Heinz Meinholz | Gabi Förtsch Führungskraft Ingenieur
Heinz Meinholz | Gabi Förtsch
Führungskraft Ingenieur PRAXIS
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Heinz Meinholz | Gabi Förtsch Führungskraft Ingenieur
Heinz Meinholz | Gabi Förtsch
Führungskraft Ingenieur PRAXIS
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Führungskraft Ingenieur® ist eine eingetragene Marke von Förtsch & Meinholz.
1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Vieweg +Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Ulrich Sandten | Kerstin Hoffmann Vieweg+Teubner Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.viewegteubner.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier. Printed in Germany ISBN 978-3-8348-1392-3
Vorwort Für Führungskräfte aus allen Disziplinen und Unternehmensbereichen stehen die notwendigen fachlichen Kompetenzen sehr oft im Vordergrund ihrer Tätigkeiten. Im Zuge der Übernahme von Personalverantwortung müssen sie auch in der Mitarbeiterführung über gute Führungskompetenzen verfügen. Während in die fachliche Ausbildung sehr viel Zeit und Aufwand investiert wurde, scheinen Führungskräfte über ein natürliches Talent zur Führung von Mitarbeitern zu verfügen. Der Schulungsaufwand für neu ernannte Führungskräfte lässt sich meistens an Tagen - wenn überhaupt - festmachen. Wesentliche Elemente der Personalführung ergeben sich aus der folgenden Abbildung. Durch eine strukturierte Kompetenzanalyse lassen sich auf der Sachebene die fachlichen und methodischen Kompetenzen, auf der Persönlichkeitsebene die sozialen und personalen Kompetenzen erheben. Anhand dieser Analyse ist eine Aussage zu persönlichen Stärken und Entwicklungspotenzialen möglich. Für jeden einzelnen Fall sind diese durch Personalentwicklungsmaßnahmen zu unterstützen.
VI
Vorwort
Nur durch eine effektive Zusammenarbeit im Team lässt sich eine Mitarbeitergruppe gut führen. Daher müssen Möglichkeiten der Teamentwicklung auf der Sachebene und auf der Beziehungsebene thematisiert werden. Da die tägliche Arbeit in Aufgaben, Projekten und Prozessen im betrieblichen Alltag im Vordergrund steht, entsteht vielfach der postulierte Eindruck einer "sachlichen Zusammenarbeit'. Es arbeiten jedoch keine Maschinen zusammen, deren Räderwerk mechanisch ineinander greift, sondern Menschen mit allen ihren Wünschen, Bedürfnissen und Zielen. Auf der Beziehungsebene müssen deshalb Möglichkeiten zur Teamentwicklung innerhalb einer Gruppe thematisiert werden. Sie schließt Möglichkeiten zur Entwicklung der Persönlichkeit jedes einzelnen Mitarbeiters ein. Sicheres Kommunikationsverhalten in allen Führungssituationen ist die Basis für eine gute Mitarbeiterführung. Von allen Feldern der Handlungskompetenzen einer Führungskraft steht die Kommunikationsfähigkeit an oberster Stelle. Im Gespräch darf nicht nur der Sachinhalt beachtet werden. Auch dem eigenen Verhalten und dem der Gesprächspartner ist im Beziehungsgefecht Beachtung zu schenken. Ein prozessorientierter Ablaufplan liefert dann ein hervorragendes Instrument zur Vorbereitung und Durchführung von Gesprächen jeglicher Art. Mitarbeiterführung enthält neben der Sachorientierung immer eine mitarbeiterbezogene Komponente. Beides kann sich von Situation zu Situation ändern und wird u.a. durch das private, berufliche oder gesellschaftliche Umfeld beeinflusst. Eine gute Situationsanalyse und Zielformulierung ist die Basis für Lösungsalternativen und Maßnahmen. Mit einer persönlichen Erfolgskontrolle wird die eigene Handlungskompetenz als Führungskraft kontinuierlich weiterentwickelt. Das vorliegende Werk stellt die theoretische Säule eines modular aufgebauten Qualifizierungsprogramms für Führungskräfte dar. Anhand der vorliegenden Unterlagen erarbeiten sie sich im Selbststudium wichtige theoretische Aspekte zur Mitarbeiterführung. Im praktischen Teil des Qualifizierungsprogramms werden die selbst erarbeiteten theoretischen Erkenntnisse angewandt. Die Anforderungen an eine Führungskraft und deren Persönlichkeit werden in zahlreichen praxisorientierten Übungen erarbeitet, erweitert und vertieft. Ein durchgängig strukturierter prozessorientierter Ansatz erleichtert den Transfer für die tägliche Führungsarbeit. Mit dieser Prozessstrukturierung erhalten Führungskräfte eine gute Möglichkeit ihre Führungskenntnisse und -kompetenzen zu reflektieren und auszubauen.
Villingen-Schwenningen, Juli 2010
Gabi Förtsch Heinz Meinholz
Inhalt 1.
Kom
1.1
Einführung
1.2
Verhaltens- und Handlungsprozesse
1.3
Kompetenzen
2
1.4
Personale Kompetenzen Persönliche Souveränität Handlungssouveränität Leistungssouveränität Persönliche Integrität Führungsfähigkeit
4 4 6 9 11 12
Führungskompetenzen Mitarbeiterführung Teamorientierung Kommunikationsfähigkeit Auseinandersetzungen und Konflikte
14 14 17 19 20
Methodenkompetenzen Persönliche Arbeitsorganisation Präsentationen Projektmanagement
22 22 24 25
1.7.1 1.7.2 1.7.3
Unternehmerische Kompetenzen Kunden Prozesse Fachwissen
27 28 29 30
1.8
Anforderungsanalyse
31
1.9
Kompetenzeinschätzung
32
1.10
Weiterführende Literatur
34
2.
Potenzialanal se und Mitarbeiterqualifikationen
36
2.1
Einführung
36
2.2
Bewerbungsunterlagen
38
1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5
1.5 1.5.1 1.5.2 1.5.3 1.5.4
1.6 1.6.1 1.6.2 1.6.3
1.7
tenzfelder und Anforderungs rofile
VIII
Inhaltsverzeichnis
2.3
Auswahlgespräche
39
2.4
Psychologische Testverfahren
41
2.5
Fallstudien und -analysen
41
2.6
Befristete AUfgabenübertragung
42
2.7 2.7.1 2.7.2 2.7.3 2.7.4
Assessment Center Grundsätze Die Rolle der Assessoren Übungen im Assessment Center Rückmeldung an den Teilnehmer
44 44 45 47 56
2.8
Konzept des 360°-Feedback
57
2.9 2.9.1 2.9.2 2.9.3 2.9.4 2.9.5
Personalmanagementsystem Einleitung Systemelement "Führung" Systemelement "Geschäftsprozesse" Systemelement "Internelexterne Forderungen" Systemelement "Informationen und Ergebnisse"
58
2.10 2.10.1 2.10.2 2.10.3 2.10.4
Management-Audit und Anforderungen an Auditoren Einleitung Auditprogramm AuditdurchfUhrung Qualifikation der Auditoren
65 65 67 69 72
2.11
Weiterführende Literatur
74
3.
Zielvereinbarun en und Personalentwicklung
77
3.1
Einführung
77
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4
Zielvereinbarungen Führen durch Zielvereinbarungen Zielentwicklung mittels Balanced Scorecard Zielvereinbarungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter Leistungsbeurteilung der Zielerreichung
78 78 79 81 82
3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3
Die Mitarbeiterbewertung Verfahren der Mitarbeiterbeurteilung Das Bewertungsdilemma der Führungskraft Fehlerquellen bei der Bewertung
83
58
59 62 63 63
84
85 87
Inhaltsverzeichnis
IX
3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4
Personalentwicklung bei Führungskräften Analyse des Entwicklungsbedarfs Konzeption des PE-Trainings Realisierung der Maßnahmen Transfersicherung und Evaluierung
90 90 91 93 95
3.5
Coaching und Mentoring
98
3.6
Weiterführende Literatur
103
4.
Die Führun skraft als Persönlichkeit
107
4.1
Persönliche Eigenschaften der Führungskraft
107
4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4
Fragen der Persönlichkeit Das Selbstkonzept des Menschen Menschliches Abwehrverhalten Persönlichkeitswesenszuge Entscheidungsaspekte der Persönlichkeit
111 112 113 113 118
4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4
Selbstbild und Fremdbild Selbstbild Verhalten und Handlungen Fremdbild Feedback im betrieblichen Alltag
120 120 121 122 125
4.4
Beurteilung von Personen
127
4.5
Weiterführende Literatur
132
5.
Persönliche Arbeitsorganisation
135
5.1
Lernprozesse
135
5.2
Zeitplanung und Ziele
137
5.3
Setzen von Prioritäten
140
5.4 5.4.1 5.4.2
Systematische Lösungsprozesse Einleitung Lösungszyklus
143 143 144
5.5
Optimierung von Prozessen
147
5.6
Weiterführende Literatur
152
x
Inhaltsverzeichnis
6.
Präsentationen erfo.
154
6.1
Einleitung
154
6.2
Präsentationsziele und Zuhörer
155
6.3
Persönlichkeitsaspekt des Vortragenden
158
6.4
Inhalte und Aufbau
161
6.5
Gestaltungsaspekt und Medien
163
6.6
Durchführung
166
6.7
Weiterführende Literatur
168
7.
Prinzi ien des Projektmanastements
169
7.1
Einführung
169
7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3
Organisation von Projekten Organisationsformen Projektleiter Projektteam
172 172 175 176
7.3
Phasenmodell
177
7.4
Startphase
180
7.5 7.5.1 7.5.2 7.5.3 7.5.4
Analysephase Analyse der Ausgangslage Analyse des sozialen Umfelds Entwicklung der Projektziele Meilensteinplanung
182 184 185 186 187
7.6 7.6.1 7.6.2 7.6.3 7.6.4
Planungsphase Projektstrukturplan Aufwandsschätzung Risikobetrachtung Projektablaufplanung
188 191 193 197 199
7.7 7.7.1 7.7.2
Realisierungsphase Projektcontrolling Projektinformationswesen
206 206 208
7.8
Abnahmephase
210
Inhaltsverzeichnis
XI
7.9
Weiterführende Literatur
212
8.
Moderationen als FÜhrungsinstrument
215
8.1
Einführung
215
8.2
Der Moderator
216
8.3
8.3.1 8.3.2 8.3.3
Die Teilnehmer Teilnehmertypen Auseinandersetzungen Lösung der Auseinandersetzung
220 220 221 223
8.4
Frage- und Antworttechniken in Gruppenprozessen
227
8.5
Moderationstechniken Brainstorming Die Methode 6-3-5 Synektik-Methode Mind Mapping Ishikawa-Diagramm
231 233 235 238 239 240
8.6
8.6.1 8.6.2 8.6.3 8.6.4 8.6.5 8.6.6
Ablauf einer Moderation Vorbereitung Einstieg Orientierung Arbeitsphase Abschluss und Abschied Folgeaktivitäten und Nachbereitung
243 243 244 248 249 253 254
8.7
Weiterführende Literatur
255
9.
Führun und Leitung von Teams
256
9.1
Einführung
256
9.2
9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4
Themenzentrierte Interaktion TZI-Dreieck Postulate Hilfsregeln Erwartungen an den Teamleiter
257 257 260 263 265
9.3
Die Phasen der Teamentwicklung
267
9.4
Teamphasen im TZI-Dreieck Kontakt und Aufnahme
269 270
8.5.1 8.5.2 8.5.3 8.5.4 8.5.5
9.4.1
XII
Inhaltsverzeichnis
9.4.2 9.4.3 9.4.4
Sache und Verantwortung Beziehung und Vertrauen Abschluss und Neuorientierung
271 272 273
9.5
9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4
Teamdiagnose und -entwicklung Teamdiagnose Teamentwicklung Ansatzpunkte für TE-Maßnahmen Evaluierung von TE-Maßnahmen
274 274 275 278 280
9.6
Weiterführende Literatur
281
10.
MItarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
283
10.1
Einführung
283
10.2
Menschenbilder Die Theorien von McGregor Grundtypen von Schein
284 284 287
Führungsverhalten Entwicklungslinien der Führungsforschung Führungskontinuum von Tannenbaum/Schmidt Verhaltensgitter nach Blake/Mouton 3-D-Ansatz von Reddin Reifegradmodell von Hersey/Blanchard
290 290 293 295 297 300
Motivation der Mitarbeiter Motivation und Leistungsverhalten Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung Bedürfnishierarchie von Maslow Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg Bedürfnismotive nach McClelland
302 304 305 307 309 311
10.5
Führungsbeziehungen Interaktion und sozialer Austausch Transaktionale Führung Transformationale Führung
313 313 314 316
10.6
Real praktizierte FÜhrungsstile Konsultativer Führungsstil Kooperativer Führungsstil Delegativer Führungsstil Charismatischer Führungsstil
318 318 319 320 322
10.7
Führungsprozesse im betrieblichen Alltag Spagat in Führungsprozessen
323 323
10.2.1 10.2.2
10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.3.5
10.4 10.4.1 10.4.2 10.4.3 10.4.4 10.4.5 10.5.1 10.5.2 10.5.3
10.6.1 10.6.2 10.6.3 10.6.4
10.7.1
Inhaltsverzeichnis
XIII
10.7.2
Prozessorientiertes Führen
326
10.8
Weiterführende Literatur
333
11.
Kommunikation und Mitarbeiterespriche
337
11.1
Einführung
337
11.2
Die Ver- und Entschlüsselung einer Nachricht
340
11.3 11.3.1 11.3.2 11.3.3 11.3.4 11.3.5
Die Transaktionsanalyse Das Strukturmodell Das Funktionsmodell Transaktionen GrundeinsteIlungen Spiele
348 348 350 351 353 355
11.4
Fragetechniken
356
11.5 11.5.1 11.5.2 11.5.3 11.5.4
Erfolgreiche Kommunikation im Mitarbeitergespräch Einführung Mitarbeiterorientierte Gesprächsvorbereitung Zielorientierte Gesprächsdurchführung Nachbearbeitung und Erfolgskontrollen
360 360 362 365 370
11.6 11.6.1 11.6.2 11.6.3 11.6.4 11.6.5 11.6.6 11.6.7
Gesprächstypen im Betriebsalltag Einführung Aufgabengespräch zum Steuern täglicher Betriebsabläufe Kontaktgespräch zur Beziehungspflege Delegationsgespräch Anerkennungs- und Kritikgespräch Leistungsgespräch Konfliktbewältigungsgespräch
370 370 371 372 373 375 377 384
11.7
Weiterführende Literatur
386
12.
Auseinandersetzun en und Konflikte
389
12.1
Einführung
389
12.2
Konfliktarten und -ursachen
391
12.3
Von der Meinungsverschiedenheit zum Konflikt
393
12.4
Eskalation im Konfliktverlauf
395
Inhaltsverzeichnis
XIV
12.5
Konfliktanalyse
398
12.6
Konfliktstrategien
400
12.7
Interventionsmethoden
402
12.8
Harvard-Konzept zur Konfliktlösung
405
12.9
Weiterführende Literatur
407
H. Meinholz, Führungskraft Ingenieur, DOI 10.1007/978-3-8348-9776-3_1, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
2
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Wissen. Viele Tätigkeiten werden dem Menschen im Leben so selbstverständlich, dass er diese Fertigkeiten routiniert anwendet. Dazu zählen z.B. • • •
Anwendung der Muttersprache, Lese- und SChreibfähigkeit, Alltagstätigkeiten (Einkaufen, Autofahren).
Im individuellen Verhaltensprozess umfassen Fertigkeiten daher Tätigkeiten die einer geringen gedanklichen Überprüfung bedürfen. Fähigkeiten gehen über die Erfüllung von Fertigkeiten hinaus. Hier sind selbstorganisierte Prozesse notwendig, um die erfolgreiche Realisierung von Tätigkeiten steuern zu können. Dazu zählen z.B. • • • •
technisch-naturwissenschaftliche, handwerkliche, sportliche und künstlerische
Fähigkeiten. Explizites/Implizites Wissen und Fertigkeiten sind somit Bestandteile der individuellen (Handlungs-) Fähigkeiten. Sie umfassen immer fachliche, methodische, soziale und personale Elemente. Die Fähigkeit eine Handlung ausführen zu können, führt nicht automatisch zur Handlungsbereitschaft. Um den Umsetzungsschritt von der Handlungsfähigkeit zur Handlungsbereitschaft zu vollziehen, sind gewisse Persönlichkeitseigenschaften (z.B. Motive) notwendig. Der Handlungserfolg erhöht dann das Vertrauen in die eigene Handlungsfähigkeit und Hemmschwellen bzgl. der Handlungsbereitschaft werden abgebaut. Die ablaufenden Verhaltens- und Handlungsprozesse sind Grundlage für eine persönliche Entwicklung und die kontinuierliche Qualifikationen im Zuge individueller Lernprozesse. Explizites und implizites Wissen sind somit eine notwendige Voraussetzung um Handlungsfähigkeit zu erzeugen. Das Wissensvermittlung jedoch automatisch Handlungsfähigkeit oder gar Kompetenzen erzeugt, ist ein Trugschluss. Dazu sind ganz bewusste Umsetzungsschritte notwendig (Abb. 1.1).
1.3
Kompetenzen
Unternehmerische Prozesse werden heute immer komplexer, dynamischer und in ihren Auswirkungen weniger vorhersagbar. Die Unsicherheiten über die angestrebten Ziele erfordern deshalb eine hohe Fähigkeit zur Organisation und Steuerung der eigenen Verhaltens- und Handlungsprozesse. Problemlösungsprozesse lassen sich vielfach nicht mehr anhand eines linearen Ablaufs bewältigen, sondern erfordern netzwerkartige Denk-, Handlungs- und Entscheidungsmuster. In diesem mehrdimensionalen Wechselspiel ist Kompetenz ein Zusammenspiel von • • • •
Handlungsfähigkeit auf fachlich-methodischer Basis, Handlungsbereitschaft als aktivitätsbezogener Motivationsfaktor, Handlungserfolg als tatsächlich erreichte Leistung, sozial-kommunikativen Komponenten der Persönlichkeitseigenschaften,
innerhalb komplexer, nichtlinearer Prozesse. Um von Kompetenzen sprechen zu können, muss die Komplexität der Anforderungen und Entscheidungen entsprechend hoch sein. Die vielfach geforderte Vermittlung von Kompetenzen ist deshalb differenzierter zu betrachten. Was primär (z.B. durch externe Quellen) vermittelt werden kann ist Wissen. In einem 2. SChritt sind Verhaltens- und Handlungsprozesse selbstständig oder mit Unterstützung zu realisieren. Die Entwicklung von Kompetenzen ergibt sich dann individuell als komplexer Lernprozess durch Anwendung und Gebrauch von Wissen und durch die tatsächlich erzielten Erfolge.
1 3
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
1. Handlungsfähigkeit
liefert Motive für die
2. Handlungsbereitschaft
ist Voraussetzung für den
erhöht das Vertrauen in die eigene
ist die Grundlage für die
Abb. 1.1: Lernzirkel der Verhaltens- und Handlungsprozesse Für die erfolgreiche Bewältigung komplexer Verhaltens- und Handlungsprozesse (z.B. Mitarbeiterführung) sind grundlegende Schlüsselkompetenzen erforderlich. Diese Schlüsselkompetenzen (z.B. Kommunikationsverhalten) können in einem gewissen Maße das Fehlen anderer Kompetenzen (z.B. Präsentationsfähigkeiten) kompensieren. Im Zuge einer Kompetenzentwicklung von Führungskräften sind jedoch alle Kompetenzfelder (Abb. 1.2) entsprechend ihrer Bedeutung zu berücksichtigen. Personale Kompetenzen umfassen Persönlichkeitseigenschaften, wie • • •
Unabhängigkeit bei der Selbsteinschätzung, Integrität der Person bezogen auf Werte und Einstellungen, Engagement um eigene Handlungen zu gestalten.
Führungskompetenzen umfassen Eigenschaften, um • • •
kommunikativ-kooperativ handeln zu können, sich beziehungs- und gruppenorientiert zu verhalten, sich mit anderen Personen konstruktiv-kritisch auseinander zu setzen.
Methodenkompetenzen umfassen Fähigkeiten, um •
die persönliche Arbeitsorganisation effektiv zu gestalten,
4
• •
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Aufgaben und Probleme zielorientiert zu lösen, vorhandene Arbeitsmethoden selbstständig und kreativ weiterzuentwickeln.
Unternehmerische Kompetenzen umfassen Fähigkeiten, um • • •
Fachwissen situationsgerecht anwenden zu können, kundenorientiert zu denken und zu handeln, Wissen unternehmerisch einzusetzen.
personale Kompetenzen
l:
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E
Felder der Handlungskompetenz
Führungskompetenzen
::;;0 -'"
unternehmerische Kompetenzen
Abb. 1.2: Kompetenzfelder der Handlungskompetenz
1.4
Personale Kompetenzen
Personale Kompetenzen bzw. Persönlichkeitseigenschaften (Abb. 1.3) umfassen grundlegende Wesenszüge und Fähigkeiten zur Übernahme von Führungsverantwortung. In seiner Persönlichkeitsstruktur ist der Mensch integer und verfügt über die notwendige persönliche Souveränität. Er ist leistungs- und handlungsorientiert und schöpft seine Stärke aus dem "Selbst" heraus. Seine Fähigkeit zur Führung zeigt sich im Willen und Vermögen Prozesse und Strukturen zu verändern und zu verbessern. Personen mit einer hohen Führungsmotivation können auch ohne direkte Einflussnahme überzeugen. Personale Kompetenzen sind auf die eigene Persönlichkeit zentriert
("ICH").
1.4.1
Persönliche Souveränität
Eine hohe persönliche Souveränität beschreibt den Menschen, der selbstbestimmt und eigenständig den Anforderungen des Lebens gegenübertritt. Er ist selbstsicher und nicht fremdbestimmt. Persönliche Souveränität stärkt den Menschen in seinem Selbstwertgefühl und ermutigt ihn zur Selbstkritik. Menschen mit einer souveränen Lebenshaltung fühlen sich in der Regel wohl und sind sicher in ihrem Auftreten. In vielen Situationen verhalten sie sich aktiv, so dass ihnen der Umgang mit neuen, unbekannten Situationen leicht fällt. Sie übernehmen Verantwortung und können Kritik vielfach gelassen entgegennehmen. Das Eingestehen von Fehlern sehen sie als Schritt zur persönlichen Entwicklung und können dies für sich gewinnbringend nutzen. Menschen mit einer hohen persönlichen Souveränität setzen starkes Vertrauen in ihre persönlichen Ansichten und sind unabhängig bzgl. der Meinungen anderer Personen.
1 5
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Kompetenzfeld Personale Kompetenzen
Kompetenzcluster 1. Persönliche Souveränität
2.
Handlungssouveränität
3.
Leistungssouveränität
4.
Persönliche Integrität
5.
Führungsfähigkeit
Kompetenzen
P1 P2 P3 P4 P5 P6 P7 P8 P9 P10 P 11 P12 P13 P14 P15 P16 P17
Selbstbewusstsein Selbstvertrauen und -sicherheit Selbstkritik Eigeninitiative Aufgeschlossenheit für Veränderungen Entscheidungsfähigkeit Durchsetzunasvermöoen Engagement und Leistungsvermögen Erfolgszuversicht und Optimismus Anspruchsniveau Selbstmotivation Pflichtbewusstsein Vertrauen und Glaubwürdigkeit Authentizität Führungswille und -vermögen Gestaltungswille und -motivation Verantwortunosbereitschaft
Abb. 1.3: Personale Kompetenzen P 1: Selbstbewusstsein Selbstbewusstsein ist das Erleben des persönlichen ICHs. Beim "Selbst" geht es um die Eigenbetrachtung wie in einem Spiegel, wobei das eigene Denken und Handeln gespiegelt wird. Als Spiegel kann aber auch unser Umfeld fungieren, das unsere eigenen Beobachtungen und Empfindungen reflektiert. Die Betrachtung der Verhältnisse zwischen der eigenen Person und dem Umfeld führt immer zu einer Bewertung. Es gibt keine Nicht-Bewertung und Nicht-Meinung. In diesem Zusammenhang kann "Bewusstsein" als Sammelbegriff für Sinneszustände, Wahrnehmungen, Erinnerungen, Denkvorgänge angesehen werden. Sich selber als denkendes, erlebendes und handelndes Individuum zu empfinden und zu erkennen, sowie das Wissen um die Einmaligkeit der eigenen Person zeichnet das Selbstbewusstsein aus. Der Selbstbewusste kann die Bedeutung und den Sinn der eigenen Handlungen erkennen und diese dann auch verantworten. Menschen mit echtem Selbstbewusstsein zeichnen sich durch den Verzicht auf Dinge aus, die man angeblich haben oder machen muss. Sie sind unabhängig davon, was andere über sie denken und vertreten auch bei Widerspruch ihre Meinungen und Standpunkte, ohne überheblich zu wirken. Sie erkennen und akzeptieren ihre eigenen Stärken und Schwächen und können Kritik annehmen. Um die Ziele zu erreichen, werden die Stärken gezielt eingesetzt. Die eigenen Schwächen werden als Herausforderung zur Verbesserung und nicht als unüberwindbare Hürde angesehen. Das Selbstbewusstsein erzeugt eine innere Selbstsicherheit, die sich dann im Umgang mit anderen Menschen zeigt.
6
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
P 2: Selbstvertrauen und -sicherheit Selbstvertrauen bezeichnet das Vertrauen mir selbst gegenüber. Dem Menschen sind die eigenen Grenzen und Möglichkeiten bewusst. Das Selbstvertrauen resultiert aus dem Vergleich der subjektiven Fähigkeiten mit den Anforderungen, die an die Person gestellt werden. Gegenüber Anforderungen wird ein hohes Selbstvertrauen gezeigt, in dem realistisch eingeschätzt wird, ob und wie eine Situation gemeistert werden kann. Menschen mit einem hohen Selbstvertrauen bilden sich ihre eigene Meinung und verleihen dieser selbstsicher Ausdruck. Mit dem Selbstvertrauen hängt die Selbstsicherheit eng zusammen, die u.a. die Sicherheit im Umgang mit anderen Personen ausdrückt, Die Zuversicht in die eigenen Leistungen und das Erreichen anspruchvoller Ziele sprechen die sachliche Seite der Selbstsicherheit an. Sie bildet sich durch das Erhalten von Wertschätzung und Anerkennung aus. Die Identifikation mit selbstsicheren Bezugspersonen kann das eigene Selbstvertrauen erhöhen. Personen mit geringem Selbstvertrauen fühlen sich ohne den Rat und die Bestätigung anderer hilflos. Sie sind in ihrer Meinung und in ihrem Verhalten leicht zu beeinflussen.
P 3: Selbstkritik Die Fähigkeit zur Selbstkritik (Kritikfähigkeit) ist maßgeblich für den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und damit für die Weiterentwicklung im Beruf und als Mensch. Sie ist ein bedeutsamer Bereich für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Die Fähigkeit zur Selbstkritik ist auch mit der Fähigkeit zur realistischen Selbsteinschätzung verbunden. Ereignisse und Erfahrungen, die den Selbstwert fördern, werden natürlicherweise ausgeprägter wahrgenommen und bleiben im Gedächtnis deutlicher haften. Im Gegensatz dazu werden selbstwertschädliche Ereignisse und Erfahrungen bewusst oder unbewusst verdrängt und übersehen. Eine Person mit hoher Fähigkeit zur Selbstkritik schätzt ihre Wirkungen auf andere richtig ein und reagiert in unterschiedlichen Situationen auf angemessene Art und Weise. Aufgrund ihrer Kritikfähigkeit ist sie selbst in der Lage, bei unangemessenem Verhalten Korrekturmaßnahmen in die Wege zu leiten. Bei einer zu schwachen Ausprägung der Kritikfähigkeit werden die Ursachen des eigenen Verhaltens bei anderen Personen oder Umständen gesucht. Die mangelnde Fähigkeit zur Selbstkritik führt zu einem Stillstand in der persönlichen Entwicklung.
1.4.2
Handlungssouveränität
Handlungssouveränität steht für ein eigenständiges und selbstsicheres Handeln im Umgang mit Aufgaben und Menschen. Sie erfordert Aufgeschlossenheit und Offenheit gegenüber unbekannten, neuen Situationen. Die notwendigen Lösungen werden unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet und bewertet. Die sich herauskristallisierenden Maßnahmen werden auch gegen Widerstände durchgesetzt. Mitarbeiter mit einer hohen Handlungssouveränität erkennen die anstehenden Probleme und treffen aus eigenem Willen heraus die notwendigen Entscheidungen. Souveränes eigenverantwortliches Handeln setzt daher diverse persönliche Eigenschaften wie Eigeninitiative, Entscheidungsfreude und Lösungsorientierung voraus. Handlungssouveränität tritt nicht nur im Berufsleben sondern auch im privaten Umfeld auf, wenn es z.B. um Kaufentscheidungen geht.
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
7
P 4: Eigeninitiative Wer etwas bewirken will, muss aktiv auf andere Personen Einfluss nehmen und sie zum zielorientierten Handeln bewegen. Als Initiator habe ich eigenständig Ideen und Vorschläge entwickelt und will andere zur Mitarbeit motivieren. Der Nutzen der Arbeit für mich selbst und das Unternehmen wird klar herausgestellt. Personen mit hoher Eigeninitiative übernehmen selbstständig neue Aufgaben und Projekte. Sie suchen nach Verbesserungen in bestehenden Arbeitsabläufen und lieben Herausforderungen. Sie sind bereit sich zeitlich stark zu engagieren und sind durch ein hohes Aktivitätsniveau gekennzeichnet. Zur Zielerreichung sind sie auf die Hilfe anderer angewiesen und können gewinnend und motivierend auf sie einwirken. Dazu können sie komplizierte Sachverhalte einfach und verständlich darstellen und das Verständnis für die gemeinsame Sache und Ziele erhöhen. Personen mit geringer Eigeninitiative bringen sich nur passiv in die Arbeitsabläufe ein. Sie müssen an die Hand genommen werden und benötigen laufend Anstöße von außen. Sie treffen keine eigenständigen Entscheidungen und versuchen diesen aus dem Weg zu gehen.
P 5: Aufgeschlossenheit für Veränderungen Personen, die die Notwendigkeit von Veränderungen erkennen, gehen Probleme offensiv und zielorientiert an. Die Bereitschaft Neues zu lernen und neue Lernstrategien auszuprobieren ist überdurchschnittlich vorhanden. Sie bevorzugen abwechslungsreiche und herausfordernde Tätigkeiten. Änderungen und Neuerungen werden auch gegen Widerstände oder Passivitäten aus dem Umfeld durchgesetzt. Sie sind stark handlungsorientiert und übernehmen für ihre Handlungen auch die volle Verantwortung. Sie neigen mehr zu Einzelkämpfertum als zur Teamarbeit. Zu letzterem sind sie auch fähig, erkennen aber sehr schnell deren Grenzen. Sie fügen sich nicht leicht in ein Team ein und werden als effiziente, durchsetzungsstarke aber manchmal unbequeme Mitarbeiter charakterisiert. Anderen Mitarbeitern gegenüber können sie konstruktiv sein und diese in die Problemlösung einbeziehen. Bei Widersprüchen setzen sie sich intensiv damit auseinander. Sie üben einen starken Einfluss auf die Leistungen und die Bereitschaft zu Veränderungen bei anderen Personen aus. In ihrem Leistungsverhalten engagieren sie sich über das normale Maß hinaus. Auftretende Probleme werden systematisch analysiert und aus mehreren Perspektiven betrachtet. Sie können komplexe Sachverhalte einfach und überzeugend erklären. Sie sind neugierig und offen für die Lebensweisen, Ansichten und Aktivitäten ihrer Mitmenschen. Im sich dynamisch verändernden Umfeld übernehmen sie immer wieder neue soziale Rollen. In der negativen Ausprägung halten Personen am bestehenden Selbstbild fest. Aus Angst Fehler zu begehen, geben sie sich mit dem Status quo zufrieden. Anregungen und Kritik gegenüber verhalten sie sich ablehnend. Veränderungen bedeuten für sie auch das Aufgeben von bisher sicheren und geschätzten Dingen. Die Möglichkeit des Scheiterns sehen sie als potenzielle Bedrohung für ihre Person. Sie bevorzugen deshalb klare Regeln, feste Abläufe und verlassen sich lieber auf altbewährte Vorgehensweisen.
8
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
P 6: Entscheidungsfähigkeit Mitarbeiter mit einer hohen Entscheidungsfähigkeit nutzen die ihnen eingeräumten Handlungs- und Entscheidungsspielräume aus. Sie können verschiedene Lösungsalternativen mit Vor- und Nachteilen benennen. In ihrer Entscheidungsfindung sind sie auch fremden Argumente gegenüber offen. In diesem Zusammenhang haben persönliche Überzeugungen eine starke unterstützende Wirkung. Entscheidungsfreudige Menschen möchten nicht lange auf der Stelle treten. Sie reagieren schnell auf Ereignisse und versuchen Ungewissheit durch Entscheidungen zu beseitigen. Trotzdem können sie auch Ungewissheit bis zu einer sicheren Entscheidung aushalten. Sie zeigen Ruhe und Gelassenheit und üben sich in Geduld, bis die Situation reif ist für eine Entscheidung. Sie haben keine Angst falsche Entscheidungen zu treffen und zu versagen. Menschen, die über eine gering ausgeprägte Entscheidungsfähigkeit verfügen, lieben es darüber zu diskutieren, was sie in einer bestimmten Lage tun sollten. Sie sind in ihren Entscheidungen wankelmütig. Falls sie zu einem Entschluss kommen, sind sie von ihrer Entscheidung nicht immer überzeugt. Sie haben Angst etwas zu tun, weil es sich als "falsch" erweisen könnte. Sie möchten sich Alternativen nicht wegnehmen lassen und versuchen sich möglichst alle Optionen offen zu halten. Sie zögern Entscheidungen hinaus, bis sie ein anderer trifft. Sichert sich die Person vor Entscheidungen nach allen Seiten ab, kann dies zu einer Handlungsunfähigkeit führen. Die Entscheidungsfähigkeit wird an den richtig getroffenen Entscheidungen gemessen und nicht danach, wie oft etwas versucht wurde. Werden die getroffenen Entscheidungen am Ergebnis reflektiert, so wachsen mit jeder richtigen Entscheidung die Entscheidungsfähigkeit und das Selbstvertrauen. Natürlich spielen auch Wissensstand und Erfahrung für eine Entscheidung eine Rolle. Verfügt ein Mensch nicht über genug Fachwissen und trifft schnell eine Entscheidung, so handelt er fahrlässig. Er verfügt dann über kein Verantwortungsbewusstsein und ist leichtsinnig. Es kommt öfters vor, dass Entscheidungen getroffen werden, ohne vorher die Folgen dieser Entscheidung genauer zu bewerten. Mit derselben Geschwindigkeit, mit der sich Menschen für eine Lösung entschlossen haben, können sie sich im nächsten Moment genau für die entgegen gesetzte Richtung entscheiden.
P 7: Durchsetzungsvermögen Im Durchsetzungsvermögen drückt die Person ihre Wünsche und Meinungen deutlich aus. Bei Arbeiten übernimmt sie eine Führungsrolle und setzt sich hartnäckig für ihre Standpunkte ein. In Situationen, bei denen es eine letzte Wahrheit zwischen verschiedenen Parteien nicht gibt, kann sie den Gegenüber von ihren eigenen Ansichten überzeugen. Situationsabhängig ist sie in der Lage ihre Durchsetzungsstrategie zu variieren. Gegenüber anderen spielt sie eine dominierende Rolle und kann sich auch gegen Widerstände durchsetzen. Sie kann ihre Argumente aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet darlegen und so den Adressaten leichter überzeugen. Personen mit hohem Durchsetzungsvermögen nehmen die Dinge selbst in die Hand und ergreifen die Initiative. Ist das Durchsetzungsvermögen schwächer ausgeprägt, tendiert die Person zur Nachgiebigkeit und zeigt eine zu rasche Kompromissbereitschaft. Sie kämpft nicht für ihre Auffassungen und gibt bei Auseinandersetzungen um des lieben Friedens Willen nach. Aus Rücksicht auf die Wünsche anderer stellt sie ihre eigenen Bedürfnisse zurück. Dadurch wirkt sie eher unsicher und bleibt lieber im Hintergrund. Sie beharrt nicht auf ihrem Standpunkt, gibt rascher auf und geht schneller auf Kompromisse ein.
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
1.4.3
9
Leistungssouveränität
Wichtigste persönliche Voraussetzung zur Lösung anstehender Aufgaben ist ein gewisses Maß an Optimismus und Erfolgszuversicht. Herausforderungen werden nicht als Belastung sondern als Chance gesehen. Die Möglichkeit des Rückschlags wird einkalkuliert, spornt aber eher zu größeren Anstrengungen an. Menschen mit einer hohen Leistungssouveränität messen sich an schwierigen und anspruchsvollen Problemstellungen. Routineaufgaben können für sie sehr schnell langweilig werden und demotivierend wirken. Wie bei einem Hochspringer erhöhen sie aus ihrer Selbstmotivation heraus ihr persönliches Anspruchsniveau. Sie sind mit Engagement bei der Arbeit und erbringen bei herausfordernden AufgabensteIlungen überdurchschnittliche Leistungen. Aus ihrer Persönlichkeitsstruktur heraus können sie sich selbst stark motivieren und anspornen.
P 8: Engagement und Leistungsvermögen Ohne Engagement kann es keine Leistungsbereitschaft geben. Gleichzeitig gibt die Leistungsmotivation dem persönlichen Leistungsverhalten eine bestimmte Richtung. Bei ausgeprägtem Leistungswillen können anspruchsvolle Aufgaben das Engagement des Mitarbeiters verstärken. Der Mitarbeiter kann und will selber hohe Anforderungen an seine Leistungsbereitschaft stellen. Für den Mitarbeiter und sein Engagement müssen sich Perspektiven ergeben, die mit seinen inneren Werten und Überzeugungen im Einklang stehen. Er strebt von sich aus eine Erweiterung seines Wissens und seiner Kompetenzen an. Dazu braucht er gleichzeitig Freiräume für die Verwirklichung seiner Leistungen. Die Erreichung der Ziele wird von ihm selbstständig überwacht. Mitarbeiter mit einem hohen Leistungsvermögen besitzen einen starken Impuls für überdurchschnittliche berufliche Leistungen. Mitarbeiter mit einem eher geringen Leistungsvermögen lassen sich durch anspruchsvolle und herausfordernde Aufgaben nur wenig motivieren. Ohne Engagement wird es keinen Leistungswillen und demzufolge auch keine Leistungsbereitschaft geben. Diese Mitarbeiter schöpfen ihre eigenen Leistungsreserven nicht aus. Das Vollbringen außergewöhnlicher Leistungen ist für sie kein Ziel. Sie stoßen schnell an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Es fehlen eigene, objektive Leistungsmaßstäbe, um die erzielte Arbeitsleistung realistisch einschätzen zu können. Auftretenden SChwierigkeiten weichen sie durch Verschiebung der Prioritäten oder durch Umorientierung in den Aufgaben aus. Letztlich sind sie weniger engagiert.
P 9: Erfolgszuversicht und Optimismus Erfolgszuversicht ist als eine positive Zukunftserwartung zu sehen. Mit Herausforderungen wird aktiv und konstruktiv umgegangen. Es existieren keine Versagensängste. Damit wird die Hoffnung verknüpft, dass für die erbrachte Leistung eine positive Resonanz erfolgt. Um Erfolgszuversicht richtig aufbauen zu können, muss eine gewisse emotionale Stabilität vorhanden sein. Gerade bei Rückschlägen ist es wichtig, sich nicht entmutigen zu lassen, sondern mit einem gewissen Optimismus an die neue Aufgabe heranzugehen.
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1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Eine Ergänzung zur Erfolgszuversicht ist der Optimismus. Trotz möglicher Misserfolge und Widrigkeiten wird das Ziel verfolgt. Ohne einen entsprechenden Optimismus wäre jede Arbeit zum Scheitern verurteilt. Würde man viele Projekte allzu realistisch oder aufgrund der zu erwartenden Widerstände zu pessimistisch anpacken, würden viele Aufgaben niemals realisiert. Sicherlich dürfen manche Möglichkeiten nicht zu sehr überschätzt und zu optimistisch gesehen werden. Optimismus ist aber eine wichtige treibende Kraft, um Risiken und Schwierigkeiten wahrzunehmen und realistisch einzuschätzen. Nur so lassen sich Lösungen für Probleme finden, für die es bisher noch keine gab. Angst als Gegenpol zu Erfolgszuversicht und Optimismus hemmt die eigenen Entscheidungen, beeinflusst sie negativ, fördert unsicheres Handeln und führt schließlich zum Misserfolg. Herausforderungen steht diese Person hilflos gegenüber. Sie neigt zu pessimistischen Einschätzungen und ist unsicher in ihren Entscheidungen. Durch Rückschläge lässt sie sich leicht entmutigen.
P 10: Anspruchsniveau Das Anspruchsniveau ist ein Aspekt der Leistungsorientierung. Es soll anspornen eine Hürde zu überwinden, die aber nicht unüberwindbar sein darf. Ein hohes Anspruchsniveau mit schwierigen Aufgaben und anspruchsvollen Problemstellungen motiviert den Mitarbeiter sich selbst neue und höhere Anforderungen zu stellen und sich so eigenständig weiterzuentwickeln. Er rechnet damit, auch bei neuen und schwierigen Aufgaben sein Ziel zu erreichen. Wird seitens der Führungskraft das Anspruchsniveau richtig gesetzt, fördert es die Fähigkeiten des Mitarbeiters. Durch das in ihn gesetzte Vertrauen ist er bereit mehr in die Erledigung seiner Arbeit zu investieren, um seine Leistungsbereitschaft und -fähigkeit zu zeigen und das in ihn gesetzte Vertrauen zu bestätigen. Er erwartet, dass er auch zukünftig seine Kenntnisse und Fähigkeiten erfolgreich zum Einsatz bringen kann. Die Bewältigung komplexer Aufgaben ist für ihn eher Ansporn als Hemmnis. Macht er Fehler, sieht er dies nicht als Rückschlag oder persönliche Niederlage an. Vielmehr erkennt er die Chance daraus zu lernen. Ist das Anspruchsniveau des Mitarbeiters eher niedrig ausgeprägt, stößt er schnell an seine Grenzen, die er auch nicht überwinden kann oder will. Er hat Zweifel, ob er seine Ziele und die damit verbundene Erfüllung seiner Aufgaben erreichen kann. Auftretende Schwierigkeiten sind für ihn eher eine Belastung denn eine Herausforderung. Seine eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse stellt er öfters in Frage. Mit seinem einmal erworbenen Wissen ist er zufrieden. Auf Veränderungsprozesse reagiert er mit Desinteresse, Angst oder Ablehnung.
P 11: Selbstmotivation Bei der Selbstmotivation spielen die intrinsischen Motivationsfaktoren eine Rolle. Hier liegen die Gründe für Handlungen in den Wurzeln einer Persönlichkeit und/oder im besonderen Reiz der beabsichtigten Handlung. Menschen mit einer hohen Selbstmotivation kennen die Gründe, warum sie einerseits etwas gerne tun bzw. andererseits Dinge ablehnen. Führungskräfte mit einer hohen Selbstmotivation vertreten überzeugend den Wert und Sinn einer Aufgabe, wodurch sie Ansehen und Anerkennung gewinnen. Durch persönliche Vorbildfunktion und Begeisterung lassen sich auch Mitarbeiter besser motivieren. Schlägt sich die Selbstmotivation in Desinteresse nieder, wird der persönliche Nutzen an der Arbeit nicht vermittelt. Durch negative Äußerungen oder pessimistische Einstellungen wirkt die Führungskraft demotivierend auf die Mitarbeiter und ihr Umfeld.
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
1.4.4
11
Persönliche Integrität
Persönliche Integrität besteht in der Übereinstimmung zwischen verinnerlichten Werten, den geäußerten Worten und dem persönlichen Verhalten. So kann z.B. nur derjenige integer sein, der sein gegebenes Wort einhält. Ein integerer Mensch lebt in der Gewissheit, dass sich seine persönlichen Uberzeugungen, Maßstäbe und Wertvorstellung in seinem Verhalten ausdrücken. Dadurch wird er gleichzeitig auch glaubwürdig und baut entsprechendes Vertrauen auf. Er ist authentisch. Ein integerer Mensch zeigt Verlässlichkeit, Konstanz und Konsequenz in seiner Haltung und in seinen Handlungen. Basis für seine persönliche Integrität sind ethische Wertvorstellungen. Diese verinnerlichten Werte und Normen legt der integere Mensch nicht leichtfertig ab. Sie lenken seine Verhaltensweisen und untersagen bestimmte Handlungen. Gerade für Führungskräfte ist persönliche Integrität eine wichtige Führungsvoraussetzung. Sie gibt dem Mitarbeiter eine feste Richtschnur, an der er sich in seinem eigenen Verhalten ausrichten kann. Gleichzeitig kann der Mitarbeiter anhand der Werte und Normen seiner Führungskraft, diese besser einschätzen und gegenseitige Wertschätzung entwickeln.
P 12: Pflichtbewusstsein Die Erfüllung von Pflichten verschafft Verlässlichkeit im zwischenmenschlichen Umgang. Sie geben dem Einzelnen eine gewisse Sicherheit über das was getan werden muss. Die Erfüllung von Pflichten orientiert sich immer an unternehmensspezifischen oder gesellschaftlichen Normen und Werten. In kritischen Situationen werden Mitarbeiter und Kollegen unterstützt. Personen mit einem hohen Pflichtbewusstsein verfügen oft über eine hohe Selbstdisziplin. Die Pflicht kann auch negative Seiten haben, wenn sich jemand auf eine passive Pflichterfüllung beschränkt. Wird sie als starres Handlungsschema betrachtet, hindert sie einen daran flexibel zu sein und auf den Einzelfall eingehen zu können. Personen mit einem niedrigen Pflichtbewusstsein geben leicht ihren Wünschen und Bedürfnissen nach. Spontaneität ist ihnen wichtiger als das Einhalten von Vereinbarungen. Sie wirken in ihrem Verhalten sprunghaft und unvorhersehbar.
P 13: Vertrauen und Glaubwürdigkeit Ohne Glaubwürdigkeit kann sich kein Vertrauen aufbauen. Ohne Vertrauen gewinnt man keine Glaubwürdigkeit. Glaubwürdigkeit setzt die Fähigkeit zu realitäts- und sinngetreuer Auffassung und Wiedergabe voraus. Mit einem entsprechenden Ausdrucksvermögen geben die Partner ihren Gedanken Sinn und Ausdruckskraft. Sie stehen zu ihrem Wort und geben einander besonders in schwierigen Situationen persönliche Orientierung. An Vereinbarungen wird sich gehalten und die Vertraulichkeit gewahrt. Bei vertrauensvollen und glaubwürdigen Menschen stimmen Denken, Reden und Handeln überein. Man kann sich auf sie verlassen und ist im Ernstfall nicht von ihnen verlassen. Vertrauen schafft auch gegenseitigen Respekt ohne eine kritische Sichtweise zu verlieren. Vertrauensaufbau braucht Zeit und gemeinsame positive Erfahrungen. Um eine Vertrauensbasis aufbauen zu können, muss ich mich dem Partner öffnen. Ich muss ihm einen Vertrauensvorschuss schenken, d.h. ich muss den ersten Schritt wagen. Nur dann hat der Partner die Möglichkeit, das entgegengebrachte Vertrauen zu erwidern. Um Vertrauen aufrecht zu erhalten ist dauerhafte Zuverlässigkeit notwendig. So muss die Führungskraft darauf vertrauen können, dass die Arbeit in ihrem Sinne richtig und zuverlässig durchgeführt wird, da sie diese nicht laufend kontrollieren kann und möchte.
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1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
In zwischenmenschlichen Beziehungen spielt das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit eine wichtige Rolle. Trotzdem kann es enttäuscht oder sogar mit Füssen getreten werden (z.B. Wortbruch). Auch in solch einem Fall, der für den Betroffenen schmerzhaft ist, darf man die Hoffnung nicht aufgeben und sich innerlich verschließen. Vielmehr ist ein neuer Schritt zu wagen und dem persönlichen Wert des Vertrauens und der Glaubwürdigkeit Ausdruck zu geben.
P 14: Authentizität Will eine Führungskraft authentisch sein, muss sie Ehrlichkeit und Echtheit ausstrahlen. Wer ehrlich zu sich und seinen Mitmenschen sein möchte, darf nicht lügen. Er muss aufrichtig und lauter sein. Im zwischenmenschlichen Umgang ist er wahrhaftig. Ehrlichkeit wird bereits in der elterlichen Erziehung beigebracht. Trotzdem gibt es Situationen, in denen zu einer "Notlüge" gegriffen wird, um etwas Unangenehmem aus dem Weg zu gehen oder um jemanden zu schützen. In der Familie oder gegenüber Freunden geht Ehrlichkeit mit loyalem Verhalten einher. Zu diesen Menschen ist man sehr oft ehrlich. Anders verhält es sich zu entfernter stehenden Personen. Hier fällt die Notlüge viel leichter und wird auch öfters angewandt. Als Führungskraft muss ich meine eigenen Werte und inneren Überzeugungen kennen und auch vertreten können. Wie soll ich einem Mitarbeiter als Vorbild dienen und ihn führen, wenn ich selbst nicht die Richtung kenne, die ich einschlagen möchte? Kenne ich meine eigenen Werte und Überzeugungen, kann ich unerwünschtes Verhalten erkennen und beseitigen. Wenn eine Führungskraft authentisch ist, stimmen ihre Aussagen mit ihrem Verhalten und Wertesystem überein. Mitarbeiter spüren, wenn es keine Widersprüche gibt und reagieren mit hohem Engagement auf Anforderungen ihrer Führungskraft. Greifen Menschen öfters zur Notlüge, so wird das auf Dauer von ihrer Umgebung erkannt und sie machen sich unglaubwürdig. Sie wirken unaufrichtig und nehmen keine Vorbildfunktion ein. Authentizität kann man nicht gewinnen, wenn man anderen nach dem Mund redet und seine eigene Meinung verbiegt.
1.4.5
Führungsfähigkeit
Führungsfähigkeit umfasst die grundlegende Bereitschaft Verantwortung für sich und andere zu tragen. Ohne die Bereitschaft für das Handeln fremder Personen und deren möglichen Misserfolgen einzustehen, ist keine Führung gegeben. Menschen mit einem hohen Führungsvermögen übernehmen gerne eine Leitungsfunktion. Notwendige Aufgaben werden erfolgreich und effizient ausgeführt, vorgegebene Ziele erreicht. Je besser die Fähigkeit zur Führung ausgeprägt ist, um so motivierter und selbstständiger wird der Mitarbeiter arbeiten. Sie gestalten ihr Prozessumfeld und benötigen für ihre Arbeit einen großen Gestaltungsspielraum. Aufgrund seiner hohen Selbstmotivation handelt der Mitarbeiter aus eigener Überzeugung und eigenem Antrieb heraus.
P 15: Führungswille und -vermögen Menschen mit einem hohen Führungswillen wollen durch direkte Einflussnahme überzeugen. Sie wollen im Rahmen ihrer Arbeit Führungsaufgaben übernehmen und andere Personen anleiten. In einem Team übernehmen sie die Leitungsfunktion. Sie wollen andere von ihrem Standpunkt und ihren Fähigkeiten überzeugen. Personen mit hoher Motivation bzgl. Führungsaufgaben üben starken Einfluss aus. Sie strahlen Autorität aus, wobei sie eventuell zur Selbstüberschätzung neigen. Es besteht die Gefahr, dass Selbst- und Fremdeinschätzung nicht übereinstimmen. Für Menschen mit niedrigem Führungsvermögen besteht kein Anreiz darin, andere Menschen zu führen. Für sie genießt eine fachlich anspruchsvolle Aufgabe eine hohe Wertschätzung. Sie fühlen sich eher in einer Fachaufgabe wohl und wollen selbst in einem Team nicht die Funktion des Teamleiters
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
13
übernehmen. Beim Eingreifen in den Handlungsspielraum anderer fühlen sie sich äußerst unwohl. Personen mit einem schwach ausgeprägten Führungswillen fehlen wichtige Eigenschaften wie persönliche Ausstrahlung, Autorität und eine gewisse positive Aggressivität, um sich als Führungskraft zu etablieren.
P 16: Gestaltungswille und -motivation Als Gestaltungswille wird der eigene Antrieb bezeichnet, nicht optimale Prozesse und Strukturen zu verbessern. Mitarbeiter mit einem hohen Gestaltungswillen besitzen die Motivation eigene Ideen und Vorstellungen auch gegen Widerstände mit großem Engagement zu verfolgen. Auch unter widrigen Umständen halten sie an einem Ziel fest und verlieren es nicht aus den Augen. Sie besitzen die Fähigkeit Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden und streben Tätigkeiten mit einem hohen Gestaltungsspielraum an. Als gestaltungswillige Personen finden sie in herausfordernden Aufgaben ihre Selbstverwirklichung. Sie suchen bewusst Grenzsituationen, bei denen die Möglichkeiten des Erfolges aber auch die Gefahr des Scheiterns existieren. Für sie ist es wichtig aus diesen Situationen Neues zu lernen. Wer die Absicht hat, etwas Neues zu gestalten, muss den Mut aufbringen, sich zu entscheiden und zu diesen, seinen Entscheidungen zu stehen. Der größte Widersacher des Gestaltungswillens ist das vor sich herschieben einer Aufgabe. Oft ist es die Angst vor dem Neuen, Unbekannten, die das Handeln zum Scheitern verurteilt. Der Mitarbeiter passt sich an bestehende Strukturen an und liebt die Kontinuität des Bestehenden. Er nutzt nur wenig die Möglichkeiten zur Ausgestaltung von Freiräumen. Spielräume zur Ausgestaltung der eigenen Arbeitsfreiräume werden nicht gesucht und ausgebaut. Mangelnder Gestaltungswille ist häufig auch eine Folge mangelnder Prioritäten. Die Nichteinhaltung von Terminen führt zur Verzettelung in der Arbeit. Die Arbeit wächst stetig an und wird immer mehr zur Bürde. Der erste Schritt zur Verbesserung ist der Wille zu einem besseren Zeitmanagement. Selbstdisziplin in der Arbeit ist unerlässlich und nur mit eigenem Willen zu erreichen.
P 17: Verantwortungsbereitschaft Die Bereitschaft Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen setzt zwei grundlegende Merkmale voraus, über die sich die Führungskraft bewusst sein sollte. Sie trägt Verantwortung für die mündlich oder schriftlich festgelegten Zuständigkeiten für Aufgaben und Mitarbeiter. Weiterhin trägt sie die Folgen für das Handeln der eigenen Person und der ihr anvertrauten Menschen. Die Verantwortung tragende Person zeigt dieses Bewusstsein in ihren Einstellungen. Ein verantwortungsbewusster Mensch fühlt sich verpflichtet, alles Notwendige zu tun, um das Beste für die Menschen und das Vorhaben zu erreichen. Es gilt negative Auswirkungen zu vermeiden und seine Entscheidungen und Handlungen entsprechend auszurichten. Für Misserfolge fühlen sie sich selbst verantwortlich und schieben diese nicht auf andere Personen ab. Die Verantwortung wird aktiv übernommen und es eröffnen sich entsprechende Entfaltungs- und Bewährungschancen. Grundsätzlich hat in einem Unternehmen jeder Verantwortung zu übernehmen; selbstverständlich jedoch differenziert nach Aufgabenbereichen und hierarchischen Ebenen. Wer eine Aufgabe übernimmt, verpflichtet sich diese auch ordnungsgemäß auszuführen. Personen mit einer geringen Verantwortungsbereitschaft schieben Fehler gerne auf andere ab und/oder verleugnen eigene Fehler. Sie machen die Situation oder die Sache dafür verantwortlich. Bei Erfolgen stehen sie gerne im Rampenlicht; bei Misserfolgen lassen sie ihre Mitarbeiter gerne im Regen stehen. Aufgaben lassen sich delegieren, Verantwortung jedoch nicht.
14
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
1.5
Führungskompetenzen
Bei Führungskompetenzen (Abb. 1.4) geht es um das Wissen, die Fähigkeiten und die Bereitschaft zum Führen. Die sozialen und kommunikativen Aspekte stehen im Vordergrund. Situationsbewusst werden die sozialen Beziehungen und Interessenlagen der Beteiligten erfasst. Wertende Handlungen gegenüber Personen sind hier zu finden und spiegeln das Verhalten in mitarbeiterorientierter Führung wider. Anerkennungen und angemessene Kritik seitens der Führungskraft motivieren den Mitarbeiter. Die Fähigkeit zur Lösung von Auseinandersetzungen und Konflikten zeigen entsprechendes Führungspotenzial auf. Schließlich liegen die Herausforderungen der Mitarbeiterführung in der souveränen Handhabung schwieriger Fälle. Die erfolgreiche Führungskraft erarbeitet sich immer wieder die Akzeptanz und den Respekt ihrer Mitarbeiter. Wenn die Führung der Mitarbeiter erfolgreich gestaltet werden soll, muss sie die Abhängigkeit und Wechselwirkung zwischen AufgabensteIlung, Persönlichkeit der Führungskraft und des Mitarbeiters sowie von situativen Komponenten erfassen. Führungskompetenzen sind wechselseitig personenzentriert ("WIR").
1.5.1
Mitarbeiterführung
Wichtige Kompetenzen für die Mitarbeiterführung sind Beobachtungsfähigkeit und Beurteilungsvermögen. Nur durch eine aufmerksame Beobachtung der Mitarbeiter wird die Basis für eine möglichst objektive Beurteilung gelegt. Menschen mit einer hohen Fähigkeit zur Mitarbeiterführung lassen sich nicht durch den "ersten Eindruck" blenden. Sie sind sich der Gefahren ihrer subjektiven Einschätzung bewusst.
Kompetenzfeld Führungskompetenzen
Kompetenzcluster 6. Mitarbeiterführung
7.
Teamorientierung
8.
Kommunikationsfähigkeit Auseinandersetzungen und Konflikte
9.
Abb. 1.4: FÜhrungskompetenzen
Kompetenzen F1 F2 F3 F4 F5 F6 F7 F8 F9 F10 F 11 F12 F13 F14 F15 F16
Führungsstil und -verhalten Beobachtungsfähigkeit Beurteilungsvermögen Mitarbeitermotivation Mitarbeiterentwickluno Einfühlungsvermögen und Sensitivität Gruppendynamik Integrationsfähigkeit Kooperationsfähigkeit Gesprächsführung und -verhalten Ausdrucksfähigkeit ArQ umentationsstärke Emotionale Stabilität Psychische Belastbarkeit Wahrnehmung von Konflikten Konfliktfähiokeit
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
15
Ihren grundlegenden Führungsstil können sie aufgaben- und mitarbeiterbezogen anpassen. Durch ein der jeweiligen Situation angepasstes Verhalten sind sie flexibel in der Führung ihrer Mitarbeiter. Aufgrund ihrer Kompetenzen im Bereich der Mitarbeiterführung führen sie - auch ohne unternehmensinterne Vorgaben - eine konstruktive Mitarbeiterentwicklung durch.
F 1: Führungsstil und -verhalten Der Führungsstil ist das persönliche Fundament für die Führung von Mitarbeitern und basiert auf persönlichen Werten und Überzeugungen. In ihm kommt die persönliche Einstellung und Wertschätzung zum Mitmenschen und zur Arbeit zum Ausdruck. Das Führungsverhalten baut auf dem persönlichen Führungsstil auf, ist aber an konkrete Aufgaben, Personen und an das Umfeld gebunden. Hier geht es um konkrete Führungshandlungen in unterschiedlichen Situationen. Personen mit einem kompetenten Führungsverhalten formulieren klar und deutlich ihre Anforderungen und Erwartungen. Sie handeln selber auch entsprechend. Die Mitarbeiter können die Führungskraft aufgrund des Führungsstils grundlegend einschätzen. Aufgrund ihrer Führungskompetenzen entscheidet die Führungskraft auch bei unpopulären Entscheidungen rechtzeitig und für Außenstehende nachvollziehbar. Situationsabhängig passt die Führungskraft ihr Führungsverhalten an und macht diese Verhaltensweise deutlich. Sie überprüft und verbessert die Wirksamkeit ihrer Führung, in dem sie offen ist für andere Vorgehensweisen und Lösungsvorschläge. Situationsangepasstes Führungsverhalten kann Führungsstärke aufzeigen. Bei Personen mit einer schwach ausgeprägten Führungsfähigkeit ist Führung kaum sichtbar. Sie wollen es allen recht machen und lassen sich selbst eher führen, auch von den eigenen Mitarbeitern. In ihrem Führungsverhalten sind sie unflexibel. Sie wollen alle Führungsaufgaben mit der gleichen Methode lösen. In ihrem grundlegenden Führungsstil sind sie rigide und wirken unflexibel.
F 2: Beobachtungsfähigkeit Im Umgang mit Menschen sind Fähigkeiten notwendig, den Charakter anderer Personen richtig einschätzen zu können. Die Eigenschaften und Verhaltensweisen werden dabei meistens intuitiv erfasst. Personen mit einer hohen Kompetenz in diesem Bereich können gut nonverbale Signale erkennen und interpretieren. Nonverbale Zeichen sind unstrukturierter, unbestimmter, unbegrenzter und weniger zielgerichtet. Personen mit einer guten Fähigkeit zur Beobachtung lassen sich nicht durch den ersten Eindruck täuschen, sondern blicken hinter die Fassade. Sie beobachten das Verhalten sehr genau und achten mehr darauf wie jemand etwas sagt, als auf das, was er sagt. Sie hinterfragen bewusst, wie sie sich ein Urteil über andere Personen gebildet haben und überlegen, aufgrund welcher Eindrücke Sie zu ihrer Einschätzung gekommen sind. Erst aufgrund wiederholten Verhaltens gehen sie von stabilen Verhaltensweisen aus. Sie widersetzen sich der Tendenz des vorschnellen Urteils, des Vorurteils. Auch bei Personen die sie bereits lange kennen, überprüfen sie gelegentlich, ob ihre Einschätzung einer Korrektur bedarf.
F 3: Beurteilungsvermögen Sowohl im beruflichen als auch im privaten Alltag gilt es immer wieder Situationen und Menschen zu bewerten und Entscheidungen zu treffen. Oft geschieht dies intuitiv und subjektiv. Bewusst durchgeführte Beurteilungsprozesse beinhalten im zwischenmenschlichen Bereich immer subjektive Komponenten. So gibt ein durch positive Emotionen beeinflusster Bewerter ein positiveres Urteil ab. Dabei ist es unerheblich, ob die zu beurteilende Situation bzw. Person ihm dies vermittelt oder ob schon im Vorfeld der Vorgang mit einem positiven Vorurteil belastet war. Dies gilt ebenso für negative Emotionen.
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1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Personen mit einem kompetenten Beurteilungsvermögen beurteilen Situationen und Mitarbeiter anhand objektiver Maßstäbe. Sie sind sich der Subjektivität und der Einflussfaktoren auf ihre Bewertung bewusst. Sie können ihre Beurteilung anhand von Kriterien nachvollziehbar begründen. Für ein gutes Beurteilungsvermögen muss im Unternehmensalltag die Führungskraft über das notwendige Wissen verfügen, um Situationen, Sachverhalte und Arbeitsleistungen gut einschätzen zu können. Zudem muss sie in der Lage sein, ihre Ansichten und Bewertungen verständlich und transparent zu machen. Der Mitarbeiter wird nach objektiven Kriterien bewertet und möglichst nicht subjektiv eingeschätzt.
F 4: Mitarbeitermotivation Grundlage der Motivation ist die Wertschätzung, die einem Menschen entgegengebracht wird. Personen mit einem hohen Motivationsvermögen verfügen daher über ein positives Menschenbild. Sie können die Schwächen akzeptieren und die Stärken anerkennen. Aufgrund ihrer Mitarbeiterorientierung erkennen sie die Motive des Mitarbeiters und können daher dessen Verhalten und seine Handlungen erklären. Mitarbeiter werden durch lIbertragung von Verantwortung und dem Einräumen von Handlungs- und Entscheidungsspielräumen Möglichkeiten zur selbstständigen Bearbeitung von Aufgaben eingeräumt. Ihnen wird Anerkennung zuteil und die Selbstbestimmung gefördert. Führungskräfte mit einer hohen Motivationsfähigkeit binden andere in die Entscheidungsfindung ein. Sie geben dem Mitarbeiter Hilfe zur Selbsthilfe. In schwierigen Situationen sind sie Berater und Unterstützer zugleich. Dabei bietet die Führungskraft ihre Unterstützung glaub- und vertrauenswürdig an. Sie gibt dem Mitarbeiter Selbstvertrauen. Der Mitarbeiter wird in seiner Person respektiert und zum Engagement ermutigt. Führungskräfte mit einer geringen Motivationskompetenz bevormunden und/oder überfordern ihre Mitarbeiter. Bei auftretenden Schwierigkeiten wissen sie immer eine bessere oder schnellere Lösung. Sie räumen ihm keine Freiräume ein und halten ihn in einem Abhängigkeitsverhältnis. Lob wird nicht oder selten gegeben und auf die Arbeitsleistungen überwiegend unzufrieden reagiert. Berechtigte Kritik wird bis zur "passenden" Gelegenheit zurückgehalten. Das Engagement der Mitarbeiter wird als selbstverständlich hingenommen. In bestimmten Situationen wird versucht den Mitarbeiter über den Tisch zu ziehen.
F 5: Mitarbeiterentwicklung Eine kompetente Mitarbeiterentwicklung ist ein wichtiges Kriterium für die Unternehmensentwicklung. Zusammen mit dem Mitarbeiter werden seine Fähigkeiten und Kenntnisse in einer Potenzialanalyse ermittelt. Eine kompetente Führungskraft legt zusammen mit dem Mitarbeiter Förderungsund Weiterbildungsmaßnahmen fest. Die Entwicklungsmöglichkeiten für den Mitarbeiter betrachtet sie über den eigenen Verantwortungsbereich hinaus. Damit trägt sie ihrer Führungsverantwortung für den Mitarbeiter und das Unternehmen Rechnung. Um die Selbstständigkeit zu fördern, ermutigt die kompetente Führungskraft zu eigenständigem Lernen und unterstützt lernorientierte Aktivitäten. Ist die Fähigkeit zur Mitarbeiterentwicklung schwach ausgeprägt, wird der Mitarbeiter anhand punktueller Situationen bewertet. Die Führungskraft verfügt über kein Gesamtbild und kann daher keine angemessenen Personalentwicklungsmaßnahmen festlegen. Will sie den Mitarbeiter unbedingt in ihrem Verantwortungsbereich halten, be- oder verhindert sie dessen Entwicklung. Die schwache Führungskraft denkt nur in ihrem Verantwortungsbereich und nicht mitarbeiter- bzw. unternehmensbezogen.
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
1.5.2
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Teamorientierung
Teamorientierung misst sich am Willen und Vermögen mit anderen Menschen zusammen zu arbeiten. Personen mit einer guten Teamfähigkeit können sich in einem angemessenen Umfang in eine Gruppe integrieren und an gemeinsamen Zielen arbeiten. Sie bilden soziale Kontakte aus und werden von den anderen Teammitgliedern akzeptiert. Mit der notwendigen Sensitivität steuern sie die Gruppendynamik im Team. Teamfähigkeit trägt zum gegenseitigen Verständnis aller Teammitglieder bei. Eine geringe Kompetenz ist bei zu hoher oder niedriger Teamorientierung gegeben. Bei Personen mit hoher Teamorientierung besteht die Gefahr, dass die (zwischen)menschlichen Beziehungen stark im Vordergrund stehen. Die Aufgabenbewältigung und Zielerreichung wird vernachlässigt. Personen mit einer niedrigen Teamorientierung handeln lieber als Einzelgänger. Sie lieben ihre Eigenständigkeit, wollen unabhängig sein und selbstständig arbeiten.
F 6: Einfühlungsvermögen und Sensitivität Die Bereitschaft und die Fähigkeit andere Menschen gefühlsmäßig zu verstehen, wird als Einfühlungsvermögen bezeichnet. Personen mit höherem Einfühlungsvermögen fällt es leicht sich in die Absichten, Bedürfnisse und Gefühle der betreffenden Menschen hineinzuversetzen. Sie verfügen über ein feines Gespür für Stimmungen. Besonders in schwierigen Gesprächssituationen macht sich dies positiv bemerkbar. Mit der entsprechenden Sensitivität können sie beim Umgang mit schwierigen oder schwer zugänglichen Personen das eigene Verhalten situationsgerecht abstimmen. Persönliche Ausgeglichenheit, Verlässlichkeit und Vertrauensbereitschaft sind ihre Basis für ein gutes Einfühlungsvermögen. Mit einem hohen Einfühlungsvermögen wird das soziale Gefüge der Umgebung sensitiv wahrgenommen. Nicht nur besonders auffällige Handlungsmuster, sondern auch unterschwellige, werden erspürt und erkannt. Die soziale Wahrnehmung ermöglicht eine zielorientierte Intervention und Klärung von Missständen. Mit dem notwendigen Einfühlungsvermögen erkennen sensitive Menschen das Selbstwertgefühl anderer Personen und können ihr Verhalten darauf abstimmen. Sie erspüren Veränderungen in der Beziehung und können durch Zuversicht eine spannungsgeladene Atmosphäre beruhigen. Menschen mit einem geringen Einfühlungsvermögen können auch in normalen Situationen die Befindlichkeiten ihres Gegenübers nicht richtig einschätzen. Ihnen ist auch nicht deutlich, wie ihre eigenen Handlungen aufgenommen und interpretiert werden. Es fehlt ein entsprechendes Fingerspitzengefühl. Aufgrund dieses Mangels gehen sie schwierigen Gesprächssituationen aus dem Wege. An Kontakten sind sie wenig interessiert. Sie zeigen kein Interesse an den Gefühlen anderer und treten häufig ins Fettnäpfchen. Es wird nicht erkannt, wann und warum andere verletzt wurden; sie wirken unsensibel.
F 7: Gruppendynamik Menschen einschätzen zu können, ist eine wichtige grundlegende Fähigkeit für eine Führungskraft. Sie muss den zwischen Mitarbeitern ablaufenden gruppendynamischen Prozess zielorientiert steuern können. Sie ist in der Lage teilnehmerorientiert die Meinungsbildung anzustoßen und bei auseinanderstrebenden Interessen diese auf ein gemeinsames Ziel zu fokussieren. Durch intensive Beobachtung des Gruppenprozesses erkennt eine kompetente Führungskraft die sozialen Signale im zwischenmenschlichen Bereich, geht sensibel darauf ein und damit um. Gruppenprozesse und Gruppennormen werden von ihr transparent und deutlich gemacht. Durch ihre Selbstsicherheit und
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1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Souveränität gibt sie den Teammitgliedern Sicherheit. Zielführend begleitet sie die Entwicklung des Teams und geht möglichen Konflikten nicht aus dem Weg. Eine schwache Führungskraft achtet nicht auf die Bedürfnisse aller Teammitglieder. Sie bevorzugt bestimmte Personen und sucht dadurch Verbündete. Potenziellen Konflikten innerhalb der Gruppe geht sie aus dem Weg und versucht es allen recht zu machen. Dabei wirkt sie unsicher und kann die Gruppendynamik nicht aufnehmen und zielorientiert steuern. Letztlich bremst sie die Teamentwicklung aus.
F 8: Integrationsfähigkeit Integration ist ein sozialer Prozess, bei dem ein Mensch unter Zuweisung von Positionen und Funktionen in die Sozialstruktur einer Gruppe aufgenommen wird. Integrationsfähigkeit ist dabei von verschiedenen Seiten zu betrachten. Sie umfasst sowohl die Fähigkeit einer Person sich in eine Gruppe einfügen zu können, als auch die Fähigkeit der Führungskraft neue Personen zu integrieren. Integrationsfähigkeit hängt von einer Reihe von Merkmalen ab. Dazu zählt das Beobachten und Analysieren von Rollen, Umfangsformen und Ritualen im Team. Gemeinsame Normen schaffen ein gemeinsames Werteverständnis. Eine Führungskraft muss in der Lage sein, diese Normen zu erkennen und ihr Handeln daran auszurichten. Den verschiedenen Teammitgliedern wird mit Interesse und Aufmerksamkeit entgegengetreten. Die Fähigkeit zur Integration setzt auch Vertrauen und Offenheit den anderen Teammitgliedern gegenüber voraus. Das notwendige partnerschaftliche Verhalten erleichtert die soziale Integration. Je schneller das neue Teammitglied das soziale Gebilde Team versteht, desto sicherer fühlt es sich und desto früher kann es einen erfolgreichen Beitrag zur Teamarbeit leisten. Mit der sozialen Integration und entsprechender Unterstützung durch die Führungskraft steigt auch die Identifikation mit Team und Aufgabe. Führungskräfte mit einer geringen Integrationsfähigkeit halten Distanz auf der sozialen Ebene. Die Kontakte laufen viel stärker auf der sachlichen Ebene ab.
F 9: Kooperationsfähigkeit Während die Integrationsfähigkeit den sozialen Prozess in einem Team betrachtet, umfasst die Fähigkeit zur Kooperation das gemeinsame Arbeiten an einer Aufgabe. Innerhalb des Teams müssen dazu Wissen und Erkenntnisse ausgetauscht werden. Jeder profitiert dabei vom spezifischen Wissen des Anderen und hat einen Nutzen an der gefundenen Lösung. Kooperationsfähigkeit bedeutet auch, sich kritisch mit seinen eigenen Ansichten auseinander zu setzen und den anderen Teammitgliedern ein Recht auf andere, eigenständige Meinungen einzuräumen. Kooperation basiert auf sozialem Handeln. Bei einer teamorientierten Führungskraft passt deren Verhaltens- und Arbeitsweise zum Team. Miteinander arbeiten und produktiv tätig sein ist nur möglich, wenn ein gutes Arbeitsklima geschaffen wird. In seinen Handlungen spiegelt sich das Verhältnis zu den einzelnen Mitarbeitern wider. Teamorientierte, kooperationsfähige Führungskräfte setzen sich aktiv für die vom Team getroffenen Entscheidungen ein und tragen zur Effizienzsteigerung in der Arbeit bei. Gemeinsam wird für das Erreichte Verantwortung übernommen und das Ergebnis verteidigt.
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
1.5.3
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Kommunikationsfähigkeit
Ein hohes Kommunikationsvermögen ist ein weiterer wichtiger Baustein der Führungskompetenzen. Ohne persönliche Kommunikation lassen sich Mitarbeiter auf Dauer nicht führen. Menschen mit einer hohen Kommunikationsfähigkeit legen ihre Gedanken klar und strukturiert dar. Sie können verständlich informieren und hören aktiv zu. Sie gehen auf ihren Gesprächspartner ein und beachten dessen nonverbale Körpersprache. Durch ihr Ausdrucksvermögen und ihre Argumentationsstärke können sie den Gesprächspartner überzeugen, ohne diesen zu überrumpeln oder zu verletzen. Sie beziehen persönlich Stellung (IchAussagen) und geben konstruktives Feedback. Schwierigen und konfliktträchtigen Gesprächssituationen weichen sie nicht aus. Sie achten darauf, dass ihr Gesprächspartner seine Würde behält.
F 10: Gesprächsführung und -verhalten Mit einer überzeugenden Gesprächsführung lasse ich beim Gesprächspartner Bilder entstehen, die es ihm erleichtern den Sinn meiner Aussagen besser zu erfassen und zu verstehen. Damit muss auch eine gute Gesprächslenkung einhergehen. Im Mitarbeitergespräch erfolgt die Vorbereitung und Durchführung immer auf einer Sach- und Beziehungsebene. Eine gute Situationsanalyse mündet in der Festlegung klar definierter Gesprächsziele. Führungskräfte mit einer guten Gesprächsführung sorgen auch bei kritischen Gesprächen für einen positiven Gesprächsausklang. Bei einer guten Gesprächsführung kann ich dem Gesprächspartner immer das Gefühl geben, dass mein eigenes Ziel auch ihm die besten Möglichkeiten bietet. Die Grenzen zur Manipulation liegen jedoch eventuell sehr nahe. Dann schlägt eine überzeugende Gesprächsführung in ihr Gegenteil um. Gleiches gilt, wenn nur SChwächen und Vorwürfe geäußert werden. Bei einem guten Gesprächsverhalten gehe ich auf die Argumente meines Gesprächspartners ein, höre ihm aktiv zu und baue meine Argumente darauf auf. Informationen und Gedankengänge werden offen und transparent dargelegt und Ansichten nachvollziehbar begründet. Unklar formulierte Äußerungen werden hinterfragt und somit verhindert, dass womöglich aneinander vorbeigeredet wird. Die Reaktionen des Gesprächspartners werden richtig erkannt und das eigene Gesprächsverhalten darauf abgestimmt. Letztlich wird ein partnerschaftlicher, wertschätzender Gesprächsstil gepflegt, wobei die Führungskraft trotzdem die Stellung im Gespräch behauptet.
F 11: Ausdrucksfähigkeit Mit einer guten Ausdrucksfähigkeit passe ich meinen Gesprächsstil dem Niveau des Gesprächspartners an. Komplizierte Sachverhalte werden klar und verständlich ausgedrückt. Menschen mit einer hohen Kompetenz in diesem Bereich verfügen über breite mündliche und schriftliche Ausdrucksfähigkeiten. Aufgaben und Sachverhalte werden prägnant und präzise erläutert. Ist die Ausdrucksfähigkeit geringer ausgeprägt, verfügt die Person nur über eingeschränkte schriftliche und mündliche Möglichkeiten. Mit ihrem Gesprächsverhalten über- oder unterfordert sie ihren Gesprächspartner. Durch sprunghafte und ungeordnete Ausdrucksweise verliert sie ihren roten Faden und die Aufmerksamkeit des Gesprächspartners. Sie drückt sich unverständlich und kompliziert aus.
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1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
F 12: Argumentationsstärke Unter einem Argument versteht man eine begründete Behauptung. In Gesprächen werden immer verschiedene Themen diskutiert oder behandelt. Um sich gegenüber dem Gesprächspartner zu behaupten, muss ich gut argumentieren können. Mit einer guten Argumentationsstärke wird der Partner überzeugt und es werden gemeinsam Lösungen gefunden. Eine kooperative Argumentation schafft auf der Beziehungsebene eine offene und vertrauensvolle Atmosphäre. Durch die entstehende gegenseitige Anerkennung wird für eine bessere Akzeptanz der getroffenen Vereinbarungen gesorgt. Bei schwach ausgeprägten Argumentationsfähigkeiten kann mich der Gesprächspartner argumentativ überfahren. Es gelingt ihm, sein Gesprächsziel durchzusetzen und mich zu überreden. Die möglicherweise entstehenden Belastungen des Selbstwertgefühles rufen Abwehrreaktionen hervor. Aber auch eine unsensibel gehandhabte Argumentationsstärke kann zu negativen Reaktionen führen. Mit entsprechenden Argumenten wird dem Gesprächspartner Inkompetenz oder Unglaubwürdigkeit aufgezeigt und mit der Kompetenz der Argumentationsstärke seine Person in Frage gestellt.
1.5.4
Auseinandersetzungen und Konflikte
Konfliktfähig zu sein bedeutet, andere Ansichten und Bedürfnisse als solche zu akzeptieren. Anderen Personen und Meinungen ist mit Toleranz gegenüber zu treten. Es kann nicht immer alles harmonisch zugehen und nicht immer stößt man mit seinen eigenen Ideen oder Vorstellungen auf positive Resonanz. Konfliktfähigkeit bedeutet auch, Konflikte konstruktiv zu bewältigen, rechtzeitig zu erkennen und wenn es die Situation zulässt diese offen und fair auszutragen. Eine Führungskraft ist dann konfliktfähig, wenn sie mit schwierigen Situationen souverän umgehen kann. Sie versucht aus Konflikten zu lernen und sich zukünftig anders zu verhalten. Durch Fehlschläge in der Konfliktlösung lässt sie sich nicht entmutigen. Störende Dinge spricht sie direkt, konkret und fair an. Sie kann in Konfliktgesprächen für alle Beteiligte zufrieden stellende Lösungen finden.
F 13: Emotionale Stabilität Emotionen treten als Reaktion auf innere und äußere Geschehnisse auf. Sie können als angenehm (z.B. Freude, Erleichterung) oder unangenehm (z.B. Angst, Neid) empfunden werden. Ein Merkmal von Emotionen ist, dass sie in der Regelobjektgerichtet sind, d.h. die Person freut oder fürchtet sich über etwas. Entscheidend für Emotionen ist die jeweilige persönliche Sichtweise oder Interpretation des Ereignisses durch die betreffende Person. Emotional stabile Führungskräfte zeichnen sich durch ein entsprechendes positives Selbstwertgefühl aus. Zukünftigen Ereignissen treten sie mit einem gewissen Optimismus entgegen und sie verfügen über Unabhängigkeit im Denken und Handeln. Eigene Entscheidungen im Berufsleben zu treffen und mit den möglichen (negativen) Konsequenzen zu leben, ist für sie ein wichtiges Kriterium. Durch Misserfolge lassen sie sich nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Emotional stabile Personen können die Gefühle ihres Partners zur Geltung kommen lassen und akzeptieren. Sie sprechen die Gefühle an und bringen sie auf den Punkt. Emotional instabile Personen zeigen Minderwertigkeitskomplexe, Pessimismus und übertriebene Gewissenhaftigkeit. Negativen Gefühlen wird zuviel Aufmerksamkeit geschenkt, wodurch die vorhandenen positiven Gefühle nicht richtig wahrgenommen werden. Zukünftige Ereignisse werden unter negativer Sichtweise betrachtet. Durch Misserfolge lassen sie sich leicht entmutigen; sie unterliegen häufig Stimmungsschwankungen und wirken verängstigt.
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
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F 14: Psychische Belastbarkeit Mit psychischen Belastungen sind alle Einflüsse gemeint, die von außen auf den Menschen einwirken. So ist Stress eine Reaktion auf Ereignisse, die wir als bedrohlich ansehen und die unsere Lebensqualität einschränken können. Belastende Anforderungen im Beruf oder SChwierigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen können zu länger andauernden Stressbelastungen führen. Minderwertigkeitsgefühle, geringes Selbstvertrauen oder Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper führen zu Dauerbelastungen. Extreme Formen von Stress werden durch Arbeitslosigkeit, schwere Erkrankungen oder den Tod eines geliebten Menschen hervorgerufen. Besonders wichtig ist die psychische Belastbarkeit in schwierigen Situationen. Eine hohe psychische Belastbarkeit hängt mit einer positiven Einstellung zur eigenen Person und zum Beruf zusammen. Unter hohen psychischen Druck werden auch komplexe Aufgaben erfolgreich bewältigt. Eine hohe psychische Belastbarkeit zeigt sich auch durch eine innere Gelassenheit. Die Dinge ernst nehmen, aber sich nicht durch jede Kleinigkeit aus der Ruhe bringen zu lassen. Personen mit einer geringen psychischen Belastbarkeit fühlen sich durch die an sie gestellten Anforderungen überfordert. Sie reagieren gereizt, ängstlich und unsicher. Dadurch verlieren sie an Effektivität und können aus sich heraus nicht angemessen aktiv reagieren.
F 15: Wahrnehmung von Konflikten Menschen haben unterschiedliche Fähigkeiten zur Konfliktwahrnehmung. Sie erkennen die Unterschiede und Differenzen zwischen den persönlichen Werten/Überzeugungen, Meinungen und Interessen/Zielen. Führungskräfte mit einer hohen Kompetenz in diesem Bereich achten darauf, dass ihre Wahrnehmungs- und Entscheidungsfähigkeit nicht eingeschränkt wird. Sie sehen im Laufe der Konfliktereignisse die Dinge auch weiterhin klar und deutlich. Die Sicht auf das eigene Verhalten und die anderen Konfliktbeteiligten wird nicht geschmälert oder verzerrt. Mit ihrer ausgeprägten Wahrnehmungsfähigkeit erkennen sie die Symptome für sich anbahnende Konflikte und können frühzeitig gegensteuern. Sie nehmen die Machtkonstellationen zwischen den Konfliktbeteiligten wahr und können deren Reaktionen einschätzen. Führungskräfte mit einer hohen Wahrnehmungskompetenz können das Verbindende vom Trennenden klar unterscheiden. Demgegenüber können Führungskräfte mit einer gering ausgeprägten Wahrnehmungskompetenz den Verursacher von Meinungsverschiedenheiten und Konflikten nicht identifizieren. Sie sind unsensibel für die sich aufbauenden Spannungen und erkennen das heraufziehende Gewitter nicht. In ihrer Wahrnehmung des Konfliktes sind sie so getrübt, dass sie Ursache-Wirkungs-Beziehungen nicht mehr analysieren können. Sie suchen nur noch den eigenen Vorteil und halten selbst bei sich abzeichnendem Misserfolg an ihrer Position fest. Die Sichtweise im Konflikt wird immer schmaler, verzerrter und einseitiger. In einem anderen Extremfall will sie es allen Konfliktbeteiligten recht machen.
F 16: Konfliktfähigkeit Konflikte rechtzeitig zu erkennen und diese konstruktiv zu bewältigen, zeichnet die Konfliktfähigkeit aus. Wenn die Situation eine Lösung nicht ermöglicht, lernen konfliktfähige Führungskräfte auch damit zu leben. Dazu gehören auch die Fähigkeit, die Art von Konflikten und den Grad der Eskalation einschätzen, sowie die eigenen und fremden Beiträge erkennen zu können. Auf der Basis von Akzeptanz, Gleichwertigkeit und Fairness setzen sich konfliktfähige Personen mit ihrem Konfliktpartner auseinander. Sie behalten eine beruhigende, zuversichtliche Haltung bei und vertreten ihre eigene Meinung auch wenn dies Auseinandersetzungen hervorrufen könnte. Sie sprechen Kritik und unangenehme Dinge offen aus und setzen sich auch für unpopuläre aber notwendige
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1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Maßnahmen ein. Dabei können sie spannungsgeladene Auseinandersetzungen ertragen und verzichten auf eine übertriebene Harmonie. Personen mit einer hohen Kompetenz zur Konfliktlösung gehen Konflikte direkt an und sehen sie als Chancen zur eigenen Entwicklung. Ihnen gelingt es Befürchtungen und Ängste zu relativieren. Sie können auch eigene Fehler zugeben. Andere dagegen fühlen sich sehr leicht angegriffen oder in die Ecke gedrängt und reagieren sehr schnell beleidigt, wütend, entschuldigend oder auch rechtfertigend. Sie weichen Konflikten aus, ignorieren oder leugnen sie. In Auseinandersetzungen wirken sie wie gelähmt und sind "Mitläufer". Eigene, abweichende Meinungen werden nicht vertreten und Unangenehmes nur indirekt angesprochen. Konfliktscheue Menschen können angenehm, unterstützend und liebenswürdig wirken. Demgegenüber stehen Personen, die immer recht behalten wollen. Sie können ihre eigenen Ängste nicht bewältigen und versuchen ihre Fehler zu vertuschen, wodurch sie gleichzeitig immer wieder für neues Konfliktpotenzial sorgen.
1.6
Methodenkompetenzen
Methodische Kompetenzen umfassen die grundlegenden Fähigkeiten Aufgaben und Prozesse situationsübergreifend flexibel und effektiv zu gestalten (Abb. 1.5). In der entsprechenden Handlung zeigt sich die Stärke und Ausprägung der dafür benötigten Kompetenz. Bei der Bewältigung komplexer Aufgaben und Prozesse stehen die Fähigkeit zur Strukturierung und das analytischkonzeptionelle Denken zur Komplexitätsbewältigung im Vordergrund. Die Anwendung verschiedener Methoden und Verfahrensweisen befähigt zu fachübergreifenden Lösungsstrategien und exzellenten Leistungen. Mit einem entsprechenden Moderationsvermögen gelingt die Strukturierung und Klärung von Diskussionsprozessen. Eine systematisch-methodische Vorgehensweise erleichtert auch die Organisation der eigenen Person und Arbeit. Zielorientierte Entscheidungsfindungen, kreative Lösungsvorschläge und transparentes, nachvollziehbares setzen von Prioritäten sind ebenfalls wichtige methodische Fähigkeiten. Methodenkompetenzen sind sachorientiert ("THEMA").
1.6.1
Persönliche Arbeitsorganisation
Die Fähigkeit zur Mitarbeiterführung beginnt bei der Führung der eigenen Person. Das Vermögen seine eigene Arbeit zu strukturieren und zu organisieren muss stark ausgeprägt sein. Sonst besteht die Gefahr, dass das eigene "Arbeitschaos" auf die Mitarbeiter übertragen wird. Ein gutes Zeit- und Selbstmanagement sorgt für Zuverlässigkeit den Mitarbeitern gegenüber. Die Fähigkeit, komplexe Aufgaben zu strukturieren, ist die Grundlage für die Delegation. In diesem Zusammenhang umfasst die persönliche Arbeitsorganisation immer auch ein persönliches Controllingsystem. Mit diesem werden delegierte Aufgaben gesteuert und kontrolliert. Im Rahmen des Zeit- und Selbstmanagements muss ein hohes Vermögen zur Selbststeuerung vorhanden sein.
1 23
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Kompetenzfeld Methodenkompetenzen
Kompetenzcluster 10. Persönliche Arbeitsorganisation 11. Präsentationen
12.
Projektmanagement
Kompetenzen M1 M2 M3 M4 M5 M6 M7 MB Mg
Organisationsfähigkeit Delegationsvermögen Selbst- und Zeitmanaaement Rhetorische Fähigkeiten Körpersprache Zielaruooenorientieruno Komplexitätsverständnis und Aufgabenstrukturierung systematisch-methodische Vorgehensweise Zielorientieruna
Abb. 1.5: Methodenkompetenzen M 1: Organisationsfähigkeit Organisationsfähigkeit ist die Gabe, Termine und Arbeitsabläufe so zu planen, zu strukturieren und zu organisieren, dass die eigene und fremde Arbeitszeit möglichst optimal genutzt wird. Organisationstalente setzen Prioritäten und schieben Pflichten nicht auf. In ihrem Aufgabenbereich sind sie diszipliniert und konzentriert bei der Arbeit. Sowohl Tagesaufgaben als auch längerfristige Tätigkeiten werden nach klaren Strukturen bearbeitet. Auch Details finden eine angemessene Beachtung. Es wird jedoch darauf geachtet, nicht zu tief in die Materie einzudringen und sich dadurch zu lange und zu intensiv mit einem Thema zu beschäftigen. Menschen mit einer geringen Kompetenz in diesem Bereich unterschätzen die Dauer von Tätigkeiten, wodurch sie Termine häufig nicht einhalten. Sie arbeiten daher oft auf den letzten Drücker und sind immer überlastet. Ihre persönliche Arbeitsorganisation ist chaotisch. Sie führen keine längerfristige Arbeits- und Terminplanung und leben daher von heute auf morgen. Durch ihren Arbeitsstil verbreiten sie Unruhe in ihrem beruflichen Umfeld und sind weniger effektiv. M 2: Delegationsvermögen Bei der Fähigkeit zur Delegation wird persönliche Zuständigkeit für Aufgaben gezielt auf andere Personen übertragen. Kompetenzorientiertes Delegationsvermögen durch die Führungskraft setzt Wissen über die Stärken und Schwächen der Mitarbeiter voraus. Sie muss erkennen, welche Aufgaben der einzelne Mitarbeiter am besten ausführen kann. Die Bereitschaft und Fähigkeit Aufgaben zu übertragen gewährt der Führungskraft mehr Zeit für ihre eigenen Tätigkeiten. Die zu übertragenden Aufgaben werden mit der notwendigen Sorgfalt ausgewählt. Bei der Realisierung werden dem Mitarbeiter die notwendigen Handlungs- und Entscheidungsspielräume eingeräumt. Der Weg und die Art und Weise wie der Mitarbeiter die Aufgabe löst, bleibt ihm überlassen. Personen mit einem hohen Delegationsvermögen können, abhängig von den Mitarbeiterfähigkeiten, Aufgaben gezielt auswählen und übertragen. Im Controlling des Arbeitsprozesses halten sie sich zurück und lassen dem Mitarbeiter die notwendigen Freiräume. Für das Arbeitsergebnis tragen sie im Außenverhältnis immer die Verantwortung und stellen sich vor ihren Mitarbeiter. Im Binnenverhältnis äußern sie bei unzulänglichen Ergebnissen Kritik unter vier Augen.
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1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Personen mit einem geringen Delegationsvermögen führen auch kleinere Aufgaben lieber selbst aus. Sie trauen ihren Mitarbeitern eine ordentliche Durchführung nicht zu. Müssen sie Aufgaben übertragen, so überprüfen sie laufend den Arbeitsfortschritt. Sie geben den Lösungsweg vor und räumen den Mitarbeitern kaum Handlungsspielräume ein. Entscheidungen werden von ihnen getroffen. Entsprechen die Arbeitsergebnisse nicht ihren Erwartungen, werden die Mitarbeiter dafür verantwortlich gemacht. Ein schwaches Delegationsvermögen zeigt sich auch darin, dass die Rückdelegation von Aufgaben durch die Mitarbeiter toleriert wird. Die Delegationsschwäche und weitergehend die Führungsschwäche wird hinter der Fachaufgabe versteckt.
M 3: selbst- und Zeitmanagement Selbstmanagement steht für die Gestaltung der eigenen Lebenssituation, der beruflichen Situation und umfasst auch das persönliche Zeitmanagement. Personen mit einer hohen Kompetenz im Selbstmanagement sind in der Lage sich selbst zu führen. Sie können für sich die richtigen Entscheidungen treffen und wissen welches Ziel sie erreichen und welchen Weg sie einschlagen möchten. Menschen mit einer geringen Fähigkeit zum Selbstmanagement tun sich mit Entscheidungen schwer und wissen nicht in welche Richtung sie ihr Leben entwickeln sollen. Personen mit einem guten Zeitmanagement können ihre Zeit sinnvoll einteilen, Wichtiges von Unwichtigem trennen und vernünftige Prioritäten setzen. Sie kennen ihre eigenen Motivatoren und Antriebsmechanismen und können diese kontrollieren. Ihre Fähigkeit zur Selbstbeurteilung lässt sie ihre persönlichen Stärken festigen und die Schwächen beheben. Gutes Zeit- und Selbstmanagement ermöglicht eine adäquate Aufwandsschätzung für die anstehenden Tätigkeiten. Handlungsblockaden werden überwunden und es wird sich auf das Wesentliche konzentriert. Eine hohe Kompetenz in diesem Bereich ermöglicht eine objektive persönliche Situationsanalyse der persönlichen Arbeitsorganisation.
1.6.2
Präsentationen
Ein kompetent Vortragender zeigt ein sicheres Auftreten und sucht Blickkontakt zu seinen Zuhörern. Durch eine klare Artikulation und deutliche Modulation der Stimme wird Sprache als gestalterisches Element genutzt. Seine rhetorischen Fähigkeiten unterstützt er durch eine gute Körpersprache. Angemessene Mimik, Gestik und Körperhaltung drücken das Engagement für den Vortrag aus. Auf der sachlichen Seite überzeugen Inhalt, Aufbau und Gestaltung der Präsentation. Die Präsentationsziele werden klar herausgestellt und sich an der Zielgruppe orientiert.
M 4: Rhetorische Fähigkeiten Mit guten rhetorischen Fähigkeiten kann ein Anliegen überzeugend präsentiert werden. Beim Zuhörer soll eine bestimmte Handlungsweise ausgelöst werden. Um der eigenen Überzeugung Wirkung zu verleihen sind eine klare, deutliche und verständliche Sprechweise, die Interaktion mit dem Publikum und die gestische Ausführung wichtige Stilmittel der Rhetorik. Eine sichere und lebendige Ausdrucksweise erleichtert es dem Zuhörer der Präsentation zu folgen. Je präziser und genauer sich der Vortragende ausdrückt, desto wirksamer kann er seine Vorstellungen vermitteln. Rhetorische Unzulänglichkeiten zeigen sich z.B. in der übermäßigen Benutzung von Fremdwörtern. Verschachtelte Sätze und unverständliche Fachsprache untergraben die argumentative Überzeugungskraft. Fülllaute und stereotype Redewendungen lenken ab. Undeutliche, verwaschene, zu schnelle oder zu leise Sprache macht es für die Zuhörenden schwer dem Vortrag zu folgen. Ihre Konzentration wird fehlgeleitet.
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
25
M 5: Körpersprache Unsere inneren Bewegungen und Gedanken werden bewusst oder unbewusst durch unsere Körpersprache ausgedrückt. Sie kann daher einen wichtigen Beitrag zu einem glaubwürdigen und überzeugenden Präsentieren liefern. Eine ausdrucksstarke Körpersprache drückt sich in Gestik, Mimik und Haltung aus. Eine richtige Geste kann im richtigen Moment das Verbale unterstreichen. Genauso kann eine falsche Geste die beabsichtigte Wirkung zunichte machen. Passende Gesichtsausdrücke können einer Präsentation mehr Kontrast und Lebendigkeit verleihen. Ein guter Blickkontakt hilft die Botschaft des Vortragenden an jeden Zuhörer im Publikum zu vermitteln. Durch einen direkten Blickkontakt zwischen Vortragendem und Zuhörer wird Kontakt aufgebaut. Allen Anwesenden sollte daher durch einen Rundumblick Aufmerksamkeit zuteil werden. Ist der Vortragende nicht zuhörerorientiert sondern auf seine Unterlagen fixiert, wirkt er farblos, blass und gekünstelt.
M 6: Zielgruppenorientierung Der Empfänger einer Nachricht interessiert sich in erster Linie dafür, ob sie für ihn eine persönliche Auswirkung hat. Die Orientierung an der Zielgruppe ist daher das entscheidende Merkmal für eine erfolgreiche Präsentation. Ein kompetent Vortragender wird sich daher an den Einstellungen, Vorstellungen, dem Kenntnisstand und möglichen Interessenskonflikten der Zuhörer orientieren. Er geht auf die Erwartungen der Zielgruppe ein und kann Fragen sicher und kompetent beantworten. Argumente werden von ihm aufgegriffen, weiterentwickelt und in den Präsentationsablauf eingebaut. Er erspürt die Einstellungen des Publikums und kann seine Präsentationsweise so modifizieren, dass sie bei den Zuhörern den meisten Erfolg erzielt. Wirkt der Vortragende persönlich unsicher und fachlich nicht sattelfest, wird er bei der Zielgruppe nicht zum Erfolg kommen. Kann er Argumente nicht sach- und zielorientiert aufnehmen, verliert er bei Zwischenfragen den roten Faden und kann die Diskussion nicht souverän und kompetent führen. Er wirkt dadurch unsicher und unflexibel. Verliert er seine Vortragszeit aus den Augen und schweift ab, hat er die Zielgruppe endgültig verloren.
1.6.3
Projektmanagement
Das Managen von Aufgaben und Projekten ist eine der wichtigsten methodischen Kompetenzen. Letztlich wird jeder Mitarbeiter eines Unternehmens am Erfolg seiner Arbeit gemessen. Die Fähigkeit sich selbst und den Mitarbeitern Ziele zu setzen gibt Richtung und Weg vor. Ist die Handlungsorientierung schwach ausgeprägt wird ziellos und ineffektiv gehandelt. Das Erreichen der Ziele erfordert eine systematische und methodische Vorgehensweise. Aufgaben sind zu strukturieren und ein Verständnis für komplexe Strukturen muss vorhanden sein. Hohe analytische Fähigkeiten ermöglichen Einsichten in den inneren Zusammenhang von AufgabensteIlungen. Die Fähigkeit zur Aufgabenstrukturierung und Problemanalyse ist die Voraussetzung für eine Lösung. Das Vermögen zur Problemlösung erfordert die Vernetzung bisher isolierter Wissenselemente und deren Nutzung in größeren, neu zu strukturierenden Zusammenhängen.
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1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
M 7: Komplexitätsverständnis und Aufgabenstrukturierung Eine komplexe Situation enthält mehr Aspekte und Informationen als die Person normalerweise erfassen oder verarbeiten kann. Die einzelnen Aspekte sind auf vielfältige Weise miteinander in Ketten, Regelkreisen oder Wirkungsnetzen verbunden. Der persönliche Kenntnisstand über die einzelnen Wirkfaktoren ist unzulänglich und undurchsichtig. Nur wenn Einsichten in den inneren Zusammenhang eines Systems gewonnen werden, lassen sich Probleme auch effektiv lösen. Gelingt es einer Person komplexe Situationen zu strukturieren, erzielt sie einen Lerneffekt und kann zukünftig Zusammenhänge einfacher überblicken und besser nachvollziehen. Strukturen erlauben auch themenfremden Personen einen schnellen Einstieg in einen neuen Themenbereich. In der beruflichen Ausbildung wird in der Hauptsache das Lösen von gut strukturierten Problemen mit einer eindeutigen Lösung gefordert. In der beruflichen Praxis stellt ein vorgegebenes, klar abgegrenztes System eher die Ausnahme dar. Vielmehr setzt die Fähigkeit zur Problemlösung voraus, isolierte Wissenselemente zu vernetzen und in Systemen zu denken. Ein Mitarbeiter mit einer hohen Kompetenz zur Strukturierung komplexer Aufgaben erkennt im "Chaos" Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge. Er erkennt Beziehungen zwischen Phänomenen, die nicht offensichtlich sind und kann auch unkonventionelle Lösungen entwickeln. Bekannte Phänomene kann er neu interpretieren und in einen anderen Zusammenhang stellen. In seiner schwachen Ausprägung wird "drauflosgearbeitet". Aktivitäten sind wichtiger als Effektivität. Für auftretende Schwierigkeiten werden "Situationen" oder "andere Personen" verantwortlich gemacht. Der Mitarbeiter ist mit komplexen Aufgaben überfordert und erkennt keine grundlegenden Zusammenhänge. Mit seinen geringen Fähigkeiten folgt er vorgefertigten Denkschemata. Mögliche Konsequenzen aus neuen Strukturvorschlägen und Konzepten sind ihm fremd.
M 8: Systematisch-methodische Vorgehensweise Menschen mit einer hohen Kompetenz in diesem Bereich sind in der Lage aus den vielfältigsten Informationen die relevanten auszufiltern. Sie analysieren die wichtigsten Informationen und legen Ziele für die Lösung der AufgabensteIlung fest. Ein weiterer Schritt umfasst das Erarbeiten und Festlegen der notwendigen Arbeitsschritte sowie die Auswahl der richtigen Arbeitsmethoden bzw. -verfahren, um das Ziel zu erreichen. Dazu zählen u.a. inhaltlich-strukturelle und methodischorganisatorische Planungsschritte, die letztlich in einen Zeitplan münden. Es schließt sich die Umsetzung und Realisierung der ausgewählten Lösungen und Maßnahmen an. Menschen mit einer hohen Fähigkeit in der systematischen Vorgehensweise nehmen regelmäßig Soll-1st-Vergleiche ihrer Arbeitsprozesse vor. Dieser Kontrollschritt dient der Optimierung persönlicher Arbeitsprozesse und unterstützt die Zielerreichung. Gleichzeitig werden dadurch eigene Lernprozesse effektiv gestaltet. Menschen mit einer geringen Kompetenz im systematisch-methodischen Vorgehen arbeiten einfach drauf los. Sie sind immer beschäftigt und wählen ihre Arbeitsmethoden und Vorgehensweise ad hoc aus. Die Formulierung von Zielen wird selten vorgenommen und eine Kontrolle der Zielerreichung nicht durchgeführt.
M 9: Zielorientierung Ein Ziel bezieht sich immer auf einen zukünftig zu erreichenden Soll-Zustand. Zur Zielerreichung kann immer unter verschiedenen Handlungsvarianten gewählt werden, wobei Entscheidungen notwendig sind, um den definierten Endzustand zu erreichen. Normalerweise werden mehrere Ziele gleichzeitig festgelegt und verfolgt, die in sich schlüssig und widerspruchsfrei sein sollten.
1 27
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Dann kann es auf der Ebene der Handlungsorientierung nicht zu Widersprüchen und Konflikten bei der Zielerreichung kommen. Ein Mitarbeiter mit einer hohen Zielorientierung richtet seine Aufmerksamkeit auf die relevanten Aspekte der Aufgabe und lässt sich nicht durch andere Dinge ablenken. Er ist handlungs- und ergebnisorientiert und kann aus der Analyse und Aufgabenstrukturierung heraus begründete Prioritäten setzen. Er verfügt über Controllinginstrumente zur Steuerung von Qualität, Terminen, Ressourcen und Kosten in seinem Aufgabenbereich. Durch Probleme und Hindernisse lässt er sich nicht von seiner Zielerreichung abschrecken. Auch bei großen Schwierigkeiten gibt er nicht auf sondern stellt sich auf Veränderungen und neue Situationen ein. Im Gegensatz dazu setzt sich ein Mitarbeiter mit einer geringen Zielorientierung selbst kaum Ziele in der täglichen Arbeit. Persönlich hat er keine längerfristigen Entwicklungsziele und ist zufrieden mit dem was er hat. Er ist unsicher in der Aufgabenbewältigung und Zielerreichung. Durch äußere Umstände lässt er sich leicht von seinem Ziel ablenken. Die Erreichung eines vereinbarten Ergebnisses bereitet ihm Mühe und er kann sich nur schwer auf wechselnde Bedingungen einstellen. Er selbst verfügt über keine Controllinginstrumente zur zielorientierten Steuerung seiner Aufgaben und Projekte.
1.7
Unternehmerische Kompetenzen
Unter der unternehmerischen Kompetenz sind fach-, prozess- und kundenspezifische berufliche Fähigkeiten zu verstehen (Abb. 1.6). Neben dem Erwerb von neuem Wissen steht auch dessen Anwendung im Mittelpunkt. Innovationen bringen dem Unternehmen einen strategischen Vorteil im Markt. Deshalb muss die unternehmerisch denkende Führungskraft Markt- und Branchenkenntnisse besitzen, um ihr Wissen in neue innovative Produkte und Prozesse umsetzen zu können. Eine interne und externe Kundenorientierung ist dabei zu berücksichtigen. Produkte und Dienstleistungen lassen sich nur effektiv entwickeln und vermarkten, wenn Kenntnisse der Geschäftsprozesse vorhanden sind. Mit einer effektiven Umsetzung ist eine ressourcenschonende Handlung verbunden, die die sozialen Belange der Mitarbeiter mit berücksichtigt. Unternehmerische Kompetenzen sind sach- ("THEMA") und kundenorientiert ("WIR").
Kompetenzfeld Unternehmerische Kompetenzen
Kompetenzcluster 13.
Kunden
14.
Prozesse
15.
Fachwissen
Abb. 1.6: Unternehmerische Kompetenzen
Kompetenzen U1 U2 U3 U4 U5 U6 U7
Kundenorientierung Kundenzufriedenheit Prozessorientierung Prozessverantwortung ProzesscontrollinQ Wissenserwerb Wissensanwendung
28
1.7.1
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Kunden
U 1: Kundenorientierung Kunden (interne und externe) stehen im Mittelpunkt des unternehmerischen Handeins. Kundenorientierung ist daher ein immer währender Prozess im Unternehmen. Ständig gilt es die Kundenbedürfnisse zu erfassen und umzusetzen. Dazu muss die Kundenorientierung von jedem Mitarbeiter nach intern und nach extern gelebt werden. Während das Prinzip des externen Kunden noch offensichtlich ist, wird das Prinzip des internen Kunden wenig bis gar nicht beachtet. In einem prozessorientierten Unternehmen ist jeder Prozess Kunde und Lieferant zugleich. Je besser die Prozesse auf die Kundenerwartungen ausgerichtet sind, umso höher wird die Kundenzufriedenheit ausfallen. Liefern interne Lieferanten einen schlechten Output an den nachfolgenden Prozess aus, sind zusätzliche Aufwendungen zur Gewährleistung der Produkt-/ Dienstleistungsqualität notwendig. Nicht nur mit externen Lieferanten sondern auch mit internen Geschäftspartnern sind Liefer- und Leistungsabkommen zu schließen. Daher müssen unternehmensinterne Kunden-LieferantenBeziehungen unter dem Exzellenz-Gesichtspunkt genauso bewertet werden wie die externen Kundenbeziehungen. Das Prinzip des "internen Kunden" soll die Sichtweise innerhalb des Unternehmens verändern und unternehmerische Potenziale freisetzen. Erst wenn die interne Kundenorientierung hoch ist, wird auch eine Kultur der externen Kundenorientierung richtig gelebt und nach außen getragen. Führungskräfte mit einer hohen Kundenorientierung ermitteln und analysieren die internen/externen Kundenerwartungen. Sie gehen auf die Bedürfnisse der Kunden ein und bauen partnerschaftliehe Beziehungen auf. Das gleiche Verhalten zielt auch in Richtung ihrer Lieferanten. Gemeinsam werden auftretende Probleme bearbeitet und Verbesserungsmaßnahmen erzielt. In den Kundenbeziehungen können sie ihren Standpunkt überzeugend und nachvollziehbar darstellen. Mit Beschwerden des internen/externen Kunden wird konstruktiv umgegangen. Sie werden als Chance zur Verbesserung der Prozessabläufe gesehen. Führungskräfte mit einer schwachen Kundenorientierung argumentieren nur aus ihrem Blickwinkel und nicht aus Sicht des Kundennutzens. Beschwerden des Kunden werden abgewiegelt bzw. als Kritik an der eigenen Person empfunden. Probleme liegen immer nur beim Kunden. Dieser wird als Störfaktor für die eigene Arbeit empfunden. Die eigenen Bedürfnisse und Interessen werden vor die des internen/externen Kunden gestellt. Ein Interessensausgleich wird nicht durchgeführt.
U 2: Kundenzufriedenheit Im Zusammenhang mit der Kundenorientierung muss ein System zur Erfassung und Bewertung der Kundenzufriedenheit vorhanden sein. Nur dann können die richtigen Entscheidungen getroffen und die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen überprüft werden. Messungen zur Kundenzufriedenheit können bei Produkten und Dienstleistungen z.B. Qualitätsaspekte, Liefermengen und/oder Liefertreue umfassen. Bei internen/externen Kundenkontakten kann der Umgang mit Beschwerden, die Reaktionszeit auf Beschwerden bis zur Problemlösung oder die Fähigkeiten der Mitarbeiter im Umgang mit Kunden eine Messgröße sein.
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
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Zur Messung der Kundenzufriedenheit stehen somit verschiedene objektive bzw. subjektive Messverfahren zur Verfügung. Objektive Messverfahren sind frei von Meinungen einzelner Personen. In subjektive Messgrößen fließen emotionale Faktoren ein. Beides ist bei der Bewertung der Kundenzufriedenheit wichtig und daher integrativ zu betrachten. In Zusammenhang mit der Kundenorientierung kann eine kontinuierliche Verbesserung der internen/externen Kundenzufriedenheit nachgewiesen werden.
1.7.2
Prozesse
U 3: Prozessorientierung Jeder Prozess hat einen Input und einen Output und ist kundenorientiert (intern oder extern). Prozesskompetente Führungskräfte kennen die Leistungsanforderungen an ihre Prozesse. Sie können die Ziele, Vorgaben und Ergebnisse (z.B. für Kundenzufriedenheit, Kosten, Qualität, Zeit) transparent und nachvollziehbar erläutern. Die Prozessorientierung muss sich an einem einzuhaltenden Soll-Zustand ausrichten. Zwischen den Teilprozessen und Tätigkeiten ergeben sich Abhängigkeiten und Schnittstellen, die zu Reibungsverlusten führen können. Die damit verbundenen Risiken und Leistungsverluste sollten bekannt sein. Ein Vergleich mit dem aktuellen Ist-Zustand zeigt Verbesserungspotenziale auf und trägt somit zur Prozessoptimierung bei. Die prozesskompetente Führungskraft kann Schlüsselprozesse analysieren und bewerten. Sie überprüft die Effektivität und Struktur der Prozesse und realisiert Verbesserungen. Sie bearbeitet die Schnittstellenbelange zwischen Prozessen im Sinne einer internen/externen Kundenorientierung. Die notwendigen Prozessressourcen setzt sie optimal ein. In ihrer schwächeren Variante verfügt die Führungskraft über keine Vorstellungen über die Bedeutung einzelner Prozesse. Sie denkt nur abschnittsbezogen und nicht prozessübergreifend. Mit dem Status quo des Prozesses ist sie zufrieden. Ressourcen (z.B. Personal, Material, Finanzen) werden suboptimal und verschwenderisch eingesetzt.
U 4: Prozessverantwortung Jeder Prozess hat eine prozessverantwortliche Führungskraft. Sie trägt die Verantwortung zur Überwachung der prozessspezifischen Anforderungen. Die Führungsverantwortung umfasst die sachliche Verantwortung bzgl. der ordnungsgemäßen Durchführung der einzelnen Aufgaben und Tätigkeiten. Sie umfasst auch die disziplinarische Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Mit der Prozessverantwortung sind die Festlegung der Prozessziele, die Identifikation der kritischen Erfolgsfaktoren und die Planung der Prozessressourcen (Personal, Material, Anlagen, Finanzen) verbunden. Sie umfasst sämtliche Führungsaufgaben Richtung Kunde (intern, extern), Lieferanten und Mitarbeitern inklusive Leistungs- und Zielvereinbarungen. Über ein entsprechendes Controllingsystem wird der Prozess gesteuert und die Zielerreichung kontrolliert. Führungskräfte, die ihre Prozessverantwortung wahrnehmen, unterstützen ihre Mitarbeiter und schenken ihnen die notwendige Aufmerksamkeit. Mit jeder neuen AufgabensteIlung lernen die Mitarbeiter dazu und steigern den Wert des Prozesses. Während Anlagen abgeschrieben werden (Wertverlust), erzielen Mitarbeiter aufgrund ihrer Berufserfahrung einen Wertgewinn. Einbezogen in den Verantwortungsbereich ist auch die Beachtung der einzuhaltenden Rechtsvorschriften, z.B. aus dem Arbeits- und Umweltschutz. Die verantwortungsvolle Führungskraft fördert das Bewusstsein bzgl. Gesundheit, Arbeits- und Umweltschutz und trägt vorbeugend zur Verhütung von (Arbeits-)Unfällen bei.
30
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Verantwortungslose Führungskräfte nehmen ihre verschiedenen Organisations- und Überwachungspflichten nicht wahr. Sie verstoßen fahrlässig oder vorsätzlich gegen geltende Rechtsvorschriften und nehmen ihre Verantwortungspflichten gegenüber den Mitarbeitern nicht wahr. Durchzuführende Pflichtunterweisungen, z.B. im Arbeits- und Umweltschutz werden als überflüssig betrachtet und unterlassen.
U 5: Prozesscontrolling Aus der strategischen Prozessplanung heraus verfügt der Prozessverantwortliche über ein Controllingsystem zur Steuerung seines Prozesses. Anhand von Leistungsparametern kann er die Erreichung seiner Prozessziele verfolgen. Kritische Erfolgsfaktoren müssen mindestens die Parameter "Kunde", "Kosten", "Qualität', "Zeit" umfassen und lassen sich in Zielvereinbarungsgesprächen mit den Mitarbeitern vereinbaren. Mit den resultierenden Kennzahlen werden die Grundlage und das Steuerungsinstrument für die Prozessleistung geschaffen. Anhand des Prozesscontrollings kann die prozessorientierte Führungskraft Soll-1st-Abweichungen identifizieren, Maßnahmen erarbeiten und deren Umsetzung einer Erfolgskontrolle unterziehen. Sie gewährleistet die Prozessfähigkeit und sorgt dafür, dass der Prozess beherrscht wird. Im Zuge ihrer Prozessverantwortung führt sie eigenständig Prozessaudits durch. Für die Optimierung und Verbesserung ihrer Prozesse verfügt die Führungskraft über ein Set an verschiedenen Instrumenten (KAIZEN, KVP, Six Sigma, etc.). Sie achtet darauf, dass diese Instrumente von ihren Mitarbeitern verstanden und eingesetzt werden. Die Verfahren zur Prozessoptimierung werden von ihr im Zuge von Prozessaudits regelmäßig auf ihre Wirksamkeit überprüft. Durch ihr unternehmerisches Engagement trägt die prozessorientierte Führungskraft zur Effektivitäts- und Effizienzsteigerung ihres Bereiches bei.
1.7.3
Fachwissen
U 6: Wissenserwerb Wissensorientierte Personen erkennen ihre Wissenslücken und unternehmen Anstrengungen diese selbstständig zu schließen. Sie suchen Informationen zu Fragestellungen, die über ihre aktuelle Aufgabe hinausgehen. Das erworbene Wissen bringen sie auch außerhalb ihres direkten Aufgabenbereiches ein. Sie können es zielgruppengerecht darstellen und den Mitarbeitern vermitteln. Wissensorientierte Personen sind neugierig zusätzliches Wissen zur Aufgabenbewältigung zu erwerben und sich auf Neuerungen einzustellen. Demgegenüber vernachlässigen wissensstatische Personen die Aktualisierung ihres Fachwissens. Sie sind mit dem Status quo zufrieden und leben nur von ihrer Praxiserfahrung. Sie sind nicht in der Lage oder Willens, ihr Wissen weiterzuentwickeln und entsprechende Lücken zu schließen. Noch kritischer zu beurteilen sind Personen, die ihre Wissenslücken nicht erkennen, aber selber der Ansicht sind, über das neueste Wissen zu verfügen. Sie denken nicht über den Horizont ihres Fach- und Arbeitsgebietes hinaus.
1 1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
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U 7: Wissensanwendung Vom Wissenserwerb unterscheidet sich die Wissensanwendung. Es ist wie Theorie und Praxis. Anwendungsstarke Personen können das neu erworbene Wissen einsetzen und in der Praxis umsetzen. Im Zuge ihrer Arbeit können sie die erarbeiteten Vorgehensweisen, Erfahrungen und Lösungswege auf andere AufgabensteIlungen übertragen. Es ist die Bereitschaft vorhanden, das vorhandene Wissen und die gesammelten Erfahrungen mit anderen zu diskutieren und auszutauschen. Anwendungsstarke Führungskräfte initiieren Neuerungen und können dafür Wissensquellen direkt nutzen. Bei auftretenden Problemen sind inkompetente Personen nicht in der Lage ihr Wissen bzw. extern vorhandene Wissensquellen zur Problemlösung zu identifizieren und einzusetzen. Bei neuen AufgabensteIlungen müssen sie das Rad jedes Mal neu erfinden. Das vorhandene oder neu erworbene Wissen können sie nicht in die Praxis transferieren oder anderen vermitteln. Insgesamt sind sie in der Anwendung des vorhandenen Wissens mehr statisch als dynamisch.
1.8
Anforderungsanalyse
Die Anforderungsanalyse ermöglicht es die Anforderungen an den potenziellen Stelleninhaber und dessen Entwicklungspotenzial zu bestimmen. Sie wird daher zur Personalauswahl, -entwicklung oder zur Leistungsbeurteilung eingesetzt. Zur Analyse stehen Beobachtungs-, Interview- und Fragebogenmethoden zur Verfügung. Dabei wird einerseits die Aufgabenebene und andererseits die Verhaltens-/Eigenschaftsebene analysiert. Bei der Aufgabenebene wird der Arbeitsplatz anhand von Tätigkeitsinventaren beschrieben. Mit diesen Inventaren werden die Aufgaben auf Bedeutung, Häufigkeit, Schwierigkeit oder andere Merkmale eingestuft. Je detaillierter die Beschreibung der Tätigkeit ist, umso größer ist die Gefahr der Unübersichtlichkeit und Überdifferenzierung. Ein Vergleich mit anderen Berufen oder Tätigkeiten wird dann schwieriger. Mit einer größeren Differenzierung lassen sich jedoch erfolgskritische Elemente besser identifizieren und Trainingsmaßnahmen leichter festlegen. Verhaltensbezogene Analyseverfahren ermitteln, welche Verhaltens- oder Handlungsweisen zur erfolgreichen Bewältigung einer Aufgabe erforderlich sind. Ein verbreitetes Analyseverfahren ist die "Methode kritischer Ereignisse (Critical Incident Technique)". Durch verschiedene Erfassungsmethoden (Interviews, Fragebögen, Workshops) werden die für leistungsrelevantes Verhalten notwendigen Bedingungen erfasst. Dabei werden erfolgspositive und erfolgskritische Ereignisse notiert. Die Bedingungen, die zum beschriebenen/beobachteten Verhalten führen, müssen klar erkennbar sein. Letztlich lassen sich Handlungen und Ergebnisse erfassen und entsprechende Konsequenzen herleiten. Die "Critical Incident Technique" lässt sich arbeitsplatzbezogen oder steIlenübergreifend für vergleichbare Tätigkeiten anwenden. Aufgrund der Vielzahl zu erhebender und zu analysierender Ereignisse ist sie sehr aufwändig. Eine Zuordnung eines bestimmten Verhaltens zur Kategorie "erfolgreich" oder "erfolglos" ist nicht immer eindeutig möglich. Bei der Anforderungsbeschreibung auf der Eigenschaftsebene geht es um Interessen, Fertigkeiten und Fähigkeiten des Stelleninhabers. Aufgrund einer vorher durchgeführten aufgaben- oder verhaltensorientierten Arbeits- und Anforderungsanalyse werden die Eigenschaften bewertet, die für den Berufserfolg maßgeblich sind. Es kann auch auf generalisierte Eigenschaftslisten z.B. für Führungskräfte mit entsprechenden Ratingskaien zurückgegriffen werden. Die aus der Anforderungsanalyse resultierenden Fertigkeiten, Fähigkeiten, Verhaltens- und Handlungsweisen lassen sich in Anforderungs- und Kompetenzprofile übersetzen.
32
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Bei einem Anforderungsprofil werden die für einen Arbeitsplatz benötigten Kompetenzen als SollProfil definiert. Das aktuelle Kompetenzprofil des (potenziellen) Stelleninhabers stellt den IstZustand dar. Der Unterschied zwischen Ist-Profil und Soll-Profil ergibt das Entwicklungspotenzial. Es ist über entsprechende Personalentwicklungsmaßnahmen zu realisieren.
1.9
Kompetenzeinschätzung
Bei der Beobachtung und Messung von Kompetenzen lassen sich zwei grundsätzliche Möglichkeiten betrachten: • •
das objektive Messverfahren und das subjektive Einschätzungsverfahren.
Beim objektiven Messverfahren geht es um den Versuch, Kompetenzen zu definieren und wie mathematisch-naturwissenschaftliche Größen zu messen. Kompetenzen sollen so möglichst weitgehend erklärbar gemacht werden können. Letztlich sollen Aussagen möglich sein, die aufgrund heutiger Messungen die Effektivität zukünftigen Handeins vorhersagbar machen. Maßnahmen zur Entwicklung von Kompetenzen sind dann ebenfalls objektivierbar. Beim subjektiven Einschätzungsverfahren wird davon ausgegangen, dass solch ein objektives Verfahren nicht in allen Bereichen möglich ist. Hier geht es darum den Sinn und Inhalt von Kompetenzen zu erfassen und zu verstehen. Methodisch wird nach einem subjektiven Verfahren zur Einschätzung und Beschreibung von Kompetenzen gesucht. Auch hier wird der Versuch unternommen, eine subjektive Einschätzung mit Hilfe einer Skala zu quantifizieren. Maßnahmen zur Entwicklung von Kompetenzen behalten dann immer einen gewissen Unsicherheitsfaktor oder subjektiven Faktor bzgl. ihrer Effektivität. Zwischen objektivem Messverfahren und subjektivem Einschätzungsverfahren besteht in den einzelnen Kompetenzen ein fließender Übergang. So ist bei fachlich-methodischen Kompetenzen eine Objektivierung leichter möglich. Andere Kompetenzen lassen sich durch eine subjektive Einschätzung leichter erfassen. Die Qualität der Auswahl und Entwicklung von Führungskräften hängt entscheidend von der Qualität der Anforderungsanalyse in Form eines Anforderungsprofils ab. Dies liefert Aussagen über die Art und Ausprägungen der zur Erfüllung der Aufgaben notwendigen Kompetenzen. Personen, die über die notwendigen Kompetenzen verfügen, sollten in der Lage sein, sich schnell auf neue Anforderungen einstellen zu können. Sie können ihre Fähigkeiten und Qualifikationen effizient einsetzen und sie bei geänderten Anforderungen an die Position weiterentwickeln und ergänzen. Die für eine Tätigkeit notwendigen Kompetenzen sind abhängig von aufgaben-, unternehmensund branchenspezifischen Rahmenbedingungen. So kann das Anforderungsprofil für eine Führungskraft im Entwicklungs- oder Produktionsbereich, im Dienstleistungssektor oder produzierenden Sektor niemals vollständig identisch sein. In den Kompetenzfeldern "personale Kompetenz" und "Führungskompetenz" kann von einer großen Übereinstimmung ausgegangen werden. Bei den "Methodenkompetenzen" und "unternehmerischen Kompetenzen" dürfte dies spezifisch geringer sein. Kompetenzen sind deshalb immer relativ auf eine bestimmte Anforderung, d.h. auf ein Anforderungsprofil zu beziehen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Kompetenzen absolut betrachtet für jede Tätigkeit und Aufgabe einen entsprechenden Erfolg garantieren. Das hier verwendete Verfahren basiert auf einer persönlichen Einschätzung der benötigten Kompetenzen durch mehrere hundert Führungskräfte. Die einzelnen Kompetenzen wurden von ihnen diskutiert und mit hohen Werten (9 = starke Kompetenzausprägung notwendig) bis zu niedrigen Werten (1 = schwache Kompetenzausprägung notwendig) quantifiziert. Aus den beschriebenen Kompetenzen wurde für die Anforderungen an eine technische Führungskraft ein Anforderungs-
1 33
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
profil (Abb. 1.7) erstellt. Es stellt einen geforderten Soll-Zustand bzgl. der notwendigen Kompetenzen dar. Das aktuelle Kompetenzprofil des Mitarbeiters liefert einen Ist-Zustand und erlaubt eine Aussage, inwieweit er die Stellenanforderungen erfüllt und zum Unternehmenserfolg beitragen kann. Die Differenzen zwischen Anforderungsprofil (Soll) und Kompetenzprofil (Ist) führen zu Personalentwicklungsmaßnahmen für die Kompetenzentwicklung.
Kompetenzfaktoren
Profil 1
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1. Persönliche Souveränität C lPlP _N ClSC ClP 0lP
3. Leistungssouveränität
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4. Persönliche Integrität
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8. Kommunikationsfähigkeit 9. Auseinandersetzungen/Konflikte
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7. Teamorientierung
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5. Führungsfähigkeit 6. Mitarbeiterführung
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10. Persönliche Arbeitsorganisation
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13. Kunden
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14. Prozesse 15. Fachwissen Anforderungsprofil (Soll)
- - - • Kompetenzprofil (Ist)
Abb. 1.7: Anforderungs- und Kompetenzprofile der Führungskraft
Im aufgeführten Beispiel sind die personalen Kompetenzen der neu ernannten Führungskraft vernünftig ausgeprägt. Im Bereich der Führungskompetenzen sind dagegen große Lücken in der Mitarbeiterführung, in der Kommunikationsfähigkeit und im Konfliktmanagement vorhanden. Auch die Kundenorientierung ist schwach ausgeprägt. Im gezeigten Praxisfall wurde - wie so oft - ein sehr guter Fachmann mit Führungsaufgaben betraut, denen er nicht gewachsen war.
34
1 Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
Durch personenorientierte PE-Maßnahmen wurden die Führungsfähigkeiten zielgerichtet verbessert. Innerhalb und außerhalb des Unternehmens werden sich auch zukünftig die Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen, Arbeitstätigkeiten und Prozessabläufe, Marktstrukturen und Kunden immer wieder verändern. Deshalb muss ein Verfahren zur Kompetenzeinschätzung auch Aussagen über die zukünftige Performance des Kandidaten ermöglichen. Das entsprechende Potenzialprofil ist zwar mit den Unsicherheiten zukünftiger Entwicklungen behaftet. Es liefert jedoch eine Tendenz über die generellen Fähigkeiten des Kandidaten zukünftige Anforderungen erfolgreich zu bewältigen. Zusammenfassend eignet sich das beschriebene Kompetenzeinschätzungsverfahren für • • • • • • • •
die Erstellung und Analyse von Anforderungsprofilen, die Erfassung und Analyse von Kompetenz- und Potenzialprofilen, den Einsatz bei Auswahl, Einstellung und Training von Führungskräften, die Aufstellung und Umsetzung von Personalentwicklungsmaßnahmen, den Einsatz in Qualifizierungs-, Orientierungscentern und Assessment Centern, den Aufbau und die Anwendung von Personalbeurteilungs- und Zielvereinbarungssystemen, die zielorientierte Begleitung von Trainingsmaßnahmen, die zielgerichtete Steuerung selbstorganisierter Lernprozesse.
Die im Berufsleben erfolgsentscheidenden Kompetenzen werden überwiegend im Alltag und im sozialen Umfeld entwickelt. Die frühzeitige Bereitschaft zum Engagement und die Übernahme von Verantwortung prägen das Kompetenzprofil viel stärker als Veranstaltungen und Kurse. Während die gegenwärtigen Kompetenzen eines Menschen u.a. auf dessen Persönlichkeit beruhen, liegt das zukünftige Potenzial in der Aneignung und Entwicklung der anderen Kompetenzfelder. Dazu müssen die innerbetrieblichen Rahmenbedingungen in Form von • • • •
Wissensvermittlung (Theorie), Handlungsmöglichkeiten (Projekten), Trainingsmöglichkeiten (Verhaltenstraining) und Personalführung (Mitarbeitergespräche),
als wesentliche Bestandteile der Personalentwicklung gegeben sein. Dann ist auf dem Weg vom Wissen über das Handeln zur Kompetenz eine erfolgreiche Bewältigung von Fach-, Projekt- und Führungsaufgaben möglich.
1.10
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1 1Kompetenzfelder und Anforderungsprofile
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37
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Jede der aufgeführten Methoden hat ihre Stärken und Schwächen. Sie erlauben Teilbereiche der einzelnen Kompetenzfelder zu erfassen und einzuschätzen. Ein "Restrisiko" über die getroffene Entscheidung bzgl. der Auswahl von Kandidaten für die Führungslaufbahn, Maßnahmen zur Weiterentwicklung des Mitarbeiters, zukünftige Leistungen der Führungskraft etc. ist immer gegeben. Abbildung 2.2 zeigt auf, welche Kompetenzfelder mit der jeweiligen Methode in einem ersten Überblick erfasst werden können.
Kompetenzfelder
Methoden der Potenzialanalyse
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Bewerbungsunterlagen
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Auswahlgespräche
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psychologische Testverfahren
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Fallstudien
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befristete AUfgabenübertragung
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Assessment Center
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F
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360 "-Feedback
P
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Personalmanagementsystem und Managementaudit
P
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U
M
U
Abb. 2.2: Kompetenzfelder und Methoden der Potenzialanalyse
Im Vordergrund der heutzutage veröffentlichten Meinung steht die Karrierefrage. Es wird der Eindruck erweckt, dass nur der erfolgreich und zufrieden sein kann, der Karriere macht. Die Zufriedenheit des Einzelnen über seinen Berufsweg und -erfolg kann für die Potenzialanalyse ein wichtiges Kriterium sein. Die eingebrachten Interessen und Fähigkeiten dienen dann sowohl dem Mitarbeiter als auch dem Unternehmen. Personalentwicklung ist jedoch nicht nur der eindimensionale Karriereweg, sondern es bestehen vielfältige Möglichkeiten der persönlichen Weiterentwicklung. Wenn hier der Wille des Mitarbeiters geweckt werden kann, gelingt es langfristig Einstellungen und Motive zur ausgeübten Tätigkeit und zum Unternehmen zu verändern.
2
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
38
2.2
Bewerbungsunterlagen
Bewerbungsunterlagen sind eine erste Arbeitsprobe und daher mit der notwendigen Sorgfalt zu erstellen. Aus der Sicht des Unternehmens ist die Bewerbungsunterlage eine große Informationsquelle über den potenziellen Mitarbeiter. Die Bewertung der Unterlagen geschieht nach: • • • • • • •
formalen Aspekten, Anschreiben, Lebenslauf und Ausbildungsleistungen, Arbeitszeugnisse und Referenzen, Plausibilität des Stellenwechsels, anforderungsspezifische Aspekte, offene Punkte für Interviews.
Formale Aspekte umfassen Punkte wie Ordnung, Sauberkeit, Übersichtlichkeit, Vollständigkeit. Erwecken die Bewerbungsunterlagen einen unordentlichen Eindruck, so wird dies bei einer großen Zahl von Bewerbungen zu einer negativen Vorauswahl führen. Das Anschreiben gibt erste Hinweise auf die Persönlichkeit des Bewerbers. Aus diesem Schreiben können sprachliche Ausdrucksfähigkeit und Arbeitsstil entnommen werden. Zusätzlich können sich auch Aussagen über die Sorgfalt und die Plausibilität des Stellenwechsels finden. In prägnanter Form ist dem Empfänger das Wichtigste mitzuteilen. Im Lebenslauf wird lückenlos in tabellarischer Form der Verlauf des Lebens vorgestellt. Er soll mit treffenden Schwerpunkten deutlich machen, dass der Bewerber die geeigneten Qualifikationen, Erfahrungen und Spezialkenntnisse mitbringt. Zeitliche Lücken im Lebenslauf, die größer als ca. 3 Monate sind, müssen immer erklärbar sein. Ausbildungsleistungen, Arbeitszeugnisse und Referenzen sind mit die wichtigsten Instrumente zur Beurteilung des Bewerbers. Für die erste Tätigkeit nach der Ausbildung (Lehre, Studium) spielen die dort erbrachten Leistungen eine wichtige Rolle. So liefern erbrachte Studienleistungen eine Aussage zu Intelligenz und Leistungsbereitschaft. Diese Fakten werden dann als Indikatoren für zukünftige Handlungs- und Einsatzbereitschaft gewertet. Mit zunehmender Berufserfahrung werden persönliche Referenzen immer wichtiger. Arbeitszeugnisse nehmen dagegen einen geringen Stellenwert ein. Das Arbeitszeugnis muss immer sowohl wahr als auch wohlwollend sein. Dadurch büßt es jedoch sehr viel von seiner Aussagekraft ein. Ist die erste Stufe der formalen Prüfung der Bewerbungsunterlagen positiv verlaufen, so werden die Unterlagen ausgewählter potenzieller Kandidaten intensiver geprüft. Der sich anschließende Selektionsprozess soll mit möglichst geringem Aufwand den besten Bewerber ausfindig machen (Abb. 2.3). Dieses mehrstufige Auswahlverfahren wird aus wirtschaftlichen Gründen nicht immer in seinem gesamten Ablauf eingesetzt. Die Auswertung der Bewerbungsunterlagen verursacht im Vergleich zur Aufgabenübertragung auf Probe die geringsten Kosten. Je tiefer das Auswahlverfahren geht, desto besser ist beim Einsatz verschiedener Methoden die Trefferquote. Nach Auswertung der Bewerbungsunterlagen ist das Vorstellungsgespräch der erste persönliche Kontakt zwischen dem Bewerber und einem Personalmitarbeiter des Unternehmens. Für beide Seiten ist das Gespräch von besonderer Bedeutung. Für den Bewerber geht es um seine zukünftigen Berufsaussichten; für das Unternehmen um eine nicht zu unterschätzende Investition. Der Qualifikation des Personalmitarbeiters kommt hier eine entscheidende Funktion zu. Der Bewerber will sich persönlich und fachlich möglichst positiv darstellen. Der Personalmitarbeiter will ein möglichst vollständiges Bild über den Bewerber gewinnen. Die fachlichen Qualifikationen sind bereits aus den Bewerbungsunterlagen bekannt. Vorrangiges Ziel des Gespräches ist es daher, die Persönlichkeit des Bewerbers mit seinen Kompetenzen in Form von Stärken und Schwächen zu erkunden. Im Anschluss an das Gespräch sind beide Seiten bestrebt, die richtige Entscheidung treffen zu können.
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
39
2 Bewerbungsunterlagen
Auswahl· gespräche
KostenIBewerber -
Abb. 2.3: Prozessablauf im Bewerbungsverfahren
2.3
Auswahlgespräche
Auswahlgespräche für die Personalauswahl reichen vom unstrukturierten über das teilstrukturierte bis zum vollstrukturierten Interview. Entsprechend steigt der Aufwand für die Vorbereitung. Die unterschiedlichen Gesprächsformen unterscheiden sich auch hinsichtlich der Qualität der erhobenen Informationen. Mit einem vollstrukturierten Interview werden die besten Ergebnisse erzielt. Das Interview erfüllt im Prozess der Personalauswahl mehrere Funktionen. Hinsichtlich des Lebenslaufs und der schriftlichen Bewerbungsunterlagen werden Fakten ermittelt und eventuelle Unklarheiten beseitigt. Informationen können hier vervollständigt und Details hinterfragt werden. Ein zweiter Fragenkomplex ist sozio-emotionaler Natur. Hier sind subjektive Faktoren wie Sympathie oder Antipathie, persönliche Vorlieben oder Abneigungen ausschlaggebend. Es stellt sich die Frage, ob und wie der Kandidat in die vorhandene Sozialstruktur des Teams passt. Ein Interview lässt sich auch sehr gut einsetzen, um Stärken und Schwächen des Kandidaten zu erfassen. Letztlich kann der Interviewer das Wissen und Können, die Motivation und die Kompetenzen des Bewerbers erheben. Unstrukturiert vorbereitete Interviews sind leicht handhabbar. Sie liefern jedoch die geringsten Aussagequalitäten. Die Ursachen der geringen Validität liegen in der Person des Interviewers begründet. Seine subjektive Urteilsbildung führt zu Fehlern bei der Informationsgewinnung und den sich daraus ergebenden Erkenntnissen und Schlussfolgerungen. Die Gründe für die geringe Validität können in der mangelhaften Qualifikation und Erfahrung des Interviewers selbst liegen. Im Auswahlgespräch werden die Kandidaten durch den Interviewer stark aufgrund des nonverbalen Verhaltens eingestuft, d.h. durch die Ausstrahlung des Gesprächspartners entsteht ein sehr subjektives Urteil. Die Zuverlässigkeit der Beurteilung hängt damit von der Kompetenz und der Fähigkeit zur Selbstkritik des Interviewers ab. Er muss sich der Subjektivität seiner Gesprächsführung und seines Urteils bewusst sein. Ein sorgfältig vorbereitetes Interview kann die Validität deutlich erhöhen. Als Vorbereitung auf das Auswahlgespräch sind folgende Maßnahmen sinnvoll:
40 • • • • • • •
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Auswertung der vorliegenden Unterlagen (Ist-Vorgabe), Anforderungsprofil als Soll-Vorgabe reflektieren, anforderungsbezogene Fragen vorbereiten, Gesprächsverlauf strukturieren (roter Faden), Aspekte und Merkmale anhand von Skalen registrieren, verschiedene Interviewer aus Personal- und Fachabteilung einsetzen, Trennung von Informationssammlung und -bewertung.
Biografische Interviews Aus der Biografie eines Menschen lassen sich in Verbindung mit einem Interview wichtige Anhaltspunkte über die Entwicklung verschiedener Kompetenzen gewinnen. Über einen längeren Zeitraum finden sich im beruflichen und außerberuflichen Bereich immer Ansatzpunkte über bestimmte Verhaltensweisen. Die Kunst des Interviewers besteht darin seine Gesprächsführung und -lenkung so zu strukturieren, dass Verhalten und Ansichten zu einem bestimmten Aufgaben- und Kompetenzfeld sinnvoll thematisiert werden. Vergangene Erfahrungen des Bewerbers müssen mit dem gegenwärtigen Verhalten zu einer zukunftsorientierten Aussage verknüpft werden. Anhaltspunkte für eine entsprechende Gesprächsführung ergeben sich aus dem Lebenslauf, aus Arbeitszeugnissen und -ergebnissen. Eine Ergänzung kann das biografische Interview durch eine Kurzpräsentation oder einen Fachvortrag erfahren. Sie ermöglichen es, Wissen und Fähigkeiten des Vortragenden anwendungsbezogen zu bewerten. Sinnvollerweise werden in einer entsprechenden Systematik Fragen vorab formuliert und flexibel verwendet, um die notwendigen Informationen, Interessen, Einstellungen etc. zu ermitteln. Für den Interviewer ergeben sich dadurch zielorientiertere Möglichkeiten die im Gesprächsverlauf erhaltenen Informationen - z.B. über Stärken und Schwächen - einzuordnen und ihre Bedeutung zu hinterfragen. Die Verwendung standardisierter Fragen ist mit einem hohen, konstruktiven Aufwand verbunden. Da sich Anforderungs- und Aufgabenprofil ständig ändern, müssen auch die biografischen Fragebögen laufend der Entwicklung angepasst werden. Andererseits ermöglicht der Einsatz von standardisierten Fragen eine gute Qualität der Informationsgewinnung und einen möglichst objektiven Vergleich der einzelnen Kandidaten.
Multimodales Interview Das multimodale Interview ist ein strukturiertes, weiterentwickeltes Interviewverfahren. Es verfügt über einen hohen Anforderungsbezug und ist wie folgt aufgebaut: • • • • • • •
Gesprächsbeginn, Selbstvorstellung des Kandidaten, freies Gespräch, biographiebezogene Fragen, Informationen zur Tätigkeit, situative Fragen, Gesprächsabschluss.
Der Beginn des Gesprächs dient zur Auflockerung der Gesprächsatmosphäre, wobei der Gesprächsablauf erläutert wird. Im Rahmen seiner Selbstvorstellung spricht der Kandidat über seinen persönlichen und beruflichen Hintergrund. Im freien Gesprächsteil stellt der Interviewer Fragen zu den vorliegenden Unterlagen und zur Selbstdarstellung. Mit biografiebezogene Fragen werden die beruflichen Erfahrungen erfasst. Seitens des Interviewers werden objektive Informationen zum Arbeitsplatz und zum Unternehmen gegeben. Bei den situativen Fragen wird der Kandidat mit
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
41
einer Arbeitssituation konfrontiert. Er muss nun schildern, wie er reagieren bzw. handeln würde. In allen Gesprächsteilen werden in Abhängigkeit vom Anforderungsprofil die entsprechenden Kompetenzen erhoben. Zum Abschluss des Gesprächs können noch offene Fragen beantwortet und weitere Vereinbarungen getroffen werden. Der multimodale Gesprächsaufbau verknüpft mehrere Methoden miteinander. Er vereint biografische, anforderungsbezogene und situative Komponenten.
2.4
Psychologische Testverfahren
Bei der Entwicklung von Kompetenzen spielt die Persönlichkeit eine wichtige Rolle. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit geben Persönlichkeitsmerkmale darüber Auskunft, wie sich die Person in bestimmten Situationen verhalten wird. In diesen Situationen macht sie in spezifischer Weise von ihren Kompetenzen Gebrauch. Zu den Grundsatzfragen der Psychologie gehört daher auch die Frage, wie und in welcher Art und Weise Persönlichkeitsmerkmale das menschliche Verhalten beeinflussen. Um diese Faktoren zu erfassen, werden verschiedene psychologische Intelligenz-, Leistungs- und Persönlichkeitstests zur Kompetenzdiagnose eingesetzt. Bei Persönlichkeitstests stehen Dimensionen wie Selbstbewusstsein, Kontaktfähigkeit, emotionale Stabilität, Einfühlungsvermögen, Vertrauen etc. im Vordergrund. Es ist zu beachten, dass psychologische Testverfahren niemals exakt die Erfüllung der Anforderungen an einen spezifischen Arbeitsplatz erfassen können. Sie liefern vielmehr immer ein generalisiertes Bild der Person. Alle psychologischen Testverfahren funktionieren nach dem Vergleichsprinzip. Die mit der Vergleichsgruppe ermittelten Daten bilden die so genannte Normierungsstichprobe. Mit diesen Daten werden die Angaben und Ergebnisse eines einzelnen Teilnehmers dann verglichen. So lässt sich z.B. die Kontaktfähigkeit nicht auf einer absoluten Skala messen. Die Ausprägungen der zu bestimmenden Eigenschaften lassen sich nur relativ vergleichen. So ist die Aussage möglich, dass Person A kontaktfähiger als Person B oder der Durchschnitt der Vergleichsgruppe ist. Im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der Kompetenzermittlung ist die Akzeptanz psychologischer Testverfahren bei den zu beurteilenden Personen gering. Da für die Teilnehmer die Konstruktion des Verfahrens nicht zu erkennen ist, werden Ängste und Befürchtungen geweckt. Während sich der Bewerber beim Interview selbstgesteuert positiver darstellen kann, ist dies beim psychologischen Testverfahren nicht möglich. Teilnehmer fühlen sich teilweise ausgeforscht und versuchen daher Dinge bewusst zu verbergen bzw. erwartete Antworten zu geben und Verhaltensweisen zu zeigen. Vorteile der Verfahren liegen in ihrer hohen Qualität. Sie müssen entsprechenden methodischen Entwicklungsschritten und Ansprüchen genügen, um objektive und zuverlässige Ergebnisse zu liefern. Sie können die zeitliche Entwicklung von Kompetenzen abbilden und den Erfolg entsprechender Trainingsmaßnahmen quantifizierbar machen.
2.5
Fallstudien und -analysen
Fallstudien beschreiben komplexe Führungssituationen aus dem möglichen Führungsalltag. Um den Praxisbezug zu erhöhen liegen in der Aufgabenbeschreibung Informationsdefizite vor. Die Auswahl einer geeigneten Fallstudie hängt vom Teilnehmerkreis und den zu ermittelnden Kompetenzen ab. Wie die Erfahrungen zeigen, stehen für Führungskräfte weniger die theoretischen Aspekte im Vordergrund, sondern vielmehr die praktische Auseinandersetzung mit konkreten Fällen, die einen Bezug zur beruflichen Realität haben. Fallstudien eignen sich in besonderer Weise als Gruppenarbeit. Bei zwei bis drei Teilgruppen ist eine parallele Bearbeitung sinnvoll. Die Präsentation der Ergebnisse im Plenum bietet die Möglichkeit unterschiedliche Vorgehensweisen, Sichtweisen, Entscheidungen und Lösungen gemeinsam zu diskutieren und zu analysieren. Umgekehrt
2
42
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
können Teilgruppen auch verschiedene, aber ähnliche Fallstudien bearbeiten, um in ihrem Lösungsweg und den Ergebnissen Gemeinsamkeiten zu entdecken. Für die Erfassung von Kompetenzen ist die Abfassung einer Fallstudie eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Motive, Gedankenwelten und Verhaltensweisen von Personen sind zu skizzieren, die üblicherweise auch ihre eigenen Interessen verfolgen. Die Zielsetzungen und möglichen Lösungswege müssen bekannt sein, um in einem Soll-1st-Vergleich eine Bewertung vornehmen zu können. Die Teilnehmer können zur Lösung verschiedene Arbeitstechniken einsetzen. Aufgrund ihrer individuellen Erfahrungen, Einstellungen und Kenntnisse, kommt es zu einem intensiven Gedankenund Erfahrungsaustausch. Je nach Komplexität der Fallstudie muss incl. Präsentation und Diskussion mit einer Dauer von V2 - 1 Tag gerechnet werden. Fallstudien sind hervorragend dazu geeignet, das Erlernte in die Praxis des Führungsalltags zu übertragen. Bei der Fallanalyse bekommen die Teilnehmer Geschäftssituationen in einer vereinfachten Form vorgestellt. Das Problem ist statischer Art und relativ einfacher Natur, so dass es von einem Teilnehmer alleine bearbeitet werden kann. In einer Variante sind die vorliegenden Informationen lückenhaft. Sie können jedoch innerhalb der Teilnehmergruppe durch Meinungsaustausch erarbeitet werden. Mit diesen zusätzlichen Informationen erarbeitet dann jeder Teilnehmer für sich eine Lösung. In einer dritten Variante erarbeiten die Teilnehmer gemeinsam verschiedene Alternativen. Etwas komplexerer Natur sind die häufig in Assessment-Center eingesetzten Postkorbaufgaben. Ungefähr zwei Dutzend unterschiedliche Aufgaben sind innerhalb einer vorgegebenen Zeit (z.B. eine Stunde) zu bearbeiten. Dabei ist es wichtig, Wesentliches von Unwesentlichem zu trennen, Aufgaben zu delegieren, Entscheidungen zu fällen und Termine zu planen. Die vorliegenden Informationen sind meistens vollständig, praxisnah geschildert und teilweise in komplexer Weise miteinander verknüpft. Bei Fallstudien wird den Teilnehmern ein unternehmenstypischer Fall mit seinen Einzelheiten vorgetragen. Zuerst analysiert jeder Teilnehmer für sich die vorliegenden Informationen und erarbeitet eine individuelle Lösung. Im zweiten Schritt werden Kleingruppen mit max. 5 Personen gebildet, die ihre individuellen Vorstellungen untereinander austauschen. Anschließend erarbeiten die Gruppenmitglieder eine gemeinsame Lösung, die sie präsentieren und zur Diskussion stellen. Aus einer Fallstudie können mehrere richtige Lösungen hervorgehen. Neben der Aufgabenanalyse stehen bei diesem Typ die Aufgabensynthese und das jeweilige Entscheidungsverhalten im Vordergrund.
2.6
Befristete Aufgabenübertragung
Eine zeitweilige Übertragung einer Aufgabe ermöglicht es allen Beteiligten sich mit neuen Ansprüchen und Herausforderungen auseinander zu setzen. Im zeitlichen Ablauf eignen sich für eine befristete Aufgabenübertragung: • • • •
Thesis (Diplomarbeiten), Probezeit, Projektaufgaben, Stellvertretung.
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
43
Thesis (Diplomarbeiten) Mit einer unternehmensinternen Thesis wird dem Studierenden die Möglichkeit gegeben, sein erworbenes Wissen im Rahmen einer komplexeren Aufgabe erstmals anzuwenden. Sie bietet Studierenden und Unternehmen eine sehr elegante Plattform, ihre Ziele und Vorstellungen abzugleichen. Die Durchführung der Thesis schließt immer mit einer schriftlichen Bewertung (Note) ab. Diese umfasst neben fachlichen Aspekten z.B. auch Komponenten der Arbeitsorganisation und des persönlichen Verhaltens. In einem Gespräch werden die Leistungen und Verhaltensweisen aufgezeigt und kritisch aber fair gewertet. Der Studierende erhält somit ein gezieltes Feedback. Seitens des Unternehmens lässt sich dieser Zeitraum wie eine Probezeit betrachten.
Probezeit Die Probezeit ermöglicht es dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer zu überprüfen, ob die gegenseitigen Erwartungen erfüllt werden. Dazu wird die Arbeitsleistung des Mitarbeiters in der Regel über 6 Monate beobachtet. Wird während dieser festgelegten Frist der erwartete Leistungsstandard nicht erreicht, scheidet der Mitarbeiter aus.
Projektaufgaben Im Unternehmen sind häufig Aufgaben nach den Regeln des Projektmanagements abzuwickeln. So ist es erforderlich aus bestehenden Teams heraus Projektgruppen zu bilden, die die Bearbeitung der Projektaufgaben eigenständig durchführen. Je nach Komplexität der Handlungen erlauben sie eine Beurteilung der verschiedenen Kompetenzaspekte. Dies lässt sich relativ leicht erreichen, da Planungs- und Entscheidungsanforderungen sowie Kommunikations- und Kooperationserfordernisse in der Projektaufgabe integriert sind. Die Zusammensetzung der Arbeitsgruppe richtet sich nach Ziel und Zweck der Aufgabe. Als Projektleiter wird ein Mitarbeiter ausgewählt, der über potenzielle Kompetenzen als Führungskraft verfügt. Während der Durchführung wird er hinsichtlich seiner Qualifikationen und Fähigkeiten beobachtet und beurteilt. Da sich die Projektaufgabe über mehrere Wochen oder Monate erstreckt, wird die damit verbundene Beurteilung und Bewertung in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Somit werden im Laufe der Projektarbeit wichtige Eindrücke über die Fähigkeiten des Mitarbeiters erfasst und können im persönlichen Gespräch erläutert werden.
Stellvertretung Stellvertretungen bieten hervorragende Möglichkeiten, die Handhabung komplexer Vorgänge durch den Mitarbeiter zu beobachten und zu bewerten. Aussagen zur Persönlichkeit, zur Arbeitsorganisation komplexer Situationen, zum Führungspotenzial und zu unternehmerischen Fähigkeiten sind über einen längeren Beobachtungszeitraum möglich und verbessern die Entscheidungsgrundlagen. Für den Mitarbeiter bieten sie eine besonders realistische Arbeitssituation, um sich Klarheit über die zu erwartenden Anforderungen zu verschaffen und zu einer besseren Selbsteinschätzung seiner Kompetenzen zu gelangen.
2
44
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
2.7
Assessment Center
2.7.1
Grundsätze
Assessment Center (AC) werden zur Auswahl von Bewerbern und zur Potenzialanalyse von Mitarbeitern eingesetzt. Durch anforderungsspezifische Aufgaben und Übungen können sich die Beobachter (Assessoren) ein detailliertes Bild über die Person verschaffen und herausfinden, wer über die gewünschten Eigenschaften und Kompetenzen verfügt.
Gruppen-Assessment Im Normalfall sind Assessment Center Gruppenverfahren bei denen zwischen acht und zwölf Personen beobachtet werden. Die Beobachtung wird von vier bis sechs geschulten Assessoren durchgeführt. Dies sind meistens Führungskräfte höherer Hierarchieebenen. Dies bietet sich an, da sie über die notwendigen Fähigkeiten verfügen und Grundkenntnisse über die zu besetzende Stelle haben. Auch Assessoren können aus dem Verfahren großen Nutzen ziehen. Ihre Beobachtungen können sie mit ihrem eigenen Führungsverhalten vergleichen und im Berufsalltag Anpassungen vornehmen. Um eine aussagekräftige Beurteilung zu erhalten, ist eine Vielzahl verschiedener Beobachtungssituationen nötig. Assessment Center sollten daher über einen längeren Zeitraum (2 Tage) durchgeführt werden. In dieser Zeit bekommen die Assessoren auch Einblicke in persönliche Verhaltensweisen der Teilnehmer, die nicht in öffentlichen Testsituationen überprüft werden. Wie verhalten sich die einzelnen Personen, wenn sie nicht das Gefühl haben, beobachtet zu werden?
Personalauswahl Der Einsatz des Assessment Centers zur Personalauswahl ist sehr verbreitet. Gegenüber einem herkömmlichen Vorstellungsgespräch oder Auswahlverfahren kann mit seiner Hilfe viel besser festgestellt werden, welcher Bewerber am besten für die ausgeschriebene Stelle geeignet ist. Personale, soziale und methodische Kompetenzen können auf diesem Wege besser festgestellt werden als im Rahmen eines Interviews. Durch den Grundsatz, dass immer mehrere Assessoren vertreten sein müssen, verringert sich das Risiko einer Fehlentscheidung. Durch das Assessment Center werden die Entscheidungen und Ergebnisse auf eine einheitliche Basis gestellt und für alle Beteiligten transparenter gemacht. Auch die Rückmeldungen der Assessoren über die beobachteten Stärken und Schwächen sorgen für mehr Transparenz. Durch die Rückmeldung kann der Bewerber seine Stärken weiter ausbauen und die Schwächen durch geeignete Weiterbildungsmaßnahmen verringern.
Personalentwicklung Das AC-Verfahren zur Personalentwicklung folgt den gleichen Grundsätzen wie denen der Personalauswahl. Es hilft festzustellen, welche Mitarbeiter im Unternehmen besondere Fähigkeiten aufweisen und wie diese Personalressourcen für das Unternehmen nutzbar sind. Auf diese Art und Weise lassen sich Führungsnachwuchskräfte identifizieren und deren Potenziale gezielt fördern. Einzel-Assessments werden vor allem für obere Führungsebenen in Form von eintägigen Workshops durchgeführt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf Leistungs- und Persönlichkeitstests, Interviews, Einzelvorträgen, Fallbearbeitungen und Postkorbübungen.
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Anforderungsprofil Bei der Vorbereitung eines Assessment Centers ist die wichtigste Aufgabe die Erarbeitung von Anforderungsdimensionen. Im ersten Schritt sind die Kompetenzen zu ermitteln, die für den angestrebten Arbeitsplatz wichtig sind. Sie finden sich im entsprechenden Anforderungsprofil für die Tätigkeit wieder. Im zweiten Schritt müssen AC-Aufgaben und -Übungen ausgewählt und zusammengestellt werden, mit denen diese Kompetenzen zu ermitteln sind. Eine sorgfältige konzeptionelle Überlegung im Vorfeld leistet einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Aussagekraft und Verwertbarkeit der Ergebnisse. Die Kompetenzen des Anforderungsprofils bestimmen die Auswahl eines geeigneten Verfahrens. Je genauer ein Anforderungsprofil erstellt wird, desto präziser können die Ergebnisse ausgewertet werden.
2.7.2 Die Rolle der Assessoren Im Assessment Center haben die Assessoren zwei wesentliche Aufgaben zu erfüllen. Erstens die Beobachtung und Bewertung der Teilnehmer und zweitens deren Betreuung. Während des Assessment Centers prägen sie die Atmosphäre mit und bestimmen mit ihrer Kompetenz auch die Qualität der Ergebnisse. Um ihre Objektivität nicht zu verlieren, müssen Assessoren vermeiden zu sehr in eine der beiden Aufgaben zu verfallen. Sie brauchen einerseits persönliches Engagement und Betroffenheit im Umgang mit den Teilnehmern. Andererseits müssen sie die Rollenunterschiede respektieren und eine professionelle Distanz waren. Da ein Assessment Center stets tief greifende Personalmaßnahmen nach sich zieht, tragen die Assessoren eine hohe Verantwortung gegenüber den Teilnehmern und dem Unternehmen. Eine Fehlentscheidung kann für das Unternehmen eine beträchtliche Fehlinvestition in die Personalentwicklung bedeuten. Gegenüber dem Teilnehmer kann sie zu Demotivation und Stagnation in der persönlichen Entwicklung führen. Um solche Fehlentscheidungen zu vermeiden, ist es unbedingt erforderlich, dass die Assessoren sich ihrer Funktion bewusst sind. Sie müssen sich möglichst objektive Urteile bilden, die zu richtigen Entscheidungen und Maßnahmen führen. Nicht nur die Teilnehmer eines Assessment Centers müssen bestimmten Anforderungen 9~nügen, sondern auch die Assessoren. Dies ist im Wesentlichen durch die AC-Aufgaben und -Ubungen vorgegeben. Die intensive Beobachtung der Teilnehmer setzt eine hohe Konzentrationsfähigkeit sowie eine gewissenhafte Arbeitsweise voraus. Aus wenigen zeitlich eingeschränkten Beobachtungen muss auf eventuelle Teilnehmereigenschaften geschlossen werden. Der Bewertungsvorgang erfordert Abstraktionsvermögen in Verbindung mit einer hohen Entscheidungsorientierung. Auch das Verhalten der Assessoren gegenüber den Teilnehmern während und nach einem Assessment Center setzt gewisse Fähigkeiten voraus. Speziell die Rückmeldung der Ergebnisse erfordert ein hohes Einfühlungsvermögen und eine sehr gute Argumentationsfähigkeit. Der Beobachtungs- und Bewertungsvorgang im Assessment Center soll Rückschlüsse auf Fähigkeiten, Kompetenzen und Potenziale der Teilnehmer ermöglichen. Ziel ist es dabei möglichst objektive Entscheidungen zu fällen, die nicht von persönlichen und willkürlichen Auffassungen einzelner Assessoren und Personen abhängen. Absolut objektive Urteile sind jedoch eine Wunschvorstellung, da die Beobachtung und Beurteilung anderer Menschen immer von persönlichen Wahrnehmungstendenzen und Denkmustern beeinflusst wird. Durch entsprechende Maßnahmen und eine gezielte Schulung der Assessoren lässt sich dies jedoch auf ein Minimum begrenzen.
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Während des Assessment Centers strömt eine Vielzahl von Informationen auf die Assessoren ein. Um sich ein ganzheitliches und objektives Urteil bilden zu können, müssen sie den Prozess der Beobachtung und der Bewertung trennen. Grundsätzlich neigen wir bereits während der Beobachtung anderer Menschen zu einem Urteil und vernachlässigen dadurch die eigentlichen Beobachtungsaufgaben. Der Assessor sollte sich daher während der AC-Aufgaben auf den Beobachtungsprozess beschränken und gegebenenfalls kurze Aussagen, Stichpunkte und Anmerkungen notieren. Jedem Assessment Center liegt ein Anforderungsprofil mit seinen Kompetenzen zugrunde. Am Ende eines AC's müssen die Ergebnisse einen detaillierten Vergleich der ermittelten Teilnehmerprofile mit dem Anforderungsprofil ermöglichen. Alle im Anforderungsprofil enthaltenen Kompetenzen müssen daher im Assessment Center erfasst und messbar gemacht werden, um zwischen den einzelnen Teilnehmern differenzieren zu können. Diese Forderung stellt enorme Anforderungen an die Assessoren, da sie während der einzelnen Übungen die relevanten Verhaltensweisen aus dem Gesamtgeschehen herausfiltern müssen. Unter Beachtung des Grundsatzes der Trennung von beobachten und beurteilen müssen sie diese bestimmte Fähigkeit dem Teilnehmer zuordnen und ein möglichst objektives Urteil fällen. Wenn eine Eigenschaft, Fähigkeit oder Kompetenz eines Teilnehmers erfasst, verglichen und bewertet werden soll, muss sie bereits im Vorfeld durch eine Beschreibung definiert werden. Es muss weiterhin sichergestellt werden, dass sie in der entsprechenden AC-Übung überhaupt beobachtet werden kann. So lässt sich "Durchsetzungsvermögen" in einer Gruppenübung besser beobachten als in einer Einzelübung. Die Beschreibung solcher Indikatoren bringt aber noch weitere Vorteile mit sich. Wenn keine konkreten Beschreibungen existieren, ist während der AC-Übungen häufig eine hohe Korrelation der Bewertungen zu beobachten, d.h. die Bewertung für einzelne Kompetenzen in der Übung entspricht dem Gesamteindruck den der Teilnehmer im Assessment Center hinterlässt. Dieser Effekt tritt bei der Kompetenzbeschreibung durch Indikatoren nicht mehr oder nur noch in geringem Maße auf. Diese Vielzahl von Aufgaben und Forderungen für und an die Assessoren erfordert zwangsläufig eine Systematisierung des Beobachtungs- und Bewertungsprozesses. Sie lässt sich durch die Verwendung standardisierter Beobachtungs- und Bewertungsbögen realisieren (Abb. 2.4). Diese Bögen enthalten für jede AC-Übung die zu beobachtenden Kompetenzen mit eventuell entsprechenden Beschreibungen. In einer Übung sollten nicht mehr als drei bis fünf Kompetenzen erfasst werden. In einer weiteren Spalte können die Assessoren während der AC-Übung ihre Beobachtungen notieren. Die Bewertung durch eine Skala erfolgt nach Abschluss der Übung.
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Teilnehmer:
Auessor:
Übung:
DlItumlUhrzelt: Beschreibung
Kompetenz
Eigeninitiative
Beobachtung
/
~~
Je!
S81bstbewusstsaln
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....
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FührungswIlle
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Handlungsorientierung
/~
Konfllktllhlgkelt
Bewertung
D D D D D
Anmerkungen und weitere Beobachtungen:
Abb. 2.4: Beobachtungs- und Bewertungsbogen im Assessment Center
2.7.3
Übungen im Assessment Center
Bevorzugte Übungen im Assessment Center sind: • • • • •
Gruppendiskussionen, Rollenspiele und Gesprächsübungen, Präsentationen und Diskussionen, Postkorb, Interview.
Gruppendiskussionen Gruppendiskussionen sind im Assessment-Center sehr beliebt und gehören zu ihrem festen Bestandteil. In der Gruppendiskussion werden die Teilnehmer einer Gruppe aufgefordert, für ein bestimmtes Problem eine Lösung zu finden. Dazu werden die AC-Teilnehmer in Vierer- bis Sechsergruppen aufgeteilt. In diesen Gruppen wird ein Problem 15 bis 30 Minuten diskutiert. Es soll ein möglichst gutes Ergebnis erreicht werden, was bei einem komplexen Problem in dieser Zeitspanne oft nicht möglich ist. Das Ziel der Übung ist nicht die Lösung für das gestellte Problem zu finden, sondern den Weg zur Zielerreichung durch die Teilnehmer zu beobachten. Neben der methodischen Vorgehensweise steht auch der Umgang mit den anderen Teilnehmern im Vordergrund. Die Auswahl der Diskussionsthemen kann sowohl aus dem privaten als auch aus dem beruflichen Bereich kommen, z.B.:
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regelmäßige Arbeitszeit vs. Überstunden, Wirtschaftswachstum vs. Umweltschutz, Familie vs. Beruf/Karriere, Beschäftigung vs. Rationalisierung und Kündigungen.
Gruppendiskussion positive Merkmale
• • • • • • • • •
Teamfähigkeit und Teamverhalten Moderationsverhalten Erarbeitung von Lösungsvorschlägen gute, überzeugende Argumentation Zugewandtheit und deutlich gezeigtes Einfühlungsvermögen Umgangsformen und sprachliches Ausdrucksvermögen Engagement und Beharrlichkeit Zielorientierung und Durchsetzungsvermögen gute Auffassungsgabe und Analysefähigkeit
kritische Merkmale
• • • • • • • • • •
sich stark in den Vordergrund spielen nur den eigenen Standpunkt gelten lassen andere Ideen ablehnen nicht zuhören können versuchen, sich um jeden Preis durchzusetzen aggressiv reagieren und Druck erzeugen fehlendes Engagement erkennen lassen sich zurückziehen und sich selbst aus der Gruppe ausschließen geringe Toleranz zeigen und unflexibel reagieren auf Randprobleme ausweichen
Abb. 2.5: Kompetenzmerkmale der Gruppendiskussion In dieser AC-Übung stehen personale, soziale und methodische Kompetenzen im Vordergrund. Fachliche Merkmale kommen je nach Thema und Situation wenig bis gar nicht zum Ausdruck. Anhand der erfassten Kompetenzmerkmale lassen sich die in Abbildung 2.5 aufgeführten positiven und kritischen Punkte erfassen. Die Gruppendiskussion lässt sich auf verschiedene Arten führen. In der führungslosen Diskussion ohne Rollen gibt es keinen Moderator oder Diskussionsleiter. Sie verläuft oft unstrukturiert und ziellos. Argumente und Anregungen eines Teilnehmers werden nur selten aufgenommen. Stattdessen versucht jeder seinen Standpunkt zu erläutern und durchzusetzen. In dieser Variante liegt das besondere Interesse der Beobachter auf der Ausgewogenheit zwischen Eigen- und Gruppeninteresse. In der führungslosen Diskussion mit Rollen gibt es ebenfalls keinen Diskussionsleiter. Stattdessen wird jedem Teilnehmer eine bestimmte Rolle vorgegeben, in deren Interesse er argumentieren und handeln soll. Damit keine Benachteiligungen durch die Vergabe der einzelnen Rollen entstehen, müssen für die verschiedenen Rollen gleiche Anforderungen existieren. Gerade bei der führungslosen Diskussion mit einer vorgegebenen Rolle können analytisch stärkere Teilnehmer auffallen. Ihnen fällt es leichter sich in eine ungewohnte Rolle und Situation hineinzuversetzen. Bei der geführten Diskussion ohne/mit Rolle wird ein Teilnehmer als Diskussionsleiter vorab bestimmt. Diese Rolle wechselt ca. alle 10 Minuten, bis jeder Kandidat einmal als Moderator tätig war. Jeder Teilnehmer sollte ein eigenes Thema leiten können, das sich in der genannten Zeit abschließen lässt.
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Es wird sehr deutlich, wer seine Führungsrolle wie übernimmt. Um in der Gruppendiskussion ein gemeinsames Ziel zu erreichen, ist folgende Vorgehensweise sinnvoll: • • • •
Situationsanalyse: Zielsetzung: Lösungssuche: Ergebnis:
Was sagt uns das Thema? Was wollen wir erreichen? Welche Lösungsvorschläge können wir unterbreiten? Welche Entscheidungskriterien haben wir zugrunde gelegt?
Der Versuch, sich nach der Themenvergabe ohne Situationsanalyse auf ein gemeinsames Ziel zu einigen, ist zum Scheitern verurteilt. In der Orientierung muss herausgefunden werden, ob die ThemensteIlung auf objektiven Kriterien oder subjektiven Ansichten basiert. Objektive Sachverhalte lassen sich relativ sachlich diskutieren. Bei subjektiven Vorstellungen gibt es kein richtig oder falsch. Hier spielen die persönlichen Wertvorstellungen der Teilnehmer eine Rolle. Nach der Situationsanalyse schließt sich die Phase der Zielsetzung an. Das gemeinsame Gruppenziel ist zu visualisieren, damit alle Teilnehmer es jederzeit deutlich vor Augen haben. Wird von einzelnen ACTeilnehmern das Ziel nicht akzeptiert, schließen sie sich automatisch aus der Gruppe aus. Sie können kaum noch effektive Beiträge zum Ergebnis liefern. Ihr Verhalten wird als störend und blockierend empfunden. In der Phase der Lösungssuche sollten möglichst alle Teilnehmer ihre Beiträge und Vorstellungen einbringen. Ideen und Argumente werden gesammelt, zusammengefasst und bewertet. Im Idealfall ist die Gruppe innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit zu einem Ergebnis gekommen. Besonders wichtig ist, dass nicht das Ergebnis als Bewertungskriterium betrachtet wird, sondern der Weg zum Ziel. Es wird bewertet, wie jeder Teilnehmer mitgearbeitet und sich gegenüber den Anderen verhalten hat. Im Fall der Gruppendiskussion ist wirklich der Weg das Ziel. In der abschließenden Bewertung durch die Beobachter können den Teilnehmern z.B. folgende Fragen gestellt werden: • • • • • •
Welchen Beitrag haben Sie zum Gruppenergebnis geliefert? Wie schätzen Sie das erreichte Ergebnis ein? Was würden Sie im Nachhinein anders machen? Wer hat die Gruppe geführt? Wen würden Sie als Teamleiter vorschlagen? Wer hat am unfairsten diskutiert? Wer versuchte sich um jeden Preis durchzusetzen?
Rollenspiele und Gesprächsübungen In Rollenspielen werden Führungssituationen aus dem beruflichen Alltag simuliert. Hier kommt es darauf an ein möglichst großes Verhaltensrepertoire zu zeigen und auf eingebaute Störungen souverän zu reagieren. Als Teilnehmer ist es wichtig, sich in dieser Aufgabe über die Motive des Gesprächspartners Klarheit zu verschaffen. Ohne Vernachlässigung der Unternehmens- und Mitarbeiterinteressen ist eine klare und verständliche Hinführung zu Lösungsansätzen wichtig. Rollenspiele und Gesprächsübungen werden immer dann eingesetzt, wenn die neue Position mit Personalverantwortung verbunden ist. Während die Rolle der Führungskraft von einem Teilnehmer eingenommen wird, übernimmt eine erfahrene Führungskraft oder ein Assessor die Funktion des Mitarbeiters. Mögliche Themen für ein Rollenspiel ergeben sich aus dem beruflichen Umfeld: • • • • •
Beurteilungsgespräch und mangelnde Arbeitsleistung, Kundenbeschwerden und Reklamationen, neuer Arbeitsplatz und Versetzungen, Mitarbeiterkonflikte und Auseinandersetzungen, Motivationsgespräch.
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In dieser AC-Übung stehen personale und soziale Kompetenzen eindeutig im Vordergrund. Anhand der erfassten Kompetenzmerkmale lassen sich die in Abbildung 2.6 aufgeführten positiven und kritischen Punkte erfassen.
Rollenspiele und Gesprächsübungen positive Merkmale
kritische Merkmale
• • •
•
• • • • •
auf den Mitarbeiter eingehen Vertrauen entgegenbringen Förderung eines offenen Gedankenaustausches akzeptieren einer gegenteiligen Meinung konstruktives Einbringen von Kritik erzielen eines Konsens schwierigen Gesprächssituationen eine positive Wendung geben angemessene Selbstsicherheit und Einsatzbereitschaft
• • • • •
seine persönlichen Vorteile in den Vordergrund zu stellen Verschleierung des eigenen Standpunktes unangemessener und unsachlicher Umgang mit Kritik ausspielen der Machtposition als Führungskraft unangenehme und schwierige Entscheidungen vor sich herschieben Überheblichkeit und Besserwisserei
Abb. 2.6: Kompetenzmerkmale von Rollenspielen und Gesprächsübungen Um im Rollenspiel erfolgreich zu bestehen, ist folgende Vorgehensweise sinnvoll: •
Situationsanalyse:
• • •
Zielsetzung: Lösungssuche: Ergebnis:
Welche Informationen stehen zur Verfügung? Welche müssen noch erfragt werden? Was will ich im Gespräch erreichen? Welche möglichen Maßnahmen können wir vereinbaren? Welche Entscheidungen habe ich getroffen? Welche Übereinkünfte haben wir erzielt?
Die Situationsanalyse sollte einen roten Faden für das anschließende Gespräch liefern. Die Beobachter werden in dieser AC-Übung vor allem die Gesprächsführung und -lenkung des Teilnehmers kritisch bewerten. Eine konstruktive Gesprächsstrategie, wie sie für jedes Mitarbeitergespräch geiten sollte, ist hier notwendig. Lassen Sie sich zu Beginn der Übung seitens des Mitarbeiters seine Sicht der Dinge schildern. Jede Medaille hat zwei Seiten und es gibt in dieser Aufgabe kein richtig oder falsch. Durch eine öffnende Gesprächsstrategie erhalten Sie außerdem noch fehlende Informationen für Ihre Entscheidungsfindung. Lassen Sie den Mitarbeiter zu Wort kommen. Größere Gesprächsanteile führen beim Mitarbeiter zu einem emotional positiveren Bild. Höhere Gesprächsanteile der Führungskraft werden vom Mitarbeiter oft als unangenehmer empfunden. Durch dieses Gesprächsverhalten laufen Sie Gefahr, Monologe zu führen.
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Um dem Gesprächspartner das Gefühl der Wertschätzung und Ernsthaftigkeit zu geben, ist gegenseitiges Zuhören unerlässlich. So wird eine atmosphärische Grundlage für eine positive Bewertung des AC-Teilnehmers geschaffen. Zum Abschluss des Rollenspiels und der Gesprächsübung werden die wesentlichsten Bestandteile, die erarbeiteten Lösungsvorschläge und die getroffenen Entscheidungen zusammengefasst. Damit ist gewährleistet, dass beide Seiten mit dem gleichen Verständnis das Gespräch beenden.
Präsentationen und Diskussionen Präsentationen gehören immer zu den Übungen im Assessment Center. Während der Präsentation steht der Vortragende im Fokus der Assessoren. Er soll einem Publikum eine Idee, einen Standpunkt oder eine Situation näher bringen. Dies kann sowohl mit oder auch ohne technische Hilfsmittel erfolgen. Die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel verfehlen ihre unterstützende Wirkung, wenn der Vortragende nicht in der Lage ist, den Sachverhalt zu erläutern. Der Teilnehmer ist hauptsächlich auf seine sprachlichen und rhetorischen Fähigkeiten angewiesen. Durch eine klare Artikulation und Ausdrucksweise ist schon eine wichtige Hürde genommen. Durch eine entsprechende Gestik werden die Ausführungen positiv unterstützt. Kritisch muss bei der Präsentationsübung hinterfragt werden, ob tatsächlich das Potenzial des Teilnehmers oder nur seine Routine in Präsentationstechniken beurteilt wird. Um Aussagen über die fachlichen Kompetenzen des Teilnehmers treffen zu können, muss dieser ein komplexes Problem lösen. Unstrukturierte Daten und Informationen sind so aufzubereiten, dass die Zuhörer das Thema verstehen können. Steht eine längere Vorbereitungszeit (z.B. über Nacht) zur Verfügung, werden auch höhere Anforderungen an die fachliche Qualität, an die Form und die Strukturierung der Präsentation gestellt. Diese Art der Präsentation hat den Vorteil, dass die Teilnehmer relativ realistische Rahmenbedingungen vorfinden, wie sie auch später im beruflichen Alltag zu erwarten sind. Die Themen sind oft so gestellt, dass nur eine richtige Lösung zum gegebenen Problem existiert. Aus dem vorgelegten Material muss Wichtiges von Unwichtigem getrennt werden. Auf diese Weise lassen sich analytische und strukturierende Fähigkeiten erfassen. Neben der eigentlichen Präsentation wird oft zusätzlich eine schriftliche Ausarbeitung verlangt, wodurch sich die fachliche Qualifikation zusätzlich prüfen lässt. Durch diese Vorgehensweise können die Beobachter in der eigentlichen Präsentation ihr Augenmerk auf andere Anforderungen richten. Bei einer nicht fachspezifischen Präsentation müssen die Teilnehmer zu einem beliebigen Thema Stellung beziehen. Sie können nicht richtig oder falsch angegangen werden. Vielmehr wird bewertet wie flexibel und schnell ein bestimmtes Themengebiet aufgegriffen werden kann. Aufgrund einer kurzen Vorbereitungszeit von ca. 15 Minuten ist der Teilnehmer besonders von seinen sprachlichen Fähigkeiten abhängig. Mit dieser Präsentationsform werden methodische, soziale und personale Kompetenzen bewertet. In beiden Präsentationsformen lassen sich durch Zwischenfragen oder in der anschließenden Diskussionsrunde Stressresistenz und Belastbarkeit testen. Durch kritische Zwischenbemerkungen wird bewusst versucht, den Vortragenden aus seinem Konzept zu bringen. Mit der Präsentationsübung lassen sich personale, soziale, methodische und fachliche Kompetenzen erfassen. In Abbildung 2.7 sind dazu positive und kritische Merkmale aufgeführt.
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Präsentationen positive Merkmale
kritische Merkmale
• • • •
•
• • •
sicheres Erscheinungsbild und Auftreten deutliche und klare Ausdrucksformen rhetorische und didaktische Fähigkeiten Übertragung von Begeisterung und Überzeugungen auf die Zuhörer logischer roter Faden im Vortrag klare Formulierung der Zielvorstellungen Berücksichtigung des Kenntnisstandes der Zuhörer
• • • • • • •
abgewandte Körperhaltung und fehlender Blickkontakt monotoner Vortrag langweiliger Vortragsstil wirre Formulierungen der Sachverhalte geringes Fachwissen Unsicherheiten in der Diskussion geringe Belastbarkeit Überschreiten der Zeitvorgaben
Abb. 2.7: Kompetenzmerkmale der Präsentation
Die Gestaltung einer guten Präsentation lässt sich in vier Schritte unterteilen:
• • • •
Zielgruppe: Zielsetzung: Sachstand: Ergebnis:
Über welche Kenntnisse verfügen meine Zuhörer? Was will ich erreichen? Was sind wichtige Informationen? Wie kann ich die Informationen strukturieren und präsentieren?
Im Rahmen eines Assessment Centers ist die Zielgruppe relativ klar umrissen. Es sind die Teilnehmer und die Beobachter. Diese können über unterschiedliche Fachkenntnisse zum Thema verfügen. Verschaffen Sie sich daher Klarheit für wen Sie den Vortrag halten und machen Sie ihre Zielsetzung deutlich. Aus dem vorhandenen Arbeitsmaterial extrahieren Sie die wichtigsten Informationen. Lassen Sie Details im Vortrag weg. Sie finden möglicherweise Platz in einer anschließenden Diskussionsrunde. Stellen Sie Verknüpfungen zwischen den einzelnen Teilaspekten her und bringen Sie die Punkte in eine logische Reihenfolge. Bemühen Sie sich im Vortrag um eine ruhige, deutliche Aussprache und um bildhafte, vergleichende Ausdrucksformen. Bilder sind viel aussagekräftiger und einprägsamer als Worte. Formulieren Sie komplexe Sachverhalte in einfachen aber klaren Worten. Vermeiden Sie komplizierte, verschachtelte Sätze. In einer Präsentation ist weniger mehr. Packen Sie nicht zuviel in Ihren Vortrag. Wenn die Zuhörer vor lauter Details nicht mehr durchblicken, haben Sie verloren. Als Vortragender müssen Sie jederzeit eine Antwort auf die einfache Frage "Was bringt's?" haben. Sie müssen sofort Chancen und Risiken, Kosten und Nutzen aufzählen können. Fassen Sie zum Abschluss der Präsentation die wesentlichen Punkte zusammen und bedanken sich beim Publikum für die Aufmerksamkeit. Allgemein wird in Assessment Centern das "Wie" der Präsentation stärker bewertet als das "Was". Es wird bewertet, wie der Teilnehmer unter den gegebenen Bedingungen das Problem und seine Lösungsansätze den Zuhörern vermitteln kann. Uberzeugungsarbeit ist gefragt. Es geht um Persönlichkeit und sprachliches Ausdrucksvermögen.
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Postkorb
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Beim Postkorb sollen die Teilnehmer umfangreiches Datenmaterial analysieren und darauf aufbauend Prioritäten setzen und Maßnahmen vorschlagen. Die typischen Aufgaben einer Führungskraft werden mit Hilfe der Bearbeitung von Briefen, Anweisungen und Aktennotizen durchgespielt. Die zu bearbeitenden Aufgaben sind meist organisatorischer Natur. Der Teilnehmer muss die Vielfalt der erhaltenen Informationen unter Zeitdruck aufnehmen, strukturieren, Verknüpfungen erkennen und Entscheidungen hinsichtlich der Erledigung und Delegation von Aufgaben treffen. Somit kann der Teilnehmer auch in Richtung seiner persönlichen Arbeitsorganisation am eindeutigsten beurteilt werden. Der Postkorb ist keine interaktive Übung in der direkt personale und soziale Kompetenzen erfasst werden. Der Teilnehmer bearbeitet die Aufgabe für sich alleine. Hier stehen somit methodische Kompetenzen eindeutig im Vordergrund. Werden die erzielten Ergebnisse anschließend präsentiert bzw. diskutiert, kann der Teilnehmer zu seiner zuvor geleisteten Arbeit Stellung beziehen.
Postkorb positive Merkmale
kritische Merkmale
•
• • • • •
• • •
• • •
abstraktes und analytisches Denkvermögen Planung und Kontrolle Strukturierungsfähigkeit komplexer Sachverhalte Erkennen von Zusammenhängen und Verknüpfungen Entscheidungsfähigkeit und -freude Fähigkeit zur Prioritätensetzung und Delegation Planung und Kontrolle der erledigten Aufgaben
•
emotionale Reaktionen bei Schwierigkeiten und unter Zeitdruck Aufschieben von Entscheidungen keine Einhaltung der Zeitvorgaben mangelnde Konzentrationsfähigkeit chaotisches Arbeiten nach dem Zufallsprinzip geringe Ziel- und Handlungsorientierung
Abb. 2.8: Kompetenzmerkmale des Postkorbs Der Fokus lässt sich vom klassischen Postkorb über handlungsorientierte Fallstudien bis hin zu Konzept- und Projektentwicklungen legen. Entsprechend umfangreicher werden die Anforderungen und Aufwendungen. Bei einer Fallstudie bzw. Konzeptentwicklung muss sich immer eine Präsentation oder ein Interview anschließen, da die Themen komplexerer Natur sind und sich nicht immer eindeutige Lösungen ergeben. Führungskräfte müssen lernen, mit diesen Unsicherheiten umzugehen, darauf aufbauend die Risiken abzuschätzen und Entscheidungen zu treffen. Postkorbübungen sind aus zahlreichen Aufgaben zusammengesetzt, wodurch sich mit der anschließenden Präsentation bzw. dem Interview verschiedene personale, soziale und methodische Kompetenzen erfassen lassen. Abbildung 2.8 führt dazu positive und kritische Merkmale auf. Auch bei Postkorbübungen lässt sich die Aufgabe in sinnvolle Abschnitte gliedern:
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•
Situationsanalyse:
• •
Delegation: Arbeitsphase:
•
Erfolgskontrolle:
Wie sind die zur Verfügung stehenden Informationen miteinander verknüpft? Was muss ich selbst bearbeiten? Was kann ich delegieren? Wie sehen Lösungen der nicht delegierbaren Aufgaben aus? Welche Entscheidungskriterien liegen zugrunde? Welche Ergebnisse wurden erzielt?
In der Situationsanalyse müssen zuerst alle Informationen gelesen werden, um sich einen Überblick über den gesamten Postkorb zu verschaffen. Nur so lassen sich Zusammenhänge zwischen einzelnen Aufgaben erkennen. Danach lässt sich eine erste Strukturierung vornehmen. Die wichtigen Vorgänge sind von Unwichtigen zu trennen und in eine zeitliche Reihenfolge zu bringen. Der Postkorb ist normalerweise zeitlich so knapp bemessen, dass nicht alle Aufgaben bearbeitet werden können. Wie im realen Berufsleben müssen Tätigkeiten mit niedrigerer Priorisierung liegen bleiben. Im nächsten Schritt ist zu klären, welche Aufgabe delegiert werden kann. Welche Kenntnisse muss der Mitarbeiter besitzen, um diese Aufgabe erledigen zu können? Begründen Sie Ihre Delegationsentscheidung. Sie muss Hand und Fuß haben. Beachten Sie auch, wie eine entsprechende Erfolgskontrolle aussehen könnte. Für die erfolgreiche Aufgabenbewältigung durch den Mitarbeiter sind letztlich Sie als Führungskraft verantwortlich. In der Arbeitsphase bearbeiten Sie nach einer Prioritätenliste Ihre Aufgaben. Seien Sie auf mögliche Störungen vorbereitet, d.h. bauen Sie sich einen zeitlichen Puffer ein. Überlegen Sie sich Argumente, Pro und Contra, Vor- und Nachteile als Begründung für die anstehende Präsentation. Ohne dies stehen Sie auf unsicheren Beinen. Wenn Ihnen noch Zeit zur Verfügung steht, unterziehen Sie Ihre Arbeit einer Erfolgskontrolle. Was habe ich gut gemacht? Wo könnten noch Verbesserungen erzielt werden? Dies sind alles Überlegungen und Punkte, die Sie in der anstehenden Diskussionsrunde zu Ihrem Vorteil nutzen können.
Interview Ähnlich wie bei einem klassischen Vorstellungsgespräch kann auch im Rahmen des Assessment Centers ein Interview stattfinden, bei dem mehr auf die Kompetenzen und Neigungen des Teilnehmers eingegangen wird. Die Eindrücke aus den verschiedenen AC-Übungen sind Bestandteil des Gespräches, wodurch ein hoher Anforderungsbezug hergestellt wird. Aus dem Gesprächsverhalten und den Antworten lassen sich Informationen über den Teilnehmer ableiten, die aus anderen AC-Übungen nicht hervorgehen. Um ein möglichst umfassendes Bild zu erhalten, sollten Fragen nach Verhaltensweisen in bestimmten Situationen gestellt werden. Insbesondere können die auf das bisherige Berufsleben bezogenen Antworten mit den Beobachtungen im Assessment-Center verglichen werden. Die Gefahr sozial erwünschter Antworten ist dann geringer. Gleichzeitig wird abgeglichen, ob der Teilnehmer zur Selbstbeobachtung und -kritik fähig ist. Beispielhaft lassen sich folgende Fragen stellen: • • • • • • • • • • •
Wie schätzen Sie sich im Vergleich zu den anderen Teilnehmern ein? Wie verhalten Sie sich gegenüber Mitarbeitern und Kollegen? Wie gehen Sie mit schwierigen Menschen um? Wie reagieren Sie in belastenden Situationen? Wie gehen Sie mit konträren, kritischen Meinungen um? Wo liegen Ihre besonderen Stärken? Was war Ihr größter Erfolg? Wo haben Sie Entwicklungspotenzial? Was war der größte Misserfolg? Was machen Sie, wenn Sie die angestrebten Ziele nicht erreichen? Wie gehen Sie mit komplexen AufgabensteIlungen um? Wie würden Sie Ihren persönlichen Führungsstil beschreiben? Was wäre eine große Herausforderung für Sie?
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Durch gezielte Fragen lassen sich Verhaltensweisen mit den Anforderungsmerkmalen der zu besetzenden Stelle gut vergleichen. Mit aktivitäts- und leistungsbezogenen Fragen lassen sich quantifizierbare, objektive Informationen sammeln. Anhand konkreter Beispiele werden Sachverhalte ermittelt. Im Gegensatz zu Vorhaben und Plänen wird tatsächliches Verhalten geschildert. Bevorzugt ist nach Verhalten und Leistungen aus der jüngeren Vergangenheit zu fragen. Sie geben eher einen Anhaltspunkt wie sich zukünftiges Verhalten entwickeln wird. Daher bieten sich biografische Fragen besonders dort an, wo bereits Berufserfahrung vorliegt. Je nach Anforderungsprofil ergibt sich eine Vielzahl von Kompetenzen, die im Einzelgespräch erfasst werden können. Positive und kritische Merkmale lassen sich in den Bereichen personale, methodische und unternehmerische, sowie Führungskompetenzen erfassen (Abb. 2.9).
Interview positive Merkmale
kritische Merkmale
• •
• • • • • • • • •
•
• •
•
Selbstsicherheit und Körpersprache Ausstrahlung von positivem Denken und Erfolgsorientierung Überzeugungskraft und diplomatisches Geschick Begeisterungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen Ideenreichtum und Kreativität gute Strukturierungsfähigkeit zur Lösung von Problemen
geringe Ausstrahlungskraft überwiegend kritische Sichtweise geringe Belastbarkeit und Stressresistenz mangelnde Flexibilität im Gespräch Mitläufertum Verharren auf Bewährtem unklare Formulierung von Zielvorstellungen geringes Beurteilungsvermögen unklare Argumentation
Abb. 2.9: Kompetenzmerkmale des Interviews
Beim Einzelgespräch ergibt sich ein Bild der gesamten Person über die vier Kompetenzfelder. Aus der Vergangenheit heraus sollten Sie reflektieren, wie Sie wirken und auftreten. Geben Sie sich Antworten auf folgende Fragen: • • • • • • • • •
Wirke ich überzeugend? Welche Wirkung geht von mir aus? Wie ist meine Körperhaltung, Mimik und Gestik? Wie sind meine sprachlichen und rhetorischen Fähigkeiten? Wie sicher ist mein Auftreten? Wo habe ich klare Aussagen geliefert? Wo gab es unbefriedigende Antworten? Wie stelle ich meine fachlichen Kompetenzen und meine Lernbereitschaft dar? Wie lenke ich ein Gespräch? Welchen Eindruck habe ich von meinen Gesprächspartnern gewonnen? Welchen Eindruck habe ich hinterlassen?
Um die persönlichen Stärken und Entwicklungspotenziale zu reflektieren, sollten Sie ihre Stärken und Entwicklungspotenziale regelmäßig einer Erfolgskontrolle unterziehen.
2
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Fazit der AC-Übungen Zu jeder AC-Übung lassen sich entsprechende Kompetenzen ermitteln und den vier Kompetenzfeldern personale, unternehmerische (fachliche) Kompetenzen sowie Führungs-(Sozial-) und Methodenkompetenzen zuordnen. Jede AC-Übung hat bzgl. der Kompetenzfelder einen Schwerpunkt. Das Einzelgespräch deckt alle vier Kompetenzfelder gleichmäßig ab. Beim Rollenspiel liegt der Schwerpunkt mehr auf der Führungskompetenz (Sozialkompetenz). Für die Ermittlung der unternehmerischen Kompetenz ist dagegen der Postkorb bzw. das Rollenspiel vollkommen ungeeignet. Anhand der folgenden Übersicht (Abb. 2.10) lassen sich die AC-Übungen mit Ihren Gewichtungen in den vier Kompetenzfeldern besser zusammenstellen.
~ feld
personale Kompetenzen
Führungskompetenzen
Methodenkompetenzen
unternehmerische Kompetenzen
30%
40%
20%
10%
30%
60%
10%
0%
20%
20%
30%
30%
Postkorb
10%
30%
60%
0%
Interview
25%
25%
25%
25%
AC-Übung mit Gewichtung
Gruppendiskussion
Rollenspiel und Gesprächsübungen Präsentationen und Diskussionen
Abb. 2.10: Kompetenzmatrix zur Auswahl von AC-Übungen
2.7.4
Rückmeldung an den Teilnehmer
Nach Ende eines Assessment Centers hat jeder Teilnehmer ein Recht auf Rückmeldung. Sie zeigt ihm, welche Ergebnisse er während des Assessment Center erzielt hat. Idealerweise erfolgt die Rückmeldung in schriftlicher und mündlicher Form. In der schriftlichen Dokumentation werden das Ziel und die Methodik des Assessment Centers beschrieben. Wird das AC als Auswahlverfahren zur Rekrutierung von Nachwuchsführungskräften benutzt, wird es "Gewinner" und "Verlierer" geben. Es ist nämlich nicht damit zu rechnen, dass alle Teilnehmer Führungspotenzial besitzen. Ist es das Ziel Entwicklungspotenziale zu identifizieren, kann es bei den Teilnehmern nur Gewinner geben. Die Beschreibung des Anforderungsprofils der Übungen und des individuellen Ergebnisses dient als Grundlage für das Feedbackgespräch und die Ableitung von Personalentwicklungsmaßnahmen. Im Feedbackgespräch werden das schriftliche Endgutachten und die Schlussfolgerungen diskutiert. Es ist zu analysieren, welche AC-Übungen dem Teilnehmer leichter und welche ihm schwerer gefallen sind. Außerdem ist abzuklären, ob der Teilnehmer seine nach eigener Abschätzung vorhandenen Stärken und Schwächen wiederfindet. Sein Selbstbild kann so mit dem AC-Fremdbild verglichen werden. Es lässt sich erkennen, ob der Teilnehmer ein realistisches Bild seiner eigenen Fähigkeiten besitzt oder ob er zu Fehleinschätzungen neigt. Das Feedbackgespräch soll den Teilnehmer dazu bewegen, sich in seinem eigenen Denken und Handeln weiterzuentwickeln.
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Offenheit ist in der schriftlichen Dokumentation und im Feedbackgespräch besonders wichtig. Für den Teilnehmer müssen die einzelnen Schritte der Bewertung nachvollziehbar sein. Ohne diese Transparenz verliert er den Bezug zur eigentlichen Urteilsfindung. Eine klare und verständliche Rücksprache, die auf die AC-Übungen bezogen ist, erhöht die Akzeptanz der Ergebnisse. Damit ist dann eine höhere Motivation zur Durchführung von Personalentwicklungsmaßnahmen gegeben. Sie erlauben eine individuelle Förderung des Teilnehmers und die Formulierung konkreter Entwicklungsziele. Nach jedem angestrebten Entwicklungsschritt sind intensive Feedbackgespräche zu führen. Auch die Realisierung kleiner Erfolgserlebnisse und Entwicklungsschritte trägt zum positiven Empfinden bei.
2.8 Konzept des 360°·Feedback Von Führungskräften wird erwartet, dass sie mit wenig strukturierten und schlecht definierten AufgabensteIlungen erfolgreich umgehen können. Sie sollen jederzeit über Sachprobleme und Führungsaspekte zu ihren Mitarbeitern informiert sein. Im normalen Unternehmensablauf ist jedoch die Fokussierung auf Tagesprobleme sehr stark. Ein regelmäßiges, aussagekräftiges Feedback ist dort meistens nicht gegeben. Das 360°-Feedback ermöglicht dagegen in standardisierter Form für alle Führungskräfte aus verschiedenen Perspektiven heraus eine systematische Reflexion ihres Führungsverhaltens. Nur wer Erfahrungen sammelt und bewusst aufbereitet, ist in der Lage zu lernen und mögliche Veränderungen vorzunehmen. Für die ausgewiesenen Kompetenzfelder lassen sich Stärken benennen und Entwicklungspotenziale identifizieren. Das Lernen aus kritischen Situationen ist notwendig, aber noch nicht ausreichend. Seine eigenen Ansichten und die Anderer wahr- und anzunehmen und für sich positiv zu bewerten, ist als Chance zur eigenen Entwicklung zu sehen. Die positive, kritische Auseinandersetzung mit sich selbst und den möglicherweise anderen Wahrnehmungen des Umfeldes zeichnet eine gute Führungskraft aus. Die Fähigkeit den eigenen Standpunkt zu relativieren und einen Perspektivenwechsel vorzunehmen bietet die Chance zur Kompetenzentwicklung. Institutionalisierte Feedbackprozesse sind umso effektiver, je offener und positiver alle Beteiligten damit umgehen. Die Erfassung der aktuell vorhandenen Stärken und Schwächen geben dem Verantwortlichen einen Überblick über den Entwicklungsbedarf der Führungskräfte im Unternehmen. Auf dieser Basis können Personalentwicklungsgespräche zielorientierter geführt und Trainingsmaßnahmen besser abgestimmt werden. Erfolgreiche Führungskräfte zeichnen sich durch entsprechende Offenheit aus. Sie suchen aktiv nach Feedback und benutzen verschiedene Quellen, um sich ein ganzheitliches Bild zu ihrer Person zu verschaffen. Sie sind lernbereit und können auch mit mehrdeutigen Arbeitssituationen gut umgehen. Ihr Lernpotenzial und ihre Lernprozesse sind überdurchschnittlich ausgeprägt. Sie suchen regelrecht nach Lerngelegenheiten und können die gewonnenen Erkenntnisse für ihre Persönlichkeitsentwicklung nutzbringend anwenden. Um einer Fehleinschätzung vorzubeugen, kann das 360°-Feedback wichtige Impulse liefern. Starke Abweichungen zur Selbsteinschätzung ermöglichen eine Besinnung auf unterschiedliche Wahrnehmungsmechanismen, Erwartungen oder Erfahrungen. Sich als Führungskraft weiterzuentwickeln umfasst die Bereitschaft Kritik von anderen Personen anzunehmen und diese für sich positiv zu bewerten. Sie ist als Chance zu sehen nicht an einem Punkt stehen zu bleiben, sondern neue Entwicklungen anzustoßen und Herausforderungen standzuhalten. Offenheit für Neues sorgt für Qualität in der Führungsarbeit. Die kritische Auseinandersetzung mit einem Problem liefert Möglichkeiten für internes und externes kundenorientiertes Arbeiten. Das Ergebnis eines Feedbackprozesses ist eine Erhöhung der Selbsteinsicht. Damit verbunden sind eine Persönlichkeitsentwicklung und ein Ausbau der einzelnen Kompetenzen.
2
58
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Basis für ein 360°-Feedback ist ein Anforderungsprofil für Führungskräfte, dessen Beurteilungskriterien ein aussagekräftiges Urteil ermöglichen. Die Führungskraft wird auf tätigkeitsrelevanten Kompetenzen von verschiedenen Beurteilungsgruppen eingeschätzt (Abb. 2.11). Die beurteilerspezifischen Kompetenzprofile werden mit der Selbsteinschätzung verglichen und daraus Personalentwicklungsmaßnahmen abgeleitet. Um ein zuverlässiges Feedback zu erhalten müssen einige grundlegende Aspekte erfüllt sein. So stehen die verschiedenen Personengruppen im Unternehmensalltag in regelmäßigem Kontakt und kennen sich persönlich. Für das Anforderungsprofil und die tätigkeitsrelevanten Kompetenzen muss ein einheitliches begriffliches und inhaltliches Verständnis vorhanden sein. Wie jedes System bietet auch das 360°-Feedback Chancen und Risiken. Die Beurteilung aus unterschiedlichen Perspektiven eröffnet einen umfassenderen Betrachtungswinkel. Durch die 360°Beobachtungen wird möglichen Verzerrungen durch einzelne Interessensgruppen oder Personen entgegengewirkt. Werden die Ergebnisse zur Personalentwicklung verwendet, kann sich für alle Beteiligten eine zukunftsorientierte Entwicklung ergeben. Risiken ergeben sich aus schlampig oder bewusst falsch abgegebenen Bewertungen. Einerseits bietet eine anonyme Durchführung mehr Raum für Offenheit; andererseits lässt sich dadurch die Qualität des Ergebnisses in der anschließenden Feedbackdiskussion nur schwer bewerten.
Kollegen
selbst-
e1nschltzung
Kooperationspertner
Abb. 2.11: Beurteiler im 360°-Feedback
2.9
Personalmanagementsystem
2.9.1
Einleitung
Die internationalen Normen ISO 9001 "Qualitätsmanagementsysteme-Forderungen" und ISO 9004 "Qualitätsmanagementsysteme-Leitfaden" präsentieren Forderungen an ein QM-System. Im Mittelpunkt beider Normen steht die Verbesserung der internen Prozesse eines Unternehmens. Analoge Anforderungen und Erfordernisse lassen sich für ein Personalmanagementsystem (PMS) aufstellen. Die Gestaltung und Verwirklichung wird für jedes Unternehmen von seinen Unternehmenszielen, seinen Produkten/Dienstleistungen, Prozessen und Kundenbeziehungen abhängig sein.
59
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Innerhalb des PM-Systems gewährleistet die effiziente Strukturierung der Prozesse mit ihren (Ziel-) Vorgaben und Ergebnissen eine optimale Erfüllung der internen/externen Bedürfnisse, Erwartungen und Forderungen. Das zentrale Element der Prozessoptimierung und -effizienz (Prozessmanagement) wird durch die Verantwortung der Geschäftsführung, durch effizientes Ressourcenmanagement und durch einen kontinuierlichen Verbesserungszyklus unterstützt. Für die Realisierung des Personalmanagementsystems muss jedes Unternehmen die angemessenen Methoden und Werkzeuge auswählen. Dazu zählen die Systemelemente (Abb. 2.12): • • • •
Führung, Geschäftsprozesse, Interne / externe Forderungen, Information und Ergebnisse.
I. Führung
- Personalpolitik Ln:l Personalstrategie - Organisationsstruklur und Verantwcrtlichkeiten • Ziele und Personalplanung
11. Geschäftsprozesse
- Geschäftspro2es
- Verantwortungen und Befug1isse
111. Interne/externe Forderungen - Rechts- und Personalvorschriften
- Ressourcen
- r..ttarbeiterkenntnisse
- Managernentrevlew
IV. Infonnationen und Ergebnisse - L.eistungsüberwachung und-messung - Kontinuierliche Verbesserungen - Dokumentation - Konmunikation Ln:l Zusanwnenarbeit - Interne Audits
Abb. 2.12: Bestandteile eines Personalmanagementsystems
2.9.2
Systemelement "Führung"
Das kundenorientierte Management eines Unternehmens ist wichtigster Bestandteil der Managementverantwortung. Die Geschäftsführung zeigt damit, dass sie ihr Verhalten an den Erwartungen und Forderungen der internen bzw. externen Kunden ausrichtet. Sie • • • •
plant eine zukunftsgerichtete Entwicklung des Unternehmens, legt die Geschäfts- und Unternehmensziele fest, erreicht kontinuierliche Verbesserungen und verbessert laufend die Geschäftsergebnisse.
Diese Verantwortung verlangt von der Geschäftsführung die Festlegung und Umsetzung einer betrieblichen Personalstrategie, von Personalzielen und -programmen, den Aufbau eines wirksamen Personalmanagementsystems und die regelmäßige Durchführung von Audits.
2
60
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Personalpolitik und -strategie Die Personalstrategie legt die strategische Ausrichtung des Personalmanagements und die Grundlagen für die Handlungen aller Mitarbeiter fest. Aus der Personalstrategie ergeben sich die Personalziele und die notwendigen Maßnahmen zur Zielerreichung. Die Personalpolitik des Unternehmens beruht auf den Punkten: • • • • • • •
eine Verpflichtung für alle Ebenen des Unternehmens zu erstellen, die Ziele und Forderungen der internen/externen Kunden zu berücksichtigen, die Personalstrategie im gesamten Unternehmen zu vermitteln, ein Rahmenwerk für das Festsetzen und Prüfen von Zielen zu liefern, eine Bewertung von Risiken vorzunehmen, die Wettbewerbsstellung im Markt zu analysieren, den Ressourceneinsatz zu optimieren.
Organisationsstruktur und Verantwortlichkeiten Das Personalmanagementsystem des Unternehmens ist der Teil des gesamten übergreifenden Managementsystems, das die Organisationsstrukturen, Zuständigkeiten, Verhaltensweisen, förmlichen Verfahren, Abläufe und Mittel für die Festlegung und Durchführung der Personalpolitik, der Ziele und der Personalplanung einschließt. Es basiert auf folgenden fünf Grundsätzen: • • • • •
Verpflichtung und Politik, Planung, Implementierung, Messung und Bewertung, Verbesserung des Personalmanagementsystems.
Für eine wirkungsvolle Implementierung stellt das Unternehmen die notwendigen Ressourcen zur Verfügung. Die sich aus der Anwendung und Umsetzung ergebende personalorientierte Leistung wird regelmäßig gemessen, überwacht und bewertet. Im Zuge von Audits und Reviews wird regelmäßig das Personalmanagementsystem bewertet und kontinuierlich verbessert. Die Geschäftsführung bestellt einen Beauftragten für das Personalmanagementsystem, der folgende Aufgaben übernimmt: • • • • • •
Verantwortung für Entwicklung und Implementierung des Personalmanagementsystems, Vorschlag von Maßnahmen um die Ziele zu erreichen, Feststellung von Verbesserungspotenzialen, Berichte über personalbezogene Leistungen, Management des internen Audits, Zusammenstellung von Erfordernissen und Erwartungen der internen/externen Kunden.
Ziele und Personalplanung Das Unternehmen erstellt Ziele für alle relevanten Unternehmensebenen und Funktionen. Sie gewährleisten die Erfüllung der unternehmerischen Verpflichtungen und berücksichtigen die Erkenntnisse aus Managementreviews, laufenden Qualitätsergebnissen und das Niveau der internen/externen Kundenzufriedenheit. Ziele tragen zur ständigen Verbesserung des Personalmanagements bei. Wo immer dies in der Personalstrategie möglich ist, sind sie mit messbaren Indikatoren zu versehen. Diese Indikatoren dienen als Grundlage für die Bewertung der erreichten Leistungen. Bei der Festlegung und Bewertung der Ziele werden die gesetzlichen und unternehmens-
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
61
internen Forderungen, sowie die Erwartungen der internen/externen Kunden berücksichtigt. Die Führungskräfte des Unternehmens leiten aus den übergeordneten Zielen für Ihre Verantwortungsebene entsprechende Detailziele ab. Für die Zielerreichung sind die technologischen, finanziellen und personellen Rahmenbedingungen und Ressourcen zu berücksichtigen. Zur Verwirklichung der Ziele müssen in der Personalplanung alle Aktivitäten und Maßnahmen festgelegt werden. Es sind folgende Punkte zu berücksichtigen: • • • • • •
Verfügbarkeit der erforderlichen Ressourcen, Festlegung der Verantwortungen und Befugnisse, Identifikation von Prozessen, für die spezifische Verfahren und Anweisungen gelten, Fertigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeiter, Klärung von Akzeptanzkriterien und Festlegung von Vorgaben, Notwendigkeit von Personalaufzeichnungen und Ergebnissen.
Die Personalplanung wird regelmäßig überarbeitet und den Unternehmenszielen und -strategien angepasst.
Mitarbeiterkenntnisse Eine kontinuierliche Weiterentwicklung des betrieblichen Personalmanagements und der Personalleistungen ist nur dann gewährleistet, wenn sich die Mitarbeiter auf allen Ebenen bewusst sind über: • • • • •
die Bedeutung der betrieblichen Personalpolitik/-strategie, die Erreichung der Ziele, die möglichen Auswirkungen ihrer Arbeit auf die Qualität der Dienstleistungen, den Nutzen eines verbesserten betrieblichen Personalmanagements, ihre Rolle im Personalmanagement.
Die für relevante Arbeitsplätze und zur Erreichung der Ziele erforderlichen Kompetenzen werden bei der Personalauswahl, -schulung und -entwicklung berücksichtigt. Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen werden von den direkten Vorgesetzten veranlasst. Durch laufende Fortbildungsmaßnahmen und Motivation zur ständigen Verbesserung kann die Leistung des Personalmanagementsystems im Unternehmen kontinuierlich verbessert werden.
Managementreview Die Geschäftsführung überprüft in regelmäßigen Abständen die personalorientierte Leistung gegenüber der Personalstrategie und den Zielen. Die Managementreviews umfassen: • • • • • •
Ergebnisse interner Audits, Analyse der internen/externen Kundenzufriedenheit, Wettbewerbs- und Marktanalyse, Erreichung der Ziele, die Gesamteffektivität und Wirksamkeit des Personalmanagementsystems, die Erfordernisse kontinuierlicher Verbesserungen.
Im Zuge des Managementreviews werden die Feststellungen, Schlussfolgerungen und Empfehlungen im Hinblick auf die erforderlichen Maßnahmen dokumentiert.
2
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
62
2.9.3
Systemelement "Geschäftsprozesse"
Eine wirksame Implementierung eines Personalmanagementsystems wird durch eine effiziente Aufbau- und Ablauforganisation gewährleistet. Die Strukturierung der Abläufe geschieht in Form von Prozessen. Dazu sind alle Ressourcen und Tätigkeiten zu identifizieren, mit denen ein Prozess gestaltet werden kann. Die Reihenfolge und Wechselwirkungen der einzelnen Prozesse sind im Rahmen eines Prozessnetzwerkes festzustellen und zu planen. Nur so ist ein effektives Erreichen der personalbezogenen Grundsätze und Ziele zu gewährleisten. Für alle relevanten Prozesse sind die Verantwortungen, Zuständigkeiten und Befugnisse zu identifizieren. Die Planung und Kontrolle von Prozessen geschieht durch: • • • •
Qualitätsmerkmale, die bei jedem Prozessschritt erreicht werden müssen, Festlegung der für die Prozessaktivitäten notwendigen Methoden, Verfahren und Prozessparameter, Anordnungen für Messung, Überwachung und Lenkung der einzelnen Prozesse, Verfügbarkeit entsprechender Prozessdokumentationen und Berichte.
Die Planung der personalrelevanten Geschäftsprozesse stellt sicher, dass sie unter festgesetzten Bedingungen ausgeführt werden.
Geschäftsprozesse Das Unternehmen identifiziert die Tätigkeiten und Prozesse, die mit dem effektiven und wirksamen Erreichen der personalpolitischen Grundsätze und Ziele in Verbindung stehen. Bei der Durchführung der Analyse und der Bestimmung der Tätigkeiten sind folgende Punkte zu berücksichtigen: • • •
Die Wechselwirkung von Prozessen ist so ausgelegt, dass die erwünschten Ergebnisse erzielt werden. Die Vorgaben, Tätigkeiten und zu erwartenden Ergebnisse sind klar festgelegt. Die Methoden für die Messung der Wirksamkeit und Effizienz von Prozessen und deren Verifizierung sind in einem wirksamen Regelkreis eingebettet.
Folgende Geschäftsprozesse haben besondere Bedeutung im Personalmanagementsystem: • • • • •
Geschäftsführung und Führungskräfte, Personalabteilung und Betriebsrat, Personalplanung und -marketing, Personaleinsatz und -entwicklung, Personalcontrolling.
Die verantwortlichen Führungskräfte tragen im Rahmen ihres jeweiligen Aufgabengebietes zur Feststellung und Erfüllung der internen/externen Anforderungen bei.
Verantwortungen und Befugnisse Die erfolgreiche Anwendung des Personalmanagementsystems erfordert die Verpflichtung aller Mitarbeiter und Führungskräfte. Letzteren kommt eine besondere Vorbildfunktion zu. Die Verantwortungen und Befugnisse für die einzelnen Prozesse sind klar definiert. Sie werden in regelmäßigen Abständen unter dem Gesichtspunkt der Unternehmensziele überprüft.
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
63
Ressourcen Die Geschäftsführung stellt die geeigneten personellen, technologischen und finanziellen Ressourcen für die Implementierung, Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung des Personalmanagementsystems zur Verfügung. Das zugehörige Ressourcenmanagement der Informationen, Infrastruktur und Arbeitsumgebung unterstützt den kontinuierlichen Verbesserungskreislauf. Der effiziente Einsatz der Ressourcen zur Erreichung der Ziele wird vom Beauftragten für das Personalmanagement und das betriebswirtschaftliche Controlling unterstützt.
2.9.4
Systemelement "Interne/externe Forderungen"
Vom Unternehmen werden alle rechtlichen Forderungen im betrieblichen Personalmanagement ermittelt und den betroffenen Betriebseinheiten zugänglich gemacht. Dazu zählen: • • • • • •
EU-Verordnungen und -Richtlinien, nationale Gesetze und Verordnungen, Normen und Richtlinien, interne/externe Kundenforderungen und -spezifikationen, interne Personalrichtlinien, Betriebsvereinbarungen.
Diese Personalvorschriften stehen in direktem Zusammenhang mit den internen/externen Dienstleistungen und Tätigkeiten. Dementsprechend sind die Aufgaben, Verantwortungen und Befugnisse für jede dieser personalrelevanten Tätigkeiten festgelegt. Der Beauftragte für das Personalmanagement führt ein entsprechendes Verzeichnis der Personalvorschriften.
2.9.5
Systemelement "Informationen und Ergebnisse"
Messung, Analyse, Bewertung und Verbesserung sind Schlüsselaktivitäten im Personalmanagementsystem, die sicherstellen, dass das Unternehmen die selbstgestellten Anforderungen an das betriebliche Personalmanagement einhält und die angestrebten Ziele erreicht. Dies beinhaltet für jede Tätigkeit und jeden Prozess die: • • • •
Ermittlung und Festlegung der für die Messung notwendigen Informationen, Spezifizierung der für die Analyse anzuwendenden Verfahren, Definition von Akzeptanzkriterien für die Bewertung, Maßnahmen, die zur Verbesserung bzw. im Fall unbefriedigender Ergebnisse zu ergreifen sind.
Die Ergebnisse der Messungen, Analyse- und Verbesserungsprozesse müssen eine Vorgabe für das Managementreview sein.
Leistungsüberwachung und -messung Das Unternehmen verfügt über ein System zum Messen der maßgeblichen Merkmale eines Prozesses. Die Messergebnisse werden regelmäßig analysiert, um einerseits Erfolgsfaktoren zu ermitteln und andererseits Tätigkeiten und Prozesse festzustellen, die Korrekturmaßnahmen und Verbesserungen benötigen.
2
64
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Die Datenanalyse ermöglicht somit eine Aussage bezüglich der Umsetzung von Plänen, der Erreichung von Zielen und organisatorischer Leistungen. Leistungsinformationen und -daten aus allen Unternehmensteilen werden in die Auswertung einbezogen und dazu benutzt, um die: • • • • •
Wirksamkeit des Personalmanagementsystems, Ergebnisse der internen/externen Kundenzufriedenheit, StabilitätfTendenzen von Prozessen, Effektivität und Effizienz des Unternehmens, finanzielle und marktbezogene Leistungen
zu bestimmen. In die Analyse fließen auch Wettbewerbsaspekte ein.
Kontinuierliche Verbesserungen Die Feststellungen, SChlussfolgerungen und Empfehlungen, die als Ergebnis von Messungen, Audits, etc. erreicht werden, werden dokumentiert und die notwendigen Korrektur-, Vorbeugungsmaßnahmen und Verbesserungsprozesse ermittelt. Verbesserungsmaßnahmen müssen die: • • • • • •
Feststellung der Fehlerhaftigkeit des Prozesses, die internen/externen Kundenbeschwerden, Untersuchung der Fehlerursachen, Aufzeichnung der Untersuchungsergebnisse, Festlegung der erforderlichen Maßnahmen, Erfolgskontrolle
einschließen. Die verantwortlichen Personen müssen die ergriffenen Verbesserungen systematisch verfolgen, um die Wirksamkeit abzusichern.
Dokumentation In Form eines Personalmanagementhandbuches werden die wesentlichen Elemente des Personalmanagementsystems und seiner Wechselwirkungen beschrieben. Eine angemessene Dokumentation unterstützt die Erfüllung der Personalpolitik und die Arbeitsweise des Personalmanagementsystems. Das Personalmanagementhandbuch muss enthalten: • • •
die Personalpolitik und deren Ziele, die Festlegung des Personalmanagementsystems, die Darstellung der Organisationsstruktur.
Kommunikation und Zusammenarbeit Die unternehmensinterne Kommunikation stellt den Informationsfluss sicher und fördert die Zusammenarbeit: • • • •
zwischen zwischen zwischen zwischen
Führungskräften und deren Mitarbeitern, Personen mit beratender Funktion und Beschäftigten, innerbetrieblichen Ausschüssen oder Arbeitskreisen, gleichgestellten Beschäftigten.
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
65
Interne Audits Zur Überprüfung der Wirksamkeit des Personalmanagementsystems sind regelmäßig interne Audits durchzuführen. Das zugehörige Auditprogramm umfasst die: • • • •
Planung der spezifischen Tätigkeiten, Bereiche oder Gegenstände, die zu auditieren sind, Zuweisung von Personal mit der entsprechenden Ausbildung und Erfahrung, Unabhängigkeit der Auditoren, Verantwortlichkeit für die Leitung und Durchführung.
Die Ergebnisse des internen Audits sind zu dokumentieren. Zu den Aufzeichnungen gehören: • • • • •
dem Audit unterzogene Tätigkeiten, Bereiche und Prozesse, gefundene Fehler oder Mängel, Erfüllung der Ziele, Realisierung der Maßnahmen aus der Personalplanung und -entwicklung, Empfehlungen für Verbesserungen.
2.10
Management-Audit und Anforderungen an Auditoren
2.10.1
Einleitung
Unter Managementaudit wird heute die Auditierung einzelner Führungskräfte bzw. von Teams verstanden. Damit steht die Performance einzelner Personen im Vordergrund. Letztlich liegen Verhältnisse wie bei der alten Qualitätsprüfung vor. Nachträglich wird überprüft, ob das Produkt den Qualitätsmaßstäben oder die Führungskraft den Anforderungen und Erwartungen entspricht. Das Managementaudit umfasst jedoch wesentlich mehr, als nur die Überprüfung einzelner Führungskräfte. Es besitzt eine viel breitere Basis im Personalmanagementsystem (PMS). Während ein Audit den aktuellen Ist-Zustand erhebt, gibt ein Managementsystem den Soll-Zustand vor. Aus den Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Zustand ergeben sich dann zu realisierende Maßnahmen. Ohne die Basis eines PMS wird ein Managementaudit immer nur Stückwerk sein. Abbildung 2.13 zeigt den kontinuierlichen Verbesserungsprozess eines Personalmanagementsystems auf. Ein Teilprozess im Personalmanagementsystem ist der kontinuierliche Prozess der Führungskräfteauswahl und -entwicklung (Abb. 2.14). Die Auditierung dieses Managementsystems umfasst: • • •
Systemaudit, performance audit, compliance audit.
Das Personalmanagementsystem gibt die Systemstrukturen vor, die Performance liefert die Leistungen und compliance deckt Fragen zu Verantwortungen, Haftung und Rechtssicherheit ab. Die folgenden Ausführungen basieren auf der Norm ISO 19011 die u.a. als Leitfaden für die Audits von Qualitätsmanagementsystemen dient. Ein Audit stellt ein wichtiges und wirksames Werkzeug der Geschäftsführung dar, um die Eignung des eigenen Personalmanagementsystems regelmäßig zu beurteilen.
2
66
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
1. Verpflichtung und Politik
2. Planung
3. Implementierung
4. Messung und Bewertung
Abb. 2.13: Kontinuierlicher Verbesserungsprozess im Personalmanagementsystem (PMS)
Audits liefern den objektiven Nachweis über vorhandene Schwachstellen, legen Abhilfemaßnahmen fest, überwachen deren Verwirklichung und optimieren somit die Qualität entsprechender Tätigkeiten und Prozesse. Wird das Audit richtig eingesetzt, dient es der Lenkung, der Kontrolle und der Korrektur des Managementsystems und unterstützt den Erfolg eines Unternehmens. Durch das Audit werden Informationen bereitgestellt, auf deren Grundlage ein Unternehmen die Qualität und die Leistung seiner Abläufe verbessern kann. Die Einhaltung gewisser Auditprinzipien ist eine Voraussetzung, um zu relevanten und ausreichenden Auditschlussfolgerungen zu kommen. Diese Prinzipien sollen sicherstellen, dass Auditoren unabhängig von einander unter gleichen Umständen zu gleichen Schlussfolgerungen gelangen. Auditfeststellungen, Auditschlussfolgerungen und Auditberichte spiegeln wahrheitsgemäß und genau die Audittätigkeiten wider. Die Auditoren lassen gemäß der Bedeutung der Aufgabe Sorgfalt walten und erfüllen das in sie gesetzte Vertrauen. Eine wichtige Voraussetzung ist das Vorhandensein der erforderlichen Qualifikation und ihr Urteilsvermögen. Auditnachweise sind verifizierbar. Sie sind die Grundlage um zu zuverlässigen und nachvollziehbaren Auditschlussfolgerungen in einem systematischen Auditprozess zu gelangen. Sie beruhen auf Stichproben der verfügbaren Informationen. Den Auditoren steht das uneingeschränkte Informationsrecht zu. Der sorgfältige Gebrauch von Stichproben ist eng mit dem Vertrauen verbunden, das in die Auditschlussfolgerungen gesetzt werden kann.
67
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
2 1. Kompetenzfelder und Anforderungsprofile "Soll-Zustand"
ermöglicht eine Anpassung der
4. Steuerung und Erfolgskontrolle "Controlling"
liefern die Grundlage für
I
Führungskfäfteeuswahl und -entwicklung
Die notwendige
•
2. Potenzialanalysen und Mitarbeiterbeurteilungen "Ist-Zustand"
Sie ermöglichen die
3. Realisierung von PersonalentwIcklungsmaßnahmen "Maßnahmen"
Abb. 2.14: Prozess der Führungskräfteauswahl und -entwicklung
2.10.2 Auditprogramm Das Unternehmen sollte ein effizientes und wirksames Auditprogramm für sein Personalmanagementsystem besitzen. Dieses Auditprogramm muss die zu auditierenden Tätigkeiten und Bereiche sowie die Ergebnisse früherer Audits berücksichtigen. Ferner sind der Auditumfang, die Audithäufigkeit und die Auditmethoden festzulegen. Die Art und die Anzahl von Audits sind angemessen zu planen und die Ressourcen für die Durchführung zu ermitteln und bereitzustellen. Bei kleineren und mittleren Unternehmen sollte das Auditprogramm im Verhältnis zu den betrieblichen Aktivitäten stehen und den Gegebenheiten angepasst sein. Die Verantwortlichen für das Auditprogramm sind von der Geschäftsleitung bestellt worden und sollen: • • • • •
die Zielsetzung und den Umfang des Auditprogramms festlegen, die Verantwortlichkeiten und Ressourcen benennen, die Umsetzung des Auditprogramms sicherstellen, gewährleisten, dass angemessene Aufzeichnungen zum Auditprogramm geführt werden, das Auditprogramm überwachen, bewerten und verbessern.
Wichtig bei der Gestaltung des Auditprogramms ist es Verbesserungspotenziale zu identifizieren. Um die Planung und die Durchführung von Audits zu ermöglichen, müssen Auditziele festgelegt werden. Diese Ziele können auf folgenden Punkten beruhen: • • • • •
Prioritäten der Unternehmensleitung, Anforderungen des Personalmanagementsystems, Erfüllung von rechtlichen Vorschriften und vertraglichen Anforderungen, Kundenanforderungen und Markterfordernissen, Ermittlung organisatorischer, technischer, personalbezogener Verbesserungspotenziale.
68
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Der Umfang eines Auditprogramms kann variieren und wird durch: • • • • • •
Häufigkeit, Umfang, Ziel und Dauer jedes durchzuführenden Audits, Größe, Art und Komplexität des zu auditierenden Unternehmens, rechtliche und vertragliche Anforderungen, Ergebnisse früherer Audits und Reviews, erhebliche Änderungen in der Aufbau- und Ablauforganisation, bedeutsame Änderungen in den Prozess- und Verfahrensabläufen
beeinflusst. Die Verantwortung für das Auditprogramm sollte einer oder mehreren Personen übertragen werden, die über ein allgemeines Verständnis der Auditprinzipien, der Qualifikation von Auditoren und der Auditmethoden verfügen. Sie sollten über Managementfähigkeiten sowie über ein technisches und wirtschaftliches Verständnis hinsichtlich der zu auditierenden Tätigkeiten verfügen. Die verantwortlichen Personen sollen das Auditprogramm festlegen, verwirklichen, bewerten und verbessern. Für das Auditprogramm haben sie die notwendigen Ressourcen festzulegen und bereitzustellen. Bei der Festlegung von finanziellen und personellen Ressourcen für das Auditprogramm sind folgende Punkte zu berücksichtigen: • • • • •
Planungen, die erforderlich sind, um Audits zu entwickeln, Realisierung und kontinuierliche Verbesserung von Audits, Qualifikation von Auditoren und Auditteamleitern, Dauer und Umfang von Audits, Realisierung von Folgemaßnahmen.
Es sind Aufzeichnungen zu führen, die die Umsetzung des Auditprogramms belegen. Diese Aufzeichnungen berücksichtigen die Zielsetzung, den Umfang, die Verantwortlichkeiten und die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Nachweise liegen in Form von: • • •
Auditplänen und -berichten, Aufzeichnungen zu Folgemaßnahmen und Qualifikationen der Auditoren
vor. Die Umsetzung des Auditprogramms sollte überwacht und in angemessenen Abständen bewertet werden. Es ist abzuschätzen ob die Ziele erreicht wurden und welche Möglichkeiten für eine Verbesserung existieren. Die Bewertung sollte mit Hilfe von Leistungsindikatoren vorgenommen werden, die z.B. Folgendes messen: • • •
die Kenntnisse und Fähigkeiten des Auditors bzw. des Auditteams, den Auditplan zu verwirklichen, Übereinstimmung mit den Planungen, Zeit und Aufwand die benötigt werden, um Korrekturmaßnahmen zum Auditprogramm abzuschließen.
Ergebnisse der Bewertung von Auditprogrammen können zu Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen und zur Verbesserung des Auditprogramms führen.
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
69
2.10.3 Auditdurchführung
2
Für die Durchführung eines Audits sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. Die zu auditierenden Standorte, Abteilungen, Tätigkeiten und Prozesse sind zu benennen. Die notwendigen Auditkriterien werden als Referenz verwendet und umfassen Rechtsvorschriften, Normen, innerbetriebliche Anforderungen etc. Abbildung 2.15 zeigt einen Prozessablauf zur Durchführung eines Audits.
Veranlassen des Audits • • • •
AudllZlele festlegen Durchführbarkeit prüfen Benennung des Auditteams Kontaktaufnahme
~
Vorbereitung auf die Audittätigkeit vor Ort • Prüfung der Dokumentation • Erstellung des Auditplans • Aufgabenverteilung im Auditteam
~
Audittätigkeit vor Ort • • • • •
Eröffnungsbesprechung Informationsaustausch während des Audits Erfassung und Verlflzlerung von Informationen Auditfeststellungen Abschlussbesprechung
~ Auditbericht
! Korrekturmaßnahmen
Abb. 2.15: Prozessablauf zur Durchführung eines Audits
Veranlassen des Audits Für jedes Audit sind im Vorfeld Ziele festzulegen, die mit dem Audit verfolgt werden. Beispiele für Ziele sind: • • •
Prüfung der lIbereinstimmung des Personalmanagementsystems mit externen und internen Vorgaben, Beurteilung der Eignung des Personalmanagementsystems zur Erreichung von Zielen, Festlegen von Möglichkeiten zur Verbesserung des Personalmanagementsystems.
70
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Der Auditleiter prüft die Durchführbarkeit des Audits unter Berücksichtigung folgender Faktoren: • • •
Sind ausreichend Informationen für die Planung und Durchführung des Audits vorhanden? Ist die Bereitschaft der zu auditierenden Bereiche vorhanden? Sind Zeit und notwendige Ressourcen vorhanden?
Die Zusammenstellung des Auditteams hängt von den zu auditierenden Tätigkeiten und Bereiche ab. Bei der Auswahl der Teammitglieder sind folgende Aspekte zu berücksichtigen: • • • •
Ziele, Umfang, Kriterien und Dauer des Audits, notwendige Gesamtqualifikation des Auditteams, Unabhängigkeit des Auditteams von den zu auditierenden Bereichen, Kooperationsfähigkeit des Auditteams.
Nachdem das Auditteam zusammengestellt ist, erfolgt der erste Kontakt mit dem zu auditierenden Bereich. Dieser kann formell oder informell sein und sollte vom Auditleiter hergestellt werden. Zweck des ersten Kontakts ist es Informationen über Terminplanung und Zusammensetzung des Auditteams zu geben, Zugang zu relevanten Dokumenten und Aufzeichnungen zu erhalten sowie Vorbereitungen für das Audit zu treffen.
Vorbereitung auf die Audittätigkeit vor Ort Vor der Auditierung von Prozessen und Abläufen sind die gültigen Dokumentationen zu prüfen. Dadurch informieren sich die Auditoren über die Abläufe im jeweiligen Bereich. Im Vorfeld wird die Übereinstimmung der Dokumentation mit dem Personalmanagementsystem sichergestellt. Zur Dokumentation gehören in der Regel: • • • •
Handbücher, Prozess- und Verfahrensanweisungen, Rechtsvorschriften (Gesetze, Verordnungen), Nachweisdokumente (Aufzeichnungen, Betriebsvereinbarungen, Verträge).
Der Auditleiter erstellt einen Auditplan für die durchzuführenden Audittätigkeiten. Der Auditplan sollte ausreichend flexibel sein, um Änderungswünsche der zu auditierenden Bereiche berücksichtigen zu können. Der Auditplan enthält folgende Punkte: • • • • • •
Auditziele, Auditkriterien und relevante Bezugsdokumente, Auditumfang (Ort, Bereiche, Abteilungen, Prozesse, Tätigkeiten), Termine und Dauer der Audittätigkeiten, benötigte Ressourcen und Unterlagen von Seiten der zu auditierenden Bereiche, Vertreter der zu auditierenden Bereiche für das Audit.
Audittätigkeiten vor Ort Die Eröffnungsbesprechung findet stets mit der Leitung der zu auditierenden Bereiche statt. Es werden folgende Punkte behandelt: • • •
Vorstellung der Teilnehmer und ihrer Aufgaben, Besprechung des Auditplans, kurze Beschreibung des Auditablaufs,
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
• •
71
Berücksichtigung möglicher Änderungswünsche der Bereiche, Berücksichtigung vertraulicher Informationen.
Das Auditteam sollte sich in regelmäßigen Abständen während des Audits treffen, um Informationen auszutauschen, den Fortschritt des Audits zu bewerten und möglicherweise Änderungen in der Aufgabenverteilung vorzunehmen. Der Auditleiter ist Ansprechpartner für die Mitteilung der Audit(zwischen)ergebnisse an die Leitung des Bereichs. Ergeben die Auditfeststellungen ein Nichterreichen der Auditziele ist es Aufgabe des Auditleiters die weitere Vorgehensweise mit der Leitung des Bereichs abzustimmen. Dies kann von einer Änderung des Auditplans bis hin zum Abbruch des Audits reichen. Methoden zur Erfassung von Informationen während des Audits sind: • • • • •
Befragung der Mitarbeiter aller Hierarchieebenen, Beobachtung von Umsetzungstätigkeiten innerhalb der Prozesse und Abläufe, Erfassung der Arbeitsumgebung und -bedingungen, Erhebung von Dokumenten wie Besprechungsprotokollen, Auditberichten, etc., Erstellung von Aufzeichnungen.
Die Befragung der Mitarbeiter steht im Mittelpunkt der Informationserfassung. Gespräche sind so zu führen, dass sie an die jeweilige Situation angepasst und frei sind. Die Informationen aus einem Audit werden den Auditkriterien gegenübergestellt und bewertet. Auditfeststellungen ergeben entweder eine Konformität oder eine Abweichung von den Auditkriterien. Ziel ist das Aufzeigen und Umsetzen von Verbesserungspotenzialen in den auditierten Prozessen. Die Feststellungen zu einem Audit sind zusammenfassend zu dokumentieren. Die Zusammenfassung erfolgt unter Einbeziehung aller Auditoren eines Auditteams. Positive Feststellungen werden ebenfalls aufgeführt. Abweichungen aus einem Audit sind bzgl. ihrer Bedeutung zu priorisieren. Feststellungen zu Abweichungen sind mit dem Leiter des auditierten Bereichs zu besprechen. Dadurch werden eine höhere Akzeptanz und ein besseres Verständnis für die Feststellungen erreicht. Der Auditleiter hat die Pflicht festgestellte Abweichungen der Geschäftsleitung mitzuteilen. Ziel der Abschlussbesprechung ist es, Feststellungen und Schlussfolgerungen aus dem Audit so darzulegen, dass sie von den auditierten Bereichen akzeptiert werden. Auf dieser Grundlage ist auf mögliche Korrektur- und Vorbeugemaßnahmen einzugehen. Verantwortlich für die Umsetzung entsprechender Maßnahmen ist der Prozessverantwortliche des entsprechenden Bereiches.
Auditbericht Der Auditbericht wird unter der Leitung des Auditleiters erstellt. Er ist für die Genauigkeit und Vollständigkeit des Berichts verantwortlich. Eine knappe und präzise Form ist anzustreben. Vollständigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit dürfen darunter aber nicht leiden. Der Empfängerkreis ist auf die Unternehmensleitung und diejenigen zu beschränken, die die Maßnahmen betreffen oder informiert sein müssen. Der Auditbericht enthält mindestens: • • • • •
Auftraggeber, Auditziele und -umfang, Auditleiter und -team, Auditkriterien und -feststellungen, Schlussfolgerungen und Maßnahmen.
2
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2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Korrekturmaßnahmen Wenn kritische Abweichungen festgestellt werden, sind unverzüglich Korrekturmaßnahmen einzuleiten. Der beurteilte Bereich muss innerhalb der vereinbarten Zeit zum Auditbericht und den vorgeschlagenen Korrekturmaßnahmen Stellung beziehen. Er muss den Zeitraum für die Umsetzung der Korrekturmaßnahmen angeben. Es ist die Aufgabe des Auditleiters die termingerechte Umsetzung der Korrekturmaßnahmen in Form eines nachfolgenden Audits zu überwachen.
2.10.4 Qualifikation der Auditoren Damit die Aufgabe eines Auditors bzw. Auditleiters erfüllt werden kann, sind gewisse Qualifikationen erforderlich. Es muss gewährleistet sein, dass Auditoren gewisse persönliche Eigenschaften aufweisen und entsprechende Führungskompetenzen besitzen. Dann verfügen sie über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, um Audits erfolgreich durchzuführen. Ausbildung, Arbeitserfahrung, Auditorenschulung und Auditerfahrung sind die Mittel, mit denen eine Person die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben kann, um Auditor zu werden. Die persönlichen Eigenschaften sind von grundlegender Bedeutung. Der Auditor sollte aufgeschlossen sein, die nötige persönliche Reife, ein gesundes Urteilsvermögen sowie analytische Fähigkeiten besitzen und über Beharrlichkeit verfügen.
Kenntnisse und Fähigkeiten Um Managementaudits durchführen zu können, müssen Auditoren über grundlegende Kenntnisse und Fähigkeiten auf den folgenden Gebieten verfügen: • • •
Auditprinzipien, -verfahren und -techniken, Managementsysteme und Organisationsstrukturen, spezifische Fähigkeiten im Managementaudit.
Damit soll sichergestellt werden, dass Audits in konsequenter und systematischer Weise durchgeführt werden. Der Auditor sollte vor allem in der Lage sein: • • • • • • •
Auditprinzipien, -verfahren und -techniken anzuwenden, Audits sorgfältig zu planen, zu organisieren und wirkungsvoll durchzuführen, Prioritäten für die wesentlichen Angelegenheiten zu setzen, Informationen durch Befragen, Beobachten und Auswerten von Dokumenten zu erfassen, die Korrektheit von erfassten Informationen zu verifizieren, die Angemessenheit und Eignung der Auditnachweise zur Unterstützung von Auditfeststellungen und -schlussfolgerungen zu bestätigen, Auditberichte zu erstellen.
Um den Auditumfang zu verstehen und Auditkriterien anzuwenden zu können, sind Kenntnisse über die Funktionsweise von Managementsystemen notwendig. Dazu gehören insbesondere: • • •
die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Bestandteilen des Managementsystems zu verstehen, Kenntnis über Normen von Managementsystemen zu besitzen, Managementsysteme in verschiedenen Wirtschaftszweigen anwenden zu können.
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2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
Kenntnisse der Organisationsstrukturen sind notwendig, um die innerbetrieblichen Abläufe zu verstehen. Dazu gehören Kenntnisse über: • • •
Größe, Aufbau, Funktionsbereiche und Beziehungen im Unternehmen, Struktur der Aufbau- und Ablauforganisation und allgemeine Geschäftsprozesse, kulturelle und soziale Gepflogenheiten des auditierten Unternehmens.
Zusätzlich zu den allgemeinen Kenntnissen und Fähigkeiten müssen Auditoren über spezifisches Wissen verfügen. Sie müssen innerhalb der vier Kompetenzfelder • • • •
personale Kompetenzen, Führungskompetenzen, Methodenkompetenzen und unternehmerische Kompetenzen
verschiedene Methoden und Techniken beherrschen. Nur dann sind sie in der Lage im Personalmanagementsystem Feststellungen und Schlussfolgerungen zu treffen. Dies betrifft sowohl: • • •
das Managementsystem, den Compliance-Teil als auch die Performance zur Leistungsbeurteilung.
Bewerlungsbereiche Berufsausbildung
Berufserfahrung
Personalmanagement
Bewerlungskriterien
·· ·· · ·· ·•
Lehre Studium
Aufgaben Kenntnisse methodische Qualifikationen Arbeitsergebnisse Weiterbildung Führungspositionen Unternehmen
Bewertungsmethoden
··• · ·· ·· ·
Zeugnis Dauer Abschluss Bewertung der Fach-/ Projekt-lFührungsaufgabe Leistungsbeurteilungen Schulungen, Prüfungen Veranlwortungsbereiche Dauer der Zugehörigkeit Arbeitszeugnisse
Kenntnisse/Erfahrungen in Personalmarketing Vertragsgestaltung VergOtungsregelungen Arbeitszeitmanagement Berufsausbildung PersonalfOhrung Arbeitsrecht Führungskräfte Mitarbeiterinformation
• • • •
Arbeitsunterlagen Berufserfahrung Lehrgange Prüfungen
•
•
Lehrgange Prüfungen Beurteilungsgespräche Kundenumfragen Begleitung bei Audits
• • • • • • • • •
Auditerfahrungen
Abb. 2.16: Bewertung von Auditoren
·• ·
Auditprinzipien Auditprogramme Auditverfahren Auditdurchführung
·• ··
2
2 Potenziale und Mitarbeiterqualifikation
74
Ausbildung und Bewertung von Auditoren Der Auditor benötigt eine entsprechende Berufsausbildung. Er muss 5 Jahre Berufserfahrung in einer leitenden Funktion gesammelt haben, wobei Urteilsvermögen, Problemlösungen und Kommunikation mit anderem Leitungspersonal oder Kunden erforderlich sind. Auditoren müssen sich einer mindestens 40-stündigen Auditorenschulung unterziehen, die zur Entwicklung der notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten beiträgt. Die Schulung kann durch das eigene Unternehmen oder durch externe Organisationen erfolgen und ist nachzuweisen. Auditoren müssen Auditerfahrung bei verschiedenen Audittätigkeiten gesammelt haben. Dazu sind für einen Auditor 4 vollständige Audits und mindestens 20 Tage Auditerfahrung notwendig. Die Audits sind innerhalb von 3 Jahren abzuschließen. Die Qualifikation von Auditoren ist einer regelmäßigen Bewertung zu unterziehen. Der Bewertungsumfang hängt von der Komplexität der Aufgabe ab. Um eine Bewertung vornehmen zu können, sind entsprechende Bewertungsbereiche, -kriterien und -methoden festzulegen. In Abbildung 2.16 ist eine mögliche Bewertung von Auditoren zusammengestellt. Für den Auditleiter sind mindestens drei weitere Audits und mindestens 15 Tage Auditerfahrung als Auditleiter erforderlich. Die Audits sind innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Auditoren müssen ihre ständige fachliche Entwicklung nachweisen können und regelmäßig Audits durchführen. Nur so können Sie ihre Fähigkeiten zum Auditieren von Personalmanagementsystemen aufrechterhalten.
2.11
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78
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
unterziehen sind. Eine zukunftsorientierte Personalentwicklung (Abb. 3.1) erfasst daher sowohl die personalen, sozialen, methodischen und fachlichen Qualifikationen des Mitarbeiters und entwickelt sie systematisch weiter. Die einzelnen Personalentwicklungsmaßnahmen müssen in ihrer Realisierung • • • •
theoretisch-fachliche, methodisch-didaktische, sozial-interaktive und personale
Komponenten umfassen. Persönlichkeitseigenschaften und soziale Kompetenzen ändern sich zeitlich viel weniger als methodische und fachliche Kompetenzen. Mit einem qualifizierten methodischdidaktischen Konzept bietet die Weiterentwicklung von personalen und sozialen Kompetenzen eine hervorragende Basis für die berufliche Entwicklung. So lassen sich die Kompetenzen für eine Führungskraft anhand von vier Bausteinen entwickeln. Unterlagen zum Selbststudium liefern das notwendige theoretische Fachwissen zu Führungsaufgaben. In einem praxisorientierten Prozesstraining lassen sich personenzentrierte Verhaltensweisen beobachten, trainieren und entwickeln. Regelmäßige Qualifizierungs- und Entwicklungsgespräche können die Entwicklungsprozesse begleiten. Umgesetzt werden die gewonnenen Erkenntnisse in einem zielgerichteten Transfer durch Projekt- und Praxisarbeiten.
3.2
Zielvereinbarungen
3.2.1
Führen durch Zielvereinbarungen
Führen durch Zielvereinbarungen (Management by objectives) ist ein Managementkonzept, bei dem Führungskraft und Mitarbeiter in einem partnerschaftlichen Gespräch für einen bestimmten Zeitraum gemeinsame Ziele vereinbaren. Es werden der personenbezogene Verantwortungs- und Kompetenzbereich und die zur Verfügung stehenden Ressourcen festgelegt. Auf dieser Basis können die Leistungsbeiträge der einzelnen Mitarbeiter bewertet und verglichen werden. Führen durch Zielvereinbarungen fordert und fördert das Leistungsverhalten. Die Ziele sind klar, jedoch entscheiden die Mitarbeiter selbstständig über den Realisierungsweg. Durch klare Zielvereinbarungen können die Mitarbeiter den Erfüllungsgrad der Aufgabe und ihren eigenen Leistungsstand besser selbst bewerten. Sie sind in der Lage Zielabweichungen frühzeitig zu erkennen, Möglichkeiten zur Selbststeuerung zu realisieren und geeignete Maßnahmen zur Korrektur einzuleiten. Da Ziele nicht nur auf der Individualebene sondern auch auf Abteilungs- und Unternehmensebene existieren, müssen sich die innerbetriebliche Kommunikation und das Kooperationsverhalten zur Zielerreichung verbessern. Die Hauptaufgabe von Zielvereinbarungen besteht in der Bündelung der einzelnen Mitarbeiterkräfte einer Organisation auf gemeinsame Unternehmensziele, so dass diese zur Optimierung der Unternehmensleistung beitragen. Das konsequente Festlegen von Zielen soll Arbeits- und Planungsvorgänge verbessern und die Mitarbeiter durch mehr Selbstständigkeit motivieren, den Wirkungsgrad ihrer eigenen Arbeit durch Vergrößerung der individuellen Entscheidungsspielräume zu erhöhen. Das Zielsystem in einem Unternehmen besteht aus mehreren Stufen einer Zielkaskade. Ausgehend von der Unternehmensspitze werden die Ziele auf die nachgeordneten Abteilungen bis hin zum Mitarbeiter aufgebrochen. Mit zunehmender Entfernung von der Spitze der Zielhierarchie werden die Ziele immer detaillierter. Strategische Unternehmensziele enthalten meistens Zielvorgaben von langfristiger Dauer für die nächsten Jahre. Die sich auf der untersten Ebene ergebenden operativen Ziele sind von kurzfristiger Dauer und umfassen maximal ein Jahr.
79
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
Das Phasenmodell der Zielvereinbarung besteht aus vier Schritten (Abb. 3.2). In einem Zielvereinbarungsgespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter werden die Ziele gemeinsam besprochen und festgelegt. Der Weg für die Zielerreichung sollte dem Mitarbeiter überlassen sein. Die Führungskraft hat hier eine mehr überwachende und steuernde Funktion. Nach Abschluss der Aufgabe führt die Führungskraft eine Leistungsbeurteilung bzgl. der Zielerreichung durch und erläutert ihre Bewertung in einem entsprechenden Mitarbeitergespräch.
1. Zielentwicklung
2. Zielvereinbarungsgespräch
Zielvereinbarung
4. Leistungsbeurteilung der Zielerreichung
Abb. 3.2: Phasenmodell der Zielvereinbarung
3.2.2
Zielentwicklung mittels Balanced Scorecard
Ein Strategieinstrument und Hilfsmittel zur Entwicklung von Zielen im Unternehmen ist die Balanced Scorecard. Sie wurde ursprünglich als Methode des finanzwirtschaftlichen Controllings entwickelt. Sie ist jedoch auch ein Instrument zur zukunftsorientierten Unternehmensführung. In diesem Bereich wird die Balanced Scorecard als spezielle Methode zur Konkretisierung der Unternehmensziele genutzt. Zusätzlich können mit ihr Messkriterien für die Zielerreichung festgelegt werden. Die vier Perspektiven • • • •
Finanzen, Kunden, Prozesse und Mitarbeiter
können bei Bedarf natürlich auch durch andere Unternehmensstrategien (z.B. Umwelt) ergänzt werden. Mit Hilfe dieser vier Kernperspektiven ist es vorrangiges Ziel, die Aktivitäten des Unternehmens auf einer übergeordneten Ebene zu analysieren und zukunftsorientiert auszurichten. Die Reduzierung auf diese wenigen Kernperspektiven fokussiert den Blick auf das Wesentliche. Mit Hilfe der Balanced Scorecard legt die Unternehmensleitung den Stellenwert der einzelnen
3
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
80
Perspektiven für die Unternehmensentwicklung in einem bestimmten Zeitraum fest. Mit ihr gibt sich ein Unternehmen und seinen Mitarbeitern einen überschaubaren Zeitraum von 1 - 3 Jahren, um sich bei Entscheidungen an den entsprechenden Zielen orientieren zu können. Aus den Kernperspektiven werden im zweiten Teil der Balanced Scorecard unternehmensstrategische Ziele herausgearbeitet. Dazu gehört u.a. die Angabe von gewünschten Sollzuständen. Zusätzlich können in diesem Teil auch Verantwortlichkeiten und Terminübersichten erstellt werden. Damit die Erreichung von Zielen auch überprüft werden kann, werden im dritten Teil der Balanced Scorecard Aussagen zu den Messkriterien einzelner Punkte getroffen. Anhand dieser Kriterien können die Unternehmensleitung und die jeweilige Führungskraft den Grad der Zielerreichung ermitteln. Damit ist auch ein entsprechendes Zielcontrolling möglich. Im vierten Teil der Balanced Scorecard werden operative Ziele mit quantitativen Kennwerten, Terminen und Meilensteinen, die zur Erreichung bestimmter Unternehmensziele erforderlich sind, aufgestellt. Damit erhält das Unternehmen ein übersichtliches Planungs- und Controllinginstrument für alle Führungskräfte. In Abbildung 3.3 ist eine Balanced Scorecard in vereinfachter Form exemplarisch dargestellt.
Kernperspektiven
Strategische Ziele
Finanzen
0
Kunden
0
0
Prozesse
0
0
Mitarbeiter
0
Gleichgewichtiger Anteil aller Geschäftsfeider am wirtschaftlichen Untemehmenserlolg Verstärkte Akquisition von Folgeaufträgen Marktorientierung nach Unternehmensgrößen und Regionen Entwicklung/Ergänzung neuer Dienstleistungen in allen Geschäftsfeldern Verbesserung der Dienstleistungsqualitat Mitarbeiter als eigenverantwortliche Mitunternehmer
Messkriterien
0 0
0 0
0 0
0 0
Umsatzanteil Umsatzrendite
Umsatz Folgeauftrage Anzahl neuer Kunden
Stärken-Schwachen-Portfolio Qualitätskriterien
Mitarbeiterzufriedenheit Lempotenzial
Operative Ziele
0
0
0
0
Erhöhung des Umsatzanteils im Geschäftssegment ,Personal" um 10 %/Jahr
Erhöhung der Anzahl neuer Kunden um 15 %/Jahr
Verbesserung der Kundenbewertungen/ -zufriedenheit um 5o/JJahr Erhöhung der Mitarbeiterqualifikation durch mindestens 5 SchulungstageiJahr
Abb. 3.3: Balanced Scorecard eines Dienstleistungsunternehmens
Ein wichtiger Prozess, der mit einer Balanced Scorecard korrespondieren muss, ist die Vereinbarung von Individualzielen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Dabei muss jede Abteilung ihren Beitrag zur Erreichung der Unternehmensziele selbst herleiten. Der Führungskraft und dem Mitarbeiter werden dadurch die Wichtigkeit der Zielvereinbarungen zur Sicherung und Entwicklung des Unternehmens verdeutlicht.
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
3.2.3
81
Zielvereinbarungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter
Zielvereinbarungen sind Abkommen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. Vorraussetzung für eine effektive Vereinbarung ist eine widerspruchsfreie und verständliche Beschreibung der angestrebten Ziele. Nur dann ist eine grundlegende Basis für die Zielerfüllung und die sich anschließende Leistungsbeurteilung gegeben. Dazu müssen in der Zielvereinbarung mehrere notwendige Punkte enthalten sein: • • • •
Beschreibung des Ziels als zu erreichender Sollzustand, Messkriterien zur Ergebnisbewertung, Durchführungsplan mit Teilzielen, Terminen und Prioritäten, Rahmenbedingungen und Ressourcen.
Zielvereinbarungen sollten in einem partnerschaftlichen Dialog zwischen Führungskraft und Mitarbeiter getroffen werden, jedoch ist ein Mindestmaß an Vorgaben notwendig. Letztlich trägt die Führungskraft immer die Verantwortung für die Zielerreichung. So muss sie herausfinden und entscheiden, ob der Mitarbeiter der übertragenen Aufgabe gewachsen oder über- bzw. unterfordert ist. Ziele sollten herausfordernd aber nicht unerfüllbar sein. Sie sind ein nicht zu unterschätzender Motivationsfaktor für die Leistungsvereinbarung mit dem Mitarbeiter. Unterforderte Mitarbeiter haben normalerweise keine herausragenden Erfolgserlebnisse und sind nicht in der Lage ihre Kompetenzen auszuschöpfen. Umgekehrt führt eine Überforderung des Mitarbeiters ebenfalls zur Demotivation, da seine Anstrengungen nicht von Erfolg gekrönt sind. Zusätzlich handelt sich die Führungskraft ein anderes Problem ein. Da das Ziel mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht erreicht wird, muss sie selber aktiv werden und erfährt dadurch keine persönliche Entlastung. Die Führungskraft muss den Prozess der Zielvereinbarung aktiv gestalten. Sie hat die Macht Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten zu übertragen. Sie legt die Rahmenbedingungen fest und fungiert als Prozessbegleiter. Als Beschreibung eines zu erreichenden Sollzustandes müssen Ziele Vorgaben enthalten, die einen Vergleich des Arbeitsfortschritts ermöglichen. Die Messbarkeit von Zielen ist daher von elementarer Bedeutung. Denn nur dann lassen sich der Grad der Zielerreichung und damit die Qualität des Ergebnisses messen. Zur Zielvereinbarung gehören immer Termine z.B. in Form von Start- und Endterminen. Zwischentermine und Meilensteingespräche erleichtern die Kontrolle durch die Führungskraft und ermöglichen eine Selbstkontrolle seitens des Mitarbeiters. Der Mitarbeiter liefert einen Statusbericht über die bisher erfolgten Arbeiten und eingeschlagenen Wege. Zwischengespräche können auch genutzt werden, um Probleme zu diskutieren und/oder Korrekturschritte einzuleiten. Eine kompetente Betreuung und Beratung seitens der Führungskraft beinhaltet eine StärkenSchwächen-Analyse und zeigt entsprechende Auswirkungen auf. Über die Terminvereinbarungen kann auch eine Steuerung der Prioritäten erfolgen. Aufgrund von Änderungen im Umfeld kann es auch notwendig sein, bereits getroffene Zielvereinbarungen zu korrigieren. Mit der Zielvereinbarung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sollten auch Kriterien für die Leistungsbeurteilung nach Abschluss der Aufgaben festgelegt werden. Dies objektiviert die Diskussion bzgl. der Zielerreichung. Leistungsfaktoren die hier eine Rolle spielen können sind: • • • •
Zeit: Wie war die Termintreue? Methoden: Wie war die persönliche Arbeitsorganisation? Wirtschaftlichkeit: Wie wurden die zur Verfügung stehenden Ressourcen genutzt? Arbeitsleistung: Wie gut (Qualität) und in welchem Umfang (Quantität) wurde das Ziel erreicht?
3
82
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
Zielvereinbarungen lassen sich gut in ein Mitarbeiterjahresgespräch integrieren. Hier wird ein Rückblick über die vergangene Periode vorgenommen und die dort erzielten Ergebnisse werden beleuchtet. Im weiteren Gesprächsverlauf werden die neuen Aufgaben und Ziele für das Folgejahr diskutiert. Anhand der Beurteilung lässt sich der Förderungsbedarf hinsichtlich Kompetenzentwicklung planen. Von Zielvereinbarungen zu unterscheiden ist die kurzfristige Erteilung von Einzelaufträgen. Es ist jedoch nach ähnlichen Grundsätzen zu verfahren: • • • •
Das angestrebte Ziel des Einzelauftrages ist zu benennen. Der Arbeitsumfang und die zu beachtenden Rahmenbedingungen sind zu beschreiben. Verantwortungen und Zuständigkeiten sind zu klären. Prioritäten, Dringlichkeiten und Termine im Vergleich zu anderen Aufgaben sind zu erläutern.
Über den Weg zur Erledigung des Einzelauftrages entscheidet auch hier der Mitarbeiter. Wenn notwendig gibt die Führungskraft Unterstützung. Fallweise nimmt sie das Arbeitsergebnis ab und bewertet die erzielte Leistung.
3.2.4
Leistungsbeurteilung der Zielerreichung
Überprüfung und Kontrolle der vereinbarten Ziele sind unverzichtbare Bestandteile zur Beurteilung von Leistungen. Nur mit Hilfe von Kontrollen sind Soll-1st-Vergleiche und Steuerungsmaßnahmen möglich. Vielfach werden Kontrollen als negativ empfunden, Anerkennung dagegen als positiv. Es ist zentrale Aufgabe der Führungskraft offen und ehrlich mit diesem Thema umzugehen. Mangelnde Kontrolltätigkeit ist immer ein Zeichen von Führungsschwäche. Potenziellen Auseinandersetzungen wird aus dem Weg gegangen. Mitarbeiter erkennen dieses Verhalten sehr schnell und stufen ihre Führungskraft entsprechend ein. Damit ist nicht eine permanente Überprüfung der Mitarbeiter gemeint. Vielmehr wird eine der Arbeitssituation angemessene Kontrolle verlangt. Offen praktizierte Kontrolle verbunden mit einer entsprechenden Kommunikation kann sogar das Vertrauensverhältnis zum Mitarbeiter stärken. Dem Mitarbeiter ist das Gefühl einer sachgerechten Kontrolle zu vermitteln. Die Führungskraft wird als gerecht anerkannt und gewinnt somit Führungsautorität. Überprüfungen sind immer in Gegenwart des Mitarbeiters durchzuführen. Ablauf- oder Ergebniskontrollen konzentrieren sich im Wesentlichen auf Arbeitsabläufe und das -verhalten des Mitarbeiters. Ziel ist die Überprüfung der bisher erbrachten Leistung (Ist) bezogen auf das erwartete Arbeitsergebnis (Soll). Wichtige Erkenntnisse im Sinne von positiver oder negativer Abweichung werden festgehalten und begründet. Kontrollen sind umso häufiger durchzuführen, je größer das Risiko einer Zielabweichung ist. Umgekehrt reduziert sich die Kontrollhäufigkeit, je höher die fachliche Qualifikation des Mitarbeiters ist. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten müssen die durch die Überprüfungen entstehenden Kosten in einem vernünftigen Verhältnis zum ökonomischen Nutzen stehen. Während Führungskräfte eine Kontrollpflicht haben, haben Mitarbeiter ein Recht auf Rückmeldungen. Dies sind bewertende Stellungnahmen gegenüber den Mitarbeitern. Ihnen wird die Auswertung der Ergebnisse aus den stattgefundenen Kontrollen näher erläutert und ob diese zur Erreichung der Ziele positiv oder negativ beigetragen haben. Es erfolgt eine gemeinsame Analyse der Ist-Zustände im Hinblick auf die vereinbarten Soll-Zustände und eine Bewertung der sich ergebenden Konsequenzen. Somit kann der Mitarbeiter seine eigene Leistung beurteilen und gegebenenfalls Korrekturen einleiten.
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
83
Feedback In der zwischenmenschlichen Kommunikation ist es unabdingbar dem einzelnen Mitarbeiter Feedback für die geleistete Arbeit zu geben. Nur so ist es möglich positive Impulse zu verstärken und kritische Entwicklungen zu korrigieren. Leider ist es sehr oft der Fall, positives Feedback sträflich zu vernachlässigen und sich überwiegend auf kritische Punkte zu konzentrieren. Positives Feedback dient nicht nur der Mitarbeiterinformation und der Würdigung seiner Leistung, sondern steigert auch seine Motivation und das Engagement. Indikatoren für ein positives Feedback sind dann gegeben, wenn vereinbarte Leistungen übertroffen und überdurchschnittliche Anstrengungen erbracht wurden. Einzelne Ergebnisse bestätigen eine erhöhte Leistungsbereitschaft des Mitarbeiters. Die positive Rückmeldung erhöht das Selbstwertgefühl und steigert die Freude an der Arbeit. Die Führungskraft drückt damit ihre persönliche Anerkennung für die geleistete Arbeit aus. Kritisches Feedback ist im Falle einer Unterschreitung der Ergebnisse hinsichtlich Qualität oder Quantität angebracht. Weitere Indikatoren sind Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten und fachliche/methodische Mängel im Arbeitsprozess, die das geforderte Arbeitsergebnis gefährden. Hier dient das Feedback der Beseitigung von Mängeln oder der Behebung von Fehlern. Dem Mitarbeiter werden Informationen zur Verhinderung einer zukünftigen Wiederholung des Fehlers gegeben. Positives und kritisches Feedback sind möglichst nahe am Zeitpunkt des Anlasses zu geben. Tritt das Feedback innerhalb der vom Mitarbeiter erwarteten Zeit ein, ist eine positive Auswirkung auf die Motivation und das Einsatzverhalten zu erwarten. Verspätetes Feedback führt meistens zu keiner Verbesserung der Motivation. Es ist vielmehr eine kritische Distanzierung zur Führungskraft und eine Abnahme des Einsatzverhaltens zu erwarten. Wird das erwartete Feedback dann zu einem späteren Zeitraum gegeben, kann der "Führungsfehler" wenigstens teilweise wieder ausgeglichen werden. Positive und kritische Rückmeldungen sind die beiden Extrempunkte des zu gebenden Feedbacks.
Oft sind in der Summe wertneutrale Rückmeldungen vorzufinden. Bezogen auf eine bestimmte
Arbeitssituation ergeben sich überwiegend positive aber auch (vereinzelte) kritische Beiträge. Es ist eine Führungskunst, hier ein angemessenes Verhältnis zu finden.
3.3
Die Mitarbeiterbewertung
Wenn wir mit Menschen zusammentreffen, machen wir uns gefühlsmäßig ein Bild vom Anderen. Diese Bewertung und das damit verbundene Urteil geschehen mehr oder minder unbewusst. Auch Führungskräfte unterliegen der Gefahr, sich vorschnell ein Urteil über ihre Mitarbeiter zu bilden. Ohne genügende fachliche und methodische Erfahrungen in der Mitarbeiterbewertung kann daraus jedoch sehr schnell ein Vorurteil werden. Jeder einzelne Schritt im Bewertungsprozess ist subjektiv gefärbt. So muss damit gerechnet werden, dass verschiedene Führungskräfte bei der Bewertung eines Mitarbeiters zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, da sie die zu bewertende Situation aufgrund ihrer persönlichen Entwicklung und Erfahrung unterschiedlich wahrnehmen und einschätzen. Unterschiede sind auch aus der Bewertungsperspektive zu erwarten. In der Rolle des Beobachters wird die Situation anders wahrgenommen, als in der Rolle des Ausführenden. Damit sind unterschiedliche Sichtweisen, Ansichten und Wertungsmaßstäbe gegeben.
3
84
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
Im Zusammenhang mit einer Mitarbeiterbewertung muss daher von unterschiedlichen Standpunkten und Sichtweisen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ausgegangen werden. Im Bewertungsgespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sind die unterschiedlichen Sichtweisen zwischen Selbstbild und Fremdbild zu klären und es ist möglichen Missverständnissen und Konflikten vorzubeugen. In einem Unternehmen hat die Mitarbeiterbewertung einen wichtigen Stellenwert. Sie muss ein möglichst objektives und aussagekräftiges Bild bzgl. der Mitarbeiterleistungen liefern. Dann bietet sie eine gute Grundlage für den Personaleinsatz, die Mitarbeiterführung und die Durchführung von Personalentwicklungsmaßnahmen. Sie ist daher eines der wichtigsten Führungsinstrumente. Grundlage für die Mitarbeiterbewertung sind ein Anforderungsprofil für den Arbeitsplatz und jährliche Zielvereinbarungen. Sie erlauben es den Mitarbeiter entsprechend seiner Qualifikation einzusetzen und zu bewerten. Arbeitsverhalten, -ergebnisse und persönliches Verhalten müssen der Führungskraft in einem Soll-1st-Vergleich Entscheidungsgrundlagen liefern. Formale Bewertungskriterien erlauben eine standardisierte Bewertung verschiedener Mitarbeiter und interpersonellen Vergleich. Der Mitarbeiter sollte auf einer regelmäßigen Bewertung durch seine Führungskraft bestehen. Nur dann erhält er eine Einschätzung zu seiner Person und seinen Arbeitsleistungen. Eine aussagekräftige Mitarbeiterbewertung kann einen wichtigen Motivationsfaktor darstellen. Umgekehrt merkt der Mitarbeiter ziemlich schnell, wenn er durch eine leichtfertig erstellte Bewertung nur oberflächlich, formal oder aus taktischen Gründen beurteilt wurde. Der Mitarbeiter hat ein Recht auf eine ehrliche, fundierte und wahrheitsgemäße Bewertung durch seine Führungskraft. Nur Anerkennung und Kritik in einem möglichst objektiven Bewertungsverfahren liefern Ansatzpunkte für Leistungsverbesserungen und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten. Sie können auch Hinweise für die Gehaltsfindung und für Personalentscheidungen liefern. Die Auswahl und Entwicklung von Führungskräften ist ohne ein solches Verfahren nicht möglich. Ergibt das Bewertungsverfahren, dass die Mitarbeiterqualifikationen dem Anforderungsprofil entsprechen, stellt die Stellenbesetzung kein Problem dar. Unterschreitet die Bewertung das Anforderungsprofil ist zu prüfen, ob andere Mitarbeiter für diese Tätigkeiten besser geeignet sind oder der Mitarbeiter die Defizite durch Personalentwicklungsmaßnahmen ausgleichen kann. Übertrifft das Bewertungsergebnis das Anforderungsprofil, kann der Mitarbeiter nicht optimal eingesetzt werden. Er ist nicht ausgelastet und kann höherwertige Aufgaben übernehmen.
3.3.1
Verfahren der Mitarbeiterbeurteilung
Neben dem Verfahren zur Leistungsbeurteilung bei Zielvereinbarungen gibt es in der Personalbeurteilung merkmalsorientierte Beurteilungsverfahren. Bei diesen Verfahren erfolgt die Beurteilung anhand von bestimmten Bewertungsmerkmalen, z.B. Kundenzufriedenheit, Teamfähigkeit, Führungsverhalten, etc. Diese Merkmale müssen die wichtigsten Anforderungen an den jeweiligen Arbeitsplatz abdecken. So spielt das Merkmal "Führungsverhalten" für die Beurteilung einer Führungskraft eine wichtige Rolle, während dieses Merkmal für die Beurteilung eines Mitarbeiters keine Rolle spielt. Für die Erstellung eines Beurteilungsbogens sind folgende Punkte zu berücksichtigen: • • • •
Beurteilungsziele, Beurteilungszeitraum, Bewertungsmerkmale, Bewertungsskala.
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
85
Verfahren zur Mitarbeiterbeurteilung können vergangenheitsorientiert oder zukunftsorientiert sein. Im ersten Fall wird die Leistung für einen zurückliegenden Zeitraum bewertet. Diese Leistungsbeurteilung wird als Regelbeurteilung bezeichnet und umfasst den Zeitraum eines Jahres. Neben der Regelbeurteilung gibt es die Anlassbeurteilung, um z.B. bei der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses ein Arbeitszeugnis zu erstellen. Eine zukunftsorientierte Mitarbeiterbewertung findet als Potenzialbeurteilung Anwendung, wenn z.B. über die personelle Besetzung einer Führungsposition zu entscheiden ist. Der Auswahl und der Anzahl der Bewertungsmerkmale kommt die größte Bedeutung zu. Würden für jeden Arbeitsplatz die Bewertungsmerkmale individuell zusammengestellt, so würden die jeweiligen Anforderungen bei der Beurteilung am besten berücksichtigt. Dafür würde man für jede Tätigkeit eine detaillierte Stellenbeschreibung benötigen, um die geeigneten Merkmale zu identifizieren. Da dieser Aufwand zu groß ist, werden vergleichbare Tätigkeiten in gruppenspezifischen Merkmalskatalogen zusammengefasst. Eine Möglichkeit zur Beurteilung von Führungskräften sind die beschriebenen Kompetenzen bzw. eine Auswahl/Abwandlung davon. Die Bewertungsmerkmale sollten alle wichtigen Bereiche für die Arbeit des Mitarbeiters abdecken. Außerdem müssen sie sich deutlich voneinander unterscheiden. Je mehr Merkmale aufgeführt werden, umso schwieriger wird es, sie voneinander unabhängig bzw. unterscheidbar zu beschreiben. SChließlich muss das Beurteilungsverfahren für den Anwender einfach zu handhaben sein. Um Beurteilungsfehler zu vermeiden kommt der Auswahl und Beschreibung der Bewertungsmerkmale eine Schlüsselfunktion zu. Von weiterer großer Bedeutung ist die Skalierung. Dazu wird jedem Merkmal eine Abstufung zugeordnet, z.B. von 1 bis 5. Hier kann die niedrigste Zahl für die beste Bewertung und die höchste Zahl für die schlechteste Bewertung stehen. Da diese "Notengebung" stark an Schule und Studium erinnert, kann hier ein Systemfehler im Beurteilungsverfahren liegen. Der Anwender wird weg von der schlechtesten Note zu besseren Bewertungen tendieren. Um dieser Tendenz auszuweichen existieren notenunabhängige Bewertungsskalen, die Buchstaben (A; B; C; D; E) oder Zeichen (++; +; 0; -; --) enthalten. Auch eine verbalisierte Skala (hervorragend; Erwartungen erfüllt; unzureichend) wird angewendet. Um diese unbewusste Verknüpfung zu Schulnoten aufzubrechen empfiehlt sich eine sieben- oder neunstufige Skala. Die Verwendung einer ger-Skala weist mehrere Vorteile auf. Im ersten Bewertungsschritt lässt sich über eine A-B-C-Klassifizierung eine grobe Einteilung (A=9-7; B=6-4; C=3-1) erreichen, die in einem zweiten SChritt durch positiv (A+=9); neutral (A=8) oder negativ (A-=7) verfeinert werden kann. Durch diesen Effekt ist eine ausreichende Differenzierung zwischen allen Mitarbeitern über die gesamte Skala möglich. Für eine optimale Beurteilungsskala muss auf jeden Fall eine genaue Merkmalsbeschreibung angefertigt werden. Dies verhindert, dass verschiedene Beurteiler das jeweilige Bewertungsmerkmal unterschiedlich interpretieren.
3.3.2
Das Bewertungsdilemma der Führungskraft
Im Mittelpunkt der Mitarbeiterbewertung steht die Führungskraft. Mit ihren Fähigkeiten steht und fällt der Bewertungsvorgang. Wenn die Bewertung in einem jährlichen Rhythmus stattfindet, müssen in dieser Zeitspanne regelmäßigere Beobachtungen und Erhebungen erfolgen. Eine räumliche und personelle Nähe zum Mitarbeiter muss gegeben sein. Hat die Führungskraft eine zu große Berichtsspanne, ist eine systematische Leistungserhebung für jeden einzelnen Mitarbeiter aus zeitlichen Gründen kaum möglich. Vielfach sind bestimmte Stichtage für eine Mitarbeiterbewertung einzuhalten. Führungskräfte neigen dann zu kurzfristigen Bewertungszeiträumen. Wie habe ich den Mitarbeiter in den letzten Wochen und Monaten erlebt? Aus diesem kurzen Zeitraum wird dann anhand zufälliger Eindrücke eine mehr oder minder gute Mitarbeiterbewertung erstellt. Diese Vorgehensweise kann kein zuverlässiges Ergebnis liefern.
3
86
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
Wird mit Zielvereinbarungen geführt, lassen sich über die vereinbarten Aufgaben, Inhalte und Termine relativ leicht Mitarbeiterbewertungen erstellen. Über den Bewertungszeitraum sind immer wieder Gespräche zwischen Führungskraft und Mitarbeiter über den Leistungsfortschritt notwendig. Mit entsprechenden Notizen kann die Führungskraft ihr Urteil untermauern. Fehlen Aufzeichnungen, Zielvereinbarungen oder regelmäßige Kontakte, werden Zufallsbeobachtungen Maßstab für die Bewertung. In vielen Fällen könnte gleich gewürfelt werden. Im Mitarbeitergespräch ist die Führungskraft Berater, Förderer und Richter in einer Person. Als Berater kann sie dem Mitarbeiter aus einer neutralen Position heraus dessen Stärken und Schwächen vermitteln. Als Förderer befindet sie sich in einer angenehmen Position. Die Führungskraft kann Maßnahmen für die Entwicklung des Mitarbeiters unterbreiten. Dies ist nicht gleichzusetzen mit mehr Gehalt oder Karriere. Persönliche Entwicklung hin zu mehr Zuständigkeiten oder höherer Verantwortung sind hier möglich. In der Funktion des Richters tritt das Dilemma der Führungskraft deutlich zu Tage. Einerseits muss sie auch zukünftig mit dem starken oder schwachen Mitarbeiter zusammenarbeiten. Andererseits erwartet das Unternehmen zu recht, dass schwache Mitarbeiter am weiteren Aufstieg gehindert und nur die Starken gefördert werden. Die Mitarbeiter können prinzipiell Gleichberechtigung im Bewertungsverfahren einfordern. Die Bewertungsergebnisse führen jedoch zwangsläufig zu unterschiedlichen Entwicklungspfaden. Dies muss den Mitarbeitern deutlich gemacht werden. Als Beurteiler vertritt die FÜhrungskraft neben den Unternehmensbelangen auch ihre eigenen Interessen. Sie muss sich die Akzeptanz aller Mitarbeiter erhalten und für ein gutes Arbeitsklima sorgen. Sie befindet sich auch in einem stetigen Wettbewerb mit Kollegen um Aufgaben, Personal, Ressourcen, Zuständigkeiten und Verantwortungen und darf ihre eigene, langfristige Entwicklung nicht gefährden. Mitarbeiterbewertungen wirken daher auf die Führungskraft zurück. Aufgrund ihrer eigenen Interessen ist sie gleichsam befangen. Sie muss daher prinzipiell mit Unzufriedenheit seitens des Unternehmens, der Kollegen und Mitarbeiter rechnen. So kann ihr die Unternehmensleitung vorhalten, sich von ihren Mitarbeitern vor den Karren spannen zu lassen. Die Mitarbeiter können ihr willkürliche und subjektive Bewertungen unterstellen. Von ihren Kollegen muss sie sich vielleicht unkollegiales Verhalten vorhalten lassen. Wie immer eine Mitarbeiterbewertung erstellt wird, ein Spannungsfeld (Abb. 3.4) ist immer vorhanden. Es lässt sich zwischen Unternehmensleitung, Kollegen, Vorgesetzen und Mitarbeiter nur durch eine ehrliche und möglichst objektive Wertung minimieren. Eine Führungskunst, dies zu verringern liegt auch in der gekonnten Durchführung des Mitarbeitergespräches. Wer Mitarbeiter bewerten muss, stellt immer Vergleiche zu anderen Personen an. Damit fließen automatisch Sympathie und Antipathie in das Bewertungsverfahren mit ein. Sympathische Mitarbeiter werden positiver bewertet; unsympathische Mitarbeiter kritischer eingestuft. Wählt sich die Führungskraft mit ihren eigenen Stärken und Schwächen zum Vergleichsmaßstab, ist ebenfalls Vorsicht angezeigt. Die eigenen, positiven Merkmale werden dann beim Mitarbeiter gesucht und besser bewertet, während die eigenen, kritischen Merkmale schärfer beurteilt werden. Die Erstellung einer fundierten Bewertung und das zugehörige Mitarbeitergespräch benötigen Zeit. Es ist eine sehr wichtige Führungsaufgabe, mit der die Mitarbeiterentwicklung und ihr Beitrag zum Unternehmenserfolg wesentlich beeinflusst werden. Eine gerechte Bewertung zeigt dem Mitarbeiter im Entwicklungs- und Zielvereinbarungsgespräch, was an ihm geschätzt (Stärken) wird und wo Verbesserungspotenzial (Schwächen) vorhanden ist. Aus der Mitarbeiterbewertung sollte sich immer ein jährlicher bis mittelfristiger Entwicklungsplan ergeben.
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
3.3.3
87
Fehlerquellen bei der Bewertung
Die Mitarbeiterbewertung ist der Versuch subjektive Eindrücke zu objektivieren. Mögliche Fehlerquellen beruhen auf: • • • •
der Führungskraft als Bewerter, dem zu beurteilenden Mitarbeiter, dem Beurteilungsverfahren und den Umfeldbedingungen des Unternehmens.
Abb. 3.4: Spannungsfeld der Mitarbeiterbewertung
Führungskraft als Bewerter Die meisten Menschen halten sich für gute Menschenkenner, was bekanntermaßen nicht immer den Tatsachen entspricht. Jeder Mensch trägt mehr oder minder starke Vorurteile in sich, die ihn im Bewertungsprozess beeinflussen und eine sachlich-differenzierte Beurteilung erschweren. Der erste Eindruck den zwei Menschen voneinander haben führt in der Regel zu einem langanhaltenden Urteil über die jeweils andere Person. Besonders vorurteilsvollen Menschen fällt es schwer die eigene Meinung und Urteilsbildung zu revidieren. Dies gilt sowohl für einen positiven Ersteindruck als auch für wenig erfreuliche Erlebnisse. Der erste Eindruck prägt und wirkt für spätere Erlebnisse wie ein Filter. Er erschwert es positive oder negative Entwicklungen des Mitarbeiters realistisch zu erfassen. Ob Menschen sich gut verstehen hängt von vielen Faktoren ab. Liegen gleiche Interessen vor, finden sie sich meistens sympathisch. Aber auch Gegensätzlichkeiten können sich anziehen. Beim Partner wird dann das geschätzt, was man selber nicht vorweisen kann. Da Menschen emotionale Wesen sind, gelingt es kaum sich nur sachlich-rational mit dem Gegenüber auseinander zusetzen.
3
88
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
Jeder Mensch hat seine eigenen Beweggründe und Ziele, die sein Verhalten steuern. So werden unsere Mitmenschen manchmal auch durch unsere eigenen unbewussten Absichten beurteilt. Unsere eigenen Motive lenken unser Verhalten und damit auch unsere Wahrnehmung. Sie reichen von "profanen" Dingen wie Kleidung ("Kleider machen Leute") über das Bestreben Karriere zu machen bis hin zur Freizeitgestaltung. Der Bewerter wird im Beurteilungsprozess auch nach Wegen und Möglichkeiten suchen, seine eigenen Ziele zu erreichen. Entsprechend stuft er dann die Mitarbeiter ein. Die eigenen Einstellungen, wie soziales Verhalten und die persönliche Haltung gegenüber Glaubens- und Lebensfragen, kommen ebenfalls ins Spiel. Wenn Bewertungen stets dasselbe Leistungsbild aufweisen hei ßt das nicht, dass alle Mitarbeiter auch wirklich die gleichen Leistungen erbracht haben. Vielmehr ist es ein Anzeichen dafür, dass die Führungskraft zu milde, zu streng oder zu vorsichtig beurteilt hat. Verschiedene Menschen können niemals die gleiche Leistung erbringen. Sie müssen sich in einzelnen Punkten unterscheiden. Sicherlich spielt auch die Position der Führungskraft als Bewerter eine Rolle. Ist sie in ihrem Team als Persönlichkeit angesehen, ist es für sie einfacher, eine kritischere Bewertung zu verfassen. Hat sie bei ihren Mitarbeitern einen schwachen Stand und kann sie sich nicht richtig durchsetzen, wird sie mit einem Hang zur Milde versuchen ihre Beliebtheit zu steigern. Umgekehrt kann sie über einen Hang zur Strenge versuchen Autorität zu erzwingen. Wenn sie niemandem auf die Füße treten will oder eine zu starke persönliche Nähe zum zu beurteilenden Mitarbeiter besteht, wird sie eher zur Mitte tendieren. Wird eine Führungskraft von ihrem Vorgesetzten selbst schlecht beurteilt, wird sie sich schwer tun, ihre eigenen Mitarbeiter besser zu bewerten. Die Angst, dass schlechte Beurteilungen auf die eigene Führungsfähigkeit projiziert werden, lässt manches Urteil milder ausfallen. Hier übernimmt die Führungskraft internalisierte Denk- und Verhaltensmuster, da sie sich selber auch in der Rolle des Mitarbeiters wiederfindet. Ein weiteres Beispiel für verzerrte Beurteilungstendenzen zeigt sich im Halo-Effekt. Hier überstrahlen einzelne positive oder negative Ereignisse die Gesamtbewertung. Er tritt besonders bei langen Beurteilungszeiträumen auf. Wenn ein Mitarbeiter sich bei einer speziellen Tätigkeit als kompetent erwiesen hat, traut man ihm dies auch bei anderen Tätigkeiten zu, für die er noch keine Erfahrungen besitzt. Nur wird aus einem guten Fachmann z.B. noch lange keine gute Führungskraft. Ähnlich verhält es sich bei Mitarbeitern, die sich bei einer Tätigkeit als wenig kompetent erwiesen haben. Vielleicht hat die Führungskraft nur den Mitarbeiter mit der falschen Tätigkeit betraut? Eine der bekanntesten Formen der bewussten Bewertungsmanipulation ist das Wegloben. Ein Mitarbeiter mit nur mäßigen Leistungen wird überdurchschnittlich gut beurteilt. Der Beurteiler will damit erreichen, dass dem Mitarbeiter die Tür zu einer anderen Aufgabe schneller offen steht und er sein Team verlässt. Insbesondere kritische Fälle, wie Alkohol- oder Suchtkranke und psychisch belastete Mitarbeiter, werden so behandelt. So bewertende Führungskräfte handeln unkollegial und sind zu feige sich ihrer Personalverantwortung zu stellen.
Fehlerquellen auf Seiten des Mitarbeiters Auch der Mitarbeiter kann ein hohes Fehlerpotenzial beim Bewertungsvorgang in sich bergen. Die Notlüge oder Täuschungsmanöver sind noch die harmloseste Form schlechte Arbeitsleistungen zu verbergen. Eine aufmerksame Führungskraft wird dies im Zuge eines "management-by-walkingaround" jedoch erkennen. Bei einer betonten Überformung seines eigenen Verhaltens versucht der Mitarbeiter den unterstellten Erwartungen der Führungskraft gerecht zu werden. Der Mitarbeiter meint zu glauben, dass der Bewerter auf ganz besondere Tatsachen Wert legt und nutzt diese Vorstellungen zur Selbstdarstellung. Als positiver Effekt kann die Erreichung des eigenen Ziels
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
89
gelingen. In vielen Fällen führt dies eher zu einer Fehlanpassung, die besonders von Kollegen als Unterwürfigkeit oder Kriecherei ausgelegt wird. Als Mitarbeiter gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten sich gut zu verkaufen. Beim primacy effect (der große Auftritt) bemüht sich der Mitarbeiter schon beim Antritt der Arbeitsstelle um eine hohe Arbeitsleistung. Er möchte von Anfang an einen guten Eindruck hinterlassen. Nach einiger Zeit sinkt die Leistung wahrscheinlich ab. Es schließt sich der recency effect (der gute Abgang) an. Kurz vor Ablauf des Beurteilungszeitraumes bringt der Mitarbeiter wieder herausragende Arbeitsleistungen, um eine gute Bewertung zu erzielen. Auch unbewusste Verhaltensweisen des Mitarbeiters können zu fehlerhaften Bewertungen führen. Als Regression wird der Rückfall in Verhaltensmuster früherer Entwicklungsstufen bezeichnet. Dieses Phänomen lässt sich vor allem bei Mitarbeitern, die unter sehr autoritären Führungskräften arbeiten, beobachten. Die Führungskraft verkörpert das Eltern-Ich, während sich der Mitarbeiter im Kind-Ich wieder findet. Bei der sich selbst erfüllenden Prophezeiung wirken {Vor-)Urteile gleichzeitig als Erwartungen, an die sich der zu Beurteilende anpasst. In der Mitarbeiterbeurteilung hat dieses Phänomen einen besonderen Stellenwert, da die Führungskraft Bedingungen für das Eintreffen oder Nicht-Eintreffen der Prognose schaffen kann. In der positiven Form stachelt dieses Phänomen an ("Ich kann das"). In der negativen Form führt es zu Hemmungen und Blockaden ("Das habe ich noch nie gut gekonnf').
Fehlerquellen aufgrund des Beurteilungsverfahrens Auch das Beurteilungsverfahren selbst enthält eine Reihe von Fehlerquellen. Dies beginnt bereits mit der Sprache und damit zusammenhängenden begrifflichen Unklarheiten. Die meisten Begriffe lassen mehrfache Deutungen zu und sind nicht eindeutig definiert. Was heißt z.B. "Gewissenhaftigkeif' oder welche Bedeutung besitzt "Entscheidungsfreude"? Dies führt zu dem Problem, dass der erste Beurteiler dem Mitarbeiter Eigenschaften und Fähigkeiten zuweist, die ein zweiter Beurteiler ganz anders sieht. Wird von der ersten Führungskraft der Mitarbeiter als "verantwortungsbewussf', "sorgfältig" und "ausdauernd" bewertet, sieht ihn eine andere Führungskraft vielleicht als "unzuverlässig", "leichtsinnig" und "oberflächlich" an. Besonders problematisch ist dies bzgl. der Aussagekraft von Arbeitszeugnissen. Mögliche Unschärfen eines Begriffs können in einem Gespräch geklärt werden. Bei einer schriftlichen Aussage muss die Führungskraft dem geschriebenen Wort vertrauen. Hier muss durch eine "Beurteilersprache" eine gemeinsame Verständigungsbasis zwischen den Beteiligten geschaffen werden. Auch die schriftliche Form der Bewertung ist wichtig, aber auch mit Fehlern verbunden. Die freie Beschreibung erlaubt der Führungskraft einen großen Spielraum. Die Kennzeichnung des Arbeitsverhaltens "Der Mitarbeiter ist sorgfältig, gewissenhaft und konsequent. In seinen Projekten werden Qualität und Termine eingehalten." erfährt durch Weglassen des zweiten Satzes einen deutlichen Wandel: "Der Mitarbeiter ist sorgfältig, gewissenhaft und konsequent."
3
90
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
Aus einer Bewertung des Arbeitsverhaltens in einer speziellen Aufgabe wird so eine generellere Aussage zur Person des Mitarbeiters formuliert. Der Umkehrschluss, dass ein sorgfältiger, gewissenhafter und konsequenter Mitarbeiter auch seine Projekte zu einem guten Abschluss bringt, ist mit Zweifeln zu verbinden. Mit einer Merkmalsliste werden die freien Darstellungsmöglichkeiten einer Bewertung stark eingeschränkt. Die Führungskraft kann ein Leistungsprofil des Mitarbeiters nur noch mit bestimmten, vorgegebenen Formulierungen erstellen. Dies macht die Arbeit zwar in vielen Punkten einfacher, jedoch nicht unbedingt genauer. Bei weitergehenden Einstufungs- oder Skalierungsverfahren wird jedem Merkmal eine bestimmte Punkteskala zugewiesen. Die Führungskraft braucht dann lediglich die Gewichtungspunkte anzukreuzen. Beispielsweise kann ein Skalierungsverfahren aus neun Stufen bestehen, wobei hohe Werte (=9) für eine starke Ausprägung und niedrige Werte (=1) für eine schwache Ausprägung stehen. Beim Skalierungsverfahren mit Merkmalsliste sind Bewertungsfehler am geringsten, da alle Beteiligten auf eine gemeinsame Basis zugreifen.
Umfeldbedingungen des Unternehmens Kein Unternehmen beschäftigt nur Spitzenleute. Die Mitarbeiterqualifikationen unterliegen immer einer Streuung, z.B. in Form einer Gauß-Verteilung. Gleichzeitig nehmen die zu besetzenden Funktionen in der Unternehmenshierarchie nach oben hin ab. Gute Mitarbeiterbewertungen führen daher nicht automatisch zu einem Karriereaufstieg. Auch Mitarbeiterentwicklungen in die Breite müssen möglich sein. Da nur eine bestimmte Anzahl von Positionen zur Verfügung steht, kommt es durch diese Randbedingungen letztlich zu Verzerrungen. In Boomzeiten müssen auch Unternehmen mehr um Mitarbeiter werben. Dann erreichen diese Positionen, die sie zu normalen Zeiten nie erreichen würden. Es existiert somit eine Abhängigkeit von verschiedenen Umfeldfaktoren, die ein Bewertungsergebnis zu einer relativen Sache werden lässt.
3.4
Personalentwicklung bei Führungskräften
Führungskräfte werden nicht als Naturtalente geboren. Während ihrer Ausbildung werden sie auch nicht auf Führungsaufgaben vorbereitet. Sie erhalten eine fachliche Ausbildung. Erst während des Berufslebens zeigt es sich anhand praktischer AufgabensteIlungen, ob sie für eine Führungslaufbahn geeignet sind. Dann erhalten sie eine Weiterbildung in Mitarbeiterführung, wobei dieser Personalentwicklung das in Abbildung 3.5 gezeigte Phasenmodell zugrunde liegt.
3.4.1
Analyse des Entwicklungsbedarfs
Der Beitrag der betrieblichen Weiterbildung von Führungskräften ist von grundlegender Bedeutung für das Unternehmen. Dadurch lassen sich die Unternehmensziele besser erreichen und langfristiger absichern. Voraussetzung dafür ist eine fundierte Analyse des Entwicklungsbedarfs, die in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden sollte. Sie dient zur Erfassung der individuellen Qualifikationsbedürfnisse. Gleichzeitig wird verhindert, dass ein Weiterbildungsangebot per Gießkannenprinzip geschaffen wird, das dem Unternehmen keinen Nutzen bringt. Die Analyse des Entwicklungsbedarfs basiert auf drei Ebenen. In der untersten Ebene werden die Kompetenzen der einzelnen Mitarbeiter analysiert. Die mittlere Analyseebene fasst mehrere Tätigkeiten (z.B. Entwicklung, Marketing, Produktion) zusammen und ermittelt die notwendigen tätigkeitsbezogenen Merkmale. Die oberste Ebene erfasst das gesamte Unternehmen und analysiert
91
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
anhand der Unternehmensstrategie den notwendigen Entwicklungsbedarf für die Organisationsentwicklung.
3.4.2
Konzeption des PE·Trainings
3
Aus der Analyse des Entwicklungsbedarfs lassen sich • • • •
Ziele der PE-Maßnahmen, mitarbeiterspezifische Zielgruppen, Lehrgangsinhalte und Methoden der Wissensvermittlung
ableiten. Mit dem Anforderungsprofil für eine Tätigkeit sind PE-Themen zu verknüpfen, so dass der Bedarf an einer Personalentwicklungsmaßnahme relativ leicht erkannt und erhoben werden kann. Eine solche PE-Matrix für die Kompetenzentwicklung einer Führungskraft findet sich in Abbildung
3.6.
1. Analyse des Entwicklungsbedarls • • •
Unternehmensanalyse Täligkeilsanalyse Personenanalyae
Eine erneute
4. Transfersicherung und Evaluierung
ermöglichl die
2. Konzeption des PE-Trainings • • • •
Ziela der PE·Maßnahman milarbellerspezilische Zielgruppe Lehrgangsinhalle Methoden der W1seensvermltllung
Personalentwicklung
muss abgesichert werden durch
Isldle Basis zur
3. Realisierung der Maßnahmen • • • •
Wissenserwerb Handlungsmelhoden Verhallensinderungen Persönllchkellsenl· wicklung
Abb. 3.5: Phasenmodell der Personalentwicklung
Ziele der Personalentwicklungsmaßnahmen Zu unterscheiden sind Maßnahmen die auf eine öffentlich-rechtliche Prüfung vorbereiten oder die veranstalterspezifisch definiert sind. Bei öffentlich-rechtlichen Prüfungen müssen sich die Lehrgangsziele an den vorgegebenen Rechtsgrundlagen orientieren. Dort ist festgelegt, welche Fachkenntnisse und Kompetenzen im Lehrgang zu vermitteln sind. In einer Prüfung mit hinterlegter Prüfungsordnung hat der Teilnehmer seine Kenntnisse nachzuweisen.
92
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
Bei veranstalterspezifisch konzipierten Lehrgängen leiten sich die Anforderungen aus dem beruflichen Tätigkeitsfeld bzw. dem spezifizierten Aufgabenprofil ab. Da die Lehrgangsziele die Richtung vorgeben, sind sie ein erstes, wichtiges Qualitätskriterium. Auf dieser Basis werden alle weiteren Entscheidungen bzgl. Gestaltung der Lehrgangsunterlagen und -durchführung getroffen. Lehrgangsziele lassen sich in die vier Felder • • • •
fachlich-inhaltlich, methodisch-didaktisch, sozial-interaktiv, persönlich
unterteilen und daraus Einzelziele herleiten.
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Abb. 3.6: Kompetenzmatrix Führungskraft
Fachlich-inhaltliche Ziele sind z.B. das Denken und Arbeiten in Systemen, die Verknüpfung verschiedener Fachaspekte und Kompetenzen, sowie die Einsatzmöglichkeiten des Gelernten in verschiedenen Anwendungsgebieten. Methodisch-didaktische Ziele können die Verknüpfung systematischer Arbeits- und Entscheidungsweisen oder die Verknüpfung verschiedener Lehr- und
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
93
Arbeitsformen mittels ganzheitlicher Lernmethoden enthalten. Sozial-interaktive Ziele umfassen konkretes Handeln und Verhalten in Gruppen oder die Vermittlung von Einstellungen und Werten in der Zusammenarbeit. Persönliche Ziele setzen sich aus den Zielen des Dozenten und der Teilnehmer zusammen. Lehrgangsziele enthalten wichtige Informationen für die Teilnehmer und den Durchführenden. Sie geben die Richtung vor und legen Maßstäbe fest. Jeder weiß, was auf ihn zukommt und welche Erwartungen gestellt werden. Mit der Erreichung des Lehrgangsziels ist immer ein Erfolgserlebnis verbunden. Der Teilnehmer und die Dozenten haben sich angestrengt und gemeinsam etwas erreicht.
Zielgruppe Anhand der Zielgruppe ergeben sich wichtige Entscheidungen hinsichtlich der fachlich-inhaltlichen, methodisch-didaktischen Gestaltung der Unterlagen und der sozial-interaktiven Durchführung des Lehrgangs. Relevante Aspekte für die zweite wichtige Bestimmungsgröße "Zielgruppe" ergeben sich aus deren • • • •
schulischen Abschlüssen (z.B. Berufskolleg, Realschule, Gymnasium), beruflichen Abschlüssen (z.8. Ausbildung, Studium), beruflichen Erfahrungen (z.B. Art, Dauer der Tätigkeiten), weitere Kenntnisse und Fähigkeiten (z.B. Weiterbildung).
Die Zielgruppenorientierung ist im Hinblick auf die Lernvoraussetzungen der Teilnehmer wichtig. So ergeben sich z.B. bei heterogen zusammengesetzten Teilnehmergruppen mit stark unterschiedlichem Wissens- und Erfahrungsstand direkt methodisch-didaktische Konsequenzen für die Durchführung der Veranstaltung.
Methoden der Wissensvermittlung Der Ausschreibungstext eines Lehrgangs liefert Aussagen über dessen Inhalte und beantwortet teilweise die Frage, mit welchen Methoden gearbeitet wird. Entsprechend den Lehrgangszielen sind auch hier vier Punkte relevant. Dazu zählen: • • • •
die fachlich-inhaltlichen Anforderungen an den Lehrgang und die Lehrgangsmaterialien, der methodisch-didaktische Aufbau und die Art der Wissensvermittlung, die Anforderungen an den Dozenten und die Anforderungen an die Teilnehmer.
Diese verschiedenen Anforderungen tragen zur effektiven Wissensvermittlung bei (Abb. 3.7).
3.4.3
Realisierung der Maßnahmen
Die fachlich-inhaltliche Vermittlung des Wissens kann in Form von Seminaren oder Lehrgängen erfolgen. Hier ist die Aktivierung der Teilnehmer relativ gering. Bei der Wissensvermittlung verbleiben sie in einer überwiegend passiven Grundhaltung. Dies ändert sich, wenn sie in Form eines Literatur-, Präsenz- oder Fernstudiums selbst aktiv werden müssen. Bei Exkursionen können sie das vorhandene Wissen reflektieren und in Praktika anwenden. Die Lehrgangsinhalte müssen sich bei öffentlich-rechtlichen Prüfungen an die Vorgaben (z.B. Rechts-, Prüfungsordnung, Rahmenstoffplan) halten. Bei veranstalterspezifischen Lehrgängen orientieren sich die Inhalte am
3
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
94
Markterfolg in Form der Tätigkeitsfelder oder von Anforderungsprofilen. Die fachliche Qualität der Lehrmaterialien entspricht dem aktuellen Wissensstand. Eine regelmäßige Aktualisierung der Lehrgangsinhalte ist gewährleistet. Eine klare Gliederung des Lehrgangsmaterials mit Inhaltsverzeichnis, einheitlicher Strukturierung, Literaturverzeichnis etc. liefert eine aussagekräftige Gesamtübersicht. Prüfungsrelevante Abschnitte lassen sich einwandfrei identifizieren. Eine realistische Zeit- und Aufwandsplanung bezogen auf die Teilnehmer ist Grundbedingung für den Lernerfolg. Oft ist hier eine krasse Fehleinschätzung seitens des Dozenten festzustellen. Begründet liegt dies in der mangelnden Auseinandersetzung mit der Zielgruppe. Die Gesamtdauer des Lehrgangs ist meistens durch äußere Rahmenbedingungen vorgegeben. Innerhalb dieser zeitlichen Vorgaben ist es Pflicht des Dozenten, eine zeitliche Differenzierung des zu vermittelnden Themas vorzunehmen. Fachliche und inhaltliche Anforderungen sind die eine Seite des Lehrgangs; die methodische und didaktische Vermittlung der Trainingsinhalte die andere. Sind die methodisch-didaktischen Vermittlungsmethoden seitens des Dozenten zu schwach ausgeprägt, kommt es zu einer theoretischen Schieflage in der Veranstaltung. Die Qualität des Lehrgangs wird leiden, der Transfer in die Praxis nur schwer ermöglicht und die Lehrgangsbewertung sich in einem minderwertigen Ergebnis niederschlagen.
fachlich-Inhaltlich • Seminar, Kongress • Lehrgänge • L"eralur-, Präsenz-, Fernstudium • Exkursion • Praktikum
methodlsch-dldaktlsch • Vortrag/Präsentation • Workshop • Elnzel-, GruppenarbeIten • Lehrgespräch, Diskussion • Fallstudie, -analyse • Projektarbeit • Prüfung
Teilnehmer • • • •
PE-Gespräch Elgenln"latlve Engagement Kompetenz- und Transferjournal • Lernpartnerschaften
• • • •
Fachwissen Erfahrung Persönlichkeit Quallflkadonen
Abb. 3.7: Wissensvermittlung des Themas
Die Auswahl der Inhalte und der Vermittlungsmethoden müssen daher gleichgewichtig betrachtet werden. Als didaktische Methoden kommen u.a. • • • •
eigene Vorträge und Präsentationen, Literatur- und Selbststudium, handlungs- und situationsorientierte Fallanalysen, phasenstrukturierte Lösungsprozesse,
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
• •
95
individuelles Coaching und kollegiale Beratung, Selbstbeobachtung und -reflexion
in Betracht. Selbststudium und Präsentationen sind klassische Formen der Wissensvermittlung. Diese Art der Informationsaufnahme besitzt nur einen geringen Grad der Informationsspeicherung. Mit handlungs- und situationsorientierten Fallanalysen lässt sich der Wissenserwerb deutlich verbessern. Neben fachlichen Aspekten lassen sich sehr gut methodische Vorgehensweisen und kooperatives Lernen in einem sozialen Umfeld integrieren. Phasenstrukturierte Lösungsprozesse laufen in den vier Phasen Situationsanalyse, Zielformulierung, LösungsalternativenJMaßnahmen, sowie ErfolgskontrollefTransfersicherung ab. Komplexe Anwendungen lassen sich hier unter verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Der mögliche Perspektivenwechsel erlaubt auch neue Anwendungsmöglichkeiten zu erkennen, verschiedene Fachgebiete zu verknüpfen und die Teilnehmer zu Eigenaktivitäten zu motivieren. Sie können eigene Erfahrungen einbringen und alternative Lösungswege konzipieren. Durch entsprechende räumliche, didaktische, methodische und organisatorische Möglichkeiten seitens des DozentenNeranstalters lässt sich das selbstständige Arbeiten der Teilnehmer unterstützen. Feedback zur methodischen Vorgehensweise und zu den erzielten Ergebnissen erhöht die Transferleistung. Eine Änderung des Verhaltens lassen sich nicht durch theoretische Vorträge erzielen. Sie müssen in einem geeigneten Umfeld praktisch trainierbar sein. Das Wahrnehmen und Akzeptieren eigener Verhaltensweisen öffnet hier die Tore zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Entsprechende Veranstaltungen müssen auch die Möglichkeit zum überschreiten persönlicher und sozialer Grenzen bieten, ohne das dies direkte Konsequenzen hat. Eine weitere wichtige aber schwierige Methode zur Änderung des eigenen Verhaltens und Persönlichkeitsentwicklung ist die Selbstbeobachtung und -reflexion. Um hier Erfolge zu erzielen muss sie regelmäßig möglichst "objektiv" durchgeführt werden. Sich selbstkritisch zu hinterfragen bietet Möglichkeiten zur Entwicklung seiner personalen Kompetenzen. Wird dies nicht durchgeführt bedeutet dies normalerweise persönlichen Stillstand.
3.4.4
Transfersicherung und Evaluierung
Bereits bei der Erstellung des Trainingskonzepts muss sich mit der Transfersicherung und Evaluierung befasst werden. Aus den Zielen der PE-Maßnahmen sind entsprechende Kriterien zu formulieren. Die bei der Durchführung der Evaluierung gewonnenen Erkenntnisse werden in die einzelnen PE-Phasen eingebracht. Nur dann lässt sich der Kreislauf der Personalentwicklungsmaßnahmen kontinuierlich verbessern. In diesem Zusammenhang muss die Evaluierung auch zeigen, wie der Transfer der vermittelten Methoden und Fähigkeiten am Arbeitsplatz sichergestellt wird. Der eigentliche Erfolg einer PE-Maßnahme kann erst durch eine Transferanalyse erfolgen. Wie konnte der Mitarbeiter das Erlernte in die Praxis umsetzen und auf seine Tätigkeiten im Unternehmen anwenden? Bei innerbetrieblichen Maßnahmen sind im Allgemeinen die Transfererfolge höher als bei außerbetrieblichen Maßnahmen. Bei einer innerbetrieblichen Veranstaltung lassen sich die Lernziele und -inhalte besser an die Anforderungen im Unternehmen anpassen. Bei außerbetrieblichen Veranstaltungen muss immer ein Kompromiss getroffen werden, der es allen Teilnehmern ermöglicht, einige Aspekte des Lerninhaltes an ihrem Arbeitsplatz umzusetzen. Die Transfererfolge hängen jedoch auch vom Teilnehmer selbst ab. Ist dieser davon überzeugt, dass ihm das Erlernte von Nutzen ist, wird er eher dazu bereit sein, dies in der Praxis umzusetzen. Es gibt allerdings auch eine Reihe von Faktoren, die den Transfererfolg hemmen. Führungsverhalten hängt nicht nur von der Person und der Aufgabe, sondern auch von der Situation ab.
3
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
96
So können z.B. Vorgesetzte und Gruppennormen den Erfolg von PE-Maßnahmen verhindern. Wird z.B. mitarbeiterorientiertes Führungsverhalten trainiert, im Unternehmen aber ein autoritärer Führungsstil praktiziert, lässt sich leicht ein Misserfolg vorhersagen. Gleiches gilt für Gruppennormen, wenn die Mitarbeiter der Führungskraft bestimmte Verhaltensweisen verinnerlicht haben und neue ablehnen. Weitere Widerstände im Transfer können sich auf Kollegenebene ergeben. Damit der Transfer und Erfolg einer PE-Maßnahme gesichert ist, sind eine Reihe von Punkten zu gewährleisten. So muss eine Übereinstimmung zwischen den Lehrgangszielen/-inhalten und den Motiven der Teilnehmer herrschen. Dadurch werden sie motiviert das neu erlernte Wissen und neu vermittelte Verhaltensweisen auch gegenüber Widerständen anzuwenden. Im Zuge eines Feedbackgespräches und einer regelmäßigen Mitarbeiterbeurteilung ist eine Kontrolle des Transfererfolges zu gewährleisten. Anhand dieser Gespräche lässt sich feststellen, ob und wie weit die Ziele einer PE-Maßnahme erreicht worden sind. Diese Methode kann allerdings nur dann sinnvoll angewandt werden, wenn die Gespräche regelmäßig stattfinden. Nur wenn klar ist, wie die Mitarbeiterqualifikation vor der PE-Maßnahme war, kann eine Änderung festgestellt werden. Die Struktur des Lehrgangs muss Wissens- und Verhaltensunterschiede zwischen den Teilnehmern berücksichtigen. Im Idealfall ist er so aufgebaut und strukturiert, dass eine teilnehmerspezifische Durchführung möglich ist. Teilnehmerspezifische Fragen und Erfahrungen werden in den Lehrgang eingebaut. Ein modularer Aufbau über einen längeren Zeitraum ermöglicht zwischenzeitliehe Transfers auf die unternehmensspezifische Arbeitssituation. Insbesondere bei Verhaltensänderungen wirkt sich dies positiv aus. Eine kontinuierliche Auffrischung des Gelernten ist jedoch ratsam, um dauerhaft Änderungen des Verhaltens zu gewährleisten.
Kompetenz- und Transferjournal Es ist zu erkennen, dass eine Bewertung des Transfererfolgs von PE-Maßnahmen sehr schwierig sein kann. Sinnvollerweise werden mehrere Bewertungsmethoden gleichzeitig eingesetzt. Teilnehmerbefragungen direkt im Anschluss an die PE-Maßnahme, regelmäßige Mitarbeiterbeurteilungen und eine sinnvolle Auswahl von Kennziffern ermöglichen aussagekräftige Beurteilungen. Ein weiteres Arbeitsmittel ist ein Kompetenz- und Transferjournal (Abb. 3.8). Es hilft dem Mitarbeiter das neue Wissen zu reflektieren und in die berufliche Praxis zu übertragen. Das Kompetenzund Transferjournal enthält: • • • •
die Seminarunterlagen mit eigenen Notizen, darauf aufbauend eigene Kompetenz- und Transferziele, Maßnahmen zur Erreichung dieser Ziele, persönliche Controllinginstrumente zur Überprüfung der Transfersicherung und Zielerreichung.
Durch das Kompetenz- und Transferjournal findet eine aktive Wiederholung des Gelernten statt, indem es durch eigene Formulierungen durchdacht und dokumentiert wird. Der Mitarbeiter ist dadurch in der Lage, sich kritisch mit den fachlichen Inhalten auseinanderzusetzen und kann selbst für eine effektive Umsetzung in den beruflichen Alltag sorgen. Aufbauend auf den Seminarinhalten werden wichtige Sachverhalte auf den Punkt gebracht. Zentrale Konzepte sind kurz und prägnant mit der eigenen Erfahrung zu verknüpfen. Hervorzuheben sind die Aspekte des Gelernten die interessant, nützlich und überzeugend sind. Es sind Bezüge, Anknüpfungspunkte und Verbindungen zwischen den verschiedenen Themen und anderen bereits bekannten Befunden und Methoden herzustellen. Offene Punkte bzgl. des Praxistransfers sind hervorzuheben. Eigene teilnehmerspezifische Lern- und Transferziele sind durch entsprechende Maßnahmen zu erreichen und mit einem persönlichen Controllinginstrument zur Transfersicherung zu steuern.
97
3 Zie/vereinbarungen und Persona/entwicklung
Ergänzend zum Kompetenz- und Transferjournal lassen sich Lern- und Kompetenzpartnerschaften bilden. Dazu treffen sich Teilnehmer eines PE-Programms in regelmäßigen Abständen zur gegenseitigen Unterstützung. Zu vorher abgestimmten Themen werden Wissen und Erfahrungen ausgetauscht sowie neue Maßnahmen zur Kompetenzentwicklung erarbeitet. Der Kompetenzkreislauf wird dadurch zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess der persönlichen Kompetenzen mit einem entsprechenden Kompetenzcontrolling. Der Erfolg einer PE-Maßnahme steht und fällt mit dem Dozenten. Die Qualifikation hängt von seiner Persönlichkeit, seinem Fachwissen und den methodischen sowie sozialen Fähigkeiten ab. Als Fachmann beherrscht er den Stoff und kann das Wesentliche herausarbeiten. Er geht fallorientiert und praxisbezogen vor und kann Einzelheiten in einem Gesamtzusammenhang transparent darstellen. Als Lernpartner realisiert er eine abwechslungsreiche aber trotzdem klar strukturierte Veranstaltung. Der zu vermittelnde Stoff wird verständlich und lerngerecht vermittelt. Auf die Lernbedürfnisse der Teilnehmer und deren Fragen wird eingegangen, wobei die Verknüpfung zum Berufsalltag hergestellt werden muss. Mit seinem großen praktischen Erfahrungsschatz wird der Lerneffekt der Teilnehmer verstärkt und der Transfer erleichtert.
Kompetenzund Transferjournal 3. Maßnahmen zur Zielerreichung • persönliche Controllinginstrumente • Evaluierungskriterien
Abb. 3.8: Kompetenz- und Transferjournal
• persönlicher Entwicklungsplan • Transferkriterien
3
3 Zielvereinbarungen und Personalentwicklung
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3.5
Coaching und Mentoring
Der Begriff "Coaching" wird oft sehr ungenau verwendet. Da Coaching in den letzten zwei Jahrzehnten immer stärker angewendet wurde hat nahezu jede Unternehmensberatung Coaching im Programm, auch wenn sie oft nichts anderes tut als zuvor. Dabei unterscheiden sich die angewendeten Konzepte und Methoden jedoch zum Teil erheblich. Der Begriff des "Coaches" kommt ursprünglich aus dem Sport und bedeutet "persönlicher Trainer" oder auch "Betreuer". Coaching ist deshalb keine Standardberatung sondern wird individuell und flexibel auf die Bedürfnisse des Klienten zugeschnitten. Im Coaching können nicht nur fachliche Fragen sondern auch private Anliegen, persönliche Ängste, Beziehungsfragen, berufliche Erfolge/Misserfolge, etc. besprochen werden. Die eigene Wahrnehmung, das persönliche Verhalten sowie Einstellungen des Klienten werden weiterentwickelt. Dabei werden nicht nur die auftretenden Probleme betrachtet, sondern auch die Ursachen analysiert und damit dauerhafte Lösungen erarbeitet. Im Normalfall lässt sich Coaching für die: • • • • •
Erweiterung der eigenen Wahrnehmung, Veränderung von persönlichem Verhalten und Einstellungen, Verbesserung von Kommunikation, sozialer Kompetenz und Führungsverhalten, schnellere Zielerreichung, verbesserte Arbeitsfähigkeit und -leistung im eigenen Aufgabenbereich anwenden.
Coaching als Form der Prozessberatung Bei sich stark verändernden Umfeld- und Marktbedingungen bewährt sich Coaching im Unternehmen. Die persönlichen und beruflichen Potenziale der Mitarbeiter müssen genutzt und weiterentwickelt werden. Arbeitsprozesse sind zu verändern und eine neue Grundhaltung muss geschaffen werden, um das notwendige veränderte Verhalten zu festigen. Coaching liefert dazu die nötige Unterstützung und zeigt neue Möglichkeiten der Problemlösung auf. In der Praxis ermöglicht es diese neben dem Tagesgeschäft auszuprobieren und weiter zu entwickeln. Durch Feedback kann jederzeit der aktuelle Entwicklungspunkt des Mitarbeiters ermittelt werden. Das Feedback dient jedoch nicht dazu einen bestimmten Lösungsweg vorzuschreiben, sondern es ist eher als Hilfestellung und Weg zur Identitätsfindung gedacht. Die für ihn beste Lösung muss der Klient selbst finden und er ist dafür auch selbst verantwortlich. Die Verantwortung für das eigene Handeln kann und darf der Coach nicht übernehmen. Er ist Berater und gibt Anregungen zum Entwickeln alternativer Lösungswege, ohne dem Klienten seine eigene Sichtweise aufzuzwingen. Coaching gehört damit zur Prozessberatung indem es Hilfe zur Selbsthilfe anbietet. Der Coach begleitet diesen Prozess und macht sich idealerweise im Laufe der Zeit überflüssig.
Wertorientierte Grundsätze Coaching basiert auf drei Grundansätzen: • • •
Vertrauen, gegenseitige Akzeptanz und Freiwilligkeit.
Vertrauen ist Grundlage der Beziehung zwischen Coach und Klient (Coachee). Durch entsprechendes Vertrauen und Offenheit von Seiten des Coachee erhält der Coach die nötigen Informationen, um auf die Bedürfnisse und Problembereiche des Klienten eingehen zu können. Gerade
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wenn es um persönliche Belange geht ist dies von enormer Bedeutung. Ohne Vertrauen und Verständnis läuft im Persönlichkeitsbereich nichts. Vertrauen schließt auch jegliche Form der Manipulation aus. Die Coachingmethoden müssen für alle Beteiligten stets transparent sein und in gegenseitigem Einverständnis angewandt werden. Besonders wichtig ist auch die gebotene Diskretion. Die im Coaching besprochenen Themen sind absolut vertraulich und dürfen grundsätzlich an niemanden (z.B. Vorgesetzten, Personalabteilung) weitergegeben werden. Coach und Klient müssen sich gegenseitig akzeptieren und als gleichgestellte Partner zusammenarbeiten. Damit kann es auch vorkommen, dass der Coachingprozess schon nach dem ersten Gespräch beendet ist, wenn Coach und Klient mit ihren Vorstellungen nicht zusammenpassen. Es liegt in der Verantwortung des Coaches, das zu erkennen und den Auftrag nicht durchzuführen. Er muss auch den Mut aufbringen, unbequeme Themen anzusprechen und Widerständen, die z.B. aus Angst vor Veränderung auftreten können, entgegenzuwirken. Ein Coaching sollte vom Klienten immer freiwillig gewählt und beendet werden können. Wird es vom Vorgesetzten vorgeschrieben, sind eine sinnvolle Zusammenarbeit und ein Erfolg nicht garantiert. Eventuell wird vom Mitarbeiter eine indirekte Kontrolle durch den Vorgesetzten vermutet. Es ist dann schwieriger einen persönlichen Zugang zu finden und die Bereitschaft sich gegenüber dem Coach zu öffnen ist eher gering.
Interne und externe Coaches Coaching kann sowohl von unternehmensinternen als auch externen Coaches angeboten werden. Für beide Varianten gibt es eine Reihe von Vor- und Nachteilen. Bei externen Coaches liegt (hoffentlich) keine Prozessblindheit vor. Sie verfügen über eine breitere Erfahrung aufgrund ihrer Tätigkeiten in anderen Bereichen/Unternehmen. Bei der Behandlung persönlicher Themen ist die notwendige Diskretion gewährleistet. Der große Vorteil eines externen Coaches ist seine Neutralität. Gegenüber dem Klienten (Coachee) kann sich leichter ein Vertrauensverhältnis aufbauen. Nachteilig können fehlendes Wissen über die Prozessabläufe im Unternehmen und dessen Kultur sein. Sie erhalten möglicherweise ungewollt Einblicke in sensible Unternehmensbereiche. Interne Coaches können z.B. Führungskräfte, Fachexperten oder Vertreter der Personalabteilung des Unternehmens sein. Sie verfügen über umfangreiches Wissen über das Unternehmen und seine Geschäftsabläufe. Sie sind meistens schnell und über längere Zeiträume verfügbar. Interne Coaches müssen zugleich den Interessen des Unternehmens und des Mitarbeiters gerecht werden. Sie stehen damit in einem Spannungsfeld. Aus möglichen Ängsten vor Indiskretionen ist eventuell kein offener Austausch über private Themen und Probleme möglich. Die zwischen beiden Parteien notwendige Vertraulichkeit ist damit eingeschränkt.
Ablauf eines Coachingprozesses Der hier beschriebene Ablauf eines Coachingprozesses zeigt die wichtigsten Prozessschritte beim Coaching auf. Sie gelten prinzipiell sowohl für den Einsatz eines internen als auch für einen externen Coach. Oft werden externe Coaches mit Hilfe der Personalabteilung ausgewählt. Diese klärt zusammen mit dem Mitarbeiter den Grund, die Erwartungen und die Zeitdauer des Coachings. Es liegt aber in der Hand des Mitarbeiters die Themen und Ergebnisse an den Vorgesetzten oder die Personalabteilung rückzumeiden. In einem ersten Gespräch erfährt der Klient etwas über die Arbeitsweise des Coachs sowie über die Voraussetzungen des Coachings (Vertrauen, Akzeptanz, Freiwilligkeit). Andererseits erhält der Coach einen ersten Einblick in die Probleme und Ziele des
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Klienten. Ein Coaching kann bis zum Erreichen der gewünschten Ziele oder von Anfang an mit einer festen Laufzeit erfolgen. Auch der Coachingprozess lässt sich in vier Schritte • • • •
Klärung der Ausgangssituation (IST), Entwicklung der Ziele (SOLL), Lösungsalternativen und Maßnahmen (MASSNAHMEN), Erfolgskontrolle (KONTROLLE)
unterteilen und als kontinuierlicher Entwicklungsprozess betrachten. Bei der Klärung der Ausgangslage geht es vor allem um die Analyse der Probleme und den ihnen zugrunde liegenden Ursachen. Es muss erfasst werden, welche Personen beteiligt sind und welche Lösungsversuche schon unternommen wurden. Sind die vom Klienten geäußerten Wünsche, Erwartungen und Vorstellungen realistisch, so können daraus Zielvorstellungen entwickelt werden. Um nicht einer möglicherweise verzerrten Sichtweise des Klienten zu unterliegen sind dessen Ansichten kritisch zu hinterfragen. Der Coach sollte auch mögliche Chancen und Risiken sowie wichtige Hintergründe von Problemen ansprechen. Er gibt nicht einfach Ziele vor, sondern nimmt den Klienten in die Verantwortung. Wichtig ist die Festlegung der gewünschten Ergebnisse. Das kann z.B. eine verbesserte Einschätzung von Personen, Kommunikation, soziale Kompetenz, Führungsverhalten oder Arbeitsorganisation sein. Durch Entwicklung und Festlegung einer Messlatte lassen sich die Maßnahmen einer Erfolgskontrolle unterziehen. Dadurch wird die spätere Überprüfung der erreichten Ergebnisse erleichtert. Die durch den Coach angewandten Methoden können, je nach Klient und Problemlage, sehr unterschiedlich sein. Neben den menschlichen Qualitäten und seinen Persönlichkeitseigenschaften muss er das gesamte Repertoire an methodischen und sozialen Kompetenzen beherrschen. Vor der Anwendung dieser Methoden sind dem Klienten ihr Sinn und Zweck zu erläutern. Die Beratungssitzungen stellen einen geschützten Raum dar, in dem neue Verhaltensweisen ausprobiert werden können. Der Coach ist niemand der über den Klienten urteilt. Durch die zu schaffende Vertrauensbasis wird ein effektives Arbeiten und Lernen ermöglicht. In den Sitzungen kann der Coach an Wahrnehmungsblockaden (z.B. Betriebsblindheit, Vorurteile) arbeiten und alternative Sichtweisen und Lösungen aufzeigen. Die besprochenen Themen und Vorgehensweisen können dann in der täglichen Arbeitspraxis vom Klienten umgesetzt und weiterentwickelt werden. In der nächsten Sitzung erfolgt dann ein Feedback und die Erfahrungen des Klienten werden analysiert. Eventuelle Anpassungen können im Zuge eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses wieder in der Praxis getestet werden. Dieser Prozess wird solange durchlaufen, bis das Ergebnis zufrieden stellend ist. Dies kann anhand der schriftlich festgehaltenen Zielvereinbarungen überprüft werden.
Einzelcoaching Coaching wird in Unternehmen vor allem für Führungskräfte als Personalentwicklungsmaßnahme eingesetzt. Dabei sind die beruflichen Anliegen immer mit privaten Fragen verknüpft. (Potenzielle) Führungskräfte stehen hier oft in einem Spannungsfeld zwischen Karriere und Familie. Einzeicoaching ermöglicht es dem Klienten sich viel schneller zu öffnen, da im Vergleich zum Teamcoaching eine geringere Hemmschwelle besteht. Die eigene berufliche Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen, bedeutet auch Zukunftsbilder für sich zu haben oder entwickeln zu können. Die meisten Probleme sind nur vordergründig beruflicher Natur, sie überlagern sich mit außerberuflichen Fragen und können daher von komplexer Natur sein. Aus der persönlichen Verstrickung heraus sieht der Klient sich nicht in der Lage, alleine eine Lösung zu finden.
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Der Coach kann hier den Prozess der bewussten Wahrnehmung dieser Selbstverantwortung unterstützen. In der Wahrnehmung dieser Selbstverantwortung steckt persönliche Freiheit, aber auch die Notwendigkeit für ein großes persönliches Engagement. Was das für den Einzelnen bedeutet, kann nur er selbst festlegen. Er muss entdecken was er braucht, um im Berufs- und Privatleben zufrieden zu sein, wobei klar sein muss, dass sich die eigenen Bedürfnisse und Wünsche in den verschiedenen Lebensphasen ändern können. Mit Hilfe des Coaches kann der Klient vertiefte Kenntnisse über seine Bedürfnisse, Wünsche, Werte, Entwicklungspotenziale, etc. suchen. Der größte Nachteil des Einzelcoachings besteht darin, dass der Coach der einzige Gesprächspartner des Klienten ist. Somit ist die Beratung auf die Sichtweise des Coaches und dessen subjektive Wahrnehmung, Perspektiven und Handlungsmuster beschränkt. Auf die jeweiligen Anliegen erhält der Klient nur das Feedback von seinem Coach und kann nicht von Sichtweisen und Erfahrungen anderer Teammitglieder lernen. Da der Coach die Problemstellung nur aus der Sicht seines Klienten geschildert bekommt, besteht die Gefahr einer einseitigen Zielverfolgung, da andere Sichtweisen des Umfeldes nur stark eingeschränkt berücksichtigt werden können.
Teamcoaching Bei dieser Coaching-Form werden Arbeitsgruppen (z.B. Projektteams) die für eine bestimmte Zeit zusammenarbeiten betreut. In diesem Rahmen werden kollektive Problem- und Fragestellungen geklärt. Ziel des Teamcoachings ist das Erreichen einer optimalen Teameffizienz. Im Vergleich zum Einzelcoaching können alle Sichtweisen der Teammitglieder berücksichtigt werden. Somit werden für eine Problemstellung verschiedene Sichtweisen und Erfahrungen eingebracht, wodurch sich bessere Lösungen erzielen lassen. Im Vergleich zum Einzelcoaching kann der Coach im Teamcoaching auf mehr Coachingmethoden zurückgreifen. Da beim Teamcoaching die Arbeit im Team im Mitte!punkt steht, können persönliche Aspekte einzelner Teammitglieder kaum behandelt werden. Die Offnung des Einzelnen wird durch ein höheres Maß an Öffentlichkeit gehemmt, wodurch Vertrautheit verloren geht. Eine gewisse Abhilfe kann eine Kombination von Team- und Einzelcoaching schaffen. Diese Kombination kann besonders bei Teamleitern sinnvoll sein, da diese einen großen Einfluss auf das Gelingen der Teamentwicklung haben.
Selbstcoaching Verhaltensänderungen und Entwicklungen der Persönlichkeit sind ohne Selbstcoaching auf Dauer nicht zu erreichen. Der allererste und wichtigste Schritt ist das Eingestehen persönlicher Defizite. Die Fähigkeit zur Selbstkritik und zur Selbstreflexion muss vorhanden sein. Selbstcoaching erfordert ein hohes Maß an Selbstdisziplin und Überwindung. Da ich für den Erfolg meiner Coachingmaßnahmen selbst verantwortlich bin, muss ich über eine hohe Selbstmotivation verfügen. Ich bin für den Erfolg verantwortlich, sonst niemand. Wie bei jeder Aufgabe beginnt hier der Coachingprozess mit einer persönlichen Situationsanalyse: • • • • •
Was läuft in meinem beruflichen und privaten Leben gut bzw. lässt / sollte sich verändern? Welche Tätigkeiten mache ich gerne? Wo liegen meine Stärken? Was habe ich in meinem Leben positiv erlebt? Was würde ich heute genau so wieder machen? Was habe ich alles gelernt? Welche Erfahrungen habe ich gesammelt? Was möchte ich beruflich, privat oder persönlich verändern? Was möchte ich hinter mir lassen?
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Wichtig ist im Selbstcoaching die Identifikation "automatischer Reaktionen". Wie reagiere ich in bestimmten Situationen, die immer wieder zu Auseinandersetzungen und Konflikten führen? Was sind die Auslöser für mein persönliches Verhalten und für meine Reaktionen? Selbstbeobachtung und Annahme der eigenen, negativen Gefühle sind hier notwendig. Als Auslöser kann ein bestimmter Ausdruck oder eine Geste wirken. Es wird ein "wunder Punkt" getroffen, der eine automatische, reflexartige Reaktion auslöst. Sie führt zu einer Verteidigungshaltung und zu einer Gegenwehr. Um nicht schwach und unterlegen zu wirken, wird zur Gegenwehr ausgeholt, die im schlimmsten Fall zum eskalierenden Konflikt führt. Selbstcoaching beinhaltet das Beobachten der eigenen Reaktionen. Durch Wahrnehmung der eigenen Körpersignale, Gefühle und Empfindungen lässt sich die Selbstwahrnehmung trainieren und typische Verhaltensmuster erkennen. Ein Nachvollziehen des Verhaltens nach dem Ablauf einer automatischen Reaktion kann als Training für die nächste ähnliche Situation genutzt werden. Für das Selbstcoaching muss die Zielformulierung möglichst konkret sein, z.B. "Ich möchte in den nächsten zwei Jahren mein Selbstvertrauen verbessern". Die notwendigen Lösungen und Maßnahmen sind in einem Zeitplan zu hinterlegen. Zu festgelegten Zeiten (z.B. jeden Monat, jedes Quartal) wird der persönliche Entwicklungsfortschritt im Zuge einer persönlichen Erfolgskontrolle überprüft. Da Verhaltensänderungen nur langsam von statten gehen, sind kleine Schritte zur formulieren. Werden zu hohe Ansprüche an sich selbst gestellt, besteht immer die Gefahr der Überforderung und der Frustration. Subjektivität liegt in der Natur des Menschen. Damit ist der größte Nachteil des Selbstcoachings benannt. Die eigene Wahrnehmung und die Selbstreflexion möglichst ehrlich zu gestalten, ist die Herausforderung. Menschen denen ich ein hohes Vertrauen entgegenbringe können mich bei diesem bewussten Prozess der Verhaltensänderung und Persönlichkeitsentwicklung unterstützen.
Mentoring Mentoring ist eine weitere zielgerichtete Möglichkeit zur Personalentwicklung bei Führungskräften. Die Vorstellung eines Mentors in einer Organisation entspricht dem des lebens- und berufserfahrenen Managers. Dieser sollte in der Unternehmenshierarchie über dem Mentee stehen, jedoch gegenüber diesem über keine disziplinarische Befugnis verfügen. Die Zusammenarbeit zwischen Mentor und Mentee kann für unterschiedlichste Zwecke eingesetzt werden. Hintergrund ist jedoch meistens die Förderung einer Person. Der Mentor sollte möglichst viel von seinem Wissen weitergeben. Typische Zielgruppen für Mentoring sind neue Mitarbeiter und Nachwuchsführungskräfte. Bei neuen Mitarbeitern wird das Hauptaugenmerk auf deren schnelle Integration in das Unternehmen gelegt. Vom Mentor soll möglichst schnell viel Wissen auf den Mentee übertragen werden. Kritisch wird die Situation, wenn der Mentor aufgrund seines größeren Wissens den Mentee in einem passiven Abhängigkeitsverhältnis hält. Dann kann der neue Mitarbeiter sein Wissen nicht festigen. Nach Abschluss des Mentorings fehlt dann die Wissensquelle, die er bisher bei Problemen um Rat fragen konnte. Für einen guten Mentor ist es daher wichtig, seinen Mentee aus einer passiven Position heraus zu holen und eine Abhängigkeit zu vermeiden. Nachwuchsführungskräfte werden von ihrem Mentor meistens so lange begleitet, bis sie in ihrer neuen Position verankert sind und ein Erfolg des Mentorings feststellbar ist. Der Mentor muss seinem Mentee die Möglichkeit zur Selbstentwicklung geben. Der Mentee soll sich am Mentor als Vorbild orientieren, ihn aber nicht imitieren. Kontakte sind für angehende Führungskräfte wichtig und werden in der aufsteigenden Hierarchie eines Unternehmens immer bedeutender. Das sich entwickelnde Netzwerk erleichtert es, Kontakte zu knüpfen, aufrecht zu erhalten und auszubauen.
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Netzwerke stellen auf Führungsebenen wichtige Kontaktpunkte dar und sind von daher positiv zu bewerten. Sie dürfen sich jedoch nicht zu "Seilschaften" entwickeln. Damit sich ein Vertrauensverhältnis zwischen Mentor und Mentee entwickeln kann, ist wie beim Coaching Verschwiegenheit Pflicht. Für den Mentor bedeutet Vertrauen, dass der Mentee ihn als Helfer und Unterstützer anerkennt und ihm offen und ehrlich gegenübertritt. Der Mentee muss wiederum davon ausgehen können, dass sein Mentor das Beste für ihn will, ihn unterstützt und ebenfalls offen und ehrlich zu ihm ist. Daher ähnelt diese Beziehung dem Verhältnis des internen Coaches zu seinem Coachee, wobei das Verhältnis jedoch noch tiefer in die persönliche Beziehung geht.
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4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
Klugheit Ohne die notwendige Klugheit kann die Führungskraft keine gerechten Entscheidungen treffen. Der Kluge hat einen ausgeprägten Wirklichkeitssinn. Er sieht nicht nur das Nahe liegende, sondern erkennt auch die verborgenen Dinge. Er blickt über den Tellerrand hinaus und kann seine Erkenntnisse in einen größeren Zusammenhang stellen. Für ihn besteht die Wirklichkeit aus vielen Facetten und nicht nur aus gut oder schlecht. Er ist innerlich nicht nur auf Schwächen und Fehler fixiert sondern sieht diese Mängel im gesamten Zusammenhang. In seinem Erkennen der Wirklichkeit weiß er zu entscheiden, was zu tun ist. Seine Entscheidungen sind davon geprägt, Gutes zu tun. Denn nur das Gute entwickelt seine Persönlichkeit und die seiner Mitarbeiter weiter. Wie will ich eine gute Entscheidung treffen, wenn ich an der Oberfläche bleibe und die Wirklichkeit nicht erkenne oder annehme? Ohne den Glauben an das Gute im Menschen werde ich auch keine klugen Entscheidungen treffen können. Klugheit ist untrennbar mit Mut zur Wahrheit verknüpft. Weisheit ist schließlich die höchste Form der Klugheit. Der Weise kennt seine inneren Einstellungen und hat Erfahrungen mit und über sich selbst gesammelt.
Gerechtigkeit Gerechtigkeit wird als Versuch definiert, jemanden fair und moralisch angemessen zu behandeln. Die Gerechtigkeit ist somit ein Maßstab für die Angemessenheit des eigenen Verhaltens. Im Unternehmen spielt die Gerechtigkeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine große Rolle. Bei Ungerechtigkeit schwindet die Motivationsfähigkeit der Betroffenen und führt zu Unlust und Desinteresse. Wie kann ich als Führungskraft gerecht führen? Die Grundvoraussetzungen dazu liegen wieder in der eigenen Persönlichkeit begründet. Ich muss mich selbst erkennen, um die Mitarbeiter erkennen zu können und damit in der Lage sein, gerechte Urteile zu fällen. Die Beurteilung der Mitarbeiter gelingt jedoch nur, wenn ich als Führungskraft möglichst sachlich und objektiv entscheide. Nun werden Sachentscheidungen immer auch von emotionalen Komponenten beeinflusst. Vorlieben, Abneigungen, Sympathien, Antipathien, Werte, Tabus etc. spielen eine ganz wichtige Rolle. Kenne ich meinen eigenen Charakter, meine Vorurteile und weiß, wie diese meine Entscheidungen beeinflussen? Auch hier ist wieder die Auseinandersetzung mit meiner eigenen Lebensgeschichte gefordert. Welche positiven und/oder negativen Erfahrungen haben mich geprägt? Erst wenn ich dies erkenne und bewusst damit umgehe, kann ich meine Vorurteile und unbewussten eigenen Bedürfnisse in meinen Entscheidungen beiseite schieben und möglichst gerecht urteilen. Gerecht kann ich als Führungskraft dann sein, wenn ich um die eigenen Aufgaben, Rechte, Pflichten und Verantwortungen für mich und meine Mitarbeiter weiß. Gerechtigkeit bedeutet dann u.a., dass ich alle Mitarbeiter gleich behandle. Es wird niemand bevorzugt, niemand gekränkt oder verletzt. Aufgaben werden im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten eines jeden Mitarbeiters verteilt, ohne sie in extremer Art und Weise zu über- bzw. zu unterfordern. Jedem wird die Chance geboten sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Die gerechte Führungskraft unterstützt diese Entwicklung mit allen ihren Möglichkeiten. Unsachlichkeit führt immer zu Ungerechtigkeit, genauso wie Selbstsucht, Parteilichkeit, Unwahrheit, Falschheit. Gerechtigkeit ist auch immer mit der Würde eines Menschen verbunden. Sie ist unantastbar. Heute wird viel von einem kooperativen Führungsstil gesprochen. Wichtiger ist jedoch die Achtung der persönlichen Würde des Mitarbeiters. Selbst autoritäre Führungskräfte werden von ihren Mitarbeitern geschätzt und anerkannt, wenn eines gegeben ist: Sie müssen gerecht sein und Machtmissbrauch ausschließen. Gerechtigkeit entsteht nicht von selbst. Sie braucht dazu den Mut und das Engagement der Menschen.
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Mut und Verantwortungsbereitschaft Eine gerechte Führungskraft braucht Mut, Mut für seine Entscheidungen einzutreten und dafür die Verantwortung zu übernehmen. Dies umfasst auch die Risikobereitschaft Fehler zu begehen und damit die Möglichkeit kritisiert zu werden. Eine mutige Führungskraft tritt für gerechte Entscheidungen, eventuell sogar unter Annahme persönlicher Nachteile ein. Mit dem entsprechenden persönlichen Engagement verfolgt sie die Realisierung ihrer Ziele. Mut erfordert es auch, für die Fehler seiner Mitarbeiter einzustehen, denn als Führungskraft trage ich die Verantwortung für alle Tätigkeiten in meinem Bereich. Starke Führungskräfte ermuntern und unterstützen ihre Mitarbeiter darin, neue Wege einzuschlagen, Risiken einzugehen und innovative Lösungen zu suchen. Es gibt sehr viele Führungskräfte, die nicht entscheiden können. Sie haben Angst vor den möglichen Konsequenzen und sitzen daher das Problem aus. Sie lassen andere die Entscheidungen treffen. Damit zeigen sie jedoch eine Willensschwäche; auch ihren Mitarbeitern gegenüber. Wie können sie von ihren Mitarbeitern Leistungen erwarten und einfordern, wenn ihnen selbst der Mut zu Entscheidungen fehlt? Sich nicht entscheiden heißt auch seine Mitarbeiter nicht zu führen. Entscheidungsschwäche ist Führungsschwäche und mangelnder Mut Verantwortung zu übernehmen. Die Fähigkeit, Entschlüsse und Entscheidungen unter unsicheren Bedingungen zu treffen, setzt Selbstvertrauen und Zuversicht voraus. Eine klare Orientierung an ihren persönlichen Werten hilft der Führungskraft Entscheidungen zu treffen. Als Führungskraft muss ich bei meinen Entscheidungen mit Widerstand rechnen. Wie gehe ich damit um? Weiche ich ihnen aus, lasse ich mich dadurch entmutigen oder überwinde ich sie? Sehe ich sie als eine Herausforderung für mich an? Letztlich stellt sich die Frage, wie ich grundsätzlich mit Widerständen umgehe. Ein starker Wille gibt mir den Mut mich gegen Widerstände durchzusetzen. Innere Festigkeit in der Persönlichkeit verhindert, sich wie ein Fähnchen im Wind zu drehen. Ich stehe zu meinem Entschluss und lasse mich nicht verbiegen. Mut zur Verantwortung erfordert innere Werte und ein ausgeprägtes Gewissen. Zu wissen, was ich will, erleichtert mir berufliche und private Entscheidungen. Jeder Mensch hat ein Gewissen; selbst der Gewissenlose. Während früher starke gesellschaftlich-religiöse Normen als Basis dienten, ist es heute mehr der individualistisch ausgeprägte Werte- und Normenbereich der unser Gewissen prägt. Verantwortungsbewusste Führungskräfte verfügen über ethische Grundüberzeugungen. Sie begegnen ihren Mitmenschen mit Achtung, Mitgefühl, Toleranz und akzeptieren andere Ansichten, Lebensführung und -gestaltung. Sie haben ein Gespür für Gut und Böse, Wahr und Unwahr, Recht und Unrecht. Eine auf ethischen Normen ruhende Führungskraft entscheidet auf dieser Basis nicht von Fall zu Fall anders. Sie zeigt Charakter und ist frei von Willkür.
Demut Erfolg als Führungskraft kann schnell zu Überheblichkeit und Hochmut führen. Die Schattenseiten der eigenen Persönlichkeit werden verdrängt, weil man ja so erfolgreich ist. Schnell kann sich Arroganz und Besserwisserei entwickeln. Ich sollte daher lernen, mich in meinem Erfolg zu mäßigen und eine gewisse Besonnenheit an den Tag zu legen. Um nicht hochmütig zu werden ist eine gewisse Demut vor der eigenen Person notwendig. Diese Demut sorgt dafür, auch den Menschen im Mitarbeiter zu erkennen und zu sehen, wo er steht. Demut führt zur Mäßigung und zur Besonnenheit im Handeln.
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4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
Im negativen Sinne kann der Hochmut zur Geltungssucht führen. Die Selbstdarstellung der Leistungen kann zur Maßlosigkeit gegenüber sich selbst und den Mitarbeitern führen. Eigensinn, Härte und menschliche Kälte breiten sich aus. Die Mentalität des "Immer-mehr" frisst den Menschen innerlich auf und lässt ihn in seiner Menschlichkeit erstarren. Die Selbstsucht lässt den Wert des Mitmenschen nur noch unter dem Maß der Nützlichkeit und des Profits gelten. Maßlosigkeit im Handeln und Hochmut in der Person untergraben das Ansehen als Führungskraft. Die Vorbildfunktion für die Mitarbeiter geht verloren.
Umgang mit den Menschen Welches Menschenbild habe ich verinnerlicht? Wie trete ich meinen Mitarbeitern gegenüber auf und führe sie? Bin ich von Natur aus optimistischer veranlagt, glaube ich vielleicht eher an den guten Kern im Menschen. Dagegen führt ein pessimistisches Menschenbild zu Misstrauen und laufender Kontrolle des Mitarbeiters. Optimismus führt zu Offenheit und einem vertrauensvollen Umgang untereinander. Dies ist auch notwendig, um offene und konstruktive Gespräche führen zu können. Wie soll ein Verhalten verbessert, ein Fehler behoben oder ein Problem gelöst werden, wenn Gespräche in Vorwürfe ausarten? Fehler müssen angesprochen, mangelnde Leistungen kritisiert werden, aber die Würde des Mitarbeiters ist immer zu achten. Eine Verletzung der Mitarbeiterwürde ist immer auch eine Verachtung des Menschen. Auch in kritischen Führungssituationen kann ich mit einem optimistischen Menschenbild meinem Mitarbeiter mit dem notwendigen Wohlwollen gegenübertreten. Ich muss den anderen in seinen Ansichten und seinem abweichenden Leistungsvermögen achten. Normalerweise ist die Führungskraft aufgrund ihrer hierarchischen Stellung in der stärkeren Position. Bei Auseinandersetzungen kann sie leicht als Sieger vom Platz gehen aber gleichzeitig verlieren. Der Mitarbeiter wird unmerklich auf Distanz gehen; die Führungskraft Unterstützung für zukünftige Aufgaben verlieren. Gegenseitige Achtung bürgt dafür, dass auch in schwierigen Situationen ein achtungsvoller Umgang miteinander möglich ist. Achtung vor dem anderen ist auch Achtung vor sich selbst. Warum verachte ich Eigenschaften anderer Menschen? Welche Eigenschaften verachte ich an mir? Nur wenn ich meinen Mitarbeitern mit der notwendigen Achtung gegenübertrete, werden sie sich engagieren, sich an ihrer Arbeit freuen und sich weiterentwickeln. Ein fröhliches "Guten Morgen" kann selbst an einem trüben Tag die Mienen der Menschen, mit denen ich es zu tun habe, aufhellen. Keine aufgesetzte Fröhlichkeit, sondern eine Freundlichkeit von innen heraus. So wie ich den Menschen begegne, werden auch sie mich annehmen. Den Umgang, den ich erwarte, muss ich auch selbst geben können. Ein freundliches Wort kann Stimmungen wandeln, Menschen aus ihrer Enge befreien und aufrichten. Mit einem freundlichen Wort öffne ich verschlossene Türen. Der Mitarbeiter fühlt sich von mir angenommen. Permanente Kritik über unzureichende Leistungen, laufende Unzufriedenheit mit der Arbeit vergiften langsam aber sicher das Betriebsklima. Wie sollen in solch einem Klima die Menschen wachsen und gute Leistungen erbringen? Wer führen will, sollte für eine gute Stimmung sorgen. Stimmung kommt von Stimme. Freundlichkeit im Umgangston legt die Basis in der Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Alleine der Ton, mit dem ich dem Menschen gegenübertrete, sagt etwas über die Wertschätzung aus, die ich ihm entgegenbringe. Wenn etwas im Unternehmen schief läuft oder im Argen liegt, so liegt es nicht an der Situation sondern an der Führung. Führen ist etwas Aktives, hat eine Vorbildfunktion. Ich kann von meinen Mitarbeitern nur das verlangen, was ich auch selbst zu geben bereit bin. Die Mitarbeiter merken sehr schnell, ob dieser Anspruch an sie auch von mir selbst erfüllt wird oder ob ich mit zweierlei Maß messe. Respekt erwerbe ich mir nur, wenn ich auch mein Verhalten und meine Leistungen mit den gleichen Maßstäben messe.
4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
4.2
111
Fragen der Persönlichkeit
Warum bin ich so, wie ich bin? Warum ist jemand fröhlich und gelassen; der Andere mehr in sich gekehrt? Warum sind manche Menschen erfolgreich und andere nicht? Diese Fragen hat sich vielleicht jeder aufgrund seiner Alltagserfahrungen schon einmal gestellt. Menschen sind in ihrem Wesen so unterschiedlich, dass sich eine enorme Vielfalt im Verhalten ergibt. Als Führungskraft müssen wir uns nicht nur um Sachaufgaben kümmern, sondern auch die Reaktionen und das Verhalten unserer Mitarbeiter erkennen. So möchten wir den Umgang mit ihnen erleichtern und die Mitarbeiterführung verbessern. Um das zu erreichen, müssen wir den Mitarbeiter näher kennen lernen. Was bewegt ihn? Was sind charakteristische Verhaltensweisen? Warum handelt er so? Welche Gefühle zeigt er? Diese Fragen lassen sich nur beantworten, wenn die Führungskraft ihn in seinem beruflichen Umfeld bewusst beobachtet. Nur dann wird sie die Charaktereigenschaften und Wesenszüge ihres Mitarbeiters aufdecken und mit ihren persönlichen Erfahrungen vergleichen können. Für die Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit spielen sowohl genetische (Veranlagung) als auch soziale (Umwelt) Faktoren eine gleichbedeutende Rolle. Sie stehen nicht getrennt voneinander, sondern stehen in einem dynamischen Wechselspiel zueinander. So aktivieren beispielsweise umweltspezifische Einflüsse genetische Mechanismen. "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm". Diese Alltagsaussage weist auf die genetische Persönlichkeitsprägung hin. Eltern geben auf diese Art und Weise charakteristische Eigenschaften und Fähigkeiten an ihre Kinder weiter. Genetische Wesenszüge sind z.B. das Temperament, Verhalten und Reaktionen wie Ängstlichkeit oder Selbstbewusstsein. Genetisch werden die grundlegenden Eigenschaften der Persönlichkeit geprägt. Diese Persönlichkeitsstrukturen sind über sehr lange Zeiträume im Verlauf des Lebens stabil. Zu den Umwelteinflüssen, die uns am meisten prägen, gehören zuallererst die Eltern. Kinder schauen sich deren Verhaltensmuster ab und nehmen sie für sich selbst an. Bestimmte Verhaltensweisen werden belohnt und andere bestraft. Unbewusst behandeln Eltern ihre Kinder unterschiedlich, so dass Erstgeborene oft leistungsorientierter sind als Geschwister. Eltern - und auch Vorgesetzte - üben somit eine Vorbildfunktion aus. Einflüsse anderer Kinder z.B. aus Kindergarten oder Schule können teilweise stärker sein als die des Elternhauses. Es ist wichtig dazu zu gehören. Schließlich haben die soziale Herkunft (z.B. Arbeiter oder Akademiker) und der Kulturkreis Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung. Der Prozess des Wachstums und der Entwicklung der Persönlichkeit entwickelt sich am intensivsten in der Kindheit und Jugend. Er zieht sich aber durch das ganze Leben und kommt nie zum Stillstand. Menschen werden als Persönlichkeit durch ihre inneren (Gene) und äußeren (Umfeld) Faktoren geprägt. Als Führungskraft beobachte ich jedoch nur ein selektives, äußeres Verhalten. Bei der Beobachtung und der sich anschließenden Bewertung spielen meine Werte und Überzeugungen ("das macht man nicht") und somit meine ethischen Uberzeugungen und mein Bild vom Mitmenschen eine Rolle. In dieses Menschenbild fließen Erfahrungen aus der Vergangenheit ein und beeinflussen das gegenwärtige Urteil. Damit wird das zukünftige Mitarbeiterbild in eine bestimmte Ablage gelegt. In diesem Zusammenhang muss klar sein, dass neben der grundsätzlichen Persönlichkeitsstruktur immer eine zukünftige Verhaltensänderung möglich ist. Menschen sind komplexe Wesen. Sie neigen dazu, für ihr Verhalten subjektive und weniger objektive Gründe zu benennen. Die Frage ist nicht ob, sondern in welchem Ausmaß eine zeitliche und situationsbedingte Entwicklung möglich ist.
4
4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
112
4.2.1
Das Selbstkonzept des Menschen
Der Mensch nimmt als Individuum äußere Objekte war und macht Erfahrungen, denen er eine persönliche Bedeutung beimisst. Das ganze System an Wahrnehmungen und Vorstellungen prägt die Person und formt ihr Selbstbewusstsein. Dabei besteht unsere Sicht vom Selbst aus zwei Bestandteilen: • •
das Selbst, das wir zu sein glauben, das Selbst, wie wir uns im Idealfall in Zukunft selbst sehen.
Das Ideal-Selbst sagt etwas über die Merkmale des Menschen aus, auf die er besonderen Wert legt und die sein Selbstwertgefühl prägen. Menschen sind dann zufrieden, wenn die verfolgten Ziele mit ihren eigenen Werten übereinstimmen. Eine Führungskraft muss daher den Motivationsfaktor "persönliche Werte" des Mitarbeiters identifizieren und sinnvoll nutzen können. Menschen versuchen das was sie sehen, hören und fühlen mit ihrem Selbst in Einklang zu bringen. Nur dann fühlen sie sich wohl und verhalten sich kongruent. Gelingt dies nicht, baut sich ein inneres Spannungsfeld auf und sie fühlen sich unwohl. Es kommt dann zu Abwehrprozessen. Aus dem Alltag ist die "selbsterfüllende Prophezeiung" bekannt. Das Selbstkonzept des Menschen sorgt dafür, dass die Erwartungen eintreten. Wir verhalten uns oft so, dass andere Personen unsere eigenen Wahrnehmungen bestätigen. Wir versuchen Selbstbild und Fremdbild möglichst deckungsgleich zu erhalten. Verhaltensweisen, die mit unserem Selbst nicht in Übereinstimmung zu bringen sind, werden ignoriert, verzerrt oder verleugnet. Mitarbeiterentwicklung kann nur in einer offenen, vertrauensvollen Atmosphäre geschehen. Menschen spüren unbewusst, wie sie von der Führungskraft gesehen werden. Bei positiver Annahme gewinnt der Mitarbeiter Sicherheit und kann viel freier an sich und seinen Fähigkeiten arbeiten. Dies führt zu Selbstsicherheit, Unabhängigkeit und Kreativität. Bei negativer Sichtweise wird er unsicher und sich in seinem Selbstwertgefühl herabgesetzt fühlen. Dabei ist klar zwischen Anforderungen an die Sache/Aufgabe einerseits und Akzeptanz der Person andererseits zu unterschieden. Deutlichkeit in der Sache wird von Mitarbeitern viel leichter angenommen als Kritik an der Persönlichkeit. Wie Führungskräfte ihre Mitarbeiter sehen, ist auch ein Spiegel ihres eigenen Selbst. Sie sollten über ein hohes Selbstwertgefühl verfügen, da sich dies in der Mitarbeiterführung positiv auswirkt. Führungskräfte mit hohem Selbstwertgefühl stellen klare Anforderungen an ihre Mitarbeiter, die sie auch mit der notwendigen Konsequenz durchsetzen. Mitarbeiter brauchen Regeln, Führung und Grenzen innerhalb derer sie sich sicher bewegen können. Selbstbewusste Führungskräfte respektieren unterschiedliche Meinungen und Ansichten. Kreativität kann sich nur dann entfalten, wenn dies gefördert wird. Kreative Mitarbeiter sind selbstständige Mitarbeiter und können wesentlich stolzer auf ihre Leistungen sein. Sie sind aktiver und zeigen bei Widerständen und Schwierigkeiten ein größeres Durchsetzungsvermögen. Normalerweise kommen sie auch mit komplexeren Aufgaben besser zurecht. Führungskräfte müssen primär die intrinsischen Motivationsfaktoren - und damit das Selbst - ihrer Mitarbeiter erkennen. Herausfordernde Aufgaben und Möglichkeiten der Selbstbestimmung können die intrinsische Mitarbeitermotivation fördern. Eine übertriebene extrinsische Kontrolle oder Motivation kann dagegen leistungshemmend sein. Nur weil wir den sachlichen Inhalt des zu erreichenden Ziels kennen, erkennen wir noch längst nicht die intrinsische Motivation zur Zielerreichung. Ein Schlüssel für die Mitarbeiterführung liegt in der Erkenntnis, was die Mitarbeiter für sich selbst wollen (Wünsche) und wovor sie zurückschrecken (Ängste).
4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
4.2.2
113
Menschliches Abwehrverhalten
Menschen entwickeln Abwehrmechanismen, mit deren Hilfe sie ihr Verhalten erklären können. So tragen wir Bilder und Erfahrungen in uns, die mit positiven Emotionen (Freude, Glück) oder negativen Emotionen (Angst, Hass) verbunden sind. Diese Selbstbildnisse prägen unser Menschenbild und sind Grundlage für die Art und Weise wie wir unsere Mitmenschen sehen und Handlungen interpretieren. Der Mensch verleugnet bewusst eine Tatsache, die ihm unangenehm oder sozial inakzeptabel war. Erfolgt die Verleugnung anfangs bewusst, kann daraus später ein unbewusster Vorgang werden. Sie vermindert innere Spannungen und kann zu Fehlanpassungen im persönlichen Verhalten führen. Beispiele für Verleugnungen sind das Vorhandensein eines Konfliktes oder die Abhängigkeit von Alkohol. Verwandt mit der Verleugnung ist die Verdrängung. Hier wird ein Gedanke so stark verdrängt, dass er vom Bewusstsein ausgeschlossen wird. So ist es möglich "falsche" Erinnerungen, z.B. über sexuellen Missbrauch zu haben. Menschen können sich an Geschehnisse "erinnern", die niemals vorgefallen sind. Verzerrungen sind weit verbreitet. Letztlich benutzt jeder Mensch diesen Abwehrmechanismus. Beobachtungen werden zwar ins Bewusstsein gelassen, aber so verändert und verzerrt, dass sie mit dem Selbst übereinstimmen. Bei der Projektion wird das eigene persönliche Verhalten auf andere Personen übertragen. Dadurch muss man sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen, sondern kann seinem Umfeld die Schuld zuschieben. Bei der Isolierung werden Handlungen bewusst erlebt, jedoch die begleitenden, unangenehmen Umstände verleugnet. Durch die Verleugnung der Umstände wird unbewusst versucht, die Handlung ungeschehen zu machen. Verwandt mit der Isolierung ist die Rationalisierung. Bei der Rationalisierung wird die Handlung anerkannt, aber die begleitenden Umstände werden verzerrt wahrgenommen. Die gesamte Situation wird neu interpretiert, um das eigene Verhalten zu rechtfertigen.
4.2.3
Persönlichkeitswesenszüge
Das Konzept der Persönlichkeitswesenszüge orientiert sich stark an der Beschreibung von Personen und ihrem Verhalten in alltäglichen Situationen. Menschen denken, handeln und fühlen nach so genannten konsistenten Mustern, den Wesenszügen. Mit ihnen kann das Verhalten von Personen vorhergesagt, zusammengefasst und erklärt werden. Wesenszüge weisen darauf hin, dass die Gründe für das Verhalten einer Person nicht alleine in der Situation sondern auch in der Persönlichkeit zu suchen sind. Wesenszüge scheinen eine zentrale Bedeutung für die Persönlichkeit zu haben. Zwischen dem Wesenszug einer Person und der Handlung besteht ein direkter Zusammenhang. Persönlichkeitswesenszüge können die Stabilität des persönlichen Verhaltens erklären. Menschen reagieren aber nicht nach einem stupiden Schema. Für das persönliche Verhalten muss auch die Bedeutung der Situation für die Person berücksichtigt werden. So kann ein introvertierter Mensch in bedeutungsvollen Situationen durchaus extrovertiert auftreten und reagieren. Die individuelle Bedeutung der Situation kann zu einer situationsgerechten Anpassung des Verhaltens führen. Das persönliche Verhalten im Alltag basiert nicht nur auf einem Wesenszug sondern auf mehreren. Persönlichkeitswesenszüge haben sowohl eine biologische (Gene) als auch eine soziale (Umwelt) Ursache. Dies zeigen z.B. Studien über ein- und zweieiige Zwillinge. Bestimmte Verhaltensmuster einer Person basieren allerdings nicht nur auf ihren Wesenszügen. So haben der momentane Zustand eines Menschen (z.B. Stress, Müdigkeit) und seine Rolle (z.B. Vorgesetzter, Kollegen, Mitarbeiter) Einfluss auf dessen Verhalten. Für die Beurteilung des persönlichen Verhaltens sind immer die Wesenszüge, der momentane Zustand (Stimmung) und die Rolle der Person (Situation) zu betrachten.
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4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
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Jedem der fünf Faktoren der Persönlichkeitswesenszüge ("Big Five") sind sechs Facetten oder Charakteristika zugeordnet (Abb. 4.1). Die Offenheit für Erfahrungen (0) bewertet z. B. das Werteund Normensystem der Person. Die Gewissenhaftigkeit (C) legt z.B. Wert auf Pflichtbewusstsein, Kompetenz und Leistungsstreben. Die Extraversion (E) bewertet Faktoren wie Geselligkeit und Durchsetzungsfähigkeit. Die Verträglichkeit (A) oder Liebenswürdigkeit bewertet ebenfalls interpersonelle Faktoren wie Vertrauen und Entgegenkommen. Der Faktor Neurotizismus (N) bewertet die emotionale Labilität einer Person. Dazu zählen z.B. Ängstlichkeit, soziale Befangenheit und Verletzlichkeit. Jede dieser Facetten enthält wiederum eine große Zahl spezifischer Wesenszüge oder Gewohnheiten. Die Abbildungen 4.2 - 4.6 führen für jeden Persönlichkeitswesenszug einige dieser Dispositionen mit hoher bzw. niedriger Merkmalsausprägung auf. Die in Abbildung 4.1 gemachten Aussagen beruhen auf der statistischen Analyse einer großen Anzahl von Personen. Daraus lässt sich jedoch nicht schließen, dass jede Person alle Facetten der einzelnen Wesenszüge in sich vereinigen muss. Hierzu ist die individuelle Auswertung mittels eines Persönlichkeitsfragebogens notwendig. Während des Erwachsenenalters bleiben die Wesenszüge der Persönlichkeit relativ stabil. Im Vergleich zu Jugendlichen haben Erwachsenen höhere Werte bei Verträglichkeit, Liebenswürdigkeit und Gewissenhaftigkeit. Bei den drei anderen Persönlichkeitsbereichen Offenheit für Erfahrungen, Extraversion und Neurotizismus zeigen dagegen Jugendliche höhere Werte. Heranwachsende werden mehr von Ängsten und Sorgen um Akzeptanz und Selbstwertgefühl geplagt. Gegenüber erwachsenen Menschen sind sie weniger verantwortungsbewusst und risikofreudiger. Mit zunehmendem Alter werden in der Welt der Erwachsenen die Rollen in der Familie und im Beruf gefestigt.
Wesenszüge
Facetten oder Charakteristika
Offenheit für Erfahrungen; 0 (Openness to Experience)
Phantasie Ästhetik Gefühle
Handlungen Ideen Werte- und Normensystem
Gewissenhaftigkeit; C (Conscientionsness)
Kompetenz Ordnungsliebe Pflichtbewusstsein
Leistungsstreben Selbstdisziplin Besonnenheit
Extraversion; E (Extraversion)
Herzlichkeit Geselligkeit Durchsetzungsfähigkeit
Aktivität Erlebnissuche Frohsinn
Verträglichkeit; A (Agreeableness)
Vertrauen Freimütigkeit Altruismus
Entgegenkommen Bescheidenheit Gutherzigkeit
Neurotizismus; N (Neuroticism)
Ängstlichkeit Reizbarkeit Depression
soziale Befangenheit Impulsivität Verletzlichkeit
Abb. 4.1: Die fünf großen Wesenszugfaktoren ("Big Five") und ihre Facetten [Pervin, 2005]
4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
115
Das Selbstvertrauen in die eigene Person und deren Fähigkeiten nehmen zu. Die Zunahme des Faktors Verträglichkeit (Liebenswürdigkeit) beruht auf der Geburt und Erziehung von Kindern und den damit verbundenen Erfahrungen. Damit verbunden ist die Tatsache, dass mit zunehmendem Alter die Stabilität der Persönlichkeit zunimmt. Aus der Struktur der Persönlichkeitswesenszüge lässt sich nicht direkt entscheiden, welche Faktoren für den Berufserfolg maßgeblich sind. Personen können ihr Verhalten in unterschiedlichen Situationen variieren und ihre Handlungen entsprechen anpassen. In Erweiterung und Ergänzung zu den notwendi.gen Kompetenzen für eine Führungskraft unterstützen weitere Charakteristika die Fähigkeit zur Ubernahme von Führungsverantwortung. Dazu zählen insbesondere die "Gewissenhaftigkeit" mit all ihren Facetten. Aus der "Extraversion" sind besonders die "Durchsetzungsfähigkeit" und die Facette "Aktivität"; aus der "Offenheit für Erfahrungen" die "Ideen" und das "Werte- und Normensystem" der Person zu nennen. Für den Persönlichkeitswesenszug "Neurotizismus" erhalten die tür eine Führungskraft wichtigen Dispositionen oder Gewohnheiten (z.B. emotional stabil, selbstsicher, stabil) hohe Werte im Persönlichkeitsprotil. Für die Langzeitstabilität der Persönlichkeitswesenszüge gibt es gute Belege.
Facetten
hohe Merkmalsausprägung
niedrige Merkmalsausprägung
Phantasie
einfallsreich, erfinderisch, kreativ, originell, fantasievoll
fantasielos, praktisch, realistisch, vorstellungsarm
Ästhetik
künstlerisch, musisch, poetisch
kann mit Kunst, Musik, Poesie nichts anfangen
Gefühle
einfühlsam, sensitiv, gefühlvoll, feinfühlig, empfindsam
nüchtern, sachorientiert, empfindungsarm, gefOhlsarm
Handlungen
experimentierfreudig, flexibel, sucht Abwechslung
eingefahren, sucht Routine, unflexibel
Ideen
analytisch, neugierig, rational, interessiert, wissbegierig
pragmatisch, desinteressiert, faktenorientiert
Werte- und Normensystem
aufgeschlossen, kritisch, progressiv, unvoreingenommen
engstirnig, konservativ, traditionsbewusst, voreingenommen
Abb. 4.2: Facetten und Merkmale der "Offenheit für Erfahrungen" [Ostendorf, 2004]
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Facetten
hohe Merkmalsausprägung
niedrige Merkmalsausprägung
Kompetenz
effektiv, entscheidungsfähig, leistungsfähig, urteilsfähig
ineffektiv, inkompetent, unbedacht, planlos
Ordnungsliebe
organisiert, systematisch, gepflegt, sorgsam, ordentlich
nachlässig, unsystematisch, unorganisiert, schlampig
Pflichtbewusstsein
gewissenhaft, pünktlich, sorgfältig, zuverlässig, verantwortungsbewusst
leichtsinnig, ungenau, unzuverlässig, lax, prinzipienlos
Leistungsstreben
ehrgeizig, flüssig, motiviert, zielstrebig, perfektionistisch, tOchtig
arbeitsscheu, gleichgültig, träge, faul, bequem
Selbstdisziplin
ausdauernd, beharrlich, konsequent, selbstdiszipliniert, willensstark
chaotisch, inkonsequent, sprunghaft, unbeständig, willensschwach
Besonnenheit
planvoll, weitsichtig, achtsam, reflektiert
kurzsichtig, unbesonnen, trifft spontane Entscheidungen
Abb. 4.3: Facetten und Merkmale der "Gewissenhaftigkeit" [Ostendorf, 20041
Facetten
hohe Merkmalsausprägung
niedrige Merkmalsausprägung
Herzlichkeit
freundlich, herzlich, höflich, liebenswürdig, nett
abweisend, reserviert, unpersönlich, zurückhaltend
Geselligkeit
gesprächig, kontaktfreudig, gesellig, unterhaltsam
distanziert, verschlossen, zurückgezogen, einsilbig
Durchsetzungsfähigkeit
dominant, entscheidungsfreudig, selbstbewusst, durchsetzungsfähig
entscheidungsschwach, unentschlossen, unterwürfig
Aktivität
energievoll, tatkräftig, schnell, vital, tatendurstig
gemächlich, passiv, langsam, betulich, geruhsam
Erlebnissuche
risikofreudig, wagemutig, unternehmenslustig
bedächtig, vorsichtig, behutsam
Frohsinn
begeisterungsfähig, fröhlich, vergnügt, heiter, enthusiastisch
beherrscht, ernst, unbeteiligt, unbeeindruckt
Abb. 4.4: Facetten und Merkmale der "Extraversion" [Ostendorf, 20041
4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
Facetten
hohe Merkmalsausprägung
117
niedrige Merkmalsausprägung
Vertrauen
gutgläubig, treuherzig, vertrauensvoll, arglos
argwöhnisch, misstrauisch, skeptisch, zynisch
Freimütigkeit
aufrichtig, geradlinig, offenherzig, wahrhaftig
berechnend, manipulierend, unredlich, raffiniert, verschlagen
Altruismus
großzügig, hilfsbereit, rücksichtsvoll, selbstlos, zuvorkommend
egoistisch, eigennOtzig, selbstsüchtig, ungefällig
Entgegenkommen
gutwillig, nachgiebig, sanft, nachsichtig
rechthaberisch, streitsüchtig, sarkastisch, unnachgiebig
Bescheidenheit
anspruchslos, uneingebildet, selbstgenügsam, bescheiden
arrogant, eitel, selbstgefällig, wichtigtuerisch, eingebildet
Gutherzigkeit
gütig, mitfühlend, human, verständnisvoll, warmherzig
hartherzig, menschenfeindlich, mitleidlos, unbarmherzig
Abb. 4.5: Facetten und Merkmale der "Verträglichkeit" [Ostendor!, 20041
Facetten
hohe Merkmalsausprägung
niedrige Merkmalsausprägung
Ängstlichkeit
ängstlich, furchtsam, beunruhigt, nervös, angespannt
entspannt, furchtlos, gelassen, ruhig, unerschütterlich
Reizbarkeit
empfindlich, gereizt, jähzornig, missmutig, ungehalten, verbittert
ausgeglichen, gleichmCitig, emotional stabil, verträglich
Depression
bedrückt, hoffnungslos, pessimistisch, schwermCitig
frohgemut, optimistisch, zuversichtlich, hoffnungsvoll
soziale Befangenheit
gehemmt, schüchtern, befangen, beschämt
selbstsicher, unbefangen, ungezwungen
Impulsivität
unkontrolliert, genusssüchtig, triebhaft
selbstbeherrscht, frustrationstolerant, kontrolliert
Verletzlichkeit
gestresst, hilflos, verletzlich, sensibel
robust, stressresistent, unverwüstlich, stabil
Abb. 4.6: Facetten und Merkmale des "Neuretizismus" [Ostender!, 20041
4
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118
Dies kann am Einfluss biologischer Faktoren (Gene) liegen. Da diese aufgrund der genetischen Strukturen stabil sind, sind auch die Wesenszüge relativ stabil. Soziale Umwelteinflüsse tragen jedoch ebenfalls zur Langzeitstabilität bei. Sie haben aber einen größeren Einfluss auf die Variabilität der Wesenszüge als biologische Faktoren. Menschen suchen sich ihr soziales Umfeld so aus, dass ihre Wesenszüge unterstützt und verstärkt werden. Demgegenüber ist die situationsübergreifende Konsistenz relativ gering. Menschen können ihr Verhalten in unterschiedlichen Situationen variieren. Für bestimmte Situationen kann deshalb nur eine Bandbreite an Verhaltensmustern zugrunde gelegt werden. Während die Persönlichkeitswesenszüge eine gute Basis für das Langzeitverhalten darstellen, sind die Faktoren für situationsbezogene Verhaltensweisen individueller zu betrachten. Jeder Mensch versucht eine Situation möglichst für den eigenen Nutzen einzusetzen. Er versucht sich so zu verhalten, dass sein Selbstbild stimmig ist und er in unterschiedlichen Situationen einen möglichst positiven Eindruck hinterlässt. So kann die Person in für sie wichtigen Situationen sehr gewissenhaft und pflichtbewusst sein, aber in für sie unwichtigen Situationen genau das Gegenteil an den Tag legen. Zu einer vollständigen Beschreibung einer Persönlichkeit mit Denken, Fühlen und Handeln gehören daher mehr als nur Wesenszüge.
4.2.4
Entscheidungsaspekte der Persönlichkeit
Aufgrund unserer geistigen Fähigkeiten sind wir in der Lage aus Erfahrungen zu lernen und unser Leben aktiv zu gestalten. Basierend auf diesen Erfahrungen ergibt sich eine Verhaltensbasis der Persönlichkeit, die in verschiedenen Situationen eine große Handlungsvariabilität zeigen kann. Während die Persönlichkeitswesenszüge die statische Verhaltensbasis eines Menschen beschreibt, kann sie nicht die dynamischen Verhaltensunterschiede der Person in verschiedenen Situationen erklären. Wäre sein Verhalten nur genetisch beeinflusst, müsste er sich in sein Schicksal ergeben und könnte nicht aus seiner Haut heraus. Die Lernfähigkeit des Menschen aufgrund seiner vergangenen und gegenwärtigen Erfahrungen ermöglicht es ihm, seine Zukunft aktiv zu gestalten. Dieses Nachdenken und Gestalten schließt Reflexionen über seine eigene Person und sein soziales Umfeld ein. In diesem Zusammenhang sind drei Aspekte von Bedeutung: • • •
Kompetenzen, persönliche Ziele, persönliche Werte.
Die Unterschiede zwischen Menschen ergeben sich aus ihren Kompetenzen. Aufgrund ihrer Erfahrungen sind sie in der Lage Anforderungen situationsspezifisch zu lösen. So sind für bestimmte Situationen nur gewisse Kompetenzen erforderlich, die für andere Lebenssituationen nicht benötigt werden. Diese sogenannte Kontextspezifizität erfordert für verschiedene Situationen unterschiedliche Fertigkeiten und Fähigkeiten. Ein Mitarbeiter, der in einer bestimmten beruflichen Aufgabe kompetent ist, muss es nicht unbedingt in einer anders gearteten Aufgabe sein. Aufgrund seiner Kompetenzen ist er jedoch in der Lage aus Beobachtungen zu lernen und sich auf die neue Aufgabe einzustellen. Der zweite Aspekt für das Verhalten eines Menschen sind seine persönlichen Ziele, mit denen er den eigenen Handlungen eine Orientierung gibt. Er kann Prioritäten setzen, seine Handlungen steuern und sein Verhalten begründen. Persönliche Ziele tragen zur Selbstkontrolle und Selbstmotivation bei. Sie sind jedoch nicht fest gemei ßelt, sondern können situationsspezifisch modifiziert und angepasst werden. Menschen mit höheren Erwartungen an ihre Selbstwirksamkeit setzen sich normalerweise höhere Ziele und halten auch bei auftretenden Schwierigkeiten an diesen fest. Sie lassen sich nicht so leicht und schnell entmutigen und können Enttäuschungen und Stress besser verarbeiten. Erwartungen und persönliche Ziele stehen in einer Wechselwirkung zueinander. Wird
4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
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dem Mitarbeiter Vertrauen in seine Leistungsfähigkeit entgegengebracht, wird er seine zukünftigen Handlungen an höheren persönlichen Zielen messen. Werte sind das Fundament für unser persönliches Verhalten und unsere Handlungen. Sie beruhen auf den ethischen und sozialen Normen einer Person und der Gesellschaft. Durch die Erziehung von Kindesbeinen an und durch Beobachtung des sozialen Umfeldes werden sie analysiert, reflektiert und verinnerlicht. Diese Normen sind unser Leitbild für persönliches Verhalten und unsere persönliche Entwicklung. Haben Menschen auf der Basis ihrer persönlichen Werte die selbst gesteckten Ziele erreicht, reagieren sie mit Stolz auf die erbrachten Leistungen. Werden die eigenen Maßstäbe nicht erfüllt, sind sie unzufrieden mit sich selbst. Sie können sich dann verstärkt anstrengen, um die ursprünglich gesetzten Ziele zu erreichen. Oder sie reduzieren ihre Ziele, da sie sich selbst überschätzt haben und nicht über die notwendigen Kompetenzen verfügen. Aufgrund unterschiedlicher Kompetenzen sowie persönlicher Ziele und Werte, werden zwei Personen eine Situation unterschiedlich bewerten und ihre Handlungen danach ausrichten. So setzt der Eine seine persönlichen Schwerpunkte mehr in den sozial-kulturellen Bereich, während der Andere sich mehr im materiell-beruflichen Bereich sieht. Aus diesen unterschiedlichen Überzeugungen heraus werden Situationen unterschiedlich wahrgenommen und unterschiedliche Verhaltensweisen gezeigt. Auf dieselbe Situation können daher zwei Menschen vollkommen unterschiedlich reagieren. Ein linearer Ursache-Wirkungs-Zusammenhang ist nicht vorhanden. Stattdessen sind alle drei Faktoren (Kompetenzen, Werte, Ziele) Ursache und Wirkung zugleich, da sie sich gegenseitig beeinflussen. Je nach Situation werden unterschiedliche Verknüpfungen (Strukturen) der Persönlichkeit aktiviert, wodurch das persönliche Verhalten variieren kann. So kann die auftretende Situation I (Abb. 4.7) unterschiedliche Kompetenzen (K) ansprechen. Durch Variationen über die damit verknüpften Werte (W) und persönlichen Ziele (Z) kann es letztlich zu unterschiedlichen persönlichen Verhaltensweisen I, 11 oder 111 kommen.
Entscheidungswege
I
K: Kompetenzen
W: Werte
Z: ZIele
I
Abb. 4.7: Situationen, Entscheidungen und persönliche Verhaltensweisen
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Aufgrund unserer Lebenserfahrungen sind jedoch bestimmte Situations-Verhaltens-Beziehungen (Verhaltenssignaturen) stärker ausgeprägt. Dies hat Vor- und Nachteile zugleich. Vorteile dadurch, dass für bekannte oder ähnliche Situationen auf erfolgreiche Verhaltensmuster zurückgegriffen wird. Nachteile entstehen dann, wenn bei neuen, unbekannten Situationen mit bekannten aber situationsfalschen Verhaltensmustern reagiert wird. Durch Beobachtung und Selbstreflexion seines eigenen Verhaltens kann jeder Mensch diese falschen Muster ablegen und Verhaltensänderungen erzielen. Menschen interpretieren ihr Verhalten dahingehend, dass es ihre Persönlichkeit stabilisiert. So werden Denk- und Verhaltensweisen aufrechterhalten auch wenn sie nicht angemessen sind. Wir nehmen Informationen, die der Stabilisierung unseres Selbst dienen, stärker wahr und bewerten sie entsprechend für uns positiv. Dinge, die uns nicht passen, werden dagegen gefiltert, verdrängt und lieber vergessen. Wir neigen dazu, nur das Schöne an uns zu sehen und verdrängen unsere unangenehmen Seiten. Wir erhöhen uns selbst und erzeugen ein positives Selbstbild. Diese Denkund Handlungsschemata (Selbst-Schemata) stellen Strukturen dar, mit deren Hilfe Informationen leichter selektiert und verarbeitet werden können. Mitarbeiter haben aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebenserfahrungen unterschiedliche SelbstSchemata, z.B. Optimismus/Pessimismus- oder GeneralistlSpezialist-Schemata. Während der Optimist die Chancen einer Problem lösung betrachtet sieht der Pessimist nur die auftretenden Risiken. Der Spezialist vertieft sich in seine Aufgabe und ist erst dann zufrieden, wenn er sie zu 100 % gelöst hat, während der Generalist sich mit 80%-Lösungen zufrieden gibt. Aufgrund der Komplexität des Menschen gibt es viele dieser Selbst-Schemata, die sich wieder gegenseitig beeinflussen. Im Laufe ihrer Berufserfahrung können Führungskräfte ihre Mitarbeiter diesbezüglich besser einschätzen. Sie gewinnen an Menschenkenntnis und Beurteilungsvermögen.
4.3
Selbstbild und Fremdbild
4.3.1
Selbstbild
Was für ein Mensch bin ich? Wie verhalte ich mich? Wie wirke ich auf Andere? Jedes Mal wenn wir uns solche Fragen stellen, denken wir über uns selbst nach. Dazu gehören die unterschiedlichsten Punkte wie Herkunft, Familie, äußere Erscheinung, Fähigkeiten, Beruf, Wünsche, Interessen und vieles mehr. Die Vorstellung von den eigenen Eigenschaften und dem eigenen Wesen und deren Selbsteinschätzung hat einen sehr großen Einfluss auf unsere Persönlichkeit, unser Verhalten und damit auf das Bild von uns Selbst. Das Selbstbild führt zu persönlichen Verhaltensweisen und Handlungen, die die Wahrnehmung und Bewertung bei anderen Personen prägen. Es entsteht ein Fremdbild (Abb. 4.8). In erster Linie entsteht das Selbstbild durch das Beobachten der eigenen Person in Bezug auf das eigene Verhalten. Auf diese Selbstbeobachtungen wirken Umfeldfaktoren ein, von denen ein Großteil der Realitätsnähe des Selbstbildes abhängt. Jeder Mensch vergleicht sich mit anderen Personen und deren Fähigkeiten und Kompetenzen. Dabei sind die Informationen zur eigenen Person jedoch facettenreicher und komplexer als die Rückmeldungen durch Fremde. Fremde Personen gewinnen nur ein selektives Bild von uns. Über unser Verhalten in den verschiedensten Situationen, haben wir ein umfangreiches Wissen abgespeichert. Aufgrund unserer lebenslangen Erfahrung müssen diese Informationen daher ein präziseres und differenzierteres Selbstbild liefern. Ein weiterer Faktor in der Entstehung des Selbstbildes ist die Bevorzugung bestimmter Erklärungsmöglichkeiten und positiver Verhaltensrechtfertigungen. Erfolgreiche Ereignisse werden mit den persönlichen, positiven Eigenschaften und Kompetenzen gerechtfertigt. Misserfolge werden dagegen oft mit der Situation, den Umständen und durch äußere Einflussfaktoren erklärt.
4 Die Führungskraft als Persönlichkeit
1. Selbstbild
stärkt und/oder verändert das
4. Feedback
121
führt zu persönlichen
Person
2. Verhalten und Handlungen
prägen über die Wahrnehmung und Bewertung
das
ermöglicht ein selektives
3. Fremdbild
Abb. 4.8: Selbstbild-Fremdbild
4.3.2
Verhalten und Handlungen
Die eigenen Handlungen und das zugehörige Verhalten werden sehr stark vom Selbstbild geprägt. Gedanken, Worte und Handlungen sind in sich stimmig. Bei anderen Personen will man einen in sich konsistenten Eindruck hinterlassen. In seiner eigenen Selbstdarstellung will man einen möglichst positiven Eindruck vermitteln. Die positiven Eigenschaften und Erlebnisse werden in den Vordergrund gestellt. Um nicht unglaubwürdig zu erscheinen, werden Schwächen teilweise preisgegeben. Dies aber nur soweit, dass sie einem eher schmeicheln als schaden. Das nonverbale Verhalten beinhaltet Blickkontakt, Stimme, Gesichtsausdruck, Mimik, Gestik, Körperhaltung, Bewegungsabläufe und vielfältige weitere Facetten. Diese Signale sind für die Beurteilung einer Person in ihrem Verhalten wichtig. Nonverbales Verhalten muss mit der gesamten Handlung übereinstimmen. Die Beobachtung des Mitarbeiterverhaltens durch die Führungskraft kann eine richtige Mitarbeiterbeurteilung unterstützen. Wir sind meistens bestrebt uns in gutem Licht zu präsentieren; vor allem vor Personen die uns etwas geben können oder von denen wir abhängig sind. Um den gewünschten guten Eindruck zu hinterlassen wird dem Gegenüber mit einem entsprechenden Verhalten begegnet. Wirkt dies jedoch aufgesetzt, kann der beabsichtigte Eindruck ins Gegenteil umschlagen. Das Verhalten und Handeln der zu beurteilenden Person liefert uns in bestimmten Situationen sehr viele Informationen, woraus wir Schlüsse auf deren Charakter ziehen. Bei diesen Schlussfolgerungen muss jedoch immer das situative Umfeld mit berücksichtigt werden. Wird die externe Ursache vernachlässigt, kann es zu Fehlschlüssen kommen. Dies liegt in der Tatsache begründet, dass wir das Umfeld passiv im Unterbewusstsein wahrnehmen, während wir Handlungen und Verhalten im Bewusstsein aktiv registrieren. Der Schritt des Nachdenkens über die Ursache eines Geschehens
4
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kann besonders in Stresssituationen oder unter Ablenkung unterlassen werden. Wir gehen den Schritt des bewussten Nachdenkens erst, wenn wir bewusst das Tempo der Beurteilung verlangsamen oder wenn wir gegenüber einer Person misstrauisch werden. Unabhängig von den situativen Umfeldbedingungen neigen wir dazu, aus dem Verhalten einer Person auf deren Charaktereigenschaften zu schließen.
4.3.3
Fremdbild
Die Rückmeldung durch andere Personen ermöglicht es unser Selbstbild zu reflektieren, zu hinterfragen und wenn notwendig zu korrigieren. Doch genau diese Rückmeldung ist nicht immer gleich. Ein guter Freund wird wahrscheinlich offener mit unseren Schwächen umgehen. Gleiches gilt für eine Partnerschaft oder Ehe. Dagegen muss man im Berufsleben eher mit Zurückhaltung rechnen. Personen reagieren individuell auf verschiedene Situationen und nehmen Handlungen und Ereignisse unterschiedlich war. Normalerweise werden diejenigen Informationen, die unsere ersten Einschätzungen oder unsere vorläufigen Urteile bestätigen, stärker wahrgenommen als gegenteilige. Nach einer ersten Einschätzung einer Person ist es schwierig, das Fremdbild zu korrigieren und zu einer anderen Einsicht zu gelangen. Dazu müssen schon eindrucksvolle Informationen auf den Beobachter einwirken.
Wahrnehmung und Bewertung Die Prägung des Fremdbildes entsteht gleich zu Beginn eines Kontaktes durch das Vorhandensein verschiedener Wahrnehmungen und die unterschiedliche Bewertung des Wahrgenommenen. Oftmals hält man es kaum für möglich, dass eine andere Person eine Situation gänzlich anders erlebt hat. Man ist verwundert, dass es eine andere Ansicht und ein anderes Bild geben kann, wo doch für mich selbst die Sache so klar ist. Unverständnis, Unstimmigkeit und im schlimmsten Fall sind Konflikte die Folge. Doch wie kommt es zu solch unterschiedlichen Auffassungen und Betrachtungsweisen? Von der Wahrnehmung der Umwelt bis hin zur Bewertung laufen sehr komplexe Prozesse ab. Sie werden durch vielfältige Aspekte beeinflusst und verzerrt. Die Bewertung der Wahrnehmung geschieht unter dem Einfluss verschiedener Faktoren, wie frühere Erfahrungen, persönliche Einstellungen und Bedürfnisse des Wahrnehmenden. Die Wahrnehmungsabläufe sind jedoch nicht bei jedem Menschen gleich. Jeder Mensch nimmt die Realität in seiner spezifischen Art und Weise subjektiv wahr und entwickelt daraus eine eigene Vorstellung der Wirklichkeit. Typische Phänomene zur Selektion und Verzerrung der Wahrnehmung sind:
Der erste Eindruck Der erste Eindruck den wir von einem anderen Menschen gewinnen ist oft prägend für den weiteren Verlauf einer Beziehung. Beim ersten Eindruck werden die Informationen des ersten kurzen Zeitraumes überbewertet. Es wird vorschnell ein Urteil gebildet und das weitere Verhalten des anderen Menschen nicht mehr zur ergänzenden Bewertung herangezogen. Hier spielen oft Sympathien und Antipathien eine zentrale Rolle. Fällt bei einem Gespräch die nervöse und hektische Gestik eines Mitarbeiters auf, wird z.B. aus diesem ersten Eindruck heraus auf das vollständige Bild eines unsicheren Menschen geschlossen. In sehr kurzer Zeit wird versucht den anderen anhand von Äu ßerlichkeiten einzuschätzen. Diese Einschätzung wird von Aspekten wie der persönlichen Stimmungslage, mangelnden Informationen oder von Vorerfahrungen und Einstellungen getragen. Bei der Verzerrung durch den ersten Eindruck besteht die große Gefahr, dass weitere Handlungsweisen und Gesprächsabläufe vorbestimmt sind.
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Halo-Effekt Beim Halo-Effekt überlagert oder überstrahlt eine einzelne hervorstechende Eigenschaft alle anderen Merkmale und Eigenschaften. Es werden Korrelationen zwischen Eigenschaften aufgestellt, die nicht vorhanden sind. Je positiver wir jemanden hinsichtlich bestimmter Eigenschaften wahrnehmen, desto wahrscheinlicher ist es, ihn auch hinsichtlich anderer Eigenschaften positiv einzuschätzen. Dies liegt daran, dass wir uns einen Gesamteindruck über eine Person bilden wollen. Die einzelnen Aspekte zu beurteilen fällt uns dagegen äußerst schwer. So wird beispielsweise in der Regel ein attraktiver Mensch intelligenter eingeschätzt, obwohl diese beiden Aspekte offensichtlich nichts miteinander zu tun haben. In einem Gespräch kann so die rhetorische Sicherheit und Sprachfertigkeit des Gesprächspartners die inhaltlichen Mängel und Widersprüche im Gesprächsverlauf überdecken. Die Folge hieraus ist eine veränderte Wahrnehmung, aus der wiederum eine verzerrte Beurteilung resultiert.
Vorurteile Viele Menschen zeichnen sich durch Vorurteilsdenken und vorschnelles Einstufen anderer Personen in Kategorien aus. Durch solche Kategorisierungen kommt es in der sozialen Wahrnehmung zu Fehlinterpretationen und Missverständnissen bis hin zur Ablehnung. Kaum jemand kann von sich sagen, dass er absolut vorurteilsfrei ist und nicht in "Schubladen" denkt. Zugegeben ist es von großer Schwierigkeit jemand anderen mit all seinen Eigenschaften und Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Umso leichter ist es aber im Umkehrschluss mit Hilfe weniger Merkmale diese Person in eine Schublade zu stecken und zu klassifizieren. Vorurteile entstehen durch Antipathien (seltener durch Sympathien) die sich im Unterbewusstsein manifestiert haben. Oft sind diese Vorurteile mit einfachen Merkmalen wie etwa besondere Kleidung, Hautfarbe, Haarschnitt, etc. verbunden und stehen mit Stereotypen eng in Verbindung. Jeder kennt diese Vorurteile, ist sich des Ausmaßes dieser Wahrheitsverzerrung aber kaum bewusst.
Projektionen Werden Gefühle, Emotionen, Einstellungen oder Abwehrhaltungen, aus früheren Beziehungen und Erlebnissen mit bestimmten Personen auf eine gegenwärtige Situation übertragen, so spricht man von Projektionen. Solche Übertragungen aus der Vergangenheit geschehen unbewusst und entstellen die existierende Realität in großem Maße. So kann z.B. eine Führungskraft ihren Mitarbeitern die für die Tätigkeiten notwendigen Ziele klar vermitteln. Bei einem Mitarbeiter gelingt ihr das jedoch nicht. Sie wird unsicher, da dieser Mitarbeiter sie an eine Autoritätsperson aus der Vergangenheit erinnert. Als Kind konnte sie dieser Person gegenüber nie offen und selbstbewusst ihre Meinung kundtun. Sie war ängstlich und unsicher im Auftreten. Das Verhalten und die Erfahrungen aus der Vergangenheit überträgt die Führungskraft in der Gegenwart auf den Mitarbeiter und zeigt ein bei ihr ungewohntes Führungsverhalten. Projektionen des eigenen Verhaltens können ebenfalls zu Verzerrungen in der Wahrnehmung führen. Besonders jene Eigenschaften, die man bei sich selbst am wenigsten mag werden bei anderen ebenso wenig akzeptiert oder toleriert. Unbewusst werden eigene Defizite wie z.B. mangelnde Motivation oder Unkonzentriertheit auf andere übertragen, obwohl sie gar nicht der Realität entsprechen und sich der Gesprächspartner völlig anders verhält.
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Selektion der Wahrnehmung Unsere Sinne dienen uns als Zugang zur Außenwelt über die wir die Realität aufnehmen können. Diese Sinnesorgane sind jedoch nur in der Lage begrenzte Bereiche wahrzunehmen. So kann das Auge bei Dunkelheit Farbunterschiede nur schwer erkennen. Wahrnehmungsbereiche werden also über- oder unterschritten. Ebenso werden Informationen aufgrund einer unzureichend hohen Intensität eines Reizes gefiltert und so nicht wahrgenommen. Es ist zu beachten, dass die Wahrnehmungsschwelle bei verschiedenen Personen unterschiedlich hoch sein kann. Die Häufigkeit sowie die Anhebung eines Reizes gegenüber anderen Reizen können für eine stärkere Wahrnehmung sorgen. Auch die Aufmerksamkeit ist ein Teil der Wahrnehmungsselektion. Falls keine gerichtete Aufmerksamkeit erfolgt, geht von der anfangs aufgenommenen Informationsvielfalt in einem kurzen Zeitraum wieder sehr viel verloren. Es werden nur Aspekte wahrgenommen, die im Moment wichtig erscheinen.
Wertvorstellungen und Einstellungen Persönliche, gesellschaftliche oder unternehmensinterne Wertvorstellungen und Einstellungen sorgen für eine starke Beeinflussung bei der Bewertung des Wahrgenommenen. Persönliche Wertvorstellungen und Einstellungen werden hauptsächlich in der Kindheit und Jugendzeit durch die Erziehung und das soziale Umfeld vermittelt. Die Beurteilung von Mitarbeitern kann anhand solcher speziellen Wertvorstellungen geschehen. Andere Facetten und Stärken des Mitarbeiters kommen eventuell nicht ausreichend zum Tragen. Persönliche Einstellungen lenken die Wahrnehmung auf das, was einem selbst äußerst wichtig erscheint. Hat eine Führungskraft z.B. einen ausgeprägten Ordnungssinn, so fallen ihr wahrscheinlich die ungeordneten Unterlagen eines Mitarbeiters besonders auf. Ihre Wahrnehmung wird hauptsächlich auf diese Tatsache gelenkt. Bei der Einschätzung von Handlungen und Einstellungen anderer wird die eigene Einstellung als Basis oder Fundament benutzt. Ist die Einstellung ähnlich, kommt es zu einem Assimilationseffekt. Unterschiede und Kontroversen werden überdeckt. Der Partner scheint einem in der Haltung näher zu sein, als er es in Wirklichkeit ist. Umgekehrt kann es jedoch auch zum Gegenteiligen führen, wenn der andere eine gänzlich andere Einstellung hat. Hier tritt der Kontrast-Effekt auf. Die Denkweise des Partners erscheint einem noch fremder, als sie in Wirklichkeit ist.
Emotionen und Vorerfahrungen Emotionen, Stimmungen und Gefühle spielen in unserem Leben täglich eine wichtige Rolle. Sie sorgen ebenfalls für eine unbewusste Lenkung der Bewertung des wahrgenommenen. In den meisten Situationen ist das Verhalten einer Person von deren Grundstimmung abhängig. Ist die vorherrschende Stimmungslage eher kritischer Natur, so wird der Umgang miteinander von Grund auf erschwert. Es ist viel leichter und einfacher mit positiv gestimmten Menschen umzugehen. Im Gegensatz zu Emotionen sind Stimmungen und Gefühle grundlegenderer Natur. Sie sind zeitlich sehr viel länger andauernd als Emotionen, jedoch von geringerer Intensität. Stimmungen drücken den allgemeinen emotionalen Zustand der Persönlichkeit einer Person aus. Erhaltene Eindrücke werden auf Basis der Grundstimmung analysiert und weiterverarbeitet. Somit steht das Verhalten in bestimmten Situationen in direkter Verknüpfung mit der vorherrschenden Stimmung. Ist der Empfänger etwa zornig und gereizt, nimmt er den Sender in einer Situation anders wahr, als wenn er gut gelaunt und in einer fröhlichen Stimmung ist. Aus dieser Stimmungslage heraus werden deutlich negativere Bewertungen und Schlüsse gezogen. Vorerfahrungen führen ebenso zu
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verzerrten Beurteilungen. Erfahrungen aus früherer Zeit oder in ähnlichen Situationen tragen dazu bei, dass gegenwärtige Situationen entsprechend dieser Erfahrungen bewertet werden. Verbesserung der Wahrnehmung
Das Bewusstsein um die subjektive Form der Wahrnehmung ist Voraussetzung für eine Verbesserung unserer Handlungen und des gewonnenen Fremdbildes. Nur wenn ich möglichst frei von verzerrten Wahrnehmungserscheinungen bin, kann ich folgerichtig beurteilen, handeln und den Wert meiner Handlungen steigern. Völlig vorurteilsfrei zu sein und die Realität objektiv wahrzunehmen ist jedoch kaum möglich. Jede Führungskraft muss versuchen sich die Subjektivität ihrer Wahrnehmung bewusst zu machen und dadurch zu verringern. Dazu reicht aber nicht nur das bloße Wissen wie ich Informationen aufnehme und verarbeite, welche Ansichten sich in mir verbergen und was meine Wahrnehmung beeinträchtigt, aus. Es ist von immenser Wichtigkeit sich in diesem Prozess selbst zu reflektieren. Das Wissen um die eigenen Wahrnehmungsmuster ist von besonderer Bedeutung. Wenn ich Probleme weitaus größer mache, als sie wirklich sind, kann ich dem bewusst entgegensteuern. Wahrnehmung und Bewertung laufen oft intuitiv ab. Das Bewusstsein um die eigenen Filterungen und Verzerrungen ist die Voraussetzung für eine gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit. Für eine objektivere Sicht der Realität ist es auch wichtig, dass Wahrgenommene zu hinterfragen und zu überprüfen. Kommt die Führungskraft nach kurzer Zeit zu einem schnellen Urteil über den Mitarbeiter, so sollte sie diese Einschätzung regelmäßig überprüfen. Der Mitarbeiter muss weiter beobachtet werden. Es sind Argumente zu suchen, die die Einschätzung be- oder entkräftigen. Liegen zuletzt ausreichende Informationen vor, kann sich die Führungskraft ein endgültiges Bild über den Mitarbeiter machen. Weitere wichtige Eigenschaften der Führungskraft, die besonders in der sozialen Wahrnehmung wichtig sind, ist die Bereitschaft sich auf den Mitarbeiter einzulassen. Sie sollte sich in seine Lage versetzen und seine Sichtweise der Dinge betrachten. Sie nimmt einen Perspektivenwechsel vor. Dazu ist Toleranz und Einfühlungsvermögen notwendig. Nur so ist es möglich, die Wahrnehmung anderer Personen in die eigenen Entscheidungen und Ansichten mit einfließen zu lassen. Die Wahrnehmung wird auch verbessert, indem der Partner gezielt nach seinen Einstellungen und Sichtweisen befragt wird. Je offener hier miteinander umgegangen wird, desto leichter ist es eine gemeinsame Handlungsbasis zu finden. Das Bewusstsein um die Begrenztheit der eigenen Wahrnehmung und Bewertung sollte eine Grundhaltung in jeder Führungssituation sein. Meine eigene Sichtweise muss nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen. Sie ist lediglich eine Möglichkeit unter vielen anderen Betrachtungsweisen.
4.3.4
Feedback im betrieblichen Alltag
Sobald wir es mit anderen Menschen zu tun haben, machen wir uns recht schnell ein Bild von ihnen. Das ist nur bedingt ein Ergebnis von Beobachtung und Auswertung. Wir bilden uns vielmehr aufgrund unserer Erfahrungen ein spontanes Urteil. Dabei ordnen wir Personen in für uns gewohnte Schubladen und Raster ein. Im betrieblichen Alltag treffen wir immer wieder auf uns fremde oder wenig vertraute Menschen. Es ist natürlich wissen zu wollen, welche Absichten, Ziele, Vorstellungen und Interessen dieser Mensch verfolgt. Dies hilft uns dann, sich auf diese Person einzustellen. Feedback findet im betrieblichen Alltag tagtäglich statt. Durch das Bearbeiten einer Aufgabe werden verbal und nonverbal Nachrichten zwischen den Mitarbeitern ausgetauscht. Gibt die Führungskraft dem Mitarbeiter über ihre Beobachtungen ein angemessenes Feedback kann eine vertrauensvolle Arbeitsatmosphäre entstehen. Für die Bewertung einer Person ist es nicht nur wichtig, wie die Führungskraft den Mitarbeiter sieht, sondern auch wie er sich selbst sieht. Jeder Mensch schätzt subjektiv seine Stärken und Schwächen selbst ein. Er entwickelt ein bestimmtes Bild seiner
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Person und seiner Wirkungen auf andere Menschen. Dabei wird diese Selbstwahrnehmung durch individuelle Vorstellungen und Wünsche mitgeprägt. Unser Verhalten zielt darauf ab, bei unseren Mitmenschen für dieses Selbstbild Bestätigung zu bekommen. Wir möchten Wirkungen erzielen, die auch unseren Absichten entsprechen. So versucht z.B. eine Führungskraft ihre Vorstellungen und Ideen auf die Mitarbeiter zu übertragen. Um dies zu erreichen, verwendet sie einen partnerschaftlichen Führungsstil und einen kollegialen Gesprächsstil. Unser Verhalten erzeugt bei anderen Menschen ein subjektives Fremdbild. Die Wahrnehmung des Beobachters bestimmt, wie er uns bzgl. Stärken und Schwächen einstuft. Darüber hinaus werden unsere Eigenschaften, die nach dem Wertesystem des Beobachters besonders positiv oder negativ gesehen werden, einen stärkeren Einfluss auf sein Fremdbild haben. Unsere Eigenschaften, die den Beobachter emotional unbeteiligt lassen, spielen eine geringere Rolle. Selbstbild und Fremdbild liegen immer auseinander und sind daher die Ursache für Missverständnisse. Mit einem offenen und konstruktiven Feedback erhält der Gesprächspartner eine Rückmeldung über seine Wirkung auf andere Personen. Sie kann durch eigene Verhaltensänderungen negativen Urteilen entgegenwirken und damit das Fremdbild positiv verändern. Das gilt sowohl für die Führungskraft als auch für den Mitarbeiter. Ein Instrument zur Darstellung dieses Sachverhaltes ist das Johari-Fenster mit seinen vier Quadranten (Abb. 4.9). Der Quadrant A stellt bewusst wahrgenommenes Verhalten der eigenen Person dar. Es ist der Bereich freien Handeins, der mir und anderen bekannt und bewusst ist (..Öffentliche Person"). Es ist der Bereich der gemeinsamen Wahrnehmung. Der Quadrant B ist der so genannte "Blinde Fleck". Er zielt auf den Teil unseres Verhaltens, den wir selbst nicht wahrnehmen; unsere Umgebung bemerkt dieses Verhalten jedoch sehr deutlich. Der ..Bereich des Verbergens" (Quadrant C) wird bewusst vor anderen verborgen. Der "Bereich des Unbewussten" (Quadrant D) ist sowohl mir als auch anderen nicht bekannt. Er enthält alle unbekannten Elemente aus Selbst- und Fremdbild. Die für das Feedback im betrieblichen Alltag relevanten Quadranten A und B führen bei konstruktivem Annehmen und Reflektieren zu einer Verkleinerung der Bereiche Bund C (Abb. 4.10). Gleichzeitig wird dabei der Anteil der "Öffentlichen Person" vergrößert. Der offene Informationsaustausch führt zu einem besseren Verständnis der Beteiligten. Dies kann zu einer positiven Veränderung von Beziehungen führen.
5elbstblld unbekannt
B Blinder
:E
:c ~ l!!
11.
Fleck
'E c
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1: §
C
D
Bereich des Verbergens
Bereich des Unbewussten
Abb. 4.9: Johari-Fenster des Selbst- und Fremdbildes [Hofbauer, 2002]
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Das Feedback im betrieblichen Alltag hat einen festen Platz. Es bietet der Führungskraft und den Mitarbeitern die Möglichkeit ihre Zusammenarbeit und damit auch ihre persönlichen Beziehungen zu verbessern. Damit erleichtert das Feedback die tägliche Führungsarbeit. Feedback basiert immer auf einer subjektiven Wahrnehmung, die auch als solche weitergegeben werden sollte. Person und Verhalten sind streng zu trennen. Kritik an der Person wird oft als persönlicher Angriff und Herabwürdigung empfunden. Dagegen führt das Aufzeigen zweifelhaften Verhaltens eher zu einer Veränderung. Konstruktive Kritik anzunehmen und auch für sich positiv zu verarbeiten, zeigt innere Stärke. Es muss beachtet werden, dass jede Wahrnehmung und somit auch jedes Feedback subjektiv ist. Über Kritikpunkte ist intensiv nachzudenken, bevor über die Annahme oder Rückweisung entschieden wird. Damit keine Missverständnisse entstehen, sind bei Unklarheiten Rückfragen erlaubt. Ungerechtfertigte Kritik ist angemessen zurückzuweisen.
4.4
Beurteilung von Personen
Sobald wir anderen Menschen begegnen, nehmen wir sie wahr, beobachten ihr Verhalten und fällen über sie ein (Vor)urteil. Häufig geschieht dies unbewusst, wobei unsere eigene Lebensgeschichte, unsere Persönlichkeitswesenszüge und unsere individuelle Verfassung eine wichtige Rolle in der Bewertung spielen. Ungeachtet aller subjektiven Eindrücke ist es z.B. bei der Mitarbeiter- und Leistungsbewertung notwendig, möglichst eine objektive Bewertung zu fällen. Jeder Führungskraft muss klar sein, dass die Beurteilung eines Mitarbeiters durch zwischenmenschliche Interaktion beeinflusst wird. Nur durch bewusstes Reflektieren lässt sich der (erste) subjektive Eindruck über eine Person objektivieren.
Selbstbild unbekannt
B Blinder Fleck
'E c
i
c
D
Bereich des Unbewussten Bereich des C Verbergens :::J'--_ _=---_--'----'
Abb. 4.10: Wirkung von Feedbackgesprächen im betrieblichen Alltag [Hofbauer, 20021
Für eine möglichst objektive Erfassung und Bewertung sind im Voraus Bewertungskriterien festzulegen. Im zweiten Schritt folgt die Erhebung der Informationen. Die erhaltenen Ergebnisse sind möglichst vorurteilslos zu interpretieren. Grundlage für die Bewertungskriterien liefert die Arbeitsund Anforderungsanalyse für den Mitarbeiter in seinem Arbeitsprozess. Während die Arbeitsanalyse die einzelnen Tätigkeiten in einem Arbeitsprozess beschreibt, erfasst die Anforderungsanalyse die Persönlichkeitseigenschaften, Fähigkeiten und Kompetenzen einer Person.
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Für die Beobachtung seiner Umwelt und anderer Personen benutzt der Mensch besonders stark zwei Sinne: Hören und Sehen. Die Verarbeitung der vom Gehirn aufgenommen Reize erfolgt unbewusst. Entsprechend seiner Lebenserfahrung und/oder seines Geschlechts werden die Informationen bewertet und ein Urteil gefällt. Die Fähigkeit zur Reizselektion hängt stark von der wahrnehmenden Person ab. Wir Menschen besitzen die Fähigkeit, aus einer Flut von Informationen und Reizen genau die herauszufiltern, die uns interessieren und für uns wichtig sind. So werden wir sofort hellhörig, wenn wir selbst in einer lauten Umgebung unseren Namen hören. Weil er uns anspricht nehmen wir diesen Reiz wahr, während er für andere Menschen ohne Belang ist. Andererseits werden wir gegenüber gewohnten und bekannten Geräuschen unsensibel. Wenn wir an einem neuen Wohnort anfangs noch die Kirchenglocken hören, so ignoriert unser Bewusstsein dieses Geräusch nach längerer Zeit. In unserem Lebensalltag beobachten wir laufend vieles unbewusst. Erst bei einem bestimmten Auslöser richten wir unsere Aufmerksamkeit stärker auf den Vorgang. Alltagsbeobachtungen laufen meist ohne systematischen Bezug ab. Im Unternehmen und bei der Führung von Mitarbeiter ist es aber notwendig, seine Aufmerksamkeit bewusst auf eine Person bzw. auf eine Situation zu richten und systematisch zu beobachten. Ist die Beobachtung mit einem klaren Ziel verbunden (z.B. Leistungsbewertung), gibt es einen Anlass und es wurde vorher festgelegt, welche Merkmale zu beachten sind. Die in der Vergangenheit festgelegten Kriterien werden in der Gegenwart möglichst wertfrei beobachtet und in der Zukunft (möglichst) objektiv bewertet. Da Beobachten und Bewerten immer subjektive Prozesse sind, muss sich die Führungskraft über die Fehler- und Einflussmöglichkeiten Klarheit verschaffen.
Beobachtung und Bewertung Beobachten und Bewerten sind zwei SChritte im Beurteilungsprozess. Die Beobachtung ist als wertneutrale Aufnahme von Informationen anzusehen. Die Bewertung hingegen dient dazu Schlüsse aus den Informationen zu ziehen und diese auszuwerten. Je bewusster die Trennung zwischen Beobachten und Bewerten gezogen wird, desto objektiver kann der gesamte Beurteilungsprozess ablaufen. In unserer Sprache sind viele Begriffe in ihrer Bedeutung nicht eindeutig. Es sind Beschreibungen ("groß", "klein", "dick", "dünn"), deren Bedeutung erst durch ein Bezugssystem klar wird. Ohne dieses Bezugssystem werden sie häufig unterschiedlich bewertet. Für eine Mitarbeiterbeurteilung sind solche Begriffe ungeeignet. Die Beurteilung sollte nach einem für alle Beteiligten eindeutigen Bewertungsschema erfolgen. Bei der Einstufungsskala erfolgt die Bewertung anhand von vorgegebenen Beschreibungen z.B. auf einer Skala von 1 - 9. Solche Raster zur Beurteilung von Personenmerkmalen haben einen Schutzmechanismus. Durch die vorgegebene Beschreibung wird die Wahrnehmung gezielt auf die zu bewertenden Kriterien gelenkt. Somit wird der Gefahr vorgebeugt, dass Informationen nicht wahrgenommen bzw. ein Merkmal ganz besonders hervorsticht und alle anderen überstrahlt. Auf der Basis der Einstufungsskalen lassen sich in einem Soll-1st-Vergleich Defizite identifizieren und darauf aufbauend Personalentwicklungsmaßnahmen festlegen. Die Größe der Soll-IstAbweichung lässt auch eine Priorisierung der PE-Maßnahmen zu. Durch den Vergleich des Beurteilungskriteriums zwischen zwei Personen kann man auch zu einer personellen Rangfolge gelangen. Einstufungsskalen ermöglichen eine objektive Einschätzung des Mitarbeiters, jedoch existieren auch Fehlerquellen. Um im weiteren Vergleich noch Spielraum zu haben, wird vom Bewerter oft ein mittlerer Skalenbereich gewählt. Tendiert der Bewerter häufiger zu niedrigen oder hohen Werten, so können hier Vorurteile vorliegen.
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Wahrnehmungen und Beurteilungen Die Wahrnehmung unserer Umwelt bildet die wichtigste Grundlage für unser gesamtes Handeln. Über unsere Sinne erhalten wir Informationen über unsere Umwelt und wir können nach entsprechenden Verarbeitungsprozessen unmittelbar oder zeitlich verzögert agieren. Der mit der Wahrnehmung verbundene Beurteilungsprozess läuft unbewusst ab, lässt sich jedoch auch bewusst gestalten. Diese Art der Mitgestaltung hängt von der Persönlichkeit des Beurteilers, seiner Sozialisation und seiner Erfahrung ab. Durch Hinterfragen des eigenen Verständnisses, der eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen, lassen sich weniger Fehler in der Beurteilung von Personen begehen und somit manche falsche Urteile vermeiden. Führungskräften muss jedoch klar sein, dass sich eine absolute Objektivität in der Führung und Bewertung von Mitarbeitern nicht erreichen lässt. Die vom menschlichen Körper über die verschiedenen Sinnesorgane aufgenommenen Reize (Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken) lösen eine Kette von unbewussten und bewussten Ereignissen aus. Die Wahrnehmungsschwelle für den Menschen hängt von der Reizintensität ab, wobei sich die Wahrnehmungsintensität je nach Situation auf einem anderen Niveau befindet. So gibt es Situationen, bei denen wir einmal den Reiz bewusst wahrnehmen und in einer anderen Situation ihn nicht erkennen. Wir können unsere Wahrnehmungsschwellen jedoch auch bewusst absenken, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Situationen und Arten der Informationsaufnahmen richten. Menschen sind nicht in der Lage alle auf sie einströmenden Informationen bewusst wahrzunehmen. Gründe für die beschränkte Aufnahmekapazität liegen in der Übertragungsgeschwindigkeit der Nervenzellen und der Verarbeitungskapazität des Gehirns. Über verschiedene Selektionsprozesse werden Informationen gefiltert, wobei diese Prozesse von unserer Aufmerksamkeit abhängen. In einer frühen Phase werden alle Informationen ausgefiltert, die für uns nicht direkt erkennbar sind (unbewusste Filterung). Nach Abklärung der Bedeutung durchgelassener Informationen findet eine späte Selektion statt (bewusste Filterung). Die Selektivität unserer Wahrnehmung bzw. das eingeschränkte Aufnahmevermögen für Informationen hat Licht- und SChattenseiten. Ohne eine selektive Wahrnehmung wären wir überfordert und könnten in komplexen und schwierigen Situationen nicht entsprechend reagieren. Andererseits liegt auch die Gefahr nahe, dass Dinge nicht beachtet, übersehen und vorschnell Urteile gefällt werden. Insbesondere Wahrnehmungstäuschungen zeigen sehr deutlich, wie sich die menschliche Wahrnehmung ohne objektiven Bezugsrahmen beeinflussen lässt. Unsere Wahrnehmung gaukelt uns etwas als objektiv vor, was real nicht existiert. Wahrnehmungstäuschungen liegen nicht in der Intelligenz des Beobachters, sondern in den eingeschränkten Fähigkeiten unserer Wahrnehmungsorgane. Das sich Bewusstmachen solcher Täuschungen ist der erste Schritt zu einem objektiven Beurteilungsverhalten. Die Wahrnehmung unserer Umwelt ist ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Die auf uns einströmenden Reize mit ihren verschiedenen Eigenschaften spielen dabei eine wichtige Rolle. Fällt uns etwas mit hoher Intensität ins Auge oder ins Ohr, so werden wir dies mit erhöhter Aufmerksamkeit beachten. So wird z.B. die Lautstärke bei Verkehrsdurchsagen oder in der Werbung gezielt verändert, um höhere Aufmerksamkeit zu erreichen. Ähnlich verhält es sich auch bei der Bewertung von Personen. Erhöhte Aufmerksamkeit erhält der Mitarbeiter durch energisches Auftreten, herausragende Leistungen oder ungewohnte Verhaltensweisen. Mit der verstärkten Beachtung dieses Mitarbeiters durch die Führungskraft kann dies jedoch dazu führen, dass Mitarbeiter die weniger energisch auftreten mit ihren Leistungen falsch eingeschätzt werden.
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Ein weiterer Faktor ist das Auftreten des Reizes im Vergleich zu seiner Umwelt. So nehmen wir die Sirene von Polizei, Feuerwehr oder Krankenwagen aufgrund der Einzigartigkeit schneller wahr. Der Einfluss des Reizkontextes ist vor allem bei visuellen oder akustischen Reizen für unsere Wahrnehmung von großer Bedeutung. So reagiert der Mensch auf neue, unbekannte Reize wesentlich schneller und intensiver, da sie eine Gefahrensituation signalisieren können. Erst nach Einbau in den Erfahrungskontext der Person wird der Reiz bzgl. seiner Bedeutung richtig eingeschätzt und eingestuft. Manchmal ist es nicht möglich einen Reiz eindeutig wahrzunehmen und einzuordnen. Klare eindeutige Reize werden vom Gehirn leichter erkannt und verarbeitet, als mehrdeutige und schlecht selektierbare. So treten bei der zwischenmenschlichen Kommunikation oder allgemein im sozialen Kontext uneindeutige, komplexe Reize auf, die die Wahrnehmung wesentlich schwieriger gestalten. So werden z.B. bei der Kommunikation verbal und nonverbal zahlreiche Informationen zwischen "Sender" und "Empfänger" auf der Sach- und Beziehungsebene hin- und hergeschickt. Je mehr Interpretationsmöglichkeiten zum Entschlüsseln dieser Botschaften bestehen, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit für Fehlinterpretationen. Alleine ein Satz wie "Ich habe sie nicht verstanden" erlaubt mehrere Deutungen. Letztlich ist der Mensch dazu veranlagt Informationskomplexizität zu reduzieren und zu vereinfachen. Es ist unmöglich alle Informationen aus unserer Umgebung bewusst aufzunehmen und zu verarbeiten. Somit ist letztlich jede Beurteilung fehlerhaft, da die vom Menschen aufgenommenen und verwerteten Eindrücke nicht der Realität entsprechen. Jede Mitarbeiterbeurteilung ist subjektiv. Hohe Objektivität ist ein anzustrebendes Ziel, das sich nur mit entsprechendem Einsatz erreichen lässt.
Bezugs- und Wertesysteme Jeder Mensch hat im Laufe seines Lebens bestimmte Werte und Verhaltensweisen verinnerlicht, die unser Denken, Fühlen und Handeln prägen. In unserem Leben greifen wir immer wieder auf dieses Bezugs- und Wertesystem zurück, da es die Orientierung und die Entscheidungsfindung erleichtert. Wir neigen dazu nur das zu bewerten, was sich in unser Bezugs- und Wertesystem einfügen lässt. Unbequeme oder entgegengesetzt gerichtete Faktoren werden (un)bewusst verdrängt oder ausgeblendet. Eine objektive Mitarbeiterbewertung ist nur dann möglich, wenn rechtzeitig eindeutige Beurteilungskriterien festgelegt werden. Attraktivität und Nähe zu einer Person haben einen eindeutigen Einfluss auf die Leistungseinschätzung eines Mitarbeiters. Stimmen zwei Menschen in bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen überein, so werden deren Handlungen positiver wahrgenommen und auch beurteilt. Insbesondere läuft eine Führungskraft Gefahr in eine Bewertung den subjektiven Vergleich mit der eigenen Person einfließen zu lassen. Nur weil die Führungskraft einen bestimmten Handlungs- und Lösungsansatz bevorzugt, heißt dies noch lange nicht, dass andere Vorgehensweisen besser oder schlechter sind. Die Attraktivität und Nähe zu einer Person führt z.B. dazu, dass deren Intelligenz oder soziale Kompetenz höher eingeschätzt werden. Eine Personenbeurteilung wird umso objektiver, je mehr Informationen und Bewertungskriterien zur Verfügung stehen. Aufgrund der eingeschränkten Verarbeitungskapazität des Gehirns ist diese Aussage nur eingeschränkt gültig. Auf uns einströmende Informationen und Reize werden stark gefiltert und vereinfachend verarbeitet. Das Gehirn ist nicht in der Lage komplexe Informationen in akzeptablen Zeiträumen zu bearbeiten. Die Speicherung von Informationen ist folglich ein selektiver Prozess. Für die Mitarbeiterbeurteilung wird daher nicht die ganze Realität beachtet werden. Im Berufsalltag müssen oft (schnelle) Entscheidungen getroffen werden, bei denen auf bekannte und bewährte Lösungsstrategien (Heuristiken) zurückgegriffen wird. In diese Bearbeitungsprozesse fließen auch verankerte (Vor)urteile ein.
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So besteht die Gefahr, dass ein bisher als schlecht beurteilter Mitarbeiter auch zukünftig als wenig leistungsbereit eingestuft wird, da positive Ergebnisse für nicht wahrscheinlich gehalten werden. Eine weitere - möglicherweise fehlerbehaftete - Lösungsstrategie besteht darin, einer singulären Information über eine Person bzw. deren Verhaltensweise als repräsentativ für eine ganze Personengruppe anzusehen. Stehen nur unzureichende Informationen zur Verfügung, dann hängt die Beurteilung des Mitarbeiters durch die Führungskraft stark von deren Vorstellungskraft ab. Der erste Eindruck prägt nicht nur das vorläufige Bild über den Menschen, sondern fließt sehr stark in ein endgültiges Urteil ein. Heuristiken ermöglichen eine schnelle Urteilsbildung, können aber auch leicht zu Fehleinschätzungen führen. Um solche Verzerrungen in der Mitarbeiterbeurteilung zu vermeiden, ist es notwendig, seine Beurteilungsverfahren und -kriterien kritisch zu hinterfragen. In unserem Bezugs- und Wertesystem werden verstärkt solche Informationen gespeichert, die mehrfach und besonders intensiv vermittelt wurden. Für die Mitarbeiterbeurteilung werden verstärkt diese Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen und zur Urteilsfindung eingesetzt. Aufgrund ihrer unterschiedlichen genetischen Veranlagung und Sozialisation verläuft dieser Prozess von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Neue Informationen werden umso leichter im Gehirn abgespeichert, je besser sie in das bereits vorhandene Gedächtnisnetzwerk passen. Verknüpfungen zu bekannten Aspekten in unserem Bezugsund Wertesystem sind leichter herzustellen, als vollkommen neue Anlagen zu schaffen. Wenn wir Mitarbeiter beurteilen, müssen neben den Beurteilungskriterien die -situationen und das -ergebnis abgespeichert werden. Beobachtungs- und Beurteilungsschritte sind dabei deutlich zu trennen. Neben allen Möglichkeiten des subjektiven Fehlurteils spielt für eine objektive Bewertung auch die Dauer der Informationsspeicherung eine wichtige Rolle. Gedächtnisinhalte werden relativ schnell vergessen. Von den ursprünglich vorhandenen Informationen ist nach 2 - 3 Tagen noch die Hälfte vorhanden, nach 5 - 6 Tagen nur noch ca. 1/4. Für eine objektive Mitarbeiterbeurteilung müssen daher in regelmäßigen Abständen die Bewertungssituationen und -ergebnisse dokumentiert werden. Aber auch die Reihenfolge der aufgenommenen Informationen spielt eine große Rolle bei der Urteilsbildung. Normalerweise können zuerst wahrgenommene Eindrücke besser erinnert werden. Erfolgt die Beurteilung jedoch erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt nach der Informationsaufnahme, so können aufgrund der Vergessensprozesse die zuletzt aufgenommenen Informationen besser erinnert werden. Die Lebenserfahrungen eines Menschen beeinflussen auch den Erinnerungsprozess. Annahmen, Erwartungen und Ansichten bauen neue Informationen in vorhandene Gedächtnis- und Wissensstrukturen ein. Durch den Einsatz von Schemata wird die Komplexität der Umwelt reduziert und für das Gehirn handhabbar gemacht. Schemata und Informationsreduktion erleichtern die Orientierung im beruflichen und privaten Umfeld. Mit dieser Reduktion sind allerdings wiederum einige Probleme verbunden. Inkonsistente Informationen, die nicht ins SChema passen, werden verdrängt oder bleiben unberücksichtigt. Es kann sogar vorkommen, dass wir uns an mehr erinnern, als überhaupt wahrgenommen wurde. Nicht vorhandene Informationen werden zur Ausfüllung unserer Denkschemata erfunden und bei der Mitarbeiterbeurteilung als wahr abgerufen. Eine weitere Möglichkeit zum Fehlurteil liegt in der Tatsache, dass eine Information umso eher als wahr angenommen wird, je häufiger der Mensch dieser ausgesetzt ist. Ohne eine sorgfältige Planung und Dokumentation des gesamten Beurteilungsprozesses ist die Gefahr einer Verzerrung und eines Fehlurteils sehr hoch. Besonders bei (vor)schneller und unreflektierter Urteilsfindung können Fehler auftreten. Oft wird die eigene Fähigkeit zur objektiven Mitarbeiterbeurteilung überschätzt und mögliche Beurteilungsfehler werden nicht erkannt.
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4
134
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136
5 Persönliche Arbeitsorganisation
In selbstorganisierten Lernprozessen erweitert sich das Wissen zu Kompetenzen. Informelles Lernen im Arbeitsprozess und im sozialen Umfeld gewinnt zunehmende Bedeutung. Der Lernerfolg kann maßgeblich durch eine aktive Mitarbeit gesteigert werden, da dies die geistige Aktivität fördert und mehrere Bereiche des Gehirns beansprucht werden. Durch bloßes Zuhören ist eine langfristige Speicherung nur eingeschränkt möglich. Eine Verbesserung der Wissensvermittlung bzw. Gedächtniswirkung kann durch "Sehen und Hören" erzielt werden.
Abb. 5.1: Änderung der Lernkultur
Eine Steigerung ist nochmals durch "Diskutieren" möglich und der beste Effekt wird durch "Selbst tun" erzielt. Aktive Mitarbeit kann auch das Mitschreiben sein. Dabei sollten eine sinnvolle und übersichtliche Form und Struktur eingehalten werden, um eine spätere Orientierung zu ermöglichen. Die Unterstützung des Gedächtnisses durch Geschriebenes ist sehr sinnvoll, da ein großer Anteil des "nur Gehörten" sofort wieder vergessen wird. Als positive Feststellungen für den Lernprozess ergibt sich durch eine aktive Beteiligung, dass mehrere Sinne bzw. Bereiche des Gehirns beansprucht werden und somit eine Vernetzung im Gehirn entsteht. Das hat wiederum zur Folge, dass Informationen besser gespeichert und besser abgerufen werden können. Lernmaterial mit sinnvollen Inhalten lässt sich einfacher einprägen, als solches ohne Zusammenhang. Deshalb sollte der Lernstoff strukturiert werden, um von einer Übersicht des Gesamten in die Details gehen zu können. Dies vereinfacht den Lernprozess. Um ein dauerhaftes Behalten zu erzielen müssen Informationen vom Kurzzeit- zum Langzeitgedächtnis weitergeleitet werden. Dabei können sinnvoll eingesetzte Wiederholungen hilfreich sein. Es sollte eine Einschränkung auf den Stoff erfolgen, der noch nicht im Langzeitgedächtnis gespeichert wurde. Eine effiziente Methode für die Aufnahme von Informationen erfolgt dabei durch wenige Wiederholungen an mehreren Tagen bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg. Dies ist effektiver als viele Wiederholungen über einen kurzen Zeitraum bzw. an wenigen Tagen vorzunehmen.
137
5 Persönliche Arbeitsorganisation
5.2
Zeitplanung und Ziele
Zur Verbesserung der eigenen Arbeitsorganisation sind ehrliche Selbstkritik, persönliche Veränderungsbereitschaft und ein starkes Durchhaltevermögen prinzipielle Voraussetzung. Die Bestandsaufnahme der eigenen Arbeit, die Formulierung von Zielen und die Umsetzung persönlicher Maßnahmen können die Effizienz der eigenen Arbeit erhöhen. Persönliche Arbeitsorganisation ist keine regellose Methodik sondern das Managen der eigenen Person. Eine Verbesserung der persönlichen Arbeitstechnik erhöht die Leistungen und hat auch eine herausragende psychologische Bedeutung. Es bilden sich positive emotionale Werte wie Zufriedenheit, Selbstsicherheit und Freude aus. Ängste, Stress und Unsicherheit sind dagegen kontraproduktiv und werden verringert. Das subjektive Zeitgefühl entspricht oft nicht dem objektiven Zeitverlauf. Gerade solche Aufgaben, die zeitlich nahe vor uns liegen wachsen aufgrund ihrer Dringlichkeit oft über ihre Wichtigkeit hinaus und Dinge die eigentlich äußerst wichtig wären, jedoch weniger brisant sind, werden oft in ihrer Dringlichkeit unterbewertet. Eine Projektbesprechung, die in zwei Wochen stattfindet und von der Wichtigkeit eigentlich die volle Aufmerksamkeit verdient hätte, wird eher auf die lange Bank geschoben. Der Denkfehler der hinter diesem Konflikt steht, beruht auf der Tatsache, dass wir alles was zeitlich weiter entfernt ist weniger klar wahrnehmen als Dinge die unmittelbar vor uns liegen. Stehen deshalb wichtige Aufgaben mit hoher Priorität an, ist es sinnvoll das Endziel in Teilziele zu zerlegen. Kurzfristige Erfolgserlebnisse und eine höhere Motivation zur Fertigstellung der Aufgabe sind erfahrungsgemäß die Folge.
Zeit als etwas Äußeres, das ohne menschlichen Einfluss existiert
Zeit mit Uhren messbar; Orientierung an den periodischen Veränderungen der Natur
Uhr als äußerer Taktgeber des Alltags
Zeitaufwand und Tätigkeit in angemessenem Verhältnis
+-
absolute Zeit
*
relative Zeit
+-
......
objektive Zeit
*
subjektive Zeit
......
+-äußere Zeit (chronos)
*
innere Zeit (kairos)
+-
......
quantitative Zeit
*
qualitative Zeit
......
nur im Bezug zur sich verändemden Umgebung kann Zeit erlebt werden
die vom Menschen erlebte Zeit, abhängig von Alter, Kultur, Situation
individuelles Zeitgefühl, individueller Zeitgebrauch
günstige Momente für bestimmte Aufgaben
Abb. 5.2: Unterschiedliche Zeitbegriffe Der Begriff "Zeit" als solcher ist sehr abstrakter Natur, was darin begründet liegt, dass Zeit kein Gegenstand ist. Abbildung 5.2 macht die verschiedenen Aspekte der Zeitvorstellung greifbarer. Zeit, als unsichtbare Ressource, ist im selben Augenblick verbraucht, in dem sie empfangen wird.
5
138
5 Persönliche Arbeitsorganisation
Sie kann weder gespart noch vermehrt werden. Dabei ist Zeit das einzige Gut, welches äußerst gerecht verteilt ist. Jedem Mensch steht pro Tag die gleiche Zeit zur Verfügung. Die Zeit kann im Grunde vom Menschen nicht beeinflusst werden. Der Sachverhalt verhält sich vielmehr umgekehrt. Die Zeit beeinflusst den Tagesablauf und die Tätigkeiten des Menschen. Dabei werden in unserer Gesellschaft die natürlichen körperlichen Reaktionen wie Müdigkeit und Konzentrationsschwäche immer weniger berücksichtigt. Der Mensch lebt nach der Uhr und wird von seinem inneren Rhythmus zusehends entkoppelt. Dennoch bietet sich die Zeit als Mittel an, mit dem der Alltag strukturiert und systematisiert werden kann. Die Zeit selbst kann zwar nicht kontrolliert werden, aber sehr wohl der Umgang mit ihr. Da die Zeit unwiderruflich und kontinuierlich verrinnt, muss sie sinnvoll genutzt werden. Der Mensch der heutigen Zeit ist einer Entwicklung ausgesetzt die immer schnellere, rasantere Züge annimmt. Bei einer ständig zunehmenden Informationsfülle müssen heute immer mehr Menschen ihre Handlungen aufeinander abstimmen. Das Leben des Einzelnen wird immer zeitorientierter und immer leistungsbetonter. Das Schlagwort lautet Produktivität. Möglichst viel Arbeit soll in möglichst kurzer Zeit bewältigt werden. Das Wichtigste im Berufsleben ist jedoch den Überblick über seine Tätigkeiten und Prioritäten nicht zu verlieren.
Was sind Ziele? Ziele stellen Herausforderungen dar und lösen bestimmte Handlungen aus. Unser tägliches Handeln ist immer auf bestimmte Ziele ausgerichtet. Dabei muss zwischen kurzfristigen und langfristigen sowie beruflichen und privaten Zielen unterschieden werden. Ziele stellen jedoch nicht nur einen Wunsch dar den man erreichen möchte, sondern verbinden auch die "Aufgaben von heute" mit der "Zufriedenheit von morgen". Außerdem dienen sie gleichzeitig als Maßstab zur Beurteilung der erbrachten Arbeitsleistungen. Sowohl im Beruf als auch im Privatleben hängt Erfolg von eindeutigen Zielen ab. Ohne entsprechende Ziele verliert man schnell den Überblick sowie die Selbstmotivation. Nur mit klaren Zielen vor Augen können die persönlichen Fähigkeiten optimal eingesetzt, die Ausdauer verbessert und die Aufmerksamkeit gesteigert werden, um die gestellten Aufgaben zu bewältigen. Durch die Festlegung auf bestimmte Ziele können Schwerpunkte gesetzt werden. Jede Tätigkeit bekommt damit eine eigene Dynamik und Zielrichtung (Abb. 5.3). Ziele sind jedoch erst dann sinnvoll wenn sie erreichbar sind, da es sonst leicht zur Frustration kommt. Das Erreichen von kleinen Zielen hingegen vermittelt ein Erfolgserlebnis und steigert die Motivation. Ziele müssen daher klar definiert, überprüfbar, zeitlich abgegrenzt und positiv sein.
Grundgedanken der Zeitplanung Um seine gesteckten Ziele auch realisieren zu können, ist es unabdingbar auf diese Ziele hin zu planen. Planung ist eine Vorbereitung zur Verwirklichung von Zielen. Elementar wichtig für eine erfolgreiche Zeitplanung ist es sowohl Ziele als auch konkrete Pläne schriftlich festzuhalten. Schriftliche Pläne helfen: • • • • • •
nicht den Blick für das Wesentliche zu verlieren, das Gehirn und damit sich selbst zu entlasten, sich selbst zu motivieren, da stets das Ziel vor Augen steht, (Teil-)Ergebnisse und Prioritäten zu kontrollieren, den Erfolg zu steigern und Störungen besser einzuschätzen, die eigene Arbeit zu dokumentieren.
5 Persönliche Arbeitsorganisation
139
Traditionelle Ansätze der persönlichen Arbeitsorganisation beruhen darauf, anhand von schriftlichen Tages-, Wochen-, Monats- und/oder Jahresplänen die zeitlichen Abläufe einzuteilen, zu organisieren und zu strukturieren. Bei der Tagesplanung werden ca. 60 % des Arbeitstages für geplante Tätigkeiten verwendet, 20 % für unerwartete Aufgaben und 20 % für die Erfüllung kommunikativer und sozialer Pflichten. Im Tagesplan müssen wichtige und dringende Aufgaben an erster Stelle stehen. Bei der Erledigung ist es von Vorteil die persönliche Tagesleistungskurve zu beachten.
1. Pläne für zielgerichtetes Handeln
sind die Basis für
5 Sie steigern das
und gestaltet neue
4. höhere Ziele
Der Mitarbeiter setzt sich selbst
Abb. 5.3: Menschliche Grundstruktur mit klaren Zielvorstellungen
Langzeitziele (z.B. 1 - 3 Jahre) werden in Mehrjahresplänen festgelegt. Daraus folgt die Jahresplanung mit der Analyse des vergangenen Jahres und der Festlegung der persönlichen und beruflichen Ziele für das bevorstehende Jahr. Der Jahresplan verschaffl somit einen Überblick über Projekte, Aufgaben und Maßnahmen. Mit einem Quartalsplan kann die Erfüllung der jährlichen Arbeiten kontrolliert werden. Davon abgeleitet wird in einem Monatsplan detaillierter die benötigte Zeit geplant. Pufferzeiten und Zeit für Routinetätigkeiten sind zu berücksichtigen. Der Monatsplan kann ggf. noch weitergehend in Wochenpläne unterteilt werden. Schließlich ist der Tagesplan besonders wichtig, da er für die konkrete Umsetzung der Aufgaben entscheidend ist. Eine Tätigkeitsanalyse der eigenen Arbeiten durchzuführen, um Optimierungen der eigenen Arbeitsorganisation zu ermöglichen, benötigt eine gehörige Portion Durchhaltevermögen. Eine derartige Analyse sollte sich erfahrungsgemäß über einen Zeitraum von 2 - 4 Wochen erstrecken. Nur so lässt sich der Ist-Zustand ausreichend erfassen. Das Ergebnis schafft ferner eine gute Grundlage zur SChärfung des Problembewusstseins und gibt Erkenntnisse für Änderungsmöglichkeiten. In der Tätigkeitsanalyse müssen alle Tätigkeiten des Arbeitstages chronologisch und systematisch aufgelistet werden. Dabei wird für jede Tätigkeit die benötigte Zeit erfasst. Das Vermerken von Störungen und Unterbrechungen der Tätigkeiten muss ebenfalls erfolgen. Für die Analyse der Aufgaben können folgende Punkte herangezogen werden.
5 Persönliche Arbeitsorganisation
140
Ist-Aufnahme:
Überlegungen zur Tätigkeit, zum Aufwand, zur Priorität
Analyse:
War die Tätigkeit notwendig? Wurde die Arbeit effizient ausgeführt? War der Zeitaufwand angemessen? Welche Störungen traten auf?
Maßnahmen:
Was lässt sich an meiner Arbeitsorganisation verbessern? Welche Lösungen lassen sich realisieren?
Erfolgskontrolle:
Was hat sich verbessert? Was ist gleich geblieben? Wo muss ich gegensteuern?
Mit einem effektiven Zeitmanagement erfolgt ein bewusster Angriff auf die tief verwurzelten, eingefahrenen Alltagsgewohnheiten des Menschen. Es ist verständlich, dass man Handlungsweisen die schon immer zum Ziel geführt haben, beibehalten will. Allerdings sind die dazu eingesetzten Taktiken und Strategien nicht immer die strukturiertesten und effektivsten. Zeitmanagement hat zum Ziel, diese Einstellungen und Gewohnheiten zu verändern. Da die neuen Techniken den alten Gewohnheiten meist zuwider laufen, ist es anfänglich schwierig das persönliche Zeitmanagement zu verändern und durchzuhalten. Voraussetzungen zum Gelingen sind immer: • • • •
die Einsicht, dass die alten Gewohnheiten geändert werden müssen, die Bereitschaft eine Änderung der Gewohnheiten im Alltagsleben zu erzielen, das aktive Handeln, um die Änderung auch tatsächlich herbeizuführen, die Erfolgskontrolle der eingeführten Änderungen.
Mit einem systematischen Zeitmanagement soll Zeit eingespart werden. Nun bleibt die Frage offen, wie der Mensch die gewonnene Zeit verwendet? Die gewonnene Zeit muss nicht unbedingt dazu benutzt werden, einen weiteren Arbeitsauftrag anzunehmen. Sie kann dem Menschen zu einem ausgewogeneren Berufs- und Privatleben verhelfen. Effekte eines effektiven Zeitmanagements sind u.a.: • • •
Stressabbau: Arbeit kann weitgehend ohne allzu große Hektik erledigt werden. Mit gewonnener Zeit wird Raum geschaffen zur physischen Entspannung und physischen Erholung. Seelisches Gleichgewicht: Es bleibt genug Zeit für persönliche Anliegen, Familie und Hobby. Leistungsfähigkeit: Gutes Zeitmanagement erhöht die Produktivität. Eine zielgerichtete Arbeitsweise führt eher zu Erfolgserlebnissen und steigert die Selbstmotivation.
Hier schließt sich der Kreis, denn nur derjenige, der innerlich ausgeglichen und zufrieden ist, kann im beruflichen Bereich Höchstleistungen erbringen.
5.3
Setzen von Prioritäten
Die persönliche Arbeitsorganisation ist eine wesentliche Grundlage, um erfolgreich seine gesetzten Ziele zu verwirklichen. Dabei fällt dem Setzen von Prioritäten eine überaus wichtige Rolle zu. Das Setzen von Prioritäten ist gleichbedeutend mit dem Treffen von Entscheidungen. Es wird eine Auswahl über Art und Umfang der durchzuführenden Aufgaben vorgenommen, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Durch das Erstellen einer Prioritätenliste, in der die anstehenden Aufgaben nach ihrer Wichtigkeit und Dringlichkeit in eine Rangfolge gebracht werden, wird es möglich, die Aufgaben anhand dieser Reihenfolge in Angriff zu nehmen. Das Setzen von Prioritäten geschieht normalerweise intuitiv, wobei dies von der subjektiven Wichtigkeit einzelner Faktoren abhängig ist.
5 Persönliche Arbeitsorganisation
141
So setzen z.B. ältere Menschen in der Regel andere Maßstäbe als jüngere, die gerade in das Berufsleben eintreten. Neben dem Alter gibt es noch viele weitere subjektive Kriterien wie Erziehung, Geschlecht, soziales Umfeld, momentaner Stimmungszustand, etc. Es ist jedoch von großer Bedeutung, dass die wichtigen Dinge auf jeden Fall zuerst erledigt werden, sodass die Effizienz des eigenen Arbeitens möglichst hoch wird. Zur Einschätzung der Wichtigkeit einer Aufgabe stehen verschiedene Hilfsmittel zur Verfügung, die das setzen von Prioritäten unterstützen.
Pareto-Prinzip In einer gegebenen Menge haben einige wenige Teile einen weitaus größeren Wert, als dies ihrem Gesamtanteil an der Gesamtmenge entspricht. Dies schlug sich in der 80:20 - Regel oder dem Pareto-Prinzip nieder (Abb. 5.4). Beispiele dafür sind: • • • •
20 20 20 20
% der Arbeit ergeben 80 % des Ergebnisses, % der Kunden erbringen 80 % des Umsatzes/Gewinns, % der Fehler verursachen 80 % des Ausschusses, % der Produkte erzeugen 80 % der Fertigungskosten.
I
Input
Output
Arbeit Kunde Fehler Produkte
Ergebnis Umsatz Ausschuss Kosten
200/0
5
I 80%
80%
I
20%
I
Abb. 5.4: Pareto-Prinzip Die Betrachtung der Aufgaben nach dem Pareto-Prinzip sollte es ermöglichen die wichtigen Aufgaben, d.h. die Aufgaben die in großem Umfang zum Gesamtergebnis beitragen, zu erkennen und dementsprechend mit größerer Priorität zu bearbeiten.
142
5 Persönliche Arbeitsorganisation
ABC-Analyse Die ABC-Analyse ist eine verfeinerte Anwendung des Pareto-Prinzips. Die anfallenden Aufgaben werden nach ihrem Anteil am Gesamtergebnis in die drei Kategorien A, Bund C aufgeteilt. Auch hier wird von einem annähernd gleich bleibenden prozentualen Anteil der wichtigen und weniger wichtigen Aufgaben am Gesamtergebnis ausgegangen. Die Kategorien sind wie folgt definiert: • • •
A-Aufgaben: sehr wichtig, nicht delegierbar, B-Aufgaben: wichtig, delegierbar, C-Aufgaben: weniger wichtig/unwichtig, sicher delegierbar.
Das wohl größte Problem bei der ABC-Analyse ist das Einteilen der verschiedenen Aufgaben in diese drei Kategorien. Ihr Anteil an der Menge aller Aufgaben und relativ dazu am Gesamtergebnis wird aus Abbildung 5.5 ersichtlich. Somit eignet sich die ABC-Analyse besonders, wenn man entscheiden will, welche wichtigen Aufgaben zuerst in Angriff genommen werden sollen. Durch diese anteilsmäßig wenigen Aufgaben lässt sich bereits der größte Teil am Erfolg verbuchen. Zusätzlich dazu lässt sich der Erfolg nochmals durch die B-Aufgaben bis zu einem gewissen Betrag steigern. Die C-Aufgaben bringen trotz ihres verhältnismäßig großen Aufwandes nur noch einen kleinen Ertragszuwachs.
20%
e-Aufgaben 'C I:
ca
.!
60%
20%
-
.Ci) ~
Cl
~
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...
0:: :ca
...
GI
I-
.g
GI 'C
.r:::
:E (J :ca
III
~
t::
60%
20%
~
A-Aufgaben 20%
Abb. 5.5: Analyse des Aufwandes nach der ABC-Analyse
Eisenhower-Prinzip Der ehemalige US-Präsident Eisenhower benutzte dieses Hilfsmittel, um schneller und effektiver Entscheidungen fällen zu können. Es basiert darauf, die Aufgaben sowohl nach Wichtigkeit als auch nach Dringlichkeit einzuordnen und aufgrund dieser Ordnung zu bearbeiten (Abb. 5.6).
5 Persönliche Arbeitsorganisation
Q)
-
.:lI::
.c 0
.c
A-Aufgaben
Lplanen mit Terminen
L
Sofort Erledigen
---------------T---------------
.c
3=
B-Aufgaben
u
C)
CJ
143
.21
.g GI 'c
O-Aufgaben
C-Aufgaben
L Papierkorb
L Delegieren
niedrig
hoch
Dringlichkeit Abb. 5.6: Das Eisenhower-Prinzip
A-Aufgaben: B-Aufgaben: C-Aufgaben: O-Aufgaben:
haben sowohl eine hohe Wichtigkeit als auch eine hohe Dringlichkeit. Sie sind sofort selbst zu erledigen. haben zwar eine hohe Wichtigkeit sind aber nicht dringend. Sie werden deshalb konsequent geplant und entsprechend umgesetzt. sind zwar dringend zu erledigen aber nicht von großer Wichtigkeit. Sie können an andere Mitarbeiter delegiert werden. Von Aufgaben die weder dringend noch wichtig sind, sollte Abstand genommen werden. Sie sind dem Papierkorb anzuvertrauen.
Die Vorteile, die beim Verwenden des Eisenhower-Prinzips entstehen, liegen auf der Hand. Es wird sich auf die wichtigsten Aufgaben konzentriert. Durch Delegation von Aufgaben an die Mitarbeiter werden sie in die Verantwortung genommen. Gleichzeitig entlastet man sich selbst für die wichtigen Aufgaben. Somit ist das Setzen von Prioritäten ein äußerst wichtiger Punkt in der persönlichen Arbeitsorganisation. Es gibt vor, welche Aufgaben wann bearbeitet werden sollten, um eine möglichst hohe Arbeitseffektivität zu erreichen. Dies bedeutet, die richtige Aufgabe zum richtigen Zeitpunkt richtig auszuführen. Reine Effizienz im Erfüllen der eigenen Aufgaben reicht somit bei weitem nicht aus, da durch die Fülle der anstehenden Aufgaben wichtige Arbeiten unerledigt bleiben können. Denn es ist nicht so sehr wichtig, dass irgendeine Aufgabe richtig gemacht wird, sondern dass eine wichtige Aufgabe richtig gemacht wird.
5.4
Systematische Lösungsprozesse
5.4.1
Einleitung
Aufgaben, Projekte und Führungstätigkeiten werden nach ihrer Komplexität unterschieden. Mögliche Einstufungskriterien sind u.a. • • •
die Anzahl der Einflussgrößen, der Grad der Vernetzung und der Grad der Wechselwirkungen zwischen den Einflussgrößen.
5
144
5 Persönliche Arbeitsorganisation
Von einfachen über komplizierte bis hin zu komplexen AufgabensteIlungen nehmen die Größen und die Anzahl der genannten Kriterien zu. Der Erfolg eines systematischen Lösungsprozesses hängt von einer Reihe von Faktoren ab. Mit dem Teamklima und der Unternehmenskultur werden äußere Einflüsse verbunden, die den Lösungsprozess eines Einzelnen oder einer Gruppe positiv oder negativ beeinflussen können. Es entsteht eine Atmosphäre, die sich in physischen (z.B. Krankheit), psychischen (z.B. Stress) oder in sozialen (z.B. Lob) Symptomen zeigt. Bestimmte Faktoren wie Führungsstil, Anerkennung, Leistungsdruck, Umgang mit Kritik, soziale Sicherheit beeinflussen somit das Arbeitsklima im Lösungsprozess. Ein umfangreiches Wissen spielt eine große Rolle bei der allgemeinen Problemlösungsfähigkeit eines Mitarbeiters. Je mehr Erkenntnisse und Erfahrungen er gesammelt hat, desto einfacher ist es für ihn eine Lösung der zu bewältigenden Aufgabe zu finden. Die Lösung schlecht strukturierter Aufgaben wird aber auch durch den Versuch gekennzeichnet, sich das fehlende problemspezifische Wissen anzueignen. Hier können Teams dem Individuum überlegen sein. Die gemeinsamen Kompetenzen werden genutzt und die problemspezifischen Inhalte fundiert bearbeitet. Systematische Lösungsprozesse laufen meistens in sequenziellen Schritten ab. Jeder Schritt wird durchdacht, analysiert und folgerichtig gelöst. Bei kreativen Lösungsprozessen besteht dagegen keine Aussicht, die Aufgabe durch rationales Vorgehen zu lösen. Vielmehr findet die Person die Lösung irgendwann intuitiv. Sinnvollerweise werden logische und kreative Schritte zur Problemlösung miteinander kombiniert. So lässt sich jede Aufgabe ablauforganisatorisch in Phasen zerlegen und jede Phase logisch und/oder kreativ lösen.
Oft wird die Formulierung von Zielen ausgelassen oder findet nur sehr allgemein statt. Bei zu optimistischer Planung wird das potenzielle Auftreten von Problemen bei der Realisierung vernachlässigt. Auch eine zu große Planungstiefe bis ins kleinste Detail ist ein typischer Fehler. Im Erfolgsfall wird auf eine kritische Bewertung der Vorgehensweise verzichtet und diese zu einem Lösungsrezept für andere - auch ganz anders geartete - Aufgaben hochstilisiert. Auch bei Misserfolgen wird auf eine Fehleranalyse verzichtet, um eine Verringerung des Selbstwertgefühls zu vermeiden. Flexibilität, Kreativität und Neugierde sind für systematische Lösungsprozesse hilfreich. Allerdings muss das systematische Lösen - auch wenn alle diese Eigenschaften vorhanden sind - ständig geübt und auf das jeweilige Problem kreativ angepasst werden.
5.4.2
Lösungszyklus
Der Lösungszyklus der Abbildung 5.7 kann als Leitfaden zur Lösung von Sachaufgaben und Führungstätigkeiten dienen. Er ist u.a. dazu geeignet schwierige Führungssituationen oder Mitarbeitergespräche systematisch aufzubereiten und effektive Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Er besteht aus der charakteristischen Schrittfolge: • • • •
Situationsanalyse ("Ist-Zustand"), Zielformulierung ("Soll-Zustand"), Lösungen ("Maßnahmen") und Erfolgskontrolle ("Controlling").
Um zu einer befriedigenden Lösung zu gelangen ist es wichtig, den Ablauf kreis- bzw. spiralförmig zu verstehen. So kann von jeder einzelnen Phase zu einer vorherigen Phase zurückgegangen werden. Die in jeder Phase gewonnenen Einsichten bzw. Ergebnisse bilden die Grundlage für die weiteren Phasen. Eine Überlappung der einzelnen Phasen trägt zur Vertiefung und Kontrolle bei. Die Lösung hängt stark davon ab, welche Fragen in den einzelnen Phasen gestellt werden. Diese hängen wiederum vom Problemverständnis der einzelnen Person, sowie deren Wahrnehmung, Neugierde, Offenheit und Kreativität, ab.
5 Persönliche Arbeitsorganisation
145
Schritt 1: Situationsanalyse Die Ausgangssituation sollte besser verstanden werden, indem sie beschrieben, abgegrenzt und genauer analysiert wird. Eine Aufgabe oder Führungstätigkeit darf dabei nie für sich alleine betrachtet werden, da es Bestandteil eines gesamten Problemumfeldes ist. Alle für die Situation zur Verfügung stehenden Informationen werden gesammelt und beschrieben. Was sind harte Tatsachen, was sind weiche Faktoren (Annahmen) und wo fließen mögliche Vorurteile ein? Auch Informationslücken werden dokumentiert, da sie für die später zu treffenden Entscheidungen einen Risikofaktor darstellen.
• • •
2. ZielformulIerung ("Soll-Zustand")
ist die Basis für
Tatsachen (harte Fakten) Annahmen (weiche Fakten) Vorurteile (unsichere Basis)
• •
Lösungszyklus Eine neue
4. Erfolgskontrolle ("Kontrolle") • •
Steuerung und Kontrolle Bewertung der Zielerreichung
• •
Ziele geben Richtung und Orientierung für
Aufgaben und ProJekte FQhNngstttlgkeltan
Maßnahmen
,unterliegen einer
Muss-Ziele Wunsch-Zlele
3. Lösungen ("Maßnahmen") • • •
lösungsalternativen und Entscheidungen Maßnahmenauswahl und -realisierung Zuständigkeiten und Termine
Abb. 5.7: Lösungszyklus Die Abgrenzung muss aus verschiedenen Blickwinkeln (z.B. Technik, Führung, Recht, Finanzen, etc.) geschehen. Zentrale Frage ist, was gehört zur Situationsanalyse und wer muss mit einbezogen werden. Nicht alle "Einzelprobleme" des Problembündels sind gleichzeitig zu lösen. Sie müssen zuerst handhabbar gemacht werden, wobei die Abhängigkeiten untereinander zu untersuchen sind. Eine Gewichtung der "Probleme" kann zum Beispiel durch die Unterscheidung von zentralen und untergeordneten Aufgaben oder durch die Einstufung nach Wichtigkeit und Dringlichkeit erreicht werden. Für Kernaufgaben müssen die relevanten Einflussfaktoren ermittelt und miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die gegenseitige Beeinflussung kann als Beziehungsdiagramm dargestellt werden, wobei auch die Dynamik der einzelnen Beziehungen zu berücksichtigen ist.
5
146
5 Persönliche Arbeitsorganisation
Schritt 2: Zielformulierung Ausgehend von der Situationsanalyse geht es während der Phase der Zielformulierung darum, systematische Überlegungen hinsichtlich des zu erreichenden Soll-Zustandes anzustellen. Insbesondere sollen Zielformulierungen: • • • • •
präzise und verständlich sein, lösungsneutral sein, d.h. der Lösung soll nicht unzulässig vorgegriffen werden, vollständig sein, d.h. alle wichtigen Anforderungen an die gewünschte Lösung beinhalten, erwünschte und unerwünschte {Neben-)Wirkungen berücksichtigen, realistisch sein, d.h. die sachlichen Gegebenheiten der Situation aber auch die sozialen Gegebenheiten und Wertvorstellungen berücksichtigen.
Wichtig ist hier eine Unterscheidung zwischen Muss- und Wunschzielen: • •
Muss-Ziele sind solche, deren Erreichung zwingend vorgeschrieben wird, Wunsch-Ziele sind jene Ziele, deren Erreichung positiv beurteilt wird, die aber nicht unumstößliche Voraussetzungen für die Annahme einer Lösung sind.
Schritt 3: Lösungen Die Menge an Lösungen wird durch die Randbedingungen stark beeinflusst. Je mehr grundsätzliche Anforderungen vorhanden sind, je besser die Randbedingungen geklärt sind, desto kleiner wird die Lösungsmenge und umso eher werden unrealistische Lösungsalternativen ausgesondert. Die Entwicklung von alternativen Lösungen ist der kreative Teil des Lösungsprozesses und besteht aus drei Teilschritten: • • •
geeignete Methode bestimmen, Ideen erzeugen und analysieren, besonders lösungsträchtige Ideen weiterentwickeln.
Die entwickelten Lösungsalternativen müssen prinzipiell tauglich sein und werden zunächst nicht bewertet. Wichtig ist deshalb eine Trennung von Lösungssuche (Ideenerzeugung) und Lösungsbewertung (Ideenanalyse). Eine Bewertung kann entweder summarisch oder aufgrund von Bewertungskriterien erfolgen. Bei der summarischen Bewertung - die oft intuitiv erfolgt - werden die Alternativen als Ganzes verglichen und bewertet. Sie ist berechtigt wenn: • • • •
die Konsequenzen der Entscheidung relativ unbedeutend sind, der Handlungsbedarf nachträglich beeinflusst werden kann, die Qualitätsunterschiede der vorliegenden Lösungsalternativen sehr groß sind und sich eine eindeutige Bevorzugung einer Lösung ergibt.
Bewertungskriterien sind zum Beispiel die Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen oder die Nutzwertanalyse. Eine Bewertung wird meistens anhand unterschiedlich gewichteter Kriterien vorgenommen. Systematische Bewertungsmethoden werden dagegen oft angewendet, wenn man sich nicht einig wird. Sie leisten somit einen wichtigen Beitrag für den konstruktiven Umgang mit potenziellen Konflikten. Ihr großer Vorteil ist, dass durch sie Entscheidungen versachlicht werden können.
5 Persönliche Arbeitsorganisation
147
Die Entscheidung ist die Auswahl einer Lösungsalternative. Bei der Entscheidung für eine bestimmte Lösung muss bedacht werden, wie die zugehörigen Maßnahmen umgesetzt werden können. Es wird also geplant, wie und in welcher Reihenfolge etwas geschieht und welche Auswirkungen dies hat. Um die geplanten Maßnahmen zu realisieren sind außerdem Zuständigkeiten, Termine und Abnahmekriterien festzulegen.
Schritt 4: Erfolgskontrolle Während der Realisierung muss ständig eine Kontrolle bzgl. der Umsetzung der ausgewählten Maßnahmen erfolgen. Das jetzige und bisherige Tun muss regelmäßig kritisch hinterfragt werden. Der vierte Schritt im Lösungszyklus dient somit der Steuerung ("Controlling") und Bewertung der Maßnahmen und der Zielerreichung. Der Soll-Ist-Abgleich bietet außerdem die Möglichkeit Lernprozesse zu initiieren.
5.5
Optimierung von Prozessen
Die Optimierung von Prozessen, die Verbesserung von Abläufen und Generierung von (Einspar)potenzialen ist eine immer währende Aufgabe im Unternehmen. Im Folgenden wird eine einfache Vorgehensweise zur Optimierung von Prozessen vorgestellt. Sie verknüpft einige wichtige methodische Elemente und startet mit einem Phasenmodell (Abb. 5.8). Sinnvollerweise werden in den einzelnen Phasen bestimmte Themen vertiefend behandelt. Dadurch wird für die beteiligten Personen die Wissensbasis verbreitert und die Prozessoptimierung auf ein festeres Fundament gestellt.
Startphase Es wird davon ausgegangen, dass der Teamleiter und das Projektteam für die Prozessoptimierung bekannt sind. Im Gegensatz dazu sind der Projektauftrag und die Projektziele nicht allen Teammitgliedern bekannt. Eine Klärung der Ausgangssituation und das Erzielen eines gemeinsamen Verständnisses sind für die weitere Arbeit äußerst wichtig. Zu folgenden Fragen muss in der Startphase eine Antwort gefunden werden: • • • • • • • • • •
Wer ist der Teamleiter (Projektleiter)? Wer gehört zum Projektteam? Welche Erfahrungen liegen im Projektteam vor? Welche Schulungen sind eventuell nötig? Wie lautet der Projektauftrag? Welche Projektziele sind zu erreichen? Bis wann sind diese Ziele zu erreichen (kurz-, mittel-, langfristig)? Wie sieht die Ausgangssituation aus? Welche (mögliche) Aufgabenverteilung ist im Team vorgesehen? Wie sieht das Berichtswesen aus?
5
148
5 Persönliche Arbeitsorganisation
Projektphasen
Schulungsthemen
1. Startphase (5)
• •
Leitung und Zusammenarbeit in Teams Projektmanagement
2. Analysephase (A)
• •
Moderationen Kommunikation
3. Planungsphase (P)
• •
persönliche Arbeitsorganisation Motivation
•
Auseinandersetzungen und Konflikte
• •
Präsentationen Personalentwicklung
4. Realisierungsphase (R)
5. Abnahmephasel Erfolgskontrolle (E)
Abb. 5.8: Phasenablauf der Prozessoptimierung
Startphase --+ Analysephase Nach der Klärung der Startphase kann in die Analysephase übergegangen werden. Sie ist der eigentliche Einstieg in die Prozessoptimierung und beginnt mit einer Generierung von Ideen für Arbeitsthemen. Um eine Strukturierung der Themen zu erleichtern eignet sich das IshikawaDiagramm (Abb. 5.9). Durch die Einteilung in die sechs Cluster "Maschine", "Material", "Methode", "Mensch", "Managemenr' und "Umfeld" wird eine strukturelle Vorgabe gemacht. Sie erleichtert eine Strukturierung der Ideen und kann beliebig ergänzt oder abgeändert werden.
5 Persönliche Arbeitsorganisation
Ursache
149
Wirkung
Abb. 5.9: Ishikawa-Diagramm zur Prozessoptimierung Die Ideensammlung erfolgt mittels Kartentechnik. Als Ergebnis ergibt sich z.B. das in Abbildung 5.10 gezeigte Bild. Aus den für den jeweiligen Cluster angegebenen Ziffern (z.B. 1.x) werden in der Analysephase die konkreten Arbeitspakete entwickelt.
Analysephase Die in der Startphase erzeugten Ideen sind in der nächsten Phase konkret zu analysieren. Dazu empfiehlt sich folgende Struktur (Abb. 5.11). Die einzelnen Clusterthemen (z.B. Anlagenverfügbarkeiten, Transporte, Kundenbedürfnisse, Energie, etc.) sind als Arbeitspakete näher zu beschreiben und mit Daten und Informationen zu hinterlegen. Die Situationsanalyse des vorgefundenen IstZustandes und die hier gesammelten Fakten sind maßgeblich für die möglichen Lösungsalternativen und Maßnahmen. Zur Bewertung müssen für die einzelnen Arbeitspakete Kriterien wie Kosten, Qualität, Kundenzufriedenheit, Durchlaufzeiten, etc. zur Verfügung stehen. Die verschiedenen Alternativen sind zu bewerten, Entscheidungen zu treffen und Maßnahmen auszuwählen. Im Zuge der Prozessoptimierung sind z.B. Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen anhand der zu erzielenden Einsparpotenziale und der Kosten für die Realisierung der Maßnahme durchzuführen. Jede ausgewählte Maßnahme ist mit einer zuständigen Person und einem Termin zu versehen.
150
5 Persönliche Arbeitsorganisation
Datum:
Projektteam:
Cluster
Ideen
Maschine (1.x)
Material/Produkte (2.x)
(Arbeits)methoden (3.x)
Mensch/Mitarbeiter (4.x)
Management/Führung (5.x)
Umfeld (6.x)
Abb. 5.10: Ideensammlung zur Prozessoptimierung
151
5 Persönliche Arbeitsorganisation
Thema (z.B. Energie)
• •
Nr. des Arbeitspaketes Bezeichnung des Arbeitspaketes - Kurzbeschreibung Daten Informationen
Lösungen
•
• • • • •
Erfolgskontrolle
Bewertungskriterien Kosten Qualität Kundenzufriedenheit Bewertungen - Alternativen Ergebnisse - Entscheidung Wirtschaftlichkeit Einsparpotenzial Kosten für die Umsetzung Maßnahmen Zuständigkeit(en) Termin (Abnahmeoder Zwischentermine)
• • •
tatsächliche Einsparungen Lernprozesse Folgeaktivitäten
5
Abb. 5.11: Arbeitspakete in der Prozessoptimierung Um das Controlling und die Erfolgskontrolle zu erleichtern, wird jedes Arbeitspaket mit einem Status (S, A, P, R, E) versehen. Zu Beginn des Projektes stehen alle Arbeitspakete auf dem Status "S" (Startphase). Mit zunehmendem Fortschritt wechselt jedes Arbeitspaket über "A" (Analyse), "P" (Planung), "R" (Realisierung) zu "E" (Erfolgskontrolle). In der Erfolgskontrolle werden die tatsächlich erzielten Einsparungen ermittelt. Die erzielten Lernerfolge sind zu dokumentieren und eventuelle Folgeaktivitäten zu initiieren. Sämtliche Punkte lassen sich sehr gut in einer ArbeitspaketÜbersicht zusammenstellen (Abb. 5.12), die beliebig ergänzt werden kann.
Thema
Arbeitspaket-
Bezeichnungl
nummer
Kurzbeschreibung Arbeitspaket
Chemikalien
2.1
Chemikalienlagerung
Abluft
1.3
Wasser
Bewertungs-
kriterien
WirtschaftIichkeit
Rechts-
Maß-
nahmen
Zuständigkeit
Termin
Arbeitsstatus
Audit
Hr. Müller
Okt. 11
S
TNV-
Fr. Schmidt
12/11
A
Hr. Meier
IVl11
P
sicherheit
2.5
€
LösemittelAbluftreinigung
Energieverbrauch
XX.XX
Wasserverbrauch
Verbrauchsmengen
xx.xx €
Optimierung
InputOutputErfassung
Abb. 5.12 Übersicht Arbeitspakete
Bemerkungen
152
5 Persönliche Arbeitsorganisation
Planungsphase --+ Erfolgskontrolle Zur besseren Verfolgbarkeit der einzelnen Arbeitspakete wird die Übersicht in einen Balkenplan umgesetzt. Er ermöglicht eine optische Kontrolle der erzielten Fortschritte (Abb. 5.13). In der Realisierungsphase werden die einzelnen Arbeitspakete umgesetzt. Parallel verläuft in diesem Zeitraum das Controlling für die jeweiligen Arbeitspakete. Anhand zuvor festgelegter Messkriterien und Kennzahlen wird eine Erfolgskontrolle durchgeführt. Im Controlling werden die erfassten Daten und Informationen in einem Soll-1st-Vergleich aufbereitet.
ArbeitspaketNr.
Bezeichnung Arbeitspaket
1.3
Lösemittel-Abluftreinigung
2.1
Chemikalienlagerung
2.5
VVasserverbrauch
Zeitraum Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept Dkt. Nov. Dez.
Abb. 5.13: Arbeitspakete im Balkenplan
5.6
Weiterführende Literatur
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5 Persönliche Arbeitsorganisation
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Preuß-Scheuerle, S.; Entscheide und ... gewinne!, Gräfe & Unzer, 2006, 978-3-8338-0162-4
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Reither, F.; Komplexitätsmanagement, Gerling Akademie, 1997,3-9803352-6-7
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Seiwert, L.; Wenn Du es eilig hast, gehe langsam, Campus, 1999, 3-593-35911-1
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Seil, R.; Schimweg, R.; Probleme lösen, Springer, 2002, 3-540-43687-1
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5
H. Meinholz, Führungskraft Ingenieur, DOI 10.1007/978-3-8348-9776-3_6, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
6 Präsentationen erfolgreich gestalten
155
Präsentationen umfassen immer auch einen Persönlichkeitsaspekt. Der Vortragende wird aufgrund seiner verbalen und nonverbalen Signale blitzschnell von den Zuhörern in eine Schublade gesteckt. Wer etwas präsentiert, kann sich nicht hinter sachlichen Inhalten verstecken. Wie bei jeder Kommunikation wird auch bei der Präsentation zwischen Vortragendem (Sender) und Zuhörer (Empfänger) eine Beziehung aufgebaut. Das Bild, das der Vortragende von sich ausstrahlt, wird sich auch auf seine Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft auswirken. Eine positive emotionale Beziehung zu den Zuhörern ist für den Erfolg der Präsentation viel wichtiger, als ein fachlich anspruchsvoller Aufbau. Als Führungskraft müssen Sie Ihren Mitarbeitern technische oder organisatorische Neuerungen vermitteln. Mit den geeigneten Präsentationsfähigkeiten können Sie das notwendige Problembewusstsein schaffen und Entscheidungen herbeiführen.
6.2
Präsenta'tionsziele und Zuhörer
Präsentationen umfassen immer eine Zielgruppenanalyse. Nur wenn diese durchgeführt wurde lassen sich Präsentationsziele, Inhalte und Gestaltungsaspekte realistisch festlegen. Mit einer guten Analyse lässt sich das richtige Präsentationsniveau finden und die Zuhörer können dort abgeholt werden, wo sie stehen. Neben seinen fachlichen Vorkenntnissen bringt jeder Zuhörer auch seine persönlichen Einstellungen, Werte, Überzeugungen und Vorurteile zum Thema und zum Vortragenden mit.
6
hochwertige Unterlagen
Handouts
höhere Führungsebene
Teilnehmerkreis
gleichgestellte Mitarbeiter
Abb. 6.2: Führungsebene der Zuhörer
Die Qualität und der Aufwand zur Erstellung der Präsentationsunterlagen sind abhängig von der Führungsebene (Abb. 6.2). Während bei einer Besprechung mit gleichgestellten Mitarbeitern meistens Skizzen reichen, sind bei höheren Vorgesetzten druckreife Unterlagen empfehlenswert. SChließlich möchte der Vortragende einen guten Eindruck hinterlassen.
156
6 Prasentationen erfolgreich gestalten
Wie setzt sich die Zuhörergruppe zusammen? Es ist wichtig zu wissen, ob sich die Zielgruppe z.B. aus • • • • •
Professoren oder Studenten, Technikern oder Kaufleuten, Praktikern oder Theoretikern, Fachleuten oder Laien, Vorgesetzten oder Mitarbeitern
zusammensetzt. Entsprechend lassen sich einzelne Präsentationspunkte klären. Im Vorfeld lassen sich Aussagen und Argumente zielgruppenorientierter aufbereiten. Als Vortragender kann ich mich auf mögliche Fragen und Diskussionsbeiträge einstellen. So ist für einen Praktiker z.B. ein Modell, das er "begreifen" kann, besser geeignet. Für den Theoretiker können dagegen vermutlich mathematische Modelle eher verstanden und nachvollzogen werden. Kennen sich die Zuhörer im Thema aus, brauchen weniger Fachbegriffe erklärt werden. Bei Fachleuten müssen Beweise und Argumente vorgetragen werden. Hier sind auch größere inhaltliche Fortschritte möglich. Bei Laien sind kleinere Lernfortschritte notwendig. Zur Vorbereitung ist möglichst mit anschaulichen Beispielen, Grafiken und Bildern zu arbeiten (Abb. 6.3).
Beweise
1ä .c .E
Fakten, Daten
Beispiele
Fachleute, Kollegen
Teilnehmerkreis
Laien
Abb. 6.3: Vorwissen der Teilnehmer
Wie viele Zuhörer nehmen teil? Für einen reinen Vortrag spielt die Anzahl der Teilnehmer eine nicht so wesentliche Rolle. Möchte ich als Vortragender aber einen Dialog mit den Zuhörern führen, spielen Gestaltungs- und Beziehungsaspekte eine wichtige Rolle (Abb. 6.4). So darf die Zuhörerzahl beim Medieneinsatz von Flipchart, Pinnwand etc. nicht zu groß sein.
157
6 Präsentationen erfolgreich gestalten
Workshop
...
E
~Cl
Gruppenarbeiten
C :::J
E
oE
~
klein
Teilnehmerkreis
groß
Abbo 6.4: Anzahl der Zuhörer
Wie wird das Präsentationsziel definiert? Präsentationen sind keine Erzählstunden. Die Präsentationsziele werden den Inhalt und die Durchführung maßgeblich beeinflussen. Sie legen fest, was bei den Zuhörern erreicht werden soll. Mögliche Ziele können sein: • • • •
Problembewusstsein wecken bzw. schärfen, informieren und erklären eines Sachverhaltes, überzeugen und motivieren für technische/organisatorische Neuerungen, Entscheidungen transparent machen und Entscheidungen herbeiführen.
Um die Akzeptanz beim Zuhörer zu erhöhen, sind die Präsentationsziele positiv zu formulieren. Negative Präsentationsziele oder Verbote können unterschwellig Ablehnung oder Widerstände hervorrufen. Als Beispiel sei aus dem Bereich der Arbeitssicherheit das Tragen von Sicherheitsschuhen genannt. Eine negative Zielformulierung könnte lauten: "Das Tragen normaler Schuhe während der Arbeit ist zu gefährlich und deshalb untersagt'. Im Gegensatz dazu lässt sich mit einer positiven Formulierung: "Das Tragen von Sicherheitsschuhen schützt die Gesundheit' die Präsentation zielgerichteter und argumentativ überzeugender vorbereiten.
6
158
6.3
6 Prasentationen erfolgreich gestalten
Persönlichkeitsaspekt des Vortragenden
Haltung und sicheres Auftreten Der erste Eindruck prägtI Ein gepflegtes Erscheinungsbild ist daher ein absolutes Muss! Ihr Vortrag beginnt bereits mit dem Betreten des Raums. Sie sind keinen Moment unbeobachtet, selbst wenn Sie noch nicht offiziell begrüßt und vorgestellt wurden. Die Zuhörer nehmen Ihr gesamtes Verhalten wahr; wie Sie nach vorne gehen und auf "Ihrer Bühne" agieren. Die besten Grafiken können die emotionalen Wirkfaktoren einer Präsentation nicht ersetzen. Aufmerksamkeit und Interesse beim Zuhörer zu wecken muss im Vordergrund stehen. Ein starker Auftritt gibt eigene Sicherheit. Stimmen Sie sich positiv ein und treten Sie ruhig und äußerlich gelassen vor das Auditorium. Atmen Sie tief durch und beginnen Sie nach einer kleinen Pause die Präsentation. Die ersten Momente prägen weitgehend das Urteil, das sich die Zuhörer von Ihrer Person bilden. Stehen Sie ruhig, sicher und bequem. Nervöses hin und her laufen vermittelt einen negativen Ersteindruck. Strahlen Sie mit Ihrer ganzen Haltung Ruhe aus. Das wird von den Zuhörern als Stärke und Ausgeglichenheit empfunden.
Blickkontakt anbieten Lassen Sie Ihren Blick immer wieder durchs Publikum wandern. Der Zuhörer sollte den Eindruck mitnehmen, dass er angesprochen wird. Dadurch gewinnt er den Eindruck wichtig zu sein und dass ihm Aufmerksamkeit zuteil wird. Durch den Blickkontakt demonstrieren Sie auch persönliche Sicherheit und können die Reaktion der Zuhörer auf Ihre Präsentation besser erkennen. Über den Blickkontakt werden Beziehungen aufgebaut. Wenn wir miteinander reden, erwarten wir vom Gesprächspartner, dass er uns anschaut. In Ihren Augen muss das Feuer der Begeisterung für Ihr Präsentationsthema lodern. Vermeiden Sie jedoch zu starren Blickkontakt zu einer Person. Wenn Sie die Zuhörer nicht genau kennen, ist es schwierig Entscheidungsträger zu identifizieren. Schauen Sie daher in alle Richtungen. Durch den Blickkontakt können Sie schnell feststellen, wie Ihre Präsentation ankommt. Die Mimik der Zuhörer sagt ohne Worte sehr viel aus. Zustimmung einzelner Teilnehmer verstärkt die eigene Sicherheit. Lassen Sie zum Abschluss Ihrer Präsentation den Blick noch einige Momente über das Publikum schweifen. Neben dem üblichen, höflichen Applaus werden Sie erkennen, wie gut Sie wirklich waren.
Artikulation und Modulation der Stimme Sprechen Sie besonders am Anfang der Präsentation ruhig, langsam und betont. Aufgrund der anfänglich vorhandenen Nervosität neigen wir dazu schneller zu sprechen. Gleichzeitig erhöht sich die Stimmlage und es kommt zu einer piepsigen Stimme. Eine tiefere Tonlage hat eine bessere Wirkung, sorgt für mehr Klangfarbe und persönliche Akzeptanz. Schnelleres Sprechen führt auch zum Verschlucken von Endsilben. Durch ruhigeres, langsameres Sprechen gelingt es Gedanken und Worte wesentlich deutlicher zu artikulieren. Achten Sie bei der Sammlung Ihrer Gedanken auf die unbewusst ablaufende Formulierung von Füllwörtern ("ehm"). Solche Worte können sehr störend wirken. Passen Sie Lautstärke und Tonlage Ihrer Stimme der Wichtigkeit des Inhaltes an. Das gilt auch für das Sprechtempo. Eine abwechslungsreiche, modulierte Sprache regt die Zuhörer zur Aufmerksamkeit an. Eine monotone Stimme lässt den Menschen dagegen in Schläfrigkeit versinken. Auch Pausen sind ein gestalterisches Sprachelement. Sie können Spannung erzeugen und die Zuhörer zum Nachdenken anregen.
6 Präsentationen erfolgreich gestalten
159
Mimik und Gestik Neben dem Blickkontakt sind Mimik und Gestik wichtige Aspekte unserer Körpersprache. Die Mimik spiegelt bis zu einem gewissen Grad unsere inneren Gemütszustände wider. Der Vortragende trägt seine Empfindungen ins Gesicht geschrieben. Die noch nicht ausgesprochenen Gedanken offenbaren dem Beobachter in der mimischen, nonverbalen Reaktion eine schnellere Bewertung als eine verbale Argumentation. Ein fröhliches Gesicht lässt Kontakte leichter entstehen. Ein abweisender Gesichtsausdruck des Vortragenden macht es dem Zuhörer schwerer, sich mit dem Thema zu identifizieren. Ein offenes Lächeln und persönliche Identifikation des Vortragenden mit dem Thema lassen ihn glaubwürdiger und überzeugender erscheinen. SChauspieler lernen ihre Gesichtszüge zu beherrschen und Freude, Wut oder Gelassenheit auszudrücken. Sie signalisieren diese Zustände auch durch ihre gesamte Körperhaltung und wirken so beim Publikum glaubwürdig. Ein Laie sollte solche Schauspielerei vermeiden. Er wird von den Zuhörern schnell durchschaut und hat dann ausgespielt. Er macht sich in seiner Präsentation selbst unglaubwürdig. Offenheit und Ehrlichkeit sind wesentlich bessere Faktoren für den Erfolg. Die Gestik erweitert den mimischen Ausdruck und verstärkt ihn. Gesten sind ein wichtiger nonverbaler Anteil an der Kommunikation. Durch Gesten verdeutlichen wir bestimmte Gegenstände oder Abläufe und können dadurch etwas hervorheben oder unterdrücken. Denken und Reden werden durch Gesten unterstützt. Wie bei der Mimik gilt es auch bei der Gestik sich über deren Wirkung Klarheit zu verschaffen. Seien Sie auch hier so natürlich wie möglich. Sie können dadurch nur gewinnen. Viele Vortragende haben Schwierigkeiten mit den Händen. Vergraben Sie diese nicht in Ihren Hosentaschen oder verstecken sie hinter dem Rücken. Kneten der Hände oder spielen mit einem Stift zeigen nur Ihre Nervosität. Lernen Sie die Wirkung Ihrer Hände zu erkennen. So werden z.B. offen nach oben gerichtete Hände als positiv und zuwendend empfunden. Die geballte Faust wird dagegen als Bedrohung empfunden. Der erhobene Zeigefinger erinnert an die Schule und wird von vielen Menschen als belehrend empfunden.
Aufregung und Lampenfieber Lampenfieber ist eine natürliche Alarmreaktion unseres Organismus. In Stresssituationen stellt er so die notwendige Energie zur Verfügung und gewährleistet die Leistungsbereitschaft. Aufregung im Vorfeld eines Vortrages ist ein Phänomen, das durch den Willen nur schwer beeinflusst werden kann. Selbst geübte Vortragende leiden noch darunter. Bei Fachvorträgen hat die Aufregung meistens mehrere Ursachen. Eine davon ist die Furcht, dass die präsentierten Ergebnisse nicht hiebund stichfest sind. Bereiten Sie daher den Vortrag nach allen Regeln der fachlichen Kunst und mit der notwendigen Sorgfalt vor. Proben Sie den Vortrag und tragen Sie ihn Freunden und Kollegen vor. Lampenfieber entsteht auch durch die Angst sich vor einem größeren Publikum zu exponieren. Tief sitzt die Befürchtung, sich auf eine wie auch immer geartete Weise, öffentlich zu blamieren. Haben Sie mehr Vertrauen in Ihre eigenen Fähigkeiten. Schließlich haben Sie die Präsentation intensiv vorbereitet. Angst vor dem Steckenbleiben oder vor einem Black out, Angst vor der Kritik durch die Zuhörer, Angst vor Blamage oder die selbst gesetzten Ziele zu verfehlen, können das Denkvermögen blockieren. Wer innerlich an die Panikgrenze gerät, zeigt hektische Unruhe, Konzentrationsmängel und sprachliche Unsicherheiten. Stellen Sie sich mental positiv auf den Vortrag und das Publikum ein und bereiten Sie sich gut vor. Ein starker Einstieg und ein gutes Stichwortkonzept bieten eine beruhigende Basis. Da Lampenfieber eine ganz natürliche Reaktion ist, sollten Sie die innere Unruhe akzeptieren. Durch Erfolgserlebnisse gewinnen Sie auch hier Sicherheit.
6
160
6 Prasentationen erfolgreich gestalten
Übung macht den Meister. Suchen Sie deshalb aktiv nach Gelegenheiten Vorträge zu halten und reflektieren im Anschluss daran Ihre erzielten Wirkungen.
Aktivierung der Zuhörer Es gibt eine Reihe von Faktoren, die für eine erfolgreiche Präsentation eine wichtige Rolle spielen. Dazu zählen z.B. die rhetorischen Fähigkeiten des Vortragenden, die Bedeutung des Themas für die Zuhörer oder die zur Präsentation eingesetzten Medien und Methoden. Die Aufmerksamkeit sinkt, sobald Sie die Zuhörer zu wenig aktivieren oder Sie negative Gefühle auslösen. Unklare Ziele, unverständliche Ausführung, unleserliche Grafiken oder ein rhetorisch farblos gestalteter Vortrag sind die häufigsten Präsentationsfehler. Um Neugier zu wecken und Spannung zu erzeugen müssen Sie attraktiv in die Präsentation einsteigen. Suchen Sie einen geeigneten Reiz, um die Zuhörer für das Thema zu fesseln. Ihr Einstieg muss zur Erwartungshaltung der Zuhörer passen und das Vertrauen in die Seriosität Ihres Auftrittes gewahrt bleiben. Verschaffen Sie sich niemals auf Kosten einer Person oder Personengruppe einen vermeintlichen Bonus. So etwas geht regelmäßig schief und ist in einem guten Vortrag fehl am Platze.
Abb. 6.5: Sympathiefaktoren zwischen Vortragendem und Zuhörern [Mehrabian, 1972] Achten Sie in jeder Phase Ihrer Präsentation darauf, wie es um die Aufmerksamkeit der Zuhörer bestellt ist. Wachsende Unruhe, Seitengespräche oder ein skeptischer Gesichtsausdruck sind alarmierende Signale. Je früher Sie diese Anzeichen wahrnehmen, desto eher können Sie gegensteuern. Rhetorische Fragen sind ein interessantes Stilmittel, um die Zuhörer aus Ihrer passiven Rolle zu befreien und zum Selbstlernen zu stimulieren. Aufbau, Gestaltung und Umfang der gezeigten Folien, haben ebenfalls Einfluss auf das Interesse. Oft ist weniger mehr. In der Präsentation ist es wichtig, wie etwas gesagt wird.
6 Präsentationen erfolgreich gestalten
161
Zwischen Vortragendem und Zuhörern muss sich ein Sympathiefeld aufbauen. Dann sind Letztere hellwach und immer mit der notwendigen Aufmerksamkeit dabei. Abbildung 6.5 zeigt welche verbalen und nonverbalen Faktoren für den Sympathieaufbau verantwortlich sind. Neben den inhaltlichen, verbal vermittelten Informationen, nehmen die nonverbalen, körpersprachlichen Aspekte einen gleichen Stellenwert ein. Eine Anmerkung zum Schluss. Ihre Zuhörer verzeihen Ihnen kleine Schwächen und Unzulänglichkeiten. Ein Perfektionist kann kühl wirken und abgelehnt werden. Schließlich sind wir alle nur Menschen mit unseren Stärken und kleinen Schwächen.
6.4
Inhalte und Aufbau
Der Erfolg einer Präsentation ist u.a. von der Gliederung und der Strukturierung abhängig. Die Aufnahmefähigkeit der Zuhörer hängt stark von der Reihenfolge der dargebotenen Informationen ab. Ein "roter Faden" muss sich durch die Präsentation ziehen und jederzeit erkennbar sein. Er untermauert die Argumentationsketten innerhalb der Präsentation und bietet den Zuhörern eine Richtschnur. Daten, Fakten, Versuche, Beweise gehören dazu. Haben Sie die einzelnen Punkte untermauert, können die Informationen, Aussagen und Argumente in eine logisch aufeinander aufbauende Reihenfolge gebracht werden. Eine Präsentation besteht immer aus vier Phasen (Abb. 6.6).
1. Einleitung mit Übersicht
2. Hauptteil mit Details
Ablauf einer Präsentation
4. Diskussion
Abb. 6.6: Ablauf einer Präsentation
6
162
6 Prasentationen erfolgreich gestalten
Einleitung mit Übersicht Für den Präsentationserfolg ist bereits die Einleitung entscheidend. Nach der Begrüßung wird hier das Thema mit seiner Gliederung vorgestellt. Beim Publikum muss starkes Interesse und Neugierde für den Vortrag geweckt werden. Es bietet sich an, den Anlass, die Gründe, den Nutzen und die Zielsetzung der Präsentation zu nennen. Deshalb sind schlagkräftige Argumente für den Einstieg notwendig. Ein schwacher Beginn reduziert die Aufmerksamkeit der Zuhörer und schmälert den Erfolg.
Hauptteil mit Informationen und Argumenten Im Hauptteil der Präsentation wird die Kernproblematik beschrieben. Es werden Fakten, Hintergründe, Lösungsvorschläge dargestellt und Schlussfolgerungen gezogen. Um Sachverhalte zu erklären stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung: • • • • • •
Pro - Kontra - Fazit, Situationsanalyse - Zielformulierungen - Lösungsalternativen - Erfolgskontrolle, Problem - Lösungen - Entscheidungen - Maßnahmen, Plan - Do - Check - Action, Top-Down; Bottom-Up, vom Allgemeinen zum Besonderen, vom Einfachen zum Schwierigeren.
In diesen Bereichen kann der Vortragende seine Kreativität zeigen. Wenn die Zuhörer seine Gedankengänge nachvollziehen können und die Präsentation zusätzlich spannungssteigernd aufgebaut ist, ist der Erfolg garantiert. Im Hauptteil der Präsentation kommt es auf die konstante Aufnahme der Informationen an. Wie im Projektmanagement stellen belastbare Tatsachen und Fakten die erste und wichtigste Kategorie dar. Begründbare Annahmen sind weicherer Natur, spielen aber ebenfalls im Vortrag eine Rolle. Vermutungen sind schwach untermauert und sollten möglichst vermieden werden.
Abschluss und Diskussion Zum Abschluss einer Präsentation wird aufbauend auf der Einleitung das im Hauptteil gesagte zusammengefasst und gezielt nochmals die Vorteile betont. Es folgt ein Wort des Dankes und die Überleitung zu einer möglichen Diskussion. Als Vortragender müssen Sie auch auf den nichtvisuellen Teil einer Präsentation - die Diskussion - vorbereitet sein. Wenn Sie sich über die interne Struktur Ihrer Präsentation (..roter Faden") klar sind, können Sie Stärken und Schwächen besser erkennen. Hilfreich ist auch die bewusste Strukturierung Ihrer Informationen nach Muss-, Wunsch- und Nicht-Aussagen. Auf letztere haben Sie in Ihrer Präsentation bewusst verzichtet. Sie können jedoch in der Diskussion seitens der Zuhörer auftauchen. Bereiten Sie sich daher auch auf diesen Punkt vor. Eine weitere Diskussionshilfe ist die Einteilung der Informationen nach: • • •
Tatsachen und Fakten, begründbaren Annahmen, Vermutungen.
Während Sie bei Tatsachen und Fakten absolut sattelfest sein müssen, bieten die beiden letzten Punkte Diskussions- und Angriffsmöglichkeiten. Überlegen Sie auch hier im Vorfeld Ihrer Präsentation wie Sie diesbezüglich argumentieren wollen. Wenn Sie keine oder schlechte Argumente finden, streichen Sie besser diesen Punkt aus Ihrem Vortrag.
6 Präsentationen erfolgreich gestalten
6.5
163
Gestaltungsaspekt und Medien
Unabhängig davon welches Präsentationsmittel benutzt wird, stellt die Gliederung der Präsentation ein wichtiges Gestaltungselement dar. Es sollte während der gesamten Zeit für die Zuhörer sichtbar sein. Dadurch wissen diese jederzeit in welcher Phase der Präsentation sie sich befinden, weIche Themen bereits abgeschlossen wurden und welche noch auf sie zukommen. Eine gute Gliederung unterstützt den roten Faden innerhalb der Präsentation und hilft den Zuhörern bei der besseren Verfolgung des Vortrages. Unter anderem verringert dies die Wahrscheinlichkeit von Fragen zu einem Themengebiet, das erst zu einem späteren Zeitpunkt angesprochen werden soll. Ist ein Thema abgeschlossen, kann sich der Zuhörer eine Frage für die Diskussion merken und sich weiter auf den Vortrag konzentrieren. Darüber hinaus liefert eine gute Gliederung dem Vortragenden Stichpunkte während seiner Präsentation. Die am meisten verwendeten Präsentationsmedien sind: • • • • •
Tafel, Overheadprojektor, Flipchart, Stellwände, PC/Beamer.
In Abhängigkeit von der Zielgruppe und deren Erwartungen hat jedes Medium seine Vor- und Nachteile (Abb. 6.7). Bei einer Präsentation sollten der Vortragende und die Zuhörer im Fokus stehen und nicht die Präsentationsmittel. Sie sind ein Hilfsmittel zur Unterstützung. Unabhängig vom Medium werden gut und anschaulich präsentierte Themen besser aufgenommen. Die technisch anspruchsvollste Ausrüstung taugt nichts, wenn Sie als Vortragender keine Beziehung zum Publikum aufbauen können. Das Sehen ist beim Menschen der Sinn mit der größten Intensität. Deshalb sollte bei der Vorbereitung einer Präsentation besonderes Augenmerk auf die visuelle Komponente gelegt werden. Mit der richtigen Visualisierungsform lässt sich manches komplexe Thema ohne viele Worte beschreiben und erklären. Bei einem wissenschaftlichen Vortrag empfiehlt sich ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bild-, Grafik- und/oder Textelementen.
Text und Schrift Der Grad der Aufmerksamkeit wird durch die verwendete Schriftart, -größe und -farbe beeinflusst. Bei Textgrafiken sind einige grundlegende Gestaltungsregeln zu beachten: • • • •
möglichst nur eine Idee pro Folie, ca. sieben Zeilen pro Folie mit doppeltem Zeilenabstand, durch Ordnungszeichen gliedern und systematisieren, kurze Schlagwortaussagen statt ganzer Sätze.
Häufig sind Text- oder Zahlenfolien überladen. Auch hier gilt: weniger ist mehr und übersichtlicher. Beachten Sie auch, dass mit zunehmender Entfernung des Zuhörers die Schriftgröße zunehmen muss. Alleine dadurch ist der Platz auf der Folie limitiert. Sehr oft werden zuviel Text und Informationen auf die Folie gequetscht und diese dadurch unübersichtlich gemacht. Das Querformat ist beim Erstellen von Folien vorzuziehen, da so die vorhandene Fläche besser genutzt werden kann.
6
164
6 Prasentationen erfolgreich gestalten
Medium
Vorteile
Nachteile
Tafel
•
• • •
zeitaufwändiges Anschreiben kein Blickkontakt zum Publikum Inhalte nur durch Mitschreiben archivierbar
•
Arbeiten mit Overheadprojektoren verleiht ein antiquiertes Image Folieninhalte sind nur fijr die Dauer der Projektion sichtbar
OverheadProjektor
• • • • • •
Flipchart
•
Stellwände
• • • • • • •
•
• • PC/Beamer
• • • •
schrittweise Entwicklung von Sachverhalten einfachste Handhabung große Schreibflache Korrekturen sind leicht möalich Overheadprojektoren sind vor Ort verfügbar vorbereitete oder spontan gestaltete Folien einsetzbar Folien lassen sich leicht kODieren einfache Handhabung jederzeit und spontan einsetzbar laufende Aktualisierung möglich Inhalte permanent sichtbar Fokus Iieat auf dem Vortraaenden externe Vorbereitung möglich vielseitig und permanent einsetzbar einbeziehen des Publikums möglich durch Kartentechnik jederzeit ergänzbar Inhalte sind permanent sichtbar Diskussionsprozesse lassen sich leicht visualisieren scharfe und kontrastreiche Projektion möglich fijr GroB- und Kleingruppe geeignet Animationen durch Film und Ton einfache Erstellung von Ausdrucken fijr das Publikum
• • • • •
kleine Schreibfläche umständlich zu korrigieren umständlich zu dokumentieren eher fijr Kleingruppen geeignet
• • •
begrenzte Einsatzmäglichkeiten schwierige Archivierung aufwändiger Aufbau und Transport
•
technische Möglichkeiten verleiten zur Spielerei Inhalte sind nur für die Dauer der Projektion sichtbar spontane Ergänzungen sind nur schwer möglich
• •
Abb. 6.7: Präsentationsmedien
Farben als Gestaltungsmittel Farben können Texte, Grafiken und Diagramme auflockern. Sie verbessern die Übersichtlichkeit durch hervorheben einzelner Inhalte. Bei der Farbgebung sollten Sie sich auf wenige Hauptfarben beschränken. Zu viele Farb-, Schrift- und Stilwechsel wirken störend. Die Lesbarkeit lässt sich durch entsprechende Kontraste verbessern. Gute Ergebnisse werden durch folgende Kombinationen erzielt: • • • •
gelb auf dunkelblau oder hellgrau, weiß auf dunkelblau oder dunkelgrün, schwarz auf gelb oder grundsätzlich hellem Hintergrund, rot auf hellgrau.
Vermeiden Sie die Farbkombinationen rot/grün. Viele Menschen sind farbenblind und können diese Farben nicht unterscheiden. Farben haben auch Signalcharakter und können Assoziationen hervorrufen, z.B. die Ampelfarben rot - gelb - grün. Rot signalisiert Warnung/Gefahr, während durch Grün positives ausgedrückt wird.
6 Präsentationen erfolgreich gestalten
165
Bilder, Grafiken, Diagramme und Symbole Bilder oder Videoclips sind der Inbegriff der Visualisierung, denn sie führen Gegenstände oder Abläufe sehr bildhaft vor Augen. Um bestimmte Details hervorzuheben, können wesentliche Bildausschnitte zusätzlich vergrößert werden. Bilder sind für das Publikum eine willkommene Abwechslung und Ergänzung zu textdominierten Folien.
Balkendiagramm
Kreisdiagramm
A B
A 50%
6 50%
Flussdiagramm
Abb. 6.8: Verschiedene Diagrammformen
40%
Mindmaps
C 10%
I
166
6 Prasentationen erfolgreich gestalten
Grafiken sind schematische Darstellungen entsprechender Themen. Im Gegensatz zu Bildern vermitteln gut gestaltete Grafiken dem Betrachter die benötigten Informationen klarer und schnörkelloser als Bilder. Eine spezielle Form der Grafik ist die Infografik. Informationsgrafiken bilden die Wirklichkeit nicht direkt ab. Sie visualisieren in der Regel komplexere Vorgänge und Abläufe durch eine abstraktere, vereinfachende Darstellung. Diagramme werden zur vergleichenden Darstellung von Daten und Abläufen eingesetzt. Balken-, Flächen- und Kreisdiagramme sind nur einige Beispiele. Weitere Darstellungsmöglichkeiten sind Flussdiagramme, Mindmaps oder Baumstrukturen (Abb. 6.8). Symbole oder Piktogramme reaktivieren bereits vorhandenes Wissen einfacher und leichter als Text. Sie sind eine weitere geeignete Möglichkeit auf abstrakte Weise Inhalte einprägsam und komprimiert zu visualisieren. So weist z.B. das Totenkopfsymbol auf Chemikalienbehältern auf die Giftigkeit des Inhaltes und die davon ausgehende Gefahr hin. Die Veranschaulichung komplexer Sachverhalte durch Grafiken, Diagramme oder ähnliche Visualisierungsformen dient der besseren Verständlichkeit. Je bildhafter die Informationen vermittelt werden, desto leichter sind sie zu verstehen und zu behalten. Bei Aufnahme über mehrere Sinne, z.B. in Wort und Bild lässt sich die Information leichter und besser verankern. Für den Vortragenden und die Zuhörer bieten Bilder eine bessere Orientierungshilfe. Im Laufe einer Textfolien-Präsentation sinkt die Aufmerksamkeit des Publikums. Durch wiederholtes Setzen von optischen Akzenten während der Präsentation kann oft neues Interesse geweckt werden.
6.6
Durchführung
Alle Vorbereitungen sind getroffen; die Materialien und Hilfsmittel einsatzbereit. Bevor Sie jetzt mit dem Ernstfall beginnen, sollten Sie ihn durchproben. Oben Sie ihre Präsentation so, wie Sie es auch in der Realität vorhaben. Lassen Sie zur Kontrolle eine Videoaufnahme mitlaufen. Über den Lerneffekt werden Sie überrascht sein. Prägen Sie sich ihr gesamtes Konzept und den Präsentationsablauf intensiv ein: • • • •
Wie gehen Sie nach vorne? Wo stehen Sie? Wie halten Sie Blickkontakt zu den Zuhörern? Wie setzen Sie ihre Medien ein?
Übung macht bekanntlich den Meister. Also üben Sie bei allen möglichen Gelegenheiten. Wenn Sie das Wesentliche fachkompetent vermitteln können, wirken Sie glaubwürdig und sicher. Gelingt es ihnen dann auch noch eine positive Beziehung aufzubauen, gewinnen Sie die Zuhörer und hinterlassen einen guten Eindruck. Ungeübte Vortragende begehen oft den Fehler, keine Pausen einzuplanen. Sie reden "wie aus der Pistole geschossen" und überschlagen sich in ihrem Sprechtempo. Angemessene Pausen ermöglichen eine kurze Entspannungs- und Sammlungsphase. Sie können einen rhetorischen Höhepunkt setzen und dadurch kompetent und überzeugend wirken. Ihre Zuhörer können die besondere Bedeutung der vorgetragenen Sachverhalte erfassen und ihnen gedanklich besser folgen. Als Vortragender können Sie vorausschauend denken und Ihren roten Faden spinnen und einhalten.
6 Präsentationen erfolgreich gestalten
167
Wenn Sie Ihren roten Faden verlieren oder während der Präsentation stecken bleiben, gibt es mehrere Lösungen. Fassen Sie das bereits Gesagte zusammen. Damit gewinnen Sie Zeit und können voraus denken. Verdeutlichen Sie ihre letzte Aussage mit anderen Worten oder legen Sie eine kurze Pause ein. Wenn alles nichts mehr hilft, teilen Sie einfach mit, dass Sie den Faden verloren haben. Dann studieren Sie in aller Ruhe ihre Unterlagen und fahren mit der Präsentation fort. Zeitüberschreitungen sind der schwerwiegendste Fehler in einer Präsentation und nicht akzeptabel. Schon mancher gut begonnene Vortrag hat schließlich einen schlechten Eindruck hinterlassen, weil die Zuhörer in Erwartung des Endes gar nicht mehr richtig zugehört haben. Im Rahmen einer Vortragsreihe ist dies auch eine Unhöflichkeit gegenüber den anderen Vortragenden. Das Schlimmste was passieren kann, ist der Abbruch durch den Sitzungsleiter. Dann war alle Arbeit und Mühe umsonst. Was zurückbleibt ist ein negativer Eindruck und schaler Beigeschmack. Der Vortragende steht als Versager da.
Diskussion Ob Ihre Argumente und Informationen bei den Zuhörern ankommen, erkennen Sie an deren Körpersprache. Das Gesicht drückt zuerst Zustimmung oder Ablehnung aus, bevor Sie verbal formuliert wird. Für eine Diskussion gibt es mehrere Methoden, um diese in vernünftigen Bahnen zu halten. Grundsätzlich müssen Sie fachlich sattelfest sein und die von ihnen vertretenen Aspekte sieher beherrschen. Stellen Sie keine Behauptungen auf, die Sie bei Nachfragen nicht mit Fachwissen untermauern können. Sollte der Diskussionsbeitrag den Zeitrahmen überschreiten, wird angeboten, die Frage nach dem Vortragsende im kleinen Kreis zu diskutieren. Wenn Zwischenfragen nicht sofort beantwortet werden müssen, sollten sie an das Ende der Präsentation gelegt werden. Beide Vorgehensweisen werden normalerweise akzeptiert. Wie so oft im Leben hat jede Sache Ihre Vor- und Nachteile. Geben Sie offensichtliche Nachteile zu. Sie verlieren nur an Glaubwürdigkeit, wenn Sie versuchen Vertuschungsmanöver zu starten. Stellen Sie zum Vergleich aber auch die Vorteile heraus. Der Nutzen, Wert oder die Vorteile müssen natürlich mögliche Nachteile überwiegen. Verweisen Sie auch auf Referenzen und andere Erfahrungen. Auch die Meinungen und Erkenntnisse anderer Fachleute sind Argumentationshilfen. Nur dürfen Sie sich nicht laufend hinter Expertenmeinungen verstecken. Sie sind der Experte. Fragen, Diskussionsbeiträge und Einwände haben immer ihre Berechtigung. Sie dienen der Klärung und Verdeutlichung des Sachverhaltes. Wie in jeder Kommunikationssituation hören Sie ihrem Gesprächspartner aktiv zu und halten Blickkontakt. Legen Sie eine kurze Pause zum Nachdenken ein. Habe ich die Frage inhaltlich verstanden? Wie will ich darauf antworten? Welche Informationen kann, will oder möchte ich geben? Betrachten Sie Diskussionsbeiträge als Chance. Sie können Unklarheiten beseitigen, Bedenken ausräumen und weitere Informationen geben. Konfrontationen helfen in einer Diskussion weder dem Zuhörer als Fragendem noch dem Vortragenden. Jeder Mensch hat ein Bedürfnis nach Wahrung des Gesichtes. Welchen Erfolg erzielen Sie, wenn Sie rechthaberisch auf ihrer Position bestehen oder dem Fragenden eine Niederlage beifügen. Sie haben nur einen Gegner mehr gewonnen und auch bei den anderen Zuhörern einen schlechten Beigeschmack hinterlassen. Sie müssen nicht allem und jedem zustimmen. Aber es gilt für beide Seiten in einer, wenn auch manchmal hitzigen, Diskussion: Bleiben Sie fair!
6
168
6.7
6 Prasentationen erfolgreich gestalten
Weiterführende Literatur
•
Bartsch, T.Ch.; Hoppmann, M.; Rex, B.; Vergeest, M. Trainingsbuch Rhetorik, UTB, 2009, 978-3-8252-2689-3
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Böhringer, J.; Bühler, P.; Schlaich, P.; Präsentieren in Schule, Studium und Beruf, Springer, 2007,978-3-540-45704-6
•
Breger, W.; Grob, H.L.; Präsentieren und Visualisieren, dtv, 2003, 3-423-50855-8
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Donnert, R.; Kunkel, A.; Präsentieren - gewusst wie, Lexika, 2002, 3-89694-400-2
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Drebinger, N.; Die klingende Seite der Rhetorik, Auer, 2003, 3-403-03862-9
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Linklater, K.; Die persönliche Stimme entwickeln, Ernst Reinhardt, 1997, 3-497-01429-x
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Litzcke, S.; Schuh, H.; Jansen, W.; Präsentationstechnik für Ingenieure, VDE, 2009, 978-3-8007-3111-4
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Mentzel, W.; Rhetorik, dtv, 2000, 3-423-50845-0
•
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•
Thiele, A.; Die Kunst zu überzeugen, Springer, 2000, 3-540-67103-X
•
Thiele, A.; Überzeugend präsentieren, Springer, 2000, 3-540-62664-2
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Weidenmann, B.; Gesprächs- und Vortragstechnik, Beltz, 2006, 978-3-407-36439-5
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H. Meinholz, Führungskraft Ingenieur, DOI 10.1007/978-3-8348-9776-3_7, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
170
7 Projektmanagement
Projektmanagement zeichnet sich daher durch eine Reihe von harten und weichen Faktoren wie • • • •
Kundenorientierung, Systemorientierung, Prozessorientierung, Methodenorientierung
aus. Bei Projekten stehen die Kundenorientierung und die Erfüllung der Kundenwünsche im Vordergrund. Kunden sind sowohl interne als auch externe Beteiligte. In seinem Aufbau besteht ein Projekt aus einer Reihenfolge von Prozessen, wobei jeder Prozess (Abb. 7.1) einen • • •
Eigentümer, Lieferanten, Kunden
hat. Der Eigentümer des Prozesses hat mit seinen Ressourcen (Anlagen, Material, Personal, Finanzen) einen qualitäts- und termingerechten Ablauf der Tätigkeiten und die Erfüllung der Kundenzufriedenheit zu gewährleisten. Dazu ist er vom Input seines Lieferanten abhängig. Durch die sich aufbauende Prozesskette (Abb. 7.2) ist er gleichzeitig Prozesseigentümer, Lieferant und Kunde.
Schnittstelle 1
Schnittstelle 2
Abb. 7.2: Prozesskette im Projekt
Im Prozessablauf befinden sich Schnittstellen, an denen der Kunde eines Prozesses zum Lieferanten des nächsten Prozesses wird. Solche Schnittstellen sind immer mit Risiken und Reibungsverlusten verbunden. Der Projektleiter muss daher stets das gesamte Bild des komplexen Systems im Auge behalten und ganzheitlich denken und handeln können. Nur wenn er die Vernetzungen der einzelnen Teile erkennt und die Auswirkungen richtig einschätzt, kann er die Projektrisiken managen und die • • • •
Qualität der Leistungen und Ergebnisse, Termintreue, Wirtschaftlichkeit des Projekts, Methoden und Lerneffekte
gewährleisten. Methodisch bewegen sich Projekte immer vom "Groben zum Detail". Auftraggeber und Projektleiter müssen sich über diesen Grobstatus und die damit verbundenen Auswirkungen im Klaren sein. In jedem Projektabschnitt ist deshalb zwischen • •
sicheren Tatsachen, begründeten Annahmen,
171
7 Projektmanagement
•
unsicheren Vermutungen (Vorurteile)
zu unterscheiden. Erst im Laufe der weiteren Projektplanungen können Vermutungen über Annahmen zu Tatsachen werden. Dabei gilt für jeden Prozess die Grundregel: • • • •
Situationsanalyse (Ist-Zustand), Zielformulierung (Soll-Zustand), Lösungen (Maßnahmen), Erfolgskontrolle (Kontrolle)
zur Absicherung der Projektqualität (Abb. 7.3).
2. Zielformulierung ("Soll-Zustand") • •
Gesamtprojekt Teilprozess9l!
Projekte, Prozesse
7
und Abläufe
4. Erfolgskontrolle ("Kontrolle") • •
Messgrößen Controlling
3. Lösungen ("Maßnahmen") • • • •
Lösungsalternativen Maßnahmen Zuständigkeiten Termine
Abb. 7.3: Qualitätssicherung im Projekt
Die einzelnen Schritte der Qualitätssicherung im Projekt sind in das übergreifende Projektcontrolling (Abb. 7.4) eingebunden. Die Projektplanung liefert die für die Projektsteuerung notwendigen Soll-Vorgaben. Mit einem entsprechenden Überwachungs- und Kontrollinstrumentarium (Termine, Kosten, Mitarbeiter, Kapazitäten, Qualität) werden die notwendigen Ist-Werte in der Projektdurchführung erfasst. Projektüberwachung und -steuerung sind nicht-delegierbare Führungsaufgaben des Projektleiters. Er ist dafür verantwortlich, dass durch Störungen verursachte Abweichungen die Erreichung der Projektziele nicht gefährden.
172
7 Projektmanagement
Abb. 7.4: Projektcontrolling
7.2
Organisation von Projekten
7.2.1
Organisationsformen
Die Projektorganisation schafft eine Rahmenstruktur im Unternehmen, um die gestellten Aufgaben und Projekte entsprechend den Zuständigkeiten und Verantwortungen in die Unternehmensstruktur zu integrieren. Die entsprechende Organisationsform für das Projekt soll für einen optimalen Ablauf sorgen und die Kompetenzen zwischen allen Beteiligten klar ersichtlich machen. Je nach Kompetenzverteilung zwischen der Stammorganisation und dem Projektleiter werden 3 Organisationsformen unterschieden: • • •
reine Projektorganisation, Matrix-Projektorganisation, Einfluss-Projektorganisation.
Reine Projektorganisation Bei der reinen Projektorganisation wird eine normale Organisationseinheit geschaffen (Abb. 7.5). Für die Dauer des Projekts werden die Projektmitarbeiter aus anderen Abteilungen dorthin versetzt. Sie sind fachlich und disziplinarisch dem Projektleiter unterstellt und erhalten allein von ihm Anweisungen. Der Projektleiter trägt die volle Verantwortung für die Erreichung der Projektziele. Angewandt wird die reine Projektorganisation insbesondere bei Großprojekten im Anlagenbau oder Bauwesen. Vorteile dieser Organisationsform liegen in der Identifikation der Mitarbeiter mit dem Projekt und dessen Zielen. Auftretenden Schwierigkeiten kann schnell und effektiv entgegengewirkt werden. Die kurzen Berichts- und Entscheidungswege eröffnen größere Handlungsspielräume. Nachteile dieser Organisationsform liegen insbesondere in der Wiedereingliederung der Projektmitarbeiter in die Stammorganisation. Normalerweise sind dort keine freien, attraktiven Positionen mehr vorhanden. Während ihrer Zeit im Projekt waren die Mitarbeiter zudem von ihren Kollegen, den Aufgaben und der Entwicklung in ihrer Heimatfunktion getrennt.
7 Projektmanagement
I
173
Stabsfunktion
--t Entwicklung
Geschäftsführung
11
I
H
Betriebswirtschaft
I
--t Materialwirtschaft I
H
Personal
I
--t Produktion
H
Marketing
I
I
Projektleiter
I
Abb. 7.5: Reine Projektorganisation
Matrix-Projektorganisation In der Matrix-Projektorganisation sind die Zuständigkeiten und Verantwortungen zwischen dem Projektleiter und den Linienverantwortlichen verteilt (Abb. 7.6). Jeder Mitarbeiter im Projekt ist der Diener zweier Herren. Während der Projektleiter für die Planung, Kontrolle und Steuerung des Projekts verantwortlich zeichnet, sind die Linienverantwortlichen für die Erfüllung der einzelnen Arbeitspakete zuständig. Der Linienverantwortliche entscheidet, welchen Mitarbeiter er mit der Aufgabe betraut. Vorteile dieser Organisationsform liegen im flexiblen Personaleinsatz. Das Problem der Wiedereingliederung in die Heimatfunktion wird dadurch umgangen. Spezialisten mit besonderen Erfahrungen können für kurze Zeit und gezielt eingesetzt werden. Nachteile dieser Organisationsform liegen in den verteilten Verantwortungen, Kompetenzen und Zuständigkeiten zwischen Projektleiter und Linienverantwortlichen. Letztere arbeiten normalerweise nicht nur für einen Projektleiter sondern haben mehrere interne/externe Kunden zu bedienen. Daher sind durch diese Organisationsform Konflikte vorprogrammiert, wenn Projektleiter und Linienverantwortliche nicht über hohe Führungsqualifikationen verfügen. Trotzdem ist die MatrixProjektorganisation in Unternehmen sehr weit verbreitet, da sie einen flexiblen Mitarbeitereinsatz ermöglicht. Anwendung findet diese Organisationsform, wenn viele Projekte mit mittlerem Komplexitätsgrad abzuwickeln sind.
Einfluss-Projektorganisation Die Einfluss-Projektorganisation ist die "weichste" Organisationsform. Hier übt der Projektleiter eine koordinierende Funktion als Projektkoordinator aus (Abb. 7.7). Er hat gegenüber den Mitarbeitern kein Weisungsrecht. Er hat nur informierende und beratende Zuständigkeiten. Es ist seine Aufgabe den Projektablauf zu koordinieren und bei Abweichungen mögliche Maßnahmen vorzuschlagen. Die Entscheidungsbefugnis liegt bei seinem Vorgesetzten oder den Linienverantwortlichen. Die Mitarbeiter im Projekt bleiben sowohl fachlich als auch disziplinarisch den Linienverantwortlichen unterstellt.
7
174
7 Projektmanagement
I
Stabsfunktion
H
fo-----ll
GeschiftstOhrung
t----
Entwicklung
H
Materialwirtschaft
H
Produktion
JI Projektleiter
I
---------~
---f Betriebswirtschaft - t- - - - - - - - - - - -
----j -----j H Personal ----j t---- - - - - - - - - - - - - - j
---f
Marketing
-
-
-
-
-.J
Abb. 7.6: Matrix-Projektorganisation
Vorteile dieser Organisationsform sind ein flexibler Personaleinsatz und somit der Einsatz von Mitarbeitern in mehreren Projekten. Nachteilig ist die mangelnde Transparenz der Projektverantwortung. Als Stabsfunktion kann der Projektkoordinator diese Verantwortung nicht wahrnehmen. Die Linienverantwortlichen sind immer nur für Teilaspekte zuständig. Auftretende Schwierigkeiten lassen sich erst nach Beratungen mit dem Vorgesetzten oder den Linienverantwortlichen beheben. Diese Organisationsform ist daher normalerweise eher schwerfällig. Terminüberschreitungen sind keine Seltenheit. Einsatz findet diese Organisationsform bei kleineren Projekten und teamorientierten Führungsstrukturen.
I
Stabsfunktion
---f Entwicklung H
Materialwirtschaft
---f Produktion
~
r
GeschlftsfOhrung
JI Projektleiter
t t
t
Abb. 7.7: Einfluss-Projektorganisation
H
Betriebswirtschaft
H
Personal
----f
Marketing
I
7 Projektmanagement
7.2.2
175
Projektleiter
Der Erfolg eines Projekts hängt von der Persönlichkeit des Projektleiters und seiner Unterstützung durch die Geschäftsführung ab. Wie die Führungskraft muss er über • • • •
personale Kompetenzen, Führungskompetenzen, methodische Kompetenzen, unternehmerische Kompetenzen
verfügen. Absolut notwendige Anforderungen an den Projektleiter sind Erfahrungen in der Führung von Arbeitsgruppen. Er erkennt die Verhaltensweisen der einzelnen Teammitglieder und kann sich flexibel auf verschiedene Rollen und Funktionen einstellen. Durch entsprechende Kooperationen und Beratungen verschaffl er sich die notwendigen Unterstützungen durch den Auftraggeber, sein Projektteam und weitere Beteiligte. In seiner Person verfügt er über das notwendige Selbstvertrauen auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Komplexe Sachverhalte sind so zu strukturieren, dass die Mitarbeiter die anstehenden Aufgaben erfolgreich bewältigen können. Entscheidungen werden rechtzeitig getroffen und Risiken frühzeitig erkannt. Er verfügt über das notwendige unternehmerische Wissen um handlungsorientiert das Projekt zum Erfolg zu führen. Projekte lassen sich ohne geklärte • • •
Zuständigkeiten, Befugnisse, Verantwortungen
nicht sauber bewältigen. Mit dem Projekt sind z.B. die Zuständigkeiten für die • • • • • • • •
Formulierung der Projektziele, Führung des Projektteams, Aufbau- und Ablauforganisation, Projektplanung, Ressourcenbeschaffung, Projektdurchführung und -steuerung, Termin- und Kostenüberwachung, Schlussabnahme und Projektdokumentation
verbunden. Um diese Teilaufgaben im Rahmen des Projekts bearbeiten zu können sind Befugnisse notwendig. Dies sind vom Auftraggeber mündlich oder schriftlich zugewiesene Rechte, mit denen der Projektleiter über Personen, Ressourcen, Termine, etc. verfügen und entscheiden kann. Nur wenn er über diese Befugnisse verfügt, kann er die entsprechenden Verantwortungen übernehmen. Zuständigkeiten für die einzelnen Aufgaben, Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse sowie Verantwortungen sollten im Idealfall gleichgewichtig sein (Abb. 7.8). In der Realität ist dies sehr oft nicht der Fall. Vielfältigen Zuständigkeiten stehen geringe Befugnisse zur Seite, die aber mit einer hohen Verantwortung verbunden sind. Regelmäßig kommt es dann zu Schieflagen im Projekt mit allen möglichen Störungen und Konflikten bis hin zum Scheitern. Projektleitung ist immer Führung auf Zeit. In den beschriebenen Organisationsformen sind die Projektmitarbeiter Diener zweier Herren. Damit sind mögliche Konflikte zwischen der Stammfunktion und dem Projektleiter vorprogrammiert. An die Führungsfähigkeit des Projektleiters sind deshalb besondere Anforderungen zu stellen. Er hat nicht nur das Projekt zu managen, sondern wird durch die vielfältigen internen und externen Schnittstellen mit Auseinandersetzungen und Konflikten konfrontiert. Ein Projektleiter muss lernen diese Konflikte zu akzeptieren und unter den existierenden Rahmenbedingungen so gut wie möglich zu lösen.
7
176
7 Projektmanagement
Ausgewogenheit im Projekt
------- Em-rt~
SChieflage im Projekt
8-----
Abb. 7.8: Ausgewogenheit und Schieflage im Projekt
7.2.3
Projektteam
Ein mit Überlegung zusammengestelltes und gut funktionierendes Projektteam bildet die Basis erfolgreichen Projektmanagements und ist damit unverzichtbarer Faktor in der Projektführung. Damit ein Projektteam erfolgreich zusammenarbeiten kann, sollten folgende Grundsätze eingehalten werden: • • • •
Fachkenntnisse und Engagement zur Lösung der anstehenden Aufgaben, gegenseitig ergänzende Fähigkeiten und Erfahrungen, Verpflichtung auf das Projektziel und zur Zusammenarbeit, Kundenorientierung und Anwendungsbezug.
Ein Projektteam muss ein großes Spektrum an Aufgaben erfüllen. Die aus der Projektplanung resultierenden SOli-Vorgaben müssen definiert und den dafür vorgesehenen Personen zugeteilt werden. Diese Feinplanung wird für gewöhnlich gemeinsam mit den ausführenden Personen unternommen. So können etwaige Wünsche der Teammitglieder berücksichtigt werden, die sie dann in ihren eigenen Planungen umsetzen können. Jedes Teammitglied bekommt also innerhalb des Projekts klar definierte Aufgaben zugeteilt, die in bestimmten Fällen auch mittels interner Projektaufträge erteilt werden können. Aufgrund der Vielfältigkeit ihrer Aufgaben sollten sich die Teammitglieder in ihren Fähigkeiten, Interessen und Charakterzügen unterscheiden. Da jedes Teammitglied über spezielle Stärken verfügt und eigene Ideen mit einbringt, lassen sich leichter kreative und innovative Problemlösungen entwickeln. Die resultierenden Maßnahmen werden von den Projektmitarbeitern stärker unterstützt und lassen sich leichter umsetzen. Die Teammitglieder müssen begeisterungsfähig sein und Aufgaben engagiert angehen. Kontakt-, Kommunikations- und Integrationsfähigkeit sind ebenfalls notwendig. Wenn Menschen zusammenarbeiten sind Auseinandersetzungen nicht auszuschließen. Sie können aus unterschiedlichen Persönlichkeitsentwicklungen, Kenntnissen und Erfahrungen resultieren, aber auch durch den Wettbewerb am Arbeitsplatz und differierende Wertorientierungen und Einstellungen entstehen. Beziehungs- und Rollenkonflikte, bei denen ungeklärte Aufgabenabgren-
177
7 Projektmanagement
zungen und unterschiedliche Rollenerwartungen kollidieren, zählen ebenfalls dazu. Sind die Ziele des Projekts nicht eindeutig definiert, so kann es auch zu Zielkonflikten mit unterschiedlichen Erwartungen kommen. Wichtig ist, dass derartige Konflikte und ihre Symptome erkannt, offen ausgesprochen und bewältigt werden. Deshalb ist es nicht zuletzt unerlässlich, das Projektziel eindeutig zu definieren und Einzelaufgaben und Befugnisse klar festzulegen. Schließlich dienen Konflikte aber auch der Problemanalyse und lassen mögliche SChwierigkeiten bei der Projektarbeit zutage treten, deren offene Thematisierung das Projekt positiv beeinflussen kann. Die in der Teamarbeit notwendige Arbeitsteilung verlangt einen Austausch von Informationen. Je spezieller die Aufgaben, desto notwendiger ist die Abstimmung mit den Beteiligten. Ohne Kommunikation würde Projektarbeit schlichtweg nicht funktionieren. Besonderen Stellenwert hat die Kommunikation für den Projektleiter, der für gewöhnlich nicht über die direkten Einflussmöglichkeiten eines Fachvorgesetzten verfügt. Bei der Projektarbeit spielt die Teamgröße eine entscheidende Rolle. Von einer idealen Teamgröße spricht man bei 3 - 5 ständigen Projektmitarbeitern. Ist das Team zu groß, büßt die Projektarbeit an Effizienz und Effektivität ein. Bei sehr großen Projektteams ist es daher sinnvoll Subteams zu bilden.
7.3
Phasenmodell
Phasenmodelle sind die ablauforganisatorische Gliederung eines Projekts. Sie helfen den Projektablauf in Teilprozesse zu zerlegen. Hier wird festgelegt in welcher inhaltlichen Reihenfolge die Teilprozesse abgearbeitet werden sollen. Der Werdegang einer Lösung wird in überschaubare, kleinere Abschnitte gegliedert. Jeder Abschnitt ermöglicht einen stufenweisen Planungs-, Konkretisierungs- und Entscheidungsprozess mit einer festgelegten Zielrichtung und möglichen Korrekturpunkten, den Meilensteinen. Ein mögliches Phasenmodell (Abb. 7.9) mit zugehörigen Teilprozessen und Meilensteinen besteht aus: • • • • •
Startphase, Analysephase, Planungsphase, Realisierungsphase, Abnahmephase und Projektende.
Startphase
Mitarbeiter 1 -
Mitarbeiter 2
-
Mitarbeiter 3
Analysephase
Planungsphase
Realisierungsphase
~ ~ ~ ~ ~ ~
Abb. 7.9: Phasenmodell des Projektmanagements
Abnahmephase
~ ~
~ ~
7
178
7 Projektmanagement
Das Vorgehen nach zeitlich aufeinanderfolgenden Phasen entspricht dem Verhalten des Menschen beim Lösen von komplexen Aufgaben. Durch das Erstellen von abgegrenzten und überschaubaren Projektabschnitten ermöglicht das Phasenmodell die Komplexität von großen Projekten zu beherrschen. Durch die vorgegebenen Zwischenergebnisse wird eine bessere Orientierung für die beteiligten Mitarbeiter erzielt. Dies gilt auch für den Auftraggeber. Er kann den Stand des Projekts viel besser erkennen und beurteilen. Da der Fortschritt des Projekts und somit der Beginn der nächsten Phase eigentlich erst erfolgen darf, wenn die vorausgegangenen Phasen vollständig und mit richtigen Zwischenergebnissen abgeschlossen wurden, können Fehler besser erkannt werden. Phasenmodelle reduzieren das Risiko der gesamten Projektabwicklung durch die Definition von AbbruchsteIlen an den Phasenübergängen. Durch die klare Definition von Meilensteinen und Projektreviews wird im einzelnen Projekt eine bessere Transparenz geschaffen. Bewährte Phasenmodelle bzw. Ablaufpläne dienen in Folgeprojekten als wichtige Planungsgrundlage. Man kann auf diese Weise viel Zeit und Geld einsparen, da gewisse Eckpunkte schon in bestehenden Phasenmodellen erarbeitet wurden. Spätestens zu jedem Meilenstein werden die Arbeitsergebnisse aller Mitarbeiter einer Bewertung unterzogen und zusammengeführt. In der Summe ergeben sich über das gesamte Projekt die in Abbildung 7.10 gezeigten Aufwendungen.
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Start
Zeit
Abb. 7.10: Aufwendungen im Projekt
Immer wieder lassen sich einige typische Fehler im Projektmanagement feststellen. Wenn es verschiedene parallel ablaufende Teilprojekte gibt, werden diese oft nicht ausreichend koordiniert. Das Einhalten der Reviews oder Meilensteine wird aus firmenpolitischen Gründen nicht wahrgenommen. Nachträgliche Änderungen fließen unter der Hand in ein Projekt ein. Dies geschieht alles ohne ein systematisches Änderungsmanagement. Spätestens zum Projektabschluss und der Abnahme durch den Kunden macht sich dies negativ bemerkbar. Auch der Auftraggeber sollte immer über den aktuellen Stand des Projekts Bescheid wissen. Außerdem werden des öfteren Dinge, die nach einer abgeschlossenen Phase gelten sollten, erneut in Frage gestellt. Oftmals greift auch das Projektcontrolling zu spät in Prozesse ein. Der wichtige Soll-1st-Vergleich wird zu spät durchgeführt. In den folgenden Abschnitten wird jede Projektphase näher erläutert (Abb. 7.11).
179
7 Projektmanagement
'.
Projektstart
t::
Klärung der Ausgangslage
ClI ClI.c::
USa.
Delallanalyse der Ausgangslage Analyse des sozlalan Umfalds Entwicklung der Projeklziele Planung der Meilensteine
Projeklslruklurplan Au~and88chäbung
Risikobetrachlung
& 211
Projektconirolllng
CPClI -.c::
Informalionswesen
.!!a.
"i a:
AUflösung ProJektleam Nachbesserun en
Projektende
Abb. 7.11: Projektablauf [Schulz-Wimmer, 2002]
7
7 Projektmanagement
180
7.4
Startphase
Projekte können ausgelöst werden durch: • • • •
sich ändernde rechtliche Bestimmungen - z.B. Umweltschutzauflagen, neue Chancen am Markt - z.B. durch neue interne Forschungsergebnisse, ständig auftretende Qualitätsmängel an Produkten, Ideen, die aus Wettbewerbsbeobachtungen resultieren.
Die Startphase ist gleichbedeutend mit der Geburtsphase eines Projekts. Es ist wichtig ein Projekt von Beginn an auf eine bestimmte Bahn zu lenken und es permanent zu begleiten. Was in der Startphase versäumt wird, lässt sich später nur mit großem Aufwand und zweifelhaften Erfolgsaussichten nachholen. Natürlich kann nicht aus jeder Idee ein Projekt hervorgehen. Dennoch sollte stets geprüft werden, ob nicht doch das Potenzial für ein Projekt besteht. Darum muss an dieser Stelle objektiv entschieden werden, ob es zu einem Projekt kommt oder nicht. Hierzu bedarf es einer Person, die diese Untersuchungen vornimmt. Sie muss den Vorschlag bzw. die Idee prüfen und die Ergebnisse in einer Sitzung präsentieren. Daraus bildet sich eine Arbeitsgruppe "Startphase". In dieser frühen Phase empfiehlt es sich die Gruppe mit 3 - 5 Personen möglichst klein zu halten. Da in dieser Phase noch keinerlei Detailarbeit erforderlich ist, ist es ausreichend bei Fachfragen Experten hinzu zu ziehen. Die Projektidee ist so weit zu präzisieren, dass die Geschäftsführung eine Entscheidung fällen kann. Dieses frühe "go" oder "no go" birgt den Vorteil, dass kein unnötiges Geld in ein fragwürdiges Projekt gesteckt wird. Sollte es zu einem Abbruch kommen, war nur die kleine Arbeitsgruppe "Startphase" für einen definierten Zeitraum und nicht - wie es teilweise vorkommt - ein komplettes Projektteam mehrere Wochen oder gar Monate beschäftigt. Die Startphase sollte mindestens die folgenden drei Schritte umfassen (Abb. 7.12): • • •
Klärung der Ausgangssituation und Festlegung der zu beschaffenden Informationen, Auswertung und Bewertung der beschafften Informationen, Präsentation der Ergebnisse vor der Geschäftsführung.
Input
• Idee • Informationsbeschaffung
Prozess
W
11
Abb. 7.12: Prozesskette "Startphase"
Output • Klärung der Ausgangssituation Auswertung der Ideen • Präsentation der Ergebnisse Entscheidung für Analysephase
~. • Startphase
11·
7 Projektmanagement
181
Klärung der Ausgangssituation Zur Klärung der wichtigsten Fragen und zur Beschaffung der grundlegenden Informationen empfiehlt es sich eine Checkliste anzulegen. Die Zeit für den Schritt "Projektstart" ist oft sehr knapp bemessen. Auf Detailinformationen ist daher zu verzichten. Ziel ist es, mit groben Strichen ein dennoch erkennbares Bild des gesamten Projektes aufzuzeigen. Entscheidend dafür ist das Knowhow der Teilnehmer und Erfahrungsberichte aus ähnlichen Projekten. Die beschafften Informationen werden in drei Kategorien unterteilt. Tatsachen stellen die erste und auch wichtigste Kategorie dar. Dies sind Informationen, die auf Fakten basieren und für die Entscheidung der Geschäftsführung eine solide Basis bilden. Begründbare Annahmen spielen für die Entscheidung ebenfalls eine Rolle und sollten deshalb in der zweiten Kategorie zusammengefasst werden. Vermutungen haben eine sehr unsichere Basis und sollten als solche gekennzeichnet sein. Eine Einteilung in • • •
Tatsachen (harte Fakten), begründbare Annahmen (weiche Fakten), Vermutungen (unsichere Basis)
hat für die Geschäftsführung bei ihrer Entscheidung den Vorteil, dass sie ganz genau weiß, auf welcher Basis und mit welcher Qualität sie die Entscheidung fällt. Nach der Erörterung und Diskussion der wichtigsten Fragen, wird die Präsentation für die Geschäftsführung durchgeführt. Ist die Geschäftsführung von der Projektidee überzeugt und erteilt den Projektauftrag, übernimmt die Arbeitsgruppe "Startphase" die weiteren Aufgaben, um aus der Idee ein Unternehmensprojekt zu machen. Spätestens jetzt sollte ein schriftlicher Projektauftrag erteilt werden. Der Projektauftrag ist die Basis für die nächste Phase des Projekts und bildet den Übergang zur Analysephase. Er enthält alle wichtigen Informationen zum Projekt und sollte folgende Elemente beinhalten: • • • • • •
Projektname und -nummer, um das Projekt zu identifizieren, unter Projektziel sollte aufgeführt werden, was erreicht werden soll, Auftraggeber, Projektleiter und -team sind zu nennen, zu den wichtigen Terminen zählen Start, Meilensteine und das Ende des gesamten Projekts, weiterhin ist festzuhalten, welche Ressourcen zur Verfügung stehen (Budget, Personal, Infrastruktur, etc.), unter Umfeld sollte aufgeführt werden, welche Randbedingungen, Auflagen und Schnittstellen zu berücksichtigen sind.
Übergang in die Analysephase Der Projektauftrag ist der Übergang in die Analysephase, in der die genauen Details für den weiteren Verlauf des Projekts festgelegt werden. Nun ist der Zeitpunkt erreicht, an dem eine Kick-OffVeranstaltung abgehalten werden sollte. Sie steht am Beginn der neuen Projektphase und dient in erster Linie dem offiziellen Start und der Motivation aller Beteiligten für das Projekt. Ziele der KickOff-Veranstaltung können sein: • • • • •
Vermittlung des Projektziels, Hervorhebung der Bedeutung des Projekts für das Unternehmen, Gewinnung von Unterstützung für das Projekt, Information aller Projektbeteiligten über den Projektplan, Abstimmung des Beginns der Projektarbeiten.
7
182
7.5
7 Projektmanagement
Analysephase
Die Hauptaufgabe dieser Phase ist die Erarbeitung eines klaren Projektziels. Bei größeren Projekten sind die Zielbeschreibungen meistens umfangreicher, weshalb öfters auch vom "Lastenheft" gesprochen wird. Als Input für diese Phase dient der Projektauftrag, in dem das Grobziel und mögliche notwendige oder verlangte Randbedingungen formuliert sind (Abb. 7.13). Diese werden in der Analysephase verfeinert und konkretisiert. Als Ergebnis dieser Phase liegt ein: • • •
Lastenheft mit Projektzielen, Vorschlag für die weitere Vorgehensweise, Entwurf für die Planungsphase
vor. Bestandteile der Analysephase sind die: • • • •
Analyse der Ausgangslage, Analyse des sozialen Umfelds, Entwicklung der Projektziele, Aufstellung eines Meilensteinplans.
Input • Klärung der Ausgangssituation • Auswertung der Ideen • Auftrag für Analysephase
Prozess
W
n
Output ~.
• Analysephase
•
----v.
Detailanalyse der Ausgangslage Zielentwicklung mit Lastenheft Entscheidung für Planungsphase
Abb. 7.13: Prozesskette "Analysephase"
Insbesondere die Zielfindung ist aller Erfahrung nach der kritische Schritt im Projekt. Ist das Ziel sauber definiert, konvergieren unterschiedliche Meinungen, Ansichten und Vorgehensweisen auf dem Weg zum Ziel (Abb. 7.14). Ist das nicht der Fall, divergiert das System. Unterschiedliche Meinungen, Ansichten und Vorgehensweisen werden nicht gebündelt, sondern jeder sucht seinen eigenen Weg. Viele Ansätze laufen ins Leere, ergeben ein Suboptimum oder im Extremfall scheitert das Projekt. Eine "richtige" Lösung ergibt sich mehr oder minder zufällig. Viele Mitarbeiter in Unternehmen beklagen sich über die Konflikte in der Projektarbeit. Wenn • • • •
die Projektziele unklar formuliert sind, der Realisierungsaufwand unterschätzt, die Projektdauer mit "best-can-do" angesetzt, die Zusammenarbeit und Kommunikation - sprich "Führung" - vernachlässigt
wird, kommt es mit Sicherheit zu Auseinandersetzungen und Krisen. Der wirtschaftliche Nutzen des Projekts wird dann immer geringer ausfallen als geplant.
7 Projektmanagement
183
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Ziel definiert
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Abb. 7.14: Zieldefinitionen im Projekt
Einflussmöglichkeiten hoch -t-I- - - " -9--r=;.:::;;:;-:.::-=------~1- - - - - - - - - - - 1 - - 1 I
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Projektdauer
Projektende
Abb. 7.15: Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten auf das Projektergebnis [Schulz-Wimmer, 20021
7
7 Projektmanagement
184
Abbildung 7.15 zeigt die Einflussmöglichkeiten auf das Projektergebnis. Mit zunehmender Projektdauer sinken die Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten, da permanent Fakten geschaffen werden. Dies gilt besonders für die Realisierungsphase. Nachlässigkeiten, die in der Analyse- und Planungsphase aufgetreten sind, wirken sich spätestens hier kostenmäßig aus. Wenn schließlich in der Abnahmephase die Kundenerwartungen nicht oder unvollständig erfüllt wurden, kommt es zu teuren Nachbesserungen. Abbildung 7.16 zeigt einen entsprechenden Kostenverlauf auf. Anfangs fallen in der Start-, Analyse- und Planungsphase relativ wenig Kosten an, während die größten Kostenblöcke in der Realisierungsphase vorhanden sind. Umgekehrt ist es jedoch mit den kostenrelevanten Entscheidungen. Hier werden in den ersten Projektphasen schon hohe Kostenanteile fixiert.
Summe der Kosten hoch + - - - - - - - - - - - - - - - = = = - - , . . . - - 1
mittel
l8lSlichlich anfallende Kosten
niedrig+....:..:.'"-====....L-----L-------l...----j-... Projektstart Projektende
Projektdauer
Abb. 7.16: Kostenverlauf im Projekt [Zehbold, 1996]
7.5.1
Analyse der Ausgangslage
Die Entscheidung für die Analysephase ist gefallen. Eine tiefer gehende Betrachtung und Ausarbeitung von Details ist jetzt notwendig. Mit der Analyse der Ausgangslage müssen Klarheit und Transparenz geschaffen werden. Alle Beteiligten können erkennen, auf welchem Fundament das Projekt steht. Nur dann ist ein gemeinsames Verständnis über das Projektziel und den Weg zur Realisierung möglich. Die Analyse muss nicht umfassend und vollständig sein. Es ist jedoch wichtig die Qualität der Arbeitsergebnisse und mögliche Lücken bewerten zu können. Abbildung 7.17 führt eine Reihe von Einflussgrößen für Projekte auf. Regelmäßig unterschätzt werden rechtliche und organisatorische Aspekte. Letztere führen über Schnittstellen mit Sicherheit zu Reibungsverlusten und Auseinandersetzungen. Schnittstellen sind ideale Bruchstellen im komplexen System "Unternehmen". Veränderungen an einer Schnittstelle haben Auswirkungen an anderer Stelle zur Folge. Eine Analyse der Ausgangslage ist daher auch immer eine Schnittstellenanalyse, um insbesondere verdeckte Auswirkungen rechtzeitig zu identifizieren. Werden rechtliche Aspekte nicht berücksichtigt drohen mit Sicherheit Verzögerungen und Kostensteigerungen im Projekt.
7 Projektmanagement
Rechtliche Aspekte
• •
• • • • •
• •
Organisatorische Aspekte
• • • • • • •
Gesetze Verordnungen Verwaltungsvorschriften Auflagen und Genehmigungen Verträge Unternehmensrichtlinien Betriebsvereinbarungen
Fachliche Aspekte
• • • •
185
Aufbau-, Ablaufkontrolle Verantwortungen und Zuständigkeiten Mitarbeiterorientierung Lieferanten Dienstleister Kunden Mitbewerber
Wirtschaftliche Aspekte
Anlagen, Verfahren, Prozesse Risiken, Störfälle, Notfälle Produkte Roh-, Hilfs-, Betriebsstoffe Abfälle, Energie Daten, Informationen
• • • • • •
Gewinne/Umsatz Kosten Anlagenverfügbarkeiten Produktqualitäten Wettbewerbsvorteile Kundenservice
Abb. 7.17: Einflussgrößen für Projekte
7.5.2
Analyse des sozialen Umfelds
Die Analyse des sozialen Umfelds wird oft auch als Kraftfeld- oder Anspruchsgruppenanalyse bezeichnet. Sie ist wichtig, da viele Projekte an offenen - und mehr noch an verborgenen - Widerständen des sozialen Umfelds scheitern. Das soziale Umfeld umfasst alle Menschen, Gruppen und Institutionen die vom Projekt betroffen sind. Um einen Erfolg zu garantieren müssen insbesondere die Macht- und Entscheidungsträger sehr stark in das Projekt einbezogen werden. In Abbildung 7.18 sind beispielhaft unternehmensinterne und -externe Anspruchsgruppen aufgeführt. Die einzelnen Anspruchsgruppen sind bzgl. ihrer Rollen (Promotor, Opponent) zu untersuchen. Promotoren können als Unterstützer dem Projekt mit zum Erfolg verhelfen. Andererseits können Opponenten das Projekt scheitern lassen. Sie müssen daher besonders beachtet werden. Projektleitung bedeutet neben der fachlich-methodischen Arbeit auch sehr viel Führungsarbeit. Führung ist mit Kommunikation verbunden. Die Promotoren müssen nicht mehr überzeugt werden. Viel wichtiger sind für den Projektleiter die (potenziellen) Opponenten. Hier ist Überzeugungsarbeit zu leisten und herauszufinden welche Beweggründe hinter dem Widerstand stecken. Vielleicht ergeben sich dadurch neue, bisher nicht berücksichtigte Sichtweisen im Projekt, die neue Chancen eröffnen und zur Risikominimierung beitragen. Durch die Planungs- und Realisierungsphase wird das Projekt immer konkreter. Dadurch können sich zwischen Promotoren und Opponenten Verschiebungen ergeben. Eine regelmäßige Betrachtung des sozialen Umfelds erleichtert daher die Projektsteuerung.
7
186
7 Projektmanagement
Unternehmensexterne Anspruchogruppen
Abb. 7.18: Anspruchsgruppen
7.5.3
Entwicklung der Projektziele
Ein Ziel ist ein für die Zukunft angestrebtes Ergebnis. Es beschreibt, was eine Firma, ein Team oder ein einzelner Mitarbeiter erreichen möchte. Wenn man ein Ziel für eine Aufgabe hat, bedeutet dies aber auch, irgendwann kein Ziel mehr zu haben. Dies tritt genau dann ein, wenn das vorgegebene Ziel erreicht wurde. Ein Ziel ist der Grundstein für die zu entwickelnde Vorgehensweise, um die vorgegebene Aufgabe zu lösen. Somit bietet ein Ziel die Voraussetzungen dafür, dass der Mitarbeiter bzw. das Team weiß, was verlangt wird und die gestellte Aufgabe zur Zufriedenheit des Vorgesetzten bzw. Kunden erfüllt wird. Darüber hinaus hat ein konkret formuliertes Ziel noch einen weiteren Vorteil. Es ermöglicht dem Mitarbeiter bzw. dem Team sich auf die Zielerreichung hin selbst zu motivieren. Ein klares Ziel erhöht die Handlungsorientierung und rechtfertigt das eigene Handeln gegenüber anderen Personen. Es ermöglicht auch über die gesamte Dauer der Tätigkeit Prioritäten neu zu setzen und gegebenenfalls Korrekturen rechtzeitig einzuleiten. Ein Ziel erlaubt außerdem den Fortschritt der Arbeit zu bewerten und Aussagen über den wahrscheinlichen Zeitpunkt der Zielerreichung zu treffen. Für Auftraggeber und Auftragnehmer ist die Formulierung eines Ziels in gleichem Maße notwendig. Dem Auftraggeber ermöglicht eine Zielformulierung die Richtung im Projekt zu definieren. Dies schafft von Anfang an klare Grundlagen über den gesamten Projektverlauf. Erst durch eine genaue Zielvorgabe kann das spätere Ergebnis auf eine erfolgreiche Realisierung hin kontrolliert werden. Für diejenigen, die die Aufgabe zu lösen haben (Auftragnehmer) ermöglicht es gleich zu Beginn offene Fragen anzusprechen, zu diskutieren und grundlegende Aspekte zu erörtern. Vorteile durch eine genaue Zielformulierung sind somit: • • • • • • •
eine zielgerichtete Vorgehensweise, eine Förderung der Motivation, die Stärkung der Teamfähigkeit, eine Begründung der ausgeführten Handlungen, einen Soll-1st-Vergleich im Zuge des Projektcontrollings, eine Beurteilung des Arbeitsfortschritts zu jedem Zeitpunkt, eine Bewertung und Überprüfung der umgesetzten Maßnahmen.
7 Projektmanagement
187
Genauso wichtig wie die Frage, welche Aussagen in der Formulierung eines Ziels enthalten sein sollten, ist auch die Frage, was nicht darin enthalten sein sollte. Denn genauso wie das Fehlen von Angaben können sich auch zu viele bzw. falsche Inhalte kontraproduktiv auf das Ergebnis auswirken. Es ist sinnvoll eine Unterscheidung in • •
Muss-Ziele und Wunsch-Ziele
vorzunehmen. Muss-Ziele sind die Ziele, die für das erfolgreiche Ausführen des Projekts unabdingbar sind. Sie müssen am Ende des Projekts erreicht worden sein. Ansonsten ist das Ziel verfehlt und das Projekt gescheitert. Die Formulierung dieser Ziele muss so eindeutig gewählt werden, dass diese bei Abschluss des Projekts ohne Zweifel zu überprüfen sind. Wunsch-Ziele haben geringere Priorität. Für die Erfüllung dieser Ziele werden im Allgemeinen keine zu hohen Anstrengungen unternommen. Die Beurteilung der Wunsch-Ziele kann nicht in allen Fällen objektiv erfolgen, da sie häufig nicht zu quantifizieren sind. In diesen Fällen erfolgt die Beurteilung subjektiv. Das Aufstellen von Messkriterien bedeutet, das Ziel messbar zu machen und somit die Voraussetzung für den Vergleich des Endergebnisses mit den anfangs formulierten Zielen zu schaffen. Darüber hinaus hilft eine solche Aufstellung bei der späteren Auswahl der richtigen Lösungswege. Für jedes Ziel muss daher dokumentiert werden, was erreicht werden soll, welches Niveau es haben soll und bis wann es erreicht sein muss. Ein großes Problem, das bereits bei der Zielentwicklung beachtet werden muss, ist die mögliche Entstehung von Zielkonflikten. Diese können durch die unterschiedlichen, teils widersprüchlichen individuellen Ziele einzelner Bereiche, Abteilungen und Mitarbeiter auftreten. Es gibt zwar kaum Möglichkeiten diese generell zu beseitigen. Aber durch eine genaue Formulierung bei der Zielentwicklung kann diesen zumindest ein Stück weit entgegengewirkt werden. Gerade bei sehr umfangreichen Projekten, bei denen nicht nur viele verschiedene Personen, sondern auch unterschiedliche Abteilungen oder gar Institutionen mit sehr unterschiedlichen Interessen beteiligt sind, kommt es oft zu mehr oder weniger starken widersprüchlichen Zielen. So kann es vorkommen, dass Zielkonkurrenzen zwischen Technik und Marketing, Marketing und Qualitätssicherung und auch zwischen Qualitätssicherung und Technik entstehen, obwohl alle an der Lösung des globalen Projektziels "Marktsicherung durch optimale Neugestaltung von Produkt Y" arbeiten. Während die Technik an ihren Zielen der Funktionalität arbeitet, möchte die Marketing-Abteilung eine termingerechte Auslieferung zu einem wettbewerbsfähigen Preis erreichen. Treten nun aber im Bereich Technik unvorhersehbare Probleme auf, kann dies zu nichteinkalkulierten Zusatzkosten und/oder zu einer längeren Entwicklungsphase führen. Versucht die Technik höhere Risiken bei der Produktqualität einzugehen, so kann dies wiederum zu Konflikten mit der Qualitätssicherung führen. Über allem steht die Betriebswirtschaft, die einen möglichst hohen Deckungsbeitrag und Gewinn erzielen möchte. Somit werden potenzielle Konfliktfelder eventuell bereits frühzeitig im Projekt angelegt.
7.5.4
Meilensteinplanung
Innerhalb der Analysephase wurde eine Analyse der Ist-Situation und des Umfelds durchgeführt. Auf dieser Grundlage konnten die Grobziele der Startphase weiter in einzelne Zielcluster unterteilt werden. Somit sind wichtige Informationen vorhanden, um eine Meilensteinplanung für das gesamte Projekt aufzustellen. Meilensteine sind wichtige Entscheidungspunkte auf dem Weg zum Ziel. Mit diesem Abschnitt geht die Analysephase in die Planungsphase über. Der Auftraggeber kann anhand der vorliegenden Informationen über die weiteren Projektschritte entscheiden.
7
188
7 Projektmanagement
Die Planung der Meilensteine ist eine verkürzte Fassung der Planungsphase. Der Aufwand ist umso größer, je größer das Projekt ist und je weniger Informationen aus den vorhergehenden Abschnitten vorliegen. Das Ergebnis wird umso besser, je mehr Zeit und Ressourcen zur Verfügung stehen und je vertrauter der Projektinhalt ist. Umgekehrt heißt dies, je weniger Zeit der Projektgruppe hier zur Verfügung steht, umso risikobehafteter ist die Entscheidung am Ende der Analysephase. Es ist also eine Abwägung zwischen Detaillierungsgrad und Risikobereitschaft zu treffen. Der in Abbildung 7.19 gezeigte Plan führt Meilensteine nur am Ende jeder Phase auf. Es kann jedoch sinnvoll sein weitere Meilensteine einzufügen, wenn innerhalb einer Phase wichtige Teilergebnisse erzielt oder kritische Kontrollpunkte (critical control points; ccp's) erreicht werden. Sie erleichtern das Projektcontrolling und die Durchführung möglicher Korrekturmaßnahmen.
o
= Meilenstein
Abb. 7.19: Meilensteinplan
7.6
Planungsphase
Die Hauptaufgabe dieser Phase ist die strukturierte Erarbeitung eines Projektplans als SollVorgabe. Als Input für diese Phase dienen die Ergebnisse der Analysephase. Als Output dieser Phase (Abb. 7.20) liegen: • • • • •
Projektstrukturplan, Projektablaufplan, Aufwandsabschätzung, Risikobetrachtung, Gesamtprojektplan mit Pflichtenheft vor.
7 Projektmanagement
189
Input • Detailanalyse der Ausgangslage • soziales Umfeld • Zielentwicklung mit Lastenheft • Auftrag für Planungsphase
Prozess
~
r-v
Output • Projektstrukturplan mit Arbeitspaketen Aufwandsschätzung • Risikobetrachtung Projektablaufplan (Zeltplan) • Gesamtprojektplan mit Pflichtenheft
~. • Planungsphase
-V.
Abb. 7.20: Prozesskette "Planungsphase"
Grundsätzlich lässt sich zwischen Projektplanung und Projekterfolg ein unmittelbarer Zusammenhang herstellen. Durch die zunehmende Komplexität vieler Projekte, dynamischen Einflussfaktoren und fast allgegenwärtigem Zeitdruck ist eine bewusste wie gezielte Planung eine zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Projektrealisierung. Wenn der Plan vorgegebenen Zielvereinbarungen genügen muss, ist es erforderlich alle Planungen so gut wie möglich in die vorgegebenen Rahmenbedingungen einzupassen. Hier gilt es besonders zu verhindern, dass Planungsabschnitte, mit dem Hinweis auf die knappe Zeit, eine willkürliche Kürzung erfahren. Auch das Verzichten auf alle Toleranzen und Reserven, die zu einem zeitlich sehr straffen Plan führen, ist häufig kontraproduktiv. So bleibt kein Raum mehr für die Berücksichtigung von Fehlern und Ungenauigkeiten, die nie gänzlich auszuschließen sind. Kurzfristig kann so das Management beruhigt oder ein Kunde zur Auftragsvergabe gelockt werden. Letztlich wird aber früher oder später die tatsächliche Lage deutlich und damit ein schlechtes Image des Projektteams bzw. des Unternehmens erzeugt. Eine verlässlichere Methode zur Straffung des Zeitplans stellt dagegen eine kritische Analyse des Projektablaufs dar, was eine Reorganisation und/oder Überlappung von Arbeitspaketen unter Beibehaltung ihrer erreichbaren zeitlichen Vorgaben zur Folge hat. Dieser Ansatz erfordert eine ausgeprägte Kooperation und Kommunikation aller Beteiligten. Dafür verspricht diese Vorgehensweise einen effizienten Projektplan mit kurzer Laufzeit. Generell gilt es zu beachten, dass aufgrund der vielfältigen Parameter eine sichere Zukunftsvoraussage durch Projektpläne faktisch nie gegeben ist. Daraus ergibt sich auch eine Einschränkung jeder noch so exakten Planung. Letztlich kann die Projektplanung nie zu 100 Prozent eingehalten werden. Abweichungen sind unvermeidlich und müssen auch im Plan dementsprechend ausreichend Berücksichtigung finden. Dies negiert allerdings keineswegs den Plan an sich. Vielmehr muss man sich bewusst machen, dass nur ein Plan die Möglichkeit eröffnet, seriöse Urteile über konkrete Auswirkungen von Veränderungen in Gestalt von Abweichungen oder Vorgaben zu treffen und entsprechende Steuerungsmaßnahmen zu ergreifen. Die Konsequenzen von Veränderungen werden durch die Projektplanung erst vernünftig quantifizierbar. Jede unangemessene Projektplanung kann sich leicht in Qualitätsmängeln, Terminverzögerungen und resultierender Hektik bei der Projektdurchführung niederschlagen. Die Projektplanung dient somit als Instrument zur:
7
190
• • • •
7 Projektmanagement
Definition eines Wegs vom Start zum Ziel, Festlegung von Zwischenzielen, Erkennung von Planabweichungen in der Realisierungsphase, Entscheidungshilfe für Gegenmaßnahmen im Projektcontrolling.
Daher ergeben Pläne immer eine asymptotische Annäherung an sich unter Umständen verändernde Ziele. Abweichungen von Plänen können sich in diesem Zusammenhang auch als Teil eines Lernprozesses erweisen und letztlich wertvolle Informationen über einen tatsächlich ablaufenden Prozess liefern. Gegenstand der Projektplanung ist grundsätzlich der Vierklang folgender Faktoren: • • • •
zu erbringende Leistungen, einzuhaltende Termine, benötigte Ressourcen, verursachte Kosten.
Alle Faktoren müssen dabei dem Kriterium realistischer Sollvorgaben unter Beachtung der jeweiligen Rahmenbedingungen genügen. Da sich Projektphase und Gesamtprojekt hinsichtlich ihrer Uberschaubarkeit und damit auch ihrer Planbarkeit stark unterscheiden, ist eine Trennung der Planungsaktivitäten in die zwei Stufen von Projektstrukturplan und Projektablaufplan sinnvoll. Dabei werden unterschiedliche Ansprüche an Gestaltung und Detaillierung gestellt: •
Projektstrukturplan:
•
Projektablaufplan:
im Vordergrund stehen Übersichtlichkeit und schnelle Nachvollziehbarkeit (Struktur), im Vordergrund steht die zeitliche Durchführbarkeit der jeweiligen Aktivitäten (Termin).
Ein Projektstrukturplan stellt die Untergliederung eines zu analysierenden komplexen Betrachtungsgegenstands dar, der dabei in seine Komponenten zerlegt wird. Es bieten sich folgende Vorgehensweisen an: •
top-down:
•
bottom-up:
•
alternierend:
vom Groben hin zum Detail; es erfolgt eine Zergliederung bis hinab zu Einzelelementen, Sammlung von Einzelelementen und deren Zusammensetzung zum Ganzen, abwechselnde Schritte von "top-down" und "bottom-up".
Für das Aufstellen eines Projektablaufplanes als Verknüpfung der netzartigen Abhängigkeiten der einzelnen Aspekte bieten sich folgende Vorgehensweisen an: • • •
progressiv: regressiv: alternierend:
vom Projektstart beginnend bis zum Projektende, vom Projektende beginnend bis zum Projektstart, zuerst progressiv mit anschließender regressiver Vorgehensweise oder umgekehrt.
Es gilt zu beachten, dass einzelne Planungsarten hinsichtlich ihrer Anforderungen an die Fähigkeiten des Projektteams unter Umständen deutlich differieren. Da neben logisch-analytischem Vorgehen häufig auch Kreativität und Fantasie gefragt sind, gilt es entsprechende Spielräume zu lassen. Aufgrund des Auftretens vieler fachlicher Detailfragen in der Planungsphase, ist oftmals Expertenwissen aus anderen Bereichen unabdingbar. Ausschlaggebend bei der Auswahl entsprechender Experten sind einerseits fachliche Kompetenz und Erfahrung mit ähnlichen Projekten oder Aufgaben. Andererseits sollte mittels des Instruments der Kraftfeldanalyse der Standpunkt der jeweiligen Experten zum Projekt ermittelt werden.
7 Projektmanagement
191
In der Planungsphase spielt der Auftraggeber eine eher untergeordnete Rolle. Diese Phase wird zu großen Teilen vom Projektleiter bewältigt. Im Rückgriff auf den Projektauftrag legt der Projektleiter am Ende der Planungsphase einen Gesamtprojektplan mit einem Pflichtenheft vor. Im Gegensatz zum Lastenheft mit den Fragen: • •
Was soll erreicht werden? Wofür soll es erreicht werden?
trim das Pflichtenheft folgende Aussagen: • •
Wie werden die Anforderungen erfüllt? Womit werden die Anforderungen erfüllt?
Nach der Erstellung aller angemessenen Projektpläne verfügt das Projektteam über die nötigen Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start in die Realisierungs- oder Umsetzungsphase.
7.6.1
Projektstrukturplan
Ein Projekt wird als komplexes System nur dann überschaubar, wenn es sinnvoll strukturiert wird. Der Projektstrukturplan ist das Ordnungsinstrument um alle Arbeitspakete des Projekts übersichtlich darzustellen. Arbeitspakete sind dabei die einzelnen Bausteine im Projekt. Durch die Formulierung eines Arbeitspakets wird ein eindeutig abgegrenztes Ergebnis erzielt. Die Zusammenhänge der Arbeitspakete werden im Projektstrukturplan deutlich, wodurch auch Schnittstellen zwischen beteiligten Personen und Abteilungen offengelegt werden. Für die Erstellung eines Projektstrukturplans gibt es drei Gliederungskriterien: • • •
objektorientiert, funktionsorientiert, gemischt-orientiert.
Objektorientierung bietet sich immer dann an, wenn es sich um Projektgegenstände wie Anlagenbau, Hausbau, Softwareprogramme, etc. handelt. Der funktionsorientierte Projektstrukturplan zerlegt das Projekt in einzelne Arbeitspakete die tätigkeitsbezogen durchzuführen sind. Funktionsorientierung bietet sich immer dann an, wenn es sich z.B. um Organisationsprojekte handelt. Der gemischt-orientierte Projektstrukturplan enthält objekt- und funktionsorientierte Bestandteile und ist in der Praxis weit verbreitet (Abb. 7.21). Auf dem Projektstrukturplan basieren alle weiteren Planungsschritte, wie: • • • •
Terminplanung, Kostenkalkulation, Risikovorsorge, Qualitätssicherung.
Jedes Arbeitspaket muss deshalb im Projektstrukturplan vorhanden sein. Arbeitspakete die dort nicht auftauchen sind auch in der Terminplanung, Kostenkalkulation, Qualitätssicherung und im Projektcontrolling nicht vorhanden. Das Bauwerk "Projektstrukturplan" ist dann unvollständig, enthält Lücken und steht auf wackligen Beinen. Spätestens in der Realisierungsphase machen sich die fehlenden Arbeitspakete mit allen Konsequenzen bemerkbar. Die Arbeiten am Projektstrukturplan erscheinen anfangs relativ einfach, nach dem Motto "Man nehme das Projekt und gliedere es bis zur Ebene der Arbeitspakete". Rein methodisch eine einfache Aufgabe, aber inhaltlich sehr
7
192
7 Projektmanagement
anspruchsvoll. Die Arbeitspakete als letzte Strukturierungsebene müssen inhaltlich eindeutig beschrieben sein. Als Richtschnur für die Gliederungstiefe des Projektstrukturplans dienen folgende Anhaltspunkte.
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1:loIcm'Entationen
Erstellung
Verteilung
SdUung
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Abb. 7.21: Gemischt-orientierter Projektstrukturplan
Das Arbeitspaket: • • • • • •
enthält fachlich abgeschlossene Aufgaben, lässt sich in einem überschaubaren Zeitraum realisieren, liefert messbare Ergebnisse, enthält kaum organisatorische Schnittstellen, ist für die Risikovorsorge gut abschätzbar, ist vom Aufwand her mit anderen Arbeitspaketen vergleichbar.
Zur besseren Übersicht ist es sinnvoll, alle Arbeitspakete zu beschreiben (Abb. 7.22) und in einer Liste zu führen. Sie kann zusätzliche Informationen enthalten und ist Grundlage für das Projektcontrolling. Ist der Projektstrukturplan vollständig erstellt, lassen sich die einzelnen Arbeitspakete organisatorisch eindeutig einzelnen Mitarbeitern, Abteilungen oder Lieferanten zuordnen (Abb. 7.23). Sollten bei dieser Zuordnung Schwierigkeiten auftreten, so ist das Arbeitspaket mit ziemlicher Sicherheit nicht eindeutig definiert.
7 Projektmanagement
193
Projekt:
Datum:
Arbeitspaket:
AP-Nr.:
Inha":
Ergebnis:
Personal - Mitarbeiter: -Abt8i1ung: -Aufwand In Personenlagen: Termine - frühester Slarttennin: - spätester Slarttennln: -Dauer: - früheeter Endtennln: - spitester Endiennln: Betriebsmittel -Anlagen: - Werkzeuge: - Hilfsmittel:
7
Kosten:
Risiken:
Abnahmedatum: Mitarbeiter
ProiekUelter
Abb. 7.22: Beschreibung Arbeitspaket
7.6.2
Aufwandsschätzung
Neben dem vollständigen Projektstrukturplan ist die Aufwandsschätzung der zweite wichtige Faktor in der Planungsphase. Sie umfasst für jedes Arbeitspaket eine Abschätzung der: • • • • •
Zeit (Termine), Finanzmittel, Mitarbeiter (Qualifikation), Betriebsmittel, Risiken.
194
7 Projektmanagement
Immer wieder ist zu beobachten, dass Projekte wegen falscher Einschätzungen der benötigten Ressourcen unter Kosten- und Termindruck geraten. Engpässe können entstehen, wenn Ressourcen in zu geringer Menge verfügbar sind. Zu den Ressourcen zählen neben den Finanzmitteln beispielsweise Fachkräfte, Spezialwerkzeuge, Materialien, Maschinen und extern bezogene Teile oder Dienstleistungen. Ein Engpass im laufenden Projekt ist mit erheblichen Mehrkosten und zusätzlichem Zeitaufwand verbunden und führt im Extremfall zum Scheitern des Projekts.
I
I I
I
-------------B ------ ----- ----- ------ ------ ------ ----- ------
I
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Abb. 7.23: Organigramm und Projektstrukturplan mit Arbeitspaketen (A.P.) [Litke, 1995]
Die Entscheidung über die Durchführung eines Projekts sollte bereits auf einer ersten Schätzung in der Start- bzw. Analysephase beruhen. Obwohl die Aufwandsabschätzung häufig der Projektplanung zugeordnet wird, sollte sie als projektbegleitender Prozess verstanden werden. Mögliche Einflüsse, die im Laufe eines Projekts auftreten können, müssen rechtzeitig Beachtung finden. Anderenfalls können die geplanten Kosten und der Zeitrahmen nicht eingehalten werden. Zudem wird eine Konkretisierung der Ergebnisse gegen Projektende angestrebt. Wie in Abbildung 7.24 zu erkennen ist, erhöht sich die Genauigkeit der Schätzungen mit zunehmender Projektdauer. Dennoch ist eine frühzeitige Schätzung im Projektverlauf wichtig. Als Grundlage für die Aufwandsabschätzung dienen die Arbeitspakete aus dem Projektstrukturplan. Wenn möglich sollten dazu Erfahrungswerte aus vorangegangenen Projekten herangezogen werden. Weiterhin werden folgende, den Aufwand bestimmende, Informationen benötigt:
7 Projektmanagement
• • • • • • • • •
195
Stundensätze, Umfang der Anforderungen an die Teilaufgaben, Komplexität des Projekts, einzuhaltende (End-)Termine, vorhandene Kapazitäten (Mitarbeiter), Produktivität der Mitarbeiter, Anlagen, Techniken, Werkzeuge, Lieferanten, Dienstleister.
Abweichung der Schätzungen
hoch
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Projektdauer
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7 Projektende
Abb. 7.24: Abweichung der Schätzungen
Die Beschreibung der Arbeitspakete und die erhobenen Informationen ermöglichen eine Bewertung der einzelnen Faktoren. Mit den Planungsfaktoren • • • •
Leistungen, Termine, Ressourcen, Kosten
lassen sich Abwägungen vornehmen und Prioritäten setzen. Projektkosten und -termine sind normalerweise voneinander abhängig. Projekttermine lassen sich unter zusätzlichem Ressourcenaufwand verkürzen. Ressourcen können zusätzlich benötigte Anlagen, Materialien, Dienstleistungen oder Mitarbeiter umfassen. Eine Verkürzung der Projekttermine hat normalerweise aber höhere Projektkosten zur Folge (Abb. 7.25). Im ersten Beispiel wurden zur Erbringung der Leistungen knappe Termine vorgegeben. Sie konnten nur unter starker Ressourcennutzung und entsprechend hohen Kosten eingehalten werden. Im zweiten Beispiel steht für die Erbringung der Leistungen mehr Zeit zur Verfügung. Die Ressourcen müssen nicht so stark beansprucht werden und die anfallenden Kosten sind geringer.
196
7 Projektmanagement
leistungen
~
leistungen
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6 +-t-----+-+-----+.~
J
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Kosten
j~ ...---+--+-----7-.... 1~
Kosten
Abb. 7.25: Einflussfaktoren auf den Projektaufwand Viele Einflussfaktoren können nur zum Teil berücksichtigt werden. Dazu gehören beispielsweise: • • • • •
unscharfe Zieldefinitionen, schwer quantifizierbare Einflüsse, hoher Innovationsgrad, Änderung der Randbedingungen, Wachsen des Projekts mit dem Erfüllungsgrad.
Die Abschätzung eines Projektaufwands ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe, die nur durch kontinuierliche Anpassungen zu einem zufriedenstelIenden Ergebnis führen kann. Die Abschätzung ermöglicht eine Entscheidung für oder gegen die Realisierung eines Projekts. Erste Schätzungen sind jedoch meist sehr ungenau und können keine fixen Aufwendungen vorhersagen. Zudem passiert naturbedingt in jedem Projekt Unvorhergesehenes. Experten verfügen meist über weitreichende Erfahrungen mit Projekten, was allerdings nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass selbst der erfahrenste Experte nicht alle Einflussfaktoren berücksichtigen kann. Um hier vor größeren Überraschungen geschützt zu sein, ist es sinnvoll in jeder Projektphase eine: • • •
optimistische, wahrscheinliche, pessimistische
Variante der Aufwendungen abzuschätzen. Abbildung 7.26 zeigt dies für den letztendlich entscheidenden Faktor "Kosten".
197
7 Projektmanagement
Projektkosten
pessimistische
Variante
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. . . . . ........f-......._._
51
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Projektst8rt
Projektdauer
Projektende
Abb. 7.26: Abschätzung der Projektkosten [Patzak, 1998]
Die drei Varianten werden sich über die Projektdauer immer mehr angleichen. Erfahrungsgemäß ist jedoch davon auszugehen, dass selbst die Kosten der wahrscheinlichen Variante über die Projektdauer ansteigen werden. Die Spannweite der drei Varianten ist naturgemäß zu Projektbeginn relativ groß. Sie zeigt jedoch allen Beteiligten die mit dem jeweiligen Projektzeitpunkt verbundenen Unsicherheiten auf. Während zu Beginn des Projekts immer eine Wirtschaftlichkeitsrechnung gefordert und durchgeführt wird, unterbleibt vielfach eine Nachkalkulation zum Projektende. Damit wird die Qualitätssicherung in Projekten unterbrochen. Ohne Nachkalkulation abgeschlossener Projekte ist eine zukünftige Abschätzung neuer Projekte mit gleichbleibender Unsicherheit verbunden. Der Lernerfolg für neue Projekte wird vermindert.
7.6.3
Risikobetrachtung
Jedes Projekt beinhaltet Chancen und Risiken. In diesem Abschnitt wird die systematische Betrachtung von Projektrisiken behandelt. Ein Risiko ist die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintretende Situation eines nicht erwünschten Ereignisses. Das unerwünschte Ereignis führt immer zu einem Schaden im Projekt. Risiken treten in jeder Phase eines Projekts auf. Es sind daher im Laufe des Projekts Risiken zu identifizieren, zu bewerten und Vorsorgemaßnahmen zu gestalten (Abb. 7.27). Die Risikogestaltung ist immer ein Abwägen zwischen Sicherheitsüberlegungen einerseits und Kostenbetrachtungen andererseits. Zwischen diesen beiden Polen muss sich der Projektleiter bewegen. Projektrisiken lassen sich in verschiedene Risikogruppen einteilen: • • • •
fachlich-inhaltlich, methodisch-organisatorisch, kapazitiv-terminlich, kosten-gewinnmässig.
7
198
7 Projektmanagement
1. Identifikation von Risiken
führt zur
und zum Einleiten möglicher
ermöglicht die
4. Risikocontrolling
Ein
3. Vorsorgemaßnahmen
Abb. 7.27: Risikomanagement im Projekt
Die fachlich-inhaltliche Risikogruppe umfasst alle Gesichtspunkte die mit dem Projektziel und den fachlichen Anforderungen zusammenhängen. So sind innovative Produktentwicklungen mit einem höheren Risiko behaftet als das Routineprojekt "Hausbau". Mängel in der Projektorganisation und -durchführung werden auf der methodisch-organisatorischen Ebene sichtbar. Größere Probleme treten immer wieder im kapazitiv-terminlichen Bereich auf. Die zur Verfügung stehenden Mitarbeiterkapazitäten werden unterschätzt. Das betrifft z.B. die Effizienz des Mitarbeiters, seine Arbeitsorganisation und Termintreue, sein Wissen und die Qualität seines Arbeitsergebnisses. Auch externe Dienstleister und Lieferanten gehören dazu. Alle Risiken schlagen sich letztendlich in der Kosten- bzw. Gewinnsituation für das Projekt nieder. Jede Risikogruppe kann anhand einer Beurteilungsskala von 1 (niedriges Risiko; geringe Auswirkungen im Projekt) bis 10 (hohes Risiko; Projektziel, -ergebnis gefährdet) bewertet werden. Somit ergibt sich letztlich eine Risikobetrachtung für jedes Arbeitspaket. Die sich aus der ganzheitlichen Risikobetrachtung ergebenden Anforderungen müssen sich in entsprechenden Maßnahmen zur Risikominimierung niederschlagen. Eine hohe Risikobewertung sollte immer zu einer Änderung des Projektplans führen. Für mittlere Risiken ist die Entwicklung von Alternativen sinnvoll. Niedrige Risiken sind im Zuge des Projektcontrollings zu managen oder zu akzeptieren. Eines darf im Projektmanagement niemals geschehen: Risiken zu ignorieren! Durch Ignoranz verschwindet das Risiko niemals, sondern taucht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit irgendwann auf. Genauso schädlich ist das Gegenteil: Risiken zu dramatisieren. Die Kunst liegt darin sie nicht zu überschätzen aber auch nicht zu unterschätzen. Vollkasko-Versicherungsmentalität führt im Extremfall zur Lähmung der Projektgruppe. Die bewusste Auseinandersetzung mit Projektrisiken bietet eine Möglichkeit sich mental auf deren Eintritt vorzubereiten.
7 Projektmanagement
7.6.4
199
Projektablaufplanung
Aus dem Projektstrukturplan ist nicht zu erkennen, dass Arbeitspakete aus unterschiedlichen Teilaufgaben durchaus voneinander abhängig sein können. Diese Aufgabe wird vom Projektablaufplan übernommen, der die Ergebnisse des Projektstrukturplans gemäß ihren Abhängigkeiten in eine logische Reihenfolge bringt. Nur wenn solche Zusammenhänge im Vorfeld der Realisierung geklärt werden, kann ein Projekt sinnvoll und möglichst störungsfrei ablaufen. Der Projektablaufplan ist daher eines der wichtigsten Mittel für die Koordination der einzelnen Arbeitsschritte. Abhängigkeiten, die nicht im Projektablaufplan erfasst oder gänzlich übersehen wurden, führen in den meisten Fällen zu Störungen und bewirken einen Zeitverlust. Durch die Erstellung eines Projektablaufplans können nicht nur Störungen vermieden werden. Es kann auch vorkommen, dass mit Hilfe des Projektablaufplans der Projektstrukturplan angepasst werden muss. So wird z.B. erkannt, dass Arbeitspakete die im Projektstrukturplan vergessen oder als nicht notwendig betrachtet wurden, für eine logische Abfolge im Arbeitsprozess unverzichtbar sind. Diese Arbeitspakete sollten unbedingt im Projektstrukturplan nachgetragen werden. Zusätzlich werden durch den Projektablaufplan Möglichkeiten der Projektverkürzung deutlich. Es wird sichtbar welche und wie viele Arbeitspakete parallel bearbeitet werden können. Je mehr Arbeitsschritte parallel oder teilweise parallel ablaufen können, umso kürzer ist die Projektdauer. Die Projektablaufplanung beschäftigt sich sowohl mit dem logischen Ablauf, d.h. den bestehenden Abhängigkeiten und Zusammenhängen der einzelnen Arbeitspakete, als auch mit der Terminplanung. Für die Erstellung des Ablaufplans sind drei elementare Bausteine notwendig: • • •
Arbeitspakete, Meilensteine, Abhängigkeiten.
In der gewählten Arbeitspaketbeschreibung ist der Aufwand in Personentagen nicht gleichzusetzen mit der Dauer der Bearbeitung. Normalerweise stehen die Mitarbeiter nicht zu 100 % für das Projekt zur Verfügung. Daher ist die zeitliche Dauer zur Bearbeitung des Arbeitspakets immer größer als der Aufwand in Personentagen. Meilensteine sind bewusst gesetzte Zeitpunkte, um Ergebnisse zu überprüfen und Richtungen im Projekt zu korrigieren. Meilensteine besitzen die Zeitdauer t=o. Abhängigkeiten existieren immer zwischen den einzelnen Arbeitspaketen, die in der Ablaufplanung in Vorgänge umgesetzt werden. Ein Vorgang besitzt eventuell einen oder mehrere Vorgänger und Nachfolger. Bei der Erstellung des Ablaufplans wird von folgenden drei unterschiedlichen Arten von Abhängigkeiten ausgegangen: • • •
Arbeitspakete die nacheinander (sequentiell) ablaufen, Arbeitspakete die parallel bearbeitet werden können, Arbeitspakete die unabhängig voneinander bearbeitet werden können.
Von der Ablaufplanung zu unterscheiden ist die Terminplanung. Zuerst sind alle Arbeitspakete mit ihren Abhängigkeiten in der Ablaufplanung zu strukturieren. Aufgrund der Bearbeitungsdauer ergeben sich dann Start- und Endtermin für jedes Arbeitspaket und damit letztlich Start- und Endtermin des Projekts. Um die Planung der beiden großen Bereiche Ablaufplanung und Terminplanung zu ermöglichen, stehen verschiedene Methoden zur Verfügung (Abb. 7.28).
7
200
7 Projektmanagement
Tätigkeitsliste In der Tätigkeitsliste sind alle Arbeitspakete mit der geschätzten Bearbeitungsdauer und dem Start- und Endtermin der Aktivität enthalten (Abb. 7.29). In der Tätigkeitsliste ist keine logische Abfolge der zu bearbeitenden Arbeitspakete zu erkennen. Es handelt sich ausschließlich um eine Methode der Terminplanung. Die einzige Möglichkeit den Ablauf zu erahnen bieten die Startund/oder Endtermine der einzelnen Arbeitspakete.
Methode Tätigkeitsliste
Informationen
·· ·
Balkendiagramm
vernetztes Balkendiagramm
Netzplan
·· ·
· ·· ·· ·
·· ·· ·
Vorteil
Arbeitspakete Starttermin Endtermin
· ·
Arbeitspakete Starttermin Endtermin grafische Aufbereitung
·· ·· ·
Arbeitspakete Starttermin Endtermin grafische Aufbereitung Abhängigkeiten
Arbeitspakete frühester Zeitpunkt spätester Zeitpunkt Dauer Abhängigkeiten
· ·· ·· · · · ·
einfach zu lesen und zu erstellen keine Vorkenntnisse erforderlich
große Übersichtlichkeit leicht verständlich weit verbreitet einfach zu erstellen gute zeitliche Übersicht
Abhängigkeiten sind zu erkennen mittlere Übersichtlichkeit leicht verständlich weit verbreitet einfach zu erstellen gute zeitliche Übersicht zeitliche und sachliche Zusammenhänge werden dargestellt Kosten und Kapazitätenplanung können mit einfließen kritische Wege können erkannt und dargestellt werden
Nachteil
· · ·
·· · · · ·· ·
für große Projekte. bei denen Abläufe parallel laufen müssen und Abhängigkeiten zwischen den Arbeitspaketen bestehen ungeeignet je nach Größe des Projekts wird die Liste sehr unübersichtlich nur für kleine bis mittelgroße Projekte geeignet Änderungen können aufwendig sein keine Abhängigkeiten zu erkennen
nur für kleine bis mittelgroße Projekte geeignet Änderungen können aufwendig sein
Vorkenntnisse und Schulungen notwendig hoher Änderungsaufwand für Laien schwer bis gar nicht nachvollziehbar Übersichtlichkeit bleibt häufig auf der Strecke
Abb. 7.28: Methoden der Ablauf- und Terminplanung
Balkenplan Der Balkenplan kann als graphische Darstellung der Tätigkeitsliste betrachtet werden (Abb. 7.30). Die Dauer der Arbeitspakete bzw. Aktivitäten wird hier mit Hilfe von Balken dargestellt. Zur Erstellung des Balkenplans wird, wie beim Ablaufplan, eine Liste aller Arbeitspakete erstellt, in der zusätzliche Informationen über die Dauer bzw. Durchlaufzeiten der Arbeitspakete enthalten sind. Er führt für die Arbeitspakete die Start- und Endtermine auf.
201
7 Projektmanagement
ArbeitspaketNr. 1100 1110 1120 1130 1140 1150 1160 1170 1180 1200 1210 1220 1230 1240 1250 1260 1270 1280 1500 1510 1520 1530 1540 1550
Arbeitspaketbezeichnung Geschäftsprozesse MarketincVVertrieb'Kunde MateriaJwirtschafVEinkauf Forschuna & Entwickluna ArbeitsvorbereitullJ'Produktioni InstandhaJtullQ LagerNersand Arbeitssicherheitlf\.btfaJlolanuna PersonavSchulullQ Lieferanten Ul1lNeItaspekte GefahrstoffelRHB-Stoffe AbfaJllWertstoffe Wasser/AbNasser/KanaJisation Energie Lärm Immissionsschutz Boden!Altlasten AnlagenITechnolOQien Forderungen ISO 14001 RechtsvorschrifteniGenehmiauna Ul1lNeItstrategielUmllleltoolitik Organisationsstruktur/ Verantoortlichkeit Managementreview
Aufwand
(in Personentagen) 21,5 1 2 3
Bearbei· tungsdauer (in Tagen) 30 3 7 10
10 1 3 1 0,5
Start- Endtemin temin 30.04. 01.06. 30.04. 30.04.
31.08. 30.07. 20.05. 20.05.
15
07.05.
22.05.
0,5 2 0,5
3 10 3 2 30 25 25 10 5 5 5 2 10 20 2 5 2
07.05. 01.07. 01.08. 01.06. 01.02. 16.02. 01.03. 18.03. 15.04. 20.04. 20.04. 01.05. 01.05. 01.01. 01.01. 01.01. 01.08.
22.05. 31.08. 31.08. 30.07. 10.06. 28.03. 15.04. 30.04. 15.05. 15.05. 15.05. 10.05. 10.06. 30.09. 08.01. 31.01. 31.08.
0,5
3
10.01.
31.01.
0,5
2
15.09.
30.09.
23 5 5 3 2 2 2 1 3
4
Abb. 7.29: Tätigkeitsliste
Wie bei der Tätigkeitsliste sind auch hier keine Abhängigkeiten der einzelnen Arbeitspakete voneinander zu erkennen. Als reines Terminplanungsinstrument ist der Balkenplan eine beliebte graphische Planungsmethode. Die Tätigkeitsliste und der Balkenplan sind für kleine überschaubare Projekte mit wenigen Arbeitspaketen anwendbar. Handelt es sich jedoch um sehr viele Arbeitspakete, die voneinander abhängig sind oder parallel bearbeitet werden können bzw. müssen, so sind diese Methoden nicht geeignet. Besser können die Abhängigkeiten mit einem "vernetzten Balkenplan" bzw. "Netzplan" dargestellt werden. Unter einem vernetzten Balkenplan versteht man einen Balkenplan, der bereits die wesentlichen Abhängigkeiten enthält. Mit Hilfe von Abhängigkeitspfeilen wird die logische Abfolge der einzelnen Arbeitspakete ersichtlich. Aus den einzelnen Balkenlängen kann abgelesen werden, welche Zeit für die einzelnen Arbeitspakete zur Verfügung steht. Mit diesen Informationen kann bereits eine Umschichtung von Kapazitäten stattfinden. Ist der erfolgreiche und zügige Abschluss eines Arbeitspakets notwendig, um beispielsweise mit drei anderen Arbeitspaketen beginnen zu können, ist es möglich Kapazitäten aus diesen drei Bereichen abzuziehen.
7
202
7 Projektmanagement
Ud. Nr.
Arbeitspaket
1500
Forderungen
1510
ISO 14001
1520
Rechtsvorschriften
1200 1210
Umweltaspekte Getahrstoffe/RHB-Stoffe
1220
AbtalllWertstoffe
1230
Wasser/Abwasser/ Kanalisation
1240
Energie
1250
Lärm
Jan. Febr März April Mai Juni Juli Aug. Sept Okt. Nov. Dez.
•
--
•~
~
•~ •~
1100
Geschäftsprozesse
1120
Materialwirtschaft/ Einkauf
~
1130
Forschung/Entwicklung
~
1140
AV/Produktion! Instandhaltuna Arbeitssicherheit! NoUallolanuna
1160 1170
Personal/SChulung
1-
Abb. 7.30: Balkenplan
Netzplan Der Netzplan zeigt die logischen Zusammenhänge der unterschiedlichen Arbeitspakete auf. Mit Hilfe von mathematischen Formeln können Fristen und Termine errechnet werden. Diese Informationen werden in den Ablaufplan eingetragen. Man spricht nun bereits von einer Netzstruktur. Eventuelle Engpässe, oft "kritische Wege" genannt und Pufferzeiten werden hier bereits sichtbar. Der Netzplan hat den höchsten Informationsgehalt von allen erwähnten Methoden. In der Praxis werden heute überwiegend Vorgangsknoten-Netzpläne verwendet. In einem Vorgangsknoten können alle wichtigen Informationen vorhanden sein (Abb. 7.31). Sie stellen gleichzeitig ein Arbeitspaket dar. Zu viele Informationen sollten im Vorgangsknoten nicht enthalten sein, da ansonsten der zu entwickelnde Netzplan zu unübersichtlich wird. Der Projektablaufplan kann nun von zwei Richtungen her entwickelt werden: • •
Rückwärtsplanung vom Projektende zum Projektstart, Vorwärtsplanung vom Projektstart zum Projektende.
203
7 Projektmanagement
Die Rückwärtsplanung vom Projektende zum Projektstart ist meistens einfacher und besser. Beginnend mit dem "Projektende" werden die Arbeitspakete gesucht, die vorher abgeschlossen sein müssen. Aus der Vielzahl der Arbeitspakete ist dies nur eine kleine Menge. Beginnend mit dem "Projektstart" ist es nicht ganz so einfach. Schließlich sind alle anderen Arbeitspakete Nachfolger. Die Auswahlmöglichkeiten und (Irr-)Wege sind daher bei der Vorwärtsplanung größer. Ist die Reihenfolge festgelegt, werden die Arbeitspakete durch Vorgangspfeile verbunden.
Vorgangs-Nr.
Projekt
KostensteIle
Arbeitspaket-Nr.
Arbeitspaket
ZUständigkeit
Vorgangsbeschreibung frühester Anfangszeitpunkt (FAZ)
Dauer
frühester Endzeitpunkt (FEZ)
spätester Anfangszeitpunkt (SAZ)
Dauer
spätester Endzeitpunkt (SEZ)
Abb. 7.31: Vorgangsknoten im Vorgangsknoten-Netzplan [Schwarze, 20011
Der Ablaufplan kann anfangs nur sehr grob erstellt werden. Die Detailarbeit sollte von Experten in kleineren Gruppen durchgeführt werden. Hier entstehen Teilpläne, die dem groben Ablaufplan zugeordnet werden können. Das Zusammenfügen der einzelnen Teilpläne zu einem GesamtAblaufplan, das Prüfen und eventuelle Ergänzen von neu entstandenen Abhängigkeiten ist Aufgabe des Projektleiters und einiger weniger Experten. Wie detailliert der Projektablaufplan sein soll wird vor allem durch den Projektstrukturplan bestimmt. Wird bei der Erstellung des Ablaufplans festgestellt, dass Arbeitspakete weiter unterteilt werden müssen, um eine logische Reihenfolge herzustellen und Abhängigkeiten genau bestimmen zu können, ist dies möglich. Allerdings muss die Zerlegung in kleinere Arbeitspakete in den Projektstrukturplan aufgenommen werden, um später eine gute Rückverfolgbarkeit zu gewährleisten. Aufgrund der Terminangaben muss gelten: • • •
spätester Starttermin ~ frühester Starttermin spätester Endtermin ~ frühester Endtermin (spätester - frühester) Starttermin = (spätester - frühester) Endtermin.
Damit kann die Ablaufplanung logisch überprüft werden. Die Differenz (spätester - frühester) Starttermin bzw. (spätester - frühester) Endtermin ist der Puffer für dieses Arbeitspaket. Arbeitspakete mit einem Puffer t = 0 sind kritische Vorgänge. Die Summe aller kritischen Vorgänge ist der "kritische Weg" oder "kritische Pfad" im Projektablauf. Er benötigt besondere Aufmerksamkeit. Ergeben sich aufgrund von Vorgaben (z.B. fixer Endtermin) negative Pufferzeiten t < 0, muss der Terminplan optimiert werden. Dies kann geschehen durch: • •
Streichen von Wunsch- und Soll-Zielen, Reduzierung der Projektqualität,
7
204 • • • •
7 Projektmanagement
Eingehen höherer Risiken, Auslagerung von Aufgaben, Erhöhen der Personalkapazitäten. weitere Parallelisierung und Überlappung von Arbeitspaketen.
Der Projektstrukturplan, der daraus entwickelte Projektablaufplan und die Dauer jedes Arbeitspakets führen zum Terminplan (Abb. 7.32).
1000
I I
Geschäftsprozesse
1'100
I
I Arbaitspaket Entwicklung
1"30
Lfd. Nr.
I
I 40
1"
Arbeitspaket Produktion
I
I
Meilensteine
1130
Entwicklung
1140
Produktion
1210
Gefahrstoffe
1220
Abfall
1230
Abwasser
1310
Umweltmanagementbeauftragter
1320
Sicherheitsfachkraft
I 1300
I
Umweltaspekte
I I
I
I
Unterslützung
I
1220 1210 Arbeitspaket Arbeitspaket Gaflllhrstoffa 1 1 Abfall
Arbeitspaket
I
management
I I
1 1200
1
Umwelt-
I
'I
1230Arbeitspaket Abwasser
Arbeilspaket
1'3Umweltmanage· 10
1320
,I 1
mentb••uftragter
•--•
I
Arbeitspaket
Sicherheitsfachkraft
Jan. Febr. März April Mai Juni Juli Aug. Sept Okt. Nov. Dez.
(30.0 .)
~
10.0 0.)
30.0 . ·2 (1.05.
---
(07 05. 22.( 5.)
(16 02. - 28.0 ~.)
~
(01 03.
--.
15. 4.)
~ (18. 3.• ~O.O .)
.
(( 1.08 ·10 09.)
(~ 1.08 ·10 09.)
Abb. 7.32: Terminplan als Balkenplan
Der Netzplan enthält mehr Informationen. Da jeder Vorgang gleich groß eingezeichnet ist, fehlt ihm jedoch die "optische Länge" auf der Zeitachse. Zeiten sind nur aus den Zahlenangaben zu entnehmen (Abb. 7.33). Die Projektplanung nähert sich einem vorläufigen Ende. Die Arbeitspakete wurden identifiziert und beschrieben, Aufwendungen abgeschätzt und Termine fixiert. Es steht die Entscheidung für die Realisierungsphase bevor. Wurde bisher schon Geld ausgegeben und Zeit investiert, wird es jetzt erst recht und viel.
205
7 Projektmanagement
1CX11
I 111100
I
GeschäftsprcDsee
1 1200
1
1
I I 1130=1 1140==:1
I
LmiIIeIl"-ilUJii,&1t
I
I
1300
1
LmweIIaspekte
I
l
Unlerstiilzw1g
1
I
1~0=111~=-lllzm=-111~
I 11320s=:1
~ lJ7.os.110 122.05. ~
... 1130ErtwickIung 1---0 1140 PnDJdIon
10.06
30.04.1 3 120.05.
1210
I
Sl.n
I-
GeIahnIloIIe
1---.--.---"" 11;,(12.1
5
~ ~
12ll.O3.
122llAblalI
01.03.1
5
-
~.IenlIIlin
115.04
'---I
1300 lkIterBIüzur1I ------l
-----,
1----.--.---"" 01.D8.1
7
1111m.
30.04 1230
....
AIMIIs8er
_
18.03.1 3 130.04.
FAZ
Dauer
SEZ
Gefahrstotfe
16.02.
5
Abfall
01.03.
5
28.0315.04-
Abwasser
18.03.
3
30.04-
Entwicklung
30.04. 07.05.
3 10
20.05.
Produktion Unterstützung
01.08.
7
10.09.
Vorgang
Abb. 7.33: Terminplan als Netzplan
22.05.
ErDII 7
7 Projektmanagement
206
7.7
Realisierungsphase
Hauptaufgabe der Realisierungsphase ist die Erbringung des Leistungsergebnisses. Während die Planungsphase die Soll-Vorgaben liefert, ergeben sich in der Realisierungsphase Ist-Zustände. Im Zuge des Projektcontrollings erlauben Soll-1st-Vergleiche die zielgerichtete Durchführung von Steuerungsmaßnahmen. Da eine Planung niemals alle Faktoren umfassen kann und somit perfekt wäre, werden sich in der Realisierungsphase immer Abweichungen ergeben. Das setzt den Plan trotzdem nicht außer Kraft. Er zeigt immer den Weg zum Ziel mit seinen einzelnen Schritten (Arbeitspaketen) auf. Als Input für diese Phase dienen die Ergebnisse der Planungsphase. Als Output der Realisierungsphase (Abb. 7.34) ergeben sich: • • •
Leistungsergebnis, Projektziel, Dokumentationen.
Parallel zum gesamten Projektverlauf, aber insbesondere in der Realisierungsphase spielt das Projektcontrolling eine wichtige Rolle.
Input • Projektstrukturplan mit Arbeitspaketen • Aufwandsschätzung • Risikobetrachtung • Projektablaufplan (Zeltplan) Gesamtprojektplan mit Pflichtenheft
·
~
n
Prozess
Output
• Realisierungsphase
• Realisierung der Maßnahmen (Leistungsergebnis) Projektcontrolling (Qualität, Termine, Kosten) Dokumentationen und Informationswesen
~.
11·
Abb. 7.34: Prozesskette "Realisierungsphase"
7.7.1
Projektcontrolling
Projektcontrolling ist das Steuerungsinstrument zur Unterstützung des Projektleiters. Es umfasst: • • • • •
Entwicklung von Messkriterien und Kennzahlen, Soll-1st-Vergleiche von Leistungen, Terminen, Qualität und Kosten, Implementierung von Controllingzyklen und -berichten, Interpretation der Ergebnisse, Entwicklung von Steuerungsmaßnahmen.
Beim Controlling des Projektgegenstands werden die Leistungs- und Funktionsfähigkeit sowie die Erfüllung der Qualitätsanforderungen überwacht. Dazu ist ein projekt- und prozessbezogenes Qualitätsmanagementsystem hilfreich. Erst wenn das Arbeitspaket durch das Qualitätsmanagement als fertig gestellt abgenommen wurde, können Termine und Kosten endgültig überprüft werden. In der Realisierungsphase beginnt das Projektcontrolling mit der Freigabe der Arbeitspakete. Spätestens
207
7 Projektmanagement
mit Beginn der Realisierungsphase muss der Projektplan allen Beteiligten bekannt sein. Nicht jeder Projektmitarbeiter beginnt sofort selbstständig, seine Teilaufgabe zu bearbeiten. Daher sollten Arbeitspakete bewusst gestartet werden, d.h. der Projektleiter gibt Arbeitspakete formal frei. Für besonders kritische Arbeitspakete (kritischer Weg) sollte diese offizielle Freigabe immer angewendet werden. Auf diese Weise wissen alle Beteiligten, dass sie nun dieses bestimmte Arbeitspaket bearbeiten müssen. Der Projektleiter gibt aber nicht nur die Arbeitspakete frei, sondern er nimmt sie auch als erledigt ab. Das gilt zumindest für die Arbeitspakete des kritischen Wegs. Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Mitarbeiter, der das Folge-Arbeitspaket bearbeiten soll, das erledigte Arbeitspaket abnimmt. Da er auf die Qualität der Arbeitsergebnisse angewiesen ist, werden Mängel schneller entdeckt. Mit dieser Vorgehensweise kann die Qualität in der Projektarbeit deutlich gesteigert werden. Nachdem die Arbeitspakete freigegeben wurden, beginnt zu einem bestimmten vorher festgelegten Zeitpunkt (Stichtag) die Erfassung der Ist-Daten. Die aktuellen Daten werden gesammelt, überprüft und in entsprechender Form (Graphik, Tabellen) dokumentiert und aufbereitet (Abb. 7.35). Insbesondere Kosteninformationen stehen im Unternehmen über das Rechnungswesen zur Verfügung. Da der Projektleiter bei Abweichungen schnell und effizient reagieren muss, ist die Aktualität der Daten der Genauigkeit vorzuziehen. Es ist jedoch der richtige Kompromiss zwischen Aktualität und Genauigkeit zu schließen.
Kundenzufriedenheit
•
Zufriedenheit des Kunden über den Projektfortschritt
Qualität
• • • •
Grad des Leistungsfortschritts je Arbeitspaket in % Qualität des Ergebnisses (Qualitätsmängel) Qualitätsprüfungen und verwendete Verfahren Dokumentation der Arbeiten und Ergebnisse
Termine
• • •
Ist-Starttermin des Arbeitspakets Ist-Endtermin des Arbeitspakets Restlaufzeit der noch zu erwartenden Bearbeitungsdauer
• •
Ist-Kosten geschätzte, noch zu erwartende Restkosten
Kosten
Abb. 7.35: Erfassung von Ist-Daten Zum Stichtag begonnene, aber noch nicht abgeschlossene Arbeitspakete sind bei der Erfassung des Leistungsfortschritts problematisch. Für diese Arbeitspakete muss mit Hilfe von Indikatoren eine Fortschrittsmessung angewandt werden. So ist z.B. die Mengenmessung mit einer Maßeinheit (Länge, Fläche, Volumen, Masse) möglich, wenn sich eine Größe feststellen lässt, deren Zuwachs proportional zu Kosten und Zeit ist. Wenn ein Arbeitspaket begonnen wurde wird es mit der Prozentmethode als 25 %; 50 %; 75 %; 100 % fertig gestellt gemeldet. Für weniger risikoreiche oder kostenintensive Arbeitspakete reicht diese ungenaue Methode aus. Arbeitspakete für die kein quantitativer Indikator existiert, werden über Meilensteine oder Stichtage erfasst. Bereits im
7
208
7 Projektmanagement
Planungsprozess werden zwischen Projektcontroller und den Verantwortlichen für das Arbeitspaket einige klar erkennbare Zwischenergebnisse innerhalb des Arbeitspakets terminiich spezifiziert und überwacht. Bei der stichtagsbezogenen Ist-Datenerhebung wird anhand der Leistungserreichung der Arbeitsfortschritt gemessen. Eine weitere Möglichkeit den aktuellen Stand festzustellen besteht darin nicht die bereits erledigte Arbeit zu überprüfen, sondern zu schätzen, was noch alles erledigt werden muss. Dies ist manchmal einfacher. Mit einem Qualitätsmanagementsystem lassen sich die Produkt- und Prozessqualität im Projekt überprüfen. Das gilt für: • • • •
die durchgeführten Qualitätsprüfungen anhand von Vorgaben, die Überprüfung der Abnahmeergebnisse, den Erfüllungsgrad von Qualitätsmerkmalen, die Dokumentation der durchgeführten Arbeiten und Ergebnisse.
Qualitätsaudits sind in dieser Form ein Teil des Projektcontrollings. Neben der Überprüfung des Leistungsfortschritts muss im Rahmen des Projektcontrollings auch der terminliche Projektstand ermittelt werden. Um eventuelle Schwachstellen im Projektablauf frühzeitig erkennen zu können, ist der Zwischenstatus des Projekts zu bestimmten Zeiten zu überprüfen. Die Schwierigkeit besteht darin, den Arbeitsfortschritt eines Arbeitspakets abzuschätzen. Diesem Problem lässt sich mit zusätzlichem Aufwand durch eine detaillierte Planung abhelfen. Andererseits sollte der Projektleiter öfters den Fortschritt bei besonders kritischen Arbeitspaketen überprüfen und mit den Mitarbeitern über deren Ergebnisse und Arbeitsfortschritte diskutieren. Diese Diskussionen können z.B. im Rahmen eines Rundgangs durch die verschiedenen Projektabteilungen stattfinden (Management by walking around). Die im Rahmen des Projektcontrollings ermittelten Soll-1st-Abweichungen können mehrere Ursachen haben: • • •
unrealistische (zu optimistische oder pessimistische) Planung, Änderungen der Projektziele und des Projektablaufs, Qualitätsmängel in der Arbeitsausführung.
Bei der Festlegung und Durchführung der notwendigen Steuerungsmaßnahmen kommen alle Methoden und Techniken des operativen Managements zum Einsatz. Vom Projektleiter werden alle Aspekte seiner personalen, methodischen, fachlichen und sozialen Kompetenzen verlangt.
7.7.2
Projektinformationswesen
Die Aspekte Dokumentation und Berichtswesen basieren auf einem gut funktionierenden Informationswesen. Dessen Ziel liegt darin, bereits vorhandene Informationen so weit aufzubereiten, dass alle Beteiligten diese schnell und eindeutig verstehen können. Die Informationen sollten jederzeit abrufbar sein, da sie für eine effektive Steuerung des Projekts notwendig sind. Es ist erforderlich, die Informationen für alle am Projekt beteiligten Personen entsprechend aufzubereiten. Zum Beispiel braucht der einzelne Projektmitarbeiter detailliertere Informationen als der obere Führungskreis. Diese Daten decken jedoch einen kleineren Ausschnitt ab. Dagegen benötigt die Projektführung viele Informationen über das Gesamtprojekt, die dieser jedoch stark komprimiert zur Verfügung gestellt werden sollten. Weiterhin muss für ein effektives Informationswesen frühzeitig damit begonnen werden, die notwendigen Daten zu sammeln, zu selektieren und diese am Ende abschließend zu bewerten.
209
7 Projektmanagement
Besonders wichtig ist auch, dass die Informationen immer auf dem aktuellsten Stand gehalten werden. Die gesammelten Informationen sollten für jeden Projektteilnehmer zu jeder Zeit zugänglich sein. In allen Phasen eines Projekts wird ein Berichtswesen benötigt. Aus diesem Grund ist es schon zu Beginn des Projekts zu implementieren und seine Anforderungen sind zu spezifizieren. Zusammenfassend dargestellt dienen Berichte dazu, den aktuellen Stand des Projekts schriftlich zu fixieren sowie Prognosen zukünftiger Entwicklungen darzustellen. Somit bildet das Berichtswesen die Basis für die Projektsteuerung durch den Auftraggeber und den Projektleiter. Zu beachten ist auch, dass das Berichten eine aktive Tätigkeit ist. Die meisten Berichte werden vom Projektleiter verfasst. Für den Fall, dass Projekte auch in Teilprojekte untergliedert sind, berichtet der jeweilige Teilprojektleiter. Die Berichte sollten dabei zumindest mit dem Kernteam besprochen und allen Mitgliedern des Projektteams zur Verfügung gestellt werden. Dies geschieht nicht nur aus Gründen der Qualität, sondern auch wegen der Akzeptanz. Nur so kann sichergestellt werden, dass sich die Projektmitarbeiter mit dem Projekt identifizieren können. Durch die Besprechung der Berichte im Projektteam kommen oftmals auch wichtige Informationen von außerhalb zur Sprache. Zum Beispiel die Tatsache, dass noch weitere Personen informiert werden wollen oder müssen. Ein gut aufgebautes Berichtswesen ist somit auch Bestandteil eines aktiven Projektmarketings.
Projekt:
Datum:
ProjektleiterIVerfasser: Projeklaklivitäten:
Projeklstand:
Unterlagen:
··
Inhalt Ergebnis
·· ·· ··
Leistung Qualillll • Tennine Kosten Plan/lsllAbwelchungIBegründung Risiken Maßnahmen
··
Anlagen Anmerkungen
Abb. 7.36: Projektstatusbericht Der Projektbericht dient dazu, sich schnell einen ersten Überblick über den Projektstatus zu verschaffen. Aus diesem Grund müssen solche Berichte Informationen übersichtlich darstellen. Die Darstellung lässt sich durch Formblätter standardisieren (Abb. 7.36). Für den Empfänger ist es von Vorteil, dass er wichtige Informationen immer an der gleichen Stelle vorfindet. Der Statusbericht hat die Hauptaufgabe, den Stand des Projekts bezogen auf die Zielerreichung zu verdeutlichen. Dazu werden Abweichungspfeile • • •
gleich bleibend gegenüber Plan -7 Verbesserungen erzielt gegenüber Plan i Verschlechterungen gegenüber Plan, kritisch
J..
7
210
7 Projektmanagement
hinter den Feldern "Kundenzufriedenheit', "Qualität', "Termine" und "Kosten" gesetzt. Dies ermöglicht es dem Leser für die wichtigsten Größen auf einen Blick zu erkennen, ob alles nach Plan läuft. Ein weiteres Mittel die Aussagekraft eines Berichts zu verbessern, besteht darin, die Pfeile einzufärben (grün = i = Verbesserungen erzielt, gelb = --+ = gleich bleibend und rot = J, = kritisch). Zu jedem Projektinformationswesen gehört auch die Dokumentation von Unterlagen, die während der Bearbeitung eines Projekts anfallen. Ein schneller und übersichtlicher Zugriff auf alle Projektdokumente muss möglich sein. Die Daten für zukünftige Projekte müssen ohne großen Aufwand abrufbar sein. Die Dokumentation kann sich je nach Größe des Projekts unterscheiden und hängt stark von der Komplexität des Projekts ab. Die Projektdokumentation sollte auf dem Projektstrukturplan basieren. Im Projekthandbuch werden alle für das Projekt relevanten Ergebnisse (Pläne, Strukturen, Regeln) dokumentiert. Darin wird zudem der komplette Projektmanagementprozess abgebildet. Es wird sichergestellt, dass der gesamte Ablauf nachvollzogen werden kann. Schließlich kann am Ende eine Projektauswertung zum Sammeln von Erfahrungen für zukünftige Projekte leichter durchgeführt werden. Es handelt sich beim Projekthandbuch um kein fixes Dokument, sondern es werden laufend Ereignisse und Ergebnisse eingearbeitet.
7.8
Abnahmephase
Die Hauptaufgabe der Abnahmephase (Abb. 7.37) besteht in der: • • • • •
Obergabe/Evaluierung des Projekts, Durchführung von Nachbesserungen, Fertigstellung der Dokumentationen, Unterweisung der Mitarbeiter, Präsentation der Projektergebnisse.
Im Zuge der Abnahmephase ist zwischen den beiden Schritten • •
Projektübergabe, Projektevaluierung
zu unterscheiden. Dabei liegt die Projektübergabe zeitlich gesehen immer vor der Projektevaluierung. Bei der Projektübergabe wird formal das Projekt beendet und an den Auftraggeber übergeben. Es wird ein vorläufiger Projektabschlussbericht erstellt. Die wesentlichen Umfeldbeziehungen (z.B. Lieferanten, Dienstleister) werden beendet und das Projektteam aufgelöst. Davon zu unterscheiden ist der Zeitraum zwischen Projektübergabe und -evaluierung. Wenn beispielsweise Projektleistungen vereinbart wurden die erst nach Fertigstellung überprüfbar sind (z.B. Reduzierung der Durchlaufzeiten, Kostensenkungsziele, Qualitätsvereinbarungen, etc.), wird ein entsprechender Probebetrieb bis zur endgültigen Abnahme benötigt. In dieser Zeit werden auch: • • • •
Mängelbehebungen und Nachbesserungen vorgenommen, die Projektnachkalkulation durchgeführt, der Projektleiter entlastet, Übergabe- und Übernahmeprotokoll unterzeichnet.
211
7 Projektmanagement
Input
Prozess
• Realisierung der Maßnahmen (Leistungsergebnis) • Dokumentationen • Projektcontrolling (Qualität, Termine, Kosten)
~
n
• Abnahmephase
Output • Übergabe • Nachbesserungen Projekt~. dokumentationen • Mitarbeiterunterweisung Kundenzufriedenheit Nachkalkulation • AUflösung des Projektteams
-V. ·
Abb. 7.37: Prozesskette ,,Abnahmephase"
Ein wichtiger Aspekt zum Abschluss umfasst die Lerneffekte aus dem abgewickelten Projekt. Beginnend mit den Umfeldbeziehungen wird analysiert: • • •
Was ist gut gelaufen? Was haben wir aus dem Projekt gelernt? Was lässt sich für das nächste Projekt verbessern?
So wie die unternehmensinternen und -externen Anspruchsgruppen analysiert, gepflegt und betreut wurden, so werden diese Beziehungen jetzt systematisch und offiziell beendet. Sonst kann bei einem Teil der Anspruchsgruppen zum Abschluss der Eindruck eines schleifenden Prol~kts entstehen. Die Kundenzufriedenheit steht während des gesamten Projekts an oberster Stelle. Uber die Projektlaufzeit haben vielfältige Kontakte zwischen Projektleiter und Auftraggeber (Kunde) einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ein Abschlussworkshop, -essen undloder eine schriftliche Befragung zur Kundenzufriedenheit ermöglichen auch hier einen gelungenen Abschluss. Vielfach vernachlässigt wird die Nachkalkulation von Projekten. Im Zuge des Projektcontrollings sollten alle Soli-list-Vergleiche vorliegen. Die Projektnachkalkulation ist das betriebswirtschaftliche Instrument für neue Projektangebote. Erst mit dieser Methode werden Mängel in der Projektplanung und -durchführung quantifizierbar. Organisatorischer Abschluss dieser Phase ist die offizielle Auflösung des Projektteams. Gemeinsam sind: • • • •
der Projekterfolg zu bewerten, mögliche Erfahrungen zu diskutieren, Restarbeiten zu verteilen, das soziale Gebilde "Projektteam" aufzulösen.
Über die Projektdauer haben sich die Teammitglieder mit den jeweiligen Stärken und Schwächen arrangiert, Auseinandersetzungen und Konflikte durchgestanden, erfolgreich kooperiert und persönliche Bindungen aufgebaut. Jetzt heißt es diese vertraute Umgebung zu verlassen, in die Stammabteilung zurückzukehren oder ein neues Projekt zu beginnen. Damit können Ängste und Befürchtungen verbunden sein, die der Projektleiter managen muss. Zu seinen abschließenden Aufgaben gehört auch eine Leistungsbewertung aller Projektmitarbeiter, um ihnen Möglichkeiten zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung aufzuzeigen.
7
7 Projektmanagement
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7.9
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8 Moderation
Der Moderator führt die Gruppe innerhalb eines Zielkorridors, der durch den Auftrag vorgegeben ist. Damit sind Richtungen und Grenzen - aber auch Spielräume die es zu nutzen gilt - gegeben. Eine gut geführte Moderation ist die Chance, komplexe Probleme oder Projekte zu strukturieren und zu gestalten. Sie bietet die Möglichkeit, das kreative Potenzial der Mitarbeiter zu nutzen und die Marktchancen des Unternehmens zu verbessern. Daher stellen die Methoden der Moderation hohe Anforderungen an Moderator und Teilnehmer. Für jeden Teilnehmer gilt das Prinzip der: • • •
Gleichberechtigung, Selbstverantwortung und Handlungsorientierung.
Jeder Teilnehmer ist unabhängig von seiner hierarchischen Stufe im Unternehmen gleichberechtigt. Wertschätzung des Einzelnen und gegenseitige Akzeptanz fördern die Entwicklung der Gruppe. Für seine Beiträge und Handlungen und die sich daraus ergebenden Konsequenzen trägt jeder selbst die Verantwortung. Im Zuge der Gleichbehandlung besteht jedoch die Möglichkeit eigene Grenzen zu überwinden, neue Verantwortungen zu übernehmen und auch ungewöhnliche Lösungsbeiträge zu diskutieren. Die für die Teilnehmer geltenden Prinzipien münden in die gruppenbezogenen Prinzipien der: • • •
gegenseitigen Toleranz, Transparenz der Prozesse, Effizienz und Arbeitszufriedenheit.
Ohne die gegenseitige Toleranz und Gewährung von Spielräumen ist jede Moderation zum Scheitern verurteilt. Die Transparenz der Prozesse auf thematischer und beziehungsorientierter Ebene korrespondiert mit dem Kommunikationsverhalten und trägt zur Effizienz der gesamten Arbeit bei. Die Erreichung des Ziels darf jedoch niemals aus den Augen verloren werden, da sonst die Arbeitszufriedenheit leidet. Nur wenn die Teilnehmer erkennen, dass gesteckte Ziele erreichbar sind, werden Motivation, Kreativität und Ausdauer freigesetzt. Der Moderator hat dafür zu sorgen, dass alle wichtigen Informationen für alle Teilnehmer jederzeit sichtbar und abrufbar sind. Er muss den Prozess so strukturieren, dass Orientierungspunkte gesetzt werden und sich die Teilnehmer mit dem Arbeitsergebnis identifizieren. Erfolgreich wird er nur dann sein, wenn seine Person und seine Rolle Akzeptanz finden.
8.2 Der Moderator Der Moderationsauftrag stellt hohe Ansprüche an den Moderator und seine Qualifikationen. Bezüglich des Themas ist der Moderator eine neutrale Person. Seine thematische Neutralität ermöglicht es ihm in Alternativen zu denken. Er ist weniger mit den Ergebnissen der Vergangenheit konfrontiert. Trotzdem muss er eine gewisse thematische Kompetenz besitzen, um den Arbeitsfortschritt beurteilen zu können. Er fragt nach, regt zu Informationsaustausch und zum Perspektivenwechsel an und muss im "Chaos der Ideenfindung" Strukturen identifizieren können. Wichtig ist für ihn das Erreichen eines konstruktiven Arbeitsergebnisses mit der Gruppe. Ohne grundlegende Kenntnisse zum Thema besteht für ihn die Gefahr einer Irrfahrt im Nebel. Ein guter Moderator ist ablauforientiert. Er denkt in Prozessen und hält als Steuermann die Gruppe auf Kurs. Er gestaltet den Prozess zur Zielerreichung und macht den Weg bei auftretenden Schwierigkeiten frei. Innerhalb des vom Umfeld vorgegebenen Rahmens hält er die Inhalte und Ergebnisse in konstruktiver Weise fest. Dabei achtet er nicht nur auf die Erfüllung seines Auftrages und die Erreichung guter Ergebnisse, sondern auch auf zufriedene Teilnehmer.
8
8 Moderation
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Seine Kompetenzen liegen somit weniger auf thematischem Gebiet, sondern vielmehr auf der Ablauforientierung und der Gruppendynamik des Prozesses. Gegenüber den Teilnehmern ist die Haltung des Moderators entscheidend. Allen Teilnehmern steht er unparteiisch gegenüber. Niemand wird bevorzugt, niemand benachteiligt. Deshalb muss er sich über sein Menschenbild und seine Einstellungen zu seinen Mitmenschen bewusst sein. Eine positive Gesamthaltung färbt auf die Gruppe ab und führt sie zu hohen Leistungen. Auftreten, Blickkontakt, Mimik und Gestik vermitteln der Gruppe einen Eindruck der persönlichen Autorität des Moderators. Ein souveränes und selbstsicheres Auftreten kann auch den Teilnehmern mehr Selbstsicherheit bei der Themenbearbeitung auf unbekanntem Terrain geben. Das persönliche Auftreten und die eigene Haltung zu erkennen, heißt für den Moderator aber auch, sich mit seinen Stärken und Schwächen auseinanderzusetzen und sich über Selbst- und Fremdbild Klarheit zu verschaffen. Positive Signale aus der Gruppe bauen auch den Moderator auf. Wie geht er jedoch mit negativen Signalen um? Reflektiere ich daran mein Moderatorenverhalten oder suche ich die Schuld bei den Teilnehmern? Es ist wichtig zu erkennen und zu akzeptieren, was gefühlsmäßig in einem selbst abläuft. Der Moderator besitzt persönliche Autorität, ohne autoritär zu wirken. Mit der notwendigen Ruhe und Gelassenheit kann er sich innerhalb der Gruppe durchsetzen. In seinem sicheren Auftreten zeigt er persönliche Ausstrahlung und besitzt genügend Persönlichkeit um auch eigene Fehler zuzugeben. Er braucht seine eigenen Wertmaßstäbe, Haltungen und Arbeitsweisen nicht zu verstecken. Er steht zu ihnen, ohne sie den Teilnehmern aufzudrängen. Für den Moderator und die erfolgreiche Durchführung einer Moderation lassen sich daher einige Regeln aufstellen: • • • • • • • •
Stellen Sie Fragen. Fragen setzen die Kommunikation in Gang. Hören Sie zu. Wer redet erzählt viel von sich und seinen Ansichten. Lassen Sie die Teilnehmer arbeiten. Vergessen Sie dabei nie das Ziel. Beachten Sie die Gruppendynamik. Sorgen Sie für Transparenz der Abläufe und Prozesse. Reflektieren Sie Aussagen zum Thema. Holen Sie Zustimmungen der Teilnehmer ein. Sorgen Sie für einen positiven Abschluss und ein Erfolgserlebnis.
Nur in einer offenen Arbeitsatmosphäre können auch gute Ergebnisse erzielt werden. Ein Moderator arbeitet mit der Gruppe und nicht gegen sie. Somit sollte er nicht versuchen seine persönlichen Ziele um jeden Preis zu verwirklichen. Sensibel und sehr bewusst registriert er alle Arten von Signalen der Teilnehmer und erkennt die sich herausbildenden Normen, Verhaltensweisen und Konfliktpotenziale im gruppendynamischen Prozess. In seinem Kommunikationsverhalten ist er selbstsicher genug, diese Gruppenprozesse anzusprechen und transparent zu machen. Sein differenziertes Wahrnehmungsvermögen gestattet ihm eine Unterscheidung zwischen Tatsachen, Annahmen und Vorurteilen. Er ist intuitiv immer auf der Höhe des Geschehens und kann jederzeit eine Einschätzung der Situation vornehmen. Eine besondere Sensitivität hat er für nonverbale Signale, die oft mehr sagen als tausend Worte. Das Erkennen und Verarbeiten dieser Signale erfordert eine hohe Konzentration. Eine gute Moderation zu führen kann deshalb sehr anstrengend sein. In den folgenden Abschnitten werden zwei extreme Verhaltensweisen eines Moderators, die des "ergebnisorientierten Motivators" und die des "schweigsamen Vermittlers" mit ihren jeweiligen Chancen und Risiken näher beschrieben.
8
218
8 Moderation
Der ergebnisorientierle Motivator In seiner positiv orientierten Ausprägung ist der "ergebnisorientierte Motivator" immer präsent. Seine Sinne sind geschärft und jede Regung aus der Gruppe wird von ihm wahrgenommen. Er treibt die Gruppe mit: • • •
Vorschlägen zur Vorgehensweise, Zusammenfassungen zum Thema und regelmäßiger Erfolgs- und Zeitkontrolle
zu einem zielorientierten Ergebnis. Bereits im Vorfeld der Moderation hat er sich intensive Gedanken über: • • •
den optimalen Einstieg ins Thema, die Aktivierung der Teilnehmer sowie kritische und konfliktgeladene Situationen
gemacht. Er besitzt eine große Auswahl an Moderationsinstrumenten. Dazu zählen verschiedene Methoden bzgl.: • • • • •
Einstieg in der Vorstellungsrunde, Kreativitätstechniken, Einzel- und Gruppenarbeiten, Reflexionen und Feedback, Krisen- und Konfliktbewältigung.
Durch die gute Vorbereitung besitzt er selber eine hohe Flexibilität in der Durchführung. Die Gruppe kann er dadurch leichter motivieren, da sie sein eigenes Engagement verspürt. In seiner negativ orientierten Ausprägung besteht die Gefahr, dass der "ergebnisorientierte Motivator" die Teilnehmer überrollt. In seiner starken Zielorientierung hat er sich konkrete Gedanken über den Weg und die thematischen Inhalte gemacht. Er läuft los, ohne den Teilnehmern genügend Zeit und Raum zu geben, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Er greift laufend ein und steuert die Gruppe auf "seinem" Weg. Ideen der Teilnehmer werden nur soweit akzeptiert, wie sie in sein eigenes Konzept passen. Die Diskussionen und Arbeiten versucht er in seinem Sinne und in seiner Richtung zu beeinflussen. Dadurch verliert er seine Neutralität, wird zum Fachmann und somit zum thematisch Beteiligten. Gegenüber den Teilnehmern kann er das Thema niemals in der notwendigen Breite abdecken. Weil er sich für eine Richtung entscheiden muss, wird er angreifbar. Indem er Verbündete für seine Vorstellungen suchen muss, bringt er einen Teil der Teilnehmer gegen sich auf. Als thematisch Beteiligter verliert er den notwendigen Abstand, was Akzeptanz kostet. Im Extremfall wird er für das SCheitern der Arbeit und der Gruppe verantwortlich gemacht. Als Hilfe zur Selbststeuerung dienen folgende Vorschläge für den "ergebnisorientierten Motivator": • • • • • • •
Verschaffen Sie sich Klarheit über eigene Verhaltensweisen. Führen Sie im Vorfeld eine gute Situationsanalyse durch. Bereiten Sie sich auf schwierige Moderationssituationen vor. Üben Sie aktive Zurückhaltung. Nicht jeder ist so zielorientiert wie Sie. Bauen Sie Erholungsphasen ein. Nicht jeder kann auf Dauer bei Ihrem Arbeitstempo mithalten. SChalten Sie einen (oder mehrere) Gänge zurück. Lassen Sie den Teilnehmern mehr Zeit. Werden Sie gelassener und gönnen Sie sich selber mehr Ruhe.
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8 Moderation
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Der schweigsame Vermittler In seiner p'ositiv orientierten Ausprägung ist der "schweigsame Vermittler" unaufdringlich und angenehm. Außerlich fast vollkommen regungslos verfolgt er intensiv den Gruppenprozess. Er greift kaum ein und lässt die Situationen sich entwickeln. Es ist nicht offensichtlich, ob er die Gruppe steuert oder diese sich selbst überlässt. Er führt die Gruppe unter starker Zurücknahme der eigenen Person. Der "schweigsame Vermittler" kann selbst schwierige Gruppensituationen in Ruhe stehen lassen. Er setzt auf die Fähigkeit und das Potenzial der Teilnehmer, eine für alle Beteiligten gute Lösung zu finden. Er strahlt Ruhe und Vertrauen aus und nimmt dadurch Aggressivität aus der Moderation heraus. Auch der "schweigsame Vermittler" hat sich im Vorfeld intensiv Gedanken über • • •
den optimalen Einstieg ins Thema, die Aktivierung der Teilnehmer sowie kritische und konfliktgeladene Situationen
gemacht. Im Gegensatz zum "ergebnisorientierten Motivator" lässt er die Gruppe ihren eigenen Weg finden, selbst wenn dies zu Beginn zu Irrwegen führt. Die Aktivierung der Teilnehmer geschieht durch konkrete AufgabensteIlungen in Kleingruppenarbeit. Krisensituationen lässt er die Gruppe möglichst eigenständig lösen. Erst wenn es absolut notwendig ist, greift er ein und macht das Geschehen auf der Beziehungsebene transparent. Durch den "schweigsamen Vermittler" fühlen sich die Teilnehmer - auch schwache - nicht bedrängt. Sie können so leichter einen eigenen Weg zur Meinungsbildung finden. Während der "ergebnisorientierte Motivator" zum Übersteuern des Moderationsprozesses neigt, neigt der "schweigsame Vermittler" zum Untersteuern. In seiner negativ orientierten Ausprägung lässt er die Teilnehmer ohne Orientierung. Er hält sich so stark bedeckt, dass innerhalb der Gruppe ein Machtvakuum auftritt. Seine Souveränität, Autorität und Person werden nicht mehr anerkannt. Die Stärksten der Gruppe beginnen das Vakuum auszufüllen und die Teilnehmer in ihrem Sinne zu beeinflussen. In seiner Zurückhaltung kommt es auch hier zur Polarisierung, da sich die Stärkeren gegenüber den Schwächeren durchsetzen. Er hat seine persönliche Neutralität durch seine passive Verhaltensweise aufgegeben. Der "gruppendynamische Zug" fährt ohne ihn ab und er kann nicht mehr in den Prozess eingreifen. Steuerungs- und Interventionsversuche kommen zu spät und vor allen Dingen zu zaghaft. Die Teilnehmer nehmen ihn nicht mehr ernst. Wenn die Gruppe nicht in der Lage ist, ein zielorientiertes Ergebnis zu erzielen, richten sich Frustration und Aggression gegen den Moderator. Als Hilfe zur Selbststeuerung einige Vorschläge für den "schweigsamen Vermittler": • • • • • • •
Verschaffen Sie sich Klarheit über eigene Verhaltensweisen. Führen Sie im Vorfeld eine gute Situationsanalyse durch. Überlegen Sie im Vorfeld, wie Sie mit verschiedenen Moderationssituationen umgehen wollen. Greifen Sie aktiver in den Moderationsprozess ein und fassen Sie Ergebnisse zusammen. Überwinden Sie sich und treffen Sie Entscheidungen. Die Teilnehmer erwarten Ihre Steuerung. Unterstützen Sie ganz bewusst passivere Teilnehmer. Binden Sie aktivere Personen für Ihren Moderationsprozess aktiv ein.
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8 Moderation
8.3
Die Teilnehmer
8.3.1
Teilnehmertypen
Im Moderationsprozess laufen neben dem thematischen Bezug auch gruppendynamische Prozesse ab. Für den Moderator ist es daher hilfreich zu erkennen, welche Positionen die Teilnehmer im Team einnehmen (Abb. 8.2).
Anti-Alpha
Alpha
Externe
Rivale
Vorgesetzter, Führung.kraft
Konkurrenz, Auftraggeber
..r---------+
1
Beta Experte,
Fachleute
Gamma Mitarbeiter, Sachbearbeiter
Omaga Sündenbock, Minderheit
Abb. 8.2: Informelle Teamstruktur
Alpha-Typ Er ist (stillschweigend) anerkannter Führer der Gruppe. Sein Geltungsanspruch macht ihn zum Wortführer. Gegenüber dem Moderator und dem Umfeld repräsentiert er die Gruppe. In seiner positiven Ausprägung kann er den Moderator unterstützen und die Gruppe bei SChwierigkeiten vorwärts bringen. In seiner negativen Ausprägung besteht die Gefahr, dass alternative Wege zur Problemlösung nicht erkannt oder abgeblockt werden.
Anti-Alpha-Typ Hier handelt es sich ebenfalls um einen starken Teilnehmer, der mit dem Alpha-Typ um den Führungsanspruch in der Gruppe kämpft. In der positiven Ausprägung kann er den Alpha-Typ ergänzen, indem alternative Lösungen aufgezeigt werden. In der negativen Ausprägung blockiert er die Teamarbeit und versucht Verbündete zu finden, um seine Ansichten durchzusetzen.
8
8 Moderation
221
Beta-Typ Der Beta-Typ ist der kritische Teilnehmer. Er stimmt Lösungen oder dem Alpha-Typ nur unter Vorbehalt zu. Er gefällt sich in der Rolle des kritischen Förderers. In der Rolle des positiven Kritikers steht er der Aktion oder dem Alpha-Typ zwar kritisch aber nicht ohne Wohlwollen und Offenheit gegenüber. Als Vermittler gleicht er unterschiedliche Standpunkte aus. In der positiven Ausprägung prüft der Beta-Typ stark unterschiedliche Meinungen auf Pro und Contra und betrachtet Vorschläge mit wohlwollender, konstruktiver Kritik. In der negativen Ausprägung kann sein Verhalten als mangelndes, destruktives Verhalten und Ausbremsen der anderen Teilnehmer ausgelegt werden.
Gamma-Typ Der Gamma-Typ repräsentiert die überwiegende Zahl der Teilnehmer. Er nimmt am Moderationsgeschehen teil. In der Rolle des Mitläufers identifiziert er sich mit dem Alpha-Typ und seinen Vorstellungen, den er in der Rolle des Zuarbeiters und Nutznießers ergänzt. In der Funktion des Überwachers der (ungeschriebenen) Gruppennormen kontrolliert er den Alpha-Typ. In seiner positiven Ausprägung identifiziert sich der Gamma-Typ relativ schnell mit neuen Ideen, Vorschlägen und Maßnahmen. In der negativen Ausprägung fehlt ihm unter Umständen die kritische Distanz zum Alpha-Typ, mit dem er sich unreflektiert identifiziert.
Omega-Typ Der Omega-Typ ist der schwache Teilnehmer innerhalb der Gruppe. Oft wird er als Außenseiter wahrgenommen, der auch bei Gruppenarbeiten etwas abseits steht. Aufgrund seiner Zurückhaltung kann er bei Schwierigkeiten in der Gruppe kritische Kommentare zu seiner Person auslösen.
8.3.2
Auseinandersetzungen
Wenn in einer zu moderierenden Gruppe konstruktiv zusammengearbeitet wird, liegen für den Moderator einfache Bedingungen vor. Schwieriger wird es bei Auseinandersetzungen, Rivalitäten und Machtkämpfen. Hier erfordert die Beobachtung der Teilnehmer und die Erfüllung des Auftrages höchste Aufmerksamkeit. Auseinandersetzungen können latent vorhanden sein, indem sie aus dem Umfeld mitgebracht oder erst während der Moderation sichtbar werden. Sie können dazu führen, dass sich Teilnehmer bei der Arbeit behindern, durch Worte und Taten verletzt und angegriffen fühlen sowie lautstarke und verbale Auseinandersetzungen führen. Auseinandersetzungen besitzen viele verschiedene Gesichter und werden individuell zum Ausdruck gebracht. Es lassen sich jedoch häufig wiederkehrende Ursachen feststellen. Dazu zählen u.a.: • • • • • •
unterschiedliche Leistungen, unterschiedliche Wertvorstellungen, Toleranz bzw. Intoleranz, Führungsvakuum, Informationsdefizite, Unter- bzw. Überbeanspruchung.
8
222
8 Moderation
In jeder Gruppe gibt es Mitglieder die von Anfang an mit mehr Engagement an das Thema herangehen. Sie sind zielstrebiger, zeigen mehr Kreativität und besitzen die Fähigkeit so gut wie problemlos das Ziel zu erreichen. Für viele ist dies der Beweis, dass sie besser sind als andere Teilnehmer. Der Moderator sitzt somit oft zwischen den Stühlen, denn schließlich gilt in einer moderierten Gruppe stets Gleichbehandlung. Menschen besitzen unterschiedliche Werte und Moralvorstellungen. Die Wertvorstellungen einer Person zeigen, wie sie mit dem Rest der Gruppe zurechtkommt. Wenn z.B. ein Teilnehmer hohen Wert auf die Qualität der Arbeit legt, ein anderer Teilnehmer jedoch eine hohe Arbeitsgeschwindigkeit bevorzugt, sind Auseinandersetzungen kaum auszuschließen. Das Maß der Toleranz der Teilnehmer gegenüber anderen ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt. Die verschiedenen Kompetenzen der einzelnen Mitglieder ergeben den eigentlichen Vorteil in der Zusammenarbeit. Abweichungen und Besonderheiten der einzelnen Teilnehmer können die Gesamtkompetenz der Gruppe bereichern oder aber belasten. Somit ist es Aufgabe des Moderators die Stärken der Mitglieder zu Gunsten der Gruppe einzusetzen. Füllt ein Moderator seine Führungsrolle nicht aus, entsteht ein Führungsvakuum. Diese Leere beeinträchtigt den reibungslosen Arbeitsablauf in der Gruppe. Sie muss für die fehlende Führung einen Ersatz suchen. Für aufkommende Führungsfragen wie Aufgabenverteilung, Entscheidungsfindung, Verantwortung usw. muss die Gruppe selber die Antwort finden. Folglich kann es vorkommen, dass ein oder mehrere Teilnehmer die "Ersatzführung" übernehmen und so die Gleichberechtigung sowie die Meinungsfreiheit der Gruppe ins Wanken geraten. Informationsdefizite gehören zu den häufigsten Ursachen für Auseinandersetzungen in einer Gruppe. Beispielsweise können Informationen unvollständig, abgeändert oder sogar zu spät vorliegen. Das Arbeitsergebnis der Gruppe wird darunter leiden. Ebenfalls ist es möglich, dass Teilnehmer aufgrund einer persönlichen Strategie wichtige Informationen verschweigen. Über einen längeren Zeitraum hinweg führt eine Unter- bzw. Überforderung der Leistungsfähigkeit eines Teilnehmers zu Frustration. Wird er unterfordert, kann es zu Langeweile kommen, die sich in unproduktiven oder destruktiven Beschäftigungsspielen niederschlägt. Solch ein Verhalten mindert die Arbeitsleistung der gesamten Gruppe. Fühlt sich ein Mitglied überfordert, kann es aufgrund der mangelnden Leistung zu Ausgrenzungen oder Abwertungen durch die anderen Teilnehmer kommen. Wurde eine Auseinandersetzung sichtbar, wird der einzelne Teilnehmer, die Gruppe oder der Moderator irgendwann dazu gezwungen sein dies anzusprechen. Dafür ist ein faires und kompetentes Verhalten aller Seiten sehr hilfreich. Folgende Punkte sollten berücksichtigt werden: • • • • •
Kritik des Teilnehmers bzw. der Gruppe in Ruhe anhören. Die geäußerte Kritik nicht persönlich nehmen, sondern als Anregung sehen. Keine voreiligen Reaktionen durchführen. Erst nach Bedenkzeit reagieren. Gegenschlag verhindern. Dies führt nur zur Eskalation der Situation. Dem Teilnehmer mitteilen, was von ihm erwartet wird.
Dabei sollte man das Verhalten des Teilnehmers nicht nachlässig, beleidigend, ausfallend und unverschämt beurteilen, sondern das beobachtete Verhalten konkret beschreiben. Außerdem ist Kritik rechtzeitig und zum richtigen Zeitpunkt zu äußern. Wird die Kritik frühzeitig geäußert, besteht die Chance anhand einer konkreten Situation Verbesserungen zu erreichen. Die Arbeitsziele, sowie die Aufrechterhaltung der Beziehung zum Teilnehmer dürfen dabei nicht aus den Augen verloren werden. Aus diesem Grund ist ein Kompromiss zwischen den Beteiligten zu suchen.
8
8 Moderation
223
Kennzeichen einer lösungsorientierten Auseinandersetzung sind: • • • • • • •
Auf die erkannten Probleme wird eingegangen. Die betroffenen Teilnehmer werden einbezogen. Das Positive und die gemeinsam zu erreichenden Ziele werden betont. Bereits geklärte Probleme werden nicht nochmals zur Sprache gebracht. Das Interesse besteht darin, eine gemeinsame Lösung für die Gruppe zu finden. Kompromisse, Flexibilität und Zugeständnisse sind notwendig. Letztlich ist eine effektive Lösung zu erzielen.
8.3.3
Lösung der Auseinandersetzung
Eine Auseinandersetzung bewirkt beim Teilnehmer immer eine höhere Erregung. Nur wenn es gelingt die Erregung unter Kontrolle zu bekommen, besteht die Chance einer vernünftigen Auseinandersetzung. Dabei ist es hilfreich auf Warnsignale in der Gruppe zu achten und sich vom Teilnehmer nicht aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Vorwürfe sind zu überhören und zu übergehen und es ist zwischen dem eigenen Verhalten und dem des Teilnehmers zu unterscheiden. Auf Grund des Blickkontakts mit dem Teilnehmer muss eine Beziehung hergestellt werden. Sie ist die Voraussetzung für eine gemeinsame Lösung. Die Basis dafür ist jedoch das Vertrauen. Die Teilnehmer müssen sich dem Anderen öffnen und ihre Gefühle, Empfindungen und Vorstellungen nahe legen können. Realistische Vorschläge führen zur Lösung und zu einem Entgegenkommen des Teilnehmers. Während der Auseinandersetzung darf der Teilnehmer sich nicht hintergangen fühlen. Neben dem Vertrauen bedarf es zur Bewältigung der Auseinandersetzung einer offenen Kommunikation zwischen den Teilnehmern und dem Moderator. Dabei ist es hilfreich bei der Auseinandersetzung sorgfältig zuzuhören, ggf. nachzufragen und bisherige Ereignisse und Ergebnisse zusammenzufassen. Es ist sinnvoll den eigentlichen Inhalt der Auseinandersetzung aufzuarbeiten. Dies geschieht durch eine gemeinsame Problemlösung. Dafür gilt es, das übergeordnete Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Dem Teilnehmer ist immer wieder der Nutzen einer Einigung aufzuzeigen. Dabei ist nie das Risiko außer Acht zu lassen, dass es auch zu keiner Einigung kommen könnte. Damit das Vertrauen zwischen den Teilnehmern nicht unnötig beansprucht wird, muss der Moderator die Lösung absichern. Die zu Beginn der Moderation in einem "Teamvertrag" festgelegten Normen und Regeln helfen dabei. Sie sind der Versuchung entgegengerichtet, das Vertrauen der Teilnehmer zu missbrauchen oder sogar zu brechen. Es ist daher sinnvoll bereits kleinere Fortschritte als Erfolg zu verbuchen und sich nicht mit übereifrigen Entscheidungen zufrieden zu geben. Alle Beteiligten müssen über den eigenen Schatten springen können und getroffene Vereinbarungen sind klar und unmissverständlich zu formulieren. Auf der Beziehungsebene ist die Auseinandersetzung vordergründig beendet. Dadurch ist die Betroffenheit bei den Teilnehmern jedoch noch nicht verschwunden. Denn erst einmal muss die gefundene Lösung auch innerlich akzeptiert und integriert werden. Es ist nützlich das was möglich war zu lösen, von den eigenen Wünschen zu unterscheiden und nicht nachtragend zu reagieren. Auch bei einer Enttäuschung muss versucht werden, innerlich zu der gefundenen Lösung "Ja" sagen zu können.
8
224
8 Moderation
Visualisierungen Um mit einer Gruppe definierte Arbeitsergebnisse zu erzielen, werden bei der Moderation mehrere Techniken kombiniert. Visualisierung ist eine dieser Techniken. Sie macht ein Thema erkennbar und strukturierbar. Letztlich bleibt die Gestaltung jedem Moderator und der Gruppe selbst überlassen. Perfektion ist unnötig, Ziel- und Ergebnisorientierung ist notwendig. Die Konzentration und Aufmerksamkeit der Teilnehmer wird durch optische Ansprache erheblich gesteigert. Einfache Bilder wie Beschilderungen, Verkehrszeichen oder Werbegrafiken sind gut zur Weitergabe von Informationen geeignet. Sehen und hören - oder noch besser selber erarbeiten - tragen wesentlich zur besseren Informationsspeicherung bei (Abb. 8.3).
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Art der Informationsaufnahme
Abb. 8.3: Behalten und Vergessen
Visualisierung erleichtert das Verständnis bei allen Betrachtern. Missverständnissen wird so vorgebeugt; das Problem wird besser verstanden und kann konkreter behandelt werden. SChwierig zu erklärender Sachverhalte lassen sich besser vermitteln; Informationen sind leichter verständlich zu machen. Es kann besser zwischen wesentlichen und unwesentlichen Aussagen selektiert werden. Diskussionen werden auf den Punkt gebracht. Die Teilnehmer lassen sich leichter einbeziehen und werden zu Stellungnahmen ermuntert. Durch einen "roten Faden" werden optische Orientierungshilfen gegeben.
Gestaltung einer Visualisierung Um eine Visualisierung möglichst optimal zu gestalten, müssen folgende Fragen geklärt werden: • • •
Inhalt: Ziele: Zielgruppe:
Was will ich darstellen? Wozu soll die Darstellung dienen? Wen will ich informieren oder überzeugen?
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225
8 Moderation
Sobald der Teilnehmer zum ersten Mal mit einer Visualisierungseinheit (z.B. Plakat) konfrontiert wird, bildet er sich über den Moderator eine Meinun~: Bei der Beurteilung konzentrieren sich die Betrachter meistens auf die freundliche Gestaltung, Ubersichtlichkeit und Ordnung, Verständlichkeit und Erkennungszeichen der Visualisierung. Diese Gestaltungsmerkmale bewirken bei den Teilnehmern weit mehr als nur eine Beurteilung des Moderators. Es wird auch eine Vorbildwirkung erzeugt, die bei den Teilnehmern eine ähnliche Gestaltung ihrer Protokolle hinsichtlich Übersichtlichkeit und Ordnung hervorruft. Dieses Verhalten trägt zur Identifikation mit dem Gesamtergebnis bei und wirkt sich im weiteren Sinne auch auf die Arbeitsmotivation aus.
c::=J c::=J
I
1
I
Titel
I -I -I -I
Titel
I I
1
1
1
1
1
I 1
Titel
1
1
Abb. 8.4: Titel und Layout
8 Bei der Gestaltung ist die Bildmitte das Wichtigste, weil das Auge zuerst das Zentrum wahrnimmt. Überschriften und Themenangaben werden üblicherweise oben, in der Mitte oder linksbündig geschrieben (Abb. 8.4). Auf einem Plakat sollte nur ein Thema mit einem Sinneszusammenhang behandelt werden. Dabei sollten nach Möglichkeit ca. 7 Worte pro Zeile und ca. 7 Zeilen pro Plakat geschrieben, sowie 30% der Fläche freigelassen werden. Freie Flächen verhindern die Überladung der Visualisierungsmedien. Inhaltlich sind Kürze und Beschränkung von großem Nutzen. Die Information muss auf das Wesentliche reduziert und in kurzen Sätzen bzw. Stichworten zusammengefasst werden. Hilfe kann durch Symbole, Bilder und Zeichnungen für bestimmte Begriffe und Sachverhalte geschaffen werden.
Schrift Eine Schriftgröße von 2,5 cm ist aus einer Entfernung von 6 - 8 m noch lesbar. Diese Entfernung ist der übliche Abstand bei einer Gruppe von ca. 20 Personen. Für Überschriften und Betonungen empfiehlt sich dann eine Schrifthöhe von 5 cm. Das Schreiben auf Pinnwand, Flipchart und Tafel hinsichtlich einer geraden und für alle lesbaren Schrift erhöht die Akzeptanz des erarbeiteten Themas. Zur besseren Visualisierung wird mit voller Breitseite des Filzstiftes geschrieben. Beim SChreiben werden Groß- und Kleinbuchstaben verwendet. Zwischen den Wörtern und Sätzen wird mehr Abstand gelassen. Diese Schreibweise verbessert die Gliederung der Wörter und erleichtert die Wahrnehmung der Aussage.
226
8 Moderation
Farbeinsatz Farbe dient der Betonung, Verdeutlichung und Ordnung. Es ist sinnvoll Farben gezielt einzusetzen, z.B. Rot/Orange für Hinweise, Blau/Grün für den Hintergrund. Um etwas zu verdeutlichen sollten nicht mehr als drei Farben pro Einsatzfeld verwendet werden. Werden gleiche Sachverhalte mit einer Farbe dargestellt, ergeben sich automatisch Ordnungs- und Strukturierungsmerkmale. Farbwechsel erfolgen erst beim Themenwechsel. Innerhalb eines Themas wird mit Abstufungen einer Farbe gearbeitet. Die Lesbarkeit wird durch größere Farbkontraste gesteigert. Idealer Kontrast entsteht bei Schwarz auf hellem Hintergrund. Zur Betonung werden dunkle Farben für Wichtiges und helle Farben für weniger Wichtiges genommen.
• -
+ Besonderer Hinweis
Konfliktpfeil
Aufzählungssymbole
Gleichgewicht! Ungleichgewicht
Gefahr
Ampel
Abb. 8.5: Zeichen und Symbole
Zeichen und Symbole Optische Erkennungszeichen wie Symbole und Zeichen sind für Erklärungen oft besser geeignet als reine Beschreibungen. Sie dienen nicht nur der Obersichtlichkeit und Platzeinsparung, sondern regen auch das Denken der Teilnehmer an (Abb. 8.5). Bewegliche Visualisierungen sind drehbare Pfeile oder umsteckbare Fäden, die als Striche dienen, möglich. Solche Techniken ersparen bei einer Präsentation möglicher Variationen oder Kombinationen ein erneutes SChreiben und verhindern ein Durcheinander falls Striche hin und her gezogen werden. Ein Verlaufsprotokoll mit den wichtigsten Moderationspunkten kann auf einem separaten FlipchartBogen dargestellt werden. Alle Techniken der Hervorhebung, Verdeutlichung, Ordnung und Betonung wie z.B. Fettdruck, Unterstreichung, Unterlegung, besondere Schriftart, Einkreisen, Rahmung, Farbe und sonstige Moderationsmaterialien müssen sehr sparsam angewendet werden. Die Teilnehmer gewöhnen sich relativ schnell an die Präsentationsweise eines Moderators und können somit Informationen besser aufnehmen.
8
8 Moderation
8.4
227
Frage- und Antworttechniken in Gruppenprozessen
In Unternehmen und anderen Einrichtungen, in denen auf die Arbeit in Teams Wert gelegt wird, sind heute Gruppenprozesse nicht mehr wegzudenken. Um diese Prozesse gekonnt leiten zu können, ist ein entsprechendes Wissen des Moderators erforderlich. Dabei können verschiedenste Moderationstechniken als Instrument zum Lösen verschiedener Problemstellungen genutzt werden. Im Gruppenprozess wird diese Technik hauptsächlich in folgenden Bereichen eingesetzt: • • • •
erstellen einer Themenübersicht, sammeln von Problemen zu einem bestimmten Thema, erarbeiten von Lösungsansätzen, erfragen von Meinungen und Stimmungen.
Verschiedene Eigenschaften und die damit verbundenen Wirkungen machen die Frage zu einem stärkeren rhetorischen Werkzeug, als dies eine einfache Aussage je sein könnte. Wer fragt, der führtl Die Frage muss für alle verständlich gestellt sein. Sie ist so zu formulieren, dass sie dem Team eine gewisse Handlungsfreiheit einräumt. Die Fragestellung soll zu einer Selbststeuerung der Gruppe beitragen und die Teilnehmer zu einer aktiven Beteiligung ermuntern. Durch eine offene Fragestellung wird die Gruppe zum Mitdenken und Mitmachen sowie zur kreativen Ideenfindung angeregt. Ebenso wird durch die Frage das Bewusstsein für Problemstellungen geschärft. Neben dem Erfragen von Wissen, Fakten oder sonstigen Informationen wird die Frage- und Antworttechnik zum Herausfinden des Stimmungsbildes einer Gruppe genutzt. So ist es möglich, die Bedürfnisse, Meinungen und Befürchtungen der Gruppenmitglieder zu erfragen, eine negative Stimmung im Team rechtzeitig aufzufangen und darauf zu reagieren. Es ist für den Moderator unerlässlich, das Meinungs- und Stimmungsbild seiner Gruppe zu kennen. Nur dann kann er ein gutes Arbeitsklima aufrechterhalten und somit den Erfolg steuern.
Die Zuruffrage oder offene Beantwortung Die Zuruffrage ist eine Form des gemeinsamen Brainstormings. Durch direkte Zurufe aus der nicht zu großen Gruppe werden Ideen und Meinungen durch den Moderator auf einer Pinnwand visualisiert und im Anschluss gewichtet. Die Fragestellung muss einfach sein, d.h. sie darf kein aufwendiges Nachdenken verlangen. Bei einer Teilnehmerzahl von mehr als 6 Personen ist meist eine Befangenheit bemerkbar. Daher ist diese Technik hier nicht empfehlenswert. Handelt es sich um eine heikle Fragestellung, ist von dieser Technik Abstand zu nehmen. In diesem Fall sollte eine Methode eingesetzt werden, die eine gewisse Anonymität gewährleistet (z.B. die Kartenabfrage). Es hat sich folgender Ablauf bewährt: • • • • • • •
Die Frage wird klar formuliert und auf einer Pinnwand oder einem Flipchart visualisiert. Zur Anregung und KlarsteIlung nennt der Moderator einige Antwortbeispiele. Nun rufen alle Teilnehmer dem Moderator ihre Antworten und Ideen zu. Dieser notiert die Antworten für alle sichtbar stichwortartig, aber sinngemäß. Sind genügend Antworten gesammelt worden, erfolgt eine kurze Kontrolle der Antworten. Nun kann mit der Gruppe eine Zusammenfassung sowie Gewichtung der Ergebnisse erfolgen. Die aus dieser Aktion gewonnenen Kenntnisse werden als Entscheidungshilfen für das weitere Vorgehen eingesetzt.
Lange Zurufe und Antworten sind sinngemäß zusammenzufassen. Kritik, Diskussionen und Wertungen sind während der Zurufphase - besonders vom Moderator selbst - zu vermeiden. Eine vorbereitete Tabelle mit Zeilennummerierung, in die die Zurufe eingetragen werden, erleichtert später
8
228
8 Moderation
das Auffinden der zu diskutierenden Aspekte (Abb. 8.6). Zur Gewichtung kann auch eine MehrPunkt-Abfrage eingesetzt werden.
Datum:
1.
_
5.
2.
_
6.
_
_
3.--------
7. - - - - - - - - -
4.
8.
_
_
Abb. 8.6: Zuruffrage oder offene Beantwortung
Die Kartenabfrage Sie ist die wohl am meisten eingesetzte Methode der Frage- und Antworttechnik. Die Teilnehmerantworten werden auf Karten geschrieben, an einer Pinnwand visualisiert und im Anschluss gemeinsam bewertet. Diese Methode ist gut bei großen Gruppen (> 5 Teilnehmer) geeignet, da durch die Kartenabfrage jeder Teilnehmer Stellung beziehen kann. Weil eine gewisse Anonymität gewahrt wird können auch heikle Themen bearbeitet werden. So lassen sich persönliche Problemfelder in der Gruppe leichter herausfinden. Eine Gruppierung der Aussagen nach Oberbegriffen (Cluster) ist gut möglich. Der Ablauf und die Inhalte der einzelnen Phasen zur Kartenabfrage finden sich in Abbildung 8.7. Die Methode der Kartenabfrage bietet eine Reihe von Vorteilen. So wird eine Unterdrückung der weniger aktiven Teilnehmer ausgeschlossen. Bei heiklen Problemanalysen antworten die Teilnehmer offener. Dadurch machen viele die Erfahrung, dass oft auch andere in der Gruppe die gleichen Probleme oder Meinungen haben. Durch wechselseitige Offenheit steigt das Vertrauen innerhalb der Gruppe an.
8
229
8 Moderation
Phasen Vorbereitung
Inhalte
• •
Fragestellung
• •
Antworten
• • • •
Auswertung
• • • •
Der Einsatz von zwei Moderationswänden ist empfehlenswert. Genügend Karten und Schreibmaterial für die Teilnehmer.
Die Frage wird klar formuliert und auf der Pinnwand visualisiert. Die zur Verfügung stehende Zeit wird festgelegt und visualisiert.
Die Teilnehmer schreiben ihre Antworten groß und lesbar auf die Karten und nur eine Antwort pro Karte. Während dieser Phase ist Stille zu wahren, um die Konzentration der Gruppe nicht zu stören. Die Teilnehmer pinnen anschließend selbst die Karten an die Moderationswand und erläutern sie kurz. Bei Unklarheiten werden die Antworten notfalls ergänzt.
Eine Clusterbildung der Antworten führt zu intensiver Diskussion. Pro Cluster ist eine Überschrift zu bilden. Keine Karte verwerfen. Häufungen kennzeichnen. Mit jeder Karte wurde eine Absicht verbunden. Bei der Clusterbildung sind weitere Moderationswände l;!nd weitere Farbmarkierungen sinnvoll. Sie erhöhen die Ubersichtlichkeit.
Abb. 8.7: Ablauf der Kartenabfrage
Das Kleingruppen-Szenario Hier werden die Antworten auf verschiedene Fragestellungen in Kleingruppen erarbeitet. Diese Methode ist bei einer recht großen Teilnehmerzahl gut geeignet. Da mehrere Kleingruppen existieren, ist das Bearbeiten von mehreren Fragestellungen parallel bzw. gleichzeitig möglich. Eine gewisse Erfahrung des Moderators wird bei dieser Technik vorausgesetzt, da beim Führen einer großen Anzahl von Teilnehmern oft unerwartete Schwierigkeiten auftreten können. Hier ist souveränes Handeln und ein guter Überblick angebracht (Abb.8.8).
8
230
8 Moderation
Phasen Gruppenbildung erfolgt nach
Inhalte
• • •
Fragestellungen und Antworten
• • • • •
Auswertung
• • •
Zufallsprinzip (Auslosen, Abzählen oder der Sitzordnung entsprechend) Themeninteresse (Gruppen nach Teilnehmerinteresse zusammengesetzt) Funktion (Fähigkeiten der Teilnehmer werden berücksichtigt)
Jeder Gruppe wird die Fragestellung visualisiert und erläutert. Es erfolgt eine klare Arbeitsanweisung. Das methodische Vorgehen gibt der Moderator jeder Gruppe mit. Dies ermöglicht den Teilnehmern den direkten Einstieg in eine inhaltliche Diskussion. Jede Gruppe wird dazu angehalten, nach einem vorgegebenen Schema die Ergebnisse zu visualisieren. Die zur Verfügung stehende Zeit wird visualisiert. Jede Kleingruppe präsentiert die erarbeiteten Ergebnisse vor allen Teilnehmern. Der Moderator fasst alle Ergebnisse kurz zusammen und leitet die anschließende Gesamtdiskussion. Die erarbeiteten Ergebnisse zeigen das weitere Vorgehen auf, z.B. die Weiterbearbeitung von neu entstandenen Frage- und Problemstellungen.
Abb. 8.8: Ablauf des Kleingruppenszenarios
Um die Meinungen und Stimmungen der Teilnehmer einschätzen zu können, gibt es verschiedene Hilfsmittel. Spannungen in der Gruppe können durch falsche Vermutungen oder das Aufdrängen von Meinungen durch den Moderator, durch schlechte Stimmung des Einzelnen oder eine unbefriedigende Kommunikationssituation entstehen. Durch den Einsatz von Transparenzfragen werden für den Moderator und die Teilnehmer Probleme und Spannungen in einer Gruppe sichtbar. Als Möglichkeiten eignen sich die: • •
Ein-Punkt-Abfrage, Mehr-Punkt-Abfrage.
Die Ein-Punkt-Abfrage Durch die Abgabe der Meinungen aller Teilnehmer können die Stimmung und das Meinungsbild auf einer Skala recht gut abgeschätzt werden. Die Ein-Punkt-Abfrage eignet sich gut zum Einstieg in eine Gruppensitzung (Abb. 8.9). Sie ermöglicht es dem Moderator sich besser auf die Gruppe einzustellen. Diese Technik kann zudem vorbeugend zur Gewichtung eines Problems angewendet werden. Am Schluss einer Sitzung ist es möglich sie zur Betonung der Gemeinschaft zu verwenden.
8
231
8 Moderation
Ihre
1. Tag zu Beginn
© © ®
• • • • • •
Stimmung
• • • •
1. Tag abends
•
•
••
• •••
•
2. Tag abends
3. Tag Verabschiedung
• • • • • • • • • • •• ••• •• •• •
•
Abb. 8.9: Stimmungs-Visualisierung durch die Ein-Punkt-Abfrage [Böning, 1994]
Die Ein-Punkt-Abfrage lässt sich in jeder Phase als Barometer einsetzen. Das Ergebnis wird zusammengefasst, visualisiert und dient als Entscheidungshilfe für das weitere Vorgehen. Nachteilig ist, dass der Handlungsspielraum der Teilnehmer stark eingeschränkt ist, da jedem nur eine Antwortmöglichkeit zur Verfügung steht.
Die Mehr-Punkt-Abfrage Die Mehr-Punkt-Abfrage ist der Ein-Punkt-Abfrage recht ähnlich. Die Teilnehmer haben bei dieser Methode jedoch die Möglichkeit, durch mehrere Stimmabgaben oder einen vorgegebenen Wertebereich eine persönliche Gewichtung abzugeben. Sie eignet sich zum Herausarbeiten von Prioritäten, Reihenfolgen, etc. Der Einsatz erfolgt nach dem Erstellen einer Themenübersicht (Abb. 8.10). Jeder Teilnehmer sollte maximal halb so viele Punkte erhalten wie Aspekte bzw. Gewichtungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
8.5
Moderationstechniken
Die Bewältigung komplexer AufgabensteIlungen sollte sich nicht nur als technischer sondern auch als wirtschaftlicher Vorteil niederschlagen. Dazu werden die Bereiche: • •
Person und Prozess, Produkt und Umfeld
betrachtet (Abb. 8.11). Für kreative Problemlösungsprozesse sind folgende Merkmale der Persönlichkeit interessant: • • • •
Neugierde und Interesse an unbekannten Gebieten, Eigenständigkeit im Verhalten, Freude an Wortspielereien, lösungsorientierter Umgang mit Auseinandersetzungen und Konflikten.
8
232
8 Moderation
Datum:
_
Glorl€) I Präsentationstechniken I Zeitmanagement I Projektmanagement I Moderationen I ZIelvereinbarungen I Mitarbeitergespräche I Mitarbeiterbeurteilungen I I Personalentwicklung I I KonflIktmanagement I I Teamentwicklung I
•
• •• •• •••• •••• ••• ••• •••• ••• •• •••• •• ••• ••
1
6
1
6
2
5
2
5
4
4
7
1
7
1
5
3
6
2
5
3
Abb. 8.10: Mehr-Punkt-Abfrage Um das Potenzial einer Gruppe auszuschöpfen, sind einige Spielregeln einzuhalten: • • • •
Die Quantität der Ideen steht vor der Qualität. Für die Ideensuche ist genug Zeit einzuräumen. Eine Kritik an den geäußerten Vorstellungen ist nicht erlaubt. Die Bewertungsphase der Ideen ist strikt von der Suchphase zu trennen.
B
233
8 Moderation
Produkt • • • • •
Gegenstand Werk Idee Innovation Erfindung
Person • • • •
Fähigkeiten Charaktereigenschaften Motivationen Einstellungen
Prozess • Wahrnehmung des Problems • Lösungsmöglichkeiten • Bewertungen • Maßnahmen • Realisierung
Umfeld • soziale Gruppe • Unternehmen • physische Umwelt
Abb. 8.11: Die 4 Bereiche der Kreativität
8.5.1
Brainstorming
Die Brainstorming-Methode lässt sich auf zwei Grundprinzipien zurückführen: • •
Quantität führt zu Qualität, Bewertungsaufschub der Ideen.
Dazu lässt sich der gesamte Problemlösungsprozess in vier Phasen unterteilen (Abb. 8.12). Um einen optimalen Problemlösungsprozess zu erhalten, ist eine strikte Trennung dieser vier Phasen notwendig. Das Ziel des Brainstormings ist es, so viele Ideen oder Lösungsmöglichkeiten wie möglich zu einem vorgegebenen Thema zu entwickeln. Dies geschieht durch spontane Ideenäußerungen. Es sollte frei von Zwängen geschehen. Deswegen geht man nach bestimmten Verhaltensweisen vor, die Barrieren verringern und kreatives Verhalten unterstützen sollen. Die Vorgehensweise und die Regeln für das Brainstorming sind so weit verbreitet, dass sie als allgemeine Regeln in vielen Bereichen zu finden sind und ihre ursprüngliche Herkunft nicht mehr zu erkennen ist.
Regeln für das Brainstorming • • • • • • •
Jede Idee, egal ob unrealistisch oder korrekt, ist erwünscht. Die Menge der Vorschläge ist entscheidend, nicht die Qualität. Eine Ideenbewertung, also Kritik, Kommentare oder Korrekturen sind nicht erlaubt. Die Ideen der anderen Teilnehmer dürfen aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Jeder Teilnehmer lässt sein spezifisches Wissen einfließen. Vorschläge der Teilnehmer dürfen nicht reglementiert werden. Es wird sich mehr am Problem als an der Lösung orientiert.
8
234
8 Moderation
1. Problembeschreibung
und Situationsanalyse
1 2. Entwickeln von
Lösungsvorschlägen
1 3. Bewertung und Entscheidung
1
4. Auswahl von
Maßnahmen und Realisierung
Abb. 8.12: Ablauf eines Brainstormings
Der Moderator der Sitzung hat folgende Aufgaben: • • • • • •
Er führt in das Thema ein. Er achtet auf die Einhaltung der Brainstorming-Regeln. Er aktiviert stille Teilnehmer. Durch Nachfragen hält er den Ideenfluss aufrecht. Er achtet darauf, dass sich die Gruppe nicht vom gestellten Thema entfernt. Er bestimmt das Ende der Brainstorming-Sitzung.
Es ist ein Protokollführer zu benennen, der das Wesentliche der Sitzung festhält. Er arbeitet nicht kreativ mit. Das Protokoll kann auf Papier, Pinnwand, Tafel oder ein Flipchart geschrieben werden. Kurz vor Ende des Brainstormings werden die Stichworte noch einmal durchgelesen und Unklarheiten beseitigt. Die Teilnehmer sollten dabei auch noch nachträglich Ideen nennen können. Es ist nicht zu erwarten, dass das Brainstorming fertige Lösungen liefert. Es liefert nur Rohmaterial, das aufbereitet werden muss. Dies geschieht, indem das gesammelte Material strukturiert und bewertet wird. Jetzt ist auch Kritik erlaubt und sogar notwendig. Als Abschluss der Auswertung wird eine Liste mit Vorschlägen für die weitere Vorgehensweise erstellt. In Abbildung 8.13 sind einige Vor- und Nachteile des Brainstormings zusammengestellt.
8
235
8 Moderation
Vorteile
• • • •
einfache Vorbereitung viele Ideen in kurzer Zeit gute gegenseitige Anregung gute Gelegenheit Ideen zu äußern
Nachteile
• • •
evtl. aufwendige Nachbearbeitung bei abstrakter Darstellung wenig optische Anreize bzgl. der Zwischenergebnisse "verrückte", ungewöhnliche Ideen werden von zurückhaltenden Menschen nicht so schnell geäußert
Abb. 8.13: Vor- und Nachteile des Brainstormings Neben den Vor- und Nachteilen gibt es eine Reihe formaler Probleme: • • • •
Die Anzahl der Personen in einer Brainstorming-Gruppe ist begrenzt. Es ist schwer zu verhindern, dass sich einige Teilnehmer selbst darstellen. Die Teilnehmer, die ihre Vorstellungen besser und schneller äußern, werden bevorzugt. Kritik ist zwar verboten, aber die nonverbale Kritik ist schwer zu unterbinden.
In der Praxis wird aus dem Brainstorming oft eine freie Diskussion. Um dies zu vermeiden, ist die Kartenabfrage als Frage- und Antworttechnik besser geeignet.
8.5.2
Die Methode 6-3-5
Die 6-3-5-Methode (Brainwriting-Methode) ist ein Verwandter des Brainstormings. Hier sollen die Teilnehmer ebenfalls ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Wie beim Brainstorming werden die Ideen niedergeschrieben, gesammelt und danach ausgewertet. Die Zahlen 6-3-5 bedeuten: 6:
Es sollten sich höchstens 6 Teilnehmer in der Gruppe befinden.
3:
Jeder Teilnehmer schreibt pro Runde 3 Ideen auf das vorgefertigte Formular.
5:
Pro Runde sollten nicht mehr als 5 Minuten zur Ideenfindung vergehen.
Insgesamt werden 6 Runden durchlaufen (Abb. 8.14). Zuerst wird die Problemstellung, die vor Beginn der Sitzung allen Teilnehmern erklärt wurde, in das obere Feld des Formulars eingetragen. Ebenfalls können die Namen der Teilnehmer eingetragen werden. Im ersten Durchgang schreibt jeder Teilnehmer seine drei Ideen zur Problemlösung in seiner Zeile nieder. Dies sollte innerhalb von 5 Minuten geschehen. Sobald jeder Teilnehmer seine drei Ideen niedergeschrieben hat werden die Blätter entgegen dem Uhrzeigersinn weitergegeben.
8
236
8 Moderation
6-3-5 Formular Datum:
Problemstellung:
Teilnehmer:
1.
2. 3. 4. 5. 6.
Teilnehmer
1. TN
2. TN
3. TN
4. TN
5. TN
6. TN
1. Runde 2. Runde 3. Runde 4. Runde 5. Runde 6. Runde 1. Runde 2. Runde 3. Runde 4. Runde 5. Runde 6. Runde 1. Runde 2. Runde 3. Runde 4. Runde 5. Runde 6. Runde 1. Runde 2. Runde 3. Runde 4. Runde 5. Runde 6. Runde 1. Runde 2. Runde 3. Runde 4. Runde 5. Runde 6. Runde 1. Runde 2. Runde 3. Runde 4. Runde 5. Runde 6. Runde
Abb. 8.14: 6-3-5 Formular
1. Idee
2. Idee
3. Idee
8
237
8 Moderation
Jeder Teilnehmer erhält somit ein Blatt auf dem die Ideen seines Vorgängers stehen. Der Teilnehmer kann sich die Ideen des Vorgängers ansehen, sich von ihnen inspirieren lassen, weiterentwickeln und neue Ideen dazuschreiben. Dieser Vorgang wird sechsmal wiederholt, bis jeder Teilnehmer 6 x 3 = 18 Ideen niedergeschrieben hat (Abb. 8.15).
Formulierung des Problems
Bestimmen der 6 Teilnehmer
Jeder Teilnehmer notiert 3 Ideen
Weitergabe des Formulars an den nächsten Teilnehmer
Weiterarbeiten an den Ideen
8
nein
Analyse der Ideen
Aktivitätenplan
Abb. 8.15: Ablaufdiagramm der 6-3-5-Methode
Bei 6 Teilnehmern ergibt dies insgesamt 108 Ideen in 30 Minuten. Aus diesen 108 Ideen werden die besten herausgesucht. Jeder Teilnehmer wählt aus jedem Formblatt eine bestimmte Anzahl von Favoriten aus. Aufgrund der Mehrfachnennungen lassen sich schnell die besten Ideen identifizieren. Bei dieser Methode müssen nicht zwingend 6 Teilnehmer anwesend sein. Befinden sich in einem bestimmten Projekt nur 4 Teilnehmer kann die Methode ohne Bedenken in die 4-3-5Methode abgeändert werden.
238
8.5.3
8 Moderation
Synektik-Methode
Bei der Synektik-Methode entstehen die Ideen aus den originellen Verknüpfungen von Objekten, Begriffen und Produkten. Sie basiert auf den Prinzipien, dass Fremde vertraut machen und das Vertraute fremd machen.
1. Problembeschreibung
und Situationsanalyse
1 2. Brainstorming und erste Lösungsvorschläge
1
3. Verfremdung des Problems und Analogiebildung
1
4. Zweites Brainstorming
1 5. Analyse und
Lösungsfindung
Abb. 8.16: Ablauf einer Synektik-Sitzung
Um das zu erreichen wird die Technik der Analogiebildung herangezogen. Hier werden bestimmte Eigenschaften oder Merkmale auf andere Sachverhalte, Personen oder Produkte übertragen. Beispiele sind: • • • •
technische Probleme werden mit Beispielen aus der Natur verglichen, Personen nehmen die Funktion eines Objektes wahr, verfremdete Analogien aus Substantiv und Adjektiv (z.B. große Kleinigkeit), Bruch der Realität mit der Phantasie (z.B. Wasser fließt bergauf).
Eine Synektik-Sitzung läuft in den in Abbildung 8.16 dargestellten Phasen ab. Die SynektikMethode hat viel Ähnlichkeit mit dem Brainstorming. Ein zusätzlicher Vorteil liegt im Verfremdungsansatz durch Analogiebildung, die zu außergewöhnlichen Ideen und Lösungen führen kann.
8
239
8 Moderation
8.5.4
Mind Mapping
Das menschliche Gehirn unterscheidet sich sehr stark von einem Computer. Während ein Computer auf eine lineare Art und Weise arbeitet, arbeitet das Gehirn sowohl verbindend (assoziierend) als auch linear. Es vergleicht, integriert und erstellt. Assoziation spielt in fast jeder mentalen Funktion eine dominante Rolle.
Checklisten
8
Abb. 8.17: Mind Mapping Jedes einzelne Wort und jede einzelne Idee hat zahlreiche Verbindungen die es mit anderen Ideen und Konzepten verknüpft. Mind Mapping (Abb. 8.17) ist eine sehr einfache Methode Notizen zu machen, auswendig zu lernen, zu planen und das Thema eines Textes zu organisieren. Mind Maps sind Werkzeuge, die einem helfen zu denken, zu strukturieren und zu lernen. Mind Maps helfen Informationen zu organisieren. Wegen der großen Anzahl von Assoziationen, die darin vorhanden sind, können sie sehr kreativ sein.
BMooemoon
~o
8.5.5
Ishikawa-Diagramm
Das Ishikawa- oder Ursache-Wirkungs-Diagramm ist eines der sieben Qualitätswerkzeuge. Mit einfachen Mitteln können häufig Potenziale identifiziert werden. In einer ersten BrainstormingSitzung ermittelt das Team das Hauptthema und zeichnet dies als langen Grundpfeil horizontal von links nach rechts auf. Die Pfeilrichtung zeigt dabei auf das Thema, dessen Ursachen analysiert werden sollen. Sollte die zu analysierende Wirkung zu komplex sein, so ist das Thema in sinnvolle Teilobjekte zu unterteilen. Seine Struktur erhält das Ishikawa-Diagramm durch Festlegung der Ursachenkategorien Mensch, Maschine, Methode und Material (Abb. 8.18). Diese Hauptursachen werden als "Gräten" in das Ishikawa-Diagramm eingezeichnet. Es ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben diese 4 M's einzusetzen. Je nach Problemstellung können weitere Kategorien Messung, Mitwelt (Umwelt) und Management eingeführt werden (7 M's).
Ursache
~ ~ I
~~
I ~I I I I I I I I I I
Wirkung
•
:~
I I I I I I I
Abb. 8.18: Die 4M-Einflussgrößen
Die einzelnen Kategorien enthalten u.a.: •
Mensch:
•
Maschine:
•
Methode:
•
Material:
•
Messung:
Alle am Problem beteiligten Personen, die auf Grund fehlender Erfahrungen, Fähigkeiten, Kenntnisse, persönlichem Verhalten und Einstellung zur Arbeit als Ursache in Frage kommen. Einrichtungen, Arbeitsplatzgestaltung, Anlagen, Werkzeuge und sonstige Hilfs- und Betriebsmittel. Alle Ursachen, die durch intern vorgegebene Arbeitsabläufe, Prozesse, Organisationsstrukturen, Anweisungen, Kontroll- und Genehmigungsverfahren entstanden sein könnten. Alle durch die eingesetzten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe auftretenden Mängel. Durch Fehler bei den verwendeten Mess- und Erfassungsmethoden entstandene Probleme.
8
8 Moderation
•
Mitwelt (Umwelt):
•
Management:
241
Alle durch externe Einflüsse wie Kundenverhalten, gesetzliche Vorschriften, Konkurrenzsituation, Arbeitsmarktsituation vorhandenen Ursachen. Alle Ursachen, die durch Unternehmensprinzipien oder strategische/operative Entscheidungen des Managements entstanden sein könnten.
Im nächsten Schritt werden zu jeder Hauptursachenkategorie die Einzelursachen und deren Nebenursachen gesucht. Bei der strukturierten Vorgehensweise werden nacheinander die 4 M's analysiert, d.h. man beginnt z.B. mit der Hauptursache Mensch und ermittelt alle dazugehörigen Einzel- und Nebenursachen. In der Brainstorming-Variante werden unstrukturiert und ohne Einschränkung mögliche Ursachen ermittelt. Dies ist vorteilhaft, um eine breite Basis an möglichen Ideen zu schaffen. Erst nachdem keine weiteren möglichen Ursachen gefunden werden können, sollte mit der strukturierten Vorgehensweise fortgefahren werden. Bei der Ursachenanalyse ist es wichtig sorgfältig und vollständig vorzugehen. Zur konkreten Ursachenfindung ist der Einsatz verschiedener Fragetechniken nach der 6-W-Methode mit • • • • • •
Was? Wann? Wo? Warum? Wer? Wie?
sinnvoll. Die ermittelten Ursachen werden dem Ursache-Wirkungs-Diagramm an der entsprechenden Stelle hinzugefügt (Abb. 8.19). Die zweite Vorgehensweise, die insbesondere bei der tieferen Ursachenfindung hilfreich ist, ist die Methode der ,,5 Warums". Bei dieser Technik nimmt man an, dass man im Durchschnitt fünfmal "Warum?" fragen muss, um die "Wurzel" eines Problems konkret zu ermitteln. Die gefundenen Ursachen erscheinen im Ishikawa-Diagramm als horizontale kleinere Gräten (Einzelursachen) an den Hauptgräten. Diese können genauer in noch kleineren Gräten (Nebenursachen) beschrieben werden. Der Schritt ist abgeschlossen, wenn alle Ursachen und Einflussfaktoren gefunden sind, die das Ermitteln und Formulieren von Korrektur- und Verbesserungsmaßnahmen ermöglichen. Es ist jedoch zu beachten, dass an dieser Stelle lediglich Ursachen ermittelt und nicht schon Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die identifizierten Ursachen müssen im nächsten Schritt analysiert werden, um die wahrscheinlichsten Ursachen zu ermitteln. Diese Ursachen werden im Diagramm visuell hervorgehoben, wobei eine Kennzeichnung nach Wichtigkeit und Bedeutung durch vorher festgelegte Symbole bzw. Farben erfolgt. Bei der Überprüfung der Ursachen werden die als am wahrscheinlichsten angenommenen Ursachen auf ihre Richtigkeit Überprüft. Hat eine Ursache nicht den erwarteten Einfluss, wird die nächste, wahrscheinlichste Ursache analysiert. Dieser Prozess sollte so lange fortgesetzt werden, bis im Projektteam eine Übereinstimmung über die zentralen Einzelursachen gefunden wurde. Aus den einzelnen Ursachen werden einzelne Maßnahmen mit ihren Vor- und Nachteilen bewertet. Zusätzlich werden auch die Qualität, die Kosten und die Einführungsdauer jeder Maßnahme ermittelt und mit in die Bewertung einbezogen.
8
242
8 Moderation
Ursache
1-\ 1-\
.I ""I
I
Wirkung ~
I
I---------------------r-:~ Einzelursache
I.'~~ I-~
II !
Abb. 8.19: Einzel- und Nebenursachen
Die Anwendung eines Liniendiagramms zur Visualisierung der Ergebnisse empfiehlt sich besonders bei der Analyse komplexer Aufgaben (Abb. 8.20). Die Vorteile eines Liniendiagramms liegen insbesondere in der lIbersichtlichkeit. Durch die baumartige Struktur lässt es sich leicht von der Hauptursache zu den dazugehörigen Nebenursachen wechseln. Bei dieser Form der Visualisierung kommt es nicht zu Platzproblemen, da das Ishikawa-Diagramm problemlos nach unten wachsen kann. Mit Hilfe eines Ishikawa-Diagramms können alle Ursachen systematisch und detailliert erfasst werden. Ein weiterer Vorteil besteht in der universellen Verwendbarkeit, insbesondere zur Optimierung von Prozessen, Verfahren und Tätigkeiten. So ist es z.B. auch möglich, alltägliche Probleme mit diesem Verfahren zu analysieren und zu optimieren. Durch die anschauliche und vollständige Visualisierung aller denkbaren Einflussgrößen wird die Beschränkung auf nur wenige Ursachen vermieden. Durch die Gewichtung der Ursachen wird deutlich, wo eine schnelle und Erfolg versprechende Einflussnahme möglich ist. Neben den Vorteilen gibt es jedoch einige Nachteile, die bei der Anwendung zu beachten sind. Ein Nachteil des Ursache-Wirkungs-Diagramms ist die hohe Komplexität der Diagramme. Weiterhin gehen Wechselwirkungen zwischen einzelnen Ursachen verloren bzw. werden nicht erfasst, da immer nur einseitige Abhängigkeiten zur Wirkung hin betrachtet werden. Auch die zeitliche Abfolge von möglichen Ursachen ist nicht darstellbar. Zusätzlich ist der zeitliche Aufwand insbesondere bei der lIberprüfung der möglichen Ursachen hoch, da ein Abstimmungsprozess im Team nötig ist, um einen Konsens über die zentralen Einzelursachen zu erreichen.
8
243
8 Moderation
I
PoI8rIIIm
I
H
Methode
I
H
Messung
I
H
Mater1a1
I
H
Mensch
I
H
Mitwelt
I
H
Management
I
Maschine
I
~
EInzeiursache
L
I
Nebenursache
Abb. 8.20: Liniendiagramm
8.6
Ablauf einer Moderation
Jede Moderation verläuft nach einem bestimmten Ablauf. Während in den bisherigen Abschnitten einige Moderationsinstrumente und Kreativitätstechniken beschrieben wurden, werden in den folgenden Abschnitten die einzelnen Moderationsphasen: • • • • • •
Vorbereitung, Einstieg, Orientierung, Arbeitsphase, Abschluss und Abschied, Folgeaktivitäten und Nachbereitung
erläutert.
8.6.1
Vorbereitung
Eine gut vorbereitete Moderation ist ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg. Ziel der Vorbereitung muss es daher sein, sich folgenden Überblick zu verschaffen: • • • • • •
Ziel: Inhalt: Ablauf: Gruppe: OrtfTermin: Medien/Materialien:
Was ist das Ziel der Moderation? Welches Thema wird bearbeitet? Wie lässt sich die Durchführung gestalten? Wer arbeitet mit; wer wird benötigt? Wo und wann findet die Veranstaltung statt? Welche Medien und Materialien werden benötigt?
8
244
8 Moderation
Zusammen mit dem Auftraggeber werden die Ziele und der Inhalt der Moderation in einer Arbeitssitzung festgelegt. Der Moderator erfährt welche Erwartungen an ihn gestellt werden. Diese Vorfeld-Informationen sind notwendig, um das Thema und damit den Ablauf der Moderation strukturieren zu können. Eine erste Trennung der sachlichen Aspekte und der Beziehungsaspekte ist möglich. Für den Moderator lässt sich hier ein erster Eindruck zu der Frage: "Sind Auseinandersetzungen auf der Beziehungsebene zu erwarten?" gewinnen. Anhand der Diskussionen über Ziele, Inhalte und Thema der Moderation ergeben sich auch Hinweise auf die Teilnehmer. Wer ist Betroffener? Wer kann weiteres Fachwissen beisteuern? Wer muss entscheiden? Mit einer gut zusammengesetzten Gruppe lässt es sich viel einfacher arbeiten, als mit einem bunt zusammen gewürfelten Haufen. Informationen über die einzelnen Teilnehmer ermöglichen eine Einstimmung auf die Gruppe. Eine Hinterfragung der Hierarchieverhältnisse soll verhindern, dass nur eine Ja-Sager-Veranstaltung entsteht. Eine gut gestaltete Einladung informiert alle Teilnehmer rechtzeitig über Thema, Ort und Dauer der Veranstaltung. Alle Beteiligten können sich so auf die Moderationssitzung vorbereiten.
8.6.2
Einstieg
Ziel dieser Phase ist das gegenseitige Kennenlernen der Teilnehmer. Die Eigenheit des Menschen Abstand zu halten, muss in dieser Phase überwunden werden. Wenn die Teilnehmer innerlich auf Distanz bleiben kann sich keine gute Arbeitsatmosphäre entwickeln und die besten Ansätze und Ideen können eventuell im Verborgenen bleiben. Die kürzeste, einfachste und ineffektivste Form ist eine Vorstellungsrunde mit Name, Arbeitsbereich und Grund des Mitarbeitens. Effektiv wurde dadurch eine Menge Zeit gespart und "man kann direkt zur Sache kommen". Hier bewegt sich die Gruppe jedoch sehr an der Oberfläche und diese Variante ist nicht besonders auflockernd. Die Teilnehmer verbleiben in einem gewissen Grad der Steifheit und inneren Unsicherheit. Um dem Kennenlernen genug Gewichtung zu geben, empfiehlt es sich hier eine kleine Vorstellungsaktivität durchzuführen. Damit lässt sich die Gruppe gleich zu Beginn näher zusammenbringen. Es gibt mehrere Arten solch eine Aufwärmphase zu gestalten. Der Gruppenspiegel ist eine der schnellsten und einfachsten Methoden zum Kennenlernen. Sie ist angebracht, wenn sich die Teilnehmer nicht besonders gut kennen müssen. Einmal ausgefüllt kann der Gruppenspiegel sichtbar für alle aufgehängt werden (Abb. 8.21). Letztlich ist er eine Teilnehmerliste mit einigen zusätzlichen Informationen, die je nach Wunsch der Teilnehmer oder Vorstellungen des Moderators beliebig ergänzt werden können. Um ein besseres Kennen lernen als beim Gruppenspiegel zu gewährleisten, kann der Moderator zur Selbstpräsentation in Form eines Steckbriefes greifen (Abb. 8.22). Er gibt einige Fragen vor, die jeder Teilnehmer auf einem Flipchart beantworten kann. Wie diese Antworten aussehen bleibt ganz den einzelnen Personen überlassen. Die Antworten können sowohl schriftlich als auch in Form von Bildern dokumentiert werden. Jeder Teilnehmer präsentiert sein persönliches Flipchart. So bekommt jeder Teilnehmer schon zu Beginn ein ganz prägnantes Bild der anderen Gruppenmitglieder. Ein weiterer Vorteil dieser Vorstellungsrunde ist die Tatsache, dass die Teilnehmer frühzeitig beginnen, vor der Gruppe zu sprechen und damit aktiv werden. Neben den auf dem Steckbrief vorhandenen Aussagen sind weitere ergänzende Fragen möglich.
8
245
8 Moderation
Gruppenspiegel
Name
Abteilungl Firma
Datum:
Kenntnisse
_
Erwartungen
Abb. 8.21: Gruppenspiegel Die lockerste Atmosphäre kommt bei der wechselseitigen Vorstellung der Teilnehmer auf. Hier liegt es im Ermessen des Moderators, ob er die Fragen vorher festlegt oder den Teilnehmern diesbezüglich völlige Freiheit lässt. Die Gruppe wird in 2er-Teams aufgeteilt, die sich dann gegenseitig interviewen. Nach dem Interview fertigt jeder Teilnehmer einen Steckbrief der anderen Person an und stellt diese vor (Abb. 8.23). Dies ist zwar aufwändig, begünstigt das Arbeitsklima aber auf eine sehr positive Weise, da diese Art des Vorstellens eine hohe Aufmerksamkeit und Einstellung auf den Gesprächspartner verlangt. Nachdem sich die Teilnehmer untereinander kennen gelernt haben, muss der Moderator die Gruppe auf den rechten Weg bringen. Dies kann er mit einer Stimmungsabfrage tun. Hier geht es z.B. um folgende Fragestellungen: • • • • •
Wie weit kann die Gruppe die gesteckten Ziele erreichen? Wie ist Ihre Stimmung heute Morgen? Wie sehr sind Sie in der Arbeit vom Thema betroffen? Welchen Nutzen erwarten Sie sich von dieser Veranstaltung? Wie zufrieden sind Sie mit der Organisation/Unterbringung?
8
246
8 Moderation
G
Datum:
.-
Funktion/ Abteilung! Firma
B
.-
- -
(
(
~
Wichtige Stationen in meinem Leben
Erwartungen an diese Veranstaltung
~
~
Erwartungen
Was ich sonst
an die
ZUsammenarbeit
noch sagen
)
möchte
./'-
Abb. 8.22: Steckbrief
Datum:
_
Erwartungen an
cle Teilnehmer
Vorstellungen zw Veranstaltung
Abb. 8.23: Interview
~ ~
8
247
8 Moderation
Anschaulich darstellen lassen sich solche Abfragen mit Klebepunkt-Voten, bei denen an einer vorbereiteten Tafel jeder Teilnehmer einen Klebepunkt an die für ihn wichtige Stelle klebt (Abb. 8.24). Dies kann über den gesamten Moderationsverlauf weitergeführt werden, so dass Fortschritte oder auch Rückschritte sehr gut nachvollziehbar sind.
vollständig
© © ®
++ + 0
gar nicht
Welchen Nutzen erwarten Sie sich von dieser Veranstaltung?
8
1.
++
+ 0-+-------
2.
_
_
3.
4.
_
_
5. 6. 7.
Abb. 8.24: Stimmungs- und Erwartungsabfrage
_ _ _
248
8.6.3
8 Moderation
Orientierung
In diesem Abschnitt wird der Teilnehmer über Ziel, Inhalt und Ablauf der Veranstaltung informiert. Je nach Kenntnisstand der Gruppe und dem Grad der Aufgabenstrukturierung verläuft die Orientierung und Situationsklärung unterschiedlich. Sind der Kenntnisstand der Teilnehmer und der Grad der Aufgabenstrukturierung hoch, lässt sich bereits im Vorfeld eine gut strukturierte Ablaufplanung erstellen. Diese ist mit den Teilnehmern zu diskutieren, eventuell anzupassen und für die weitere Arbeit gemeinsam zu verabschieden. Ergibt sich aus der Vorbereitung, dass die Aufgabe hoch strukturiert, der Kenntnisstand dagegen niedrig ist, lässt sich das Thema durch ein Referat oder eine Präsentation beleuchten. Bei einer hohen Aufgabenstrukturierung ist es normalerweise einfacher das Moderationsziel im Auge zu behalten. Bei niedrig strukturierten Themen kann dies schwieriger sein, da die Teilnehmer zusätzliche (Rand-)Themen bearbeiten wollen. Hier hängt es von der Führungskompetenz des Moderators ab, dass die Gruppe im Zielkorridor bleibt. Deshalb muss er hier Spielräume aufzeigen und Grenzen setzen. Offenheit und Transparenz sind für diesen Vorgang oberstes Gebot. Sind die Teilnehmerkenntnisse hoch, der Grad der Aufgabenstrukturierung dagegen niedrig, so eignen sich Kartenabfragen, Clusterbildung und Punktebewertungen zur Priorisierung. Alle Clusterbegriffe werden in einem Themenspeicher eingetragen (Abb. 8.25). Somit ist für die Gruppe sichergestellt, dass kein Thema vergessen wird und die Abarbeitung entsprechend den festgelegten Prioritäten erfolgt.
...... Themenspeicher
Datum:
~
Thema
Abb. 8.25: Themenspeicher
Punkteabfrage
Priorität
8
249
8 Moderation
Den höchsten Aufwand für Orientierung und Situationsklärung enthält der vierte Fall. Kenntnisstand der Teilnehmer und Grad der Aufgabenstrukturierung sind niedrig. Vielleicht ist sogar das Ziel nicht bekannt und muss erst erarbeitet werden. Hier können alle Moderations- und Kreativitätstechniken zum Einsatz kommen. Im Idealfall ergeben sich Ziele, Aufgabenstrukturierung und Priorisierung. Mit abnehmendem Strukturierungsgrad der Aufgabe und Kenntnisstand der Teilnehmer steigen die Anforderungen an die Führungsfähigkeit des Moderators.
8.6.4
Arbeitsphase
Nach der Orientierung liegt ein strukturierter Themenspeicher vor. Die einzelnen Themen werden über eine Punkteabfrage priorisiert. Es kann jedoch ebenfalls ein auf andere Art und Weise vereinbartes Arbeitsprogramm vorliegen oder es wurden konkret zu bearbeitende Themen vom Auftraggeber vorgegeben. Ziel der Arbeitsphase ist es: • • • •
Ziele zur Themenbearbeitung festzulegen, sich konstruktiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, realisierbare Lösungsvorschläge zu entwickeln, sowie offen und fair innerhalb der Gruppe zusammenzuarbeiten.
Für die Erfassung der Ausgangssituation (Ist-Zustand) lässt sich z.B. ein Mind Map (Abb. 8.26) erstellen. Natürlich sind auch andere Darstellungsformen (z.B. Ishikawa-Diagramm) möglich.
Datum:
8
Abb. 8.26: Mind Map zur Themenbearbeitung
250
8 Moderation
Im Anschluss an die Analyse des Ist-Zustandes muss eine Festlegung des Soll-Zustandes, d.h. des Zieles erfolgen. Die sorgfältige Definition des Zieles bereitet den Weg für Lösungen vor. Während die Analyse des Ist-Zustandes auf der Vergangenheit beruht, bietet das Ziel einen Ausblick auf die Zukunft. Während die Vergangenheit durch Tätigkeiten konkret zu beschreiben ist, liegen für die Zukunft nur potenzielle Möglichkeiten vor. Sie sind diffus und daher für viele Teilnehmer nur schwer zu fassen. Wenn in mehreren Gruppen gearbeitet wird, sind die Ergebnisse der Zielformulierung für alle Teilnehmer zu präsentieren (Abb. 8.27). Ideen, Ergänzungen und Anregungen der Zuhörer sollten diese auf Karten notieren und im Anschluss an die Präsentation an einem freien Platz auf der Pinnwand anbringen. Durch diese Vorgehensweise werden alle Beiträge festgehalten und die Präsentation nicht laufend unterbrochen. Nach der Situationsanalyse und der Zielformulierung schließt sich die Suche nach Lösungen, deren Bewertung und die Entscheidung für bestimmte Lösungen an. Möglichkeiten zur Anregung von Lösungen sind alle Arten von Moderations- und Kreativitätstechniken, wie z.B.: • • • •
Brainstorming, Mind Mapping, Kartenabfragen und Methode 6-3-5.
"V
Thema • Zielformulierung •
Datum:
J'-.
Ziele: 1.
2. 3.
Ergänzungen, Ideen, Anregungen: zu 1. zu 2. zu3.
Abb. 8.27: Zielformulierung
Bei der Lösungssuche kommt es zuerst auf die Menge der Ideen an. Die Bewertung der Lösungsalternativen ist davon zu trennen. Mögliche Bewertungskriterien finden sich in Abbildung 8.28. Vielfach beschränkt sich die Arbeit der Gruppe auf die fachliche Lösung des Themas. Ohne Berücksichtigung der Umfeldbedingungen ist die Gefahr eines Schiffbruchs jedoch sehr groß.
8
251
8 Moderation
Datum:
Vorteile
Nachteile
Chancen
Risiken
Nutzen
Aufwand
Belürworter
Gegner
_
Abb. 8.28: Bewertungskriterien tür Lösungen
-.rThema - Tätigkeitskatalog -
Datum:
8
./'-
Maßnahmen
Abb. 8.29: Tätigkeitskatalog der Maßnahmen
Zuständigkeit
Termin
252
8 Moderation
Zur Realisierung der Lösungen sind Maßnahmen in Form eines Tätigkeitskataloges festzulegen (Abb. 8.29). Im Ablauf der Moderation müssen alle Spalten des Tätigkeitskataloges ausgefüllt werden. Für die Spalte "Maßnahmen" gelingt dies noch einfach, da hier thematische Aspekte aus der moderierten Veranstaltung eingeflossen sind. Bei den beiden Spalten "Zuständigkeit" und "Termin" ist mit Zurückhaltung seitens der Teilnehmer zu rechnen. Denn spätestens jetzt wird nicht nur thematisches Engagement sondern auch persönlicher Einsatz für die Realisierung der Maßnahmen gefordert. Nicht irgendwer, sondern jeder Teilnehmer muss für sich die Bereitschaft bekunden, die festgelegte Maßnahme bis zum genannten Termin zum Erfolg zu führen. Innerhalb der Arbeitsphase sind durch den Moderator jederzeit der thematische Aspekt und der Beziehungsaspekt zu berücksichtigen. Dazu sind zwei Fragen nützlich (Abb. 8.30): • •
Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis? Wie zufrieden sind Sie mit der Zusammenarbeit?
Somit besteht die Möglichkeit über eine Punkteabfrage zu jedem Arbeitsschritt Licht in die Gruppenprozesse zu bringen und wenn notwendig steuernd einzugreifen.
Datum: - - - - - - - - - -
1. Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis? 2. Wie zufrieden sind Sie mit der Zusammenarbeit? Arbeitsschritt Situationsanalyse Zielformulierung Lösungsalternativen und Maßnahmen Erfolgskontrolle
Abb. 8.30: Beleuchtung des Gruppenprozesses
++
+
0
-
--
8
253
8 Moderation
8.6.5
Abschluss und Abschied
Die Veranstaltung neigt sich dem Ende zu. Es wird Zeit für die Verabschiedung, die auch bei schwierigen Moderationen positiv verlaufen sollte. Moderator und Gruppe können nur gemeinsam gut sein. Der Dank an die Gruppe und ihre Bereitschaft sich auf den Moderationsweg einzulassen ist deshalb nicht nur eine Frage der Höflichkeit sondern auch des gegenseitigen Respekts und Vertrauens. Während der Sitzung können nicht alle Themen, Wünsche und Vorstellungen berücksichtigt und abgearbeitet werden. Zum Abschluss gilt es "offene Punkte" zu sammeln. Dabei kann es sich sowohl um sachliche Themen als auch um Verhaltensfragen handeln. Offene Punkte des Themenspeichers werden direkt übernommen. Andere Punkte werden durch Zuruffragen gesammelt (Abb. 8.31).
~ _._-----Thema
1.
Hinweise
_
2.-----3.-----4.
_
5.
_
8
Abb. 8.31: Offene Fragen
Die Veranstaltung endet mit einer Feedbackrunde. Die Punkteabfrage (Abb. 8.32) und das mündliche Feedback ermöglichen in der Nachbereitungsphase eine Manöverkritik. Die vier Fragen decken den Sach- und Beziehungsaspekt der Arbeit ab. Die Frage zum Inhalt zeigt, ob die Teilnehmer mit dem Arbeitsergebnis zufrieden sind. Wer Kritik üben möchte, muss sich natürlich fragen, wie er zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen hat. Die Zusammenarbeit in der Gruppe spiegelt die Gruppendynamik wider. Und zum guten Schluss ist der Moderator zu bewerten. Denn letztlich trägt er die Verantwortung für den Erfolg der Veranstaltung. Er hatte die Führung inne.
254
8.6.6
8 Moderation
Folgeaktivitäten und Nachbereitung
Zu den Folgeaktivitäten einer Moderation gehört die Dokumentation der Arbeitsergebnisse. Dazu bietet die Digitalfotografie einfache Möglichkeiten. Wenn notwendig, sind die einzelnen Bilder noch zu kommentieren. Wenn Entscheidungen der Unternehmenshierarchie notwendig sind, müssen die Ergebnisse für eine Präsentation aufbereitet werden. Hier stehen zwei Möglichkeiten offen. Wenn die "Rohergebnisse" gut sind, können sie zum Ende der Veranstaltung präsentiert werden. Ist die Aufbereitung arbeitsintensiver oder sind fehlende Informationen zu ergänzen, so ist eine spätere Präsentation im Abstand von 1 - 2 Wochen sinnvoll.
Wie habe ich den Inhalt/das Ergebnis erlebt?
© © ®
Wie habe Ich selbst zum Gelingen beigetragen?
© © ®
Wie habe ich die Zusammenarbeit in der Gruppe erlebt?
© © ®
Wie empfand ich den Moderator, sein Verhalten, seine Methoden, seine Steuerung?
© © ®
Abb. 8.32: Feedback der Veranstaltung
Sind die Ergebnisse der moderierten Veranstaltung komplexer Natur, ist eventuell die Gründung einer Projektgruppe sinnvoll. Das Thema wird dann nach den Regeln des Projektmanagements bearbeitet. Sollte dies nicht notwendig sein, ist es trotzdem wichtig, dass sich die Teilnehmer zu einer Erfolgskontrolle der im Tätigkeitskatalog festgelegten Maßnahmen treffen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Maßnahmen einfach im Sande verlaufen. An dieser Folgeaktivität sollte der Moderator unbedingt teilnehmen, um hier die Weiterarbeit an den Themen voranzutreiben. Zu den Folgeaktivitäten gehört auch eine Überprüfung der erreichten Ziele, die in der Vorbereitungsphase mit dem Auftraggeber vereinbart wurden. Mögliche Abweichungen sind zu begründen und zu bewerten.
8
8 Moderation
8.7
255
Weiterführende Literatur
•
Arbeitsgruppe Hochschuldidaktische Weiterbildung an der Albert-Ludwigs- Universität Freiburg i. Br.; Besser Lehren, Heft 2, Methodensammlung, Deutscher Studien Verlag, 2000, 3-89271-802-4
•
Böning, U.; Moderieren mit System, Gabler, 1994, 3-409-29152-0
•
Dürrschmidt, P. et al.; Methodensammlung für Trainerinnen und Trainer, manager Seminare, 2006, 3-936075-29-8
•
Edmüller, A.; Wilhelm, Th.; Moderation, Haufe, 2002, 3-448-04986-7
•
Franke, H.; Problemlösen in Gruppen, Rosenberger, 1998, 3-931085-14-7
•
Hartmann, M.; Rieger, M.; Luoma, M.; Zielgerichtet moderieren, Beltz, 2001,3-407-36356-7
•
Kießling-Sonntag, J.; Meetings und Moderation, Cornelsen, 2007, 978-3-589-23904-7
•
Klebert, K.; Schrader, E.; Straub, W.; Moderationsmethode, Windmühle, 2002, 3-922789-79-X
•
KnolI, J.; Kurs- und Seminarmethoden, Beltz, 2007, 978-3-407-36446-3
•
Langner-Geißler, T.; Lipp, U.; Pinwand, Flipchart und Tafel, Beltz, 1991, 3-407-36003-7
•
Malorny, Ch.; Langner, W.; Moderationstechniken, Hanser, 2002, 3-446-21868-8
•
Müller, M.; Dachrodt, H.-G.; Moderation im Beruf, Bund, 2001, 3-7663-3194-9
•
Reinmann, G.; Eppler, M.; Wissenswege, Huber, 2008, 978-3-456-84348-3
•
Schlicksupp, H.; Kreative Ideenfindung in der Unternehmung, de Gruyter, 1977, 3-11-006809-5
•
Sperling, J.; Wasseveld, J.; Führungsaufgabe Moderation, Haufe, 2002, 3-448-05137-3
•
Weidemann, B.; Erfolgreiche Kurse und Seminare, Beltz, 2006, 3-407-36437-7
8
H. Meinholz, Führungskraft Ingenieur, DOI 10.1007/978-3-8348-9776-3_9, © Vieweg+Teubner Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
257
9 Führung und Leitung von Teams
9.2
Themenzentrierte Interaktion
9.2.1
TZI-Dreieck
Die Methode der Themenzentrierten Interaktion (TZI) besteht aus 4 Kernelementen, die sich gegenseitig beeinflussen (Abb. 9.1): • • • •
ICH: WIR: THEMA: GLOBE:
die Interessen, Motive und Bedürfnisse jeder Person, die Beziehungen der einzelnen Personen untereinander, die gemeinsam betrachtete Sache, Arbeitsaufgabe, Interessen, die Rahmenbedingungen, das Umfeld, die Situation in Raum und Zeit.
Sache (THEMA)
Team (WIR)
9 Abb. 9.1: TZI-Dreieck [Langmaak, 1994]
ICH· die Person und das Vertrauen Im TZI-Dreieck umfasst das ICH alle Facetten einer Persönlichkeit, die durch Gene, Elternhaus, und soziales Umfeld in einem dynamischen Prozess geprägt wird. Während des gesamten Lebens kommt er nie zum Stillstand und endet erst mit dem Tod. Je realitätsbezogener ich diesen Prozess erkenne, annehme und für mein Leben positiv nutze, umso zufriedener und gelassener kann ich mir und meinen Mitmenschen gegenüber werden. Aufgaben sehe ich dann nicht mehr als Last, sondern als Möglichkeit meine persönliche Identität zu entwickeln. Identität und Selbstverwirklichung zeigen sich nicht in abstrakten Begriffen. Sie drücken sich vielmehr in der aktiven Gestaltung meines Lebens aus. Die Themen meiner Umwelt und die Menschen, die mich umgeben und begleiten formen meine Identität mit. Entwicklung der eigenen Identität heißt daher auch eine Balance zwischen Selbst- und Fremdbestimmung zu finden.
258
9 Führung und Leitung von Teams
WIR - die Gruppe und Beziehungen Der Mensch lebt nie nur als Individuum, sondern ist immer Teil einer Gruppe. Das sich daraus entwickelnde Gemeinschaftsgefühl ist gleichzeitig die wichtigste Voraussetzung für Individualität. Das WIR als soziale Beziehung ist Bedingung für Denken und Handeln, die Entwicklung von Wertvorstellungen und letztlich der Einstellung zum Leben. Ein Mensch kann ohne die anderen nicht leben und existieren. Er definiert sich auch über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe und der Kommunikation zwischen den verschiedenen WIRs in Partnerschaft, Beruf und Gesellschaft.
THEMA· zur Sache und Verantwortung Das gemeinsame THEMA liefert Verknüpfungen zwischen den einzelnen Personen. Es hat deshalb einen besonderen Stellenwert, aber eben nicht den einzigen. Wenn ich mit einem anderen Menschen etwas zu tun haben will, muss ich mich auf ihn einlassen und etwas mit ihm tun. So ist eines der wichtigsten zwischenmenschlichen Themen die verbale oder nonverbale Kommunikation. Ohne ein elementares THEMA kann ich keine Beziehungen aufbauen und entwickeln. Ist das THEMA erschöpft, schwindet auch die Beziehung im WIR. WIR-Beziehungen im Berufsalltag sind leichter zu pflegen, da durch das Umfeld - den GLOBE - immer wieder neue Themen geliefert werden. Partnerschaften sind in ihrer Beziehung viel stärker gefährdet, da aus eigenem Antrieb immer wieder neue Themen identifiziert werden müssen.
GLOBE • das Umfeld Alles was sich außerhalb von ICH, WIR und THEMA befindet, wird innerhalb der Themenzentrierten Interaktion als GLOBE umschrieben. Am Beispiel eines Unternehmens wird schnell klar, was damit gemeint ist. Er beinhaltet z.B.: • • • •
Kunden, Lieferanten und Subunternehmer, Marktlage und Mitbewerber, Anteilseigner, Kommunen und Behörden.
Obwohl sich der GLOBE au ßerhalb der Person und Gruppe befindet, ist er doch aktiv und wirksam. Er umgibt die Dreiecksbeziehung der Faktoren ICH, WIR und THEMA wie eine Kugel. Aspekte des GLOBE werden im Wechselwirkungsprozess berücksichtigt. Der GLOBE beeinflusst mich und ich beeinflusse den GLOBE. Diese Kugel umfasst alle Menschen und Faktoren, die nicht direkt der Gruppe (WIR) bzw. der Aufgabe (THEMA) angehören. Um gute Ergebnisse zu erzielen, sollte im Berufsalltag das TZI-Dreieck immer wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Wenn die Balance gefährdet ist, muss die Führungskraft dieses Ungleichgewicht erkennen und thematisieren. Dazu hat sie drei Möglichkeiten: • • •
Einbringen ihrer eigenen Gefühle (ICH-Aspekt). Einen eigenen Beitrag zur Sache liefern, um wieder zum THEMA zu führen. Betonung der Notwendigkeit zur Zusammenarbeit (WIR-Aspekt).
Im Berufsalltag werden ICH (Person), WIR (Team) und THEMA (Aufgabe) nicht gleichwertig behandelt, wodurch es zu Schieflagen kommen kann. Für gewöhnlich werden auch nicht alle Belange aus dem GLOBE (Umfeld) berücksichtigt. Das Dreieck als Analyse- und Steuerungsinstrument lässt sich auf das Bild vom Eisberg (Abb. 9.2) übertragen. Nach diesem Modell spielen sich die Beziehungen zwischen Menschen auf zwei Ebenen ab, die sich mit den zwei Teilen eines Eisbergs vergleichen lassen.
9
259
9 Führung und Leitung von Teams
Die erste Ebene ist die sichtbare Sachebene. Bei ihr handelt es sich um gemeinsame Interessen, Aufgaben oder Sachthemen, die die Menschen verbinden. Die zweite Ebene betrim die psychologischen und psychosozialen Zusammenhänge (Beziehungsebene). Sie ist nicht sachlich sondern emotional und betrifft die zwischenmenschlichen Beziehungen mit ihren Gefühlen. Alles sieht ganz harmlos aus. Diese Ebene liegt unter der Wasseroberfläche und ist schwer erkennbar und abschätzbar. Ereignisse auf dieser Ebene dienen oft als Motivation, jedoch auch als Bremse auf der Sachebene und im Arbeitsprozess. Entscheidungen auf der Sachebene werden in erheblichem Maße durch diese emotionale Ebene beeinflusst und gesteuert.
Sachebene
Zeit Tätigkeiten Ziele Kunde Anlagen Produkte Aufgaben Ressourcen Geld Projekte
Optimismus - Pessimismus
Mut-Angst
Menschenkenntnis - Beziehungen Freude - Ärger WOnsche • BedOrfnlsse Sicherheit - Risiko
selbstbewusstsein - Minderwertigkeitsgefühle
Sympathie - Antipathie
Verantwortungsbewusstsein
Vertrauen - Misstrauen
Engagement - Eigeninitiative
Regeln - Tabus
Kritik - Lob Team - Gruppendynamik
IBeziehungsebene I 9 Abb. 9.2: Eisberg
Der untere Teil des Eisbergs (die Beziehungsebene) löst die Gefahr des Zusammenstoßes und des Missverständnisses aus. Ihn muss man kennen, um Gefahren rechtzeitig begegnen zu können. Erkenne ich die Vorgänge auf psychosozialer Ebene (Beziehungsebene) so kann ich auf der Sachebene ein besseres Ergebnis erzielen. Wenn der untere Teil des Eisbergs durch Störungen seinen Schwerpunkt verschiebt, gerät auch der obere Teil (die Sachebene) ins Wanken und ein Teil davon zerbricht. Das sachliche Ergebnis wird nicht optimal sein, wenn die Beziehung zwischen ICH-WIR-THEMA-GLOBE ins Ungleichgewicht gerät. Der obere Teil des Eisbergs stellt die sachliche Ecke des TZI-Dreiecks dar (THEMA) und die beiden anderen TZI-Ecken sind mit dem unteren Teil des Eisbergs gleichzusetzen und stehen für die Individualität (ICH) und die Gemeinschaft der Gruppe (WIR). Die Umgebung des Eisberges stellt den GLOBE dar (Abb. 9.3).
260
9 Führung und Leitung von Teams
Das TZI-Dreieck ist bei uns nur selten im Gleichgewicht. Außer dem Analyse- und Steuerungsgedanken zeigt es die ursprüngliche Zusammengehörigkeit von Sach- und Beziehungsebene. In der Arbeitswelt in der "Sachzwänge" regieren, konzentriert man sich hauptsächlich auf die Aufgabe und die entsprechenden Vorgaben und vernachlässigt die zwischenmenschlichen Beziehungen. So wird das TZI-Dreieck auf einen Sachtorso reduziert, der von der Beziehungsbasis abgeschnitten ist. Schwierigkeiten beim Gelingen einer Aufgabe oder eines Projektes haben ihre Ursache aber meist in Beziehungsproblemen zwischen den Teammitgliedern.
THEMA (sachaufgabe) GI
~GI
oe
~
zeR Tltlgkel1en ZIele Kunde Anlagen PrOZ8Sll8 Ressourcen
Produkte
Geld
Aufgeben
Projekte
OplImilmus - Pesslmllmus _henkenntnil - BezIehungen FI8Ude - Ärger Wunsche· Bedurfnlaae
SIcherheit - RIsiko
5elbltbewusstseln - ""'*-llgkeltsgelühle
Sympethie - Antlpethie
vel'lntworlun~u_n
Vertl'luen - Iotllltrauen
Eng~ -
Regeln - Tlbua
Eigeninitiative
KrRik- Lob Team - Gruppendynamik
ICH (Person)
WIR (Team)
Abb. 9.3: Eisberg und TZI-Dreieck
9.2.2
Postulate
In der Themenzentrierten Interaktion sind ICH, WIR und THEMA gleichberechtigt zu betrachten. Das notwendige Ausbalancieren wird durch zwei Postulate und verschiedene Hilfsregeln unterstützt.
9
9 Führung und Leitung von Teams
261
1. Postulat "Sei Dein eigener Chairman!" Dieses Postulat hat verschiedene Deutungen erfahren. Was es auf keinen Fall bedeutet, ist eine egozentrische Sichtweise. Vielmehr soll ich auf meine verschiedenen Bedürfnisse, Wünsche und Motive hören. In eigener Verantwortung kann ich dann mein Wissen und meine Urteilskraft nutzen, um zu Entscheidungen zu gelangen. Diese darf und soll ich mir nicht von anderen abnehmen lassen. Dahinter steht die Fähigkeit sein Leben selbstständig zu organisieren und zu steuern. Ich kann für meine Person einstehen und mich entwickeln. Persönliche Entwicklung geschieht jedoch niemals unabhängig von anderen Personen. Einerseits geht es immer um eine Selbstbestimmung meiner eigenen Person mit ihren persönlichen Eigenschaften, sozialen Kompetenzen, Fähigkeiten, Bedürfnissen, Wünschen und Eigenheiten. Um diese Faktoren und Gedanken überhaupt wahrzunehmen, bedarf es einer intensiven Auseinandersetzung mit sich selbst. Andererseits stehe ich immer in Beziehung zu anderen Menschen, die ihre persönlichen Eigenschaften und Eigenheiten besitzen. Zwischen der Selbstbestimmung und der Beziehung zu anderen liegt ein weites Feld an Möglichkeiten, Chancen und Risiken im Umgang unter- und miteinander. Hier muss ich Schwerpunkte setzen, Spannungen aushalten und Entscheidungen für mich treffen können. So kann ich meine eigenen Fähigkeiten akzeptieren wie sie sind oder durch Austauschbeziehungen in meiner Persönlichkeit wachsen. Ich kann auf dem was ich weiß verharren oder mir neues Wissen aneignen und lernen. Im Beruf kann ich nur an meine Bedürfnisse denken oder die meiner Mitarbeiter in meine Entscheidungsfindung einbeziehen. Letztlich muss uns klar sein, dass wir niemals völlig autonom sind. Wir stehen als Person (ICH) immer in Wechselwirkung zu anderen (WIR) und zum Umfeld (GLOBE). "Erkenne Dich selbst!" könnte das erste Postulat auch lauten. Was weiß ich wirklich von mir? Manchmal ist es erschreckend oder überraschend welche neuen Möglichkeiten in mir stecken, dass ich meine Grenzen noch lange nicht erkannt und erreicht habe. Wie nutze ich den mir zur Verfügung stehenden Raum, um mich weiterzuentwickeln? Oder gebe ich mich mit dem zufrieden was ich heute erreicht habe, erstarre und jammere über vertane Chancen? Wenn wir lernen, nicht nur auf unseren Verstand zu hören, sondern auch unseren Gefühlen zu vertrauen, eröffnen sich neue Lebensräume. Habe manchmal den Mut zu träumen und den Traum Wirklichkeit werden zu lassen.
2. Postulat "Störungen haben Vorrang!" Auch bei diesem Postulat besteht die Gefahr der einseitigen Deutung. Das Wort "Störung" ist im Sprachgebrauch negativ besetzt. Störungen können jedoch auch positiv besetzte Begriffe beinhalten. Das zweite Postulat soll deshalb auf alle Dinge aufmerksam machen, die mich daran hindern • • • •
mich (ICH-Störungen), andere Personen (WIR-Störungen), die Sache (THEMEN-Störungen), das Umfeld (GLOBE-Störungen)
aufmerksam zu betrachten. So kann mein Ärger oder meine Begeisterung über ein zu bearbeitendes Thema meine Sichtweise einschränken. Vor lauter Ärger sehe ich nur noch die Risiken und Mühen, vor lauter Begeisterung nur noch die Chancen und Möglichkeiten. In beiden Fällen blende ich die wichtigen anderen Aspekte aus. Sich selbst zu hinterfragen "Wie stehe ich zu diesem Thema, den anderen Personen und dem Umfeld?" hilft persönliche Störungsquellen zu identifizieren und zu eliminieren. Störungen signalisieren Abweichungen von einem Soll-Zustand. Selbst die Größe der Arbeitsgruppe kann eine Störung sein. Ist die Gruppe zu groß, kommt es zu vielfältigen
9
262
9 Führung und Leitung von Teams
Abstimmungsproblemen und das Arbeitstempo ist zu langsam. Ich bin unmerklich schon drei Schritte weiter. Ist die Arbeitsgruppe zu klein, können wichtige Erkenntnisse nicht gewonnen werden, da der notwendige Sachverstand fehlt. Über einen für mich wichtigen Punkt muss ich eventuell länger nachdenken, während die anderen Teilnehmer innerlich ungeduldig mit den Füßen scharren. Wurde die zu bearbeitende Aufgabe mit ihrem Ziel nicht sauber definiert und für alle verständlich dargestellt, kommt es zu einer thematischen Störung. Kritische Fragen dürfen nicht gestellt oder weitere Anregungen nicht gegeben werden, da sie uns auf dem Weg zum Ziel vermeintlicherweise nur stören. Störungen zeigen daher an, dass Inhalt, Ziel, Weg und/oder Prozess für die Teilnehmer nicht eindeutig sind. Störungen aus dem Umfeld können z.B. aus Änderungen der Unternehmensstrategie, aus Marktgegebenheiten oder personalpolitischen Entscheidungen resultieren. Sie können aber auch ganz einfache Dinge umfassen. So wurde z.B. das Meeting zur falschen Zeit am falschen Ort durchgeführt. Um nicht in Störungen zu ertrinken und die Arbeitsfähigkeit einer Gruppe zu gewährleisten, lassen sich Störungen auch in ihrem Ausmaß gewichten (Abb. 9.4). Relativ leicht lassen sich Mängel bzgl. der persönlichen Arbeitsmethoden oder der unternehmensweiten Arbeitsorganisation erkennen und beheben. Im Unternehmen ergeben sich aus Prozessen und Verantwortungen heraus Schnittstellenprobleme zwischen Abteilungen und Arbeitsgruppen, mit ihren unterschiedlichen Funktionen, Aufgaben und Rollen. Resultierende Störungen sind dann nicht mehr nur alleine Auseinandersetzungen auf der Sachebene, sondern auch auf der Beziehungsebene anzusiedeln. Unterschiedliche Interessen und Ziele resultieren aus der Persönlichkeitsebene. Sie werden dann vermeintlich rational auf der Sachebene thematisiert und können dadurch zu Auseinandersetzungen führen. Am schwersten zu erkennen sind Störungen die auf Unterschieden in persönlichen Werten, Überzeugungen und Anschauungen basieren.
Arbeitsmethoden und -organisation
Funktionen, Aufgaben und Rollen
9
persönliche Werte und Überzeugungen
Abb. 9.4: Störungen
Ziele und Interessen
9 Führung und Leitung von Teams
9.2.3
263
Hilfsregeln
Hilfsregeln ergänzen die beiden Postulate. Sie sind teilweise so weit verbreitet, dass der Ursprung vielen nicht bewusst ist. Sie unterstützen den Austausch zwischen Menschen auf der Sach- und Beziehungsebene. Eine starre Anwendung ist jedoch fehl am Platze. Situationsbezogen sind sie einzuführen, abzuändern, zu ergänzen und anzuwenden.
1. Verhaltensregel "Achte auf deine Körpersprache und Gefühle" Kommunikation enthält immer zwei Komponenten: verbale und nonverbale Anteile. Die verbalen Bestandteile unserer Sprache hören wir. Ob wir sie auch richtig verstehen ist eine andere Frage. Beachten und verstehen wir aber auch die nonverbalen Signale? Unsere Körpersprache drückt innerste Facetten unserer Persönlichkeit aus. Das Erleben unserer Gefühle ist uns über Mimik, Gestik, Haltung im wahrsten Sinn des Wortes "ins Gesicht geschrieben". Unsere Körpersprache drückt das aus, was uns unbewusst umtreibt, schon bevor wir entsprechende Gedanken formulieren und sie artikulieren. Fühle ich mich wohl, werde ich leicht und locker beim THEMA bleiben können. Fühle ich mich unwohl in meiner Haut, macht sich mein Körper sehr schnell bemerkbar. Magendrücken, Aufgeregtheit, Herzflattern sind körperliche Signale über meine innerste Verfassung. Lerne ich meine Körpersprache zu erkennen, lerne ich etwas über mich. Erkenne ich die Körpersprache der anderen, lerne ich etwas über sie und kann sie besser einschätzen. Wenn ich die Sprache meines Körpers verstehe, lerne ich etwas über meine Gefühle und kann die Auslöser dafür identifizieren. Vielleicht schaffe ich es dann, mich frühzeitig mit der notwendigen Ruhe und Gelassenheit Störungen zu stellen und sie für mich positiv zu nutzen.
2. Verhaltensregel "Vertritt dich selbst in deinen Aussagen: Sprich per "Ich" und nicht per "Wir" oder "Man" Diese zweite Hilfsregel ist heute fast Allgemeingut geworden. Die Verwendung des "Wir" oder "Man" sind fast regelmäßig Versteckspiele. Der Sprecher übernimmt nicht die Verantwortung für das von ihm Gesagte. Stattdessen kann er sich in der Anonymität verstecken. "Man macht das nicht!" Nur wer ist man? Mit solch einer Aussage verstecke ich mich hinter der veröffentlichten Meinung und brauche nicht selbst Stellung zu beziehen. Ähnliches passiert mit einer Aussage wie _"Wir sind uns doch einig, dass...". Hier wird unerlaubt über mich und meine eigene Meinung verEs erfordert dann Mut aufzustehen und zu sagen "Ich bin nicht dieser Meinung". Durch die IchFormulierung trete ich aus der Anonymität heraus und beziehe für meine Person Stellung. Ich äußere meine Meinung und stehe dazu. Ich gewinne an Profil, werde aber auch angreifbarer und verletzlicher. Durch die Ich-Formulierung erkennt der Zuhörer aber auch ein Stück von mir und meiner Gefühlswelt. Ich werde dadurch für ihn begreifbarer. Wie die Erfahrung zeigt, führt größere persönliche Offenheit auch bei meinem Gesprächspartner zu mehr Vertrauen im Umgang mit mir. Ich werde für ihn besser einschätzbar.
3. Verhaltensregel "Wenn du eine Frage stellst, so sage auch, warum du fragst und was die Frage für dich bedeutet" Mit dieser Hilfsregel ist die Offenheit in Fragestellungen gemeint. Formuliere deine Frage so, dass dein Gesprächspartner den Sinn erkennen kann. Hintersinnige Fragen können manipulativ angelegt sein und den Partner in eine von ihm unerwünschte Richtung manövrieren. In einer offenen
9
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Kommunikation sind dies unfaire Fragestellungen und Praktiken. Ich kann mein Gegenüber dadurch sehr leicht in eine Rechtfertigungssituation bringen. Wenn er jedoch meine Manipulationsversuche erkennt, wird er sie durchkreuzen und vorsichtiger mit mir umgehen. Verärgerung und innere Aggression können sich breit machen. Fragen, deren Hintersinn vom anderen verstanden wird, helfen Situationen partnerschaftlich zu gestalten. Das gilt z.B. für jede Form des Mitarbeitergesprächs zwischen Vorgesetztem und Untergebenem. Für ein positives Klima sind authentische Fragen die bessere Gesprächsbasis. Zusammen mit der Körpersprache schaffen sie Klarheit über die Situation und die Beziehung. Ist mir der Sinn einer Frage nicht klar, frage ich mit "Ich habe sie nicht verstanden!" zurück. Mit schöner Regelmäßigkeit wiederholen meine Gesprächspartner ihre Frage lauter. Damit habe ich den Sinn der Frage aber immer noch nicht verstanden. Erst wenn ich die für mich doppeldeutige Frage erklärt bekomme, kann es zur echten Kommunikation kommen.
4. Verhaltensregel "Halte dich mit Interpretationen so lange wie möglich zurück. Sprich stattdessen deine persönlichen Reaktionen aus" Interpretationen verbaler und nonverbaler Aussagen können nützlich und hilfreich sein. Sie sind jedoch immer mit Unsicherheiten und Vermutungen verbunden und deshalb mit entsprechender Vorsicht zu genießen. Sind meinem Partner Dinge schon (teilweise) bewusst, können meine Interpretationen zu seiner Entwicklung beitragen. Sie vermindern so den bei jedem vorhandenen blinden Fleck. Selbst- und Fremdbild werden zu einem besseren Abgleich gebracht. Gefährlich sind Interpretationen, wenn sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort geäußert werden. Dann kommt es mit Sicherheit zu einer Abwehrreaktion, auch wenn meine Deutungen richtig sind. Halte Dich mit Interpretationen zurück. Sage Deinem Gesprächspartner lieber wie Du dich fühlst, welche Eindrücke Du gesammelt hast und wie sie auf dich wirken. Rede mit ihm und nicht über ihn.
5. Verhaltensregel "Nur einer zur gleichen Zeit bitte" Wenn mehrere gleichzeitig reden, können die gesendeten Nachrichten nicht mehr mit ihrem gesamten Informationsgehalt aufgenommen werden. Teile der Nachricht werden ausgefiltert und gehen verloren. Um sich auf einen Sprecher konzentrieren zu können, spricht nur einer zur gleichen Zeit. Verbale und nonverbale Aspekte lassen sich dann leichter aufnehmen. Sachliche Inhalte und Beziehungsaspekte des Senders zu anderen Personen lassen sich besser aufgreifen. Jeder Sprecher offenbart beim Reden auch ein Stück seiner selbst. Wenn mehrere gleichzeitig sprechen geht dieser nonverbale Aspekt der Interaktion verloren.
9 6. Verhaltensregel "Seitengespräche und Störungen verdienen Beachtung" Seitengespräche können wichtig sein oder stören. Vielleicht hat ein Teammitglied etwas Wichtiges zu sagen, traut sich aber noch nicht und muss sich erst bei seinem Nachbarn rückversichern? Oder er hat etwas nicht verstanden und möchte auf diese Art und Weise wieder Anschluss gewinnen? Letztlich besteht auch die Möglichkeit, dass ihn das Thema langweilt und er mit seinen Gedanken und Gefühlen nicht bei der Sache ist. Deshalb müssen Seitengespräche Beachtung finden, um alle Teammitglieder in einem Boot zu halten. Gleiches gilt für andere Störungsarten. Sie unterbrechen immer die Konzentration und den Arbeitsfluss der Teammitglieder. Selbst eine Pause kann eine Störung darstellen oder es kommt Langeweile auf, weil immer die gleichen Arbeitsmethoden Anwendung finden. Der Teamleiter muss Seitengespräche und Störungen wahrnehmen können und seine Vorgehensweise darauf einstellen. Bewusst eine Pause einlegen, Wechsel der Methode, Vertiefung eines unklaren Punktes, offenes Ansprechen der Störungen sind einige der Möglichkeiten das Verhalten aller Teammitglieder zu steuern und die Aufmerksamkeit auf das Thema zurückzulenken.
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7. Verhaltensregel "Sei authentisch und selektiv in deiner Kommunikation" Wenn ich rede, sollte ich meine eigene Meinung vertreten und nicht die einer (anonymen) Gruppe. Wichtig ist, dass das was ich denke und fühle mit meinen verbalen und nonverbalen Aussagen übereinstimmt. Es muss allen Teammitgliedern klar werden, dass ich für mich spreche und dabei authentisch bin. Aber ich muss nicht alles sagen. Ich kann, aus nur mir gegenüber zu verantwortenden Gründen, Gedanken zu einem Thema selektiv auswählen, diese für mich behalten oder mitteilen. Ich berücksichtige bei diesem Auswählen das Vertrauenspotenzial, die Phasen der Teamentwicklung und die Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder. Zuviel Kommunikation kann als besserwisserisch, überheblich und aufdringlich erscheinen. Zu wenig als schüchtern, zurückhaltend und desinteressiert. Sage das, was Du sagen willst und nicht das, was erwartet wird. Echte authentische Kommunikation baut Vertrauen und Verständnis auf.
8. Verhaltensregel "Übernimm die Verantwortung für dein Handeln" Handle so, wie Du handeln willst und nicht so, wie Du handeln solltest. Ich bin für mein Handeln verantwortlich und sonst niemand. Es ist sehr einfach, den Teamleiter, die anderen Teammitglieder oder ganz allgemein die ungünstigen Umstände als Entschuldigung heranzuziehen. Sich klar werden über seine eigenen Motive und Beiträge heißt auch, sich selber gegenüber Rechenschaft abzulegen. Ich kann Themen nur zielorientiert bearbeiten, wenn ich bereit bin verantwortungsbewusst meine eigene Handlungsfähigkeit und -bereitschaft einzubringen. In meinen eigenen, reflektierten Handlungen kann ich dann entscheiden, wann ich aktiver oder passiver sein will, wann ich reden oder schweigen möchte. Durch meine Beiträge zur Bearbeitung des Themas bin letztlich auch ich mitverantwortlich für die Qualität des Ergebnisses.
9.2.4
Erwartungen an den Teamleiter
Leitung haben wir schon in unserem gesamten Leben erfahren. "Verständnisvolle" Leitung im Elternhaus, "strenge" Leitung in der Schule oder auf anderen Stationen unseres Lebensweges. Ansichten wurden uns vermittelt und haben Spuren in unserem eigenen Wirkungskreis hinterlassen. Die Erfahrungen der Vergangenheit begleiten uns wie Schatten auch auf der Sonnenseite des Lebens. Meine eigene Entwicklung der Persönlichkeit zu erkennen und zu reflektieren, ist für die Leitung eines Teams sehr hilfreich. Ich gewinne Erkenntnisse, warum ich so handle und wessen Ansprüche ich erfüllen möchte. Aber auch die Teammitglieder bringen aus ihrer Vergangenheit ein bestimmtes Bild mit. Für den Teamleiter ist es äußerst hilfreich für deren Erfahrungen sensibel zu sein. Grundsätzlich sollte er sich immer zwei Fragen stellen: • •
Wer bin ich in Bezug auf die Mitglieder des Teams und wie stehe ich zu ihnen? Über welche persönlichen Eigenschaften verfügen die Teammitglieder?
Anforderungen und Verhalten eines Teamleiters sind daher nicht von seiner Person zu trennen. Durch seine Leitungs- und Vorbildfunktion ist er für die Teammitglieder auch Maßstab für deren eigenes Verhalten. Er ist gleichzeitig Vorbild und Herausforderung. Die Teammitglieder können dies jedoch nur annehmen, wenn der Teamleiter durch seine Authentizität für entsprechende Offenheit sorgt. Nur dann sind die Maßstäbe für alle transparent. Es liegt am Teamleiter und seinen grundlegenden Eigenschaften, wie gut er einzelne Personen im Team zu diesem Verhalten motivieren kann.
9
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9 Führung und Leitung von Teams
Als Leiter muss er den Teammitgliedern Mut machen, neue Methoden und Verhaltensweisen auszuprobieren. Er behält den Überblick über die Gesamtsituation. Zielführend bringt er seine eigenen Gedanken und Gefühle ein. Dem Team gibt er entscheidende Impulse für den Arbeitsprozess. Ob seine Gefühle positiv oder negativ sind ist zweitrangig. Ehrlich zu sich selber und den Menschen muss er sein. Dann werden auch negative Gefühle akzeptiert und der Teamleiter als Mensch angenommen. Negative Gedanken und Gefühle können z.B. Zweifel am Ziel des zu bearbeitenden Themas sein. Durch seine Ehrlichkeit bewegt er gleichzeitig die Mitarbeiter dazu, ihre eigenen Gedanken und Gefühle zum Thema zu erkennen und sich mit ihren Fähigkeiten einzubringen. Um Aufgaben in einem Team durchführen zu können, muss der Teamleiter den Gesamtüberblick bewahren. Er ist letztlich für die Zielerreichung verantwortlich. Ein Team im Unternehmen dient keinem Selbstzweck. Es hat eine Aufgabe zu erfüllen und Ziele zu erreichen. Diese Ziele werden üblicherweise vom Auftraggeber gesteckt. Der Teamleiter hat dafür zu sorgen, dass sich die Arbeit an ihnen orientiert. Er muss für die notwendigen Informationen sorgen und klare Arbeitsstrukturen bieten. Die Bearbeitung einer Aufgabe hat auch immer mit zukünftiger Ungewissheit zu tun: • • •
Wie wird sich das Team entwickeln? Werden wir das Ziel erreichen? Wird der Auftraggeber mit dem Ergebnis zufrieden sein?
Als Teamleiter muss ich diese Ungewissheit aushalten können. Auftretende Probleme sind gemeinsam im Team zu lösen und nicht alleine Aufgabe des Teamleiters. Entscheidungen sind zu treffen und gegebenenfalls die Arbeitsprozesse den neuen Gegebenheiten anzupassen. Der Teamleiter steuert und überwacht auch die einzelnen gruppendynamischen Prozesse im Team. Dort entwickelt sich eine Dynamik, die sich auf die Zusammenarbeit, Kommunikation und Effektivität auswirkt. Der Leiter kann mit geeigneten Vorgaben und seiner Vorbildfunktion diese Dynamik steuern und für effektive Prozesse sorgen. Mit entsprechenden Interventionen greift er in das Gruppengeschehen ein und kann so die Teammitglieder auf bestimmte Aspekte hinweisen. Dazu zählen auf der Beziehungsebene insbesondere Punkte wie das: • • • •
Wahrnehmen eigenen und fremden Verhaltens, Wahrnehmen eigener und fremder Gefühle, Geben und Nehmen von Feedback, Geben von Sicherheit, Unterstützung und Vertrauen.
Er analysiert die Gruppenprozesse und kann mit auftretenden Beziehungsstörungen souverän umgehen. Die Fähigkeiten des Teamleiters werden von den Mitgliedern kritisch betrachtet. Sein Führungsverhalten muss eindeutig sein. Gelingt es ihm Anerkennung zu geben und von den Teammitgliedern als Persönlichkeit anerkannt zu werden, gewinnt und erhält er seine Autorität. Ein Team steht auch immer in interner Konkurrenz um notwendige finanzielle, personelle und materielle Ressourcen. Hier ist es Aufgabe des Teamleiters immer wieder den Bezug zur Realität herzustellen. In den Außenbeziehungen vertritt er die Gesamtinteressen des Teams und klärt die an das Team gestellten Erwartungen. Ein vierter Blickwinkel ist die eigene Person des Teamleiters. Er muss seine persönlichen Fähigkeiten und Grenzen kennen. Er wählt die Rahmenbedingungen enger oder offener, aber so, dass die Situationen für ihn überschaubar bleiben. Seinen eigenen Wünschen, Bedürfnissen, Befürchtungen und Ängsten muss er sich stellen. Kann er sie nicht innerhalb des Teams thematisieren, so muss er sich außerhalb geeignete Gesprächspartner suchen. Teamleitung kann eine anstrengende Aufgabe sein. Der Teamleiter ist immer gefordert. Er hat nicht die Möglichkeit sein Verhalten neutral oder unbeobachtet zu gestalten. Mit seiner Person, seinem Verhalten und seinem Engagement ist er permanent gegenwärtig und Vorbild für die Teammitglieder.
9
9 Führung und Leitung von Teams
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Schon seine Körperhaltung, sein Gesichtsausdruck und sein Blickkontakt drückt dies bildhaft aus. Hier ist eine lIbereinstimmung zwischen Denken, Reden, Haltung und Handlung für die Mitarbeiter spürbar. Persönliche Sensibilität ist gefordert. Aus diesem Grund ist er stets gefordert sich und seine Person zu beobachten und zu steuern. Für den Teamleiter ist es nahezu unmöglich, dem Geschehen um ihn herum zu entfliehen. Ein Teammitglied hat dagegen eher die Möglichkeit eine kurze innere oder äußere Auszeit zu nehmen. Als Teamleiter muss ich Menschen mit all ihren guten und schlechten Facetten mögen. Belastungen und persönliche Betroffenheiten muss ich verarbeiten können. Selbst in der größten Hektik muss ich die Fähigkeiten besitzen für mich selbst Erholungs- und Aufbauphasen einzulegen.
9.3
Die Phasen der Teamentwicklung
Das bekannteste Modell für die Teamentwicklung basiert auf Tuckman. Bei der Entwicklung der Gruppe unterscheidet er vier Phasen: • • • •
forming, storming, norming, performing.
Das Modell ist geprägt von seiner Arbeit mit Therapiegruppen. Die Teilnehmer solcher Trainingsgruppen nehmen die Teamentwicklung anders wahr als Arbeitsgruppen in einem Unternehmen. Ahnliche Modelle wurden von anderen Autoren entwickelt. In seinen Phasen der Teamentwicklung betrachtet Lacoursiere (Abb. 9.5) die: • •
aufgabenbezogene Ebene (Sachebene), sozioemotionale Ebene (Beziehungsebene).
Orientierungsphase In der Orientierungsphase gehen die Teammitglieder mit einer gewissen Unsicherheit an eine neue Aufgabe heran. Die Verteilung der sozialen Rollen, die Organisation des Teams und die Klärung des Arbeitsauftrages erfordern anfangs relativ viel Energie. Die Dauer der Orientierungsphase ist abhängig von den Aufgaben, deren Umfang und Komplexität sowie den sozioemotionalen Fähigkeiten der einzelnen Teammitglieder und des Teamleiters.
Unzufriedenheitsphase Nach einer gewissen Zeit merken die Teammitglieder, dass ihre anfänglichen Erwartungen an die Aufgaben und das Team nicht erfüllt werden. Es fällt ihnen schwer diese Realität zu akzeptieren und es können sich unangenehme Gefühle, Frustration und manchmal auch Zorn breit machen. Dies kann sich gegen die anderen Teammitglieder oder auch gegen den Teamleiter richten. Selbstzweifel können sich einstellen und die Fähigkeiten zur Aufgabenbewältigung negativ beeinflussen. In dieser Phase überwiegen die negativen Gefühle die positiven Gefühle der vorausgegangenen Orientierungsphase. Es wird weniger an der Aufgabe gearbeitet, als vielmehr an den sozioemotionalen Auseinandersetzungen im Team.
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Wie stark diese Phase ausgeprägt ist, hängt von der Aufgabe, der Erwartungshaltung jedes einzelnen Teammitgliedes und von den Führungsfähigkeiten des Teamleiters ab. In dieser Phase ist eine gute Beobachtungsgabe des Teamleiters notwendig. Er muss die Unzufriedenheit erkennen und erspüren können. Nur dann kann er rechtzeitig entgegen steuern und den Übergang von der Unzufriedenheitsphase zur nachfolgenden Phase der Entschlossenheit ebnen.
1. Orientierungsphase ..
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4. Produktivitätsphase
2. Phase der Unzufriedenheit
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3. Phase der Entschlossenheit
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Abb. 9.5: Teamphasen [Lacoursiere, 19801
Phase der Entschlossenheit In der Phase der Entschlossenheit klingen die negativen Gefühle ab und gehen wieder in eine neutrale oder positive Gefühlslage über. Damit verbunden ist ein stärkerer Arbeitseinsatz bzgl. der anstehenden Aufgaben. In dieser Phase erfolgt eine Annäherung der ursprünglichen Erwartungshaltung an die Realität der Aufgabe und des Teams. Die erfolgreiche Bewältigung unangenehmer Situationen erhöht das persönliche Selbstvertrauen und die Zufriedenheit. Die zwischenmenschlichen Beziehungen und somit die Zusammenarbeit im Team werden verbessert.
Produktivitätsphase Diese Phase wird überwiegend von positiven Gefühlen begleitet. Es stellt sich generell eine gute bis sehr gute Zusammenarbeit im Team ein. Die damit verbundene Zufriedenheit über die zwischenmenschlichen Beziehungen im Team ist eine gute Grundlage für mehr Selbstständigkeit der einzelnen Teammitglieder. Die einzelnen Teammitglieder merken, dass sie mit ihrer Arbeit etwas erreichen können und einen erkennbaren Beitrag zur gesamten Teamleistung erbringen. Generell muss die Teamleitung dafür sorgen, dass das Team die meiste Zeit in der Produktivitätsphase verbringt. Dazu müssen bereits im Vorfeld die Ziele und zu erledigenden Aufgaben klar definiert und strukturiert sein.
9
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9 Führung und Leitung von Teams
Abschlussphase Die Abschlussphase ist in der Regel das Ende eines Projektes oder der AufgabensteIlung. Damit geht auch die bisherige Gruppenkonstellation zu Ende und das Team löst sich auf. In dieser Phase macht sich einerseits ein Gefühl von Stolz über das Erreichte breit; andererseits tritt aber auch ein Gefühl des Verlustes und der Traurigkeit auf, da sich das Team auflösen wird.
9.4
Teamphasen im TZI-Dreieck
Treten Menschen zu einer Arbeitsgruppe zusammen, laufen immer wieder ähnliche Abläufe und Entwicklungen ab. Die in Abbildung 9.6 aufgezeigten Teamphasen sind idealtypische Beschreibungsformen. In der Realität müssen sich nicht alle Teammitglieder in der gleichen Phase befinden. Je nach Dynamik der Gruppe kann es sprunghafte Fortschritte aber auch Rückschritte für einzelne Personen oder das gesamte Team geben. Trotzdem ist eine Systematisierung der Teamentwicklung in einzelnen Phasen sinnvoll und aufschlussreich. Sie helfen dem Teamleiter Situationen besser zu beobachten und wahrnehmen zu können. Als Führungskraft kann er dann entsprechende mitarbeiterindividuelle oder teambezogene Entwicklungsschritte initiieren.
1. Kontakt und Aufnahme
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Abb. 9.6: Teamphasen im TZI-Dreieck
4. Abschluss und Neuorientierung .. ... ... ....... . .. . .... ...
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270
9 Führung und Leitung von Teams
Teamarbeit im Unternehmen ist ein kontinuierlicher Prozess. Bei der Bewältigung einer Aufgabe werden eine gemeinsame Herangehensweise an das Problem und der Umfang der Aufgabe festgelegt. Ohne große Diskussion kommt es zur Ausformung bestimmter Verhaltensweisen und Umgangsformen. Treten während des Projektes Schwierigkeiten auf, wird die Vorgehensweise (hoffentlich) hinterfragt und angepasst. Die Aufmerksamkeit des Teams ist überwiegend auf die internen Sachprozesse und die externen Anforderungen gerichtet. Schließlich wird das Team an der Leistungserfüllung gemessen. Unterschwellig kommt es zu einem mehr oder minder deutlichen Ausdruck von Gefühlen gegenüber der Arbeit und den anderen Teammitgliedern. Da Arbeitsgruppen einen Sachauftrag haben, findet eine tiefer gehende Betrachtung der Beziehungsebene kaum statt. Solange das Team gut funktioniert, ist das auch kaum notwendig. Erst wenn es zu Störungen und Konflikten kommt wird die Beziehungsebene interessant. Ursachen für Auseinandersetzungen liegen nämlich vielfach hier und nicht auf der Sachebene verborgen.
9.4.1
Kontakt und Aufnahme
Der erste Kontakt mit unbekannten Personen ist immer mit Unsicherheiten verbunden. Jeder kennt das Gefühl und die Gedanken die ihn begleiten: • • • • • •
Welcher Mensch wird mir da begegnen? Wie sieht mich der Andere? Wie kann ich meine Fähigkeiten in die Arbeitsgruppe einbringen? Wer übernimmt die Führung? Wie wird die Zusammenarbeit sein? Wie gehe ich mit meinen Schwächen im Team um?
Unsicherheiten und teilweise sogar Ängste des einzelnen Teammitgliedes spielen in dieser ersten Phase eine zentrale Rolle. Der Eintritt in eine neue Gruppe ist fast zwangsläufig mit einer solchen Unsicherheit verbunden. Da ich die persönlichen Ziele und Charaktere der anderen Teammitglieder nicht oder nur teilweise kenne, fühle ich mich letztlich unsicher. Es liegt in der Natur des Menschen nach Zuwendungen und Anerkennung zu streben. Ich will mich nicht blamieren und möglichst keine Fehler machen. Um dies zu erreichen, passe ich mich mehr oder weniger den ungeschriebenen Gruppennormen an: • • •
Wie viel Individualismus kann ein Team ertragen? Wie viel Nähe bzw. Distanz brauchen die einzelnen Mitglieder zueinander, um effektiv zusammen zu arbeiten? Wie weit kann, will und muss ich mich anpassen?
Um diesen ersten Schritt - Kontakt und Aufnahme - gut bewältigen zu können, ist zuallererst Aufmerksamkeit und Achtsamkeit dem anderen gegenüber notwendig. Zurückhaltung, Vorurteile und Misstrauen aufgrund persönlicher Erfahrungen und Verletzungen verzögern die Kontaktaufnahme und verlängern für das Individuum diese erste Phase. Hier entscheide ich mich für die Intensität meiner Beziehung zum Team. Je deutlicher meine Entscheidung für das Team ausfällt, umso höher wird auch mein Engagement in der Gruppe sein. Möchte ich dem Team angehören und fühle ich mich dort wohl, werde ich auch mit der entsprechenden Motivation die anstehenden Aufgaben erledigen: • • • •
Welche Motivationen bewegen die anderen Teammitglieder? Welche Ziele verfolgen wir? Mit welchen Mitteln wollen/können wir diese Ziele erreichen? Wie wollen wir grundsätzlich im Team zusammenarbeiten?
9
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9 Führung und Leitung von Teams
Diese Fragen entscheiden u.a. darüber, wie ich mich selbst in der Gruppe fühle. Aus den Beziehungen, die die einzelnen Personen in einer Gruppe zueinander eingehen, ergeben sich die Gruppenstruktur und die -dynamik. Zur Ermittlung dieser soziometrischen Struktur werden innerhalb einer Arbeitsgruppe die entsprechenden Gesprächsanteile analysiert und dargestellt (Abb. 9.7). Anhand der Gesprächsanteile ist z.B. zu erkennen, dass ein intensiver Austausch zwischen den Teammitgliedern C H Bund D H C stattfindet, während A H D kaum miteinander kommunizieren. Eine weitergehende Analyse zeigte, dass Teammitglied A nicht mit Person D zusammenarbeiten will. Hier sind entsprechende Führungsmaßnahmen bereits in dieser frühen Teamphase notwendig, da ein potenzieller Konflikt existiert und die Zusammenarbeit und Effektivität im Team leiden können.
Teammitglied
Teammitglied
A
B
Teammitglied
C
Teammitglied
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D
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9 I
< 3 Gespräche
• 4 - 6 Gespräche
• •
7 - 9 Gespräche > 10 Gespräche
Abb. 9.7: Soziometrische Teamstruktur anhand entsprechender Gesprächsanteile
9.4.2
Sache und Verantwortung
Die Phase der Verantwortung ist die eigentliche Arbeitsphase. In der Gruppe werden Themen bearbeitet, Machtverhältnisse geklärt, Verantwortungsbereiche festgelegt und Entscheidungen getroffen. Jedes einzelne Teammitglied ist dazu aufgerufen entsprechend seinen Kompetenzen Aufgaben, Zuständigkeiten und Verantwortungen zu übernehmen. Jedem Teammitglied muss daher sein personaler und fachlicher Beitrag zur Lösung der anstehenden Aufgaben klar sein.
272
9 Führung und Leitung von Teams
Nicht selten kommt es in dieser Phase zu Positionskämpfen in der Gruppe. Zeichen dafür sind langwierige Diskussionen, die nur dem Zweck dienen, den Gegner von der Richtigkeit der eigenen Positionen und Ansichten zu überzeugen. Ein Einlenken in dieser Situation würde als Niederlage und Beschneidung der eigenen Machtansprüche und Fähigkeiten angesehen. In diesem Fall ist es Aufgabe des Teamleiters dafür zu sorgen, dass andere Standpunkte neutral diskutiert und bewertet werden können. Im besten Fall ist die Diskussion oder Konfrontation von vornherein konstruktiver Natur, denn das Team wird an seiner Produktivität und seinen Resultaten und nicht an seinen Auseinandersetzungen gemessen. In der Phase der Verantwortung muss jeder seine eigenen Vorstellungen und Interessen aber gleichzeitig auch die Teamziele vertreten. Damit sind unterschiedliche Erwartungen vorprogrammiert. Die Teammitglieder müssen ihre sozialen Rollen in der Gruppe finden und ihren jeweiligen Status behaupten. Sichtbar wird das Geschehen meistens nur auf der Sachebene, wenn über die Sachziele und richtige Vorgehensweise diskutiert wird. Die Wahrnehmung von Verantwortungen hat auch etwas mit der Fähigkeit zu tun, Entscheidungen zu treffen. Nur wer Entscheidungen trifft, ist bereit Verantwortung für seine Handlungen zu übernehmen. Entscheidungen müssen rechtzeitig getroffen werden, qualitativ hochwertig und begründbar sein, sowie das Engagement und den Einsatzwillen fördern. Entscheidungen tragen zur Zielerreichung bei und verdienen Anerkennung seitens der Führungskraft und der anderen Teammitglieder. Sie verlangen gleichzeitig den Mut zur Korrektur bei fehlerhaften Entscheidungen.
9.4.3
Beziehung und Vertrauen
In der Phase der Beziehungen und des Vertrauens gewinnt der offene Umgang der Teammitglieder untereinander an Bedeutung. Es werden Dinge mitgeteilt, die über die Sachebene hinaus in die Beziehungsebene hineinwirken. Emotionen, Gefühle und persönliche Werte werden offener kommuniziert. Es scheint in der Natur des Menschen zu liegen, dass nach geraumer Zeit des Zusammenseins das Bedürfnis nach mehr Vertrautheit automatisch auftritt. Es entwickelt sich bei entsprechender Offenheit ein respektvoller Umgang miteinander, der die Chance einer besseren Arbeitsatmosphäre beinhaltet. Wo auch persönliche Anliegen angesprochen werden können, fühle ich mich angenommen, willkommen und in meiner Person akzeptiert. Entsprechend steigt mein Engagement für die Arbeit und für das Team. Die persönlichere Arbeitsatmosphäre stärkt das WIR-Gefühl im Team. Ist es einem Team gelungen nicht nur an der Oberfläche der Sachebene zu agieren und miteinander zu kommunizieren, sondern auch erfolgreich Beziehungen im Teamleben zu gestalten, so kann daraus ein Motivationsschub resultieren. Auftretende Probleme werden möglichst direkt angesprochen und gelöst. Haben die Teammitglieder gelernt offen und vertrauensvoll miteinander zu agieren, können sie konstruktiv Verbesserungen im Team erzielen. Das Team wird resistenter gegenüber auftretenden Krisen, die zwangsläufig in jeder Arbeit auftreten können. Persönliche Ansichten können ohne Angst und mit der notwendigen Ernsthaftigkeit vorgetragen werden, um gemeinsam mit den anderen eine sinnvolle Lösung zu finden. In der Phase der Sachbezogenheit und Verantwortung müssen Aufgaben bewältigt und Ziele erreicht werden. Jeder im Team hat seinen individuellen Aufgabenbereich erhalten. Zur Erreichung der Ziele müssen Absprachen getroffen und Vereinbarungen eingehalten werden. Auftretende Meinungsverschiedenheiten lassen sich in dieser Phase in konstruktiver Art und Weise lösen. Die Teammitglieder erkennen wann SChwierigkeiten durch Störungen auf der Beziehungsebene auftreten und zu lösen sind. In der Phase der Beziehungen und des Vertrauens kann das Team je nach Notwendigkeit zwischen der Sach- und der Beziehungsebene wechseln.
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9 Führung und Leitung von Teams
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Wenn ich Vertrauen gewinne und den Teammitgliedern Vertrauen entgegenbringe, lassen sich Themen leichter ansprechen, die mir von Bedeutung sind und Auswirkungen auf das Arbeitsklima im Team haben. Ein offenes Gespräch unter Kollegen kann auch dazu führen, dass ich von deren Erfahrungen profitiere und ihre Hilfe annehme. Von Tag zu Tag werde ich mehr für die verschiedenen Verhaltensweisen der Teamkollegen sensibilisiert und erkenne typische Verhaltensmuster der anderen Teammitglieder. Durch entsprechende Aufmerksamkeit erkenne ich meine und ihre fachlichen, methodischen und personalen Stärken und Eigenheiten. In dieser Phase sind wir in der Lage auffällige Verhaltensmuster oder -änderungen mit der notwendigen Sensibilität anzusprechen. Selbstverständlich ist die entsprechende Vertraulichkeit zu wahren. Die Phase der Beziehungen und des gegenseitigen Vertrauens steht in konkretem Zusammenhang mit der Arbeitsatmosphäre im Team. Ich muss mich auf keinen Fall mit allen Teammitgliedern gleich gut verstehen und Freundschaften schließen. Trotzdem kristallisieren sich selbstverständlich besondere Beziehungen heraus, die ich zu akzeptieren habe. Neben Sympathien muss ich auch mit entsprechenden Antipathien rechnen. Letztere müssen sich jedoch in Grenzen halten und dürfen die gemeinsame Arbeit nicht erschweren. Persönliche Distanzen sind zu respektieren und auch ernst zu nehmen. Gerade wenn ich Personen bewusst respektiere, die mir von ihrem Wesen her persönlich nicht angenehm erscheinen, lässt sich trotzdem ein sinnvolles Miteinander gestalten. Auch muss es möglich sein, auftretende Probleme zu besprechen und sich damit auseinander zu setzen, ohne den anderen zu verletzen, zu beleidigen oder gar zu verachten. Im Idealfall können sich auch distanziert zueinander stehende Personen konstruktiv kritisieren und gemeinsam eine Lösung finden. Im konstruktiven Dialog lassen sich Spannungen vermeiden, ohne dass der Teamleiter eingreifen muss. Wenn es gelingt Probleme aus der Welt zu schaffen, die sich auf der Beziehungsebene abspielen, dann ist eine reibungslose Zusammenarbeit erst möglich. Dies äußert sich in einer inneren Zufriedenheit, was wiederum die Leistungsfähigkeit zu steigern vermag. Gefahren für die Teamarbeit ergeben sich in dieser Phase durch Missbrauch des entgegengebrachten Vertrauens, durch Unehrlichkeit, Ignoranz oder auch einfach durch Gleichgültigkeit. Ich bin enttäuscht, da ich Unterstützung in Form eines Rates erhofft hatte. Stattdessen wurde ich zurückgewiesen oder nicht angenommen. Als Konsequenz werde ich mich bei einem neuen Problem nicht mehr an diese Person wenden. Es kommt zwischen den Beteiligten zu einer Störung auf der Beziehungsebene. Eine massive Störung des Arbeitsklimas tritt auch dann auf, wenn persönliche und vertrauliche Angelegenheiten den Teambereich verlassen und nach außen gelangen. In solchen Fällen ist das Vertrauensverhältnis innerhalb der Gruppe geschädigt und nur sehr schwer wieder herzustellen. Neben der sachlichen Erbringung der geforderten Arbeitsleistung, muss es daher Ziel sein, dass die Teammitglieder auf Dauer vertrauensvoll, offen und respektvoll miteinander umgehen.
9.4.4
Abschluss und Neuorientierung
Die Aufgabe wurde erfolgreich beendet, das Projekt geht zu Ende oder ein Mitglied des Teams scheidet aus. Ich schließe einen Abschnitt ab und muss mich neu orientieren. Die Erfahrungen der Vergangenheit und Gegenwart bieten mir Sicherheit und Orientierung. Das Unbekannte der Zukunft kann Neugierde hervorrufen oder Ängste wecken. Immer dann, wenn es um Veränderungen im Team geht, handelt es sich fast zwangsläufig auch um Neuorientierung.
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9 Führung und Leitung von Teams
Mit dem Abschluss einer Aufgabe oder eines Projektes habe ich es wiederum mit sachlichen und emotionalen Aspekten zu tun. Inhaltlich sind die berühmt-berüchtigten Restaufgaben zu erledigen. Sie können in diesem Stadium zum Schluss noch manchen Ärger und Verdruss verursachen. Die eigenen Arbeitsergebnisse sind zu dokumentieren und an den Anwender bzw. Nachfolger zu übergeben. Letzterem wird so ein leichterer Einstieg in das Thema ermöglicht. Das ist besonders dann wichtig, wenn ich nicht mehr für entsprechende Fragen zur Verfügung stehe. Auf der Beziehungsebene heißt es Abschied nehmen von Kollegen und sozialen Bindungen. Vielleicht empfinde ich Freude, da eine unangenehme Zeit zu Ende geht. Vielleicht aber auch Traurigkeit, da ich das mir entgegengebrachte Vertrauen schätzen gelernt und Freundschaften geschlossen habe. Im Rückblick wird ein Resümee über die Zusammenarbeit gezogen. Was war gut, was hat nicht so toll funktioniert? Neue, hoffnungsvolle Perspektiven erleichtern den Abschluss und das Loslassen. Ohne Perspektiven breiten sich sehr schnell Unruhe und Unsicherheit aus. Nach Abschluss einer Aufgabe muss daher durch den Teamleiter ein sinnvoller Übergang in eine neue Tätigkeit gewährleistet sein. Wenn die Beziehung zu einem Teammitglied nur sehr oberflächlich war, fällt der Abschied oft nicht so schwer. Ich verliere vielleicht einen Kollegen mit dem ich gut und produktiv zusammengearbeitet habe. Es gibt aber keine tiefere Beziehung, an der ich weiterhin interessiert bin. Wenn ein Mitglied das Team aber nicht die Firma verlässt ergibt sich eine andere Beziehungskonstellation. Ich bin in der Lage weiterhin mit einem vertrauten Kollegen informelle Informationskanäle sinnvoll zu nutzen.
9.5
Teamdiagnose und -entwicklung
9.5.1
Teamdiagnose
In Unternehmen haben Teams in den verschiedensten Funktionen einen hohen Stellenwert eingenommen. Eine gut funktionierende Teamarbeit ist jedoch kein Selbstläufer. Maßnahmen zur Teamentwicklung sind für deren Effektivität unentbehrlich. Damit Teamentwicklung zielorientiert durchgeführt werden kann, ist zuvor eine Analyse der Teamsituation, die Teamdiagnose, notwendig (Abb. 9.8). Teamdiagnosen können: • • • • •
die Teammitglieder für bestimmte Aspekte der Zusammenarbeit sensibilisieren, die ablaufenden Teamprozesse identifizieren, Verbesserungspotenzial für die Teamarbeit aufzeigen, Maßnahmen zur Teamentwicklung initiieren und die Effektivität dieser Maßnahmen überprüfen.
Im Allgemeinen geht man davon aus, dass die Produktivität einer Gruppe im Laufe der Zeit mehr oder minder stark zunimmt. Jedoch sind meist zufällige Ereignisse dafür verantwortlich, bestimmte Abläufe und Gruppenprozesse in Zukunft so oder anders zu gestalten. Ein so handelndes Team ist jedoch weit davon entfernt zielorientiert und effektiv zu agieren. Wesentliche Parameter für den Teamerfolg werden nicht wahrgenommen und erkannt. Sobald sich dann die Anforderungen an das Team ändern, ist das jetzt eingeschliffene System möglicherweise unbrauchbar und die Gruppe beginnt in ihrer Teamentwicklung von vorne.
9
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9 Führung und Leitung von Teams
Wenn keine gemeinsame Vorstellung über Ziele, Aufgaben und die Zusammenarbeit vorhanden ist, kann es im Team leicht zu Konfusion, Missverständnissen, Konflikten und Frustration kommen. Teamdiagnosen sensibilisieren die Teammitglieder für gruppendynamische Prozesse und leiten gruppeninterne und -externe Verbesserungen ein. Eine Evaluierung und Erfolgskontrolle der Teamentwicklung ist ohne Teamdiagnose und Zielformulierung nicht möglich. Für die Analyse der Teamsituation eignen sich alle bereits beschriebenen Moderationstechniken. Die Ergebnisse und deren Akzeptanz in Form von Teamentwicklungsmaßnahmen hängen sehr stark von der Person des Moderators ab.
ermöglicht die Aufstellung von I
Die resultierenden
sind zu evaluieren.
Abb. 9.8: Kreislauf der Teamentwicklung
9.5.2
Teamentwicklung
Unter Teamentwicklung versteht man Maßnahmen, um einen Prozess zur systematischen Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern einer Arbeitsgruppe zu initiieren. Grundlage und Ziel sind belastbare und offene Beziehungen im Team, die klare, tragfähige Vereinbarungen über eine verbesserte interne und externe Zusammenarbeit beinhalten. Teamentwicklung fördert die Stärken und ermöglicht Probleme auf der Sach- und Beziehungsebene zu lösen. Sie will das Teampotenzial in allen Richtungen steigern. Für eine gute Teamarbeit sind einige Bedingungen zu berücksichtigen, die sich am TZI-Dreieck orientieren können. So muss das zu bearbeitende Thema (die Aufgabe, das Projekt) für eine Teamarbeit geeignet sein. Vielfach ist zu beobachten, dass die weitgehend thematisch unabhängige Zusammenarbeit einzelner Mitarbeiter als Teamarbeit bezeichnet wird. Hier soll als Teamarbeit die engere Zusammenarbeit im Rahmen einer gemeinsamen Aufgabe oder eines Projektes verstanden werden. Dadurch sind die Mitarbeiter im Team direkt auch Betroffene einer gemeinsamen Zielerreichung.
9
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9 Führung und Leitung von Teams
Die zur Bearbeitung der Aufgabe notwendigen Arbeits- und Moderationstechniken, Kommunikations- und Konfliktlösungsfähigkeiten sollten vorhanden sein. Insbesondere sollten die unternehmensinternen Rahmenbedingungen einer Teamarbeit förderlich sein. Teamentwicklung ist immer ein Prozess, der sich an konkreten betrieblichen Gegebenheiten orientiert. Die damit verbundene Auseinandersetzung ist der Garant für einen hohen Lerneffekt. Konkrete betriebliche AufgabensteIlungen sorgen für eine persönliche Betroffenheit im Team. Sie sind Chance und Risiko zugleich. Chancen bestehen darin, sich methodisch und persönlich weiterentwickeln zu können. Risiken beinhalten, von anderen Teammitgliedern ein kritisches Feedback zur eigenen Person zu erhalten. Zu den Zielen der Teamentwicklung gehören die: • • • • • • •
Entwicklung von Zielen und klaren Entscheidungsprozessen, Entwicklung effektiver Arbeitsstrukturen und Verbesserung der Zusammenarbeit, Einhaltung von Terminen und Schaffung eines Prozessbewusstseins, Entwicklung eines Verständnisses für eigene und fremde Handlungsweisen, zielgerichtete Bearbeitung von Konfliktthemen, effektivere Durchführung von Besprechungen und Verbesserung der internen Kommunikation, Schaffung eines gesteigerten Bewusstseins für die Teampotenziale und -ressourcen.
Damit ergeben sich vier Einstiegsmöglichkeiten in die Teamentwicklung (Abb. 9.9).
Sachebene Vor der Behandlung der anderen, aufgeführten Ebenen ist die Sachebene zu klären. Aufgeführte Ineffektivitäten im Team können auf mangelnder Zieltransparenz und -orientierung aller Beteiligten beruhen. Sind die Ziele nicht transparent, muss eine entsprechende Klärung vorgenommen werden. Zusammen mit der Führungskraft sind Teamziele zu formulieren, die sich an den Unternehmenszielen zu orientieren haben. Ein - wie immer geartetes Kennzahlensystem - zur Zielerreichung bietet Orientierungsmöglichkeiten auf dem Weg dorthin. Werden Aufgaben unklar formuliert oder schlecht koordiniert, Prioritäten und Ziele falsch gesetzt, Ergebnisse mehrdeutig kommuniziert, sind Missverständnisse und Auseinandersetzungen vorprogrammiert. Die Klärung des gesamten Arbeitsprozesses im Team erhöht somit dessen Effektivität.
Methodenebene Unzulänglichkeiten in der Zielerreichung und Aufgabenbewältigung können auch auf unzureichenden Arbeitsmethoden beruhen. Dazu zählen z.B. Moderations- und Kreativitätstechniken, Projektmanagement, Fähigkeiten zur systematischen Problemlösung und Entscheidungsfindung. Eine Überprüfung der im Team angewandten Methoden im Zuge der Situationsanalyse liefert relativ einfach entsprechende Teamentwicklungs-Maßnahmen zur Effizienzsteigerung.
9
277
9 Führung und Leitung von Teams
Sachebene • • • • •
Zielorientierung Arbeitsabläufe Aufgabenverteilung Prozesse Schnittstellen
• Kooperation und Zusammenarbeit • Kommunikation • Gruppennormen • formelle, informelle Führung
Methodenebene • • • • •
Arbeitstechniken Moderationstechniken Projektmanagement Problemlösungstechniken Entscheidungsfindung
• Werte und Überzeugungen • Selbstbild f-7 Fremdbild • Wahrnehmungsfähigkeit
Abb. 9.9: Einsliegsmöglichkeiten in die Teamentwicklung
Beziehungs- und Persönlichkeitsebene Unausgesprochen wird Teamentwicklung mit der Klärung und Entwicklung von Beziehungen der Teammitglieder untereinander gleich gesetzt. Während Sach- und Methodenebene noch relativ neutral analysiert und entwickelt werden können, stehen auf der Beziehungs- und Persönlichkeitsebene die einzelnen Teammitglieder im Vordergrund. Zur Teamentwicklung sind Fragen zur Kooperation und Kommunikation zu thematisieren. Persönliche Werte und Überzeugungen der einzelnen Mitglieder werden oft als diffuse Gruppennormen erlebt. Notwendige Regeln zur Zusammenarbeit im Team ("Teamvertrag") sind aufzustellen und vor allen Dingen zu praktizieren. Offenlegung von individuellen Rollen machen informelle und formelle Führungsansprüche transparent. Diskrepanzen zwischen Selbst- und Fremdbild sind aufzuzeigen und die eigene Wahrnehmungsfähigkeit ist zu entwickeln. Die vier Ebenen zum Einstieg in die Teamentwicklung sind nicht unabhängig voneinander. Sie besitzen vielfältige Wechselwirkungen und Verzahnungen untereinander. Welcher Einstieg gewählt wird, hängt letztlich von den Vorstellungen des Auftraggebers ab. Teamentwicklung kann zu verschiedenen Zeitpunkten im Team ansetzen. Bei Neugründung eines Teams werden alle Grundlagen für die spätere Zusammenarbeit gelegt. Ziele, Vorgehensweisen und Rollen sind zu klären. Zu einem späteren Zeitpunkt helfen regelmäßige Reviews die Teamerfolge und -schwierigkeiten zu reflektieren.
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9.5.3
Ansatzpunkte für TE-Maßnahmen
Fachliche und methodische Defizite lassen sich in einem Team relativ leicht analysieren und in entsprechende Teamentwicklungsmaßnahmen umsetzen. Schwieriger wird es auf der Persönlichkeits- und Beziehungsebene. Hier ist mit Widerständen und Ausflüchten zu rechnen. Die folgenden Punkte beschreiben einige Risiken in der Teamarbeit und damit mögliche Ansatzpunkte für TEMaßnahmen.
Engagement und Kritikfähigkeit Engagement ist der Wille und die Bereitschaft sich für eine Sache stark zu machen. Engagement ist aber auch eine Voraussetzung für gute Zusammenarbeit in einem Team. Das Engagement ist dabei stark vom Klima der Gruppe abhängig. Engagierte Mitglieder wissen, dass sich die Arbeit lohnt, für die sie so viel Zeit aufbringen und sie wissen die Leistungen der anderen Teammitglieder zu schätzen. Wie stark die einzelnen Mitglieder engagiert sind, hängt davon ab, ob es Spaß macht in der Gruppe zu arbeiten. Dies ist davon abhängig, wie die einzelnen Mitglieder miteinander umgehen. Gegenseitiger Respekt und Rücksicht sowie menschliche Wärme, Offenheit, Toleranz und Freundlichkeit sind wichtige Bestandteile für ein gemeinsames Engagement. Engagement für das Team beinhaltet auch die Fähigkeit zur kritischen Beurteilung anderer Mitglieder. Manche Mitarbeiter sehen ihre eigenen Fehler nicht ein und fühlen sich durch Kritik persönlich angegriffen. Dieses Verhalten kann zu Streitigkeiten im Team führen. So wird Kritik oft zurückgehalten, aus Angst den Gruppenzusammenhalt zu stören. Kritikfähigkeit ist aber ein notwendiger Bestandteil für erfolgreiche Teams. Nicht nur die Mitglieder sondern auch der Teamleiter selbst, sollen Kritik vertragen und hierfür entsprechende Gruppennormen entwickeln. Ein Team, das Kritik an der Arbeit und Zusammenarbeit offen analysiert und ein ehrliches Feedback gibt, kann seine Leistungsfähigkeit steigern. Kritikfähigkeit wirkt sich positiv auf das Zusammenarbeiten im Team aus und fördert seine Weiterentwicklung.
Gruppenzwang Teams bilden eine geschlossene Gemeinschaft, die ihre eigenen Regeln und Ansichten entwickelt hat. Die Rangordnungen sind geklärt und die Vorgehensweisen zur Zielerreichung festgelegt. Es kehrt eine Art Gewohnheit in die Gruppenstrukturen und -dynamik ein. Solch ein Verhalten ist völlig normal, da so eine gewisse Sicherheit für jeden im Team existiert. Nach außen wirkt die Gruppe als Einheit. Aufgrund des Einheitsdrucks besteht jedoch die Gefahr, einstimmige Entscheidungen zu treffen. Um nicht aus dem Team herauszufallen erhöht sich die Uniformität der Mitgliederurteile. Abweichende Meinungen werden nicht geäußert oder von anderen Teammitgliedern als Angriff auf die Teamstrukturen gewertet. Dieser Gruppenzwang kann die Leistung einzelner verringern, da sich aufgrund dieser Konstellation nicht jeder traut, seinen Ideen freien Lauf zu lassen. Schweigen wird oftmals als Zustimmung interpretiert. Eigene Zweifel werden vom einzelnen Teammitglied unterdrückt oder verharmlost, um den scheinbaren Gruppenkonsens nicht zu gefährden. Bedenken werden aus Angst vor möglichen Repressalien zum Eigenschutz zurückgehalten. Hier herrscht eine unterschwellige Angst, dass andere Ansichten zum Zerbrechen der Gemeinschaft führen könnten. Letztlich ist die soziale Struktur des Teams nicht gefestigt. Gründe können im geringen Selbstvertrauen der Teammitglieder, in der Führungsschwäche des Teamleiters oder im starken Wunsch nach Akzeptanz liegen. Hier sind Teamentwicklungsmaßnahmen zu mehr Vertrauen und Offenheit notwendig.
9
9 Führung und Leitung von Teams
279
Extreme Entscheidungen Teams neigen bei ihren Entscheidungen zu stärkeren Extremwerten. Gegenüber einer EinzeIperson tendieren sie entweder zu riskanteren Entscheidungen mit größerer Risikobereitschaft oder zu besonders vorsichtigem Agieren. Ein Grund dafür ist die Verantwortungsdiffusion in Teams. Ein höheres Risiko lässt sich leichter eingehen, wenn die möglichen Konsequenzen nicht eine einzelne Person sondern ein ganzes Team trägt. Jeder einzelne trägt keine so große Verantwortung mehr. Das gilt besonders dann, wenn das Team Mehrheitsbeschlüsse oder einstimmige Entscheidungen trifft. Notwendige Korrekturmaßnahmen im Falle des Scheiterns treffen wiederum nicht jeden einzelnen sondern das Team als Ganzes. Fehlschläge und die nachfolgende Kritik tun deshalb nicht so weh. In der Gruppe kann ich die negativen Auswirkungen besser abfangen und ertragen. Ein weiterer Grund für extreme Entscheidungen ist das Zugehörigkeitsgefühl zum Team. Bei einer starken Verbundenheit sinkt die Unsicherheit im Team und es werden eher schnelle und riskante Entscheidungen getroffen. Dominante und/oder leistungsmotivierte Mitglieder haben oftmals einen großen Einfluss auf das Team. Besitzen sie eine ausgeprägte Neigung zu extremen Entscheidungen, ziehen sie die anderen Teammitglieder mit. Oftmals werden im Team Entscheidungen gefällt, die dominierende Personen von Anfang an angestrebt haben. Aufgrund eines möglichen Gruppenzwangs passt sich jedes Mitglied dem Risikoniveau im Team an. Dadurch wird versucht Anerkennung zu erhalten. Dies wiederum gibt dem Team Impulse das Risikoniveau auf einem hohen Level zu halten. Umgekehrt können besonnen handelnde Teammitglieder noch vorsichtiger agieren.
Entscheidungsschwächen Die unzureichende Qualität von Entscheidungsfindungen lässt sich an hand einer Reihe von Merkmalen überprüfen. So wurden die zu erreichenden Ziele und die damit verbundenen Werte nicht hinterfragt und diskutiert. Sie werden kritiklos zur Kenntnis genommen. Die Diskussionen über mögliche Lösungswege beschränken sich auf einige wenige Alternativen. In der Regel werden zwei Möglichkeiten in einer Konstellation "Geeignet-Nichtgeeignet" untersucht. Eine vollständige Prüfung eines breiteren Spektrums an weiteren Optionen unterbleibt häufig aufgrund der höheren Arbeitsbelastung und des existierenden Zeitdrucks. Beim bevorzugten Lösungsweg werden überwiegend die Chancen dargestellt. Mögliche Risiken werden nicht betrachtet oder verharmlost. Das betrifft auch unternehmensinterne Widerstände bei der Realisierung. Handlungs- und Umsetzungspläne werden zum Teil voreilig und unzureichend gefasst und beim Auftreten unerwarteter Risiken, Schwierigkeiten und Rückschläge nicht modifiziert. Die Informationsbeschaffung beruht auf wenigen Versuchen und/oder umfasst leicht zugängliche Quellen. Fundiertere Informationen, die ein leichteres Abwägen möglicher Vor- und Nachteile ermöglichen, werden wegen Zeitdrucks nicht herangezogen.
Gruppendenken Oft wird propagiert, dass die Leistungsfähigkeit von Gruppen höher sei als die der Summe der einzelnen Teammitglieder. Dies kann zu einer Selbstüberschätzung des Teams führen. Ausdrückliche Warnungen bleiben unbeachtet oder werden ignoriert. Mitbewerber werden abgewertet, so dass sich das Team mit deren Ansichten nicht auseinandersetzen muss. Es macht sich ein unrealistischer Optimismus bzgl. der Leistungsfähigkeit und der Qualität der getroffenen Entscheidungen breit.
9
280
9 Führung und Leitung von Teams
Die Bereitschaft sehr große Risiken einzugehen steigt. Fühlt sich ein Team überlegen, kommt es zu einer moralischen Rechtfertigung der Handlungs- und Umsetzungspläne. Da die Absichten besserer Art sind, vergisst das Team sein Vorgehen kritisch zu hinterfragen. Weil ein gesetztes Ziel krampfhaft erreicht werden soll, werden mögliche Hemmungen abgebaut. Moralische Grenzen werden verschoben und Methoden eingesetzt, die unter normalen Umständen von den einzelnen Teammitgliedern nicht akzeptiert würden. Teams stellen oft getroffene Annahmen und Vermutungen nicht wieder in Frage. Widerstrebende Tatsachen werden umgedeutet, zurechtgelegt oder einfach ignoriert. Was nicht ins Bild passt wird kollektiv verleugnet. Entscheidungen und Argumente werden nur noch selten wertfrei überdacht und revidiert.
Aufgaben- und Beziehungsorientierung Effektive Teamarbeit hängt von den genannten Faktoren ab. Wird einer dieser Faktoren vernachlässigt, so werden sich die Effektivität des Teams und die Teamarbeit verschlechtern. Eine hohe Ausprägung von Aufgaben- und Beziehungsorientierung beschreibt ein funktionsfähiges, effektives Team. Ist die Beziehungsseite vernachlässigt worden, so ergibt sich immer noch ein effektives aber sozial unterkühltes Team. Hohe Beziehungsorientierung und niedrige Aufgabenorientierung beschrieben das soziale, ineffektive Team. Hier geht es gemütlich zu. Sind beide Dimensionen niedrig ausgeprägt, liegt ein gestörtes, ineffektives Team vor. Für Teamentwicklungsmaßnahmen ist es daher notwendig, die vorhandene Aufgaben- und Beziehungsorientierung im Team zu erkennen und eingehend zu analysieren.
9.5.4
Evaluierung von TE-Maßnahmen
Wie jede Investition sollten auch Teamentwicklungsmaßnahmen auf ihren Erfolg überprüft werden. Die Analysen und Bewertungen liefern Aussagen hinsichtlich der Leistungsverbesserung des Teams. Kriterien der Evaluation können mittels einer Balanced SCorecard festgelegt werden. Zu unterscheiden sind: • • • •
personenbezogene Kriterien (z.B. Mitarbeiterzufriedenheit, Zusammenarbeit), prozessbezogene Kriterien (z.B. Arbeitsleistung, -qualität), kundenbezogene Kriterien (z.B. Termintreue, Kundenzufriedenheit), finanzielle Kriterien (z.B. erzielte Einsparungen).
Eine weitere Evaluationsmöglichkeit basiert auf dem Ishikawa-Diagramm (Abb. 9.10). Mit den vier Kategorien • • • •
Mitarbeiter, Management, Kunden, Methoden
lassen sich mit entsprechenden Evaluierungskriterien hinterlegen und für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bewerten. Die Evaluierung von Teamentwicklungsmaßnahmen leitet über zur Teamdiagnose. Der Kreislauf schließt sich und für die Teamentwicklung wird ein neuer Zyklus eingeläutet.
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Mitarbeiter
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7
Methoden
I I I I I I I I
Maschinen
I
I I I I I I I
! Abb. 9.10: Evaluierung von Teamentwicklungsmaßnahmen
9.6
Weiterführende Literatur
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284
10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
Die Führungsrolle innerhalb eines betrieblichen Sektors muss nicht zwangsläufig von einer einzelnen Person getragen werden. Diese Aufgabe kann auch auf mehrere Beteiligte formell oder informell verteilt werden. Eine derartige Führungsstruktur stellt in gewisser Weise wieder eine Führungsmaßnahme der indirekten Führung dar, da hierdurch die Verantwortungsbereiche und Kompetenzen dieser Mitarbeiter, z.B. in einem Team, deutlich erweitert werden.
10.2
Menschenbilder
Welches Bild haben Sie von sich selbst? Welche Vorstellungen machen Sie sich über andere? Führungsentscheidungen bauen bewusst oder unbewusst auf den Bildern auf, die wir uns von anderen Menschen machen. Sie beruhen auf richtigen oder falschen Annahmen über menschliche Verhaltensweisen, Wertvorstellungen oder Ziele. Die Entwicklung und Anwendung von Menschenbildern sagt jedoch nichts darüber aus, wie differenziert wir bei dieser Bildentwicklung vorgehen und ob das Bild der Realität entspricht. Umgekehrt entwickeln auch die Mitarbeiter Bilder über die Person ihres Vorgesetzten. Führungskräfte und Mitarbeiter sollten sich immer bewusst sein, dass die entwickelten Menschenbilder Vereinfachungen der Realität darstellen und nicht unbedingt wahr sein müssen. Die einerseits persönliche, subjektive Sichtweise der Führungskraft über den Mitarbeiter mündet andererseits in konkreten Handlungsweisen der Führung. Jede Führungshandlung äußert sich in Ausübung von Autorität und Macht über den Mitarbeiter. Der Führungsanspruch kann auf fachlicher Kompetenz, hierarchisch legitimierter Macht, persönlicher Autorität und Akzeptanz seitens der Mitarbeiter gründen. Handlungsgrundlage für die Gestaltung von Führungsbeziehungen sind neben den Persönlichkeitseigenschaften der Führungskraft die Einstellungen des Mitarbeiters zu seiner Arbeit, seine Erwartungen und persönlichen Ziele. Berater und Forscher entwickeln ebenfalls Menschenbilder von Führungskräften und Mitarbeitern. Die von ihnen erhobenen Informationen werden entsprechend bewertet und klassifiziert. Von dieser Klassifizierung und Zuordnung geht ein verhaltensprägender Einfluss aus, der sich auf die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter auswirkt. Alle Beteiligten sollten sich immer wieder bewusst machen, dass die Klassifizierung Vorteile (Vereinfachung) aber auch Nachteile (Vorurteile) beinhaltet. Denn letztlich ist jeder Mensch ein Individuum und muss individuell geführt werden.
10.2.1
Die Theorien von McGregor
McGregor veröffentlichte zwei gegensätzliche Theorien über das Verhalten von Mitarbeitern eines Unternehmens. Die unterschiedlichen Menschenbilder die er dabei zeichnete stellen Grenztypen in einer bipolaren Welt von Arbeitnehmern dar. Mit der Theorie X zeichnete er eine kritische Sichtweise des Mitarbeiters. Andererseits postulierte er in der Theorie Y die positive Ansicht eines Mitarbeiters (Abb. 10.1).
Theorie X Der Theorie X liegt ein von Natur aus träger Mensch zu Grunde. Als fauler Geselle arbeitet er so wenig wie möglich. Es fehlt ihm generell an Ehrgeiz. Außerdem verabscheut er Verantwortung und möchte geradezu als Untergebener von einem Vorgesetzten geführt werden. Mitarbeitern aus der Theorie X ist eine egozentrische Willensausprägung eigen, die sie gleichgültig gegenüber jeglichen unternehmerischen Anforderungen auftreten lässt. Das Unternehmen ist für diesen Mitarbeiter eine Quelle, die ausschließlich der Befriedigung der eigenen materiellen Bedürfnisse dient. Veränderungen steht der Mitarbeiter widerwillig gegenüber. In seiner Leichtgläubigkeit und Einfalt ist er prädestiniert, betrogen und über den Tisch gezogen zu werden.
10
10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
285
Theorie X: •
Von Natur aus hat der Mensch eine Abneigung gegen Arbeit.
•
Es fehlt ihm an Ehrgeiz; er sucht Befriedigung außerhalb der Arbeit.
•
Er vermeidet Verantwortung und will geführt werden.
•
Er ist gleichgültig gegenüber den Unternehmenszielen.
•
Er ist widerspenstig gegenüber Veränderungen.
Theorie Y: •
Für den Mitarbeiter sind Leistungen natürlicher Bestandteil seines Lebens.
•
Mitarbeiter sind lernwillig und entwickeln Eigeninitiative.
•
Sie sind fähig zur selbstständigen Kontrolle und Steuerung ihres Verhaltens.
•
Mitarbeiter suchen nach Verantwortung.
•
Sie haben ein Bedürfnis nach Selbstverwirklichung.
Abb. 10.1: Annahmen der Theorien X und Y [McGregor, 1971]
FÜhrung unter Annahme der Theorie X Der Führungskraft kommt die Aufgabe zu, das Potenzial an menschlicher Arbeitskraft für die Zwecke des Unternehmens nutzbar zu machen. Die besondere Herausforderung liegt darin, die Anstrengungen der Mitarbeiter zu koordinieren, sie zu motivieren und ihre Tätigkeit zu lenken. Zu einem gewissen Grade muss das Verhalten der Mitarbeiter so manipuliert werden, dass es den Bedürfnissen des Unternehmens genügt. Unter der Voraussetzung einer Theorie X und dem entsprechenden Menschenbild ist das aktive Eingreifen des Managements unumgänglich. Führung ist notwendigerweise von einer strengen hierarchischen Kommandostruktur geprägt. Leitung geschieht durch die Weitergabe von Anweisungen (Abb. 10.2). Um die Unternehmensprozesse aufrecht zu erhalten, müssen die Mitarbeiter überzeugt, ausgezeichnet, bestraft oder kontrolliert werden. Eine harte Leitung setzt auf Zwang und Drohung, um die Mitarbeiter auf eine Linie mit den Unternehmenszielen zu bringen. Eine unnachgiebige Leitung und scharfe Kontrolle des Verhaltens führen zu einer angespannten Atmosphäre im Betrieb, die sich in eingeschränkter Produktivität, militanter Rottenbildung und sorgsamer Sabotage der Zielsetzungen des Managements durch die Mitarbeiter äußert. Demgegenüber steht die weiche Führung für das Streben nach Harmonie. Mit Toleranz und dem ZufriedenstelIen der Wünsche versucht man gefügige Mitarbeiter zu gewinnen. Vorauszusehen ist eine aufkommende Gleichgültigkeit in Bezug auf die Leistung. Die Mitarbeiter erwarten immer
10
286
10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
mehr von ihrer Führung, sind aber im Gegenzug immer weniger bereit zu geben. Das Verständnis eines faulen, arbeitsträgen Menschen nach Theorie X basiert auf der falschen Wahrnehmung von Ursache und Wirkung und führt damit zu einem Teufelskreis. Die Maßnahmen des harten und weichen Managementstils, die den arbeitsscheuen und unzufriedenen Mitarbeiter voraussetzen, werden Passivität und damit mangelnde Initiative nur verstärken und eine propagierte Theorie X bedienen. McGregor sieht in den Menschen generell eine andere GrundeinsteIlung vorliegen. Er empfiehlt, Sichtweisen, wie sie Theorie X beinhaltet, abzulegen und nach einer anderen Sichtweise, der Theorie Y, zu handeln.
führt zu
Dies bestätigt
4. Passivität und mangelnder Initiative.
Führung unter Annahme der Theorie X
Dies resultiert in
2. einschränkenden Anweisungen, Vorschriften und Kontrolle.
Daraus ergibt sich eine
3. geringe Produktivität.
Abb. 10.2: Teufelskreis der Theorie X
Theorie Y Das Menschenbild ist in diesem Fall ein optimistisches bzw. positives. Mitarbeiter verspüren ein natürliches Bedürfnis nach Leistung. Sie verfügen über ungenutzte Potenziale, sind lernwillig und von Selbstdisziplin und Selbstkontrolle beseelt. Ihre Fähigkeiten möchten die Mitarbeiter verantwortungsbewusst einsetzen (Abb. 10.3).
Führung unter Annahme der Theorie Y Das Versagen des Managements unter Theorie X ist unausweichlich. Im Allgemeinen beschäftigt sich der Mensch immer nur mit den Bedürfnissen, die ihm am dringlichsten erscheinen. Sobald bestimmte Bedürfnisse erfüllt werden, kann dieses Bedürfnis nicht mehr Motivator im Leben des betreffenden Menschen sein, weil der befriedigte Anspruch von nun an als gegeben angenommen wird. Sobald die wirtschaftliche Absicherung gewährleistet ist, müssen Führungsstile die nur auf monetärer Basis beruhen, versagen.
10
287
10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
führt zu
Dies bestätigt
4. Eigeninitiative, Verantwortungsbereitschaft, Selbstverwirklichung.
Führung unter Annahme der Theorie Y
Dies resultiert in
2. Einräumen von Handlungsspielräumen.
Daraus ergibt sich
3. Engagement, Selbstdisziplin, Selbstkontrolle.
Abb. 10.3: Positiv-selbstverstärkende Wirkung der Theorie Y
Da ein Arbeitsplatz gewöhnlich die unteren Schichten der Bedürfnispyramide befriedigt, muss es Ziel des Managements sein, die Bedürfnisse der oberen Motivationsebenen anzusprechen. Dezentralisierung und Delegierung von Arbeiten, Job Enlargement und beratendes Management, Zielsetzungsgespräche mit den Mitarbeitern greifen genau an den Ich-Bedürfnissen und den Selbstverwirklichungswünschen eines Mitarbeiters an. Es gilt Eigenverantwortung und das Streben nach Selbstverwirklichung zu fördern. Die Führung schafft die Grundlage zur Eigeninitiative eines generell im Sinne des Unternehmens handelnden Mitarbeiters. Als Umkehrschluss resultiert die positive Einschätzung der Mitarbeiter als Voraussetzung unternehmerischer Führung in einer sich selbstverstärkenden, positiven Spirale. Dem Mitarbeiter werden Handlungsspielräume gewährt, die dieser engagiert in die Arbeit einbringt, so dass die gezeigte Initiative das positive Menschenbild verstärkt. Kontrolle und Autorität sind erwünscht, solange sie der Förderung des Mitarbeiters und dem Zweck des Unternehmens dienen.
10.2.2 Grundtypen von Schein Schein vertritt die These, dass es keine ultima ratio für das Führen von Mitarbeitern gibt. Er geht davon aus, dass jeder Mensch - bewusst oder unbewusst - eine voreingenommene, subjektive Vorstellung über das Wesen und die Beweggründe seiner Mitmenschen hat. Von dieser Annahme ausgehend stellte Schein vier grundlegende Menschenbilder zusammen, die jeweils dem Zeitgeist einer bestimmten Epoche im Laufe der Entwicklung der Industrialisierung entsprechen (Abb. 10.4).
10
10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
288
Der rational-ökonomische Mensch Die Grundzüge dieses Menschenbildes können durchaus in enger Relation zur Theorie X gesehen werden, da die Kernaussagen beider Annahmen ähnlich sind. Die herausragenden Eigenschaften des rational-ökonomischen Menschen werden wie folgt zusammengefasst. Er: •
lässt sich hauptsächlich durch monetäre Anreize motivieren,
•
ist passiv und manipulierbar,
•
muss durch rationale Maßnahmen gesteuert und geführt werden.
Der rational-ökonomische Mensch: • • •
Er ist primär durch monetäre Anreize motMerbar. Er hat irrationale Gefühle, strebt aber nach rationalen Problemlösungen. Er ist passiv und manipulierbar.
Der Mensch als soziales Wesen: • • •
Er benötigt Kontakte mit anderen Personen. Kräfte innerhalb der Gruppe beeinflussen ihn stär1<er als Maßnahmen der Führungskraft. Er reagiert auf Führung nur, wenn der Vorgesetzte auf das Anerkennungs- und Zugehörigkeitsstreben des Mitarbeiters Rücksicht nimmt.
Der sich-selbst-velWirklichende Mensch: • • • •
Das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung spielt eine besondere Rolle. Er sieht seine Arbeit positiv und will seine Aufgabe erfüllen. Er bevorzugt die Selbstkontrolle. Er trägt zur Erreichung der Unternehmensziele bei.
Der komplexe Mensch: • • • •
Er hat verschiedene Kombinationsmöglichkeiten, um aus Fähigkeiten und Motiven ein effektives Verhalten hervorzurufen. Er ist vielschichtig und lernfähig. In unterschiedlichen Situationen strebt er nach unterschiedlichen Zielen. Es gibt kein allgemeingültiges Führungsverhalten.
10 Abb. 10.4: Die 4 Grundtypen im Menschenbild nach Schein [Schein, 1980]
Der Theorie von Schein zufolge führt dieses Menschenbild in großem Maße zu einem berechnenden Verhalten des Managements. Es muss sich selbst und den Mitarbeiter vor der irrationalen Komponente seines Wesens schützen, indem ein Autoritäts- und Kontrollsystem eingeführt wird. In einem solchen System wird vom einfachen Mitarbeiter bedingungsloser Gehorsam gegenüber seinen Vorgesetzten (Autoritätspersonen) verlangt. Missachtung der Hierarchie oder Abweichen von der Norm führen unweigerlich zu Sanktionen. Um die Produktivität zu erhöhen, werden innerhalb dieses Managementsystems beispielsweise finanzielle Anreize in Form von Boni als Folge von Akkordarbeit oder Prämienzahlungen ausgeschrieben.
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Der Mensch als soziales Wesen Das Bild des Menschen als soziales Wesen unterscheidet sich grundlegend von dem des rationalökonomischen Menschen. Diesem Fall liegt die Annahme zugrunde, dass dem Menschen soziale Kontakte und Bindungen neben dem privaten Leben auch am Arbeitsplatz durchaus wichtig sind und einen großen Einfluss auf die Arbeitsleistung eines jeden Einzelnen haben. Schein fasste die Qualitäten eines Menschen als soziales Wesen auf folgende Art und Weise zusammen. Er: • • • •
bezieht Motivation aus kommunikativen und sozialen Beziehungen, sucht in seiner Arbeitsumgebung Rückhalt in sozialen Beziehungen, wird durch die Dynamik der Gruppe und die Verflechtungen darin stärker beeinflusst als durch Führungskräfte, akzeptiert Führungshandlungen nur, wenn sie seine sozialen Bedürfnisse berücksichtigen und befriedigen.
Aus diesen Annahmen zieht Schein Schlüsse für die Mitarbeiterführung. Die Führungskraft darf ihre Aufmerksamkeit nicht mehr ausschließlich der zu erfüllenden Aufgabe zuwenden, sondern muss sich auch um die sozialen Bedürfnisse der Mitarbeiter kümmern. Sie muss sich mit den Emotionen und Gefühlen, vor allem mit dem Gefühl des Akzeptiert-Seins, der Zugehörigkeit und der Identität der Menschen auseinandersetzen. Hinter der Gefühlsebene spielt Motivation und Kontrolle eine sekundäre Rolle. Die Führungskraft erkennt die Gruppe als vorherrschende Arbeitsform an.
Der sich-selbst-verwirklichende Mensch In seinem dritten Menschenbild geht Schein davon aus, dass die Inhalte der Arbeit im Laufe der Entwicklung zur modernen Industriegesellschaft sinnentleert wurden. Diese Sinnentleerung widerspricht grundlegend dem Wunsch des Menschen seine Begabungen und Fähigkeiten in die Arbeit einzubringen. Die Eigenschaften dieses Typs Mensch stellen sich wie folgt dar: • • • •
Für ihn steht Selbstverwirklichung an der Spitze seiner Bedürfnisse. Wenn sie der Selbstverwirklichung dient, wird Arbeit als positives Element begriffen. Er kann eigenverantwortlich und durch rationale Entscheidungen die Unternehmensziele unterstützen. Kontrolle und Motivation wird vom Mitarbeiter selbst initiiert.
Nach Schein resultiert der Mensch der sich selbst verwirklicht optimalerweise aus einer Führungsstrategie, die sich nur in Details von der vorher genannten unterscheidet. Das Augenmerk der Führungskraft ruht nicht mehr darauf, ob der Mitarbeiter seine sozialen Bedürfnisse befriedigen kann. Er muss vielmehr in seiner Arbeit einen Sinn finden, der ihn mit Stolz bzgl. der eigenen Leistung und mit Selbstachtung erfüllt.
Der komplexe Mensch Der Mensch als komplexes Wesen lässt sich in keine der drei zuvor genannten Kategorien einordnen. Er führt ein vielschichtiges Dasein, wobei sich das Leben jedes Menschen unterschiedlich gestaltet. Die Eigenschaften des komplexen Menschen weisen folgende Punkte auf: • Er ist lern- und wandlungsfähig. • Er wird von vielfältigen Motiven geleitet, die seine Sichtweise beeinflussen und seine Entwicklungsbedürfnisse befriedigen. • Seine Entscheidungen werden in verschiedenen Situationen durch unterschiedliche Ziele gelenkt.
10
10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
290
Schein zieht aus diesen Annahmen den Schluss, dass die optimale Führungskraft vor allem ein sehr feinfühliger Mensch mit einer diagnostischen Begabung sein sollte. Es gilt auf sensible Art und Weise, Unterschiede zwischen den Individuen zu respektieren und ein Gespür für eine adäquate Führung zu entwickeln. Die Führungskraft sollte auch in der Lage sein, ihr eigenes Verhalten an unterschiedliche Situationen und Anforderungen anzupassen. Sowohl Schein als auch McGregor zeichnen zunächst ein pessimistisches Bild des Menschen im Unternehmen. Im Laufe der Entwicklung ihrer Theorien durchlaufen beide die Wende zu einem Bild des engagierten und bereitwilligen Mitarbeiters. Der Anstoß, den beide mit ihrer Arbeit bewirken wollen, ist ein Umdenken in den Führungsebenen der Unternehmen zu erreichen. Es wird deutlich, dass vor allem die Führung des Menschen entscheidende Beiträge zum Erfolg des Unternehmens liefert. Mit einem generell steigenden Bildungsniveau entstehen daraus ständig steigende Anforderungen an die Gestaltung von Arbeitsaufgaben. Die Arbeit muss vom Mitarbeiter mitbestimmbar und steuerbar sein. Erwartet werden Handlungs- und Entscheidungsspielräume. Die Arbeit wird für den Einzelnen zum Instrument der sinnvollen Lebensgestaltung. Leistung wird dann positiv gesehen, wenn sie als sinnvoller Beitrag zur Lebensgestaltung empfunden wird. Nur ein verantwortlicher und ernstgenommener Mitarbeiter wird seine Motivation in seinem Arbeitsbereich entfalten.
10.3
Führungsverhalten
10.3.1
Entwicklungslinien der Führungsforschung
Das Phänomen Führung wird von vielen Faktoren wie Arbeitsprozesse, Motivation, Arbeitszufriedenheit, Zusammenarbeit in der Arbeitsgruppe, menschliches Erleben und Verhalten in der Organisation beeinflusst. Die Führungskraft mit ihrem Führungsverhalten und ihrem -stil beeinflusst das grundlegende Führungsklima. Aus diesem Grunde hat sich schon sehr früh in der Arbeits- und Organisationspsychologie die Aufmerksamkeit von Theoretikern, Forschern und Praktikern auf die Personalführung gerichtet. Die historischen Entwicklungslinien der Führungsforschung behandeln in ihrem theoretischen Ansatz: • • • •
Merkmale der Persönlichkeit (Eigenschaftsansatz), Verhalten der Führungskraft (Verhaltensansatz), Beziehungssituation zwischen Mitarbeiter und Führungskraft (Situationsansatz), Unternehmen als offenes System (Systemansatz).
Im Laufe der Zeit wurden die Ansätze immer wieder überarbeitet und in Frage gestellt, wobei keiner jedoch endgültig an Bedeutung verloren hat.
10 Eigenschaftsansatz Dieser geht davon aus, dass bestimmte Persönlichkeitsmerkmale die Führungskraft auszeichnen. Die Idee beruht auf der Vorstellung, dass nur die Fähigsten und Besten im Wettbewerb überleben. Die Eigenschaftstheorie findet ihre Anhänger durch die Vorstellung, dass ein großer Herrscher, der die Zügel fest in den Händen hält, auch Mitarbeiter sehr gut führen kann. Nach diesen Vorstellungen muss eine Führungskraft über eine bestimmte Menge persönlicher Eigenschaften verfügen. Im Mittelpunkt des Forschungsinteresses steht die Frage: • •
"Was unterscheidet eine erfolgreiche Führungskraft von einer weniger erfolgreichen?" "Was unterscheidet die Führungskraft vom Mitarbeiter?"
10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
291
Die Antwort muss demnach lauten: Es gibt eine endliche Menge von messbaren Persönlichkeitseigenschaften, die den Führer von Nichtführern auszeichnet. Direkte Zusammenhänge zwischen einzelnen Persönlichkeitsmerkmalen und Führungseigenschaften sind sehr kritisch zu bewerten, denn es zeigt sich immer wieder der nicht zu unterschätzende Einfluss der Führungssituation. Die Führungsforschung ist inzwischen zu der Erkenntnis gekommen, dass der Erfolg von Führung nicht in dem Maße von den persönlichen Eigenschaften der Führungskraft abhängt, wie dies zuerst angenommen wurde. Trotz der einseitigen Betrachtungsweise darf jedoch nicht behauptet werden, dass der Persönlichkeitsansatz ein Schritt in die falsche Richtung gewesen wäre. Die Persönlichkeitsvariable ist aber nur eine unter mehreren Einflussgrößen, von der der Führungserfolg letztlich abhängig ist. Aus dieser Einsicht heraus haben sich quasi als Ergänzung zur Eigenschaftstheorie die verhaltenstheoretischen Ansätze entwickelt.
Verhaltensansatz Die Frage war nun: • •
"Wie verhalten sich erfolgreiche und effiziente Führer in der Gruppe?" "Was tun sie eigentlich um eine effektive, zufriedene Arbeitsgruppe zu führen?"
Nach diesem Ansatz kann die Führungskraft hinsichtlich ihres Verhaltens in zwei Gruppen unterteilt werden: • •
Die arbeits- und aufgabenzentrierten Führungskräfte: Die Beziehungen zu Mitarbeitern konzentrieren sich auf organisieren und planen, um eine bestimmte Aufgabe zu lösen. Die personen- oder mitarbeiterzentrierten Führungskräfte: Die Aufmerksamkeit wendet sich im Arbeitsprozess vor allen Dingen den persönlichen Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter zu.
Natürlich sind diese beiden Extreme im Alltag nie anzutreffen. Vielmehr tritt ein Führungsstil, egal ob mehr personen- oder aufgabenzentriert, in einer Vielzahl gradueller Abstufungen auf. Nach dem Verhaltensansatz muss sich die Führungskraft bei Anwendung eines Führungsstils über die verschiedenen Faktoren, die das Verhalten ihrer Mitarbeiter im Arbeitsprozess beeinflussen, im Klaren sein. Jede unterschiedliche Konstellation in den Charakteristika erfordert einen unterschiedlichen Führungsstil. Es kann keinen einzigen richtigen Führungsstil für alle Situationen geben. Flexibilität des Führungsverhaltens ist daher der Schlüssel zum Erfolg.
Situationsansatz Nach diesem Ansatz ist die Effizienz einer Führungskraft von gewissen Führungssituationen abhängig. Wesentliche Merkmale sind: • • • • •
der Gestaltungswille der Führungskraft, die Struktur, Art und Ziele der Tätigkeit, die Arbeitsmethoden und -prozesse, das Beziehungsgeflecht (Soziogramm zwischen Führungskraft und Mitarbeitern), die Charaktere und Qualifikationen der Mitarbeiter.
Dann soll sich durch die Anwendung des situativ richtigen Führungsstils der Führungserfolg ergeben (Abb. 10.5).
10
10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
292
richtiger Führungsstil
aktuelle Situation
Abb. 10.5: Situationsansatz der Führung
Systemansätze Eine neue Konzeption in der Führungsforschung stellen diejenigen Theorien und Modelle dar, die als Weg-Ziel-Theorien bezeichnet werden. Nach diesen Ansätzen ist eine Führungskraft deshalb erfolgreich und effektiv, weil sie positiven Einfluss auf die Motivation, Fähigkeit und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter ausübt. Die Definition von Weg - Ziel resultiert aus der Beeinflussung der Mitarbeiter durch die Führungskraft in Erfassung und Wahrnehmung der Arbeitsziele, die Wahl der persönlichen Ziele und die Selbstentwicklung des Einzelnen im Arbeitsprozess. Dem Zielbildungsprozess kommt unter diesen Gesichtspunkten besondere Bedeutung zu. Die Führungskraft muss die Ziele klar und eindeutig formulieren (Abb. 10.6), den dahinter liegenden Sinn und Zweck erläutern und laufend Feedback über die Fortschritte bei der Zielerreichung geben.
Eigenschaften der Persönlichkeit Kundenorientierung, Unternehmensziele FÜhrungskompetenzen, Führungsstil, -verhalten
Start ----------+~
Weg
Abb. 10.6: Systemansatz der Führung
Im Systemansatz sind die komplexen • • • •
Persönlichkeitsfaktoren, Arbeitsmethoden, -verfahren und -prozesse, Führungsstile, -verhalten, -situationen, Unternehmenszweck und Kundenorientierung
Ziel
10
10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
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zu berücksichtigen. Nicht eine persönliche Führungseigenschaft, ein bestimmtes Verhalten oder eine Anwendung eines Führungswerkzeuges in einer bestimmten Situation führen zum Erfolg, sondern die Führungskraft muss im Kraftfeld "Unternehmen" die optimalen Rahmenbedingungen schaffen, damit Mitarbeiter ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg selbstverantwortlich wahrnehmen können.
Führungsstile Jede Führungskraft entwickelt im Laufe der Zeit ihren eigenen Führungsstil, der über einen längeren Zeitraum konstant bleibt. Demgegenüber steht das in konkreten Führungssituationen stark modifizierbare Führungsverhalten. So überrascht es Mitarbeiter immer wieder, wenn eine kooperative Führungskraft in manchen Situationen autoritär reagiert. Wie Menschenbilder sind auch Führungsstile vereinfachende Modelle, um komplexe Sachverhalte klassifizierbar und konkretes Verhalten fassbar zu machen. Den verschiedenen Theorien zu Führungsstilen liegen inhaltlich und zahlenmäßig unterschiedliche Aspekte zugrunde. Besonders häufig finden sich Ausprägungen in Richtung: • •
Aufgabenorientierung und Mitarbeiterorientierung.
In den folgenden Abschnitten werden einige ausgewählte Führungstheorien beschrieben, die von • • •
eindimensionalen (Tannenbaum/Schmidt) über zweidimensionale (Blake/Mouton) hin zu dreidimensionalen (Hersey/Blanchard; Reddin)
Modellen reichen.
10.3.2 Führungskontinuum von Tannenbaum/Schmidt Tannenbaum und Schmidt haben bei der Einteilung ihrer Führungsstile 7 Grundformen definiert und diese in einem Kontinuum von führungszentriert (autoritär) bis mitarbeiterzentriert (autonom) dargestellt (Abb. 10.7). Nach diesen Vorstellungen ist der Führungsstil und -erfolg abhängig von einer Reihe von Eigenschaften: • • •
Eigenschaften der Führungskraft (persönliches Wertesystem, Vertrauen, Führungsqualitäten, Selbstsicherheit), Eigenschaften der Mitarbeiter (fachliche Kompetenz, Engagement, persönliche Ansprüche und Bedürfnisse), Eigenschaften der Situation (Art des Problems, Unternehmensorganisation und -kultur, Gruppencharakteristika).
Unterschieden werden die einzelnen Führungsstile durch den Grad der Autorität der Führungskraft und der eingeräumten Freiheiten des Mitarbeiters in Bezug auf Entscheidungsbefugnisse. Ein mitarbeiterorientierter Führungsstil zeichnet sich durch die gleichwertige Berücksichtigung der sozialen Beziehungen in der Aufgabenerfüllung aus. Bei autoritärer Führung wird der Mitarbeiter als Mittel zum Zweck gesehen, der die Unternehmensziele zu erfüllen hat. Bevorzugt werden die fachlichen Aspekte der Aufgabenerfüllung betrachtet.
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10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
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Abb. 10.7: Eindimensionales Kontinuum der Führungsstile [Tannenbaum, 2008]
1. Autoritär Die Führungskraft entscheidet und verkündet die Entscheidung. Sie erarbeitet die Lösungen und entscheidet über die zu ergreifenden Maßnahmen. Eventuell berücksichtigt sie dabei mögliche Reaktionen der Mitarbeiter. Sie räumt ihnen jedoch keine Möglichkeit zur direkten Einflussnahme ein. Es gibt also keine alternativen Lösungsvorschläge seitens der Mitarbeiter.
2. Patriarchalisch Die Führungskraft entscheidet und verkauft ihre Entscheidung an das Team. Sie entscheidet wie die autoritäre Führungskraft alleine. Sie erklärt jedoch der Gruppe warum sie sich so entschieden hat und welche Vorteile das Team daraus ziehen kann. Damit versucht sie möglichen Widerstand der von dieser Entscheidung betroffenen Mitarbeiter zu überwinden.
3. Informierend Die Führungskraft stellt ihre Entscheidung und Ideen vor und lässt die Teammitglieder Fragen steilen. Sie entscheidet sich für eine Lösung, möchte jedoch, dass diese vom Team verstanden, akzeptiert und befürwortet werden. Sie informiert die Mitarbeiter, damit diese die Entscheidung besser nachvollziehen können. Dieses "Geben und Nehmen" ermöglicht es der Führungskraft und den Mitarbeitern außerdem, die Auswirkungen der Entscheidung besser zu erfassen.
4. Beratend Die Führungskraft schlägt eine mögliche Entscheidung vor und lädt zur Diskussion ein. Zwar bleibt es Sache der Führungskraft das Problem zu erkennen und erste Lösungsansätze zu erarbeiten. Ihre vorläufige Entscheidung stellt sie dann aber dem Team vor, um mit ihm zu diskutieren. Die Führungskraft trifft eine endgültige Entscheidung, bei der sie allerdings die Meinungen und Vorschläge der Teammitglieder berücksichtigt.
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5. Kooperativ Das Team erarbeitet gemeinsam Vorschläge und die Führungskraft entscheidet. Bisher hat die Führungskraft zu einem Problem immer auch eine Lösung vorgestellt. Nun stellt sie lediglich das Problem und eventuell einige Vorschläge vor. Sie fordert das Team zur Lösung des Problems auf und erwartet von ihm, dass es selbst Alternativen ausarbeitet und Maßnahmen identifiziert. Die Führungskraft entscheidet zwar auch bei diesem Führungsstil alleine, das Team hat allerdings einen größeren Einfluss als bisher. Dies ist sinnvoll, da im Team oft mehr Wissen und Erfahrung im Bereich des auftretenden Problems vorliegen, als bei der Führungskraft.
6. Delegierend Die Führungskraft legt den Rahmen zur Problemlösung fest und delegiert das Entscheidungsrecht an das Team weiter. Dieses trifft die notwendigen Entscheidungen, schlägt Lösungsalternativen vor und setzt die ausgewählten Maßnahmen selbstständig um. Die Führungskraft führt die notwendigen Erfolgskontrollen durch.
7. Autonom Das Team definiert das Problem und entscheidet gemeinsam innerhalb des festgelegten Rahmens. Der autonome FÜhrungsstil gibt dem Team sehr viele Freiheiten. Es muss Probleme selbstständig identifizieren, Lösungen entwickeln und entscheiden was zu tun ist. Die Führungskraft unterstützt die Entscheidungen des Teams und hilft diese umzusetzen. Sie hat dabei nicht mehr Autorität als jeder andere im Team. Die einzigen Grenzen die es für Entscheidungen gibt sind die, die der Führungskraft von höheren Hierarchieebenen auferlegt worden sind.
10.3.3 Verhaltensgitter nach Blake/Mouton Das Führungsgitter nach Blake/Mouton geht von zwei Führungsdimensionen, nämlich dem sozialen Aspekt (Betonung des Menschen), sowie dem rationalen Aspekt (Betonung der Produktivität) aus. Blake und Mouton vertreten die Meinung, dass nur durch die Abhängigkeit der beiden Dimensionen voneinander ein effektiver Führungsstil erreicht werden kann. Der rationale Aspekt (Sachorientierung) orientiert sich an Ergebnissen, Leistungen, Umsatz oder Gewinn. Er lässt sich qualitativ und quantitativ bewerten und zeigt sich z.B. durch: • • • •
Umfang und Qualität von Entscheidungen, Anzahl kreativer Ideen und neuer Produktentwicklungen, Qualität von Produkten und Dienstleistungen, optimalen Einsatz von Ressourcen und Anlagen.
Der soziale Aspekt (Mitarbeiterorientierung) zeigt sich an den Bemühungen der Führungskräfte um ihre Mitarbeiter. Sichtbar wird dies z.B. durch folgende Punkte: • • • •
gute Arbeitsbedingungen, Gehaltsstruktur und Sozialleistungen, Unterstützung und Verständnis für den Mitarbeiter, Freundlichkeit und Umgang miteinander.
Das Verhaltensgitter zur Mitarbeiterführung hat in der Praxis eine weite Verbreitung gefunden (Abb. 10.8).
10
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1,1-Führungsstil Schlechtester Arbeitsstil. Es gibt nur unzufriedene Mitarbeiter, die lediglich das Notwendigste tun, um ihre Arbeit zu verrichten. Ebenso wenig bemüht sich die Führungskraft um das Wohl ihrer Mitarbeiter. Es besteht keine Möglichkeit der Kommunikation. Die Führungskraft legt keinen großen Wert auf die Mitarbeiter. Auch die Leistung spielt für die Führungskraft keine nennenswerte Rolle. Um sich im Unternehmen zu halten, werden nur minimale Anstrengungen zur Erledigung der geforderten Arbeit unternommen.
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10 Abb. 10.8: Zweidimensionales Verhaltensgitter [Blake, 1998]
9,1-Führungsstil Im Mittelpunkt steht lediglich die Arbeit. Die festgelegten Ziele müssen unter allen Umständen erreicht werden. Hier ist kein Platz für Menschliches. Dies führt zu fehlender Kompromissbereitschaft, sowohl unter den Mitarbeitern, als auch zwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem. Die persönlichen Beziehungen sind auf ein Minimum beschränkt.
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1,9-Führungsstil Die Führungskraft legt das Hauptaugenmerk auf das Wohlbefinden der Mitarbeiter. Es entwickelt sich ein tolles und familiäres Betriebsklima, mit allerdings nur gemächlichem Arbeitstempo. Dies ist ein sehr ineffizienter Arbeitsstil bei dem keine Selbstkritik zustande kommt, die zur Erreichung der gesetzten Ziele unter Umständen notwendig sein könnte. Die Rücksichtnahme auf die Mitarbeiterbedürfnisse und nach guten zwischenmenschlichen Beziehungen steht im Vordergrund.
5,5-Führungsstil Die Führungskraft versucht, ein Gleichgewicht zwischen der Prioritätssetzung auf Mitarbeiter und deren Leistung zu schaffen. Sowohl das Betriebsklima als auch das Arbeitstempo halten sich in einem befriedigenden Gleichgewicht. Die Arbeit wird getan.
9,9-Führungsstil Dieser Führungsstil wird als optimal angesehen. Die Aufmerksamkeit der Führungskraft wird sowohl auf den Mitarbeiter, als auch auf seine Leistung gelegt. Zufriedene und sehr engagierte Mitarbeiter führen zu einer hohen Arbeitsleistung. Führungskraft und Mitarbeiter sind in gegenseitigem Vertrauen miteinander verbunden.
10.3.4 3-D-Ansatz von Reddin Nach dem dreidimensionalen Ansatz von Reddin ist es die wichtigste Aufgabe einer Führungskraft effektiv zu sein. Effektivität ist das Maß, mit dem eine Führungskraft aufgrund ihrer Position gemessen wird. Möglichkeiten, die Effektivität zu steigern, ergeben sich aus den Antworten der Führungskraft auf die folgenden Fragen: • • • •
Welches sind meine Ziele? Welchen persönlichen Beitrag kann ich leisten? Wie kann ich die Effektivität meiner Mitarbeiter verbessern? Was wird die Zukunft verlangen? Was muss ich bereits heute tun?
Das Verhalten von Führungskräften steht einerseits mit der zu erledigenden Aufgabe, (Aufgabenorientierung), andererseits mit den Beziehungen zu den Mitarbeitern (Beziehungsorientierung) in Verbindung. Das sich ergebende Führungsfeld lässt sich in vier Bereiche einteilen (Abb. 10.9). Jeweils ein Bereich entspricht einem der vier Grundstile (Beziehungsstil, Integrationsstil, Aufgabenstil, Verfahrensstil). Ergänzt man das Grundstildiagramm um die dritte Dimension "Effektivität", so entstehen Projektionen der vier Grundstile zu vier effektiven Führungsstilen (Förderer, Integrierer, Macher, Bürokrat) und vier ineffektiven Führungsstilen (Gefälligkeitsapostel, Kompromissler, Autokrat, Kneifer). Ein effektiver Manager gebraucht situationsbezogen einen geeigneten Führungsstil. Dies setzt eine gewisse Stilflexibilität voraus. Ferner muss er die Fähigkeiten zum Erfassen einer aktuellen Situation und zum Situationsmanagement besitzen. Durch die drei Dimensionen eines Führungsstiles, die Aufgabenorientierung, Beziehungsorientierung und Effektivität werden weite Verhaltensfelder in der Mitarbeiterführung abgedeckt.
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Abb. 10.9: Dreidimensionaler Ansatz des effektiven FÜhrungsstils [Reddin, 1981]
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Grundstil "Beziehungsstil" => Führungsstile "Gefälligkeitsapostel" - "Förderer" Der Vorgesetzte mit dem "Beziehungsstil" wird als eine Führungskraft beschrieben, die sich mit ihren Mitarbeitern identifiziert und ihre eigenen Bedürfnisse durch sie erfüllt. Die Führungsstilform "Gefälligkeitsapostel" ist eine liebe Seele der eine glückliche Beziehung über alles geht. Um Konflikte zu vermeiden, geht sie Unstimmigkeiten und Problemen möglichst aus dem Weg. Der "Förderer" motiviert seine Mitarbeiter und sorgt für eine vertrauensvolle Atmosphäre. So können sich seine Mitarbeiter selbst verwirklichen.
Grundstil "Integrationsstil" => Führungsstile "Kompromissler" - "Integrierer" Der Vorgesetzte mit "Integrationsstil" leitet Autorität aus Idealen, Zielen und politischen Richtlinien ab. Er integriert den Einzelnen in die Organisation. Er will Mitspracherecht und geringe Machtunterschiede. Er bevorzugt gemeinsame Ziele, fördert Verantwortung und ist an Motivationstechniken interessiert. In seinem Führungsverhalten berücksichtigt er die Aufgaben- und Beziehungsebene. Der "Integrierer" fällt Entscheidungen in Zusammenarbeit mit der Gruppe, setzt das Mitspracherecht in entsprechenden Situationen angemessen ein und weckt Engagement für Ziele. Er fördert höhere Leistungen, denen er auch selber gerecht wird und koordiniert die Aktivitäten seines Teams. Beim "Kompromissler" führt das Mitspracherecht zu weit. Er ist nachgiebig und meidet Entscheidungen oder trim diese verwaschen und unannehmbar. Er erlaubt eine extensive Mitsprache seiner Mitarbeiter und sieht sich in jeder Entscheidung zu Kompromissen gezwungen. Er setzt die Technik der partizipativen Führung in völlig unangemessenen Situationen ein. Er hat in seinem Führungsstil keine klare Linie. Dies führt dazu, dass ihm misstraut wird.
Grundstil "Aufgabenstil" => FÜhrungsstile "Autokrat" - "Macher" In diesem Grundstil stehen Leistung und Arbeitsergebnisse im Vordergrund. Beim "Aufgabenstil" steht die Aufgabenorientierung eindeutig im Vordergrund. Der "Autokrat' wird als eine Führungskraft beschrieben, die alle Entscheidungen selbst trim, Ergebnisse sofort will und die die vorliegende Aufgabe über alles stellt. Gegenüber ihren Mitarbeitern hat sie wenig Vertrauen und übt unnötig Druck auf sie aus. Der "Macher" hingegen ist sowohl kurz- als auch langfristig an hohen Erträgen interessiert. Er bringt andere Menschen dazu, das zu tun was er möchte, ohne damit übermäßige Verstimmung hervorzurufen. Er führt sein Team durch Erfahrung und Initiative zum Erfolg. Mit seinen Mitarbeitern diskutiert er Probleme, jedoch behält er sich das Entscheidungsrecht vor.
Grundstil "Verfahrensstil" => Führungsstile "Kneifer" - "Bürokrat" Der "Verfahrensstil" ist durch Regeln und Vorschriften geprägt. Er lässt sich hauptsächlich durch die Indikatoren vorsichtig, sorgfältig, konservativ und bedächtig beschreiben. In dynamischen Situationen ist dieser Grundstil nicht anwendbar. Obwohl eine flexible Handhabung erforderlich wäre, beharrt die Führungskraft im dazugehörigen Führungsstil "Kneifer" auf Regeln und Vorschriften. Sie steckt den Kopf in den Sand und glaubt durch ignorieren Probleme lösen zu können. Der "Bürokrat", der als loyal, fair, zuverlässig und rational dargestellt wird, nutzt dagegen das innerbetriebliche Regelwerk um effektiver arbeiten zu können. Das Situationsgespür ist die Fähigkeit zur richtigen Interpretierung von Situationen. Durch Erfahrung, Übung und durch Erfassung der Gründe lässt sich das Gespür für Situationen verbessern. Eine professionelle Führungskraft muss die Fähigkeit besitzen, die Anforderungen an das Verhalten, die von verschiedenen Situationen gestellt werden, so zu verändern, dass sich die Führungseffektivität erhöht. Sie muss demnach in der Lage sein, Situationen so zu gestalten, dass die Betroffenen aus eigenem Antrieb effektiv zusammenarbeiten.
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10.3.5 Reifegradmodell von Hersey/Blanchard Ein anderes dreidimensionales Führungskonzept stammt von Hersey und Blanchard (Abb. 10.10). Sie kommen zu dem Ergebnis, dass es nicht einen einzigen richtigen Führungsstil für alle Mitarbeiter gibt. Nach ihren Vorstellungen ist der Führungsstil neben der Aufgaben- und Beziehungsorientierung von einer weiteren Komponente, dem sogenannten "Reifegrad des Mitarbeiters", abhängig.
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Aufgabenorientierung
Abb. 10.10: Dreidimensionales Reifegradmodell
Der aufgabenrelevante Reifegrad des Mitarbeiters setzt sich aus • •
seiner fachlichen Fähigkeit, die zum Erfüllen einer Aufgabe notwendig ist und seiner persönlichen Reife, die sich in Selbstvertrauen und Motivation äußert,
zusammen. Der Reifegrad des Mitarbeiters wird vor allem durch dessen Fähigkeit und Motivation, insbesondere zur selbstständigen Erledigung übertragener Aufgaben, bestimmt. Vier Faktoren beschreiben den Reifegrad des Mitarbeiters: • • • •
aufgabenspezifische Ausbildung, Erfahrung, Leistungsmotivation, Bereitschaft und Fähigkeit zur Verantwortungsübernahme.
Aufgabenspezifische Ausbildung und Erfahrung stellen das Wissen (Know-how) des Mitarbeiters dar. Ein Mitarbeiter mit einem hohen Reifegrad arbeitet unabhängig, besitzt eine ganzheitliche Betrachtungsweise und hat ein hohes Streben nach Leistung. Bei einem Mitarbeiter mit niedrigem Reifegrad ist auch die Leistungsmotivation eher gering. Nach diesem Führungsmodell wird der aufgabenrelevante Reifegrad des Mitarbeiters in vier Stufen (M1 bis M4) eingeteilt.
10
10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
301
Entsprechend dem Reifegrad des Mitarbeiters wird ein bestimmter Führungsstil empfohlen (Abb. 10.11).
Reifegrad des Mitarbeiters
FÜhrungsstil
M1: F1 "Autoritärer Führungsstil": Motivation, Wissen und Fähigkeiten sind gering Die Tätigkeit und der Zeitpunkt werden sachlich und zeitlich vorgegeben. Der Mitarbeiter wird aufgabenorientiert geführt. M2: Motivation ist vorhanden, Fähigkeiten sind gering
F2 "Integrierender Führungsstil": Die Meinung des Mitarbeiters wird berücksichtigt. Die Entscheidungsbefugnis bleibt aber der Führungskraft vorbehalten. Es wird angestrebt, den Mitarbeiter zu überzeugen.
M3: Motivation ist gering, Fähigkeiten sind vorhanden
F3 "Partizipativer Führungsstil": Der Mitarbeiter spielt bei Entscheidungsfindungen eine wichtigere und aktivere Rolle. Die Ansichten des Vorgesetzten und des Mitarbeiters gehen gleichberechtigt in die Entscheidungen ein. Der Führungsstil ist mehr mitarbeiter- als aufgabenorientiert.
M4: Motivation, Wissen und Fähigkeiten sind vorhanden
F4 "Delegierender Führungsstil": Weitestgehend wird auf Führung verzichtet. Der Mitarbeiter entscheidet nach Startinformationen allein über Mittel und Wege, um das vorgegebene Ziel zu erreichen.
Abb. 10.11: Reifegrad des Mitarbeiters und FOhrungsstil Die Aufgabenorientierung soll mit steigender Reife des Mitarbeiters reduziert, die Beziehungsorientierung dagegen verstärkt werden. Bei überdurchschnittlich hohem Reifegrad des Mitarbeiters sollen sowohl Aufgabenorientierung als auch Beziehungsorientierung zurückgenommen werden. Der Mitarbeiter verfügt über Führungspotenzial und kann selbstständig über die Realisierung der Aufgabe entscheiden. Der Reifegrad der Mitarbeiter ist nicht absolut zu sehen, sondern in Relation zur gestellten Aufgabe. Ein Mitarbeiter kann bei zwei verschiedenen Aufgaben einmal einen sehr hohen und einmal einen sehr niedrigen Reifegrad besitzen. Um den Reifegrad des Mitarbeiters zu fördern wird der "Zwei-Stufen-Prozess" empfohlen. In Stufe 1 delegiert der Vorgesetzte einen begrenzten Aufgabenbereich (Aufgabenorientierung). Bei guten Resultaten erfolgt Stufe 2. Hier erkennt der Vorgesetzte die gute Leistung an. Er fördert, indem er dem Mitarbeiter einen verstärkten Verantwortungsbereich überlässt (Beziehungsorientierung). Dieser Prozess der sukzessiven Approximation ist beliebig oft wiederholbar. Es folgt eine Stufe 3 mit einem anspruchsvolleren Aufgabenbereich, dem bei erfolgreicher Bewältigung ein erweiterter Verantwortungsbereich (Stufe 4) folgt. Die Beachtung des Reifegrads der Mitarbeiter ist daher ein wesentlicher Einflussfaktor des Führungserfolgs.
10
302
10.4
10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
Motivation der Mitarbeiter
Motivation lässt sich als Prozess auffassen, wobei Motive die Antriebskräfte unseres Verhaltens darstellen. Wird das angestrebte Ziel erreicht, werden die Motive befriedigt und es stellt sich Zufriedenheit ein. Der Mitarbeiter hat Erfahrungen gesammelt und wird eine positive Einstellung zur erfolgreich bewältigten Arbeitssituation entwickeln. Möglicherweise wird dann ein neues, höheres Ziel gesetzt, das nur durch größere Anstrengungen und Leistungen zu erreichen ist. Das Verhalten des Mitarbeiters wird dann durch dessen Leistungsmotiv bestimmt, wobei der erfolgreiche Abschluss einer Aufgabe dessen Selbstbewusstsein stärkt. Dies gibt die nötige Sicherheit, um die Messlatte für das nächste Ziel anzuheben. Abbildung 10.12 zeigt diesen Kreislauf der Leistungsmotivation.
1. Leistungsmotivation
erzeugt
steigern das
fördert die
4. Zuversicht bzgl. anspruchsvoller Aufgaben
2. Erfolge
erhöht die
3. selbstbewusstsein
Abb. 10.12: Kreislauf der Leistungsmotivation
Kann die Führungskraft die Mitarbeitermotive immer erkennen oder erfragen? Manche Motive wird der Mitarbeiter mitteilen wollen. Dazu gehören Gründe, die die Führungskraft gerne hört und die ihrer eigenen Einstellung entsprechen (z.B. persönliches Engagement). Andere Motive verschweigt der Mitarbeiter bewusst, da sie eventuell nicht gerne gesehen werden (z.B. egoistische Motive). Ein dritter Motivbereich umfasst solche Motive, die dem Mitarbeiter selbst nicht bekannt sind und für ihn im Unbewussten verborgen liegen. Alle drei Motivbereiche spielen für das Verhalten, die Handlung und Zielerreichung eine Rolle. Kommen noch die bewussten und unbewussten Motive der Führungskraft hinzu (Abb. 10.13) sowie die Vorstellungen der Unternehmensleitung, so ergibt sich ein komplexes Handlungs- und Bewertungsgeflecht für Arbeitssituationen. Einer Führungskraft muss bewusst sein, dass sie ihre eigene Motivstruktur als Maßstab zugrunde legt und die des Mitarbeiters nur unvollständig erkennen kann. Von daher ist immer mit selektiven Bewertungen und Beurteilungen für bestimmte Verhaltensweisen und Arbeitssituationen zu rechnen.
10
303
10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
unbewusste Motive
Motive der Unternehmensleitung
Abb. 10.13: Motive der Handlung und Bewertung von Arbeitssituationen Bewusste und unbewusste Motive machen es nicht einfach etwas über die Motive anderer Personen in Erfahrung zu bringen. Praktisch lassen sich dazu drei Wege beschreiben, die: • • •
Selbstbeobachtung, Fremdbeobachtung, Ergebnisanalyse.
Bei der Selbstbeobachtung betrachtet sich der Betroffene selbst und kann dadurch etwas über die Ursache seines Verhaltens bzw. seiner Motivation erfahren. Die Beweggründe für sein Handeln sind nur ihm selbst zugänglich und beobachtbar. Andere Personen können nur indirekt die Motive erkennen. Möglichkeiten nähere Einblicke in die Motive des Mitarbeiters zu erhalten, bieten Einstellungs-, Mitarbeiter- oder Zielvereinbarungsgespräche. Bei der Selbstbeobachtung werden die bewussten Motive reflektiert, während die unbewussten weiterhin im Verborgenen bleiben. Bei der Fremdbeobachtung können mehrere Außenstehende die betroffene Person, z.B. im Rahmen eines Assessment Centers, beobachten. Mit entsprechenden "objektiven" Methoden lässt sich dann zu einem gemeinsamen Ergebnis kommen. Da jedoch auch beim Beobachter immer seine unbewussten Motive in die Bewertung mit einfließen, muss man sich der Gefahr der Verfälschung bewusst werden. Eine Reflexion des Selbst- und Fremdbildes hilft allen Beteiligten sich ihre bewussten und unbewussten Motive klarer vor Augen zu führen. Bei der Ergebnisanalyse wird vom Ergebnis der Arbeitssituation aus, auf das Verhalten und die zugrunde liegenden Motive geschlossen. Solche Analysen sind immer mit Interpretationen verbunden. Selbstkritisch ist daher zu hinterfragen, wie die Schlussfolgerungen zustande gekommen sind. Hinweise auf die Motive liefert auch eine Kompetenzanalyse. Motive und Kompetenzen stehen hier in einem engen Zusammenhang. Da in einer spezifischen Arbeitssituation niemals alle Motive und Kompetenzen zum Tragen kommen, ist bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes mit einer Veränderung der Motivationsstruktur zu rechnen.
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10.4.1
10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
Motivation und Leistungsverhalten
Motive wirken sich über das Verhalten in einer bestimmten Situation auf die Arbeitsleistung und -zufriedenheit aus. Es können direkte Anreize durch die Führungskraft (z.B. Aussicht auf Gehaltserhöhung oder Beförderung) oder indirekte Anreize durch die Werbung (z.B. Statussymbol) sein. Anreize wirken aber nicht auf alle Mitarbeiter gleich, sondern sind individuell z.B. über Zielvereinbarungen anzustoßen. Aus dem Leistungsverhalten des Mitarbeiters und seiner Motivationsstruktur ergeben sich vier Kombinationsmöglichkeiten. Bei hoher Motivation und hohem Leistungsverhalten ist die Selbstmotivation des Mitarbeiters mit großer Wahrscheinlichkeit stark ausgeprägt. Seine Fähigkeiten sind ausreichend, um die erwarteten Leistungen zu erbringen. Hier sollte für die Führungskraft im Vordergrund stehen, die vorhandenen Umfeldbedingungen zu bewahren und Demotivation zu verhindern. Ist die Motivation hoch, aber das Leistungsverhalten niedrig, dürften Fertigkeiten und Fähigkeiten zu gering sein. Durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen sind Wissen und Fähigkeiten so zu erweitern, dass die erwarteten Leistungen erbracht werden. Ist das Leistungsverhalten hoch, aber die Motivation niedrig, handelt es sich um eine instabile Situation. Sie ist auf Dauer so nicht aufrecht zu erhalten. Es sind geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der Motivation und damit zur Arbeitszufriedenheit zu ergreifen. Bei niedrigem Leistungsverhalten und niedriger Motivation sind zuerst die Gründe dafür zu analysieren und zusammen mit dem Mitarbeiter mögliche Maßnahmen festzulegen. Im Extremfall trennt sich das Unternehmen vom Mitarbeiter. Extrinsisch motivierte Verhaltensweisen, wie • • •
Bedarf an Geld, Sicherheitsbedürfnis, Geltungsbedürfnis,
sind mit Anerkennung in unserer Gesellschaft verknüpft. Auf längere Sicht gesehen ist aber der Einfluss der intrinsischen Arbeitsmotive auf Leistung und Verhalten bei der Arbeit wichtiger. Letztere werden umso bedeutender je mehr Entscheidungsspielräume und Verantwortung mit der Arbeit verbunden sind. Ein wichtiges intrinsisches Arbeitsmotiv ist das Bedürfnis nach sozialen Kontakten innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Ein Ziel, das man sich selbst setzt, motiviert mehr als extern gesetzte Ziele. So spielt die Leistungsmotivation bei anspruchsvollen und entscheidungsreichen Aufgaben eine große Rolle. Intrinsisch motivierte Verhaltensweisen, wie • • • • •
Kontaktbedürfnis, Leistungsmotivation, Machtmotive, Selbstverwirklichung, Lebenszweck
gelten als Prototyp selbst bestimmten Verhaltens. Der Mitarbeiter ist bestrebt eine Sache voll und ganz zu beherrschen. Intrinsische Motivation beinhaltet Neugier, Spontaneität, Erforschung und Interesse an den unmittelbaren Gegebenheiten der Umwelt. Gelingt es extrinsische und intrinsische Arbeitsmotive im Unternehmen gut miteinander zu verknüpfen, kann sich ein entsprechendes Betriebsklima ausbilden. Es kann als Maßstab für die Zufriedenheit der einzelnen Mitarbeiter herangezogen werden. Die zugehörigen Aspekte sind vielfältig und können umfassen: • • • • • •
Einstellungen zur Unternehmensleitung, Verhältnis zum Betriebsrat, Arbeitsplatz, -inhalt, -bedingungen, Vorgesetzte und Kollegen, Weiterbildungs- und Karrieremöglichkeiten, Gehalt und Sozialleistungen.
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10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
305
Nur, wie sieht der Zusammenhang zwischen Motivation und Leistungsverhalten aus? Dass dies kein linearer Zusammenhang sein kann, ist auf Anhieb klar. Sonst ließe sich durch entsprechende Motivation das Leistungsverhalten ins unendliche steigern, was aufgrund der eingeschränkten körperlichen Fähigkeiten des Menschen nicht möglich ist. Irgendwann muss ein Leistungsplateau erreicht sein, wobei sich zeigt, dass bei zuviel Motivation die Leistungskurve wieder abfällt. Gründe können in der Übermotiviertheit der eigenen Person liegen. Es kann verstärkt zu Fehlern und Fehlentscheidungen kommen und die Effektivität lässt nach. Zu starke Motivation seitens der Führungskraft kann vom Mitarbeiter als Druck erlebt werden. Dementsprechend nehmen Angst und Unsicherheiten zu, was sich negativ auf die Arbeitsleistungen auswirken kann.
10.4.2 Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung Das Leistungsverhalten eines Mitarbeiters basiert nur teilweise auf den der Führungskraft bekannten Motiven. Verfügt der Mitarbeiter über die entsprechenden Fähigkeiten, so kann die Führungskraft die spezifischen und das Unternehmen die organisatorischen Bedingungen schaffen, damit in der jeweiligen Arbeitssituation möglichst hohe Arbeitszufriedenheit erzielt wird. Normalerweise ist hohe (niedrige) Arbeitszufriedenheit mit hoher (niedriger) Arbeitsleistung verbunden. Arbeitszufriedenheit und -leistung können somit zusammenhängen, müssen es aber nicht. Maßnahmen der Führungskraft und des Unternehmens zur Steigerung der Motivation sollten daher immer berücksichtigen, welchen Einfluss sie auf die Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung haben. Einige wichtige Faktoren sind: • • • • • •
Einkommen, Führungsverhalten, Kommunikationsverhalten, Teamzusammenhalt, Arbeitsinhalt, Karrieremöglichkeiten.
Einkommen Einkommen spielt nicht so sehr in der absoluten Höhe eine Rolle, sondern im relativen Vergleich zu Kollegen oder vergleichbaren Einkommensgruppen. Dabei fließen Faktoren wie Ausbildung, Betriebszugehörigkeit, Anzahl der unterstellten Mitarbeiter, Freiräume bzgl. selbstständigem Arbeiten, erbrachte Leistungen, etc. ebenfalls mit ein. Schneidet der Mitarbeiter bei diesem Vergleich nach seiner Einschätzung relativ gut ab, wird Unzufriedenheit vermieden. Auf Dauer ist das Einkommen jedoch kein Motivationsfaktor, sondern es wird als relativ selbstverständlich angesehen. Fällt der Vergleich dagegen ungünstig aus, führt dies mit Sicherheit zu Unzufriedenheit. Eine vermutete Unterbezahlung löst beim Mitarbeiter eine sehr viel stärkere Reaktion aus, als eine mutmaßliche Überbezahlung.
Führungsverhalten Den idealen, universell einsetzbaren Führungsstil gibt es nicht. Trotzdem besteht auch hier ein Zusammenhang zu Arbeitsleistung und Arbeitszufriedenheit. Praktiziert die Führungskraft einen mitarbeiterorientierten Führungsstil, so führt dies zu einer höheren Zufriedenheit. Eine entsprechende Aufgabenorientierung führt dagegen zu einer höheren Leistung. Letztlich ist situations- und mitarbeiterspezifisch eine sinnvolle Mischung anzuwenden.
10
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10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
Die entsprechenden Umfeldbedingungen müssen natürlich vorhanden sein. Ist die zu führende Mitarbeitergruppe sehr groß, stößt ein mitarbeiterorientierter Führungsstil schnell an praktikable Grenzen. Aufgaben, die rein routinemäßig oder unter Zeitdruck ablaufen, bieten ebenfalls wenig Möglichkeiten zur Mitarbeiterbeteiligung. Sie lässt sich auch nur dann einsetzen, wenn der Mitarbeiter bereit und fähig ist, für seine Tätigkeiten und Ergebnisse selbst Verantwortung zu übernehmen.
Kommunikationsverhalten Offene und konstruktive Kommunikation zusammen mit einem authentischen Führungsverhalten ist ein großer Motivationsfaktor. Sie fördert Kontakte und ermöglicht den Sinn der Arbeit zu verstehen. Davon zu unterscheiden sind Informationen, die ohne direkten persönlichen Austausch vermittelt werden. Kommunikation bindet den Mitarbeiter in die Tätigkeiten ein und befriedigt seine Neugier. Sie ermöglicht es Probleme zu besprechen, verbessert die Zusammenarbeit und bietet Identifikationsmöglichkeiten. Letztlich kann dadurch die Führungskraft ihre Wertschätzung für den Mitarbeiter ausdrücken.
Teamzusammenhalt Ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit im Team hat hohe Auswirkungen auf die Arbeitszufriedenheit. Bezüglich der Arbeitsleistung ist die Antwort nicht so leicht zu geben. Bei Teams mit hoher Kohäsion führen die Gruppennormen zu einer entsprechenden Leistungsanpassung. Ausreißer nach oben und unten werden seltener. Über die absolute Leistungshöhe des Teams ist damit aber noch nichts ausgesagt. Sind die Mitarbeiter mit ihrer Führungskraft und dem Unternehmen zufrieden, wird auch die Arbeitsleistung dementsprechend hoch sein. Andernfalls dürfte sie sich auf einem niedrigen Niveau bewegen. In Teams mit geringerem Zusammenhalt sind die Leistungsstreuungen dagegen viel breiter. Spitzenleute trauen sich hier eher aus der Deckung; Mitläufer lassen sich leichter identifizieren. Eine hohe Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung wird dann erreicht, wenn die Führungskraft im Team integriert und anerkannt ist.
Arbeitsinhalt Monotone, hoch fragmentierte Arbeit führt mit Sicherheit zu einer niedrigen Arbeitszufriedenheit, die sich auch in einer entsprechenden Arbeitsleistung niederschlägt. Durch "job enlargemenf' und "job rotation" lässt sich dieser Weg hin zum Optimum beschreiten. Die Bewertung und Abwechslung der Arbeitsinhalte ist jedoch kein einmaliger Vorgang, sondern muss von der Führungskraft und dem Mitarbeiter regelmäßig betrachtet und diskutiert werden. Tätigkeiten sind möglichst abwechslungsreich zu gestalten. Sie sollen dem Mitarbeiter Chancen zur fachlichen und persönlichen Weiterentwicklung bieten. In angemessenen Herausforderungen kann er dann einen Sinn in seiner Arbeit nach innen und außen erkennen. Sowohl Überforderung wie auch Unterforderung kann zu Stress führen. Entsprechende Zielvereinbarungen zwischen Mitarbeiter und Führungskraft sind dabei ein hervorragendes Instrument zur Leistungsmotivation und Leistungssteuerung.
Karrieremöglichkeiten Karriere und Aufstieg in der Unternehmenshierarchie bedingt größere berufliche Entwicklungschancen aber auch höhere Belastungen. Karriere basiert auf den in der Vergangenheit erbrachten Leistungen und kann die Arbeitszufriedenheit erhöhen oder vermindern. Führen die zu erwartenden Belastungen (z.B. in Form längerer Arbeitszeiten) zu persönlichen und privaten Auseinandersetzungen sinkt mit Sicherheit die eigene Zufriedenheit. Trotzdem ist besonders in jungen
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Berufsjahren die Aufstiegsmöglichkeit im Unternehmen ein wichtiger Motivationsfaktor. Erkennt der Mitarbeiter Aufstiegsmöglichkeiten, führt dies zu entsprechenden Erwartungen. Werden sie nicht erfüllt, sinkt die Arbeitszufriedenheit deutlich. Dies kann bis hin zur Kündigung führen. Deshalb sollte die Führungskraft dem Mitarbeiter regelmäßig horizontale Weiterentwicklungs- und vertikale Aufstiegsmöglichkeiten aufzeigen, da auch die Arbeitsleistungen von entsprechenden Möglichkeiten und Chancen beeinflusst werden. Hohe Arbeitszufriedenheit und -leistungen auf einem Tätigkeitsgebiet A müssen nicht ohne weiteres für ein anderes Tätigkeitsgebiet B gelten. So ist der hervorragende Fachmann noch lange keine gute Führungskraft. Dies ist im Rahmen der Auswahl von Führungskräften zu berücksichtigen.
10.4.3 Bedürfnishierarchie von Maslow In seiner Theorie geht Maslow davon aus, dass die Motivation menschlichen Handeins in fünf Gruppen von Bedürfnissen eingeteilt werden kann: • • • • •
Physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, Zugehörigkeitsbedürfnisse, Anerkennungsbedürfnisse, Selbstverwirklichungsbedürfnisse.
Dargestellt wird diese Bedürfnisstruktur meist als Pyramide, wobei an der Basis die existenziellen Bedürfnisse stehen und an der Spitze die Selbstverwirklichungsbedürfnisse (Abb. 10.14). Dabei setzen sich die einzelnen Klassen aus einer Vielzahl von Einzelmotiven zusammen.
Physiologische Bedürfnisse Physiologische Bedürfnisse sind die biologisch bedingten Grundbedürfnisse des Menschen nach Sauerstoff, Wasser, Nahrung, Ruhe, Schlaf, Sexualität. Diese Bedürfnisse sind die stärksten, da sie existenziellen Charakter haben.
Sicherheitsbedürfnisse Dies sind jene Bedürfnisse nach Sicherheit vor Existenzbedrohung, sowie nach Gesundheit, Schutz und frei sein von Furcht, Angst und Chaos. Außerdem zählen hierzu die Bedürfnisse nach einem gesicherten Arbeitsplatz, sicheres Einkommen, Altersversorgung und einer stabilen Umwelt. In Zeiten von Not oder Umbruchsituationen in der sozialen Struktur treten diese Bedürfnisse verstärkt hervor.
Zugehörigkeitsbedürfnisse In der dritten Ebene finden sich die Bedürfnisse nach sozialen Bindungen. Hierzu zählen das Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung sowie der Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit, Geselligkeit und nach Freundschaft. Ein gutes Verhältnis zu den Kollegen gehört ebenso dazu, wie das Bedürfnis nach einem guten Arbeitsklima. Eine Nichterfüllung dieser Bedürfnisse führt zu Einsamkeit, Isolation oder Entfremdung.
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Anerkennungsbedürfnisse Unter dieser Rubrik finden sich die Bedürfnisse nach Wertschätzung, Selbstachtung und Anerkennung durch andere; das Streben nach einem hohen sozialen Ansehen sowie nach Macht, Prestige, Lob und Anerkennung für die geleistete Arbeit. Um sich wertvoll zu fühlen brauchen die Menschen ein stabiles, fest gegründetes Niveau an Selbst-Respekt und Respekt durch andere Personen. Schwach, hilflos und wertlos fühlt man sich, wenn es nicht gelingt diese Bedürfnisse zu erfüllen.
Entfaltung der eigenen Persönlichkeit
Anerkennungsbedürfnisse WertschMzung, selbstachtung, Kompetanz
Zugehörlgkehsbedürfnlsse soziale Kontakte, soziala Anerkannung, Freundschaft, gutes Arbeitsklima
Sicherhehsbedürfnisse Gesundheit, Sicherheit, wirtschaftliche Absicherung, famillira Gaborgenheil
Physiologische Bedürfnisse Luft, Wasser, Nahrung, Wohnung, sexualität, Schlaf
Abb. 10.14: Maslow'sche Bedürfnispyramide [Wunderer, 2001]
10 Selbstverwirklichungsbedürfnisse In dieser höchsten Klasse der Bedürfnishierarchie siedelt Maslow das Streben nach Erfüllung eines Selbstkonzeptes und die Verwirklichung der eigenen Möglichkeiten an. Es geht um die Entwicklung und Entfaltung der eigenen Persönlichkeit. Diese idealtypischen Klassifikationen der menschlichen Bedürfnisse sind in einer Hierarchie relativer Vorherrschaft geordnet und verlangen nach Befriedigung in Abhängigkeit vom Stand der Persönlichkeitsentwicklung des jeweiligen Menschen. Während die oberste Ebene das Endziel (Wachstumsziel) umfasst, werden die unteren Bedürfniskategorien als Mangelbedürfnisse bezeichnet. Hat der Mensch das Endziel erreicht, so verbleibt er in dieser Klasse des Wachstums. Dies ist ein stetig andauernder Prozess der menschlichen Selbstverwirklichung, der keinen endgültigen Sättigungszustand erreichen kann.
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Die Übergänge zwischen den Bedürfnisstufen vollziehen sich nicht abrupt. Abbildung 10.15 verdeutlicht den Zusammenhang zwischen der relativen Bedürfnisintensität und der Persönlichkeitsentwicklung. Die relative Vorrangigkeit der Bedürfnisse verändert sich mit dem Grad der Befriedigung der einzelnen Kategorien. Zu Beginn der Persönlichkeitsentwicklung dominieren die existenziellen Bedürfnisse unser Verhalten. Mit zunehmender Befriedigung dieser Bedürfnisse verlieren diese an verhaltenslenkender Kraft. Die nächst höhere Kategorie der SicherheitsbedOrfnisse macht sich allmählich bemerkbar. So setzt sich dieser Verlauf fort, bis schließlich die Selbstverwirklichungsmotive im Vordergrund stehen.
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Zeit
Abb. 10.15: Zeitliche Abhängigkeit der Bedürfnisarten [Krech, 1962]
Durch eine entsprechende Gestaltung der Arbeit und der Arbeitsbedingungen kann gegebenenfalls die Arbeitsleistung und das Arbeitsverhalten so beeinflusst werden, dass sie der jeweils dominanten Bedürfniskategorie des Mitarbeiters entsprechen. In welchem Umfang die Annahmen aus diesem Modell zutreffend sind, hängt aber entscheidend von der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur des Mitarbeiters ab.
10.4.4 Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg Herzberg unterscheidet zwischen zwei Kategorien von Bedürfnissen, den "Hygienefaktoren" und den "Motivatoren" (Abb. 10.16), die im Arbeitsprozess Zufriedenheit hervorrufen bzw. eher zu Unzufriedenheit führen. Hygienefaktoren sind Bedürfnisse, die durch extrinsische Bedingungen bestimmt sind und befriedigt werden. Wenn sie als negativ bewertet werden, bewirken sie bei der Mehrzahl der Befragten Gefühle der Unzufriedenheit. Zu dieser Gruppe zählen Faktoren wie Bezahlung, Beziehungen zu Kollegen, Vorgesetzten und Mitarbeitern, äußere Arbeitsbedingungen und Arbeitsplatzsicherheit.
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Den Hygienefaktoren stehen Motivatoren gegenüber, deren positiv empfundene Gestaltung die Mehrzahl der Befragten zu voller Arbeitszufriedenheit anregt. Werden die entsprechenden Bedürfnisse nicht befriedigt, so stellen sie keinen motivierenden Faktor mehr dar. Sie führen jedoch nicht zu Arbeitsunzufriedenheit. Motivatoren entsprechen Bedürfnissen, die in der Arbeit selbst begründet sind. Zu diesen intrinsischen Arbeitsbedürfnissen gehören Leistungserfolg, Anerkennung, Verantwortung, Aufstiegschancen und Entfaltungsmöglichkeiten. Motivatoren haben eine größere Langzeitwirkung als Hygienefaktoren. Herzberg zeigt jedoch auch, dass die genannten Aspekte nicht ausschließlich einer der beiden Gruppen zugeordnet werden können und nicht isoliert voneinander gesehen werden sollten. Auch Hygienefaktoren können motivierend sein. Geld ist ein Hygienefaktor und beruflicher Aufstieg ein Motivator. Nun bringen eine Beförderung und mehr Verantwortung meistens ein höheres Einkommen mit sich. Daher wird Geld in solch einem Fall auch als Motivator empfunden.
Motivatoren
• • • •
Anerkennung der Leistung und Person interessante Aufgaben und Arbeitsinhalte angemessene Zuständigkeiten und Verantwortungen Aufstiegs- und Entwicklungsmöglichkeiten
Übergangsbereich
• • • • • • •
Möglichkeiten der persönlichen Entfaltung Gehalt und leistungsgerechte Bezahlung Status im Unternehmen Sicherheit des Arbeitsplatzes FÜhrungsstil und -verhalten Beziehungen zu Kollegen Beziehungen zu Mitarbeitern
Hygienefaktoren
• •
•
•
Beziehung zu Vorgesetzten Arbeitsbedingungen Unternehmenspolitik und -organisation Überwachung und Kontrolle
Abb. 10.16: Motivatoren und Hygienefaktoren
Es bleibt anzumerken, dass ein Faktor für eine Person als Motivator, für eine andere Person als Hygienefaktor wirken kann. Die Wirkung hängt dabei von situativen Variablen wie Beruf, Hierarchie, Alter, Geschlecht, Erziehung, Kultur, Zeitbezug und Position in der Gruppe ab. So reagieren die Angehörigen niedriger Organisationsebenen stärker auf Mängel im Hygienebereich als Angehörige höherer Führungsebenen. Diese messen ihrerseits der Arbeitsgestaltung größeres Gewicht bei. Ein bestimmter Faktor kann außerdem nur bis zu einer gewissen Grenze als Motivator eingesetzt werden. Darüber hinaus bleibt seine Wirkung aus. Weiterhin ergibt sich, dass Mitarbeiter dazu neigen, Erfolge sich selbst zuzuschreiben, z.B. aus intrinsischer Motivation. Der eigene Misserfolg wird dagegen äußeren Ursachen, z.B. dem Hygienefaktor "Führungsstil" zugeschrieben.
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Mitarbeiterbefragungen können zentrale Ansatzpunkte zur Umsetzung der Herzbergschen Erkenntnisse sein und eine bedürfnisgerechte Anreizgestaltung schaffen. Die Befriedigung von Hygienefaktoren ist Voraussetzung für die Vermeidung von Unzufriedenheit und damit für mitunternehmerisches Engagement der Mitarbeiter. Es sollte überprüft werden, ob diese Bedürfnisse hinreichend erfüllt sind, damit ggf. geeignete Maßnahmen entwickelt werden können. Die Erfüllung von Motivatoren verspricht deutliche Motivationsschübe und damit auch eine nachhaltige Steigerung des unternehmerischen Denkens und Handeins. Hier sind folgende Aspekte von besonderer Bedeutung: •
interessante, sinnvolle und fordernde Arbeit,
•
Entwicklungsmöglichkeiten,
•
Handlungsspielräume und Übertragung von Verantwortung,
•
leistungsgerechte Entlohnung, Ausdruck für Wertschätzung und Anerkennung.
Herzberg argumentierte dass "job enrichment" (Arbeitsbereicherung) für eine intrinsische Motivation erforderlich ist. Arbeitsbereicherung ist jedoch kein einmaliger, abgrenzbarer Vorgang, sondern eine kontinuierliche Managementaufgabe. Die begonnenen Veränderungen sollten lange Zeit geiten. Dazu müssen die Tätigkeiten auf das Anforderungsniveau gehoben werden, das den Fähigkeiten des Mitarbeiters entspricht. Letztendlich bleibt festzuhalten, dass dauerhafte Motivation aus dem Inneren einer Person selbst kommt und nicht durch von außen an sie herangetragenen Faktoren erzwungen werden kann.
10.4.5 Bedürfnismotive nach McClelland McClelland hat in seiner "Theorie der erlernten Bedürfnisse" erklärt, welche Faktoren die Menschen zu Leistungen motivieren. Er sieht vier grundlegende Bedürfnisse als Schlüsselelemente im menschlichen Leben an. Dies sind die Grundmotive: •
Leistungsmotiv,
• •
Machtmotiv, Zugehörigkeitsmotiv,
•
Vermeidungsmotiv.
Abbildung 10.17 zeigt das Zusammenwirken der vier Grundmotive auf das Leistungsverhalten des Menschen.
Leistungsmotiv Das Leistungsmotiv zeigt sich im Setzen von Zielen und in Anstrengungen zur Zielerreichung. McClelland stellte fest, dass das Leistungsmotiv gleichzeitig auch ein Effizienzmotiv ist, da es vorrangig um den Wunsch geht, Arbeiten besser zu erledigen. Für Menschen in einem Produktionsprozess zeigt sich das Leistungsmotiv im Ziel, die gleiche Menge mit weniger Aufwand zu produzieren, mit gleichem Aufwand mehr zu produzieren oder sogar mit weniger Aufwand mehr zu produzieren. Das Ziel der Person ist es, effizienter zu arbeiten. Für das Leistungsmotiv ist ein Streben nach innovativen Aufgaben, die Eigenverantwortung mit sich bringen, sehr typisch.
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Machtmotiv Das Machtmotiv äu ßert sich im Streben nach einer gegenüber anderen Personen überlegenen Position. Der Mensch ist bestrebt Problem- und Konfliktsituationen mittels Autorität zu lösen. Das Machtmotiv durchläuft verschiedene Entwicklungsstadien, die nach McClelland nicht nur einmalig, sondern auf verschiedenen Positionen in einem Unternehmen immer wieder durchlaufen werden. Das Machtmotiv äußert sich in der Möglichkeit zur Einflussnahme oder in der Delegation von Aufgaben.
Leistungsmotiv • Zielsetzung als Bedürfnisäußerung • Begeisterung für die Arbeit als solche • innovative Aufgaben • Entscheidungsfreiheit • Verantwortung • Feedback
Machtmotiv • Persönlichkeitsentwicklung • Überlegenheit über andere Personen
Zugehörigkeitsmotiv • Sicherheit in der Gruppe • Interaktion ohne Wettbewerb • konfliktfreie Beziehung
Vermeidungsmotiv • Vermelden der Nichterfüllung eines anderen Bedürfnisses • Vermelden von Misserfolg und Ablehnung
Abb. 10.17: Zusammenwirken der vier Grundmotive
Zugehörigkeitsmotiv Personen mit großem Drang nach Zugehörigkeit suchen konfliktfreie Situationen und Tätigkeiten mit geringem Wettbewerb. Sie möchten integrierter Bestandteil eines Teams sein, wo sie Anschluss und Sicherheit finden. Zur Motivation eines Mitarbeiters mit hohem Zugehörigkeitsbedürfnis sind eine persönliche Beziehung und ein offenes Verhältnis notwendig.
Vermeidungsmotiv Dieses Motiv ist bisher nur wenig erforscht und wird größtenteils noch nicht zu den Grundmotiven gezählt. Es ist auf die Verhinderung des Eintretens von Versagen, Ablehnung, Misserfolg und Verlust von Macht ausgerichtet. Das Vermeidungsmotiv folgt aus der Erfüllung eines Grundmotivs. Es ergibt sich z.B. die Furcht vor Zurückweisung aus dem Zugehörigkeitsmotiv.
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Nach McClelland findet Leistungsmotivation immer dann statt, wenn dem Menschen durch bestimmte Situationen ein Anreiz gegeben wird, sein Leistungsbedürfnis durch spezifische Leistungen zu befriedigen. Der Mensch lernt im Laufe seiner Entwicklung, dass der Einsatz einer bestimmten Leistung eine entsprechende Bedürfnisbefriedigung zur Folge hat. Die Neigung zur Bedürfnisbefriedigung ist dabei abhängig von der Stärke der Anregung, der subjektiven Wahrscheinlichkeit des Erfolges und dem Attraktivitätswert eines Erfolges. McClelland nimmt an, dass ein geringer Anteil aller Menschen durch eine außergewöhnlich starke Leistungsmotivation geprägt ist. Er ist der Meinung, dass sich die Motivation dieser Menschen in den meisten Fällen auf Einflüsse in der Kindheit zurückführen lässt. Eine leistungsbewusste Erziehung erhöht die Leistungsmotivation. Leistungsmotivierte Menschen haben insbesondere folgende charakteristische Eigenschaften: •
Sie wollen Probleme selbstständig, ohne Hilfe anderer lösen.
•
Sie bevorzugen einen sichtbaren Leistungserfolg nach vollzogener Arbeit.
•
Sie beachten Vorschläge, die leistungssteigernd wirken.
•
Sie setzen sich mittelschwere Ziele, da ein Versagen bei der Zielerreichung verhindert werden muss und da leicht erreichbare Ziele keine ausreichende Befriedigung darstellen.
Das Leistungsverhalten von Mitarbeitern mit geringerer Leistungsmotivation lässt sich u.a. durch folgende Faktoren steigern: •
klare Zielsetzungen und kurzfristig formulierte Ziele,
• •
überschaubare Risiken, Informationen über den Leistungsstand des Einzelnen,
•
Förderung der Verantwortungsbereitschaft,
• •
zielbezogene Kontrollen, leistungsgerechte Be- und Entlohnung,
•
besondere Ehrungen,
•
geringe Tadelungen.
Interessant ist die Tatsache, dass Menschen mit hohem Leistungsmotiv ihre Erfolge meist ihrem Können zuschreiben und Misserfolge einer schlechten Vorbereitung auf die Aufgaben. Dies ist mit der Überzeugung verbunden, sich das nächste Mal besser vorbereiten zu müssen. Menschen mit niedrigem Leistungsmotiv hingegen begründen einen Erfolg mit Zufall oder Glück und einen Misserfolg durch mangelndes Können. Führungskräfte können durch gezielte Aufgabenübertragung die Leistungsmotivation ihrer Mitarbeiter steigern.
10.5
Führungsbeziehungen
10.5.1 Interaktion und sozialer Austausch Oftmals wird versucht verschiedene Führungsstile durch sogenannte führungskraft- und mitarbeiterzentrierte Ansätze zu typologisieren. Bei diesen meist zu einseitigen Betrachtungsweisen finden die recht komplexen Beziehungen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern jedoch im Allgemeinen zu wenig Beachtung. Der im Laufe der Zeit unvermeidlich stattfindende organisatorische und technologische Wandel, sowie der Qualifikations- und Wertewandel führen zu der Notwendigkeit, Führungsbeziehungen regelmäßig aus einer neuen Perspektive heraus zu betrachten.
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Führung kann nicht mehr nur als "Führung von oben" gesehen werden. Stattdessen wird durch interaktionsorientierte Führungsansätze versucht, die einseitig auf die Führungskraft oder den Mitarbeiter ausgerichteten Perspektiven zu überwinden. Die Anti-These zur Führung von oben, die Führung von unten, weist der Führungskraft die Rolle eines Service-Centers zu, das die Mitarbeiter bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen hat. Betrachtet man Führung als interaktives Phänomen so stellt sich die Frage, wer wen führt, welche Ziele von Führungskräften und Mitarbeitern verfolgt werden und welche Rollen die am Führungsprozess beteiligten Personen annehmen.
Bedeutung von Interaktion und sozialem Austausch Die interaktionsorientierten Führungsansätze beziehen sich auf eines der wichtigsten Definitionsmerkmale der Führung, die Interaktion aller am Führungsprozess beteiligten Personen. Jedes im Prozess stattfindende Ereignis ist auf das Zusammenwirken einer Vielzahl von Faktoren zurückzuführen. Das Verhalten einzelner Personen kann dabei als Funktion ihrer Persönlichkeiten sowie des beruflichen und privaten Umfelds angesehen werden. Umfeld, Persönlichkeit und Verhalten sind wechselseitig voneinander abhängig. Dazu zählen: • • • • •
Die Persönlichkeit der Führungskraft, mit all ihren Kompetenzen und individuellen Erfahrungen. Die Persönlichkeiten der Mitarbeiter, mit all ihren Kompetenzen und Erfahrungen, sowie ihren Bedürfnissen und Erwartungen an die Führungskraft und die Situation. Die Struktur und Funktion des Teams, das ein komplexes System von Rollen, Beziehungen und Normen darstellt. Die spezifische Situation in der sich die Arbeitsgruppe befindet. Diese wird durch die Art der zu bewältigenden Aufgaben, das Gruppenziel sowie äu ßere Rahmenbedingungen beeinflusst. Das Umfeld des Unternehmens mit seinen Produkten, Märkten und Kundenbeziehungen sowie den Vorstellungen der Anteilseigner.
10.5.2 Transaktionale Führung Das Prinzip der transaktionalen Führung stützt sich auf den Austausch von Leistungen. Um dieses Führungsprinzip anwenden zu können, muss sich die Führungskraft in die Lage ihres Mitarbeiters versetzen und dessen Wünsche und Bedürfnisse erkennen. Sobald die Führungskraft von ihrem Mitarbeiter eine Leistung verlangt, muss sie in irgendeiner Art und Weise eine Gegenleistung (Belohnung, Lob, etc.) anbieten. Die Qualität der Führung wird durch die wechselseitige Beeinflussung von Führungskraft und Mitarbeiter bestimmt. Dem Mitarbeiter wird im Führungsprozess eine aktive Rolle zugewiesen. Damit die Führungsbeziehung funktioniert müssen die Motive und Ziele beiden Seiten klar sein. Wichtige Merkmale transaktionaler Führung sind daher: • klar definierte Ziele unter Berücksichtigung der Mitarbeiterbedürfnisse, • Förderung der Fähigkeiten des Mitarbeiters zur Erreichung der Ziele, • Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen zur Zielerreichung, • Anreize und Belohnungen für die Zielerreichung. Zur Zielerreichung werden dem Mitarbeiter Spielräume und Entscheidungsbefugnisse für die Erfüllung der einzelnen Aufgaben eingeräumt. Dazu muss ihm die Führungskraft ein gewisses Vertrauen in seine Fähigkeiten und Eigenverantwortung entgegenbringen. Die Führungskraft gibt dem Mitarbeiter regelmäßig Rückmeldung darüber, wie sie mit dem Arbeitsfortschritt und der Arbeitsleistung zufrieden ist. Sie greift nur in Ausnahmesituationen in den Arbeitsprozess ein, z.B. wenn die Gefahr der Zielverfehlung besteht ("management by exception"). Die Führungskraft muss sicherstellen, dass es einen Austauschprozess von Leistungen und Gegenleistungen gibt. Die
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Belohnungen richten sich nach dem gezeigten Einsatz, den Leistungen und dem erzielten Erfolg. Tut sie dies nicht, wird darunter das Arbeitsklima leiden. Die Mitarbeiter verlieren das Vertrauen in ihre Führungskraft bzw. bauen es überhaupt nicht auf. So kann deren Ansehen sinken oder die Eigeninitiative der Mitarbeiter zurückgehen.
Vergabe von "credits" Die Führungskraft kann für ihr Führungsverhalten bei den Mitarbeitern fiktive Punkte ("credits") sammeln. Deren Erwartungen an die Rolle der Führungskraft hängen u.a. von: • • •
der Persönlichkeit, der Führungskompetenz, den geleisteten Beiträgen zur Teamentwicklung
ab. Die fiktive Vergabe von "credits" steuert die sozialen Austauschprozesse. Die Führungskraft erhält aus Sicht der Mitarbeiter einen positiven Kredit, wenn deren Handlungen und Verhalten günstig ausfallen. Im Vertrauen auf ihre fiktive Bewertung lassen sich die Mitarbeiter in ihrer Arbeit und in ihren Entscheidungen beeinflussen. Dies sichert der Führungskraft eine größere Akzeptanz bzw. Einflussnahme auf der sozialen Ebene. Das Verhalten von Führungskräften kann jedoch auch nicht konformitätstreu gegenüber den geltenden Gruppennormen ausfallen. Bei einer hohen Anzahl von "credits" seitens der Führungskraft werden Abweichungen von den Rollenerwartungen durch die Mitarbeiter eher toleriert. Veränderungen in den gestellten Aufgaben und Anforderungen oder unbeliebte Entscheidungen werden bis zu einem gewissen Maße hingenommen. Die Führungskraft hat sich durch ihr kompetentes und gruppenkonformes Verhalten Anerkennung (Kredit) verdient. Ihr wird somit eine Führungsrolle mit hohem Einflusspotenzial zugewiesen. Die Führungskraft kann somit für eine gewisse Zeit von ihrem Kredit zehren und unbeliebtes Verhalten zeigen, ohne sofort den Führungsanspruch zu verlieren. Nicht normgetreues Verhalten kann insbesondere bei schwierigen Führungssituationen sogar zur weiteren Steigerung der Anerkennung führen. Dies erklärt sich damit, dass die Einhaltung der Gruppennormen und konformes Verhalten nach der Anerkennung bewertet werden, die eine Führungskraft aufgrund ihrer "credits" erreicht hat. Nichtkonformes Handeln kann auch zu einem Statusmerkmal werden. Führungskräfte mit solch einem Status können sich von der Norm abweichendes Verhalten mit entsprechenden Maßnahmen leisten. Sind die sozialen Austauschprozesse zwischen Führungskraft und Mitarbeitern eher schwach ausgeprägt, werden negative "credits" vergeben. Es kann zu Verlusten im Engagement, Dienst nach Vorschrift oder passiven Widerständen kommen. Die Wertungen einer Führungskraft werden nicht nur durch die unmittelbar von ihr geführten Mitarbeiter bestimmt. Es ist ebenso eine Übertragung der "credits" z.B. durch eine gute Reputation möglich. Eine Führungskraft, die eine neue Position einnimmt, muss sich unter Umständen erst Kredite bei ihren Mitarbeitern erarbeiten. Je größer in einem Unternehmen die hierarchische Distanz zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern ist, desto eher werden Abweichungen von der Rollenerwartung toleriert. Auch der in einem Unternehmen erzielte Erfolg beeinflusst die Punktwertungen. In einem erfolgreichen Unternehmen führen Abweichungen von den Gruppennormen zu geringeren Punktabzügen als in weniger erfolgreichen Unternehmen. Sind die "credits" aufgebraucht, so werden keine weiteren unpopulären Entscheidungen der Führungskraft seitens der Mitarbeiter ohne entsprechenden Widerstand akzeptiert.
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Hierarchie der Beziehungen Innerhalb der Unternehmenshierarchie stehen Führungskraft und Mitarbeiter in einer Wechselbeziehung miteinander. Diese ist durch formelle (z.B. Gehaltspolitik, Disziplinarmaßnahmen) und informelle (z.B. persönlicher Austausch) Einflussnahme gekennzeichnet. Die Möglichkeiten der Einflussnahme der Mitarbeiter auf die Vorgesetzten sind in der Regel rein informell. Sie können diese durch Vertrauen und Loyalität belohnen oder durch Boykott bestrafen. Wenn mehrheitlich formelle Möglichkeiten der Einflussnahme zum Einsatz kommen, dann ist die Austauschbeziehung stärker ökonomisch geprägt. Wenn die Austauschbeziehungen eher informeller Natur sind, werden auch indirekte, beziehungsorientierte Belohnungskomponenten genutzt. In der Hierarchie der Beziehungen wird der Führungsprozess von gegenseitigen Rollenzuweisungen geprägt. Im ersten Schritt analysiert die Führungskraft die Kompetenzen und Eigenschaften ihrer Mitarbeiter. Die Beziehung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter ist auf eine formale Zusammenarbeit begrenzt. In einem weiteren Schritt "verhandeln" beide Parteien über ihre gegenseitigen Anforderungen und Erwartungen. Der Mitarbeiter ist bereit und fähig mehr Verantwortung zu übernehmen. Das Ergebnis der Verhandlungen führt zur Gestaltung der Arbeitsbeziehungen und verstärkt die persönlichen Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Je mehr die Mitarbeiter bereit sind sich zu engagieren und über ihre vertraglichen Pflichten hinaus zu gehen, umso hochwertiger können die Beziehungen werden. Wenn sich die Austauschbeziehung zu einer sozialen Beziehung entwickelt, in der Vertrauen und Loyalität entstehen, wird von einer reifen Führungsbeziehung gesprochen. Die Einflussnahme der Führungskraft und der Mitarbeiter gehen in diesem Fall über die rein formalen Beziehungen hinaus. In reifen Führungsbeziehungen haben sowohl Führungskraft als auch Mitarbeiter die Chance sich gegenseitig zu beeinflussen. Eine unreife Führungsbeziehung zeichnet sich dadurch aus, dass der Mitarbeiter nicht an neuen oder erweiterten Aufgabenfeldern interessiert ist. Er ist nicht bereit, mehr als die vertraglichen Pflichten zu erfüllen.
10.5.3 Transformationale Führung Während die transaktionale Führung Zielerfüllung, Aufgabenorientierung sowie Im Austausch (Transaktionen) dafür Belohnungen in den Vordergrund stellt, betrachtet die transformationale Führung die Veränderungen der Wertvorstellungen der Mitarbeiter. Transaktionale Führung weist einige ungelöste Probleme auf. Mitarbeiter durch kontinuierliche Belohnung zu motivieren kann die angestrebten Effekte verfehlen und sogar kontraproduktiv wirken. Belohnungen werden nicht immer positiv wahrgenommen. Es kann zu Gewöhnungseffekten und zu Neid gegenüber vermeintlich besser belohnten Kollegen kommen. Da durch Belohnungen in der Regel negatives Feedback vermieden wird, kann es zu Unehrlichkeit gegenüber der Führungskraft kommen. Mehr Arbeit hat nach Ansicht der Mitarbeiter nicht immer eine entsprechende Belohnung zur Folge. Außerdem können langfristige Unternehmensziele durch eine eher kurzfristig ausgelegte Belohnungspolitik zu sehr in den Hintergrund treten. Daher sollte transaktionale Führung stets durch transformationale Führung ergänzt bzw. erweitert werden. Das wesentliche Ziel der transformationalen Führung besteht darin, die Bedürfnisse der Mitarbeiter dahingehend zu steuern, dass diese mit den Unternehmenszielen weitgehend deckungsgleich werden.
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Der transformationale Führer erkennt die Einstellungen und Wünsche des Mitarbeiters und versucht diese für den Unternehmenszweck zu verändern bzw. zu transformieren. Dazu zeigt er dem Mitarbeiter neue Herangehensweisen und Methoden zur Verbesserung der Leistungen auf. Während des Transformationsprozesses geht die Führungskraft ganzheitlich auf die Person des Mitarbeiters ein. Sie sieht nicht nur die Aufgabe, sondern versetzt sich in die Sicht- und Denkweise des Mitarbeiters. Es gelingt ihr bei diesem die notwendige Begeisterung für die Sache zu wecken. Der Mitarbeiter übernimmt die Werte, Ziele und Aufgaben in seine eigene Sichtweise. Nach der Transformation setzt sich der Mitarbeiter aus eigenem Antrieb höhere Ziele und handelt entsprechend. Transformationale Führung wird von vier Merkmalen bestimmt: • • • •
Charisma der Führungskraft, inspirierende Motivation, intellektuelle Anregung und individuelle Mitarbeiterorientierung.
Beim Charisma geht es um die Ausstrahlung der Führungskraft, die unabhängig von ihrer fachlichen Kompetenz ist. Ihr wird ein hohes Maß an Selbstvertrauen und ein starker Machtwillen zugesprochen. Sie verfügt über außergewöhnliche intellektuelle und kommunikative Fähigkeiten. Sie ist von ihren eigenen Vorstellungen überzeugt und moralisch integer. Mit ihren Ansichten deckt sie die Wünsche und Anforderungen der Mitarbeiter in einem großen Rahmen ab. Diese sind davon überzeugt, dass ihre Führungskraft die anstehenden Probleme lösen kann. Aufgrund der Vorbildfunktion und Begeisterungsfähigkeit der Führungskraft werden die Mitarbeiter zu einer hohen Leistung motiviert. Sie zollen der Führungskraft Respekt und Gehorsam und sind ihr in der Regel emotional eng verbunden. Sie vertrauen den Vorstellungen der Führungskraft und hinterfragen meistens nicht deren Führungsmethoden. Die transformational ausgerichtete Führungskraft begeistert die Mitarbeiter für die Zielerreichung und motiviert diese mit Stolz dabei zu sein. Die Mitarbeiter sehen nach der Transformation die Einzel- und Unternehmensziele als ihre persönliche Messlatte an. Aus Eigenantrieb heraus wollen sie diese Ziele erreichen und erbringen dazu herausragende Leistungen. Für die Zielerreichung wird den Mitarbeitern ein größerer Handlungsspielraum eingeräumt. Der visionäre Führer muss mit gutem Beispiel vorangehen. Der Wille Probleme zu lösen muss demonstriert und Zuversicht ausgestrahlt werden. Rückschläge werden umgedeutet und als neue Chancen ausgelegt. Bei der intellektuellen Anregung erreicht die Führungskraft, dass der Mitarbeiter auftretende Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und analysieren kann. Der Mitarbeiter soll so eine Vielzahl von Ideen und neuen, innovativen Lösungen entwickeln. In einer anregenden Rollenverteilung hinterfragt die Führungskraft die vom Mitarbeiter vorgeschlagenen Lösungen, Entscheidungsprozesse und Maßnahmen. Bei der individuellen Mitarbeiterorientierung erkennt die Führungskraft durch aufmerksames Zuhören die Bedürfnisse der einzelnen Mitarbeiter. Sie unterstützt die Mitarbeiter und fördert sie individuell nach Bedarf. Dabei sind die Bedürfnisse hauptsächlich in der beruflichen Weiterbildung und im persönlichen Wachstum anzusiedeln. Instrumente der Mitarbeiterorientierung und -entwicklung können u.a. Coaching und Mentoring sein. Um in entsprechenden Situationen angepasst reagieren zu können, sollte jede Führungskraft über ein breites Spektrum an verschiedenartigem Führungsverhalten verfügen, wobei sich die einzelnen Aspekte der transaktionalen und transformationalen Führung zusammenfassen lassen. Ober rein materielle Aspekte ("Belohnung") und dem Sammeln von "credits" (transaktionale Führung) wird durch die verschiedenen Merkmale der transformationalen Führung die aktive Führungsrolle und die Führungseffektivität gestärkt.
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10.6
Real praktizierte Führungsstile
Was ist der richtige Führungsstil? In diesem Zusammenhang sind der grundsätzliche Führungsstil und das von verschiedenen Faktoren abhängige variable Führungsverhalten zu unterscheiden. So kann eine kooperativ agierende Führungskraft in entsprechenden Situationen durchaus autoritär handeln. Einen bestimmten Führungsstil (z.B. kooperativ) als den optimalen Führungsstil zu propagieren greift zu kurz. Jeder Führungsstil und jedes Führungsverhalten hat seine Stärken und Schwächen, Vor- und Nachteile. Im folgenden Abschnitt werden die am häufigsten praktizierten Führungsstile skizziert.
10.6.1 Konsultativer Führungsstil Die Grundidee der konsultativen Führung liegt darin, dass die Mitarbeiter erst auf Anfrage der Führungskraft um ihren Rat gefragt werden. Eine aktive, eigenständige Beratung oder sogar Einmischung durch Mitarbeiter ist bei diesem Führungsstil nicht erwünscht. Die Führungskraft trifft letztlich die Entscheidungen selbst; gegebenenfalls auch gegen die Auffassung ihrer Mitarbeiter. Konsultative Führungsstile werden hauptsächlich bei • • • • •
der Vorbereitung einer Entscheidung, Problemen in der Realisierungsphase, Themen- oder Projektbesprechungen, der Führung durch den nächsthöheren Vorgesetzten, der Zusammenarbeit zwischen Linie und Stab
eingesetzt. Für eine erfolgreiche Anwendung dieser Führungsform, sollten die Mitarbeiter über eine mittlere Fachqualifikation und Berufserfahrung verfügen und einen niederen Reifegrad besitzen. Ebenfalls als günstig erweist es sich, wenn die Führungskraft über gute Fachkenntnisse und einen guten Einblick in die Arbeit der Mitarbeiter verfügt. Die höchste Effektivität erreicht diese Art der Führung bei turbulenten Situationen, wenn Entscheidungen schnell getroffen werden müssen. Eine weitere Bedingung für eine Anwendung dieses Stils ist eine zentralistische Ausrichtung der gesamten Unternehmensstruktur. Der konsultative Führungsstil kann als Vorstufe zur Weiterentwicklung in Richtung auf kooperativ-delegative Führungsformen betrachtet werden. In Abbildung 10.18 sind die Vor- und Nachteile konsultativer Führung dargestellt.
Vorteile des konsultativen Führungsstils
•
• • • • •
regt die Mitarbeiter zum Mitdenken an größere Einheitlichkeit bei Entscheidungen fördert die Mitarbeiterqualifikation Erhöhung der Mitarbeitermotivation kürzere Entscheidungszeiten umfassende Information der Führungskraft
Abb. 10.18: Vor- und Nachteile konsultativer Führung
Nachteile des konsultativen Führungsstils
• • • •
mögliche Verschiebung von Verantwortung auf die Mitarbeiter geringere Motivation bei qualifizierten Mitarbeitern durch unzureichende Einbeziehung keine Förderung der Teambildung kaum Unterstützung von Mitarbeiterinitiativen
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10.6.2 Kooperativer Führungsstil Im Zuge der Forderungen nach Demokratisierung von Wirtschaft und Gesellschaft wurde die kooperative Führung, oft auch als partnerschaftliche Führung bezeichnet, zum idealen Stil erkoren. Beim kooperativen Führungsstil werden die Mitarbeiter an den Entscheidungen beteiligt und Lösungsvorschläge gemeinsam erarbeitet. Ihnen wird ein ausreichendes Maß an Freiheit und Selbstständigkeit bei der Aufgabenerledigung eingeräumt. Daher können sie sich für die Arbeitsergebnisse persönlich verantwortlich fühlen. Eine weitgehende Selbstkontrolle der Mitarbeiter wird angestrebt und die Ergebniskontrolle gemeinsam durchgeführt. Die Führungskraft beschränkt ihre Aufsicht auf Stichproben. Durch Vertrauen und Offenheit wird ein gutes soziales Klima gefördert. Die herausragendsten Merkmale des kooperativen Führungsstils können durch folgende Punkte zusammengefasst werden: • • • •
wechselseitige Kommunikations- und Informationsbeziehungen, Gruppenorientierung und soziale Konfliktregelungen, Vertrauen als Grundlage der Zusammenarbeit, Ziel- und Leistungsorientierung.
Allerdings setzt diese Führungsart sowohl reife Mitarbeiter als auch Führungskräfte voraus, die ausreichende Qualifikationen und Fähigkeiten zur Motivation besitzen. Beide Seiten sollten sich durch Offenheit, Toleranz, Lernfähigkeit, Selbstsicherheit, Kritikmündigkeit, Kreativität und Freude an der eigenen Leistung sowie Vertrauen in sich selbst und zu ihren Mitmenschen auszeichnen. Die Bedeutung des kooperativen Führungsstils spielt bei extrovertierten Mitarbeitern mit hohen Identifikationsbedürfnissen und bei geringer Arbeitsteilung eine viel größere Rolle als bei hoher Arbeitsteilung, strukturierten Abläufen (z.B. Fließbandarbeit) sowie introvertierten Mitarbeitern. Abbildung 10.19 führt die wesentlichsten Vor- und Nachteile des kooperativen Führungsstils auf.
Vorteile des kooperativen Führungsstils
• • • • • • •
hohe Motivation der Mitarbeiter und Führungskräfte Entlastung der Führungskräfte Förderung der Mitarbeiterentwicklung Entscheidungen werden gemeinsam getroffen kreativere und innovativere Problemlösungen Risiko der Fehlentscheidung wird reduziert gutes Arbeitsklima
Abb. 10.19: Vor- und Nachteile kooperativer Führung
Nachteile des kooperativen Führungsstils
• • •
• •
Entscheidungsgeschwindigkeit wird verlangsamt zu viele Köpfe mit unterschiedlichen Ideen lassen die Entscheidungsfindung zu einem schwierigen Prozess ausarten unter Umständen wird ein spontanes Reagieren auf Veränderungen erschwert Missverständnisse und Konflikte durch unterschiedliche Auffassungen über "Rechte" und "Pflichten" anspruchsvolle Anforderungen an das persönliche Verhalten
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10.6.3 Delegativer Führungsstil Delegation kann im weitesten Sinne als eine Übertragung von Rechten und Pflichten verstanden werden. Allgemeines Ziel der Delegation ist die Aufgabenverteilung zwischen verschiedenen Hierarchieebenen. Im Idealfall identifiziert sich der Mitarbeiter vollständig mit der Aufgabe und den damit verbundenen Zielen. Ein umfassendes Rahmenkonzept der delegativen Führung, besteht aus acht wesentlichen Elementen. Es macht deutlich, dass der delegative Führungsstil gleichzeitig an mehreren Punkten ansetzen sollte (Abb. 10.20). Wenn die Führungskraft delegiert, muss sie mit einem geringeren Fachwissen immer noch kompetent führen können. Dazu benötigt sie Kenntnisse über die Ziele und AufgabensteIlungen des Arbeitsbereiches, die sie in kleinere Tätigkeitsfelder aufteilen und an geeignete Mitarbeiter delegieren kann. Sie muss Abläufe steuern und Ergebniskontrollen durchführen können. Für die Lösung der anstehenden Aufgaben ist ein fundiertes Führungswissen und Kenntnis über Arbeitsmethoden und -techniken erforderlich. Die Einstellungen zur Aufgabe und zum Mitarbeiter prägen dabei das Beziehungssystem der delegativen Führung. Wenn eine Führungskraft Aufgaben, Zuständigkeiten und Entscheidungsbefugnisse delegiert, behält sie trotzdem die Gesamtverantwortung in ihrem Bereich. Zwar werden Rechte und Pflichten delegiert, jedoch die Kette der Haftbarkeit lediglich verlängert. Deshalb muss der Mitarbeiter, an den delegiert wird, sorgfältig ausgewählt werden. Der Lösungsweg und die Handlungsverantwortung liegen beim Mitarbeiter. Zur Delegation und Wahrnehmung der Gesamtverantwortung gehören selbstverständlich das Controlling und die Erfolgskontrolle. Letztlich nicht delegierbar ist die Führungsverantwortung des Vorgesetzten.
Ziele
Controlling
Delegative Führung
Zuständigkeiten und Verantwortungen
10
Abb. 10.20: Konzept der delegativen Führung
Die Delegation setzt eine fachliche und persönliche Qualifikation beim Mitarbeiter voraus. Die Bereitschaft selbstständig zu arbeiten und Verantwortung zu übernehmen, ist nicht bei allen Mitarbeitern vorhanden. Die delegierte Aufgabe muss deshalb in das persönliche Leistungsvermögen des Mitarbeiters fallen. Er muss über die erforderliche Selbstdisziplin und den Leistungswillen verfü-
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10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
gen, die angestrebten Ziele zu erreichen. Die Eignung des Mitarbeiters kann die Führungskraft nur durch entsprechende Beobachtung und Bewertung zurückliegender Zeitabschnitte feststellen. Der Unternehmenserfolg korreliert eng mit der Mitarbeiterzufriedenheit. Denn entscheidend ist, wie stark der Mitarbeiter sein persönliches Leistungsvermögen zur Realisierung der Ziele einsetzt. Die entscheidende Größe zur Erbringung der Arbeitsleistung ist seine Selbstmotivation. Dabei muss die Führungskraft die Aufgabe und den persönlichen Freiheitsgrad des Mitarbeiters so gestalten, dass dieser eine stetige und steigende Arbeitszufriedenheit verspürt. Gleichzeitig ergeben sich Möglichkeiten der persönlichen Entwicklung des Mitarbeiters, indem er seine fachlichen, methodischen und sozialen Kompetenzen entwickelt. Zur Absicherung der Zielerreichung muss die Führungskraft ein persönliches Controllingsystem aufbauen. Es ist ein steuerndes Instrument und kein kontrollierendes Misstrauensinstrument gegenüber dem Mitarbeiter. Daher ist es eher offen als verdeckt, eher vertrauens- als misstrauensorientiert. Da der Mitarbeiter den Weg zur Zielerreichung weitgehend selbst bestimmen kann, ist das notwendige Controlling auch mehr ergebnis- als handlungsorientiert. Es hat immer einen formellen Charakter, bei dem die Ist-Leistung mit der zur Zielerreichung notwenigen Soll-Leistung verglichen wird. Der Austausch von Informationen ist bei der Delegation von Aufgaben mit die wichtigste Führungsaufgabe. Ohne Sachinformationen können Mitarbeiter weder selbstständig handeln noch andere vertreten, unterstützen oder beraten. Heute besteht das Problem nicht in der Informationsbeschaffung und -weitergabe, sondern in einer aufgaben- und zielorientierten Selektion der zur Verfügung stehenden Informationen. Es kann, darf und soll keine Totalinformation erfolgen, da ein zuviel an Informationen auch zu Arbeits- und Entscheidungsblockaden führen kann. Die notwendige Kommunikation zum Austausch von Informationen ist für beide Seiten Pflicht. Insbesondere Risiken oder das Eintreten entsprechender Situationen erfordern eine vertrauensvolle Offenheit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter. Die erfolgreiche Realisierung der delegativen Führung ist nur begrenzt bzw. nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich. So lassen sich gut strukturierte Aufgaben besser delegieren als neue oder komplexe Aufgaben. Zwischen der Führungskraft und dem Mitarbeiter muss ein gutes fachliches und persönliches Vertrauensverhältnis bestehen. Die Führungskraft muss die notwendige Reife besitzen, um Aufgaben und Verantwortung delegieren zu können und zu wollen. Andererseits muss der Mitarbeiter zur eigenständigen und selbstverantwortlichen Aufgabenerfüllung fähig und bereit sein. In Abbildung 10.21 sind die wichtigsten Vor- und Nachteile der delegativen Führung zusammengefasst.
Vorteile des delegativen Führungsstils
• •
• •
entspricht am besten der gesellschaftlichen Werteentwicklung berücksichtigt aktuelle betriebliche Erfordernisse (z.B. Selbstorganisation, Eigenverantwortung) Förderung der Identifikation durch ergebnisorientierte Komponente Erfüllung der zunehmenden betrieblichen Flexibilitätserfordernisse
Abb. 10.21: Vor- und Nachteile delegativer Führung
Nachteile des delegativen Führungstils
• • • •
sehr anspruchsvolles Konzept hohe Anforderungen an Motivation und Qualifikation aller Beteiligten hohe Anforderung an den kulturellen, strategischen und organisatorischen Reifegrad des Unternehmens lange Implementations- und Transformationszeiten
10
322
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10.6.4 Charismatischer Führungsstil Im Zuge der Debatte um die Unternehmenskultur sind Werte und Normen von immer stärkerer Bedeutung. Gleichzeitig sehen sich Unternehmen einer stetig wachsenden Dynamik und Komplexität ausgesetzt, weil das Umfeld immer weniger planbar ist. In den durch Unsicherheit geprägten Situationen wird der Ruf nach charismatischen Führungskräften immer lauter. Sie sollen das Selbstvertrauen der Mitarbeiter festigen und mit ihrer Kraft den Glauben vermitteln, dass trotz Sprunghaftigkeit und Wandel die Ziele erreicht werden können. Die Mitarbeiter binden sich emotional an die Führungskraft, identifizieren sich mit deren Visionen und setzen sich über das normale Maß zur Erreichung der Ziele ein. Der Ruf nach einer charismatischen Führung wird besonders in krisenhaften Zeiten stärker. Sind diese situativen Voraussetzungen nicht mehr gegeben, wird sie stärker in Frage gestellt. Die Situation kann sich zum Beispiel dann verändern, wenn die Gefährdung eines Unternehmens aufgrund schlechter Wirtschaftsdaten gelindert wurde. Ob Charisma erhalten bleibt, wird durch den Erfolg entschieden. Ein Misserfolg führt fast zwangsläufig zum Verlust des Charismas. Die charismatische Führungskraft muss in der Lage sein, auch in krisenhaften Zeiten ihre Botschaft zu vermitteln. So lebt die Führungskraft bestimmte Werte vor, um die grundlegende Wertestruktur der Mitarbeiter zu verändern. Durch ihr eigenes Verhalten sind charismatische Führungskräfte Vorbild. Der Charismatiker verhält sich fürsorglich und kommuniziert Erfolge. Er gibt sich als kompetenter Experte mit bestimmten Fähigkeiten zu erkennen. Die charismatische Führungskraft beeinflusst das Fremdbild so, dass es ihren eigenen Zielvorstellungen entspricht. Sie vertraut den Mitarbeitern mit ihren Fähigkeiten. Gleichzeitig formuliert sie aber auch hohe Erwartungen bzgl. der Zielerreichung. Für die Bewältigung der Aufgabe wichtige Motive wie Macht, Zugehörigkeit und Leistung werden ungezwungen angesprochen. Charisma wird eher solchen Führungskräften zugeschrieben, die sich mit ihren Visionen gegen den Status quo wenden. Sie genießen die volle Akzeptanz der Mitarbeiter, weil sie sehr feinfühlig für deren Fähigkeiten und Bedürfnisse sind. Um ihre Ziele zu erreichen, verhalten sie sich unkonventionell. Sie beeindrucken durch ihre hohe Kompetenz und ihre Sensibilität für das Umfeld. Führungskräfte werden auch dann als charismatisch betrachtet, wenn sie für das Erreichen ihrer Visionen persönliche Risiken eingehen. Ein starker Drang nach Macht, ein hohes Selbstbewusstsein bzw. Selbstvertrauen, Einflussstreben und starke Überzeugungen in Bezug auf die eigenen moralischen Wertvorstellungen sind Grundlage für ein überzeugendes und glaubwürdiges Auftreten. Bei den Mitarbeitern ruft charismatische Führung ein hohes Maß an Einsatzwillen und Loyalität hervor. Sie identifizieren sich mit den Werten, Zielen, Aufgaben und Verhaltensweisen der Führungskraft. Autonomes Arbeiten und Partizipation werden ausdrücklich gefördert. Um die Führungskraft zu akzeptieren und anzuerkennen, muss ihr nicht unbedingt ständig nach dem Mund geredet werden. Gerade in einer offenen, argumentativen Atmosphäre muss auch die charismatische Führungskraft um bestimmte Ansichtspunkte kämpfen. Durch das von der Führungskraft beeinflusste Selbstwertgefühl der Mitarbeiter kommt es zu einer Leistungssteigerung. Sie stecken sich selbst höhere Ziele und können diese auch erreichen, wodurch ihre Selbstsicherheit steigt. Trotzdem ist auch dieses Führungsverhalten mit Vor- und Nachteilen behaftet (Abb. 10.22).
10
323
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Vorteile des charismatischen Führungsstils
• •
• • •
hohe Verantwortung und Vorbildfunktion der Führungskraft als Persönlichkeit Steigerung der Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter Identifikation der Mitarbeiter mit den Visionen und Zielen hohe gegenseitige Akzeptanz zwischen Mitarbeitern und Führungskraft Förderung von Mitarbeiter-Autonomie und -Partizipation
Nachteile des charismatischen Führungsstils
• • • •
•
Nachfolger charismatischer Führungskräfte werden nur schwer akzeptiert Auseinanderbrechen des sozialen Gefüges im Zuge eines Führungswechsels Enttäuschungen der Mitarbeiter, wenn sich die Visionen nicht realisieren lassen charismatische Führungskräfte müssen ständig die Erwartungen der Mitarbeiter erfüllen Gefahr der Verführung durch starke Meinungsführerschaft
Abb. 10.22: Vor- und Nachteile charismatischer Führung
10.7
Führungsprozesse im betrieblichen Alltag
10.7.1 Spagat in Führungsprozessen Der Umgang mit Menschen in Führungsprozessen ist kein ausschließlich rationaler Vorgang. Immer sind Emotionen und mögliche Irrationalitäten vorhanden. Außerdem hat jeder Mitarbeiter mit Sicherheit andere Erwartungen an seine Arbeit als die Führungskraft. Letztere soll den Spagat zwischen den Mitarbeiteransprüchen und den Unternehmensanforderungen schaffen. Unter diesen Rahmenbedingungen steckt die Führungskraft mitten in einem Dickicht von Widersprüchen. Einerseits soll sie mitarbeiterorientiert sein, andererseits eine hohe Aufgabenorientierung besitzen. Immer muss abgewogen werden, welcher Kurs einzuschlagen und wie mit den Mitarbeitern umzugehen ist. Es müssen einerseits gute, effektive Lösungen gefunden werden und andererseits dennoch ein gutes Arbeitsklima herrschen. Für eine Führungskraft stellen sich regelmäßig Dilemmata ein, weil sie sich zwischen zwei oder mehr gleich unangenehmen Dingen entscheiden muss. Sie kommt dadurch in eine innere Zwangslage, die sie nur durch ihre persönlichen Einstellungen und Wertevorstellungen lösen kann. In Abbildung 10.23 sind eine Reihe solcher Polaritäten aufgeführt.
10
10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
324
Führungskraft
Team
Team
Unternehmen
Kostenfaktor
Menschlichkeit
Kooperation
Konkurrenz
Einzelfall
Gleichbehandlung
Spezialist
Generalist
Nähe
Distanz
Führungsverantwortuna
..
Selbstbestimmung
Abb. 10.23: Führungsbalance [Neuberger, 2002] Die einseitige Berücksichtigung eines Aspektes führt zu einem Ungleichgewicht der Waage. Es kann dadurch zu einem Scheitern als Führungskraft kommen. Um die Waage in der Balance zu halten, sind im Führungsprozess Kompromisse notwendig. Dies kann im Verhalten der Führungskraft zu inneren Widersprüchen führen, da es für Führungssituationen keine eindeutigen Lösungen geben kann. Immer besteht die Möglichkeit unter verschiedenen Optionen zu wählen.
Führungskraft - Team Im Unternehmen verfolgt jeder Mensch auch eigene Interessen und Ziele. So ist die Führungskraft einerseits Teil des Teams, andererseits ist sie bemüht ihre Leistungen positiv darzustellen und ihre mögliche Karriere zu fördern. Sie darf ihren Egoismus jedoch nicht zu weit treiben, da sonst die Gefahr von Neid und Missgunst besteht. Innerhalb des Teams muss sie für ein Miteinander sorgen und ihre Mitarbeiter für übergeordnete Ziele gewinnen. Ist die Führung schwach ausgeprägt, kann das Team in Einzelkämpfer, mit allen seinen Nachteilen für die Leistungsfähigkeit, zerfallen.
10 Team - Unternehmen Innerhalb ihres Teams soll sich die Führungskraft um die internen Gruppenbeziehungen kümmern. Sie ist Identifikationszentrum, Ansprechpartner und Konfliktschlichter in einer Person. Nach außen hin stellt sie sich vor ihr Team. Im Unternehmen repräsentiert sie dessen Leistungen und vertritt dessen Interessen. Als Führungskraft repräsentiert sie das Team und steht stellvertretend dafür. Ist sie zu sehr binnenorientiert, verliert sie den Kontakt zur Außenwelt. Ist sie zu sehr auf Vertretung nach außen fixiert, verliert sie den Kontakt zur Gruppe. Im Team muss sie Strukturen und Regeln aufrechterhalten. Richtung Unternehmen hat sie die zukünftigen Markt- und Machtentwicklungen und die damit verbundenen Veränderungen zu berücksichtigen. Diese müssen eventuell gegen interne Gruppenwiderstände durchgesetzt werden.
10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
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Kostenfaktor - Menschlichkeit Wie wird der Mitarbeiter im Unternehmen und von der Führungskraft betrachtet? Ist er nur ein Kostenfaktor, der seine Leistungen zu erbringen hat? Ist er eine Größe, die bei schwieriger Marktlage einfach gestrichen werden kann? Oder steht mehr der Mensch im Mittelpunkt, der mit seiner Arbeit zum Erfolg des Unternehmens beiträgt und seine eigenen Bedürfnisse befriedigt? Ein hoher Nutzen für das Unternehmen lässt sich nicht nur durch materielle Anreize, leistungsgerechte Bezahlung, Boni, etc. erzielen. Gelingt es, über die individuellen Grundhaltungen und Normen des Mitarbeiters, diesen für die Arbeit zu motivieren, wird die Führungskraft beiden Seiten gerecht. Der Mitarbeiter fühlt sich als Mensch mit seinen Wünschen und Bedürfnissen akzeptiert und ist im Idealfall von der Arbeit selbst fasziniert. Das Unternehmen erhält auf Dauer eine hohe Mitarbeiterleistung, die zur langfristigen Wertschöpfung beiträgt.
Kooperation - Konkurrenz Die geschilderte Situation zwischen Führungskraft und Team setzt sich auch zwischen den Teammitgliedern fort. Kooperation ist notwendig, um schneller neue Lösungen, bessere Produkte und mehr Gewinn zu erzielen. Der Begriff Kooperation ist positiv besetzt und verbindet Werte wie Solidarität, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit, Geduld und Kompromissbereitschaft. Ohne diese Werte ist eine Zusammenarbeit nicht möglich. Innerhalb des Teams existiert jedoch mit Sicherheit unterschwellig ein Konkurrenzdenken der Mitarbeiter. Der Begriff der Konkurrenz ist negativ besetzt und verbindet Werte wie Wettbewerb, Durchsetzungsvermögen, Rivalität und Konfrontation. Mögliche Konflikte bleiben dabei nicht aus.
Einzelfall- Gleichbehandlung Um erfolgreich zu führen, muss auf jeden einzelnen Mitarbeiter eingegangen werden. Dazu ist der Aufbau eines persönlichen Vertrauens notwendig. Mit entsprechendem Einfühlungsvermögen sind die Besonderheiten jedes einzelnen Mitarbeiters zu respektieren. Lieblinge führen automatisch zur Ungleichbehandlung und möglicherweise zur Cliquenbildung. Schnell kann der Vorwurf der Parteilichkeit und Günstlingswirtschaft entstehen. Bevorzugungen und Vorrechte einzelner Mitarbeiter sind daher zu vermeiden. Alle Mitarbeiter sind gerecht zu behandeln und entsprechend ihren Möglichkeiten zu fördern.
Spezialist - Generalist Führungskräfte haben üblicherweise ihre Position über die erfolgreiche Erfüllung von Fach- und Projektaufgaben erreicht. In ihrer jetzigen Funktion ist die Zeit der Spezialisierung, der Fachkompetenz und des Detailwissens vorbei. Ihre Mitarbeiter müssen in fachlichen Aspekten besser sein. Als Führungskraft müssen sie jedoch immer noch deren Leistungen kompetent beurteilen können. Sie müssen Zusammenhänge erkennen, Ziele vorgeben und Ergebnisse kontrollieren. Sie müssen sich vom Spezialisten zum Generalisten wandeln, der die Wege zur Zielerreichung mit seinen Mitarbeitern festlegt. Sie müssen erkennen können, ob sie sich auf die Fähigkeiten und den Einsatz ihrer Mitarbeiter verlassen können. Die einzelnen Arbeitsschritte auf dem Weg zur Erreichung des Ziels müssen sie ihren Mitarbeitern überlassen. Kontrolle ist an markanten Weggabelungen notwendig. Wird jedoch jeder Schritt kontrolliert, wandelt sich der Generalist zwangsläufig wieder zum Spezialisten. Zwar sorgt permanente Kontrolle für Sicherheit bei der Führungskraft aber auch für Überwachung und Disziplinierung der Mitarbeiter.
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Nähe - Distanz Aufgabenorientierung und Mitarbeiterorientierung sind zwei Seiten einer Medaille. Bei Betonung der Sachlichkeit stehen Aufgaben, Probleme und deren Lösung sowie die Zielerreichung im Vordergrund. Dies kann dazu führen, dass die Führungskraft unnahbar und distanziert wirkt. Mit ihrer Persönlichkeit versteckt sie sich hinter den Sachzwängen. Kommt noch eine Statusbetonung und eine Betonung der Hierarchie hinzu, wird der Selbstschutz perfekt. Vertrauen zu ihren Mitarbeitern lässt sich so kaum aufbauen. Wenn die Führungskraft zu ihren eigenen Stärken und Schwächen steht, macht es sie für viele Mitarbeiter greifbarer, aber auch angreifbarer. Nur durch diese Offenheit auf der persönlichen Ebene lassen sich Vertrauen und Nähe gewinnen, Einfühlungsvermögen und Kontakte entwickeln. Nicht umsonst gibt es in jedem Team den formellen und den informellen Führer. Wer ist informeller Führer in ihrem Team?
Führungsverantwortung - Selbstbestimmung Führungskräfte sind für alle Aufgaben in ihrem Bereich verantwortlich. Dies betrifft sowohl die Erfolge wie die Misserfolge aller Mitarbeiter. Führungsverantwortung kann daher nicht nur die positiven Aspekte umfassen. Ein Teil der Verantwortung kann durch Delegation übertragen werden. Hier ist die Frage zu stellen wie risiko- und vertrauensbereit die Führungskraft ist. Welchen Rahmen setzt sie den Mitarbeitern zur Erledigung dieser Aufgaben? Welches Maß an Selbstbestimmung räumt sie ein? Um Leistungspotenziale auszuschöpfen, muss die Führungskraft Handlungs- und Entscheidungsspielräume einrichten und Entfaltungsmöglichkeiten bieten. Durch Strukturierung und Lenkung der Prozesse inklusive der notwendigen Erfolgskontrolle nimmt sie ihre Führungsverantwortung wahr.
10.7.2 Prozessorientiertes Führen Mitarbeiter haben ein Recht unterschiedlich geführt und ungleich behandelt zu werden! Dies ergibt sich schon aus der Tatsache, dass jeder Mensch unterschiedliche Stärken und Schwächen besitzt; Aufgaben kompliziert oder einfach sein können. Prozessorientiertes Führen muss dem Rechnung tragen und basiert auf den drei Aspekten: • • •
Führungskraft, Systembetrachtung, Mitarbeiter und Aufgaben.
Führungskraft Jeder Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens ein Selbstbild und ein entsprechendes Menschenbild über andere Personen. Die Entwicklung dieser Bilder basiert auf den persönlichen Wesenszügen und Charaktereigenschaften eines Menschen. Durch die Erziehung im Elternhaus und das soziale Umfeld werden zudem Werte und Normen vermittelt, die in persönliche Überzeugungen und grundlegende Verhaltensweisen münden (Abb. 10.24).
10
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Basierend auf ihren persönlichen Werten und Erfahrungen wird die Führungskraft bestimmte Verhaltensweisen bevorzugen. Hat sie in den zwischenmenschlichen Beziehungen optimistische Ansichten über ihre Mitmenschen, so wird sie ihren Mitarbeitern eventuell mit einem Vertrauensvorschuss gegenüber treten. Hat sie dagegen ein kritisches Menschenbild verinnerlicht, wird sie in den Beziehungen zu ihren Mitarbeitern einen anderen Führungsstil anwenden. Maßgebend für den sich ausprägenden Führungsstil ist auch die Unternehmenskultur. So ist ein kooperativer Führungsstil in einem autoritär geführten Unternehmen ungeeignet und dürfte zum SCheitern der Führungskraft führen. Von den grundlegenden Überzeugungen der Führungskraft und ihrem bevorzugten Führungsstil ist das von mehreren Faktoren abhängige Führungsverhalten zu differenzieren. Abhängig von den Systemfaktoren Aufgabe, Mitarbeiter, Umfeld und Situation muss die Führungskraft gezielt ihren Führungsstil modifizieren und ein angepasstes Führungsverhalten an den Tag legen. Um Überraschungen und Unbehagen bei den Mitarbeitern zu vermeiden, müssen Führungsstil und -verhalten kommuniziert werden. Die Mitarbeiter müssen verstehen, warum die Führungskraft so reagiert. Gemessen wird die Führungskraft in ihrem Führungserfolg an (wirtschaftlichen) Ergebnissen. Sie verfolgt mit Sicherheit aber - bewusst oder unbewusst - auch eigene Interessen. Wenn dann auch noch Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit stimmen, steht der persönlichen beruflichen Entwicklung nichts mehr im Wege.
Systemansatz Wie bereits erwähnt basiert das Führungsverhalten auf den vier Systemfaktoren: • • • •
Aufgabenorientierung, Mitarbeiterorientierung, Umfeldorientierung und Situationsorientierung,
wobei die Kompetenzen der Führungskraft maßgeblich für ihre Handlungskompetenz sind (Abb.
10.25).
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10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
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Abb. 10.24: Prozessorientiertes Führen: Führungskraft
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10 Mitarbeiterführung - wie führe ich richtig?
Wenn eine neue Aufgabe oder ein neues Projekt in Angriff zu nehmen ist, muss eine Aufgabenanalyse durchgeführt werden. Unter dem Blickwinkel der fachlichen und methodischen Kompetenzen wird der ausführende Mitarbeiter ausgewählt. Die Führungskraft muss die derzeitigen Kompetenzen und den Entwicklungsstand des Mitarbeiters kennen, den sie mit dieser Aufgabe betrauen möchte. Dazu greift sie auf ihre persönlichen Erfahrungen aus der Vergangenheit und vergleichbaren Aufgaben/Projekten zurück. Durch die aufgabenorientierte Kompetenzanalyse kann sie Chancen und Risiken identifizieren und vorausschauend agieren.
Aufgabenorienlierung ("Sache") KomlXllenz:en
Kompetenten
fachliche Kompetenzen
soziale Kompetenzen
1. Beobachten
methodische Kompetenzen
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Beruf
• Mitarbeiter - Kollegen - Vorgesetzte - Lieferanten - Dienstleister • Kunden
Privat
- Partner/In - Familie/Kinder - Verwandte - Freunde
Persönlichkeitseigenschaften
Silualionsorienlierung ("Slluallon")
• Tagesform - Termindruck - Risiken der Aufgabe - Komplexität des Projektes - Bedeutung des Kunden
3. Steuern
Abb. 10.25: Prozessorientiertes Führen: Systemansatz
Eine vergleichbare Analyse muss im Bereich der Mitarbeiterorientierung mit ihren Persönlichkeitseigenschaften und sozialen Kompetenzen geschehen. Auch wenn Mitarbeiter nach außen hin fachlich gleichwertig sind bzw. erscheinen, sind sie immer noch unterschiedliche Individuen mit ihren jeweiligen Stärken und Schwächen. Die einen Mitarbeiter sind selbstsicher und können sich selber zu Spitzenleistungen motivieren. An anderen nagt der Selbstzweifel und sie stellen ihre gute
10
330
10 Mitarbeiterführung - Wie führe ich richtig?
Arbeit öfters in Frage. Dieser Mitarbeitertyp benötigt mehr Zuwendung, Zuspruch und Anerkennung. Entsprechend ihrer jeweiligen Kompetenzen sind Mitarbeiter unterschiedlich zu behandeln und zu führen. Eine Gleichmacherei über oft propagiertes "kooperatives Führungsverhalten" ist unangemessen und fehl am Platz. Jeder Mitarbeiter hat das Recht auf individuelle Führung, die von einem straffen bis zu einem eigenverantwortlichen Führungsverhalten reichen kann. Schwierigkeiten treten in der Mitarbeiterführung immer dann auf, wenn diese Flexibilisierung des Führungsverhaltens den Mitarbeitern nicht kommuniziert wird. Das Führungsverhalten muss für die Mitarbeiter nachvollziehbar sein und darf nicht in Beliebigkeit abdriften. Das Führungsverhalten wird auch vom beruflichen und privaten Umfeld bestimmt. So wird ein der Führungskraft nahe stehender Mitarbeiter anders geführt als ein Mitarbeiter zu dem ein distanziertes Verhältnis besteht. Auch sorgen die Kollegen und Vorgesetzten auf Dauer für eine Anpassung des Führungsstils. Auch hier spielt die Beziehung und das Ansehen im Unternehmen eine Rolle. Es kommt zur Ausbildung der Führungskultur im Unternehmen. Und wenn der Kunde pfeift, kann die bis dahin kooperativ agierende Führungskraft ganz schnell zu einem autoritären Eingreifen und Verhalten gezwungen werden. Der vierte Systemfaktor im prozessorientierten Führen betrifft die Situationsorientierung. Führungskraft und Mitarbeiter sind nicht immer gleich gut drauf. Die Tagesform kann aus verschiedensten Gründen Schwankungen unterliegen. Dazu können z.B. eigene Krankheiten, familiäre Auseinandersetzungen, finanzielle Probleme, etc. zählen. Sie wirken sich unweigerlich auf das eigene Wohlbefinden und damit auf das Führungsverhalten aus. Während eine Führungskraft normalerweise auch in kritischen Situationen um- und zugänglich ist, kann sich dies aufgrund persönlicher Stressfaktoren ändern. Sie wird in diesem Moment dünnhäutig und reagiert ab- und zurückweisend. Die Risiken einer Aufgabe oder die Komplexität eines Projektes erfordern ebenfalls eine Anpassung des Führungsverhaltens. Die Führungskraft muss eine Einschätzung der Situation und eine Bewertung der Risiken vornehmen können. Denn letztlich ist sie für das Ergebnis verantwortlich. Wenn es im Krisenfall darauf ankommt, müssen Entscheidungen getroffen und Maßnahmen - auch gegen Widerstände seitens der Mitarbeiter - durchgesetzt werden. Wenn viel auf dem Spiel steht, kann kooperatives Führungsverhalten zum Verlust des Einsatzes führen. Manche Kunden wollen nur mit der Geschäftsführung oder der Führungskraft sprechen, obwohl der fachlich versierte Mitarbeiter der bessere Ansprechpartner wäre. Aufgrund des Kundenverhaltens ändert auch die Führungskraft gegenüber dem Mitarbeiter ihr Führungsverhalten. Ähnliches passiert aus Unternehmenssicht, wenn es um die Bedeutung des Kunden, z.B. als Neukunde, geht. Bei einem volumenmäßig geringen Erstauftrag wird sich die Führungskraft stärker einbringen müssen, um diesen neuen Kunden für das Unternehmen zu gewinnen. Das Risiko des Verlustes ist viel zu groß, als dass die Führungskraft ein zurückhaltendes Verhalten an den Tag legen könnte. Das eigene Führungsverhalten wird in jedem Systemfaktor (Aufgaben-, Mitarbeiter-, Umfeld-, Situationsorientierung) immer von einem Lösungszyklus überlagert. Mitarbeiter sind in ihrem Verhalten und ihrer Arbeitsweise zu beobachten. Die Führungskraft muss diese Beobachtungen reflektieren und bei eventuellen Abweichungen steuernd eingreifen, um die notwendigen Korrekturen zu erzielen. Schließlich ist das gezeigte Führungsverhalten einer Erfolgskontrolle zu unterziehen. Der Zyklus startet neu. Während einer Beobachtungsperiode mündet er in die Leistungsbewertung des Mitarbeiters. Folgende Fragen sollte jede Führungskraft beantworten können:
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• • • •
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Wie gut kenne ich meine Mitarbeiter und deren Kompetenzen? Kann ich für jeden Mitarbeiter in regelmäßigen Abständen (z.B. Quartal) eine Leistungsbewertung abgeben? Kenne ich den Sachstand der Aufgaben und Projekte und die damit verbundenen Risiken? Welche Anforderungen stellt das Unternehmen, vertreten durch meinen Vorgesetzten, an mich und meine Mitarbeiter?
Prozessorientiertes Führen mit seinen verschiedenen Facetten dient auch dem Selbstmanagement der Führungskraft und ihrer persönlichen Weiterentwicklung. Das notwendige Selbstcoaching beginnt mit dem Beobachten der eigenen Person und Verhaltensweisen. Im Rahmen des Selbstcoachings müssen die Erkenntnisse reflektiert und bewertet werden. Ein guter Freund (Coach) kann bei diesem Prozess hilfreich sein. Die Erkenntnisse sind in Maßnahmen zur Selbststeuerung umzusetzen und mit den notwendigen Korrekturen lässt sich die Entwicklung zur eigenen Führungspersönlichkeit vorantreiben. Auch hier sollte ich als Führungskraft und Persönlichkeit folgende Fragen beantworten können: • • • • •
Welche Ansprüche stelle ich an mich selbst? Wo liegen meine Stärken und Schwächen? Wie wirke ich auf andere Personen? Welche Anforderungen und Erwartungen werden an meine berufliche Rolle gestellt? Wie will ich meine Kompetenzen als Führungskraft entwickeln? Was will ich mit mir selbst vereinbaren? Was tue ich heute und morgen für mich selbst? Was habe ich bisher vernachlässigt?
Mitarbeiter und Aufgabe In Abhängigkeit von der Aufgabe und dem Mitarbeiter ergeben sich einige Phasen im prozessorientierten Führen. Sie werden im folgenden Abschnitt näher beschrieben (Abb. 10.26). Jeder Mensch legt ein bestimmtes grundlegendes Verhalten an den Tag. Jede Führungskraft pflegt einen besonderen Führungsstil. Aufgrund ihrer Führungserfahrung nimmt sie eine Kompetenz- und Persönlichkeitseinschätzung ihrer Mitarbeiter vor. Diese Einschätzung wird benutzt, um dem Mitarbeiter neue Aufgaben zuzuweisen. Jeder Mitarbeiter ist in einem Tätigkeitsfeld - wenn auch nur graduell - unterschiedlich weit entwickelt. So hat ein unerfahrener Berufsanfänger noch wenig Kenntnis über die Geschäftsabläufe. Er ist anfangs stärker zu beaufsichtigen und straffer zu führen als ein erfahrener Mitarbeiter. Aufgaben sind in kleinere Arbeitspakete zu zerlegen und Arbeitsfortschritte öfters zu kontrollieren. Demgegenüber können bei einem erfahreneren Mitarbeiter Aufgaben delegiert werden. Er braucht kaum Führung und kann selbstständig über die Wege und Möglichkeiten zur Lösung der Aufgabe entscheiden. Ein weiteres Beispiel betrifft einen fachlich kompetenten Ingenieur mit mehrjähriger Berufserfahrung. Rein technische Aufgaben werden mit dem notwendigen Fachwissen zielstrebig gelöst. Auch hier ist delegatives Führungsverhalten angebracht. Andererseits sind seine Kenntnisse und Fähigkeit zur Budgetierung und zu wirtschaftlichem Denken und Handeln laienhaft. Im Gegensatz zu technischen Aufgaben ist er in wirtschaftlichen Belangen stärker zu führen und zu kontrollieren. Ein kooperatives Führungsverhalten erleichtert in dieser Führungsphase allen Beteiligten die Zusammenarbeit. In Abhängigkeit von den Mitarbeiterkompetenzen ist jedoch der Beteiligungsgrad an der Entscheidungsfindung und am Delegationsumfang der Aufgabe zu differenzieren. Unerfahrenen Mitarbeitern sind klare Zielvorgaben und Anweisungen zu erteilen. Es wird detaillierter festgelegt was, wann, wie, bis wann zu tun ist. Erfahreneren Mitarbeitern wird in dieser Phase mehr Mitsprache eingeräumt. Wichtig ist in dieser Phase die Kommunikation des Führungsverhaltens. Der Mitarbeiter muss verstehen, warum die Führungskraft in Abhängigkeit von Kompetenz- und Aufgabenanalyse ein bestimmtes Führungsverhalten als angemessen betrachtet.
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Die Realisierung der Maßnahmen liegt zuerst in der Verantwortung des Mitarbeiters. Die Führungskraft muss ihn hier begleiten und unterstützen, sofern es notwendig und angebracht ist. Sie braucht ein persönliches Controllingsystem um alle in ihrem Verantwortungsbereich anstehenden Aufgaben und Projekte steuern zu können. Ein persönlicher Projektplan kann hier hervorragende Dienste leisten. In der Führungsphase der Ergebnis- und Erfolgskontrolle wechselt wieder das Führungsverhalten. Für das erzielte Ergebnis trägt die Führungskraft die Verantwortung. Sie muss sicherstellen, dass die angestrebten Ziele erreicht wurden und dies kontrollieren. Zielabweichungen oder unzulängliche Ergebnisse sind deutlich, aber konstruktiv zu kommunizieren. Die Führungskraft muss sich fragen lassen, ob sie ihrer Führungsverantwortung in ausreichendem Maße nachgekommen ist? Klare Vereinbarungen in der "Aufgabenanalyse" (Ziele, Zeit, etc.) und ein effektives Führungscontrolling in der "Maßnahmenrealisierung" führen normalerweise zu guten Ergebnissen, wenn die Führungskraft in allen Phasen präsent ist. Bestandteil der Ergebnis- und Erfolgskontrolle ist auch eine Leistungsbewertung des Mitarbeiters. Hat er die an ihn und sein Leistungsvermögen gestellten Erwartungen erfüllt? Wie hat er sich weiterentwickelt oder war ein Stillstand zu verzeichnen? Diese (Teil)bewertungen fließen im Bewertungszeitraum in das Gesamtbild ein, das sich die Führungskraft von ihrem Mitarbeiter gemacht hat. Das Bild und die Einschätzung wird jedoch nur dann ein gewisses Maß an Objektivität besitzen, wenn die Führungskraft im Zuge des prozessorientierten Führens sich selber, das System, die Aufgabe und den Mitarbeiter betrachtet.
10.8 Weiterführende Literatur •
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Börnecke, D.; Basiswissen für Führungskräfte, Publicis, 2007, 978-3-89578-289-3
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Bröckermann, R; Personalführung, Bachern, 2000, 3-89172-404-7
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Buchinger, KI; Klinkhammer, M.; Beratungskompetenz, Kohlhammer, 2007, 978-3-17-019102-0
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Bühner, R; Personalmanagement, moderne industrie, 1997,3-478-39162-3
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Busch, B.; Erfolg mit Mitarbeitern in kleinen Unternehmen, Cornelsen, 2000, 3-464-49044-0
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Comelli, G.; v. Rosenstiel, L.; Führung durch Motivation, Franz Vahlen, 2003, 3-8006-2927-5
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Domsch, M.; Regnet, E.; v. Rosenstiel, L.; Führung von Mitarbeitern, Schäffer-Poeschel, 2001, 3-7910-1540-0
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Fuchs, H.; Huber, A.; Die 16 Lebensmotive, dtv, 2005, 3-423-24319-8
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11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Noch deutlicher werden Kommunikationsschwierigkeiten in der interkulturellen Kommunikation. Wird die jeweilige Fremdsprache nur unzulänglich beherrscht, stehen nur eingeschränkte verbale Möglichkeiten zur Verfügung, um komplexe Sachverhalte sachgerecht zu vermitteln. Aufgrund der eingeschränkten Möglichkeiten werden Sender und Empfänger nur einen verzerrten Eindruck der wirklichen Situation erlangen. Bei der verbalen Kommunikation steht das gesprochene Wort im Mittelpunkt. Durch Variation der Lautstärke, der Sprechgeschwindigkeit und der Betonung wird die übermittelte Nachricht moduliert und ihr Leben eingehaucht. Monoton vorgetragene Sachverhalte mögen inhaltlich richtig sein; aufgrund der fehlenden Klangfarbe wirken sie jedoch langweilig und rufen beim Empfänger nicht die gewünschte Wirkung hervor. Die nonverbale Kommunikation steuert die sozialen Interaktionen. So wird ein Mitarbeitergespräch immer von nonverbalen Botschaften begleitet. Durch sie werden die sozialen Interaktionen in eine bestimmte Richtung gelenkt, wodurch sie auf der Beziehungsebene interessanter und lebendiger werden. Neben der Unterstützung verbaler Inhalte werden nonverbale Signale außerdem zur persönlichen Selbstdarstellung verwendet. Nonverbale Kommunikation lässt sich in vier Bereich einteilen: • • • •
Mimik, Gestik, Blickkontakt, Körperhaltung.
Die Mimik bzw. der Gesichtsausdruck ist für einen Sender ein äußerst wichtiger Kommunikationskanal, um den Mitmenschen emotionale Zustände zu signalisieren. Dem Gesicht wird eine bedeutende Rolle zugewiesen, da dieses bei der Kommunikation meist im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht. Unabhängig vom Kulturkreis werden über den Gesichtsausdruck sieben Basisemotionen ausgedrückt: • • • • • • •
Angst, Ekel, Freude, Interesse, Traurigkeit, Überraschung, Wut.
Gestik wird in der Regel durch Hände ausgedrückt. Sie werden vorzugsweise zur Unterstützung des verbal gesprochenen Wortes eingesetzt, sollen diesen Nachdruck verleihen und daher selbsterklärend sein. Gesten sind relativ leicht erlernbar und daher auch einfach als Manipulationsmittel einzusetzen. Klassische Beispiele für Gesten sind z.B. Kopfnicken, -schütteln, Achselzucken, Fingerzeige. Mimik, Gestik und Körperhaltung lassen sich oft beeinflussen. In den Augen spiegelt sich jedoch das Innerste des Menschen wider. Einerseits lässt sich Blickkontakt als Zeichen der Zuneigung und des Interesses auffassen. Andererseits kann dieser Blickkontakt auch zu Unsicherheit führen, wenn Menschen ihn nicht gewohnt sind. Sie fühlen sich unterlegen und empfinden ihn als unangenehm. Starker Blickkontakt wird oft als Herausforderung oder Aggression empfunden. Je vertrauter Menschen miteinander umgehen, umso intensiver ist der Blickkontakt. Werden kritische, konfliktträchtige oder intime Themen besprochen, so nimmt selbst zwischen vertrauten Personen die Dauer des Kontaktes ab. In einem Mitarbeitergespräch gehört das Blickverhalten zu den elementaren nonverbalen Kommunikationsformen. Nur mit einem guten Augenkontakt kann ich den
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11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
339
Gemütszustand meines Gesprächspartners erfassen und das Gespräch ziel- und handlungsorientierter durchführen. In den vierten Kommunikationskanal "Körperhaltung" wird sehr viel hineininterpretiert. Wie empfinden sie verschränkte Arme, übereinander geschlagene Beine oder eine abgewandte Körperhaltung? Weist ihr Gesprächspartner sie zurück oder ist dies für ihn im Moment nur eine entspannte Haltung? Mit Deutungen ist sich hier sehr zurück zu halten. Während die verbale Nachricht noch einigermaßen interpretationsfrei aufgenommen werden kann, ist dies bei nonverbalen Anteilen überhaupt nicht mehr der Fall. Die nonverbale Codierung und Decodierung einer Nachricht lässt großen Spielraum für jegliche Interpretation. Was dem Sender wichtig und herausragend erscheint, kann für den Empfänger aufgrund seines Erfahrungsschatzes eine Trivialität darstellen. Sender und Empfänger, Codierung der Nachricht und Decodierung stehen in einer symbiotischen Wechselwirkung zueinander. Eine offene, vertrauensvolle Kommunikation berücksichtigt die Kenntnisse, Fähigkeiten und Gefühle des Gesprächspartners. Die Sender-Empfänger-Beziehung als personelle Interaktion ist in einen Regelkreis eingebunden. Der Empfänger orientiert sich in seiner Verhaltensweise am Sender; der Sender in seiner Verhaltensweise an der Reaktion des Empfängers. Offenheit lässt Vertrauen entstehen; Verschlossenheit ruft Misstrauen hervor. Hinterfragen und bewusste Reflexion der eigenen Verhaltensweisen sind erste Schritte für ein besseres Kommunikationsverhalten. Offenes Nachfragen ersetzt eigene vorläufige Meinungen (Vorurteile) durch Ansichten des Gesprächspartners und ermöglicht ein gutes Feedback. Oft prägt der gewonnene "erste Eindruck"; sehr oft kann er aber auch täuschen. In einem Mitarbeitergespräch ist daher immer der persönliche Eindruck auf Basis von Fakten und Tatsachen zu überprüfen. Sonst wird aus dem ersten vorläufigen Urteil sehr schnell ein Vorurteil. In der zwischenmenschlichen Kommunikation beeinflussen sich Sender und Empfänger gegenseitig in ihrem Verhalten. Es geht dabei nicht nur um die gesprochenen Worte (verbale Kommunikation) sondern auch um Tonfall, Sprechgeschwindigkeit, Pausen, Mimik, Gestik und die Körpersprache insgesamt (nonverbale Kommunikation). Gespräche, Diskussionen und Verhandlungen scheitern oft daran, dass sich die Gesprächspartner nicht über die Grundaspekte der Kommunikation im Klaren sind. Watzlawick formulierte dazu einige "Axiome". Obwohl diese nicht zwingend beweisbar sind, erweisen sie sich in der Praxis als sehr nützlich.
1. Es ist nicht möglich, "nicht" zu kommunizieren Verhalten teilt grundsätzlich etwas mit. Da es unmöglich ist, sich nicht zu verhalten, ist eine zwischenmenschliche Situation immer mit einer Kommunikation verbunden. Dies beginnt mit der Wahrnehmung des Gegenübers. Der Sender entscheidet bewusst oder unbewusst wie er kommuniziert (verbal oder nonverbal). Der Empfänger reagiert immer auf die Sendersignale, egal ob er antwortet, schweigt oder seine Körpersprache "sprechen lässt". Der Empfänger kommuniziert zwangsläufig in einer Feedbackschleife und wird dadurch selber zu einem Sender. Sender und Empfänger beeinflussen sich somit in einer Kommunikationssituation gegenseitig und wechseln laufend ihre Rollen.
2. Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und Beziehungsaspekt Jede Kommunikation zwischen Sender und Empfänger besteht aus zwei Teilen. Zum einen enthält sie den Inhaltsaspekt, der die sachlichen Informationen mit dem gesprochenen Wort oder aus Unterlagen vermittelt. Zum anderen enthält die Nachricht den Beziehungsaspekt. Er gibt darüber Aufschluss, wie die Nachricht aus Sendersicht verstanden werden soll und wie sie vom Empfänger tatsächlich verstanden wird. Der Beziehungsaspekt zeigt sich z.B. in der Betonung, der
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340
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Körpersprache oder der Art der Formulierung. Er sagt etwas darüber aus, in welcher Beziehung Sender und Empfänger zueinander stehen, z.B. was der eine vom anderen hält oder die allgemeine Einstellung dem anderen gegenüber. Der Beziehungsaspekt beschreibt die zwischenmenschliche Ebene zwischen Sender und Empfänger. Es gibt keine Kommunikation die sich nur auf den Inhalt bezieht. Stimmen der Inhalts- und Beziehungsaspekt überein und werden sie vom Empfänger richtig interpretiert, gelingt die Kommunikation. Passen der vom Sender definierte Inhalts- und Beziehungsaspekt nicht zusammen oder werden sie vom Empfänger falsch interpretiert misslingt die Kommunikation. Gerade wenn der Beziehungsaspekt von Sender und Empfänger ähnlich gesehen wird, erhöht sich die Chance der richtigen Interpretation des Inhalts und damit die Chance auf eine gelingende Kommunikation.
3. Aktion und Reaktion in der Kommunikation Zwischen Sender und Empfänger gibt es in der Kommunikation eine fortlaufende Reihe wechselseitiger Aktionen und Reaktionen. Die Beteiligten beeinflussen sich gegenseitig. Ihr Verhalten ist nicht nur eine Reaktion auf das Verhalten des Gesprächspartners. Es kann gleichzeitig auch eine Ursache für dessen Verhalten sein. Diese Wechselwirkung wird von den Beteiligten oft nicht erkannt. Eine gelingende Kommunikation kann nur stattfinden, wenn die Gesprächspartner sich darüber bewusst sind, dass jeder auf den anderen reagiert und ihn dadurch beeinflusst.
11.2
Die Ver- und Entschlüsselung einer Nachricht
Ausgehend von der Methode der Themenzentrierten Interaktion (TZI) wird diese in die vier Seiten einer Nachricht transformiert (Abb. 11.2). Dies hilft dem Sender und dem Empfänger eine Nachricht besser zu verstehen. Das Modell liefert eine einfache, verständliche Beschreibung für die Entschlüsselung und Interpretation von Nachrichten.
THEMA (Sachebene)
Nachricht
GLOBE
Beziehungsebene
Abb. 11.2: Von der Themenzentrierten Interaktion zu den vier Seiten einer Nachricht
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
341
Das THEMA oder die sachliche Seite der TZI liefert die Sachebene einer Nachricht. Das erste ICH beschreibt die Persönlichkeit des Senders. Er offenbart seine persönlichen Ansichten und Wertvorstellungen (Senderpersönlichkeit). Das zweite ICH beschreibt die Persönlichkeit des Empfängers, bei dem die Nachricht eine bestimmte Wirkung (Handlung) hervorrufen soll. Das WIR liefert als Beziehungsebene die vierte Seite der Nachricht. Eingebunden ist die Nachricht in das private und berufliche Umfeld (GLOBE) von Sender und Empfänger. Mit dieser Darstellung einer Nachricht und des Kommunikationsverhaltens wird deutlich, dass in einer Nachricht viele Botschaften enthalten sind. Sie enthält nicht nur rein sachliche Informationen. In Form von Sender-Empfänger-Beziehungen sind auch vielfältige personale Komponenten enthalten. Alle vier Aspekte sind von gleicher Bedeutung. Die einseitige Betonung z.B. der Sachseite oder der Beziehungsseite führt zu einer Schieflage im zwischenmenschlichen Kommunikationsverhalten. Zusammenfassend lässt sich das Kommunikationsverhalten zwischen Sender und Empfänger (Abb. 11.3) anhand von 4 Fragen analysieren: • • • •
Sache: Senderpersönlichkeit: Empfängerpersönlichkeit: Beziehungsverhalten:
Worüber wird informiert? Was gibt der Sender von sich preis? Was soll beim Empfänger erreicht werden? Wie stehen Sender und Empfänger zueinander?
-
=::!
j&
~l!! Gl
.c
1!
''Verschlüsselung'' ~ 1 - - - ."""v""'er""'ba7"1- - - + I i: Gl '0 Cf) • nonverbal
Nachricht
l!!lll 1f"C
.cl: ~ :e "Enlschlüsselung" i:D.I----------''-----+t :0 E • verbal
l!! W
•
nonverbel
If~ Beziehungsebene
Abb. 11.3: Sender-Empfänger-Beziehung in der Kommunikation [Schulz v. Thun, 2002]
Die Sachebene der Nachricht Die Sachlichkeit einer Nachricht besteht immer dann, wenn ein Austausch von Informationen und Argumenten über ein Sachziel sowie das Abwägen und Entscheiden frei von menschlichen Emotionen ist. Auf der Sachebene ist das Kommunikationsverhalten durch Sachaussagen, Beweise, Zahlen und Fakten charakterisiert. Da Menschen ihre Gefühle schlecht völlig ausblenden können, kommt es immer wieder zu "unsachlichen" Gesprächen. Die Gesprächspartner sind "nicht bei der Sache", sondern beschäftigen sich auch mit den anderen Seiten der Nachricht. Eine rein sachliche, emotionslose Kommunikation ist nicht möglich. Eine Sachlichkeit der Nachricht ist dann erreicht, wenn die drei anderen Seiten keine Störungen verursachen.
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342
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Die Sachebene einer Nachricht lässt sich durch deren Verständlichkeit unterstützen. Was nützt eine Sachinformation deren Inhalt aufgrund von Fachchinesisch oder Amtsdeutsch nicht verstanden wird? Für die Verständlichkeit einer Nachricht ist es wichtig, sie so zu verfassen, dass deren sachlicher Inhalt leicht entschlüsselt und verstanden werden kann. So kennt jeder sicherlich das Phänomen, dass von verschiedenen Personen erklärte Sachverhalte bei der einen Person kaum verständlich sind und bei einer anderen sehr einfach klingen. Gute Beispiele bieten die Schul- und Studienzeiten. Es kommt hier nicht nur auf die fachlichen Inhalte sondern ganz besonders auf die methodisch-didaktische Verständlichkeit der Wissensvermittlung an. Wie lässt sich der Informationsgehalt einer Nachricht gut, klar und verständlich ermitteln? Dies sind: • • •
Klarheit und Deutlichkeit der Formulierung, Struktur und Ordnung der Information, Rhetorik und Körpersprache.
Für die Formulierung einer Aussage sollten möglichst nur allgemein bekannte Wörter verwendet werden, die dadurch an Deutlichkeit gewinnt. Bei Fachgesprächen lässt sich davon ausgehen, dass der Gesprächspartner die Bedeutung der verwendeten Fachausdrücke kennt. Aufgrund eigener Erfahrung wurde die Erkenntnis gewonnen, dass dies aber bereits bei nahen Verwandten wie den Ingenieur- und Naturwissenschaften nicht unbedingt der Fall sein muss. Das Gegenteil der Einfachheit ist die Kompliziertheit, die sich durch häufigen Gebrauch von Fachbegriffen auszeichnet. Sie wird oft verwendet, um sich durch komplizierte Formulierung eigentlich einfacher Aussagen abzugrenzen. Die Struktur und Ordnung der Informationen bezieht sich auf die saubere Gliederung eines Textes oder einer Nachricht. Eine gute Struktur zeigt sich in der klaren Gliederung eines Textes oder eines Vortrages, wobei Absätze und Hervorhebungen einem einheitlichen Aufbau folgen sollten. Der rote Faden vermittelt die innere Logik. Der Informationsgehalt der Nachricht wird kurz und prägnant vermittelt. Das Gegenteil von Ordnung und Gliederung ist die Unübersichtlichkeit. Es existieren Brüche und einzelne Passagen stehen in keinem Zusammenhang zueinander. Wichtige Informationen bleiben verborgen. Der dritte Aspekt für die Verständlichkeit ist die Rhetorik und Körpersprache. Hier finden sich alle Stilmittel wieder, um den Empfänger intellektuell und emotional anzusprechen. Beispiele dafür sind Verknüpfungen zu seiner Erfahrungswelt, Unterstützung der Sachinhalte einer Nachricht durch Abbildungen und Zeichnungen, Vergleiche, rhetorische Fragen etc. Das Gegenteil von Stimulanz ist die Langweiligkeit. So laden Texte ohne bildhafte Auflockerungen geradezu zum Abschalten und Überspringen ein.
Die Persönlichkeit des Senders Bei jedem Gespräch, das wir führen, geben wir etwas von unserer Persönlichkeit preis. Mit dieser Öffnung sind Unsicherheiten verbunden. Sie zeigen sich z.B. bei Vorträgen oder Versammlungen, wenn sich unsere Pulsfrequenz erhöht und sich Stressreaktionen bemerkbar machen. Der Sender steht in solchen Situationen ständig unter Druck, da der Empfänger versucht die erhaltene Nachricht zu entschlüsseln. Anscheinend fühlen wir uns in unseren zwischenmenschlichen Beziehungen von Anfang an beobachtet und versuchen uns von unserer positiven Seite darzustellen. Die Entstehung dieser Verhaltensweisen liegt bereits in unserer Kindheit verborgen. In dieser Zeit kommt es zu einem Zusammenprall der kindlichen Ungezwungenheit mit den gesellschaftlichen Normen und Leistungsmaßstäben, die uns als Kind von den Eltern, Lehrern und anderen Autoritätspersonen vermittelt werden. Wir lernen recht schnell was als "gut" und "schlecht" befunden wird.
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11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
343
Durch die Verinnerlichung der Regeln und Normen bildet sich im Laufe der Zeit unser Gewissen als eine Art innerer Richter aus. Dieser frühkindliche Konflikt lässt sich nicht vermeiden. Er kann jedoch je nach sozialem Umfeld unterschiedlich hart ausfallen. Unsere Erziehung, Kindergärten, Schulen und Ausbildungen prägen das Vertrauen in uns selbst. Durch zunehmende Lebenserfahrung werden die Ängste teilweise verdrängt. In besonderen Stresssituationen z.B. ein Kritikgespräch mit dem Vorgesetzten kommen sie aber wieder ans Tageslicht. Ein weiterer Faktor für unser Selbstwertgefühl sind die Leistungsmaßstäbe unserer Umwelt. Werden so hohe Maßstäbe an das Kind angelegt, dass es die Messlatte nicht überwinden kann, fehlt es an Erfolgserlebnissen. Es kann sich ein ausgeprägtes Minderwertigkeitsgefühl entwickeln. Wird umgekehrt das Gefühl vermittelt Dinge aus eigener Kraft erreicht zu haben, baut sich ein entsprechendes Selbstvertrauen auf. Auch im Erwachsenendasein heben positive Erlebnisse das Selbstwertgefühl und stärken das Selbstvertrauen. Dazu können auch erfolgreich durchgeführte Mitarbeitergespräche gehören. Wenn es mir gelingt "einfache" Gespräche erfolgreich durchzuführen, werde ich mich auch an schwierigere Gesprächssituationen herantrauen. Ich wachse mit meinen Aufgaben und Erfahrungen. Aus den genannten Gründen heraus ist es nur natürlich, dass der Mensch versucht sich auf verschiedene Art und Weise selbst darzustellen. Möglichkeiten dazu sind die: • • • •
Imponiertechniken, Fassadentechniken, Selbstverbergung, Selbstverkleinerung.
Bei den Imponiertechniken versucht sich der Sender von seiner besten Seite zu zeigen. Er muss diese Art der Selbstdarstellung aber so praktizieren, dass der Empfänger ihn wegen einer zu offensichtlichen Darstellung der eigenen Vorzüge nicht ablehnt. Wer sich zu sehr aufspielt oder angibt, hat schlechte Karten. Der Sender muss erkennen und spüren können wie weit er gehen kann. Er muss versuchen seine nonverbale Botschaft scheinbar unauffällig in den Gesprächsverlauf einfließen zu lassen. Eine andere Variante der Imponiertechnik ist die Bemühung um Selbstaufwertung. Der Sender stellt Geschichten und Handlungen aus seinem Leben möglichst positiv dar. Er hat die Kastanien aus dem Feuer geholt und ohne ihn wäre die Firma schon längst den Bach hinuntergegangen. Bei der Fassadentechnik versteckt der Sender negative oder als unangenehm empfundene Teile der eigenen Person. Ein erster Schritt in diese Richtung ist der Umgang mit persönlichen Eigenarten oder Macken. Bei der Fassadentechnik setzt der Sender eine Maske auf. Verwandt mit der Fassadentechnik ist die Methode der Selbstverbergung. Bei der Selbstverbergung versucht sich der Sender von seiner eigenen Aussage zu distanzieren. Er benutzt sprachliche Ausdrucksmittel um seine Nachricht sachlich und unpersönlich klingen zu lassen. Außerdem werden die nonverbalen Ausdrucksmittel Gestik, Mimik und Tonfall auf ein Minimum reduziert. Bei Mitarbeitergesprächen besteht oft die Gefahr, dass die Führungskraft Techniken der Selbstverbergung verwendet, um sich besonders von unangenehmen Gesprächsteilen zu distanzieren. Die selbstverbergende Kommunikationsform zeigt sich vor allem in einer Vermeidung der Ich-Form. Stattdessen werden häufig Ausdrucksweisen wie "Man", "Es" oder "Wir" benutzt. Bei der Selbstverkleinerung stellt sich der Sender als hilf- und kraftloses Wesen dar. Er versucht das Mitleid des Empfängers für sich zu wecken und ihn dadurch für seine Sache zu gewinnen. Nimmt der Empfänger diese Aufgabe an, ergeben sich zwei Probleme. Erstens muss der Empfänger nun das Problem oder die Aufgabe lösen. Zweitens bleibt der Sender in seinem Selbstverkleinerungsstreben haften. Er befindet sich in Abhängigkeit vom guten Willen und dem Können des Empfängers und kann sich nicht aus eigener Kraft weiterentwickeln.
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11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Die skizzierten Selbstdarstellungstechniken halten Sender und Empfänger auf Distanz. Sie sind auf dieser Ebene so mit der Ver- und Entschlüsselung beschäftigt, dass die sachlichen Inhalte und Anliegen der Nachricht zu kurz kommen. Unter diesen Umständen geht viel Gesprächseffektivität verloren. Einen unbeschwerten Umgang mit der Selbstdarstellung und Selbstoffenbarung erreiche ich über persönliche Authentizität. Sie ist die bewusste Wahrnehmung und Akzeptanz meiner eigenen Person. Mit einem angemessenen Selbstvertrauen kann ich mich dann im Gespräch öffnen und einige Facetten meiner selbst offenbaren.
Die Persönlichkeit des Empfängers In der zwischenmenschlichen Kommunikation geht es immer darum etwas verbaVnonverbal auszudrücken und gleichzeitig eine Wirkung zu erzielen. Jeder Mensch versucht die beiden Aspekte Ausdruck und Wirkung - möglichst in einem ausgewogenen Verhältnis zu benutzen. In seinen beiden Extrempunkten achtet der ausdrucksorientierte Sender kaum auf die erzielte Wirkung. Er kommt fast ohne Rücksichtnahme auf den Punkt. Der wirkungsorientierte Sender überlegt dagegen, wie er etwas am besten erreichen kann. Für ihn steht die Gesprächstaktik im Vordergrund, während die Wahrheit nicht so wichtig ist. In diesem Zusammenhang sollte sich jeder Sender fragen: • •
Wie drücke ich mich aus? Wie wirke ich dabei auf andere?
Oft wird vom Sender mit verdeckten Appellen gearbeitet. Er drückt nur indirekt aus, was er beim Empfänger erreichen möchte. So arbeiten Führungskräfte oft mit verdeckten Appellen, wenn sie ihrem Mitarbeiter unangenehme Dinge mitteilen müssen. Dann kann beim Empfänger Unsicherheit bzgl. der Nachricht auftreten. "Was will er mir eigentlich sagen?" Selten fragt der Empfänger bei verdeckten Appellen deren Bedeutung nach. Er muss sie ja zuerst einmal erkennen. Bei unklaren Nachrichten kann sich der Mitarbeiter immer noch aus der Verantwortung ziehen. "Das habe ich so nicht verstanden; das haben sie so konkret nicht gesagt." Gleiches gilt für die Führungskraft als Sender. Sie kann notfalls ihren Standpunkt dementieren und eine neue Position beziehen. Gleichzeitig schützen verdeckte Appelle vor einer möglichen Verletzung durch Zurückweisungen. Offene Appelle stellen die beste Beziehung zwischen Sender und Empfänger her. Wünsche, Ansichten und Aufforderungen werden klar geäußert. Eine Beziehung kann nur wachsen, wenn in ihr offen miteinander umgegangen wird. Für die Fähigkeit offen mit dem Empfänger zu kommunizieren sind bestimmte Grundhaltungen notwendig. So muss der Sender wissen was er will und sich nicht hinter den Ansichten anderer verstecken. Durch Offenheit werden klare Ansprüche geäußert, ohne sie unbedingt durchsetzen zu wollen. Als Sender möchte ich dazu vom Empfänger seinen eigenen Standpunkt kennen lernen. Werden die Einstellungen offen ausgedrückt, hat der Empfänger die Wahl zwischen Zustimmung oder Ablehnung. Da er entscheidet, liegt am Ende die Verantwortung bei ihm und nicht nur beim Sender. Auf der Skala zwischen offen und verdeckt, Zustimmung oder Ablehnung, überlegt der Sender was zumutbar ist. Oft hängt die Zumutbarkeit allerdings vom Gefühlszustand des Empfängers ab. Während ich "heute" offene Ansichten für eine mögliche Konfliktlösung anbringen kann, kommt es "morgen" unter für mich gleichen Bedingungen aufgrund des emotionalen Befindens des Empfängers zu aggressiven Äußerungen, die die Situation nur noch verschlimmern. Offenheit benutzt keine Schleichwege. Sie respektiert klar die Vorstellungen des Senders und des Empfängers ohne eine Abwertung vorzunehmen. Sie basieren immer auf einem positiven, optimistischen Menschenbild.
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11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
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Die Beziehungsebene zwischen Sender und Empfänger Die Beziehungsebene ist für die Gesprächsqualität von hohem Stellenwert. So hat der Ausdruck von Emotionen große Bedeutung für den Umgang mit einem anderen Menschen. Die aktuelle Gefühlslage wird oft am momentanen Gesichtsausdruck des Gegenübers festgemacht. Je nach Wirkung auf einen selbst, geht man innerlich auf die Person zu oder wendet sich von ihr ab. Ohne eine passende Beziehung ist kein vernünftiges Gespräch möglich. Es ist unmöglich mit einem Partner offen Gedanken auszutauschen, wenn die Beziehung im falschen Licht steht. Bei festgefahrenen Beziehungen kann die eigene Nachricht mit ihrem Sachinhalt völlig im Hintergrund stehen und die problembeladene Beziehungsebene in den Vordergrund rücken. Trete ich meinem Gesprächspartner mit Wertschätzung entgegen, so betrachte ich ihn als gleichberechtigte Persönlichkeit. Ich spreche ihn in einer Art und Weise an, in der auch ich selbst von ihm angesprochen werden möchte. Offenheit auf der Beziehungsebene wird auch durch Freiheiten zu eigenen Entscheidungen und selbstständigen Aktivitäten ermöglicht. Hier drückt sich der Wunsch nach Selbstbestimmung aus. Geringschätzung des Gesprächspartners und der Versuch der Bevormundung führen mit Sicherheit zu einer Belastung des Gesprächs. Da die Beziehungsebene die Grundlage jeder sachlichen Diskussion ist, können Beziehungsstörungen zu Auseinandersetzungen und Konflikten führen. So wird letztlich nicht mehr über das eigentliche Thema gesprochen, sondern es geht (un)bewusst nur noch um die Beziehung oder wer der Stärkere ist. So kann ein produktives Gespräch nur zustande kommen, wenn die Sachebene nicht durch Impulse aus der Beziehungsebene heraus gestört wird.
Die Entschlüsselung durch den Empfänger Eine natürliche Grundvoraussetzung für eine gute Kommunikation ist die Abstimmung der Gesprächspartner. Das ist in der Technik nicht anders. Die Frequenzen zweier Funkgeräte müssen übereinstimmen, damit eine Ton- und Bildübermittlung überhaupt möglich ist. Das Gleiche gilt für den Menschen. Der Empfänger muss im Stande sein die gesendeten Nachrichten zu empfangen und zu entschlüsseln, um sie daraufhin zu interpretieren und eine Handlung auszuführen. Wird die Gesprächssituation aus Sicht des Empfängers betrachtet, so hängt sein Verständnis davon ab, welche der vier Nachrichtenkomponenten: • • • •
den Sachinhalt, die Persönlichkeit des Senders, seine eigene Persönlichkeit, das Beziehungsverhalten
er momentan am stärksten gewichtet (Abb. 11.4). Hört der Empfänger schwerpunktmäßig auf den Sachinhalt, versucht er die Daten, Fakten und Sachverhalte zu verstehen. Er prüft die Nachricht auf Wahrheitsgehalt und Relevanz für ihn. Mit seinem Wissen und seiner Lebenserfahrung versucht er den Sachinhalt einzuordnen. Vor allem Männer sind auf die Sachseite einer Nachricht geprägt. Sie suchen die sachliche Auseinandersetzung. Liegt das eigentliche Problem dagegen in der zwischenmenschlichen Beziehung bekommen sie regelmäßig Kommunikationsschwierigkeiten. Hört der Empfänger besonders auf die Selbstoffenbarungsseite des Senders, so analysiert er primär dessen Persönlichkeit. Er versucht die Charaktereigenschaften, Emotionen und Beweggründe des Gesprächspartners zu ergründen. Wären wir im Stande die Selbstoffenbarungen unserer Mitmenschen besser zu verstehen, so könnten wir uns intensiver in ihre Lage und Gefühlswelt versetzen. Damit würden wir uns gleichzeitig aber einer großen Belastung aussetzen. Wer möchte schon immer neben seinen eigenen Stärken und Schwächen auch permanent die seiner Mitmenschen erkennen? Zu seinem eigenen Schutz benötigt der Mensch daher einen Filter.
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11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Auf der Seite der Empfängerpersönlichkeit kommt es darauf an, welche Nachrichtenseite beim Empfänger am stärksten ausgeprägt ist. Er versucht die in der Nachricht vorhandenen Informationen und Aufforderungen zu interpretieren und umzusetzen. Personen die bestrebt sind, es ihren Mitmenschen in allen Dingen recht zu machen, stellen z.B. ihre eigenen Bedürfnisse sehr leicht in den Hintergrund.
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Wie sieht unsere Beziehung aus?
Abb. 11.4: Die 4 Interpretationsseiten des Empfängers
Personen mit einer stark ausgeprägten Beziehungsseite sind für gewöhnlich sehr sensibel für die nonverbalen Signale ihres Gesprächspartners. In der positiven Ausprägung können sie den Sachinhalt der Nachricht gut entschlüsseln und zuordnen. In einer negativen Ausprägung fassen sie selbst sachliche Argumente und Bemerkungen als persönlichen Angriff auf.
Feedback-Nachricht Die Problematik einer guten Kommunikation liegt also in der Komplexität der Nachricht selbst. Der Sender versucht mit ihm eigenen Worten den Sachinhalt zu beschreiben und seine Gedanken in der richtigen Art und Weise zu verpacken. Bei der Nutzung der Worte, Zeichen und Symbole kann es passieren, dass er damit andere Vorstellungen als der Empfänger verbindet. Die Interpretation der undeutlich abgesendeten Nachricht durch den Empfänger hängt stark von dessen Erwartungen und Ängsten ab. Im Umgang mit unseren Mitmenschen bilden wir uns stets auch ein Urteil. Aus einer geringen Anzahl von Informationen machen wir uns dann ein Bild von der Person. Bei dieser Urteilsbildung spielen eine hohe Zahl von subjektiven Faktoren (z.B. Äußerlichkeiten, Alter, Auftreten, etc.) eine Rolle. Aufgrund der Komplexität einer Nachricht ergeben sich fast zwangsläufig Missverständnisse in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Wie oft haben wir schon gehört: "Das habe ich nicht gesagt!". Sender und Empfänger sollten nicht in Schuldzuweisungen versinken. Es geht auch nicht um die Frage von Recht und Unrecht. Gegenseitige Vorhaltungen führen nur immer weiter in den Sumpf der Sprachlosigkeit. Mit einem hohen Selbstoffenbarungsanteil ("So habe ich die Nachricht verstanden und empfunden") kann der Empfänger Verantwortung für seine Reaktionen und das Gespräch übernehmen und zur Verbesserung der Kommunikation beitragen.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
347
Wie Abbildung 11.5 zeigt sind die gesendete und empfangene Nachricht niemals deckungsgleich. Wie zwei Bilderrahmen sind sie ineinander verhakt. Driften sie durch Missverständnisse immer weiter auseinander kommt es irgendwann zum Bruch. Durch das offene Feedback des Empfängers auf die Nachricht kann der Sender reagieren. Es besteht die Chance gesendete und empfangene Nachricht deckungsgleicher zu bekommen. Missverständnisse und Fehlinterpretationen lassen sich so hoffentlich beheben. Angenommen, die vom Sender vermittelte Nachricht sei immer gleich, so werden unterschiedliche Empfänger aufgrund ihrer Persönlichkeit die empfangene Nachricht unterschiedlich interpretieren. Dann kann auch die Feedbackschleife niemals gleich sein. In Abhängigkeit von den beteiligten Personen muss deshalb die Feedback-Nachricht zwischen Sender und Empfänger immer individuell gestaltet werden.
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Beziehungsebene
Abb.11.5: Rückkopplung in der zwischenmenschlichen Kommunikation [Schulz v. Thun, 2002]
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
348
11.3
Die Transaktionsanalyse
Eine andere Betrachtungsweise der Sender-Empfänger-Beziehung ist mit der Transaktionsanalyse möglich (Abb. 11.6). Danach tragen Sender und Empfänger drei Anteile in ihrer Persönlichkeit, das • • •
Eltern-Ich (EL), Erwachsenen-Ich (ER), Kind-Ich (K).
In normalen Situationen kommunizieren Sender und Empfänger aus ihrem jeweiligen Erwachsenen-Ich miteinander. In einer Vorgesetzten-Mitarbeiter-Konstellation kann es jedoch auch zu einer "Eltern-Kind-Kommunikation" kommen. Der Mitarbeiter fühlt sich in dieser Situation vielleicht an Vorgänge aus seiner Kindheit/Schule/Ausbildung erinnert und verhält sich entsprechend. Dies und andere Wechselwirkungen zu erkennen, kann für die offene Kommunikation zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sehr hilfreich sein.
Sender
Empfänger
Nachricht
Beziehungsebene
Abb. 11.6: Transaktionsanalyse .Sender-Empfänger"
11.3.1 Das Strukturmodell Die Transaktionsanalyse beschreibt die Persönlichkeit eines Menschen in so genannten "IchZuständen". Ein Ich-Zustand ist definiert als die komplexe Gesamtheit unserer Gefühle, Denkmuster und Verhaltensweisen. Dieses Fühlen, Denken und Handeln wird den drei genannten Persönlichkeitsbereichen zugeordnet (Abb. 11.7). Das Strukturmodell befasst sich mit den Inhalten der Ich-Zustände. In der Theorie der Transaktionsanalyse wird davon ausgegangen, dass sich jeder Mensch in einer bestimmten Situation in einem dieser drei Ich-Zustände befindet. Die Ich-Zustände zeichnen dabei ein Gesamtbild an Erscheinungen, die den jeweiligen Menschen zeit- und situationsabhängig erfassen.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
349
Im "Eltern-Ieh-Zustand" ("Eltern-Ich") denken, fühlen und verhalten wir uns so, wie wir es von unseren Eltern oder anderen Bezugspersonen gelernt haben. Dieser Zustand enthält vermittelte Werte, Normen, Gebote und Verbote, Regeln etc. die wir verinnerlicht haben und die bewusst oder unbewusst unser Verhalten beeinflussen und steuern. Das Eltern-Ich ist damit vergangenheitsorientiert.
Eltern-Ich-Zustand
Erwachsenen-Ich-Zustand
Kind-Ich-Zustand
Abb. 11.7: Strukturmodell der Ich-Zustände Im "Erwachsenen-Ieh-Zustand" ("Erwachsenen-Ich") denken, fühlen und verhalten wir uns gegenwartsbezogen und vernunftorientiert. Wir nutzen alle Möglichkeiten, die uns als Erwachsene zur Verfügung stehen. Informationen werden sachlich und objektiv bewertet, Erfahrungen vorurteilsfrei verarbeitet und Entscheidungen auf Vernunftbasis getroffen. Im Erwachsenen-Ich finden wir die Werkzeuge, mit denen wir die Realität überprüfen und Probleme lösen können. Hier fällen wir auch unser Urteil über unsere eigenen Eltern- und Kind-Ich-Zustände. Im "Kind-Ich-Zustand" ("Kind-Ich") denken, fühlen und verhalten wir uns wie in unserer Kindheit. In diesem Ich-Zustand laufen Denkmuster, Gefühle und Verhaltensweisen ab, die aus unserer Kindheit stammen und mit denen wir als Kind erfolgreich waren. Das Kind-Ich ist deshalb ebenfalls vergangenheitsorientiert. Alle drei Ich-Zustände gehören zur Persönlichkeit. Wenn wir unser Leben als Erwachsene gestalten und meistern wollen, brauchen wir unser Erwachsenen-Ich. Die vermittelten Bezugspunkte aus unserem Eltern-Ich ermöglichen uns ein grundsätzliches Zusammenleben mit anderen Menschen. Spontaneität, Kreativität und das gefühlsmäßige Erfassen einer Situation sind uns in der Kindheit leichter gefallen als im Erwachsenen-Sein. Im Kind-Ich haben wir Zugang zu diesen Merkmalen. Wenn wir uns in unserem Denken und Fühlen in einem dieser Ich-Zustände befinden, dann zeigen wir auch die Verhaltensweisen dieses IchZustandes. Umgekehrt ermöglicht uns das Erkennen des Ich-Zustandes bei uns oder unseren Mitmenschen eine angemessene Reaktion auf das jeweilige Verhalten.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
350
11.3.2 Das Funktionsmodell Das Funktionsmodell (Abb. 11.8) baut auf dem Strukturmodell auf und beschreibt die ablaufenden Prozesse. Über das jeweilige Verhalten des Menschen lässt sich erkennen, in welchem IchZustand des funktionellen Modells sich die Person befindet.
kritischer Eltern-Ich-Zustand
fürsorglicher Eltern-Ich-Zustand
ER
angepasster Kind-Ich-Zustand
ErwachsenenIch-Zustand
freier Kind-lch-ZUstand
Abb. 11.8: Funktionsmodell der Ich-Zustände [Henning, 20021
Im kritischen Eltern-Ich-Zustand ("kritisches Eltern-Ich") ahmen wir das Verhalten unserer Eltern nach. In seiner positiven Form schützen oder fördern wir mit diesem Verhalten andere Menschen. In seiner negativen Form verwenden wir Verhaltensweisen, die einen anderen abwerten oder klein machen. Im fürsorglichen Eltern-Ich-Zustand ("fürsorgliches Eltern-Ich") befinden wir uns in einem umsorgenden, betreuenden Zustand. In seiner positiven Form helfen und unterstützen wir einen Menschen aus gegenseitigem Respekt heraus. In seiner negativen Form "unterstützen" wir einen Menschen aus einer Position der Überlegenheit. Aus dieser erhöhten Position heraus sehen wir herablassend auf den anderen hinab. Wir sind größer und können ihm daher zeigen, wie es besser geht. Im Funktionsmodell wird der Erwachsenen-Ich-Zustand nicht weiter unterteilt. Wie das Strukturmodell befasst es sich mit den Möglichkeiten, die wir in der Gegenwart als erwachsener Mensch haben.
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11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
351
Im angepassten Kind-Ich-Zustand ("angepasstes Kind-Ich") verhalten wir uns so, wie unsere Eltern es von uns erwarten würden. In seiner positiven Form richten wir uns nach zahlreichen Regeln, die wir unbewusst verfolgen. Deren Einhaltung sichert uns Anerkennung und Akzeptanz im Umgang mit anderen Menschen und ist für uns vorteilhaft. In seiner negativen Form ist das angewendete Verhalten dem Erwachsenen-Sein nicht angemessen. Es ist kindisch und unangebracht. Im freien Kind-Ich-Zustand ("freies Kind-Ich") verhalten wir uns völlig frei von elterlichen Erwartungen. Wir haben uns in unserer Kindheit so aufgeführt, wie wir es wollten. In seiner positiven Form steigert dieses Verhalten das Lebensgefühl als Erwachsener. In angemessenen, sicheren Situationen zeigen wir z.B. unsere Emotionen und Gefühle. In seiner negativen Form stoßen wir andere Menschen vor den Kopf und gefährden in unserem Freiheitsdrang vielleicht deren Gesundheit und Leben. Während also das Strukturmodell die gespeicherten Erinnerungen und Strategien der einzelnen Ich-Zustände beschreibt ("Was ist vorhanden?"), behandelt das Funktionsmodell den Prozessablauf der zu beobachtenden Verhaltensweisen ("Wie laufen die einzelnen Vorgänge ab?"). Das strukturelle Modell erfasst daher intrapsychische Aspekte, während das funktionale Modell interpersonale Aspekte erfasst. Letztere können im Miteinander von Menschen beobachtet werden. Intrapsychische Aspekte lassen sich jedoch nur vermuten oder durch Schlussfolgerungen erkennen.
11.3.3 Transaktionen Transaktionen finden immer dann statt, wenn zwei Menschen verbal oder nonverbal miteinander kommunizieren. Diese Sender-Empfänger-Beziehung kann als: • • •
Paralleltransaktion, Überkreuztransaktion oder verdeckte Transaktion
ablaufen. 1. Fall Sender
2. Fall Empfänger
Sender
Empfänger
11
Abb. 11.9: Paralleltransaktion [Stewart, 20001
352
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Paralleltransaktionen Paralleltransaktionen zeigt die Abbildung 11.9. Die beiden Vektoren des Senders und Empfängers verlaufen parallel. Im ersten Fall nimmt der Sender aus seinem Erwachsenen-Ich heraus Kontakt zum Erwachsenen-Ich des Empfängers auf. Der Empfänger reagiert mit einer sachlichen Information aus seinem Erwachsenen-Ich heraus und spricht das Erwachsenen-Ich des Senders an. Der zweite Fall ist ebenfalls ein Beispiel für eine Paralleltransaktion. Wieder verlaufen die beiden Vektoren des Senders und Empfängers parallel. Diesmal spricht der Sender aus seinem kritischen Eltern-Ich das angepasste Kind-Ich des Empfängers an. Der Empfänger reagiert untergeordnet aus seinem angepassten Kind-Ich heraus und spricht das kritische Eltern-Ich des Senders an.
Überkreuztransaktionen Überkreuztransaktionen zeigt die Abbildung 11.10. Die beiden Vektoren des Senders und Empfängers verlaufen überkreuzt. Im ersten Fall spricht der Sender aus seinem Erwachsenen-Ich heraus das Erwachsenen-Ich des Empfängers an. Dieser reagiert jedoch unvorhergesehen. Aus seinem Eltern-Ich heraus spricht er "von oben herab" das Kind-Ich des Senders an. Im zweiten Fall spricht der Sender aus seinem kritischen Eltern-Ich heraus das angepasste KindIch des Empfängers an. Dieser reagiert jedoch nicht wie ein Kind, sondern wie ein erwachsener Mensch. Aus seinem Erwachsenen-Ich spricht er den Sender in seinem Erwachsenen-Ich an. Wenn sich in der Kommunikation die Vektoren von Sender und Empfänger überkreuzen, entsteht das Gefühl eines Kommunikationsbruches. lIberkreuztransaktionen bewirken eine Störung der Kommunikation. Damit diese wieder in Form von Paralleltransaktionen glatt verlaufen kann, müssen die Gesprächspartner ihre jeweiligen Ich-Zustände erkennen und diese wechseln.
1. Fall Sender
2. Fall Empfänger
sender
Empfänger
11
Abb. 11.10: Überkreuztransaktion [Stewart, 20001
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
353
Verdeckte Transaktionen Verdeckte Transaktionen enthalten zwei Nachrichten bzw. Teile. Der offene Teil spricht die soziale Ebene des Empfängers an, der verdeckte Teil die psychologische Ebene (Abb. 11.11). Im ersten Fall spricht der Sender beim offenen Teil der Nachricht aus seinem Erwachsenen-Ich heraus die soziale Ebene des Erwachsenen-Ichs beim Empfänger an. Der verdeckte Teil der Nachricht spricht aus dem Eltern-Ich des Senders das Kind-Ich des Empfängers auf dessen psychologischer Ebene an. Erkennt der Empfänger den offenen und verdeckten Teil der Nachricht, kann er entsprechend reagieren. Im zweiten Fall spricht der Sender aus seinem Erwachsenen-Ich heraus im offenen Teil der Nachricht das Erwachsenen-Ich des Empfängers an. Gleichzeitig spricht er im verdeckten Teil der Nachricht das Kind-Ich des Empfängers an. Dieser reagiert in der Kommunikation unterschwellig aus dem verdeckt angesprochenen Kind-Ich-Zustand. Der offene Teil der Nachricht wird bei verdeckten Transaktionen verbal in Worten mitgeteilt. Der verdeckte Teil der Nachricht äußert sich nonverbal in Mimik, Gestik, Körperhaltung, Sprechweise (Lautstärke, Klang der Stimme, Sprachtempo), etc. Die Entscheidung über das weitere Kommunikationsverhalten läuft bei verdeckten Transaktionen auf der psychologischen Ebene ab.
1. Fall Sender
2. Fall Empfänger
Sender
Empfänger
Abb. 11.11: Verdeckte Transaktion [Stewart, 20001
11.3.4
GrundeinsteIlungen
Bei der Entwicklung der Persönlichkeit zeigen sich 4 Grundüberzeugungen: • • • •
ich bin O.K.; mit mir ist alles in Ordnung, ich bin nicht O.K.; irgendetwas stimmt nicht mit mir, du bist O.K.; du bist in Ordnung, so wie du bist, du bist nicht O.K.; irgendetwas stimmt nicht mit dir.
11
354
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Diese Grundüberzeugungen lassen sich zu den in Abbildung 11.12 gezeigten GrundeinsteIlungen kombinieren. Die GrundeinsteIlung "Ich bin O.K. - Du bist O.K." zeigt eine positive Lebenseinstellung sich und anderen gegenüber. Es liegt eine ausgewogene Lebenseinstellung zugrunde. Verantwortungsbewusstsein, Kommunikations-, Kooperations-, Konfliktfähigkeit und Zuverlässigkeit zeichnen den Menschen aus. In der Interaktion kommen sowohl "Ich" als auch "Du" voran. Wir entwickeln uns beide weiter. Es bildet sich eine positive Gewinnerposition aus. Menschen mit der GrundeinsteIlung "Ich bin O.K. - Du bist nicht O.K." fühlen sich anderen immer überlegen. In einer ständigen Auseinandersetzung werden die eigenen Vorstellungen durchgesetzt. Aufgrund meiner Überlegenheit will ich die Vorstellungen der anderen nicht akzeptieren und schiebe sie zur Seite. Da die eigenen Vorstellungen immer gegen Widerstände durchgesetzt werden müssen, empfinden wir solche Menschen als unsensibel oder aggressiv. Die GrundeinsteIlung "Ich bin nicht O.K. - Du bist O.K." führt zu einer Verliererposition. Da sich diese Menschen selbst nicht akzeptieren, finden sie sich oft in der Rolle des Opfers wieder. Sie rücken leicht von ihren Positionen ab oder weichen Auseinandersetzungen aus.
GrundeinsteIlung
Symbol
Ich bin O.K.
t
++
• • • •
positive Lebenseinstellung Verantwortungsbewusstsein Weiterentwicklung Gewinnerposition
+-
• • • •
Überlegenheitsgefühl Nicht-Akzeptanz des Anderen unsensibel und agressiv Durchsetzen der eigenen Vorstellungen
• • • •
Verliererposition Nicht-Akzeptanz des Selbst Abrücken von eigenen Positionen Ausweichen bei Auseinandersetzungen
Du bistO.K. Ich bin O.K.
!
Verhaltensweise
Du bist nicht O.K. Ich bin nicht O.K.
t
-+
Du bistO.K. Ich bin nicht O.K.
!
--
• absolute Verliererposition • Verzweiflung • persönliches Aufgeben
Du bist nicht O.K.
11 Abb. 11.12: GrundeinsteIlungen, Verhaltensweisen und Lebenspositionen eines Menschen [Kälin, 20021 Die GrundeinsteIlung "Ich bin nicht O.K. - Du bist nicht O.K." beschreibt eine absolute Verliererposition. Das Leben ist sinnlos und steckt voller Widerstände. Verzweiflung macht sich breit und Hilfe von anderen ist nicht in Sicht. Es wird aufgegeben.
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
355
Die beschriebenen GrundeinsteIlungen sind nicht für immer festgelegt, sondern können zeitlich variieren.
11.3.5 Spiele Spiele ähneln den verdeckten Transaktionen. Als Spieler werden sie vom Menschen in unterschiedlichsten Situationen immer und immer wieder mit der gleichen Rolle gespielt. Wie ein Fußballspiel läuft auch das "Lieblingsspiel" nach bestimmten Regeln ab (Abb. 11.13).
Sender-Rolle
Empfänger-Rolle
!
4. Spielende und Auszahlung
Abb. 11.13: Ablauf eines (Psycho-) Spiels [Stewart, 20001
Der Eröffnungszug geschieht offen auf der sozialen Ebene. Gleichzeitig wird auf der psychologischen Ebene die "geheime Nachricht" übermittelt. Diese ist die attraktive Falle im Spiel. Tappt der Empfänger in die Falle wird das Spielresultat auf der psychologischen Ebene entschieden. Das Erwachsenen-Ich bleibt beim Spiel auf der psychologischen Ebene ausgeschaltet. Erst zum Spielende hin merkt der Spieler manchmal das etwas nicht stimmt. Irgendwie kommt ihm die Situation bekannt vor, ohne dass er diese jedoch näher analysiert. Eine gewisse Überraschung oder Verwirrung macht sich breit. Der Verlauf eines Spiels (Spielplan) lässt sich mit Hilfe einiger Fragen erkennen und analysieren:
11
356 • • • • • • •
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Was passiert mir in verschiedenen Situationen immer wieder? Wie fängt das Spiel an? Wie ist der Spielverlauf? Wie lautet meine geheime Nachricht an den Empfänger? Was passiert dann? Wie lautet die geheime Nachricht des Empfängers an mich? Was passiert dann? Wie fühle ich mich gegen Ende des Spiels? Wie fühlt sich mein Spielpartner?
11.4
Fragetechniken
Fragen können in einem Gespräch den unterschiedlichsten Zwecken dienen (Abb. 11.14). Sie ermöglichen es Interesse für ein Thema zu formulieren und Informationen zu gewinnen. Ich kann mit meinem Gesprächspartner in eine Diskussion einsteigen und das Gespräch steuern. Fragen unterstützen die Entscheidungsfindung und klären Beziehungen. Und zuletzt gilt: "Wer fragt, der führt". Um mit den gestellten Fragen beim Gesprächspartner Klarheit zu erzeugen, sind bereits bei der Formulierung bestimmte Dinge zu beachten. Eine Frage sollte kurz und prägnant formuliert sein. Die Verwendung einfacher Worte und die Vermeidung abstrakter oder doppeldeutiger Begriffe tragen zur Klarheit bei. Neutrale oder positive Formulierungen sind zu bevorzugen und öffnen das Gespräch. Doppelte Negationen sind zu vermeiden. Der Entschlüsselungsvorgang beim Empfänger kann nicht garantieren, dass im Endeffekt der positive Aspekt entdeckt wird. Eine Frage sollte sich immer nur auf einen Aspekt beziehen.
Abb. 11.14: Fragemöglichkeiten zur Informationsgewinnung Die wenigsten Gesprächspartner sind in der Lage komplexe Fragen mit mehreren Punkten zu beantworten. So werden bei solchen Fragen z.B. mit drei Frageanteilen der dritte und der zweite Teil noch beantwortet. Der erste Frageteil wird zwischenzeitlich vergessen. Im Gespräch sind keine Suggestivfragen zu stellen. Sie manipulieren den Gesprächspartner und würdigen ihn ab. Hier muss im Gespräch mit dem Aufbau einer Konfrontation gerechnet werden.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
357
Offene Fragen Offene Fragen lassen dem Empfänger ein recht breites Antwortspektrum offen. Über die Fragestellung werden lediglich das Thema und der mögliche Detaillierungsgrad der Antwort vorgegeben. Weil diese Fragen in der Regel mit einem "W-Wort:' eingeleitet werden, ist dieser Fragetyp auch unter der Bezeichnung "W-Fragen" bekannt. Häufig werden die Fragewörter "Wer", "Wie", "Was", "Wann", "Wo", "Warum", "Weshalb" verwendet. Für diese Fragen ist typisch, dass sie nicht einfach mit "Ja" oder "Nein" beantwortet werden können. Dieser Fragetyp dient in erster Linie dazu, Informationen über ein Thema oder eine Beziehung einzuholen. Mit offenen Fragen lässt sich der Kenntnisstand des Gesprächspartners überprüfen und mit dem eigenen abgleichen. Das Interesse für die Situation und den Gesprächspartner wird angeregt. Er kann selber über mögliche Alternativen nachdenken und seine Vorstellungen und Ideen ins Gespräch einbringen. Der Gesprächskontakt wird intensiviert und eine Vertrauensbasis aufgebaut. Beispiele für offene Fragen sind: • • •
"Wie schätzen Sie die Chancen und Risiken im Projekt ein?" "Was müssen wir tun, um das Qualitätsproblem zu beheben?" "Wie lässt sich unsere Zusammenarbeit verbessern?"
Geschlossene Fragen Geschlossene Fragen können Entscheidungen beschleunigen und erleichtern. Über die Antwort muss nicht lange nachgedacht werden. Sie kann sehr knapp formuliert sein und "Ja" oder "Nein" lauten. Sie zwingen zu einer eindeutigen Stellungnahme. Dieser Fragetyp sorgt für Transparenz und Klarheit über den Standpunkt und die Einstellungen des Gesprächspartners. Mit geschlossenen Fragen lassen sich Gespräche besser strukturieren und Teilaspekte abschließen. Vielredner, die die Effektivität eines Gesprächs behindern, können dadurch zu kurzen Antworten bewegt werden. Geschlossene Fragen beginnen oft mit den Worten "Sind", "Haben" oder "Können". Beispiele für geschlossene Fragen sind: • • •
"Sind Sie mit den Chancen und Risiken im Projekt vertraut?" "Können Sie Vorschläge zur Behebung des Qualitätsproblems unterbreiten?" "Haben Sie Vorstellungen über die Verbesserung unserer Zusammenarbeit?"
Im Gegensatz zur Formulierung als offene Frage lassen sich alle drei Fragen mit "Ja" oder "Nein" beantworten. Durch einfache Umstellung der Frage und Einbindung eines "W-Wortes" lässt sich die geschlossene Frage in eine offene Frage transformieren. Bei Bestätigungsfragen handelt es sich um eine Sonderform der geschlossenen Frage. Sie lassen sich einsetzen, um einen Teilaspekt im Gespräch abzuschließen. • • •
"Haben wir die Projektrisiken erfasst?" "Sind das die Ursachen für unser Qualitätsproblem?" "Können wir durch diese Maßnahmen unsere Zusammenarbeit verbessern?"
Wie bei geschlossenen Fragen bieten Alternativfragen nur eingeschränkte Antwortmöglichkeiten. Sie können eingesetzt werden, wenn der Gesprächspartner zu einer Entscheidung geführt werden soll. Menschen, die mit solch einer Frage konfrontiert werden, wählen tendenziell den zweiten Antwortteil. Suggestivfragen sind eine Sonderform der geschlossenen Frage. Sie bringen die Meinung des Fragenden hervor und wollen diese vom Gesprächspartner bestätigt haben. Sie engen das Gespräch ein und besitzen stark manipulativen Charakter. Der Gesprächspartner soll dazu
11
358
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
gezwungen werden den Ideen, Gedanken und Meinungen des Fragenden zu folgen. Werden Suggestivfragen erkannt, fordern sie zum Widerspruch heraus: • •
"Sie stimmen doch sicherlich meiner Einschätzung zu ... ?" "Wir sind uns doch einig, dass... ?"
Rückkopplungsfragen Rückkopplungsfragen sind ein sehr gutes Gesprächsmittel, um dem Gesprächspartner Interesse am Thema und an seiner Person zu zeigen. Der zwischenmenschliche Aspekt wird mit dieser Fragetechnik gefördert und das Gesprächsklima verbessert. Der Sender stellt den Empfänger auf die gleiche Ebene. Durch Rückkopplungsfragen lässt sich der rote Faden im Gespräch wieder aufgreifen. Der letzte Gedanke des Empfängers wird als Frage wiederholt, bevor der Sender selbst die nächste Frage stellt: • • •
"Sie sind also der Meinung, dass folgende Projektchancen existieren?" "Sie nehmen also an, dass sich das Qualitätsproblem durch folgende Maßnahmen beheben lässt?" "Wenn ich Sie recht verstehe, dann sind die Ursachen für unsere Missverständnisse... ?"
Die einzelnen Gesprächsbeiträge werden aneinander geflochten und die Aussagen der Beteiligten in den Gesamtzusammenhang des Gespräches stärker eingebunden. Rückkopplungsfragen sichern gegenseitiges Verstehen. Sie signalisieren Anteilnahme und vermindern die Mehrdeutigkeiten gesendeter Nachrichten.
Rangierfragen Rangierfragen sind ein wichtiges Instrument, um ein Gespräch in eine gewünschte Richtung zu lenken. Mit ihnen können Diskussionen wieder auf das Wesentliche zurückgeführt werden. Dies ist dann notwendig, wenn ein bereits abgehandeltes Thema verlassen werden muss. Driftet der Gesprächspartner mit weitschweifigen, unpräzisen und unnötigen Erklärungen ab, lässt er sich so wieder auf das Wesentliche zurückführen. Die Aussagen werden kurz zusammengefasst, um daran anschließend den Vorschlag für ein neues Thema zu unterbreiten: • •
"Aufgrund Ihrer Ausführungen haben Sie Bedenken bzgl. des Entwicklungsprojektes. Sollten wir dann nicht zu allererst die Marktsituation mit ihren Chancen und Risiken betrachten?" "Sie sind der Ansicht, dass die Qualität unserer Produkte gut ist. Ist es dann nicht sinnvoll, die Zufriedenheit unserer Kunden zu analysieren?"
Präzisionsfragen Wenn der Gesprächspartner unklare, schwammige oder allgemeine Begriffe, Beschreibungen, Verzerrungen benutzt, können Präzisionsfragen immer rückfragend zur Klärung eingebracht werden. Wenn das Gespräch unübersichtlich oder das Thema aus den Augen verloren wird, lässt sich mittels präzisierender Fragen der rote Faden wieder aufgreifen. Durch diesen Fragetyp lassen sich fehlende oder tiefer gehende Informationen einfordern. Auch Gesprächspausen lassen sich als Präzisierungsmittel verwenden. Wird nach einer Frage nicht gleich eine Antwort gegeben, wird dem Gesprächspartner signalisiert, dass einem die übermittelte Information für eine Beantwortung nicht ausreicht. Er kann nun näher erläutern, was er mit seiner Aussage gemeint hat. Präzisionsfragen können z.B. auf folgende Weise gestellt werden:
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
• • •
359
"Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor?" "Ich verstehe Ihre Aussage nicht genau. Könnten Sie diesen Punkt bitte konkreter erläutern?" "Was bedeutet "viele" Mitarbeiter?"
Hypothetische Fragen Hypothetische Fragen beziehen sich auf die Zukunft oder auch auf nicht existierende Situationen. Für den Empfänger wird ein fiktives Konstrukt erzeugt. Dadurch kann man ihn dazu bewegen, Aussagen zu Situationen und Sichtweisen zu treffen, über die er normalerweise nicht nachdenken oder sprechen würde. Im kritischen Fall lassen sich hypothetische Fragen zur Manipulation benutzen. Es gibt aber auch Gesprächssituationen, in denen sie sich sinnvoll für den weiteren Gesprächsverlauf einsetzen lassen. Dies ist z.B. der Fall, wenn es mögliche Folgen und Reaktionen auf anstehende Entscheidungen abzuwägen gilt: • • •
"Wie könnte sich der Umsatz bei Realisierung des verworfenen Marketingprojektes entwickeln?" "Wie würde die Produktqualität bei Umstellung des Prozesses beeinflusst?" "Wie kann die Schulungsmaßnahme zur Mitarbeiterzufriedenheit beitragen?"
Bei einer Variante dieses Fragetyps wird die aktuelle Gesprächssituation verlassen. Der Gesprächspartner wird dazu aufgefordert, seine eigene Sicht für einen Moment abzulegen und die Situation aus dem Blickwinkel eines Dritten zu betrachten. Dieses Mittel lässt sich dann sinnvoll einsetzen, wenn sich die Diskussion im Kreise dreht. Die Sichtweise der Gesprächspartner ändert sich und die Diskussion lässt sich sinnvoll weiterführen. Komplexe Situationen lassen sich aus verschiedenen Positionen beleuchten. Mögliche eintretende Fälle lassen sich im Voraus durchspielen und auf deren Relevanz mit eventuell resultierenden Folgen abwägen: • • •
"Wie würden Sie als Kunde auf die Änderung der Marketingstrategie reagieren?" "Welche Veränderungen im Prozessablauf würden Sie als Mitbewerber vornehmen?" "Wie sehen die Mitarbeiter Sie als Führungskraft im Vergleich zu Ihren Kollegen?"
Rhetorische Fragen Sie sind ein Fragemittel, das keine Antwort erwartet, da die Frage selbst bereits die Antwort enthält. Es ist praktisch die Formulierung eines Aussagesatzes als Frage und dient als rhetorisches Stilmittel zur Unterstreichung einer Aussage. Damit können Gespräche und Vorträge aufgelockert und gleichzeitig Spannung erzeugt werden. Der Gesprächspartner oder Zuhörer wird durch den Aussageteil der rhetorischen Frage in die eigene Antwortrichtung manövriert. Gleichzeitig kann er über seine Ansichten nachdenken: • • •
"Unser Projekt wurde erfolgreich realisiert. Welche Auswirkungen hatten die betrachteten Chancen und Risiken auf den Projektverlauf?" "Die Qualität unserer Produkte hat sich deutlich verbessert. Wie konnten wir davon ausgehen, dass sich das Qualitätsproblem aufgrund der vorgeschlagenen Maßnahmen beheben lässt?" "Die Zufriedenheit unserer Mitarbeiter hat sich spürbar erhöht. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass sich das Training für unsere Führungskräfte positiv auswirkt?"
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11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
360
Gegenfragen Sie lassen sich immer dann einsetzen, wenn man entweder gar nicht oder nicht sofort auf eine Frage antworten will oder kann. Von der ursprünglichen Frage des Senders wird auf diese Weise abgelenkt. Dem Empfänger gibt dies Zeit über die Frage und eine mögliche Antwort nachzudenken. Sie sind dann angebracht, wenn die Frage akustisch oder besonders inhaltlich nicht verstanden wurde. Als stilistisches Mittel sind sie sparsam zu verwenden. Häufige Rückfragen können zu unerwünschten Reaktionen führen und zu Widersprüchen reizen: • • • •
Mitarbeiter: Führungskraft: Mitarbeiter: Führungskraft:
11.5
"Könnten wir über die von mir erzielten Ergebnisse diskutieren?" "Welches Interesse verbinden Sie mit dieser Diskussion?" "Welche Möglichkeiten der Weiterentwicklung bieten sich mir?" "Sind Sie mit Ihrer jetzigen Tätigkeit unzufrieden?"
Erfolgreiche Kommunikation im Mitarbeitergespräch
11.5.1 Einführung Offene Kommunikation ist der Schlüssel zur erfolgreichen Zusammenarbeit. Für die Führungskraft sind informelle und formelle Mitarbeitergespräche das Führungsinstrument. Im Unternehmen sind keine zwischenmenschlichen Begegnungen ohne Kommunikation denkbar. Kein Unternehmenskonzept und auch kein wegweisendes Produkt lassen sich ohne Kommunikation entwickeln. Aus einer grundlegenden Gesprächsstruktur heraus muss die Führungskraft ihr aktuelles Gesprächsverhalten der Person, der Sache und der Situation anpassen. Vielfältige Facetten im zwischenmenschlichen Bereich und Umgang untereinander erfordern auch vielfältiges und flexibles Kommunikationsverhalten, um ein Mitarbeitergespräch für alle Beteiligten positiv zu gestalten. Ein erfolgreiches Mitarbeitergespräch sollte möglichst alle Beteiligten zufrieden stellen. Nicht nur der Mitarbeiter, sondern auch die Führungskraft kann Verständnis für ihre Ansichten und Einschätzungen erwarten. Da Selbstbild und Fremdbild, gesendete und empfangene Nachricht niemals deckungsgleich sind, wird es auch immer unterschiedliche Ansichten und Standpunkte geben. Nur durch eine offene Aussprache zwischen Mitarbeiter und Führungskraft lassen sich Probleme und Meinungsverschiedenheiten klären. Offenheit und Ehrlichkeit sind daher mit die wichtigsten Erfolgsfaktoren für ein erfolgreiches Gespräch. Das alltägliche Verhalten der Führungskraft wird das Mitarbeitergespräch maßgeblich beeinflussen. Haben die Gesprächspartner ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zueinander, wird das Gespräch wesentlich einfacher. Hier muss die Führungskraft in Vorleistung treten, da sie für ihre Mitarbeiter eine Vorbildfunktion wahrnimmt. Gegenseitiger persönlicher Respekt zeichnet das beiderseitige Gesprächsverhalten aus. Schließlich soll der Mitarbeiter für eine Idee oder Aufgabe gewonnen werden. Ein überzeugter Mitarbeiter geht motivierter an eine übertragene Aufgabe heran, als ein überredeter. Im Falle einer Anordnung ist das Mitarbeitergespräch von relativ kurzer Dauer. Durch ihre hierarchische Macht übt die Führungskraft eine entsprechende Weisungsbefugnis aus. Aus unternehmerischen Gründen muss dies auch so bleiben. Zahlreiche Ziele und Entscheidungen unterliegen nicht der Mitwirkung des Mitarbeiters und bedürfen auch nicht immer einer Begründung. Alle beschriebenen Facetten kommen im Führungsalltag vor und müssen als Instrumente angewandt werden. Durch das Mitarbeitergespräch werden nicht nur die zwischenmenschlichen Beziehungen geregelt, sondern darüber hinaus auch das Arbeitsklima im Team und das Betriebsklima im Unternehmen beeinflusst.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
361
Ein Mitarbeitergespräch kann aus verschiedenen Anlässen geführt werden. In Abbildung 11.15 sind verschiedene Formen von Mitarbeitergesprächen dargestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Themen der einzelnen Gesprächsarten sich häufig vermengen, da eine scharfe Trennung oft nicht möglich ist. Eine gute Gesprächsstrukturierung erleichtert aber die Durchführung und lässt das jeweilige Gesprächsziel klar erkennen.
Abb. 11.15: Mitarbeitergespräche
Wie jede Aufgabe oder jedes Projekt lässt sich auch ein Mitarbeitergespräch in einzelne Phasen unterteilen. Das in Abbildung 11.16 gezeigte Gesprächsphasenkonzept aus Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung und Erfolgskontrolle lässt sich praktisch auf jedes Gespräch anwenden. Der Umfang und die Tiefe sind selbstverständlich jedem Gesprächstyp anzupassen.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
362
1. Gesprächsvorbereitung
liefert die Grundlage für eine gute
2. Gesprächsdurchführung
zu unterziehen. Damit wird die Basis geschaffen für die nächste
Das Gespräch bedarl einer
und die vereinbarten Maßnahmen sind einer ~
Abb. 11.16: Phasenkonzept eines Gesprächs
11.5.2 Mitarbeiterorientierte GesprächsvorbereitLing Unabhängig davon welche Art von Gespräch konkret geführt wird, laufen Mitarbeitergespräche immer auf zwei Ebenen ab, der Ebene der: • •
Sach- oder Aufgabenorientierung ("Sache"), Mitarbeiter- oder Beziehungsorientierung ("Mensch").
Eine Trennung der beiden Ebenen ist nicht möglich. Versuche, sich auf einen der beiden Aspekte zu beschränken führen regelmäßig bei einem der Gesprächsbeteiligten zu Missstimmungen oder Befindlichkeiten. Eine gute Gesprächvorbereitung ist die Grundlage für einen Gesprächserfolg. Die Verantwortung für das Gespräch sowie das Handeln und Verhalten des Mitarbeiters trägt die Führungskraft. Sie hat daher ihre Gesprächsbeiträge zielorientiert zu formulieren und die Gesprächsvereinbarungen abzusichern. Sie hat besonders auf die verbalen und nonverbalen Gesprächsanteile zu achten. Insbesondere die nonverbalen Anteile machen einen Großteil der Kommunikation aus und entscheiden über Erfolg oder Misserfolg des Gespräches. Wer das nicht berücksichtigt, wird auch mit den besten Sachargumenten scheitern.
Gesprächsanlass oder -typ identifizieren Für alle Gesprächspartner muss der Gesprächsanlass oder -typ klar erkennbar sein. Dann bietet eine beiderseitige gründliche Vorbereitung eine gute Basis für ein erfolgreiches Mitarbeitergespräch (Abb. 11.17). Häufig wird die Bedeutung einer adäquaten Gesprächsvorbereitung enorm unterschätzt. Viele Gespräche leiden unter einer unzureichenden Vorbereitung seitens der Gesprächspartner. Das Gespräch nimmt dann häufig einen nicht gewollten Verlauf.
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363
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Phase 1: Gesprächsvorbereitung 1.1 Situationsanalyse (IST)
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,j.
2 Ebenen
Beziehungsebene ("MENSCH") - soziale Anliegen - personale Anliegen
Sachebene ("SACHE") - fachliche Anliegen - methodische Anliegen
• •
,j. ,j. Wo liegen
"Stärken?"
•
•
....
Wo liegen
"Schwächen?"
• •
•
Wo liegen
Wo liegen
"Stärken?"
"Schwächen?"
+
....
1.2 Gesprächsziele (SOLL) 2 -4 Ziele
•
Ziele auf der Sachebene
+
• •
Ziele auf der Beziehungsebene I
•
I
1.3 Realisierung (MAßNAHMEN)
Lösungsalternativen entwickeln
(mögliche) Maßnahmen identifizieren 2 - 6 Ma nahmen
1.4 Organisation
• Randbedingungen beachten (Ort, Zeit, Dauer, etc.) • Einstimmung auf den Mitarbeiter
Abb. 11.17: Gesprächsvorbereitung
11
364
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Analyse des Gesprächsanlasses Führungskraft und Mitarbeiter müssen einen vergleichbaren Informations- und Kenntnisstand zum Gesprächstyp besitzen. Die Analyse des Gesprächsanlasses geschieht immer auf den beiden Ebenen "Mensch" und "Sache". Die menschliche Ebene enthält persönliche Anliegen und Verhaltensweisen des Mitarbeiters. Im sozialen Anliegen sind die zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Führungskraft und Mitarbeiter einerseits und zwischen dem Mitarbeiter und Kollegen/Lieferanten/Kunden andererseits zu klären. Durch die Analyse seines bisherigen persönlichen Verhaltens lassen sich die zu erwartenden Emotionen des Mitarbeiters besser erkennen. Die sachliche Ebene enthält die fachlichen Anliegen und Leistungen des Mitarbeiters. Seine Fähigkeiten und Kompetenzen sind zu analysieren und zu bewerten. Die methodischen Anliegen beinhalten z.B. seinen Arbeitsstil und seine Effektivität in der Arbeitsorganisation. Die Sachebene steht nie alleine im Zentrum der Analyse und des Mitarbeitergespräches. Es mag vordergründig um die Sache gehen. Sobald es aber zur Sache geht, stehen Emotionen im Blickpunkt. Beim Anerkennungs- und Motivationsgespräch, Beurteilungs- und Personalentwicklungsgespräch nehmen die Persönlichkeit des Mitarbeiters und damit die Ebene "Mensch" einen breiten Raum ein. Die Analyse in den skizzierten Clustern (fachliche, methodische, soziale, personale Anliegen) enthält immer eine Aussage zu den Stärken und Schwächen. Die Analyse umfasst nicht nur den Mitarbeiter, sondern auch den eigenen Standpunkt und das eigene Verhalten als Führungskraft zum Mitarbeiter. Werden in der Vorbereitung die gegenseitigen Vorstellungen und Bedürfnisse erkannt, wird ein weiterer wichtiger Aspekt für das Mitarbeitergespräch identifiziert. Der Führungskraft kommt für die gesamte Vorbereitung und die anschließende Gesprächsdurchführung eine besondere Verantwortung zu, dass sie aus ihrer Führungsposition heraus das Gespräch strukturiert und lenkt. Wenn beide Parteien sich strukturiert auf das Gespräch vorbereiten können, wird es wesentlich effektiver ablaufen. Hatte der Mitarbeiter keine Zeit sich vorzubereiten, wird er in der Gesprächsdurchführung gehemmt und zurückhaltend sein, da er nicht abschätzen kann, was auf ihn zukommt. Seine Abwehrhaltungen lassen das Gespräch zum Monolog werden. Der Mitarbeiter versucht Zeit zu gewinnen; während die Führungskraft versucht, ihn überredet und versucht zu überzeugen. Die Beteiligten reden zwar viel miteinander, kommunizieren aber aneinander vorbei. Es kommt zu einem Schlagabtausch bei zunehmender Sprachlosigkeit. Im Prinzip wird während des Gespräches versucht, die versäumten Vorbereitungen nachzuholen. Das funktioniert jedoch so gut wie nie und führt somit zum Scheitern des Gespräches. Eine gute Situationsanalyse klärt im IstZustand die Gesprächsgrundlagen.
Gesprächsziele festlegen Da ein Mitarbeitergespräch immer einen Zweck verfolgt, sind in einem weiteren Schritt der Vorbereitung die Gesprächsziele festzulegen. Ziele definieren einen zukünftig zu erreichenden SollZustand. Es muss klar definiert werden, was zukünftig erreicht werden soll, wobei die Ziele sowohl auf der Sach- als auch auf der Beziehungsebene liegen können. Als Faustregel sollten nicht mehr als 2 - 4 Ziele vereinbart werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Wesentliche verloren geht und der Mitarbeiter den Kern nicht mehr erkennt. Gesprächsziele tragen dazu bei, dass die Gesprächsdurchführung bewusster gelenkt werden kann.
Potenzielle Maßnahmen identifizieren Um von der analysierten Ist-Situation zum gewünschten Soll-Zustand der Ziele zu gelangen, sind in der Gesprächsvorbereitung seitens der Führungskraft potenzielle Maßnahmen zu entwickeln.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
365
Diese sollen dem Mitarbeiter nicht aufgezwungen werden. Da ein Mitarbeitergespräch niemals so verläuft, wie es sich die Führungskraft bzw. der Mitarbeiter vorstellt, sind verschiedene Möglichkeiten und Optionen zu überdenken. Als Gesprächslenkender kann die Führungskraft den Gesprächsverlauf stärker beeinflussen. Maßnahmen sind die Mittel, um den Weg zum Ziel erfolgreich zu bewältigen. Was machen Sie, wenn ihr Mitarbeiter einsichtig und willens ist, aber selbst keine Vorstellungen hat, wie er das Ziel erreichen kann? Er fragt Sie nach entsprechenden Vorgehensweisen und fordert Unterstützung ein. Müssen Sie dann passen, weil Sie selbst keine Vorstellungen, sprich Maßnahmen haben? Führen Sie kein Mitarbeitergespräch ohne Gesprächsziele und potenzielle Maßnahmen. Dadurch sind Sie als Führungskraft dem Treibsand der verschiedenen Gesprächssituationen besser gewachsen. Sie können sicherer und flexibler den Gesprächsverlauf steuern.
Randbedingungen beachten Nach der inhaltlichen Vorbereitung auf das anstehende Gespräch muss der entsprechende Rahmen geschaffen werden. Anlass und Termin für ein Gespräch werden frühzeitig mit den Betroffenen abgeklärt und festgelegt. Für die Dauer eines guten Mitarbeitergespräches sollten Sie ca. 1 1,5 Stunden ansetzen. Danach ist meistens bei allen Beteiligten die Konzentration zu Ende. Setzen Sie besser ein Folgegespräch an, als dieses Gespräch auf biegen und brechen durchzudrücken. Sie können sonst zuviel verlieren. Denken Sie immer an einen Zeitpuffer, so dass kein Zeitdruck aufkommt, der den Gesprächsverlauf negativ beeinflussen könnte.
Gesprächsplan entwerfen Wurden alle beschriebenen Punkte bearbeitet, sollte die Grundlage für einen guten Gesprächsverlauf gelegt sein. Schwierige Gespräche können es notwendig machen, die gesamten Punkte in einem Gesprächsplan niederzulegen und somit seine Gedanken zusammenzufassen. Er bietet Hilfe für eine strukturierte Gesprächsführung. Der Gesprächsplan darf aber keine Behinderung bei einer notwendigen situationsbedingten, flexiblen Gesprächsführung sein. Er ist eine gute Hilfe zur Erreichung des Gesprächszieles. Aufbauend auf der Gesprächsvorbereitung zum Mitarbeitergespräch kann der Gesprächsplan folgende Stichpunkte beinhalten: 1. 2. 3. 4.
Ziele des Gespräches, Gesprächsinhalte auf Sach- und Beziehungsebene, Argumente mit Pro und Kontra bzw. Stärken und Schwächen, Potenzielle Maßnahmen.
11.5.3 Zielorientierte Gesprächsdurchführung Der Übergang von der Gesprächsvorbereitung zur Gesprächsdurchführung ist immer mit einer emotionalen Seite verbunden. Es sind Menschen, die das Gespräch führen und daher werden sie niemals nur sachlich miteinander kommunizieren können. Es sind immer Emotionen im Spiel. Die Führungskraft muss sich über ihren eigenen emotionalen Standpunkt zum Gesprächspartner und der davon abhängigen Beeinflussung des bevorstehenden Gespräches klar werden. So sollten eventuell vorhandene emotionale Barrieren selbst erkannt werden. Jeder Mensch bedarf der Wertschätzung. Zeigen Sie dem Mitarbeiter Ihre positiven Empfindungen für ihn. Sie überwinden dadurch zwischenmenschliche Distanz und öffnen das Gespräch. Mit negativen Empfindungen gehen Sie entsprechend sensibel um. Der Mitarbeiter muss Sie in Ihrem Führungs- und Gesprächsverhalten als echt und ehrlich erleben. Dadurch geben Sie ihm Sicherheit. Stellen Sie sich als
11
366
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Führungskraft auf die unterschiedlichen emotionalen Stärken Ihrer Mitarbeiter ein. Einem Menschen mit hohem Selbstvertrauen können Sie sicherlich direkter begegnen als einem empfindsamen Mitarbeiter. Als Führungskraft können Sie bei einer sensiblen Gesprächsführung bei Ihren Mitarbeitern sehr viel erreichen. Bei einem unsensiblen Kommunikationsverhalten können sie jedoch selbst den gutwilligsten Mitarbeiter verärgern.
Phase 2: Gesprächsdurchführung
I
Start
I
2.1 Geaprlchseröffnung mit persönlicher Kontaktphese • freundliche Begrüßung • KIInIng der Themen und
Start
GesprtchszIeIe
1 . Bearbeitung der Themen
.
2.2 Sachebene ("SACHE") - Was läuft gut ("Stärken")? - Was lässt sich verbessern ("Schwächen")?
-
0
~
2.3 Beziehungsebene ("MENSCH") - Was läuft gut ("Stärken")? - Was lässt sich verbessern ("Schwächen")?
1
:::J
.!! .Q ca
1
(gemeinsam) Maßnahmen festlegen
In
.c
u
...c.
.
:ca In Q)
(gemeinsam) Maßnahmen festlegen
.
~
Ziel
I
1
Gesprächsende mit freundlicher Verabschiedung
-
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2.4 zusammenfassung -Ziele - Vereinbarungen - Maßnahmen - Termine
I
-
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-
I
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c
Ziel
I
Abb. 11.18: Gesprächsdurchführung
Ein gutes Gespräch und die damit verbundene Gesprächslenkung hat immer eine innere Struktur (Abb. 11.18). Rufen Sie sich während der Gesprächsführung diese Struktur in Erinnerung, damit Sie zielorientiert für alle Beteiligten ein gutes Ergebnis erzielen können.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
367
Gesprächseröffnung mit persönlicher Kontaktphase Beim Treffen der Gesprächspartner ist es wichtig, die richtige Stimmung für das folgende Gespräch zu schaffen. Das Aufeinandertreffen ist auch von Wechselwirkungen auf der emotionalen Ebene geprägt. Es werden erste Antworten und Eindrücke auf die Fragen • •
Mit welchem Menschen unterhalte ich mich? Wie wird er sich heute verhalten und reagieren?
gesucht. Ein guter persönlicher Kontakt erleichtert auch schwierige Gespräche, weshalb der erste Einstieg und Eindruck so wichtig ist. Nach der gegenseitigen Begrü ßung folgen entsprechende Rituale, wie z.B. die Bitte Platz zu nehmen, das Anbieten von Getränken oder ein kleiner Smalltalk. Diese Rituale dienen dazu Spannungen und Unsicherheiten abzubauen, da auf eine einfache, sichere Art und Weise Kontakt aufgenommen wird. Ein leichtes Lächeln und ein freundlicher Blickkontakt begünstigen den Aufbau einer konstruktiven Atmosphäre. Die Beachtung der Körpersprache liefert wertvolle Hinweise über die momentane Befindlichkeit des Gesprächspartners. Als Führungskraft sollten Sie dem Mitarbeiter ein Gefühl der Akzeptanz vermitteln. Machen Sie deutlich, dass Sie ihn als Person und mit seinem Gesprächsanliegen ernst nehmen. Die persönliche Kontaktphase darf nicht zu lange dauern. Insbesondere bei kritischen Gesprächen entsteht sonst leicht der Eindruck, dass sich die Führungskraft vor dem anstehenden Gespräch drückt. Außerdem stünde eine übermäßig lange und freundliche Gesprächseröffnung im krassen Gegensatz zum folgenden Gesprächsinhalt. Abhängig vom Gesprächstyp ist somit die Kontaktphase zu gestalten.
Klärung der Themen und Gesprächsziele Bei diesem Abschnitt handelt es sich um eine Art Vorbereitungsphase zum Einstieg in die Gesprächsthemen. Obwohl die Themen, Gesprächsziele und der zeitliche Rahmen des Gespräches bereits im Vorfeld angesprochen wurden, ist es sinnvoll dies hier nochmals anzusprechen und zu konkretisieren. Es ist überraschend und erstaunlich, was für Veränderungen und Interpretationen zwischen dem Termin der Gesprächsvereinbarung und der praktischen Gesprächsdurchführung ablaufen können. Jetzt bietet sich die Gelegenheit konkret zu klären, was im nachfolgenden Gespräch behandelt werden soll. Sofern es weitere Themen gibt, können diese jetzt aufgenommen und in den zeitlichen Ablauf eingebaut werden. Mit der Klärung der Themen und der Gesprächsziele wird verhindert, dass im Gesprächsverlauf aneinander vorbei geredet wird. Der Mitarbeiter kann zum Gesprächsbeginn - wenn notwendig - seine Wünsche, Erwartungen und Vorstellungen artikulieren.
Bearbeitung der Themen Die Themenbearbeitung ist das Kernelement des Gespräches und nimmt somit auch die meiste Zeit in Anspruch. Sie ist in die beiden Unterpunkte • •
Sachebene und Beziehungsebene
gegliedert. Auf der Sachebene kann und muss der Mitarbeiter Aussagen zu seiner Arbeitsleistung erwarten. In Anerkennung seiner Stärken und SChwächen sind seine Fähigkeiten, Kenntnisse und Kompetenzen zu werten und zu kommentieren. Die Führungskraft muss einerseits klar und deutlich Ihre Erwartungen und die des Unternehmens äußern. Andererseits muss Sie dem Mitarbeiter
11
368
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Gelegenheit geben, eigene Vorstellungen und Ansichten zu äußern. Viele Führungskräfte neigen zum Monolog und versuchen den Mitarbeiter zu überreden. Wie die Erfahrung zeigt, sind die längerfristigen Uberredungserfolge gering. Der Mitarbeiter ist persönlich nicht überzeugt. Für notwendige Veränderungen ist er besonders dann empfänglich, wenn er von sich aus eigene Ideen und Beiträge liefern kann. Tragfähige Veränderungen ergeben sich dann, wenn der Mitarbeiter aus einer inneren Motivation heraus von den notwendigen Veränderungen überzeugt ist. Gemeinsam können Führungskraft und Mitarbeiter dann die notwendigen Maßnahmen auf der Ebene "Sache" festlegen. Schwieriger verläuft das Mitarbeitergespräch auf der Ebene "Mensch". Durch ihr gesamtes Gesprächsverhalten im verbalen und nonverbalen Teil signalisiert die Führungskraft dem Mitarbeiter die Wichtigkeit dieses Bereiches. Viele Führungskräfte, insbesondere wenn sie unsicher sind, neigen zu einem sachorientierten Gespräch. Führungskräfte mit persönlicher Autorität sind für die Beziehungsebene wesentlich zugänglicher. Dies spürt auch der Mitarbeiter. Im Laufe des Gespräches wird er sich öffnen und auf der Beziehungsebene zugänglicher werden. Seitens der Führungskraft erfordert die Ebene "Mensch" erhebliches Fingerspitzengefühl. Der Einfluss dieser Ebene auf den Gesprächserfolg ist größer, als die Gesprächsbeteiligten vielfach erkennen. Wird dem Mitarbeiter ein größerer Gesprächsanteil eingeräumt, so wird das Gespräch von ihm gefühlsmäßig positiver eingestuft. Gelingt es der Führungskraft außerdem den Mitarbeiter mit seinen Vorstellungen und Wünschen in ihre Gesprächslenkung einzubeziehen, wird das Gespräch für alle Beteiligten zufriedenstellend verlaufen. Dann ist auch auf der Beziehungsebene eine Verständigung über festzulegende Maßnahmen leichter möglich.
Gesprächslenkung Trotz einer bis zu diesem Punkt guten und strukturierten Vorbereitung kann es an dieser Stelle auf der Ebene "Sache" und "Mensch" schnell zur Unordnung kommen. Die einzelnen Themen werden von den Gesprächspartnern unterschiedlich angegangen. Während der Eine noch analysiert, macht der Andere bereits Lösungsvorschläge. Die Kunst der Gesprächsdurchführung liegt in der Gesprächslenkung bezüglich der genannten beiden Ebenen. Aktives Zuhören, Absichern des Gesprächsstandes und Sichern von Teilergebnissen sind in diesem Gesprächsabschnitt zwingend notwendig. Eine effektive, zielorientierte Gesprächslenkung ist Aufgabe der Führungskraft. Es liegt in der Natur des Menschen nicht standardisierbar und berechenbar zu sein. Gleiches gilt für ein Mitarbeitergespräch. Eine Gesprächsvorbereitung ist absolut notwendig und sinnvoll. Wie das Gespräch dann in der Realität abläuft, zeigt die sich anschließende praktische Durchführung. Somit kann es auch kein Standardgespräch geben, allenfalls eine vereinheitlichte Gesprächsstruktur. Bei der Durchführung eines Gespräches muss mit Sprüngen zwischen den einzelnen Phasen gerechnet werden. Insbesondere wechselt das Gespräch auch immer wieder zwischen den Ebenen "Sache" und "Mensch". Das ist die Normalität. Die Führungskraft muss bei diesem Wechselspiel darauf achten, das Gesamtbild nicht aus den Augen zu verlieren. Bei der Lenkung des Gespräches muss immer das Gesprächsziel im Auge behalten werden und die einzelnen Gesprächsaspekte sind darauf auszurichten und zielführend zu verknüpfen. Lenkung bedeutet auch immer Kontrolle, Eingriff und Steuerung. In einem Gespräch kann das schnell zu einer einseitigen Angelegenheit werden, falls die Kontrolle von einem Gesprächspartner an sich gerissen wird. Bei der Gesprächslenkung ist eine ausgewogene Balance zwischen der Führungsfunktion seitens des Vorgesetzten und der Beteiligungsfunktion seitens des Mitarbeiters notwendig. Die Balance verteilt sich auf die Gesprächszeit sowie auf die beiden Gesprächsebenen.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
369
Führungskräfte sollten dem Mitarbeiter einen höheren Anteil an der Gesprächszeit einräumen. Sie sollten durch Fragen und aktives Zuhören den Mitarbeiter ermutigen, das Gespräch mitzugestalten und ihn dadurch in die Selbstverpflichtung nehmen. Ob dies gelingt lässt sich an hand verbaler und nonverbaler Aspekte erkennen. Während die verbalen Mitarbeiterbeiträge und seine Meinungen/Standpunkte relativ leicht zu erkennen sind, drückt sich über Mimik, Gestik und Körperhaltung seine Stimmungslage aus. Nonverbale Aspekte bedürfen der besonderen Beobachtung, da sie viel über das Mitarbeiterbefinden aussagen. Ist sich die Führungskraft ihres eigenen verbalen/nonverbalen Kommunikationsverhaltens bewusst, kann sie das Mitarbeitergespräch wesentlich zielorientierter beeinflussen und durchführen. Eine Selbstreflexion hilft die eigene Rolle im Gespräch und deren Bedeutung zu erkennen und somit die eigene Handlungsweise neu zu planen und zu strukturieren. Der Gesprächsfaden geht nicht verloren und das Gesprächsknäuel entwirrt sich. Läuft das Gespräch Gefahr in eine bestimmte Richtung abzudriften bzw. wird eine Ebene im Gesprächsverlauf zu dominant, kann ein Steuerungsimpuls auf der richtigen Ebene einen Ausgleich bewirken. Die Gesprächsinhalte auf Sach- und Beziehungsebene müssen dem Mitarbeiter klar und verständlich wiedergegeben werden. Die Führungskraft muss erkennen und gewährleisten, dass der Mitarbeiter die dargestellten Sachverhalte verstanden hat. Wenn das nicht der Fall ist, reden die Beteiligten aneinander vorbei. Damit sind der gemeinsame Gesprächserfolg und das Gesprächsziel gefährdet. Beteiligt sich der Mitarbeiter offen und konstruktiv am Gespräch, braucht die FÜhrungskraft kaum lenkend einzugreifen. Der Gesprächsanteil des Mitarbeiters erhöht sich quasi von alleine. Bei weitschweifenden oder am Thema vorbeigehenden Gesprächsbeiträgen des Mitarbeiters muss die Führungskraft stärker eingreifen, wodurch die Mitarbeiterbeteiligung sinkt. Durch entsprechende Fragetechniken lässt sich das Gespräch öffnen, lenken und beenden. Erlebt der Mitarbeiter die Führungskraft als authentische Persönlichkeit, wird er sie als überzeugender und kompetenter einschätzen. Die Beteiligten finden dann auch leichter zu gemeinsamen Maßnahmen.
Zusammenfassung der Ergebnisse und Gesprächsende Zum Gesprächsende ist eine Zusammenfassung der Gesprächsergebnisse dringend zu empfehlen. Sie ist für den Gesprächserfolg von größter Bedeutung. Führungskraft und Mitarbeiter können sich an dieser Stelle abschließend vergewissern, dass sie ein gleiches Verständnis bzgl. der getroffenen Vereinbarungen und festgelegten Maßnahmen haben. Es ist erschreckend, wie oft die Beteiligten mit nebulösen und unterschiedlichen Vorstellungen aus einem Gespräch herausgehen. Es muss nochmals klar ausgesprochen werden, welche Folgen und Maßnahmen sich aus dem Gespräch ergeben. Späteren Missverständnissen, Auseinandersetzungen und Konflikten wird so vorgebeugt. Am Ende eines Gespräches steht eine positive Bemerkung seitens der Führungskraft; auch bei spannungsgeladenen Kritikgesprächen. Der Mitarbeiter muss merken, dass er auch weiterhin als Person geschätzt wird. Bedenken Sie, dass Sie mit dem Mitarbeiter auch weiterhin zusammenarbeiten wollen oder müssen.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
370
11.5.4 Nachbearbeitung und Erfolgskontrollen Nachbearbeitung und Erfolgskontrollen umfassen die Dokumentation und das Umsetzen der Ergebnisse (Abb. 11.19). Die Realisierung der getroffenen Vereinbarungen und festgelegten Maßnahmen steht im Vordergrund. Ab einer bestimmten Wichtigkeit des Gespräches oder aufgrund firmeninterner Regelungen ist das Gespräch zu dokumentieren. Dies reicht vom einfachen Gesprächsprotokoll bis zur formalen Vorgabe z.B. bei einer Mitarbeiterbeurteilung. Für die Umsetzung und Erfolgskontrolle ist ein entsprechendes Controllinginstrument nützlich. Legen Sie als Führungskraft regelmäßige Berichtszeiträume fest. Sie zeigen dem Mitarbeiter dadurch die Bedeutung der Aufgaben und nehmen Ihre Führungsaufgabe wahr. Denn für die Zielerreichung der getroffenen Vereinbarungen und Maßnahmen sind letztlich Sie als Führungskraft verantwortlich.
Phase 3: Gesprächsnachbereitung Dokumentation der MaBnahmen und Yerelnb8rungen
1 persönliche Nachbereitung des Gespräches - Was war gut? - Was lAsst sich verbessern?
Phase 4: Erfolgskontrolle Controlling und Kontrolle der lII8nehmen und VereInbarungen • Eratellung ..... ~IchenArbIbpIana
L Vorbereitung für das nächste Gespräch - Schließung des Kreislaufs
Abb. 11.19: Nachbearbeitung und Erfolgskontrollen
11.6
Gesprächstypen im Betriebsalltag
11.6.1 Einführung Mitarbeitergespräche laufen immer nach einem bestimmten Zyklus ab. Vorbereitung, Durchführung, Nachbereitung und Erfolgskontrolle bauen aufeinander auf (Abb. 11.20). Dies ist mit der Situationsanalyse des zugehörigen Themas verknüpft. Aus der Analyse ergeben sich Ziele als anzustrebender Soll-Zustand. Mögliche Lösungen und Maßnahmen fließen in eine Erfolgskontrolle ein. Über diese Schnittstelle sind beide Zyklen • •
Lösungszyklus für eine Aufgabe/ein Thema, Lösungszyklus für ein Gespräch,
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
371
miteinander verknüpft. Diese verknüpfte Gesprächsstruktur findet sich in allen nachfolgenden Gesprächstypen wieder.
2. Gesprächsdurchführung
(GeSpräC~
4. Erfolgskontrolle
( Thema)
2. Ziele
3. Gesprächsnachbereitung
Abb. 11.20: Kreislauf der Mitarbeitergespräche
11.6.2 Aufgabengespräch zum Steuern täglicher Betriebsabläufe Im Betriebsalltag treten immer wieder Situationen auf, die das Kommunikationsverhalten zwischen Führungskraft und Mitarbeiter prägen. Bei diesen Gesprächen über Aufgaben, Probleme und Steuern der täglichen Betriebsabläufe stehen oft die sachlichen Aspekte im Vordergrund. Informationen werden ausgetauscht und Sachverhalte geklärt. Das Aufgabengespräch läuft ohne größere Vorbereitung ab. Trotzdem ist auch hier ein kurzer gedanklicher Einstieg in das Thema und eine Gesprächsstrukturierung anhand der folgenden Fragen sinnvoll (Abb. 11.21). Für die Ist-Situation muss sich die Führungskraft einen Überblick über den aktuellen Stand der Dinge verschaffen, wodurch sich notwendiger Handlungsbedarf rechtzeitig erkennen lässt. Mögliche Ziele im Aufgabengespräch zum Steuern täglicher Betriebsabläufe können sein: • • •
erfassen der aktuellen Aufgabenlage durch die Führungskraft, identifizieren möglicher Probleme und Risiken, beseitigen von Problemen, um Arbeitsergebnisse nicht negativ zu beeinflussen.
Gemeinsam mit dem Mitarbeiter werden die vorliegenden Erkenntnisse bewertet und mögliche Lösungen und Maßnahmen diskutiert und erarbeitet. Der Mitarbeiter ist aufzufordern eigene Vorschläge zu unterbreiten, da er erfahrungsgemäß diese motivierter und mit mehr Eigeninitiative umsetzt. Durch gezielte Rückfragen wird sichergestellt, dass der Mitarbeiter die Aufgabe verstanden hat. Er ist bei der Entwicklung von Lösungsvorschlägen und deren Umsetzung durch die Führungskraft zu unterstützen.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
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Für die Erfolgskontrolle wird mit dem Mitarbeiter ein Termin oder eine Rückmeldung vereinbart. Dadurch kommt die Führungskraft ihren Controllingaufgaben nach und gewinnt ein Leistungsbild über den Mitarbeiter für die nächste Beurteilungsrunde.
IstSituation
• •
Worum geht es bei diesem Thema? Was ist der Gesprächsanlass bzw. Auslöser?
Soll-lZielFunktion
• •
Was will der Gesprächspartner bzw. ich erreichen? Welche Ziele verfolgt jeder von uns?
Lösungen und Maßnahmen
• • •
Wie sehen mögliche Lösungen aus? Bis wann muss die Aufgabe erledigt sein? Welcher Mitarbeiter ist dafür geeignet?
Erfolgskontrolle
• •
Wie sieht die Erfolgskontrolle aus? Wer übernimmt die Erfolgskontrolle?
Abb. 11.21: Aufgabengespräch zum Steuern täglicher Betriebsabläufe
11.6.3 Kontaktgespräch zur Beziehungspflege Das Gegenstück zum Aufgabengespräch für das Steuern täglicher Betriebsabläufe ist das Kontaktgespräch zur Beziehungspflege. Mit einem guten Betriebsklima lässt sich der tägliche Umgang zwischen Führungskraft und Mitarbeiter besser bewerkstelligen. Selbst schwierige Gespräche stehen dann auf einem festeren Fundament und sind leichter durchführbar. Die Möglichkeiten zur Beziehungspflege zwischen Führungskraft und Mitarbeiter sind vielfältig, ohne dass es zu einer Anbiederung kommen muss. Eine der besten Möglichkeiten im Betriebsalltag ergibt sich durch "managment by walking around". Der tägliche Rundgang durch die Abteilung und eine freundliche Begrüßung des Mitarbeiters ist außerdem ein sehr gutes Führungsinstrument. Ein "small talk" reicht aus, um Stimmungen einzufangen und nonverbale Signale wahrzunehmen. Das Kontaktgespräch läuft ohne größere Vorbereitung ab. Ein kurzer gedanklicher Einstieg und eine Gesprächsstrukturierung sind aber auch hier sinnvoll (Abb. 11.22). Ziel des Kontaktgespräches sollte es sein, mehr über seine Mitarbeiter zu erfahren und die Beziehungen zu verbessern. Reflektieren Sie ihre eigene Haltung gegenüber dem einzelnen Mitarbeiter. Sie werden nur das bekommen, was Sie selbst bereit sind zu geben. Bei diesen informellen Beziehungsgesprächen erfahren Sie viel über die Einschätzungen Ihrer Mitarbeiter. Mit der Zeit entwickeln Sie ein besseres Gespür für deren Belange und Leistungen. Nutzen Sie daher die Chancen und Möglichkeiten eines Kontaktgespräches beim "management by walking around".
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
373
Bei Kontaktgesprächen steht ein "Thema" im Vordergrund, jedoch laufen sie überwiegend auf der Beziehungsebene ab. Das Gesprächsthema ist nicht so wichtig, da keine konkreten sachlichen Ziele angesteuert werden. Viel wichtiger sind die nonverbalen Signale und Stimmungen. Hören Sie deshalb dem Mitarbeiter einfach zu. Lassen Sie ihn erzählen. Er wird dies als angenehm empfinden und Sie als Gesprächspartner schätzen.
IstSituation
• • •
Was will mir der Mitarbeiter signalisieren bzw. erzählen? Was will ich heute von mir preisgeben? In welchen Stimmungen befinden wir uns beide?
Soll-lZielFunktion
•
Was will der Gesprächspartner erreichen?
Lösungen und Maßnahmen
• • • •
Was sollte ich tun, um den Kontakt zu verbessern? Welcher Mitarbeiter ist mir gegenüber offener? Welcher ist verschlossener? Warum ist das so?
Erfolgskontrolle
•
Welche Formen der Erfolgskontrolle sind möglich?
Abb. 11.22: Kontaktgespräch zur Beziehungspflege Zeigen Sie aufrichtiges Interesse an den Mitarbeiteräußerungen. Aufgrund Ihrer nonverbalen Körpersignale wird er spüren, ob Sie als Mensch bei ihm sind oder sich nur im Durchflug befinden. Mit offenem Ohr zuhören signalisiert dem Mitarbeiter Interesse. Bei diesen Gelegenheiten erfahren Sie einiges über seine Gedanken, Gefühle, Erwartungen und Einstellungen.
11.6.4 Delegationsgespräch Mit dem Delegationsgespräch wird eine anspruchsvolle Aufgabe an einen Mitarbeiter übertragen. Die Delegation stellt eine Anerkennung für den Mitarbeiter dar, da ihm mit der Aufgabenübertragung die erfolgreiche Bewältigung zugetraut wird. Gleichzeitig überträgt die Führungskraft zur Erfüllung der Aufgabe einen Teil ihrer Verantwortung und Entscheidungsbefugnis auf den Mitarbeiter. Mit der Delegation muss ein laufender, gegenseitiger Informationsaustausch verbunden sein. Die höhere Verantwortung des Mitarbeiters sorgt für bessere Ergebnisse und höhere Akzeptanz der vorgeschlagenen Lösungen. Im Rahmen des Delegationsgespräches überträgt die Führungskraft zwar Kompetenzen auf den Mitarbeiter, jedoch verbleibt die Gesamtverantwortung bei ihr. Sie hat für Erfolge und mehr noch für Misserfolge gerade zu stehen. Von daher erfordert ein Delegationsgespräch eine sorgfältige Vorbereitung. Die Rahmenbedingungen bzgl. • • • •
Aufgabenorganisation (Beteiligte, Verantwortung, Kompetenzen), Ressourcen (Materialien, Maschinen, Personal, Finanzen), Recht (Vorschriften, Weisungsbefugnis), Erfolgskontrolle (Ergebnis, Termine)
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
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müssen beachtet werden. Mit den bereits mehrfach verwendeten vier Schritten ergibt sich auch für ein Delegationsgespräch eine Reihe von Fragen (Abb. 11.23). Die Delegation einer Aufgabe kann sowohl Sachziele als auch Personalentwicklungsziele für den Mitarbeiter umfassen. Im Delegationsgespräch wird deutlich formuliert welche Sachziele mit der Aufgabe verbunden sind und welche Bedeutung die übertragene Aufgabe für das Unternehmen hat. Die Delegation einer Aufgabe kann auch mit einem persönlichen Entwicklungsziel für den Mitarbeiter verbunden sein. So stehen eventuell Entwicklungsmöglichkeiten in der Fach-, Projektoder Führungslaufbahn an. Alle Ziele sind zwischen Führungskraft und Mitarbeiter zu klären und durch Nachfragen zu präzisieren.
IstSituation
Soll-lZielFunktion
• • •
Welche Aufgabe soll delegiert werden? Über welche Kompetenzen verfügt der Mitarbeiter? Wie ist seine bisherige Auslastung?
• •
Welche Ziele werden mit der Aufgabendelegation verfolgt? Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Zielerreichung für den Mitarbeiter? Welche Konsequenzen ergeben sich für die FÜhrungskraft, wenn die Ziele nicht erreicht werden?
•
Lösungen und Maßnahmen
• •
Welche Freiräume werden dem Mitarbeiter zur Lösungsfindung eingeräumt? Wie kann er die notwendigen Maßnahmen realisieren?
Erfolgskontrolle
•
Wie sieht die Erfolgskontrolle aus?
Abb. 11.23: Delegationsgespräch Der Austausch persönlicher Sichtweisen und möglicher Lösungsansätze kann neue Perspektiven eröffnen. Im Delegationsgespräch sollte sich die Führungskraft jedoch nicht zu frühzeitig festgelegt werden. Lösungsoptionen sind offen zu gestalten. Es ist dem Mitarbeiter klar zu machen, dass er Lösungsalternativen zu entwickeln und vorzuschlagen hat. Zusammen mit dem Mitarbeiter wird die Vorgehensweise zur Zielerreichung diskutiert. Mit der Festlegung von Meilensteinen werden Zwischenergebnisse abgesichert. Machen Sie dem Mitarbeiter deutlich, dass hier die verschiedenen Lösungsansätze diskutiert und Maßnahmen festgelegt werden. Manchmal versucht der Mitarbeiter aus den verschiedensten Gründen die Aufgabe an die Führungskraft rückzudelegieren. Solche Versuche sind bereits im Delegationsgespräch höflich aber bestimmt auszuschließen. Machen Sie dem Mitarbeiter klar, dass Sie zur Unterstützung zur Verfügung stehen, er jedoch die delegierte Aufgabe lösen muss.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
375
Ein wichtiger Faktor in der Mitarbeiterführung und dem Aufgabencontrolling ist eine effiziente Erfolgskontrolle. Im Delegationsgespräch muss allen Beteiligten klar sein, anhand welcher Faktoren das angestrebte Ziel und die erreichten Ergebnisse bestimmt werden. Im Zuge eines die Aufgabe begleitenden Projektmanagements werden konkrete Berichtszeiträume mit den zugehörigen Ergebnissen festgelegt. Die notwendigen Kontrollen dienen dem vorbeugenden Risikomanagement und der Aufgaben-/Projektsteuerung. Die erfolgreiche Aufgabenrealisierung ist eine gemeinsame Leistung aller Beteiligten. Für den Mitarbeiter ist die erfolgreiche Bewältigung der delegierten Aufgabe einer der größten Motivationsfaktoren.
11.6.5 Anerkennungs- und Kritikgespräch Anerkennung und Kritik liegen nahe beieinander, da sie zwei Seiten einer Medaille sind. Die Führungskraft wirkt nur dann glaubwürdig, wenn sie in der Lage ist, neben Anerkennung auch konstruktive Kritik richtig auszudrücken. Da Anerkennung emotional positiv besetzt ist, Kritik dagegen negativ, empfinden viele Führungskräfte das Führen von Kritikgesprächen als unangenehm und schwierig. Viele Führungskräfte halten sich deshalb selbst in eindeutigen Situationen mit Kritik zurück, wodurch sie beim Mitarbeiter ein Stück Glaubwürdigkeit verlieren. Viele Mitarbeiter wissen nicht, was ihre Führungskräfte über ihre Arbeitsleistungen denken. Dabei beruhen Anerkennung und Kritik auf einem Soll-1st-Vergleich der vom Mitarbeiter erbrachten Leistungen. Bei Übererfüllung der vereinbarten Leistungen ist ein Lob seitens der Führungskraft angebracht. Werden die erwarteten Leistungen nicht erbracht sind in einem Kritikgespräch die Gründe zu hinterfragen und Gegenmaßnahmen einzuleiten. Wie für jedes Mitarbeitergespräch ist auch für das Anerkennungs- und Kritikgespräch eine gute Vorbereitung der Schlüssel zum Erfolg (Abb. 11.24). Ein Anerkennungs- und Kritikgespräch bedarf einer sorgfältigen Gesprächsvorbereitung. In der Analyse der Ist-Situation sind die Stärken und Schwächen des Mitarbeiters sowohl auf der Sachals auch auf der Beziehungsebene zu analysieren. Sowohl für die positiven Abweichungen (Anerkennung) als auch für die negativen Abweichungen (Kritik) müssen die Gründe und Ursachen identifiziert werden. Sie sind im eigentlichen Gespräch zu begründen, klar zu stellen und mit entsprechenden Maßnahmen zu versehen. Mit der entsprechenden Klarheit seitens der Führungskraft weiß der Mitarbeiter nach dem Gespräch wo er steht. Es müssen Aussagen gemacht werden, in welchen Sach- bzw. Beziehungspunkten außerordentliche Leistungen erbracht oder Fehlverhalten beobachtet wurde. Die Führungskraft kommt so einer ihrer wichtigsten Führungs- und Informationsfunktionen nach. Zum Abschluss des Gespräches muss der Mitarbeiter in der Lage sein, in einem Soll-1st-Vergleich seine Leistungsfähigkeit realistischer einschätzen zu können. Rechtzeitiges Feedback über die erbrachten Leistungen hilft positives Verhalten zu stabilisieren und zu entwickeln. Fehlverhalten wird dagegen zu einem möglichst frühen Zeitraum bereits ein Riegel vorgeschoben. Ziel eines Anerkennungs- und Kritikgespräches ist es, die zukünftige Arbeitsweise des Mitarbeiters in der angestrebten Richtung zu beeinflussen. Mit dem Anerkennungsgespräch wird eine Rückmeldung über die erbrachte Leistung gegeben. Damit soll die Leistungsbereitschaft aufrechterhalten und dem Mitarbeiter Motivation mit auf den Weg gegeben werden. Ziel eines Kritikgespräches sollte sein, Einsicht beim Mitarbeiter bezüglich der Abweichungen zu erreichen. Die Basis für die weitere zukünftige Zusammenarbeit ist zu erhalten, die Grundmotivation zu festigen und künftige Fehler sind zu vermeiden. Ein Kritikgespräch bietet dem Mitarbeiter Orientierung und sollte die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Führungskraft stärken, um dadurch die Arbeitsleistung zu verbessern.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
376
In einem Anerkennungs- und Kritikgespräch müssen als Gesprächsziel immer beide Seiten betrachtet werden. Es ist wichtig, bei einem Kritikgespräch stets auch die positiven Dinge hervorzuheben. Der Mitarbeiter will es beim nächsten Mal besser machen. Dass fehlende Anerkennung zur Demotivation führen kann, sollte hinlänglich bekannt sein. Selbst bei Spitzenleuten findet sich immer wieder ein Potenzial, das sich verbessern lässt. Die Auswirkungen des Anerkennungs- und Kritikgespräches können das Selbstbild des Mitarbeiters stark prägen. Sowohl Anerkennung als auch Kritik können leistungssteigernd und motivierend sein. Mit wohldosiertem Lob ist diese Wirkung recht einfach herbeizuführen. Falsch ausgedrückte Kritik birgt immer das Risiko in sich demotivierend zu wirken. Abhängig von der Persönlichkeit des Mitarbeiters sind die Art und der Umfang der Kritik anzupassen. Auf ängstliche Personen wird sich deutliche Kritik eher hemmend auswirken, während bei einem selbstbewussten Mitarbeiter eher deutliche Worte zu einer Erhöhung seiner Anstrengungen führen.
• IstSituation
• • •
•
Welche besonderen/unzureichenden Leistungen hat der Mitarbeiter erbracht? Welche Schwierigkeiten hat er überwunden und Handlungsinitiativen gezeigt? Welche Unzulänglichkeiten in der Arbeit und im Verhalten treten öfters auf? War es eine einmalige oder regelmäßig wiederkehrende Situation?
•
Welche Ziele werden mit dem Anerkennungs- und Kritikgespräch verfolgt? Welche Motivationsfunktion ist mit dem Gespräch verbunden?
Lösungen und Maßnahmen
• • •
Welche zukünftigen Aufgaben kann der Mitarbeiter übernehmen? Welche Konsequenzen sind zu ziehen? Wie sehen Selbst- und Fremdbild des Mitarbeiters aus?
Erfolgskontrolle
• •
Was hat sich am Verhalten des Mitarbeiters geändert? Welche Leistungen wurden gegenüber der Vergangenheit gesteigert?
Soll-lZielFunktion
Abb. 11.24: Anerkennungs- und Kritikgespräch Dies muss einer guten Führungskraft bekannt und bewusst sein, um die jeweiligen Schwachpunkte gezielt entwickeln zu können. Dazu gehört ein gewisses Maß an Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen. Mehr noch als die fachlichen Qualitäten machen gerade diese Aspekte eine gute Führungspersönlichkeit aus. Anerkennung und Kritik sind daher personenspezifisch auf die richtige Art und Weise anzusprechen, da ansonsten ein Kritikgespräch relativ schnell zu einem Versagensund Minderwertigkeitsgefühl führen kann.
11
377
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Nach Abschluss des Gespräches sollten das Selbstbild des Mitarbeiters und das Fremdbild durch die Führungskraft möglichst deckungsgleich sein. Es ist besser den Mitarbeiter sich selbst zuerst beurteilen zu lassen. Viele Menschen sind in einer offenen Situation sich selbst gegenüber viel kritischer. In der Regel kennen sie ihre eigenen Mängel genau. Somit ist und bleibt Selbsterkenntnis und -steuerung immer auch der Weg zur Verbesserung kritischer Situationen. Für eine weitere Erfolgskontrolle müssen eindeutige Ziele auf der Sach- und Beziehungsebene vorliegen. Der Mitarbeiter muss aus dem Gespräch heraus klar erkennen, wie seine Leistungen und sein Verhalten zukünftig bewertet werden. Als seine Führungskraft tragen Sie auch eine Mitverantwortung für die Leistungen des Mitarbeiters. Sie sollten sich daher fragen, wie Sie in der Vergangenheit den Mitarbeiter geführt haben und was Sie diesbezüglich zukünftig ändern möchten. Unterstützen Sie den Mitarbeiter in seiner Entwicklung und geben Sie ihm rechtzeitig Anerkennung und Kritik bzgl. seiner Leistungen und seines Verhaltens.
11.6.6 Leistungsgespräch Vielfach werden • • •
Zielvereinbarungsgespräch, Beurteilungsgespräch, Personalentwicklungsgespräch
als eigenständige Gesprächstypen betrachtet. Sie hängen jedoch in einem festen Gesprächskreislauf zusammen (Abb. 11.25) und können daher nur zusammen betrachtet werden.
2. BeurteIlungsgespräch
4. Erfolgskontrolle
Abb. 11.25: Kreislauf im Leistungsgesprach
3. Personalentwicklungsgespräch
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
378
Im ersten Teil "Zielvereinbarungen" werden mit dem Mitarbeiter Ziele identifiziert und vereinbart. Die Ziele sind genau zu formulieren, da sonst ungenaue Aussagen getroffen, Lösungen entwickelt und Maßnahmen umgesetzt werden. Im zweiten Teil "Beurteilungen" gibt die Führungskraft dem Mitarbeiter einen Eindruck davon, wie sie ihn einschätzt und wo Abweichungen vom Ziel und den erwarteten Leistungen aufgetreten sind. Eine objektive Beurteilung ist nur möglich, wenn anhand von Kriterien ein Soll-1st-Vergleich durchgeführt werden kann. Im dritten Teil "Personalentwicklung" geht es um die systematische Weiterentwicklung des Mitarbeiters. Die sich innerhalb des Unternehmens bietenden Möglichkeiten der vertikalen und horizontalen Mitarbeiterentwicklung werden diskutiert und zwischen Führungskraft und Mitarbeiter abgeglichen. Dabei kann von jedem Mitarbeiter gefordert werden, sich auch außerhalb der Arbeitszeit weiterzubilden. Das Leistungsgespräch mit seinen Bestandteilen Zielvereinbarung, Mitarbeiterbeurteilung und Personalentwicklung ist immer schriftlich festzuhalten. Im Zuge der Erfolgskontrolle sind in regelmäßigen Gesprächen der Fortschritt und die Zielerreichung zu überprüfen und zu steuern. Eventuell sind die vereinbarten Ziele und Maßnahmen anzupassen. Für die Vorbereitung und Durchführung eines Leistungsgespräches sind eine Reihe von Fragen sinnvoll (Abb. 11.26).
IstSituation
• • • • •
Soll-lZielFunktion
• • •
Über welche Kompetenzen verfügt der Mitarbeiter? Wie hat er die ihm übertragenen Aufgaben erledigt? Durch welche Eigenschaften ist der Mitarbeiter positiv oder negativ aufgefallen? Wie ist die bisherige Entwicklung des Mitarbeiters im Unternehmen verlaufen? Welche Entwicklungspotenziale hat der Mitarbeiter? Welche Ziele sind sinnvoll zu vereinbaren? Welche Kriterien lassen sich für eine Zielerreichung und Leistungsbewertung aufstellen? Welche Konsequenzen ergeben sich aus der (Nicht-)Erreichung der Ziele?
Lösungen und Maßnahmen
• • •
Welche Kompetenzen sind mit welchen Maßnahmen zu entwickeln? Welchen Eigenbeitrag liefert dazu der Mitarbeiter? Welche generelle Unterstützung muss gegeben werden?
Erfolgskontrolle
• • •
Wie wird die Zielerreichung und Mitarbeiterentwicklung gesteuert? Welche Konsequenzen ergeben sich für die nächste Zeitperiode? Welche regelmäßigen Gespräche sind sinnvoll?
Abb. 11.26: Leistungsgespräch
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
379
Zielvereinbarungen In einem Zielvereinbarungsgespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter stehen unternehmerische Zielvorgaben und die davon abgeleiteten Einzelziele im Mittelpunkt (Abb. 11.27). Durch die Zielformulierung lassen sich in der Realisierungsphase Arbeitsfortschritte deutlicher erkennen. Das angestrebte Ergebnis bleibt immer im Fokus des Geschehens. Zielvereinbarungen sind immer mit Beurteilungskriterien zu hinterlegen. Nur dann kann in einer nachfolgenden Erfolgskontrolle eine objektivere Bewertung abgegeben werden. In einem laufenden Soll-1st-Vergleich kann die gemeinsame Zielvereinbarung dem Mitarbeiter bei der Aufgabendurchführung mehr Selbstständigkeit ermöglichen. Je stärker der Mitarbeiter in die Zielformulierung einbezogen wird, umso höher wird die Akzeptanz und Selbstmotivation sein. Zielvereinbarungen lassen sich in aufgabenbezogene und personenbezogene Ziele unterteilen. Bei aufgabenbezogenen Zielen kann anhand von Fakten, Zahlen, Terminen der Zielerreichungsgrad relativ leicht gemessen werden. Im TZI-Dreieck beschränken sie sich auf die Sachebene.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
380
Leistungsgespräch Teil 1: Zielvereinbarungen Mitarbeiter:
Pers.-Nr.:
Führungskraft:
Pers.-Nr.:
Ziele und Aufgaben
•
Tätigkeitsschwerpunkte und Zielvereinbarungen
•
Kriterien für die Zielerreichung und Ergebnisbewertung
•
Verfügbare Ressourcen
•
einzuhaltende Rahmenbedingungen
•
Erfolgskontrolle
Termine und Prioritäten
11
Abb. 11.27: Leistungsgespräch Teil 1: Zielvereinbarungen
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
381
Verhaltensbezogene Ziele sind auf der Beziehungsebene anzusiedeln. Sie sollen dem Mitarbeiter in der Zusammenarbeit mit Kollegen, Lieferanten, Kunden helfen, seine Aufgaben effektiver zu erfüllen. Sowohl aufgaben- als auch personenbezogene Ziele sind letztlich Bestandteile der persönlichen Entwicklung des Mitarbeiters. Sowohl Führungskraft als auch Mitarbeiter sollten gut vorbereitet in das Zielvereinbarungsgespräch gehen, da dieses normalerweise einen Zeitraum von einem Jahr abdeckt. Bei der Führungskraft kommt hier eine höhere Verantwortung zum tragen. Sie muss klar formulieren und artikulieren können: • • • •
welche welche welche welche
Ziele zu vereinbaren sind, Bewertungskriterien zugrunde liegen, Prioritäten zu setzen sind und Konsequenzen sich aus der (Nicht-)Erreichung ergeben.
Mitarbeiterbewertung Im Beurteilungsgespräch werden die Arbeitsleistung und die bisher erzielten Ergebnisse diskutiert, um aus den gesammelten Erfahrungen für die Zukunft zu lernen. Die Analyse des Arbeitsverhaltens und dessen Bewertung ist von der Führungskraft mit der notwendigen Sorgfalt durchzuführen. Dies kann anhand eines festgelegten Bewertungsbogens oder in freier Form geschehen (Abb. 11.28). Wichtig bei der Analyse und Bewertung ist es, nach vollbrachter Leistung und noch vorhandenem Potenzial zu beurteilen. Bei der Potenzialbeurteilung steht die Überprüfung weiterer herausfordernder Aufgaben und Positionen, für die der Mitarbeiter geeignet ist, im Mittelpunkt. Wenn bei der Beurteilung Leistung und Potenzial nicht getrennt betrachtet werden, besteht die Gefahr, dass der Mitarbeiter immer weiter befördert wird. Letztlich erreicht er eine Position, für die seine Fähigkeiten und Qualifikationen nicht mehr ausreichend sind. Als wichtigstes Ziel für den Mitarbeiter im Beurteilungsgespräch ist die Rückmeldung durch die Führungskraft anzusehen. Zwar haben im Laufe des Beurteilungszeitraumes von normalerweise einem Jahr immer wieder verschiedene Kontakte und Gespräche stattgefunden. Hier bekommt der Mitarbeiter jedoch eine zusammenfassende Bewertung über einen längeren Zeitraum. Ihm bietet sich die Möglichkeit abseits des Alltagsgeschäftes seine persönlichen Sichtweisen darzulegen und gegebenenfalls vorhandene Probleme bzw. Verbesserungsmöglichkeiten in Arbeitsprozessen zu schildern. Im Zuge eines offenen und vertrauensvollen Gespräches kann der Mitarbeiter seiner Führungskraft auch eine Rückmeldung über ihren Führungsstil und -verhalten geben.
Personalentwicklung Um die Entwicklung des Mitarbeiters zielgerichtet zu fördern, muss eine Kompetenzanalyse durchgeführt werden. Nur dann lässt sich ermitteln, welche Fähigkeiten weiter ausgebaut werden sollen. Auf der Grundlage der vier Kompetenzfelder: • • • •
personale Kompetenzen, Sozial- und Führungskompetenzen, methodische Kompetenzen, fachliche und unternehmerische Kompetenzen,
kann stetig aufgebaut werden. Liegt der Interessensschwerpunkt auf fachlich-unternehmerischen Kompetenzen, ergeben sich Personalentwicklungsmöglichkeiten in Richtung einer Fachlaufbahn oder Projektlaufbahn.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
382
Leistungsgespräch Teil 2: Mitarbeiterbewertung Führungskraft und Mitarbeiter diskutieren Stärken und Verbesserungsmöglichkeiten anhand konkreter Situationen und Zielvereinbarungen. Ziel ist eine individuelle Rück· meldung zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. Die Gewichtung erfolgt anhand einer neunstufigen Skala
DJ
[!] [!] [i] [!] [!] [l] [!] [!]
niedrig
mittel
hoch
Arbeitsverhalten des Mitarbeiters Punkte können z.B. sein • Leistungsbereitschaft und Vorbildfunktion • internes/externes kundenorientiertes Verhalten • wirtschaftliches und unternehmerisches Denken und Handeln • Grad der Zielerreichung bzw. Aufgabenerfüllung
• •
Maßnahmen zur Verbesserung des Arbeitsverhaltens
• • • Führung und Zusammenarbeit Diskussion und Einschätzung der Mitarbeiterzufriedenheit • zwischen Mitarbeiter und FÜhrungskraft • innerhalb des Teams • zu anderen Abteilungen und Bereichen • bzgl. Lieferanten und Kunden
• •
Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit
•
• •
Abb. 11.28: Leistungsgespräch Teil 2: Mitarbeiterbewertung
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
383
Wird vom Mitarbeiter eine berufliche Weiterentwicklung in seinem speziellen Fachgebiet gewünscht, kann dies mit schwierigeren Aufgaben und herausfordernden Tätigkeiten verknüpft werden. Neben einer fachspezifischen Weiterbildung bietet sich auch eine Personalentwicklung im methodischen Kompetenzfeld an.
Leistungsgespräch Teil 3: Personalentwicklung Mitarbeiter und Führungskraft entwickeln Vorstellungen über die berufliche Entwicklung und legen dafür Personalentwicklungsmaßnahmen fest. Mitarbeiterkompetenzen Fremd- und Selbsteinschätzung seitens Führungskraft und Mitarbeiter • personale Kompetenzen • soziale Kompetenzen • methodische Kompetenzen • fachliche Kompetenzen
Vorstellungen zur beruflichen Entwicklung aus Sicht Führungskraft
Mitarbeiter
Personalentwicklungsmaßnahmen
• • • • • Unterschriften
Datum
Mitarbeiter
Abb. 11.29: Leistungsgespräch Teil 3: Personalentwicklung
Führungskraft
11
384
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
Wird verstärkt eine Projektlaufbahn eingeschlagen, müssen methodische und soziale Kompetenzen gefördert werden. Im Gegensatz zur Fachlaufbahn sind die Entwicklungsmöglichkeiten breiter aufgestellt, da ein Projektleiter auch noch über gute Fachkenntnisse verfügen muss. In Richtung einer Führungslaufbahn sind insbesondere Führungskompetenzen sowie personale und methodische Kompetenzen als Basisanforderungen auszubauen. Ohne ausreichende Managementfähigkeiten besteht die Gefahr einer ziellosen Führung, die zu einem unternehmerischen Scheitern führen kann. Potenzielle Führungskräfte müssen daher auch unternehmerisch denken und handeln können. Durch den Personalentwicklungsteil im Leistungsgespräch (Abb. 11.29) erhält der Mitarbeiter von der Führungskraft eine Rückmeldung über seinen Entwicklungsstand und seine Entwicklungsmöglichkeiten in Form eines Fremdbildes. Damit kann er sich Klarheit über seine eigene Entwicklung verschaffen und durch den Vergleich mit seinem Selbstbild seine eigenen Wünsche und Vorstellungen abgleichen. Es wird ihm so eine Orientierung zur beruflichen Weiterentwicklung im Unternehmen gegeben. Ein nennenswerter Eigenbeitrag des Mitarbeiters, indem z.B. ein Teil der Entwicklungsmaßnahmen in seiner Freizeit durchgeführt wird, ist einzufordern.
11.6.7 Konfliktbewältigungsgespräch In einem Konflikt treffen entgegengesetzte Interessen, Motive oder Meinungen aufeinander. Diese Interessensgegensätze können zwischen verschiedenen Parteien (Mitarbeiter - Mitarbeiter; Führungskraft - Mitarbeiter; Kunde - Mitarbeiter) auftreten. Da auftretende Konflikte oder Meinungsverschiedenheiten das Arbeitsklima belasten, muss die Situation möglichst schnell geklärt werden. Bei einer Auseinandersetzung gibt es keine eindeutigen Schwarz-Weiß-Situationen. In den seltensten Fällen befindet sich eine Partei im Recht und die andere im Unrecht. Meistens versuchen beide Parteien ihre Sichtweise als die Richtige zu vertreten. Um die eigenen Interessen durchsetzen zu können, wird versucht die Gegenpartei mit (un)lauteren Mitteln zu schwächen. Eine Lösung ist nur möglich, wenn beide Seiten zu einer fairen Auseinandersetzung bereit sind und sich auf eine akzeptable Lösung einlassen möchten. Ist die Auseinandersetzung zwischen den Parteien festgefahren, lässt sich die Situation ohne einen neutralen Dritten nicht klären. Seine Hauptaufgabe besteht darin, die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien wieder in Gang zu bringen. Konflikte sind immer mit Emotionen verbunden. Aufgrund von (Vor)Urteilen wird (vor)schnell verallgemeinert und emotional argumentiert. Aus Mimik, Gestik und Körperhaltung lässt sich auf den inneren Spannungszustand schließen. Kommunikationsfilter vermindern die Fähigkeit zum Zuhören und zur sachlichen Argumentation. Aufgeregt und hektisch wird den Emotionen freien Lauf gelassen. Lange zurückliegende Situationen und aufgestaute Vorgänge werden durch einen an sich unbedeutenden Vorgang ausgelöst. Jetzt wird dem Anderen alles heimgezahlt. Sinnvoll ist ein Konfliktbewältigungsgespräch nur, wenn beide Parteien damit einverstanden sind. Sie müssen die Bereitschaft mitbringen, sich zu öffnen und zu einer Lösung zu finden. Gegenüber den Konfliktparteien muss der Gesprächsleiter eine neutrale Position einnehmen. Er darf keine Partei ergreifen und muss die Funktion eines Schiedsrichters ausüben. Ist die Führungskraft selbst Konfliktbeteiligter, wird die Lösung schwieriger. Insbesondere dann, wenn sie selbst im Unrecht ist. Machtworte tragen nicht unbedingt zu einer Lösung bei. Persönliche Größe zeigt sich hier in einer Unvoreingenommenheit gegenüber dem Mitarbeiter und der Fähigkeit zur Selbstkritik. Von allen Gesprächstypen braucht das Konfliktbewältigungsgespräch die beste Vorbereitung. Schwierig sind solche Gespräche allemal. Ohne gute Vorbereitung werden sie noch schwieriger und eher scheitern (Abb. 11.30).
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
IstSituation
• • • • •
Was ist der Auslöser für den Konflikt? Welche sachlichen Differenzen liegen vor? Wie stehen die Konfliktparteien auf der Beziehungsebene zueinander? Welche Interessen werden verfolgt? Welche aktuellen Konsequenzen ergeben sich?
Soll-lZielFunktion
• •
Welche Regeln sind zu vereinbaren und einzuhalten? Wie soll der Gesprächs- und Informationsfluss aufrecht erhalten werden?
Lösungen und Maßnahmen
• • • •
Wie könnte eine beidseitig akzeptable Lösung aussehen? Welche gemeinsamen Interessen gibt es? Welche Maßnahmen sind auf der Sachebene zu ergreifen? Was muss getan werden, um die Beziehungsseite zu verbessern?
Erfolgskontrolle
• •
Wie sieht der weitere Umgang der Konfliktparteien aus? Welche Zwischenbilanz kann nach einer gewissen Zeit gezogen werden?
385
Abb. 11.30: Konfliktbewältigungsgespräch
Bei länger schwelenden Konflikten sind vorab Einzelgespräche nützlich. Hier kann festgestellt werden, von welcher Basis die Beteiligten ausgehen. Den Parteien muss klar gemacht werden, dass eine gemeinsame, beidseitig akzeptable Lösung ein Ziel des Konfliktbewältigungsgespräches ist. Andernfalls muss über personelle Konsequenzen nachgedacht werden. Der Gesprächsleiter kann sich so einen Überblick über die Situation verschaffen und sich auf das gemeinsame Gespräch vorbereiten und diesem eine Struktur geben. Die Konfliktbeteiligten können auch ein Konflikttagebuch anfertigen. Sie haben hier die Möglichkeit ihre Gedanken und Ansichten zu ordnen und nieder zu schreiben. Je nach Heftigkeit der Auseinandersetzung ist das Konfliktbewältigungsgespräch in mehrere kleinere Gespräche aufzuteilen. Selten gelingt es in einem einzigen Gespräch sowohl auf der Sachals auch auf der Beziehungsebene eine Lösung zu finden. Außerdem können die Konfliktparteien zwischen den Gesprächen den bisherigen Gesprächsverlauf rekapitulieren und sich eigene Lösungsvorschläge überlegen. Der Gesprächsleiter achtet streng auf die einzuhaltenden Regeln. Er erläutert die Vorgehensweise, das Ziel des Gespräches und seine Rolle im Prozess. Die einzelnen Parteien schildern ihre Sichtweise der Dinge und ihr persönliches Erleben bzw. Befinden. Die Schilderung der Ausgangslage wird ohne Unterbrechung der Gegenpartei zugelassen. Die Beiträge werden bis zum Ende angehört. Danach sind Verständnisfragen möglich. Eine Rechtfertigung des eigenen Verhaltens ist nicht angebracht. Wenn beide Seiten sämtliche Fakten, ihre Sichtweisen und Emotionen offen dargelegt haben, werden alle Konfliktpunkte bearbeitet. Die einzelnen Aspekte werden zu Themenkreisen geordnet, offene Fragen und Missverständnisse geklärt.
11
11 Kommunikation und Mitarbeitergespräche
386
Es ist sinnvoll und zielführend zuerst "Sachaspekte" und danach "Beziehungsaspekte" zu behandeln. Sachaspekte lassen sich leichter unabhängig von der Person betrachten und lösen. Beide Parteien äußern ihre Lösungsideen und verabreden notwendige Maßnahmen. Außerdem werden Spielregeln für den weiteren Umgang miteinander vereinbart. Über eine Erfolgskontrolle mit einzelnen Kontrollschritten und Zwischenbilanzen lässt sich feststellen, ob sich die Zusammenarbeit und das Arbeitsklima normalisieren. Der einstige Konflikt rückt zusehends in den Hintergrund. In einem Konfliktbewältigungsgespräch sind die Sach- und Beziehungsebene immer sehr eng miteinander verbunden. Sobald die Beziehungsebene gestört ist, ist eine konstruktive Kommunikation auf der Sachebene nicht mehr möglich. Nur wenn die Beziehungsebene gepflegt wird, ergeben sich größere Chancen den Konflikt sachlich zu lösen. Von daher müssen die Interessen der Konfliktparteien auf beiden Ebenen analysiert werden. Je größer die Störungen auf der Beziehungsebene sind, umso unwahrscheinlicher wird eine sachliche Lösung für alle Beteiligten. Ein häufig begangener Fehler ist dabei der Gesichtsverlust einer Konfliktpartei. So etwas sollte niemals passieren, da dies bleibende Verletzungen hinterlässt und nur auf die Gelegenheit zum Gegenschlag gewartet wird. Verwandt mit einem Konfliktbewältigungsgespräch ist ein Beschwerdegespräch. Hier liegt ein Konfliktherd vor, der sich noch relativ leicht auf der Sachebene lösen lässt. Beschwerden sind Störungen im Betriebsablauf, die die Führungskraft ernst nehmen sollte. Bei berechtigten Beschwerden kann der Mitarbeiter eine Abhilfe erwarten. SChwieriger zu lösen sind unberechtigte Beschwerden. Hier ist die Sichtweise des Mitarbeiters zu ergründen und ihm die "wahre / richtige" Situation zu erläutern. Dieses Gespräch ist viel schwieriger zu führen, da der Mitarbeiter seinen eigenen Standpunkt aufgeben muss.
11.7
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12 Auseinandersetzungen und Konflikte
390
Person
Konflikt
Person
B
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Verzerrungen durch
Verzerrtes Bild
8
/
• Scheuklllppenl SIchtv8rengung • PaullChallslerungen • Vel1lllgemelnerungen
Verzerrungen,
Verzerrtes Bild
Abb. 12.1: Verzerrung der Wahrnehmungen und Empfindungen
Konflikte sind immer subjektiv. Gegensätze bei Interessen auf der Sachebene lassen sich noch durch Verhandlungen lösen. Je nach Toleranzschwelle, Erfahrung und persönlicher Betroffenheit werden Konflikte als Belastungen auf der Beziehungsebene erlebt. Unzufriedenheit, Verunsicherung, Anspannung und Stress nehmen zu. Auswirkungen auf die Effektivität bei der Aufgabenbearbeitung bleiben nicht aus. Zählte in der Vergangenheit das Miteinander gilt heute ein Nebenoder Gegeneinander. Da der Andere schuld ist, kann ich mich auf ihn nicht mehr verlassen. Ich bin von ihm verlassen worden und muss deshalb alles selber machen. Ich habe doch schon immer gewusst, dass es so kommen musste. So werde ich wenigstens nicht mehr ausgenutzt und brauche mich mit dem Partner nicht mehr abzustimmen. Das Verfolgen der gemeinsamen Ziele tritt immer mehr in den Hintergrund. Ein Trieb zur Zerstörung des Gegners und seiner Sache wird freigesetzt. Wenn der Zorn verrauscht ist, wird oft nachträglich erkannt, wozu man fähig war, nur um seinen Willen und seine Ansicht durchzusetzen. Unterschiedliche Ansichten oder Meinungen müssen nicht unbedingt zu Konflikten führen. Auch unterschiedliche Gefühle dürfen und müssen existieren können, solange beide Parteien damit umgehen können und es nicht als persönliche Beeinträchtigung empfunden wird. Es ist eine Frage der Toleranz, wann eine Auseinandersetzung zum Konflikt wird. Manche Mitarbeiter reagieren bereits auf Meinungsdifferenzen und Missverständnisse sehr empfindlich. Andere merken nur sehr schwer, dass sie durch ihr Verhalten Spannungen und Krisen auslösen. Im äußeren Verhalten machen sich potenzielle Konflikte durch eine Reihe von Verhaltensweisen bemerkbar. Die Ideen und Arbeitsbeiträge des anderen werden kritisiert und nicht akzeptiert. Es herrscht ein ungeduldiger und aggressiver Unterton in der Kommunikation. Ironische oder abfällige Bemerkungen zu Personen sind an der Tagesordnung. Sachliche Arbeit ist nur noch eingeschränkt möglich. Aussagen wie "Wir wollen doch sachlich bleiben" zeigen dies. Argumente und Vorschläge zur Lösung der anstehenden Sachaufgaben werden zurückgewiesen. Innerhalb von Teams bilden sich Cliquen, außerhalb werden Verbündete gesucht. Für Außenstehende erkennbar herrscht "dicke Luft'. Die Atmosphäre ist zum zerrei Ben gespannt.
12
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
12.2
391
Konfliktarten und -ursachen
Die im Unternehmen auftretenden Konflikte wurden intensiv untersucht. Unzureichende Kommunikation, Auseinandersetzungen um Ressourcen, Fragen der Zuständigkeiten und Verantwortungen sind einige Punkte. Aus Sorge um den Gesichts- oder Machtverlust breiten sich Ärger und Empfindlichkeiten aus. Eine mögliche Gliederung der Konfliktursachen findet sich in Abbildung 12.2.
THEMA
WIR
Sachkonflikt
Beziehungskonflikt
ICH
GLOBE
PersönlichkeItskonflikt
Umfeldkonflikt
Abb. 12.2: Konfliktarten und -ursachen im Unternehmen
Sachkonflikte Sachkonflikte treten in Unternehmen häufig auf. Im Zuge begrenzter Ressourcen wird um die zur Verfügung gestellten Finanz- und Sachmittel sowie Personal gerungen. Ein Verteilungskonflikt ist vorprogrammiert. Konstellationen, die auf solchen "Sachzwängen" beruhen sind z.B. Auseinandersetzungen über: • • • •
Einhaltung von Umweltschutzauflagen und Produktkosten, Durchlaufzeiten und Kundenanforderungen, Personalbedarf und Arbeitsbelastungen, Mitarbeiterentwicklung und Karrieremöglichkeiten.
Solange Sachkonflikte auf der thematischen Ebene geführt werden, lassen sie sich relativ einfach lösen. Auseinandersetzungen dieser Art gehören zum täglichen Geschäft einer Führungskraft und müssen manchmal auch hart geführt werden. Es ist jedoch von allen Beteiligten darauf zu achten, dass der Konflikt im sachbezogenen Bereich nicht in einen Beziehungskonflikt umschlägt. Durch Wortwahl, Ton, Gestik, Mimik, Körpersprache ist der Inhalt des Themas angemessen zum Ausdruck zu bringen.
12
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12 Auseinandersetzungen und Konflikte
Beziehungskonflikte Diese Konfliktart tritt zwischen Personen oder Teams auf. Sie findet nicht mehr nur auf der sachlichen Ebene statt, sondern läuft auf der Beziehungsebene ab. Durch das eigene Verhalten wird das Selbstbild gestaltet. Dem Gegner wird signalisiert, wie man sich selber sieht und von ihm gesehen werden möchte. Gleichzeitig wird sich vom Anderen ein Fremdbild zurechtgerückt und zum Ausdruck gebracht. Im zwischenmenschlichen Bereich kommt es zu Verzerrungen. In einem Unternehmen können für die Führungskraft mehrere Facetten eines Beziehungskonfliktes auftreten: • • •
Konflikte mit Kollegen, Konflikte mit Vorgesetzten, Konflikte mit Mitarbeitern.
Die Zusammenarbeit mit gleichrangigen Kollegen kann im Unternehmen nur über wechselseitige Abstimmungen erfolgen. Auf der Sachebene ist immer wieder ein Konsens zu suchen und zu finden. Die täglichen Arbeitsbeziehungen sind durch Kooperationsverpflichtungen geprägt. Eine direkte Weisungsbefugnis ist ausgeschlossen. Sie kann nur über die jeweiligen Vorgesetzten erfolgen. Untereinander müssen die Führungskräfte in der Lage sein, ihre Auseinandersetzungen selbstgesteuert zu lösen. Ursachen für Konflikte auf der Kollegenebene können z.B. sein: • • •
Zielkonflikte zwischen verschiedenen Abteilungen, besseres Image von Schlüsselprozessen gegenüber unterstützenden Funktionen, ungleiche/ungerechte Erfolgs-, Anerkennungs- und Aufstiegschancen.
Anstatt miteinander zu reden, werden Vermutungen geäußert und Projektionen aufgestellt. Über die Ziele und Beweggründe des Kollegen herrscht Unklarheit. Letztlich können Auseinandersetzungen auf Kommunikationsdefiziten beruhen. Sie lassen sich mit Sicherheit nur durch eine verbesserte Kommunikation minimieren und lösen. Dazu gehört auch, sich nicht nur am eigenen Team/der eigenen Abteilung zu orientieren. Die gemeinsamen Ziele, Aufgaben und Probleme sind zu erkennen. Einsicht in das Tätigkeitsfeld des Kollegen und die Bereitschaft zur Kooperation sind wichtige Grundlagen für eine konfliktfreiere Zusammenarbeit. Jede Führungskraft hat selbst wieder Vorgesetzte und ist damit Mitarbeiter. Der Vorgesetzte verteilt Aufgaben und kontrolliert deren Erfüllung. Die erzielten Ergebnisse sind Grundlage für Feedback und die persönliche Weiterentwicklung. Alle Anforderungen und Erwartungen, die die Führungskraft an ihre Mitarbeiter stellt, können von ihrem Vorgesetzten auch an sie gestellt werden. So wie sich ein Mitarbeiter über seine Führungskraft ärgert, kann sich diese auch über ihren Vorgesetzten ärgern. Für die Führungskraft und ihren Vorgesetzten gelten alle Aspekte der Führungsinteraktionen wie zwischen Führungskraft und ihren Mitarbeitern. Ausschlaggebend für die Beziehung ist das Verhalten des Vorgesetzten. Steht er zu seinem Wort und zu seiner Führungskraft? Oder fällt er ihr in den Rücken und lässt sie im Regen stehen? Konfliktpunkte können sich an altbekannten und immerwährenden Punkten entzünden. Dazu zählen: • • •
Planung der Aufgaben und Leistungsbeurteilung, persönliche Weiterentwicklung und Karrieremöglichkeiten, Kommunikation und persönliche Auseinandersetzungen.
"Starke" Vorgesetzte erwarten überdurchschnittliche Leistungen. Ihr gesamtes Verhalten drückt diese Erwartungen aus. Sie gehen einer persönlichen Auseinandersetzung nicht aus dem Weg. "Schwache" Vorgesetzte sichern sich nach allen Richtungen ab. Sie können zur Belastung und zum Reibungspunkt werden. Den starken Vorgesetzten kannst du schätzen, den Schwachen musst du fürchten. Im Umgang mit ihren Mitarbeitern schätzen sich Führungskräfte als deutlich partizipativer ein, während sie von Ihren Mitarbeitern als autoritärer erlebt werden. Es können die gleichen Konfliktursachen wie zwischen Führungskraft und ihrem Vorgesetzten auftreten.
12
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
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Im Mittelpunkt vieler Führungskräfte stehen nach wie vor Sachaufgaben. Darin sind sie vertrauter; darüber haben sie Karriere gemacht; daran werden sie gemessen. Die soziale Komponente der Führungsarbeit kommt meistens zu kurz. Damit ist aber auch hier die Basis für Missverständnisse, Auseinandersetzungen und Konflikte gelegt. Verstärkte Führung und Kommunikation kann hier einiges verbessern.
Umfeldkonflikte Der dritte Bereich der Konfliktursachen im Unternehmen sind Umfeldkonflikte. Sie entstehen bei der Entscheidung über Unternehmensziele und die sich entwickelnde Unternehmenskultur. So liegen im Unternehmen gleichzeitig Forderungen nach Kooperation und Konkurrenz vor. Kooperation ist notwendig, um anstehende Aufgaben gemeinsam zu lösen. Konkurrenz um Ressourcen wird gefördert, um zu höheren Leistungen anzustacheln. Ein weiterer Konkurrenzfaktor ist das Streben nach Karriere und die Selbsterfüllung. In unserer Gesellschaft ist anscheinend nur derjenige erfolgreich, der Karriere macht und ein hohes Einkommen erzielt. Das Übertrumpfen und Überholen der Kollegen wird zu einer institutionalisierten Aufgabe. Auch Strukturen, Abläufe und Prozesse können in einem Unternehmen bereits konfliktträchtig angelegt sein. Beispiele sind: • • •
Strukturen zwischen Stabs- und Linienfunktionen, Abläufe zwischen verschiedenen Abteilungen wie Marketing, Entwicklung, Produktion, Controllingprozesse der Planung, Realisierung und Steuerung in Projekten oder der Betriebswirtschaft.
Unterschiedliche Einstellungen, Werte und persönliche Normen können zu Konflikten mit den Unternehmenszielen führen. Diese Betrachtung lässt sich über das Unternehmen bis hin in die Gesellschaft fortsetzen, wo Umfeldkonflikte als politische Diskussionen über Werte und gesellschaftliche Ausrichtungen ihren Niederschlag in Gesetzen und Vorschriften finden.
Persönlichkeitskonflikte Konflikte dieser Art werden im Inneren einer Person ausgetragen. Nach außen sind diese Auseinandersetzungen meistens nicht sichtbar. Sie beeinflussen aber das Arbeits- und Konfliktverhalten der betroffenen Person. Innere Konflikte können z.B. aus unterschiedlichen Werten, Überzeugungen, Kulturen resultieren. Werden sie von der Person als solche erkannt, lassen sie sich auch lösen. Schwieriger sind psychische Konflikte. Sie werden von den Betroffenen oft nicht erkannt. Mit der Lösung des eigenen inneren Konfliktes sind sie überfordert. Hier ist professionelle Begleitung angesagt.
12.3
Von der Meinungsverschiedenheit zum Konflikt
Meinungsverschiedenheiten können durch unterschiedliche Auffassungen, Werte, Interessen und Ziele entstehen (Abb. 12.3). Eine vollständige Übereinstimmung in diesen vier Punkten ist unmöglich. Auffassungen können politische, gesellschaftliche, weltanschauliche Fragen umfassen. Werte basieren auf ethischen und religiösen Fundamenten; als Ersatzwerte dienen vielfach materielle Errungenschaften. Interessen und Ziele können ein breites Spektrum umfassen. Über diese Standpunkte lassen sich intensive Diskussionen führen. Sind die Partner lernfähig, können sie aus den Argumenten der jeweils anderen Seite ihre eigenen Standpunkte hinterfragen. Sie finden Gemeinsamkeiten und können Kompromisse eingehen. Unterschiedliche Ansichten können sie genauso gut stehen lassen. Aus Rücksichtnahme und um die Situation zu entschärfen, können eigene Standpunkte auch zurückgenommen werden, ohne sie aufzugeben.
12
394
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
I
Meinungsverschiedenheiten
I
Auffassungen
Werte
Ziele
Interessen
Diskussion
I Eigenen Standpunkt hinterfragen
Gemeinsamkeiten und Kompromiss finden
Unterschiedliche Ansichten stehen lassen
I Rücksichtnahme und SItuatIonsentschärfung
Abb. 12.3: Quellen für Meinungsverschiedenheiten [Hugo-Becker, 1996]
Meinungsverschiedenheiten
• Eigene Meinung als alleingültiger Standpunkt • Macht und Überlegenheit • Kompromlssloslgkeit
Sieg oder Niederlage
Konflikt
Abb. 12.4: Von der Meinungsverschiedenheit zum Konflikt [Hugo-Becker, 1996]
12
395
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
Der in Abbildung 12.3 dargestellte Ablauf ist die positive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Meinungen. In ihrer kritischen Form führt sie zum Konflikt. Einer der Beteiligten versucht seine Auffassungen, Werte, Interessen und Ziele durchzusetzen. Die eigene Meinung wird als einzig richtige angesehen. Das eigene Wertesystem wird als fundamentalistisch verbindlich gemacht. Interessen und Ziele werden mit allen zur Verfügung stehenden Machtmitteln durchgesetzt. Zum Schluss geht es nur noch um Sieg oder Niederlage. Die Meinungsverschiedenheit kann bis zum Konflikt eskalieren (Abb. 12.4).
12.4
Eskalation im Konfliktverlauf
Für die Eskalation in einem Konflikt suchen die Gegner die Fehler immer beim Gegenüber. Alles Negative wird der Gegenpartei zugeschrieben. Die Beteiligten nehmen alles, sei es wichtig oder unwichtig, begründet oder unbegründet in ihren Streit auf. Es geht nicht mehr nur um den auslösenden Punkt, sondern um viele Dinge mehr. Gleichzeitig wird die Komplexität der Situation stark vereinfacht. Es wird in SChwarz-Weiß- oder Gut-Schlecht-Kategorien gedacht. Beide Parteien vermischen Ursachen und Wirkungen. Zur Unterstützung werden andere Personen und Gruppen in den Konflikt einbezogen. Die "Verbündeten" werden bewusst oder unbewusst manipuliert und gegen die andere Partei in Stellung gebracht. Die psychische und physische Gewaltbereitschaft steigt. Sobald eine der Konfliktparteien den Gegner durch Androhung von Gewalt zur Aufgabe zwingen will, kommt es zum Bumerangeffekt. Der Gegner reagiert mit noch stärkerer Gewalt. So wird die Eskalationsdynamik noch schneller vorangetrieben (Abb. 12.5).
Gegner
Streitpunkte
• Er hat immer unrecht. • Falschheit ist seine Tugend.
• Alles gehört dazu. • Ursachen und Wirkungen werde vereinfacht. • Schwarz-WeIßDenken
Gewalt • psychischeIphysische Gewaltbere"schaft steigt • Beschleunigung der Eskalation
• Suche nach Unterstützung • bewusstelunbewusste Manipulation
Abb. 12.5: Mechanismen der Eskalationsdynamik Wenn nicht rechtzeitig eingegriffen wird, haben Konflikte die Neigung sich allmählich zu steigern. Um dies deutlich zu machen hat Glasl ein Phasenmodell entwickelt. Es zeigt auf, wie die einzelnen Stufen eines Konfliktes ablaufen können. Wenn die Eskalationsstufen erkannt werden, können die Handlungen der Beteiligten besser darauf abgestellt werden. Konfliktlösende Maßnahmen lassen sich dann leichter realisieren. Das neunstufige Eskalationsmodell ist in Abbildung 12.6 als abwärts führende Treppe dargestellt.
12
396
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
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1. Reibereien und Spannungen
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1""""'=;:;:;::=======;;-'-'1 2. Polarisierung
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3. Handeln statt Reden
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4. Verbündete
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5. Gesichtsverlust
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6. Drohstrategien
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7. Begrenzte Zerstörungsschläge
1
8. Gezielte Angriffe
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--I---=::::::;,=============::::I:~-, '--- J 9. Totale Vernichtung
I
+=------------------------=+---------' Abb. 12.6 Eskalationsstufen [Glasl, 20021
In der 1. Stufe kommt es zu gelegentlichen Reibereien und Spannungen. Das deutliche Vertreten des eigenen Standpunktes gehört dazu. Jede Partei ist aber um eine Kooperation bzw. einen Kompromiss bemüht. Gemeinsamkeiten werden noch wahrgenommen und die Zusammenarbeit weiterhin angestrebt. Werden die Meinungsverschiedenheiten nicht konstruktiv gelöst, kommt es in der 2. Stufe zur Polarisierung. Es beginnt das Schwarz-Weiß-Denken und eine verengte Sichtweise der jeweiligen Standpunkte. Das soziale Klima wird rauer. Der Umgangston verschärft sich und die Reizschwelle sinkt. Fragen der Loyalität treten stärker in den Vordergrund. "Wie stehst Du dazu?" "Wo gehörst Du hin?" In der Diskussion werden stärker die eigenen Argumente in Position gebracht. Die Gegenpartei muss doch durch "sachliche" Argumente zu überzeugen sein! Eine Schwächung der eigenen Position durch Rücksichtnahme und Eingehen auf andere Argumente ist schwer möglich. Man möchte sich behaupten und nicht das Gesicht verlieren. Gelingt es in der zweiten Stufe nicht die Gemeinsamkeiten und Ziele zu betonen, kommt es in der 3. Stufe zu Taten statt Worten. Es hat sich die Meinung verfestigt, dass das Reden mit der anderen Partei nichts mehr bringt. Das Einfühlungsvermögen für einander geht verloren. Die Beteiligten handeln jetzt lieber als zu reden. Durch teils provozierende Maßnahmen sollen die eigenen Ziele erreicht und die der Anderen verhindert werden. Innerhalb eines Teams nimmt der Konformitätsdruck zu.
12
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
397
In den ersten drei Stufen liegt bei etwas gutem Willen für alle Konfliktparteien noch eine lösbare Situation vor. Die Beteiligten sind sich der Spannungen bewusst und könnten die Auseinandersetzungen auf der Sachebene lösen. Die Bereitschaft aufeinander zuzugehen und gemeinsame Lösungen zu erzielen ist vorhanden. Die klimatischen Störungen und unterschiedlichen Standpunkte lassen sich mit entsprechenden Moderations- und Kommunikationstechniken beheben. Ab der vierten Stufe kommt es zu einer deutlichen Änderung der Konfliktsituation mit GewinnerVerlierer-Aufstellungen. Trugen die Konfliktparteien ihre Gegensätze bisher auf einer eher sachlichen Ebene aus, geschieht nun eine deutliche Verschiebung auf die Beziehungsebene. Die persönlichen Eigenschaften werden in den Konflikt einbezogen. Bisher wollte man den Gegner schonen, da man mit ihm auch zukünftig zusammenarbeiten muss. Jetzt kommt es vermehrt zu Schlägen unter die Gürtellinie. Man will die Arena als Sieger verlassen. In der 4. Stufe werden Verbündete gesucht. Die Unterstützung der eigenen Sache und die Reputation beherrschen die Szene. Im Vordergrund stehen Gewinn oder Verlust, Sieg oder Niederlage. Die Konfliktparteien verhalten sich rigoroser, starrer und allgemein aggressiver. Auf der Beziehungsebene kommt es zu Höhen und Tiefen im Gefühlsleben. Das Selbstbild wird erhöht und das Fremdbild über den Gegner mutiert zum Feindbild. Auf der Beziehungsebene können die Beteiligten den Konflikt nicht mehr alleine lösen. Intervention eines neutralen Dritten ist notwendig; Ursache-Wirkungsgeflechte sind zu analysieren. Neben Lösungen auf der Sachebene ist besonders die Beziehungsseite zu thematisieren. In der 5. Stufe kommt es zum Gesichtsverlust. Vertrauen ist nicht mehr vorhanden und es wird mit harten Bandagen gekämpft. In Handlungen des Gegners werden nur noch Bedrohungen erkannt. Frustrationen führen zu verstärkten Rachegelüsten. Der Konflikt tritt verstärkt an die Offentlichkeit und es wird versucht dem Gegner das Gesicht zu nehmen. Der Verlust des eigenen Gesichts und der Glaubwürdigkeit bei Au ßenstehenden wird nicht mehr realisiert. Die negativen Erwartungen führen zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung. Der Andere taugte schon immer nichts. Nie konnte man sich auf ihn verlassen. In der 6. Stufe werden Drohstrategien eingesetzt. Selbstbild und Feindbild werden rigider und unnachgiebiger. Durch die Drohstrategien wird die Eskalation weiter bekräftigt und beschleunigt. Der Gegner rüstet einerseits zur Verteidigung und andererseits zum Gegenschlag, ohne ihn bereits jetzt auszuüben. Aber das Gewaltpotenzial ist vorhanden. Im Zuge der Gewinner-VerliererStrategie versucht jede Seite die Kontrolle über den Gegner zu gewinnen. Ab der sechsten Stufe ist wieder eine starke Hemmschwelle zu überwinden. Es kommt zu Verlierer-Verlierer-Situationen. Jetzt zählt primär nicht mehr der eigene Sieg, sondern nur noch die Vernichtung des Gegners, trotz der Gefahr und des Bewusstseins des eigenen Untergangs. In Unternehmen dürften die Stufen 7 bis 9 nicht auftreten. Führungskräfte können hier nicht tatenlos zusehen. Im privaten Bereich treten sie insbesondere in Partnerschaftskonflikten öfter auf und gehen bis zu Mord und Totschlag. Die 7. Stufe ist die Phase der begrenzten Zerstörungsschläge. Jede Partei hat nun nur noch ihre eigene Existenzsicherung im Auge. Die Existenz des Gegners steht der Problemlösung im Wege. Teilvernichtungen werden daher als gerechtes Mittel im Kampf gegen den Feind gesehen. Es gibt im Konflikt kaum noch eine Chance umzukehren. Die Einschätzung bzgl. eines angerichteten Schadens verändert sich. Kleinere persönliche Schäden oder Nachteile sind egal. Sie werden hingenommen, solange der Feind einen größeren Schaden davonträgt.
12
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
398
In der 8. Stufe finden gezielte Angriffe auf den Feind statt. Eigener Schaden wird in Kauf genommen, wenn dadurch der Schaden des Gegners größer ist. Das eigene Überleben muss gesichert werden. Sein "Gewaltpotenzial" und seine "Verteidigungseinrichtungen" müssen zerstört werden. Die bloße Existenz des Feindes fügt den eigenen Interessen großen Schaden zu. Es kann hier zu persönlichen Gewalttaten kommen. Die letzte und 9. Stufe eines Konfliktes ist die totale Vernichtung. Gemeinsam geht es in den Abgrund bis ins Grab hinein. Der Feind muss um jeden Preis - auch den der Selbstzerstörung und des Selbstmordes - vernichtet werden. Jetzt habe ich endlich Ruhe gefunden.
12.5
Konfliktanalyse
Die Konfliktanalyse beinhaltet neben der Wahrnehmung und Erkennung auch die Untersuchung des Konfliktpotenzials. In dieser Phase kann sich herausstellen, ob es sich z.B. um eine Meinungsverschiedenheit aufgrund von Missverständnissen oder um einen echten Konflikt handelt. Es gilt die Konfliktparteien zu beobachten und eine Konfliktdiagnose durchzuführen. Es kommt dabei nicht nur auf das Konfliktthema an, sondern insbesondere auch, wie sich die Konfliktparteien übereinander äußern.
Konfliktthema • Streitgegenstand • Ursachen
• Interessen und Ziele • (Ver-)Handlungspositionen
Konfliktparteien • Beteiligte • Beziehungen
• Konfliktdynamik • Eskalation
Abb. 12.7: Aspekte der Konfliktanalyse
Die inhaltlichen Sachpunkte sind am Anfang einer Konfliktdiagnose nicht so aussagekräftig, da deren Ursache noch im Dunkel des Streites liegt. Wichtiger sind die verbalen und nonverbalen Ausdrucksformen der Konfliktparteien. Es gilt Diskrepanzen zwischen verbalen Aussagen und nonverbalem Verhalten zu erkennen. Die folgenden Punkte sind wichtige Aspekte, die im Rahmen einer ersten Konfliktanalyse zu klären sind (Abb. 12.7).
12
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
•
Konfliktthema:
•
Konfliktparteien:
•
Konfliktverlauf:
•
Konfliktpositionen:
399
Was ist das Konfliktthema? Was sind die Konfliktpunkte bzw. Streitgegenstände? Was sind die Ursachen für den Konflikt? Wer sind die Konfliktbeteiligten? Wie stehen die Konfliktparteien zueinander? Wie ist der Konflikt entstanden? Wie waren der bisherige Konfliktverlauf und die -dynamik? Wie ist die GrundeinsteIlung der Parteien zum Konflikt? Welche Interessen und Ziele verfolgen sie? Was sind ihre (Ver-)Handlungspositionen?
Konfliktthema Beim Konfliktthema muss herausgefunden werden, welchen Standpunkt die einzelnen Konfliktparteien zum Streitgegenstand haben. Möglichkeiten zur Analyse bieten alle gängigen Moderationstechniken. Mit Hilfe der Kartentechnik lassen sich Konfliktpunkte zu einer Problemlandschaft zusammenfügen. Jeder Beteiligte schreibt einen Konfliktpunkt pro Karte auf. Die Karten werden anschließend sortiert und nach Themen geclustert. Mit dieser Methode ist es möglich, Schnittmengen bzgl. der Konfliktpunkte zu finden. Es gibt Themen, die nur für eine Konfliktpartei existent sind und für die andere Partei als unwichtig empfunden werden. In diesem Bereich liegt dann ein eventuell schnell zu klärendes Missverständnis vor. Des Weiteren ist zu klären, ob die Konfliktparteien die Sichtweise der Gegenseite zum Konfliktthema kennen. In den meisten Fällen ist das nicht der Fall und es kann dadurch zu einer weiteren Konflikteskalation kommen. Wichtig ist auch eine Gewichtung der einzelnen Konfliktpunkte aus Sicht der jeweiligen Konfliktparteien. Für das Konfliktthema mit dem höchsten Konfliktpotenzial werden 10 Punkte vergeben; für das am ehesten von den Konfliktparteien tolerierbare Konfliktthema ein Punkt. Es ist empfehlenswert große oder komplexe Probleme in kleinere Teilprobleme aufzuspalten. Dies ermöglicht eine leichtere Differenzierung zwischen einzelnen Konfliktthemen und gemeinsamen Anliegen der einzelnen Parteien. Um später eine Lösung zu erzielen sind insbesondere auch die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten. Sie zeigen normalerweise eine große Übereinstimmung zwischen den Konfliktparteien und nehmen dem Konfliktthema etwas die Schärfe.
Konfliktparteien Mit Hilfe eines Soziogramms lassen sich die persönlichen Beziehungen der Konfliktparteien analysieren. Je stärker die Verbindungslinien sind, umso spannungsgeladener sind die Beziehungen. Basis für dieses Konfliktsoziogramm sind die zuvor analysierten Konfliktthemen. Dadurch können die Konfliktbeteiligten sich gegenseitig besser verstehen und es sind Ansätze für die Konfliktbehandlung auf der Beziehungsebene vorhanden. In den einzelnen Konfliktparteien kann es bestimmte Personen geben, die das Konfliktgeschehen maßgeblich bestimmen. Die Identifikation dieser Schlüsselpersonen ist für die Konfliktbehandlung sehr wichtig. Sie werden in ihrer Konfliktpartei gehört und akzeptiert. Deshalb sind auch die gruppendynamischen Prozesse innerhalb einer Konfliktgruppe näher zu betrachten und zu analysieren. Sind die Konfliktparteien homogen aufgebaut oder kommt es zur Bildung von Subgruppen? Gibt es eventuell Überschneidungen über die Parteigrenzen hinweg?
12
400
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
Die Zugehörigkeit zu Konfliktparteien wird mit zunehmendem Eskalationsgrad strikter gehandhabt. Ab der vierten Eskalationsstufe gibt es für die einzelnen Beteiligten kaum noch Alternativen. Personen, die sich nicht ausschließlich zu einer Konfliktpartei bekennen, werden mit Sanktionen bedroht. Im Zuge der Analyse ist der innere Zusammenhalt der Konfliktpartei zu betrachten. Wie sieht die Gruppenstruktur genauer aus? Es sind die offiziellen und informellen Machtverhältnisse zu klären und damit wichtige Anknüpfungspunkte für die Konfliktbehandlung zu gewinnen. Die Konfliktparteien stehen auch in informellen oder formellen Beziehungen zueinander. Welche Verhaltensmuster sind im informellen Umgang untereinander erkennbar? Dafür gibt es keine klaren festgelegten Regeln. Es bilden sich vielmehr im Laufe der Zeit stets wiederkehrende und gefestigte Verhaltensmuster heraus. Ein solches Muster könnte z.B. vorhanden sein, wenn sich eine Konfliktpartei dominant verhält und die andere Partei überheblich auftritt. Durch das Verhalten der Konfliktparteien kann auf den Eskalationsgrad und die gegenseitigen Beziehungen geschlossen werden.
Konfliktverlauf Die Diagnose des Eskalationsgrades liefert Anhaltspunkte für Sofortmaßnahmen im Konfliktverlauf, damit dieser nicht weiter eskaliert und somit unkontrollierbar wird. Die neun Eskalationsstufen werden nicht gleitend überschritten, sondern die Konfliktparteien springen von Stufe zu Stufe. Sie können relativ gut beschreiben, was sich zwischen den einzelnen Eskalationsstufen verändert hat. Zu gewissen Zeiten erreicht der Konflikt Höhepunkte, in denen die Kernthemen zum Vorschein kommen. Zu diesem Zeitpunkt ist viel über die typischen Verhaltensweisen der Konfliktparteien und ihre Beziehungen zu erkennen. Für die Konfliktanalyse sind solche Zeitpunkte sehr wichtig und aussagekräftig. Weiter ist zu klären, ob sich die Konfliktparteien nach bestimmten Vorfällen auf einzelne Konfliktthemen versteift haben. Hat sich der Konflikt intensiviert, werden weitere Personen und Gruppen mit einbezogen. Hier ist zu analysieren, was dazu beigetragen hat.
Konfliktpositionen Die GrundeinsteIlung der einzelnen Parteien zum Konflikt findet sich im vierten Analysebereich. Es ist zu klären, wie die Konfliktparteien die Gesamtsituation beurteilen. Sehen sie die Auseinandersetzung als unvermeidbar an, geht es immer um Sieg oder Niederlage? Wird die Auseinandersetzung als vermeidbar angesehen, kann dies zu einem Rückzug oder zu einem gleichgültigen Verhalten der Konfliktparteien führen. Wenn die Konfliktparteien trotz Auseinandersetzung an einer Lösung des Konfliktes interessiert sind, wird es zu Verhandlungen und zu einer Problemlösung kommen. Möglicherweise kommt es auch nur zu einer gegenseitigen Duldung der unterschiedlichen Ansichten. Wie stehen die beteiligten Parteien zum Konflikt? Sehen sie einen Konflikt positiv oder negativ, störend oder eher als Anstoß für Veränderungen? Wird der Konflikt eventuell bewusst zur Eskalation gebracht? Bei der Analyse der Konfliktpositionen müssen sowohl der Nutzen als auch die Risiken für eine Konfliktpartei geklärt werden. Es ist zu fragen, welchen Einsatz die Parteien einbringen wollen und welche Erwartungen sie mit einer Lösung des Konfliktes verbinden?
12.6
Konfliktstrategien
In der Summe verlieren bei Konflikten die beteiligten Parteien mehr als sie gewinnen, obwohl das nicht so sein müsste. Mit Hilfe entsprechender Handhabungsstile wird durch spezielle Strategien versucht, den Verlust für beide Seiten zu minimieren und möglichst sogar in einen Gewinn umzuwandeln. In Anlehnung an die Führungsstile nach Blake und Mouton lassen sich Handhabungsstile zur Lösung von Konflikten aufstellen (Abb. 12.8).
12
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
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Abb. 12.8: Konfliktstrategien [Berkel, 20021
1,1-Flucht Der Konflikt wird ignoriert. Eine Konfliktpartei zieht sich zurück und gibt damit eigene Wünsche bzw. Bedürfnisse auf. Dadurch werden akute Auseinandersetzungen gelockert. Der Konflikt wird dabei allerdings nicht gelöst sondern nur zeitlich und räumlich verschoben. Er kann sich dadurch später und zu einer anderen Gelegenheit sogar verschlimmern. Die 1,1-Strategie ist leicht zu verwirklichen. Im äußersten Fall verlässt eine der Konfliktparteien das Unternehmen.
9,1-Kampf Der anderen Konfliktpartei wird gedroht. Es geht darum ausschließlich seine eigenen Belange durchzusetzen. Der Gegner muss geschwächt und vernichtet werden. Verliert der Schwächere den Kampf ist vordergründig der Konflikt beseitigt. Da es sich um eine Gewinner-Verlierer-Situation handelt wird auch durch diese Konfliktstrategie neues Konfliktpotenzial für die Zukunft geschaffen. Irgendwann wird sich der Verlierer in irgendeiner Art und Weise rächen. Eine Basis für eine kooperative Zusammenarbeit ist dadurch nicht möglich.
1,9-Nachgeben Die 1,9-Strategie "Nachgeben" ist das Gegenstück zur 9,1-Strategie "Kampf". Der anderen Konfliktpartei wird nachgegeben. Man lässt sie gewähren und ordnet sich unter, um die Beziehung nicht zu gefährden. Die 1,9-Strategie ist relativ leicht zu verwirklichen, da sie mit der Aufgabe der eigenen Position verbunden ist.
12
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
402
5,5-Kompromiss Die Bereitschaft zur konstruktiven Konfliktlösung muss vorhanden sein. Vorsicht ist geboten, dass es nicht zu einem "faulen" Kompromiss kommt, bei dem oberflächlich eine gemeinsame Lösung erzielt wurde, die tieferen Konfliktgründe allerdings bestehen bleiben.
9,g-Konsens Beim Konsens entsteht eine für alle Beteiligten optimale Lösung durch einen Verhandlungsprozess. Es entsteht eine tragfähige Basis für eine vertrauensvolle, langfristige Zusammenarbeit. Beide Konfliktparteien können ihre Ziele und Belange verwirklichen. Beide Seiten bemühen sich um eine Gewinner-Gewinner-Strategie. Sie verlangt Zeit und persönlichen Einsatz.
12.7
Interventionsmethoden
Die Art der Intervention ist je nach Konfliktstufe zu wählen (Abb. 12.9). Generell wird versucht, den Konflikt auf die vorangehende Stufe zu bringen und ihn dort zu stabilisieren. Von dort aus wird er dann mit der nächsten Methode wieder um eine Stufe verschoben. Wenn es nicht gelingt, einen Konflikt ganz zu beheben, wird zumindest versucht ihn einzudämmen und auf der derzeitigen Stufe zu halten, damit er nicht noch weiter eskaliert.
Moderator Die konsensorientierte 9,9-Strategie ist eine Win-Win-Strategie. Als Interventionsmethode kommt die Moderation in Frage. Für die Eskalationsstufen 1 - 3 gibt ein Moderator Hilfe zur Selbsthilfe. Durch gemeinsame Gespräche mit den Konfliktparteien versucht er die jeweiligen Standpunkte offen zu legen und für alle Beteiligten verständlich zu machen. Die Konfliktparteien erleben den Konflikt noch rational und auf der Sachebene angesiedelt. Die Moderation dient hier lediglich der Vermittlung zwischen den Konfliktparteien. Ziel des Moderators muss es sein, Rahmenbedingungen zu schaffen, innerhalb derer die Parteien ihren Konflikt fair beenden können. Der Moderator hilft den Konfliktparteien sich selbst zu verstehen und ihre eigenen Wünsche und Ziele zu formulieren. Sie erarbeiten Lösungsmöglichkeiten und stellen die Umsetzung sicher. Ein Moderator kann nur dann erfolgreich arbeiten, wenn die Konfliktparteien Bereitschaft zur Mitarbeit zeigen. Durch Einzelgespräche mit den Betroffenen trägt der Moderator die notwendigen Informationen zusammen, um eine gemeinsame Aussprache vorzubereiten. Dieser SChritt dient auch einer ersten Einschätzung, in wie weit die Konfliktparteien zu einer Aussprache fähig und bereit sind. Es findet eine gemeinsame Definition und Klärung der Probleme statt. Weiterhin können Verhaltensweisen und Einstellung der Konfliktpartner geklärt und behandelt werden. In der Lösungsfindung ist ein Konsens zu finden, der für beide Parteien akzeptabel ist und sinnvoll erscheint. Da die Vorschläge und Ideen weitestgehend von den Betroffenen stammen, werden Vereinbarungen besser angenommen. In der anschließenden Realisierung und Konsolidierung zieht sich der Moderator nicht abrupt, sondern Schritt für Schritt aus dem Prozess zurück. Er beschränkt seine Kontrolle auf einige Sitzungen in denen die Konfliktparteien die mittlerweile in der Praxis angewandten Problemlösungen und deren Wirksamkeit besprechen. Nach ca. sechs Monaten sollte die Moderation und ihre Wirkung abschließend beurteilt werden.
12
403
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
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1. Reibereien und Spannungen
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2. Polarisierung
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7. Begrenzte Zerstörungsschläge
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8. Gezlehe Angriffe
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6. Drohstrategien
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5. Gesichtsverlust
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3. Handeln statt Reden
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9. Totale Vernichtung
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Abb. 12.9: Interventionsmethoden entsprechend den Eskalationsstufen [Glasl, 2002]
Prozessbegleitung Das Interventionsmodell der Prozessbegleitung kann im Bereich der Eskalationsstufen 3 - 5 zur Anwendung kommen. Der Konflikt zwischen den Parteien hat sich schon über einen längeren Zeitraum ausgewirkt. Es sind verhärtete Verhaltensweisen entstanden und zu erkennen. Die Prozessbegleitung richtet ihr Hauptaugenmerk auf Probleme der aktuellen Krisen- und Konfliktsituation. Seitens der Konfliktparteien muss auch hier eine Bereitschaft zur Konfliktlösung vorhanden sein. Während in der Moderation hauptsächlich auf der Sachebene gehandelt wurde, spielen in der Prozessbegleitung auch Persönlichkeits- und Beziehungsaspekte eine wichtige Rolle. In Einzelgesprächen werden individuelle und zum Konflikt beitragende Themen ausgelotet. Das erfordert eine intensive Arbeit mit Personen und einzelnen Gruppen. Da Prozessbegleitung nicht mehr nur eine Klärung des Sachverhaltes umfasst, sondern auch Persönlichkeits- und Beziehungsfragen, wird vom Prozessbegleiter eine hohe persönliche Sorgfalt, Sensibilität und Ausdauer verlangt. Zwischen den Konfliktbeteiligten und dem Prozessbegleiter muss daher ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Durch geeignete Interventionen sind unbewusste Blockaden und fixierte Einstellungen bei den Beteiligten aufzubrechen und zu lösen. Die Konfliktparteien müssen wieder die Kontrolle über ihre Gedanken und Gefühle zurückgewinnen, um aus dem Teufelskreis der Eskalationsdynamik ausbrechen zu können.
12
404
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
Die Interventionsmethoden der "Moderation" und "Prozessbegleitung" unterscheiden sich in der Behandlungsdauer und -liefe der einzelnen Phasen. Handwerkliche Mittel liefern z.B. Kenntnisse über Moderations-, Führungs- und Kommunikationsmethoden, Persönlichkeitsaspekte etc. Prozessbegleitung ist immer auf längere Zeiträume (größer 6 Monate) angelegt.
Mediation (Vermittlung) Die Mediation ist die Form der außergerichtlichen Vermittlung in Konflikten. Dabei versuchen die Konfliktparteien mit Unterstützung eines Mediators einvernehmlich eine gemeinsame und tragfähige Konfliktlösung zu entwickeln. Die Mediation kommt bei den Eskalationsstufen 5 - 7 zur Anwendung. Die Konfliktparteien sind nicht in der Lage, in direkter Begegnung die Probleme kooperativ zu lösen. Die Bereitschaft, Fähigkeit und Kraft zur Selbstheilung schließen die Beteiligten oftmals aus. Wichtige Merkmale des Vermittlungsverfahrens bleiben dennoch: • • • • •
die freiwillige Teilnahme, die Übernahme von {Selbst)verantwortung, eine zukunftsorientierte Sichtweise, das Eingehen auf Interessen und Bedürfnisse der Beteiligten und die Unabhängigkeit der Mediatoren.
In der Orientierungsphase muss der Mediator herausfinden, ob die Konfliktparteien für einen Vermittlungsversuch offen sind. In der Konfliktbehandlungsphase wird der Vermittler durch eigenes Druckpotenzial versuchen, die Konfliktparteien dazu zu bewegen, ihren bisherigen Standpunkt zu überdenken. In dieser Hinsicht ist der Mediator nicht neutral. In den Verhandlungen zur Lösungsfindung unterbreitet er Kompromissvorschläge und versucht diese bei den Konfliktparteien durchzusetzen. In der Phase der Erfolgskontrolle beobachtet der Mediator im Zuge der Nachbetreuung, ob die getroffenen Vereinbarungen eingehalten werden. Durch die Vermittlung wurde die Konfliktsituation zwischen den Parteien geregelt. Es ist jedoch nicht selbstverständlich, dass nun eine problemlose Koexistenz zwischen den Konfliktparteien vorliegt. Vielmehr gilt es nun über Prozessbegleitung und Moderation die nächsten Schritte zu tun.
Schiedsverfahren Das Schiedsverfahren wird als Interventionsmethode den Eskalationsstufen 6 - 8 zugeordnet. Aufgrund eigener Beurteilung entscheidet der {Schieds-)Richter, wie der Konflikt gelöst werden kann. Im Vordergrund stehen Untersuchungs-, Beurteilungs- und Entscheidungsprozesse. Vorraussetzungen für das Schiedsverfahren liegen in der Neutralität, Unparteilichkeit und Unbefangenheit der Schiedsinstanz. Mit dem Schiedsspruch wird der Dissens über Fakten und Ansichten vordergründig auf der Sachebene geklärt. Auf der Beziehungsebene ist der Konflikt hintergründig weiterhin vorhanden. Im Schiedsverfahren wird zuerst die Zuständigkeit der Schiedsinstanz geprüft. Durch Prüfung der vorhandenen Materialien und Anhörung der Parteien werden die Tatbestände erhoben. Das Einholen von Sachverständigengutachten kann zur Urteilsbildung beitragen. Anhand des Tatbestandes, der Rechtslage und gültiger Normen entscheidet die Schiedsinstanz autonom. Die Konfliktparteien können durch Widerspruch auf die Entscheidung reagieren. Sie können alleine jedoch nicht die bindende Wirkung des Entscheides aufheben. Mit der Verkündung des Schiedsspruches ist das Schiedsverfahren abgeschlossen.
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405
Machteingriff Der Machteingriff kommt bei den Eskalationsstufen 7 - 9 zur Anwendung. Er kann gegen den Willen der Konfliktbeteiligten stattfinden. Deren Befindlichkeiten bleiben beim Machteingriff völlig unberücksichtigt. Im ersten Schritt versucht die Machtinstanz die Kontrolle über den Konflikt zu erlangen. Sie demonstriert ihre Machtüberlegenheit in jeglicher Hinsicht. Sie löst den Konflikt nach ihren Vorstellungen und setzt das Ergebnis durch. Sie muss in der Lage sein, nach ihrem Eingriff die Situation auch langfristig zu beherrschen. Die Beziehungen der Konfliktparteien zueinander werden durch den Machteingriff nicht verbessert. Eine Konfliktlösung im eigentlichen Sinn findet nicht statt, vielmehr müssen sich alle Beteiligten mit dem Machteingriff arrangieren.
12.8
Harvard-Konzept zur Konfliktlösung
In den vorhergehenden Abschnitten wurde dargelegt, dass nur die 9,9-Konsensstrategie zu einer guten Konfliktlösung für alle Beteiligten führt. In Abhängigkeit vom Eskalationsgrad stehen dafür verschiedene Interventionsmethoden zur Verfügung. Eine differenziertere Behandlung ist mit dem Harvard-Konzept zur Konfliktlösung möglich. Es ist eine Gewinner-Gewinner-Methode wobei auf die getrennte Bewertung der Sach- und Beziehungsebene sehr viel Wert gelegt wird. Auf der Sachebene wird unter den gegebenen Rahmenbedingungen eine optimale Lösung für alle Beteiligten gesucht. Erreicht wird dies durch vier zentrale Vorraussetzungen (Abb. 12.10): • • • •
getrennte Behandlung von Themen und Personen, Interessen, nicht Positionen, werden in den Mittelpunkt gestellt, Entwicklung von Lösungsalternativen, Anwendung objektiver Beurteilungskriterien.
Trennung von Themen und Personen Aus der Sicht der jeweiligen Konfliktpartei wird der Konflikt jeweils ganz anders gesehen. Um diese Sichtweise - und damit die beteiligte Konfliktpartei - zu verstehen, muss ich mich gedanklich in ihre Sichtweise versetzen. Ich muss verstehen was sie antreibt und wie sie zu dieser Einstellung gekommen ist. Daher muss ich meine eigenen Vorstellungen außen vorlassen. Das Hineinprojizieren eigener Wünsche und Befürchtungen in das Handeln des Anderen führt leicht zu Argwohn und Misstrauen. Genauso sieht es mit Schuldzuweisungen aus. selbst wenn diese gerechtfertigt sind, sind sie äußerst kontraproduktiv. Sie führen nur zu entsprechenden Verteidigungshaltungen. Um einer Konfliktlösung näher zu kommen, ist es immer ratsam über die Vorstellungen beider Seiten zu sprechen.
12
12 Auseinandersetzungen und Konflikte
406
Trennung von Themen und Personen
Anwendung objektiver Beurteilungskriterien
Interessen und Positionen trennen
Lösungsalternativen entwickeln
Abb. 12.10: Harvard-Konzept zur Konfliktlösung [Fisher, 2004]
Wie schon mehrfach angesprochen, werden bei Konflikten Sachprobleme mit den persönlichen Beziehungen verknüpft. Die sachliche Auseinandersetzung wird dann als persönlicher Vorwurf oder Angriff aufgefasst. Um die persönliche Beziehung zwischen den Konfliktparteien nicht weiter zu belasten, ist die Trennung der Ebenen "Thema" und "Mensch" immer erforderlich. Bei Konfliktlösungen neigt der Mensch dazu die persönlichen Beziehungen mit den thematischen Problemen zu vermischen. Um zu einer konstruktiven Lösung zu kommen, sind die Sachthemen zuerst zu lösen. In einem zweiten Schritt ist das gegenseitige Verständnis auf der Beziehungsebene zu fördern und zu verbessern. Hier ist über sein eigenes Befinden zu sprechen. Gerade das Reden über sich selbst ist ein sehr interessantes Mittel, um die Brisanz aus dem Konflikt zu nehmen. Der Konfliktpartner fühlt sich dadurch nicht direkt angegriffen.
Interessen und Positionen Zur Konfliktlösung ist die Unterscheidung zwischen Interessen und Positionen ein weiterer wichtiger Baustein. Unter Interessen sind die Gründe und Ursachen zu verstehen, die zu einer Entscheidung geführt haben. Als Ergebnis dieser Entscheidungsprozesse ergibt sich die Position, die die Person damit einnimmt. Die vordergründige Position die jemand einnimmt, ist somit immer die Konsequenz aus seinen hintergründigen Interessen. Erfahrungsgemäß ist es leichter, Interessen in Übereinstimmung zu bringen, als Positionen. Die {Teil-)Interessen sind in der Regel nicht alle gegensätzlich gerichtet. So lassen sich bei gegensätzlichen Positionen der Konfliktparteien im Idealfall gemeinsame Interessen finden. Die eigenen und die Interessen der Gegenseite müssen jedoch erst herausgefunden werden. Dazu ist jeweils nach dem "Warum?" und nach dem "Warum nicht?" zu fragen. Die Fragen sollen der jeweiligen Konfliktpartei nicht zur Rechtfertigung dienen, sondern die inneren Motive, Wünsche, Ängste, Bedürfnisse und damit die jeweiligen Interessen offen legen. Auch die Überlegung, welche Konsequenzen eine Entscheidung für den Konfliktpartner mit sich bringt, sollte nicht vernachlässigt werden.
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Entwicklung von Lösungsalternativen Häufig wird in einem Konflikt nur eine Möglichkeit als Lösung angesehen. Der Blick für alternative Wege bleibt verschlossen, wobei die Entwicklung von Alternativen lösungsorientierter ist. Der Beurteilungsschritt ist eindeutig vom Optionsschritt zu trennen. Wenn möglich ist die Zahl der Möglichkeiten eher zu vermehren als nach der einen Lösung zu suchen. Wenn eine optimale Lösung nicht erzielt werden kann, ist auch die Suche nach suboptimalen Lösungen sinnvoll. So ist eine provisorische Lösung dort angebracht, wo eine dauerhafte Lösung (noch) nicht möglich ist. Partielle Einigungsvorschläge sind dort angebracht, wo eine umfassende Lösung nicht zu erzielen ist. Unter mehreren Lösungsalternativen gibt es immer eine Option, der beide Parteien (teilweise) zustimmen können. Auf dieser Basis lassen sich dann weitere Varianten entwickeln.
Anwendung objektiver Beurteilungskriterien Wurden durch die bisherige Vorgehensweise Lösungswege gefunden, so erfolgt nun der eigentliche Entscheidungsprozess. Diese Entscheidung sollte auf der Grundlage objektiver Kriterien erfolgen. Dazu ein Beispiel: Ressourcen sollen zwischen zwei Parteien aufgeteilt werden. Die eine Partei teilt die Ressourcen auf, während die zweite Partei zuerst auswählen darf. Eine Variante dieses Verfahrens besteht darin, zuerst über eine Lösung zu verhandeln und anschließend zu entscheiden, wer welche Rolle übernimmt. Damit wird vermieden, dass eine Konfliktpartei versucht, sich von Beginn an Vorteile in der Lösungsfindung zu verschaffen. Losverfahren können ebenfalls angewendet werden. Hier besteht für beide Seiten die gleiche Chance. Können sich die Parteien nicht auf objektive Kriterien und Vorgehensweisen einigen, ist ein unabhängiger Dritter einzubeziehen, der von beiden Seiten als fairer Schiedsrichter anerkannt wird. Sind die Konfliktparteien nicht bereit und gewillt ihre Positionen zu verlassen, muss zu den Interventionsmethoden des Schiedsverfahrens und des Machteingriffs Zuflucht genommen werden.
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Sachverzeichnis
410 Gerechtigkeit Geschäftsprozesse Gesprächsdurchführung Gesprächsführung Gesprächslenkung Gesprächstypen Gesprächsvorbereitung Gestaltungswille Gestik Glaubwürdigkeit GrundeinsteIlungen Gruppen-Assessment Gruppendynamik Gruppenprozesse
108 62 365 19 368 370 362 13 159 11 353 44 17 227
Handlungskompetenz Handlungsprozesse Handlungssouveränität Hersey Herzberg Hilfsregeln
4 1 6 300 309 263
Ich-Zustände Integrität Integrationsfähigkeit Interaktion Interventionsmethoden Interview Ishikawa-Diagramm
349 11 18 313 402 40 240
Kartenabfrage Klugheit Körpersprache Kommunikation Kommunikationsfähigkeit Kompetenzen Kompetenzeinschätzung Kompetenzjournal Komplexitätsverständnis Konfliktarten Konfliktbewältigungsgespräch Konflikte Konfliktanalyse Konfliktfähigkeit Konfliktlösung Konfliktparteien Konfliktpositionen Konfliktstrategien Konfliktthema Konfliktursachen Konfliktverlauf Kontaktgespräch Kooperationsfähigkeit Kritikgespräch Kundenorientierung Kundenzufriedenheit
228 108 25 360 19 2 32 96 26 391 384 20,390 398 21 405 399 400 400 399 391 395 372 18 375 28 28
Leistungsbeurteilung Leistungsgespräch Leistungsmotiv Leistungsmotivation Leistungssouveränität Leistungsverhalten Leistungsvermögen Lernprozesse Lösungen Lösungsprozesse Lösungszyklus
82 377 311 302 9 304 9 135 146 145 144
Machteingriff Machtmotiv Managementaudit Maslow Matrix-Projektorganisation McClelland McGregor Mediation Meilensteinplanung Meinungsverschiedenheit Menschentypen Menschenbild Mentoring Methodenkompetenzen Mimik Mind Mapping Mitarbeiter-Reifegrad Mitarbeiterbeurteilung Mitarbeiterbewertung Mitarbeiterentwicklung Mitarbeiterführung Mitarbeitergespräch Mitarbeitermotivation Mitarbeiterqualifikation Moderation Moderationstechniken Moderator Motivation Mouton Mut
405 312 65 307 173 311 284 404 187 393 288 284 102 22 159 239 301 84 83,381 16 14,283 337,360 16 36 215,243 231 216 302 295 109
Nachricht Netzplan
340 202
Optimismus Organisationsfähigkeit
9 23
Pareto-Prinzip Persönlichkeit Personenbeurteilung Persönlichkeitsaspekt Persönlichkeitskonflikte Persönlichkeitswesenszüge
141 107,118 127 158 393 113
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411
Sachverzeichnis Personalentwicklung Personalmanagementsystem Pflichtbewusstsein PhasenmodelI Planungsphase Postulate Potenzialanalyse Präsentation Präsentationsziele Prioritäten Projektablaufplanung Projektcontrolling Projekte Organisationsformen Projektinformationswesen Projektleiter Projektmanagement Projektstrukturplan Projektteam Projektziele Prozesscontrolling Prozesskette Prozessoptimierung Prozessorientierung
90,381 58 11 177 152, 188 260 36 24, 154 155 140 199 206 172 208 175 25,168 191 176 186 30 170 29, 147 29
Realisierungsphase Reddin Reifegradmodell Risikobetrachtung
206 297 300 197
Sachebene Sachkonflikte Schein Schiedsverfahren Schmidt Selbstbewusstsein Selbstbild Selbstcoaching Selbstkonzept Selbstkritik Selbstmanagement Selbstmotivation Selbstsicherheit Selbstverwirklichungsbedürfnisse Sender Persönlichkeit Sensitivität Sicherheitsbedürfnisse Situationsanalyse Souveränität persönliche Spiele Stabilität emotionale Startphase Strukturmodell Synektik-Methode
259 391 287 404 293 5 120 101 112 6 24 10 6 308 342 17 307 145 4 355 20 147, 180 348 238
Tätigkeitsliste Tannenbaum Team Teamcoaching Teamdiagnose Teamentwicklung Maßnahmen Teamleiter Teamorientierung Teamphasen Teilnehmertypen Testverfahren psychologische Themenzentrierte Interaktion Theorie X Theorie Y Transaktionen Transaktionsanalyse Transfersicherung Transferjournal TZI-Dreieck Umfeld soziales Umfeldkonflikte
200 293 256 101 274 275 277 265 17 269 220 41 257 284 286 351 348 95 96 257
185 393
Verantwortungsbereitschaft Verhalten Verhaltensgitter Verhaltensprozesse Verhaltensregeln Vermeidungsmotiv Vertrauen Verzerrungen Visualisierung Vorgehensweise systematische Vortragender
13,109 121 295 1 263 312 11 390 224
Wissensanwendung Wissenserwerb
31 30
Zeitmanagement Zeitplanung Ziele Zielformulierung Zielgruppenorientierung Zielorientierung Zielvereinbarungen Zugehörigkeitsbedürfnisse Zugehörigkeitsmotiv Zuhörer
24 137 137 146 25 26 81,379 307 312 155
26 158
13