Nr. 2541
Christian Montillon
Geheimprojekt Stardust Bittere Erkenntnis eines Siganesen – und etwas durchdringt den Schleier In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hun dert Jahren herrscht in der Galaxis weitestgehend Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine ge meinsame Zukunft zu schaffen. Die Konflikte der Vergangenheit scheinen verschwunden zu sein. Die Terraner entdecken sogenannte Polyport-Höfe, die eine neue, geheimnisvolle Transport-Technolo gie zur Verfügung stellen. Aber gerade als man die se zu entschlüsseln beginnt, greift die FrequenzMonarchie über jene Polyport-Höfe nach der Milch straße. Zum Glück kann der Angriff aufgehalten werden. Mit roten, kristallähnlichen Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe rücken die Vatrox und ihre Darturka
vor, und es bedarf großer Anstrengungen, sie auf zuhalten – denn der eigene Tod scheint für den Gegner keine Bedeutung zu haben: Die Darturka sind Klonsoldaten, und die Vatrox verfügen über Wege der »Wiedergeburt« auf den sogenannten Hibernationswelten, von denen die meisten sich in der Galaxis Andromeda befinden. Daher schmie den Perry Rhodan und Atlan dort ein Bündnis mit den Völkern dieser Galaxis gegen die FrequenzMonarchie. Auch das in unbekannter Ferne liegende StardustSystem, auf dessen Welten eine selbstständige terranische Kolonie heranwächst, wird von der Frequenz-Monarchie bedroht. Dem Haluter Icho Tolot gelingt es allerdings, einen Schutzschirm zu aktivieren, der den Feind fernhält. Außerdem gibt es noch das GEHEIMPROJEKT STARDUST ...
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Das Sterben war ein Preis, den er gern zahlte. Was könnte ihn davon abhalten, in ihre Augen zu schauen? Der Tod? Ganz gewiss nicht. Du stirbst, Vorremar Corma. Die Stimme der Qual in dir verstummt Ihre Haut schimmerte im zartesten nun. Die Melodie deines Lebens wird lei Lindgrün, das man sich vorstellen konn ser, sanfter, und sie schwingt in die Ewig te, schöner als sonst etwas im Univer keit. Noch ein letztes Neuron zündet in sum. deinem Gehirn und gibt eine letzte Erin Ihr Gesicht zu sehen schmerzte. Sie nerung preis: vereinte solch eine Perfektion in sich, Er legte seinen Kopf auf Yvonnes dass es ein Geschenk war, sie auch nur Schulter. Ihr Atem strich über seine einen Augenblick lang ansehen zu dür Schläfe. Er fühlte sich müde, sank an ihr fen. hinab. Sie bettete seinen Kopf in ihren Dein Herz setzt aus. Die Atmung Schoß. Hände stri stockt, der Puls steht chen durch sein Haar, still. die er so sehr vermisst Yvonne lächelte, Die Hauptpersonen des Romans: hatte, weich und und ein winziger Timber F. Whistler – Der Administrator wirbt um Ver warm. Fleck dunkleren Grüns trauen für das, woran er glaubt. »Wie komme ich zu huschte über die Wan dir?«, fragte er. »Die gen. In die Augen trat Vorremar Corma – Der ehemalige Administrator miss traut dem, was er zu sehen bekommt. Milchstraße ist so weit ein Leuchten, klar weg.« und hell. Sie breitete Huslik Valting – Der Archäologe sucht einen alten »Es war nur eine die Arme aus. »Komm, Freund. Intrige. Sie wollten mein Geliebter, mein Muggan Mouritz – Der kleinwüchsige Ortungsoffizier uns trennen. Es geht Ehemann.« stellt Erstaunliches fest. um dich – und um Vorremar Corma mich.« Yvonnes Stim schritt auf seine Frau me war süß und trau zu. Dass ihm die Gna rig zugleich. de widerfuhr, noch einmal vor ihr stehen »Ich wusste es«, sagte er mit seltsamer zu dürfen, erfüllte ihn mit Jubel. Apathie. »Erzähl mir mehr darüber.« Deine Augen stehen offen, doch sie Sie schwieg. nehmen nichts wahr. Deine Körpertem »Jetzt!« peratur sinkt bereits. Auch der beste Me diker könnte es nicht fühlen, doch schon Ein mörderischer Stoß, ein Schlag, die simpelste Maschine würde es dia der deinen ganzen Körper in Aufruhr gnostizieren. versetzt. Das Herz rast, es trommelt, der »Wir waren so lange voneinander ge Kopf zuckt, schlägt zur Seite, etwas trennt«, sagte sie. packt ihn. Du reißt deinen Mund auf, Ihre Stimme schmolz den Panzer um weitere Neuronen zünden, der Herz sein Herz, den er sich hatte zulegen müs muskel krampft und schlägt wieder sen, nachdem ihm klargeworden war, und ... dass er sie nie wiedersehen würde – we Vorremar Corma öffnete die Augen. der sie noch einen anderen Siganesen, Das zart lindgrüne Gesicht seiner solange er lebte. Alles, wirklich alles Ehefrau wich einer hässlichen, riesigen hätte er seit Jahren gegeben, um sie zu Fratze und einem metallenen Arm. Der hören. Nun war es endlich so weit. Und süße Todestraum versank in hässlicher es war so einfach gewesen. Er hatte nur Wirklichkeit. Etwas surrte, ein Roboter sterben müssen. zog vorbei, und wieder umfing den Siga Nicht mehr als das. nesen tiefe Dunkelheit. Prolog: Fieberwahn
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1. Stuart Lexa: Verschwunden Kaum materialisierte die KATARAKT im Standarduniversum, erklangen die Alarmsirenen. Das geht ja gut los! Stuart Lexa mach te die wichtigsten Handgriffe – in einer solchen Situation liefen sie automatisch; sie waren dem Vizeadmiral schon vor Jahren in Fleisch und Blut übergegan gen. Die Lage einer genauen Analyse zu unterziehen, konnte noch einige Sekun den warten. Vorher musste er sich einen Überblick verschaffen. Gab es bereits Schäden? Befand sich die Zentrale in unmittelbarer Ge fahr? Tobten Explosionen und Feuer durch das Schiff? Gab es Todes fälle? Mussten demzufolge überlebens wichtige Positionen neu besetzt wer den? Die Prüfanzeigen beruhigten ihn wenige Atemzüge später. Es bestand kein unmittelbarer Handlungsbedarf. Was hatte den Alarm ausgelöst? Wur de die KATARAKT beschossen? Oder bereitete ihnen ein natürliches Phäno men Schwierigkeiten, etwa ein Hyper sturm? »Meldung!« Lexa aktivierte ein InfoHologramm aller relevanten Ergebnisse in optisch aufgehübschter Form, sodass er sie auf den ersten Blick erfassen konn te wie ein halutisches Planhirn. Das Problem schien aber tiefer zu lie gen, und so öffnete Lexa zusätzlich ein Datenprotokoll. In den Zahlenkolonnen würde er sich auf die Schnelle allerdings nur zurechtfinden können, wenn er ei nen Hinweis erhielt, wo er suchen muss te. Ein 1000-Meter-Omniträger wie die KATARAKT bot einfach zu viele Mög lichkeiten. Also doch kein halutisches Planhirn. Ohne perfekte Zusammenarbeit aller Beteiligten kostete die Schadensanalyse Zeit, was tragische Auswirkungen nach
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sich ziehen konnte. Höchste Konzentra tion war geboten. »Die Ortung«, rief ein Offizier. »Es ist die Ortung!« Vizeadmiral Lexa zoomte sofort das erweiterte Datenmenü heran und rief die entsprechenden Angaben auf. Der kleinwüchsige Muggan Mouritz – im ganzen Schiff als Mumou bekannt – war ein guter Offizier, der trotz seiner Jugend schon seit Jahren in verantwort licher Position diente. Nun jedoch klang er wie ein blutiger Anfänger; zitternd, verwirrt. Seine Meldung konnte man kaum als solche bezeichnen. Lexa wusste, dass er dem jungen Mann helfen musste, sich zu fassen. »Was ist mit der Ortung?« Mumou räusperte sich. »Ich ... das ... das Stardust-System ...« »Ja?« Lexa zog ärgerlich die Augen brauen zusammen. Als hätte es nur dieser Zurechtwei sung bedurft, ging ein Ruck durch Mu mous Körper. Er richtete sich auf seinem Spezialstuhl zu perfekt gerader Haltung auf. »Auf normaloptischem Weg kann ich das Stardust-System orten wie er wartet. Wir sind fast exakt zehn Licht jahre entfernt. Für die hyperenergetische Tastung ist unser Heimatsystem aller dings«, er machte eine Pause und leckte sich über die Lippen, »verschwunden.« »Verschwunden?« Kaum war ihm das Wort über die Lippen gerutscht, wusste Stuart Lexa, wie sich Mumou Sekunden vorher gefühlt hatte. Es gab Überra schungen, gegen die selbst die beste militärische Ausbildung nicht immu nisierte. Und diese Überraschung saß, genau wie das Entsetzen, das damit einherging. Die Konsequenzen der Beobachtung waren ungeheuerlich. Lexa wurde einen Augenblick lang schwindlig. »Es gibt kein Ergebnis«, präzisierte der junge Orteroffizier. »Wo sich das Stardust-System befinden müsste, orte ich – nichts. Als wäre unsere Heimatson ne samt allen Planeten ...« Er unterbrach
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sich für eine kaum merkliche Zeitspan ne. »Als wären sie komplett ausgelöscht worden.« * Ehe Stuart Lexa etwas sagen konnte, handelte sein Freund Sean Legrange, der Verteidigungsminister der StardustMenschheit. »Alle Daten sofort überprüfen!« Obwohl dies natürlich sinnvoll war, glaubte Lexa nicht, dass ihnen dies et was nutzen würde. Es konnte sich nicht nur um einen simplen Messfehler han deln, dafür war das Ergebnis zu präzise. Und zu bizarr. Mumou hatte bereits betont, dass er das Heimatsystem auf normaloptischem Weg sehr wohl wahrnehmen konnte. Ge wiss hatte er bereits eigenständig eine Überprüfung seiner Ergebnisse durch geführt. Die nächsten Worte, die in der ansons ten totenstillen Zentrale gesprochen wurden, bestätigten diese Vermutung. »Ich habe die Daten mehrfach erstellt und jeweils dreimal geprüft«, sagte Muggan Mouritz. »Ein Fehler ist ausge schlossen.« »Dann überprüf es eben ein viertes Mal!«, verlangte Legrange. Stuart Lexa beendete den Alarm, der schon seit einer Ewigkeit aktiv zu sein schien. In Wirklichkeit waren, wie ihm ein Blick auf die Instrumente bestätigte, keine zwei Minuten vergangen. Ihren Zweck hatten der schrille Ton und die veränderte Beleuchtung aller dings erfüllt: Die Aufmerksamkeit der Besatzung richtete sich auf die erschre ckende Entdeckung. Der Vizeadmiral rief die fraglichen Ortungsdaten in einem eigenen Holo gramm auf. Seine anderen Holos ver schwanden. Normaloptisch hatte sich nichts ver ändert. Das Stardust-System ruhte an seinem angestammten Platz inmitten des Sternengewimmels von Far Away.
Die KATARAKT stand allerdings in zehn Lichtjahren Entfernung, was be deutete, dass das Licht der StardustSonne bereits seit zehn Jahren unter wegs war, um diesen Punkt im All zu erreichen. Normaloptische Werte gaben also einen Zustand wieder, der vor einer Dekade bestanden hatte. Anders die hyperenergetische Tastung – sie zeigte das Stardust-System, wie es sich in diesem Moment präsentierte. Und genau das war das Problem: Es gab kein Ergebnis. Als würde die Heimat überhaupt nicht existieren. Jemand eilte auf Lexa zu, er sah es im Augenwinkel und hob den Blick. Sein Freund Legrange stand neben ihm. Der Verteidigungsminister kratzte unbewusst seine Nase, wie er es oft tat; darin war er seinem Vater sehr ähnlich. Die braunen Augen bewegten sich unru hig, das Gesicht schien blasser als ge wöhnlich. »Keine Panik«, sagte Legrange. »Wäre das System tatsächlich zerstört worden, müssten wir zumindest Trümmerwolken orten, hyperenergetische Verwerfungen oder irgendetwas. Aber dort befindet sich nichts. Oder scheint zumindest nichts zu sein.« Lexa nickte. »Etwas müssen diese Werte bedeuten, Sean.« Er stieß ge räuschvoll Luft durch die Nase aus. »Oder diese nichtvorhandenen Werte, um genau zu sein.« »Wir werden hinfliegen müssen, um das vor Ort festzustellen.« »Wir dürfen aber keineswegs unvor bereitet auftauchen. Ich habe sogar eine Idee. Warte einen Moment.« Lexa wandte sich an Mumou. »Sen soren auf die Umgebung des StardustSystems richten! Fokus auf sechsdimen sionale Aktivitäten.« »Sechsdimensional«, wiederholte Le grange nachdenklich. »Ja, natürlich.« »Behaupte nicht, du wärst eben erst darauf gekommen.« »Um ehrlich zu sein: nein.« Wieder fuhr Legranges rechte Hand zur Nase,
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stockte jedoch auf halber Höhe, als habe sie es sich anders überlegt. »Wir glauben also, dass wieder ein Sextadimschleier um das Stardust-System liegt. Das wä re ... interessant.« Vor vielen Jahren hatte ein Teil der terranischen Menschheit das Angebot der Superintelligenz ES angenommen, über eine Teletransweiche in die Fernen Stätten auszuwandern. Dort angekom men, hatten sie einen Sextadimschleier rund um den gesamten Kugelsternhau fen vorgefunden, den sie besiedeln soll ten. Durch diesen Schleier blieben die Auswanderer von allem abgeschottet, was sich rundum abspielte. Der Stern haufen Far Away selbst schien kein Leben zu tragen und somit eine Art si chere Spielwiese für die Terraner zu bilden. Inzwischen hatten sich die Dinge grundlegend geändert. Vor allem seit ei nigen Wochen überschlugen sich die Er eignisse. Sie lebten in aufregenden Zeiten – nur war sich Lexa nicht sicher, ob er dies als Segen oder als Fluch auf fassen sollte. In seinen aktuellen Überlegungen kam es ihm auf das Phänomen des Sextadimschleiers an. Er rief sich in Er innerung, was er darüber wusste. Mit keiner bekannten Methode war es gelungen, den Schleier optisch, energe tisch oder materiell zu durchdringen, um zu erfahren, was auf der anderen Seite lag. Als existiere nichts jenseits des Schlei ers. Die aktuellen Nicht-Messergebnisse hinsichtlich des Stardust-Systems äh nelten diesem Schleierphänomen so stark, dass es sich um exakt dasselbe Phänomen handeln konnte. Hatte sich gewissermaßen eine kleinere Version des Schleiers um ihre Heimatwelten gelegt? Der Gedanke ließ Stuart Lexas Atem schneller gehen, während gleichzeitig sein Herz auszusetzen drohte. So fühlte es sich also an, seine Heimat zu verlie
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ren. Er straffte sich. Ein Sextadimschlei er war weitaus angenehmer als die Zer störung der Heimat, denn, das hatten sie gelernt, er war nichts Endgültiges, Un aufhebbares. Lexa war überzeugt davon, auf der richtigen Spur zu sein. Doch selbst wenn sich seine Vermutung als zutreffend her ausstellen sollte, blieben einige entschei dende Fragen übrig. Die wichtigste war wohl, warum der Schleier entstanden war. Nichts in Far Away geschah grundlos, allem Anschein zum Trotz. Wer oder was hatte den Sextadimschleier hervorgerufen? Ohne dass er es wollte, dachte er dar an, was geschähe, wenn zu seinen Leb zeiten der Schleier sich nicht mehr auf lösen würde. Er fror bei diesem Gedanken. * Die KATARAKT bildete einen Teil des Stardust-Geschwaders, das schon vor Wochen zum Polyport-Hof KREUZRAD aufgebrochen war. Auch Perry Rhodan war Teil dieses Geschwaders gewesen, und ursprünglich hatte man gemeinsam ins Stardust-System zurückkehren wol len. Die Ereignisse auf KREUZRAD hat ten dem jedoch einen Riegel vorgescho ben. Zum einen hatten sie nach einigen Unruhen unverhofft Unterstützung durch eine Suchtruppe der Elfahder aus dem Reich von ESTARTU erhalten. Zum anderen war das Konzept Lloyd/ Tschubai erwacht und der unsterbliche Terraner mit MIKRU-JON vorausgeflogen, um mit ihm zu sprechen. Hinter der KATARAKT lag ein unru higer Flug zurück in die Heimat. Seit dem Zusammenbruch des Sextadim schleiers rund um Far Away schien sich der hyperphysikalische Aufruhr in die sem Kugelsternhaufen um einiges ver schlimmert zu haben. Zahlreiche Orientierungsstopps und
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Neuberechnungen der Gesamtroute wa ren nötig gewesen ... und nun, nur noch zehn Lichtjahre von der Heimat ent fernt, stellte Mumous Entdeckung alles auf den Kopf. Die freudige Heimkehr noch an die sem Tag, dem 6. Februar 1463 NGZ, konnte wohl getrost von der Tagesord nungsliste gestrichen werden. Die KATARAKT war als erstes Schiff der Flotte wieder in den Normalraum zurückgefallen, die anderen würden kurz darauf folgen, alles war so exakt wie möglich getaktet. Da dennoch stets die Möglichkeit eines Fehlers bestand, nutzten die Schiffe gemeinsam verein barte Orientierungsstopps, um sich wie der zu sammeln und die weitere Route anhand aktueller Ortungsergebnisse festzulegen. Nach und nach fiel der Rest des Ver bands aus zwei ARES-Schlacht kreuzern, fünf Schweren ARTEMISKreuzern und zehn Leichten HERMES-Kreuzern wenige zehntau send Kilometer entfernt zurück in den Normalraum und bildete eine lockere Kugelformation. Damit war bereits die Hälfte des Ge schwaders versammelt. 17 Raumer der ursprünglichen Flotte blieben zur Sicherung der Station bei KREUZRAD. Gewissermaßen als Aus gleich hatten sich fünf Einheiten der Elfahder den Stardust-Terranern ange schlossen, die von Körperbewahrer Bel lyr kommandiert wurden. Lexa gab die Ortungsergebnisse und seine Schlussfolgerungen persönlich an die Kommandanten der eingetroffenen Schiffe weiter. Je öfter er darüber sprach, umso mehr wuchs in ihm die Gewissheit, dass weitere unangenehme Entdeckun gen auf sie warteten. Ob es sich dabei nur um Pessimismus oder um begründete Befürchtungen auf grund von Erfahrungswerten handelte, würde sich zeigen müssen. Er durchquerte die Zentrale, um Mu mou an dessen Orterstation aufzusuchen
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und im direkten Kontakt über die neu esten Ergebnisse zu sprechen. Muggan Mouritz war ein klein ge wachsener Mann von gerade einmal hundertzwanzig Zentimetern Körper größe. Er entstammte einem alten Ge schlecht von kleinwüchsigen Terranern, das sich seit Generationen gegen eine Reparatur des entsprechenden Gens wehrte. Er betonte gerne, dass er sich ebenso wenig als krank ansah wie seine Vorfah ren, weshalb er auch keine Heilung be nötigte. Im Gegenteil: Er schien seinen Son derstatus manchmal zu genießen und förderte enthusiastisch jegliche Legen denbildung. So hatte er das Gerücht ge streut, seine Urgroßmutter hätte einen Siganesen mit erstaunlicher Potenz ge heiratet, und das Ergebnis sei ein Kind gewesen, dessen Größe zwischen der eines Siganesen und eines Terraners lag. Inzwischen orteten sechs Offiziere in Richtung des Stardust-Systems. Auf Mumous Arbeitspult jedoch gingen alle Messwerte ein; er versuchte, eine Aus wertung vorzunehmen, indem er alles zueinander in Beziehung setzte. Lexa blieb vor ihm stehen. Da Mumou in seinem extra hohen Spezialsitz thronte, befand er sich auf Augenhöhe mit ihm. »Gibt es neue Ergebnisse?« »Dutzende«, meinte der Orteroffizier. »Nein, korrigiere: Tausende. Allerdings ergeben sie bislang kein schlüssiges Ge samtbild. Ich bin jedoch bald so weit.« Seine Hände flogen geradezu über die Eingabemasken der Station, während er redete, als müsse er sich nicht einmal darauf konzentrieren. Lexa versuchte, die Datenkolonnen ebenso schnell auszuwerten, doch er nahm die Zahlen- und Ziffernkomplexe kaum wahr, ehe Mumou sie schon wie der verschob und Rechenprogramme darüber laufen ließ. Mindestens ein Dutzend dreidimensi onale Grafiken standen nebeneinander. Eine leichte Vibration verriet Lexa,
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dass eine Nachricht in seinem Armband kommunikator eingegangen war. Es konnte sich dabei nicht um eine Routinemeldung handeln – der Servo an seiner Arbeitsstation blockte diese auf Lexas Befehl hin ab. Nur für bestimmte Absender oder speziell markierte Nach richten gab es Ausnahmen. Der Vizeadmiral murmelte eine Ent schuldigung, ging einen Schritt zur Sei te und nahm das Gespräch an. Die eher schrille Stimme des Elfah ders Bellyr erklang. »Was hat es mit die ser nicht vorhandenen Ortung auf sich?« Als Kommandant der fünf Einheiten seines Volkes stand es für Lexa außer Frage, ihn bevorzugt zu behandeln. Er war der erste wirklich bedeutende Verbündete eines nicht terranischen Vol kes. »Ich hätte mich ohnehin bei dir ge meldet«, versicherte Lexa. »Leider muss ich dich noch einige Minuten vertrösten. Wir stellen zurzeit genauere Messungen an. Schon im Voraus zu spekulieren, er gibt keinen Sinn.« Zumindest nicht mit dir. Zu wissen, dass sein Freund Sean Le grange dasselbe vermutete, war durch aus hilfreich gewesen. Lexa tippte beiläufig den Befehl ein, zusätzlich zur akustischen auch eine op tische Verbindung herzustellen. Doch diese baute sich nicht auf. Die Routine diagnose gab Auskunft, dass die Syste me der terranischen und elfahdischen Einheiten nicht vollständig synchron liefen und an einer Optimierung der Schnittstellen gearbeitet würde. Ein winziges Abbild der ELFA mate rialisierte. Bellyrs Flaggschiff erinnerte an vier gewaltige Kugeln, die sich zu ei ner Kette reihten und jeweils durch ei nen Kilometer lange, aber nur wenige Meter hohe Triebwerksflansche verbun den waren. Die ELFA erreichte auf diese Weise eine Gesamtlänge von 1200 Metern bei einer Breite von 300 und einer Höhe von 400 Metern. Ein beeindruckendes Schiff,
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das gemeinsam mit den anderen elfah dischen Einheiten die Schlagkraft des nun geteilten Stardust-Geschwaders merklich verstärkte. »Wir müssen also abwarten?«, fragte Bellyr. »Sowie spruchreife Ergebnisse vorlie gen, werde ich mich bei dir melden.« Sie beendeten die Verbindung; das Abbild der ELFA verblasste und löste sich vollständig auf. Es verschwand, aber das Schiff war noch dort draußen – ebenso wie das Stardust-System. Lexa kam trotz dieser intuitiven Ge wissheit nicht zur Ruhe – glücklicher weise war ihm auf der zurückliegenden Reise genügend Zeit zum Schlafen ge blieben. Hin und wieder hatte er sich während dieser Tage sogar etwas Ab wechslung gewünscht ... aber ganz ge wiss nicht auf diese Weise. »Vizeadmiral«, tönte es von Mumous Platz aus. »Ich bin nun sicher! Es gibt eine grundlegende Übereinstimmung, wenn ich alle Messungen in der unmit telbaren Umgebung des Stardust-Sys tems zusammenbringe.« Lexa wandte sich wieder der Arbeits station zu und sah, wie sich die Grafiken im Hologramm übereinanderschoben und ein deckungsgleiches Bild ergaben. »Ich höre.« »Um unsere Heimat liegt ein sechsdi mensionales Kraftfeld. Es zeichnet ex akt die Systemgrenzen nach. Unsere Tastimpulse können es nicht durchdrin gen.« Genau, wie es Lexa erwartet hatte. »Es ist gewissermaßen eine verkleinerte Version des Sextadimschleiers um Far Away?« »Zutreffend. Allerdings haben die Or tungen etwas Weiteres ergeben.« Mug gan Mouritz bat Lexa, sich einige Werte selbst anzusehen. Der Vizeadmiral erkannte auf den ersten Blick, worauf der andere hinaus wollte. Was er sah, gefiel ihm gar nicht. »Wie viele sind es?« »Zwölf.« Der Orteroffizier verzog das
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Gesicht. Die wulstigen Lippen stülpten sich weiter auf. »Ein Dutzend fremde Schiffe von jeweils 1650 Metern Durch messer und 820 Metern Dicke. Die ge naue Form lässt sich aus dieser Entfer nung nicht feststellen, es scheint sich jedoch um vieleckige Raumschiffskörper zu handeln.« »Wie nahe stehen die Schiffe unserer Heimat?« »Unmittelbar.« Mumou deutete auf einige Werte. »Etwa zehn Milliarden Kilometer entfernt. Nur durch den Schleier getrennt, sozusagen. Ohne ihn könnten sie binnen Minuten in das Sys tem eindringen.« Lexa benötigte keine weiteren Daten, um diesen Ortungen einen bestimmten Schiffstyp zuordnen zu können. Er kannte die Größe und Form genau und wusste, welchen Anblick die Raumer aus der Nähe bieten würden. Ohne jeden Zweifel handelte es sich um die Kristallschiffe, deren tatsäch liche Bezeichnungen Lexa inzwischen von Perry Rhodan erfahren hatte: Schlachtlichter der Frequenz-Monar chie. Der Feind stand also direkt vor dem Stardust-System, und nur der mysteriö se neue Schleier hinderte ihn am Vor stoß. 2. Vorremar Corma:
Schmerzen
Seltsame Bilder quälten den Sigane sen. Sie spukten in seinem Kopf und tanzten selbst dann vor ihm, als Vorre mar Corma mühsam die Augen öffnete. Die Lider waren schwer, als hinge das Gewicht des gesamten Universums dar an. Er sah Bilder von unendlicher Schön heit: seine Frau Yvonne. Ihr Lächeln. Die Wärme ihres Körpers schuf Wohlbe hagen, in dem er versank. Aber auch Bilder voller Pein: Yvonnes
Gesicht zerrann zu flüssigem Metall, das auf seinen Körper stürzte, ihn umschloss und zermalmte. Seine Knochen barsten. Rattenmonster stürzten sich auf die Überreste und hielten ein grausiges Mahl. Er spürte die Schmerzen, als sich die widerlichen Zähne in ihn senkten. Und selbst mit dem Wissen, dass dies nicht die Realität sein konnte, verschwanden die Schmerzen nicht. Jeder Muskel sei nes Körpers schrie, als würde er in Flam men stehen. Das Blut kochte in seinen Adern. Eine Gestalt beugte sich über ihn, mit teichgroßen Augen. In den Pupillen sah er sich selbst, totengrün. »Du bist ...«, hörte er. Alle weiteren Worte gingen in dem Orkan unter, der durch seine Ohren tobte. Sein Trommel fell platzte, Nadeln stießen in sein Ge hirn. Monster fraßen seine Augen, und doch konnte er weiterhin mit ihnen se hen. Die Lippen in dem Gesicht über ihm bewegten sich. Sie formulierten eine Botschaft, die in dem Brausen unhörbar blieb. Die Augen – groß, so groß – schlos sen sich langsam und wandten sich wie der ab. Dann blitzte erneut Metall. »Nein.« Das Wort kam schwach, wollte seinen Mund kaum verlassen. Ihm fehlte die Kraft, es hinauszuschrei en. Vielleicht dachte er es auch nur und seine Lippen bewegten sich nicht ein mal. Es änderte ohnehin nichts. Der Tenta kelarm bog sich vor ihm, über ihn, an ihn heran. Die einzelnen Glieder blitzten in grellem, künstlichem Licht. Etwas zischte und berührte ihn am Hals. Wie Feuer jagte es durch seine Adern. Sein Herz raste, die Augen weiteten sich und wollten aus den Höhlen quellen. Warum quälten sie ihn? Hatte er nicht genug gelitten, seit er leichtsinnig gewe sen und in ihre Hände gefallen war? Nie hätte es so weit kommen dürfen, dass sie
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ihn entdeckten. Es war seine Schuld, und nun zahlte er den Preis dafür. Darum, und aus keinem anderen Grund, folterten sie ihn. Es ist keine Folter, wisperte eine dün ne Stimme aus einem verborgenen Win kel seines Verstandes. Nur eine Injek tion. Für ihn bedeutete es keinerlei Unter schied. Das Feuer raste vom Hals ab wärts in seinen Leib. Wo es hinkam, ver mochte es die Schmerzen zwar nicht zu verzehren, aber doch ein wenig zu mil dern. Sie heilten ihn. Oder versuchten es zumindest. Was hatte das zu bedeuten? Vorremars Finger strichen über eine weiche Unterlage. Die Luft schmeckte mit einem Mal nicht mehr heiß. Von seinem Magen stiegen nicht mehr bitte re Galle und Erbrochenes auf. Das saure Brennen in seiner Kehle ließ nach. Irgendwann klärte sich Vorremar Cor mas Wahrnehmung so weit, dass er in dem Gesicht über sich einen Terraner erkannte. Endlich begriff er, dass der metallene Tentakelarm zu einem Medo roboter gehörte. Sie versorgten ihn also medizinisch. Wieso? Erst schossen sie in der rie sigen Höhle auf ihn ... ließen ihn ster ben ... nun holten sie ihn ins Leben zu rück? Worin lag der Sinn? Schließlich stellte er ein Sicherheits risiko für sie dar. Er hatte ihr Geheimnis entdeckt, war hinter ihre groß angelegte Verschwörung gekommen. Vorremar hatte das Rätsel des Aveda-Mondes ge löst, hatte die unter der Oberfläche an gelegte Halle voller Paratron-Konverter mit eigenen Augen gesehen. Dort ge schah etwas, das im Zusammenhang mit dem Schleier um das Stardust-System stand. Etwas, das offensichtlich niemand er fahren sollte. Für die anderen wäre es am einfachsten gewesen, ihn nicht mehr aufwachen zu lassen.
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Es sei denn ... sie wollten ihn befra gen. Mit welchen Mitteln, würde sich zei gen. Da sie skrupellos genug gewesen waren, ihn ohne Vorwarnung zu erschie ßen, würden sie vielleicht doch zur Fol ter greifen. Das waren keine sehr guten Aus sichten. Er musste weg. Fliehen – oder sich notfalls selbst töten, und zwar auf eine Weise, die versicherte, dass er wirk lich tot blieb und sie ihn mit allen Me dorobotern der Welt nicht zurückholen konnten. Nur so konnte er verhindern, dass er ihnen am Ende preisgab, was sie wissen wollten. Denn selbst wenn er mit all sei ner Willenskraft Widerstand leistete, würden sie ihn irgendwann brechen. Es gab Methoden, jeden zum Reden zu bringen. Wo war er nur hineingeraten? Wie hatte es nur so weit kommen kön nen? Im so viele Jahre idyllisch abgeriegel ten Stardust-System hatte man in jüngs ter Zeit viele Gefahren erlebt, geheim nisvolle Kristallschiffe, Soldaten, die in den Polyport-Hof stürmten ... aber als die schlimmsten Bestien erwiesen sich am Ende die eigenen Leute. Die Star dust-Menschheit selbst. Und er, Vorre mar Corma, befand sich in der Gewalt der Verschwörer. Die Gedanken des Siganesen klärten sich immer mehr. Der diffuse Nebel schleier, den die Schmerzen um die Welt legten, löste sich von Sekunde zu Sekun de zunehmend auf. Vorsichtig warf er einen Blick in die Runde. Tatsächlich lag er in einer Medo station. Ein Roboter stand neben der riesigen Liege, die zu Vorremars Ge fängnis geworden war. Überwachungs maschinen summten hinter ihm. Der Terraner stand mit dem Rücken zu seinem Patienten vor einem Holo gramm. In Gesichtshöhe vor ihm liefen Datenkolonnen ab. Vorremar konnte nur wenige Worte verstehen, doch der Terra
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ner gab offenbar diagnostische Werte ein. Wie war der Mediker, falls es sich wirklich um einen handelte, dorthin ge kommen? Eben hatte er doch noch an Vorremars Krankenliege gestanden! Lag ein Blackout dazwischen? War Vorremar noch einmal ohnmächtig geworden, oh ne es zu merken? Neben dem Siganesen gingen von Ma schinen zu beiden Seiten der Liege eini ge Kabel aus. Sie endeten in winzigen Sensoren, die auf seinen Handrücken und am nackten Brustkorb befestigt wa ren. Auch an den Schläfen berührten sie ihn. Ob es sich dabei um medizinische Sensoren handelte, wusste er nicht. Viel leicht versuchten sie, telepathisch in sei nen Geist einzudringen. Es spielte keine Rolle. Wenn er sie jedoch entfernte, wür de er damit aller Wahrscheinlichkeit nach Alarm auslösen. Dazu durfte es nicht kommen. Vorremar schloss die Augen. Die Zeit, die er bei Bewusstsein blieb und klar denken konnte, musste er nutzen, um einen Fluchtplan zu schmieden. Er musste die Verschwörung publik ma chen! Das war wichtiger als alles ande re. Die Zeit drängte. Lange würde es nicht mehr dauern, bis sein Bewacher feststellte, dass er das Bewusstsein wie dererlangt hatte. Mit einem Mal überkam ihn furcht bare Angst. Aber davon durfte er sich nicht lähmen lassen! Vorsichtig zog er die Beine an, nur wenige Millimeter weit. Seine Muskeln gehorchten ihm. Sehr gut. Seine einzige Chance lag in seiner ge ringen Körpergröße. Mit knapp 22 Zen timetern war er kleiner als alles, worauf dieses ... Gefängnis eingerichtet war. Vielleicht konnte er durch die Maschen des Netzes schlüpfen, in dem sich ein Terraner gefangen hätte. Wenn Vorremar den Ausgang der Me dostation erreichte, konnte er mit etwas
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Glück ein Versteck finden. Ein Lüftungs schacht, eine Lagerhalle – es gab viele Möglichkeiten. Dumm war nur, dass er ebensogut vor verschlossener Tür stehen konnte. Oder in einem Korridor, in dem es vor Wachpersonal nur so wimmelte, das ihn wohl erneut, ohne mit der Wim per zu zucken, erschießen würde. Aber alles war besser, als tatenlos ab zuwarten. Er schätzte die Distanz bis zum Ausgang auf etwa sechs Meter. Keine geringe Strecke für einen Siga nesen, der nicht auf zusätzliche Hilfs mittel zurückgreifen konnte. Zumal Vorremar sich körperlich stark ge schwächt fühlte. Er musste darauf ver trauen, dass er nicht bei der ersten Be lastung zusammenbrach. Wie sehr sehnte er sich seinen Trage roboter zurück! Wie einfach wäre es mit seiner Hilfe, schnell voranzukommen. Er riss sich aus den trübsinnigen Ge danken. Gründe, um zu scheitern, fielen ihm auf Anhieb zahllose ein. Doch das durfte ihn nicht lähmen! Behutsam, um nicht durch hektische Bewegungen auf sich aufmerksam zu machen, überprüfte er, wie die Sensoren befestigt waren. Sie lagen nur leicht auf der Haut. Womöglich würden kleine Wunden zurückbleiben, wenn er sie ab riss, aber das konnte er verschmerzen. Sobald er stand, musste er an den Bei nen der Liege nach unten klettern und den direkten Weg zur Tür nehmen. Er durfte sich nicht umschauen, keine Se kunde verlieren, musste nur darauf hof fen, dass die Flucht gelang. Yvonne, dachte er und erhob sich. Ploppend fielen die Sensoren ab, und die Kabel ringelten sich auf die Liegeflä che. Vorremar wurde sofort schwindelig, doch er ignorierte es. Ein einzelner Bluts tropfen rann ihm über die Schläfe, löste sich und klatschte auf seine Schulter. Zwei Schritte, dann erreichte er den Rand der Liegefläche. Der Schwindel wurde schlimmer. Der Siganese umfasste einen Pfosten, um daran in die Tiefe zu rutschen.
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»Was tust du da?«, hörte er den Terra ner rufen. Er klang entsetzt. Gut so! Vorremar schwang sich über die Kan te, schlitterte viel zu schnell hinab. Er brachte nicht die Kraft auf, sich zu hal ten. Gleichzeitig wallte furchtbare Übel keit in ihm auf. Alles um ihn drehte sich, sein Mund füllte sich mit Erbrochenem, und sämtliche Kraft wich aus seinen Ar men. Wie im Traum fiel er in die Tiefe. Ihm war, als würde sich ein Band aus Blei um seinen Brustkorb legen und sich erbar mungslos zusammenziehen. Gallige Flüssigkeit quoll in einem Schub aus seinem Mund und schien zeit los über ihm in der Luft zu schweben. Wie tief ging es nach unten? Achtzig, neunzig Zentimeter? Das war vierfache Mannshöhe. Eine furchtbare Vorstel lung. Vorremar fand keinen Halt, alle Muskeln fühlten sich weich und schwam mig an, und diese Schmerzen, die neu in ihm entflammten, waren einfach ... Er kam hart auf. Auf den Beinen. Wie verrückt. Sofort knickte er ein. Sein Kopf schmetterte gegen irgendetwas, er hörte ein Krachen. Sein Nacken schien zu ex plodieren. Welch ein Elend. Und welche Dunkel heit, in die er eintauchte. Erstes Zwischenspiel:
Bilder im Todesdunkel
»Vorremar!« Yvonne stand in der Ko rona einer Sonne. Oder warum um strahlte sie sonst ein solch helles Licht, dass er zu erblinden meinte? »Was ist geschehen?«, fragte er. Langsam trat sie aus der Sonne her vor. Ihre Füße schwebten im dunklen Nichts des Alls. Ein Mond zog an ihr vorüber. »Das weißt du nicht? Du warst dem Tod schon fast entronnen, doch nun sinkst du zurück ins große Nichts. War um wolltest du fliehen, mein Gelieb ter?«
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In ihrer Stimme klang zwar Mitleid auf, doch auch noch etwas anderes. Et was, das ihn schmerzte. Ein Vorwurf. Er konnte sogar hören, was sie nicht sagte: Du hast zu impulsiv gehandelt, ohne nachzudenken. Schon früher hatte sie ihm dies oft vorgehalten. In dieser Hinsicht war sie vollkommen anders als er. Sie lebte ihr Leben besonnen und nüchtern; er spon tan und aus dem Bauch heraus. In seinen Jahren als Politiker hatte sich das zwar geändert, doch nun, am Ende seines Le bens, war das alte Muster wieder durch gebrochen. Aber konnte man ihm das wirklich vorwerfen? Zum ersten Mal schaute er sich um. Er trieb in einem bunt leuchtenden kos mischen Nebel. Ein Asteroidenschauer umtanzte ihn. Irgendwo weit vor ihm verwirbelte sich dieser Nebel, ähnlich wie der Rauch einer Kerzenflamme, die gerade ausgeblasen worden war. »Ich bin einer Verschwörung auf die Spur gekommen, Yvonne«, sagte der Si ganese. »Etwas ganz Großes ist im Star dust-System im Gange. Der Sextadim schleier, der entstand, nachdem Icho Tolot die Kartusche in der Halle der tau send Aufgaben berührte ... Ich suchte die alten Anlagen, die den Schleier er zeugten ... Ich fand auch eine Spur.« Yvonne streckte die Hand aus und streifte den Mond. Die Finger gruben tiefe Furchen in das kalte, tote Gestein. Wie seltsam, dachte er. Wehmütig kam ihm in den Sinn, dass mit seinem Tod alle Wahrnehmung erlöschen würde. Al so suchte er Yvonnes Gesicht. Es war gut, wenn dies das Letzte war, was er sah. Eine Eruption wallte aus der Sonne und umschloss ihr Antlitz, brachte die Augen zum Leuchten. »Komm zur Ruhe, Vorremar!«, bat seine Frau. »Du musst dich nicht mehr darum kümmern. Deine Schuldigkeit ist getan.« Doch!, dachte er. Doch, er musste sich kümmern! Vielleicht konnte er durch sein Tun nichts mehr bewirken, aber er
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musste sich wenigstens selbst darüber im Klaren sein, warum er starb. Das war das Mindeste, was einem lebenden We sen zustand: wissen, warum es die Ebene der Lebenden verließ, um ins ewige Ver gessen einzugehen. »Ich ging der Frage nach«, sagte er deshalb hartnäckig und in einem Auf wallen von Trotz, »warum es auf dem Aveda-Mond zu dieser gewaltigen Ex plosion gekommen war, die in den Medi en totgeschwiegen wurde.« Der Siganese fühlte sich leicht, und einer der Asteroiden nahm ihn mit sich auf seiner Reise, die zum Rand des leuchtenden Nebels führte, dorthin, wo er unruhig wirbelte. »Stell dir meine Überraschung vor, Yvonne, als ich entdeckte, dass dort nicht etwa irgendeine Alttechnologie explodiert war! Stattdessen fand ich ei ne zerstörte stardust-terranische Halle vor. Ich wusste sofort, dass ich einem Geheimprojekt auf die Spur gekommen war. Es sieht ganz so aus, als wäre es ter ranische Technologie, die den Schleier erzeugt. Es gibt keine alte mystische Hinterlassenschaft von ES! Verstehst du? Unser Militär riegelt das gesamte Gebiet ab und verheimlicht alles. Es ist eine Verschwörung, Yvonne, eine gewal tige Verschwörung.« Die ersten Ausläufer des Asteroiden schwarms gerieten in den verwirbelten Bereich. Unter Einwirkung gewaltiger Kräfte detonierten sie lautlos zu tausend Bruchstücken, die zu feinem Staub zer mahlen wurden. Dieser geriet in einen Sog und rotierte immer schneller um sich selbst. Im Randgebiet des bunten Sternenne bels erkannte Vorremar ein Schwarzes Loch, das alle Materie verschlang. Es wirkte wie ein gierig schnappendes Maul, das die Wirklichkeit fraß. Yvonne trat endgültig aus dem Licht der Sonne. Einen Augenblick lang brannten noch ihre Haare, doch die Glut verzehrte sie nicht. Nun um schmeichelte sie sanfteres Sternenlicht,
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während ihr Gesicht tiefer in die Schat ten glitt. »Was ist nur mit dir geschehen, Vorre mar? Wie hat es so weit kommen kön nen?« »Was soll geschehen sein?« Weitere Asteroiden barsten ganz in seiner Nähe und wurden gefressen. Sie verschwanden aus dieser Ebene des Seins, als das gierige Schwarze Loch sie aufnahm. Es wuchs und wuchs und packte mit einem seiner Ausläufer die Sonne und absorbierte ihr Licht. Vor Vorremars Augen wurde es immer dunkler. Todesdunkel, dachte er. »Überleg doch, Geliebter«, sagte Yvonne. »Wenn terranische Technologie den Schleier erzeugt haben soll ... wie könnte er dann bestehen bleiben, nach dem die Anlagen durch die Explosion zerstört wurden?« Noch immer schmei chelte ihre Stimme, aber auf eine ande re, böse, kalte Weise. So, wie es eine Lügnerin tat. »Und die Explosion?«, schrie er. »Ge nau zeitgleich mit dem Entstehen des Schleiers? Ist das vielleicht ein Zufall?« Ihr hübsches, ebenmäßiges Gesicht verzog sich zu einer spöttischen Fratze. Sie richtete den Blick auf das Schwarze Loch. Ein kleines rotes Feuer entstand in ihren Pupillen. »Aber Vorremar, du kannst ...« »Du bist nicht Yvonne!«, rief er. »Mei ne Frau hat niemals so herablassend ge sprochen! Wer schickt dich? Die Ver schwörer? Raus mit dir! Verschwinde aus meinen Gedanken!« Er schlug die Hände gegen die Schläfen und presste die Augen zu, als könne er Yvonne auf diese Weise vertreiben, oder was immer das war, das in der Gestalt seiner Frau erschien. Doch der Siganese ertrug die Lichtlo sigkeit nicht und öffnete die Augen wie der. Yvonnes Grinsen wurde immer breiter und spaltete ihren Kopf. Er platzte wie zuvor die Asteroiden. Ein schwarzes,
Geheimprojekt Stardust
schwärendes Ding quoll heraus. Es ver puffte im Nebel, vereinte sich mit ihm und wurde bald darauf verschlungen. Nun war Vorremar Corma endgültig allein, und die Einsamkeit wühlte schlimmer in ihm als alles zuvor. Doch er sagte sich, dass es schon die ganze Zeit über nicht anders gewesen war. Selbstverständlich war Yvonne nicht gekommen, um ihn in der Stunde seines Todes zu trösten. Wie sollte sie auch? Sie war weit, unendlich weit weg in der Milchstraße. Was war ihr Abbild gewesen? Eine Projektion seines sterbenden Unterbe wusstseins? Oder hatten die Verschwö rer Bilder in seinen Kopf gepflanzt? Wollten sie so zu einer Antwort gelan gen? Steckte er mitten in einem hypno suggestiven Verhör? Vorremar kam dem Schwarzen Loch bedrohlich nahe. Vor ihm verwirbelte die Welt. Der Siganese schaute an sich hinab. Seine Füße zogen sich bereits in die Länge, die Beine wurden zermahlen wie die Asteroiden. Die Kräfte des Schwarzen Lochs machten keinen Un terschied, sie fraßen Lebendes wie To tes. »Nun gut«, sagte der Siganese und beugte sich nach vorn. Je schneller, des to besser. Nichts konnte so schlimm sein wie die Einsamkeit des Sterbens. Dagegen musste der Tod eine Erlö sung bilden. Vorremar Corma stürzte sich in das Schwarze Loch. 3. Stuart Lexa:
Feinde vor den Toren
»Dann ist es also beschlossene Sache?« Stuart Lexa wechselte einen raschen Blick mit Sean Legrange. Sie hatten sich in einen Besprechungs raum an der Seite der Zentrale zurück gezogen, der ihnen einige ungestörte Augenblicke fernab der Unruhe in der
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Zentrale der KATARAKT garantierte. Er schloss schalldicht ab. Nur per Funk- oder Bildübertragung würden sich die beiden Männer einen Eindruck davon verschaffen können, was sich draußen abspielte. Allerdings waren momentan alle Verbindungen ge kappt; im Fall eines erneuten Alarms würden sie sich automatisch öffnen. Verteidigungsminister Legrange nick te bedächtig. Er kaute auf einem Stück Konzentratriegel. Das Licht einer Lam pe strahlte ihn so an, dass sich die Bewe gung der Wange deutlich durch ein kleines Schattenspiel abzeichnete. »Ein verstanden. Wir nähern uns dem Star dust-System bis auf drei Lichtjahre Ent fernung. Das verschafft uns einen gewissen Sicherheitspuffer gegenüber den Rubinraumern.« »Ich gebe den Befehl umgehend an den Piloten weiter.« Legrange hob die Hand, um ihm Ein halt zu gebieten. »Wir beide wissen, was die genaueren Ortungen ergeben wer den. Es passt alles zu gut. Die neuen Da ten werden bestätigen, was wir bereits vermuten.« »Der Vorschlag kam ursprünglich von dir.« »Was bleibt uns anderes übrig, als uns langsam heranzutasten? Die Frage ist allerdings, was wir danach tun. Darüber sollten wir uns bereits jetzt klar wer den.« »Wenn tatsächlich ein Sextadim schleier unsere Heimat abschottet, wer den wir ihn nicht durchdringen können. Wir können nicht einmal hindurchfun ken, um zu erfahren, wie es im Inneren aussieht.« Er hob die Schultern. »Voll kommen abgeschottet.« »In beide Richtungen?«, fragte Le grange. »Oder gilt es nur von unserer Seite aus?« »Für uns macht das im Ergebnis kei nen Unterschied.« »Da bist du mir ein bisschen zu vor schnell. Könnte schließlich alles davon abhängen, wer den Schleier errichtet
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und damit sich oder andere aktiv isoliert hat?« Darüber dachte Lexa lange nach. »Da die Frequenz-Monarchie das System be lagert, können wir sie als Täter aus schließen. Richtig?« Sean Legrange machte eine süffisante Handbewegung: Nicht unbedingt – aber bring erst deinen Gedanken zu Ende, ehe ich dir widerspreche. »Wir selbst – also die Terraner im Stardust-System – scheiden ebenso aus. Wir beherrschen diese Technologie nicht.« Lexa legte die Fingerspitzen beider Hände vor der Brust zusammen. »Ich halte immer noch unsere erste An nahme für die plausibelste: Wenn der Schleier um Far Away auf die Superin telligenz ES zurückging, wird es sich bei der Miniaturversion kaum anders ver halten.« »So logisch das alles klingt«, meinte Legrange, »habe ich zwei Einwände. Zum einen bezweifle ich, dass ES so un mittelbar tätig wird. Warum sollte die Superintelligenz gerade jetzt den Schlei er errichten?« »Wegen der anfliegenden Kristall schiffe. Rettung in höchster Not, sozusa gen.« »Akzeptiert. Das wäre durchaus mög lich. Allerdings ist dir ein Denkfehler unterlaufen.« Nun verschränkte Lexa die Hände in einander, als wolle er sie fürs Gebet fal ten. »Wieso habe ich nur das Gefühl, mir wird gar nicht gefallen, was du sagen wirst?« »Vielleicht weil du im Stillen genau dasselbe denkst, es dir aber nicht einge stehen willst?« »Oder weil wir uns schon lange genug kennen, Sean. Also raus mit der Spra che.« »Es ist möglich, dass es sich bei den Kristallschiffen vor den Systemgrenzen nicht um Belagerer handelt.« Legrange sah aus, als sei ihm soeben eine unheil bare Krankheit diagnostiziert worden, die ihm nur noch wenige Tage ließ.
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»Könnten sie nicht eine Art Grenzwäch ter bilden?« »Grenzwächter?« »Für das von der Frequenz-Monarchie besetzte und abgeschottete StardustSystem.« * Als Lexa, der die neue Option längst nicht verarbeitet hatte, gemeinsam mit Legrange in die Zentrale zurückkehrte, wartete bereits die nächste Neuigkeit. Muggan Mouritz gab Ortungsalarm. »Weitere Schiffe sind am Schleierrand materialisiert. Einheiten unbekannter Bauweise!« Ohne seinen Freund eines weiteren Blicks zu würdigen, eilte Lexa durch die Zentrale. »Ein Holo an meine Station!« Sekunden später ließ er sich auf sei nen Sitz fallen. Gleichzeitig baute sich das Holo auf, zunächst schematisch in Form von Daten und Symbolen. Erst als genügend Messwerte eingin gen, änderte sich die Darstellung in ein Realbild, das eines der neu georteten Raumschiffe zeigte. Mumou fühlte sich offenbar gedrängt, eine Erklärung abzugeben. »Die Form der Einheiten ist hochgerechnet und noch nicht völlig bestätigt.« Daran störte sich Lexa nicht. Er mus terte das Abbild, das zum Greifen nah vor ihm schwebte. Es besaß die Form eines stumpfen Kegels. Dem angege benen Maßstab nach war es insgesamt knapp vier Kilometer lang. Am Bug wies es einen Durchmesser von etwa 1200 Metern auf, am Heck hingegen von 2300 Metern. »Wie viele Schiffe sind vor Ort?«, rief er. Die Positronik reagierte schneller als Mumou und blendete wieder in den schematischen Modus. Im Hologramm begannen zahlreiche Punkte zu blinken. Ein Gitternetz legte sich darüber, und die Zahl 25 tauchte am unteren Bildrand auf.
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Legrange schickte ihm eine Meldung, dass er Schiffe dieses Typs nie zuvor ge sehen hatte; Lexa waren sie ebenso un bekannt, und auch der interne Daten speicher der Positronik konnte sie keinem Volk zuordnen. Wenige Sekunden später verschwan den die Schiffe wieder von der Ortung. Sie waren offenbar in den Überlichtflug gewechselt. An einen zufälligen Zwi schenstopp wollte Lexa allerdings nicht glauben. Ein Funkgespräch ging ein. Wieder meldete sich Bellyr, der An führer des Elfahder-Kommandos. Auf seine eigene Art kam er, ohne sich mit Nebensächlichkeiten wie einer Begrü ßung aufzuhalten, direkt zum Kern der Sache. »Obwohl wir etliche Versuche unternommen haben, gelingt es uns nicht, durch den Schleier zu orten.« »Unsere Instrumente sind ebenso un tauglich«, gestand Lexa. Er übermittelte die Ortungsergebnisse aus der Zeitspan ne, in der sie die 25 Kegelstumpfraumer gesichtet hatten. Bellyr betonte, dass ihnen diese Schiffe ebenfalls nicht entgangen waren. »Wir können sie allerdings keinem uns bekanntem Volk zuordnen.« Womit wir wieder genauso weit sind wie vor diesem Gespräch, dachte Lexa. Warum in allen Galaxien hatte sich der Elfahder überhaupt gemeldet? Die Antwort auf diese stumme Frage erhielt er nur Sekunden später. Bellyr gab einen Ton von sich, den Le xa nicht zuordnen konnte. Ein Räuspern vielleicht? »Der Schleier hat eine Erin nerung in mir geweckt. Ich glaube, mich dunkel daran zu erinnern, von einem solchen Phänomen schon einmal gehört zu haben.« »Wann? In welchem Zusammenhang? Hatte es etwas mit ES zu tun?« Die Fra gen schossen automatisch über Lexas Lippen. Vor allem die letzte bereute er sofort. Er hätte diplomatischer vorgehen müssen. Die Stardust-Terraner und die Elfahder unter Bellyrs Kommando
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mochten Verbündete sein, doch das hieß nicht, dass sie notgedrungen über ... »ES«, riss der Elfahder ihn aus den grüblerischen Gedanken. »Wie kommst du darauf, mich nach dieser Superintel ligenz zu fragen?« »Der Schleier, der bis vor Kurzem um den gesamten Sternhaufen lag, geht ver mutlich auf ES oder zumindest eines seiner Hilfsvölker zurück. Der neuere, kleinere Schleier wiederum scheint die sem ähnlich zu sein.« Kaum waren die Worte ausgespro chen, fiel dem Vizeadmiral auf, wie dünn diese Argumentation war. Selbstver ständlich besaß ES kein Patent auf die se Art der Technologie; außerdem war ESTARTU nicht umsonst die sogenann te Schwester von ES, und diese stand in engem Zusammenhang mit der Historie der Elfahder. »Erzähl bitte mehr über die Begeg nung deines Volkes mit einem solchen Schleier«, bat Lexa deshalb. »Das ist mir leider nicht möglich. Ich sagte schon, es ist nicht mehr als eine dunkle Erinnerung. Ich vermag sie nicht ins Licht zu zerren, um sie zu durch leuchten. So leid es mir tut, ich kann nicht mehr, als dir zu versprechen, dass ich Nachforschungen anstellen werde.« So enttäuschend diese Einschränkung auch sein mochte, vor wenigen Minuten hatte noch nicht einmal diese Option im Raum gestanden. Besser als nichts, dachte Lexa. Besser als Seans düstere Prognosen. Nun konnten sie immerhin darauf hoffen, von den Elfahdern mehr über die Natur des Sextadimschleiers zu erfah ren und über die Technologie, die dahin terstand. Bellyr und Lexa tauschten genaue Koordinaten aus, die der Vizeadmiral anschließend an sämtliche Kapitäne der Stardust-Teilflotte übermittelte. Sie planten, sich der abgeschotteten Heimat vorsichtig in mehreren Etappen zu nä hern, dabei kontinuierlich zu orten und vor allem zu beobachten.
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Würden die Kegelstumpfraumer zu rückkehren? In welchem Verhältnis standen sie zu den Schlachtlichtern der Frequenz-Monarchie? Handelte es sich um Verbündete der Kristallschiffe? Je mehr Details sie auffischten, umso größer wurde die Chance, das große Puzzle am Ende tatsächlich zusammen zusetzen. Nur Minuten später wechselte die Stardust-Teilflotte in den Linearraum. * Am Ziel der kurzen Linearetappe – drei Lichtjahre vor dem Stardust-Sys tem – fielen zuerst die KATARAKT und danach der Rest der Flotte wieder ins Standarduniversum. Sofort traten die Sensoren in Aktion. Niemand in der Zentrale wirkte über rascht, als man sofort fündig wurde. »Die Kristallschiffe stehen an anderer Position«, meldete Mumou. »Und es sind wesentlich mehr Einheiten als zuvor. Moment ... sechsundvierzig Raumer. Nein, achtundvierzig.« Was zumindest der These wider spricht, es könnten keine Belagerer, son dern Außenwachtposten sein, dachte Lexa. Oder täuschte er sich in dieser Hin sicht? Es war durchaus denkbar, dass die Frequenz-Monarchie ein besetztes Sys tem von außen derart stark befestigte, sofern sie genügend Ressourcen besaß. Dennoch glaubte der Vizeadmiral nicht daran; sein militärischer Instinkt sprach dagegen. Wobei er sich angesichts eines völlig fremden Volkes mit fremdartiger Mentalität durchaus täuschen konnte. Mumous Beobachtungen gingen wei ter. »Außerdem sind die Kegelstumpf raumer zurückgekehrt. Und das in gro ßer Zahl; es sind jetzt fast ebenso viele Einheiten wie die Kristallschiffe.« Was ging dort vor? Im Zusammenhang mit der Frequenz-Monarchie war bisher nie von Kegelstumpfraumern die Rede gewesen. Das brauchte nicht viel zu be
deuten, aber auch in diesem Fall sagte Lexas Gefühl, dass es sich bei den bei den fremden Schiffstypen nicht um Ver bündete handelte. Der Vizeadmiral rief erneut an seiner eigenen Station ein Statusholo auf. Ein Gewimmel aus Symbolen verriet ihm, dass die Schiffe rund um Stardust dau erhaft in Bewegung blieben. Sogar die Positronik hatte Mühe, die zahlreichen Flottenbewegungen alle zugleich auszu werten. Lexa hingegen, dem seine Intuition zu Hilfe kam, sah hinter die Daten und er kannte das System: Dies waren die Vor bereitungen für eine Raumschlacht! Seiner Einschätzung nach taxierten sich dort zwei gegnerische Flotten. Die Kegelstumpfraumer flohen einerseits, während sich die Kristallschiffe zum Angriff bereit machten; andererseits versuchten sie, eine strategisch günsti gere Position einzunehmen, um sich bes ser verteidigen und selbst eine Attacke starten zu können. Die Kegelstumpfraumer entfernten sich nie völlig vom Ort des Geschehens, sondern gingen immer wieder in extrem kurze Linearetappen, um den Feind zu verwirren und sich vorübergehend in Si cherheit zu bringen. »Sie warten auf etwas«, meldete sich Sean Legrange über Funk. »Und damit meine ich die Kommandeure beider Schiffstypen. Etwas geht dort vor, Stu art, und wenn ich mich nicht täusche, werden wir es bald mit eigenen Augen sehen.« »Oder mit unseren eigenen Ortern«, murmelte Lexa. In sechs Lichtjahren Entfernung wur de noch immer kein einziger Schuss ab gegeben. Legranges Einschätzung ver stärkte allerdings Lexas Gefühl, es mit der sprichwörtlichen Ruhe vor dem Sturm zu tun zu haben. Rings um das Stardust-System konnte jederzeit eine Hölle losbrechen. Lexa konnte nur hoffen, dass die eige ne Flotte noch nicht entdeckt worden
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war. Seine Schiffe verhielten sich ener getisch ebenso unauffällig wie die Ein heiten der Elfahder. Das war allerdings keine Garantie. Eine Zufallsortung konnte sie ebenso schnell auf den Prä sentierteller rücken, wie eine gezielte Suche sie umgehend entdecken würde. Noch schien keiner der beiden Fälle ein getreten zu sein. Vielleicht war das Auftauchen der Kegelstumpfraumer also sogar Glück, denn schließlich beschäftigten sie die Schlachtlichter und verhinderten, dass sie ihre weitläufige Umgebung genau im Auge behielten. Solange sie unentdeckt blieben, konn ten sie in das, was auch immer sich vor den Toren der Heimat anbahnte, jeder zeit überraschend eingreifen. Waren sie also tatsächlich genau zur richtigen Zeit als Joker in diesem unbekannten Spiel erschienen? Oder überschätzte Lexa die eigene Bedeutung mit diesem Gedanken maß los? Schließlich bildeten sie alles andere als eine große Streitmacht. Außerdem konnte sich ein Eingreifen als fatal erweisen, solange man nichts über die Besitzer der Kegelstumpf raumer wusste. Selbst wenn diese sich tatsächlich als Feinde der FrequenzMonarchie herausstellten – wurden sie damit notwendigerweise Freunde der Stardust-Terraner? Diese Einschätzung lag zwar nahe, war aber nicht zwingend. In diesem Fall konnte durchaus der Wunsch der Vater des Gedankens sein. * »Es gibt zu viele unbekannte Fak toren, um die Situation zuverlässig ein zuschätzen.« Mit dieser Bemerkung brachte Sean Legrange die Lage auf den Punkt. »Wie immer wir vorgehen«, sagte Le xa, »es kann im Fall der Fälle alles schlimmer machen.« Erneut hatten sie sich in den kleinen
Besprechungsraum am Rand der Zen trale zurückgezogen. Eine Vielzahl akti vierter Holos hielt sie dabei über die Ereignisse auf dem Laufenden. Obwohl Lexa die Schiffsführung in guten Hän den wusste, wollte er ohne Zeitverlust über sämtliche Entwicklungen infor miert werden. Keiner der beiden Männer setzte sich; sie standen unter höchstem Zeitdruck. Ihr Rückzug in den Besprechungsraum diente lediglich dazu, den normalen Be trieb in der Zentrale ausblenden und sich dadurch besser konzentrieren zu können. Ein kurzer Gedankenaustausch hatte schon so manches Mal eine völlig neue Perspektive eröffnet. Sollte es nötig werden, konnten sie binnen Sekunden in die Zentrale zu rückkehren und reibungslos das Kom mando übernehmen. Legrange fuhr sich beiläufig mit der rechten Hand über die Nase. »Unser großer Vorteil liegt momentan im Über raschungsmoment. Wir dürfen ihn nicht verschenken.« Dieses Argument war nicht von der Hand zu weisen. »Also beobachten wir weiterhin.« »Das – und wir halten uns bereit. Kommt es zu einer Schlacht, müssen wir genau überlegen, ob und wie wir ein greifen.« Stuart Lexa nickte langsam. »Beide Parteien sind rein zahlenmäßig bei Wei tem überlegen. Machen wir sie zu un seren Feinden, sind wir so gut wie tot.« »Wir könnten zwischen den Fronten zerrieben werden«, stimmte Legrange nüchtern zu. Das waren alles andere als gute Aus sichten. »Andererseits könnte es durchaus sein, dass wir den Kegelstumpfraumern durch unser Eingreifen zum Sieg verhel fen.« Der Vizeadmiral massierte sich den Nacken. »Das sollten wir aber nur tun, wenn wir uns sicher sein können, dass es sich um Freunde oder zumindest poten zielle Verbündete handelt. Der Feind
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unseres Feindes muss nicht notwendi gerweise unser Freund sein.« Legrange bewies mit diesen Worten wieder einmal, dass er in genau densel ben Bahnen dachte wie Lexa. Vielleicht arbeiteten sie deshalb schon seit vielen Jahren gerne und erfolgreich zusammen. Als Vizeadmiral und Verteidigungsmi nister waren sie eine wertvolle Freund schaft eingegangen. Im Hintergrund des Raumes stand ein Servorobot bereit. Die Maschine zeigte keine Aktivität und wurde fast vollstän dig von dem größten Statushologramm verdeckt. Hinter den Datenkolonnen und Orterbildern konnte man allenfalls schemenhaft die Umrisse erkennen. Lexa fragte sich, was die fremden Einheiten unternehmen würden und ob es entgegen aller Erfahrungen irgendwie möglich sein würde, Kontakt mit den Terranern im Stardust-System aufzu nehmen. Möglicherweise hatte es Flücht linge gegeben, ehe der Schleier entstan den war; Schiffe, deren Besatzungen mehr über die jüngsten Ereignisse wuss ten. Vielleicht waren auch eine oder meh rere Funkbojen gesetzt worden oder sonst ein Hinweis – schließlich hatten die Verantwortlichen in der Heimat ge wusst, dass die Stardust-Flotte zurück kehren würde. Oder zumindest hatten sie darauf gehofft. Gerade als der Vizeadmiral darüber nachdachte, ein kleines Suchteam zu sammenzustellen, begannen die Kopf schmerzen. Und damit das eigentliche Dilemma. 4. Vorremar Corma:
Der kleine Dienstweg
Vorremar Corma erwachte. Ihm war rundum wohl. Zwar wühlten nach wie vor Schmerzen in ihm, aber sie ließen sich nicht mit dem vergleichen, was er zuletzt durchlitten hatte.
Er bewegte sich, und es blieb erträg lich. Vorremar tastete nach seinen Schlä fen. »Es gibt keine medizinischen Sonden mehr.« Die Stimme kam ihm bekannt vor. »Der Mediker hat sie alle entfernt, ganz zu schweigen von seinen sonstigen Bemühungen. Dein Zustand ist sta bil. Und er wird es auch bleiben, wenn du nicht wieder Dummheiten be gehst.« Die Drohung zwischen den Zeilen war nicht zu überhören. Vorremar stand be reit, den Kampf fortzuführen, notfalls auf einer anderen Ebene. Wenn alle Fluchtversuche scheiterten, würde er Widerstand leisten, solange es nur ir gendwie möglich blieb. Zunächst bestand die einzige Mög lichkeit, Widerstand zu leisten, wohl darin, jegliche Kooperation zu verwei gern. Also schwieg der Siganese verbis sen. Er wandte im Liegen den Blick, um wenigstens zu sehen, wer mit ihm sprach und ob er die Stimme tatsächlich schon einmal gehört hatte. Er schaute einer Terranerin ins Ge sicht. Sie mochte auf andere Terraner alterslos wirken, ihm konnte sie jedoch nichts vormachen. Er erkannte deutliche Hinweise auf ihr Alter, das sie allerdings zu kaschieren wusste. Ihr braunes Haar lag wellig um das ebenmäßige Gesicht. Die Augenfarbe changierte zwischen einem dunklen Grün und leuchtendem Blau. Offen sichtlich handelte es sich um einen künstlich herbeigeführten Effekt, der der Terranerin unwillkürlich den Hauch von etwas Besonderem verlieh. Genau darauf legte sie es wohl an. Schließlich war sie eine Frau, die stark im Licht der Öffentlichkeit stand. Es dauerte daher einige Sekunden, bis Vor remar sie erkannte. »Helen Furtok. Welche Überraschung. Wie zuvorkommend, dass mich ein Mit glied der Familie persönlich beehrt.« »Du kannst dir den Spott sparen.
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Stattdessen solltest du mir genau zuhö ren, Vorremar Corma.« Nun begannen also die Drohungen. Angesichts dessen, was der Siganese zu letzt erlebt und durchlitten hatte, ließen ihn die Worte völlig kalt. Er rief sich in Erinnerung, was er über Helen Furtok wusste. Es war wichtig, seine Feinde zu kennen, vor allem wenn sie einem direkt gegenübersaßen. Helen war die einzige Tochter von Ad miral Kraton Furtok, dem obersten An führer des stardurst-terranischen Mili tärs. Während Kratons Zwillingssöhne Jason und Rhys die Furtok Interstellar Company leiteten und Vorremar deswe gen viel eher mit einem von ihnen ge rechnet hätte, hatte Helen eine politische Laufbahn eingeschlagen. Dabei war sie von Anfang an vom Erfolg verwöhnt ge wesen. In ihrer Familie entsprach dies offenbar der Sitte. Seit etlichen Jahren – wenn sich Vor remar nicht täuschte, seit 1446 oder 1447 NGZ – stand sie der Partei Interstellare Achtung vor. Damit galt sie als eine der einflussreichsten Politikerinnen im Star dust-System; die Interstellare Achtung erhielt seit Jahrzehnten etwa ein Viertel aller Wählerstimmen, wovon andere Parteien nur träumen konnten. Vorremars Feinde waren also mäch tiger, als er befürchtet hatte. Zur Com pany und Teilen des Militärs gesellte sich also eine nicht unbeträchtliche po litische Größe. Obwohl der Siganese innerlich ver zweifelte, zwang er sich, einen gelas senen Eindruck zu erwecken. Er konnte nur hoffen, dass dieses Schauspiel eini germaßen gelang. Er durfte keine Schwäche zeigen. Stattdessen lieber den Überlegenen spielen. Erst als er sich aufsetzte, fiel ihm auf, dass die Medoliege gegen ein weiches Etwas getauscht worden war, das einem Terraner wohl als Kopfkissen gedient hätte – für ihn hatte es geradezu bettähn liche Ausmaße.
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Ohnehin befand sich Vorremar in einem völlig anderen Raum. Dass ihm dies bislang entgangen war, schrieb er der Verwirrung aufgrund der Umstände zu. Genauso gut konnte es auch an Dro gen liegen, die man ihm während seiner Ohnmacht verabreicht hatte. Helen Furtok bemerkte wohl seine su chenden Blicke. »Umsehen kannst du dich später. Dir wird genug Zeit dazu bleiben. Zunächst gilt es, einiges abzuklären. Du bist wi derrechtlich in militärisches Sperrgebiet eingedrungen.« Sie wollte also auf das offizielle Rechtssystem pochen? Nun, das konnte er auch. Er räusperte sich und atmete tief ein, um seiner Stimme einen vollen Klang zu verleihen. »Ehe ich dazu Stel lung nehme, berufe ich mich auf meine Bürgerrechte als Bewohner des Star dust-Systems. Ich verlange freigelassen zu werden, sonst werde ich dich und die Furtok Interstellar Company verkla gen.« Die Politikerin schloss die Augen und deutete ein Kopfschütteln an. »Verkla gen? Du? Mich? Weißt du, wie viele Ge setze du gebrochen hast, ehe man dich dingfest machen konnte?« »Dingfest machen?«, begehrte der Si ganese auf. »Nennt man das heute so, wenn man erschossen wird?« »Das ist wohl kaum das richtige Wort. Niemand hat dich erschossen.« Nenn es, wie du willst. Mich wirst du auf diese Tour nicht zum Reden bringen. Du nicht und auch sonst keiner. Erstmals schaute sich Vorremar in sei ner neuen Umgebung um. Ein Kissen diente ihm als improvisiertes Bett, auf dem er sich auskuriert hatte. Es lag auf einem breiten Schreibtisch, dessen Plat te aus hellem Holz bestand. Wahrschein lich handelte es sich um Ahorn-Imitat, wie es gegenwärtig aus nostalgischen Gründen überall in Mode kam. Helen Furtok saß auf einem unbe quem aussehenden Stahlrohrstuhl an der Seite des Tischs, sodass sich ihr Ge
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sicht ungefähr in Höhe des Siganesen befand. Die Wand hinter ihr war mit einem scheußlichen Muster aus leuch tenden Farben bemalt. Ein Fenster gab es nicht. Aus in die Decke eingelassenen Lampen flutete un angenehm grelles Licht in den Raum. Der einzige Ausgang bestand aus einem geschlossenen Schott. In bequemer Hö he für einen Terraner, für einen Sigane sen jedoch unerreichbar, befand sich daneben ein Touchscreen in der Wand. Die nächsten Worte legte sich Vorre mar genau zurecht. »Niemand hat mich erschossen? Das ist wohl eine Sache der Interpretation. Aus meiner Warte ...« »Da gibt es nichts zu deuteln!« Der Siganese ließ sich nicht beirren. Er ging zum Rand der Schreibtischplat te, suchte etwas, das er als Waffe benut zen konnte. Und sei es nur ein Stift, den er in der Art eines Speeres in Helen Fur toks Auge rammen konnte. In seiner Verzweifelung würde er jeden nur denkbaren Weg gehen. Alle wür den sich wundern, wozu ein Siganese fähig war, wenn man ihn in die Enge trieb. Ab sofort würde Vorremar härtere Geschütze auffahren. »Was geschieht in der sublunaren Halle im Sperrgebiet?«, fragte er. Er erhielt keine Antwort. »Wie kommt es, dass offizielle Ein heiten des Militärs verschwörerische Aktivitäten unterstützen?« Helen Furtok erhob sich. Ärger spie gelte sich in ihrem Gesicht. Das GrünBlau ihrer Augen schien eine Nuance intensiver zu funkeln als zuvor. Ob es sich um künstliche Linsen han delte, die auf die emotionalen Signale ihrer Trägerin reagierten? Zweifellos würde das in politischen Gremien den Gegner auf einer unbewussten Ebene schwer beeindrucken oder im Idealfall sogar einschüchtern. Oder sie verraten. Vorremar würde sich durch solche Spielereien nicht aus der Ruhe bringen lassen. »Ich verlange zu wissen, wo ge nau ich mich befinde und mit welchem
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Recht man glaubt, mich festhalten zu können!« Ihre Hand krampfte sich um die Leh ne des Stahlgestells. Die Fingerknöchel am ersten Gelenk zeichneten sich weiß ab. Sehr gut. Sie wird wütend. Solange das nicht bedeutete, dass sie sich zu ei ner Kurzschlusshandlung hinreißen ließ, störte sich Vorremar nicht daran. »Dir ist klar, dass sämtliche Richter im Stardust-Gerichtshof auf meiner Seite stehen werden? Und ich werde eine saftige Klage einreichen, wenn ich nicht augenblicklich ...« »Genug!«, fauchte sie – es erinnerte tatsächlich an den Laut einer angreifen den Wildkatze. »Wenn hier jemand vor Gericht gehen könnte, dann ja wohl die Furtok Company!« Sie beugte sich vor, ihr Finger raste auf den Siganesen zu, verharrte nur Mil limeter vor seiner Brust. Hätte sie zuge stoßen, würde die Gewalt Vorremar quer über den ganzen Tisch geschleudert ha ben. »Glaub mir, dass ich für meine ganze Familie und vor allem für meine Brüder im Vorstand spreche, wenn ich sage, dass ich nicht übel Lust hätte, dich sofort vor Gericht zu schleppen! Eindringen in ein deutlich gekennzeichnetes militärisches Sperrgebiet! Das ist eine Anklage, die die Richter in Zeiten wie diesen gar nicht gerne hören werden und die sie auf mei ne Seite ziehen wird.« Sie zog den Finger wieder zurück. »Wie bist du durch den Sperrgürtel ge langt?« Nun war die Reihe an Vorremar zu schweigen. Helen Furtok wandte sich wortlos um und trat vor den Touchscreen neben dem Ausgangsschott. Ihre Finger flogen nur so über das Eingabefeld. Vorremar versuchte, die Kombination zu erkennen, ehe das Schott zur Seite zischte, doch die Terranerin verdeckte den Blick mit ihrem Körper. Alles ande re wäre Dummheit gewesen, und die
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konnte man einer Frau wie ihr ganz ge wiss nicht vorwerfen. Als die Vorsitzende der Interstellaren Achtung im Ausgang stand, drehte sie sich noch einmal um. »Angesichts deiner politischen Verdienste in deiner Zeit als Administrator bin ich geneigt, dich als ... Kollegen anzusehen. Ich werde bei meinen Brüdern ein gutes Wort für dich einlegen. Vielleicht können wir die An gelegenheit auf dem kleinen Dienstweg erledigen.« »Was meinst du damit?« »Du wirst dich gedulden müssen.« Sie trat in den Korridor, der jenseits des Schotts lag. Nur ein winziger Ausschnitt war neben ihr zu erkennen – kahle Me tallwände. »Vorerst bleibst du in diesem Quartier.« Die Schotthälften schlossen sich, und Vorremar saß wieder gefangen. * Für einen Terraner mochte das Quar tier, wie Helen Furtok es süffisant ge nannt hatte, klein sein – für einen Siga nesen hingegen bot es verschwenderisch viel Freiraum. Vorremar Corma lief jeden Zentimeter ab, um keine Fluchtmöglichkeit zu über sehen. Aber es gab keine. Man hatte den Raum offenbar mit Bedacht ausgewählt. Es gab weder Lüftungsgitter noch ir gendwelche Verstecke, die ihm einen Ansatzpunkt boten. Der Schreibtisch und der Stuhl bil deten die einzigen Einrichtungsstücke. Die schrill bemalten Wände waren kahl, ohne jegliche Möbel, Bilder oder Befes tigungshaken; der Boden glänzte so sau ber, dass zweifellos vor Kurzem ein Rei nigungsroboter am Werk gewesen war. Nachdenklich blieb der Siganese un ter dem berührungsgesteuerten Bild schirm stehen, mit dessen Hilfe das Schott geöffnet werden konnte. Er trau te sich durchaus zu, den Kode zu kna cken, wenn er es nur versuchen könnte – doch dieser Versuch scheiterte schon
daran, dass er das Bedienfeld nicht er reichen konnte. Es lag schwindelerregend weit oben, in mindestens fünf- wenn nicht sogar sechsfacher Körperhöhe. 1,25 Meter? Das konnte hinkommen. Ohne Hilfsmit tel würde Vorremar es an der glatten Wand unmöglich erreichen. Nicht zum ersten Mal sehnte er sich nach seinem modifizierten Gartenar beitsroboter, der ihm als Trägermecha nik diente. Ob die Company ihn wohl in Verwahrung genommen oder gleich zer stört hatte? Oder war er schon bei der Attacke auf den Eindringling vernichtet worden? Je länger Vorremar über seine absurde Situation nachdachte, umso mehr Fra gen stellten sich ihm. Ob er beobachtet wurde? Es lag nahe, dass sich die Gegner über jeden seiner Schritte genauestens auf dem Laufenden hielten. Insofern ergab es nicht einmal Sinn, den Bildschirm zu berühren – etwa mithilfe des Metallstuhls, falls es ihm gelingen sollte, diesen zu verrücken. Für die anderen war nichts einfacher gewesen, als in der Zeit seiner Bewusst losigkeit irgendwo im Raum eine kleine Kameradrohne zu verstecken oder eine Wanze anzubringen. Wie er es drehte und wendete, mo mentan konnte er nur abwarten. Er setzte sich auf den Boden und lehnte mit dem Rücken gegen die Wand. Den Blick richtete er zur Decke, zwischen zwei Lichter. »Ich habe Durst!«, rief er in den leeren Raum hinein, in der Gewissheit, gehört zu werden. »Ob etwas Wasser wohl zu viel verlangt wäre?« Es dauerte nicht lange, bis er Antwort erhielt. »Geh zum anderen Ende deines Quartiers.« Obwohl Helen Furtoks beschönigende Wortwahl verwendet wurde, sprach nicht sie mit ihm. Wahrscheinlich ging sie längst wieder ihren normalen Ge schäften nach. Die Stimme war männlich und schien
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von rechts zu kommen. Vorremar blickte in diese Richtung, aber er entdeckte kein sichtbares Akustikfeld. Egal – darum konnte er sich später kümmern. Momen tan zählte nur, dass eine Kommunikati on möglich war. Er wurde also tatsäch lich abgehört und beobachtet, genau wie vermutet. Der Siganese erhob sich und mar schierte los, wie ihm befohlen worden war. Er passierte den Schreibtisch. »Ist es nun weit genug? Oder habt ihr Angst, dass ich mich mit bloßen Händen auf euch stürze? Etwas anderes habt ihr mir schließlich nicht gelassen. Selbst wenn ihr nur einen Wächter schickt, ist er achtmal so groß wie ich. Es klingt also nicht nach einem sonderlich gefähr lichen Deal.« Das Schott öffnete sich zischend. Ein bärtiger Mann trat ein. Er trug einen blauen Anzug, auf dessen Schulter das Logo der Furtok Interstellar Compa ny matt glänzte: ein stilisiertes Abbild des Kugelsternhaufens, das von zwei parallelen Linien durchschnitten wurde. Die Linien standen für Jason und Rhys, Helens Zwillingsbrüder, die die Firma leiteten und gleichzeitig als Frontmän ner das öffentliche Bild der Firma prägten. »Du kannst stehen bleiben«, sagte der Neuankömmling gönnerhaft. »Verzeih die kleine Sicherheitsmaßnahme. Wir wollen doch nicht, dass es zu Unan nehmlichkeiten kommt. Ein erneuter Fluchtversuch würde die Situation nur unnötig verkomplizieren.« Klappernd stellte der Terraner ein Ta blett ab, auf dem eine kleine Schale und ein Teller standen. Auf dem Teller lag ein gewaltiger Würfel, der verdächtig nach Konzentratnahrung aussah; daneben türmte sich ein halb siganesenhohes Stück Käse auf. »Wir sind leider nicht auf Gäste dei ner Größe eingestellt. Ich musste des halb mit deiner Mahlzeit improvisieren. Deine Anfrage kam gerade richtig, ich hätte dir ohnehin etwas gebracht. Ich
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habe mich vorher in der einschlägigen Fachliteratur über deine Physiologie in formiert. Das Konzentrat versorgt dich ausreichend, und das Wasser in der Schale ...« »Solange du es nicht mit einem Löffel Salz versetzt hast, ist mir alles recht«, unterbrach Vorremar barsch. »Außer dem unterscheidet sich meine Physiolo gie nicht merklich von deiner. Ich bin lediglich kleiner als du, von diversen an deren Details abgesehen. Was die Er nährung anbelangt, sind wir aller dings ... kompatibel.« Der Terraner schien nicht sonderlich begeistert über diese in spöttischem Tonfall vorgebrachte Belehrung. Er wandte sich ab und trat durch das noch immer offene Schott, das sich sofort hin ter ihm schloss. Vorremar ging zu dem Tablett. Ob sie ihn vergiften wollten? Diese Frage beantwortete er sich selbst. Unsinn! Es hätte einfachere Wege gegeben, ihn zu beseitigen. Er kletterte auf das Tablett. Die Men ge an Konzentratnahrung würde ihn für mindestens eine Woche ernähren. Ob er den penetranten Gestank des Käses al lerdings so lange überleben würde, stand auf einem anderen Blatt. Dieses gelbe Etwas roch widerwärtig nach Erbro chenem. Wehmütig dachte er an Yvonne; sie hatte reifen Käse, wie sie es nannte, im mer geliebt und Vorremar als kulina rischen Banausen bezeichnet. Er ver suchte sich ihr Gesicht vorzustellen. Anders als während seiner beiden Nah tod-Visionen wollte es ihm allerdings nicht richtig gelingen; sie blieb ein blasses Abbild, bei Weitem nicht so le bendig wie in seinen Fieberträumen. Vielleicht beschäftigten ihn zu viele an dere Dinge und lenkten ihn ab. Er grub die Finger der rechten Hand in den Konzentratwürfel. Mühelos konn te er ein Stück herausbrechen und biss davon ab. Es schmeckte nach aufge weichter Pappe, in die jemand einen
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Hauch von fruchtigem Aroma gesprüht hatte. Ekelhaft künstlich. Die Wirkung spürte er allerdings so fort. Augenblicklich kribbelte es in sei nen Gelenken. Als habe es nur dieses Energieschubs bedurft, um auch seine Gedanken zu klären, kam ihm zum ers ten Mal während der Gefangennahme sein Freund Huslik Valting in den Sinn. Der Astro-Archäologe hatte Vorremar zum Aveda-Mond begleitet. Huslik war jedoch nicht in das militärische Sperr gebiet eingedrungen, sondern hatte ihr Hotel in Camp Selene aufgesucht. Wie es ihm wohl inzwischen erging? Ob man ihn bereits als Vorremars Be gleiter identifiziert hatte? Wurde Huslik gejagt? Oder hatte man ihn gar längst gefangen und unterzog ihn einem Ver hör? Würde Helen Furtok vielleicht bald die Maske fallen lassen und Vorremar mit dem Leben seines alten Freundes er pressen? Dieser Gedankengang gefiel ihm über haupt nicht. Die Lage kam ihm immer verzweifelter vor. Oder befand sich Huslik in Freiheit und plante Schritte zu Vorremars Be freiung? Denn dass der Siganese ent deckt und gefangen genommen worden war, musste Huslik klar sein; sonst wäre er längst im Hotel aufgetaucht, um sei nem Freund Bericht zu erstatten. Das wiederum warf die Frage auf, wie lange Vorremar inzwischen gefangen saß. Einige Stunden? Oder Tage? Wo möglich Wochen? Die Vorstellung bereitete ihm Magen schmerzen. Sein ganzes Gedärm schien sich zu verknoten. Theoretisch konnte er sogar monatelang im Koma gelegen ha ben. Vielleicht hatte Huslik den AvedaMond längst wieder verlassen. Nachdenklich legte Vorremar das Stück Konzentratwürfel beiseite und wandte sich der Wasserschale zu. Sie war groß genug, um darin ein Vollbad zu nehmen.
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Erst als der Siganese direkt daneben stand, entdeckte er den vier Milliliter fassenden Messbecher, der am Rand der Schale stand. Zwar war der Becher groß wie ein Krug für vier Männer, doch man musste dem Wachtposten zugutehalten, dass er wohl das kleinstmögliche Gefäß gewählt hatte. Wie hatte er es ausgedrückt? Wir sind leider nicht auf Gäste deiner Größe ein gestellt. Vorremar hob den Becher und wollte ihn gerade ins Wasser tauchen, als sich das Schott erneut öffnete. Er drehte sich um – und glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Es fiel ihm schwer, nicht aus der gelassenen Rolle zu fallen, die er seinen Bewachern vorspielte. »Hoher Besuch«, sagte er. »So sieht man sich wieder«, begrüßte ihn Administrator Timber F. Whistler. 5. Huslik Valting:
Das Beste vom Besten
Das Motto des Hotels, das den – Hus liks Meinung nach – albernen Namen »TeleTrans« trug, lautete »Das Beste vom Besten«. Damit übertrieben die Besitzer nicht im Geringsten. An Luxus mangelte es tatsächlich in keiner Ecke. Außerdem versuchten die Betreiber mit allen Mit teln, Flair zu schaffen. Das begann schon damit, dass jedes Zimmer einen Eigennamen trug, der in gold glänzenden Kapitälchen über der Eingangstür prangte und von einem ho lografischen Farbenspiel umtanzt wur de. Auf diese Weise begab sich jeder Gast unter die Obhut einer Superintelli genz. So hatte es zumindest der Bedienstete versichert, der Huslik in Empfang ge nommen hatte. Denn die Zimmer waren samt und sonders nach solchen Geistwe sen benannt, die in Terras Historie eine Rolle gespielt hatten.
Geheimprojekt Stardust
Huslik bewohnte den Raum BAR DIOC, während Vorremar in der KAI SERIN VON THERM logierte. Die Zimmer lagen sinnigerweise direkt ne beneinander und waren durch eine Zwi schentür verbunden. »Kleiner Scherz unsererseits«, hatte der Portier versichert. »Wenn eine grö ßere Suite gebraucht wird, öffnen wir die Zwischentür, und beide Schriftzüge ändern sich augenblicklich in THER MIOC, du verstehst?« »Ich bin historisch durchaus versiert«, hatte Huslik geantwortet. »Du bist Astro-Archäologe, ich weiß. Du hast es in deiner Anmeldung angege ben. Deshalb habe ich dir und deinem Begleiter auch diese Zimmer zugewie sen. Weniger gebildete Gäste verbinden immer noch Negatives mit dem Namen BARDIOC, weshalb wir diesen Raum oft nur ...« Weiter hatte Huslik nicht zugehört, sondern sich nur darüber gewundert, warum der Portier persönlich sein Ge päck trug, anstatt es einem Roboter zu übergeben. Wahrscheinlich gehörte dies der Auffassung der Hotelbetreiber nach zum gediegenen Luxus einer erstklas sigen Adresse. Seit mittlerweile zwei Tagen wohnte Huslik im Hotel, genoss SchwerelosMassagen ebenso wie wärmende Strah lenschauer im zimmereigenen Hygiene bereich. Sein üblicher Dreitagebart war längst perfekt glatter Babyhaut gewi chen. Nach einer Unzahl vitalisierender Duschen kam ihm sein aschblondes Haar so dicht vor wie zuletzt vor zwan zig Jahren. Er hatte mehr erlesene Spei sen zu sich genommen als während der zehn letzten Monate. Von Stunde zu Stunde konnte er dem allem aber immer weniger abgewinnen, weil seine Sorge um Vorremar Corma wuchs. Der Siganese war seit über fünf zig Stunden verschwunden. So lange konnte seine Erkundungs mission im militärisch abgeriegelten Gebiet unmöglich dauern. Was bedeute
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te, dass Vorremar entdeckt und gefangen genommen worden sein musste. Zunächst hatte Huslik abgewartet, in der Hoffnung, der Siganese würde auf tauchen. Daran glaubte er inzwischen längst nicht mehr. Stattdessen erging er sich in Selbstvorwürfen, viel zu lange gezögert zu haben. Seit einem Tag durchforstete er sämt liche öffentlichen Medien nach Mel dungen, die im Zusammenhang mit dem Sperrgebiet auf dem Aveda-Mond stan den. Doch das war nicht genug, denn es half dem alten Freund höchstens indi rekt, und aufgefallen war ihm ohnehin nichts. Das Sperrgebiet als solches wur de nach wie vor totgeschwiegen. Wann immer sich die Gelegenheit er gab, stellte er Fragen. Doch niemand schien etwas über das Sperrgebiet zu wissen – oder darüber reden zu wollen. Genau wie die Explosion kein wichtiges Thema zu sein schien. Huslik gewann den Eindruck, eigent lich wundere sich niemand darüber, was im Sperrgebiet vorging. Jedermann ver traute offensichtlich dem Militär. Was zunächst auch vernünftig klang. Huslik hatte es zunächst nicht anders gesehen; ihm war Vorremars Misstrauen übertrie ben vorgekommen. Mit dem Verschwinden des Siganesen hatte sich die Situation grundlegend ge ändert. Alles sprach dafür, dass eben doch etwas nicht stimmte. Sein alter Freund war davon über zeugt gewesen, dass alles mit der Furtok Interstellar Company zusammenhing, deren Hauptwerft nahe beim Gebiet der Explosion lag. Auch Huslik glaubte diesbezüglich nicht mehr an einen Zu fall. Während der Astro-Archäologe eine letzte Runde im Antigravbad schwamm und dazu den Sylphidischen Klängen des Wasserorchesters lauschte, fällte er endgültig eine Entscheidung. Es genügte nicht mehr, dezente Nach forschungen anzustellen! Er hatte viel zu lange gezögert und Vorremar damit
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womöglich in große Gefahr gebracht. Was, wenn der alte Freund längst – er stockte bei diesem Gedanken und kam aus dem Schwimmrhythmus – tot war? Der Gedanke erschreckte Huslik bis ins Mark, und er fror trotz der Wärme des schwerelos treibenden Wassers. Ei ne entsetzliche Vorstellung. Was ver mochte er auszurichten? Welche Behör den konnte er einschalten? Wem konnte er vertrauen, falls sie wirklich einer Verschwörung auf die Spur gekommen waren, in die die Familie Furtok verwi ckelt war? Die Company verfügte über große wirtschaftliche Macht; und mit Admiral Kraton Furtok war zudem der rang höchste Militäroffizier involviert! Was wiederum eine äußerst nahe liegende Erklärung dafür wäre, dass das Sperr gebiet von offiziellen militärischen Ein heiten abgeriegelt wurde. Familiäre Seilschaften ... All das war eine Nummer zu groß für Huslik. Schließlich galt seine Leiden schaft der Astro-Archäologie. Er liebte es, allein in verborgenen Winkeln Far Aways und auf verlassenen Planeten al te Hinterlassenschaften zu erforschen und kryptische Hinweise zu entschlüs seln. Das war weniger abenteuerlich, als man es aus Abenteuerholos kannte, aber selbst wenn sein Leben dem filmischen Vorbild gefolgt wäre ... selbst dann wäre er lichtjahreweit von einem Spion ent fernt, der Regierungsverschwörungen aufdeckte. Dies war nicht seine Welt! Und doch blieb ihm keine andere Wahl, als selbst aktiv zu werden. Vorremar vertraute ihm und war auf ihn angewiesen. Mög licherweise stellte Huslik die einzige Chance seines alten Freundes dar, jemals wieder einen Fuß in die Freiheit zu set zen. Er schwamm zum Rand des Antigrav beckens und stieg durch den reinigenden Schauer aus farbigen Wassertröpfchen in den Traktorstrahl, der ihn nach drau ßen hob. Sofort setzte ein warmer Luft
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strom ein, der Husliks nackten Körper trocknete. »Du verlässt uns?«, fragte der robo tische Dirigent des Wasserorchesters, und die Sylphidischen Klänge ver stummten. Der Astro-Archäologe schlüpfte in seine bereitliegenden Kleider. »Ich benö tige einen Gleiter.« »Ich melde es weiter.« Auf Augenhöhe der konischen Schädelsektion des Robo ters leuchteten zwei Dioden. Der Takt stock surrte in die Aussparung am Arm zurück. »Wohin geht die Fahrt? Wenn du es wünschst, können die Kosten auf dein Zimmer gebucht werden. BARDIOC, richtig?« Als ob du das nicht genau wüsstest, Blechkopf, dachte Huslik. Dennoch be stätigte er und nannte anschließend das Ziel seines Ausflugs. »Das Hauptgebäu de der Furtok Interstellar Company.« * Die Vorderfront des Gebäudekom plexes verbarg sich hinter einem gewal tigen holografischen Panorama, in dem verschiedene bewegte Szenarien mitein ander verschmolzen. Das Hauptmotiv bildeten die Zwil linge Jason und Rhys Furtok, die dem Besucher der Furtok Interstellar Com pany aufmunternd entgegenlächelten – und aufgrund der schieren Größe der Holo-Gesichter auch jedem anderen, der sich bis auf einige Hundert Meter näher te. Zu Husliks Erleichterung spielte sich alles wenigstens lautlos ab. Die Porträts der Zwillinge schwebten in einer Weltraumszenerie und wachten sinnbildlich über Wohl und Wehe ihrer Firma und damit auch über den Wohlstand des gesamten Stardust-Sys tems. Darüber begann eine Dutzende Meter umfassende dreidimensionale Karte des Aveda-Mondes, aus der das Abbild der Siedlung Camp Selene aufstieg, klar
Geheimprojekt Stardust
vom Gebäude der Furtok Company do miniert. Trotz dieser raffinierten Darstellung kam Huslik nicht umhin zu urteilen, dass die Wahrheit auf diese Weise mehr als nur ein wenig beschönigt wurde. An dere Gebäude in Camp Selene waren mindestens ebenso prominent, etwa der Stardust-Gerichtshof. Selbst das »TeleTrans« konnte fast mithalten, zumindest wenn man den Luftaufnahmen Glauben schenkte, mit denen das Hotel für sich warb. Huslik näherte sich dem Hauptein gang für Besucher. Ein weiteres Holo gramm baute sich vor ihm auf. Eine Frau, die ihn anstarrte. Weil ihre Ge sichtszüge ein bisschen zu ebenmäßig waren, nahm er an, dass es sich um eine künstlich erzeugte Mitarbeiterin han delte und nicht etwa um die Wiedergabe einer echten Terranerin. »Willkommen bei der Furtok Inter stellar Company«, sagte das Hologramm. »Ich bin deine persönliche Führerin, die dir hilft, dich zurechtzufinden. Was ist der Grund deines Besuchs?« Huslik musste nicht lange nachden ken. Auf eine derartige Frage war er vorbereitet und präsentierte die pas sende Antwort. »Ich bin Astro-Archäologe und möchte mich über die neuesten Forschungen der Furtok Interstellar Company zum The ma Nano-Robot-Technologie informie ren. Bei meinen eigenen Untersuchungen bin ich auf eine erstaunliche Notiz zum Thema gestoßen. Ich erhoffe mir durch meinen Besuch ein besseres Verständnis einer kulturellen Hinterlassenschaft.« Das war zwar rundum gelogen, aber weil die Company seit einigen Jahren ihre Naniten-Forschung intensivierte, ging er davon aus, dass es als glaubhafte Ausrede durchgehen würde. Mit dieser Einschätzung lag er nicht falsch. »Folge mir bitte zu einem allgemeinen Informationsterminal für interessierte Fachbesucher und Journalisten. Dort
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kannst du erste Informationen abrufen. Wie du sicher weißt, legen wir auf unser Bild in der Öffentlichkeit größten Wert und gelten nicht umsonst als offenes und besucherfreundliches Unterneh men. Sollten sich dir danach weitere Fragen stellen, stehe ich in allen Belan gen zur Verfügung. Zögere nicht, mich zu kontaktieren.« Ein bizarrer Gedanke schoss Huslik durch den Sinn. Wer wohl dieses inter aktive Hologramm programmiert hatte? Wenn eine derart schöne Frau in allen Belangen zur Verfügung stand, konnte das durchaus missgedeutet werden. Wahrhaft eine unglückliche Formulie rung. Genau solche Ergebnisse kamen da bei heraus, wenn man Fachidioten alles überließ; Huslik glaubte schon lange, aus der Historie der Menschheit her auslesen zu können, dass eine Menge Probleme aus der Überbetonung von Technologie entstanden waren. Stün den die Geisteswissenschaften nicht ständig vor allem finanziell im Schatten der naturwissenschaftlichen Forschung, hätte alles ganz anders ausgehen kön nen. Das Hologramm schwebte vor Huslik her und führte ihn am Haupteingang vorbei durch eine Schwingtür in einer breiten Glasfront ins Innere des Gebäu des. Dort bot sich dem Besucher ein ganz anderer Blick als erwartet. Die weite Halle war mit Marmor aus gelegt. Verschwenderisch breite Sitz gruppen luden zum Verweilen ein. Nur wenige Sessel waren belegt. In Gruppen schwebende Servoroboter lauschten und lugten nach jeder auch nur angedeute ten Bitte um Hilfe. Eine leise Melodie schwebte durch den Raum und schmeichelte den Ohren. Huslik glaubte Doo’nai Variex zu erken nen, einen der angesagtesten Musiker im Stardust-System. Rechts und links eines großen Emp fangstresens standen wieder Abbilder der Furtok-Zwillinge; Huslik empfand
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deren ständige Präsenz als penetrant arrogant. Zudem handelte es sich bei diesen Abbildern nicht um Hologramme, sondern um echte, materielle Statuen, man konnte sie also nicht einfach des aktivieren. Das Einzige, was ihm Be wunderung abnötigte, war der Um stand, dass sie trotz ihrer merklichen Übergröße erstaunlich lebensecht wirk ten. Das Hologramm stoppte vor einem einzelnen, mit glänzendem Kunstleder überzogenen Sessel. »Bitte, nimm Platz. In der rechten Sei te befindet sich ein Terminal. Wünschst du, dass ich warte, während du deine ersten Recherchen vornimmst?« Warten? Als ob du Besseres zu tun hät test oder den Hygieneraum aufsuchen müsstest. »Dein Rechnervolumen kann sicher an anderer Stelle gewinnbrin gender eingesetzt werden.« »Du kannst jederzeit über das Termi nal um Hilfe bitten«, betonte das Holo gramm, lächelte verführerisch und löste sich auf. Für Sekunden lag noch die Ah nung zweier scheinbar tiefgründiger Augen in der Luft, dann verpuffte auch diese. Der Kunstlederbezug des Sessels fühl te sich kühl an, erwärmte sich jedoch schnell. Wahrscheinlich waren Heizele mente eingearbeitet. Oh ja, die Furtok Company tat wirklich alles zum Wohl ihres Bildes in der Öffentlichkeit. Wenn Huslik nicht den dringenden Verdacht gehegt hätte, dass dazu auch die Entfüh rung seines Freundes gehörte, wäre er wohl tatsächlich positiv beeindruckt ge wesen. Nach Druck auf eine Sensortaste schob sich aus der rechten Lehne ein Eingabepult, auf dessen Berührungsmo nitor Huslik den Punkt Aktuelle For schungen anwählte. Natürlich würden ihm keine internen Ergebnisse angezeigt werden, aber dafür interessierte er sich auch nicht. Zunächst galt es, den Schein zu wah ren. Also las er über die neuesten Pro
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jekte, die in höchsten Tönen angeprie sen wurden; Naniten-Roboter, die in den Blutkreislauf eingeschleust werden konnten und eine effektivere Sauer stoffversorgung der Zellen garan tierten. Angeblich diente dies rein medizi nischen Zwecken und wurde als karika tives Projekt der Company gepriesen; tatsächlich handelte es sich dabei wahr scheinlich um ein militärisches For schungsprojekt, das die Leistungsfähig keit von Soldaten in Extremsituationen steigern sollte. Ihm fielen auf Anhieb ein Dutzend mi litärische Anwendungsmöglichkeiten ein, und die Furtok Company war be kannt dafür, militärische Forschungs aufträge zu bearbeiten. Das unauffällige Einschleusen der Naniten in Feindesland erschien Husliks Phantasie dabei noch als harmloseste Verwendung. Hätte Vorremar nur ein ähnlich raffiniertes Mittel genutzt, um das Sperrgebiet zu erforschen. Wenn er zurückdachte, konnte er seinen alten Freund nur für seine Unvorsichtigkeit schelten – und sich selbst dafür, Vorre mar nicht von seinem unbedachten Ein dringen abgehalten zu haben. Womit er wieder beim eigentlichen Thema war, das ihn an diesen Ort ge führt hatte. Es wurde Zeit, den nächsten Schritt zu tun. Sein Herzschlag beschleunigte sich. Zwar verfolgte er einen genauen Plan, aber er wunderte sich über seine eigene Tollkühnheit. Es gab tausend Unwäg barkeiten. »Egal«, flüsterte er, um sich selbst Mut zu machen. Er wählte sich in einen an deren Menüpunkt und startete eine Suchmaske. Wie erwartet, führte die Anfrage Ex plosion zu keinem Ergebnis. Die Compa ny hatte keine Verlautbarung an die Me dien weitergegeben. Als er militärisches Sperrgebiet ein gab, baute sich das Hologramm der lä chelnden, makellosen Terranerin wie
Geheimprojekt Stardust
der auf. Es sah ganz danach aus, als würde die Company ihre Gäste gut überwachen. Was wiederum nicht not gedrungen gegen sie sprach. Und wo von Huslik nicht im Geringsten über rascht war. »Wenn du mehr über diese Themen felder erfahren willst, wende dich bitte an einen Mitarbeiter am Empfangstre sen«, säuselte die wohlmodulierte Stim me. Wunderbar. Das war genau die Reak tion, auf die Huslik abgezielt hatte. Al lerdings war es schneller gegangen, als er zu hoffen gewagt hatte. Nun würde es nicht so aussehen, als habe er es auf ei nen persönlichen Kontakt angelegt. »Was bedeutet das?« Er musste seiner Stimme nicht einmal einen zittrigen Klang geben, um einen unsicheren Ein druck zu erwecken. Er war tatsächlich nervös, wenn auch aus ganz anderen Gründen, als die Überwachungsauto matik argwöhnen mochte. Die künstliche Dame lächelte so hold wie immer. »Im Informationsnetz für Fachbesucher und Medienvertreter wer den nur Themen behandelt, die die Com pany direkt betreffen. Darüber hinaus gehende Informationen über das Umfeld werden ausgespart. Dazu zählen auch Gerüchte und unbestätigte Informati onen.« »Gerüchte? Wovon redest du?« »Darüber wird dir das Personal Aus kunft geben. Bist du ein Vertreter der Medien oder arbeitest du für eine kon kurrierende Firma?« »Ich wüsste nicht, wen dies etwas an geht«, gab sich Huslik künstlich erregt. Er hatte sich diese Szenerie im Vorfeld genau zurechtgelegt, aber nun, da er mittendrin steckte, fühlte er sich, als wachse ihm alles sofort über den Kopf. »Außerdem habe ich dir bereits mit geteilt, dass ich Astro-Archäologe bin.« Und kein Spion, auch wenn ich mich als solcher versuche. Er wandte sich um und schritt provo
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kativ genau durch das Hologramm hin durch. Mit gemessenen Schritten eilte er durch die prunkvolle, verschwende rische Halle. Wenn er das Misstrauen der Firmenpolitik überschätzt hatte, würde nun sein ganzer Auftritt umsonst gewe sen sein. Fast stand er schon vor der Glasfront, als ein Mann auf ihn zueilte. Von seinem eleganten Anzug blinkte das Logo der Company, die beiden parallelen Linien, die die Stardust-Galaxis durchschnit ten. Na bitte, dachte Huslik. Also versagte er bei seinem ersten Undercover-Einsatz doch nicht vollständig. Der Terraner hatte ein kantig ge schnittenes Gesicht, das auch das künst liche Lächeln um keinen Deut weicher machte; an einem Gürtel trug er einen winzigen Furrtech-12-Strahler, was ihn wohl als Mitglied des Sicherheitsteams auswies. »Darf ich kurz mit dir sprechen?« Huslik blieb stehen. »Geht man so mit den Besuchern dieser Firma um? Ich wollte lediglich einige Informatio nen ...« »Informationen, die ich dir gerne zu kommen lasse, Huslik Valting.« Er kennt meinen Namen! War er doch zu weit gegangen? Hatte man ihn längst überprüft und war auf die Verbindung zu Vorremar Corma gestoßen? Alles sah ganz danach aus. »Leider bin ich be schäftigt. Mir blieb nur Zeit für einen kurzen Abstecher. Wenn wir also einen Termin ...« »Begleite mich bitte.« »Wenn wir also einen Termin verein baren könnten?«, setzte Huslik erneut an. »Begleite mich bitte!« Bei dem vor letzten Wort legte der Sicherheitsmann die Rechte auf den Griff des Furrtech 12. Da wusste Huslik Valting, dass er zu weit gegangen war. Und dass sein erster Undercover-Einsatz im größtmöglichen Desaster endete.
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6. Stuart Lexa:
Ausgesperrt
Die Schmerzen strahlten vom Nacken aus. Zuerst glaubte Stuart Lexa an eine Verspannung, doch es wurde von Sekun de zu Sekunde schlimmer. Unwillkürlich massierte er sich Schul tern und Hinterkopf. Es trat keine Lin derung ein, im Gegenteil. Die Berüh rungen schienen winzige Sprengladungen zu zünden, die sich durch Haut und Ge webe fraßen. Sein rechtes Auge fühlte sich an, als quetsche etwas den Sehnerv ein. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt unter derart starken Kopfschmerzen gelitten hatte. Gerade als er bemerkte, dass auch Sean Le grange schmerzhaft das Gesicht verzog, meldete sich Muggan Mouritz. »Eine neue Ortung.« Die Stimme des kleinwüchsigen Terraners klang unsi cher wie vor wenigen Stunden, als er zum ersten Mal das Verschwinden des Stardust-Systems verkündet hatte. »Es handelt sich nicht um weitere Schiffe, sondern um ... es sind keine ... ich kann es nicht präzisieren.« Lexa versuchte den pochenden Schmerz und den aufwallenden Ärger über diese unorthodoxe Meldung zu ignorieren. Er betrachtete das Holo, das die aktuellen Messdaten auflistete. »Das kann nicht sein«, hörte er im sel ben Moment die Stimme seines alten Freundes Sean Legrange. »Es ist kein Fehler«, versicherte Mu mou über Funk. »Ich habe bereits eine fünffache Überprüfung vorgenommen.« Ohne ein weiteres Wort eilten die bei den Männer zurück in die Zentrale. Das Geräusch, mit dem sich das Schott hin ter Lexa schloss, erschien ihm wie ein Hammer, der dröhnend gegen einen Gong schmetterte. Vom Trommelfell aus zuckte ein Feuerstoß durch seinen schmerzenden Schädel.
Er spürte jeden Herzschlag in der Halsschlagader, die ungewöhnlich stark pulsierte. Dass die Erregung über die gelinde gesagt ungewöhnlichen Orter werte seinen Puls beschleunigte, schlug dabei alles andere als positiv zu Buche. Lexa versuchte sich selbst zur Ruhe zu zwingen, die ihn seit Jahr und Tag auszeichnete. Es wollte nicht recht ge lingen, egal, wie lange er dieses Verhal ten kultiviert hatte. Der Migräneanfall spielte dabei zweifellos auch eine Rolle. Er hatte niemals Migräne. Nun ja, zu mindest selten. Mumou meldete sich erneut. »Es ist eine diffuse energetische Erscheinung. Nicht näher definierbar, aber zweifellos dem hyperenergetischen Bereich zuzu ordnen. Mir liegen keine Vergleichswerte vor, die ich heranziehen könnte. Ich be zweifle, dass man mit bloßem Auge ir gendetwas wahrnehmen könnte, selbst wenn man vor Ort wäre. Die Orterwerte hingegen sind geradezu durchschla gend.« Kurz gesagt, dachte Lexa, dort ist et was, aber wir haben keine Ahnung, wor um es sich handelt. Er erreichte seine Station und ließ sich sämtliche aktuellen Messwerte an zeigen. Im UHF-Bereich des hyperener getischen Spektrums erreichten die Spitzen der diversen Grafiken Höchst werte. Abartig, dachte er. Das ist vollkom men unnatürlich. Oder ... übernatürlich? Wies das Ortungsmuster auf die An wesenheit einer starken Geistesmacht hin? Oder auf eine hyperenergetische Verwerfung, die im Zusammenhang mit dem Schleier stand? Oder gab es eine ganz und gar andere Ursache? Er wusste nicht, wie er die Daten in terpretieren sollte, ein solches Mess ergebnis bedurfte ausgewiesener Or tungsfachleute und womöglich anderer Spezialisten. Sogar eine Koryphäe wie Mumou war sichtlich ratlos. Und dann diese Kopfschmerzen! Sie
Clubnachrichten
Vor wor t Erdlinge, die Clubnachrichten sind wieder einmal voll mit Fan zines. Ich gebe zu, einen Teil nehmen die elektro nischen Magazine ein. Heute ist technisch vieles möglich, was man vor Jah ren nicht oder nur unter großen Kosten in einem Ma gazin realisieren konnte. Manchmal finde ich es scha de, dass ich kaum mehr ein Fanzine aus dem Umschlag nehmen und in der Hand halten kann. Auch in der Sammlung sind Ausdrucke eben nicht das selbe wie gedruckte Hefte. Aber so sind der Weg der Technik und der Weg der Zeit. Ich wünsche Euch bei der Lektüre viel Spaß, per aspera ad astra! Euer Hermann Ritter
Nachrichten Empfehlung des Monats Die Blätter für Volksliteratur enthalten normalerweise nicht allzu viel für den Leser von PERRY RHODAN. Trotzdem sind die Hefte immer interessant und die vielen, teils farbigen Illustrationen tragen zum hohen Lesegenuss bei. Die Blätter für Volksliteratur 4/2009 enthalten gleich drei lesenswerte Beiträge. Im ersten geht es – passend zum 150. Geburtstag von Sir Arthur Conan Doyle – um Sherlock Holmes. Irgendwie ist Sherlock Holmes einer der Großväter des modernen Detektivs, dem sogar innerhalb der PERRY RHODAN-Serie schon ein paar Mal gehuldigt wurde (ich denke hier zum Beispiel an den Okrill Sherlock). Der zweite Artikel beschäftigt sich mit »Abraham Mer ritt, Großmeister der Fantasy«. Dieser Autor, der bei Pabel im Rahmen der TERRA FANTASY-Reihe erschie-
Vierwöchentliche Beilage zur PERRY RHODAN-Serie. Ausgabe 444.
Clubnachrichten
nen ist, harrt einer (Wieder-)Entdeckung. Dieser Arti kel könnte ein erster Schritt dahin sein. Der dritte interessante Artikel ist der zweite Teil über KOMMISSAR X und seinen Autor. Auch diese Serie ist in einem dem PERRY RHODAN-Leser bekannten Ver lag erschienen; zudem schrieben einige PERRY RHO DAN-Autoren an ihr mit. Im Folgeheft Blätter für Volksliteratur 1/2010 geht es ähnlich interessant weiter. Man liest das Ende des Artikels über KOMMISSAR X, erfährt etwas über die Krimi-Phantastik-Serie »Frank Kenney«, liest über Edgar Allan Poe unter »Der Klassiker des Grauens« und man kann eine Menge über Frauenromane erfah ren. Herausgeber ist der Verein der Freunde der Volks literatur, Hauptschriftleiter (so Titel gibt es nur noch in Österreich, vermute ich) ist Dr. Peter Soukup, Mengergasse 51, A-1210 Wien. Im Internet findet man den Verein unter www.volksliteratur.at. Die Jahresmitgliedschaft beträgt 16 Euro. Online: Fantasy Fantasia 265 e präsentiert den Roman »Durch DIE ZEIT und durch den Raum« von Peter Sullivan und Klaus-Michael Vent. Beide sind aber identisch, wenn man der Selbstvorstellung von Klaus-Michael Vent auf Seite 6 glauben darf. Die Illustrationen stammen von seiner Nichte Alexandra Vent (und sind, ich sage es offen, nicht mein Geschmack). Wenige Tage nach der ersten Ausgabe ist nebenbei eine zweite Version her umgemailt worden, die sich nur im Titelbild von der ersten Ausgabe unterscheidet. Das Ganze ist über 400 Seiten lang und ... ich habe es nicht gelesen. Das Fantasia 266 e enthält dann wieder die bewährten Rezensionen von Franz Schröpf. Der Mann war immer mein großes Vorbild für Rezensionen, und das ist er immer noch. Die meisten Sachen sind gut zu lesen (bei Rezensionen ist das schwierig) und unterhaltsam. Ehrlich! Wer bis hier gelesen hat, wird verwundert sein, dass Fantasia 267 e auf einmal alles rumreißt. Es ist wieder Franz Schröpf, der uns mit Rezensionen erfreut. Und seine Besprechung (nein, Verriss) von »Stahlfront« macht das Heft zu einem Genuss. Schön, wie er hier mit seinem geschulten literarischen Verstand an die Serie herangeht. Danke, das war nötig.
Da die Geschwindigkeit des EDFC scheinbar nur von dem bestimmt wird, was noch auf Lager liegt – jetzt, wo man ein Medium gefunden hat, in dem man alles ganz schnell veröffentlichen kann –, geht es Schlag auf Schlag. Das komplette Fantasia 267 e (wieder einmal ohne Nummer auf dem Cover, das wird total überschätzt) besteht aus dem Roman »Tangoli« von Hanno Berg, immerhin 282 Seiten Umfang. Bei der im Fantasia abgedruckten Biografie des Autors hätte ich mir gewünscht, dass der wohlmeinende Lek tor zu freimütige Äußerungen über sein Leben gelöscht hätte. Im Internet sterben Informationen langsam oder nie; und was der Autor hier unter seinem Realnamen bringt, gehört nicht in ein E-Fanzine. Herausgeber ist der EDFC e.V., im Internet unter www.edfc.de zu finden. Aus den Reihen von FOLLOW stammt das Sumpfge blubber 69. Auf 16 Seiten bringt Peter Emmerich ConBerichte, eine Kurzgeschichte, schöne Fotos und eine Menge unterhaltsame Beiträge. Schon erstaunlich, wie es ihm gelingt, dieses Heftchen immer wieder kurzweilig zu füllen. Da es umsonst ist, lohnt es als ersten Blick auf die Fantasy-Welt Magira. Peter Emmerich erreicht man über ein Kontaktformu lar unter http://substanz.markt-kn.de. Online: Science Fiction Mit fast 100 Seiten präsentiert sich terracom 125 samt farbigem Cover. Natürlich gibt es wieder viele Neuig keiten zu PERRY RHODAN, aber ebenso Neuigkeiten aus dem Bereich der Science Fiction, ein paar ConBerichte und Neues aus der Wissenschaft. Der einzige Wermutstropfen ist, dass die Herausgabe jetzt statt im monatlichen im zweimonatlichen Rhyth mus erfolgt. Hier fehlen Mitarbeiter; wer also Interes se hat, hier mitzuarbeiten, kann sich wohl bei den Herausgebern direkt melden. Herausgeber ist die PERRY RHODAN Online Commu nity, kurz PROC. Leserbriefe gehen an terracom@ proc.org, herunterladen kann man das Heft unter www.terracom-online.net. Aktuell gibt es ein neues Capricornus 84. Neben einem lustigen Rückblick auf »Utopia 509«, das einen MARK POWERS-Roman enthält, gibt es noch die Information, dass die alte Science Fiction Times in Teilen online unter www.science-fiction-times.de/index2.html zu finden ist. Das waren lustige Jahre damals.
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Erhältlich ist das Fanzine unter http://sfbooks.here. de. Abenteuer & Phantastik Bei der Abenteuer & Phantastik 72 ist es wie bei den Vorgängerausgaben. Gibt es ein Themenheft, dann lese ich es begeistert – wird das Heft zusammenge stückelt, dann reißt es mich nicht so vom Stuhl. Tim Burton und seine Arbeit an »Alice im Wunderland« sind aktuell Thema des Heftes, dazu kommen dann aber »Engel« samt Mythen und Fakten; das muss ich nicht immer verstehen. Die Rezensionen sind wie immer sehr gut, die Optik ist wie immer hervorragend. Herausgeber ist der Abenteuer Medien Verlag, Jaf festraße 6, 21109 Hamburg (im Internet unter www. abenteuermedien.de). Elfenschrift Die erste Jubelnummer erreicht Elfenschrift 25 mit der aktuellen Ausgabe. Ein farbiges Cover, viele Artikel (wobei ich mit den »Vampirschlampen« wenig anfan gen kann), Rezensionen und wieder Informationen über aktuelle Ausschreibungen. Ein schönes Heft. Wie immer. Das Heft kostet 2,50 Euro. Herausgeberin ist Ulrike Stegemann, Stichstraße 6, 31028 Gronau (im In ternet unter www.elfenschrift.de). FOLLOW Erneut mit einem stimmungsvollen farbigen Cover (eine Dschunke, die auf eine Fantasy-Stadt zufährt) präsentiert sich FOLLOW 405. Dieses Magazin der »Fellowship of the Lords of the Lands of Wonder« prä sentiert die sogenannten Clanberichte, die Veröffent lichungen der einzelnen Simulationsgruppen auf der Fantasy-Welt »Magira«. Wer Interesse an mal was ganz anderem und Spaß an Fantasy hat, dem sei ein Blick hinein nur empfoh len. Kontaktadresse wäre die Schriftführerin Kirsten Scholz, Konradstraße 13, 50937 Köln (E-Mail
[email protected]; unter www.fanta sy-club-online.de präsentiert sich der herausge bende FantasyClub e.V.).
Intravenös Der Atlan Club Deutschland (kurz ACD) gibt sich mit seinem internen Fanzine intravenös 191 immer viel Mühe. Da gibt es die Blütenlese mit Zitaten von Rü diger Schäfer, die Berichte über eigenartige Fernseh serien, Wissenswertes über den Kristallprinzen Atlan, Rezensionen, Leserbriefe und dieses Mal sogar schon Werbung für den ColoniaCon. Okay, ich bin Mitglied, von daher vorbelastet, aber ich mag dieses Fanzine. Und den Club. Kontakter für den ACD (ungefähr seit 1823, wenn ich raten müsste) ist immer noch Rüdiger Schäfer, Kol berger Straße 96, 51381 Leverkusen (E-Mail kon
[email protected]). Laßwitz Die schöne Edition der Kurd-Laßwitz-Reihe im Verlag Dieter von Reeken geht weiter. Aktuell ist der Band Seelen und Ziele erschienen, Untertitel »Beiträge zum Weltverständnis«. Endlich mal ein Titel, der mir schon immer gefehlt hat ... Aber ich denke mal, dass das für den Freund der Geschichte des Autoren von »Auf zwei Planeten« interessant ist; immerhin lautet der Unter titel »Neuausgabe der erstmals 1908 erschienenen Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen«. Die Aufmachung ist exzellent. Herausgeber ist Dieter von Reeken, Brüder-GrimmStraße 10, 21337 Lüneburg (im Internet unter www. dieter-von-reeken.de). Das Buch kostet 20 Euro (das ist der Subskriptionspreis für Vorbesteller, der tatsächliche Preis dürfte jetzt ein wenig höher lie gen). Midgard x 2 Wer sich im Bereich Fantasy-Rollenspiel mit dem Klassiker »Midgard« beschäftigt, der kommt um den Gildenbrief 59 nicht herum. Es gibt einen schönen Ar tikel über »Kleine Wesen von zauberhaften Orten«, Beschreibungen von Orten und Personen zum Einbau in das Rollenspiel und zwei schöne Vorstellungen von Burgen und Klöstern. Unterhaltsam. Das Heft kostet 4,95 Euro. Herausgeber ist der Verlag für F&SF Siele, Ringstraße 232, 67705 Stelzen berg (E-Mail
[email protected]).
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Viel mehr Fan-Magazin, aber bei einer Jubelnummer angekommen ist DausendDodeDrolle 20. Das Heft mit dem – Verzeihung – drolligen Namen ist eine Fanpu blikation, aber Aufmachung und Illustrationen sind auf professionellem Niveau. Es gibt einen RollenspielSchauplatz, nämlich eine schöne Kneipe namens »Zur Rächenden Axt«. Man findet Quellenmaterial, ein Abenteuer namens »Räuber und Ritter« und Informa tionen über Neuheiten zu »Midgard«. Einziger Wer mutstropfen sind die Buchrezensionen, hier »Schmö kerecke« genannt, die mir durchweg zu kurz und nichtssagend waren. Ansonsten ein schönes Heft. Als Rollenspieler hat man zum Glück inzwischen die Auswahl. Das Heft kostet 4,60 Euro, ein Abonnement über vier Ausgaben kostet 20 Euro (inklusive Versand). Heraus geber ist die DDD Verlag GmbH c/o Grebe, Zweier weg 36, 97074 Würzburg (E-Mail info@ddd-verlag. de). Skeptiker Im Untertitel nennt sich skeptiker 1/2010 richtigerwei se »Zeitschrift für Wissenschaft und kritisches Den ken«. Hier finden sich Dinge wie ein Bericht zum Film »Männer, die auf Ziegen starren«, Neuheiten über das Voynich-Manuskript (eines der letzten kryptogra fischen Rätsel des Mittelalters), aber auch über Exor zismus in Deutschland (sehr erschreckend) und Codes á la »Bibel-Code«.
Immer wissenschaftlich, immer interessant. Herausgeber ist die Gesellschaft für wissenschaft liche Untersuchung von Parawissenschaften e.V., kurz GWUP, Arheilger Weg 11, 64380 Roßdorf (im Internet unter www.gwup.de). Ein Heft kostet sechs Euro. World of Cosmos World of Cosmos 62 verkündet zwar das Ende zu zwei Serien-Rezis, weil die entsprechenden Fernsehserien auslaufen, bringt aber dafür wieder viel an Filmberich ten und Serien-Informationen. Diese sind meist sehr gut zu lesen; ich kann das nicht immer beurteilen, weil ich eben nicht viel schaue, aber die Rezensionen ge ben einen guten Überblick. Dazu kommt ein weiterer Beitrag über »Die Großen (Anti-)Utopien«, dieses Mal »Die Waffenhändler von Isher« von A. E. van Vogt. Dazu kommen Rezensionen der PERRY RHODAN-Hefte 2510 bis 2520 und ein weiterer Teil der Serie über ATLAN – ABENTEUER DER SOL. Sehr zu empfehlen! Eine einzelne Ausgabe kostet 3,50 Euro inklusive Por to, ein Jahresabo kostet 14 Euro. Enthalten sind in Letzterem vier Ausgaben von World of Cosmos und alle weiteren Fanzines des Science Fiction Clubs – Black Hole Galaxie. Kontakt erhält man über Bernd Labusch, Johann-G.-Müller-Straße 25, 25524 It zehoe (E-Mail
[email protected]).
Impressum Die PERRY RHODAN-Clubnachrichten erscheinen alle vier Wochen als Beilage zur PERRY RHODAN-Serie in der 1. Auflage. Anschrift der Redaktion: PERRY RHODAN-Clubnachrichten, Pabel-Moewig Verlag GmbH, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Bei allen Beiträgen und Leserzu schriften behält sich die Redaktion das Recht auf Bearbeitung und gegebenenfalls auch Kürzung vor; es besteht kein Anspruch auf Veröffent lichung. Für unverlangte Einsendungen wird keine Gewähr übernommen.
Geheimprojekt Stardust
verstärkten sich immer weiter und ver hinderten zusehends jeden klaren Ge danken. Normalerweise ignorierte der Vizead miral kleinere Unpässlichkeiten, doch daran war nicht zu denken, so quälend war der Schmerz. Er fragte sich, ob er überhaupt noch als einsatzfähig gelten konnte. Mit dem ihm eigenen Pragmatismus beorderte er einen Medoroboter herbei. Die Wissenschaftler stürzten sich der weil auf jedes neue Ortungsergebnis. Sie würden ihn informieren, sobald sie neue Erkenntnisse hatten. Nach sehr kurzer Zeit bemerkte er zu seiner Erleichterung, dass sich der Me dorobot quer durch die Zentrale näher te. Zu seiner Überraschung steuerte die Maschine jedoch nicht ihn an, sondern den Platz des Piloten. Was bei allen Howanetzen ...? Verwun dert blickte sich Lexa um – und entdeck te zwei weitere medizinische Einheiten im Einsatz. Das konnte kein Zufall mehr sein! »Achtung, Rundruf an alle Stationen und Quartiere! Grundsatzbefehl!«, stieß er hervor und merkte, wie seine eigene Stimme unter einem neuen Schmerzim puls zitterte. »Vizeadmiral Stuart Lexa hier! Jeder, der seit Kurzem unter Kopf schmerz oder ähnlichen Symptomen lei det, meldet dies umgehend!« Binnen weniger Sekunden gingen be reits mehr als zehn Bestätigungen ein. Als endlich ein Medoroboter bei ihm eintraf, stand fest, dass mindestens die Hälfte der Besatzung betroffen war. Wo sollte das hinführen? Wenn es nicht ab ebbte, konnte im Extremfall das Schiff manövrierunfähig werden. Der Roboter spulte einige routinierte Fragen ab und verkündete dann, dass er seinem Patienten ein Mittel verabrei chen werde. »Es wird aller Wahrschein lichkeit nach den Schmerz lindern.« Lexa ließ die Prozedur über sich erge hen und hoffte darauf, dass sein Kopf endlich wieder frei würde. Zum unge
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zählten Mal seit der Entdeckung des Schleiers verfluchte er den Umstand, dass er keinen Kontakt zum StardustSystem aufnehmen konnte. Die neueste Entwicklung gefiel ihm nicht. Wie sah es wohl hinter dem Sextadimschleier aus? Der einzig positive Effekt der Isolati on bestand darin, dass auch die Kristall schiffe nicht in die Heimat vordringen konnten. Sofern nicht Legranges düste re Annahme den Tatsachen entsprach und die Frequenz-Monarchie die Heimat längst besetzt hielt. Aber was, wenn einigen Schiffen schon vor der Entstehung des Schleiers der Einflug gelungen war? Vielleicht tobte in der Heimat eine verbissene Schlacht und seine eigene Flotte könnte das Zünglein an der Waage sein, wer sie für sich entschied! War es ein für die Menschheit töd licher Fehler gewesen, einen so großen Teil der Flotte nach KREUZRAD zu schicken? Verschüttete Milch oder vergossenes Bier, es gibt da eine Redewendung un serer Vorfahren, die es treffend um schreibt ... Was geschehen ist, lässt sich nicht mehr ändern. Je länger Lexa darüber nachdachte und je intensiver ihn die Kopfschmerzen quälten, umso düsterer wurde das Bild, das er sich von den Zuständen jenseits des Schleiers ausmalte. Schließlich wusste er zumindest eines mit unumstößlicher Sicherheit: Das Mit tel, das der Medoroboter ihm verabreicht hatte, wirkte nicht. * Das gegenseitige Taxieren der Kris tallschiffe und der Kegelstumpfraumer fand ein abruptes Ende, als um 13.41 Uhr am 8. Februar 1463 NGZ ein wei teres Kontingent Schlachtlichter wie aus dem Nichts auftauchte. Ein Dutzend Einheiten der FrequenzMonarchie stürzte gleichzeitig in den
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Normalraum und startete einen Angriff auf die Kegelstumpfraumer. Die Stardust-Flotte stand nach wie vor in drei Lichtjahren Entfernung zum Geschehen, sodass sich ihnen die kurze Schlacht nur in Form von Ortungsdaten erschloss. Dass es dabei um die Leben zahlloser Intelligenzwesen ging, ließ sich dabei selbst für die Militärs kaum nach vollziehen. Stuart Lexa war Stratege genug, um zu wissen, dass er inneren Abstand wah ren musste, zumal alle Ergebnisse der Sensoren zeigten, dass der Kampf mit harten Bandagen geführt wurde. To bende Energiemengen mussten das All vor dem Stardust-System in eine wahre Hölle verwandeln. Zwei Kegelstumpfraumer blieben als Wracks zurück, deren Energiesignaturen binnen Sekunden erloschen. Nun stürz ten tote Materiebrocken durch das All, weniger als ein winziger Asteroiden schwarm, auf und in denen jedes Leben erloschen war. Die geflohene Flotte der Fremden fiel nicht an einem gemeinsamen Sammel punkt zurück in den Normalraum. Kei nes der Schiffe verfolgte einen erkenn bar sinnvollen Kurs. Jedes einzelne taumelte auf einer irrsinnigen Bahn durchs All. Lexa fragte sich, was dort wohl los sein mochte ... ... als er eine mögliche Antwort auf eine gänzlich unerwartete Weise er hielt. Seine ohnehin mörderische Migräne steigerte sich schier ins Unermessliche. Jede Zelle seines Hirns schien geradezu zu schmelzen. Seine Schultern sanken herab, er sackte in sich zusammen, schloss die Augen, presste die Hände ge gen die Schläfen. Die Lippen zitterten, er spürte, wie etwas Speichel aus dem Mundwinkel rann. Von irgendwo aus der Zentrale hörte er einen Schrei. Ob es den Kommandanten und Pi loten der Kegelstumpfraumer genauso erging? Hing alles mit der diffusen ener
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getischen Erscheinung zusammen? War sie es, die auf ihre Art jeglichen Wider stand im Keim erstickte? Handelte es sich dabei sogar um eine gezielt einge setzte Waffe der Frequenz-Monarchie? Immer wieder neue Fragen, dachte Lexa. Er zwang sich, die Augen zu öff nen. Dem bereitstehenden Medoroboter befahl er, ihm eine weitere Dosis des Me dikaments zu injizieren; vielleicht wür de es wenigstens für etwas Linderung sorgen. Von dem Roboter forderte er eine Sta tusmeldung über den Zustand der Be satzung. In der Kopfsektion der Maschine blinkten einige Dioden. »Es gehen dau erhaft weitere Daten ein. Ich nehme eine aktuelle Auswertung vor.« Nach einer kaum merklichen Pause ergänzte sie: »Dich hat es mit am schlimmsten er wischt. Die meisten Besatzungsmit glieder leiden lediglich unter zwar star ken, aber erträglichen Kopfschmerzen. Migräne und Erbrechen kommen zu dreißig Prozent ...« »Schon gut«, unterbrach Lexa die Li tanei. Für Details blieb keine Zeit. Das Wichtigste hatte er erfahren – die Mann schaft würde einsatzbereit bleiben, selbst wenn er ausfallen sollte. Wenn es jedem so ergangen wäre wie ihm, hätte das anders ausgesehen. Das Bild der durchs Weltall taumelnden Ke gelstumpfraumer ging ihm nicht aus dem Sinn. »Weißt du etwas über die Ursache der Symptome?«, fragte er. »Unbekannt. Aufgrund der zeitlichen Übereinstimmung liegt ein Zusammen hang mit den angemessenen Spitzen werten im UHF-Bereich nahe. Notfalls empfehle ich aus medizinischer Sicht einen Sprung in sichere Entfernung.« Also weiter weg von der bedrohten Heimat statt näher heran? Nur über mei ne Leiche. Als Lexa klar wurde, dass exakt dies allzu leicht geschehen könnte, milderte er sein Pauschalurteil ab. Sein eigenes
Geheimprojekt Stardust
Leben hätte er im Notfall bedenkenlos geopfert, aber es zeigten sich nach der Aussage des Medoroboters Auswir kungen auf fast jeden an Bord. Konnte Lexa unter diesen Umständen überhaupt verantworten, sich dem Star dust-System weiter zu nähern? Oder stellte ein Rückzug die einzig sinnvolle Vorgehensweise dar? »Meldung!« Mumous Funkstimme explodierte förmlich in Lexas Kopf. Seine Zähne malmten unwillkürlich aufeinander. Die Positronik dämpfte automatisch die Lautstärke. Lexa wandte sich zu dem Orteroffizier um und erschrak. Aus Mumous rechtem Auge quoll über der Nasenwurzel ein Tropfen Blut, rann bis zu den Lippen und hinterließ eine dünne rote Spur. Der Augapfel schillerte ebenfalls ungewohnt rötlich. Lexa dachte an das, was der Medoro boter gesagt hatte: Dich hat es mit am schlimmsten erwischt. Offenbar galt das auch für den kleinwüchsigen Orteroffi zier. Muggan Mouritz ließ sich dadurch al lerdings ebenso wenig beirren wie Lexa. »Sämtlichen Kegelstumpfraumern ist die Flucht durch transitionsähnliche Fortbewegung gelungen. Sie sind in we nigen Lichtjahren Entfernung wieder aufgetaucht.« Dem Vizeadmiral entging nicht, mit welcher Verbissenheit Mumou zu funk tionieren versuchte; das war es, was ei nen guten Offizier in einer solchen Not lage auszeichnete. Sobald dies alles vorüber war – wenn sie das je erleben sollten –, würde er sich daran erinnern. »Da ist noch etwas – eine weitere Or tung! Die UHF-Werte spielen ver rückt.« Lexa streckte den Arm aus, um sich die Ergebnisse ebenfalls anzeigen zu las sen. Der Rand seines Gesichtsfelds wur de schwarz. »Ein zweites diffuses energetisches Phänomen! Dem ersten ähnlich, aber weitaus stärker!«
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Ach ja? Lexas Kopf tauchte in einen Feuersee. Lava rann seine Wirbelsäule hinab. Ein Husten und Würgen, irgendwo, ganz weit weg. Mumou, dachte Stuart Lexa. Es hat ihn ebenfalls erwischt. Dann explodierten vor ihm Sterne, und alles wurde dunkel. Zweites Zwischenspiel:
Agonie-Traum
In der allgegenwärtigen Schwärze zündete ein Funken, und gleißend hell breitete sich mit dem Licht auch das Le ben aus. Stuart Lexa staunte, Zeuge des Ur knalls zu werden. Ein bedeutender Moment, vielleicht der wichtigste in einer jahrmilliarden alten Geschichte. Er hielt Ausschau, ob er jemanden oder etwas sah, was das Ge schehen lenkte. Bald wurde ihm klar, dass es sich nur um eine Vision seines gepeinigten Ge hirns handelte: schön, aber wenig sensa tionell. Lag er wach? Träumte er? Die Antwort fand er erst, als ihm klar wurde, dass er keine Schmerzen emp fand. Also durchlebte er einen Traum. Zweifellos. Sein Bewusstsein hatte sich in sich selbst zurückgezogen, ganz tief, hatte sich abgekapselt von der Pein, un ter der sein Körper litt. In diesem sicheren Refugium wollte er überdauern und abwarten. Auch im Traum befand er sich nach wie vor auf der KATARAKT. Er sah das StardustSystem und die Schiffe, die es belager ten. Der Schleier verhinderte, dass sie eindrangen. Lexa war allerdings nicht auf Techno logie angewiesen, um die Schiffe zu se hen. Er fühlte sie, als hätte er neue Wahrnehmungsorgane entwickelt. Tatsächlich war er nicht in einem Körper gefangen. Er schwebte inmitten
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des freien Weltalls, nicht mehr als ein Funke oder eine Welle im hyperenerge tisch ultrahochfrequenten Bereich. So ist das also, eine Hyperfunknach richt zu sein, dachte er beiläufig amü siert. Sein Name lautete nicht länger Stuart Lexa, er bekleidete nicht mehr die Posi tion eines Vizeadmirals des stardust-ter ranischen Militärs. Er war nicht einmal mehr Terraner, kein einfaches, sterb liches Wesen auf der Suche nach ein we nig Freude und Glück, ehe der Tod zu griff. Mit einer seltsamen Klarheit dachte er seinen neuen, uralten Namen. Ich bin VATROX-DAAG. Und als sei dieser Gedanke ein Ham merschlag gegen die gläserne Glocke gewesen, die sein Bewusstsein barg, zer sprang alles, was er gedacht hatte. Er erkannte, was in diesen Augenbli cken wirklich geschah. Selbstverständ lich war er nach wie vor Stuart Lexa, und genau wie sein ganzes Leben zuvor war er ein Terraner. Doch in seinem Schmerz und seiner Agonie durchbrach etwas die Grenzen seines Bewusstseins und überschwemmte sein Selbstbild. Etwas. Das, was Muggan Mouritz als diffuse energetische Erscheinung bezeichnet hatte. Jenes Phänomen, das aufgetaucht war, ehe sich die Schlachtlichter der Frequenz-Monarchie auf die Kegel stumpfraumer der Jaranoc stürzten und diese vertrieben. Jaranoc? Lexas Geist umklammerte dieses unbekannte Wort, und VATROX DAAG lieferte ihm die Erklärung. Die Frequenz-Monarchie bekämpfte die Ja ranoc, ein Hilfsvolk von ... Stuart Lexa fürchtete sich davor, sich in VATROX-DAAG zu verlieren, und schwamm aus der mentalen Unterdrü ckung fort, ohne sich mehr anzuhören. Jedes Wort ist wie Gift, dachte er. Nä her zur Heimat. Wenn ich schon frei bin, warum dann nicht nach Hause gehen?
Christian Montillon
Vielleicht konnte er in diesem Traum sogar den Sextadimschleier durchdrin gen und einen Blick auf die vertraute Sonne werfen. Nein. Unsinn. All das spielt sich in mir ab. Ich empfange und verarbeite Eindrücke und Impulse aus dem UHFBereich. Der Schleier muss auch in diesem Zustand undurchdringlich blei ben. Dass er dies wusste, änderte nichts daran, was im Traum seiner Agonie ge schah. Je näher er dem Stardust-System kam, umso weiter entfernte er sich von der energetischen Erscheinung namens VATROX-DAAG, die auf der gegen überliegenden Seite des Schleiers lauer te und harrte. Lexa wurde leicht und frei zumute, er konnte wieder er selbst sein. Was nichts anderes hieß, als dass die Schmerzen mit Macht zurückkehrten. Von seinem Kopf aus wollten sie ihn auffressen, wollten nicht nur seinen Körper malträtieren, sondern auch seine Seele. Doch Stuart Lexa zwang sein Be wusstsein, in jenem Refugium zu blei ben, das er sich selbst geschaffen hatte und das ihm Sicherheit bot. Er näherte sich dem Schleier, den er in seinem Agonie-Traum als wallendes, nebelhaftes Nichts sah, das sich über die Wirklichkeit stülpte. Vielleicht ge lang es ihm tatsächlich, ihn zu durch dringen. Wenn er ihn erreichte! Doch gerade das schien unmöglich zu sein. Plötzlich nahm etwas anderes erst den Horizont und dann das ganze All ein. Etwas wie VATROX-DAAG und doch anders. Vor allem in einem unterschied sich der Neuankömmling gewaltig: Er besaß merklich mehr Gewalt und Stärke. »Ein zweites diffuses energetisches Phänomen!«, hatte Mumou gerufen, di rekt bevor die Vision der Qualen begann. »Dem ersten ähnlich, aber noch weitaus stärker!«
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Lexas eigenes Denken erzitterte, als pralle ein titanischer Rammbock gegen ein altes Tor. VATROX-VAMU. Dies war VATROX-VAMU, und er würde nicht zulassen, dass den Jaranoc etwas geschah. Lexa verstand nicht, was genau vor sich ging. Sein Geist kapitulierte vor dem Geschehen, doch er beobachtete, wie die Schlachtlichter mit einem Mal flohen. Ihr völlig ungeordneter Rückzug glich einem Chaos. Die Kristallschiffe beschleunigten mit unterschiedlichen Werten, überstürzt und wie verletzte Wildtiere, die sich einem Raubtier ge genübersahen. Gelang ihnen die Flucht? Stuart Lexa vermochte es nicht zu sa gen. Er hatte genug damit zu tun, sich selbst vor VATROX-VAMU in Sicherheit zu bringen. Weg, nur weg!, dachte er. Die Bilder schrumpfen, als rase er mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit durchs All. Der Schleier verschwand in einem winzigen Punkt. Planeten und Monde streiften ihn und verkamen zur Bedeu tungslosigkeit. VATROX-VAMU ...!? Halb im Traum, halb in der Wirklich keit hörte er die Stimme seines Freundes Sean Legrange: »Die Schlachtlichter sind verschwunden. Was geschieht dort draußen?« Ja, was geschieht dort?, dachte Lexa und erwachte mit einem Kopf, in den sich tausend Nadeln bohrten. Was ge schieht dort nur? 7. Huslik Valting:
Gescheiterter Spion
Der Sicherheitsposten zog die Waffe nicht. Wenigstens blieb das Huslik er spart. Aber der Astro-Archäologe gab sich keinen Illusionen hin – wenn er ver suchte zu fliehen, würde der kleine
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Strahler binnen Sekunden in Aktion tre ten. Hatte er also keine andere Möglich keit, als sich zu fügen? Der Gedanke wi derstrebte ihm, und ohne lange darüber nachzudenken entschied er sich, Wider stand zu leisten. Schließlich hatte er sich nichts zu schulden kommen lassen. Die Furtok Interstellar Company hatte nicht das ge ringste Recht, ihn zu behandeln wie ei nen überführten Verbrecher. Abrupt blieb er stehen, nur wenige Schritte vom verschwenderisch breiten Empfangstresen und den Statuen von Jason und Rhys entfernt, deren steinerne Augen selbstsicher in eine ungewisse Zukunft blickten. Der Wachtposten wurde von Husliks Aktion so überrascht, dass er nicht rechtzeitig stoppte und gegen ihn stieß. »Mit welchem Recht werde ich abge führt?«, fragte Huslik. »Abführen? Ich verstehe nicht.« »Also kann ich die Firma verlassen? Du wirst mich nicht aufhalten, wenn ich mich umdrehe und durch die Glastür dort vorne gehe?« Ein kurzes Zögern. »Ich empfehle dir, das Gespräch wahr zunehmen, um das man dich bittet.« Empfehlen. Wie höflich das klang. Gar nicht der Waffe angemessen, die als stumme Drohung zwischen ihnen stand. »Wer wartet auf mich?« »Das kann ich dir nicht sagen.« »Du willst nicht.« »Ich weiß es nicht. Man gab mir den Befehl, dich ...« Der Wachtposten stock te kurz. »Dich notfalls mit Druck hinzu bringen«, beendete er dann seinen eige nen Satz. Es klang resigniert, als habe er sich selbst überrumpelt. Offenbar fühlte er sich in seiner eigenen Haut nicht wohl. Das sprach dafür, dass er derartige Situationen nicht gewohnt war. Huslik merkte sich das. Vielleicht würde es ihm später einen Vorteil ver
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schaffen. Er ließ sich die Alternative durch den Kopf gehen. »Noch einmal – kann ich die Firma verlassen?« »Ich soll dir ausrichten, es wäre nicht im Interesse Vorremar Cormas.« Diese Antwort bewies dem Astro-Ar chäologen, dass die Gegenseite genaues tens informiert war. Ob man ihm gestat ten würde, das Gebäude zu verlassen oder nicht, spielte also keine Rolle. Was nutzte ihm die angebliche Frei heit, wenn er verfolgt und jederzeit er griffen werden konnte? Dass seine Geg ner dazu in der Lage waren, daran zweifelte er nicht. Und er besaß weder die Erfahrung noch die Mittel, sich da gegen zu wehren. Wenn die Furtok Company – oder wer immer letztlich dahinterstehen mochte – eine Unterredung wollte, würde er sich dieser also nicht entziehen können. War um sollte er unnötig Zeit verlieren? »Ich begleite dich.« Die Haltung seines Gegenübers ent spannte sich merklich. »Wir sind bald da.« Der Sicherheitsmann wies ihm den Weg am Tresen vorbei. Danach blieb er vor einer Tür stehen, die durch ein Ko deschloss gesichert war. Und nicht nur dadurch, wie Huslik gleich darauf er kannte. Ein feiner Lichtstrahl tastete nach der Eingabe über das Gesicht des Mannes; offenbar fand eine Identitäts abtastung statt. Gleich darauf schob sich die Tür seit lich in die Wand. »Nach dir.« Der Wachtposten trat zur Seite und winkte den Astro-Archäolo gen an sich vorüber. Der anschließende Korridor wirkte weit weniger protzig als die Halle. Schlichtes Design und nackte Metall wände bestimmten die Optik. Nur der Boden war mit grüngelben Kacheln be legt. Huslik versuchte, ein Gespräch in Gang zu bringen. »Hier geht es nicht mehr um Repräsentation, was?« »Durch diese Tür treten keine ge
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wöhnlichen Gäste der Firma.« Der Ter raner passierte eine ganze Reihe abzwei gender Türen. »Dies ist ein interner Bereich.« »Du hast Vorremar Corma erwähnt. Was weißt du über ihn?« »Ich sollte dir nur diesen Satz sagen, sofern du keine erkennbare Bereitwillig keit zeigst. Du fragst also den Falschen, wenn du weitere Informationen suchst. Du kannst deine Fragen aber gleich viel besser loswerden.« Er blieb stehen, neben einer Tür, die auf schlichte Weise mit der Zahl 15 be ziffert war; neben der Zahl fand sich ein verschlungenes F. Husliks Führer hob den Blick, als schaue er in ein unsichtbares Kamera auge. »Ich bringe unseren Gast.« Die Tür öffnete sich. »Geh!«, befahl der Sicherheitsposten. »Man wird sich gleich um dich küm mern.« Huslik tat, wie ihm geheißen, und die Tür schloss sich hinter ihm. Er stand al lein in einem schlicht, aber teuer einge richteten Raum. * In einem Wandregal aus hellem Holz lagerten ganze Stapel von Folien. Huslik bezweifelte, dass irgendjemand den Überblick behalten und sich in diesem Chaos zurechtfinden konnte. In einem unordentlichen Haufen sammelten sich einfache Speicherkristalle wie achtlos hingeworfen. Drei Sessel gruppierten sich um einen niedrigen Tisch. Auf einem Hocker di rekt daneben standen einige Flaschen. Eine war gefüllt mit giftgrüner Flüssig keit, in den anderen schillerte es rot. Gläser standen ebenfalls bereit, als habe man einen zwanglosen Empfang vorbe reitet. Huslik überlegte, ob er eine der Fla schen zerschlagen und als Waffe benut zen sollte. Keine Sekunde später verwarf er den Gedanken als absurd.
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Action-Helden im Trivid mochten da zu in der Lage sein, er jedoch würde sich bei dem Versuch wohl eher selbst an den Scherben verwunden. Ganz zu schwei gen davon, dass ihn potenzielle Gegner, ohne mit der Wimper zu zucken, mit Strahlerschüssen ausschalten würden. Da er völlig allein im Raum war und nicht wusste, wann sich jemand um ihn kümmern würde, setzte er sich. Der Ses sel erwies sich als äußerst bequem. Huslik verschränkte die Hände inein ander, stützte die Ellenbogen ab und legte das Kinn auf die ausgestreckten Daumen. Wie weit würde die Furtok In terstellar Company gehen? Würde sie ihn verschwinden lassen, genau wie Vor remar? Oder – der Gedanke legte sich wie eine Stahlklammer um sein Herz – hatte die Company ihn bereits verschwinden las sen? Ärgerlicherweise gab es keine Zeu gen für seinen Aufenthalt im Firmensitz. Abgesehen von dem robotischen Glei terpiloten vielleicht, der ihn vom »TeleTrans« an diesen Ort gebracht hatte. Doch wer sollte überhaupt Recher chen anstellen? Niemand würde wissen, wo er zu suchen hatte. Vorremar und er hatten sich in einer selbst auferlegten Geheimmission auf den Aveda-Mond begeben. Sie hatten es für sinnvoll gehalten, mit niemandem darüber zu sprechen. Wen hätten sie auch ins Vertrauen zie hen sollen? Wenn er nun darüber nach dachte, wurde ihm klar, wie stümperhaft sie vorgegangen waren. Kein Wunder, dass ihr Unternehmen in jeder Hinsicht gescheitert war. Der Astro-Archäologe nahm aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Er drehte den Kopf und bemerkte, dass das überfüllte Wandregal flimmerte. Gas!, war sein erster Gedanke. Sie lei teten irgendetwas in die Atemluft, das seine Wahrnehmung beeinträchtigte. Wahrscheinlich würde er gleich in eine Ohnmacht sinken, aus der er vielleicht nie wieder erwachte.
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Nichts dergleichen geschah. Stattdessen löste sich das Regal völlig auf und gab den Blick auf eine bis dahin verborgene Tür frei. Es war nur eine ho lografische Projektion gewesen. Die Türhälften glitten auseinander, und eine Frau trat ein. Vorremar er kannte sie auf den ersten Blick. Die Terranerin streckte ihm die rechte Hand entgegen. »Helen Furtok.« Er ignorierte die Geste. »Du hättest dich nicht vorstellen müssen. Ich weiß auch so, wer du bist. Und meinen Namen kennst du wohl ebenfalls. Überspringen wir also die Höflichkeitsfloskeln.« Helen schaute ihn an. Irgendetwas an ihrem Blick irritierte ihn. Sie setzte sich ebenfalls, griff zwei Gläser und stellte sie geräuschvoll auf dem Tisch ab. »Vurguzz? Selbstverständlich kein Original, aber nach altem Rezept ge braut. Und sündhaft teuer, wenn ich das ergänzen darf.« Er lehnte ab. Dennoch schenkte Helen Furtok die beiden Gläser halbvoll und roch daran. »Ich kann einen Schluck gebrauchen.« »Sind wir hier, um gemütlich zu plau dern?«, fragte er. »Wenn dies eine Cock tail-Party sein soll, ist sie gründlich misslungen.« »Dies ist ein ernstes Gespräch, Huslik. Beide Seiten dieses Konfliktes haben ein Problem. Unseres lautet Vorremar Cor ma.« Sie trank ihr Glas in einem Zug leer. »Und deines übrigens auch.« 8. Vorremar Corma: Die Erklärung des Administrators Kein Zweifel – bei dem Mann, der Vorremars Gefängnis betrat, handelte es sich tatsächlich um den Administrator des Stardust-Systems. Es war noch nicht lange her, dass Vor remar ihm zuletzt begegnet war, damals in der Halle der tausend Aufgaben. Der Siganese sah sich nicht als Freund des
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Administrators, aber dass sogar Whist ler in diese Verschwörung eingebunden war, entsetzte ihn zutiefst. So weit war es also mit der politischen Spitze der Stardust-Menschheit gekom men! Ein erbärmliches Zeugnis, das für die Zukunft nichts Gutes verhieß. »Trink ruhig«, sagte Whistler. »Ich hörte, du hast einiges durchgemacht.« Woran du ganz gewiss nicht unschul dig bist! Statt der Aufforderung zu folgen, ließ Vorremar den Vier-MilliliterMessbecher achtlos neben der Wasser schale fallen. Er schlug gegen sein Knie, ehe er aufprallte und zur Seite kullerte. Ein kurzer, ziehender Schmerz jagte durch sein Bein. »Ich will Klartext mit dir sprechen«, kündigte der Administrator an, »denn ich habe keine Zeit zu verschwenden.« »Das ist mir sehr willkommen. Ob wohl ich gerade nicht viel zu tun habe.« Der Siganese stieg von dem Tablett und versuchte, weiter seine unerschrocken lässige Rolle zu spielen. »Helen Furtok hat mich ebenfalls schon beehrt.« »Ich weiß, was sie dir gesagt hat. Und ich weiß auch, wie uneinsichtig du re agiert hast.« »So würde ich es nicht bezeichnen. Versetz dich in meine Lage und überleg dir, wie du gehandelt hättest.« Whistler kam einen Schritt näher. »Genau das ist das Problem. Du ver kennst deine Lage.« »Ihr könnt mich nicht einfach töten.« Die Worte waren heraus, ehe Vorremar richtig darüber nachgedacht hatte. »Töten?« Whistler wirkte ehrlich ge kränkt. Erstaunlich. »Du bist wider rechtlich in militärisches Sperrgebiet eingedrungen und hast Industriespiona ge betrieben. Man machte dich dingfest und rettete dir in einer riskanten Opera tion das Leben!« »Niemand hätte mich retten müssen, wenn man mich nicht zuvor erschossen hätte!« Der Administrator ging in die Knie und brachte sein Gesicht vor das des Si
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ganesen. »Die Soldaten feuerten einen Paralyseschuss auf dich ab. Leider in einer normalterranischen Justierung, die auf einen Siganesen ungleich stärker wirkte. Du hast einen synaptischen Schock erlitten, dein Herz-KreislaufSystem spielte völlig verrückt. Mehrere Adern sind geplatzt, unter anderem die Vene ganz in der Nähe deines Herzens. Deine inneren Blutungen waren furcht bar.« Vorremar erinnerte sich nur zu gut daran, wie elend er sich gefühlt hatte, und er wusste, dass er die Antwort auf die Frage erhalten musste, die ihm auf der Seele brannte. »War ich tot?« Whistler zog die Augenbrauen zusam men. Auf seiner Stirn entstanden kleine, kaum merkliche Falten. »Was ist das für eine Frage?« »Eine ganz einfache. War ... ich ... tot?« »Selbstverständlich nicht! Du standst nahe davor, aber wenn du wirklich ge storben wärst, hätten dich auch die Künste unserer Mediker nicht ins Leben zurückholen können.« Der Siganese glaubte kein Wort. Sie hatten ihn getötet und wieder zurückge holt. Er hatte es so empfunden, also ent sprach es der Wahrheit, egal, was der Administrator sagte. Sein Körper hatte aufgehört zu funktionieren, wenigstens für einen kurzen Moment, in dem sein Bewusstsein die Schwelle des Todes überschritten hatte. »Was haben die Me diker getan?« »In deinem Körper befinden sich Na niten der Company. Winzige Medorobo ter, mit dem bloßen Auge nicht sichtbar, nur wenige Nanometer groß. Sie haben deine geplatzten Adern vom Blutkreis lauf her verschlossen und fixiert. Nun überwachen und beschleunigen sie dei ne Heilung, ganz zu schweigen davon, dass sie das durchblutete Gewebe reini gen und es sich dadurch leichter regene rieren kann.« »Naniten?« Ja, das war durchaus mög lich. Winzige technologische Monstren,
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die ausgerechnet von der Furtok Com pany gefertigt worden waren. Was für ein perfider Plan. Wollten sie ihn damit konditionieren? Offenbar hörte der Administrator den Abscheu in seiner Stimme. »Ohne sie wärst du nicht mehr am Leben. Die Schädigungen waren sehr stark.« »Und nun? Sie sind wie ... Zeitbom ben? Die ultimative Waffe, um mich zu erpressen?« Eine dumpfe Erinnerung stieg in ihm auf. Hatte er etwas Ähnliches nicht schon einmal gehört? War nicht auch Perry Rhodans Sohn Michael so etwas widerfahren? Oder verwechselte er es? Ihm blieb keine Zeit, darüber nachzu denken. Whistler seufzte. »Noch einmal, Vor remar – du beurteilst die Lage völlig falsch. Niemand will dir etwas Böses.« »Deshalb hält man mich wohl auch gefangen.« Whistlers Nasenflügel zuckten, aber er sagte lediglich: »Wenn der Heilungs prozess abgeschlossen ist, werden sich die Naniten in deinem Darm sammeln und auf natürlichem Weg ausgeschieden werden. Es bleiben keine Spuren in dei nem Körper zurück. Versprochen.« »Ha!«, machte der Siganese. Der Administrator seufzte. »Du wärst tot, wenn die Furtok Company nicht teure Prototypen in dich investiert hät te.« Prototypen, dachte Vorremar. Die schöne Umschreibung dafür, dass ich als Versuchskaninchen herhalten musste. Langsam durchschaute er das Spiel. Nur war ihm noch immer nicht klar, was Whistler eigentlich wollte. Welche Lü gengeschichte er ihm auftischen würde, um das Ausmaß der Verschwörung zu vertuschen. »Genug davon.« Whistler klang ärger lich, was Vorremar mit einer gewissen Befriedigung erfüllte. »Ich bin gekom men, um dir Informationen mitzuteilen, die streng geheim sind. Und die es auch bleiben müssen. Weil du jedoch ... lass es
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mich so sagen ... Eigeninitiative gezeigt hast, halte ich es für sinnvoll, dich ein zuweihen. Du warst Administrator des Stardust-Systems, daher wirst du ver stehen und dich meines Vertrauens als würdig erweisen.« Nun wurde die ganze Angelegenheit interessant. Der Siganese schwieg abwartend. Er mochte einst Administrator wie Whist ler gewesen sein, aber deswegen war er weder korrupt noch käuflich. Er würde sich niemals an Verschwörungen betei ligen. »Die Furtok Interstellar Company ar beitet seit Jahrzehnten an einem ge heimen, aber offiziellen Regierungsauf trag«, sagte Whistler. »Deshalb wird das Gebiet der Explosion auch von offizi ellen Militäreinheiten geschützt. Es gibt keine Verschwörung, Vorremar.« Behauptet der Oberverschwörer, dachte der Siganese. »Weiter.« »Ziel dieses Regierungsauftrags ist es, einen systemumspannenden Paratron schirm zu entwickeln und zu errich ten.« Der Sextadimschleier um das System, durchfuhr es Vorremar. Die sublunare Halle und die gewaltigen Paratron-Kon verter. Der Administrator musterte den Siga nesen, wohl um die Wirkung seiner Worte zu eruieren. »Das Projekt stand kurz vor der Vollendung, war jedoch noch nicht getestet. Der Schirm sollte dennoch in einer Phase der höchsten Ge fahr aktiviert werden, als die Schlacht lichter erschienen.« »Schlachtlichter?« »Die Kristallschiffe der Fremden.« Whistler senkte die Stimme. »Einheiten der Frequenz-Monarchie. Sie flogen un ser Sonnensystem an, als Icho Tolot in der Halle der tausend Aufgaben die Kar tusche aktivierte und damit auch den Sextadimschleier. Ein Vorgang, der von unseren Bemühungen völlig unabhängig lief.« Das alles besaß sogar eine gewisse
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Plausibilität. Eine Geschichte, die genau zu passen schien. Wie eigens für diesen Anlass erfunden. »Also wurde das ungetestete System auf dem Aveda-Mond trotzdem akti viert?« »Gleichzeitig mit Icho Tolots Aktion. Wir haben die Ereignisse rekonstruiert. Das Ergebnis kennst du – unsere Anla gen überluden sich und explodierten. Es war zu früh für ihren Einsatz. Den Ver antwortlichen der Furtok Company blieb jedoch keine andere Wahl. Die Be drohung durch die Schlachtlichter war zu groß.« »Dennoch hätte es nichts gebracht«, fragte Vorremar, »wenn Icho Tolot nicht gleichzeitig den Sextadimschleier akti viert hätte?« Whistler stimmte zu. »Das Projekt stammt aus der Zeit, als längst noch nicht klar war, worauf die Gesamtent wicklung in und um unseren Sternhau fen hinausläuft. Unsere neue Heimat stand sozusagen kopf, als der PolyportHof NEO-OLYMP entdeckt wurde. Alle Beteiligten waren sich einig, dass Vor sorge getroffen werden muss.« Der Siganese überschlug die zeit lichen Zusammenhänge. »Du sprichst von der Regierung unter der Adminis tration meiner Nach-Nachfolgerin Arte mis Istban?« »Exakt! Sie hat ihre Zustimmung er teilt und die Furtok Company beauf tragt. Ich wurde erst 1452 wiedergewählt und selbstverständlich über dieses Pro jekt informiert, das ich für unterstüt zenswert halte. Also ließ ich es fortfüh ren.« Vorremar kam ins Wanken. Dies alles schien lückenlos zu passen! Eine so gute Lüge war vielleicht doch die Wahrheit. Zumindest aus einem gewissen Blick winkel. »Seit der Explosion arbeitet eine Heerschar von Ingenieuren und Techni kern mit Hochdruck daran, die Anlagen zu reparieren«, fuhr Whistler fort. »Wir wollen, nein, wir müssen unabhängig
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von ES und seinen Hinterlassenschaften werden. Die Kartuschen in der Halle der tausend Aufgaben mögen uns diesmal buchstäblich den Hintern gerettet ha ben, aber darauf wollen wir in Zukunft nicht vertrauen.« So redet ein Politiker. Der Adminis trator spielte eine Rolle, aber das offen bar voller Überzeugung. »Die Stardust-Menschheit muss sich selbst schützen können! Gegenwärtig vielleicht mehr als je zuvor.« Whistler erhob sich, hielt den Blick jedoch nach wie vor auf sein Gegenüber gerichtet. Wollte er damit seine Überlegenheit de monstrieren? Schiere Körpergröße än derte nichts an dem, was wirklich zähl te. »Und nun?«, fragte der Siganese. »Genau das ist die Frage. Was sollen wir mit dir anfangen, Vorremar? Ich ha be dich ins Vertrauen gezogen. Wirst du dich dieses Vertrauens als würdig erwei sen?« »Das werde ich.« Vorremar schaute sich in seiner Ge fängniszelle um. Er ahnte, dass er sie bald verlassen würde. »Du weißt, dass ich mich schon lange aus der Politik und damit auch aus der Öffentlichkeit zurückgezogen habe. Mein Interesse an den Geschehnissen auf diesem Mond war rein privater Na tur. Das des Forschers.« »Das bedeutet, du wirst ...« »Ich werde schweigen«, unterbrach Vorremar. »Niemand wird etwas über diese Geheimnisse erfahren. Außer einem.« Ein schmales Lächeln legte sich auf Whistlers Lippen. »Huslik Valting.« »Du weißt von ihm?« »Er befindet sich ganz in der Nähe. Wenn du mir dein Wort gibst, werde ich dich zu ihm bringen, und ihr könnt den Aveda-Mond verlassen.« »Du kannst mir vertrauen.« Whistler nickte. »Ich freue mich, dass wir auf derselben Seite stehen, Vorre mar. Unsere einstigen politischen Diffe
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renzen dürfen angesichts des Projekts keine Rolle spielen. Es geht um unser aller Sicherheit. Und sobald der Para tronschirm einsatzfähig ist, werden oh nehin alle davon erfahren. Fast wäre es vor wenigen Tagen so weit gekommen.« Whistler gab eine Kombination ein, und die Tür ging auf. Die beiden so un gleichen Männer traten in den Korri dor. Alles sah gut aus. Aber Vorremar wusste, dass etwas nicht stimmte. Ganz und gar nicht. Und mit einem Mal dämmerte ihm auch, worum es sich dabei handelte. 9. Stuart Lexa:
Schmerzendes Warten
Seine Augen schmerzten, als er sie öff nete. Den Kopf zu bewegen, erwies sich als weitaus schlimmer. Etwas schien vom Nacken her durch die gesamte Muskula tur zu sägen und alle Nerven wütend zu zerfetzen. »Bleib ruhig liegen«, sagte eine see lenlose Stimme. »Bald wird es besser sein.« Ein Medoroboter ragte neben ihm auf und hielt mit einem seiner metallenen Arme Lexas Kopf fest. Von den Druck stellen ging eisige Kälte aus, ein sehr angenehmes Gefühl. Ihm war, als wür den sich Eiskristalle über seine Haut ziehen und den glühenden Schmerz her unterkühlen auf ein erträgliches Maß. »Es liegen«, sagte die Medoeinheit so bedächtig, wie es nur Maschinen vermö gen, »keinerlei gesicherte Informationen vor, aufgrund derer die erhöhte Reagibi lität von dir und wenigen anderen ge genüber der Vergleichsgruppe erklärt werden kann.« »Was ...« Der Vizeadmiral schaute ver dutzt auf den Roboter, der so viel größer wirkte als gewöhnlich und versuchte, die Informationen in verständliche
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Sprache zu übertragen. Die Sprechweise der Maschine überforderte ihn gegen wärtig. Nichts Genaues weiß man nicht, dachte er, und dann fiel ihm auf, dass er am Boden lag. Offenbar war er aus sei nem Stuhl gestürzt. Der Roboter leierte weiter seine Infor mationen herunter. »Hypothese eins for muliert eine physische Spezifikation, die ausschließlich im Kontext einer Be schauerung durch hyperenergetische Strahlung des UHF-Bereichs virulent wird. Hypothese zwei geht hinge gen ....« »Stopp!«, bat Lexa. »Keine weiteren Hypothesen, bitte. Wie ...« »Meine persönliche Hypothese lau tet«, sagte da eine dunkle Stimme, und Sean Legrange schob sich in Lexas Sichtfeld, »du bist ein Waschlappen.« Na, herzlichen Dank! Weil er wusste, wie Legrange es meinte und weil er die große Erleichterung in dessen Stimme hörte, verkniff er sich eine Bemerkung. Er fühlte, wie die Beschwerden nachließen, und wandte sich an den Me dorobot. »Welches Medikament hast du mir injiziert?« »Du verspürst Besserung?« »Ganz im Gegensatz zu deinen ersten Versuchen. Offenbar hast du nun das richtige Mittel gefunden.« »Es gibt eine ganz andere Erklärung«, mischte sich Legrange ein. »Die erste geortete ›Präsenz‹ ist inzwischen ver schwunden.« »VATROX-DAAG«, murmelte Lexa. Der Medorobot gab beinahe synchron dazu ein surrendes Geräusch von sich und erklärte dann laut: »Dein Gehirn wellenmuster entspricht den gespeicher ten Parametern der medizinischen Bord datenbank. Bleibende Schäden sind daher auszuschließen.« Legrange schlug dem Roboter gegen die Flanke. »Ruhe, Blechkamerad. – Du hast nicht gerade ›Vatertag‹ gesagt, oder?« Lexa lachte leise, obwohl sein Sinn nicht heiter war. »Der Name dieses We
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sens, wenn es sich denn um ein solches handelt, lautet VATROX-DAAG. Es ist mit einfachen Kategorien allerdings nicht zu fassen.« »Woher weißt du das?« Lexa winkte ab. »Eine komplizierte Geschichte. Sagen wir es so – ich habe eine Vision durchlebt.« Der Verteidigungsminister musterte ihn mit skeptischem Blick. »Du brauchst dich um meinen Geis teszustand nicht zu sorgen. Es war kein spirituelles Erlebnis. Mein Bewusstsein hat auf die UHF-Strahlung reagiert. Vermute ich zumindest. Ich habe ... Ge danken empfangen.« »Telepathie?« »Ich bin nicht psibegabt, das geb ich dir schriftlich. Nein, es war eher, als überforme ein dominierendes mentales Muster mein Bewusstsein. Wie eine ... mentale Vergewaltigung. Als müsse ich verwehen, um etwas anderem Platz zu schaffen.« »Ich bin ganz Ohr«, sagte Legrange und verjagte die Medoeinheit mit einem Handwedeln, die offenbar unschlüssig neben ihrem Patienten verharrte. Der Vizeadmiral teilte schnell und präzise seine Erkenntnisse über die Ke gelstumpfraumer seinem Freund mit und erwähnte auch das Volk der Jara noc. »Zu ihnen gehört die zweite Wesen heit. VATROX-VAMU.« »Das stärkere UHF-Muster?« Er nickte. »Wenn man es so nennen will. Es ist kompliziert. Wie VATROX VAMU und die Jaranoc genau miteinan der verbunden sind, kann ich nicht defi nieren. Ich weiß nur, dass es diese Verbindung gibt.« Es entstand eine kurze Redepause. Lexa setzte sich auf. »Das werde ich überprüfen«, ver sprach er. »Sobald Zeit dafür bleibt.« Was auf mittelfristige Sicht sicher nicht der Fall sein würde. Worüber er, was dieses Detail anging, auch nicht un glücklich war. »Interessant ist wohl auch, dass mir nur VATROX-DAAG
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Kopfschmerzen bereitet hat, VATROX VAMU hingegen nicht. Was sagt uns das?« »Nichts. Wie du bereits gehört hast, ist eine der Ortungen verschwunden, die die Symptome wohl ausgelöst haben. Die zweite ...« »VATROX-VAMU.« »... befindet sich noch vor dem Schlei er, aber wir entfernen uns von ihr.« Wir fliehen vor dem, was auch immer sich vor den Toren unserer Heimat ab spielt? Das Missfallen stand ihm wohl deutlich ins Gesicht geschrieben, denn Legrange ergänzte: »Ich habe übrigens den Befehl dazu gegeben. Wir steuern einen Beobachtungspunkt in insgesamt sechs Lichtjahren Entfernung an. Dort werden wir sehen, ob diese Entfernung ausreicht.« Lexa nickte schwach. Wenn dadurch die Schmerzen verschwanden, war er gerne bereit, die zunehmende Entfer nung von der heimatlichen Sonne in Kauf zu nehmen. * Stuart Lexa genoss das leicht ge dämpfte Licht und die Ruhe abseits des Trubels in der Zentrale. Sie hatten die Enge und Sterilität des Besprechungs raums gegen Lexas Privatquartier ge tauscht. Seit nunmehr einem halben Stan dardtag beobachteten sie aus sicherer Entfernung das Geschehen rund um die Heimat. Da keine besonderen Überra schungen zu erwarten waren, hatten die beiden Männer die Zentrale verlassen und die Befehlsgewalt delegiert. Lexa lehnte sich im Sessel zurück. Die Migräneschmerzen waren bis auf ein leichtes Pochen im Hinterkopf ver schwunden. »Die Kegelstumpfraumer kreisen das System geradezu ein.« Legrange hob ein Glas und betrachte te versonnen die darin schimmernde goldgelbe Flüssigkeit. »Wenn man bei dieser geringen Zahl von Schiffen davon
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sprechen will, muss ich dir recht geben.« Er nippte an seinem Getränk – StardustHonigseim, der Verkaufsschlager einer kleinen Firma namens Traumkosmos. Es roch penetrant süß und schmeckte noch süßer; angeblich setzte es körper eigene Endorphine frei und wirkte wie ein Bad im kosmischen Strahlenschauer – so lautete zumindest der Werbeslo gan, der jeder naturwissenschaftlichen Grundlage entbehrte. Aber er klang mindestens ebenso gut, wie das Zeug schmeckte, und darauf kam es an. Ein leises Piepen kündigte den Ein gang einer wichtigen Nachricht an. Auf Lexas Befehl hin las der Kabinenservo den Text vor. »Klarmeldungen: 100 Prozent der ver fügbaren Einheiten der Stardust-Flotte. Alle Schiffe haben den neuen Treffpunkt erreicht. Keine ungewöhnlichen Krank heitsfälle.« Die Flüchtlinge waren also vorläufig in Sicherheit. Das war zwar ein beruhi gendes Gefühl, aber Lexa gefiel die erzwungene Tatenlosigkeit nicht. So nah der Heimat blieben sie zum Nichtstun verdammt. »Nachtrag«, las der Servo vor. »Ge sprächswunsch avisiert durch Komman dant Bellyr; Terminierung zur nächst möglichen Gelegenheit. Ende der Nachricht.« Lexa warf Legrange einen fragenden Blick zu. Dieser zuckte die Achseln. »Wir kön nen kaum behaupten, dass wir momen tan Wichtigeres zu tun hätten.« Er schnippte mit Daumen und Zeigefinger gegen das Glas. Ein heller Ton sirrte durch die Kabine. »Willst du ihn zu un serer kleinen Privatparty einladen?« Der Vizeadmiral grinste. »Ich glaube nicht, dass er ein besonderer Freund von Geselligkeit ist. Ein Funkgespräch dürf te ausreichen.« Sein alter Freund lachte, und er fiel mit ein. Es tat gut, für wenige Sekunden alles zu vergessen und nicht mehr an den Schleier, die belagernden Schiffe und die
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beiden Wesenheiten VATROX-DAAG und VATROX-VAMU zu denken, die of fenbar von bedeutender Macht und ein ander nicht grün waren. Leider blieben Lexa nur Spekulati onen über die Zusammenhänge. Fast sehnte er sich in seinen Agonietraum zu rück, in der Hoffnung, weitere Erkennt nisse gewinnen zu können. Andererseits stand die Frage im Raum, ob sich dieser Zustand jemals wiederholen ließe; es konnte ein einmaliges Zusammenspiel unbekannter hyperphysikalischer Gege benheiten gewesen sein. Er wischte sich eine winzige Lachträ ne aus dem Augenwinkel, trank den Ho nigseim leer und nahm Verbindung zu Bellyr auf. Der Elfahder meldete sich sofort. »Ich danke dir für dieses rasche Zu standekommen unseres Gesprächs«, sagte Bellyr. »Wie kann ich dir helfen? Oder hast du bereits herausgefunden, wann dein Volk in der Vergangenheit schon einmal mit einem Sextadimschleier wie diesem in Berührung kam?« »Nichts dergleichen. Ich hörte, einige Terraner hätten unter teilweise starken Schmerzen gelitten.« Die Erinnerung war alles andere als angenehm, aber wie es aussah, wurde er immer wieder darauf gestoßen. »Aller dings. Es sind jedoch keine Todesfälle zu beklagen.« Er dachte an Muggan Mouritz, der noch immer von einem Bordmediker be handelt und genauestens beobachtet wurde. Der Zustand des kleinwüchsigen Orteroffiziers war bedenklich, seine Überlebenschancen stiegen jedoch von Stunde zu Stunde. Sein Kreislauf hatte völlig versagt, und stark erhöhter Blut druck hatte nicht nur im Augengewebe zahlreiche kleine Äderchen platzen las sen. Der Elfahder klang ungerührt, als er fortfuhr: »Ich übermittle dir eine Holo aufnahme, die zufällig von einer Routi ne-Überwachungskamera angefertigt
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wurde. Sie wird dir einen Eindruck da von vermitteln, wie Elfahder auf die gemessenen UHF-Werte reagieren kön nen. Ich muss betonen, dass die Aussage der Aufnahmen höchst ungewöhnlich und keineswegs repräsentativ ist – un sere Körper sind für gewöhnlich nicht derart anfällig. Da es nur einen unter uns getroffen hat, darf ich auch einen Zufall nicht ausschließen, wenn ich dies auch für äußerst unwahrscheinlich halte.« Diese Andeutungen weckten Lexas Neugierde. »Auch bei uns reagierte jeder anders. Die wenigsten wurden völlig außer Gefecht gesetzt.« Unter anderem ich. »Sieh dir die Aufnahme an«, forderte Bellyr. »Danach lösch sie. Sie berührt ein Thema, über das wir nicht gerne sprechen. Es ist uns unangenehm.« In Lexa stieg ein Verdacht auf, worum es sich dabei handeln konnte. Sie hatten auf KREUZRAD zwei Gruppierungen der Elfahder kennengelernt. Bellyr gehörte zu den sogenannten Körperbewahrern, die ihrem Leib durch eine Art Metallrüstung – ein Exoskelett – Stabilität und annähernd humanoide Form verliehen. Sein Stellvertreter Mondhyr hingegen, der auf dem Poly port-Hof zurückgeblieben war und dort das Kommando übernommen hatte, be zeichnete sich als Körperloser. Elfahder bestanden aus einer form losen, weichen Masse, aus der sie bei Bedarf Wahrnehmungsorgane und sons tige Gliedmaßen ausbilden konnten. Bewahrer wie Bellyr trugen das einer antiquierten Ritterrüstung ähnliche Exoskelett, um an die ursprünglich hu manoide Körperform ihres Volkes zu erinnern. Körperlose wie Mondhyr hin gegen lebten ohne eine feste Form. Ein Blick auf das übermittelte Holo gramm bestätigte Lexas Verdacht. Es zeigte einen Elfahder, dessen Leib aus der Rüstung floss. »Er hat es nicht beabsichtigt«, erklär te Bellyr. »Die Ausstrahlung dieser hy
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perenergetischen Ballungen, oder wor um auch immer es sich dabei handelt, hat seine Körperstruktur beeinträchtigt. Sie verflüssigte sich stärker als gewöhn lich. Zum Glück handelte es sich um ei nen temporären Effekt. Rymman hat keinen Schaden davongetragen.« Lexa begriff, wie schwer es Bellyr fiel, über dieses Thema mit einem Außenste henden zu sprechen. »Ich danke dir für dein Vertrauen.« »Wir sind Verbündete«, sagte der El fahder. »Obwohl Rymman der Einzige war, bei dem sich dieses Phänomen zeigte, könnte es bedeutsam werden, falls diese Erscheinung ...« »Ein Wesen«, unterbrach der Vizead miral und erwiderte damit das Vertrau en des Wesens aus Estartu. Die Elfahder waren Partner und mussten über die gleichen Informationen verfügen kön nen wie die Terraner. »Bei der verblei benden Energieballung handelt es sich um eine Entität, die den Namen VATROX-VAMU trägt.« »Diesen Namen habe ich nie zuvor ge hört. Auch die Ortungsergebnisse sind mit keinen bekannten Mustern ver gleichbar.« Soweit es Lexa beurteilen konnte, schien dies der Wahrheit zu entsprechen. Allerdings kannte er Bellyrs Volk bei Weitem nicht gut genug, um sich mit dieser Einschätzung sicher sein zu kön nen. Er erklärte kurz, wie er diese Infor mation erhalten hatte. Bellyr zeigte weder Skepsis noch Ver ständnis – der Laut, den er von sich gab, konnte alles oder nichts bedeuten. Da nach verabschiedete er sich. Wenig später verließ Legrange das Quartier, und Lexa ging zu Bett. Nach allem, was sein Körper an diesem Tag durchgemacht hatte, fiel er augenblick lich in einen bleiernen Schlaf. * Sie beobachteten die Lage rund um das Stardust-System seit nunmehr drei
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Tagen. Inzwischen war der 11. Februar angebrochen. Die Kegelstumpfraumer verteilten sich nach wie vor weitläufig um den Sextadimschleier. Und warteten. Aber worauf? Würden sie aktiv wer den oder dienten sie nur dazu, eine Rückkehr der Schlachtlichter zu verhin dern? Lexa wusste nicht, nach welchen Prinzipien VATROX-VAMU handelte. Stellte er – oder es – eine primär behü tende oder eine vorwiegend vorwärts drängende Kraft dar? Sein Eingreifen zugunsten der Jaranoc ließ vermuten, dass er eher defensiv ausgerichtet war, während VATROX-DAAG aktiver, ag gressiver gewirkt hatte. Aber ... sicher sein konnte er sich dessen nicht. Warum geschah nichts? Würde bald Verstärkung eintreffen? Eine weitere Flotte? Etwas, das in der Lage sein wür de, den Schleier zu beseitigen? Je länger er darüber nachdachte, um so mehr Fragen stiegen in Stuart Lexa auf. Er benötigte dringend weitere In formationen, doch es gab keine Aussicht, diese zu erhalten. Erneut dachte er über ein Einsatzkommando nach, das er auf einen Risikoeinsatz schicken konnte. Zum gefühlten tausendsten Mal über prüfte er in der Zentrale der KATA RAKT die Ortungsergebnisse. Nichts
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hatte sich seit dem letzten Mal geändert. Oder seit den zehn Malen zuvor. Lexa lehnte sich in seinem Sessel zu rück, als sich die Farbgebung des Holos unvermutet auffallend änderte. Ein Be reich im vorderen, der KATARAKT zu gewandten Drittel des Schleiers wurde automatisch herangezoomt. Der Schleier flackerte an dieser Stel le. Und im nächsten Moment überall. Ein grellweißer Jetstrahl schoss wie eine gewaltige Sonneneruption weit ins All, um sofort wieder zu erlöschen. Das Ortungssystem gab Alarm, und die Datenkolonnen zeigten Werte, die alles übertrafen, was Lexa jemals gese hen hatte. Wahrscheinlich höher, als je der andere an Bord es sich vorstellen konnte. Was geschieht da?, fragte sich Stuart Lexa und wünschte sich zugleich, es wä re weiterhin nichts passiert. Warum wurde meine Ungeduld bloß erhört? Jeglicher Gedanke verschwand schlagartig unter einem anderen Schlei er – dem der Schmerzen, die blitzartig wieder durch seinen Kopf schossen. Ihm war, als zerreiße es ihn von in nen. Er öffnete den Mund, um zu schreien, aber er hörte sich nicht mehr. Etwas fiel zu Boden – er selbst, bemerkte er beiläu
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fig –, und Lexa versank blitzartig in ei ner tiefen Ohnmacht. Drittes Zwischenspiel:
Und wieder diese Agonie
Als habe etwas die Hülle seines Be wusstseins aufgebrochen und damit Stuart Lexas verletzliches und angreif bares Inneres bloßgelegt, schwappte et was in seinen Geist. Etwas. Jemand. VATROX-VAMU. Der Vizeadmiral der Stardust-Flotte erhaschte einige Eindrücke dessen, was sich vor den Grenzen des Stardust-Sys tems abspielte. Er spürte die Gedanken, sah die Gefühle, roch die Emotionen und brannte im Feuer der Schmerzen, die sein Leib erlitt. Ob VATROX-VAMU überhaupt be merkt, dass ich da bin? Jener einfache, sterbliche Mensch namens Stuart Lexa, geboren am 4. Februar 1389 NGZ auf Aveda, Sohn von Maximilian, Bruder von Rebecca, Vater von zwei Töchtern und zwei Söhnen? VATROX-VAMU konzentrierte sich auf etwas viel Wichtigeres. Er fühlte das Flackern des Schleiers und wusste, dass es nun so weit war. Die Jaranoc auf der anderen Seite hatten es vollbracht. Der Hyperdim-Perforator war fertiggestellt und nahm seine Arbeit auf. Endlich. Gier züngelte an den Rändern von Le xas Bewusstsein. Gier oder Sehnsucht oder ein anderes, tieferes Gefühl, in dem Schmerz, Leid und Wonne verschmol zen. Hyperdim-Perforator?, fragte sich Stuart Lexa und drängte damit das Ge fühl zurück, das ihn verbrennen würde, wenn er sich ihm hingab. Was perforiert er? Den Sextadimschleier? Und wieso sind Jaranoc auf der anderen Seite? Als Nächstes bemerkte er, als sei er selbst jene unbegreifliche Wesenheit, die
Schwingungen, die vom pulsierenden Schleier ausgingen. Jene Geschehnisse, die von den Ortern nur als tote Werte und Zahlen erfasst und in Tabellen aus gegeben wurden, erhielten während des Agonie-Traums ein eigenes Leben voller Wunder. Eine hyperenergetische Frequenz schlang sich um die dreidimensionale Wirklichkeit, schmiegte sich in ihre Lü cken und sprengte sie voller Harmonie. Das Flackern im UHF-Bereich exis tierte nicht bloß, sondern lebte und at mete und erhob sich aus den Niede rungen der Physik. Die Schwärze des Alls erfüllte sich mit buntem Licht und ließ erahnen, dass sie niemals tot gewesen war und niemals sterben konnte. In ihr wimmelte und strömte es. Das sterbliche Wesen Stuart Lexa be nötigte nur einen anderen Blickwinkel, um es endlich zu erkennen. Die Arro ganz, mit der er alles stets nur aus seiner Warte betrachtet hatte, erdrückte ihn geradezu. Die Erkenntnis, keineswegs so vorurteilsfrei und tolerant zu sein, wie er sich immer bemüht hatte zu sein, raubte ihm den Atem und erstickte ihn. Ich tue Buße, wollte er schreien, doch angesichts der Herrlichkeit verließen die Worte weder sein Gehirn noch seine Kehle. So schaute er und staunte. Staunte und war voller Entsetzen. Fürchtete sich und jubilierte. Der Hyperdim-Perforator: Werkzeug der Freiheit. Auslöser der Katastrophe, erkannte er in dem verborgenen Winkel, der auch in diesen Augenblicken noch klar dachte. VATROX-VAMU wartete. Aber er würde nicht mehr lange warten müs sen. Stuart Lexa strebte zurück in die Wirklichkeit, aber er kannte den Weg nicht mehr. Er musste schleunigst hinaus aus sei nem Traum, so erhaben er auch sein mochte. Er hatte eine Aufgabe zu erfül
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len. Er musste weitergeben, was er er hascht hatte. Und vor allem das, was alle längst wissen mussten, weil auch die be schränkten Mittel der Ortung es ihnen zeigten. Der Schleier flackerte und wurde durchlässig. Durchlässig für die Kegelraumschiffe der Jaranoc. Durchlässig für ihren Herrn. Lexa warf einen letzten Blick in den lebendigen Kosmos. Er gönnte sich ein letztes Atemholen in dem Wissen, dass mit dem Ende des Traums auch die Schmerzen zurückkehren würden. Aber er musste wieder aufwachen, wenn er jemals wieder erwachen woll te. Und als er den Weg vor sich sah und ins Licht zurückkehrte, verfolgte ihn ein düsterer letzter Gedanke: Durchlässig für VATROX-VAMU. 10. Vorremar Corma:
Bittere Erkenntnis
»Ich freue mich, dass wir uns einigen konnten«, sagte Administrator Timber F. Whistler. Dieser Heuchler. Vorremar Corma signalisierte mit einem Nicken seine Zustimmung. »Für das Wohl des Stardust-Systems.« »Das ist unser gemeinsames Ziel.« Der Siganese lächelte. »Ein Ziel, das auch ehemalige politische Konkurrenten vereint, um an einem gemeinsamem Strang zu ziehen.« Whistler führte ihn den kahlen Korri dor entlang und in einen Raum, in dem zwei Personen offenbar nur auf ihn ge wartet hatten: Helen Furtok und sein alter Freund Huslik Valting. Der Admi nistrator verabschiedete sich und zog sich zurück. Auf dem Tisch zwischen den Sesseln stand neben zwei leeren Gläsern eine
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geöffnete Flasche, in der grüne Flüssig keit schillerte. Es roch nach Alkohol. Abstoßend. Offenbar hatte Huslik gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Oder hatte er sich tatsächlich einlullen lassen? Es würde sich schon bald zeigen. Helen Furtok nahm seine Ankunft wenig begeistert hin. »Dass du hier bist, beweist, dass Timbers Vermutungen zu trafen. Du weißt also Bescheid?« »Und ich werde kooperieren«, be hauptete er. Die Worte kamen glatt über seine Lippen. »Ich werde euch nach draußen führen. Schließlich bezahlt ihr ein teures Hotel. Lass dich vom Luxus dort ein wenig ver wöhnen, Vorremar. Du hast einiges durchgemacht.« Heuchle kein Mitleid, hätte er fast ge rufen. Doch er hielt sich zurück. Es war wichtig, einen positiven Eindruck zu hinterlassen. »Die Naniten, die deine Firma gefer tigt hat ... lassen sie sich in meinem Kör per nachweisen?« Helen lächelte schmallippig. »Es ist nicht meine Firma. Die Company unter steht meinen Brüdern.« »Lass uns nicht über solche Spitzfin digkeiten streiten«, bat Vorremar. »Wie kann ich feststellen, wie viele dieser Mi ni-Maschinen sich noch in mir befinden? Die Vorstellung bereitet mir ein wenig ... Unbehagen. Als sei mir ein künstliches Herz implantiert worden und ich müsste mich fragen, ob es nicht jederzeit versa gen könnte.« »Solche Sorgen brauchen dich nicht zu quälen. Die Naniten sind Qualitäts ware.« Vorremar räusperte sich. »Ich hörte neulich von einem großen Projekt der Furtok Company, das kläglich scheiterte. Wenn ich mir vorstelle, dass sich dassel be in meinem Körper abspielen könnte, werde ich durchaus ein wenig unru hig.« Helen Furtoks Mundwinkel zuckten. »Das lässt sich wohl kaum vergleichen.
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Dennoch, wenn du Auskunft über die Technologie wünschst, die dir das Leben gerettet hat, und das unentgeltlich ... Ich sorge dafür, dass dich einer unserer Mit arbeiter kontaktiert.« »Ich wäre dir sehr verbunden. Und richte deinen Brüdern meinen aufrich tigen Dank aus. Ich weiß, dass ich ohne ihre Technologie gestorben wäre.« Weil ihre Leute ganz aus Versehen ei ne überdosierte Paralyseladung auf mich abgefeuert haben. »Du darfst mich nicht falsch verste hen. Ich weiß nur gerne, was mit meinem Körper los ist. Nenn es eine siganesische Eigenart.« »Du wirst von uns hören«, versprach Helen Furtok und führte ihre Gäste aus dem internen Komplex in die weite Be sucherhalle. Dort stand Vorremars modifizierter Gartenarbeitsroboter bereit. Als sich der Siganese in den Sessel auf dem ko nischen Aufsatz setzte, fühlte er sich so fort ein Stück normaler als seit Beginn seiner Odyssee. Ein freundlich lächelndes Hologramm nahm sich ihrer an, und wenig später atmete er zum ersten Mal seit Langem wieder die frische Luft von Camp Sele ne. * Am Empfang des »TeleTrans« checkte Vorremar ein – natürlich auf seinem Tra gerobot und bedauerlicherweise mit zwei Tagen Verspätung, wie der Be dienstete mit leichter Sorge bemerkte. Diese verflog jedoch augenblicklich, als der Siganese versicherte, dass er die Rechnung dennoch in voller Höhe be zahlen würde. Wenig später schwebten Vorremar und Huslik in einem Antigravschacht nach oben. Sie verließen den Schacht und traten in einen prachtvoll ausge statteten Gang. »In meinem Zimmer sollten wir re den«, sagte Vorremar.
»Unbedingt.« Vorbei an bunten, in Wandnischen üp pig wuchernden Pflanzen erreichten sie eine breite Tür, über der der Name der Superintelligenz KAISERIN VON THERM geschrieben stand. Vorremar nannte seinen Namen. Nachdem das Stimmerkennungsmuster ihn akzeptiert hatte, glitt die Verriegelung zurück und sie betraten die Suite. Das Hotel besaß selbstverständlich keine für Siganesen geeigneten Räum lichkeiten. Im gesamten Stardust-Sys tem war Vorremar der Einzige seines Volkes. Deshalb betrat er einen viel zu großen Raum, der ihm ohne Weiteres als Palastanlage dienen konnte. Den Umgang mit unpassender Möb lierung und hünenhaften Hygieneein richtungen war Vorremar seit seinem unfreiwilligen Exil gewohnt, sodass er nicht auf Probleme stoßen würde. Im Gegenteil: Das komfortable Bett wirkte äußerst einladend; tiefe Müdigkeit und Erschöpfung hielten ihn im Griff. Vorremar hüpfte vom Roboter auf die weiche Matratze und schaltete per Sprachsteuerung auf einen leicht ver ringerten Schwerkraftwert. So glaubte er zu schweben, während er Huslik im Detail alles berichtete, was Timber F. Whistler ihm offenbart hatte. Dabei achtete er genau auf die Mimik seines alten Freundes. Wie beurteilte der Astro-Archäologe die Geschichte des Administrators? Vorremar konnte es kaum einschät zen. Hegte Huslik das notwendige Miss trauen? Oder schenkte er Whistler un eingeschränkt Glauben? Vor allem eins wurde deutlich: Huslik lenkte erstaunlich schnell vom Thema ab. »Es ist exakt dasselbe, was mir auch Helen Furtok berichtet hat. Ich bin vor allem froh, dass du gesund bist. Aller dings siehst du müde aus.« Vielleicht war es das Beste, wenn Vor remar erst einmal nachdenken konnte. Nachdenken und Schlaf nachholen, nach dem sein Körper so dringend ver
Geheimprojekt Stardust
langte. Also griff der Siganese nach der Möglichkeit, die sich ihm bot. Er verab schiedete sich von Huslik. Sein alter Freund verließ den Raum, um den Sylphidenklängen im Wasser zu lauschen, wie er ankündigte. Vorremar hingegen legte sich hin, schloss die Au gen und schlief sofort ein. Viertes Zwischenspiel:
Träume auf Siganesisch
Dieses Mal stand Yvonne auf einer blühenden Wiese, mitten im Sonnen schein. Es gab weder ein bedrohliches Schwarzes Loch noch sonst etwas, das an Dunkelheit und Tod erinnerte. »Da bist du ja wieder.« Vorremar ging auf sie zu. »Du bist schön. Als ich dich zuletzt sah, bist du ...« »Es war ein Traum im Todesdunkel«, unterbrach sie ihn und legte ihren Zei gefinger auf seine Lippen. »Du warst dem Tod so nahe, so nahe ... Aber das gehört der Vergangenheit an. Du bist frei, mein Geliebter.« Er ergriff ihre Hand, und gemeinsam liefen sie durch das taufeuchte Gras. Die Sonne kitzelte in seinen Augen und sei ner Nase. Gerade als er niesen musste, ging es ihr genauso. Es bedeutete für ihn großes Glück, mit ihr zusammen zu sein. Und doch wusste er, dass es nur ein Traum war, eine Zeit, die vorübergehen würde. »Wer bist du?«, fragte er deshalb. »Greifen über dein Abbild die Naniten auf mein schlafendes Bewusstsein zu?« »Vergiss diese Nano-Maschinen. Sie sind unwichtig.« »Denkst du etwa nicht, dass Whistler gelogen hat? Dass alles nur eine große Verschwörung darstellt?« Yvonne blieb stehen und wandte sich ihm zu. Tiefer Ernst lag in ihrem Blick. »Natürlich ist es das. Eine Verschwö rung, um dich und mich zu trennen. Für immer. Den Abgrund von vielen Millio
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nen oder Milliarden Lichtjahren hat man zwischen uns gelegt.« »Und doch sehe ich dich.« Sie schaute ihn unergründlich an, und im selben Moment drang aus den Tiefen seines Bewusstseins hervor, was er ohnehin schon wusste. Selbstver ständlich hatte die Gestalt in seinem Traum nichts mit der echten Yvonne zu tun. Sie war nur eine Projektion seiner eigenen Gedanken, eine Möglichkeit, im Schlaf Antwort und Bestätigung zu finden. So fühlte er selbst, dass die Na niten ihm tatsächlich nicht schaden würden. Und obwohl er all das wusste, tröstete es ihn, Yvonne zu sehen. »Was soll ich tun, meine Geliebte?« Sie küsste ihn, und für eine Sekunde tanzte ihre Zunge auf der seinen. »Ob Whistler gelogen hat oder nicht, spielt keine Rolle. Diese Spur führte ins Leere. Du hast versprochen, nicht darüber zu reden. Und das wirst du auch nicht, bis ein höherer Zweck dich von deinem Ver sprechen entbindet.« Sie lehnte sich zurück. Der Stoff ihres Kleides spannte sich über den Schultern und den Brüsten. »Versprichst du mir das?«
Die Welt des
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»Was immer du willst.« Er spürte noch immer das Kitzeln im Mund. »Damit ist die erste Spur ins Leere gelaufen. Doch du hattest dir zwei Dinge vorgenommen: dem Geheimnis des Schleiers auf die Spur zu kommen, und ...« »Und das Rätsel des goldenen Fun kenregens zu lösen!« Yvonne lächelte. »Richtig.« Vorremar dachte an den transportab len Mutantendetektor, den Huslik in sei nem Auftrag aus der Medo-Klinik ge stohlen hatte. Er lag sicher zu Hause verstaut. »Also wird eine neue Suche be ginnen?« »Das wird es.« Wieder küsste sie ihn, und wo seine letzten Träume mit Tod und Schrecken endeten, fühlte er dieses Mal einen woh ligen Schauer, als er erwachte. 11. Huslik Valting:
Aufbruch in einen neuen Tag
Der Zimmerservo riss Huslik aus den tiefsten Träumen: »Du hast Besuch.« Mühsam öffnete er die Augen. Sein Kopf wog schwer. Sein erster Gedanke war, dass er sich noch immer im Erho lungsbereich des Hotels befand und ein geschlafen war. Dann überfiel ihn die konfuse Vorstellung, dass Helen Furtok und Timber F. Whistler mit mehreren Sicherheitskräften sein Zimmer stürm ten. Unfug!, schalt er sich selbst. Er durfte sich nicht von Vorremars Verfolgungs wahn anstecken lassen. Er schüttelte die Reste des Schlafs ab, die sein Bewusst sein trübten, und fand in die Wirklich keit zurück. »Du hast Besuch«, wiederholte die künstliche Stimme des Servos. »Wer?«, fragte er knapp. »Vorremar Corma.« »Lass ihn ein.« Die Tür öffnete sich lautlos. Der Siga
nese saß im Sessel seines Trageroboters. Die modifizierte Gartenarbeitsmaschine blieb mitten im Raum stehen. »Ich habe mich entschieden, dass wir die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen«, sagte Vorremar. Huslik schwang die Beine aus dem Bett. »Das klingt gut.« »Wir gehen zurück nach Aveda, wenn du einverstanden bist. Unsere Arbeit auf diesem Mond hat sich als Sackgasse er wiesen.« Von Abenteuern jeglicher Art hatte Huslik ohnehin genug. »Hast du schon etwas von einem Mitarbeiter der Fur tok Company gehört wegen der Nani ten?« »Es gab ein Hologespräch vor weni gen Minuten«, sagte Vorremar in einem Tonfall, als habe er sich nie für dieses Thema interessiert und könne nicht ver stehen, dass sein alter Freund es zur Sprache brachte. »Ich kenne nun die Spezifikationen, mit denen bei einem einfachen medizinischen Scan die Nani ten erkannt werden können. Außerdem werden die Maschinen als solche nur einmal eingesetzt und nach Gebrauch auf natürliche Weise entsorgt. Aber das alles spielt keine Rolle.« »Hast du keine Angst mehr, dass ...« »Es spielt keine Rolle, Huslik!« In Vorremars Blick lag etwas Kaltes, das den Astro-Archäologen erschreckte. Zwar hatte sein alter Freund schon am Vortag verändert und geradezu verbit tert misstrauisch gewirkt – aber das schien sich nun noch einmal gesteigert zu haben. »Wir müssen die andere Spur verfol gen!« Vorremar sprach mit einer Aggres sivität, die er nie zuvor so deutlich an den Tag gelegt hatte. Es handelte sich nicht um die Kon fliktbereitschaft des ehemaligen erfolg reichen Politikers, auch nicht die Ener gie des Forschers, der gegen Missstände vorging ... vielmehr lag in der ganzen Person etwas Beängstigendes. Huslik Valting fragte sich, ob dieser
Geheimprojekt Stardust
Mann vor ihm überhaupt noch sein alter Freund war oder ob ihn die letzten Tage zu einem vollkommen anderen Men schen hatten werden lassen. »Du sprichst von dem Mutantendetektor?« Der Siganese trommelte mit den Fin gern auf den Lehnen seines Sessels. »Das war unser zweites Ziel, nicht wahr? Her auszufinden, ob meine Theorie den Tat sachen entspricht. Sind die Kinder von Eltern, die beide vom goldenen Funken regen getroffen wurden, tatsächlich starke Mutanten? Und wenn ja, warum wissen wir nichts davon? Warum weiß die Öffentlichkeit nichts davon?« »Witterst du wieder eine Verschwö rung?« »Huslik, stehst du an meiner Seite oder nicht?« Wenn ich das nur wüsste. Um keine Antwort geben zu müssen, wechselte der Astro-Archäologe das Thema. »Du willst also auf Mutantensuche gehen?« »Ich stelle mir Fragen, alter Freund. Große Fragen. Wichtige Fragen. Inzwi schen wundere ich mich nicht mehr dar
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über, dass Whistler mir einen Mutanten detektor verweigerte. Er hält die Existenz neuer, starker Mutanten ge heim. Aber wir werden ihm einen Strich durch die Rechnung machen.« Darum ging es also? Dem Administra tor einen Strich durch die Rechnung zu machen? Das war ein Ziel, mit dem sich Huslik Valting nicht identifizieren konn te. »Bist du bereit?«, fragte Vorremar. »Ein neuer Tag wartet auf uns. Eine neue Aufgabe.« Er lächelte breit. »Ein neues Leben.« 12. Stuart Lexa:
Katastrophales Spektakel
»Das Flackern wird stärker.« »Unsere Instrumente können die Wer te nicht erfassen.« »Eine ultrahochfrequente Eruption.« Eine Menge Worte und Sätze erreich ten Stuart Lexas Bewusstsein, als er
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wieder zu sich kam. In der Zentrale des Schiffes herrschte große Aufregung. Erneut fand sich der Vizeadmiral in der Obhut eines Medoroboters wieder, doch diesmal ließ er sich nicht beirren und stemmte sich sofort in eine sitzende Position. Den Tentakelarm, der ihn zu rückhalten wollte, stieß er zur Seite. Die Kopfschmerzen waren schlimm, aber es würde ihm nichts anderes übrig bleiben, als damit zurechtzukommen. Wenn sie mit dem hyperenergetischen Spektakel zusammenhingen – und daran zweifelte er längst nicht mehr –, würde er sie ertragen müssen. Sobald es endete, würde auch er wieder schmerzfrei sein können. Lexa befand sich noch halb im Bann der traumhaft-visionären Bilder und der Entität namens VATROX-VAMU. Doch die Wirklichkeit rund um das StardustSystem wurde an Bord der KATARAKT, sechs Lichtjahre entfernt, längst wieder zu Ortungsergebnissen und Messwerten degradiert. Das All, dachte Lexa. Es ist kalt und leer. Nie zuvor hatte ihn diese nüchterne Feststellung derart traurig gemacht. Er widmete sich den Ortungsergebnissen, die nur ein kränkliches, unzulängliches Abbild der Wirklichkeit darstellen konnten. Die Hektik rund um ihn und die Tat sache, dass er Verantwortung trug, lie ßen erst gar nicht zu, dass Lexa in Me lancholie versank. Dabei spielte es keine Rolle, dass dank der militärischen Ord nung an Bord diese Verantwortung längst von einem Ersatzmann übernom men worden war. Er war wieder bei Be wusstsein, und deshalb würde er wieder funktionieren. Wie lange er ohnmächtig gewesen war, wusste er nicht. Die Meldungen, die der Orteroffizier nahezu im Sekundentakt gab, rauschten an ihm vorüber. Es ist noch nicht vorbei. Lexa erkannte die Stimme nicht. Er schaute an den entsprechenden Platz
Christian Montillon
und bemerkte nur, dass es sich nicht um Muggan Mouritz handelte, obwohl die ser am Vortag seinen Dienst wieder an getreten hatte. Die bange Frage, ob dem kleinwüch sigen Terraner etwas Schlimmeres ge schehen war, wurde von der schieren Notwendigkeit verdrängt, sich einen Überblick zu verschaffen. Wenn da nur nicht diese Schmerzen wären! Sie schnitten nach wie vor mit rostigen Sägezähnen durch sein Ge hirn. Gerade als er sich erhob und schwank te, sodass er sich abstützen musste, kam die Meldung, die er insgeheim längst be fürchtet hatte. Unter anderen Umstän den hätte sie ihn jubeln lassen ... »Unsere Ortung durchdringt den Schleier!« Fünf Worte, die schlagartig für Stille in der Zentrale sorgten. Man hätte die sprichwörtliche Nadel fallen hören kön nen. »Ich kann allerdings nur wenige Tau send Kilometer tief ins Innere blicken. Die weiter innen liegenden Bereiche scheinen nach wie vor nicht zu existie ren.« Lexa wartete ab, lauschte geradezu andächtig. »Es gibt keine Schiffe. Weder unsere noch Schlachtlichter oder ... Halt!« »Meldung«, forderte Legrange nach drücklich. Lexa empfand Ungeduld. Er fühl te sich wie ein Beobachter zweier Schauplätze – dem Gebiet rings um den Schleier einerseits, der Zentrale in sei ner direkten Nähe andererseits. Es häm merte hinter seinen Schläfen, und er fühlte, dass ein dünner Blutfaden aus seinem rechten Nasenloch rann. Ein kurzes Räuspern, dann fing sich der Offizier offenbar wieder. »Knapp in nerhalb der Grenze, die bis vor Kurzem noch den Schleier markierte, steht ein wespenförmiges Objekt. 540 Meter lang, gebildet aus drei Ellipsoiden.« Der Hyperdim-Perforator, zog Lexa
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die Schlussfolgerung, die sich ihm förmlich aufdrängte. Dieses Schiff hat im Auftrag von VATROX-VAMU dafür gesorgt, dass der Schleier durchlässig wird. Es hat den Sextadimschleier auf hyperenergetischem Weg ... perforiert. Im selben Moment verschwand die mächtige energetische Erscheinung – VATROX-VAMU – von den Orterholos. Augenblicklich lösten sich auch Lexas Kopfschmerzen auf. Er fühlte sich wie im Paradies, als die Pein abrupt verging.
Aber lieber hätte er den Schmerz wei terhin ertragen als das Wissen um das, was soeben geschehen war. Für ihn gab es keinen Zweifel: VATROX-VAMU befand sich jenseits des Schleiers. Er war in das StardustSystem eingedrungen. Nicht nur seine Familie befand sich jenseits des nun offenbar porösen Schleiers, sondern die gesamte StardustMenschheit, jedes einzelne Wesen, das ihm etwas bedeutete. War dies das Ende?
ENDE
Während die Schiffe von Vizeadmiral Lexa außerhalb des Sextadimschleiers versuchen, die Position zu halten, beschäftigt die gesamte Mannschaft nur eine Frage: Wie geht es den ihren im Stardust-System? Hubert Haensel beantwortet diese Frage im folgenden Roman. PR 2542 er scheint nächste Woche überall im Zeitschriftenhandel unter dem Titel: SHANDAS VISIONEN
PERRY RHODAN – Erbe des Universums – erscheint wöchentlich in der Pabel-Moewig Verlag GmbH, 76437 Rastatt. Internet: www.vpm.de. Chefredaktion: Klaus N. Frick, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Titelillustration: Dirk Schulz. Innenillustration: Dirk Schulz/Horst Gotta. Druck: VPM Druck KG, Karlsruher Str. 31, 76437 Rastatt, www.vpm-druck.de. Vertrieb: VU Verlags union KG, 65396 Walluf, Postfach 5707, 65047 Wiesbaden, Tel.: 06123/620-0. Marketing: Klaus Bollhöfener. Anzeigenleitung: Pabel-Moewig Verlag GmbH, 76437 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rainer Groß. Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 36. Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Österreich: Pressegroßvertrieb Salzburg Gesellschaft m.b.H., Niederalm 300, A-5081 Anif. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen. Printed in Germany. April 2010 Internet: http://www.Perry-Rhodan.net und E-Mail:
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Kommentar
Halutische Strukturumwandlung Der Jaranoc Kardo Tarba, Jar der 4. Jara-Division, war von der Kampfkraft Icho Tolots beeindruckt und quasi seit der ersten Begegung fest entschlossen, den ge heimnisvollen »Schwarzen Riesen« zu einem Zwei kampf herauszufordern. Das besondere Ehrgefühl und die Situation der an einen aufrecht gehenden Triceratop erinnernden Lebewesen auf Katarakt begünstigten die se Entscheidung, sodass es tatsächlich zu dem Duell kam. Kadro Tarba wusste zwar nichts von der beson deren Fähigkeit des Haluters zur Strukturumwandlung, aber es ist davon auszugehen, dass ihn auch die Kennt nis nicht von seinem Vorhaben abgebracht hätte. Auf die Haluter sind wir bereits unter dem Blickwinkel ihrer neuen Situation in der Milchstraße eingegangen (PRK 2518). An dieser soll einmal eine ihrer besonderen Fähigkeiten näher betrachtet werden – eben jene der sogenannten Strukturumwandlung. Ebenso grundlegend wie treffend ist die Beschreibung in PR 200: Der biolo gische Metabolismus ihrer Körper – ihre Fähigkeit, jede einzelne Zelle geistig zu beherrschen, sie zu verwandeln und somit aus dem pulsierenden Organismus ein stäh lernes Geschoss zu machen – prädestinierte die Bewoh ner von Halut für den Kampf. Wo sie auftauchten, verbrei teten sie Panik und Schrecken – wenigstens so lange, bis andere Lebewesen erkannten, dass ein monströses Äu ßeres nicht unbedingt auf ein Monster schließen lässt. Aus den »Bestien« von Druithora (M 87) hervorgegan gen, sind die Krieger von Halut in vielerlei Hinsicht wah re Wunderwerke der Natur – wenngleich bei der Gestal tung ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten nicht nur die natürliche biologische Evolution eine Rolle gespielt hat. Durchschnittlich 3,50 Meter groß, verfügt der an 3,6-fache Standardgravitation angepasste, einge schlechtliche Körper mit seiner haarlosen, tiefschwar zen und lederartigen Haut über vergleichsweise kurze Säulenbeine und vier Arme. Die beim Springen und Laufen unterstützend eingesetzten Brust- oder Laufarme sitzen etwa in gleicher Höhe wie die an den Schultern ansetzenden, wesentlich längeren Handlungsarme, je doch weiter vorne. Auf allen vieren wird eine Spitzen geschwindigkeit von 120 Kilometern pro Stunde er reicht, die bis zu fünfzehn Stunden durchgehalten werden kann. Haluter waren Vielstoff-Verwerter. Ihr Metabolismus war nicht nur auf die Zuführung tierischer oder pflanzlicher Nahrung angewiesen. Das Konvertersystem ihres Ver
dauungstraktes, ebenfalls steuerbar durch die Kraft des Willens, nahm mit jedem denkbaren Grundstoff vorlieb. (PR 200) Dieser »Konvertermagen« liefert auch die für die Struk turumwandlung nötige Energie, die es den Halutern gestattet, ihren Körper mit unterschiedlichen Struktu ren auszustatten. Bei der Normalstruktur unterscheidet sich die Körpersubstanz nur in unwesentlichen Zügen von der irgendeines anderen Lebewesens. Nach der Verhärtung sind die Moleküle der Körpermaterie zu komplizierten kristallinen Strukturen angeordnet, die in ihrer Gesamtheit eine Masse von extremer Härte bilden – häufig mit der Festigkeit von Terkonit verglichen. Diese Strukturumwandlung lässt sich überdies in sehr differenzierter Weise handhaben. Im einfachsten Fall verwandelt sich nur die Haut bis in geringe Tiefe. Als »Außenumwandlung« umschrieben, sind hierbei die Organe und Muskeln nicht betroffen. Eine Fortbewe gung ist problemlos möglich, da auch die Gelenkverhär tung beeinflusst werden kann und je nach Bedarf ab geschwächt oder verstärkt zum Einsatz kommt. Im Gegensatz dazu führt die »Vollumwandlung« zur Erstar rung des Körpers. Atmung und Puls setzen aus; bis auf eine kleine Zellballung im Ordinärgehirn gibt es nun kein organisches Leben mehr. In diesem Zustand hält es ein Haluter sogar für Stunden ungeschützt im Vakuum des Weltalls aus. Neben diesen beiden Extremen sind auch alle Zwi schenstufen willentlich herbeizuführen, umschrieben als »Teilumwandlung«, bei denen jeweils nur Teilbe reiche des Körpers der Strukturumwandlung unterwor fen werden. Faustregel hierbei ist, dass die Eigenbewe gung umso mehr eingeschränkt ist, je mehr der Körper zur kristallinen Statue wird. Die beliebte halutische Art, geschossgleich eine Wand zu durchbrechen, bedeutet also, dass in diesem Moment eine Vollumwandlung stattgefunden hat und der Körper vom eigenen Schwung getragen wird, während für jede weitere Bewegung wieder auf Teil- oder Außenumwandlung zurückge schaltet werden muss. Dieser Robustheit ihrer Körper müssen selbstverständ lich die traditionellen roten Kampfanzüge der Haluter Rechnung tragen – es handelt sich also stets um Kom binationen mit eingebautem Molekülwandler, der das Material in eine stahlfeste Rüstung verwandeln kann. Rainer Castor
Leserkontaktseite Liebe Perry Rhodan-Freunde, ein freudiges Ereignis gibt es aus dem Hause Montillon zu vermelden. Noah Tobias kam am 13. März 2010 zur Welt und ist gesund und munter. Autorenteam und Re daktion gratulieren den Eltern ganz herzlich und wün schen dem kleinen Terraner alles Gute. Ein paar interessante serienhistorische Daten zum 1. Mai: An diesem Tag startete 1969 die 2. Auflage der PERRY RHODAN-Taschenbücher, auch bekannt unter dem Namen »Planetenromane«. In jüngster Zeit erle ben sie ein Revival. Aktuell steht Band fünf bei den Händlern. Er heißt »Eisige Zukunft«. Autor ist Uwe Anton, unser PR-Chefautor und Exposé-Autor. Am 1. Mai 2000 erschien PERRY RHODAN-Hardcover Nummer 70 »Gehirn in Fesseln« und ATLAN-Hardcover 16 »Juwelen der Sterne«. Botschaften u. a. aus der Niemandswelt Michael Klitzke,
[email protected] Heute habe ich Band 2533 »Reise in die Niemands welt« von Wim Vandemaan nicht gelesen, das wäre das falsche Wort. Ich habe ihn – wie ein Gourmet einen ganz besonderen Leckerbissen zelebriert – genossen, Seite für Seite. Das war SF vom Allerfeinsten, ein An stoß für den Geist und ein fantastisches kosmolo gisches Konstrukt. Ihr habt mal gesagt, dass ihr eure Leser ernst nehmt. Ihr tut nicht nur das. Hin und wieder werden wir mal so richtig verwöhnt. Tun wir doch gern. Über das Lob hat Wim sich sehr
gefreut.
Es folgt das Kontrastprogramm.
Rainer Schnatwinkel Wim Vandemaans Romane erwecken bei mir immer den Eindruck eines Versuchs, die Fremdartigkeit einer Situation durch ein Abgleiten ins Absurde darzustellen. Abgesehen davon, dass PERRY RHODAN Unterhal tungslektüre ist und keine Spielwiese für zu spät ge kommene Expressionisten oder Dadaisten, reichen seine stilistischen Mittel einfach nicht aus, den Leser auf diese Ebene mitzunehmen.
Statt einer packenden Handlung »erfreut« er die Leser auch im aktuellen Roman mit Stilblüten wie »Er mein te einen Sog zu spüren, näher an diese Abbruchkante seines Selbst heranzutreten, sich hineinfallen zu las sen.« Es ist Geschmackssache. Ich hab’s noch mal im Kon text nachgelesen. Mir hat es gefallen. Alexander Glaser,
[email protected] Zunächst einmal möchte ich sagen, dass ich die Serie jetzt seit 32 Jahren lese und sie immer noch genauso faszinierend finde wie zu Beginn. Dafür möchte ich mich bei euch recht herzlich bedanken. Aber es gibt etwas, das mir fehlt, nämlich das gute alte Dimesextatriebwerk. Ich finde es sehr schade, dass ihr dieses Faszinosum bereits vor langer Zeit ab serviert habt. Die Möglichkeit, entlang der Sextadim-Halbspur zwi schen den Universen zu tanzen, birgt reichlich Stoff für die Fantasie. Versteht mich bitte nicht falsch. Auch ich möchte nicht in jedem Kreuzer so ein High-End-Trieb werk sehen, aber warum denn nicht der guten alten SOL ihr Unikat zurückgeben? Es könnte doch sein, dass in den riesigen Maschinen hallen des ehemaligen Fernraumschiffs noch Überres te des Kulttriebwerks verborgen sind und reaktiviert werden können. Mir geht es um die faszinierende Sextadimtechnik und den Tanz zwischen den Universen. Das kräftigste Argument gegen das Dimesextatrieb werk ist das Funktionsprinzip. Schon lange vor der Erhöhung der Hyperimpedanz gelang es nicht mehr, Sextagonium herzustellen. Interessant ist der Hinweis in der Perrypedia, womit das zusammenhängen könnte. Fazit: Ein kurzfristiges, nostalgisches Wiederaufleben des Dimesextatriebwerks bleibt Wunschdenken. Die SOL ist mit dem Hypertakt-Triebwerk recht gut bedient. Löcher im Solsystem? Andreas Schindel,
[email protected] Nachdem im aktuellen Heft Nummer 2533 Perrys See
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le in einer Scheinrealität Jupiter besucht hat, fiel mir ein, dass man von einigen Welten des Solsystems schon lange nichts mehr gehört hat. Im Folgenden möchte ich einige Gedanken und Fragen zu den di versen Himmelskörpern aufschreiben. – Merkur:Von dem Forschungszentrum auf Merkur hat man in den letzten Zyklen immer wieder gehört. Weiter so! – Venus: der vielleicht verwirrendste Planet des Per ryversums, was daran liegt, dass die PerryversumVenus anfangs als Dschungelwelt beschrieben wurde, während später versucht wurde, sie totzu schweigen oder in Richtung der Höllenwelt hinzubie gen, welche die Venus im realen Universum ist. Die spätere Beschreibung als unwirtliche Welt, in der Städte und Dschungelbiotope unter Druckkuppeln lie gen, könnte auf den Todessatelliten der Cappins zu rückzuführen sein, der ja bekanntlich durch Aufheizung der Sonne das Klima der Venus gehörig ins Schwitzen und möglicherweise zum Kippen gebracht hat. Die Kuppelstädte und Dschungelbiotope sind also mögli cherweise der Beginn eines erneuten Terraformings auf Venus. Mittlerweile (1463 NGZ) ist genug Zeit vergangen, um Venus wieder zu einer tropischen Sauerstoffwelt um zuformen. – Terra / Luna. Hierzu ist nicht viel zu sagen.Von diesen beiden Welten hört man am häufigsten. – Mars: Nach dem Rücktausch im Jahr 1312 NGZ gibt es im Jahr 1333 NGZ zirka 20 Millionen Siedler auf dem Mars. Wie sieht es auf diesem Planeten mit Terraforming aus? Eventuell könnte man mit ein paar Kunstsonnen à la Hundertsonnenwelt etwas nach helfen. – Asteroiden: Hier vermute ich hauptsächlich Bergbau stationen. Es wäre nett, wenn beispielsweise auf Ceres oder Vesta noch Reste von PEW-Metall gefun den würden – diese könnten für Einzelkonstrukti onen (z. B. ein auf einer PEW/Salkrit-Legierung ba sierter Hyperorter für die Suche nach dem PARALOX-Arsenal, eine Verbesserung des Antriebes der SOL und eine überschwere Affengift- oder eher Muränengift-Kanone für PRAETORIA) dienen. – Jupiter: Der Kurzausflug zum Jupiter in Perrys Scheinrealität war recht nett, aber wie sieht es der zeit eigentlich auf dem echten Jupiter und seinen
Monden aus? Ist der Planet selbst besiedelt? Gibt es dort Bergbaustationen für Diamanten und ähnliche Hochdruckmineralien? Wurde Europas mutmaßlich unter dem Eis befindlicher Ozean jemals erforscht? – Saturn: Nachdem der Polyport-Hof GALILEO in die Umlaufbahn des Saturn versetzt wurde, vermute ich, dass wir von diesem Planeten und seinen Monden noch mehr hören werden. – Uranus: Von diesem Planeten hat man bis jetzt nur gehört, wenn ein Schiff gerade seine Umlaufbahn passiert hat. Gibt es auf seinen Monden Siedler? Wurde der Planet jemals erforscht? Eventuell wäre Uranus ein geeigneter Standort für eine geheime Forschungsstation. – Neptun: Hat man seit dem Angriff der Dolans und der Zerstörung Nereides jemals wieder etwas von die sem Planeten gehört? – Pluto: wurde von der Urmutter zerstört. Aber was ist damals mit Charon, Nix und Hydra geschehen? Wur den diese Monde ebenfalls zerstört? Was die Venus angeht, so haben wir es bisher nicht explizit geschildert, aber es finden regionale Terrafor ming-Projekte statt unter weitspannenden Energie feldern. Es gibt Städte und Raumhäfen auf der Venus. Die Atmosphäre des Mars wurde seit 1312 NGZ gezielt angereichert und zur Neubesiedlung freigegeben. 200 Kunstsonnen im Orbit sorgen für erdähnliches Licht auf der Tagseite. Mittlerweile leben 750 Millionen Neuko lonisten auf dem Roten Planeten. Ab 1335 NGZ wurde eine umfangreiche Infrastruktur aufgebaut, die den Mars wieder zum Handelsplaneten des Solsystems machen soll.Am 1. Januar 1344 haben die jeweils 100 Kilometer durchmessenden Raumhäfen Marsport I bis VII ihren Dienst aufgenommen. Hauptstadt ist New Pounder City, eine 10-Millionen-Metropole von 50 Ki lometern Durchmesser. Sie ist Sitz des Residenz-Ge richtshofs als oberstem LFT-Gericht. Uranus kommt auch heute noch keine besondere Be deutung zu. Seine Oberfläche wird erforscht, auf sei nen Monden finden sich Robotstationen. Lange Zeit diente er bekanntlich als Raummarke. Nur Schiffe, die sich außerhalb seiner Bahn befanden, durften in Tran sition gehen, da sonst Strukturerschütterungen zu Schäden auf den bewohnten Welten führen konnten. Neptuns Oberfläche wurde beim Angriff der Dolans
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zerstört. Seither besitzen Neptun und seine Monde hauptsächlich strategische Bedeutung. In der Nähe des Planeten gibt es Raumforts und Forschungsstationen. Bei Pluto bitte ich zu beachten, dass er in der Serie keine Monde besitzt. Co-Autoren gesucht Immer wieder flattern mir Anfragen auf den Schirm oder Tisch, wie man denn Autor wird. Klein anfangen, rate ich dann, mit Kurzgeschichten, auch Storys ge nannt. Und sich den Lesern von Fan-Magazinen (soge nannten Fanzines) oder Online-Magazinen von SFClubs stellen und aus der Kritik lernen. Im nächsten Schritt dann eventuell schon an Schreibseminaren teilnehmen, die gibt es auch online, und da sind man che sogar kostenlos. Mit solcherart Rüstzeug gewappnet, beginnt erst das eigentliche Lernen, und irgendwann schafft es man cher sogar mit dem Sprung ins Profilager. Eine Orientierungshilfe für die Arbeit: Schreiben ist fünfzig Prozent Handwerk und fünfzig Prozent Fantasie. Und Ozeane aus Schweiß in der Wohnung. Wolfgang Seibert,
[email protected] Wo und wie finde ich Co-Autoren und einen interes sierten Verlag für eine Fantasy-Serie? Vorarbeit ist schon geleistet in Form von zwei kompletten Romanen mit je circa 250 Standardseiten inklusive Material für Rollenspieler (Grundrisse, Skizzen, Charakterskizzen). Des Weiteren sind sieben Romane vorbereitet in Form von mehr oder weniger umfangreichen Exposés. Hin tergrundmaterial in Form einer Chronologie, welche die etwa 3000 Jahre vor Beginn der Handlung beschreibt, ist ebenfalls vorhanden. Wäre es möglich, auf der Leserkontaktseite einen klei nen Aufruf zu platzieren? Ist hiermit geschehen. Ein paar Tipps zur Vorgehens weise: Erstellen Sie zunächst eine Liste aller Verlage, die Fantasy publizieren. Dann würde ich deren Home pages ansehen, welche Art von Fantasy dort heraus gegeben wird. Am besten nehmen Sie Kontakt mit den Redaktionen auf und fragen an, an welchen Themen Interesse besteht. Entspricht Ihr Roman dem, dann reichen Sie ihn ein.
Da dies alles jedoch ein Haufen Arbeit und Zeitaufwand bedeutet, empfehle ich Ihnen, sich bei Google über die zahlreichen literarischen Agenturen zu informieren. Die können Ihnen alle oben angeschnittenen Fragen noch schneller beantworten als die Verlagsredaktionen. Löcher in andere Universen Es ist der 109. Silberband, und er trägt den Titel »Das Loch im Universum«. Das Buch ist in mehrfacher Hin sicht bemerkenswert. Drei Handlungsfäden fließen ein. Hubert Haensel als Bearbeiter des Bandes fügt unter schiedliche Ebenen der PERRY RHODAN-Handlung zusammen. Der Schwerpunkt liegt auf Laire. Der einäugige Roboter und Titeheld des Jubiläumsbands 900 wird gleich zu Beginn des Buches ins Zentrum gestellt – zwei Roma ne von H. G. Francis bilden hierfür die Basis. Der erste Band unter dem Titel »Duell mit einem Roboter«, erst mals mit der Bandnummer 919 erschienen, stellt den Kampf des Quellmeisters gegen den Roboter dar. Mit »Insel der Vernichtung« (Bandnummer 920) vom sel ben Autor gibt es die Fortsetzung, und diese leitet dann über zu der Handlungsebene, in der auch Perry Rhodan selbst eine Rolle spielt. Der Terraner ist mit der BASIS seit einiger Zeit auf der Suche nach den mysteriösen Kosmischen Burgen. Dort geht es um die Hinterlassenschaften der Mächtigen, gewissermaßen um das Erbe kosmokratischer Diener. In »Die Demonteure«, erstmals erschienen als Band 929, durchstoßen Perry Rhodan und Atlan die Barriere um eine Kosmische Burg, begleitet von Alaska Saede laere, dem Mann mit der Maske, und dem Roboter Laire. Das Geschehen setzt sich in jenem Roman fort, der dem Silberband seinen Namen verlieh: »Das Loch im Universum«, erstmals erschienen als Band 930. Beide Romane, in denen es um Partocs Burg geht, verfasste William Voltz, und sie zeigen eindrucksvoll, warum der Schriftsteller zu jener Zeit unangefochten der belieb teste PERRY RHODAN-Autor war. Mich begeistert noch heute, wie er Alaska Saedelaere zeichnete, wie er es aber auch schaffte, einen völlig fremden Kosmos »hin ter der Barriere« zu schildern, in einem Raum, der von geheimnisvollen Energieströmen erfüllt ist. Ein Teil der Handlung beschäftigt sich darüber hinaus
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mit einem ganz speziellen Konzept: Es handelt sich um Ernst Ellert, der seit einiger Zeit mit dem Terraner Gors ty Ashdon ein sogenanntes Doppelkonzept bildet, also zwei Bewusstseine in einem Körper, und eigenen kos mischen Bestimmungen folgt. Die Romane wurden von Clark Darlton verfasst, der zu dieser Zeit in gewisser Hinsicht eine »Serie innerhalb der Serie« schrieb. Ernst Ellert und sein Konzeptpartner reisen durch das Uni versum und suchen die Superintelligenz ES. In »Planet der Telepathen« (erstmals erschienen als Heftroman 910) durchstreift das Konzept beispiels weise den Randbereich der Galaxis Ganuhr und er reicht den Planeten Sceddo. Nach mehreren Abenteu ern und neu gewonnenen Erkenntnissen gelingt die Weiterreise nach Scharzo, einer Welt der Galaxis Krähohl – diese Abenteuer wurden erstmals im Heft roman 921 unter dem Titel »Kontakt auf Scharzo« geschildert. Die Ellert-Abenteuer werden im vorliegenden Silber band in einem weiteren Roman fortgesetzt: Das Kon zept erreicht in »Mysterium des Weltalls« (OriginalNummer ist 935) einen gigantischenWeltraumbahnhof, wo es erneut zu seltsamen Begegnungen kommt. Ich erinnere mich gut daran, wie ich als Leser in den 70er Jahren nicht so richtig verstand, wofür diese Handlung
gut war und welchen Zielen sie wirklich folgte. Sie wirkte losgelöst vom übrigen Geschehen, faszinierte aber gleichzeitig. Hubert Haensel ist es jetzt gelungen, sie sorgsam in die Gesamthandlung einzubetten.Von daher ist »Das Loch im Universum« erneut ein gelungenes PERRY RHO DAN-Buch geworden. Es enthält faszinierende Aben teuer in den Tiefen des Universums, die alle mit dem kosmischen Geschehen um die Sieben Mächtigen, die verschollene Superintelligenz ES und dem Roboter Laire zusammenhängen. Leider unterlief der Druckerei bei der Herstellung des Buches ein Fehler. Statt das dazugehörige 3-D-Bild aufzukleben – es zeigt Laire, den einäugigen Robo ter –, prangt versehentlich das Motiv, das eigentlich für Band 112 geplant war, auf dem Cover. Zum Zeitpunkt dieser Entdeckung stand der Band allerdings schon in den Buchläden. Zum Glück passt es trotzdem, denn es zeigt die Burg eines Mächtigen, auch wenn es nicht die von Partoc ist. Für das Hardcover 112 gibt es dann eben ein neues 3-D-Bild. Mein Dank geht an Klaus N. Frick und Sabine Kropp, die ihre Logbuch-Texte für diesen LKS-Beitrag zur Ver fügung gestellt haben. Zu den Sternen! Euer Arndt Ellmer Pabel-Moewig Verlag GmbH Postfach 2352 76413 Rastatt
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Impressum Alle abgedruckten Leserzuschriften erscheinen ebenfalls in der E-Book-Ausgabe des Romans. Die Redaktion behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen oder nur ausschnittsweise zu übernehmen. E-Mail- und Post-Adressen werden, wenn nicht ausdrücklich vom Leser anders gewünscht, mit dem Brief veröffentlicht.
Glossar
BARDIOC Bardioc war einer der Sieben Mächtigen, die von den Kosmokraten damit beauftragt wurden, mithilfe von Sporenschiffen das Leben im Universum zu verbrei ten und mithilfe von Schwärmen dieses Leben mit Intelligenz zu »versorgen«. Allerdings verfolgte Bar dioc nach einiger Zeit eigene Pläne. So versteckte er sein Sporenschiff PAN-THAU-RA vor dem Zugriff anderer Helfer der Kosmokraten und versuchte au ßerdem, einen Schwarm in seinem Sinn zu manipu lieren. Sein Verrat wurde entdeckt, und man bestraf te ihn mit immerwährender Verbannung: Sein Gehirn wurde isoliert und auf einem Planeten in einem ent legenen Sonnensystem ausgesetzt. Doch die eigentümliche Zentrumsstrahlung der Ga laxis sowie die Pflanzen des Planeten ließen eine fantastische Symbiose entstehen: Aus dem schla fenden Gehirn Bardiocs wurde durch unglaublich lange Träume die Superintelligenz BARDIOC, die eine eigene Mächtigkeitsballung beherrschte und einen Konflikt mit der Kaiserin von Therm begann. Im Jahr 3585 stieß Perry Rhodan auf dem Planeten Bardioc auf die Superintelligenz; letzten Endes gelang es dem Terraner und seinen Begleitern, den Krieg der Super intelligenzen zu beenden. Kaiserin von Therm Im Laufe von Jahrmillionen bildete sich aus einer so genannten Prior-Welle und einem kosmischen Urnebel die Superintelligenz aus, die als Kaiserin von Therm bekannt wurde. Über unglaublich lange Zeiträume hinweg entwickelte sich die Kaiserin von Therm wei ter, ihre Mächtigkeitsballung umfasste zahlreiche Galaxien. Im Jahr 3583 alter Zeitrechnung stieß Perry Rhodan mit der SOL in der Galaxis Nypasar-Xon auf die Kaiserin, in deren Auftrag er einige Male handelte. Zu dieser Zeit war die Kaiserin in einen kosmischen Konflikt mit der Superintelligenz BARDIOC verstrickt, den letzten Endes Perry Rhodan lösen konnte. Später brachte der Terraner sogar das Riesengehirn BARDI OCS in das Yoxa-Santh-System der Kaiserin, wo aus beiden Superintelligenzen eine neue entstand. (Nach zulesen ist dies in den PERRY RHODAN-Romanen 800 bis 875.)
Katarakt (Stardust VI) Weil sich der sechste Planet des Stardust-Systems am Rand der Biosphäre befindet, ist die Durchschnitts temperatur mit 10 Grad Celsius frostig kalt; insgesamt handelt es sich um eine Welt der Stürme, in der das Leben hart ist. Hinzu kommen Vulkanismus, Zehntau sender-Gipfel, riesige Gletscher, Permafrostböden – aber auch Rohstoffe in großen Mengen. Katarakt ist ein Planet voller versunkener Schätze und unterge gangener, zerstörter Städte, die einst von einem ver schwundenen Volk zurückgelassen wurden. Von daher ist er ein gefundenes Fressen für Abenteurer und As troarchäologen: Katarakt bietet die ersten Aufschlüs se über Zivilisation im Stardust-System. Auch wenn es eine versunkene Zivilisation ist. Siganesen Umweltangepasste Bewohner des Planeten Siga, 10.251 Lichtjahre von der Erde entfernt. Schon im Jahr 2003 alter Zeitrechnung wurde der zweite Planet der Sonne Gladors Stern von terranischen Auswande rern besiedelt. Der genverändernde Einfluss einer bis dahin unbekannten Strahlungskomponente der Sonne zeigte sich bald; jede neugeborene Generation war von kleinerem Wuchs als die vorangegangene. Im Jahr 1255 NGZ wanderten die letzten 327 Siganesen nach Camelot aus; inzwischen leben und arbeiten rund 120 der grünhäutigen kleinen Menschen auf Quinto-Cen ter. Ihre Durchschnittsgröße liegt bei etwa elf Zenti metern. THERMIOC THERMIOC ist eine Superintelligenz, die seit 3585 alter Zeitrechnung aus der Verschmelzung der Superintelli genzen BARDIOC und Kaiserin von Therm entstand. Im Jahre 1312 NGZ wollte die Superintelligenz THORE GON THERMIOC mittels des Analog-Nukleotids META NU durch einen Terminalen Messenger ausschalten. Dies wurde jedoch durch den Kosmokraten Hismoom verhindert, der THOREGON tötete und METANU zer störte. Da THERMIOC freundschaftlich mit Perry Rho dan verbunden ist, behält sie die Lokale Gruppe im Blick und sendet im Bedarfsfall sogar Unterstützung, so geschehen 1343 NGZ mit TRAGTDORON und 1346 NGZ mit »BARDIOCS Null«, die für den Kampf gegen die Terminale Kolonne TRAITOR gedacht war.