BRIAN FOX
FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR Western-Roman Deutsche Erstveröffentlichung
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
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BRIAN FOX
FÜR EINE HANDVOLL DOLLAR Western-Roman Deutsche Erstveröffentlichung
WILHELM HEYNE VERLAG MÜNCHEN
HEYNE-BUCH Nr. 2292 im Wilhelm Heyne Verlag, München
Titel der amerikanischen Originalausgabe A DOLLAR TO DIE FOR Deutsche Übersetzung von Hans Maeter
Scanned by Doc Gonzo
Copyright © 1967 Produzione Europee Associate SAS 1967 Printed in Germany 1972 Umschlagbilder: Constantin Film Umschlaggestaltung: Atelier Heinrichs, München Gesamtherstellung: Ebner, Ulm
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l Der Sheriff von Nogales war sauer auf seinen Job, sauer auf das Land und sauer auf sein Gehalt. Und wenn er all seine Sorgen zusammenzählte, so hieß das Resultat: Kopfgeldjäger. Es war sein eigenes Vorrecht, aus seinem kühlen Büro in die glühende, öde, von Ungeziefer wimmelnde, wasserlose Steinwüste des Grenzlandes hinauszureiten und eine Kugel aus dem Hinterhalt zu riskieren, während er versuchte, jeden Verbrecher zu fangen, dessen Gesicht auf den Steckbriefen abgebildet war, die an den Wänden seines Büros hingen. Es war sein Privileg, sie einzufangen und die dafür ausgesetzte Belohnung zu kassieren. Die verdammten Kopfgeldjäger drängten sich in sein ureigenstes Territorium. Sie ritten vor sein Büro, eine Leiche hinter sich auf dem Sattel, und er mußte blechen. Zwar nicht mit seinem eigenen Geld; aber es lag schließlich in seinem Safe, und er war der Meinung, daß es eigentlich ihm gehörte. Sie hielten ihn in Armut! Der Kummer darüber machte ihm Durst, und er war der beste Kunde der Cantinas. Und dieses ständige Ertränken seines Kummers ließ ihm nur wenig Zeit, hinter den Verbrechern herzujagen. Er überlegte gerade, ob er nicht Kates Saloon besuchen sollte, als die schwere Bohlentür aufgestoßen wurde und ein Mann hereinwankte. Seine Arme waren ihm auf den Rücken gebunden, und er hatte einen Strick um den Hals. Das andere Ende des Strickes hielt ein Mann, der hinter ihm in das Büro trat. Der Mann, der den Strick hielt, war ein Riese, der kaum durch die Tür paßte und den Kopf einziehen mußte. Das heißt, er war über einsneunzig groß. Seine langen, schlanken Beine besaßen die geschmeidige Kraft einer Riesenschlange. Seine tiefliegenden Augen glänzten. Er sagte kein Wort. Sein breiter, dünnlippiger Mund war fest geschlossen. Wortlos drängte er seinen Gefangenen mit
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der Mündung seines schweren Vierundvierzigers zum Schreibtisch des Sheriffs. Dem Sheriff war diese nahe Gegenüberstellung mit Jan Hantz, Verbrecher, Mörder und Vergewaltiger, der seinen Tabak in einem Lederbeutel aufbewahrte, der aus der gegerbten Haut einer Frauenbrust angefertigt worden war, ausgesprochen unangenehm. Hantz' Fotografie war die unterste in dem Haufen, die der Sheriff sich in der Reihenfolge zurecht gelegt hatte, in der er sie vielleicht zu erledigen gedachte. Irgendwann. Die auf Hantz ausgesetzte Belohnung war verlockend, aber der Mann stand in dem Ruf, dem besten Schützen des Westens gewachsen zu sein. Der Sheriff fragte sich, wie der hochgewachsene Kopfgeldjäger ihn erwischt haben mochte. Hantz mußte stockbetrunken gewesen sein oder geschlafen haben. Oder beides. Er wünschte, er hätte Hantz nicht ausgerechnet zu ihm gebracht. Hantz hatte schon oft hinter Gittern gesessen, war aber stets wieder ausgebrochen und hatte dabei Sheriffs und Deputies erschossen, die sich ihm in den Weg gestellt hatten. Hantz lehnte sich gegen den Schreibtisch, wandte den Kopf und spuckte nach dem Mann, der ihn hergebracht hatte. Er traf nicht. Jetzt konnte der Sheriff sehen, daß eine von Hantz' gebundenen Händen in einem blutigen Verband steckte. Vielleicht ein Unfall. Aber der Sheriff glaubte das nicht. Der schwere Revolver bewegte sich nicht, als Hantz' Wächter einen Schritt zur Seite trat. Der Mann mußte verdammt gut sein, wenn er Hantz die Waffe aus der Hand geschossen hatte. »Sperren Sie ihn ein.« Der Sheriff zuckte zusammen. Dann stand er mühsam auf, fummelte nach seinen Schlüsseln und öffnete widerwillig eine der Gittertüren. Er trat zur Seite, während der Kopfgeldjäger Hantz in die Zelle trieb. Er sah zu, als der Kopfgeldjäger den Strick, der um Hantz' Hals lag, festzog und sein Ende am Fenstergitter verknotete. Hantz mußte völlig ruhig und aufrecht stehen, wenn er nicht erdrosselt werden wollte. »Das sollte reichen, bis ihr dazukommt, ihn aufzuhängen. Und jetzt zur Kasse.« Der Sheriff schloß die Zellentür ab und widmete sich dann
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der Tätigkeit, die ihn am meisten wurmte: er öffnete den Safe und zählte fünftausend Dollar auf den Tisch. Der Kopfgeldjäger schenkte ihm nicht einmal einen Blick. Er starrte zur Wand und auf einen Steckbrief. Er hatte den Wortlaut: GESUCHT TOT ODER LEBENDIG PINKY ROEBECK 7 500.- DOLLAR Der Kopfgeldjäger fragte, ohne sich umzuwenden: »Suchen Sie den immer noch? Oder ist er tot?« Der Sheriff brummte. »Er wird immer noch gesucht. Sonst würde die Fahndung doch nicht mehr da hängen.« Der große Mann riß das Plakat von der Wand, faltete es zusammen und steckte es in die Tasche seines Ponchos. Irgendwie regte er den Sheriff mehr auf als alle anderen Männer seiner Art. »Okay, Mister. Fangen Sie Pinky. Er steckt unten in Mexiko, in der Sierra Madre bei den Indianern. Die Apachen lieben ihn wie einen Bruder, und die Yaquis nennen ihn den >Bruder-mit-den-Blutaugen<. Wollen Sie wirklich versuchen, den Leuten ihren Liebling wegzunehmen?« »Ein Albino, wie? Der dürfte leicht zu finden sein.« Er nahm das Geld vom Tisch, zählte es flüchtig und steckte es ein. Es tat dem Sheriff fast körperlich weh, es in der Tasche des Mannes verschwinden zu sehen. Er brummte: »Welchen Namen soll ich auf Ihren Grabstein schreiben, wenn man Sie mit Pfeilen gespickt wie ein Stachelschwein über die Grenze wirft?« Der Mann war schon auf dem Weg zur Tür. »Gar keinen.« Der Sheriff kniff die Augen zusammen. Er hatte schon von dem Mann-Ohne-Namen gehört. Ihn fröstelte. Es schien ihm plötzlich kühler geworden zu sein. Der Mann trat auf die Straße, zu dem breitbrüstigen Pferd,
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das vor dem Sheriffbüro angebunden war, und schwang sich mit einer raschen, fließenden Bewegung in den Sattel. Er lenkte das Pferd um die Hausecke in eine schmale Seitengasse neben dem Sheriffbüro. Das Zellenfenster lag auf gleicher Höhe mit dem Reiter. Er zog ein schweres Messer aus dem Gürtel und durchschnitt den Strick, mit dem Hantz an das Zellengitter gebunden war. Den Rest mußte Hantz selbst erledigen. Aber bei seinem Ruf sollte er bis zum Abend frei sein. Der Kopfgeldjäger fragte sich, ob Hantz den Sheriff umbringen würde. Aber er hielt sich nicht auf, um das herauszufinden. Er lenkte sein Pferd herum und ritt langsam nach Süden, auf die mexikanische Grenze zu.
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2 Juarez' Guerillas durchstreiften die Berge weit südlich der Sierra Madre. Porfirio Diaz hatte Pueblo genommen und griff nun Mexico City an. Die französischer! Truppen waren zurückgezogen worden, und Kaiser Maximilian hatte, aus reiner Verzweiflung, selbst das Kommando seiner Truppen übernommen. Bei Querataro wurde er eingeschlossen, konnte aber der Belagerung mehrere Wochen lang standhalten. Bis zum 15. Mai 1867, als er von einem seiner eigenen Offiziere, Colonel Lopez, verraten wurde. Die Garnison wurde erstürmt und Kaiser Maximilian gefangengenommen. Querataro döste erschöpft in der Sommerhitze, und Maximilian schmachtete im Gefängnis, zusammen mit seinen beiden loyalen Generalen Miramon und Mejia, die mit ihm zusammen von einem Kriegsgericht abgeurteilt worden waren und auf den Tod warteten. Die drei Männer waren in einer leeren, dickwandigen Zelle im Zentrum der Zitadelle eingekerkert worden. Ein langer und düsterer Monat verstrich. Und dann plötzlich ein Funken Hoffnung: Ein barfüßiger Wächter, dessen Uniform aus einem schmutzigen weißen Hemd und weißer Baumwollhose bestand, schlich durch den Korridor und blieb vor der Zellentür stehen. Er blickte sich verstohlen um, steckte ein Stück Papier zwischen den Eisengittern hindurch und hastete fort. General Mejia, der bei der Tür stand, hob das Papier auf, trat ans Fenster, um es lesen zu können und reichte es dann dem Kaiser. »Majestät, Majestät, wir sind gerettet!« Maximilian von Österreich rieb sich skeptisch das Kinn. »Hat Juarez endlich auf die Bitten meines Bruders und Napoleons gehört?« »Dieser Indianer hört nicht einmal auf Gott. Aber mein Adjutant, Graf de Cabronet, hat mir geschrieben. Er hat unter Ihren Anhängern im Süden eine Viertelmillion Dollar ge-
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sammelt. Heute nacht wird er die Wachen bestechen, uns befreien und Eure Majestät sofort nach Norden in die Vereinigten Staaten bringen.« »Lassen Sie mich sehen.« Hastig griff der Kaiser nach dem Papier. Er hatte schon früher gehofft und war jedesmal enttäuscht oder von Verrätern hintergangen worden. Doch er erinnerte sich an den mutigen Grafen, der das riskante Spiel liebte. Die Nachricht war in de Cabronets flüchtiger, doch eleganter Handschrift abgefaßt. Eine Viertelmillion konnte eine Menge Freiheit kaufen. Und seinen Feinden den Tod bringen. Zum erstenmal, seit dieses aus hergelaufenem Gesindel zusammengestellte >Kriegsgericht< ihn zum Tode verurteilt hatte, konnte Maximilian wieder lächeln. Der Alptraum war vorüber. Er würde seine geliebte Frau wiedersehen, sein wunderbares Schloß Miramar hoch über der Adria. Er stand auf und begann ruhelos hin und her zu gehen. Er war mit großen Plänen in dieses Land gekommen. Er wollte ein zurückgebliebenes Land zu einer großen Nation formen und Mexiko den alten Glanz zurückgeben, den ihm die Spanier geraubt hatten. Vielleicht war ihm das immer noch möglich. Vielleicht würden die Menschen sich wieder um ihn scharen, wenn er wieder frei war, und Juarez und seine Banditen-Armee ins Meer treiben. Sein Enthusiasmus beflügelte seine Gedanken. Sie wurden von Geräuschen auf dem Korridor unterbrochen. Ein Schlüssel knirschte. Die Tür wurde geöffnet. Ein Offizier trat in die Zelle und grüßte ironisch. Hinter ihm stand ein Dutzend Soldaten. »Bitte kommen Sie mit«, sagte er. »Alle drei. Der Befehl ist endlich eingetroffen.« Maximilian starrte ihn an. »Welcher Befehl?« »Der Exekutionsbefehl natürlich. Was haben Sie denn gedacht?« Der Kaiser atmete tief ein, unterdrückte einen Protest und warf seinen Generalen einen warnenden Blick zu. Beinahe hätte er etwas von der nahe bevorstehenden Rettung verraten. Ein Kaiser durfte die Menschen, die ihm helfen wollten, nicht verraten.
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Er senkte den Kopf, sprach ein leises Gebet und richtete sich stolz auf. In kaiserlicher Haltung ging er den beiden anderen Männern voran aus der Zelle. Ein Habsburger würde diesen Banditen zeigen, daß er sterben konnte. Der gepflasterte Hof war glühend heiß. Maximilian schritt zur gegenüberliegenden Mauer und wandte sich um. Zwischen Miramon und Mejia stehend, wies er die angebotene Augenbinde mit einer stolzen Kopfbewegung zurück und blickte den Soldaten des Peleton in die Gesichter. Zwölf barfüßige Peons. Flache, ausdruckslose Indianergesichter. Stumpfe, dunkle Augen. Maximilian fragte sich, wie solche Männer, unter Juarez und Diaz, die Elitetruppen Napoleon III. in die Flucht schlagen und ins Meer treiben konnten. Worin lag ihre Stärke? Und dann, im Augenblick, als die Schüsse krachten, wußte er die Antwort: Diese Männer waren tief im Boden ihrer Heimat verwurzelt. Eine unregelmäßige Salve. Schwere Bleikugeln zerfetzten sein weißes Hemd. Maximilian stürzte zu Boden. Miramon und Mejia sanken neben ihm zusammen. Das Kaiserreich von Mexiko war zu Ende. Graf de Cabronet hörte die Schüsse in einer Kirchenruine außerhalb der Stadt. Seit der Gefangennahme des Kaisers war kein einziger Schuß mehr gefallen. Eine böse Ahnung beschlich den Grafen. Er hatte mit seinen sechs Getreuen auf die Dunkelheit gewartet, um die Viertelmillion Dollar zum Polizeichef zu bringen, der das Geld dann verteilen würde, um Maximilians Flucht zu sichern. Er sandte einen Mann in die Zitadelle, um feststellen zu lassen, was die Schüsse bedeuteten. Die Nachricht von der Hinrichtung des Kaisers ließ ihn erstarren. Seine Nachricht mußte bei dem toten Kaiser gefunden worden sein. Wahrscheinlich wurde der Gefangenenwärter schon jetzt vom Gouverneur verhört. Der Wärter, Gordo, war hager, geduckt und hatte ein nervöses Zucken in seinem rechten Auge. Der Gouverneur
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war fett und gierig. Er verdankte seine Position dem Umstand, daß eine seiner Kusinen die Frau Juarez' war. »Schwein!« schrie er. »Hurensohn! Verräter an der glorreichen Revolution! Wo ist das Gold? Wo?« Der Wächter hatte das Gold nicht gesehen, er wußte nicht einmal davon. Er wußte lediglich, daß ein Mann auf der Straße ihm einen Peso gegeben hatte, damit er dem Gefangenen eine Nachricht zustecken sollte. Er wußte nicht, was auf dem Papier stand. Er konnte ja nicht lesen. Aber das alles hatte er dem Gouverneur schon dreimal in respektvollem Ton erklärt. Der Gouverneur war genauso mißtrauisch wie gierig. Er wollte diesen elenden Kerl um jeden Preis dazu zwingen, ihm das Versteck des Goldes zu verraten. »Hängt ihn an den Daumen auf«, befahl er. Er ergriff die Peitsche. Der Schlag zerfetzte das Hemd und ließ die Haut des hageren Rückens aufplatzen. Gordos ausgemergelter Körper zuckte, und Blut strömte aus der Wunde. »Wo ist das Gold?« Gordo schrie vor Schmerz. Die Peitsche schlug wieder zu, und wieder und wieder. Gordo schrie, und sein Körper zuckte und bebte, bis er unter den brutalen Schlägen ohnmächtig wurde. Mit kaltem Wasser wurde er ins Bewußtsein zurückgerufen, und die Quälerei ging weiter. Gordos Schreie wurden schwächer und schwächer, und nun nützte auch das kalte Wasser nichts mehr. Gordo würde nie das Versteck des Goldes verraten. Er war tot. Wütend ließ der Gouverneur den Garnisonshauptmann rufen und befahl eine gründliche Durchsuchung der ganzen Stadt, Haus für Haus. Graf de Cabronet mußte gefunden und lebend gefangengenommen werden. Vom Glockenturm der Kirchenruine aus sah der Graf, wie die Soldaten mit der Durchsuchung begannen. Er lächelte grimmig. Die alte Ruine galt als Geisterschloß. Die Durchsuchungskommandos schlugen auch einen weiten Bogen um die alte Kirche. Mit den Gespenstern wollte es niemand aufnehmen. Gegen Mitternacht wurde die Suche eingestellt. Graf de Cabronet führte seine kleine Kavalkade aus der Ruine auf die
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staubige Straße hinaus. Er verließ sich darauf, daß die Soldaten nach der anstrengenden Durchsuchung entweder schlafen oder sich mit Pulque betrinken würden. Die meisten taten das auch. Aber andere hatten auf Befehl des Gouverneurs Straßensperren errichtet, damit das Gold nicht aus der Stadt gebracht werden konnte. Der Graf ritt direkt in eine der Straßensperren hinein. Ohne jede Vorwarnung sprangen plötzlich dicht vor ihm zwei dunkle Schatten auf die Straße und befahlen ihm, anzuhalten. Graf de Cabronet trieb seinem Pferd die Sporen in die Flanken und zog seinen silberbeschlagenen Säbel, ein Erbe einer langen Ahnenreihe von Kriegern. Ein Schuß dröhnte dicht vor seinem Gesicht. Die Kugel sang an seinem Kopf vorbei, und dann war der Graf über seinem Angreifer, und das Pferd trampelte den Mann zu Boden. Der zweite Mann versuchte, sein Gewehr anzulegen. Der Säbel des Grafen trennte ihm den Kopf vom Rumpf. Dann war die Gefahr vorbei, und die kleine Kavalkade ritt nordwärts. Die beladenen Tragtiere hemmten das Tempo, aber die Schüsse der Verfolger spornten sie an. Die Oberlebenden der Straßensperre waren völlig durcheinander. Noch waren sie zu verwirrt, um an die Strafe zu denken, die sie treffen würde, weil sie die Flucht des Grafen nicht hatten verhindern können. Eine Stunde später waren indianische Läufer unterwegs zu den nördlichen Garnisonen, um die Truppen zu alarmieren. Für den Augenblick war die Revolution vergessen. Alle Kräfte waren darauf konzentriert, den Goldtransport zu finden.
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3 Der Mann-Ohne-Namen hatte keine Ahnung davon, daß Mexiko von einer Revolution erschüttert wurde. Gemächlich ritt er südwärts in die wilde Sierra Madre. Irgendwo in der wilden Landschaft würde er Pinky Roebeck finden, der für ihn siebentausendfünfhundert amerikanische Dollar wert war. Die Sierra Madre del Norte ist die wildeste Gebirgslandschaft des Kontinents. Lange, unüberwindliche Bergzüge liegen öde und drohend, wie gefrorene Wellen. Nur ein einziger Paß führt über die Höhen, die Königsstraße, wie er von den Spaniern genannt worden war, die einst die reichen Erzminen der Berge ausgebeutet hatten. Den Mann-Ohne-Namen schreckte die Weite der Sierra Madre nicht. Pinky Roebeck mußte diesen Weg genommen haben. Irgendwann mußte er ihm begegnen. Pinky Roebeck wußte nichts von dem Mann-Ohne-Namen. Es kam ihm nicht in den Sinn, daß er hier, in der mexikanischen Bergwildnis, in Gefahr sein könnte. Er kannte diese Landschaft sehr genau. Seit Jahren hatte er sich hier versteckt, wenn es ihm nördlich der Grenze ein wenig zu heiß geworden war. Er war der Freund der Apachen und Yaquis, deren liebster Zeitvertreib darin bestand, die Bergdörfer zu überfallen, Pferde zu rauben, die Frauen zu vergewaltigen und die Männer zu kastrieren. Und die mexikanischen Dorfbewohner, Nachkommen der Indianersklaven, deren Arbeit die Truhen der spanischen Eroberer mit Gold und Silber gefüllt hatte, fürchteten Roebeck mehr als den Teufel. Ihm gefiel der Name, den sie ihm gegeben hatten: der rosaäugige Teufel. Im Augenblick genoß er die Gastfreundschaft Tayopas, einer kleinen Ansammlung von Lehmhütten an einem winzigen Bach, dessen Bett während der Sommermonate völlig austrocknete. Er wohnte in der Hütte des Dorfältesten. Er lag
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in einer Hängematte, die zwischen Hauswand und einem riesigen Cottonwoodbaum gespannt war, und sein nackter Körper war schweißnaß von der angenehmen Anstrengung. Die Tochter des Dorfältesten, ebenfalls nackt, lag neben ihm in der Hängematte. Ein Teil seines Vergnügens bestand darin, daß die Dorfbewohner ihm bei seinem Zeitvertreib zusahen. Er wußte, daß sie es nicht wagen würden, sich einzumischen. Er hatte ihnen gedroht, die Apachen auf sie zu hetzen, falls sie ihm irgendwie lästig werden sollten. Das Mädchen neben ihm war blutjung, höchstens dreizehn Jahre alt. Aber ihr Körper war schon voll entwickelt. Lachend biß sie ihn ins Ohrläppchen. Er widmete sich voll und ganz dem Mädchen. Er hatte keine Eile. Das Liebesspiel eines Killers — und das Mädchen wußte es. Sie hatte früh gelernt. Ihm machte es Spaß, und er wollte es in die Länge ziehen. Er war so beschäftigt, daß er nicht merkte, wie ein hochgewachsener Reiter ins Dorf kam und sich zu den Männern und Frauen stellte, die ihn von der Kirche her beobachteten. Roebeck sah auch nicht, wie der Mann leise mit dem Dorfältesten sprach. Der Kopfgeldjäger ritt langsam auf die Hängematte zu. Er hatte keinerlei Mühe, Pinky zu identifizieren. Es konnte in diesen Bergen keine zwei Albinos geben. Ein paar Kleidungsstücke waren neben der Haustür auf den Boden geworfen, fast ein Dutzend Schritte von der Hängematte entfernt. Ein Gurt mit zwei großen Revolvern lag daneben. Der Mann-Ohne-Namen löste das Lasso vom Sattelknopf und formte ohne Eile eine Schlinge. Er zügelte das Pferd neben der Hängematte und blickte auf den nackten weißen Körper hinab. »Tut mir leid, wenn ich störe, Pinky«, sagte er. Roebeck wälzte sich herum und richtete sich so rasch auf, daß er das Mädchen aus der Hängematte stieß. Er versuchte, sich aus dem Gewebe zu befreien und zu seinen Waffen zu laufen. In aller Ruhe warf ihm der Kopfgeldjäger die Schlinge über
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den Kopf und zog das Lasso fest. Dann drängte er sein Pferd langsam rückwärts. Pinky Roebeck wurde aus der Hängematte gezerrt und stürzte zu Boden. Er versuchte, auf die Füße zu kommen. Der Mann-Ohne-Namen gab seinem Pferd die Sporen. Das Tier setzte sich in Bewegung, und der Killer wurde durch den scharfen Kies der Straße gezerrt. Sie kamen an der Kirche vorbei. Männer und Frauen liefen auf Pinky zu und spuckten ihn an. Er schlug und trat in hilfloser Wut nach ihnen. Unter dem einzigen Baum der Plaza zügelte der Kopfgeldjäger sein Pferd und stieg ab. Er riß Pinky bei den Haaren hoch und fesselte ihn an den Baumstamm. Roebecks wilde Flüche schien er nicht einmal zu hören. Dann trat er zurück und blickte die Dorfbewohner scharf an. »Laßt ihn in Ruhe«, sagte er auf spanisch. »Ich brauche ihn lebend.« Er wandte sich um und ging zur Hütte des Dorfältesten. Das Mädchen hatte sich auf Pinkys Kleidung gestürzt und einen Revolver aus dem Halfter gerissen. Sie richtete ihn auf den Kopfgeldjäger. Doch sie wartete zu lange, bevor sie abdrückte, und er schlug ihr die Waffe aus der Hand. Die Kugel klatschte in die Wand. Er nahm den Revolver, zog auch noch Pinkys zweite Waffe aus dem Halfter und warf beide in den Dorfbrunnen. Dann wandte er sich dem Mädchen zu. Wie eine Wildkatze kam sie auf ihn los. Er packte sie. Ihre nackte schweißnasse Haut war glatt und schlüpfrig. Sie schrie ihn auf spanisch, gebrochenem Englisch und Tarahumari an. »Mörder! Wüstling! Impotenter Hund!« Er schleppte sie zur Hängematte zurück und warf sie hinein. Trotz ihres Schreiens und Fluchens blickte nicht ein einziger der Dorfbewohner nach ihr. Sie waren damit beschäftigt, Pinky zu quälen. Der Mann-Ohne-Namen hielt sie fest und öffnete den Gürtel. Sie wurde plötzlich still und hörte auf, sich zu wehren. Ihre dunklen Augen blickten interessiert und erwartungsvoll zu ihm auf. Sie lag still und wartete . . .
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4 Pierre Henri Marcel Graf de Cabronet war dazu geboren und erzogen worden, Armeen in siegreiche Schlachten zu führen. Die sechs heruntergekommenen, zerlumpten, hungrigen Soldaten, die ihm jetzt folgten, waren eine Beleidigung für ihn. In den zwei Wochen seit ihrem Ausbruch aus Querataro waren er und die sechs Männer auf engen, steilen Gebirgspfaden durch Zentralmexiko nach Norden geritten, auf die Grenze der Vereinigten Staaten zu, wo sie sicher sein würden. Überall lauerten die Feinde. Juarez hatte seine ganze Banditenarmee alarmiert, um ihn zu stellen und ihm das Gold abzujagen, das er auf den Tragtieren mit sich führte. Er ritt nur während der Nacht. Bei Tageslicht verkroch er sich wie ein gehetztes Kaninchen. Er konnte es nicht auf einen Kampf mit Juarez' Männern ankommen lassen. Trotzdem aber hatte er kämpfen müssen. Zweimal war die kleine Truppe mit dem Gegner zusammengestoßen, und er hatte dafür gesorgt, daß es keine Überlebenden gab, die seinen Aufenthaltsort verraten konnten. Sein Glück blieb ihm bis Chihuahua treu. Dort warnte ihn ein freundlicher Rancher, Almaden, daß eine große Streitmacht Juarez' den Weg zur Grenze gesperrt hatte. De Cabronet stellte Fragen, fertigte eine Skizze an. Er konnte nach Westen ausweichen und die weglose Sierra Madre durchqueren. Die Royal Road würde ihn bis zur Sonoranwüste führen. Von dort aus konnte er sich nordwärts nach Nogales wenden, auf der anderen Seite der Grenze. Der Ritt war eine unendliche Strapaze. De Cabronet litt vor allem unter der Hitze, die seine Kräfte auslaugte, unter dem Staub, der ihm in Mund und Nase drang. Er haßte die häßlichen, öden Bergrücken, die tiefen, zernarbten Canyons, den schmalen, steinigen Pfad mit dem großen Namen. Die Royal Road. Die Pferde lahmten, die Männer waren wortkarg und mürrisch. Sie sahen keine Frauen in den kleinen Bergdörfern;
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sie sahen keine Menschenseele. Die Einwohner schienen ihr Kommen geahnt und skh in die umgebende Wildnis zurückgezogen zu haben. Die Häuser waren armselige, ungezieferverseuchte Hütten, und de Cabronet konnte die Nahrung, die seine Männer dort auftrieben, vor Ekel nicht anrühren. Ein widerliches Land zum Sterben — und er wußte, daß der Tod nicht mehr weit entfernt lag. Die ganzen, erniedrigenden Umstände waren eines französischen Edelmannes unwürdig. Er verfluchte die Ursachen seiner elenden Lage. Es war eine Dummheit, daß Maximilian nicht mit den französischen Truppen das Land verlassen hatte. Und Napoleon III. war genauso ein Narr gewesen, das Abenteuer mit Geld und Truppen zu unterstützen. Und er selbst, Pierre de Cabronet, war der größte aller Narren gewesen, weil er sich auf dieses Abenteuer in diesem barbarischen Land eingelassen hatte. Seine Familie war verarmt, und er hatte davon geträumt, Reichtum und Ruhm erwerben zu können, sich in dem neuen Imperium Besitz zu schaffen. Er hatte geglaubt, eines Tages einer der mächtigen Edelleute des neuen Hofes zu sein. Doch jetzt lag alle seine Hoffnung in Scherben, und er mußte wie ein Ungeziefer durch den Sand kriechen, um nur das nackte Leben zu retten. Er verfluchte die langsamen Tragtiere, und doch war ihre Last seine letzte noch verbliebene Hoffnung. Das Gold, das sie trugen, sollte ihm einen neuen Start in den Vereinigten Staaten ermöglichen. Die Männer fürchteten sich vor den Bergpässen, vor den verlassenen Dörfern, der riesigen, öden Leere. Er wußte, daß sie ihm davonlaufen würden, wenn er nicht bald etwas finden würde, um sie abzulenken, sie zu unterhalten. Er führte sie einen langen, mühsamen, Serpentinenpfad eines Canyons hinauf. Und plötzlich, auf dem Gipfel, starrte er ins Tal hinunter, in ein Paradies. Zweitausend Fuß unter ihnen lag ein langes, enges Tal. Ein blauer Bach wand sich durch dichte Baumbestände und saftige grüne Wiesen. Futter für die halbverhungerten Pferde. Und für die Männer mußte es dort Wild geben, vielleicht sogar Fische. Doch der Pfad, der in dieses Paradies führte, war fast un-
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gangbar. Er bestand aus schmalen Felsvorsprüngen, neben denen die Wand steil abfiel. Der Weg bot den Hufen der Tiere kaum Platz und war so steil, daß die Pferde sich weigerten, hinabzugehen. Die Packtiere mußten mit Steinen und Knüppeln angetrieben werden. An einer Stelle wurde der Pfad von einem großen Felsblock versperrt, der aus der Wand gebröchen und herabgefallen war. Sie brauchten eine halbe Stunde, um ihn beiseite zu räumen. An einer anderen Stelle war ein Stück des Pfades herausgebrochen, und nur eine zwei Fuß breite Spur führte um die Bruchstelle herum. Sie brauchten den ganzen Nachmittag, um die Tiere einzeln, Schritt für Schritt, hinabzuführen. Auf der grünen Fläche des Tales angekommen, brüllten die Männer vor Freude und Erleichterung. Und dieser Freudenausbruch erschreckte de Cabronet mehr als die Gefahren des Marsches durch die Wüste. Die Schreie wurden als Echo von den Wänden zurückgeworfen und waren sicher meilenweit zu hören. Wer konnte wissen, wo die Verfolger lauerten? Er zog seinen Säbel, um die Männer zum Schweigen zu bringen, und sah sich um. Das Tal war noch schöner, als er angenommen hatte. Zu seinem Erstaunen entdeckte er einen verwilderten Obstgarten, dessen Bäume sich unter Früchten bogen. Er sah Orangen, Quitten, Pfirsiche, Granatäpfel und Bananen. Ein Paradies. Hinter den Bäumen lagen die verfallenen Reste einer ehemaligen Hazienda. Das Dach war eingesunken, die Fenster nur noch Löcher in den zerfallenden Wänden. Aber das Beste von allem war der Bach, blau, klar und sauber. Die Männer hatten sich schon an seinem Ufer zu Boden geworfen und ließen sich mit dem klaren Wasser volllaufen. De Cabronet entdeckte Tierspuren im Ufersand; von Hirschen, Jaguars und Rebhühnern. Riesige Vogelschwärme flogen auf, als er die Obstplantage betrat. Seine Männer waren schon über die Bäume hergefallen und rissen die Früchte von den Zweigen. De Cabronet nahm ein Gewehr in die Hand, prüfte, ob es
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geladen war, und ging langsam den Bach hinauf. Ein Hirsch schreckte aus dem Dickicht und stob in wilder Panik davon. Mit einem einzigen Schuß streckte der Graf das Tier zu Boden. Er rief ein paar Männer herbei, die die Beute zum Camp trugen. De Cabronet ging zu der Hausruine zurück und setzte sich auf ein verfallenes Mauerstück. Er sah den Männern zu, die das Tier zerlegten, ein Feuer machten, Fleischstücke auf einen Stock zogen und zwischen zwei in den Boden gerammten Astgabeln über die Glut hängten. Andere sattelten die Pferde ab und ließen sie in dem üppigen Gras weiden. Es war ein gutes Omen, dachte er, daß wir diesen Ort gefunden haben. Er beschloß, eine zweitägige Rast einzulegen, damit sich Männer und Pferde von den Strapazen erholen konnten. Tuco Benedicto Pacifico Jüan Marie Ramirez war schon oft die Royal Road entlanggeritten, manchmal gemütlich, manchmal in wilder Flucht vor Menschen, deren Rachedurst er hervorgerufen hatte. Aber noch niemals war er in der Uniform eines Soldaten hier über die Berge gezogen. Tuco war alles andere als ein Soldat. Er war ein instinktiver Bandit. Er träumte davon, >Tuco der Schreckliche< genannt zu werden. Aber nun war er hier, Mitglied eines kleinen Reitertrupps, der halb verdurstet dem grünen Canyon zustrebte. Tuco überlegte, welchem günstigen Schicksal er es zu verdanken hatte, gerade diesem Trupp zugeteilt worden zu sein. Er war nicht der einzige Bandit in Juarez' Armee. Viele der Gesetzlosen hatten sich den >Befreiern< angeschlossen; nicht aus plötzlich erwachtem Patriotismus, sondern aus reinem Ge schäftskalkül. Ein Krieg schuf immer ein Chaos und gab Ge legenheit zum Rauben und Plündern. Es war viel sicherer, im Namen der Revolution zu stehlen, als auf eigene Rechnung. Und es war auch ehrenhafter. Bis jetzt war für ihn nicht sehr viel dabei herausgekommen. Das Land war zu arm. Aber Tuco dachte an die reiche Beute, die jetzt vor ihm lag. Er hatte Glück gehabt, daß er der B-Kompanie von Diaz' zweiter Kavalleriebrigade als Sergeant zugeteilt worden war.
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Und sein Glück war es auch, daß der Indianerläufer seinem Kompaniechef, Capitan Alvarez, den Befehl überbracht hatte, einen französischen Offizier zu verfolgen, der mit einer Viertelmillion in Gold nach Norden flüchtete. Die Erwähnung dieses Schatzes hatte aus Tuco einen mu sterhaften, eifrigen Soldaten gemacht. Er half Alvarez, die Männer bis zur Grenze ihrer Leistungsfähigkeit vorwärtszutreiben und die vermutlichen Fluchtwege de Cabronets abzusuchen. Dann wandten sie sich nach Süden, nach Chihuahua, dem einzigen anderen Ort, wo sich die Flüchtlinge aufhalten konnten. Sie fanden den Gouverneur in heller Wut. »Ihr habt versagt!« schrie er Alvarez an. »Sie sind schon fort! Vor sechs Stunden waren sie hier! Warum waren Sie da nicht hier?« Tuco wäre am liebsten sofort weitergeritten, den Flüchtenden nach. Es wurmte ihn, daß er warten mußte, bis Alvarez' Debatte mit dem Gouverneur zu Ende war. »Warum haben Sie die Leute nicht selbst aufgehalten?« fragte der Capitan den Gouverneur. »Es waren sieben Männer, Capitan, und alle schwer bewaffnet. Sie sind in weitem Bogen um die Stadt herumgeritten. Ein Peon von Almaldens Hacienda hat mich davon benachrichtigt. Aber was konnte ich tun? Ich konnte doch nicht allein hinter ihnen herreiten. Sie hatten ja alle Soldaten mitgenommen.« Alvarez beugte sich wütend vor und hieb dem Gouverneur die Reitgerte ins Gesicht. Er hatte keinen Respekt vor Jua-rez' angeheirateter Verwandtschaft. »Hund! Du wagst es, mir die Schuld für dein Versagen zuzuschieben? — Wohin sind sie geritten?« »Zur Royal Road«, murmelte der Gouverneur. Er spuckte Blut in den Sand und fuhr mit der Hand über seinen aufgeschlagenen Mund. »Und woher weißt du, daß es wirklich die Männer waren, hinter denen wir her sind?« »Der Peon sagte, ihr Führer trägt die Uniform des fremden Kaisers und einen silberbeschlagenen Säbel.« Tuco hustete bescheiden. »Sollten wir uns nicht gleich auf den Weg machen?«
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Capitan Alvarez sah den Sergeanten kühl an. »Noch habe kh hier das Kommando. Und zwar deshalb, weil ich denken kann. — Leutnant Sanchez, der Franzose schlägt vielleicht nur eine Finte, um uns von seiner Spur abzubringen. Nehmen Sie zehn Mann und reiten Sie die Royal Road entlang. Ich bleibe mit dem Rest der Leute hier und lege einen Hinterhalt, falls er zurückkommen sollte.« Tuco schickte ein stummes Stoßgebet zu seinem Schutzpatron, der alles so einrichtete, wie er, Tuco, es wollte. Er drängte sein Pferd ein paar Schritte auf den Capitan zu. »Ich melde mich freiwillig für den Spähtrupp, Capitan. Und Pepe und Ruiz und Santos ebenfalls.« Er sah, daß Leutnant Sanchez ihn mißtrauisch anblickte. Kein normaler Soldat würde sich freiwillig für einen Ritt in die Hölle der Sierra Madre melden. Und das war auch zumindest einer der Gründe, warum Capitan Alvarez es vorzog, in Chihuahua zu warten. Und auch Sanchez war von dem Auftrag alles andere als begeistert. Nur Tuco der Schreckliche zitterte vor Aufregung. Sanchez würde sich Männer auswählen, denen er vertraute. Aber jetzt machte sich sein bisheriger Eifer bezahlt. Er gehörte zu den Männern, die Sanchez benannte. Elf Männer gegen die sieben Leute de Cabronets. Und sobald die erledigt waren, würde Tuco der Schreckliche die Sache in die Hand nehmen. Mit Sanchez würde er leicht fertig werden. Tuco kannte die Macht der Gier. Er würde Hilfe brauchen, um das Gold in ein sicheres Versteck zu bringen. Pepe, Ruiz und Santos gehörten auch zu den zehn Männern des Spähtrupps. Er würde ihnen einfach die Kehlen durchschneiden, wenn sie schliefen. Dann brauchte er das Gold mit niemandem zu teilen. Leutnant Sanchez kannte die Sierra Madre nur vom Hörensagen. Er war ein mißtrauischer, vorsichtiger Mann. Graf de Cabronet hatte sechs Männer bei sich, alles gute, ausgebildete Soldaten. Sanchez wollte einen offenen Kampf um jeden Preis vermeiden. Er wollte die Gegner in einen Hinterhalt locken und abknallen, bevor sie überhaupt wußten, was los war. Er sandte einen Späher voraus, der die Flüchtigen suchen
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und melden sollte. Er selbst folgte mit dem Rest der Männer in großem Abstand. Vier Tage lang ritten sie durch die wilde, öde Berglandschaft, ohne eine Menschenseele zu entdecken. Es war, als ob de Cabronet und seine sechs Männer vom Erdboden verschluckt worden wären. Aber am fünften Tag kam der Späher zurück und meldete, daß er den Franzosen in einem Canyon entdeckt habe. Er und seine Männer hätten dort Camp gemacht und nicht einmal Wachen aufgestellt. Sanchez führte seine Männer zu dem Canyon und postierte sie an dessen oberem Rand. Er sah die sechs Männer des Franzosen zwischen den Bäumen herumlaufen und Früchte von den Ästen pflücken. Er sah, daß sie ein Feuer gemacht hatten, und für einen flüchtigen Augenblick roch er den würzigen Hirschbraten. Eine rasche Bewegung neben sich ließ ihn aufblicken. Tuco wischte Speichel von seinem Mund und beklagte sich darüber, daß er seit der Belagerung von Mexico City nichts als kalte Bohnen gegessen hätte. Sanchez befahl ihm zu schweigen und starrte wieder in den Canyon hinunter. Er prägte sich die Lage des Camps, den Standort der Pferde, des Feuers genau ein. Als es völlig dunkel geworden war, ließ er einen Mann bei den Pferden zurück und begann mit den anderen, den steilen, gefahrvollen Pfad hinabzusteigen. Es war Neumond, und die Sterne verbreiteten nur ein schwaches Licht. Mit äußerster Vorsicht krochen sie den engen, steilen Bergpfad hinab. Sie achteten darauf, daß die über den Rücken gehängten Gewehre nicht gegen den Fels schlugen und sie verrieten. Sie hatten ihre Sporen abgeschnallt, und Sanchez hatte ihnen gedroht, jedem Mann die Ohren abzuschneiden, der einen Kiesel in den Abgrund stieß. Der Franzose mochte sich sicher fühlen, aber er war bestimmt kein Narr. Kurz nach Mitternacht erreichten Sanchez' Männer den Boden des Canyon. Nicht einer von ihnen griff nach den Früchten, als sie zwischen den Bäumen hindurch auf das Camp zuschlichen. Die Männer de Cabronets lagen im tiefen Schlaf völliger Erschöpfung um das verglimmende Feuer. Dunkle Gestalten krochen wie Schatten auf sie zu, und lange Messer stachen
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hart und sicher in die Kehlen. Keiner der Männer erwachte, kein Schrei ertönte, nicht ein einziger Schuß fiel. Und dann war alles vorbei. »Jetzt könnt ihr essen!« rief Sanchez, als der letzte von de Cabronets Männern ermordet worden war. Er wollte sich als verständnisvoller Offizier zeigen und winkte triumphierend mit seinem blutigen Messer. Die anderen Männer stießen ein Freudengeheul aus und warfen frisches Holz auf das Feuer. Dann stürzten sie sich auf die Reste des Hirschbratens und nahmen sich kaum Zeit, ihre blutverschmierten Messer am Gras sauberzuwischen. Sanchez ließ sie essen, bis sie satt waren. Dann schnitt er einen der schweren Packen auf, und die Goldmünzen rannen zu Boden. Die Männer sollten sehen, daß sie wirklich den Schatz zurückgewonnen hatten. Dann ließ er den Packen wieder zunähen und das Gold einfüllen. Sergeant Tuco bekam den Auftrag, den Schatz zu bewachen. »Und wenn morgen früh auch nur ein einziger Peso fehlen sollte«, sagte Sanchez zu Tuco, »dann schicke ich Ihre Leber an General Diaz.«
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5 Hundert Fuß oberhalb des Flußufers, in einem dichten Ge strüpp wilder Cottonwoodbäume, schlief der Mann-OhneNamen. Pinky Roebeck lag neben ihm. Seine Hände waren gefesselt, und ein Seil lief um einen Baumstamm herum zu seinen ebenfalls gefesselten Füßen. In der vergangenen Nacht hatten sie es bequemer gehabt. Sie hatten im grünen Canyon kampiert, bis de Cabronets Männer am Rand des Canyons erschienen waren und sie vertrieben hatten. Pinky, der Albino, hatte zufrieden im Gras gesessen, die reifen, süßen Früchte gekaut und sich auf einen ruhigen Nachmittag gefreut. Er hatte den ersten Schock der Gefangennahme überwunden und war sicher, sehr bald eine Gelegenheit zur Flucht zu finden. Es war noch ein weiter Weg bis nach Nogales, und er führte zum größten Teil durch das Gebiet der Apachen und Yaquis, seiner Freunde. Er hatte de Cabronets Männer im gleichen Augenblick entdeckt, als auch der Mann-Ohne-Namen sie sah. »Wer, zum Teufel, sind denn die?« Der Mann-Ohne-Namen hatte ihm nicht geantwortet, sondern war sofort aufgebrochen. Er wollte vor allem verhindern, daß Pinky verletzt oder befreit wurde. Er war mit ihm auf einen Hügel geklettert und hatte von dort aus den Abstieg von de Cabronets Trupp beobachtet. Er und Pinky hatten angewidert zugesehen, wie die Männer schreiend und lachend über die Früchte hergefallen waren und dadurch möglicherweise beutegierige Indianer anlockten, wie sie schließlich satt und zufrieden einschliefen, ohne Wachen aufzustellen. »So was sollte man überhaupt nicht frei herumlaufen lassen«, hatte Pinky schließlich gesagt und ausgespuckt. »Wir wollen jetzt essen. Das Zusehen hat mich hungrig gemacht.« Der Mann-Ohne-Namen hatte Hartbrot und Dörrfleisch aus der Satteltasche geholt. »Wir müssen heute kalt essen«, sagte er.
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»Haben Sie etwa Angst, Feuer zu machen?« sagte Pinky verächtlich. »Die Kerle würden nicht mal einen Waldbrand bemerken.« Aber der Kopfgeldjäger gab nicht nach, und Pinky war schließlich fluchend eingeschlafen. Mitten in der Nacht wurden sie von Sanchez' Triumphschreien geweckt. Pinky richtete sich laut fluchend auf. »Geben die Clowns noch immer keine Ruhe?« Der Mann-Ohne-Namen blickte aufmerksam in den Canyon hinab. »Das sind nicht die gleichen Männer«, sagte er. »Was wollen Sie damit sagen, nicht die gleichen?« »Die anderen wurden von einem Mann in der Uniform Kaiser Maximilians geführt, und es waren nur sieben. Erinnern Sie sich nicht? — Jetzt sind es fast ein Dutzend Leute, alle in Baumwollhosen und Strohhüten.« »Na und? — Binden Sie mich los, damit ich mir die Sache genauer ansehen kann.« Und als der Kopfgeldjäger ihm großzügig das lange Seil gelockert hatte, sagte der Albino: »Wer sind die Kerle? Was ist eigentlich passiert?« »Ich glaube, wir haben eine Schlacht verschlafen, Pinky. Ich glaube, die anderen Männer hatten gestern ihr letztes Abendessen.« Pinky nickte nachdenklich. »Sieht aus, als ob Sie recht haben. Sie hätten nicht so einen Krach machen sollen. Ich möchte nur wissen, wer die Neuen sind.« »Wollen Sie runtergehen und sie fragen?« »Danke. Ich kann warten. Aber wir sollten sie im Auge behalten. Soll ich Wache halten?« »Das würde ich Ihnen niemals zumuten, Pinky. Ich werde mit Ihnen wachen.« Pinky Roebeck knurrte, und ein leiser Schauer lief über seinen Rücken. Grund dafür war nicht nur die Nachtkühle, sondern auch die erste, dumpfe Ahnung, daß er sich vielleicht doch nicht befreien können würde. Auch Tuco Ramirez fröstelte. Seine nackten Füße wurden vom Feuer gewärmt, und er hatte sich in den Poncho einge-
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rollt. Ihn fröstelte vor Aufregung. Die Nacht schien ihm endlos. Beim ersten Dämmern stand er al utlos auf und schlich zwischen den schlafenden Männern hin und her. Er sammelte alle Gewehre ein. Nur seinen drei Freunden ließ er die Waffen. Dann weckte er sie, einen nach dem anderen, und preßte ihnen gleichzeitig die Hand auf den Mund, um jeden überraschten Ausruf zu ersticken. Sie begannen, das lautlose Schlachten zu wiederholen. Aber diesmal verließ sie ihr Glück. Als der dritte Mann den Stahl des Messers an seiner Kehle spürte, wachte er auf und schrie gellend. Leutnant Sanchez fuhr auf. »Was ist los?« rief er schlaftrunken. Tuco rief: »Jemand will das Gold stehlen!« Sanchez sprang auf die Füße. »Wer? Wo?« Tuco lachte und schoß ihm eine Kugel in den Kopf. Tucos drei Freunde schössen die anderen Männer nieder. Einer von ihnen kam auf Händen und Knien auf Tuco zugekrochen. »Tuco, mein Freund, laß mich leben. Ich habe eine Frau und zwölf Kinder.« »Dann muß der Tod ja direkt eine Erlösung für dich sein«, sagte Tuco und schoß ihm ins Auge. Der Kopfgeldjäger und Pinky Roebeck blickten einander an. Beide hatten die Szene mit dem Interesse des Profis beobachtet. Sie waren zu weit entfernt, um das Gesicht des bärtigen Mannes erkennen zu können, der augenscheinlich das Kommando der blutigen Aktion geführt hatte. »Zumindest ist er sehr gründlich«, sagte der Kopfgeldjäger mit einiger Bewunderung. Pinky nickte zustimmend. »Ja. Ein sehr guter, gründlicher Job. Das muß man ihm lassen.« Tuco und seine drei Genossen machten sich zunächst über ihre ermordeten Kameraden her und räumten ihnen die Taschen aus. Dann warfen sie die Leichen über die zerbröckelte Mauer der Hazienda. Anschließend nahmen sie sich die Leichen des Grafen und seiner Männer vor.
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Sie zogen ihnen als erstes die Uniformen aus. Die Männer des Grafen waren, weitaus besser gekleidet als die Soldaten der Revolution. Tuco eignete sich die Kleidung Graf de Cabronets an, die feine Tuchhose, das weiße Hemd, das blaue, rotgefütterte Cape. Er zog den silberverzierten Säbel aus der Scheide und ließ den hellen Stahl in der Sonne blitzen. »Hört zu«, sagte er zu Pepe, Santos und Ruiz, »Tuco der Schreckliche ist ab heute General Tuco. Ich erwarte von euch den entsprechenden Respekt, oder ich schneide euch eure verdammen Zungen heraus.« Die drei Männer lachten und salutierten spöttisch. Tuco gürtete sich den Säbel um seinen dicken Bauch. Nach dem Frühstück luden die vier Männer die Packen mit dem Gold auf die Tragtiere, suchten sich die besten Reitpferde aus und ließen die anderen Tiere frei. Tuco führte sie nicht den Weg, den sie gekommen waren. Sollte der Pferdewächter dort oben warten, bis er schwarz wurde. Er führte seine kleine Truppe den Canyon entlang direkt nach Süden, in die Wüste hinein. Und noch jemand verfolgte sie mit den Blicken, als sie aufbrachen. Rico Estaban, der als Wache bei den Pferden zurückgelassen worden war, war des Wartens müde geworden. Er hatte erwartet, daß man ihn im Laufe der Nacht rufen würde, um die Pferde in den Canyon zu bringen. Aber bis zum Morgen hatte sich dort unten nichts gerührt. Er war an den Rand der Schlucht gekrochen und hatte ins Tal gestarrt. Was er dort sah, war so gräßlich und so unerwartet, daß er wie gelähmt war. Er sah die Körper seiner Kameraden in ihren weißen Baumwollhosen und Hemden reglos auf dem Boden liegen, und vier Männer in blauen Uniformen tanzten triumphierend um sie herum. Offenbar war Sanchez' Plan mißglückt, der Leutnant und seine Männer waren getötet worden, und der Goldschatz befand sich noch immer in Händen der Feinde der Revolution. Rico sah, wie die vier Männer in den blauen Uniformen die schweren Packsättel auf die Tragtiere luden und dann in Richtung Westen davonritten.
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Rico Estaban war ein loyaler Soldat, seinen Vorgesetzten treu ergeben. Er hatte nur eine Möglichkeit: Er mußte nach Chihuahua zurückreiten und Capitan Alvarez Meldung machen. Alvarez wollte ihm anfangs nicht glauben und ließ den treuen Estaban ins Gefängnis sperren. Capitan Alvarez brauchte einen Tag und eine Nacht, um sich mit dem Gedanken abfinden zu können, daß seine Soldaten getötet worden waren. Dann fiel ihm ein, daß das Gold in jeder Minute weiter nach Norden, immer weiter von ihm fort, gebracht wurde. Nun entwickelte er plötzlich eine hektische Geschäftigkeit. Er sandte Reiter aus und ließ die Männer seiner Kompanie in ihren Quartieren alarmieren. Kurz vor dem Aufbruch fiel ihm Rico Estaban ein, und er ließ ihn aus dem Kerker holen, damit er sie zum Canyon führen konnte. Dann ritt er an der Spitze seiner Truppe nach Norden, ein rächender Engel, entschlossen, den Schatz zu erobern, den die Revolution so nötig brauchte. Der Kopfgeldjäger wartete im Canyon, bis die blauen Uniformen den gewundenen Pfad hinauf verschwunden waren. Dann half er Pinky in den Sattel, verknotete das Ende des Stricks, mit dem der Gefangene gefesselt war, am Sattelhorn und ritt zum verlassenen Camp hinunter. Die Erde war blutgetränkt, und die ersten Geier zogen ihre erwartungsvollen Kreise am Himmel. Der Mann-Ohne-Namen zählte vier Tote, die man nackt ausgezogen hatte. Die anderen trugen die traditionellen weißen Hemden und schmutzigen Baumwollhosen der Mexikaner. Es war fast Mittag und drückend heiß, und von den Toten stieg schon ein stickiger, süßlicher Fäulnisgeruch auf. Pinky Roebeck grunzte. »In einer Stunde kriegt man hier keine Luft mehr«, sagte er. »Ziehen wir weiter.« »Ich denke, wir bleiben eine Weile hier, damit die anderen einen kleinen Vorsprung haben«, sagte der Kopfgeldjäger. »Ich habe nicht die Absicht, mich mit denen einzulassen, während ich Sie mit herumschleppen muß. Oder haben Sie es plötzlich so eilig, nach Nogales zu kommen?« »Nein, zum Teufel.« Er grinste. »Glauben Sie im Ernst,
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daß Sie mich bis nach Nogales bringen, Freund? Früher oder später machen Sie einen Fehler. Sie werden mich niemals aus Mexiko hinausbringen.« »Darauf würde ich nicht wetten. Ich habe schon härtere Burschen als Sie im Kittchen abgeliefert.« »Diesmal werden Sie aber kein Glück haben. Ich sage Ihnen das nur, damit Sie sich 'ne Menge Arbeit und Ärger sparen.« Der Kopfgeldjäger lächelte leicht. »Wirklich nett von Ihnen, Pinky. Aber Sie sind siebentausendfünfhundert Dollar wert, und ich kann das Geld gerade sehr gut brauchen. Was haben Sie eigentlich gemacht, um dem Gesetz so viel wert zu werden?« »Das gleiche wie Sie: mein tägliches Brot verdient. Ich arbeite für jeden, der jemanden umlegen will und dafür bezahlt. Bis jetzt habe ich achtzehn Kerben an meinem Revolver.« »Einen nach dem anderen?« »Einen nach dem anderen.« »Pinky, Sie sind ein Anfänger. Sehen Sie sich mal an, was die vier lausigen Mexikaner in einer Nacht erledigt haben.« Er blickte zu dem Obstgarten hinüber. »Ich glaube, wir sollten ein paar Früchte pflücken und uns auch etwas Fleisch besorgen. Wir werden bis zum Morgen warten, bevor wir weiterziehen.« Er wandte sein Pferd. Als er das Geräusch hörte, dachte er zuerst, das Tier sei auf einen Stein getreten. Aber das Ge räusch kam wieder, und er blickte auf die leblosen Körper. Hatte einer von ihnen gestöhnt? Oder, war es nur der Wind, der durch die zerbröckelnden Wände der Hazienda strich? Er blickte auf die Toten hinab. Der Fuß eines der vier nackten Männer zuckte ein wenig. Der Mann-Ohne-Namen stieg ab, band sein Pferd an einen Baum und trat zu dem am Boden liegenden Mann. Sein Ge sicht war nicht mexikanisch. Es war schmal, weiß und trug einen sorgfältig gepflegten Spitzbart. Der Kopfgeldjäger beugte sich über ihn und starrte auf den blutverschmierten Hals des Mannes. Eigentlich hätte er tot
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sein müssen, aber noch immer kam leises Stöhnen aus seinem Mund. Der Mann-Ohne-Namen nahm ihn auf seine Arme und trug ihn zum Bachufer. Er wusch das verklebte Blut von der Wunde. Man hatte ihm den Hals durchgeschnitten, aber das Messer hatte nicht die Luftröhre durchtrennt. Es war in die starke Halsmuskulatur gedrungen und von ihr nach unten, in den Schultermuskel, abgeleitet worden. Daß der Mann noch lebte, war ein Wunder, und wahrscheinlich würde er nicht mehr lange am Leben bleiben. Trotzdem, bei ein wenig Pflege, konnte er lange genug das Bewußtsein wiedererlangen, um ihm zu berichten, warum man ihn und seine Männer überfallen hatte und was er von den vier Mexikanern wußte, die nach Westen fortgeritten waren. Pinky Roebeck blickte vom Pferd aus den Bemühungen des Kopfgeldjägers zu und lächelte ironisch. Er deutete die Fürsorge für einen anderen Menschen als ein Zeichen von Schwäche, die er zu gegebener Zeit ausnutzen würde. »Was haben Sie eigentlich vor?« fragte er spöttisch. »Wollen Sie sich eine Fahrkarte für den Himmel verdienen?« Der Mann-Ohne-Namen beachtete ihn nicht. Er trug den bewußtlosen Körper in den Obstgarten, legte ihn in das Gras, verband die klaffende Wunde und flößte dem Mann vorsichtig Wasser ein. Dann schlug er leicht mit der Hand auf die Wangen. Aber auch das brachte den Mann nicht ins Bewußtsein zurück. Der Kopfgeldjäger stellte ein paar Schlingen auf, fing zwei Rebhühner und briet sie über dem Feuer. Dann verbrachte er den ganzen Nachmittag bei dem einzigen Überlebenden des Massakers und schlief in der Nacht neben ihm. Pinky war in der Nähe an einen Baum gefesselt. Ein leiser Schrei riß den Kopfgeldjäger mitten in der Nacht aus dem Schlaf. Er war sofort hellwach und griff nach seinem Revolver. Aber er brauchte ihn nicht. Der verwundete Mann war aus seiner Bewußtlosigkeit erwacht. »Das Gold . . . das Gold . . .«, rief er und hob die Hand. Dann sank die Hand wieder kraftlos herab, und der Mann lag still.
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»Gold hat er gesagt«, kam Pinkys Stimme aus dem Dunkel. »Das klingt ja mächtig interessant.« Der Kopfgeldjäger legte sich wieder hin. »Das ist nur Fiebergeschwätz.« »Vielleicht.« Pinky lachte. »Ich hoffe nur, daß er noch mal aufwacht und uns sagt, wovon er eigentlich redet.« »Uns? — Ich wüßte nicht, was Ihnen das Gold noch nützen könnte, Pinky.« »Ich würde an Ihrer Stelle nicht so verdammt sicher sein. Ich finde bestimmt noch Gelegenheit, es auszugeben.« Im matten Sternenlicht sah Pinky, daß der Kopfgeldjäger ihn nachdenklich anblickte, und er überlegte, daß er vielleicht seine angebliche Schwäche falsch interpretiert hatte. Jetzt stand der andere auf und flößte dem Verwundeten wieder Wasser ein. Dann legte er eine kalte Kompresse auf die fieberheiße Stirn. Pinky sagte nachdenklich: »Die Packen, die die Mexikaner den Mulis aufgeladen haben, sahen verdammt schwer aus. Was, glauben Sie, war wohl darin?« Der Bewußtlose stöhnte und bewegte sich. Der Kopfgeldjäger beugte sich über ihn und schrie ihm ins Ohr: »Was ist mit dem Gold, Mister?« Keine Antwort. Der Kopfgeldjäger und der Killer hielten den Atem an. Aber der Bewußtlose blieb still. Der Kopfgeldjäger setzte sich wieder. »Vielleicht stimmt das mit dem Gold«, sagte er nach einer Weile. »Aber denken Sie doch einmal nach: Warum sollte man nur eine Handvoll Soldaten losschicken, wenn es sich wirklich um einen nennenswerten Betrag handelte? Sie sind für mich siebentausendfünfhundert Dollar wert. Ich ziehe sichere Sachen vor.« Pinky fluchte. »Dann halten Sie ihn wenigstens so lange am Leben, bis Sie wissen, daß Sie hier eine sichere Sache haben. Ich brauche Geld, wenn ich Ihnen entwischt bin.« Der Kopfgeldjäger lächelte amüsiert. »Okay. Wollen wir wetten? Vielleicht kann ich ihn am Leben halten. Haben Sie dazu irgendwelche Vorschläge?« »Meine alte Tante Emma hat mir immer Rindfleischstücke
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an die Fußsohlen gebunden, wenn ich Fieber hatte. Sie haben die Hitze herausgezogen.« »Ich habe schon davon gehört.« Der Kopfgeldjäger stand auf. »Leider haben wir kein Rindfleisch da. Aber vielleicht geht's auch mit Hirschlende.« Er zog sein Gewehr aus dem Gewehrschuh, überprüfte die Fesseln des Gefangenen und ging langsam am Bachufer entlang, bis er auf Wildspuren stieß. Die vielen Fußabdrücke im weichen Ufersand verrieten ihm, daß die Tiere hier zur Tränke kamen. Er hockte sich ins dichte Gestrüpp und wartete. Das erste fahle Licht des neuen Tages färbte den Ostrand des Canyons, als er leise Schritte auf dem Graspfad hörte. Die Hirschkuh war ziemlich klein, aber für seinen Zweck reichte sie. Er schoß sie, schwang den leblosen Tierkörper auf die Schulter und ging ins Camp zurück. Er schlachtete das Tier, schnitt zwei dicke Fleischstücke aus der Lende und band sie unter die Fußsohlen des Verwundeten. Anschließend fachte er ein rauchloses Feuer an, rammte zwei Astgabeln in den Boden, zog mehrere Fleischstücke auf einen grünen Zweig und hängte sie zwischen den Astgabeln über das Feuer. Während das Fleisch briet, pflückte er Früchte von den Bäumen, legte ein paar davon neben Pinky auf den Boden und begann zu essen. Dann war das Fleisch gar, und sie aßen den Braten. Dabei ließen sie den Bewußtlosen keine Sekunde aus dem Auge. Das Fieber schien nicht zu sinken. Hin und wieder kam erregtes Murmeln aus seinem Mund, und immer wieder das Wort >Gold<. Der Kopfgeldjäger flößte ihm ständig Wasser ein, kühlte ihm die Stirn und untersuchte die Halswunde. Sie war jetzt vernarbt und eiterte, und in dem Eiter krochen weiße, fette Maden herum. Er legte den Stoffetzen wieder auf die Wunde und wartete. »Ich glaube nicht, daß er durchkommt. Wir verschwenden nur unsere Zeit.« Er wollte gerade aufstehen, Pinky von seinem Baum losbinden und ihm auf das Pferd helfen, als der Bewußtlose sich plötzlich aufrichtete und einen gellenden Schrei ausstieß. Er
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starrte mit offenen, glasigen Augen auf die beiden Männer und stieß erregte Worte hervor. Die Worte waren französisch. Der Kopfgeldjäger blickte Pinky an. »Verstehen Sie, was er sagt?« Pinky schüttelte den Kopf, aber seine Augen glänzten. Der Kopfgeldjäger zuckte die Achseln. »Da haben wir ihn nun wenigstens soweit gebracht, und jetzt können wir nicht verstehen, was er sagt.« Pinky fuhr mit der Zunge über die Lippen. »Vorhin hat er spanisch gesprochen. Und das Wort Gold habe ich klar und deutlich verstanden.« Der Kopfgeldjäger setzte sich wieder ins Gras. »Sie haben recht, Pinky. Also warten wir noch ein wenig länger.« Sie warteten den ganzen Tag und die ganze Nacht. Hin und wieder murmelte der Verwundete leise vor sich hin, und der Kopfgeldjäger schöpfte neue Hoffnung. Aber immer waren die Worte in dieser fremden Sprache. Selbst ein Heiliger konnte dabei die Geduld verlieren. Und der Mann-OhneNamen war alles andere als ein Heiliger. Graf de Cabronet erwachte, als ihm die Morgensonne ins Gesicht schien. Der schwere, süße Duft von Sommer und reifenden Früchten drang ihm in die Nase, und einen Augenblick lang glaubte er, im Garten des elterlichen Schlosses am Ufer der Loire zu liegen. Er wandte den Kopf, und ein stechender Schmerz durchzuckte seinen Hals. Er rang nach Luft und richtete sich auf. Sein Blick fiel auf seinen nackten, verschmutzten Körper. Seine Hand fuhr an seinen Hals und fühlte den rohen Verband. »Was ist denn das?« murmelte er verwirrt. Und dann dämmerte ihm die Wahrheit. Er war nicht zu Hause in Frankreich, sondern in der gnadenlosen, harten Wüste Mexikos, auf der Flucht vor einer Horde von Barbaren, die ihm das Gold abjagen wollten. Ich bin vielleicht von einer dieser Giftschlangen gebissen worden, überlegte er, und meine Männer pflegen mich jetzt wieder gesund.
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Dicht neben ihm sagte eine Stimme: »He! Mr. Gold ist aufgewacht!« Er wandte den Kopf nach der Stimme, und wieder durchfuhr ihn der stechende Schmerz. Er sah ein Feuer, über dem Fleischstücke brieten. Und neben dem Feuer saß ein Mann mit weißem Haar, weißer Haut, weißen, unsichtbaren Augenbrauen und wimperlosen, rötlichen Augen. Er deutete mit beiden Händen auf ihn, und de Cabronet sah, daß seine Hände gefesselt waren, genau wie seine Füße. Auf der anderen Seite des Feuers saß ein zweiter Mann, hochgewachsen und mit einem' schmalen Gesicht. Dieser Mann drehte den Bratspieß und blickte jetzt über die Schulter zu ihm herüber. Cabronet hatte keinen der beiden je zuvor gesehen. Der große Mann ließ den Bratspieß los und stand auf. Er kam auf de Cabronet zu und sagte: »Sie sind ein ziemlich zäher Bursche, wie?« De Cabronet lächelte. »Ein Schlangenbiß, nicht wahr? Meine Männer haben den Biß aufgeschnitten, damit das Gift abfließen kann.« Der große Mann lächelte dünn. »Ein Messer hat Sie gebis sen, Mister. Jemand hat gepfuscht, als er Ihnen den Hals abschneiden wollte.« »Man hat mich ermorden wollen?« De Cabronet sah den Albino auf seinen gefesselten Füßen auf sich zuhüpfen. Wie eine riesige Kröte. Der andere Mann mußte Augen im Rücken haben. Obgleich der andere völlig geräuschlos auf ihn zukam, trat er rasch einen Schritt zur Seite und machte dabei eine halbe Drehung, um ihn im Auge zu behalten. Der Graf begriff überhaupt nichts. »Wo sind meine Männer?« »Tot.« Der Graf wollte aufspringen, aber die Schwäche ließ ihn wieder zurücksinken. Er wollte nach dem Gold fragen, aber er ließ es und blickte den hochgewachsenen Mann hart an. »Haben Sie sie getötet?« »Nein. Wir sind erst später hier angekommen.« De Cabronet zögerte. Er sah die schweren Revolver, das
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breite Messer im Gürtel des anderen. Er mußte vorsichtig sein, sah er ein. Er durfte den anderen nicht reizen. Er lächelte wieder. »Ich muß mich wohl für die Pflege bedanken.« Er deutete auf den Verband. »Wer von Ihnen war mein Wohltäter?« »Ich, Pinky Roebeck.« Der Albino nahm das Verdienst sofort für sich in Anspruch. Vielleicht würde es ihm später irgendwie zugute kommen.« »Mit gebundenen Händen und Füßen?« Der große Mann lachte trocken auf. »Er ist ein Killer, der in den Vereinigten Staaten gesucht wird. Wegen achtzehn Morden. Ich bringe ihn gerade zurück.« »Ach so.« De Cabronet ließ sich beruhigt zurücksinken. »Dann sind Sie also ein Polizist aus dem Land im Norden? Wie ist Ihr Name, Sir?« Der Albino lachte schallend auf. »Polizist? Der Kerl ist nur ein lausiger Kopfgeldjäger. Und er hat mich nur erwischen können, weil er sich rangeschlichen hat, als ich gerade ein Mädchen vernaschte. Daran sollten Sie sehen, was für ein lausiger Charakter er ist. — Und jetzt: Wer, zum Teufel, sind Sie eigentlich?« Enttäuscht ließ de Cabronet den Kopf ins Gras sinken. Seine rettenden Engel wurden ihm zunehmend unsympathischer. Trotzdem: Wahrscheinlich verdankte er ihnen sein Leben, und diese Schuld mußte er bezahlen, »Ich bin Pierre Henri Marcel Graf de Cabronet«, sagte er so würdevoll, wie es ihm in seiner Lage möglich war, »Capitan in der Armee des ermordeten Kaisers Maximilian von Mexiko.« Der Albino starrte den Grafen mit offenem Mund an. »So ein ellenlanger Name und nackt wie 'ne gerupfte Henne«, sagte er. Der Kopfgeldjäger blickte de Cabronet mit zusammengekniffenen Augen an. »Also haben sie den Österreicher erledigt, wie? Und Sie haben Ihren Job verloren. Was suchen Sie dann in dieser Gegend? Wollten Sie weglaufen?« Graf de Cabronet fuhr empört auf. »Ein de Cabronet läuft niemals vor einem Kampf davon«, sagte er scharf. »Der Krieg war verloren, der Kaiser ermordet. Deshalb war es sinnlos
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geworden, das Löse .. .« Er brach ab. Sein Instinkt warnte ihn davor, diesen Männern etwas von dem Lösegeld zu verraten. Doch der Kopfgeldjäger hatte schon begriffen. »Lösegeld wollten Sie sagen, nicht wahr? Und Sie hatten es bei sich. Wieviel war es?« »Hatte?« Der Graf blickte den anderen erschrocken an. »Wollen Sie damit sagen, daß das Gold fort ist?« Der Mann-Ohne-Namen hockte sich auf die Fersen und tippte de Cabronet mit dem Zeigefinger auf die nackte Brust. »Wenn es in Packtaschen verstaut war, haben die Leute, die Sie überfallen haben, es mitgenommen. Es waren vier Männer. Wieviel haben sie erwischt?« De Cabronet fuhr erschrocken zusammen. Dann schloß er die Augen und kämpfte gegen die Tränen der Wut und der Enttäuschung, die in ihm emporstiegen. »Ich habe Ihnen eine höfliche Frage gestellt«, sagte der andere hart. »Wieviel?« Der Graf schüttelte den Kopf. Er hörte Pinkys eifrige Stimme: »Binden Sie mich nur für fünf Minuten los, mein Freund. Ich bringe ihn schon zum reden.« »Nein«, sagte die andere Stimme. »Er wird nicht reden, Pinky. Und er ist ziemlich am Ende. Ich glaube nicht, daß er noch lange leben wird. Wir werden einfach weiterreiten und ihn in Frieden sterben lassen.« Der Graf öffnete die Augen. »Sie wollen mich hier einfach zurücklassen? Das ist doch unmenschlich!« Pinky lachte. »Wer sagt Ihnen denn, daß er ein Mensch ist? Er ist Kopfgeldjäger, habe ich Ihnen doch schon erzählt. Wenn eine Belohnung auf Sie ausgesetzt wäre, würde er Sie für die paar lausigen Dollar quer durch das ganze verdammte Land schleifen.« Der Graf traute seinen Ohren nicht. Selbst in diesem gottverlassenen Land konnte es doch so etwas nicht geben! Diese beiden Männer wollten sich nur über ihn lustig machen. Aber das Spiel konnte er auch spielen. »Dann vielen Dank für den Verband«, sagte er.
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Der große Mann tippte mit der Hand an seine Hutkrempe und ging zu den grasenden Pferden hinüber. De Cabronet sah ungläubig zu, wie er zwei Pferde sattelte, sie heranführte, die Fußfesseln des Albinos löste und ihm in den Sattel half. Dann band er die Füße des Gefangenen an den Steigbügeln fest und schwang sich selbst auf sein Pferd. Er sah ihnen nach, wie sie davonritten. Sie waren zwischen den Obstbäumen schon fast außer Sicht, als seine Angst die Oberhand gewann und er einen lauten Schrei ausstieß. Der Kopfgeldjäger wandte sein Pferd und kam zu ihm zurückgeritten. Die Füße des Verwundeten waren zweimal so dick wie normal. Tausende von Fliegen saßen auf dem faulenden Fleisch, das man ihm an die Fußsohlen gebunden hatte. Aber de Cabronet bemerkte es nicht einmal. Wie gebannt starrte er zu dem Mann hinauf, der mit ausdruckslosem Ge sicht vom Pferderücken zu ihm heruntersah. »Haben Sie sich entschlossen, über das Lösegeld zu sprechen, Franzmann?« »Es ist genug für uns beide. Wir könnten davon in den Vereinigten Staaten wie die Fürsten leben. Helfen Sie mir, es zurückzuerobern.« Der Kopfgeldjäger lächelte und stieg vom Pferd. Der Albino fragte: »Wieviel ist es?« »Eine Viertelmillion Dollar, Gentlemen.« Pinky pfiff durch die Zähne. »Genug für uns drei.« »Warum drei?« sagte der Kopfgeldjäger. »Warum sollte ich das Geld mit irgend jemandem teilen? Ich weiß schließlich, wo es ist. Und ich muß nur mit vier Peons fertig werden, um es zu kriegen. Das schaffe ich auch allein. Wozu sollte ich also einen von Ihnen beteiligen?« De Cabronet wollte sich die Impertinenz des Kopfgeldjägers verbitten; aber er kam nicht dazu. Der Albino stieß eine Serie von Flüchen und Verwünschungen aus, die der Graf selbst bei seiner Soldateska noch nicht gehört hatte. Der Kopfgeldjäger war überhaupt nicht beeindruckt. Als Pinky endlich schwieg, sagte er gleichgültig: »Wissen Sie, was ich machen werde? Sie sind zwar eine schöne Stange Geld wert, Pinky, aber im Vergleich mit der Viertelmillion ist
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das doch kaum nennenswert. Am besten, ich binde Sie hier an einen Baum und haue ab. Vielleicht können Sie sich nach ein paar Tagen befreien und sich eins von den Pferden einfangen.« Er löste das Lasso vom Sattelknopf. De Cabronet sah, daß Pinky um einen Entschluß rang. Er öffnete und schloß seinen Mund ein paarmal, und schließlich sagte er: »Sie sollten mich besser mitnehmen, mein Freund. Ich bin der einzige Mensch, der Sie lebend durch diese Ge gend bringen kann. Ein ganzer Apachenstamm ist auf dem Weg hierher. Ich habe in Tyopa auf sie gewartet, als Sie mich geschnappt haben. Und ich habe mit ihnen gerechnet, um mich befreien zu können. Sie mögen nämlich keine Weißen. Aber mich haben sie zum Blutsbruder gemacht. Allein haben Sie keine Chance. Aber wenn wir Partner werden und das Gold teilen, bleiben wir beide am Leben.« De Cabronet hörte dem Dialog verblüfft zu. Der Kopfgeldjäger dachte eine Weile nach, dann nickte er. »Okay, Pinky, Sie sind drin. Aber wehe Ihnen, wenn Sie versuchen sollten, mich über's Ohr zu hauen. Ich lasse Sie von den Schakalen fressen, mit den Füßen voran.« Der junge Graf wollte wütend auffahren. Doch er hatte eingesehen, daß er bei diesen Kreaturen weder an Ehre noch an Mitgefühl appellieren konnte. »Dann machen wir es doch zu dritt, Freunde«, sagte er sachlich. »Das Gold gehört schließlich mir. Laßt mir ein wenig Zeit, um mich zu erholen, dann können wir zusammen fortreiten.« Pinky lachte spöttisch. Und der Kopfgeldjäger sagte: »Der Franzmann hat wirklich Nerven.« Er beugte sich zu de Cabronet und fuhr fort: »Wahrscheinlich werden Sie bald tot sein. Aber ich habe keine Zeit, darauf zu warten. Falls Sie es aber doch schaffen sollten, fangen Sie sich ein Pferd ein und holen Sie sich was zum Anziehen von den Burschen, die hinter der Mauer liegen. Die haben bestimmt nichts dagegen. Und dann können Sie uns nachkommen. Wenn Sie's schaffen, sollen Sie ein Drittel abhaben.« Er löste Pinkys Fesseln, und die beiden Männer ritten davon. Und diesmal blickten sie nicht zurück.
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6 Tuco der Schreckliche ritt am Ende der kleinen Kavalkade. So konnte er die Tragtiere und seine drei Freunde stets im Auge behalten. Eigentlich hatte er allen Grund, glücklich zu sein. Er trug de Cabronets Uniform, und der silberbeschlagene Säbel klirrte bei jedem Schritt des Pferdes gegen den Steigbügel. Vor sich sah er die vollbeladenen Tragtiere, die Goldmünzen im Wert von einer Viertelmillion Dollar den Bergpfad hinauftrugen. Aber Tuco war nicht glücklich. Er hatte eine Entdeckung gemacht, die schon viele andere — und bessere — Männer vor ihm gemacht hatten: wenn man außergewöhnlichen Besitz gewinnt, übernimmt man damit auch außergewöhnliche Verantwortung und Sorgen. Wenn man nichts hat, braucht man nachts nicht wach zu liegen aus Angst, beraubt zu werden. Tuco war ein Räuber von Instinkt und Erziehung, und er hielt auch alle anderen Menschen für Räuber. Es war sehr ermüdend, seine drei Freunde stets im Auge behalten zu müssen. Jedesmal, wenn er zwei von ihnen miteinander reden sah, läutete in seinem Hirn eine Alarmglocke. Sein natürlicher Impuls war, alle drei sofort zu töten. Aber er brauchte ihre Hilfe, um das Gold über die Berge zu schaffen. Er mußte sie leben lassen, bis er das Gold in ein sicheres Versteck gebracht hatte. Erst darin konnte er sie töten. Niemand außer ihm durfte das Versteck des Goldes kennen. Und dann kam ihm eine bessere Idee: Warum sollte er das Gold über die Berge schaffen und dann das Risiko eingehen, daß es vielleicht durch Zufall entdeckt wurde? Es war viel sicherer, es gleich hier, in den unzugänglichen Bergen, zu verstecken, und zwar an mehreren Stellen. Wenn sie abends Camp machten, suchte er die Stelle von nun an stets im Hinblick auf ihre Brauchbarkeit als Versteck für das Gold aus. Jeden Abend legte er sich mit seinen
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Freunden nieder, wartete, bis sie eingeschlafen waren, und schlich sich dann zu den Packtaschen. Jede Nacht leerte er eine davon, versteckte ihren Inhalt und füllte den Sack dann mit Steinen an. Er wählte seine Verstecke sehr sorgfältig aus: In natürlichen Höhlen, unter überhängenden Felsen, unter dicken Baumwurzeln; und jedes Mal bedeckte er die Goldmünzen mit Erde und beseitigte alle Spuren, die das Versteck verraten konnten. Es war, als ob er das Geld auf verschiedenen Banken deponierte. Noch sicherer, eigentlich. Banken konnten ausgeraubt werden. Er hatte selbst ein paar ausgeraubt. Wenn er seine drei Freunde erledigt hatte, konnte er jederzeit zurückkommen und sich soviel Geld, wie er brauchte, abholen. Wie von einer Bank. Seine drei Gefährten hatten keine Ahnung, daß sich die Last der Tragtiere Tag für Tag in wertlose Steine verwandelte. Sie schmiedeten eifrig Zukunftspläne: Ruiz wollte nach Spanien zurückkehren und sich dort ein Schloß kaufen. Er hatte schon Bilder von solchen Schlössern gesehen. Pepe wollte eine Ranch erwerben und Kampfstiere für die Arena züchten. Santos erinnerte sich daran, daß er irgendwo eine hübsche Frau hatte. Er würde sie suchen und — falls sie ihm treu geblieben war, was er bezweifelte — wie eine Jungfrau in weiße Seide kleiden. Aber trotz all ihrer Träume versäumten sie doch nicht, in allen Dörfern, durch die sie zogen, ihren Vergnügungen nachzugehen. Die blauen Umformen hätten die Leute normalerweise in panische Flucht gejagt. Aber ihre scharfen Augen erkannten in den bärtigen Verbrechergesichtern ihre eigene Art. Lange bevor die Männer ein Dorf erreichten, war längst bekannt, daß sie keine richtigen Soldaten waren, sondern gewöhnliche Indios, vor denen man keine Angst zu haben brauchte. Tuco atmete erleichtert auf, als er den letzten Goldsack geleert und seinen Inhalt sicher versteckt hatte. Er war der Ansicht, daß er einen Grund zum Feiern hatte. In de Cabronets prächtiger Uniform stellte er sich mitten auf die armse-
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lige Plaza des Dorfes, zog den Säbel und schrie: »Hört mal her, Leute! Ich, Tuco der Schreckliche, General Tuco, befehle hiermit, daß heute ein Fest für mich und meine Leute stattfindet.« Er rammte den Säbel in die Scheide, zog den Revolver und ballerte in die Luft. Er warf den Dorfbewohnern ein paar Münzen zu, die er vorsorglich zurückbehalten hatte. Es war mehr Geld, als die Leute je zu sehen bekommen hatten, und sie rauften sich darum und schleppten magere Hühner und halbverhungerte Schweine und ihre hübschesten Töchter an. Sie waren stolz darauf, vier so reiche und berühmte Männer bewirten zu dürfen. Der Mann-Ohne-Namen und Pinky Roebeck ritten Seite an Seite. Sie hatten es eilig, die vier Banditen einzuholen. Pinky genoß seine neue Rolle als Beschützer des Mannes, der ihn gefangen hatte. »Partner«, sagte er, »ich glaube, Sie haben doch eine weiche Birne. Der Franzmann, den wir da nackt zurückgelassen haben, wird heute nacht oder morgen bestimmt abkratzen. Warum haben Sie soviel Zeit damit verschwendet, ihm Wasser zu holen, Früchte zu pflücken und alles so dicht neben ihn zu legen, daß er nur die Hand auszustrecken braucht? Seine Wunde ist voller Maden. Sie werden ihn vergiften, und er wird einen schrecklichen Tod sterben. Warum haben Sie ihn nicht einfach erschossen, wenn Sie schon was für ihn tun wollten?« Der Kopfgeldjäger lächelte nur. »Ihr Mundwerk ist anscheinend das Größte an Ihnen, Pinky. Und ich will Ihnen jetzt einmal etwas sagen, das Sie eigentlich selbst längst wissen müßten: Ich habe erlebt, daß die Maden alles Gift aus entzündeten Wunden gefressen haben, an denen ein Mensch unrettbar gestorben wäre. Sie sind nachher besser verheilt, als wenn ein Arzt sie verbunden hätte. Ich glaube nicht, daß de Cabronet bald wieder auf den Beinen ist und uns einholt — aber warum sollte ich ihm die Hoffnung nehmen, wenigstens ein Drittel von seinem Gold zu bekommen? Hoffnung ist manchmal die beste Medizin. Also halten Sie jetzt den
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Mund. Wir mü ssen nachsehen, was in dem Dorf los ist, das vor uns liegt.« Pinky blickte aus roten Augen auf die leeren Straßen des Dorfes. Er wußte, daß die Einwohner sie längst gesehen, als Gringos identifiziert und sich in die Berge zurückgezogen hatten. Er zuckte die Achseln. »Sie können ja hier warten, bis sie durstig sind und zurückkommen. Manchmal habe ich den Eindruck, daß Sie an dem Gold gar nicht wirklich interessiert sind.« »Was spielen ein oder zwei Tage schon für eine Rolle? Sie sind zu ungeduldig, das ist Ihr Fehler. Ich will feststellen, ob die Leute die vier Männer gesehen haben, hinter denen wir her sind. Also hören Sie mit dem Gejammer auf. Mit der schweren Last können sie uns nicht entwischen.« Zwei Tage vergingen, bis sie eine Gestalt zwischen den kahlen Felsen auftauchen sahen. Der Kopfgeldjäger und Pinky hatten es sich in der Hütte des Dorfältesten bequem gemacht, drei magere Hühner gebraten und sich aus der Tonschale bedient, in denen die Familie den kleinen Vorrat an grob gemahlenem Korn aufbewahrte. Sie hatten ihre Pferde in einer anderen Hütte untergestellt und sich tagsüber nicht blicken lassen, in der Hoffnung, die versteckten Dorfbewohner glauben zu machen, daß sie weitergeritten seien. Aus dem Halbdunkel der Hütte sahen sie die Gestalt zwischen den Felsen verschwinden, dann wieder auftauchen. Bald tauchten andere hinter ihr auf, und kurz darauf schlichen alle Dorfbewohner wie stumme Geister auf die sonnenheiße Pla-za. Erst jetzt traten der Kopfgeldjäger und Pinky aus ihrem Versteck und gingen auf sie zu. Der Kopfgeldjäger hatte seine beiden Revolver gezogen, und Pinky hielt eine Waffe in der Hand, die er einem der Toten im Canyon abgenommen hatte. Der Dorfälteste blieb reglos stehen und starrte die beiden Männer angstvoll an. Sie kannten den rotäugigen Mann, der ihnen grinsend entgegenstarrte. Sie kannten ihn als den rotäugigen Teufel, den Blutsbruder ihrer Quäler, der Apachen. Der Dorfälteste wäre am liebsten weggelaufen, aber seine alten Knochen gehorchten ihm nicht mehr. Der Kopfgeldjäger sah, daß der alte Mann in panischer
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Angst war. Diese Überreste eines Volkes waren einst von den Spaniern versklavt, von den Mexikanern vergewaltigt und von indianischen Bergstämmen ausgeplündert worden. Sie hatten niemals Sicherheit und Frieden gekannt. Doch die Angst vor Pinky war größer als die vor jeder anderen Bedrohung. »Kommt her«, sagte er beruhigend. »Wir tun euch nichts.« Sie traten zögernd auf ihn zu, mit winzigen, tastenden Schritten. Der Dorfälteste raffte schließlich all seinen Mut zusammen und verneigte sich zitternd. »Unser Dorf gehört Ihnen. Mein Name ist Franzisko. Wir sind zwar arm, aber wir heißen Sie voll Freude willkommen.« »Das glaube ich«, grinste Pinky. »Wenn ihr tut, was wir euch sagen, passiert euch nichts. Wir suchen vier Männer mit Tragtieren. Wann sind die hier durchgekommen?« Franzisko fühlte eine unendliche Erleichterung. Er hatte keinen Grund, die Mexikaner zu beschützen. Sie waren eine willkommene Abwechslung gewesen und hatten Geld im Dorf gelassen, doch er war ihnen gegenüber in keiner Weise verpflichtet. Aber diese Männer konnten auch Freunde der anderen sein. »Der General?« fragte er vorsichtig. »Sie sprechen von General Tuco?« Der Kopfgeldjäger starrte ihn an. »General Tuco? Hat er keinen anderen Namen genannt?« »Ja. — Tuco der Schreckliche. Ein großer Führer, der uns mit seinem Besuch beehrte und uns Gold gab.« »Ein abstoßend häßlicher Kerl mit einer fetten Wampe?« Franzisko verneigte sich. »Ja, fett und häßlich. Sogar noch häßlicher als . . .« Er sah zu Pinky Roebeck hinüber und brach erschrocken ab. Er befürchtete, daß der Albino ihm auf der Stelle den Schädel einschlagen würde, aber Pinky hatte im Augenblick ganz andere Interessen. Er blickte den Kopfgeldjäger mit zusammengekniffenen Augen an und fragte: »Ein Bekannter von Ihnen?« Der Kopfgeldjäger lächelte grimmig, wie ein hungriger Wolf vor dem tödlichen Biß.
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»Ein kleiner Bandit, Pinky. Hatte nie mehr als dreitausend Dollar auf seinem Kopf. Wir haben mal eine kleine Sache zusammen erledigt. Also wirft er schon mit dem Gold um sich. Wir müssen uns beeilen, damit er nicht alles unter die Leute bringt.« Pinky war schon zu der Hütte gegangen, in der sie die Pferde untergestellt hatten. Im Vorbeigehen griff er den Dorfältesten bei seinen langen Haaren, hob ihn hoch und schüttelte ihn wie eine Gliederpuppe. »Wann sind sie hiergewesen, Bauer?« Der alte Mann wehrte sich nicht. »Vor drei Tagen. Und sie schienen keine Eile zu haben. Sie holen sie bestimmt ein, wenn Sie jetzt gleich aufbrechen.« Pinky öffnete die Hand und ließ den Mann zu Boden fallen. Der Dorfälteste erhob sich erst aus dem Staub, als die Huf schläge der beiden Reiter in der Ferne verklangen. Dann rief er seine Leute zu einem Dankgebet zusammen, weil dieser Kelch noch einmal an ihnen vorübergegangen war. Graf de Cabronet kochte vor Wut. Er aß von den Früchten, die die beiden Gringos für ihn zurückgelassen hatten und trank von dem Wasser. Und er starb nicht. Zu seiner eigenen Überraschung kam er sehr rasch wieder zu Kräften. Schon zwei Tage später fühlte er sich stark genug, um aufstehen zu können. Er war noch sehr schwach, aber sein eiserner Wille beschleunigte seine Wiederherstellung. Ein Bad in dem kalten Bach tat ein weiteres. Er fühlte sich wieder als Mensch, als er den Schmutz von seinem Körper gespült hatte. Er nahm den Verband von der Wunde und sah, daß sich bereits eine neue Haut unter der Narbe bildete. Er wusch die Binde aus und preßte sie vor seine Nase, als er durch den Obstgarten zur Hacienda ging. Die Leichen der Ermordeten stanken bestialisch, und es kostete ihn größte Überwindung, einem der Toten Hemd und Hose auszuziehen. Er nahm sich außerdem zwei kurzläufige Pistolen, ein Ge wehr und Munition. Er wusch die Sachen im Bach und hängte sie zum Trocknen an einen Baumast. Den Rest des Tages ruhte er sich aus, um neue Kräfte zu sammeln. Früh am nächsten Morgen
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ging er zum Bachufer und fand eines der freigelassenen Pferde bei der Tränke. Er fing es ein, band es an einen Baum und sattelte es. Dann aß er so viele Früchte, wie er hinunterbringen konnte, packte noch einen kleinen Vorrat in eine Decke und band ihn am Sattel fest. Schließlich zog er sich an. Der rauhe Baumwollstoff der Bauernkleidung kratzte unangenehm, und er fühlte sich wie eine Karrikatur seiner selbst. Aber daran war im Moment nichts zu ändern. Er stieg in den Sattel und ritt los. Er war entschlossen, das Gold wiederzugewinnen. Genauso wichtig aber war es ihm, sein, von den Vorvätern über-kommenes Schwert wiederzuerlangen.
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7 Tuco der Schreckliche ritt kurz vor Dunkelwerden in Tyopa ein. Sie hatten an diesem Tag nur fünfundzwanzig Meilen zurückgelegt, fünfundzwanzig Meilen auf schmalen, steilen Bergpfaden. Sie hatten keine Ahnung, daß Pinky Roebeck in diesem Dorf von dem Kopfgeldjäger überrascht worden war. Sie waren müde und hungrig und wußten, daß sie hier alles finden würden, was sie jetzt brauchten. Sie zügelten ihre Pferde auf der kleinen Plaza, neben der alten Kirche, stiegen ab und gingen zur Cantina. Tuco ging seinen Männern voran, die Hand auf dem silbernen Säbelgriff. Die Cantina war ein kleiner, armseliger Raum. Der festgestampfte Erdboden war verdreckt, die Decke niedrig und rauchgeschwärzt. Es stank nach verschütteter Pulque, Hunden, Ziegen und ungewaschenen Männern. Die Cantina gehörte dem Dorfältesten, seine Frau stand in der Küche, kochte Bohnen und klatschte die Tortillas auf ihre nackten Hüften, und seine Tochter stand hinter der rohen Planke, die als Bartheke diente, und schenkte den Mescalschnaps aus. Rosita blickte den neuen Besuchern neugierig entgegen. Die blauen Uniformen und der silberbeschlagene Säbel machten starken Eindruck auf sie. Das mußten wichtige und einflußreiche Persönlichkeiten sein. Sie lief ihnen entgegen. Es wurde ein großer Abend für Tuco. Hier wollte er sich seiner drei Partner entledigen. Er würde dafür sorgen, daß sie sich bis zum Hals vollaufen ließen, sie im Schlaf ermorden und am Morgen von den Dorfbewohnern verscharren lassen. Tyopa gefiel ihm. Vor allem aber Rosita. Er würde einige Zeit hier bleiben. Das Dorf lag hoch in den1 Bergen, weit ab von den Straßen und vom Grenzland, wo man fieberhaft nach dem verschwundenen Gold suchte. Später, wenn Diaz' Männer die Suche aufgegeben hatten und sich wieder mit ihrer Revolution beschäftigten, konnte er sicher und unbehelligt in
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die Vereinigten Staaten gelangen. Bis dahin aber würde er sich hier ein schönes Leben machen. Er machte sich daran, die Dorfbewohner mit Erzählungen seiner angeblichen Abenteuer für sich zu gewinnen. Er besaß eine wildwuchernde Fantasie, die von dem Anblick der gespannt lauschenden Zuhörerschaft noch beflügelt wurde. Es war sehr spät, als er endlich — als letzter Gast — die Cantina verließ und neben dem Brunnen in trunkenen Schlaf sank. Hoch auf dem Bergkamm über Tyopa stand Banton, der Apache, und blickte auf das Dorf hinab. Er wußte nicht genau, wie alt er war, aber es mußten so um die vierzig Jahre sein, und in jedem Jahr seit seinen Mannbarkeitsriten war er mit den anderen Kriegern auf Beutezüge geritten. Jetzt war er Häuptling geworden, schlau, verschlagen und erfahren. Für die degenerierten Dorfbewohner dieser Gegend empfand er nur Verachtung. Vor ein paar Wochen hatte er einen kleinen Trupp von Kriegern bei einem Ausbruch aus dem Indianerreservat angeführt. Sie hatten einen Kavallerietrupp, der sie ins Reservat zurücktreiben sollte, in einen Hinterhalt gelockt und aufgerieben. Nicht einer der Soldaten war entkommen. Auf ihrem Weg nach Süden hatten sie drei Ranches niedergebrannt, die Menschen ermordet und waren über die Grenze nach Mexiko entkommen. Dieses Mal aber hatte er das Land, das ihm immer Ruhe und Sicherheit gewährt hatte, völlig verändert vorgefunden. Immer wieder war er auf Trupps mexikanischen Militärs gestoßen. Sie hatten ihn angegriffen, er hatte Krieger verloren, und sogar sein Pferd. Er hatte von seinen gewohnten Wegen abweichen und weite Umwege machen müssen. Hungrig, mit durchgelaufenen Mokassins und schlechtgelaunt war er oberhalb von Tyopa erschienen. Er hatte Lärm aus dem Dorf gehört und einen Späher ausgeschickt. Befriedigt hörte er dessen Bericht von Tucos beladenen Packpferden, die vor der Cantina angebunden stünden. Es war ein Kinderspiel, die Pferde zu stehlen. Aber mit den vielen Soldaten in der Gegend — aus einem Grund, den er nicht einmal ahnen konnte — durfte er keine lebenden Zeu-
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gen zurücklassen, die dem Militär verrieten, daß er sich in diesem Gebiet aufhielt. Er rief seine kleine Bande von Kriegern zusammen und gab ihnen seine Befehle. Als es im Dorf still geworden war, kamen die Apachen geräuschlos den Hang herab. Und wieder sah die Sierra Madre ein gnadenloses Schlachten. Wie dunkle Schatten glitten die Indianer von einer Hütte zur anderen, mordeten und skalpierten und schändeten. Das Schreien der Sterbenden, der vergewaltigten Frauen, riß Tuco aus seinem tiefen Schlaf. Wahrscheinlich hätte ihn niemand entdeckt, wenn er ruhig unter dem überhängenden Steinsockel der Quelle liegengeblieben wäre. Aber er dachte, daß irgendjemand sein Gold rauben wollte und sprang brüllend auf. Er zog den Säbel, packte ihn mit beiden Händen und schlug wild um sich. Banton selbst entdeckte ihn als erster. Im matten Sternenlicht sah er das flatternde, blaue Cape, die goldbetreßte Uniform und dachte, daß der Mann vielleicht ein hoher Offizier sei, für den man ein hohes Lösegeld erpressen konnte. Banton sprang auf den Steinsockel der Quelle und von dort aus auf Tucos Rücken. Er preßte ihm die langen, muskulösen Beine um die Flanken, packte ihn mit der linken Hand an den Haaren und umklammerte mit der rechten die Hand mit dem Säbel. Tuco brach unter dem überraschenden Angriff in die Knie. Der Säbel war ihm jetzt ungewohnt und lästig. Er schleuderte ihn zu Boden und griff mit beiden Händen nach Bantons Hals. Er erwischte ihn auch, aber Banton konnte sich sofort wieder befreien. An der nackten, ölverschmierten Haut des Indianers fanden seine Hände keinen Halt. Er umklammerte die Brust Bantons und ließ sich seitwärts fallen. Er wollte den Indianer so nahe an die Steinmauer der Quelle bringen, daß er seinen Kopf dagegen schlagen konnte. Banton rollte mit ihm und riß dabei an Tucos Haar, als wenn er ihm den Skalp abziehen wollte. Gleichzeitig schlug er seine scharfen, kräftigen Zähne in Tucos Schulter. Tuco schrie. Er glaubte, der Indianer habe ihm ein Messer in die Schulter gestoßen und würde ihm im nächsten Moment den Skalp vom Kopf schneiden. Doch dann explodierten Licht
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und Schmerz hinter seinen Augen und er sank in das Dunkel tiefer Bewußtlosigkeit. Der Indianer hatte den gleichen Trick angewandt, den er selbst vorgehabt hatte, und seinen Kopf gegen den Fels der Quelle geschlagen. Banton ließ Tuco liegen und stand auf, um die Arbeit dieser Nacht zu begutachten. Seine Krieger hatten das Schlachten beendet und sich um die vier Tragtiere versammelt. Wie Kinder beugten sie sich neugierig über die Packtaschen, schnitten sie auf und schütteten den Inhalt auf den Boden. Aber nur Steine fielen heraus, und die waren für die Indianer genauso wertlos wie für die Weißen. Wütend und enttäuscht fielen sie nun über die Lebensmittelvorräte des Dorfes her, schlugen sich die Bäuche voll und verluden den Rest, zusammen mit dem fest verschnürten Tuco, auf ihre Pferde. Banton hatte noch niemals jemanden lebend gefangengenommen. Außer gelegentlich Frauen, natürlich. Aber Tuco war sich dieser Ehre nicht bewußt. Er war immer noch ohnmächtig, als die Apachen mit ihm in die Berge ritten. Der Mann-Ohne-Namen und Pinky Roebeck erreichten Tyopa wenige Stunden später, nachdem Banton und seine Horde fortgeritten waren. Langsam ritten sie an den Leichen vorüber, die überall verstreut lagen. Sie wußten, was hier geschehen war. Der Kopfgeldjäger blickte aufmerksam zu den umliegenden Bergrücken hinauf. »Yaquis oder Apachen?« Pinky stieg dicht neben der Quelle vom Pferd, nahm ein Messer auf, das halb vergraben im Sand lag und ließ seine Klinge in der Sonne glitzern. Der Griff des Messers war fein ziseliertes Mesquite-Holz. »Es gehört Banton«, sagte er. »Banton? Sind Sie sicher?« »Ich habe es hundertmal in seinem Gürtel stecken sehen. Ich war hier mit ihm verabredet. Ich frage mich nur, warum er es liegengelassen hat.« »Die Sache gefällt mir nicht.« Pinky grinste. »Solange Sie mit mir zusammen sind, sind Sie sicher. Ich habe Ihnen doch gesagt, er ist mein Freund.«
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»Davon rede ich nicht. Sehen Sie sich doch einmal um. Dort liegen drei Tote in blauen Uniformen. Tucos Leute. Und da drüben sind die Packsäcke. Leer. Wo ist das Gold? Und wo ist mein Freund Tuco?« Pinky Roebeck starrte auf die leeren Packen. »Das verstehe ich nicht! Banton würde das Gold nicht anrühren. Er hat überhaupt keine Verwendung dafür. Er stiehlt alles, was er haben will. Und wieso fragen Sie nach Tuco? Vielleicht haben sie ihn in einer der Hütten erwischt.« Der Albino lief bereits zur Tür der Cantina. Der Kopfgeldjäger sprang vom Pferd und rief ihm zu: »Nehmen Sie die rechte Seite. Ich durchsuche die andere.« Aber trotzdem sie jede einzelne Hütte gründlich durchsuchten, konnten sie den Banditen nicht entdecken. Sie trafen sich wieder unter dem großen Cottonwoodbaum. Pinky schäumte vor Wut. »Er ist weg! Er ist weg! Er hat das Gold genommen und ist abgehauen, als Banton ins Dorf kam.« »Unsinn. Der Überfall kam für alle völlig unerwartet. Ich kenne Tuco. Ich vermute, er hat seine Kumpane von Anfang an um ihren Anteil betrügen wollen und ist schon abgehauen, bevor die Apachen ins Dorf gekommen sind. Wir wollen uns mal ein bißchen umsehen.« Mit langen Schritten ging er zum Rand des kleinen Dorfes und suchte im Straßenstaub nach Spuren. Aber alle Spuren, die er fand, waren mehrere Tage alt. Der Kopfgeldjäger sah Pinky an. »Das begreife ich nicht. Haben Sie schon mal gehört, daß Banton Gefangene macht? Aber das ist die einzige Möglichkeit.« Roebeck schüttelte ratlos den Kopf. »Das geht gegen seine Prinzipien. Er sagt, Gefangene essen zu viel und machen nur Ärger. — Was tun wir jetzt?« Der Kopfgeldjäger blickte wieder zur Bergkette hinauf. Plötzlich kniff er die Augen zusammen. Fast ohne die Lippen zu bewegen sagte er: »Was ist denn das?« Pinky fuhr herum und starrte in seine Richtung. Sowie er dem Kopfgeldjäger den Rücken zugewandt hatte, riß der ihm
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die Revolver aus den Halftern. Als der Killer herumfuhr, blickte er in die Mündungen der Waffen. »Ich weiß, was wir jetzt machen. Ich bringe Sie nach Nogales und kassiere siebentausendfünfhundert Dollar. Es hat keinen Sinn mehr, dem Gold nachzujagen. Wer weiß, wo es jetzt steckt.« »Sie gemeiner ...» Pinky fluchte ausgiebig und fantasievoll, wagte aber nicht, sich zu rühren. Doch plötzlich wurde er wieder friedlich, und sein Gesicht nahm einen verschlagenen Zug an. »Nun mal langsam, mein Freund. Wir wollen nichts überstürzen. Vielleicht hat Banton Tuco wirklich gefangengenommen. Vielleicht lebt er noch. Wenn wir die Indianer einholen — Banton ist das Gold gleichgültig. Er würde uns sogar helfen, Tuco zum Reden zu bringen. Wir könnten uns mit ihm einigen.« »Vielen Dank. Lieber einige ich mich mit einem angeschossenen Grizzly. Ich möchte gerne meinen Skalp auf dem Kopf behalten.« Pinky schnaubte verächtlich. »Sie lassen eine Viertelmillion sausen, nur weil Sie vor ihm Angst haben?« Der Mann-Ohne-Namen war nicht beleidigt. »Ein alter Kopfgeldjäger ist ein vorsichtiger Kopfgeldjäger. Ich möchte gerne hundert Jahre alt werden.« »Meinetwegen. Ich wüßte einen sicheren Weg. Lassen Sie mich allein losreiten und Banton suchen. Ich finde ihn schon.« »Damit ich das Gold und auch noch das Kopfgeld verliere?« »Bis jetzt haben Sie das Kopfgeld noch nicht. Und mit all den Apachen in dieser Gegend sind Ihre Chancen, mich über die Grenze zu bringen, gleich null. Man muß auch einmal was riskieren, wenn man gewinnen will. Ich werde Tuco schon zum Reden bringen, und dann komme ich zurück.« »Klar.« Pinkys Gesicht war schweißnaß. »Denken Sie doch einmal nach. Banton hat das Gold nicht mitgenommen. Es muß irgendwo versteckt sein. Irgendwo auf dem Weg zurück. Ich müßte also hier vorbeikommen, um 53
es mir zu holen. Sie braudien nur hier zu warten, und sowie ich weiß, wo es versteckt ist, komme ich zurück, und wir holen es uns. Ich gebe Ihnen mein Wort.« Der Kopfgeldjäger blickte ihn nachdenklich an. Schließlich nickte er. »Jeder Mensch muß mal was Verrücktes machen. — Also gut. Einverstanden. Aber wenn Sie nicht zurückkommen, hole ich Sie mir. Und wenn's das ganze Leben dauern sollte.« Er sah dem Killer nach, als dieser davonritt, und fragte sich, warum der Gedanke an das Gold ihn zu einem so unsinnigen Schritt verleiten konnte. Er wartete, bis Pinky die Bergkuppe erreicht hatte und hinter ihr außer Sicht war. Dann führte er sein Pferd den Bergpfad hinauf, auf dem die Apachen ins Dorf gekommen waren und löschte seine Spuren mit einem Ast, den er hinter sich herzog. Er versteckte sein Pferd in einem dichten Gebüsch und setzte sich in eine kleine Felsgrotte, von der er den Pfad in beiden Richtungen überblicken konnte. Er lehnte sich bequem zurück und wartete.
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8 De Cabronet trieb sein Pferd so rasch voran, wie es ihm sein geschwächter Körper erlaubte. Er wunderte sich, daß er die Dörfer leer und verlassen fand und in jedem die Spuren eines hastigen, überstürzten Aufbruchs entdeckte. Und er erwartete den gleichen Anblick, als er Tyopa erreichte. Die Spuren des Massakers ließen ihn das Pferd erschrocken zügeln. Dann trieb er es hastig wieder an. Er wollte das Dorf so rasch wie nur möglich hinter sich lassen und bis zum Einbruch der Dunkelheit weiterreiten. Vor der Cantina sah er die leeren Packtaschen achtlos im Staub liegen, und er stöhnte vor Enttäuschung, daß alle Anstrengungen nun doch vergeblich gewesen waren. Er stieg vom Pferd und ging auf die leeren Taschen zu. Auf halbem Weg entdeckte er, halb im Staub vergraben, seinen Säbel. Er lag noch an derselben Stelle, an der Tuco ihn beim Kampf mit Banton fortgeworfen hatte. Er nahm ihn auf und küßte den silbernen Griff. Tränen stiegen ihm in die Augen. Es war so wohltuend, den Griff der altvertrauten Waffe in der Hand zu fühlen, daß er für den Augenblick alles andere vergaß. Der Mann-Ohne-Namen beobachtete ihn aus seinem Versteck heraus, anfangs mit mäßigem Interesse, dann mit wachsender Aufmerksamkeit. Nachdem er die Überraschung über das Auftauchen de Cabronets überwunden hatte, war er zunächst entschlossen gewesen, in seinem Versteck zu bleiben, bis der andere wieder fortreiten würde. Der Franzmann hatte es also wirklich geschafft und war gekommen, um das versprochene Drittel des Goldes zu verlangen. Falls das Gold gefunden werden sollte. Gold, das verschwunden war und das sie wahrscheinlich nie wiedersehen würden. Oder? Vielleicht konnte Pinky den Banditen Tuco zum Sprechen bringen. Aber was dann? Er traute Pinky nicht. Und dem Apachen Banton noch weniger. Vielleicht kam er mit der ganzen Indianerhorde zurück? Und er war allein.
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Es wäre vielleicht ganz gut, sich eine Rückendeckung zu beschaffen. Der Kopfgeldjäger hatte seine beiden Revolver gereinigt. Eigentlich eine unnötige Arbeit. Die Waffen waren immer sauber und in Ordnung. Aber er mußte sich mit irgend etwas beschäftigen. Pinky war seit zwei Tagen fort. Er steckte die Revolver in die Halfter und ging den Weg hinunter ins Dorf. Der Graf bemerkte ihn erst, als er auf die Plaza trat. Er lächelte, als er ihn erkannte und trat mit gesenktem Säbel auf ihn zu. »Ah, der Herr Kopfgeldjäger. Sie haben wohl nicht erwartet, mich wiederzusehen, nicht wahr?« Der Mann-Ohne-Namen schüttelte den Kopf. »Ehrlich gesagt, nein. Sie müssen zäh wie Rohgummi sein.« Der Franzose drückte die Spitze seines Säbels in den Poncho des Kopfgeldjägers. »Das wird sich herausstellen, wenn Sie mir sagen, wo Sie mein Gold gelassen haben. Wo ist es?« Der andere schüttelte den Kopf. »Das würde ich selbst gern wissen. Es war schon verschwunden, als wir hier ankamen.« »Ich glaube Ihnen kein Wort. Sie und der Albino wollen mich um den versprochenen Anteil betrügen.« »Sie können glauben, was Sie wollen. Wir haben sowohl das Gold verloren als auch Tuco, den Banditen, der Sie und Ihre Leute überfallen hat. Drei seiner Leute liegen da drüben, wo die Geier sitzen. Er ist der einzige Überlebende, der einzige, der uns sagen könnte, wo das Gold ist. Falls er noch am Leben ist. Die Apachen haben das Dorf überfallen. Sie machen keine Gefangenen, und Gold interessiert sie nicht. Nur weil vielleicht doch die Möglichkeit besteht, daß Tuco gefangengenommen worden ist, hat sich Pinky auf den Weg gemacht, um das nachzuprüfen. Er müßte eigentlich schon zurück sein. Vielleicht hat er es sich auch anders überlegt. Ich werde jedenfalls noch 'ne Weile warten. Vielleicht bringt er auch 'ne Horde Indianer mit, die mir an den Skalp wollen. Und Ihnen auch, falls Sie dann noch hier sein sollten. Hin-
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terlistige Burschen, die Apachen. Die schleichen sich an Sie heran, und ziehen Ihnen den Skalp ab, bevor Sie merken, was los ist. So sieht's aus. Ich an Ihrer Stelle würde abhauen, solange noch Gelegenheit dazu ist.« De Cabronet blickte ihn skeptisch an. »Vielleicht sagen Sie die Wahrheit, Sir — vielleicht auch nicht. Jedenfalls werde ich mit Ihnen hier warten. Es scheint mir die einzige Möglichkeit zu sein, einen Teil meines Goldes wiederzubekommen. Aber wir bleiben doch nicht in diesem verpesteten Dorf, oder?« »Nein. Es gibt hier einen alten Minenstollen, in dem wir Ihr Pferd unterstellen können. Und dann suchen wir einen Platz, an dem Sie sich verstecken können. Ich selbst habe schon ein Versteck an einer anderen Stelle. Sie sollen meine Trumpf karte sein. Pinky wird niemals vermuten, daß Sie hier sind. Aber der Säbel nützt Ihnen nichts, wenn wir gegen die Indianer kämpfen müssen. Hoffentlich können Sie auch mit 'nem Schießeisen umgehen.« Bevor er den Satz zu Ende gebracht hatte, starrte er in die Mündung einer Pistole, die de Cabronet plötzlich in der Hand hielt. »Donnerwetter«, sagte er überrascht. »Ich habe nicht geglaubt, daß Sie so fix sind. Wenn Sie auch so gut schießen .. .« Er hob rasch die Hand. »Sie brauchen's mir nicht zu beweisen. Ein Schuß kann uns alle möglichen Leute auf den Hals bringen.« »Ich will mich nicht rühmen«, sagte de Cabronet. »Aber seit fünf Jahren habe ich nicht ein einziges Mal vorbeigeschossen. Vielleicht sollten Sie sich daran erinnern — wenn wir das Gold wiederfinden sollten.« Der Kopfgeldjäger nickte. »Falls Sie wirklich so gut sind — und wenn Sie alles richtig machen —, dann haben wir durchaus eine Chance dazu.« Tuco der Schreckliche hätte in diesem Augenblick alles mögliche für eine Trumpfkarte gegeben. Er versprach sogar seinem sehr vernachlässigten Schutzpatron einen Teil seiner Goldbeute, wenn er ihn aus dieser unglücklichen Lage befreien würde. 57
Natürlich, falls seine Gebete erhört würden, wäre er nicht mehr bereit, dieses Versprechen auch zu halten. Aber ein Heiliger hat schließlich auch keine Verwendung für Gold. Für ihn reichte schon der gute Wille. Im Augenblick befand aber auch er sich in einer Lage, in der ihm sein Reichtum überhaupt nichts nützte. Selbst wenn er nicht meilenweit entfernt in sorgfältig gewählten Verstecken läge, selbst wenn er die Viertelmillion jetzt in seinen Händen hielte, er könnte sich nicht einmal einen Schluck Wasser dafür kaufen, nicht eine einzige Tortilla; von der Freiheit ganz zu schweigen. Diese Indianer waren von einer derartig niederen Intelligenz, daß sein Vermögen in ihren Augen überhaupt keinen Wert besaß. Er saß und starrte sie an. Sie hatten ihn wie ein Tier zusammengeschnürt. Sein Schweiß tränkte die Rohlederbande und zog die brutal eng geschnürten Fesseln noch enger. Die sechs Apachen, die ihm gegenübersaßen, beachteten ihn überhaupt nicht. Sie interessierten sich nur für den Hundebraten, den sie über dem offenen Feuer geröstet hatten, und sie aßen ihn, als wenn es eine ausgefallene Delikatesse wäre. Tuco machte sich an sich nichts aus Hundebraten, aber der Duft des gebratenen Fleisches ließ seinen leeren Magen knurren. Als er wieder zu sich gekommen war, hatte er zusammengeschnürt auf dem Rücken eines Pferdes gelegen, das einen steilen Bergpfad hinaufstieg. Vor ihm und hinter ihm ritten Indianer, und der Anblick hatte ihn wieder ohnmächtig werden lassen. Er hatte befürchtet, daß man ihn bei der ersten sich bietenden Gelegenheit an den Marterpfahl binden würde; zumindest aber hatte er erwartet, bei lebendigem Leibe skalpiert und dann getötet zu werden. Aber die Apachen hatten ihn überhaupt nicht mißhandelt, und das allein war für ihn ein Alarmzeichen. Es konnte nur bedeuten, daß sie ihn sich für eine besondere Gelegenheit aufheben wollten; und diese Gelegenheit war sicher alles andere als angenehm. Sie hatten ihn später einfach auf den Boden geworfen und ihn allein gelassen. Sie hatten gegessen, geschlafen und waren am nächsten Morgen weitergeritten, immer nach Süden. Hin und wieder hatte er einen Schluck
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metallisch schmeckenden Wassers bekommen, und ein paar Knochen, die er abnagen durfte. Das war ein Zeichen, daß sie ihn am Leben halten wollten. Doch erst jetzt begann er zu ahnen, zu welchem Zweck. In seinen langen Jahren im Grenzgebiet hatte er genügend Worte der Apachensprache aufgeschnappt, um hin und wieder den Sinn zufällig gehörter Bemerkungen verstehen zu können. Sie hielten ihn für einen hohen Offizier der mexikanischen Armee. Sie glaubten, ihn als Tauschobjekt für ihre Freiheit anbieten zu können, falls sie irgendwann von mexikanischem Militär gestellt werden sollten. Wenn seine Lage nicht so verzweifelt gewesen wäre, hätte er laut gelacht. Er nannte sich zwar General Tuco; aber niemand in Mexiko, von Juarez bis Diaz, würde sich irgendwelche Sorgen um sein Wohlergehen machen. Er saß schweigend, hungernd, halb verdurstet, und wagte nicht einmal zu stöhnen. Einer der Indianer richtete sich auf und blickte ihn an. Tuco begann innerlich zu zittern. Doch der Mann rührte sich nicht. Jetzt blickten auch die anderen auf, als ob eine für ihn unhörbare Alarmglocke sie aufgerüttelt hätte. Und dann hörte auch Tuco das Geräusch: Ein Reiter kam den Weg herauf. Die Krieger griffen nach ihren Gewehren. Einer von ihnen stieß mit dem Fuß Sand über das Feuer. Und dann waren die braunen Gestalten zwischen den Felsen verschwunden. Kurz darauf hörte er eine rauhe Stimme rufen: »Banton! Banton! Ich bin es, Pinky! Wo steckst du?« Ein Reiter tauchte auf. Er hatte ein fahl-weißes Gesicht und schlohweißes Haar. Sein Anblick und die Nennung des Namens jagten einen eiskalten Schauer über Tucos Rücken, und ein verzweifeltes Stöhnen drang aus seinem Mund. Die Felsen bewegten sich und erhielten plötzlich Leben. Oder so schien es zumindest. Die schmutzigen Lendenschurze und braunen Körper der Indianer hatten die gleiche Farbe wie der Fels. Sie kamen den Hang herunter, als Pinky vom Pferd stieg und seine Vorderbeine fesselte. Neugierig drängten sie
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sich um Pinky, und ihre normalerweise ausdruckslosen Ge sichter grinsten. Nur Banton lächelte Pinky nicht an. Er hob nur flüchtig die Hand, um ihn zu begrüßen, und sagte tadelnd: »Mein Bruder kommt mit dem Lärm eines Wirbelsturms. Hat er denn keinen Respekt für die Ruhe der Berggötter?« Pinky trat mit ausgebreiteten Armen auf den Häuptling zu. »Entschuldige, Banton. Es ist nur die Freude, dich wiederzusehen. Seit Tagen habe ich euch überall gesucht. Eigentlich wollte ich euch in Tyopa treffen. Ich wollte 'ne Weile mit euch reiten. Wie ist es euch inzwischen ergangen?« Trotz der sengenden Hitze brach Tuco der kalte Schweiß aus allen Poren. Er hatte Pinky noch nie gesehen, aber der Ruf des Albinos war im ganzen Grenzland bekannt. Sein Auftauchen versetzte Tuco in wilde Panik. Pinky Roebeck würde sofort sehen, daß er die elegante Uniform des Franzosen zu unrecht trug, und es würde ihm einen Höllenspaß bereiten, seinem Freund Banton die Augen zu öffnen. Tuco sah, daß er sein Glück aufgebraucht hatte. Er hatte nicht den geringsten Zweifel daran, daß man ihn jetzt ermorden würde. Und die möglichen Arten des Sterbens standen als grauenhafte Vision vor seinem Auge: Er kannte die Freude der Apachen an ausgefallenen Torturen. Man würde ihn vielleicht nackt auf einen Ameisenhaufen binden. Die aggressiven Sonoran-Ameisen, pechschwarz und fast so groß wie Hirschkäfer, hatten Kiefer, die so stark und so scharf wie sein Messer waren. Er hatte die Überreste ihrer Opfer gesehen: Kühe, die sie bei lebendigem Leibe aufgefressen hatten, und die Knochen waren so sauber und gründlich abgenagt, daß nicht einmal die Geier noch eine Fleischfaser abpicken konnten. Oder man würde ihn bis zum Hals eingraben und ihm die Augenlider abschneiden. Die grelle Sonne würde dann durch die schutzlosen Augen direkt in sein Gehirn brennen, bis er wahnsinnig wurde. Er begann, leise Gebete zu murmeln und seine Seele dem Schutz Gottes und aller Heiligen zu unterstellen, bis es ihm einfiel, daß er wohl kaum in Richtung Himmel abreisen wür-
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de. Nun richtete er sein Flehen an den Teufel, dem er auf Erden so treu gedient hatte. Pinky Roebeck hatte den Gefangenen schon entdeckt, als er vom Pferd gestiegen war, ließ es sich aber nicht anmerken. Er wußte nicht, was für Pläne Banton mit ihm hatte, warum er ihn am Leben gelassen hatte; und es war besser, keinerlei Interesse für ihn zu zeigen, bis er es wußte. Banton war sein Freund. Noch wichtiger: er war sein Blutsbruder. Es war eine große Zeremonie gewesen: Man hatte Banton und Roebeck die Handgelenke aufgeritzt, und der Medizinmann hatte sie zusammengelegt. So war das Blut der beiden zusammengeflossen, und Pinky war zum Mitglied des Stammes geworden. Ja, er war einer der ihren geworden. Er verstand ihre Denkweise, ihre Interessen, so gut es ihm als Weißem möglich war. Doch es gab auch die dunkle Seite ihres Charakters, die auch Roebeck nicht begreifen konnte, und zu der man ihm auch keinen Zugang gewährte. Falls Banton auch nur ahnen würde, daß Pinky sich für Tuco interessierte, würde sich der Wert des Gefangenen immens steigern. Nicht in den Wertmaßstäben von Gold oder Geld — die Apachen haßten Gold. Das gelbe Metall war von den Weißen in ihr Land gebracht worden. Alles Leid, das sie seitdem erfahren hatten, führten sie auf dieses gelbe Metall zurück. Wenn sie wüßten, daß ihr Blutsbruder sich für Gold interessierte, würden sie sich auf der Stelle gegen ihn wenden. Die Krieger hatten das Feuer wieder entfacht und berichteten ihm, unter vielen, farbigen Ausschmückungen, von ihren Heldentaten beim Ausbruch aus dem Reservat, beim Niederbrennen der Ranches, von dem Sieg über das Militär. Niemand sprach von den Strapazen des Marsches durch die mexikanischen Berge. Sie hatten bei einem Zusammenstoß mit Juarez' Männern eine schwere Niederlage erlitten; und kein Apache spricht gerne von Niederlagen, nicht einmal einem Freund gegenüber. Roebeck hörte ihnen mit allen Zeichen von Interesse und Anteilnahme zu und zügelte seine wachsende Ungeduld, bis die Indianer mit ihren Erzählungen fertig waren. Dann war
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er an der Reihe. Er berichtete von Abenteuern, die so blutig und grausam waren, daß sie der wilden, barbarischen Fantasie der Apachen entsprachen. Daß sie fast nur aus Lügen bestanden, war nicht so wichtig. Worauf es allein ankam, war, seine Gastgeber zu unterhalten und die Konversation auf einen Punkt zuzusteuern, an dem er von Tuco sprechen konnte. Schließlich wandte er sich grinsend an Banton und sagte: »Und dann kam ich nach Tyopa und sah, daß meine Brüder schon vor mir dort gewesen waren. Und an den Spuren erkannte ich, was ich schon immer gewußt habe, daß Banton ein sehr großer Häuptling ist. Sogar drei Soldaten hat er überwältigt.« Mit einem flüchtigen Kopfnicken deutete er auf den gefesselten Tuco. »War der auch dabei? Warum hat er noch seinen Skalp?« Bantons schmale, grausame Lippen verzogen sich zu einem listigen Lächeln. »Viele Soldaten sind unterwegs. Sie reiten in großen Horden, und wir sind nur wenige Krieger. Ich kenne die Uniform der Soldaten, und diese ist anders. Er ist ein Häuptling. Die anderen werden nicht gegen mich kämpfen, solange ich ihn als Gefangenen bei mir habe.« Roebeck hob die Brauen als Geste der Überraschung. »Und woher weißt du, daß er ein Häuptling der Soldaten ist?« Wieder grinste Banton. »Er hatte ein Schwert und einen Gürtel, als ich ihn gefangennahm. Die anderen tragen zwar auch eine Uniform, aber nicht die lange Klinge. Weißt du, welchen Rang er hat?« »Warum fragst du ihn nicht?« Er fühlte eine maßlose Erleichterung. Das war die Gelegenheit, nach der er gesucht hatte. Wie erwartet, richtete sich Banton stolz auf und sagte scharf: »Ich beschmutze meine Zunge nicht, indem ich mit Menschen wie diesem spreche.« »Ich will es dir gern abnehmen. Vielleicht kriege ich auch heraus, wie stark das Militär in dieser Gegend ist.« Banton starrte eine Weile ins Feuer und überlegte. Dann nickte er.
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»Du bist nur zur Hälfte Apache. Wenn du zu ihm in der Zunge der Weißen sprichst, beschmutzt du dich nicht.« Tuco starrte dem Albino entsetzt entgegen, als dieser sich erhob und auf ihn zukam. Er preßte die Lider über die Augen. Er wußte, daß Pinky ihn jetzt ermorden würde, und er konnte dem Tod nicht ins Auge sehen. Er hörte das Knirschen der Schritte, das plötzlich aufhörte, und er wußte, daß der Mann dicht vor ihm stehengeblieben war. Eine Stiefelspitze stieß ihn leicht in den Bauch, und eine Stimme sagte leise auf spanisch: »Du bist in 'ner verdammt krummen Situation, mein Freund.« Tuco stöhnte, ohne die Augen zu öffnen. Die Stimme lachte. »Und niemand, der dir helfen könnte, nicht wahr? — Niemand außer mir.« Tuco riß die Augen auf und starrte ungläubig in die blutunterlaufenen Augen des Mannes, der sich über ihn beugte. Dann begriff er, daß dies ein Teil der Torturen war, daß man in ihm falsche Hoffnungen erwecken wollte, die Schmerzen und Tod nur noch verschlimmern würden. Er stöhnte wieder und schüttelte den Kopf. »Machen Sie mir doch nichts vor. — Sie werden mir nicht helfen. Sie können mir ja gar nicht helfen.« »Aber klar kann ich das. Ich gehöre doch zur Familie. Ich bin der weiße Bruder. Sie hören auf mich.« Tuco fröstelte. Es war schwer, nicht nach dem Strohhalm zu greifen. »Selbst, wenn Sie mir helfen könnten, warum sollten Sie es tun?« Der Albino hockte sich neben ihn auf den Boden. »Eine reine Frage der Ästhetik, mein Freund. Wenn ich Sie nicht rette, muß ich zusehen, wie man dir langsam, Zentimeter für Zentimeter, das Fell abzieht. Mir ist so was widerlich, weißt du. Und dann habe ich nachgedacht. Ich habe mich gefragt: Pinky, hast du in deinem Leben schon ein einziges gutes Werk getan? Und weißt du was? Ich mußte mit Nein antworten. Das konnte es also nicht sein. Also habe ich noch ein wenig darüber nachgedacht, warum ich dir helfen sollte.
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Und dann fiel mir der wirkliche Grund ein. Dieser Mann, sagte ich mir, kann mir vielleicht einen kleinen Gefallen tun, um mir seine Dankbarkeit zu beweisen. Stimmt's, Tuco?« Tucos Erstaunen war echt. Das Erscheinen Pinkys hatte ihn völlig vergessen lassen, daß er auch etwas anzubieten hatte. »Was wollen Sie von mir?« sagte er. Der Albino blickte ihn fast liebevoll an. »Du kannst mir sagen, wo das Gold ist.« Tuco senkte den Blick. Er wußte, daß er der einzige Überlebende von Tyopa war, der einzige, der von der Existenz des Goldes wußte. Mit angstvoller Gewißheit erkannte er, daß die Mutmaßung der Apachen, daß der Mann mit den roten Augen hellseherische Kräfte besitze, doch auf Wahrheit beruhte. »Was für Gold?« flüsterte er heiser. »Versuche nicht, mich auf den Arm zu nehmen, hombre«, sagte Pinky scharf. »Dein Leben hängt an einem verdammt dünnen Faden — und den halte ich in der Hand. Also rede!« Tuco kroch noch mehr in sich zusammen. »Was kann ein kleiner Mann wie ich schon von Gold wis sen? Ich bin doch nur ein armer Soldat unserer glorreichen Republik.« »Du bist ein dämlicher Bandit, ein Mörder, Lügner und Betrüger!« »Ach!« Tucos Lebensgeister hoben sich ein wenig. »Sie kennen mich? Sie haben von Tuco dem Schrecklichen gehört?« »Von Tuco, dem schrecklichen Lügner. Ja, ich weiß, daß du ein kleiner, billiger Ganove bist. Von einem Kopfgeldjäger, der nicht mal einen ehrlichen Namen hat.« »Der Mann-Ohne-Namen? — Was hat denn der damit zu tun?« Pinky grinste und beugte sich tiefer über ihn. »Er wartet in Tyopa auf mich. Wir wissen alles von dem Gold, das als Lösegeld für Kaiser Maximilian bestimmt war. Wir wissen, daß ihr die Soldaten im grünen Canyon ermordet habt und dann auch eure eigenen Kameraden, um euch das Gold anzueignen.« Tuco wurde schwarz vor Augen.
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»Und, Tuco, mein Freund, als Banton euch in Tyopa überfallen hat, war das Gold bereits verschwunden. Du hast es irgendwo versteckt und die Packsäcke mit Steinen gefüllt. Wo ist es?« »Ich — warum hätte ich das tun sollen?« »Weil du deine drei Freunde bei der nächsten Gelegenheit umlegen wolltest. Weil du das ganze Gold für dich allein haben wolltest.« In Tucos Gehirn begann es fieberhaft zu arbeiten. Ein Ge danke bohrte sich durch all die Ängste und Schocks, die über ihn hereingebrochen waren. Zuerst wollte er das Verschwinden des Goldes den Apachen in die Schuhe schieben — aber das würde ihm Pinky ganz bestimmt nicht abnehmen. Dann wußte er plötzlich, was er tun mußte. »Wasser, bitte«, murmelte er mit matter Stimme. »Geben Sie mir etwas Wasser .. .« Pinky Roebeck zögerte. Banton und seine Krieger blickten aufmerksam zu ihm herüber. Wenn er Tuco jetzt Wasser gab, konnten sie ihm das als Weichheit auslegen. Aber der Bandit durfte nicht ohnmächtig werden, bevor er ihm verraten hatte, wo das Gold war. Er hakte die Wasserflasche vom Gürtel und hielt sie an Tucos aufgesprungene Lippen. Das Wasser war warm und abgestanden, aber Tuco schmeckte es wie Nektar. Er murmelte seinen Dank, als Pinky die Flasche wieder fortzog. »Angenommen, Sie hätten recht«, sagte er. »Angenommen, ich wüßte wirklich, wo das Gold steckt. — Obgleich ich natürlich nicht einmal weiß, ob es überhaupt existiert. Was dann?« »Das Gold existiert.« »Meinetwegen«, sagte Tuco vorsichtig. »Nehmen wir also an, daß es existiert und daß ich weiß, wo es ist. Was hätte ich davon, wenn ich es Ihnen verriete?« »Du würdest am Leben bleiben.« »Das glaube ich nicht. Wenn ich Ihnen jetzt sagen würde, wo das Gold ist, würden Sie einfach fortreiten, um es sich zu holen, und mich hier bei Ihren Freunden lassen.« Pinky schüttelte langsam den Kopf.
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»Die Sonne scheint dein Gehirn angesengt zu haben, Tuco. Du bist ein geborener Lügner, das wissen wir beide. Du könntest mich auf 'ne falsche Fährte schicken, und bis ich das gemerkt habe und zu meinen Freunden zurückgekommen bin, haben die dir die Zunge rausgeschnitten, und die Geier fressen schon deine Eingeweide. Nein, ich könnte gar nicht allein losreiten, selbst wenn ich wollte. Ich muß dich mitnehmen, damit du mir das Versteck zeigst.« Tuco nickte erleichtert. Genau das hatte er gewollt. Das war der erste Schritt. Wenn der gelang, hatte er eine Chance. Wenn er den Indianern entkommen war, brauchte er nur noch mit Pinky fertig zu werden. Pinky war ein sehr beachtlicher Gegner, aber nicht unüberwindlich. Er würde ihn wirklich zu den Goldverstecken führen. Der Weg führte durch mehrere Dörfer, die er auf dem Herweg passiert hatte. Und weil er vorsorglich überall ein paar Münzen verteilt hatte, konnte er auf die Freundschaft dieser Bergbauern rechnen. Er versuchte zu lächeln, aber seine Lippen waren zu verschwollen. Sein ganzes Leben war ein ständiges Auf und Ab zwischen größtem Optimismus und tiefster Verzweiflung gewesen. Noch vor wenigen Minuten hatte er nichts mehr erwartet, als einen entsetzlichen Tod. Jetzt suchte er bereits einen Weg, diesen rotäugigen Killer zu beseitigen, der ihm sein Gold stehlen wollte. Und er hatte alles Recht, seinem Retter den Tod zu wünschen. Pinky Roebeck hatte nicht einmal davon gesprochen, daß sie den Schatz untereinander teilen würden. Weil er gar nicht daran dachte, Tuco am Leben zu lassen. Tuco war nur solange sicher, bis er mit dem Finger auf ein Versteck zeigte und sagte: »Dort ist es ...« Der Albino ging langsam zum Feuer zurück. Soweit, so gut; aber jetzt ergab sich ein zweites Problem. Er mußte Banton dazu bewegen, seinen Gefangenen ihm zu überlassen, und zwar so, daß der Apache nicht mißtrauisch wurde. Aber er sah keinen Weg. Und dann, plötzlich, kam ihm die Idee: Wenn er die Krie-
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ger mit sich nach Tyopa nahm, konnte er Tuco gegen einen anderen Gefangenen eintauschen.
Und Banton würde sich sicher freuen, wenn er ihm den Mann-Ohne-Namen ans Messer lieferte.
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9 Tyopas Bachlauf war völlig ausgetrocknet, aber die Wurzeln der Büsche reichten tief ins Grundwasser hinab. Die Hänge der Hügel oberhalb des Dorfes blieben deshalb grün, und das Gestrüpp wuchs so dicht, daß sich ein Reiter darin verbergen konnte. Coyoten und Bergkatzen hatten sich durch die Büsche ins Dorf geschlichen und den Geiern geholfen, die Kadaver der Ermordeten zu beseitigen. Die Luft war jetzt besser, stellte der Mann-Ohne-Namen erleichtert fest. Nur die Zeit schien nicht vergehen zu wollen. Er hatte wieder und wieder seine Revolver gereinigt, sein langes Messer geschärft. Nachts hatte er sein Versteck verlassen, hatte Wasser aus der Dorfquelle geholt, die Pferde getränkt und eine Flasche zum Versteck des Franzosen gebracht. Aber das alles konnte nicht verhindern, daß seine Fantasie nach Gründen für Pinkys langes Fortbleiben suchte. Vielleicht war sein Pferd gestolpert und in eine Schlucht gestürzt. Vielleicht hatte er Tuco nicht mehr lebend angetroffen. In dem Fall war das Gold für immer verloren, und er würde einfach weiterreiten. In dem Fall mußte der Kopfgeldjäger die Suche nach dem Mann, der für ihn siebentausendfünfhundert Dollar wert war, wieder ganz von vorn beginnen'. Es würde verdammt schwierig sein, Pinky seinen Apachenfreunden zu entführen. Der Mann-Ohne-Namen seufzte und suchte den Horizont wieder nach irgendeiner Bewegung, irgendeiner Spur von Leben ab. Es war Mittag, als er endlich etwas bemerkte. Aber aus der falschen Richtung. Er sah de Cabronet durch das Gebüsch auf sich zukommen. Der Mann-Ohne-Namen stieß einen leisen Fluch aus. Er griff nach seinem Gewehr und duckte sich noch tiefer in seine Deckung. Als der Mann nur noch ein Dutzend Schritte entfernt war, sagte er wütend: »Bleiben Sie in Deckung, Sie Idiot!«
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Der Graf ließ sich zu Boden fallen und kroch die letzten Meter zu ihm heran. »Es ist doch keine Menschenseele hier. Seit Stunden habe ich nicht einmal eine Eidechse gesehen.« »Vielleicht.« Der Mann-Ohne-Namen steckte einen verbogenen Zigarillo zwischen die Lippen, zündete ihn aber nicht an. Der Geruch brennenden Tabaks war in der warmen Luft möglicherweise meilenweit zu riechen. »Wenn man Apachen nicht bemerkt, sind sie wahrscheinlich in unmittelbarer Nähe. Falls Roebeck seine roten Brüder mitbringt, brauche ich Sie in 'ner gewissen Entfernung von mir — sonst nützen Sie mir gar nichts.« »Wenn er sie mitbringt. — Falls er überhaupt kommt. Wo steckt er denn? Wie lange wollen Sie hier noch untätig herumsitzen?« »Sie können jederzeit abhauen.« »Das könnte Ihnen so passen. Damit Sie das Gold für sich allein haben.« »Ich würde mich sicherer fühlen, wenn Sie sich in der Höhle verstecken würden, als Rückendeckung sozusagen. Aber wenn Sie so nervös sind, ist es mir lieber, wenn Sie von hier verschwinden. Ich werde noch zwei Tage hier warten. Dann können wir sicher sein, daß er nicht zurückkommt.« »Und was tun wir dann?« »Doch wir . . .?« Er lächelte ironisch. »Dann reiten wir ihm nach und sehen, was passiert ist. Ich habe nicht die Absicht, ihn laufenzulassen.« Pinky Roebeck war unterwegs und sehr stolz auf seine Schlauheit. Er hatte Banton ein dickes Garn vorgesponnen, das auf Tucos vermeintlicher Wichtigkeit basierte. General Tuco, hatte er erklärt, sei in der Tat ein überaus wichtiger Mann und für die Indianer von unermeßlichem Nutzen. Aber nicht hier, in den Bergen. Nein, man sollte ihn nach Chihuahua bringen, wo es viele Pferde, viele Waffen und Berge von Munition gab. Die Regierung würde sich gerne mit diesen Schätzen revanchieren, wenn man ihr den berühmten General zurückbrächte. »Außerdem«, fuhr Pinky fort, »könnten wir unterwegs
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noch ein bißchen Spaß haben. Da ist ein Mann in Tyopa, der Mann-Ohne-Namen, ein Kopfgeldjäger. Er ist hinter dir her, Banton. Die Amerikaner haben einen Preis auf deinen Kopf gesetzt, weil du die Kavalleriepatrouille vernichtet hast. Er ist ganz allein, aber ein großer Krieger, dem ihr nicht gewachsen wärt. Mich aber kennt er.« Der Albino grinste. »Ich kann ihn aus seinem Versteck locken, und dann könnt ihr über ihn herfallen. Nehmt ihn lebend gefangen, dann könnt ihr euch ein paar Tage lang mit ihm amüsieren, bis wir die Pferde eingefangen haben.« Die Aussicht, Pferde erbeuten zu können, war eine starke Versuchung für Banton. Pferde waren für ihn der größte Reichtum. Er stimmte Pinkys Vorschlag zu, und so waren sie jetzt auf dem Weg nach Tyopa. Er führte die kleine Horde über die Pässe und gab vor der Bergkette, hinter der Tyopa lag, das Zeichen zum Halten. »Ihr wartet hier«, sagte er zu Banton. »Ich nehme den Ge neral mit mir ins Dorf und locke den Kopfgeldjäger aus seinem Versteck. Ich gebe euch ein Zeichen, wenn ihr eingreifen könnt.« Die scharfen Augen des Kopfgeldjägers bemerkten eine Bewegung auf dem Bergkamm. Er erkannte einen Reiter, der durch das Gestrüpp hangabwärts kam, dann einen zweiten. Er behielt den Bergkamm im Auge, bis die beiden die Plaza des Dorfes erreicht hatten, aber niemand folgte ihnen. Er blickte zur Plaza hinunter. Einer der beiden Reiter war der Albino, der andere, gefesselt und in blauer Uniform, Tuco. Wieder sah er zum Bergkamm hinauf. Nichts rührte sich. Wie hatte Pinky Roebeck den Indianern ihren Gefangenen abnehmen können? Hatten sie ihn ihm freiwillig überlassen, oder hatte Pinky ein paar seiner Blutsbrüder getötet? Ein paar Apachen weniger waren auch ein paar Probleme weniger. Aber er glaubte nicht so recht daran. Wenn Pinkys Blutsbrüder am Leben waren, krochen sie jetzt, in dieser Minute, durch das dichte Buschwerk auf das Dorf zu. Wenn er jetzt aufstand und zu Pinky ging, würden
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sie ihn wahrscheinlich gefangennehmen. Dann lag sein Leben in der Hand des Franzosen. Andererseits, wenn er in seinem Versteck blieb, würde Pinky vielleicht mit dem einzigen Mann, der das Versteck des Goldschatzes kannte, fortreiten, und dann hatte er seine Chance für immer verloren. Er überlegte, ob er sich auf den Franzosen verlassen konnte. Wenn der sich einmal für eine Sache entschied, würde er sich auch für sie einsetzen. Außerdem wußte de Cabronet, daß er ihm damals im Canyon das Leben gerettet, ihn gepflegt und ihm Wasser und Nahrung gebracht hatte. Es wäre gegen seine Ehre, ihn jetzt im Stich zu lassen. Nur eines war nicht sicher: Würde de Cabronet die Nerven haben, ruhig in seinem Versteck zu bleiben und erst eingreifen, wenn er ihm das Zeichen dazu gab? Oder würde er versuchen, auf eigene Faust zu handeln und sie aus lauter Dummheit beide töten? Der Kopfgeldjäger mußte es darauf ankommen lassen, wenn er das Gold haben wollte. Das Risiko war unkalkulierbar. Sein Leben hing ab von seiner blitzschnellen Reaktion gegen die gefürchtetsten und grausamsten Männer des Westens. Er versteckte sein Gewehr und schob sein Messer in eine Felsspalte. Sie würden ihm nicht viel nützen, falls die Indianer ihm einen Hinterhalt legen sollten. Dann stand er auf und ging langsam den Hang hinab zur Plaza. Roebeck hatte sein Pferd neben dem Brunnen gezügelt und ließ es aus dem steinernen Trog saufen. Er war im Sattel sitzengeblieben und blickte dem Mann, der zu Fuß auf ihn zukam, grinsend entgegen. »Ich hatte gehofft, Sie würden die Geduld verlieren und wären vielleicht abgehauen«, sagte er. Der Mann-Ohne-Namen blickte ihn prüfend an. »Ich hätte Sie schon gefunden, wenn Sie nicht wiedergekommen wären. Wissen Sie, wo das Gold ist?« »Noch nicht.« Der Kopfgeldjäger blickte Tuco an. »Er will wohl seinen Schatz nicht mit seinen guten Freunden teilen, wie? Vielleicht kann ich ihn dazu überreden, etwas großzügiger zu sein.«
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»Ich glaube, er wird es uns sagen. Ich habe ihn nur noch nicht wirklich gefragt. Meine Apachen-Freunde wissen nichts von dem Gold, und ich wollte sie nicht damit aufregen.« »Ihre Blutsbrüder? Wo sind die jetzt?« »Da hinten.« Der Mann-Ohne-Namen preßte die Lippen zusammen. Er hatte Pinky genau verstanden. Vielleicht sollte er den Albino jetzt sofort vom Pferd schießen und zusammen mit Tuco fortreiten. Aber Pinky schien seine Gedanken lesen zu können. Er legte die rechte Hand auf den Oberschenkel, dicht neben den Revolver. »Ich würd's nicht riskieren, Freund«, sagte er. »Ich bin mindestens so schnell wie Sie. Und außerdem würde ich mich an Ihrer Stelle mal umsehen.« Das konnte ein Trick sein, um seine Aufmerksamkeit abzulenken, überlegte der Mann-Ohne-Namen. Aber das war unwahrscheinlich. Er wandte den Kopf und blickte über seine Schulter. Banton kam gerade, ein knappes Dutzend Schritte hinter ihm, um die Ecke eines halbzerfallenen Hauses herum. Der Apache hielt seine Streitaxt in der rechten Hand, in der anderen das Gewehr. Der Kopfgeldjäger hörte Roebecks amüsiertes Kichern, fühlte die Mündung von Bantons Gewehr zwischen den Schulterblättern. Langsam wandte er den Kopf nach der anderen Seite. Fünf weitere Krieger waren aufgetaucht und standen wenige Schritte von ihm entfernt. Sie rührten sich nicht. Nur ihre Augen verrieten Leben. Sie glänzten in grausamer Vorfreude und Erwartung. Langsam hob der Kopfgeldjäger die Hände zur Seite, so daß sich sein Poncho wie Fledermausflügel ausbreitete. Er hoffte, dem Franzosen damit ein Zeichen zu geben, sich nicht aus seiner Deckung zu rühren. Und er hoffte, daß de Cabronet auch unter Druck die Nerven behalten würde. »Pinky«, sagte er. »So einen gemeinen Trick habe ich Ihnen eigentlich nicht zugetraut.« Er rührte sich nicht, als der Albino ihm die beiden Revolver abnahm.
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»Haben Sie wirklich geglaubt, ich würde zurückkommen und Ihnen die kleine Goldmine einfach in den Schoß werfen, nachdem Sie mich wochenlang wie 'ne verdammte Ziege mit einem Strick um den Hals mitgeschleift haben?« »Ich war der Meinung, daß ein Mann sein Wort hält. Aber bei Ihnen ist das wohl zu viel verlangt. Aber Sie werden auch in die Röhre gucken, mein Freund. Ich kenne Tuco ziemlich gut. Er ist störrisch wie ein Muli. Er wird keinem Menschen etwas von dem Goldversteck verraten, bis er ganz sicher ist, daß ihm nichts mehr passieren kann. Das heißt, Sie müssen die Indianer abschütteln. Und die dürfen ja sowieso keinen Wind von dem Gold kriegen, nicht wahr? Haben Sie sich das alles schon mal überlegt?« Tuco hörte sehr aufmerksam zu. Der Kopfgeldjäger sah, daß er ihn verstanden hatte. In Tucos Augen glomm neue Hoffnung auf. »Und wie wollen Sie Ihre roten Blutsbrüder loswerden, Pinky?« Roebeck grinste. »Darüber würde ich mir an Ihrer Stelle keine Kopfschmerzen machen. Sie haben jetzt ganz andere Sorgen. Die Jungens wollen sich ein bißchen amüsieren — meine Blutsbrüder, meine ich. Und wenn das vorbei ist, werden wir ein bißchen feiern. Alle werden sich bis an die Halskrause vollaufen lassen. Alle außer mir.« Der Kopfgeldjäger atmete tief durch. Er kannte die Vorliebe der Indianer für Pulque. Und er verstand auch die Sprache der Apachen. Er wußte, daß sie ihn heute töten würden. Aber sie würden das Sterben so lange wie nur möglich hinausziehen. Und das allein war vielleicht eine Chance. Er mußte nur sehen, wie er sie nutzen konnte. Ohne Waffen konnte er nicht kämpfen. Und de Cabronet war diesen sieben Männern allein nicht gewachsen. Hoffentlich kam er, wenn die Torturen begannen, nicht kopflos und sinnlos herangetrabt, um ihn zu retten. Er sah auf, blickte zum Hang hinüber und bewegte langsam den Kopf von einer Seite zur anderen. Pinky trat auf ihn zu. »Nehmt ihn euch, meine Brüder.«
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Die Indianer griffen den Kopfgeldjäger bei den Armen und schleppten ihn zu einem Baum, der mitten auf der Plaza stand. Sie rissen ihm den Poncho herunter, banden ihn an den Stamm, hoben den gefesselten Tuco von seinem Pferd und banden ihn auf die gegenüberliegende Seite des Baumstammes. Pinky trat auf Tuco zu und nahm ihm den Knebel aus dem Mund. »Damit du besser brüllen kannst«, sagte er grinsend. »Sie haben mir versprochen, dich nicht zu töten, aber sie wollen dich mal richtig schreien hören.« Tuco starrte angstvoll zu den Indianern hinüber, die ihre Pferde aus den Verstecken holten. Zwei der halbnackten Wilden saßen auf. Sie hielten lange Lanzen in den Händen. Tuco stöhnte gequält. »Keine Angst, Tuco«, hörte er die Stimme des Kopfgeldjägers von der anderen Seite des Baumstammes. »Sie haben doch gehört, daß man Sie nicht töten wird. Pinky muß Sie so lange am Leben lassen, bis er das Versteck des Goldes erfahren hat. Wir haben also immer noch eine Chance. Ich habe noch immer eine kleine Trumpfkarte im Ärmel, von der sie nichts ahnen. Ich komme hier wieder raus. Sagen Sie mir, wo das Gold ist, dann helfe ich Ihnen auch raus. Dann machen wir's zusammen.« Tuco verzog die verschwollenen Lippen zu einem Grinsen. »Das letztemal, als wir was zusammen gemacht haben, wäre ich beinahe draufgegangen. Dieses Mal werden wir wahrscheinlich beide . . .« Ein gellender Schrei. Ein Apache kam mit eingelegter Lanze auf Tuco zugaloppiert. Die scharfe Spitze wies genau auf Tucos dicken behaarten Bauch. Tuco schrie auf. Er sah die Speerspitze in der Nachmittagssonne glänzen, sah die geblähten Pferdenüstern, das breite, amüsierte Grinsen auf dem Gesicht des Indianers. Er hielt den Atem an und wartete auf den tödlichen Stoß. Aber der kam nicht. Im allerletzten Moment riß der Apache sein Pferd zur Seite. Die Lanze fuhr dicht über Tucos Schulter in den Baumstamm. Sie zerfetzte den Stoff der Jacke und ritzte die Haut seiner fetten Schulter auf. Blut sickerte aus der Wunde. Tuco schrie noch einmal, diesmal vor Er-
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leichterung, als das Pony des Indianers dicht an ihm vorbeigaloppierte und ihm Staub ins Gesicht schleuderte. Er sank in den Fesseln zusammen. Er hörte ein zweites Pferd angaloppieren. Und diesmal kam das Geräusch von hinten. Der Kopfgeldjäger war an der Reihe. Der Mann-OhneNamen blickte dem halbnackten, braunen Mann entgegen, der tief über den Hals des Pferdes gebeugt, die Lanze eingelegt, auf ihn zugaloppierte. Er sah nicht auf die Lanze, sondern nur auf das Gesicht des Indianers. Er kannte das alte Geschicklichkeitsspiel der Apachen, mit dem sie ihr Können als Reiter unter Beweis stellen wollten. Ohne mit der Wimper zu zucken wartete er, bis die Metallspitze der Lanze dicht neben ihm in den Baumstamm fuhr und nur die Haut des Oberarms aufritzte. Wieder und wieder kamen sie angaloppiert, abwechselnd auf ihn und auf Tuco. Jeder der fünf Indianer kam an die Reihe. Banton war der letzte. Er wollte vor seinen Männern glänzen, ließ sein Pferd hin und her tanzen und flüsterte Pinky etwas ins Ohr, das der Kopfgeldjäger nicht verstehen konnte. Pinky Roebeck grinste amüsiert. Banton sprang vom Pferd. Pinky schwang sich auf den ungesattelten Rücken des Tieres und ergriff Bantons Lanze. Pinky legte sie ein und rief: »Jetzt paßt auf, Freunde, das wird eine Schau!« Der Mann-Ohne-Namen preßte die Lippen zusammen. Die Apachen waren Meister in diesem Spiel. Sie spießten einen Mann nur dann auf, wenn es auch beabsichtigt war. Bei Pinky konnte er sich aber nicht darauf verlassen. Wie gut hatte er das fremde Pferd in der Gewalt? Wie sicher war er bei diesem Zeitvertreib? Sein Magen krampfte sich zusammen, als Pinky dem Pferd die Sporen in die Flanken trieb. Das Pferd schoß voran. Die Spitze der Lanze deutete direkt in sein Gesicht. Sein Abschwung kam etwas zu spät. Die Speerspitze durchbohrte das Ohr des Kopfgeldjägers und nagelte es an den Baumstamm. Der Lanzenschaft zersplitterte unter der Wucht des Auf-
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pralls, und Pinky stürzte aus dem Sattel in den Staub der Plaza. Der Mann-Ohne-Namen stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Indianer schrien vor Vergnügen. Wie Kinder, die ein anderes Kind auslachen, das beim Spiel in den Dreck gefallen ist. Pinky Roebeck sprang auf. Sein Gesicht war rot vor Wut. Und genau wie ein Kind reagierte er jetzt seine Wut nicht an den Indianern ab, sondern an dem Kopfgeldjäger. Zweimal schlug er ihn ins Gesicht. Einmal mit der rechten Faust, dann mit der linken. Beide Schläge waren so hart, daß sie ihm fast den Kiefer gebrochen hätten. Der Mann-OhneNamen sackte in seinen Fesseln zusammen. Er fühlte, wie der Albino die Stricke zerschnitt, die ihn an den Baum banden und sank zu Boden. Er hatte noch die Kraft, im Fallen zu den Hügeln hinaufzublicken und wieder den Kopf zu schütteln. Dann lag er im Staub der Plaza. Er fühlte, wie viele Hände an ihm herumfummelten, ihm die Kleidung herunterrissen und die Stiefel auszogen. Und er war zu betäubt, um sich dagegen zu wehren. Er wurde aufgehoben und an Händen und Füßen über die Plaza geschleift. Er fühlte das Stechen trockener Gräser an seiner nackten Haut, und dann ließ man ihn fallen. Man riß ihm die Arme und Beine auseinander, fesselte ihn auf den Boden. Und noch während die Indianer ihn banden, fühlte er den ersten brennenden Schmerz im Rücken und wußte, was ihm bevorstand. Die Indianer hatten ihn auf einen Ameisenhaufen gebunden. Er öffnete die Augen und blickte in das grinsende Gesicht des Albinos. »Bis jetzt haben Sie noch nicht viel zu unserer Erheiterung beigetragen, mein Freund. Aber bald werden wir Sie singen hören. Wenn Sie wirklich schön singen, binde ich Sie vielleicht sogar los, wenn ich mit Tuco wegreite. Aber das wird noch 'ne ganze Weile dauern. Viel Spaß inzwischen.« Der Mann-Ohne-Namen starrte ihn nur wortlos an. Unter seinem Körper fühlte er das erregte Gewimmel Tausender von Ameisen. Er lag völlig reglos. Winzige Füße liefen über seinen Kör-
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per, und es war, als zog man Striche mit glühenden Nadeln über seine Haut. Eine panische Angst überfiel ihn, und er brauchte seine ganze Willenskraft, sie niederzukämpfen. Er lag völlig reglos. Die Insekten griffen noch nicht an. Sie suchten lediglich nach der Ursache der Störung. Der brennende Schmerz rührte nicht von wirklichen Bissen her, sondern war nur das Resultat seiner Angst. Er klammerte sich an den Gedanken. Und hin und wieder fühlte er wirkliche Bisse, die ihm den Unterschied klarmachten. Tiefe, brennende Bisse, die tief und schmerzhaft in sein Fleisch drangen. Wenn die Ameisen wirklich Ernst machen sollten, würden sie ihn in kurzer Zeit zum Skelett abgenagt haben. Er überlegte, wieviel Zeit ihm noch blieb. Pinky hatte sich vor den Apachen blamiert, als er vom Pferd gefallen war. Immer noch zogen sie ihn mit seinem Mißgeschick auf. Er würde es sich nicht mehr lange gefallen lassen und so bald wie möglich mit der Feier anfangen, um ihr Interesse von sich und seiner Niederlage abzulenken. Der Mann-Ohne-Namen wagte nicht, den Kopf zu bewegen, aber er glaubte, die Tür der Cantina knarren und dann ins Schloß fallen zu hören. Er schloß die Augen und zählte die Minuten. Eine lange Zeit verging, bis er das nächste Geräusch hörte. Pinky hatte in der Cantina, halb im Sand vergraben, eine Tierhaut mit Pulque entdeckt. Triumphierend schwenkte er sie in der Hand, als er aus der Cantina gelaufen kam. Die Indianer waren immer noch mit ihrem Spiel beschäftigt, galoppierten auf Tuco zu und ritzten ihm mit ihren Lanzen leicht in die Schultern. Der Bandit hing jetzt bewußtlos in seinen Fesseln. Sie bemerkten Pinky nicht, bis er ihnen schreiend zuwinkte. »Banton, sieh, was ich gefunden habe. Pulque! Genug für uns alle! Hier.« Er reichte Banton die Haut. »Der erste Schluck für den Häuptling.« Banton griff nach der prall gefüllten Haut, setzte sie an den weit geöffneten Mund und trank. Der Pulque rann ihm aus den Mundwinkeln. Er verschluckte sich, spuckte einen Mundvoll Pulque auf den Boden und lachte laut.
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Pinky reichte den Pulque herum, und gierige Hände griffen nach der Tierhaut. Er mußte selbst auch trinken — das ließ sich nicht vermeiden. Doch als er die Öffnung des Schlauchs an den Mund setzte, blockierte er sie mit der Zunge, so daß nur sehr wenig von dem Pulque in seinen Schlund rann. Er trug den fast leeren Sack zu Tuco, packte ihn bei den Haaren und riß ihm den Kopf zurück. Dann goß er ihm den Rest des Pulque in den offenen Mund. »Das sollte ihn wieder zu sich bringen«, schrie er. Er lief in die Cantina, um nach einem neuen Fell mit Pulque zu suchen. Der Mann-Ohne-Namen zwang sich dazu, völlig reglos liegenzubleiben, als die gefräßigen Ameisen zu Hunderten über seine Brust und seinen Hals krochen, in seinem Haar verschwanden. Sie bissen jetzt häufiger. Doch er hielt den Mund fest zugepreßt und lag völlig still. Angestrengt lauschte er auf die Geräusche der Indianer, die außerhalb seines Gesichtsfeldes waren. Banton war der erste, der in einen torkelnden Tanz verfiel und kurz darauf schwer zu Boden sackte. Der Kopfgeldjäger hörte einen der Krieger amüsiert schreien: »Seht euch den Häuptling an! Steh auf, Banton! Bist du eine Squaw, daß du nicht mit den Männern trinken kannst?« Aus dem Stöhnen und den Kommentaren konnte der Kopfgeldjäger erraten, was vor sich ging. Sie versuchten, Banton wieder auf die Füße zu stellen. Doch einer nach dem anderen sank bei dieser Anstrengung neben seinem Häuptling zu Boden, und die anderen lachten amüsiert über die Hilflosigkeit ihrer Kameraden. Sie traten zu den am Boden liegenden Männern und flößten ihnen noch mehr Pulque ein. Kurz darauf hörte der Kopfgeldjäger das erste Schnarchen. Er lauschte angestrengt und konnte schließlich sechs verschiedene Schnarchtöne unterscheiden. Ein Schatten fiel auf sein Gesicht. Pinky Roebeck hielt sich vorsichtig außerhalb der Reichweite der Ameisen. Er war stocknüchtern, und seine roten Augen leuchteten triumphierend. »Na, haben die kleinen Tierchen Ihnen Spaß gemacht?« »Danke, es geht. Wie geht's Tuco?«
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»Tuco? Mein bester Freund und Führer? Der schläft tief und fest und sammelt Kräfte für den Ritt, den wir beide vor uns haben. — Soll ich Ihnen die Fesseln durchschneiden?« »Ich kann's aushalten.« »Ist auch besser. — Ich hab' ein bißchen was getrunken, wissen Sie. Vielleicht habe ich keine ruhige Hand mehr. Das Messer könnte ausrutschen und Ih nen eine Hand oder einen Fuß absäbeln. Wäre doch schade, wenn ich Ihre Hand so zurichte, daß sie keinen Revolver mehr halten kann, wie?« Der Kopfgeldjäger riß den Kopf hoch und blickte zum Berghang hinüber. Dies war eine Bedrohung, der er hilflos ausgeliefert war. Selbst wenn de Cabronet sein Signal verstanden haben sollte, konnte er nicht schnell genug hier sein, um den Albino daran zu hindern, ihm die Pulsadern aufzuschneiden. Pinky trat einen Schritt zurück, lachte amüsiert und schlug sich auf die Schenkel. »Das geht Ihnen an die Nerven, was? Nur so 'ne kleine Idee. Vielleicht gar nicht schlecht. Andererseits, ich möchte nicht, daß Sie sich einfach nur zu Tode bluten. Damit wäre der Spaß vorbei. Es ist doch viel schöner, wenn ich unterwegs, auf dem langen Ritt, immer daran denken kann, daß Sie hier liegen und von den Ameisen schön langsam aufgefressen werden. Da haben Sie länger was davon. Vielleicht sogar bis morgen früh. Also, dann viel Spaß, mein Freund. Ich werde Tuco von Ihnen grüßen, wenn wir uns das Gold holen.« Der Albino warf eine Handvoll Sand auf die Brust des Kopfgeldjägers, um die dort herumkrabbelnden Ameisen zu reizen. Dann wandte er sich um und ging fort. Der Kopfgeldjäger blieb reglos liegen und atmete nur flach, um die Ameisen nicht noch mehr zu reizen. Er hörte wie der Albino versuchte, Tuco aus seiner Bewußtlosigkeit zu wecken. Er hörte klatschende Schläge, leises Reden, ein tiefes Grunzen, und dann Stille. Tuco wurde wahrscheinlich auf ein Pferd gebunden. Er hörte das Knarren von Sattelleder. Kurz darauf ritt Pinky in sein Gesichtsfeld. Er saß auf seinem Pferd und zog ein Indianer-Pony hinter sich her, auf dem Tuco, gefesselt und geknebelt, festgebunden war. Hinter 79
ihm waren die anderen Tiere der Indianer festgebunden. Pinky wollte auf jeden Fall verhindern, daß Banton und seine Leute ihrem Blutsbruder und ihrem Gefangenen nachjagten. Der Kopfgeldjäger lag völlig reglos und zählte die Sekunden, bis er ganz sicher sein konnte, daß Pinky weit außer Hörweite war. Erst dann hob er den Kopf und stieß einen kurzen, gellenden Pfiff aus.
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10 Graf de Cabronet hatte angewidert und ungläubig von seinem Versteck aus auf die Plaza hinabgestarrt. Er hatte noch nie Apachen gesehen, wenn man von den zerlumpten, niedergedrückten Gefangenen absieht, die gelegentlich in die Garnisonen gebracht worden waren. Er hatte zwar viel von ihrer Grausamkeit und Verschlagenheit gehört, aber diese Berichte hatten so unglaublich geklungen, daß er sie für maßlose Übertreibungen oder glatte Erfindungen gehalten hatte. Jetzt glaubte er auch den schlimmsten der Berichte. Aber nicht die Indianer waren es, die ihn erregten. Das waren schließlich nur Tiere, die nicht wußten, was sie taten. Bei Pinky Roebeck war es ganz etwas anderes. Er war bis zu einem gewissen Grade zivilisiert. De Cabronet kannte die Grausamkeit des Krieges. Er wußte, daß er jedesmal, wenn er in den Kampf zog, sein Leben riskierte. Doch das war eine Auseinandersetzung, bei der trotz allem gewisse Spielregeln und Fairneß beachtet wurden. Wenn aber ein weißer Mann einen anderen weißen Mann an einen Baumstamm band und mit den Indianern mit eingelegter Lanze auf ihn zuritt, so lag das außerhalb jedes ihm bekannten Codex. Er war zu weit entfernt, um sehen zu können, warum man den Mann-Ohne-Namen auf den Erdboden gefesselt hatte. Er konnte sich nicht vorstellen, wie man einen Menschen auf diese Weise martern konnte. Aufmerksam hatte er auf das verabredete Signal geachtet, hatte zweimal gesehen, daß der Mann-Ohne-Namen den Kopf schüttelte, um ihm zu sagen, daß es noch nicht Zeit sei. Dann hatte er den PJJff gehört, war aufgesprungen und in vollem Galopp den Hang herabgekommen, begierig, dem Albino und seinem Gefangenen sofort nachzusetzen. Den Säbel in der Hand sprengte er auf die Plaza, blickte prüfend zu den schnarchenden Indianern hinab und versicherte sich, daß sie wirklich fest schliefen und nicht nur so
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taten. Er hätte sie mit seinem Säbel durchbohren können. Aber das war nicht seine Art. Erst nachdem er sich davon überzeugt hatte, daß die Indianer fest schliefen, ging er zu dem Mann hinüber, der an dem Boden gefesselt worden war. Der Anblick ließ ihm fast übel werden. »Mein Gott, die fressen Sie ja bei lebendigem Leibe auf!« Der Kopfgeldjäger spuckte eine Ameise aus, die ihm in den Mund kriechen wollte. »Wollen Sie noch lange da herumstehen, oder machen Sie mich endlich los?« Der Säbel blitzte in der Sonne und schlug viermal zu. So schnell, daß der andere nur ein helles Flirren sah. Und dann war er frei. Er rollte zur Seite, sprang auf die Füße und schlug auf die Insekten ein, die zu Tausenden auf seinem Körper saßen. Es war ein sinnloses Unterfangen. Die Ameisen wurden durch seine Schläge nur noch aggressiver und schlugen ihre kräftigen Mandibeln in sein Fleisch. Der Mann-Ohne-Namen stöhnte und rannte zur Quelle. Ohne eine Sekunde zu zögern, ließ er skh in den Brunnenschacht fallen, und das eiskalte Wasser schlug über seinem Kopf zusammen. Er blieb so lange unten, bis er keine Luft mehr hatte. Er fuhr mit den Händen durch sein Haar und kämmte die Insekten heraus. Dann tauchte er wieder auf und wehrte die Ameisen ab, die auf ihn zugeschwommen kamen. »Werfen Sie das Seil herunter!« schrie er, und seine Stimme hallte dumpf herauf. Graf de Cabronet, der voller Entsetzen hinuntergestarrt hatte, warf das Seil in den Schacht und begann, es mit der Winde heraufzuziehen. Der Kopfgeldjäger kam Hand über Hand herauf geklettert, als wenn der Teufel hinter ihm her wäre. Und viele Teufel waren auch hinter ihm her. Hunderte von Ameisen hatten sich an seinem Körper, an seinen Beinen festgekrallt, als er aus dem Wasser gestiegen war. Die Oberfläche des Wassers war dicht mit den wimmelnden Biestern bedeckt. Er kletterte auf den Brunnenrand und streifte die Insekten mit den Händen ab. Dann wandte er de Cabronet den Rücken zu, und der
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Graf schlug die übrigen Bestien tot. Ein paarmal war er nicht schnell genug. Einige Ameisen schlugen ihre Kiefer in die Hand. De Cabronet schrie vor Schreck und Schmerz auf. In einer Hinsicht hatte er recht, wenn er die Indianer als Tiere bezeichnete. Trotzdem sie völlig betrunken waren, riß der Schrei des Grafen sie aus dem Schlaf. Sie taumelten auf die Füße, und ihre geröteten Augen suchten nach der Quelle des Alarmsignals. Sie sahen die beiden Männer auf der Brunnenmauer. Sie sprachen kein Wort. Sie griffen nach ihren Messern und liefen auf die beiden zu. Dabei verteilten sie sich zu einem Halbkreis, um sie von mehreren Seiten gleichzeitig angreifen zu können. Der Kopfgeldjäger sah sie zuerst. Er schrie de Cabronet eine Warnung zu und warf sich, nackt und unbewaffnet, auf den nächsten Indianer. Er umklammerte die Hand, die das Messer hielt, riß sie zu seinem Mund und zerbiß dem Angreifer das Handgelenk bis auf den Knochen. Der Apache ließ das Messer fallen, und sie stürzten zu Boden. Der schweißbedeckte, sehnige Körper des Indianers war schlüpfrig wie ein Aal. Der Mann-Ohne-Namen fühlte, wie seine Kräfte nachließen. Er packte den Indianer bei seinem langen, fettigen Haar und schlug ihm das Gesicht zweimal gegen die Steinmauer des Brunnens. Er hörte das Krachen der brechenden Schädelknochen, und der Indianer fiel tot in den Sand. Der Mann-Ohne-Namen sprang auf und blickte sich rasch um und starrte mit offenem Mund auf de Cabronet. Der Graf war ganz in seinem Element. Die anderen fünf Indianer hatten ihn umzingelt, und er schien zwischen ihnen einen rituellen Tanz zu tanzen. Der linke Arm war elegant nach hinten gebogen, die Finger aneinandergelegt. Die Hand des rechten, ausgestreckten Arms hielt den Säbel und ließ ihn in Stößen und Bogen tanzen, und die Klinge blitzte in der Sonne. Die Knie leicht gebogen, sprang sein Körper wie eine Feder vorwärts und rückwärts. Mann und Säbel schienen eine Einheit zu bilden. Die Messer der Indianer waren plump und kurz. Sie schli-
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chen um ihn herum, sprangen zurück, um der tödlichen Klinge auszuweichen. Einer der Apachen besaß die Geistesgegenwart, das Messer zu werfen. De Cabronet sah die Bewegung und bog seinen Körper zur Seite. Das Messer schwirrte vorbei. Der Kopfgeldjäger blickte in sein Gesicht und sah, daß er den Kampf aus vollem Herzen genoß. In der nächsten Sekunde schnellte der schlanke Körper vorwärts, wie ein Pfeil von der Sehne. Er schien zu fliegen, und die Spitze der Klinge trat dem Indianer, der das Messer geworfen hatte, aus dem Rücken. Mit einer kurzen, geschmeidigen Drehung des Handgelenks riß de Cabronet die Wunde weiter auf und zog die Klinge aus dem Körper des Apachen. Der Stahl war kaum blutig. Es war alles viel zu schnell gegangen. Der Kopfgeldjäger wollte einen Warnschrei ausstoßen, als die vier überlebenden Indianer auf de Cabronet eindrangen. Aber er unterdrückte den Schrei. Der Franzose wurde mit den Apachen sehr gut allein fertig. Ein Schrei könnte ihn nur verwirren. De Cabronet drehte sich in einer eleganten Pirouette, wie ein Ballettänzer, und in der Drehbewegung trennte der Säbel einen Kopf vom Rumpf. Banton war über die Plaza gelaufen und hatte eine der Lanzen ergriffen. Jetzt kam er auf de Cabronet zu, die Waffe hoch über dem Kopf geschwungen. Dann stieß er zu und legte sein ganzes Körpergewicht in den Stoß. Aber sein Gegner war nicht mehr dort. Sie fuhr durch die Luft, und das Momentum warf den Apachenhäuptling aus dem Gleichgewicht. Und als er vorwärtstaumelte, um es wiederzufinden, war plötzlich die Klinge des Franzosen in seinem Weg. Der Apache fiel in sie hinein, bis das Heft gegen sein Brustbein stieß. De Cabronet riß die Klinge heraus. Banton warf sich herum und wollte fliehen. Doch der Franzose war mit ein paar Sätzen hinter ihm und sprang ihm auf den Rücken. Der Indianer drehte sich im Fallen und versuchte, wieder auf die Beine zu kommen. Der Graf stand über ihm und stieß ihm langsam die Säbelklinge ins Herz. Der Kopfgeldjäger stand immer noch reglos, zu verblüfft,
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um irgend etwas tun zu können. Erst als de Cabronet die Klinge aus der Brust des toten Häuptlings zog und sie an dessen Lendentuch sauberwischte., trat er auf ihn zu. »Das war ein bißchen unfair. Er war doch nach dem ersten Stich schon so gut wie tot«, sagte er ironisch. De Cabronet blickte ihn einen Augenblick lang verwirrt an. Dann grinste er breit. »Manchmal sind die Regeln des Krieges stärker als die der Fairneß«, sagte er. »Und im Krieg muß man töten. Oder sind Sie anderer Ansicht?« »Ganz und gar nicht. Vor allem freut es mich, daß Sie Ihren Bratspieß auch noch zu was anderem gebrauchen können als für Paraden.« Er deutete mit dem Finger. »Wie sind Sie zu dem Kratzer gekommen?« Der Graf blickte überrascht auf seinen rechten Unterarm. Rotes Blut sickerte über den weißen Stoff des Hemdes. »Das ist mir lange nicht mehr passiert«, murmelte er. »Wahrscheinlich bin ich unvorsichtig gewesen. Ich muß wieder mehr üben.« Er schob den Ärmel hoch. Eine klaffende Wunde hatte den Muskel bloßgelegt. »Nur ein Kratzer«, sagte der Kopfgeldjäger. Er zog einen Eimer Wasser aus dem Brunnen, wischte die ertrunkenen Ameisen von der Oberfläche und wusch die Wunde aus. Dann riß er einen Stoffetzen vom Ärmel und verband sie damit. »Ich muß mich wieder bei Ihnen bedanken«, sagte de Cabronet. »Während Sie sich anziehen, werde ich die Pferde holen und satteln, und dann werden wir hinter den beiden Banditen herreiten.« »Lassen Sie die Pferde, wo sie sind«, sagte der Kopfgeldjäger. »Es wird bald dunkel sein, da hat es kaum noch Sinn, aufzubrechen. Außerdem« — er fuhr mit beiden Händen über seinen Hintern und verzog schmerzhaft das Gesicht — »diese verdammten Ameisen haben mir fast das Fell abgezogen. Vor übermorgen werde ich wohl kaum im Sattel sitzen können.« De Cabronet fluchte. »Dann muß ich Sie hier zurücklassen und allein losreiten.
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Bis Sie wieder reiten können, sind die beiden mit dem Gold über alle Berge.« Der Kopfgeldjäger blickte den Franzosen prüfend an. Dann zuckte er die Achseln. »Das bezweifle ich. Sie haben mir im Canyon gesagt, daß die ganze mexikanische Armee des Bezirks Chihuahua nach Ihnen und dem Lösegeld sucht. Tuco weiß das ebenfalls, und außerdem will er seinen Hals retten. Wie ich ihn kenne, wird er Pinky davon zu überzeugen versuchen, daß sie sich erst für eine Weile irgendwo verkriechen und abwarten sollten, bis das Militär die Suche aufgegeben hat. Ich glaube, wir haben 'ne Menge Zeit.« Er stand auf. »Und für den Fall, daß Sie wirklich die Absicht haben sollten, sich den Albino allein vorzunehmen, so möchte ich Ihnen sagen, daß der beste Säbel nicht gegen zwei Revolver ankommt.« Der Franzose biß sich auf die Unterlippe und überlegte. Der Kopfgeldjäger stieg den Hang hinauf und holte sein Ge wehr und sein Messer aus dem Versteck. De Cabronet brachte die Pferde auf die Plaza. Sie machten ein Feuer und brachten Wasser zum Kochen. Der Kopfgeldjäger warf etwas Chickory hinein, das er in einer der Hütten fand. Es war das einzige, was die Indianer übriggelassen hatten. Wie ein Schwärm Heuschrecken waren sie über das Dorf hergefallen und hatten alles Eßbare mitgesdrleppt. »Wenn Sie was zu essen wollen, müssen Sie schon eine Klapperschlange oder eine Iguanaechse fangen«, sagte der Kopfgeldjäger. »Um diese Jahreszeit werden Sie hier kein Wild in dieser Gegend finden.« Er selbst war zu müde, um Hunger zu spüren. Doch die Ameisenbisse brannten immer noch so stark, daß er kaum Schlaf finden würde. Doch er brauchte den Schlaf, um neue Kräfte zu sammeln für den Ritt nach Tuco und Roebeck. Trotzdem fiel er Stunden später in einen unruhigen Schlaf. Er erwachte, als das grelle Licht der Sonne in sein Gesicht fiel. Sein Körper schmerzte und war glühend heiß vor Fieber. Er wußte nicht, wieviel Gift die Ameisen ihm mit jedem Biß in die Blutbahn gejagt hatten, aber es war genug. Er starrte in den wolkenlosen Himmel und wehrte sich gegen das langsa-
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me Erwachen. Endlich wandte er den Kopf und blickte über das erloschene Feuer hinweg zu dem Franzosen hinüber. De Cabronet war nicht da. Der Mann-Ohne-Namen richtete sich auf und blickte sich um. »He, Franzmann! Wo steckst du?« Das Echo seiner Worte kam von den Hängen zurück. Sonst rührte sich nichts. Außer den Geiern, die sich schon über die Leichen der sechs Indianer hergemacht hatten. Er stand auf und ging breitbeinig, mit steifen, mühsamen Schritten über die Plaza und verfluchte die großen, schwerfälligen Vögel, die bei seiner Annäherung ärgerlich kreischend zur Seite hopsten. Er fand sein Pferd dort, wo er es angebunden hatte, hinter einer der halbzerfallenen Hütten. Aber das Pferd des Franzosen war fort.
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11 Tuco war schwerer mitgenommen, als Pinky angenommen hatte. Den Albino kümmerte es nicht, ob der Bandit am Leben bleiben würde oder nicht. Aber er mußte wenigstens solange durchhalten, bis er ihm das Goldversteck verraten hatte. Tucos Bauch, der hervorstechendste Teil seines massigen Körpers, war so abgemagert, daß die Uniform des Franzosen jetzt in Falten um seinen Körper hing. Er war verdreckt und hohläugig, seine ehemals runden Wangen fahl und eingesunken. Zusammengesunken saß er auf dem nackten Rücken des Indianerponys, die Füße unter dem Bauch des Tieres zusammengebunden. Roebeck hatte diese Fessel als Vorsichtsmaßnahme gegen einen Fluchtversuch angelegt; aber sie sorgte in erster Linie dafür, daß Tuco nicht vom Pferd fiel. Pinky ritt voran, das Pferd Tucos am langen Seil an sein Sattelhorn gebunden. Dahinter kamen, Kopf an Schwanz, die Pferde der sechs Indianer. Bis zum Hellwerden legten sie auf diese Weise fast zwanzig Meilen zurück. Als die Sonne über die schroffen Berggipfel stieg, hielt Pinky Roebeck in einem kleinen Canyon, am Ufer eines Bergbaches. Pinky stieg ab und trank. Dann füllte er seine Wasserflasche und führte die Pferde zum Saufen. Zuletzt band er Tucos Fußfessel los und half ihm vom Pferd. Tuco konnte sich nicht allein aufrecht halten und klammerte sich an der Mähne des Pferdes fest. Roebeck packte ihn am Kragen, schleppte ihn zum Bachufer und ließ ihn dort fallen. Während Tuco sein Gesicht in das kühle Wasser steckte und sich volltrank, schnitt der Albino die Indianerpferde los und trieb sie mit Steinwürfen tief in den Canyon hinein. Falls Banton ihm folgen sollte, durfte er die Pferde nicht sofort finden. Als er zurückkam, sah er Tuco zusammengesunken am Bachufer sitzen, die Füße im Wasser, den Kopf auf den verschränkten Armen.
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»Bist ziemlich fertig, was? — Wir machen 'ne kleine Pause, dann geht's schon wieder.« Tuco hob den Kopf und blickte ihn aus eingefallenen Augen an. »Ich werde sterben . . .« Roebeck setzte sich neben ihn und grinste. »Das könnte dir so passen.« »Lassen Sie mich doch hier, damit ich in Frieden sterben kann.« »Kommt ja gar nicht in Frage, mein Freund. Jedenfalls noch nicht gleich. Erst mußt du mir zeigen, wo das Gold ist. Das war der Preis dafür, daß ich dich von Banton befreit habe, stimmt's? Wenn das erledigt ist, kannst du machen, was du willst.« Trotzdem sah er den Mexikaner zum erstenmal genauer an. Er war wirklich am Ende seiner Kräfte. In seinem jetzigen Zustand würde er vielleicht nicht so lange leben, bis sie das Versteck erreicht hatten. Er durfte ihn jetzt nicht zu sehr treiben. Er klopfte Tuco freundschaftlich auf die Schulter und stand auf. Lautlos schlich er das Bachufer entlang, auf der Suche nach Bergrebhühnern. Diese großen, hirnlosen Vögel waren zu dumm, um wirklich Angst zu haben. Sie liefen nur ein paar Schritte zur Seite und versuchten, sich in dem vertrockneten Gras zu verkriechen. Er schoß sechs von ihnen mit dem Revolver. Dann ging er zurück, machte ein Feuer, wickelte die Vögel in Lehmklumpen und warf diese in die glühenden Holzkohlen. Er streckte sich aus und träumte von dem Reichtum, der ihm bald gehören würde. Eine Stunde später holte er mit einem Stock einen der Lehmklumpen aus dem Feuer und schlug ihn auf. Der köstliche Duft, der herausquoll, erinnerte ihn daran, wie hungrig er war. Er nahm den Vogel aus dem Lehmklumpen heraus und biß in das heiße, saftige Fleisch. Tuco lag reglos auf dem Bauch, das Gesicht ins Gras gedrückt. Roebeck dachte, er schliefe. Doch als Tuco der Duft des gebratenen Fleisches in die Nase drang, hob er den Kopf. Eine Weile starrte er schweigend zu dem Albino hinüber, der
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ein Rebhuhnbein abriß und das Fleisch vom Knochen nagte. Tuco schwieg so lange, wie er es ertragen konnte. Dann fuhr er mit der Zunge über seine aufgesprungenen Lippen und krächzte: »Und ich?« »Du?« Pinky tat überaus erstaunt. »Sieh mal an. Wenn du Hunger hast, dann hast du dich anscheinend doch dazu entschlossen, weiterzuleben. Es wäre auch unverantwortlich, ein so gutes Essen an einen Mann zu verschwenden, der ohnehin sterben will.« Tuco stöhnte. Vorhin war er so müde und zerschlagen gewesen, daß er seinen Hunger überhaupt nicht gespürt hatte. Jetzt aber merkte er, wie ausgehungert er war. Er fuhr mit der Zunge über die Lippen, Speichel troff aus den Mundwinkeln in seinen Bart. »Bitte. Nur ein einziges Rebhuhn.« Pinky stocherte mit dem Stock im Feuer herum und zählte die restlichen Lehmkugeln. »Ich weiß nicht. — Es ist kaum genug für einen hungrigen Mann. — Aber ich habe eine Idee, die dir eine Menge Mühe und Anstrengung erspart: Du sagst mir, wo du das Gold versteckt hast, und ich reite sofort los und hole es mir. Du kannst dich dann mit all diesen knusperigen Vögeln vollstopfen und dich so lange ausruhen, bis du wieder bei Kräften bist.« »Ha«, knurrte Tuco matt. »Dann könnte ich genausogut vor Hunger sterben. Sobald ich Ihnen das Versteck verraten habe, werden Sie mich töten.« Roebeck schüttelte tadelnd den Kopf. »Wie kommst du nur darauf! — Aber vielleicht war meine Idee wirklich nicht sehr gut. Du könntest mich anlügen, und ich muß zurückkommen und die Wahrheit aus dir herausprügeln. Und vielleicht bist du bis dahin schon tot. Vielleicht solltest du doch etwas essen, damit wir dann zusammen weiterreiten können.« Mit dem Stock schob er Tuco einen rauchenden Lehmklumpen zu. Tuco griff danach, zerschlug die Lehmhülle auf einem Stein und stürzte sich auf das Fleisch des Vogels. Pinky war bereits bei dem zweiten. Tuco hatte das Rebhuhn innerhalb
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von Minuten verschlungen und sah den Albino bittend an. Der nickte schweigend, und Tuco holte sich eine zweite Lehmkugel aus dem Feuer und schlug sie auf. Tuco fühlte sich wie neugeboren, nachdem er drei Rebhühner gegessen und ein paar Liter kaltes Wasser aus dem Bach getrunken hatte. Auch sein Verstand begann mit zunehmendem Wohlgefühl wieder zu arbeiten. Er war gerettet. Er fing an, sich zu überlegen, wie er Pinky Roebeck loswerden konnte, bevor er ihm die Goldverstecke zeigte. Roebeck war jetzt das einzige Hindernis. Zweifellos war der Mann-Ohne-Namen inzwischen längst tot. Seine Knochen lagen jetzt sauber abgenagt auf einem Ameisenhügel. Tuco empfand kein Mitleid für den Kopfgeldjäger, aber der Gedanke an die riesigen, aggressiven Ameisen jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Es mußte ein entsetzlicher Tod sein. Auch seine drei ehemaligen Partner waren erledigt, und der Franzose, dessen Uniform er immer noch trug, konnte auch niemandem mehr erzählen, daß das Gold jemals in dieser Gegend gewesen war. Der einzige Mensch, der jetzt noch zwischen ihm und dem Reichtum stand, war dieser rotäugige Teufel. Aber er würde bestimmt einen Weg finden, den Albino aufs Kreuz zu legen. Er grinste bei dem Gedanken. Bald würde Tuco der Schreckliche der reichste Bandit in ganz Mexiko sein. Weit im Süden ritt Capitan Alvarez mit zwanzig Männern auf den Grünen Canyon zu. Er war noch nie dort gewesen, er kannte die Berge überhaupt nicht. Er stammte aus Mexico City und besaß die Überlegenheit des Stadtmenschen, der glaubt, mit jeder sich bietenden Situation fertig werden zu können. Er würde auch mit der Sierra Madre fertig werden. Und wenn er mit dem Lösegeld des Kaisers zurückkam, würde er ein Held der Revolution sein. Rico Estaban, der ehemalige Pferdehalter, ritt an der Spitze der kleinen Kolonne. Ihm war gar nicht wohl dabei. Er hatte das Massaker im Canyon miterlebt und besaß eine abergläubische Furcht vor unbeerdigten Leichen. Doch noch größer war seine Angst vor Alvarez, und man würde ihn sicher be-
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lohnen, wenn sie den vier Raubmördern das Gold abjagen konnten. Das waren seine widerstrebenden Gefühle, als er den Rand des Canyons erreichte und den Capitan zu sich winkte. Zusammen blickten sie in die Tiefe. Die abgenagten Knochen waren von den Tieren verschleppt worden und im tiefen Gras verborgen. Rico sah die Szene noch so, wie er sie von früher in Erinnerung hatte. Capitan Alvarez aber bekam plötzlich Zweifel, daß hier überhaupt ein Kampf stattgefunden hatte. Und damit war auch alles andere, was Estaban berichtet hatte, möglicherweise gelogen. Aber da er nun einmal hier war, mußte er auch in den Canyon steigen und sich davon überzeugen. Die Männer flüsterten unruhig miteinander. Sie hatten Estabans haarsträubenden Bericht gehört und verspürten nicht die geringste Lust, in die Schlucht hinabzusteigen. Sie hatten seit Monaten keine Löhnung mehr bekommen und bezweifelten, ob sie jemals wieder Geld sehen würden. Bevor sie den Abstieg begannen, warnte Alvarez seine Leute, überaus vorsichtig zu sein. Alvarez ritt als letzter. Er wollte aufpassen, daß keiner der Leute aus Feigheit zurückblieb. Es war schon stockdunkel, als sie den Boden des Canyons erreichten und neben der zerfallenen Haciendamauer Camp machten. Die tanzenden Flammen des Feuers erhellten die ersten Bäume des Obstgartens, und ein paar Männer liefen darauf zu. Plötzlich ein gellender Schrei. Einer der Männer war über die Mauer gesprungen, um dort auszutreten. Er war knietief in einem Knochenhaufen gelandet. Die Entdeckung dieser Überreste ihrer früheren Kameraden erschütterte die Leute. Sie drängten sich ängstlich um das Feuer. Einer von ihnen, der in den Bergen aufgewachsen war, erinnerte sich an eine Legende über ein ähnliches Massaker, das auch in einem Canyon stattgefunden hatte, der seit jenem Tag, wie man behauptete, von den Geistern der Toten bewohnt würde. Auch Alvarez war tief erschüttert. Aber er mußte jetzt so-
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fort handeln, sonst würden die erschreckten Männer durchgehen. Er riß seinen Säbel heraus, schlug mit der flachen Klinge auf sie ein und verfluchte ihre Feigheit. Sie ergaben sich in ihr Schicksal, blieben aber unruhig und furchtsam. Die Wachen schürten die Feuer, bis die Flammen das ganze Gebiet erhellten und versuchten, die Geister der Toten zu vertreiben, die im Dunkeln lauerten.
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12 Pinky Roebeck hatte keine Eile. Er hatte sich einmal der Ge fahr ausgesetzt gesehen, daß Tuco sterben konnte, bevor er ihm das Goldversteck verraten hatte. Er machte ein reichliches Frühstück aus in Lehm gebackenen Rebhühnern und fütterte den Banditen so lange damit, bis der nicht mehr konnte. Und auch der Ritt war ganz nach Tucos Wohlbefinden ausgerichtet. Seine Füße waren zwar immer noch unter dem Bauch des Pferdes zusammengebunden, aber Pinky ließ seine Arme ungefesselt. Tuco war wieder völlig bei Kräften und beschäftigte sich mit Plänen, den Albino loszuwerden. Pinky Roebeck war sich dieser Gefahr sehr wohl bewußt. Gegen Mittag, als sie neben dem Kaffeefeuer Rast machten, sagte er: »Du siehst wieder sehr gesund aus, Tuco. Ich fürchte, du bist wieder soweit, daß du auf dumme Gedanken kommen könntest. Bevor du irgend etwas unternimmst, solltest du aber daran denken, daß ich zwei Revolver und ein Gewehr habe. Und was hast du?« Tuco antwortete mit einem freundlichen Lächeln, einem Achselzucken und einem Heben seiner leeren Hände. Roebeck nickte. »Vergiß das nicht. So, und jetzt wollen wir von der Sache reden, die uns beide interessiert. Wie weit ist es noch bis zu deinem Versteck?« Tuco kannte die Entfernung zu seinem letzten Goldversteck fast auf den Meter genau. Er gratulierte sich dazu, daß er niemals ein Wort davon verloren hatte, daß das Gold nicht alles in einem einzigen Versteck lag. Wenn er Pinky davon überzeugen konnte, daß die Summe von einer Viertelmillion eine starke Übertreibung war, konnte er ihn vielleicht dazu bringen, sich mit einem Teil zufriedenzugeben und fortzureiten. Das wäre gar nicht mal so schlecht: ein Viertel für den Albino, und drei Viertel für ihn. Aber er mußte seine Karten richtig spielen.
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Wieder hob er in hilfloser Geste beide Arme. »Ich weiß auch nicht recht . . . diese verdammten Berge sehen alle gleich aus. Vielleicht kann ich das Gold überhaupt nicht wiederfinden . ..« »Das wäre sehr dumm — für dich.« Pinky blickte ihn aus zusammengekniffenen Lidern an. »Du mußt die Sache mal so sehen: Das Gold ist nicht nur das Lösegeld für den Kaiser, sondern auch für dich. Wenn du es innerhalb der nächsten zwei Tage nicht finden solltest, wirst du den dritten Tag nicht mehr erleben. Und diese Art von Versprechen halte ich immer.« Di-eses kurze Limit erforderte eine sofortige Änderung der Pläne. Tuco hatte die Absicht gehabt, an drei Verstecken vorbeizureiten und Pinky erst das vierte zu zeigen, das dem Grünen Canyon am nächsten lag. Je näher er Pinky an Chihuahua heranlocken konnte, desto größer würde für ihn die Versuchung sein, so rasch wie möglich in die Stadt zu kommen, wo er Gelegenheit fand, die glänzenden Goldmünzen auszugeben. Nun aber mußte er ihn zu dem ersten Versteck führen. Es war Zeit, ein Abkommen zu treffen. Er machte ein niedergeschlagenes, trauriges Gesicht. »Und wer gibt mir die Garantie, daß ich den dritten Tag erlebe, wenn ich Ihnen das Goldversteck zeige?« »Niemand.« »Hurensohn!« schrie Tuco mit gespielter Wut. »Sie trauen mir keine zwei Schritte, aber ich soll Ihr Wort für bare Münze nehmen. Warum eigentlich?« »Weil ich zwei Revolver habe.« »Und ich habe ein Geheimnis. Sie können von mir aus in der Hölle schmoren. Sie können mich von mir aus lebendig skalpieren; ich werde nicht den Mund aufmachen!« »Du bist Schon wieder recht tapfer, wie? Dann wollen wir mal sehen, wie tapfer du wirklich bist.« Mit der Schnelligkeit einer Schlange warf er sich auf den Banditen und fesselte ihm die Arme auf den Rücken. Dann knotete er ein Ende seines Lassos daran fest und band das andere an das Sattelhorn. Nachdem er auch den Zügel von Tucos Pferd daran befestigt hatte, ritt er auf den Pfad. Tuco heulte: »Du Hund! — Was hast du vor?«
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Roebeck grinste ihn an. »Wir müssen deine Erinnerung ein wenig auffrischen. Laufen soll eines der besten Mittel dazu sein. Sowie du wieder weißt, wo das Goldversteck ist, darfst du wieder reiten.« Der Pfad war hier ziemlich eben. Pinky Roebeck spornte sein Pferd in einen leichten Galopp. Die Hufe warfen Tuco Sand und Kiesel ins Gesicht. Er stolperte über scharfe Steine, keuchte und stöhnte. Seine Lungen schmerzten, daß er fürchtete, sie würden platzen. Schließlich schrie er: »Okay, okay! Ich kann's finden. Hören Sie auf! Sie können alles haben. Ich will keinen roten Centavo davon! Nehmen Sie's und lassen Sie mich in Ruhe!« Pinky Roebeck zügelte sein Pferd und stieg ab. »Ich wußte ja, daß so ein kleiner Spaziergang sehr gedächtnisfördernd ist.« Er schnitt die Fesseln durch. Tuco fiel kraftlos in den Staub. »Weißt du, Freund«, sagte Pinky kopfschüttelnd, »du bist wohl schon ein bißchen zu alt für so was. Du solltest dich aus dem Geschäft zurückziehen und dir ein Indianermädchen nehmen, das dich pflegt.« Tuco fehlte die Luft, um antworten zu können. Er lag keuchend auf dem Boden, das verdreckte, lehmfarbene Ge sicht in den Sand gepreßt. Er rührte sich nicht einmal, als Pinky ihm den Kopf hochriß und ihm lauwarmes Wasser aus der Wasserflasche zwischen die Lippen goß. »Na komm schon, General. Wir müssen weiter. Es muß dir doch auch Freude machen, all das schöne, glitzernde Gold wiederzusehen.« Tuco stöhnte nur. Erst eine Stunde später konnte Pinky Roebeck ihn in den Sattel heben und den Ritt fortsetzen. Das erste Versteck befand skh unter einem riesigen, überhängenden Felsen. Regenwasser hatte eine Höhlung in den Boden gewaschen. Tuco ließ sich auf die Knie fallen und kratzte den Sand wie ein Hund hinter sich. Er grunzte befriedigt, als die ersten Goldmünzen im Licht der untergehenden Sonne glitzerten. Roebeck war auf seinem Pferd geblieben, weil er den Verdacht hatte, Tuco würde wieder versuchen, ihn hinter's Licht zu führen. Als Tuco aber die erste Handvoll Goldmünzen aus 96
dem Sand holte, sprang er vom Pferd und hockte sich neben ihn. Seine Augen glänzten, und sein Atem keuchte. Er hatte fast nicht mehr daran geglaubt, den Schatz jemals zu Gesicht zu kriegen. Und jetzt, wo er ihn vor sich sah, beging er einen schweren Fehler. Tuco ließ die Handvoll Goldmünzen in Pinkys ausgestreckten Hände rieseln, und Roebeck starrte grinsend auf den Reichtum, den er in seinen Fingern hielt. Tuco wandte sich um, als ob er eine zweite Handvoll aus dem Sand graben wollte. Aber in der Bewegung stieß seine Hand vor, riß einen von Pinkys schweren Revolvern aus dem Halfter und rammte ihn dem Albino in die Rippen. Überrascht öffnete Pinky die Hände. Die Goldmünzen rieselten in den Sand. Tuco lachte schallend. Das Gefühl der Waffe in seiner Hand verlieh ihm neue Kraft. Er rutschte auf den Knien ein paar Schritte zurück. »Legen Sie sich hin!« befahl er. »Die Hände über den Kopf.« Roebeck starrte ihn aus seinen roten Augen haßerfüllt an. Tuco zog mit dem Daumen den Hahn zurück und begann, den Abzug langsam durchzuziehen. Roebeck ließ sich hastig vornüberfallen und streckte die Hände über den Kopf. Tuco beugte sich vorsichtig über ihn und zog den zweiten Revolver aus dem Halfter. »Das ist dein Todesurteil«, sagte Roebeck wütend. »Wenn ich wieder frei bin, reiße ich dir die Leber bei lebendigem Leibe heraus.« »Sie werden aber nicht wieder freikommen, mein Freund.« Tuco lachte amüsiert. »Dazu brauchen Sie Hilfe, und hier kommt niemals jemand her.« Der Albino dachte an die Apachen. »Da wäre ich an deiner Stelle nicht so sicher.« Tuco kicherte. »Sie meinen die Indianer? Die werden keinen Finger für Sie rühren. Ich kenne die Apachen. Das einzige, was sie noch mehr hassen als die Weißen, ist ein Verräter. Sie haben Banton betrunken gemacht und sind mit seinem
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Gefangenen und seinen Pferden durchgegangen. Ich hoffe wirklich, daß er hier aufkreuzt.« Pinky Roebeck wußte, daß Tuco recht hatte. Er war ein Narr gewesen und hatte sich von dem Gedanken an das Gold verblenden lassen. Er hätte vor allem niemals die Pferde der Apachen mitnehmen dürfen. Das war etwas, das sie niemals vergeben würden. Tuco band Pinky an einen Baum. Ein Ameisenhaufen wäre ihm lieber gewesen, aber er hatte nicht die Zeit, nach einem zu suchen. Außerdem würde es länger dauern, wenn er vor Durst krepierte. Und Tuco wollte, daß er für alle Leiden bezahlen sollte, die er ihm in den vergangenen Tagen zugefügt hatte. Er prüfte die Fesseln und versicherte sich, daß Pinky sich nicht befreien konnte. Dann machte er ein Feuer und bereitete sich aus den mageren Vorräten, die er in den Satteltaschen Pinkys fand, ein Abendessen. Dem Albino gab er nichts. Es wäre glatte Verschwendung, einen Mann zu füttern, der ohnehin bald sterben würde. Nach dem Essen rollte er sich in eine Decke und schlief. Das Leben war wieder sehr schön, fand er. Am Morgen grub er alle Goldmünzen aus dem Versteck und lud sie in die Satteltaschen. Er bot Roebeck kein Wasser an, und Roebeck bat ihn auch nicht darum. Tuco winkte ihm zum Abschied fröhlich zu und nahm beide Pferde mit, als er davonritt, um auch die anderen Goldverstecke zu überprüfen. Die Sonne stieg höher, und es wurde glühend heiß. Die Fesseln schnitten tief in Pinkys Haut, als er immer wieder versuchte, sich zu befreien. Er fühlte, wie sein Körper von der Hitze ausgedörrt wurde. Sein Verstand, der bis jetzt scharf und klar vor Haß gewesen war, wurde trübe und verschwommen. Ein starkes Schwindelgefühl packte ihn, und sein Kopf sank auf die Brust. Und in ihm wuchs die Angst, daß Banton, der Apache, jeden Augenblick den Pfad herunterkommen konnte, das Messer und die Lanze in den Händen, voller Wut auf den Blutsbruder, der ihn verraten hatte. Er verlor das Bewußtsein und jedes Gefühl für die Zeit.
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Die Sonne überschritt den Zenith und senkte sich dem westlichen Horizont zu. Plötzlich drang ein Geräusch in Pinkys dämmerndes Bewußtsein. Das Klappern von Stahl auf Stein. Das Geräusch von Pferdehufen, die näher kamen. Ob Tuco zurückgekommen war? Wollte er ihn leiden sehen und sich daran freuen? Die Hufschläge kamen näher, aber nicht aus der Richtung, in die Tuco fortgeritten war. Also Banton. Banton hatte sich auf seine Spur gesetzt und wollte sich an ihm rächen. Pinky hob mühsam den Kopf. Ein Reiter kam gerade um die letzte Biegung des Pfades. Ein weißer Mann in einem mexikanischen Bauernhemd. Ein langer Säbel hing an seiner Seite. Diesen Säbel hatte Pinky zum letztenmal auf der staubigen Plaza von Tyopa gesehen. Und in Tyopa war außer ihm nur noch ein einziger weißer Mann gewesen: der Kopfgeldjäger, den die Apachen auf den Ameisenhügel gebunden hatten. Dies war nicht der Kopfgeldjäger; aber Pinky hatte ihn schon einmal irgendwo gesehen. Er versuchte, sich zu erinnern. Und dann wußte er es. Der Franzose mit der durchgeschnittenen Kehle, den sie sterbend im Canyon zurückgelassen hatten. Er begann zu lachen. Es klang irr. Er war nahe daran, den Verstand zu verlieren. Er hatte jede Hoffnung auf Hilfe aufgegeben. Hatte er schon Halluzinationen? Wo kam der Franzose her? Er öffnete den Mund und wollte schreien, aber nur ein sinnloses Gestammel kam aus seiner ausgetrockneten Kehle. Aber es reichte, um die Aufmerksamkeit de Cabronets zu erregen. Er zügelte sein Pferd neben der zusammengesunkenen Gestalt. Dann zog er seinen Säbel, nahm einen Revolver in die linke Hand, sprang vom Pferd und blickte sich mißtrauisch und gründlich um. Er rechnete damit, daß man ihn in einen Hinterhalt locken wollte. Dann wandte er sich Pinky zu und blickte ihn mit ausdruckslosen Augen an. »Monsieur Roebeck, wenn ich nicht irre. Wer hat Sie hier angebunden?«
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»Dieser verdammte Bandit, der sich Tuco nennt, dieser hinterhältige Betrüger. Schneiden Sie mir die Fesseln durch.« De Cabronet blickte ihn nur an. »Und warum sollte ich?« »Weil Sie es mir schuldig sind. Ich habe Ihnen damals im Canyon das Leben gerettet.« »Das war ein anderer Mann. Sie haben ihn noch dafür ausgelacht.« »Man wird doch mal 'nen Spaß machen dürfen. Das ist hier draußen so unsere Art — unter Freunden.« Er grinste einschmeichelnd. »Hören Sie, Franzmann, wir drei hatten doch ein Abkommen, nicht wahr? Wir wollten uns das Gold holen und zu dritt teilen. Ich weiß jetzt, wo es ist. Schneiden Sie mich los, und wir holen es uns.« »Sie haben eine eigenartige Methode, Ihre Versprechen zu halten.« Roebeck zwinkerte erstaunt. »Was soll das heißen?« »Ich war am Berghang oberhalb von Tyopa, als Sie Tuco zu dem Kopfgeldjäger brachten. Ich habe Sie und die Apachen genau beobachtet. Sie haben den Mann den Indianern ausgeliefert und sogar noch geholfen, ihn zu quälen. Wer Sie als Partner hat, braucht keine Feinde mehr. Er wäre beinahe gestorben.« Wieder zwinkerte Pinky. »Er lebt noch? Die Ameisen haben den Hund nicht aufgefressen?« »Ich kam gerade noch rechtzeitig. Die Bisse sind sehr schmerzhaft, aber sie werden heilen.« »Wie haben Sie ihn aus den Händen der Apachen befreien können?« De Cabronet hob den Säbel und stieß mit der Spitze leicht gegen Pinkys Bauch. »Damit. Ich habe sie getötet. Und Sie sollte ich jetzt ebenfalls töten. Oder etwa nicht?« Pinkys Welt brach in sich zusammen. Er war sträflich leichtsinnig gewesen: Es war Leichtsinn gewesen, die Indianer nur betrunken zu machen und sie am Leben zu lassen; es war Leichtsinn gewesen, den Kopfgeldjäger am Leben zu las-
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sen. Er hätte mißtrauisch werden müssen, als der Mann sich nicht wehrte, nicht einmal um Gnade flehte. Seine Ruhe hätte ihn warnen sollen, daß er noch irgendeine Trumpfkarte im Ärmel hatte. Aber noch war er nicht tot. Und vor ihm saß der Mann, der sich als rechtmäßiger Eigentümer des Goldschatzes fühlte. »Hören Sie«, sagte er. »Sie brauchen meine Hilfe. Wenn Sie mich losmachen, überlasse ich Ihnen meinen Anteil an dem Gold. Sie können alles haben. Ich werde Tuco nachjagen und dafür sorgen, daß Sie mit dem Gold heil in die Staaten kommen.« De Cabronets Augen glänzten. »Tuco hat das Gold jetzt? Vielen Dank für die Information, und good bye.« Der Graf wandte sich ab. Pinky schrie: »Wo ist der Kopfgeld Jäger? Wie sind Sie ihn losgeworden?« De Cabronet lächelte breit. »Ich habe genau dasselbe getan, was Sie mit den Apachen gemacht haben. Ich habe ihn verlassen, als er schlief. Er wird schon nachkommen, sobald er wieder reiten kann.« »Sie wissen doch, was er mit mir tun wird, wenn er mich hier findet?« Der Franzose nickte. »Ich weiß, was ich mit Ihnen tun würde, wenn Sie mich bei lebendigem Leib von den Ameisen hätten fressen lassen.« »Er wird noch Schlimmeres tun. Er ist ein Teufel in Menschengestalt. Ich mußte an ihm ein Exempel statuieren. Für alle anderen, die vielleicht auf den Gedanken kommen sollten, mich zu fangen, damit man mich drüben aufhängt.« »Was Sie sicher reichlich verdient haben. Wie lange werden Sie hier noch am Leben bleiben?« Roebeck stieß einen hoffnungslosen Seufzer aus. »Nicht mal bis zur Nacht.« De Cabronet blickte ihn lange prüfend an, den Kopf ein wenig zur Seite geneigt. Dann ging er zu seinem Pferd und schnallte die Wasserflasche ab. Er öffnete sie und hielt sie an Roebecks brennende Lippen. »Hier. Trinken Sie, soviel Sie können.« Und als Pinky Roebeck so viel Wasser geschluckt hatte, wie 101
in seinem Magen Platz hatte, setzte er hinzu: »Das sollte eine Zeitlang reichen. Ich denke, der Kopfgeldjäger möchte Sie gern noch lebend antreffen.« Er schraubte die Wasserflasche zu, schwang sich in den Sattel und ritt fort, ohne sich noch einmal umzusehen.
Der Mann-Ohne-Namen war allein in Tyopa. Er wollte hier bleiben, sich ausruhen und erholen. Er wußte, daß es eine Woche dauern würde, bevor er einen längeren Ritt durchhalten konnte. Aber er konnte nicht so lange warten. Drei Männer waren ihm vorangeritten, alle mit demselben Ziel. Und alle drei, selbst der französische Edelmann, waren darauf aus, ihn um seinen Anteil an dem Schatz zu betrügen. Er war überrascht, daß de Cabronet nicht auch sein Pferd mitgenommen hatte. Und auch das Gewehr stand noch dort, wo er es an die bröckelnde Hauswand gelehnt hatte. Er ging zum Brunnen und blickte die toten Indianer an. Er hoffte, daß einer von ihnen einen Revolver hätte. Er fand keinen. Er fühlte sich nackt und wehrlos ohne eine Waffe im Gürtel. Er sammelte die leeren Goldsäcke in der Hoffnung, sie bald brauchen zu können. Dann sattelte er sein Pferd, band die Säcke hinten an den Sattel und schwang sich vorsichtig hinauf. Im Schritt ritt er aus dem Dorf. Selbst ein leichter Trab verursachte ihm unerträgliche Schmerzen. Als die Sonne höher stieg, rann der Schweiß in die offenen Bißwunden. Es brannte wie Feuer. Als er gegen Mittag an einen Bach kam, badete er in dem kühlen Wasser und machte Camp. Er konnte an diesem Tag nicht weiterreiten. Auch am nächsten Tag war es noch nicht besser, aber er zwang sich, weiterzureiten. Er war entschlossen, die drei Männer einzuholen. Die Sonne warf schon lange Schatten, als er den Baum oberhalb des Bergpfades entdeckte, und die Gestalt eines Mannes, der kraftlos in seinen Fesseln hing. Trotz seiner Müdigkeit durchströmte ihn eine wilde Freude, als er das weiße Haar des Albinos erkannte. Pinky war fast zu kraftlos, um den Kopfgeldjäger zu er102
kennen. Sein Kopf hing ihm auf die Brust, die Zunge zwischen den verschwollenen Lippen. Der Kopfgeldjäger ritt den Hang hinauf und sah eine ganze Minute lang auf Pinky hinunter. Dann stieg er steifbeinig aus dem Sattel, nahm die Wasserflasche vom Sattel und trat zu Pinky. Er hob den Kopf des Albinos an den Haaren empor und goß ihm Wasser zwischen die Zähne. Dann zerschnitt er die Fesseln, fing den zusammensinkenden Mann auf, trug ihn zum Bach und warf ihn ins Wasser. Pinky rührte sich nicht. Er wäre ertrunken, wenn der Kopfgeldjäger nicht einen Stein unter seinen Kopf geschoben hätte. Nach einer halben Stunde stöhnte er und schlug die Augen auf. Er schloß sie rasch wieder, als er das bärtige Ge sicht erkannte, das sich über ihn beugte. Neugier und Verzweiflung veranlaßten ihn dazu, die Augen doch wieder zu öffnen. »Von Ihnen hatte ich eigentlich keine Hilfe erwartet«, sagte er schließlich mühsam. »Sie haben doch nicht etwa angenommen, daß ich Sie einfach sterben lassen würde, oder?« »Nach der Geschichte in Tyopa?« »Was hat denn das mit dem Geschäft zu tun? Sie sind immer noch siebentausendfünfhundert Dollar wert. Und ich kann Sie nur nach Nogales bringen, solange Sie am Leben sind. Als Leiche brächte ich Sie nicht mal den halben Weg durch die Wüste.« Pinky war zu schwach, um auch nur zu fluchen. Aber das kühle Wasser belebte ihn. Eine Stunde später half der Kopf geldjäger ihm wieder den Hang hinauf, setzte sich mit ihm an das Feuer und gab ihm ein wenig zu essen. Dann band er ihn für die Nacht wieder an den Baum. Der Albino protestierte nicht. Er war froh, überhaupt noch am Leben zu sein, und Hoffnung ist die beste Medizin, um verlorene Kräfte wiederzugewinnen. Am nächsten Morgen hatte er seine alte Selbstsicherheit zurückgewonnen. Er hatte immer noch Hoffnung, seine Freiheit wiederzuerlangen. Als der Kopfgeldjäger ihm Wasser und kaltes Fleisch brachte, sagte er grinsend: »Warum können wir die Vergangenheit nicht begraben und einen neuen Anfang als Partner machen?
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Ich muß zugeben, daß ich in Tyopa ein bißchen zu weit gegangen bin. Tut mir wirklich leid. Aber Sie müssen die Sache auch mal von meiner Seite aus betrachten.« Der Kopfgeldjäger sah ihn prüfend an. »Nun, Tuco hat das Gold, und er und der Franzmann sind den Trail hinuntergeritten. Bis wir sie erreicht haben, hat wahrscheinlich einer von beiden den anderen getötet. Dann brauchten wir nur noch mit einem fertigzuwerden und können das Gold zwischen uns beiden aufteilen.« Der Kopfgeldjäger kaute sein Fleisch und ließ Pinky ein bißchen schwitzen. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Mir wäre nicht sehr wohl, wenn ich Ihnen noch einmal trauen würde. Sie haben einmal Ihr Wort gebrochen. Ich ris kiere es nicht noch einmal, mich auf Sie zu verlassen.« »Was haben Sie dann vor?« »Ich werde Sie wieder an den Baum binden und Ihnen eine Flasche mit Wasser dalassen. Damit Sie nicht verdurstet sind, wenn ich zurückkomme.« »Und was ist, wenn Sie nicht zurückkommen?« »Dann brauche ich Sie nicht mehr, Pinky. Ein toter Mann hat keine Verwendung für siebentausendfünfhundert Dollar, oder?«
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13 Tuco Ramirez war so glücklich wie eine Made im Speck. Er hatte gerade das letzte Ve rsteck ausgeräumt und die Goldmünzen sorgfältig in die Satteldecke von Pinky Roebecks Pferd gewickelt. In den Satteltaschen steckte das Gold, das er aus den anderen Verstecken geholt hatte. Er ritt jetzt Pinkys Pferd und zog das Indianerpony am Zügel hinter sich her. Fröhlich pfiff er vor sich hin. Er wußte genau, was er jetzt tun würde. Er wollte zum Grünen Canyon reiten, das Gold neben der alten Hacienda vergraben und in aller Ruhe abwarten, bis sich die Aufregung gelegt hatte.
Er wußte nicht, wie es um die Revolution stand, und es interessierte ihn auch nicht. Nur eines war sicher: Er würde sich der Revolutionsarmee nicht wieder anschließen. Das war nicht der Platz für einen reichen Mann. Einen halben Tagesritt vor Erreichen des Canyons machte er Rast, aß ein gutes Abendbrot und legte sich schlafen. Er träumte von einem ganzen Stall voll schöner Frauen, die ihn alle umschwärmten. Eine der Frauen legte ihm die Hand auf die Schulter und versuchte ihn wachzurütteln. Tuco leckte sich die Lippen und schlug die Augen auf. Er lächelte der Frau zu, die sich liebevoll über ihn beugte. Doch er sah keine Frau. Es war ein Mann, der ihn mit hartem Griff an der Schulter rüttelte und ihn wütend anstarrte. Er erkannte Capitan Alvarez. Der Traum war zu einem Alp geworden. »Hund!« Alvarez' Finger gruben sich brutal in seine Schulter und rissen ihn auf die Beine. Tuco blickte sich verwirrt um und versuchte, den Schlaf aus den Augen zu blinzeln. Ein Dutzend Soldaten saßen im Halbkreis auf ihren Pferden und starrten mit ausdruckslosen Gesichtern auf ihn herab. Er kannte die meisten von ihnen,
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aber diese Tatsache war ihm auch kein Trost. Für einen Peso hätte jeder von ihnen ihm den Hals umgedreht. Alvarez schüttelte ihn wieder. »Das Gold! Wo ist das Gold, du Bastard!« Tuco überlief ein eiskalter Schauer. Er dachte an seine vollen Satteltaschen und verfluchte seine Ungeduld. Warum hatte er das Gold nicht in den Verstecken gelassen? Er wußte die Antwort darauf: Er wollte seinen ganzen Reichtum bei sich haben. Er wollte die hübschen Goldstücke in den Händen halten, ab und zu mit ihnen spielen. Einen Augenblick lang spielte er mit der Idee, Alvarez anzulügen. Vielleicht würden sie das Gold nicht entdecken. Aber Alvarez war ein schlauer Bursche, und hartnäckig wie ein Bluthund auf einer frischen Spur. Er mußte ihm zuvorkommen. Wenn er ihm jetzt sofort sagte, wo das Gold war, konnte er behaupten, es für die Revolution gerettet zu haben. Vielleicht sprang dann sogar eine Belohnung für ihn heraus. Zumindest aber konnten sie ihn dann nicht als Verräter und Deserteur erschießen. Er erwärmte sich rasch an der Vorstellung. Er blickte den Capitan mit breitem, triumphierendem Grinsen an. »Das Gold ist sicher, Capitan. Gott sei Dank, daß ich Sie endlich gefunden habe. Ein dutzendmal habe ich den Tod vor Augen gesehen, als ich das Gold verteidigte. Da waren die Indianer, Apachen, und ...« Alvarez schüttelte ihn wieder an der Schulter. »Was tust du in dieser Uniform?« Tuco hatte völlig vergessen, daß er die Fetzen von Cabronets Uniform trug. Aber es wußte ja niemand, wie er dazu gekommen war. Er hob beide Hände. »Das gehört auch zu der Geschichte, Capitan.« Er sah, wie Alvarez' Gesicht sich wütend rötete und fuhr hastig fort: »Lassen Sie mich los. — Ich zeige Ihnen das Gold.« Das Wort >Gold< ließ Alvarez' Wut sofort abklingen. Er ließ Tucos Schulter los und folgte ihm zu dem großen Fels block, hinter dem Tuco seinen Schatz verborgen hatte. Tuco überlegte, ob er ihm nur die beiden Satteltaschen geben sollte, im Vertrauen darauf, daß Alvarez die Satteldecke nicht
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untersuchen würde. Aber ein Blick in das Gesicht des Capitans belehrte ihn eines Besseren. Er holte die schweren Satteltaschen einzeln aus ihrem Versteck und legte sie Alvarez zu Füßen. Alvarez öffnete eine davon, griff hinein und ließ die Goldmünzen durch die Finger gleiten. Seine Wut verwandelte sich in plötzliche Ekstase. »Das Gold — das Gold —« Die Soldaten waren von den Pferden gesprungen und drängten sich um ihn. Der Offizier sah, daß sich daraus eine gefährliche Situation entwickeln konnte und schickte sie zurück zu ihren Pferden. Sie gehorchten ihm nur widerwillig, und erst, als er seinen Revolver auf sie richtete. Erst dann öffnete er die zweite Satteltasche und überprüfte ihren Inhalt. Dann sah er auf und sah Tuco mit neu erwachtem Mißtrauen an. »Ist das alles, Tuco? Wo ist der Rest?« Es tat ihm fast körperlich weh, als er sagte: »Dort drüben.« Er deutete mit der Hand nach der zusammengerollten Decke. Alvarez stürzte darauf zu, riß sie auf und starrte auf die Goldmünzen. Dann richtete er sich majestätisch auf, legte Tuco beide Hände auf die Schultern und küßte ihn feierlich auf beide Wangen. Tuco war so erstaunt, als wenn sich plötzlich die Himmelstür geöffnet hätte. »Ausgezeichnet, Leutnant Tuco! Die Revolution ist Ihnen zu höchstem Dank verpflichtet.« Die Worte überraschten Tuco mehr als die Umarmung. Leutnant? Na, bitte. Vielleicht hatte sich die Arbeit doch gelohnt. Ein Mann mit seinen Fähigkeiten konnte es in der Armee weit bringen. Alvarez trat einen Schritt zurück und sagte: »Und jetzt, Leutnant, berichten Sie mir, was geschehen ist.« Tuco holte tief Luft und begann eine wunderbare Ge schichte. Er berichtete, wie er zusammen mit den anderen Soldaten in den Canyon hinuntergestiegen ist und sie die Männer des Kaisers nach schwerem Kampf besiegt hätten. Wie er im Laufe des Kampfes ins Feuer gestoßen worden sei und sich die Kleidung des toten Offiziers der kaiserlichen Truppe angeeignet habe. Wie später ein Teil der Leute die
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Sache der Revolution verraten, die loyalen Männer ermo rdet und sich mit dem Gold aus dem Staub gemacht hätten. »Sie hatten mich für tot liegengelassen, Capitan, und ich war geistesgegenwärtig genug, sie bei dem Glauben zu lassen. Aber sobald es hell wurde, habe ich mich auf ihre Spur gesetzt und bin ihnen gefolgt. Ich wollte sie, einen nach dem anderen, aus dem Hinterhalt erledigen und das Gold für die Revolution retten. Aber sie wurden von Apachen überfallen . . .« Der Capitan biß erwartungsvoll auf seine Unterlippe. »Apachen? Wie sind Sie denen entkommen?« Tuco nahm sich Zeit mit der Antwort. Er mußte jetzt genau überlegen. Er wußte nicht, daß die Apachen tot waren. Zuletzt hatte er sie gesehen, als sie ihren Rausch ausschliefen. »Ich blieb in Deckung, solange sie mit den anderen beschäftigt waren. Ich sah, wie sie sie fingen und marterten. Sie haben sie auf Ameisenhaufen festgebunden.« »Das haben sie auch verdient«, sagte Alvarez mit Genugtuung. »Das sollte sie lehren, sich nicht an den Gütern der Revolution zu vergreifen. — Aber wie haben Sie den Apachen das Gold wieder abnehmen können?« Tuco fühlte die Versuchung, sich noch weitere Heldentaten zuzuschreiben. Aber zu viele der Männer kannten die Einstellung der Indianer. Er zuckte wegwerfend die Achseln. »Sie machen sich nichts aus Gold. Sie haben keine Verwendung dafür. Ich habe sie beobachtet, bis sie wieder aufbrachen und in den Bergen verschwanden. Dann bin ich einfach hinuntergeritten, habe das Gold aufgeladen und mich auf den Weg nach Chihuahua gemacht, um es Ihnen dort zu übergeben.« Der Capitan blickte Tuco an. »Mit anderen Worten, diese Wilden treiben sich immer noch hier in der Gegend herum?« Tuco fühlte ein echtes Frösteln auf seinem Rücken, als er nickte. »Wie viele sind es?« »Fünfzig — mindestens.« »Dann sollten wir lieber hier verschwinden. Wir sind nur zwanzig Mann.«
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Er ließ das Gold von ein paar Soldaten auf Tragtiere verladen und half Tuco auf sein Pferd. Dann führte er seinen Trupp zum Grünen Canyon zurück. Graf de Cabronet wartete, bis die Hufschläge im Dunkeln verhallt waren. Dann richtete er sich in seinem Versteck auf. Er war den Bergpfad entlanggeritten, als er plötzlich Tu-cos Lagerfeuer voraus sah. Er war abgestiegen, hatte sein Pferd angebunden und war zu Fuß weitergegangen, um den Banditen zu überraschen. Doch als er ihn fast erreicht hatte, sah er einen Reitertrupp aus der anderen Richtung auf ihn zukommen. Er war hinter einem großen Felsblock in Deckung gegangen und hatte jedes Wort der Story mitgehört, die Tuco dem Capitan erzählt hatte. Mit widerwilliger Bewunderung mußte er zugeben, daß er noch nie einen so einfallsreichen Lügner wie Tuco erlebt hatte. Jetzt, wo sie fortgeritten waren, fühlte er sich unsicher und ratlos. Es war ein hoffnungsloses Unternehmen, zwanzig Mann angreifen zu wollen. Es sah wirklich sehr düster aus. Er saß ohne einen roten Centavo inmitten eines feindlichen Kontinents. Was sollte er tun? Er war Berufssoldat. Sonst hatte er nichts gelernt. Und für einen Mann wie ihn gab es in der Revolutionsarmee sicher keinen Platz, selbst wenn er sich dazu bereitfinden würde, in diesem zerlumpten Banditenhaufen zu dienen. Er konnte natürlich nach Norden reiten, in die Vereinigten Staaten. Aber da ergab sich wieder das gleiche Problem: Was sollte er, mittellos wie er war, dort anfangen? Er erreichte sein Pferd und wollte sich gerade in den Sattel schwingen, als er leisen Huf schlag hörte. Einen Augenblick nahm er an, es wäre einer von Alvarez' Männern, der aus irgendeinem Grund zurückkam, dann aber fiel ihm ein, daß dieser Reiter aus der anderen Richtung kam, aus dem Westen. Er fühlte plötzlich eine wilde, neue Hoffnung. Bis jetzt war er allein gewesen und hilflos. Jetzt hatte er wieder einen Gefährten. Es konnte nur ein Mann sein, der dort auf ihn zukam, der Mann-Ohne-Namen.
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Leise rief er ihn an. Der andere zügelte sein Pferd. Dunkel und Stille. Dann sagte die Stimme des Kopfgeldjägers leise: »Franzmann?« Der Graf fühlte eine namenlose Erleichterung. Er war nicht mehr allein. Eilig ging er auf den anderen zu. »Sie kommen zu spät.« Das Gesicht des Kopfgeldjägers war ein undeutlicher Schatten. »Wieso zu spät?« »Das Gold ist verloren. Für immer!« »Was, zum Teufel, soll das heißen?« Hastig berichtete de Cabronet, was er gesehen und gehört hatte. Der andere hörte ihm schweigend zu. Dann fragte er: »Wie weit ist es bis zu Tucos Camp? Wir können auch beim Essen weiterreden. Ich bin nicht aus dem Sattel gekommen, seit ich Pinky verlassen habe.« »Sie haben ihn gefunden? Hat er noch gelebt? Ich habe ihn extra für Sie hängengelassen. Wie haben Sie ihn getötet?« »Gar nicht. Ich habe ihn auch hängenlassen. Der kann warten.« »Was? — Ich dachte, Sie würden ihm den Bauch aufschlitzen und ihm die Eingeweide herausreißen.« »Das wären verdammt teure Spaghettis. Für siebentausendfünfhundert Dollar.« »Sie wollen also immer noch versuchen, ihn über die Grenze zu schaffen?« »Natürlich. Aber erst holen wir uns das Gold von diesen Revoluzzern.« De Cabronet hielt den Atem an. »Es sind zu viele, um sie angreifen zu können.« »Wie viele?« »Ich weiß nicht. Ich habe sie nicht gezählt. Ich war zu fasziniert von Tucos wilden Geschichten.« Der Mann-Ohne-Namen band sein Pferd an ein Gestrüpp und ging neben de Cabronet auf Tucos Camp zu. Das Feuer war niedergebrannt. Sie warfen neues Holz in die Glut. Der Franzose machte sich immer noch Gedanken über Tucos Story.
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»Ich glaube, er weiß wirklich nicht, daß die Apachen tot sind.« »Er kann es auch gar nicht wissen. Sie lebten ja noch, als Pinky ihn aus Tyopa fortschleppte.« »Ja, richtig. Jedenfalls schien die Vorstellung, daß sie sich noch hier in der Gegend herumtreiben, den Capitan ziemlich aufzuregen. Er konnte gar nicht schnell genug von hier wegkommen.« »Das verstehe ich sehr gut«, sagte der andere. »Die Apachen haben eine besondere Vorliebe für mexikanische Skalps.« Er preßte die Lippen aufeinander und starrte ins Feuer. Eine Viertelmillion war nur ein paar Meilen voraus auf diesem Bergpfad, bewacht von einer unbekannten Anzahl mexikanischer Soldaten. Die Soldaten würden zwei weiße Männer nicht fürchten. Aber vor Indianern hatten sie eine Heidenangst. Er nickte langsam. »Franzmann. Sie werden sicher einen bildschönen Apachen abgeben. Sie haben ja neulich gesehen, wie die Leute operieren. Sie müssen verdammt überzeugend wirken, wenn es klappen soll.« De Cabronet blickte ihn verständnislos an. Dann begriff er, und ein Ausdruck des Entsetzens trat in seine Augen.
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14 Capitan Alvarez fühlte sich etwas sicherer, als seine Männer den Boden des Grünen Canyons erreicht hatten. Drei Männer hatte er am Rand des Canyons als Wache zurückgelassen. Kein Indianer konnte ungesehen an ihnen vorbeikommen. Die Männer waren müde, hungrig und unruhig. Bei dem nächtlichen Abstieg war ein Pferd auf dem schmalen Pfad ausgeglitten und mit seinem Reiter in die Schlucht gestürzt. Der schrille gellende Todesschrei des Mannes hallte immer noch in ihren Ohren. Alvarez wandte sich an Tuco: »Sie kennen das Land, Leutnant. Glauben Sie, daß wir hier sicher sind?« Tuco nickte. Er hatte keine Ahnung, wo die Apachen stecken mochten. Aber sicher würden sie ohne Pferde nicht so weit gekommen sein. »So sicher wie in einer Kirche, Capitan.« Tuco hatte keine besonders hohe Meinung von Kirchen. Einer seiner Brüder war Priester. »Dann wollen wir hier zwei Tage Rast machen und die Pferde grasen lassen. Holen Sie sich etwas zu essen, und gehen Sie dann zu den Wachen hinauf. Schicken Sie sie einzeln zum Essen herunter.« Tuco salutierte flüchtig. Seine Gedanken waren schon wieder mit dem Problem beschäftigt, wie er sich das Gold wieder aneignen und den Soldaten entkommen konnte. Unglücklicherweise hatte man alle Pferde bachabwärts getrieben, wo die Weide besser war. Ihm fiel kein plausibler Grund ein, zwei von ihnen ins Camp zurückzubringen. Und er fand auch keine Möglichkeit, das Gold später, wenn die Leute schliefen, den Pfad hinauf und an den Wachen vorbeizubringen. Dennoch gab er die Hoffnung nicht auf. Tuco der Schreckliche hatte sein ganzes Leben lang nur von der Hoffnung gelebt. Er ging zum Feuer, hockte sich neben den großen Bohnenkessel, rollte eine Tortilla zusammen und benutzte sie als Löffel, um Bohnen in seinen Mund zu schaufeln.
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Es war schön, wieder regelmäßig sein Essen zu bekommen. Morgen früh würden sie vielleicht einen Hirsch schießen. Er aß, bis er nicht mehr konnte, dann ließ er sich von seinem Nachbarn ein Maisblatt und etwas Tabak geben, rollte sich eine Zigarette und blickte nachdenklich in die Flamme des Lagerfeuers. Nach einer Weile stand er seufzend auf, warf die Kippe ins Feuer und ging langsam zum Pfad zurück. Sein neuer Dienstgrad hatte auch seine Nachteile. Als Offizier der Wache erwartete man von ihm, die ganze Nacht wachzubleiben. Als er nach langem, mühseligem Marsch den Rand des Canyons erreicht hatte, sandte er zuerst einen, später den zweiten Mann nach unten. Als alle drei Posten gegessen hatten und zurückgekehrt waren, verteilte er sie auf seiner Ansicht nach strategisch wichtige< Punkte, suchte sich einen gemütlichen Platz hinter einem Felsblock und machte es sich dort bequem. Die Nacht schien endlos. Und nichts geschah. Er hatte es auch nicht anders erwartet. Kurz nach Sonnenaufgang wurde die Wache abgelöst, und Tuco ging in den Canyon hinunter und frühstückte. Dann rollte er sich zufrieden und erleichtert zusammen und schlief den ganzen Tag über. Bei Dunkelwerden wachte er wieder auf und stellte befriedigt fest, daß jemand inzwischen eine Hirschkuh geschossen hatte. Es gab frisches Fleisch zum Abendbrot. Die Soldaten waren zufrieden und ausgeruht. Alvarez sprach davon, daß sie morgen in aller Frühe nach Chihuahua aufbrechen wollten. Tuco war bedrückt, als er ein paar Stunden später den Pfad hinaufstieg, um seine Nachtwache anzutreten. Wenn sie Chihuahua erreicht hatten, war das Gold für immer verloren. Er lehnte sich gegen den Felsblock und starrte niedergeschlagen zu den Sternen hinauf. Die Sterne wurden matter und schienen schließlich ganz zu verlöschen. Er war eingeschlafen. Er erwachte mit einem Schock. Eiserne Finger umklammerten seinen Hals und drückten ihm die Luftröhre zu. Und eine Stimme, die er nur zu gut kannte, sagte leise auf spanisch: »Eine Bewegung, Tuco, und du bist tot.« Tuco lag völlig reglos. Der Mann, der über ihm kniete, war der Kopfgeldjäger. Und er lebte!
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Es war ihm unerklärlich, wie er sich hatte befreien können, als man ihn auf den Ameisenhaufen gefesselt hatte. Aber eigentlich, überlegte er, war es gar nicht so überraschend. Der Mann hatte schon ein paar Dutzend Situationen überstanden, die jeden normalen Menschen umgebracht hätten. Die Finger drückten noch einmal warnend zu, dann lockerte sich der Griff so weit, daß er Luft holen konnte. »Bring mich nicht um, Partner«, flüsterte er. »Ich weiß, wo sie das Gold versteckt haben.« Die Finger lockerten ihren Griff etwas mehr, und Tuco fuhr fort: »Es sind drei Wachen hier bei mir. Lassen Sie mich los. Ich werde sie einzeln erledigen.« Tuco hatte wieder einmal die Seite gewechselt. Der Mann-Ohne-Namen knurrte: »Glauben Sie etwa, daß ich Ihnen noch einmal vertraue?« »Sie können mir trauen, weil ich das Gold haben will.« Tucos Stimme wurde schrill: »Glauben Sie, Alvarez würde mir auch nur eine einzige Münze von all dem Gold geben?« »Und warum sollte ich das tun?« »Bei Ihnen hätte ich zumindest eine bessere Chance.« »Vielleicht. Kommt darauf an, wie Sie sich dieses Mal benehmen. — Erledigen Sie die Wachen.« Tuco ging zum Rand des Canyons, wo die drei Posten saßen. Sie hatten ihre Gewehre zusammengestellt und hockten mit dem Rücken an einen großen Felsblock gelehnt. Sie hatten die breitkrempigen Hüte halb über ihre Gesichter gezogen und rührten sich nicht, als Tuco sich neben sie hockte. Tuco überlegte, wie er sie töten sollte. Er konnte ihre Ge sichter im Dunkel nicht klar erkennen. Und das war gut so. Er war nicht gerade empfindlich, aber es ist doch schwer, einem Mann ins Gesicht zu sehen, während man ihm die Kehle durchschneidet. Er zog das Messer, das er sich geliehen hatte. Es hatte eine breite, schwere Klinge und war scharf wie ein Rasiermesser. Die drei Männer beachteten ihn nicht. Sie sprachen, wie Soldaten auf der ganzen Welt, von Frauen. Tuco stieß dem Mann, der neben ihm saß, den Hut vom
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Kopf, riß den Kopf an den Haaren hoch und stieß ihm das Messer in den Hals. Die anderen beiden hatten ihren Kameraden nicht angesehen. Die erste Warnung war sein Todesröcheln. Sie fuhren herum, starrten Tuco verblüfft an, und begriffen nicht, was los war. Einer von ihnen versuchte, aufzuspringen. Tuco schlug ihn nieder, warf sich auf seine Brust und stieß ihm das Messer ins Herz. Der dritte Posten war auf den Beinen. Er packte Tuco bei den Haaren und riß das Messer aus dem Gürtel. Der Mann-Ohne-Namen, der aus einem Versteck heraus alles mit angesehen hatte, sprang auf und stürzte sich, das Messer in der Faust, auf den Mann. Er umklammerte seinen Hals mit dem linken Unterarm, riß das Kinn empor und stieß das Messer in die straff gespannte Haut der Kehle. Er ließ sein Opfer fallen, als Tuco sich erhob und die blutige Messerklinge am Hemd seines Opfers sauberwischte. »Okay, mein Freund, und jetzt werden wir uns das Gold holen.«
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15 Graf de Cabronet wartete neben dem Pfad. Er hörte die leisen Kampfgeräusche und kroch, den Säbel in der Rechten, darauf zu. Plötzlich sah er die Schatten von zwei Männern und blieb reglos liegen. Der Mann-Ohne-Namen entdeckte ihn zur gleichen Zeit und rief ihn leise an. De Cabronet kam vorsichtig näher. Er erkannte den Kopfgeldjäger, aber nicht den zweiten Mann. Erst als er sich auf wenige Schritte genähert hatte, sah er, daß es Tuco war. Er entdeckte die drei Toten, die am Boden lagen und erschauerte. Er war Soldat, und das Töten im Kampf war ihm nicht fremd. Aber dies hier war nackter Meuchelmord gewesen. Er fühlte, daß er in diesem barbarischen Land niemals heimisch werden würde. Aber er sagte nichts. Tuco hielt noch immer das Messer umklammert und blickte den Franzosen voll tiefem Mißtrauen an. »Wer ist das?« Der Mann-Ohne-Namen sagte es ihm. »Und er bekommt auch einen Anteil an dem Gold?« »Ja.« Tuco gefiel das gar nicht. Aber er protestierte nicht. Es hätte auch kaum Sinn gehabt. Der Kopfgeldjäger starrte in die Schlucht des Canyons hinab. »Wie viele Männer sind dort unten?« Tuco zählte an seinen Fingern ab. »Siebzehn — mit Capitan Alvarez.« »Das ist zu schaffen.« Der Kopfgeldjäger überlegte einen Augenblick. »Sie gehen als erster hinunter. Falls einer der Leute wach sein sollte, wird er keinen Verdacht schöpfen. Kennen Sie den Eulenschrei, den Alarmruf der Apachen?« »Ja.« »Wir sind dicht hinter Ihnen. Wenn alles schläft, geben Sie
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zweimal den Eulenschrei. Schlimmstenfalls nehmen sie an, daß Indianer in der Nähe sind.« Tuco nickte und verschwand lautlos. Ein Schatten unter Schatten. Der Franzose fragte: »Wie geht's nun weiter?« »Wir greifen das Camp an.« »Mit siebzehn Männern?« »Die schlafen. Ein paar von ihnen sind tot, bevor sie aufwachen. Die anderen werden glauben, daß wir Indianer sind, und diese Leute haben vor den Apachen eine solche Heidenangst, daß sie wie die Hasen weglaufen werden.« Graf de Cabronet dachte an das Gold. Es schien eine Ewigkeit her, seit er es von den reichen Ranchern im Süden in Empfang genommen hatte, um den Kaiser zu befreien. Seitdem war viel Blut geflossen. Schweigend folgte er dem Kopfgeldjäger den steilen Pfad hinunter. Dreißig Schritte vor dem verglimmenden Camp feuer blieben sie stehen und warteten. Sie sahen Tuco wie einen Schatten auf die schlafenden Männer zugehen, zwischen ihnen entlangschleichen. Dann kam zweimal der Ruf der Eule. ( »Okay.« Der Kopfgeldjäger lief rasch in das Camp. Der Franzose folgte ihm. Tuco stand neben dem schlafenden Alvarez. Er wußte, daß der Capitan der einzige Mensch war, der vielleicht einen klaren Kopf behalten würde. Darum mußte er als erster sterben. Außerdem hatte Tuco eine ganze Reihe von persönlichen Rechnungen mit dem Offizier zu begleichen. Er stieß zu. Mitten ins Herz. Alvarez starb ohne einen Laut. Aber als Tuco sich aufrichtete, stolperte er über einen Stein und fiel auf einen der Schlafenden. Mit einem überraschten Schrei fuhr der Mann auf, und der Schrei alarmierte das ganze Camp. Schlaftrunken richteten sich die Männer auf, stellten sinnlose Fragen. Der Kopfgeldjäger griff sofort ein. Mit einem Kriegsschrei, auf den selbst Banton stolz gewesen wäre, stürzte er auf das Camp zu. Tuco schrie entsetzt: »Apachen! Apachen!«
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Ein paar Männer, die nach ihren Gewehren greifen wollten, hatten plötzlich keine Lust mehr zu kämpfen. In panischem Entsetzen stürzten sie, waffenlos und halbnackt, aus dem Camp. Tuco griff nach einem Gewehr und feuerte hinter den Fliehenden her. Er war noch nie ein guter Schütze gewesen und jetzt, in der Aufregung, konnte er nicht einmal zielen. Und auch de Cabronet war nicht viel besser. Er war mit Stichwaffen und Handfeuerwaffen völlig vertraut. Das Ge wehr aber war eine ungewohnte Waffe. Der Mann-Ohne-Namen aber schoß ruhig und regelmäßig wie eine Maschine. Und fast jeder Schuß ließ einen der flüchtenden Männer zusammenbrechen. Dabei stieß er immer noch den markerschütternden Kriegsschrei der Apachen aus. Tuco und de Cabronet fielen nach einer Weile ein, und den in wilder Panik fliehenden Mexikanern kam es vor, als wenn eine ganze Horde von Wilden hinter ihnen her wäre und sie mit wohlgezieltem Gewehrfeuer, einen nach dem anderen, abschössen. Die angepflockten Pferde waren so verängstigt von dem Lärm, von den keuchenden Männern, die sie einzufangen versuchten, durch die vereinzelten Schüsse, von denen andere Pferde getroffen wurden, von dem Schreien der angeschossenen Tiere, daß sie wild um sich schlugen und sich loszureißen versuchten. Ein paar der Männer konnten sich auf den Rücken der Tiere schwingen. Etwa zehn von ihnen ritten im Galopp zum Camp zurück, in der Hoffnung, zum Bergpfad durchbrechen zu können. Tuco war in seinem Element. Nichts machte mehr Spaß, als auf lebende Ziele zu schießen, selbst wenn diese Ziele ehemalige Kameraden waren. Trotzdem erkannte er, daß die Reiter ihn über den Haufen rennen würden, wenn er ihnen nicht den Weg freigab. Er sprang über die Mauer der Hacienda und landete in einem Knochenhaufen. Der Mann-Ohne-Namen behielt die Nerven. Einer der Männer kam direkt auf ihn zu, das Gewehr im Anschlag. Er schoß ihn aus dem Sattel. Hinter sich hörte er das Krachen von de Cabronets Karabiner. Männer und Pferde brachen in einem wilden, zuckenden Haufen zusammen.
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Die Nacht war voller Schreie und Staub und Lärm und dem Geruch des Todes. Der Mann-Ohne-Namen schoß ruhig und konzentriert. Als das Gewehr leergeschossen war, griff er nach einem von denen, welche die fliehenden Mexikaner zurückgelassen hatten. Die Reiter fielen wie die Fliegen aus den Sätteln. Nur drei von ihnen hatten überlebt. Im Galopp sprengten sie auf den Bergpfad zu. Und ausgerechnet in diesem Augenblick klickte der Schlagbolzen seines Gewehres auf eine leere Kammer. Er warf das Gewehr zu Boden und sah sich nach einem neuen um. Er sah den Franzosen ausgestreckt am Boden liegen und wußte, daß er getroffen worden war. Das Gewehr lag neben ihm. Der Kopfgeldjäger nahm die Waffe auf und feuerte hinter den drei fliehenden Reitern her. Er wußte, daß er nicht mehr treffen konnte. Er blickte sich um. Ein reiterloses Pferd stand neben der Mauer, zu verängstigt, um auch nur fliehen zu können. Er rannte auf das Tier zu und warf sich auf seinen ungesattelten Rücken. Er preßte seine Knie in die schweißbedeckten Flanken, riß das Pferd herum und trieb es durch den Canyon auf den Einstieg des steilen Bergpfades zu. Die drei Männer durften nicht entkommen! Wenn sie nach Chihuahua gelangten, würde das Land innerhalb weniger Tage von Militär wimmeln. Er mußte sie um jeden Preis aufhalten. Er erreichte den Einstieg des steilen, schmalen Pfades und begann den Aufstieg. Die Sterne waren winzige Lichtflecke am dunklen Himmel, aber ihr Schein reichte nicht bis in die Tiefen des Canyons hinab. Er mußte den Weg ertasten. Über sich hörte er das Geräusch von Hufen auf Stein und wußte, daß die Männer, hinter denen er her war, vor ihm ritten. Der Pfad war schmal und steil, und das Pferd ging langsam und widerwillig. Er trieb es nicht an. Er konnte nichts erkennen. Sein Leben hing von dem Instinkt des Tieres ab. Er konnte und wollte nichts tun, als diesem Instinkt vertrauen. Unendlich langsam ging es bergan. Die Geräusche über ihm sagten ihm, daß die drei Männer auch noch auf dem Bergpfad ritten. Es gab ja auch keine andere Möglichkeit. Eine fahle Helligkeit begann, über den Rand des Canyons
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zu kriechen. Die Sterne verblaßten. Kurz darauf war es hell genug, die Umrisse der drei Männer zu erkennen, die oberhalb von ihm ritten. Und sie entdeckten ihn ebenfalls. Einer von ihnen wandte sich um. Ein Gewehrschuß dröhnte. Die Kugel pfiff weit über ihn hinweg. Der Mann-Ohne-Namen drängte sein Pferd gegen die Felswand. Er wartete. Als er vorsichtig um den Felsen nach oben blickte, waren die drei Reiter verschwunden. Er ritt weiter. Als er die nächste Biegung des Serpentinenpfades erreicht hatte, waren die drei Reiter über den Rand des Canyons verschwunden. Langsam ritt er weiter. Und er hatte fast den Rand des Canyons erreicht, als wieder ein Schuß dröhnte. Die Kugel bohrte ein Loch in seine Hutkrempe. Er sprang vom Pferd, zog es in Deckung und fesselte seine Vorderbeine. Er wußte, daß die drei Männer in sicherer Deckung oben auf ihn warteten. Er blickte nach oben. Ein schmaler Felsspalt führte vom Pfad aus senkrecht nach oben zum Plateau. Sein oberes Ende war fast zweihundert Fuß vom Ende des Pfades entfernt. Er wußte, daß er nicht den Pfad hinaufreiten konnte, ohne ihnen genau vor die Gewehre zu kommen. Er hängte sich das Gewehr am Riemen über den Rücken, stieg in den Felsspalt und stemmte sich mit Händen und Füßen gegen die Seitenwände des Kamins. Er merkte nicht, daß es rasch heller wurde. Er dachte nur an die drei Männer, die ihn töten wollten. Zweimal wäre er fast abgestürzt, und er klammerte sich mit den Händen fest, bis er mit den Füßen wieder Halt gefunden hatte. Endlich krallten sich seine Finger über den Rand und fanden dort Halt. Vorsichtig zog er sich empor. Er hatte fast erwartet, daß man sofort auf ihn schießen würde, sobald er den Kopf über den Rand hob. Doch nichts rührte sich. Er sah, daß er von einem riesigen Felsblock gedeckt war. Er ließ sich in eine kleine Senke hinter dem Stein rollen und lag fast eine Minute reglos, um seinen keuchenden Atem und die zitternden Muskeln zur Ruhe kommen zu lassen.
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Dann richtete er sich auf, nahm das Gewehr vom Rücken und wünschte, er hätte auch einen Revolver dabei. Vorsichtig schob er sich um den Felsblock herum, das Ge wehr schußbereit. Und sah keinen Menschen. Vielleicht sind sie schon fortgeritten, überlegte er. Er nahm einen kleinen Stein und warf ihn auf den Bergpfad. Drei Gewehrschüsse krachten, fast wie eine Salve. Und sie verrieten ihm die Position der drei Männer. Sie lagen hinter mehreren Felsen zu seiner Rechten. Vorsichtig schob er sich, immer in Deckung von Geröll und Steinen, auf sie zu. Er konnte sie jetzt reden hören. »Ich glaube, wir haben ihn erwischt.« Der Kopf eines Mannes tauchte aus der Deckung und bewegte sich über den Rand des Canyons. Der Mann-OhneNamen schoß ihn hinter das Ohr und sah ihn über der Deckung zusammenbrechen. Die beiden anderen schössen auf ihn. Die Kugeln fetzten Steinsplitter aus seiner Deckung. Er lud das Gewehr nach und kroch vorsichtig weiter nach links. Dabei behielt er ständig die Deckung der beiden Männer im Auge. Aber die rührten sich nicht. Die Sonne stieg höher. Es wurde heiß. Ein Schuß krachte, und die Kugel sang dicht über seinen Kopf hinweg. Man hatte ihn entdeckt. Er ließ sich in eine kleine Senke zwischen zwei Felsen gleiten und blieb reglos liegen. Sie sollten glauben, daß sie ihn getroffen hätten. Aber dieses Mal fielen sie nicht mehr darauf herein. Sie blieben in ihrer Deckung. Er begann wieder zu kriechen, immer näher an ihre Deckung heran. Er sah ein Bein. Der Mann lag ausgestreckt hinter einem Felsen. Sein Körper war vom Stein verdeckt. Der Mann-Ohne-Namen zielte sorgfältig auf den Oberschenkel. Dann zerriß der Abschußknall die Stille. Er hörte einen Schrei und sah den verwundeten Mann aufspringen. Er schoß ihm in den Kopf, bevor er zusammenbrach. Er grinste zufrieden. Jetzt waren die Chancen gleich. Es kam nur noch auf die besseren Nerven an. Und der Mann-
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Ohne-Namen hatte sich oft und lange darin geübt, seine Nerven in der Gewalt zu behalten. Die Entscheidung fiel früher, als er erwartet hatte. Er hörte plötzlich ein leises Geräusch zu seiner Rechten und sah zu seinem Erstaunen einen Mann keine zwei Meter entfernt hinter einem Felsblock aufspringen. Bevor er das Gewehr herumreißen konnte, hatte der Mann sich auf ihn gestürzt, ein Messer in der Hand. Der Kopfgeldjäger warf sich zur Seite, und das Messer fuhr in den Boden. Dann- rangen sie um das Messer. Zweimal konnte der Kopfgeldjäger das kräftige Handgelenk des anderen Mannes umklammern. Zweimal konnte sich der andere befreien und nach seiner Kehle stechen. Der Mann-Ohne-Namen warf sich zur Seite und schlug dem anderen die Faust ins Gesicht. Dann umklammerte er wieder das Handgelenk des anderen, ließ sich zur Seite fallen und versuchte, ihm das Messer zu entwinden. Er hielt das Gelenk jetzt mit beiden Händen umklammert und drückte es zu Boden. Der Knochen brach mit scharfem Knacken. Der Mann ließ das Messer fallen. Noch bevor er einen Schrei ausstoßen konnte, rammte der Kopfgeldjäger ihm das Messer in die Brust.
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16 Tuco der Schreckliche hatte schwer gearbeitet. Sein erster Impuls war gewesen, dem Mann-Ohne-Namen den Bergpfad hinauf zu folgen. Doch dann fiel ihm etwas Besseres ein. Er nahm ein brennendes Scheit aus dem Feuer, ging von einem der am Boden liegenden Soldaten zum anderen und überzeugte sich, daß sie auch wirklich tot waren. Einer atmete noch, aber er hatte einen Lungenschuß und würde den Morgen nicht mehr erleben. Tuco kam zufrieden zum Feuer zurück und entdeckte den Grafen am Boden liegend. Er glaubte, daß er tot sei, doch als er sich über ihn beugte, merkte er, daß der Franzose immer noch atmete. Tuco überlegte angestrengt. Es wäre am besten, dem Mann einfach die Kehle durchzuschneiden und so den dritten Teilhaber auszuschalten. Aber der Mann-Ohne-Namen könnte ihm das vielleicht sehr übelnehmen. Tuco begriff nicht, daß er diesem Ausländer vertraute und anscheinend einen Narren an ihm gefressen hatte. Tuco entschied, daß es klüger wäre, den Franzosen einfach seinem Schicksal zu überlassen, sich zwei Pferde einzufangen, das Gold auf eines der Tiere zu verladen und über den Westpfad aus dem Canyon zu reiten, bevor der Kopfgeldjäger zurückkehrte. Es war schon hell geworden, als er zwei Pferde eingefangen, gesattelt und zum Camp gebracht hatte. Plötzlich hatte er das Gefühl, beobachtet zu werden. Er wandte sich um und sah, daß de Cabronet sich aufgerichtet hatte. »Ich dachte, Sie wären tot.« Tuco hielt das für eine ausreichende Entschuldigung dafür, dem Verwundeten nicht geholfen zu haben. Die Stimme des Franzosen war kaum hörbar. »Wasser.«
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Tuco überlegte eine Weile, zuckte dann die Achseln und brachte Wasser vom Bach. »Wo sind Sie verwundet?« »Mein Bein. Ich glaube, es ist gebrochen. Wo ist der Kopfgeldjäger?« »Hinter ein paar Männern her, die durchgebrochen sind.« »Und wo wollen Sie hin?« »Hinter ihm her. Vielleicht braucht er Hilfe.« Er holte die Satteltaschen mit dem Gold aus dem Versteck, in dem Alvarez sie für die Nacht untergebracht hatte, und trug sie zu den Pferden. Graf de Cabronet sagte scharf: »Was haben Sie vor?« Tuco lächelte. »Ich nehme das Gold mit. Aus Sicherheitsgründen. Man weiß nie, ob sich hier nicht Banditen herumtreiben. Und Sie sind verwundet und können das Gold nicht schützen.« Der Graf wußte, daß Tuco recht hatte. Er konnte das Gold nicht schützen. Nicht einmal vor Tuco. In hilfloser Wut mußte er zusehen, wie der Bandit das Gold auf ein Pferd verlud. Vom Ostrand des Canyons kam das Knallen mehrerer Schüsse. Tuco arbeitete schneller. Er wußte nicht, ob die Schüsse irgend jemanden getroffen hatten. Aber er ahnte instinktiv, daß es nicht der Mann-Ohne-Namen war. Dieser verdammte Hurensohn. Der Kerl kommt auch immer davon. Er starrte zum Rand des Canyons hinauf und überlegte. Vielleicht war es besser, wenn er nicht das ganze Gold mitnahm. Wenn der Kopfgeldjäger ihn erwischen sollte, war er erledigt. Vielleicht sollte er ihm seinen Anteil zurücklassen. Er blickte auf die prall gefüllten Satteltaschen. Der Gedanke an die schimmernden Goldmünzen war eine zu starke Versuchung. Er warf die Satteltaschen auf das Pferd und stieg auf. Als er den Canyon halb durchquert hatte, hörte er jemand seinen Namen rufen. Er wandte sich um und sah den Kopfgeldjäger den steilen Pfad herabkommen. Und er sah auch, daß er sein Gewehr auf ihn angelegt hatte. Er zügelte sofort sein Pferd. Er wußte aus Erfahrung, daß der Mann-Ohne-Namen ihm auch aus dieser Entfernung die
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Augen aus dem Kopf schießen konnte. Er blieb reglos im Sattel sitzen, als der Kopfgeldjäger auf ihn zuritt. Der andere sah die gefüllten Satteltaschen, und er grinste den Banditen ironisch an. »Tuco, mein Freund. Wo willst du denn hin?« Tuco fand keine plausible Antwort. »Und mit dem Gold. Sieht aus, als wenn man dir nicht eine Sekunde lang trauen kann. Zurück zum Camp.« Tuco ritt zurück. Die Gewehrmündung blieb auf seinen Kopf gerichtet. Sie erreichten das Camp, und der Mann-Ohne-Namen befahl Tuco, abzusteigen. Langsam stieg der Bandit aus dem Sattel. Der Franzose saß mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt und blickte ihn schweigend an. Der Kopfgeldjäger warf ihm einen raschen Blick zu. »Was ist mit Ihnen?« »Ich glaube, das Bein ist gebrochen.« »Ich kümmere mich darum, sobald ich diesen Vogel zusammengebunden habe.« »Mich?« sagte Tuco entsetzt. »Wir sind doch Partner! Habe ich nicht mitgeholfen, das Gold wiederzuholen?« »Stimmt. Und dann wollten Sie damit durchgehen, sobald ich den Rücken kehrte.« »Ein Mann muß schließlich seine Interessen wahrnehmen.« »Sehr richtig. Und genau das werde ich jetzt tun.« Der Kopfgeldjäger warf Tuco das Lasso über den Kopf. Innerhalb einer Minute war der Bandit wieder einmal an einen Baumstamm gefesselt. Der Kopfgeldjäger untersuchte das Bein de Cabronets. Der Oberschenkelknochen war dicht oberhalb des Knies gebrochen. Er brach zwei dünne Äste ab und schiente den gebrochenen Knochen damit. »Ein paar Tage werden Sie schon stilliegen müssen.« Der Franzose lächelte dünn. »Ich scheine Sie immer nur aufzuhalten.« »Dieses Mal nicht. Ich werde das Gold aus dem Canyon bringen und irgendwo verstecken. Dann werde ich einen Hirsch schießen und Ihnen etwas zu essen machen. Sie müssen sehen, wie Sie zurechtkommen, bis ich wieder zurück bin.«
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»Von wo zurück?« »Von Nogales. Ich muß dem Sheriff zwei Gangster abliefern, Pinky und einen gewissen Tuco Ramirez ...« »Mich?« rief Tuco entsetzt. »Sie wollen mich verkaufen, und ...« »Nennen Sie mir einen einzigen Grund, warum ich es nicht tun sollte.« Der Kopfgeldjäger sah ihn nicht einmal an. »Sie kann man nicht länger frei herumlaufen lassen. Ich habe nur eine Wahl: Entweder erschieße ich Sie sofort, oder ich bringe Sie ins Gefängnis, damit Sie mir für 'ne Weile aus dem Weg sind. Und wenn ich Sie schon ins Kittchen bringe, kann ich mich auch dafür bezahlen lassen. Sie sind immerhin dreitausend Dollar wert. Tot oder lebendig.« Tuco schäumte vor Wut. Noch nie im Leben war er so tödlich beleidigt worden. Man wollte ihn nicht nur um seinen Anteil an dem Gold prellen, sondern ihn auch wie einen Sack Bohnen nach Nogales schleppen. Für lausige dreitausend Dollar! Dann fiel ihm etwas anderes ein. »Und was wird mit dem Gold? Sie werden es doch nicht etwa mit ihm hierlassen? Er geht damit durch, sobald er wieder laufen kann.« »Ich vertraue ihm mehr, als ich irgend jemand anderem vertraue. Außerdem nehme ich alle Pferde mit. Er weiß, daß sich in den Bergen Apachen herumtreiben. Und er hat ein gebrochenes Bein. Er wird hierbleiben.« Tuco schwieg. Er wußte, daß er endgültig verloren hatte. Hilflos mußte er zusehen, wie der Mann-Ohne-Namen das Gold aus dem Canyon schaffte und wieder zurückkam. Er sah zu, wie er die Pferde zusammentrieb, einen Hirsch schoß und über dem Feuer briet, seine Satteltaschen mit dem Fleisch füllte und den Rest für de Cabronet zurückließ. Am nächsten Morgen band der Kopfgeldjäger Tuco auf sein Pferd und trieb die anderen Tiere vor sich her auf die Westwand des Canyons zu. Tuco ahnte, daß er den Canyon nie wiedersehen würde, und, was viel schlimmer war, auch das Gold nicht. Pinky Roebeck war in besserer Verfassung, als der Kopfgeldjäger erwartet hatte. Er saß an den Baum gefesselt. Der Strick, mit dem seine rechte Hand gebunden war, ließ ihm
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gerade genug Bewegungsfreiheit, um die Wasserflasche an den Mund führen zu können. Die Wasserflasche war leer. Aber erst seit heute morgen. Roebeck sah die beiden Reiter auf sich zukommen und bemerkte, daß Tuco auf sein Pferd gefesselt war. Sie hatten kein drittes Pferd bei sich. Er wußte nicht, was das bedeuten sollte, aber seine Lippen verzogen sich zu einem verächtlichen Grinsen. »Also sind Sie doch zurückgekommen.« »Ich habe es Ihnen versprochen. Und ich pflege mein Wort zu halten. Ich werde doch siebentausendfünfhundert Dollar nicht einfach verfaulen lassen.« »Sie glauben also immer noch, daß Sie mich nach Nogales bringen können?« Der Kopfgeldjäger nahm die leere Wasserflasche, füllte sie im Bach und reichte sie Roebeck. »Ich glaube gar nichts, Pinky. Ich tu's nur.« Der Sheriff von Nogales war ein neuer Mann. Der Vorgänger war von einem ausbrechenden Banditen erschossen worden. Der neue Sheriff hatte sich vorgenommen, daß er sein Amt überleben würde. An diesem heißen Sommermorgen saß er allein in seinem Büro, als ein hochgewachsener Mann die Tür aufstieß und hereintrat. Der Sheriff blickte in das sonnenbraune, schmallippige Gesicht, auf das Gewehr, das der Mann in der Armbeuge hielt. »Kann ich Ihnen helfen?« »Das können Sie.« Der Mann wandte sich um und ging auf die Straße zurück. Der Sheriff zögerte. Der Fremde gefiel ihm nicht. Er schnallte den Gürtel mit den beiden schweren Revolvern um und s ah nach, daß die Walzen geladen waren. Er trat auf die Straße hinaus und sah zwei staubige, abgetriebene Pferde vor dem Büro stehen. Sie hatten einen langen Weg hinter sich. Auf einem der Pferde waren zwei Männer festgebunden. Einer von ihnen war ein Mexikaner mit langem schwarzem Bart. Der andere war weißhäutig, mit schlohweißem Haar und ohne Wimpern und Brauen. Und mit
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rosa Augen. Er saß rücklings auf dem Pferd und war mit dem anderen Rücken an Rücken gefesselt. Beide waren völlig erschöpft von dem Ritt. Und beide waren wütend. Der Sheriff starrte die beiden Männer an. Er erkannte die Gesichter von den Steckbriefen, die in seinem Büro hingen. Er blickte den Kopfgeldjäger ungläubig an. »Wer sind Sie?« Der Mann sagte: »Kopfgeldjäger. Helfen Sie mir, diese beiden Lieblinge loszuwerden. Ich habe die Nase voll von ihnen.« Tuco stieß eine Serie von Flüchen aus. Der Sheriff war ein harter Mann. Aber Flüche wie diese hatte er noch nie gehört. Zusammen mit dem Kopfgeldjäger half er den beiden Gefangenen vom Pferd, brachte sie in die einzige Zelle und ging in sein Büro zurück. »Der eine ist Pinky Roebeck«, sagte der Kopfgeldjäger. »Und Tuco Ramirez«, nickte der Sheriff. »Wo haben Sie die erwischt?« Eine Kiste Zigarren stand auf dem Schreibtisch. Der Kopfgeldjäger nahm sich eine heraus. Seit drei Wochen hatte er nicht mehr geraucht. »Im Süden.« »In Mexiko? — Wissen Sie nicht, daß es verboten ist, Leute über die Grenze zu bringen?« Der andere steckte sich eine Zigarre an. »Das geht Sie doch nichts an. Sie brauchen sich nicht darum zu kümmern, wo ich die Leute herhole. Ihr Job ist nur, mir die Belohnung auszuzahlen. Siebentausendfünfhundert für den Albino, und dreitausend für den Mexikaner. Also bitte.« Der Sheriff blickte in das hagere sonnenbraune Gesicht. Er blickte in die harten Augen, auf den schmallippigen Mund. Er wandte sich um, schloß den Safe auf und holte die eiserne Geldkassette heraus. Er mochte Kopfgeldjäger nicht, aber irgend etwas warnte ihn, sich mit diesem Mann anzulegen. Er zählte das Geld auf den Tisch. Dann zog er ein Formular aus der Schublade und begann es auszufüllen. »Wie ist Ihr Name?« »Kein Name.« Der Sheriff preßte die Lippen zusammen. Er hatte von dem 128
Mann-Ohne-Namen gehört. Und nie erwartet, ihm einmal zu begegnen. Und er hoffte, daß es bei diesem einen Mal bleiben würde. Der Kopfgeldjäger zählte das Geld langsam und sehr gründlich, als ob er dem Sheriff nicht traute. Es stimmte. Er faltete die Geldscheine zusammen und steckte sie in die Tasche. Er wandte sich um und musterte die Steckbriefe, die an der Wand hingen. Im Augenblick interessierte ihn keiner davon. Auf keinen der Männer waren mehr als tausend Dollar ausgesetzt. Er verabschiedete sich nicht. Wortlos ging er hinaus und schloß die Tür leise hinter sich. Der Sheriff starrte ihm nach, als ob er nur ein böser Traum gewesen wäre. Der Mann-Ohne-Namen stieg auf sein Pferd und ritt zum Mietstall. Dort tauschte er die beiden abgetriebenen Tiere gegen zwei frische Pferde und zwei Tragtiere. Er hielt sich nicht auf. Er vertraute de Cabronet. Trotzdem, die Beinwunde konnte rasch verheilen, und vielleicht fand der Franzose ein Pferd, das er übersehen hatte. Eine Viertelmillion Dollar in Gold konnte auch den ehrlichsten Menschen korrumpieren. Er ritt auf die Grenze zu. Er hatte sie fast erreicht, als er sich plötzlich umwandte und zurückritt. Er lenkte sein Pferd in die Seitengasse, auf die das Zellenfenster des Gefängnisses führte. Er schlang das Lasso um den mittleren Gitterstab, trieb sein Pferd an und riß das Gitter los, aber nicht ganz heraus. Dann rollte er sein Lasso zusammen und ritt im Galopp auf die Grenze zu. Es war eigentlich albern, was er getan hatte. Aber eine Welt ohne Tuco war ziemlich langweilig.
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