Bereich entstandene Redensart etwas mit dem Mantel der christlichen Nächstenliebe zudecken, das heißt aus Nächstenliebe über eine negative Sache hinwegsehen. Die Eigenschaft, mit dem Mantel etwas bedecken und damit verhüllen zu können, schlug sich in mancherlei Ausdrücken in der Sprache nieder. So entstand etwa die Redewendung einer Sache ein Mäntelchen umhängen, wobei schon die Verkleinerung anzeigt, daß der Wendung ein abwertender Sinn innewohnt. Ebenso sagt man eine Sache bemänteln (den wahren Charakter einer Sache verhüllen, verniedlichen). Marotte Das französische Wort marotte für Narrheit, Steckenpferd ist eigentlich eine Koseform des weiblichen Vornamens Marie. Ursprünglich nannte man so eine kleine Heiligenfigur, später bedeutete es Puppenkopf, Puppe, dann Narrenzepter, Narrenkappe, bis das Wort schließlich auch die heutige Bedeutung annahm. Maskottchen In langobardischen Gesetzen taucht das Wort masca auf, das Hexe bedeutet und in oberitalienischen Dialekten den Sinn von Zauberin annahm. Dazu gehört das provenzalische masco (Zauberin) und mascotto (kleine Zauberin). Als mascotte (Glücksbringer) wurde es vom Französischen und im 20. Jahrhundert mit einer Verkleinerungssilbe vom Deutschen übernommen. Maß Das Substantiv Maß ist im Schriftdeutschen sächlichen Geschlechts mit der einen Ausnahme des Oberdeutschen, in dem Maß, als Hohlmaß für einen Liter, weiblich ist; man sagt »die Maß« (mit kurzem a und scharfem s) vorwiegend bei Getränken, vor allem beim Bier, das gern auch aus dem einen Liter fassenden Maßkrug getrunken wird. Der Genusunterschied erklärt sich so: Das althochdeutsche maza (Maß,
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Größe, Dimension) und das mittelhochdeutsche maze (Maß, zugemessene Menge, richtig abgemessene, gehörige Größe, abgegrenzte Ausdehnung in Raum, Zeit, Gewicht, Kraft) waren feminin; unter dem Einfluß des maskulinen mittelhochdeutschen mez (Maß, womit etwas anderes gemessen wird; besonders Flüssigkeits- oder Getreidemaß, Ausdehnung) wandelte sich maze im Spätmittelhochdeutschen zu maz und bekam das neutrale Geschlecht. Im Oberdeutschen hielt sich indessen das alte Wort in seiner heutigen eingeschränkten Bedeutung, obgleich später »das Maß« im allgemeinen Sinne hinzukam. Matthäi am letzten Die vielgebrauchte Redensart, die ausdrücken will, daß es mit einem Menschen oder auch mit einer Sache aus, zu Ende ist, weist auf die letzten Worte des Matthäusevangeliums hin: »Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.« Gemeint sind natürlich nur die letzten drei Wörter; ein gleichsam endgültigeres Ende als das Ende der Welt ist nicht denkbar. Schon Luther meint mit der Formulierung »Da unser Herr Jesus Christus spricht Matthäi am letzten: Gehet hin in alle Welt usw.« (Katechismus) ganz einfach die letzten Sätze des Matthäusevangeliums. Später bediente man sich dann dieser formelartigen Prägung, um die letzten drei Worte auf die ganz bestimmte Situation eines Menschen anzuwenden. Anfang des 17. Jahrhunderts lautet eine der ersten Belegstellen im heutigen Sinn: »Nu ist mit uns der letzte Mattheus.« Mausen Mausen im Sinne von stehlen ist seit dem 16. Jahrhundert Bestandteil der derberen Umgangssprache. Das Bild lehnt sich wohl weniger an die als diebisch bekannte Maus an als an die Katze, die auf Mäusefang geht, was man ebenfalls mausen nennt (die Katze läßt das Mausen nicht); wer maust, versteht sich gleichsam als Katze, die eine Beute zu erhäschen trachtet. Mätzchen M. machen: Matz ist eine Koseform des Vornamens Matthäus, vor allem in Westdeutschland, wohl über Mattes zustande gekommen: es hat also nichts mit dem oberdeutschen Wort Matz zu tun, das zu Metze ge-
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hört. Es nahm schon früh ähnlich wie Hans oder Hinz oder Kunz eine allgemeinere Bedeutung an; in Gebrauch ist vor allem noch Hosenmatz und Hemdenmatz für einen kleinen Buben, Lumpenmatz hieß der Lumpensammler, auch Gauchmatz, Plaudermatz waren in Gebrauch. Daneben wurde es zum Scheltwort für einen törichten Menschen (Goethe: »Sperrt Maul und Nasen auf, der Matz, als ich ihm sagte, er war am Platz«); man sagte auch den malzen im ermel behalten (den Narren nicht herauskehren). Matz und Mätzchen wurden zudem Kosenamen für Tiere, besonders Vögel (Piepmatz). Aus diesen letzteren Bedeutungen entwickelte sich dann Matz, aber vor allem Mätzchen für Narrenpossen, törichtes Betragen. Mausern sich m.: Die Mauser ist der Federwechsel der Vögel. Wenn sich der Vogel gemausert hat, ist er sozusagen reifer geworden; während der Mauser sind Vögel auch oft etwas zaghafter als sonst. Wenn sich jemand mausert, macht er sich gleichsam heraus, wird er reifer, tüchtiger. Mäzen Maecenas war ein reicher Römer, der sich im 1. Jahrhundert v. Chr. als Förderer der Künste auszeichnete, vor allem als Gönner von Horaz, Vergil und Properz Maecenaskreis). Er starb im Jahre 8 v. Chr. und hatte Augustus zum Erben bestimmt. Megäre In der griechischen Mythologie war Megaira (woraus Megäre wurde) eine der drei Erinyen: Alekto (die nie Aufhörende), Megaira (die Neiderin) und Tisiphone (die Rächerin des Mordes). Die Erinyen waren Rachegöttinnen, die mitleidlos vor allem jene Untaten sühnten, die sich der menschlichen Rache entzogen; sie wurden immer als schreckenerregende Wesen dargestellt. Deshalb nennt man eine rasende Frau Megäre.
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Meier Das Wort, heute in der Regel nur noch als Familienname gebräuchlich, wurde im frühen Mittelalter aus dem Lateinischen entlehnt: maior (der Komparativ von magnus, groß) ergab im Althochdeutschen meior, im Mittelhochdeutschen dann meier. Maior (major) wurde im fränkischen Reich der Vorsteher oder oberste Beamte eines landwirtschaftlichen Hofhalts genannt, dessen ursprüngliche Aufgabe Vorsteher der Dienerschaft eines Hauses war. Im Mittelhochdeutschen hatte meier (auch meiger) dann den Sinn eines Oberbauern, der im Auftrag des Grundherrn die Aufsicht über die Bewirtschaftung der Güter führt, in dessen Namen die niedere Gerichtsbarkeit ausübt und auch nach Umständen die Jahresgerichte abhält, eines Amtmanns, Haushälters. Wenn auch derlei Bedeutungen heute ziemlich verschwunden sind, hielten sie sich doch teilweise bis in die jüngste Zeit, etwa im Bairischen Meier als erster unter den Dienstboten, Salzmeier für Reichenhall als der oberste Salzbeamte, im Niederdeutschen Meier für Lohnbauer (der um jährlichen Lohn zur Aufsicht gedungen wurde) u. ä. Daneben entwickelte sich das Wort im allgemeineren Sinn für Kerl, Bursche mit dem Beisinn des Tüchtigen; bei Gengenbach Anfang des 16. Jahrhunderts heißt es zum Beispiel: »Er dünkt sich sin ein küner meyer«, an anderer Stelle wird Bacchus als »wilder Meyer« bezeichnet. Die weite Verbreitung des Wortes vor allem als Familienname bewirkte, daß diese allgemeine Bedeutung in mancherlei Zusammensetzungen erhalten blieb, vor allem als Kraftmeier (eine sehr junge Bildung), Schlaumeier, Vereinsmeier, Angstmeier. Allgemeinen Charakter hat das Wort auch bei Spielen: Kinder nennen etwa den ersten in der Reihe den Vorspieler Meier (Meier sein, werden); beim Kegeln erhält eine Mannschaft, die einen Mitspieler weniger als die andere hat, den »Meier«, dessen Schübe dann von den anderen ausgeführt werden. Meineid Dem ersten Teil des Wortes liegt ein im Neuhochdeutschen nicht mehr gebrauchtes mein zugrunde, das als Adjektiv verbrecherisch, falsch, als Substantiv Verbrechen, Frevel bedeutete. Es geht auf ein germanisches maina (falsch) zurück, das sich im Althochdeutschen zu mein (Frevel, Sünde, Unrecht, Missetat; falsch) entwickelt hatte. Im Mittelhochdeutschen bedeutete mein sowohl falsch, betrügerisch als auch Falschheit,
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Unrecht, Frevel, Schädigung, Unglück; meiner eit war der Meineid. Auch im Frühneuhochdeutschen ist mein noch gebräuchlich; so heißt es bei Hans Sachs: »Daraus entspringen alle laster als wucher, diebstahl, mord und mein, geiz, untrew, schalkheit groß und klein«. Mord und main wurde formelhaft für Tod und Verderben gebraucht. Menetekel In der Bibel (Daniel 5) wird die legendäre Geschichte von König Belsazer (Belsazar), dem Sohn König Nabonids von Babylon, während dessen Abwesenheit er das Reich verwaltete, erzählt, daß er »seinen tausend Gewaltigen« ein Gastmahl gegeben habe, bei dem er sich mit ihnen »vollsoff«. Als er betrunken war, habe Belsazer die goldenen Gefäße aus dem Tempel von Jerusalem bringen lassen und mit seinen Gästen, Weibern und Kebsweibern daraus getrunken. Dann heißt es weiter: »Und da sie so soffen, lobten sie die goldenen, silbernen, ehernen, eisernen, hölzernen und steinernen Götter. Eben zur selben Stunde gingen hervor Finger wie einer Menschenhand, die schrieben, gegenüber dem Leuchter, auf die getünchte Wand in dem königlichen Saal.« Daniel deutete dem König, der sehr erschrocken war, die Schrift Mene, Mene, Tekel, U-pharsin: Belsazer habe sich wider den Herrn des Himmels erhoben, so habe Gott sein Königreich gezählt und vollendet (mene), ihn in einer Waage gewogen und zu leicht befunden (tekel) und sein Königreich sei zerteilt und den Medern und Persern gegeben. Belsazer wurde noch in dieser Nacht getötet und sein Reich eingenommen. Unter Menetekel versteht man also eine gravierende Warnung. Mensch das M.: Mensch war im Althochdeutschen in den Formen mannisco und mennisco zunächst ein Adjektiv von Mann. Es wurde substantiviert und bedeutete im Mittelhochdeutschen dann sowohl Mensch als auch Mädchen. Als das Mensch bedeutete das Wort bis ins 17. Jahrhundert Weib ohne verächtlichen Nebensinn. In Dialekten hat sich das Mensch bis in die Gegenwart gehalten, wenn es auch als ein Wort der derberen Sprache gilt und meist negativen Charakter hat.
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Meschugge Schon im Hebräischen bedeutete meschugga verrückt, wahnsinnig. Den gleichen Sinn hat das jiddische meschuggo, aus dem im Rotwelsch meschügge, meschuge, meschucke, maschugge wurde, bis das Wort in der Umgangssprache im 19. Jahrhundert die heutige Form annahm. Methusalem Im 5. Kapitel des ersten Buches Mose wird das Geschlechtsregister der Patriarchen von Adam bis Noah aufgezählt, die sich alle durch außergewöhnliches Alter auszeichneten. Danach wurde Adam 930 Jahre alt, Seth 912, Enos 905, Kenan 910. In dieser Reihe wird auch Methusalem, der Sohn des 365 Jahre alt gewordenen Henoch, aufgeführt, dem die Bibel mit 969 Jahren das längste Lebensalter von allen zuschreibt. Davon leitet sich der Begriff Methusalem für einen sehr alten Menschen ab, häufig mit einem leicht ironischen Ton gebraucht. Metzgergang Die Metzger kauften früher das Schlachtvieh unmittelbar beim Bauern; im Oberdeutschen sagte man dazu: Der Metzger geht oder fährt ins Gau, das ist Gau, ein altes Wort für Bezirk, womit der Metzger das Revier meinte, in dem er Vieh zu kaufen pflegte (vgl. jemandem ins Gau gehen). Natürlich war so ein Gang oft vom Zufall abhängig, ob ein Bauer gerade Vieh zu verkaufen hatte, und der Metzger machte manchen, vermutlich sogar die meisten Gänge vergebens. So bildete sich das Wort zu einem Begriff für einen vergeblichen Gang oder ein erfolgloses Unternehmen heraus. Metzger ist hauptsächlich im Süd- und zum Teil im Westdeutschen gebräuchlich; im Verbreitungsgebiet des Wortes Fleischer spricht man von einem Fleischergang. Michel deutscher M.: s. Deutscher Michel.
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Mies Das Wort geht auf das jiddische mis(er), misnick(er) für schlecht, miserabel, widerlich zurück und fand wie so viele andere über das Rotwelsch Eingang in die deutsche Umgangssprache. Milch wie M. und Blut aussehen: Milch symbolisiert die Farbe Weiß, Blut die Farbe Rot. Beide zusammen sollen das gesunde Aussehen eines Menschen ausdrücken. Mimose Mimosen nennt man eine etwa 300 Arten zählende Gattung der Leguminosen, die im tropischen Amerika, Afrika und Asien wachsen. Die meisten von ihnen haben äußerst empfindliche Blätter, die schon bei einer zarten Berührung die Fliederblättchen zusammenlegen, bei kräftigerer und längerer Berührung senken sich die Fiedern und schließlich sogar der Blattstiel; erst nach längerer Ruhe erheben sie sich wieder. Wegen dieser Sensitivität gab man der Pflanze den Namen Mimosa, der sich vom lateinischen mimus (Schauspieler) ableitet; zugrunde liegt die Vorstellung, daß sie sich sozusagen wie ein Mime zusammenzieht. Im 19. Jahrhundert bürgerte sich dann der Ausdruck Mimose oder mimosenhaft für einen überaus empfindlichen Menschen ein, der sich gleichsam bei der geringsten unsanften Berührung gekränkt fühlt. Mine alle M.n springen lassen: Die Mine, ein Wort aus dem Französischen (mine für Erz-, Kohlengrube, militärisch ein unterirdischer Gang, Sprenggrube), meint sowohl eine Erzgrube oder Erzader (Goldmine) als auch im Militärischen eine Sprenggrube oder einen Gang unter ein Festungswerk, der in die Luft gesprengt wird (daran angelehnt bildete sich später auch Mine für einen Sprengkörper selber aus). Eine Mine (im 16. Jahrhundert als »Kriegswort« bezeichnet) sprengen nannte man schon früh: sie springen lassen (Goethe sagte auch eine Mine entschleudern). Eine Mine (oder alle Minen) springen lassen im übertragenen Sinn ist seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich. Unter der Vorstel-
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lung, daß ein militärischer Kommandeur auf einmal alle Minen zur Explosion bringen läßt, um mit einem Schlag den Feind zu besiegen, bedeutet die Redensart soviel wie alle Kräfte auf einmal in Bewegung setzen; so bei Schiller: »Ich lass' alle Minen springen.« Die Einzahl war früher ebenso gebräuchlich (Bürger: »Dies Alter und dies Plätzchen war das rechte, wo am liebsten seine Mine der Gott der Liebe springen läßt«). Minna jemanden, etwas zur M. machen: Im Jiddischen bedeutet inus, innes Leiden, Qual, Folter, wozu auch meanne sein für peinigen, demütigen gehört. Daraus ergaben sich im Gaunerdeutsch sowohl die grüne Minna für einen Gefangenentransportwagen wie die jargonhafte Redewendung jemanden zur Minna machen, jemanden ausschimpfen, auf grobe Weise fertigmachen. Missheilig s. einhellig. Mitgift Gift ist ein altes Verbalnomen zu geben; so bedeutete gift im Althochdeutschen Gabe, Geschenk, Eingebung, Gift, im Mittelhochdeutschen Geben, Gabe, Geschenk, Übergabe (von Grundstücken etc.), Gift (letzteres als euphemistische Umschreibung). Erhalten hat sich Gift neben der Bedeutung eines schädlichen Stoffes in Mitgift, vornehmlich als Gabe der Braut, die sie mit in die Ehe bringt. Mittel sich ins M. legen: Mittel war ursprünglich nur ein Adjektiv und wurde in mittelhochdeutscher Zeit substantiviert. So bedeutete Mittel auch den Zwischenraum zwischen zwei getrennten Gebieten, das, was zwischen Entgegengesetztem liegt. Bei Luther heißt es: »O vater unser, der du bist in den himeln, wir deine kind auf erden, von dir gesondert im elend, wie ein gros mittel ist zwischen dir und uns, wie sollen wir jmer heim komen zu dir in unser Vaterland?« So bedeutete im Mittel stehen
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soviel wie dazwischen stehen, vermittelnd; sich ins Mittel schlagen meinte ebensoviel wie vermitteln. In der neueren Sprache wird dafür vor allem sich ins Mittel legen gebraucht. Mob Das englische mob bedeutete Haufe, Pöbel, Gesindel; es wurde im 18. Jahrhundert ins Deutsche entlehnt. Es ist eine Abkürzung des lateinischen mobile vulgus (wankelmütiger Volkshaufen); als mobile wurde das Wort im 17. Jahrhundert in England gebräuchlich und dann abgekürzt. Mohikaner der letzte der M.: Die Mohikaner waren ein nordamerikanischer Indianerstamm, der in den Kämpfen mit den Weißen praktisch völlig aufgerieben wurde. Im Jahre 1826 schrieb James Fenimore Cooper einen Roman mit dem Titel »Der letzte der Mohikaner«. Danach benennt man scherzhaft seinen letzten Geldschein oder Geldstück oder auch einen Nachzügler. Moloch Nach der Bibel war der Moloch Name eines grausamen kanaanitischen Gottes, dem man Menschenopfer brachte. So befiehlt Gott im dritten BuchMose (18,21) dem Moses: »Du sollst auch nicht eines deiner Kinder dahingehen, daß es dem Moloch verbrannt werde, daß du nicht entheiligest den Namen deines Gottes; denn ich bin der Herr«, und auch an weiteren Stellen des Alten Testaments ist die Rede davon, daß dem Moloch Kinder als Opfer verbrannt wurden. Moloch ist die griechische Form des hebräischen molek (Herr, König). Die neuere Forschung stellt indessen in Frage, daß das Wort wirklich ein Gottesname war, und nimmt an, daß es ein Begriff für Opfer war, die dem Gott Baal-Hammon gebracht wurden. Nach der biblischen Erzählung wurde die Redensart einem Moloch opfern zum Ausdruck für die sinnlose Opferung von Gaben an ein gefräßiges Unwesen, das alles verschlingt, und das Wort kann mit anderen Substantiven verbunden ausdrücken, daß eine Sache unmäßig und gleichsam nicht endenwollend Geld abfordert (zum Beispiel: Der Moloch Straßenbau).
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Molotow- Cocktail Im Sommer 1941, als die sowjetischen Armeen gewaltige Verluste in den deutschen Angriffen hinnehmen mußten und vor allem von den rasch vorstoßenden Panzerverbänden bedroht waren, improvisierten sie eine sehr einfache, aber verhältnismäßig wirksame Waffe gegen Panzer. Die Rote Armee hatte schon vor dem Krieg mit einem Gemisch aus Benzin und Phosphor, KS genannt, Versuche angestellt, das sich sehr leicht entzündete, wenn es mit Luft in Berührung kam. Die Flüssigkeit wurde in Flaschen abgefüllt und außerdem noch mit einer Flasche Benzin verbunden. Gelang es im Nahkampf, eine solche Kombination auf einen Panzer zu werfen, setzte die sofort entzündende Flüssigkeit den Panzer in Brand. Der sowjetische General Jeremenko befahl als erster, diese Waffe einzusetzen. Die deutschen Soldaten nannten sie im Landserjargon Molotow-Cocktail in Anlehnung an den damaligen sowjetischen Außenminister WjatscheslawMolotow, der 1939 die spektakulären Verhandlungen über den Hitler-Stalin-Pakt geführt hatte (auch die russische Maschinenpistole wurde mit gleicher Schnoddrigkeit Molotow-Gitarre genannt). Brandbomben dieser und ähnlicher Art wurden wegen ihrer leichten Herstellbarkeit bis in die Gegenwart immer wieder von revolutionären Gruppen verwendet, und so hielt sich der Name. Mondkalb Ein Schimpfwort für eine törichte Person, das Entsprechungen auch im Englischen (moon-calf) und Schwedischen (minkalf) hat. Es liegt ihm der Glaube zugrunde, daß es eine unter dem ungünstigen Einfluß des Mondes gezeugte Mißgeburt sei. So heißt es im 17. Jahrhundert: »Die Mondkälber kommen allemal her von einer falschen Frucht.« Schon Luther kannte das Wort; daneben wurde nach dem gleichen Aberglauben auch von Mondkind gesprochen. Moneten Die römische Göttin Juno trug den Beinamen Moneta, die Mahnerin. Da im alten Rom die Münzstätte beim Tempel der Juno Moneta lag, bürgerte sich der Begriff moneta auch für Münzstätte, ebenso für Münze und geprägtes Geld ein und ergab beispielsweise im Französi-
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sehen monnaie (Geld, Münze), im Englischen money (Geld); ins Deutsche wurde das Wort als Moneten nur im scherzhaften Sinn, ursprünglich wohl in der Studentensprache, übernommen. Mopsen In der Gaunersprache erscheint Möpse (Plural) für Geld; Möpse haben bedeutet reich sein. Das Wort hat sich lautlich und volksetymologisch zwar an die Hunderasse der Möpse angelehnt, beruht aber auf dem rotwelschen meps für klein. Geld soll mit einem derartigen Begriff gleichsam bagatellisiert werden. Dazu fügte sich das Verb mopsen für stehlen, Mopser ist in der Gaunersprache der Dieb. Mördergrube aus seinem Herzen keine M. machen: Die Redensart beruht auf zwei Stellen in der Bibel. Bei Jeremia heißt es: »Haltet ihr denn dies Haus, das nach meinem Namen genannt ist, für eine Mördergrube?« (7, 11). Und bei Matthäus: »Es steht geschrieben: >Mein Haus soll ein Bethaus heißen<; ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht.« Mores jemanden M. lehren: Mores ist lateinisch (Plural von mos, Sitte, Herkommen, Brauch, Vorschrift, Gesetz) und bedeutet Sitten, Charakter, Gesittung. Mucker s. Mucks (keinen M. machen). Mucks keinen M. machen: Das Verb mucksen ist ebenso wie das gleich bedeutende mucken wohl lautnachahmend und meint halblaut aufbegehren; dazu gehört wohl das mittelhochdeutsche mugen für brüllen. Keinen Mucks oder Muckser machen meint also nicht einmal einen halben Laut von sich geben. Zu mucken gehört aufmucken (gegen jemanden aufbegehren, aber nicht sehr kräftig) und Mucker (ein Scheinheiliger,
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heuchlerischer Frömmler, der gleichsam nur halbe Laute von sich gibt); Mucker wurden im 18. Jahrhundert spöttisch die Pietisten genannt. Mucksmäuschenstill Die Maus, ein wehrloses Tier, das unentwegt fürchten muß, eine Beute der Katzen oder Raubvögel zu werden oder von Menschen ertappt zu werden, verhält sich so still wie kaum ein anderes Wesen, wenn sie sich bedroht fühlt. Deshalb ist der Ausdruck mäuschenstill sprichwörtlich geworden. Mucksmäuschenstill ist eine Steigerung, die eigentlich ausdrücken will, daß nicht einmal ein Mucks zu hören ist (vgl. Mucks, keinen M. machen). Mulatte Im Arabischen wurde der Begriff muwallad geschaffen, der soviel wie »unechte Araber« bedeutet. Er liegt dem spanischen und portugiesischen mulato zugrunde, das dann in andere europäische Sprachen eindrang. Mundtot jemanden m. machen: Ebenso wie den Wörtern Mündel, Vormund, mündig liegt mundtot das heute sonst ausgestorbene Wort Mund im Sinne von Schutz, Schirm, Gewalt zugrunde, das mit dem Körperteil Mund nichts zu tun hat. Im Alt- und Mittelhochdeutschen bedeutete munt Hand, Schutz, Bevormundung, Einwilligung, muntbürtic hieß volljährig, muntman einer, der sich in den Schutz eines ändern begibt. Mundtot ist freilich erst seit dem 17. Jahrhundert belegt, leitet sich aber eindeutig von dem alten munt ab. In der Rechtssprache hatte es zunächst den Sinn, daß jemand unfähig sei, Rechtshandlungen zu vollziehen. Der Gleichklang mit dem Körperteil Mund verwandelte dann den Sinn in die heutige Bedeutung: jemanden zum Schweigen bringen. Mütchen sein M. kühlen: Die heute allgemeine Bedeutung von Mut im Sinne von Tapferkeit ist erst seit dem Frühneuhochdeutschen vorherrschend (in den verschiedensten Zusammensetzungen vor allem bildet das Grund-
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wort Mut auch heute noch sehr zahlreiche Differenzierungen). Bis in das Neuhochdeutsche aber hatte Mut auch den Sinn von Haß, Groll, Ärger, und so bildete sich unter der Vorstellung, daß der Zorn als erhitzend aufgefaßt wurde, die Wendung seinen Mut kühlen heraus. Noch bei Goethe steht Mut in diesem Sinne, freilich schon durch ein Attribut gekennzeichnet: ». . . als daß er den einmal in ihm erregten bösen Mut an einem Unschuldigen gekühlt.« Deutlich negativen Charakter bekommt Mut in seiner diminutiven Form Mütchen, wie die Wendung heute allein gebräuchlich ist. Mutterseelenallein Vielfach äußert man die Vermutung, der Ausdruck sei eine Verbalhornung des französischen moi tout seul (wörtlich: ich ganz allein), und von der Aussprache her wäre das denkbar. Da das Wort im Deutschen aber in vielfachen Formen und zum Teil schon im frühen Neuhochdeutsch auftritt (muttergottesseligallein, mutterallein, seelenallein, muttermenschallein), schließt man besser auf eine deutsche Entstehung, bei der einerseits die Lust an einer etwas umständlichen und zugleich die Vorstellung intensivierenden Wortschöpfung Pate gestanden ist, andererseits der starke Ausdruck Mutterseele, der, wie Menschenseele, den Begriff Mutter noch mehr in den Gefühlsbereich rückt, ausgehend von der einzigartigen menschlichen Bindung an die Mutter.
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N Nadelgeld Eigentlich ist Nadelgeld der der Frau zugestandene Betrag zum Einkaufen von Nadeln oder Nähzeug überhaupt; es bedeutete dann aber übertragen das Jahresgeld der Frauen, das ihnen für Putz und andere kleinere Bedürfnisse zur Verfügung stand. Heute verwendet man den Ausdruck nur noch ironisch, wenn jemand für eine nicht sehr große Leistung einen höheren Betrag erhält oder wenn einer im Nebenerwerb eine höhere Summe gewinnt (»das ist ein hübsches Nadelgeld«). Nagel den N. auf den Kopf treffen: Wiewohl es für den Ungeübten eine gewisse Geschicklichkeit bedeutet, beim Hämmern den Nagel richtig auf den Kopf zu treffen und somit die Redewendung allein dadurch ihren Sinn hätte, geht sie doch auf den älteren Brauch zurück, daß im Zentrum der Schießscheibe ein Nagel war, den es zu treffen galt. Dieses Treffen setzt eine erheblich größere Geschicklichkeit und Zielsicherheit voraus und gab der Redewendung einen intensiveren Sinn. Nagel es brennt mir auf den Nägeln: Einst sollen sich Klosterinsassen während der Frühmesse und der Abendandacht kleine Kerzen auf die Fingernägel geklebt haben, um Licht zum Lesen zu haben. Wenn die Lichter niedergebrannt waren und die Andacht war noch nicht zu Ende, begann es, auf den Nägeln zu brennen; der Betroffene geriet in Eile und Bedrängnis.
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Nagelneu Das Wort bedeutet eigentlich so neu wie ein Nagel, der eben aus der Nagelschmiede kommt, auch wenn man heute eher die Bedeutung unterstellen könnte, daß etwas, ein Werkstück etwa, gerade gleichsam fertiggenagelt, der letzte Nagel eingeschlagen worden wäre. Vor der Industrialisierung wurden die Nägel mit der Hand geschmiedet (Nagelschmied) und stellten einen beachtlicheren Wert dar als heute. Das Wort ist schon im Mittelhochdeutschen als nagelniuwe belegt. Mit gleicher Beziehung sagte man früher feuerneu und bis heute funkelnagelneu, wobei beim ersten auf die im Schmiedefeuer entstandene Neuheit, beim zweiten auf das Funkeln des frisch geschmiedeten Eisens verwiesen wird. Nagelprobe die N. machen: In der Anfang des 17. Jahrhunderts erlassenen Hoftrinkordnung Kurfürst Christians II. von Sachsen heißt es: »Erst soll man trinken die herrschaftliche Gesundheit; darnach soll mans bringen dem freudigen Bergmann mit dem Spruche >Glückauf<; dann folgt die Nagelprobe mit dem Spruche: >So hatten es auch die Alten im Brauch.*« Seit spätestens dieser Zeit ist der Begriff Nagelprobe im Gebrauch und wird mit der Tätigkeit oder Idee verbunden, daß man den ausgetrunkenen Becher (auszutrinken geboten Ehre und Anstand) umdreht und auf den Daumennagel stellt; zum Zeichen, daß er leer ist, darf kein Tropfen mehr herausrinnen. Es ist indessen durchaus vorstellbar, daß dem Begriff Nagelprobe auch das Wort Neige (der letzte Rest im Glas) zugrunde liegt; dann hätte man eigentlich die Probe darauf gemacht, daß nicht einmal mehr eine Neige im Glas enthalten ist. Es wäre einleuchtend, daß das beliebte Spektakel der Nagelprobe (die Zechsitten schließen allerhand Geschicklichkeitsprüfungen ein) die ursprüngliche Herkunft leicht verdrängte. Naiv Das französische naif bedeutet natürlich, ungekünstelt, unbefangen, kindlich und im bildlichen Sinne einfältig. Es geht auf das lateinische nativus (geboren, angeboren, natürlich; der gleiche Stamm liegt dem Wort Nation zugrunde) zurück, zu dem sich im Spätlateinischen die
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Form naivus gebildet hatte. Im 18. Jahrhundert wurde das Wort ins Deutsche übernommen. Narr einen N.en an jemandem gefressen haben: In der Volksmeinung früherer Jahrhunderte wird die Verrücktheit, das Närrischsein eines Menschen häufig personifiziert aufgefaßt, wie wenn in einem Menschen ein Narr als eigenes Wesen säße. Dieser Narr ist gleichsam ein zweites, fremdes Ich, das im Menschen haust und ihn zu allerhand Torheiten veranlaßt oder zwingt. Der Narr kann so tief in einem sitzen, daß man ihn sozusagen nur operativ entfernen kann, weshalb man denn vielfach davon sprach, daß einem der Narr geschnitten werden müsse (Hans Sachs: »Der Mensch steckt aller voller Narren ... so muß man dir die Narren scheiden«; Die will ich all zu euch bescheiden, das ir in müst den Narren schneiden«). In derber Vorstellung unterstellte man auch, daß einer den Narren, der in ihm sei, verschluckt, gefressen habe. So spricht etwa ein Zitat aus dem 16. Jahrhundert von einem »dürstigen Gesindlein, denen der rohgefressen Narr noch auf stoßet«, und ein Sprichwort lautete: »Es ist gut Narren fressen, aber bös verdauen.« Hatte nun jemand eine übertriebene Vorliebe für eine andere Person, war er närrisch, verrückt auf ihn, so stellte man sich vor, daß er ebenfalls einen Narren gefressen hatte, und zwar - gleichsam partiell — in bezug auf den einen Menschen, »an ihm«, dem die unmäßige Neigung gehörte. Narr jemanden zum N.en halten: Es war früher höfische Sitte, daß man sich einen Narren hielt, den Hofnarren. Zumindest beeinflussend wirkte indessen auf die Ausprägung der Redensart auch die einfache Formulierung: für einen Narren halten. Naseweis Im Mittelhochdeutschen meinte nasewise nur ganz konkret mit feinem Geruch begabt, spürnasig. In der Jägersprache bedeutet Nase das Geruchsvermögen des Hundes (eine gute, schlechte Nase; daran angelehnt ist auch die Redensart eine gute Nase für etwas haben). Das Wort
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weis(e) gehört zu wissen und meint eigentlich wissend (vgl. weismachen). Im Laufe der Zeit entwickelte sich dann naseweis, angelehnt an die frühere Bedeutung zum Sinn von vorlaut. Nassauer Über die Entstehung dieses Substantivs, das Schmarotzer bedeutet, und des dazugehörigen Verbs nassauern (schmarotzen) wird berichtet, daß es sich von den Freitischen ableite, die die nassauischen Studenten in Göttingen hatten; konnte ein anderer Student gelegentlich einen solchen Freitisch einnehmen, so »nassauerte« er in der Studentensprache. Diese Ableitung ist indessen nicht genügend belegt. So ist entweder an das gaunersprachliche nassenen zu denken, das schenken, geben bedeutet und seit Anfang des 19. Jahrhunderts belegt ist (entsprechend heißt es im Jiddischen nossnen, nossen mit dem gleichen Sinn) oder an eine frühneuhochdeutsche Bedeutung von naß im Sinne von durchtrieben: Ausdrücke wie nasser Bube, nasser Knabe meinen nicht nur einen zechfreudigen Mann, sondern auch einen zum Abenteuer neigenden, verschlagenen. (Hans Sachs: »er heb sich dieser galgenschwengel, der naß, verschlagen, diebisch knecht«). So auch noch in der Bordellsprache des 20. Jahrhunderts: nasser Junge, einer, der nicht zahlen kann oder will, was sich freilich schon wieder von dem auch in der Gaunersprache beheimateten Nassauer abgeleitet haben könnte. Neglige Das französische Wort (neglige) bedeutet Hauskleid, Morgenrock; es leitet sich vom Verb negliger im Sinne von vernachlässigen (lateinisch negligere, neglegere für vernachlässigen, sich nicht kümmern) ab und meint eigentlich eine Kleidung, die man der Bequemlichkeit wegen etwas nachlässiger (im Gegensatz zur »korrekten« Kleidung) gehalten hat. So hieß denn im 18. Jahrhundert auch bequeme Reise- und Straßenkleidung für beide Geschlechter Neglige. Im Neglige kann heute auch in Unterwäsche bedeuten. (Die deutsche Schreibweise glaubt auf den ersten Akzent verzichten zu können, braucht indessen den zweiten der Betonung wegen - eine ziemliche Inkonsequenz, die bei der Übernahme vieler Wörter aus dem Französischen eingehalten worden ist, etwa bei Variete).
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Nessel sich in die N.n setzen: Es gibt auch sogenannte taube Nesseln, die nicht brennen, wenn man sie berührt, gemeint ist aber natürlich die Brennessel; wenn deren Brennhaare die Haut ritzen, ergießen sie einen Brennsaft hinein, der einen zwar nicht langen, aber doch sehr empfindlichen Schmerz hervorruft. Diese Eigenschaft gab ein sehr plastisches Bild ab, angewandt auf jemanden, der sich in eine für ihn sehr widrige Situation begeben hat. So meinte der Dichter Johann Peter Uz im 18. Jahrhundert: »Ein Weiser zürnet nicht, daß eine Nessel brennt: Es ist der Nessel Art; ihr weichet, wer sie kennt«. Ein frühneuhochdeutsches Sprichwort lautet (ähnlich dem Häkchen, das sich beizeiten krümmt): »Was zur nessel wil werden, das facht bei zeit an zu brennen.« Nesthäkchen Mit Haken hat das Nesthäkchen nichts zu tun; die früheren Schreibweisen Nestheckchen, Nestheckel wären viel richtiger, denn das Wort leitet sich von dem Verb hecken ab, das zunächst bei Vögeln, dann auch bei anderen Tieren Junge zeugen bedeutet; so steht bei Luther: »Item, so hegget und tregt ein jglich Thier und allerlei Vogel zu seiner Zeit« (vgl. aushecken). Nibelungentreue Die Nibelungen waren ursprünglich ein Zwergengeschlecht, ihren Hort hütete Alberich. Siegfried besiegte ihn und der Name ging auf ihn und seine Getreuen über, später auf die Burgunder. Ihr Verhältnis zueinander war von Vorstellungen absoluter Treue geprägt. Der Ausdruck Nibelungentreue wurde indessen erst sprichwörtlich nach einer Rede des Reichskanzlers Bernhard von Bülow 1909, in der er sagte: »Ich habe irgendwo ein höhnisches Wort gelesen über unsere Vasallenschaft gegenüber Österreich-Ungarn. Das Wort ist einfältig! Es gibt hier keinen Streit um den Vortritt wie zwischen den beiden Königinnen im Nibelungenlied; aber die Nibelungentreue wollen wir aus unserem Verhältnis zu Österreich-Ungarn nicht ausschalten, die wollen wir gegenseitig wahren.«
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Nichts mir n. dir n.: Die Wendung meint ohne Umstände, im Nu, ohne weiteres; sie ist eine Verkürzung, bei der dem Sinn nach etwa zu ergänzen wäre: ohne mir und dir etwas zu nehmen, zu schaden oder auch zu geben (Rücksicht beispielsweise), so schnell geht es. Niederträchtig Zu dem Substantiv traht (Tracht) bildete sich im Mittelhochdeutschen das Adjektiv trehtec (trächtig), das sowohl den Sinn von tragend im allgemeinen wie von fruchttragend (auch bei Frauen an Stelle von schwanger) hatte. Noch im Mittelhochdeutschen wurde trächtig mit nieder zusammengefügt, und nidertrehtic bedeutete zunächst von oben hinab angesehen, geringgeschätzt, verächtlich, doch nahm das Wort dann vielerlei Bedeutungen an. So meinte es etwa sich niedrig tragend, gesenkt, geneigt (es solt ein züchtiger man mit nidertrechtigen äugen ansehen, was man im für hat gesetzt); von geringer Höhe (ein niderträchtigs oder kleins rind; der Quittenbaum ist niederträchtig und kan nicht stark über sich wachsen). Im übertragenen Sinn bedeutete es zum Beispiel von niedriger Abkunft (ich will ändern von den königen zu reden gern gönnen, und mich mit dem niderträchtigen völcklein überwerfen); schlechtes äußeres Ansehen (je weiter ich kam, meine Kleidungsstücke anzulegen, desto niederträchtiger erschien ich mir); bei Schiller auch noch widrig, höchst unangenehm (eine niederträchtige Beschäftigung; gemeint ist das Aktenkorrigieren); es konnte aber auch ohne Hochmut bedeuten und war in diesem Sinn das Gegenteil von hochträchtig. Im 18. Jahrhundert aber nahm niederträchtig dann endgültig den heutigen Sinn von gemein, verworfen, schändlich, verwerflich an. Dazu bildete sich dann das Substantiv Niedertracht. Niere das geht einem an die N.n: So wie das Herz und die Leber galten früher auch die Nieren als Sitz der Gemütsbewegungen. So heißt es in der Bibel (Sprüche Salomons 23,15-16): »Mein Sohn, wenn dein Herz weise ist, so freut sich auch mein Herz; und meine Nieren sind froh, wenn deine Lippen reden, was recht ist«, oder bei Wieland: »Sprach sie, mit einem Ton! Mir selbst zerschmolzen die Nieren davon.« Diese Vorstellung
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liegt auch noch der Wendung etwas gehe einem an die Nieren (etwas strapaziere das Gemüt) zugrunde, auch wenn sie erst seit dem 19. Jahrhundert belegt ist und durchaus gelegentlich wohl auch medizinisch aufgefaßt werden mag. Niete Mit dem Einfluß des holländischen Lotteriewesens kam im 18. Jahrhundert das Wort Niete ins Deutsche; es ist das niederländische niet, das nicht, nichts bedeutet. Niet- und nagelfest Die Niete, älter auch der Niet, heute ein Metallbolzen, bedeutete früher überhaupt einen Nagel oder Stift, zurückgehend auf das althochdeutsche Verb hniotan, befestigen. Unter der formelhaften Verbindung niet- und nagelfest verstand man alles, was in Gebäuden fest (mit Nieten oder Nägeln befestigt) war; sie wurde als Rechtsausdruck für das gebraucht, was bei einem Besitzerwechsel nicht mitgenommen werden durfte. Im gleichen Sinn sagte man auch band-, erd-, wandfest, zum Beispiel: alles, was auf dem Hofe erd-, wand-, nied- und nagelfest ist«. Im übertragenen Sinn schrieb etwa Jean Paul: »Alle Nationen bemerken an der deutschen, daß unsere Ideen wand-, band-, niet- und nagelfest sind und daß mehr der deutsche Kopf und die deutschen Länder zum Mobilarvermögen gehören als der Inhalt von beiden.« Nikotin Nicothieß in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein französischer Gesandter am portugiesischen Hof. Er führte von dort 1560 den Tabak in Frankreich ein; nach ihm nannte man die Tabakpflanze herba nicotiana. Nimbus Im Lateinischen bedeutet nimbus Wolke, Gewölk, Sturmwolke, Platzregen. Aus der Vorstellung einer Nebelwolke, in der die Götter zur Erde herabsteigen, entwickelte sich das Wort zu Strahlenkranz und Heili-
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genschein und nahm von hier aus den weiteren übertragenen Sinn großes Ansehen an. Nimrod s. Jäger, ein gewaltiger J. vor dem Herrn. N. N. Die Abkürzung für eine Person, die man nicht kennt oder die man nicht nennen will, stammt aus der alten Rechtssprache. N. N. ist die Abkürzung des lateinischen nomen nescio, den Namen weiß ich nicht. Not seine liebe N. mit jemandem (oder etwas) haben: Not wird hier im Sinne von großer Mühe, viel Plage gebraucht; lieb ist in der formelhaften Wendung ironisch gemeint, gleichsam in dem Sinn, daß die Plage so groß oder so lang dauernd ist, daß man sie gar nicht mehr missen möchte. Not N. am Mann: Gemeint ist mit dem Ausdruck: wenn die Not an den Mann herangetreten ist, wenn die Not ganz nahe ist. Diese Entstehung geht aus früheren Wendungen wie »wenn not an den man trit« hervor; so heißt es noch bei Klopstock: »So weißt du weder aus noch ein, wenn Noth an den Mann geht.« Der Begriff Not dürfte dabei anfänglich leicht personifiziert aufgefaßt worden sein. Noten nach N.: Aller Wahrscheinlichkeit nach leitet sich der Ausdruck, der besagen will, daß etwas gründlich, ordentlich, trefflich erledigt wird, von den Musiknoten ab. So wie heute noch gab es früher viele Musiker im Volke, die ihr Instrument nur nach dem Gehör beherrschten, aber keine Noten kannten. Das feinere, edlere Spiel indessen geschah nach Noten.
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Notorisch Im Lateinischen bedeutet notorius offenkundig; als notorisch wurde es im 17. Jahrhundert in der Bedeutung offenkundig, allgemein bekannt ins Deutsche übernommen und heute in Anlehnung an die Rechtssprache vor allem gebraucht, um auszudrücken, daß eine negative Eigenschaft eines Menschen bekannt sei (notorischer Säufer); dabei wird in der Volkssprache der eigentliche Sinn von notorisch gern verwischt und das Wort lediglich zur Bekräftigung verwandt. Nudel lustige N.: Nudeln sind eine sehr weitverbreitete und beliebte Speise. Manchenorts war in der bäuerlichen Wirtschaft genau geregelt, wieviel Stück die Dienstboten zu bekommen hatten; zum Beispiel hatte Anfang des 19. Jahrhunderts das Gesinde im Landgericht Dachau am Samstag folgenden Anspruch: der Oberknecht fünf Schmalznudeln, der Mittelknecht vier, der Drittler drei, der Stallbub zwei, der Taglöhner zwei, die Oberdirn sieben bis neun, die Mitteldirn fünf bis sieben, die Drittlerin zwei bis drei. Nudeln sind aber auch eine sehr nahrhafte Speise; wer viel davon ißt, neigt leicht zur Beleibtheit (so wurden auch die Gänse und Enten früher mit Teigstücken gemästet und die Tätigkeit nannte man nudeln; nudeldick, das heißt eigentlich so dick wie eine Nudel, sagt man zu einem molligen Menschen). So übertrug sich das Wort Nudel auch auf eine etwas dicke Person, vor allem ein molliges Kind oder weibliches Wesen. Das war aber in aller Regel nicht kränkend, sondern viel eher liebevoll-ironisch gemeint, und so assoziierte man zu dem Begriff die Vorstellung des Lustigen (wohl verbunden damit, daß man auch die Form mancher Nudeln lustig fand), Komischen, Tollen, aber auch Frechen. Im 20. Jahrhundert kam dazu der Ausdruck Betriebsnudel für eine Person, die immer für Betrieb, Leben, Spaß sorgt, auf. Null-acht-fünfzehn Der Ausdruck entstammt, genauso wie »Schema F« (s. d.), das ähnliches bedeutet, der Soldatensprache und dient zur Charakteristik von etwas Herkömmlichem, Routiniertem, Veraltetem, alltäglich Gebrauchtem oder einer Sache, die den üblichen Verlauf nimmt. Die deutschen Soldaten prägten ihn im Zweiten Weltkrieg nach der Typen-
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Bezeichnung des Maschinengewehrs MG 08/15. Dieses MG mit Wasserkühlung wurde im Jahre 1908 beim deutschen Militär eingeführt und 1915 in einer verbesserten Ausführung hergestellt; nach den beiden Jahreszahlen ergab sich die Typenbezeichnung (MG) 08/15. Es war auch noch im Zweiten Weltkrieg in Verwendung. Die Soldaten nannten nun danach generell veraltete und routineartige Dinge Null-acht-fünfzehn (oft auch Null- acht-f uff zehn, also in der niederdeutschen Form, ausgesprochen). Der ebenso intensive wie monotone Drill an dieser Waffe dürfte die Hauptursache dafür sein. Nummer bei jemandem eine gute N. haben: Die Redewendung geht davon aus, daß die Qualität etwa einer Ware mit Nummern dargestellt wird und eine gute Nummer ergo mit guter Qualität identisch ist. Wer bei jemandem eine gute Nummer hat, wird von ihm also gut qualifiziert. Nürnberger Trichter s. eintrichtern. Nutz und Frommen zu N. u. F.: Im Althochdeutschen bedeutete fruma Nutzen, Vorteil, Segen; dazu gehörte das Verb frummen für vollziehen, vollbringen, fördern. Im Mittelhochdeutschen hatte vrumen (vromen) dann die Bedeutung vorwärts kommen, förderlich sein, nützen. In der formelhaften Zusammensetzung zu Nutz und Frommen ist diese Bedeutung von fromm heute noch erhalten.
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O Oberhand die O. gewinnen, haben: Die Hand galt als Symbol des Besitzes und der Gewalt (wie sich das in einigen Redewendungen erhalten hat; vgl. Hand); diu ober hant, später oberhant war schon im Mittelhochdeutschen die Hand, die den Sieg erringt, das Übergewicht, die (Ober-)Herrschafthat; ober im Sinne von darüber, höher stehend (so bedeutete auch erobern zunächst allgemein erlangen, gewinnen im Sinne von der Obere werden). Oberwasser O. haben: Das Rad der Wassermühle wird durch oben darauf fließendes (Oberwasser) oder durch unten vorbeifließendes Wasser (Unterwasser) angetrieben; letzteres richtet man ein, wenn der Bach schon so tief liegt, daß er oben nicht mehr zugeführt werden kann. Oberwasser hat die größere Antriebksraft, deshalb ist der, der es hat, im Vorteil. Obolus Im Griechischen war der obolus (lateinische Form obolus) eine kleine Münze von ungefähr 13 Pfennig Wert. Obolos ist die attische Dialektform von obelos, das Spieß, Bratspieß bedeutet, und vor allem in der Verkleinerungsform obeliskos auch Obelisk. Sechs »Spieße« waren eine Drachme. Das Wort wurde Ende des 18. Jahrhunderts ins Deutsche übernommen, vor allem in der Wendung seinen Obolus entrichten, das heißt seinen Betrag oder sein Scherflein beigeben. Obst und Südfrüchte danke für O. u. S.: Die ersten Spezialgeschäfte, die vorwiegend oder ausschließlich mit Obst und Südfrüchten handelten, kamen um die
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Mitte des 19. Jahrhunderts auf. Die Firmierung Obst und Südfrüchte wirkte zugleich neu und einprägsam, so daß sich der schnoddrige Berliner Volksmund sogleich ihrer bediente, um mit der Formel danke für Obst und Südfrüchte etwas dankend abzulehnen; die Wendung ist nach 1850 in Berlin belegt. Ohne er (eine Person) oder es (eine Sache) ist nicht o.: Die Wendung ist eine Verkürzung, bei der ein entsprechendes Substantiv, das sozusagen mitgedacht wird, zu ergänzen ist. Gemeint ist, daß etwas nicht grundlos, ohne Qualität ist, wobei dies vielfach gleichsam überraschend konstatiert wird, weil etwas mit einer Qualität ausgestattet ist, die man gar nicht erwartet hat. Die Wendung ist freilich so abgeschliffen, daß sie auch der gedachten Ergänzung nicht mehr bedarf. Ohr es faustdick, knüppeldick hinter den O.en haben: Die Partie zwischen Nacken und Hinterkopf wird vom Volksmund als der Sitz der Verschlagenheit angesprochen, wahrscheinlich weil die Gegend nahe beim Gehirn liegt, dennoch aber ein wenig verborgen wirkt, da man doch mit jemandem von Gesicht zu Gesicht spricht. So wie nun der Schalk im Nacken sitzt (s. d.), hat man es (das heißt die Verschlagenheit, Listigkeit) hinter den Ohren (sitzen). Faustdick und ähnliches ist dann nur noch eine Steigerung. Ohr jemanden übers O. hauen: Einen oder einem übers Ohr hauen bedeutet eigentlich, ihm eine Ohrfeige geben, ihm eine versetzen. Das Bild wäre plastisch genug, um zu erklären, warum es auch betrügen bedeutet. Vermutlich dürfte jedoch in diesem Sinn ursprünglich beim Fechten ein nicht erlaubter Hieb gemeint gewesen sein, mit dem man den Kontrahenten gleichsam betrog.
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Ohr sich etwas hinter die O.en schreiben: Es war früher Sitte, daß man bei wichtigen Anlässen, etwa bei einem Vertragsschluß oder bei einer Grenzziehung, Knaben als Zeugen zuzog und ihnen eine oder mehrere Ohrfeigen gab. Der Sinn des Unternehmens war es, daß sich die jungen Leute durch diese drastische Behandlung später genau des Ereignisses erinnern sollten (sie wurden im übrigen für den ausgestandenen Schmerz in der Regel durch ein kleines Geschenk entschädigt). Dieser Rechtsbrauch ist sowohl aus Süd- und Westdeutschland wie auch aus England bezeugt, im letzten Fall bis zum Jahre 1830. Ohrwurm Der Ohrwurm ist eigentlich ein Insekt, das von Obst, Blüten und ähnlichem lebt. Nach einem alten Volksglauben kriecht er den Menschen und Tieren gern in die Ohren; er ist indessen völlig ungefährlich, hat aber nicht nur von dieser Unterstellung seinen Namen, sondern auch einer Tierkrankheit, die sich durch Entzündung der Ohren äußert, die Bezeichnung Ohrwurm gegeben. Seit der jüngsten Vergangenheit, wiederum übertragen auf der alten Vorstellung beruhend, nennt man auf ebenso humorvolle wie treffende Weise ein Musikstück, vor allem des leichten Genres, eine Melodie, die sich gleichsam ins Ohr eingefressen hat und die man nicht losbringen kann, Ohrwurm. Öl ö. auf die Wogen gießen: öl ist leichter als Wasser und schwimmt deshalb obenauf; da es gleichzeitig aber eine zähere Konsistenz hat, gerät es nicht so leicht in Bewegung und glättet so tatsächlich das stürmische Wasser ein wenig. Logau benützte die ersterwähnte Tatsache schon zu einem Gleichnis: »Die Wahrheit ist ein öl, die Lügen Wasser, schwimmt doch endlich oben auf, wieviel man Wasser nimmt.« Die Redensart Öl auf die Wogen gießen ist seit langem in mancherlei Ausprägung in Gebrauch, so zum Beispiel bei Schiller: »Lindernd Öl zu gießen in die sturmbewegte See.«
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Ölgötze Das Wort kam während der Reformationszeit in Gebrauch als Schimpfwort der Lutheraner gegen die mit öl geweihten katholischen Pfarrer, daneben auch für die Ölbilder in katholischen Kirchen. Olim zu O.s Zeiten: Das lateinische Adverb olim heißt ehemals, einst, vor Zeiten. In der Redewendung wurde es personifiziert und gleichsam zu einer Gestalt aus uralter Zeit erhoben. Omnibus Das Wort ist eigentlich der Dativ des Plurals von lateinisch omnis (jeder; Plural omnes, alle), und omnibus bedeutet demnach eigentlich »für alle «. Die Entstehung dieser an sich sehr zutreffenden Bezeichnung geht auf einen abgedankten napoleonischen Offizier namens Baudry und einen Gewürzkrämer namens Omnes zurück. Omnes hatte seinen Laden in der französischen Stadt Nantes, und durch die Anlehnung seines Namens an das lateinische omnes war er auf den Einfall gekommen, ein Schild mit der Aufschrift Omnes Omnibus anzubringen, um auszudrücken, daß sein Laden für alle da sei. Baudry war zur gleichen Zeit Besitzer einer Badeanstalt in Richebourg bei Nantes und richtete für seine Gäste einen Stellwagenverkehr zwischen den beiden Orten ein. Der Abfahrtspunkt dieser Wagen war vor dem Laden von Omnes, und so wurden die Wagen, sicher in Erinnerung an die lateinische Bedeutung von omnibus, um 1825 so genannt. Schon 1829 fuhren die ersten »Omnibusse« in London. Im Englischen wurde dann auch zum erstenmal die Abkürzung Bus gebraucht, die dann später eine Reihe von weiteren Bildungen wie Autobus, Obus ermöglichte. Onkelehe Das Wort kam frühestens während des Zweiten Weltkrieges auf und meint die Haus- oder Lebensgemeinschaft einer Witwe oder geschiedenen Frau mit einem Mann, den sie nicht heiratet, um ihre Renten- beziehungsweise Unterhaltsansprüche nicht zu verlieren. Den Kindern gegenüber wird der Mann als Onkel ausgegeben und von ihnen auch so
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genannt. Treffend wurde die Onkelehe auf dem Katholikentag von 1954 als Rentenkonkubinat bezeichnet, ein Ausdruck, der sich freilich kaum eingebürgert hat, während Onkelehe heute auch in einem gewissen amtlichen Gebrauch ist. Ordinär Das Wort bezeichnet heute im Deutschen etwas Vulgäres, Gewöhnliches im ausgesprochen abwertenden Sinn; doch war das nicht immer so, genauso wie es im Französischen (ordinaire) oder im Englischen (ordinary) diese Bedeutungsverschlechterung nicht mitgemacht hat. Grundlage ist das lateinische Ordinarius (ordentlich, regelmäßig, gewöhnlich), das zu ordo (Genitiv ordinis, Ordnung, Reihe, Rang) gehört. Das daraus entstandene französische ordinaire bedeutete gewöhnlich, ordentlich, alltäglich, und im 17. Jahrhundert wurde das französische Adjektiv ins Deutsche übernommen. Ein Jahrhundert lang entsprach es den französischen Bedeutungen, dann aber entwickelte sich auf Grund der Vorstellung, daß das Gewöhnliche, allgemein Übliche niedrig oder gemein sei (auch gewöhnlich kann ja in ausgesprochen negativem Sinn gebraucht werden), das Außerordentliche nur das Feine sei, die heutige abwertende Bedeutung. Organ kein O. für etwas haben: Unter Organ (vom griechischen organon für Werkzeug) versteht man im physiologischen Sinne einen zu einer bestimmten Leistung dienenden Körperteil; im besonderen wurden Organ früher vor allem die fünf Sinne genannt. Auf letztere Bedeutung geht _die Redewendung (k)ein Organ für etwas haben zurück, womit die Fähigkeit gemeint ist, etwas (mittels eines Sinns) aufzunehmen und dadurch verstehen zu können. Genauso sagt man ja auch: (k)einen Sinn für etwas haben. Organisieren Das Verb organisieren wurde im 18. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, wo organiser mit Organen versehen, beleben, einrich-
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ten, ordnen bedeutet (zugrunde liegt das griechische Substantiv organon für Werkzeug). Auch im Deutschen bedeutete es zunächst und bis heute hauptsächlich etwas planmäßig (»organisch«) einrichten, aufbauen. So wurde das Wort vor allem in den administrativen, militärischen und ähnlichen Bereichen häufig gebraucht, bis schließlich alles auf irgendeine Art »organisiert« war. Da bei einer derartigen Organisierung oft auch vielerlei Beschaffungen eine Rolle spielen, übernahm das Landserdeutsch des Zweiten Weltkrieges (vielleicht aber auch schon des Ersten oder der Zeit zwischen den beiden Kriegen) den Ausdruck für eine geschickte illegale Beschaffung und wurde zur euphemistischen Umschreibung von Stehlen, das man aber nicht als moralisch zu verurteilendes Delikt betrachtete. Orgie Orgia bedeutete im Griechischen geheime religiöse Feiern, Opfer, Opferweihen, nächtliche Bacchusfeier. Es ist verwandt mit griechisch ergon (Werk, Dienst) und meinte zunächst eine heilige Handlung, doch schon im Sinne eines geheimen Gottesdienstes. Die geheimen Feiern zu Ehren des Gottes Bacchus waren mit nächtlichen Ausschweifungen verbunden, und es fiel nicht schwer, dazu Promiskuität zu assoziieren. Seit dem 19. Jahrhundert hat das Wort im Deutschen seine heutige Bedeutung. Orkan Das Wort stammt aus einer mittelamerikanischen Indianersprache und bedeutete ursprünglich als hunraken vermutlich das Sternbild des Großen Wagens, unter welchem die schweren herbstlichen Stürme in der Karibischen See toben; nach anderer Version ist Hurikan, indianischer Name des Sturmgottes, der Ausgang, wobei das eine das andere nicht ausschließt. Die Spanier brachten das Wort als huracän (Orkan, stärkster Sturm) nach Europa. Die europäischen Sprachen übernahmen es im gleichen Sinn italienisch als uragano, französisch als ouragan, niederländisch als orkaan; von letzterem leitete sich das deutsche Orkan ab. Ins Englische wurde es als hurricane übernommen, das wiederum, meist in der Schreibung Hurrikan, in jüngster Zeit auch im Deutschen
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Aufnahme fand, meist freilich auf amerikanische Stürme begrenzt oder im übertragenen Sinn. Über den Wert der eindeutschenden Schreibweise Hurrikan läßt sich streiten, da das Wort meist englisch ausgesprochen wird.
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P Paar den Feind zu P.en treiben: Die Redewendung bedeutete ursprünglich, jemanden zum Barn (baren) treiben, also zum Futterbarn, der Futterkrippe. Sie hatte freilich schon im Frühneuhochdeutschen auch einen übertragenen Sinn: zum baren bringen meinte zur Vernunft bringen, wie ein Störrisches Pferd in den Stall, nach seinem Willen zwingen. Im 18. Jahrhundert setzte sich dann die heutige mißverständliche Schreibung und damit das Mißverständnis überhaupt durch . Pack Das Wort stammt aus dem Niederländischen, wo es Bündel, Ballen bedeutete (heute noch niederländisch pak für Pack, Bündel, Bürde); mit dem Wollhandel aus Flandern drang es in verschiedene europäische Sprachen ein, so im 16. Jahrhundert auch ins Deutsche. Ähnlich wie das Wort Bagage, das eigentlich auch nur Gepäck, Troß bedeutet, in der Soldatensprache dann zu einem Synonym für Gesindel wurde, entwikkelte sich auch Pack in dieser Richtung. Ausgangspunkt dieser Entwicklung war, daß der Troß, jene Soldaten, die das Gepäck zu befördern hatten, von den kämpfenden Truppen als minderwertig angesehen wurde. Palaver Im Portugiesischen bedeutet palavra Unterredung, Erzählung; es leitet sich vom lateinischen parabola (Gleichnis, Rede, Erzählung) ab. Die portugiesischen Händler wandten das Wort auf die wortreichen, langen Verhandlungen mit den Eingeborenen in Afrika an, ebenso wurden die Eingeborenenversammlungen so genannt. In diesem Sinn übernahm auch das Englische das Wort als palaver und gab es an das Deutsche im 19. Jahrhundert weiter.
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Panik Pan war ursprünglich ein arkadischer Hirtengott, den die Griechen sich zunächst mit den Füßen und dem Kopf eines Bockes, später mit einem Menschenkopf, aber mit Bocksbart und Bockshörnern vorstellten; über seine Abstammung war man sich nicht einig. In der Mittagshitze schreckte er die ruhenden Menschen und Tiere mit unheimlichen Lauten. Diesen Schrecken nannten schon die Griechen panikos phobos, der Begriff wurde ins Lateinische als panicus terror übernommen und schließlich ins Deutsche gleichbedeutend als panischer Schrecken übersetzt, um eine Angst zu charakterisieren, die deshalb völlig kopflos macht, weil man ihre Ursache nicht kennt. Panik schließlich wurde der Form nach aus dem Französischen (panique, panisch) übernommen. Pantoffel unter dem P. stehen: Der aufgesetzte Fuß ist von alters her ein Symbol der Herrschaft, und zum Teil steht auch der Schuh synonym dafür, etwa wenn nach einem mittelalterlichen Hochzeitsbrauch der Bräutigam der Braut einen Schuh schenkt; genauso galt manchenorts der Tritt auf den Fuß oder Schuh als Zeichen der Inbesitznahme. In der Redewendung wurde der Pantoffel als spezifisches Schuhwerk der Hausfrau genommen, die gleichsam als Zeichen ihrer Herrschaft den Fuß mit dem Pantoffel auf den Mann setzt. Pappenheimer ich kenne meine P.: Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim war im Dreißigjährigen Krieg kaiserlicher Reitergeneral und unterstützte Wallenstein; seine Kürassiere, die »Pappenheimer«, galten als ebenso draufgängerisch wie ritterlich. Schiller setzte ihnen und dem Grafen in seinem Wallenstein-Drama ein Denkmal und läßt Wallenstein auf die Worte eines Gefreiten (»Kein fremder Mund soll zwischen uns sich schieben, den guten Feldherrn und die guten Truppen«) sagen: »Daran erkenn' ich meine Pappenheimer.« So müßte die Redewendung eigentlich auch lauten, sie hat sich indessen in der Regel zu der obigen Form vereinfacht und einen ironischen Sinn angenommen.
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Pappenstiel die Sache ist keinen P. wert: So nahe des Klangs wegen die Vermutung läge, daß damit eigentlich ein Pappenstiel gemeint sei, der nur einen minderwertigen Stiel für ein Werkzeug abgäbe, dürfte das Wort doch auf Papenblome, Papenblume, einen niederdeutschen Namen für den Löwenzahn, zurückgehen. Der Löwenzahn ist eine überall zu findende Blume, und sein Stiel dient den Kindern zu manchem Spiel, vor allem, um daraus Ketten zu flechten. Wert ist der Pappenstiel natürlich überhaupt nichts. Paprika Das von uns aus dem Ungarischen übernommene Wort ist gleichen Ursprungs wie das Wort Pfeffer. Ausgangspunkt ist das altindische pippali, das Beere, Pfefferkorn bedeutete (die vorderindische Malabarküste ist die ursprüngliche Heimat des schwarzen Pfeffers). Die Griechen lernten den Pfeffer im 4. Jahrhundert v. Chr. kennen und bildeten das Wort zu peperi um, woraus dann das lateinische piper wurde. Der Paprika hat zwar botanisch nichts mit dem Pfeffer zu tun, wohl aber brachte man ihn wegen seiner Schärfe damit in Verbindung, als nach der Entdeckung Amerikas den Europäern das Nachtschattengewächs capsicum annuum bekannt wurde. Dieser indianisch, brasilianisch oder spanisch genannte »Pfeffer« wurde in Europa seit dem 16. Jahrhundert auf dem Balkan angebaut (und trug deshalb in Deutschland auch lange Zeit den Namen türkischer Pfeffer; auch in Ungarn hieß er bis zum 18. Jahrhundert gleichbedeutend török bors). Im 18. Jahrhundert übernahm dann das Ungarische aus dem Serbischen den Ausdruck paprika, der wiederum auf das lateinische piper oder auf das neugriechische piperi zurückgeht. Parade jemandem in die P. fahren: Beim Fechten nennt man die Deckung, das geschickte Abwehren eines Stoßes oder Hiebes, Parade. Fährt man jemandem in die Parade, bedeutet das also ursprünglich, daß man seine Deckung aufreißt und einen Stoß gegen ihn führt.
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Parat etwas p. haben: Parat wurde im 16. Jahrhundert aus dem Lateinischen entlehnt, wo paratus vorbereitet, gerüstet bedeutet. Anfänglich hatte es auch den Sinn von verfertigt (Opitz: »Ihr Kittel ist parat von Seiden«), heute verwendet man es nur noch im Sinne von bereit, vorbereitet. Pardon Das französische Wort pardon (Vergebung, Verzeihung) ist postverbales Substantiv zu pardonner (verzeihen), das sich aus dem vulgärlateinischen perdonare (vergeben, eigentlich: völlig schenken) entwickelte. Es wurde Ende des 16. Jahrhunderts aus dem Französischen entlehnt, einesteils als Entschuldigungswort, anderenteils im Sinne von Begnadigung, Schonung. Das ebenfalls übernommene Verb pardonnieren (Schiller: »Ich werde mir deine Bestrafung zur Genugtuung ausbitten, und dich dann vor den Augen der ganzen Republik pardonnieren«) ist mittlerweile wieder veraltet. Parfüm Im Französischen bedeutet parfum im weiteren Sinn Wohlgeruch, Duft, im engeren wohlriechende Flüssigkeit, Parfüm. Es ist eine postverbale Bildung zu parfumer (durchduften), das sich aus dem italienischen Verb profumare (durchduften) gebildet hat. Über das vulgärlateinische profumare (darüber hinausdampfen) geht es auf das lateinische fumare (dampfen) zurück. Paroli jemandem P. bieten: Paroli stammt aus dem Neapolitanischen und leitet sich von paro (gleich) ab. Es wurde als Ausdruck beim Kartenspielen gebraucht und meinte beim Spiel mithalten, indem man den (gleichen) Einsatz bot, was eine Verdoppelung bedeutete, weil der neue Einsatz zum ersten hinzugefügt wurde. Im übertragenen Sinn leistet man also Widerstand, wehrt man sich, wenn man Paroli bietet.
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Partie eine gute P. machen: Sowohl Partie als auch das ältere Partei gehen auf das französische partie (Teil, Anteil, Abteilung, Gruppe von partir für teilen) zurück. Beiden liegt die Vorstellung einer Abteilung, Gruppe zugrunde, wobei sie auch nur zwei Personen meinen können, die einen Vertrag miteinander schließen, etwa eine Ehe, und wobei auch der eine Teil davon so genannt wird. Früher sagte man für eine gute Partie machen im Sinn von reich heiraten auch eine gute Partei tun, treffen. Partisan Grundlage des Wortes ist das italienische parte (Teil, Anteil), wozu sich das Substantiv partigiano (Anhänger, Partei-, Partisane; partigiano als Adjektiv parteiisch) bildete. Im 15. Jahrhundert wurde das Wort ins Französische als partisan (Anhänger, Parteigänger, Anführer eines Streifkorps, Freischärler) übernommen und gelangte von da im 17. Jahrhundert in die deutsche Militärsprache. Seine heute allgemein übliche Verwendung für irreguläre Kämpfer fand das Wort erst im 20. Jahrhundert, vor allem im Zweiten Weltkrieg (die französischen Freischärler des Krieges von 1870/71, Partisanen im wahrsten Sinn des Wortes, wurden franc-tireurs genannt). Paternoster Mit den ersten beiden Wörtern des lateinischen Vaterunsers bezeichnete man die größeren Kugeln des Rosenkranzes wie auch ihn selber. In Anlehnung an die auf einer Schnur aufgereihten Kugeln oder Perlen übertrug man diese Bezeichnung (Paternosterwerk) zunächst aller Wahrscheinlichkeit nach auf Wasserhebemaschinen, wie sie im Bergbau verwandt wurden, bei denen in regelmäßigen Abständen an einer endlosen Kette Gefäße befestigt waren. Solche und ähnliche Eimerketten hießen auch Rosenkranzmühlen, was den Ursprung des Namens klar zu erkennen gibt. Als schließlich jene Art von Personenaufzügen konstruiert wurde, bei denen eine Kabine der anderen gleichsam endlos folgte, übertrug man auch auf sie das Wort.
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Patsche in der P. sitzen: Das lautmalerische Verb patschen und die dazugehörigen Substantive Patsch und Patsche entstanden erst in der frühneuhochdeutschen Zeit. Die Patsche ist nicht nur ein klatschender Schlag oder ein Instrument, mit dem dieser Schlag hervorgebracht wird (auch die Schuhe werden so genannt, wenn sie beim Schlurfen patschen), sondern auch der Straßenschmutz, weil er patscht, wenn man hineintritt (ebenso eine Pfütze oder überhaupt aufgeweichter Boden). Wenn jemand in der Patsche sitzt, sitzt er also eigentlich im Dreck. Patzen, Patzer s. verpatzen. Patzig Im Oberdeutschen ist noch das Verb batzen gebräuchlich, das den Sinn von kleben, klebrig sein, zusammenkleben hat; dazu gehört das Substantiv Batzen für Klumpen (etwas, das zusammengeklebt ist). So bedeutet patzig (der Wechsel von b zu p ist mundartbedingt) zunächst klumpig, auf die menschliche Gestalt übertragen auch feist, dick; diese Eigenschaften wurden dann auf das Auftreten eines groben, unhöflichen Menschen übertragen, der gleichsam mit seiner Körperfülle alles beiseite schiebt. Pausbäckig Im Mittelhochdeutschen gab es das Verb phusen (auch phnusen) für niesen, schnauben, aufblähen, woraus im Frühneuhochdeutschen pfausen und pausen für schnauben wurde; das Wort ist lautmalerischen Ursprungs. Dazu fügte sich Backe; pausbäckig bedeutet also mit vollen, runden Backen oder Wangen, eigentlich mit aufgeblasenen Backen. Früher war auch noch das Verb pausbacken (die Backen aufblasen) gebräuchlich (Voss: »Was stehst du, Spötter, da und pausbackst schwerreimendes Gereimel her?«
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Pauken, Pauker Das Verb pauken ist erst seit dem Mittelhochdeutschen als puken (für pauken) bekannt; wahrscheinlich gehört es zu pochen. Pauken meinte zunächst nur die Pauke schlagen, nahm dann aber die allgemeinere Bedeutung von schlagen an, besonders im studentischen Bereich, wo das Fechten, die Mensur schlagen mit pauken bezeichnet wurde (dazu Paukboden, auf dem die Mensur ausgetragen wird, und Paukant, einer, der die Mensur austrägt). Von der Vorstellung des Schiagens ausgehend, erhielt dann auch der Lehrer den Spottnamen Pauker, eigentlich der Arschpauker, der dem Schüler das Wissen mit Schlägen vermittelt. Jemandem etwas einpauken bedeutet dann, jemandem etwas mit drastischen Mitteln und dann überhaupt mit Intensität beibringen. Von da löste sich pauken umgekehrt im Sinne von lernen (vgl. Standpauke). Pech P. haben, Pechvogel: Schon in althochdeutscher Zeit war Pech ein Wort für Hölle, Höllenfeuer, ausgehend von der christlichen Vorstellung brennenden Pechs in der Hölle zur Bestrafung der Sünder. Dieser allgemein verbreitete Gedanke hat sicher die später entstandene Redewendung Pech haben fördernd beeinflußt, die sich wohl vom Vogel ableitet, der am Pech haften bleibt (Vogelpech) und so gefangen werden kann. Pech wie P. und Schwefel zusammenhalten: Nach alter Vorstellung ist die Hölle ein mit brennendem Pech und Schwefel gefüllter Pfuhl; die beiden Stoffe brennen lang und intensiv. So war die Verbindung der beiden Wörter, wenn man einen gefährlichen, alles verderbenden Brand charakterisieren wollte, schon früh üblich (etwa wenn die Bibel die Strafgerichte Gottes aufzählt: »Da werden Edoms Bäche zu Pech werden und seine Erde zu Schwefel; ja sein Land wird zu brennendem Pech werden«, Jesaja 34, 9). An die Wendung wie Pech und Schwefel brennen schloß sich dann die Redensart wie Pech und Schwefel zusammenhalten. Man dachte dabei wohl weniger an den feurigen Klumpen, den beide ergeben, wenn sie zusammen brennen, als an die beiden Elemente der Hölle, die man als Kumpane des Bösen auffaßte.
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Pennal, Penne Der scherzhafte Schülerausdruck für Schule leitet sich vom mittellateinischen pennale (Federbüchse) ab, das wiederum auf lateinisch penna (Feder) zurückgeht. Man nannte übrigens seit dem 17. Jahrhundert auch den Schüler selber Pennal, denjenigen also, der die Federbüchse, das Schreibzeug mit sich führt; die Form Pennäler ist jüngeren Datums. Penne, pennen Der gaunersprachliche und allmählich in die unterste Stufe der Umgangssprache eingedrungene Ausdruck für Herberge, Nachtquartier stammt aus dem Jiddischen; mit Penne im Sinne von Schule (vgl. Pennal) hat er nichts zu tun, doch ist es möglich, daß sich dieses Penne unter dem Einfluß des gaunersprachlichen Penne aus Pennal gebildet hat. Im Jiddischen bedeutet binjan Gebäude (bono, er hat gebaut); Penne wurde früher denn auch meist als Benne gebucht. Das Jargonwort pennen für schlafen leitet sich wahrscheinlich nicht unmittelbar von Penne ab, sondern vom jiddischen pannai für müßig (hebräisch penai, Zeit, Mußezeit). Im 19. Jahrhundert setzte sich dann die Form Penne (statt Benne) durch, weil man es an pennen anlehnte. Dazu gehören Bildungen wie Pennbruder, Penner (im Dirnenjargon auch für Freier). Pension Zugrunde liegt das lateinische Substantiv pensio (Abwägen, Auszahlen, Zahlung, das zu pendere für hängen, erwägen, abwägen, bezahlen gehört). Über pensione wurde daraus im Französischen pension. Zunächst bedeutete Pension jährliche Bezüge an Naturalien oder Geld, Besoldung, Gehalt, so wie es heute noch Ruhegehalt meint. Über den Sinn von Kostgeld bedeutete es dann im 18. Jahrhundert auch eine Anstalt, in der man für Geld untergebracht ist; von da nahm es den allgemeinen Sinn eines Fremdenheims an. Die im Deutschen vielfach zu hörende Aussprache Pangsion lehnt sich nur sehr unbeholfen an das Französische an, in dem ja beide Silben nasal gesprochen werden (dem auch -ang- nur sehr unzulänglich entspricht), und würde korrekter und wohlklingender durch eine rein deutsche Aussprache ersetzt.
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Pep eine Sache hat P., mit P., eine Sache aufpeppen: Das amerikanische Slangwort pep bedeutet Kraft, Elan, Schwungkraft, Energie, Lebhaftigkeit, Frische (dazu das Verb to pep, anfeuern, beleben). Es leitete sich von pepper (Pfeffer) ab, ist also identisch mit der deutschen Redewendung einer Sache Pfeffer geben. Es wurde erst in der jüngsten Zeit in die deutsche Umgangssprache aufgenommen; als Pep Pills bezeichnen Drogensüchtige Aufputschmittel. Perle P.n vor die Säue werfen: Das Zitat geht zurück auf die Bibel. In der Bergpredigt heißt es: »Ihr sollt das Heiligtum nicht den Hunden geben, und eure Perlen sollt ihr nicht vor die Säue werfen, auf daß sie dieselben nicht zertreten mit ihren Füßen und sich wenden und euch zerreißen« (Matthäus 7, 6). Persilscbein Das Waschmittel Persil ist seit Jahrzehnten so bekannt, daß es als Wort zum Alltagswortschatz zu rechnen ist (benannt wurde es nach seinen Bestandteilen Perborat und Silikat). In der Soldatensprache des 20. Jahrhunderts wurde die Pappschachtel, die als Kofferersatz benutzt wurde, Persilkoffer genannt, wegen der Kartons, in denen die Persilpackungen geliefert wurden und die man in Krämerläden als Verpakkungsmaterial oder Behälter erhalten konnte. Von Persilschein spricht man seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges, als im Zuge der Entnazifizierung viele ehemalige Anhänger des Nationalsozialismus von glaubwürdigen und unverdächtigen Personen eine Bestätigung zu erlangen trachteten, mit denen ihnen Entlassungsgründe bescheinigt wurden. Der Begriff lehnt sich an die Vorstellung des Rein- oder Weißwaschens an. Petting Das Wort breitete sich erst in den sechziger Jahren im Deutschen aus und umschreibt erotische Beziehungen, sexuelle Handlungen, bei denen es aber nicht bis zum eigentlichen Geschlechtsverkehr kommt. Es ist
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englischer Herkunft und hat dort im engeren Sinn die gleiche Bedeutung. Grundwort ist das Verb to pet für hätscheln, verzärteln, auch lieben, küssen, umarmen; dazu pet, Liebling, pet name, Kosename. Vermutlich ist in pet das französische petit (klein) enthalten, vielleicht auch französisch peton (Füßchen), und es wäre dann unmittelbar mit petty (verhältnismäßig wertlos, unwichtig, unbedeutend) verwandt. Petto etwas in p. haben: Der Ausdruck wurde aus dem Italienischen übernommen, wo petto Brust bedeutet. In petto haben ist also ähnlich konstruiert wie die Wendung etwas auf dem Herzen haben, meint aber ohne Gefühlsbetonung, daß man etwas in Vorbereitung, parat hat. Pfanne etwas auf der P. haben: An den alten Lunten- und Steinschloßgewehren sowie an Kanonen befand sich eine kleine Vertiefung, die Pfanne genannt wurde. Auf diese Pfanne wurde Pulver geschüttet und durch einen Funken zum Schuß entzündet. Wer Pulver auf der Pfanne hatte, konnte schießen, im übertragenen Sinne etwas vollbringen. Die Erfindung der Zündkapsel machte die Pulverpfanne überflüssig. Pfeffer jemanden hinwünschen, wo der P. wächst: Die Redensart ist seit Anfang des 16. Jahrhunderts belegt; bei Thomas Murner heißt es: »Ach werents an der selben stat, do der Pfeffer gewachsen hat«. Die exotischen Länder, in denen Pfeffer wächst, hauptsächlich Südostasien, galten verständlicherweise vor den Zeiten modernen Verkehrs als ungemein weit entfernt. Wünscht man jemanden dorthin, möchte man ihn in einem so entfernten Land haben, daß er kaum zurückkehren kann. So war früher auch das Wort Pfefferland ein Synonym für ein unwahrscheinlich fernes Land. Pferdefuß die Sache hat einen P.: Nach altem Volksglauben hat der Teufel einen Pferdefuß. So sagt etwa in Goethes »Faust« die Hexe zu Mephisto: »O
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Herr, verzeiht den rohen Gruß! Seh' ich doch keinen Pferdefuß.« Wenn eine Sache einen Pferdefuß hat, steckt in ihr der Teufel, schaut der Teufel aus ihr heraus, sie ist also gefährlich, nicht zu bewältigen; die Redewendung hat sich freilich so weit abgeschliffen, daß man oft nur noch meint, die Sache habe einen Haken. Pfingstochse geschmückt wie ein P.: Pfingsten markierte den Zeitpunkt, an dem das Vieh auf die Gemeindeweiden getrieben wurde. Zur Feier dieses Anlasses wurde das Vieh mit Blumen, Kränzen und Bändern geschmückt, in manchen Gegenden auch nur der schönste Ochse allein oder der schönste Ochse zog dem Zug voran und war besonders herausgeputzt. Beim Almauftrieb in den Alpen hat sich diese Sitte bis heute gehalten (weshalb man bei einer besonders aufwendigen oder bunten Zusammenkunft von Menschen in Süddeutschland gern auch spöttisch von einem Almauftrieb redet). Wer besonders herausgeputzt daherkommt, wird mit einem Pfingstochsen verglichen. Pfund mit seinem P. wuchern: Pfund ist auch ein Geldmaß, wohl weil das Geld ursprünglich gewogen wurde (so noch im Englischen pound). Im Lukasevangelium (19. Kapitel) wird das Gleichnis von dem Herrn erzählt, der seinen Knechten zehn Pfund anvertraute mit den Worten: »Handelt, bis daß ich wiederkomme!« Daran lehnt sich die Redensart mit seinem Pfunde wuchern im Sinne von mit seinen Geistesgaben wuchern an (Schiller: »Auch das kleinste Element der Zeit ist ihm ein heilig anvertrautes Pfund, womit gewuchert werden muß.«) Pfundig, PfundsPfund leitet sich ab von dem lateinischen Ausdruck pondo (Pfund, an Gewicht); es war eine ursprünglich nach Zeit und Ort verschiedene Gewichtsbezeichnung, die erst durch die Dezimalisierung auf ein halbes Kilogramm festgelegt wurde. Wiewohl verhältnismäßig nicht schwer, drückte es doch als geläufiges Maß in mancherlei Vergleichen Gewichtigkeit aus (sie redten alle sache bei dem Pfunt will großsprecherisch ausdrücken); bei Dingen, die gewöhnlich leichter sind, diente es direkt
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zur Hervorhebung des außergewöhnlichen Gewichts, so bei Pfundapfel, Pfundbirne (eine große Kochbirne), Pfundnuß (eine Art großer Haselnuß). In der jüngeren Umgangssprache wurde dann Pfund ähnlich wie Mord(s)- zur Intensivierung von Substantiven benützt (Pfundskerl), wozu sich das Adjektiv pfundig für großartig, fein, außerordentlich bildete. Pharisäer Die Pharisäer waren eine religiöse Bewegung innerhalb des Judentums; der hebräische Name peruschim bedeutet vermutlich »die Abgesonderten«. Die Absonderung der Pharisäer schloß freilich nicht aus, daß sie mit dem anderen Volk in Kontakt blieben, sondern erklärt nur die ungewöhnlich strenge Weise, mit der sie ihre religiösen Regeln beachteten - eine völlige Unterwerfung selbst unter die geringsten Bestimmungen des mosaischen Gesetzes, denen das gesamte alltägliche Leben in dem Bemühen um Reinheit und Heiligkeit vor Gott unterlag. In ihrer Ethik verlangten die Pharisäer von sich selber sogar mehr an Liebe und Vergebung als von den übrigen Mitmenschen. Der sprichwörtliche Vorwurf der Heuchelei und Scheinheiligkeit, der mit den Pharisäern verbunden ist, wird denn heute von der Wissenschaft auch sehr in Zweifel gezogen. Bei einer so sehr im äußerlichen Detail zum Ausdruck kommenden Frömmigkeit nahm es freilich nicht Wunder, daß die auf 6000 Mitglieder bezifferte Gruppe der Pharisäer in Verruf und zwielichtiges Ansehen geriet, und so kommen sie auch in der Bibel nicht gut weg. Auf die Bibel stützt sich auch der heutige Gebrauch des Wortes, vor allem auf das Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner (Lukas 18, 10—14): Die beiden beteten im Tempel, und der Pharisäer sagte bei sich selbst: »Ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie die ändern Leute« und erinnerte an seine strengen religiösen Übungen. Der Zöllner aber schlug sich an die Brust und sagte: »Gott, sei mir Sünder gnädig!« Darauf heißt es weiter im Lukasevangelium: »Dieser ging hinab gerechtfertigt in sein Haus vor jenem. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.« Philippika Demosthenes, der athenische Redner und Politiker (384-322), übte sich schon in der Jugend in der Redekunst und nützte sie dann in höch-
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stem Maße als Mittel der Politik. Seine berühmtesten Reden hielt er gegen die neue Macht der Makedonier unter ihrem König Philipp II., den er für einen Tyrannen und Barbaren hielt und von dem er zu Recht fürchtete, daß er die Polis zerstören würde. In den Jahren 44 und 43 v. Chr. nannte dann in Erinnerung an Demosthenes der ebenso beredte römische Politiker und Meister der klassichen römischen Prosakunst Cicero seine Reden gegen Marcus Antonius »Philippicas orationes« (Philippische Reden). Daran angelehnt bezeichnete der Kirchenvater Hieronymus (348-420) als erster eine Strafrede Philippika. Philister Die Pelischtim (das Wort ist hebräisch) waren ein im 12. Jahrhundert v. Chr. nach Palästina eingewandertes Volk, dessen Herkunft noch nicht geklärt ist. Sie lagen lange im Kampf mit den israelitischen Stämmen, bis sie sich schließlich anglichen; im Alten Testament ist deshalb viel von ihnen die Rede. In der Vulgata hießen sie Philistaei; die Luthersche Bibelübersetzung gab ihnen den heutigen deutschen Namen. Nach Luther findet sich das Wort häufig für die Gegner von Gottes Wort und wurde im 17. Jahrhundert vor allem von den Jenaer Studenten als Schimpfwort gebraucht. Als gegen Ende des 17. Jahrhunderts bei einer Rauferei mit Stadtbewohnern in Jena ein Student getötet wurde, hielt der Generalsuperintendent Georg Götze die Leichenrede über das Thema »Philister über dir, Simson« (die Geschichte von Simson und Delila, Buch der Richter, 16). Seit dieser Zeit bezeichnete Philister in der Studentensprache alle Nichtstudierenden und Bürger der Universitätsstadt. Bei dem Gegensatz der Studenten zu den übrigen Bürgern entwickelte sich um so leichter die Vorstellung des geistigen Dingen fremden »Philisters« und Spießbürgers. Auch die nicht mehr studierenden Mitglieder der Korporationen wurden burschikos so genannt. Phönix wie der P. aus der Asche aufsteigen: In der antiken Mythologie war Phönix der Sonnenvogel; seine Heimat wird mit Ägypten, Arabien, Äthiopien oder Indien angegeben. Nach einer gewissen Frist suchte Phönix jeweils die Welt auf, in der der Tod herrscht, und wurde von der Sonne verbrannt. Aber aus seiner Asche kroch jeweils wieder der
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junge Phönix hervor. So symbolisiert Phönix heute noch Auferstehung und neues Leben. Piesacken Das ursprünglich niederdeutsche Wort geht auf das niederdeutsche ossenpesek (mittelniederdeutsch pese: Sehne) zurück, das Ochsenziemer bedeutet. Der Ochsenziemer, eigentlich das getrocknete Zeugungsglied des Rindes, war früher ein, vor allem bei Metzgern, beliebtes Raufinstrument. Pikant Das Adjektiv wurde im 17. Jahrhundert aus dem Französischen entlehnt, wo piquant spitzig, stechend und übertragen prikelnd, den Geschmack reizend bedeutet (piquant ist Partizip zu piquer für stechen, beißen, prickeln). Von gleicher Herkunft ist pikiert (s. d.) Pike von der P. auf dienen: Die Pike war der Spieß des Landsknechts, die einfachste Waffe für jenen, der keine Feuerwaffe hatte. In der Redewendung gilt sie als synonym für den untersten Rang, von dem aus man sich hochdient. Das Wort Pike stammt aus dem Französischen: piquer bedeutet stechen, pique Lanze, Spieß. Pikiert Wie pikant (s. d.) geht auch pikiert auf das französische Verb piquer (stechen etc.) zurück. Das Verb pikieren wurde im 16. Jahrhundert ins Deutsche übernommen und bedeutete sowohl stechen im Kartenspiel als auch stark reizen (Wieland: »seinen bäuerischen Geschmack Piquierendes«); eine weitere Bedeutung ist sich verletzt fühlen (gleichsam sich gestochen fühlen). Früher sagte man auch auf einen pikieren (ihn ärgern), heute hat sich nur noch das Partizip pikiert gehalten; daneben noch: Pflanzen pikieren, das heißt sie ausstechen, um sie umzupflanzen.
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pin-up-girl Das englische girl bedeutet Mädchen, (to) pin up heißt anheften. Ein Pin-up-girl ist also ein Mädchen, dessen sexuelle Anziehungskraft es reizvoll erscheinen läßt, daß man sein Photo an die Wand (oder in den Spind des Soldaten) heftet. Piste Ins Deutsche wurde das Wort aus dem Französischen übernommen, wo piste zunächst Fährte, Spur bedeutete und dann ebenfalls wie im Deutschen die modernen Bedeutungen dazubekam (Rollbahn, Skipiste etc.). Das Französische entlehnte piste indessen im 16. Jahrhundert aus dem Italienischen: pista heißt dort, ebenfalls neben den heutigen Begriffen, Spur, Fährte, Bahn und ist eine Substantivbildung zu dem toskanischen Verb pistare für stampfen (das allgemeine italienische Verb lautet pestare, zertreten, stampf en, wozu pesta gehört). Zugrunde liegt das spätlateinische Verb pistare (stampfen), das sich wiederum von dem älteren pinsere (Partizip pistus), klein stampfen, zerstoßen, abgeleitet hat. Plan auf den P. treten: Im Mittelhochdeutschen war plan ein freier Platz, eine Ebene, Aue; das Wort geht auf das lateinische planum für Fläche, Ebene zurück. Plan bedeutete dann auch einen freien Platz zu irgendwelchen Zwecken, vor allem Turnierplatz, Kampfplatz. Wer auf den Plan tritt, zeigt damit, daß er bereit ist, in ein Unternehmen, einen Kampf einzugreifen. Platt pl. sein: das griechische platys (weit, eben) entwickelte sich im Vulgärlateinischen zu plattus, woraus sich das altfranzösische plat (eben, flach) ergab. Über das Mittelniederländische übernahm das Mittelniederdeutsche das Wort als plat, platt, im 17. Jahrhundert drang es ins Hochdeutsche ein. Neben mancherlei Bedeutungen im wörtlichen oder übertragenen Sinn von flach, nicht erhöht entwickelte sich in der Umgangssprache auch der Ausdruck platt sein (vor Überraschung etwa), womit gemeint ist, man sei förmlich zu Boden liegend.
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Pleite Im Hebräischen heißt peleta Entrinnen, Flucht, Rettung. Im Jiddischen wurde es zu pleto und nahm neben der Bedeutung Flucht auch die des Bankrotts an, dem sich jemand gleichermaßen nur durch Flucht entziehen kann. Das Rotwelsche übernahm das Wort als pletha, plethe (so Anfang des 19. Jahrhunderts überliefert) und als pleite. Wie stark die ursprünglichere Bedeutung der Flucht lebendig blieb, geht aus den gaunersprachlichen Wendungen pleite gehn, Pleite machen (fliehen, entspringen, davonlaufen) und eine Pleite riskieren (die Flucht wagen) hervor. Mitte des 19. Jahrhunderts fand Pleite dann Eingang in die Umgangssprache und reduzierte sich auf die Bedeutung Bankrott mit gleichzeitiger Erweiterung zu Erfolglosigkeit in irgendeiner Sache. Plunder Das Wort bezeichnet heute ziemlich wertloses Zeug (vor allem wertlosen Hausrat); früher aber meinte es ohne abwertenden Sinn sowohl Kleidung als auch Hausgerät, Bettzeug. Davon bildete sich das Verb plündern, das also eigentlich Hausgerät wegnehmen, forttragen bedeutet. In Mundarten hielt sich plündern im Sinne von Hausgerät forttragen, auch für umziehen, die Wohnung wechseln. Pol ruhender P.: Das Wort Pol leitet sich von lateinisch polus (Pol, auch Himmel) ab, das auf das griechische polos für Drehpunkt, Achse zurückgeht (polos gehört zu pelein für in Bewegung sein). Von der Bedeutung Drehpunkt ausgehend meint Pol, bezogen auf die Erdkugel, die beiden Punkte (Nord- und Südpol), die bei der 24stündigen Drehung der Erde um sich selbst in Ruhe bleiben. An diese Vorstellung des gleichsam absolut Ruhenden knüpft der Begriff ruhender Pol an. Bei Schiller sucht der Weise »den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht«. Polen noch ist P. nicht verloren: Nach der zweiten Teilung Polens durch Rußland und Preußen (1793) erhoben sich die Polen unter Thaddäus Kosci-
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uszko. Der Feldherr (der im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg Adjutant Washingtons gewesen war) wurde geschlagen und soll bei seiner Gefangennahme durch die Russen »Firns Poloniae!« (»Das Ende Polens« oder Finis regni Poloniae«, das Ende des Königreiches Polen) ausgerufen haben; Kosciuszko dementierte diesen Ausruf später. Gegen dieses »Ende Polens« richtete sich der Dombrowski-Marsch, dessen Text 1797 von Joseph Wybicki verfaßt wurde und den zuerst die polnischen Truppen des Generals Dombrowski unter Napoleon sangen, mit seinen ersten Worten, die auf deutsch hießen: »Noch ist Polen nicht verloren.« Die Worte wurden in Deutschland sprichwörtlich, wenn jemand zum Ausdruck bringen will, daß eine Sache noch nicht verloren sei. Pöbel Ausgang ist das lateinische populus (Volk, Gemeinde, Leute). Aus der altfranzösischen Nebenform pöble übernahm das Mittelhochdeutsche bereits bovel, bovelvolc im Sinne von Pöbel. Im Neuhochdeutschen bildete sich das Wort dann neu zu Pöbel aus. Polier Der Vorarbeiter der Bauhandwerker war ursprünglich der Sprecher, Wortführer, denn das Wort geht auf das französische parier (sprechen) zurück, das schon im Mittelhochdeutschen als parlieren (reden) in Gebrauch war. Von parlieren leitete sich parlier, parlierer ab, der Werkgeselle, der die Arbeit anzuordnen und die Aufsicht zu führen hat. Die heutige Form ist nur eine Angleichung an polieren, vielleicht deshalb, weil man den Polier als den ansah, der der Arbeit den letzten Schliff gibt. Im Bairischen haben sich die älteren Formen in der Aussprache als Palier, Palierer teilweise noch erhalten. Polizei Im Griechischen bedeutet politeia Bürgertum, Bürgerrecht, Staatsverfassung, Staatswesen; daraus wurde im Lateinischen politia (Staatsverwaltung) und mittellateinisch policia (Sicherheitsbehörde, Aufrechterhai tung der Ordnung in einer Stadt). Policey im Deutschen stand seit dem Frühneuhochdeutschen im allgemeineren Sinn von Regierung,
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Verwaltung, Ordnung, bezogen auf Staat und Gemeinde, und engte sich dann im 18. Jahrhundert auf die heutige Bedeutung ein. Pomadig ganz p.: Heute meist nur noch in der Zusammensetzung ganz pomadig gebraucht, verwendet man den Ausdruck, um auszudrücken, daß etwas in aller Ruhe, lässig getan wird. Sosehr die zähklebrige, sich hinziehende Haarpomade dafür eine treffliche Grundlage abgeben würde, hat das Wort doch nichts damit zu tun. Es liegt ihm vielmehr das polnische pomalu (langsam, gemächlich) zugrunde. Freilich wurde pomalu dann in Anlehnung an Pomade umgebildet. Pompös Im Griechischen bedeutet pompe Festzug, Geleit, zum Verb pempein (schicken, senden, geleiten) gehörig. Es wurde vom Lateinischen als pompa für Umzug, Festzug, Pracht, Prunk, Gepränge, Leichenzug übernommen. Als pompe und pomp findet sich das Wort dann schon im Mittelhochdeutschen, wo es, dem Lateinischen entnommen, feierliches Gepränge, Pracht bedeutete. Im 17. Jahrhundert wurde das Wort durch den französischen Einfluß erneut gebräuchlich (französisch pompe: feierlicher Aufzug, Festzug, Gepränge, Pracht). Im 18. Jahrhundert wurde dann auch das dazugehörige französische Adjektiv pompeux (schwülstig, hochtragend, pomphaft) als pompös im Deutschen gebräuchlich. Pontius Pilatus von Pontius zu Pilatus laufen, schicken: Eigentlich müßte die Redensart »von Herodes zu Pontius Pilatus schicken« heißen, denn sie spielt auf jene Stelle in der Bibel (Lukasevangelium 23) an, in der berichtet wird, daß die Ältesten des Volkes, die Hohenpriester und Schriftgelehrten, Christus, als er ihnen gesagt hatte, er sei Gottes Sohn, zu Pilatus, dem römischen Statthalter, führten, um ihn zu verklagen: »Diesen finden wir, daß er das Volk abwendet und verbietet, den Schoß dem Kaiser zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König.« Pilatus aber wollte nicht entscheiden (»Ich finde keine Ursache an diesem Menschen«) und schickte Christus zu Herodes, dem jüdischen Tetrarchen. Doch Hero-
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des schickte Christus wieder zu Pilatus. Die Szene wurde vor allem in den mittelalterlichen religiösen Spielen sehr eindringlich dargestellt, auf der einen Seite der Szenerie der Palast des Pilatus, auf der anderen der des Herodes, und prägte sich so als Bild für vergebliche Wege mangels klarer Kompetenzen ein. In der Tat sagte man früher auch des öfteren »von Herodes zu Pilatus«, so noch im 18. Jahrhundert. Vermutliche Ursache, warum dann Herodes verdrängt und statt dessen der Name des Pontius Pilatus auseinandergerissen wurde, dürfte die Lust an der Alliteration gewesen sein (Heine: »von Pontius nach Pilato rennen«), und durch den Bezug auf eigentlich nur eine Person, die gleichsam zweigeteilt wurde, gewann das Unsinnige der Handlung noch an Absurdität. Posaunenengel In der Bibel (Offenbarung, 8., 9. und 11. Kapitel) ist von »sieben Engeln mit den sieben Posaunen« die Rede; an vielen Stellen der Bibel gilt die Posaune (als das lauteste Instrument) als Symbol der Ankündigung. So finden sich in den Kirchen häufig posaunenblasende Engel, vor allem im Barock sieht man ihnen indessen nichts Drohendes an, sondern sie sehen eher wie ein fröhliches himmlisches Orchester aus (etwa der Kranz musizierender Engel als Orgelschmuck) und blasen dabei fest ihre Pauspacken auf. So nennt man einen gesund aussehenden Menschen mit prallen Backen gern Posaunenengel (Gustav Freytag: »Die Welt sieht mir rosa und goldgelb aus, und alle Menschen wie kleine Posaunenengel auf einer Dorfkanzel«). Posaune leitet sich vom lateinischen bucina (Jagdhorn, Signalhorn) ab, wahrscheinlich aus bös (Rind) und canere (singen, tönen) gebildet. Postille Die eigentliche Postille ist ein Predigtbuch über die Sonn- und Festtagsevangelien oder -episteln, auch ein Andachtsbuch. Das Wort wurde im 16. Jahrhundert aus den beiden ersten Wörtern von post illa verba sacrae scripturae (nach jenen Worten der Heiligen Schrift) gebildet, dem altüblichen Beginn der an den verlesenen Text sich anschließenden Predigt. Den spöttischen Sinn - wegen ihrer betulichen Erbaulichkeit - nahm Postille erst später an.
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Postwendend Eigentlicher Sinn ist, daß eine Antwort mit wendender Post gegeben, also der gleichen Post auf dem Rückweg mitgegeben wurde. In diesem Sinne ist älter: mit umgehender Post. Potemkinsche Dörfer Fürst Grigori Alexandrowitsch Potemkin (1739-1791) war ein Günstling der Zarin Katharina II. von Rußland und hatte die Krim erobert. Als Katharina 1787 die Halbinsel besuchte, ließ Potemkin in aller Eile Dörfer aufbauen und zum Schein bevölkern, um der Zarin einen gedeihlichen Zustand des Landes vorzuspiegeln. Bei August von Kotzebue, dem Bühnendichter, der mehrfach in russischen Regierungsdiensten stand, heißt es in seinen Autobiographischen Schriften: »Er ließ in der größten Geschwindigkeit zu beiden Seiten der Straße eine Menge Städte und Dörfer erbauen: wohl zu verstehen nur die gemalten Facaden der Häuser.« So bürgerte sich der Ausdruck für die Vorspiegelung falscher Tatsachen ein. Präsentierteller auf dem P. sitzen: Der Präsentierteller war zunächst ein Teller, auf dem Gaben irgendwelcher Art oder Speisen dargeboten (präsentiert) wurden; danach nannte man dann auch jenen Teller so, auf dem vom Diener die Visitenkarte gereicht wird. Wer auf dem Präsentierteller sitzt, ist also der allgemeinen Aufmerksamkeit ausgesetzt; auch die erste Galerie im Theater erhielt diesen scherzhaften Ausdruck. Preisgeben Mit Preis im Sinne von Ruhm oder Wert hat das Wort nichts zu tun; es liegt ihm vielmehr das französische prise zugrunde (prise ist das Partizip von prendre, nehmen, und bedeutet Ergreifen, Einnahme, Eroberung, Aufbringung, Fang, Beute, genauso wie das davon stammende deutsche Prise). Preisgeben heißt also etwas als Beute, Prise überlassen und dann überhaupt aufgeben; dazu wurde das Substantiv Preisgabe gebildet.
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Prokrustesbett In der griechischen Mythologie war Damastes mit dem Beinamen Prokrustes ein Unhold, der seine Gäste auf ein Bett legte und ihnen, wenn sie kürzer waren als das Bett, den Körper streckte, wenn sie länger waren als das Bett, die Glieder kürzte. Er wurde von Theseus getötet. So versteht man unter Prokrustesbett eine unangenehme, schwierige, peinliche Situation, in die man mit Gewalt gezwungen wurde. Proletarier Im Lateinischen bedeutete proletarius Bürger der untersten Klasse, abgeleitet von proles (Sprößling, Nachkomme, Nachkommenschaft; zu alere für ernähren, aufziehen gehörend); proletarius nannte man einen Bürger, der dem Staat nur durch den Besitz von Kindern dienlich ist. Während der Französischen Revolution wurde der Begriff neu belebt als proletarien; im Deutschen wurde Proletarier indessen nicht vor den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts ohne Schimpf verwendet. In der verkürzten Form von Prolet behielt das Wort den schimpflichen Charakter bei und nahm den allgemeineren Sinn eines ungebildeten Menschen an. Prophet der P. gilt nichts in seinem Vaterlande: Das Wort geht auf die Bibel zurück; es ist ein Ausspruch von Jesus, als er in seiner Vaterstadt auf Geringschätzung stieß. Im Matthäusevangelium (13, 54—57) heißt es: (Jesus) »kam in seine Vaterstadt und lehrte sie in ihrer Schule, also auch, daß sie sich entsetzten und sprachen: Woher kommt diesem solche Weisheit und Taten? Ist er nicht eines Zimmermanns Sohn? Heißt nicht seine Mutter Maria? Und seine Brüder Jakob und Joses und Simon und Judas ? Und seine Schwestern, sind sie nicht alle bei uns? Woher kommt ihm denn das alles? Und sie ärgerten sich an ihm. Jesus aber sprach zu ihnen: Ein Prophet gilt nirgend weniger denn in seinem Vaterland und in seinem Hause.« In ähnlicher Form zitieren das auch die anderen drei Evangelien.
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Prost Im Lateinischen bedeutet das Verb prodesse nützlich sein, nützen. Der Konjunktiv Präsens der dritten Person Einzahl lautet prosit (möge es nützen). Vom 16. Jahrhundert an bürgerte sich Prosit als Zuruf beim Trinken im Deutschen ein und wurde umgangssprachlich zu Prost verkürzt. Protokoll Über das Mittellateinische (protocollum) aus dem Griechischen protokollon). Wörtlich bedeutet Protokoll: das vorn Angeleimte. So nannte man ursprünglich in Byzanz das erste Blatt einer Papyrusrolle, auf die es geleimt war und auf dem Angaben über die Entstehung der Rolle vermerkt waren. Dann wurde das erste Blatt der Gerichtsakten mit einer chronologischen Inhaltsangabe so genannt. Daraus entstand die Bedeutung einer Gerichtsurkunde und schließlich einer chronologischen Urkunde über einen Vorgang überhaupt. Die in der Diplomatensprache entstandene Nebenbedeutung - die Gesamtheit der im diplomatischen Verkehr üblichen Höflichkeits- und Anstandsregeln - leitete sich von der Vorstellung ab, daß der Verlauf einer diplomatischen Begegnung nach den vorher festgelegten, gleichsam protokollierten Formen abläuft. Protz Das Wort im Sinne eines wichtigtuerischen, angeberischen, aufgeblasenen Menschen ist ein recht drastisches Bild, ist mit Protz (Brotz) doch eigentlich die Kröte gemeint, die sich genauso aufbläst; zugrunde liegt die Bedeutung schwellen. Dazu gehört das Verb protzen (großtun) und die plastische Intensivierung Knallprotz. Prügelknabe In Deutschland wie in England ist aus dem 17. Jahrhundert belegt, daß es an einigen Fürstenhöfen Knaben gab, die jene Prügelstrafe erhielten, die eigentlich der junge Prinz aus erzieherischen Gründen bekommen sollte. Ebenso hieß es Prügeljunge. Im Englischen spricht man analog von whipping boy (whip, Peitsche).
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Psychedelisch Das Wort kam in den sechziger Jahren im Zusammenhang mit Popmusik und Popkultur aus dem Amerikanischen ins Deutsche und bezeichnet eine bewußtseinserweiternde Wirkung, etwa durch Musik oder Farbenspiel hervorgerufen. In der englischen Form psychedelic wurde es auf dem Gebiet der Meskalin-Forschung geprägt (Meskalin ist eine bewußtseinserweiternde Droge, durch die die sinnliche Wahrnehmung, vor allem von Farben und Tönen, ungewöhnlich intensiv gesteigert wird); es setzt sich aus den griechischen Wörtern psyche (Seele) und delos (offenbar, deutlich, klar, sichtbar) zusammen. Pudding Das Wort stammt aus dem Englischen, wo es allerdings nicht nur das, was man im Deutschen unter Pudding versteht, meint, sondern auch Wurst (black pudding, Blutwurst), Mehlpudding (mit Fleisch oder Frucht). Es geht zurück auf das lateinische botulus (Wurst) und botellus (Eingeweide), das im Galloromanischen botellinus (aus Kaidaunen, Kutteln) und im Französischen dann boudin (Blutwurst) ergab. Pudel des P.s Kern: In Goethes »Faust« nähert sich Mephistopheles Faust in der Gestalt eines Pudels; Faust erkennt ihn eine Weile nicht und als der Pudel immer größer wird, versucht Faust ihn zu beschwören, ohne Erfolg; da tritt aus der zu Nebel zerfließenden Form plötzlich Mephistopheles, gekleidet wie ein fahrender Scholast, hervor und fragt: »Wozu der Lärm? Was steht dem Herrn zu Diensten?«, und Faust erkennt: »Das war des Pudels Kern!« Danach spricht man von einer Sache, die zunächst unverständlich ist und sich dann enthüllt, als von des Pudels Kern oder nennt auch allgemeiner den Kern einer Sache so. Pudelnaß Im Niederdeutschen bedeutet Pudel - analog zu einem hochdeutschen Pfudel - Lache, Pfütze, Pfuhl, Morast; so ist in älterer Literatur auch pfudelnaß zu finden; andere Wörter sind Pfudeltrunk, Pfudelwasser, Pfudelwetter. Das Verb pudein bedeutet in einer Flüssigkeit hin und her
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bewegen, ins Wasser tauchen, waschen (hessisch: sich puddeln). Damit könnte der Ausdruck pudelnaß schon seine Erklärung finden. Hinzu kommt aber, daß auch der Pudelhund oder wie heute üblich abgekürzt der Pudel von diesem P(f)udel seinen Namen hat, denn ursprünglich war er auf die Wasserjagd abgerichtet. In Erweiterung des Bildes sagt man von jemandem, der plötzlich Grund hat, sich zu schämen, oder der sich blamiert fühlt, er stehe da (sehe aus) wie ein begossener Pudel. Zu der unangenehmen Nässe stellt sich die Vorstellung eines kräftigen, unvermuteten, blitzartigen Gusses. Pulver Das Wort ist lateinischer Herkunft (pulvis bedeutet Staub, Sand, Asche); mit der Erfindung des Schießpulvers wurde auch dieses wegen seiner Form so genannt. An das Schießpulver lehnt sich die umgangssprachliche Bedeutung Geld an: Wer Pulver hat, kann schießen, kann sich, im übertragenen Sinn, etwas leisten; wer Geld hat, befindet sich in einer ähnlichen vorteilhaften Situation. Die umgangssprachliche Wendung sein Geld verpulvern meint indessen zunächst sein Geld so rasch und total ausgeben, wie man Pulver verschießt und wie Pulver bei der Zündung verschwindet und hat keinen unmittelbaren Bezug zur Bedeutung Geld. Pulver er hat das P. nicht erfunden: Das Schießpulver muß wohl über Jahrhunderte hinweg eine der beeindruckendsten Erfindungen gewesen sein, daß es die Grundlage für diese Redensart abgab (im übrigen haben es die Chinesen lang vor dem umstrittenen Freiburger Mönch Berthold Schwarz erfunden). Man gebraucht sie für einen dummen, einfältigen Menschen. Eine geistreich-witzige Antwort auf die Frage nach dem Erfinden gibt Lessing: »Hinz, weißt du, wer das Pulver erfunden? Der leidge böse Geist.« Pulver sein P. trocken halten: Die Redensart meint, daß man sozusagen nicht gleich losschieße, sondern erst eine günstige Gelegenheit abwarte, bis man den besten Erfolg erzielt. Dabei achtet man aber darauf, daß das
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Pulver nicht naß wird, weil es sonst unbrauchbar wird (vor der Erfindung der Granaten- und Kugelhülse wurde das Pulver offen auf das Schießwerkzeug gegeben und konnte so vor dem Schuß leicht naß werden). Punkt der springende P.: Aristoteles war der Auffassung, daß im Weißen des Eis das Herz des Vogels »als ein Blutfleck«, als ein Punkt angelegt sei, der »hüpfe und springe wie ein Lebewesen«. Daraus setzte sich die Vorstellung fort, daß sich ein »hüpfender Punkt« verborgen im Ei rege. Dieser dann springende Punkt genannte »Lebenspunkt« sei es, worauf alles ankomme. So nannte man dann später den entscheidenden Punkt einer Sache den springenden. Puppe bis in die (alle) P.n: In der Zeit Friedrichs des Großen von Preußen war der Große Stern im Berliner Tiergarten mit Bildsäulen aus der antiken Götterwelt geschmückt. Die Berliner nannten diese Statuen humorvoll Puppen. Die Gegend war damals noch ziemlich weit außerhalb der Stadt, und ein Spaziergang »bis in die Puppen« war entsprechend lang. Die lustige Redensart wurde allgemein aufgegriffen und nahm auch den Sinn einer langen Zeit an. Puppe alle P.n tanzen lassen: Die Drahtpuppen oder Marionetten, die dem Puppenspieler auf die kleinste Bewegung der Hand reagieren, was man übertragen als gehorchen auffaßt, gaben naturgemäß Anlaß für eine Reihe bildlicher Ausdrücke. Wer alle Puppen tanzen läßt, führt ein großes Spektakel auf, wendet alles mögliche auf. Putsch Ausgang ist das schweizerische putschen; genauso wie das bairische bossen geht es auf das althochdeutsche Verb bozan zurück, das schlagen, stoßen bedeutete. Putsch hat im Schweizerischen vor allem Bedeutungen wie Zusammenprall oder das Geräusch, das er verursacht, Stoß,
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auch mit dem Glas anstoßen. Im übertragenen Sinn verstand man darunter auch schon früh Aufwallung oder Aufregung. Als es dann im Jahre 1839 in Zürich eine große Aufregung um die Berufung des Theologieprofessors David Friedrich Strauß gab, kam es zu einem Aufruhr der konservativen Bevölkerung, und Strauß wurde nicht berufen. Auch dieses Ereignis wurde Putsch genannt. Gottfried Keller schreibt in seinem »Grünen Heinrich«: »Das Wort Putsch stammt aus der guten Stadt Zürich, wo man einen plötzlichen vorübergehenden Regenguß einen Putsch nennt und demgemäß die eifersüchtigen Nachbarstädte jede närrische Gemütsbewegung, Begeisterung, Zornigkeit, Laune oder Mode der Züricher einen Zürichputsch nennen. Da nun die Züricher die ersten waren, die geputscht, so blieb der Name für alle jene Bewegungen. « Das Wort bürgerte sich sehr rasch ein und wurde schon nach 1848 politisch gebraucht. Pyrrhussieg Pyrrhos I. (latinisiert Pyrrhus) war zwischen 306 und 273 v. Chr. König der Molosser in Epirus und führte ein sehr bewegtes Feldherrnleben; man rühmt ihm Beliebtheit und edlen Charakter nach. 280 landete er mit 25 000 Mann in Italien, um Tarent gegen die Römer beizustehen. Er schlug die Römer bei Herakleia und Ausculum, erlitt dabei aber selber so hohe Verluste, daß er trotz der gewonnenen Schlacht bei Ausculum (279 v. Chr.) ausrief: »Noch einen solchen Sieg über die Römer, und wir sind verloren!« 273 fiel er im Kampf in Argos.
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Q Quacksalber Das Wort wurde im 16. Jahrhundert aus dem Niederländischen (kwakzalver bedeutet das gleiche) im Sinn des heutigen Wortes entlehnt, die zugrunde liegenden beiden Wörter decken sich aber mit entsprechenden deutschen: kwaken (quacken) bedeutet schreien, schwatzen, prahlen, zalf ist das hochdeutsche Salbe. - salber entspricht dem althochdeutschen salbari, das von salba (Salbe) gebildet ist und einen Salbenkrämer, einen, der mit Salben heilt, Arzt bedeutete. Der Quacksalber ist also zunächst ein marktschreierischer Arzt, einer, der seine Kenntnisse laut anpreist, aber in Wirklichkeit ein Kurpfuscher ist, und so wurde das Wort auch von Anfang an verstanden. Quartalssäufer Häufig versteht man unter diesem Schimpfwort einen Menschen, der stark trinkt. In Wirklichkeit ist der Quartalssäufer aber jemand, der nur von Zeit zu Zeit, gleichsam alle Quartal, trinkt, dann aber freilich ziemlich unmäßig. Quasi Im Lateinischen heißt quasi wie wenn, als ob, gewissermaßen, gleichsam, fast, beinahe (entsprechend auch italienisch quasi: fast, beinahe, als ob). Im 18. Jahrhundert bürgerte sich quasi im Deutschen ein. Quentchen Das Quentchen, auch Quentlein oder Quent, war der fünfte Teil eines Lots, eines alten Edelmetallgewichts und überhaupt Handelsgewichts für kleine Sachen, und wog 1,68 Gramm. Es ist von lateinisch quintus, der fünfte, wozu mittellateinisch quintinus gehört, abgeleitet und be-
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hielt den Namen auch, als es als Gewichtseinheit ein Viertellot darstellte. Quicklebendig Im Althochdeutschen bedeutete quek, quec, qhuek, quech, cheg lebend, lebendig, belebt. Dazu gab es die Verben checchen (neu belebt werden), arqueken (wieder lebendig werden) und das Substantiv checchi (Lebenskraft). Das Adjektiv entwickelte sich einerseits zu keck, andererseits zu quick. Quick bedeutet also eigentlich schon lebendig, wurde nur durch das zweite Wort noch verstärkt. Ebenso ist der Sinn von erquicken also eigentlich beleben. Auch Quecksilber enthält das Wort als queck; es wurde früh wörtlich aus dem Lateinischen (argentum vivum, lebendiges Silber) übersetzt und hieß althochdeutsch quecsilbar. Quintessenz Das Wort setzt sich zusammen aus lateinisch quinta (fünfte) und essentia (Wesen, Wesenheit, dann bei den Alchimisten auch konzentrierter Auszug, worauf unser heutiges Wort Essenz beruht). In der antiken Naturauffassung zählte man vier Elemente (Feuer, Erde, Wasser, Luft), dazu kommt noch, wie Aristoteles meinte, ein fünftes, der Äther, der sich vom Fixsternhimmel bis zum Mond erstreckt und aus dem die Himmelssphären und Himmelskörper gebildet sind. Dieses fünfte Element nannte Aristoteles pempte ousia, lateinisch quinta essentia. Im Gegensatz zu den Elementen unserer Erde ist es unveränderlich und kann nicht vergehen. Die Alchimisten benützten den lateinischen Ausdruck für feinste Auszüge eines Stoffes, und so nahm es auch übertragene Bedeutung an. Quitt Das Wort ist bereits im Mittelhochdeutschen als quit vorhanden und bedeutete damals los, ledig, frei; es wurde gegen Ende des 12. Jahrhunderts aus dem Altfranzösischen entlehnt. Das französische quitte geht auf das lateinische quietare (schlafen, beruhigen), zu dem quittare (für schuldenfrei erklären, erlassen) gehört, und quietus (ruhig, friedlich, ungestört) zurück.
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Quivive auf dem Q. sein: Im Französischen ist qui vive? eine Form des militärischen Anrufs »Wer da?« (qui, wer; vivre, leben); der Ausruf ist seit dem 16./17. Jahrhundert in Gebrauch. Ins Deutsche wurde die Redewendung nach dem Krieg von 1870/71 aufgenommen. Sie deckt sich mit dem französischen etre sur le qui-vive, das ebenfalls auf der Hut sein, sehr aufpassen bedeutet.
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R Rabeneltern Der Rabe stand schon im griechisch-römischen Altertum in schlechtem Ansehen, wohl vor allem, weil er Leichen fraß; andererseits galt er auch als weissagender Vogel. Dieser Weissagungsmythos findet sich auch im alten deutschen Volksglauben wieder, wo der Rabe vor allem als Künder des Todes und des Unglücks galt. Unter Rabenbotschaft verstand man eine schlimme Nachricht (Geibel: »Ich habe schlechten Gruß, eitel Rabenbotschaft ist, was ich künden muß«). Unter den vielen negativen Eigenschaften, die man am Raben zu beobachten glaubte (wobei etwa seine Gefräßigkeit und Gier nach Beute und auch seine Neigung, Aas und Leichen zu fressen, tatsächlich ins Auge fielen), meinte man auch, er würde lieblos gegen seine Jungen sein. So heißt es beispielsweise schon sehr früh: »Die raben werfent etleicheu kint aus dem nest, wenn si der arbait verdreust mit in (ihnen), das si in niht genuog speis pringen mügent.« Daraus wurden Begriffe wie Rabeneltern (Rabenvater, Rabenmutter) geprägt. Rabiat Im Lateinischen bedeutet rabies Tollwut, Tollheit, Wut, Wildheit, Raserei; dazu gehören das mittellateinische rabiare (wüten) und rabiatus (wütend). Im 17. Jahrhundert wurde daraus das deutsche Adjektiv rabiat, anfänglich meist auf tolle Hunde bezogen, gebildet. Radebrecken Im Mittelhochdeutschen verstand man unter radebrechen ganz konkret mit dem Rade brechen, hinrichten, rädern, das heißt einem Verurteilten mit einem Rad die Glieder zerschlagen; noch im 17. Jahrhundert ist bei Schuppius von Schelmen etc. die Rede, »welche jetzt bei gesundem Leib des Todes erwarten, und geköpft, gehenkt, verbräm oder geradebrecht
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werden sollen«. Später übertrug man das Wort auch auf die stümperhafte Mißhandlung der Sprache, so etwa schon im 17. Jahrhundert: »So radbrech auch das teütsch«. Radfahrer Das Schimpfwort Radfahrer für einen Menschen, der sich gegenüber seinen Vorgesetzten untertänig oder kriecherisch verhält, gegenüber seinen Untergebenen aber übertrieben streng ist, entstand im 20. Jahrhundert und erklärt sich häufig selbst durch den Zusatz: Nach oben buckeln und nach unten treten (wie einer, der mit dem Fahrrad fährt). Freilich genügt es meist schon, daß jemand untertänig tut, um so genannt zu werden. Rage jemanden in R. bringen: Im Französischen bedeutet rage Grimm, Zorn, Wut, aber auch Tollwut der Hunde. Es geht über das vulgärlateinische rabia auf das lateinische rabies (Tollwut, Wut, Wildheit, Raserei, Kampfwut) zurück, das auch dem deutschen Adjektiv rabiat (s. d.) zugrunde liegt. Rakete In der Bedeutung Feuerwerkskörper wurde das Wort im Italienischen ausgebildet; rocchetto oder rocchetta ist eine Verkleinerung zu rocca, das Spinnrocken bedeutet. Wegen seiner Ähnlichkeit nannte man im 13.714. Jahrhundert die gerade bekannt gewordenen, früher schon in China gebräuchlichen Feuerkörper rocchette. Über das Französische drang das Wort auch ins Englische, wo es heute noch rocket heißt. Im Deutschen wandelte es sich lautlich zu Rakete, nachdem es zuerst als rogete erwähnt wurde. Rocca aber ist ein Lehnwort aus dem Germanischen und mit dem deutschen Rocken (Spinnrocken) verwandt. Rand außer R. und Band: Die Wendung kam naturgemäß in ihrem übertragenen Sinn vor allem wegen ihres Reimes zustande und leitete sich vom Faßbinder-, Schäffler- oder Böttcherhandwerk ab. Rand heißt hier die
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untere (gegebenenfalls auch obere) Einfassung, Umfassung der Dauben (Stäbe) eines hölzernen Gefäßes, Band ist der Reifen, der das Gefäß in der Mitte umfaßt. Gemeint ist also zunächst: ohne Randeinfassung und Reifen (Bänder). Fehlen sie, fallen die Dauben auseinander. Rand mit etwas zu R.e kommen: Ursprünglich meinte man mit Rand das Ufer eines Gewässers, wie das deutlich aus der formelhaften Verwendung zu rand und land zu erkennen ist; wer zu Rande kommt, erreicht also das Ufer. So heißt es bei Opitz: »Ich walle wie ein Schiff, das durch das wilde Meer von Wellen umgejagt nicht kann zu Rande finden.« Als der Ausgang der Wendung nicht mehr ganz so verstanden wurde, gesellte sich die Vorstellung vom Rand als der Grenze von etwas zu Erreichendem hinzu. Rand den R. halten: Rand ist ein etwas grobes, doch im Grunde sehr humorvolles Wort für Mund, stellt man sich vor, daß Rand etwa auch den Saum einer Schlucht, eines Abgrundes oder Grabens bedeutet. An solche und ähnliche Vorstellungen mochte die Umgangssprache wohl gedacht und die Lippen als den Rand eines Loches aufgefaßt haben, als sie Rand für Mund einbürgerte (obwohl freilich auch »der Lippen Rand« manche poetische Verwendung gefunden hat). Rand etwas versteht sich am R.e: Gemeint ist, daß etwas so selbstverständlich oder leicht begreiflich (auch akzeptabel) sei, daß man in es gar nicht weiter eindringen muß, um es zu begreifen, daß das, was am Rande zu erkennen ist, völlig genügt. Randalieren In einigen deutschen Mundarten war das Wort Rand, Rant heimisch, das mit dem Verbum rinnen verwandt ist. Im älteren Bairisch zum Beispiel bedeutete es Bewegung, lustiger Streich, lärmender Spaß; dazu gehörig ist das Verbum ranten, rantieren (Streiche treiben). Aus dem
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Schwäbischen ist randien für Mutwillen treiben überliefert, aus Schlesien Rant für Auflauf. In der Studentensprache wurde in Anlehnung an Skandal aus Rand im Sinne von Lärm Randal, randalieren. Rang jemandem den R. ablaufen: Im Mittelhochdeutschen bedeutete ranc schnelle drehende Bewegung, im Frühneuhochdeutschen auch Wendung, Ausflucht, List. So bedeutete es vor allem im Oberdeutschen dann Krümmung, Biegung, Wendung. Rank hieß auch bei einem Wettlauf oder der Jagd die Wendung, die der Verfolgte einschlägt, um zu entkommen. Gelingt es dem Verfolger, diesen Rank zu schneiden und damit dem Verfolgten die Flucht abzuschneiden, so läuft er ihm im wörtlichen Sinne den Rank ab. Mit dem Rang als Stufe (das aus dem Französischen entlehnt worden ist) hat der Rank also eigentlich nichts zu tun; Rank wurde Rang nur aus einem Mißverständnis angeglichen, was freilich dadurch gefördert wurde, daß man die Redewendung längst im übertragenen Sinn versteht und so jemand einem den Rang, etwa auf der Stufenleiter des Erfolgs, ebenfalls gleichsam durch Überholen ablaufen kann. Ränke R. schmieden: Im Mittelhochdeutschen bedeutete ranc eine schnelle drehende Bewegung; das Wort ist verwandt mit dem mittelniederdeutschen wrank (Ringen der Hände, auch Streit, Kampf, Ringen), dem angelsächsischen wrenc (Krümmung, List, Hinterlist) und dem neuhochdeutschen renken und ringen. Es bezeichnete zunächst eine Krümmung, Biegung, Wendung, dazu auch die Wendung, die der Verfolgte nimmt, um dem Verfolger zu entgehen (vgl. Rang, jemandem den R. ablaufen) und bedeutete von hier aus dann ohne Bezug auf eine örtliche Wendung übertragen Kunstgriff, List, Vorteil (Lessing: »Durch List und Rank um etwas bringen«). Der Plural Ränke, heute allein gebräuchlich, meinte zunächst auch noch ganz konkret die Kreuz- und Quersprünge des verfolgten Wildes (Hans Sachs: »Der has aber war im zu glenk und brauchet im lauf so vil renk, das der bauer oft fallen was«), behielt dann aber allein den Sinn von List, Hinterlist, Intrige. Während das Wort aber noch im 18. Jahrhundert ohne verwerflichen Sinn gemeint sein konnte (Goethe: »Das lernt ich jenes Tages zuerst von meinem listigen Vater,
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der in Ränken und Schwanken und allen Streichen gewandt war«), hat es heute ausschließlich negative Bedeutung. Auch die mannigfaltige Verbindung mit Verben (mit bösen renken umbgehen, renk finden, Ränke wissen, Ränke merken, Ränke anwenden) und Adjektiven (schmeichlerisch renk, unerlaubte Ränke, alte renk) hat fast ausschließlich der Formel Ränke schmieden (Ränkeschmied für Intrigant) Platz gemacht. Rappel einen R. haben, kriegen; rappeln: Im Niederdeutschen bedeutet rapen (verwandt mit dem englischen to rap, klopfen) - analog dem mittelhochdeutschen raffeln - lärmen, schelten. Mit rappeln ist also gemeint, bei jemandem, der nicht ganz bei Verstand ist, lärme, klappere es im Kopf. Rasant Das Adjektiv ist (ebenso wie das dazu gebildete Substantiv Rasanz) französischer Herkunft. Im Französischen bedeutet raser (vom lateinischen rädere, rasum, kratzen, schaben) neben scheren, barbieren, rasieren (das deutsche Wort leitet sich ebenfalls davon ab): streifen, fast berühren (raser la cöte in der Seemannssprache: die Küste entlangfahren). Rasant ist das Präsenspartizip zu raser. Es wurde mit der fortschreitenden Entwicklung der Artillerie im 19. Jahrhundert vor allem auf die Flugbahn des Geschosses angewandt und bedeutet eine sehr flache, »streifende« oder, militärisch ausgedrückt, »bestreichende« Geschoßbahn. Feu rasant wurde ins Deutsche als rasantes Feuer oder Horizontalfeuer übernommen. Je flacher, desto schneller ist das Feuer. Daraus entwickelte sich dann im Deutschen die allgemeinere Bedeutung von rasant, die durch die Anlehnung an das Verbum rasen gefördert wurde. Ratzekahl Zu der Form Ratte stellten sich die ober- und mitteldeutschen Formen Ratz (männlich) und Ratze (weiblich); bis ins 20. Jahrhundert galten beide Formen nicht nur in der Mundart, sondern auch im Schriftdeutschen. Ratzekahl legte aber nur der Volksmund als kahl wie eine Ratze aus; daneben gab es die Form ratte(n)kahl und ratzenkahl (zum Beispiel
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bei Kleist: »Kam er daher mit seinen Leuten, die Scheitel ratzenkahl dir abzuscheren«). In Wirklichkeit ist ratte-, ratzekahl eine volksetymologische Umdeutung von radikal; im Sinne von ganz und gar entspricht es ja auch dem Begriffsinhalt von radikal. Razzia Das arabische ghasija bedeutet Kriegszug, Beutezug des einen Stammes gegen einen anderen. Die Franzosen übernahmen das Wort in ihren nordafrikanischen Kolonien im 19. Jahrhundert und brachten es im heutigen übertragenen Sinn in die europäischen Sprachen ein. Rechnung jemandem einen Strich durch die R. machen: Wenn man durch eine Sache einen Strich macht, entwertet man sie, hebt man sie auf, macht man sie nichtig. Rechnung ist in dieser Redewendung im Sinne einer Kalkulation, eines kalkulierten Vorhabens, Plans gemeint, die gleichsam durchgestrichen und somit nichtig gemacht werden. Recht nach dem R.en sehen: Das Rechte meint in der Wendung die Ordnung, das Ordentliche. Wenn man nach dem Rechten sieht, sieht man nach der Ordnung, das heißt, ob alles in Ordnung ist. Rechtschaffen Das Wort ist eigentlich ein Partizip und bedeutet soviel wie in rechter Art beschaffen, von rechter Beschaffenheit oder auch rechtgeschaffen. In letzterer Form ist es auch eine Weile in Gebrauch gewesen, vor allem im 16. Jahrhundert. Register alle R. ziehen: Register nennt man bei der Orgel eine Reihe von Pfeifen gleicher Bauart und Klangfarbe. Das dem Wort Register vorausgehende mittellateinische registrum bedeutet in erster Linie ein Regestenbuch, in das kirchliche oder auch städtische Bestimmungen fortlaufend einge-
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tragen wurden, und meinte im frühen Neuhochdeutsch fortlaufendes Verzeichnis, Protokoll, Hauptbuch des Kaufmanns, Abrechnung, Inhaltsangabe, daneben aber auch schon Zugschnur. Von der Zugschnur, die zum leichten Auffinden in ein Buch eingelegt wird, ging der Name auf das Glockenseil (Zugseil) über, meinte auch überhaupt Schnur und wurde auf die Schnur übertragen, mit der man an der Orgel durch Zug eine Pfeifenreihe (Orgeln haben mehrere Dutzend solcher Reihen) zum Tönen bringt oder wieder aussetzt; schließlich wurde die einzelne Pfeifenreihe selbst Register genannt. Alle Register ziehen bedeutet also eigentlich alle Orgelpfeifen ertönen lassen, wobei der übertragenen Redewendung die Vorstellung zugrunde liegt, alle Möglichkeiten von den lieblichsten bis zu den vollsten Tönen und dementsprechend alle Mittel einzusetzen. Entsprechend sagt man auch: andere Register ziehen, also andere (will sagen: härtere) Mittel anwenden. Riemen sich am R. reißen: So wie man ein Zugtier am Riemen (ein Pferd etwa am Zügel) »reißt«, um es zur richtigen Gangart zu zwingen, reißt man sich gleichsam selber am Riemen, mit dem man sich sozusagen führt, um sich richtig zu verhalten, auch wenn es Anstrengung kostet. Rippe sich etwas nicht aus den R.n schneiden können: Die Rippen halten neben dem Bauch den gewichtigsten Teil des Körpers zusammen und boten so manchen Anlaß zu redensartlichen Bildungen, wobei noch hinzukommt, daß die Rippenstücke beim Schlachtvieh zu den begehrteren Teilen gehören. So sagt man etwa im Niederdeutschen: er hat was auf den Rippen (er steht sich gut, hat Vermögen), das schlägt an die Rippen (das ist nahrhaft, macht fett). Umgekehrt sagt man: das geht an die Rippen (das greift an, macht matt), von den Rippen zehren (armselig leben). Drastischer ist die Redensart sich etwas nicht aus den Rippen schneiden können im Sinne von etwas unmöglich beibringen, beschaffen können, weil man es natürlich als eine Unmöglichkeit ansähe, einen solchen Eingriff vorzunehmen.
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Roboter Das Wort ist slawischer Herkunft. Es geht vom altslawischen rabu (Knecht, Leibeigner) aus, mit dem das aus gleicher indogermanischer Wurzel stammende Arbeit verwandt ist. Zu rabu bildete sich im Altslawischen rabota (Knechtsarbeit), woraus das polnische und tschechische robota (Zwangsdienst, Fronarbeit) stammt. Schon im 14. Jahrhundert wurde es vom Deutschen übernommen und ergab robot, robolt, robat (Fronarbeit), robaten (fronen). Mesner, Hüttenknechte und Pfister (Bäcker) sollen nach einer alten bairischen Verordnung keine »Steuer, Wacht und Rowolt« leisten müssen. Der moderne Begriff Roboter wurde indessen erst durch das Anfang der zwanziger Jahre erschienene sozialutopische Drama »R. U. R.« vonKarel Capek geschaffen, in dem »Maschinenmenschen« die Arbeit verrichten, wobei sich Capek auf robota bezog. Rohrspatz schimpfen wie ein R.: In vielen Gegenden werden Rohrsänger einfach als Rohrsperlinge oder Rohrspatzen bezeichnet, vor allem die Rohrammer (emberiza schoeniclus) trägt den Namen Rohrspatz, aber auch die Beutelmeise wird oft so genannt. Ihnen allen ist eigen, daß sie unentwegt ihre Stimme ertönen lassen, und der Volksmund deutet das laute Getue als Schimpfen; Rohr weist auf den bevorzugten Siedlungsplatz dieser Vögel, das Schilf, hin. Rolle aus der R. fallen, eine R. spielen: Rolle (dem Wort liegt das lateinische rotula, Rädchen, zugrunde; über französisch role gelangte es ins Deutsche) nannte man die Partie des Schauspielers, weil der von ihm zu sprechende Text früher auf einen gerollten Papierstreifen geschrieben war. Der sehr leicht assoziierbare Begriff hat eine Fülle von Redewendungen abgegeben. Aus der Rolle fällt jemand, der den darzustellenden Typ sozusagen aufgibt und sich zeigt, wie er wirklich ist, oder der sich nicht an die Rolle hält und sich anders zeigt oder gibt. Eine Rolle spielt jemand, dem eigentlich im Spiel eine Partie gegeben wurde, wobei es freilich einen Unterschied macht, ob er eine kleine oder eine große spielt.
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Rose nicht auf R.n gebettet sein: Durch die Jahrhunderte galt die Rose, die zusammen mit ihrem Namen von den Römern kam (lateinisch rosa, das über das Griechische auf das Iranische zurückgeht), vielen als die schönste, die Königin der Blumen. Farbe, Duft und Zartheit der Blütenblätter werden unentwegt gepriesen, und so entwickelten sich auch zahllose symbolische Bedeutungen. Neben ihrer Schönheit wurde sie auch immer gern als die Blume der Liebe zum Schmuck froher Feste gebraucht. Und so bestreute man dabei nicht nur den Boden, sondern auch das Lager. »Bauet mir Lauben auf, bettet Betten von Rosen mir«, heißt es etwa bei Hölty. Die Wendung wird freilich heute meist im verneinenden Sinn gebraucht. Rosenmontag Wenn auch heute vielfach so verstanden, hat der Name für den vorletzten Faschings- oder Karnevalstag überhaupt nichts mit der Rose zu tun. Rosen- ist vielmehr das Verb rasen oder das Partizip rasend, unterstützt durch die niederrheinische Aussprache mit dumpfem a (kölnisch rose), wobei rasen den Sinn von tollen, sich unsinnig gebärden hat. Rubikon den R. überschreiten: Der Rubikon (Rubico), ein rechter Nebenfluß des Po, war im Altertum der Grenzfluß zwischen Italien und dem Cisalpinischen Gallien. Als Cäsar ihn im Jahre 49 v. Chr. mit seinem Heer von Gallien her überschritt, um seine Gegner in Rom zur Verständigung zu zwingen oder zu besiegen, markierte diese Überschreitung gleichsam, daß er nun nicht mehr zurück konnte oder wollte, eine Entscheidung, die den Bürgerkrieg entfesselte. So sagt man heute den Rubikon überschreiten von einer folgenschweren Entscheidung. Ruder ans R. kommen: Ruder bezeichnet im Deutschen sowohl die Stange, mit der ein Boot fortbewegt wird, als auch das Steuer; in der Seemannssprache verwendet man im ersten Sinn freilich in der Regel Riemen; im zweiten Sinn ist Ruder geläufiger, auch Steuerruder genannt (das Steu-
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erruder war ursprünglich nur ein größeres Ruderblatt). Auf diese letztere Bedeutung bezieht sich die Redewendung, um auszudrücken, daß jemand an die Macht komme, so etwa bei Schiller: »Dieses tiefgesunkene Königreich fing bald an zu fühlen, daß ein Mann an seinem Ruder saß.« Rüffel jemandem einen R. erteilen: Im Niederdeutschen bedeutet Ruffel Rauhobel, rüffeln ist demnach (zurecht-)hobeln. Mitgewirkt bei der Entstehung der Bedeutung von rüffeln und Rüffel, die erst im 18. bzw. 19. Jahrhundert erscheinen, mag dann auch riffeln (man riffelt den Flachs) haben. Rummel Im Mittelhochdeutschen schon bedeutete das Verb rummeln (wie rumpeln) mit Ungestüm, geräuschvoll sich bewegen oder fallen, lärmen, poltern; es gehört zum gleichen Stamm wie altnordisch rumr (Geräusch), rymja (lärmen). Später leitete sich davon das Substantiv Rummel ab. Rumoren Im Mittelhochdeutschen bedeutete rumor, rumore Lärm, Aufstand; es wurde aus dem Lateinischen entlehnt, wo rumor dumpfes Geräusch bedeutete. Seit dem Frühneuhochdeutschen ist dazu das Verb rumoren (krachen, lärmen, toben, auch strafend eingreifen, deshalb rumormeister für den Gehilfen des Profoß im Heer) belegt, das sich für lärmen, toben gehalten hat, während das Substantiv ungebräuchlich wurde. Rumpelkammer s. Gerumpel. Rund es geht r.: die ziemlich junge Wendung der Alltagssprache will ausdrükken, daß etwas los ist, daß es aufgeht, zugeht, daß alle in Bewegung ge-
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raten, etwa beim Zusammentreffen mehrerer oder vieler Menschen, sei es eine Feier, eine Veranstaltung oder auch eine feindselige, kriegerische Begegnung. Dem Ausdruck liegt die Vorstellung zugrunde, daß alle gleichsam rundherum oder in der Runde in Bewegung geraten. Rund etwas r. heraus sagen: Dem Begriff des Runden liegt die Vorstellung des Abgeschlossenen, völlig Erkennbaren zugrunde, rund wird aber auch im Sinne von geschickt verwandt; aus beiden Komponenten hat sich rund auch im Sinne von klar, deutlich, offen entwickelt. Auf dieser Basis konnte sich die Wendung etwas rund heraus sagen oder fragen entwikkeln. Rüpel Das Schimpfwort für einen groben Menschen ist eigentlich die Kurzoder Koseform des Vornamen Ruprecht. Die Verwendung als allgemeinen Schimpfnamen dürfte die Gestalt des Knechtes Ruprecht gefördert haben, der ja neben dem gabenspendenden Nikolaus als strafende, teils auch grobe Figur auftritt. Im übrigen hat auch Nikolaus in seiner Kurzform Nigel, Nickel ein Scheltwort abgegeben; so nennt man beispielsweise im Oberdeutschen einen frechen Buben Lausnigl.
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S Sack mit S. und Pack: vor allem in der Wendung mit Sack und Pack fort-, weg-, ausziehen. Die häufig gebrauchte Wendung ist seit dem frühen Neuhochdeutsch Allgemeingut in der Sprache. Mit Sack ist der meist aus grobem Tuch gefertigte Behälter, mit Pack ein Bündel gemeint (Pack ist ein im 16. Jahrhundert aus dem Niederländischen ins Deutsche eingedrungenes Wort; pak, Bündel, Ballen; vgl. Pack). Zusammen bedeuten sie in einem etwas verächtlichen Sinn die gesamte Habe eines Menschen. Saftladen Dieser heute als verächtlicher Ausdruck für irgendeinen Betrieb, eine Firma oder einen Laden gebrauchte Ausdruck kam erst im 20. Jahrhundert in Gebrauch und lehnt sich entweder an eine billige Kneipe (vielleicht Soldatenkantine) oder an einen billigen Laden, in dem, wie vor einigen Jahrzehnten noch üblich, selber hergestellte Säfte verkauft wurden, an; es kann auch eine Vermischung aus beiden sein. Solche Beziehungen können freilich auch ohne starken Sachbezug entstehen; in diesem Fall wäre dann Saft nur als eine Art verächtliches Kraftwort gebraucht worden, das nur sekundär sich an verschwommene Bezüge wie oben anlehnt. Saite andere S.n aufziehen: Das Wort Saite gehört zum gleichen Stamm wie Seil; im Mittelhochdeutschen bedeutete seite Strick, Schlinge, Fessel, Saite, und auch im Frühneuhochdeutschen hieß es seit; erst gegen Ende des Frühneuhochdeutschen setzte sich die Schreibung Saite zum Unterschied von Seite durch; Saite hat heute nur noch die Bedeutung der aus Darm oder Draht gefertigten Bespannung von Saiteninstrumenten. Die
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Redensart, andere Saiten aufziehen, mit der man ausdrückt, daß man mit jemandem strenger verfahren will, geht von der Vorstellung aus, daß man mit den anderen Saiten gleichsam andere Töne anschlägt, dem anderen eine weniger angenehme Musik spielt. Seltener ist die positive Wendung gelindere Saiten aufziehen (sanfter umgehen). Früher sagte man auch: er hat gute Saiten aufgezogen, einem gute Saiten aufziehen. Salat da haben wir den S.: Speisen oder Getränke werden wegen ihrer Beliebtheit, ihrer Selbstverständlichkeit und Alltäglichkeit gern zu allerlei Redensarten oder Vergleichen herangezogen (vgl. Wurst, das ist mir W.) So verhält es sich auch mit dem Wort Salat in der Wendung: da haben wir den Salat, was soviel besagen will wie: da haben wir die Bescherung. Vermutlich dürfte dabei eine Anspielung auf das Zubereiten des Salats mitgewirkt haben: so wie Salat bereitet wird, sei gleichsam auch die widrige Situation entstanden. Salomonisch s.es Urteil: König Salomos Weisheit und Urteilsfähigkeit wird in der Bibel im »ersten Buch von den Königen« dargestellt. Im 3. Kapitel wird berichtet, daß zwei Huren zum König kamen und gegeneinander Anklage erhoben. Beide hatten kurz vorher einen Sohn geboren, einer war gestorben und nun behauptete jede, der noch lebende gehöre ihr. Salomo befahl ein Schwert herbeizubringen und das Kind in zwei Teile zu teilen. Die falsche Mutter war mit der Teilung einverstanden, die richtige aber wollte das Kind lieber der anderen überlassen, als es zu töten. Daran erkannte der König, wer die richtige Mutter sei, und überließ es ihr. »Und das Urteil erscholl vor dem ganzen Israel, und sie fürchteten sich vor dem König; denn sie sahen, daß die Weisheit Gottes in ihm war, Gericht zu halten.« Daran lehnt sich der Ausdruck Salomonisches Urteil an. Salopp Im Französischen bedeutet salope schlampig, schmutzig. Zugrunde liegt sale (schmutzig, unrein), das übrigens vom mittelhochdeutschen
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sal (schmutzig, trüb) ausgeht; vermutlich hat das englische sloppy (schmutzig, nachlässig) einen Einfluß gehabt. Salzsäule zur S. erstarren: In der Bibel (1. Buch Mose 19) wird die Vertilgung Sodoms geschildert; lediglich Lot und seine Angehörigen werden von Engeln gewarnt und können vorher die Stadt verlassen, aber mit der Mahnung, nicht stehenzubleiben und sich nicht umzusehen. Als es dann Feuer und Schwefel regnete, hielt sich Lots Weib nicht daran und sah hinter sich. Daraufhin wurde sie zur Salzsäule. Daran lehnt sich die Redensart zur Salzsäule erstarren (vor Erschrecken erstarren) an. Sammelsurium Das Wort entwickelte sich im Niederdeutschen als Sammelsur, das ein Essen aus Speiseresten, die sauer angerichtet werden, bedeutet. Sur ist ein vornehmlich westgermanisches Wort, das sowohl im Englischen (sour), Niederländischen (zuur), Dänischen (sur), Schwedischen (sur) wie im Deutschen (neuhochdeutsch sauer, alt- und mittelhochdeutsch sur für bitter, herb, sauer und neben dem Niederdeutschen im Oberdeutschen auch als Substantiv Sur für Pökellake und als Verb suren für pökeln) erhalten geblieben ist. Dem niederdeutschen Sammelsur wurde dann scherzhaft eine lateinische Endung angehängt und das daraus entstandene Wort übertragen auf ein bunt zusammengewürfeltes, ungeordnetes, ziemlich wertloses Gemengsei jedweder Art. Sandwich Zwar gab es auch schon vorher die Sitte, kaltes Fleisch zwischen zwei Scheiben Brot zu legen und zu essen, benannt aber ist das »Sandwich«, wie man heute international sagt, nach dem Engländer John Montagu Earl (Graf) of Sandwich, der von 1718-1792 lebte und Erster Lord der Admiralität war (deshalb nannte der englische Entdecker Cook 1778 die Inseln nach ihm Sandwich-Inseln, eine Beziehung, die freilich allmählich wieder verdrängt wird). Der Earl war ein ungewöhnlich leidenschaftlicher Spieler und hat überhaupt ein ziemlich ausschweifendes Leben geführt. Um das Kartenspiel nicht durch das Essen unterbrechen zu müssen (er soll bis zu 24 Stunden lang gespielt haben), ließ er sich
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von seinem Diener kalten Braten mit zwei Scheiben Brot reichen, was überdies den Vorteil hatte, daß seine Finger sauber blieben und die Karten nicht beschmutzten. Das machte auf seine Umwelt einen solchen Eindruck (Sandwich war eine sehr bekannte Figur in der Gesellschaft), daß man fürderhin ein solcherart belegtes Brötchen Sandwich nannte. Satellit In der jüngeren Sprache wurde Satellit zuerst (seit dem 17. Jahrhundert) im astronomischen Sinne gebraucht. Es wurde vom lateinischen Substantiv satelles abgeleitet, das Trabant, Leibwächter, Gefolge Garde, Begleiter bedeutet. Nach der Überlieferung hat sich der letzte römische König, Tarquinius Superbus (534-510), der etruskischer Herkunft war, als erster mit einer Leibwache umgeben, und satelles dürfte etruskischen Ursprunges sein. Der Begriff Satellitenstaat wurde erst in den letzten Jahrzehnten geprägt, besonders bezogen auf die unter sowjetrussischem Einfluß stehenden Staaten (ebenso aus der jüngsten Zeit stammt natürlich Satellit für einen künstlichen Himmelskörper, der in eine Kreisbahn um einen Stern geschossen wird). Sattel in allen Sätteln gerecht sein: Die Redewendung drückt aus, daß einer zu allem zu gebrauchen, in allem firm ist; der Vergleich meint eigentlich, daß er auf jedem Pferd reiten kann. Gerecht ist hier in seinem heute verlorenen Sinn von richtig, recht verwendet. Sau unter aller S.: Zugrunde liegen dürfte das jiddische seo, das Maßstab bedeutet. Für die weite Verbreitung des derben Bildes hat dann freilich die rasche Anlehnung an Sau gesorgt, ein Wort, das in allen deutschen Mundarten wie in der gröberen Umgangssprache in vielfältigster Weise zur Charakterisierung von etwas Schlechtem benützt wird. Sauer auf etwas s. reagieren, s. sein, jemandem das Leben s. machen, jemandem Saures geben: Als im schroffen Gegensatz zu süß stehend (was in
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der älteren Sprache noch intensiver ausgeprägt war), hat der Begriff sauer in den verschiedensten Bezügen einen negativen Klang und wurde schon sehr früh in mancherlei übertragenem Sinn gebraucht. So meinte schon das mittelhochdeutsche sur, suwer nicht nur sauer, herb, scharf, bitter, sondern bildlich auch schwer, lästig, mühsam, hart, böse, schlimm, grimmig, grausam, blutgierig; ze sure komen zum Nachteil ausgehen. Derlei freiere Anwendungen hielten sich bis in die Gegenwart und ergaben sich auch neu, vor allem im Sinne von »mit Anstrengung, Mühsal, Schwierigkeit des Entschließens verbunden«. So weist etwa eine Wendung wie »etwas mit saurem Schweiß tun, verdienen« nicht auf die Säuerlichkeit des (salzigen) Schweißes hin, sondern auf die Schwere der Tätigkeit, die einen zum Schwitzen bringt. Ähnlich macht man jemandem das Leben sauer, indem man ihm allerhand Mühsal und damit Ärger verschafft. Auch der Ausdruck jemandem Saures geben, der erst in jüngerer Zeit entstanden ist, vermutlich in der Soldatensprache, schließt sich hier an. Sauer sein ist die Reaktion auf unangenehme Dinge, bei der man gleichsam selber so herb oder unangenehm wird. Die Wendung auf etwas sauer reagieren, die sich hier dem Bild nach anschließt, bedient sich zwar einer Formulierung aus der Chemie und hat sich vermutlich erst in der Schülersprache der Jahrhundertwende entwickelt (in der Chemie nennt man sauere Reaktion, wenn sich blaues Lackmuspapier rot färbt), doch lehnt sich ihre volkstümliche Verbreitung ebenfalls an die allgemeineren Verwendungen von sauer an. Sauertöpfisch Der Sauertopf ist eigentlich ein Gefäß, in dem Essig aufbewahrt wird. Mit den Begriffen sauer und Essig verbindet sich im übertragenen Sinne der der Verdrießlichkeit und Mürrischkeit, wohl weil man das Gesicht verzieht, wenn man zuviel Saures in den Mund bekommt. Jean Paul spricht vom »Sauertopfund Giftbecher des Zorns«, und im Simplicissimus ist von Menschen die Rede, »welche ihren (närrischen Einfall) gar unterdrücken, seyn rechte Saurtöpffe«. Heute wird das Wort vor allem adjektivisch gebraucht, wenn man etwa von sauertöpfischer Miene spricht.
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Saulus aus einem S. ein Paulus werden: Paulus, der mit hebräischem Namen Saulus hieß, lehnte ursprünglich das Christentum ab und zählte zu dessen scharfen Verfolgern, weil es seiner Meinung nach eine Gefahr für die Religion seiner Väter darstellte. Auf einer Reise nach Damaskus aber hatte Saulus sein Bekehrungserlebnis. In der Apostelgeschichte heißt es: »Über dem, da ich auch gen Damaskus reiste mit Macht und Befehl von den Hohenpriestern, sah ich mitten am Tage, o König, auf dem Wege ein Licht vom Himmel, heller denn der Sonne Glanz, das mich und die mit mir reisten, umleuchtete. Da wir aber alle zur Erde niederfielen, hörte ich eine Stimme reden zu mir: Saul, Saul, was verfolgst du mich? Es wird dir schwer sein, wider den Stachel zu locken. Ich aber sprach, Herr, wer bist du? Er sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst; aber stehe auf und tritt auf deine Füße. Denn dazu bin ich dir erschienen, daß ich dich ordne zum Diener und Zeugen des, was du gesehen hast und das ich dir noch will erscheinen lassen.« Da wurde aus dem Saulus jüdischen Glaubens der bekehrte Christ Paulus, der nun sich zu den Aposteln zählte. Auf diese Geschichte stützt sich auch die Redensart sein Damaskus erleben (seine entscheidende Bekehrung durchmachen, ein anderer Mensch werden). Sauregurk enzeit Heute wird der Ausdruck vornehmlich auf die Politik bezogen, auf eine Zeit, in der in der Politik nichts los ist, und deshalb ist er vor allem ein Journalistenwort (weil es in dieser Zeit nicht soviel zu berichten gibt). Das Wort ist seit dem Ende des 18. Jahrhunderts belegt, und zwar war es zunächst ein Ausdruck der Kaufleute, die die Hochsommerwochen (in denen die saueren Gurken eingelegt werden) so nannten, damals schon zur Charakterisierung einer stillen Geschäftszeit. So schrieb zum Beispiel Zelter 1828 an Goethe: »Hier zu Lande geht es eben etwas mager her; die Kaufleute nennen's die Sauergurkenzeit.« Auf kam das Wort in Berlin. Schach, Schachmatt Das Schachspiel ist indischen Ursprungs; über arabische Vermittlung gelangte es aus Persien nach Europa. In Persien erhielt es auch den heute
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überall geläufigen Namen: persisch schah bedeutet König. Persischarabischen Ursprungs ist schachmatt: schah mate oder esch-schah mat bedeutet »Der König ist tot, ist gestorben«. Das Spiel ist seit dem 12. Jahrhundert in Deutschland nachgewiesen. Das Wort matt machte sich dann - was durch die Beliebtheit des Spiels erklärlich ist - allmählich selbständig im allgemeineren Sinn von kraftlos und ist spätestens so seit dem 16. Jahrhundert in Gebrauch. Schachtel alte Seh.: Schachtel als Schimpfwort für Frau hatte ursprünglich ausgesprochen obszönen Charakter, war es doch eine Anspielung auf die als Behälter verstandene Vagina. In einem Fastnachtspiel des 16. Jahrhunderts ist die Rede von »geschuchten wachtein« (umherlaufenden liederlichen Weibspersonen), »wenn sie mein pölz trifft in ir schattein (schattein ist als schachteln zu lesen, denn scatel, scattel und schatte! waren geläufige Nebenformen von schachte!). Die Verbindung mit alt ist ebenfalls schon aus dem 16. Jahrhundert belegt. In der Zimmerischen Chronik heißt es: »Es gelang im wie obbemeltem cardinal von Trient zu Insprugk, der wont, er schliefe die nacht bei seiner jungen wurtin, da lag im ain alte schachte! im arm.« Schaf schwarzes S.: Das Schaf gilt einerseits als dummes, andererseits als furchtsames und wehrloses, deshalb unschuldiges Tier. Von der Vorstellung des Friedlichen und Unschuldigen her und von der Bestimmung Christi, Gottes als Hirte (auch auf den Priester übertragen, lateinisch pastor heißt Hirte) werden die Gläubigen oft als Schafe bezeichnet. Unter der unschuldigen Herde findet sich freilich auch mancher Sünder, der gleichsam als schwarzes Schaf aus den anderen heraussticht (die schwarze Farbe wird vielfach mit dem Bösen, Schuldigen identifiziert im Gegensatz zum Weiß der Unschuld; man denke an den Ausdruck rabenschwarze Seele oder schwarze Flecken auf der Seele). Schäfchen seine S. ins trockene bringen: Früher, als die Tiermedizin noch nicht so ausgebildet war, wurden die Schafe leicht von der Leberegelseuche be-
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fallen. Die Schäfer indessen wußten, daß sich diese Gefahr nur auf sumpfigen Weiden und moorigem Gelände einstellte, wo der Leberegel Lebensbedingungen findet. Sie trachteten deshalb immer danach, die Tiere auf trockene Weiden, ins trockene zu bringen. Wer seine Schäfchen ins trockene bringt, bringt sein Gut in Sicherheit. Schäferstündchen Das Wort, früher häufiger als Schäferstunde in Gebrauch, ist eine Übersetzung des französischen heure du berger, das das gleiche bedeutet und auf die Schäferliteratur des 17. und teilweise 18. Jahrhunderts zurückgeht. Der spanische Hirtenroman und die italienische Schäferdichtung entwickelten sich in Frankreich zu einer reichen Blüte (hervorstechendstes Produkt war die »Astree« von Honore d'Urfe, Anfang des 17. Jahrhunderts entstanden). Die Hirten oder Schäfer wurden zu einem edlen Volk stilisiert, deren Pflicht vor allem der Gehorsam gegen die Gebote der Liebe ist. So nahm das Wort Schäferstunde die Bedeutung eines Zusammenseins von Liebesleuten an. Schafköpf Ein vor allem in Süddeutschland weitverbreitetes Kartenspiel für vier oder drei Personen. Früher notierte man bei diesem Spiel die Gewinne mit Kreidestrichen in der Form eines freilich abstrahierten Schafkopfes. Schalk den S. im Nacken haben: Die Redewendung gibt heute noch zu erkennen, daß jemand ein Schelm sei, es aber eigentlich nicht so leicht merken lasse. Bei dem seit spätestens dem 16. Jahrhundert üblichen Ausdruck lag dann ursprünglich auch die Betonung darauf, daß der Schalk hinter dem Ohr, das heißt nicht sichtbar sei. So ist in einem zeitgenössischen Zitat die Rede von »Augendienern, die Trew seynd vorm Gesicht, vnd tragen den Schalk auffm Rücken«. Der Schalk wird gleichsam als kleiner Kobold aufgefaßt, der jemanden zu allerhand Schelmereien verführt.
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Schanze sein Leben in die S. schlagen: Mit der Schanze im Sinne einer militärischen Befestigungsanlage hat die Redewendung nichts zu tun, so sehr man dabei an den Angriff auf eine oder an die Verteidigung einer Schanze denken könnte. Mit Schanze ist hier vielmehr ursprünglich der Fall der Würfel beim Würfelspiel gemeint. Das Wort wurde schon im Mittelhochdeutschen als schanz(e) aus dem Französischen entlehnt (im Französischen des 12. Jahrhunderts hieß es cheance und meinte den Fall der Würfel, Glücksfall, abgeleitet vom altfranzösischen cheoir für fallen; vgl. Chance) und meinte konkret den Fall der Würfel und bereits übertragen auch ein Wagnis, bei dem es auf Gewinn und Verlust ankommt. Etwas in die Schanze schlagen, werfen, setzen meint also eigentlich etwas (heute in der Regel nur noch: sein Leben) auf einen Wurf setzen, riskieren (Wieland: »auf diese neue Schanz sein Glück und seinen Ruhm zu setzen«). Scharlatan Im Italienischen bedeutet ciarlare schwatzen, ciarlata Geschwätz, ciarlatano Marktschreier, Quacksalber. Es ist möglich, daß bei der Ausprägung des Sinns von ciarlatano auch cerretano (Marktschreier, Kurpfuscher) mitgewirkt hat. Das Französische übernahm das Wort als charlatan, und in dieser Form gelangte es im 17. Jahrhundert ins Deutsche, wo es zunächst vornehmlich auf die marktschreierischen Ärzte angewandt wurde. Schelle der Katze die S. nicht umhängen wollen: s. Katze. Schema F In der preußischen Armee gab es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Muster für den Stärkenachweis der Truppe, das Front-Rapport hieß und das wegen seiner schematischen Art und des Anfangsbuchstabens F bald Schema F genannt wurde. Allmählich wurde der so trefflich klingende schnoddrige Ausdruck auf andere Formulare und dann überhaupt auf schematische militärische Verhaltensweisen übertragen und ging so in die Umgangssprache ein. - 291 -
Scherbengericht In Athen gab es während des 5. vorchristlichen Jahrhunderts eine bestimmte Form der Volksabstimmung, die Ostrakismos hieß. Ostrakismos leitet sich von ostrakon ab, das Scherbe, Tonscherbe bedeutet. Diese Scherben wurden bei der Abstimmung verwandt: Jeder Teilnehmer an einem Ostrakismos schrieb auf eine solche Scherbe den Namen jenes Mannes, den er verbannt sehen wollte; der Verbannte mußte für zehn Jahre das Land verlassen, ohne daß sein Vermögen angetastet wurde und ohne daß er seine Ehre verlor. Es handelte sich dabei also nicht um eine Strafe, sondern lediglich um eine politische Maßnahme, geboten im Interesse des Staates: Der politische Konkurrent oder der, dessen Politik man mehrheitlich nicht akzeptieren wollte, wurde so auf eine relativ harmlose Weise ungefährlich gemacht. Die deutsche Übersetzung des griechischen Ausdrucks entstand um 1800 und meint heute in der Hauptsache, daß über einen Politiker oder eine sonstige Persönlichkeit ein eigentlich unverdientes Verdammungsurteil gefällt wird, ein Gedanke, der auch schon beim griechischen Ostrakismos nicht von der Hand zu weisen war. Scherflein sein S. beitragen: Der Scherf war eine in vielen deutschen Gebieten verbreitete Scheidemünze; in der Verkleinerungsform Scherflein wurde der Name vor allem durch Luthers Bibelübersetzung verbreitet, wo es im Markusevangelium heißt: »Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; die machen einen Heller« (12,42). Von dieser Bibelstelle leitete sich dann die Redewendung sein Scherflein beitragen ab. Schiefgehen Dem Adjektiv schief, das zunächst nur niederdeutsch war, liegt von Anfang an der Begriff des Abweichens von der senkrechten und waagrechten Richtung zugrunde, dann auch die Vorstellung des Abweichens von der geraden Richtung überhaupt. Etwas geht schief, wenn es nicht den vorgegebenen - geraden - Weg geht; im übertragenen Sinn nimmt es dann eine verkehrte, das heißt schlechte Wendung. Genauso schaut jemand, der einen schief ansieht, ihm eigentlich nicht gerade ins Auge.
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Schießhund aufpassen wie ein S.: Schießhund nannte man in der Jägersprache früher einen Jagdhund, der abgerichtet war, angeschossenes Wild aufzuspüren; er mußte also genau aufpassen, wohin das Wild gefallen oder geflüchtet war. Schiff die S.e hinter sich verbrennen: Im Jahre 1519 machte sich der spanische Eroberer Hernando Cortez von Cuba mit einem Heer von rund 700 Mann und elf Schiffen auf, um in Mexiko Fuß zu fassen. Als er an der Stelle des heutigen Veracruz an Land gegangen war und sich dem mächtigen Reich des Königs Montezuma gegenübersah, ließ er die Schiffe zerstören, um eine Rückkehr seiner Truppen zu verhindern, die sich so gezwungen sah, den Kampf auf Gedeih oder Verderb aufzunehmen. Es gibt auch die Version, daß Cortez die Flotte nur habe verstekken lassen oder ein Schiff von der Verbrennung ausgenommen habe. Jedenfalls entwickelte sich daraus die Redensart die Schiffe hinter sich verbrennen in dem Sinne, daß man sich selbst jede andere Möglichkeit hasardartig genommen habe, um ganz auf das eine Ziel zu setzen. Schikane mit allen S.n: Im Französischen bedeutet chicane, dessen Ursprung unbekannt ist (vielleicht von mittelniederdeutsch schikken für ordnen, einrichten, zuwege bringen), Rechtsverdrehung, Rechtskniff, Spitzfindigkeit, Streit um nichts und Schikane im deutschen Sinn; das Wort wurde um 1700 ins Deutsche übernommen. Zunächst wurde es nur im Sinne von Verdrehung, spitzfindiger Nachstellung, kleinlicher Bedrängung, Schädigung im Rechtsverkehr gebraucht, dann aber nahm es auch die Bedeutung listiges Mittel, raffinierte Aushilfe an (während das Verb schikanieren auf die Bedeutung von quälen, ärgern beschränkt blieb). Im 19. Jahrhundert bildete sich dann die Redensart mit allen Schikanen heraus, womit auf etwas burschikose Weise zum Ausdruck gebracht wird, daß etwas gleichsam mit allem Raffinement, mit allen nur möglichen Mitteln ausgestattet sei.
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Schild jemanden auf den S. erheben: Bei den Franken war es Sitte, den gewählten König auf den Schild zu (er)heben und ihn dann dreimal im Kreis der Versammelten herumzutragen. Schild etwas im S. führen: Die ritterlichen Bewaffneten erkannte man an den Zeichen und Wappen, die auf den Schild gemalt waren, die sie »an dem Schilde« oder »in dem Schilde führten«. Daran wurde also auch ersichtlich, ob sie Freund oder Feind waren. Die Wendung erweiterte sich über die Frage, was jemand im Schild führe, zu der, ob jemand Feindseliges oder jedenfalls noch nicht Durchschaubares vorhabe, und entsprechend zu der formelhaften Umschreibung, daß jemand etwas beabsichtige, was man noch nicht weiß oder kennt. Schildbürger Im 16. Jahrhundert, das so reich ist an Schwankliteratur, erschienen auch die »Wunderseltzarnen, abentheuerlichen, unerhörten und bisher unbeschriebenen Geschichten und Thaten der Schiltbürger in Misnopotamia«, deren Helden die Bürger des Städtchens Schilda(u) waren; sie vollbringen allerhand närrische Torheiten. Daß sie Schildbürger genannt wurden, ist wohl eine Anlehnung an Spießbürger. Deshalb nennt man heute noch eine beträchtliche Torheit, vor allem auch im öffentlichen Bereich, einen Schildbürgerstreich oder spricht von Schildbürgerei. Schindluder mit jemandem S. treiben: Die ursprüngliche Bedeutung von schinden ist enthäuten, so im Althochdeutschen scinten (enthäuten, schälen) und im Mittelhochdeutschen schinden, schinten (die Haut oder Rinde abziehen, enthäuten, schälen). Doch daneben entwickelte sich auch schon die übertragene Bedeutung mißhandeln, bis aufs Blut peinigen, jemandem gleichsam die Haut abziehen, im Mittelhochdeutschen auch bis auf die Haut berauben, ganz ausplündern. Heute noch ist der Schinder manchenorts der Abdecker, der Tierkörper beseitigt und ihnen vorher
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die verwertbare Haut abzieht. (Zum zweiten Teil des Wortes im Sinne von Aas siehe Luder.) Schindluder ist nun ursprünglich ein Aas, dem man die Haut abzieht. Es bürgerte sich rasch auch als Schimpfwort ein und hat eigentlich einen sehr groben Sinn, denn als minderwertiger kann man jemanden nicht auffassen. Dazu kam die Redewendung mit jemandem Schindluder treiben (auch spielen), die besagt, daß jemand gleichsam wie ein Schindluder behandelt wird. Schlachtenbummler Seit dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 wurden Zivilisten so genannt, die die Front aufsuchten. Schlaf den Seinen gibt's der Herr im S.: Das sprichwörtliche Zitat, das heute in der Regel einen ironischen Sinn hat, geht auf die Bibel zurück, wo es im 127. Psalm (»An Gottes Segen ist alles gelegen«) heißt: »Wo der Herr nicht das Haus bauet, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wo der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. Es ist umsonst, daß ihr früh aufstehet und hernach lange sitzet und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er's schlafend.« Darauf bezieht sich auch das Zitat aus den Sprüchen Salomos: »Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe« (10, 22). Schlafittchen jemanden am S. packen, fangen, kriegen: Schlafittchen ist eigentlich der Schlagfittich eines Vogels (Fittich, Flügel, ist mit Feder verwandt). Die früher ebenso häufige Form war Schlafittich. Schlafittchen ist aller Wahrscheinlichkeit nach keine Verkleinerungsform, sondern ein Dativ im Plural (bei den Schlagfittichen). Das Bild prägte sich auf dem Bauernhof aus, vor allem bei dem Versuch, eine Gans bei den Schlagfittichen zu packen. Analog sagte man zum Beispiel im älteren Bairisch einen beim Flügel erwischen. Die Rockschöße wurden dann gewissermaßen als Schlagfittich aufgefaßt.
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Schlagen jemandem nachs., aus der Art s.: Das Verb schlagen, in seiner Grundbedeutung während seiner ganzen Entwicklung unverändert, doch mit einer sehr großen Bedeutungserweiterung, hat schon früh auch den Sinn einer Bewegung in einer bestimmten Richtung angenommen. Das hat sich etwa in der Redewendung »es hat ihn nach N. verschlagen« erhalten, ging aber auch so weit, daß damit der Wechsel eines Zustandes oder einer Form gemeint sein kann (zum Beispiel: das Wetter schlägt um). Jemandem nachschlagen oder nach jemandem schlagen im Sinne von ihm nacharten, so wie er oder ähnlich werden, meint also eigentlich seine Richtung einnehmen; aus der Art schlagen ist eigentlich soviel wie die Richtung der Art verlassen. Schlager Mit dem Wort bezeichnete man Ende des 19. Jahrhunderts zuerst in Wien eine zündende Melodie, die rasch von allen gesungen wird. Zugrunde liegt die Vorstellung, daß die Melodie eingeschlagen (wie der Blitz) hat. Schlager bezog sich zum größeren Teil auf Unterhaltungsund Tanzmusik und übertrug sich dann auch auf andere Sachen, die plötzlich von allen begehrt werden (zum Beispiel Verkaufsschlager), und dann auch auf alle Dinge, auch im geistigen Bereich, die in aller Munde sind. In der Unterhaltungsmusik wurde das Wort seit Mitte der fünfziger Jahre nach und nach von Hit (s. d.) zurückgedrängt. Schlaglicht ein S. auf etwas werfen: eine Wortbildung des 18. Jahrhunderts, mit dem zunächst vor allem die Maler einen hellen Lichtstreifen, der auf eine Landschaft fällt, bezeichneten (bei Salis, 1821: »O Bach, auf dem ein güldnes Schlaglicht glänzt!«). Das Wort wurde dann sehr bald übertragen gebraucht. Schlamassel Ein im Jiddischen gebildetes Wort; das hebräisch-jiddische Wort mazol (Stern, Glücksstern, Geschick), auch masel, wurde mit dem deutschen Wort schlimm verbunden und bedeutete eigentlich Unstern, schlechtes
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Geschick. Heute noch bedeutet im Jiddischen masel tof viel Glück als Ausruf; das bairische Massl im Sinne von Glück (Schwein haben) geht ebenfalls auf masel zurück. Schlappe eine S. erleiden: Im Frühneuhochdeutschen bedeutete schlappe klatschender Schlag, Ohrfeige, Niederlage, Verlust. Ursprung ist das lautmalerische schlapp als Interjektion, das einen klatschenden Schlag nachahmt. Von der Bedeutung des Schlages, den einer erhält, fand dann die Übertragung zu Schlappe im Sinne von Niederlage statt. Frühneuhochdeutsche Zitate zeigen den Übergang: »Da hat er jm ein schlappen gesetzt« (Pauli); »Lieben brüder, es ist euch hoch von nöten, damit jr solche schlappen auch nicht empfanget, wie die von Franckenhausen« (Th. Müntzer). (Schlapp im Sinne von müde, ausgepumpt, wie es etwa in schlappmachen für nicht mehr können enthalten ist, ist die ins Hochdeutsche eingegangene niederdeutsche Form von schlaff; dazu gehören auch Bildungen wie Schlappschwanz für müder, schwächlicher, feiger Mensch oder Schlapphut, weil die breiten Ränder schlaff herunterhängen.) Schlappmachen s. Schlappe, eine S. erleiden. Schlaraffenland Im Mittelhochdeutschen bedeutete slur eine langsame, träge, faule oder leichtsinnige Person; äffe wurde bildlich bereits für Tor gebraucht (affenheit für Torheit, Albernheit, Gaukelspiel); slur ist verwandt mit schlummern. Das spätmittelhochdeutsche sluraffe und das frühneuhochdeutsche schlauraff bedeutet einen gedankenlosen Müßiggänger; Schluraffe, Schlauderaffe und Schlaraffe finden sich zum Teil bis in die Gegenwart in einigen Mundarten. Die Verbindung des Schlaraffen mit dem utopischen Schlaraffenland, in dem alle Genüsse mühelos zu erlangen sind, ist seit dem 15. Jahrhundert belegt.
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Schlauchen Als umgangssprachlicher Ausdruck für eine große Anstrengung ist Schlauch in diesem Jahrhundert erst in Gebrauch gekommen. Das ist ein Schlauch will sagen: das ist eine mühselige, langwierige Arbeit. Da dem Bild vor allem die Vorstellung der sich gleichsam endlos dahinziehenden Tätigkeit innewohnt, liegt ihm wohl der Vergleich mit einem engen, auch gewundenen und langen Schlauch zugrunde. Dazu gehört das Verb schlauchen. Man kann sowohl von einer Sache wie von einer Person (vor allem einem militärischen Vorgesetzten) geschlaucht, das heißt hart hergenommen werden. Ergänzend dürfte dazu beigetragen haben, daß man sich dabei gleichsam so willenlos und energielos wie ein Schlauch fühlt, den man beliebig hin und her bewegen kann. Schlawiner Das vom Bairisch-österreichischen ausgehende Schimpfwort meint einen Menschen, der es mit der Wahrheit und Ehrlichkeit nicht genau nimmt. Die Nähe zu slawischer Bevölkerung im Südosten des deutschen Sprachgebiets und die Durchdringung mit Menschen slawischer Herkunft trug zu mancherlei Schimpfwortbildungen bei, die auf die slawische Herkunft hinweisen. Schlawiner ist eine verkürzte Form von Schlawonier, das sich von Slawonien, einer Landschaft zwischen Dräu und Save, ableitet. Schlecht und recht Die ursprüngliche Bedeutung von schlecht war nicht die negative von heute, sondern geebnet, geglättet (germanisch slehte); das althochdeutsche sieht, slect, scleht meinte glatt, eben, einfach (auch sanft, freundlich), das mittelhochdeutsche sieht bedeutete eben, glatt, gerade (bildlich auch einfältig, aufrichtig, schlicht, einfach, ungekünstelt), und auch noch im Frühneuhochdeutschen waren diese Bedeutungen vorhanden, wozu sich aber schon unbedeutend, gering gesellten. In dem formelhaften Ausdruck schlecht und recht hat sich noch ein Rest der alten Bedeutung gehalten, ebenso in den Wörtern schlechthin, schlechterdings.
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Schliche jemandem auf die S. kommen: Der Schlich (Plural Schliche) bedeutete in der älteren Sprache stärker als heute ganz konkret Schleichweg, heimlicher, verborgener Weg, Pfad (Schiller: »Der soll euch auf verborgnen Pfaden führen, daß ihr nichts zu befürchten habt. Wir kennen die Schliche«). Schlich ist ein Verbalsubstantiv zu schleichen und entwickelte sich schon früh im übertragenen Sinn zu Bedeutungen wie List, Kniff, verstecktes Mittel, wie es heute fast ausschließlich und im Plural verwandt wird. Schlosshund heulen wie ein S.: Mit Schloßhund ist vermutlich der angeschlossene, das heißt angekettete Hund gemeint. Es ist indessen nicht aus zuschließen, daß tatsächlich ein Hund auf einem Schloß gemeint ist, und zwar auf einem Gespensterschloß. Zu den vielen schreckenerregenden Geräuschen, die eine Gespensternacht erfüllen, gehört auch immer das Geheul der Hunde. Vielleicht haben sich beide Bilder vermischt. Schlucker armer S.: Mit Schlucker meinte man zunächst einen Vielfraß oder Schlemmer; unter einem guten Schlucker verstand man auch einen zechfreudigen Menschen (in einem Zitat aus dem 16. Jahrhundert heißt es: »Es ist ein guter Schlucker, es ist jm acker und wiesen durch den bauch gefarenn). Schlucker erhielt dann aber auch einen mitleidig-verächtlichen Nebensinn, vor allem durch den Zusatz arm. Der arme Schlucker war zunächst ein Mensch, der gierig auf Essen und Trinken ist, dann einer, der aus Not alles schluckt, woher dann die Übertragung auf einen Menschen, der in einer wirtschaftlich schlechten Situation ist, stattfand. Schmalhans hier ist S. Küchenmeister: So wie bei Hanswurst (s. d.) wurde der Vorname Hans auch in der Zusammensetzung Schmalhans gebraucht, um einen allgemeinen Begriff zu personifizieren. Schmal, heute in der Hauptsache als Gegensatz von breit gebraucht, hat daneben auch die
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Bedeutung von gering und von daher den Sinn nicht reichlich, knapp, karg, vor allem in bezug auf die Kost. So bedeutete das Adjektiv smal schon im Mittelhochdeutschen auch gering, kärglich, und in einem Zitat aus dem 15. Jahrhundert etwa heißt es: ». . . begunde die kuchen (Küche) smale zu werden«. Auch in Zusammensetzungen wie schmaler Lohn, schmaler Gewinn ist diese Bedeutung erkennbar. Früher war Schmalhans in vielerlei Zusammensetzungen gebräuchlich (der Schmalhans quält, Schmalhans ist einlogiert, mit dem Schmalhans Tafel halten, Schmalhansens Bruder sein); heute ist in der Regel nur noch die Rede, Schmalhans sei Küchenmeister, das heißt, er bestimme, was auf den Tisch kommt, und das sei wenig. Schmarren In Bayern und Österreich ist der Schmarr(e)n eine Mehlspeise, bereitet aus Brot oder Semmeln, Mehl, Grieß, Eiern oder anderen Zutaten, die in Butter oder Schmalz geschmort oder geröstet werden; man kennt daneben auch Topfen-, Kapaunen-, Lungen- und Nierenschmarren, feinste Art ist der sogenannte Kaiserschmarren. Im figürlichen Sinn nennt man aber auch eine unsinnige Sache einen Schmarren; dazu gehört das Verb Schmarren für Unsinn reden. Die Übertragung fand auf der Grundlage statt, daß der Schmarren ein überaus häufiges, schmackhaftes, aber billiges Gericht war. Das Wort gehört zu Schmer, das Schmalz, rohes Fett bedeutet (deshalb auch Schmerbauch für einen fetten Menschen). Schmiere Grundbedeutung ist fett, klebend, verwandt mit schmer (Schmerbauch), das das ältere Wort ist. Schmiere ist eigentlich fett, Salbe zum Schmieren, wird dann aber auch von einer fettigen, unreinen Masse gesagt und dehnt seine Bedeutung überhaupt auf eine schlechte, wertlose Sache aus; so wurde das Wort dann auch auf eine schlechte Schauspielertruppe, Wanderbühne angewandt, wobei schmieren im Sinne von sudeln und schlechter schriftstellerischer Leitung mitgewirkt haben dürfte.
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Schmiere S. stehen: Mit dem deutschen Wort Schmiere (s. d.) hat dieses Schmiere nichts zu tun. Es leitet sich vielmehr vom jiddischen schmiro (Bewachung, Wächter) ab, das auf das hebräische schimra (Wache), schamar (bewachen) zurückgeht. Schmieren jemanden s.: Schmieren im Sinne von bestechen leitet sich von der Fähigkeit der Schmiere ab, gewisse Stoffe wie zum Beispiel Leder geschmeidig zu machen; auch die Räder laufen besser, wenn sie geschmiert sind. So sagte man früher auch noch deutlicher: einem die Hand, die Hände schmieren. Schmöker Das Wort leitet sich von dem niederdeutschen Verb smöken (smoken) für rauchen ab und entspricht dem hochdeutschen Schmaucher, schmauchen. Es wurde in bezug auf ein Buch in der Studentensprache des 18. Jahrhunderts geprägt und hieß zunächst auch Schmäucher, Schmaucher (deshalb Schmöker, nicht Smöker). Möglich, daß dem burschikos abwertenden Wort die Tatsache zugrunde liegt, daß der Student das Buch quasi nur dafür geeignet hielt, aus den Blättern einen Fidibus zu machen, um sich die Pfeife anzuzünden. Der aktive Gehalt des Wortes legt indessen eher den Schluß nahe, daß man von der Vorstellung ausging, das Buch rauche gleichsam selber oder habe geraucht, weil es so vergilbt, verräuchert ist. Rauch wäre dann als die sichtbare Erscheinung oder Folge eines Denkprozesses aufgefaßt, so wie man auch sagt, es rauche einem der Kopf, wenn man über einer Sache brütet. Auch diese letztere Konsequenz, das Buch bringe den Kopf zum Rauchen oder räuchere ihn sogar, könnte dem Wort zugrunde liegen. Schmus Das in vielen deutschen Dialekten beheimatete Wort ist ursprünglich hebräisch, wo schemuoth, schmuoth Erzählungen bedeutet. Über das Jiddische schmuoss (Einzahl schmuo, Erzählung, Geschwätz) wurde es im Rotwelschen zu Schmus im Sinne von Erzählung, Unterhaltung,
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Plauderei, Geschwätz und gelangte so ins Deutsche. Entsprechend wurde auch das Verb schmusen (erzählen, plaudern, schwatzen im Rotwelschen) übernommen und in seiner Bedeutung erweitert (zärtlich tun) sowie das Substantiv Schmuser (rotwelsch Schwätzer, aber auch ein Gauner, der die Aufmerksamkeit auf sich lenkt, daß der Komplice stehlen kann), das im Bairischen dann auch die Bedeutung eines Unterhändlers vor allem zur Vermittlung einer Heirat erlangt hat. Schmutzfink Der Fink sucht seine Nahrung gern aus dem Pferdekot heraus und gilt deshalb als schmutzig. Das Wort wurde indessen von Anfang an aller Wahrscheinlichkeit nach als Schimpfwort für einen schmutzigen Menschen geprägt, den man mit einem Vogel, der solche schmutzige Tätigkeit verrichtet, vergleichen wollte. Analog sagt man auch Dreckfink, Mistfink; zum gleichen Vergleich hat man auch den Spatzen herangezogen, der ebenfalls in Pferdeäpfeln pickt (Dreckspatz). Schnaps Das Wort wurde im Niederdeutschen gebildet und bedeutete zunächst jene Menge, die man mit dem Mund auf einmal erfassen kann; es ist eine Substantivbildung zu schnappen. Im 18. Jahrhundert verlagerte sich dann die Bedeutung auf Branntwein, der ja in entsprechenden kleinen Mengen getrunken wird. Schnecke jemanden zur S. machen: Die Wendung bedeutet jemanden entwürdigend behandeln, drillen und ist erst in der Militärsprache des 20. Jahrhunderts entstanden. Es liegt ihr die Vorstellung zugrunde, daß jemand so hart behandelt wird, daß er gleichsam nur noch wie eine Schnecke kriechen kann. Schneekönig sich freuen wie ein S.: Schneekönig ist der mitteldeutsche Name des Zaunkönigs; nach dem Schnee deshalb genannt, weil er auch den Winter hierzulande verbringt (aus dem gleichen Grund heißt er an der Küste
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Winterkönig). Da der kleine Vogel auch im kalten Winter so munter singt, bildete sich die Redensart heraus, zuerst in Mitteldeutschland. Schneid Der Schneide des Messers oder einer Waffe wohnt eine gewisse Kraft inne, und so bildete sich im Oberdeutschen, vornehmlich im Bairischen, Schneid(e) übertragen als Kraft, Mut heraus; wer eine Schneid(e) hat, hat sozusagen eine scharfe seelische, charakterliche Waffe, um zu kämpfen, gegen jemanden oder etwas vorzugehen, sich zur Wehr zu setzen. Die oberdeutsche Form von Schneide ist Schneid, das Substantiv bleibt weiblich (die Schneid). Seit etwa 1860 und vor allem während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 wurden die Soldaten aller deutschen Gebiete mit dem Ausdruck vertraut, und er verbreitete sich rasch in der Umgangssprache. Aus einem Mißverständnis der Form Schneid wurde das Wort freilich als maskulin aufgefaßt. Richtiger ist es, das herkömmliche weibliche Geschlecht zu gebrauchen. Schneiden jemanden s.: So wie etwa in der Mathematik eine Linie die andere schneidet, durch sie hindurchgeht, faßt man im übertragenen Sinn die Nichtbeachtung einer anderen Person auf. Man geht gleichsam auf seiner eigenen Linie dahin und tut so, als ob der andere gar nicht da wäre, man geht, besser gesagt, man sieht durch ihn hindurch. Schneiden sich s.: im übertragenen Sinn sich irren. Das Bild leitet sich von der Vorstellung ab, daß man sich beim Schneiden, etwa der Speisen, irrt und sich in den Finger schneidet. Schneider frieren wie ein S., S. werden, aus dem S. sein: Der Schneider stand im Volksansehen früher Jahrhunderte im Vergleich mit anderen Handwerkern nicht sehr hoch, j a wurde vielfach geradezu als verächtlicher Beruf angesehen, jedenfalls im ironischen Sinne. Das hing vor allem damit zusammen, daß für dieses Handwerk meist die schwächeren Burschen
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ausgewählt wurden, denn dazu brauchten sie erheblich weniger Körperkraft als für viele andere Tätigkeiten. Überdies galt der Schneider als armseliger und deswegen wohl auch als armer Mensch, was sich wohl von realen Gegebenheiten ableitete. Im Simplicissimus lautete ein Spottvers: »Ein Schneider auf eim Roß, ein Hur aufm Schloß, ein Lauß aufm Grind seynd drey stoltzer Hof gesind«. So leitete sich sowohl von der schwächeren Körpergestalt wie von der behaupteten Armut die Wendung frieren wie ein Schneider ab (im Bairischen war bis in die jüngste Vergangenheit als ähnlicher Vergleich frieren wie ein nackter Schullehrer gebräuchlich, womit auf die früher übliche ärmliche Besoldung angespielt wurde). Schneider sein oder werden meint beim Kartenspielen nicht nur einfach verlieren, sondern über eine bestimmte Grenze des Verlustes hinausgeraten (beim Skat oder Schafkopf verliert man einfach mit 60 oder 59 Augen, Schneider ist man mit 30 oder 29 Augen, also mit weniger als der Hälfte des einfachen Verlustes), was entsprechend höher bezahlt werden muß. Aus dem Schneider ist man, wenn man nur einfach verliert, das heißt wenigstens den größeren Verlust vermieden hat und so noch einigermaßen glimpflich davongekommen ist. Auch diese Verwendung von Schneider dürfte nichts als eine Anspielung auf die vom Volksmund behaupteten kärglichen Lebensumstände des Schneiders sein. Schnickschnack Vom niederdeutschen Verb snacken für schwatzen leitete sich das Substantiv Snack für Geplapper ab. Dazu bildete sich snicksnack als Reduplikation, wobei snicken im Sinne von schluchzen oder eine schnelle Bewegung machen mitgewirkt haben mag. Das Wort wurde in der hochdeutschen Form zu Schnickschnack und meint eigentlich Geschwätz, wurde dann aber auch übertragen für wertloses Zeug gebraucht. Schnippchen Jemandem ein S. schlagen: Schnipp bezeichnet, ähnlich wie Schnapps, eine kurze, schnelle Bewegung, vor allem mit den Fingern, gleichsam knipsend, und wird in diesem Sinne vor allem in der Verkleinerungsform Schnippchen gebraucht, etwa wenn man mit Daumen und Mittelfinger schnalzt. Diese Bewegung wird in der Regel nur mit dem Verb
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schlagen bezeichnet. Die Geste enthält wegen des geringen Aufwands, den sie erfordert, auch den Ausdruck der Geringschätzung (früher sagte man kein Schnippchen darum schlagen und meinte damit, eine Sache sei nicht einmal wert, daß man mit den Fingern schnalze). Von der Geringschätzung leitete sich der spotthafte Charakter der Geste ab und von da der Sinn: jemandem einen Streich spielen. Schnitzer einen S. machen: Ursprünglich bedeutete Schnitzer nur den Holzschnitzer, Bildschnitzer; Schnitzer im Sinne von Fehler ist erst seit dem 17. Jahrhundert gebräuchlich. Ausgangspunkt war wohl der unvorsichtige, unkontrollierte Schnitt des Holzschnitzers, durch den seine Arbeit beschädigt wurde. Mit beigetragen haben mag das Verb sich schneiden im Sinne von sich irren, sich täuschen. Schnulze Das Wort, das ein schmalziges, kitschartiges Produkt der leichten Muse kennzeichnet, ist angeblich 1948 vom damaligen Leiter der Musikabteilung des Nordwestdeutschen Rundfunks geprägt worden, entweder als Versprecher oder als willkürliche Erfindung in Anlehnung an Schmalz, Schmachtfetzen und ähnliches. Jedenfalls ist Schnulze vorher nicht belegt. Dialektausdrücke wie das niederdeutsche snulten (gefühlvoll reden) könnten dabei von Einfluß gewesen sein. Schnuppe das ist mir s.: Das Beschneiden eines Kerzen- oder Lampendochts faßte man als Reinigen auf und sagte deshalb: den Docht, das Licht schneuzen oder schnupfen; snuppen (wovon schnuppen stammt) ist die niederdeutsche Form von schnupfen und wie diese mit schnaufen und schnauben verwandt; auch das verwandte englische snuff heißt ebenso schnupfen wie das Licht putzen. Von snuppen bildete sich das niederdeutsche Substantiv snuppe, das ins Hochdeutsche als Schnuppe übernommen wurde und das den verglühten Docht, den man wegschneiden muß, um wieder besseres Licht zu erhalten, bezeichnet. Ausgehend von der völligen Wertlosigkeit dieser Schnuppe, entwickelte sich dann die Redewendung. Die Sternschnuppe ist übrigens das gleiche Wort, denn
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früher glaubte man, die Sterne würden sich ähnlich wie eine Kerze reinigen. Schnur über die S. hauen: Der Zimmermann zieht eine Schnur, um einen Balken in gerader Linie behauen zu können. Wenn er darüberhaut, stimmt die Linie nicht mehr. Schnürchen es geht wie am S.: Eine Schnur wurde vielfach benutzt, um an ihr etwas aufzureihen. Im übertragenen Sinn gebrauchte man früher die Wendung »etwas auf der Schnur haben«. So heißt es bei Kant: »Der gemeine Mann hat das Mannigfaltige, was ihm aufgetragen wird, gemeiniglich besser auf der Schnur, es nach einer Reihe zu verrichten und sich darauf zu besinnen«. Gleichermaßen bedeutete »am Schnürchen haben« gut im Gedächtnis haben. Daneben sagte man »etwas an einem Schnürchen haben« auch für Fertigkeit darin besitzen. In allen Fällen lag der Gedanke zugrunde, was man an der Schnur oder am Schnürchen habe, lasse sich, weil es gleichsam geordnet sei, leichter handhaben. Schofel Aus dem Hebräischen; schafal bedeutet wertlos, gemein. Über das Jiddische (schophol) drang das Wort ins Deutsche, wo es vor allem in Mundarten viele Bedeutungen annahm. Schokolade Mexikanische Indianer nannten den Kakao choco und einen Trank aus Kakao chocolatl (latl. Wasser). Die Spanier brachten den Kakao nach Europa und mit ihm das Wort für das Getränk als chocolate. Von hier aus drang das Wort in die europäischen Sprachen ein und machte gleichzeitig einen leichten Bedeutungswandel durch, indem es nicht mehr den Trank, sondern die feste Masse meinte, die aus Kakao, Zukker und anderen Zutaten angerührt wird.
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Schornstein etwas in den S. (Kamin, Rauchfang, in die Esse) schreiben: Man gebraucht die Redensart vor allem in Zusammenhang mit einer Geldschuld; was man in den Schornstein schreibt, wird durch Rauch und Ruß sehr rasch unleserlich und ist unwiderbringlich dahin. Ähnlich ist auch: Mit Kreide an eine weiße Wand schreiben. Schranke jemanden in die S.n fordern: Die Schranken bezeichnen den (durch Schranken) umgebenen und dadurch abgesperrten Raum für einen Kampf, ein Turnier oder sonst ein Kampfspiel. Aber auch das öffentliche Gericht trennte sich durch Schranken vom Publikum ab. Die Redewendung nahm indessen ihren Ausgang nur von der ersten Bedeutung, wenn sie dann auch von der zweiten beeinflußt wurde. Schrot von echtem S. und Korn: Die eigentliche Bedeutung von Schrot ist abgeschnittenes Stück, zu dem Verb schroten für hauen, grob schneiden, zermalmen gehörend. So meint Schrot auch das von einer Eisenstange abgehauene Stück, entsprechend die kleinen Metallstücke zum Schießen (Schrotkörner), Getreideschrot ist grobgemahlenes Getreide. Bei der Münzherstellung nannte man die vom Metall gehauenen Stücke, die nachher geprägt werden, Schrot. Daraus ergab sich Schrot für das Gewicht der Münze, das sogenannte Rauhgewicht (Bruttogewicht). Das zu Kern in Beziehung stehende Wort Korn meinte ursprünglich nur das Frucht- oder Samenkorn, wurde dann übertragen auf kornähnliche I Dinge (die man gleichsam schütten kann), und im Mittelalter galt das einzelne Korn als kleinste Maßeinheit. Von daher wurde Korn auch als Begriff im Münzwesen verwandt, und schließlich wurde daraus der Feingehalt der Münze. (Wieland zum Beispiel verwendet Korn auch noch allein im übertragenen Sinn für sittlichen Gehalt: »Dem Korn nach ist ebensowenig Unterschied zwischen dem Schelm, der gehangen wird, dem Nachrichter, der ihn hängt, und dem Richter, der ihn hängen läßt, als zwischen dem geschmeidigen Europäer, dem aufgeblasenen Perser, dem andächtigen Armenier . . . Das Gepräge macht den ganzen Unterschied«.) Schrot und Korn sind also eigentlich Gewicht und
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Feingehalt der Münze. Von da fand dann die Übertragung auf Personen statt, um ihre guten (echten) Eigenschaften zum Ausdruck zu bringen. Schuh jemandem etwas in die S.e schieben: Es mag sicher des öfteren vorgekommen sein, daß ein Dieb gestohlene Ware in die Schuhe eines anderen schob, um nicht entdeckt zu werden und die Schuld auf den anderen abzuwälzen. Doch brauchte die Redensart diesen realen Vorgang nicht, um zu entstehen. Dazu ist der Schuh viel zu sehr Bestandteil sprichwörtlicher Redensarten, die alle ganz vordergründig solche Bezüge einfach schaffen. So sagte man denn früher auch im gleichen Sinne jemandem etwas in die Schuhe gießen oder schütten. Im Frühneuhochdeutschen findet sich auch die derbe Redensart einem in die Schuhe brunzen (einem einen Possen spielen). Schule aus der S. plaudern: Die Redewendung, die seit Anfang des 16. Jahrhunderts belegt ist (uß der schulen sagen), beruht auf dem Gedanken, daß jemand, der einer Schule angehört, gleichsam die Geheimnisse tieferen Wissens an Unbefugte preisgibt. Dabei mochte man sowohl an bestimmte Schulen denken, die ihr Wissen eifrig hüteten, etwa an Alchimisten oder auch Ärzte, als auch daran, daß es vor der Einführung der allgemeinen Schulpflicht im 19. Jahrhundert ja überhaupt zur Ausnahme gehörte, wenn jemand eine Schule besuchte. Schulgeld laß dir dein Schulgeld zurückzahlen: Erst in den fünfziger Jahren wurde an den staatlichen höheren Schulen das Schulgeld, das man für die Teilnahme am Unterricht bezahlen mußte, abgeschafft (es lag im Durchschnitt bei zwanzig Mark monatlich). Karl Leberecht Immermann (1796-1840) berichtet von einem Schulmeister, der »hatte dreißig Gulden jährlichen Gehalt, außerdem das Schulgeld, zwölf Kreuzer für den Knaben und sechs für das Mädchen«. Wenn einer das einfachste nicht kann oder begreift, sagt man zu ihm, er solle sich sein Schulgeld zurückzahlen lassen (weil er in der Schule nichts gelernt habe). Schiller: »Feige
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Memmen sind's oft, aber doch Kerls, die dem Teufel das Schulgeld mit ihrer armen Seele bezahlen.« Der Begriff Schulgeld überschneidet sich oft mit Lehrgeld (s. d.) Schulter jemandem die kalte S. zeigen: Die Schulter zeigen will ausdrücken, daß man sich jemandem nicht zuwendet, sondern ihm den Rücken, die Schulter zudreht. Das Adjektiv kalt spielt so wie in dem Ausdruck kalt (kühl) behandeln darauf an, daß man kein Gefühl (das mit dem Begriff warm identifiziert wird) investiert. Schulter etwas auf die leichte S. nehmen: Man unterscheidet im Sprachgebrauch wie im anatomischen Sinn zwischen der rechten und der linken Schulter, wie das etwa in dem älteren Sprichwort »Auf der rechten Schulter unsern Herrgott und auf der linken den Teufel tragen« geschieht. So liegt der Redensart etwas auf die leichte Schulter nehmen die Vorstellung zugrunde, daß man gleichsam für schwerere Lasten die eine (mit der man besser tragen kann), für leichtere die andere (schwächere, ungeübtere) Schulter verwendet. Wer etwas auf die leichte Schulter nimmt, bringt zum Ausdruck, daß ihm eine Sache nicht schwerwiegt oder daß er sie absichtlich nicht als schwerwiegend betrachten will. Schund Im Frühneuhochdeutschen war Schund das, was der Schinder, Abdekker von den Häuten schabt, schlechter Abfall; vorher ist Schund, eine Substantivbildung zu schinden, nicht überliefert (zu schinden s. Schindluder). Von diesem eigentlichen Schund entwickelte sich die allgemeinere Bedeutung von Schmutz, stinkendem Unrat, Mist, Kot, Exkrementen. Deutlich ist dieser Sinn noch aus einem Schwank des 16. Jahrhunderts zu entnehmen, in dem erzählt wird: »Der schneyder hat ein schundt in ein küssz genäehet, das man nit hat darauff ruwen künden «. Mit beigetragen haben mag zu dieser Bedeutung die Tatsache, daß der Schinder in den Städten auch der Kloakenreiniger war. Von da an fand dann die Übertragung des Wortes auf weitere Dinge statt, die
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man damit vergleichen wollte, bis zum heutigen allgemeinen Sinn von wertlosem Zeug, immer mit verächtlichem Ton gesagt. Schunkeln Das Verb ist eine abgeleitete Form von schuckeln (vielleicht durch nachträgliche Nasalierung), das als Nebenform von schockein zu schaukeln gehört; Schunkel ist in einigen Mundarten die Schaukel. Schusselig In verschiedenen Mundarten wird ein hastiger, nachlässiger, nervös und oberflächlich handelnder Mensch Schussel genannt; dazu gehört das Adjektiv schuss(e)lig. Das Wort leitet sich von schießen im Sinne einer schnellen Bewegung ab. Schwalbe eine S. macht noch keinen Sommer: Nach einer Äsopschen Fabel verkaufte ein Verschwender seinen Mantel, als er im Frühling die erste Schwalbe sah, in der sicheren Erwartung, daß er ihn nun ja nicht mehr brauchen werde. Als es dennoch wieder kalt wurde, schimpfte er auf die Schwalbe. Darauf bezieht sich wohl die Redensart, daß eine Schwalbe noch keinen Sommer mache. Sie ist bereits aus dem Frühneuhochdeutschen überliefert; Goethe faßte das Faktum in die Worte: »Der (märzliche) Sonnenblick betrüget mit mildem falschem Schein, die Schwalbe selber lüget, warum? Sie kommt allein.« Schwamm S. drüber: Die Wendung will sagen, daß man eine Sache für bereinigt hält, nicht mehr über sie reden will. Sie geht von der Vorstellung aus, daß etwas mit Kreide angeschrieben steht und daß man, um es aus der Welt zu schaffen, mit dem Schwamm drübergeht, es also auslöscht. So heißt es bei Goethe deutlich: »Mit dem Schwamm über alles hinzufahren, was bisher auf die Tafel der Menschheit verzeichnet worden war.« Und bei Hagedorn: »Den Ruhm verlöscht kein Schwamm der Zeit.«
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Schwanengesang Dem griechischen Altertum war der Schwan als Zugvogel vertraut. Es bildete sich die Meinung heraus, daß der Schwan, wenn er den Tod nahen fühle, Klagelaute singe. Seit dem Humanismus wurde dann danach im Deutschen das letzte Werk eines Dichters oder Sängers (eigentlich eines dem Tode nahen Dichters) Schwanengesang genannt; bald nahm der Ausdruck auch übertragene Bedeutung an. Schwarmgeist Schwärmen meinte ursprünglich nur konkret sich schwarmförmig bewegen (zum Beispiel ein Bienenschwarm), wurde dann aber im 16. Jahrhundert auf die Sektierer und ihr Treiben während der Reformationszeit angewandt für unrealistisch denken, wie schwärmen auch heute häufig gebraucht wird. Mit seiner Streitschrift »Das diese Wort Christi (das ist mein Leib etc.) noch fest stehen, wider die Schwermgeister« verbreitete Luther den dazugehörigen Begriff Schwarmgeister. Dazu bildete sich später noch das Substantiv Schwarmgeisterei. Schwarte verächtliches Wort für ein - vor allem dickes - Buch. Die Bezeichnung leitete sich von dem Schweinsleder ab, in das Bücher früher häufig gebunden waren. Schwarz die Straße ist s. von Menschen: Schwarz ist ein sehr häufig gebrauchtes Synonym für dunkel, finster (schwarze Nacht, schwarzer Wald, wenn die Bäume so eng stehen, daß es ganz dunkel ist). Wenn die Straße so voll von Menschen ist, daß gleichermaßen kein Licht mehr einfallen kann, ist sie schwarz, wobei hinzukommt, daß der große Haufen Menschen selber dunkel wirkt. Schwarz s.er Markt, Schwarzhandel: Dem Begriff schwarz wohnt die Bedeutung dunkel inne. Im übertragenen Sinne wird schwarz dann für heimlich ge-
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braucht, zum Beispiel schwarz über die Grenze gehen, weil etwas Heimliches gleichsam im dunklen geschieht. Der schwarze Markt oder Schwarzhandel ist also der heimliche Markt, Handel; dazu gehört schwarze Ware. Schwede Alter S.: Der Große Kurfürst (1640-1688) holte alte gediente schwedische Soldaten als Unteroffiziere in seine Armee, um seine Rekruten ausbilden zu lassen (die Schweden standen damals nicht zu Unrecht, wie der erst kurz zurückliegende Dreißigjährige Krieg bewies, im Rufe gut gedrillter Soldaten). Sie wurden »alte Schweden« genannt. Heute ist alter Schwed(e) eine lustige Anrede an einen Menschen, den man gut kennt. Schwein haben Heute versteht man unter Schwein haben ein unverdientes, unerwartetes Glück haben oder gerade noch so viel Glück haben, daß man aus einem Dilemma ungeschoren herauskommt. Das Schwein wird zwar allgemein als wohlschmeckend empfunden, steht aber im Ansehen ziemlich weit unten. Das mag es erklären, daß früher bei Wettspielen ein Schwein als der letzte Preis gegeben wurde. So wurde zum Beispiel bei einem Rennen im Jahre 1448 in München über die Preisverteilung berichtet: »Das vordist pferdt gewan ein Scharlach-Tuch, das ander darnach ain Sperber mit seiner Zuegehörung, das drit ain armbst, vnnd das lest pferd ain Saw«. Der letzte Sieger kommt natürlich sehr stark einem Unterlegenen gleich, weshalb nach der Eroberung von Buda die unterlegenen Türken mit dem Ruf »Seraskier, treib heim die Sau!« verspottet wurden. Andererseits war das gewonnene Schwein doch noch ein Trostpreis, ein Gewinn, mit dem man zwar nicht renommieren konnte, der aber immerhin noch ein glimpfliches Wegkommen darstellte. Aus diesem kleinen Anteil am Glück dürfte sich die Redewendung Schwein gehabt haben entwickelt haben, sei es als Understatement, sei es als Einsicht in die wirkliche Situation: durch ein eigentlich nicht mehr erwartetes oder fast schon unverdientes Glück gerade noch erträglich davongekommen zu sein.
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Schwerenöter Schwere Not, Schwerenot bedeutete früher Krankheit, körperliche Schmerzen (Schwerenotsmutter nannte man die Hebamme), speziell auch die fallende Sucht oder Epilepsie. Ausrufe wie »Daß dich die Schwerenot! Schockschwerenot! Kreuzschwerenot!« drücken aus, daß man jemandem gleichsam die Schwerenot wünsche oder daß eine Situation schwierig, verflixt, verflucht sei, und gaben dem Begriff übertragenen Charakter. Aus dieser Vorstellung entwickelte sich der Schimpfname Schwerenöter für einen durchtriebenen Menschen, einen verfluchten Kerl, und zwar wurde das Wort früher durchaus auch ernsthaft kritisierend aufgefaßt, während es heute in der Regel nur noch einen humorvollen Ton hat. Schwips Schwippen bedeutet ebenso wie schwappen und die davon abgeleiteten Wörter schwanken, leichte Bewegungen machen, bevorzugt auf Flüssigkeiten angewandt (geschwippt voll im Oberdeutschen: bis zum Überlaufen voll, so daß es leicht überschwappt); Goethe setzt z. B. »schwankend und schwippend« bei der Beschreibung der Bewegungen eines Schiffes nebeneinander. Die Bedeutung des leichten Schwankens steht auch im Vordergrund des Substantivs Schwips, das landschaftlich weit verbreitet war und in jüngerer Zeit allgemein Eingang in die Umgangssprache fand. Schwof Eine mitteldeutsche Form von Schweif. Das Wort nahm zuerst in der Studentensprache den Sinn von Tanzvergnügen an (schwofen, tanzen; Schwof er, begeisterter Tänzer). Die Entstehung dieser burschikosen Bedeutung dürfte in unmittelbarem Zusammenhang mit schweifen im Sinne von sich herumtreiben, herumschweifen zu sehen sein, vielleicht auch mit Schweif im Sinne eines Gefolges. Schwulität Das Adjektiv schwül wurde erst im 17. Jahrhundert aus dem Niederdeutschen (swul, im Sinne von drückend heiß, gehört zu schwelen) ins
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Hochdeutsche übernommen, und zwar als schwul. Erst im Gleichklang zu kühl, dessen Gegensatz schwül bildet, nahm schwul den Ablaut zu schwül an. Übertragen bedeutet schwül auch bang: es wird einem schwül zumute. Zu diesem Sinn erfolgte dann die studentische Scherzbildung Schwulität; sich in Schwulitäten befinden, in einer heiklen Situation sein (in der einem ganz schwül wird). Seele eine S. von Mensch: Ausgehend von der Auffassung, daß die Seele das ursprünglich Gute am Menschen ist, steht in der Wendung Seele für Gutmütigkeit; eine Seele von Mensch (Mann etc.) heißt ein gutmütiger, braver Mensch. Segel die S. streichen: Wenn man die Segel vollständig fallen läßt, sagt man die Segel streichen. Bei kriegerischen Auseinandersetzungen war das das sichtbarste Zeichen der Ergebung, weil das Schiff dadurch ja bewegungsunfähig geworden ist. Übertragen meint die Wendung ebenfalls sich ergeben, aufgeben (Grillparzer: »Sie luden mich in der Reihe zu Gast, wo ich denn bemerken konnte, daß wenn man auch tagtäglich in Berlin frugaler lebe als in Wien, bei Gastmählern dagegen Wien offenbar die Segel streichen müsse«). Seifensieder einem geht ein S. auf: Der Seifensieder galt, ähnlich wie der Leimsieder, wegen der Eintönigkeit seiner Betätigung als Mensch mit engem Blick, langweiliger, nicht intelligenter Mensch. Das allein könnte genügen, die Redewendung zu deuten, die ursprünglich eine studentische Formel war: Seifensieder für Licht, aber nur ein sehr winziges, nicht sehr erhellendes, das gleichsam eine Erleuchtung bringt, die auf dem Niveau eines Seifensieders steht. Hinzu ist aber wahrscheinlich gekommen, daß Seifensieder oft auch Kerzen gemacht haben und das Wort als Pseudoverhüllung des Lichts verwendet wurde, was aber an der Grundvorstellung der Redensart nicht viel ändert.
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Senkrecht das ist s.: s. Lot, im L. sein. Sex Ausgang ist das lateinische Wort sexus (Geschlecht); es gehört wahrscheinlich zu secare (schneiden, einteilen). Sexus ergab im Französischen sexe (Geschlecht von lebenden Wesen und von Pflanzen) und dann im Englischen sex (ebenfalls zunächst allgemein Geschlecht, geschlechtliche Eigenart, dann aber auch als Begriff für das Geschlechtliche); in letzterer Bedeutung wurde das Wort im 20. Jahrhundert ins Deutsche übernommen, nachdem die beiden Adjektive sexual (meist nur in Zusammensetzung wie Sexualleben) und sexuell vorher schon als Fremdwörter eingebürgert waren. Der heutige deutsche und mehr oder weniger auch internationale Gebrauch des Wortes Sex bezieht sich auf alles, was mit dem Geschlechtlichen zu tun hat, analog dem englischen Gebrauch, der in der Regel eine psychische Beziehung zum Partner nur begrenzt oder gar nicht einschließt (darauf beruhen Wendungen wie: nur Sex haben wollen), so daß Sex auch zum Synonym für Geschlechtsverkehr geworden ist (vgl. Sex-Appeal und sexy). Sex-Appeal Im gleichen Sinn, den das Wort im Englischen hat (sex appeal, sexuelle, erotische Anziehungskraft auf das andere Geschlecht), wurde es im 20. Jahrhundert ins Deutsche (wie in viele andere Sprachen auch) übernommen. Appeal bedeutet Anziehung, Anziehungskraft, Anklang (to make an appeal to a person, Anklang finden bei jemandem) und geht über das französische appeler (locken, herbeirufen, herausfordern) auf das lateinische appellare (ansprechen, anreden) zurück; zum ersten Teil des Wortes vgl. Sex. Sexy Adjektiv zum englischen Substantiv sex (s. d.), in der Bedeutung geschlechtlich interessiert, geschlechtlich aufgeregt oder aufregend. Das Wort wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg ins Deutsche übernommen und hat als Modeausdruck einer von der sexuellen Emanzipation
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charakterisierten Zeit rasch Verbreitung gefunden. Die Verbreitung wurde um so mehr gefördert, als sich das Adjektiv sexuell wegen seines mehr wissenschaftlichen und schon festgelegten Gebrauchs nur bedingt auf alle Bereiche des Sex ungeniert anwenden läßt; so bezieht sich sexy vor allem auf Aussehen und Stimmung. Den Nachteil, daß sich das Wort nur schwer reflektieren läßt, nimmt die Umgangssprache der Gegenwart ohne Bedenken in Kauf. Siebensachen Die Zahl sieben, der manche eine besondere Eigenart zuschreiben (und im Bereich des okkulten Denkens, aber auch vieler Sitten und Gebräuche wird sie auch besonders beachtet), hat in Zusammensetzungen wie etwa in Siebensachen keinerlei besondere Bedeutung; sie wurde von der Volkssprache lediglich als eine vielleicht besonders auffällige Zahl gewählt (auffällig etwa deshalb, weil die Woche sieben Tage hat). So ist die Rede über alle sieben Berge sein (sieben gleichsam als Verstärkung von alle), und so fügte sich auch der Ausdruck sieben Sachen (früher meist auseinander geschrieben). Häufig hat der Begriff eine etwas abschätzende Bedeutung im Sinne von nicht viel oder armselig, zum Beispiel in der Redensart seine Siebensachen zusammenpacken (sich mit dem wenigen, das man hat, hinwegscheren). Analog dazu kann man im Bairischen und Obersächsischen auch sieben Zwetschgen hören. Als Verkleinerung ist auch Siebensächelchen gebräuchlich. Sielen in den S. sterben: Siele, aber meist im Plural Sielen gebraucht, ist ein hauptsächlich niederdeutsches Wort und gehört zu Seil; es bezeichnet die Zugriemen der Zugtiere, manchmal auch das Pferdekummet. Die Redensart in den Sielen sterben, das heißt mitten in der Arbeit aus dem Leben gerissen werden, geht auf ein Wort Bismarcks zurück: »Ein braves Pferd stirbt in den Sielen« und wurde dann sehr rasch allgemein geläufig. Vorher schon sagte man in den Sielen gehen, nicht aus den Sielen kommen (stets arbeiten).
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Siesta Das spanische Wort bedeutet Mittagsruhe. Es geht auf das lateinische sexta hora (sechste Stunde) zurück; sie war im Altertum die Mittagsstunde. Sintflut nach uns die S.: Der Ausspruch wird der Marquise de Pompadour (1721-1764), der Geliebten des französischen Königs Ludwig XV., in den Mund gelegt. Nach der Schlacht bei Roßbach (1757), in der die Reichsarmee und die Franzosen von Friedrich dem Großen schwer geschlagen wurden, habe die Pompadour gesagt: »Apres nous le deluge« (deutsch: Nach uns die Sintflut). Die Auffassungen widerstreiten sich, ob die einflußreiche Mätresse damit eine Vorahnung der ein Jahrhundertdrittel später eintretenden revolutionären Ereignisse, die das Ende des Ancien regime bedeuteten, zum Ausdruck bringen wollte oder ob dem Ausspruch nur eine frivole Lebensauffassung zugrunde lag. Die Wendung wurde jedenfalls sehr rasch von anderen gebraucht. Dem Wort Sintflut liegt das germanische und althochdeutsche Wort sin (beständig, dauernd, unendlich, gewaltig) zugrunde; im Mittelhochdeutschen hieß es sintvluot, sinvluot. Die Veränderung zu Sündflut (mit Assoziation zu Sünde) während der Luther-Zeit lag freilich bei der Darstellung der menschheitsverschlingenden Überschwemmung als Strafe Gottes nahe. Sisyphusarbeit Sisyphos (lateinisch Sisyphus) war in der griechischen Mythologie König von Ephyra und überaus schlau und listig. Für seine Erdensünden muß er indessen in der Unterwelt einen Fels einen Berg hinaufwälzen, der Fels aber rollt immer wieder herunter, und Sisyphos muß immer wieder neu mit dieser erfolglosen schweren Arbeit beginnen. Sitzen einen s. haben: Dem Wort sitzen wohnt ein starkes Haften an etwas inne. Wenn jemand einen sitzen hat, einen Rausch nämlich, will das ausdrücken, daß er von dem Rausch fest ergriffen ist, daß er ganz tief
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in ihm sitzt. Daß das Wort Rausch dabei entfällt, ist wohl eine gewisse euphemistische Verhüllung, Milderung des derben Bildes. Skat Das Spiel entstand zu Anfang des 19. Jahrhunderts im Altenburgischen und entwickelte sich aus dem älteren Schafkopf (s. d.) Es wurde nach den vor Beginn beiseite gelegten zwei Karten benannt, die dann der »Spieler« erhält. Im Italienischen heißen solche weggelegten Karten scarto, das auch Ausschuß bedeutet (zu scartare: verwerfen, abwerfen). Scarto drang schon vor dem Skatspiel über andere Kartenspiele ins Deutsche ein und schliff sich zu Skat ab. Ski Das Wort ist norwegischer Herkunft und wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts ins Deutsche eingebracht, als das Skifahren populär zu werden begann. Seine eigentliche Bedeutung ist Scheit (die Verwandtschaft wird noch deutlicher durch das althochdeutsche skit für Scheit); es wird auch im Norwegischen wie Schi gesprochen. Skrupel Im Lateinischen bedeutet scrupulus Steinchen (zu scrupuk, spitzer Stein), aber auch Sorge, Bedenken, Besorgnis, Unruhe, ängstlicher Zweifel, scrupulum ist ein kleines Gewicht. Der übertragenen Bedeutung liegt wohl die Vorstellung, daß man die ängstlichen Besorgnisse mit kleinen spitzen Steinen vergleichen kann, dann wohl auch, daß man eine Sache aufs genaueste auswiegt, zugrunde. Slogan das englische slogan heißt zunächst Feldgeschrei, Schlachtruf, dann übertragen Wahlspruch, Losung und schließlich Schlagwort; in letzterer Bedeutung wurde das Wort vor einigen Jahrzehnten ins Deutsche übernommen. Es ist ursprünglich ein gälisches Wort, sluggh-ghairm, das sich aus sluagh (Feind) und gairm (Schrei, Ruf) zusammensetzt.
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Smoking Das Wort ist eine Verkürzung des englischen smoking jacket oder smoking suit (wörtlich Rauchjackett, Rauchanzug, zu to smoke für rauchen), womit ein Gesellschaftsanzug oder Jackett gemeint war, das man nach dem Mittagessen anzog, wenn man sich ins Rauchzimmer zurückzog, um in den Frack keinen Rauchgeruch zu bekommen. Das Wort wurde Anfang des 20. Jahrhunderts ins Deutsche für den etwas bequemeren Gesellschaftsanzug, als es der Frack ist, entlehnt. Socken von den S. sein: Ähnlich wie in der Wendung sich auf die Socken machen (davoneilen) steht auch in dieser stark familiären, schnoddrigen Redensart Socken stellvertretend für Schuhe. Wer von den Socken ist, wurde von der Überraschung gleichsam aus den Socken, das heißt aus den Schuhen gehoben, von ihnen getrennt, ist weg von den Socken. Spanferkel Der Name des noch saugenden oder eben entwöhnten jungen Schweines geht auf ein der neueren Umgangssprache weitgehend verlorenes Wort Span zurück, das eingeengt das Gesäuge des Schweines, früher aber allgemeiner Euter, Mutterbrust bedeutet; dazu gehört das Verb spänen (althochdeutsch spenen) sowohl im Sinn von säugen wie von entwöhnen. Im gleichen Sinn sprach man auch von Spankalb, Spanvieh. Span hatte auch die Bedeutung Muttermilch. Spanisch das kommt mir s. vor: Belege für die Verwendung des Adjektivs spanisch im Sinne von hochmütig, stolz reichen bis in das 17. und 16. Jahrhundert zurück, als die spanischen Habsburger die europäische Politik mitbestimmten und vor allem auch im Deutschen Reich die höfischen Sitten beherrschten. Ein hochmütiges Gesicht nannte man damals ein spanisches Gesicht, unmittelbar abgeleitet von dem hochmütigen Gebaren der Spanier im Gefolge Kaiser Karls V. Dann entwickelte sich diese Verwendung des Wortes spanisch zu der Bedeutung seltsam, fremd, wunderlich, unverständlich.
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Spaß Anfang des 15. Jahrhunderts ist das Wort zum erstenmal als spasso belegt. Diese Form entspricht der Herkunft des Wortes aus dem Italienischen, wo spasso Vergnügen (darsi spasso, sich amüsieren) bedeutet. Über expassare geht das Wort zurück auf das lateinische expassus, dem Partizip von expandere (ausbreiten). Speckseite mit der Wurst nach der S. werfen: Speckseite nennt man das geräucherte Seitenstück des Schweins. Mit der Redewendung ist die Vorstellung, wohl auch die tatsächliche Übung gemeint, mit einer Wurst nach den - höher hängenden - Speckseiten zu werfen, daß eine herunterfällt und man sie heimlich entwenden kann. Eigentlich will die Wendung also ausdrücken: für eine kleinere Gabe eine größere erhalten wollen. Spelunke Das Wort geht auf das lateinische spelunca (Höhle, Grotte) zurück, das sich wiederum vom gleichbedeutenden griechischen spelygx ableitet. Es wurde im 15. Jahrhundert ins Deutsche aufgenommen und hatte zunächst den Sinn von Höhle, Kluft und Hölle. Bei Hans Sachs heißt es von der Grabhöhle Christi »ein Spelunck und ein harter Fels«. Rasch aber engte sich die Bedeutung ein auf ein Haus oder eine Lokalität von schlechtem Ruf, so wie sie sich bis heute gehalten hat. Sperenzchen S. machen: Im Italienischen heißt speranza Hoffnung (das auf lateinisch sperare, hoffen zurückgeht, ebenso mittellateinisch sperantia, sperancia). Davon wurde in der Umgangssprache Sperenzchen übernommen, heute meist nur noch in dieser Form, früher häufig als Sperenzen, Speranzen, Sparanzen, Speranzien, Sperenzien, Sprenzchen; im Oberdeutschen wurde Spranzl früher liebevoll für ein (hoffnungsvolles) Kind gebraucht. Wenn jemand Sperenzchen macht, macht er entweder dem anderen gleichsam unberechtigte Hoffnungen oder schmeichlerische Umstände. Da Sperenzchen machen ein Sträuben oder (Ver-)Zögern enthält, dürfte bei der Ausbildung des Begriffs auch sperren mitgewirkt haben. - 320 -
Spezi Das oberdeutsche Wort ist eine Verkürzung von Spezialfreund, genauso wie das bis ins Mitteldeutsche verbreitete Spezial (Jean Paul: »Auch müssen Sie einen ändern Jean Paul meinen, denn einen kenn' ich von Akademien her recht gut, und er ist mein Spezial«). Das Wort geht zurück auf das lateinische Adjektiv specialis (besonder, eigentümlich), und der Spezi ist denn auch wie der Spezial ein besonderer Freund, was auch spezielle Fälle meinen kann, etwa im Sinne von Zechgenosse. Die Zusammensetzung Speziwirtschaft erlangte in jüngerer Zeit Gültigkeit im Bereich der Politik, wenn von einer besonderen Form der Günstlingswirtschaft unter Parteifreunden die Rede ist, analog zu Vetternwirtschaft. Spicken vorwiegend von Schülern gebrauchtes Wort für heimlich abschreiben. Zwar könnte die Deutung zutreffen, dieser Sinn des Wortes habe sich von spicken in der Bedeutung mit Speck durchziehen oder überhaupt mit etwas versehen her entwickelt, und wahrscheinlich mag das beigetragen haben, denn sich spicken hat auch den Sinn von sich bereichern. Näherliegend scheint indessen die Vermutung zu sein, spicken sei eine Intensivbildung zu spähen; darauf würde auch die allgemeinere Bedeutung heimlich schauen, blicken im Bairischen hindeuten und die Nähe zu bairisch Spechten (spähen, auflauern). Spiegel sich etwas hinter den S. stecken: In allen bäuerlichen und kleinbürgerlichen Wohnungen diente der Spiegel bis in die Gegenwart als Aufbewahrungsort von Schriftstücken und dergleichen. Der Spiegel war in der Wohnstube derart angebracht, daß nur sein unterer Rand an die Wand stieß, oben war er durch Haken und Schnur festgehalten. Der Raum dahinter war ein ganz üblicher Aufbewahrungsort. Sich etwas hinter den Spiegel stecken heißt also, etwas so aufbewahren, daß man es jederzeit hervorholen kann, übertragen: zu den wichtigen Papieren tun. Die Redensart ist übrigens auch im etwas umgekehrten Sinne gebräuchlich: das steckt er sich nicht hinter den Spiegel. Dann meint man,
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das lege er nicht beiseite, denn natürlich wurde manches, das einmal hinter dem Spiegel steckte, vergessen und nicht mehr hervorgeholt. Spielraum Dem Wort spielen liegt der Sinn einer lebhaften Hinundherbewegung zugrunde, Spiel ist ursprünglich Tanz, tänzerische Bewegung. Spielraum hatte zunächst nur technische Bedeutung, so wie es etwa ein Lexikon von 1716 definiert: »Spiel-Raum oder Wind, ist der Unterschied zwischen der Mündung eines Stückes (Geschützes) und dem größten Cirkul der Kugel, die daraus geschossen wird. Man nennet ihn auch den hufft-Raum, die Spielung, das Windspiel«. Das Wort wurde dann aber wesentlich häufiger im übertragenen Sinn gebraucht als Raum, innerhalb dessen sich etwas ungehindert hin und her bewegen, entfalten kann. Spießbürger Ursprünglich wurde so der städtische Bürger, der mit einem Spieß zur Verteidigung seiner Stadt bewaffnet war, genannt. Zum einen enthielt das eine gewisse Auszeichnung, charakterisierte es ihn doch als einen vollgültigen Mann in seiner Gemeinde (in diesem Zusammenhang ist interessant, daß in oberdeutschen Kleinstädten noch im 20. Jahrhundert die wohlhabenderen Bürger Spießer genannt wurden, wenn auch in einem teils verächtlichen Sinn); zum anderen enthielt Spießbürger schon früh einen herabsetzenden Sinn, weil er nur mit einem Spieß, der gewöhnlichsten Waffe, ausgerüstet war und nicht zu Pferde saß. Sehr rasch nahm dann das Wort den heutigen ironischen oder verächtlichen Sinn eines beschränkten, geistig unbeweglichen Menschen an. Ebenso Spießer. Spießruten S. laufen: Mit Spießrute ist eigentlich eine spitze Rute gemeint (genauso wie der Bratspieß eigentlich eine spitze Stange ist). Es vermengt sich indessen hier mit der Waffe des Spießes. »Durch die speiß jagen, als es bey den landtsknächten gebreüchlich« wird als Strafe schon im 16. Jahrhundert erwähnt. Mit Spießen oder Ruten wurde dann bei den Soldaten eine Strafe derart vollzogen, daß der Delinquent zwischen
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zwei Reihen, die damit bewaffnet waren, laufen mußte und damit geschlagen wurde. In Preußen wurde diese Bestrafung 1806, in Österreich und Rußland erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts abgeschafft. Im übertragenen Sinne ist damit gemeint, daß man eine Reihe von Leuten passieren muß, die über einen spotten oder Kritik üben. Spinnefeind Das Wort meint: so feindselig gesinnt sein wie eine Spinne und entstand aus der Beobachtung, daß die Spinnen einander selber anfallen, vor allem die größeren die kleineren töten und aussaugen. Spinnen (verrückt, wirr im Kopf sein): Die Tätigkeit des Spinnens, das heißt des Abspinnens eines Rockens in den Faden, wurde in der Sprache schon früh bildlich für gedankliche Tätigkeit verwandt. Ähnliche Wendungen, zum Beispiel bei Luther, lauten: etwas aus seinem Kopf spinnen, etwas aus eigenem Hirn spinnen. Dabei wurde auch oft ein wirrer Gedanke darunter verstanden. Vor allem die Volkssprache gebrauchte dann spinnen im Sinne von verrückt sein. Spitzbube Spitz bedeutete im Frühneuhochdeutschen soviel wie spitzfindig, überklug, betrügerisch, schlau. Spitzbube ist seit dem 16. Jahrhundert belegt, zunächst vor allem von Falschspielern. Spitzel Spitzel wird 1815 für Österreich als »ein Späher, welcher das, was andere tun, einem Vorgesetzten heimlich zuschwätzt«, definiert. Das Verb spitzen hatte vorher schon auch die Bedeutung lauern entwickelt, »auf etwas spitzen« Erwartungen hegen, und vor allem im Oberdeutschen hatte es diesen Sinn (dazu paßt: die Ohren spitzen, obwohl hier noch konkreter an ein Strecken, um besser zu hören, gedacht ist; dieses Strekken könnte indessen überhaupt der Ausgang dieser Bedeutung von Spitzen gewesen sein). Das reiche Spitzelwesen, das man vor allem in Wien seit der Zeit des Wiener Kongresses und in der Metternich-Zeit
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gewöhnt war, sorgte für eine rasche und ausgiebige Verbreitung des Begriffes Spitzel. Spitzname Spitz hat auch die Bedeutung verletzend, scharf treffend. Daran schloß sich im 17. Jahrhundert Spitzname, zunächst im Sinn eines beleidigenden Namens, später eines Spottnamens, der aber nach wie vor beleidigenden Charakter haben kann. Spleen Das englische spieen bedeutet zum einen Milz, zum anderen Ärger, Verdruß, schlechte Laune, Melancholie, Tick. Es geht über das altfranzösische esplen auf das lateinische spien und von da auf das griechische spien (Milz) zurück. Die Milz wurde früher als der Sitz von Gefühlsbewegungen betrachtet; daher leiten sich die übertragenen Bedeutungen von spieen ab, enger gefaßt davon ausgehend, daß die Erkrankung der Milz schlechte Laune, Wunderlichkeit verursache. Ins Deutsche wurde das Wort im 18. Jahrhundert übernommen. Sporen sich die S. verdienen: Wer für eine außerordentliche Tat zum Ritter geschlagen wurde, erhielt zugleich ein Paar goldene Sporen; »er hatte sie sich verdient«. Goldene Sporen waren Zeichen des Ritters (Ulrich von Lichtenstein: »Er fuort zwen sporn nach golde var«). Das Bild bot sich förmlich zu Übertragungen auf andere Situationen an und findet sich seit langem in Literatur wie Umgangssprache, zum Beispiel bei Treitschke: »Schon ward es zur Regel, daß der strebsame Gymnasiast oder Student sich durch Theaterbesprechungen seine literarischen Sporen verdiente.« Spornstreichs Der Spornstreich ist ein Schlag mit den Sporen, um das Pferd anzutreiben; spornstreichs ist dazu ein adverbialer Genitiv und meint mit Spornstreichen die höchste Eile mit dem Pferd erzielen. Übertragen gilt spornstreichs heute von jeder eiligen Bewegung, Tat, Unternehmung.
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Springen etwas s. lassen: Wenn man eine Geldmünze auf den Tisch wirft, springt sie ein paarmal, bevor sie liegenbleibt. Wenn einer etwas springen läßt, etwa im Wirtshaus den anderen etwas spendiert, wirft er gleichsam in einer großtuerischen Geste ein Geldstück auf den Tisch. Sprit Während Sprit heute allmählich in erster Linie Treibstoff, vor allem Benzin, bedeutet, meinte das Wort zunächst - im 19. Jahrhundert Weingeist oder Alkohol wie auch heute noch. Dem hochprozentigen Alkohol gab man wegen seiner Eigenschaft, sich leicht zu verflüchtigen, den lateinischen Namen Spiritus (Lufthauch, Wind, Atem, Lebenshauch, Geist); in der Umgangssprache wurde er zu Sprit verkürzt. Spritztour Der Begriff spritzen enthält eine rasche, auseinanderstiebende Bewegung, und so ergab sich in der Studentensprache spritzen für: einen Ausflug machen, reiten oder fahren. Das Fuhrwerk, das man zu einem Ausflug mietete, und auch der Ausflug selbst wurden studentisch deshalb Spritze genannt. Analog dazu bildete sich das Substantiv Spritztour für einen kurzen, nicht lang geplanten oder vorbereiteten Ausflug. Sprüche S. machen, reißen: Spruch bedeutet zunächst eigentlich das, was man spricht, das, was auf einmal gesprochen wird; davon abgeleitet meint es die besondere Form des Ausspruchs, wie das aus Zusammensetzungen wie Richtspruch, Trinkspruch zu erkennen ist, und den in eine Form gefaßten Spruch (Wahlspruch, Zauberspruch), hinzu kam noch Spruch für Gedicht (meint man zu jemandem, er solle seinen Spruch oder sein Sprüchlein aufsagen, erteilt man ihm eigentlich das Wort in herablassender Weise, indem man unterstellt, das, was der andere zu sagen habe, habe er wie ein Gedicht auswendig gelernt). Die Wendung Sprüche machen ist erst im letzten Jahrhundert geprägt worden. Indem sie ausdrükken will, daß ein Sprüchemacher prahlerisch redet, übertreibt, unterstellt sie ihm, daß seine Erzählung oder Rede gleichsam wie
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vorgefertigte Sprüche klingt, die er nicht mit eigenem Inhalt auszufüllen vermag. Sprung jemandem auf die Sprünge kommen: Die Fährte eines Wildes wird Sprung (auch Sprünge) genannt. Kommt man jemandem auf die Sprünge, will das ausdrücken, daß man seine Fährte entdeckt hat und damit gleichsam hinter seine Schliche kommt. Staat mit etwas S. machen: Das Wort Staat taucht im späten Mittelhochdeutschen als stat auf im Sinne von Stand, Zustand, Lebensweise, Würde und leitet sich vom lateinischen Status (Stand, Stellung, Verfassung, Zustand, Verhältnisse, Rang) ab. Auch im frühen Neuhochdeutschen bedeutet es noch Stand, Zustand, Lebensführung, Würde, aber auch schon (Kleider-)Pracht. Soweit der Stand des Vermögens gemeint war, entwickelte sich Staat im Sinne von Pracht, Putz weiter, mit dem Hofstaat war der Aufwand eines Fürsten gemeint, bis Staat schließlich im 17. Jahrhundert auch die heutige politische Bedeutung annahm (entsprechend anderen europäischen Sprachen). Die Bedeutung Rang, Stellungführte auch zu Aufwand, Gepränge, und so entstand die Redewendung mit etwas Staat machen. Staat nahm zugleich auch den Sinn von prächtiger Kleidung oder Schmuck an, zum Beispiel sich in Staat werfen, Feiertagsstaat. Staatsaktion Das Wort taucht — meist in der Verbindung Haupt- und Staatsaktion - zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf und bezieht sich zunächst ausschließlich aufs Theater der Wanderkomödianten: Staatsaktion wegen des historischen oder politischen Inhalts, Hauptaktion, weil darauf immer noch ein lustiges Nachspiel folgte. So lautete eine Ankündigung aus dem Jahre 1756: »Eine unvergleichliche, und mit besondern Vorstellungen des Theatri, angefüllte sehenswürdige Haupt- und StaatsAktion . . . betitult: Die unerschrockene Kühnheit eines Helden . . . Mit Hannswurst. . . Den Beschluss macht ein Ballet und eine recht lustige Nach-Comödie«. Auch als die Haupt- und Staatsaktionen noch im
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gleichen Jahrhundert wieder ihr Ende fanden, hielt sich der Begriff. Und es lag nahe, daß er bald erweitert wurde, so daß das Wort, auch unabhängig von der ursprünglichen Staatsaktion gebildet, eine Handlung des Staates oder der Regierung bedeutete. Des öfteren schwingt freilich noch der alte Sinn mit, vor allem in der Redewendung »aus etwas eine Staatsaktion machen«, wobei auch auf das Theatralische angespielt wird, etwa in dem Sinne »ein Theater machen«. Stab über jemanden den S. brechen: Vom Hirtenstab ausgehend, entwickelte sich der Stab zum Symbol der Herrschaft und der richterlichen Gewalt. Wenn nach altem Recht einer zum Tod verurteilt wurde, brach dann der Richter über dem Haupt des Verurteilten einen Stab und warf ihm die Stücke vor die Füße zum Zeichen, daß das Urteil unwiderruflich sei. Im übertragenen Sinne will man heute mit der Redewendung ausdrükken, daß man über jemanden ein endgültiges Urteil gefällt habe. Stachel wider den Stachel locken: Locken ist eigentlich eine etwas gekünstelte Schreibweise, die sich, ebenso wie lacken (so bei Lessing), nur eingebürgert hat, um eine Verwechslung mit lecken (mit der Zunge darüberstreichen) zu vermeiden. Es handelt sich aber um ein Verb lecken, das im Mittelhochdeutschen mit den Füßen ausschlagen, hüpfen und im Frühneuhochdeutschen ebenso mit den Füßen ausschlagen, springen (von Vieh und Mensch), sich tanzend bewegen bedeutete. Luther wählte denn auch bei seiner Bibelübersetzung lecken. In der Apostelgeschichte (9,5 und 26,14) heißt es über Saulus: »Es wird dir schwer werden (sein), wider den Stachel zu lecken«. Das Bild bezieht sich auf den Stachel, mit dem Tiere angetrieben wurden und gegen den sie mit den Füßen lockten, leckten, das heißt ausschlugen. Standard Das Wort gelangte über die Kaufmannssprache im 19. Jahrhundert aus dem Englischen ins Deutsche. Das englische Standard bedeutet Richtmaß, Norm, Regel, Niveau, Maßstab, aber auch Fahne, Standarte. Es wurde unmittelbar aus dem Altfranzösischen übernommen, wo
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estandart, estandard (heute etendard) sowohl Standarte, Flagge, Reiterfahne wie Sammelplatz der Soldaten, Fähnlein (ein Trupp Soldaten) bedeutete. Dem altfranzösischen Wort liegt wahrscheinlich ein nicht belegtes fränkisches standord im Sinne von Aufstellungsplatz zugrunde. Im Englischen entwickelte sich dann aus der Grundbedeutung der Fahne der heutige Sinn. Standpauke Ursprünglich, das heißt seit Anfang des 18. Jahrhunderts, sprach man von Standrede, einer Rede, Ansprache, die im Stehen gehalten wird und in der Regel kurz ist. So wurde Standrede vor allem auch für Grabreden gebraucht oder für kurze Reden bei feierlichen Anlässen überhaupt. Das Wort hatte freilich auch einen tadelnden Klang, indem jemand mit einer Standrede zurechtgewiesen wurde. Von dieser Bedeutung her wurde dann in studentischen Kreisen Standpauke gebildet (vgl. pauken, Pauker), wobei der tadelnde Sinn noch verstärkt durchklingt. Stange jemandem die S. halten: Im mittelalterlichen Zweikampf hielt der den Kampf Beaufsichtigende oder der Sekundant schützend eine Stange über den zu Boden, vom Pferd Gefallenen. Stante pede Lateinisch, wörtlich stehenden Fußes, also unverzüglich, sofort. Star jemandem den S. stechen: Wörtlich meint die Redensart, daß man jemandem den Star (so werden mehrere Augenkrankheiten genannt, von denen die ältere Medizin annahm, daß sie durch einen zu einem Häutchen geronnenen Flüssigkeitstropfen über der Pupille verursacht würden) durch einen Schnitt (Stich) entfernt. Die Operation wird in einem Lexikon von 1721 so beschrieben: »Unter den Heil-Mitteln, die wider den weissen Staar gebrauchet werden, ist das sicherste, das man ihn stechen lasse, d. i. mit einer goldenen Nadel behend in das Auge fahre, und
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das Häutlein für dem Augapffel wegnehme.« Bildlich ist damit gemeint, daß man jemandem die Augen öffne, ihn sehend mache. 1683 jubelte man in Wien höhnisch über den Türken: »Graf Starhemberg (der Verteidiger der Stadt) kann dir den Staar wohl stechen.« In einer volkstümlichen Quelle heißt es (München 1855) »Aber wenn Mann und Weib nur aus Wollust zusammengehen, wie die Pferd und Steinesel, die keinen Verstand haben, denen sticht der Wehestand bald den Staar, sie haben eine fortdauernde Hölle dahier.« Staub sich aus dem S. machen: Mit Staub ist hier eigentlich der Kampfplatz gemeint, den die Kämpfenden im Handgemenge aufwirbeln und der sie umgibt. Wer sich aus dem Staub macht, verläßt also fluchtartig den Kampfplatz. Wie stark Staub mit Kampf getümmel assoziiert wird, zeigt auch der Ausdruck, daß die Gefallenen im Staube liegen. Steckenpferd Das Steckenpferd war zunächst nichts als ein Spielzeug, auf dem die Kinder reiten (zusammengesetzt aus einem Stecken, den man zwischen die Beine nimmt, und einem Pferdekopf) und das bis ins 20. Jahrhundert herein ungemein beliebt war. Im Englischen heißt dieses Spielzeug hobby-horse (vgl. Hobby). Im übertragenen Sinn wurde Steckenpferd dann seit dem 18. Jahrhundert gebraucht, als es durch die Übersetzung von Laurence Sternes Roman »Tristram Shandy« in dieser Bedeutung bekannt wurde (in einem zeitgenössischen Gedicht Leopold Friedrich von Goeckingks heißt es: »Der vielgeliebte Sterne sprach Schandy kaum von Steckenpferden, so schwazt ihm alles schon von Steckenpferden nach«). Stegreif aus dem S.: Stegreif ist ursprünglich der Steigbügel, so althochdeutsch stegareif, mittelhochdeutsch steg(e)reif; im Frühneuhochdeutschen bedeutete die Redensart mit dem köpf in Stegreif treten gehenkt werden, auch steigreif war nun gebräuchlich. Im 17./18. Jahrhundert wurde Stegreif im konkreten Sinn von Steigbügel abgelöst. Im 17. Jahrhundert bildete sich die heutige Redewendung aus. Ausgangspunkt ist wohl die
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Wendung: einen Entschluß aus dem Stegreif fassen. Gemeint ist, daß man schon zu Pferde sitzt und rasch, ohne Vorüberlegung, etwas von sich gibt, übertragen eine Rede, ein Gedicht und dergleichen. Stein St. des Anstoßes: Der Stein wurde wegen seiner Eigenschaften der Schwere und der Härte immer gern zu vielen Vergleichen und Bildern herangezogen. So übersetzte auch Luther im Buch Jesaja (8, 13—15): »Heiliget den Herrn Zebaoth. Den lasset eure Furcht und Schrecken sein, so wird er ein Heiligtum sein, aber ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Ärgernisses den beiden Häusern Israel, zum Strick und Fall den Bürgern zu Jerusalem, daß ihrer viele sich daran stoßen, fallen, zerbrechen, verstrickt und gefangen werden.« Ebenso ist im 1. Brief des Petrus (2, 8) von einem Stein des Anstoßes die Rede. Stein bei jemandem einen S. im Brett haben: Die Wendung rührt von Brettspielen her, bei denen es gilt, mit Spielsteinen die Felder des Gegners zu erobern. Nun würde die Wendung eigentlich einen Widersinn ergeben, denn wenn man bei jemandem, das heißt dem Gegner, einen Stein im Brett hat, wäre das kein Grund, bei ihm gut angeschrieben zu sein, so daß er einem seine Gunst zuwendete. Sie dürfte aber wohl zunächst ohne Bezug auf eine andere Person gebraucht worden sein, etwa bei Agricola: »Ich hab' einen guten Stein im Brett« oder bei Egenolf: »Wer vor großen Herren und Räthen zuschaffen hat, und hat jemandt, der sein Sach trewlich fördert und treibt, der hat einen guten Stein im Brett.« Hier ist hinsichtlich des Brettspiels keine Sinnwidrigkeit enthalten, und von hier aus dürfte dann die Ergänzung auf jemanden stattgefunden haben. Stein den ersten S. auf jemanden werfen: Die Redensart will ausdrücken, daß jemand, der als erster einen anderen einer Schuld bezichtigt, selber nicht frei von Schuld sei und also eigentlich gar keinen Grund hätte, sich gegen den anderen zu wenden. Sie lehnt sich an die biblische Erzählung an, in der berichtet wird, daß die Schriftgelehrten und Pharisäer eine
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Ehebrecherin vor Jesus brachten, um ihn »zu versuchen, auf daß sie eine Sache wider ihn hätten«. Jesus aber sprach zu ihnen: »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den Stein auf sie.« Das Steinigen war eine in der Antike weit verbreitete Art der Vollstreckung des Todesurteils. Häufig sagt man auch in freierem Gebrauch einen Stein auf jemanden werfen für ihn einer Schuld bezichtigen (Bismarck: »Sie haben die Schwere des Steins, den Sie auf die Regierung werfen, nicht ermessen«). Stein der Weisen So nannten die Alchimisten einen wunderbaren Stoff, der nach ihrer Meinung eine Mischung zu Gold verwandelte und nach dem sie vergeblich suchten. Die alchimistische experimentelle Beschäftigung war stark mit magischen Vorstellungen durchsetzt. Übertragen stellt man sich darunter gleichsam ein Zaubermittel vor, das ein Problem zu lösen imstande ist. Steinreich Wiewohl man vermuten könnte, daß sich das Wort Stein hier auf Edelsteine beziehe, dient es doch nur der Intensivierung von reich. Wortbildungen mit stein- als Verstärkung sind seit dem 18. Jahrhundert häufig anzutreffen, z. B. steinalbern, steinehrbar, steinfromm, steingrob, steinsatt, steinstolz; bei manchen von ihnen scheinen freilich Eigenschaften des Steines zusätzliche Unterstützung zu leihen. Stentorstimme Stentor ist ein Held in Homers »Ilias«; er hatte eine Stimme, die so laut war wie die von fünfzig Männern zusammen. Der Ausdruck meint heute eine sehr kräftige Stimme. Sterbenswörtchen Sterbenswort ist eigentlich das Wort eines Sterbenden; so wurde es noch im 17. Jahrhundert verstanden. Im 18. Jahrhundert wandelte es sich dann zum heutigen Begriff: ein leises, verlöschendes, gleichsam sterbendes (ersterbendes) Wort. Der Ausdruck wird heute in der Regel nur noch verneint (kein Sterbenswort) gebraucht, um auszudrücken, daß
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auch nicht das geringste gesagt wird; die Verkleinerung Sterbenswörtchen oder Sterbenswörtlein intensiviert das noch. Sternhagelvoll Stern dient in einer Reihe von Zusammensetzungen zur Charakterisierung der Trunkenheit als steigerndes Präfix. Zugrunde liegt die Vorstellung, daß ein Betrunkener voll (von Alkohol) ist; dieser Zustand wird dann mit dem vollen Sternhimmel verglichen (so wie man von einer sternvollen Nacht spricht). So tauchte als erste dieser Bildungen sternvoll auf (zum Beispiel bei Grimmeishausen: ». . . welcher in der Nachbarschaft einen Schmaus hatte und er erst in der Nacht sternvoll gesoffen heimkam«). Zu dieser Bildung fügten sich weitere Steigerungen, wobei etwa wie in Sternhagelvoll auf andere Naturelemente zurückgegriffen wurde, so auch sternblitzvoll. Auch andere beliebige Wörter, die kräftig genug erschienen, wurden herangezogen wie in sternhagelgranatenvoll oder sternblindvoll, sternbuttenvoll (Rosegger: »sternbuttenvolle Räusche«). Und auch das Grundwort voll wurde dann ausgetauscht wie, ebenfalls bei Rosegger zum Beispiel, sternhageldicker Rausch oder wie sternhagelbesoffen und auch wiederum nur sternbesoffen oder sternblau. Von solchen Zusammensetzungen leitete sich dann Stern auch als alleinstehender Ausdruck für Rausch in Mundarten ab. Übrigens kann sternvoll auch zur Darstellung anderer Zustände dienen; so heißt es etwa im Bairischen sternvolldreck für über und über beschmutzt. Stich jemanden, etwas im Stich lassen: Stich gilt hier als Synonym für Kampf (der mit Stichwaffen ausgetragen wird). Aller Wahrscheinlichkeit nach geht die Redewendung auf das ritterliche Turnier zurück, wo einer, der es verläßt, seine Genossen im Stich läßt. Stichprobe Das öffnen eines Schmelzofens nennt man Stich; der Ofen wird angestochen, um die Schmelzmasse freizugeben. Ursprünglich war die Stichprobe jene Probe, die man dann mit einem Löffel der Schmelzmasse entnahm, um ihren Metallgehalt zu prüfen. Als sehr plastisches
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Bild übertrug sich dann der Begriff auf alle möglichen Proben, bei denen von einem willkürlich gewählten Teil auf die Qualität des Ganzen geschlossen wird. Stichwort Das Wort wurde im 15. Jahrhundert geprägt, bedeutete aber ein stichelndes Wort, ein spöttisches, hämisches Wort; im gleichen Sinn gab es auch die Stichrede. Vom 17. Jahrhundert an wurde das Wort immer seltener gebraucht, bis es im 19. Jahrhundert gänzlich verloren ging. Inzwischen aber hatte sich im 18. Jahrhundert ein anderes Stichwort entwickelt, das gleichsam aus einem Zusammenhang oder einer Reihe herausgestochene Wort: es meinte zunächst Begriffe aus einer Lehre, das letzte Wort eines Schauspielers auf der Bühne als Einsatz für den folgenden (so heute auch übertragen: auf ein Stichwort); dann im späten 19. Jahrhundert schließlich notierte Wörter, Gedanken für eine schriftliche Arbeit oder Rede (Stichwörter notieren) und die Wörter eines Nachschlagewerkes. Stiefel einen S. vertragen können: Stiefel nennt man ein gläsernes Trinkgefäß, das die Form eines bis zum Knie reichenden Stiefels hat und vor allem in studentischen Kreisen bis in die Gegenwart seine Beliebtheit bewahrt hat. Gewöhnlich geht das Gefäß reihum, aber immerhin, wer aus so großen Krügen trinkt (die Stiefel fassen heute noch bis zu drei Litern), muß schon sehr trinkfest sein und etwas vertragen können. Manchenorts bezeichnete Stiefel dann verschiedene Getränkemaße. Stiefel einen S. zusammenreden: Die Redensart drückt aus, daß jemand Unsinn redet. Es ließe sich dabei an eine Deformierung von Stil denken (vor allem auch in der Wendung einen Stiefel zusammenschreiben). Doch ist es wahrscheinlicher, daß die Wendung ihren Ausgang bei dem derben Schuhzeug nahm. In verschiedenen Ausprägungen im Sinne von »seinen Stiefel fortmachen« ist dieser konkrete Sinn erkennbar: seinen Stiefel nach Hause gehen, seinen Stiefel gehen, seinen Stiefel ruhig fortreiten. Auch bei den mehr übertragenen Bedeutungen läßt sich an das
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derbe, unbekümmerte, wohl auch hanebüchene, nicht belehrbare Auftreten mit Stiefeln denken, so daß schließlich Stiefel zum Begriff für eine unbeholfene, unsinnige Sache werden konnte. Unterstützt wird diese Auffassung auch durch die häufige Hinzufügung von Adverbien der Richtung: seinen Stiefel wegarbeiten, seinen Stiefel fortleben und ähnliches. Stoffel Stoffel (auch Stoffel) ist eigentlich die Kurzform des männlichen Vornamens Christoph (der wiederum aus Christophorus verkürzt wurde und früher auch in der Form Christoffel gebräuchlich war). Christoph und seine Koseform Stoffel waren früher (und Christoph ist es heute noch) sehr beliebte Vornamen, so daß allein schon daran, analog zu anderen häufigen Vornamen wie Hans (vgl. Hanswurst und Schmalhans), sich eine appellative Bedeutung hätte ausprägen können. In diesem Fall kam aber hinzu, daß auch die bildliche Darstellung des heiligen Christophorus, eines der vierzehn Nothelfer, der das Christuskind über das reißende Wasser trägt, sehr stark verbreitet war (nach dem Volksglauben hat der einen guten Tag, der beim Aufstehen sein Bild sieht, und Christophorus gilt auch als Helfer gegen einen raschen unbußfertigen Tod). Der Heilige wurde (und wird) in der Regel als riesengroßer, ungeschlachter Mensch dargestellt. An dieses Bild knüpfte die Phantasie bei der Ausprägung des Namens Stoffel zum Appellativum für einen ungehobelten, tölpelhaften Menschen an. Goethe stellte ihn ganz als unbeholfen dar: Daß Glück ihm günstig sei, was hilft's dem Stoffel? Denn regnet's Brei, fehlt ihm der Löffel.« Stottern Das Wort ist niederdeutscher Herkunft und hat in der jüngsten Schriftsprache andere Wörter, die diesen Sprachfehler ausdrücken, wie das oberdeutsche gatzen, verdrängt. Stottern gehört zu stoßen, so wie man nicht nur heute noch mit der Zunge anstoßen sagt, sondern wie es früher auch direkt stoßen in der red hieß. Davon leitete sich das Verb abstottern (in Raten zahlen) ab, angelehnt an die gleichsam nur in Bruchstücken erfolgende Rede; das Stottern einer Maschine bezieht sich darauf, daß der Redefluß des Stotterers unregelmäßig ist.
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Stränge wenn alle S. reißen: Bei von Tieren gezogenen Fuhrwerken kann es vorkommen, daß die »Stränge«, die die Zugtiere mit dem Fuhrwerk verbinden, durch zu große Belastung reißen, wodurch die Weiterfahrt zunächst unmöglich wird. Die Redewendung schließt allerdings ein, daß man dann immer noch ein Hilfsmittel weiß. Stränge über die S. schlagen: Wenn Pferde im Gespann wild werden, schlagen sie mit den Beinen über die sie mit dem Fuhrwerk verbindenden Stränge und versuchen durchzugehen. Strecke jemanden zur S. bringen. Strecke nennt man das erlegte Wild nach eine größeren Jagd; die Tiere werden in einer Reihe hingelegt, das Ganze heißt Strecke. Das Bild wird freilich noch von dem Ausdruck jemanden niederstrecken (ihn gleichsam zu Boden werfen und dadurch kampfunfähig machen, töten) beeinflußt. Streich jemandem einen S. spielen: Streich ist zunächst der Hieb oder Schlag (zurückgehend auf die indogermanische Wurzel ster, streifen, streichen, eine fortgesetzte, gleichsam strichähnliche Bewegung machen). Auch im übertragenen Sinn bedeutete Streich dann Hieb oder Schlag, und davon leitete sich Streich als überraschende Handlung gegen jemanden ab (so auch Staatsstreich, Handstreich). Das Verb spielen (vgl. Spielraum) wird in häufiger Weise von Tätigkeiten gebraucht, die mit einem eigentlichen Spiel wenig zu tun haben, aber mit ihm verglichen werden, so auch einen Streich spielen (das Schicksal spielt ihm einen Streich). Streß Das englische stress für Anspannung, Anstrengung, gewaltiger Druck wurde in den fünfziger Jahren in diesen Bedeutungen ins Deutsche übernommen, vor allem im medizinischen Sinn, um eine Überlastung
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körperlicher oder psychischer Art zu kennzeichnen (zu der problematischen Schreibung mit ß vgl. Boß); das entsprechende englische Verb to stress meint allgemeiner Gewicht legen auf, betonen, im angezogenen Sinn: einem Druck aussetzen. Stress geht zurück auf das altfranzösische estrece (Enge), das über das vulgärlateinische estrictia, strictia aus lateinisch strictus (eng, straff, stramm) gebildet wurde. Strich auf den S. gehen: Seit dem 17. Jahrhundert ist in der familiären Umgangssprache diese Wendung für sich prostituieren belegt; im weiteren Sinne versteht man heute darunter allgemein die Prostitution, im engeren die Straßenprostitution im Gegensatz zu der in geschlossenen Häusern (in letzterem Sinn bedeutet Strich oder Strichstraße die Straße, auch das Viertel, in dem die Straßendirnen ihrem Gewerbe nachgehen). Strich hat u. a. die Bedeutung von Weg, den man macht oder einschlägt (so heißt es etwa bei Heinse, Ende des 18. Jahrhunderts: »Auf meinem Strich durch Deutschland«, und bei Schiller: »Ich habe schon einen artigen Strich durch die Welt gemacht«). Analog dazu heißt es im Schwäbischen von den Landstreichern: auf dem Strich sein, auf den Strich gehen. Diesem Strich liegt streichen im Sinne von umherstreifen, vagieren zugrunde (Landstreicher); es wurde dann auch auf den Weg und das Umherstreifen (Streichen) der Dirnen angewandt. Die Meinung, Strich habe sich von Schnepfenstrich abgeleitet, läßt sich demgegenüber nicht halten; es ist statt dessen anzunehmen, daß Frauen, die auf den Strich gehen, nur im Vergleich mit dem Schnepfenstrich in jüngerer Zeit dann Schnepfen genannt wurden. Strich etwas geht einem gegen den S.: Die Haare des Menschen und vor allem der Tiere wachsen, liegen in einer bestimmten gemeinsamen Richtung (so spricht man zum Beispiel vom Gegenstrich beim Rasieren, wodurch die Barthaare leichter angehoben und abgeschnitten werden können). Gegen den Strich bedeutete nun zunächst überhaupt gegen den gleichsam normalen Lauf der Dinge (Lichtenberg: »Je härter es wider den Strich geht, desto getreuer muß man gegen sich selbst sein«). Wenn einem etwas gegen den Strich geht, denkt man aber noch konkreter an
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das Unbehagen, das einem das Streicheln gegen den Strich der Haare verursacht. Strich nach S. und Faden: Strich nennt man die Fadenrichtung eines Gewebes; die Redensart meint aber wohl die beiden sich kreuzenden Faden- oder Strichrichtungen eines Gewebes, Kette und Einschlag oder Kette und Schuß. Tut man etwas nach Strich und Faden, tut man es gewissermaßen gründlich, tüchtig, weil man genau nach Strich und Faden vorgeht. Demgegenüber dürfte die Vermutung, daß damit der Faden gemeint sei, mit dem der Zimmermann einen Strich zieht, um genau zu hauen oder zu sägen, wohl zurücktreten, obgleich auch dies eine Genauigkeit, Gründlichkeit einschließen würde und Zimmerleute, Maurer und andere Handwerker nach Schnur und Faden arbeiten. Strohwitwe Stroh gilt in der früheren Sprache vielfach für Bett, das heißt für die Lagerstatt aus Stroh oder verkürzt für den Strohsack, der vor der Einführung der Matratze die hauptsächliche Ruhestatt war. Eine Strohwitwe ist eine Frau, deren Mann für einige Zeit abwesend ist, die also auf dem Stroh allein gelassen ist. Das Wort ist indessen erst in jüngeren Jahrhunderten belegt, und es gehen ihm ähnliche Bezeichnungen voraus: vor allem Graswitwe, das auf eine außereheliche erotische Beziehung anspielt, wobei die Verbindung mit Gras überhaupt vielfach uneheliche Erotik umschreibt, so auch im Englischen grass-widow. Erst in jüngerer Zeit reduzierte sich die dem Wort innewohnende Anspielung auf die geschlechtliche Beziehung, wenn sie auch nicht ganz verlorenging. Stück große St.e auf jemanden halten: Die Fügung »große Stücke« hatte früher auch die Bedeutung von viel (zur Entwicklung von Stück vgl. ein starkes Stück). Zumindest beeinflußt wurde die Redewendung aber dann auch von der Sprache der Spieler, in der mit den großen Stücken der Einsatz gemeint war, den man auf jemanden bietet, hält (weil man ihn für den Gewinner hält) oder den man auf etwas bietet oder hält. Es
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ist weniger wahrscheinlich, daß damit ganz konkret die (großen) Geldstücke gemeint waren. Stück ein starkes S.: Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Stück ist Abgehauenes. In diesem Sinn stellt es sowohl den Teil eines Ganzen dar wie auch, daraus entwickelt, selber ein Ganzes, das nicht mehr in Beziehung zu einem Größeren steht, ein einzelnes von vielen anderen Dingen gleicher Art. Von letzterem trennte sich Stück wiederum insofern ab, als dann nicht mehr die Betonung auf dem Zusammenhang mit vielen einzelnen Dingen gleicher Art liegt. Auf dieser Basis konnte Stück ganz allgemein Ding, Sache bedeuten, einerseits ganz konkret im Sinn von Gegenstand (»jedes einzelne Stück im Zimmer«), andererseits in vielfältigen Übertragungen (Matthäusevangelium, 15, 19-20: »Denn aus dem Herzen kommen arge Gedanken: Mord, Ehebruch, Hurerei, Dieberei, falsch Zeugnis, Lästerung. Das sind Stücke, die den Menschen verunreinigen«). Bedeutungen wie Ding, Sache, Angelegenheit hatte Stück so schon im Mittelhochdeutschen. Sehr viele Bedeutungen von Stück bildeten sich im Sinn von Tat, Tun, Handlung heraus; so nennt man etwa eine Handlung, die besondere Kunstfertigkeit verlangt, Kunststück. Verbunden mit entsprechenden Adjektiven bedeutete dann Stück auch eine negative Handlung; bei Fischart heißt es im 16. Jahrhundert zum Beispiel: »So laßt er nit sein arge stück; er wird gewiß zu theil dem strick« (ebenso hieß es: faules, grobes, krummes stück, also noch bezogen auf das Tun, nicht wie heute auf die Person). Genauso versteht man heute unter dem Ausdruck »ein starkes Stück« eine Unerhörtheit, Unverschämtheit; ein schweres Stück liefern bedeutete früher eine Dummheit begehen. Stuhl jemandem den S. vor die Tür setzen: Heute bedeutet die Redewendung mit jemandem das Dienstverhältnis lösen, jemanden aus dem Hause jagen. Zugrunde liegt aller Wahrscheinlichkeit nach eine symbolische Handlung aus dem Rechtswesen, daß bei einer Enteignung dem früheren Eigentümer ein Stuhl vor die Tür gestellt wurde, auf den er sich setzen mußte, womit die Enteignung vollzogen war.
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Stümper Das Wort ist im Mittelhochdeutschen bereits im Sinne von Schwächling belegt und hatte lang nur die Bedeutung eines schwachen, wegen seiner mißlichen Lage bemitleideten oder verachteten, körperlich gebrechlichen Menschen; es ist aufs nächste verwandt mit Stumpf und Stumpen. Im 17. Jahrhundert übernimmt es dann auch die Bedeutung des Substantivs Stümpler, womit ein Pfuscher, unsachgemäß Handelnder gemeint war, ein Wort, das ebenfalls zu Stump- und wahrscheinlich auch zu stümmeln gehört. Stur Im Mittelniederdeutschen bedeutete stur groß, schwer, von Personen auch störrig, widerspenstig, lästig; im Althochdeutschen war das Adjektiv stur für groß, stark vorhanden. Im 16. und 17. Jahrhundert tauchte das Wort in der Form Stauer im Hochdeutschen auf, zumeist bei norddeutschen Autoren, und hatte die Bedeutung rauh, unfreundlich, grimmig, ist aber wohl schon hier aus dem Niederdeutschen entnommen. Erneut aus dem Niederdeutschen stammte dann im 19. Jahrhundert das heutige stur in ähnlichen Bedeutungen. Sturm S. im Wasserglas: Montesquieu nannte die Wirren in San Marino, dem winzigen Staat auf der Apenninenhalbinsel, »une tempete dans un verre d'eau« (wörtlich ein Sturm in einem Wasserglas). Der Ausdruck wurde sprichwörtlich. Ähnliche Vergleiche waren allerdings schon dem Altertum nicht fremd, etwa das römische »einen Sturm im Schöpflöffel erregen.« Stuß Das hebräische schtuth heißt Dummheit, Torheit, woher das jiddische schtus (Narrheit, Torheit, Unsinn) stammt, das dann ins Deutsche einging.
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Sündenbabel Seit der Schlacht bei Karkemisch im Jahre 605 vor Christus gehörte Juda zum Machtbereich Babyloniens. Nach Aufstandsversuchen wurden 587 Stadt und Tempel Jerusalem von Nebukadnezar zerstört und große Teile der jüdischen Bevölkerung in die »Babylonische Gefangenschaft« geführt. Erst ein halbes Jahrhundert später konnte die Rückwanderung der in Babylonien nicht assimilierten Juden in das nun zu Persien gehörende Judäa stattfinden. Seit ihrer Gefangenschaft galt Babylon den Juden als eine Statt der Gottlosigkeit und der Sittenverderbnis. So wurde Babel (wie Babylon im deutschen biblischen Sprachgebrauch heißt) zum Symbol für eine Großstadt, die von Ausschweifungen und Verbrechen beherrscht wird. Es ist schon in der Offenbarung des Johannes die Rede von der »großen Babylon, der Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden« (17, 5). Analog dazu erhielt Paris um die Mitte des 19. Jahrhunderts, als es wegen seiner frivolen Lebensweise in aller Welt bekannt (und gerühmt) wurde, den Schimpfnamen Seinebabel. Sündenbock In vielen Religionen herrscht die Vorstellung, daß die Sünde auf ein anderes Wesen übertragen werden könne. Damit ist auch die Geschichte vom Sündenbock im Alten Testament in Verbindung zu bringen. Im 16. Kapitel des 3. Buches Mose wird erzählt, daß Gott Aaron befohlen habe, zwei Ziegenböcke zum Sündopfer zu nehmen; den einen solle er als Opfer schlachten, den anderen aber für Asasel in der Wüste lassen. Asasel ist nach einigen jüdischen Schrifterklärern ein Wüstendämon, nach anderen bedeutet das Wort nur »weit wegkommend«, vielleicht Einöde. Über den für Asasel bestimmten Bock jedenfalls heißt es dann: »Und wenn er (Aaron) vollbracht hat das Versöhnen des Heiligtums und der Hütte des Stifts und des Altars, so soll er den lebendigen Bock herzubringen. Da soll denn Aaron seine beiden Hände auf sein Haupt legen und bekennen auf ihn alle Missetat der Kinder Israel und alle ihre Übertretung in allen ihren Sünden, und soll sie dem Bock auf das Haupt legen und ihn durch einen Mann, der bereit ist, in die Wüste laufen lassen, daß also der Bock alle ihre Missetat auf sich in eine Wildnis trage.«
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Süßholz S. raspeln: Süßholz ist eine in Südeuropa und Mittelasien beheimatete Staude, deren süßschmeckende Wurzel zur Bereitung von Hustentee und zum Süßen verwendet wird; ihr eingedickter, festgewordener Saft ergibt Lakritze. Es war schon sehr früh auch in Deutschland bekannt und war Gegenstand mancher übertragener Ausdrucksweise. So sagte man Süßholz in den Mund, ins Maul nehmen für schmeicheln (Hans Sachs: »Pehilff dich nur mit solchen possen und nem nur süesholz in den mund«). Unter Süßholz raspeln stellt man sich vor, daß jemand so schmeichlerisch spricht, wie wenn er mit der Raspel von einer Süßholzwurzel genießbare kleine Stücke abreibt, um sie dem ändern zu servieren.
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T Tabu Im Polynesischen (Tonga) bedeutet tabu gekennzeichnet. Gemeint ist die Kennzeichnung einer Sache als nicht berührbar, unantastbar. Als tabu wird in primitiven Stammesreligionen etwas aufgefaßt, von dem man glaubt, daß die Berührung mit ihm Gefahren in sich trage, sei es, weil etwa eine Person (zum Beispiel der polynesische Häuptling) derart von heiliger Kraft erfüllt sei, daß der gewöhnliche Mensch davon Schaden litte, sei es, weil etwas als unrein gilt (zum Beispiel die Frau während der Menstruation). Tabuvorstellungen gibt es in vielen Religionen, auch das Verbot des Schweinefleisches für Moslems gehört dazu (das Schwein gilt als unrein). Über das Englische (taboo) und das Französische (tabou) gelangte das Wort in die europäischen Sprachen. Tadel ohne Furcht und T.: Die heute praktisch allein noch übliche Bedeutung von Tadel - Vorwurf als Gegensatz zu Lob — entwickelte sich erst im Neuhochdeutschen. Im Mittelhochdeutschen hatte Tadel den Sinn von Fehler, Makel, Gebrechen, und zwar sowohl in körperlicher wie geistiger Hinsicht. Auf die letztere, geistige Fehlerhaftigkeit bezieht sich die formelhafte Wendung, etwa »ein Ritter ohne Furcht und Tadel«. So heißt es auch noch bei Schiller: »Weil er jederzeit ein stiller und ordentlicher Mensch gewesen und nie ein Tadel an ihm gefunden war.« Tagedieb Der Tag wird als ein Geschenk Gottes aufgefaßt; wer ihn mit Faulenzerei verbringt, stiehlt gleichsam Gott den Tag, weil er ihn nicht mit einer sinnvollen Tätigkeit ausfüllt. Das dazu gehörende Verb tagdieben ist heute nicht mehr gebräuchlich.
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Talisman Im Griechischen bedeutete telesma zunächst geweihter Gegenstand, in byzantinischer Zeit dann Fetisch, Zauber. So übernahm es das Arabische, wo dann tilsam, tilasm (Plural tilsaman, tilisman) ebenfalls Zauberbild meinte. Der Plural des arabischen Wortes wurde im Spanischen zu talismän und gelangte über französisch talisman in der heutigen Bedeutung eines Gegenstandes, der zauberkräftig wirkt und vor allem beschützt, ins Deutsche. Tantalusqualen In der griechischen Mythologie war Tantalus König in Lydien oder Phrygien. Die Götter stürzten ihn in die Unterwelt, weil er ihr Vertrauen getäuscht hatte. Dort war er zu ewigem Durst und Hunger verurteilt: Wenn er trinken wollte, wich das Wasser zurück, obwohl er mitten darin stand, ebenso entzogen sich ihm die Zweige, wenn er von ihnen Früchte nehmen wollte. Tapet eine Sache aufs T. bringen: Das Wort Tapet (ebenso Tapete) geht auf griechisch tapes (Teppich, Decke) zurück; im Lateinischen wurde daraus tapetum (ebenso wie tapes und tapete). Neben anderen deckenartigen Teppichen nannte man früher auch die Tischdecke Tapet und übertrug dann das Wort auch auf den Tisch eines Beratungszimmers, vermutlich wegen der üblichen großen grünen Decke. Der gleiche Vorgangvollzog sich im Französischen, wo tapis mit der gleichen Herkunft ebenfalls Decke und Überzug bedeutet, aber auch den grünen Tisch selber meint. Analog zur französischen Redewendung mettre une affaire sur le tapis bürgerte sich dann auch im Deutschen diese Redeweise ein: eine Sache kommt gleichsam auf den amtlichen Tisch, Beratungstisch. Tarantel wie von der T. gestochen: Die Tarantel ist eine südeuropäische, bis zu fünf Zentimeter lange Wolfsspinne, deren Biß ungefährliche Entzündungen hervorruft. Die Spinne wurde nach der süditalienischen Stadt Taranto (deutsch Tarent) tarantola benannt; die gleiche Redensart fin-
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det sich im Italienischen: aver la tarantola, nicht ruhig bleiben können; auch der Volkstanz Tarantella wurde danach benannt. Die Tarantel war übrigens schon dem Mittelhochdeutschen bekannt als tarant (Skorpion, Tarantel; auch ein Belagerungswerkzeug hieß so). Tasse nicht alle T.n im Schrank haben: Der Volksmund bedient sich manchen kühnen Bildes, um den schlechten Geisteszustand eines Menschen zu charakterisieren. Viele davon spielen auf das Gehirn als ein Gehäuse an, in dem die Geisteskräfte gleichsam gegenständlich geordnet und aufbewahrt werden. Eine der jüngeren Wendungen dieser Art ist: nicht alle Tassen im Schrank haben. Die Assoziation ging so vor sich: Tassen sind ein wichtiger Haushaltsgegenstand; ihr Aufbewahrungsort ist der Schrank; es zeugt von Unordentlichkeit, wenn die Tassen nicht alle dort geordnet stehen; ähnlich unordentlich muß es in dem Gehirn eines Menschen von durcheinandergeratenem Geist aussehen. Tatarennachricht Die Tataren (falscherweise häufig Tartaren genannt, vielleicht in Anlehnung an den griechischen Tartarus, den Abgrund, in den Zeus seine Gegner stürzte) waren ursprünglich ein mongolisches Volk, das sich dann mit Turkvölkern vermischte und in Westsibirien, aber auch im europäischen Rußland siedelte. Als Reitervolk stellten sie bei den Türken wie bei den Russen die berittenen Eilboten, und ein solcher Tatar brachte angeblich im Oktober 1854 die Nachricht nach Bukarest, die Russen hätten die Festung Sebastopol übergeben (im Krieg der Türkei, Englands und Frankreichs gegen Rußland, dem Krimkrieg). Die Börsen reagierten entsprechend; die Nachricht stellte sich indessen als falsch heraus. Seither nennt man eine falsche Meldung, die gewaltiges Aufsehen erregt und entsprechende Konsequenzen hat, Tatarennachricht. Tätowieren Im Tahitischen bedeutete tatau Zeichen, Malerei; der Brauch des Tätowierens ist in der Südsee weit verbreitet. Über das französische tatouer und das englische tattoo (beide bedeuten tätowieren), gelangte das Wort ins Deutsche. - 344 -
Tausendsasa Sa oder auch verdoppelt sä sä ist ein schon im Mittelhochdeutschen belegter Hetzruf für Hunde und wird dann zu einem allgemeinen Ausruf des Antreibens, identisch mit dem französischen ca, das ebenfalls ermunternden Charakter hat. Ihm wurde tausend als Steigerung vorausgestellt: die im 18. und 19. Jahrhundert häufige Form tausend sä sä! drückte Verwunderung, auch leichten Unmut aus. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts wurde dieser Ausruf dann in seiner heutigen Bedeutung substantiviert. Team Im Englischen, von wo das Wort ins Deutsche aufgenommen wurde, bedeutet team neben Mannschaft, Abteilung, Schicht zunächst Zug, Gespann; teamster ist der Fuhrmann. Familie (auch Nachkommenschaft) und Gespann war schon der Sinn des altenglischen Wortes team. Es ist verwandt mit dem althochdeutschen zoum (Zügel, Zaum, Strick), ebenso altisländisch taumr (Zaum); ursprüngliche Bedeutung ist also: das, was an einem Zaum hängt, Gespann. Techtelmechtel Allem Anschein nach eine im Österreichischen vollzogene Einbürgerung des italienischen teco meco (mit dir, mit mir), womit das heimliche Getue unter vier Augen gemeint ist. Teddybär Das überaus verbreitete Kinderspielzeug, ein brauner Plüschbär, wurde in Amerika etwa um 1907 teddy bear (bear ist englisch für Bär) genannt. Teddy ist die englische Koseform von Theodore, und die Benennung erfolgte mit deutlicher Beziehung zu Theodore Roosevelt, der 1901-1909 Präsident der USA war und eine sehr große Popularität genoß. Teenager Im Englischen enden die Zahlen dreizehn bis neunzehn jeweils auf -teen (thirteen, fourteen . ..), age bedeutet Alter. Teenager sind also alle
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Dreizehn- bis Neunzehnjährigen. Das Wort gelangte erst nach dem Zweiten Weltkrieg ins Deutsche und ist eine ähnliche Bildung wie Twen (s. A). Teint Das französische teint bedeutet Färbung, Gesichts-, Hautfarbe und ist das substantivierte Partizip zu teindre (färben). Es geht zurück auf das lateinische Verb tingere (Partizip tinctum) für benetzen, bestreichen, eintauchen, färben. Im Deutschen hat tingere auch das Wort Tinte ergeben (althochdeutsch tincta), das vom Mittellateinischen tincta für gefärbte Flüssigkeit übernommen wurde. Tempel hinaus zum T.!: Der Ausruf, mit dem jemand aufgefordert wird, auf schnellste Weise zu verschwinden, sich zu entfernen, weil man ihn nicht sehen will, geht auf die Evangelien zurück. So wird bei Johannes (2, 13-15) berichtet: »Und der Juden Ostern war nahe, und Jesus zog hinauf gen Jerusalem. Und er fand im Tempel sitzen, die da Ochsen, Schafe und Tauben feil hatten, und die Wechsler. Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus.« So sagt man auch jemanden zum Tempel hinaustreiben. Tennis Das Spiel und mit ihm das Wort hat sich von England aus allgemein verbreitet. Das englische Wort tennis ist indessen französischer Herkunft: der Imperativ tenez, fangt!, haltet! (von tenir, halten), also zunächst ein Zuruf desjenigen, der den Ball abgibt, an denjenigen, der ihn fangen oder parieren, zurückgeben soll, bei Ballspielen, wo der Ball hinund hergeschlagen wird. Solche Vorläufer des heutigen Tennis wurden in England schon im späten Mittelalter gespielt, als die Gesellschaft noch unmittelbar mit dem Französischen, das seit dem 11. Jahrhundert auf die Insel gekommen war, vertraut war.
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Test Unter der Vielzahl von englischen Wörtern, die in den letzten Jahrzehnten ins Deutsche entlehnt wurden, ließ sich kaum ein anderes so mühelos einbürgern wie lest, was die Leichtigkeit beweist, mit der ein entsprechendes Verb testen und sein Partizip getestet gebildet werden konnten. Test bedeutet im Englischen vornehmlich Probe, Stichprobe, Analyse, Versuch, Eignungsprüfung, aber auch Versuchstiegel. Letzteres ist der Ausgang aller heutigen Bedeutungen: das altfranzösische test bedeutete irdener Topf und dann auch einen Tiegel für alchimistische Versuche (von lateinisch testum, Schüssel, Geschirr). Teufel armer T.: An und für sich will der Ausdruck für einen überhaupt oder in einem bestimmten Bezug armen Menschen (angewandt auch auf einen, der in einer bestimmten Situation schlecht daran ist) ziemlich sinnwidrig erscheinen, denn so sehr der Teufel auch das Böse darstellt, möchte man zunächst annehmen, daß er nicht als arm erscheint. Doch scheinen in dem Bild Furcht und Verachtung gegenüber dem Teufel von der Vorstellung zurückgedrängt, daß das absolut Böse, dessen Symbol der Teufel ist, doch letzten Endes bemitleidenswert ist. So heißt es einmal etwa, der Teufel sei arm, denn er habe weder Leib noch Seele. Man bezeichnet im übrigen einen armen Menschen auch als armen Wicht; Wicht aber nahm auch die Bedeutung Teufel an (s. Wicht), und so mochte man ebenso von einem armen Teufel reden. Teufel den T. durch Beelzebub austreiben: Im Matthäusevangelium (12) wird berichtet, wie Christus einen Besessenen, der blind und stumm war, heilte; aber die Pharisäer urteilten darüber: »Er treibt die Teufel nicht anders aus denn durch Beelzebub, der Teufel Obersten.« Der Spruch machte sich selbständig und meint heute ein Übel durch ein anderes oder noch schlimmeres Übel beseitigen. Beelzebub ist der hebräische Baal-Sebub, wörtlich der Herr der Fliegen, womit der Teufelsfürst bezeichnet wurde.
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Teufel in des T.s Küche kommen: Die Hölle wurde auch als die Küche des Teufels aufgefaßt, wie aus einem Zitat bei Fischart (16. Jahrhundert) deutlich zu erkennen ist: ». . . daß die teufel auß höll und fegfeuer ein küchin gebauet haben, darinn sie ir seelen nach irem willen sieden, bachen und braten«. So hieß der Teufel selber früher auch wie etwa in einem Fastnachtsspiel »der koch in der hell«. Wer in des Teufels Küche kommt, gerät also in die schlimmste Situation. Teufel der T. ist los: In der Bibel (Offenbarung 20) heißt es: »Und ich sah einen Engel vom Himmel fahren, der hatte den Schlüssel zum Abgrund und eine große Kette in seiner Hand. Und er griff den Drachen, die alte Schlange, welche ist der Teufel und Satan, und band ihn tausend Jahre und warf ihn in den Abgrund und verschloß ihn und versiegelte darauf, daß er nicht mehr verführen sollte die Heiden, bis daß vollendet würden tausend Jahre; und darnach muß er los werden eine kleine Zeit.« Und im gleichen Kapitel: »Und wenn tausend Jahre vollendet sind, wird der Satanas los werden aus seinem Gefängnis.« Erst am Ende der Tage wird Gott die Herrschaft des Teufels für immer vernichten. So dachte sich auch der Volksmund den Teufel als gebunden, aber von Fall zu Fall losgeworden, worauf jeweils die Hölle anhebt, übertragen auf irgendein schreckliches Durcheinander, einen chaotischen Wirrwarr oder eine andere nicht so leicht zu meisternde Unruhe. Im 16. Jahrhundert steht dafür etwa zu lesen: »Wann der teuffei ledig würt, so hüet dich«. Tinte T. gesoffen haben: Es ist eine geläufige Redensart, jemanden, der etwas echt oder scheinbar Albernes tut, ironisch zu fragen: Du hast wohl Tinte gesoffen. Jahrhundertelang war die Tinte das wertvollste und dauerhafteste Schreibmaterial, und wenn die Vorstellung, daß jemandes Geisteskraft durch einen Trunk aus dem Tintenfaß gelitten hätte, auch irreal war, hatte der Vergleich doch um so mehr die Kraft des Drastischen. Im übrigen kam es zu der Zeit, da in der Schule noch mit der einfachen Stahlfeder geschrieben wurde und deshalb an jedem Platz in der Schulbank ein Tintenglas eingelassen war, durchaus vor, daß sich
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ein Schüler mit einer Wette oder gegen eine Entlohnung darauf einließ, das Glas auszutrinken. Tinte in der T. sitzen: So wie sich Patsche als Schmutz oder Kot zum Vergleich für eine mißliche Situation anbietet (s. Patsche, in der P. sitzen), tut das auch die undurchsichtige, überaus beschmutzende Tinte. Schon im 16. Jahrhundert war das Bild gebräuchlich (Kayserberg: »Du bist voller sünd, du steckst mitten in der tincten«). Tipptopp Im Englischen bedeutet tiptop höchste Spitze, Gipfel, das Beste, Höchste; es ist eine Zusammenfügung von tip (äußerstes Ende, Spitze, Gipfel) und top (oberster Teil, Spitze, Gipfel) und damit eine Verdoppelung des Begriffs, um die absolute Spitze auszudrücken. Das Wort fand gegen Ende des 19. Jahrhunderts Aufnahme ins Deutsche über das Hamburgische und konnte um so eher heimisch werden, als es sich mit dem niederdeutschen topp (das etwa höchste Spitze bedeutet, zum Beispiel in der Seemannssprache die Spitze des Mastbaums) deckt und auch das Wort tipp dem Deutschen nicht fremd ist. Tirade sich in T.n ergehen: Im Französischen bedeutet tirade wörtlich länger andauerndes Ziehen und dann längere Stelle eines Werkes (Dramas) und phrasenhafter Worterguß, Wortschwall, so wie man das im 18. Jahrhundert übernommene Wort auch im Deutschen versteht. Es leitet sich von dem italienischen tirata (Ziehen, Zug, Tirade) ab, einem Substantiv, das zu dem Verb tirare (französische Entsprechung tirer) gebildet ist und ziehen bedeutet. Tisch vom grünen T. aus entscheiden: Grünes Tuch war bis in die Gegenwart vielfach der übliche Belag von Schreibtischen, Amtszimmertischen, vor allem auch der großen Tische, an denen Sitzungen und Beratungen abgehalten wurden. Da die Bürokratie zu allen Zeiten in dem Ruf stand,
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oft wirklichkeitsfremde Entscheidungen zu fällen, Beschlüsse, die an einem solchen grünen Tisch gefaßt wurden, wurde die Entscheidung am grünen Tisch oder vom grünen Tisch aus sprichwörtlich für eine praxisfremde Maßnahme. Tischtuch das T. zerschneiden: Das Tischtuch zwischen zwei Menschen zerschneiden bedeutet, daß jede Bindung zwischen ihnen als völlig gelöst gilt. Aller Wahrscheinlichkeit nach liegt dem Vorgang ein alter Rechtsbrauch zugrunde, daß bei einer Ehescheidung die sich trennenden Partner zwischen sich ein Leintuch zerschnitten. Bekannt ist die Szene zwischen dem Grafen Eberhard dem Greiner von Württemberg und seinem Sohn Ulrich: Nachdem Ulrich die Schlacht bei Reutlingen (1377) verloren hatte und schimpflich entronnen war, zerschnitt der Vater zwischen sich und dem Sohn das Tischtuch, um auszudrücken, daß er nichts mehr mit ihm gemein haben wolle. Uhland faßte die Begebenheit in die Worte: »Dem Vater gegenüber sitzt Ulrich an dem Tisch, er schlägt die Augen nieder; man bringt ihm Wein und Fisch; da faßt der Greis ein Messer und spricht kein Wort dabei und schneidet zwischen beiden das Tafeltuch entzwei.« Tohuwabohu In der Bibel heißt es »Und die Erde war wüst und leer« (1. Mose l, 2). Mit wüst und leer übersetzte Luther das hebräische tohu wa-bohu. Die Gelehrtensprache übernahm den Begriff dann auch hebräisch ins Deutsche, wo es heute Durcheinander, Wirrwarr, Chaos bedeutet. Toilette Zugrunde liegt das lateinische tela (Gewebe), woraus im Französischen toile (Leinwand, Leinen, Gewebe) wurde; toilette ist die Verkleinerungsform zu toile und bedeutet eigentlich kleines Tuch, Putztischtuch, Tüchlein. Mit toilette bezeichnete man zunächst das auf den Tisch gebreitete Tuch, auf dem Waschzeug und Geräte der Haarpflege lagen. Dann nahm das Wort auch die Bedeutung der Tätigkeiten, die man damit ausführt, also des Waschens und Kämmens, und schließlich generell die der Kleidung und Haartracht an. In diesem Sinn wurde toilette ins
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Deutsche entlehnt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts bürgerte es sich dann ein, einen Abort mit Waschraum und schließlich überhaupt den Abort in schamhafter Verhüllung Toilette zu nennen. Tolpatsch Aus dem Ungarischen. Talp heißt im Ungarischen Fußsohle; dazu gehört das Adjektiv talpas (ungefähr gesprochen tolposch), das zunächst breitfüßig bedeutete, dann aber auch arme Leute, die nur zu Fuß gehen konnten, bezeichnete und schließlich die ungarischen Fußsoldaten scherzhaft oder spöttisch benannte. Im Deutschen bezog sich das Wort zunächst auf einen ungarischen oder slawischen Soldaten in österreichischen Diensten, der nur mangelhaft Deutsch sprechen konnte (1698 ist es in der Form tolbatz schon belegt), dann nahm es generell den Sinn dummer, ungeschickter, tölpelhafter Mensch an. Tomate Obwohl die Pflanze bereits im 16. Jahrhundert aus ihrer ursprünglichen Heimat in Mittel- und Südamerika nach Europa gebracht wurde, dauerte es bis ins 19. Jahrhundert, bis sich in Deutschland ihr eigentlicher Name einbürgerte. Das lange Zeit nur als Zierpflanze verwendete Nachtschattengewächs trug Namen wie Goldapfel, Liebesapfel, Paradiesapfel (so noch bairisch-österreichisch). Auch in Frankreich hieß die Tomate früher pomme d'amour (Liebesapfel); erst 1835 akzeptierte die Academie francaise das Wort tomate. Ebenfalls im 19. Jahrhundert, als die Tomate auch in der Küche Verwendung fand, bürgerte sich im Deutschen ihr heutiger Name ein. Tomate, vom Deutschen in der französischen Form übernommen, geht auf den mexikanisch-indianischen Namen der Pflanze zurück: tomatl, von tomana (wachsen, schwellen). Toto Eine Abkürzung von Totalisator, die erst in den letzten Jahrzehnten in Gebrauch kam und seine volkstümliche Verbreitung durch das Fußballtoto erhielt. Totalisator nennt man die Wettstelle auf Pferderennplätzen; das Wort leitet sich vom französischen totaliser ab, das addieren, zusammenzählen bedeutet und das auf das lateinische totalis (gänzlich) zurückgeht.
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Tracht eine T. Prügel: Tracht leitet sich von tragen ab und meinte zunächst das Tragen und Getragenwerden (gottestracht etwa nannte man das Herumtragen von Gottesbildern), später auch das, was getragen wird. Im letzteren Sinne entwickelte Tracht eine Reihe von Bedeutungen, die heute wieder veraltet oder vergessen sind; so nannte man im Friihneuhochdeutschen etwa die aufgetragene Speise, speziell den Gang einer Mahlzeit tracht (Kaysersberg: »Da die obersten sitzen, da muß man ein tracht me haben dann mitten im tisch«). Daran lehnte sich Tracht Prügel an, indem man die Prügel (gleichsam die Portion Prügel) ironisch als Gericht oder Gang einer Mahlzeit interpretierte. Trance Häufig wird das Wort im Deutschen nasal ausgesprochen, dem offensichtlich das Mißverständnis zugrunde liegt, es stamme aus dem Französischen. In Wirklichkeit wurde das Wort Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Englischen übernommen (und sollte deshalb konsequenterweise auch englisch ausgesprochen werden). Trance bedeutet im Englischen schlaf ähnlicher Entrückungszustand (eines Mediums), Ekstase, Verzückung. Freilich geht trance auf ein altfranzösisches transe zurück, das Verscheiden, Angstzustand bedeutet und von dem Verb transir (verscheiden, hinübergehen) gebildet wurde (im heutigen Französisch bedeutet transe Angst, Bangigkeit, etre en transe, dans les transes de la mort in Todesängsten sein, was also nichts mit der englisch-deutschen Bedeutung von Trance mehr zu tun hat). Traufe vom Regen in die T. kommen: Traufe gehört zum Stamm von triefen und bezeichnet jene Stelle am Dach, an der das gesammelte Regenwasser herunterspritzt. Wer vor dem Regen Schutz an der Hauswand unter dem Dach sucht und sich gerade dorthin stellt, wo die Traufe ist, wird noch nässer, ist also ein besonders vom Mißgeschick heimgesuchter Mensch.
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Treppenwitz Eine wörtliche Übersetzung des gleichbedeutenden französischen esprit d'escalier, die seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Deutschen gebräuchlich ist. Ursprünglicher Sinn des Begriffes ist ein Witz, auf den man erst kommt, wenn man seinen Besuch, sein Gespräch schon beendet hat und man bereits wieder auf der Treppe ist. Tretmühle Wo Wasser- oder Windeskraft fehlten, mußten die Mühlen durch tierische oder menschliche Kraft bewegt werden, eine ebenso monotone wie anstrengende Tätigkeit, die meist mittels eines Tretrades ausgeführt wurde. Im übertragenen Sinne wurde Tretmühle für eine schwere, unaufhörliche, aufreibende Arbeit, vor allem im 19. Jahrhundert, verwandt, was sicher damit zusammenhängt, daß einerseits mit der Dampfkraft und dann auch mit der Elektrizität die eigentliche Tretmühle allmählich überflüssig wurde, andererseits mit dem Aufkommen sozialistischer Gedanken solche Schwerstarbeit allmählich als menschenunwürdig empfunden wurde. Bismarck: »Drei schöne Tage in Wald und Jagd und dann wieder in die Tretmühle.« Lasalle: »Wenn der deutsche Arbeiterstand einen solchen Tretmühlenrundgang sollte anstellen wollen, so wird die Zeit bis zur wirklichen Verbesserung seiner Lage noch lange dauern.« Trimmen sich t.: Das englische Verb to trim bedeutet ordnen, in Ordnung bringen, zurechtmachen; das Substantiv trim heißt Ordnung, richtiger Zustand, richtige körperliche oder seelische Verfassung (in fine trim: in bester Verfassung). Zugrunde liegt das altenglische trum (fest, sicher), von dem sich das altenglische trymman (befestigen, stärken, in Ordnung bringen) ableitete. Trim findet vor allem in der Seemannssprache reiche Anwendung, und von hier aus wurde es im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts auch in die deutsche Seemannssprache entlehnt. Das Substantiv Trimm bedeutet bester Zustand des Schiffes oder seiner Teile zur Fahrt; es wurde bald auch übertragen gebraucht (in Trimm halten: in Zucht halten). Das Verb trimmen meint das Schiff und seine Teile in Ordnung bringen (eingeengt auch: die Ladung trimmen, sie
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richtig stauen; »zur Verhütung des Übergehens von Steinkohlenladungen ist auf gutes Trimmen zu achten«, heißt es in einer Unfallverhütungsvorschrift; Kohlen trimmen heißt auf dem Schiff Kohlen schaufeln). Der Seemann sagte bald auch sich trimmen für sich saubermachen, die Haare schneiden. Seit Ende der sechziger Jahre sorgte die öffentlich propagierte Gesundheitsaktion »Trimm dich fit« für eine weitere Verbreitung des Wortes. Trinkgeld Das Wort ist seit dem 14. Jahrhundert überliefert und hatte zunächst auch die Bedeutung Zeche, Zechschuld (so lautete ein Schöffenspruch: »Wer trinkgelt auf den ändern erstet (schuldig bleibt), der schol ym das gelten in dreyn tagen, wann an dem virden tage hilfet der richtet wol pfandes dorum«; ebenso verstand man auf schweizerischem Gebiet darunter einen Geldbetrag, der vertrunken wurde, um einen Kauf zu besiegeln. Genauso alt ist aber auch schon die heutige Bedeutung. Ein Vers aus dem Jahre 1656 gibt eine gewisse Begründung: »Wie kompts, daß ein gemeiner Mann umb Trinckgelt pflegt zu bitten? Auff Essegelt begehrts er nichts. Es sind noch teutsche Sitten.« Trocken auf dem trocknen sitzen, auf dem trocknen sein: Ursprünglicher Sinn der Wendung ist, daß ein Schiff aufgelaufen ist und mangels Wasser nicht flottgemacht werden kann. So betrachtet sich auch der Seemann, der keine Heuer hat und deshalb an Geldnot leidet, als auf dem trocknen sitzend. Trübsal T. blasen: Analog zu dem nicht mehr geläufigen Trauer blasen geht die Wendung aller Wahrscheinlichkeit nach auf die einen Trauerfall verkündende Blasmusik vom Kirchturm zurück. Tuch wie ein rotes T. auf jemanden wirken: Das Bild leitet sich vom Stierkampf ab, bei dem der Stier in der Arena mit einem roten Tuch gereizt
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wird und daraufhin in immer größere Wut und Kampfeslust gerät. Es soll indessen gar nicht die rote Farbe sein, sondern das heftige Flattern des Tuches (das freilich durch das Rot noch mehr ins Auge fällt), das das Tier aufbringt. Tuchfühlung Wenn die Soldaten antreten, müssen sie so nahe aneinanderstehen, daß sie links und rechts von sich das Tuch des Nebenmannes fühlen, eine Vorschrift, die man auf Tuchfühlung gehen nennt. Auf Tuchfühlung mit einer Person oder Sache sein heißt also ganz nahe, in engem Kontakt sein. Tugend aus der Not eine T. machen: In der heutigen Sprache hat Tugend vornehmlich einen sittlichen Sinn, so wie er unter dem Einfluß des Christentums ausgebildet wurde. Ursprünglich leitete sich das Wort indessen allgemeiner von dem Begriff der Tauglichkeit, Brauchbarkeit ab, und in diesem allgemeineren Sinn ist Tugend in der Redewendung zu verstehen. Sie ist eine Übersetzung des lateinischen Sprichworts facere de necessitate virtutem, was das gleiche bedeutet und etwa beim Kirchenvater Hieronymus vorkommt, in dem Sinne, daß man aus einem Mangel einen Wert mache. Türmen Im Sinne von fliehen hat das Verb türmen nichts mit Turm zu tun; das aus der Gaunersprache stammende Wort mag sich vielleicht in seiner Form an Turm angeglichen haben (vielfach war das Gefängnis ein Turm), geht aber auf das hebräische tharam (entfernen) zurück. Twen Twen ist eine Abkürzung des englischen twenty (zwanzig); die Zahlen 21 bis 29 beginnen im Englischen jeweils mit Twenty (twenty-one, twenty-two . . .). Unter Twen versteht man alle Zwanzig- bis Neunundzwanzigjährigen. Das Wort ist dem Begriff Teenager (s. d.) ver-
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gleichbar und ebenso wie dieses erst in den fünfziger Jahren in Gebrauch gekommen. TZ bis zum TZ: Ähnlich wie man »von A bis Z« sagt und damit Vollständigkeit, Gänze ausdrücken will (vom ersten bis zum letzten Buchstaben), gebraucht man auch die Redensart »bis zum Tz«, vermutlich deshalb, weil man tz als eine Verdoppelung von z auffaßt (was in der Aussprache auch richtig ist) und so gleichermaßen das äußerste Ende des Alphabets ausdrückt. »Bis ins Tz« kann dabei auch die letztmögliche Deutlichkeit im Detail meinen.
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U Umsatteln Eigentlich ist gemeint das Pferd wechseln, wozu es notwendig ist, den Sattel vom einen auf das andere zu legen (»Daß diese Post unterwegens ein paar Mal umgesattelt und frische Pferde genommen«, heißt es in einem Zitat aus dem Jahre 1670). Das Wort wurde jedoch schon immer vorwiegend übertragen gebraucht, früher auch im Sinne einer Meinungs- oder Gesinnungsänderung, heute in der Regel nur noch bei Berufswechsel und ähnlichem. Unbedarft Das mittelniederdeutsche unbederve hatte den Sinn von untüchtig (bederve bedeutete tüchtig und entsprach dem hochdeutschen bieder). Daraus wurde das heutige unbedarft, das nicht vor dem 20. Jahrhundert vom Hochdeutschen aufgenommen worden ist. Unberufen Wenn man etwa von einer Sache sagt, sie sei unberufen die beste, gebraucht man das Adverb unberufen gleichsam als Beschwörungsformel in der Vorstellung, man wolle das gar nicht besonders erwähnen, »berufen«, um sie nicht gerade dadurch schlechtzumachen, Rest einer abergläubischen Denkweise, die fürchtet, durch das Lob die guten Eigenschaften zu verschreien«. So zum Beispiel bei Fontäne: »Übrigens ist sie, unberufen und unbeschrien, recht gut.« Unentwegt Im Mittelhochdeutschen bedeutete das Verb entwegen soviel wie scheiden, trennen. Dennoch blieb das Wort unentwegt bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Schweiz beschränkt. Im Schweizer Deutsch
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meint entwegen von der Stelle rücken; dazu gehört entwegt für unruhig. Unentwegt ist das Gegenteil davon, bedeutet also beharrlich, stetig. Unflat Im Mittelhochdeutschen gab es sowohl unvlat (Schmutz, Unsauberkeit, Unreinigkeit; dazu das Adjektiv unvlaetic, schmutzig, unsauber, unrein) wie vlat (Sauberkeit, Zierlichkeit, Schönheit; Adjektiv dazu war vlaetic, sauber, zierlich schön). Zu Fiat, das im Neuhochdeutschen aber nur in der Verneinung Unflat erhalten geblieben ist, stellt sich das Verb flaien (althochdeutschflawjan), das waschen, auswaschen, reinigen bedeutet und in Mundarten noch erhalten ist. Ungefähr (nicht) von u. kommen: Das Wort ungefähr ist verhältnismäßig jung. Im Mittelhochdeutschen gebrauchte man ane gevaere in der Bedeutung ohne Hinterhalt, aufrichtig (gevaere meint Hinterlist, Hinterhalt, Betrug). Im Frühneuhochdeutschen wurde daraus ongefer im Sinne von ohne böse Absicht, zufällig, wobei zum Teil die Silbe o(h)n noch deutlich als ohne erkennbar war, die dann aber zur reinen Vorsilbe un wurde; indessen dauerte es bis ins 19. Jahrhundert, bis sich die Form ungefähr endgültig durchgesetzt hatte. Im 16. Jahrhundert verblaßte in dieser Zusammensetzung dann auch beim Hauptteil des Wortes die Bedeutung Absicht, Arg, Hinterlist und meinte dem Sinne nach so viel wie etwas Absichtsloses, Zufälliges; der Sinn von etwa (ungefähr hundert für etwa hundert) dürfte sich auf der Basis der Vorstellung, daß Ungenaues ohne Absicht sei, entwickelt haben, vor allem in der Rechtsund Geschäftssprache seit dem 13. Jahrhundert. In der Wendung etwas komme (nicht) von ungefähr hat sich ein Teil der älteren Bedeutungen erhalten: sie meint, etwas komme (nicht) ohne Veranlassung, zufällig, von nichts. Ungeschoren jemanden u. lassen: Die Grundbedeutung von scheren ist abschneiden zurück bis zur indogermanischen Wurzel (s)ker für schneiden. Das Wort entwickelte die mannigfaltigsten Bedeutungen; so meinte scheren beispielsweise im Frühneuhochdeutschen auch jemanden um das Seine
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bringen, schlagen (Hans Sachs: »Die Köchin hat mir sauber gschorn mit dem Kochlöffel«), auch den Feind schlagen. Von Bedeutungen dieser Richtung (wozu auch noch scheren im Sinne von ausbeuten, vermutlich angelehnt an das Scheren der Schafe, beeinflussend gewirkt haben mag) leitete sich ungeschoren lassen im Sinne von unverletzt, unangetastet, unbeeinträchtigt lassen ab. Ungestüm Das althochdeutsche ungistuomi und das mittelhochdeutsche ungestiieme bedeuteten stürmisch; als Gegensatz stellt sich dazu das mittelhochdeutsche gestüeme im Sinne von sanft, still (das Wort ist mit stemmen verwandt). Während das nicht verneinte Adjektiv im Neuhochdeutschen verloren ging, blieb ungestüm erhalten und behielt auch seine Bedeutung bei. Ein Beispiel wie stürmisch ungestüm sein kann liefert Hans Sachs: »Wie süß und lieblich sey der most, ydoch sey er ungestüm und stost den fessern spünd und poden auß.« Ungläubiger Thomas Der Apostel Thomas zweifelte an der Auferstehung Christi, wenn er nicht die Wundmale sähe und seine Hand in die Seite Christi lege. Als ihm dann Christus erschien, war er überzeugt, und Christus sagte zu ihm: »Dieweil du mich gesehen hast, Thomas, so glaubest du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!« (Johannesevangelium, 20. Kapitel). Danach nennt man jemanden, der erst glauben will, wenn er etwas gesehen hat, dann auch im weiteren Sinne einen, der an allem zweifelt, einen ungläubigen Thomas. Unpässlich Paß bedeutete in früherer Sprache angemessener Zustand, Angemessenheit (aus französisch pas; vgl. zupaß kommen). So sagte man zupasse sein für gesund sein (angemessen und nach Wunsch sich befinden). Das Adjektiv päßlich wurde für angemessen, auch willkommen gebraucht (Logau: »Wann eine Wurst reicht alldahin, wo diese Meilen fort sich ziehn, wie würde mancher fleißig beißen und diese Meilen päßlich heißen«). Das Gegenteil von Paß war Unpaß in der Wendung zu Unpaß
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(Ungelegenheit) in Gebrauch; unpäßlich (nicht wohl sein) entwickelte sich als Adjektiv dazu. Unschuld seine Hände in U. waschen: Das Bild stammt aus der Bibel. Im 5. Buch Mose (21. Kapitel) heißt es, wenn man einen von Unbekannten Erschlagenen finde, sollen die Ältesten der nächstgelegenen Stadt einer jungen Kuh den Hals brechen und beim Erschlagenen über sie die Hände waschen und sagen: »Unsre Hände haben dies Blut nicht vergossen, so haben's auch unsre Augen nicht gesehen. Sei gnädig deinem Volk Israel, das du, Herr, erlöst hast; lege nicht das unschuldige Blut auf dein Volk Israel!« Zweimal findet sich daraufhin im Psalter (26, 6 und 73, 13) mit der Wendung die Hände in Unschuld waschen die Beteuerung der Freiheit von Schuld. Und schließlich bediente sich Pontius Pilatus dieses Brauches, als er Jesus Christus dem Kreuzestod überantwortete: Er nahm Wasser »und wusch die Hände vor dem Volk und sprach: >Ich bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten; sehet ihr zu!<« Uriasbrief Uria war ein Hethiter und verheiratet mit Bath-Seba; König David begehrte, wie in der Bibel erzählt wird (zweites Buch Samuel 11), die Frau. David schickte Uria in den Kampf mit einem Brief an Joab, in dem geschrieben stand: »Stellt Uria an den Streit, da er am härtesten ist, und wendet euch hinter ihm ab, daß er erschlagen werde und sterbe.« Uria verlor das Leben. Danach nennt man einen Brief, der für den Überbringer Schlechtes enthält, Uriasbrief. Urlaub Der ursprüngliche Sinn des Wortes war Erlaubnis. So hieß urloub, urlub im Althochdeutschen Erlaubnis, Billigung, aber auch schon Urlaub, Abschied. Im Mittelhochdeutschen prägte sich die Bedeutung die Erlaubnis zu gehen, Verabschiedung, Abschied neben Erlaubnis stärker aus (von einem urlob nemen, sich von ihm verabschieden; urlouben, Erlaubnis wozu geben, erlauben, gestatten). Auch das frühe Neuhochdeutsch verwendet urlaub im Sinne einer Erlaubnis zu gehen, auch einer
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Dispens von Eid und Pflicht; mit urlaub bedeutete: wenn ich so sagen darf (mit Verlaub), ferner Urlaub geben (entlassen), urlaub hinder der tür nemen (sich wegstehlen). Altertümelnd heißt es noch in den im 19. Jahrhundert aufgezeichneten Sagen der Brüder Grimm zum Beispiel: »Als er so allein saß, kam eine edle Jungfrau, die seine Hunde sah und ihn fragte, mit wessen Urlaub er in ihrem Walde jage«, oder bei Grillparzer: »Und so entkleid' ich denn, mit deinem Urlaub, mich all der Würden, Ämter und Gewalt«, also noch ganz im Sinne von Erlaubnis. Die Tendenz des Wortes aber, sich mehr und mehr auf die Erlaubnis, ein Dienstverhältnis zu verlassen, dann zeitweilig zu verlassen, zu beschränken, behauptete sich schließlich einzig und allein. Urständ fröhliche U.: Im Althochdeutschen bedeuteten irstantan, urstantan erstehen, sich erheben. Von diesen Verben leiteten geistliche Gelehrte der althochdeutschen Zeit mehrere Substantive ab, die den lateinischen Begriff resurrectio (heute allgemein nur noch Auferstehung) wiedergeben sollten: urstant, urstendi, urstendida, irstandini, urstendidi. Im Mittelhochdeutschen wurde daraus urstende, ein Substantiv weiblichen wie sächlichn Geschlechts. Im Frühneuhochdeutschen hieß die Auferstehung allgemein urstend(e), sehr oft schon unter Wegfall des Endvokals. Das Wort hielt sich hauptsächlich im Oberdeutschen, wurde aber im letzten Jahrhundert wieder schriftsprachlich belebt. Seit dem Mittelhochdeutschen bedeutete es neben der religiösen Auferstehung auch allgemeiner Aufstehen, Hervorkommen, Wiedererneuerung; heute hat es seinen religiösen Sinn ganz abgelegt und wird fast ausschließlich formelhaft mit dem Adjektiv fröhlich gebraucht. Utopie Im Jahre 1516 veröffentlichte der englische Staatsmann und Humanist Thomas Morus, Lordkanzler Heinrichs VIII., seine Schrift über einen Idealzustand auf Erden in einem phantastischen Staat. Er gab diesem Land den Namen Utopia; das Wort bildete Morus aus den griechischen Wörtern ou (nicht) und topos (Ort); Utopia bedeutete also Nirgendheim, Nirgendreich, Nirgendort. Das Wort ging rasch in alle Kultursprachen ein und nahm dann auch den übertragenen Sinn von Hirngespinst, nicht realisierbarer politischer Idee an.
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V Va banque v. spielen: Die Fachausdrücke des Roulettspiels sind französisch; der Ruf va banque bedeutet, es gilt die ganze Bank, es geht um die Bank, das heißt, es wird auf einmal um den ganzen Bankeinsatz gespielt. Darin liegt naturgemäß ein ungewöhnlich großes Risiko. Übertragen meint va banque spielen, alles auf eine Karte setzen, aufs Ganze gehen, mit der Möglichkeit, entweder alles zu gewinnen oder alles zu verlieren. Vamp Das Englische entnahm das Wort vampire (Vampir) dem Deutschen (vgl. Vampir). Es charakterisierte dann auch eine schöne, aber skrupellose Frau, die Männer verführt und sie dann ruiniert als vampire. In der Umgangssprache des 20. Jahrhunderts wurde das Wort dann zu vamp abgekürzt; in der speziellen Bedeutung einer Schauspielerin (vor allem des Films), die die Rollen solcher skupelloser schöner Frauen spielt, kam das Wort dann wieder nach Deutschland. Vampir Der Aberglauben, daß es Verstorbene gebe, die nachts aus dem Grab steigen, um von Lebenden das Blut auszusaugen, entwickelte sich auf dem Balkan (so stammt auch eine der bekanntesten Vampirgestalten, der Dracula in Bram Stokers gleichnamigem Roman, aus Rumänien). Das Wort Vampir entstammt dem Serbischen (vampir) und gelangte mit der Kenntnis des Volksglaubens in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Deutschland.
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Vandalen wie die V. hausen: Im Jahre 455 plünderte der germanische Stamm der Vandalen unter König Geiserich vierzehn Tage lang Rom. Die Erinnerung daran hielt sich bei den romanischen Völkern durch das ganze Mittelalter; sie werden vor allem in altfranzösischen Heldengedichten oft erwähnt; in einer Reimchronik aus dem Jahre 1325 werden sie »ein ungläubiges Volk, voll von Frevelmut« genannt. Im 18. Jahrhundert werden sie dann geradezu sprichwörtlich für Kirchenräuber, und 1794 prägte dann der Bischof von Blois in einem Bericht an den Konvent das Wort Vandalismus (Vandalisme) mit dem speziellen Sinn des Kunstfrevels hinsichtlich der Jakobiner. Es ist indessen sicher, daß die Vandalen damals zwar gründlich plünderten, daß man ihnen aber zu Unrecht die barbarische Zerstörung von Kunstwerken nachsagt. Aus dem Kunstwort Vandalismus leitete dann die Umgangssprache die Redewendung wie die Vandalen hausen ab. Veitstanz einen V. aufführen: Veitstanz ist ein Volkswort für Muskelzuckungen, Muskelunruhe, auch in Verbindung mit Sprachstörungen und Verblödung. Er wurde nach dem heiligen Vitus (der Vorname Veit leitet sich von Vitus ab) benannt und ist eine Übersetzung des das gleiche bedeutenden lateinischen Ausdrucks chorea Sancti Viti (Chortanz, Reigen des heiligen Vitus). St. Vitus hat nach der Heiligenlegende dem Sohne Diokletians um 300 den Teufel ausgetrieben. St. Veit gilt als der Beschützer und Heiler der vom Veitstanz Befallenen. Die auffällige Krankheit ließ rasch den Vergleich mit heftigen Gesten, die etwa ein aufgeregter oder aufgebrachter Mensch ausführt, zu. Veräppeln Im Gaunerdeutsch bedeutet jemanden anäppeln, veräppeln jemanden narren, verhöhnen, aufziehen, zum besten haben. Das Wort leitet sich vom jiddischen ewil für Narr, Tor ab, auch owal (übel gehandelt) mag mitgewirkt haben. Die Form veräppeln paßt freilich gut in das Berlinerische, über das so viele rotwelsche Ausdrücke in die deutsche Umgangssprache eingegangen sind.
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Verbalhornen Im Jahre 1586 brachte der Buchdrucker Johann Balhorn (nach anderer Schreibung auch Ballhorn, deshalb verballhornen) eine Bearbeitung des lübischen Rechts heraus, die »Auffs Newe vbersehen, Corrigiret« worden war. Da die eigentlichen Bearbeiter nicht bekannt wurden, nannte man die Ausgabe Editio Balhorniana. Sie enthielt viele Fehler, und deshalb nannte man in der Folge eine sogenannte Verschlimmbesserung eine Verbalhornung oder auch Balhornisierung (mit dem Verb balhornisieren). Verbleuen jemanden v.: s. einbleuen, jemandem etwas e. Verdrücken sich v.: s. drücken, sich d. Verduften Das Wort meint eigentlich wie Duft vergehen, was gewöhnlich rasch und restlos geschieht; deshalb eignet es sich auch als Vergleich für einen Menschen, der verschwindet, häufig in der familiären Sprache auch als Imperativ ausgesprochen. Bettina von Arnim gebrauchte das Wort freilich durchaus ohne den heutigen Jargoncharakter: »Dein Geist wehet in mir und entzündet mich und ich verzehre mich in Flammen und verdufte. « Verflucht und zugenäht Die an sich unsinnige Verbindung, als fluchwortartige Interjektion ausgesprochen, war ursprünglich Teil eines, Heine-Verse benutzenden Studentenliedes, in dem es heißt: »Und da fast täglich wie zum Hohn ihm Knopf um Knopf abgeht, so hat er seinen Hosenlatz verflucht und zugenäht.« Es fand sich freilich daran angelehnt auch noch ein Vers, der nicht weniger sinnvoll dieses Ende benutzt: »Im wunderschönen Monat Mai, als alle Knospen sprangen, da ist in meinem Herzen auch die Liebe aufgegangen. Doch als mir bald mein blonder Schatz die Fol-
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gen unsrer Lieb gesteht, da hab' ich meinen Hosenlatz verflucht und zugenäht. « Verfranzen ich v.: Wenn man sich verfranzt hat, hat man sich trotz aller Orientierungshilfen verirrt. Der Ausdruck entstand im Ersten Weltkrieg bei den Fliegern, die den Piloten scherzhaft Emil und den Beobachter Franz nannten. Wenn der »Franz« versagte, verlor man die Flugrichtung, man hatte sich verfranzt. Vergattern Das Wort, in der Gegenwart nur noch in militärischem Gebrauch und von da bisweilen in die Umgangssprache gelangt, bedeutet im Mittelhochdeutschen als vergatern sich vereinigen, zusammengeraten, versammeln; dazu gehört das mittelniederdeutsche Verb gaderen (sammeln) und auch das englische to gather (sammeln). Jemanden vergattern meint militärisch jemanden dienstlich verpflichten. Vergattern ist speziell das Zusammenrufen bei der Wachablösung. Der rauhen Sprache des Militärs entsprechend wandte dann die Soldaten- und Umgangssprache vergattern im Sinne von jemanden mit drastischen Worten an seine Pflicht mahnen an. Verhökern Das Wort Höcker bedeutet Buckel und geht bis auf ein germanisches Adjektiv hugga (bucklig) zurück. Da die kleinen Krämer und Hausierer früher ihre Waren auf dem Buckel beförderten und zum Verkauf trugen, bildete sich für die Tätigkeit des Kleinverkaufs das Verb verhökern oder verhöken; das Verb bedeutet also eigentlich im kleinen verkaufen, wie ein Hausierer verkaufen. So bei Goethe: »Solche Dinge ließ ich auf meine Kosten drucken, verschenkte sie oder gab sie der Eichenbergischen Buchhandlung, um sie so gut als möglich zu verhökern.«
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Verhohnepipeln Der erste Teil des Wortes ist verhöhnen, der zweite hat vermutlich lautmalerischen Ursprung wie piepsen, piepen (mit leiser Stimme singen, sprechen). Verhunzen Die eigentliche Bedeutung des Verbs ist: zu einem Hund machen, auf den Hund bringen, übertragen also schlechtmachen, verachtenswert machen, verderben. Es ist eine Intensivbildung zu hunzen, das ursprünglich hundezen, hundzen lautete und wie ein Hund sich gebärden, es wie ein Hund haben bedeutete. In Mundarten wie dem Bairischen ist hunzen noch ganz in diesem Sinn vorhanden, zum Beispiel jemanden hunzen, jemanden schikanieren, plagen. Verknallen sich v., in jemanden verknallt sein: In Anlehnung an den Ausdruck sich verschießen (s. d.) bedeutet auch sich verknallen sich rasch, in unbesonnener Weise verlieben. Das Wort ist kaum vor dem 20. Jahrhundert in Gebrauch (frühere Bedeutungen waren: knallend vergehen, transitiv etwas verknallen, beispielsweise Pulver, und vor Ungeduld vergehen). Bei der neuen Begriffsbildung dürften diese Bedeutungen zum Teil mitgewirkt haben, doch leitet sich der Sinn sich verlieben vor allem von verschießen ab, wobei die Heftigkeit der Bewegung unter der Vorstellung eines Knalls noch intensiviert wird. Verkneifen sich etwas v.: Kneifen ist ursprünglich nur ein niederdeutsches Wort (kneipen, knipen), das erst im 16. Jahrhundert ins Hochdeutsche übernommen wurde und dabei die hochdeutsche Form erhielt (vgl. kneifen). Verkneifen hat nun in Ableitung von kneifen den Sinn: durch Zusammendrücken, Zusammenpressen beseitigen (daneben auch: durch Zusammendrücken entstellen, zum Beispiel ein verkniffenes Gesicht). Diese Bedeutung ist noch ganz deutlich in Ausdrücken wie (sich) den Schmerz, das Lachen verkneifen. Verkneift man sich etwas, zum Bei-
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spiel einen Wunsch, führt man gleichsam diese Bewegung aus und preßt es hinweg, unterdrückt es. Verkrachen eine verkrachte Existenz: Krachen bedeutete ursprünglich ein lautes Geräusch und nahm dann bald auch den Sinn des Brechens, Zusammenbrechens, Berstens (wohl wegen des damit verbundenen Geräusches) an. Sowohl an den Sinn des Zusammenbruchs als wohl auch symbolisch an den des Lärms lehnte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verkrachen im Sinne von Bankrott machen an (wobei Krach als Streit mitgewirkt haben dürfte). Eine verkrachte Existenz ist also enger gefaßt jemand, der geschäftlich Bankrott gemacht hat. Verkrümeln sich v.: Krümel ist eine Verkleinerungsform von Krume, verkrümeln meint eigentlich in Krümel zerfallen. Wenn sich jemand verkrümelt, macht er sich gleichsam so klein und unauffällig wie Krümel, um ungesehen zu verschwinden. Auch von einer Gesellschaft, die nach und nach auseinandergeht und immer kleiner wird, sagt man, sie verkrümelt sich, weil sie wie Krümel auseinanderfällt. Verlottern Im Althochdeutschen gab es das Adjektiv lotar für leer, nichtig, eitel, leichtfertig; dazu gehörte das Substantiv loter, lotter (Schlechtigkeit, Unreinheit, Nichtiges, Torheit) und das Adjektiv loterlihho (unanständig). Das mittelhochdeutsche loter bedeutete dann locker, leichtsinnig, leichtfertig und als Substantiv lockeres Wesen, Nichtsnutzigkeit, Gaukelei und ebenso lockerer Mensch, Taugenichts, Gaukler, Possenreißer. In einigen Mundarten bewahrte sich lotter als Adjektiv im Sinne von schlaff, nicht fest sitzend, hängend, wackelig bis in die Gegenwart. Im Schriftdeutschen hat es sich in Zusammensetzungen mit einigen Substantiven gehalten: Lotterbett (gleichsam Lustbett, daneben aber auch Ruhebett, auf dem man gleichsam schlaff liegend ruht; auch das Mittelhochdeutsche kannte loter-bette für Faul- oder Ruhebett), Lotterbube (für einen verwahrlosten, sittenlosen Menschen) und ähnliches. Herumlottern bedeutet in der Umgangssprache müßig und schlampig da-
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hinleben. Am gebräuchlichsten aber ist die seit dem 16. Jahrhundert gebräuchliche Präfixbildung verlottern im Sinne von herunterkommen. Vermöbeln jemanden v.: Im Sinne von bewegliche Habe verkaufen war vermöbeln seit dem 18. Jahrhundert gebräuchlich. Im Sinne von verprügeln, durchklopfen dürfte sich vermöbeln indessen unmittelbar an das Ausklopfen von Polstermöbeln angelehnt haben. Verpatzen Vor allem in den oberdeutschen Mundarten ist das Substantiv Patzen (Batzen) ein schmutziger Fleck, Klecks wie auch eine ungefüge Masse. Vermutlich gehört das Wort zum Stamm von backen. Das Verb patzen bedeutet sowohl einen Patzen machen als auch im übertragenen Sinne einen davon abgeleiteten Patzer, das heißt einen Fehler. So bedeutet patzen auch schlecht arbeiten, einen Fehler machen. Dazu gehört verpatzen im Sinne von verderben, durch einen Fehler unbrauchbar machen. Verplempern Ausgang sind die Verben plempeln, plempern, plempen, plampen, plampeln, wie sie in den verschiedensten deutschen Mundarten vorhanden sind; sie alle beinhalten mehr oder minder stark eine baumelnde Bewegung. Plamp heißt zum Beispiel im Schweizerischen der Schwung des Glockenschwengels, plampen sich pendelartig hin- und herbewegen, Plamper der Perpendikel, plempern etwa im Niederhessischen in der Suppe zögernd herumlöffeln wie Kinder. So ist auch der Plempel deshalb ein schales, schlechtes Getränk, weil er hin und her geschwappt worden ist; das Hinundherschwappen enthält auch die Vorstellung des Verschüttens. Manchenorts bedeutet plempeln, plempern auch bummeln. Aus diesen letzteren Bedeutungen vor allem leitete sich verplempern im Sinne von verschütten, vergeuden ab. Verpulvern sein Geld v.: s. Pulver.
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Verschießen sich v., in jemanden verschossen sein: Die ursprüngliche Bedeutung von schießen ist eine überaus schnelle Bewegung machen, zurückgehend bis auf die indogermanische Wurzel (s)keu (jagen, eilen); so bedeutet althochdeutsch sciezzen, sceotan schießen (Pfeile), schleudern, fliegen. Verschießen (althochdeutsch farskiozan) hatte nun seit dem Althochdeutschen immer einen ähnlichen Sinn, zu dem zusätzliche Bedeutungen kamen. Seit dem 18. Jahrhundert ist auch der Sinn »sich in unbesonnener Weise verlieben« überliefert. Der Ausgangspunkt war, daß man sich gleichsam selber zum Menschen, in den man sich verliebt, schießt, womit auch die Schnelle, mit der dies geschieht, gekennzeichnet wird. (Vgl. sich verknallen.) Versohlen jemanden v.: Sohle wurde während der mittelhochdeutschen Zeit dem Lateinischen entnommen (vulgärlateinisch sola von solum: unterster Teil, Boden, Grundlage, Unterlage, Fußboden, Fußsohle). Versohlen bedeutete zunächst mit einer Sohle versehen, wofür heute besohlen steht. Die heutige Bedeutung verprügeln könnte sich von der Vorstellung abgeleitet haben, daß man jemanden mit der Sohle, das heißt mit dem Schuh oder Pantoffel, verprügelt. Genauso naheliegend ist die Assoziation, daß jemand, der geschlagen wird, gleichsam mit einer Sohle versehen wird, so wie der Schuster auf den Schuh schlägt, wenn er ihn besohlt, unterstützt von dem Gedanken, daß durch die Prügel die Haut gleichsam härter, kräftiger wird. Wahrscheinlich wirkten die beiden Assoziationen zusammen. Verzetteln sich v.: Im Althochdeutschen bedeutete zelten ausbreiten (verwandt mit dem altisländischen tedja für düngen, denn Dünger wird ebenfalls ausgebreilei). Daraus wurde mittelhochdeutsch zelten für streuen, zerstreut fallen lassen, ausbreiten und frühneuhochdeulsch zeten oder auch schon zetlen für streuen, fallen lassen. Die Weiterbildung zu verzetteln fand im 16. Jahrhundert stall (daneben auch noch verzetten). Während verzetteln zunächsl noch ganz konkrel den Sinn elwas fallen lassen, einzeln verlieren halle (W. Büllner, 1596: »Die jungfraw er-
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schrack, lieff mit eil der löwin aus den äugen unnd verzettelte in der flucht jhren mantel, Schleier und schurtz«), bis es sich auf den heutigen Gebrauch einschränkte. Vettel Allem Anschein nach wurde das Wort im 15. Jahrhundert vom lateinischen vetula (die Alte) abgeleitet; im Gegensatz dazu aber nahm es sehr rasch eine verschlechternde Bedeutung an. Vor allem verband sich mit Vettel die Vorstellung des Hexenhaften und, wohl davon abgeleitet, der Unzucht und der Liederlichkeit (»Vettel heißt insgemein so viel als eine Hure, oder liederliche Weibsperson«, heißt es in einem Lexikon von 1749). Aus dieser nicht mehr selbstverständlichen Festlegung auf das Alter ergab sich die Notwendigkeit, das Wort in bezug auf das Alter mit dem Adjektiv alt zu verbinden; auch andere, abwertende Attribute fügen sich meist zu dem Wort, wie zum Beispiel häßlich. Vogel den V. abschießen: Bei früheren Schießwettbewerben mit der Armbrust, dann auch mit der Büchse war der auf einer hohen Stange befestigte Vogel ein beliebtes Ziel (auch heute noch bringen Armbrustgesellschaften als Ziel einen hölzernen Vogel auf einem hohen Mast an; Sieger ist, wer das schwerste Stück abschießt). Wer den besten Schuß hat oder das letzte Stück des Vogels traf und zu Boden brachte, »schoß den Vogel ab«, leistete das beste, hatte die glücklichste Hand. Vogel einen V. haben: Grundlage dieser Redewendung, die ein leichtes Verrücktsein charakterisieren will, ist die Vorstellung, daß jemand am Gehirn von einem Vogel gepickt wird, wodurch seine verrückte Handlung hervorgerufen oder beeinflußt wird. Der Vogel kann dabei auch im Gehirn sitzen, sich bei jemandem gleichsam eingenistet haben als »sein« Vogel. Gleiches will der Ausdruck »Bei dir piept's wohl!« sagen, womit man ausdrückt, daß man merke, daß jemand einen Vogel habe oder daß sich der Vogel bemerkbar mache. Ganz deutlich drückt die ursprüngliche Vorstellung die spöttische Frage aus: »Dir pickt es wohl?« oder die Bemerkung: »Den pickt der Vogel.« Der Vogel wurde
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schon früh als lustiger, auch närrischer Gesellschafter des Menschen geschätzt; von hier aus dürfte die Übertragung stattgefunden haben, unterstützt durch die Tatsache, daß der Vogel ein sehr freies, ungebundenes Wesen zeigt. Vordermann jemanden auf V. bringen: Beim militärischen Ausrichten in Reih und Glied (zur Seite und nach vorn), wenn eine Formation antritt, muß sich der Soldat jeweils nach seinem Vordermann richten. Gelingt ihm das nicht, hilft der Ausbilder nach und bringt ihn, in der Regel nicht gerade freundlich, »auf Vordermann«. Von da aus übertrug sich die Redewendung in die allgemeinere Sprache in dem Sinn, jemanden gewissermaßen durch Drill, durch Zwang zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Vorknöpfen sich jemanden v.: So wie man sich jemanden vornimmt, das heißt ihn gleichsam anfaßt und vor sich stellt, um ihn Auge in Auge zu belehren oder zu ermahnen, knöpft man ihn sich auch vor. Das Bild lehnt sich an vornehmen an, bedient sich dann aber der deutlicheren Vorstellung, daß man ihn an den Knöpfen herbeizieht. Vorschußlorbeeren In Heines Gedicht »Plateniden« heißt es: »Wollten keine Ovationen von dem Publico auf Pump, keine Vorschuß-Lorbeerkronen, rühmten sich nicht keck und plump.« Davon leitete sich aller Wahrscheinlichkeit nach der Ausdruck Vorschußlorbeeren im Sinne eines Ruhmes vor erbrachter Leistung ab.
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W Wald den W. vor lauter Bäumen nicht sehen: Bei Ovid heißt es: »Weder die Blätter im Wald noch auf sonniger Wiese das zarte Gras noch im strömenden Fluß weiß er das Wasser zu sehen.« Und bei Properz findet sich die Wendung »mitten im Fluß das Wasser suchen«. Die heute redensartlich gewordene Formulierung prägte Wieland: »Die Herren dieser Art blend't oft zu vieles Licht, sie sehn den Wald vor lauter Bäumen nicht.« Seither ist sie sprichwörtlich in dem Sinne, daß jemand das Wichtige nicht vor dem Unwichtigen oder aus all den Einzelheiten nicht das Ganze zu erkennen vermag. Wälzer Adelung definiert Wälzer für das 18. Jahrhundert als »einen Gegenstand, der so plump und schwer ist, daß man ihn nur durch Wälzen fortbewegen kann«. Natürlich bot sich das in der burschikosen Sprache förmlich für ein dickes, schweres Buch an, unterstützt durch die Vorstellung, daß der Lesestoff so umfangreich oder auch schwer sei, daß die Tätigkeit nur mit der sehr schweren Arbeit des Wälzens zu vergleichen sei. Wanze frech wie eine Wanze, der ist wie eine W.: Die Wanze, erst im 11. Jahrhundert, vermutlich aus dem Süden, nach Deutschland gekommen, wurde ursprünglich Wandlaus (wantlus) genannt; Wanze ist eine oberdeutsche und ostmitteldeutsche Zusammenziehung. Sie hat eine Reihe von Eigenschaften, die dem Menschen gründlich lästig fallen: Gestank (Stinkdrüsen) und Biß (nach Blut), Zähigkeit und Zudringlichkeit in der Aufsuchung ihrer (menschlichen) Opfer. So nennt man denn jemanden, den man absolut nicht los wird, eine Wanze (Heyse: »Eine Wanze
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drängt sich überall ein«), und von einem zudringlichen Menschen sagt man, er sei frech wie eine Wanze. Waschen sich gew. haben: Von einer Sache, die perfekt, raffiniert, außerordentlich ist, sagt man, sie habe sich gewaschen. So kann man etwa sagen: Er gibt ihm eine Ohrfeige, die sich gewaschen hat, das heißt eine starke Ohrfeige. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in die literarische Sprache aufgenommen, heißt es zum Beispiel bei Goeckingk: »Ich will ein anderweites Hocus-Pocus machen das sich gewaschen haben soll«, und bei Bürger mit sinnfälliger Erweiterung: »Ich habe wieder ein paar neue Gedichte gemacht, die sich an Händen und Füßen gewaschen haben. « Zugrunde liegt die Vorstellung, daß durch das Waschen die Sache makellos, fehlerfrei geworden ist; freilich hat der Ausdruck heute häufig einen etwas negativen Klang so wie etwa raffiniert, das eigentlich verfeinert bedeutet, aber durchtrieben meint. Wasser mit allen W.n gewaschen: die Vorstellung geht von einem Seemann aus, der alle Weltmeere (alle Wasser) durchfahren hat (und sich damit natürlich auch, um das Bild drastischer zu machen, gewaschen hat) und deshalb als besonders erfahren, auch raffiniert gilt. In gleicher Weise sagte man auch: in allen Wassern erfahren für weitgereist, bewandert. Wasser jemandem nicht das W. reichen können: Im Mittelalter, als die Gabel noch nicht als Eßgerät üblich war, reichte man vor und nach dem Essen Wasser zum Händewaschen. Wer jemandem nicht das Wasser reichen konnte, war es nicht einmal wert, diesen Dienst zu verrichten; zwischen ihm und dem Gast war ein noch größerer Unterschied als zwischen dem Herrn und dem Diener. Die Redewendung ist seit dem 16. Jahrhundert belegt.
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Wasser von reinstem W.: Wasser dient wegen seiner Klarheit, seiner Durchsichtigkeit und seines hellen Glanzes zu mancherlei Vergleichen. So heißt es bei Friedrich Maximilian Klinger 1782: »Ein schöner Ring, auf Ehre! Reines Wasser.« Bei der Beurteilung der Güte von Edelsteinen bürgerte sich die Ausdrucksweise »erstes Wasser (vollkommen durchsichtig), zweites, drittes Wasser« ein. Jean Paul: »Wir können, wie Juweliere ihre Edelsteine, so mehrere unserer poetischen Edelsteine nach ihrem hellen weißen Wasser schätzen und ausbieten. Wir besitzen Dichter vom ersten Wasser, vom zweiten, vom dritten.« Ebenfalls bei Franz von Gaudy: »Er ist ein Schauspieler vom ersten Wasser.« Die Durchsichtigkeit wird identisch gesetzt mit der Reinheit, und so spricht man von jemandem, der in seinem Beruf die beste Eignung und Neigung zeigt, er sei etwa ein Politiker reinsten Wassers, wobei auf die gleichsam homogene Klarheit angespielt wird (Jeremias Gotthelf: »Diese drei waren Republikaner vom reinsten Wasser«). Wässerchen kein W. trüben können: Die Redensart will die schiere Unschuld darstellen. Sie geht auf eine Fabel des Phädrus zurück, Wolf und Lamm trinken aus einem Bach, der Wolf oberhalb, das Lamm unterhalb. Da beschuldigt der Wolf das Lamm, daß es sein Wasser getrübt, verunreinigt habe. Vergebens weist ihn das Lamm auf die Unmöglichkeit hin. Aber auch der Wolf betont, daß er es nicht gewesen sei. Da die Wendung oft einen ironischen Sinn hat, bezieht sie sich natürlich auch auf den sich unschuldig gebenden Wolf, der nur angeblich das Wasser nicht getrübt hat. Wechselbalg Balg ist eigentlich die abgezogene Haut eines Tieres; deshalb wurde schon im Mittelhochdeutschen balc auch verächtlich für den menschlichen Leib gebraucht; im Neuhochdeutschen meint Balg im scheltenden Sinne Kind, ungezogenes Kind. Wechselbalg ist eigentlich ein vertauschtes Kind. Alter Volksglaube nahm bei Mißgeburten an, daß böse Geister ein von Unholden erzeugtes Wesen der Mutter unterschoben und das eigentliche Kind ausgetauscht, ausgewechselt hätten. So heißt
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es etwa bei Luther: »Nicht ein natürlich Kind, sondern ein Mondkalb (s. d.) oder Wechselbalg«; und bei Voss: »Wie oft ein unterirdischer Zwerg ein Kind entführt in seinen Berg, den Wechselbalg dann unterschiebt.« Heute wird das Wort als reines Schimpfwort verstanden. Wecker jemandem auf den W. fallen, gehen: Die Wendung ist ganz offensichtlich an das ältere und einleuchtendere jemandem auf die Nerven gehen, fallen angelehnt. In schnoddriger oder burschikoser Sprache werden ja häufig geläufige Ausdrücke absichtlich entstellt, um drastischer zu wirken. Bei der Verwendung von Wecker dürfte die Vorstellung Pate gestanden haben, daß einem der Wecker in der Frühe selber auf die Nerven geht. Wehr sich zur W. setzen: Von der indogermanischen Grundbedeutung Hemmung entwickelt sich im Althochdeutschen wari, weri und im Mittelhochdeutschen wer, were im Sinn von Verteidigung; den Charakter hat das Wort heute noch (zum Beispiel in Landwehr, Notwehr, sich wehren). Die Formel sich zur Wehr setzen ist seit dem 12. Jahrhundert in Gebrauch und geht vermutlich davon aus, daß man sich im Sattel zurechtsetzt, um den - abwehrenden - Kampf aufzunehmen. Wein jemandem reinen W. einschenken: Ein hohes Lob für den Wein ist seine Klarheit. So wie man jemandem klaren oder reinen Wein einschenkt, so klar und unmißverständlich ist auch die Rede, die man mit dieser Redensart charakterisiert. Vor dem 18. Jahrhundert sagte man in dieser Wendung statt rein meist klar oder lauter. Weismachen jemandem etwas w.: Aus der Wurzel ueid (sehen, erblicken) entwickelte sich neben dem Verb wissen unter anderem auch das Adjektiv weis(e). Althochdeutsch wisi, wise bedeutete weise, klug, wissend, kundig; ebenso mittelhochdeutsch wis, wise für verständig, erfahren, klug,
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kundig, unterrichtet, gelehrt, weise; frühneuhochdeutsch weise werden: inne werden. Aus dem Mittelhochdeutschen ist die Redewendung einen eines dinges wis toun (einen über etwas belehren, also wissend machen) belegt. Im 16. Jahrhundert wurde dann die Redensart in den heutigen Sinn - jemandem etwas Falsches, Unrichtiges beibringen, erzählen — umgekehrt. (Vgl. auch naseweis.) Weit nicht w. her sein mit etwas oder jemandem: Der Redensart liegt der Gedanke zugrunde, daß etwas, das von weit her kommt, etwas Besonderes sein müsse, beruht also auf einer Bewunderung des Fremden und auf einer Geringschätzung des Eigenen, Heimischen. Der Diplomat und Dichter Friedrich Leopold Graf zu Stolberg drückte das Anfang des 19. Jahrhunderts ziemlich drastisch aus: »Statt mit der Billigkeit, die der deutschen Gemütsart eigen ist, das Fremde zu würdigen, überschätzt der Deutsche es mit jener Schwäche, die ihm auch sehr eigen ist und die er nur zu oft genug ausdrückt, wenn er, Geringschätzung anzudeuten, sagt, das ist nicht weit her!« Wettmachen Im Mittelhochdeutschen bedeutete das Substantiv wette, wete, wet Pfandvertrag, Zeichen einer Rechtsverbindlichkeit, Pfand, Einsatz, Preis eines Wettspiels, auch Erfüllung einer Rechtsverbindlichkeit, Bezahlung einer Schuld, Vergütung eines Schadens; dazu gehörte das Adjektiv wette für abbezahlt, wett. Ursprüngliche Bedeutung ist Pfand, ein Pfand einlösen. Ungefähr im Sinne von quitt hat sich wett gehalten; etwas wettmachen, etwas (wieder) gutmachen. Whisky Dem englischen Wort whisky liegt das dem Irischen entnommene usquebaugh zugrunde, von dem es eine Abkürzung ist. Dieses geht auf das gälische (das Keltische Irlands, Schottlands und der Isle of Man) uisge (Wasser) und beatha (Leben) zurück. Whisky bedeutet also eigentlich Lebenswasser, wie verschiedene Schnäpse genannt werden, zum Beispiel der Aquavit.
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Wicht Das germanische uetki bedeutet Sache, Ding; es wurde im Althochdeutschen zu wiht für Ding, Wesen, ein Wort, das man auch für Kobolde oder Dämonen verwandte, wahrscheinlich, um einen deutlicheren Namen nicht aussprechen zu müssen. Auch das mittelhochdeutsche wiht galt ebenso für Menschen und Tiere wie für Dämonen, Kobolde und Zwerge. So behielt Wicht einerseits (seit dem Althochdeutschen) die Bedeutung eines elenden Menschen (dazu auch Bösewicht), andererseits die eines dämonischen Wesens (wie heute noch in Wichtelmännlein). Wickel jemanden beim W. fassen, kriegen: Mit dem Wickel, bei dem man jemanden faßt, ist der Haarschopf gemeint, also ein ebenso derbes wie plastisches Bild. Es ist indessen unklar, ob damit das Band, das um den Zopf oder auch um das lange Haar, als der Zopf Ende des 18. Jahrhunderts abkam, gewickelt wurde, gemeint war oder ob die Redewendung von Weichselzopf (auch Wickselzopf) ausging, wie man eine unentwirrbare Verfilzung der Haare, vor allem des menschlichen Haupthaares, nennt (in der Schlegelschen Shakespeare-Übersetzung heißt es etwa: »Und flicht in strupp'ges Haar die Weichselzöpfe«, hier auf Pferdemähne bezogen). Widersacher Dem ersten Teil des Wortes liegt die indogermanische Präposition wi (gegen) zugrunde (altindisch vi, auseinander), dem zweiten das althochdeutsche Verb sahan (streiten). Windei So nennt man eigentlich ein unbefruchtetes Ei (das man nicht ausbrüten kann) oder ein Ei ohne feste Schale. Der Name rührt von der antiken Auffassung her, daß so ein Ei vom Wind empfangen worden sei. Im übertragenen Sinn versteht man dann darunter ein hohles Erzeugnis des Geistes.
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Windelweich jemanden w. (ver)prügeln: Windelweich meint eigentlich so weich wie eine Windel, denn Windeln werden aus besonders zarter Leinwand gemacht. Weich prügeln oder schlagen erinnert an das Schlagen des Fleisches, um es vor dem Braten weicher zu machen; windelweich ist eine Steigerung. Das Wort wird auch im Sinne von weichmütig, gerührt gebraucht (Holtei: »Die Nachbarin weinte jammervoll. Das machte mich windelweich«). Windhund Windhunde sind sehr schlanke und schnelle Jagd- und Hetzhunde; so wurde denn die Geschwindigkeit (laufen, schnell sein wie ein Windhund) oder die schlanke Körperform (dünn, mager, schlank wie ein Windhund) zu Vergleichen für Menschen herangezogen. Die Jagd- und Hatzleidenschaft des Windhundes in Verbindung mit der Schnelligkeit und der Schlauheit machte Windhund zum Vergleich für einen durchtriebenen Menschen geeignet. Windmühle gegen W.n (Windmühlenflügel) kämpfen: In »Leben und Taten des scharfsinnigen Edlen Don Quijote de la Mancha« von Cervantes wird die Geschichte erzählt, wie Don Quijote dreißig bis vierzig Windmühlen auf einem Feld für ungeheure Riesen hält, »mit denen ich eine Schlacht zu halten gesonnen bin«. Nach der Ludwig Tieckschen Übersetzung ruft er den vermeintlichen Riesen, als der Wind die Flügel bewegt, dann zu: »Strecket ihr auch mehr Arme aus, als der Riese Briareus, so sollt ihr es dennoch bezahlen!« »Und indem er dies sagte . . ., sprengte er mit der Rosinante im vollen Galopp auf die vorderste Windmühle los und gab ihr einen Lanzenstich in den Flügel. . ., daß die Lanze in Stücke sprang, Pferd und Reiter aber eine große Strecke über das Feld weggeschleudert wurden.« An diese Geschichte lehnt sich die Redensart mit Windmühlen oder mit Windmühlenflügeln kämpfen an, um auszudrücken, daß man etwas völlig Vergebliches auszufechten versucht oder gegen eingebildete Widerstände kämpft.
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Wischiwaschi Das familiäre Wort für Geschwätz, Unsinn, Undurchdachtes geht von waschen im Sinne von plaudern, schwätzen aus (dazu Waschweib für geschwätziges Weib) und ist auch als Wischwasch gebräuchlich; der abgeläutete erste Teil des Wortes ist nur eine Verstärkung. Eine analoge Bildung ist das englische wish-wash (dünnes Getränk, seichtes Gerede). Wodka Das russische wod bedeutet Wasser (die beiden Wörter sind urverwandt) ; wodka ist die Verkleinerung davon und meint also eigentlich Wässerchen. Wolf W. im Schafspelz (Schafskleid): Im Evangelium des Matthäus heißt es am Schluß der Bergpredigt: »Sehet euch vor vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber sind sie reißende Wölfe« (7,15). Auf die gleiche Stelle geht auch der Begriff »falsche Propheten« zurück (vgl. Früchte, an ihren F.n sollt ihr sie erkennen.) Wolle in der W. gefärbt: Wenn schon die Wolle gefärbt wird und nicht erst das daraus gefertigte Kleidungsstück, ist die Farbe von größerer Dauerhaftigkeit, weil sie besser in alle Fasern eindringt und an ihnen haftet. So bedeutet die Redewendung in der Wolle gefärbt eigentlich soviel wie echt, dauerhaft; das kann freilich auch von negativen Eigenschaften gesagt werden. Bei Mommsen steht zum Beispiel: »Diesen in der Wolle gefärbten Republikanern nahm ihre politische Theorie fast den Charakter eines religiösen Glaubensbekenntnisses an.« Und Geiler von Kaysersberg: »Also seind etliche menschen in der wollen geferbet worden in der leckery und bübery uff erzogen«. Wurf der große W.: Ausgang ist der Begriff Wurf im Würfelspiel; ein Wurf entscheidet über Gewinnen und Verlieren. Dabei ist ein großer Wurf ein - 379 -
überaus glücklicher Wurf, und das Bild wurde von Anfang an übertragen gebraucht. So heißt es zum Beispiel bei Hauff: »Es fehlte ihm nichts mehr als das eine, ein holdes, tugendsames Weib, und auch dieser hohe Wurf war ihm gelungen«; das bekräftigende Attribut ist natürlich austauschbar, doch wird meist groß bevorzugt (Schiller: »Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein«). Wurf im Sinne einer vor allem geistigen Leistung lehnt sich allerdings auch an die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandene Bedeutung an: in einem genialen Schaffensakt wird das Produkt gleichsam hingeworfen; Schiller: »Besser ist es immer, wenn der erste Wurf (eines Stückes) ganz frei und kühn geschehen kann und erst beim Ordnen und Revidieren die theatralische Beschränkung und Konvenienz in Anschlag gebracht wird.« Wurm jemandem die Würmer aus der Nase ziehen: Herumziehende Quacksalber gaben früher gern vor, sie zögen jemandem einen Wurm oder Würmer, die die Ursache einer Krankheit seien, aus der Nase. Die Redewendung machte dann freilich eine Bedeutungswandlung durch, doch mochte dann die zynische Behauptung zugrunde gelegen haben, daß, wenn man jemanden von seinen Würmern befreie (das heißt, wenn man ihm sein Geheimnis entreiße), er gleichsam geheilt werde. Wurmen es wurmt einen: Wurmen im Sinne von ärgern, quälend beunruhigen ist seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bezeugt. Es geht von der Vorstellung aus, daß etwas an oder noch mehr in einem wie ein Wurm nagt. Wurst es geht um die W.: Bei vielen Volks- und Kinderbelustigungen war bis in die Gegenwart eine Wurst als Preis ausgesetzt, um die es dann geht. Auch heute ist es zum Beispiel noch üblich, bei sogenannten Schafkopfrennen in Bayern, einem Kartenspielwettbewerb, Lebensmittel, häufig Würste, als Preis zu geben.
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Wurst das ist mir W.: Es lassen sich keine Belege finden, die den Ursprung dieser Redensart eindeutig zu erkennen geben. Aller Wahrscheinlichkeit dürfte indessen der Ausgangspunkt sein, daß man die Wurst bei allem Wohlgeschmack und bei aller Beliebtheit als etwas Geringes ansah (der Braten ist etwas Wertvolleres als die Wurst, vor allem, weil man zur Wurst allerhand Fleisch verwenden kann, das als Gebratenes oder Gesottenes unansehnlich wirken würde; auch die Zutaten zur Wurst — manchenorts wird zum Beispiel Sauerkraut in die Leberwurst gegeben - sind oft keine sehr hochwertigen Lebensmittel; hinsichtlich der Beigaben herrscht denn auch beim Volksmund ein gewisses Mißtrauen, das sich etwa in dem Scherzreim »Der Inhalt einer Wurscht bleibt ewig unerfurscht« ausdrückt). Etwas nicht sehr Wertvolles kann einem leicht gleichgültig sein. Gerade weil die Wurst so allgemein beliebt ist, könnte sie scherzhaft als etwas Geringes angesehen worden sein. Wursteln Das Verb meint unordentlich arbeiten, ohne viel Fleiß und Ernst tätig sein und wird häufig in der Zusammensetzung fort- oder weiterwursteln (ohne Aussicht auf viel Erfolg dahinarbeiten) gebraucht. Es ist eine Bildung zu wursten (eigentlich: Würste machen). So wie Wurst trotz der Beliebtheit, die man dieser Speise entgegenbringt, in einer Art Understatement zum Ausdruck der Gleichgültigkeit wurde (vgl. Wurst, das ist mir W., auch Hanswurst), nahm auch die nicht nur beim berufsmäßigen Metzger, sondern früher in den meisten Haushalten zu beobachtende Tätigkeit des Wurstens einen übertragenen Sinn mit abwertendem Charakter an, vielleicht weil das Füllen und Zusammendrehen des Darms keine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten erforderte und es nicht sehr auf Genauigkeit ankam.
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X X jemandem ein X für ein U vormachen: X und U symbolisieren die beiden römischen Zahlen 10 und 5; gemeint ist also, jemandem etwa den doppelten Rechnungsbetrag aufschreiben, das Doppelte verlangen. Im heutigen Gebrauch verwenden wir zwar für die Zahl 5 bei römischer Schreibweise durchweg das V. Bis ins 17. Jahrhundert aber wurde beim Schreiben zwischen den beiden Zeichen kein grundlegender Unterschied gemacht; so konnte zum Beispiel im Althochdeutschen fahren uaran geschrieben werden. Das ist darauf zurückzuführen, daß man zwischen den beiden Lauten keinen graphischen Unterschied machte; in der Kapitalschrift gab man sie beide mit V, in der Unzialschrift mit U wieder. Xanthippe Name der Frau des Sokrates. Die spätantike Geschichtsschreibung sagte ihr ein launisches, zänkisches Wesen nach, so daß sie zum Synonym für ein bösartiges Eheweib wurde. Xanthippe stammte aus einer vornehmen Familie, und es wird vielfach in Zweifel gezogen, daß sie ihren schlechten Ruf zu Recht trägt. Freilich nennt sie schon Sokrates bei Xenophon »von den vergangenen und zukünftigen die schlimmste«. x-beliebig X ist in der Mathematik das Zeichen für eine unbekannte Zahl. Einen derartigen Begriff hat schon die arabische Mathematik gebraucht, nämlich das Wort schai', das Ding, Sache bedeutete. Es gibt die Vermutung, daß die Spanier das abgekürzte schai' durch ein x ausdrückten, weil das x der damaligen spanischen Aussprache dem seh entsprach. Näherliegend ist die Erklärung, daß die Italiener den Begriff schai' übernahmen und durch das entsprechende italienische Wort cosa
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(Sache, Ding) ersetzten; die Abkürzung von cosa ergab ein dem x ähnliches Zeichen. Descartes schrieb dann als erster für diese Abkürzung x und führte das Zeichen damit endgültig in die Mathematik ein.
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Z Zack auf Z. sein: Zack ist zunächst Ausrufewort, um eine scharfe Bewegung zu charakterisieren (Musäus: »Er säumte nun nicht, den Rappen auszustechen, und zak zak war er zum Tor hinaus«). Andererseits (verwandt mit Zacke, Zacken) ist es auch ein Substantiv zur Bezeichnung von etwas mit Zacken Versehenem (zum Beispiel Dreizack). Weiterhin wurde die Redewendung durch das Zahnrad mit seinen »Zacken« gefördert, dessen schnelle und exakte Bewegung beeindruckte. Und hinzu kam schließlich der Kasernenhof ausdruck zackig, der der Wendung die endgültige Ausprägung - schnellstens bereit sein, auch ähnlich wie auf Draht sein, flott eine Sache meistern können - gab. Zahn jemandem auf den Z. fühlen: Die Redewendung dürfte aller Wahrscheinlichkeit vom Pferdehandel entlehnt sein. Das Alter eines Pferdes und damit sein Wert läßt sich am besten an den Zähnen feststellen. Zahn einen tollen Z. draufhaben: Die Wendung meint mit großer Geschwindigkeit fahren, speziell bezogen auf Motorfahrzeuge. Von deren Zahnradgetriebe leitete sie sich, wohl nicht vor den zwanziger Jahren, ab. Ausgang war die auch heute noch gebräuchliche Wendung einen Zahn zulegen für schneller fahren. Zankapfel In der griechischen Mythologie wird von der Hochzeit des Peleus, eines Heros (Halbgottes), und der Thetis, einer Meergöttin, erzählt. Die Götter waren Hochzeitsgäste, aber Eris, Mutter von Dämonen des Elends
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und Dämon des Streits, war nicht eingeladen und warf deshalb aus Rache den Göttinen Hera, Athena und Aphrodite einen goldenen Apfel mit der Aufschrift »Der Schönsten« zu. In dem zwischen den drei Göttinnen ausbrechenden Zank um den Preis, eben den »Zankapfel«, wurde Paris zum Schiedsrichter gewählt. Jede der drei versuchte ihn durch Versprechungen für sich zu gewinnen, und Paris gab den Apfel Aphrodite, die ihm Helena, gerühmt als die schönste aller Frauen und Gemahlin des Menelaos, versprochen hatte. Seine Entführung Helenas führte dann zum Trojanischen Krieg. Im Lateinischen hieß der Erisapfel pomum Eridis (Apfel der Eris) oder malum discordiae (Apfel des Zwistes, der Zwietracht). Ende des 16. Jahrhunderts wurde es ins Deutsche als Zankapfel übertragen. Zapfenstreich Wörtlich bedeutet Zapfenstreich einen Schlag (Streich; die Bedeutung Schlag bei Streich ist etwa aus Backenstreich zu entnehmen) auf den Zapfen, der zum Schließen des Bier-, Wein- oder Schnapsfasses dient und wovon sich etwa das Verb anzapfen (wörtlich: ein Faß anzapfen, anstechen; im übertragenen Sinn als Jargon: jemanden um Geld angehen, von jemandem Geld leihen) ableitet. Während des Dreißigjährigen Krieges wurde es militärischer Usus, daß zu einer bestimmten Stunde am Abend ein Signal verkündete, daß nun der Marketender das Faß mit einem Streich auf den Zapfen zu schließen und damit den Ausschank von Alkohol zu beenden habe. Dieser Zapfenstreich übertrug sich auf das Signal und von da in der weiteren militärischen Sprache auf den Zeitpunkt, zu dem der Soldat sein Quartier, sein Lager aufzusuchen hat. Zaster in der Zigeunersprache bedeutet Saster Eisen. Diese Bedeutung hatte es auch im Rotwelsch, wo man mit sastera (Plural von saster) auch das Gitter bezeichnete. Über das Berlinische drang das Wort ins Deutsche ein und nahm den Sinn von Geld an. Zaun einen Streit vom Z. brechen: Redewendungen in Verbindung mit dem Bild, daß etwas vom Zaun gebrochen werde, sind im Frühneuhoch-
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deutschen verhältnismäßig häufig. Schieß es etwa: Ursach ab aim zäun reißen; brach im ain krieg ab ainem zäun; brach offt ein hader von eim zäun. Zugrunde liegt die Vorstellung, daß jemand dadurch, daß er ein Stück vom Zaun, das heißt auch von der Umfriedung der privaten Sphäre des anderen, abbricht, die Eigentumsrechte des anderen willkürlich verletzt, worauf eine Auseinandersetzung entsteht — eine einfache Sache, um den anderen zu provozieren. Zeichen es geschehen noch Z. und Wunder: In der Bibel ist an mehreren Stellen von göttlichen »Zeichen und Wundern« die Rede, so zum Beispiel spricht Gott zu Moses: »Ich will Pharaos Herz verhärten, daß ich meiner Zeichen und Wunder viel tue in Ägyptenland.« Angelehnt an diese göttlichen Fingerzeige entstand die Redensart. Zeichen er ist seines Z.s: Die Wendung geht auf die alten Zunftzeichen der Handwerker zurück, die in der präzisen Abgrenzung der einzelnen Gewerbe voneinander eine symbolische Rolle spielten und ebenso den Stolz auf das eigene Handwerk zum Ausdruck brachten. Auch heute noch wird sie vornehmlich zur Angabe des Berufs oder Standes gebraucht, absichtlich etwas gestelzt altertümelnd und abgeleitet von dem früheren Umgangsritual der Zünfte. Zeug jemandem am Z. flicken: Eine der vielen Bedeutungen von Zeug ist zum einen Kleiderstoff, zum anderen schon fertige Kleider (sein Zeug schonen: seine Bekleidung schonen). Flickt man jemandem am Zeug, hat man so viel an seiner äußeren Erscheinung (oder an ihm überhaupt) auszusetzen, daß man sein Zeug gleichsam instand setzen will, freilich in einem sehr groben Verfahren ohne Rücksicht auf den Betroffenen. Zeug was das Z. hält: Gemeint ist das Geschirr des Zugtieres, das generell häufig als Zeug bezeichnet wurde. Die Wendung will ausdrücken: eine
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Sache so intensiv wie möglich betreiben, die (gleichsam vor diese Sache gespannten) Zugtiere so heftig antreiben, daß gerade noch ihr Geschirr nicht reißt. Zeug sich ins Z. legen: Zeug bedeutet unter anderem auch das Geschirr der Zugtiere (Zeug ist überhaupt ursprünglich mit ziehen verwandt). Sich ins Zeug legen meint alle Kräfte anspannen so wie Zugtiere, wenn sie eine schwere Last zu ziehen haben. Zeus Was tun, spricht Z.: In dem Gedicht »Die Teilung der Erde« schildert Schiller, wie Zeus den Menschen zugerufen habe »Nehmt hin die Welt!« und wie sich jeder seinen Teil nahm. Als die Teilung längst geschehen war, kam der Poet und klagte, daß er vergessen sein solle. Auf die Frage, wo er gewesen sei, antwortete der Poet: »Bei dir. Mein Auge hing an deinem Angesichte«; so habe er das Irdische verloren. Darauf heißt es weiter: »Was tun? spricht Zeus; die Welt ist weggegeben, der Herbst, die Jagd, der Markt ist nicht mehr mein. Willst du in meinem Himmel mit mir leben - so oft du kommst, er soll dir offen sein.« Daraus wurde »Was tun, spricht Zeus« scherzhaft redensartlich in einer schwierigen Situation. Zicken Z. machen: Zicke ist einmal die mitteldeutsche Form von Ziege, zum anderen ein in der Schriftsprache nicht heimisch gewordenes Wort für Spitze, das sich etwa in Zickzack findet (bei W. Alexis ist von den »Zikken und Zacken der Türme« eines Domes die Rede, was aber auch des Ablauts wegen allein formuliert sein könnte). Im Niederdeutschen findet sich tikke für Zacke oder Spitze eines Rechens. Zicken nennt man in manchen Gegenden auch die Spielkügelchen der Kinder, und auch das könnte sich an die Winkel (Spitzen) anlehnen, die sie beim Laufen machen, analog zu Zickzack. So dürfte Zicke(n) im Sinne von Dummheiten, unüberlegter Handlung in Anlehnung an ein unkontrolliertes Hinundherfahren, wie man das im Zickzack (einer Folge von Spitzen)
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tut, entstanden sein (G. Hauptmann: »Was geht denn das mich an, was du fer Fahrten und Zicken machst«). Zivilcourage Das Wort wurde ursprünglich zur Charakterisierung der Unerschrokkenheit des Bürgers, des Zivilisten im Gegensatz zum soldatischen Mut verwandt, wenn auch diese Bedeutung heute allmählich etwas verflacht ist. Es wurde 1864 zum erstenmal von Bismarck gebraucht. Zopf alter Z., den Z. abschneiden: Der Zopf war im 18. Jahrhundert die allgemeine Haartracht der Männer; König Friedrich Wilhelm I. führte ihn auch in die preußische Armee ein (»Die Haare müssen entweder in einen Zopf geflochten werden oder derb unter den Hut gesteckt werden«, heißt es in einer Beschreibung). Erst gegen Ende des Jahrhunderts wurde der Zopf dann langsam wieder abgelegt; zusammenfallend mit den Ereignissen der Französischen Revolution und den Napoleonischen Kriegen und den daraus resultierenden neuen politischen Ideen und Wünschen wurde dann der Zopf zum Symbol des 18. Jahrhunderts, dessen politische Verwirklichung man als veraltet (verzopft) ansah. Der Ausdruck Zopf oder alter Zopf als Symbol für die zu Ende gegangenen politischen und sozialen Zustände kam in der Studentensprache der Befreiungskriege auf. So wurde denn auch auf dem Wartburgfest der Studenten 1817 der Zopf symbolisch für die alte Zeit verbrannt. Der Wille zur neuen Zeit bekundet sich dann auch noch in dem um 1840 entstandenen Studentenlied »Burschen heraus«, wo zum Kampf »wider Zopf und Philisterei« aufgefordert wird. So verstand man dann allmählich unter Zopf jeden veralteten Zustand. Züge in den letzten Z.n liegen: Das Wort ziehen (dahinziehen, in den Tod ziehen) hatte im älteren Deutsch wesentlich mehr als heute die Bedeutung von sterben, indem man den Tod als Antritt einer Reise auffaßte. So hieß die Sterbeglocke manchenorts Ziehglocke. Erst als Züge nicht mehr als Zug im Sinne von dahinziehen verstanden wurde, fügte sich
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das Adjektiv letzte dazu, und man faßte die Redewendung entgegen ihrem ursprünglichen Sinn als die letzten Atemzüge auf. Zuhälter Seit dem Frühneuhochdeutschen ist die Wendung »mit einem zuhalten« gebräuchlich, mit der ein außereheliches vertrauliches Verhältnis charakterisiert wurde; vermutlich lehnt sie sich an zuhalten im Sinne von wohnen, sich aufhalten an, wie das noch im 19. Jahrhundert gebräuchlich war (Zuhält, vorwiegend niederdeutsch, war der Ort, an dem man Schutz, Zuflucht hat). Mit einem zuhalten bedeutete im Frühneuhochdeutschen neben buhlen auch gemeinsame Sache machen; Zuhälterin findet sich Ende des 15. Jahrhunderts für Dirne. Zuhälter im Sinne von Dirnenbeschützer findet sich allerdings erst wieder Mitte des 19. Jahrhunderts und wurde vermutlich von der Polizei geprägt, doch in Anlehnung an die früheren Bedeutungen von zuhalten. Zukunftsmusik Aus dem 19. Jahrhundert gibt es reiche Belege, die von einer zukünftigen Musik, ganz konkret auf die Musik bezogen, sprechen. Man spürte oder wußte, daß die musikalische Entwicklung immer mehr danach drängte, neue, »zukünftige« Ausdrucksformen zu finden, und drückte das teils positiv, teils negativ, teils auch neutral aus. Der Romantiker Ludwig Spohr bezeigte beispielsweise 1854 seine Freude, »daß es noch Kunstfreunde gibt, die an dem, was uns während der ersten Hälfte des Jahrhunderts in der Kunst erfreute und begeisterte, festhalten und nicht erst von der Zukunftsmusik das Heil erwarten«. Noch kritischer äußerte sich 1856 Grillparzer: »Habe die Hegeische Philosophie überlebt, werd' auch die Zukunftsmusik überleben.« Schließlich aber konzentrierte sich das Wort ganz auf Richard Wagner, der auch selber davon Gebrauch machte. Hebbel 1857: »Am Abend war ich im Theater, weil eine Zukunftsmusik, der Tannhäuser von Richard Wagner, aufgeführt wurde.« Karl Marx: »Hier ist alles Zukunft, seit dem Getrommel der Zukunftsmusik in Bayreuth.« Wagner veröffentlichte eine Abhandlung unter dem Titel »Das Kunstwerk der Zukunft«, später eine Schrift mit dem Titel »Zukunftsmusik. Brief an einen französischen Freund.« Das Wort wurde bald auch im übertragenen Sinn gebraucht.
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Zunder jemandem Z. geben: Zunder ist ein sehr leicht zu entflammender Baumschwamm, den man vor Erfindung der Zündhölzer zum Feueranfachen verwandte. Gibt man jemandem Zunder, unterschiebt man ihm gleichsam diesen leicht brennbaren Stoff, um ihn zu einer Tätigkeit zu entflammen, oder aber man feuert gleich auf ihn. Zünglein das Z. an der Waage: Ein Zitat aus dem 16. Jahrhundert beschreibt genau den Mechanismus: »Ein wag hat zwo schüszlen, uff ieglicher seilen eine, und hat oben ein zünglin, das neigt sich stetz dem schweren teil nach«. Zu dieser Zeit wurde der Ausdruck auch schon übertragen gebraucht, wenn sein Sinn sich auch nicht genau an die physikalische Gesetzlichkeit hält, daß das Zünglein zur schweren Seiten gezogen wird, sondern eher darunter verstanden wird, das Zünglein gebe erst den Ausschlag. Zupaß einem z. kommen: Das französische pas für Schritt (aus lateinisch passus, Schritt) ist zunächst ins Niederrheinische und Niederländische im Sinne von Maß, rechtes Maß eingedrungen (»doch helt mich minne in ein pas«, heißt es in einem Minnelied). Daraus entwickelte sich die Bedeutung angemessener Zustand, Faßlichkeit, Gelegenheit, woraus sich zupaß kommen erklärt; es bedeutete früher auch zu rechter Zeit kommen von einem selber (»ich hoff, wir wollen wol zupaß kommen«, 16. Jahrhundert). Zurückstecken Im Sinne von weniger hohe Ansprüche stellen geht zurückstecken auf den Pflugkeil, den Stellpflock des Pfluges zurück; mit diesem Pflock oder Keil regulierte man früher die Tiefe des Pflügens: Je tiefer man pflügt, desto vorteilhafter ist es; konnten die Tiere den Pflug indessen nicht mehr richtig ziehen, mußte man die Pflugtiefe verringern, was dadurch geschah, daß man einen Pflock zurücksteckte. Einen Pflock zurückstecken lautete denn auch früher die vollständige Redewendung.
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Verkürzt auf zurückstecken (oft: zurückstecken müssen), ist sie heute noch gebräuchlich. Zuschanden etwas z. machen etc.: Der Ausdruck leitet sich von dem Substantiv Schande ab. Wiewohl Schande, das auf den gleichen Stamm wie Scham zurückgeht, schon im Althochdeutschen auf den Begriff der Ehrverletzung eingeengt war (scanta scanda bedeutete Schmach, scant beschämt), war sein ursprünglicher Sinn eine Beschädigung allgemeinerer Art. Dennoch ist freilich nicht erwiesen, daß diese ältere Bedeutung sich in der Wendung zuschanden von alters erhalten hat. Ebenso ist denkbar, daß sie sich erst nach dem Mittelhochdeutschen neu entwickelt hat, wenn auch in Übereinstimmung mit dem alten Sinn. Zuschanzen jemandem etwas z.: Im Mittelhochdeutschen wurde schanze, schanz (Fall der Würfel, Würfelspiel, Wagnis, bei dem es auf Gewinn und Verlust ankommt) aus dem Französischen entlehnt (vgl. Chance); das Verb schanzen bedeutete Glücksspiel treiben. Schanz(e) hielt sich bis in die jüngste Zeit im Sinne von Glückswurf (mit der Schanze für eine Befestigungsanlage hat es nichts zu tun). Im 16. Jahrhundert entwickelte sich zuschanzen daraus beim Kartenspielen im Sinne: einem anderen einen Vorteil (heimlich) zuwenden. Zuschustern jemandem etwas z., Geld z.: Der Schuster oder Schuhmacher, wiewohl ein respektables Handwerk, stand im Volksmund nicht gerade in einem besonderen Ansehen; vermutlich rührte das daher, daß er mehr als mit der Anfertigung neuer Schuhe mit Flickarbeit befaßt war, die nicht viel einbrachte; hinzu kam, daß kaum ein Beruf so häufig war und der Schuster im Vergleich mit vielen anderen Handwerkern weniger verdiente. So bedeutete denn das Verb schustern (eigentlich das Schusterhandwerk betreiben, Schuhe machen) übertragen auch stümperhaft arbeiten, pfuschen, etwas zusammenschustern oder zurechtschustern, etwas laienhaft anfertigen. Auf dieser Basis nahm dann schustern auch den Sinn an Geld einbüßen, vor allem in der Wendung Geld einschu-
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stern (Geld in ein Unternehmen stecken, zusetzen, verlieren), und dafür bildete sich dann das Wort zuschustern heraus. Daneben nahm zuschustern auch den Sinn an: jemandem heimlich oder nicht ganz legal etwas zukommen lassen, wobei aber auch hier noch die etwas stümperhafte, plumpe Art, wie dies geschieht, anklingt. Zweig auf (k)einen grünen Z. kommen: Es war germanischer Brauch, dem Erwerbet eines Grundstückes oder Hofes als Symbol der Besitznahme einen grünen Zweig oder ein Stück Rasen zu überreichen. Die Redewendung auf keinen grünen Zweig kommen ist zwar erst im 15. Jahrhundert entstanden, doch ist der Rechtsbrauch mit dem symbolischen Zweig in sprachlichen Formeln bis ins 17. Jahrhundert erhalten, so daß die Vermutung zutreffen dürfte, daß die Wendung im Sinne der Erfolglosigkeit noch daran anschloß. Zweischneidig ein z.es Schwert: Eigentlich ist das zweischneidige Schwert eine besonders nützliche und effektive Waffe, und so wurde zweischneidig schon früh ein steigerndes Attribut für besonders scharf. Doch verband sich später auch die Vorstellung damit, daß die Schneide auf beiden Seiten auch nach zwei Seiten verletzen könne, und somit zwar die eine Seite den Gegner, die andere aber den Schwertträger selbst verletzen könne. Zwickmühle sich in einer Z. befinden: Wiewohl sich jemand, der in einer Zwickmühle ist, eingezwickt fühlen mag, hat das Wort mit zwicken nichts zu tun; die Zwickmühle war vielmehr ursprünglich eine Zwiemühle, hängt also mit zwei zusammen, und das wird der Sache eher noch gerechter, versteht man doch darunter im sogenannten Mühlespiel - bei dem jeweils drei auf einer Reihe liegende Steine eine »Mühle« bilden und bei dem es darauf ankommt, die Steine so zu legen, daß der andere nicht mehr ziehen kann, ohne seine Steine zu verlieren - eine derartige Stellung, daß durch einen einzigen Zug die eine Mühle geschlossen und die andere geöffnet wird, eine besonders geschickte und dem Gegner abträgliche Konstellation. Wegen des Hinundherschiebens der Steine
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wurde und wird die Zwickmühle übrigens auch Fickmühle genannt (ficken in seiner Grundbedeutung hin und her bewegen), und dieses Wort hat die Entwicklung von Zwie- zu Zwickmühle sicher beeinflußt. Im übertragenen Sinn hatte Zwickmühle indessen zwei verschiedene Bedeutungen: einerseits die heute allein übliche, daß sich einer in einer Zwangslage oder Klemme befinde, keinen Ausweg wisse (»vermeinden die Römer, sie wollen die Teutschen also in ein zwickmül pringen oder in ein sack treiben und erwürgen«, heißt es in einer Chronik von 1592); andererseits die eines doppelten Auswegs, eine Möglichkeit, die der Besitzer einer Zwickmühle hat (Luther: »Sie haben itzt eine zwickmül uberkomen, gefellets einem ym bapstum nicht, so kompt er zu uns, gefellets yhm bey uns nicht, so feret (er) widder yns bapstum«).
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