Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital: Auswahlprozess und -kriterien der Finanzintermediare

Peter Heister Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital

GABLER RESEARCH Entrepreneurial and Financial Studies Herausgeber: Professor Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner und Professor Dr. Christoph Kaserer

Die Schriftenreihe präsentiert aktuelle Forschungsergebnisse aus dem Gebiet der Entrepreneurial und Corporate Finance. Sie greift an der Schnittstelle von Wissenschaft und Praxis innovative Fragestellungen der Unternehmensfinanzierung auf. This series presents research results from the fields of entrepreneurial and corporate finance. Its focus lies on innovative research topics at the interface of science and practice.

Peter Heister

Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital Auswahlprozess und -kriterien der Finanzintermediäre Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner

RESEARCH

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Dissertation Technische Universität München, 2010

Die Reihe erschien von 2003 bis 2007 im Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner. 1. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Stefanie Brich | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-2641-8

Geleitwort Social Entrepreneurship – Unternehmertum zur Lösung gesellschaftlicher Probleme – sowie Venture Philanthropy und Social Venture Capital, die Pendants zu Social Entrepreneurship auf der Finanzierungsseite, werden mittlerweile als eigenständige Phänomene wahrgenommen. Die Annahme, dass generell Investoren, Finanzintermediäre und Unternehmer primär ihren finanziellen Gewinn im Blick haben, muss dafür aufgegeben werden. Vielmehr existieren Akteure, die ihr Kapital und ihre unternehmerischen Fähigkeiten nutzen, um der Gesellschaft zu dienen. Die vorliegende Arbeit ist die erste umfangreiche deutschsprachige Untersuchung des Verhältnisses zwischen Social Entrepreneurship und Venture Philanthropy bzw. Social Venture Capital aus der Perspektive der finanzierenden Gesellschaften. Im Fokus steht die Frage, wie Venture-Philanthropy- und Social-Venture-Capital-Gesellschaften ihre Portfoliounternehmen auswählen. Mit der Definition von Social Entrepreneurship, die direkt auf die Definition von Venture Philanthropy und Social Venture Capital abstrahlt, setzen sich viele Wissenschaftler auseinander, ohne dass es ihnen bisher gelungen ist, eine allseits akzeptierte, befriedigende Definition zu liefern. Der in dieser Arbeit verfolgte Ansatz, die Definition in der Wohlfahrtstheorie zu verankern und somit theoretisch herzuleiten, ist vielversprechend und führt zu einer notwendigen Strukturierung der Definitionsdebatte und zu einer klareren Abgrenzung verschiedener unternehmerischer Aktivitäten. Umfangreich werden in der Arbeit der Auswahlprozess und die Auswahlkriterien vor allem empirisch, aber auch theoretisch untersucht. Die Analyse bringt teils erstaunliche Ergebnisse hervor, beispielsweise, dass es fast aussichtslos war, sich direkt bei einer der Fallstudien zu bewerben. Die Arbeit bietet vielfältige Einblicke in den Auswahlprozess mit Praxisrelevanz für alle Stakeholder. Besonders bedeutend für Social Entrepreneurs und ihre Organisationen sind die Auswahlkriterien, die erhoben, inhaltlich dargelegt und analysiert werden. Um sie zu identifizieren, bedient sich die Arbeit einer innovativen Methode, die die meisten typischen Probleme der geläufigen Untersuchungsmethoden – vor allem Interviews, Fragebögen und Experimente – behebt. Die Modelle der Kriterienzusammenhänge

VI *HOHLWZRUW bieten nicht nur Social Entrepreneurs, sondern auch Venture-Philanthropy- und SocialVenture-Capital-Gesellschaften neue Einblicke. Der Social-Entrepreneurship-Sektor und die dazu zählenden Finanzintermediäre werden nach meiner Überzeugung in den nächsten Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Die vorliegende Arbeit bietet ein breites Fundament an Erkenntnissen und neuen Fragestellungen, auf dem Wissenschaftler aufbauen können, um durch weitere Forschung diese Entwicklung zu unterstützen. Daher bin ich davon überzeugt, dass diese Arbeit einen wertvollen Beitrag für die Weiterentwicklung des Sektors leistet und wünsche ihr sowohl in der Wissenschaft als auch Praxis Erfolg und Anerkennung.

München, im August 2010 Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand zu einem wesentlichen Teil während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am KfW-Stiftungslehrstuhl für Entrepreneurial Finance und am Center for Entrepreneurial and Financial Studies (CEFS) an der Technischen Universität München. Zahlreiche Personen haben mich während der Zeit unterstützt. Bei ihnen möchte ich mich ganz herzlich bedanken: Ein großer Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Dr. Ann-Kristin Achleitner. Sie hat zu einem Zeitpunkt die Bedeutung des Themas Social Entrepreneurship und damit zusammenhängend Venture Philanthropy und Social Venture Capital erkannt, als man noch jedes Gespräch mit einer grundlegenden Erläuterung beginnen musste, weil die Thematik unbekannt war. Nicht zuletzt dank ihres Engagements stößt Social Entrepreneurship heute in Deutschland auf großes Interesse, sowohl in der Praxis als auch in der Wissenschaft. Es ist der Überzeugung und dem Zuspruch meiner Doktormutter zu verdanken, dass diese Arbeit entstanden ist. Ich möchte mich auch für das Vertrauen bedanken, das sie mir zu jeder Zeit entgegenbrachte. Ihre positive, fröhliche, von Vertrauen getragene Art der Zusammenarbeit ist mir ein großes Vorbild. Ihr ist es gelungen ein unvergleichliches Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem trotz des fachlichen Anspruchs immer die einzelne Person im Vordergrund steht. Bedanken möchte ich mich auch bei Prof. Dr. h.c. mult. Horst Wildemann für seine Bereitschaft, das Zweitgutachten dieser Arbeit zu übernehmen, und bei Herrn Prof. Dr. Martin Moog für die Übernahme des Vorsitzes der Prüfungskommission. Die empirischen Untersuchungen der Arbeit wären nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung von Ashoka und BonVenture. Die Untersuchung dieser beiden Gesellschaften war alternativlos, weil sie anfangs die beiden einzigen Gesellschaften waren, die die Voraussetzungen für die Aufnahme in die empirische Untersuchung erfüllten. Stellvertretend für alle Mitarbeiter der beiden Gesellschaften möchte ich mich ganz besonders bei Frau Konstanze Frischen und Herrn Dr. Erwin Stahl für die freundliche und äußerst hilfsbereite Unterstützung bedanken. Durch die Begeisterung für ihre Tätigkeit und die Überzeugung, die sie ausstrahlen, haben sie stets auch zu meiner Motivation beigetragen.

VIII 9RUZRUW Die Zeit am Lehrstuhl wird eine unvergessene bleiben, auch und ganz besonders wegen der Personen, die ich als Kollegen kennen gelernt und viele heute als Freunde bezeichnen kann. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, dass man sich jeden Morgen auf den kommenden Tag freuen konnte. Es war ein Privileg, mit ihnen zusammenarbeiten zu dürfen, denn anregende, fröhliche, spaßige und in jeder weiteren Hinsicht positive Gespräche ergaben sich jeden Tag. Ein besonderer Dank gilt Wolfgang Spiess-Knafl, der in der Endphase durch kritisches Feedback viele hilfreiche Gedankenanregungen gab und durch sein Korrekturlesen zum Feinschliff beigetragen hat. Barbara Roder war lange Zeit die einzige, die sich mit einem verwandten Thema beschäftigt hat, daher war der Austausch mit ihr nicht nur freundschaftlich, sondern auch fachlich immer inspirierend. Zur guten Stimmung am Lehrstuhl hat auch Monika Paul ganz wesentlich beigetragen. Sie ist die gute Seele des Lehrstuhls, die mir mit ihrer Herzensbildung ein großes Vorbild ist. Von einem Dissertationsprojekt ist immer auch das persönliche Umfeld und neben Freunden vor allem die Familie betroffen. Unorthodoxe Arbeitszeiten, Höhen, Tiefen und Gedankenabwesenheit sind nur einige der Schlagwörter, die beschreiben, inwiefern ein Dissertationsprojekt auch Auswirkungen auf die Familie hat. Kaum denkbar wäre das Gelingen der Arbeit ohne ihr Zuhören, Hinweisgeben, Korrekturlesen und ihre gesamte Unterstützung. Mein abschließender, ganz besonderer Dank gilt daher meiner Familie. München, im August 2010 Peter Heister

Inhaltsübersicht 1 Einleitung .....................................................................................................................1 2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen ................................................17 3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur........................................................101 4 Fallstudien ................................................................................................................187 5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen.............................................281 6 Schlussbetrachtung ...................................................................................................353 Anhang .........................................................................................................................369 Literaturverzeichnis .....................................................................................................375

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ............................................................................................XIX Tabellenverzeichnis.................................................................................................XXI Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................XXIII 1 Einleitung ....................................................................................................................1 1.1 Relevanz der Untersuchung ...................................................................................1 1.2 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit .........................................................9 1.3 Aufbau der Arbeit ................................................................................................13 2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen ...........................................17 2.1 Einführende Bemerkungen ..................................................................................17 2.2 Non-Profit-Sektor als Rahmen der untersuchten Institutionen ............................18 2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship ....................................20 2.3.1 Forschungsstand.......................................................................................20 2.3.2 Herleitung der wesentlichen Abgrenzungselemente................................26 2.3.2.1 Nutzentheorie und Wohlfahrtsökonomie ...................................26 2.3.2.2 Abgrenzung der verschiedenen Renditen...................................30 2.3.2.3 Verhältnis privater zu sozialer Rendite ......................................33 2.3.2.4 Ex-ante- versus Ex-post-Betrachtung.........................................34 2.3.3 Modell zur Abgrenzung von Social und Business Entrepreneurship ......35 2.3.3.1 Herleitung des Modells ..............................................................35 2.3.3.2 Anwendung, Diskussion und Implikationen des Modells..........41 2.3.3.3 Messung der sozialen Rendite ....................................................45 2.3.3.4 Risiko..........................................................................................47 2.4 Venture Capital ....................................................................................................48 2.4.1 Definition .................................................................................................48 2.4.2 Typologie .................................................................................................53 2.4.2.1 Finanzierungsphasen ..................................................................53 2.4.2.2 Formell versus informell ............................................................54 2.4.2.3 Gründer und Investor..................................................................55 2.4.2.4 Finanziell versus förderorientiert ...............................................57 2.4.2.5 Privat versus öffentlich...............................................................58

XII

Inhaltsverzeichnis 2.4.3 Strukturelle Eigenschaften .......................................................................59 2.4.4 Business Ventures als Investitionsobjekt.................................................64

2.5 Stiftungen .............................................................................................................65 2.5.1 Definition .................................................................................................65 2.5.2 Typologie .................................................................................................67 2.5.2.1 Überblick und Problematik einer Stiftungstypologie .................67 2.5.2.2 Stiftungsfunktion ........................................................................68 2.5.2.3 Gründer und Investor..................................................................70 2.5.2.4 Leistungserbringung ...................................................................72 2.5.2.5 Leistungswirkung .......................................................................73 2.5.3 Strukturelle Eigenschaften .......................................................................76 2.5.4 Operative Non-Profit-Organisationen als Investitionsobjekt...................79 2.6 Venture Philanthropy ...........................................................................................81 2.6.1 Definition .................................................................................................81 2.6.2 Typologie .................................................................................................86 2.6.2.1 Überblick ....................................................................................86 2.6.2.2 Rendite und Risiko .....................................................................87 2.6.2.3 Finanzierungsphasen ..................................................................88 2.6.2.4 Formell versus informell ............................................................90 2.6.2.5 Gründer und Investor..................................................................90 2.6.2.6 Leistungserbringung und Leistungswirkung ..............................92 2.6.2.7 Privat versus öffentlich...............................................................92 2.6.3 Strukturelle Eigenschaften .......................................................................93 2.6.4 Social und Business Ventures als Investitionsobjekt...............................95 2.7 Zwischenfazit .......................................................................................................97 3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur .................................................101 3.1 Einführende Bemerkungen ................................................................................101 3.2 Theoretische Sicht..............................................................................................102 3.2.1 Transaktionskostentheorie .....................................................................102 3.2.2 Principal-Agent-Theorie ........................................................................107 3.2.2.1 Probleme...................................................................................107 3.2.2.2 Lösungsansätze.........................................................................113

Inhaltsverzeichnis

XIII

3.2.3 Stewardship-Theorie ..............................................................................116 3.2.4 Psychologische Theorien .......................................................................117 3.3 Empirische Venture-Capital-Studien .................................................................121 3.3.1 Auswahlprozess .....................................................................................121 3.3.1.1 Überblick über den Auswahlprozess........................................121 3.3.1.2 Deal Origination .......................................................................122 3.3.1.3 Screening ..................................................................................126 3.3.1.4 Due Diligence...........................................................................130 3.3.1.5 Strukturierung...........................................................................136 3.3.2 Auswahlkriterien....................................................................................138 3.3.2.1 Gesellschaftsspezifische Kriterien ...........................................139 3.3.2.2 Generische Kriterien.................................................................143 3.3.2.2.1 Überblick über die Studien ..............................................143 3.3.2.2.2 Deskriptive Studien .........................................................149 3.3.2.2.3 Deskriptive Studien mit Vergleichsgruppen....................154 3.3.2.2.4 Multivariate Studien auf Basis traditioneller Datensätze 160 3.3.2.2.5 Multivariate Studien auf Basis der Conjoint-Methode ....163 3.3.2.2.6 Psychologische Studien ...................................................166 3.3.2.2.7 Managementstudien .........................................................170 3.4 Empirische Stiftungs- und Venture-Philanthropy-Studien ................................176 3.4.1 Auswahlprozess .....................................................................................176 3.4.2 Auswahlkriterien....................................................................................179 3.5 Zwischenfazit.....................................................................................................183 4 Fallstudien ...............................................................................................................187 4.1 Einführende Anmerkungen................................................................................187 4.2 Empirisches Untersuchungsdesign ....................................................................189 4.2.1 Fallstudienmethodik...............................................................................189 4.2.1.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung....................................189 4.2.1.2 Begründung der Fallstudienmethodik ......................................192 4.2.1.3 Auswahl der Fallstudien ...........................................................194 4.2.2 Fallstudienelemente und Vorgehen........................................................199 4.2.2.1 Erhebung des Auswahlprozesses..............................................199

XIV

Inhaltsverzeichnis 4.2.2.2 Erhebung der Auswahlkriterien durch Beobachtungen............200 4.2.2.3 Quantitative Zusammenhänge ..................................................205 4.2.2.3.1 Auswahlstufe und Absagegründe ....................................205 4.2.2.3.2 Dealflow-Quellen und Absagegründe..............................208 4.2.2.3.3 Dealflow-Quellen und Finanzierungswahrscheinlichkeit209

4.3 Ashoka ...............................................................................................................210 4.3.1 Darstellung der Gesellschaft ..................................................................210 4.3.1.1 Historie und Ziele .....................................................................210 4.3.1.2 Organisation .............................................................................211 4.3.1.3 Refinanzierung und Portfolio ...................................................212 4.3.2 Auswahlprozess .....................................................................................214 4.3.2.1 Überblick über den Auswahlprozess ........................................214 4.3.2.2 Deal Origination .......................................................................215 4.3.2.3 Screening ..................................................................................216 4.3.2.4 Due Diligence ...........................................................................217 4.3.2.4.1 Erste Due-Diligence-Phase ..............................................217 4.3.2.4.2 Zweite und dritte Due-Diligence-Phase...........................219 4.3.2.5 Strukturierung...........................................................................221 4.3.3 Bedeutung der Auswahlkriterien ...........................................................223 4.3.3.1 Überblick ..................................................................................223 4.3.3.2 Neue Idee..................................................................................228 4.3.3.3 Unternehmerische Qualität .......................................................233 4.3.3.4 Social Impact ............................................................................237 4.3.3.5 Kreativität .................................................................................238 4.3.3.6 Integrität ...................................................................................239 4.3.3.7 Sonstige Kriterien.....................................................................239 4.3.4 Quantitative Zusammenhänge................................................................240 4.3.4.1 Datengrundlage.........................................................................240 4.3.4.2 Auswahlstufe und Absagegründe .............................................241 4.3.4.3 Dealflow-Quellen und Absagegründe ......................................243 4.3.4.4 Dealflow-Quellen und Finanzierungswahrscheinlichkeit ........244 4.4 BonVenture ........................................................................................................247

Inhaltsverzeichnis

XV

4.4.1 Darstellung der Gesellschaft ..................................................................247 4.4.1.1 Historie und Ziele .....................................................................247 4.4.1.2 Organisation .............................................................................248 4.4.1.3 Refinanzierung und Portfolio ...................................................251 4.4.2 Auswahlprozess .....................................................................................252 4.4.2.1 Überblick über den Auswahlprozess........................................252 4.4.2.2 Deal Origination .......................................................................253 4.4.2.3 Screening ..................................................................................254 4.4.2.4 Due Diligence...........................................................................255 4.4.2.5 Strukturierung...........................................................................257 4.4.3 Bedeutung der Auswahlkriterien ...........................................................258 4.4.3.1 Überblick ..................................................................................258 4.4.3.2 Produkt .....................................................................................262 4.4.3.3 Markt ........................................................................................265 4.4.3.4 Finanzen ...................................................................................266 4.4.3.5 Social Impact............................................................................267 4.4.3.6 Social Entrepreneur ..................................................................268 4.4.3.7 Sonstige Kriterien.....................................................................269 4.4.4 Quantitative Zusammenhänge ...............................................................269 4.4.4.1 Datengrundlage ........................................................................269 4.4.4.2 Auswahlstufe und Absagegründe.............................................270 4.4.4.3 Dealflow-Quellen und Absagegründe ......................................275 4.4.4.4 Dealflow-Quellen und Finanzierungswahrscheinlichkeit ........277 5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen ........................................281 5.1 Einführende Anmerkungen................................................................................281 5.2 Auswahlprozess .................................................................................................281 5.2.1 Prozessübergreifende Analyse ...............................................................281 5.2.1.1 Einfluss der Gründer und Investoren........................................281 5.2.1.1.1 Investoreninteressen und ihre Ressourcenbindung..........281 5.2.1.1.2 Mitspracherechte und Effizienz des Auswahlprozesses ..285 5.2.1.2 Einfluss der Rendite- und Risikoorientierung ..........................288 5.2.2 Deal Origination.....................................................................................293

XVI

Inhaltsverzeichnis 5.2.2.1 Dealflow allgemein ..................................................................293 5.2.2.2 Vermittler .................................................................................295 5.2.2.3 Dealflow-Quelle und Absagegründe ........................................299 5.2.3 Screening................................................................................................299 5.2.4 Due Diligence ........................................................................................300 5.2.4.1 Ablauf und Aktivitäten .............................................................300 5.2.4.2 Institutionenökonomische Sicht ...............................................304 5.2.4.3 Psychologische Sicht ................................................................306 5.2.5 Strukturierung ........................................................................................311 5.2.5.1 Überblick ..................................................................................311 5.2.5.2 Spenden ....................................................................................312 5.2.5.2.1 Stipendien ........................................................................312 5.2.5.2.2 Spenden an Organisationen..............................................316 5.2.5.3 Darlehen ...................................................................................319 5.2.5.4 Eigenkapital..............................................................................321

5.3 Auswahlkriterien................................................................................................323 5.3.1 Vergleich der Erhebungsmethoden und Überblick über Kriterien ........323 5.3.2 Einzelkriterien........................................................................................328 5.3.2.1 Konzept.....................................................................................328 5.3.2.2 Social Entrepreneur ..................................................................333 5.3.2.3 Markt ........................................................................................336 5.3.2.4 Soziale Rendite .........................................................................338 5.3.2.5 Finanzielles...............................................................................340 5.3.3 Kriterienhierarchie .................................................................................341 5.3.3.1 Überblick ..................................................................................341 5.3.3.2 Konzept.....................................................................................341 5.3.3.3 Social Entrepreneur ..................................................................345 5.3.3.4 Soziale Rendite .........................................................................349 5.3.3.5 Finanzielles...............................................................................351 6 Schlussbetrachtung.................................................................................................353 6.1 Zusammenfassung..............................................................................................353 6.2 Implikationen für die Praxis...............................................................................360

Inhaltsverzeichnis

XVII

6.2.1 Investoren...............................................................................................360 6.2.2 Venture-Philanthropy-Gesellschaften....................................................361 6.2.3 Social Entrepreneurs und Social Ventures.............................................364 6.3 Zukünftige Forschung........................................................................................365 Anhang ........................................................................................................................369 Literaturverzeichnis...................................................................................................375

Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Schematischer Aufbau der Arbeit ......................................................... 14 Abbildung 2: Darstellung der Nutzenfunktion ............................................................ 29 Abbildung 3: Abgrenzung von privat und sozial......................................................... 32 Abbildung 4: Modell zur Klassifizierung wirtschaftlicher Tätigkeiten....................... 37 Abbildung 5: Renditemöglichkeitskurven................................................................... 43 Abbildung 6: Abgrenzung der Begriffe Private Equity, Venture Capital und Buy-out .................................................................................................. 49 Abbildung 7: Formen der Deal Origination............................................................... 123 Abbildung 8: Anteile am Dealflow und Erfolgsquoten einzelner DealflowQuellen ................................................................................................ 126 Abbildung 9: Private und soziale Renditeziele der Fallstudien................................. 198 Abbildung 10: Ashokas Auswahlprozess .................................................................... 215 Abbildung 11: Untergliederung der Auswahlkriterien in markt-, konzept- und personenbezogene Kriterien ................................................................ 225 Abbildung 12: Organisationsstruktur der BonVenture-Gruppe .................................. 249 Abbildung 13: BonVentures Auswahlprozess............................................................. 252 Abbildung 14: Dealflow-Quellen von Venture-Philanthropy-Gesellschaften ............ 296 Abbildung 15: Anteil der Kriterien an der Gesamtdiskussion..................................... 325 Abbildung 16: Wirkung der Unterkriterien zweiter Ebene auf das Unterkriterium erster Ebene “Systemveränderung“..................................................... 343 Abbildung 17: Wirkung der Unterkriterien erster Ebene auf das Kriterium „Konzept“ ............................................................................................ 344 Abbildung 18: Wirkung der Unterkriterien auf das Kriterium „Social Entrepreneur“ ...................................................................................... 348 Abbildung 19: Wirkung der Unterkriterien auf das Kriterium „Soziale Rendite“ ...... 349 Abbildung 20: Überprüfung des Finanzkriteriums...................................................... 352

Tabellenverzeichnis Tabelle 1:

Klassifizierung von Handlungsergebnissen anhand der Dimensionen finanziell – nichtfinanziell, sozial – privat...................... 33

Tabelle 2:

Einordnung verschiedener Finanzierungsansätze in die PrivatSoziale-Rendite-Risiko-Matrix.............................................................. 88

Tabelle 3:

Gründer-Investor-Matrix ....................................................................... 91

Tabelle 4:

Vergleich der Finanzierungsformen – strukturelle Merkmale des deutschen Marktes ................................................................................. 98

Tabelle 5:

Vergleich der Finanzierungsformen – strategische Merkmale.............. 99

Tabelle 6:

Vergleich der Finanzierungsformen – Typologie................................ 100

Tabelle 7:

Due-Diligence-Aktivitäten .................................................................. 132

Tabelle 8:

Literaturüberblick Bedeutung von Auswahlkriterien.......................... 144

Tabelle 9:

Gründe für die Ablehnung von Finanzierungsanfragen ...................... 156

Tabelle 10:

Einfluss von Teameigenschaften auf die Wahrscheinlichkeit einer Venture-Capital-Finanzierung und eines IPOs.................................... 174

Tabelle 11:

Dealflow-Quellen von Venture-Philanthropy-Gesellschaften und deren Bedeutung.................................................................................. 178

Tabelle 12:

Bedeutung von Auswahlkriterien für Venture-PhilanthropyGesellschaften...................................................................................... 181

Tabelle 13:

Forschungsgegenstände und Untersuchungsmethoden ....................... 188

Tabelle 14:

Bedeutung verschiedener wissenschaftlicher Zeitschriften für die Venture-Capital-Forschung ................................................................. 190

Tabelle 15:

Strukturmerkmale der Fallstudien ....................................................... 196

Tabelle 16:

Strategische Merkmale der Fallstudien ............................................... 197

Tabelle 17:

Überblick über die Kriteriendiskussion nach Kandidaten................... 226

Tabelle 18:

Anteil der Kriterien an der Diskussion................................................ 227

Tabelle 19:

Lagemaße und Streuung der pro Kandidat und Kriterium codierten Wörter.................................................................................. 228

XXII

Tabellenverzeichnis

Tabelle 20:

Diskussion der gesellschaftlichen Probleme ....................................... 232

Tabelle 21:

Häufigkeit der Absagegründe.............................................................. 242

Tabelle 22:

Zusammenhang zwischen Absagegründen und Auswahlprozess ...... 243

Tabelle 23:

Zusammenhang zwischen Absagegründen und Herkunft der Finanzierungsanfrage........................................................................... 244

Tabelle 24:

Zusammenhang zwischen Herkunft und erreichter Auswahlstufe ..... 245

Tabelle 25:

Qualitätsunterschiede zwischen Vermittlertypen ................................ 246

Tabelle 26:

Überblick über die Kriteriendiskussion nach Kandidaten................... 260

Tabelle 27:

Anteil der Kriterien an der Diskussion ................................................ 261

Tabelle 28:

Lagemaße und Streuung der pro Kandidat und Kriterium codierten Wörter .................................................................................. 262

Tabelle 29:

Diskussion der gesellschaftlichen Probleme ....................................... 265

Tabelle 30:

Häufigkeit der Absagegründe.............................................................. 271

Tabelle 31:

Häufigkeit der Absagegründe mit zusammengefasssten Ausschlusskriterien.............................................................................. 272

Tabelle 32:

Zusammenhang zwischen Absagegründen und Auswahlprozess ....... 273

Tabelle 33:

Zusammenhang zwischen Absagegründen und Herkunft der Finanzierungsanfrage........................................................................... 276

Tabelle 34:

Zusammenhang zwischen Herkunft und erreichter Auswahlstufe ...... 278

Tabelle 35:

Qualitätsunterschiede zwischen Vermittlertypen ................................ 279

Tabelle 36:

Qualitätsunterschiede zwischen Vermittlern ....................................... 298

Tabelle 37:

Anteil der Kriterien an Diskussionen und Anfragen ........................... 324

Tabelle 38:

Vergleich Anteil der Kriterien an Diskussion und Anfragen .............. 326

Tabelle 39:

Vergleich der Kriterienbedeutung nach Erhebungsmethode............... 327

Tabelle 40:

Mehrfachcodierungen und Überschneidungen bei Konzeptkriterien .................................................................................. 342

Tabelle 41:

Mehrfachcodierungen und Überschneidungen bei SocialEntrepreneur-Kriterien......................................................................... 345

Abkürzungsverzeichnis BA

Business Angel

BE

Business Entrepreneur/Business Entrepreneurship

BP

Businessplan

BV

BonVenture

BVK

Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften

CSR

Corporate Social Responsibility

DD

Due Diligence

DZI

Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen

EK

Eigenkapital

EStG

Einkommensteuergesetz

EVPA

European Venture Philanthropy Association

FK

Fremdkapital

Fn.

Fußnote

ggf.

gegebenenfalls

IPO

Initial Public Offering (Börsengang)

IRR

Internal Rate of Return (interner Zinsfuß)

i.S.v.

im Sinne von

KPI

Key Performance Indicator

LOI

Letter of Intent

MBI

Management-Buy-in

MBO

Management-Buy-out

NGO

Non-Governmental Organization

o.J.

ohne Jahr

PA

Principal Agent

PEG

Private-Equity-Gesellschaft

PR

Public Relations

PU

Portfoliounternehmen

S.

Seite

SE

Social Entrepreneur/Social Entrepreneurship

SROI

Social Return on Investment

XXIV

Abkürzungsverzeichnis

SRS

Social Reporting Standard

SWOT

Strengths, Weaknesses, Opportunities and Threats

T.

Theorie

u.a.

unter anderem

USP

Unique Selling Point

VC

Venture Capital/Venture Capitalist

VCG

Venture-Capital-Gesellschaft

vgl.

vergleiche

vglw.

vergleichsweise

vs.

versus

z.B.

zum Beispiel

zw.

zwischen

1 Einleitung 1.1 Relevanz der Untersuchung Die Begriffe Social Entrepreneurship und Social Entrepreneur wurden Anfang der 80er Jahre von Bill Drayton, dem Gründer der Organisation Ashoka, geprägt.1 Social Entrepreneurs sind hinsichtlich vieler Eigenschaften mit klassischen Business Entrepreneurs vergleichbar. Indem sie als schöpferische Zerstörer neue, bessere Produkte und Dienstleistungen anbieten, tragen sie zu nachhaltigen Veränderungen bei.2 Der wesentliche Unterschied zwischen klassischen Business Entrepreneurs und Social Entrepreneurs ist jedoch das Ziel ihrer Tätigkeit. Social Entrepreneurs arbeiten an der Lösung gesellschaftlicher Probleme; ihr Ziel ist gesellschaftlicher Wandel und gesellschaftlicher Wert. Gemessen wird der gesellschaftliche Wandel anhand der gesellschaftlichen Rendite, die sich aus der sozialen und der privaten Rendite zusammensetzt. Die private wird meist als finanzielle Rendite bezeichnet. Das Erwirtschaften einer finanziellen Rendite kann dabei, muss aber nicht Bestandteil der Arbeit von Social Entrepreneurs sein. In jedem Fall ist es weder das alleinige noch das primäre Ziel. Ein weltbekanntes Beispiel eines Social Entrepreneurs ist Muhammad Yunus, der Friedensnobelpreisträger des Jahres 2006. Mithilfe der von ihm gegründeten Grameen Bank verbreitet sich das Konzept der Mikrokredite über den Globus und ermöglicht Menschen, sich aus der Armut zu befreien.3 Als Konsequenz der Ausrichtung auf gesellschaftlichen Wandel werden mit SocialEntrepreneurship-Aktivitäten keine marktüblichen finanziellen Renditen erzielt. Wäre dies möglich, dann wäre vermutlich schon ein klassischer Business Entrepreneur in diesem Bereich tätig geworden.4 Da die Nutznießer der Aktivitäten von Social Entrepreneurs die erbrachten Leistungen häufig nicht bezahlen können, generieren einige

1

Vgl. Frischen (2007), S. 153; Light (2009), S. 21.

2

Vgl. Schumpeter (1950), S. 138, der vom „Prozess der ‚schöpferischen Zerstörung’“ spricht.

3

Vgl. für eine ausführliche Darstellung der Tätigkeiten von Yunus und der Grameen Bank Bornstein (1997).

4

Die Arbeit folgt einigen Beiträgen in der Literatur, die den Ausdruck Business Entrepreneurship als das Pendant zu Social Entrepreneurship verwendet; vgl. Ashoka (2007), S. 3; Sen (2007), S. 536; Zahra et al. (2009), S. 529; Roder (in Druck).

P. Heister, Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6309-3_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

1 Einleitung

2

Social Entrepreneurs nicht einmal Einnahmen zur Deckung ihrer Kosten.5 Die Bandbreite der Aktivitäten reicht von solchen mit keinerlei Einkommensgenerierung bis hin zu einem knapp unter dem Marktniveau liegenden Einkommen. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Finanzierungsformen von Spenden bis hin zu Eigenkapital und Fremdkapital mit einem Verzinsungsanspruch knapp unterhalb des Marktniveaus. Klassische externe Kapitalgeber wie Banken oder Beteiligungsgesellschaften kommen dafür nicht in Frage, da die Rendite regelmäßig zu niedrig ist und keine Sicherheiten gestellt werden können. Social Entrepreneurs und ihre Organisationen, die Social Ventures, sind daher auf Kapital angewiesen, das nicht zu marktüblichen Konditionen verzinst werden muss.6 Prominente Beispiele von Social Entrepreneurs gibt es nicht erst seit den 80er Jahren. Friedrich Wilhelm Raiffeisen und Maria Montessori sind frühe Beispiele für Social Entrepreneurs.7 Doch erst seit in den 80er Jahren der Begriff Social Entrepreneur für diese Unternehmer verwendet wird, werden sie als eigenständiges Phänomen wahrgenommen. Hinzu kommt, dass die Bedeutung von Social Entrepreneurship stark zunimmt.8 Wissenschaftliches Interesse für dieses Gebiet kam in den 90er Jahren auf und führte Ende der 90er Jahre zu den ersten (semi-)wissenschaftlichen Publikationen.9 Wie Social Entrepreneurship die Übertragung klassischer Business Entrepreneurship in den Non-Profit-Sektor ist, so setzte in der zweiten Hälfte der 90er Jahre auf der Finanzierungsseite eine analoge Entwicklung ein. Der Venture-Capital-Ansatz wurde auf den Non-Profit-Sektor übertragen. Viele Protagonisten dieser Entwicklung waren erfolgreiche Venture-Capital- und Private-Equity-Geber sowie Unternehmer, die ein

5

Eine Mindermeinung in der Literatur vertritt die Auffassung, dass unternehmerisches Handeln immer Einkommensgenerierung beabsichtigen müsse; vgl. Boschee/McClurg (2003), S. 4ff.

6

Vgl. Morduch (1999), der für das oben bereits genannte Beispiel der Grameen Bank, gegründet von Muhammad Yunus, zeigt, dass solche Kapitalgeber benötigt wurden.

7

Vgl. Achleitner (2007), S. 57.

8

Vgl. Zietlow (2001), S. 19, 21ff.; Drayton (2002), S. 121ff.; Bornstein (2004), S. 3ff.; Drayton (2006), S. 83f.

9

Einige frühe Publikationen über Social Entrepreneurship sind: Leadbeater (1997), Emerson (1999), Fowler (2000), Dees (2001); Mort/Weerawardena/Carnegie (2003). Für eine Auflistung vor allem semi-wissenschaftlicher Publikationen bis 2000 vgl. Johnson (2000), S. 16. Einige einführende, frühe deutsche Beiträge sind Fueglistaller/Müller/Volery (2004); Achleitner (2007), Achleitner/Pöllath/Stahl (2007); Achleitner/Heister (2007); Achleitner et al. (2008).

1.1 Relevanz der Untersuchung

3

Venture-Capital-finanziertes Unternehmen führten.10 Ihr Ziel war es, ihre Erfahrungen aus dem For-Profit-Sektor für den Non-Profit-Sektor zu nutzen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten im privaten Bereich hauptsächlich Förderstiftungen die Aufgabe übernommen, innovative Projekte zu finanzieren, die auf gesellschaftlichen Wandel ausgerichtet waren.11 Die Übertragung des Venture-Capital-Ansatzes stellt einige Praktiken klassischer Förderstiftungen in Frage. Im Jahr 1997 wurde ein einflussreicher Artikel veröffentlicht, der die Übertragung des Venture-Capital-Ansatzes auf Förderstiftungen theoretisch begründet.12 Das Kernelement der in diesem Artikel vorgeschlagenen Strategie ist die Konzentration auf wenige Organisationen, die dafür aber über einen längeren Zeitraum und mit größeren Summen unterstützt werden sollten. Zusätzlich wird empfohlen, die gesamte Organisation und nicht nur Einzelprojekte der Organisation zu finanzieren. Weitere Anregungen gab der Artikel zu Erfolgsmessung, Ausstiegsplanung und Risikomanagement. Die auf diesen Ansätzen aufbauenden Finanzintermediäre bezeichnen sich meist als Social-Venture-Capital- oder als Venture-Philanthropy-Gesellschaften.13 Beide Gesellschaftsarten unterscheiden sich bezüglich der verwendeten Finanzierungsinstrumente. Social-Venture-CapitalGesellschaften finanzieren mit Eigenkapital und Krediten, Venture-PhilanthropyGesellschaften mit Spenden. Da beide Gesellschaftsarten viele Ähnlichkeiten haben, wird im Folgenden der Begriff Venture Philanthropy vereinfachend als Oberbegriff genutzt.14 In den speziellen Fällen, in denen sich eine Aussage nicht auf beide Ausprägungen bezieht, werden die Gesellschaften als Social-Venture-Capital-Gesellschaft

10

Vgl. Graduate School of Business Stanford University (1998), S. 6ff.; Tuan (1999), S. 2ff.; Community Wealth Ventures (2000), S. 7, 22f.; European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 23ff.

11

Stiftungen werden häufig unterteilt in Förderstiftungen und operative Stiftungen. Förderstiftungen werden selbst nicht operativ tätig. Sie finanzieren andere, operative Non-Profit-Organisationen und können ihre Ziele folglich nur mittelbar erreichen. Operative Stiftungen dagegen sind dem Namen entsprechend selbst operativ tätig und verfolgen unmittelbar gesellschaftliche Ziele. Auf die Unterteilung wird im Laufe der Arbeit noch genauer eingegangen.

12

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 37ff. Die Autoren beschreiben zwar den Ansatz, nutzen selbst den Ausdruck „Venture Philanthropy“ aber nicht.

13

Vgl. Tuan (1999), S. 2; European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 13.

14

Die Begriffe Venture Philanthropy und Social Venture Capital wurden bis heute noch nicht eindeutig voneinander abgegrenzt. Zum Teil wird in der Literatur zusäzlich auch der Begriff SocialVenture-Fund genutzt; vgl. Community Wealth Ventures (2000).

1 Einleitung

4

und Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaft bezeichnet, um sie voneinander abzugrenzen. Wenn in dieser Arbeit der Begriff Gesellschaft für eine Institution verwendet wird, dann immer als Kurzform für Venture-Philanthropy-Gesellschaft – in Anlehnung an Venture-Capital-Gesellschaften. Der Begriff Organisation wird ausschließlich für operative Organisationen verwendet, die sich z.B. als Portfolioorganisation einer Venture-Philanthropy-Gesellschaft eignen würden. Venture Philanthropy war Ende der 90er Jahre keineswegs neu.15 Ähnlich wie es bereits Social Entrepreneurs gab, bevor der Begriff verwendet wurde, gab es auch schon Venture Philanthropy, bevor der Begriff eingeführt wurde. Doch erst in den 90er Jahren wurde Venture Philanthropy als eine eigenständige Strategie wahrgenommen, die sich von anderen Arten der Finanzierung von Non-Profit-Organisationen abhebt. Das Ziel einer Venture-Philanthropy-Gesellschaft ist vergleichbar mit dem einer Venture-Capital-Gesellschaft: innovative Organisationen mit hohen Wachstumsaussichten zu identifizieren und zu finanzieren. Die wesentliche Besonderheit ist: Diese geförderten Organisationen müssen gesellschaftlichen Wandel hervorbringen. Aus Social Entrepreneurship und Venture Philanthropy ergibt sich somit eine natürliche Verbindung – die einen suchen, was die anderen bieten. Venture-Philanthropy-Gesellschaften stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. In Deutschland gab es zu Beginn der Untersuchung erst zwei Venture-PhilanthropyGesellschaften, die öffentlich in Erscheinung traten, explizit angaben, in Social Entrepreneurship zu investieren und bereits einige Jahre Erfahrung vorweisen konnten: zum einen die bereits angesprochene Organisation Ashoka, zum anderen die SocialVenture-Capital-Gesellschaft BonVenture, beide seit 2003 in Deutschland tätig.16 Daneben existierten möglicherweise weitere, die nicht öffentlich sichtbar waren. Wahrscheinlich verwendet eine Reihe von Förderstiftungen in Teilen VenturePhilanthropy-Ansätze, ohne sich selbst als Venture-Philanthropy-Gesellschaft zu bezeichnen. Angesichts der heterogenen Stiftungslandschaft in Deutschland ist die An-

15

Vgl. Venture Philanthropy Partners (2002), S. 13f.; John (2006), S. 4.

16

BonVenture war zu dem Zeitpunkt auch die einzige deutsche Gesellschaft, die Mitglieder der Branchenvereinigung European Venture Philanthropy Association (EVPA) war; vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2006). Häufig wird im Zusammenhang mit Ashoka und BonVenture auch die Schwab Foundation for Social Entrepreneurship, die seit 2005 in Deutschland aktiv ist, erwähnt. Sie zählt aber nicht zu den Venture-Philanthropy-Gesellschaften, da sie keine finanziellen Mittel vergibt, sondern einen Preis verleiht.

1.1 Relevanz der Untersuchung

5

zahl solcher Gesellschaften nicht zu beziffern. Die zunehmende Bedeutung dieses Ansatzes zeigt sich jedoch darin, dass noch während der Erstellung der Arbeit in Deutschland weitere Venture-Philanthropy-Gesellschaften gegründet wurden.17 Auch prominente Förderstiftungen wie die Vodafone Stiftung bekennen sich nun öffentlich zu einem Venture-Philanthropy-Ansatz.18 Wenngleich der Venture-Philanthropy-Markt anscheinend wächst, ist er, auch zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit, noch relativ klein.19 Nicht die Größe des Venture-Philanthropy-Sektors macht die vorliegende Untersuchung relevant, sondern das Potenzial dieser neuen Strategie zur Förderung gesellschaftlicher Aktivitäten in Deutschland. Denn der Venture-Philanthropy-Ansatz ist auch für viele der etwa 6.000 vom Maecenata Institut erfassten Förderstiftungen in Deutschland relevant, die pro Jahr etwa 2,5 Mrd. Euro investieren.20 Tatsächlich wird Venture Philanthropy in der Förderstiftungsszene in Publikationen, auf Konferenzen und in Gesprächskreisen zunehmend diskutiert. Selbst für operative Stiftungen stellt Venture Philanthropy eine Alternative dar. Vermutlich sind operative Stiftungen hauptsächlich operativ und nicht fördernd tätig, weil sie davon ausgehen, auf diese Weise den gesellschaftlichen Wandel effizienter und effektiver voranzutreiben. Möglicherweise können die operativen Stiftungen ihre Ziele aber besser erreichen, wenn sie die Finanzierung von der

17

Die Branchenvereinigung European Venture Philanthropy Association (EVPA) hat neben BonVenture zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit Anfang 2010 als weitere Mitglieder die Gesellschaften Auridis, Canopus und Stiftung Charité; vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2009). Eine weitere junge deutsche Venture-Philanthropy-Gesellschaft ist Social Venture Fund.

18

Vgl. Vodafone Stiftung Deutschland (2010).

19

Vgl. Fn. 17.

20

Da in der Datenbank nicht alle Stiftungen erfasst sind, liegt die tatsächliche Zahl vermutlich deutlich höher. Das Maecenata-Institut gibt an, dass im Jahr 2007 von insgesamt 12.370 erfassten Stiftungen 5.708 fördernd und 1.063 fördernd und operativ tätig sind; vgl. Sprengel/Ebermann (2007), S. 7. Der Bundesverband Deutscher Stiftungen gibt an, dass im Dezember 2009 in Deutschland 17.372 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts existieren; vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2010). Von den in der Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen erfassten Stiftungen geben 4.591 Stiftungen an, fördernd tätig zu sein. Diese Zahl bezieht sich aber nur auf die Stiftungen, zu denen entsprechende Informationen vorlagen. Die tatsächliche Anzahl liegt aufgrund der etwa 50%, die nicht an der Befragung teilgenommen haben, und weiteren Stiftungen, die keine Angaben gemacht haben, deutlich höher. Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 45, 108. Für Angaben zum Marktvolumen vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 32.

1 Einleitung

6

operativen Durchführung trennen, so wie es regelmäßig im For-Profit-Sektor der Fall ist. Zu vergleichen ist die vorliegende Arbeit mit den Venture-Capital-Untersuchungen, die in Deutschland in den 80er Jahren durchgeführt wurden.21 Der Venture-CapitalMarkt war zwar in Deutschland noch in der Entstehungsphase, hat sich seitdem aber dynamisch entwickelt. Venture Capital wird mittlerweile eine wichtige Rolle im Bezug auf Innovationen, Arbeitsplätze und Wirtschaftswachstum zugeschrieben.22 Venture-Capital-Gesellschaften werden daher politisch gefördert und unterstützt.23 Die hohe Bedeutung, die Venture Capital mit der Zeit gewonnen hat, rechtfertigt rückblickend frühe Arbeiten über ein zum Zeitpunkt der Untersuchung noch wenig beachtetes Phänomen. Eine Reihe von Indizien spricht auf der Angebotsseite dafür, dass Venture Philanthropy in Deutschland an Bedeutung zunehmen wird: Das Nettofinanzvermögen der Deutschen hat zwischen 1991 und 2007 um etwa 81%, also 3,7% p.a., zugenommen.24 Die Anzahl besonders wohlhabender Menschen steigt überproportional dazu25 und auch die Anzahl kinderloser Paare wächst.26 Darüber hinaus kommen Menschen heute früher in ihrem Leben zu Vermögen, zum einen weil Unternehmer bereits in jungen Jahren großen Wohlstand erreichen,27 zum anderen weil die Gründergeneration, die es teils zu erheblichem Reichtum gebracht hat, ihr Vermögen

21

Vgl. für zwei frühe Arbeiten zum Venture-Capital-Markt in Deutschland Wrede (1987); Hardenberg (1989).

22

Vgl. Mason/Harrison (1999), S. 1.

23

Vgl. European Venture Capital Association (EVCA) (2007); Börsenzeitung (2008); Achleitner et al. (2009), S. 443ff.

24

Vgl. Deutsche Bundesbank (2008), S. 21. Geschätzt wird, dass das Nettofinanzvermögen der privaten Haushalte, inklusive Non-Profit-Dienstleistern, zwischen 1991 und 2007 von 1.667 Mrd. Euro auf 3.017 Mrd. Euro gestiegen ist. Nicht enthalten ist in diesen Schätzungen das Sachvermögen, z.B. Wohnimmobilien, Autos, Kunst und andere langlebige Konsumgüter. Das Sachvermögen belief sich im Jahr 2007 auf geschätzte weitere 4.857 Mrd. Euro; vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung (2009a).

25

Fulton/Blau (2005), S. 14 zeigen dies für die USA.

26

Vgl. Kocka (2004), S. 7.

27

Vgl. Anheier/Leat (2006), S. 21.

1.1 Relevanz der Untersuchung

7

vererbt.28 Viele junge wohlhabende Menschen zeigen ein deutliches Interesse daran, aktiv Soziales zu gestalten.29 All diese angebotsseitigen Veränderungen drücken sich z.B. in der steigenden Anzahl von Stiftungsgründungen aus.30 Zuletzt kann auch eine positive Einstellung der Politik gegenüber bürgerschaftlichem Engagement und Spenden festgestellt werden, die sich in entsprechenden Gesetzesänderungen zeigt. Neben diesen, die Angebotsseite betreffenden Argumenten kann auch die Nachfrageseite Anhaltspunkte für eine steigende Relevanz von Venture Philanthropy liefern. Die Bedeutung des Non-Profit-Sektors hat in Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten stark zugenommen.31 Die Beschäftigung in diesem Sektor stieg in Deutschland zwischen 1997 und 2005 um 16%, während die gesamte Beschäftigung in diesem Zeitraum nur um 4% zunahm.32 Insgesamt waren 2005 neun Mio. Erwerbstätige im Non-Profit-Sektor beschäftigt, 23% der Gesamtbeschäftigten. Sie erwirtschafteten 11,5% der gesamten Wirtschaftsleistung in Deutschland.33 Nach der OECD-Statistik stiegen die staatlichen Sozialausgaben zwischen 1995 und 2005 nominal etwa um 2% pro Jahr und lagen konstant bei etwa 26,5% des Bruttosozialproduktes.34 Der Anteil der Sozialausgaben am Staatshaushalt stieg zwischen 1995 und 2005 sogar von 48,4%

28

Die Vererbung von Vermögen ist ein häufiger Anlass für eine Stiftungsgründung; vgl. Timmer (2005), S. 35ff.

29

Vgl. Economist (2006), S. 3.

30

Vgl. Sprengel/Ebermann (2007), S. 95ff.; Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008a), S. 11. Vgl. Fulton/Blau (2005), S. 14 für Zahlen zu den USA.

31

Vgl. Anheier (1998), S. 45f. Die Daten wurden im Rahmen des renomierten und weltweit einzigartigen Johns Hopkins Comparative Non-Profit Sector Projects im Jahr 1995erhoben, wobei die Daten teils auf fortgeschriebenen Zahlen aus dem Jahr 1986 beruhen; vgl. Spengler (2009), S. 6. Jüngere, vergleichbar umfassende Daten zum deutschen Non-Profit-Sektor existieren nicht.

32

Vgl. Kowalski (2006).

33

Vgl. Kowalski (2006). Für das Jahr 1990 findet Anheier (1998), S. 33f. im Rahmen des Johns Hopkins Comparative Non-Profit Sector Projects deutlich niedrigere Zahlen: eine Millionen Vollzeitstellen, dies entsprach 3,7% der volkswirtschaftlichen Gesamtbeschäftigung. Die Zahlen suggerieren ein extremes Wachstum zwischen 1990 und 1997. Aufgrund fehlender einheitlicher Definitionen können beide Zahlen jedoch nicht verglichen werden. Auch Vereine, die nicht zu den klassischen Bereichen des deutschen Non-Profit-Sektors zählen und kaum Angestellte haben, haben in den letzten Jahren ein enormes Wachstum erfahren. Ihre Anzahl ist von 160 Vereinen im Jahr 1960 auf 677 Vereine pro 100.000 Einwohner im Jahr 2008 stark gestiegen; vgl. Anheier (1998), S. 33; Franzen/Botzen (2009), S. 55. Vgl. zur internationalen, explosionsartigen Entwicklung von Non-Profit-Organisationen Bornstein (2004), S. 3f.

34

Vgl. OECD (o.J.-b).

1 Einleitung

8

auf 57,2%.35 1990 lag dieser Anteil noch bei 22%.36 Auch wenn der Sprung von 1990 bis 1995 sicher durch die Wiedervereinigung beeinflusst wurde und mitunter auch statistische Effekte dazu beigetragen haben, zeigen die Zahlen dennoch grundsätzlich, dass die Ausgaben für Soziales einen deutlich wachsenden Anteil an den Staatsausgaben ausmachen.37 Das Wachstum des Non-Profit-Sektors kann aus zwei Gründen für die vermutete Bedeutungszunahme von Venture Philanthropy angeführt werden. Einerseits kann argumentiert werden, dass das schiere Wachstum des Sektors auch zu einer Steigerung der Kapitalnachfrage führen wird. Andererseits kann die Argumentation verfolgt werden, dass Venture Philanthropy im Gegenteil dazu benötigt wird, das Wachstum von Teilen des Non-Profit-Sektors und der staatlichen Sozialausgaben zu reduzieren. Venture Philanthropy kann dazu beitragen, die Effizienz und Effektivität der Bekämpfung gesellschaftlicher Probleme zu erhöhen. Wichtig ist festzuhalten, dass diese Argumentation nicht das Ziel verfolgt, den Staat aus seiner sozialen Verantwortung zu entlassen. Vielmehr ist Venture Philanthropy eine komplementäre Form, gesellschaftsrelevante Vorhaben zu finanzieren. Im Gegensatz zum Staat haben VenturePhilanthropy-Gesellschaften die Möglichkeit, in einer riskanten Phase in soziale Innovationen zu investieren, ähnlich wie Venture-Capital-Gesellschaften das bei jungen, innovativen Unternehmen tun. Aus diesen Investitionen überlebt nur ein Teil, der sich großflächig durchsetzt. Die langfristige Finanzierung dieser am Markt entstandenen und in ihrer Wirksamkeit bewährten Innovationen könnte dann wiederum eine Aufgabe des Staates sein. Die bisherige Forschung über Non-Profit-Finanzintermediäre, darunter fast ausschließlich Förderstiftungen, ist stark soziologisch, rechtlich und historisch geprägt.38 Explizit betriebswirtschaftliche Untersuchungen sind international und speziell in Deutschland

35

Vgl. OECD (o.J.-b). Für einen Überblick über die verschiedenen staatlichen Sozialleistungen und eine europaweite Übersicht vgl. European Commission (2007).

36

Vgl. OECD (o.J.-b); OECD (o.J.-a).

37

Dies ist in der Grundtendenz auch in anderen OECD-Ländern zu beobachten; vgl. OECD (o.J.-b)

38

Zum Beispiel ist Helmut Anheier, einer der bekannteste Stiftungsforscher, Soziologe; vgl. Anheier/Toepler (1999b); Anheier (2001); Anheier/Leat (2006); Anheier/Daly (2007).

1.2 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

9

rar.39 Insofern verwundert es nicht, dass auch die Venture-Philanthropy-Forschung sich noch ganz am Anfang befindet und bisher nur einige wenige wissenschaftliche Arbeiten publiziert wurden.40 Finanzintermediäre im Non-Profit-Sektor und damit auch Venture-Philanthropy-Gesellschaften stehen vor ähnlichen Herausforderungen wie Finanzintermediäre im For-Profit-Sektor, speziell Venture-Capital-Gesellschaften. Sie müssen erstens förderungswürdige Organisationen finden, zweitens die richtigen Organisationen auswählen, drittens einen geeigneten Finanzierungsvertrag vereinbaren und viertens die Organisationen auch nichtfinanziell sinnvoll unterstützen.41 Genau durch diese vier Aufgaben können Venture-Philanthropy-Gesellschaften Wert schaffen. Den ersten drei Ansätzen zur Wertschaffung widmet sich diese Arbeit.

1.2 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit In einem frühen Entwicklungsstadium des Venture-Philanthropy-Marktes will diese Arbeit dazu beitragen, eine Grundlage für die Forschung im Bereich Venture Philanthropy aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu schaffen. Das Hauptziel der Arbeit ist es, das Verständnis von Venture Philanthropy zu erhöhen, indem das Konzept beschrieben wird und relevante Zusammenhänge aufgedeckt werden. Dazu werden Forschungsfragen aus dem Venture-Capital-Sektor übertragen. Es kommen ausschließlich Fragen, die bereits einmal im Venture-Capital-Bereich untersucht wurden, für diese Arbeit in Betracht. Die Arbeit erlangt dadurch einen klaren Fokus, der erforderlich ist, um die notwendige Tiefe in der Analyse zu erreichen. Explizit einbezogen werden Forschungsfragen aus anderen Disziplinen, z.B. der Psychologie, die bereits im Venture-Capital-Markt untersucht wurden. Da eine weitere Einschränkung nötig ist, konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf Forschungsfragen, die sich auf den Auswahlprozess von Venture-Philanthropy-Gesellschaften beziehen. Zum Auswahlprozess werden hier die oben genannten ersten drei Ansätze zur Wertschaffung gezählt: Organisationen finden, auswählen und einen Finanzierungsvertrag vereinbaren.

39

Zu den wenigen deutschen, betriebswirtschaftlichen Forschungsarbeiten zählen Bennigsen (1999); Bork (2000); Fritsch (2007); Sandberg (2007b); Fleschutz (2008). Eine umfangreiche deutschsprachige Untersuchung Schweizer Förderstiftungen haben Lang/Schnieper (2006) vorgenommen.

40

Vgl. Frumkin (2003); Moody (2008); Scarlata/Alemany (2008); Scarlata/Alemany (2009); Miller/Wesley (in Druck).

41

Ggf. könnte man noch fünftens einen geeigneten Ausstieg mit betrachten.

1 Einleitung

10

Fragen, die sich auf das Verhältnis zwischen Venture-Philanthropy-Gesellschaft und Portfolioorganisation nach der Vertragsunterzeichnung beziehen, z.B. Fragen zur Unterstützung, Kontrolle und Ausstiegsplanung, werden nicht thematisiert. Nur am Rande wird auf das Fundraising der Venture-Philanthropy-Gesellschaften eingegangen. Aus den oben erwähnten Hauptanliegen der Arbeit, das Konzept zu beschreiben und relevante Zusammenhänge aufzudecken, lassen sich die folgenden vier Forschungsfragen ableiten. 1. Wie kann Venture Philanthropy definiert und gegenüber anderen Finanzintermediären abgegrenzt werden? Ohne ein differenziertes Verständnis dessen, was untersucht werden soll, kann keine wissenschaftliche Studie gelingen.42 Zwar werden die Ausdrücke Venture Philanthropy, Social Venture Capital und verwandte Begriffe in der Praxis und Wissenschaft heute bereits genutzt, was sich genau hinter ihnen verbirgt und wie sie abgegrenzt werden können, ist bisher aber kaum geklärt. Ein erstes Ziel ist es daher, das Phänomen Venture Philanthropy sowie in diesem Kontext verwendete Begriffe zu definieren und abzugrenzen. Da die Definition der Kapitalgeber eine Beschreibung der gesuchten Kapitalnehmer einschließen muss, werden als Mittel zum Zweck Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship in die Begriffsbestimmung einbezogen. 2. Wie kann der Auswahlprozess vom Dealflow bis zur Vertragsunterzeichnung charakterisiert werden? Diese Forschungsfrage ist recht allgemein gehalten. Für die Untersuchungen muss sie untergliedert und weiter konkretisiert werden. Als Bezugsrahmen für die Konkretisierung eignet sich der Auswahlprozess von der Suche einer Organisation bis hin zur Vertragsunterzeichnung mit den typischen Phasen des Venture-Capital-Auswahlprozesses Deal Origination, Screening, Due Diligence und Strukturierung. Die Auswahlphasen bieten sich an, denn in jeder Phase sind unterschiedliche Fragen relevant. So ist in der Deal-Origination-Phase vor allem von Interesse, wie Venture-Philanthropy-Gesellschaften genau jene Social Ventures finden, die sie suchen. In der Screening- und Due-Diligence-Phase versucht die Venture-Philanthropy-Gesellschaft möglichst effizient, aussichtsreiche Finanzierungsanfragen herauszufiltern. Hier stellen sich die Fragen, welche Informationen ausgewertet werden, welche Aktivitäten die Venture-Philanthropy-Gesellschaft unter-

42

Vgl. Kornmeier (2007), S. 24.

1.2 Problemstellung und Zielsetzung der Arbeit

11

nimmt und welchen Einfluss die eingebundenen Personen und die Struktur des Prozesses auf die Auswahlentscheidung haben. In der letzten Stufe des Auswahlprozesses steht der Finanzierungsvertrag im Mittelpunkt des Interesses. In ihm werden vor allem das Finanzierungsinstrument, die -dauer, das -volumen, das Risiko der Investition sowie Kontroll- und Mitspracherechte festgehalten. Aus diesen Regelungen der Finanzbeziehungen der Venture-Philanthropy-Gesellschaften lassen sich Rückschlüsse auf das Verhältnis und die Anreize der finanzierenden Gesellschaft und des Social Ventures ziehen. 3. Welche Auswahlkriterien legen Venture-Philanthropy-Gesellschaften an? In der Venture-Capital-Forschung wird dieser Fragestellung viel Aufmerksamkeit geschenkt, da die Auswahlkriterien eine entscheidende Bedeutung für kapitalsuchende Unternehmen haben. Ohne Kapital von Venture-Capital-Gesellschaften wären viele, heute erfolgreiche Unternehmen nicht entstanden oder wäre zumindest ihr starkes Wachstum nicht möglich gewesen.43 Gesamtgesellschaftlich betrachtet trägt die Venture-Capital-Finanzierung dadurch indirekt zum volkswirtschaftlichen Wachstum bei.44 Es wird folglich auch angenommen, dass Venture-Capital-Gesellschaften in der Lage sind, erfolgreiche Unternehmen zu identifizieren, und daher die Auswahlkriterien gleichzeitig Erfolgsfaktoren für junge Wachstumsunternehmen darstellen.45 Die Relevanz der Forschungsfrage ist analog auch im Venture-Philanthropy-Sektor sehr hoch. Sie wurde bisher aber kaum erforscht.46 Bei der Identifikation der Auswahlkriterien soll zunächst ein inhaltliches Verständnis der Kriterien erreicht werden. Dazu werden die Kriterien nicht nur aufgelistet, sondern inhaltlich erläutert. Des Weiteren sollen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwi-

43

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1051; MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 120. Prominente Beispiele aus jüngerer Zeit sind die Unternehmen Google, Amazon und Facebook.

44

Vgl. Shepherd/Ettenson/Crouch (2000), S. 450; Mason/Harrison (1999), S. 1ff., 31ff.

45

Vgl. Riquelme/Rickards (1992), S. 506; Hall/Hofer (1993), S. 26; Shepherd/Ettenson/Crouch (2000), S. 450; Baum/Silverman (2004), S. 413f., 430. Auch Studien, die zeigen, dass bestimmte Eigenschaften von Unternehmen vor dem Einstieg einer Venture-Capital-Gesellschaft mit Erfolg bzw. Misserfolg korrelieren, untermauern die Relevanz der Auswahlkriterien, vgl. Roure/Maidique (1989); Roure/Keeley (1990).

46

Die einzigen beiden identifizierten, sich den Auswahlkriterien von Venture Philanthropy Gesellschaften widmenden Studien sind Scarlata/Alemany (2009) und Miller/Wesley (in Druck), wobei beide Studien zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Arbeit noch nicht in einer Fachzeitschrift publiziert wurden.

1 Einleitung

12

schen der Kriterienerfüllung und dem erwarteten Erfolg festgestellt werden. Zu diesem Zweck, müssen die Kriterienhierarchie und die Abhängigkeit der Kriterien untereinander in Erfahrung gebracht werden. Darauf aufbauend kann dann ein Modell entworfen werden, das darstellt, wie die Erfüllung einzelner Kriterien den Gesamterfolg des Social Ventures beeinflusst. 4. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Auswahlprozess und Auswahlkriterien? Diese Fragestellung hat wiederum einen übergreifenden Charakter. Sie kann weiter durch drei Unterfragen konkretisiert werden. In der Venture-CapitalForschung wurde gezeigt, dass Auswahlprozess und Auswahlkriterien nicht unabhängig voneinander untersucht werden sollten.47 Die erste Frage lautet daher: Welchen Einfluss hat die Auswahlstufe auf die Bedeutung der Absagegründe? Die zweite Frage widmet sich der Dealflow-Quelle (Herkunft der Finanzierungsanfrage). Möglicherweise hängt die Dealflow-Quelle mit Eigenschaften der Organisationen zusammen und dadurch auch mit den Absagegründen, daher lautet die zweite Frage: Welchen Einfluss hat die Dealflow-Quelle auf die Bedeutung der Absagegründe? Wenn sich die Eigenschaften der Organisationen zwischen Dealflow-Quellen unterscheiden, dann ist anzunehmen, dass die Dealflow-Quelle auch Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit hat, eine Finanzierungszusage zu erhalten. Darauf deutet ebenfalls die Venture-Capital-Forschung hin.48 Daher lautet die dritte Frage: Welchen Einfluss hat die Dealflow-Quelle auf die Wahrscheinlichkeit, eine Finanzierungszusage zu erhalten? Aus der Beantwortung der Fragen lassen sich Rückschlüsse auf die effiziente Gestaltung des Auswahlprozesses ziehen. Die vorliegende Arbeit soll all jenen als Informationsquelle dienen, die sich für die private Finanzierung von Organisationen interessieren, welche gesellschaftlichen Mehrwert schaffen. Diese Organisationen wiederum erhalten Hinweise, wie sie ihre Kapitalbeschaffung effizienter gestalten können. Venture-Philanthropy-Gesellschaften erfahren etwas darüber, was es bei der Gestaltung des Auswahlprozesses zu beachten gilt und mit Hilfe welcher Kriterien passende Organisationen ausgewählt werden

47

Vgl. Boocock/Woods (1997), S. 48ff.; Kollmann/Kuckertz (in Druck).

48

Vgl. Wells (1974), S. 58; Tyebjee/Bruno (1984), S. 1055; Fried/Hisrich (1994), S. 31; Böhner (2007), S. 228. Vgl. für einen Literaturüberblick auch Bender (in Druck).

1.3 Aufbau der Arbeit

13

können. Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit ist folglich, zu einem effizienteren und effektiveren Non-Profit-Sektor beizutragen.

1.3 Aufbau der Arbeit Die Arbeit ist in insgesamt sechs Kapital unterteilt. Neben Einleitung (erstes Kapitel) und Schluss (sechstes Kapitel) bilden die vier Hauptkapitel (Kapitel zwei bis fünf) den Kern der Untersuchung. Der schematische Aufbau der Arbeit ist in Abbildung 1 dargestellt. Das zweite Kapitel widmet sich den definitorischen Grundlagen. Da es sich bei Venture Philanthropy um ein junges Feld handelt und viele Begriffe und Konzepte bisher nicht definiert und beschrieben wurden, ist diese ausführliche Bearbeitung der ersten, oben genannten Fragestellung notwendig. Das Kapitel beginnt mit einer Definition von Social Entrepreneurship und der Abgrenzung von klassischem Business Entrepreneurship. In diesem Rahmen werden für die Definition von Venture Philanthropy relevante Konzepte und Begriffe erläutert, die für das weitere Verständnis der Arbeit eine wichtige Grundlage schaffen. Im Anschluss folgt die Darstellung von Venture Capital einschließlich einer Typologie der verschiedenen Formen. Stiftungen sind neben Venture Capital die zweite Finanzierungsform, aus der sich Venture Philanthropy entwickelt hat. Die Struktur wird analog der vorausgegangenen Darstellung von Venture Capital erarbeitet. Auf Basis der grundlegenden Begriffsbestimmungen von Social Entrepreneurship, Venture Capital und Stiftungen widmet sich der letzte Teil des Kapitels der Definition und Typologisierung von Venture Philanthropy. Dabei werden auch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Venture Philanthropy auf der einen Seite sowie Venture Capital und Stiftungen auf der anderen Seite herausgearbeitet, um damit eine Voraussetzung für die Prüfung der Übertragbarkeit von Zusammenhängen aus dem Venture-Capital- und Stiftungsbereich auf den Venture-Philanthropy-Bereich zu schaffen.

1 Einleitung

14

1. Einleitung 2. Definitionen, Abgrenzungen Typologisierungen

Theoretischer Teil

SE und BE

Venture Capital

Stiftungen

Venture Philanthropy 3. Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur Theoretische Sicht Transaktionskost.

PA-Theorie

Stewardship-T.

Psychol. Theorien

Empirische Venture-Capital-Studien Auswahlprozess

Auswahlkriterien

Empirische Stiftungs- und Venture-Philanthropy-Studien Auswahlprozess

Auswahlkriterien

4. Fallstudien Empirisches Untersuchungsdesign Ashoka Darstellung der Gesellschaft

Empirischer Teil

Auswahlprozess

Auswahlkriterien

Quantitative Zusammenhänge (zw. Auswahlpr. und Auswahlkr.) BonVenture Darstellung der Gesellschaft Auswahlprozess

Auswahlkriterien

Quantitative Zusammenhänge (zw. Auswahlprozess und Auswahlkriterien) 5. Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen Auswahlprozess Proz.-übergr.

Deal Origin.

Screening

Due Diligence

Strukturierung

Auswahlkriterien Einzelkriterien Kriterienhierarchie 6. Schlussbetrachtung

Abbildung 1: Schematischer Aufbau der Arbeit Das dritte Kapitel widmet sich dem Forschungsstand. Es werden sowohl theoretische als auch empirische Erkenntnisse vorgestellt, die für den weiteren Gang der Untersuchung relevant sind. Zunächst wird auf die wesentlichen, für den Auswahlprozess und die Auswahlkriterien bedeutsamen Theorien eingegangen. Anschließend werden empirische Venture-Capital-Studien separat für die Bereiche Auswahlprozess und Auswahlkriterien vorgestellt. Insbesondere die Auswahlkriterien wurden in der Venture-Capital-Literatur umfangreich untersucht. Sie sind für die eigene empirische Untersuchung in zweierlei Hinsicht wichtig. Zum einen können von den empirischen

1.3 Aufbau der Arbeit

15

Ergebnissen erste Erwartungen an die Auswahlkriterien im Venture-PhilanthropySektor abgeleitet werden. Zum anderen werden die Studien nach Untersuchungsmethoden sortiert vorgestellt. Die Vor- und Nachteile dieser Methoden werden abgewogen und begründen die Entscheidung für die hier gewählte Untersuchungsmethode. Die wenigen relevanten Forschungsergebnisse aus der Stiftungs- und Venture-Philanthropy-Forschung zum Auswahlprozess und zu den Auswahlkriterien werden anschließend vorgestellt. Das vierte Kapitel bildet mit den beiden durchgeführten Fallstudien den Kern der vorliegenden Untersuchung. Zunächst wird auf das empirische Untersuchungsdesign eingegangen und die Auswahl der Methoden begründet und erläutert. Im zweiten Teil des Kapitels werden die beiden Fallstudien vorgestellt. Jeder Fallstudie wird eine kurze Darstellung der Organisation vorangestellt. Darauf folgend werden zunächst der Auswahlprozess, daran anschließend die Auswahlkriterien und zum Abschluss verschiedene quantitative Zusammenhänge, die den Auswahlprozess und die Auswahlkriterien betreffen, dargestellt. Im fünften Kapitel werden die Erkenntnisse aus den konzeptionell definitorischen Überlegungen, der Literaturanalyse und den eigenen Fallstudien zusammengeführt und analysiert. Die Kapitelstruktur ist analog zur Struktur der Fallstudien im vierten Kapitel. Die Erkenntnisse der Analyse werden als Thesen oder Modelle formuliert. Sie tragen zur Theoriebildung bei und können von zukünftigen Arbeiten empirisch überprüft werden. Die Arbeit schließt im letzten, sechsten Kapitel mit einer Zusammenfassung, der Darstellung der Relevanz einzelner Ergebnisse für bestimmte Interessengruppen und einem Ausblick auf Forschungsfragen, die sich aus dieser Arbeit ergeben haben.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen 2.1 Einführende Bemerkungen Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen nehmen in dieser Arbeit einen besonderen Stellenwert ein, da das Venture-Philanthropy-Feld noch jung ist und deswegen Vieles bisher nicht einheitlich definiert wurde. Daher ist es notwendig, durch einen Literaturüberblick und eigene, konzeptionelle Darstellungen die Grundlagen für das Verständnis der Arbeit zu legen. Die in dieser Arbeit untersuchten Venture-Philanthropy-Gesellschaften sowie die von ihnen hauptsächlich finanzierten Social Entrepreneurs und Social Ventures können zum Non-Profit-Sektor gezählt werden, der zunächst kurz umrissen wird. Venture Philanthropy und Social Venture Capital stehen in engem Zusammenhang mit Social Entrepreneurship.49 Zwar gibt es zu diesem Bereich mittlerweile einige Definitionen, in manchen Aspekten ist die Abgrenzung von Business und Social Entrepreneurship aber weiter unzureichend. Mit Hilfe eines konzeptionellen Modells auf Basis der Nutzentheorie und Wohlfahrtsökonomie wird daher der Versuch einer eindeutigen Abgrenzung unternommen. Dieses Modell steht am Anfang des Kapitels, weil die differenzierte Betrachtung von Business und Social Entrepreneurship für das Verständnis und die Definition von Venture Philanthropy notwendig ist. Überdies werden begriffliche Grundlagen festgelegt, auf die im weiteren Verlauf der Untersuchung immer wieder zurückgegriffen wird. Da sich Venture Philanthropy aus dem Venture-Capital- und dem Förderstiftungsansatz entwickelt hat, werden auch diese beiden Finanzierungsformen erläutert und voneinander abgegrenzt. Die Venture-Philanthropy-Typologie wird dann auf Basis der Venture-Capital- und Stiftungstypologie entwickelt. Sie wird für die Untersuchung benötigt, weil die beiden Fallstudien unterschiedliche Gesellschaftstypen abbilden, was sich auf das Ergebnis der Untersuchung auswirken kann. Die Relevanz der Gesellschaftstypen lässt sich auch davon ableiten, dass empirischen Venture-Capital-Studien den Gesellschaftstyp häufig als Kontrollvariable nutzen, wie noch zu zeigen sein wird.

49

Vgl. Pepin (2005), S. 166. Wie noch gezeigt wird, sind Investitionen in Business Ventures aber nicht kategorisch ausgeschlossen; vgl. Abschnitt 2.6.4.

P. Heister, Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6309-3_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

18

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

2.2 Non-Profit-Sektor als Rahmen der untersuchten Institutionen Der Non-Profit-Sektor ist einer der drei Sektoren in der Organisationsgesellschaft.50 Er grenzt sich ab von den beiden anderen Sektoren Staat und Erwerbswirtschaft.51 Die in dieser Arbeit untersuchten Venture-Philanthropy-Gesellschaften zählen gemäß der Definition von SALAMON/ANHEIER (1997c) zum Non-Profit-Sektor. Diese Definition liegt dem „Johns Hopkins Comparative Nonprofit Sector Project“ zugrunde, dem bedeutendsten und größten internationalen Forschungsprojekt über den Non-ProfitSektor. Die Herausforderung bestand vor allem darin, eine länderübergreifende Definition zu finden. Dies ist nicht unproblematisch, da sich der Non-Profit-Sektor zwischen den Ländern zum Teil erheblich unterscheidet.52 In Deutschland z.B. gilt das Subsidiaritätsprinzip, das den Staat in weiten Teilen aus der sozialen Leistungserbringung ausschließt und die Aufgabe der Leistungserbringung stattdessen den großen Wohlfahrtsverbänden überträgt.53 Dennoch liegt es nahe, sich an die länderübergreifende Definition zu halten, um international vergleichbar zu sein.54 SALAMON/ANHEIER (1997c) sprechen sich für eine strukturell-operative Definition aus.55 Dieser Definition zufolge zählen Organisationen zum Non-Profit-Sektor, wenn sie die folgenden Merkmale aufweisen. Sie sind:

50

Der Begriff Organisationsgesellschaft bringt zum Ausdruck, dass die moderne Gesellschaft eine Gesellschaft von Organisationen ist. Vgl. zum Begriff der Organisationsgesellschaft sowie der historischen Bedeutungsentwicklung von Organisationen Wex (2004), S. 32ff. und die dort angegebenen Quellen.

51

Vgl. Wex (2004), S. 26. Synonym für Non-Profit-Sektor werden im Englischen auch die Begriffe Third-Sector, Voluntary-Sector oder Independent-Sector verwendet. Das Konzept eines weiteren Sektors neben Staat und Erwerbswirtschaft wurde vermutlich 1965 zum ersten Mal erwähnt. In den siebziger Jahren entfaltete sich eine breitere Diskussion über das Thema. In Deutschland wurde erst Ende der achziger Jahre das Thema Non-Profit-Sektor bzw. Dritter Sektor aufgegriffen. Vgl. Wex (2004), S. 5, 125.

52

Vgl. Salamon/Anheier (1997a), S. 101f.

53

Vgl. Salamon/Anheier (1996), S. 88; Anheier/Seibel (1997), S. 134ff., 148ff.; Kraus/Stegarescu (2002), S. 31f. Vgl. für einen kurze historische Darstellung der Wohlfahrtsverbände Wex (2004), S. 68-70.

54

Vgl. zur historischen Bedeutung und Entwicklung sowie Besonderheiten des Non-Profit-Sektors in Deutschland Anheier/Seibel (1997).

55

Vgl. Salamon/Anheier (1997c), S. 33f. Die Autoren verwerfen folgende alternative Definitionsansätze des Non-Profit-Sektors: juristische Definitionen, wirtschaftlich-finanzielle Definitionen und Funktionsdefinitionen. Juristische Definitionen legen das anzuwendende lokale Recht zu Grunde. Wirtschaftlich-finanzielle Definitionen konzentrieren sich auf die Einkommens-

2.2 Non-Profit-Sektor als Rahmen der untersuchten Institutionen

19

x „Organisiert, d.h. sie zeigen einen gewissen Grad von Institutionalisierung auf. Dies heißt, dass Nonprofit-Organisationen organisatorische Permanenz haben, obgleich sie nicht unbedingt rechtlich anerkannt sein müssen. Dieses Kriterium unterscheidet Nonprofit-Organisationen sowohl von spontanen und temporären Zusammenschlüssen sowie weiteren sozialen Bewegungen. x Privat, d.h sie sind weder Teil der staatlichen Verwaltung noch durch den Staat kontrolliert. Formal privatrechtliche Einrichtungen, deren Vorstände bspw. ausschließlich oder wenigstens überwiegend durch den Staat besetzt werden, sind somit ausgeschlossen. Private Einrichtungen bleiben allerdings eingeschlossen, selbst wenn sie nahezu ausschließlich durch staatliche Mittel finanziert werden sind. x Nicht gewinnorientiert, d.h. finanzielle Überschüsse können (gemäß dem Umverteilungsverbot) nicht an Mitglieder oder Leitungskräfte ausgeschüttet werden, sondern müssen dem gemeinnützigen Zweck zugewendet bleiben. Dies Kriterium dient vor allem der Unterscheidung von privatwirtschaftlichen Unternehmen, wirft aber auch Fragen der Einordnung von Genossenschaften und Kooperativen auf. x Autonom, d.h. sie haben ihre eigenen internen Entscheidungsfindungsprozesse und können die Besorgung ihrer Geschäfte selbst bestimmen. x Freiwillig, d.h. es lassen sich Elemente der Freiwilligkeit oder Ehrenamtlichkeit in ihren Strukturen ermitteln. Dies kann sowohl das Fehlen von Zwangsmitgliedschaften als auch ehrenamtliche Betätigung und erhebliche freiwillige Partizipation umfassen.“56 Der Begriff der Non-Profit-Organisation oder des -Sektors ist nicht unumstritten. Die Kritik stellt u.a darauf ab, dass insbesondere in Deutschland eine Abgrenzung gegenüber dem Staat wesentlicher ist als eine Abgrenzung gegenüber der Privatwirtschaft.

generierung. Nach dieser Definition werden Organisationen, die sich mehrheitlich durch private Spenden finanzieren, als Non-Profit-Organisationen tituliert. Die Funktionsdefinitionen stellen darauf ab, dass die Organisationen im gesellschaftlichen Interesse handeln oder zumindest die Organisation auf Gegenseitigkeit und Solidarität beruht. Vgl. Salamon/Anheier (1997c), S. 30-32. 56

Anheier/Toepler (2005), S. 20f. basierend auf der englischen Definition von Salamon/Anheier (1997c), S. 33f. Vgl. auch für eine angewandte Übertragung ins Deutsche Wex (2004), S. 100, 170.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

20

Daher werden auch die Begriffe Non-Governmental Organization (NGO) oder NichtRegierungsorganisation vorgeschlagen, die vor allem in der Entwicklungshilfe verwendet werden.57 Ebenfalls kritisiert wird, dass eine Organisationsform nicht dadurch beschrieben werden sollte, was sie nicht ist, sondern dadurch, was sie ist.58 Der Begriff Non-Profit-Organisation oder -Sektor soll hier dennoch verwendet werden, da die (fehlende) Profitorientierung aus betriebswirtschaftlicher Sicht das wichtigste Unterscheidungskriterium zwischen klassischen Unternehmen und den hier im Mittelpunkt stehenden Organisationen ist. Diese Arbeit folgt einigen anderen Arbeiten und in Teilen auch dem allgemeinen Sprachgebrauch, indem sie den englischen Begriff der Non-Profit-Organisation und des Non-Profit-Sektors auch im Deutschen verwendet.59 Ähnlich wie zum Beispiel Venture Capital ist der englische Begriff mittlerweile in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen. Alternativ wird im Deutschen statt des englischen Begriffs NonProfit-Sektor seit einigen Jahren vor allem der Begriff Dritter Sektor verwendet.60

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship 2.3.1 Forschungsstand Social Entrepreneurship ist ein noch junges Forschungsfeld innerhalb der Entrepreneurship-Domäne. Viele der frühen Beiträge beschäftigen sich daher auch oder sogar hauptsächlich mit dessen Definition. In den letzten Jahren wurden die ersten zusammenfassenden Darstellungen zur Definition von Social Entrepreneurship ver-

57

Vgl. Wex (2004), S. 3. Im Gegensatz zur hier verwendeten Definition werden in der deutschen betriebswirtschaftlichen Non-Profit-Literatur private und staatliche Non-Profit-Organisationen zum Teil zusammengefasst und privaten For-Profit-Organisationen gegenübergestellt; vgl. Schwarz (1996), S. 18.

58

Vgl. Lohmann (1989), S. 367, der mit dem Artikeltitel „Lettuce is Nonanimal“ das Problem verdeutlicht. Bill Drayton, der Gründer der Organisation Ashoka, plädiert dafür, von „citizen-sector“ zu sprechen und den Terminus „non-profit“ gänzlich aus dem Wortschatz zu streichen; vgl. Drayton (2007b), S. 10.

59

Vgl. z.B. Wex (2004), S. 2.

60

Diese Verwendung des Begriffs ist nicht zu verwechseln mit der Umschreibung des Dienstleistungssektors als Drittem Sektor in Abgrenzung zum Agrar- und Produktionssektor.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

21

öffentlicht, so dass auf eine umfassende Darstellung der Literatur verzichtet wird.61 Das Augenmerk liegt vielmehr auf den wesentlichen definitorischen Elementen. Abgeleitet von der Definition des klassischen Business Entrepreneurs werden die Begriffe Social Entrepreneur und Social Entrepreneurship vielfach idealisiert definiert. DEES (2001) z.B. weist bei seiner viel beachteten Definition selbst darauf hin, dass es sich um eine idealisierte Definition handelt: „Social entrepreneurs play the role of change agents in the social sector, by: adopting a mission to create and sustain social value (not just private value), recognizing and relentlessly pursuing new opportunities to serve that mission, engaging in a process of contiuous innovation, adaptation, and learning, acting boldly without being limited by resources currently in hand, and exhibiting heightened accountability to the consituencies served and for the outcomes created.“62 LIGHT (2008) hat 40 verschiedene Annahmen bzw. Definitionsbestandteile von Social Entrepreneurship aus der Literatur zusammengetragen, von denen viele ebenfalls idealisierend sind. Er kommt zu dem Schluss, dass zahlreiche dieser Annahmen vor dem Hintergrund der heutigen Erkenntnisse nicht mehr haltbar sind.63 Eine jüngere, viel zitierte Definition stammt von MARTIN/OSBERG (2007): „We define social entrepreneurship as having the following three components: (1) identifying a stable but inherently unjust equilibrium[…](2) identifying an opportunity in this unjust equilibrium, developing a social value proposition[…](3) forging a new, stable equilibrium[…]“64 Dieser Definition können im Wesentlichen drei Bestandteile entnommen werden: erstens die unternehmerische Gelegenheit (Opportunity), die aus dem Erkennen einer Möglichkeit besteht, ein Gleichgewicht durch ein effizienteres Gleichgewicht zu ersetzen, zweitens die Social Value Proposition und drittens das unternehmerische Handeln. Ähnlich definieren auch ZAHRA et al. (2009) „Social entrepreneurship encompasses the activities and processes undertaken to discover, define, and exploit opportunities in order to enhance social wealth by creating new ventures or managing existing organizations in an innovative manner.“65 In dieser Sicht-

61

Vgl. Mort/Weerawardena/Carnegie (2003), S. 79ff.; Zahra/Allen (2007), S. 521; Light (2008); Roder (in Druck). Vgl. für eine spezifisch deutsche Darstellung Leppert (2008).

62

Vgl. Dees (2001), S. 4.

63

Vgl. Light (2008), S. 22ff.

64

Martin/Osberg (2007), S. 35

65

Zahra et al. (2009), S. 522.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

22

weise kommt noch die Organisation als definierendes Element hinzu.66 Die Innovation wird hier als der Teil der unternehmerischen Gelegenheit definiert und daher nicht als eigene Kategorie eingeführt. In vielen Definitionen wird die Person bzw. werden die Personen als weiteres Element inkludiert.67 In den obigen Definitionen geschieht dies indirekt über den Definitionsbestandteil „unternehmerisches Handeln“. Aufbauend auf den oben zitierten Definitionen und in Anlehnung an die Einteilung von RODER und LIGHT (2008) werden vier konstitutive Merkmale von Social Entrepreneurship identifiziert: die Social Value Proposition, die unternehmerische Gelegenheit, das unternehmerische Handeln sowie die Organisation.68 Das erste Merkmal ist die Social Value Proposition.69 In der Regel wird angenommen, dass Business Entrepreneurs (und Investoren) eigennutzenmaximierend agieren. Wenn von Entrepreneurship die Rede ist, wird also implizit davon ausgegangen, dass sich diese Einstellung in der Maximierung der finanziellen Rendite niederschlägt. Mit der Einführung des Social-Entrepreneurship-Konzeptes wird die Deckungsgleichheit von Entrepreneurship und finanzieller Renditemaximierung aufgehoben. Im Social Entrepreneurship werden die finanziellen Ziele durch gesellschaftliche Ziele ersetzt. Die Definitionen sind sich in diesem Punkt weitgehend einig: Social Entrepreneurship ist auf gesellschaftliche Wertschaffung ausgerichtet.70 Fraglich ist aber, ob die soziale Motivation des Entrepreneurs oder die unternehmerische Gelegenheit die Social Value Proposition determiniert. MARTIN/OSBERG (2007) zeigen anhand von Beispielen, dass sowohl Business Entrepreneurs als auch Social Entrepreneurs durch die unternehmerische Gelegenheit, die sie entdeckt haben, motiviert sind und sich der Unterschied zwischen Social und Business Entrepreneurship vor allem aus der Value Proposition der unternehmerischen Gelegenheit ergibt.71 KIRZNER (2005) führt das hypothetische Beispiel eines Unternehmers an, der Käse

66

Shane (2003) sieht die Gründung einer Organisation dagegen nur als Operationalisierung.

67

Vgl. Dees (2001); Caloia (2003); Barendsen/Gardner (2004). Vgl. für einen Überblick über Definitionen Light (2008), S. 7; Roder (in Druck).

68

Vgl. Light (2008), S. 6ff.; Roder (in Druck).

69

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 3; Vgl. auch Roder (in Druck).

70

Vgl. Light (2008), S. 11. Vgl. für einen Überblick über Social-Entrepreneurship-Definitionen Zahra et al. (2009), S. 521; Roder (in Druck).

71

Vgl. Martin/Osberg (2007), S. 34.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

23

produziert mit der Absicht den Gewinn zu maximieren, um diesen in die medizinische Forschung und Krankenhäuser zu investieren.72 Obwohl dieser Unternehmer ausschließlich sozial motiviert ist – KIRZNER (2005) bezeichnet ihn als Altruisten – handelt es sich bei der Käseproduktion nicht um Social Entrepreneurship, weil die unternehmerische Gelegenheit Käseproduktion nicht sozial ist.73 Auch aus Gründen der Praktikabilität folgt die vorliegende Arbeit dieser Definition. Zu bewerten, ob jemand sozial motiviert ist, ist deutlich schwieriger als zu bewerten, ob ein Vorhaben auf gesellschaftlichen Wandel ausgerichtet ist.74 Die Ausrichtung auf gesellschaftliche Wertschaffung – die Social Value Proposition – ist daher das erste konstituierende Merkmal. Die übrigen drei definitorischen Merkmale von Social Entrepreneurship stimmen mit der Business-Entrepreneurship-Definition überein. Die unternehmerische Gelegenheit ist das am schwierigsten zu beschreibende Merkmal.75 Dennoch leuchtet ein, dass sie Bestandteil der Definition ist, denn die Voraussetzung für jedes Handeln ist das Erkennen einer Möglichkeit, wie eine ungewollte Situation verändert werden kann. Eng mit der unternehmerischen Gelegenheit verbunden ist die Innovation, die Teil vieler veröffentlichter Definitionen darstellt.76 ALDRICH/MARTINEZ (2001) unterscheiden z.B. innerhalb der Entrepreneurs zwischen Innovatoren und Nachahmern. Nachahmer reproduzieren etwas Bestehendes, sie schaffen höchstens sehr eingeschränkt neues Wissen in ihrem Tätigkeitsfeld. Innovatoren weichen wesentlich von Bestehendem ab. Für sie prägte SCHUMPETER (1950) den Terminus der „schöpferischen Zerstörung“, womit er unternehmerisches Handeln beschreibt, das alte ineffiziente Ansätze durch neue effizientere Ansätze ersetzt und somit einen neuen Gleichgewichtszustand

72

Vgl. Kirzner (2005), S. 467. Vgl. Shane (2003), S. 19ff. für einen Vergleich zwischen den Entrepreneurship-Theorien Kirzners und Schumpeters.

73

Vgl. Kirzner (2005), S. 467.

74

Inwiefern die Motivation (sozial oder privat) dazu führt, dass Entrepreneurs als Business oder als Social Entrepreneurs tätig werden, ist eine relevante Frage, der in dieser Arbeit aber nur am Rand nachgegangen werden kann.

75

Vgl. Light (2008), S. 120.

76

Vgl. Roder (in Druck), S. 64. Vgl. zu Definitionen des Begriffs Innovation Hauschildt (1997), S. 3ff.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

24

herstellt. Die freigesetzten Ressourcen können für andere Aufgaben genutzt werden, wodurch wirtschaftliches Wachstum entsteht.77 Weiter ist das unternehmerische Handeln bzw. die unternehmerische Herangehensweise und in den meisten Fällen sogar die Person des Entrepreneurs Bestandteil der Definition von Social Entrepreneurship.78 Drayton und seine Organisation Ashoka sind vermutlich diejenigen, die am stärksten die Person hervorheben.79 Dagegen inkludiert LIGHT (2006) neben Individuen auch Gruppen, Netzwerke, Organisationen und sogar Allianzen von Organisationen als Social Entrepreneurs.80 Zum Merkmal unternehmerisches Handeln zählt vor allem der Prozess vom Erkennen einer unternehmerischen Gelegenheit über die Maßnahmen, die ergriffen werden, bis hin zur Etablierung des neuen, stabilen Gleichgewichts. Ein weiterer fester Bestandteil der hier verwendeten Definition von Social Entrepreneurship ist die Existenz einer Organisation, mit deren Hilfe eine Dienstleistung erbracht oder ein Produkt erstellt wird.81 Damit wird Social Entrepreneurship von Lobbying und Aktivismus abgegrenzt.82 Lobbying und Aktivismus können zwar ebenfalls ein besseres stabiles Gleichgewicht herbeiführen, aber es ist eine grundlegend andere Tätigkeit und Herausforderung, ob eine Organisation eine Leistung erbringt oder sich darauf beschränkt, Einfluss zu nehmen. Damit sind die vier Voraussetzungen aufgeführt, die vorliegen müssen, damit von Social Entrepreneurship gesprochen werden kann: ein auf gesellschaftlichen Wandel ausgerichtetes Vorhaben (Social Value Proposition), entstanden aus einer unternehmerischen Gelegenheit, ein neues stabiles Gleichgewicht zu schaffen (Opportunity), unternehmerisches Handeln und tatsächliche Leistungserbringung durch eine Organisation. Keine definitorische Bedeutung hat die Einkommensgenerierung, die nach Ansicht einiger ein konstituierendes Merkmal von Social

77

Vgl. Schumpeter (1950), S. 138; Aldrich/Martinez (2001), S. 43f.

78

Vgl. Vgl. Dees (2001); Caloia (2003); Barendsen/Gardner (2004); Light (2008), S. 7; Roder (in Druck).

79

Vgl. Drayton (2007a), S. 5.

80

Vgl. Light (2006), S. 50.

81

Vgl. Light (2008), S. 9; Roder (in Druck).

82

Vgl. Martin/Osberg (2007), S. 37f.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

25

Entpreneurship ist.83 Hier wird der Ansicht Dees gefolgt, dass es unerheblich ist, wer für eine Leistung bezahlt, der Empfänger oder aber ein Dritter.84 Der wesentliche Unterschied zwischen Business und Social Entrepreneurship liegt somit in der Social Value Proposition. Es stellt sich noch die Frage, ob ein Social Venture immer auch durch einen Social Entrepreneur gegründet oder geführt werden muss. In dieser Arbeit wird dies nicht zugrunde gelegt, wenn die übrigen Definitionselemente von Social Entrepreneurship zutreffen. In dem Fall, dass ein Social Entrepreneur eine Organisation gegründet hat und führt, kann konkreter von Social Entrepreneurial Venture gesprochen werden. Für den überwiegenden Teil der Arbeit ist diese Unterscheidung aber nicht relevant, so dass meist vereinfachend Social Venture als Bezeichnung für die Organisationen im Social Entrepreneurship verwendet wird. Die hiermit vorgeschlagene Verwendung des Begriffs Social Venture weicht damit zum Teil von anderen Begriffsverwendungen ab. Beispielsweise inkludieren CHOI/GRAY/CARROLL (2008) auch Unternehmen, die zuallererst den Gewinn maximieren wollen, aber auch soziale Ziele verfolgen. Solche Unternehmen werden hier nicht als Social Venture definiert, weil bei ihnen soziale Ziele nur als Nebenbedingung eingeführt werden und die Social Value Proposition nicht zentral für die Aktivitäten ist.85

83

Vgl. Boschee/McClurg (2003), S. 2.

84

Vgl. Dees (2003).

85

Neben dem Begriff Social Venture existieren auch andere, in ähnlichem Kontext verwendete Bezeichnungen dieser Organisationen, wobei die Begriffe sehr unterschiedlich definiert und verwendet werden. Im Englischen werden neben dem Begriff Social Venture unter anderem charity (Andreoni (1990), S. 464.), citizen organization (Drayton (2002), S. 121), civil organization (Mort/Weerawardena/Carnegie (2003), S. 77), commercial nonprofit (Hansmann (1987), S. 28), donative nonprofit (Hansmann (1987), S. 28), entrepreneurial social organization (Leadbeater (1997), S. 13), nongovernmental organization (Schwarz (1996); Delfin/Tang (2008); Lambell et al. (2008)), nonprofit enterprise (Hansmann (1980); Gassler (1986); Anheier/Ben-Ner (2003); Bell-Rose (2004), S. 271), nonprofit organization (Steinberg (1993); Anheier (2005)), nonprofit venture (Light (2006), S. 47), not-for-profit-organization (Mort/Weerawardena/Carnegie (2003), S. 77), social enterprise (Pepin (2005), S. 166; European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 17), social entrepreneurial venture (Smith et al. (2008), S. 339), social entrepreneurial organization, social organization (Delft/Dooren (2008), S. 9), voluntary organization (Mort/Weerawardena/Carnegie (2003), S. 77), im Deutschen neben den englischen Begriffen unter anderem die Begriffe karitative Non-Profit-Organisation (Zukunft (2000)), Sozialunternehmen (Achleitner/Heister/Stahl (2007), S. 9), soziale Unternehmung

26

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

2.3.2 Herleitung der wesentlichen Abgrenzungselemente 2.3.2.1 Nutzentheorie und Wohlfahrtsökonomie Nachdem im vorherigen Abschnitt auf Basis der Literatur auf die Gemeinsamkeiten von Business und Social Entrepreneurship eingegangen wurde, die sich bereits in dem gemeinsamen Namensbestandteil Entrepreneurship ausdrücken, konzentrieren sich die folgenden Ausführungen auf den Hauptunterschied, der in der Social Value Proposition des Social Entrepreneurship liegt. Die dargelegte Definition ist abstrakt und konzeptionell-theoretischer Natur. Sie dient hauptsächlich der Analyse. Im Gegensatz zu vielen Definitionen in der Literatur von stark normativem Charakter handelt es sich bei der hier vorgeschlagenen um eine positivistische Definition. Bei der Abgrenzung, die in weiten Teilen auf der Wohlfahrtsökonomie basiert, wird auf mathematische Darstellungen verzichtet. Eine formelle Darstellung der Abgrenzung würde über den Rahmen der Arbeit hinausgehen. Es soll aber gezeigt werden, dass die Wohlfahrtsökonomie einen geeigneten Rahmen für die Definition und Abgrenzung von Business und Social Entrepreneurship bietet. Bevor auf drei Probleme der Definition und Abgrenzung von Business und Social Entrepreneurship eingegangen werden kann, müssen zuvor einige Grundkonzepte der Nutzentheorie, die Teil der Wohlfahrtsökonomie ist, erläutert werden. Die Nutzentheorie geht davon aus, dass jedes Individuum ein eigenes Nutzenniveau hat und die Summe der individuellen Nutzen dem gesellschaftlichen Nutzenniveau bzw. der gesellschaftlichen Wohlfahrt entspricht.86 Ziel der Individuen ist es, den Nutzen zu maximieren. Eine dieser Theorie zugrunde liegende Annahme besteht in dem direkten, positiven Zusammenhang des Nutzens mit dem Einkommen bzw. der Rendite.87 Mit steigender finanzieller Rendite steigt auch das individuelle Nutzenniveau. Gleichzeitig können aber auch andere nichtmonetäre Effekte zu einer Nutzensteigerung beitragen, z.B. das Gut Freizeit. Im Grunde führt jegliches Handeln potenziell zu einer Veränderung des Nutzenniveaus. Im Rahmen der Nutzentheorie wird dabei angenommen,

(Birkhölzer/Kramer (2002)) und Nichtregierungsorganisation (Kocka (2004), S. 13) verwendet. Die Begriffsvielfalt für potenzielle Zielunternehmen von Venture-Philanthropy-Gesellschaften ist folglich enorm. 86

Vgl. Bergson (1938), S. 312; Samuelson (1963), S. 219ff.; Varian (1996), S. 544.

87

Vgl. Kleinewefers (2008), S. 39f. Vgl. auch Simon (1993), S. 158.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

27

dass das Individuum „verschieden dimensionierte Kosten- und Nutzenarten direkt miteinander vergleichen kann, so dass der Umweg über die Messung in Geld […] gar nicht nötig ist“.88 Die frühen Wohlfahrtsökonomen hatten mit dem Nutzen noch die Zufriedenheit der Menschen im Sinn. Dieses Konzept wurde mit der Zeit aber fallen gelassen und stattdessen der Nutzen auf Präferenzen beschränkt.89 Dies war nötig, weil der Nutzen im Sinne von Zufriedenheit nicht ohne weiteres beobachtbar ist. Vielmehr muss man anhand der sichtbaren Präferenzen von Personen auf den Nutzen von Gütern und Dienstleistungen schließen.90 Es lässt sich feststellen, ob jemand lieber Birnen oder Äpfel isst, aber es lässt sich dieser Präferenz kein absoluter, kardinalskalierter Nutzen zuordnen. Der Nutzen kann daher immer nur ordinal skaliert anhand der sichtbaren Präferenzen dargestellt werden. Diese Präferenzen, von denen auf den Nutzen geschlossen werden kann, sind in der neueren Wohlfahrtsökonomie nicht gleichzusetzen mit der Zufriedenheit und ähnlichen psychologischen Konzepten.91 Zwar ist die Zufriedenheit das ultimative Ziel, das Menschen zu erreichen versuchen, aber aufgrund der drei Störfaktoren fehlende Information, Berücksichtigung der Zufriedenheit anderer und Irrationalität kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erfüllung von Präferenzen direkt zu einer höheren Zufriedenheit führt.92 Deshalb beschränkt sich die Nutzentheorie und Wohlfahrtsökonomie in der Regel darauf, Präferenzen zu analysieren, statt Zufriedenheit messen zu wollen.93

88

Kleinewefers (2008), S. 223.

89

Vgl. Varian (1996), S. 54.

90

Vgl. Feldman (1980), S. 11f.

91

Vgl. Ng (2003), S. 308.

92

Vgl. Ng (1999), S. 198. Für eine Diskussion des Unterschieds zwischen Präferenzen und Zufriedenheit vgl. Ng (2003).

93

Auf Happiness Economics, deren Vertreter u.a. versuchen, die Lücke zwischen Präferenzen und Zufriedenheit zu schließen bzw. einen Zusammenhang herzustellen, kann in dieser Arbeit nicht eingegangen werden. Potenziell ist dieser Forschungsstrang für die Analyse von Social Entrepreneurship äußerst relevant, schließlich ist die Zufriedenheit von Menschen häufig das ultimative Ziel sozialer Aktivitäten.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

28

Häufig wird angenommen, dass Individuen egoistisch sind und ihr Nutzenniveau unabhängig vom Nutzenniveau anderer ist.94 In einem solchen Modell dürfte es z.B. nur solche Spenden geben, die dem Spender in irgendeiner Form einen Mehrwert, z.B. in Form von gesellschaftlicher Anerkennung, bescheren. Rein altruistische Spenden dürfte es nach dieser Theorie nicht geben. Die Einbeziehung des Nutzens anderer in die eigene Nutzenfunktion und die Modellierung von altruistischem Verhalten stellt auch die Wohlfahrtsökonomen immer wieder vor Probleme.95 Die sich um dieses Problem spinnende, teilweise philosophische Diskussion geht weit über den Rahmen dieser Arbeit hinaus.96 Es wird hier aber angenommen, dass Individuen in einem gewissen Maß altruistisch sind in dem Sinne, dass eine positive Nutzenveränderung der Mitmenschen – in manchen Situationen – ihren eigenen Nutzen ebenfalls positiv beeinflusst. Somit ist der Nutzen einer Person von privaten Gütern, z.B. Einkommen und Freizeit sowie der Nutzenveränderung anderer Personen abhängig. Ersterer wird daher auch als privater, Letzterer als sozialer Nutzen bezeichnet. Im Rahmen einer solchen Nutzenfunktion kann selbstloses Verhalten abgebildet und erklärt werden. Dieser Zusammenhang ist in Abbildung 2 dargestellt. Der private Nutzen korreliert positiv sowohl mit privaten Gütern als auch mit dem sozialen Nutzen. Das hieße z.B., dass eine Person einen Nutzenzuwachs erfährt sowohl durch einen Urlaub (privates Gut) als auch durch weniger Obdachlose (sozialer Nutzen). Auch wenn ein solcher Zusammenhang hier unterstellt wird, bedeutet dies nicht, dass die Nutzenfunktionen aller zu jedem Zeitpunkt eine solche Form hat. Es gibt Situationen, in denen die Nutzensteigerung eines anderen einen privaten Nutzenverlust bedeuten kann: Wenn der Nachbar im Lotto gewonnen hat, kann es durchaus sein, dass das negative Auswirkungen auf die Nicht-Gewinner im Umfeld hat, weil sie sich plötzlich ärmer fühlen.97

94

Hier wird ausgeblendet, dass der Nutzen durch das Verhalten von anderen durch externe Effekte beinflusst werden kann.

95

Vgl. Simon (1993), S. 158; Gassler (1998), S. 173. Hier zeigt sich auch, dass Altruismus für die klassischen volkswirtschaftlichen Modelle bis heute eine in vielen Bereichen ungelöste Herausforderung darstellt; vgl. Gassler (1998), S. 173; Adloff (2005b); Auer (2005). Crumpler/Grossman (2008) weisen empirisch den von Andreoni (1989) und Andreoni (1990) entwickelten Warmglow-Effekt nach, der besagt, dass Individuen einen privaten Nutzen aus dem Akt des Gebens ziehen. Sie bezeichnen dieses Verhalten auch als „impure altruism“. Vgl. auch Mount (1996), die zeigt, dass „joy of giving“ der wichtigste Faktor ist, der Spenden an die Alma Mater erklärt.

96

Vgl. für einen Überblick über die Bedeutung, die Entwicklung und das Verständnis von Altruismus in der volkswirtschaftlichen Literatur Simon (1993); Fontaine (2000); Fontaine (2007).

97

Vgl. Ng (2003), S. 316ff.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

29

Privater Nutzen

Sozialer Nutzen

Nutzen durch private Güter

Abbildung 2: Darstellung der Nutzenfunktion98 Eine Konkretisierung der Nutzentheorie ist die Kosten-Nutzen-Theorie, die nicht nur den Bruttonutzen, sondern auch die Kosten berücksichtigt, die anfallen um den Nutzen zu erzielen.99 Die Differenz aus beidem (Nutzen – Kosten) kann als Nettonutzen bezeichnet werden. Da die Kosten meistens mit berücksichtigt werden müssen, ist im Folgenden mit Nutzen immer der Nettonutzen gemeint. Die finanzielle Renditeberechnung ist beispielsweise eine spezielle Form der Kosten-Nutzen-Theorie bzw. eine Operationalisierung dieses theoretischen Konzeptes.100 Die Kosten-NutzenBetrachtung ist auch für die folgenden Darstellungen relevant, denn neben der finanziellen muss im Social Entrepreneurship auch die soziale Kosten-Nutzen-Betrachtung einbezogen werden. Die Relevanz der Kosten-Nutzen-Betrachtung zeigt sich z.B. in der SocialEntrepreneurship-Definition von ZAHRA et al. (2009). Sie weist darauf hin, dass Total Wealth (TW) im Social Entrepreneurship die entscheidende Größe ist, die sich wiede-

98

Die spezifische Form der Funktion hat keine Bedeutung.

99

Vgl. auch Santos (2009), S. 7, der ebenfalls auf das volkswirtschaftliche Nutzen-Konzept zurückgreift.

100

Vgl. Kleinewefers (2008), S. 200.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

30

rum berechnet aus der Summe von Economic Wealth (EW) und Social Wealth (SW). Weiter definieren sie EW = Economic Value – Economic Costs – Opportunity Costs und SW = Social Value – Social Costs.101 Bei finanziellen Berechnungen wird üblicherweise die Rendite berechnet, die sich aus dem Verhältnis von Nutzen und Kosten ergibt. Diese kann auch für den sozialen Nutzen berechnet werden. In der vorliegenden Arbeit wird aufgrund der Üblichkeit im finanziellen Bereich häufig auch der Begriff soziale Rendite verwendet. 2.3.2.2 Abgrenzung der verschiedenen Renditen Der wesentliche Unterschied zwischen Business und Social Entrepreneurship ist, wie bereits erwähnt, die Social Value Proposition bzw. die soziale Rendite. In Bezug auf die Abgrenzung der Social Value Proposition von einer Value Proposition im Business Entrepreneurship bleiben die Definitionen aber meist vage. Häufig wird unterschieden zwischen sozialen Zielen und finanziellen Zielen.102 Diese Abgrenzung kommt zwar den praktischen Zielen sehr nahe, ist aus theoretischer Sicht aber nicht zufriedenstellend, denn sozial und finanziell bilden kein Wortpaar im semantischen Sinn. Das Gegenteil von sozial ist vielmehr privat (auf den Begriff unsozial wird später eingegangen) und das Gegenteil von finanziell ist ideell oder nichtfinanziell. 103 Zunächst wird auf die Abgrenzung sozial – privat eingegangen. Diese Unterscheidung liegt auch der bekannten Definition von Social Entrepreneurship von DEES (2001) zugrunde, indem er definiert: „Social entrepreneurs play the role of change agents in the social sector, by adopting a mission to create and sustain social value (not just private value)[…].“104 Eine solche Einteilung kommt implizit auch in einigen anderen Definitionen zum Ausdruck.105 Somit können alle Personen oder Organisationen in diese Dichotomie eingeteilt werden. Das Gegenteil von sozial ist privat und umgekehrt. Aus

101

Vgl. Zahra et al. (2009), S. 522.

102

Vgl. John (2006), S. 9.

103

Vgl. Pigou (1924), S. 134f.; Secchi (2007), S. 352.

104

Dees (2001), S. 4. Er führt explizit beide Dimensionen an. Teilweise wird auch die soziale der For-Profit-Dimension gegenübergestellt; vgl. Hibbert (2002), S. 288.

105

Vgl. Mort/Weerawardena/Carnegie (2003), S. 82; Austin/Stevenson/Wei-Skillern (2006), S. 2; Nicholls (2006), S. 13ff.; Martin/Osberg (2007), S. 35; Zahra et al. (2009), S. 521.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

31

der Sicht eines Investors ist seine eigene die private Nutzenveränderung, die bei allen übrigen tangierten Personen die soziale Nutzenveränderung. Um dies weiter zu konkretisieren, kann die soziale Dimension weiter unterteilt werden in Transaktionspartner und Nichtbeteiligte. Bei einem Autokauf gibt es z.B. den Käufer (privat, wenn die Perspektive des Käufers eingenommen wird), den Verkäufer (Transaktionspartner) und die Gesellschaft (Nichtbeteiligte). Dem Käufer wird der Autokauf einen Nutzenzuwachs bescheren, sonst würde er die Transaktion nicht tätigen. Der Verkäufer wird ebenfalls einen Nutzenzuwachs erfahren, weil er sonst das Auto nicht verkaufen würde. Die unbeteiligte Gesellschaft ist von der Transaktion ebenfalls betroffen, z.B. durch Transaktionssteuern, die der Gesellschaft positiv zugutekommen und negative externe Effekte, die in Folge der Transaktion durch Umweltverschmutzung auftreten können. Die Nutzenänderung des Verkäufers plus die Nutzenänderung der Unbeteiligten kann zur sozialen Nutzenänderung zusammengefasst werden. Die soziale Nutzenänderung plus die private Nutzenänderung kann wiederum zur gesellschaftlichen Nutzenänderung zusammengefasst werden. Es ergibt sich somit die in Abbildung 3 dargestellte Unterteilung von Personen- oder Organisationsgruppen. Analog bedeutet die gesellschaftliche Rendite ebenfalls die Summe aus privater und sozialer Rendite. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird statt des Begriffs privat als Gegenteil von sozial häufig der Begriff unsozial verwendet. Hieran wird nun deutlich, dass es zumindest im Deutschen zwei Bedeutungen des Begriffs sozial gibt. Diese Doppeldeutigkeit führt in den Definitionsdebatten teilweise zu Verwirrung. Das Problem liegt darin, dass das Wortpaar sozial–privat eine positivistische und das Wortpaar sozial–unsozial eine normative Beschreibung ist. Beide Bedeutungen hängen aber miteinander zusammen. Die soziale und die private Rendite bilden zwei verschiedene Dimensionen, die Höhe der Ausprägung auf der sozialen Dimension definiert dann wiederum, ob etwas als sozial oder unsozial im normativen Wortsinn bezeichnet wird.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

32

Betroffene Personen / Organisationen

Gesellschaft

=

Privat

+

Transaktionspartner

Sozial

Unbeteiligte

Abbildung 3: Abgrenzung von privat und sozial Nach der Abgrenzung privat – sozial muss noch die Abgrenzung finanziell – nichtfinanziell vorgenommen werden, die unabhängig von der Unterteilung in privat und sozial ist. Es gibt sowohl Nutzenveränderungen, die mit einer finanziellen Veränderung einhergehen bzw. durch sie verursacht werden, als auch solche ohne finanzielle Veränderungen. Die finanziellen Auswirkungen sind nur eine Operationalisierung des Nutzens, die auf der Annahme beruht, dass mit steigendem Einkommen auch der Nutzen steigt. Gleichwohl kann z.B. auch ein Kompliment zu einer Nutzenveränderung beitragen, ohne dass eine finanzielle Veränderung stattgefunden hat. Die Kombination der zwei Merkmale mit jeweils zwei Ausprägungen ergibt eine Vierfelder-Matrix. Es gibt private finanzielle, private nichtfinanzielle, soziale finanzielle und soziale nichtfinanzielle Auswirkungen einer Handlung. Veranschaulichen lassen sich die obigen Ausführungen am besten anhand eines Beispiels. Angenommen, ein Unternehmen vertreibt Bücher, die in verschiedenen Formen zum Selbststudium genutzt werden: Wenn die Erträge mit diesen Büchern die Kosten übersteigen, erzielt das Unternehmen eine positive private finanzielle Rendite. Möglich ist auch, dass der Verkauf dieser Bücher beispielsweise zu einem höheren Selbstwertgefühl und zur Zufriedenheit der Mitarbeiter führt, dann erzielt das Unternehmen auch eine private nichtfinanzielle Rendite. Angenommen den Käufern der Bücher gelingt es durch das angelesene Wissen, ihr Gehalt zu steigern, dann wird auch eine positive soziale finanzielle Rendite erwirtschaftet. Wenn sie zusätzlich Zufriedenheit

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

33

durch das Lesen der Bücher empfinden, wird auch eine soziale nichtfinanzielle Rendite erzielt. Diese Klassifizierung ist in Tabelle 1 dargestellt. Privat

Sozial

Finanziell

Finanzieller Profit durch Verkauf von Büchern

Indirekt bewirkte Einkommenssteigerung des Käufers durch Lesen des Buches

Nichtfinanziell

Zufriedenheit durch Verkauf des Buches

Zufriedenheit durch Lesen des Buches

Tabelle 1: Klassifizierung von Handlungsergebnissen anhand der Dimensionen finanziell – nichtfinanziell, sozial – privat Eingangs wurde erwähnt, dass die soziale Rendite in der Praxis meist der finanziellen Rendite gegenübergestellt wird. Wenn in dieser Arbeit die finanzielle Rendite erwähnt wird, dann ist implizit die private finanzielle Rendite gemeint, anderenfalls ist dies ausdrücklich gekennzeichnet. 2.3.2.3 Verhältnis privater zu sozialer Rendite Neben der Unklarheit hinsichtlich der Abgrenzung von sozialen Aktivitäten besteht eine zweite Unklarheit bezüglich des Verhältnisses der sozialen Nutzenveränderung zur privaten Nutzenveränderung oder anders ausgedrückt zwischen der sozialen und der privaten Rendite. In der Literatur sind verschiedene Definitionen zu finden. Die meisten gehen explizit oder implizit von einem Zielkonflikt aus.106 In einigen Fällen wird sogar ein 100%iger Zielkonflikt angenommen, so dass die private und die soziale Rendite zwei gegenüberliegende Pole einer Dimension darstellen.107 Diese Zielkonflikt-Annahme steht aber im Widerspruch zu einer wesentlichen Grundannahme und der Hauptlegitimation der Marktwirtschaft. Sie besteht darin, dass privates Gewinnstreben auch sozialen Nutzen nach sich zieht. Adam Smith beschreibt dies an einer Stelle mit der berühmten Metapher der „unsichtbaren Hand“.108 In diesem Fall

106

Vgl. für einen Überblick über Definitionen Roder (in Druck); Zahra et al. (2009), S. 521.

107

Vgl. John (2006), S. 9; Community Wealth Ventures (2000), S. 15; Massetti (2008), S. 2f. Ein Beispiel für einen solchen Zielkonflikt sind derivative Finanzinstrumente, bei denen der eine verliert, was der andere gewinnt.

108

Vgl. Smith (1776), S. IV.2.9.

34

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

besteht eine Zielkongruenz. Die Steigerung der privaten Rendite ist nur möglich, wenn auch die soziale Rendite gesteigert wird. Ein Beispiel ist Bill Gates, der von seiner Softwareentwicklung finanziell stark profitiert hat. Aber auch seine Kunden haben profitiert und einen Nutzenzuwachs erfahren. Wäre dem nicht so, hätten sie die Microsoft-Software nicht gekauft. Neben den Aktivitäten, die sowohl privat als auch sozial wünschenswert sind, existieren auch solche, bei denen die private Rendite zwar positiv, die soziale Rendite aber negativ ist. Wenn z.B. ein Arzt eine unnötige Leistung erbringt, der Patient dies aber nicht erkennt, dann erzielt zwar der Arzt eine positive private Rendite, aber die soziale Rendite ist negativ, z.B. durch Freizeit- oder Einkommensverlust des Patienten und durch Kosten für die Gesellschaft auf Grund der Umverteilung im Gesundheitswesen. Weiter verkompliziert wird die Darstellung, wenn man neben der privaten Rendite nicht die konsolidierte soziale Rendite, sondern die Rendite des Transaktionspartners und der Unbeteiligten einzeln betrachtet. Jede Partei kann unabhängig von der anderen Partei einen Nutzenzuwachs oder -verlust erleiden. Im Beispiel des Autokaufs oben wurde bereits verdeutlicht, dass die private Rendite und die des Transaktionspartners positiv sein können, während die Rendite der Unbeteiligten sowohl positiv (durch Transaktionssteuern) als auch negativ (durch Umweltverschmutzung) sein kann. Die Beispiele verdeutlichen, dass weder ausschließlich ein Zielkonflikt noch ausschließlich eine Zielkongruenz zwischen der privaten und der sozialen Rendite besteht. Vielmehr müssen Tätigkeiten im Einzelfall und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf beide Dimensionen untersucht werden. Theoretisch ist jede Kombination von privater und sozialer Rendite möglich. 2.3.2.4 Ex-ante- versus Ex-post-Betrachtung Die dritte Problematik bestehender Definitionen ist die fehlende Unterscheidung zwischen Ex-ante- und Ex-post-Betrachtungen. Sowohl in der Praxis als auch der Literatur werden meist Ex-post-Definitionen verwendet.109 Erst, wenn sich Erfolg eingestellt hat, wird jemand als Entrepreneur bezeichnet. Dieser Ansatz ist sicherlich hilfreich, um rasch zu Vermutungen über mögliche Erfolgsfaktoren zu gelangen. Langfristig

109

Vgl. Martin/Osberg (2007), S. 30; Leppert (2008), S. 8.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

35

sollte aber die Definition und Abgrenzung des Forschungsfeldes Social Entrepreneurship vom Erfolg der Akteure und Vorhaben getrennt werden. Eine Ex-Post-Definition hat den erheblichen praktischen Nachteil, dass erst im Nachhinein klar wird, ob es sich um eine Social-Entrepreneurship- oder eine Business-Entrepreneurship-Aktivität (oder gar keine Entrepreneurship-Aktivität) gehandelt hat. Es ist nicht möglich, etwas über die gescheiterten Vorhaben zu lernen, so dass der Mehrwert auf dieser Definition aufbauender Forschung fraglich ist.110 Es wird hier dafür plädiert, wie in der klassischen Entrepreneurship-Forschung eine Ex-ante-Perspektive einzunehmen und konstituierende Kriterien festzulegen, bei deren Erfüllung man von Social Entrepreneurship spricht.111 Für die Definition einer Tätigkeit sind das Ziel und die unternehmerische Gelegenheit relevant, nicht das Ergebnis. Denn es ist, wie in 2.3.1 dargestellt, die unternehmerische Gelegenheit, die Personen dazu bringt, tätig zu werden.112 Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, kann bei einem Vorhaben ab dem Moment der Umsetzung von Social Entrepreneurship gesprochen werden. Das impliziert, dass auch jene Vorhaben als Social Entrepreneurship gelten, die noch keinen Erfolg haben und vielleicht sogar scheitern. Damit ist ein Feld abgegrenzt. Die Ex-Post-Betrachtung erlaubt es dann, das Ergebnis mit den Zielen abzugleichen, um so den Erfolg und indirekt Erfolgsfaktoren festzustellen.

2.3.3 Modell zur Abgrenzung von Social und Business Entrepreneurship 2.3.3.1 Herleitung des Modells Auf Basis weiterer Erkenntnisse der Nutzentheorie und Wohlfahrtsökonomie sowie der obigen Ergebnisse wird nun ein Modell abgeleitet, mit dessen Hilfe Business und Social Entrepreneurship sowie verwandte Aktivitäten abgegrenzt werden können. Statt des oben eingeführten abstrakten Nutzenkonzeptes soll nun eine Operationalisierung erfolgen. Der Gesamtnutzen einer Volkswirtschaft wird im folgenden Modell durch das Bruttosozialprodukt (pro Kopf) gemessen, wie es in wohlfahrtsökonomischen

110

Vgl. Light (2006), S. 49.

111

Vgl. für zwei bekannte Entrepreneurship-Definitionen Stevenson/Jarillo (1990), S. 23; Shane/Venkataraman (2000), S. 218.

112

Vgl. Santos (2009), S. 13f.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

36

Modellen üblich ist.113 Nichtfinanzielle Auswirkungen von Aktivitäten werden ausgeklammert. In dem Modell in Abbildung 4 werden daher nur die finanzielle soziale und die finanzielle private Rendite dargestellt. Dies ist für solche Modelle üblich, z.B. lehnt auch SANTOS (2009) nichtfinanzielle Effekte als Klassifizierungselement ab.114 Der Nachteil dieses Vorgehens ist, dass nichtfinanzielle Aspekte, die den Nutzen beeinflussen, von dem Modell nicht abgebildet werden können. Es sind dadurch auch keine Schlüsse über die nichtfinanzielle Gesamtwohlfahrt im Sinne von Zufriedenheit möglich, weil diese, wie bereits erläutert wurde, von der finanziellen Situation stark abweichen kann.115 Die Relevanz des Modells leidet aber kaum unter der Beschränkung auf die finanziellen Auswirkungen. So baut z.B. die zunehmend genutzte Social-Return-on-Investment-Methode, auf die später noch eingegangen wird, auf dieser rein finanziellen Betrachtung auf. Auch rechtfertigen Social Entrepreneurs ihre Tätigkeit regelmäßig damit, dass sie der Gesellschaft einen finanziellen Mehrwert bieten, z.B. durch Kosteneinsparungen für den Staat. Auf der X-Achse des in Abbildung 4 dargestellten Modells wird die private Rendite, auf der Y-Achse die soziale Rendite abgetragen. Der Einfachheit halber wird die soziale Rendite hier nicht weiter aufgesplittet. Während es sich bei der privaten Rendite nur um eine Person oder Organisation handelt, ist die soziale Rendite, entsprechend der oben eingeführten Unterteilung, die Summe aller übrigen individuellen Renditen. Im klassischen Angebots- und Nachfragemodell kann die private Rendite als die Produzentenrente interpretiert werden, die soziale Rendite entspricht in diesem Fall der Konsumentenrente.116 Anhand Abbildung 4 kann auch die normative Bedeutung des Begriffs sozial verdeutlicht werden. Eine einfache Einteilung bietet der Koordinatenschnittpunkt. Aktivitäten, die unterhalb der X-Achse angesiedelt sind (negative soziale Rendite), können als unsozial bezeichnet werden, alle Aktivitäten, die oberhalb der X-Achse liegen, können

113

Vgl. Kleinewefers (2008), S. 183ff.

114

Vgl. Santos (2009), S. 7.

115

Vgl. Ng (2003), S. 311ff.; Abschnitt 2.3.2.1.

116

Vgl. für eine Darstellung des Konzepts der Konsumenten- und Produzentenrente Varian (1996), S. 243ff.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

37

als (normativ) sozial bezeichnet werden. Umso größer die soziale Rendite, desto sozialer ist die Aktivität. Die Abbildung nimmt, wie oben vorgeschlagen, eine Ex-ante-Sicht ein. Da die Zukunft unsicher ist, können Aktivitäten ex ante und ex post in sehr unterschiedliche Bereiche fallen. Die Unterscheidung zwischen ex ante und ex post schlägt sich praktisch in dem Modell in der Bezeichnung der Quadranten nieder. Soziale Rendite Unsichtbare Hand

Philanthropie

C2 Gut gemeint (aber nicht gut)

C1 II

I

III

IV

Private Rendite Bereicherung ersten Grades

Irrational Bereicherung zweiten Grades

Abbildung 4: Modell zur Klassifizierung wirtschaftlicher Tätigkeiten Aktivitäten, die Adam Smith mit der unsichtbaren Hand beschreibt, fallen in den Quadranten I: Private Renditemaximierung, die sich in privatem Gewinnstreben ausdrückt, erzeugt auch eine soziale Rendite.117 Nur wenn der Käufer von einem Produkt oder einer Dienstleistung profitiert, wird er für die Leistung zahlen und somit dem Verkäufer eine private Rendite bescheren. Die Iso-Rendite-Geraden C1 und C2 zeigen den Pfad, auf dem die soziale für die private Rendite aufgegeben werden kann, ohne dass sich die gesellschaftliche Rendite, die als Summe aus privater und sozialer Rendite definiert wird, ändert. Diese Summe ist auf den Geraden konstant. Mit der

117

Vgl. Quiggin (1997), S. 144.

38

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

Entfernung vom Ursprung steigt die gesellschaftliche Rendite, so dass sie für C2 größer ist als für C1. Die idealen wirtschaftlichen Tätigkeiten fallen zwar in den ersten Quadranten, es ist aber auch denkbar, dass eine private Rendite ganz oder teilweise durch (finanzielle) Umverteilung entsteht.118 In diesem Fall müsste die Aktivität in den Quadranten IV eingeordnet werden. Beispielsweise können negative externe Effekte zu einer Umverteilung führen: Angenommen ein Autoverkäufer verkauft ein Auto zu einem Preis, der so hoch ist, dass die Rendite des Käufers null ist und er somit zwischen Kauf und Sparen indifferent ist: Weil die Produktion des Autos aber Umweltprobleme und damit negative externe Effekte nach sich zieht, die sozialisiert werden, kann die soziale Rendite (Funktion der Rendite des Käufers und aller anderen Mitglieder der Gesellschaft) negativ sein. Wenn nun im geschilderten Fall die positive private Rendite höher ist als die negative soziale Rendite, befindet man sich oberhalb der gestrichelten Linie im Quadranten IV und die gesellschaftliche Rendite ist positiv. Wenn die negativen sozialen Effekte größer sind als die positiven privaten Effekte, befindet man sich unterhalb der gestrichelten Linie in dem Bereich, der als „Bereicherung zweiten Grades“ gekennzeichnet ist. Auf der gestrichelten Line im Quadranten IV findet reine Umverteilung statt. Die positive private Rendite wird ermöglicht durch eine negative soziale Rendite, so dass die gesellschaftliche Gesamtrendite unbeeinflusst bleibt. In den Quadranten III in Abbildung 4 fallen all jene Aktivitäten, die sowohl eine negative private als auch eine negative soziale Rendite nach sich ziehen. Dieser Fall wird in der Praxis bei einer Ex-ante-Betrachtung in der Regel nicht vorkommen. Es würde bedeuten, dass jemand eine negative private Rendite einplant, um der Gesellschaft zu schaden.119 Bei einer Ex-post-Betrachtung kann dieser Fall durchaus auftreten, z.B. wenn eine Spende ungewollt zu einem sozialen Schaden führt. In den Quadranten II fallen all jene Aktivitäten, bei denen eine Person oder Organisation selbst eine negative Rendite einplant, um eine positive soziale Rendite zu erreichen. Genau von diesem Fall gehen Philanthropen in der Regel aus: Sie verzichten auf die private Rendite zugunsten einer sozialen Rendite. Lohnend wird eine soziale

118

Vgl. Fruhan (1979), S. 65ff.; Sahlman (1988), S. 24.

119

Ein denkbarer Fall ist ein Unternehmer, der Ressourcen aufwendet, um einem Konkurrenten zu schaden, ohne dass er selbst davon (finanziell) profitiert.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

39

Investition aber erst dann, wenn die positive soziale Rendite die negative private Rendite überkompensiert und dadurch die gesellschaftliche Rendite positiv ist. Diese Aktivitäten liegen oberhalb der gestrichelten Linie im Quadranten II. Wenn eine soziale Investition, also eine negative private Rendite, mit einer positiven sozialen Rendite einhergeht, die Nettobetrachtung aber negativ bleibt, lohnt sich die Investition nicht. Diese Aktivitäten liegen im Quadranten II unterhalb der gestrichelten Linie in dem Bereich, der mit „Gut gemeint (aber nicht gut)“ gekennzeichnet ist. Bewegt man sich auf der gestrichelten Linie im Quadranten II, dann handelt es sich wiederum um reine Umverteilung: Die negative Rendite des einen entspricht der positiven Rendite des anderen, ohne dass ein Mehrwert entstehen würde. Auf diese Linie fallen z.B. direkte, monetäre Umverteilungsmaßnahmen.120 In Abbildung 4 ist der Bereich, in den Investitionen im optimalen Fall fallen sollten, grau hinterlegt. Wert geschaffen wird bei allen Investitionen, die sich rechts oberhalb der gestrichelten Linie befinden. Im Quadrant IV gehört der Bereich zwischen XAchse und der gestrichelten Linie zwar auch zu dem Bereich der Wertschaffung, da aber gleichzeitig in diesem Bereich sozialer Wert vernichtet wird und die Gesellschaft in Kenntnis der Tatsachen dieser Wertzerstörung nicht zustimmen würde, sind diese Investitionen als suboptimal zu betrachten und daher nicht grau hinterlegt. Aktivitäten in diesem Bereich sind nicht pareto-effizient.121 Im Bereich links unterhalb der gestrichelten Linie wird netto Wert vernichtet, daher sollten Aktivitäten, die in diesen Bereich fallen, nicht unternommen werden. Ein Nachteil der Abbildung ist, dass auf der sozialen Dimension sowohl der Partner in der Transaktion als auch die unbeteiligten Mitglieder der Gesellschaft zusammengefasst sind. Dies ist eine für die Darstellung notwendig Vereinfachung. Tatsächlich wird bei einem wirtschaftlichen Austauschverhältnis häufig sowohl der Verkäufer als auch der Käufer profitieren, sonst würde die Transaktion nicht zustande kommen, die Gesellschaft aber negativen Nutzen aus der Transaktion ziehen, weil sie lediglich für die negativen externen Effekte der Transaktion, z.B. Umweltverschmutzung einstehen

120

Es soll hier noch einmal daran erinnert werden, dass nur finanzielle Aspekte berücksichtigt werden. Wenn der Grenznutzen des Kapitalempfängers höher ist als der Grenzverlust des Kapitalgebers, wovon man bei mildtätigen Spenden regelmäßig ausgehen kann, dann steigt in der Summe das Nutzenniveau, obwohl nur Kapital umverteilt wurde.

121

Vgl. Varian (1996), S. 15.

40

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

muss. Oben wurde bereits das Beispiel des Autokaufs mit den negativen externen Effekten angeführt. Auch Drogengeschäfte können ein Beispiel sein, bei dem die Gesellschaft aufgrund von Beschaffungskriminalität, staatliche Transferleistungen an die Drogenkonsumenten und anderen negativen externen Effekten betroffen ist. Um diesen Fall besser beschreiben zu können, müsste die Darstellung auf drei Dimensionen erweitert werden, indem die Rendite für den Transaktionspartner und die Unbeteiligten separat ausgewiesen wird. Mit Hilfe des Modells in Abbildung 4 lässt sich nun eine positivistische Abgrenzung von Business und Social Entrepreneurship ableiten. Wenn Entrepreneurship, aus Sicht der Organisation, darauf ausgerichtet ist, die private Rendite zu maximieren, dann handelt es sich um Business Entrepreneurship. Um Social Entrepreneurship handelt es sich, wenn die gesellschaftliche Rendite, also die Summe aus privater und sozialer Rendite maximiert werden soll. Social Entrepreneurship wird also nicht als die Maximierung der sozialen Rendite definiert. Der Grund ist, dass der private Aufwand, der für eine bestimmte soziale Rendite benötigt wird, berücksichtigt werden muss. Gleichwohl kommt die Maximierung der sozialen Rendite in der Praxis als Ziel vor, denn die soziale Rendite kann nicht ohne weiteres, wie noch gezeigt wird, mit der finanziellen Rendite zur gesellschaftlichen Rendite aufsummiert werden. Folglich behelfen sich die Akteure damit für einen bestimmten privaten Aufwand, die soziale Rendite, die nur geschätzt werden kann, zu maximieren. Zudem werden Social Entrepreneurs vor allem in Bereichen aktiv, in denen eine im Vergleich zur privaten Rendite besonders hohe soziale Rendite erreicht werden kann, denn genau diese Tätigkeitsbereiche werden von klassischen Business Entrepreneurs ausgespart. In der Praxis wird daher bei Social-Entrepreneurship-Aktivitäten die soziale Rendite regelmäßig wesentlich höher sein als die private Rendite. Zu beachten ist auch, dass sich die gesellschaftliche Renditemaximierung auf die Organisation und nicht den Social Entrepreneur bezieht. Dieser richtet im Gegensatz zur Organisation seine Tätigkeit ausschließlich auf die soziale Rendite aus. Er bezieht ein Einkommen, das für ihn die Funktion einer finanziellen Nebenbedingung hat, darüber hinaus sind seine Tätigkeiten aber auf die Gesellschaft ausgerichtet. Damit wird deutlich, dass zwischen der Organisation und dem Gründer bzw. Anteilseigner, dem Social Entrepreneur, unterschieden werden muss. Abbildung 4 veranschaulicht das Ziel der gesellschaftlichen Renditemaximierung mit Hilfe der Iso-Rendite-Geraden. Das Ziel von Social Entrepreneurship besteht darin,

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

41

auf eine möglichst weit vom Ursprung entfernte Iso-Rendite-Gerade zu gelangen.122 Da diese Definition eine Ex-ante-Perspektive einnimmt, wird mit der Einteilung in Social und Business Entrepreneurship keine Aussage über den Erfolg getroffen, weder den sozialen noch den privaten. Die Definition besagt somit auch nicht, dass Business Entrepreneurship grundsätzlich weniger sozial ist als Social Entrepreneurship. Auch Business Entrepreneurship kann eine hohe soziale Rendite bescheren, wie viele Beispiele zeigen.123 2.3.3.2 Anwendung, Diskussion und Implikationen des Modells Es sollen nun verschiedene Aktivitäten mit Hilfe des Modells klassifiziert werden. Wie bereits erwähnt, ist das Verhältnis von privater und sozialer Rendite abhängig von der genauen Aktivität. Ein Beispiel wäre die bereits unter 2.3.2.3 genannte Software. Im Vergleich zum gewinnmaximierenden Monopolpreis würde eine Preisminderung mehr Menschen in die Lage versetzen, die Software zu nutzen. Die Konsumentenrente steigt. Dieser Zuwachs an Konsumentenrente würde gesamtgesellschaftlich den Verlust an Produzentenrente überkompensieren, denn die Konsumentenrente steigt stärker, als die Produzentenrente sinkt. Die maximale gesellschaftliche Rendite (Summe aus Konsumenten- und Produzentenrente) würde erreicht, wenn das Produkt kostenlos zur Verfügung gestellt wird.124

122

Das Modell und die darauf aufbauende Klassifizierung ist der Definition von Santos (2009) sehr ähnlich. Er definiert: „… what distinguishes social entrepreneurship from commercial entrepreneurship is a predominant focus on value creation as opposed to a predominant focus on value appropriation“.„Value creation“ entspricht der Maximierung der gesellschaftlichen Rendite, während „value appropriation“ die Maximierung der privaten Rendite bedeutet. In Abbildung 4 misst die Iso-Rendite-Gerade das, was Santos (2009) als ‚value creation’ bezeichnet, denn sie stellt den Gesamtwert dar, der geschaffen wird. Die private Rendite wird somit in dem Modell von Santos (2009) zweimal dargestellt, zum einen als Teil des gesamten Wertes, der geschaffen wird, und zum anderen als der Teil des Wertes, der abgeschöpft werden kann. Das Modell in Abbildung 4 ist folglich etwas genauer, in dem es die gesellschaftliche Rendite („value creation“) in ihre Einzelteile, die private und die soziale Rendite, zerlegt. Vgl. Santos (2009), S. 13.

123

Vgl. Schramm (2010), S. 21f.

124

Die Konsumenten- (KR) und Produzentenrente (PR) berechnen sich wie folgt, wenn angenommen wird, dass Fixkosten in Höhe von cfix und keine variablen Kosten anfallen, dass die Nachfrage mit p(q)=pmax-q beschrieben werden kann und dass es einen Bereich gibt, in dem p*q>cfix ist: KR(p,q)=0,5*(pmax-p)*q, PR(p,q)=p*q-cfix. Der Monopolpreis wird als pmon bezeichnet. Im Bereich pmon
42

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

Die zu diesem Fall gehörige Renditemöglichkeitskurve in Abbildung 5 ist B2. Es wird davon ausgegangen, dass das Unternehmen ausschließlich Fixkosten für die Softwareentwicklung tragen muss und die Nachfragefunktion eine Gerade ist. Bei einem bestimmten Monopolpreis für die Software liegt die maximal erreichbare private Rendite bei Xb2_p, die mit einer positiven sozialen Rendite einhergeht.125 Es ist unter diesen Annahmen nicht möglich, eine positive private Rendite auf Kosten des Käufers zu erzielen. Wenn nun der Preis für die Software gesenkt wird, können sich mehr Menschen und Unternehmen die Software leisten, und der Zuwachs an sozialer Rendite überkompensiert den Verlust an privater Rendite. Man erkennt dies daran, dass die Renditemöglichkeitskurve B2 steiler ist als die Iso-Rendite-Gerade. Die höchste gesellschaftliche Rendite würde im Punkt Xb2_c erreicht, wo die Renditemöglichkeitskurve B2 die Iso-Rendite-Gerade C2 tangiert. Dies wäre der Fall, wenn die Software kostenlos zur Verfügung gestellt wird und somit die negative private Rendite genau den Fixkosten der Softwareerstellung entspricht. Weil in diesem Modell eine weitere Steigerung der sozialen Rendite nicht möglich ist, endet die Renditemöglichkeitskurve B2 im Punkt Xb2_c.126 Während Microsoft z.B. am Punkt Xb2_p liegen könnte, könnte Wikipedia ein Beispiel sein für Xb2_c. Wikipedia ist kostenlos für den Benutzer, wodurch die soziale Rendite hoch ist. Die private Rendite von Wikipedia ist negativ, weil die Nutzer für das Angebot nicht zahlen müssen. Die Organisation ist daher von Spenden abhängig. Bei der Darstellung in Abbildung 5 wird davon ausgegangen, dass die Renditemöglichkeitskurven nicht durch verfügbares Kapital beschränkt werden. Zudem bildet die Grafik nur eine Einperioden-Betrachtung ab. Wenn man davon ausgeht, dass Kapital beschränkt ist und für Aktivitäten mit negativer privater Rendite kaum Investoren zur Verfügung stehen, dann ist es wahrscheinlich, dass bei vielen Aktivitäten sowohl der Tangentialpunkt mit der Iso-Rendite-Gerade als auch die maximale soziale Rendite mit einer positiven privaten Rendite einhergeht. Die private Rendite kann nämlich ge-

125

Mathematisch kann in diesem Modell nur die private Rendite als Funktion der sozialen Rendite formuliert werden, daher ist die Funktion nur für den Bereich yb2_1 bis yb2_2 dargestellt. Vgl. auch Fn. 124.

126

Die Darstellung der Renditemöglichkeitskurve B2 ergibt sich aus den Modellannahmen in Fn. 124.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

43

nutzt werden, um das Angebot auszuweiten und somit auch die soziale und im Endeffekt die gesellschaftliche Rendite zu erhöhen. Die Ausführungen oben zeigen auch, dass die Einkommenserzielung bzw. private Rendite keine probate Kategorie für die Definition von Social Entrepreneurship ist. Vielmehr hängt es vom Betätigungsfeld, von den externen Finanzierungsmöglichkeiten und insgesamt vom institutionellen Kontext ab, ob die Maximierung der gesellschaftlichen Rendite mit einer privaten Rendite einhergeht oder nicht. Soziale Rendite

Yb2_2

B1

B2 C2

Yb2_1 C1 xb1_p xb2_c

xb2_p

Private Rendite

Abbildung 5: Renditemöglichkeitskurven Abhängig von der Tätigkeit könnte die Renditemöglichkeitskurve B2 auch in den Quadranten IV weiterlaufen und andeuten, dass es möglich ist, die private Rendite auf Kosten der sozialen Rendite weiter zu steigern. Dazu führen könnten z.B. erhebliche negative externe Effekte. Eine Interpretationsmöglichkeit von CSR-Aktivitäten, die in den letzten Jahren stark zugenommen haben, ist genau, jene negativen externen Effekte einzudämmen und dadurch die soziale Rendite zu steigern.127 Andere CSRAktivitäten sind darauf ausgerichtet, die Kompetenz des Unternehmens zu nutzen und positive externe Effekte zu erzeugen.

127

Vgl. Santos (2009), S. 18; Boli/Hartsuiker (2001) zitiert in Lee (2008), S. 54. Vgl. Lee (2008) für einen Überblick über die Entwicklung von CSR und Secchi (2007) für einen Überblick über Theorien im CSR-Kontext.

44

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

Einen ganz anderen Fall bilden Aktivitäten, die zu einer sozialen Rendite führen, bei denen es aber selbst bei einem Verzicht auf soziale Rendite nicht möglich ist, eine private Rendite zu erzielen. Diese Aktivitäten sind das natürliche Spielfeld für SocialEntrepreneurship-Aktivitäten, denn sie werden von klassischen BusinessEntrepreneurs erst gar nicht berücksichtigt. In Abbildung 5 ist die hypothetische Renditemöglichkeitskurve B1 ein Beispiel für eine solche Aktivität. Die maximale gesellschaftliche Rendite wird erreicht, dort wo die Renditemöglichkeitskurve die IsoRendite-Gerade C1 tangiert. Gesellschaftlich nicht lohnen würde sich die Leistung, wenn eine private Rendite von Xb1_p erreicht werden muss. In diesem Fall liegt die soziale Rendite bei null und die Aktivität würde in den Bereich „Gut gemeint (aber nicht gut)“ fallen. Aber mit jedem weiteren Euro, der investiert würde, ließe sich eine hohe marginale soziale Rendite erreichen. Mit Hilfe der Abbildung lassen sich auch verschiedene Strategien und Veränderungen der Rahmenbedingungen erläutern. Ein häufiges Ziel von Social-EntrepreneurshipTätigkeiten ist, langfristig die Abhängigkeit von Spenden zu reduzieren. Dies ist z.B. dadurch möglich, dass die Renditemöglichkeitskurve B1 durch eine Innovation nach rechts verschoben wird und der neue Tangentialpunkt mit einer positiven privaten Rendite einhergeht. Häufig greift auch der Staat ein und setzt finanzielle Anreize, die ebenfalls zu einer Rechtsverschiebung der Renditemöglichkeitskurve B1 führen. Als Beispiel können Vermittlungsprämien für die erfolgreiche Vermittlung von Arbeitslosen angeführt werden. Ohne staatliche Anreize wird man mit der Vermittlung von Arbeitslosen aufgrund verschiedener Anreizproblemen keine private Rendite erzielen können. Wenn nun der Staat Erfolgsprämien zahlt, leitet er die positiven Einspareffekte, die er durch die Vermittlung erzielt (weniger Arbeitslosenunterstützung, zusätzliche Steuereinnahmen), teilweise an den Vermittler weiter, so dass dieser einen kleinen Gewinn erzielt. Ein Teil der sozialen Rendite wird durch den Staat umverteilt hin zu einer privaten Rendite, um Anreize zu schaffen, diese Vermittlungstätigkeit aufzunehmen.128 Der Staat beabsichtigt damit, klassischen Business Entrepreneurs Anreize zu bieten, in diesem Segment aktiv zu werden. Der Tangentialpunkt bewegt sich nach rechts in den positiven Bereich der x-Achse. Ein klassischer Business Entrepreneur wird aber im Unterschied zum Social Entrepreneur die Freiräume, die ihm der

128

Auf einer vergleichbaren Idee bauen Social Impact Bonds auf, die im Jahr 2009 als Konzept entwickelt wurden; vgl. Social Finance (2009).

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

45

Vertrag bietet, ausnutzen und versuchen, die leicht vermittelbaren Arbeitslosen auszuwählen. Die soziale Rendite sinkt, die private steigt bis zu einem bestimmten Maximalwert analog Xb2_p. Der Social Entrepreneur hingegen ist bestrebt möglichst viele schwere Fälle zu vermitteln, auch wenn er dadurch die Einkommensmöglichkeit nicht ausreizt. Er versucht, den Punkt zu finden, an dem die Renditemöglichkeitskurve die Iso-Rendite-Gerade berührt. Die Abbildung ist auch geeignet, verschiedene Formen der Finanzierung von Business und Social Entrepreneurship zu definieren. Prinzipiell haben Finanzintermediäre drei Maximierungsziele zur Auswahl: die private Rendite, die soziale Rendite und als Summe aus beiden die gesellschaftliche Rendite. Gesellschaften, die entweder die private oder die soziale Rendite maximieren, können jeweils bei der anderen Rendite bestimmte Mindestgrößen als Nebenbedingung festlegen. Auf diese Einteilung wird im Laufe der Arbeit zurückgegriffen. 2.3.3.3 Messung der sozialen Rendite Wie erläutert wurde, werden im oben dargestellten Modell nur finanzielle Effekte berücksichtigt. Zwar bietet die Einteilung in private und soziale finanzielle Rendite eine gute Möglichkeit zur Klassifizierung von Aktivitäten. In der Praxis entstehen aber, im Gegensatz zur privaten finanziellen Rendite, erhebliche Probleme bei der Messung der sozialen finanziellen Rendite. Veranschaulichen lässt sich die Problematik am besten anhand des oben eingeführten Beispiels der Bücher zum Selbststudium.129 Problematisch ist, dass die soziale finanzielle Rendite des Bücherverkaufs nur schwer quantifiziert werden kann, denn die Gehaltsveränderung der Käufer in Erfahrung zu bringen und die Kausalität nachzuweisen ist schwer. Mit verschiedenen Schätzungen und Näherungsrechnungen wird dennoch teilweise versucht, die soziale Rendite zu erfassen. Die Social-Return-on-Investment-Methode (SROI) z.B. hat dies zum Ziel.130 Die Methode ist eine Operationalisierung der Kosten-Nutzen-Theorie ebenso wie die klassische private finanzielle Rendite.131

129

Vgl. Abschnitt 2.3.2.2.

130

Vgl. New Economics Foundation (2008), S. 4; Emerson/Wachowicz/Chun (1999), S. 138.

131

Vgl. New Economics Foundation (2008), S. 4.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

46

Ein Beispiel für die Anwendung der SROI-Methode ist die Berechnung des Wertes, den eine bestimmte Berufsgruppe für die Gesellschaft erwirtschaftet. Die NEW ECONOMICS FOUNDATION (2009) hat diesen Versuch unternommen und Gehälter, die der privaten Rendite entsprechen, den sozialen finanziellen Auswirkungen der Tätigkeit (soziale Rendite) gegenübergestellt. Dieser Ansatz und die Ergebnisse lassen sich gut anhand des Modells in Abbildung 4 und Abbildung 5 veranschaulichen. Die Studie schätzt z.B., dass für jedes Pfund, das ein gut bezahlter Londoner Bankmitarbeiter verdient (hat), sieben Pfund sozialer Wert zerstört werden, während umgekehrt ein Kindergärtner für jedes Pfund, das er verdient, sieben Pfund zusätzlichen Wert für die Gesellschaft schafft.132 Im Modell in Abbildung 4 würde sich der Bankmitarbeiter im Bereich der Bereicherung zweiten Grades befinden, während der Kindergärtner in den Bereich „unsichtbare Hand“ fallen würde. Auch wenn die Umsetzung der SROIMethode in der Studie angreifbar ist, so zeigt sie dennoch, dass die Grundüberlegung hinter der SROI-Methode sinnvoll ist. Noch deutlich problematischer als soziale finanzielle Auswirkungen festzustellen – im obigen Bücherbeispiel der Einkommenszuwachs durch das Lesen von Büchern – sind nicht finanziell messbare Nutzenveränderungen, z.B. die Freude durch das Lesen der Bücher.133 Um dennoch auch solche Effekte transparent zu machen, können Indikatoren genutzt werden, sowohl auf individueller als auch auf volkswirtschaftlicher Ebene. Beispiele für solche Indikatoren sind der Gesundheitszustand oder das Bildungsniveau.134 Wenn man in die Zukunft blickt, stellt sich die Frage, ob es eine Konvergenz von Social und Business Entrepreneurship geben wird. Gegen eine Konvergenz spricht, dass die soziale Rendite, die z.B. durch externe Effekte entsteht, nur schlecht gemessen werden kann. Wenn sie nicht gemessen werden kann, wird sie nicht transparent und weder Staat noch die Anteilseigner können Druck ausüben, die soziale Rendite zu verbessern. Vermutlich wird aber der Druck auf Unternehmen steigen, je stärker die externen Effekte transparent werden. Die CO2-Debatte und das Messen des CO2-

132

Vgl. New Economics Foundation (2009), S. 15, 17.

133

Wie bereits im Abschnitt 2.3.3.1 erwähnt, wurden diese Effekte im Modell in Abbildung 4 und Abbildung 5 nicht berücksichtigt.

134

Vgl. Kleinewefers (2008), S. 248.

2.3 Social Entrepreneurship und Business Entrepreneurship

47

Ausstoßes kann als Beispiel für diese Tendenz gesehen werden. Mit fortschreitenden Methoden zur Messung der sozialen Rendite und einem gesteigerten öffentlichen Interesse wird diese Konvergenz vermutlich in einem gewissen Maße eintreten. Eine vollständige Auflösung des Business Entrepreneurship mit privater Renditemaximierung ist aber unwahrscheinlich. 2.3.3.4 Risiko In der Finanzierungstheorie wird die Rendite immer im Verbund mit dem Risiko betrachtet. Die Standardannahme ist, dass die erwartete Rendite mit dem Risiko steigt. Das Ziel eines Investors ist folglich auch nicht ausschließlich die Renditemaximierung, sondern die Maximierung des Rendite-Risiko-Verhältnisses d.h. die Maximierung der Rendite für ein bestimmtes Maß an Risiko. Es sollte daher auch bei sozialen Investitionen das Risiko mitbetrachtet werden.135 Wie bereits die Rendite kann auch das Risiko privater oder sozialer Natur sein. Eine Investition kann mit einem privaten Risiko, mit einem sozialen Risiko oder aber mit einem privaten und sozialen Risiko einhergehen. Beispielsweise ist aus Sicht eines Spenders das private Risiko einer Spende an ein Social Venture gleich null. Der Spender weiß, dass die Spende nicht zurückgezahlt wird. Aus sozialer Perspektive kann das Risiko dagegen hoch sein, wenn unklar ist, ob das Konzept zum Erfolg führt und eine soziale Rendite beschert. Der umgekehrte Fall, in dem das private Risiko hoch, das soziale gering ist, tritt ein, wenn ein Unternehmen mit Sicherheit sozialen Mehrwert bieten wird, die Leistung aber unter Umständen nicht geschützt werden kann oder es dem Unternehmen nicht gelingt, den geschaffenen Wert abzuschöpfen. Die Entwicklung eines Medikamentes, bei dem annahmegemäß kein Risiko bezüglich der Erfolgsaussichten des Medikamentes besteht, ist ein solches Beispiel. Ohne Patente würden zwar die Medikamente sozialen Mehrwert bieten, aber den Unternehmen würde es aufgrund von Nachahmern, die sich nicht an den Entwicklungskosten beteiligen, aber mit Hilfe der Rezeptur das Medikament herstellen, nicht ge-

135

Streng genommen handelt es sich nicht um Risiko, sondern um Unsicherheit. Bei Unsicherheit besteht im Gegensatz zum Risiko nicht nur eine Streuung der Ergebnisse, sondern zusätzlich sind auch die möglichen Ergebnisse unbekannt; vgl. Knight (1921), S. 20. Da in den meisten Publikationen nicht zwischen Risiko und Unsicherheit unterschieden wird, lehnt sich auch diese Arbeit an den allgemeinen Sprachgebrauch an, der das Wort Risiko bevorzugt und inhaltlich zwischen Risiko und Unsicherheit nicht unterscheidet.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

48

lingen, die Entwicklungskosten wieder einzunehmen. Die private Rendite wäre negativ. Bei klassischen Investitionen in Business Ventures ist häufig nicht nur das private, sondern auch das soziale Risiko hoch. Wenn die Investition in eine neue Technologie unsicher ist, dann bedeutet das nicht nur für den Investor, dass es sich um eine riskante Investition handelt. Auch aus gesellschaftlicher Perspektive ist die Investition riskant, weil unklar ist, ob die Technologie einen sozialen Mehrwert bieten wird.

2.4 Venture Capital

2.4.1 Definition Das rudimentäre Konzept hinter Venture Capital basiert auf der Tatsache, dass auf der einen Seite Personen umsetzbare Ideen haben (Unternehmer), ihnen aber das nötige Kapital fehlt, und auf der anderen Seite Personen Kapital zur Verfügung steht (Kapitalgeber), ihnen aber die umsetzbaren Ideen fehlen. Von einer Kooperation können beide Parteien profitieren, denn erst wenn die Umsetzung der Idee finanziert wird, kann für beide Parteien ein Mehrwert entstehen. Die Alternative zur VentureCapital-Finanzierung ist die Fremdkapitalfinanzierung, die aber an ihre Grenzen stößt, wenn der Erfolg der Idee äußerst ungewiss ist, keine Aktiva mit stabilem Wert der Finanzierung gegenüber stehen und das Unternehmen mitunter mehrere Jahre Verlust erwartet.136 Bei solchen Vorhaben sind Business Entrepreneurs daher auf Kapitalgeber angewiesen, die bereit sind das hohe Risiko, das solche Investitionsmöglichkeiten auszeichnet, in Kauf zu nehmen. Dazu sind sie aber nur dann bereit, wenn die Investitionsmöglichkeiten entsprechend hohe Renditen erwarten lassen. Für solche Kapitalgeber hat sich der Begriff Venture Capitalist etabliert, die im Deutschen auch als Wagniskapitalgeber oder Risikokapitalgeber bezeichnet werden. Diese Begriffe haben sich aber nicht durchgesetzt, so dass in dieser Arbeit die Begriffe Venture Capitalist sowie Venture Capital verwendet werden.137 Als Synonym für Venture-Capital-Gesellschaft wird auch der Begriff Frühphasengesellschaft ver-

136

Vgl. Gompers/Lerner (2004), S. 7.

137

Vgl. Fischer (1987), S. 10; Welpe (2004), S. 18.

2.4 Venture Capital

49

wendet. Der Begriff bringt zum Ausdruck, dass es sich um die Finanzierung von Unternehmen in frühen Entwicklungsphasen handelt. Von dem Begriff Venture Capital muss der Begriff Private Equity abgegrenzt werden. In der Literatur und Praxis findet man zwei unterschiedliche Verwendungsformen des Begriffs. Private Equity bezeichnet zum Teil das Spätphasenkomplement zu Venture Capital und zum Teil den Überbegriff über Venture Capital und andere Formen von privatem Beteiligungskapital. Vor allem in der deutschen Praxis wird häufig der ersten Definition gefolgt und Private Equity als Synonym für Spätphasenfinanzierung verwendet.138 Theoretisch sauber ist die Verwendung als Oberbegriff für Venture Capital bzw. Frühphasenfinanzierung und andere Formen privaten Beteiligungskapitals, z.B. Buy-out-Kapital.139 Dieser Definition folgt daher auch die vorliegende Arbeit.

Privates Beteiligungskapital / Private Equity

Frühphasenfinanzierung / Venture Capital

Spätphasenfinanzierung / Buy-out

Abbildung 6: Abgrenzung der Begriffe Private Equity, Venture Capital und Buy-out Der Begriff Venture Capital ist kein wissenschaftlich theoretisch hergeleiteter Begriff, sondern ein Begriff, der sich in der Praxis durchgesetzt hat.140 Gleichwohl lassen sich einige über die Zeit und überregional recht stabile Grundeigenschaften von Venture Capital identifizieren, die in verschiedenen Definitionen genannt werden:

138

Vgl. Kaserer et al. (2007), S. 14.

139

Vgl. Kaserer et al. (2007), S. 14. Die Autoren definieren Private Equity im weiteren Sinn als Oberbegriff für Venture Capital (Frühphasenfinanzierung) und Private Equity im engen Sinn (Spätphasenfinanzierung). Private Equity im engen Sinn bzw. Spätphasenfinanzierung wird wiederum unterteilt in Minderheits- und Mehrheitsbeteiligungen bzw. Buy-outs. Da Minderheitsbeteiligungen eine untergeordnete Rolle spielen und Spätphasenfinanzierungen in dieser Arbeit nicht thematisiert werden, wird die Begriffsabgrenzung im Text vereinfacht dargestellt.

140

Vgl. Bader (1996), S. 4. Vgl. für einen historischen Abriss Jessen (2001), S. 53ff.

50

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen x Finanzielle Rendite: Das Ziel von Venture-Capital-Gesellschaften ist, die risikoadjustierte finanzielle Rendite der Investoren zu maximieren.141 VentureCapital-Gesellschaften haben im Vergleich zu anderen Kapitalgebern hohe Renditeerwartungen, z.B. erwarten 65% der deutschen unabhängigen Beteiligungsgesellschaften eine Rendite von über 24%.142 Dafür können vor allem zwei Gründe angeführt werden. Erstens ist das Risiko der Investitionen sehr hoch, die Renditen der einzelnen Investitionen weisen eine hohe Varianz auf. Ein Großteil der Investitionen führt zu kompletten Abschreibungen. Im Jahr 2004 waren z.B. 33% aller Ausstiege von unabhängigen deutschen Beteiligungsgesellschaften und 51% aller Ausstiege deutscher Frühphasengesellschaften 100%-Ausfälle.143 Meist ist es ein kleiner Prozentsatz der Portfoliogesellschaften eines Fonds, der sehr erfolgreich ist und mit der Rendite die Ausfälle kompensiert. Der zweite Grund für die hohe Renditeerwartung sind die kleinen Finanzierungsvolumen und die hohen Fixkosten pro Finanzierung, die über die Investitionsrendite gedeckt werden müssen.144 x Eigenkapital: Häufiger Bestandteil der Definition ist die Verwendung von Eigenkapital oder eigenkapitalähnlichen Finanzierungsformen.145 Diese ermög-

141

Vgl. Elango/Fried/Hisrich (1995), S. 158; Jessen (2001), S. 64. Neben diesem Hauptziel können vor allem staatlich finanzierte Venture-Capital-Gesellschaften auch Nebenziele verfolgen, z.B. die Schaffung von Arbeitsplätzen oder Stärkung der Innovationskraft; vgl. Jessen (2001), S. 64; Abschnitt 2.4.2.5. Die (offiziellen) Ziele der Gesellschaften dürfen nicht mit den persönlichen Zielen der Mitarbeiter verwechselt werden, die stark abweichen können, wodurch Principal-AgentProbleme auftreten, die im Abschnitt 3.2.2 erläutert werden.

142

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 52. Die Gruppe beinhaltet auch Spätphasengesellschaften. Die in der Studie nicht ausgewiesenen Renditeerwartungen der unabhängigen Frühphasengesellschaften dürften noch höher sein.

143

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 73. Ähnliche Zahlen weist der Branchenverband aus, laut dessen Statistik im Jahr 2008 von insgesamt 489 Venture-Capital-Exits deutscher Beteiligungsgesellschaften 130 Totalverluste (27%) waren; vgl. Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2009), S. 19.

144

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 50.

145

Vgl. Kryzanowski/Giraldeau (1977), S. 30; Fischer (1987), S. 10; Mason/Harrison (1999), S. 14f.; Gompers/Lerner (2001), S. 146; Schefczyk (2004), S. 21. Für eine Untersuchung der Bedeutung einzelner Finanzierungsinstrumente sowie einen Überblick über Unterschiede zwischen Regionen vgl. Hartmann-Wendels/Keienburg (2008). Eine frühe Definition auf Basis der zum Entstehungszeitpunkt vorhandenen Literatur schließt hoch riskantes Fremdkapital mit ein; vgl. Kryzanowski/Giraldeau (1977), S. 29.

2.4 Venture Capital

51

lichen den Venture-Capital-Gesellschaften, unbegrenzt an einer positiven Wertentwicklung des Unternehmens zu partizipieren. x Kontroll- und Mitspracherechte: Nicht immer explizit genannt und dennoch weit verbreitet, weil es sich auch indirekt aus dem genannten Fokus auf Eigenkapitalinvestitionen ergibt, sind zum Teil umfangreiche Kontroll- und Mitspracherechte, die sich Venture Capitalists einräumen lassen.146 Diese Rechte gehen zum Teil über die regulären Rechte, die ihnen ihrem Anteil entsprechend zustehen, hinaus.147 x Wachstumsunternehmen: Ebenfalls häufig genannt ist die Konzentration auf junge, private Wachstumsunternehmen.148 Die Unternehmen, in die investiert wird, sind nicht börsengelistet und haben daher keine andere Möglichkeit, an externes Eigenkapital zu gelangen als durch Venture-Capital-Gesellschaften.149 Aus Sicht der Kapitalgeber muss die Finanzierung eines solch riskanten Vorhabens durch eine hohe Renditeerwartung kompensiert werden und dies lässt sich nur durch starkes Wachstum erreichen.150 Statt von Investitionen in Wachstumsunternehmen sprechen einige daher auch von hoch riskanten Investitionen.151 x Begrenzter Zeitraum: Auch die Veräußerung der erworbenen Anteile nach einem begrenzten Zeitraum wird regelmäßig als Charakteristikum genannt.152 Unabhängige Venture-Capital-Gesellschaften refinanzieren sich in der Regel durch geschlossene Fonds.153 Diese haben meist eine Laufzeit von etwa zehn

146

Vgl. Fischer (1987), S. 10; Schefczyk (2004), S. 22; Kleinschmidt (2007), S. 18. Vgl. Fingerle (2005), S. 103ff. für eine ausführliche Darstellung vertraglicher Regelungen und ihrer wirtschaftlichen Bedeutung.

147

Vgl. Schefczyk (2004), S. 21.

148

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1051; Fischer (1987), S. 10; Gompers/Lerner (2001), S. 146; Cressy (2008), S. 355.

149

Vgl. Wells (1974), S. 2.

150

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 50f.

151

Vgl. Wells (1974), S. 2; Kryzanowski/Giraldeau (1977), S. 30; Hartmann-Wendels (1987), S. 17; Mason/Harrison (1999), S. 15.

152

Vgl. Fischer (1987), S. 10; Hartmann-Wendels (1987), S. 16; Sahlman (1990), S. 490; Mason/Harrison (1999), S. 15.; Gorman/Sahlman (1989), S. 233; Schefczyk (2004), S. 22.

153

Vgl. Sahlman (1990), S. 490.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

52

Jahren, wodurch die maximale Haltedauer der Investitionen zeitlich beschränkt wird.154 Die Rendite einer Investition speist sich meist völlig aus den Verkaufserträgen beim Ausstieg, da Venture-Capital-Gesellschaften typischerweise keinerlei Dividenden erhalten.155 x Nichtfinanzielle Unterstützung: Ein weiteres wesentliches Merkmal ist die nichtfinanzielle Unterstützung, die Venture-Capital-Gesellschaften leisten.156 Sie dient zum einen dazu, Informationsasymmetrien zwischen Venture-CapitalGesellschaft und den Unternehmern abzubauen bzw. niedrig zu halten und damit die Unsicherheit zu verringern.157 Zum anderen besitzen Venture-CapitalGeber nichtfinanzielle Ressourcen, von denen die Unternehmen und indirekt auch die Venture Capitalists selbst profitieren können.158 LARGE/MUEGGE (2008) identifizieren in der Literatur insgesamt acht verschiedene Ansätze von nichtfinanzieller Unterstützung: Legitimation, Netzwerkarbeit, Recruiting, Mandatierung, strategische Unterstützung, Mentoring, Beratung und operative Hilfe.159 x Minderheitsbeteiligungen: Als definitorisches Element wird auch genannt, dass Venture-Capital-Gesellschaften meist Minderheitsbeteiligungen eingehen.160 Dadurch soll die Motivation der Gründer möglichst wenig beeinträchtigt werden, weil sie weiter stark an einer Wertsteigerung des Unternehmens partizipieren.161 Um dennoch hohen Einfluss auf die Gesellschaft zu haben, lassen sich Venture-Capital-Gesellschaften die oben genannten, weit-

154

Vgl. Sahlman (1990), S. 514. Häufig ist die Verlängerung des Fonds um mehrere Jahre allerdings möglich; vgl. Gompers/Lerner (2004), S. 7.

155

Vgl. Fischer (1987), S. 11; Schefczyk (2004), S. 22; Cressy (2008), S. 355.

156

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1051f.; Fischer (1987), S. 10; Hartmann-Wendels (1987), S. 16f.; Rosenstein (1988), S. 165ff.; Gorman/Sahlman (1989), S. 235ff.; Hellmann/Puri (2002), S. 170; Schefczyk (2004), S. 22. Vgl. Fingerle (2005); Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 67 für zwei auf Deutschland fokussierte Untersuchungen. Für einen umfangreichen Literatur-Überblick zu Untersuchungen der nichtfinanziellen Unterstützung von Venture-Capital-Gesellschaften vgl. Large/Muegge (2008).

157

Vgl. Fischer (1987), S. 11.

158

Vgl. Timmons/Bygrave (1986), S. 169; George/Nathusius (2007), S. 18ff.

159

Vgl. Large/Muegge (2008), S. 40ff.

160

Vgl. Fischer (1987), S. 10; Mason/Harrison (1999), S. 15; Schefczyk (2004), S. 21.

161

Vgl. Schefczyk (2004), S. 21.

2.4 Venture Capital

53

gehenden Mitspracherechte einräumen. Mit weiteren Finanzierungsrunden schrumpft der Mehrheitsanteil der Gründer allerdings regelmäßig weiter. Obwohl die oben aufgeführten Eigenschaften von vielen Autoren genannt werden, darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der genauen Definition Diskrepanzen gibt. Zudem handelt es sich um idealtypische Eigenschaften und nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner aller Venture-Capital-Gesellschaften. Neben dem Archetyp einer Venture-Capital-Gesellschaft, der sich durch die oben aufgeführten Eigenschaften auszeichnet, gibt es Abweichungen, auf die in der folgenden Typologie eingegangen wird.

2.4.2 Typologie 2.4.2.1 Finanzierungsphasen Es wurde zwar bereits erwähnt, dass sich Venture-Capital-Gesellschaften auf die Frühphasenfinanzierung konzentrieren: wie die verschiedenen Finanzierungsphasen abgegrenzt werden, wird hier erläutert. In der Literatur werden meist die englischen Begriffe Seed, Start-up, Expansion und Management-Buy-out/-Buy-in für die aus Sicht der Venture-Capital-Gesellschaften relevanten Entwicklungsstufen eines Unternehmens verwendet.162 In Anlehnung an SCHEFCZYK (2004) und SAHLMAN (1990) können die Phasen wie folgt charakterisiert werden163: x Seed-Phase: Von der Idee bis hin zum Prototyp. Die Finanzierung wird für Forschung und Produktentwicklung benötigt.164 x Start-up-Phase: Vom Prototyp bis hin zu den ersten Marketingschritten und Produktionsvorbereitungen. Finanziert wird vor allem der Produktionsaufbau.

162

Vgl. Schefczyk (2004), S. 40ff. Des Weiteren gibt es spezielle Finanzierungsanlässe, die nicht mit der idealtypischen Entwicklung eines Unternehmens korrespondieren und auch nicht der VentureCapital-Finanzierung zugeordnet werden. Dazu zählen vor allem Bridge-Finanzierung, Leveraged Buy-outs, Turnaround-Finanzierung, Replacement Capital; vgl. Schefczyk (2004), S. 42.

163

Vgl. Sahlman (1990), S.479; Schefczyk (2004), S. 40.

164

Die Definitionen gehen implizit in der Regel von einem produzierenden Gewerbe und nicht von einer Dienstleistung aus. Auf die Gründe dafür wird im Laufe der Arbeit noch eingegangen.

54

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen x Expansion: Nach erfolgreichem Test der Prototypen beginnt die Produktion.165 x Management-Buy-out/-Buy-in (MBO/MBI): Finanzierung der Unternehmensübernahme durch bestehendes (Management-Buy-out) oder neues, externes Management (Management-Buy-in).

Die Seed-, Start-up- und Expansionsfinanzierung werden in dieser Arbeit der VentureCapital-Finanzierung zugeordnet. Management-Buy-outs und -Buy-ins gehören in der Regel zu den Spätphasenfinanzierungen, können aber nicht eindeutig zugeordnet werden.166 Findet ein MBO/MBI noch während der Entwicklungsphase statt und ist er mit einer Kapitalerhöhung verbunden, würde er zu Venture Capital zählen. Hat das Unternehmen jedoch schon einen hohen Reifegrad erreicht und es werden lediglich Anteile verkauft, ohne dass dem Unternehmen Mittel zugeführt werden, fällt diese Finanzierungsphase in den Spätphasenbereich, der nicht mehr im Fokus dieser Arbeit liegt. In der Regel wird Letzteres angenommen. Innerhalb der Phasen Seed, Start-up und Expansion wird ein deutlicher Fokus auf die späteren Phasen gelegt. Im Jahr 2008 haben Venture-Capital-Gesellschaften in Deutschland nur in 192 Unternehmen in der Seed-Phase, aber in 400 Unternehmen in der Start-up-Phase und in 515 Unternehmen in der Expansions-Phase investiert.167

2.4.2.2 Formell versus informell Der Venture-Capital-Markt kann auch unterteilt werden in das informelle und das formelle Segment. Das informelle Segment zeichnet sich dadurch aus, dass Investoren ohne zwischengeschalteten Finanzintermediär direkt eigenes Kapital investieren und

165

Sahlman (1990) unterteilt die Expansionsphase weiter in „First stage – early development“, „Second stage – expansion“, „Third stage – profitable but cash poor“ und „Fourth stage – rapid growth toward liquidity point“.

166

Vgl. Schefczyk (2004), S. 17ff. Vgl. Geidner (2008), S. 7-21 für einen guten Überblick über verschiedene Buy-out-Formen.

167

Vgl. Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2009), S. 13. Bei einer Betrachtung der investierten Volumina zeigt sich dies noch deutlicher: 92 Mio Euro wurden in der Seed-Phase investiert, 347 Mio. Euro in der Start-up-Phase und 877 Mio. in der Expansionphase. Die Kategorie Bridge-Finanzierung existiert in der BVK-Statistik nicht, dafür werden noch Replacement-Kapital und Turnaround aufgeführt, die aber hinsichtlich der Anzahl der Unternehmen unbedeutend sind.

2.4 Venture Capital

55

zusätzlich nichtfinanzielle Unterstützung leisten.168 Solche Investoren werden auch als Business Angels bezeichnet.169 Sie beteiligen sich in der Regel in der frühesten Phase der Unternehmensentwicklung, der Seed-Phase und eingeschränkt in der Start-upPhase; entsprechend sind die Summen, die investiert werden, kleiner als bei klassischen Venture-Capital-Gesellschaften.170 Für junge, private Wachstumsunternehmen sind diese Business Angels eine wichtige Finanzierungsquelle. Beispielsweise zeigt das ZEW in einer Studie, dass 21% der Hightech-Unternehmen von Business Angels unterstützt wurden.171 Business Angels werden in dieser Arbeit nicht den VentureCapital-Gesellschaften, die einen höheren Institutionalisierungsgrad aufweisen, zugerechnet und in der Betrachtung weitgehend ausgeklammert.

2.4.2.3 Gründer und Investor Ein wichtiges Unterscheidungskriterium bei privaten Venture-Capital-Gesellschaften bildet die Eigentümerstruktur, die zwischen abhängigen Venture-Capital-Gesellschaften und unabhängigen Venture-Capital-Gesellschaften unterscheiden lässt. Die unabhängige Venture-Capital-Gesellschaft ist der ursprünglichste Typ. Verbreitet ist die partnerschaftliche Struktur, bei der die Manager der Gesellschaft auch die Anteilseigner sind.172 Diese Venture-Capital-Gesellschaften refinanzieren sich mit Hilfe externer Investoren.173 Unter abhängigen Venture-Capital-Gesellschaften versteht man üblicherweise Gesellschaften, deren Muttergesellschaft ein Unternehmen ist. Sie werden als CorporateVenture-Capital-Gesellschaft bezeichnet.174 Diese Muttergesellschaften sind nicht nur die Anteilseigner, sondern auch Kapitalgeber. Corporate-Venture-Capital-Gesell-

168

Vgl. Harrison/Mason (1992), S. 460, 464; Nittka (2000), S. 79.

169

Vgl. Nittka (2000), S. 79.

170

Vgl. Mason/Harrison (1996a), S. 109; Brettel/Jaugey/Rost (2000), S. 173; Nittka (2000), S. 84; Engel (2003), S. 112; Ehrhart/Müller (2007), S. 65.

171

Vgl. Niefert et al. (2006), S. 29.

172

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 26.

173

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 27ff. für einen Überblick über die Refinanzierung von Venture-Capital-Gesellschaften.

174

Es muss sich dabei nicht unbedingt rechtlich um eine eigene Gesellschaft handeln. Für einen Literaturüberblick zum Thema Corporate Venture Capital vgl. Dushnitsky (2008).

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

56

schaften können weiter unterteilt werden in solche mit ausschließlich finanziellen Zielen und solche mit finanziellen und strategischen Zielen.175 Das Verfolgen finanzieller Ziele bedeutet, dass die finanzielle Rendite, die das Portfoliounternehmen abwirft, maximiert werden soll. Mit strategischen Zielen sind positive Effekte der Investitionen der Corporate-Venture-Capital-Gesellschaft auf die Muttergesellschaft gemeint. Corporate-Venture-Capital-Gesellschaften, die nur finanzielle Ziele verfolgen, sind meist Töchter von Finanzinstitutionen, solche, die auch strategische Ziele verfolgen, sind folglich in der Regel Töchter von Industrieunternehmen.176 Letztgenannte können in ihrem Kerngeschäft theoretisch auf vielfältige Weise von den Investitionen der Corporate-Venture-Capital-Gesellschaft profitieren.177 Der Begriff „strategische Ziele“ ist aber etwas irreführend, denn langfristig muss sich auch das Verfolgen strategischer Ziele in einer finanziellen Rendite niederschlagen. Die Berechnung dieser finanziellen Rendite, die beim Mutterkonzern aufgrund der Investitionen der Corporate-VentureCapital-Gesellschaft erwirtschaftet wird, ist mitunter aber nur schwer möglich. Unternehmen nutzen also zwei Wege, Venture Capital bereitzustellen: Sie können eine eigene Venture-Capital-Gesellschaft gründen oder aber in den Fonds einer unabhängigen Venture-Capital-Gesellschaft investieren. Beides ist seit den Anfängen des Venture Capital in Deutschland zu beobachten. So wurde einer der ersten Fonds, die Techno Venture Management Gesellschaft (TVM), Mitte der 80er Jahre wesentlich durch große Konzerne finanziert,178 während Siemens mit der Venture Capital Beteiligungsgesellschaft (VCB) 1986 die erste deutsche Corporate-Venture-Capital-Gesellschaft gründete.179 In den USA existieren Corporate-Venture-Capital-Gesellschaften bereits seit den 60er Jahren.180 Fraglich ist, ob Venture-Capital-Gesellschaften, die von wohlhabenden Personen und Family Offices gegründet wurden, zu den unabhängigen oder abhängigen Gesell-

175

Vgl. Siegel/Siegel/MacMillan (1988), S. 235f.; Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 10. Vgl. Dushnitsky (2008), S. 404ff. für einen Literaturüberblick zur Frage der Ziele von CorporateVenture-Capital-Gesellschaften.

176

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 10.

177

Vgl. für eine Übersicht strategischer Ziele Neubecker (2006), S. 52-71.

178

Vgl. Albach/Kokalj (1987), S. 360.

179

Vgl. Hardenberg (1989), S. 190ff.

180

Vgl. Gompers/Lerner (2004), S. 128.

2.4 Venture Capital

57

schaften gezählt werden können. Auf diesen Fall wird in der Literatur nicht eingegangen. Für die Klassifizierung kann die Tätigkeit des Gründers herangezogen werden. Ist dieser selbst aktiv in der Venture-Capital-Gesellschaft engagiert, kann sie zu den unabhängigen Venture-Capital-Gesellschaften gezählt werden, auch wenn der Gründer einen wesentlichen Teil des Kapitals beisteuert. Ist er dagegen nicht aktiv und die Venture-Capital-Gesellschaft ist eine Tochtergesellschaft des Family Office, dann könnte sie zu den abhängigen Gesellschaften gezählt werden. Es bietet sich an, für solche Gesellschaften den Begriff Family-Venture-Capital-Gesellschaft zu verwenden.

2.4.2.4 Finanziell versus förderorientiert Neben den klassischen Venture-Capital-Gesellschaften, die finanzielle Ziele verfolgen, existieren in den USA Community-Development-Venture-Capital-Gesellschaften, die sich dadurch auszeichnen, dass sie als weiteres Ziel die Wirtschaftsförderung verfolgen und zudem einen regionalen Fokus haben.181 Sie verfolgen einen sogenannten Double-Bottom-Line-Ansatz, der ausdrückt, dass nicht nur eine finanzielle, sondern auch eine soziale Rendite erwirtschaftet werden soll.182 Die ersten Gesellschaften entstanden in den USA im Jahr 1972, verbreitet hat sich der Ansatz aber erst in den 90er Jahren.183 Heute hat die Branchenvereinigung etwa 57 Mitglieder.184 Das Konzept beruht auf der Annahme, dass die Bereitstellung von Venture Capital positive externe Effekte nach sich zieht, die eine reduzierte Renditeerwartung rechtfertigen bzw. kompensieren.185 Folglich sind auch die Investoren der Gesellschaften bereit, zugunsten einer sozialen Rendite auf einen Teil der finanziellen Rendite zu verzichten. In Europa hat

181

Vgl. Achleitner et al. (2009), S. 443.

182

Vgl. Rubin (2001), S. 6. Für einen Überblick über US-amerikanische Double-Bottom-LineVenture-Capital-Funds, von denen Community-Development-Venture-Capital-Funds ein Teilsegment sind, vgl. Clark/Gaillard (2003). Teilweise wird auch von Triple-Bottom-Line gesprochen, wenn die ökologische Dimension als eigene mit aufgeführt wird.

183

Vgl. Rubin (2001), S. 7f.

184

Vgl. Community Development Venture Capital Alliance (2009).

185

Vgl. Jegen (1998), S. 188.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

58

sich das Konzept noch nicht ausgebreitet. In Deutschland gibt es bisher keinen einzigen Community-Development-Venture-Capital-Fund.186

2.4.2.5 Privat versus öffentlich Zwar existieren in Deutschland keine privaten Community-Development-VentureCapital-Gesellschaften, dafür erfüllen aber 39 (halb-)öffentliche Venture-CapitalGesellschaften (21% der deutschen Venture-Capital-Gesellschaften) die unter 2.4.2.4 genannten Kriterien für die Klassifizierung als Community-Development-VentureCapital-Gesellschaft.187 Sie haben einen Förderauftrag, der in der Regel im Vergleich zu privaten Venture-Capital-Gesellschaften zu einer niedrigeren Renditeerwartung führt.188 In Abgrenzung zu den privaten Community-Venture-Capital-Gesellschaften werden diese als öffentliche oder halböffentliche Venture-Capital-Gesellschaften bezeichnet.189 Der Großteil fokussiert sich auf Spätphasenfinanzierungen, was zusätzlich die relativ niedrige Renditeerwartung erklärt.190 Aber auch im Frühphasensegment ist der Staat aktiv.191 Die staatliche Bereitstellung oder Unterstützung der Bereitstellung von Venture Capital fällt unter den politischen Bereich der Gründungsförderung.192 Gemeinhin wird davon ausgegangen, dass die durch Venture Capital finanzierten Unternehmen zum „technologischen Strukturwandel und zur Generierung neuer, wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze“ beitragen.193 Die Förderung der Venture-Capital-Vergabe ist somit nur Mittel zum Zweck. Das Ziel der Förderung sind die jungen Wachstumsunternehmen.

186

Vgl. Achleitner et al. (2009), S. 444. Sehr ähnlich einem Community-Venture-CapitalGesellschaft ist XPER REGIO, die vor allem Gelder der Europäischen Union lokal in Unternehmen investieren; vgl. www.xper-regio.de.

187

Vgl. Achleitner et al. (2009), S. 444.

188

Vgl. Achleitner et al. (2009), S. 446.

189

Für einen Überblick über die Gesellschaften vgl. Achleitner et al. (2009), S. 444ff.

190

Vgl. Achleitner et al. (2009), S. 446.

191

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 104.

192

Vgl. für einen Überblick über öffentliche Gründungsförderung Pesch (2005), S. 59ff.; Vicenti/Winters (2008), S. 763ff.

193

Engel/Licht (2004), S. 63. Vgl. auch Murray (1998), S. 406 und die dort angegebenen Quellen; Amit/Glosten/Muller (1993), S. 815; Enquête-Kommission „Zukunft der Erwerbsarbeit“ (2000), S. 69; Pesch (2005), S. 44f.

2.4 Venture Capital

59

Die Ratio hinter der staatlichen Gründungsforderung ist die Vermutung, dass ein Marktversagen vorliegt, weil das Finanzierungsrisiko bei jungen Unternehmen hoch ist und die Parteien ungleiche Informationen über die Erfolgschancen haben.194 Neben der Förderung von Unternehmen, die direkt oder wie angesprochen über die Erleichterung des Zugangs zu Venture Capital erfolgen kann, existieren auch staatliche Hilfen im Bereich der Förderung von Existenzgründungen, die sich direkt an die Person des Existenzgründers richten, z.B. das EXIST-Gründerstipendium.195 Dieses Gründerstipendium kann nur an potenzielle Gründer vergeben werden, bei denen der Gründungsakt noch nicht vollzogen ist.196 Dem Gründer wird somit ermöglicht, sich voll und ganz seiner Idee zu widmen und ein Unternehmen zu gründen. Über die Finanzierung seines eigenen „Gehalts“ muss sich der Gründer, der ein solches Stipendium erhält, während der Laufzeit dann keine Gedanken mehr machen. Indirekt ist ein solches Stipendium somit ebenfalls eine finanzielle Unterstützung des neu gegründeten Unternehmens, da der Gründer sich in der Regel über das Unternehmen finanzieren müsste.

2.4.3 Strukturelle Eigenschaften Venture Capital als Finanzierungsoption für die oben beschriebenen Business Ventures entstand in den USA. Die erste Venture-Capital-Gesellschaft wurde dort bereits 1946 gegründet.197 In Deutschland wurde die erste Gesellschaft 1975 gegründet,198 aber erst in den 80er Jahren begann die Verbreitung in Deutschland.199 Mittlerweile hat sich Venture Capital hier als Finanzierungsform etabliert. Im Jahr 2008 waren etwa 242 Beteiligungsgesellschaften in Deutschland aktiv, von denen kann allerdings nur ein Teil zu den Venture-Capital-Gesellschaften gezählt werden.200

194

Pesch (2005), S. 45.

195

Vgl. EXIST (2009). Für einen Überblick über weitere, an Personen gerichtete Förderprogramme vgl. Kulicke/Krauss (2005), S. 113; Sandner/Block/Lutz (2008), S. 756.

196

Vgl. EXIST (2009).

197

Vgl. Gompers/Lerner (2001), S. 146.

198

Vgl. Becker/Hellmann (2003), S. 24.

199

Vgl. Wrede (1987), S. 313 (Tabelle 1 im Anhang) für eine Aufstellung deutscher VentureCapital-Gesellschaften mit ihrem Gründungsjahr.

200

Vgl. Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2009), S. 3.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

60

Die genaue Anzahl der Venture-Capital-Gesellschaften geht aus der Statistik des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften nicht hervor. Eine Analyse auf Basis der BVK-Daten aus dem Jahr 2007 ergibt, dass 152 von 186 Mitgliedern des BVK zumindest unter anderem Venture-Capital-Investitionen tätigen.201 Im Jahr 2008 haben sie etwa 1,8 Mrd. Euro Venture Capital in insgesamt 974 Unternehmen investiert.202 Daraus ergibt sich eine Investitionssumme pro Venture-CapitalGesellschaft pro Jahr von etwa 12 Mio. Euro. Im Vergleich zu den 19.200 HightechGründungen hat folglich aber nur ein kleiner Teil eine Finanzierungszusage von einer Venture-Capital-Gesellschaft erhalten.203 Dies zeigt bereits, dass Venture-CapitalGesellschaften bei Finanzierungszusagen äußerst restriktiv sind. Das Fondsvolumen der deutschen Venture-Capital-Gesellschaften lässt sich nicht genau beziffern, es liegt geschätzt bei etwa 25 Mio. Euro.204 Venture-Capital-Gesellschaften sind typischerweise kleine Institutionen. Beispielsweise bestehen deutsche Venture-Capital-Gesellschaften aus durchschnittlich sechs Investment-Professionals und drei sonstigen Mitarbeitern.205 Auf europäischer Ebene liegt der Durchschnitt für Venture-Capital-Gesellschaften bei zwölf Investment Professionals.206 Auch das Verhältnis von Analysten (junge Mitarbeiter) zu Partnern ist in Venture-Capital-Gesellschaften sehr gering.207

201

Vgl. Bender (in Druck).

202

Vgl. Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2009), S. 18.

203

Vgl. Metzger/Niefert/Licht (2008), S. 6. Obwohl sich die Anzahl der Gründungen und die Anzahl der Unternehmen, die eine Finanzierungszusage erhalten haben, nicht auf das gleiche Jahr bezieht, dürfte die Grundaussage unbeeinflusst bleiben.

204

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 104. Da große Fonds tendenziell in spätere Phasen investieren, hängt die Zahl auch davon ab, welche Gesellschaften zu den Venture-CapitalGesellschaften gezählt werden. Das durchschnittliche Fondsvolumen aller Private-EquityGesellschaften, also inklusive der Spätphasengesellschaften, beträgt 145 Mio. Euro; vgl. Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (2009), S. 11. Aufgrund einiger weniger großer Fonds, dürfte der Median deutlich kleiner sein.

205

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 18.

206

Vgl. Willert/zu Knyphausen-Aufsess (2008), S. 35. Selbst die größten Private-EquityGesellschaften haben nur 120 Mitarbeiter.

207

Vgl. Willert/zu Knyphausen-Aufsess (2008), S. 39.

2.4 Venture Capital

61

Die Größe von Venture-Capital-Gesellschaften wird in der Literatur hauptsächlich mit dem Erfolg begründet.208 Man geht davon aus, dass Venture-Capital-Gesellschaften nach einem erfolgreichen Fonds zusätzliche Investoren und höhere Fondseinlagen gewinnen können und dadurch einen größeren Fonds auflegen können. Wenn ein Fonds einer Venture-Capital-Gesellschaft für die Investoren nur eine sehr schlechte Rendite abwirft, wird es ihr nicht gelingen, einen weiteren Fonds zu platzieren. Es existiert ein Marktmechanismus, der schlechte Gesellschaften aus dem Markt ausscheiden und gute wachsen lässt. Indirekt führt die Selektion über den Markt vermutlich dazu, dass effiziente Strategien überleben und ineffiziente Strategien sterben. Weitere Erklärungsfaktoren der Größe sind Diversifikation und damit zusammenhängend Risikoüberlegungen.209 Die Untersuchungen zu dieser Fragestellung können einen Zusammenhang zwischen Größe und Diversifikation feststellen, allerdings können nur Größenunterschiede zwischen Venture-Capital-Gesellschaften erklärt werden. Betrachtet man Venture-Capital-Gesellschaften im Vergleich zu anderen Finanzdienstleistern, sticht der Größenunterschied deutlich ins Auge. Selbst die größten Venture-Capital-Gesellschaften sind im Vergleich zu anderen Finanzdienstleistern äußerst kleine Organisationen. WILLERT/ZU KNYPHAUSEN-AUFSESS (2008) führen dies auf drei besondere Eigenschaften des Venture-Capital-Geschäftsmodells zurück: Investitionsentscheidungen von Venture-Capitalists beruhen sehr stark auf implizitem Wissen. Immer wieder wird die Bedeutung der Erfahrung und Intuition betont. Erfahrung und Intuition lassen sich aber nur äußerst schwer codieren, um sie dann an Mitarbeiter zu vermitteln. Das Delegieren von Entscheidungen ist somit kaum möglich. Diese Problematik spiegelt sich in dem erwähnten, sehr geringen Verhältnis von Analysten zu Partnern im Vergleich zu anderen Dienstleistungsbranchen, beispielsweise der Wirtschaftsprüfung, wieder. Es ist daher zu vermuten, dass ein Zusammenhang zwischen der Größe einer Organisation und der Standardisierbarkeit der anfallenden Aufgaben sowie der möglichen und tatsächlichen Delegation besteht.210

208

Vgl. Gupta/Sapienza (1992), S. 352.

209

Vgl. Elango/Fried/Hisrich (1995), S. 161ff.

210

Vgl. Willert/zu Knyphausen-Aufsess (2008), S. 39ff.

62

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

Einen weiteren wesentlichen Einflussfaktor der Organisationsgröße sehen die Autoren im Auswahlprozess. Da Venture Capitalists am Erfolg ihres Fonds beteiligt sind, haben sie ein großes Interesse daran, in die Auswahlentscheidung von Portfoliounternehmen involviert zu sein. Die hohe Bedeutung impliziten Wissens macht einen intensiven Austausch zwischen den Partnern notwendig. Standardisierte Entscheidungsregeln machen wenig Sinn und werden von den Gesellschaften abgelehnt. Werden die Entscheidungsgremien zu groß, wird die Kommunikation überproportional komplexer. Auch entstehen Trittbrettfahrer-Probleme, weil Partner einen zu geringen Einfluss auf die gefällten Entscheidungen haben. Es wird für sie effizient, sich nicht mehr ausreichend auf Gremien vorzubereiten. All dies führt bei den Autoren zur zweiten Vermutung, dass ein negativer Zusammenhang zwischen der Größe der Organisation und der Zentralisierung der Entscheidungsfindung besteht.211 Als dritten Grund für die beobachtete kleine Größe führen WILLERT/ZU KNYPHAUSENAUFSESS (2008) Profitabilitätsgründe an. Während z.B. eine Anwaltskanzlei jeden Anwalt beim Kunden mit einem Stundensatz abrechnen kann, führen zusätzliche Analysten bei Venture-Capital-Gesellschaften zu höheren Kosten, nicht aber zu höheren Einnahmen. Diese können aufgrund der Entlohnungssysteme (Management-Fee, Carry) eher durch größere Fonds gesteigert werden. Die Autoren vermuten daher drittens, dass eine Organisation nur so lange wächst, wie die Profitabilität in einem direkten Zusammenhang mit der Anzahl an Investment Professionals steht.212 Die Autoren zeigen damit, dass die Delegierbarkeit der Auswahlentscheidung, die gewünschte Einflussnahme beim Auswahlprozess und die finanziellen Anreize der Partner die Größe einer Organisation beeinflussen. Alle drei Aspekte werden in dieser Arbeit für Venture-Philanthropy-Gesellschaften untersucht, so dass die Ergebnisse hinsichtlich der Bedeutung für die Größe der Organisationen interpretiert werden können. Der Auswahlprozess und die Auswahlkriterien haben folglich nicht nur Einfluss auf das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Partnern, den Portfolioorganisationen, sondern auch auf die Organisation selbst.

211

Vgl. Willert/zu Knyphausen-Aufsess (2008), S. 41ff.

212

Vgl. Willert/zu Knyphausen-Aufsess (2008), S. 44ff.

2.4 Venture Capital

63

Die rechtliche Struktur einer Venture-Capital-Gesellschaft hängt von den genauen Zielen und vom anzuwendenden Recht ab, denn die Wahl der Rechtsform bzw. der gesellschaftsrechtlichen Struktur wird stark durch Haftungs- und steuerrechtliche Fragen beeinflusst.213 Dennoch kann eine Grundform der gesellschaftsrechtlichen Struktur einer typischen unabhängigen Venture-Capital-Gesellschaft mit geschlossenem Fonds dargestellt werden. In ähnlicher Form wie im Folgenden dargestellt, findet sie auch in anderen Rechtsräumen Anwendung.214 Die nachfolgenden Ausführungen beruhen weitgehend auf WEITNAUER (2007), der ausführlich zeigt, welche gesellschaftsrechtlichen Strukturen bei Venture-CapitalGesellschaften möglich sind und was es bei der Wahl der Rechtsform zu beachten gilt. In Deutschland nutzen unabhängige Venture-Capital-Gesellschaften typischerweise die GmbH & Co. KG für ihre Fonds.215 Die Investoren des Fonds beteiligen sich als Kommanditisten, die nur mit ihrer Einlage ohne Nachschusspflicht haften. Auch die Manager der Venture-Capital-Gesellschaft beteiligen sich üblicherweise als Kommanditisten am Kommanditkapital, allerdings nur mit üblicherweise 1% des Kapitals. Neben den regulären Kommanditisten besteht eine Management GmbH, die sich im deutschen Rechtsraum als geschäftsführender Kommanditist ebenfalls am Fonds beteiligt, vor allem aber dem Namen entsprechend mit dem Management des Fonds beauftragt wird. Ihre wesentlichen Aufgaben sind das Fundraising, die Beteiligungsprüfung bis zur Vertragsunterzeichnung, das Monitoring und Entwickeln der Beteiligungen sowie die Veräußerung der Beteiligung. Die Managementgesellschaft erhält in der Regel einen bestimmten Prozentsatz des Fondsvolumens als Managementgebühr, um laufende Kosten zu decken. Um die Anreize des Fonds-Managements so zu setzen, dass sie die Ziele der Investoren unterstützen, erhält die Managementgesellschaft zudem einen Gewinnanteil (Carry). Meist erhalten zunächst die Investoren ihr eingesetztes Kapital plus eine Mindestverzinsung (hurdle rate) zurück. Von dem darüber hinausgehenden Gewinn erhält die Managementgesellschaft dann typischerweise 20%. Um in großem Ausmaß persönlich finanziell zu profitieren, müssen die Venture-Capital-Manager also hohe Gewinne mit ihrem Fonds erwirtschaften. Dies ist auch im Sinne der Investoren. Der Komplementär des Fonds ist die GmbH, die weder

213

Vgl. European Commission (2006), S. 25.

214

Vgl. für die USA Sahlman (1990), S. 487ff.

215

Vgl. auch Kaserer et al. (2007), S. 56.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

64

am Vermögen des Fonds noch am Management des Fonds beteiligt ist. Letzteres ist auf steuerrechtliche Erwägungen zurückzuführen.216

2.4.4 Business Ventures als Investitionsobjekt Wie gezeigt wurde, investieren Venture-Capital-Gesellschaften in junge Wachstumsunternehmen, deren Erfolg sehr unsicher ist. Diese Business Ventures sehen sich vor allem zwei Formen von Unsicherheit gegenüber. Zum Ersten besteht Unsicherheit über die Machbarkeit des geplanten Vorhabens sowie darüber, in welchem Maß das Produkt bzw. die Dienstleistung vom Markt angenommen wird, zum Zweiten ist nicht vorhersagbar, ob und wie schnell andere Anbieter auf den Markt kommen.217 Das typische Beispiel für solche Venture-Capital-suchenden Unternehmen sind die bereits erwähnten 19.200 Hightech-Start-ups oder Hightech-Business-Ventures.218 Dies ergibt sich auch aus der unter 2.4.1 erläuterten Definition von Venture Capital. Diese Unternehmen stellen Produkte her und müssen für die Entwicklung hohe Anfangsverluste in Kauf nehmen. Diejenigen Unternehmen, in die Venture-Capital-Gesellschaften investieren, wurden durch die Gründer, die gleichzeitig Eigentümer sind, geführt. Bei den Gründern klassischer Business Ventures wird in der Regel von finanziellen Zielen, also dem Streben nach Einkommensmaximierung ausgegangen.219 Genau deshalb versuchen die Venture-Capital-Gesellschaften, für die Gründer finanzielle Anreize zu setzen. Dazu gehört auch, dass sie in der Regel Minderheitsbeteiligungen eingehen, wie oben beschrieben wurde. Einige Studien zeigen aber, dass Gründer auch intrinsisch motiviert sein können und aus nichtfinanziellen Gründen unternehmerisch tätig werden.220 Motivation und Interessen sind wesentlich für die Anwendbarkeit bestimmter

216

Vgl. Weitnauer (2007), S. 66ff.

217

Vgl. Amit/Glosten (1990), S. 103.

218

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057, die zeigen, dass drei Viertel der potenziellen Portfoliounternehmen, die im Prüfungsprozess das Screening überstanden haben, aus technologie-intensiven Branchen stammen. Für die Anzahl der Hightechgründungen vgl. Metzger/Niefert/Licht (2008), S. 6.

219

Vgl. Amit/Glosten/Muller (1993), S. 817.

220

Vgl. Amit et al. (2001), S. 130f.; Martin/Osberg (2007), S. 34; Wadeson (2008), S. 100f. Für einen Überblick über neuere Studien vgl. Licht/Siegel (2008), S. 514ff.

2.5 Stiftungen

65

Theorien, welche in der Regel eine Grundannahme treffen über die Interessen der Personen. Auf diese Theorien wird im nächsten Kapitel eingegangen. Die unter 2.4.3 angeführten Zahlen ergeben eine durchschnittliche Investitionssumme pro Portfoliounternehmen von etwa 1,8 Mio. Euro. Die Dauer der Finanzierung ist bei geschlossenen Fonds durch die Fondslaufzeit, die üblicherweise bei zehn Jahren liegt, begrenzt.221 Die Haltedauer der Investitionen beträgt durchschnittlich etwa fünf Jahre.222

2.5 Stiftungen 2.5.1 Definition Nachdem im vorigen Gliederungspunkt der Blick auf die Venture-CapitalFinanzierung und damit auf gewinnorientierte Investitionen in Unternehmen gerichtet wurde, rücken nun Stiftungen und nicht gewinnorientierte Investitionen in den Mittelpunkt der Betrachtung. Stiftungen gehören nach der Definition von SALAMON/ANHEIER (1997b) zu einer der zwölf Gruppen des Non-Profit-Sektors, nämlich zu der Gruppe „Philanthropic Intermediaries, Voluntarism“, die sie mit „Stiftungswesen, Spendenwesen, allgemeine ehrenamtliche Arbeit“ ins Deutsche übersetzen lassen.223 In Anlehnung an ANHEIER (2001) können Stiftungen, die zu dieser Gruppe gehören, unabhängig von lokalen Gesetzgebungen wie folgt definiert werden: x Es handelt sich um eine private Organisation. Stiftungen sind institutionell getrennt vom Einfluss des Staates. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sie nicht vom Staat gegründet worden sein können, dass sie staatliches Kapital erhalten oder dass Beamte Mitglieder in Gremien sind. x Die Organisation verwaltet sich selbst. Einige Stiftungen werden durch Unternehmen oder staatliche Stellen streng kontrolliert. Sie sind Teil dieser Institutionen, obwohl sie strukturell unabhängig sind. Selbstverwaltung heißt, dass die

221

Vgl. Abschnitt 2.4.1.

222

Vgl. Sahlman (1990), S. 487.

223

Vgl. Salamon/Anheier (1997b), S. 60ff.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

66

Stiftungen eigene interne Governance-Prozesse haben, ein sinnvolles Maß an Unabhängigkeit besitzen und separate Bilanzen ausweisen, die nicht mit staatlichen oder mit Unternehmensbilanzen konsolidiert werden. x Die Organisation schüttet keine Gewinne aus. Stiftungen können zwar Gewinne erwirtschaften, aber diese Gewinne müssen dem gesellschaftlichen Zweck zugeführt werden und dürfen nicht an Anteilseigner oder äquivalente Personengruppen ausgeschüttet werden. Stiftungen sind private Organisationen, die weder das primäre Ziel haben, direkt oder indirekt Gewinne für Anteilseigner zu erwirtschaften, noch primär kommerzielle Abwägungen treffen oder Ziele verfolgen. x Die Organisation dient gesellschaftlichen Zielen. Stiftungen sollten mehr als nur einer eng definierten sozialen Gruppe, wie z.B. einer Familie oder einer kleinen Gruppe von Destinatären dienen. Stiftungen bestehen aus privatem Kapital, das für einen gesellschaftlichen Zweck eingesetzt wird. Ob dieser Zweck steuerlich begünstigt ist, ist nicht entscheidend.224 ANHEIER (2001) gibt als weiteren definitorischen Bestandteil an, dass es sich um eine Organisation ohne Anteilseigner handelt und die Stiftung auf einem Gründungsakt aufbaut, der sich typischerweise in einer Satzung ausdrückt, die sowohl den Zweck als auch den langfristigen Bestand der Organisation festschreibt. Damit wären temporär eingerichtete Fonds und anderes Kapital, dass nicht von einer Organisation umgeben wird, ausgeschlossen. Ebenfalls ausgeschlossen wären Mitgliedsorganisationen und eigentümerbasierte Organisationen.225 Hier wird abweichend die Auffassung vertreten, dass Stiftungen mit Eigentümern nicht ausgeschlossen werden sollten, vor allem weil dies stark der modernen Stiftungspraxis in Deutschland entspricht. Ein Beispiel sind Stiftungs-GmbHs.226 Sie haben zwar als Rechtsform Eigentümer, aber in allen anderen Belangen können sie der Definition einer Stiftung entsprechen.227 Damit wird indirekt der Ewigkeitsgedanke als

224

Vgl. Anheier (2001), S. 41f.

225

Vgl. Anheier (2001), S. 41.

226

Vgl. Mues (2005), S. 241. Vgl. zur gemeinnützigen GmbH Holt/Koch (2005).

227

Durch die in der Praxis gängige treuhänderische Verwaltung kann es aber auch bei einer GmbH zu einer „gesellschafterlosen“ GmbH kommen; vgl. Mues (2005), S. 242.

2.5 Stiftungen

67

konstituierendes Merkmal abgelehnt, denn die Gesellschafter einer GmbH können die Satzung ändern oder die GmbH sogar auflösen.228 Aber auch Verbrauchsstiftungen sind nicht auf Ewigkeit angelegt und werden hier ebenfalls zu den Stiftungen im Sinne der obigen Definition gezählt. Die hier verwendete Definition schließt viele der als Stiftung bezeichneten Organisationen aus. So existieren z.B. Familienstiftungen, deren Destinatäre Familienmitglieder sind.229 Sie verfolgen in der Regel privatnützige Zwecke und erfüllen damit nicht die oben genannte Voraussetzung. Aus dem gleichen Grund zählen auch Unternehmensträgerstiftungen nicht zu den Stiftungen nach der obigen Definition.230 Weiter werden staatliche Stiftungen von der obigen Definition ausgeschlossen.231 Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, dass die oben angeführte Definition in Anlehnung an ANHEIER (2001) deutlich enger gefasst ist als der Begriff in Recht und Praxis.

2.5.2 Typologie 2.5.2.1 Überblick und Problematik einer Stiftungstypologie Wie bereits im Venture-Capital-Abschnitt werden auch Stiftungen in verschiedene Typen unterteilt, um dann später auf dieser Basis eine Venture-PhilanthropyTypologie ableiten zu können. Typologisierungen von Stiftungen wurden bisher meist von Soziologen, Historikern oder Juristen vorgenommen.232 Ihnen geht es primär um die Rolle von Stiftungen in der Gesellschaft sowie den Einfluss und die Rolle von Personen, z.B. des Stifters. Betriebswirte beschäftigen sich vornehmlich mit der

228

Vgl. Mues (2005), S. 241.

229

Vgl. Rothenhan (2005), S. 310.

230

Vgl. Schlüter (2005); Fleschutz (2008) für zwei Untersuchungen von Unternehmensträgerstiftungen.

231

Vgl. Gölz (2005) für eine Diskussion dieses Stiftungstyps.

232

Unter diesen Autoren und ihren Beiträgen zur Typologisierung seien beispielhaft angeführt: Strachwitz (1998); Anheier (2001); Hof (2003); Adloff (2005a); Anheier/Leat (2006), S. 17ff.; Frumkin (2006), S. 11ff., 49ff., 175ff., 217ff.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

68

Ressourcenallokation und der Wertschöpfung innerhalb des privatwirtschaftlichen Bereichs. Sie haben Stiftungen bisher aber nur stiefmütterlich behandelt.233 Einen guten Überblick über die bisher in der Literatur genannten Klassifizierungsmerkmale von Stiftungen sowie deren Erläuterungen bietet FRITSCH (2007).234 Bereits ihre Aufstellung der Klassifizierungsmerkmale lässt die Vermutung zu, dass Stiftungen sehr heterogen sind. In der amerikanischen Stiftungswelt deutet das gebräuchliche Sprichwort „Once you’ve seen one foundation – you have seen one foundation“ darauf hin, dass sich bei vielen Stiftungen die Gemeinsamkeit auf die Bezeichnung beschränkt.235 Auch ein Blick in das Stiftungsverzeichnis des Bundesverbands deutscher Stiftungen bestätigt, dass Stiftungen äußerst heterogen sind.236 Zwar lassen sich Stiftungen anhand bestimmter Eigenschaften typologisieren, aber die Heterogenität übersteigt die der Venture-Capital-Gesellschaften um ein Vielfaches. Bei der folgenden Typologisierung handelt es sich daher erstens nur um eine Auswahl von Eigenschaften und nicht um eine umfassende Auflistung, und zweitens sind die Abgrenzungen weniger trennscharf als bei Venture-Capital-Gesellschaften.237

2.5.2.2 Stiftungsfunktion Ein wesentliches Typologisierungsmerkmal ist die Funktion, die eine Stiftung wahrnimmt. Die gesellschaftlichen Funktionen tragen wesentlich zu der Heterogenität von Stiftungen insgesamt bei und kommen daher nicht ohne starke Vereinfachung aus.238 LANG/SCHNIEPER (2006) sprechen sich gegen die in der Literatur verbreitete, hierarchisch gleichgeordnete Auflistung von gesellschaftlichen Stiftungsfunktionen

233

Vgl. Fritsch (2007), S. 79.

234

Vgl. Fritsch (2007), S. 59f.

235

Ostrower (2006), S. 510.

236

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b).

237

Vgl. auch für zum Teil umfangreichere oder speziellere Typologisierungen European Foundation Centre (1995); Anheier (2001); Hof (2003), Ostrower (2004); Adloff (2005a); Frumkin (2006); Ostrower (2006); Fritsch (2007).

238

Vgl. Frumkin (2006), S. 11. Fritsch (2007), S. 185 zeigt, dass diese Variable Stiftungsfunktion einen moderierenden Einfluss auf die Erfolgsfaktoren im Stiftungsmanagement hat und beweist damit die empirische Relevanz dieser Typen.

2.5 Stiftungen

69

aus.239 Sie sehen „Pluralismus und Ergänzung als Grundfunktion und Legitimationsbasis klassischer Stiftungen“. Den „sozialen Wandel“ sehen sie als Zielfunktion.240 „Technisch-konzeptionell“ unterscheiden sie zwischen den Funktionen der Innovation und der Stabilisierung, die sich aber gegenseitig beeinflussen und im Wechselspiel sozialen bzw. gesellschaftlichen Wandel hervorbringen.241 Die Autoren weisen darauf hin, dass die Funktionen der Innovation und der Stabilisierung zwar nicht trennscharf sind und häufig sogar innerhalb einer Stiftung vereint werden, aber dennoch eine Typologisierung ermöglichen.242 Im Gegensatz zu den innovativen Stiftungen orientieren sich stabilisierende Stiftungen an der bestehenden Nachfrage und arbeiten nicht proaktiv, sondern eher responsiv.243 In Deutschland geben 49% der Stifter an, Innovationen voranbringen zu wollen.244 Auch in der Literatur wird die Innovationsfunktion häufig genannt.245 Stiftungen fördern daher häufig Modellprojekte in der Erwartung, dass der Staat im Erfolgsfall die Finanzierung der Ausbreitung übernimmt.246 Fraglich ist, ob das Ziel gesellschaftlicher Wandel mit der gesellschaftlichen Renditemaximierung gleichgesetzt werden kann. Stiftungen berücksichtigen häufig nicht die tatsächlichen Kosten, die anfallen, um ein Ziel zu erreichen. Der Fokus liegt auf der sozialen, nicht der gesellschaftlichen Rendite. Darüber hinaus gibt es neben der Funktion gesellschaftlicher Wandel auch die stifterzentrierte Funktion. Die Stiftungs-

239

Es können auf Basis der Literatur fünf verschiedene Funktionen von Stiftungen indentifiziert werden: sozialer und politischer Wandel, soziale Innovationen, Umverteilung, Bewahrung von Tradition und Kultur, sowie Pluralismus; vgl. Prewitt (1999), S. 20ff.; Frumkin (2006), S. 11ff. Vgl. auch Anheier/Leat (2006), S. 31ff. für eine ausführliche Diskussion dieser fünf Funktionen. Die fünf Funktionen können wiederum zu den beiden Ausprägungen komplementär (zu staatlichen Leistungen; Umverteilung, Pluralismus, Bewahrung von Tradition und Kultur) und innovativ (sozialer und politischer Wandel, soziale Innovationen) zusammengefasst werden; vgl. Toepler (1996), S. 73ff.

240

Lang/Schnieper (2006), S. 54ff. Vgl. Brody (1996), S. 479ff. für Beispiele, die den Pluralismusgedanken verdeutlichen.

241

Vgl. Lang/Schnieper (2006), S. 59.

242

Vgl. Lang/Schnieper (2006), S. 59, 63f.

243

Vgl. Lang/Schnieper (2006), S. 64.

244

Vgl. Timmer (2005), S. 139.

245

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 37; Anheier/Appel (2004), S. 14; Frumkin (2006), S. 14ff.; Sandberg (2007a), S. 134. Vgl. Gerber (2006) für eine Fallstudie zur Inovationskraft der Freudenberg-Stiftung. Vgl. Hoelscher (2005) für die Bedeutung der Innovation am Beispiel der italienischen Stiftung Fondazione Cariplo.

246

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 37.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

70

tätigkeit muss dem Stifter einen persönlichen Nutzen bringen.247 Diese Funktion sollte nicht unterschätzt werden, denn ohne einen persönlichen Nutzen wird niemand Kapital für gesellschaftliche Zwecke zur Verfügung stellen.248 Bei Stiftern ist ein persönliches inhaltliches Anliegen häufig ausgeprägt und damit eine wesentliche Triebfeder der Stiftungstätigkeit.249

2.5.2.3 Gründer und Investor Zur Systematisierung von Stiftungen kann der Stifter dienen. Stiftungsgründer lassen sich in den folgenden Gruppen zusammenfassen: Privatpersonen, Unternehmen, öffentliche Körperschaften und Kirchen.250 Bei einer weiten Auslegung des Stiftungsbegriffs muss der Stifter aber nicht notwendig auch (Haupt-)Kapitalgeber sein.251 Eine Stiftung kann sich durch Spenden, Erwerbseinnahmen, Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten, Sponsoring, Bußgelder oder Zustiftungen finanzieren.252 Anhand der Stifter (i.S.v. Gründer) und der Kapitalgeber lassen sich verschiedene Typen von Stiftungen unterscheiden. Das typische Beispiel ist eine Privatperson, die Kapital stiftet und in der Satzung die Verwendung der Mittel festlegt.253 Dabei handelt es sich um die klassische unabhängige Stiftung. Sie kann weiter unterteilt werden in diejenigen, bei denen die gesamten Mittel vom Stifter stammen, und diejenigen, bei denen der Stifter nur einen Teil einbringt und die Stiftung selbst zusätzliche Mittel gewinnen muss. Wenn der Stifter ein Unternehmen ist, das meist auch das Kapital bereitstellt, spricht man von einer unternehmensnahen Stiftung. Sie darf nicht verwechselt werden mit der Unternehmensträgerstiftung, die Anteile am Unternehmen hält und in der Regel ein

247

Vgl. Frumkin (2006), S. 18ff.

248

Vgl. Abschnitt 2.3.2.1.

249

Vgl. Timmer (2005), S. 23.

250

Vgl. European Foundation Centre (1995), S. 3; Anheier (2001), S. 41; Hof (2003), S. 773ff.; Fritsch (2007), S. 70f.

251

Vgl. Anheier/Leat (2006), S. 16.

252

Vgl. Sandberg (2007b), S. 32.

253

Vgl. Timmer (2005) für eine Studie über deutsche Stifter.

2.5 Stiftungen

71

Instrument des Nachfolgemanagements ist.254 Unternehmensnahe Stiftungen, auch kürzer als Unternehmensstiftung bezeichnet, können in den meisten Fällen als Teil der CSR-Politik angesehen werden.255 Sie sind Teil der Unternehmensstrategie und verfolgen private und soziale Renditeziele. Ihr Ziel ist es, „gesellschaftliche Interessen mit einem auf Nachhaltigkeit und Dauer angelegten Wertzuwachs für das eigene Unternehmen zu verknüpfen“.256 Seltener sind unternehmensnahe Stiftungen, die ausschließlich soziale bzw. gesellschaftliche Renditeziele verfolgen. Ein junges Phänomen in Deutschland sind Bürgerstiftungen.257 Sie sind nach dem Vorbild der amerikanischen Community Foundations entstanden.258 In Deutschland entstand die erste Bürgerstiftung 1996,259 mittlerweile existieren etwa 235 Bürgerstiftungen.260 Viele Stifter bündeln ihr Kapital, und die Stifter entscheiden selbst, inwieweit sie sich bei den Vergabeentscheidungen einbringen möchten.261 Bürgerstiftungen sind offen für Zustiftungen.262 Der Aktivitätsradius ist lokal beschränkt.263 Neben den Gründern einer Stiftung und den Kapitalgebern kann weiter unterschieden werden zwischen den Zeiträumen, für die das Kapital bereitgestellt wird. Bei einer Kapitalstockstiftung ohne Zustiftungen werden die Ausgaben aus dem Kapitalertrag bestritten. Bei diesen Stiftungen gibt es keinen Wechsel der Kapitalgeber, und die Stiftung kann theoretisch ewig bestehen, solange der Kapitalstock gewinnbringend angelegt wird. Eine Sonderform der Kapitalstockstiftung ist die Verbrauchsstiftung, bei der zwar ein Kapitalstock gestiftet wird, die Ausgaben der Stiftung aber nicht allein aus den Kapitalerträgen bestritten werden, sondern der Kapitalstock über einen be-

254

Vgl. Schlüter (2005); Fleschutz (2008). In der Literatur werden viele Begriffe sowohl für Unternehmensträgerstiftungen als auch für unternehmensnahe Stiftungen verwendet. Bisher hat sich keine einheitliche Bezeichnung durchgesetzt.Vgl. Fleschutz (2008), S. 65f.

255

Vgl. Wreschniok (2005), S. 632.

256

Wreschniok (2005), S. 633.

257

Vgl. für eine umfangreiche Darstellung Bertelsmann Stiftung (2004).

258

Vgl. Schmied (2003), S. 237; Then/Timmer (2003), S. 254.

259

Vgl. Then/Timmer (2003), S. 254.

260

Vgl. Initiative Bürgerstiftungen (2009).

261

Vgl. Then/Timmer (2003), S. 254ff.

262

Vgl. Schmied (2003), S. 237.

263

Vgl. Rothenhan (2005), S. 311.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

72

stimmten Zeitraum abgeschmolzen wird.264 Das Gegenteil klassischer Kapitalstockstiftungen sind Stiftungen, die von Spenden abhängig sind, welche nicht einem Kapitalstock zugeführt werden, sondern bereits nach kurzer Zeit im Sinne des Stiftungszwecks ausgegeben werden.

2.5.2.4 Leistungserbringung Die Art der Leistungserbringung ist eine weitere grundlegende Dimension für die Typologisierung von Stiftungen.265 Stiftungen werden diesbezüglich meist binär in operative und fördernde Stiftungen unterteilt.266 Das Ziel operativer Stiftungen ist es, selbst Soziales zu gestalten. Fördernde Stiftungen dagegen wollen ihr Ziel mit Hilfe von Personen und Organisationen erreichen, die nicht Teil der Stiftung sind.267 Weil die Einteilung in fördernd und operativ nicht sehr genau ist, wird in der Literatur eine feingliedrigere Unterteilung anhand der Leistungserbringung vorgeschlagen: Anstaltsfinanzierung, Eigenprojekte, Preisfinanzierung, mildtätige Personenförderung, Stipendienfinanzierung, Projektförderung und institutionelle Förderung.268 Diese Leistungserbringungsformen können wiederum der operativen und fördernden Leistungserbringung zugeordnet werden. Zu operativen Stiftungen können jene gezählt werden, die Anstalten finanzieren, Eigenprojekte durchführen, Preise vergeben oder sich in der mildtätigen Personenförderung engagieren. Anstaltsstiftungen existieren ausschließlich, um eine ganz bestimmte Institution zu finanzieren, z.B. ein Altenheim, Krankenhaus oder ein Museum. Eigenprojekte sind Projekte, die die Stiftung durchführt, um ihren Stiftungszweck zu erfüllen. Preise werden meist für herausragende Leistungen vergeben. Ein bekanntes Beispiel ist die Nobel-Stiftung, die den Nobelpreis vergibt. Die mildtätige Personenförderung richtet sich an bedürftige Personen, beispielsweise behinderte Menschen. Preisstiftungen und die mildtätige

264

Vgl. European Foundation Centre (1995), S. 3.

265

Vgl. Adloff (2005a), S. 135; Sprengel (2005), S. 114; Fritsch (2007), S. 63.

266

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 108. Fritsch (2007), S. 185 zeigt, dass diese Variable Leistungserbringung einen moderierenden Einfluss auf die Erfolgsfaktoren im Stiftungsmanagement hat und beweist damit die empirische Relevanz dieser Typen.

267

Vgl. Adloff (2005a), S. 135.

268

Vgl. Strachwitz (1998), S. 684ff.; Adloff (2005a), S. 135ff.; Sprengel (2001), S. 71

2.5 Stiftungen

73

Personenförderung fallen in eine Grauzone, werden in dieser Arbeit aber zu den operativen Stiftungen gezählt.269 Zu den fördernden Aktivitäten gehören die Stipendienfinanzierung, die Projektförderung und die institutionelle Förderung. Bei der Stipendienförderung erhalten Personen eine Förderung, um ihre Lebensunterhaltskosten zu bestreiten. Die Stipendienfinanzierung gehört, anders als die mildtätige Förderung von Personen, zur fördernden Tätigkeit, weil sich die Stiftungen erhoffen, dass ihre Stipendiaten Positives für die Gesellschaft bewirken.270 In diesem Fall wirkt die Förderung mittelbar und kann daher als fördernde Tätigkeit klassifiziert werden. Eindeutig zu den fördernden Aktivitäten gehören die Projektförderung und die institutionelle Förderung. Bei der Projektförderung werden nur einzelne, wechselnde Vorhaben unabhängiger operativer Non-Profit-Organisationen gefördert. Institutionelle Förderung sieht dagegen eine Förderung der Non-Profit-Organisation selbst vor, d.h., sie investiert in den Aufbau der Organisation, die Gehälter der Mitarbeiter u.ä. In der Praxis treten regelmäßig verschiedene Merkmalsausprägungen unter dem Dach einer Stiftung auf: 20% der Stiftungen führen eigene Projekte durch und fördern Projekte.271

2.5.2.5 Leistungswirkung Bei der Leistungswirkung, die häufig mit dem englischen Begriff Theory of Change beschrieben wird, steht die Frage im Vordergrund, durch welche Maßnahmen soziale Veränderungen am effizientesten und effektivsten erreicht werden bzw. wie die Stiftungsleistungen ihre Wirkung erzielen. Im Stiftungssektor wurde der Begriff durch Soziologen geprägt, entsprechend stehen auch Individuen und Organisationen bei der Typologisierung im Vordergrund. Bei der Leistungswirkung kann differenziert werden zwischen der Zuwendung an bedürftige Personen, der Stärkung von (Führungs-)Personen als Multiplikatoren, der Stärkung von Organisationen, der Stärkung von Netzwerken, der Politikbeeinflussung und der Ideengenerierung. Dabei

269

Vgl auch Strachwitz (1998), S. 692f., der sie ebenfalls zu den operativen Stiftungen zählt. Die mildtätige Personenförderung wird häufig den fördernden Stiftungen zugerechnet; vgl. Adloff (2005a), S. 138.

270

Genauer wird auf diesen Aspekt im folgenden Abschnitt 2.5.2.5 eingegangen.

271

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 108. Vgl. auch Sprengel (2005), S. 114; Lang/Schnieper (2006), S. 330f.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

74

nimmt der Abstraktionsgrad bei den genannten Ansätzen zu. Die Förderung bedürftiger Personen spielt sich auf dem Mikrolevel ab. Die Ideengenerierung hat den höchsten Abstraktionsgrad und spielt sich auf dem Makrolevel ab. Dazwischen können die übrigen Ansätze einsortiert werden.272 Diese Art der Leistungswirkung hängt teils mit der Art Leistungserbringung, die im vorausgehenden Abschnitt erläutert wurde, zusammen. Die offensichtlichste Art der Veränderung ist es, bedürftige Menschen direkt zu unterstützen, sei es finanziell, sei es durch aktive Hilfe. Diese karitative Hilfe, die auch als mildtätige Arbeit bezeichnet wird, ist vermutlich die älteste und ursprünglichste Art, Veränderungen zu bewirken. Sie ist die einzige Leistungswirkung, die sich unmittelbar entfaltet. Die Person leidet während der Dauer der Förderung nicht an Hunger oder einem Mangel an der gestifteten Sache. Bei den übrigen Ansätzen entfaltet sich die Wirkung nur mittelbar.273 Der Empfänger der Stiftungsleistung und der final Begünstigte fallen auseinander. Beispielsweise finanziert eine Stiftung, die sich der Bildung von Kindern verschrieben hat, nicht die Gehälter der Lehrer, um die Lehrer zu unterstützen, sondern um den Kindern eine gute Bildung zukommen zu lassen. Das Ziel der Förderung sind die Schüler. Sie sind die final Begünstigten, obwohl die direkten Leistungsempfänger die Lehrer sind, denen die Stiftung ein Gehalt zahlt. Wenn sich die Stiftung auf das Stärken von Individuen konzentriert, werden in der Regel Personen ausgewählt, die das Potenzial haben, positiven Einfluss auf gesellschaftlich relevante Gebieten zu nehmen.274 Die Förderung geschieht häufig durch Seminare, Training, Ausbildungsfinanzierung, generelle Finanzierung der Lebenshaltungskosten u.ä.275 Hinter der Förderung von Personen steckt die Annahme, diese Personen seien „Keimzellen des Wandels und Multiplikatoren“.276 Bei der Förderung von Organisationen als weitere Leistungswirkung kann man vor allem zwischen der Unterstützung bestehender Organisationen und der Unterstützung

272

Vgl. Bloomfield (2002), S. 94f.; Frumkin (2006), S. 177ff.; Fritsch (2007), S. 67ff.

273

Vgl. Fritsch (2007), S. 68.

274

Vgl. Frumkin (2006), S. 180.

275

Vgl. Frumkin (2006), S. 180.

276

Meffert/Fritsch (2005), S. 68.

2.5 Stiftungen

75

neuer, ggf. von der Stiftung selbst initiierter Organisationen unterscheiden.277 Dieser Art der Fördung liegt die Überzeugung zugrunde, dass Organisationen ein nachhaltiger Motor des Wandels sind und sie daher gestärkt werden sollten. Die vierte Leistungswirkung drückt sich aus in der Vernetzung und Förderung von Zusammenarbeit, sowohl von Personen als auch von Institutionen. Durch die Vernetzung und Zusammenarbeit wird der Austausch von Best Practices gefördert, und Skaleneffekte werden erzielt. Häufig wird dadurch auch die Einflussnahme auf die Politik gestärkt, da Institutionen zusammen eine höhere Lobbymacht entfalten als individuell vorgetragene Forderungen.278 Stiftungen nehmen auch Einfluss auf die Politik, direkt und indirekt, um gesellschaftliche Veränderungen zu forcieren, z.B. fördern sie politisches Engagement von Bürgern, die politische Einflussnahme von Non-Profit-Organisationen und andere Formen des Lobbying und in vielen Fällen auch Forschung, deren Ergebnisse in die Politik einfließen sollen.279 Mit der Politikbeeinflussung durch Förderung von Forschung eng verbunden ist die Förderung der Ideengenerierung. Sie hat, wie eingangs erwähnt, den höchsten Abstraktionsgrad. Die Wirkung dieser Art von Förderung in Erfahrung zu bringen, ist äußerst schwer, denn zwischen dem Empfänger der Förderung und dem ultimativen Ziel der Förderung liegen mehrere Ebenen. Das Ziel der Ideen ist es, über Politik, Organisationen und Individuen (i.S.v. Führungspersönlichkeiten) mittelbar die bedürftigen Individuen zu erreichen.280 Berücksichtigt man auch die in den vorausgegangenen Gliederungspunkten erwähnten Typen, lässt sich erkennen, dass vor allem Stiftungen, die mit Innovationen gesellschaftlichen Wandel vorantreiben wollen, fördernd aktiv sind und sich auf Organisationen konzentrieren, besondere Ähnlichkeit mit Venture-CapitalGesellschaften haben und daher für die Übertragung des Venture-Capital-Ansatzes in Frage kommen.

277

Vgl. Frumkin (2006), S. 181ff.

278

Vgl. Frumkin (2006), S. 183f.

279

Vgl. Frumkin (2006), S. 184f.

280

Vgl. Frumkin (2006), S. 186.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

76

2.5.3 Strukturelle Eigenschaften Stiftungen sind eine sehr alte Form der Kapitalbereitstellung.281 Etwa 20% der existierenden deutschen Stiftungen sind mehr als 100 Jahre alt.282 In Deutschland existieren etwa 15.500 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts, die schätzungsweise ein Vermögen von 70 Mrd. Euro verwalten.283 Die Ausgaben summieren sich pro Jahr insgesamt auf geschätzte 15 Mrd. Euro.284 Bei den Zahlen handelt es sich allerdings um grobe Schätzungen, da Stiftungen keiner Veröffentlichungspflicht unterliegen und viele Stiftungen davon Gebrauch machen, keine Zahlen publizieren zu müssen. Die für diese Arbeit, wie erwähnt, besonders relevanten Förderstiftungen sind tendenziell finanziell schlechter ausgestattet als operative Stiftungen; sowohl hinsichtlich des Vermögens als auch der Ausgaben.285 Von den oben genannten 15 Mrd. Euro wurden nur 2,5 Mrd. Euro von Förderstiftungen ausgegeben.286 Etwa drei Vierteln der Förderstiftungen stehen maximal 50.000 Euro pro Jahr für ihre Ausgaben zur Verfügung. Bei operativen Stiftungen sind es nur 35%.287 Zudem haben die meisten Förderstiftungen ein nur kleines Vermögen: 80% besitzen einen Kapitalstock von maximal einer Mio. Euro. Bei operativen Stiftungen sind dies nur 47%.288 Die wahrscheinliche Erklärung für den Größenunterschied ist, dass operative Tätigkeiten sich für kleine Stiftungen nicht lohnen und sie daher fördernd tätig werden. Umgekehrt bedeutet dies, wenn Stiftungen mit einem hohen Kapitalvolumen ausgestattet werden, werden sie operativ tätig. Durch die Kapitalausstattung wird auch der Wirkungskreis

281

Vgl. für eine historische Darstellung Toepler (1996), S. 31ff.; Campenhausen (2003).

282

Vgl. Kocka (2004), S. 6.

283

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 30.

284

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 33. Gerber (2006), S. 7 gibt an, dass die Ausgaben auf 10 Mrd. Euro geschätzt werden.

285

Vgl. Sandberg (2007b), S. 31.

286

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 32.

287

Vgl. Sandberg (2007b), S. 31.

288

Vgl. Sandberg (2007b), S. 31.

2.5 Stiftungen

77

beschränkt, so dass mit 82% der überwiegende Teil der Förderstiftungen nur örtlich oder regional tätig ist.289 Nachdem der Stiftungsmarkt in der Größe umrissen wurde, wird nun ein wesentliches Charakteristikum besprochen, das den Stiftungsmarkt fundamental vom VentureCapital-Markt unterscheidet. Eine ganz wesentliche Rechtfertigung für die Entwicklung des Venture-Philanthropy-Ansatzes ist die fehlende „unsichtbare Hand“ im Stiftungssektor.290 Es gibt keine Marktkräfte, die ineffiziente Stiftungen aus dem Markt drängen und effiziente Stiftungen wachsen lassen.291 Dafür gibt es verschiedene Gründe. Der erste ist der Kapitalstock, denn 84% der fördernden Stiftungen finanzieren sich über die Kapitalerträge des Kapitalstocks.292 Dieser Kapitalstock stammt zum größten Teil von einer feststehenden, zahlenmäßig begrenzten Personengruppe, häufig sogar nur von einer Person. Ihre Ausgaben bestreitet die Stiftung aus den Kapitalerträgen. Letztlich bestimmen also nur die Anlage des Kapitals und die Höhe der Ausgaben darüber, wie sich das Stiftungsvermögen und die zukünftigen Ausgabemöglichkeiten entwickeln. Die Effizienz der eingesetzten Mittel hat auf die Größe keinen Einfluss. Es fehlt vollständig die disziplinierende Wirkung des Marktes. Der zweite Grund ist, dass Stifter häufig ein spezielles Anliegen haben, das sie fördern möchten.293 In diesem Fall haben die Ausgaben der Stiftungen stärker Konsum- als Investitionscharakter. Es ist also nicht primär das Ziel der Stifter, Kapital objektiv möglichst effizient für gesellschaftliche Zwecke einzusetzen, sondern ganz spezifische, persönliche Anliegen zu fördern. Untermauert wird diese Auffassung von der WarmGlow-These, die besagt, dass Personen auch dann spenden, wenn sie wissen, dass ihre Spende die eines anderen eins zu eins reduziert, sich also die Gesamtkapitalmenge nicht ändert, die für die gesellschaftlichen Zwecke zur Verfügung steht.294 Der dritte, wesentliche Grund ist das Problem, die soziale Rendite, also den Erfolg zu messen. Der Erfolg der Aktivitäten der Stiftungen, die sich auf die Finanzierung von

289

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 111.

290

Vgl. Abschnitt 2.3.2.3.

291

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 38; Meehan III/Kilmer/O’Flanagan (2004), S. 39, 41.

292

Vgl. Sandberg (2007b), S. 32.

293

Vgl. Timmer (2005), S. 23ff.

294

Vgl. Crumpler/Grossman (2008), S. 1018f. Vgl. auch Abschnitt 2.3.2.1.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

78

Innovationen konzentrieren, wird nur teilweise transparent. Dadurch aber haben Kapitalgeber von Stiftungen nur bedingt die Möglichkeit, die Qualität der Arbeit zu bewerten, und damit häufig keinen Grund, Kapital abzuziehen und erfolgreicheren Stiftungen zukommen zu lassen. Somit ist es selbst Stiftern, die das Ziel haben, Kapital nach objektiven Kriterien möglichst effizient für gesellschaftliche Zwecke einzusetzen, nur eingeschränkt möglich, entsprechende Stiftungen zu erkennen bzw. ihre eigenen Tätigkeiten zu bewerten. Zustiftungen ähnlich wie die Warren Buffets an die Gates-Foundation sind daher, nicht nur aufgrund ihrer Höhe, ungewöhnlich.295 Nach der Erläuterung der Marktstruktur, wird nun auf die Struktur der Stiftungen eingegangen. Die oben dargestellten finanziellen Unterschiede zwischen operativen und fördernden Stiftungen schlagen sich auch in der Mitarbeiterzahl nieder. Von den Förderstiftungen haben 58% maximal fünf Mitarbeiter, von den operativen Stiftungen haben nur 22% weniger als fünf Mitarbeiter.296 Die größte Förderstiftung, die an der Umfrage von SANDBERG (2007b) teilgenommen hat, hat 25 Mitarbeiter. Bei den operativen Stiftungen haben 20% mehr als 100 Mitarbeiter.297 Viele der Förderstiftungen sind nicht nur klein, sondern sie greifen auch stark auf ehrenamtliche Mitarbeiter zurück. Bei 92% der Förderstiftungen machen Ehrenamtliche mehr als drei Viertel der Beschäftigen aus und 96% haben keinen einzigen Vollzeitmitarbeiter.298 Betrachtet man die Rechtsformen von Stiftungen, so ist der Prototyp die rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts.299 Sie besteht im Wesentlichen aus einem zweckgerichteten Kapitalstock, wobei der Stifter in der Stiftungssatzung den Zweck und die wesentlichen Fragen der internen Organisation festlegt.300 Eine solche Stiftung ist eine unabhängige Rechtsperson ohne Anteilseigner, sie gehört sich gewissermaßen selbst.301 Tatsächlich vereinen sich unter dem Sammelbegriff Stiftung aber auch ganz

295

Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung (2006).

296

Vgl. Sandberg (2007b), S. 33.

297

Vgl. Sandberg (2007b), S. 33.

298

Vgl. Sandberg (2007b), S. 33.

299

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 14.

300

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 14.

301

Vgl. Wex (2004), S. 102, der auch darauf hinweist, dass Stiftungen ggf. keine Mitglieder haben und insofern das „Moment der Freiwilligkeit keine Bedeutung“ hat. Vgl. auch Anheier/Toepler (1999a), S. 11.

2.5 Stiftungen

79

andere Organisationsformen. Dies ist u.a. darauf zurückzuführen, dass der Begriff der Stiftung gesetzlich nicht definiert und geschützt ist und somit als freier Namensbestandteil einer Organisation gewählt werden kann.302 Ein bekanntes Beispiel ist die Robert-Bosch-Stiftung, die sich zwar als Stiftung bezeichnet, aber die Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH hat. Sie weist somit alle Eigenschaften einer GmbH auf mit den zusätzlichen Bedingungen, die ihr im Gegenzug für die steuerliche Begünstigung durch die Abgabenordnung auferlegt werden.303 Ein anderes Beispiel, die unselbständige, nicht rechtsfähige Stiftung, zeigt ebenfalls, wie weit der Oberbegriff der Stiftung reicht, ganz abgesehen von Familienstiftungen und Unternehmensträgerstiftungen, die bereits von der Betrachtung ausgeschlossen wurden.304

2.5.4 Operative Non-Profit-Organisationen als Investitionsobjekt Förderstiftungen, zu denen der überwiegende Teil der Stiftungen zählt, benötigen Personen oder operative Non-Profit-Organisationen, die sie finanzieren und mit deren Hilfe sie ihre Ziele erreichen können.305 Diese operativen Non-Profit-Organisationen sind in der Regel Dienstleistungsorganisationen.306 Während im Venture-CapitalSektor die Anzahl der potenziell für Venture-Capital in Frage kommenden Unternehmen durch Erhebungen recht gut geschätzt wird, kann die analoge Ziffer für Förderstiftungen kaum angegeben werden. Dafür sind zwei Gründe ausschlaggebend. Erstens sind die Tätigkeiten von Förderstiftungen und dadurch die gesuchten Organisationen so heterogen, dass sich ihre Gemeinsamkeit fast auf den Gemeinnützigkeitsstatus beschränkt. Zweitens ist die Datenlage zu Non-Profit-Organisationen in Deutschland mäßig. Es gibt kaum Datenbanken oder Register, in denen diese Organisationen verzeichnet wären und die für eine Analyse herangezogen werden

302

Vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 14

303

Vgl. Mues (2005), S. 241; Rothenhan (2005), S. 307; §52 Abgabenordnung.

304

Vgl. zu den unselbständigen Stiftungen Beckmann (2003), S. 220ff.

305

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen gibt an, dass 60% der Stiftungen rein fördernd und 20% sowohl fördernd als auch operativ tätig sind; vgl. Bundesverband Deutscher Stiftungen (2008b), S. 108.

306

Dies ergibt sich u.a. aus der Abgabenordnung, in der die steuerbegünstigten Zwecke aufgeführt sind; vgl. §52 Abgabenordnung.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

80

könnten.307 Dementsprechend vage ist die Literatur. Anders als im Venture-CapitalKapitel können daher hier nur verschiedene Zahlen genannt werden, die ein Gefühl dafür vermitteln, welche Organisationen wie häufig vorkommen. Der gesamte Non-Profit-Sektor ist äußerst heterogen. Die dazu zählenden Organisationen reichen von Sportvereinen über Stiftungen bis zu Wohlfahrtsverbänden.308 Insgesamt existieren geschätzt eine Million Non-Profit-Organisationen in Deutschland.309 Diese Anzahl ist die Obergrenze möglicher Organisationen, die für Förderstiftungen als operative Non-Profit-Organisationen für eine Förderung in Frage kommen. Mehr als die Hälfte der Non-Profit-Organisationen sind Vereine, von diesen wiederum ein Großteil Sportvereine, deren Attraktivität für Förderstiftungen fraglich ist.310 Eine Möglichkeit, sich der Anzahl von unten zu nähern, sind die Organisationen, die das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) tragen: Es gibt 254 überregional Spenden einwerbende Organisationen, die bestimmte Kriterien des Instituts erfüllen.311 Insgesamt dokumentiert das DZI 1.000 Organisationen.312 Tendenziell dürfte es in der Datenbank eine Verzerrung zugunsten größerer Organisationen geben, da kleinere häufig nicht die Voraussetzung der überregionalen Spendensammeltätigkeit erfüllen.313 Operative Non-Profit-Organisationen werden von Stiftungen durch Spenden unterstützt. Die entsprechenden Beträge sind vergleichweise klein, denn kleine Stiftungen können auch nur kleine Beträge spenden. Für Deutschland konnten keine Zahlen identifiziert werden, aber eine Untersuchung von 163 großen Stiftungen in den USA zeigt, dass selbst bei großen Stiftungen der Median der finanziellen Unterstützung bei 60.000

307

Vgl. Sommerfeld (2009), S. 68. In jüngerer Zeit wurden aber einige Versuche unternommen, die Datenlage über Non-Profit-Organisationen zu verbessern; vgl. Anheier/Spengler (2009).

308

Vgl. für eine ausführliche Darstellung des deutschen Non-Profit-Sektors Anheier/Seibel (2001).

309

Vgl. Maecenata Institut (2006), S. 5.

310

Vgl. Maecenata Institut (2006), S. 6.; Franzen/Botzen (2009), S. 55; Sommerfeld (2009), S. 68.

311

Vgl. Sommerfeld (2009), S. 37; Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) (2010), S. 2.

312

Vgl. Sommerfeld (2009), S. 36.

313

Vgl. Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) (2006), S.308ff.

2.6 Venture Philanthropy

81

60.000 Dollar liegt.314 Zudem wird immer nur ein kleiner Teil des Gesamtbudgets der geförderten Organistion finanziert. Der Median liegt hier bei 3% des Budgets der geförderten Organisation.315 Ein weiteres Merkmal der Förderung ist der kurze Zeitraum. Der Median der Förderdauer liegt bei 2,2 Jahren.316 Da die Studie sich nur auf einige große Stiftungen konzentriert, lässt sich die Aussage nicht auf die Grundgesamtheit verallgemeinern. Vermutlich sind die durchschnittlichen Förderbeträge insgesamt deutlich kleiner, weil auch die Stiftungen kleiner sind. Bezüglich des Anteils der Förderung am Budget und der Dauer bleibt der Einfluss der Stiftungsgröße unklar.

2.6 Venture Philanthropy 2.6.1 Definition Der Venture-Philanthropy-Ansatz ist eine Synthese aus dem Ziel der Innovationen finanzierenden Förderstiftungen, gesellschaftlichen Wandel zu erzielen, und den Finanzierungsstrategien der Venture-Capital-Gesellschaften. Die Protagonisten des Venture-Philanthropy-Ansatzes waren der Meinung, dass zwar die Renditeerwartung im Non-Profit-Sektor eine andere sein würde – bei Spenden sogar minus 100% – und auch die Finanzierungsinstrumente dem Non-Profit-Sektor angepasst werden müssten, doch dass die grundsätzlichen Venture-Capital-Strategien übertragen werden sollten.317 Beide Finanzintermediäre, Förderstiftungen und Venture-CapitalGesellschaften, stehen vor ähnlichen Herausforderungen: Sie müssen Organisationen erkennen, unter Unsicherheit die Entscheidung treffen, welche Organisationen voraussichtlich eine hohe Rendite (sozial oder privat) abwerfen und diese auswählen, eine Finanzierungsvereinbarung treffen und die Organisationen ggf. auch nichtfinanziell sinnvoll unterstützen.318 Außerdem müssen sich beide auch gegenüber ihren In-

314

Vgl. The Center for Effective Philanthropy (2006), S. 6. Die Zahl bezieht sich auf Projektförderungen. Bei institutioneller Förderung liegt sie bei 50.000 Dollar.

315

Vgl. The Center for Effective Philanthropy (2006), S. 6. Die Zahl bezieht sich auf Projektförderungen. Bei institutioneller Förderung liegt sie bei 4%.

316

Vgl. The Center for Effective Philanthropy (2006), S. 7. Die Zahl bezieht sich auf Projektförderungen. Bei institutioneller Förderung liegt sie bei 2,5 Jahren.

317

Vgl. Pepin (2005), S. 167.

318

Vgl. zur Auswahlentscheidung Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 37.

82

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

vestoren rechtfertigen.319 Eine Berechtigung für die Annahme, dass Venture-CapitalStrategien auf Förderstiftungen übertragen werden sollten, liefern die oben beschriebenen fehlenden Marktkräfte im Non-Profit-Sektor. Wie gezeigt wurde, werden, anders als auf dem Venture-Capital-Markt, auf dem Förderstiftungsmarkt ineffiziente Strategien nicht automatisch aus dem Markt gedrängt. Es liegt daher nahe, Strategien, die den Marktselektionsprozess im Venture-Capital-Bereich überlebt haben, nach einer theoretischen Prüfung auf den Förderstiftungsmarkt zu übertragen. Genau die dadurch entstandene Strategie wird als Venture Philanthropy bezeichnet. Ausgangspunkt und Wegbereiter für die Entwicklung des Venture-PhilanthropyAnsatzes ist der immer wieder in diesem Zusammenhang genannte Artikel „Virtous Capital – What Foundations can Learn from Venture Capitalists“ von LETTS/RYAN/GROSSMAN (1997), der im Harvard Business Review erschienen ist. Erst durch diesen Artikel wurde das Konzept Venture Philanthropy einer größeren Öffentlichkeit bekannt, obwohl der Begriff selbst in dem Artikel nicht vorkommt.320 Der erste Artikel mit Venture Philanthropy im Titel, der gefunden werden konnte, stammt im Übrigen von 1998.321 In ihrem Artikel behaupten LETTS/RYAN/GROSSMAN (1997), dass Förderstiftungen vor allem die sieben folgenden Venture-Capital-Ansätze in Betracht ziehen sollten: Risikomanagement, Erfolgsmessung, nichtfinanzielle Unterstützung, institutionelle (statt Projekt-)Förderung, Aufteilung des Fondsvolumens auf wenige Organisationen, lange Finanzierungsbeziehungen und Ausstiegsplanung.322 Damit haben die Autoren eine Diskussion über Förderstrategien angestoßen oder zumindest verstärkt. Auf der Basis der Literatur und der Definition von

319

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 37.

320

Neben den Begriffen Venture Philanthropy, Social Venture Capital und Social Venture Funds werden in der Literatur auch andere Begriffe für diese neuartigen Ansätze verwendet, z.B.: social venture philanthropy (Kirsch Foundation (o.J.)), new philanthropy (Kirsch Foundation (o.J.)), venture-type philanthropic investment (Bell-Rose/Lopez (2003), S. 2), philanthropic venture capital (Scarlata/Alemany (2008)), ‚new’ scientific philanthropy (Anheier/Leat (2006), S. 21f.). Diese Begriffe haben sich aber (bisher) nicht durchgesetzt.

321

Vgl. Capers/Collins (1998). Es handelt sich allerdings nicht um einen klassischen Artikel sondern um eine webpage. Im Jahr 1999 wird er im Titel eines Beitrages des REDF Box Set erwähnt. Die erste Marktstudie in den USA zum Thema Venture Philanthropy wurde im Jahr 2000 veröffentlicht; vgl. Community Wealth Ventures (2000). In den Jahren 2001 und 2002 entstanden Nachfolgereports; vgl. Community Wealth Ventures (2001), Community Wealth Ventures (2002).

322

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 37ff.

2.6 Venture Philanthropy

83

Venture-Capital-Gesellschaften und Förderstiftungen können die wesentlichen Definitionselemente von Venture Philanthropy aufgeführt werden: x Gesellschaftliche Rendite: Das Ziel von Venture-Philanthropy-Gesellschaften ist, zur Lösung sozialer Probleme beizutragen und die gesellschaftliche Rendite zu maximieren.323 Unabhängig vom Finanzierungsinstrument, also auch durch Spenden, wird die Finanzierung deshalb als Investition bezeichnet.324 Als Nebenbedingung können finanzielle Ziele verfolgt werden, z.B. Renditen unter Marktniveau, Kapitalerhalt o.ä.325 Folglich ist es kein Ziel von VenturePhilanthropy-Gesellschaften, Ressourcen lediglich umzuverteilen. Vielmehr ist das Ziel, analog zu Social Entrepreneurship, bessere stabile Gleichgewichte herzustellen. x Bedarfsgerechte Finanzierung: Venture-Philanthropy-Gesellschaften passen die Finanzierung dem Bedarf der geförderten Organisation an.326 In Abhängigkeit vom Fokus der Gesellschaft und der Organisation, die finanziert werden soll, kann die Finanzierungsform das gesamte Spektrum von Spenden über Eigenkapital bis zu Krediten umfassen.327 x Finanzierungsvolumen: Venture-Philanthropy-Gesellschaften unterstützen tendenziell wenige Organisationen, diese dafür mit erheblichen Beträgen.328 Sie achten bei der Vergabe auf Effizienz. Der Aufwand der Mittelvergabe muss in einem sinnvollen Verhältnis zur Höhe der Investitionen und der erwarteten Rendite stehen. Sie finanzieren einen signifikanten Anteil des gesamten Budgets.

323

Vgl. Community Wealth Ventures (2002), S. 8. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 13f.

324

Vgl. Anheier/Leat (2006), S. 21.

325

Vgl. Community Wealth Ventures (2000), S. 14f.

326

Vgl. The Roberts Enterprise Development Fund/BTW Consultants (1999), S. 18; European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 13.

327

Vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 13.

328

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 38f.; The Roberts Enterprise Development Fund/BTW Consultants (1999), S. 17; European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 14.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

84

x Dauer der Unterstützung: Venture-Philanthropy-Gesellschaften unterstützen Organisationen über einen längeren Zeitraum als Förderstiftungen.329 Gleichwohl ist der Zeitraum begrenzt. Es gibt keine dauerhafte Unterstützung wie bei den Anstaltsträgerstiftungen. x Hohes

Engagement

und

nichtfinanzielle

Unterstützung:

Venture-

Philanthropy-Gesellschaften pflegen ein enges, intensives Verhältnis zu den geförderten Organisationen,330 um neue und skalierbare Ansätze zur Lösung sozialer Probleme zu verbreiten.331 Dies kann sich z.B. darin äußern, dass sie einen Aufsichtsposten in der geförderten Organisation übernehmen332 oder dass je Mitarbeiter der Gesellschaft deutlich weniger Organisationen gefördert werden als bei klassischen Förderstiftungen.333 Neben der finanziellen Unterstützung leisten Venture-Philanthropy-Gesellschaften auch nichtfinanzielle Unterstützung334, z.B. Hilfe bei der strategischen Planung, bei der Personalplanung und -suche sowie Zugang zu relevanten Netzwerken, welche die VenturePhilanthropy-Gesellschaften mitbringen. 335 x Institutionelle Förderung: Venture-Philanthropy-Gesellschaften fördern die Organisation und nicht einzelne Projekte der Organisation.336 Die Projektförderung wird abgelehnt, weil sie falsche Anreize setzt und zu einer ineffektiven Ressourcennutzung führt.337 Die Organisation wird nicht immer direkt, sondern auch indirekt gefördert, indem beispielsweise der Gründer persönlich eine Unterstützung erhält.

329

Vgl. The Roberts Enterprise Development Fund/BTW Consultants (1999), S. 17; European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 13.

330

Vgl. The Roberts Enterprise Development Fund/BTW Consultants (1999), S. 17.

331

Vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 13.

332

Vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 13.

333

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 38.

334

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 38; The Roberts Enterprise Development Fund/BTW Consultants (1999), S. 14

335

Vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 14.

336

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 38f.; The Roberts Enterprise Development Fund/BTW Consultants (1999), S. 17; European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 14.

337

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 37.

2.6 Venture Philanthropy

85

x Erfolgsmessung: Venture-Philanthropy-Gesellschaften messen sich und die geförderten Organisationen – soweit möglich – an ihrem Erfolg.338 Es wird Wert gelegt auf Planung, messbare Ergebnisse, Meilensteine, finanzielle Rechenschaft und Managementfähigkeiten.339 x Mehrere Investoren: Venture-Philanthropy-Gesellschaften erhalten in der Regel von mehreren Investoren Kapital.340 Dies ist aber kein hartes Kriterium, da wie bei Corporate-Venture-Capital-Gesellschaften im Venture-Capital-Sektor auch Venture-Philanthropy-Gesellschaften denkbar sind, die ihre Finanzierung nur aus einer einzigen Quelle beziehen. x Risiko: Anders als Stiftungen berücksichtigen Venture-PhilanthropyGesellschaften bei Investitionsentscheidungen das Risiko, obwohl dieses, im Fall von Spenden keine finanziellen Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Das Kapital wird nicht zurückgezahlt, risikobehaftet ist folglich nur die soziale Rendite.341 x Ausstieg: Venture-Philanthropy-Gesellschaften berücksichtigen den Ausstieg bereits während der Förderphase.342 Das Ziel ist häufig, dass sich die Organisationen am Ende der Unterstützung selbst tragen können oder zumindest eine nachhaltige Finanzierungsquelle erschlossen haben.343 Ähnlich wie bei der Definition von Venture Capital handelt es sich auch bei den genannten Eigenschaften nicht um den kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern um verschiedene Eigenschaften, die in der Literatur und den Selbstdarstellungen der Fonds zu finden sind, sowie um Eigenschaften, die aus der Venture-Capital- und Stiftungsliteratur hergeleitet werden können. Viele dieser Eigenschaften sind relativ formuliert,

338

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 38; The Roberts Enterprise Development Fund/BTW Consultants (1999), S. 18.

339

Vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 14.

340

Vgl. Community Wealth Ventures (2002), S. 8.

341

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 37f.

342

Vgl. Letts/Ryan/Grossman (1997), S. 41.

343

Vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 13. Unterstützt wird dieses Ziel durch die Tatsache, dass sich Social Ventures, die in den letzten 30 Jahren besonders stark gewachsen sind, meist auf eine Finanzierungsquelle verlassen haben; vgl. Foster/Fine (2007), S. 49.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

86

weil sich die Gesellschaften von Förderstiftungen abgrenzen. Diese relative Abgrenzung macht deutlich, dass es sich bei diesen Eigenschaften um ein Kontinuum handelt, bei dem verschiedene Ausprägungen möglich sind. Daher ist eine strikte Abgrenzung nicht möglich. Bisher existiert keine umfassende empirische Untersuchung dieser Eigenschaften bei Förderstiftungen und Venture-Philanthropy-Gesellschaften oder eine darauf aufbauende Clusteranalyse, die Trennlinien zwischen den unterschiedlichen Ansätzen aufzeigen könnte.344 Da es sich bei Venture-Philanthropy-Gesellschaften um eine junge Branche handelt, wird sich erst zeigen, welche der geforderten Eigenschaften längerfristig Bestand haben werden. Denkbar ist durchaus, dass sich bei einigen Ansätzen, die von dem Venture-Capital-Ansatz übernommen wurden, herauskristallisieren wird, dass eine Übertragung auf den Non-Profit-Sektor nicht sinnvoll ist.

2.6.2 Typologie 2.6.2.1 Überblick Sowohl in der Venture-Capital- als auch in der Stiftungsforschung wurde gezeigt, dass der Venture-Philanthropy-Gesellschafts-Typ sowie der Stiftungstyp Einfluss auf die Beantwortung betriebswirtschaftlicher Fragestellungen haben und der Gesellschaftstyp für empirische Untersuchungen somit eine wichtige Kontrollvariable ist. Die VentureCapital- und Stiftungstypologie wird daher nun genutzt, um eine VenturePhilanthropy-Typologie herzuleiten. Es werden aber nicht alle Typologisierungsmerkmale übernommen. Da Venture-Philanthropy-Gesellschaften definitionsgemäß immer „förderorientiert“ sind, entfällt die entsprechende Venture-Capital-Typologie. Dafür wird eine neues Typologisierungsmerkmal Rendite und Risiko mit aufgenommen, das Ähnlichkeit mit dem Merkmal finanziell versus förderorientiert hat. Aus der Stiftungstypologie fällt die Stiftungsfunktion weg, weil Venture-PhilanthropyGesellschaften immer auf die Verbreitung von Innovationen ausgerichtet sind.

344

Die genannten Ansätze werden zum Teil auch von Stiftungen – die sich selbst als solche bezeichnen – angewandt. Sie werden auch mit strategic giving (vgl. Frumkin (2006)), engaged philanthropy (Bell-Rose/Lopez (2003), S. 7,9; Martin (2008)), effective philanthropy (Prager

2.6 Venture Philanthropy

87

2.6.2.2 Rendite und Risiko Der bedeutendste Unterschied zwischen Venture-Philanthropy- und Venture-CapitalGesellschaften ist im ersten Fall die Konzentration auf die gesellschaftliche Rendite und im zweiten Fall auf die finanzielle Rendite (mit Ausnahme der förderorientierten Venture-Capital-Gesellschaften). Venture-Philanthropy-Gesellschaften verzichten auf einen Teil der privaten finanziellen Rendite zugunsten einer sozialen Rendite. Die erste Typologisierungskategorie ist folglich das Renditeziel. Die vorhandenen Venture-Philanthropy-Gesellschaften lassen sich in zwei Gruppen aufteilen: SpendenVenture-Philanthropy-Gesellschaften und Social-Venture-Capital-Gesellschaften. Beide haben das Ziel, die gesellschaftliche Rendite zu maximieren, der Unterschied liegt in den finanziellen Nebenbedingungen. Spenden-Venture-PhilanthropyGesellschaften erzielen eine finanzielle Rendite von -100% und haben folglich keine finanziellen Nebenbedingungen. Social-Venture-Capital-Gesellschaften haben als finanzielle Nebenbedingung den Kapitalerhalt oder sogar eine positive finanzielle Rendite.345 Tabelle 2 stellt Venture Philanthropy und Social Venture Capital anhand der Rendite und des Risikos, jeweils privat und sozial, gegenüber. Zum Vergleich werden Förderstiftungen und Venture-Capital-Gesellschaften einbezogen. Das grau unterlegte Feld stellt die zu maximierende Variable dar – jeweils die private oder die soziale Rendite. Die Tabelle lässt erkennen, dass die Rendite annahmegemäß jeweils mit dem Risko korrespondiert. Eine hohe private Rendite geht mit einem hohen privaten Risiko einher und eine hohe soziale Rendite geht mit einem hohen sozialen Risiko einher. Weiterhin erkennt man, dass laut dieser abstrakten Klassifizierung ex ante zwischen Venture Philanthropy und klassischen Förderstiftungen kein Unterschied besteht. Beide Strategien haben die gleichen Renditeziele und gehen die gleichen Risiken ein. Gleichwohl bedeutet dies nicht, dass Venture-Philanthropy-Gesellschaften und

(2003)), strategic philanthropy (Marx (1998)), creative philanthropy (Anheier/Leat (2006), S. 39) und ähnlichen Begriffen bezeichnet. 345

Wenn die private finanzielle Rendite maximiert werden soll und soziale Kriterien als Nebenbedingung eingeführt werden, qualifiziert das nicht, wie eingangs gezeigt wurde, für die Klassifikation als Venture-Philanthropy- oder als Social-Venture-Capital-Gesellschaft; vgl. Abschnitt 2.3.3. Hier wird nicht der Definition von Clark/Gaillard (2003) gefolgt, die auch Gesellschaften, die klassische Venture-Capital-Renditen anstreben und lediglich zusätzlich bestimmte soziale Kriterien haben, mit einbeziehen; vgl. Clark/Gaillard (2003), S. 10.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

88

Stiftungen auch ex-post vergleichbar sind. Die unterschiedlichen Förderstrategien, z.B. bezüglich der Förderdauer, des Finanzierungsvolumens und nichtfinanzieller Unterstützung, können zu einem abweichenden Ergebnis führen. Rendite*

Risiko

privat

sozial

privat

sozial

Förderstiftung

<0%

hoch

kein Risiko

hoch

Spenden-VenturePhilanthropy

<0%

hoch

kein Risiko

hoch

Social Venture Capital

t0%

mittel

mittel

mittel

Venture Capital

hoch

niedrig (bis hoch)**

hoch

niedrig (bis hoch)**

* Die grau hinterlegten Felder zeigen die Variable an, die maximiert werden soll. ** Für Investitionsentscheidung irrelevant

Tabelle 2: Einordnung verschiedener Finanzierungsansätze in die Privat-SozialeRendite-Risiko-Matrix 2.6.2.3 Finanzierungsphasen Ähnlich wie Venture-Capital-Investitionen in Phasen unterteilt werden können, lassen sich auch Venture-Philanthropy-Investitionen unterscheiden. Ein kleiner Unterschied ergibt sich aus der Tatsache, dass Venture-Capital-Gesellschaften meist in Branchen investieren, die kapitalintensiv sind oder erhebliche Entwicklungskosten verlangen. Die Portfolioorganisationen von Venture-Philanthropy-Gesellschaften sind dagegen meist Dienstleistungsorganisationen,346 die selten umfangreiche Entwicklungskosten tragen müssen, so dass die Definitionen angepasst werden: x Seed-Phase: von der Idee bis zum ersten Projekt (Prototyp). Die Finanzierung wird für Anlaufkosten des ersten Projekts benötigt.347

346

Dies gilt allgemein für Non-Profit-Organisationen und damit auch für den speziellen Fall der social ventures; vgl. Kanter/Summers (1987), S. 163. Vgl. auch Fn 306.

347

In der von Light (2008), S. 58ff. beschriebenen Strategie würden zur Seed-Phase die Schritte „Imagining a new equilibrium, discovering and opportunity, inventing the idea for change“ und „launching the idea into action“ zählen.

2.6 Venture Philanthropy

89

x Start-up-Phase: Nach dem ersten Projekt bis zur Institutionalisierung der Dienstleistung und ggf. zur Eröffnung weiterer Standorte. Finanziert werden vor allem die ersten Projekte und der Aufbau der Organisation.348 x Expansionsphase: Das Angebot hat sich verfestigt, regional durchgesetzt und wird nur noch marginal verändert. Das Risiko der Zielerreichung ist damit deutlich gesunken. Das Angebot wird verbreitet. Finanziert werden die Projektkosten, der Aufbau der Organisation, der Aufbau weiterer Standorte und die Entwicklung nachhaltiger Finanzierungsstrategien.349 x Etablierungsphase: Das Angebot wird großflächig umgesetzt. Es hat Vorteile gegenüber alternativen Angeboten und einer alternativen Ressourcenverwendung und das Potenzial, großflächige Veränderungen zu bewirken, unter Beweis gestellt. Die Finanzierung muss von vielen Gesellschaften und Personen oder dem Staat übernommen werden, da einzelne private Personen oder Gesellschaften die Kosten nicht mehr tragen können. Alternativ ist die Finanzierung über Einkommensgenerierung möglich.350 x Management-Buy-out/-Buy-in: Finanzierung der Übernahme der Organisation durch bestehendes (Management-Buy-out) oder neues (externes) Management. Mit Ausnahme der Etablierungsphase entspricht die Phaseneinteilung weitgehend den Phasen von Business Ventures aus Sicht der Venture-Capital-Gesellschaften. Bei Business Ventures fällt die Etablierungsphase in die Zeit nach dem Börsengang oder Verkauf an einen strategischen Investor und ist deshalb unter 2.4.2.1 nicht mit aufgeführt. Theoretisch ist ein Börsengang auch für Social Ventures denkbar, wenn sie eine For-Profit-Rechtsform gewählt haben. Für Social Ventures mit einer Non-profitRechtsform kommt ein Börsengang dagegen kaum in Betracht, weil keine Gewinne ausgeschüttet werden dürfen und die Anteile dadurch keinen finanziellen Wert haben.

348

In der von Light (2008), S. 58ff. beschriebenen Strategie würde zur Start-up-Phase der Schritt „Scaling up for higher impact“ zählen.

349

Häufig ist in diesem Zusammenhang von Einkommensstrategien die Rede. Finanzierungsstrategien haben eine umfangreichere Bedeutung und können neben der Erzielung von Einkommen auch andere Formen der nachhaltigen Finanzierung einschließen. In der von Light (2008), S. 58ff. beschriebenen Strategie zählt auch diese Phase noch zu dem Schritt „Scaling up for high impact“.

350

In der von Light (2008), S. 58ff. beschriebenen Strategie würden zur Etablierungsphase die Schritte „Diffusing, Sustaining“ und „Navigating“ gehören.

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

90

Denkbar ist lediglich, dass die Anteile an einer speziellen Börse gelistet werden, weil die Stimmrechte, die mit den Anteilen, z.B. einer gemeinnützigen GmbH, verbunden sind, einen Wert haben.

2.6.2.4 Formell versus informell Die Finanzierung von Social Ventures kann analog der Venture-Capital-Welt in einen formellen und einen informellen Bereich unterteilt werden. Der formelle Teil steht im Fokus dieser Arbeit. Dabei geht es um Gesellschaften, die Mitarbeiter haben und Kapital von Investoren bündeln, um es dann in verschiedene Organisationen zu investieren. Von ihm abgegrenzt werden muss der informelle Teil. Dazu zählen Philanthropen, die direkt in Social Ventures investieren. Ein wesentlicher Unterschied zum For-Profit-Bereich besteht darin, dass Menschen zwar kleine Beträge direkt an Organisationen spenden, sie aber niemals kleine Eigenkapitalbeträge in nicht börsengelistete Unternehmen investieren. Somit umfasst der informelle VenturePhilanthropy-Markt potenziell weit mehr Personen als der informelle Venture-CapitalMarkt. Social Ventures haben zumindest theoretisch damit einen unvergleichlich viel größeren Kreis an möglichen Finanzierern als klassische Business Ventures. Den Großteil der Spenden vergeben Personen direkt an Organisationen, die ihnen bekannt sind. In den letzten Jahren ist zusätzlich eine weitere Form der privaten Spendenfinanzierung über Online-Marktplätze entstanden. Hier können sich Spender auf der einen Seite und Spenden suchende Organisationen auf der anderen Seite treffen.351

2.6.2.5 Gründer und Investor Als Gründer treten Unternehmen, Privatpersonen als geschlossene Gruppe oder Privatpersonen als offene Gruppe auf. Die Kapitalgeber können entweder die Gründer oder anderweitige Privatpersonen und Unternehmen sein. Damit ergibt sich eine Zweimal-drei-Felder-Matrix, die in Tabelle 3 dargestellt ist. Gründen eine oder mehrere Privatpersonen als geschlossene Gruppe eine VenturePhilanthropy-Gesellschaft und finanzieren sie diese auch selbst, kann man von FamilyVenture Philanthropy sprechen. Das typische Beispiel wäre ein Unternehmer, der

351

Für eine Untersuchung dieses Marktes vgl. Keystone (2008).

2.6 Venture Philanthropy

91

einen Teil seines Vermögens einem guten Zweck zuführen möchte, ohne selbst die Kontrolle über die Mittelvergabe zu verlieren. Aber auch wenn sich mehrere Personen, selbst wenn sie aus verschiedenen Familien stammen, als geschlossene Gruppe zusammentun, die weitere Kapitalgeber und Anteilseigner nicht ohne Weiteres akzeptiert, kann man noch von Family Venture Philanthropy sprechen. Die zweite Form ist die Gründung einer Venture-Philanthropy-Gesellschaft durch eine geschlossene Gruppe von Personen, wobei diese selbst kein Kapital in nennenswertem Umfang einbringen, sondern am Spendenmarkt extern Finanzierung von anderen Personen und Unternehmen einwerben müssen. Diese Herangehensweise ist mit der einer partnerschaftlich geführten Venture-Capital-Gesellschaft zu vergleichen und kann entsprechend als Independent Venture Philanthropy bezeichnet werden. Investor

Gründer

Privatperson(en) als geschlossene Gruppe

Privatpersonen als offene Gruppe

Unternehmen

Gründer

Sonstige Personen oder Unternehmen

Family Venture Philanthropy

Independent Venture Philanthropy

Community Venture Philanthropy

Corporate Venture Philanthropy

Service Venture Philanthropy

Tabelle 3: Gründer-Investor-Matrix Gründen mehrere Privatpersonen als offene Gruppe, also ohne Beschränkung bezüglich neuer Anteilseigner, eine Gesellschaft, so kann man von Community Venture Philanthropy sprechen. Ein typisches Beispiel wäre eine Bürgerstiftung, sofern ihre Investitionstätigkeit den Kriterien einer Venture-Philanthropy-Gesellschaft entspricht. Diese Gesellschaften werben Kapitalgeber und schließen eine Mitsprache bei internen Entscheidungen nicht aus, sondern befürworten diese sogar explizit.352

352

Vgl. Then/Timmer (2003), S. 252ff.; Hinterhuber (2005), S. 338.

92

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

Gründet ein Unternehmen eine Venture-Philanthropy-Gesellschaft und finanziert deren Aktivitäten zum Großteil selbst, so kann man analog zu Corporate Venture Capital von Corporate Venture Philanthropy sprechen. Solche Gesellschaften werden typischerweise Teil der CSR-Politik von Unternehmen sein. Wird eine von einem Unternehmen gegründete Venture-Philanthropy-Gesellschaft zum Großteil von Personen, z.B. Mitarbeitern oder Kunden des Unternehmens finanziert, kann man von Service Venture Philanthropy sprechen. Dies könnte z.B. bei einer Bank der Fall sein, die eine solche Dienstleistung für ihre philanthropisch interessierten Kunden anbietet.

2.6.2.6 Leistungserbringung und Leistungswirkung Die Leistungserbringung und Leistungswirkung können hier zu einem Typologisierungsmerkmal zusammengefasst werden. Venture-Philanthropy-Gesellschaften sind wie Venture-Capital-Gesellschaften immer fördernd tätig, gründen keine eigenen Unternehmen, sondern agieren als Finanzintermediäre. Wie unter 2.5.2.4 gezeigt wurde, kann die fördernde Tätigkeit aber genauer unterteilt werden in die Leistungserbringungsformen Stipendienfinanzierung, Projektförderung und institutionelle Förderung. Die Projektförderung wurde in der Definition bereits ausgeschlossen. Als Optionen für Venture-Philanthropy-Gesellschaften verbleiben folglich die Stipendienfinanzierung und die institutionelle Förderung einer Organisation. Diese beiden Finanzierungsformen haben eine Pendant bei der Leistungswirkung. Die Stipendienfinanzierung wird für die Stärkung von Führungspersonen verwendet, die institutionelle Förderung für die Stärkung von Organisationen. Die übrigen Leistungswirkungen mildtätige Personenförderung, Stärkung von Netzwerken, Politikbeeinflussung und Ideengenerierung zählen nicht zur Venture-Philanthropy-Strategie.

2.6.2.7 Privat versus öffentlich Analog der Typologie der Venture-Capital-Gesellschaften könnten auch VenturePhilanthropy-Gesellschaften in private und öffentliche (i.S.v. staatliche) Gesellschaften unterteilt werden. Diese Einteilung ist eine rein theoretische, da es bisher keine öffentlichen Venture-Philanthropy-Gesellschaft gibt. Diese Tatsache ist im Vergleich zum Venture-Capital-Sektor interessant, weil dort der Staat von Beginn an eine

2.6 Venture Philanthropy

93

aktive Rolle eingenommen hat: Bereits bei der ersten deutschen Venture-CapitalGesellschaft übernahm der Staat eine Garantie für bis zu 75% der Verluste.353 Die Verluste der Venture-Philanthropy-Gesellschaft müssen (bisher) in vollem Umfang die privaten Kapitalgeber tragen. Einzig die steuerliche Abzugsfähigkeit ist ein Beitrag des Staates zur Finanzierung. Gelegentlich wird geäußert, dass die Steuerbefreiung von gemeinnützigen Aktivitäten jede Venture-Philanthropy-Gesellschaft subventioniert. Anders als z.B. bei gemeinnützigen Sportvereinen, die hauptsächlich ihren Mitgliedern zugute kommen, ist diese Sichtweise bei Venture-Philanthropy-Gesellschaften, deren Leistungen der Gesellschaft zugute kommen, aber nicht zutreffend. Sie übernehmen gesellschaftliche Aufgaben, insofern spart der Staat Ausgaben, die er über Steuereinnahmen finanzieren müsste.

2.6.3 Strukturelle Eigenschaften Der Venture-Philanthropy-Ansatz entstand Ende der 90er Jahre.354 Die Protagonisten dieser Entwicklung waren meist erfolgreiche Private-Equity-Geber oder Unternehmer, die durch Venture Capital die Möglichkeit hatten, ein Unternehmen aufzubauen und schon recht früh im Leben ein beträchtliches Vermögen aufgebaut haben.355 Das schließt aber nicht aus, dass bereits vorher Stiftungen Venture-Philanthropy-Methoden verwendet haben, ohne diese als solche zu bezeichnen. Ein früher Venture Philanthropist ist George Roberts, einer der drei Gründer der Private-Equity-Gesellschaft KKR, der im Jahr 1990 die Organisation HEDF (Homeless Economic Development Fund), mittlerweile umbenannt in REDF (Roberts Enterprise Development Fund), gegründet hat.356 Dieser Fonds hat sich in der Zeit zwischen 1990 bis 1997 hin zu einem Venture-Philanthropy-Fonds entwickelt, der For-Profit-Ansätze auf den Non-Profit-

353

Vgl. Becker/Hellmann (2003), S. 12.

354

Vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 13.

355

Vgl. Community Wealth Ventures (2000), S. 10.

356

Vgl. The Roberts Enterprise Development Fund/BTW Consultants (1999), S. 16.

94

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

Markt überträgt.357 Der Venture-Philanthropy-Ansatz hat sich in den USA ab Ende der 90er Jahre zunächst sehr schnell ausgebreitet. Aus einer Untersuchung im Jahr 2001 geht hervor, dass nur 10 der 40 untersuchten Fonds vor dem 1.1.1999 gegründet worden waren.358 Im Jahr 2009 existierten laut der amerikanischen National Venture Capital Association aber nur noch 28 Venture-Philanthropy-Gesellschaften in den USA.359 Eine wissenschaftliche Untersuchung europäischer und US-amerikanischer Venture-Philanthropy-Gesellschaften identifiziert 36 amerikanische VenturePhilanthropy-Gesellschaften.360 Selbst wenn die zugrunde liegenden Definitionen unterschiedlich sein sollten, deuten die Zahlen darauf hin, dass sich das Wachstum aus den ersten Jahren nicht fortgesetzt hat. Der Schluss, Venture Philanthropy habe in den USA bereits einen Marktsättigungsumfang erreicht, wäre aber voreilig. Der VenturePhilanthropy-Ansatz wird weiter innerhalb der Praktiker-Zirkel diskutiert. Ein Grund für das Ausbleiben eines weiteren Wachstums ist sicherlich auch, dass Förderstiftungen Venture-Philanthropy-Praktiken übernommen haben, ohne sich umzubenennen. Auch Community-Development-Venture-Capital-Gesellschaften nutzen Venture-Philanthropy-Ansätze, bezeichnen sich aber nicht als Venture-PhilanthropyGesellschaften. In Europa wurden die ersten Venture-Philanthropy-Fonds später gegründet. Ein früher und mittlerweile bedeutender englischer Venture-Philanthropy-Fonds, Impetus Trust, wurde 2003 von Stephen Dawson, einem ehemaligen Venture Capitalist aus England, gegründet.361 Heute existieren in Europa 38 Venture-Philanthropy-Gesellschaften und damit etwa genauso viele wie in den USA.362 Im Jahr 2003 wurde die deutsche Gesellschaft BonVenture von mehreren privaten Investoren gegründet. Die Gesellschaft Ashoka, die ebenfalls seit 2003 in Deutschland aktiv ist, kann zwar ebenfalls zu den Venture-Philanthropy-Gesellschaften gezählt werden, sie hat ihre Wurzeln aber nicht

357

Vgl. Graduate School of Business Stanford University (1998), S. 6ff.; Tuan (1999), S. 2ff. Für eine Beschreibung der historischen Entwicklung siehe The Roberts Enterprise Development Fund/BTW Consultants (1999), S. 16ff.

358

Vgl. Community Wealth Ventures (2001), S. 11.

359

Vgl. National Venture Capital Association (2009).

360

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 5.

361

Vgl. Pepin (2005), S. 169; European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2008), S. 33.

362

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 5.

2.6 Venture Philanthropy

95

im Venture-Capital-Sektor. Beide Organisationen waren zu Beginn der Untersuchung die einzigen beiden Finanzintermediäre, die in Deutschland öffentlich präsent waren und wahrnehmbar einen Venture-Philanthropy-Ansatz verfolgt haben.363 Auf die beiden Gesellschaften Ashoka und BonVenture wird im Detail im Rahmen der Fallstudien eingegangen. Sie verfügen über ein Budget von ca. 1 Mio. Euro pro Jahr. Neben diesen Gesellschaften gibt es unter Umständen Stiftungen, die (teilweise) Venture-Philanthropy-Methoden verwenden, ohne dies explizit zu erwähnen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Arbeit hat die European Venture Philanthropy Association vier deutsche Mitglieder.364 Zudem befinden sich Venture-PhilanthropyFonds in Gründung oder wurden kürzlich gegründet.365 Die Größe des Marktes kann nicht verlässlich angegeben werden, da entsprechende Angaben fehlen und die Abgrenzung des Marktes nicht ohne weiteres möglich ist. Da es sich bei Venture Philanthropy um eine Investitionsstrategie und nicht um eine Rechtsform handelt, können Venture-Philanthropy-Gesellschaften in verschiedenen Rechtsformen auftreten. Etwa ein Viertel der europäischen und US-amerikanischen Venture-Philanthropy-Gesellschaften sind z.B. Stiftungen.366 Auf die Struktur von Ashoka und BonVenture wird in den Fallstudien eingegangen.

2.6.4 Social und Business Ventures als Investitionsobjekt Venture-Philanthropy-Gesellschaften verfolgen definitionsgemäß das Ziel, die gesellschaftliche Rendite zu maximieren. Sie suchen sich diejenigen Organisationen als Investitionsobjekte, mit deren Hilfe sie diesem Ziel am nächsten kommen. Fraglich ist nun, ob nur Social Ventures, die definitionsgemäß die gesellschaftliche Rendite maximieren, diese Zielerreichung ermöglichen. Wie gezeigt wurde, gibt es zwischen der sozialen und der privaten Rendite keinen festen Zusammenhang.367 Denkbar ist daher durchaus, dass ein Social Venture und ein Business Venture im gleichen oder in einem ähnlichen Bereich tätig sind, es aber dem Business Venture gelingt, eine höhere

363

Vgl. BonVenture (2005), S. 6; Frischen (2007), S. 154; Ashoka (2008a), S. 16. Vgl. auch Fn. 16.

364

Vgl. Fn. 17.

365

Z.B. die Gesellschaft Social Venture Fund. Vgl. auch Fn. 17.

366

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 5.

367

Vgl. Abschnitt 2.3.2.3.

96

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

gesellschaftliche Rendite zu erzielen als dem Social Venture.368 Es hängt immer vom Kontext und der Tätigkeit ab, wie beide Größen zusammenhängen. Insofern sind Venture-Philanthropy-Gesellschaften nicht auf Social Ventures festgelegt, vielmehr wählen sie Social Ventures oder Business Ventures aus, je nachdem mit Hilfe welcher Organisation es ihnen besser gelingt, die gesellschaftliche Rendite auf das von ihnen investierte Kapital zu maximieren.369 Dennoch werden Social Ventures vermutlich den Großteil der Investitionen von Venture-Philanthropy-Gesellschaften ausmachen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Organisationen, die sich explizit auf die gesellschaftliche Renditeerzielung ausrichten, auch eine höhere gesellschaftliche Rendite erzielen als die Organisationen, die sich auf die private Renditemaximierung ausrichten, ist hoch. Da Social-Venture-Capital-Gesellschaften eine private finanzielle Rendite erzielen wollen, greifen sie vermutlich häufiger auf Business Ventures zurück als SpendenVenture-Philanthropy-Gesellschaften. Die Anzahl der Organisationen, die für eine Finanzierung in Frage kommen könnten, ist folglich eine Teilmenge der Organisationen, die für Stiftungen und VentureCapital-Gesellschaften in Frage kommen. Die genaue Anzahl lässt sich schwer abschätzen, wie bereits unter 2.5.4 erläutert wurde. Die Summen, mit denen die Organisationen gefördert werden, liegen jedenfalls deutlich über den Beträgen, mit denen Stiftungen fördern.370 Der Zeitraum der Unterstützung beläuft sich meist auf 3 bis 5 Jahre.371 In Deutschland sind etwa 44% der Social Entrepreneurial Ventures im Bereich „Soziale Dienste und Integration“ aktiv.372 Es folgen „Bildung und Wissenschaft“ mit 16%, das Gesundheitswesen mit 9% und „Wirtschaftliche Entwicklung und Be-

368

Vgl. Achleitner/Heister/Stahl (2007), S. 8.

369

Vergleichbar ist die Situation bei Microfinance-Banken, die selbst das Ziel haben, die gesellschaftliche Rendite zu maximieren, die Kredite aber an einkommensmaximierende Personen ausgeben; vgl. Archer (2008), S. 11.

370

Vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2009).

371

Vgl. European Venture Philanthropy Association (EVPA) (2009).

372

Vgl. Achleitner/Heister/Spiess-Knafl (2010), S. 88.

2.7 Zwischenfazit

97

schäftigung“ mit 8%.373 Hier zeigt sich, dass Social Ventures hauptsächlich Dienstleistungen anbieten und nicht Produkte wie im Venture-Capital-Sektor üblich.

2.7 Zwischenfazit In diesem Kapitel wurde das definitorische Fundament für die weiteren Untersuchungen in den folgenden Kapiteln gelegt. Zu Beginn des Kapitels wurden Social und Business Entrepreneurship definiert und abgegrenzt. Dazu wurde auf die Nutzentheorie zurückgegriffen, die sich als geeigneter theoretischer Rahmen erweist. Der Nutzen wird dabei mit der finanziellen Rendite operationalisiert, obwohl auch nichtfinanzielle Ereignisse den Nutzen beeinflussen. Insofern ist diese Operationalisierung eine Vereinfachung. Die für die Definition grundlegende Abgrenzung erfolgt anhand der Begriffe privat und sozial. Diese Abgrenzung ist der Schlüssel zur Definition verschiedener Formen von Entrepreneurship und damit indirekt auch verschiedener Formen der Finanzierung. Es wurde gezeigt, dass anderes als häufig dargestellt, nicht immer ein Zielkonflikt zwischen der sozialen und der privaten Rendite besteht. Der Zusammenhang beider Renditeformen ist jeweils kontextabhängig. In vielen Bereichen besteht sogar eine weitgehende Kongruenz, so dass die soziale Rendite gleichzeitig mit der privaten Rendite maximiert wird. Diese Tätigkeiten beschrieb Adam Smith einst mit der „unsichtbaren Hand“. Mit der Rendite hängt in der Finanzierungstheorie untrennbar das Risiko zusammen. Da die Rendite in die private und soziale Rendite unterteilt werden kann, muss auch das private und soziale Risiko getrennt betrachtet werden. Analog zur privaten Rendite und dem privaten Risiko korreliert auch die soziale Rendite mit dem sozialen Risiko. Da es aber keinen festen Zusammenhang zwischen privater und sozialer Rendite gibt, gibt es auch keinen zwischen privatem und sozialem Risiko. Wie schon bei der Rendite, hängt auch hier der Zusammenhang vom Kontext ab. Bei der privaten (finanziellen) Rendite stellt die Messbarkeit ex post kein Problem dar. Anders ist es bei der sozialen Rendite. Sie kann nur schwer gemessen werden und dadurch auch nur eingeschränkt für Entscheidungen herangezogen werden. Dieses

373

Vgl. Achleitner/Heister/Spiess-Knafl (2010), S. 88.

98

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen

Messproblem hat vielfältige Auswirkungen auf das Verhalten der Akteure der für diese Arbeit relevanten Institutionen. Förderstiftungen

Venture Philanthropy

Venture Capital

Marktgröße

2,5 Mrd. Euro

Anzahl geförderte Organisationen

Unbekannt, aber größer Unbekannt, aber kleiner 974 Unternehmen als im VP- und VC-Sektor als im Stift.- und VCSektor Budget von 3/4 der 1 Mio. Euro. 12 Mio. Euro Förderstiftungen ist kleiner 50.000 Euro. Meist einzelne Personen Einzelne Personen bis Vielzahl an Investoren oder Familien Vielzahl an Investoren

Budget / Investitionen p.a. Refinanzierung Mitarbeiteranzahl Wirkungsradius

Unbekannt, aber viel 1,8 Mrd. Euro kleiner als Stiftungs- und VC-Sektor

Überwiegend Ehrenamt- 3 Projektmanager liche, meist weniger als 5 Örtlich und regional Deutschlandweit

6 Projektmanager Deutschlandweit

Tabelle 4: Vergleich der Finanzierungsformen – strukturelle Merkmale des deutschen Marktes Förderstiftungen und Venture-Capital-Gesellschaften sind die beiden Vorfahren von Venture Philanthropy. Von den Förderstiftungen wurden die Ziele übernommen, von Venture-Capital-Gesellschaften die Methoden. In Tabelle 4 und Tabelle 5 sind die wesentlichen strukturellen und strategischen Eigenschaften von Förderstiftungen, Venture Philanthropy und Venture Capital gegenübergestellt, die im Rahmen des Kapitels herausgearbeitet wurden. Man erkennt sehr deutlich, dass VenturePhilanthropy-Gesellschaften bei einigen Merkmalen stärker Förderstiftungen, bei anderen stärker Venture-Capital-Gesellschaften ähneln oder dazwischen liegen, aber nie das Extrem bilden.

2.7 Zwischenfazit

99 Förderstiftungen

Ziel

Finanzierungsart

Soziale Rendite und Förderung persönlicher Anliegen des Stifters Spenden

Venture Philanthropy

Venture Capital

Gesellschaftliche Rendi- Private finanziellen Rente, ggf. unter finanziellen dite Nebenbedingungen Spenden, Eigenkapital, Eigenkapital Fremdkapital (bedarfsgerecht)

Finanzierungsvolumen Kleine Beträge pro Organisation, kleiner Anteil am Gesamtbudget Anteil / MitspracheKeine Mitspracherechte rechte Portfoliounternehmen Social Ventures

100.000 bis 1 Mio. Euro 1,8 Mio. Euro pro Unterpro Organisation, großer nehmen, großer Anteil Anteil am Gesamtbudget am Gesamtbudget Teilweise MitspracheUmfangreiche Mitrechte spracherechte Schnell wachsende Schnell wachsende Social Ventures und Business Ventures selten Business Ventures Durchschnittlich 2 Jahre Etwa 3-5 Jahre Durchschnittlich 5 Jahre

Zeitraum der Unterstützung Nichtfinanzielle Unter- Gering stützung Erfolgsmessung Erfolgsmessung erfolgt selten Risiko Ausstieg

Umfangreich

Umfangreich

Erfolgsmessung ist Teil der Strategie

Exakte Erfolgsmessung (finanzielle Rendite)

Häufig nicht berücksicht. Wird berücksichtigt Häufig nicht geplant Wird geplant

Typische Leistung der Dienstleistungen Portfolioorganisationen

Dienstleistungen

Wird berücksichtigt Wird geplant Produkte

Tabelle 5: Vergleich der Finanzierungsformen – strategische Merkmale In Tabelle 6 sind die Typologisierungsmerkmale und die Merkmalsausprägungen aufgeführt. Aufgrund fehlender Daten handelt es sich bei den Venture-PhilanthropyAngaben teils um Schätzungen. Die auf Basis der Stiftungs- und Venture-CapitalTypologie hergeleitete Venture-Philanthropy-Typologie erlaubt es nun, zwischen verschiedenen Typen zu unterscheiden. Möglicherweise haben die Typen ähnlich wie im Venture-Capital- und im Stiftungssektor auch im Venture-Philanthropy-Sektor Einfluss auf die Beantwortung der Forschungsfragen, daher wird diese Typologie auch im weiteren Verlauf der Arbeit herangezogen.

100

2 Definitionen, Abgrenzungen und Typologisierungen Förderstiftungen

Venture Philanthropy

Venture Capital

Funktion

Innovation, Stabilisation Innovation

Rendite, Risiko

Soziale Rendite und Risiko sind hoch, private Rendite und Risiko sind niedrig

Finanzierungsphasen

Fokus auf Seed- und Eingeschränkt Seed-Pha- Eingeschränkt Seed-PhaStart-up-Phase (Modell- se, Fokus auf Start-up- se, Fokus auf Start-upprojekte) und Expansionsphase und Expansionsphase

Formalisierungsgrad

Meist informeller Charak- Informell (Philanthrop) bis Informell (Business Anter, weil Stifter eigenes formell (Venture-Philan- gel) bis formell (VentureVermögen spendet thropy-Gesellschaft) Capital-Gesellschaft) Typologie anhand Grün- Family Venture Philan- CVC mit finanziellen der: Stiftungen von Pri- thropy, Independent Zielen, CVC mit stratevatpersonen, unterneh- Venture Philanthropy, gischen und finanziellen mensnahe Stiftungen mit Community Venture Zielen, unabhängige ausschließlich sozialen Philanthropy, Corporate Venture-CapitalZielen, unternehmensVenture Philanthropy und Gesellschaften nahe Stiftungen mit sozi- Service-Venturealen und privaten Zielen, Philanthropy Bürgerstiftungen. Typologie anhand Investor/ Finanzierung: Kapitalstockstiftung, Verbrauchsstiftung, Spendenstiftung

Gründer und Investor

Innovation

Soziale Rendite und Risi- Soziale Rendite und ko sind mittel bis hoch, Risiko niedrig bis hoch, private Rendite und Ri- private Rendite und siko sind niedrig bis mittel Risiko sind hoch

Finanziell vs. förderorientiert Leistungserbringung

Immer förderorientiert

Leistungswirkung

Zuwendung an bedürftige Stärkung von Führungs- Stärkung von OrganisaPersonen, Stärkung von personen als Multiplitionen Führungspersonen als katoren, Stärkung von Multiplikatoren, Stärkung Organisationen von Organisationen, Stärkung von Netzwerken, Politikbeeinflussung, Ideengenerierung Privat und halböffentlich Privat Privat und halböffentlich

Privat vs. öffentlich

Immer förderorientiert

Finanziell orientiert und förderorientiert Fördernd: Stipendienfi- Stipendienfinanzierung, Institutionelle Förderung nanzierung, Projektinstitutionelle Förderung (keine operative Tätigförderung, institutionelle (keine operative Tätigkeit) Förderung. Operativ: An- keit) staltsfinanzierung, Eigenprojekte, Preisfinanzierung, mildtätige Personenförderung. Größere Stiftungen sind eher operativ tätig.

Tabelle 6: Vergleich der Finanzierungsformen – Typologie

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur 3.1 Einführende Bemerkungen Dieses Kapitel stellt die relevante Literatur zu Auswahlprozess und Auswahlkriterien von Stiftungen, Venture-Capital- und Venture-Philanthropy-Gesellschaften vor. Zunächst wird auf relevante Theorien eingegangen. Da Venture Philanthropy in der Forschung bisher nur ansatzweise berücksichtigt wurde, muss auf Theorien aus angrenzenden Disziplinen, insbesondere der Venture-Capital-Forschung, zurückgegriffen werden und diese müssen auf den Bereich Venture Philantropy übertragen werden. Zu den wesentlichen Theorien zählen dabei die Transaktionskosten-Theorie und vor allem die Principal-Agent-Theorie, die beide Teil der neuen Institutionenökonomik sind. Als Alternative zur Principal-Agent-Theorie wird die Stewardship-Theorie vorgestellt, die ebenfalls bereits auf Venture-Capital-Zusammenhänge angewendet wurde. Dies sind die wesentlichen drei Theorien, die in der Venture-Capital-Literatur der Untersuchung des Auswahlprozesses zu Grunde gelegt werden. Zunehmend wurden in den letzten Jahren auch psychologische Theorien verwendet, um den Auswahlprozess von Venture-Capital-Gesellschaften zu untersuchen. Auf sie wird am Rande eingegangen. Gänzlich verzichtet wird auf eine Darstellung der Non-Profit-Theorien, die hauptsächlich der Frage nachgehen, warum Non-Profit-Organisationen existieren.374 Der zweite Teil des Kapitels widmet sich dem Auswahlprozess und den Auswahlkriterien von Venture-Capital-Gesellschaften aus empirischer Sicht. Beides wird seit den 70er Jahren wissenschaftlich untersucht.375 Der Auswahlprozess ist Teil der gesamten Wertschöpfungskette, die zusätzlich die Kapitalakquisition und die Zeit nach der Vertragsunterzeichnung bis zum Ausstieg umfasst. Der Fokus dieser Arbeit aber liegt auf dem Prozess von der Kontaktaufnahme bis zur Investitionsentscheidung bzw. Absage. Wie unter 2.4.1 bereits erwähnt, sind die Investitionen der Venture-CapitalGesellschaften riskant. In der Wissenschaft entstand daher ein Interesse daran, heraus-

374

Vgl. für einen Überblick über die wichtigen Theorien Hansmann (1987); Anheier (2005), S. 113ff.; Roder (in Druck).

375

Einige frühe Arbeiten sind Wells (1974); Hoban (1976); Poindexter (1976); Kryzanowski/Giraldeau (1977). Die 70er Jahre markieren gleichzeitig den Anfang der gesamten Venture-Capital-Forschung; vgl. Landström (2007), S. 3.

P. Heister, Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6309-3_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

102

zufinden, mit welchen Kriterien die Venture-Capital-Gesellschaften versuchen, die erfolgversprechenden von den nichterfolgversprechenden Gründungsunternehmen zu trennen. Auf diese Auswahlkriterien und den Auswahlprozess von Venture-CapitalGesellschaften wird im zweiten Teil eingegangen. Der dritte Teil des Kapitels widmet sich, analog dem zweiten Teil, dem Auswahlprozess und den Auswahlkriterien von Stiftungen und Venture-PhilanthropyGesellschaften. Zu beidem existiert, wie eingangs erwähnt, im Vergleich zum Thema Venture Capital nur sehr wenig Literatur, die zudem teilweise noch den ArbeitspapierStatus hat. Die Anzahl der Studien ist so überschaubar, dass Stiftungen und VenturePhilanthropy-Gesellschaften hier zusammen diskutiert werden. Hinsichtlich der Fragestellungen ähneln die Venture-Philanthropy-Studien den Arbeiten im Venture-CapitalSektor. Ganz anders verhält es sich bei Stiftungen – hier sind betriebswirtschaftliche Untersuchungen kaum vorhanden.376 Es wurde keine einzige empirische Studie zu den Auswahlkriterien von Stiftungen identifiziert. Dies ist sicherlich auch der Tatsache geschuldet, dass der Stiftungssektor und die Tätigkeiten der Stiftungen extrem heterogen sind, so dass eine allgemeine Untersuchung der Auswahlkriterien kaum möglich ist.

3.2 Theoretische Sicht

3.2.1 Transaktionskostentheorie Die Transaktionskostentheorie geht auf COASE (1937) zurück. Transaktionskosten bilden das Gegenstück zu den Produktionskosten.377 Sie sind in der Wirtschaft das, was in der Physik als Reibung bezeichnet wird.378 Ein typisches Beispiel für Transaktionskosten im Venture-Capital-Kontext sind die Kosten, die bei der Suche von potenziellen Portfoliounternehmen entstehen. Ohne die Suche und die dabei anfallenden Kosten würden Unternehmen und Venture-Capital-Gesellschaft mitunter nicht zusammenfinden, auf die Qualität des Unternehmens haben sie aber keinen Einfluss. In der neoklassischen Theorie waren diese Transaktionskosten nicht vorgesehen,

376

Vgl. Fn. 39 für einige Beispiele betriebswirtschaftlicher Untersuchungen von Stiftungen.

377

Vgl. Williamson (1985), S. 18f.

378

Vgl. Williamson (1985), S. 1f.

3.2 Theoretische Sicht

103

obwohl sie geschätzt etwa 50-60% des Nettosozialproduktes ausmachen.379 Daher war das durch Coase angestoßene Umdenken wirtschaftlich bedeutend und prägend für die weitere Entwicklung der neuen Institutionenökonomik, obwohl seine Gedanken erst nach einigen Jahrzehnten wieder aufgenommen wurden.380 Wirtschaftssubjekte sind daran interessiert, die Transaktionskosten, die bei fast jeder Transaktion anfallen, zu verringern. Unternehmen können daher auch als transaktionskostenminimierende Institutionen interpretiert werden, denn eine wesentliche Entscheidung, die Unternehmen treffen müssen, ist die Frage, ob bestimmte Austauschverhältnisse über den Markt oder innerhalb des Unternehmens organisiert werden sollten.381 Je nach Transaktionsart ist dabei die eine oder andere Variante effizienter.382 Genau wie für Venture Capital Gesellschaften sind Transaktionskosten auch für Venture-Philanthropy-Gesellschaften höchst relevant. Auf diese Transaktionskosten wird im Folgenden eingegangen. Transaktionskosten können allgemein unterteilt werden in Markttransaktionskosten, Unternehmenstransaktionskosten und politische Transaktionskosten.383 Relevant für die Auswahlprozesse von Venture-Philanthropy-Gesellschaften sind vor allem die Markttransaktionskosten. Sie gliedern sich in die folgenden vier Bereiche: Such- und Informationskosten, Verhandlungs- und Entscheidungskosten, Monitoring und Durchsetzungskosten sowie Investitionen in soziale Kontakte.384 Bis auf die Monitoring- und Durchsetzungskosten, die nach der Vertragsunterzeichnung anfallen und damit in dieser Arbeit nicht weitergehend untersucht werden, sind Transaktionskosten und die Möglichkeit ihrer Reduzierung eine wesentliche Rechtfertigung für die Untersuchung des Auswahlprozesses und der Auswahlkriterien in dieser Arbeit. Im Folgenden wird näher auf die Such- und Informationskosten, Verhandlungs- und Entscheidungskosten sowie die Investitionen in soziale Kontakte eingegangen.

379

Vgl. Furobotn/Richter (2005), S. 47.

380

Vgl. Furobotn/Richter (2005), S. 47f.

381

Vgl. Coase (1937), S. 395; Coase (1960), S. 16f.; Williamson (1971), S. 112; Williamson (1973), S. 316; Picot (1982), S. 267.

382

Vgl. Picot/Dietl/Franck (2002), S. 81f.

383

Vgl. Furobotn/Richter (2005), S. 51.

384

Vgl. Furobotn/Richter (2005), S. 52ff. Picot/Dietl/Franck (2002), S. 68, unterteilen etwas abweichend in Anbahnung, Vereinbarung, Abwicklung, Konrolle und Anpassung.

104

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

Such- und Informationskosten entstehen während des Auswahlprozesses. Der VentureCapital-Markt ist stark von Unsicherheit und Informationsasymmetrien gekennzeichnet. Weil diese in einem aufwendigen Auswahlprozess abgebaut werden müssen, sind die Transaktionskosten hoch. FRIED/HISRICH (1994) argumentieren aber, dass Venture-Capital-Gesellschaften insgesamt zur Verringerung der Such- und Informationskosten führen, weil sie indirekt für viele Investoren Informationen beschaffen und somit Skaleneffekte entstehen.385 Der Vorteil von Venture-CapitalGesellschaften ist daher umso größer, je stärker Unsicherheit und Informationsasymmetrien ausgeprägt sind. Deshalb sind Venture-Capital-Gesellschaften auch vor allem in solchen Branchen aktiv, in denen erhebliche Unsicherheit und Informationsasymmetrien vorliegen, z.B. der Biotechnologie- und der IT-Branche.386 Es stellt sich die Frage, ob Venture-Philanthropy-Gesellschaften sich in ähnlichem Umfang Unsicherheit und Informationsasymmetrien gegenübersehen. Einen Unterschied zwischen Venture-Capital-Gesellschaften auf der einen und VenturePhilanthropy-Gesellschaften auf der anderen Seite ist der Branchenfokus. Die oben genannten Branchen Biotechnologie und IT können äußerst forschungs- und kapitalintensiv sein. Ob ein Unternehmen erfolgreich ist oder nicht, stellt sich erst heraus, nachdem bereits Kosten in erheblichem Umfang angefallen sind. Stiftungen und Venture-Philanthropy-Gesellschaften investieren dagegen stärker in Dienstleistungen. Sie sind weder in vergleichbarem Umfang forschungs- noch kapitalintensiv. Der Erfolg bzw. Misserfolg eines Social Ventures dürfte sich daher schneller einstellen als bei einem Biotechnologie- oder IT-Unternehmen, wodurch die Unsicherheit für die finanzierende Gesellschaft geringer ist. Auf der anderen Seite gibt es einige spezifische Eigenschaften von Social Ventures, die eher für eine verstärkte Unsicherheit sprechen. Neben finanziellen Ergebnissen, die

385

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 35. Vgl. für Finanzintermediäre allgemein Benston/Smith (1976), S. 216, 223.

386

Vgl. Amit/Brander/Zott (1998), S. 452, 456f.: Innerhalb von Bereichen, in denen Venture-CapitalGesellschaften Vorteile gegenüber anderen Investoren haben, bevorzugen sie aber Projekte mit vergleichsweise geringem Aufwand bei Auswahl, Monitoring und Unterstützung, um Probleme, die aus Informationsasymetrien entstehen, zu vermeiden, z.B. bevorzugen sie innerhalb ihres Industriefokus Unternehmen mit einer gewissen Historie, also Start-up-Finanzierungen gegenüber Seed-Finanzierungen. Vgl. auch Abschnit 2.4.2.1. Vlg. zur Bedeutung der Branchen auch Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 63.

3.2 Theoretische Sicht

105

einige Venture-Philanthropy-Gesellschaften verlangen und deren Erreichen bereits unsicher ist, sollen auch soziale Ziele erreicht werden. Die Unsicherheit besteht folglich in zwei Dimensionen, der sozialen wie der privaten.387 Die Unsicherheit bezüglich der sozialen Rendite wird verstärkt durch die Messproblematik.388 Selbst wenn eine soziale Rendite erreicht wird, muss diese nicht für die Kapitalgeber transparent werden. Ein weiterer Aspekt, der die Unsicherheit verstärkt, ist die Abhängigkeit von Dritten. Bei privaten Gütern muss ein Produkt einen Käufer überzeugen, wobei der Käufer auch der Nutznießer ist. Die Finanzierung ist damit unmittelbar an die Leistungserbringung gekoppelt. Bei sozialen Produkten und Dienstleistungen müssen häufig Dritte überzeugt werden, das Angebot anzunehmen. Finanzierung und Leistungserbringung sind entkoppelt. Käufer und Nutznießer fallen auseinander, z.B. können nicht Gefängnisinsassen darüber entscheiden, welche Projekte sie gerne in Anspruch nehmen würden, sondern öffentliche Stellen entscheiden über die Projekte. Damit ein soziales Produkt oder eine soziale Dienstleistung Erfolg hat, müssen folglich nicht nur die Nutznießer überzeugt werden, sondern auch bestimmte Stakeholder. Dies trägt zu weiterer Unsicherheit bei, so dass insgesamt davon ausgegangen werden kann, dass auch Venture-Philanthropy-Gesellschaften sich starker Unsicherheit gegenüber sehen. Die Unsicherheit hat unterschiedliche Gründe, ist aber in beiden Fällen vorhanden. Zu einer Verringerung der Such- und Informationskosten tragen auch Lerneffekte bei, weil einmal produzierte Informationen auch für weitere Investitionen nützlich sein können.389 Das Bündeln von Venture-Capital-Investitionen in einer Gesellschaft führt zu einer höheren Anzahl an Finanzierungen, zu stärkerem Lernen und damit in Zukunft vermutlich auch besseren Investitionsentscheidungen.390 Venture-CapitalGesellschaften erarbeiten sich eine Expertise, die ihnen komparative Vorteile gegen-

387

Vgl. Abschnitt 2.3.2.2.

388

Vgl. Abschnitt 2.3.3.3.

389

Vgl. Sahlman (1990), S. 500; Fried/Hisrich (1994), S. 36. Vgl. für Finanzintermediäre allgemein Benston/Smith (1976), S. 222.

390

Vgl. Sørensen (2007), S. 39, der zeigt, dass Venture-Capital-Gesellschaften, die bewusst explorativ in neue Felder investieren, den Lerneffekt berücksichtigen und erfolgreicher sind.

106

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

über anderen Kapitalgebern und Finanzierungsbeziehungen verschafft.391 Dieser Punkt trifft in gleichem Umfang auf Venture-Philanthropy-Gesellschaften zu. Die zweite Art der oben genannten Transaktionskosten sind die Verhandlungs- und Entscheidungskosten, die im Auswahlprozess von Venture-Capital-Gesellschaften gleich im Anschluss an die Such- und Informationskosten auftreten. Sie entstehen, nachdem ein potenzielles Portfoliounternehmen identifiziert wurde und in die Verhandlungs- bzw. Strukturierungsphase eingetreten wird. An dieser Stelle entstehen z.B. Kosten für Anwälte und Kosten in Form von Zeitaufwand auf Seiten der verhandelnden Parteien.392 Sie fallen an, wenn potenzielle Interessenskonflikte zwischen den Vertragsparteien bestehen. Auf diese Interessenskonflikte wird im Rahmen der Principal-Agent-Theorie noch näher eingegangen, aber es sei hier bereits angemerkt, dass sie im Venture-Capital-Sektor deutlich zu Tage treten. Entsprechende Regelungen in den Finanzierungsverträgen sind folglich ebenfalls umfangreich und komplex, so dass sich auch Wissenschaftler mit dem Thema ausgiebig beschäftigt haben.393 Diese Kosten können reduziert werden, wenn Venture-Capital-Gesellschaften als Intermediäre für mehrere Investoren die Aufgabe übernehmen, einen Finanzierungsvertrag auszuhandeln. Diese Überlegungen treffen auch auf den Venture-Philantropy-Sektor zu. Venture-Philanthropy-Gesellschaften müssen ebenfalls mit den Social Ventures Verträge aushandeln. Zu den Transaktionskosten, durch Investitionen in soziale Kontakte, die vierte Art der hier relevanten Transaktionskosten, argumentieren FRIED/HISRICH (1994) für den Venture-Capital-Sektor, dass Verbundeffekte entstehen.394 Die Investitionen in soziale Kontakte fallen nur einmal an, bzw. sind unabhängig davon, wie häufig sie genutzt werden, denn das persönliche Netzwerk, aus dem Finanzierungsanfragen und

391

Vgl. Amit/Brander/Zott (1998), S. 452, 456f.

392

Vgl. Williamson (1985), S. 20; Furobotn/Richter (2005), S. 53.

393

Vgl. beispielhaft Sahlman (1988); Sahlman (1990); Aghion/Bolton (1992); Admati/Pfleiderer (1994); Hellmann (1998); Smith (1998); Casamatta (2003); Kaplan/Strömberg (2003).

394

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 35f. Vlg. auch Sahlman (1990), S. 500.

3.2 Theoretische Sicht

107

Empfehlungen kommen, können für verschiedene Investitionen genutzt werden.395 Dies trifft im selben Maße auf Venture-Philanthropy-Gesellschaften zu. Empirische Untersuchungen zu den Transaktionskosten im Non-Profit-Sektor sind rar. Häufig zitiert wird die Studie von MEEHAN III/KILMER/O’FLANAGAN (2004), die für den Non-Profit-Sektor die Fundraisingkosten, die ein Teil der Transaktionskosten darstellen, schätzt. Sie berücksichtigen dabei nur Kosten der Investoren und Kapitalempfänger, Fundraisingkosten von Intermediären berücksichtigen sie nicht. Die Fundraisingkosten setzten sich zusammen aus den administrativen Kosten, die bei den Investoren bei der Auswahl anfallen (Such-, Informations-, Verhandlungs- und Entscheidungskosten), und den Kosten, die bei operativen Non-Profit-Organisationen beim Einwerben von Spenden anfallen. Die Autoren schätzen die Summe der Fundraisingkosten auf 22% bis 43% des Finanzierungsvolumens, die damit weit über den vergleichbaren Kosten im For-Profit-Sektor liegen.396

3.2.2 Principal-Agent-Theorie 3.2.2.1 Probleme In ihrem wegweisenden Artikel definieren Jensen/Meckling (1976) eine PrincipalAgent-Beziehung “as a contract under which one or more persons (the principal(s)) engage another person (the agent) to perform some service on their behalf which involves delegating some decision making authority to the agent.”397 Noch allgemeiner definieren PRATT/ZECKHAUSER (1985) “Whenever one individual depends on the action of another, an agency relationship exists.”398 Die daraus abgeleitete Principal-

395

Vgl. Hochberg/Ljungqvist/Lu (2007), die zeigen, dass gut vernetzte Venture-Capital-Gesellschaften auch bessere Ergebnisse erzielen.

396

Vgl. Meehan III/Kilmer/O’Flanagan (2004), S. 38. Qualitativ hochwertige Daten zu den verschiedene Komponenten der Transaktionskosten sind kaum vorhanden. Die Autoren schätzen beispielsweise, dass 12% - 19% administrative Kosten bei Förderstiftungen (Investoren) anfallen. Eine jüngere Studie schätzt dagegen, dass die administrativen Kosten bei Förderstiftungen in den USA bei 8,7% liegen; vgl. Boris et al. (2008), S. 5. Bei den Non-Profit-Organisationen schätzt eine jüngere Studie die Fundraisingkosten auf 18,5%; vgl. Sargeant/Lee/Jay (2009), S. 339.

397

Jensen/Meckling (1976), S. 308.

398

Pratt/Zeckhauser (1985), S. 2. Vgl. für eine ähnliche Definition auch Ross (1973), S. 134.

108

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

Agent-Theorie basiert auf den zentralen Annahmen, dass Individuen rational sind, ihren eigenen Nutzen maximieren, dass Interessenkonflikte zwischen dem Principal und dem Agenten bestehen und dass der Agent einen bestimmten Handlungsspielraum hat.399 Zwei weitere Annahmen, die regelmäßig getroffen werden, sind das Vorliegen einer asymmetrischen Informationsverteilung sowie einer höheren Risikoaversion des Agenten im Vergleich zum Principal.400 Die Theorie kommt also z.B. dann zum Tragen, wenn die Venture-Capital-Gesellschaft fürchten muss, dass sich die Gründer des potenziellen Portfoliounternehmens, die im Falle einer Investition der VentureCapital-Gesellschaft einen erheblichen Entscheidungsspielraum bezüglich des überlassenen Kapitals haben, nicht vollständig im Sinne der Venture-Capital-Gesellschaft verhalten.401 Davon wird regelmäßig ausgegangen, so dass die Principal-AgentTheorie die dominante Theorie in der Venture-Capital-Forschung ist.402 Jensen/Meckling (1976) weisen bereits darauf hin, dass Principal-Agent-Probleme nicht nur in klassischen, gewinnorientierten Unternehmen, sondern auch in anderen Organisationsformen auftreten.403 Von einer Principal-Agent-Beziehung kann auch bei Venture-Philanthropy-Gesellschaften ausgegangen werden und zwar zwischen mehreren Ebenen. Es kann u.a. ein Principal-Agent-Problem zwischen Investoren und Venture-Philanthropy-Gesellschaft, zwischen Venture-Philanthropy-Gesellschaft und Social Venture sowie auch innerhalb der Institutionen zwischen den Hierarchien bestehen.404 Betrachtet wird hier nur der Konflikt zwischen Venture-PhilanthropyGesellschaft und Social Venture. Die Venture-Philanthropy-Gesellschaft übernimmt die Rolle des Prinzipals. Sie überlässt dem Social Venture Ressourcen, z.B. Kapital in der Form einer Spende, um dieses in die Lage zu versetzen, eine soziale Rendite zu erzielen. Das Ziel der Venture-Philanthropy-Gesellschaft und das Ziel des Social

399

Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 308; Jost (2001), S. 21; Arthurs/Busenitz (2003), S. 146.

400

Vgl. Arrow (1985), S. 37; Jost (2001), S. 21; Caers et al. (2006), S. 27f.

401

Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 308; Furobotn/Richter (2005), S. 162f.; Arthurs/Busenitz (2003), S. 146.

402

Vgl. Norton (1995), S. 27; Arthurs/Busenitz (2003), S. 146f. Vgl. für einen Überblick über die Bedeutung der Principal-Agent-Theorie im Venture-Capital-Kontext Duffner (2003).

403

Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 309; Fama/Jensen (1983a), S. 301, 318ff.

404

Vgl. für einen Überblick über verschiedene Principal-Agent-Probleme im Unternehmenskontext Jost (2001). Vgl. für eine Gegenüberstellung der Principal-Agent-Probleme zwischen Aufsichtsgremium und Management auf der einen Seite versus Management und Mitarbeiter auf der anderen Seite Caers et al. (2006), S. 32ff.

3.2 Theoretische Sicht

109

Ventures müssen nicht deckungsgleich sein, z.B. kann ein (vermeintlicher) Social Entrepreneur das Ziel haben, sein eigenes Gehalt zu sichern, während die VenturePhilanthropy-Gesellschaft die gesellschaftliche Rendite maximieren möchte. Der Social Entrepreneur ist aber auf Kapital der Venture-Philanthropy-Gesellschaft angewiesen, ohne das er die eigenen Ziele nicht verwirklichen kann. Er hat also einen Anreiz, sich gegenüber der fördernden Gesellschaft als attraktiver Partner darzustellen. Dies erreicht er, indem er nach außen signalisiert, die gleichen Ziele zu verfolgen wie die Venture-Philanthropy-Gesellschaft und indem er glaubhaft vermittelt, die bereitgestellten Ressourcen effizient und effektiv einzusetzen. Aufgrund der Intransparenz des Erfolgs, bzw. der Messproblematik des Erfolgs, liegt auch im VenturePhilanthropy-Sektor asymmetrische Informationsverteilung vor. Wenn man bei den übrigen Annahmen des Modells davon ausgeht, dass kein Unterschied zwischen Personen im Non-Profit- und For-Profit-Sektor besteht, also z.B. bei der Eigennutzenmaximierung, dann kann ein Principal-Agent-Problem im VenturePhilanthropy-Sektor in ähnlicher Form auftreten wie im Venture-Capital-Sektor. Die aus dem Agency-Verhältnis entstehenden Probleme lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Agency-Probleme vor Vertragsabschluss und Agency-Probleme nach Vertragsabschluss.405 Mit hidden characteristics bezeichnet man Informationsasymmetrien vor dem Vertragsabschluss, die zu Agency-Problemen führen.406 Im VentureCapital-Sektor beschreibt der Begriff die Vermutung, dass Unternehmer die Qualität und Aussichten des eigenen Unternehmens besser einschätzen können als Venture Capitalists.407 Unternehmer können diesen Wissensvorsprung nutzen, um Kapitalgeber über die Erfolgsaussichten zu täuschen, und somit an Kapital gelangen. Dieses Verhalten kann zum Problem der adversen Selektion führen, auf das AKERLOF (1970) in seinem berühmten Aufsatz hingewiesen hat und das theoretisch auch auf den VentureCapital-Markt anwendbar ist.408 Da Venture-Capital-Gesellschaften ex ante die Quali-

405

Vgl.Furobotn/Richter (2005), S. 162ff.

406

Vgl. Jost (2001), S. 28; Kleinschmidt (2007), S. 45. Zum Teil werden die „hidden characteristics“ auch als „hidden information“ bezeichnet; vgl. Arrow (1985), S. 38.

407

Vgl. Amit/Brander/Zott (1998), S. 443.

408

Akerlof nutzt zur Veranschaulichung des Problems den Markt für Gebrauchtwagen. Der Verkäufer hat einen Wissensvorsprung über den Zustand des Autos. Der Käufer kann die Qualität eines speziellen Autos nicht einschätzen, sondern nur die durchschnittliche Qualität. Entsprechend ist er auch nur dazu bereit, einen durchschnittlichen Preis zu zahlen. Nun passt sich der Verkäufer

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

110

tät des Unternehmens nicht einschätzen können, neigen sie dazu, einen Durchschnittspreis für Anteile zu zahlen. Dieser Preis ist aber nur für wenig aussichtsreiche Unternehmen interessant, so dass aussichtsreiche Unternehmen durch wenig aussichtsreiche Unternehmen vom Markt verdrängt werden können und im schlimmsten Fall nach mehreren Anpassungen der Marktteilnehmer der Markt komplett zusammenbricht.409 Eine Voraussetzung dafür, dass sich die besonders aussichtsreichen Unternehmen aus dem Markt zurückziehen, ist, dass sie andere Möglichkeiten der Finanzierung auftun können.410 Dies ist auf dem Venture-Capital-Markt aber nur schwer möglich. Sowohl zusätzliche eigene Mittel als auch Fremdkapital werden nur eingeschränkt zur Verfügung stehen. Auf dem Venture-Philanthropy-Markt haben Social Ventures weitere Optionen. Ein Social Venture, das sich bei einer Spenden-Venture-PhilanthropyGesellschaft für eine Finanzierung bewirbt, kann die soziale Mission verwässern, stärker finanzielle Ziele verfolgen und dadurch auf Social Venture Capital oder klassische Finanzierungsformen zurückgreifen. Ein Social Venture, dass sich umgekehrt bei einer Social-Venture-Capital-Gesellschaft bewirbt, kann stärker soziale Ziele verfolgen und dadurch auf Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften und Stiftungen zurückgreifen. Um das Problem der adversen Selektion zu vermindern, können Finanzintermediäre die Informationsasymmetrien abbauen, denn bei symmetrischer Informationsverteilung wird es trotz Unsicherheit einen Gleichgewichtspreis geben.411 Der Abbau der Informationsasymmetrien geschieht im Rahmen des Auswahlprozesses durch teilweise recht aufwendige Informationsbeschaffung und -verarbeitung, auf die später noch näher eingegangen werden wird. Es stellt sich aber die Frage, ob das Problem der adversen Selektion überhaupt bei Spendenfinanzierung auftreten kann. Spenden werden per Definition ohne Gegen-

an und verkauft keine sehr guten Autos mehr, der Käufer passt daraufhin wieder seine Preisbereitschaft nach unten an. Am Ende kann es zu einem Marktzusammebruch führen; vgl. Akerlof (1970), S. 489f. Vgl. auch Jost (2001), S. 28. Vgl. für eine Diskussion der adversen Selektion im Venture-Capital-Kontext Amit/Brander/Zott (1998), S. 443. 409

Vgl. Akerlof (1970), S. 491; Amit/Brander/Zott (1998), S. 443.

410

Vgl. Schefczyk (2004), S. 150.

411

Vgl. Akerlof (1970), S. 492.

3.2 Theoretische Sicht

111

leistung vergeben.412 Man könnte daher annehmen, dass es keinen Grund für ein Social Venture gibt, eine Spende nicht anzunehmen. Insofern würde man davon ausgehen, dass adverse Selektion bei Spendenfinanzierung nicht vorkommt. In der Praxis ist es aber regelmäßig der Fall, dass Social Ventures einen Auswahlprozess durchlaufen müssen, bevor sie eine Spende erhalten, um wie oben beschrieben, die Unsicherheit für die Venture-Philanthropy-Gesellschaft abzubauen. Ziel des Auswahlprozesses ist es, die aussichtsreichsten Social Ventures zu identifizieren. Dieser Auswahlprozess kann für das Social Venture ressourcenaufwendig sein, so dass Opportunitätskosten entstehen. Diese Opportunitätskosten können theoretisch durchaus dazu führen, dass die besten Social Ventures das Durchlaufen eines Auswahlprozesses ablehnen, weil er ihnen zu aufwendig ist. Wenn dies die Venture-Philanthropy-Gesellschaft antizipiert und ihre Spendenstrategie anpasst, kann es theoretisch auch bei der Spendenfinanzierung zu adverser Selektion und ultimativ zum Zusammenbruch des Marktes kommen. Bei den Informationsasymmetrien nach dem Vertragsschluss wird unterschieden zwischen hidden action und hidden information.413 Auch wenn sie sich auf die Zeit nach Vertragsabschluss beziehen, sind sie hier relevant, weil die Parteien die Probleme erahnen und vertragliche Gegenmaßnahmen ergreifen.414 Unter hidden action versteht man das Verhalten des Agenten, das der Prinzipal nicht direkt beobachten kann.415 Das klassische Beispiel in der Literatur ist die (fehlende) Anstrengung, die ein Agent unternimmt, um die Ziele des Principals, im Fall des Managers die Maximierung des Unternehmenswertes, zu erreichen.416 Mit hidden information werden (relevante) Informationen bezeichnet, die dem Agenten, nicht aber dem Principal zur Verfügung stehen, weil der Agent näher an dem Unternehmen, dessen Produkten und Kunden ist.417 Beide Formen der Informationsasymmetrie und das dadurch ermöglichte opportunistische Verhalten der Unternehmer, können zum Problem für die Venture-Capital-

412

Vgl. §10b Abs. 1 S. 1, Abs. 1a S. 1 EstG; Buchna (2008), S. 380; Kirchhof (2008), §10b Rd.15.

413

Vgl. Arrow (1985), S. 38ff., der aber den Begriff „hidden information“ anstelle des hier verwendeten Begriffs „hidden characteristics“ verwendet. Vgl. auch Jost (2001), S. 25.

414

Vgl. Williamson (1985), S. 21.

415

Vgl. Furobotn/Richter (2005), S. 162.

416

Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 313; Arrow (1985), S. 38; Furobotn/Richter (2005), S. 162.

417

Vgl. Furobotn/Richter (2005), S. 162.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

112

Gesellschaft werden. Die Gefahr, dass der Venture-Capital-Gesellschaft Nachteile durch dieses unerwünschte und versteckte Verhalten der Unternehmer entstehen, bezeichnet man auch als Moral Hazard.418 Zu opportunistischem Verhalten durch Agenten kann es auch in Social Ventures kommen.419 Die Ziele der Venture-Philanthropy-Gesellschaft müssen, wie bereits erwähnt, nicht notwendigerweise deckungsgleich sein mit denen des Social Ventures.420 Für die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens spricht, wie bereits mehrfach erwähnt, dass die Ergebnisse des Handelns im Non-Profit-Sektor weniger transparent sind als im For-Profit-Sektor.421 Auch ein anderer Arbeitsethos, der im Vergleich zum For-Profit-Sektor weiche Faktoren stärker und harte Effizienzkriterien weniger stark betont, kann zum Interessenkonflikt führen.422 Während die Venture-PhilanthropyGesellschaft stark an einer effizienten Organisation interessiert ist, welche die gesellschaftliche Rendite maximiert, ist der Social Entrepreneur möglicherweise stärker an einer angenehmen, konfliktfreien Arbeitsatmosphäre interessiert. Als weiteres Problem nach der Vertragsunterzeichnung kann es zu so genannten hidden intentions kommen.423 Da Verträge niemals alle Eventualitäten abbilden, können Situationen entstehen, in denen die Gründer, ggf. auch ohne gegen den Finanzierungsvertrag zu verstoßen, Absichten offenkundig werden lassen, die nicht im Sinne der Venture-Capital-Gesellschaft sind. Sie können die Venture-Capital-Gesellschaft ggf. zur Neuverhandlung von Verträgen zwingen.424 Dieses Problem wird auch als Hold-up bezeichnet und kann theoretisch auch in Social Ventures auftreten.425

418

Vgl. Amit/Brander/Zott (1998), S. 443; Furobotn/Richter (2005), S. 162f.

419

Vgl. Steinberg (1990), S. 141.

420

Vgl. Fama/Jensen (1983b), S. 341ff.

421

Vgl. zur Messproblematik der sozialen Rendite Abschnitt 2.3.3.3.

422

Vgl. für eine umfassende Darstellung opportunistischen Verhaltens in Non-Profit-Organisationen Brody (1996).

423

Vgl. Kleinschmidt (2007), S. 45.

424

Vgl. Kleinschmidt (2007), S. 45.

425

Vgl. Goldberg (1976), S. 439; Klein/Crawford/Alchian (1978), S. 302; Holmström/Roberts (1998), S. 73ff.; Furobotn/Richter (2005), S. 282; Kleinschmidt (2007), S. 45.Vgl. auch für Beispiele Koss (2005), S. 209f.

3.2 Theoretische Sicht

113

3.2.2.2 Lösungsansätze Neben der intensiven Due Diligence, die zu einem Abbau der asymmetrischen Informationsverteilung führt, gibt es drei weitere Ansätze, um Agency-Probleme zu lindern. Die erste Maßnahme geht vom Gründer aus, die übrigen beiden von der Venture-Capital-Gesellschaft: Als Bonding wird die Selbstbindung des Unternehmers bezeichnet. Teilweise wird in der Literatur auch von Signaling gesprochen. Beispielsweise kann der Unternehmer eigenes Kapital investieren, um der Venture-Capital-Gesellschaft zu signalisieren, dass auch er ein Interesse am Erfolg des Unternehmens hat.426 Der Social Entrepreneur sendet bereits durch eine Tätigkeit im Non-Profit-Sektor positive Signale aus. Zusätzlich kann auch er durch das Einbringen eigenen Kapitals und durch ein niedriges Gehalt der Venture-Philanthropy-Gesellschaft signalisieren, dass er ebenfalls inhaltlich am Ziel der gesellschaftlichen Renditemaximierung interessiert ist. Zusätzlich können vertragliche Regelungen im Finanzierungsvertrag vereinbart werden.427 Die Regelungen sollen zur Vereinheitlichung der Interessen des Kapitalgebers und des Kapitalnehmers führen und somit die Agency-Probleme einschränken.428 Diese Regelungen sind in einer Finanzierungsvereinbarung auf Spendenbasis besonders wichtig, weil keine Gegenleistung besteht.429 Einmal gespendet, kann der Begünstigte über den Mitteleinsatz frei bestimmen, wenn nicht z.B. bei Spenden eine Zweckbindung vereinbart wurde430 oder aber eine Spende unterteilt wurde in mehrere Einzelspenden, deren Auszahlung an das Erreichen von bestimmten Zielen geknüpft ist431. Im Venture-Capital-Sektor werden zusätzlich vertragliche Vereinbarungen getroffen, die dem Gründer finanzielle Anreize bieten, sich für den Erfolg des Unter-

426

Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 308, 323ff.; Arthurs/Busenitz (2003), S. 150; Jost (2001), S. 29.

427

Vgl. Jost (2001), S. 13ff.

428

Vgl. Arthurs/Busenitz (2003), S. 150; Duffner (2003), S. 53.

429

Vgl. Fn. 412.

430

Aus dem Wortlaut von §10b Abs. 1 S. 1 EStG ergibt sich, dass zumindest eine finale, erkennbare Zwecksetzung der Spende nicht schadet, sondern im Gegenteil Vorraussetzung für die Abzugsfähigkeit ist („zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke“). Eine darüber hinausgehende Auflage, die Spende für einen bestimmten steuerbegünstigenden Zweck i.S. der §§52-54 Abgabenordnung zu verwenden, ist demnach auch nicht schädlich. Vgl. auch Pöllath (2007), S. 61.

431

Vgl. Pöllath (2007), S. 61.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

114

nehmens einzusetzen.432 Sie schränken ebenfalls das Moral-Hazard-Problem ein. Im Non-Profit-Sektor kommen vertragliche Regelungen mit vergleichbaren finanziellen Anreizen für das Management der Organisation äußerst selten vor.433 Hier läuft die Venture-Philanthropy-Gesellschaft eine größere Gefahr, dass sich ein vermeintlicher Social Entrepreneur als Einkommensmaximierer entpuppt. Zwar sind durch steuerrechtliche Auflagen, die für das Erlangen des Gemeinnützigkeitsstatus erfüllt werden müssen, der Einkommensmaximierung Grenzen gesetzt, gewisse Spielräume gibt es aber dennoch.434 Zudem besteht auch die Gefahr des Betrugs.435 Für VenturePhilanthropy-Gesellschaften ist es folglich schwerer, durch rechtliche Regelungen eine Interessenskongruenz sicherzustellen. Das Monitoring der Venture-Capital-Gesellschaft ist die dritte Maßnahme, die das Moral-Hazard-Problem einschränkt.436 Damit effektives Monitoring möglich ist, werden teils umfangreiche Kontrollmöglichkeiten und Informationspflichten festgelegt.437 Eine verbreitete Möglichkeit Kontrolle auszuüben ist, ein Aufsichtsgremium zu etablieren, dass den Auftrag hat, das Management zu kontrollieren.438 Aus theoretischer Sicht muss das Monitoring bei Venture-Philanthropy-Gesellschaften noch umfangreicher betrieben werden als bei klassischen Venture-CapitalGesellschaften, weil die soziale Rendite so schwer messbar ist.439 Die meisten Autoren stellen aber genau dies allgemein für den Non-Profit-Sektor in Frage und gehen noch weiter, indem sie behaupten, dass das Monitoring und etwas weiter gefasst die gesamte Aufsicht in Non-Profit-Organisationen schwächer ist und weniger gut funktioniert als

432

Vgl. Jost (2001), S. 398f.; Arthurs/Busenitz (2003), S. 150.

433

Vgl. Fama/Jensen (1983a), S. 318; Steinberg (1990), S. 144.

434

Vgl. Brinkmeier (2008), S. 94ff.

435

Vgl. für einige Betrugsbeispiele Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (2008); Koss (2005), S. 198f.

436

Vgl. Jensen/Meckling (1976), S. 308.

437

Vgl. Fingerle (2005), S. 110f.

438

Vgl. Fama/Jensen (1983a), S. 311; Fama/Jensen (1983b), S. 344f.

439

Vgl. Abschnitt 2.3.3.3. Vgl. auch Young (1983), S. 94; Steinberg (1990), S. 143ff.

3.2 Theoretische Sicht

115

in klassischen Unternehmen.440 Die schwache Aufsicht kann zu einem stärkeren Principal-Agent-Problem im Non-Profit-Sektor führen als im For-Profit-Sektor.441 In welchem Umfang die Venture-Philanthropy-Gesellschaft vertragliche Maßnahmen ergreifen muss, um das Principal-Agent-Problem zu lindern, hängt hauptsächlich von den – tatsächlichen oder vermeintlichen – Social Entrepreneurs ab, die finanziert werden. Die Selbstselektionsthese geht davon aus, dass sich die Menschen im NonProfit- und im For-Profit-Sektor hinsichtlich ihrer Motivation unterscheiden.442 Nach dieser These arbeiten im Non-Profit-Sektor insbesondere Personen, die sich mit den sozialen Zielen der Organisationen identifizieren können.443 Bei solchen Personen ist weder ein spezieller anreizkompatibler Vertrag, noch Monitoring nötig, da auch die Abwesenheit von Kontrolle nicht zum Verhalten führt, dass der Zielerreichung der Organisation schadet. Wenn dagegen die Selbstselektionsthese nicht zutrifft, sind die Principal-Agent-Probleme auch im Venture-Philanthropy-Sektor vorhanden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Principal-Agent-Theorie somit insgesamt auch für den Venture-Philanthropy-Sektor relevant ist. Vor dem Vertragsabschluss besteht der gleiche Interessenkonflikt zwischen Social Venture und VenturePhilanthropy-Gesellschaft wie zwischen Business Venture und Venture-CapitalGesellschaft. Das Problem der adversen Selektion kann im Venture-PhilanthropySektor selbst bei der Spendenfinanzierung auftreten, denn wie gezeigt wurde, haben Social Ventures eine bessere Möglichkeit, auf alternative Finanzierungsformen auszuweichen, als Business Ventures. Des Weiteren ist es im Venture-Philanthropy-Markt kaum möglich, durch Verträge eine Anreizkompatibilität herzustellen. Insbesondere bei der Spendenfinanzierung sind die Einflussmöglichkeiten auf die Verwendung äußerst gering, nachdem die Spende erfolgt ist. All diese Argumente sprechen für ein Principal-Agent-Problem im Venture-Philanthropy-Sektor. Allerdings treten diese Probleme nur dann auf, wenn die Annahme der egoistischen, renditemaximierenden

440

Vgl. Fama/Jensen (1983a), S. 319; Preston (1988), S. 345ff.; McLean (1989), S. 68; Brody (1996), S. 497ff.; Caers et al. (2006), S. 30;

441

Vgl. auch Caers et al. (2006), S. 30.

442

Z.B. zeigen Mirvis/Hackett (1983), dass Unterschiede in der Beurteilung des Jobs zwischen dem Non-Profit- und dem For-Profit-Sektor bestehen.

443

Vgl. Young (1983); Callen/Falk (1993), S. 51. Vgl. für einen Überblick über Studien zu Selbstselektionsthese Caers et al. (2006), S. 31.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

116

Personen zutreffend ist. Anders ausgedrückt, wenn es Venture-PhilanthropyGesellschaften gelingt, Social Entrepreneurs zu identifizieren, die intrinsisch motiviert sind und tatsächlich das Ziel haben, die gesellschaftliche Rendite zu maximieren, dann lösen sich all die oben aufgeführten potenziellen Principal-Agent-Probleme auf.

3.2.3 Stewardship-Theorie Um Unterschiede zwischen Individuen abzubilden, wurde als Alternative und Komplement zur Principal-Agent-Theorie von DONALDSON (1990) und DAVIS/SCHOORMAN/DONALDSON (1997) die Stewardship-Theorie entwickelt. Während die Principal-Agent-Theorie Teil der institutionenökonomischen Theorie ist und von rationalen, eigene Interessen verfolgenden Individuen ausgeht, hat die Stewardship-Theorie ihre Wurzeln in der Soziologie und (Organisations-)Psychologie und geht von Individuen aus, die durch Identifizierung mit den Zielen der Organisation und kollektivistisches Verhalten einen höheren Nutzen erzielen als durch striktes Verfolgen eigener Interessen.444 Diese Theorie geht davon aus, dass – in bestimmten Situationen – kein Interessenkonflikt zwischen Principal und Agent besteht, sondern im Gegenteil der Agent die Ziele des Principals übernimmt und verfolgt.445 Anders ausgedrückt liegt der Unterschied zwischen Principal-Agent-Theorie und StewardshipTheorie darin, dass Erstere von extrinsisch motivierten Individuen und Letztere von intrinsisch motivierten Individuen ausgeht.446 Bei intrinsisch motivierten Individuen greift die Principal-Agent-Theorie ins Leere, so dass eine alternative Theorie benötigt wurde. Die Stewardship-Theorie kann sich im Venture-Capital-Sektor nur auf die Zeit nach dem Vertragsabschluss beziehen, da vorher definitionsgemäß keine Zielübereinstimmung vorhanden sein kann: Unternehmer suchen Kapital für ihr Unternehmen und Venture-Capital-Gesellschaften wollen schlechte Investitionsentscheidungen vermeiden.447 Dies gilt gleichzeitig auch für das Verhältnis zwischen der VenturePhilanthropy-Gesellschaft und dem Social Venture. Auch hier kann sich die Steward-

444

Vgl. Donaldson (1990), S. 377; Davis/Schoorman/Donaldson (1997), S. 24.

445

Vgl. Donaldson (1990), S. 377.

446

Vgl. Davis/Schoorman/Donaldson (1997), S. 27.

447

Vgl. Arthurs/Busenitz (2003), S. 154.

3.2 Theoretische Sicht

117

ship-Theorie nur auf das nachvertragliche Verhältnis beziehen. Selbst ein Social Entrepreneur würde nicht ein Finanzierungsangebot einer Venture-PhilanthropyGesellschaft ausschlagen, wenn er das Gefühl hat, eine anderer Social Entrepreneur wäre noch finanzierungswürdiger. Aber auch nach der Vertragsunterzeichnung ist der Erklärungsgehalt fraglich, da Unternehmer eine hohe Identifikation mit ihren Unternehmen verspüren und sich für den Erfolg des Unternehmens einsetzen werden, aber nicht für den Erfolg der VentureCapital-Gesellschaft.448 Gleichwohl sind die Interessen relativ stark gleichgerichtet, weil beide vom Erfolg des Unternehmens profitieren, wie bereits im vorausgehenden Abschnitt erläutert wurde.449 Ebenfalls erläutert wurde, dass die Selbstselektionsthese dafür spricht, dass sich die Mitarbeiter im Non-Profit-Sektor stärker mit den Zielen der Organisation identifizieren als im For-Profit-Sektor. Letztlich steht die Selbstselektionshypothese dem theoretisch möglichen opportunistischen Verhalten im NonProfit-Sektor gegenüber. Der Auswahlprozess von Venture-PhilanthropyGesellschaften wird auch darauf ausgerichtet sein, die Stewards zu identifizieren und von den Agents zu separieren. Die Förderung von Stewards bedeutet für die VenturePhilanthropy-Gesellschaft weniger Agency-Kosten nach Vertragsabschluss. Da keine Untersuchung identifiziert werden konnte, die empirisch den Erklärungsgehalt der Principal-Agent-Theorie und der Stewardshiptheorie vergleicht, bleibt die Frage, welche Theorie zutreffender ist unbeantwortet. Allerdings kann festgehalten werden, dass die Stewardship-Theorie für die hier hauptsächlich untersuchte Phase bis zum Vertragsabschluss nur dahingehend relevant ist, dass Venture-PhilanthropyGesellschaften bestrebt sind, Stewards herauszufiltern.

3.2.4 Psychologische Theorien Einige einschlägige Studien nutzen auch psychologische Theorien für die Erklärung einzelner Aspekte des Auswahlprozesses und der Auswahlkriterien von VentureCapital-Gesellschaften. Da es sich bei dieser Arbeit nicht primär um eine psychologische Arbeit handelt, sollen hier die verwendeten Theorien nur kurz angerissen werden. Die Relevanz der Ergebnisse der auf diesen Theorien beruhenden Unter-

448

Vgl. Arthurs/Busenitz (2003), S. 155.

449

Vgl. Arthurs/Busenitz (2003), S. 155.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

118

suchungen, für den Venture-Philanthropy-Sektor werden im nächsten Kapitel überprüft. Der Ansatzpunkt der psychologischen Untersuchungen im Venture-Capital-Sektor ist zumeist die Annahme, dass der Mensch nur eingeschränkt rational ist.450 Zwar geht auch die neue Institutionenökonomik von dieser Annahme aus, aber in der Psychologie wird vielfach von einer deutlich weitergehenden Einschränkung der Rationalität ausgegangen. In der neuen Institutionenökonomik bedeutet eingeschränkte Rationalität im Wesentlichen, dass Kosten mit der Informationsbeschaffung für Entscheidungen verbunden sind und Personen nicht alles wissen und beobachten können.451 In der Psychologie wurde nachgewiesen, dass Menschen, zumindest teilweise, viel stärker eingeschränkt rational sind als es die neue Institutionenökonomik in ihren Standardmodellen annimmt, z.B. zeigen TVERSKY/KAHNEMAN (1974) in ihrem berühmten Artikel, dass Menschen Heuristiken bei Entscheidungen und Einschätzungen nutzen, die zu systematischen und vorhersagbaren Fehlern führen.452 Ein Experiment auf Basis der Social Judgement Theory führte zu einer Serie von drei Veröffentlichungen im Journal of Business Venturing zwischen 1998 und 2002.453 Die Social-Judgement-Theorie und das von den Autoren verwendete Linsenmodell sehen vor, dass es beobachtbare Eigenschaften von Unternehmen gibt, die auf der einen Seite zu einer Entscheidung der Venture Capitalists führen (Investition oder Absage), auf der anderen Seite aber auch mit dem tatsächlichen Ergebnis, der Investitionsrendite, zusammenhängen.454 In den Untersuchungen werden einige Aspekte dieses Modells untersucht. Eine andere wesentliche psychologische Fragestellung ist die Wirkung finanzieller Anreize. Wie gezeigt wurde, sind finanzielle Anreize im Venture-Capital-Sektor durchaus üblich. Im Stiftungsbereich arbeiten dagegen viele Menschen, wie ebenfalls

450

Häufig wird auch der englische Begriff bounded rationality verwendet.

451

Vgl. Simon (1955); Furobotn/Richter (2005), S. 47.

452

Vgl. Tversky/Kahneman (1974), S. 1131.

453

Vgl. Zacharakis/Meyer (1998), Zacharakis/Meyer (2000), Zacharakis/Shepherd (2001). Ein weiterer Artikel auf Basis der Theorie basiert auf einem anderen Datensatz; vgl. Shepherd/Zacharakis (2002).

454

Vgl. Zacharakis/Meyer (1998), S. 62.

3.2 Theoretische Sicht

119

gezeigt wurde, zu einem vergleichsweise niedrigen Einkommen oder engagieren sich sogar freiwillig als Ehrenamtliche. Finanzielle Anreize scheinen in den beiden Bereichen eine unterschiedliche Bedeutung zu haben. Venture-PhilanthropyGesellschaften, die Ansätze aus dem For-Profit-Sektor in den Non-Profit-Sektor übertragen, haben konkrete Vorstellungen über die Wirkung von Anreizen und das Verhalten von Individuen. Für Venture-Philanthropy-Gesellschaften ist daher entscheidend zu wissen, ob im Non-Profit-Sektor Menschen anders auf Anreize, speziell auf finanzielle Anreize, reagieren, da dies die Übertragbarkeit von Anreizmechanismen aus dem Venture-Capital-Sektor einschränken würde. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die intrinsische Motivation leicht durch monetäre extrinsische Anreize verdrängt werden kann.455 Ein intrinsisch motivierter Social Entrepreneur, dem die Venture-Philanthropy-Gesellschaft finanzielle Anreize setzt, kann seine intrinsische Motivation zu Gunsten der extrinsischen Motivation verlieren, während positives Feedback und „verbal reinforcement“ die Motivation verstärken können.456 Aufbauend auf der Relational Theory zeigen z.B. HEYMAN/ARIELY (2004), dass bestimmte Anreizmechanismen auf dem finanziellen Markt ganz andere Wirkung entfalten als auf dem nichtfinanziellen Markt. Mit dem nichtfinanziellen Markt ist z.B. die ehrenamtliche Arbeit in einer Stiftung gemeint. Die Autoren zeigen mit ihren Untersuchungen, dass das Bemühen von Menschen auf dem nichtfinanziellen Markt hoch ist, obwohl keinerlei Bezahlung stattfindet. Wenn nun eine niedrige Bezahlung eingeführt wird, sinkt das Bemühen, weil aus der nichtfinanziellen Beziehung eine finanzielle Beziehung mit anderen Regeln wird.457 Im obigen Beispiel würde dies die Bezahlung des ehremamtlichen Stiftungsmitarbeiters bedeuten. Diese Infektion eines nichtfinanziellen Marktes durch das Einführen finanzieller Anreize ist höchst relevant für den Venture-Philanthropy-Sektor, denn auch in Social Ventures ist das Ehrenamt eine wichtige Säule. Venture-Philanthropy-Gesellschaften, die eine reine Geschäftslogik anlegen und die unterschiedlichen Zusammenhänge zwischen Bezahlung und Motivation auf dem finanziellen und auf dem nichtfinanziellen Markt negieren, laufen Gefahr, dass von ihnen eingeführte finanzielle Anreizmechanismen kontraproduktiv sind und nicht das gewünschte Ergebnis bringen. Die Ergebnisse

455

Vgl. Deci (1971), S. 114. Vgl. für einen Überblick über Studien Frey/Jegen (2001), S. 596ff.

456

Deci (1971), S. 114.

457

Vgl. Heyman/Ariely (2004), S. 792f.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

120

legen nahe, dass Venture-Philanthropy-Gesellschaften bei Social Ventures, die sich auf dem nichtfinanziellen Markt bewegen, äußerst vorsichtig mit finanziellen Anreizen umgehen und sich der Wirkung bewusst sein sollten. Ein weiteres wesentliches psychologisches Konstrukt, das in einem vorläufigen Experiment für den Venture-Capital-Sektor getestet wurde, ist Rechtfertigungsdruck (Accountability).458 Durch die Aufteilung der Auswahlentscheidung auf zwei oder mehr Personen(-gruppen) entsteht vor allem ein Rechtfertigungsdruck bei den zuarbeitenden Personen, dem jeweils folgenden Entscheidungsgremium geeignete Investitionsmöglichkeiten vorzuschlagen. Im Venture-Capital-Auswahlprozess müssen sich beispielsweise junge Mitarbeiter für die Analysen vor den Partnern der Gesellschaft rechtfertigen.459 Dieser Rechtfertigungsdruck soll sich positiv auf die Auswahlqualität auswirken, indem psychologische verursachte Verzerrungen bei der Entscheidungsfindung reduziert werden. LERNER/TETLOCK (1999) haben die Literatur zur Auswirkung von Rechtfertigungsdruck ausgewertet und kommen u.a. zu dem Schluss, dass er sich positiv auf die Entscheidungsfindung (selbstkritisches Denken und die Mühe, die sich die Entscheider geben) auswirkt, allerdings nur, wenn die folgenden fünf Voraussetzungen erfüllt sind: die Einschätzung der bewertenden Gruppe ist unbekannt, sie legt Wert auf Genauigkeit, sie interessiert sich vor allem für den Entscheidungsfindungsprozess und weniger für das Ergebnis der Entscheidung, sie ist angemessen informiert und sie hat ein legitimes Interesse an der Rechtfertigung.460 Ob diese Voraussetzungen im Venture-Philanthropy-Kontext erfüllt sind, muss im Rahmen der Fallstudienanalyse überprüft werden.

458

Vgl. Rider/Tetlock (2005).

459

Vgl. Rider/Tetlock (2005), S. 8.

460

Vgl. Lerner/Tetlock (1999), S. 259.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

121

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

3.3.1 Auswahlprozess 3.3.1.1 Überblick über den Auswahlprozess Jede Venture-Capital-Gesellschaft ist mit Problemen konfrontiert, die durch Unsicherheit und asymmetrische Informationsverteilung hervorgerufen werden. Der Prozess von der Kontaktaufnahme bis zum Vertragsabschluss dient wesentlich dem Ziel, beide Probleme zu verringern.461 In einer grundlegenden Arbeit unterteilen TYEBJEE/BRUNO (1984) die Zeit von der Kontaktaufnahme bis zum Ausstieg aus der Investition in fünf Stufen: Deal Origination, Screening, Due Diligence, Strukturierung und Betreuung.462 In der ersten, der Deal-Origination-Phase, werden Finanzierungsanfragen generiert. Diese werden im Screening einer kurzen Vorprüfung unterzogen, um festzustellen, ob sie im Fokus der Gesellschaft liegen. Die aussichtsreichen Anfragen werden in der Due-Diligence-Phase einer ausführlichen Prüfung unterzogen.463 Verläuft auch diese positiv, tritt die Venture-Capital-Gesellschaft in die Strukturierungsphase ein und unterzeichnet im Erfolgsfall einen Finanzierungsvertrag mit dem kapitalsuchenden Unternehmen. Nachdem Kapital bereitgestellt wurde, beginnt die Betreuungsphase, die bis zum Ausstieg aus der Investition reicht.464 Das zehn Jahre später veröffentlichte Phasenmodell von FRIED/HISRICH (1994), entwickelt auf der Basis von 18 Fallstudien, weicht in Teilen von den Ergebnissen von

461

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1053, 1065.

462

Die Autoren bezeichnen die Phasen leicht abweichend. Die hier verwendeten Begriffe haben sich aber in der Literatur und Praxis durchgesetzt. In der vorliegenden Arbeit werden die englischen Begriffe Deal Origination, Screening und Due Diligence verwendet, weil sich keine entsprechende deutsche Terminologie durchsetzen konnte. Die Begriffe Screening und DueDiligence sind bereits eingedeutscht und im Duden verzeichnet.

463

In der Veröffentlichung sprechen Tyebjee/Bruno (1984), S. 1052, von der „Evaluation“-Phase. Es hat sich für diese Phase aber der Begriff Due-Diligence durchgesetzt.

464

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1052ff. Die Betreuungsphase, die in dieser Arbeit nicht weiter untersucht wird, kann in drei wesentliche Tätigkeitsfelder unterteilt werden: das Controlling der Investition (Monitoring), die nichtfinanzielle Unterstützung des Portfoliounternehmens (Value Adding) und die Vorbereitung des Ausstiegs (Exit Preparation). Diese Tätigkeiten laufen gleichzeitig ab, wobei die Vorbereitung des Ausstiegs mit der Zeit immer größere Bedeutung einnimmt. Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1052.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

122

TYEBJEE/BRUNO (1984) ab. Da es sich hauptsächlich um eine Verfeinerung des Modells handelt, orientiert sich die Gliederung des Abschnitts an dem Modell von TYEBJEE/BRUNO (1984) – wohl wissend, dass diese Einteilung eine Abstraktion darstellt und die individuellen Auswahlprozesse sehr unterschiedlich aussehen.465 Auf die Verfeinerungen und Abweichungen vom Grundmodell wird dann innerhalb der einzelnen Phasen eingegangen. Der Auswahlprozess von Venture-Capital-Gesellschaften und die auf ihn bezogenen Erkenntnisse werden hier dargestellt, um sie später mit den Fallstudien zu vergleichen. Es wird dann erörtert, inwiefern sich die Auswahlprozesse von Venture-PhilanthropyGesellschaften und Venture-Capital-Gesellschaften unterscheiden. Mögliche Unterschiede müssen erklärt werden und bilden die Grundlage für neue Erkenntnisse.

3.3.1.2 Deal Origination Die Voraussetzung für jede Investitionstätigkeit sind Investitionsmöglichkeiten. Venture-Capital-Gesellschaften müssen auf entsprechende Optionen aufmerksam werden, um dann die aussichtsreichsten Investitionsmöglichkeiten auswählen zu können. Dies geschieht auf drei Arten, wie in Abbildung 7 dargestellt ist: durch direkte Anfragen der Unternehmen, durch eigene Recherche oder durch Vermittlung und Empfehlung von Dritten. Während direkte Anfragen und recherchierte Anfragen nicht weiter unterteilt werden, unterteilt BENDER Vermittler in drei Gruppen: Venture-Capital-Gesellschaften, Unternehmer und Unternehmen sowie unterstützende Akteure.466 Ein Spezifikum bei Venture-Capital-Gesellschaften ist die weitere Unterteilung in Syndizierung und Weiterempfehlung. Im ersten Fall möchte der Vermittler eine andere Venture-CapitalGesellschaft für eine gemeinsame Investition gewinnen. Im zweiten Fall ist eine Anfrage für die vermittelnde Venture-Capital-Gesellschaft nicht von Interesse, sie vermittelt die Anfrage aber an eine andere, potentiell interessierte Venture-CapitalGesellschaft. Zwischen beiden Formen muss unterschieden werden, weil im Syndizierungsfall ein direktes Eigeninteresse der vermittelnden Venture-Capital-Gesellschaft

465

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1053, 1065.

466

Vgl. Bender (in Druck).

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

123

besteht, im Fall der Weiterempfehlung nicht. Innerhalb der Gruppe Unternehmer und Unternehmen kann wiederum unterschieden werden zwischen Portfoliogesellschaften (aktuelle und ehemalige) sowie sonstigen Unternehmern. Die unterstützenden Akteure, die dritte Gruppe, lassen sich in vier Gruppen gliedern: erstens andere Financiers, z.B. Banken, Business Angels, öffentliche Förderstellen (ohne öffentliche Venture-CapitalGesellschaften), zweitens professionelle Dienstleister, z.B. Anwälte, Steuerberater, Unternehmensberater, drittens Forschungseinrichtungen und viertens Sonstige, z.B. Kollegen, persönliche Kontakte.467

Deal Origination

Direkt

Recherchiert

Vermittelt

VentureCapital-Gesellschaften

Unternehmer / Unternehmen

Unterstützende Akteure

Syndizierung

Portfoliounternehmen

Andere Financiers (z.B. Banken)

Weiterempfehlung

Sonstige Unternehmer

Professionelle Dienstleister (z.B. Anwälte)

Forschungseinrichtungen

Sonstige

Abbildung 7: Formen der Deal Origination468

467

Vgl. Bender (in Druck).

468

Eigene Darstellung, basierend auf Böhner (2007), S. 115 und Bender (in Druck).

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

124

Venture-Capital-Gesellschaften sind ständig bestrebt, die Anzahl der qualitativ hochwertigen Finanzierungsanfragen zu erhöhen. Dazu ergreifen sie verschiedene Maßnahmen, die jeweils einer der drei möglichen Formen der Kontaktaufnahme zugeordnet werden können. Direktbewerbungen werden durch verschiedene Marketingmaßnahmen unterstützt: Die Teilnahme an und Präsentationen bei relevanten Veranstaltungen sowie das Sponsoring solcher Veranstaltungen hilft, auf sich aufmerksam zu machen. Veranstaltungen können z.B. sein: Messen, Konferenzen, Vorträge und Reden oder Businessplanwettbewerbe. Publikationen sind eine weitere Möglichkeit, ebenso wie Mitgliedschaften in relevanten Verbänden.469 Weiter werden der Informationsaustausch mit Unternehmen und sonstige Werbe- und Marketingmaßnahmen genannt.470 Die aktive Recherche potenzieller Portfoliounternehmen wird in der Literatur vergleichsweise selten genannt.471 Einige Autoren betonen aber die wachsende Bedeutung proaktiver Recherche bei einem steigenden Venture-Capital-Angebot.472 Mögliche Strategien sind z.B., Unternehmer nach weiteren erfolgreichen Unternehmern in ihrem Sektor zu befragen, Branchenpublikationen zu lesen, auf relevante Messen zu gehen und Unternehmen aus Businessplanwettbewerben zu bewerten. Der Vorteil der aktiven Recherche kann sein, dass im Vergleich zum Bieterwettbewerb bei Unternehmen, die selbst Finanzierungsanfragen an mehrere Venture-Capital-Gesellschaften stellen, niedrigere Preise für Anteile erzielt werden.473 Die aufgezeigten Dealflow-Quellen unterscheiden sich sowohl in ihrer quantitativen als auch in ihrer qualitativen Bedeutung. Direkte Anfragen machen etwa ein Drittel, vermittelte Anfragen die Hälfte und recherchierte Unternehmen den übrigen Anteil aller Anfragen aus.474 Bei einer qualitativen Betrachtung verschiebt sich das Gewicht hin zu den vermittelten Unternehmen. Zwischen 65% und 85% der Portfoliounter-

469

Relevante Verbände sind für Gesellschaften, die in Deutschland aktiv sind, vor allem der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) und die European Venture Capital Association (EVCA).

470

Vgl. Bender (in Druck); vgl. auch Fried/Hisrich (1994), S. 31.

471

Vgl. Bender (in Druck). Genannt wird diese Methode u.a. von Sweeting (1991), S. 610.

472

Vgl. Silver (1985), S. 48; Fried/Hisrich (1994), S. 32; Sweeting (1991), S. 610.

473

Vgl. Sweeting (1991), S. 611.

474

Vgl. für einen Überblick über relevante Studien Bender (in Druck).

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

125

nehmen werden durch Vermittlung identifiziert.475 FRIED/HISRICH (1994) berichten sogar, dass keiner der untersuchten 18 Deals auf eine direkte Anfrage zurückgeht, die Mehrzahl verdankt sich Vermittlungen.476 Sie nennen dafür zwei Gründe: Erstens ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Unternehmen das Screening überstehen, wenn der Venture Capitalist der empfehlenden Person vertraut. Zweitens kann die empfehlende Person besser als kapitalsuchende Unternehmen ohne vorherigen Kontakt zur Venture-Capital-Gesellschaft einschätzen, welche Art von Unternehmen der Venture Capitalist sucht. Eine deutsche Untersuchung zeigt, dass unabhängige deutsche Venture-Capital-Gesellschaften nur in 4% aller direkten Anfragen, aber in 28% der syndizierten, also vermittelten Anfragen investieren, obwohl der Anteil am Dealflow (Anzahl der Finanzierungsanfragen) in etwa umgekehrt ist, wie man in Abbildung 8 erkennt.477 Obwohl oben vermutet wurde, dass bei Vermittlungen von Venture-Capital-Gesellschaften und Syndizierungen unterschiedliche Interessen vorliegen, ist der Unterschied in den Erfolgsquoten, wie man in Abbildung 8 erkennt, nicht groß. Es konnten in der Literatur keine empirischen Untersuchungen zur Kausalität der Netzwerkdominanz gefunden werden. Es ist zwar denkbar, dass die oben angeführten Gründe tatsächlich zutreffen, möglicherweise spielen psychologische Gründe aber ebenfalls eine Rolle. Denkbar ist, dass bei persönlichen Kontakten die Auswahlkriterien weniger stringent angelegt werden als bei direkten Bewerbungen. Das bleibt aber zunächst Spekulation.

475

Vgl. Wells (1974), S. 58; Tyebjee/Bruno (1984), S. 1055; Fried/Hisrich (1994), S. 31; Böhner (2007), S. 228. Vgl. für einen Literaturüberblick auch Bender (in Druck).

476

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 31.

477

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 39ff.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

126

35% 30% 25% 20% 15% 10% 5%

Anteil am Dealflow

Direkte Anfragen

BPWettbewerbe

Deal-Vermittler

VCGs, PEGs, BA

Kreditinstitute, Untern.-, Steuerberater, Wirtschaftspr.

Eigenes Netzwerk, Anteilseigner

Syndizierungen

0%

Erfolgsquote (Anteil der Anfragen die Zusage erhalten)

Abbildung 8: Anteile am Dealflow und Erfolgsquoten einzelner Dealflow-Quellen478 3.3.1.3 Screening Mit der Screening-Phase beginnt die Auswahl der Investitionsmöglichkeiten. VentureCapital-Gesellschaften erhalten typischerweise sehr viele Finanzierungsanfragen, investieren aber nur in sehr wenige. In Deutschland werden im Durchschnitt etwa 300 bis 400 Finanzierungsanfragen pro Jahr an eine Venture-Capital-Gesellschaft gerichtet, investiert wird aber nur in etwa 1% bis 2% der Anfragen.479 Ziel der Screening-Phase ist es daher, diejenigen Anfragen auszusortieren, die offensichtlich nicht für eine Investitionsprüfung in Frage kommen: Beispielsweise werden viele Anfragen mit Standardanschreiben und auch offensichtlich unpassende Anfragen an die

478

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 41.

479

Vgl. Vater (2003), S. 153; Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 42ff.; Böhner (2007), S. 201.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

127

Venture-Capital-Gesellschaften gerichtet.480 Dies könnte z.B. eine Anfrage eines Unternehmens sein, das in einer Industrie tätig ist, in welche die Venture-CapitalGesellschaft grundsätzlich nicht investiert.481 Venture-Capital-Gesellschaften sind bestrebt, solche und ähnliche Anfragen mit möglichst wenig Aufwand herauszufiltern und ihnen eine Absage zu erteilen. Die Zeit, die jede Anfrage im ersten Schritt erfordert, ist daher gering und beträgt meist weniger als eine halbe Stunde.482 Eine längere Prüfung im ersten Schritt wäre mit der typischen Personaldecke einer Venture-Capital-Gesellschaft auch kaum möglich. Deutsche Venture-CapitalGesellschaften haben durchschnittlich 5,6 Mitarbeiter, die für die Investitionsauswahl zuständig sind, so dass die Anzahl an Anfragen, die ein Mitarbeiter im Durchschnitt bearbeiten muss, recht hoch ist.483 Bei einem durchschnittlichen Dealflow (Anzahl der Finanzierungsanfragen) von 324 Deals pro Jahr, den eine junge Studie identifiziert, entfallen auf jeden Investment Professional pro Jahr 58 Deals.484 Abweichend von TYEBJEE/BRUNO (1984) unterteilen FRIED/HISRICH (1994) das Screening in zwei Phasen. In der ersten Screening-Phase werden spezifische Kriterien der Venture-Capital-Gesellschaft, kurz: gesellschaftsspezifische Kriterien, geprüft. Diese Phase entspricht der Screening-Phase aus dem TYEBJEE/BRUNO (1984)-Modell. Die zweite Phase ist die Überprüfung mit Hilfe von generischen Kriterien. Diese Phase fällt bei TYEBJEE/BRUNO (1984) mit in die Due-Diligence-Phase. Auch wenn beide Screening-Arten logisch getrennt werden können, laufen sie in der Praxis vermutlich meist parallel und nicht konsekutiv ab. Beim gesellschaftsspezifischen Screening werden Kriterien wie Investitionssumme, Branche, Technologie, räumliche Nähe, Ent-

480

Vgl. Hall/Hofer (1993), S. 40.

481

Vgl. Hall/Hofer (1993), S. 40.

482

Sweeting (1991), S. 610 gibt an, dass das erste Screening 10 bis 15 Minuten dauert. Ebenfalls zum Screening zählt der Autor eine darauf folgende Desktop-Recherche, deren Zeitaufwand nicht angegeben wird. Vgl. auch Boocock/Woods (1997), S. 40.

483

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 18.

484

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 42.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

128

wicklungsstufe der Zielunternehmen und die Vollständigkeit des Businessplanes geprüft.485 Beim generischen Screening prüft der Venture Capitalist in einem Schnellverfahren, ob auf Basis der vorliegenden Unterlagen und seines Vorwissens eine weitere Prüfung sinnvoll erscheint. Es werden die Auswahlkriterien angelegt, mit deren Hilfe die Venture-Capital-Gesellschaften beabsichtigen, die guten von den schlechten Unternehmen zu trennen. Der Venture Capitalist gewinnt einen ersten Eindruck von der Anfrage durch eine kurze Betrachtung der vorliegenden Unterlagen sowie der Berücksichtigung eigener Erfahrung.486 Wenn die Anfrage von einem guten Vermittler kommt, wird dieses Screening weniger intensiv durchgeführt.487 Auf die spezifischen Auswahlkriterien, sowohl die gesellschaftsspezifischen als auch die generischen, wird hier nicht näher eingegangen, da sich Abschnitt 3.3.2 detailliert mit den Auswahlkriterien auseinandersetzt. Die Entscheidungen beim Screening sind nicht immer eindeutig. z.B. zeigen FRIED/HISRICH (1994), dass 2 von 18 Finanzierungsanfragen beim generischen Screening fast eine Absage erteilt worden wäre, dann aber doch weiter geprüft wurde und letztlich sogar ein Finanzierungsvertrag unterschrieben wurde.488 Wie bereits angeführt, verlangt der Großteil der Venture-Capital-Gesellschaften mit der Finanzierungsanfrage einen Businessplan.489 Er ist die wichtigste Informationsbasis zu Beginn des Auswahlprozesses. Kommt eine Finanzierungsanfrage ohne Businessplan, wird diese mitunter gar nicht bearbeitet und das kapitalsuchende Unternehmen gebeten, die Anfrage erneut mit einem Businessplan zuzuschicken.490

485

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 34; Hall/Hofer (1993), S. 37, 40; Boocock/Woods (1997), S. 45, 49. Gesellschaftsspezifisch bezieht sich auf die Venture-Capital-Gesellschaft. Es ist die juristische Gesellschaft gemeint und nicht soziologisch eine Gemeinschaft von Menschen.

486

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 32.

487

Vgl. Wells (1974), S. 97; Fried/Hisrich (1994), S. 32.

488

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 34f.

489

Vgl. Wells (1974), S. 90; Sweeting (1991), S. 611; Hall/Hofer (1993), S. 40; Fried/Hisrich (1994), S. 32; Boocock/Woods (1997), S. 54; Zacharakis/Meyer (2000), S. 326. Selbst 75% der Business Angels, die typischerweise in einem früheren Entwicklungsstadium in Unternehmen investieren, verlangen einen Businessplan; vgl. Mason/Harrison (1996a), S. 112.

490

Vgl. Wells (1974), S. 82, 90; Boocock/Woods (1997), S. 49; Hall/Hofer (1993), S. 34ff.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

129

Obwohl der Businessplan bei den meisten Venture-Capital-Gesellschaften eine Voraussetzung für die Prüfung der Finanzierungsanfrage ist, findet man in vielen Studien Hinweise auf eine Minderheit, die dem Businessplan keine wesentliche Bedeutung beimisst. WELLS (1974) zitiert z.B. einen Venture Capitalist, der angibt, 85% der Zeit mit der Analyse des Businessplans zu verbringen und 15% der Zeit mit der Analyse der Gründer, die Entscheidung aber zu 85% auf den Gründern aufbaut und nur zu 15% auf dem Businessplan.491 WREDE (1987) zitiert einen Venture Capitalist mit den Worten: „I would say, and I am sure the others here would agree, we find not a terribly high correlation between the quality of a business plan and the investments we may make. Sometimes some of the best investments we make have the least developed business plans“.492 Von den Business Angels hält sogar ein Viertel den Businessplan für unwichtig.493 Diese Minderheit der Venture-Capital-Gesellschaften ist interessant vor dem Hintergrund jüngerer Studien, welche die Bedeutung des Businessplans kritisch hinterfragen, nachdem er über Jahrzehnte obligatorischer Bestandteil des Bewerbungsprozesses bei Venture-Capital-Gesellschaften und der Entrepreneurship-Ausbildung war.494 Denn jüngere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich Gründungen mit einem Businessplan nicht besser oder schlechter entwickeln als Gründungen ohne Businessplan und dass nachträgliche Abweichungen vom Businessplan keine negativen Auswirkungen auf den Erfolg haben.495 Zweifelsfrei ist es aus Sicht des kapitalsuchenden Unternehmens sinnvoll, einen Businessplan zu schreiben, falls dies von der Venture-Capital-Gesellschaft verlangt wird. Sicherlich kann ein Businessplan für Gründer in bestimmten Situationen auch als sinnvolles Planungsinstrument dienen, u.a. weil es den Gründer zwingt, sich strukturiert Gedanken über die wesentlichen Mechanismen zu machen, mit denen das Unternehmen die geplante Rendite erreichen möchte. Es stellt sich aber die Frage, ob der Businessplan Venture-Capital-Gesellschaften die Informationen liefert und den Mehr-

491

Vgl. Wells (1974), S. 135.

492

Wrede (1987), S. 84.

493

Vgl. Mason/Harrison (1996a), 112.

494

Vgl. Bygrave (2007), S. 25f.

495

Vgl. Lange et al. (2007), S. 249, 253.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

130

wert in der Investitionsentscheidung bietet, die sie sich von ihm erhoffen. Insbesondere die Tatsache, dass selbst von den Unternehmen, die einen Businessplan geschrieben haben, der Großteil bei der Umsetzung erheblich von dem ursprünglichen Plan abweicht, zieht den Sinn von Businessplänen in Zweifel.496 Gleichwohl wird der Businessplan auch als Screening-Instrument genutzt, um herauszufinden, wie ernst es die Gründer mit ihrer Idee meinen. Nur wer die Zeit aufbringt, einen Businessplan zu verfassen, hat ein Mindestmaß an Willen, die Geschäftsidee auch umzusetzen, so die Logik.

3.3.1.4 Due Diligence Nach erfolgreichem Abschluss der Screening-Phase beginnt die Due-Diligence-Phase. Ziel dieser Phase ist es vor allem, die Unsicherheit über die Erfolgsaussichten abzubauen und somit die Qualität der Auswahlentscheidung zu erhöhen. Weiterhin sollen auch die Informationsasymmetrien hinsichtlich der Erfolgsaussichten der zu prüfenden Investition zwischen dem Unternehmen und der Gesellschaft verringert werden. Wie zu Beginn dieses Kapitels gezeigt wurde, bestehen Informationsasymmetrien, weil das Unternehmen die Erfolgsaussichten besser einschätzen kann als die Venture-CapitalGesellschaft. Diese Informationsasymmetrien können zu einer adversen Selektion führen.497 Die Due-Diligence-Phase ist somit eine Form der Versicherung gegen potenziell auftretende adverse Selektion.498 Die Dauer der Due Diligence liegt bei etwa einem bis sechs Monaten; Indizien sprechen dafür, dass die Due-Diligence-Phase bei US-amerikanischen Venture-Capital-Gesellschaften etwas kürzer ist als bei deutschen Gesellschaften.499 Über die Gründe kann nur spekuliert werden. Mitunter ist es die größere Erfahrung der amerikanischen Gesellschaften, vielleicht aber auch die höhere Risikobereitschaft, die den Amerikanern nachgesagt wird.

496

Vgl. für einen Überblick über entsprechende Ergebnisse Lange et al. (2007), S. 241f.

497

Vgl. Sahlman (1990), S. 473, 475ff.; Wright/Robbie (1996), S. 154.

498

Vgl. Arthurs/Busenitz (2003), S. 150.

499

Vgl. Jessen (2001), S. 219, 228, 239, 248, 257, 266, 275, 284, 293, 303: Er vergleicht fünf deutsche mit fünf US-amerikanischen Venture-Capital-Gesellschaften anhand von Fallstudien. Es lässt sich daher keine statistische Aussage treffen.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

131

Abweichend vom TYEBJEE/BRUNO (1984)-Modell unterteilen FRIED/HISRICH (1994) die Due-Diligence in zwei Phasen, die nach Einschätzung der Autoren jedoch nicht trennscharf sind. Das Ziel im ersten Schritt ist es, herauszufinden, ob die Finanzierungsanfrage ein lohnendes Investment darstellen könnte. Im zweiten Schritt hat der Venture Capitalist im Grunde die Entscheidung getroffen, dass dem so ist, und konzentriert sich auf die Identifizierung von Hindernissen und Problemen, die vor einer Vertragsunterzeichnung beseitigt werden müssen. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass die Anteilspreisfindung laut FRIED/HISRICH (1994) bereits vor der zweiten Due-Diligence-Phase diskutiert wird, wenn auch nicht abschließend. Tyebjee/Bruno sehen die Anteilspreisfindung erst als Teil der Strukturierungsphase vor.500 Tabelle 7 gibt einen Überblick über die Aktivitäten, die in der Due-Diligence-Phase durchgeführt werden, und zeigt den Prozentsatz der Venture-Capital-Gesellschaften, bei denen die Aktivität zur Due-Diligence-Phase gehört. Der erste Schritt ist meist ein Treffen mit dem Unternehmer, dem eine Reihe von Treffen mit allen Managementmitgliedern folgt. Diese Treffen haben zum Ziel, das Verständnis für das Unternehmen zu erhöhen und die maßgeblichen Akteure des Unternehmens zu beurteilen.501 Im Fokus stehen das Verständnis des Geschäftsmodells und des Marktes sowie die Zusammensetzung und Interaktion des Managementteams.502 Um das Management umfassend bewerten zu können, verlassen sich Venture Capitalists nicht nur auf die eigene Einschätzung, sondern führen auch umfangreiche Referenzprüfungen durch. FRIED/HISRICH (1994) zitieren einen Venture Capitalist, der einen wesentlichen Erfolgsfaktor in der Fähigkeit sieht, andere dazu zu bringen, offen über den Unternehmer zu reden.503 Sie kontaktieren verschiedenste Stakeholder vom Lieferanten bis zum potenziellen Kunden, um zu einer Einschätzung des Unternehmens zu kommen.504 Die so eingeholten Informationen sowie die Informationen im Businessplan, gepaart mit der meist bestehenden Schwierigkeit, den relevanten Markt abzugrenzen, machen in vielen Fällen eine Marktstudie überflüssig, die daher nur recht selten erstellt wird. Eine weitere wichtige Informationsquelle sind Manager aus be-

500

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 34.

501

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 32f.

502

Vgl. Sweeting (1991), S. 613.

503

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 32f.

504

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 32.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

132

stehenden Portfoliogesellschaften und andere Venture Capitalists.505 Ein umfangreiches Netzwerk ist die entscheidende Voraussetzung, um mit Hilfe von verschiedenen Experten die Unsicherheit über das Unternehmen zu reduzieren.506 Die Finanzplanung wird auf das Gewinnwachstumspotenzial sowie die Tiefe des Verständnisses der Manager und deren Realismus hin überprüft.507 Aktivitäten

Anteil

Interview mit gesamtem Managementteam

100%

Vor-Ort-Besuch

100%

Ehemalige Kollegen des Unternehmers kontaktieren

96%

Bestehende externe Investoren kontaktieren

96%

Aktuelle Kunden kontaktieren

93%

Potenzielle Kunden kontaktieren

90%

Marktwert vergleichbarer Unternehmen erkunden

86%

Informelle Diskussionen mit Experten über das Produkt

84%

Untersuchung der Finanzplanung des Unternehmens

84%

Wettbewerber kontaktieren

71%

Banken kontaktieren

62%

Meinung der Manager anderer Portfoliounternehmen einholen

56%

Zulieferer kontaktieren

53%

Meinung anderer Venture-Capital-Gesellschaften einholen

52%

Wirtschaftsprüfer kontaktieren

47%

Rechtsanwalt kontaktieren

44%

Nachforschungen in Bibliothek(en) anstellen

40%

Technische Überprüfung des Produktes durchführen (lassen)

36%

Marktstudie erstellen (lassen)

31%

Tabelle 7: Due-Diligence-Aktivitäten

508

Die Due-Diligence-Phase ist aufgrund dieser Aktivitäten für die Venture-CapitalGesellschaft deutlich ressourcenaufwendiger als die Screening-Phase. Sie greift nicht mehr nur auf die ihr vorliegenden Informationen in Form des Businessplans und der

505

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 33.

506

Vgl. Sweeting (1991), S. 613.

507

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 32ff. Dixon (1991) kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: 93% der Venture Capitalists bewerten eine Finanzierungsanfrage mit Blick auf die erwartete Verzinsung (IRR). Vgl. auch Sweeting (1991), S. 613. Für eine deutsche, ausführlichere Darstellung des DueDiligence-Prozesses vgl. Natusch (2002).

508

Fried/Hisrich (1994), S. 33.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

133

Erfahrung der Mitarbeiter zurück. Es werden nun unter erheblichem Aufwand auch Informationen gesammelt, um die Angaben im Businessplan auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.509 Meist wird ein interner Due-Diligence-Report erstellt.510 Dieser DueDiligence-Report wird von den europäischen Venture-Capital-Gesellschaften als wichtigste Informationsbasis für die Auswahlentscheidung angesehen.511 Es folgen die Stimmigkeit des Businessplans, Bilanz und Gewinn-und-Verlust-Rechnung sowie an vierter Stelle der Lebenslauf des Managementteams.512 Bei der Einschätzung des Risikos rangiert das Management auf dem vordersten Platz, vor dem Produktmarkt und dem finanziellen Engagement des Managements.513 Die Führungskräfte der VentureCapital-Gesellschaften sind sehr stark selbst in die Due Diligence involviert. Da viel Erfahrung und Wissen für die Entscheidungsfindung notwendig ist, kann sie nur eingeschränkt an jüngere, unerfahrene Mitarbeiter delegiert werden. Dies spiegelt sich auch in dem geringen Verhältnis von Analysten zu Partnern wider.514 Da das Management als besonders wichtig für die Erfolgsaussichten angesehen wird, stellt die Bewertung des Managements einen wichtigen Teil der Due Diligence dar. Dabei stellt sich die Frage, wie Venture Capitalists bei der Humankapitalbewertung eines Unternehmens vorgehen. SMART (1999) zeigt, dass Venture Capitalists durchschnittlich 120 Stunden für die Bewertung des Managements aufwenden. Die erste Tätigkeit ist die Job-Analyse: Welche Art von Humankapital wird speziell für dieses Unternehmen benötigt, um zu überleben und zu wachsen?515 Die eigentliche Bewertung kann in verschiedene Methoden unterteilt werden (in Klammern befindet sich die durchschnittlich darauf verwendete Stundenzahl): Arbeitsbeispiel516 (64), Interviews

509

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 32.

510

Vgl. Wright/Robbie (1996), S. 157; Manigart et al. (1997), S. 34f.; Kaplan/Strömberg (2004), S. 2181.

511

Vgl. Manigart et al. (1997), S. 35.

512

Vgl. Manigart et al. (1997), S. 35.

513

Vgl. Manigart et al. (1997), S. 36.

514

Vgl. Willert/zu Knyphausen-Aufsess (2008), S. 39ff. Vgl. Abschnitt 2.4.3.

515

Vgl. Smart (1999), S. 62f.

516

Darunter versteht man die Befragung des Interviewten zu seiner Reaktion in hypothetischen Situationen, z.B: Was würden Sie machen, wenn...?, Wie würden Sie…?, Was wissen Sie über diese Industrie? Vgl. Smart (1999), S. 64.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

134

mit Referenzpersonen (20), biografische Interviews (17), Dokumentenanalyse (4).517 Die unterschiedlichen Bewertungsmethoden erklären gut die Varianz der Bewertungsqualität (R2 = 0,83).518 Statistisch signifikanten positiven Einfluss auf die Humankapitalbewertung haben bei Frühphasengesellschaften biografische Interviews, gefolgt von Arbeitsbeispielen. Bei Spätphasengesellschaften haben biografische Interviews ebenfalls signifikanten positiven Einfluss, Arbeitsbeispiele beeinflussen die Bewertungsqualität dagegen negativ.519 Der Autor vermutet, dass der Grund in einer unterschiedlichen Art der Arbeitsbeispiele liegt: Bei Frühphasengellschaften werden Arbeitsbeispiele in einer eher kooperativen, bei Spätphasengesellschaften in einer kompetitiven Atmosphäre durchgeführt.520 Eine weitere Erklärung könnte auch die Erkenntnis anderer Studien sein, dass mehr Informationen zu schlechteren Bewertungsergebnissen führen.521 Eine weitere überraschende Erkenntnis des Autors ist der negative Zusammenhang zwischen der Größe der Venture-Capital-Gesellschaft und der Bewertungsqualität.522 In einem weiteren Teil der Studie werden die Venture Capitalists in sieben Gruppen unterteilt. Die erfolgreichste Gruppe mit einer durchschnittlichen Rendite von 80% sind die „Piloten“, zu denen 13% der Venture Capitalists zählen: Sie glauben, dass man Humankapital sinnvoll bewerten kann, die Quantität der gesammelten Daten ist durchschnittlich, es werden ausbalanciert mehrere Methoden zur Bewertung verwendet und die Systematisierung bei der Auswertung ist hoch.523 Zwischen unabhängigen und abhängigen Venture-Capital-Gesellschaften bestehen Unterschiede bei der Durchführung der Due Diligence, dies zeigen VAN OSNABRUGGE/ROBINSON (2001). Unabhängige Venture-Capital-Gesellschaften führen eine umfangreichere Due Diligence durch und legen mehr Wert auf die erwartete

517

Das Assessment-Center als weitere etablierte Methode wurde von keinem Venture Capitalist genutzt. Psychologische Tests wurden von 3% der befragten VCs genutzt; vgl. Smart (1999), S. 67.

518

Die Bewertungsqualität ergibt sich aus der Abweichung der tatsächlichen Qualität des Managements von der Qualitätseinschätzung nach der Due Diligence; vgl. Smart (1999), S. 62, 68.

519

Vgl. Smart (1999), S. 68f.

520

Vgl. Smart (1999), S. 69.

521

Vgl. Zacharakis/Shepherd (2001), S. 323f.

522

Vgl. Smart (1999), S. 69.

523

Vgl. Smart (1999), S. 71.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

135

Rendite. Vermutlich sind diese Unterschiede auf einen höheren Agency-Druck zurückzuführen, denn die Informationsasymmetrien zwischen den Investoren und der Venture-Capital-Gesellschaft sind bei unabhängigen Venture-Capital-Gesellschaften höher als bei abhängigen.524 Umfangreich werden in der Literatur Eingriffe der Venture-Capital-Gesellschaft in die Geschicke der Portfoliounternehmen besprochen.525 Weniger bekannt ist, dass sie auch schon vor der Vertragsunterzeichnung eingreifen oder zumindest planen einzugreifen: In 16% der Fälle greift die Venture-Capital-Gesellschaft bereits vor der Vertragsunterzeichnung ins Management ein durch zusätzliche Einstellungen oder durch Ersetzen einzelner Manager.526 In 43% der Fälle ist die Venture-Capital-Gesellschaft entschlossen, nach der Vertragsunterzeichnung zusätzliches Management zu suchen oder aber Management auszutauschen.527 Nimmt man beide Größen zusammen, zeigt sich, dass Venture-Capital-Gesellschaften in 51% der Fälle vor der Vertragsunterzeichnung in die Managementzusammensetzung eingreifen bzw. planen einzugreifen.528 Weniger ausgeprägt ist der Eingriff in die Strategie vor der Vertragsunterzeichnung: 9% der Venture-Capital-Gesellschaften unterstützen das potenzielle Portfoliounternehmen schon vor der Vertragsunterzeichnung bei der Strategieentwicklung. Weitere 25% planen entsprechende Maßnahmen für die Zeit nach der Vertragsunterzeichnung. Insgesamt sind es 34%, die vor der Vertragsunterzeichnung bereits unterstützen oder planen, dies nach der Vertragsunterzeichnung zu tun.529

524

Vgl. van Osnabrugge/Robinson (2001), S. 37.

525

Vgl. MacMillan/Kulow/Khoylian Large/Muegge (2008).

526

Vgl. Kaplan/Strömberg (2004), S. 2194.

(1988);

Gorman/Sahlman

(1989);

Fingerle

(2005);

527

Vgl. Kaplan/Strömberg (2004), S. 2194.

528

Einige Venture-Capital-Gesellschaften greifen vor Vertragsunterzeichnung ein und planen darüber hinaus nach Vertragsunterzeichnung einzugreifen, daher beläuft sich der Gesamtanteil nicht auf 59%.

529

Vgl. Kaplan/Strömberg (2004), S. 2194.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

136 3.3.1.5 Strukturierung

Wenn ein Unternehmen die Prüfung in der Due-Diligence-Phase übersteht, darf von einem grundsätzlichen Interesse an einer Investition ausgegangen werden. In der Strukturierungsphase muss dann eine konkrete vertragliche Vereinbarung getroffen werden, die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien regelt. Die Verträge adressieren drei grundlegende Probleme im Verhältnis zwischen Venture-Capital-Gesellschaft und Unternehmen: die Auswahl der besten Unternehmen und Gründer mit Hilfe von Selbstselektionsmechanismen, die Reduzierung der Agency-Kosten und die Reduzierung der operativen Kosten, die anfallen können.530 Zu einer positiven Selbstselektion kommt es, wenn der Finanzierungsvertrag nur für Unternehmen attraktiv ist, die selbst davon überzeugt sind, dass sich das Unternehmen positiv entwickeln wird. Der Vertrag ist so gestaltet, dass er für alle anderen, die vom Erfolg nicht überzeugt sind, unattraktiv ist. Falls es gelingt, einen solchen Vertrag anzubieten signalisieren die Unternehmen mit ihrer Entscheidung für oder wider dem Vertrag, ob sie selbst vom Erfolg des eigenen Unternehmens überzeugt sind. Eine wesentliche Voraussetzung für das Zustandekommen eines Vertrages ist, dass sich beide Parteien auf einen Preis einigen. Es muss eine Übereinkunft erzielt werden, welchen Anteil am Unternehmen die Venture-Capital-Gesellschaft als Gegenleistung für eine bestimmte Summe an investiertem Kapital erhält. Des Weiteren wird eine ganze Reihe von vertraglichen Vereinbarungen getroffen, mit denen die VentureCapital-Gesellschaft beabsichtigt, eine Interessenskongruenz zwischen VentureCapital-Gesellschaft und Portfoliounternehmen herzustellen und damit die AgencyKosten zu reduzieren.531 Hinzu kommt, dass Venture-Capital-Gesellschaften nicht zu Beginn die gesamte Summe vertraglich zusichern, die benötigt wird, bis sich das Unternehmen aus dem eigenen Cashflow finanzieren kann. Vielmehr werden immer nur einzelne Entwicklungsstufen finanziert und weitere Finanzmittelzusagen an das Erreichen von Meilensteinen geknüpft oder es wird von vornherein nur ein Teil der benötigten Mittel zugesagt. Im zweiten Fall investiert eine Venture-Capital-

530

Vgl. Sahlman (1990), S. 474.

531

Die Darstellung der rechtlichen Regelungen, die das Verhältnis zwischen Venture-CapitalGesellschaft und Unternehmen typischerweise regeln, geht über die Möglichkeiten dieser Arbeit hinaus. Vgl. für einen Überblick Sahlman (1990), S. 503ff.; Fingerle (2005), S. 103ff.; Weitnauer (2007), S. 265ff.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

137

Gesellschaft typischerweise mehrfach in das gleiche Unternehmen, es kommt zu den sogenannten Finanzierungsrunden.532 Im Idealfall steigt der Wert des Unternehmens mit jeder Finanzierungsrunde. Obwohl in der Strukturierungsphase beide Parteien bereits viel Zeit in das Zustandekommen des Vertrages investiert haben, zeigen FRIED/HISRICH (1994), dass etwa 20% der Deals kurz vor der Vertragsunterzeichnung scheitern.533 In Deutschland liegt dieser Anteil noch höher. Bei den Venture-Capital-Gesellschaften kommt es nur etwa bei einem Drittel der Unternehmen, welche die Due-Diligence-Phase überstehen, zu einer Vertragsunterzeichnung534 – dabei besteht bei diesen Unternehmen seitens der Venture-Capital-Gesellschaft bereits der Wille zu investieren. In diesen Fällen kommt meist kein Vertrag zustande, weil entweder ein anderer Investor bevorzugt wurde, z.B. weil er einen höheren Preis für Anteile geboten hat (25% der Fälle), oder weil das Unternehmen sich gänzlich gegen eine Finanzierung entschieden hat (31% der Fälle).535 Bei den Unternehmen, die sich gänzlich gegen eine Finanzierung entschieden haben, kommen zwei Erklärungen in Betracht. Zum einen ist denkbar, dass sich hier adverse Selektion zeigt: Das Angebot der Venture-Capital-Gesellschaft ist nicht attraktiv genug und gerade die guten Business Ventures suchen eine andere Art der Finanzierung. Die zweite Erklärung ist, dass es der Venture-Capital-Gesellschaft gelingt, die Verträge so zu gestalten, dass sie nur für die aussichtsreichen Gründer und ihre Unternehmen interessant sind.536 Zur tatsächlichen Vertragsunterzeichnung kommt es nur bei sehr wenigen Unternehmen, die von den Venture-CapitalGesellschaften geprüft werden. Die Literatur angegebene Bandbreite reicht von 1% bis 10% der Unternehmen, die sich für eine Finanzierung bewerben.537 Die jüngste Unter-

532

Vgl. Sahlman (1990), S. 503, 506ff.; Tykvová (2007), S. 75ff.

533

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 34.

534

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 44. Die Studie umfasst auch späte Phasen spezialisierter Private-Equity-Gesellschaften.

535

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 48ff. Bei 33% führte ein sonstiger Grund zum Nichtzustandekommen des Deals und bei 11% ist der Grund für das Scheitern unbekannt.

536

Vgl. Schulz (2000), S. 67ff.; Duffner (2003), S. 84f.

537

Vgl. Schröder (1992), S. 162f.; Vater (2003), S. 153; Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 44; Böhner (2007), S. 43.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

138

suchung aus Deutschland deutet aber eher darauf hin, dass die Angaben am unteren Ende der Bandbreite realistisch sind.538

3.3.2 Auswahlkriterien Die Auswahlkriterien von Venture-Capital-Gesellschaften werden in der Literatur ausführlich diskutiert. Viele der Erkenntnisse sind auch für Venture-PhilanthropyGesellschaften relevant. Wie MILLER/WESLEY zeigen, sind für sie klassische Auswahlkriterien aus dem Entrepreneurship- und Venture-Capital-Sektor deutlich wichtiger für die Einschätzung der Effektivität einer Organisation als die sozialen Kriterien.539 Diese Erkenntnis unterstreicht die Relevanz der Venture-Capital-Literatur für die Venture-Philanthropy-Forschung. Ein weiterer Grund für die Darstellung sind die verwendeten Methoden, die jeweils Vor- und Nachteile mit sich bringen. Im Rahmen dieses Kapitels werden sie kritisch betrachtet und dienen somit der Hinleitung zur Fallstudienanalyse und der Auswahl der eigenen Untersuchungsmethode. Das Ziel des oben dargestellten Auswahlprozesses ist es, aussichtsreiche Unternehmen zu identifizieren. Im Mittelpunkt zahlreicher Untersuchungen steht daher die Frage, woran erkennbar ist, dass sie aussichtsreich sind. Die implizite Annahme ist dabei, dass es Venture-Capital-Gesellschaften als Experten gelingt, tatsächlich aussichtsreiche von nichtaussichtsreichen Unternehmen zu unterscheiden und es daher Sinn macht, die dabei genutzten Auswahlkriterien zu analysieren. Diese Auswahlkriterien lassen sich, wie bereits unter 3.3.1.3 angedeutet, in die gesellschaftsspezifischen und die generischen Kriterien unterteilen.

538

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 44.

539

Vgl. Miller/Wesley (in Druck), S. 28: Die abhängige Variable ist „Venture Effectiveness“. Die sozialen Kriterien erklären 5%, die Entrepreneurship-Kriterien 47% der Varianz. Gleichwohl korreliert der Fokus der Venture-Philanthropy-Gesellschaft mit der Bedeutung der sozialen Kriterien. Gesellschaften, die stärker auf die soziale Rendite achten, legen auch mehr Wert auf die sozialen Auswahlkriterien: Interaktionsterme mit dem Fokus der Venture-PhilanthropyGesellschaften (stärker auf Social Ventures oder stärker auf klassische Unternehmen ausgerichtet) erklären weitere 26% der Varianz.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

139

3.3.2.1 Gesellschaftsspezifische Kriterien Aus der hohen Anzahl der Finanzierungsanfragen filtern Venture-CapitalGesellschaften zunächst diejenigen heraus, die überhaupt in den Fokus der Investitionstätigkeit fallen.540 Es handelt sich um eine Negativauswahl. Die in der Literatur zu findenden gesellschaftsspezifischen Screening-Kriterien lassen sich in fünf Gruppen unterteilen: 1. Die Größe des Investments und die Investitionspolitik der VentureCapital-Gesellschaft541: Venture-Capital-Gesellschaften haben eine Mindestinvestitionssumme, da der Aufwand pro Investment weitestgehend unabhängig von der Größe des Investments ist und sich daher zu kleine Investments nicht lohnen.542 Je kleiner die Investitionssumme, desto größer muss die erwartete Rendite sein, um die Fixkosten der Prüfung und Betreuung, die jeweils weitgehend unabhängig von der Investitionssumme sind, zu decken. Die Obergrenze der Investitionssumme wird bestimmt durch das Ziel, eine Mindestdiversifizierung der Investitionen zu erreichen, um das Risiko des Portfolios zu begrenzen.543 Damit das Risiko der geschlossenen Fonds nicht zu hoch wird, darf eine einzelne Investition meist nicht mehr als 10% des Portfoliowerts ausmachen.544 Um dennoch größere Investitionen tätigen zu können, syndizieren Venture-Capital-Gesellschaften regelmäßig Deals.545 Im Vergleich zu spätphasenfokussierten Private-Equity-Gesellschaften syndizieren Venture-CapitalGesellschaften in Deutschland sehr häufig. Durchschnittlich sind sie bei 84% der Investitionen nicht alleiniger Investor.546 Die Fonds sind meist so klein, dass

540

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1052f.; Fried/Hisrich (1994), S. 32.

541

Vgl. Wells (1974), S. 96; Tyebjee/Bruno (1984), S. 1056 (sie geben bei diesem Kriterium, anders als bei den anderen Kriterien, nicht an, wie viele Venture-Capital-Gesellschaften das Kriterium nutzen); Sahlman (1990), S. 489; Sweeting (1991), S. 609; Hall/Hofer (1993), S. 37; Muzyka/Birley/Leleux (1996), S. 281; Pandey/Jang (1996), S. 506; Boocock/Woods (1997), S. 46.

542

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1056.

543

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1056.

544

Vgl. Wells (1974), S. 92.

545

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1056; Muzyka/Birley/Leleux (1996), S. 282. Vgl. für eine ausführliche Darstellung der Syndizierung von Venture-Capital-Gesellschaften Nathusius (2005).

546

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 71. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1056, geben für die USA an, dass an 56% der Deals mehr als eine Venture-Capital-Gesellschaft beteiligt ist.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

140

sie auf Syndizierung angewiesen sind.547 Durch diese Syndizierung ist die Konkurrenz unter den Venture-Capital-Gesellschaften mitunter nicht so hoch, wie es scheint, wenn man nur die Anzahl der Gesellschaften betrachtet.548 Diese Begrenzungen führen im Ergebnis zu einer durchschnittlichen Investitionssumme deutscher Venture-Capital-Gesellschaften von 2,5 Mio. Euro bei durchschnittlich 12 Portfoliounternehmen.549 2. Die Technologie und der relevante Markt des Unternehmens550: In der Studie von TYEBJEE/BRUNO (1984) nutzen 29 von 46 untersuchten Gesellschaften dieses Kriterium.551 Venture-Capital-Gesellschaften investieren in die Zukunft einer Technologie oder eines gewissen Marktes. Die Gesellschaften müssen daher Know-how in den relevanten Technologien und Märkten besitzen, dies führt indirekt zu einer Spezialisierung.552 Die meisten Studien zeigen auch, dass der Vorteil der Spezialisierung stärker wiegt als die Vorteile der Risikoreduktion durch Diversifizierung.553 Nur wenige Studien geben Hinweise darauf, dass mit zunehmender Diversifizierung zunächst sowohl das Risiko als auch die Rendite steigen, bevor ab einem gewissen Grad der Diversifikation beides absinkt.554 Die Bedeutung des Technologiekriteriums wird durch verschiedene Eigenschaften der Venture-Capital-Gesellschaften beeinflusst. Umso mehr deren Fokus auf frühen Finanzierungsphasen liegt und umso

547

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 16.

548

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1056, die diese Beobachtung in den USA Anfang der 80er Jahre machen.

549

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 15, 17. Die Mindestinvestitionssummen, die deutsche Venture-Capital-Gesellschaften angeben, sind dagegen recht niedrig: 93% der VentureCapital-Gesellschaften geben an, Mindestinvestitionsgrößen von 150.000 Euro oder mehr zu haben, aber nur 21% geben ein Mindestinvestitionsvolumen von mehr als 750.000 Euro an; vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 35.

550

Vgl. Wells (1974), S. 96; Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057; Sahlman (1990), S. 489; Hall/Hofer (1993), S. 37; Fenn/Liang/Prowse (1995), S. 30; Pandey/Jang (1996), S. 506; Kaplan/Strömberg (2004), S. 2193.

551

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057. In Taiwan nutzen 90% dieses Kriterium; vgl. Pandey/Jang (1996), S. 506.

552

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057.

553

Vgl. Norton/Tenenbaum (1993), S. Gompers/Kovner/Lerner (2009), S. 25f.

554

Vgl. Braun/Achleitner (2010).

437;

Dimov/De

Clercq

(2006),

S.

215;

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

141

kleiner die Gesellschaften sind, desto höher ist die Konzentration auf spezielle Industrien.555 Hinzu kommt, dass Venture-Capital-Gesellschaften neue Technologien bzw. junge Märkte gegenüber reifen Technologien und Märkten, den industriellen gegenüber dem Konsumentenmarkt und Produkte gegenüber Dienstleistungen bevorzugen.556 Auf die Konzentration haben auch die Art der Venture-Capital-Gesellschaft Einfluss. Die Konzentration auf bestimmte Industrien ist bei Corporate-Venture-Capital-Gesellschaften mit Industrieunternehmen als Muttergesellschaft höher als bei unabhängigen oder abhängigen Venture-Capital-Gesellschaften mit Finanzinstitutionen als Anteilseigner.557 Dieser Effekt ist auf die strategischen Ziele zurückzuführen, welche die Industrieunternehmen mit ihren Venture-Capital-Gesellschaften auch verfolgen. 3. Geografische Lage des Unternehmens558: In der Studie von TYEBJEE/BRUNO (1984) nutzen 9 von 46 untersuchten Gesellschaften dieses Kriterium.559 Obwohl die meisten es nicht explizit angeben, die Portfolios zeigen eine gewisse geografische Konzentration.560 TYEBJEE/BRUNO (1984) führen dies zum einen darauf zurück, dass Unternehmen häufig in geografischer Nähe nach Kapitalgebern suchen, und zum anderen darauf, dass die Kontrolle der weit entfernt liegenden Unternehmen problematisch ist.561 Als weiteres Argument für geografische Nähe werden Probleme bei der Unterstützung weit entfernt liegender Unternehmen angeführt.562 Besonders hoch ist die geografische

555

Vgl. Gupta/Sapienza (1992), S. 358; Norton/Tenenbaum (1993), S. 437.

556

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057.

557

Vgl. Gupta/Sapienza (1992), S. 358.

558

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057; Silver (1985), S. 80; Sahlman (1990), S. 489; Hall/Hofer (1993), S. 37; Fried/Hisrich (1994), S. 32; Pandey/Jang (1996), S. 506; Kaplan/Strömberg (2004), S. 2193; Proimos/Wright (2005), S. 279.

559

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057.

560

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057.

561

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057; Fenn/Liang/Prowse (1995), S. 34.

562

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057; Silver (1985), S. 80; Fenn/Liang/Prowse (1995), S. 34; Proimos/Wright (2005), S. 279. Lerner (1995), S. 312ff. zeigt, dass ein negativer Zusammenhang zwischen der Entfernung (Venture-Capital-Gesellschaft und Portfoliounternehmen) und der Wahrscheinlichkeit, dass die Venture-Capital-Gesellschaft einen Aufsichtsrat stellt, besteht. Das

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

142

Konzentration bei Venture-Capital-Gesellschaften, die in den frühesten Entwicklungsstufen von Unternehmen investieren.563 4. Finanzierungsphase564: In der Studie von TYEBJEE/BRUNO (1984) sind 22 der 46 untersuchten Gesellschaften auf eine oder mehrere Finanzierungsphasen spezialisiert.565 Das Risiko und damit auch die erwartete Rendite einer Investition nehmen mit der Größe und Historie eines Unternehmens tendenziell ab.566 Der Fokus auf bestimmte Entwicklungsstufen der Unternehmen ist damit auch ein Fokus auf bestimmte Risikoklassen.567 Insbesondere bei Frühphasengesellschaften ist aufgrund des hohen Risikos eine Diversifizierung des Portfolios notwendig. Dies ist auch ein Grund für den oben bereits erwähnten hohen Anteil an Syndizierungen im Venture-Capital-Sektor. Ein weiterer Grund ist, dass sich die Finanzierungsphasen auch bezüglich der typischerweise auftretenden Probleme unterscheiden.568 Der Fokus auf eine Finanzierungsphase ist folglich auch eine Form der Spezialisierung. 5. Businessplan569: Ein vollständiger Businessplan ist, wie bereits erwähnt, eine notwendige Bedingung für ein positiv verlaufendes Screening.570 Auch die Qualität der Darstellung im Businessplan wird berücksichtigt.571 Wie jeweils gezeigt wurde, werden die hier ausgeführten Screening-Kriterien in den hauptsächlich untersuchten angelsächsischen Märkten nicht von allen Gesellschaften

Monitoring entfernt liegender Portfoliounternehmen erfolgt nicht so detailliert wie das Monitoring nah gelegener Portfoliounternehmen. 563

Vgl. Gupta/Sapienza (1992), S. 358.

564

Vgl. Wells (1974), S. 96; Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057; Sahlman (1990), S. 489; Hall/Hofer (1993), S. 34, 37; Fenn/Liang/Prowse (1995), S. 30; Pandey/Jang (1996), S. 506; Boocock/Woods (1997), S. 46f.

565

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1057. In Taiwan nutzen 40% der VCGs dieses Kriterium; vgl. Pandey/Jang (1996), S. 506.

566

Vgl. Paffenholz (2004), S. 70; Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 52.

567

Vgl. Gupta/Sapienza (1992), S. 350; Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 1057.

568

Vgl. Gupta/Sapienza (1992), S. 350; De Clercq et al. (2001), S. 46.

569

Vgl. Wells (1974), S. 96; Hall/Hofer (1993), S. 37, 40; Boocock/Woods (1997), S. 45, 49.

570

Vgl. Abschnitt 3.3.1.3.

571

Vgl. Hall/Hofer (1993), S. 37.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

143

angelegt. Zusätzlich gibt es Hinweise darauf, dass auch der institutionelle Rahmen und die Entwicklungsstufe des Marktes die Anwendung der Kriterien beeinflussen. Beispielsweise werden in weniger entwickelten Venture-Capital-Märkten gesellschaftsspezifische Kriterien, die auch als Spezialisierung interpretiert werden können, weniger angewendet.572

3.3.2.2 Generische Kriterien 3.3.2.2.1

Überblick über die Studien

Nachdem in der Screening-Phase die Anzahl der Finanzierungsanfragen mit Hilfe schnell überprüfbarer gesellschaftsspezifischer Kriterien deutlich reduziert wurde, findet in der Due-Diligence-Phase die Prüfung der Anfragen auf der Basis von generischen Kriterien statt. Im Gegensatz zu den gesellschaftsspezifischen Kriterien handelt es sich bei der Auswahl mit Hilfe der generischen Kriterien um eine Positivauswahl. Seit Mitte der 70er Jahre und in größerem Umfang seit Mitte der 80er Jahre beschäftigt sich ein wesentlicher Strang der Venture-Capital-Forschung mit diesen Auswahlkriterien. Die Auswahlkriterien können grob in fünf Gruppen unterteilt werden: erstens Gründer- und Teamkriterien, zweitens Produkt- bzw. Konzeptkriterien, drittens Marktkriterien, viertens Finanzkriterien und fünftens sonstige Kriterien. Die Studien zur Bedeutung von Auswahlkriterien können wiederum in sieben Typen eingeteilt werden. Die Typen bilden in etwa die Weiterentwicklung der Forschungstätigkeit zu den Auswahlkriterien von Venture-Capital-Gesellschaften ab. Tabelle 8 gibt einen Überblick über die verschiedenen Studientypen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Eine trennscharfe Einteilung in verschiedene Typen ist leider nicht möglich, wenn – wie hier geschehen – verschiedene Merkmale mit sich überschneidenden Merkmalsausprägungen für die Typenbildung herangezogen werden und in einer Studie teilweise mehrere Studientypen vereint sind. Es ist also durchaus möglich, auch eine andere Einteilung der Studien vorzunehmen.

572

Vgl. Muzyka/Birley/Leleux (1996), S. 282; Proimos/Wright (2005), S. 279; Bliss (1999), S. 250.

Untersuchungsgegenstand

Häufigkeiten (% der Nennungen als häufigster Ablehnungsgrund) Häufigkeiten (Nennung durch Anteil der Interviewten)

Ablehnungsgründe

Johnson (1979)

Tabelle 8: Literaturüberblick Bedeutung von Auswahlkriterien

Auswahlkriterien

Auswahlkriterien

Sweeting (1991)

Fried/ Hisrich (1994)

Verbal deskriptiv

Häufigkeiten (% der Nennungen) und Rating (1=not important; 6=very important) Verbal deskriptiv

Dixon (1991) Auswahlkriterien

Auswahlkriterien

Wrede (1987) Auswahlkriterien

Robinson (1987)

Rating (1=irrelevant; 4=essential), FaktorAnalyse, ClusterAnalyse Rating (1=sehr unwichtig, 5=sehr wichtig), FaktorAnalyse Verbal deskriptiv

MacMillan et Auswahlkriterien al. (1985)

Auswahlkriterien Tyebjee/ Bruno (1984) Studie 1

Ranking

Auswahlkriterien

Rating (10=sehr wichtig, 1= unwichtig)

Skala / Methode

Poindexter (1976)

Wells (1974) Auswahlkriterien

Studie

/

Interviews, Fragebogen

Strukturierte Interviews

Strukturierte Interviews

/

Auswahlprozessstufe

Interviews

Fragebogen

/

/

Fragebogen

/

Explorativ

Explorativ

Explorativ

18 VCs / USA Explorativ

4 VCGs / UK

30 VCs / UK

8 VCGS, 1 BA/ Explorativ Deutsch-land

53 VCGs / USA

Explorativ

Explorativ

46 VCGs / USA

Telefoninterviews (offene Fragen)

/

100 VCGs / USA

Explorativ

10 Mitarbeiter Explorativ von 7 VCGs / USA 97 VCGs / Explorativ USA

16

~7

6

/

15

27

12

13

13

12

A: Deskriptive Studien

TheoreAnzahl tisches Kriterien Fundament

144 VCGs / USA

Fragebogen

Strukturierte Interviews

Stichprobe / Region

Halb-öffentliche Fragebogen (offene Fragen) vs. private VCGs

/

/

Vgl.-Gruppen / ErhebungsKontrollmethode variablen

Identifizieren Kriterien, die alle VCGs anlegen. Concept: Potential for earnings growth, New business idea, Competitive advantage, Reasonable overall capital requirement. Management: Integrity, Good track record, Realistic, Ability to identify risks, Hardworking, Flexible, Thorough understanding of the business, Leadership under extreme pressure, General management experience. Returns: Exit opportunity, Exit in 3-10 years, Hurdle rate 30-70%.

Ein standardisierter Kriterienkatalog kann laut der VCGs aufgrund der Verschiedenheit der Einzelinvestments nicht festgelegt werden. VCGs haben die größte Unsicherheit bezüglich der Nutzeneinschätzung der Innovation, sowie der erfolgsbestimmenden Eigenschaften der Unternehmerperson. Die 6 wichtigsten Einzelkriterien: Investee managerial experience in the sector (93%/5,11), Market sector (90%/4,03), Marketing skills of management team (73%/4,73), Project growth in turnover (70%/4,71), Size of Investee's investment in relation to means (70%/4,1), Financial skills of management team (70%/4,05). Teils separate Kriterien für Screening und DD. Screening-Kriterien: Sound knowledge of target markets, Good prospects of above average returns, Product protection, Management ability to capture shares in established market or strong position in growing market, Good export possibilities. DD-Kriterien: Management grasp of business, Team working together, Financial projections and history, Team's understanding of underfunding, Product in view, Good cash flows (expected), Consistent quantitative data.

Die wichtigsten 5 Einzelkriterien: Capabable of sustained intense effort (3,6), Thouroughly familiar with the market (3,58), I require a return equal to at least 10 times my investment within 510 years (3,42), Demonstrated leadership ability in the past (3,41), The target market enjoys a significant growth rate (3,34). Die 5 wichtigsten Einzelkriterien: Personal motivation (4,6), Managerial skills (4,5), Managerial experience (4,4), Substantiated growth objectives (4,2), Growth industry (4,1).

Die wichtigsten 5 Einzelkriterien: Management skills and history (89%), Market size/growth (50%), Rate of return (46%), Market niche/position (20%), Financial history (11%).

Management: Quality (33%), Experience (6%). Finance: Capitalization (6%), Past profits (4%), Future profits (11%), Viability (9%), Other (2%). Marketing: Product (2%), Market (1%). Policy: General (5%), Specific (4%), Other (2%). Business plan (11%).

Die wichtigsten 5 Einzelkriterien: 1. Quality of management, 2. Expected rate of return, 3. Expected overall risk in the investment, 4. Percentage of the venture the investor will own after the deal is completed, 5. Requirement that management have a substantial stake in the firm.

Die wichtigsten 5 Einzelkriterien: Management commitment (10), Product (8,8), Market (8,3), Management marketing skills (8,2), Management engineering skills (7,4).

Relevante Ergebnisse

144 3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

Tabelle 8 Fortsetzung:

Literaturüberblick Bedeutung von Auswahlkriterien

Rating, Regression

Auswahlkriterien

Kuckertz (2006)

Häufigkeiten (% der verbalisierten Gedanken)

Häufigkeit der Nennung als Ablehnungsgrund

Ablehnungsgründe

Auswahlprozessstufe

Investortyp (Bank, BA, VCG)

Auswahlprozessstufe

Häufigkeit der NenAuswahlnung als Ablehnungs- prozessstufe grund; Anteil der Kriterien an geäußerten Gedanken

Ablehnungsgründe

Entwicklungsstadium der Unternehmen

Rating (1=irrelevant; 4=essential)

Entwicklungsstadium der Unternehmen

High-tech vs. Low-tech; Erfolg Entwicklungsstadium der Unternehmen

Auswahlprozessstufe

/

USA, Kanada, Asien-Pazifik, Europa

TheoreAnzahl tisches Kriterien Fundament

Explorativ

Explorativ

Explorativ

Explorativ

10 Screening- Explorativ & 6 DDProtokolle von 4 VCGs / USA

149 VCGs / USA

72 VCs / USA Explorativ

Case Study ei- Explorativ ner britischen VCG, 232 Finanzierungsanfragen / UK Inhaltsauswer- 30 Screening- Explorativ tung von BeoEntsch. von 10 bachtungen Kapitalg. zu 3 beim Screening Businessvon Businessplänen / UK plänen Fragebogen 81/ Deutsch- Informations land ökonomik

Auswertung interner Dok. einer VCG

55 VCs / Deutschland

31 VCGs / Singapur

6 VCGs / Polen

24

28

/

22

24

27

Die 10 wichtigsten Einzelkriterien: Return on investment (4,9), Technical skills (4,65), Market need for product (4,65), Growth potential of market (4,6), Investment to be easily liquid (4,6), Management skills (4,5), Demonstrated leadership ability (4,45), Production capability (4,3), Size of market (4,3), Marketing skills (4,0). Vergleich mit Fried/Hisrich (1994). In Polen wichtigere Kriterien: kein staatl. Einfluss auf das Unternehmen, Rechts- und Eigentumssicherheit, Berücksichtigung von Inflation und Steuern. Bedeutung von Management-Erfahrung geringer, kaum Exit-Möglichkeiten. Kriterienbedeutung sehr ähnlich MacMillan et al. (1985), USA-VCGs haben etwas höhere Anforderungen als Singarpur-VCGs. Low-tech-Investoren legen auf 4 Kriterien mehr wert als High-tech-Investoren, stärkster Unterschied bei "capable of sustained intense effort". US-VCGs haben insgesamt höhere Kriterienanforderungen. Relativ hat insbesondere die Renditeanforderung bei US-VCGs eine höhere Bedeutung. Relative Kriterienbedeutung bei Managementkriterien ist sehr ähnlich, bei Produkt, Markt und finanziellen Kriterien unähnlich.

Die 7 wichtigsten Einzelkriterien: Sustained intense effort (3,6), Familiar with target market (3,4), Demonstrated leadership (3,4), Market growth rate (3,4), Evaluate and react to risk well (3,2), Have functioning prototype (3,2), 10 times ROI within 5 to 10 years (3,2). Kriterienbedeutung ähnlich MacMillan et al. (1985). US-VCGs haben insgesamt höhere Kriterienanforderungen. Relativ hat insbesondere die Renditeanforderung bei US-VCGs eine höhere Bedeutung.

Relevante Ergebnisse

Anteil an geäußerten Gedanken (Screening/DD): Nature of proposed business (24%/19%), Characteristics of proposal (20%/23%), Entrepreneur (14%/10%), VC-firm requirenments (9%/8%), Financial information (8%/12%), Economic environment (6%/8%), Strategy (1%/3%). Strategie, Finanzielles und Management sind unbedeutende Ablehnungsgründe in der Screeningphase. Nur extrem gutes oder extrem schlechtes Management wird beim Screening berücksichtigt. Kriterienbedeutung abhängig von Auswahlprozessschritt (Chi-Quadrat-Test nicht signifikant). Kriterien: Incomplete plan (31%), Market characteristics (13%), Application withdrawn (11%), Project size (8%), Start-up finance (7%), Management skills/experience (6%), Excessive risks (6%), Lack of USP (4%).

15

Die Unternehmerpersönlichkeit (nicht U.-Qualifikation), die Marktakzeptanz sowie die Investitionsrendite kann in der Screeningphase wesentlich schlechter eingeschätzt werden als der Durchschnitt der Kriterien. Gut eingeschätzt werden kann der Innovationsgrad und die Investitionsstrategie. In der Strukturierungsphase können nur noch Marktakzeptanz und Investitionsrendite wesentlich schlechter als der Durchschnitt eingeschätzt werden.

9 Krit.VCGs: Market (22%), Finance (21%), Entrepreneur (12%), Strategy (11%), Product (7%), kategorien Business Plan (7%), Operations (5%), Investor Fit (1%), Other (14%). Es existieren Unterschiede zwischen Bank-Mitarbeitern auf der einen, VCs und BAs auf der anderen Seite. Zwischen VCs und BA kaum Unterschiede.

10

18

17

Keine Bewertungsunterschiede zwischen Frühphasen- und Spätphasengesellschaften auf Einzelkriterienebene. Es werden die folgenden Faktoren identifiziert: Competitive risk, Bail-out risk, Investment risk, Management risk, Leadership risk, Implementation risk. Die Faktoranalyse zeigt, dass Spätphasengesellschaften, mit der Ausnahme des Faktors "bail-out risk", alle Faktoren als wichtiger betrachten. Spätphasengesellschaften benötigen mehr Zeit für den Auswahlprozess und verlangen häufiger einen Managementwechsel. Keine signifikanten Unterschiede zwischen Früh- und Spätphasengesellschaften bei MangementKriterien. Signifikante Unterschiede bei Produkt, Markt und Finanzkriterien.

C: Deskriptive Studien mit Vergleichsgruppen

Fragebogen (Anlehnung an MacMillan et al. (1985)-Kriterien) Inhaltsauswertung von Beobachtungen beim Screening

Fragebogen

Fragebogen (MacMillan et al. (1985)-Kriterien) Fragebogen (MacMillan et al. (1985)-Krit.)

Interviews (offene Fragen)

Fragebogen 476 VCs / US, Explorativ (MacMillan et al. Kanada, Asien(1985)-Kriterien) Pazifik, Europa Fragebogen 20 VCGs / Explorativ Taiwan

Explorativ

B: Deskriptive Validierungs-Studien

Stichprobe / Region

USA, Singapur Fragebogen 5 VCGs / (MacMillan et al. Singapur (1985)-Kriterien)

Vgl.-Gruppen / ErhebungsKontrollmethode variablen

Auswahlkriterien

Mason/ Stark Auswahlkriterien (2002)

Boocock/ Woods (1997)

Elango/ Fried/ Hisrich (1995) Hall/ Hofer (1993)

Carter/ Van Auswahlkriterien Auken (1994)

Rating (1=very important, 5=not important), Faktoranalyse

Rating (1=irrelevant; 4=essentiell), Faktoranalyse

Auswahlkriterien

Brettel (2002)

Rating (1=irrelevant; 4=essential)

Verbal deskriptiv

Auswahlkriterien

Bliss (1999)

Zutshi et al. Auswahlkriterien (1999)

Rating (5=most important, 1= least important)

Rating (1=irrelevant; 4=essential)

Knigt (1994) Auswahlkriterien

Auswahlkriterien

Rating (1=irrelevant; 4=essential)

Auswahlkriterien

Ray (1991)

Pandey/ Jang (1996)

Skala / Methode

Untersuchungsgegenstand

Studie

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien 145

Tabelle 8 Fortsetzung: Conjoint-Analyse 66 VCs von 47 IndustrieVCGs / ökonomik, Australien strateg. Managem. Conjoint-Analyse 66 VCs von 47 IndustrieVCGs / ökonomik, Australien strateg. Managem.

/

/

Regression, ANOVA

Regression, ANOVA

Zusammenhang zw. Auswahlkr. und Einschätzung der Überlebenswahrscheinlichkeit Shepherd et Zusammenhang zwischen Auswahlkr. al. (2000) und Profitabilität

Explorativ

Conjoint-Analyse 10-30 Untern. Explorativ wurden von 14 VCs bewertet / unbekannt Interviews, 73 VCs / Conjoint-Analyse Europa

Shepherd (1999a)

Relevante Ergebnisse

Managementqualifikation sehr einflussreich für Erfolg und Insolvenzrisiko.

Market Attractiveness' ist der wichtigste Faktor, der erklärt welche Unternehmen Finanzierung erhalten. Den Erfolg erklärt am stärksten der Faktor 'Managerial Capabilities'. Es folgen 'Market Attractiveness' und 'Superiority of Product and Technology'.

Nur die Kriterien 'Demonstrated market acceptance for product' und 'Competition present or anticipated in first two years' haben signifikanten Einfluss auf Erfolg.

Erwartetes Risiko wird erklärt durch Potenzial des Managements und Resistenz gegenüber Marktumfeldrisiko. Erwartete Rendite wird erklärt durch Attraktivität des Marktes und die Produktdifferenzierung.

Es wird kein Zusammenhang zwischen dem Rating der Kriterien (unabh. Variable) und dem Erfolg der Unternehmen (abhängige Variable) gefunden.

Kriterien (erklärte Varianz): Industry related competence (20%), Competitive rivalry (9%), Timing (9%), Educational ability (8%), Lead time (4%), Key success factor stability (3%), Timing x Lead time interaction (2%), Other interactions (1%).

8

8

Die wichtigsten Kriterien: Management team, Management competencies, Strategic-competitive, Financial, Product-market, Fund, Deal. Gesellschaftsspezifische Kriterien erscheinen vglw. unwichtig. Zwischen VCGs herrscht große Übereinstimmung bei Bewertung bzgl. den mittelwichtigen Kriterien und wenig Übereinstimmung bei den sehr wichtigen (z.B. ManagementKriterien) und sehr unwichtigen Kriterien. Bedeutung der Kriterien (erklärte Varianz): Industry related competence (29%), educational capability (10%), Timing of entry (7%), Competitive rivalry (6%), Key success factor stability (5%), Lead time (3%).

Einzelkriterien: Managerial experience, Patent to protect the product, Functioning product prototype, Unique features of the product. Weitere Ergebnisse: Conjoint-Modelle können Auswahlentscheidung simulieren und Entscheidung prognostizieren. Interaktionseffekte tragen zur Erklärung bei.

35

8

E: Multivariate Studien auf Basis von Conjoint und Policy-Capturing-Methoden

17

95/96: 103 PU Explorativ von 12 VCG; 02/03: 187 PU von 40VCs / Deutschland

Paarweise / Abwägungen, Ranking, Cluster-Analyse

/

31

25

23

24

Explorativ

Explorativ

Explorativ

Explorativ

Muzyka et al. Kriterienbedeutung in der Screeningphase (1996)

Regression

Zusammenhang zw. Auswahlkr. und Auswahlentscheidung

Riquelme/ Rickards (1992)

Wettbewerbs- Fragebogen gefahren, Größe der VCG, Größe der Beteiligung

Regression

Zusammenhang zw. Eigenschaften der Portfoliounternehmen und Erfolg

/

/

Cluster-Analyse, Regression, Faktoranalyse

TheoreAnzahl tisches Kriterien Fundament

D: Multivariate Studien auf Basis traditioneller Datensätze

Stichprobe / Region

110 Deals von Fragebogen ausgefüllt durch 4 VCGs / USA Forscher auf Basis von VCGDokumenten Fragebogen 90 InvestEntscheid. von 41 VCGs in DD / USA Fragebogen 67 VCGs beurteilen 150 Ventures / USA Interviews, 74 Fragebogen Fragebögen von 20 VCGs / Korea

Regression (1=irrelevant, 5=essential), FaktorAnalyse

/

/

Vgl.-Gruppen / ErhebungsKontrollmethode variablen

Regression, Faktoranalyse, Diskriminazanalyse

Schefczyk (2004)

Zusammenhang zw. Tyebjee/ Bruno (1984) Auswahlkr. und der Rendite-Risiko-EinStudie 2 schätzung in DD-Phase MacMillan et Zusammenhang zwischen Auswahlkr. al. (1987) (MacMillan et al. (1985)) und Erfolg Zusammenhang zw. Rah (1994) Auswahlkr. und Auswahlentscheidung / Erfolg

Zusammenhang zw. Regression Auswahlkr. und tatsächl. Erfolg

Hoban (1976)

Skala / Methode

Untersuchungsgegenstand

Studie

146 3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

Literaturüberblick Bedeutung von Auswahlkriterien

Untersuchungsgegenstand

Tabelle 8 Fortsetzung: Explorativ

Land

Brachenfokus, Conjoint-Analyse 51 VCs/ Deutschland Entwicklungsstufe, Größe

Qualitativ

Regression, ANOVA, Clusteranalyse

Cope/ Cave/ Einfluss von Scheitern auf Möglichkeit Venture Eccles Capital zu erhalten (2004)

Franke et al. Management-Kriterienbedeutung und Einfluss (2004) der Erfahrung auf Kriterienbedeutung in der Screeningphase

Franke et al. "Similarity Bias" bei der Regression Bewertung von (2006) Managementteams in der Screeningphase Regression Franke et al. Zielkonflikte, K.-O.Kriterien und der Einfluss (2008) der Erfahrung auf Kriterienbewertung in der Screeningphase

Explorativ

6 VCs / US & UK

/

Regression, ANOVA

Shepherd et Auswirkung der Erfahrung von VCs auf al. (2003) deren Auswahlentscheidung

8

Conjoint-Analyse 51 VCs/ Deutschland

Conjoint-Analyse 51 VCs/ Deutschland

Erfahrung des VCs

Literaturüberblick Bedeutung von Auswahlkriterien Explorativ

Explorativ

7

7

7

/

G: Managementstudien

/

Interviews

Conjoint-Analyse 66 VCs von 47 IndustrieVCGs / ökonomik, strateg. Australien Managem.

Nachweis des "similarity bias". Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Ausbildungsrichtung des VCs und der Bewertung von Teams mit gleicher Ausbildungsrichtung. Gleiches gilt für die Art der Berufserfahrung (Start-up vs. Konzern). Kein "similarity bias" kann bezüglich Alter, Ausbildungsrang und Führungserfahrung festgestellt werden. Die wichtigsten Kriterien sind: Branchenerfahrung, Ausbildung, Führungserfahrung. Brachenerfahrung und Führungserfahrung muss nur ein Teil des Managementteams haben. Bei der Ausbildung wird ein heterogenes Team bevorzugt. Junge VCs legen mehr Wert auf die einzelnen Personen des Management-Teams (Ausbildung, Führungserfahrung), während erfahrene VCs den Zusammenhalt höher bewerten.

Mehrheit der VCs sieht Scheitern nicht negativ. Erfahrung und gutes Konzept ist wichtiger als Erfolg des Entrepreneurs. Entrepreneurs werden durch professionelle Manager ersetzt. Entrepreneur benötigt Einsicht, wann ein professioneller Manager übernehmen sollte.US-VCs sind tolleranter gegenüber Misserfolg als UK-VCs. Kriterienbedeutung (Anteil an Gesamtbewertung): Branchenerfahrung (28%), Ausbildungsrichtung (16%), Ausbildungsrang (16%), Zusammengehörigkeit (13%), Führungserfahrung (12%), Art der Berufserfahrung (8%). K.-O.-Kriterien: kein Teammitglied mit Studium, kein Teammitglied Brachenerfahrung, kein Teammitglied mit Führungserfahrung. Die Einschätzung der Kriterienbedeutung schwankt stark zwischen individuellen VCs. Spezielle Erfahrung hinsichtlich einzelner Kriterien haben Auswirkung auf Kriterienbedeutung.

Bis 13 Jahre Erfahrung steigt die intrapersonelle Reliabilität der Entscheidungen und damit vermutlich auch die Qualität der Auswahlentscheidung an, danach fällt sie wieder ab. Im Vergleich zu einem Bootstrapping-Modell wird ebenfalls zunächst eine ansteigende (bis ca. 15 Jahre Erfahrung) und darauf folgend eine absinkende Qualität der Entscheidung festgestellt.

Bootstrapping Modell erzielt bessere Auswahlentscheidung als VCs.

8

Conjoint-Analyse 66 VCs von 47 Industrieökonomik, VCGs / strateg. Australien Managem.

/

Regression, ANOVA

VCs überschätzen ihre eigene Fähigkeit Unternehmen richtig in Erfolgsklassen zu kategorisieren. VCs mit mehr Informationen entscheiden schlechter und leiden stärker an Selbstüberschätzung.

5-12

Conjunctive model etwas besser als das disjunctive model. Für die Auswahl entscheidend: 'Entrepreneur's desire for success' und 'Uniqueness of product or service relative to competition'. Den Erfolg erklärt dagegen nur 'Creativity/Ingenuity'. VCs können ursprüngliche Bewertungen unabhängig von eingetretenen Ereignissen gut wiedergeben. VCs können die tatsächliche Kriterienbedeutung bei ihrer eigenen Auswahlentscheidung schlecht einschätzen, insbesondere wenn der Informationsumfang steigt. Die Bedeutung des Managements für die tatsächliche Entscheidung am höchsten bei wenig Informationen, sinkt aber bei zusätzlichen Informationen. VCs können die tatsächliche Kriterienbedeutung bei ihrer eigenen Auswahlentscheidung schlecht einschätzen. Sie unterschätzen die wichtigen Kriterien und überschätzen die unwichtigsten. Tatsächlich am bedeutendsten sind (Einfluss auf Erfolg): Industry related competence (35%), Competitive rivalry (15%) Timing of entry (14%) und Educational ability (14%). Bootstrapping Modell mit gleichgewichteten Kriterien (unabhängige Variablen) erzielt bessere Auswahlentscheidung (60% richtig klassifiziert) als das Environmental-Modell (40% richtig klassifiziert). Beide Modelle klassifizieren mehr Unternehmen richtig als VCs.

Relevante Ergebnisse

Policy-Capturing 53 VCs / USA Social Judgement Theorie

5-12

8

Conjoint-Analyse 66 VCs von 47 Industrieökonomik, VCGs / strateg. Australien Managem. Policy-Capturing 53 VCs / USA Social Judgement Theorie

/

/

ANOVA

5-12

Policy-Capturing 53 VCs / USA Social Judgement Theorie

104 PU von 36 Psychologie 6 VCGs / USA

F: Psychologische Studien

Anzahl TheoreKriterien tisches Fundament

Regression, ANOVA

/

Regression

Fragebogen

Stichprobe / Region

/

Entwicklungsstadium der Unternehmen

Vgl.-Gruppen / Erhebungsmethode Kontrollvariablen

Regression

Skala / Methode

Regression

Khan (1987) Modellierung der Auswahlentscheidung und des Erfolgs durch zwei statist. Modelle Zacharakis/ Vorgegebene versus Meyer (1998) tatsächliche Kriterienbedeutung in der Screeningphase Vorgegebene versus Shepherd tatsächliche (1999b) Kriterienbedeutung in der Screeningphase Zacharakis/ Statistisches Modell zur Meyer (2000) Entscheidungsunterstützung in der Screeningphase Zacharakis/ Selbsteinschätzung versus tatsächliche Shepherd Qualität der (2001) Auswahlentscheidung in der Screeningphase Statistisches Modell zur Shepherd/ Zacharakis Entscheidungsunterstützung in der (2002) Screeningphase

Studie

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien 147

148

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

Für die ersten fünf Gruppen, A bis E, sind die verwendeten statistischen Methoden das Merkmal, anhand dessen die Studien klassifiziert werden. Die letzten beiden Gruppen F und G wurden auf Themenbasis unterteilt. Für die Klassifizierung wurde jeweils die Hauptuntersuchung der Studie herangezogen, z.B. wurde die Studie von MACMILLAN/SIEGEL/NARASIMHA (1985) als deskriptive Studie klassifiziert, obwohl sie auch eine Faktoranalyse (aufbauend auf dem deskriptiven Teil) enthält, die eine Klassifizierung als multivariate Studie erlauben würde. Die Gruppe A besteht aus deskriptiven Studien. Sie beschreiben die Bedeutung von Auswahlkriterien mit Häufigkeiten, Rankings, Ratings oder verbal deskriptiv. Der große Beitrag dieser Studien zur Venture-Capital-Forschung liegt darin, dass sie zum ersten Mal die Auswahlkriterien benennen und ihre Bedeutung für die Auswahlentscheidung aufzeigen. Diese Studien bilden dadurch die Grundlage für viele folgende Studien. Da die einflussreichsten dieser Studien in den USA durchgeführt wurden, besteht die Gruppe B aus internationalen Validierungsstudien. Sie wurden durchgeführt, um den Einfluss der institutionellen Rahmenbedingungen zu identifizieren. Die Gruppe C setzt sich aus deskriptiven Studien zusammen, die aber Vergleichsgruppen nutzen, um Unterschiede in Abhängigkeit einer bestimmten Ausprägung einer Variablen herauszufinden. Insbesondere die Entwicklungsstufe der potenziellen Portfolioorganisation sowie die Auswahlprozessstufe (Screening, Due Diligence und ggf. weitere Unterteilungen) der Venture-Capital-Gesellschaft werden zur Gruppierung genutzt.573 Gruppe D baut hauptsächlich auf Studien der Gruppe A auf. Sie umfasst multivariate Regressionen mit den Auswahlkriterien als unabhängigen Variablen und der Auswahlentscheidung oder dem Erfolg der Portfolioorganisation als abhängiger Variable. Gruppe E bilden Studien, die die Conjoint- und PolicyCapturing-Methoden zur Erhebung der Präferenzen der Investoren verwenden, ebenfalls um bestimmte Erfolgsgrößen mit Hilfe der Auswahlkriterien zu erklären. Einen Sonderstatus haben die Studien der Gruppen F und G. Gruppe F umfasst psychologische Studien, die sich mit der Auswahlentscheidung und damit auch den Auswahlkriterien der Venture Capitalists auseinandersetzen. Sie werden als eigener Studientyp angeführt, obwohl sie mit einer Ausnahme ebenfalls alle die Conjoint- oder

573

Zwar verwenden auch einige der Studien der zweiten Gruppe Vergleichsgruppen bzw. Kontrollvariablen, diese wurden aber nur zusätzlich eingeführt und stehen nicht im Mittelpunkt der Untersuchung.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

149

die Policy-Capturing-Methode verwenden. Die Fragestellungen weichen zu stark von den übrigen Studien ab, die ebenfalls die Conjoint-Methode nutzen, als dass sie sinnvoll zu einer Gruppe zusammengefasst werden könnten. Die Studien werden dieser Gruppe zugerechnet, wenn die Ergebnisse hauptsächlich psychologischer Natur sind. Das theoretische Fundament, auf dessen Basis die Kriterien für die Untersuchung beruhen, ist bei vielen Studien eine Wirtschaftstheorie. Weil viele der Studien, unabhängig vom Studientyp, Managementkriterien als besonders wichtig identifiziert haben, enthält die siebte Gruppe Studien, die sich lediglich mit der Bewertung des Managements durch die Venture-Capital-Gesellschaft beschäftigen. Die Gliederung der folgenden Abschnitte orientiert sich an dieser Typologie. Aufgrund der inhaltlichen Nähe sind die Studien der ersten beiden Gruppen in einem Gliederungspunkt zusammengefasst.

3.3.2.2.2

Deskriptive Studien

Die ersten Untersuchungen zu den Auswahlkriterien von Venture-CapitalGesellschaften wurden in den 70er Jahren in den USA durchgeführt. In der Studie von WELLS (1974) bewerten sieben Venture-Capitalists im Rahmen von Interviews die Bedeutung von zwölf vordefinierten Kriterien für die Auswahl von Portfoliounternehmen. Daraus ergibt sich ein Ranking der Kriterien. In absteigender Reihenfolge werden folgende Kriterien als die drei wichtigsten eingestuft: Management Commitment, Produkt und Markt.574 POINDEXTER (1976) erstellt ein Ranking der Auswahlkriterien auf Basis eines Fragebogens. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die drei wichtigsten Kriterien in absteigender Reihenfolge die Managementqualität, die erwartete Rendite und das erwartete Risiko sind.575 JOHNSON (1979) untersucht nicht die Auswahlkriterien, sondern die Haupt-Absagegründe mit Hilfe von 55 ausgefüllten Fragebögen. Damit weicht die Fragestellung von den vorangegangenen Studien ab, denn es kann a priori nicht davon ausgegangen werden, dass die Bedeutung bestimmter Kriterien hinsichtlich des erwarteten Erfolges direkt mit der Häufigkeit dieser Kriterien als Ablehnungsgrund korreliert. Es zeigt sich aber wiederum, dass das Management am wichtigsten ist: 39% der Befragten geben das Management als

574

Vgl. Wells (1974), S. 110ff.

575

Vgl. Poindexter (1976), S. 155f.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

150

häufigsten Ablehnungsgrund an, gefolgt von finanziellen Gründen, die von 32% genannt werden. Von 15% werden gesellschaftsspezifische Kriterien als häufigster Ablehnungsgrund genannt.576 Die von TYEBJEE/BRUNO (1984) veröffentlichte Untersuchung basiert auf einer telefonischen Befragung von 46 Venture Capitalists. Diese wurden nach den Kriterien befragt, die sie bei der Auswahl von Portfoliogesellschaften anlegen. Das am häufigsten verwendete Kriterium sind die Managementfähigkeiten und die professionelle Erfahrung in diesem Bereich, die 89% nennen. Es folgen Marktgröße/-wachstum mit 50% und die Rendite mit 46%.577 Alle vier Studien ergaben also, das dass Management das wichtigste Auswahlkriterium ist bzw. am häufigsten zu einer Ablehnung führt. Bei den übrigen Kriterien besteht dagegen keine Einigkeit. Auffallend ist auch, dass die Kriterien unterschiedlich bezeichnet werden. Eine wegweisende Studie zu den Auswahlkriterien von Venture-CapitalGesellschaften haben MACMILLAN/SIEGEL/NARASIMHA (1985) veröffentlicht. Sie haben durch Interviews 27 Kriterien identifiziert, die anschließend von 100 VentureCapital-Gesellschaften hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Auswahlentscheidung bewertet wurden. Auf Einzelkriterienebene zeigt die Untersuchung, dass Venture Capitalists gewissen Persönlichkeitsmerkmalen und der Erfahrung des Entrepreneurs die höchste Bedeutung beimessen. Zu nennen sind hier die Fähigkeiten des Entrepreneurs, dauerhaft hohe Leistung zu erbringen, sowie eine hohe Vertrautheit mit dem relevanten Markt. Erst auf Rang drei rangiert ein finanzielles Kriterium: die Erwartung, den finanziellen Einsatz in fünf bis zehn Jahren mindestens zu verzehnfachen. Das viert- und fünftwichtigste Kriterium bezieht sich wieder auf den Entrepreneur: Führungserfahrung sowie die Fähigkeit, Risiko gut einschätzen zu können und gut darauf zu reagieren. Ebenso wichtig wie das genannte fünfte Kriterium ist ein signifikantes Wachstum des relevanten Marktes. Erst an zehnter Stelle folgt ein Kriterium aus der Gruppe Produkt und Dienstleistungskriterien: Das Produkt ist proprietär oder kann auf andere Art geschützt werden.

576

Vgl. Johnson (1979), S. 33ff. Die Kriterienbedeutung auf Einzelkriterienebene ergibt, welcher Ablehnungsgrund von den befragten Gesellschaften als der häufigste angegeben wurde: 33% der befragten Gesellschaften nannten Managementqualität, 11% zukünftige Profite und 11% Businessplan.

577

Vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1054.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

151

Die Ergebnisse werden weiter untermauert anhand der Auswertung der Kriterien, die besonders häufig als „erforderlich“ eingestuft wurden: Fünf dieser zehn Kriterienbeziehen sich auf die Person des Entrepreneurs.578 Die Autoren haben auch untersucht, welche Kriterienpärchen für Venture Capitalists besonders wichtig sind. Es zeigt sich, dass 84% Investitionsentscheidungen ablehnen würden, bei denen weder der Entrepreneur die Fähigkeit hat, dauerhaft hohe Leistungen zu erbringen, noch der Kapitaleinsatz innerhalb von 5 bis 10 Jahren verzehnfacht werden kann.579 Zudem zeigt sich, dass sich bei den zehn wichtigsten Kriterienpärchen mindestens ein Kriterium auf den Entrepreneur bezieht.580 Hinsichtlich der Bedeutung des Teams zeigen die Autoren der Studie, dass 42% ein ausgeglichenes Team für entscheidend halten, 20% halten für entscheidend, dass ein Gründer relevante Erfahrung besitzt und 9% halten eine ähnliche Erfahrung im Team für entscheidend; 28% geben an keins der Kriterien sei entscheidend.581 Die nachfolgenden angelsächsischen Studien bestätigen bezüglich der Managementbedeutung die Vorgängerstudien. In seiner Befragung von US-amerikanischen Venture-Capital-Gesellschaften identifiziert ROBINSON (1987) folgende drei Kriterien als die wichtigsten: persönliche Motivation, Managementfähigkeiten und Managementerfahrung. Erst an vierter Stelle kommt mit substanziellen Wachstumszielen ein NichtManagement-Kriterium.582 DIXON (1991) befragt mit einem semi-strukturierten Fragebogen Venture Capitalists nach den wichtigsten Investitionskriterien. In absteigender Reihenfolge werden die folgenden drei Kriterien identifiziert: Managementerfahrung im Sektor, Marketingfähigkeiten und das Umsatzwachstum. Ein Teil der Venture Capitalists bewertet ein ausgewogenes Managementteam ebenfalls als äußerst wichtig.583 FRIED/HISRICH (1994) nutzen Interviews, um die Auswahlkriterien festzustellen, die jede Venture-Capital-Gesellschaft anlegt. Sie identifizieren daher auch nur 16 und

578

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 123.

579

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 124.

580

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 124.

581

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 124.

582

Vgl. Robinson (1987), S. 70.

583

Vgl. Dixon (1991), S. 339.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

152

nicht wie die Studie von MACMILLAN/SIEGEL/NARASIMHA (1985) 27 Kriterien.584 Ein Ranking der Bedeutung nimmt die Studie nicht vor, aber von den drei Kriteriengruppen Konzept, Management und Rendite hat die Gruppe Management die meisten Unterkriterien.585 Eine ähnliche Untersuchung von vier britischen Venture-CapitalGesellschaften, die ebenfalls nur Kriterien auflistet, führt SWEETING (1991) durch.586 Eine sehr frühe Untersuchung der Investitionsentscheidungen deutscher VentureCapital-Gesellschaften stammt von WREDE (1987). Die meisten deutschen VentureCapital-Gesellschaften waren zu dieser Zeit gerade erst entstanden und viele waren noch keine Beteiligung eingegangen.587 Da die Situation damals vergleichbar war mit der Situation, in der sich heute Finanzintermediäre im Non-Profit-Sektor befinden, werden die Ergebnisse hier kurz angeführt. Die Venture Capitalists sehen das größte Problem in der „Nutzeneinschätzung der Innovation“ und in „erfolgsbestimmenden Eigenschaften der Unternehmerperson“.588 Im ersten Fall können Kunden befragt werden, im zweiten Fall verlassen sich die Venture Capitalists auf Intuition.589 Dem Risiko, das eine einzelne Unternehmerpersönlichkeit mit sich bringt, versuchen die Venture Capitalists durch die Bildung von Managementteams zu begegnen. Sie waren nicht der Ansicht, dass ein „standardisierter Kriterienkatalog zur Projektbeurteilung entwickelt werden könne“.590 Grundsätzlich teilen die jungen deutschen Gesellschaften die Ergebnisse der amerikanischen Studien bezüglich der entscheidenden Bedeutung des Managements für den Erfolg der Unternehmen.591 Die in Tabelle 8 dargestellten Studien der Gruppe B überprüfen die Validität der ersten Studien im internationalen Kontext. Um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten, greifen eine Reihe von Studien auf die Kriterien von MACMILLAN/SIEGEL/NARASIMHA (1985)

584

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 121; Fried/Hisrich (1994), S. 30 (in der Studie geben die Autoren an 15 Kriterien zu identifizieren, im Text werden aber 16 angeführt).

585

Vgl. Fried/Hisrich (1994), S. 30f.

586

Vgl. Sweeting (1991), S. 612ff.

587

Vgl. Wrede (1987), S. 313 (Tabelle 1 im Anhang).

588

Wrede (1987), S. 242.

589

Vgl. Wrede (1987), S. 242.

590

Wrede (1987), S. 242.

591

Vgl. Wrede (1987), S. 239.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

153

zurück.592 Die Studien bestätigen MACMILLAN/SIEGEL/NARASIMHA (1985) weitgehend bezüglich der relativen Bedeutung des Managements. Ein deutlicher Unterschied innerhalb der Managementkriterien ist die geringere Bedeutung der Führungserfahrung für deutsche Venture-Capital-Gesellschaften, insbesondere im Vergleich zu den USA.593 Ebenfalls einen deutlichen relativen Unterschied gibt es bei der Renditeanforderung, die in den USA höher gerankt wird als in den übrigen Ländern.594 Bei absoluter Betrachtung fällt auf, dass in den USA die Bedeutung der Kriterien systematisch höher eingeschätzt wird als in den übrigen Regionen.595 Eine mögliche Interpretation der Ergebnisse ist, dass der amerikanische Markt weiter entwickelt ist und Venture Capitalists dort höhere Anforderungen stellen können als in anderen Ländern. PANDEY/JANG (1996), die nicht auf die MACMILLAN/SIEGEL/NARASIMHA (1985)Kriterien zurückgreifen, untersuchen die wichtigsten Investitionskriterien in Taiwan. In absteigender Reihenfolge sind dies: Return on Investment, technische Fähigkeiten des Unternehmers, Nachfrage nach dem Produkt, Marktwachstum und Liquidierbarkeit der Investition.596 Hier rangiert abweichend von den übrigen Ländern ein Finanzkriterium an erster Stelle und erst an zweiter Stelle steht ein Managementkriterium. Ein möglicher Grund ist, dass die taiwanesischen Gesellschaften in spätere Entwicklungsstufen investieren, in denen die Bedeutung des Managements etwas abnimmt. Ähnlich wie bereits für Deutschland festgestellt, bewerten die taiwanesischen Venture-Capital-Gesellschaften den Track-Record des Unternehmers geringer als die US-amerikanischen Venture-Capital-Gesellschaften.597 Diese Studien der ersten Generation, die Häufigkeiten, Rankings oder Ratings als Analysemethode sowie Interviews und Fragebögen als Erhebungsmethode nutzen, kommen überwiegend zum Ergebnis, dass dem Management die höchste Bedeutung bei-

592

Vgl. Ray (1991); Knigt (1994); Zutshi et al. (1999); Brettel (2002).

593

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 121; Brettel (2002), S. 311.

594

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 121; Knigt (1994), S. 35; Zutshi et al. (1999), S. 16; Brettel (2002), S. 311.

595

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 121; Knigt (1994), S. 35; Zutshi et al. (1999), S. 16; Brettel (2002), S. 311.

596

Vgl. Pandey/Jang (1996), S. 507.

597

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 121; Pandey/Jang (1996), S. 507; Brettel (2002), S. 311.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

154

gemessen wird. Das Ergebnis bleibt unbeeinflusst vom Untersuchungsgegenstand (Auswahlkriterien oder Absagegründe), der Untersuchungsmethode (verbal deskriptiv, Häufigkeiten, Ranking oder Rating) und der Erhebungsmethode (Interviews oder Fragebogen). Auch international bestätigt sich dieses Ergebnis mit Ausnahme von Taiwan. Es zeigt sich aber auch, dass jenseits der Managementkriterien keine weitgehende Übereinstimmung besteht. Erschwert wird der Vergleich durch die voneinander abweichenden Kriterien der einzelnen Studien. Die Studien weisen einige methodische Probleme auf. Problematisch ist vor allem, dass es bei Interviews und Fragebögen zu einer Ex-post-Rationalisierung kommen kann.598 Eine weitere Problematik besteht darin, dass mehr Kriterien genannt werden, als in der Praxis tatsächlich für die Auswahl Verwendung finden, die wichtigen Kriterien unterbewertet und die unwichtigen Kriterien überbewertet werden.599 Wenig überzeugend ist auch die Darstellung der Kriterien auf einer Hierarchieebene. Die finanzielle Renditeerwartung, die teils als weniger wichtig eingeschätzt wird als das Management verdeutlicht das Problem, denn das finale Ziel der Venture-CapitalGesellschaften ist immer die finanzielle Renditemaximierung. Der Beitrag dieser Studien zur Literatur liegt vor allem darin, dass sie Kriterien identifizieren, die Venture Capitalists bei der Auswahl von Portfoliounternehmen für die Bewertung der Unternehmen verwenden und dass sie nachweisen, dass der institutionelle Kontext einen Einfluss auf die Kriterienbedeutung hat, wenngleich keinen starken.

3.3.2.2.3

Deskriptive Studien mit Vergleichsgruppen

Während die meisten frühen Studien keine Vergleiche zwischen Gruppen vornehmen, ist das in den 90er Jahren und später regelmäßig der Fall. Insbesondere werden die Stichproben aufgeteilt anhand des institutionellen Rahmens (oben erwähnte Studien), der Entwicklungsstufe des Unternehmens und der Auswahlprozessstufe der VentureCapital-Gesellschaft. Bei diesen drei Variablen handelt es sich im übertragenen Sinn um Kontrollvariablen. Einige der Studien dieser Gruppe nutzen auch neue Untersuchungsmethoden, um methodische Probleme der frühen Studien zu beheben. Ein

598

Vgl. Huber/Power (1985), S. 172ff.; Sandberg/Schweiger/Hofer (1988), S. 10.

599

Vgl. Shepherd (1999b), S. 83.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

155

Ansatz, den methodischen Problemen der Studien in Gruppe A beizukommen, bieten Verbal-Protokolle oder Inhaltsauswertungen. Die Studien von CARTER/VAN AUKEN (1994) und ELANGO/FRIED/HISRICH (1995), die für die Entwicklungsstufe des Unternehmens korrigieren, kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Während CARTER/VAN AUKEN (1994) auf Einzelkriterienebene nur unwesentliche Unterschiede finden, zeigen ELANGO/FRIED/HISRICH (1995), dass die Anforderungen von Frühphasengesellschaften hinsichtlich der Produkt-, Marktund Finanzkriterien höher sind als bei Spätphasengesellschaften.600 Keinen Unterschied finden auch sie bei den Managementkriterien.601 Die Faktoranalyse von CARTER/VAN AUKEN (1994) zeigt jedoch, dass bis auf einen Faktor bei Spätphasengesellschaften alle Faktoren wichtiger sind als bei Frühphasengesellschaften.602 Damit widerspricht das Ergebnis ELANGO/FRIED/HISRICH (1995).

der

Faktoranalyse

den

Ergebnissen

von

Den Zusammenhang zwischen Kriterienbedeutung auf der einen Seite und Erfolg/Misserfolg sowie High-/Lowtech auf der anderen Seite untersuchen ZUTSHI et al. (1999). Zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Venture-CapitalGesellschaften gibt es nur bei „Demonstrated leadership ability in the past“ einen kleinen, signifikanten Unterschied: Weniger erfolgreiche Gesellschaften bewerten das Kriterium höher. Zwischen High- und Lowtech-Venture-Capital-Gesellschaften gibt es bei vier Kriterien signifikante Unterschiede. Alle vier Kriterien werden von LowTech-Venture-Capital-Gesellschaften für wichtiger befunden: „Thoroughly familiar with the market targeted by venture“, „capable of sustained intense effort“, „I require an investment that can be easily made liquid“, „The product has been developed to the point of a functioning prototype“.603 Vermutlich zeigt sich hier, dass bei einem Produkt der Hebel größer ist. Ist das Produkt einmal entwickelt und zeigt deutliche Vorteile gegenüber der Konkurrenz, wird sich das Produkt fast von selbst verbreiten. Bei einer Dienstleistung ist die Skalierung aufwendiger und Kunden müssen stärker

600

Vgl. Carter/van Auken (1994), S. 66; Elango/Fried/Hisrich (1995), S. 164.

601

Vgl. Elango/Fried/Hisrich (1995), S. 164.

602

Vgl. Carter/van Auken (1994), S. 68.

603

Vgl. Zutshi et al. (1999), S. 16.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

156

aufs Neue überzeugt werden. Hier sind der Einsatz und die Kenntnis der Marktteilnehmer somit wichtiger als bei Produkten. Einem wichtigen Kritikpunkt der frühen Studien begegnen BOOCOCK/WOODS (1997), indem sie die Absagegründe in Abhängigkeit vom Auswahlprozessschritt betrachten. In ihrer Fallstudie einer britischen Venture-Capital-Gesellschaft zeigen sie, dass sich die Gründe für Ablehnungen im Laufe des Due-Diligence-Prozesses leicht verschieben. Markteigenschaften werden schon beim Screening überprüft und sind in der Due-Diligence-Phase kein häufiger Ablehnungsgrund. Gleiches gilt für fehlende Alleinstellungsmerkmale. Im Gegensatz dazu ist das Management weniger in der Screening- und mehr in der Due-Diligence-Phase ein Ablehnungsgrund.604 In Tabelle 9 ist die Bedeutung der Absagegründe in Abhängigkeit von der Auswahlprozessstufe detaillierter dargestellt. Screening

1. Treffen

2. Treffen

Gesamt

Unvollständiger BP

36%

13%

8%

31%

Markt

16%

7%

0%

13%

Projektgröße

9%

7%

4%

8%

Start-up-Finanzierung

7%

13%

4%

7%

Zu hohes Risiko

6%

7%

8%

6%

Kein USP

5%

0%

0%

4%

Qualität des Managements

5%

13%

12%

6%

Anfrage zurückgezogen

5%

13%

46%

11%

Finanzielle Faktoren

3%

0%

0%

2%

Andere605

8%

27%

19%

11%

n=

162

15

26

203

606

Tabelle 9: Gründe für die Ablehnung von Finanzierungsanfragen

HALL/HOFER (1993) sind die ersten, die Inhaltsauswertungen auf der Basis von beobachteten Screenings vornehmen. Diese Echtzeitmethode vermeidet Probleme die

604

Vgl. Boocock/Woods (1997), S. 47ff.

605

Vgl. Boocock/Woods (1997), S. 46ff. Zu den nichtspezifizierten Gründen zählen auch nicht beantwortete Rückfragen. Diese können auch als eine Art des Rückzugs der Anfrage interpretiert werden.

606

Vgl. Boocock/Woods (1997), S. 48 (in der Quelle ist der Anteil des Ablehnungsgrundes „Projektgröße“ vermutlich versehentlich mit „4“ angegeben, obwohl die übrigen Zahlen auf die Zahl 14 schließen lassen).

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

157

durch falsche Widergabe der Auswahlkriterien durch Venture Capitalists auftreten.607 Zudem ist die Bedeutung der Kriterien einer Auswahlprozessstufe zuordenbar. Wie gezeigt wurde, sind die Bedeutung der Auswahlkriterien und die Auswahlprozessstufe nicht unabhängig voneinander. Die Autoren stellen ebenfalls wie BOOCOCK/WOODS (1997) fest, dass in frühen Auswahlstufen die Strategie, finanzielle Informationen und vor allem der Unternehmer keine entscheidende Bedeutung bei den Ablehnungen spielen.608 Der Unternehmer wird als Kriterium nur dann berücksichtigt, wenn er außerordentlich gut oder außerordentlich schlecht ist.609 Den größten Anteil an den geäußerten Gedanken haben mit 24% (Screening) und 19% (DD) Produkt und Markteigenschaften. Es folgen mit mit 20% (Screening) und 23% (DD) Eigenschaften der Anfrage. Der Entrepreneur bzw. das Team bringt es mit 14% (Screening) und 10% (DD) nur auf den dritten Platz. Beide Studien haben im Vergleich zu Fragebogenstudien den Vorteil, dass sie methodische Probleme im Zusammenhang mit Rationalisierungseffekten weitgehend ausschließen.610 Alle bisher aufgeführten Studien sind explorativ ausgerichtet. Die Untersuchung von KUCKERTZ (2006) auf Basis der Informationsökonomik ist eine der wenigen theoriegeleiteten Untersuchungen zu Auswahlprozess und Kriterienbedeutung. Streng genommen existiert keine einheitliche Theorie der Informationsökonomik.611 Es gibt aber einige grundlegende Themen, die sich durch die Arbeiten ziehen. Gemein ist allen Arbeiten, dass sie von Märkten mit asymmetrischer Informationsverteilung ausgehen und die Unsicherheit nicht exogen gegeben ist, sondern von den Marktteilnehmern beeinflusst werden kann.612 Bei der Reduktion der Unsicherheit durch Informationsbeschaffung entstehen Suchkosten.613 Man erkennt hier, dass die Informationsökonomik ebenfalls Teil der neuen Institutionsökonomik ist. Die Grundannahmen

607

Vgl. Sandberg/Schweiger/Hofer (1988), S. 13f.; Hall/Hofer (1993), S. 26.

608

Vgl. Hall/Hofer (1993), S. 38f.

609

Vgl. Hall/Hofer (1993), S. 39f.

610

Vgl. Schnell/Hill/Esser (2005), S. 233; Hall/Hofer (1993), S. 26; MacMillan/Siegel/Narasimha (1985), S. 122.

611

Vgl. Kuckertz (2006), S. 108.

612

Vgl. Kuckertz (2006), S. 106.

613

Vgl. Kuckertz (2006), S. 108.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

158

stimmen mit denen der Transaktionskostentheorie und der Principal-Agent-Theorie überein. In der Informationsökonomik wird davon ausgegangen, dass Güter Such-, Erfahrungsund Vertrauenseigenschaften haben.614 Sucheigenschaften „bezeichnen Eigenschaften eines Gutes, die ein Nachfrager vor dem Abschluss der Transaktion vollständig bewerten kann […] Erfahrungseigenschaften bezeichnen Eigenschaften eines Gutes, die ein Nachfrager erst nach abgeschlossener Transaktion vollständig bewerten kann […] [und] Vertrauenseigenschaften bezeichnen Eigenschaften eines Gutes, die ein Nachfrager weder vor noch nach Abschluss der Transaktion vollständig bewerten kann.“615 Je nach Art des Gutes sind die Eigenschaften unterschiedlich stark ausgeprägt. Unterschieden werden muss bei der Charakterisierung der Güter zwischen den objektiven und den subjektiven Eigenschaften, wobei Letztere ausschlaggebend sind für das Handeln der Nachfrager.616 Um die Unsicherheit hinsichtlich der Qualität von Business Ventures zu reduzieren, können die bereits erläuterten Strategien „Prüfung des Business Ventures durch die Venture-Capital-Gesellschaft“ und „Signaling durch das Business Venture“ Anwendung finden.617 Das Signaling kann sich entweder auf konkrete Eigenschaften oder allgemein auf die Qualität bzw. die Vertrauenswürdigkeit beziehen.618 Im Idealfall führen die Strategien dazu, dass der Anteil der Vertrauenseigenschaften abnimmt und der Anteil der Sucheigenschaften zunimmt. KUCKERTZ (2006) bestätigt die Ergebnisse bezüglich der geringen Managementbedeutung als Auswahlkriterium in der Screening-Phase indirekt, indem er den Grund liefert für die in den oben angeführten Studien geäußerte Vermutung: die Unternehmerpersönlichkeit kann in der Screening-Phase deutlich schlechter beurteilt werden als andere Kriterien.619 Bei der Qualifikation des Unternehmers trifft dieser Zu-

614

Vgl. Nelson (1970), S. 312, der zwischen Such- und Erfahrungseigenschaften von Gütern unterscheidet. Darby/Karni (1973), S. 68f. erweitern das Konzept um Vertrauenseigenschaften. Vgl. auch Weiber/Adler (1995), S. 54.

615

Kuckertz (2006), S. 113f.

616

Vgl. Weiber/Adler (1995), S. 59.

617

Vgl. Abschnitt 3.2.2; Adler (1996), S. 101ff.; Kuckertz (2006), S. 117.

618

Vgl. Spence (1976), S. 593ff.

619

Vgl. Kuckertz (2006), S. 188ff.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

159

sammenhang nur eingeschränkt zu.620 Ebenfalls schlecht beurteilt werden können die Marktakzeptanz sowie die Investitionsrendite. Gut beurteilt werden können in der Screening-Phase dagegen der Innovationsgrad und die Investitionsstrategie. In der Strukturierungsphase besteht weit überdurchschnittliche Unsicherheit nur noch bei der Marktakzeptanz und der Investitionsrendite.621 MASON/STARK (2004) untersuchen mit Hilfe von Inhaltsauswertungen auf Basis von Beobachtungen beim Screening von Businessplänen – die Beobachteten „denken laut“ – inwieweit Bankmitarbeiter, Venture Capitalists und Business Angels unterschiedliche Kriterien anlegen. Sie erheben, auf welche Aspekte des Businessplanes diese bei der Analyse Wert legen. Zwischen Venture Capitalists und Business Angels gibt es nur einen Unterschied in der Bewertung, wie gut der Unternehmer zum Kapitalgeber passt – das analysieren Business Angels ausgiebiger. Zwischen Bankmitarbeitern und den beiden anderen Gruppen gibt es deutlichere Unterschiede. Bei Bankmitarbeitern drehen sich 50% der Analyse um finanzielle Aspekte, bei Venture Capitalists nur 21%, entsprechend nehmen alle anderen Kriterien bei Venture Capitalists eine höhere Bedeutung in der Analyse ein. Bei Venture Capitalists nimmt der Markt mit 22% den größten Anteil der Analyse ein, es folgen finanzielle Aspekte mit 21% und der Entrepreneur an dritter Stelle mit 12%. Diese Studie kommt ebenfalls nicht zu dem Schluss, dass das Management die größte Bedeutung hat und bestätigt damit die anderen angeführten Studien in der Feststellung, dass beim Screening der Markt gut, das Management vergleichsweise schlecht beurteilt werden kann. Beachtet werden muss, dass sich die Studie mit Businessplänen auf eine bestimmte Informationsquelle konzentriert, die typischerweise finanzlastig ist. Zwar sind Businesspläne in der Screeningphase vermutlich die wichtigste Informationsquelle – wenn es nicht einen Vermittler gibt – aber wie gezeigt wurde werden in der Due-Diligence-Phase unterschiedlichste Informationsquellen herangezogen. Die in diesem Abschnitt angeführten Studien sind in zweifacher Hinsicht eine Weiterentwicklung der Studiendesigns, die im vorausgehenden Abschnitt vorgestellt wurden. Zum einen werden Vergleichsgruppen genutzt, um den Einfluss dieser Merkmale auf die Bedeutung der Auswahlkriterien festzustellen, zum anderen werden auch andere

620

Vgl. Kuckertz (2006), S. 188ff.

621

Vgl. Kuckertz (2006), S. 188ff.

160

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

Untersuchungsmethoden verwendet. Zwischen der Entwicklungsstufe und der Bedeutung der Auswahlkriterien sind die Ergebnisse widersprüchlich, bei der Differenzierung zwischen Lowtech und Hightech zeigt sich aber, dass die Anforderungen bei Lowtech höher sind als bei Hightech. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass bei Low-Tech Unternehmen, z.B. Dienstleistungen, nicht ein Produkt, sondern das Management überzeugen muss. Eine weitere wesentliche Erkenntnis aus den Studien ist, dass einige Kriterien, z.B. das Management, in der Screeningphase schlecht beurteilt werden können und daher auch selten zur Ablehnung führen, andere Kriterien, z.B. der Markt und die Innovation, dagegen gut beurteilt werden können und häufig zur Ablehnung führen. Die Studien auf Basis von Beobachtungen und Inhaltsauswertungen von HALL/HOFER (1993) und MASON/STARK (2004) zeigen, dass der Entrepreneur bzw. das Team, das in vorangegangenen Studien als besonders wichtig dargestellt wurde, sich nicht in einem entsprechenden Anteil an den Gedanken niederschlägt, die beobachtete Venture Capitalists während des Screenings äußern. Produkt-, Markt- oder finanzielle Eigenschaften nehmen den meisten Raum ein. Beachtet werden muss bei beiden Studien, dass sie Beobachtungen beim Screening von Businessplänen nutzen. Bei vermittelten Anfragen ist denkbar, dass die Venture Capitalists auch bereits beim Screening den Vermittler kurz interviewen. Der Einfluss der Informationsbasis, z.%. ob ein Businessplan oder ein Interview als Informationsbasis für die Screeningentscheidung dient oder ob das Management dem Venture Capitalist bereits bekannt ist, wurde bisher nicht untersucht.

3.3.2.2.4

Multivariate Studien auf Basis traditioneller Datensätze

Die in diesem Abschnitt vorgestellten Studien gehen wieder einen Schritt weiter als die oben angeführten Studien. Sie versuchen, einen Zusammenhang herzustellen zwischen den Auswahlkriterien und der Auswahlwahrscheinlichkeit sowie zwischen den Auswahlkriterien und dem Erfolg des Portfoliounternehmens. Erkenntnisse über solche Zusammenhänge können den Venture-Capital-Gesellschaften dazu dienen, ihren Auswahlprozess und die Kapitalallokation effizienter zu gestalten. In Anbetracht der hohen Ausfallraten von Venture-Capital-Investitionen könnte eine Verbesserung des Auswahlprozesses auch zu deutlichen Renditeverbesserungen führen.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

161

Die älteste identifizierte Studie stammt von HOBAN (1976). Sein Versuch, einen Zusammenhang zwischen Auswahlkriterien und dem Erfolg von Portfoliogesellschaften herzustellen, scheitert. Damit sieht er die Hypothese bestätigt, dass die Auswahlkriterien zu komplex und subjektiv sind, um sie in einem quantitativen Modell abzubilden.622 TYEBJEE/BRUNO (1984) identifizieren in ihrer Untersuchung 23 Kriterien, die sich zu 5 Faktoren verdichten lassen. Sie untersuchen, wie gut diese Faktoren die Einschätzung des Risikos und der Rendite durch Venture Capitalists erklären. Es zeigt sich, dass vor allem das Potenzial des Managements und deutlich schwächer die Resistenz gegenüber dem Marktumfeldrisiko die Risikoeinschätzung erklären. Die Renditeerwartung wird durch die Attraktivität des Marktes und wiederum deutlich schwächer die Produktdifferenzierung erklärt.623 Aufbauend auf ihrer ersten Studie624 stellen MACMILLAN/ZEMANN/SUBBANARASIMHA (1987) einen Zusammenhang zwischen Auswahlkriterien und dem Erfolg von Portfoliogesellschaften her. Überraschenderweise zeigt sich, dass nur die Kriterien „Konkurrenz war vorhanden oder wurde in den ersten zwei Jahren erwartet“ und „das Produkt wurde bereits vom Markt akzeptiert“ mit verschiedenen Erfolgskennzahlen korrelieren. In der Vorgängerstudie wurden diese Kriterien nicht als besonders wichtig eingestuft. Team- und Managementkriterien, die wiederum in früheren Studien ein sehr wichtiges Auswahlkriterium waren, besitzen in dieser Studie keine Vorhersagekraft für die Investitionsrendite. Die Autoren schlussfolgern, dass eine hohe Qualität des Managements eine notwendige aber keine hinreichende Bedingung für den Erfolg einer Portfoliogesellschaft ist und Ventures mit einem schlechten Management bereits vorher aussortiert wurden.625 RAH/JUNG/LEE (1994) untersuchen für den koreanischen Venture-Capital-Markt den Zusammenhang zwischen Auswahlkriterien und der Finanzierungszusage bzw.

622

Vgl. Hoban (1976), S. 49.

623

Die Autoren weisen selbst daraufhin, dass die Validierung des Modells durch sieben weitere Venture Capitalists ergab, dass das Management auch für die Einschätzung der Rendite eine größere Rolle spielt, als das Modell sie aufweist; vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1064.

624

Vgl. MacMillan/Siegel/Narasimha (1985)

625

Vgl. MacMillan/Zemann/Subbanarasimha (1987), S. 130f.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

162

-absage sowie zwischen Auswahlkriterien und dem Erfolg von Portfoliogesellschaften. Der Faktor Marktattraktivität hat den größten Einfluss auf die Auswahlentscheidung. Der Faktor Managementfähigkeiten steht nur an zweiter Stelle, gefolgt von Finanzierungsfähigkeit, Überlegenheit des Produktes bzw. der Technologie und Produktionsfähigkeiten.626 Bei der Untersuchung des Erfolges ergibt sich jedoch eine andere Bedeutungsreihenfolge. Hier sind es vor allem die Managementfähigkeiten gefolgt von Marktattraktivität, Überlegenheit des Produktes bzw. der Technologie, Produktionsfähigkeiten und Finanzierungsfähigkeit.627 Sie begründen das Ergebnis damit, dass die Managementqualität von allen Eigenschaften eines Unternehmens diejenige ist, die am schwierigsten zu beurteilen ist.628 Die Autoren kommen somit zu einem anderen Ergebnis als MACMILLAN/ZEMANN/SUBBANARASIMHA (1987). Eine häufig zitierte Untersuchung aus dem deutschen Raum stammt von SCHEFCZYK (2004). Sie wurde 1995 durchgeführt und im Jahr 2002/2003 wiederholt. Er untersucht Einflussfaktoren der Rendite und des Insolvenzrisikos und kommt zu dem Schluss, dass „der Managementqualifikation vor allem in kaufmännischen Funktionen … eine überragende Bedeutung für die Rentabilität sowie für die Minderung des Insolvenzrisikos einer Beteiligung zu[kommt]“.629 Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die intensive Unterstützung des Unternehmens durch die Venture-Capital-Gesellschaft bei wichtigen funktionalen Entscheidungen. Dies gilt allerdings nur für größere Beteiligungen. Dagegen steigt das Insolvenzrisiko durch eine hohe Wettbewerbsintensität und eine hohe Unsicherheit des Umfeldes. Die Studie bestätigt eine allgemeine Vermutung, dass große Venture-Capital-Gesellschaften höhere Renditen erzielen als kleinere. Das bedeutet auch, dass sich mit größeren Beteiligungshöhen höhere Renditen erzielen lassen.630 Die Studie kommt zu einem ähnlichen Ergebnis bezüglich der Managementbedeutung für das Risiko wie TYEBJEE/BRUNO (1984). Insgesamt ergeben die Studien kein einheitliches Bild, zum Teil widersprechen sie sich sogar. Es muss festgehalten werden, dass es bisher nicht gelungen ist, Kriterien zu

626

Vgl. Rah/Jung/Lee (1994), S. 523.

627

Vgl. Rah/Jung/Lee (1994), S. 523.

628

Vgl. Rah/Jung/Lee (1994), S. 523.

629

Vgl. Schefczyk (2004), S. 392.

630

Vgl. Schefczyk (2004), S. 392f.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

163

identifizieren, deren Einschätzung die Auswahlentscheidung und/oder den Erfolg der Portfoliounternehmen belastbar erklären. Ein Grund kann die Untersuchungsmethode der Studien sein. Sie nutzen allesamt einen einzelnen Fragebogen zur Datenerhebung. Diese Art der Erhebung ist mit verschiedenen methodischen Problemen behaftet, die vor allem durch die fehlende Fähigkeit der Venture Capitalists verursacht werden, ihre eigenen Entscheidungen aus der Vergangenheit richtig wiederzugeben.631 Weiterhin bestehen Selektionsprobleme, weil immer nur bestimmte Unternehmen von den Venture Capitalists bewertet wurden. Es existiert keine Untersuchung, die Kriterienbewertungen zum Zeitpunkt der tatsächlichen Bewertung erhebt und zu einem späteren Zeitpunkt den Erfolg festhält, um dann den Zusammenhang zu untersuchen. Dies ist durchaus verständlich, denn zwischen Kriterienbewertung und Erfolgsbewertung müssten mehrere Jahre liegen, so dass die Zeitspanne, die für die Durchführung der Forschungsarbeit benötigt würde, den Zeithorizont vieler, vor allem junger Forscher, übersteigen würde.

3.3.2.2.5

Multivariate Studien auf Basis der Conjoint-Methode

Die Conjoint- und die Policy-Capturing-Methode ähneln sich sehr. Sie teilen die meisten Vor- und Nachteile. Da die Policy-Capturing-Methode eine spezielle Form der Conjoint-Analyse ist und die Unterschiede zwischen beiden Methoden hier nicht relevant sind, wird der Einfachheit wegen nur die Conjoint-Methode besprochen.632 Gegenüber rückblickenden Erhebungsmethoden, vor allem Fragebögen und Interviews, hat die Methode den Vorteil, dass psychologische Verzerrungen, die bei der Wiedergabe von Präferenzen durch Personen auftreten, vermieden werden können.633 Somit ist es möglich, die tatsächlichen und nicht die vermeintlichen Präferenzen von Personen zu identifizieren.634 Die Methode erlaubt es außerdem , die Teilnutzen sowie den

631

Vgl. Zacharakis/Meyer (1998) und Shepherd (1999b), die zeigen, dass Venture Capitalists die Kriterienbedeutung bei ihrer eigenen Auswahentscheidung schlecht einschätzen können. Vgl auch Abschnitt 3.3.2.2.6.

632

Vgl. Zacharakis/Shepherd (2007), S. 180. Vgl. für einen Vergleich der Methoden Karren/Barringer (2002).

633

Vgl. Shepherd/Zacharakis (1999), S. 205.

634

Vgl. Argyris/Schon (1974) zitiert nach Shepherd/Zacharakis (1999), S. 204; Shepherd/Zacharakis (1999), S. 204, 207.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

164

tatsächlichen Gesamtnutzen von Gütern mit verschiedenen Attributen herauszufinden, z.B. bei einem Unternehmen mit bestimmten Produkt- und Managementeigenschaften.635 Zudem ist es im Gegensatz zu rückblickenden Methoden besser möglich, Interaktionseffekte zu berücksichtigen.636 Eine Voraussetzung für die Anwendung der thode ist, dass die Attribute feststehen, daher eignet sie sich vor allem zum Testen von Theorien und ist auf andere Methoden angewiesen, mit deren Hilfe die Attribute – im Fall von Venture Capitalists die Auswahlkriterien – erhoben werden.637 RIQUELME/RICKARDS (1992) wenden als erste die Conjoint-Analyse für die Modellierung der Auswahlentscheidungen von Venture Capitalists an. Ihr Ziel ist vor allem zu zeigen, dass sich die Methode für die Untersuchung der Auswahlkriterien eignet. Sie zeigen, dass in absteigender Reihenfolge folgende Kriterien aus Sicht der Venture Capitalists entscheidend sind: Managementerfahrung, patentierbares Produkt, funktionierender Prototyp, Alleinstellungsmerkmale und die erwartete Marge. Das Marktwachstum, das von vorausgegangenen Studien häufig als wichtiges Kriterium identifiziert wurde, spielt keine nennenswerte Rolle. MUZYKA/BIRLEY/LELEUX (1996) untersuchen paarweise Zielkonflikte zwischen Auswahlkriterien europäischer Venture-Capital-Gesellschaften. Auch sie bestätigen die zentrale Bedeutung des Managements für die Venture-Capitalists. Die fünf Management-Team-Kriterien sind gleichzeitig die fünf am höchsten gerankten Kriterien. Es folgen die Kriterien zu Management-Kompetenzen, strategische und Wettbewerbskriterien, Finanzkriterien, Produkt- und Marktkriterien, Fondskriterien und DealKriterien.638 Die Studie von MUZYKA/BIRLEY/LELEUX (1996) nutzt nicht das ganze Potenzial der Conjoint-Methode, da die Probanden bei den paarweisen Abwägungen ihre Präferenzen aus der Vergangenheit wiedergeben müssen. Somit entstehen ähnlich wie bei rückblickenden Fragebögen psychologische Verzerrungsprobleme. In einem Experiment, das zu mindestens fünf Veröffentlichungen führte, untersucht Shepherd mit wechselnden Koautoren die Auswahlkriterien, die im Rahmen der Indus-

635

Vgl. Shepherd/Zacharakis (1999), S. 204; Backhaus et al. (2006), S. 558.

636

Vgl. Riquelme/Rickards (1992), S. 516; Shepherd/Zacharakis (1999), S. 205.

637

Vgl. Shepherd/Zacharakis (1999), S. 206.

638

Vgl. Muzyka/Birley/Leleux (1996), S. 280f.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

165

trieökonomik aus dem strategischen Management abgeleitet wurden.639 SHEPHERD (1999a) geht der Frage nach, inwieweit die Kriterien die Einschätzung der Überlebenswahrscheinlichkeit beeinflussen. Produkteigenschaften sind aufgrund des Theorierahmens nicht direkt mit in die Analyse einbezogen. Die industriespezifische Kompetenz des Entrepreneurs hat mit weitem Abstand den stärksten Einfluss auf die geschätzte Überlebenswahrscheinlichkeit des Unternehmens. Der zweitwichtigste Faktor sind die Vertriebsressourcen und -fähigkeiten.640 Erst dann folgen den Markt und den Wettbewerb betreffende Faktoren. Begründet wird das Ergebnis mit Schwierigkeiten, die Eigenschaften des relevanten Marktes (Erfolgsfaktorenstabilität und ‚Timing’) und die Wettbewerbssituation (zeitlicher Vorsprung, Wettbewerbsintensität) richtig einzuschätzen. Die Unsicherheit der Umwelt der Unternehmensgründung ist hoch, so dass Venture Capitalists Entrepreneurs bzw. Managementteams suchen, die mit erwarteten und unerwarteten Veränderungen des Marktes und der Wettbewerbssituation umgehen können.641 SHEPHERD/ETTENSON/CROUCH (2000) untersuchen im Rahmen desselben Experimentes den Zusammenhang zwischen Auswahlkriterien und der erwarteten Profitabilität. Die mit Abstand größte Bedeutung hat wiederum die industriespezifische Kompetenz, die 20% der Varianz erklärt. Es folgen Intensität der Konkurrenz, ‚Timing’ sowie Vertriebsressourcen und -fähigkeiten mit 9%, 9% und 8% erklärter Varianz. Die Studie berücksichtigt auch Interaktionseffekte. Der einflussreichste Interaktionsterm ‚Timing x Zeitvorsprung’ erklärt aber nur 2% der Varianz, die übrigen Interaktionsterme sind unwichtig. Die Interaktionsterme tragen also nur einen kleinen Teil zur erklärten Varianz bei.642 Diese Studien bestätigen wiederum die Studien aus Gruppe A, indem sie Managementmentkriterien als besonders wichtig identifizieren. Die beiden Studien SHEPHERD (1999a) und SHEPHERD/ETTENSON/CROUCH (2000) widersprechen dafür dem Ergebnis

639

Vgl. Shepherd (1999b); Shepherd (1999a); Shepherd/Ettenson/Crouch herd/Zacharakis (2002); Shepherd/Zacharakis/Baron (2003).

640

Im Original heißt das Kriterium „Educational Capability“ und wird umschrieben mit „…educational capability refers to the amount of resources and skills available to overcome market ignorance through education“; Shepherd (1999a), S. 624.

641

Vgl. Shepherd (1999a), S. 625, 627f.

642

Vgl. Shepherd/Ettenson/Crouch (2000).

(2000),

Shep-

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

166

von TYEBJEE/BRUNO (1984), die den Markt als das entscheidende Kriterium für die Rentabilität identifiziert haben.

3.3.2.2.6

Psychologische Studien

In der Venture-Capital-Literatur wird häufig auf die Intuition, die ‚Chemie’ zwischen Venture Capitalist und Entrepreneur und die Erfahrung als wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Auswahl von Portfolioorganisationen hingewiesen.643 Die Psychologie beschäftigt sich intensiv mit diesen Themen und es wurden allgemein vielfältige psychologische Verzerrungen bei der Entscheidungsfindung nachgewiesen.644 Es ist daher einleuchtend, auch die Auswahlentscheidung von Venture Capitalists aus psychologischer Sicht zu bewerten. Die älteste identifizierte Studie von KHAN (1987) untersucht, inwieweit statistische Modelle Venture Capitalists bei der Auswahl von Portfoliogesellschaften unterstützen können. Zwar nutzt er selbst den Begriff Psychologie nicht, aber er greift auf grundlegende psychologische Literatur zurück.645 Es werden zwei Typen von Modellen, nämlich konjunktive Modelle und disjunktive Modelle, verglichen. Beim konjunktiven Modell muss jedes Auswahlkriterium zu einem Mindestmaß erfüllt sein, bei einem disjunktiven Modell reicht es, wenn ein Auswahlkriterium zu einem Mindestmaß erfüllt ist.646 Die abhängige Variable ist der erwartete und der tatsächliche Erfolg.647 Insgesamt ergeben sich folglich vier Modelle. Das Auswahlverhalten kann durch ein konjunktives Modell etwas besser modelliert werden als durch ein disjunktives Modell. Signifikanten Einfluss auf die Erfolgseinschätzung haben der Drang zum Erfolg des Unternehmers und Alleinstellungsmerkmale des Produktes. Beim tatsächlichen Erfolg als abhängiger Variable weisen beide Modelle (konjunktiv und disjunktiv) eine recht hohe Korrelation aus, was ein Indiz dafür ist, dass solche Modelle für die Auswahl von

643

Vgl. MacMillan/Zemann/Subbanarasimha (1987), S. 124; Khan (1987), S. 195; Sweeting (1991), S. 619.

644

Vgl. für einen Liste möglicher psychologischer Verzerrungen bei der Entscheidungsfindung („bias“) Zacharakis/Shepherd (2007), S. 187.

645

Wie auch Zacharakis/Meyer (1998), Zacharakis/Meyer (2000) und Zacharakis/Shepherd (2001) greift er auf das Linsenmodell von Brunswik (1952) zurück.

646

Vgl. Khan (1987), S. 196f.

647

Vgl. Khan (1987), S. 198.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

167

Portfoliogesellschaften herangezogen werden können. Beide Modelle identifizieren – anders als bei der Auswahlentscheidung als abhängiger Variable – nur Kreativität und Genialität des Unternehmers als signifikanten Faktor. Die Untersuchung legt folgenden Schluss nahe: Venture Capitalists achten bei der Auswahl auf den Drang zum Erfolg und Alleinstellungsmerkmale des Produktes bzw. der Dienstleistung, tatsächlich hat aber nur die Kreativität und Genialität statistisch signifikanten Einfluss auf den Erfolg. Folglich müssten auch erfolgreiche Venture Capitalists hauptsächlich auf diesen Faktor achten.648 Die Anwendung eines solchen statistischen Modells im Alltag einer Venture-Capital-Gesellschaft würde darin bestehen, dass der Venture Capitalist die einzelnen Kriterien bewertet (Drang zum Erfolg, Kreativität und Genialität etc.), die Einschätzung, ob investiert werden soll, aber auf Basis des Modells getroffen wird.649 Problematisch an der Untersuchung ist der weitgehende Ausschluss von Produkt, Markt und Finanzkriterien, wodurch die Validität stark eingeschränkt ist. In einem Experiment, das zu drei Veröffentlichungen führte, wurde der Frage nachgegangen, ob Venture Capitalists ihren eigenen Auswahlprozess verstehen650, ob statistische Modelle die Auswahl von Portfoliounternehmen unterstützen können651 und ob Venture Capitalists ihre Fähigkeiten, die richtigen Unternehmen auszuwählen, überschätzen652. Das Experiment basiert auf der Social-Judgement-Theorie. Die Untersuchungen bringen einige interessante Aspekte hervor. In der ersten Untersuchung zeigen ZACHARAKIS/MEYER (1998), dass Venture Capitalists die Bedeutung der von ihnen verwendeten Auswahlkriterien recht gut einschätzen können, so lange es nur wenige Kriterien sind. Nimmt aber der Umfang der Informationen zu, fällt es ihnen schwerer, die Bedeutung der Kriterien für ihre eigene Entscheidung richtig wiederzugeben. Zudem verändert sich unter diesen Umständen die Bedeutung der Kriterien für die Auswahlentscheidung – so werden z.B. Managementkriterien für die tatsächliche Auswahlentscheidung unwichtiger und Marktkriterien wichtiger. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass rückblickende Fragebögen zur Kriterienbedeutung ein ver-

648

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Venture Capitalists sehr unterschiedliche Methoden verwenden, um die Managementqualität zu bewerten; vgl. Smart (1999), S. 67.

649

Vgl. Khan (1987).

650

Vgl. Zacharakis/Meyer (1998).

651

Vgl. Zacharakis/Meyer (2000).

652

Vgl. Zacharakis/Shepherd (2001).

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

168

zerrtes Bild liefern, weil Venture Capitalists andere Kriterien verwenden, als sie angeben. Hinzu kommt, dass die Bewertung einzelner Kriterien davon abhängt, welche weiteren Informationen vorhanden sind. Eine Möglichkeit, die Verzerrungen in den Griff zu bekommen, sind Checklisten oder ähnliche entscheidungsunterstützende Maßnahmen.653 Solche entscheidungsunterstützenden Maßnahmen in Form von statistischen Auswahlmodellen werden gezielt in der zweiten Veröffentlichung untersucht.654 Die Autoren zeigen, dass ein Bootstrap-Modell655 bei gleicher Gewichtung der fünf wichtigsten Kriterien die Unternehmen besser in erfolgreiche und nichterfolgreiche klassifiziert als die Venture Capitalists. Dies ist ein Indiz dafür, dass auch Venture Capitalists von statistischen Modellen bei der Auswahl von Portfoliounternehmen profitieren könnten. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen auch SHEPHERD/ZACHARAKIS (2002).656 Mit Hilfe desselben Experimentes zeigen ZACHARAKIS/SHEPHERD (2001), dass Venture Capitalists ihre eigenen Fähigkeiten, gute Finanzierungsanfragen auszuwählen und schlechte abzusagen, deutlich überschätzen. Die Autoren weisen im Einklang mit den vorangegangenen Studien auch nach, dass mehr Informationen zu schlechteren Entscheidungen führen, obwohl – wie man auch vermuten würde – Venture Capitalists ein höheres Vertrauen in ihre Entscheidung haben, wenn ihnen mehr Informationen zur Verfügung stehen. Wenn Venture Capitalists auf Basis von ungewohnt dargestellten Informationen Entscheidungen treffen müssen, nimmt das Vertrauen in die Vorhersagegenauigkeit ab, vermutlich, da sie sich nicht mehr in gewohntem Maß auf ihre Intuition verlassen können. Interessanterweise nimmt das Vertrauen in die Vorhersagegenauigkeit aber weniger stark ab als die tatsächliche Vorhersagegenauigkeit, die noch stärker zurückgeht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Venture Capitalists

653

Vgl. Zacharakis/Meyer (1998).

654

Vgl. Zacharakis/Meyer (2000).

655

Ein Bootstrap-Modell versucht die Entscheidung einer Person abzubilden. Das Modell wird spezifiziert auf Basis von Einschätzungen oder Entscheidungen, z.B. erwarteter Erfolg, und der Ausprägungen der Kriterien, z.B. Managementqualität und Markteigenschaften, die zu der Entscheidung geführt haben. Vgl. Zacharakis/Meyer (2000), S. 329.

656

Vgl. Shepherd/Zacharakis (2002), S. 11.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

169

ihr Screening verbessern könnten, wenn sie sich selbst weniger überschätzen würden.657 SHEPHERD/ZACHARAKIS/BARON (2003) gehen der Frage nach, ob mit zunehmender Erfahrung auch die Auswahlentscheidungen von Venture Capitalists besser werden. Tatsächlich können die Autoren nachweisen, dass Erfahrung sowohl zu einer höheren Beständigkeit als auch zu einer höheren Qualität der Auswahlentscheidung im Vergleich zu einem Bootstrap-Modell führt. Diese Zusammenhänge gelten aber nur bis zu etwa 13 Jahren Erfahrung, danach wirkt sich Erfahrung überraschenderweise negativ auf die Beständigkeit und Qualität der Entscheidung aus.658 Auch wenn die Validität der psychologischen Studien aufgrund der hohen Abstraktion angreifbar ist, so malen sie dennoch ein düsteres Bild. Sie lassen erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass Venture Capitalists wirklich Experten sind, die rationale und qualitativ hochwertige Investitionsentscheidungen treffen und aus Erfahrung lernen. Aus psychologischen Studien ist bekannt, dass Wahrnehmungsverzerrungen bestehen bleiben und kein effektives Lernen – weder einer Person noch einer Organisation – stattfindet, wenn erstens Entscheidungsauswirkungen sich erst spät zeigen und nur schwer einzelnen Entscheidungen zugeordnet werden können, zweitens das Umfeld sich schnell und häufig ändert und drittens es keine Informationen darüber gibt, was die Auswirkungen alternativer Entscheidung gewesen wären.659 Alle drei Voraussetzungen sind im Venture-Capital-Sektor erfüllt. Es stellt sich aber die Frage, ob Venture Capitalists tatsächlich so schlechte Auswahlentscheidungen treffen, wie diese Studien vermuten lassen, oder ob es mitunter Mechanismen gibt, die Venture Capitalists bereits nutzen, um die negativen psychologischen Effekte bei der Auswahlentscheidung verringern, die aber in vorherigen Studien nicht berücksichtigt wurden. Ein Mechanismus, der dazu beitragen kann, die Entscheidungsqualität zu verbessern, ist die Rechenschaftspflicht über getroffene Entscheidungen.660 Die Rechenschaftspflicht, z.B. gegenüber einem übergeordneten Gremium, zwingt einen Venture Capi-

657

Vgl. Zacharakis/Shepherd (2001), S. 323f.

658

Vgl. Shepherd/Zacharakis/Baron (2003), S. 392ff.

659

Vgl. Tversky/Kahneman (1986), S. 275.

660

Vgl. Lerner/Tetlock (1999), S. 263; Abschnitt 3.2.4.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

170

talist dazu, seine Entscheidungen und sein Handeln zu rechtfertigen. Solche Rechenschaftspflichten können dazu führen, dass Individuen ihren Entscheidungsprozess besser verstehen lernen und sich bei der Entscheidungsfindung mehr Mühe geben; darüber hinaus tragen sie dazu bei, dass Venture Capitalists selbstkritischer sind, sich dadurch weniger überschätzen und in der Folge bessere Entscheidungen treffen.661 In einem vorläufigen Experiment, das noch mit einigen methodischen Problemen behaftet ist, finden RIDER/TETLOCK (2005) Indizien dafür, dass sich die Rechenschaftspflicht auch im Venture-Capital-Sektor positiv auf die Entscheidungsfindung auswirkt.662 Als Maßnahme gegen psychologische Verzerrungen werden auch Checklisten und das Verwenden von statistischen Modellen vorgeschlagen. Mitunter lassen sich durch diese Hilfsmittel negative psychologische Verzerrungen verringern. In Deutschland nutzen etwa ein Fünftel der Venture-Capital-Gesellschaften ein Ratinginstrument, das psychologische Verzerrungen verringern kann.663 Allerdings deuten Gespräche mit Praktikern darauf hin, dass diese Ratinginstrumente von Mitarbeitern teilweise auch politisch eingesetzt werden, indem die Ratings so vergeben werden, dass das Rating zu der gleichen Gesamtbewertung kommt wie der Mitarbeiter. In dem Fall liefert das Instrument freilich kaum Mehrwert. Dieses Beispiel zeigt, dass auch bei Instrumenten, die psychologische Verzerrungen verringern sollen, wiederum psychologische Effekte beachtet werden müssen, die das Instrument selbst verursacht.

3.3.2.2.7

Managementstudien

Einige jüngere Studien nehmen sich speziell der Frage an, welche Rolle das Management bei der Auswahl durch die Venture-Capital-Gesellschaften spielt.664 Dies ist nur konsequent, denn die meisten früheren Studien haben gezeigt, dass das Management bzw. das Managementteam aus Sicht der Venture-Capital-Gesellschaft eine herausragende Bedeutung hat. Auch industriespezifische Redewendungen und Sprüche spiegeln die hohe Managementbedeutung in der Praxis wider, z.B.: “I invest in people

661

Vgl. Lerner/Tetlock (1999), S. 263; Rider/Tetlock (2005), S. 7f.

662

Vgl. Rider/Tetlock (2005), S. 16.

663

Vgl. Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006), S. 69.

664

Nicht besprochen werden hier allgemeine Studien zum Einfluss von Managementteams auf den Unternehmenserfolg. Vgl. hierzu für einen Überblick: Williams/O'Reilly (1998).

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

171

not ideas”, “It is better to invest in a grade A team with a grade B idea than to invest in a grade B team with a grade A idea” und “Venture Capital is more recruiting than investing”. Eine bedeutsame Conjoint-Untersuchung auf Basis eines explorativen Experiments zur Bedeutung von Managementeigenschaften für die Auswahlentscheidung von Venture Capitalists haben FRANKE et al. (2004) in Deutschland durchgeführt.665 Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Branchenerfahrung eines Teams für Venture-CapitalGesellschaften am wichtigsten ist und knapp 30% der Bewertung erklärt. Es folgen: die Ausbildungsausrichtung (technisch und/oder kaufmännisch), der Ausbildungsrang (Studium oder nicht), die Zusammengehörigkeit des Teams (gemeinsame berufliche oder private Beziehung) und die Personalverantwortung in der letzten beruflichen Position mit jeweils rund 15%. Eine deutlich geringere Rolle spielen das Alter des Teams und die Art der Berufserfahrung (Start-up oder Konzern) mit etwa 8%.666 Bei der Einschätzung der Kriterienbedeutung gibt es extreme Unterschiede zwischen den Venture Capitalists, die auch durch die Kontrollvariablen Branchenfokus, Finanzierungsphasenfokus und Fondsvolumen nicht erklärt werden können. Die Autoren zeigen sich daher „überrascht darüber, dass bei einem mutmaßlich sehr rationalen, wenig emotionalen Evaluationsprozess so deutliche Unterschiede sichtbar werden“.667 Sie resümieren kritisch, dass es nicht als „Geschmackssache“ gelten kann, welche Teameigenschaften bevorzugt werden, sondern Teams ausgewählt werden sollten, welche die Erfolgswahrscheinlichkeit maximieren.668 In jedem Fall zeigen die Ergebnisse, dass innerhalb der Branche sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Eigenschaften eines erfolgversprechenden Teams vorherrschen.669 Die Analyse zeigt auch, dass es gewisse K.O.-Kriterien gibt. Beispiele für K.O.Kriterien sind, dass kein Teammitglied ein Studium absolviert hat, dass kein Teammitglied Branchenerfahrung besitzt oder kein Teammitglied je Personalverantwortung

665

Auf demselben Experiment bauen auch folgende Veröffentlichungen auf: Franke et al. (2006), Franke et al. (2008).

666

Vgl. Franke et al. (2004), S. 661.

667

Franke et al. (2004), S. 662, 665.

668

Franke et al. (2004), S. 665.

669

Vgl. Franke et al. (2004), S. 662f., 665.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

172

innehatte. Ob aber z.B. ein oder mehrere Teammitglieder ein Studium absolviert haben, ist nicht entscheidend. Venture Capitalists legen Wert auf ein ausgewogenes Verhältnis bei der Ausbildungsrichtung (kaufmännisch versus technisch) und der Art der Berufserfahrung (Start-up versus Konzern). Damit wird bestätigt, dass Venture Capitalists an Komplementarität im Managementteam glauben.670 Das Experiment bringt auch einige relevante psychologische Aspekte hervor, so dass die Studien auch unter Gruppe F hätten einsortiert werden können. Die Autoren finden ihre Hypothese bestätigt, dass sich besonders kritische Erlebnisse hinsichtlich der Teameigenschaften auf die Bewertung der Kriterien auswirken. Beispielsweise führen besonders negative Erlebnisse mit dem Ausbildungsrang des Gründerteams zu einer deutlich höheren Wichtigkeit des Ausbildungsranges. Das Ergebnis deutet auf ein systematisches Problem bei der Auswahlentscheidung hin, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine solch starke Reaktion auf eine Erfahrung in der Vergangenheit die Prognosefähigkeit erhöht.671 Bei der Bewertung von Managementteams ist auch der „similarity bias“ nachweisbar. Venture Capitalists, die früher selbst in einem Start-up gearbeitet haben, präferieren auch Teams mit Start-up-Erfahrung, während Venture Capitalists, die früher in einem Konzern gearbeitet haben, Teams präferieren, die ebenfalls Konzernerfahrung haben. Gleiches gilt für die Ausbildungsrichtung (kaufmännisch versus technisch).672 Kein signifikanter Zusammenhang besteht bei Alter, Führungserfahrung und Ausbildungsrang. Die Autoren schlussfolgern, dass der „similarity bias“ nur bei kontrollierbaren und über die Zeit konstanten Eigenschaften auftritt. Sie finden also wiederum deutliche Hinweise auf Irrationalität bei der Auswahlentscheidung, die nicht gewollt sein kann.673 Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, könnten Managementteams durch mehrere Mitarbeiter der Venture-Capital-Gesellschaft unabhängig voneinander bewertet werden. Das getrennte Bewerten mag aber auch über diese Analysephase hinaus

670

Vgl. Franke et al. (2004), S. 661.

671

Vgl. Franke et al. (2004), S. 663ff.

672

Vgl. Franke et al. (2006), S. 817ff.

673

Vgl. Franke et al. (2006), S. 817ff.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

173

ratsam sein, um Verzerrungen in der Zukunft auszuschalten oder zumindest zu lindern. Freilich sind mit diesem Ansatz zusätzlich Kosten verbunden, die mit den Vorteilen abgewogen werden müssen. Des Weiteren erscheint es vor dem Hintergrund der Ergebnisse sinnvoll, Analysten mit heterogenem Hintergrund einzustellen, insbesondere bezüglich der Ausbildungsrichtung und der vorherigen Berufserfahrung.674 Nicht nur aufgrund des persönlichen Hintergrundes, sondern auch in Abhängigkeit von der Erfahrung bewerten Venture Capitalists Managementteams unterschiedlich vor allem im Hinblick auf den Ausbildungsrang, die Führungserfahrung in der letzten Position und die Zusammengehörigkeit des Teams. Für unerfahrene Venture Capitalists ist deutlich wichtiger, ob alle oder ein Teil des Managements einen Universitätsabschluss haben (Ausbildungsrang) und ob die Teammitglieder Führungserfahrung gesammelt haben. Die einzige Teameigenschaft, die von erfahrenen Venture Capitalists als wichtiger eingestuft wird, ist die Zusammengehörigkeit des Teams. Unerfahrene Venture Capitalists achten mehr auf die Einzelqualifikation des Managementteams. Diese Ergebnisse fassen die Autoren durch die Metapher zusammen, dass erfahrene Venture Capitalists auf den Wald, unerfahrene dagegen auf die Bäume achten.675 Vor dem Hintergrund, dass sich Erfahrung, wie oben gezeigt, zunächst positiv auf Qualität der Auswahlentscheidung auswirkt (etwa bis Jahr 13), kann angenommen werden, dass der Teamzusammenhalt tatsächlich wichtiger ist als junge Venture Capitalists meinen.676 Die umgekehrte Perspektive zu den oben angeführten Untersuchungen nehmen Beckman/Burton/O'Reilly (2007) ein. Sie definieren Venture-Capital-Finanzierung und IPO als Erfolg für das Unternehmen und untersuchen, welche Teameigenschaften – sowohl Gründungsteameigenschaften als auch spätere Managementteameigenschaften – mit diesen Erfolgsgrößen korrelieren. Wie in Tabelle 10 erkennbar ist, weisen die Ergebnisse nicht eindeutig darauf hin, dass Gründungsteameigenschaften, die zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von Venture-Capital-Finanzierung führen, auch zu einer höheren Wahrscheinlichkeit eines IPOs führen. Positiv auf beides wirkt sich nur die Top-Management-Erfahrung von Gründungsteammitgliedern aus. Ein heterogenes

674

Vgl. Franke et al. (2006), S. 823.

675

Vgl. Franke et al. (2008), S. 476ff.

676

Vgl. Shepherd/Zacharakis/Baron (2003), S. 392.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

174

Gründungsteam wirkt sich zwar positiv auf die Wahrscheinlichkeit aus, VentureCapital-Finanzierung zu finden (allerdings nicht statistisch signifikant), aber negativ auf die Wahrscheinlichkeit eines IPOs aus. Umgekehrt verhält es sich bei der Start-upErfahrung, die sich positiv auf die IPO-Wahrscheinlichkeit und negativ auf die Venture-Capital-Finanzierungs-Wahrscheinlichkeit auswirkt. Bei späteren Managementeigenschaften ergibt sich ein einheitlicheres Bild: Top-Management-Erfahrung und

VC-Finanzierung

IPO

Gründungsteam

Team-Heterogenität

(+)

-

Start-up-Erfahrung

-

+

Top-Management-Erfahrung

+

+

Managementteam

Teamheterogenität haben einen positiven Einfluss (allerdings im Fall der IPOWahrscheinlichkeit der Teamheterogenität nicht statistisch signifikant) und Start-upErfahrung wirkt sich negativ aus.677

Team-Heterogenität

+

(+)

Start-up-Erfahrung

-

-

Top-Management-Erfahrung

+

+

(x) = Zusammenhang nicht statistisch signifikant Tabelle 10: Einfluss von Teameigenschaften auf die Wahrscheinlichkeit einer Venture-Capital-Finanzierung und eines IPOs678 Ein überraschendes Resultat der Untersuchung ist die positive Auswirkung, die das Verlassen des Unternehmens durch den oder die Gründer auf die IPOWahrscheinlichkeit hat. Diese wächst mit jedem Gründer, der das Unternehmen verlässt, um 25%.679 Gleichzeitig steigt die Wahrscheinlichkeit eines IPO sehr deutlich mit bis zu 69% pro neu eingestelltem externen Manager.680 Beide Effekte zusammengenommen zeigen, dass Unternehmen, in denen das Gründungsteam durch „professio-

677

Vgl. Beckman/Burton/O'Reilly (2007), S. 159ff.

678

Eigene Darstellung basierend auf Beckman/Burton/O'Reilly (2007), S. 162ff.

679

Vgl. Beckman/Burton/O'Reilly (2007), S. 165. Die Autoren zeigen an gleicher Stelle, dass die Wahrscheinlichtkeit eines IPOs sich mit jedem Managementteammitglied, welches das Unternehmen verlässt und nicht Gründer ist, um 34% verringert.

680

Vgl. Beckman/Burton/O'Reilly (2007), S. 165.

3.3 Empirische Venture-Capital-Studien

175

nelles“ Management ersetzt wird, eine höhere IPO-Wahrscheinlichkeit haben. Die Korrelation belegt aber nicht, dass auch eine Kausalität besteht. COPE/CAVE/ECCLES (2004) gehen in einer explorativen Studie mit Hilfe von sechs Interviews der Frage nach, welche Bedeutung Scheitern in der Vergangenheit für Entrepreneurs bei der Suche nach Venture Capital hat. Entgegen den meisten Studien finden die Autoren Hinweise darauf, dass bei der Auswahl das Konzept stärker als der Entrepreneur und das Team bewertet wird.681 Venture Capitalists konzentrieren sich darauf, „Macher“ zu finden, die Ideen haben und umsetzen. Für die Skalierung und das Wachstum bedarf es dann aber eines erfahrenen Managers, der die Position des Geschäftsführers übernimmt.682 Es ist daher für Venture Capitalists wichtig, dass Entrepreneurs, speziell solche, die bereits einmal gescheitert sind, ihre Fähigkeiten richtig einschätzen können und freiwillig Platz machen für erfahrene Manager, wenn sie nicht mehr in der Lage sind das Unternehmen zu führen.683 Entrepreneurs werden später typischerweise die Chef-Entwickler oder übernehmen eine vergleichbare Position.684 Eine weitere Erkenntnis aus den Interviews ist, dass Venture Capitalists primär Entrepreneurs mit Erfahrung und nicht zwingend Entrepreneurs mit Erfolg suchen. Wichtig für die Investitionsentscheidung ist auch der Grund für das Scheitern in der Vergangenheit. Die meisten Venture Capitalists sind der Meinung, dass Scheitern eine ganze Reihe von Gründen haben kann und häufig außerhalb des Einflusses des Entrepreneurs liegt.685 Die Gemeinsamkeit der oben aufgeführten Studien liegt in der hohen Bedeutung, die der Erfahrung (nicht dem Erfolg) zugeschrieben wird. Damit bestätigen diese Studien indirekt auch die Studie von MACMILLAN/SIEGEL/NARASIMHA (1985), die zeigt, dass das Kriterium „Thouroughly familiar with the market targeted by the venture“, das stark mit dem Kriterium Erfahrung übereinstimmen dürfte, das am zweithöchsten gerankte Kriterium ist. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Bedeutung der Heterogenität

681

Vgl. Cope/Cave/Eccles (2004), S. 158f.

682

Vgl. Cope/Cave/Eccles (2004), S. 158ff.

683

Vgl. Cope/Cave/Eccles (2004), S. 159ff.

684

Vgl. Cope/Cave/Eccles (2004), S. 159.

685

Vgl. Cope/Cave/Eccles (2004), S. 164.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

176

des Teams. Die Studien FRANKE et al. (2006) und FRANKE et al. (2004) weisen zudem zwei weitere psychologische Effekte nach (kritische Erlebnisse und ‚similarity bias’). Sie bestätigen damit die These der im vorangegangenen Abschnitt dargelegten Studien, dass psychologische Effekte bei der Auswahlentscheidung eine wichtige Rolle spielen. Fraglich an den Studien von Franke und seinen Forscherkollegen ist die externe Validität der Ergebnisse. Es muss berücksichtigt werden, dass andere Studien zu dem Ergebnis kommen, dass das Management (-team) in der Screening-Phase selten der Grund der Ablehnung ist, sondern nur dann eine Rolle spielt, wenn es extrem gut oder extrem schlecht zu sein scheint.686 Es bleibt daher zu untersuchen, inwieweit die identifizierten psychologischen Faktoren auch tatsächlich Einfluss haben. Bisher gibt es keine Untersuchung, inwieweit die identifizierten psychologischen Faktoren auch bei der Due Diligence Einfluss haben. FRANKE et al. (2006) vermuten, dass der „similarity bias“ in späteren Stufen des Investitionsprozesses, wenn es zum persönlichen Kontakt kommt, noch deutlichere Auswirkungen haben wird. Dies bleibt jedoch zunächst Spekulation. Denkbar ist auch, dass durch den persönlichen Kontakt andere Formen des „similarity bias“ relevant werden. Die psychologische Literatur würde hierzu sicherlich Indizien liefern. Diese zu diskutieren, geht aber über den Rahmen der Arbeit hinaus. Die empirische Erforschung von psychologischen Effekten bei der Bewertung von Managementteams in späteren Prozessschritten ist höchst relevant, dürfte die Wissenschaft aber vor größere Herausforderungen stellen, da die Bewertung nicht so leicht simuliert werden kann wie in der Screening-Phase.

3.4 Empirische Stiftungs- und Venture-Philanthropy-Studien

3.4.1 Auswahlprozess In der Community-Wealth-Ventures-(2001)-Studie, einer der ersten Marktstudien zum Venture-Philanthropy-Sektor in den USA, wird zwischen passiver und proaktiver Suche nach Portfolioorganisationen unterschieden. Von 37 Fonds nutzen 22 beide Wege, um auf potenzielle Portfoliounternehmen aufmerksam zu werden. Sieben Fonds akzep-

686

Vgl. Hall/Hofer (1993), S. 39f.; Abschnitt 3.3.2.2.3.

3.4 Empirische Stiftungs- und Venture-Philanthropy-Studien

177

tieren allerdings überhaupt keine Direktbewerbungen. Aus der Studie geht nicht hervor, ob die übrigen acht Fonds die Frage nicht beantworteten oder eine andere Antwort gaben.687 Die Studie von SCARLATA/ALEMANY (2009) ist die einzige identifizierte Studie, die der Deal-Origination-Frage von Venture-Philanthropy-Gesellschaften etwas umfangreicher nachgeht. Auf Basis der Venture-Capital-Literatur und von sieben Interviews wurde ein Fragebogen entwickelt, der Venture-Philanthropy-Gesellschaften in den USA und Europa zugeschickt wurde.688 Die Autoren nutzen eine andere Klassifizierung der Kontaktaufnahme als in Abbildung 7 für Venture-Capital-Gesellschaften dargestellt. Sie unterscheiden primär zwischen passiver und proaktiver Kontaktaufnahme. Die passive Kontaktaufnahme wird weiter unterteilt in die Kontaktaufnahme durch den Social Entrepreneur (das entspricht der direkten Kontaktaufnahme in Abbildung 7) und Vermittlung aus dem Netzwerk (das entspricht der vermittelten Kontaktaufnahme in Abbildung 7). Die Bedeutung der Quellen kann Tabelle 11 entnommen werden.689 Mit 25% gibt es aber auch viele Gesellschaften, die keine passiven Anfragen akzeptieren. Proaktiv an Deals kommen Venture-Philanthropy-Gesellschaften ebenfalls auf zwei verschiedene Arten: Entweder die Gesellschaft spricht ihr Netzwerk aktiv an und fordert es auf, Organisationen zu vermitteln – das entspricht ebenfalls der vermittelten Kontaktaufnahme in Abbildung 7, weil kein Unterschied gemacht wird zwischen passiv und proaktiv vermittelt – oder sie gründet selbst eine Organisation. Diese Möglichkeit ist in Abbildung 7 nicht vorgesehen, weil sie in der Venture-PhilanthropyLiteratur nicht genannt wird. Bei der Gründung einer Organisation geben die Gesellschaften an, entweder als Inkubator tätig zu sein oder selbst die Organisation zu gründen, falls keine passende Organisation am Markt identifiziert werden kann. Die weitere Unterteilung der Dealflow-Quellen sowie die Bedeutung der Dealflow-Quellen lässt sich Tabelle 11 entnehmen.690

687

Vgl. Community Wealth Ventures (2001), S. 31.

688

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 5f.

689

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 6ff.

690

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 7.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

178

Wenig zufriedenstellend ist, dass die Vermittlung von „anderen Institutionen“ eine so bedeutende Rolle einnimmt. Dies deutet darauf hin, dass eine weitere Untergliederung sinnvoll ist, um den Anteil und die Bedeutung der „anderen Institutionen“ zu reduzieren. Aufgrund einer anderen Skala lassen sich die Ergebnisse nicht direkt mit den unter 3.3.1.2 vorgestellten Ergebnissen aus der Venture-Capital-Literatur vergleichen.

Proaktive Quellen

Passive Quellen

Nennungen

Rating 1–7 (7=höchste)

1. Quelle: Social Entrepreneur 1.a Anfrage über die Webpage 1.b Anfrage mit der Post 2. Vermittlung aus dem Netzwerk 1. Vermittlung von 1.a Philanthropen und ihren Organisationen 1.b Organisationen im Portfolio 1.c Venture Capitalists 1.d anderen Institutionen 2. Initiierung einer Organisation 2.a Inkubation 2.b Gründung einer Organisation

53% 38% 40% 95% 93% 78% 95%

5,0 4,6 3,3 5,3

50% 43%

2,6 2,3

Tabelle 11: Dealflow-Quellen von Venture-Philanthropy-Gesellschaften und deren Bedeutung691 Die Herausforderung in der Projektprüfungsphase ist, wie auch im Venture-CapitalSektor, aus den identifizierten Organisationen die aussichtsreichen auszuwählen. Die Informationen, die Venture-Philanthropy-Gesellschaften in der Praxis verlangen, sind sehr ähnlichen denen, die Venture-Capital-Gesellschaften für ihre Entscheidung einfordern. Fast alle Gesellschaften verlangen einen Businessplan, eine Schätzung des benötigten Kapitals, Informationen zum Verwendungszweck des Kapitals und einen Finanzplan.692 Der Businessplan gilt als wichtigste Grundlage für die Bewertung.693 Die Autoren finden keine Hinweise darauf, dass die Nennungen und das Ranking der Dealflow-Quellen zwischen den USA und Europa differieren.694

691

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 7f.

692

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 12.

693

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 12f.

694

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 11.

3.4 Empirische Stiftungs- und Venture-Philanthropy-Studien

179

Zur Ausgestaltung von Verträgen zwischen Venture-Philanthropy-Gesellschaft und geförderten Social Ventures sowie zwischen Stiftung und geförderter Organisation konnte keine empirische Studie identifiziert werden. Hier zeigt sich, dass, wie bereits erwähnt, Stiftungen von Betriebswirtschaftlern bisher kaum erforscht wurden. In der Stiftungsliteratur wird lediglich normativ argumentiert. Demnach sollte es zwischen Stiftung und geförderter Organisation einen Projektvertrag geben.695 In dieser Vereinbarung „sollten neben einer möglichst genauen Zielformulierung auch die Operationalisierungen, Maßnahmen der Zielerreichung und Monitoringkriterien festgelegt werden. Zudem ist die Dokumentation von Meilensteinen mit Fristen […] hilfreich.“696 Die Erkenntnisse zum Auswahlprozess von Venture-Philantropy-Gesellschaften liefern kaum Hinweise zum Vorgehen und zur Bedeutung von Dealflow-Quellen. Die Aussagen bleiben sehr pauschal. Daher ist der Auswahlprozess ein wichtiges Untersuchungsobjekt in der eigenen Untersuchung ab Kapitel 4. Insbesondere sollen die Schwächen der bisherigen Arbeiten behoben werden, z.B. wird auf Einzelfallbasis auf die Dealflow-Quellen eingegangen, um den Anteil der „sonstigen Institutionen“ zu reduzieren.

3.4.2 Auswahlkriterien Es konnte keine Studie identifiziert werden, die sich der empirischen Bedeutung einzelner Auswahlkriterien von Stiftungen widmet. Auswahlkriterien werden nur auf einem abstrakten Niveau besprochen oder es werden normativ, in semiwissenschaftlichen Publikationen, potenzielle Kriterien genannt. Eine Befragung deutscher Stifter zeigt, dass eine Korrelation besteht zwischen der Konzentration der Stiftungstätigkeit und der Zielerreichung.697 Weiter zeigt die Untersuchung, dass verbindliche Kriterien für die Investitionstätigkeit sowohl zu einer höheren Zufriedenheit der Stifter führt als auch zu einer positiveren Einschätzung der Zielerreichung.698 „Stiftungen, die sich fokussieren, die ihre Aktivitäten kritisch prüfen und ihre Entscheidungen an klaren Kriterien ausrichten, werden nicht nur den gesellschaftlichen An-

695

Vgl. Lang/Schnieper (2006), S. 352.

696

Lang/Schnieper (2006), S. 352.

697

Vgl. Timmer (2005), S. 114.

698

Vgl. Timmer (2005), S. 116.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

180

forderungen, sondern auch den Erwartungen ihrer Stifter besser gerecht als Stiftungen, die ihre Mittel nach dem Gießkannenprinzip vergeben.“699 Ähnlich stellen auch LANG/SCHNIEPER (2006) in ihrer Untersuchung abstrakt fest: „Zur grundsätzlichen Anwendung von vorab entwickelten Kriterien zur Wahrung einer fairen und gleichen Behandlung aller Antragsteller und zur Erhöhung der Wirksamkeit der Stiftungsarbeit gibt es keine Alternative.“700 Einige generische Auswahlkriterien, die aber nicht auf ihre empirische Bedeutung hin geprüft wurden, finden sich bei BREITENEICHER/MARBLE (2003). Insgesamt umfasst die Liste 44 Kriterien, die zu 13 Kategorien zusammengefasst werden können: Qualität der Leitung, Qualität des Managements, Tätigkeitsbericht, Finanzkraft und Stabilität, Stellung im Gemeinwesen, Kraft der Vision, Dringlichkeit, Adressaten, Effektivität und Kosten-Nutzen-Analyse, Wirkungspotenzial, Risiken, Strategie und Verstärkungseffekt sowie Potenzial für Institutionalisierung und Selbständigkeit.701 Nur bei den Kriteriengruppen Qualität des Managements und Risiken erkennt man direkt die Vergleichbarkeit mit den entsprechenden generischen Kriterien im VentureCapital-Sektor.702 Die übrigen Kriterien sind entweder sektorspezifisch oder zumindest auf den sozialen Sektor angepasst. Zu den Auswahlkriterien von Venture-Philanthropy-Gesellschaften wurden nur zwei relevante Studien identifiziert.703 SCARLATA/ALEMANY (2009) ließen mit Hilfe eines Fragebogens Venture-Philanthropy-Gesellschaften elf Kriterien bewerten. In Tabelle 12 erkennt man die Bedeutung der einzelnen Kriterien. Ähnlich wie im VentureCapital-Sektor rangiert das Management auf dem vordersten Platz. Das zweitwichtigste Kriterium ist dafür ein spezifisches des sozialen Sektors: „Potenzial für signifikanten Social Impact“. Da Venture-Philanthropy-Gesellschaften die gesellschaftliche Rendite und Venture-Capital-Gesellschaften die finanzielle Rendite maximieren, wäre das analoge Kriterium im Venture-Capital-Sektor „Potenzial für

699

Timmer (2005), S. 116.

700

Lang/Schnieper (2006), S. 346.

701

Vgl. Breiteneicher/Marble (2003), S. 669ff.

702

Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.

703

Vgl. Scarlata/Alemany (2009); Miller/Wesley (in Druck).

3.4 Empirische Stiftungs- und Venture-Philanthropy-Studien

181

signifikante finanzielle Rendite“. Wie unter 3.3.2 gezeigt wurde, sind Finanzkriterien im Venture-Philanthropy-Sektor aber eher unbedeutend. SCARLATA/ALEMANY (2009) finden nur bei zwei Kriterien, nämlich „Entrepreneur and Management“ und „Business Strategy“, statistisch signifikante Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Venture-Philanthropy-Gesellschaften, wobei der Bewertungsunterschied nicht sehr hoch ist. Beide genannten Kriterien werden von den amerikanischen Gesellschaften als wichtiger eingeschätzt. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Venture-Capital-Forschung, denn auch bei VenturePhilanthropy-Gesellschaften tendieren amerikanische Gesellschaften dazu, diesen Kriterien eine höhere Bedeutung beizumessen.704 Mitunter ist wiederum der Grund, dass der amerikanische Venture-Philanthropy-Markt weiter entwickelt ist und die Gesellschaften höhere Ansprüche stellen können. Kriterium

Bewertung (Skala 1-7)

1

Entrepreneur und Management

6,82

2 3 4 5 6 7

Potenzial für signifikanten Social Impact Geschäftsstrategie Sozialer Markt Finanzielle Strategie Potenzial Größe zu erreichen Überzeugendes und nachhaltiges Einkommensmodell und/oder Finanzierungsmodell Social Enterprise erzielt klares Ergebnis mit einer signifikanten Anzahl an Menschen

6,33 6,18 5,85 5,79 5,72

Passt ins Portfolio Marktgröße Vertragseigenschaften

5,21 4,77 3,70

Rang

8 9 10 11

5,28 5,41

Tabelle 12: Bedeutung von Auswahlkriterien für Venture-Philanthropy-Gesellschaften705 Es besteht hier bezüglich des Social-Impact-Kriteriums bzw. der gesellschaftlichen Rendite ein ähnliches methodisches Problem wie bei den Venture-CapitalForschungsarbeiten. Verschiedene Eigenschaften eines Social Ventures, z.B. Mana-

704

Vgl. 3.3.2.2.2.

705

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 14.

182

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

gementerfahrung und Strategie, stehen hierarchisch auf einer Ebene mit der finanziellen bzw. hier der gesellschaftlichen Rendite. Dabei ist die Rendite das eigentliche Ziel der Gesellschaften. Die übrigen Kriterien werden als Hilfsmittel angelegt, um zu einer Meinung darüber zu gelangen, welche Rendite sich mit einer Investition in das Social Venture erzielen lässt. Rendite-Ziele sind nicht unabhängig von anderen Eigenschaften eines Social Ventures und sollten daher bei empirischen Untersuchungen nicht mit den übrigen Kriterien bzw. Eigenschaften von Social Ventures auf eine Ebene gestellt werden. Möglich ist es allerdings, das Ziel der gesellschaftlichen Rendite der finanziellen (privaten) Rendite gegenüberzustellen und in Erfahrung zu bringen, welche Renditeform die Venture-Philanthropy-Gesellschaft zu maximieren bestrebt ist. Die Studie von MILLER/WESLEY nutzt ein Experiment und untersucht die Bedeutung der Auswahlkriterien (unabhängige Variablen) für die Einschätzung der Effektivität der Organisation (abhängige Variable) aus Sicht der Organizational-Identitiy-Theorie. Die Studie nutzt acht Auswahlkriterien, von denen drei soziale und fünf unternehmerische Kriterien sind. Es zeigt sich, dass die wichtigsten vier Auswahlkriterien folgende sind: Managementerfahrung, Innovationsfähigkeit, Einkommensgenerierung und Erfolgsmessungsmethodik. Sie gehören alle vier zu den unternehmerischen Kriterien. Erst die Kriterien fünf bis sieben – Fokus auf sozialer Mission, Passion für gesellschaftlichen Wandel und Größe des Netzwerkes – sind soziale Kriterien. Das unwichtigste Kriterium ist der Ausbildungsrang, der wieder zu den unternehmerischen Kriterien zählt. Die unternehmerischen Kriterien erklären insgesamt die Einschätzung der Venture Philanthropists deutlich besser als die sozialen Kriterien: 47% der Varianz werden durch unternehmerische und lediglich 5% durch soziale Kriterien erklärt. Die Ergebnisse bezüglich der Bedeutung der unternehmerischen Kriterien rechtfertigen damit auch die ausführliche Darstellung der Auswahlkriterien von Venture-CapitalGesellschaften in Abschnitt 3.3.2. Hinsichtlich der Kriterienbedeutung sind VenturePhilanthropy-Gesellschaften Venture-Capital-Gesellschaften recht ähnlich – vermutlich deutlich ähnlicher als Stiftungen. Wenn allerdings neben den Haupteffekten auch noch acht Interaktionsterme berücksichtigt werden – jeweils ein Kriterien zusammen mit dem Anteil, den die Venture-Philanthropy-Gesellschaft in Social Ventures investiert – dann steigt die erklärte Varianz auf 78%. Die signifikanten Interaktionsterme belegen: Je stärker die Venture-Philanthropy-Gesellschaft auf Social Ventures (im

3.5 Zwischenfazit

183

Gegensatz zu Business Ventures) fokussiert ist, desto wichtiger sind die sozialen im Vergleich zu den unternehmerischen Kriterien.706 Die Studien von SCARLATA/ALEMANY (2009) und MILLER/WESLEY teilen ein Problem mit den vergleichbaren Studien im Venture-Capital-Sektor. Die Kriterien, welche die Studien nutzen, sind nur bedingt vergleichbar. Einig sind sie sich aber in der hohen Bedeutung des Managements für die Venture-Philanthropy-Gesellschaft. Bessere Erkenntnisse über die tatsächlich verwendeten Auswahlkriterien könnten durch Beobachtungen erzielt werden. Dass SCARLATA/ALEMANY (2009) fast keine Unterschiede zwischen europäischen und amerikanischen Venture-CapitalGesellschaften entdecken können, spricht dafür, dass Forschungsergebnisse aus der einen Region auch für die andere relevant sind und der institutionelle Unterschied zwischen beiden Regionen keinen wesentlichen Einfluss auf die Übertragbarkeit der Ergebnisse hat.

3.5 Zwischenfazit In diesem Kapitel wurde der Forschungsstand zum Auswahlprozess und zu den Auswahlkriterien wiedergegeben. Eingangs wurden die relevanten Theorien aus der Venture-Capital-Forschung vorgestellt, wobei gezeigt wurde, dass die Transaktionskostentheorie gut geeignet ist, die Existenz von Venture-Philanthropy-Gesellschaften zu begründen und die Principal-Agent-Theorie das Verhältnis zwischen VenturePhilanthropy-Gesellschaft und Social Venture bis zur Vertragsunterzeichnung gut beschreibt. Es wurde gezeigt, dass adverse Selektion auch bei Spendenfinanzierung vorkommen kann. Die Stewardship-Theorie hat für den Auswahlprozess wenig Erklärungsgehalt. Sowohl für die Bewertung von Social Ventures im Auswahlprozess als auch für die Vertragsgestaltung sind einzelne psychologische Theorien relevant. Der Auswahlprozess mit seinen wesentlichen Phasen Deal Origination, Screening, Due Diligence und Strukturierung wurde beschrieben. Er eignet sich gut als konzeptioneller Rahmen, weil jede Phase ihre eigenen Fragestellungen mit sich bringt. Lediglich in der Screening und Due-Dilligence-Phase sind sie recht ähnlich. In der Deal-Origination-Phase versuchen Venture-Capital-Gesellschaften, einen möglichst

706

Vgl. Miller/Wesley (in Druck), S. 21ff.

3 Auswahlprozess und -kriterien in der Literatur

184

umfangreichen qualitativ hochwertigen Dealflow zu erreichen und unternehmen dafür verschiedene Maßnahmen. Aus dem Netzwerk erhalten die Gesellschaften die besten Anfragen. In der Screening- und Due-Diligence-Phase wird mit verschiedene Aktivitäten und auf Basis verschiedener Informationen die Unsicherheit über die Erfolgsaussichten und damit auch ein Teil der asymmetrischen Informationsverteilung abgebaut. In der Strukturierungsphase wird der Vertrag verhandelt. Der Finanzierungsvertrag soll möglichst so ausgestaltet sein, dass er zu einer Selbstselektion führt und sich nur die qualitativ hochwertigen Business Ventures für den Vertrag entscheiden. Zudem adressieren die vertraglichen Regelungen Agency-Probleme nach der Vertragsunterzeichnung und führen zu einer Interessensangleichung der Parteien. Im dritten Teil des Kapitels wurden der Forschungsstand zu den Auswahlkriterien von Venture-Capital-Gesellschaften erläutert. Sie können unterteilt werden in die gesellschaftsspezifischen Kriterien, von denen fünf angeführt wurden und die hauptsächlich in der Screeningphase überprüft werden, und die generischen Kriterien, die in der Due Diligence überprüft werden. Die Studien zeigen, dass vor allem das Management, speziell die Erfahrung des Managements und die Einsatzbereitschaft, wichtige Kriterien für Venture Capitalists sind. Darauf weisen sowohl die Fragebogen basierten Untersuchungen als auch die Conjoint-Untersuchungen hin. Überprüft werden diese Kriterien aber erst in der Due Diligence. Die Beobachtungen beim Screening und die Auswertung der Dealdatenbank machen deutlich, dass sie zu Beginn des Auswahlprozesses eine untergeordnete Rolle spielen: Markt und Innovation werden zu Beginn des Auswahlprozesses umfangreicher eruiert und häufiger als Absagegrund angeführt. Es erhalten folglich nur die Managementteams eine Chance, die auch über ein sehr gutes neues Konzept verfügen und sich in einem geeigneten Markt bewegen. Es stellt sich dadurch die Frage, ob erstklassige Unternehmer mit einem zweitklassigen Konzept – wie einer der zitierten Sprüche suggeriert707 – tatsächlich eine Chance haben, eine Finanzierungszusage zu erhalten. Entgegen der verbreiteten Meinung deuten die Studien in der Mehrheit darauf hin, dass ein geeigneter Markt und ein erstklassiges Konzept notwendige Bedingungen sind. Für eine hinreichende Bedingung muss zusätzlich das Management erstklassig sein. Nur wenn alle drei Bedingungen erfüllt sind, hat das Unternehmen eine Chance, eine Finanzierungszusage zu erhalten. Darauf deutet auch das Ergebnis hin, dass das Auswahlverhalten von Venture

707

Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.7.

3.5 Zwischenfazit

185

Capitalists durch ein konjunktives Modell besser modelliert werden kann als durch ein disjunktives Modell. Die Studien verwenden unterschiedliche Erhebungs- und Analyse-Methoden. Für die Ersterhebung von Kriterien eigenen sich Interviews und vor allem Beobachtungen. Beachtet werden muss, dass die Informationsbasis das Ergebnis beeinflusst. Wenn beispielsweise Venture Capitalists beim Screening von Businessplänen beobachtet werden, kann die Persönlichkeit des Entrepreneurs nicht als Kriterium identifiziert werden, weil sie sich auf Basis des Businessplanes nicht bewerten lässt. Besser als die Beobachtung in einer künstlichen Situation wäre daher die Beobachtung in der natürlichen Entscheidungsfindungssituation, ohne dass der Beobachter Einfluss auf die Informationen nimmt, die dem Venture Capitalist zur Verfügung stehen. Eine solche Studie konnte aber nicht identifiziert werden. Erst im zweiten Schritt, nachdem die Kriterien identifiziert wurden, eignen sich klassische Regressionen und Conjoint-Analysen zur Bestimmung des Zusammenhangs zwischen Kriterien und Erfolg. Dieses wesentliche Ziel der Forschung konnte bisher leider nicht erreicht werden. Dies ist unzufriedenstellend, denn die Erhebung der Auswahlkriterien dient ganz wesentlich dem Zweck, diese Verbindung herzustellen. Ein Grund kann die Methodik sein. Bisher wurde keine Studie durchgeführt, die zum Zeitpunkt der Auswahl die Kriterien bewerten lässt und dann nach einigen Jahren den tatsächlichen Erfolg feststellt. Die retrospektiven Befragungen zur Kriterieneinschätzung, nachdem der Erfolg des Unternehmens bekannt ist, sind für das Ziel, Erfolgsfaktoren zu identifizieren, methodisch problematisch. Im Wesentlichen gibt es zwei Studien, die den Auswahlprozess und die Auswahlkriterien von Venture-Philanthropy-Gesellschaften untersuchen. Die eine nutzt einen Fragebogen, die zweite nutzt eine Conjoint-Analyse für die Bewertung der Auswahlkriterien. Beide identifizieren das Management als das wichtigste Auswahlkriterium. Das Verständnis des Auswahlprozesses und der Auswahlkriterien von VenturePhilanthropy-Gesellschaften bleibt aber sehr rudimentär. Es gibt bisher keine explorative Untersuchung, die den Auswahlprozess detailliert beschreibt, die Anfragen an Venture-Philanthropy-Gesellschaften auf Einzelfallbasis untersucht und die Auswahlkriterien unverzerrt in einer natürlichen Beobachtungssituation erhebt.

4 Fallstudien 4.1 Einführende Anmerkungen Ausführlich wurde im letzten Kapitel die Literatur zum Auswahlprozess und zu den Auswahlkriterien vorgestellt. Auf diesen Erkenntnissen des letzten Kapitels baut die eigene empirische Untersuchung auf, die nun im Vordergrund steht. Untersucht werden der Auswahlprozess und die Auswahlkriterien von zwei in Deutschland tätigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften: Ashoka und BonVenture. Das Kapitel besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil wird das empirische Untersuchungsdesign erläutert. Die explorativ ausgerichtete Fallstudienmethodik bedarf – anders als statistische Methoden, mit denen Umfragen oder anderweitig erworbene Datensätze untersucht werden – einer ausführlicheren Begründung.708 Es wird vielfach darauf hingewiesen, dass Fallstudien zwar einen interessanten und relevanten Erkenntnisbeitrag liefern können, dass es aber schwer ist, Fallstudien gut zu publizieren.709 Daher wird der Fallstudienansatz seltener als Methode verwendet und ist aufgrund der häufig qualitativen Ausrichtung hinsichtlich der Stringenz angreifbarer als die statistische Analyse eines Datensatzes.710 Der zweite Teil des Kapitels ist die Ashoka-Fallstudie, der dritte Teil die BonVentureFallstudie. Beide werden hier zunächst unabhängig voneinander dargestellt. Die Fallstudien sind identisch aufgebaut. Da diese Arbeit mehrere Forschungsfragen zu beantworten beabsichtigt, die auch unterschiedliche Erhebungsmethodiken erfordern, bietet es sich an, die Fallstudien in Teiluntersuchungen zu gliedern.711 Die Untersuchungen im Rahmen der Fallstudien bauen im Wesentlichen auf vier Datenquellen bzw. Untersuchungsmethoden auf, wobei die Datenquellen teils für mehr als eine Un-

708

Vgl. Kornmeier (2007), S. 196, der darauf hinweist, dass möglichst theoriegeleitet vorgegangen werden sollte. Low/MacMillan (1988), S. 139, geben an „Exploratory studies that are not theory driven should be discouraged unless the topic is highly original.“

709

Vgl. Eisenhardt (1989); Yin (2003); Siggelkow (2007); Smith/Anderson (2007).

710

In der Literatur wird auch darauf hingewiesen, dass es einfacher ist, mit Stringenz eine wissenschaftliche Veröffentlichung zu erreichen als mit Relevanz. Im Englischen wird diese Diskussion unter „rigour versus relevance“ geführt, vgl. Darke/Shanks/Broadbent (1998); Hodgkinson/Herriot/Anderson (2002); VHB (2007); Worrell (2009).

711

Vgl. Yin (2003), S. 42ff., der diesen Typ als „embedded case studies“ bezeichnet.

P. Heister, Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6309-3_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

4 Fallstudien

188

tersuchung verwendet werden. In Tabelle 13 ist dargestellt, welche Forschungsfrage mit Hilfe welcher Datenquellen untersucht wurde. Auf die drei empirischen Untersuchungen wird in den nächsten Gliederungsabschnitten genauer eingegangen. Beobachtungen Auswahlprozess Auswahlkriterien Zusammenhang zw. Prozess und Kriterien

X

Datenbank

Dokumente

Interviews

X

X

X

X

X

X

X

Tabelle 13: Forschungsgegenstände und Untersuchungsmethoden Jede Fallstudie besteht aus vier Teilen. Es wird zunächst kurz die Organisation vorgestellt, dazu gehört eine Beschreibung von Historie, Zielen, Organisationsform und Refinanzierungsstrategien der Gesellschaft. Im zweiten Teil der Fallstudie wird der Auswahlprozess beschrieben. Hier wird, basierend auf den Erkenntnissen aus Kapitel drei, die Wertschöpfungskette als Bezugsrahmen für die Unterteilung des Auswahlprozesses herangezogen. Anschließend werden im dritten Teil die Auswahlkriterien, die mit Hilfe von Beobachtungen erhoben wurden, beschrieben. Als letzter Teil der Fallstudie werden die Datenbanken ausgewertet, in denen die Gesellschaften die Finanzierungsanfragen festhalten. Anhand der Datenbanken lassen sich verschiedene Zusammenhänge, die sich auf den Auswahlprozess und die Auswahlkriterien beziehen, untersuchen. Die in diesem Kapitel beschriebene empirische Untersuchung bildet die Grundlage für die Gesamtanalyse und Thesenformulierung im nächsten Kapitel.

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

189

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

4.2.1 Fallstudienmethodik 4.2.1.1 Wissenschaftstheoretische Einordnung Zunächst stellt sich die Frage, welcher Forschungsdomäne die vorliegende Arbeit zuzuordnen ist, da jede Forschungsdomäne ihre eigenen Begriffsdefinitionen, Theorien und Methoden hat.712 Bei der vorliegenden Arbeit liegt es nahe, sich an der VentureCapital-Forschung zu orientieren, erstens aufgrund der strategischen Nähe und zweitens, weil es fast keine betriebswirtschaftlichen Untersuchungen von Förderstiftungen gibt, an denen man sich orientieren könnte. Bei Venture Capital stellt sich wiederum die Frage, ob es zur Domäne Entrepreneurship oder Finanzierung zählt. Untersucht man die zwei angesehensten Entrepreneurship-Zeitschriften und die angesehenste Finanzierungszeitschrift auf das Vorkommen von Venture-CapitalPublikationen, erkennt man, dass Venture-Capital häufiger zur EntrepreneurshipDomäne gezählt wird (Tabelle 14). Insbesondere die im 3. Kapitel vorgestellten Studien wurden hauptsächlich in den Entrepreneurship-Zeitschriften veröffentlicht. Die Arbeit richtet sich daher an den Ansprüchen aus, die an die EntrepreneurshipForschung gestellt werden. LOW/MACMILLAN (1988) bzw. LOW (2001) definieren die Entrepreneurship-Forschung mit „entrepreneurship research seek to explain and facilitate the role of new enterprise in furthering economic progress“. Übertragen auf die Venture-Philanthropy-Untersuchung bedeutet dies, dass die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit sich an ihrer Relevanz für das Vorankommen von jungen operativen Organisationen messen lassen müssen – seien es Business oder Social Ventures.713 Forschungstechnisch stellt sich die Ausgangsfrage, ob theoriegeleitet oder explorativ vorgegangen werden sollte. Dabei wird in der Regel zuerst geprüft, ob theoriegeleitet vorgegangen werden kann. Nur wenn wichtige Argumente dagegen sprechen, kommen

712

Vgl. Kirsch/Seidl/Aaken (2007), S. 99.

713

In einem späteren Artikel wird die Definition ein zweites Mal vorgeschlagen; vgl. Low (2001), S. 19. Auch in der Venture-Capital-Literatur wird regelmäßig die Forschung mit der Relevanz für kapitalsuchende junge Unternehmen begründet; vgl. Tyebjee/Bruno (1984), S. 1051.

4 Fallstudien

190

explorative Arbeiten in Betracht.714 Der Vorteil der theoriegeleiteten Arbeit ist die Stringenz, der Nachteil mitunter die fehlende Relevanz.715 Die Relevanz sollte der Stringenz aber nicht zum Opfer fallen,716 vielmehr muss es das Ziel sein, beide Kriterien – Relevanz und methodische Stringenz – zu erfüllen.

Journal of Business Venturing Entrepreneurship Theory & Practice** Journal of Finance

Domäne

Erster VC-Artikel

Artikelanzahl*

Entrepreneurship

1985

121

Entrepreneurship

1977

38

Finanzierung

1951

22

* Gezählt wurden gedruckte Artikel bis Ende 2008. ** Die Vorgängerversion „American Journal of Small Business“ wurde mit einbezogen.

Tabelle 14: Bedeutung verschiedener wissenschaftlicher Zeitschriften für die VentureCapital-Forschung717 Eine Indikation zum angebrachten Forschungsansatz geben wiederum die vergleichbaren Venture-Capital-Studien. Wie gezeigt wurde, ist der überwiegende Teil der Venture-Capital-Literatur explorativ ausgerichtet. Erst einige jüngere Arbeiten, die auf den frühen, explorativen Arbeiten aufbauen, sind theoriegeleitet. Weiterhin spricht gegen eine theoriegeleitete Arbeit das Fehlen einer umfassenden Theorie, die getestet werden könnte.718 Es werden verschiedene Theorien genutzt, doch selbst die Principal-AgentTheorie – die wichtigste Theorie in der Venture-Capital-Forschung – hat nur einen vergleichsweise eingeschränkten empirischen Erklärungsgehalt. Würde man sich auf eine einzelne Theorie beschränken, die einen Teilaspekt erklärt, wäre der Relevanzver-

714

Vgl. Edmondson/McManus (2007), S. 1158f.; Kornmeier (2007), S. 195f.

715

Vgl. Fn. 710.

716

Vgl. Timmons/Sapienza (1992), S. 433.

717

Vgl. für ein Ranking der Zeitschriften Verband der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. (VHB) (2008). Der VHB zählt auch die Zeitschrift Research Policy, die noch besser bewertet wird als die beiden aufgeführten Entrepreneurship-Zeitschriften, zu den Entrepreneurship-Zeitschriften. Dieser Einschätzung wird hier nicht gefolgt, weil Entrepreneurship nur eins von vielen Gebieten ist, welche diese Zeitschrift abdeckt.

718

Vgl. auch Amit/Glosten/Muller (1993), S. 815, die davon ausgehen, dass es zu ambitioniert ist, eine umfassende Entrepreneurship-Theorie zu entwickeln, gleichwohl aber davon ausgehen, dass einige der fundamentalen Fragen beantwortet werden können, wenn verschiedene Perspektiven eingenommen werden und verschiedene Erkenntnismethoden aus den unterschiedlichsten Forschungsfeldern genutzt werden.

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

191

lust zu hoch. Zudem bestände die Gefahr, dass die Darstellung bei einer singulären Theorieperspektive verzerrt wäre.719 Die Überprüfung einer Theorie in einem unerforschten Feld kann auch den Nachteil haben, dass sie den Blick auf wirklich neue, relevante Erkenntnisse verstellt. Die explorativ-empirische Vorgehensweise überzeugt dagegen häufig mit realistischeren und praxisnäheren Erkenntnissen. Beispielsweise schreiben GARTNER/BIRLEY (2002): „One can often tell which researchers in our field have spent considerable time intensively involved with entrepreneurs. The knowledge and insights that stem from their researches just seem to ring a bit truer and clearer.“720 Aus den oben genannten Gründen wird ein strikt theoriegeleiteter Ansatz für die Beantwortung der Forschungsfragen und den Kontext der Arbeit abgelehnt.721 Ein exploratives Vorgehen bedeutet aber nicht, dass Theorien gänzlich ausgeklammert werden. Im Gegenteil: Erkenntnisse aus der Literatur und Theorien spielen auch in der explorativen Forschung eine wichtige Rolle. Auch wenn keine Einzeltheorie überprüft wird, so werden gleichwohl die im letzten Kapitel vorgestellten Theorien und Erkenntnisse genutzt, um möglichst informiert und mit genauen methodischen Vorstellungen in die eigene Untersuchung einzusteigen. Der Vorteil des explorativen Vorgehens ist, dass bei der empirischen Untersuchung zwischen Empirie, Theorie und weiteren Erkenntnissen aus der Literatur hin und her gewechselt werden kann.722 Es kann sogar auf Theorien benachbarter Forschungszweige zurückgegriffen werden, wenn diese sich als besonders relevant abzeichnen.723

719

Vgl. Amit/Glosten/Muller (1993), S. 816; Davidsson/Low/Wright (2001), S. 7; Low (2001), S. 23.

720

Gartner/Birley (2002), S. 394. Ähnlich führt Bygrave (2007), S. 23 aus: „Reflecting on the first few years of the Journal of Business Venturing, it appears that, in general, authors and reviewers back then had a better sense of what was important to the practice of entrepreneurship. True, authors spent little – if any – effort to root their articles in theory nor did they use unnecessarily complex statistical machinery, but they had something very important to say to practitioners.”

721

Die Arbeit hält es mit der Kritik von Bygrave (2007), einem renommierten EntrepreneurshipForscher, der zwar Theorie-Entwicklung explizit propagiert, sich aber dagegen ausspricht, dass jede empirische Arbeit theoriegeleitet sein muss, wie es die meisten Veröffentlichungen in den angesehensten Entrepreneurship-Zeitschriften sind; vgl. Bygrave (2007), S. 23f.

722

Vgl. Eisenhardt/Graebner (2007), S. 24.

723

Beispielsweise weist Low (2001) darauf hin, dass er in der Entrepreneurship-Lehre genauso viel auf Erkenntnisse anderer Disziplinen verweist wie auf Erkenntnisse aus der EntrepreneurshipLiteratur; vgl. Low (2001), S. 19.

4 Fallstudien

192

Die Ergebnisse der Untersuchungen dieser Arbeit können in drei Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe bildet Deskriptives: Auswahlprozess und Auswahlkriterien müssen beschrieben werden.724 Zur zweiten Gruppe zählen Zusammenhänge, beispielsweise zwischen Auswahlprozess und Auswahlkriterien oder Auswahlkriterien und Erfolg. Diese Zusammenhänge lassen sich als Modelle darstellen oder als Hypothesen formulieren. Sie tragen unmittelbar zur Theorieentwicklung bei. In einigen Fällen führen die explorativen Untersuchungen zu keinen überprüfbaren Zusammenhängen, aber es werden relevante Forschungsfragen identifiziert, deren Beantwortung wiederum zur Weiterentwicklung des Kenntnisstandes über Venture Philanthropy beitragen wird.725 Diese bilden die dritte Gruppe.

4.2.1.2 Begründung der Fallstudienmethodik Die Fallstudienmethodik eignet sich insbesondere dann, wenn das Ziel der Untersuchung die Beantwortung einer „Wie“- oder einer „Warum“-Frage ist.726 Auch „Was“-Fragen können sich für Fallstudien eignen, wenn sie explorativ ausgerichtet sind.727 Die aufgeworfenen Forschungsfragen unter 1.2 fallen genau in diesen Fragentyp. Insbesondere bei den Auswahlkriterien, die im ersten Schritt erhoben werden, geht es im zweiten Schritt darum zu beantworten, warum sie angelegt werden und wie sie miteinander zusammenhängen. Es darf davon ausgegangen werden, dass den Auswahlkriterien vermutete Kausalitäten zugrundeliegen, sonst würden die VenturePhilanthropy-Gesellschaften sie nicht verwenden. Diese vermuteten Kausalitäten können mit Hilfe qualitativer Untersuchungen aufgedeckt und anschließend viel besser beschrieben werden, als das auf Basis quantitativer Untersuchungen möglich wäre.728 Ein großer Vorteil des Ansatzes ist seine Flexibilität. Eine Fallstudie bezieht sich in dieser Arbeit jeweils auf eine Organisation, es können aber innerhalb einer Fallstudie mehrere Erkenntnisquellen, beispielsweise Interviews, Dokumente, eigene Be-

724

Vgl. Neuman (2006), S. 35.

725

Vgl. Siggelkow (2007), S. 21.

726

Vgl. Yin (2003), S. 7.

727

Vgl. Yin (2003), S. 7.

728

Vgl. Siggelkow (2007), S. 22f.

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

193

obachtungen, verwendet werden.729 Zudem können qualitative und quantitative Erkenntnisquellen kombiniert werden.730 Insbesondere die Kombination von beiden Ansätzen führt dazu, dass Zusammenhänge nicht nur erkannt, sondern auch erklärt werden können.731 Die Kombination von Erkenntnisquellen ermöglicht das Triangulieren und führt zu validen Ergebnissen.732 Fallstudien eignen sich auch besonders gut, wenn der Kontext mit in die Analyse einbezogen werden soll.733 Im Venture-Philanthropy-Feld ist bisher unklar, welche kontextspezifischen Faktoren die Beantwortung der Forschungsfrage beeinflussen. Beispielsweise wurde bisher weder der Einfluss des Staates und der gesetzlichen Rahmenbedingungen, noch die Interessen und Einflüsse der Investoren auf die Tätigkeit der Venture- Philanthropy-Gesellschaften erforscht. Auch die Forschung zu Motivation und Eigenschaften von Social Entrepreneurs steht noch am Anfang. Damit ergibt sich eine andere Situation als im Venture-Capital-Sektor, wo diese Fragen relativ gut erforscht sind. Im Venture-Capital-Sektor können daher heute viel besser als im Venture-Philanthropy-Sektor isolierte Einzelaspekte untersucht werden. Auch im Venture-Capital-Sektor nutzen einige der bekannten Untersuchungen ein Fallstudiendesign. Beispielsweise untersuchen ROURE/MAIDIQUE (1989) acht Portfoliogesellschaften zweier Venture-Capital-Gesellschaften, um Faktoren zu identifizieren, die den Erfolg der Portfoliogesellschaften erklären, FRIED/HISRICH (1994) erheben mit Hilfe von 18 Fallstudien den Auswahlprozess, SWEETING (1991) untersucht vier Venture-Capital-Gesellschaften hinsichtlich des Auswahlprozesses und der Aus-

729

Vgl. Yin (2003), S. 8. Vgl. für einen Überblick über einige Fallstudien und die verwendeten Erkenntnisquellen Eisenhardt (1989), S. 535.

730

Vgl. Eisenhardt (1989), S. 534. Nicht korrekt ist somit die verbreitete Meinung, dass Fallstudien eine rein qualitative Methode sind.

731

Vgl. Mintzberg (1979), S. 587.

732

Vgl. Eisenhardt (1989), S. 538. Im Rahmen der Fallstudien ist es im Extremfall sogar möglich, während des Forschungsprozesses umzusatteln vom Theorietesten zum Theorieentwickeln, freilich nur, wenn sich dies aus den Daten, die zum Theorietesten erhoben und analysiert wurden, ergibt; vgl. Eisenhardt (1989), S. 536, und die dort beispielhaft angeführten Veröffentlichungen Bettenhausen/Murnighan (1986); Gersick (1988).

733

Vgl. Yin (2003), S. 13; Shah/Corley (2006), S. 1824.

4 Fallstudien

194

wahlkriterien und BOOCOCK/WOODS (1997) nutzen eine Fallstudie, um den Zusammenhang zwischen Auswahlprozess und Auswahlkriterien zu untersuchen.734 Insgesamt passt der Fallstudienansatz folglich sehr gut zum Ziel der Arbeit, ein tiefes Verständnis des Auswahlprozesses und der Auswahlkriterien von VenturePhilanthropy-Gesellschaften zu erlangen. Gerade weil sich in Deutschland noch keine Arbeit intensiv mit Venture Philanthropy auseinandergesetzt hat, ist es sinnvoll, sich dem Forschungsobjekt mit Hilfe mehrerer Erkenntnisquellen explorativ zu nähern und den Kontext mit einzubeziehen.

4.2.1.3 Auswahl der Fallstudien Der erste Schritt im Fallstudienforschungsprozess ist die Definition der Forschungsfrage, die bereits in der Einleitung erläutert wurde, und der Rückgriff auf die relevante Literatur.735 Wenn möglich, sollte für die eigene empirische Untersuchung auf Erkenntnisse zurückgegriffen werden, die bereits in der Literatur getestet wurden und verbreitet sind.736 Diese Erkenntnisse wurden vor allem im 3. Kapitel vorgestellt. Der zweite Schritt ist die Auswahl der zu untersuchenden Fallstudien.737 Hier stellt sich zunächst die Frage des regionalen Fokus. Der Venture-Philanthropy-Ansatz ist noch nicht sehr verbreitet, so dass es in jedem Land nur einige wenige Gesellschaften gibt. Um eine (internationale) Repräsentativität zu erzielen, müssten Gesellschaften aus verschiedenen Ländern in die Untersuchung mit einbezogen werden. Dieses Vorgehen hätte einige Vorteile, insbesondere eine höhere externe Validität der Ergebnisse in statistischer Hinsicht.738 Statistische Validität ist aber nicht das Ziel der Untersuchung,

734

Vgl. weiterhin Mason/Harrison (1996b) für eine Fallstudie über ein Netzwerk von Business Angels und die Absagegründe von Finanzierungsanfragen; Becker/Hellmann (2003) für eine Einzelfallstudie zur ersten deutschen Venture-Capital-Gesellschaft und den Gründen für ihr Scheitern; Mäkelä/Maula (2006) für eine fallstudienbasierte Untersuchung des Commitments zwischen Venture-Capital-Gesellschaften bei syndizierten internationalen Venture-Capital-Investitionen; Willert/zu Knyphausen-Aufsess (2008) u.a. für die Bedeutung der Auswahlkriterien für die Größe von Venture-Capital- und Private-Equity-Gesellschaften.

735

Vgl. Eisenhardt (1989), S. 533, 536.

736

Vgl. Eisenhardt/Bourgeois (1988); Eisenhardt (1989), S. 533, 536.

737

Vgl. Eisenhardt (1989), S. 533.

738

Vgl. Remenyi et al. (1998), S. 180; Yin (2003), S. 37; Schnell/Hill/Esser (2005), S. 219.

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

195

die Generalisierung der Erkenntnisse erfolgt stattdessen logisch-analytisch.739 Auf das genaue Vorgehen und den Prozess der Erkenntnisgewinnung wird im nächsten Abschnitt für jede Untersuchung separat eingegangen. Die Arbeit konzentriert sich auf Deutschland. Für eine regional fokussierte Auswahl sprechen folgende Argumente, die letztlich schwerer wiegen als die höhere statistische externe Validität einer internationalen Untersuchung. Zum einen weist der Non-ProfitSektor zwischen den Ländern Unterschiede bezüglich der Institutionen und der Aufgabenteilung zwischen Staat, Privatwirtschaft und Non-Profit-Sektor auf.740 Diese Besonderheiten können Einfluss auf die Aktivitäten und Möglichkeiten haben, die sich Venture-Philanthropy-Gesellschaften bieten.741 Zum anderen ist es das Ziel dieser Arbeit, im Rahmen der empirischen Untersuchung als bisher erste umfangreiche Untersuchung des Venture-Philanthropy-Ansatzes in Deutschland ein holistisches Verständnis von Venture Philanthropy zu gewinnen, und weniger, einzelne Aspekte herauszugreifen und diese über viele Gesellschaften hinweg zu untersuchen. Weil es bisher so gut wie keine Forschung zum Thema Venture Philanthropy gibt, soll der institutionelle Kontext mit einbezogen werden. Dies ist der wesentliche Grund für die Konzentration auf Deutschland. Zuletzt spricht forschungspraktisch der gute Zugang zu den deutschen Venture-Philanthropy-Gesellschaften dafür, sich auf diese Gesellschaften zu beschränken. Aus der Venture-Capital-Forschung ist bekannt, dass es äußerst schwierig ist, Informationen für die wissenschaftliche Auswertung zu erhalten. Ohne den guten Zugang hätten die Forschungsfragen dieser Arbeit mitunter nicht mit den gewünschten Methoden untersucht werden können. Aber auch innerhalb des institutionellen Kontextes und des regionalen Fokus auf Deutschland stellt sich die Frage der Auswahl der Fallstudien. Durch die Methodik ist die Anzahl der untersuchbaren Fallstudien naturgemäß beschränkt, daher bietet es sich an, Extremfälle auszuwählen.742 Da Venture Philanthropy eine Synthese aus dem Venture-Capital-Ansatz und den Zielen von Förderstiftungen ist, ist es sinnvoll, Fall-

739

Vgl. Yin (2003), S. 37.

740

Vgl. Anheier/Seibel (1997), S. 128ff.

741

Vgl. Bruton/Fried/Manigart (2005), die zeigen, dass der institutionelle Kontext Einfluss auf Venture-Capital-Aktivitäten hat. Vgl. auch Wright/Lockett/Pruthi (2002); Abschnitt 3.3.2.2.3.

742

Vgl. Eisenhardt (1989), S. 537; Pettigrew (1990), S. 275f.

4 Fallstudien

196

studien zu wählen, die jeweils dem einen oder dem anderen Pol ähnlich sind. Zufällig entsprechen die ersten beiden Venture-Philanthropy-Gesellschaften, die in Deutschland im Jahr 2003 ihre Tätigkeit aufgenommen haben, Ashoka und BonVenture, diesen Anforderungen. Ashoka Geschäftsaufnahme Gründer und Investoren Fondsvolumen / Budget

International Anfang der 80er Jahre, in Deutschland im Jahr 2003 Gegründet von Bill Drayton 1980

Portfolio

16 in der Förderung befindliche SEs; 3 ausgelaufene Förderungen, 8 nur nichtfinanzielle Förderung Über Spenden von Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen

Refinanzierung

Ca. 900.000 Euro Budget pro Jahr

BonVenture Im Jahr 2003 Gegründet von mehreren Familien Der Fonds BV I (EK und FK Investitionen; Investitionsphase abgeschl.) hat 5,1 Mio. Euro Vol; der Fonds BV II (EK und FK Investitionen) hat ein Volumen von 9,8 Mio Euro; Spenden von ca. 30.000 Euro pro Jahr. 9 Projekte mit EK und FK, davon 1 ausgelaufen; 7 Projekte mit Spenden, davon 1 ausgelaufen Einlagen von feststehender Anzahl an Investoren; Hauptinvestoren sind Gründerfamilien; geschlossene Fonds 4

Mitarbeiteranzahl (umgerechnet in Vollzeitmitarbeiter) Branchenfokus

4,5 (ohne Ashoka Jugendinitiative)

keiner

keiner

Region Finanzierungsphasenfokus

Deutschland Start-up-Phase und teilweise Expansionsphase

Deutschland, Österreich, Schweiz Schwerpunkt liegt auf Start-up-Phase und Expansionsphase; in Ausahmen auch Seed-Phase

Stand: Feb. 2010

Tabelle 15: Strukturmerkmale der Fallstudien Die wesentlichen Strukturmerkmale der beiden Gesellschaften sind in Tabelle 15 und die wesentlichen strategischen Merkmale in Tabelle 16 dargestellt. Es sind die einzigen beiden Gesellschaften, die zu Beginn der Untersuchung öffentlich angaben, in Social Entrepreneurship zu investieren, sich als Venture-Philanthropy-Gesellschaften bezeichnen und die unter 2.6.1 aufgeführten, für Venture-Philanthropy-Gesellschaften typischen Charakteristika aufweisen.743 Zudem haben beide Gesellschaften zum Zeitpunkt der Untersuchung bereits erste Erfahrung gesammelt und Wissen aufgebaut, so

743

Damit reduziert sich das mögliche Methodenspektrum schon aufgrund der Verbreitung des Venture-Philanthropy-Ansatzes auf Fallstudien; vgl. Schnell/Hill/Esser (2005), S. 250.

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

197

dass die Gesellschaften im Vergleich zu jüngeren relevanter für die empirische Forschung sind.744 Ashoka

BonVenture

Ziel

Ausschließlich gesellschaftliche Rendite

Finanzierungsart

Stipendien an Social Entrepreneurs

Finanzierungsvolumen Zeitraum der Unterstützung Nichtfinanzielle Unterstützung

Bedarfsgerecht, ca. 120.000 Euro pro Stipendiat (über gesamten Zeitraum) 3 Jahre

Durchschnittlich 365.000 Euro bei FK und EK, 20.000 Euro bei Spenden 3–8 Jahre

Vielfältige Unterstützung. Verhältnis aktuelle geförderte SEs (inkl. nichtfinanziell geförderter) zu Vollzeitmitarbeiter: 6

Leistungserbringung Erfolgsmessung

Personenförderung, indirekt institutionelle Förderung Seit 2009 anhand des Social Reporting Standards;745 globale Wirkungserfassung durch Indikatoren 2 Jahre nach Ende der Förderung Wird bei Investitionsentscheidung implizit berücksichtigt SE erhält nichtfinanzielle Unterstützung bei der Entwicklung eines nachhaltigen Finanzierungsmodells

Vielfältige Unterstützung; Verhältnis aktuell geförderter Orga. zu Mitarbeitern: 3,5 (2 Orga., die EK oder FK erhalten haben, pro Mitarbeiter; 1,5 Orga., die Spenden erhalten haben, pro Mitarbeiter) Institutionelle Förderung

Risiko Ausstieg

Gesellschaftliche Rendite unter der Nebenbedingung, netto realen Kapitalerhalt zu erreichen Hauptsächlich EK und FK (Mezzanine-Charakter); in geringerem Umfang Spenden

Regelmäßige Berichterstattung der Finanzen und KPIs

Wird bei Investitionsentscheidung implizit berücksichtigt SE erhält nichtfinanzielle Unterstützung bei der Entwicklung eines nachhaltigen Finanzierungsmodells

Stand: Feb. 2010

Tabelle 16: Strategische Merkmale der Fallstudien Ashoka Deutschland ist Teil einer internationalen Organisation, die unabhängig ist und sich durch Spenden wohlhabender Privatpersonen und Unternehmen refinanziert. Dieses Kapital investiert Ashoka in Form von Spenden, genauer Stipendien, an Social Entrepreneurs, die sich in der Start-up-Phase befinden. Das Projekt des Social Entrepreneurs muss bereits existieren. Die Stipendien laufen maximal über drei Jahre. Die Organisationen der Social Entrepreneurs werden folglich nur indirekt unterstützt, weil

744

Vgl. Pettigrew (1990), S. 276.

745

Der Reporting-Standard wird zur Zeit der Fertigstellung der Arbeit eingeführt. Vgl. grundlegend für den Social Reporting Standard Roder (in Druck).

4 Fallstudien

198

sich die Social Entrepreneurs mit Hilfe der Stipendien zu 100% auf die Weiterentwicklung ihres Projekts und ihrer Organisation konzentrieren können. BonVenture unterscheidet sich stark von Ashoka und befindet sich innerhalb des Venture-Philanthropy-Spektrums nahe am Venture-Capital-Ansatz. BonVenture ist eine nationale Gesellschaft, die von einigen Familien, die gleichzeitig auch die Hauptinvestoren sind, gegründet wurde. Sie investiert hauptsächlich mit Hilfe von Eigenkapital und Darlehen mit Mezzanincharakter in Organisationen, die sich in der Startup- oder Expansionsphase befinden. BonVentures Ziel ist es, die soziale Rendite zu maximieren – unter der Nebenbedingung, netto einen realen Kapitalerhalt zu erzielen. BonVenture ist folglich eine Familien-Social-Venture-Capital-Gesellschaft während Ashoka eine unabhängige Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaft ist. Die mit den Gesellschaftstypen verbundenen unterschiedlichen Eigenschaften bieten die Möglichkeit, ihren Einfluss bei der Beantwortung der Forschungsfragen zu berücksichtigen.746 In Abbildung 9 ist dargestellt, wie sich die untersuchten Gesellschaften hinsichtlich der privaten und sozialen Renditeziele unterscheiden. Soziale Rendite

Ashoka BonVenture

Private Rendite

Abbildung 9: Private und soziale Renditeziele der Fallstudien

746

Beispielsweise konnten im Venture-Capital-Sektor van Osnabrugge/Robinson (2001), S. 34ff., zeigen, dass die Finanzierungsquellen der Venture-Capital-Gesellschaften – sie differenzieren zwischen abhängigen und unabhängigen Venture-Capital-Gesellschaften – Einfluss auf die Strategie und den Auswahlprozess haben. Vgl. auch Wright/Robbie (1996), S. 165ff.; Achleitner/Ehrhart/Zimmermann (2006); Abschnitt 3.3.2.2.3

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

199

4.2.2 Fallstudienelemente und Vorgehen 4.2.2.1 Erhebung des Auswahlprozesses Bei der Erhebung des Auswahlprozesses muss unterschieden werden zwischen der tatsächlichen Prozesserhebung und speziellen Fragen, die sich nur auf einzelne Teile des Auswahlprozesses beziehen. Als erstes wurde die Prozessstruktur erhoben. Ein erster Eindruck konnte mit Hilfe von internen Dokumenten gewonnen werden. Beide Gesellschaften haben den Auswahlprozess dokumentiert. Für die weitergehende Untersuchung wurden zusätzlich Interviews mit den Mitarbeitern der Gesellschaften durchgeführt und die Datenbanken, in denen die Gesellschaften die Finanzierungsanfragen festhalten, untersucht. Als Auswahlprozessschritt wird jede Tätigkeit definiert, nach der potenziell die anfragende Organisation eine Absage erhalten kann. Diese Prozessschritte werden aggregiert zu Auswahlprozessphasen. Neben der Beschreibung der Auswahlprozessschritte dient der Auswahlprozess auch als Bezugsrahmen für Forschungsfragen, die sich nur auf einzelne Prozessteile beziehen.747 In der Deal-Orgination-Phase steht die Frage im Vordergrund, wie die Gesellschaften auf die passenden Organisationen bzw. Kandidaten aufmerksam werden. In der Screening- und Due-Diligence-Phase werden vor allgem folgende Fragen beantwortet: Welche Personen sind involviert? Welchen Aktivitäten gehen sie nach? Welchen Einfluss haben sie auf den Auswahlprozess? Welche Informationen werden analysiert? Sie sollen Aufschluss darüber geben, wie die Gesellschaften möglichst effizient aussichtsreiche Anfragen herausfiltern. Bei erfolgreichem Durchlaufen des Auswahlprozesses steht am Ende der Finanzierungsvertrag. In ihm werden die wesentlichen Eckpunkte der Finanzierung und des Verhältnisses nach der Finanzierung geregelt. Die Finanzierungsverträge wurden durch Interviews und Dokumentenanalyse erhoben. Sie erlauben Rückschlüsse zu ziehen, auf die Interessen der Vertragsparteien und allgemein das Verhältnis der Vertragspartner.

747

Vgl. Abschnitt 1.2.

4 Fallstudien

200 4.2.2.2 Erhebung der Auswahlkriterien durch Beobachtungen

Die Auswahlkriterien wurden mit Hilfe vier verschiedener Datenquellen und Methoden untersucht. Zunächst wurden wiederum Dokumente, insbesondere interne Präsentationen sowie die Homepage der Organisationen, gesichtet. Im zweiten Schritt wurden die Mitarbeiter in Interviews nach den Auswahlkriterien gefragt, die sie bei der Suche nach Portfolioorganisationen anlegen. Die ersten beiden Schritte dienten im Wesentlichen dazu, einen ersten Überblick zu gewinnen. Die zentrale Methode zur Erhebung der Auswahlkriterien aber war die Beobachtung der Mitarbeiter sowohl beim Screening von neuen Anträgen als auch und hier liegt der Fokus bei Mitarbeiterbesprechungen, in denen über das Fortkommen von Anträgen im Auswahlprozess entschieden wird. Beim Screening wurden die Mitarbeiter gebeten, „laut zu denken“. Mit Hilfe eines Diktiergerätes konnten die Gedanken aufgezeichnet, später transkribiert und anschließend inhaltlich ausgewertet werden.748 Diese Methode wurde in dieser oder ähnlicher Form auch in der Venture-Capital-Forschung vorgeschlagen und bereits einige Male erfolgreich angewendet.749 Ein für die vorliegende Untersuchung besonders glücklicher Umstand ist die Tatsache, dass beide Organisationen Mitarbeiterbesprechungen durchführen, in denen aktuell im Prüfungsprozess befindliche Organisationen in verschiedenen Phasen des Auswahlprozesses inhaltlich diskutiert werden und über das weitere Vorgehen entschieden wird. Diese internen Besprechungen konnten ebenfalls mit Hilfe eines Diktiergerätes aufgenommen, transkribiert und anschließend inhaltlich ausgewertet werden. Die meisten Wissenschaftler stehen vor dem Problem, dass sie nur die Möglichkeit haben, eine Entscheidung rückwirkend zu untersuchen, obwohl eine offene, nichtteilnehmende, strukturierte Fremdbeobachtung in natürlicher Beobachtungssituation, wie sie hier möglich war, die ideale Methode darstellt.750

748

Siehe ausführlich zum Thema Verbal-Protokolle Ericsson/Simon (1993).

749

Vgl. Sandberg/Schweiger/Hofer (1988); Hall/Hofer (1993); Zacharakis/Meyer Mason/Harrison (1996b); Mason/Stark (2004). Vgl. auch Abschnitt 3.3.2.2.3

750

Vgl. Schnell/Hill/Esser (2005), S. 391 für die methodischen Anforderungen. Vgl. Stahl/Zimmerer (1984), S. 371, die die Entscheidungskriterien für Fusionen von Managern untersuchen und konstatieren „Without a doubt, it would be ideal to be present during the decision process. This, unfortunately, is seldom ever possible“.

(1995);

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

201

Die Beobachtungen beim Screening wie auch auch bei internen Mitarbeiterbesprechungen sind besonders geeignet für ein exploratives Untersuchungsdesign.751 Die Aufnahme der Entscheidungsfindungsdiskussion bietet als minimalinvasive Echtzeitmethode, die so gut wie verzerrungsfrei ist, eine Reihe bedeutender Vorteile gegenüber der retrospektiven Untersuchung durch Fragebögen und Interviews.752 Der erste wesentliche Vorteil ist, dass keine nachträgliche Rationalisierung von Entscheidung stattfinden kann, die bei rückblickenden Methoden wie Interviews oder Fragebögen ein inhärentes methodisches Problem darstellt.753 Zweitens können auch keine Verzerrungen entstehen durch unbewusst falsche Erinnerung. Beispielsweise werden rückblickend zu viele Kriterien als relevant angegeben und die Bedeutung der wichtigsten Kriterien wird unterschätzt.754 Drittens werden die Ergebnisse nicht durch eine künstliche Informationsbasis verzerrt. Wie unter 3.3.2.2.3 gezeigt wurde hat die Art der Information und der Informationsumfang Einfluss auf die Kriterien. Viertens ist es möglich, Zusammenhänge und Abhängigkeiten von Kriterien zu entdecken.755 Mitunter sind Kriterien nur in bestimmten Situationen relevant oder beeinflussen sich gegenseitig. Fünftens ist es dadurch theoretisch möglich, die Auswahlkriterien auch in Abhängigkeit des Prozessschrittes zu untersuchen.756 Darauf wird in dieser Arbeit nur deshalb verzichtet, weil beide untersuchten Gesellschaften in ihren Datenbanken den Absagegrund sowie den Fortschritt der Organisationen im Auswahlprozess festhalten und dadurch eine genauere, quantitative Untersuchung dieses Zusammenhanges vorgenommen werden kann. FEENEY/HAINES/RIDING (1999) weisen darauf hin, dass die Methode, Protokolle einer Inhaltsanalyse zu unterziehen, auch Nachteile gegenüber anderen Erhebungsmethoden hat. Für das Vorgehen bei der Untersuchung der Mitarbeiterbesprechungen sind nur zwei Nachteile zutreffend: Der bedeutendste Nachteil ist, dass nicht quantifiziert wer-

751

Vgl. Shepherd/Zacharakis (1999), S. 205f.

752

Vgl. Hofer/Bygrave (1992), S. 96.

753

Vgl. Sandberg/Schweiger/Hofer (1988), S. 10.

754

Vgl. Slovic/Lichtenstein (1971), S. 684; Shepherd (1999b), S. 83; Abschnitt 3.3.2.2.2.

755

Vgl. Sandberg/Schweiger/Hofer (1988), S. 8f.

756

Dies fordern u.a. Sandberg/Schweiger/Hofer (1988), S. 11; Hall/Hofer (1993), S. 40, die auf die Abhängigkeit der Kriterien vom Auswahlprozessschritt hinweisen. Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.3.

4 Fallstudien

202

den kann, als wie wichtig Kriterien eingeschätzt werden.757 Denkbar ist beispielsweise, dass ein Kriterium als sehr wichtig angesehen wird, bei den Besprechungen aber keine Rolle spielt, weil die Kriterienerfüllung einfach überprüft werden kann und keiner Diskussion bedarf. Umgekehrt ist denkbar, dass ein Kriterium weniger wichtig ist, aber nur schwierig eingeschätzt werden kann und daher viel Raum in der Diskussion einnimmt. Wenn mit Hilfe der Protokolle untersucht wird, wie lange Kriterien diskutiert werden (gezählte Wörter), kann dies folglich ein Hinweis darauf sein, wie schwierig ein Kriterium zu bewerten ist, aber nicht unbedingt darauf, wie wichtig es ist. Diesem Problem wird in dieser Arbeit durch eine Kombination der Methoden entgegengewirkt. Die Datenbanken, auf die noch eingegangen wird, bieten den Vorteil, dass mit ihrer Hilfe die quantitative Häufigkeit von Absagegründen untersucht werden können. Die quantitative Bedeutung in den Datenbanken kann dann dem Umfang der Kriteriendiskussion gegenübergestellt werden. In Zukunft kann zudem auf die in dieser Arbeit identifizierten Kriterien zurückgegriffen werden und recht leicht mit Hilfe einer Umfrage zusätzlich die Bedeutung der Kriterien mit Hilfe einer LikertSkala in Erfahrung gebracht werden. Der zweite von FEENEY/HAINES/RIDING (1999) genannte und hier zutreffende Nachteil ist die Arbeitsintensität der Erhebungsmethode.758 Die von den Autoren weiterhin genannten Nachteile, ein künstlich geschaffener Kontext und die mitunter fehlende Repräsentativität, treffen hier nicht zu, weil es sich um eine natürliche Beobachtungssituation handelt.759 Zudem handelt es sich bei den Fallstudien gleichzeitig um die Grundgesamtheit. Die Frage der Repräsentativität stellt sich wenn überhaupt nur innerhalb der Fallstudien, aber auch dieser Einwand kann aufgrund der erheblichen Länge der Beobachtungen entkräftet werden. SCHNELL/HILL/ESSER (2005) führen zur Methode der Beobachtung aus, dass sie möglichst so durchgeführt werden sollte, dass der Beobachter keinen Einfluss auf die an der Entscheidung beteiligten Personen hat. Es muss das Ziel sein, ein möglichst authentisches und repräsentatives Bild der Auswahlentscheidung zu bekommen und Reaktivität der Beobachteten zu vermeiden. Mit Reaktivität muss gerechnet werden,

757

Vgl. Feeney/Haines/Riding (1999), S. 127.

758

Vgl. Feeney/Haines/Riding (1999), S. 127f.

759

Vgl. Schnell/Hill/Esser (2005), S. 391.

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

203

wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: erstens, den Beobachteten ist bewusst, Ziel von Forschungsinteressen zu sein, und zweitens, sie erachten die Konsequenzen des Forschungskontaktes als relevant für sich selbst.760 Die erste Voraussetzung ist vollumfänglich erfüllt. Auch die zweite Voraussetzung kann nicht ausgeschlossen werden. Da eine Anonymisierung der Organisationen aufgrund der detaillierten Beschreibung und der kleinen Größe des Marktes nicht möglich ist und zudem vermutet werden kann, dass beide Organisationen ein Interesse daran haben, positiv dargestellt zu werden, ist es theoretisch möglich, dass reaktives Verhalten provoziert wird. Um solches zu vermeiden, wurde in den Vorbesprechungen betont, dass es sich um eine explorative Untersuchung des Auswahlprozesses und der Auswahlkriterien handelt und dass es kein Richtig oder Falsch, Gut oder Schlecht gibt. Da bei der Beobachtung die Inhalte der Diskussionen und verbale Elemente im Zentrum des Interesses standen, wurden die Diskussionen eigenständig von den Mitarbeitern der Organisationen auf Tonband aufgenommen, ohne dass ein Beobachter persönlich anwesend war. Diese Erhebungsmethode kann als minimalinvasiv bezeichnet werden. Da bei Ashoka über einen Zeitraum von drei Monaten die meisten Mitarbeiterbesprechungen komplett aufgenommen wurden und die Beobachtungen in keiner Weise darauf hindeuten, dass die Diskussion durch die Aufnahme beeinflusst wurde, kann ein reaktives Verhalten so gut wie ausgeschlossen werden. Bei BonVenture finden diese Besprechungen nicht ganz so regelmäßig statt, zudem wurden nur unregelmäßig Besprechungen aufgezeichnet. Bei den Beobachtungen von BonVenture ist die Gefahr reaktiven Verhalten daher größer vorhanden. Insgesamt wird aufgrund des persönlichen Eindrucks aber auch bei BonVenture die Wahrscheinlichkeit als sehr gering angesehen, dass reaktives Verhalten in einem Umfang vorliegt, der die Ergebnisse der Arbeit beeinträchtigt. Somit können sämtliche Einwände gegen die angewandte Methodik als entkräftet gelten. Während, wie oben erwähnt, ein paar Untersuchungen in der Venture-CapitalForschung auf Protokollen beruhen, die durch „lautes Denken“ ermöglicht wurden, konnte keine Untersuchung auf Basis einer nichtteilnehmenden, strukturierten Fremdbeobachtung in natürlicher Beobachtungssituation gefunden werden. Insofern stellt diese Untersuchung auch eine Erweiterung des in der Venture-Capital-Forschung an-

760

Vgl. Schnell/Hill/Esser (2005), S. 403.

4 Fallstudien

204

gewandten Methodenspektrums dar. Ein Untersuchung interner Diskussionen, durch die viel mehr über die Hintergründe der Kriterien, deren Zusammenhänge und inhaltliche Bedeutung herausgefunden werden kann, wäre auch im Venture-Capital-Sektor wünschenswert. Gleiches gilt natürlich auch für Stiftungen. Die transkribierten Protokolle wurden zur Beantwortung der Forschungsfragen mit Hilfe der Software NVIVO einer Inhaltsanalyse unterzogen. Hierbei handelt es sich um ein iteratives Verfahren.761 Zunächst wurden die Kriterien, die durch Dokumentenanalyse und Interviews identifiziert wurden, verwendet und jede Fallstudie unabhängig codiert. Stellte sich beim Codieren heraus, dass eine Textstelle nicht zu den bisher identifizierten Kriterien passt, wurde ein neues Kriterium aufgenommen und die Codierung der bisher bereits codierten Protokolle noch einmal überprüft. Dieses Vorgehen wurde wiederholt, bis erstens keine neuen Kriterien mehr identifiziert werden konnten und zweitens sämtliche inhaltlich relevanten Diskussionen vollständig codiert werden konnten. Teilweise wurde mehr als ein Kriterium gleichzeitig diskutiert. In solchen Fällen wurde der Text doppelt codiert. Die zwei Kriterienkataloge der beiden Fallstudien werden erst im fünften Kapitel zu einem einheitlichen Metakriterienkatalog zusammengeführt. Nachdem der Text codiert wurde, lässt sich analysieren, welchen Anteil an der Gesamtdiskussion die einzelnen Kriterien hatten. So kann z.B. analysiert werden, welcher Prozentsatz der Diskussion sich um das Konzept dreht. Der Anteil wird berechnet auf Basis der Wörter, die mit einem Kriterium codiert sind geteilt durch die Summe aller Wörter. Er wird hier als Diskussionsintensität bezeichnet. Für sie gibt es drei mögliche Begründungen. Eine hohe Diskussionsintensität kann erstens darauf zurückgeführt werden, dass das Kriterium besonders wichtig ist. Die Annahme ist, dass wichtige Kriterien intensiver diskutiert werden. Die zweite, schon erwähnte alternative Erklärung ist, dass die Diskussionsintensität damit zusammen hängt, wie einfach oder schwer ein Kriterium zu beurteilen ist. Beispielsweise muss nicht lange diskutiert werden, ob eine Organisation rechtlich unabhängig ist, weil die Frage eindeutig beantwortet werden kann. Die unternehmerische Qualifikation ist dagegen schwerer zu beurteilen und wird mitunter deshalb ausgiebiger diskutiert. Denkbar ist als dritte Erklärung auch, dass diskutiert wird, was diskutiert werden kann. Beispielsweise kann

761

Die Vorgehensweise orientiert sich grob an Früh (2007), S. 147ff.

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

205

die Persönlichkeit eines Social Entrepreneurs schlecht diskutiert werden, wenn nur ein Mitarbeiter der Venture-Philanthropy-Gesellschaft den Social Entrepreneur getroffen hat. Es kann folglich nur mit Bedacht von der Diskussionsintensität auf die Bedeutung eines Kriteriums als Erfolgsfaktor geschlossen werden. Oben wurde bereits erwähnt, dass Textstellen auch doppelt codiert wurden. Diskussionen springen teils zwischen zwei und mehr Kriterien hin und her. Ein großer Vorteil der Codierung und Auswertung der Besprechungen ist die Möglichkeit an dieser Stelle Zusammenhänge zwischen Kriterien aufzudecken. Im 5. Kapitel werden diese mehrfach codierten Stellen genauer untersucht und mit ihrer Hilfe Modelle entwickelt wie Kriterien zusammenhängen und wie sie den erwarteten Erfolg erklären. Die Beobachtungen sind somit vornehmlich als Methode dazu geeignet, ein tiefes Verständnis der Kriterien zu entwickeln, qualitative Zusammenhänge zwischen Kriterien aufzudecken, ihre kontextabhängige Bedeutung und ihren qualitativen Einfluss auf den Erfolg festzustellen. Für quantitative Aussagen werden andere Methoden, insbesondere Fragebögen mit Likert-Skalen und Conjoint-Analysen benötigt, deren Daten mit Hilfe von Regressionen statistisch ausgewertet werden können, um die Stärke von Zusammenhängen festzustellen.

4.2.2.3 Quantitative Zusammenhänge 4.2.2.3.1

Auswahlstufe und Absagegründe

Die beiden untersuchten Gesellschaften pflegen Datenbanken mit Informationen über Organisationen, die den Prüfungsprozess durchlaufen haben. Diese Datenbanken bieten eine gute Möglichkeit, verschiedene quantitative Zusammenhänge, die den Auswahlprozess und die Auswahlkriterien betreffen, zu untersuchen. In den Datenbanken werden die Absagegründe als nichterfüllte Auswahlkriterien festgehalten. Auch wenn es sich dabei streng genommen nicht um Auswahlkriterien handelt, dürfte der Unterschied zwischen Auswahlkriterien und Absagegründen minimal sein. Beispielsweise

4 Fallstudien

206

kann die Qualität des Managements ein Auswahlkriterium sein, die fehlende Qualität des Managements wird zum Absagegrund.762 Wie unter 3.3.2.2.3 gezeigt wurde, gibt es Hinweise darauf, dass die Bedeutung der Absagegründe mit der Auswahlstufe zusammenhängt. Es soll daher analysiert werden, ob Unterschiede in der relativen Häufigkeit einzelner Absagegründe zwischen den Auswahlstufen bestehen. Denkbar sind im Wesentlichen zwei Einflussfaktoren: die Art der Prüfung und die Intensität der Prüfung. Beide unterscheiden sich je nach Auswahlstufe – das kann theoretisch dazu führen, dass sich auch die relativen Häufigkeiten der Absagegründe zwischen Auswahlstufen unterscheiden. Ein Beispiel soll erläutern, inwiefern die Art der Prüfung Einfluss auf Häufigkeitsdifferenzen einzelner Absagegründe zwischen den Auswahlstufen haben kann: Es ist denkbar, dass bei der Prüfung der schriftlichen Unterlagen die Integrität der Gründer selten ein Ablehnungsgrund ist, weil sie schlecht eingeschätzt werden kann. Umgekehrt kann dafür die Finanzplanung gut eingeschätzt werden und wäre möglicherweise häufiger ein Ablehnungsgrund. Das Verhältnis der beiden Absagegründe könnte sich nach den Interviews, der hypothetischen zweiten Auswahlstufe und einer anderen Art der Prüfung umkehren, da nun die Integrität gut eingeschätzt werden kann, zur Finanzplanung wurden hingegen keine neuen Erkenntnisse gewonnen. Zu beachten ist aber, dass in der zweiten Auswahlstufe nur noch diejenigen Finanzierungsanfragen untersucht werden, die in der ersten Stufe nicht abgelehnt wurden. Die Gruppe der Finanzierungsanfragen in der zweiten Stufe ist folglich nicht unabhängig von der ersten Stufe. Wenn in der zweiten Stufe (dem Interview) ein Grund, z.B. die Finanzplanung, selten vorkommt, kann das also nicht nur darauf zurückgeführt werden, dass sie, wie oben beschrieben, nach einem Interview nicht eingeschätzt werden kann, sondern auch darauf, dass alle Anfragen, die das Kriterium nicht erfüllen, bereits in der ersten Stufe herausgeprüft wurden. Der zweite potenzielle Einflussfaktor ist die Intensität der Prüfung. Beispielsweise ist denkbar, dass die Attraktivität des Marktes schnell eingeschätzt werden kann, die Qualität des Social Entrepreneurs dagegen einer ausführlicheren Prüfung bedarf. Folglich wäre die Vermutung naheliegend, dass der Markt beim Screening (kurze Prüfung)

762

Vgl. auch Boocock/Woods (1997), S. 44, die ebenfalls von den Absagegründen auf die Auswahlkriterien schließen.

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

207

häufiger als Absagegrund vorkommt als die Qualität des Social Entrepreneurs und umgekehrt bei der Due Diligence (intensive Prüfung) der Social Entrepreneur häufiger vorkommt als der Markt. Welche der beiden Ansätze mehr Erklärungsgehalt besitzen, kann in der IntraFallstudienanalyse nicht analysiert werden, weil die Abfolge der Prüfungsarten und die Prüfungsintensität einzelner Stufen innerhalb jeder Institution und Fallstudie immer gleich ist und somit die Kontrollgruppe fehlt. Um die Unabhängigkeit der Absagegründe vom Auswahlprozess zu testen, wird der Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest verwendet.763 Man spricht bei dieser Analyse auch von einer Kontingenzanalyse.764 Ein Problem stellt die Voraussetzung der unabhängigen Stichproben dar, da diese hier nicht erfüllt ist – nur Anfragen, die eine Auswahlstufe überstehen, können in der nächsten Auswahlstufe möglicherweise herausgeprüft werden wie oben erläutert wurde. Dennoch soll geprüft werden, zu welchem Ergebnis der Test unter der Annahme kommt, dass die Auswahlstufen voneinander unabhängig sind. Gleichwohl müssen die methodischen Einschränkungen bei der Interpretation stets berücksichtigt werden. Der Unabhängigkeitstest allein ist nicht besonders aussagefähig, insbesondere bei einer großen Fallanzahl. Er sagt lediglich aus, dass die Werte in den Zellen der Kreuztabelle von den durch Zufall erwarteten Werten abweichen. Dies ist bei einer großen Fallzahl schon bei kleinen Abweichungen der Fall.765 Über die Stärke oder sogar Richtung des Zusammenhanges lässt sich indes keine Aussage treffen.766 Wenn man auf Basis des Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest von einer Abhängigkeit der Variablen ausgehen kann, soll daher zusätzlich die Stärke der Beziehung zwischen Absagegrund (abhängige Variable) und Auswahlprozessstufe (unabhängige Variable) untersucht werden. Da es sich bei dem Absagegrund um eine nominal-skalierte Variable handelt, können auch nur Zusammenhangsmaße für nominal-skalierte Variablen verwendet werden – und zwar unabhängig davon, ob man von einer ordinal oder nominal

763

Vgl. Hippmann (2003), S. 303f.; Bühl (2004), S. 285ff.; Backhaus et al. (2006), S. 230ff.

764

Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 10, 230ff.

765

Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 240ff.

766

Vgl. Backhaus et al. (2006), S. 240; Janssen/Laatz (2007), S. 268.

4 Fallstudien

208

skalierten Auswahlprozessstufe ausgeht. Um die Stärke des Zusammenhangs auszuweisen, wird die Kennzahl Cramer-V verwendet. Bei ihr handelt es sich um eine für diese Zwecke gängige Kennzahl.767

4.2.2.3.2

Dealflow-Quellen und Absagegründe

Unter 3.3.1.2 und 3.4.2 wurde gezeigt, welche Dealflow-Quellen Venture-Capital und Venture-Philanthropy-Gesellschaften grundsätzlich nutzen. Keine der Studien untersucht den Zusammenhang zwischen den Deal-Quellen und Absagegründen. In dieser Arbeit soll nun jede einzelne Anfrage, die an die Gesellschaften gerichtet wurde, einzeln im Hinblick auf den Absagegrund untersucht werden. In den Datenbanken wird, ähnlich wie bei Venture-Capital-Gesellschaften, unterschieden zwischen direkten Anfragen, recherchierten Anfragen und vermittelten Anfragen. Als direkte Anfragen werden solche bezeichnet, bei denen die Gesellschaft eine Finanzierungsanfrage erhält, ohne dass sie die Organisation aktiv aufgefordert hat, sich zu bewerben, oder der Gesellschaft empfohlen wurde. Als recherchierte Anfragen werden jene bezeichnet, die auf die Initiative der Venture-PhilanthropyGesellschaft hin gestellt wurde. Typischerweise recherchiert ein Mitarbeiter eine potenzielle Portfolioorganisation und wendet sich an diese mit der Frage, ob sich die Organisation oder Person bei der Gesellschaft für eine Unterstützung bewerben möchte. Als vermittelte Anfragen werden die Anfragen von Organisationen bezeichnet, die von Personen empfohlen wurden. Es ist denkbar, dass sich die Bedeutung der Absagegründe bei den Dealflow-Quellen unterscheiden. Dies würde darauf hindeuten, dass Anfragen aus bestimmten Quellen bei einer relativen Betrachtung bezüglich einiger Absagegründe besser vorgeprüft sind als andere. Insbesondere bei Vermittlern führt die Analyse potenziell zu einer besseren Einschätzung, für welche Art von Vorscreening sie am besten eingesetzt werden können. Als statistischer Test wird wiederum der Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest verwendet. Bei dieser Untersuchung ist auch die Voraussetzung der unabhängigen Stichproben

767

Vgl. Janssen/Laatz (2007), S. 270.

4.2 Empirisches Untersuchungsdesign

209

gegeben. Wird ein Zusammenhang nachgewiesen, dann wird ebenfalls wiederum auf Cramer-V zurückgegriffen, um die Stärke des Zusammenhangs auszuweisen.

4.2.2.3.3

Dealflow-Quellen und Finanzierungswahrscheinlichkeit

Falls die Wahrscheinlichkeit, eine Finanzierungszusage zu erhalten, von der Dealflowquelle abhängig ist, würde dies auf Qualitätsunterschiede bei den Anfragen verschiedener Herkunft hindeuten. Bei der Herkunft wird, wie bereits erläutert, unterschieden zwischen direkten Anfragen, vermittelten Anfragen und recherchierten Anfragen. Es wird dazu erstens analysiert, wie sich die Ablehnungen prozentual auf die Auswahlschritte aufteilen, und zweitens, welcher Prozentsatz der Anfragen, die eine Auswahlstufe erreichen, in dieser Stufe abgelehnt wird. Drittens wird analysiert bei welchem Prozentsatz der Anfragen eine Finanzierungszusage gegeben wird. Die Unabhängigkeit der Variablen Herkunft und Auswahlstufe wird wiederum mit dem ChiQuadrat-Unabhängigkeitstest, die Stärke des Zusammenhangs mit Cramer-V überprüft. Nachdem die Qualitätsunterschiede zwischen verschiedenen Dealflow-Quellen herausgearbeitet wurden, soll anschließend untersucht werden, ob es auch Qualitätsunterschiede innerhalb der Vermittler gibt. Die Datenbanken bieten die Möglichkeit, die Qualität der Vermittler auf Einzelfallbasis zu prüfen, denn mit Hilfe von Interviews wurde der Hintergrund jedes einzelnen Vermittlers in Erfahrung gebracht. Zunächst soll daher eine Typologie der Vermittler entwickelt werden, um dann anschließend auf Typenebene die Qualitätsunterschiede zu untersuchen. Es geht um die Frage, ob einige Vermittler bessere Anfragen vermitteln als andere. Es wird dazu erstens untersucht, welche Vermittlertypen besonders viele Portfolioorganisationen vermittelt haben. Weiterhin werden erfolgreiche Anfragen ins Verhältnis gesetzt zur Gesamtanzahl der Vermittlungen gleicher Vermittlertypen. Der Prozentsatz der Anfragen, der erfolgreich ist, zeigt die Qualität der Anfragen. Während diese Berechnungen Aussagen darüber erlauben, wie erfolgreich Anfragen von bestimmten Vermittlertypen sind, ist es nicht möglich, Rückschlüsse auf den Erfolg einzelner Vermittler zu ziehen. Diese Frage ist für die Venture-Philanthropy-Gesellschaften aber besonders relevant, denn Vermittler zu identifizieren und zu gewinnen ist ressourcenaufwändig. Je mehr erfolgreiche Anfragen eine einzelne Person vermittelt, desto eher lohnt sich dieser Aufwand. Um dazu eine Aussage treffen zu können, wird auch auf der Ebene des Vermittlers untersucht,

4 Fallstudien

210

welcher Anteil der vermittelten Anfragen erfolgreich war. Bei dieser Kennzahl muss beachtet werden, dass sie stark abhängig ist davon, wie viele Anfragen die Person bereits vermittelt hat und damit vom Zeitpunkt, seit dem der Vermittler aktiv ist. Ein Vermittler, der seit 2003 Anfragen weiterleitet, vermittelt mit höherer Wahrscheinlichkeit eine erfolgreiche Anfrage als ein Vermittler, der erst seit einem Jahr Anfragen weiterleitet, weil er im Normalfall bereits mehr Anfragen weitergeleitet hat.

4.3 Ashoka 4.3.1 Darstellung der Gesellschaft 4.3.1.1 Historie und Ziele Ashoka wurde Anfang der 80er Jahre von William (Bill) Drayton gegründet.768 Drayton war der Überzeugung, dass Innovationen immer durch Menschen hervorgebracht werden – und zwar nicht nur klassische, sondern auch soziale Innovationen. Diese Innovateure oder Pioniere zu finden und zu fördern, ist seit Anfang der 80er Jahre sein Ziel.769 Gloria de Souza, der erste Fellow – so werden die von Ashoka unterstützten und in das Netzwerk aufgenommenen Personen bezeichnet – wurde 1981 ausgewählt.770 Mittlerweile gibt es weltweit mehr als 2.500 Ashoka-Fellows. Drayton wurde in den ersten fünf Jahren nur von Personen unterstützt, die ihn persönlich kannten. Keine der größeren Stiftungen investierte in Draytons Idee, obwohl sie nachvollziehbar war und er selbst durch seine früheren Tätigkeiten einen guten Ruf hatte.771 Den Wendepunkt brachte ein früher Unterstützer, der von einer großen Stiftung, dem Rockefeller Brother Fund (RBF), beauftragt wurde, eine Spendenstrategie zu entwickeln. Nachdem er den RBF dafür gewinnen konnte, Ashoka zu unterstützen, wurde die Organisation auch für andere Stiftungen salonfähig. Drayton fasst dies mit folgendem Statement zusammen: „This may sound crazy, but they [RBF] made it safer

768

Vgl. Bornstein (2004), S. 61. Vgl. Bornstein (2004), S. 47ff. für eine Kurzbiographie von Bill Drayton und die Herkunft des Wortes Ashoka.

769

Vgl. Bornstein (2004), S. 63.

770

Vgl. Bornstein (2004), S. 17.

771

Vgl. Bornstein (2004), S. 63.

4.3 Ashoka

211

for other people. The risk factor had been cut in half because everyone could now say, we made the same mistake that RBF did.’“772 Gerade aus dieser Erfahrung und Erkenntnis heraus ist es das Ziel von Ashoka, Social Entrepreneurs in einer Phase zu finden und zu fördern, wenn sie noch nicht durch klassische Institutionen gefördert werden. Durch ein Stipendium für drei Jahre ermöglicht es Ashoka den ausgewählten Social Entrepreneurs, sich Vollzeit um die Ausbreitung ihres Konzeptes und die Entwicklung eines nachhaltigen Finanzierungsmodells für ihre soziale Innovation zu kümmern. Damit beabsichtigt Ashoka, selbst die Rolle einzunehmen, welche die RBFStiftung in den 80er Jahren für Ashoka spielte. Ashoka soll ein Gütesiegel sein, durch das das (gefühlte) Risiko, in einen Ashoka Fellow zu investieren, für andere Förderinstitutionen deutlich sinkt.773 In Deutschland ist Ashoka seit dem Jahr 2003 aktiv. Ashoka ist eine unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaft, die sich am Spendenmarkt refinanzieren muss. Die erste Aufgabe bestand für die Geschäftsführerin Konstanze Frischen folglich darin, Investoren zu finden. Im Jahr 2005 wurde der erste Senior Fellow ausgewählt. Senior Fellows befinden sich mit ihren Organisationen bereits in einer fortgeschrittenen Phase: Ihre Innovation hat sich länderübergreifend verbreitet und sie beschäftigen sich schon Vollzeit mit der Verbreitung ihrer Idee. Senior Fellows gewährt Ashoka daher im Gegensatz zu den Fellows, die sich in der Aufbau- und Wachstumsphase befinden, kein Stipendium. Im Jahr 2005 begann auch die Suche für die erste Fellow-Generation, die Stipendien erhalten sollten. Im Jahr 2006 wurden dann die ersten sechs Fellows ausgewählt. Anfang 2010 zählt das deutsche Ashoka-Netzwerk 27 Fellows.

4.3.1.2 Organisation Ashoka ist eine international tätige Organisation. Die Hierarchieebenen sind wie folgt aufgebaut: An der Spitze steht ein dreiköpfiges Leadership Team.774 Darunter befindet sich die so genannte Leadership Group, die zwölf Mitglieder hat.775 Neben den Führungsgremien gibt es ein Gruppe Staff, die in den Ländern aus insgesamt 55 Mit-

772

Drayton zitiert in Bornstein (2004), S. 65.

773

Vgl. Bornstein (2004), S. 65.

774

Vgl. Ashoka (2009a)

775

Vgl. Ashoka (2009b)

4 Fallstudien

212

arbeitern besteht und im Hauptbüro in Washington noch einmal aus 53, also insgesamt 108 Mitarbeiter zählt.776 Innerhalb dieser Gruppe gibt es noch einmal fünf hierarchische Abstufungen. Neben den offiziellen Mitarbeitern gibt es in den Ländern aber auch freie Mitarbeiter, die den Auswahlprozess noch nicht durchlaufen haben. Daher ist anzunehmen, dass die Anzahl der Mitarbeiter insgesamt die erwähnten 108 übersteigt. In Deutschland firmiert Ashoka als gemeinnützige GmbH. Anteilseigner ist die amerikanische Muttergesellschaft. Die Organisations- und Mitarbeitersituation in Deutschland hat sich während der Erstellung dieser Arbeit verändert. Zum Zeitpunkt der Beobachtungen im Frühjahr 2008 gab es bei Ashoka drei Vollzeitstellen (vier Mitarbeiter, die aber teilweise Teilzeit arbeiteten). Anfang 2010 gibt es viereinhalb Vollzeitstellen (sechs Mitarbeiter), die mit der Suche, Auswahl und Betreuung von Fellows, dem Fundraising und weiteren Aufgaben beschäftigt sind. Die Mitarbeiter verbringen etwa 33% mit der Betreuung bestehender Fellows, 21% der Zeit mit der Suche nach neuen Fellows, 20% mit dem Aufbau der Institution, dazu zählt sowohl Fundraising für die deutschen Aktivitäten von Ashoka als auch der Aufbau von neuen Ländern, weitere 20% mit administrativen und Ashoka-internen Aufgaben und 6% mit dem Aufbau und der Pflege strategischer Partnerschaften.777 Zudem ist die Ashoka Jugendinitiative als Tochter von Ashoka dazu gekommen. Sie besteht aus weiteren drei Vollzeitstellen. Da die Aktivitäten der Jugendinitiative nicht im Fokus dieser Arbeit stehen, wird diese Tochtergesellschaft nicht weiter thematisiert.

4.3.1.3 Refinanzierung und Portfolio Ashoka ist eine unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaft und muss sich daher am Spendenmarkt refinanzieren. Da bei einer unabhängigen Gesellschaft der Impuls der Tätigkeit von der Gesellschaft ausgeht, müssen Investoren überzeugt werden, Kapital an Ashoka zu spenden. Das Fundraising hat vor allem in der Aufbauphase einen erheblichen Teil der Ressourcen gebunden. Die ersten zwei Jahre nach Aufnahme der Geschäftstätigkeit hat die Gründungsgeschäftsführerin Konstanze Frischen den überwiegenden Teil ihrer Zeit mit Fundraising verbracht. Potenzielle Investoren waren Pri-

776

Vgl. Ashoka (2009c)

777

Die Zahlen basieren auf der internen Kostenrechnung.

4.3 Ashoka

213

vatpersonen sowie die CSR-Abteilungen von Unternehmen und Stiftungen. Diese zu überzeugen, gestaltete sich am Anfang schwierig. Da es in Deutschland noch keine Beispiele, sondern nur ein schriftliches Konzept gab, das Thema Social Entrepreneurship kaum bekannt war und aufgrund der typischen hierarchischen Entscheidungswege in Unternehmen und Stiftungen, blieben nur Privatpersonen als Investoren übrig. Insbesondere Unternehmerfamilien konnten von der Idee überzeugt werden, dass auch im Non3rofit-Sektor unternehmerisch denkende Personen benötigt werden, um gesellschaftliche Probleme zu lösen. Die ersten Zusagen kamen im Jahr 2004 von zwei Familien, aber erst zum Jahresende 2005 hatten weitere 15 Familien und 2 Unternehmen insgesamt etwa 1,6 Mio. Euro für die ersten drei Jahre zugesagt. Es war nötig, erst Zusagen in diesem Umfang einzuwerben, bevor die ersten Fellows ausgesucht werden konnten, da für die Stipendienlaufzeit von drei Jahren alle Zahlungsverpflichtungen (Stipendien, Gehälter der Ashoka-Mitarbeiter, etc.) durch Spendenzusagen an Ashoka gedeckt sein mussten. Der für Fundraising aufgewendete Teil der Arbeitszeit hat im Laufe der Zeit immer weiter abgenommen. Da die Tätigkeiten sich mittlerweile stark überlagern, kann der Fundraisingaufwand nur sehr grob geschätzt werden. Die Mitarbeiter vermuten, dass er bei ca. 10% liegt. In Deutschland gliedert sich die Finanzierungsstruktur von Ashoka in vier Bereiche. Da ist zum einen das Ashoka-Support-Netzwerk, das aus Privatpersonen besteht, die für mindestens 3 Jahre mindestens 10.000 Euro pro Jahr spenden. Zu ihm werden hier auch die Wachstumsinvestoren gezählt, die deutlich höhere Beträge als 10.000 Euro spenden. Ein zweiter Teil der Finanzierungsstrategie ist die Finanzierung durch Cluster-Partner, die gemeinsam mit Ashoka und den relevanten Fellows ein thematisches Feld bearbeiten. Hier sind Finanzierungszusagen im sechsstelligen Bereich für mindestens drei Jahre Voraussetzung. Erster deutscher Clusterpartner war 2009 die Vodafone-Stiftung, die gemeinsam mit Ashoka Fellows und Ashoka am Aufbau eines Clusters zu Bildung und sozialer Mobilität arbeitet. Aber auch Familienstiftungen unterstützen die Arbeit und den institutionellen Aufbau von Ashoka. Zu einem kleinen Teil wird Ashoka auch von Unternehmen und unternehmensnahen Stiftungen unterstützt. Im Februar 2010 unterstützen Ashoka insgesamt 31 Personen und Familien, drei Unternehmen und ein Clusterpartner. Viele der Investoren bieten nicht nur finanzielle, sondern auch nichtfinanzielle Unterstützung an, sowohl für Ashoka selbst als auch für die Fellows. Ashoka und die Ashoka-Fellows werden darüber hinaus von einer Reihe Pro-bono-Partnern unterstützt: Beispielsweise

4 Fallstudien

214

stellt ein Unternehmen Büroräume zur Verfügung, sie erhalten pro bono Rechtsberatung und werden auch in PR- und Marketingfragen pro bono unterstützt.

4.3.2 Auswahlprozess 4.3.2.1 Überblick über den Auswahlprozess Ashokas idealtypischer Prozess kann in sechs Phasen und 11 Prozessschritte unterteilt werden.778 Die sechs Phasen sind: Dealflow, Screening, Due-Diligence-Phase eins, Due-Diligence-Phase zwei, Due-Diligence-Phase drei und die Strukturierungsphase. Diese sechs Phasen könnten weiter zusammengefasst werden zu der auch im VentureCapital-Sektor typischen Einteilung in Deal Origination, Screening, Due Diligence und Structuring. Der Prozess ist in Abbildung 10 dargestellt. Ashoka nimmt in Deutschland einmal pro Jahr neue Social Entrepreneurs in das Netzwerk auf. Der Auswahlprozess beginnt etwa ein halbes Jahr vor diesem Datum. Zu Beginn können sich Kandidaten zu einem gewissen Zeitpunkt unterschiedlich weit im Prozess befinden, mit fortschreitendem Prozess wird die Auswahl zwischen Kandidaten zunehmend synchronisiert. Am Ende der zweiten Due-Diligence-Phase befinden sich alle Kandidaten im gleichen Prozessschritt. Diese Synchronisierung des Prozesses zwischen Kandidaten ermöglicht es Ashoka, Kandidaten zu vergleichen. In den nächsten Abschnitten wird der Auswahlprozess in seiner idealtypischen Form dargestellt. Neben der Synchronisierung nimmt mit jedem Prozessschritt auch die Formalisierung zu, gleichzeitig nehmen Abweichungen vom idealtypischen Prozess ab. Ist ein Kandidat sehr aussichtsreich, kann durchaus einer der ersten Schritte übersprungen werden.779

778

Ashoka selbst nimmt eine leicht abweichende Unterteilung in drei Phasen vor. In der ersten Phase des Prozesses sind aussschließlich nationale Mitarbeiter mit der Auswahl betraut, in der zweiten Phase werden ein internationaler Ashoka-Mitarbeiter sowie drei nationale externe Unternehmer in den Auswahlprozess integriert. Die dritte Phase besteht aus der Diskussion und der Zustimmung des höchsten Führungsgremiums von Ashoka, dem „Executive Board“.

779

Während der Erstellung dieser Arbeit wurde der Auswahlprozess leicht verändert. Hier dargestellt wird der Stand im Februar 2009, nicht derjenige zur Zeit der Beobachtungen im Frühjahr 2008.

4.3 Ashoka

215

Screening

1. Identifizierung / Nominierung / Bewerbung

2. Screening: Desktop-Research, Kurzinterview

3. Anfordern der ersten Bewerbungsunterl. Nationale Auswahlphase

Deal Origination

Due-Diligence-Phase eins 4. Erstinterview

5. Zweitinterview / zweite Bewerbungsunterlagen

6. Drittinterview (Vor-Ort-Besuch)

7. Referenzprüfung

9. JuryInterviews und Diskussion

Due-Diligence-Phase drei

Strukturierung

10. Board Decision

11. Strukturierung

Internationale Bestätigungsphase

8. Second Opinion Interview

Internationale Auswahlphase

Due-Diligence-Phase zwei

Abbildung 10: Ashokas Auswahlprozess 4.3.2.2 Deal Origination Im ersten Prozessschritt geht es um die Identifizierung von potenziellen Kandidaten. In Anlehnung an die Venture-Capital-Literatur wird hier von Deal Origination gesprochen. Ashoka ist bestrebt, einen möglichst qualitativ hochwertigen Dealflow zu generieren. Kandidaten und Ashoka kommen auf drei unterschiedlichen Wegen in Kontakt: Selbstbewerbung, Identifizierung durch Recherche und Vorschlag durch einen Vermittler, der im Ashoka-Jargon Nominator genannt wird. Nominatoren sind Personen, die eine Expertise haben oder durch ihren Beruf mit möglichst vielen Social Entrepreneurs in Verbindung kommen. Ihnen werden die Ashoka-Auswahlkriterien erläutert, um ein Netzwerk aufzubauen, dass die Ashoka-Mitarbeiter bei der Suche nach geeigneten Kandidaten unterstützt.

216

4 Fallstudien

Nominatoren werden durch eigene Recherche und durch Weiterempfehlungen identifiziert. Sie werden etwa vier bis sechs Monate vor den Jury-Interviews angeschrieben – mit der Bitte, passende Kandidaten an Ashoka weiterzuempfehlen. Im Auswahljahr 2009 wurden insgesamt 337 Nominatoren angeschrieben. Viele Personen bewerben sich auch direkt, weil sie auf Ashoka aufmerksam geworden sind. Beispielsweise hat ein Fernsehbericht über Ashoka zu vielen Direktbewerbungen geführt (von denen allerdings keine erfolgreich war). Der dritte Ansatz, auf Kandidaten aufmerksam zu werden, ist die eigene Recherche. Durch sie werden beispielsweise Kandidaten überprüft, die an einschlägigen sozialen Wettbewerben teilgenommen haben. Zusätzlich gibt es spezifische Recherchen zu gesellschaftlichen Problemen. Wenn Ashoka auf einen Kandidaten aufmerksam wird, der ein gesellschaftliches Problem angeht, über das kein Vorwissen besteht, dann wird ebenfalls recherchiert: Was genau ist das Problem? Wie wird es verursacht und welche Lösungsansätze gibt es bereits? Bei diesen Recherchen werden regelmäßig auch potenzielle weitere Fellows identifiziert.

4.3.2.3 Screening Sobald Ashoka einen Kandidaten identifiziert hat, beginnt der zweite Prozessteil des Auswahlprozesses, die Screeningphase. Zunächst wird beim Screening überprüft, ob sich hinter dem Projekt eine Person befindet, die das Projekt vorantreibt. Wenn das Projekt von einer großen Organisation initiiert wurde und von einem eingesetzten Projektleiter geführt wird oder wenn es sich um einen Verein handelt, in dem es nicht eine einzelne treibende Kraft gibt, kommt eine Förderung nicht in Frage. Nach diesem gesellschaftsspezifischen Screening, das häufig auch ein Praktikant durchführt, wird ein Screening anhand der generischen Auswahlkriterien vorgenommen. Obwohl beide Screeningschritte häufig von unterschiedlichen Personen durchgeführt werden, sind sie in Abbildung 10 in einem Schritt zusammengefasst. Beim Screening kommen grundsätzlich drei Informationsbeschaffungsmethoden zur Anwendung: Es wird eine Desktop-Recherche durchgeführt, ein Kurzinterview mit dem Kandidaten selbst oder aber drittens mit dem Nominator geführt. Für die Desktop-Recherche eignen sich beispielsweise Zeitungsartikel, wie ein Ashoka-Mitarbeiter angibt. Sie fassen gut zusammen, worum es geht, was das Besondere an dem Ansatz ist und ob es sich um ein relevantes gesellschaftliches Problem handelt.

4.3 Ashoka

217

Die Ergebnisse der Informationsbeschaffung werden in einer Mitarbeitersitzung präsentiert, die Kriterienerfüllung diskutiert und anschließend wird gemeinsam über ein Fortkommen im Prozess entschieden. Bei einem Fortkommen wird ein Interviewtermin vereinbart oder dem Kandidaten werden die ersten Bewerbungsunterlagen geschickt. Die Bewerbungsunterlagen erhalten vor allem Kandidaten, die sich selbst beworben haben und bei denen ein erfolgreiches Durchlaufen des Auswahlprozesses für eher unwahrscheinlich gehalten wird. Sie bestehen aus fünf Fragen, die der Kandidat gebeten wird, kurz und formlos zu beantworten.780 Da Ashoka davon ausgeht, dass die Nominatoren bereits ein erstes Screening vorgenommen haben, wird dieser Schritt bei Nominierungen häufig übersprungen.

4.3.2.4 Due Diligence 4.3.2.4.1

Erste Due-Diligence-Phase

Mit dem ersten Interview, das meist telefonisch geführt wird, beginnt die erste von insgesamt drei Due-Diligence-Phasen. Das Erstinterview dauert typischerweise etwa eine Stunde. Laut einer Mitarbeiterin kommen drei grundsätzliche Interviewtypen zur Anwendung: biographische Interviews, in denen es um die Biographie des Kandidaten geht und darum, wie er zu seiner aktuellen Tätigkeit gekommen ist, KonzeptInterviews in denen es darum geht, wie das Konzept des Kandidaten im Detail funktioniert, und drittens Schwachpunktinterviews, in denen es darum geht, allgemeine Unstimmigkeiten anzusprechen und zu schauen, ob sie sich im Gespräch auflösen lassen. Die Interviewtypen lassen sich zwar logisch trennen, werden aber auch innerhalb eines Interviews kombiniert. Nach dem Erstinterview präsentiert der Mitarbeiter die Ergebnisse wiederum in der Mitarbeiterbesprechung. Zusätzlich bewerten die Mitarbeiter (seit Anfang 2009) die

780

Die Fragen, die sich teilweise aus mehreren Fragen zusammensetzen, lauten: „Welches Problem gehen Sie an? Welche Lösung für dieses Problem und damit welchen gesellschaftlichen Wandel können und wollen Sie mit ihrem Projekt bewirken? Wie setzen Sie diese Lösung bisher um? Was ist Ihre Strategie? Wie messen Sie, dass Ihre Lösung funktioniert? Was ist grundlegend neu an Ihrer Idee? Inwiefern unterscheidet es sich von anderen Ansätzen? Warum arbeiten Sie an diesem Thema/Wie sind Sie auf die Idee gekommen? Wie haben Sie sich in der Vergangenheit damit beschäftigt?“

218

4 Fallstudien

Erfüllung der Ashoka-Kriterien mit Noten. Bei sehr aussichtsreichen Kandidaten erstellen die Mitarbeiter auch ein erstes Grobprofil. Dieses besteht aus fünf Teilen: Eingangsstatement, Darstellung des Konzeptes, Darstellung des gesellschaftlichen Problems, Lösungsstrategie und biographische Darstellung der Person. In der Regel ist das Zweitinterview – ebenfalls meist per Telefon – ein KonzeptInterview, wenn das erste ein biographisches Interview war, und umgekehrt. Das Zweitinterview wird in der Regel von einem anderen Mitarbeiter geführt als das Erstinterview. Es werden Unklarheiten und noch offene Punkte angesprochen und das allgemeine Verständnis für den Kandidaten und seine Aktivitäten vertieft. Es dient auch dazu, dem Kandidaten Ashoka und seinen spezifischen Auswahlprozess näherzubringen und Vertrauen aufzubauen. Spätestens nach dem zweiten Interview füllt der Kandidat parallel die zweiten Bewerbungsunterlagen aus. Sie bestehen neben allgemeinen Informationen zur Person und der Nennung von Referenzpersonen aus der Darstellung des gesellschaftlichen Problems, der Innovation, der gesellschaftlichen Auswirkung, der Strategie, des Budgets und der Person. Weiterhin wird der Kandidat gebeten, anhand der Punkte Mission und Inhalt/Strategie sowie entscheidender Unterschiede wesentliche ähnliche Organisationen zu charakterisieren. Die schriftlichen Unterlagen gehen über fünf Seiten nicht hinaus, sie sind also nicht zu vergleichen mit einem viel umfangreicheren Businessplan, den Ashoka im Auswahlprozess nicht verlangt. Ein Ashoka-Mitarbeiter gibt an, dass die Qualität der Rückläufe sehr unterschiedlich ist, aber kein empirischer Zusammenhang zwischen der Qualität der schriftlichen Ausführungen und der Qualität des Social Entrepreneurs zu erkennen ist. Ein negativer Aspekt der Bewerbungsunterlagen ist, dass sie abschreckend wirken, daher werden sie kurz gehalten und es wird nicht auf Form geachtet. Es folgt dann das dritte und finale Interview der nationalen Auswahlphase, das nach Möglichkeit vor Ort bei dem Kandidaten stattfindet. Dabei wird auch versucht, das Projekt direkt zu erleben. Es gibt Hinweise darauf, dass die Art des Interviews die Ergebnisse beeinflusst. In einem Fall waren sowohl ein persönlich geführtes Erstinterview als auch ein persönlich geführtes Zweitinterview positiv, während das Drittinterview am Telefon zu einer negativen Einschätzung führte. Diese Abfolge der Interviews ist ungewöhnlich, da in der Regel erst das Drittinterview persönlich geführt wird. Eine Mitarbeiterin äußert sich überrascht darüber, dass nach zwei positiven In-

4.3 Ashoka

219

terviews das dritte den Eindruck nicht bestätigen konnte. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Art des Gesprächs (persönlich oder telefonisch) bei manchen Personen für die Bewertung einen großen Unterschied macht. Nach dem dritten Interview und der Diskussion in der Mitarbeiterbesprechung schließen Interviews mit Referenzpersonen den nationalen Auswahlprozess ab. Die Einschätzung der Referenzpersonen soll die Einschätzung der Ashoka-Mitarbeiter validieren. Es zeigt sich aber, dass die Aussagen der Referenzpersonen häufig sehr allgemeiner Natur sind und wenig konkret. Referenzprüfungen machen aus Ashoka-Sicht dann Sinn, wenn man ganz konkrete Fragen hat und die Referenzperson den Kandidaten hinsichtlich dieser Frage gut einschätzen kann. Zusätzlich werden Gespräche mit unabhängigen Experten geführt, bei denen allgemeine Einschätzungen zum Konzept und Markt im Vordergrund stehen Diese Expertenaussagen werden als sehr hilfreich für die Bewertung angesehen. Wenn Kandidaten in der Due-Diligence-Phase eine Absage erhalten, dann wird vorher überlegt, ob dem Kandidaten Feedback gegeben werden kann, das ihm weiterhilft. Neben inhaltlichem Feedback konnte bei den Beobachtungen festgestellt werden, dass vor allem die Vernetzung gefördert wird. Wenn Ashoka-Mitarbeitern Personen oder Angebote bekannt sind, die für den Kandidaten relevant sind, dann wird dieser im Rahmen der Absage darauf hingewiesen.

4.3.2.4.2

Zweite und dritte Due-Diligence-Phase

Die zweite Due-Diligence-Phase beginnt mit den Vorbereitungen der Jury-Interviews. Dazu zählt als erstes die Erstellung bzw. Vervollständigung des bereits angesprochenen Profils: Die gesammelten Informationen werden strukturiert schriftlich festgehalten. Es dient als schriftliche Rechtfertigung für das Plädoyer der nationalen Ashoka-Mitarbeiter, den Kandidaten in das Netzwerk aufzunehmen, und ist von der Funktion her etwa vergleichbar mit einem Due-Diligence-Report. Erstellt wird das Profil meist von einem Mitarbeiter, anschließend wird es in einer separat angesetzten Mitarbeitersitzung durchgesprochen und korrigiert. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sich die Eindrücke aller nationalen Ashoka-Mitarbeiter in dem Profil widerspiegeln. Das Profil spielt eine wichtige Rolle, daher wird auf dessen Erstellung viel Zeit verwendet. Es dient im Wesentlichen zwei Zwecken: Es ist die wichtigste Vorab-Information für den Second Opinion Interviewer und es hilft im Sinne einer

4 Fallstudien

220

Checkliste sicherzustellen, dass tatsächlich alle relevanten Fragen beantwortet werden können. Bei dem Second Opionion Interviewer handelt es sich um einen Ashoka-Mitarbeiter, der länderübergreifend in den Auswahlprozess eingebunden ist und dafür Verantwortung trägt, international einen einheitlichen Qualitätsstandard zu wahren.781 Mit dem Second Opinion Interviewer wird im Rahmen eines Gesprächs die Erfüllung des ersten Auswahlkriteriums „Neue Idee“ diskutiert.782 Je nach Diskussionsverlauf kann auch hier schon eine Negativ-Entscheidung über den Kandidaten getroffen werden. Anschließend wird das Profil überarbeitet und zusätzlich in einem Dokument festgehalten, was für eine Kriterienerfüllung spricht und was die Kriterienerfüllung in Frage stellt. Beide Dokumente werden zur Information an den Second Opinion Interviewer und die Auswahljury verschickt. Damit endet die Entscheidungskompetenz der nationalen Mitarbeiter.783 An den folgenden Auswahlschritten dürfen sie nur noch beratend teilnehmen, sie haben keine Entscheidungsbefugnis mehr. Das erste Interview im internationalen Teil des Auswahlprozesses führt der Second Opinion Interviewer, es hat meist eine Länge von drei bis fünf Stunden. Wenn er der Meinung ist, dass die fünf Auswahlkriterien erfüllt sind, finden im Anschluss die JuryInterviews statt. Die Jury besteht aus drei Personen, die allesamt keine AshokaMitarbeiter sind und Social oder klassische Entrepreneurs sein müssen. Das Gremium wird jeweils national zusammengestellt, die Lebensläufe der Jurymitglieder werden jedoch beim letzten Schritt, der Board-Entscheidung, beigelegt. Die Kompetenz der Jurymitglieder hat Einfluss auf das Vertrauen des Boards in die Jury-Entscheidung. Die drei Jury-Mitglieder führen einzeln jeweils mit jedem Kandidaten ein einstündiges Interview. Danach findet eine Besprechung des Second Opinion Interviewers und der Jury statt. Sowohl Second Opinion Interviewer als auch die Auswahljury bewerten jeweils unabhängig jeden Kandidaten anhand der fünf Ashoka-Kriterien auf einer

781

Anfang 2009 gibt es in der Organisation zehn geschulte Second Opinion Interviewer. Der Begriff „second opinion interview“ ist verwirrend, da bereits zwei Interviews stattgefunden haben. Ashoka selbst bezeichnet aber sämtliche nationale Auswahlgespräche als „first interview“, selbst wenn es sich tatsächlich um mehrere Interviews handelt; vgl. Ashoka (2008b).

782

Dieser Prozessschritt wurde im Jahr 2009 international für die Auswahl der Kandidaten neu eingeführt.

783

Vgl. auch Frischen (2007), S. 155.

4.3 Ashoka

221

Skala von eins bis drei mit Plus- und Minus-Abstufungen. In einer Sitzung werden die Ergebnisse zusammengetragen und auf einer Tafel notiert. Dann erst werden die Kandidaten nacheinander diskutiert. Strukturiert werden die Diskussionen immer nach Auswahlkriterien, auf die noch näher eingegangen wird. Interessanterweise korreliert die Punktzahl scheinbar nicht in der erwarteten Weise mit dem Diskussionsergebnis. Es passiert oft, dass die Kandidaten mit der schlechtesten Punktzahl plötzlich von allen verteidigt werden. Die Punktzahl wird vor allem als Instrument gesehen, um die Diskussion in Gang zu bekommen. Die Jury und der Second Opinion Interviewer treffen eine Konsensentscheidung darüber, ob der Kandidat Ashokas Executive Board für die Aufnahme ins Netzwerk vorgeschlagen wird. Während ein Ausscheiden im nationalen Prozess und nach dem Second Opinion Interview dem Kandidaten die Möglichkeit gibt, zu einem späteren Zeitpunkt ausgewählt zu werden, ist die Entscheidung nach der Jury-Sitzung endgültig: Nach einer Ablehnung ist die Neuaufnahme in den Prozess zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr möglich. Die Diskussion der Jury und des Second Opinion Interviewers werden in Interviewprotokollen festgehalten und mit den Profilen dem Executive Board als Informationsbasis für die finale Entscheidung zur Verfügung gestellt. Das Executive Board diskutiert auf Grundlage der Dokumente jeden Kandidaten und überprüft, ob er die Ashoka-Kriterien erfüllt. In insgesamt 4 von 29 Fällen kamen bisher Fragen zurück, die die nationalen Mitarbeiter beantworten mussten, damit das Board der Aufnahme der Kandidaten in das Netzwerk zustimmen konnte. Bisher wurde in Deutschland kein Kandidat vom Executive Board abgelehnt, in anderen Ländern ist die Quote teils weit höher. Die Zustimmung des Executive Boards ist gleichbedeutend mit der Aufnahme ins Netzwerk.

4.3.2.5 Strukturierung Nach der Zustimmung des Executive Boards wird ein Kandidat in das AshokaNetzwerk aufgenommen. Damit verbunden ist in der Regel ein dreijähriges Lebensunterhaltsstipendium.784 Die Grundannahme ist, dass Social Entrepreneurs ihre

784

Vgl. Frischen (2007), S. 154. Vgl. zur historischen Entwicklung Bornstein (2004), S. 62.

4 Fallstudien

222

Projekte und Ideen in ihrer Freizeit verfolgen und noch einen Job benötigen, um ihre Aktivitäten zu finanzieren. Das Stipendium soll es ihnen ermöglichen, ihren Job zu kündigen und ihre gesamte Arbeitszeit dem Projekt zu widmen.785 Bill Drayton, der die Stipendienfinanzierung Anfang der 80er Jahre einführte, wollte zudem einige negative Eigenschaften der klassischen Spendenfinanzierung vermeiden. BORNSTEIN (2004), der Drayton interviewte, schreibt dazu: „Another delicate matter was money. Drayton didn’t want Ashoka to be lumped into the ‚funder’ box. He and his staff struggled to avoid using the words ‚grant’, ‚donor,’ or ‚foundation’ because he felt such terms were associated with negative perceptions–lack of trust, an expectation of not being treated as a peer–that were unfavorable to building a collaborative fellowship. ‚Financial relationships are very troubling, because it means that the other relationships are not 100% voluntary,’ notes Drayton. He also didn’t want to have the unintentional effect of helping fellows to create institutions that might not be ‚financially realistic.’“786 Aus den Aussagen Draytons geht hervor, dass er davon ausgeht, dass klassische Finanzierungsbeziehungen zum einen auf sozialer Ebene einige negative Nebeneffekte mit sich bringen und zum anderen zu teilweise unrealistischen Planungen führen. Diese will er durch die Stipendienlösung vermeiden. Bis heute sind die Stipendien ein elementarer Bestandteil der Philosophie von Ashoka. Während der Stipendienlaufzeit sollten die Fellows in der Lage sein, ihre soziale Innovation zu verbreiten und ein nachhaltiges Finanzierungskonzept zu entwickeln. Die Höhe des Stipendiums richtet sich allein an den speziellen Bedürfnissen des Fellows aus. Das Stipendium soll die Differenz zwischen Lebenshaltungskosten und eigenen Einnahmen des Social Entrepreneurs decken. Die Differenz wird dann noch plausibilisiert und ggf. auch gekürzt oder aufgestockt. Größe der Organisation und Erfolg haben keinen Einfluss auf die Höhe, wohl aber das Einkommen, das der Fellow mit der Organisation erwirtschaftet. Wenn dies ausreichend ist, um auch das Gehalt zu finanzieren, erhält der Fellow kein Stipendium. Es kommt aber auch vor, dass der Fellow durch ein Stipendium in die Lage versetzt wird, sich aus dem operativen Geschäft herauszuziehen, so dass er sich stärker strategischen Themen und der Expansion

785

Vgl. Bornstein (2004), S. 62.

786

Bornstein (2004), S. 61f.

4.3 Ashoka

223

widmen kann. Die durchschnittliche Stipendienhöhe beträgt etwa 40.000 Euro pro Jahr für insgesamt drei Jahre. Diese Art, die Stipendienhöhe festzulegen, führt dazu, dass es für die Kandidaten im Normalfall keine Einkommenssteigerung gibt. Im Gegenteil: Häufig müssen sie sichere, besser bezahlte Positionen aufgeben, um eine Ashoka-Stipendienfinanzierung zu erhalten. Da das Stipendium nach drei Jahren ausläuft, wissen die Personen, dass sie sich dann anderweitig finanzieren müssen. Dass jemand aus finanziellen Gründen ein Stipendiumsangebot annimmt, ist daher unwahrscheinlich. An das Stipendium sind keinerlei Mitspracherechte beim Projekt des Social Entrepreneurs und mit einer Ausnahme auch keinerlei sonstige Bedingungen geknüpft. Es müssen auch keine Verwendungsnachweise erbracht werden. Die einzige wesentliche Bedingung ist, dass der Social Entrepreneur an der Lösung des Problems arbeitet, für das er ausgewählt wurde. Gibt ein Social Entrepreneur sein Projekt auf, dann kann auch das Stipendium gekündigt werden. Zusätzlich werden einige Aktivitäten und Verhaltensweisen im Stipendienvertrag benannt, die zu einer Kündigung des Stipendiums führen. Insbesondere sind dies diskriminierendes Verhalten, Unterstützung von Gewalt oder verfassungsfeindlichen Zielen sowie Verweigerung von Berichtspflichten. Ashoka verlängert keine Stipendien über die drei Jahre hinaus, so dass die Social Entrepreneurs auch keinerlei Anreiz haben, ihre Ergebnisse zu schönen. So lange sie an ihrem Projekt arbeiten, sind sie völlig frei in ihren Entscheidungen.

4.3.3 Bedeutung der Auswahlkriterien 4.3.3.1 Überblick Nicht nur der Auswahlprozess von Ashoka ist weltweit standardisiert, auch die Auswahlkriterien sind für alle Länder, in denen Ashoka tätig ist, festgelegt. Dabei werden fünf unterschiedliche Kriterien zu Grunde gelegt. Nur Kandidaten, die diese Kriterien erfüllen, werden in das Netzwerk aufgenommen und qualifizieren sich somit ggf. für ein dreijähriges Lebensunterhaltsstipendium. Die Kriterien lauten: erstens, es muss sich um eine neue Idee handeln, die ein gesellschaftliches Problem nachhaltig löst; zweitens, die Person muss kreativ sein; drittens, die Person muss unternehmerisch

4 Fallstudien

224

sein; viertens muss die Idee „Social Impact“ haben und schießlich muss die Person, fünftens, integer sein.787 Die Kriterien beziehen sich, wie in Abbildung 11 zu sehen, auf den Markt, das Konzept und die Person.788 Zu diesen fünf Kriterien hat Ashoka eine Beschreibung veröffentlicht, der eine Reihe von Unterkriterien zu entnehmen sind.789 In den Beobachtungen zeigte sich, dass darüber hinaus weitere Kriterien angelegt werden, die nicht explizit veröffentlicht sind, und umgekehrt, dass Unterkriterien, die in der Broschüre erwähnt werden, nicht beobachtet werden konnten. Zwei der bei der Auswertung identifizierten Kriterien konnten keinem der fünf offiziellen Ashoka-Kriterien zugerechnet werden. Für sie wurde eine sechste Kriteriengruppe „Sonstige Kriterien“ aufgenommen. Es wurden im Zeitraum März bis Juni 2008 über 11 Stunden Screenings und Mitarbeiterbesprechungen aufgenommen und transkribiert. In dieser Zeit wurden 46 Kandidaten diskutiert. Die transkribierten Aufnahmen umfassen 718.301 Zeichen, das entspricht etwa 400 Seiten Text.790 Bei diesem Umfang der Gesprächsaufzeichnungen kann davon ausgegangen werden, dass bei weiteren Aufnahmen nur in Details zusätzliche Erkenntnisse über die angewendeten Auswahlkriterien und deren Zusammenhänge herausgefunden werden können. Die Besprechung der Kandidaten lief meist so ab, dass dem Team durch eine Person, die z.B. gerade ein Interview geführt hatte, neue Informationen präsentiert wurden. Die übrigen Mitarbeiter nahmen die Position des Kritikers ein und versuchten, Schwachstellen zu identifizieren. Die Diskussionen werden teils recht intensiv geführt. Die Beobachtungen deuten darauf hin, dass die Auswahlentscheidung bzw. die Ent-

787

Vgl. Frischen (2007), S. 154f. Im Englischen lauten die Kriterien: „new idea“, „creativity“, „entrepreneurial quality“, „social impact of the idea“ und „ethical fibre“; vgl. Ashoka (2008c); Ashoka (2007).

788

Im Folgenden wird der Ausdruck „Konzept“ verwendet und nicht wie in der For-Profit-Sprache üblich die Ausdrücke Geschäftsmodell, Produkt oder Dienstleistung. Geschäftsmodell ist zu missverständlich, da die meisten dahinter das Ziel Gewinnmaximierung vermuten. Produkte bieten Social Entrepreneurs, die Ashoka berücksichtigt, selten an, meistens handelt es sich um Dienstleistungen. Da Produkte nicht ausgeschlossen werden sollen und auch die Art der Leistungserbringung relevant ist, wird in dieser Arbeit der Ausdruck Konzept verwendet.

789

Vgl. Ashoka (2007).

790

Eine Normseite enthält 1.800 Zeichen Text, inklusive Leerzeichen.

4.3 Ashoka

225

scheidung, ob ein Kandidat im Prozess weiterkommt, stark konsensorientiert getroffen wird.

Markt: • Gesellschaftliches Problem

AshokaFellow Konzept: • Neue, systemverändernde Lösung • Social Impact

Person: • Kreativ • Unternehmerisch • Integer

Abbildung 11: Untergliederung der Auswahlkriterien in markt-, konzept- und personenbezogene Kriterien In Tabelle 17 sind die einzelnen Kriterien sowie die Kandidaten aufgelistet. Durch ein „X“ wird angezeigt, dass das Kriterium bei dem entsprechenden Kandidaten diskutiert wurde. Es wurden nur Kandidaten aufgenommen, bei denen eine inhaltliche Diskussion stattfand. Ausgeschlossen wurden Kandidaten, die nur erwähnt, aber nicht diskutiert wurden. In vielen Fällen wird die Kriterienerfüllung nicht zu Ende diskutiert. Es wurden zwar die meisten, aber nicht alle Besprechungen im Zeitraum beobachtet, insofern ist unklar, ob die Themen noch einmal aufgegriffen wurden. Es wurde keine Checkliste oder Ähnliches für die Kriterien oder Unterkriterien verwendet, um die Diskussion zu strukturieren. Dies änderte sich im Jahr 2009, als eine Vorbewertung mit in die Kandidatenpräsentation aufgenommen wurde.

Tabelle 17: Überblick über die Kriteriendiskussion nach Kandidaten 24

Fallanzahl:

23

22

21

20

19

18

17

16

15

14

13

12

11

9

10

8

7

6

5

4

3

2

1

Unterkrit. 2. Ebene

Unterkrit. 1. Ebene

Hauptkriterium

6

X X

X

X

X

X

Allgemein

13

X X X X

X

X X

X

X X X

X

X

Empowerment

6

X

X

X X X

X

Zugang zur Zielgruppe

5

X

X X

X X

5

X

X

X

X

X

4

X

X X

X

4

X

X

X

X

Systemveränderung

2

X

X

2

X

X

1

X

Neue Idee (zur Lösung eines sozialen Problems)

Stakeholdereinbindung Stärkenorientierung Konkurrenzbewertung Neue Denkmuster Transparenz Anreize für Zielgruppe Systemlevel

1

X

Politikbeeinflussung

16

X X

X X X X X X

X X X

X X X X X

Innovation

14

X X X X X

X X

X

X X

X X

X

X

Gesellschaftliches Problem

X

10

X X

X X

X X

X X

X

6

X X

X X X

X

Kreativität

Vision und Motivation Problemlösen

7

X

X X

X

X

X X

Allgemein

16

X X X X

X X

X X X X X X

X X X X

Strategie

11

X X X X

X X

X

X

X X

X

Allgemein

4

X X

X

X

Wille

Qualitätsorientierung

4

X X

X

X

Wachstumswille

6

X

X X

X

X

X

5

X

X

X

X

X

5

X

X X X

X

5

X X

X X

X

5

X

X

X

X

X

5

X

X

X

X

X

Unternehmerische Qualität

Biographie

Unternehm. Erfahrung Motivation aus Biog. Kommunikationsfähigkeit Entwicklungspotenzial Phase Pragmatismus

4

X

X

X

X

Bekanntheitsgrad

3

X X

X

Delegationsfähigkeit

2

X

X

Detailversiertheit

2

X

X

Belastbarkeit

2

X

X

Soziale Motivation

4

X

X X

X

Sonstige Aspekte zur Person

10

X X X

X X

X

X

X

X X

X

3

X

X

Social Impact

Übertragbarkeit Reichweite

3

X

X X

Integrität

Integrität

3

X

X

X

2

X

X

Sonstige Kriterien

Einkommensgenerierung Kompatibilität mit dem Ashoka-Netzwerk

4 Fallstudien

226

4.3 Ashoka

227

Eine deskriptive Auswertung soll einen Überblick über die Bedeutung einzelner Kriterien geben. Die Häufigkeitsanalyse bezieht sich nur auf die Mitarbeiterbesprechungen, da während der Screeningbeobachtungen den Mitarbeitern auch Fragen gestellt wurden und somit die Häufigkeitsverteilung einzelner Kriterien verzerrt sein könnte. Aus Tabelle 18 ist ersichtlich, welche Schwerpunkte die Diskussionen hatten. Das K.O.-Kriterium „Neue Idee“ wird am intensivsten diskutiert: 63% der KriterienDiskussion dreht sich um diese Frage.791 Danach folgen die Kriterien „Unternehmerische Qualität“ mit 29% und „Social Impact“ mit 22%. Das Kriterium „Kreativität“ wird mit 7% deutlich weniger intensiv und das Kriterium „Integrität“ mit 0,2% so gut wie gar nicht diskutiert. Einige Diskussionsteile wurden mit mehreren Kriterien codiert, daher wird in Tabelle 18 der Anteil mit und ohne Doppelzählung getrennt ausgewiesen. Anzahl der Wörter 1. Neue Idee

Prozent mit Doppelzählung

Prozent ohne Doppelzählung

31.879

50,4%

62,9%

14.351

41%

45%

6.207

18%

19%

14.326

41%

45%

2. Unternehmerische Qualität

14.914

23,6%

29,4%

3. Social Impact

11.561

18,3%

22,8%

3.641

5,8%

7,2%

111

0,2%

0,2%

1a) Gesellschaftliches Probl. 1b) Innovation 1c) Systemveränderung

4. Kreativität 5. Integrität 6. Sonstige Kriterien

1.180

1,9%

2,3%

Summe

63.286

100%

124,8%

Summe ohne Doppelzählung*

50.698

*) Einige Wörter sind mehrfach codiert. Die Anzahl der codierten Wörter ist daher kleiner als die Summe der pro Kriterium codierten Wörter.

Tabelle 18: Anteil der Kriterien an der Diskussion Die Aussagekraft der Tabelle 18 wird etwas getrübt durch einige Ausreißer in der Diskussionsintensität, die in Tabelle 19 zu erkennen sind. Das extremste Beispiel ist die Diskussion, ob es sich bei einem bestimmten Kandidaten um ein gesellschaftliches Problem handelt. Sie nimmt allein etwa 8.500 Wörter ein und trägt damit wesentlich zur Dominanz des Kriteriums bei.

791

Ashoka bezeichnet dieses Kriterium als „Knock-out Test: A New Idea“, Ashoka (2007), S. 5.

4 Fallstudien

228

Mittelw. 1. Neue Idee*

Median

Min.

Standardabw.

Max.

1.298

574

0

9.085

2.103

1a) Gesellschaftliches Probl.

589

126

0

8.535

1.733

1b) Innovation

239

150

0

770

248

1c) Systemveränderung

593

155

0

3.929

960

2. Unternehmerische Qualität

634

417

0

2.083

620

3. Social Impact

503

249

0

2.983

746

4. Kreativität

153

16

0

577

190

5

0

0

69

16

49

0

0

331

90

5. Integrität 6. Sonstige Kriterien

*) Aufgrund der hohen Bedeutung werden die Unterkriterien der ersten Ebene des Kriteriums mit ausgewiesen.

Tabelle 19: Lagemaße und Streuung der pro Kandidat und Kriterium codierten Wörter In den folgenden Gliederungspunkten werden nun die Auswahlkriterien inhaltlich erläutert. Die Kriterien sind nach der Häufigkeit sortiert, mit der sie bei Finanzierungsanfragen diskutiert werden.

4.3.3.2 Neue Idee Wenn das erste Kriterium nicht erfüllt ist, endet laut der Ashoka-Broschüre „Selecting Leading Social Entrepreneurs“ der Auswahlprozess und die übrigen Kriterien werden nicht mehr überprüft.792 Hinter dem ersten Kriterium verbergen sich drei wesentliche Unterkriterien. Es muss erstens ein gesellschaftliches Problem vorliegen, zweitens muss das Konzept auf einer Innovation beruhen und drittens muss es das Potenzial haben, eine nachhaltige (positive) Systemveränderung zu bewirken.793 Das erste Kriterium bezieht sich somit auf den Markt (gesellschaftliches Problem) und auf das Konzept (Innovation, Systemveränderung), nicht aber auf die Person. Systemveränderung: Ob der Kandidat eine Systemveränderung hervorruft, wurde von den drei Unterkriterien des Kriteriums „Neue Idee“ bei den meisten Kandidaten diskutiert. Aus den Beobachtungen lassen sich einige Faktoren ableiten, die von Ashoka-Mitarbeitern positiv mit einer Systemveränderung in Verbindung gebracht werden.

792

Vgl. Ashoka (2007), S. 5.

793

Ashoka (2007), S. 5. Vgl. auch Frischen (2007), S. 154.

4.3 Ashoka

229

Hierbei handelt es sich also um Unterkriterien der zweiten Ebene, die im Folgenden erläutert werden: Allgemein: Die Systemveränderung wird zum Teil pauschal diskutiert. Zu diesen allgemeinen Äußerungen wurden auch all jene hinzugezählt, in denen es um die Nachhaltigkeit des Konzeptes geht, da Nachhaltigkeit und Systemveränderung kaum voneinander zu trennen sind. Ohne nachhaltige Veränderung liegt keine Systemveränderung vor. Konzepte dürfen daher keine Einmaleffekte verursachen, sie müssen dauerhaft und über das eigene Konzept hinaus wirken. Wenn beispielsweise Menschen mit einem bestimmten Problem ein Programm durchlaufen, dürfen diese Probleme nicht nur während und innerhalb des Programms verschwinden, sondern müssen auch nach Abschluss und außerhalb des Programms verschwunden bleiben. Empowerment: Die am häufigsten innerhalb des Unterkriteriums „Systemveränderung“ diskutierte Konzepteigenschaft ist „Empowerment“. Für den Begriff mit der hier verwendeten Bedeutung gibt es keine gleichbedeutende deutsche Übersetzung, von daher wird hier der englische Begriff verwendet. Am nahesten kommt ihm der Ausdruck „Hilfe zur Selbsthilfe“. Empowerment wird als wichtig angesehen, da die meisten Social Entrepreneurs – 19 der beobachteten 24 Kandidaten – das Ziel haben, Menschen zu helfen, sich aus, im weitesten Sinne, misslichen Lagen zu befreien. Damit dies nachhaltig gelingt, muss den Menschen zu mehr Eigenständigkeit verholfen werden. Sie müssen in die Lage versetzt werden, ihre Probleme selbst zu lösen und sich frei zu entwickeln. Aus der größeren Eigenständigkeit ergibt sich dann wiederum die positive Systemveränderung. Dagegen ist Ashoka nicht an Organisationen interessiert, die Symptome nur lindern, Menschen kontrollieren oder von einer Leistung abhängig machen. Zugang zur Zielgruppe: Für den Social Entrepreneur ist es entscheidend, einen Zugang zur Zielgruppe zu finden und umgekehrt für die Zielgruppe erreichbar zu sein. In den Besprechungen ist häufig von „niederschwelligen Angeboten“ die Rede. Dies ist eine positive Umschreibung für Angebote, die für die Zielgruppe attraktiv sind, nicht abschreckend wirken und, ohne großen Aufwand, in Anspruch genommen werden können. Stakeholdereinbindung: In vielen Fällen sind mehrere Personengruppen oder Stakeholder Teil des Problems und müssen daher auch bei der Lösung berücksichtigt wer-

230

4 Fallstudien

den.794 Beispielweise wird es positiv gesehen, wenn bei Konzepten, die sich gesellschaftlichen Problemen im Kinder- und Jugendbereich widmen, die Eltern mit ins Boot geholt werden. Aber auch in anderen Bereichen ist es wichtig, Stakeholder einzubinden, die den Lösungsansatz aktiv unterstützen – oder um zu verhindern, dass sie gegen das Konzept arbeiten. Stakeholdereinbindung sollte auf die wesentlichen Stakeholder begrenzt werden, um diese Aufgabe handhabbar zu halten. Holt man zu viele Stakeholder ins Boot, ist mitunter das zu bearbeitende Feld zu groß, wie aus den Aussagen zu einem Kandidaten hervorgeht. Stärkenorientierung: Es wird in den Diskussionen erörtert, ob der Kandidat sich auf die Stärken – mit Stärken sind hier lediglich positive, gesellschaftlich erwünschte Stärken gemeint – oder die Schwächen der Zielgruppe fokussiert. Es scheint ein Erfolgsfaktor für einen Social Entrepreneurs zu sein, wenn es ihm gelingt, Stärken zu stärken und dadurch die Zielgruppe so zu „empowern“, dass sie sich selbst aus ihrer misslichen Lage befreien kann. Konkurrenzbewertung: Besonders lang dauerte die Diskussion über die existierende Konkurrenz bei einem IT-basierten Konzept. Sie drehte sich um die Frage, ob das Angebot des Kandidaten und/oder das der Konkurrenz vom Markt angenommen wird. Ein Mitarbeiter wies darauf hin, dass es im IT- Bereich normal sei, dass mehrere sehr ähnliche Angebote fast gleichzeitig an den Markt gehen. Dies verkompliziert die Analyse, da in traditionellen Bereichen das neue Konzept des Kandidaten nur mit bestehenden etablierten Konzepten verglichen werden muss. Im IT-Bereich müssen zusätzlich Neugründungen mit einbezogen werden. Neue Denkmuster: Die Mitarbeiter diskutierten, ob ein Konzept zu einem Paradigmenwechsel und somit zu einem nachhaltigen Umdenken der Menschen führt. Einige Beispiele für neue Denkmuster bzw. Paradigmenwechsel sind: Menschen bekommen einen emotionalen Bezug zu Spendenempfängern und fördern diese daher anders, hoher Alkoholkonsum wird von Jugendlichen als etwas Negatives wahr-

794

Es heißt dazu in der Ashoka-Broschüre: „Social entrepreneurs introducing major structural changes to society, in effect, have to ask a great many people to change how they do things.“ Vgl. Ashoka (2007), S. 15.

4.3 Ashoka

231

genommen, Asylanten werden als Teil der Gesellschaft wahrgenommen. Neue Denkmuster sind ein Indiz dafür, dass das Konzept auch über die direkt erreichte Zielgruppe hinauswirkt. Transparenz: Es wird positiv erwähnt, wenn Konzepte zu einer größeren Transparenz führen, Menschen bessere Informationen erhalten und dadurch informiertere Entscheidungen treffen können. In einem stärker diskutierten Fall wurden Informationen über die negativen externen Effekte eines Lebensmittelproduktes bereitgestellt, die klassische Anbieter nicht zur Verfügung stellen würden. Dies führt dazu, dass Menschen diese externen Effekte in ihre Entscheidung einfließen lassen können. Anreize für Zielgruppe: Anreize für die Zielgruppe werden positiv gesehen, dieser Punkt knüpft an den „Zugang zur Zielgruppe“ an. Wenn der Kontakt einmal hergestellt ist, müssen die hilfsbedürftigen Personen intrinsische Anreize haben mitzuarbeiten. Kritisch wird dagegen gesehen, wenn sich die Zielgruppe nur aufgrund extrinischer Motivation anders verhält. Beispielsweise wird in einem Fall diskutiert, ob der Alkoholkonsum von Jugendlichen nachhaltig oder nur punktuell sinkt, wenn sie durch Geschenke motiviert werden, auf bestimmten Partys weniger zu trinken. Systemlevel: Es wird in einem Fall diskutiert, ob bereits eine Systemveränderung vorliegt, wenn innerhalb eines schlechten Makrosystems, in diesem Fall den Rahmenbedingungen für Asylbewerber in Deutschland, ein Mikrosystem positiv verändert wird. Das Angebot hatte zwar auf der Mikroebene das Potenzial, eine Systemveränderung herbeizuführen, aber den deutlich größeren und nachhaltigen Hebel hätte man nach Meinung der Diskussionsteilnehmer, wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen geändert würden. Politikbeeinflussung: Bei einem Kandidaten wird die Frage aufgeworfen, ob er auch Lobbyarbeit für eine Verbesserung der Rahmenbedingungen leistet, was man von einem Fellow erwarten würde, oder ob er „nur“ innerhalb eines schlechten Systems die Not lindert. In Gesprächen mit den Mitarbeitern wird Politikbeeinflussung immer wieder erwähnt, obwohl sie nur bei einem Kandidaten beobachtet werden konnte. Innovation: Ashoka gibt an, dass ein Konzept weltweit eine Neuheit sein muss, damit das Kriterium „Neue Idee“ erfüllt ist. Sobald ein Ansatz bereits irgendwo anders existiert, kommt der Kandidat für eine Förderung durch Ashoka nicht mehr in Frage. Da jeder Ansatz die regional spezifischen Rahmenbedingungen und den Kontext berück-

4 Fallstudien

232

sichtigen muss, ist dieses Kriterium aber keine so große Hürde, wie man zunächst meinen könnte. Gesellschaftliches Problem: In Tabelle 20 sind die in den Besprechungen diskutierten gesellschaftlichen Probleme der Kandidaten dargestellt. Sie geben einen Überblick, welchen gesellschaftlichen Problemen sich Kandidaten widmen, die das erste Screening überstanden haben. Unter Meinungsbildung ist vermerkt, ob die Diskussion kontrovers verlief oder von Anfang an eine hohe Meinungsübereinstimmung festgestellt werden konnte. In der letzten Spalte Bewertung ist das Ergebnis der Diskussion festgehalten.

Gesellschaftliches Problem bzw. Lösungsansatz

Meinungsbildung

Fehlende Eigenverantwortung von Jugendlichen

übereinstimmend

Bewertung +

Vorurteile gegenüber Menschen mit psychologischen Problemen

übereinstimmend

+

Probleme von Kindern allgemein

übereinstimmend

+

Isolation von Müttern nach der Geburt

übereinstimmend

+

Arbeitslosigkeit älterer Menschen

übereinstimmend

+

Alkoholkonsum von Jugendlichen

übereinstimmend

+

Fehlende Einbindung psychisch kranker Patienten in die Behandlung

übereinstimmend

+

Perspektivlosigkeit von Aslyantenkindern

übereinstimmend

+

Kapitalbeschaffung von guten Non-Profit-Organisationen

kontrovers

+

Kapitalbeschaffung von Non-Profit-Organisationen (1)

kontrovers

-

Gesundheit

übereinstimmend

0

Regionalförderung in der Landwirtschaft

kontrovers

0

Konsum von fernproduzierten Gütern

kontrovers

0

Kapitalbeschaffung von Non-Profit-Organisationen (2)

kontrovers

0

„+“ = Gesellschaftliches Problem vorhanden „-„ = Kein gesellschaftliches Problem vorhanden „0“ = Keine abschließende Meinung

Tabelle 20: Diskussion der gesellschaftlichen Probleme Ob ein gesellschaftliches Problem vorliegt, wurde im Vergleich zu den übrigen Kriterien in 5 der 24 Fälle sehr kontrovers diskutiert. Den 5 kontroversen Fällen liegen 2 potenzielle gesellschaftliche Probleme zugrunde, da einmal 3 und einmal 2 Kandidaten das gleiche Problemfeld angehen. Zu der ersten Gruppe gehören 3 Finanzintermediäre im Non-Profit-Sektor, die Spender und kapitalsuchende Non-Profit-Organisationen zusammenbringen. Diskutiert wird vor allem, ob bereits ein gesellschaftliches Problem darin besteht, das Non-Profit-Organisationen zu wenig Kapital zufließt. Im Ergebnis

4.3 Ashoka

233

wird dies nicht so gesehen. Als gesellschaftliches Problem sehr wohl anerkannt wird aber, dass guten Non-Profit-Organisationen zu wenig Kapital zufließt. Das zweite diskutierte gesellschaftliche Problem, das sich auf zwei Kandidaten bezieht, ist die Regionalförderung in der Agrarwirtschaft. Im Ergebnis wird der Kauf von Agrarprodukten aus der Ferne nur aufgrund der negativen externen Effekte durch Umweltverschmutzung beim Transport gesehen, die für den Kunden nicht transparent sind und nicht mit eingepreist werden. Es darf aber nicht darum gehen, eine lokale Gruppe von Menschen auf Kosten einer entfernt lebenden Gruppe von Menschen zu bevorzugen. Einige Beobachtungen deuten darauf hin, dass für Ashoka kein gesellschaftliches Problem besteht, wenn ein Konzept im freien Markt bestehen kann. Insgesamt ist aber keine Theorie zu erkennen, die angewendet wird, um zu bestimmen, ob ein gesellschaftliches Problem vorliegt.

4.3.3.3 Unternehmerische Qualität Ashoka sucht erstklassige Unternehmerpersönlichkeiten.795 Diese grenzt Ashoka explizit ab von kreativen Personen mit herausragenden Führungs-, Verwaltungs- und Umsetzungsfähigkeiten, da diese Personen trotz all dieser Fähigkeiten zumeist nicht großflächig und nachhaltig Systeme verändern.796 Aus Sicht von Ashoka ist das Kriterium „Unternehmerische Qualität“ die schwerste Hürde für Kandidaten.797 Diese Aussage wird untermauert durch die schiere Anzahl an Unterkriterien, die durch die Beobachtungen identifiziert werden konnten. Allgemein: In sieben Fällen wurden allgemeine Aussagen zu den unternehmerischen Fähigkeiten gemacht, die keinem weiteren Unterkriterium zugeordnet werden konnten. Strategie: Die Strategie ist das wichtigste Unterkriterium. Es wird von den Kandidaten erwartet, dass sie eine klare Strategie haben, wie sie das gesellschaftliche Problem lösen wollen. Darunter wird verstanden, dass der Kandidat erstens systematisch vorgeht

795

Vgl. Ashoka (2007), S. 3. Frischen (2007), S. 154.

796

Vgl. Ashoka (2007), S. 8.

797

Vgl. Ashoka (2007), S. 8.

4 Fallstudien

234

und zweitens, dass ihm mögliche Probleme bewusst sind und er Ideen hat, wie diese zu umgehen sind. Die Ashoka-Mitarbeiter sprechen hier von den „how-to questions“, die Kandidaten beantworten können sollten. Damit ist gemeint, dass Kandidaten auch nach mehrmaligem Nachfragen auf immer tiefergehende „wie“-Fragen Antworten haben sollten.798 Positiv wird eine mehrgleisige Strategie wahrgenommen. Zwar soll der Fokus auf einem gesellschaftlichen Problem liegen, aber es dürfen durchaus mehrere – wenngleich zusammenhängende und sich ergänzende – Ansätze genutzt werden, um das Problem zu beseitigen. Wille: In elf Fällen wird allgemein diskutiert, ob der Kandidat von seiner Idee wirklich überzeugt, begeistert und – um ein von den Mitarbeitern häufig genutztes Wort zu erwähnen – „besessen“ ist. Kandidaten müssen, um für die Auswahl überhaupt in Frage zu kommen, zunächst einmal bereit sein, ihre gesamte (Arbeits-)Zeit dem Projekt zu widmen. Sie sollen eine hohe Einsatzbereitschaft zeigen und sollten Probleme und Rückschläge wegstecken können. Neben allgemeinen Aussagen können zwei Unterkriterien identifiziert werden: Qualitätsorientierung und Wachstumswille. Beides wird in vier Fällen diskutiert. In den Qualitätsdiskussionen geht es vor allem um die Frage, wie die Qualität auch bei einer wachsenden Organisation oder bei (gewollten) Imitationen gesichert werden kann. Qualitätsorientierung wird grundsätzlich positiv gesehen. Der Wachstumswille scheint ein wichtiges und dennoch wenig diskutiertes Kriterium zu sein. Vermutlich verlässt man sich hier auf die Einschätzung des Interviewers. Unternehmerische Biographie: Die Aussagen von Ashoka lassen sich in zwei verschiedene Aspekte der Biographie unterteilen: Erfahrung und Motivation. Die Motivation für die unternehmerische Tätigkeit findet sich laut Ashoka-Mitarbeitern meist in der Biographie. Es sind häufig persönliche Erfahrungen mit dem sozialen Problem, die zur Gründung des Social Ventures führen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Person langfristig an der Lösung des Problems arbeitet und sich nicht kurzfristig, opportunistisch einem neuen Thema zuwendet. Auch unternehmerische Fähigkeiten zeigen sich schon früh in der Biographie und lassen eine Prognose des zukünftigen Erfolges zu, so die Ashoka-Mitarbeiter. Die Biographie bietet Anhaltspunkte für Eigen-

798

Ashoka (2007), S. 13.

4.3 Ashoka

235

schaften, die sich auf den Erfolg des Social Ventures auswirken. Wenn die Person schon einmal in ihrem Leben etwas gegründet hat, sind ihr beispielsweise die Schwierigkeiten einer Gründung bekannt. In einer Gründung drückt sich auch eine gewisse Risikobereitschaft aus, die als wichtig angesehen wird. Darüber hinaus zeigt Gründererfahrung, dass die Person das Selbstvertrauen hat, etwas verändern zu können. In der Biographie erkennt man weiterhin, ob die Person auch in schwierigen Situationen Durchhaltevermögen besitzt. Zu den Beobachtungen und Aussagen der AshokaMitarbeiter passt, dass sie regelmäßig biographische Interviews führen. Kommunikationsfähigkeit: Kommunikative Fähigkeiten werden erwähnt, in der Regel jedoch, ohne sie länger zu diskutieren. Man kann vermuten, dass die kommunikativen Fähigkeiten nicht nur als Kriterium, sondern auch indirekt einen Einfluss auf die Auswahl haben, da die Auswahlentscheidung hauptsächlich auf Basis von verbalen Informationen und nicht auf Basis von Dokumenten getroffen wird. Ein Beispiel zeigt, dass kommunikative Fähigkeiten trainierbar sind. Ein Kandidat, der bereits Erfahrung mit Non-Profit-Finanzintermediären hat, kann sich mitunter besser auf diese einstellen und teilweise überzeugender kommunizieren. Das ließ sich bei einem Kandidaten gut beobachten. Entwicklungspotenzial: Ausgehend von der Beobachtung, dass sich insbesondere ein Kandidat in relativ kurzer Zeit von „wenig unternehmerisch“ hin zu „sehr unternehmerisch“ entwickelte, diskutierten die Mitarbeiter die Entwicklungsfähigkeit von Kandidaten. Dem Kandidaten, von dem die Diskussion ausging, wird eine hohe Lernwilligkeit zugeschrieben, die gleichzeitig als vermutliche Ursache für die positive Entwicklung hin zu einem Unternehmer identifiziert wurde. Das Entwicklungspotenzial ist somit ein Kriterium, das sich nicht wie die übrigen Kriterien auf die aktuelle Situation, sondern auf die Zukunft bezieht. Pragmatisch und realistisch: In der Ashoka-Broschüre heißt es „True entrepreneurs are ultimate realists“.799 Mit diesem Realismus geht Pragmatismus einher, der als Kriterium auch den Beobachtungen zu entnehmen ist. Nicht gewünscht ist ideologisches Verhalten.

799

Vgl. Ashoka (2007), S. 10.

4 Fallstudien

236

Bekanntheitsgrad: Der Bekanntheitsgrad ist ein Indikator für die Qualität eines Kandidaten. Dies wird in einem Fall deutlich, bei dem diskutiert wird, warum Akteure aus dem relevanten Feld den Kandidaten nicht kennen, obwohl er bereits länger tätig ist. Der Bekanntheitsgrad ist aber kein Qualitätsmerkmal an sich, sondern nur die Operationalisierung anderer, mitunter schwer messbarer Qualitätsmerkmale. Delegation: Die Fähigkeit zu delegieren, wird in drei Fällen thematisiert. In zwei Fällen wird negativ festgestellt, dass die Kandidaten nicht in der Lage sind, Aufgaben aus der Hand zu geben und zu delegieren. In einem Fall wird positiv angemerkt, dass der Gründer gemerkt hat, dass andere bessere Fähigkeiten in der Umsetzung haben und er sich daher auf die Position des Ideengebers beschränkt. Detailversiertheit: Positiv aus Ashoka-Sicht ist, wenn Detailprobleme sowie Lösungsansätze geschildert werden können. „Detailversessenheit“, wie die Mitarbeiter es mehrfach bezeichnen, gilt als Zeichen für Unternehmertum. Belastbarkeit: Angesichts des schwierigen Umfeldes, in dem die Kandidaten tätig sind, und der fehlenden monetären Belohnung für Erfolg ist es entscheidend, dass die Kandidaten belastbar sind. Soziale Motivation: Ashoka geht der Frage nach, ob die primäre Motivation der Kandidaten tatsächlich die Lösung eines sozialen Problems ist oder es eine zweite, versteckte Agenda ist, die sie eigentlich zu ihrer Tätigkeit motiviert. Dies können finanzielle Gründe sein oder auch das Streben nach öffentlicher Aufmerksamkeit. Sonstige Eigenschaften: Einige weitere Kriterien, die aber jeweils nur in einem Fall diskutiert werden, sind unter „sonstige Eigenschaften“ zusammengefasst. Dies ist zum einen die Marktkenntnis: Es wurde bemängelt, dass ein Kandidat „seine Gegner nicht kennt“. Social Entrepreneurs zeichnet laut Ashoka aber gerade aus, dass sie den Markt mit all ihren Akteuren sehr gut kennen, weil sie sich intensiv mit ihm beschäftigen.800 Ein weiteres Kriterium ist die Risikobereitschaft: Einem Kandidaten wird eine zu große Risikoaversion zugeschrieben. Weiterhin sind Effizienz und Marketingfähigkeiten wünschenswert.

800

Vgl. Ashoka (2007), S. 8.

4.3 Ashoka

237

4.3.3.4 Social Impact Ashoka unterteilt dieses Kriterium in die Unterkriterien „Übertragbarkeit” und „Reichweite des Konzepts” und erläutert dazu: „Successful social entrepreneurship needs not only an extraordinary champion to develop an idea but a powerful, practical new idea that will spread on its own merits … Ashoka is only interested in ideas that it believes will change the field significantly and that will trigger nationwide impact … Ashoka will not support the launch of a new clinic or school unless it is part of a broader strategy to reform the education of health care system at the national level or beyond.“801 Zum einen geht es um die Frage, wie überzeugend die Idee an sich ist und ob sie auch noch ohne den Social Entrepreneur weiterleben würde, da andere sie aufgreifen (Übertragbarkeit).802 Zum anderen stellt sich die Frage, wie viele Menschen wie stark profitieren (Reichweite).803 Übertragbarkeit: Hier stellt sich die Frage, ob identifizierbare Faktoren existieren, die die Übertragbarkeit fördern oder behindern. Hängt ein Konzept von den ganz besonderen, kaum erlernbaren Fähigkeiten, Erfahrungen oder Kontakten einer Schlüsselfigur ab, dann ist es nicht übertragbar und das Kriterium nicht erfüllt. Komplizierte Netzwerke und viele Stakeholder, die mit ins Boot geholt werden müssen, sind tendenziell hinderlich für die Übertragung. Insbesondere Stakeholder, die in das Konzept eingebunden werden müssen, aber selbst nicht davon profitieren, erschweren tendenziell die Übertragbarkeit. Sie wird weiter eingeschränkt, wenn diese Stakeholder de facto Vetorechte haben. Die stärkste Verbreitung von allen beobachteten Konzepten weist daher auch ein Konzept auf, das ohne negativ betroffene Stakeholder umgesetzt werden kann. Das Konzept besteht daraus, die Zielgruppe, die ein gemeinsames Interesse hat, in einer bestimmten Form zusammenzubringen. Die Wirksamkeit steht und fällt mit dem Interesse der profitierenden Personen an der Teilnahme, wobei die Teilnehmer gleichzeitig Leistungserbringer und Leistungsnehmer sind. Es wird also nicht einmal eine zentral gesteuerte Organisation benötigt, die eine bestimmte Dienstleistung erbringt. Im Gegensatz zu den meisten Konzepten von Kandidaten wird hier nur eine Blaupause in Form einer Methode zur Verfügung gestellt. Ähnlich positiv wirken

801

Vgl. Ashoka (2007), S. 13f. Vgl. auch Frischen (2007), S. 155.

802

Ashoka (2007), S. 14.

803

Vgl. Ashoka (2007), S. 14.

4 Fallstudien

238

sich Plattformen auf die Übertragbarkeit aus. Bei einer Plattform bieten externe Anbieter Leistungen für die Zielgruppe an. Hier muss der Kandidat ebenfalls nicht selbst eine Organisation aufbauen, die die Leistung erbringt. In einem Fall ist eine Lehr- und Trainingsmethode ein wesentlicher Teil des Konzeptes. Im diskutierten Fall scheint sie schwer erlernbar zu sein und dadurch die Delegation der Lehr- und Trainingstätigkeit ebenfalls nur schwer möglich zu sein. Diese Komplexität erschwert die schnelle Verbreitung des Konzeptes. Bei zwei Regionalförderprojekten wurde kritisch hinterfragt, ob sie sich selbst aushebeln, wenn sie zu stark verbreitet werden. In sechs Fällen diskutierten die Ashoka-Mitarbeiter, ob die Kandidaten Multiplikatoren nutzen. Damit sind Personen gemeint, die dabei helfen, die Reichweite des Konzeptes zu erhöhen, ohne selbst zur Organisation des Kandidaten zu gehören. Multiplikatoren sind daher ein Gütekriterium. Reichweite: Die Reichweite wird lediglich in drei Fällen kurz angeschnitten. Sie bezieht sich auf die Frage, wie groß das gesellschaftliche Problem ist. Diese Frage erfordert eine Quantifizierung durch die Kandidaten, so wird z.B. abgefragt, wie viele Menschen von einem bestimmten Problem betroffen sind, wie viele bereits erreicht wurden und wie stark sie von dem Angebot profitieren.

4.3.3.5 Kreativität Dieses Kriterium bezieht sich auf die Person des Unternehmers. Ashoka erläutert das Kriterium wie folgt: „Successful social entrepreneurs must be creative both as goalsetting visionaries and in the essential follow-up problem solving.“804 Es kann dementsprechend unterteilt werden in die zwei Unterkriterien „kreative Vision“ und „kreatives Problemlösen“. Ashoka geht davon aus, dass Kreativität nicht plötzlich entsteht, sie zeigt sich meistens bereits in der Jugend. Auch wird angenommen, dass Kreativität durch die hohe Motivation von Social Entrepreneurs verstärkt wird.805 Kreative Vision: Das Kriterium wird hier sehr weit ausgelegt. In keinem einzigen Fall ist explizit von einer „kreativen Vision“ die Rede, sie wurde aber in einigen Fällen

804

Ashoka (2007), S. 6. Vgl. auch Frischen (2007), S. 155.

805

Vgl. Ashoka (2007), S. 6.

4.3 Ashoka

239

umschrieben. Dem Kriterium wurden auch Aussagen, die allgemein dem Konzept oder der Idee galten, zugerechnet, z.B. „Ich glaube die Ideen, die er hat, sind total spannend …“ oder „Ich finde bei ihr die Idee bzw. die Methode so super, dass man daraus etwas Tolles entwickeln kann“. Kreativ im Problemlösen: Social Entrepreneurs haben, wie alle Unternehmer, ständig mit knappen Ressourcen zu kämpfen. Darüber hinaus steht der Umsetzung der Vision eines Social Entrepreneurs eine Reihe weiterer Probleme entgegen, die oft bei Aufnahme der Tätigkeit nicht vorhersehbar waren. Ashoka sieht daher Kreativität als Voraussetzung für die Aufnahme ins Netzwerk, weil diese nötig ist, um spontan auftretende Probleme zu lösen und andere Wege zur Zielerreichung zu entdecken. Die Mitarbeiter gehen davon aus, dass nicht intellektuelle Überzeugungskraft wichtig ist, sondern Kreativität benötigt wird, um für die involvierten Stakeholder die richtigen Anreize zu setzen, so dass sie die Lösung des Problems unterstützen.

4.3.3.6 Integrität Ashoka verlangt von den Kandidaten, dass sie integer und glaubwürdig sind. Um dies zu beurteilen, sollen sich die Mitarbeiter auf ihren Instinkt und ihr Bauchgefühl verlassen.806 Die Integrität wird in den Mitarbeitergesprächen aber fast nicht thematisiert. Nur in drei Fällen werden Aspekte, die unter diesem Kriterium zusammengefasst werden können, kurz angesprochen. Dieses Ergebnis passt aber zu den Aussagen eines Mitarbeiters, dass dieses Kriterium sehr stark in persönlichen Gesprächen abgeprüft wird, also dem dritten Interview, wenn es vor Ort stattfindet, dem Second Opinion Interview und den Jury-Interviews. Dieses Kriterium ist häufig schwer zu beurteilen, wird aber als sehr wichtig angesehen für die Zusammenarbeit der Fellows, aber auch für die Außenwirkung von Ashoka.

4.3.3.7 Sonstige Kriterien Bei drei Kandidaten wird die Eigenfinanzierung thematisiert. Ob ein Kandidat eine For-3rofit- oder eine Non-Profit-Rechtsform nutzt, ist aus Sicht der Ashoka-Kriterien nicht entscheidend. Keines der Auswahlkriterien hat in irgendeiner Form den finanzi-

806

Vgl. Ashoka (2007), S. 15.

4 Fallstudien

240

ellen Erfolg zum Inhalt. Dass Ashoka-Kandidaten normalerweise keine For-ProfitStruktur haben, liegt daran, dass ihr Ziel sein muss, ein gesellschaftliches Problem zu lösen. Es kann davon ausgegangen werden, dass, falls ein gewinnorientierter Ansatz zur Lösung eines Problems bestehen würde, dieser längst durch einen Business Entrepreneur ausgenutzt worden wäre. Problematisch kann die Einkommensgenerierung dann sein, wenn durch sie ein Anreiz besteht, die Zielgruppe zu vergrößern. Das Ziel sollte aus Ashoka-Sicht aber das Gegenteil sein, nämlich die Zielgruppe des Kandidaten, z.B. rechtsradikale Jugendliche, Analphabeten, einsame Senioren etc., so klein wie möglich zu machen oder sie sogar aufzulösen. In dem beobachteten Fall führt der gewinnorientierte Ansatz zu einem Zielkonflikt zwischen Gewinnmaximierung und Problemüberwindung. Gleichwohl besteht das Problem in abgeschwächter Form auch bei einer Non-Profit-Rechtsform, da die Kandidaten in der Regel später einmal ein Gehalt von der Organisation erhalten. Wenn sie sich selbst überflüssig machen, versiegt die Einkommensquelle, daher kann rein theoretisch dieses Problem trotz einer Non-Profit-Rechtsform entstehen.

4.3.4 Quantitative Zusammenhänge 4.3.4.1 Datengrundlage Ashoka nutzt die Datenbanksoftware Salesforce für die Dokumentation der Bewerbungen. Festgehalten werden alle Anfragen, die ein erstes gesellschaftsspezifisches Screening überstanden haben.807 Dadurch fallen bereits sehr viele Organisationen aus dem Prüfungsprozess, bevor sie in der Datenbank registriert werden. Einige der für die folgenden Auswertungen benötigten Informationen wurden zunächst nicht oder nur teilweise erhoben, so dass mit Hilfe der Mitarbeiter Daten zu Kandidaten nacherhoben werden mussten. Insbesondere handelt es sich um die Information, wie Ashoka auf den Kandidaten aufmerksam geworden ist (Name des Vermittlers, Recherche oder Eigenbewerbung) und wie weit der Kandidat im Auswahlprozess gekommen ist. Auf die Qualität der Daten dürfte die Nacherhebung nur minimalen Einfluss haben. Inklusive

807

Vgl. Abschnitt 4.3.2.3.

4.3 Ashoka

241

der nacherhobenen Daten stehen folgende Informationen für die Auswertung zur Verfügung: Name des Kandidaten, Name der Organisation, Ort, Branche, Kommentar, Erstkontakt, Grund für Absage (eines der fünf Hauptkriterien), Prozessstatus, erreichte Auswahlstufe und Vermittler. Es wurden im Rahmen der Arbeit die Datenbank mit den Daten aus dem Zeitraum 2006 bis Juli 2009 ausgewertet. Insgesamt umfasst die Datenbank 722 Einträge. Sie setzen sich zusammen aus 441 abgelehnten Kandidaten, 162 zurückgestellten Kandidaten, 82 Kandidaten, die noch zur Prüfung ausstanden, 8 in der Prüfung befindlichen Kandidaten und 29 Kandidaten, die ins Netzwerk aufgenommen wurden. Von den 29 ins Netzwerk aufgenommen Kandidaten sind zwei aus der Schweiz. Deren Auswahl wurde im Jahr 2008 aus Deutschland heraus betreut. Die Anzahl der Schweizer Kandidaten in der Datenbank dürften aber gering sein. Die zurückgestellten sowie die in der Prüfung befindlichen Kandidaten werden bei den Analysen ausgeschlossen. Die 29 Portfoliomitglieder werden in die Analyse mit einbezogen, wenn nicht nur Absagen, sondern Entscheidungen insgesamt analysiert werden. Bei den übrigen Fragen werden nur die Absagen untersucht.

4.3.4.2 Auswahlstufe und Absagegründe Als erstes wird der Frage nachgegangen, wie bedeutend die einzelnen Absagegründe sind. Bei den insgesamt 441 Absagen wurde in 37 Fällen kein Absagegrund angegeben, so dass 404 Fälle ausgewertet werden können. Die größte Bedeutung bei den Absagen hat das Kriterium „Neue Idee“. Nahezu die Hälfte aller Anfragen wurde aus diesem Grund abgelehnt. 32% der Kandidaten wurden aufgrund des fehlenden Social Impacts abgelehnt, 13% aufgrund des Unternehmerkriteriums und 5% aufgrund des Kriteriums „Integrität“. Das Kriterium „Kreativität“ wurde nicht als Absagegrund genannt. Die Mitarbeiter erklären dies damit, dass Kreativität häufig als Teil des Unternehmerkriteriums mit abgeprüft wird. Fehlt die Kreativität, fehlen meistens auch andere Eigenschaften eines Unternehmers, so dass dieses Kriterium als Absagegrund überwiegt.

4 Fallstudien

242

Rang

Absagegrund

1.

Neue Idee

2.

Social Impact

Anzahl der Grundnennungen 205

Anteil 50%

130

32% 13%

3.

Unternehmerische Qualität

52

4.

Integrität

19

5%

Summe

406

100%

Tabelle 21: Häufigkeit der Absagegründe In Tabelle 22 erkennt man, dass die Bedeutung der Absagegründe in den Auswahlstufen variiert. Dies schlägt sich nieder in einem Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest, der statistisch hoch signifikant ist (p < 0,001), und in einem ebenfalls hoch signifikanten Cramer-V von 0,20. In der Screeningphase werden Absagen häufig aufgrund des ersten Kriteriums „Neue Idee“ vorgenommen. Dieses Kriterium besteht in der Datenbank aus den Unterpunkten „Innovation“ und „Systemveränderung“. In Summe können die beiden Unterpunkte scheinbar recht gut anhand der schriftlichen Unterlagen überprüft werden. Das gesellschaftliche Problem, das bei den Beobachtungen ebenfalls zum Kriterieum „Neue Idee“ zählt, wird in der Datenbank in der Regel unter Social Impact festgehalten. Der Social Impact kann aber ebenfalls recht gut in der Screeningphase beurteilt werden. Die auf die Person bezogenen Kriterien „unternehmerische Qualität“ und „Integrität“ dagegen führen selten zu Absagen. Nach dem ersten Interview gibt es im Vergleich zum Screening eine wesentliche Verschiebung: Das Kriterium „unternehmerische Qualität“ verdoppelt sich fast in der Bedeutung, dafür nehmen die übrigen drei Kriterien in ihrer Bedeutung alle etwas ab. Unmittelbar nach dem zweiten Interview haben nur acht Kandidaten eine Absage erhalten, insofern sind die Prozentwerte nicht sehr aussagekräftig. Lediglich wenn man die letzten Auswahlstufen zusammen betrachtet, ergibt sich wiederum ein Trend: Die konzept- und marktbezogenen Gründe „Neue Idee“ und „Impact“ nehmen in der Bedeutung tendenziell mit fortschreitendem Auswahlprozesses ab, die personenbezogenen Kriterien „unternehmerische Qualität“ und „Integrität“ dagegen zu. Während vor dem ersten Interview 86% der Absagen markt- und konzeptbezogen sind, verringert sich dieser Prozentsatz in den folgenden Auswahlstufen auf 79%, 86%, 38%, 0% und 0%. Die Zahlen zeigen, dass die Interviews insbesondere für die personenbezogenen Auswahlkriterien relevant sind.

4.3 Ashoka

243

144 52% 93 34% 25 9% 13 5%

Jury Anteil

Anzahl

Anteil

Second Opinion Interview Anzahl

3. Interview Anteil

Anzahl

2. Interview Anteil

Anzahl

Anteil

Anzahl

Screening Anteil

Anzahl Neue Idee Social Impact Untern. Qualität Integrität

Due-DiligencePhase zwei

Due-Diligence-Phase eins

1. Interview

Screening*

56 50% 32 29% 19 17% 4 4%

3 43% 3 43% 1 14% 0 0%

2 1 4 1

25% 13% 50% 13%

0 0% 0 0% 2 100% 0 0%

0 0% 0 0% 0 0% 1 100%

Summe 310 100% 112 100% *) Nur Screening anhand generischer Kriterien

8 100%

8 100%

2 100%

1 100%

Ȥ2-Test = 69 (p<0,001) Cramer-V = 0,2 (p<0,001)

Tabelle 22: Zusammenhang zwischen Absagegründen und Auswahlprozess 808 4.3.4.3 Dealflow-Quellen und Absagegründe Zu 428 der 441 abgesagten Kandidaten liegen die Information vor, wie Ashoka auf sie aufmerksam wurde. Die Organisationen in der Datenbank teilen sich auf in 241 direkte Anfragen (55%), 123 vermittelte (28%) und 64 recherchierte Kandidaten (14%). Bei 13 Kandidaten (3%) waren keine Informationen zur Herkunft der Anfragen in der Datenbank vorhanden. Bei 119 der 123 vermittelten Anfragen ist der Vermittler bekannt. Die Anfragen stammen von insgesamt 92 Vermittlern. Von den 428 Kandidaten, zu denen Informationen zur Dealflow-Quelle vorhanden sind, fehlt bei 33 eine Information zum Absagegrund, so dass 395 Kandidaten ausgewertet werden können. In Tabelle 23 erkennt man, dass die Bedeutung der Absagegründe zwischen den Herkunftsarten der Finanzierungsanfrage variiert. Der Chi-

808

Der dritte Auswahlprozesschritt Anfordern der ersten Bewerbungsunterlagen zählt in der Datenbank mit zum Screening, die Referenzprüfung mit zum dritten Interview. Die Zustimmung des Executive Board wurde aus Platzgründen und weil bisher in diesem Prozessschritt kein Kandidat abgelehnt wurde weggelassen.

4 Fallstudien

244

Quadrat-Unabhängigkeitstest ist statistisch hoch signifikant (p < 0,001). Cramer-V beträgt 0,20 und ist ebenfalls hoch signifikant. Eigenbewerbungen werden deutlich häufiger als vermittelte und recherchierte Kandidaten aufgrund des Kriteriums „Neue Idee“ abgelehnt. Hier nehmen Vermittler, wie auch die Ashoka-Mitarbeiter, eine besonders starke Vorselektion vor. Der Social Impact kann interessanterweise von den Mitarbeitern weniger gut als die übrigen Kriterien eingeschätzt werden, bei Vermittlern tritt dasselbe Phänomen beim Kriterium „Unternehmerisch“ auf.

Anteil

Anzahl

Recherchiert

Anteil1

Anzahl

Vermittelt

Anteil

Anzahl

Direkt

New Idea Social Impact Entrepreneurial Ethical Fibre

127 57 17 14

59% 27% 8% 7%

50 39 27 3

42% 33% 23% 3%

23 29 7 2

38% 48% 11% 3%

Summe Ȥ2-Test = 51 (p<0,001) Cramer-V = 0,2 (p<0,001)

215

100%

119

100%

61

100%

Tabelle 23: Zusammenhang zwischen Absagegründen und Herkunft der Finanzierungsanfrage 4.3.4.4 Dealflow-Quellen und Finanzierungswahrscheinlichkeit Nachdem der Zusammenhang zwischen Dealflow-Quelle und Absagegrund geklärt wurde, soll nun der Zusammenhang zwischen Dealflow-Quelle und der erreichten Auswahlprozessstufe bzw. der Wahrscheinlichkeit eine Finanzierungszusagen zu erhalten, untersucht werden. Anders als im vorangegangenen Abschnitt wurden nun auch die Portfolio-Social-Entrepreneurs mit in die Betrachtung einbezogen, so dass sich die Gesamtzahl der untersuchten Vermittlungen von 123 auf 148 und die Gesamtzahl der recherchierten Social Entrepreneurs von 64 auf 68 erhöht. Die Berechnungen sind in Tabelle 24 dargestellt. Im obersten Teil werden die Absagen nach Herkunft und Auswahlprozessstufe aufgeführt. In Klammern finden sich jeweils die Absagen in Prozent aller Anfragen der entsprechenden Herkunftsart. Der Chi-QuadratUnabhängigkeitstest ist hoch signifikant. Cramer-V beträgt 0,25 und ist ebenfalls statistisch hoch signifikant (p < 0,001).

4.3 Ashoka

245

Man erkennt in Tabelle 24, dass die Herkunftsarten ganz erheblich Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer Finanzierungszusage haben. Während es bisher kein einziger Kandidat, der sich selbst beworben hat, bis zum dritten Interview geschafft hat, gelangen 24% aller vermittelten Kandidaten bis in diese Auswahlstufe. Von den recherchierten Kandidaten sind es immerhin noch 6%. Die Zahl der vermittelten Kandidaten, die am Ende tatsächlich eine Finanzierungszusage erhalten, ist mit 17% recht hoch,

Gesamt

Portfolio

Jury

Secon. Op. Interv.

3. Interview

2. Interview

Screening

1. Interview

auch im Vergleich zu den recherchierten Kandidaten, von denen 6% eine Zusage erhalten. Bisher ist noch kein recherchierter Kandidat nach dem zweiten Interview oder später aus dem Auswahlprozess ausgeschieden.

Anzahl der Absagen (in Prozent aller Anfragen der Dealflow-Quellen) en) Direkt Vermittelt Recherchiert Gesamt

182 (76%) 64 (43%) 52 (77%) 298 (65%)

55 (23%) 44 (30%) 12 (17%) 111 (24%)

3 (1%) 5 (3%) 0 (0%) 8 (2%)

1 (0%) 7 (5%) 0 (0%) 8 (2%)

0 (0%) 2 (1%) 0 (0%) 2 (0%)

0 (0%) 1 (1%) 0 (0%) 1 (0%)

0 (0%) 25 (17%) 4 (6%) 29 (6%)

241 148 68 457

Absagen in Prozent der Anfragen in der jeweiligen Auswahlstufe Direkt

76%

93%

75%

100%

0%

0%

Vermittelt

43%

52%

13%

20%

7%

4%

Recherchiert

76%

75%

0%

0%

0%

0%

Gesamt

66%

70%

17%

20%

6%

3%

Ȥ2-Test = 88 (p<0,001) Cramer-V = 0,25 (p<0,001)

Tabelle 24: Zusammenhang zwischen Herkunft und erreichter Auswahlstufe 809 Da das Netzwerk für Ashoka eine ganz zentrale Rolle bei der Suche nach geeigneten Kandidaten spielt, soll es näher untersucht werden. Die Vermittler, die Anfragen an

809

Aus Platzgründen wurde die Auswahlstufe 10 „Zustimmung des Executive Board“ weggelassen, da bisher in diesem Prozessschritt kein Kandidat abgelehnt wurde.

4 Fallstudien

246

Ashoka weiterleiten, lassen sich in insgesamt 17 Typen unterteilen. Diese Vermittler-

Preisstiftung

Anzahl im Portfolio

Verhältnis Portfolioorganisationen/ Vermittler

Verhältnis Zusagen/ Vermittlungen

Durchschnittliche Vermittlungen

Anzahl der Vermittler

Anzahl der Vermittlungen

typen sind in Tabelle 25 aufgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass deutliche Qualitätsunterschiede zwischen den Vermittlertypen bestehen. Am meisten Fellows wurden Ashoka von Preisstiftungen vermittelt, gefolgt von Förderstiftungen, operativen Stiftungen und öffentlichen Institutionen.

5

2

2,5

100%

2,5

5

Förderstiftung Sonstige operative Stiftung Öffentliche Institution Mitarbeiter Portfolioorganisation Unternehmen & Dienstleister Bank Investor Non-Profit-Dienstleister

10 22 21 7 7 9 3 1 2

7 10 13 6 7 7 1 1 2

1,4 2,2 1,6 1,2 1,0 1,3 3,0 1,0 1,0

40% 14% 14% 29% 29% 22% 33% 100% 50%

0,6 0,3 0,2 0,3 0,3 0,3 1,0 1,0 0,5

4 3 3 2 2 2 1 1 1

Journalist Privatperson Wissenschaftliche Institution Operative NPO Stifter

6 15 14 10 3

3 14 10 9 3

2,0 1,1 1,4 1,1 1,0

17%

0,3

1

Unternehmer VC/PE-Gesellschaft Unbekannt

1 1 11

1 1 8

1,0 1,0

148

105

Summe

Tabelle 25: Qualitätsunterschiede zwischen Vermittlertypen Beide Vermittlertypen haben auch ein besonders günstiges Verhältnis von vermittelten Portfolio-Social-Entrepreneurs zu Vermittlern. Dieses Verhältnis ist für die Gesellschaft wichtig, denn der Aufwand, einen Vermittler zu identifizieren, ist vermutlich unabhängig vom Vermittler ähnlich hoch. Die Werte werden naturgemäß stark beeinflusst von der Dauer der Beziehung zwischen Gesellschaft und Vermittler und müssen daher mit Vorsicht betrachtet werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Vermittler eine

4.4 BonVenture

247

erfolgreiche Anfrage vermittelt, steigt mit der Anzahl an Vermittlungen und damit auch mit der Zeit, wenn man annimmt, dass er pro Jahr eine bestimmte Anzahl an Anfragen vermittelt. In der Tabelle 25 sind weiterhin die durchschnittliche Anzahl an Vermittlungen pro Vermittler und das Verhältnis von Zusagen zu Vermittlungen abgebildt. Beide sind ein weiteres Indiz für die Qualität der Vermittler. Das Verhältnis von Vermittlungen zu Vermittlern ist durchschnittlich klein. Bei keinem Vermittlertyp liegt der Durchschnitt bei mehr als drei Vermittlungen pro Vermittler. Hoch ist das Verhältnis bei Preisstiftungen, operativen Stiftungen, Banken und Journalisten. Das Verhältnis Vermittlungen zu Zusagen sagt etwas darüber aus, wie gut die vermittelten Anfragen vorgeprüft sind. Bisher war es so, dass alle von Preisstiftungen und die eine Anfrage, die von einem Investor vermittelt wurden, auch eine Finanzierungszusage erhalten haben, folglich diese beiden Vermittlertypen besonders gut vorprüfen. Förderstiftungen prüfen ebenfalls gut vor.

4.4 BonVenture 4.4.1 Darstellung der Gesellschaft 4.4.1.1 Historie und Ziele BonVenture wurde von mehreren Familien initiiert, welche die Absicht hatten, den Venture-Capital-Ansatz nach dem Vorbild amerikanischer Social-Venture-CapitalGesellschaften in den Non-Profit-Sektor zu übertragen. Da die Familien nicht selbst operativ tätig werden wollten, haben sie mit Dr. Erwin Stahl einen erfahrenen Venture Capitalist mit der operativen Durchführung des Vorhabens betraut. Im Jahr 2003 führte die Idee zur rechtlichen Gründung der Gesellschaft, mit der die Initiatoren, die auch gleichzeitig die ersten Investoren waren, folgende drei Ziele verfolgen: x Wahrnehmung sozialer Verantwortung durch die Unterstützung von Unternehmen mit sozialem und/oder ökologischem Impact

4 Fallstudien

248

x Nachhaltige Verbesserung von Effizienz und Transparenz in den Portfoliogesellschaften durch finanzielle Mittel und professionelle Unterstützung x Übernahme einer Pionierrolle und Förderung der Nachahmung des Modells der BonVenture-Gruppe, um einen effektiven Beitrag zur Lösung sozialer Probleme zu leisten Um diese Ziele zu erreichen, sollen entsprechend ausgewählte Organisationen – der Begriff Organisation ist hier sehr weit gefasst und schließt auch For-ProfitUnternehmen mit ein – finanziell und nichtfinanziell unterstützt werden. BonVenture war damit der erste in Deutschland aktive Social-Venture-Capital-Fonds, der explizit angab, in Social Entrepreneurship zu investieren. BonVenture zielt darauf ab, die soziale Rendite zu maximieren, unter der Nebenbedingung, netto einen realen Kapitalerhalt zu erzielen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Investitionen etwa eine Bruttorendite von nominal 5–8% p.a. abwerfen. Die Gründer der Gesellschaft behalten sich die letzte Entscheidungskompetenz sowohl bei der Festlegung der Ziele und der Strategie als auch bei den Investitionsentscheidungen vor. Die BonVenture-Mitarbeiter sehen sich selbst als Intermediäre zwischen Investoren und Social Entrepreneurs. Der erste Fonds für Eigen- und Fremdkapitalinvestitionen wurde im Jahr 2003 geschlossen. Er hatte zunächst ein Volumen von 1 Mio. Euro und wurde auf insgesamt 5,12 Mio. Euro aufgestockt. Nach der Aufbauphase im Jahr 2003 und Anfang 2004 wurde im Oktober 2004 die erste Organisation ins Portfolio aufgenommen.

4.4.1.2 Organisation BonVenture hatte von Anfang an das Ziel, theoretisch alle Finanzierungsinstrumente von Eigenkapital über Darlehen bis hin zu Spenden nutzen zu können. Um diese Flexibilität zu erreichen, mussten aus steuerrechtlichen Gründen zwei Gesellschaften gegründet werden, eine privatnützige und eine gemeinnützige. Die privatnützige tätigt Eigenkapitalinvestitionen und Mezzanine-Finanzierungen. Bei den MezzanineFinanzierungen handelt es sich um Kredite mit einer kleinen Erfolgskomponente. Die gemeinnützige Gesellschaft vergibt Spenden. Im Folgenden werden die beiden Gesellschaften als privatnütziger Fonds (BV I und BV II) und gemeinnützige Gesellschaft (BV gGmbH) bezeichnet. Die Bezeichnungen privat- und gemeinnützig stellen aber nur auf die steuerrechtliche Behandlung ab. Die Investoren bezwecken auch mit dem

4.4 BonVenture

249

privatnützigen Fonds, unter der Nebenbedingung des realen Kapitalerhalts, die gesellschaftliche Rendite zu maximieren.810 Für das Management der beiden Fonds ist die BonVenture Management Gesellschaft zuständig.

Investoren Expertengremium

Evtl. Mitglied

Evtl. Mitglied Zuwendungen

Einlagen

Unterstützung / Beratung Beirat

Kuratorium

Entscheidung über Investition der BV I / BV II Privatnütziger Fonds (BV I, BV II) Investition (EK, FK)

Entscheidung über Investition der BV gGmbH Gemeinnütziger Fonds (BV gGmbH)

Management Gesellschaft (BVM) Verwaltung

Verwaltung Betreuung

Privatnützige Investitionen

Investition (Spende)

Gemeinnützige Investitionen

Portfolioorganisationen

Abbildung 12: Organisationsstruktur der BonVenture-Gruppe Der privatnützige Fonds firmiert als GmbH & Co. KG. Der Gesellschaftsvertrag der KG sieht die BonVenture Management GmbH als geschäftsführenden Komplementär vor. Sie ist dem Namen entsprechend mit dem Management des Fonds beauftragt. Die Investoren beteiligen sich als Kommanditisten an der KG und stellen somit das Kapital für die Investitionen des Fonds bereits. Die Mitspracherechte bei der Auswahl der Portfoliounternehmen sichern sich die Investoren durch die Mitgliedschaft im Beirat, für die wiederum eine Gesellschafterstellung bei der Management GmbH eine Voraussetzung ist, denn die Gesellschafter der Management GmbH wählen den Beirat. Die Managementgesellschaft kann nur mit Zustimmung des Beirates über eine Investition entscheiden. Es gibt keinen Automatismus, der dafür sorgt, dass Investoren, die sich

810

Die Strategie des Fonds kann daher ebenfalls als gemeinnützig bezeichnet werden.

250

4 Fallstudien

als Kommanditisten an der KG beteiligen, auch Gesellschafter der Managementgesellschaft werden. Beispielsweise haben in den zweiten privatnützigen Fonds, BonVenture II, wesentlich mehr Personen investiert, als Gesellschafter der Managementgesellschaft sind. Die Fondseinlage ist folglich von den Stimmrechten (in Bezug auf Investitionsentscheidungen) getrennt. Der Beirat wird beraten durch ein Expertengremium. Beide Gremien tagen zusammen, der Unterschied liegt nur darin, dass die Experten keine Stimmrechte haben. Durch den Fonds erwirtschaftete Gewinne werden nur zum Begleichen der privaten Steuerlast ausgeschüttet, falls die auf Privatpersonen entfallenden Gewinne versteuert werden müssen. Des Weiteren bleiben Gewinne in Höhe eines Inflationsausgleichs im Fonds, um das Ziel des realen Kapitalerhalts zu erzielen. Darüber hinausgehende Gewinne werden an den gemeinnützigen Fonds ausgeschüttet. Aus der gemeinnützigen GmbH heraus können Investitionen auf Spendenbasis getätigt werden oder Kredite zu Konditionen unter Marktniveau vergeben werden. Das Management der gemeinnützigen Gesellschaft übernimmt ebenfalls die BonVenture Management Gesellschaft, so dass das Management des privatnützigen Fonds und der gemeinnützigen Gesellschaft personenidentisch ist.811 Das Pendant zum Beirat beim privatnützigen Fonds ist das Kuratorium bei der gemeinnützigen Gesellschaft. Es wird von den Gesellschaftern der gemeinnützigen GmbH gewählt. Das Kuratorium hat wiederum die ultimative Entscheidungskompetenz. Es ist personenidentisch besetzt mit dem Beirat der Managementgesellschaft. Die BonVenture Management Gesellschaft hat Anfang 2010 fünf Vollzeitmitarbeiter: einen Geschäftsführer, drei Projektmanager und eine Office Managerin. Die Mitarbeiter geben an, etwa 30% mit der Betreuung bestehender Portfoliounternehmen, 25% ihrer Zeit mit der Suche und Auswahl neuer Portfoliounternehmen, 15% mit Aufbau und Pflege von Partnerschaften sowie 10% mit administrativen Tätigkeiten zu verbringen. Mit dem Fundraising und der Betreuung der Investoren verbringen sie ca. 5% der Zeit. Diese Aufgabe übernimmt aber größtenteils der Geschäftsführer, so dass dieser mehr als 5% seiner Zeit diesen Aufgaben widmet. Die übrigen 15% verbringen die Mitarbeiter mit sonstigen Projekten.

4.4 BonVenture

251

4.4.1.3 Refinanzierung und Portfolio BonVenture bündelt Kapital von Investoren, um es in operative Organisationen zu investieren. Der erste privatnützige Fonds wurde im Jahr 2003 im Wesentlichen von drei Familien zunächst mit 1 Mio. Euro ausgestattet. Der Fonds wurde später zunächst auf 2,5 Mio. Euro und schließlich auf 5,12 Mio. Euro aufgestockt. Aus dem Fonds wurden insgesamt 8 Investitionen getätigt. Die Spannbreite des Investitionsvolumens liegt zwischen 60.000 und 750.000 Euro, die durchschnittliche Investitionssumme liegt bei 365.000 Euro und der Investitionszeitraum beträgt zwischen drei und acht Jahren. Im Jahr 2009 wurde der zweite privatnützige Fonds (BV II) mit einem Volumen von 9,84 Mio. Euro geschlossen. Größtenteils stammen die Einlagen von den Investoren des ersten Fonds (BV I) und aus deren persönlichem Umfeld. Da mit steigendem Fondsvolumen Skaleneffekte entstehen, zielt BonVenture darauf ab, das Fondsvolumen zu erhöhen. Dafür konnten auch neue Investoren gewonnen werden. Die bestehenden Investoren sind grundsätzlich offen für weitere Investoren, möchten ihren Einfluss über den Beirat aber möglichst bewahren. Insofern spielen bei der Auswahl neuer Investoren nicht nur finanzielle Überlegungen eine Rolle. In der Vergangenheit kam es auch schon vor, dass potenzielle Investoren abgelehnt wurden, weil sie Mitspracherechte forderten, die man ihnen nicht gewähren wollte. Den bestehenden Investoren ist der Einfluss auf die Gesellschaft sehr wichtig. Hier manifestiert sich die typische Eigenschaft einer Family-Venture-Philanthropy-Gesellschaft, deren Investoren individuelle Ziele mit der Gesellschaft verfolgen und wesentlichen Einfluss auf die Vergabe der Mittel sicherstellen möchten. Mitspracherechte für neue Investoren sind folglich Verhandlungssache. In der gemeinnützigen Gesellschaft sind bis Ende 2008 insgesamt 431.802 Euro geflossen. Davon wurden 193.000 Euro im Zeitraum 2004 bis 2009 an insgesamt sieben Projekte vergeben.

811

Vgl. allgemein bezüglich der rechtlichen Struktur eines Social-Venture-Capital-Fonds Bärenz (2007), S. 205ff. sowie Anhang 8.3 Musterverträge.

4 Fallstudien

252

4.4.2 Auswahlprozess 4.4.2.1 Überblick über den Auswahlprozess Der idealtypische Auswahlprozess kann in fünf Phasen und insgesamt neun Prozessschritte unterteilt werden.812 Die Auswahlphasen lauten: Deal Origination, Screening, Due-Diligence-Phase eins, Due-Diligence-Phase zwei und Strukturierung. Die Phasen können weiter zusammengefasst werden zu der auch im Venture-Capital-Sektor typischen Einteilung in Deal Origination, Screening, Due Diligence und Strukturierung.

Deal Origination

Screening

1. Identifizierung / Nominierung / Bewerbung

2. Kurze Vorprüfung des Businessplans

Due-Diligence-Phase eins: 3. Erste Due Diligence auf Basis beantworteter Fragen

4. Persönliches Treffen

6. Zweite DueDiligence und Kurzbericht

7. Beiratsvorstellung

Due-Diligence-Phase zwei 8. Erstellen DueDiligence-Report

5. Erste BeiratsEinbindung durch Ersteinschätzung

Strukturierung 9. Investmentumsetzung

Abbildung 13: BonVentures Auswahlprozess

812

BonVenture selbst unterteilt den Prozess leicht abweichend in fünf Teile: „Erstkontakt, Vorprüfung des Projektes, Projektvorstellung beim Beiratsmeeting, vertiefte Due Diligence und Investmentumsetzung“; vgl. BonVenture (2008b), S. 10.

4.4 BonVenture

253

BonVenture ist bei der Finanzierungsentscheidung nicht an bestimmte Termine im Jahr gebunden. Lediglich die im Voraus festgelegten, vier- bis fünfmal jährlich stattfindenden Beiratssitzungen stellen eine geringfügige zeitliche Restriktion dar. Die Suche und Auswahl von neuen Portfoliounternehmen findet kontinuierlich statt. Der Auswahlprozess, wie er in Abbildung 13 dargestellt ist, wird nicht bei jeder Finanzierungsanfrage strikt eingehalten. Insbesondere bei den ersten Prozessschritten können Abweichungen auftreten. Ab dem fünften Prozessschritt ist das Vorgehen recht stark formalisiert, beispielsweise wird niemals der siebte Schritt, die Beiratseinbindung, ausgelassen. Auf die neun Prozessschritte wird in den folgenden Gliederungsabschnitten näher eingegangen.

4.4.2.2 Deal Origination BonVenture ist bestrebt, möglichst viele Anfragen zu bekommen, da somit die Wahrscheinlichkeit aussichtsreicher Anfragen steigt und das von BonVenture investierte Kapital eine möglichst hohe gesellschaftliche Rendite erzielt. Potenzielle Portfolioorganisationen bewerben sich entweder direkt, werden empfohlen oder von BonVenture aktiv recherchiert. Ein Weg, den Dealflow zu erhöhen, ist öffentliche Wahrnehmung. Um die Bekanntheit zu steigern, sind laut BonVenture vor allem förderlich: Mitgliedschaften im Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) und dem Bundesverband Deutscher Stiftungen, Pressearbeit und Internetauftritt sowie die Präsenz auf relevanten Veranstaltungen. Die wichtigste Quelle für potenzielle Portfoliounternehmen sind laut BonVenture Empfehlungen bzw. Vermittlungen aus dem Netzwerk. Diese können von bestehenden Portfolioorganisationen, BonVenture-Mitarbeitern, Investoren oder auch Dritten kommen. In regelmäßigen Abständen werden die potenziellen Vermittler per E-Mail angeschrieben mit der Bitte, passende Organisationen vorzuschlagen. Selbst recherchiert wurde in der Vergangenheit laut BonVenture wenig, vor allem aufgrund von personellen Engpässen. In Zukunft soll die eigene Recherche ausgedehnt werden.

254

4 Fallstudien

4.4.2.3 Screening Die ersten Unterlagen, die ein Kapitalsuchender im Optimalfall einreichen sollte, bestehen aus einer etwa dreiseitigen Businessplanzusammenfassung. Auf Basis dieser Informationen wird die erste Entscheidung über das Weiterkommen im Auswahlprozess gefällt. Tatsächlich variieren die Anfragen in Bezug auf Inhalt, Umfang und Qualität aber sehr stark. Die Screeningphase (und gleichzeitig der zweite Prozessschritt) kann gedanklich in zwei Teile gegliedert werden: erstens das Screening anhand der gesellschaftsspezifischen Kriterien und zweitens das generische Screening mit dem Ziel, die Attraktivität der Investitionsmöglichkeit aus Sicht von BonVenture einzuschätzen. Bei den gesellschaftsspezifischen Screeningkriterien handelt es sich um sehr leicht überprüfbare Kriterien, beispielsweise ob die Organisation ihren Hauptsitz in der deutschsprachigen Region hat. Dieses Screening übernimmt zum Teil der Office Manager und erteilt ggf. gleich die Absage. Falls die Anfrage diese Hürde übersteht, bewertet ein Projektmanager die Anfrage. Der Übergang zwischen gesellschaftsspezifischem und generischem Screening ist hier fließend. Auch er prüft anhand der gesellschaftsspezifischen Kriterien; wenn die Anfrage die Überprüfung besteht, wird eine Grobeinschätzung der Erfüllung der Auswahlkriterien vorgenommen. Die gesellschaftsspezifischen Kriterien hat sich BonVenture auferlegt, um sich zu fokussieren. Regional hat sich BonVenture auf Organisationen mit Sitz im deutschsprachigen Raum festgelegt. Der Lösungsansatz kann zwar weltweit angelegt sein, muss aber auch im deutschsprachigen Raum Anwendung finden. Weiterhin werden in der Regel nur Organisationen berücksichtigt, die sich in der Start-up- oder Expansionsphase befinden. In Ausnahmefällen werden aber auch Organisationen in der Seed-Phase berücksichtigt. Weiterhin werden Projekte mit bestimmten Eigenschaften kategorisch von einer Förderung ausgeschlossen: BonVenture löst keine Kapitalgeber ab, tätigt keine Infrastruktur- oder Immobilienfinanzierungen, keine TurnaroundInvestitionen und keine Investitionen, die auch von klassischen, kommerziellen Investoren finanziert werden. Weiterhin wird in keine Organisation investiert, in der eine andere Gruppe, z.B. eine große NGO oder auch ein Unternehmen, aufgrund von Anteilen oder vertraglichen Regelungen wesentlichen Einfluss nehmen kann. Auch religiös ausgerichtete Organisationen kommen für eine Förderung nicht in Frage.

4.4 BonVenture

255

Die Gesellschaft erhält etwa 20% bis 30% Anfragen, die gleich auf den ersten Blick nicht in den Fokus der Gesellschaft passen. Darunter sind vor allem viele klassische Venture-Capital-Anfragen von Start-ups, die ihren Businessplan per Massenmailing an Mitglieder des BVK schicken. Dass sich teils völlig ungeeignete Unternehmen bewerben, wird hauptsächlich auf den noch jungen Markt und die damit einhergehende Unbekanntheit des Venture-Philanthropy-Ansatzes zurückgeführt.

4.4.2.4 Due Diligence Verläuft das Screening positiv, beginnt die erste Due-Diligence-Phase mit dem dritten Prozessschritt. Es werden Fragelisten erstellt und weitere relevante Dokumente angefordert, falls sie nicht mit der ersten Finanzierungsanfrage zur Verfügung gestellt wurden: der Businessplan, zusätzlich der Lebenslauf des Gründers, Bilanzen sowie Satzungen und ähnliche rechtliche Dokumente. Die Businesspläne, die BonVenture erhält, sind meist sehr einfach gehalten. Es besteht ein leichter Zusammenhang zwischen der Qualität des Businessplanes und der Qualität der Organisation und des Social Entrepreneurs. Im vierten Schritt vereinbart der Projektleiter ein Treffen mit dem Gründer. Die ersten drei Prozessschritte sind idealtypisch dargestellt. Es kommt häufig vor, insbesondere wenn eine Organisation über eine Empfehlung an BonVenture gelangt, dass man sich gleich zu Beginn des Auswahlprozesses mit der Organisation trifft und in diesem Termin die relevanten Unterlagen übergibt. In den folgenden Prozessschritten gibt es aber nur noch wenige Abweichungen von dem hier dargestellten Prozess. Verläuft alles positiv, wird die Zustimmung des Beirates eingeholt. Dazu wird im fünften Schritt zunächst eine Kurzeinschätzung, die aus einer Seite besteht, an die Beiräte verschickt. Haben diese grundsätzliches Interesse, wird die Due Diligence fortgesetzt und ein etwa drei- bis vierseitiger Kurzbericht für die Beiräte erstellt. Bei positivem Verlauf des zweiten Teils der Due Diligence in Phase eins und wenn alle Mitarbeiter auf Basis des vorhandenen noch unvollständigen Kenntnisstandes von der Vorteilhaftigkeit einer Investition überzeugt sind, stellt der Gründer im siebten Schritt das Projekt persönlich in einer der vier bis fünfmal pro Jahr stattfindenden Beiratssitzung vor. BonVenture sieht es als wichtig an, dass der oder die Gründer das Projekt persönlich vorstellen. So können sich die Beiräte sowie die Mitarbeiter ein

4 Fallstudien

256

Bild von der Qualität des Managementteams machen. Der Beirat entscheidet dann, ob das Projekt geeignet ist für die zweite Due-Diligence-Phase. Zu Beginn der zweiten Due-Diligence-Phase und des achten Prozessschrittes wird ein so genannter Letter of Intent (LOI) unterzeichnet. Es handelt sich um eine Absichtserklärung ohne rechtliche Bindung, die von beiden Seiten unterzeichnet wird. Im LOI werden wesentliche Eckpunkte der angedachten Investition festgehalten und die kapitalsuchende Organisation verpflichtet sich, ausschließlich mit BonVenture zu verhandeln. BonVenture kann die Due-Diligence-Phase jederzeit abbrechen. Die Finanzierungsanfrage wird noch einmal intensiv überprüft, dazu gehört u.a.: eine Prüfung des Gründers bzw. des Teams, der Finanzen, der Produkte und/oder Dienstleistungen, des Marketings und Vertriebs, der rechtlichen Struktur, des Marktes sowie von Referenzen.813 Aber anders als in den ersten Prozessschritten steht nun nicht mehr die Frage im Vordergrund, ob sich die Organisation für eine Investition eignet, sondern es wird vielmehr untersucht, ob es irgendeinen Grund gibt, der doch gegen die Investition spricht. Die Beiräte werden durch etwa monatlich stattfindende Telefonkonferenzen auf dem Laufenden gehalten. Die Ergebnisse der Due Diligence fließen im positiven Fall in einen Due-Diligence-Report ein, der den Abschluss des achten Prozessschrittes bildet. Der Due-Diligence-Report besteht aus dem Investmentmemorandum und der Investitionsempfehlung. Im Investmentmemorandum werden objektiv das Konzept, Team, Markt etc. beschrieben. Es wird auch von der kapitalsuchenden Organisation bestätigt. Die Investitionsempfehlung ist die persönliche Einschätzung des Investmentmanagers. In sie fließen neben den Ergebnissen, die im Investmentmemorandum festgehalten werden auch Referenzprüfungen, SWOTAnalysen, Renditeeinschätzungen u.ä. ein. Der Due-Diligence-Report (Investitionsmemorandum und Investitionsempfehlung) werden wiederum per E-Mail unter den Beiräten zirkuliert. Hat keiner der Beiräte Einwände, kommt es zu einer Finanzierungszusage von BonVenture. Für jede Finanzierungsanfrage gibt es von Anfang an einen Projektverantwortlichen. Er prüft die Anfrage selbständig und bindet Kollegen ein, sofern er es für nötig hält. Unregelmäßig finden Teambesprechungen statt, in denen die Projektverantwortlichen

813

Vgl. für eine ausführliche Darstellung der möglichen Prüfungsinhalte den Artikel des Geschäftsführers von BonVenture Stahl (2007a).

4.4 BonVenture

257

über den aktuellen Stand der Projekte berichten. Die Interviews im Rahmen der Due Diligence drehen sich hauptsächlich um das Konzept und nur zu einem deutlich geringeren Teil um die Biographie des Social Entrepreneurs. Gleichwohl spielen Integrität und Persönlichkeit für die Entscheidung eine große Rolle. Sie werden auch indirekt bewertet, während das Interview sich dem Konzept widmet. Im Rahmen der Due Diligence führt der Projektverantwortliche etwa 20 bis 40 Gespräche mit verschiedensten Referenzpersonen, die vor allem dazu dienen, das „eigene Bauchgefühl zu erhärten“, so ein Mitarbeiter.

4.4.2.5 Strukturierung Nach der Zustimmung der Beiräte werden zwischen Antragsteller und BonVenture die genauen Vertragsvereinbarungen im neunten und letzten Prozessschritt festgelegt. Die Finanzierungssumme, Finanzierungsinstrument und Konditionen wurden in der Regel bereits vorher vorläufig festgehalten. In den Vertragsverhandlungen geht es insbesondere um Berichtspflichten, Meilensteine, Garantien, zustimmungspflichtige Geschäfte und den Auszahlungsplan. Am Ende der Verhandlung wird ein Finanzierungsvertrag unterschrieben. In der Vergangenheit kam es auch vor, dass noch in dieser Phase Investitionen gescheitert sind, weil das potenzielle Portfoliounternehmen die Anfrage zurückzog oder sich die Ausgangslage grundsätzlich geändert hatte. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits erhebliche Kosten entstanden, so dass solche Fälle aus Sicht von BonVenture möglichst verhindert werden sollten. Bei der Gestaltung des Finanzierungsvertrages muss man unterscheiden zwischen Portfoliounternehmen, die einen Non-Profit- und solchen, die einen For-3rofit-Status haben. Aus den privatnützigen Fonds BV I und BV II wurden bisher Investitionen in 3 Non-Profit-Organisationen und 6 Investitionen in For-3rofit-Organisationen getätigt. Bei Non-Profit-Organisationen kommen nur Kredite als Finanzierungsinstrument in Frage, weil die Anteile an der Gesellschaft keinen Wert haben. Es wird ein Kredit gewährt, der sich aus dem Euribor und einer erfolgsabhängigen Komponente zusammensetzt. Die effektiven Zinsen liegen zwischen 5% und 8%. Durch die erfolgsabhängige Komponente bekommt der Kredit Mezzanine-Charakter. Es werden zudem verschiedenste Sonderkündigungsrechte vereinbart, um sicherzustellen, dass beispielsweise Organisationen nicht ihren Zweck ändern und mit dem Kredit Aktivitäten finanzieren, die BonVenture nicht zu unterstützen beabsichtigt.

4 Fallstudien

258

Bei den übrigen sechs Portfolioorganisationen der Fonds BV I und BV II wurden in unterschiedlicher Gewichtung Eigenkapital und Gesellschafterdarlehen kombiniert. Die Darlehen haben die gleiche Grundstruktur wie die Darlehen an Non-ProfitOrganisationen. Sämtliche Portfoliounternehmen müssen regelmäßig die finanzielle Situation und die Key-Performance-Indikatoren berichten.814 BonVenture hat sich darüber hinaus in sieben von neun Portfoliounternehmen der Fonds BV I und BV II auch Mitspracherechte über Sitze im Aufsichtsgremium der Organisation gesichert. Aus dem gemeinnützigen und dem privatnützigen Fonds werden niemals gleichzeitig Organisationen finanziert. Grundsätzlich ausgeschlossen ist auch die Ablösung eines Kredites aus dem privatnützigen Fonds durch eine Spende aus dem gemeinnützigen Fonds. Umgekehrt ist aber denkbar, erst eine Spende aus dem gemeinnützigen Fonds und anschließend ein Darlehen aus dem privatnützigen Fonds zu gewähren.

4.4.3 Bedeutung der Auswahlkriterien 4.4.3.1 Überblick BonVenture hat neben den gesellschaftsspezifischen Auswahlkriterien drei Zielgruppen bzw. Zielbereiche für sich identifiziert: 1. Innovative soziale Dienstleistungen und Produkte (für gesellschaftliche Randgruppen, für Arbeit und Bildung, im Bereich Kinder, Jugend und Senioren) 2. Ökologie (neue ökologische Technologien und Dienstleistungen, Natur und Artenschutz, Ernährung und Verbraucherschutz, Umweltschutz) 3. Gesellschaftliche Aufklärung und Entwicklung Neben den gesellschaftsspezifischen Kriterien, die bereits oben dargestellt wurden, und der Zielgruppendefinition werden auf der Homepage und anderweitig von BonVenture generische Investitionskriterien kommunizierten. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen:

814

Vgl. Anhang B für eine Aufstellung der Key-Performance-Indikatoren, die BonVenture bei den Portfolioorganisationen nutzt.

4.4 BonVenture

259

x Social Entrepreneur: Es müssen motivierte und engagierte Gründer vorhanden sein, die eine Innovation umsetzen wollen. x Konzept: Das Geschäftsmodell muss auf einer Innovation beruhen, die überzeugend ist, Modellcharakter hat und multiplizierbar ist. Weiterhin muss ein unmittelbarer sozialer/ökologischer Geschäftszweck vorhanden sein, der auch berichtet werden kann. x Markt: Das Konzept muss gegenüber anderen Lösungen vorteilhaft sein. x Finanzen: Es muss die Aussicht bestehen, dass sich das Konzept langfristig selbst trägt. Dazu muss eine durchdachte Finanzplanung vorliegen und finanzielles Reporting vorhanden sein. Die Rendite des Konzeptes sollte 5–8% erreichen.815 Es müssen in allen vier Bereichen Kriterien erfüllt sein, damit das Konzept für Investition von BonVenture in Frage kommt. Neben diesen generischen Investitionskriterien gibt BonVenture an, insbesondere die ökologischen Auswahlkriterien noch etwas eingeschränkt zu haben: Erstens darf das Projekt kein Selbstläufer sein, Marktwiderstände müssen noch aufgebrochen werden. Zweitens dürfen bestehende Organisationsstrukturen möglichst wenig Einfluss auf die Verbreitung der Projekte haben. Drittens muss die verantwortliche Person ein Social Entrepreneur und darf kein auf den Bereich Ökologie fokussierter Unternehmer sein. Zur Identifizierung der genaueren Kriterien wurden im Zeitraum August 2008 bis August 2009 insgesamt sechseinhalb Stunden Screenings und Mitarbeiterbesprechungen aufgenommen und transkribiert. In dieser Zeit wurden 75 Kandidaten diskutiert. Die transkribierten Aufnahmen umfassen knapp über 300.000 Zeichen, das entspricht etwa 166 Seiten Text.816 Auch bei BonVenture kann davon ausgegangen werden, dass die Aufzeichnungen so umfangreich sind, dass bei weiteren Aufnahmen nur in Details zusätzliche Erkenntnisse über die angewendeten Auswahlkriterien und deren Zusammenhänge herausgefunden werden können.

815

Vgl. BonVenture (2008a).

816

Eine Normseite enthält 1.800 Zeichen Text, inklusive Leerzeichen.

4 Fallstudien

260 Produkt

Markt

Finanzielles

Social Impact

Social Entrepreneur

Sonstiges

X

X

X X

5

X

6

X

7

X

X

X

12 13

X X X

Beirat

Informationen und Businessplan

Sonstiges

Wachstumswille

Soziale Motivation

Biographie & Erfahrung

Allgemein

X

X X

X

X X

X

10 11

Übertragbarkeit

X X X X X

8 9

Reichweite

X

3 4

Allgemein

Finanzierungsvereinbarung

Externe Finanzierung

Rechtliches

Finanzierungsbedarf

Geschäftsmodell / Finanzieller Erfolg

Marktentwicklung / Größe

Gesellschaftliches Problem / Zielgruppe

Konkurrenzbewertung

Sonstiges

Kooperationen

Mehrwert / Alleinstellungsmerkmale

X

X X

X X

2

Leistungserbringung

Fokus

X

Zielgruppenerreichung

Allgemeine Produktbewertung

1

Innovation

Unterkriterien 1. und 2. Ebene:

Risiko

Deal

Strategie

Gesamtbewertung

Hauptkriterien:

X X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X X

14 15

X

16 17 18 19

X X X

X

X

X

X X

X

X X X X

X

X X

20

X X

21 22 23 24

X X X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X X

X X

X

X X

25 26

X X

27 28

X

X

X

X

X X

X

29 30

X

X X

31

X X

X

X X

32 33 34 35

X X X

X X

X X

36 37

X

38 39 40

X X

X

X X

X

X

41 42

X

X

X

X

X

X X

X

X

X X

X

X

X

44 45 46 47 48 49

X X X X X X

X X X X

X

X X

X X X X

X

X

X X X X

X X

64

X X

X

X X

62 63

X

X

X X

X

X X

X X

X

X

X

X

X

X

X

57

61

X

X X

X

X

55

60

X

X X X

X X

54

59

X

X

X

53

58

X X

X

X

52

56

X

X

50 51

X

X

43

X X

X X

X

X X

X

X

X X

X X

X X

X

X

X X

X X

X

X

X

X X

X

X

X

65

X X X

66 67 68

X

X X

X

X

X

X

X

X X X

X

X X

X X

X

X X

16

9

8

8

69 70

X

X

X

X X

X

X

X

X

X

2

2

X

72

X

74 75 Fallanzahl:

X

X

X

71 73

X X

X

39

26

9

8

7

10

5

4

18

14

6

X X 7

24

X 3

2

18

8

8

Tabelle 26: Überblick über die Kriteriendiskussion nach Kandidaten

3

3

6

7

4.4 BonVenture

261

Die Beobachtungen liefen in der Regel so ab, dass einzelne Mitarbeiter Projekte und (neue) Informationen kurz vorstellten und diese dann kurz diskutiert wurden. Die durchschnittliche Diskussionszeit pro Projekt und Kriterium ist relativ kurz. Es wird stark ergebnisorientiert diskutiert. Die Auswahlentscheidung wird weitgehend an den einzelnen Mitarbeiter delegiert, es wird nicht jede Einschätzung im Team diskutiert. Es gibt von BonVenture keine Publikation, in der sämtliche Auswahlkriterien, inklusive Unterkriterien, festgehalten sind. Auch die Diskussionen kreisen daher nicht um einzelne wiederkehrende Wörter, die andeuten, dass es sich hierbei um ein Kriterium oder Unterkriterium handeln könnte. Der Interpretationsspielraum bei der Zuordnung bestimmter Inhalte der Diskussionen zu Kriterien ist daher recht hoch. In Tabelle 26 sind die einzelnen Kriterien, Unterkriterien erster und zweiter Ebene sowie die bei den einzelnen Kandidaten diskutierten Kriterien überblicksartig dargestellt. Es wurden nur solche Kandidaten mit aufgenommen, bei denen eine inhaltliche Diskussion stattfand. Ausgeschlossen wurden Kandidaten, die nur erwähnt, aber nicht diskutiert wurden. Anzahl der Wörter 1. Produkt

Prozent mit Doppelzählung

Prozent ohne Doppelzählung

15.487

38,2%

46,2%

2. Finanzielles

8.223

20,3%

24,5%

3. Markt

5.188

12,8%

15,5%

4. Social Impact

3.851

9,5%

11,5%

5. Ausschlusskriterien

2.656

6,6%

7,9%

6. Social Entrepreneur

2.494

6,2%

7,4%

7. Sonstige Kriterien

2.631

6,5%

7,8%

Summe

40.530

100%

120,9%

Summe ohne Doppelzählung*

33.527

*) Einige Wörter sind mehrfach codiert. Die Anzahl der codierten Wörter ist daher kleiner als die Summe der pro Kriterium codierten Wörter.

Tabelle 27: Anteil der Kriterien an der Diskussion Aus Tabelle 27 wird ersichtlich, welche Schwerpunkte die Diskussion hatte. Den mit Abstand größten Raum nimmt mit 46% die Diskussion des Produktes bzw. der Dienstleistung ein, gefolgt von finanziellen Aspekten mit 25%. Es folgen die Diskussionen des Marktes (15%) und des Social Impact (11%). Mit jeweils weniger als 10% der codierten Wörter nehmen die Ausschlusskriterien, die Gründer sowie sonstige Kriterien eine eher untergeordnete Bedeutung ein.

4 Fallstudien

262

In Tabelle 28 erkennt man, dass es Ausreißer in der Diskussionsintensität nur beim Kriterium „Finanzielles“ gibt, das in einem Fall 2.738 Wörter zu den insgesamt 8.223 mit diesem Kriterium codierten Wörtern beiträgt.

145

0

0

1.788

Standardabw. 335

2. Finanzielles

78

0

0

2.738

327

3. Markt

48

0

0

1.574

183

4. Social Impact

38

0

0

697

122

5. Ausschlusskriterien

19

0

0

382

54

6. Social Entrepreneur

24

0

0

487

69

7. Sonstige Kriterien

25

0

0

719

87

Mittelw. 1. Produkt

Median

Min.

Max.

Tabelle 28: Lagemaße und Streuung der pro Kandidat und Kriterium codierten Wörter In den folgenden Gliederungspunkten werden nun die Auswahlkriterien inhaltlich erläutert. Die Kriterien sind auf jeder Gliederungsebene nach der Häufigkeit sortiert, mit der sie bei Finanzierungsanfragen diskutiert werden.

4.4.3.2 Produkt Die Diskussion des Produktes bzw. der Dienstleistung nimmt von allen Hauptkriterien den größten Raum ein bei der Diskussion der Mitarbeiter. Neben allgemeinen Aussagen und Bewertungen konnten fünf Unterkriterien identifziert werden. Allgemeine Produktbeschreibung und Bewertung: In den Mitarbeiterbesprechungen werden auch Projekte in einem sehr frühen Stadium besprochen. Daher muss häufig der Mitarbeiter, der sich dem Projekt angenommen hat, zunächst einmal kurz darstellen um was für ein Projekt es sich handelt. Weil es kaum möglich ist die wertfreie Beschreibung und die allgemeine Bewertung zu trennen, wird beides in diesem Kriterium zusammengefasst. Das wichtigste Unterkriterium ist im engen Sinn somit kein Kriterium. Hier wird allgemein das Produkt beschrieben und ggf. ein pauschales Urteil abgegeben. Innovation: Die Innovation ist für BonVenture ein sehr wichtiges Kriterium für ein Engagement. Die Bewertung des Innovationskriteriums erscheint recht digital, es gibt nur innovativ und nicht innovativ. Ist ein Projekt nicht innovativ, kann die weitere Prü-

4.4 BonVenture

263

fung eingestellt werden. Insofern stellt die Innovation ein Knock-out-Kriterium dar. Für die Beurteilung der Innovation nutzen die Mitarbeiter ihre Marktkenntnisse oder, falls diese nicht ausreichen, führen sie eine Marktrecherche durch. Strategie: Die Diskussion der Strategie des Projektes lässt sich bei BonVenture in drei weitere Kriterien untergliedern: Zielgruppenerreichung, Fokus und Leistungserbringung. Zielgruppenerreichung: Bei der Zielgruppenerreichung geht es um die Beurteilung der Strategie, wie die Zielgruppe des Projektes erreicht werden soll. Die Analogie im For3rofit-Sektor ist die Vertriebsstrategie. Es wird neben der Strategie selbst als auch ihr Erfolg diskutiert, also wie gut es dem Projekt tatsächlich gelingt, die Zielgruppe zu erreichen. Fokus: Der Fokus der Aktivitäten wird teilweise neutral diskutiert, teilweise wird ein fehlender Fokus bemängelt, weil die Organisation zu viele Ziele gleichzeitig verfolgt. Indirekt geht aus den Diskussionen hervor, dass die Projekte möglichst fokussiert auf eine innovative Aktivität sein sollten, damit die Organisation für BonVenture interessant ist. Leistungserbringung: Die Diskussion der Leistungserbringung kreist um übergeordnete Fragen, nicht Detailfragen. Positiv wird ein Dienstleitungsprojekt beurteilt, bei dem man über Forschungsprojekte zu einem sehr systematischen Ansatz der Leistungserbringung gekommen ist. Aus den Diskussionen geht weiterhin hervor, dass Projekte sich bei der Leistungserbringung nur auf den Teil fokussieren sollten, bei dem Vorteile gegenüber anderen Projekten vorhanden sind und sich bei allen anderen Leistungen auf Partner stützen oder die Leistung ganz weglassen sollte. Sowohl horizontal als auch vertikal sollte sich das Social Venture auf die Tätigkeit im Bereich der Kernkompetenz konzentrieren. Ähnlich sollte auch die Leistungserbringung in der Wertschöpfungskette nicht nach oben oder unten ausgedehnt werden. Mehrwert: Der Mehrwert wird beurteilt aus Sicht des Kunden bzw. der Zielgruppe und im Vergleich zu konkurrierenden Angeboten. Es geht darum, ob die Zielgruppe auf das Angebot zugreifen wird, weil es einen Mehrwert bietet und besser ist als andere Angebote. Diskutierte Beispiele sind: Die Nützlichkeit und Akzeptanz von bestimmten web-basierten Angeboten, die Energieeffizienz einer ökologischen Methode

264

4 Fallstudien

zur Stromerzeugung, der Vorteil eines Angebotes aus dem Bereich ökologische Landwirtschaft für den Kunden. Kooperationen: Bei vier Projekten werden aktuelle und potenzielle Kooperationen der Organisation mit anderen Institutionen diskutiert. Hinter den diskutierten Kooperationen verbergen sich sehr unterschiedliche Arten von Kooperationen. Es werden vertikale und horizontale Kooperationen besprochen. Vertikale Kooperationen können weiter unterteilt werden in Kooperationen mit in der Wertschöpfungskette nachgelagernten und vorgelagerten Institutionen. Im Fokus stand eine Kooperation mit einer nachgelagerten Institution, die bei der Zielgruppenereichung unterstützen sollte. Es handelt sich um ein Datenbankprojekt, wobei die Daten erst über eine weitere Organisation die Zielgruppe erreichen. Die Analogie in der klassischen Betriebswirtschaftslehre ist eine Vertriebskooperation. Die Kooperation wird zwar grundsätzlich positiv gesehen. Es werden aber allerhand Probleme diskutiert, die sich um das Thema Alleinstellungsmerkmal und Know-how-Abfluss drehen. Befürchtet wird, dass der Datenbanklieferant von dem nachgelagerten Vertriebspartner mit der Zeit aus dem Markt gedrängt werden könnte. Grundsätzlich positiv wird eine horizontale Kooperation mit einem weiteren, in dem Fall öffentlichen, Anbieter diskutiert. Ebenfalls positiv wird eine Kooperation mit einer vorgelagerten Institution gesehen. Im konkret besprochenen Fall erhalten die studentischen Mitarbeiter für gewisse Tätigkeiten in der Organisation Punkte, die sie für ihr Studium benötigen. Somit wird der Organisation der Zugang zu Personal erleichert. Sonstiges: Einige Aspekte werden jeweils nur bei einem Projekt diskutiert. Bei einem Projekt werden die Kosten des ökologischen Produktes diskutiert. Es wird für sehr teuer gehalten und dies hinterfragt. In einem Fall werden das Marketing- und die Öffentlichkeitsarbeit kritisch beleuchtet. Angemerkt wird, dass in der Vergangenheit viel Kapital für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben wurde, ohne dass damit ein nachhaltiges Geschäftsmodell aufgebaut wurde. Ein weiteres Thema ist die Organisationsstruktur, die bei der diskutierten Organisation sehr komplex ist und eine Unterstützung durch BonVenture erschwert. Die Problematik wird nicht weiter diskutiert, aber es kann davon ausgegangen werden, dass es signifikanten Aufwand für BonVenture bedeutet, in dieser komplexen Struktur nur die Organisation zu finanzieren, die von Interesse ist. Bei einem Alkoholpräventionsprojekt wird der Frage nachgegangen welche Anreize die Zielgruppe, in dem Fall Jugendliche, hat, um an dem Programm teilzunehmen bzw. übermäßigen Alkoholkonsum zu vermeiden.

4.4 BonVenture

265

4.4.3.3 Markt Gesellschaftliches Problem und Zielgruppe: Es geht bei diesem Kriterium vor allem darum, ob überhaupt ein gesellschaftliches Problem vorliegt. In den meisten Fällen wird das gesellschaftliche Problem erwähnt, aber nicht diskutiert. Erntet die Darstellung keinen Widerspruch, dann wird in Tabelle 29 davon ausgegangen, dass es sich im Sinne von BonVenture um ein gesellschaftliches Problem handelt. Gesellschaftliches Problem bzw. Lösungsansatz

Meinungsbildung

Arbeitsbeschaffung für Problem-Jugendliche

Keine Diskussion

Bewertung +

Alkoholkonsum von Jugendlichen

Übereinstimmend

+

Integration

Keine Diskussion

+

Carsharing

Keine Diskussion

+

Drogenabhängige und Drogengefährdete Mütter und Jugendliche

Keine Diskussion

+

Biodiversität in der Landwirtschaft

Keine Diskussion

+

Schlechte schulische Leistungen

Keine Diskussion

+

Arbeitslosigkeit

Keine Diskussion

+

Förderung der Demokratie durch Onlineangebot

Keine Diskussion

+

Straftaten von Jugendlichen

Keine Diskussion

+

Überfischung der Weltmeere

Keine Diskussion

+

Arbeitsvermittlung von Senioren

Übereinstimmend

-

Privat zu Privat Kredite

Keine Diskussion

-

Regionalförderung in der Landwirtschaft

Kontrovers

0

Dolmetscherservice für Verständigung zwischen Migranten und Ärzten

Kontrovers

0

Fehlende Akzeptanz für Männer, die Kinder betreuen

Kontrovers

0

„+“ = Gesellschaftliches Problem vorhanden „-„ = kein gesellschaftliches Problem vorhanden „0“ = keine abschließende Meinung

Tabelle 29: Diskussion der gesellschaftlichen Probleme Konkurrenzbewertung: Bei der Konkurrenzbewertung drehen sich die Diskussionen um die Fragen, welche weiteren Anbieter es in dem speziellen Sektor gibt, wie sie sich unterscheiden, wie sich das untersuchte Angebot abgrenzt und welche Ansätze in dem Sektor funktionieren und welche nicht. Beispiele der diskutierten Sektoren sind: Mentorenprogramme, ökologische Stromerzeugung (durch Wind, Sonne, Wasser), ökologische Landwirtschaft, effiziente Automobilnutzung (Carsharing und Mitfahrzentralen), Alkoholpräventionsprogramme bei Jugendlichen, Informationsangebote zur Unterstützung ökologischen Konsums und Online-Nachhilfe.

266

4 Fallstudien

Marktentwicklung und -Größe: In einigen Fällen wird kurz das Marktpotenzial besprochen.

4.4.3.4 Finanzen Geschäftsmodell und finanzieller Erfolg: Für BonVenture ist entscheidend, dass die Aussicht besteht, dass die Organisation Einkommen erzielen wird, um sich selbst zu tragen. Im Zusammenhang mit dem Geschäftsmodell wird auch der historische und geplante finanzielle Erfolg diskutiert. Hier dreht sich die Diskussion um Umsatz, Kosten und Cashflows. Finanzierungsbedarf: BonVenture erörtert in den Diskussionen, ob und wenn ja welcher Finanzierungsbedarf bei der potenziellen Portfolioorganisation besteht. Eine grundlegende Frage, die sich BonVenture stellt ist, ob das Projekt eine FremdkapitalFinanzierung erlaubt oder nur eine Spendenfinanzierung möglich ist. Eine weitere wesentliche Frage ist, welches Finanzierungsvolumen benötigt wird und wofür das Kapital verwendet werden soll. Rechtliches: Für BonVenture ist eine wesentliche Frage, ob es sich um eine Non3URfit- oder eine For-3rofit-Gesellschaft handelt, da dies erheblichen Einfluss auf die Finanzierungsoptionen hat. Zudem muss klar sein, um welche Rechtsform es sich bei der Organisation handelt und wer die Anteilseigner sind, wenn es sich um eine Gesellschaft mit Anteilseignern handelt. Weiterhin werden unter anderem diskutiert: Haftung, Kontrollgremien, Satzungen, Geschäftsordnungen, und Kompetenzen. Unter dieses Unterkriterium „Rechtliches“ fallen auch Diskussionen über vertragsrechtliche Angelegenheiten bei der Zielorganisation, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Finanzierung stehen, aber Auswirkungen auf den finanziellen Erfolg der Organisation haben könnten. Externe Finanzierung: Zu diesem Kriterium zählen die externe Finanzierung in der Vergangheit, mögliche Co-Investoren und potenzielle Kapitalquellen in der Zukunft. Ebenfalls diskutiert wird, welchen Beitrag der Unternehmer selbst bei der Finanzierung leistet. In einem Fall wird das Risiko diskutiert, dass eine Finanzierung mit einem Kredit geprüft wird, die Organisation dann aber eine Spende von einem anderen Kapitalgeber erhält bevor Verträge unterschrieben sind und damit der Prüfungsprozess in einer späten Phase durch die Organisation abgebrochen wird.

4.4 BonVenture

267

Finanzierungsvereinbarung: Unter dieses Kriterium fällt nicht nur der Finanzierungsvertrag mit seinen vertraglichen Regelungen, sondern allgemein die Diskussion, welche finanzielle Hilfe und welche Gegenleistungen vereinbart werden sollen. Beispiele für Probleme im Zusammenhang mit der Finanzierungsvereinbarung sind: der Anteil, den BonVenture bekommt und welche Rechte damit verbunden sind; die Sicherstellung, dass das Kapital in der gewünschten Zielgesellschaft bleibt, im Sinne von BonVenture verwendet wird und nicht im Konglomerat von Gesellschaften der potenziellen Portfoliorganisation verschoben wird; die Vielzahl der Anteilseigner einer Organisation, die Entscheidungen erschweren sowie die Festlegung der Meilensteine. Die diskutierten Probleme sind sehr heterogen, so dass im Fall dieses Kriteriums nicht davon ausgegangen werden kann, im Rahmen der Beobachtungen alle wesentlichen Probleme beobachtet zu haben.

4.4.3.5 Social Impact Allgemein: Der Social Impact ist für BonVenture eine harte Investitionsvoraussetzung, daher wird das Kriterium in 23 Fällen diskutiert. Aus den Beobachtungen lassen sich einige Rückschlüsse darauf ziehen, wie BonVenture den Social Impact bewertet. Keinen (ausreichenden) Social Impact sieht BonVenture in Angeboten, die sich hauptsächlich durch einen günstigeren Preis von anderen Angeboten unterscheiden und bei denen beide Austauschpartner (Käufer und Verkäufer) jeweils primär privat von dem Angebot profitieren. Genannte Beispiele sind: Kredite von privat für privat und die Arbeitsvermittlung von Senioren. Unentschlossen sind die Mitarbeiter bei einem Angebot ähnlich einer Mitfahrzentrale, weil das Angebot auch zu einer effizienteren Ressourcennutzung führt und damit ökologischen Impact haben kann. Der Social Impact bezieht sich bei BonVenture auf die finanzierte Aktivität selbst. Wenn, wie bei einem Projekt der Fall, es sich bei der antragstellenden Organisation um eine klassische gewinnmaximierendes Unternehmen handelt, deren gesamter Gewinn gemeinnützigen Aktivitäten zur Verfügung gestellt wird, kommt eine Finanzierung aus BonVenture-Sicht dennoch nicht in Frage, weil nicht die finanzierte Organisation den Social Impact erzielt. Positiv wird dagegen Transparenz eingeschätzt, die Menschen in Lage versetzt bessere Entscheidungen zu treffen.

268

4 Fallstudien

Reichweite: In drei Fällen äußern sich Mitarbeiter zur Reichweite, die positiv mit dem Social Impact korreliert. Ein lokales Angebot kann nur einen geringeren Social Impact erzielen als ein weit verbreitets überregionales Angebot. Übertragbarkeit: BonVenture erwartet, dass die Kapitalbereitstellung der finanzierten Organisation zu Wachstum verhilft, so dass der Social Impact möglichst hoch ist. Eine Voraussetzung für Wachstum ist, dass der Ansatz der Organisation übertragbar ist. Aus den kritischen Anmerkungen der Mitarbeiter geht hervor, dass dies nicht für jede Organisation der Fall ist. Auf die genauen Eigenschaften, die eine Skalierung erlauben, wurde nicht eingegangen.

4.4.3.6 Social Entrepreneur Allgemein: In 18 Fällen wird das Kriterium Social Entrepreneur ganz allgemein überprüft. Ohne dass genauer auf Eigenschaften der Person eingegangen wird, versuchen die Mitarbeiter, die Frage zu beantworten, ob es sich bei dem Gründer um einen Social Entrepreneur handelt. Ohne dass ein Social Entrepreneur vorhanden ist, kann es keine Finanzierung durch BonVenture geben. Ein Beispiel ist eine innovative Elterninitiative, die nicht in Frage kommt, weil die verantwortlichen Personen immer wieder wechseln. Biographie und Erfahrung: In acht Fällen wird die Biographie und Erfahrung des Gründers oder der Gründer diskutiert. Es wird als positiv angesehen, wenn der Gründer bereits ausgiebig Erfahrung im relevanten Markt gesammelt hat. Beispielsweise werden zwei Internet-Unternehmen grundsätzlich positiv bewertet, weil die Gründer bereits erfolgreich jeweils ein klassisches Internet-Start-up aufgebaut haben. Soziale Motivation: Eine der wesentlichen Unterkriterien ist die soziale Motivation des Gründers. Aus den Beobachtungen geht hervor, dass der Gründer primär sozial motiviert sein muss und nicht etwa primär an einer Einkommens- bzw. Gewinnmaximierung interessiert sein darf. Um sich der Erfüllung des Unterkriteriums zu nähern, stellen sich die Mitarbeiter unter anderem selbst Fragen. Eine Frage ist, ob die Person weiter an der Lösung des gesellschaftlichen Problems arbeiten wird, auch wenn sein augenblickliches Unternehmen Insolvenz anmelden müsste. Eine weitere Frage ist, ob es der Person um sein

4.4 BonVenture

269

Produkt bzw. Dienstleistung geht oder um die Lösung des Problems. Im ersten Fall würde die Person im Fall des Scheiterns mitunter das Produkt bzw. die Dienstleistung versuchen, in einem anderen Bereich anzuwenden, im zweiten Fall würde die Person nach einem anderen Produkt bzw. Dienstleistung suchen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Wachstumswille: Das Kriterium beschreibt die Frage, ob die Gründer mit ihren Organisationen expandieren wollen. Sonstiges: Weitere Aspekte zur Person des Social Entrepreneurs, die angesprochen werden, sind: die Integrität des Gründers, das Charisma sowie der Wachstumswille, der vorhanden sein sollte.

4.4.3.7 Sonstige Kriterien Der Beirat ist, wie gezeigt wurde, früh in den Auswahlprozess eingebunden und hat die letzte Entscheidungskompetenz. Die Einschätzung des Beirates wird daher in einigen Fällen kurz diskutiert. Der gesamte Deal ist in dreifacher Hinsicht ein Unterkriterium. Erstens werden Gesamteinschätzungen diskutiert, zweitens wird die Informationsbasis diskutiert und drittens wird das Risiko des gesamten Projektes diskutiert.

4.4.4 Quantitative Zusammenhänge 4.4.4.1 Datengrundlage BonVenture pflegt seit Bestehen im Jahr 2003 eine Excel-basierte Datenbank mit allen eingegangenen Finanzierungsanfragen. Für jede Finanzierungsanfrage werden festgehalten: Name der Organisation, Branche, Vermittler (über wen kam die Finanzierungsanfrage an BonVenture), Erstkontaktdatum, Gründe für Absage, Absagedatum, Land, Auswahlprozessstufe (wie weit im Auswahlprozess ist die Finanzierungsanfrage gekommen), Finanzierungsphase (in welcher Entwicklungsstufe befindet sich das Unternehmen) und der Projektmanager. Es wurde im Rahmen der Arbeit die Dealflowliste mit den Daten aus den Jahren 2003 bis Mai 2009 ausgewertet. Insgesamt gingen in der Zeit 1863 Projektanträge ein, von

4 Fallstudien

270

diesen waren 7 zurückgestellt, 17 Projekte waren in Prüfung, 14 Projekte zählen zum aktiven Portfolio und bei 2 Projekten hat bereits der Ausstieg stattgefunden. Insgesamt umfasst die Dealflowliste folglich 1823 Absagen. Die zurückgestellten Projekte sowie die in der Prüfung befindlichen Projekte wurden bei den Analysen ausgeschlossen. Die 16 (aktiven und inaktiven) Portfolioprojekte werden nur in die Analyse mit einbezogen, wenn nicht nur Absagen, sondern Entscheidungen insgesamt analysiert werden.

4.4.4.2 Auswahlstufe und Absagegründe Die in der BonVenture-Datenbank als Text festgehaltenden Absagegründe wurden mit einer beschränkten Anzahl an binären Variablen codiert. Beispielsweise wurde der Text „Gründer ist zu unerfahren und kein Social Impact vorhanden“ codiert mit den Variablen „Social Entrepreneur“, und „Social Impact“, die beide in dem Fall den Wert eins annehmen würden. Aus den durchschnittlich 60 Zeichen Text mit der Begründung der Absage konnten im ersten Schritt 15 verschiedene Gründe für Absagen identifiziert werden. Um welche Gründe es sich handelt und wie häufig sie vorkommen, zeigt Tabelle 30. Einige der Absagegründe können zusammengefasst werden, so dass neun Kriterien übrigbleiben. Insbesondere die gesellschaftsspezifischen Ausschlusskriterien Finanzierungsphase, Region, Anlagenfinanzierung, Turnarournd, Religion und andere Träger sowie Ablösung von Kapitalgebern werden zusammengefasst. Teilweise werden mehrere Gründe pro Absage angegeben, dadurch sind in Tabelle 30 und Tabelle 31 die Summen der Grundnennungen größer als die Anzahl der Absagen. Es handelt sich folglich statistisch um Mehrfachantworten.817 Zwischen beiden Tabellen variiert die Summe der Grundnennungen, da in Tabelle 31 insbesondere Ausschlussgründe (Religion, Phase, etc.) zusammengefasst wurden.

817

Vgl. Janssen/Laatz (2007), S. 285ff.

4.4 BonVenture

271 Anzahl der Anteil an Summe Grundder Grundnennungen nennungen 826 31,4%

Anteil an Absagen

Rang

Absagegrund

1.

Social Impact

2.

Innovation

405

15,4%

22,2%

3.

Region

384

14,6%

21,1%

45,3%

4.

Finanzierungsphase

337

12,8%

18,5%

5.

Absage durch Unternehmen

168

6,4%

9,2%

6.

Finanzielles

145

5,5%

8,0%

7.

Produkt / Dienstleistung

115

4,4%

6,3%

8.

Social Entrepreneur

80

3,0%

4,4%

9.

Anlagenfinanzierung

72

2,7%

3,9%

10.

Sonstiges

41

1,6%

2,2%

11.

Markt

18

0,7%

1,0%

12.

Turnaround

15

0,6%

0,8% 0,4%

13.

Ablösung von Kapitalgebern

8

0,3%

14.

Beirat

8

0,3%

0,4%

15.

Religiöse und andere Träger

7

0,3%

0,4%

Summe

2.629

100%

144%

Anzahl der Absagen

1.823

Tabelle 30: Häufigkeit der Absagegründe Die größte Bedeutung bei den Absagen hat das Kriterium „Social Impact“. Nahezu die Hälfte aller Anfragen wurde zumindest unter anderem aus diesem Grund abgelehnt. Zusammen 43% der Anfragen werden aufgrund gesellschaftsspezifischer Ausschlusskriterien abgelehnt, 22% aller Anfragen stellen in den Augen von BonVenture keine oder zumindest keine förderungswürdige Innovation dar. Fast jede zehnte Anfrage wird durch die kapitalsuchende Organisation abgesagt, einige explizit, die meisten aber implizit, indem sie auf Rückfragen von BonVenture nicht antworten oder angefragte Informationen nicht zur Verfügung stellen. In 8% der Fälle gibt es mindestens einen finanziellen Grund für die Absage. Darunter fällt eine ganze Reihe recht unterschiedlicher Gründe. Einige Beispiele sind: es wird eine Spende gesucht, der Kapitalbedarf ist zu hoch oder zu niedrig, es besteht keine Aussicht, dass sich die Organisation selbst tragen wird. Im Vergleich zu den genannten Absagegründen sind die Produkt/Dienstleistung, Social Entrepreneur, der Markt oder sonstige Gründe überraschenderweise eher unbedeutend.

4 Fallstudien

272 Anzahl der Grundnennungen

Anteil and Absagegründen*

Anteil an Absagen

Rang

Absagegrund

1.

Social Impact

826

31,9%

2.

Ausschlusskriterien

781

30,2%

42,8%

3.

Innovation

405

15,7%

22,2%

4.

Absage durch Unternehmen

168

6,5%

9,2%

5.

Finanzielles

145

5,6%

8,0%

6.

Produkt / Dienstleistung

115

4,4%

6,3%

7.

Social Entrepreneur

80

3,1%

4,4%

8.

Sonstiges

49

1,9%

2,7%

9.

Markt

18

0,7%

1,0%

Summe

2.587

100,0%

141,9%

Anzahl der Absagen

1.823

45,3%

Tabelle 31: Häufigkeit der Absagegründe mit zusammengefasssten Ausschlusskriterien In Tabelle 32 erkennt man, dass die Bedeutung der Absagegründe zwischen den Auswahlstufen variiert. Von der zweiten Auswahlstufe über die dritte hin zur vierten lassen sich einige lineare Trends ablesen. Die Beiratseinbindung und die darauffolgenden Stufen, die hier zusammengefasst sind, stehen dagegen in keinem direkt erkennbaren Zusammenhang mit den Vorstufen. Daher werden in der Beschreibung zunächst nur die Auswahlstufen zwei, drei und vier näher betrachtet. Zu der bereits unter 4.2.2.3.1 erläuterten Problematik der nichtunabhängigen Stichproben kommt bei dieser Fallstudie das Problem der Mehrfachantworten hinzu. Bei BonVenture werden teilweise mehrere Absagegründe für eine Organisation angegeben, so dass kein Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest für alle Absagegründe durchgeführt werden kann. Stattdessen muss für jeden Absagegrund einzeln die Unabhängigkeit getestet werden. Der für jeden Absagegrund einzeln berechnete Test ergibt die in der der Tabelle kenntlich gemachten Ergebnisse. Da er nur testet, ob mindestens ein Wert von einem der übrigen abweicht, ist nur in der ersten Spalte stellvertretend für die anderen Auswahlstufen angegeben, ob er signifikant ist. Eine Voraussetzung dafür, dass nicht nur die Stärke, sondern auch die Richtung der Beziehung zwischen Eingangsjahr und Absagegrund berechnet werden kann, ist, dass beide Variablen ordinal skaliert sind. Die Auswahlprozessstufe kann als ordinal skaliert interpretiert werden, wenn man davon ausgeht, dass der Hauptunterschied

4.4 BonVenture

273

zwischen den Auswahlprozessstufen die Prüfungsintensität ist. Da nun für jeden Absagegrund einzeln die Unabhängigkeit gestest wird, können auch die Absagegründe als ordinal skalierte Variable interpretiert werden. Das ist möglich, weil jeder Absagegrund entweder die Ausprägung „führte zur Absage“ (hohe Ausprägung) oder „führte nicht zur Absage“ (geringe Ausprägung) hat. Als Zusammenhangsmaß wird daher zusätzlich zu Cramvers-V auch Somers-d angegeben mit dem Absagegrund als abhängiger und der Auswahlprozessphase als unabhängiger Variable. Somers-d und Cramer-V werden in Tabelle 32 nur angegeben, falls ein signifikanter Wert vorliegt.

Social Impact***

- 0,30***

Ausschlussgrund*

764 51%

55 22%

654 43%

112 44%

3

Ab Beiratseinbindung

8%

Anteil1

Anzahl

Anteil1

Anteil1

0,24*** 0,07*

Persönliches Treffen Anzahl

Erste Due Diligence

Anzahl

1

Anteil

Anzahl

Cramer-V

Somers-d

Screening

4 17%

11 29%

4 17%

Innovation***

- 0,13***

0,13***

370 25%

31 12%

3

8%

1

4%

Finanzielles**

0,03*

0,10**

111

25 10%

9 24%

0

0%

11 29%

Absage durch Untern.*** 0,16***

0,22***

Konzept Gründer***

0,08***

0,16***

Sonstiges***

0,10***

0,38***

Markt

7%

96

6%

55 22%

92

6%

19

7%

3

8%

1

6 25% 4%

46

3%

24

9%

8 21%

2

8%

17

1%

14

6%

6 16%

16

1%

2

1%

0

12 50%

0%

0

0%

Summe

2.166 144%

337 133%

54 142%

30 125%

Anzahl der Absagen

1.507

254

38

24

*p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001 1) Anteil an der Anzahl der abgesagten Anfragen Die letzten Auswahlprozessstufen werden hier zusammengefasst.

Tabelle 32: Zusammenhang zwischen Absagegründen und Auswahlprozess Der Social Impact ist beim Screening mit 51% der häufigste Ablehungsgrund, über die dritte Auswahlstufe nimmt die Bedeutung dann bis zur vierten auf 8% ab. Diese starke Bedeutungsabnahme spiegelt sich auch in dem höchsten absoluten Wert von Somers-d wider. Scheinbar erhält BonVenture viele Anfragen, bei denen schon bei der Prüfung der schriftlichen Unterlagen klar wird, dass die Organisation keinen Social Impact erzielt. Die Ausschlusskriterien sind mit 43% der zweitwichtigste Ablehnungsgrund in der Screeningstufe. Zunächst überrascht, dass sie nicht ausschließlich in der Screening-

274

4 Fallstudien

phase bedeutend sind, denn sie sind vergleichsweise leicht zu beurteilen. Die Begründung ist vermutlich, dass insbesondere bei vermittelten Anfragen teilweise die ersten beiden Stufen übersprungen werden. Da der Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest nicht signifikant ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Phase keinen Einfluss auf die Bedeutung der Ausschlussgründe hat. Neben dem Social Impact ist die Innovation der einzige Absagegrund, der statistisch signifikant abnimmt im Laufe des Auswahlprozesses. Er geht von 25% auf 8% in der vierten Auswahlstufe zurück. Auch hier kann scheinbar schon auf Basis der schriftlichen Unterlagen recht gut beurteilt werden, ob das Kriterium erfüllt ist. Diese Erkenntnis deckt sich mit anderweitigen Beobachtungen, dass erfahrene Mitarbeiter sehr schnell beurteilen können, ob das Konzept neu ist oder ob es bereits an anderer Stelle exisitiert. Dem Social Impact und der Innovation stehen vier Absagegründe gegenüber, die in ihrer Bedeutung statistisch signifikant zunehmen: Absagen durch das Unternehmen, Gründer, Finanzielles und sonstige Gründe. Am stärksten wächst die Bedeutung der Absage durch das Unternehmen. Nach dem Treffen mit dem Unternehmer werden 29% der Anfragen vom kapitalsuchenden Unternehmen abgesagt. Dafür kommen verschiedene Gründe in Frage. Kapitalsuchende Unternehmen können parallel mit anderen, vergleichbaren Kapitalgebern verhandeln und sich dann das beste Angebot heraussuchen. Gegen diese Vermutung spricht, dass es in dem Sektor, in dem BonVenture aktiv ist, fast keine konkurrierenden Investoren gibt. Möglich ist auch, statt externer Finanzierung die Eigenmittel aufzustocken oder den Businessplan anzupassen, so dass weniger externe Finanzierung benötigt wird. Dazu kann der Unabhängigkeitswille beitragen, denn Social Entrepreneurs, die sich stark mit ihrer Tätigkeit identifizieren, geben mitunter ungerne Stimmrechte ab. Weiterhin ist denkbar, dass der Businessplan dahingehend geändert wird, dass noch stärker die sozialen Ziele herausgestellt werden und die Organisation sich damit in die Lage versetzt, auch Spenden akquirieren zu können. Die klassischen Venture-Capital-Auswahlkriterien Konzept, Gründer und Markt spielen in den Auswahlstufen zwei bis vier eine vergleichsweise unbedeutende Rolle, aber ihre Bedeutung nimmt im Laufe des Prozesses zu. Zusammen machen sie in der zweiten Stufe gerade einmal 10% der Absagen aus. In der 3. Stufe machen sie zusammen immerhin 17%, in der vierten Stufe 29% aus. Unter den drei Kriterien variiert die Be-

4.4 BonVenture

275

deutung der Gründer zwischen den Auswahlstufen am stärksten. Sie steigt statistisch signifikant von 3% in der Screeningstufe auf 21% in der vierten Stufe an. Dass Gründer tendenziell später im Prozess als Absagegrund auftreten, kann damit erklärt werden, dass die Interaktion und persönlicher Austausch an Bedeutung zunimmt und vermutlich für die Beurteilung das persönliche Treffen wichtig ist. Das Konzept ist in den Stufen zwei bis vier konstant in etwa 6-8% der Fälle ein Absagegrund. Der Markt spielt fast keine Rolle. Finanzielle Aspekte spielen in der Screening- und ersten Due-Diligence-Stufe eine unbedeutende Rolle. Nach dem Treffen mit dem Unternehmer wird aber knapp ein Viertel aller Anfragen aus finanziellen Gründen abgelehnt. Die Bedeutungszunahme spiegelt sich auch in einem positiven, signifikanten Somers-d wider. Die Bedeutung sonstiger Gründe nimmt von der zweiten bis zur fünften Auswahlstufe statistisch signifikant zu. In der fünften Auswahlstufe, der Beiratseinbindung, ist nur eingeschränkt eine Fortsetzung des Trendes der vorangegangen drei Auswahlstufen erkennbar. Zwölf der 24 Anfragen, die es bis zu dieser Auswahlstufe geschafft haben, wurden auf Basis von sonstigen Gründen abgelehnt. Dahinter verbergen sich u.a. sechs nicht näher erläuterte Absagen durch Beiräte. In vier der 24 Fälle war der Social Impact nicht ausreichend. Erstaunlich ist mit 25% die hohe Quote der Absagen durch das Unternehmen. Die klassischen Venture-Capital-Kriterien Konzept, Gründer und Markt waren nur in drei der 24 Fälle ausschlaggebend.

4.4.4.3 Dealflow-Quellen und Absagegründe In der BonVenture-Datenbank wird festgehalten, ob eine Anfrage direkt an BonVenture gerichtet wurde oder ob sie vermittelt wurde. In dem Fall steht der Name des Vermittlers in der Datenbank. Ein Vermittler wird in der Datenbank aufgeführt sowohl wenn tatsächlich eine Person eine Organisation aktiv empfohlen hat als auch wenn sich ein Unternehmen im Anschreiben auf eine Person – den Vermittler – beruft. Die direkten Anfragen enthalten auch einige, die von BonVenture recherchiert wurden. Sie sind aber in der Unterzahl, da kaum personelle Kapazitäten für eigene Recherchen zur Verfügung standen. Für die Portfoliounternehmen wurde jedoch nacherhoben, ob

4 Fallstudien

276

es sich tatsächlich um eine direkte Bewerbung handelt oder ob die Organisation recherchiert wurde. Von den 1.839 Anfragen in der Datenbank ist nur bei einer die Herkunft nicht angegeben. Die allermeisten, nämlich 1.536 (84%) Anfragen wurden direkt an BonVenture gerichtet oder aber die Organisation wurde recherchiert. Zwischen beiden Quellen wird in der Datenbank nicht systematisch unterschieden. Auf Portfolioebene wurde nachrecherchiert, ob es sich um eine Direktbewerbung oder eine recherchierte Anfrage handelt. So konnten 5 Portfolioorganisationen identifiziert werden, die recherchiert wurden und nicht auf einer direkten Anfrage beruhen. Vermittelt wurden 296 Organisationen (16%), von denen 10 eine Zusage erhalten haben. Diese 296 Organsiationen wurden von insgesamt 139 verschiedenen Vermittlern, von denen bei 111 der Hintergrund bekannt ist, an BonVenture weiterempfohlen.

Anteil1

Anzahl

Vermittelt Anteil1

Anzahl

Cramer-V

Somers-d

Direkt

Social Impact***

-0,16 ***

0,12 ***

735

47,9%

90

31,5%

Ausschlusskriterien**

-0,10 **

0,07 **

682

44,4%

99

34,6%

350

22,8%

55

19,2%

0,13 ***

116

7,6%

52

18,2%

112

7,3%

33

11,5%

83

5,4%

32

11,2%

60

3,9%

20

7,0%

15

1,0%

3

1,0%

Innovation Absage durch Untern.***

0,11 ***

Finanzielles*

0,04 **

0,06 *

Konzept***

0,06 ***

0,09 ***

Gründer*

0,03 *

0,06 *

Markt Sonstiges

37

2,4%

12

4,2%

Summe

2.190

142,6%

396

138,5%

Anzahl der Absagen * p<0,05; **p<0,01; ***p<0,001 1) Anteil an der Anzahl der abgesagten Anfragen

1.536

286

Tabelle 33: Zusammenhang zwischen Absagegründen und Herkunft der Finanzierungsanfrage Da BonVenture nicht systematisch zwischen direkten Anfragen und recherchierten Organisationen unterscheidet, kann nur der Unterschied zwischen direkten und recherchierten Anfragen auf der einen Seite und vermittelten Anfragen auf der anderen Seite untersucht werden. In Tabelle 33 erkennt man, dass die Bedeutung vieler Absagegründe zwischen der Herkunft der Finanzierungsanfrage variiert und die statistische

4.4 BonVenture

277

Abhängigkeit signifikant ist. Wie bereits im vorausgegangenen Gliederungsabschnitt wird auch hier zusätzlich Somers-d angegeben. Bei vermittelten Anfragen wird der Gründer, das Konzept, Finanzielles und die Absage durch das Unternehmen häufiger als Absagegrund genannt, der Social Impact und Ausschlusskriterien dagegen werden seltener genannt. Erklärt werden kann der Unterschied zwischen direkten und vermittelten Anfragen mit dem Vorscreening, das Personen übernehmen, die eine Finanzierungsanfrage vermitteln. Social Impact und die Ausschlusskriterien sind einem Vermittler vermutlich besser bekannt als einem Unternehmen, das eine Finanzierungsanfrage schickt. Dafür können mitunter die Gründe, die häufiger vorkommen, von Vermittlern nicht gut eingeschätzt werden, also Gründer, Konzept und Finanzielles. Hierbei handelt es sich um die typischen VentureCapital-Kriterien, die generischen Auswahlkriterien. Das wesentlich häufiger das Unternehmen absagt, liegt mitunter daran, dass sie keinen Finanzierungsbedarf haben, aber trotzdem vom Vermittler weiterempfohlen wurden.

4.4.4.4 Dealflow-Quellen und Finanzierungswahrscheinlichkeit Die Berechnungen für die Beantwortung der Frage, ob ein Zusammenhang zwischen der Dealflow-Quelle und der erreichten Auswahlstufe besteht, ist in Tabelle 34 dargestellt. Im obersten Teil werden die Absagen nach Herkunft und Auswahlprozessstufe angeführt. In Klammern finden sich jeweils die Absagen in Prozent aller Anfragen der entsprechenden Herkunftsart. Anders als im vorangegangen Abschnitt werden nun auch die Portfolioorganisationen mit in die Betrachtung einbezogen, so dass sich die Gesamtzahl der betrachteten Organisationen von1.822 auf 1.838 erhöht. Man erkennt in Tabelle 34, dass die Herkunft der Finanzierungsanfrage Einfluss hat auf die Wahrscheinlichkeit, eine Finanzierungszusage zu erhalten. Vermittelte Organisationen überstehen häufiger die erste Auswahlstufe: In der ersten Screeningphase werden 84% der direkten Anfragen und 72% der vermittelten Anfragen abgelehnt. In der zweiten Auswahlstufe kehrt sich das Verhältnis dann um. Dies bedeutet, dass über vermittelte Anfragen im Durchschnitt erst später im Auswahlprozess entschieden wird als bei direkten Anfragen.

4 Fallstudien

278

Die durchgeführten statitischen Tests, der Chi-Quadrat-Unabhängigkeitstest und Cramer-V sind hoch signifikant (p<0,001). Die Herkunft einer Anfrage hat folglich Einfluss darauf, welche Auswahlprozessstufe eine Anfrage durchschnittlich erreicht. Screening Erste DueDiligence

Direkt / recherchiert Vermittelt Gesamt

Persönliches Treffen

Beiratseinbindung

Weitere Stufen

Portfolio

Gesamt

Anzahl der Absagen (in Prozent aller Anfragen der Herkunftsklasse) 1.295 202 23 10 6 6 1.542 (84,0%) (13,1%) (1,5%) (0,6%) (0,4%) (0,4%) (100%) 211 52 15 5 3 10 296 (71,3%) (17,6%) (5,1%) (1,7%) (1,0%) (3,4%) (100%) 1.506 254 38 15 9 16 1.838 (81,9%) (13,8%) (2,1%) (0,8%) (0,5%) (0,9%) (100%) Absagen in Prozent der Anfragen in der jeweiligen Auswahlstufe

Direkt

84%

82%

51%

45%

50%

100%

Vermittelt

71%

61%

45%

28%

23%

100%

Gesamt

82%

77%

49%

38%

36%

100%

Ȥ

2

-Test = 50 (p<0,001)

Cramer-V = 0,16 (p<0,001)

Tabelle 34: Zusammenhang zwischen Herkunft und erreichter Auswahlstufe Im unteren Teil der Tabelle sind die bedingten Absagewahrscheinlichkeiten dargestellt. Beispielsweise erhalten 81% aller direkten Anfragen, die in die dritte Auswahlstufe gelangen, nach dieser Prüfung eine Absage. Vergleicht man in der Tabelle die direkten mit den vermittelten Anfragen, so ist deutlich zu erkennen, dass die vermittelten Anfragen in jeder Auswahlstufe eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit haben. Als drittes werden die Wahrscheinlichkeiten, Kapital zu erhalten, zwischen direkten und vermittelten Anfragen verglichen. BonVenture differenziert in der Datenbank nicht zwischen aktiv recherchierten Anfragen und direkten Anfragen. Für das Portfolio wurde daher nacherhoben, welche der beiden Möglichkeiten zutrifft. Es zeigt sich, dass sich nur eine einzige Portfolioorganisation selbst beworben hat: 5 der 16 Organisationen wurden recherchiert und 10 vermittelt. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis zu der Anzahl an Anfragen, zeigt sich, dass die Wahrscheinlichkeit, eine Finanzierung zu erhalten, bei vermittelten Anfragen wesentlich höher ist. Selbst wenn man rechierte und direkte Anfragen zusammen nimmt, ist die Wahrscheinlichkeit einer vermittelten Anfrage, eine Finanzierungszusage zu erhalten, etwa achtmal höher. Al-

4.4 BonVenture

279

lerdings ist mit 3,4% auch bei vermittelten Anfragen die statistische Wahrscheinlich-

Anzahl im Portfolio

Verhältnis Portfolioorganisationen / Vermittler

Verhältnis Zusagen / Vermittlungen

Durchschnittliche Vermittlungen

Anzahl der Vermittler

Anzahl der Vermittlungen

keit eine Finanzierungszusage zu erhalten gering.

Investor

41

7

5,9

10%

0,6

4

Förderstiftung

27

9

3,0

11%

0,3

3

8

4

2,0

13%

0,3

1

Portfolioorganisation

10

5

2,0

10%

0,2

1

Privatinvestor

21

13

1,6

5%

0,1

1

VC/PE Gesellschaft

28

15

1,9

0%

0,0

Dealvermittler

23

15

1,5

0%

0,0

Preisstiftung

20

4

5,0

0%

0,0

Unternehmen & Dienstleister

18

14

1,3

0%

0,0

Businessplanwettbewerb

15

2

7,5

0%

0,0

Sonstige operative Stiftung

12

5

2,4

0%

0,0

Operative NPO

11

7

1,6

0%

0,0

Privatperson

6

5

1,2

0%

0,0

Lobbying NPO

5

3

1,7

0%

0,0

Öffentliche Institution

3

3

1,0

0%

0,0

Unternehmer

3

3

1,0

0%

0,0

Non-Profit Dienstleister

2

2

1,0

0%

0,0

43

28

1,5

0%

0,0

296

139

Bank

Unbekannt Summe

Tabelle 35: Qualitätsunterschiede zwischen Vermittlertypen Die Vermittler, die Anfragen an BonVenture weiterleiten, lassen sich in insgesamt 17 Typen unterteilen. Diese Vermittlertypen sind in Tabelle 35 aufgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass Qualitätsunterschiede zwischen den Vermittlertypen bestehen. Die meisten Portfoliogesellschaften wurden an BonVenture durch Investoren vermittelt,

280

4 Fallstudien

gefolgt von Förderstiftungen.818 Beide haben auch, relativ betrachtet, ein gutes Verhältnis von Portfolioorganisationen zu Vermittlern. Die Anzahl der Vermittlungen pro Vermittler ist insbesondere bei Businessplanwettbewerben, Preisstiftungen, Investoren und Förderstiftungen hoch. Die Wahrscheinlichkeit, eine Finanzierungszusage zu erhalten, ist bei einer Anfrage, die von einer auf den Non-Profit-Sektor spezialisierten Bank kommt, mit 13% am höchsten. Gefolgt wird die Bank von Förderstiftungen/Venture-Philanthropy-Gesellschaften, bei denen 11% aller vermittelten Anfragen zu einer Zusage führen. Aufgrund der im Verhältnis zur Anzahl der Vermittlertypen geringen Anzahl an Portfolioorganisationen müssen die Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden. Für statistisch belastbare Aussagen sind die Fallzahlen zu klein, sie können daher nur Indizien liefern. Dafür, dass die Indizien Aussagekraft haben spricht, dass sich die Ergebnisse nicht wesentlich ändern, wenn acht weitere, vermittelte Organisationen, die spät im Auswahlprozess ausgeschieden sind, mit in die Betrachtung einbezogen werden.

818

Obwohl Ashoka eine Portfolioorganisation von BonVenture war – sie wurde durch Spenden unterstützt – wird sie hier zu der Gruppe Förderstiftung/Venture-Philanthropy-Gesellschaft gezählt. Sie ist keine typische operative Non-Profit-Organisation und würde daher die Darstellung verzerren.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen 5.1 Einführende Anmerkungen Auf der Grundlage der konzeptionellen Darstellungen in Kapitel 0, der Literaturanalyse in Kapitel 3 sowie den eigenen empirischen Fallstudienuntersuchungen in Kapitel 4 führt das vorliegende Kapitel die Erkenntnisse zusammen und verdichtet diese zu Thesen und Modellen. Sie basieren dabei auf den vermuteten Zusammenhängen, die sich aus den untersuchten Fallstudien ergeben. Dabei wird der Versuch unternommen, vom Speziellen der einzelnen Fälle logisch deduktiv Schlussfolgerungen im Hinblick auf verallgemeinerbare Aussagen zu ziehen und somit zur Theorieentwicklung beizutragen. Zum Teil führen die Vorarbeiten der vorangegangenen Kapiteln nicht direkt zu neuen Erkenntnissen, ermöglichen es aber, Forschungsfragen zu identifizieren, denen zukünftige Untersuchungen nachgehen können. Die Gliederung des Kapitels orientiert sich am Aufbau des vorangegangenen Kapitels mit Ausnahme der quantitativen Zusammenhänge, die in diesem Kapitel in die Abschnitte 5.2 und 5.3 mit eingeflossen sind. Anderes als die Darstellung der Fallstudien im 4. Kapitel werden Auswahlprozess und Auswahlkriterien nicht rein deskriptiv, sondern analytisch dargestellt. Im Vordergrund stehen Zusammenhänge, vor allem der Einfluss des Typs der Venture-Philanthropy-Gesellschaft auf den Auswahlprozess und die Auswahlkriterien.

5.2 Auswahlprozess 5.2.1 Prozessübergreifende Analyse 5.2.1.1 Einfluss der Gründer und Investoren 5.2.1.1.1

Investoreninteressen und ihre Ressourcenbindung

Für den Auswahlprozess der Investoren in Bezug auf die zu wählende Gesellschaft hat das spezifische Interesse der Investoren eine nicht unerhebliche Bedeutung. Hierbei P. Heister, Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6309-3_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

282

stellt sich die Frage, ob und inwieweit sich die Investoreninteressen unabhängiger Venture-Philanthropy-Gesellschaften von den Investoreninteressen der FamilienVenture-Philanthropy-Gesellschaften unterscheiden. Die Investoren der unabhängigen Venture-Capital-Gesellschaften haben keinen Einfluss auf die Investitionsentscheidungen der Gesellschaft.819 Ähnlich ist es bei Ashoka. Diese Gesellschaft erhält von ihren Investoren Spenden ohne Zweckbindung und entscheidet eigenständig über die Vergabe ihrer Stipendien an Social Entrepreneurs. Eine solche fehlende Mitsprache ist für den Non-Profit-Sektor bei großen Spenden jedoch unüblich. Typischerweise wollen die Investoren, z.B. Stifter, eingebunden sein in die Vergabeentscheidung und gründen deshalb beispielsweise eigene Stiftungen, statt ihr Kapital bestehenden Stiftungen zuzustiften. Die Investoren von BonVenture behalten sich die finale Investitionsentscheidung vor und kommen dem typischen Beispiel im NonProfit-Sektor somit näher, wodurch die Gesellschaft also hinsichtlich der Beziehung zwischen Gesellschaft und Investoren Stiftungen ähnlicher ist; Ashoka hingegen ist Venture-Capital-Gesellschaften ähnlicher. Unter 4.3.1.3 und 4.4.1.3 wurde gezeigt, dass Ashoka deutlich mehr Investoren als BonVenture hat, die dafür aber nur kleinere Beträge investieren. Dies liegt zum einen darin begründet, dass die Investoren an Ashoka spenden und bei BonVenture eine Einlage tätigen, deren Wert erhalten bleiben soll. Zum anderen lässt es sich auch auf die Aufbaukosten einer eigenen Venture-Philanthropy-Gesellschaft zurückführen. Bei kleinen Einlagen der Investoren lohnt die Gründung einer eigenen Gesellschaft nicht. Des Weiteren bestehen auch Skaleneffekte bei Venture-PhilanthropyGesellschaften.820 Beide Effekte zusammen, die hohen Aufbaukosten und die Skaleneffekte, können zu einer Selbstselektion führen. These 1:

Je höher die Summe ist, die ein Investor für eine gesellschaftliche Rendite investieren möchte, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass er eine eigene Gesellschaft gründet.

Der in These 1 formulierte Zusammenhang wird verstärkt durch die Bedeutung, die ein eigenes Anliegen bei der Entscheidung spielt, Kapital für gemeinnützige Zwecke

819

Vgl. Abschnitt 2.4.2.3.

820

Vgl. Abschnitt 3.2.1.

5.2 Auswahlprozess

283

einzusetzen. Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften bieten den Investoren den Vorteil, dass sie Mittel stärker entsprechend ihren eigenen Anliegen und Zielen investieren können. Bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften müssen sich die Investoren mit dem Anliegen der Gesellschaft identifizieren, auf die sie, wenn überhaupt, nur indirekt Einfluss nehmen können. These 2:

Je stärker das inhaltliche Anliegen eines Investors ist, desto geringer ist die Volumenschwelle, ab der er bereit ist, eine eigene FamilienVenture-Philanthropy-Gesellschaft zu gründen gegenüber der Investition in eine unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaft.

Es kommt daher vermutlich zu einer weiteren Selbstselektion. Der Anteil derjenigen Investoren, die ein spezifisches soziales Anliegen verfolgen, ist bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften kleiner als bei Familien-Venture-PhilanthropyGesellschaften. These 3:

Investoren von unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften legen einen größeren Wert abstrakt auf die gesellschaftliche Renditemaximierung, während Investoren von Familien-Venture-PhilanthropyGesellschaften stärker konkrete inhaltliche Anliegen haben.

Um dennoch Investoren zu gewinnen, denen ein bestimmtes Thema am Herzen liegt, bietet beispielsweise Ashoka Investoren an, die Stipendien der Fellows mit passendem thematischen Fokus zu übernehmen. Auch das angesprochene Vodafone-BildungsCluster ist ein Beispiel für diese thematische Zuschneidung auf den Investor. Mit Hilfe dieser Strategie wird beabsichtigt, auch für Investoren mit inhaltlichen Anliegen attraktiv zu sein. Im Folgenden geht es um die Frage, welche personellen Ressourcen in diesem Zusammenhang für Fundraising und Investorenbetreuung benötigt werden. Daraus ergibt sich der für den Auswahlprozess und die Betreuung der Portfolioorganisationen zur Verfügung stehende Anteil, denn vereinfachend kann die Ressourcenverwendung in Fundraisingaufwand (inklusive Betreuung der Investoren) und Aufwand für den Auswahlprozess und die Betreuung der Portfolioorganisationen aufgeteilt werden. Da Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften von den Investoren gegründet und finanziell ausgestattet werden, ist weiteres Fundraising kaum nötig. Unabhängige Ven-

284

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

ture-Philanthropy-Gesellschaften müssen dagegen aktiv Investoren suchen und für eine Kapitaleinlage gewinnen. Die Fallstudien zeigen, dass BonVenture einen kleineren Anteil der Ressourcen für Fundraising aufwendet und nach der Gründung schneller mit der Suche von Portfolioorganisationen beginnen konnte. These 4:

Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften wenden weniger Ressourcen für das Fundraising auf als unabhängige Venture-PhilanthropyGesellschaften.

Beide Gesellschaften müssen den Kontakt zu ihren Investoren pflegen und an diese regelmäßig berichten. Oben wurde gezeigt, dass die Investoren unabhängiger VenturePhilanthropy-Gesellschaften in der Regel geringere Summen Kapital zur Verfügung stellen als die Investoren von Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Dies könnte dazu führen, dass die Kontrolle bei unabhängigen Venture-PhilanthropyGesellschaften weniger intensiv ist, weil sie sich aus Sicht jedes einzelnen Investors weniger lohnt, was wiederum den Berichtsaufwand vermindert. Vermutlich dürfte dieser, aus Sicht der Venture-Philanthropy-Gesellschaft, positive Effekt den Mehraufwand, den das Berichten an mehr Investoren bedeutet, überkompensieren. Hinzu kommt, dass bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften die Investoren, anders als bei Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften, in den Auswahlprozess nicht eingebunden sind und nicht den damit verbundenen ständigen und direkten Kontakt zu den Mitarbeitern der Gesellschaft haben, der ressourcenaufwendig ist. Insgesamt kommt man folglich zu dem Schluss: These 5:

Unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaften wenden weniger Ressourcen für die Betreuung und Einbindung der Investoren auf als Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften.

Es stellt sich in der Folge die Frage, ob Familien- oder unabhängige VenturePhilanthropy-Gesellschaften jeweils mehr Ressourcen für Fundraising und Betreuung der Investoren aufwenden. Wenngleich den Fallstudien zufolge der Unterschied nicht groß ist, beansprucht die zusätzliche Einbindung der Investoren in den Auswahlprozess bei Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften weniger Ressourcen als das Fundraising bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Wenn aber eine Gesellschaft weniger Ressourcen für das Fundraising und die Betreuung der In-

5.2 Auswahlprozess

285

vestoren aufbringen muss, stehen entsprechend mehr Ressourcen für die Suche, Auswahl und Betreuung von Portfoliogesellschaften zur Verfügung. These 6:

5.2.1.1.2

Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften können einen größeren Anteil der personellen Ressourcen für die Suche, Auswahl und Betreuung von Portfolioorganisationen aufwenden als unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaften.

Mitspracherechte und Effizienz des Auswahlprozesses

Im nächsten Schritt rücken der Auswahlprozess und die Betreuungsphase ins Blickfeld. Hier stellt sich vor allem die Frage, ob es Gründe für systematische Unterschiede der Effizienz der Prozesse gibt. Die Investoren von BonVenture nutzen ihre Möglichkeit, über Investitionen zu entscheiden. Über ein Drittel der Anfragen wird vom Beirat in einer späten Stufe abgelehnt. Bei Ashoka hingegen wurden in den letzten zwei Auswahlprozessphasen bisher nur drei Kandidaten – weniger als 10 % – abgelehnt. Eine Ablehnung durch einen Investor kam nicht vor, da Investoren keine Mitspracherechte haben. These 7:

Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften, die ihre Anteilseigner im letzten Auswahlschritt in die Vergabeentscheidung einbeziehen, weisen im letzten Auswahlschritt eine höhere Ablehnungsquote als unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaften auf.

Die BonVenture-Datenbank zeigt, dass häufig individuelle Gründe zur Ablehnung eines Projektes durch die Beiräte führen und es für Mitarbeiter dadurch nicht möglich ist, die Meinung der Beiräte im Voraus einzuschätzen. Hieran lässt sich auch die Bedeutung der persönlichen Anliegen der Investoren erkennen. Demgegenüber nutzt Ashoka explizite Auswahlkriterien und transparente Entscheidungsregeln. Die Einschätzung des nachgelagerten Entscheidungsgremiums kann recht gut vorhergesehen werden.

286 These 8:

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen Investoren von Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften nutzen weniger explizite und transparente Entscheidungsregeln als die oberste Entscheidungsinstanz von unabhängigen Venture-PhilanthropyGesellschaften.

Vermutlich liegt die Ursache für den hohen Anteil der Anfragen, die in einem späten Auswahlprozessschritt eine Absage erhalten, vor allem in den Entscheidungsregeln der Gremien. These 9:

Je weniger transparent die Entscheidungsregeln einer Entscheidungsinstanz sind, desto höher ist die Ablehnungsquote in dieser Entscheidungsinstanz.

Finanzierungsanfragen binden Ressourcen bei der Venture-Philanthropy-Gesellschaft während des Auswahlprozesses. Der Auswahlprozess ist daher darauf ausgerichtet, mit möglichst geringem Ressourcenaufwand die relevanten Anfragen herauszufiltern. Wenn den zuarbeitenden Gremien die Auswahlkriterien der nachgelagerten Gremien nicht bekannt sind, können sie diese im Auswahlprozess nicht untersuchen. So besteht die Gefahr, dass Anfragen erst spät im Auswahlprozess abgelehnt werden, obwohl sie hätten früher abgelehnt werden können, wenn die Auswahlkriterien bekannt gewesen wären. These 10: Je höher die Ablehnungsquote in späten Auswahlstufen aufgrund intransparenter Entscheidungsregeln ist, desto ineffizienter ist der Auswahlprozess. Aufgrund dieses Zusammenhangs hat BonVenture zusätzlich die frühe Einbindung der Beiräte durch eine Kurzinformation in der fünften Auswahlstufe in den Auswahlprozess eingeführt. Dadurch soll schon möglichst früh im Prozess herausgefunden werden, ob ein Beirat einen Einwand gegen ein Projekt hat und somit eine ressourcenaufwendige Prüfung unterlassen werden kann. Die Effizienz des Auswahlprozesses kann auch durch den Druck, den Investoren auf eine Gesellschaft ausüben, beeinflusst werden. Es wurde bereits herausgearbeitet, dass Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften keine weiteren Investoren gewinnen müssen und die Investoren der Gesellschaften stärker thematisch orientiert sind und

5.2 Auswahlprozess

287

stärker Soziales selbst gestalten wollen. Die Gesellschaft muss sich folglich nicht am Markt bewähren. Anders als z.B. im Venture-Capital-Sektor beschränken sich die Investoren nicht auf die Kontrolle. Bei Unzufriedenheit mit der Gesellschaft werden vermutlich personelle Konsequenzen gezogen, aber es wird nicht das Engagement an sich in Frage gestellt. Ähnlich wie bei unabhängigen Venture-Capital-Gesellschaften, ist auch bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften der Marktdruck höher.821 Im Vergleich zu inhaltlichen Anliegen verfolgen die Investoren hier stärker das Ziel der gesellschaftlichen Renditemaximierung. Zudem müssen laufend Investoren gewonnen und überzeugt werden. Anders als bei einer Gesellschaft, in die man auch persönlich involviert ist, können Investoren der unabhängigen Gesellschaften Kapital leichter abziehen oder kein zusätzliches investieren. Auch wenn die soziale Rendite schwer messbar ist, ist davon auszugehen, dass Investoren die Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft zumindest teilweise einschätzen können. Der höhere Marktdruck hat vermutlich positiven Einfluss auf die Effizienz der Gesellschaft. These 11: Bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften führen die Marktkräfte zu einem höheren Effizienzdruck auf den Auswahlprozess als bei Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Unter 2.3.2.1 wurde bereits die Annahme erläutert, dass Menschen einen höheren Nutzen erzielen, wenn sie selbst und nicht andere zur Lösung eines gesellschaftlichen Problems beitragen (Warm-glow-Effekt). Investoren von Familien-VenturePhilanthropy-Gesellschaften sind unmittelbarer bei der Erbringung der Leistung involviert, sie profitieren folglich stärker als Investoren von unabhängigen VenturePhilanthropy-Gesellschaften, die eher mittelbarer zur Lösung eines gesellschaftlichen Problems beitragen. Damit beide den gleichen privaten Nutzen erzielen, muss die unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaft eine höhere gesellschaftliche Rendite erzielen, um den fehlenden Warm-glow-Effekt zu kompensieren. Folglich sind der Druck und die Erwartung der Investoren hinsichtlich der gesellschaftlichen Rendite bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften größer als bei Familien-VenturePhilanthropy-Gesellschaften.

821

Vgl. Abschnitt 3.3.1.4.

288

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

These 12: Die gesellschaftliche Renditeerwartung der Investoren unabhängiger Venture-Philanthropy-Gesellschaften und dadurch der Effizienzdruck auf den Auswahlprozess sind höher als bei Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaften können aber Maßnahmen ergreifen, die ebenfalls zu einem Warm-glow-Effekt bei den Investoren führen. Dazu zählt beispielsweise die Vernetzung der Investoren mit den geförderten Organisationen. Für Investoren wird dann der Effekt ihrer Spende offensichtlich und ein Warm-glow-Effekt kann entstehen. Ashoka unternimmt mehrere Maßnahmen, die auf das Ziel, einen Warm-glow-Effekt zu erzeugen, zurückgeführt werden können. Weil die in den obigen Thesen formulierten Effekte alle auf eine höhere Effizienz des Auswahlprozesses von unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften hindeuten, kann insgesamt festgehalten werden: These 13: Der Auswahlprozess von unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften ist effizienter als von Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Damit ergibt sich, dass Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften zwar einen größeren Anteil der personellen Ressourcen für die Suche und Betreuung von Portfolioorganisationen aufbringen können, dass aber unabhängige Venture-PhilanthropyGesellschaften effizienter sind bei der Suche und Betreuung von Portfolioorganisationen. Welcher Effekt im Saldo überwiegt, lässt sich im Rahmen der Arbeit nicht klären.

5.2.1.2 Einfluss der Rendite- und Risikoorientierung Neben der Nähe der Investoren zu den Gesellschaften ist der zweite wesentliche Unterschied zwischen Ashoka und BonVenture die positive private finanzielle Rendite, die BonVenture als Nebenbedingung erfüllen muss, während Ashoka mit Spenden eine Rendite von -100% erzielt. Für die folgenden Überlegungen werden zunächst einige Annahmen getroffen. Diese basieren zwar grundsätzlich auf den Fallstudien, sind aber sehr rigide und stark vereinfachend. Im Laufe der Überlegungen werden sie teilweise gelockert und neue Annahmen eingeführt. Die erste Annahme ist, dass

5.2 Auswahlprozess

289

Venture-Philanthropy-Gesellschaften immer erst die Investitionen mit der höchsten Rendite tätigen und mit Ausdehnung des Investitionsvolumens die Bruttorendite sinkt. Dies gilt sowohl in Bezug auf die soziale als auch die private Rendite. Die Fixkosten des Auswahlprozesses und dadurch entstehende Skaleneffekte werden hier ausgeblendet. Weiterhin wird hier vereinfachend angenommen, dass die soziale Rendite nur schwer eingeschätzt werden kann und dadurch für die Venture-PhilanthropyGesellschaft teilweise transparent, für Investoren aber gar nicht transparent ist. Die finanzielle Rendite ist dagegen für die Gesellschaft und die Investoren vollkommen transparent. Die letzte Annahme ist, dass Gesellschaften grundsätzlich wachsen wollen. Diese Annahme ist entscheidend, denn sie verdeutlicht einen Interessenkonflikt zwischen den Investoren, die annahmegemäß die gesellschaftliche Rendite maximieren wollen, und der Venture-Philanthropy-Gesellschaft, die wachsen möchte. Es wird angenommen, dass mit dem Wachstum der Gesellschaft auch Gehaltssteigerungen und größere Anerkennung der führenden Mitarbeiter verbunden sind. Die folgenden Überlegungen wenden also die Logik der Principal-Agent-Theorie an mit divergierenden Interessen zwischen Investoren und Venture-Philanthropy-Gesellschaft sowie asymmetrischer Informationsverteilung in Bezug auf die soziale Rendite. Die Frage, die sich stellt, ist, welchen Einfluss die Rendite- und Risikoorientierung der Gesellschaft auf den Auswahlprozess hat. Es wird dabei nicht auf den Inhalt des Prozesses eingegangen (das erfolgt in den folgenden Abschnitten), vielmehr steht im Vordergrund die Frage, ob es Mechanismen gibt, die dazu führen, dass keine unrentablen Investitionen getätigt werden. Da unter den getroffenen Annahmen die soziale Rendite für die Investoren der Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften nicht transparent wird, die private Rendite immer –100% beträgt und die Gesellschaft wachsen will, gibt es für die VenturePhilanthropy-Gesellschaft keinen Anreiz, die Investitionen zu beschränken. Dem Drang nach Größe steht keine Kraft entgegen, die zu einem stabilen Gleichgewichtsinvestitionsvolumen führen würde. Falls ausreichend Investoren gewonnen werden können, werden die Investitionen der Gesellschaft über ein effizientes Volumen hinaus ausgedehnt. These 14: Wenn Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften ausreichend Kapital zur Verfügung steht, dehnen sie das Investitionsvolumen über das effiziente Maß hinaus aus.

290

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

Social-Venture-Capital-Gesellschaften haben dagegen finanzielle Nebenbedingungen zu erfüllen. Weil die finanzielle Rendite mit steigendem Investitionsvolumen sinkt und Investoren dies erkennen, gibt es einen Anreiz, die Investitionen nur bis zu einem bestimmten Volumen auszudehnen. These 15: Social-Venture-Capital-Gesellschaften dehnen das Investitionsvolumen nur so weit aus, wie die finanziellen Renditeziele eingehalten werden können. Weil nur die finanzielle Rendite für die Investoren sichtbar wird, besteht für die Gesellschaften eine Anreizverzerrung zur privaten finanziellen Rendite. Sie werden im Vergleich zur sozialen Rendite einen größeren Fokus auf die finanzielle Rendite legen, als die Investoren dies vorgeben. These 16: Social-Venture-Capital-Gesellschaften legen zu großen Wert auf die finanzielle Rendite und zu geringen Wert auf die soziale Rendite im Vergleich zu den Vorgaben bzw. Erwartungen der Investoren. Wenn man die zusätzliche Annahme einführt, dass es einen Zielkonflikt gibt zwischen der sozialen und der privaten Rendite, lassen sich weitere Schlussfolgerungen ziehen. Zunächst werden Investitionsmöglichkeiten vorliegen, die sowohl eine gute soziale Rendite abwerfen als auch die finanziellen Nebenbedingungen erfüllen. Mit Ausdehnung des Investitionsvolumens werden potenziell die Renditeziele nicht mehr erreicht. Die Social-Venture-Capital-Gesellschaft kann aber, für die Investoren unerkannt, bis zu einem gewissen Punkt die soziale Renditeanforderung zurücknehmen und dadurch weitere Investitionen tätigen, die den finanziellen Nebenbedingungen gerecht werden. These 17: Ab einer bestimmten Schwelle reduzieren Social-Venture-CapitalGesellschaften die soziale Rendite der Investitionen, um die finanzielle Rendite konstant halten zu können. Die obigen Thesen wurden auf Basis der eingangs getroffenen Annahmen abgeleitet. Es stellt sich die Frage, ob diese Thesen in der Praxis realistisch sind bzw. welche Mechanismen es gibt, die gegen die Thesen sprechen. Wesentlichen Einfluss auf die

5.2 Auswahlprozess

291

oben postulierten Zusammenhänge hat die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Investoren und Venture-Philanthropy-Gesellschaft. These 18: Je geringer die asymmetrische Informationsverteilung zwischen der Venture-Philanthropy-Gesellschaft und den Investoren ist, desto schwächer treten die in These 14, These 16 und These 17 formulierten Probleme auf. Durch die enge Einbindung der Investoren in die Auswahlentscheidung bei FamilienVenture-Philanthropy-Gesellschaften ist davon auszugehen, dass die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Investoren und Mitarbeitern dieser Gesellschaften gringer ist und dadurch auch geringere Spielräume für opportunistisches Verhalten der Mitarbeiter entstehen als bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Daher gilt: These 19: Bei Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften treten die in These 14, These 16 und These 17 formulierten Probleme in geringerem Umfang auf als bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Zudem hat auch die Annahme, dass die soziale Rendite nur schwer gemessen werden kann, erheblichen Einfluss auf die obigen Thesen. Dabei ist ein definitorisches Element von Venture-Philanthropy-Gesellschaften, dass sie das Ziel haben, ihre Wirkung zu messen und nachzuweisen. These 20: Je besser die soziale Rendite gemessen werden kann und je genauer sie gemessen wird, desto schlechter können Spenden-VenturePhilanthropy- und Social-Venture-Capital-Gesellschaften sich opportunistisch verhalten (These 14, These 16, These 17). Fraglich ist allerdings auch, ob es überhaupt Spenden-Venture-PhilanthropyGesellschaften gibt, die ein Fondsvolumen haben, das so groß ist, dass tatsächlich nicht mehr ausreichend renditekräftige Investitionsmöglichkeiten gefunden werden können. Insbesondere in einem jungen Markt, in dem die ersten Kapital-Anbieter aktiv werden, ist dies zu bezweifeln. Langfristig kann dieses Problem aber durchaus auftreten, wenn man beispielsweise die Größe der Gates-Foundation betrachtet.

292

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

Bisher wurden die Auswahlkriterien, die Venture-Philanthropy- und Venture-CapitalGesellschaften anlegen, aus der Betrachtung ausgeschlossen. Dabei nehmen sie eine wichtige Funktion ein, um die obigen Probleme zu mildern oder auszuschließen. Sie können als Signaling-Mechanismus der Venture-Capital-Gesellschaften interpretiert werden, der zu einer Reduzierung der oben angegebenen Agency-Probleme führt. Explizite Auswahlkriterien sind ein Mechanismus, der sicherstellen soll, dass nur solche Organisationen eine Finanzierung erhalten, die speziellen Anforderungen genügen. Es ist davon auszugehen, dass die Erfüllung der Auswahlkriterien mit der sozialen und finanziellen Rendite korreliert bzw. sie determiniert. Sowohl Ashoka als auch BonVenture nutzen Auswahlkriterien, genau um einen bestimmten Qualitätsstandard der Portfolioorganisationen festzulegen. These 21: Explizite Auswahlkriterien der Gesellschaften schwächen die in These 14, These 16 und These 17 formulierten Zusammenhänge ab. Sämtliche oben skizzierten Probleme lösen sich auf, wenn die Mitarbeiter der VenturePhilanthropy-Gesellschaft im Sinne eines Stewards die Interessen der Investoren verfolgen, die annahmegemäß das Ziel der gesellschaftlichen Renditemaximierung anstreben. In diesem Fall besteht kein Interessenkonflikt, so dass die Gesellschaft nur solche Social Ventures auswählt, die den Vorstellungen der Investoren entsprechen. Die Größe der Venture-Philanthropy-Gesellschaft ist in einem solchen Fall irrelevant für die Agenten (Mitarbeiter der Venture-Philanthropy-Gesellschaft).822

822

Allerdings ist die Realitätsnähe der Annahme, Investoren wollten die gesellschaftliche Rendite maximieren, fraglich. Es ist denkbar und wahrscheinlich, dass Investoren die soziale und die private Rendite nicht gleich gewichten. Investoren sind häufig nur dann bereit, Kapital für soziale Zwecke zu investieren, wenn die soziale Rendite besonders hoch ist. Mit anderen Worten, für ein bestimmtes privates Nutzenniveau eines Investors muss die soziale finanzielle Rendite deutlich höher sein als die private finanzielle Rendite. Die Venture-Philanthropy-Gesellschaft bewertet dagegen sämtliche finanziellen Effekte gleich und maximiert – annahmegemäß – tatsächlich die gesellschaftliche Rendite. In diesem Fall agiert die Venture-Philanthropy-Gesellschaft nicht mehr als Steward, obwohl sie die gesellschaftliche Rendite maximiert. Dadurch entsteht für die Venture-Philanthropy-Gesellschaft ein Anreiz, die soziale Rendite der eigenen Projekte zu hoch auszuweisen. Aus diesem Interessenkonflikt ergeben sich vermutlich relevante Implikationen, die hauptsächlich das Fundraising betreffen und keinen direkten Einfluss auf den Auswahlprozess haben. Sie werden daher in dieser Arbeit nicht weiter besprochen.

5.2 Auswahlprozess

293

5.2.2 Deal Origination 5.2.2.1 Dealflow allgemein Ähnlich wie Venture-Capital-Gesellschaften bemühen sich beide untersuchten Gesellschaften, einen möglichst qualitativ hochwertigen Dealflow zu erzeugen. Sie gehen dabei implizit davon aus, dass nur ganz wenige Projekte das Potenzial haben, großflächige gesellschaftliche Veränderung herbeizuführen. Bei BonVenture und Ashoka ist mit ca. 300 Anfragen pro Jahr auch die Anzahl der Finanzierungsanfragen vergleichbar mit der Anzahl im Venture-Capital-Bereich. Die Strategie, die DealflowQualität zu steigern, ergibt sich aus dem Ziel, eine möglichst hohe gesellschaftliche Rendite zu erzielen. These 22: Je höher die Renditeziele sind (sozial und/oder privat), desto stärker bemüht sich die Venture-Philanthropy-Gesellschaft, den qualitativen Dealflow zu erhöhen. Die Einteilung der Anfragen im Venture-Capital-Sektor in direkte Anfragen, recherchierte Anfragen und vermittelte Anfragen kann im Venture-Philanthropy-Sektor übernommen werden.823 Beide Gesellschaften akzeptierten zu Beginn dieser Untersuchung alle drei Formen der Bewerbung. Diese Unterteilung ist eine nachvollziehbare Abgrenzung, obwohl in der Praxis die drei Wege auch verschwimmen können. Die Erfolgsaussichten einer Direktbewerbung sind bei beiden Organisationen äußerst gering. Bei Ashoka wurde bisher auf noch keine Direktbewerbung eine Zusage erteilt, bei BonVenture nur auf 0,4% der direkten Anfragen. Die Wahrscheinlichkeit für re-

823

Diese hier vorgenomme Einteilung der Deal-Quellen wird der Einteilung in passive und proaktive Quellen, die Scarlata/Alemany (2009) vornehmen, bevorzugt, weil sie zu einer eindeutigeren Abgrenzung führt. Beispielsweise unterscheiden Scarlata/Alemany (2009) zwischen passiven Vermittlungen aus dem Netzwerk und proaktiven Nomierungen aus dem Netzwerk. In der Praxis ist es aber kaum möglich, diese Unterscheidung vorzunehmen. Die Kategorie Initiierung einer Organisation, die Scarlata/Alemany (2009) als proaktive Dealquelle aufführen, wird hier nicht mit aufgenommen. Erstens kommt sie in den Fallstudien als „Deal-Quelle“ nicht vor und zweitens sind Venture-Philanthropy-Gesellschaften definitionsgemäß Finanzintermediäre und grenzen sich damit beispielsweise von operativen Stiftungen und Inkubatoren ab, die regelmäßig neue Organisationen initiieren.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

294

cherchierte Organisationen, eine Finanzierungszusage zu erhalten, liegt zwischen der für vermittelte Anfragen und Direktbewerbungen. Die absoluten Wahrscheinlichkeiten einer Finanzierungszusage liegen in beiden Fallstudien, wie es zunächst scheint, weit auseinander. Bei Ashoka erhalten 17% der vermittelten Anfragen eine Finanzierungszusage, bei BonVenture nur 3,4%. Die Differenz entsteht aber größtenteils dadurch, dass in der Ashoka-Datenbank nur diejenigen Anfragen erfasst werden, die das erste Screening überstanden haben. Würde man bei BonVenture nur vergleichbare Anfragen berücksichtigen, also jene, die das erste Screening überstanden haben, dann erhielten insgesamt 5% und von den vermittelten Anfragen 12% eine Zusage (gegenüber 6% und 17% bei Ashoka). Ein Grund für den verbleibenden Unterschied der Quote bei vermittelten Anfragen kann die Art der Klassifizierung sein. BonVenture klassifiziert nämlich auch jene Bewerbungen, die sich auf eine Person berufen, als vermittelt, während bei Ashoka nur solche Anfragen als vermittelt gekennzeichnet werden, bei denen der Vermittler selbst aktiv geworden ist. These 23: Die Qualität der Investitionsanfragen ist bei vermittelten Anfragen am höchsten, gefolgt von recherchierten Organisationen und deren Anfragen. Am niedrigsten ist die Qualität der Direktanfragen. Vor dem Hintergrund der obigen Ergebnisse verwundert es nicht, dass 25% der europäischen und US-amerikanischen Venture-Philanthropy-Gesellschaften angeben, keine Direktbewerbungen zu akzeptieren.824 Ashoka hat im Jahr 2009, reagierend auf die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung, ebenfalls die Strategie geändert und Direktbewerbungen ausgeschlossen. Grundlage dieser Überlegung ist, dass eine für die Förderung in Frage kommende Person ausreichend vernetzt sein muss, um einen relevanten Vermittler als Vorschlagenden zu gewinnen. Vermittler agieren als verlängerter Arm der Venture-Philanthropy-Gesellschaft. Sie sind nicht bei der Gesellschaft beschäftigt, unterstützen sie aber dabei, geeignete Portfolioorganisationen zu finden. Mit ihrer Hilfe können die Gesellschaften ihren Dealflow erhöhen.

824

Vgl. Abschnitt 3.4.1.

5.2 Auswahlprozess

295

These 24: Je größer das Vermittler-Netzwerk der Gesellschaft ist, desto mehr Organisationen werden ihr vermittelt. Für Venture-Philanthropy-Gesellschaften stellt sich die Frage, wie diese Vermittler im Auswahlprozess optimal eingesetzt werden können. Dabei spielen die Auswahlkriterien eine wichtige Rolle. Unter 2.4.3 wurde gezeigt, dass im Venture-CapitalSektor die Auswahlentscheidung stark auf implizitem Wissen beruht und die Entscheidung deshalb nur schlecht delegiert werden kann. Auswahlkriterien sind dagegen codifizierte, erwartete Erfolgsfaktoren. Die Auswahl anhand dieser Kriterien lässt sich an Vermittler zumindest teilweise delegieren. These 25: Je expliziter die Auswahlkriterien sind, desto besser kann die Vorauswahl von Portfolioorganisationen an Vermittler delegiert werden.

5.2.2.2 Vermittler Während direkte Anfragen und recherchierte Anfragen nicht weiter unterteilt werden müssen, lassen sich vermittelte Anfragen anhand des Vermittlertyps unterscheiden. Auf diese Weise lässt sich herausfinden, welche Vermittlertypen besonders gut vermitteln. Dabei wird hier, wie Abbildung 14 illustriert, eine von der Venture-CapitalLiteratur leicht abweichende Unterteilung vorgeschlagen. Die Herkunft vermittelter Anfragen kann anhand der Finanzströme von Investoren über Finanzintermediäre hin zu den operativen Organisationen zugeordnet werden. Daneben existiert aufgrund ihrer hohen Bedeutung die Kategorie der operativen Stiftungen (Förderstiftungen werden zu den Finanzintermediären gezählt). Operative Stiftungen, insbesondere Preisstiftungen, nehmen eine Sonderrolle ein, da sie weder den Finanzintermediären noch den klassischen operativen Organisationen zugerechnet werden können, aber als Vermittler für Venture-Philanthropy-Gesellschaften bedeutend sind. In der Kategorie sonstige unterstützende Akteure sind einige weitere relevante Vermittler zusammengefasst. Abbildung 14 basiert weitgehend auf den Ergebnissen der Fallstudien. Die Vermittler

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

296

beider Gesellschaften, die in Tabelle 25 und Tabelle 35 dargestellten sind, konnten insgesamt in 20 Typen unterteilt werden.825 Deal Origination

Recherchiert

Direkt

Vermittelt

Investoren

Finanzintermediäre

Operative VentureOrganisaCapital-Getionen sellschaften

Eigene Investoren

VPGs / Förderstiftungen

Portfolio SEs / SVs

Preisstiftungen

Journalisten

NPOs

Sonstige operative Stiftungen

NPODienstleister

Sonstige 1RQ3URILW ,QYHVWRUHQ Sonstige For3rofit Investoren

Syndizierung Weiterempfehlung

VCGs

Syndizierung Weiterempfehlung

Banken

Dienstleist. NPOs Lobbying NPOs

Operative Stiftungen

Unterstützende Akteure

ForprofitDienstleister, Unternehmen

Unternehmer

Wissenschaftliche Institutionen

Öffentliche Institutionen

For-ProfitDealvermittler

Businessplanwettbewerbe

Sonstige

Abbildung 14: Dealflow-Quellen von Venture-Philanthropy-Gesellschaften

825

Tabelle 36 stellt leicht abweichend 21 Typen dar. Die Mitarbeiter, die dort aufgeführt werden, weil sie auch in der Ashoka-Datenbank auftauchen, werden in Abbildung 14 weggelassen, weil sie keine externen Vermittler sind.

5.2 Auswahlprozess

297

In Tabelle 36 sind die Vermittler sowie die von ihnen vermittelten Organisationen für beide Fallstudien gegenübergestellt. Beide Gesellschaften haben ein Netzwerk von über 100 aktiven Vermittlern. Diese müssen identifiziert, angesprochen und für eine Vermittlung gewonnen werden. Der Aufbau des Vermittlernetzwerkes fällt im Rahmen der Transaktionskostentheorie unter die Investitionen in soziale Kontakte. Die Skaleneffekte, die hier entstehen, sind ein wesentlicher Grund für die Existenz von spezialisierten Intermediären. Tabelle 36 liefert Indizien dafür, dass bestimmte Vermittler erfolgreicher sind als andere. Zu den erfolgreichen Vermittlern zählen Preisstiftungen, Förderstiftungen, Portfolioorganisationen, sonstige operative Stiftungen, (bestimmte) öffentliche Institutionen und auf Non-Profit-Organisationen spezialisierte Banken. Diesen verschiedenen Vermittlertypen ist gemeinsam, im Rahmen ihrer Tätigkeit regelmäßig mit anderen operativen Organisationen Kontakt zu haben. Man kann diese Gruppe daher aus Sicht der Venture-Philanthropy-Gesellschaft als Non-Profit-Scouts bezeichnen. These 26: Non-Profit-Scouts eignen sich gut als Vermittler für Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Bei BonVenture sind zusätzlich die Investoren erfolgreiche Vermittler. Für deren Bedeutung gibt es drei denkbare Erklärungen. Die erste könnte darin bestehen, dass Investoren über besonders relevante Kenntnisse des Marktes verfügen. Davon ist in diesem Fall jedoch nicht auszugehen, da die Investoren nicht im Non-Profit-Markt tätig sind. Die zweite Erklärungsmöglichkeit liegt darin, dass die Einbindung der Investoren sich positiv auf die Vermittlungstätigkeit auswirkt. Wie bereits erläutert, wollen Investoren von Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften stärker als Investoren unabhängiger Venture-Philanthropy-Gesellschaften persönliche Anliegen fördern. Das spricht dafür, dass sie sich auch stärker bei der Suche einbringen. Eine dritte alternative Erklärung ist, dass die Investoren deshalb erfolgreiche Vermittler sind, nicht weil sie den Markt oder die Auswahlkriterien besonders gut kennen oder weil sie eingebunden sind, sondern schlicht, weil sie die Entscheidungskompetenz haben. Welcher der zwei letztgenannten Gründe ausschlaggebend ist, kann hier nicht geklärt werden. Es ist überraschend, dass – als spezifisch deutsche Institutionen – die Wohlfahrtsverbände nicht als Vermittler auftreten. Sie sind in Deutschland mit einem Großteil der

298

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

sozialen Leistungserbringung betraut, beherbergen unter ihrem Dach sehr viele operative Non-Profit-Organisationen und führen viele innovative Modellprojekte durch. Es liegt nahe zu vermuten, dass einige Personen in den Wohlfahrtsverbänden als Vermittler gut geeignet sind.

9 4 7 5 5 3 4

18

14

Non-Profit-Dienstleister Privatinvestor VC/PE-Gesellschaft Deal-Vermittler Operative NPO

2

2 50%

0,5

1

1

1

2 21 28 23 11

2 13 15 15 7

6 15

5 2

5 3

3 3

Anzahl Vermittler

Anzahl im Portfolio

Anzahl Vermittler

10

9

Privatperson Businessplan Wettbewerbe Wissenschaftliche Institutionen Lobbying NPO Unternehmer

15

14

14

10

1

1

Stifter Unbekannt

3 11

3 8

43

28

148

105

296

144

Summe

Tabelle 36: Qualitätsunterschiede zwischen Vermittlern

11%

0.3

3

10% 10%

0.6 0.2

4 1

13%

0.3

1

5%

0,1

1

Anzahl im Portfolio

27 20 41 10 12 3 8

Verhältnis Portfolioorganisationen / Vermittler

4 5 1 2 3 3 1 2 2 1

7 2 1 7 10 13 1 6 7 3

Verhältnis Zusagen / Vermittlungen

0,6 2,5 1,0 0,3 0,3 0,2 1,0 0,3 0,3 0,3

10 5 1 7 22 21 3 7 9 6

Anzahl Vermittlungen

Verhältnis Portfolioorganisationen / Vermittler

40% 100% 100% 29% 14% 14% 33% 29% 22% 17%

Anzahl Vermittlungen Förderstiftung Preisstiftung Investor Portfolioorganisation Sonstige operative Stiftung Öffentliche Institution Bank Mitarbeiter Unternehmen & Dienstleister Journalist

BonVenture

Verhältnis Zusagen / Vermittlungen

Ashoka

5.2 Auswahlprozess

299

5.2.2.3 Dealflow-Quelle und Absagegründe Tabelle 23 und Tabelle 33 lassen erkennen, dass in beiden Gesellschaften der Social Entrepreneur bei vermittelten Anfragen häufiger der Absagegrund ist als bei Direktbewerbungen oder recherchierten Organisationen. Bezüglich der anderen Kriterien ergibt sich kein einheitliches Bild. Dies kann auch darauf zurückzuführen sein, dass, wie gezeigt wurde, Ashoka eine proprietäre Kriteriendefinition nutzt. Es wird davon ausgegangen, dass Kriterien, die bei vermittelten Anfragen häufiger als Absagegrund vorkommen, relativ zu den übrigen Kriterien schlechter eingeschätzt werden können. These 27: Vermittler können den Social Entrepreneur im Vergleich zu anderen Kriterien schlechter bewerten. Es fällt weiterhin auf, dass der Anteil der Deals, die nicht zustande kommen, weil die Organisation die Anfrage zurückzieht, bei vermittelten Anfragen wesentlich höher ist. Denkbar ist, dass diese Organisationen weiterempfohlen wurden, ohne ihren Finanzierungsbedarf zu prüfen. Der Umstand kann aber auch ein Indiz für adverse Selektion sein, weil vermittelte Organisationen eine höhere gesellschaftliche Rendite versprechen und genau für jene Organisationen nach der Principal-Agent-Theorie die Angebote der Venture-Philanthropy-Gesellschaft nicht attraktiv genug sind.

5.2.3 Screening Vergleichbar Venture-Capital-Gesellschaften versuchen auch die beiden untersuchten Venture-Philanthropy-Gesellschaften aus den zahlreichen Anträgen die Aussichtsreichen möglichst rasch und ressourcensparend herauszufiltern. Die Unterteilung der Screeningphase im Modell von FRIED/HISRICH (1994) in ein gesellschaftsspezifisches und ein generisches Screening passt gut zur Realität der beiden untersuchten Fallstudien. These 28: Die Unterteilung der Screening-Phase in ein gesellschaftsspezifisches und ein generisches Screening im Venture-Capital-Sektor kann für den Venture-Philanthropy-Sektor übernommen werden. Die gesellschaftsspezifischen Kriterien können beispielsweise die Region, die Unabhängigkeit der Organisation, der Steuerstatus (gemeinnützig oder privatnützig) der Or-

300

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

ganisation, die Finanzierungsphase, Anlagenfinanzierung versus Betriebsfinanzierung (z.B. Bau einer Schule versus Gehälterfinanzierung), Turnaround versus Wachstum, Ablösung von Kapitalgebern versus Kapitalerhöhung, Modellprojekt versus etabliertes Projekt sowie Produkt versus Dienstleistung sein. Im Screeningprozess gibt es, wiederum im Einklang mit der Venture-Capital-Literatur, gegenüber späteren Auswahlphasen recht starke Abweichungen vom idealtypischen Prozess. Insbesondere der Vermittler nimmt auf den Ablauf Einfluss. Beispielsweise kommt es vor, dass das Screening komplett übersprungen wird, wenn ein erfahrungsgemäß guter Vermittler oder Investor eine Organisation empfiehlt. Die Aktivitäten in der Screeningphase sind wenig standardisiert. Es werden Kurzinterviews geführt, Desktop-Recherchen durchgeführt und im Fall von BonVenture der Businessplan einer Kurzanalyse unterzogen. Ashoka verschickt zwar bei Kandidaten, die sich selbst bewerben, einen kurzen Fragebogen, dieser dient aber eher dazu, dass die Kandidaten selbst überprüfen können, ob sie in das Suchprofil passen. Er ist ein Screeninginstrument, um den Auswahlprozess effizient zu gestalten. Dieser Fragebogen ist nicht mit einem Businessplan zu vergleichen. Der Anteil völlig unpassender Anfragen, die bereits in der Screeningphase abgelehnt werden, ist bei BonVenture sehr hoch (bei Ashoka liegen keine Zahlen vor). Dies geht sowohl aus den Interviews als auch aus der Auswertung der Deal-Datenbank hervor. Viele der aufgrund des fehlenden Social Impact abgelehnten Anfragen sind vermutlich klassische Business Ventures.

5.2.4 Due Diligence 5.2.4.1 Ablauf und Aktivitäten Das Venture-Capital-Modell von FRIED/HISRICH (1994), das die Due-Diligence-Phase in zwei Phasen unterteilt, korrespondiert gut mit den beiden Fallstudien. In der ersten Due-Diligence-Phase überzeugen sich die Gesellschaften davon, dass ein lohnendes Investment vorliegt. In der zweiten Due-Diligence-Phase wird das anvisierte Engagement kritisch hinterfragt, indem nach Gründen gesucht wird, von der Investition doch eher wieder Abstand zu nehmen. Ashokas dritte Due-Diligence-Phase zählt zur zweiten Phase im FRIED/HISRICH-Modell.

5.2 Auswahlprozess

301

These 29: Die Unterteilung der Due-Diligence-Phase im Venture-Capital-Sektor in eine erste Due-Diligence-Phase, in der die Gesellschaft prüft, ob sie die Investition tätigen sollte, und eine zweite Phase, in der sie wiederum Gründe prüft, die gegen die anvisierte Investition sprechen, kann für den Venture-Philanthropy-Sektor übernommen werden. Zwischen den Fallstudien gibt es deutliche Unterschiede hinsichtlich der Informationsbeschaffungsmethoden. BonVenture verhält sich wie die überwiegende Mehrzahl sowohl der Venture-Philanthropy- als auch der Venture-Capital-Gesellschaften und verlangt zu Beginn des Prüfungsprozesses einen Businessplan. Dessen Vollständigkeit ist für BonVenture eine wichtige Voraussetzung für die weitere Prüfung der Investitionsmöglichkeit. Anders als BonVenture trifft Ashoka die Entscheidungen fast ausschließlich auf Basis von Interviews, also persönlich erhaltenen Informationen. Ashoka stellt damit nicht nur im Vergleich zu Venture-Capital-Gesellschaften, sondern auch zu Venture-Philanthropy-Gesellschaften eine Ausnahme dar.826 Nur in der Gruppe der Business Angels ist mit einem Viertel der Anteil derjenigen Gesellschaften recht hoch, die keinen Businessplan verlangen.827 Ein Hauptunterschied zwischen Business Angels und Venture-Capital-Gesellschaften ist das Entwicklungsstadium, in dem die Investition erfolgt. Business Angels investieren typischerweise in einem früheren Stadium, in dem die Unsicherheit noch höher ist als beim typischen Eintrittszeitpunkt einer Venture-Capital-Gesellschaft. Je höher diese Unsicherheit ist, desto schlechter lässt sich die Zukunft planen. Für Venture-Philanthropy-Gesellschaften ist es bei dieser Unsicherheit wichtig, dass der Social Entrepreneur sich bei unvorhergesehenen Ereignissen richtig verhält. Seine Kompetenz bildet die Versicherung für die VenturePhilanthropy-Gesellschaft, dynamisch Lösungen für auftretende Probleme finden zu können. Dies zeigt sich auch in Ashokas Auswahlkriterium „kreativ im Problemlösen“ und in der Erkenntnis aus dem Venture-Capital-Sektor, dass die Kreativität des Gründers mit dem Erfolg korreliert.828 Ashoka hat folglich bezüglich der Informationsbeschaffung aufgrund des Frühphasenfokus mehr Gemeinsamkeiten mit Business Angels als mit Venture-Capital-Gesellschaften.

826

Vgl. Scarlata/Alemany (2009), S. 10. Es ist gut möglich, dass Ashoka in der Umfrage der Autoren die einzige Gesellschaft war, die angegeben hat, keinen Businessplan zu verlangen.

827

Vgl. Fn. 489.

828

Vgl. Abschnitt 4.3.3.5.

302

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

These 30: Je früher in der Entwicklungsstufe eines Social Entrepreneurs oder Social Ventures eine Investition erfolgen soll, desto wichtiger ist der Social Entrepreneur im Vergleich zu einem Businessplan als Informationsbasis. Die Bedeutung des Businessplans im Auswahlprozess wird auch durch die Form der Finanzierung beeinflusst. Für Eigen- und Fremdkapitalfinanzierungen ist eine hinreichende Ertragskraft der finanzierten Organisation eine Investitionsvoraussetzung. Abgebildet wird die Ertragskraft durch die Bilanzen. Zwar sind die Einnahmen und Ausgaben der Zukunft unsicher, aber die Bilanzgrößen sind durch Gesetzmäßigkeiten miteinander verbunden. Bei Spenden sind diese Gesetzmäßigkeiten für die VenturePhilanthropy-Gesellschaft weniger relevant, weil sie keine Rückzahlungsansprüche hat und auch keine Anteile hält, die veräußert werden können, sondern ausschließlich daran interessiert ist, die gesellschaftliche Rendite zu maximieren. Diese lässt sich bisher aber nur schwer messen und abbilden. Der Businessplan ist somit im Wesentlichen auch ein Planungswerkzeug für finanzielle Ergebnisse. These 31: Für Social-Venture-Capital-Gesellschaften ist der Businessplan eine wichtigere Informationsbasis als für Spenden-Venture-PhilanthropyGesellschaften. Ashoka gibt an, dass die Qualität der Businesspläne nicht mit der Qualität der Social Entrepreneurs korreliert. BonVenture erkennt dagegen einen leicht positiven Zusammenhang, obwohl auch sie darauf hinweisen, dass die Qualität der Businesspläne auch von einigen guten Social Entrepreneurs schlecht ist und dass das Konzept nachträglich häufig stark vom Businessplan abweicht. Unter 3.3.1.3 wurden die Hinweise angesprochen, welche zeigen, dass der Businessplan nicht die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt. Die Frage, wann und für wen Businesspläne sinnvoll sind und wann sich andere Methoden der Informationsbeschaffung besser eignen, kann hier nicht geklärt werden. Aber die Ergebnisse der Fallstudien unterstreichen die Bedeutung der Frage, für welche Zwecke ein Businessplan bzw. andere Informationsbeschaffungsmethoden, insbesondere Interviews, geeignet sind. Sowohl Ashoka als auch BonVenture legen Wert auf persönliche Treffen und Gespräche mit den Social Entrepreneurs. Im Ashoka-Auswahlprozess führen mindestens sieben Personen Interviews mit dem Kandidaten. Bei BonVenture ist der Prozess hin-

5.2 Auswahlprozess

303

sichtlich der persönlichen Gespräche weniger stark vorstrukturiert, es finden aber ebenfalls mehrere Gespräche statt, allerdings mit weniger Personen. Auch der Beirat von BonVenture legt Wert darauf, dass der Social Entrepreneur in der Beiratssitzung sein Projekt selbst vorstellt und lehnt es ab, Fördermittel allein auf Basis schriftlicher Unterlagen zu vergeben. Beide Fallstudien sind damit Venture-Capital-Gesellschaften ähnlicher als Förderstiftungen, die teils auch rein auf Basis von schriftlichen Unterlagen entscheiden. Die in den Fallstudien vorkommenden Gespräche können nach verschiedenen Gesprächstypen klassifiziert werden, und zwar anhand von vier Merkmalen. Die erste Unterscheidung basiert auf dem Gesprächsinhalt der sich auf die Biographie oder auf das Konzept beziehen kann.829 Die zweite Unterteilung betrifft das Medium: Hier wird zwischen persönlich und telefonisch geführten Gesprächen unterschieden. Das dritte Merkmal umfasst die Anzahl der Personen sowohl auf der Seite der VenturePhilanthropy-Gesellschaft (Interviewer) als auch des Social Ventures (Interviewter), die an dem Gespräch teilnehmen. Das vierte Merkmal ist die Gesprächsform, mit den Merkmalsausprägungen Monolog (typischerweise in Form einer Präsentation) oder Dialog. Im Venture-Capital-Kontext wurden unterschiedliche Humankapitalbewertungsmethoden untersucht.830 Dabei zeigt sich, dass bestimmte Methoden mit einem größeren Erfolg der Venture-Capital-Gesellschaften korrespondieren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit konnten die verschiedenen Gesprächstypen nicht näher untersucht werden, aber die Fallstudien liefern Hinweise darauf, dass der Gesprächstyp starken Einfluss auf die Bewertung haben kann, wie unter 4.3.2.4.1 gezeigt. Venture-Philanthropy-Gesellschaften sollten die Gesprächsmethode daher mit Bedacht wählen. Für Wissenschaftler ist der Einfluss der Gesprächsmethode auf die Bewertung und indirekt auf die Bewertungsqualität ein relevanter Forschungsbereich. Beide Fallstudien binden externe Experten zum einen als Referenzpersonen und zum anderen zur Unterstützung im Auswahlprozess mit in die Auswahlentscheidung ein. Sie greifen umfangreich auf Referenzprüfungen zurück, die sich sowohl auf die Person des Social Entrepreneurs als auch auf das Konzept beziehen. Diese Expertenein-

829

Ashoka gibt an, auch Schwächeninterviews zu führen, wobei es sich aber letztlich um eine Kombination der Methoden mit speziellen inhaltlichen Themen handelt. Daher wird das Schwächeninterview hier nicht mit berücksichtigt.

830

Vgl. Abschnitt 3.3.1.4.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

304

schätzungen gelten als wichtige entscheidungsunterstützende Information. Darüber hinaus binden beide Gesellschaften auch Externe aktiv in den Auswahlprozess ein. BonVenture konsultiert ein Expertengremium, das jeweils zusammen mit dem Beirat tagt und ohne Stimmrechte beratend Einfluss nimmt. Ashoka dagegen bindet drei externe Experten im neunten Auswahlprozessschritt, den Jury-Interviews, ein und gibt ihnen auch ein Stimmrecht. Einige Indizien sprechen dafür, dass sich die Einbindung externer Experten, sei es als Referenzpersonen oder als Teil des Auswahlprozesses und unabhängig davon, ob sie mit Stimmrechten ausgestattet sind, positiv auf die Auswahlqualität auswirkt. These 32: Die Einbindung externer Experten in die Auswahlentscheidung erhöht die Auswahlqualität.

5.2.4.2 Institutionenökonomische Sicht Venture-Philanthropy-Gesellschaften verfolgen das Ziel, die gesellschaftliche Rendite zu maximieren. Da zunächst große Unsicherheit und asymmetrische Informationsverteilung vorherrschen, wird das Social Venture einer intensiven Prüfung unterzogen. Durch diese Prüfung wird die Unsicherheit reduziert. Der Anteil der wahrgenommen Sucheigenschaften eines Gutes steigt, der Anteil der Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften sinkt.831 Schließlich kann die Venture-Philanthropy-Gesellschaft die Erfolgsaussichten des Social Ventures besser einschätzen. In die besonders guten Social Ventures wird dann investiert. These 33: Die Unsicherheit hinsichtlich der erzielbaren Rendite sinkt im Laufe des Auswahlprozesses. Das Renditepotenzial ist bei neuen, innovativen Konzepten am höchsten, auf die sich beide Gesellschaften daher konzentrieren. Ähnlich wie im finanzwirtschaftlichen Bereich ist davon auszugehen, dass mit einem hohen gesellschaftlichen Renditepotenzial ein hohes gesellschaftliches Risiko bezüglich der Rendite einhergeht. Dieses Risiko hält viele Kapitalgeber davon ab, die betreffenden Organisationen zu finanzieren. Um

831

Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.3.

5.2 Auswahlprozess

305

die Unsicherheit über die Erfolgsaussichten eines Konzeptes zu reduzieren, werden im Auswahlprozess die potenziellen Portfolioorganisationen genau untersucht. These 34: Je stärker der Fokus auf neuen innovativen und damit riskanten Konzepten liegt, desto intensiver ist der Auswahlprozess. Wurde ein neues, innovatives Konzept finanziert und einmal erfolgreich erprobt, sinkt das Risiko für nachfolgende Kapitalgeber erheblich, so dass auch andere Kapitalgeber in Frage kommen. Wie bereits unter 3.2.2 erwähnt, kann es selbst bei der Spendenfinanzierung zur adversen Selektion kommen. Folglich lässt sich argumentieren, dass gerade der Auswahlprozess paradoxerweise die Gefahr der adversen Selektion nicht verringert, sondern erhöht. These 35: Je mehr Ressourcen der Due-Diligence-Prozess einer SpendenVenture-Philanthropy-Gesellschaft beim Social Venture beansprucht, desto größer ist die Gefahr der adversen Selektion. Bei Venture-Philanthropy-Gesellschaften, die mit Krediten und Eigenkapital investieren, tritt das Problem in verschärfter Form auf, weil die Gegenleistung, die das Social Venture erbringen muss, in Form von Zinszahlungen oder Anteilen, die abgetreten werden müssen, höher ist als bei der reinen Spendenfinanzierung. Zudem haben Social Ventures vermutlich besser als Business Ventures die Möglichkeit, auf andere Finanzierungsformen, speziell die Spendenfinanzierung, auszuweichen. In der Tabelle 31 erkennt man, dass rund 9% aller Organisationen, die sich bei BonVenture für eine Finanzierung bewerben, die Anfrage zurückziehen. Der Anteil nimmt im Laufe des Auswahlprozesses deutlich auf 25% zu, wie Tabelle 32 zeigt. Ashoka hält in der Datenbank nicht fest, wenn jemand seine Bewerbung zurückzieht. Aus Interviews geht aber hervor, dass dies vorkommt, gleichwohl seltener als bei BonVenture. Dieses Ergebnis passt gut zu den obigen Überlegungen. These 36: Bei Social-Venture-Capital-Gesellschaften steigt im Laufe des Auswahlprozesses die Wahrscheinlichkeit, dass eine Finanzierungsanfrage zurückgezogen wird.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

306

These 37: Das Problem der adversen Selektion wiegt bei Social-Venture-CapitalGesellschaften schwerer als bei Venture-Philanthropy-Gesellschaften.

5.2.4.3 Psychologische Sicht Grundsätzlich haben Venture-Philanthropy-Gesellschaften verschiedene Optionen bei der Strukturierung und Organisation des Auswahlprozesses. Einige wesentliche Fragen sind: Welche Personen (-gruppen) sollen in welchem Prozessschritt mit welchen Aufgaben und Kompetenzen in die Auswahl eingebunden werden? Des Weiteren stellt sich die Frage, welche Dokumente im Auswahlprozess herangezogen werden. Beispielsweise nutzen beide Fallstudien Due-Diligence-Reports, in Banken wird ein Kreditantrag verfasst, der einem über die Kreditvergabe entscheidenden Kreditkomitee vorzulegen ist, und in Venture-Capital-Gesellschaften wird ein Due-Diligence-Report zur Vorlage vor einem Investmentkomitee verfasst. Die Frage der Strukturierung des Auswahlprozesses ist vor allem vor dem Hintergrund so zentral, dass Venture Capitalists, wie unter 3.3.2.2.6 und 3.3.2.2.7 gezeigt, in vielerlei Hinsicht nur eingeschränkt rational entscheiden. Dies dürfte in sehr ähnlicher Form auch auf VenturePhilanthropists zutreffen, bei denen die Gestaltung des Auswahlprozesses vermutlich ebenso Einfluss auf die Schwere der psychologischen Verzerrungen bei der Entscheidungsfindung hat. Zur Abhilfe für einige solcher psychologischen Verzerrungen bei der Entscheidungsfindung wurden u.a. Checklisten vorgeschlagen. Eine ähnliche Funktion wie diese nimmt der Due-Diligence-Report ein. In ihm wird strukturiert die Kriterienerfüllung diskutiert. Des Weiteren wurde gezeigt, dass statistische Modelle auf Basis von Einzelkriterienbewertung durch Venture Capitalists Unternehmen besser klassifizieren als Venture Capitalist selbst. Auf Basis dieser Erkenntnisse lassen sich folglich Erwartungen für den Venture-Philanthropy-Sektor bilden. These 38: Systematische Kriterienchecklisten (z.B. in Form eines Due-DiligenceReports) reduzieren psychologische Verzerrungen bei der Entscheidungsfindung über Investitionen und erhöhen dadurch die Entscheidungsqualität.

5.2 Auswahlprozess

307

These 39: Entscheidungsunterstützende, statistische Modelle erhöhen die Entscheidungsqualität. Unter 3.3.2.2.7 wurde gezeigt, dass persönliche Eigenschaften und Erfahrungen von Venture Capitalists sich auf die Bewertung von Managementteams auswirken und es daher vorteilhaft sein kann, Unternehmen unabhängig voneinander durch mehrere Mitarbeiter bewerten zu lassen sowie Mitarbeiter mit heterogenem Hintergrund einzustellen. Bei Ashoka führen im Rahmen der Due Diligence zwei unterschiedliche Personen das erste und das zweite Interview durch. Wie Tabelle 22 zeigt, unterscheiden sich die Häufigkeiten einzelner Absagegründe bei dem ersten und dem zweiten Interview nicht stark. Im dritten Interview, das meist persönlich (und nicht telefonisch) und zudem häufig durch zwei Mitarbeiter geführt wird, verschieben sich die Häufigkeiten. Die betreffenden Zahlen sind mit der Erkenntnis vereinbar, dass unterschiedliche Personen auf unterschiedliche Aspekte achten. Dem entspricht, dass die Tendenz, persönliche Eigenschaften der anfragenden Person mit fortschreitendem Auswahlprozess immer häufiger, Konzept- und Marktgründe hingegen seltener als Ablehnungsgrund anzugeben, sich im zweiten Interview nicht fortsetzt. Würde der Zweitinterviewer anhand der gleichen Kriterien wie der Erstinterviewer entscheiden und wäre er zudem vorab gut informiert, dann müsste sich die Tendenz weg von Konzept und Markt hin zu personenbezogenen Kriterien auch im zweiten Interview fortsetzen. Freilich ist die Anzahl der Fälle in Tabelle 22 sehr gering. Wenn, anders als bei Ashoka, nicht nach jedem Prozessschritt auch andere Mitarbeiter in die Entscheidung mit einbezogen werden, sondern zwei Personen unabhängig voneinander und einzeln über das Fortkommen im Prozess entscheiden, dann besteht zwei Mal hintereinander die Gefahr, dass ein Kandidat aufgrund psychologischer Effekte fälschlicherweise abgelehnt wird. Insgesamt kann aufgrund der Fallstudien und der Ergebnisse aus der Venture-Capital-Literatur Folgendes geschlossen werden: These 40: Die Qualität der Auswahlentscheidung steigt, wenn statt einer zwei Personen unabhängig voneinander zur Auswahlentscheidung beitragen, die Entscheidung selbst aber gemeinsam getroffen wird. Genau dieses Verfahren wird bei der Diskussion der Jury im Ashoka-Auswahlprozess angewendet. Jedes Jurymitglied bildet sich eine eigene Meinung und benotet den Kandidaten. Die Entscheidung über die Auswahl fällt nach ausgiebiger Diskussion über die Kriterienerfüllung im Konsens.

308

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

Bei Ashoka und BonVenture sind jeweils verschiedene Personen (-gruppen) mit der Auswahlentscheidung betraut. Ashoka bindet vier Personengruppen ein (nationale Mitarbeiter, Second Opinion Interviewer, externe Experten und Executive Board), BonVenture zwei Gruppen (Mitarbeiter und Beirat). Die entscheidende Frage bezieht sich dabei auf den Einfluss dieser Strukturierung des Auswahlprozesses auf die Auswahlqualität. Die Aufteilung der Auswahlentscheidung auf zwei oder mehr Gruppen bewirkt vor allem bei der zuarbeitenden Gruppe einen Rechtfertigungsdruck, dem jeweils folgenden Entscheidungsgremium geeignete Kandidaten bzw. Organisationen vorzuschlagen. Dieser Druck kann sich positiv auf die Auswahlqualität auswirken, indem psychologisch verursachte Verzerrungen reduziert werden, wenn die folgenden fünf Voraussetzungen erfüllt sind: Die Einschätzung der bewertenden Gruppe ist unbekannt, die Gruppe legt Wert auf Genauigkeit, sie interessiert sich vor allem für den Entscheidungsfindungsprozess und weniger für dessen Ergebnis, sie ist angemessen informiert ist und sie hat ein legitimes Interesse an der Rechtfertigung.832 Ein Blick auf die Fallstudien und die Literatur zeigt, dass diese Voraussetzungen nicht systematisch erfüllt sein müssen. Ist die erste Voraussetzung, dass die Einschätzung der bewertenden Gruppe unbekannt ist, nicht erfüllt, dann neigen die Mitarbeiter, die sich rechtfertigen müssen, dazu, die Meinung der bewertenden Gruppe zu übernehmen.833 Bei Ashoka ist zwar die Meinung der bewertenden Gruppe dahingehend bekannt, dass Kandidaten ausschließlich an den Ashoka-Auswahlkriterien gemessen werden, deren Erfüllung und die Auswahlentscheidung insgesamt ist aber unbekannt. In den beobachteten Besprechungen wird daher auch lediglich die Kriterienerfüllung diskutiert, weil die Mitarbeiter davon ausgehen, dass auch die übergeordneten Instanzen lediglich die Kriterienerfüllung bewerten. Insofern kann es keine Überraschungen hinsichtlich nicht antizipierbarer Gründe geben. BonVenture nutzt keine ähnlich expliziten Auswahlkriterien wie Ashoka. Die Mitarbeiter versuchen aber einzuschätzen, wie der Beirat das Projekt bewerten würde. Die Beobachtungen und die Datenbankauswertung zeigen, dass der Beirat auch auf Basis von individuellen Einschätzungen entscheidet, die teils schwer antizipiert werden können. Zudem werden auch Projekte vom Beirat vorgeschlagen, bei denen nicht klar ist, ob der Beirat den Projekten neutral gegenübersteht oder ob bereits die Tendenz besteht, sie zu fördern.

832

Vgl. Lerner/Tetlock (1999), S. 259; Abschnitt 3.2.4.

833

Vgl. Mero/Motowidlo (1995), S. 522f.; Lerner/Tetlock (1999), S. 256.

5.2 Auswahlprozess

309

Im zweiten Fall wäre dies gleichbedeutend mit einer Entscheidungsvorwegnahme, so dass die Bewertung der bewertenden Gruppe nicht mehr unklar ist. Insgesamt bestehen vielfältige Möglichkeiten, die Entscheidungstendenz im Vorhinein explizit oder implizit zu kommunizieren. Die Beobachtungen im Rahmen beider Fallstudien legen nahe, dass Mitarbeiter solche Entscheidungstendenzen der bewertenden Gruppe aufnehmen und berücksichtigen. Die Genauigkeitsvoraussetzung scheint bei beiden Gesellschaften erfüllt zu sein. Sowohl bei Ashoka als auch bei BonVenture legen die bewertenden Gruppen Wert auf eine penible Vorbereitung der Entscheidungsfindung. Organisationen und Kandidaten müssen intensiv geprüft werden, bevor sie dem nächsten Entscheidungsgremium vorgestellt werden. Die dritte genannte Voraussetzung für positiven Rechtfertigungsdruck ist die Rechtfertigung des Entscheidungsfindungsprozesses und nicht die des Erfolgs der Entscheidung. Im Entscheidungsfindungsprozess wird bei Ashoka sehr genau auf die eingehende Prüfung der Auswahlkriterien geachtet. Das zeigt sich an der geforderten Dokumentation ebenso wie daran, dass mehrere Mitarbeiter von Ashoka – die Second Opinion Interviewer – allein die Aufgabe haben, international die Einhaltung der Qualitätsstandards (Erfüllung der Auswahlkriterien) sicherzustellen. Auch die Beiräte von BonVenture legen Wert auf einen strukturiert sich vollziehenden Auswahlprozess und eine intensive Prüfung der potenziell zu fördernden Organisation. Die Voraussetzung, dass sich der Rechtfertigungsdruck auf die Entscheidungsfindung und nicht auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen sollte, ist in der Literatur aber nicht unumstritten. LERNER/TETLOCK (1999) weisen auf die Auffassung einiger Wissenschaftler hin, dass private Institutionen genau deshalb besser funktionieren als staatliche, weil sie sich für das Ergebnis und öffentliche Institutionen für den Prozess rechtfertigen müssen.834 Auch im Venture-Capital-Sektor sind die Mitarbeiter der Venture-Capital-Gesellschaften in der Regel am Erfolg des Fonds beteiligt bzw. müssen eigenes Kapital in den Fonds investieren. Dies ist die ultimative Form des Rechtfertigungsdrucks für den Erfolg der Auswahlentscheidung. Es ist zumindest fraglich, ob sich diese Praxis durchgesetzt hätte, wenn sie zu schlechteren Entscheidungen

834

Vgl. Lerner/Tetlock (1999), S. 258 und die dort angegebenen Quellen.

310

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

der Fonds-Mitarbeiter führen würde. Neben der Frage, ob die Voraussetzung, dass sich der Rechtfertigungsdruck auf den Prozess und nicht das Ergebnis bezieht zutreffend ist, ist fraglich, ob Rechtfertigungsdruck hinsichtlich des Ergebnis von Entscheidungen im Non-Profit-Sektor überhaupt aufgebaut werden kann. Die Messproblematik der gesellschaftlichen Rendite spricht dafür, dass im Non-Profit-Sektor systematisch ein stärkerer Fokus auf den Entscheidungsfindungsprozess als auf den Erfolg der Entscheidung gelegt wird, da das Ergebnis nur schwer festgestellt werden kann. Gleichwohl ist es nicht unmöglich, Ergebnisse zu messen, nur die Genauigkeit und der erforderliche Aufwand stellen ein Problem dar. Ashoka misst beispielsweise verschiedene Erfolgsindikatoren mit Hilfe eines Fragebogens, der zwei Jahre nach Auslaufen der Stipendienförderung an die Fellows verschickt wird. Ein wesentliches Kriterium ist dabei, ob der Fellow weiterhin auf sein Ziel hinarbeitet. Insofern ist die Fortführung des Projektes ein Indikator für das Ergebnis bzw. den Erfolg. Bei BonVenture sind die wichtigsten Erfolgsindikatoren die Erfüllung der finanziellen Erwartungen durch das Social Venture und die Qualität der Key-PerformanceIndikatoren.835 Deren gute Messbarkeit erleichtert es BonVenture deutlich, den Erfolg der Auswahlentscheidung festzustellen. Die vierte Voraussetzung, die angemessene Informiertheit der bewertenden Gruppe, ist in den Fallstudien in unterschiedlichem Maße erfüllt. Unklar ist allerdings auch, was in diesem Kontext als „angemessen“ gilt. Bei Ashoka und vermutlich allen anderen unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften sind in die Auswahl ausschließlich Experten involviert, bei BonVenture hingegen sind die Beiräte keine ausgewiesenen Experten für Social Ventures, dafür lassen sie sich aber wiederum von einem Expertengremium beraten. Im Gegensatz zu unabhängigen Venture-PhilanthropyGesellschaften kann aber nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass diese Voraussetzung bei Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften erfüllt ist. Die fünfte Voraussetzung eines legitimen Interesses an der Rechtfertigung ist in jedem Fall durch den hierarchischen Aufbau der Gesellschaften und die Eigentümerschaft gegeben. Insgesamt kann vermutet werden, dass die Voraussetzungen für die positive Wirkung von Rechtfertigungsdruck erfüllt sind.

835

Vgl. Anhang B für eine Aufstellung der Key Performance Indikatoren, die BonVenture nutzt.

5.2 Auswahlprozess

311

These 41: Durch die Aufbau- und Ablauforganisation von Venture-PhilanthropyGesellschaften entsteht ein Rechtfertigungsdruck auf die Mitarbeiter, der sich positiv auf die Entscheidungsqualität auswirkt. Oben wurde bereits erwähnt, dass die Rechtfertigung sich bei Ashoka ausschließlich auf die expliziten Auswahlkriterien bezieht. BonVenture nutzt zwar ebenfalls Auswahlkriterien, aber sie sind nicht in vergleichbarem Maße explizit, wie ebenfalls bereits erwähnt wurde. Zudem wird die Erfüllung der Auswahlkriterien vom Beirat teils anders als von den Mitarbeitern bewertet. Dies lässt die hohe Ablehnungsquote durch den Beirat bei BonVenture erkennen. LERNER/TETLOCK (1999) zeigen, dass sich Rechtfertigungsdruck nicht positiv auf die Entscheidungsqualität auswirkt, wenn die Entscheidungsregeln unklar sind.836 Übertragen auf die Kontrolle von VenturePhilanthropy-Gesellschaften bedeutet dies: These 42: Je transparenter die Entscheidungsregeln einer Entscheidungsinstanz sind, desto positiver wirkt sich ihr Rechtfertigungsdruck aus. Die Entscheidungsqualität kann sich definitionsgemäß nur auf die Entscheidungsregeln beziehen. Nur wenn die Auswahlkriterien auch tatsächlich Erfolgsfaktoren der Social Ventures und Social Entrepreneurs sind, wird eine hohe Entscheidungsqualität auch gleichzeitig eine hohe Erfolgswahrscheinlichkeit der Investition bedeuten. Wenn es jedoch keine stabilen Erfolgsfaktoren gibt, dann sind sowohl die Auswahlkriterien als auch der Rechtfertigungsdruck nutzlos und eine zufallsbasierte Auswahl hätte gleich gute Erfolgsaussichten.837

5.2.5 Strukturierung 5.2.5.1 Überblick Im Vergleich zu Venture-Capital-Gesellschaften haben Venture-PhilanthropyGesellschaften den Vorteil, dass sie auf ein größeres Spektrum an Finanzierungsinstrumenten, von Stipendien über Spenden an Organisationen und Kredite bis hin zu

836

Vgl. Lerner/Tetlock (1999), S. 263.

837

Vgl. Achleitner/Heister/Spiess-Knafl (2010).

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

312

Eigenkapital, zurückgreifen können. Die Wahl des Finanzierungsinstrumentes kann erheblichen Einfluss darauf haben, wer sich mit einer Finanzierungsanfrage an die Gesellschaft wendet (Selbstselektion), wie das Verhältnis zwischen Investor und Investee gestaltet werden muss und wie gut die Venture-Philanthropy-Gesellschaft geschaffenen Wert abschöpfen kann. Folglich eignen sich die Instrumente für unterschiedliche Typen von Organisationen und auch nur für bestimmte Finanzierungsvolumen und -anlässe. Auf diese Aspekte der Strukturierung wird im Folgenden eingegangen.

5.2.5.2 Spenden 5.2.5.2.1

Stipendien

Sofern keine Rückzahlung vereinbart wird, erhält die Venture-PhilanthropyGesellschaft keine finanzielle Gegenleistung für das Stipendium. Ihr ausschließliches Interesse ist daher die Maximierung der gesellschaftlichen Rendite. Dabei stellt sich die Frage, wie dieses Ziel der gesellschaftlichen Renditemaximierung mit Hilfe der Stipendienfinanzierung erreicht werden kann. Das beispielhaft vorgestellte Lebensunterhaltsstipendium von Ashoka bedeutet in Bezug auf Einkommenssicherheit als auch Einkommenshöhe keinen Anreiz. Diese Annahme liegt den folgenden Ausführungen zugrunde. Somit werden sich nur Personen für das Stipendium – das die Aufgabe des zuvor ausgeübten Jobs voraussetzt – entscheiden, die nicht primär ihr Einkommen maximieren, sondern einer bestimmten Tätigkeit nachgehen wollen. These 43: Lebensunterhaltsstipendien, die keinen Fortschritt hinsichtlich Einkommenshöhe und Einkommenssicherheit bedeuten, führen zu einer Selbstselektion, weil nur Personen das Stipendium annehmen werden, deren primäres Ziel nicht die Einkommensmaximierung und Einkommenssicherheit ist. Unter den verbleibenden Personen, die ein Stipendium annehmen würden, finden sich theoretisch nicht nur Personen, die an der Lösung eines gesellschaftlichen Problems arbeiten. Da ein Stipendienempfänger in seinen Aktivitäten weitgehend frei ist, könnte er das Arbeiten auch stark zurückfahren und Freizeit genießen oder einer Tätigkeit nachgehen, die von der Venture-Philanthropy-Gesellschaft nicht gutgeheißen wird.

5.2 Auswahlprozess

313

Um dieses Problem einzugrenzen, können in einen Stipendiumsvertrag Kündigungsrechte aufgenommen werden für den Fall, dass der Stipendiat sich von der vereinbarten Tätigkeit entfernt. Diese Regelung hält somit unerwünschte Stipendiaten, die nach der Stipendienfinanzierung einer anderen als der vorgesehenen Tätigkeit nachgehen wollen, von vornherein fern. These 44: Kündigungsrechte verstärken die positive Selbstselektion. Stipendien haben eine Laufzeitbegrenzung, im Ashoka-Fall auf drei Jahre. Der Stipendiat muss während dieser Zeit eine Einkommensquelle erschließen, durch die er sich nach Auslaufen des Stipendiums ein Gehalt finanzieren kann. Die Möglichkeiten der Einkommensmaximierung werden aber durch die Kündigungsrechte beschränkt. These 45: Im Rahmen der vertraglich zugelassenen Aktivitäten haben Stipendiaten einen Anreiz, Einkommensquellen zu erschließen. Das Lebensunterhaltsstipendium führt insgesamt dazu, dass sich im ersten Schritt nur Personen für das Stipendium entscheiden, die sich der Tätigkeit widmen möchten, für die sie das Stipendium erhalten. Im Rahmen dieser Tätigkeit haben die Personen dann wiederum einen Anreiz, ein Einkommen zu erzielen. Dieser Anreiz ist auch im Sinne der Venture-Philanthropy-Gesellschaft, die sicherstellen will, dass nach der Förderung eine nachhaltige Finanzierungsquelle den Fortbestand der Organisation sichert. Durch die Selbstselektion kann die Venture-Philanthropy-Gesellschaft davon ausgehen, dass ausschließlich gesellschaftlich motivierte Personen ein Stipendium annehmen. Die Hauptaufgabe im Auswahlprozess besteht daher darin, die Qualität des Konzeptes und der Person, nicht aber deren Motivation, zu prüfen. Vor allem für junge Venture-Philanthropy-Gesellschaften kann die Stipendienhöhe aufgrund der obigen Überlegungen ein Instrument zu Risikosteuerung sein. Ein geringes Stipendium führt dazu, dass sich keine Einkommensmaximierer für das Stipendium entscheiden. Der Nachteil ist, dass sich mitunter auch Personen, die förderungswürdig sind, gegen das Stipendium entscheiden, weil ihnen das Einkommen zu niedrig ist. Mit fortschreitender Erfahrung und Vertrauen in den eigenen Auswahlprozess können dann die Stipendien erhöht werden, um auch solche Personen zu fördern. Den

314

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

Nachteil der fehlenden Selbstselektion muss dann die Sicherheit der Auswahlentscheidung ausgleichen. These 46: Mit zunehmender Erfahrung bei der Auswahl von Stipendiaten steigt die Stipendienhöhe, die Venture-Philanthropy-Gesellschaften zahlen. Aus der Sicht der Venture-Philanthropy-Gesellschaft hat die Steigerung der Stipendienhöhe, neben dem abnehmenden Selbstselektionseffekt, einen weiteren Nachteil. Je höher das Stipendium ist, desto höher ist vermutlich das Gehalt, das die Person nach Ablauf des Stipendiums mit seinem Projekt erzielen möchte. Die Gefahr, dass dieses Ziel nicht erreicht wird und die Person daher ihre Tätigkeit verändert, um ihr gewohntes Auskommen zu finanzieren, steigt mit der Stipendienhöhe. These 47: Je höher ein Stipendium angesetzt wird, desto höher ist das Risiko, dass der Stipendiat nach Ende des Stipendiums die Tätigkeit, für die er das Stipendium erhalten hat, aufgibt. Somit muss die Venture-Philanthropy-Gesellschaft bei der Festlegung der Stipendienhöhe zwischen folgenden gegenläufigen Effekten abwägen: der hohen gesellschaftlichen Motivation der ausgewählten Kandidaten durch Selbstselektion, dem geringem Auswahlaufwand, aber dafür nur wenigen Kandidaten, die sich für das Stipendium entscheiden, auf der einen Seite oder vielen Kandidaten, die sich für das Stipendium entscheiden, bei gleichzeitig hohem Auswahlaufwand durch fehlende Selbstselektion und hohem Risiko, dass das Projekt nach Auslaufen der Stipendienfinanzierung aufgegeben wird. Den obigen Überlegungen zufolge liegt der Vorteil der Stipendienfinanzierung vor allem darin, dass sie bezüglich der Tätigkeit des Stipendiaten weitgehend verzerrungsfrei ist, da ein Stipendium ohne Gegenleistung gewährt wird. Die Personen erhalten ein Stipendium für die Tätigkeit, der sie vorher bereits nachgegangen sind bzw. die sie vor der Finanzierung angeben, nach Erhalt des Stipendiums nachgehen zu wollen. Stipendien sind aus Sicht der Venture-Philanthropy-Gesellschaft eine teure Art der Finanzierung, weil kein Kapital zurückfließt. Venture-Philanthropy-Gesellschaften erwarten daher im Gegenzug für die negative private Rendite eine hohe positive soziale

5.2 Auswahlprozess

315

Rendite. Hohes Renditepotenzial haben vor allem junge Konzepte. Die Kehrseite der Medaille ist dabei das hohe Risiko, das mit dem hohen Renditepotenzial einhergeht. These 48: Die Stipendienfinanzierung wird vornehmlich für die Finanzierung von Konzepten in einem frühen Entwicklungsstadium verwendet. Insbesondere, wenn es sich um eine Dienstleistung handelt, machen die Personalkosten des Gründers in einem frühen Entwicklungsstadium den größten Kostenblock aus. Bei kapitalintensiven Produkten machen die Personalkosten nur einen kleineren Teil des Gesamtkapitalbedarfs aus, was auch die Rendite des Stipendiums verringert. These 49: Die Stipendienfinanzierung wird vornehmlich für die Finanzierung von Dienstleistungen verwendet. Aus diesen Überlegungen folgt weiterhin: These 50: Bei der Stipendienfinanzierung ist sowohl die gesellschaftliche Rendite als auch das gesellschaftliche Risiko hoch. Neben den hohen Kosten ist der zweite wesentliche Nachteil der Stipendienfinanzierung die fehlende Möglichkeit, an einer positiven finanziellen Entwicklung des indirekt geförderten Konzeptes in der Zukunft zu partizipieren. Denkbar ist, dass das Konzept, das indirekt durch ein Stipendium gefördert wurde, später zu einem profitablen Geschäftsmodell wird. Beispielsweise war die mexikanische MikrokreditBank Compartamos lange Zeit auf die Erzielung einer gesellschaftlichen Rendite ausgerichtet, bevor die Strategie geändert wurde. Die Bank machte dadurch hohe Profite und wurde an die Börse gebracht.838 In diesem Fall wäre es bei einer Stipendienfinanzierung nicht möglich gewesen, an der finanziellen Entwicklung zu partizipieren, obwohl die Umsetzung eines solchen Konzeptes mitunter erst durch die Stipendienfinanzierung zu Beginn ermöglicht wurde. Daher stellt sich die Frage nach einer dennoch bestehenden Möglichkeit, an späteren Einkünften, die ein gefördertes Projekt hervorbringt, zu partizipieren. Der in Deutschland einzige zu identifizierende Fall, bei dem eine Stipendienfinanzierung einer Eigenkapitalfinanzierung zumindest nahe-

838

Vgl. Lewis (2008), S. 55f.; Santos (2009), S. 9f.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

316

kommt, ist die Studienfinanzierung, die das Unternehmen CareerConcept anbietet.839 Dabei handelt es sich um eine rückzahlbare Studienfinanzierung, deren Besonderheit in der einkommensabhängigen Rückzahlung liegt. Ein ähnliches Beispiel sind drei junge ausländische Unternehmer, die Investoren für ein Stipendium suchen, dessen Rückzahlung ebenfalls einkommensabhängig in der Zukunft erfolgen soll.840 Ob solche Modelle funktionieren und auf die Stipendienfinanzierung von Social Entrepreneurs übertragbar sind, kann in dieser Arbeit aber nicht geklärt werden.

5.2.5.2.2

Spenden an Organisationen

Auch für Spenden an Organisationen erhält die Venture-Philanthropy-Gesellschaft keine finanzielle Gegenleistung. Ihr Anliegen ist folglich ebenfalls, wie bei der Stipendienfinanzierung, ausschließlich die Maximierung der gesellschaftlichen Rendite. Eine spendenempfangsfähige Organisation wiederum benötigt faktisch einen steuerlichen Gemeinnützigkeitsstatus. Dieser Gemeinnützigkeitsstatus schließt nicht aus, dass der Gründer von der Organisation ein Einkommen bezieht, aber er deckelt dieses. Reine Einkommensmaximierer werden daher keine steuerlich gemeinnützige Organisation gründen, um sich damit um Spenden zu bewerben. These 51: Spenden führen zu einer Selbstselektion, weil nur steuerliche anerkannte gemeinnützige Organisationen für Spenden in Frage kommen, die nicht von Einkommensmaximierern gegründet werden. Gleichwohl erlaubt der Gemeinnützigkeitsstatus höhere Gehälter, als typischerweise bei einem Stipendium vergeben werden. These 52: Der Selbstselektionseffekt bezüglich der finanziellen Motivation der Gründer ist bei Spenden geringer als bei Stipendien. Analog zu den Ausführungen im vorausgehenden Gliederungspunkt führt die Spendenfinanzierung alleine nicht dazu, dass nur Personen eine steuerlich gemeinnützige Organisation gründen, die an der Lösung eines gesellschaftlichen Problems arbeiten.

839

Vgl. www.career-concept.de; www.bildungsfonds.de. Der Thrust Fund ist ein Beispiel für Einkommensabhängige

840

Vgl. www.thrustfund.com

5.2 Auswahlprozess

317

Ähnlich wie bei Stipendien können aber vertragliche Regeln vereinbart werden, die das Risiko der nicht geplanten Verwendung der Mittel einschränkt. Mögliche Regelungen sind vor allem die Zweckbindung und die gestaffelte Auszahlung von Spenden, die wiederum an Ziele gebunden ist. These 53: Die Zweckbindung und gestaffelte Auszahlung von Spenden verstärken die Selbstselektion. Auch bei Spenden erhöht die Laufzeitbegrenzung den Druck auf die Organisationen, eine Anschlussfinanzierung zu finden. These 54: Im Rahmen der vertraglich zugelassenen Aktivitäten haben spendenfinanzierte Organisationen einen Anreiz, Einkommensquellen zu erschließen. Bei klassischen Unternehmen hängen Finanzierung und Leistungserbringung unmittelbar zusammen. Der Leistungsempfänger zahlt für die erbrachte Leistung. Das Unternehmen erhält dadurch den Anreiz, Leistungen zu erbringen bzw. zu verkaufen, weil es sich auf diese Weise finanziert. Anders ist es bei spendenfinanzierten Organisationen. Mit Spenden werden Tätigkeiten finanziert, mit denen sich kein oder nur ein geringes Einkommen erzielen lässt. Leistungserbringung und Finanzierung können vollständig unabhängig sein. Spendenfinanzierte Organisationen haben daher zuvorderst einen Anreiz, Spenden zu akquirieren und nicht eine Leistung zu erbringen. Dieses Problem trägt wesentlich zu den bereits erwähnten hohen Fundraisingkosten im Non-Profit-Sektor bei und kann nur durch langfristige Finanzierungssicherheit der spendenfinanzierten Organisation gelöst werden.841 Dazu muss die VenturePhilanthropy-Gesellschaft erstens einen signifikanten Anteil der Gesamtfinanzierung tragen und zweitens die Finanzierung über einen langen Zeitraum gewähren. Genau dies ist der strategische Ansatz von Venture Philanthropy und die Abgrenzung gegenüber den klassischen Förderaktivitäten von Stiftungen.

841

Vgl. Abschnitt 3.2.1.

318

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

These 55: Je höher der Anteil an der Gesamtfinanzierung ist und je langfristiger die Finanzierung angelegt ist, desto stärker konzentriert sich die finanzierte Organisation auf die Leistungserbringung statt auf die Spendenakquirierung, wodurch die Effizienz der Organisationen steigt. Spenden haben wie Stipendien ebenfalls den Vorteil, dass sie zu keinerlei Anreizverzerrung führen, weil sie mit keiner Gegenleistung verbunden sind. Allerdings bieten Spenden auch keinen Anreiz, Kapital besonders effizient einzusetzen, wenn es den Organisationen gelingt, auch weitere Spenden einzuwerben. Für die VenturePhilanthropy-Gesellschaft stellt sich immer die Frage, ob bei einer Social-Return-onInvestment-Betrachtung auch eine Darlehensfinanzierung zu einer vergleichbaren gesellschaftlichen Rendite führen würde. In diesem Fall wäre eine Spendenfinanzierung aus Sicht der Venture-Philanthropy-Gesellschaft eine ineffiziente Ressourcenverwendung. Diskussionswürdig sind beispielsweise Fälle, bei denen spendenfinanzierte Organisationen eben aufgrund der Spendenfinanzierung private Güter besonders günstig anbieten können. Ohne positive externe Effekte dieser Güter ist der Sinn einer solchen Spendenfinanzierung jedoch fraglich. Wiederum am Beispiel der Bank Compartamos lässt sich die Frage verdeutlichen, die sich Investoren in diesem Zusammenhang stellen müssen: Soll die Bank durch Spenden finanziert werden und entsprechend niedrige Zinsen veranschlagen können oder sollten Investoren mit Eigen- und Fremdkapital in Compartamos investieren, woraus sich höhere Zinsen, ergeben würden. Aus Sicht der Venture-Philanthropy-Gesellschaft ist sicherlich unerwünscht, mit Spenden zu finanzieren und damit indirekt anderen Anteilseignern die finanzielle Rendite zu subventionieren.842 BonVenture, die in geringem Umfang auch Spendeninvestitionen tätigen, prüfen daher, ob nicht auch eine Darlehensfinanzierung möglich ist. These 56: Venture-Philanthropy-Gesellschaften prüfen zunächst, ob eine Darlehensfinanzierung möglich ist, und nur falls sie nicht möglich ist, wird eine Spendenfinanzierung in Betracht gezogen.

842

Eine Voraussetzung dafür, dass die Anteilseigner finanziell profitieren, ist, dass die gemeinnützige Organisation in eine privatnützige umgewandelt wird. Damit sind rechtliche Probleme verbunden, deren Erläuterung über den Rahmen der Arbeit hinausgeht.

5.2 Auswahlprozess

319

5.2.5.3 Darlehen Neben Spenden bilden Darlehen eine weitere Möglichkeit der Finanzierung sowohl von steuerlich gemeinnützigen Organisationen als auch von klassischen steuerrechtlich privatnützigen Organisationen. Bei steuerlich gemeinnützigen Organisationen sind sie neben der Spendenfinanzierung die einzige Möglichkeit der externen Finanzierung. Venture-Philanthropy-Gesellschaften gewähren vergünstigte Darlehen, weil mit ihnen eine gesellschaftliche Rendite erzielt werden soll.843 Durch die günstigen Konditionen treten negative Selbstselektionseffekte auf. Klassische Business Entrepreneurs, die zahlenmäßig umfangreicher sind als Social Entrepreneurs, haben einen Anreiz, sich als Social Entrepreneurs auszugeben, um somit die Chance auf einen günstigen Kredit zu erhalten. Social Entrepreneurs, die sich rein auf die gesellschaftliche Renditemaximierung konzentrieren, werden zunächst versuchen, Spendengelder zu akquirieren. These 57: Bei der vergünstigten Darlehensfinanzierung tritt eine negative Selbstselektion auf. Drei Erkenntnisse aus den Fallstudien belegen diese Vermutung. Erstens ist der Anteil der Anfragen, der von BonVenture aufgrund der sozialen Rendite abgelehnt wird, hoch.844 Diese Business Entrepreneurs versuchen, eine (günstige) Finanzierung zu erhalten. Zweitens zeigt Tabelle 32, dass viele Organisationen die Anfrage zurückziehen, möglicherweise auch, weil es ihnen gelungen ist, bei einem anderen Kapitalgeber eine Spendenfinanzierung zu erhalten. Drittens lässt Tabelle 37 erkennen, dass die Motivation des Social Entrepreneurs zwar bei Ashoka und BonVenture einen vergleichbaren Anteil an der Gesamtdiskussion hat, bezogen nur auf die Diskussion des Social Entrepreneurs macht sie bei BonVenture aber einen wesentlich größeren Anteil aus. Dies bestätigt die Vermutung, dass Venture-Philanthropy-Gesellschaften, die mit Darlehen finanzieren, wegen der fehlenden positiven Selbstselektion die

843

„Vergünstigt“ bezieht sich auf das Rendite-Risiko-Verhältnis und bedeutet daher nicht nur günstige finanzielle Konditionen. Auch ein Darlehen mit einem hohen Zins, das aber so riskant ist, dass keine Bank es finanzieren würde, gilt als „vergünstigt“.

844

Er ist zwar nicht höher als bei Ashoka, aber die Gespräche deuten darauf hin, dass sich bei BonVenture mehr klassische Business Ventures bewerben als bei Ashoka. Die Ablehnungen bei BonVenture erfolgen wegen fehlender sozialer Rendite, bei Ashoka aufgrund von zu geringer sozialer Rendite.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

320 Motivation

stärker

überprüfen

müssen

als

Spenden-Venture-Philanthropy-

Gesellschaften. Dem Auswahlprozess kommt bei der Darlehensfinanzierung im Vergleich zur Spendenfinanzierung somit eine gesteigerte Bedeutung zu. Damit die Venture-Philanthropy-Gesellschaft sich nicht allein auf ihren Auswahlprozess zu stützen braucht, empfiehlt sich die Aufnahme von Sonderkündigungsrechten in den Darlehensvertrag. Sie bieten die Möglichkeit, den Kredit zu kündigen, wenn sich beispielsweise herausstellt, dass der Darlehensnehmer einer anderen als der vereinbarten Tätigkeit nachgeht. These 58: Sonderkündigungsrechte lindern das negative Selbstselektionsproblem. Hinzu kommt, dass Social Entrepreneurs, die von der Existenz der Organisation abhängig sind, kein Interesse haben, ein Darlehen bei hohem Insolvenzrisiko der Organisation aufzunehmen. Die Abhängigkeit der Existenzgrundlage vom Erfolg der Organisation kann auch vertraglich durch private Bürgschaften erzeugt werden, wie BonVenture sie teilweise nutzt. Ein Social Entrepreneur, der mit dem Privatvermögen für die Darlehen der Organisation haftet, hat ein Interesse daran, dass die Organisation den Kredit zurückzahlt. These 59: Je stärker der Social Entrepreneur persönlich von der Insolvenz des Social Ventures betroffen ist (z.B. durch eine private Bürgschaft), desto geringer ist sein Anreiz, einen Kredit aufzunehmen, bei dem die Rückzahlung unsicher ist. These 60: Im Rahmen der vertraglichen Regelungen hat der Social Entrepreneur einen Anreiz, Einkommen zu erzielen und das Kapital effizient einzusetzen. Es kann aber auch der unerwünschte Effekt auftreten, dass die gesellschaftliche Rendite im Falle eines Zielkonflikts zwischen gesellschaftlicher und privater Rendite zu stark reduziert wird, um die finanzielle Rendite zu steigern. Ist die gesellschaftliche Rendite nur schwer messbar, bleibt dieses Verhalten von der Venture-PhilanthropyGesellschaft unter Umständen unbeobachtet.

5.2 Auswahlprozess

321

These 61: Solange die Insolvenzgefahr gering ist, konzentrieren sich die Organisationen bei einer Darlehensfinanzierung auf die gesellschaftliche Rendite, bei eventueller Verschlechterung der finanziellen Situation verliert die soziale Rendite zugunsten der finanziellen Rendite an Bedeutung. Diese Reaktion kann dann im Interesse der finanzierenden Venture-PhilanthropyGesellschaft sein, wenn die finanzielle Rendite für sie eine starke Nebenbedingung ist. Sie ist nicht im Sinne von Venture-Philanthropy-Gesellschaften, die die gesellschaftliche Rendite ohne finanzielle Nebenbedingungen maximieren. Aus Sicht der Venture-Philanthropy-Gesellschaft besteht der große Vorteil des Darlehens im Vergleich zur Spende in der Ressourcenschonung. Im Erfolgsfall wird das Kapital zurückgezahlt und kann wieder investiert werden. Eine tatsächliche Erfolgsbeteiligung ist sie dennoch nicht. Allerdings ist es möglich, Erfolgskomponenten mit in den Finanzierungsvertrag aufzunehmen und damit einen Mezzanincharakter der Finanzierung zu erlangen. Mit Hilfe strukturierter Finanzierungen ist es auch möglich, Finanzierungsinstrumente zu kombinieren und somit spezielle Anreize zu erzeugen. Insbesondere die Kombination von Kredit und Spende ist möglich und bietet interessante Optionen. Gleichwohl haben diese strukturierten Non-Profit-Finanzierungen bisher noch keinen nennenswerten Einzug in die Praxis gehalten.845

5.2.5.4 Eigenkapital Als Finanzierungsform kommt Eigenkapital nur bei privatnützigen Organisationen in Betracht. Eigenkapital wird bei gemeinnützigen Organisationen nur verwendet, um sich Stimmrechte zu sichern, etwa um in einer gemeinnützigen GmbH die Gesellschafterstellung zu erlangen. Social-Venture-Capital-Gesellschaften investieren Eigenkapital mit reduzierten finanziellen Renditeanforderungen. So sollen auch Organisationen unterstützt werden, die zwar eine hohe soziale Rendite, aber nur eine geringe private Rendite erwirtschaften und daher für klassische Kapitalgeber nichthin-

845

Vgl. für eine Darstellung solcher Finanzierungsoptionen Stahl (2007b).

322

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

reichend attraktiv sind. Eigenkapitalfinanzierung kann jedoch wiederum eine negative Selbstselektion mit sich bringen. Reine Business Entrepreneurs haben einen Anreiz, sich als besonders sozial darzustellen, um Social-Venture-Capital-Gesellschaften für ein Investment zu gewinnen. Diese beanspruchen einen kleineren Gesellschaftsanteil für eine bestimmte Menge Kapital als klassische Venture-Capital-Gesellschaften. Social-Venture-Capital-Gesellschaften laufen folglich Gefahr, ein klassisches Business Venture zu günstigen Konditionen zu finanzieren und den Gründern damit eine hohe private Rendite zu subventionieren. Es gilt daher analog zur Darlehensfinanzierung: These 62: Bei der vergünstigten Eigenkapitalfinanzierung tritt eine negative Selbstselektion auf. Das Problem der negativen Selbstselektion kann wiederum durch Vertragskomponenten, beispielsweise zustimmungspflichtige Geschäfte, gemindert werden. In manchen Fällen ist es auch möglich, eine Verkaufsoption in den Vertrag aufzunehmen, so dass bei Nichteintreten bestimmter Ereignisse und aktivem Abweichen von vereinbarten Tätigkeiten der Anteil verkauft werden kann. These 63: Verkaufsoptionen können das Problem der negativen Selbstselektion reduzieren. Der Vorteil der Eigenkapitalfinanzierung gegenüber allen anderen Formen der Finanzierung liegt in der Möglichkeit, an einer positiven finanziellen Entwicklung zu partizipieren. Wenn eine Organisation ihr Ziel ändert und statt der gesellschaftlichen Rendite die private Rendite maximiert, mag das nicht den Zielen der Social-VentureCapital-Gesellschaft entsprechen. Gegenüber einem Darlehen hat sie aber den Vorteil, zumindest finanziell von dem Strategieschwenk zu profitieren. Eigenkapitalinvestitionen eigenen sich folglich vor allem in Situationen, in denen eine niedrige private und eine hohe soziale Rendite erwirtschaftet werden und gleichzeitig die Chance einer auch in Zukunft hohen privaten Rendite besteht.

5.3 Auswahlkriterien

323

5.3 Auswahlkriterien

5.3.1 Vergleich der Erhebungsmethoden und Überblick über Kriterien Die Analyse der Auswahlkriterien erfolgt in einem mehrstufigen Prozess. Nachdem auf Basis der Beobachtungen zunächst die jeweils von beiden untersuchten Gesellschaften angewendeten Kriterien dargestellt wurden, sollen diese nun aggregiert und zu einem übergreifenden Kriterienkatalog mit einheitlicher Bezeichnung und Gliederung zusammengeführt werden. Die Kriterien konnten in die Gruppen Konzept, Social Entrepreneur, Markt, soziale Rendite, Finanzielles sowie sonstige Kriterien unterteilt werden. Diese Gliederung entspricht weitgehend den üblichen VentureCapital-Kriterien mit Ausnahme der sozialen Rendite, die als weitere Kriteriengruppe hinzukommt. Die im Rahmen der Fallstudien identifizierten Kriterien sind in Tabelle 37 dargestellt. Ihre Reihenfolge ergibt sich aus dem Anteil der Diskussion eines bestimmten Kriteriums an den Anfragen im Durchschnitt der Fallstudien. Beispielsweise wurde bei 92% der Anfragen bei Ashoka und 63% der Anfragen bei BonVenture, im Durchschnitt also bei 77% der Anfragen, das Konzept diskutiert. Diese Gewichtung unterstellt, dass die für die Gesellschaft wichtigsten Kriterien auch bei den meisten Kandidaten diskutiert werden. Nachteil der Gewichtung ist die schlechte Vergleichbarkeit der Fallstudien insofern, als die Ashoka-Mitarbeiterbesprechungen mit wenigen Ausnahmen durchgängig, die BonVenture-Mitarbeiterbesprechungen hingegen unregelmäßig über einen Zeitraum von einem Jahr beobachtet wurden. Bei BonVenture wurden dementsprechend seltener Anfragen in mehr als einer Mitarbeiterbesprechung diskutiert, weshalb auch die Kriterien bei jeweils weniger Organisationen beobachtet werden konnten. Innerhalb der einzelnen Fallstudien sind die relativen Anteile der Kriterien an den Anfragen aber vergleichbar.

324

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen Anteil Kriterien an Gesamtdiskussion (Diskussionsintensität) Ashoka

1 Konzept

BonVenture Durchschnitt

Anteil Kriterien an Anfragen Ashoka

BonVenture Durchschnitt

40,3%

42,9%

41,6%

92%

63%

77%

0,0% 12,2% 22,6% 4,5% 7,8% 1,8% 3,4% 2,9% 2,6% 0,2% 0,3% 1,1% 0,2% 9,2% 9,2% 0,0% 0,0% 0,0%

15,3% 8,9% 15,5% 8,4% 0,0% 7,6% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 5,1% 2,9% 2,6% 5,6% 1,9%

7,7% 10,6% 19,1% 6,5% 3,9% 4,7% 1,7% 1,4% 1,3% 0,1% 0,1% 0,6% 0,1% 7,2% 6,1% 1,3% 2,8% 1,0%

0% 67% 75% 25% 50% 21% 21% 21% 21% 8% 8% 4% 4% 63% 63% 0% 0% 0%

45% 29% 19% 13% 0% 11% 0% 0% 0% 0% 0% 0% 0% 16% 7% 11% 7% 3%

23% 48% 47% 19% 25% 16% 10% 10% 10% 4% 4% 2% 2% 39% 35% 5% 3% 1%

25,1%

7,8%

16,4%

79%

32%

56%

2,9% 7,4% 4,0% 3,1% 0,3% 7,2% 4,8% 2,4% 2,5% 1,9% 0,7% 3,2% 1,5% 0,7% 1,7% 1,1% 0,9% 0,6% 0,2% 1,0% 0,3% 0,7%

3,4% 0,5% 0,0% 0,0% 0,5% 0,0% 0,0% 0,0% 1,4% 1,4% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 2,0% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 0,6%

3,2% 4,0% 2,0% 1,6% 0,4% 3,6% 2,4% 1,2% 1,9% 1,6% 0,3% 1,6% 0,8% 0,4% 0,8% 0,6% 1,4% 0,3% 0,1% 0,5% 0,2% 0,6%

25% 54% 46% 25% 13% 50% 46% 25% 29% 21% 17% 29% 29% 25% 25% 21% 8% 17% 8% 8% 4% 21%

21% 3% 0% 0% 3% 0% 0% 0% 8% 8% 0% 0% 0% 0% 0% 0% 8% 0% 0% 0% 0% 4%

23% 28% 23% 13% 8% 25% 23% 13% 19% 14% 8% 15% 15% 13% 13% 10% 8% 8% 4% 4% 2% 12%

34,1%

15,8%

25,0%

71%

31%

51%

28,3% 5,8% 0,0%

9,2% 6,5% 1,3%

18,8% 6,2% 0,7%

63% 21% 0%

16% 17% 8%

39% 19% 4%

4 Soziale Rendite

22,8%

13,0%

17,9%

75%

24%

50%

4.1 Allgemein 4.2 Übertragbarkeit 4.3 Reichweite

0,0% 22,8% 0,3%

12,8% 0,2% 0,1%

6,4% 11,5% 0,2%

0% 75% 17%

21% 3% 1%

11% 39% 9%

2,1%

35,4%

18,8%

29%

32%

31%

2,1% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0%

12,6% 13,2% 5,1% 3,6% 3,8%

7,3% 6,6% 2,5% 1,8% 1,9%

29% 0% 0% 0% 0%

19% 9% 9% 11% 9%

24% 5% 5% 5% 5%

0,2%

7,4%

3,8%

4%

15%

9%

0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 0,0% 0,2%

2,7% 4,7% 2,6% 1,4% 0,6% 0,0%

1,4% 2,3% 1,3% 0,7% 0,3% 0,1%

0% 0% 0% 0% 0% 4%

9% 8% 7% 3% 3% 0%

5% 4% 3% 1% 1% 2%

1.1 Allgemein 1.2 Innovation 1.3 Systemveränderung & Mehrwert 1.3.1 Allgemein 1.3.2 Empowerment 1.3.3 Zugang zur Zielgruppe 1.3.4 Stakeholdereinbindung 1.3.5 Stärkenorientierung 1.3.6 Neue Denkmuster 1.3.7 Anreize für Zielgruppe 1.3.8 Transparenz 1.3.9 Systemlevel 1.3.10 Politikbeeinflussung 1.4 Strategie 1.4.1 Leistungserbringung 1.4.2 Fokus 1.5 Kooperationen 1.6 Sonstiges

2 Social Entrepreneur 2.1 Allgemein 2.2 Wille 2.2.1 Allgemein 2.2.2 Qualitätsorientierung 2.2.3 Wachstumswille 2.3 Kreativität 2.2.1 Vision und Motivation 2.2.2 Problemlösung 2.4 Biographie & Erfahrung 2.4.1 Unternehmerisch 2.4.2 Motivation 2.5 Entwicklungspotenzial 2.6 Phase 2.7 Delegationsfähigkeit 2.8 Kommunikationsfähigkeit 2.9 Pragmatismus 2.10 Soziale Motivation 2.11 Bekanntheitsgrad 2.12 Integrität 2.13 Detailversiertheit 2.14 Belastbarkeit 2.15 Sonstiges

3 Markt 3.1 Gesellschaftl. Probl. & Zielgrupp 3.2 Konkurrenzbewertung 3.3 Marktentwicklung und -Größe

5 Finanzielles 5.1 Geschäftsmodell & Fin. Erfolg 5.2 Finanzierungsvereinbarung 5.3 Rechtliches 5.4 Finanzierungsbedarf 5.5 Externe Finanzierung

6 Sonstiges 6.1 Beirat 6.2 Deal 6.2.1 Infos & Businessplan 6.2.2 Gesamtbewertung 6.2.3 Risiko 6.3 Kompatibilität mit Portfolio

Tabelle 37: Anteil der Kriterien an Diskussionen und Anfragen

5.3 Auswahlkriterien

325

Gewichtet man die Kriterien anhand ihres durchschnittlichen Anteils an der Gesamtdiskussion (Diskussionsintensität), so ergibt sich, wie im linken Teil der Tabelle 37 ersichtlich, eine andere Rangreihenfolge. Zwar stellt weiterhin das Konzept die wichtigste Kriteriengruppe dar, aber sie wird gefolgt vom Markt, Finanziellem, der sozialen Rendite und erst an fünfter Stelle vom Social Entrepreneur. Wie unter 4.2.2.2 erläutert wurde, ergibt sich die Diskussionsintensität jedoch nicht nur aus der Wichtigkeit eines Kriteriums, sondern auch daraus, wie schwer die Kriterienerfüllung zu beurteilen ist und ob sie objektiv diskutiert werden kann. Abbildung 15 stellt die Diskussionsintensität (linker Teil Tabelle 37) der einzelnen Hauptkriterien für beide Fallstudien graphisch dar. Deren Unterschiede treten dabei deutlich hervor, nur der Anteil der mit dem Konzept verbundenen Diskussion ist sehr ähnlich. Die Kriterien Social Entrepreneur, Markt und soziale Rendite werden von Ashoka, finanzielle Themen dagegen von BonVenture intensiver diskutiert. Mögliche Erklärungen dafür erfolgen in den nächsten Gliederungsabschnitten.

Konzept

Markt

Finanzielles

Social Impact

Social Entrepreneur

Sonstiges

0%

5%

10%

15%

20% Ashoka

25%

30%

35%

40%

45%

50%

BonVenture

Abbildung 15: Anteil der Kriterien an der Gesamtdiskussion Wenn, wie oben dargestellt, die Wichtigkeit eines Kriterium sich am Anteil der Kandidaten bemisst, bei denen dieses Kriterium diskutiert wird (rechte Spalten in Tabelle 37) und der Anteil der Kriterien an der Diskussion zusätzlich bestimmt, wie

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

326

schwierig ein Kriterium zu bewerten ist und ob es objektiv diskutierbar ist, dann lässt der Vergleich beider Gesellschaften relevante Rückschlüsse zu, auf die in den folgenden Gleiderungsabschnitten einzugehen sein wird. Tabelle 38 stellt die Kriterien entsprechend ihrem Rang im Rahmen der Beobachtungen gegenüber. Ashoka Anteil an GesamtdisRang kussion 1. Konzept 2. Markt 3. Social Entrepreneur 4. Soziale Rendite 5. Finanzielles 6. Sonstiges

BonVenture

Anteil an GesamtdisAnteil an Anfragen kussion Konzept Konzept Social Entrepreneur Finanzielles Soziale Rendite Markt Markt Soziale Rendite Finanzielles Social Entrepreneur Sonstiges Sonstiges

Anteil an Anfragen Konzept Social Entrepreneur / Finanzielles Markt Soziale Rendite Sonstiges

Tabelle 38: Vergleich Anteil der Kriterien an Diskussion und Anfragen Die Tatsache, dass in beiden Fallstudien sowohl die Mitarbeiterbesprechungen beobachtet als auch die Datenbanken mit den Absagen ausgewertet werden konnten, eröffnet auch die Möglichkeit, die Bedeutung der Auswahlkriterien bei der Diskussion mit der Bedeutung der Ablehnungsgründe in der Datenbank zu vergleichen. Tabelle 39 stellt die Kriterienbedeutungen im Rahmen der Beobachtungen und der Datenbanken für beide Fallstudien gegenüber. Weil die Datenbank von Ashoka keine Anfragen enthält, die im ersten, gesellschaftsspezifischen Screening abgelehnt wurden, wurde für BonVenture der erste Screeningschritt ebenfalls ausgeblendet. Bei BonVenture wurde im Rahmen der Beobachtungen das Markt-Kriterium mit dem Social-Impact-Kriterium zusammengezogen, da in der Datenbank ein fehlendes gesellschaftliches Problem mit Social Impact codiert wurde. Bei Ashoka wurde ein fehlendes gesellschaftliches Problem in der Datenbank meist unter Social Impact, innerhalb der Beobachtungen dagegen unter Neue Idee erfasst. Auf Basis von Tabelle 18 wurde die Diskussion des gesellschaftlichen Problems daher dem Kriterium Social Impact zugerechnet. Die Datenbanken beider Fallstudien stimmen nur in Teilen bezüglich der relativen Häufigkeit überein, mit der Kriterien zu einer Ablehnung führen. Bei BonVenture sind es insbesondere die Ausschluss- und finanzielle Kriterien, welche bei Ashoka nicht ausgewiesen sind, die zu einer anderen Gewichtung der übrigen Kriterien führen. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass Konzept-, Markt- und Social-Impact-Kriterien jeweils häufiger als Absagegrund aufgeführt werden als personenbezogene Kriterien.

5.3 Auswahlkriterien

327

Diesbezüglich stimmen die Ergebnisse auch mit der Venture-Capital-Forschung überein.846 Beobachtungen*

Neue Idee*

Ashoka 30%

Datenbank

50%

Impact* Unternehmerische Qualität Kreativität Integrität Sonstige Kriterien

38% 31% 24% 12% 6% 0% 0% 7% 2% 0% BonVenture Konzept 38% 17% Social Impact 22% 18% Finanzielles 20% 10% Ausschlusskriterien 7% 36% Social Entrepreneur 6% 10% Sonstiges 7% 9% *) Analog zur Datenbank und abweichend von Tabelle 18 wird die Diskussion des gesellschaftlichen Problems bei Ashoka unter Social Impact ausgewiesen.

Tabelle 39: Vergleich der Kriterienbedeutung nach Erhebungsmethode Rechnet man die Ausschlusskriterien in der Datenbank bei BonVenture heraus, so zeigt sich ein leichter Zusammenhang zwischen dem Diskussionsumfang eines Kriteriums und der Häufigkeit, mit der dieses Kriterium als Ablehnungsgrund in der Datenbank aufgeführt wird. Dieser Zusammenhang sollte aber nicht überinterpretiert werden, denn die Abweichungen zwischen Datenbank und Beobachtungen weisen bei vielen Kriterien umgekehrte Vorzeichen auf: Bei Ashoka ist der Anteil der Diskussion des Konzepts geringer als der Anteil an den Absagen aufgrund dieses Kriteriums. Die gesellschaftliche Rendite und der Social Entrepreneur werden dagegen im Vergleich zur Datenbank umfangreicher diskutiert. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit den Ergebnissen der Studie von KUCKERTZ (2006).847 Die Gegenüberstellung der Ergebnisse aus der BonVenture-Fallstudie bestätigt diese Ergebnisse jedoch nicht. Die Kriterien Konzept, Social Impact und Finanzielles nehmen bei den BonVentureBesprechungen mehr Raum ein, die übrigen Kriterien kommen in der Datenbank

846

Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.3.

847

Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.3.

328

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

häufiger vor. Folglich kann trotz des leichten Zusammenhangs zwischen den Beobachtungen und der Datenbank nicht davon ausgegangen werden, dass beide Untersuchungsmethoden das gleiche Konstrukt messen. Auf die obige Gegenüberstellung der Ergebnisse der einzelnen Untersuchungsmethoden wird in den folgenden Gliederungsabschnitten zurückgegriffen. Nachfolgend soll nun auf die einzelnen Kriterien näher eingegangen werden. Da diese inhaltlich bereits in 4. Kapitel erläutert wurden, steht in den sich anschließenden Gliederungsabschnitten deren Analyse im Vordergrund.

5.3.2 Einzelkriterien 5.3.2.1 Konzept Unter 5.3.1 wurde die Bedeutung der Kriterien im Rahmen der verschiedenen Erhebungsmethoden verglichen. Das Konzept wird mit Abstand bei den meisten Anfragen diskutiert, es nimmt mit Abstand den meisten Raum in der Diskussion ein und es wird als häufigster Grund für Absagen in der Datenbank aufgeführt. Das Konzept, dessen zwei wichtigste Unterkriterien die Innovation und die Systemveränderung sind, kann anhand vergleichsweise objektiver Eigenschaften diskutiert werden, daher wird es, wie Tabelle 22 und Tabelle 32 erkennen lassen, früh im Auswahlprozess bewertet. Daraus ergibt sich die folgende Kriterienbedeutung: These 64: Das Konzept ist das wichtigste und ein K.-O.-Kriterium, das früh im Auswahlprozess untersucht wird. Es wird auf Basis vergleichsweise objektiver Eigenschaften bewertet. Die Finanzierungsanfragen bei Ashoka und BonVenture unterscheiden sich hinsichtlich der Produkt-Dienstleistungs-Dimension. Mit zwei Ausnahmen – Internetangebote, die den Produkten zugerechnet werden – erbringen die von Ashoka diskutierten Social Entrepreneurs Dienstleistungen. Bei BonVenture hingegen liegt der Anteil an Produkte anbietenden Organisationen bei etwa 50%. Bezüglich der Dienstleistungen liegt ein weiterer Unterschied darin, dass sich für BonVenture, anders als für Ashoka, mit ihnen ein stabiles Einkommen erzielen lassen muss.

5.3 Auswahlkriterien

329

Die Bewertung des Konzeptes nimmt bei beiden Gesellschaften im Rahmen der Diskussion etwa gleich viel Raum ein. Das heißt, die Unterschiede beider Gesellschaften haben keinen Einfluss auf den Umfang der Diskussion des Konzepts. Im VentureCapital-Sektor brachten die Studien widersprüchliche Ergebnisse zur Kriterienbedeutung in Abhängigkeit der Entwicklungsstufe der Unternehmen hervor. Beim Vergleich von Hightech und Lowtech gab es nur bezüglich eines KonzeptUnterkriteriums einen signifikanten Unterschied.848 Da beide Gesellschaften sich bei den potenziellen Portfolioorganisationen bezüglich ihres Fokus auf Produkte (Hightech) versus Dienstleistungen (Lowtech) unterscheiden und zusätzlich zu vermuten ist, dass Ashoka Social Ventures in früheren Phasen als BonVenture sucht, lässt sich folgern: These 65: Das Konzept-Kriterium ist gleichbedeutend für Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften und Social-Venture-Capital-Gesellschaften. BonVenture ist Venture-Capital-Gesellschaften durch den stärkeren Fokus auf Produkte ähnlicher.849 Dienstleistungen stehen im Vergleich zu Ashoka seltener im Fokus, zum einen weil bei ihnen im For-Profit-Sektor häufig die Unsicherheit nicht so hoch ist, dass die Gesellschaften komparative Vorteile gegenüber anderen Finanzierungsbeziehungen bieten und zum anderen, weil Dienstleistungen schwerer skaliert werden können und dadurch die Renditeerwartung geringer ist.850 Hier kann ein systematischer Unterschied zwischen Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften mit niedrigem privaten Renditeanspruch und Social-Venture-Capital-Gesellschaften mit hohem privaten Renditeanspruch vermutet werden. These 66: Social-Venture-Capital-Gesellschaften legen auf Grund des höheren privaten Renditeanspruchs einen stärkeren Fokus auf Produkte im Vergleich zu Dienstleistungen als Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften.

848

Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.3.

849

Vgl. Abschnitt 3.3.2.1.

850

Vgl. die Diskussion zur Größe von Venture-Capital-Gesellschaften unter Abschnitt 2.4.3.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

330

Sowohl Ashoka als auch BonVenture haben das Ziel, die gesellschaftliche Rendite zu maximieren. Das Renditepotenzial ist bei neuen, innovativen Konzepten am höchsten, daher konzentrieren sich beide Gesellschaften auf solche Konzepte. Dieser Fokus wird auch von der Transaktionskostentheorie vorhergesagt. Unter 3.2.1 wurde gezeigt, dass mit steigender Unsicherheit und Informationsasymmetrie der Vorteil von VenturePhilanthropy-Gesellschaften als Intermediären gegenüber einer direkten Finanzierung der Social Ventures durch die Investoren zunimmt. These 67: Venture-Philanthropy-Gesellschaften, die Kapital von mehreren Investoren bündeln, konzentrieren sich auf neue, innovative Konzepte, bei denen sowohl das Renditepotenzial als auch das Risiko hoch ist. Im Rahmen des Kriteriums Systemveränderung diskutieren beide Gesellschaften, ob es den Konzepten gelingt, ein neues stabiles Gleichgewicht zu erreichen. Dies ist ein Definitionsbestandteil von Business und Social Entrepreneurship.851 Aus den unterschiedlichen Organisationstypen, die von den Gesellschaften geprüft werden, resultieren divergierende Ansätze der Beurteilung des Konzeptes. Bei BonVenture wird der Mehrwert diskutiert. Hier wird die Position des Leistungsempfängers eingenommen und die potentielle Nachfrage des Konzepts eingeschätzt. Bei Ashoka wird zwar ebenfalls die Position des Leistungsempfängers eingenommen, es wird aber diskutiert, ob es dem Social Entrepreneur gelingt, der Zielgruppe zu helfen. Die Nachfrage steht weniger im Vordergrund, vielmehr ist entscheidend, dass sich bei der Zielgruppe durch das Konzept etwas ändert. These 68: Bei Social-Venture-Capital-Gesellschaften steht bei der Konzeptbewertung die Einschätzung der Nachfrage, bei Spenden-VenturePhilanthropy-Gesellschaften die Einschätzung, ob die Leistung die Zielgruppe aus einer Problemsituation befreit, im Vordergrund. Bei Ashoka enthält das Unterkriterium Systemveränderung weitere Unterkriterien. Das wichtigste unter ihnen ist Empowerment, es wird bei jedem zweiten Kandidaten diskutiert und macht 8% der Gesamtdiskussion aus. Bezieht man die weiteren Kriterien

851

Vgl. Abschnitt 2.3.1.

5.3 Auswahlkriterien

331

Stärkenorientierung, Anreize für die Zielgruppe und Transparenz in die Betrachtung ein, ergibt sich ein Bild der gesuchten Ansätze. Ganz deutlich grenzen sich die gesuchten Konzepte von rein umverteilenden, notlindernden Konzepten ab. Ashoka sucht Organisationen, die die Zielgruppe in den Mittelpunkt stellt und vor allem nichtfinanzielle Hilfe leisten.852 Es soll der Zielgruppe durch das Stärken ihrer Stärken geholfen werden, sich selbst zu helfen. These 69: Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften konzentrieren sich auf Organisationen, die nichtfinanzielle Hilfe zur Selbsthilfe leisten. Mit Hilfe der weiteren Unterkriterien Neue Denkmuster, Systemlevel und Politikbeeinflussung wird geprüft, inwiefern die Ansätze neben Veränderungen auf der Mikroebene auch Veränderungen auf der Meso- und Makroebene bewirken. Ashoka erwartet, dass Kandidaten zwar lokal handeln, aber global denken. Die Organisationen haben immer ein konkretes Angebot direkt an die Zielgruppe. Im zweiten und dritten Schritt sollte dann basierend auf den im Projekt gesammelten Erfahrungen gesellschaftliches Umdenken angestoßen werden und Einfluss auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen genommen werden. Organisationen und Personen, die ausschließlich auf der Meso- und Makroebene arbeiten, können als Lobbyisten und Aktivisten bezeichnet werden. Der Grund, warum Ashoka dieses konkrete Angebot an Menschen oder Organisationen zur Voraussetzung für eine Förderung macht, ist die Annahme, dass es bei Erfolgen auf der Mikroebene besser gelingt, die Rahmenbedingungen zu ändern. Ein prominentes Beispiel in der deutschen Geschichte ist Alfred Krupp. Die von ihm eingeführten Sozialleistungen standen Pate für später gesetzlich verankerte Sozialleistungen.853 Auch BonVenture konzentriert sich auf Organisationen, die eine konkrete Leistung erbringen. These 70: Venture-Philanthropy-Gesellschaften fördern nur Organisationen, die an Personen oder Organisationen gerichtete Leistung anbieten. Ein weiterer deutlicher Unterschied zwischen Ashoka und BonVenture wird bei der Beurteilung der Strategie sichtbar. Dieser geht zum einen aus den Zahlen in Tabelle 37

852

Vgl. ähnlich auch Leadbeater (1997), S. 23f.

853

Vgl. Hielscher/Beckmann (2009).

332

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

hervor – Ashoka widmet diesem Unterkriterium mehr Diskussionszeit als BonVenture – zum anderen besteht auch ein inhaltlicher Unterschied. BonVenture beurteilt die Strategie losgelöst von Personen, bei Ashoka ist die Strategiebeurteilung eng verknüpft mit dem Social Entrepreneur. Die zwei Perspektiven auf die Strategie können zum einen auf die Ausrichtung der Organisationen zurückgeführt werden, denn Ashoka fördert Personen, BonVenture Organisationen. Hinzukommen kann als weiterer Grund die spätere Phase, in der sich potenzielle Portfolioorganisationen von BonVenture befinden. Mit zunehmender Reife werden Organisationen vom Gründer unabhängig und könnten auch von einem Manager skaliert werden. Die Bedeutung des Gründers geht zurück, die der Organisation und ihrer Strategie nimmt zu. These 71: Je später das Entwicklungsstadium einer Organisation, desto wichtiger ist die Strategie der Organisation im Vergleich zur Strategie des Gründers für die Auswahlentscheidung. Bei den von BonVenture diskutierten Kooperationen wird erörtert, mit wem die Organisation kooperiert, um ihre Ziele zu erreichen. Aus institutionenökonomischer Sicht sind Kooperationsentscheidungen Entscheidungen über die vertikale oder horizontale Ausdehnung der Organisation. Die Transaktionskostentheorie ist die geeignete Theorie, um Kooperationen näher zu untersuchen. Eine solche Untersuchung geht aber über den Rahmen der Arbeit hinaus. Aus Sicht des Managements spielen Kooperationen im Social Entrepreneurship noch eine andere Rolle. Anders als im Business Entrepreneurship eint die Akteure und Organisationen im Idealfall das Ziel, gesellschaftlichen Wert zu schaffen. Kooperationen werden daher nicht eingegangen, weil sie die private Rendite der Organisation maximieren wollen, sondern weil sie das Erreichen des gesellschaftlichen Ziels wahrscheinlicher machen. Es wird von den Mitarbeitern der Fallstudien und anderen Akteuren im Social Entrepreneurship regelmäßig betont, dass Kooperationen für die Zielerreichung sehr wichtig sind. Die Kooperationspartner müssen sich dabei darauf verlassen, dass der jeweils andere die Kooperation nicht für private Zwecke nutzt. Nur unter dieser Bedingung sind sie bereit, Ressourcen für die Kooperation zur Verfügung zu stellen. Für eine solche Kooperation bedarf es häufig einer Vertrauensgrundlage, weil sich viele Situationen nicht vertraglich regeln lassen. Für dieses Vertrauen sind wiederum persönliche Beziehungen hilfreich.

5.3 Auswahlkriterien

333

These 72: Persönliche Beziehungen und Vertrauensverhältnisse zu potenziellen Partnern wirken sich positiv auf das Entstehen von Kooperationen aus. These 73: Im Non-Profit-Sektor wirken sich Kooperationen positiv auf die gesellschaftliche Rendite aus und erhöhen daher die Wahrscheinlichkeit einer Finanzierungszusage.

5.3.2.2 Social Entrepreneur Unter dem Hauptkriterium Social Entrepreneur werden alle Kriterien zusammengefasst, die sich auf die entscheidenden Personen beziehen. Ähnlich wie in VentureCapital-Studien hat auch in dieser Untersuchung das Entrepreneur-Kriterium von allen Hauptkriterien die meisten Unterkriterien. Der Social Entrepreneur ist das am zweithäufigsten diskutierte Kriterium, wie unter 5.3.1 dargestellt, allerdings ist der Unterschied zu den Kriterien Markt und soziale Rendite und bei BonVenture zusätzlich zu dem Finanz-Kriterium gering. Tabelle 22 und Tabelle 32 zeigen, dass das Kriterium erst in den späten Auswahlstufen überprüft wird, wenn das Konzept bereits für gut befunden wurde. In diesen späten Auswahlstufen steigt der Prüfungsaufwand pro Finanzierungsanfrage stark an. Diese intensive Prüfung ist auch darauf zurückzuführen, dass der Social Entrepreneur schwer zu bewerten ist. Anders als das Konzept kann der Social Entrepreneur nur schlecht auf Basis objektiver Eigenschaften beurteilt werden, daher ist die Diskussionsintensität des Kriteriums auch geringer als der Anteil der Anfragen, bei denen das Kriterium diskutiert wird, wie Tabelle 37 und Tabelle 38 erkennen lassen. Bei der Bewertung des Kriteriums ist vielmehr die Intuition und subjektive Einschätzung der Mitarbeiter gefragt. Dies wird auch deutlich, wenn man einmal die Unterkriterien von Konzept mit denen des Social-Entrepreneur-Kriteriums vergleicht, beispielsweise können die Innovation und auch die Systemveränderung objektiver diskutiert werden als der Wille und die Kreativität des Social Entrepreneurs. These 74: Das Social-Entrepreneur-Kriterium wird zum wichtigsten Kriterium, nachdem das Konzept, der Markt und die soziale Rendite für gut befunden wurden. Die Prüfung dieses Kriteriums ist aufwendig und beruht stark auf der subjektiven Bewertung der Mitarbeiter.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

334

Die Unterkriterien konnten fast ausnahmslos durch die Ashoka-Fallstudie identifiziert werden. Bei BonVenture wird in den überwiegenden Fällen nur abstrakt diskutiert, ob es sich um einen Social Entrepreneur handelt. Dafür gibt es prozessuale Gründe. Erstens hat nur der Projektverantwortliche persönlichen Kontakt zum Social Entrepreneur, die übrigen Teammitglieder lernen ihn häufig auch erst in der Beiratssitzung kennen. Zweitens betont BonVenture den persönlichen Eindruck des Social Entrepreneurs, diese Einschätzung kann nur eingeschränkt objektiviert werden. Drittens werden in den Mitarbeitersitzungen bei BonVenture stärker Anfragen besprochen, die sich in einer frühen Auswahlstufe befinden, in der noch kein Treffen mit dem Social Entrepreneur stattgefunden hat. Der Unterschied beider Gesellschaften kann aber zusätzlich auch auf die erwähnten unterschiedlichen Entwicklungsphasen zurückgeführt werden, auf die sich die Gesellschaften fokussieren. Zwar sind die Ergebnisse aus der Venture-Capital-Forschung uneindeutig, aber es erscheint aus Sicht der VenturePhilanthropy-Gesellschaft dennoch sinnvoll, sich stärker auf den Social Entrepreneur zu konzentrieren, wenn das Konzept einen noch geringen Reifegrad aufweist.854 These 75: Je früher die Entwicklungsphase eines Social Ventures, desto stärker basiert die Auswahlentscheidung auf der Person des Social Entrepreneurs. Das einzige Unterkriterium, das bei BonVenture etwas ausführlicher diskutiert wird, ist die Motivation des Social Entrepreneurs. Als Begründung dafür wurde bereits unter 5.2.5 die fehlende Selbstselektion bei den Finanzierungsangeboten von SocialVenture-Capital-Gesellschaften angeführt. These 76: Aufgrund der negativen Selbstselektion bei Kredit- und Eigenkapitalfinanzierungen wird die Motivation des Social Entrepreneurs bei Social-Venture-Capital-Gesellschaften intensiver geprüft als bei Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Auffällig bei den Unterkriterien des Kriteriums Social Entrepreneur ist, dass das Gründungsteam nicht vorkommt, obwohl es für die Mehrzahl der Venture-Capital-

854

Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.3.

5.3 Auswahlkriterien

335

Gesellschaften ein wichtiges Kriterium darstellt.855 Ashoka geht bei der Auswahl gründerzentriert vor und sucht nur Konzepte aus, die von einer Person initiiert wurden, selbst wenn es dann ein Team ist, das die Organisation führt. BonVenture erwähnt zwar einige Male die übrigen Gründer, aber ein Kriterium wie Teamvollständigkeit oder Ähnliches kann nicht identifiziert werden. Zwar wird das Gründungsteam nicht als unwichtig erachtet, aber die von beiden Gesellschaften vertretene Leistungswirkung ist die, dass vor allem einzelne Personen Wandel initiieren.856 Beide Gesellschaften orientieren sich an dem Kriterium, dass ein Konzept multiplizierbar und so überzeugend sein muss, dass es sich auch ohne die Person des Entrepreneurs durchsetzen würde. Hier stellt sich die Frage, warum dann der Social Entrepreneur als so bedeutend angesehen wird. Die Kriterien scheinen sich an dieser Stelle zu widersprechen. Bei Ashoka wird dieser Konflikt bei zwei beobachteten Kandidaten offensichtlich. In beiden Fällen überzeugt das Konzept an sich, auch wird davon ausgegangen, dass es sich gut verbreiten lässt. Gleichwohl wird die Person des Entrepreneurs nicht ausgewählt, weil sie die Kriterien nicht erfüllt. Dennoch vertritt Ashoka die Auffassung, dass es möglich sei – im Sektor gäbe es entsprechende Beispiele – gute Konzepte von Social Entrepreneurs, die selbst nicht in der Lage sind, das Konzept zu verbreiten, von einer Stiftung übernommen werden und diese dem Konzept zum Durchbruch verhilft. Auch im Venture-Capital-Sektor ist es nicht unüblich, dass vergleichbare Unternehmen Finanzierung erhalten und die Venture-Capital-Gesellschaft dann das Management professionalisiert, indem sie es verstärkt oder austauscht.857 Der in beiden Fallstudien verfolgte strategische Ansatz, nach erstklassigen Konzepten zu suchen, hinter denen auch eine erstklassige Unternehmerpersönlichkeit steht, kann als Strategie zur Risiko- und Aufwandsminimierung interpretiert werden. Das Risiko einer Fehlinvestition in einen Unternehmer, der selbst über ein herausragendes Konzept verfügt, ist geringer als bei der separaten Suche nach Konzept und geeignetem Unternehmer. Vermutlich ist auch der Gesamtaufwand geringer als die separate Suche nach Idee und Unternehmer. Solange es wenige Venture-PhilanthropyGesellschaften gibt, können diese sich auf Anfragen konzentrieren, die beide Kriterien,

855

Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.

856

Vgl. für eine Diskussion der Leistungswirkungen 2.5.2.5.

857

Vgl. Abschnitt 3.3.2.2.7.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

336

ein erstklassiges Konzept und ein erstklassiger Unternehmer, erfüllen. Mit zunehmendem Kapitalangebot im Venture-Philanthropy-Sektor werden vermutlich auch aufwendigere Investitionsmöglichkeiten, bei denen ein neues Management eingesetzt werden muss, berücksichtigt. These 77: Mit steigender Zahl an Venture-Philanthropy-Gesellschaften, die in den Markt eintreten, greifen Venture-Philanthropy-Gesellschaften zunehmend in die Zusammensetzung des Managements ein. Aus den Beobachtungen geht auch hervor, dass sich ein Unternehmer sehr stark entwickeln kann. Beispielsweise änderte sich bei Ashoka die Einschätzung eines Anfragenden von überhaupt nicht unternehmerisch zu sehr unternehmerisch innerhalb eines Jahres. Auch bei BonVenture wurden in mehreren Fällen Organisationen positiv eingeschätzt, die vorher, auch aufgrund des Social-Entrepreneur-Kriteriums, ein- oder sogar zweimal abgelehnt wurden. These 78: Die Fähigkeiten, die nötig sind, um das Social-Entrepreneur-Kriterium zu erfüllen, können zum Teil erlernt werden.

5.3.2.3 Markt Zum Marktkriterium zählen neben klassischen Venture-Capital-Markt-Themen wie Marktgröße, Marktentwicklung und Konkurrenzbewertung vor allem auch die Fragen, ob es sich um ein gesellschaftliches Problem handelt und wer die Zielgruppe ist. Für beide Gesellschaften bildet das gesellschaftliche Problem die grundlegende Legitimation, unterstützend aktiv zu werden, somit handelt es sich um ein K.-O.Kriterium. Dessen Erfüllung wird daher auch tendenziell früh im Auswahlprozess überprüft, wie indirekt auch aus Tabelle 22 und Tabelle 32 hervorgeht.858 Den Beobachtungen zufolge ist die Frage, ob überhaupt ein aus Sicht der VenturePhilanthropy-Gesellschaft relevantes gesellschaftliches Problem vorliegt zwar in einigen Fällen sehr offensichtlich, in anderen Fällen dagegen umso schwieriger zu be-

858

Das gesellschaftliche Problem ist nicht als eigenes Kriterium ausgewiesen. Sowohl bei Ashoka als auch BonVenture ist es in der Datenbank Teil des Social-Impact-Kriteriums. Vgl. auch Abschnitt 5.3.1.

5.3 Auswahlkriterien

337

urteilen. Eine eindeutige Definition darüber, wann ein gesellschaftliches Problem vorliegt, das eine Finanzierung durch die Gesellschaft rechtfertigt, konnte in beiden Fallstudien nicht identifiziert werden. Bei BonVenture geben allerdings die unter 4.4.3.1 angeführten Zielbereiche und einschränkenden Kriterien Hinweise auf die Umstände, die für BonVenture ein gesellschaftliches Problem darstellen. Im Falle von Ashoka ist es nur möglich, sich indirekt der Definition eines gesellschaftlichen Problems zu nähern. Hinweise darauf liefern die Unterkriterien von Systemveränderung. Beispielsweise stellen Systeme und Institutionen ein gesellschaftliches Problem dar, in denen Menschen ihre Stärken nicht nutzen (können), um eigenverantwortlich zu leben. Dies ist das Gegenteil der Stärkenorientierung und des Empowerments. Nötiges Empowerment durch erhöhte Transparenz und zusätzliche Informationen, die Menschen bessere Entscheidungen, z.B. über Produkte und Dienstleistungen ermöglichen, deutet wiederum im Umkehrschluss darauf hin, dass – zumindest in gewissen Teilbereichen – fehlende Informationen ein gesellschaftliches Problem darstellen können. Obwohl die Frage, ob ein gesellschaftliches Problem vorliegt, nicht eindeutig beantwortet werden kann, ist sie vergleichsweise objektiv diskutierbar und ihre Einschätzung beruht nicht wie beim Social Entrepreneur auf der Intuition und subjektiven Einschätzung der Mitarbeiter. Dass es um gesellschaftliche Probleme geht, also Umstände, von denen eine Mehrheit der Bevölkerung behaupten würde, dass sie ein Problem darstellen, beruht die Einschätzung auch nicht nur, wie man zunächst meinen könnte, auf den individuellen Wertvorstellungen der Mitarbeiter. Daher ist die Diskussionsintensität des Kriteriums im Vergleich zum Anteil der Anfragen, bei dem es diskutiert wird, insgesamt hoch, wie Tabelle 37 und Tabelle 38 zu entnehmen ist. Die Frage, wann ein gesellschaftliches Problem vorliegt, ist für Venture-PhilanthropyGesellschaften und damit auch für die Forschung äußerst relevant. Im Stiftungssektor gibt es dazu Theorien, die vor allem auf der Bedeutung meritorischer Güter, dem Markt- und dem Staatsversagen basieren.859 Eine Diskussion dieser Theorien ginge aber über den Rahmen dieser Arbeit hinaus. Insgesamt lässt sich folglich zur Bedeutung des gesellschaftlichen Problems festhalten:

859

Vgl. Lang/Schnieper (2006), S. 23ff, 56.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

338

These 79: Das gesellschaftliche Problem ist ein K.-O.-Kriterium, dass früh im Auswahlprozess untersucht wird. Es wird auf Basis vergleichsweise objektiver Markteigenschaften bewertet. Die Digitalisierung, die auch im sozialen Bereich Einzug hält, bringt neue Herausforderungen für die Kapitalgeber mit sich. Während es beispielsweise in der Vergangenheit ausreichte herauszufinden, ob ein neuer Ansatz für die Lösung eines sozialen Problems vorliegt, zeigen die Beobachtungen, dass es aufgrund der dynamischen Entwicklung, vor allem im digitalen Bereich, oftmals parallel mehrere neue Lösungsansätze geben kann. Damit muss zusätzlich zur Frage des Neuigkeitswerts alternativer Ansätze auch die Frage beantwortet werden, welcher davon die größte Aussicht auf Erfolg hat. Wenn mehrere Anbieter gleichzeitig mit neuen Lösungen an den Markt gehen, kommt eine Venture-Philanthropy-Gesellschaft nicht umhin, auch die gleichzeitig entstehenden neuen Angebote zu prüfen. Die Auswahl wird komplexer, weil die Betrachtung der Konkurrenz mit in die Auswahlentscheidung einbezogen werden muss. These 80: Je stärker die Anbieterdynamik, desto wichtiger die Analyse der Konkurrenz bei der Auswahl von Portfolioorganisationen.

5.3.2.4 Soziale Rendite Die soziale Rendite wird bei ähnlich vielen Anfragen diskutiert wie die Kriterien Social Entrepreneur und Markt. Dies zeigt Tabelle 37. Sie wird von Ashoka bei 75% aller Kandidaten, von BonVenture nur bei 25% der Kandidaten diskutiert. Bezüglich des Diskussionsanteils macht dieses Kriterium bei Ashoka 23%, bei BonVenture 13% aus. Diese Diskussion gilt der Höhe der sozialen Rendite und weniger der absoluten Erfüllung eines Kriteriums, es handelt sich hierbei folglich nicht um ein K.-O.Kriterium. Die soziale Rendite hängt eng mit dem Konzept zusammen und kann daher, wie Tabelle 22 und Tabelle 32 illustrieren, recht gut bereits zu Beginn des Prozesses beurteilt werden. Die Bewertung des Kriteriums erfolgt überwiegend auf Basis von objektiven Tatsachen und weniger von intuitiven Bewertungen.

5.3 Auswahlkriterien

339

These 81: Die soziale Rendite wird früh im Auswahlprozess untersucht. Sie wird auf Basis vergleichsweise objektiver Konzept- und Markteigenschaften bewertet. Die Diskussion unterscheidet sich, wie zunächst scheint, auf der Unterkriterienebene: Bei Ashoka wird die Übertragbarkeit, bei BonVenture die soziale Rendite allgemein diskutiert, obwohl auch BonVenture die Übertragbarkeit als ein wichtiges Kriterium angibt. Beide Kriterien hängen eng miteinander zusammen. Die Übertragbarkeit bringt den Anspruch der Gesellschaften auf eine hohe gesellschaftliche Rendite zum Ausdruck. Diese ist jedoch nur möglich, wenn eine Leistung nicht nur regional begrenzt ist oder die Präferenzen Weniger widerspiegelt. Vielmehr muss eine Mehrheit einen bestimmten Sachverhalt für ein gesellschaftliches Problem halten und die Lösung muss überregional anwendbar sein. Erst dann eröffnet die Innovation die Möglichkeit einer hohen gesellschaftlichen Rendite. Dass die Übertragbarkeit bei Ashoka intensiver diskutiert wird, hängt vermutlich wiederum mit dem Typus der anfragenden Organisationen zusammen, die in erster Linie auf Dienstleistungen spezialisiert sind. Bei einem Produkt stellt sich die Frage der Übertragbarkeit kaum; wenn dieses einen Mehrwert bietet, kann es weitgehend unproblematisch auch überregional vertrieben werden. Dies gilt insbesondere für Internet-Angebote. Dienstleistungen hingegen eignen sich nicht generell für die Verbreitung, beispielsweise weil sie zu stark an die Kompetenzen einzelner Personen gebunden sind. These 82: Das Kriterium der Übertragbarkeit wird bei Dienstleistungen intensiver geprüft als bei Produkten. Aus den finanziellen Zielen der Gesellschaften ergibt sich der Anspruch, den die Venture-Philanthropy-Gesellschaft an das Social Venture stellt. Für Spenden-VenturePhilanthropy-Gesellschaften ist es irrelevant, ob das geförderte Social Venture die Leistung erbringt oder ob die Innovation von anderen Organisationen kopiert und nachgeahmt wird und diese dann die Leistung erbringen. Social-Venture-CapitalGesellschaften sind aufgrund ihrer finanziellen Ziele darauf angewiesen, dass das finanzierte Social Venture zumindest zu einem gewissen Grad die Leistung selbst erbringt und dadurch eine finanzielle Rendite erwirtschaftet.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

340

These 83: Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften fördern stärker als Social-Venture-Capital-Gesellschaften das Kopieren und Nachahmen der Innovation durch Dritte.

5.3.2.5 Finanzielles Beim Kriterium Finanzielles liegen die Ergebnisse der beiden Fallstudien weit auseinander. Finanzielles wird von Ashoka bei 29% der Kandidaten angesprochen – wesentlich seltener als die oben bereits betrachteten Kriterien – und macht nur 2% der gesamten Diskussion aus. Da die Einkommensgenerierung für die Förderung unwesentlich ist, werden die Finanzen der Social Entrepreneurs zwar erwähnt, aber nicht diskutiert. Bei BonVenture ergibt sich ein eher umgekehrtes Bild. Finanzielle Aspekte machen 35% der gesamten Diskussion aus. Der Diskussionsanteil und die Unterkriterien deuten darauf hin, dass sich das Kriterium gut objektiv diskutieren lässt. Tabelle 32 lässt erkennen, dass finanzielle Aspekte vor allem in den späteren Auswahlprozessstufen zu Absagen führen. These 84: Finanzielle Aspekte sind nur bei Social-Venture-Capital-Gesellschaften ein wichtiges Auswahlkriterium, das tendenziell spät im Auswahlprozess auf Basis vergleichsweise objektiver Eigenschaften bewertet wird. Wie bereits unter 5.2.5 gezeigt, findet bei der Stipendienfinanzierung eine starke Selbstselektion statt. Sie mag eine Erklärung dafür sein, dass vertragliche Elemente, die zum Finanzkriterium zählen, bei Ashoka nicht diskutiert werden. Ein weiterer Grund ist, dass Spenden weniger Möglichkeiten bieten, durch vertragliche Regelungen die Kapitalnehmer an ein bestimmtes Verhalten zu binden und vertragliche Anreize zu fomulieren. Die Summe des Anteils der Kriterien gesellschaftliche Rendite und Finanzielles an der Gesamtdiskussion ist bei BonVenture höher als bei Ashoka. Hierin drückt sich unter Umständen der Zielkonflikt zwischen der sozialen Rendite und der finanziellen Rendite aus, von dem BonVenture ausgeht. Die Abwägung der beiden Ziele bedarf der Diskussion und ist aufgrund der Messproblematik bei der sozialen Rendite nicht leicht vorzunehmen.

5.3 Auswahlkriterien

341

5.3.3 Kriterienhierarchie 5.3.3.1 Überblick Im Anschluss an die inhaltliche Darstellung der einzelnen Kriterien innerhalb der Fallstudien und die Gegenüberstellung der beiden Fallstudien im vorangegangenen Abschnitt wird nun für jedes Hauptkriterium analysiert, ob und in welcher Form die Unterkriterien zusammenhängen und sich ggf. gegenseitig beeinflussen. Um diesbezüglich Erkenntnisse zu gewinnen, wird analysiert, welche Überschneidungen es bei der Codierung einzelner Kriterien gibt. Teilweise sind Textstellen mit mehreren Kriterien codiert. Diese Textstellen werden untersucht mit dem Ziel, den Hintergrund der gemeinsamen Diskussion beider Kriterien herauszufinden. In den folgenden Gliederungspunkten werden die Überschneidungen, die jeweils in Tabellen dargestellt werden, in der Regel von oben nach unten und links nach rechts analysiert.860 Diese Vorgehensweise wird nur dann aufgegeben, wenn mehrere Unterkriterien zusammenhängen und dadurch ein Springen zwischen Zeilen und Spalten nötig ist. Inhaltlich nicht relevante Überschneidungen werden nicht thematisiert. Da keine Erkenntnisse aus den Überschneidungen des Marktkriteriums gezogen werden können, wird dieses Kriterium gar nicht erwähnt. In die Darstellung der Zusammenhänge fließen neben den Mehrfachcodierungen auch Erkenntnisse aus Interviews mit Mitarbeitern der Gesellschaften sowie eigene Überlegungen ein. Das Resultat der Analyse sind mehrere überprüfbare Teilmodelle zur Wirkung von Kriterien.

5.3.3.2 Konzept Einige inhaltlich relevante Zusammenhänge bestehen beim Unterkriterium Systemveränderung. Dieses wird hauptsächlich von Ashoka angelegt, folglich basiert auch dessen Analyse weitgehend auf der Ashoka-Fallstudie. Da die überwiegende Mehrzahl der beobachteten Kandidaten Dienstleistungen anbietet, haben auch die folgenden Ausführungen vorwiegend eine diesbezügliche Relevanz

860

Vgl. für eine kriterienübergreifende Darstellung der Überschneidungen Anhang A.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

342

Die Einbindung von Stakeholdern und deren Unterstützung verstärken die Wirkung empowernder Maßnahmen auf die Zielgruppe. In diesem Fall unterstützen neben dem Social Entrepreneur auch die Stakeholder das Ziel einer Systemveränderung. Indirekt kann Empowerment zu veränderten Denkmustern führen. Wenn im Rahmen eines bestimmten Konzeptes Menschen empowert werden, um sich selbst helfen zu können, dann kann dies zu einer Veränderung der Wahrnehmung der Zielgruppe

1.1 Allgemein 1.2 Innovation 1.3 Systemveränderung & Mehrwert 1.3.1 Allgemein 1.3.2 Empowerment 1.3.3 Zugang zur Zielgruppe 1.3.4 Stakeholdereinbindung 1.3.5 Stärkenorientierung 1.3.6 Neue Denkmuster 1.3.7 Anreize für Zielgruppe 1.3.8 Transparenz 1.3.9 Systemlevel 1.3.10 Politikbeeinflussung 1.4 Strategie 1.4.1 Leistungserbringung 1.4.2 Fokus 1.5 Kooperationen 1.6 Sonstiges

1.6 Sonstiges

1.5 Kooperationen

1.4.2 Fokus

1.4.1 Leistungserbringung

1.4 Strategie

1.3.10 Politikbeeinflussung

1.3.9 Systemlevel

1.3.8 Transparenz

1.3.7 Anreize für Zielgruppe

1.3.6 Neue Denkmuster

1.3.5 Stärkenorientierung

1.3.4 Stakeholdereinbindung

1.3.3 Zugang zur Zielgruppe

1.3.2 Empowerment

1.3.1 Allgemein

1.3 Systemveränderung & Mehrwert

1.2 Innovation

1.1 Allgemein

führen, in dem Sinne, dass beispielsweise mehr die Stärkern und weniger die Schwächen der Zielgruppe wahrgenommen werden. Aus dieser veränderten Wahrnehmung kann dann auch in anderen Bereichen eine Systemveränderung resultieren.

5041 355

9499

254

1112 17716

110

644

5849

380

4419

144 56

5849 4419

3206

89

1718

57

3266 173

1447 213

1718 215

1339

1447

213

229

114 32

1339 114

140

125

566

68

104

17

140 566 104

397

193

1600

414

374

97

331

441

6833

233

187

1600

414

374

97

331

441

6157 6157

164

6

105

112

850

298

50

552

780

104

400

400

108

780 1701 108

637

Tabelle 40: Mehrfachcodierungen und Überschneidungen bei Konzeptkriterien Empowerment wird positiv beeinflusst durch Transparenz. Dabei bildet der Zugang zu relevanten Informationen, die möglicherweise zuvor nicht verfügbar waren, die Voraussetzung autonomer Entscheidungsfindung. Die Stärkenorientierung wird in einem Fall überlappend mit dem Unterkriterium neue Denkmuster besprochen. Hierbei bringt das Konzept eines Kandidaten Stärken der

5.3 Auswahlkriterien

343

Zielgruppe zum Tragen, die bislang nicht bekannt waren oder zumindest nicht genutzt wurden. Diese Sichtbarwerdung von Stärken und deren Wahrnehmung durch andere können in der Folge zu veränderten Denkmustern führen. Dieser Zusammenhang ähnelt damit stark dem oben angesprochenen Zusammenhang zwischen Empowerment und neuen Denkmustern. Die Zusammenhänge zwischen den Kriterien können, wie in Abbildung 16 dargestellt, in einem Modell abgebildet werden. Darin wirken drei Hauptkräfte positiv auf die Systemveränderung: Empowerment, veränderte Denkmuster und Politikbeeinflussung. Empowerment setzt eine Arbeit mit einzelnen Menschen voraus und wirkt zunächst auf der Mikroebene: Einzelne Menschen werden empowert und dadurch in die Lage versetzt, sich aus ihrer misslichen Lage selbst zu befreien. Wenn sich dadurch die Situation der Zielgruppe nachhaltig verändert, bedeutet dies eine Systemveränderung.

Stakeholdereinbindung

Transparenz (insb. von externen Effekten) Stärkenorientierung

Anreize für Zielgruppe

Empowerment

Zugang zur Zielgruppe

Systemveränderung

Neue Denkmuster

Politikbeeinflussung

Systemlevel

Abbildung 16: Wirkung der Unterkriterien zweiter Ebene auf das Unterkriterium erster Ebene “Systemveränderung“ Empowerment wird wiederum positiv beeinflusst durch Transparenz und Stärkenorientierung. Positiv moderierend auf die Stärkenorientierung wirken Anreize für die Zielgruppe, die zu einer intrinsischen Motivation führen. Potenziell negativ wirken sich dagegen Anreize aus, die zu einer extrinsischen Motivation führen, weil die Zielgruppe in alte Verhaltensmuster zurückfällt, sobald die Anreize ausbleiben.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

344

Die Kriterien Stakeholdereinbindung und Zugang zur Zielgruppe haben positiven moderierenden Einfluss auf die Wirkung des Empowerments auf die Systemveränderung. Veränderte Denkmuster bilden den gesellschaftlichen Teil der Veränderung und damit die Mesoebene ab. Systemveränderung in einem bestimmten Bereich führt zu einem gesellschaftlichen Umdenken mit entsprechenden positiven und verstärkenden Rückwirkungen auf die Systemveränderung, indem sie in verwandten Bereichen adaptiert wird und auch dort wiederum eine positive Veränderung entfaltet. Durch Politikbeeinflussung kann auf der Makroebene eine Systemveränderung herbeigeführt werden, wenn die Maßnahmen zu einer Veränderung der Rahmenbedingungen führen. Positiv auf den Einfluss wirkt sich das Systemlevel aus. Je höher in der Hierarchie, desto stärker ist die Wirkung. Gesetzliche Änderungen auf Bundesebene haben eine größere Hebelwirkung als Änderungen auf kommunaler Ebene.

Systemveränderung

Innovation

Strategie

Kooperationen

Konzept

Abbildung 17: Wirkung der Unterkriterien erster Ebene auf das Kriterium „Konzept“ Neben Innovation und Systemveränderung bilden Strategie und Kooperationen weitere Unterkriterien des Hauptkriteriums Konzept. Da die Innovation in beiden Fallstudien eine Voraussetzung dafür ist, ein Konzept für eine Finanzierung überhaupt in Erwägung zu ziehen, wirken die übrigen Unterkriterien nur indirekt. Ohne das Vorliegen einer Innovation ist das Konzept-Kriterium nicht erfüllt. Die Überschneidungen zwischen den Kriterien Strategie und Systemveränderung ergeben sich aus den Diskussionen darüber, mit welcher Strategie die Organisation, die zum Empowerment beiträgt, die Zielgruppe erreicht und die Stakeholder einbindet etc. Unter Systemveränderung wird die Erfüllung der Kriterien diskutiert, während sich die Strategie auf die

5.3 Auswahlkriterien

345

Frage bezieht, wie die Organisationen dahinkommen. Dieser Gesamtzusammenhang um das Konzept-Kriterium ist in Abbildung 17 dargestellt.

5.3.3.3 Social Entrepreneur Die Überschneidungen zwischen den Unterkriterien lassen sich Tabelle 41 entnehmen. Auch die Unterkriterien des Social-Entrepreneur-Kriteriums konnten größtenteils

2.1 Allgemein 2.2 Wille 2.2.1 Allgemein 2.2.2 Qualitätsorientierung 2.2.3 Wachstumswille 2.3 Kreativität 2.2.1 Vision und Motivation 2.2.2 Problemlösung 2.4 Biographie & Erfahrung 2.4.1 Unternehmerisch 2.4.2 Motivation 2.5 Entwicklungspotenzial 2.6 Phase 2.7 Delegationsfähigkeit 2.8 Kommunikationsfähigkeit 2.9 Pragmatismus 2.10 Soziale Motivation 2.11 Bekanntheitsgrad 2.12 Integrität 2.13 Detailversiertheit 2.14 Belastbarkeit 2.15 Sonstiges

2.15 Sonstiges

2.14 Belastbarkeit

2.13 Detailversiertheit

2.12 Integrität

2.11 Bekanntheitsgrad

2.10 Soziale Motivation

2.9 Pragmatismus

2.8 Kommunikationsfähigkeit

2.7 Delegationsfähigkeit

2.6 Phase

2.5 Entwicklungspotenzial

2.4.2 Motivation

2.4.1 Unternehmerisch

2.4 Biographie & Erfahrung

2.2.2 Problemlösung

2.2.1 Vision und Motivation

2.3 Kreativität

2.2.3 Wachstumswille

2.2.2 Qualitätsorientierung

2.2.1 Allgemein

2.2 Wille

2.1 Allgemein

durch die Ashoka-Fallstudie identifiziert werden. Die Zusammenhänge beziehen sich daher ebenfalls wieder auf Dienstleistungen anbietende Social Entrepreneurs.

3046 4616 2425 2425 1720

1720

471

471

443

802

102

700

3713

385

379

102

277

2492 2492

58

423

423

1221

89

67

67

4088

89

67

67

3649 3649

35

35

1221

535

483

52

388

277

111

205

153

52

153

36

117

20 107 134

40

94 244

244

47

30

474

35

104

104

89

89

70

70

474 1648 770 89

355

134

838

34

579 1243 301

142 48

116

142 116

17

142

142

17

17

69

310

235

520 67

231

Tabelle 41: Mehrfachcodierungen und Überschneidungen bei Social-EntrepreneurKriterien Die Überschneidungen zwischen Wille und Kreativität können mit dem Sprichwort „Wo ein Wille, dort ein Weg“ zusammengefasst werden. Wenn ein starker Wille vorhanden ist, wird man kreativ, um seine Ziele zu erreichen. Die Überschneidungen zwischen Wille und Entwicklungspotenzial basieren hauptsächlich auf dem Fall eines speziellen Kandidaten. Dieser stieß durch seine Qualitäts-

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

346

orientierung immer wieder auf Probleme, die er selbst nicht direkt lösen konnte. Er musste aktiv nach Lösungen suchen und hat dabei wiederholt externe Hilfe in Anspruch nehmen. Durch diesen Prozess hat er die eigenen Fähigkeiten weiterentwickelt und nachgewiesen, dass er über Entwicklungspotenzial verfügt. Die Überschneidungen zwischen Wille und Pragmatismus sind begrenzt, umfassen aber zwei interessante Fälle. In dem einen konstatierte ein Kandidat einen Missstand und reagierte prompt und pragmatisch, indem er eine Organisation aufbaute, die dieses Problem angehen sollte. Im anderen Fall war die Qualitätsorientierung so hoch, dass der Pragmatismus und damit auch die Umsetzung darunter litt. Ähnlich gelagert sind die Überschneidungen zwischen Wille, insbesondere dem Unterkriterium Qualitätsorientierung, Delegation und Detailversiertheit. Diese Schnittmenge ist das Ergebnis eines Konfliktes zwischen Delegation auf der einen sowie Detailversiertheit und Qualitätsorientierung auf der anderen Seite. Den Kandidaten fällt Delegation schwer, weil sie eine hohe Qualitätsorientierung haben, die wiederum dazu führt, dass sie stark im Detail stecken. Offenbar ist die ansonsten gewünschte Qualitätsorientierung in diesem Fall mit einem erheblichen Nachteil verbunden, denn ohne Delegation kann die Organisation nicht wachsen und, wenn man davon absieht, dass das Konzept kopiert wird, auch keine großflächige Systemveränderung herbeiführen. Die Überschneidung zwischen Wille und Belastbarkeit resultiert aus einer vermutlich hohen Korrelation beider Kriterien. Ein Fall zeigt, dass eine positive Einschätzung aufgrund der Biographie mangelnde kommunikative Fähigkeiten kompensieren kann. Ein Kandidat kann sein Konzept nicht gut vermarkten, hat aber schon viel Unternehmerisches geleistet, so dass die fehlenden kommunikativen Fähigkeiten nicht negativ berücksichtigt werden. Etwas überraschend ist, dass zwischen den Ausführungen zur Biographie und den Einzelkriterien nicht mehr Überschneidungen bestehen. Schließlich wird in der Ashoka-Broschüre erwähnt, dass sich unternehmerisches Geschick schon früh im Leben eines Menschen zeigt.861

861

Vgl. Ashoka (2007), S. 8ff.

5.3 Auswahlkriterien

347

Das sich aus der Analyse ergebende Modell ist in Abbildung 18 dargestellt. Die Unterkriterien Biographie und Bekanntheitsgrad wurden nicht mit in die Abbildung aufgenommen, da beide keine Unterkriterien im engen Sinn sind. Sie können vielmehr als Operationalisierung des Hauptkriteriums Social Entrepreneur interpretiert werden. Entsprechend dürfte die Gesamteinschätzung des Social-Entrepreneur-Kriteriums mit der Bewertung der Biographie stark korrelieren. Beim Bekanntheitsgrad verhält es sich ähnlich. Die Bekanntheit an sich ist für den Erfolg nicht entscheidend, sie ist nur eine der Möglichkeiten, die Leistung, insbesondere die Marketingfähigkeiten, des Social Entrepreneurs einzuschätzen. Die gestrichelten Kästen sind Kriterien, die unter Sonstiges zusammengefasst wurden, weil sie nur vereinzelt beobachtet werden konnten. Weil sie aber von den Mitarbeitern in Interviews genannt wurden, werden sie hier mit aufgenommen. Die Kräfte, die auf das Hauptkriterium Social Entrepreneur wirken, lassen sich grob in fünf Gruppen einteilen: strategische Fähigkeiten, professionelle Fähigkeiten, Kreativität, Einstellung und Entwicklungspotenzial. Zu den strategischen Eigenschaften zählen Detailversiertheit, Pragmatismus und Marktkenntnis. Je stärker diese drei Eigenschaften ausgeprägt sind, desto besser wird vermutlich die Strategie sein, die der Social Entrepreneur entwickelt. Allerdings werden die Kriterien wiederum selbst beeinflusst durch die Qualitätsorientierung, die sich positiv auf die Detailversiertheit und negativ auf den Pragmatismus auswirkt. Die zweite Gruppe an Kriterien beinhaltet professionelle Fähigkeiten, von denen in den Beobachtungen vier identifiziert werden konnten: effizientes Handeln, Marketingfähigkeiten, Kommunikationsfähigkeit und Delegationsfähigkeit. Alle vier wirken sich positiv auf die Gesamteinschätzung aus, ob jemand unternehmerisch ist.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

348

Kreativität

Detailversiertheit

Pragmatismus

Marktkenntnis

Wille Allgemein

Qualität

Social Entrepreneur

Wachstum

Effizienz

Belastbarkeit

Marketingfähigkeiten

Soziale Motivation

Kommunikationsfähigkeit

Integrität

Entwicklungspotenzial

Delegationsfähigkeit

Risikobereitschaft

Abbildung 18: Wirkung der Unterkriterien auf das Kriterium „Social Entrepreneur“ Die dritte Gruppe, die nur aus einem Kriterium besteht, ist die Kreativität. Die vierte Gruppe umfasst Aspekte der persönlichen Einstellung. Dazu zählen: Wille ganz allgemein, Qualitätsorientierung, Wachstumswille, Belastbarkeit, Risikobereitschaft und soziale Motivation. Von diesen Eigenschaften wird eine direkt positive Wirkung auf die Erfüllung des Social-Entrepreneur-Kriteriums vermutet. Die Qualitätsorientierung hat darüber hinaus auch den beschriebenen mittelbaren Einfluss auf das Hauptkriterium. Die letzte Gruppe besteht nochmals aus einem einzelnen Unterkriterium: Entwicklungspotenzial. Dieses zukunftsgerichtete Unterkriterium kann auf jedes einzelne der anderen Kriterien bezogen werden, geht es doch insgesamt um eine Einschätzung

5.3 Auswahlkriterien

349

darüber, wie sich ein Kandidat in der Zukunft verhalten wird. Die Vergangenheit ist stets nur Anhaltspunkt für künftiges Verhalten und die in der Zukunft entfalteten Eigenschaften. Die Darstellung in Abbildung 18 ist daher insofern vereinfachend, als ein direkter Zusammenhang zwischen Entwicklungspotenzial und Social Entrepreneur gezeigt wird.

5.3.3.4 Soziale Rendite Es gab keine wesentlichen Überschneidungen zwischen den Unterkriterien. Die Übertragbarkeit und die Reichweite eines Konzeptes sind dementsprechend unabhängig voneinander. Das Modell in Abbildung 19 konnte hauptsächlich auf Basis der Beobachtungen im Rahmen der Ashoka-Fallstudie hergeleitet werden. Anders als bei den anderen Modellen sind die Unterkriterien, die Teil des Modells in Abbildung 19 sind, nicht im Kriterienkatalog in Tabelle 37 aufgelistet. Sie werden nicht explizit diskutiert, sondern ergeben sich aus der Interpretation der Diskussion.

Nettonutzen der Stakeholder

Einfluss auf Erfolg Übertragbarkeit

Soziale Rendite

Reichweite

Erlernbarkeit der Leistungserbringung Anteil der Leistungserbringung durch Zielgruppe und Externe

Abbildung 19: Wirkung der Unterkriterien auf das Kriterium „Soziale Rendite“ Die Frage der Übertragbarkeit ist für Social Ventures äußerst relevant und wird bisher in der Literatur kaum thematisiert. Ausgangspunkt ist die Frage, welche Eigenschaften ein Konzept haben muss, um übertragbar zu sein und somit zu einer hohen sozialen Rendite zu führen. Wie bereits erwähnt, stellt sich insbesondere bei Dienstleistungen und weniger bei Produkten die Frage der Übertragbarkeit und damit Skalierbarkeit des Angebots.

350

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

Eine wichtige Ausgangsbeobachtung ist, dass – anders als bei rein privaten Gütern – die Stakeholder Einfluss auf die Übertragbarkeit haben. Wenn neben der Zielgruppe Stakeholder von dem Angebot profitieren, werden sie es unterstützen und somit zu seiner Verbreitung beitragen. Dieser positive Effekt ist umso stärker, je größer der Einfluss des Stakeholders auf den Erfolg ist. Ist ein Stakeholder negativ betroffen, wirkt sich das entsprechend negativ auch auf die Übertragbarkeit aus. Über einen besonders starken Hebel verfügen Organisationen folglich, wenn sie Nutzen und Anzahl der Stakeholder mit hohem Einfluss auf den Erfolg maximieren. Beispielsweise wird sich ein Nachhilfeprojekt, das sich an Schüler richtet, deutlich schneller verbreiten, wenn die Eltern von dem Angebot profitieren und es unterstützen. Umgekehrt wird ein Nachhilfeangebot, das die Eltern nicht unterstützen, schwer zu verbreiten sein. Einen moderierenden Effekt hat zusätzlich der Einfluss auf den Erfolg der Stakeholder. Wenn beispielsweise der Schulleiter darüber entscheiden kann, ob das Nachhilfeprojekt leicht zugänglich für die Schüler in der Schule angeboten werden kann, hat er einen großen Einfluss auf den Erfolg des Projektes. Positiv auf die Übertragbarkeit wirkt sich weiterhin der Anteil der Leistungserbringung aus, der durch die Zielgruppe selbst oder Externe (nicht Mitarbeiter des Social Ventures) erfolgen kann. Umgekehrt ist die Übertragbarkeit eher gering, wenn die Leistungserbringung ausschließlich durch die Mitarbeiter der Organisation des Kandidaten erfolgt. Die rascheste Ausbreitung eines Konzepts, die bei Ashoka beobachtet werden konnten, basierte auf einem Angebot für unter Depressionen leidende Menschen, das die Zielgruppe selbst erbringt. Sie erhält eine Mappe mit Informationen, auf deren Grundlage sie in Form einer Selbsthilfegruppe ohne zentrale Organisation die Leistung erbringt, die sie dabei unterstützt, aus ihrer Situation eigenständig herauszufinden. Positiv verstärkt wird das Verhältnis zwischen „Anteil der Leistungserbringung durch Zielgruppe und Externe“ und „Übertragbarkeit“ durch die „Erlernbarkeit der Leistungserbringung“. Wenn beispielsweise das Angebot von den persönlichen, nicht erlernbaren Fähigkeiten des Gründers abhängt, ist die Übertragbarkeit gering. Im obigen Beispiel werden keine besonderen Fähigkeiten vorausgesetzt, deshalb kann sich (fast) jeder unter Depressionen leidende Betroffene, an den sich das Angebot richtet, die notwendigen Kenntnisse für die Umsetzung des Konzeptes selbst aneignen. Umgekehrt hat sich ein Konzept, obwohl es lokal eine große Wirkung entfaltet, nicht

5.3 Auswahlkriterien

351

verbreitet, weil es auf den persönlichen, zwischenmenschlichen Fähigkeiten des Gründers beruht, die nur schwer erlernbar sind.

5.3.3.5 Finanzielles Die Finanzkriterien konnten hauptsächlich im Rahmen der BonVenture-Fallstudie identifiziert werden. Sie beziehen sich hauptsächlich auf Organisationen, bei denen eine Eigenkapital- oder Darlehensinvestition geprüft wird. Bei den Unterkriterien gibt es keine wesentlichen Zusammenhänge. Jedes Kriterium steht für sich. Die Kriterien stehen aber in einer prozessualen Abhängigkeit, die in Abbildung 20 dargestellt ist. Anders als die bisher besprochenen Unterkriterien haben diese diskrete Ausprägungen und können meist mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden. Zunächst wird geprüft, ob überhaupt ein Finanzierungsbedarf besteht. Anschließend werden alternative Finanzierungsmöglichkeiten erwogen. Aufgrund der Kapitalknappheit und der fehlenden privaten finanziellen Rendite investieren Venture-PhilanthropyGesellschaften nur, wenn kein anderer Investor bereit ist, das Kapital zur Verfügung zu stellen. Zudem soll die Investition nicht dazu dienen, andere Kapitalgeber abzulösen. Anschließend muss überprüft werden, ob die Einkommenserzielung auskömmlich genug ist, um den Kapitaldienst zu leisten bzw. den Verzinsungsansprüchen des Eigenkapitals zu genügen. Alternativ dazu kann die Option einer Spendenfinanzierung geprüft werden. Ist die Einkommenserzielung für eine Eigenkapital- oder Darlehensfinanzierung geeignet, muss geklärt werden, ob die rechtliche Struktur eine Finanzierung zulässt und die bezweckte Mittelverwendung sichergestellt werden kann. Zuletzt muss das Social Venture die vertraglichen Bedingungen akzeptieren. Dazu zählen nicht nur die finanziellen Bedingungen wie Zinszahlungen, sondern auch vertragliche Regelungen wie Sonderkündigungs- und Mitspracherechte. Erst unter diesen Voraussetzungen kommt es zu einer Finanzierungszusage.

5 Vergleichende Analyse und Entwicklung von Thesen

352

nein

Finanzierungsbedarf

Absage

ja ja

Alternative Finanzierung durch klassische Investoren möglich? nein Ausreichende Einkom- nein menserzielung für EKoder FK-Investition?

Geeignet für SpendenInvestition?

nein ja

Ggf. Prüfung einer Spenden-Investition

ja Rechtliche Struktur für nein Finanzierung geeignet?

Änderung der rechtlichen Struktur?

ja

ja Stimmt das SV den vertraglichen Regelungen zu?

nein

ja

Finanzierungszusage

Abbildung 20: Überprüfung des Finanzkriteriums

nein

6 Schlussbetrachtung 6.1 Zusammenfassung Die vorliegende Arbeit hat sich der Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital gewidmet. Es ist ein junges Thema, das im Einklang mit einer wachsenden praktischen Bedeutung auch in der Wissenschaft zunehmend Beachtung findet. Diese Arbeit ist die erste umfangreiche deutschsprachige Untersuchung des Themas mit besonderem Fokus auf den Aspekten Auswahlprozess und Auswahlkriterien. In Kapitel 2 wurde zunächst Venture Philanthropy näher definiert und typologisiert. Dafür war es notwendig, eine Differenzierung in Bezug auf den Nutzen einzuführen, den verschiedene Parteien aus einer Leistung bzw. Transaktion ziehen. Der gesamtgesellschaftliche Nutzen kann unterteilt werden in den privaten und den sozialen. Der soziale Nutzen kann weiter in den Nutzen des Transaktionspartners und den unbeteiligter Dritter unterteilt werden. Es konnte gezeigt werden, dass diese Einteilung in Verbindung mit der Wohlfahrtstheorie einen geeigneten theoretischen Rahmen darstellt, um Social Entrepreneurship von Business Entrepreneurship und Venture Philanthropy von Venture Capital konzeptionell abzugrenzen. Insbesondere wurde erläutert, dass der Zusammenhang zwischen dem privaten und dem sozialen Nutzen immer vom Kontext abhängt und in vielen Fällen kein Zielkonflikt besteht. Das natürliche Aktionsfeld der Venture-Philanthropy-Gesellschaften sind aber solche Aktivitäten, mit denen sich keine marktübliche private Rendite, dafür aber eine soziale Rendite erzielen lässt. Auf Basis dieser konzeptionellen Darstellung und der Literatur wurde Venture Philanthropy definiert und gegenüber anderen Finanzintermediären abgegrenzt. Da sich Venture Philanthropy aus dem Venture-Capital- und Stiftungssektor heraus entwickelt hat, Venture Philanthropy aber sehr heterogene Gesellschaftstypen umfasst, wurde eine Venture-Philanthropy-Typologie auf Basis der Venture-Capital- und Stiftungstypologie abgeleitet. In Kapitel 3 wurde sowohl die theoretische als auch die empirische Literatur zum Auswahlprozess und zu den Auswahlkriterien vorgestellt. Die Transaktionskostentheorie wurde zur Erklärung der Frage genutzt, inwiefern Venture-PhilanthropyP. Heister, Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6309-3_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

354

6 Schlussbetrachtung

Gesellschaften bei der Auswahl Vorteile im Vergleich zu einer direkten Investitionsbeziehung zwischen Investor und Social Venture bieten. Die Principal-Agent-Theorie wurde herangezogen, um zu klären, inwiefern Informationsasymmetrien dazu führen können, dass aufgrund von adverser Selektion kein Vertrag zustande kommt, und wie sich die Parteien nach Vertragsabschluss verhalten. Daraus konnten Rückschlüsse gezogen werden, wie Verträge formuliert werden sollten, damit beide Parteien im Rahmen ihrer Beziehung das gewünschte Ergebnis erzielen. Die Stewardship-Theorie besitzt wenig Relevanz für die Zeit bis zur Vertragsunterzeichnung. Allerdings ist der Auswahlprozess der Venture-Philanthropy-Gesellschaften darauf ausgerichtet, Stewards zu identifizieren und auszuwählen. Die psychologischen Theorien, die im Venture-Capital-Sektor erfolgreich angewendet wurden, können grundsätzlich auch im Venture-Philanthropy-Sektor angewendet werden. Im Rahmen der Darstellung psychologischer Theorien wurde gezeigt, dass Individuen im Venture-PhilanthropySektor nicht wie im Venture-Capital-Sektor finanziell extrinsisch, sondern stark intrinsisch motiviert sind. Da es bisher nur einige wenige Studien aus dem Venture-Philanthropy- und Stiftungssektor gibt, wurde primär auf die Venture-Capital-Literatur zurückgegriffen. Die empirische Literatur zum Auswahlprozess und insbesondere zu den Auswahlkriterien im Venture-Capital-Sektor ist umfangreich. Als Hinführung zur eigenen empirischen Untersuchung und als deren Vergleichsgrundlage wurden zunächst der Auswahlprozess, insbesondere die hohe Bedeutung des Netzwerks für einen qualitativ hochwertigen Dealflow, der Ablauf der Aktivitäten in der Screening- und Due-DiligencePhase und die Informationsbasis, auf der die Auswahlentscheidung getroffen wird, vorgestellt. Anschließend standen die Auswahlkriterien, welche in die gesellschaftsspezifischen und die generischen unterteilt werden können, im Mittelpunkt. Diese Studien waren für die Arbeit in zweierlei Hinsicht von zentraler Bedeutung: zum einen aufgrund ihrer Ergebnisse und zum anderen aufgrund ihrer Methodik. Fragebogenbasierte und Conjoint-Untersuchungen kommen überwiegend zu dem Ergebnis, dass dem Management die größte Bedeutung beigemessen wird. Beobachtungen, Inhaltsauswertungen und Auswertungen der Absagegründe identifizieren andere Gründe als bedeutender. Es wurde herausgearbeitet, dass die unterschiedlichen Methoden sich für unterschiedliche Untersuchungsziele eignen und nicht das gleiche Konstrukt messen. In Kapitel 4 wurde auf Basis der Literatur die eigene Untersuchungsmethode hergeleitet. Es wurde gezeigt, dass Fallstudien geeignet sind, die Untersuchungsobjekte

6.1 Zusammenfassung

355

aus mehreren Perspektiven zu betrachten und den Kontext somit mit zu berücksichtigen. Ein weiterer Eignungsgrund ist der noch junge Markt, in dem nur wenige Venture-Philanthropy-Gesellschaften bereits die für eine wissenschaftliche Untersuchung notwendige Erfahrung gesammelt haben. Für die Fallstudien kamen die zwei untersuchten Gesellschaften Ashoka und BonVenture in Betracht. Beobachtungen der Auswahlentscheidung im Rahmen von Mitarbeiterbesprechungen wurde als geeignete Methode identifiziert, da die Auswahlkriterien von Venture-Philanthropy-Gesellschaften bisher noch nicht empirisch erhoben wurden. Die Datenbanken der beiden Fallstudien lieferten die Möglichkeit, quantitative Zusammenhänge zwischen Auswahlprozess und Auswahlkriterien zu untersuchen. In Kapitel 5 wurden die Ergebnisse der Fallstudienanalyse, der Literaturanalyse und eigene Überlegungen zu einzelnen, überprüfbaren Zusammenhängen verdichtet. Ermittelte Zusammenhänge beziehen sich zum einen auf Venture-PhilanthropyGesellschaften allgemein und zum anderen auf Unterschiede zwischen den verschiedenen Typen von Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Da beide Fallstudien Ashoka und BonVenture jeweils an den äußeren Rändern des Venture-PhilanthropySpektrums liegen, war es möglich, Unterschiede zwischen den Typen herauszuarbeiten. Es konnte gezeigt werden, dass der Gesellschaftstyp Einfluss auf den Auswahlprozess und die Auswahlkriterien hat. Zunächst wurde der Einfluss des Verhältnisses zwischen Venture-PhilanthropyGesellschaft und Investoren auf den Auswahlprozess untersucht. Die Investoren der Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften, zu denen definitionsgemäß auch die Gründer zählen, investieren größere Summen und verfolgen stärker eigene inhaltliche Anliegen als die Investoren der unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Dies hat in mehrfacher Hinsicht indirekten Einfluss auf den Auswahlprozess. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass Familien-Venture-PhilanthropyGesellschaften weniger Zeit mit Fundraising und Betreuung der Investoren aufwenden und ihnen dadurch ein größerer Anteil ihrer personellen Ressourcen für das originäre operative Geschäft, die Suche, Auswahl und Betreuung von Portfolioorganisationen, zur Verfügung steht. Der Gesellschaftstyp hat darüber hinaus aber auch Einfluss auf den Auswahlprozess selbst. Die Investoren der Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften sind, anders als die Investoren der unabhängigen Venture-PhilanthropyGesellschaften, in den Auswahlprozess eingebunden. Diese Einbindung in Kombina-

356

6 Schlussbetrachtung

tion mit den inhaltlichen Anliegen führt dazu, dass Investoren auch Anfragen – meist in einer späten Auswahlphase – ablehnen, die Mitarbeiter zuvor als investitionswürdig eingestuft haben. Wenn die Ablehnungen auf persönlichen Anliegen beruhen und keine zusätzliche Qualitätsauswahl bedeuten, dann ist der Auswahlprozess von unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften effizienter, weil dort Investoren keine Mitspracherechte haben. Hinzu kommt, dass die Marktkräfte, denen unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaften stärker ausgesetzt sind als FamilienVenture-Philanthropy-Gesellschaften, zu einem höheren Effizienzdruck bei unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften führen. Der zweite wesentliche Unterschied zwischen den Fallstudien ist die Renditeorientierung. Während Ashoka als Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaft rein auf die gesellschaftliche Rendite ausgerichtet ist, beabsichtigt BonVenture als SocialVenture-Capital-Gesellschaft, auch eine private finanzielle Rendite in Höhe des realen Kapitalerhalts zu erzielen. In Abhängigkeit der Renditeorientierung können sich verschiedene Probleme auftun. Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften haben einen Anreiz, ihr Investitionsvolumen über ein effizientes Maß hinaus auszudehnen. Social-Venture-Capital-Gesellschaften tendieren dazu, die finanziellen Ziele zu stark zu gewichten. Wie stark diese Probleme ausfallen, wird moderiert durch die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Investoren und Venture-PhilanthropyGesellschaft, die Messbarkeit der sozialen Rendite und explizite Auswahlkriterien. Nachdem der auswahlprozessübergreifende Einfluss des Gesellschaftstyps untersucht wurde, standen wesentliche Zusammenhänge im Rahmen des Auswahlprozesses selbst im Mittelpunkt. Zunächst konnte gezeigt werden, dass die Renditeziele (sozial und privat) mit dem Ziel, einen möglichst hohen qualitativen Dealflow zu erreichen, korrelieren. Für die Qualität des Dealflow ist ein gutes und großes Vermittlernetzwerk wichtig. Damit diese Vermittler auch im Sinne der Venture-Philanthropy-Gesellschaft eine Vorauswahl treffen können, sind explizite Kriterien hilfreich. Anhand derer lässt sich das Vorscreenig an die Vermittler delegieren. Besonders erfolgreiche Vermittler sind jene, die im Rahmen ihrer Tätigkeit auf täglicher Basis einen guten Überblick über operative Social Ventures haben. Als Beispiele können Preisstiftungen und Förderstiftungen genannt werden. Es konnte auch gezeigt werden, dass Vermittler das Social-Entrepreneur-Kriterium, relativ gesehen, etwas schlechter einschätzen können als die übrigen Kriterien, zudem ist der Anteil der vermittelten Anfragen, die vor Vertragsabschluss zurückgezogen werden, deutlich höher als bei Direktbewerbungen.

6.1 Zusammenfassung

357

Die Untersuchung der Entscheidungsgrundlagen machte deutlich, dass persönlich erhaltene Informationen im Vergleich zum Businessplan für Frühphasengesellschaften und für Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften tendenziell wichtiger sind als für Spätphasen- und Social-Venture-Capital-Gesellschaften. Neben den Mitarbeitern und bei Familien-Venture-Philanthropy-Gesellschaften zusätzlich den Investoren sind auch Externe in den Auswahlprozess einbezogen. Indizien deuten darauf hin, dass ihre Einbindung die Auswahlqualität erhöht. Die Due-Diligence-Phase ist wesentlich darauf ausgerichtet, die Unsicherheit über die Rendite der Investition zu senken. Je innovativer und riskanter die gesuchten Konzepte sind, desto intensiver ist der Auswahlprozess. Es konnte gezeigt werden, dass trotz fehlender Gegenleistung auch bei Spendenfinanzierung adverse Selektion auftreten kann, allerdings wiegt das Problem bei Social-Venture-Capital-Gesellschaften schwerer als bei Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Die in der Venture-Capital-Forschung identifzierten psychologischen Probleme bei der Auswahlentscheidung können auch im Venture-Philanthropy-Sektor aufreten. Gelindert werden die Probleme durch Checklisten und entscheidungsunterstützende statistische Modelle. Ebenfalls hilfreich ist die Einbindung mehrerer Personen in die Auswahlentscheidung. Auch der Rechtfertigungsdruck, der durch die Aufbau- und Ablauforganisation einer Venture-Philanthropy-Gesellschaft entsteht, kann psychologische Probleme lindern. Positiv wirken sich auch hier wieder explizite Auswahlkriterien aus. Bei der Strukturierung wurde vor allem untersucht, inwiefern sich die Finanzierungsinstrumente Stipendium, Spende, Darlehen und Eigenkapital hinsichtlich der Selbstselektion der Kapitalnehmer, der vertraglich zu regelnden Interessenkonflikte und bezüglich der Möglichkeit, an einer positiven finanziellen Entwicklung zu partizipieren, unterscheiden. Bei Stipendien und Spenden konnte eine Selbstselektion festgestellt werden, die zudem durch bestimmte vertragliche Regelungen verstärkt werden kann, so dass nur Personen und Organisationen ein Finanzierungsangebot annehmen, die rein an der Lösung gesellschaftlicher Probleme interessiert sind. Die Stipendienfinanzierung eignet sich besonders für Konzepte in einem frühen Entwicklungsstadium und für die Finanzierung von Dienstleistungen. Durch das frühe Entwicklungsstadium ist das Risiko und damit auch die gesellschaftliche Renditeerwartung bei der Stipendienfinanzierung besonders hoch. Sowohl beim Stipendium

358

6 Schlussbetrachtung

als auch bei der Spende ist es bisher nicht möglich, an einer finanziellen Entwicklung des geförderten Konzeptes zu partizipieren. Anders als bei der Stipendien- und Spendenfinanzierung tritt bei Darlehen und Eigenkapitalfinanzierung eine negative Selbstselektion auf, die durch vertragliche Regelungen aber reduziert werden kann. Der Vorteil der beiden Finanzierungsformen liegt darin, an einer möglichen finanziellen Entwicklung partizipieren zu können und dadurch die Kapitalressourcen zu schonen. Der zweite wesentliche Fokus der Arbeit lag auf den Auswahlkriterien, von denen knapp 50 identifiziert werden konnten. Diese lassen sich den Hauptkriterien Konzept, Social Entrepreneur, Markt, soziale Rendite, Finanzielles und sonstige Kriterien zuordnen. Es zeigt sich, dass das Konzept das wichtigste Kriterium ist, das vor allem früh im Auswahlprozess überprüft wird und ein K.-O.-Kriterium darstellt. Es wird intensiv und anhand vergleichsweise objektiver Eigenschaften diskutiert. Über 40% der Diskussion im Rahmen von Finanzierungsanfragen kreist um das Konzept, das innovativ sein und durch eine überzeugende Strategie zu einem besseren stabilen Gleichgewicht führen muss. Der Erfolg solcher Konzepte ist unsicher und der erwartete Renditeanspruch daher hoch. Die Kriterien, die Aufschluss darüber geben, ob ein Konzept so wirksam ist, dass es zu einer tatsächlichen Systemveränderung führt, wurden als Modell dargestellt, aus dem ersichtlich wird, wie sich die Kriterien auch gegenseitig beeinflussen. Es konnte gezeigt werden, dass Social-Venture-Capital-Gesellschaften mit einem privaten finanziellen Renditeanspruch einen stärkeren Fokus auf Produkte und Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften einen stärkeren Fokus auf Hilfe-zurSelbsthilfe-Dienstleistungen legen. Die Strategie wurde als ein Unterkriterium des Konzepts ausgewiesen, obwohl Venture-Philanthropy-Gesellschaften, die sich auf frühe Phasen konzentrieren, die Strategie als Teil des Kriteriums der Person des Social-Entrepreneurs betrachten, weil dessen persönliche Kompetenz zur Durchsetzung der Strategie für die Beurteilung ausschlaggebend ist. Bei späteren Entwicklungsstufen der Organisationen rückt dann stärker die Strategie der Organisation in den Vordergrund. Die Akteure im Social Entrepreneurship eint in einem gewissen Maße das Ziel, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Anders als im For-Profit-Sektor haben daher im Social Entrepreneurship Kooperationen eine hohe Bedeutung und wirken sich positiv

6.1 Zusammenfassung

359

auf die gesellschaftliche Rendite aus. Eine Voraussetzung für das Entstehen von Kooperationen ist ein von Vertrauen geprägtes persönliches Netzwerk. Das Social-Entrepreneur-Kriterium nimmt im Laufe des Auswahlprozesses an Bedeutung zu und wird zum wichtigsten Kriterium, nachdem die Kriterien Konzept, Markt und soziale Rendite überprüft wurden. Es ist besonders wichtig für Gesellschaften, die sich auf Social Ventures in frühen Entwicklungsphasen konzentrieren. Im Vergleich zu den übrigen Kriterien müssen sich die Mitarbeiter der fördernden Gesellschaft in ihrer Einschätzung dieses Kriteriums stärker auf ihre Intuition und subjektive Einschätzung verlassen, weil sich die Unterkriterien vergleichsweise schwer objektivieren lassen. Die Unterkriterien können in fünf Gruppen unterteilt werden: strategische Fähigkeiten, professionelle Fähigkeiten, Kreativität, Einstellung und Entwicklungspotenzial. Mit den Ausnahmen Kreativität und Entwicklungspotenzial haben die Kriterien weitere Unterkriterien, die zum Teil nicht nur eine direkte, sondern auch eine indirekte Wirkung auf die Kriterienerfüllung ausüben. Zwischen Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften und Social-Venture-CapitalGesellschaften wurde ein Unterschied bei der Bewertung der Motivation des (vermeintlichen) Social Entrepreneurs festgestellt, der darauf zurückgeführt werden konnte, dass es bei der Eigenkapital- und Darlehensfinanzierung negative Selbstselektionsmechanismen gibt und somit die Motivation intensiv geprüft werden muss. Das dritte Kriterium ist der Markt, dessen wichtigstes Unterkriterium das Vorliegen eines gesellschaftlichen Problems ist. Dieses ist ein K.-O.-Kriterium, das früh im Auswahlprozess und auf Basis vergleichsweise objektiver Markteigenschaften untersucht wird. Wenn auch in vielen Fällen ganz offensichtlich ein gesellschaftliches Problem besteht, so ist dessen Vorliegen aus Sicht der Venture-PhilanthropyGesellschaft in anderen Fällen dafür umso schwieriger zu bewerten. Das vierte Hauptkriterium ist die soziale Rendite, die ebenfalls früh im Auswahlprozess auf Basis objektiver Konzept- und Markteigenschaften bewertet wird. Eine wesentliche Voraussetzung für eine hohe soziale Rendite ist die Übertragbarkeit des Konzeptes. Nur wenn die Leistungserbringung ausgeweitet werden kann, lässt sich auch eine hohe soziale Rendite erzielen. Es wurde gezeigt, dass der Nettonutzen der Stakeholder und der Anteil der Leistungserbringung durch Externe wesentlichen Einfluss auf die Übertragbarkeit hat. Das Kriterium ist besonders wichtig bei Dienst-

360

6 Schlussbetrachtung

leistungen, da bei ihnen im Vergleich zu Produkten die Übertragbarkeit generell eingeschränkt ist. Das Kriterium Finanzielles ist für Social-Venture-Capital-Gesellschaften von viel größerer Bedeutung als für Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften. Relevanz gewinnt es zunehmend mit fortschreitendem Auswahlprozess. Im Gegensatz zu den übrigen Kriterien können die Unterkriterien von Finanzielles als Prozessmodell abgebildet werden.

6.2 Implikationen für die Praxis 6.2.1 Investoren Investoren, die Kapital für soziale Zwecke bereitstellen wollen, müssen sich zuallererst die Frage stellen, ob sie eine eigene Gesellschaft gründen oder in eine bestehende Gesellschaft investieren sollten. Für die Gründung einer eigenen Gesellschaft spricht der Einfluss, der dann auf die Investitionsentscheidungen genommen werden kann, so dass die Investitionstätigkeit den eigenen Zielen und Anliegen folgt. Durch die enge Einbindung ist die asymmetrische Informationsverteilung zwischen Investor und VenturePhilanthropy-Gesellschaft und damit auch die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens durch die Gesellschaft geringer. Der Nachteil sind die hohen Transaktionskosten, die bei Gründung einer eigenen Gesellschaft entstehen: Ein Vermittlernetzwerk muss aufgebaut, Wissen muss sich angeeignet werden usw. Ein weiterer Nachteil ist der im Vergleich zu unabhängigen Venture-Philanthropy-Gesellschaften geringere Effizienzdruck durch den Markt. Unabhängige Venture-Philanthropy-Gesellschaften sind einem größeren Agency-Druck ausgesetzt. Entscheidet sich ein Investor für die Gründung einer eigenen Gesellschaft, sollte die eigene Einflussnahme gut überlegt sein, denn wenn die Einflussnahme auf Basis wenig transparenter und expliziter Entscheidungsregeln erfolgt, kann dies zu einem ineffizienten Auswahlprozess führen. Nur bei transparenten Entscheidungsregeln, die beispielsweise durch explizite Auswahlkriterien erreicht werden können, kann auch die Vorauswahl potenzieller Portfolioorganisationen delegiert werden. Investoren sollten berücksichtigen, dass die Auswahl von Social Ventures mit hohen sozialen Renditeerwartungen ähnlich schwierig ist wie die Auswahl von Business Ventures mit

6.2 Implikationen für die Praxis

361

hohen finanziellen Renditeerwartungen und daher professioneller Strukturen und Prozesse bedarf. Investoren müssen speziell bei Spenden-Venture-Philanthropy-Gesellschaften berücksichtigen, dass, anders als im Venture-Capital-Markt, keine Marktkräfte existieren, die ineffiziente Strategien und damit auch ineffiziente Gesellschaften aus dem Markt drängen. Die Disziplinierungswirkung des Marktes muss im Venture-PhilanthropySektor der Investor übernehmen. Er sollte die Effizienz und Effektivität der von ihm mit Kapital ausgestatteten Venture-Philanthropy-Gesellschaft, unabhängig davon, ob er Anteilseigner ist oder nicht, überprüfen und aus dem Ergebnis Konsequenzen ziehen. Entscheidungsunterstützend wirkt dabei die Messung bzw. Approximation der sozialen Rendite, die Grundlage seiner Kapitalallokation sein sollte. Weil die soziale Rendite aber niemals ähnlich genau wie die finanzielle Rendite gemessen werden kann, müssen Investoren im Venture-Philanthropy-Markt ihre Investitionsentscheidungen stärker auf subjektiven Einschätzungen aufbauen.

6.2.2 Venture-Philanthropy-Gesellschaften Venture-Philanthropy-Gesellschaften zielen mit ihrer Investitionstätigkeit definitionsgemäß auf eine gesellschaftliche Rendite. Es konnte gezeigt werden, dass das Verhältnis von privater zu sozialer Rendite dabei vom Kontext abhängt und nicht generell ein Zielkonflikt angenommen werden kann. Manches Business Venture vermag besser ein gesellschaftliches Problem zu lösen als ein Social Venture. Folglich muss es sich dabei auch nicht um einen Social Entrepreneur handeln. Theoretisch denkbar ist auch, dass ein Business Entrepreneur so hohen sozialen Mehrwert schafft, dass er für VenturePhilanthropy-Gesellschaften als Investitionsobjekt in Frage kommt. VenturePhilanthropy-Gesellschaften können die Investition in ein solches Business Venture in Erwägung ziehen, wenn die finanzielle Rendite für klassische Venture-CapitalGesellschaften zu gering ist und davon ausgegangen wird, dass trotz der finanziellen Motivation der Gründer der soziale Mehrwert hoch sein wird. Gleichwohl ist bei solchen Business Entrepreneurs das Risiko groß, dass die soziale Rendite auf Kosten der finanziellen Rendite abgesenkt wird, weshalb die beiden in dieser Arbeit untersuchten Gesellschaften auf die soziale Motivation des Gründers großen Wert legen und zum Ziel haben, keine Business Ventures zu finanzieren.

362

6 Schlussbetrachtung

Im Rahmen der Arbeit wurde gezeigt, dass die Portfolioorganisationen der untersuchten Gesellschaften überwiegend mit Hilfe von Vermittlern identifiziert werden konnten. Ein entsprechendes Netzwerk ist dabei eine Voraussetzung für die Identifizierung von Social Ventures, die eine besonders hohe gesellschaftliche Rendite erwarten lassen. Besonders eignen sich als Vermittler solche Personen und Institutionen, die regelmäßig mit einer Vielzahl von operativen Non-Profit-Organisationen in Kontakt stehen. Dies sind beispielsweise Preisstiftungen und Förderstiftungen. Direktbewerbungen dagegen binden bei zweifelhafter Qualität der Anfragen sehr viele Ressourcen. Bei der Gestaltung des Auswahlprozesses haben Venture-Philanthropy-Gesellschaften eine Vielzahl von Optionen. Sie müssen entscheiden, wann welche Personen eingebunden werden sollen, welche prozessunterstützenden Dokumente verwendet werden und auf Basis welcher Informationen die Auswahlentscheidung getroffen werden soll. Jede dieser Entscheidungen hat Einfluss auf die Qualität der Auswahlentscheidung und das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Auswahlprozesses. Es konnte gezeigt werden, dass der Rechtfertigungsdruck, der im Rahmen des Auswahlprozesses aufgebaut werden kann, sich unter bestimmten Voraussetzungen positiv auf die Entscheidungsfindung auswirkt. Dokumente im Sinne von Due-Diligence-Reports oder andere Checklisten und Ratingsysteme können in diesem Zusammenhang dazu beitragen, psychologische Verzerrungen bei der Auswahlentscheidung zu verringern. Bei der Art der Informationsbeschaffung müssen sich Venture-Philanthropy-Gesellschaften über den jeweiligen Einfluss auf die Auswahlentscheidung bewusst sein. Die Qualität des Social Entrepreneurs kann beispielsweise kaum auf Basis eines Businessplanes beurteilt werden. Explizite Auswahlkriterien können dabei helfen, den Auswahlprozess effizient zu gestalten. Mit ihrer Hilfe lassen sich Entscheidungen besser delegieren, wodurch auch die Gesellschaft selbst besser skaliert werden kann. Es ist kaum denkbar, dass Ashoka in so vielen Ländern erfolgreich aktiv wäre, wenn die Gesellschaft nicht explizite Auswahlkriterien nutzen würde, wodurch ein einheitlicher Qualitätsstandard sichergestellt und die Entscheidungsfindung delegiert werden kann. Venture-Philanthropy-Gesellschaften sollten auch den Aufwand berücksichtigen, den sie indirekt bei anderen, insbesondere den Social Ventures, die sich für eine Finanzierung bewerben, verursachen. Zum einen muss der Bewerbungsaufwand beim

6.2 Implikationen für die Praxis

363

Ziel der gesellschaftlichen Renditemaximierung mit in die Kosten-Nutzen-Betrachtung einbezogen werden. Zum anderen steigt mit dem Aufwand auch das Risiko der adversen Selektion. Gerade die aussichtsreichsten Social Ventures, die VenturePhilanthropy-Gesellschaften im Auswahlprozess finden möchten, lassen sich durch ihn abschrecken und ziehen die Bewerbung zurück. Die Auswahlkriterien, die im Rahmen der Arbeit identifiziert wurden, können von den Venture-Philanthropy-Gesellschaften genutzt werden, um ihre eigenen Kriterien zu hinterfragen und abzugleichen. Sie geben Anhaltspunkte für potenziell wichtige Eigenschaften einer Anfrage, die überprüft werden sollten. Die Bewertung der Kriterien verlangt von den Mitarbeitern der Venture-Philanthropy-Gesellschaften unterschiedliche Fähigkeiten. Im Falle der Kriterien Konzept, Markt und soziale Rendite sind verstärkt analytische Fähigkeiten gefragt, weil diese Kriterien anhand vergleichsweise objektiver Eigenschaften analysiert werden können. Für die Bewertung des Social-Entrepreneur-Kriteriums werden hingegen stärker Intuition und subjektive Einschätzungen benötigt. Die Eigenschaften dieses Kriteriums lassen sich schlechter als die übrigen Kriterien objektivieren und damit die Bewertung auch schlechter delegieren. Wenn Mitarbeiter ihre Einschätzung der Kriterienerfüllung dennoch legitimieren müssen, kann das Problem auftreten, dass sie die Einschätzung nicht gänzlich offenbaren, eben weil sie sie kaum objektiv rechtfertigbar ist. Andererseits wurde im Venture-Capital-Sektor nachgewiesen, dass psychologische Verzerrungen bei der Einschätzung des Managements gravierend sind. Ein Lösungsansatz für Venture-Philanthropy-Gesellschaften ist, zwei Mitarbeiter mit der Bewertung des Social-Entrepreneur-Kriteriums zu betrauen, so dass solche Verzerrungen nivelliert werden, und stattdessen keine Rechtfertigung für die Einschätzung zu verlangen. Bei der Verwendung von Finanzierungsinstrumenten müssen Venture-PhilanthropyGesellschaften beachten, welche Selbstselektionseffekte mit ihnen einhergehen. Hinsichtlich der sozialen Motivation der Gründer gibt es bei Stipendien und Spenden an Organisationen einen positiven, bei vergünstigten Darlehen und Eigenkapital einen negativen Selbstselektionseffekt. Deshalb bedeutet die Finanzierung durch vergünstigte Darlehen und vergünstigtes Eigenkapital besondere Herausforderungen für den Auswahlprozess. Die soziale Motivation muss intensiver überprüft werden als bei Stipendien und Spenden.

364

6 Schlussbetrachtung

Da bei spendenfinanzierten Social Ventures die Leistungserbringung und Finanzierung der Organisation entkoppelt sind, tragen Venture-Philanthropy-Gesellschaften zur Effizienz des Sektors bei, wenn sie wenige Organisationen, diese dafür aber mit ausreichend Kapital und langfristig unterstützen. Die geförderte Organisation kann sich auf die Leistungserbringung konzentrieren, wodurch die Transaktionskosten, die durch die Refinanzierung anfallen, deutlich gesenkt werden, woraus wiederum ein Effizienzgewinn erwächst. Aus psychologischer Sicht muss die Venture-Philanthropy-Gesellschaft bei der Strukturierung der Finanzierung und den vertraglichen Vereinbarungen beachten, dass viele Personen im Non-Profit-Sektor und damit auch Mitarbeiter von Social Ventures, anders als Mitarbeiter von Business Ventures, nicht primär extrinsisch finanziell, sondern intrinsisch motiviert sind. Es besteht die Gefahr, dass diese intrinsische Motivation nachhaltig durch eine extrinsische Motivation verdrängt wird.

6.2.3 Social Entrepreneurs und Social Ventures Die Untersuchung hat zur Transparenz des Auswahlprozesses und der Auswahlkriterien von Venture-Philanthropy-Gesellschaften beigetragen. Beides verhilft Social Ventures zu einer effizienteren Kapitalbeschaffung, wenn einige Aspekte berücksichtigt werden. In der Vorbereitung einer Kontaktaufnahme mit einer VenturePhilanthropy-Gesellschaft können die identifizierten Auswahlkriterien für eine Überprüfung der eigenen Organisationen herangezogen werden. So lassen sich die eigenen Stärken und Schwächen identifizieren und entsprechende Anpassungen vornehmen, wodurch die Wahrscheinlichkeit einer Finanzierungszusage steigt. Die Kontaktaufnahme mit einer Venture-Philanthropy-Gesellschaft sollte indirekt über einen Vermittler erfolgen, weil die Wahrscheinlichkeit der Finanzierungszusage bei Direktbewerbungen extrem gering ist. Der Vermittler sollte die Venture-PhilanthropyGesellschaft kennen und bereits erste Hinweise geben können, was die VenturePhilanthropy-Gesellschaft sucht, um dann im nächsten Schritt die Anfrage an die Venture-Philanthropy-Gesellschaft weiterzuleiten. Es wurde gezeigt, dass die Bedeutung der Auswahlkriterien von der Auswahlprozessstufe abhängt. Social Ventures sollten in den ersten Bewerbungsunterlagen verdeutlichen, worin das gesellschaftliche Problem und die durch das Konzept geschaffene

6.3 Zukünftige Forschung

365

Lösung liegt, ob es eine Systemveränderung hervorruft und wie diese erreicht werden soll, ob das Konzept neu ist und wie die erwartete soziale Rendite gemessen werden kann. Bei Social-Venture-Capital-Gesellschaften sollte zusätzlich erläutert werden, ob und in welcher Höhe eine finanzielle Rendite erwartet wird. Das Social-EntrepreneurKriterium wird dann in späteren Auswahlstufen zum entscheidenden Auswahlfaktor. Auch hier geben die identifizierten Kriterien wieder einen Hinweis auf die Eigenschaften, die aus Sicht der Venture-Philanthropy-Gesellschaft besonders wichtig sind. Gerade weil das Kriterium so schwer einzuschätzen ist, ist es hilfreich, positiv beleumundet zu sein. Referenzpersonen, die die Integrität und weitere wesentliche gesuchte Eigenschaften bestätigen können, sind hilfreich. Social Ventures sollten psychologische Faktoren im Auswahlprozess berücksichtigen. Beispielsweise kann der similarity bias systematisch genutzt werden, indem versucht wird, bei der Venture-Philanthropy-Gesellschaft zuerst Kontakt mit einem Mitarbeiter aufzunehmen, der Ähnlichkeiten beispielsweise bezüglich der beruflichen Erfahrung oder der Ausbildungsrichtung aufweist. Da Venture-Philanthropy-Gesellschaften Wert auf die soziale Motivation der Gründer legen, können Social Entrepreneurs der Venture-Philanthropy-Gesellschaft signalisieren, dass sie sozial motiviert sind. Beispiele dafür sind realistische Einkommenserwartungen, eine Non-Profit-Rechtsform, aber auch die Kommunikation persönlicher Erfahrungen, die auslösend waren für die Tätigkeit.

6.3 Zukünftige Forschung Durch die explorative Ausrichtung der vorliegenden Arbeit konnten vielfältige Ansatzpunkte für zukünftige Forschung identifiziert werden. Grundlegend für Untersuchungen im Social-Entrepreneurship- und Venture-Philanthropy-Sektor sind eindeutige Definitionen und Abgrenzungen. Zwar gibt es bisher bereits einige Definitionsbemühungen, aber eine theoretisch fundierte Abgrenzung wurde nicht vorgenommen. In dieser Arbeit konnte die Wohlfahrtstheorie als geeigneter Rahmen identifiziert werden. Auf eine formale Darstellung und Untersuchung wurde aber verzichtet. Sie würde wesentlich zu einem besseren Verständnis von Social Entrepreneurship und Venture Philanthropy beitragen und ein solides definitorisches Fundament für zukünftige Forschung bieten. Zusätzlich bietet es sich an, die Untersuchung, die sich in dieser Arbeit auf beobachtbare Präferenzen beschränkt hat, auszuweiten auf die Zu-

366

6 Schlussbetrachtung

friedenheit. Zwar werden die Modelle damit deutlich komplexer, die Psychologie konnte jedoch nachweisen, dass Präferenzen nur schwach mit Zufriedenheit korrelieren und Letztere das Ziel des Handelns von Menschen ist. Somit ist Zufriedenheit auch für Social Entrepreneurship und Venture Philanthropy relevant. Weil die Fallstudien unterschiedliche Typen von Venture-Philanthropy-Gesellschaften verkörpern, wurde der Einfluss des Typs auf den Auswahlprozess und die Auswahlkriterien untersucht. Zukünftige Arbeiten können – theoretisch oder empirisch – die Untersuchung auf andere Gesellschaftstypen ausweiten, da anzunehmen ist, dass der Gesellschaftstyp wesentlichen Einfluss auf die Untersuchungsobjekte hat. Da diese Arbeit auf lediglich zwei Fallstudien beruht, können die Ergebnisse mit Hilfe eines replizierenden Studiendesigns wiederholt werden, um so die Validität der Ergebnisse zu erhöhen. Dafür bieten sich jüngere deutsche Venture-PhilanthropyGesellschaften, aber auch ausländische Gesellschaften an. Die Untersuchungsmethode der Auswahlkriterien durch Beobachtungen der tatsächlichen Auswahlentscheidung ist ein neuer methodischer Ansatz, der sich für die Zwecke der Arbeit bewährt hat. Diese Methode ist fast gänzlich frei von Verzerrungen und somit gut geeignet, um explorativ die Auswahlkriterien von Venture-Philanthropy-Gesellschaften in Erfahrung zu bringen. Im Rahmen der Untersuchung des Auswahlprozesses konnten Vermittler als Katalysatoren für erfolgreiche Finanzierungsanfragen identifiziert werden. Die Korrelation mit dem Erfolg der Anfrage belegt aber nicht, dass die Anfragen auch inhaltlich tatsächlich besser sind, wie bisher vermutet wurde. Denkbar ist, dass beispielsweise psychologische Effekte zum größeren Erfolg vermittelter Anfragen beitragen. Die Frage, warum vermittelte Finanzierungsanfragen eine so viel höhere Erfolgswahrscheinlichkeit haben als direkte Anfragen, wurde bisher nicht geklärt, obwohl die Frage äußerst praxisrelevant ist. Darüber hinaus bietet die Frage des Einflusses der Informationsbasis auf die Auswahlentscheidung einen relevanten Ansatzpunkt für zukünftige Forschung. Erkenntnisse darüber würden Venture-Philanthropy-Gesellschaften helfen, ihren Auswahlprozess effizienter zu gestalten. Die identifizierten Auswahlkriterien sind aufgrund der induktiven Vorgehensweise keine empirisch validierten Kriterien. Für zukünftige Forschung bietet es sich an, die

6.3 Zukünftige Forschung

367

Kriterien mit validierten Indikatoren und Konstrukten aus relevanten Theorien zu vergleichen und weiterzuentwickeln. Beispielsweise könnten die Social-EntrepreneurUnterkriterien mit psychologischen Konstrukten und Indikatoren verglichen werden, um auf diese Weise die Kriteriums- und Konstruktvalidität zu steigern. Beides wäre hilfreich für jegliche weiterführende Forschung, die einen Zusammenhang zwischen den Kriterien und dem Erfolg von Social Ventures festzustellen beabsichtigt. Für zukünftige Arbeiten eignen sich insbesondere auch die Modelle, die zur Wirkung der Kriterien entwickelt wurden. Die Venture-Capital-Forschung konnte bisher nur eingeschränkt Zusammenhänge zwischen der Bewertung der Auswahlkriterien und dem tatsächlichen Erfolg der Unternehmen feststellen. Dies liegt möglicherweise an der Methodik, den tatsächlichen Erfolg auf rückblickende Bewertungen der Kriterien zu regressieren. Zu bevorzugen ist daher ein Panel-Untersuchungsdesign, bei dem die Bewertungen zum tatsächlichen Bewertungszeitpunkt und der Erfolg zu einem späteren Zeitpunkt erhoben werden. Solche Studien haben den Nachteil, einen langen Forschungszeitraum zu benötigen. Die wesentlichen psychologischen Verzerrungen könnten aber so vermieden oder zumindest herausgerechnet werden. Alternativ können die identifizierten Kriterien auch für Conjoint-Untersuchungen herangezogen werden. Problematisch ist daran, dass der Kriterienkatalog für diese Untersuchungsmethode stark gekürzt werden muss. Insgesamt sollen die konzeptionell definitorische Darstellung, die konzeptionelle Darstellung des Auswahlprozesses sowie die erhobenen Auswahlkriterien ein Fundament bilden, auf dem nun weitere Venture-Philanthropy-Foschungsarbeiten folgen können. Die Arbeit zeigt, dass Venture Philanthropy als eigenständiges Forschungsfeld eine Existenzberechtigung hat.

Anhang Anhang A:

Mehrfachcodierung von Diskussionsteilen ......................................... 370

Anhang B:

Key Performance Indikatoren und Social Impact der BonVenturePortfoliogesellschaften ........................................................................ 373

P. Heister, Finanzierung von Social Entrepreneurship durch Venture Philanthropy und Social Venture Capital, DOI 10.1007/ 978-3-8349-6309-3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010

370

1 Konzept 1.1 Allgemein 1.2 Innovation 1.3 Systemveränderung & Mehrwert 1.3.1 Allgemein 1.3.2 Empowerment 1.3.3 Zugang zur Zielgruppe 1.3.4 Stakeholdereinbindung 1.3.5 Stärkenorientierung 1.3.6 Neue Denkmuster 1.3.7 Anreize für Zielgruppe 1.3.8 Transparenz 1.3.9 Systemlevel 1.3.10 Politikbeeinflussung 1.4 Strategie 1.4.1 Leistungserbringung 1.4.2 Fokus 1.5 Kooperationen 1.6 Sonstiges

2 Social Entrepreneur 2.1 Allgemein 2.2 Wille 2.2.1 Allgemein 2.2.2 Qualitätsorientierung 2.2.3 Wachstumswille 2.3 Kreativität 2.2.1 Vision und Motivation 2.2.2 Problemlösung 2.4 Biographie & Erfahrung 2.4.1 Unternehmerisch 2.4.2 Motivation 2.5 Entwicklungspotenzial 2.6 Phase 2.7 Delegationsfähigkeit 2.8 Kommunikationsfähigkeit 2.9 Pragmatismus 2.10 Soziale Motivation 2.11 Bekanntheitsgrad 2.12 Integrität 2.13 Detailversiertheit 2.14 Belastbarkeit 2.15 Sonstiges

3 Markt 3.1 Gesellschaftl. Probl. & Zielgruppe 3.2 Konkurrenzbewertung 3.3 Marktentwicklung und -Größe

4 Soziale Rendite 4.1 Allgemein 4.2 Übertragbarkeit 4.3 Reichweite

5 Finanzielles 5.1 Geschäftsmodell & Fin. Erfolg 5.2 Finanzierungsvereinbarung 5.3 Rechtliches 5.4 Finanzierungsbedarf 5.5 Externe Finanzierung

6 Sonstiges 6.1 Beirat 6.2 Deal 6.2.1 Infos & Businessplan 6.2.2 Gesamtbewertung 6.2.3 Risiko 6.3 Kompatibilität mit Portfolio

1.6 Sonstiges

1.5 Kooperationen

1.4.2 Fokus

1.4.1 Leistungserbringung

1.4 Strategie

1.3.10 Politikbeeinflussung

1.3.9 Systemlevel

1.3.8 Transparenz

1.3.7 Anreize für Zielgruppe

1.3.6 Neue Denkmuster

1.3.5 Stärkenorientierung

1.3.4 Stakeholdereinbindung

1.3.3 Zugang zur Zielgruppe

1.3.2 Empowerment

1.3.1 Allgemein

1.3 Systemveränderung & Mehrwert

1.2 Innovation

1.1 Allgemein

Mehrfachcodierung von Diskussionsteilen

1 Konzept

Anhang A:

Anhang

36354 5041

5041

9499

355

9499

17716

254

1112 17716

5849

110

644

4419 3266

380 144

1718

56

1447

5849

5849

4419

4419

3206

89

1718

57

3266 173

1447

1339

213

114

140

140

125

566

68

32

104

1447

213

114

566

1718 215

1339

229

1339 114

104

17

140 566 104

6833

397

193

1600

414

374

97

331

441

6833

6157

233

187

1600

414

374

97

331

441

6157 6157

780

164

6

1701

105

112

850

298

637

50

3891

505

1826

404

472

164

83

83

796

100

457

82

415

100

315

82

552

104 400

108

142

142

584

372

186

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233

47

233

239

133

106

17

106

239

133

102

47

849

849

60

102

47

849

849

271

271

17

347

347

26

236

85

347

347

26

236

85

97

97

41

41

117 41

285

217

68

168

168

54

54

169

169

142

142

67

67

67

1281

2881

934

874

492

581

580

549

31

1071

2671

843

874

373

581

512

481

31

755

1181

3873

63

3346 536

168

254

124

285

6

60

313

41

219

104

1077

117

637 6

219

358

584

41

1701 108

1580 1474 106

142

239

117

780

233

1348

221

780 400

169 142

63

219

210

91

3490

193

624

2817

784

2122

193

533

1949

768

91

868

16

77

119

68

68

24

97

533

533

24

97

533

533

68

68

39

39

77

1368

1181 755

57 57

1553

360

264

582

28

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310

168

1333

335

143

508

28

480

236

168

53

74

74

74

127 124

56

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510

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83

274

31

78

196

31

78

78

68

68

74

36

38

91

74

36

38

91

74

36

38

91

Anhang

2.15 Sonstiges

2.14 Belastbarkeit

2.13 Detailversiertheit

2.12 Integrität

2.11 Bekanntheitsgrad

2.10 Soziale Motivation

2.9 Pragmatismus

2.8 Kommunikationsfähigkeit

2.7 Delegationsfähigkeit

2.6 Phase

2.5 Entwicklungspotenzial

2.4.2 Motivation

2.4.1 Unternehmerisch

2.4 Biographie & Erfahrung

2.2.2 Problemlösung

2.2.1 Vision und Motivation

2.3 Kreativität

2.2.3 Wachstumswille

2.2.2 Qualitätsorientierung

2.2.1 Allgemein

2.2 Wille

2 Social Entrepreneur

2.1 Allgemein

371

1 Konzept 1.1 Allgemein 1.2 Innovation 1.3 Systemveränderung & Mehrwert 1.3.1 Allgemein 1.3.2 Empowerment 1.3.3 Zugang zur Zielgruppe 1.3.4 Stakeholdereinbindung 1.3.5 Stärkenorientierung 1.3.6 Neue Denkmuster 1.3.7 Anreize für Zielgruppe 1.3.8 Transparenz 1.3.9 Systemlevel 1.3.10 Politikbeeinflussung 1.4 Strategie 1.4.1 Leistungserbringung 1.4.2 Fokus 1.5 Kooperationen 1.6 Sonstiges

2 Social Entrepreneur 2.1 Allgemein 2.2 Wille 2.2.1 Allgemein 2.2.2 Qualitätsorientierung 2.2.3 Wachstumswille 2.3 Kreativität 2.2.1 Vision und Motivation 2.2.2 Problemlösung 2.4 Biographie & Erfahrung 2.4.1 Unternehmerisch 2.4.2 Motivation 2.5 Entwicklungspotenzial 2.6 Phase 2.7 Delegationsfähigkeit 2.8 Kommunikationsfähigkeit 2.9 Pragmatismus 2.10 Soziale Motivation 2.11 Bekanntheitsgrad 2.12 Integrität 2.13 Detailversiertheit 2.14 Belastbarkeit 2.15 Sonstiges

3 Markt 3.1 Gesellschaftl. Probl. & Zielgruppe 3.2 Konkurrenzbewertung 3.3 Marktentwicklung und -Größe

4 Soziale Rendite 4.1 Allgemein 4.2 Übertragbarkeit 4.3 Reichweite

5 Finanzielles 5.1 Geschäftsmodell & Fin. Erfolg 5.2 Finanzierungsvereinbarung 5.3 Rechtliches 5.4 Finanzierungsbedarf 5.5 Externe Finanzierung

6 Sonstiges 6.1 Beirat 6.2 Deal 6.2.1 Infos & Businessplan 6.2.2 Gesamtbewertung 6.2.3 Risiko 6.3 Kompatibilität mit Portfolio

19261 3046

3046

4616

4616

2425

2425 2425

1720

1720

471

1720

471

471

3713

443

802

102

700

3713

2492

385

379

102

277

2492 2492

1221

58

423

423

1221

4088

89

67

67

4088

3649

89

67

67

3649 3649

35

35

474 1648 770

535

52

388

277

205

153

52

153

36

134

40

94

1243

244

244

47

30

35

104

104

474 1648 770

117

107

579

474 111

20

355 838

483

1221

89 89

89

70

70

355

134

838

34

579 1243

301

301

310 520 231

142 48

116

142 116

17

142

142

17

17

69

310

235

520 67

231

725

355

355

52

52

41 105

321

63

725

355

355

52

52

41 105

321

63

2620

696

244

98

2376

598

688

102

458

128 854

301

553

333

148 288 98

128

688

102

458

128 854

301

553

333

148 288 98

32

23

260

101

23

260

51

96

50

844

59

59

142

142

21

21

679

69

710

59

59

142

142

21

21

545

69

59

59

59 134

59

59

59

59

183

41

41

41

41

41

41

41

41

75

30

112

30

52

112 112

30

52

6.3 Kompatibilität mit Portfolio

6.2.3 Risiko

6.2.2 Gesamtbewertung

6.2.1 Infos & Businessplan

6.2 Deal

6 Sonstiges

6.1 Beirat

5.5 Externe Finanzierung

5.4 Finanzierungsbedarf

5.3 Rechtliches

5.2 Finanzierungsvereinbarung

5 Finanzielles

5.1 Geschäftsmodell & Fin. Erfolg

4.3 Reichweite

4.2 Übertragbarkeit

4 Soziale Rendite

4.1 Allgemein

3.3 Marktentwicklung und -Größe

3.2 Konkurrenzbewertung

3 Markt

Anhang 3.1 Gesellschaftl. Probl. & Zielgruppe

372

1 Konzept 1.1 Allgemein 1.2 Innovation 1.3 Systemveränderung & Mehrwert 1.3.1 Allgemein 1.3.2 Empowerment 1.3.3 Zugang zur Zielgruppe 1.3.4 Stakeholdereinbindung 1.3.5 Stärkenorientierung 1.3.6 Neue Denkmuster 1.3.7 Anreize für Zielgruppe 1.3.8 Transparenz 1.3.9 Systemlevel 1.3.10 Politikbeeinflussung 1.4 Strategie 1.4.1 Leistungserbringung 1.4.2 Fokus 1.5 Kooperationen 1.6 Sonstiges

2 Social Entrepreneur 2.1 Allgemein 2.2 Wille 2.2.1 Allgemein 2.2.2 Qualitätsorientierung 2.2.3 Wachstumswille 2.3 Kreativität 2.2.1 Vision und Motivation 2.2.2 Problemlösung 2.4 Biographie & Erfahrung 2.4.1 Unternehmerisch 2.4.2 Motivation 2.5 Entwicklungspotenzial 2.6 Phase 2.7 Delegationsfähigkeit 2.8 Kommunikationsfähigkeit 2.9 Pragmatismus 2.10 Soziale Motivation 2.11 Bekanntheitsgrad 2.12 Integrität 2.13 Detailversiertheit 2.14 Belastbarkeit 2.15 Sonstiges

3 Markt 3.1 Gesellschaftl. Probl. & Zielgruppe 3.2 Konkurrenzbewertung 3.3 Marktentwicklung und -Größe

4 Soziale Rendite 4.1 Allgemein 4.2 Übertragbarkeit 4.3 Reichweite

5 Finanzielles 5.1 Geschäftsmodell & Fin. Erfolg 5.2 Finanzierungsvereinbarung 5.3 Rechtliches 5.4 Finanzierungsbedarf 5.5 Externe Finanzierung

6 Sonstiges 6.1 Beirat 6.2 Deal 6.2.1 Infos & Businessplan 6.2.2 Gesamtbewertung 6.2.3 Risiko 6.3 Kompatibilität mit Portfolio

23158 17938 17938 5231

244

5231

398

99

109

398

3942

1408

2577

43

1039

1039

43

43

2903

369

2534

110

110

343

193

343

193

17137 4643

4643

12369

12369

318

30

163

318

150

335

303

32

30

12483

150

335

303

32

30

5381

5381

3989

3989

1572

55

55 83

83

83

83

74

1249

208

1181

472

615

559

1572 1249 109

85

1181

66

159

2544

159

1616

1616

21

989

989

432

432

138

195

195

205

205

147

112

35

205

205

468

447

31

127

127

273

252

31

78

78 195

195

824

104

824

989 432 195 104

Anhang

Anhang B:

373

Key Performance Indikatoren und Social Impact der BonVenture-Portfoliogesellschaften

Portfolioorganisation

Key-Performance-Indikatoren

Social Impact Vermeidung von profitorientierter Ausnutzung Betroffener in psychischen Krisensituationen - Unterstützung Betroffener durch speziell geschulte Mitarbeiter, insbesondere in Problemsituationen - Innovativer Ansatz, um Social Entrepreneurs zu unterstützen. - Vorbildliche Entwicklung eines für die Zukunft wichtigen Sektors. - Hebelwirkung, da Ashoka eine hohe Anzahl an Social Entrepreneurs unterstützt -

AETAS Lebens- und Trauerkultur GmbH & Co.KG

Ashoka Deutschland gGmbH

Biss e.V.

DialogMuseum GmbH

JobTV24 GmbH

Anzahl der betreuten Trauerfälle Mitarbeiter mit Ausbildung in Trauerbegleitung - Kundenaussagen zur Qualität -

-

Anzahl Projektangebote Anzahl Bearbeiter Projekte Anzahl der unterstützten Social Entrepreneurs

-

-

Auflage und Anzahl verkaufter Exemplare Mitarbeiteranzahl (frei und in Festanstellung) Mitarbeiteranzahl Mitarbeiter integriert in den ersten Arbeitsmarkt Besucherzahlen Views pro Monat (Internet) Einschaltquote und Prozentsätze der Beiträge Anzahl Mitarbeiter Anzahl der Kinderkrippen/Kindertagesstätten Anzahl der betreuten Kinder Anzahl der geleisteten Betreuungsstunden Visits pro Monat (Internet) Anzahl Newsletterabonnements/Fördermit glieder Presseecho

-

Anzahl der Fragen und Antworten Visits pro Monat (Internet) Anzahl der erfassten Politiker

-

Kinderzentren Kunterbund e.V.

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LobbyControl e.V.

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Hilfe zur Selbsthilfe für Obdachlose Transparent/effizient eingesetzte Mittel Innovative Erweiterung der Services

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Ausstellungskonzept zur Reintegration von Blinden, Sehbehinderten, schwerbehinderten und benachteiligten Menschen sowie zur Sensibilisierung der Besucher JobTV24 verbessert die Transparenz des Stellenmarktes Schaffung und Verbreitung von Know-how zur Arbeitsplatzsuche und Existenzgründung Hilft, den Mangel an Kinderbetreuungsplätzen in Deutschland zu beheben, fördert so die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Betreuungsplätze, die sich am Bedarf berufstätiger Eltern orientieren Klärt die Öffentlichkeit über die Beeinflussungs-Strategien privilegierter Interessensgruppenauf Liefert Impulse für mehr Transparenz, stärkt die demokratische Kontrolle Innovativer Beitrag für demokratischen Dialog und gegen Politikverdrossenheit Fördert die politische Diskussion und bietet neue Möglichkeiten der aktiven Teilnahme am politischen Prozess Hilft den Einsatz fossiler Brennstoffe und den CO2-Ausstoß zu reduzieren Effektive, wirtschaftlich attraktive Form dezentraler Energieerzeugung Sichere Versorgung durch Kombination mit Biomassekraftwerken

-

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-

Parlamentwatch GmbH

kW-Leistung der Anlagen in Betrieb und in Auftrag - Installierte Kollektorfläche - Einsparung nicht erneuerbarer Ressourcen/CO2 -

Solarlite GmbH

Studienaktie.org

Vermittlungscoachgruppe

Anfragen von Bildungsaspiranten Anzahl Bildungsaspiranten unter Vertrag - Anzahl Investoren -

-

Anzahl ausgebildeter Personen

-

-

Innovativer Ansatz in der Bildungsfinanzierung Fördert mehr und bessere Bildung Innovative, zukunftsweisende Lösung Sehr hohe Erfolgsquote: Vermittlungsquote bei Sozialhilfeempfängern und Langzeitarbeitslosen zwischen 40-80%

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