Nr. 2549
Hubert Haensel
Feueraugen VATROX-CUUR greift an – die Stunde des Legendensammlers kommt
In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1463 Neuer Galaktischer Zeitrechnung – das entspricht dem Jahr 5050 christlicher Zeitrechnung. Seit über hun dert Jahren herrscht Frieden: Die Sternenreiche arbeiten daran, eine gemeinsame Zukunft zu schaffen. Als die Terraner die Transport-Technologie so genannter Polyport-Höfe, Zeugnisse einer längst vergangenen Zeit, zu entschlüsseln beginnen, tritt die Frequenz-Monarchie auf den Plan: Sie be ansprucht die Macht über jeden Polyport-Hof. Mit Raumschiffen aus Formenergie oder über die Transportkamine der Polyport-Höfe rücken die Vatrox und ihre Darturka-Söldner vor, und es bedarf großer Anstrengungen, sie aufzuhalten – denn der eigene Tod scheint für den Gegner keine Bedeutung
zu haben: Die Darturka sind Klonsoldaten, und die Vatrox verfügen über Wege der »Wiedergeburt« auf den Hibernationswelten, von denen die meisten sich in der Galaxis Andromeda befinden. Daher schmieden Perry Rhodan und Atlan ein Bündnis mit den Völkern dieser Galaxis. Der »Bund von Sicatemo« findet alsbald Gelegen heit, sich zu bewähren – und erringt einen Sieg. Erstmals in der Jahrmillionen währenden Geschich te der Frequenz-Monarchie erleidet diese gravie rende Rückschläge: Nachdem der Allianz der Handelsstern FATICO in die Hände gefallen ist, trifft die Vatrox ein Schlag nach dem anderen – aber noch bleibt ihnen eine Waffe, die ganze Welten vernichten kann, wie Sicatemo zeigte. Und das sind die FEUERAUGEN ...
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Gunst des Multiversums so unendlich weit über ihm rangierten. RourSi stand da, als hätte ihn der Atem des Großen Sonnensammlers an gesengt. Unzählige Geschichten über schwemmten sein Denken. Ein Heer Es tat weh! Höllischer Schmerz brannte auf von Legenden erhob sich, um ihn zu unterstützen. Tausende Geschichten, RourSis Seele. Der Atto wusste, dass er einen Rie schöne und traurige, heitere und solche, senfehler begangen hatte. Aber er konn die nur in den Tod mündeten. Wollten sie ihm tatsächlich beiste te nichts daran ändern. Die Zeit war gnadenlos – sie war schlimmer als jedes hen? Oder wollten sie ihn richten? Wegen eines einzigen schwachen MoRaubtier, das dieses Universum jemals ments. hervorgebracht hatte. RourSi wimmerte. Tiere rissen ihre Er hatte das nicht ge Beute, um zu überle wollt. Es war einfach ben; wenn sie Hunger Die Hauptpersonen des Romans: passiert. Eine Nach hatten oder sich be Atlan – Der Arkonide sieht einen Tunnel. lässigkeit, weil diese droht fühlten. Der Perry Rhodan – Der Unsterbliche muss sich der Nie fremde Macht für Hunger der Zeit hin mandswelt stellen. kurze Zeit ins Schiff gegen war ohne Maß. Sinnafoch – Der Frequenzfolger verweigert erneut die eingedrungen war ... Er forderte an jedem Gefolgschaft. Er, RourSi, der Le Tag, in jeder Stunde, RourSi – Der Legendensammler erlebt dramatische gendensammler und in jeder Sekunde sein Stunden. Legendenerzähler, Futter. Gucky – Der Mausbiber agiert ungewöhnlich. hatte seine Gestalt im Die Zeit verschlang VATROX-CUUR – Ein Triumvir greift in das Geschehen Beisein eines anderen alles und tötete jeden ein. verändert. – früher oder später. Mit beiden Händen In der Hinsicht war fuhr er sich über den sie sogar unberechen Leib. Er schüttelte bar. RourSi krümmte sich. Er wimmerte sich angewidert, als zwischen den Fin unter dem Skalpell der Selbstvorwürfe, gern weiche weiße Fellhaare hingen. das seine Seele sezierte. »Du bist hinterhältig und gemein!« Die Zeit bedrohte ihn ebenfalls. Nie Die Anklage stieß er bebend hervor. mand konnte ihr entkommen, kein We »Hörst du, Zeit? Weißt du, wie viele sen dieses Universums. Nicht einmal Legenden dich verwünschen, dich jene, von denen die berühmtesten Le sogar verfluchen? Also gib mir eine genden erzählten: die Mächtigen ... die neue Chance. Ich habe das Tabu ge Ritter der Tiefe ... die Hüter des Lichts. brochen und werde künftig ein Ausge Selbst Superintelligenzen konnten den stoßener sein ... Soll ich dich dafür Fängen der Zeit ebenso wenig entrin hassen?« nen wie er, der kleine Atto. RourSi schwieg betroffen. Ein hef Nun ja – RourSis Überlegungen ge tiges Schluchzen schüttelte ihn. rieten für einen Moment ins Stocken –, Er fühlte seine Panik wachsen. bei den »Hohen Mächten« war er sich War es ihm wirklich nicht möglich, dessen nicht sicher. Aber es war ein die Zeit anzuhalten? Anzuhalten und tröstlicher Gedanke, dass selbst jenen wenigstens ein kleines Stück zurückzu Grenzen gesetzt waren, von denen er drehen? Nicht weit, nur zwanzig Minu kaum etwas wusste, weil sie in der ten – ein Molekül im endlos tiefen Oze 1. Hades-Dunkelwolke,
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25. April 1463 NGZ, 13.44 Uhr
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an zwischen Geburt und Tod des Uni versums. Ist das viel? Ich verlange doch so gut wie gar nichts. RourSi versuchte, ruhiger und gleich mäßig zu atmen. Sein Herz schlug aber weiterhin wild und unrhythmisch. Der Schmerz über seinen Tabubruch saß tief. Stünde er auf den Klippen von Ever world, unter sich das giftig züngelnde Schlangenmeer, er zögerte dennoch nicht, sich in die Tiefe zu stürzen wie einst Lemaar auf seiner Flucht vor den Robothäschern. »Wieso habe ich uns das angetan?« RourSi keuchte seine Schuld stoßweise hinaus. »Gucky ist mein Freund, trotz dem habe ich mich vor ihm verändert. Er musste mit ansehen, wie meine Zäh ne groß und spitz wurden, als wäre ich ein Fleischfresser ... Und dann diese Ti gergestalt ...« Der Atto schüttelte sich vor Entset zen. »Ein Riesen-Zwergkarnickel mit Hauern wie ein Säbelzahntiger kommt bestimmt nicht gut an im Schiff. Die sind momentan alle durch den Wind we gen diesen Vatrox ...« Genau das hatte Gucky gesagt. Jedes Wort des Mausbibers hallte RourSi in den Ohren, als stünde der Kleine in die sem Moment noch neben ihm. Ein Gefühl: Gucky war noch da ...? Ruckartig wandte der Atto sich um. Sein Blick huschte suchend durch die Kabine. Das Gefühl trog. Er war allein, sein kleiner einzahniger Freund hatte ihn verlassen. RourSi horchte angestrengt in sich hinein. Der wilde Druck unter der Schädeldecke schien ein wenig nachge lassen zu haben. Wie soll ich dem Ilt vor Scham jemals wieder in die Augen schauen? Und noch schlimmer: Was wird aus unserem Möhrensalat? Am Vortag hatten sie beschlossen, ge meinsam ein köstliches Menü zu zau
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bern. Mit frischen, butterweichen Zu ckermöhren und exotischen Gewür zen. »Du kannst diese Möhren mit der Zunge am Zahn zerdrücken. Das ist wie eine himmlische Erleuchtung, mein weißpelziger Freund.« RourSi sah den Ilt geradezu vor sich, wie er mit beiden Händen genüsslich eine Mohrrübe nachgeformt hatte. Das Wasser war ihm dabei im Mund zusammengelaufen. Erst recht, als Gucky von einem verbor genen Gewächshaus an Bord gespro chen hatte. Dort, wohin sich angeblich nie ein Mensch verirrte, gediehen Möhren in richtiger Erde. »Es sind nur wenige Quadratmeter in einem stillgelegten Wartungsschacht, den nicht einmal die Metaläufer mit ih ren Neuerungen vollgestopft haben.« Guckys wohliges Lachen klang in RourSi nach. »Die ›Neuerungen‹ habe ich ausgesät. Ist halt zur Abwechslung nichts Technisches.« RourSi schüttelte die letzte Benom menheit von sich ab. Er schwitzte stark, die Furcht vor dem Fremden steckte nach wie vor in seinen Knochen. Für kurze Zeit, das gestand er sich ein, hat te er um sein Leben gefürchtet. In der Gestalt eines Okrivar war er bei der Frequenz-Monarchie sicherer gewesen als nun bei den Terranern. Ich habe den Gelben Meister über standen und die Terminale Kolonne TRAITOR in Hathorjan und unzählige Gefahren vorher – ich will nicht an Bord eines terranischen Schiffes ster ben! Nässe stand in seinen Augenwinkeln. Es waren Tränen der Angst. Nie zuvor hatte er den Tod so nahe wahrgenommen, es hatte stets einen Ausweg gegeben. Diesmal nicht ... Seine Kabine war nicht zu geräumig. RourSi tappte hinüber in die Schlaf ecke und ließ sich fallen. Das Energie feld fing ihn sanft auf. Als er sich her
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umwälzte, glich es sich jeder Bewegung an. Ihr Luxus war das Einzige, was der Atto momentan an den Terranern schätzte. Bei der Frequenz-Monarchie hatte er zeitweise zwischen stinkenden Darturka am Boden gelegen. Selbst wenn er versuchte, ruhig darüber nach zudenken: Die Todesfurcht, die er mo mentan empfand, hatte er nicht einmal zwischen den Klonsoldaten gespürt. »Uralte Gräber aus vergess’ner Zeit, hier schläft ein Volk den Schlaf der Ewigkeit ...« RourSi hörte auf, sich herumzuwäl zen. Sekundenlang lag er halb benom men auf dem Rücken. Hatte er die Stim me wirklich gehört? »... kein Hass lebt unter ihnen, keine Eifersucht, nicht Liebe und nicht nachbarlicher Streit ...« Das war Guckys Stimme. Kein Zwei fel! RourSi stockte der Atem. Zögernd stemmte er sich auf den Unterarmen in die Höhe. Er entsann sich. Gestern hatte der Mausbiber ihm diese Legende vorge tragen. Sie war schön und ergreifend – und von den uralten Gräbern hatten sie den Bogen zu den Mohrrüben gefun den. Eigentlich hatte Gucky zuerst von Radieschen gesprochen. RourSi wusste nach wie vor nicht, was Radieschen waren, die man von unten anschauen konnte. Seine Furcht wich einer seltsamen Anspannung. Er bewegte sich nicht mehr, lauschte, wartete darauf, dass er den Ilt noch einmal reden hörte. »... vergeblich schweift mein Blick umher und sucht den Unterschied von Knecht und Ob rigkeit.« Schön.
Ergreifend schön.
Mit solchen Legenden, dachte der At-
to sehnsüchtig, erwecken wir die Toten aus dem Schlaf der Ewigkeit. Dann werden vergessene Epochen und ihre
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Heldenepen endlich wieder lebendige Gegenwart. Ein Blick auf die Zeitanzeige. Schrecklich banal erschienen ihm die projizierten Ziffern. Sie waren kalt und ungnädig – Zeit eben, die sogar den er habenen Geschichten die Existenz streitig machte. Dagegen kämpfte er an, deshalb war er der Legendensammler. Sein Leben galt dem Kampf gegen das Vergessen. RourSi fröstelte. Er war selbst ver gesslich geworden, hatte er doch nicht einmal darauf geachtet, von wo die Stimme des Mausbibers erklang, son dern sich von den Sätzen mitreißen las sen. Und nun? Seit Guckys Teleportation waren et wa dreißig Minuten vergangen. Er war tete darauf, dass der Ilt zurückkam. Er würde heute warten und nächste Woche. Vielleicht noch in einem Jahr. Die Zeit war gnadenlos. Sie ließ Le genden entstehen, aber sie begrub diese Legenden ebenso schnell wieder unter dem Mantel des Vergessens. Vielleicht war es sogar besser, wenn Gucky nicht wiederkam, denn der Mausbiber hatte gesehen, was niemand sehen durfte: einen Atto, der seinen Körper umformte. Es tat immer noch weh. Außerdem hatte Gucky ihm nicht verraten, wo die Möhren wuchsen. * Aus weit aufgerissenen Augen blick te Atlan auf den Holo-Globus. Er nahm dennoch kaum wahr, was er sah. Weil ihm die Augen übergingen, wirkte die Wiedergabe verschwommen und schien zu pulsieren. Nässe rann an seinen Nasenflügeln abwärts. Die Augen tränten vor Erre gung, trotzdem schmerzte jeder Lid schlag. Langsam verwehende Glutschleier bestimmten das Geschehen im Welt
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raum. Dazwischen Explosionen, ein un aufhörliches Flackern, das an fernes Wetterleuchten erinnerte. Jeder Lichtblitz, der sich in die Wahr nehmung des Arkoniden einbrannte, berichtete vom Ende eines Raumschiffs. Freund oder Feind – es war unmöglich, das in diesem Chaos auseinanderzuhal ten, und der Tod fragte ohnehin nicht danach. Wie Rudel halb verhungerter Wölfe hatten sich die Flotten ineinander ver bissen. Es gab kein Halten mehr, keine Rücksicht auf die eigene Sicherheit; je de neue blutende Wunde, die der Geg ner schlug, ließ den Kampf erbarmungs loser werden. Schwer atmend sank der Arkonide im Sessel zurück. Einige Besatzungsmitglieder waren zusammengebrochen. Andere versuch ten, einen halbwegs geregelten Betrieb aufrechtzuerhalten. Medoroboter küm merten sich um die Bewusstlosen. Mehrere durch die Ausfälle blockier te Funktionen ... NEMO übernahm ein zelne Stationen über die Notsysteme ... Vor wenigen Minuten war Gucky ver schwunden und bislang nicht zurück gekehrt. Atlan rief in Gedanken nach dem Ilt. Es fiel ihm schwer, denn der Kopfschmerz mutierte zum unerträg lichen Toben. Der unheimliche Gegner war also nicht mit der Hibernationswelt unter gegangen. Sieh genau hin!, drängte der Ex trasinn. Dort, wo die Schlacht noch am heftigsten tobt ... Atlans Augen brannten. Er blinzelte, versuchte es noch einmal. Es gab nichts, was ihm sofort aufgefallen wäre. Du sträubst dich dagegen und blen dest das Gebilde aus deiner Wahrneh mung aus. Wenn ich es erkenne, siehst du es ebenfalls. Wovon sprichst du?, gab Atlan heftig zurück. Was für ein Gebilde? Im gleichen Moment ahnte er die Antwort. Ruckartig beugte er sich nach
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vorn. Er sah verschwommene Schemen, Explosionsblitze, die verwehenden Ma terieschleier und vielleicht das eine oder andere größere Bruchstück, das von Hibernation-6 geblieben war. Dazwischen ein fahler verwaschener Fleck. Atlan rieb sich die Schläfen. Es war ein loderndes, brennendes Ge bilde, dessen Größe beachtlich sein musste. Ein Feuerauge!, erkannte er bebend. Seit wann ...? Seit der Planet auseinanderbrach, antwortete der Extrasinn. Allerdings greift es nicht in die Schlacht ein. Es beobachtet nur?, gab Atlan irri tiert zurück. Er verschränkte die Hände im Na cken und streckte sich. Das Feuerauge angreifen zu wollen war illusorisch. Die Flotte konnte rein gar nichts dagegen ausrichten. Warum kam es zu keinem ver heerenden Psi-Sturm, der die Alliierten durcheinanderwirbelte? Ein schneller Rückzug konnte die Schlachtlichter rechtzeitig aus der Gefahrenzone brin gen. Und die Hibernationswelt, auf die das Feuerauge außerdem hätte Rück sicht nehmen müssen, existierte seit gut zehn Minuten nicht mehr. Genau darüber solltest du nachden ken, raunte der Logiksektor. Warum schlägt das Auge nicht mit aller Kraft zu? Schrumpfte die lodernde Aura? Atlan gewann den Eindruck. Das Gebilde durchmaß an die tausend Kilometer, der eigentliche hyperphysikalisch hochak tive Kern hatte indes nur die Größe eines Fußballs. »NEMO, ich brauche die Ortungs daten ab Erscheinen des Feuerauges! Außerdem die optischen Aufzeich nungen!« Mehrere Holos zeigten ihm die gra fische Umsetzung der wichtigsten Mess daten, zudem Verlaufskontrollen und Überblendungen. Atlan blinzelte. Eini
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ge Male kniff er die Brauen zusammen, schließlich drückte er mit Daumen und Zeigefinger auf die Nasenwurzel. Sein Blick lief danach nicht mehr permanent davon. Das Feuerauge war plötzlich da gewe sen. Allerdings war es nicht schon wäh rend der Vernichtung des Planeten er schienen, sondern erst Minuten später. Seitdem schrumpfte es und schien permanent einen Teil seiner Psi-Materie zu verlieren. Das Ding deflagriert, vermutete At lan. Oder wird von etwas aufgezehrt, das wir nicht erkennen können. Der Extrasinn schwieg dazu. Also wusste er ebenso wenig eine Erklärung für diesen Vorgang. Solange sich das Feuerauge ruhig verhielt, blieb dem Arkoniden Zeit, die nächsten Schritte abzuwägen. Im Gro ßen und Ganzen, glaubte er, war die Schlacht geschlagen und die FrequenzMonarchie entscheidend geschwächt. Ohne die Hibernationswelten kam die permanente Wiedergeburt der Vatrox zum Erliegen. Außerdem war ihre Raumschiffproduktion schwer getrof fen worden. Zumindest was die Präsenz der Frequenz-Monarchie in Andromeda und der Milchstraße betraf. Die Vatrox mussten lernen, mit ihrer neuen Sterblichkeit zurechtzukommen. Sie konnten nicht mehr lachend in den Tod gehen, weil sie nicht mehr kurze Zeit später in einem neuen Körper zu rückkehrten. Ganz zu schweigen davon, dass die Krathvira ihr Vamu abschöpf ten und einsperrten ... »Was ist mit der Besatzung?«, fragte Atlan. »Wie viele Ausfälle?« Ein Schaubild entstand. Er zog die Brauen hoch. Die meisten Stationen waren nach wie vor doppelt besetzt. Ausfälle waren schnell mit Ersatzleuten kompensiert worden. Mehrschicht-Be trieb lohnte sich eben doch ... In den Kopfschmerz mischte sich das Gefühl, dass er beobachtet wurde. At lan drehte sich spontan um.
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Gucky kam soeben aus dem Anti gravschacht. Der Ilt wirkte erschöpft. Üblicher weise wäre er teleportiert und hätte auf jeden Fall darauf verzichtet, mehr als ein paar Schritte zu Fuß zu gehen. Jetzt tappte er müde auf die Plätze der Ein satzleitung zu, mit hängenden Schul tern und den Blick zu Boden gerichtet. »Fürchtest du, über deine eigenen Füße zu stolpern?«, wollte Atlan wis sen. Guckys Nagezahn blitzte. Fahrig wischte er sich mit einer Hand übers Gesicht. »Der Herr Arkonidenadmiral sollte nicht spotten. Ich bin müde, er schöpft, ausgebrannt ...« »Das gibst du freiwillig zu?« Atlan grinste anzüglich. »Dich hat’s wirklich erwischt.« »Warum teleportierst du nicht an Bord herum, alte Silberlocke, wenn du so gut bei Kräften bist? Du hockst in deinem bequemen Kontursessel und willst ...« »Ich kann’s nicht.« Gucky gähnte herzhaft. Mit dem Un terarm wischte er sich über die Augen. Zögernd schaute er sich um. »Wovon sprichst du, Atlan? Du kannst vieles nicht, wenn ich das richtig in Er innerung habe.« »Ich rede nur davon, dass ich nicht teleportieren kann.« Der Mausbiber lehnte sich an den nächsten Sessel. Seufzend legte er seine Arme auf die Seitenlehne und ließ den Kopf auf die Arme sinken. »He, Gucky!« Er reagierte schon nicht mehr. Sein lauter werdendes Atmen verriet, dass er im Stehen eingeschlafen war. Atlan rüttelte ihn an der Schulter. Guckys Biberschwanz klatschte auf den Boden. Die Geste war eindeutig: Lass mich in Ruhe! »Bei allen Sternengeistern, meinet wegen schlaf weiter«, sagte Atlan mür risch. »Bleib einfach in Morpheus’ Ar men stehen. Und falls du umkippst ...«
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»Du hast doch keine Ahnung«, murrte Gucky. Zumindest hörte es sich mit ein wenig Fantasie so an. »Du bist kein Te lepath und hast dich nie verausgaben müssen, um einen Hilferuf aufzufan gen.« »Du schon? Lass dir die Würmer we nigstens nicht einzeln aus der Nase zie hen.« Gucky seufzte. »Das ist arkonidische Neugierde, garniert mit einer terra nischen Redewendung. Wo soll das bloß hinführen?« Er legte den Kopf wieder auf die Lehne und gähnte erneut. »Der Notruf kam über das Netz – genau wie damals auf Thirdal.« »Das ist erst drei Monate her.« »Also doch damals«, beharrte der Ilt. Atlan wandte sich dem Holo-Globus zu. Sekundenlang suchte er nach dem Feuerauge, bis er es wiederfand. Es schien blasser geworden zu sein und stand zudem einige Millionen Kilome ter weiter entfernt als zuvor. Ganz so, als ziehe es sich langsam von dem Ge schehen zurück. Weil es für Hibernati on-6 ohnehin zu spät war? »Wir müssen Perry warnen! Es ist wichtig! Alles hier drin.« Gucky klopfte sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Das nimmt mir niemand weg. Aber Perry muss davon erfahren ... und bis dahin leg ich mich aufs Ohr.« Der Mausbiber stieß sich von dem Sessel ab. Es sah so aus, als wolle er teleportieren, aber dann machte er eine wegwerfende Handbewegung. »Ist auch schon egal.« Er seufzte und tappte die paar Meter bis zum Antigravschacht. »Gucky!«, rief Atlan ihm hinterher, bevor er den Schacht erreichte. Der Mausbiber wandte sich zögernd um. »Haste mal ’ne Möhre?« Er biss sich mit dem Nagezahn auf den Unterkie fer. »Hier in der Dunkelwolke ist die Ar beit weitgehend erledigt. Und das Feu erauge, das vorhin aufgetaucht ist, scheint auch keine direkte Bedrohung zu sein. Wir fliegen sofort los.«
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»Wie lange ...?« »Fünfundzwanzig Minuten.« »Viel zu wenig zum Ausschlafen«, protestierte Gucky schrill. »Ist das ein Stress.« Er warf sich geradezu in den Anti gravschacht. Atlan schaute dem Ilt kopfschüttelnd hinterher. Die Distanz zwischen der Dunkel wolke und FATICO, dem letzten Han delsstern in Andromeda, betrug knapp zwanzigtausend Lichtjahre. Im Tra fitron-Modus erreichte die JULES VERNE-1 einen Überlichtfaktor von 450 Millionen. Das bedeutete eine Flug zeit von knapp fünfundzwanzig Minu ten. Perry Rhodan musste gewarnt wer den. Obwohl oder gerade weil Gucky einen ziemlich verwirrten Eindruck machte. Atlan kannte den Ilt gut genug, um zu wissen, dass er niemals grundlos warnte – und dass er sich rasch erholen würde. Bestimmt genügte es schon, wenn der mentale Druck verschwand. Vielleicht war das Feuerauge die Ur sache. Ausschließen konnte der Arkoni de das nicht. Dass beim Handelsstern zwei Feueraugen stationiert waren und dennoch kaum jemand dort psychische Probleme hatte, besagte wenig. Statusabfrage Bengar-Sternhaufen/ 25. April 1463 NGZ, 14.00 Standard zeit. Zielstatus: Distribut-Depots KJALL DAR und HASTAI weitgehend erobert. Status der Flotte: 9400 Schiffe der Al lianz, 450 Haluterschiffe, 15.000 Schiffe der gemischten Hathorjan-Flotte. 2. Handelsstern FATICO,
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Gegensätze beherrschten das Da sein.
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Tosenden Feuerstürmen folgte oft ei ne Phase hektischer Entwicklung. Neues Leben wuchs dann aus der Asche und schuf die Grundlagen für zuvor unbe kannte Arten. Stille und Geborgenheit erschienen andererseits sehr kurzlebig. Es gab kei ne Garantie für ihren Bestand, ein jäh ausbrechender Feuersturm konnte das Paradies zur Hölle werden lassen ... Seit Minuten widmete sich Perry Rhodan der Wiedergabe im Holo-Glo bus, aber seine Gedanken sprangen wild umher. Von einer inneren Unruhe getrieben, wollte er den Dingen auf den Grund gehen – hinterfragen, was sich dem rationellen Zugriff entzog. Die Schlacht um FATICO war zu En de. Vorerst jedenfalls. Weltraumschwärze beherrschte die optische Darstellung. Immer wieder überwältigend war der Blick auf die sternenübersäte Haupt ebene einer Galaxis. Andromeda weck te zudem besondere Erinnerungen an den Aufbruch der Terraner, ihren ersten Griff nach einer fernen Sterneninsel. Ebenso daran, dass die Vergangenheit der solaren Menschheit damals ein neues Gesicht erhalten hatte. In der Zentrale der JULES VERNE-2 herrschte rege Geschäftigkeit. Rhodan registrierte die Kulisse dennoch nur beiläufig, er achtete kaum darauf. Sein Blick suchte die beiden Feuer augen. Sie waren keineswegs verschwunden, sondern blieben eine unheimliche Be drohung – ihr Vernichtungspotenzial konnte womöglich den Raum selbst zer stören. Schätzungsweise zwei Kilogramm kaum gebändigte Psi-Materie. Wurden sie gezündet, würden in diesem Sektor über Lichtjahre hinweg kein Leben und keine Materie bleiben. Nur verbranntes Nichts ... die Asche von Raum und Zeit ... Die Ruhe im Umkreis des Handels sterns war trügerisch. Sie machte Angst
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und schuf Platz für die schlimmsten Be fürchtungen. Die Feueraugen beobachteten ihn! Sie verfolgten ihn und ließen ihn nicht mehr los. Ein absurder Gedanke, aber vielleicht gar nicht so verrückt. Perry Rhodan hatte gelernt, das Unmögliche zu den ken, auf Dinge einzugehen, deren Logik sich dem menschlichen Verstand ent zog. Das Universum hatte eigene Gesetze. Andere, als der Mensch zu glauben be reit war. Wir akzeptieren stets nur das als rich tig, was sich nicht mehr leugnen lässt. Ein unwiderlegbarer Beweis ist unser wichtigstes Kriterium, doch die Fanta sie verurteilen wir damit zum Nischen dasein. Mitunter war Fantasie der kürzeste Weg zur Wahrheit, ein Wurmloch im Dickicht der ernsten Forschung. Er hatte seinen Gedanken freien Lauf gelassen. Wohler fühlte er sich deshalb nicht. Ebenso wenig beruhigter. Schon in den nächsten Minuten konnte die Schlacht neu entbrennen. Dann würde sie in aller Härte und Brutalität zu En de geführt werden. »Vielleicht jage ich tatsächlich nur einem Traum hinterher.« Rhodan sagte es leise, eher für sich selbst bestimmt als für andere Ohren. »Aber selbst die Ge wissheit, dass ich nichts verändern kann, würde mich nie davon abhalten, es wenigstens zu versuchen.« »Wovon redest du?« Mondra bedachte ihn mit for schendem Blick. Sie hatte vorüberge hend ihren Platz verlassen und Ramoz durch den Konferenzraum gehetzt. Rhodan war ihr Faible für besondere Begleitung längst gewohnt, weitgehend jedenfalls. Solange Mondra nicht eines Tages aldebaranische Springmausspin nen anschleppte, akzeptierte er das al les noch. Obwohl ... Nachdenklich wandte er sich seiner Frau zu. Ramoz, der kleine
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halbintelligente Luchsartige, entblößte eher unfreundlich seine Fangzähne. »Du siehst aus, als hättest du dich mit unangenehmen Dingen herumgeschla gen«, stellte Mondra Diamond fest. Un überhörbar die versteckte Aufforde rung, sie zu informieren. »Mit den Gezeiten des Lebens«, sagte Rhodan knapp. »Ah.« Mondra streichelte Ramoz. Der Kleine sträubte sich gegen den Schutz anzug, den er tragen musste. Nach wie vor herrschte Alarm, wenn auch auf Be reitschaft zurückgestuft. »Und was darf ich darunter verstehen?« Mondra nahm ihren kleinen Begleiter auf den Arm und drückte ihn an sich. Mit der rechten Hand kraulte sie seinen Nacken. Ramoz quittierte die Zuwen dung mit einem behaglichen Schnurren und einem Blick auf Rhodan, den der Resident schlicht als triumphierend empfand. Der Terraner antwortete mit einer umfassenden, eher ausweichenden Handbewegung. Er wandte sich wieder den Datenkolonnen zu. Wegen dieser Auflistung waren seine Gedanken abge schweift. Drastisch führten sie ihm die Zahl der Toten und Verwundeten vor Augen. Der Tod wurde greifbar. Ebenso die Schicksale, die hinter alldem stan den. Immer und immer wieder lief es darauf hinaus. Sicher, Rhodan kannte auch viele schöne Momente. Sein Staunen über die exotische Vielfalt der Schöpfung. Die Freude, geradezu Glück, wenn sich in der unendlichen Weite Freunde fanden, wie immer ihr Äußeres beschaffen sein mochte. Wenn Menschen erkannten, dass die inneren Werte fremder Intelli genzen zählten und nicht ihr mitunter sogar abschreckendes Aussehen. Dafür lohnte es sich zu leben. Trotz des Neids in manchen Blicken; Neid, dass Rhodan dem Tod ein Schnippchen schlug, während anderen Menschen nur zwanzig Jahrzehnte blieben – wenn al les gut lief. Aber was wussten jene Nei
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der schon von den Gefühlen eines Un sterblichen, wenn er Freunde verlor? Wenn seine Kinder starben, seine En kel, wenn er sich der eigenen Familie immer mehr entfremdete und zum Fos sil wurde. »Komm schon!« Mondras Stimme holte Rhodan aus seinen Gedanken zu rück. »Wir haben der Frequenz-Monar chie ihre Hibernationswelten genom men?« Er nickte zögernd. Selbstmitleid? Das hatte er sich schon vor mehr als zwei Jahrtausenden abge wöhnt, weil das Leben sich sonst schwer ertragen ließ. Früher oder später wurde jeder Aktivatorträger einsam. Das war der Preis der Unsterblichkeit. Die Feueraugen beobachteten ihn! Das Gefühl war unheimlich. Und selbst wenn er nicht so schnell bereit war, sich das einzugestehen: Es machte ihm Angst! Perry Rhodan fuhr sich mit der Hand über den Nacken. Deutlicher als zuvor spürte er, dass die Feueraugen ihm auf lauerten. Sie warteten darauf, dass er einen Fehler beging. Im Kampf riskierte die FrequenzMonarchie FATICO, den letzten noch nicht ausgebrannten Handelsstern in Andromeda. Wohl nur deshalb herrschte momentan angespannte Ruhe. Wir haben euch die Hibernations welten genommen – das war mehr als eine Warnung. Und nun? Gibt es ein Einlenken, bevor alles verlorengeht? Perry Rhodan glaubte es nicht. Die Frequenz-Monarchie sammelte Kraft für ihren Gegenschlag. Sie würde den Menschen etwas ähnlich Wichtiges nehmen. Die Feueraugen starrten ihn an. Rho dan sah sie, selbst wenn er die Augen schloss. Nein. Er schüttelte den Kopf. So wichtig bin ich nicht. Jeder kann mich ersetzen: Bully, Atlan, Tiff ... Eine Hand legte sich auf seine Schul ter. Die Berührung erschreckte ihn im
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ersten Moment, dann ließ sie ihn aufat men. Die Hand tastete weiter und legte sich auf seine Rechte, die er noch im Nacken hielt. Es war Mondras Hand. Ihre Finger zwängten sich zwischen sei ne eigenen. Fest drückte sie zu, aber nicht zu fest. Gerade so, dass er spüren konnte, dass sie jederzeit für ihn da war. Perry Rhodan war ihr dankbar da für. Mondra beugte sich zu ihm herab. Ihr Kinn berührte seine Schulter, sie stütz te sich an ihm ab. Immer noch hielt sie seine Hand im Nacken fest, und mit ih rer Linken umschlang sie ihn und zog ihn an sich. Er registrierte ihre Wange an seiner und ihr Kinn auf der Schul ter. Mondra Diamond folgte seinem Blick. Er bemerkte es deutlich. Mondra wollte wissen, was ihm zu schaffen machte. Ihr Kinn drückte ein wenig fester auf seine Schulter. Tief at mete sie ein und hielt die Luft sekun denlang an. Ramoz knurrte gereizt. »Lass ihn!«, flüsterte Mondra, als Rhodan sich nach dem Luchsartigen umsehen wollte. »Ramoz wird das ver kraften. – Es sind die Augen!«, fügte sie fast übergangslos hinzu. »Die Feuerau gen machen dir zu schaffen. Man könnte beinahe meinen, dass sie dich an schau...« Mondra bebte. »Psi-Materie! Glaubst du, die Augen können uns beeinflussen? Dich vor allem? Wir haben ausgeklügelte Sicher heitsvorrichtungen. Ein Perry Rhodan oder ein Atlan oder wer immer, der plötzlich irrelevante Befehl erteilt, wird Schwierigkeiten haben, sich damit durchzusetzen.« »Was mich beunruhigt, ist etwas an deres«, entgegnete Rhodan. »Ich kann es nicht einschätzen – noch nicht. Aber ich verwette meinen Bungalow am Go
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shun-See dafür, dass das dicke Ende erst kommt.« »Wie oft bist du auf Terra?«, bemerk te Mondra amüsiert. »Der Bungalow steht doch an 364 Tagen im Jahr leer. Wenn du den verlierst, wäre das kein großer Verlust.« Rhodan schaute sie an. Sie war ihm so nahe. Er roch den Duft ihrer Haut und freute sich auf bessere Tage, ir gendwann. »Vielleicht sollte ich doch nicht wet ten«, stellte er fest. »Wir sind mit TRAI TOR fertig geworden und mit all den großen und kleinen Problemen vorher. In einigen Wochen, Monaten oder Jah ren sind wir wieder zu Hause in Terra nia. Die Frequenz-Monarchie liegt be reits halb am Boden.« Er widmete sich wieder den Status meldungen. Etliche Zahlen hatten sich mittlerweile verändert. Der aktuelle Stand war nahezu endgültig. * Rhodan überflog die Meldungen, die ihn teils auf dem Weg über das Poly port-Netz, teils via Hyperfunk erreicht hatten. Viele hatten eine lange Strecke hinter sich, Etappen über Relaisstatio nen, Sonden und an neuralgischen Po sitionen stationierte Schiffe. Überall befanden sich die Alliierten auf dem Vormarsch. Sie hatten die Truppen und Verbünden der Frequenz-Monarchie zurückdrängen können. Alles verlief nach Plan. Der Angriff auf die Hibernations welten sollte der entscheidende Schlag sein. Aber Rhodan wusste, dass es sich lediglich um eine Etappe auf dem Weg zum umfassenden Sieg handeln würde. Die eigenen Truppen rollten die Sta tionen des Polyport-Netzes von innen heraus auf. Einige mit Unterstützung der großen Kampfraumschiffe. Andere, über größere Entfernungen hinweg, ausschließlich auf dem Weg über das Polyport-Netz. Die schwierigste Phase
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war das Eindringen in einen Transport hof. Es galt, mit den Controllern den Nachschub zu sichern und auf den je weiligen Transferdecks zügig Brücken köpfe aufzubauen. Der Bengar-Sternhaufen lag dem Handelsstern FATICO sehr nahe. Rho dan fröstelte, als er die Nachricht las, das Feuerauge bei Bengar sei um 13.45 Uhr Standardzeit unvermittelt verschwunden. Was plante die Gegenseite? Ihm war herzlich wenig über die Möglichkeiten eines Feuerauges be kannt. Er fragte sich, ob die psi-mate riellen Gebilde in der Lage waren, große Entfernungen schnell zu überwinden. Im schlimmsten Fall sogar in Nullzeit? Womöglich befand sich das Bengar-Au ge seit rund einer halben Stunde auf dem Weg nach Anthuresta. Oder schlim mer noch, auf dem zur Milchstraße ... Oder brauchte es, um Andromeda zu verlassen, die Unterstützung durch den Handelsstern? Rhodan biss sich auf die Unterlippe. Ihm war nach wie vor nicht wohl bei dem Gedanken an die Feuer augen. Er tastete nach den beiden »Glas murmeln«, die er in der Brusttasche sei nes SERUNS trug. Verglichen mit dem Kern eines Feuerauges waren die Kü gelchen winzig, eine verschwindend ge ringe Masse. Trotz ihrer enormen Zerstörungskraft kam Rhodan sich vor wie David im Kampf gegen den Philister Goliath. Wie wollte er mit diesen Kügelchen den Gegner beeindrucken? Zwei Femto gramm Masse hatten sie, aber jedes der Feueraugen barg in sich, grob geschätzt, eintausend Gramm Psi-Materie. Es war lachhaft, damit überhaupt anzutreten. David hatte es gewagt – und Goliath niedergestreckt. Rhodans Blick huschte über die nächsten Meldungen. Admiral Ipthey-Hüriit teilte die Übernahme des Distribut-Depots KJALLDAR und HASTAI mit.
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Nach dem Abzug des Feuerauges aus dem Sternhaufen waren die letzten fünfhundert Schlachtlichter vernichtet worden. Falls der Blue die eigenen Kräfte ver heizt hatte ... Rhodan schob diesen Gedanken sofort beiseite. Er kannte Ipthey-Hüriit, und Atlan schätzte den Apaso-Admiral ebenso. Verluste hatte der Blue in seiner Mel dung nicht beziffert, sondern nach Apa so-Manier die Zahl der noch kampffä higen Schiffe angegeben: 24.850! Rhodan stutzte. Ipthey-Hüriits Flotte hatte 27.500 Schiffe umfasst. Dazu die tausendfünfhundert Kugelraumer der Andromeda-Haluter ... Erst in dem Mo ment bemerkte er die vorangegangene Meldung als Anhang hinter dem Holo. Sie wäre es wert gewesen, sofort be kannt zu werden. Doch aus welchem Grund auch immer, der Admiral hatte sie erst kurz nach dem Verschwinden des Feuerauges weiterleiten lassen. Fünfzehntausend Raumschiffe waren als Verstärkung im Bengar-Sternhaufen erschienen – von einer Seite, von der es wohl niemand mehr erwartet hätte. Zu gegeben, Rhodan hatte es gehofft. Er hatte sich gewünscht, dass viele Völker aus ihrer Lethargie aufwachen und So lidarität zeigen würden. Alle, die den Kampf gegen die Frequenz-Monarchie aufnahmen, taten das für sich selbst und ihre Nachkommen. Eine extrem gemischte Flotte, ein Bündnis vieler Völker, um gemeinsam den Eroberern entgegenzutreten. Ipthey-Hüriits Nachricht listete Völ ker auf, deren Namen Rhodan kaum kannte, die er vielleicht vor Jahrzehnten anlässlich einer diplomatischen Tagung gehört, aber nie mit handfesten Infor mationen hinterlegt hatte. Wer waren beispielsweise die Elen nen? Er hatte keine Assoziation zu ih rem Aussehen, vermochte nicht einmal zu sagen, wo in Andromeda sie behei matet waren. Dazu Twonoser und Atto, Irrsucher,
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Hugna, Elektriden ... Die Auflistung enthielt vermutlich einige Völker, die ihre Solidarität teuer bezahlen würden. Aber sie waren da, sie standen in der Gefahr zusammen. Vielleicht sahen ei nige der Kleinen auch die Chance, end lich anerkannt zu werden. Warum muss immer erst eine tödliche Bedrohung auftreten, damit das Zu sammengehörigkeitsgefühl zum Vor schein kommt? War es in der Milchstraße anders ge wesen? Die GAVÖK, die Galaktische Völkerwürde-Koalition, war erst unter dem Druck des Hetos der Sieben ent standen und hatte Jahrhunderte ge braucht, um das Galaktikum entstehen zu lassen. Rhodan warf einen forschenden Blick auf die Internüberwachung. Die JULES VERNE-2 war im Begriff, sich mit dem JULES VERNE-Mittelteil zu verbinden. Während der Schlacht um den Handels stern hatten beide Schiffsteile unabhän gig voneinander agiert, mittlerweile hatten Julian Tifflor und er sich auf das Kopplungsmanöver verständigt. Von Atlan und der zweiten Kugelzel le lag bislang nur eine kurze Erfolgs meldung vor. Der Arkonide wollte kur ze Zeit in der Hades-Dunkelwolke und beim Distribut-Depot LORRAND ab warten, wie die Vorstöße auf weitere Polyport-Höfe voranschritten. Mögli cherweise würde er DARASTO anflie gen, das hing von den Umständen ab. Der Plan für die Zeit nach dem Angriff auf die Hibernationswelten ließ allen Beteiligten weitaus mehr Freiräume als zuvor. Die Kugelzelle und das zylinderför mige Mittelteil hatten sich einander schon bis auf wenige hundert Meter an genähert. Die Bilder zeigten den An dockring am Zylinderende des Mittel teils ebenso wie die Schachtmündungen der Kugelzelle. Millimetergenaue Ma növer waren notwendig, damit die gewaltigen Verschraubungen greifen konnten.
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Das alles war Routine, eine Perfekti on, die es erlaubte, die Schiffsteile je derzeit in Sekundenschnelle voneinan der zu lösen und in selbsttätig agierende Einheiten zu verwandeln. Perry Rhodan hatte nur einen flüchtigen Blick dafür, dann widmete er sich wieder den Auf listungen. Mehr als fünfzigtausend Schlacht lichter waren während der Angriffe auf die Hibernationswelten vernichtet wor den. Nur etwa fünfhundert der roten Kristallschiffe schien die Flucht gelun gen zu sein. Die Welten der Wiedergeburt, die wichtigste Ressource der FrequenzMonarchie, waren nach den Angriffen verwüstet, ihre technischen Einrich tungen zerstört. Atlan meldete sogar die Vernichtung von Hibernation-6. Das Vamu von Abermillionen Vatrox war eingefangen worden. Dass die eigenen Verluste ebenfalls enorm sein würden, hatte Rhodan be fürchtet. Doch für Trauer blieb ihm keine Zeit. Er überflog die Einzelanga ben, sein Blick blieb erst an der po sitronischen Gesamtauflistung hän gen. Knapp 88.000 Schiffe der Allianz vernichtet, wobei die Maahks mit über 59.000 Walzenraumern das am härtes ten getroffene Volk waren. Aber auch die Tefroder hatten sehr hohe Verluste erlitten. Und dennoch: Diese Schlacht war siegreich geschlagen, und das war eben so dem Mut und der Selbstaufopferung aller Schiffsbesatzungen zu verdanken wie dem Einsatz der Psi-Materie-Kü gelchen. Die Schlachtlichter waren schwer zu besiegende Gegner. Erst die Selbstentleibung der Vatrox hatte die gegnerischen Flotten der Führung be raubt und die Militärmaschinerie ver wundbar gemacht. Eine Frage blieb, die den Terraner in hässlicher Regelmäßigkeit quälte: Gibt es nur noch Schiffsgeschütze als über zeugendes Argument?
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Der Schmerz drückte auf die Seele und dieser Druck ließ Hornhaut wach sen. Mit jeder Schlacht wurde sie ein wenig dicker, und eines Tages würde sie so widerstandsfähig sein, dass sie Emp findungen aussperrte. Vor dieser Ge fühllosigkeit als Selbstzweck fürchtete sich Perry Rhodan. * Julian Tifflor betrat die Zentrale der JULES VERNE-2. Das Kopplungsmanöver der beiden Schiffsteile war sehr schnell erfolgt: Perfektion, hundertmal geübt, tausend fach simuliert. Tiff kam näher und blieb zwischen den Plätzen der Einsatzleitung stehen. Er nickte knapp. Rhodan sah nur kurz auf und widme te sich sofort wieder dem Controller. Ein nachdenklicher, beinahe unwilliger Zug hatte sich um seine Mundwinkel eingegraben. Er presste die Lippen zu sammen, während er die Holoschaltflä chen des handlichen Geräts löschte und zur optischen Wiedergabe des Handels sterns aufschaute. Die Sonnentarnung war seit wenigen Sekunden wieder vollständig. FATICO präsentierte sich als Hauptreihenstern des Typs M5V, knapp 700.000 Kilometer Durchmesser. Die Oberflächentempera tur betrug etwa 2800 Kelvin. Und die ersten schwachen Protuberanzen ent standen bereits. Ein perfektes Versteck. Selbst mit den besten Instrumenten war es nicht als solches zu identifizieren. In schneller Folge ließ Rhodan die nö tigen Holoschaltflächen auf seinem Controller entstehen. Ihm gefiel nicht, dass er den Neustart des Handelssterns ein zweites Mal versuchen musste. Et was hatte sich verändert und behinder te die Schaltungen – etwas, das er nicht einschätzen und dessen Bedrohungs potenzial er deshalb nicht erkennen konnte.
»Ist es so weit?«, fragte Mondra neben ihm. Er antwortete nicht. Ruhig und kon zentriert, aber dennoch zum Äußersten angespannt, arbeitete er weiter. Das Prickeln, das sich über seinen Nacken ausbreitete, wurde zum dumpfen Po chen. Sein Puls raste, doch nicht einmal der Aktivatorchip reagierte darauf. Ein dritter Versuch. »Wir haben den Handelsstern verlo ren?«, argwöhnte Tifflor. »Ich weiß noch nicht«, antwortete Rhodan verhalten. Er wollte das Offensichtliche nicht akzeptieren. Oft genug hatte er die Sys teme des Handelssterns neu gestartet und damit dessen Sonnentarnung her untergefahren. Die Frequenz-Monar chie durfte FATICO nicht zurückgewin nen, weil sie das in die Lage versetzte, große Flotten nach Andromeda zu ho len. Rhodan nahm die Schaltungen ver bissener vor. Er rammte die Finger ge radezu in die Schaltflächen hinein, als durchbohre er den Gegner mit einer Lanze. Seine plötzliche Heftigkeit ver änderte nichts an der Situation. Die ersten Sperranzeigen leuchteten auf und zeigten den blockierten Zugriff. Dass es über kurz oder lang so kom men würde, hatte Rhodan befürchtet. Jeder der letzten Neustarts war ihm deshalb wie eine Erlösung erschienen, die Gelegenheit, noch einmal aufzuat men und zu hoffen, dass es so bleiben würde. Nun wusste er, dass der Befehlshaber auf der Gegenseite über einen Control ler der Klasse C verfügte. Es konnte gar nicht anders sein. Rhodan bemühte sich um eine Sys temabfrage. Er wollte wenigstens die Bereiche blockieren, zu denen er noch Zugriff erhielt – schon um Zeit zu ge winnen. Die Anzeigen des Controllers waren eindeutig, die Sperrmeldungen leuchte ten in rascher Folge auf.
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Kein Zugriff auf FATICO! Die falsche Sonne zeigte nun schon deutliche Eruptionen. Erste Loops folgten den Feldlinien über einer ausge dehnten Fleckengruppe. Andere Protu beranzen lösten sich wie lodernde Feu erbälle und jagten den Schiffen der Alliierten entgegen. »Was bleibt uns?«, fragte Tifflor. Rhodan lachte kurz, eigentlich war es ein sarkastischer Seufzer. Nein, er resi gnierte nicht. Er dachte gar nicht daran, sich geschlagen zu geben. Allerdings war er ratlos, was die normalen Mög lichkeiten anbetraf. »Die Frequenz-Monarchie setzt einen C-Controller ein«, stellte er fest. »Ge nau das, was wir brauchen.« Tifflor sah ihn an, als wisse er nicht genau, wie er diese Aussage aufnehmen sollte. »Wir müssen diesen C-Controller an uns bringen. Egal wie – das ist die Al ternative.« Natürlich konnte er die beiden Ku geln aus Psi-Materie einsetzen, die er bei sich trug. Einige Raumtorpedos und Marschflugkörper mit Psi-Materie stan den ebenfalls noch zur Verfügung. Ver glichen mit der Masse der beiden Feu eraugen erschien ihm das jedoch, als sei er gezwungen, einen Waldbrand mit nichts anderem als einem Trinkbecher voll Wasser zu löschen. Unmöglich? Das war ein Wort, das der Terraner am liebsten aus seinem Vokabular ver bannt hätte – seit er auf dem hei mischen Mond auf Crest und Thora gestoßen war und dank ihrer tech nischen Überlegenheit die Erde vor dem Atomkrieg bewahrt hatte. Länger als drei Jahrtausende lag das zurück, die solare Menschheit war einen gro ßen Schritt in ihrer Entwicklung vor angekommen. »Du denkst über den Einsatz unserer Psi-Materie nach?«, wollte Mondra wis sen. Und nicht nur darüber? Sie kennt mich gut, erkannte Rho
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dan. Aber musste das nicht so sein? Sie waren lange genug zusammen und soll ten einander schon deshalb perfekt er gänzen. »Ich frage mich, welche Parameter am Handelsstern anders sind als bei den Hibernationswelten ...« »Die beiden Feueraugen.« Tifflor hat te in dem freien Sessel zu Rhodans Lin ken Platz genommen. »Vielleicht müs sen wir sie als flankierende Maßnahme sehen für den Fall, dass es dem gegne rischen Befehlshaber nicht gelingt, FA TICO zurückzuerobern. Psychologischer Druck wird damit auf jeden Fall ausge übt.« »Das ist nur ein Aspekt. Ich halte ihn keineswegs für den entscheidenden«, erwiderte Rhodan. »Die Feueraugen ha ben einen Psi-Sturm entfesselt und uns damit einige Verluste beschert. Ebenso gut hätten sie jedoch einen schweren Hyperorkan auslösen können, wie er von Admiral Ipthey-Hüriit gemeldet wurde. Ich frage mich, warum das nicht geschehen ist.« »FATICO darf nicht beschädigt wer den, geschweige denn ausbrennen wie die anderen Handelssterne in Andromeda«, sagte Mondra Diamond. »Die Fre quenz-Monarchie würde sich damit selbst ins Abseits stellen. Warum willst du genau das noch einmal hören? Es ist längst bekannt.« »Weil das die Antwort ist, mit der wir uns bisher zufriedengegeben haben. Aber sie ist falsch. Zumindest nur eine von mehreren möglichen.« Rhodan zeigte auf das Holo mit den Abschluss berichten der Angriffsflotten. »Was ge nau sich bei den Hibernationswelten abgespielt hat, wissen wir nicht. Die Kämpfe müssen erbittert geführt wor den sein. Jeder Planet hatte um die zehntausend Schlachtlichter als Schutz flotte, und bis auf wenige Ausnahmen wurden alle gegnerischen Schiffe ver nichtet. – Wie groß war unsere Überle genheit?« »Drei zu eins«, antwortete Tifflor.
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»Hier, bei FATICO, sogar deutlich bes ser, nicht ganz fünf zu eins.« »Wir haben von Anfang an darauf ab gestellt, dass jede Einsatzgruppe pro grammierte Psi-Materie zünden konnte. Der suggestive Befehl an die Vatrox zur Selbstentleibung muss für Chaos auf den Schlachtlichtern gesorgt haben. Dementsprechend viel Vamu wurde von den Krathvira ...« Mondra verstummte im Wort. Sie schaute Rhodan an und schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Kann man tatsächlich so verbohrt sein ...?«, fragte sie dumpf. »Offenbar schon.« Tifflor nickte. »Das ist unser berühmtes Fettnäpfchen. Wenn es sich tatsächlich so verhält, wie du annimmst, sind wir mitten hineinge tappt.« »Bitte?«, fragte Mondra verständnis los. »Was für Fett?« »Das ist nur eine uralte terranische Redensart«, sagte Rhodan. »Sie ist älter als Tiff und ich. Julian wollte damit zu verstehen geben, dass wir den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen haben. Vielleicht werden wir ja auch alt.« Er lächelte. Aber dieses Lächeln wirkte gequält. »Unsere Krathvira haben sofort nach der Zündung der ersten Psi-Kugel Va mu aufgefangen«, fuhr Mondra fort. Tausende Vatrox waren es. Insgesamt verzeichnen wir eine Million oder mehr gefangene Bewusstseine ...« »Während der gesamten Schlacht wurde Vamu aufgefangen«, ergänzte Tifflor. »Zu wenig«, sagte Rhodan. »Seht euch die endgültigen Zahlen an: Hiber nation-1 mit über dreihundert Millio nen gefangenen Vatrox, Hibernation-2 mit etwa zweihundertachtzig Millio nen ... Natürlich wissen wir nicht, was von den einzelnen Planeten kam.« »Ich denke, Mondra und ich haben verstanden«, sagte Tifflor. »Ich fürchte sogar, dass es so ist«, er gänzte Diamond.
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Rhodan hatte den Controller zur Sei te gelegt. An den Fingern der linken Hand zählte er die Fakten ab. »Erstens: Wir haben eine Million Va mu oder mehr. Das mag viel erschei nen, aber wahrscheinlich ist es ein Minimum. Zweitens: Dreißigtausend Schlachtlichter standen gegen uns. Ver nichtet oder wrackgeschossen wurden nicht einmal zehntausend. Unsere grö ßere Übermacht war also ineffektiv.« »Die Erklärung dafür liegt auf der Hand.« Tifflor fuhr sich mit gespreizten Fingern durchs Haar. Er wirkte sicht lich niedergeschlagen. »An Bord der Schlachtlichter stehen uns also weiter hin Vatrox gegenüber, die ihre Schiffe perfekt einsetzen können. Wir haben es nicht geschafft, im Umfeld von FATICO wirksam zu agieren. Ich frage gar nicht erst, wie viele der aktiv gebliebenen Vatrox auf die Erfahrung aus Hunder ten Raumschlachten zugreifen. Sie hat ten die Möglichkeit, aus jedem Tod zu lernen.« Er zog die Mundwinkel schief. »Uns stehen erst drei Jahrtausende Er fahrung zur Verfügung.« Rhodan kaute auf seiner Unterlippe. Sein Blick glitt zum Holo-Globus ab, er suchte die beiden Feueraugen. Kantig traten seine Wangenknochen hervor. »Drittens«, sagte er. »Es gibt oder gab demnach etwas, das die Vatrox vor dem Zwang der Entleibung schützte. Ich se he zwei Möglichkeiten: die beiden Feu eraugen oder der C-Controller, über den der Kommandeur der Vatrox offen sichtlich verfügt. Rund zwei Kilogramm Psi-Materie sollten in der Tat mehr be wirken können als ein paar Femto gramm. Und der C-Controller hat so eben gezeigt, was er kann. Mein Zugriff auf den Handelsstern ist blockiert.« »Viertens?«, wollte Mondra wissen. Rhodan schaute sie überrascht an. »Mir reichen die drei Punkte vollauf. Viertens brauche ich den C-Controller! Gucky ist nicht greifbar, aber Tschubai. Ich werde mit dem Konzept reden ...« »Du willst da hinüber?« Mit einer
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knappen Kopfbewegung deutete Mon dra Diamond auf die Ortungsreflexe der Schlachtlichter. »Das wäre Wahn sinn!« »Genau das haben wir von der ge planten Versetzung des Distribut-De pots LORRAND zuerst auch angenom men. Warum nicht den Versuch ma chen?« »Weil du ...« Mondra winkte ab. »Ich sollte eigentlich wissen, dass du nicht einmal vor der verrücktesten Idee zu rückschreckst. Wie viel Psi-Materie steht uns eigentlich noch zur Verfü gung?« »Genug, aber trotzdem viel zu we nig«, antwortete Rhodan. Drei Päckchen hatte er von Homunk erhalten, dem Boten der Superintelli genz ES. Zweimal je fünf Komma vier Pikogramm und ein größeres Päckchen mit zehn Gramm. Davon hatte er für die Einsatzgruppen Dutzende Kugeln mit jeweils einem Femtogramm abgezweigt, eine Menge, die nicht nennenswert ins Gewicht fiel. »Ich frage mich, was ES davon be kannt ist oder was die Superintelligenz zumindest ahnt«, bemerkte Mondra. »Ein paar Kilogramm mehr hätten es ruhig sein dürfen.« Ramoz, der sich bislang ruhig verhal ten hatte, der von einem zum anderen schaute und die Luchsohren spitzte, als verstünde er tatsächlich, was geredet wurde, ließ ein leises Fauchen hören. »Recht so«, sagte Rhodan rau. »Wir beißen uns allein durch. Das hat den Vorteil, dass wir uns bei niemandem be danken müssen.« Er reagierte ungerecht, das war ihm bewusst. Aber warum sollte ihm das nicht zustehen? Ein bisschen war er wü tend auf sich selbst. Schon am Vormit tag hatten ihn die beiden Feueraugen in Gedanken verfolgt. Mehrmals hatte er den Eindruck gehabt, die lodernden Er scheinungen vor sich zu sehen. Instink tiv hatte er wohl geahnt, was geschehen würde, aber er hatte den Wink seines
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Unterbewusstseins nicht verstanden – und damit viel Zeit verloren. Es war noch nicht zu spät. Sein Blick suchte die lodernde Sonne und die Ortungsbilder der gegnerischen Flotte. Der Kampf gegen die FrequenzMonarchie war noch nicht entschieden. FATICO würde höchstwahrscheinlich die Entscheidung bringen. Keinesfalls durfte die Frequenz-Monarchie über den Handelsstern Nachschub nach An dromeda schicken. Die gegnerische Flotte hatte ohnehin schon Verstärkung erhalten. Rund zehntausend Schlacht lichter waren während der letzten Stun den in unterschiedlich großen Pulks materialisiert. Zweifellos hatte die Fre quenz-Monarchie sie von überall her zusammengezogen. Die Vatrox entblöß ten Hathorjan. Wenn die Zahlen stimm ten, waren nunmehr knapp tausend Schlachtlichter in der Galaxis ver streut. FATICO war der Schlüssel für das übergeordnete Transportsystem der Anthurianer. Wer diesen Schlüssel kontrollierte, hatte einen unschätzbaren Vorteil. »Wie viel Zeit bleibt uns?«, wollte Tifflor wissen. »Es ist längst fünf nach zwölf. Ich lasse Lloyd/Tschubai rufen ...« Eine Meldung von der Funkstation kam. Salomón DeCarruba grinste breit. »Die JULES VERNE-1 ist eingetrof fen!« Das »Sir!« verkniff sich der Leut nant gerade noch, aber seine Miene sprach Bände. »Ich habe Atlan ...« »Sofort zu mir!« Das Bild wechselte abrupt. Atlan wirkte erschöpft, das sah Rho dan sofort. Die tief eingegrabenen Fal ten auf der Stirn, die Nässe in seinen Augenwinkeln: erschöpft und erregt. »Gucky hat Informationen!«, eröffne te der Arkonide. »Sehr heiß und von größter Bedeutung für dich, behauptet er.« »Woher?«
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»Telepathisch.« Rhodan nickte knapp. »Transmitter verbindung schalten! Ich will Gucky umgehend hier sehen!« Statusabfrage Hibernation-1/25. Ap ril 1463 NGZ, 14.00 Standardzeit. Kommandeur: Grek 11/Maahks. Zielstatus: Hibernation-1 massiv be schädigt, Wachflotte (10.000 Schlacht lichter) vernichtet. Verluste: 2500 Fragmentraumer/Pos bis, 10.000 Walzenschiffe/Maahks, 3800 Kugelraumer/Tefroder. Status der Krathviras: rund 309 Mil lionen Vamu-Einheiten. 3. Zwischenspiel
Schlachtturm VART
»Kruuper wirr ganz im Kopf.« Der Okrivar steht plötzlich da und rennt mit seinen zwei Beinen auf mich zu. Es sieht seltsam aus, wenn er sich so schnell bewegt, er schwankt wie Oxtor nefarn im Sturm, von einer Seite zur anderen und zurück. Dazu das Tappen seiner Schritte. Ich habe dieses Ge räusch schon einmal gehört, nur erinne re ich mich nicht, wo. Ist es wichtig? Ich weiß nicht. Ganz fern wartet die Erin nerung, ganz, ganz fern. Mag sein, wenn ich mich darauf konzentriere ... Nein, ich darf nicht zögern. Sinnafoch hat mich weggeschickt, zwei Darturka zu bestrafen – nun erwartet er mich zu rück. Es macht keinen Spaß, Darturka zu bestrafen. Das ist wie spielen, leider nur für einen kurzen Moment. Ein kurzes Spiel macht keine Freude. Ich berühre die Darturka mit meiner Zunge, als würde ich Stahl schmelzen lassen. Warum Sinnafoch will, dass ich et was tue, was mir keine Freude macht, verstehe ich nicht. Aber Sinnafoch ist sehr klug, und er ist gut zu mir. Er weiß, was er von mir verlangt und warum. Die Darturka waren böse und haben
den Zorn meines Herrn auf sich gezo gen. Würgeameisen! Das ist es, an was mich Kruupers schneller Lauf erinnert. Tapp, tapp, tapp, tapp – ein Geräusch wie oxtor nische Würgeameisen. Nur ist Kruuper viel größer als sie, aber auch viel schwä cher. Würgeameisen sind halb so groß wie eines meiner acht Beine. Wenn sie Beute wittern, richten sie sich auf den beiden hinteren Beinen auf und rennen tapp, tapp, tapp ... Ich niese kräftig, weil Kruuper mich lustig macht. Er lässt mich vergessen, dass die Darturka mich nicht erfreut haben. Nur deshalb warte ich auf ihn. Zwei Minuten oder drei, nicht mehr. Sin nafoch wird mich verstehen. »Kruuper wirr ganz im Kopf.« Schwer atmend steht der Okrivar vor mir. Seine Ärmchen wirbeln durch die Luft. Soll ich ihm von den Würgeameisen erzählen? Sie produzieren klebrige Speichelfäden. Damit fangen sie ihre Beute. Kruupers Ärmchen wirbeln wie diese Fäden. Ich sage ihm das nicht. Später viel leicht, weil er mein Freund ist. Sanft stoße ich ihn mit dem Kopf an, wirklich nur ganz sanft, aber er taumelt. »Lustig heute«, stelle ich fest. »Ge fällt mir.« Ich sehe Kruupers Gesicht traurig werden. Er schüttelt den Kopf. »Für Kruuper nicht«, sagt er. »Kruu per verwirrt ist. Kruuper rufte Hilfe, dass Sinnafoch wie Stein ist. Kruuper besser lassen Sinnafoch zu Stein, jetzt nicht verstehen, wieso Hilfe.« Er redet hastig wie ein Wasserfall. Ich habe Mühe, seine Worte zu verstehen, nicht aber ihren Sinn. Kruuper mag Sinnafoch nicht so sehr wie ich. Wieso? Ich weiß es nicht, weiß nur, dass Sin nafoch ihm nichts getan hat, nichts, nichts, nichts. Sinnafoch mag alle an Bord des Schlachtturms, nur nicht die, die böse sind.
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Ich erinnere mich. Wenige Stunden sind vergangen. Kruuper hat mich um Hilfe gebeten, weil Sinnafoch wie tot dastand. Aber mein Herr war nicht tot. Er hat nur nachgedacht. Über die bösen Menschen, die Hibernation-6 angegrif fen haben. Hibernation-6 ist die Welt, auf der Sinnafoch geboren wurde. Ich wäre auch starr, würde jemand Oxtorne angreifen. Das sind böse Leute, die so etwas tun. »Kein Grund, verwirrt zu sein«, sage ich zu Kruuper. »Ich muss jetzt weiter, Sinnafoch wartet.« »Nein.« Der Okrivar umschlingt mein rechtes Vorderbein mit beiden Händen. »Nicht geh, Philip. Zu gefährlich.« Mit einer Bewegung könnte ich ihn zur Seite werfen. Ich tue es nicht. »Zu gefährlich ist. Kruuper immer noch verwirrt. Gespürt starken Geist, sehr starken Geist, hat geredet zu Sin nafoch. Stimme laut in Kopf, von Han delsstern redet und Befehl gibt an Sin nafoch.« »Niemand gibt Sinnafoch Befehle.« Das sage ich, aber ich denke dabei an Cedosmo. Der ehrenwerte Frequenz mittler war nicht ehrenwert, er wollte Sinnafoch alles vorschreiben. Cedosmo ist tot und sein Vamu gefan gen. Ich habe Cedosmos Körper totge macht. Wenn noch jemand Sinnafoch befehlen will, werde ich ihn ebenso tot machen. Ganz leicht und ganz schnell, ich berühre ihn einfach mit meiner Zunge.« Kruuper klammerte sich fest an mich. Ich kann nicht anders, ich muss ihn ab schütteln. Natürlich tue ich das sanft. Der Okrivar stürzt, aber er kommt schnell wieder auf die dünnen Beine. Als ich mich umwende, sehe ich seine drei Augen hinter der Helmscheibe. Er schaut mir unbewegt hinterher; er hat Angst. Gut zu wissen, dass sich jemand um mich Sorgen macht. Aber das ist unnö tig. Niemand braucht sich um Philip Sorgen zu machen. Ich habe einen star
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ken Herrn. Und einen Gedankenfreund. Ist es seltsam, dass ich erst jetzt an die Stimme in meinem Kopf denke, die so vieles zu erklären weiß? Ein starker Geist, der zu Sinnafoch über den Handelsstern redet und Sin nafoch Befehle geben will?, frage ich meinen Gedankenfreund. Ich glaube, Kruuper ist sehr verwirrt. Dass ich keine Antwort erhalte, macht mich wirr. Das ist seltsam. Sehr, sehr, sehr selt sam. * Sinnafoch ist schwarz wie eine wol kenverhangene Nacht über Oxtorne. Nur seine Augen leuchten in einem hel len Orangefarbton. Ich sehe ihn und ich sehe seinen Wärmeabdruck. Ich wunde re mich darüber, dass beides nicht zu sammenpasst. Sinnafoch ist heißer als sonst. Er muss aufgeregt sein und unge duldig. »Beide Darturka haben ihre Strafe erhalten«, sage ich leise und dränge mich an Sinnafochs Beine. Ich warte darauf, dass er mir seine Zuneigung zeigt. Schlag beide Fäuste auf meine Nase, so fest du nur kannst! Soll ich meinen Wunsch ausspre chen? Soll ich betteln? Nein, wenn Sinnafoch mich nicht liebkost, dann hat er Probleme. Es kann gar nicht an ders sein. Ich denke an den starken Geist, von dem Kruuper sprach. Hat der Okrivar recht? Ich höre auf, mich an Sinnafochs Beine zu drängen. Er scheint das nicht ein mal zu bemerken. »Du weißt, Herr, ich würde mein Le ben für dich einsetzen.« Ich zirpe so sanft wie möglich. Endlich bemerkt Sinnafoch, dass ich noch da bin. Ich glaube, er war mit sei nen Gedanken weit fort. Bei Hibernati on-6? Ich wäre in Gedanken auf Oxtor ne, wüsste ich, dass meine Heimat be droht wird.
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»Niemand darf dir Befehle geben, Herr. Kein noch so starker Geist darf das. Sag ein Wort und ich bestrafe ihn wie Cedosmo.« Endlich sieht er mich an. Seine Au gen durchbohren mich. »Der starke Geist, der vom Handels stern sprach – hat er dich bedroht?«, frage ich. Sinnafochs Wärmemuster wird noch intensiver. Habe ich etwas Falsches ge sagt? Bestimmt nicht. »Wieso weißt du davon?« Soll ich ihm von Kruuper sagen? Gib mir einen Rat!, dränge ich meinen Ge dankenfreund. Schnell! Ich beobachte, antwortet die Stimme in mir. Dein Verhalten ist mir wichtiger, als dir einen Rat zu geben. »Ich habe einen starken Geist wahr genommen ...«, sage ich. Ist das schlimm? Von mir wird Sinnafoch nicht verlan gen, dass ich mich selbst bestrafe. Aber er könnte verlangen, dass ich Kruuper bestrafe, und das will ich nicht. Du bist nicht loyal, schimpft mein Gedankenfreund. Das ist nicht wahr. Ich liebe Sin nafoch, ich ... ... schweige. Denn der Frequenzfolger ist mit zwei schnellen Schritten bei mir und schlägt auf meine Nase. Viel kräf tiger als sonst. »Du passt gut auf mich auf, Philip«, lobt er mich. »Und das wirst du auch in Zukunft tun.« Ich zirpe vor Freude und stemme meine Hinterbeine auf den Boden, als wolle ich quer durch den Raum sprin gen und darüber hinaus. »VATROX-CUUR war bei mir«, er klärt Sinnafoch. »Er sprach mit mir über die Angreifer und was wir gegen sie tun müssen.« O ja, ich weiß von VATROX-CUUR. VATROX-CUUR ist die Frequenz-Mon archie, der Sinnafoch dient, so wie ich ihm diene. Es ist eine Ehre für Sin nafoch, wenn VATROX-CUUR zu ihm spricht. Ich fühle mich geehrt, wenn
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mein Herr eine Bitte äußert, die ich ihm erfüllen kann. Kruuper ist wirklich sehr verwirrt, dass ihm diese Unterscheidung schwer fällt. »VATROX-CUUR will, dass die An greifer bestraft werden«, sage ich. »Sie müssen, müssen, müssen bestraft wer den.« Ich staune. Ich verstehe nicht, was ich falsch verstanden habe. Sinnafoch macht eine abwehrende Geste. »VATROX-CUUR hat mich gebeten, den Angreifern nicht zu sehr wehzu tun«, sagt mein Herr. »Ich soll keines falls aus Verzweiflung über ihren An griff die Feueraugen einsetzen, um sie zu vernichten.« Ich frage mich, ob ich so zurückhal tend wäre, hätte ich solche Gegner. »Auch nicht ein klein wenig mit ih nen spielen?«, sage ich beinahe schon enttäuscht. Sinnafoch lacht. »Ein klein wenig spielen, Philip? Doch, das kann uns niemand nehmen.« * Spielen? Was konnte er von einem halbintelli genten Tier schon anderes erwarten? Sogar dann, wenn es eine Induktivzelle trug, die ihm zu größerer Intelligenz verhalf. Spielen war zu wenig. Die Angreifer mussten vernichtet werden. Ein Fanal für alle, nie gegen die Frequenz-Monar chie aufzubegehren. Die Hibernationswelten in Hathorjan waren verwüstet oder gar vernichtet. Jede Meldung darüber hatte Sinnafochs Schock vergrößert. Fast zehn Millionen Jahre lang waren die sechs Welten das heilige Refugium der Frequenz-Monarchie gewesen, der Wiederbeginn der Frequenz-Monarchie in Hathorjan mit jeder neuen Hyperde pression. Die Wilden hatten es gewagt, den
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Vatrox nicht nur den Krieg zu erklären, sondern überraschend schnell und schmerzhaft zuzuschlagen. Zu glauben, dass die Hibernationswelten tatsäch lich zerstört und die Wachflotten ver nichtet waren, fiel dem Frequenzfolger trotz der Beweise schwer. Die Feueraugen hätten den Spuk beiseitewischen können. Er war davon überzeugt. Zu verstehen, dass er ge nau das nicht tun durfte, fiel ihm schwer. Ein paar winzige Abspaltungen von Psi-Materie, mehrere tausend auf diese Weise vernichtete Schiffe der Angreifer – das war in der Tat nicht mehr als »spielen«. Und die Übernahme des Handels sterns mit dem C-Controller? Sinnafoch registrierte die Versuche der Gegensei te, FATICO neu zu starten. Die Erfolg losigkeit dieser Bemühungen bereitete ihm eine gewisse Genugtuung. Trotz der Distanz war es ihm endlich gelungen, die Attacken des gegnerischen Control lers zu unterbinden. Darüber hinaus waren ihm die Hände gebunden. Wenn jemand das Kriegsglück noch wenden konnte, dann VATROX-CUUR, der Zweite Triumvir, Vamu-Kollektiv wesen der Vatrox seit dem Zeitalter der Ersten Hyperdepression. Der nächste Angriff auf die Vereinten Flotten der Galaktiker und der Völker aus Hathorjan stand bevor. Sinnafoch betrachtete die Bilder, die ihm den Flottenaufmarsch der Angreifer nahe brachten. Angreifen, jedoch nicht zum finalen Schlag ausholen. Der Zweite Triumvir hatte gewiss gute Gründe für diese Ein schränkung. Vielleicht hatte die Anwei sung mit den Terranern zu tun. Oder gar mit Anthuresta. Mit beiden Händen fasste sich Sin nafoch an den Hinterkopf. Das Pigasos haar war kaum zu spüren. Der Fre quenzfolger glaubte auch nicht mehr daran, dass sein Haar noch sehr viel
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Zeit haben würde, um zu wachsen und länger zu werden. Sinnafoch fürchtete plötzlich den Tod. Weil es nach seinem nächsten Sterben wohl keine Wiedergeburt geben konn te. Eine winzige Hoffnung bedeuteten die beiden Hibernationswelten in An thuresta. Leider war sein Genmaterial nie in jene ferne Galaxis gelangt. Ein fremder Körper? Schon der Gedanke daran ließ bren nende Übelkeit in Sinnafoch aufsteigen. Zudem eine Regung, die er nicht sofort einschätzen konnte. Es fiel ihm schwer, dieses Gefühl zu analysieren, denn es widersetzte sich seinen Bemühungen. Erst nach einer Weile war er sicher, dass es Angst sein musste. Angst, von der er so oft schon gehört hatte und die ihm dennoch stets fremd geblieben war ... ... Angst um sein Leben! Statusabfrage Hibernation-2/25. Ap ril 1463 NGZ, 14.00 Standardzeit. Kommandeur: Daore Haphos/GaidRebellen. Zielstatus: Hibernation-2 massiv be schädigt, Wachflotte (10.000 Schlacht lichter) vernichtet. Verluste: 500 Fragmentraumer/Pos bis, 13.500 Walzenschiffe/Maahks, 1600 Kugelraumer/Tefroder. Status der Krathviras: rund 284 Mil lionen Vamu-Einheiten. 4. JULES VERNE-2 25. April 1463 NGZ, 14.21 Uhr Die Bestätigung der Transmitter schaltung kam über Hyperfunk von der JULES VERNE-1. Perry Rhodan hatte sich in die interaktive Virtuelle Realität eingebunden und überblickte den Transmitterraum auf dem unteren Zen traledeck. Die vier Käfigtransmitter
Feueraugen
dienten vorwiegend dem bordinternen Transport. In einem der Käfige zeichnete sich ei ne Bewegung ab. Gucky war materiali siert. Für kurze Zeit hatte Rhodan eine Störung des Transports durch die Feu eraugen befürchtet, aber nun erwartete er, dass der Ilt kurzerhand zum GalerieLevel teleportierte. Gucky dachte offenbar nicht daran. Er bewegte sich kaum. Rhodan schob sich in der Virtuellen Realität weiter nach vorn. Er sah, dass der Mausbiber sich mit beiden Händen an dem Käfiggitter abstützte. Gucky fühlte sich offenbar nicht wohl. »Brauchst du medizinische Versor gung?« Der Ilt zuckte zusammen, er reagierte verwirrt auf die akustische Übertra gung. Für einen Moment hatte es den Anschein, als blicke er suchend umher, doch er wandte sich in die falsche Rich tung. »Ich schicke dir einen Medo ...« »Quatsch! – Mir geht es gut.« Die Stimme klang gar nicht so. Gu cky hatte hörbar Mühe, sich zu artiku lieren. Aber wenigstens stieß er sich von dem Gitter ab. Er taumelte aus dem Käfig und tapp te durch den Ausrüstungsraum. Dabei blickte er unverwandt zu Boden, um nicht über die eigenen Füße zu stol pern. »Du brauchst Hilfe, Kleiner.« Gucky blieb stehen. »Wenn du je manden schickst, Perry, bin ich sauer. Klar? Mich muss niemand an der Hand nehmen und führen. Sehe ich so ge brechlich aus?« Rhodan schwieg lieber, obwohl ihm das ehrliche »Ja« schon auf der Zunge lag. Das Türschott zum COMMAND-Le vel glitt vor Gucky zur Seite. Der Maus biber ignorierte, dass er den unteren Zentralebereich betrat, und wandte sich sofort der Treppe zu. Schwerfällig schob er sich die Stufen hinauf.
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Rhodan wartete, bis der Ilt an der Se kundär-Verbindungsstation zu NEMO vorbei war, dann löste er sich aus der virtuellen Darstellung. »Was ist mit ihm?«, wollte Tifflor wis sen. »Erschöpft«, antwortete der Terraner. »Mit seinen Kräften am Ende – aber ge nau das will er nicht einsehen. Du kennst ihn doch.« »In dem Fall sollten wir ihm besser aus dem Weg gehen.« Tiff setzte ein säu erliches Lächeln auf. »Bully weiß von solchen Situationen ein Lied zu sin gen.« Der Ilt erreichte die drei Besucher sessel vor der Expeditionsleitung. Seuf zend taumelte er gegen eine Rückenleh ne. Rhodan spürte, dass sich ein gewal tiger Druck auf seinen Kopf legte. Er hörte Mondra stöhnen, doch er schaff te es nicht, sich zu ihr umzudrehen. Tifflor, sah er, riss beide Arme hoch und presste sich die Hände auf die Schläfen. Er schaute zu den Plätzen der Sekun därstationen Kosmonautik und Navi gation hinüber, aber wie durch einen fahlen Schleier hindurch erschien ihm alles nur verschwommen. Rhodan blin zelte. Er rieb sich die Augen, schüttelte den Kopf, nur wurde davon nichts bes ser. Er hatte das Gefühl, dass sich um ihn herum alles drehte. Leutnant Aynders an der SekundärNavigation sank scheinbar bewusstlos in sich zusammen. Mit beiden Händen drückte Rhodan auf seine Nasenwurzel und die äußeren Augenwinkel. Er sah danach wieder etwas klarer. Trotzdem stierte er benommen über die Galerie. Gucky lehnte unverändert an dem Be suchersessel. Der Ilt wirkte ebenso apa thisch wie die Zentralebesatzung auf der Galerie. Rhodans Überlegungen wurden schwerfällig. Ein lähmender Schwindel erfasste ihn. Er spürte ein Ziehen in der linken Schulter. Der Aktivatorchip re
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agierte auf die körperliche Beeinträch tigung. Aber ... das war ... egal ... Alles andere ... wichtiger ... Angriff!, schrie Rhodans Unterbe wusstsein. Die Frequenz-Monarchie holt zum ... nächsten Schlag aus ... Die Luft war mit einem Mal unerträg lich. Er rang nach Atem und hatte doch nur das Gefühl, zähe, klebrige Flüssig keit in sich hineinzupumpen. Schon der Versuch, sich umzuwenden, fiel ihm un sagbar schwer. Sein Schädel dröhnte und drohte zu zerspringen. Ein schreck licher Orkan tobte über ihn hinweg. Alarm! Angriff auf die Flotte! Seine Benommenheit brach auf wie die Puppenhülle eines schlüpfenden Falters. So jedenfalls empfand Rhodan in diesen Sekunden. Mühsam zwängte er sich durch die zu eng gewordene alte Haut, er dehnte und streckte sich und griff begierig nach all den seltsamen Eindrücken, die auf ihn einstürzten. Grässliche, tief ins Mark eindrin gende Vibrationen ... Flackernde Licht eruptionen ... Höchste Alarmstufe! Unvermindert lastete der unheim liche Druck auf ihm. Rhodan brach der Schweiß aus allen Poren, als er sich der Frau zuwandte, die er noch immer liebte. Seine Kehle war plötzlich wie ausgedörrt. »Mondra!« Er konnte nicht erkennen, ob er flüsterte oder schrie. Er sah nur, dass sie ins Leere blickte und ihn gar nicht wahrnahm. Mühsam griff er nach ihrem Arm. Mondra reagierte nur mit einem Seuf zen, als er versuchte, sie aufzurütteln. Rhodan wandte sich wieder den Holos zu. Die Schlachtlichter formierten sich neu, sie bildeten mehrere Angriffs spitzen ... Und weiter tobte der Kopfschmerz. Wie lange schon? Minuten oder erst we nige Sekunden? Rhodan vermochte es nicht zu sagen. Mit aller Kraft kämpfte er dagegen an, doch die Benommenheit ließ sich kaum verdrängen.
Hubert Haensel
Er sah, dass Gucky auf ihn zukam. Wenigstens der Mausbiber schien den unheimlichen Zwang einigermaßen in den Griff zu bekommen. Er wirkte nicht mehr so schwerfällig wie eben noch. Der Ilt streckte sich, als er gleich dar auf neben Rhodan stand. Sein Räuspern klang rau, er versuchte deshalb auch, seinen Hals zu massieren. Rhodan hatte den Eindruck, dass der Ilt verwirrt wirkte. »Du hast dir nicht gerade den güns tigsten Moment ausgesucht, Gucky. Al so heraus mit der Sprache. Was ist so wichtig und dringend?« Der Mausbiber hob den Kopf. Seine Miene wirkte angespannt. Rhodan er kannte, wie sehr sich der Multimutant verkrampfte. Gucky hielt die Augen im mer noch geschlossen, aber jetzt öffnete er die Lider. Er sah den Terraner an. Starr. Zwingend. Rhodan sah nichts Weißes mehr in Guckys Augen. Sogar die Iris war ver schwunden. Stattdessen grelles, bro delndes Rot ... Wie die Feueraugen aus Psi-Materie! Siedendheiß durchfuhr es Rhodan. Er wollte aufspringen, davonlaufen, Gu cky mit einem Dagorhieb niederschla gen – nichts davon führte er aus. Er war wie gelähmt und schaffte es nicht, den Ilt anzugreifen. Eine neue Schmerzwoge raste durch seinen Kopf. Dröhnend fraß sich eine fremde Stimme in sein Bewusstsein vor. »Gucky ist nicht mehr der, den du kennst oder zu kennen glaubst. Ich habe dieses Pelzwesen übernommen.« »Wer bist du?« Rhodan sprach die Frage laut aus und dachte sie zugleich sehr intensiv. Die Stimme hatte aggressiv geklun gen, beinahe böse. Und die Antwort – er fürchtete in dem Moment, dass er sie schon wusste. »Du kennst mich«, sagte Gucky hart.
Feueraugen
»Ich bin VATROX-CUUR. Ich habe mich dieser Kreatur als Übermittler be mächtigt. Sieh es, wie du willst, Perry Rhodan.« Für den Terraner war es, als verliere er den Boden unter seinen Füßen. Mit allem hatte er gerechnet, aber nicht mit dieser Konfrontation. Und schon gar nicht damit, dass VATROX-CUUR Gu cky bezwang. Es war schieres Entsetzen, das er in dem Moment spürte. Heiß und kalt überlief es ihn, und die schlimmsten Vorstellungen wirbelten durch seine Gedanken. Bilder, die einer Apokalypse glichen. Mit einem Kopfschütteln zwang er sich zur Ruhe. Auch wenn der Schmerz intensiver wurde – ein dröhnendes Hämmern und Bohren unter der Schä deldecke –, zur Panik ließ er sich nicht verleiten. Perry hatte Respekt vor VATROX CUUR. Vor jeder geistigen Entität, die das Wissen, die Erfahrungen und die Fähigkeiten von Milliarden Intelli genzen seit unglaublich langer Zeit in sich vereinte. Aber mehr? Rhodan zwang sich zur Ruhe. Tief und gleichmäßig atmete er ein. Er schaffte es sogar, Gucky anzusehen und zu lächeln. VATROX-CUUR wusste genau, was er tat, das musste Rhodan anerkennen. Von allen möglichen Wirten, die er sich aussuchen konnte, hatte der Zweite Tri umvir sich den gefährlichsten ausge sucht. Gucky, der Multimutant, war mit seinen Fähigkeiten jederzeit in der La ge, die JULES VERNE zu vernichten. Niemand würde den Ilt daran hindern können. »Und nun?«, fragte Rhodan. »Ich nehme an, du willst mit mir reden. An dernfalls hättest du Gucky nicht über nommen. Ich bin bereit, dir zuzuhören, VATROX-CUUR.« Sah er ein giftiges Aufblitzen in den roten Augen? Eine Spur von Zorn? Rho dan lächelte, auch wenn ihm keines
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wegs nach Lächeln zumute war. Nur war es ein kaltes und abschätzendes Lächeln. Gucky konnte seine Gedanken nicht lesen, solange er das nicht bewusst zu ließ. Die Mentalstabilisierung schützte ihn davor, von Telepathen belauscht zu werden. Rhodan machte eine einladende Ges te in Richtung des nur wenige Meter entfernten Türschotts. Dahinter lag der große Konferenzraum. »Es redet sich nicht gut, wenn du in deinem Zustand stehen musst, Gucky. Oder bevorzugst du, dass ich dich als VATROX-CUUR anspreche? Ich biete dir an, dass wir uns in Ruhe unterhal ten.« * Guckys Augen leuchteten hell. Rho dan erwartete, heftig angefahren zu werden. Umso erstaunter reagierte er, als der Ilt beschwichtigend beide Hände hob. »Ich verstehe nicht, wie du dein Vor gehen rechtfertigen willst, Perry Rho dan«, sagte Gucky leise. Nein, das war nicht die Stimme des Ilts, VATROX CUUR sprach wieder aus ihm. Der Un terschied war trotz des Drucks, der auf Rhodans Ohren lastete, für ihn deutlich hörbar. »Warum versuchst du so hartnäckig, dir das Polyport-Netz anzueignen, Ter raner? Gibt es auf deiner Heimatwelt kein Eigentumsrecht? Das PolyportNetz mit seinen Höfen, den Depots und den Handelssternen befindet sich seit Jahrmillionen im Besitz der FrequenzMonarchie.« »Wirklich? Bist du sicher, dass es so ist?« Rhodans Tonfall war eine Mi schung aus Sarkasmus und Belustigung, aber Gucky reagierte mit keiner Miene darauf. »Die Frequenz-Monarchie hat das Volk der Terraner nur als Eroberer ken nengelernt«, fuhr VATROX-CUUR fort.
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»Wurde nicht der Transporthof KIIR FALK in dein Heimatsystem ver schleppt? Haben die Terraner nicht an dere Höfe angegriffen und besetzt? Nun sind die Terraner in Hathorjan eingefal len und töten und zerstören, als wären sie wilde Tiere. Ihr behauptet von euch, intelligent zu sein ...« »Jetzt halt aber die Luft an, Gucky!«, unterbrach Rhodan heftig. »Du kennst den Sachverhalt und weißt genau, dass das nicht stimmt. Und du, VATROX CUUR, solltest das von Gucky längst erfahren haben. Falls nicht, lass dir die Wahrheit endlich erklären! Informier dich über das Vorgehen der FrequenzMonarchie! Die Geschichte der Vierten Hyperdepression beginnt mit mor denden Darturkaheeren ...« »... sie beginnt mit dem Diebstahl des PARALOX-ARSENALS ebenso wie mit gestohlenen und missbrauchten Transporthöfen.« Rhodan reagierte mit einer abweh renden Geste. »Die Halbspur-Changeure haben eine überaus friedliche Nutzung betrieben«, sagte er. »Sie fanden den ersten Poly port-Hof vor achtzigtausend Jahren na he ihres Heimatsystems. Er war verlas sen und beschädigt. Niemand hat seit dem Anspruch auf den Hof oder das Polyport-Netz erhoben. Sie haben aus eigener Kraft alles darangesetzt, das Transportnetz zu erhalten. Mindestens zweihundertfünfzig Höfe in mehreren Galaxien wurden von ihnen erkundet, aber nirgendwo haben sie eine Spur der Erbauer gefunden. Ich sehe darin bei leibe keinen Grund, die Changeure auf ihrer Heimatwelt zu überfallen und sie zu töten ...« Rhodan hatte sich in Rage geredet. In dem Moment war es ihm egal, wer ihm gegenüberstand – ob Gucky oder VATROX-CUUR oder sonstwer. »Warum mischen sich die Terraner in Angelegenheiten, die sie nichts ange hen? Das Polyport-Netz und das PA RALOX-ARSENAL sind die ureigenste
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Angelegenheit der Vatrox. Daran än dert auch die Zeit nichts. – Du siehst in mir einen unerbittlichen, wahrschein lich sogar erbarmungslosen Gegner, Perry Rhodan?« »Wir Terraner haben diesen Krieg nicht begonnen. Aber wir verteidigen die Freiheit und Selbstbestimmung je des Volkes, das von einem anderen grundlos angegriffen wird.« »Schön«, sagte Gucky. »Darüber kön nen wir reden. Der wahre Feind ist nicht VATROX-CUUR oder VATROX-DAAG. Die Bedrohung für uns alle geht von VATROX-VAMU aus. Warum kämpfen wir gegeneinander, anstatt gemeinsam gegen den wirklichen Feind vorzuge hen?« Rhodan schaffte es gerade noch, sein aufkommendes Lachen zu unterdrü cken. Nach Lachen war ihm keineswegs zumute. VATROX-CUUR versuchte tatsäch lich, ihn auf seine Seite zu ziehen? Und das so offensichtlich, dass es regelrecht schmerzte. Angesichts der hohen Verluste an Le ben war das wie ein Schlag ins Gesicht all jener, die Leben und Gesundheit für hohe ethische Ziele einsetzten. Rhodan hätte sich als Verräter gefühlt. VATROX-CUUR fürchtet uns inzwi schen. Das ist es. Suchend schaute er über die Holos hinweg. Im Holo-Globus flammten fer ne Explosionen auf. Zumindest in eini gen Bereichen war die Schlacht neu entbrannt. Rhodan glaubte zu sehen, dass vor allem Fragmentraumer der Posbis heftigen Widerstand leisteten. Seine Aufregung wuchs. Er suchte nach den Feueraugen, aber nicht einmal die Ortung schien sie zu erfassen. Hatten sich die Augen zurückgezo gen? Wegen VATROX-CUURS Nähe? Er wusste es nicht. Aber die Posbis verfügten mittlerweile ebenfalls über Torpedos mit Psi-Materie-Kügelchen. Wenn es dem Bioplasma der Robotkom mandanten gelang, den Zündimpuls zu
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geben, mussten die Auswirkungen auf die Vatrox deutlich spürbar werden. Rhodan verdrängte diese Gedanken sofort wieder. Er war geradezu krampf haft bemüht, seine Überlegungen vor Gucky und dem Zweiten Triumvir der Vatrox abzuschirmen. Er suchte nach den Statusholos, die permanent mehrere Krathviras in den verschiedenen Flottenabschnitten zeig ten. »Unsere galaktische Gemeinschaft beantwortet nur die grundlosen An griffe auf mehrere Völker«, sagte Rho dan mit unmissverständlicher Beto nung. »Dabei spielt es keine Rolle, wo die Angriffe erfolgen. In der Milchstra ße, in Andromeda, Diktyon ... Veranlas se, dass alle blutigen Auseinanderset zungen im Bereich des Polyport-Netzes umgehend eingestellt werden, VATROX CUUR. Dann sind wir Terraner bereit, mit der Frequenz-Monarchie zu ver handeln. Es ist noch nicht zu spät da für!«, fügte er eindringlich hinzu. Der Terraner hatte richtig vermutet. Er atmete innerlich auf, als er die grel len Blitzentladungen über mehreren Krathviras sah. Posbis oder Tefroder, vielleicht auch terranische Einheiten, hatten offensichtlich mehrere Psi-La dungen gezündet. Tausende Vatrox ver ließen in diesen Sekunden ihre Körper und wurden von den ÜBSEF-Sammlern eingefangen. Rhodan registrierte Guckys Zusam menzucken. Der Ilt griff nach der Kon sole, um sich festzuhalten. »Deine Flotte tötet alle Hoffnungen, Perry Rhodan.« Schwer atmend und stockend brachte Gucky die Anschuldi gung hervor. »Warum tust du das? Du musst die Kampfhandlungen einstellen und das eingefangene Vamu wieder freigeben.« Der Tonfall wurde geradezu flehend. Rhodan fragte sich, ob wirklich noch die Wesenheit VATROX-CUUR zu ihm sprach. Es hörte sich nicht so an. Eher versuchte Gucky unter der anhaltenden
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Beeinflussung, auf die Tränendrüse zu drücken. »Perry, wir müssen auch die Suche nach dem PARALOX-ARSENAL auf geben. Warum zeigen wir uns nicht ver handlungsbereit? Der Gegner ist VATROX-VAMU. Sobald er besiegt ist, wird alles besser ...« »Nein!« Rhodan wehrte schroff ab. »Meine Bedingung ist, dass die Fre quenz-Monarchie sofort alle Kampf handlungen im Bereich des PolyportNetzes einstellt. Ist das nicht der Fall, werden wir erneut in die Offensive ge hen. Wir können diesen Kampf nicht mehr verlieren. Es wird euch lediglich mehr Vamu kosten. Hörst du, VATROX-CUUR? Die Fre quenz-Monarchie wird nicht überleben, wenn sie nicht kapituliert.« »Du weißt nicht, was du tust, Perry Rhodan! Die Konsequenzen daraus musst du selbst tragen.« Guckys Augen loderten grell auf. Rhodan schaffte es nicht, sich abzuwen den. Die Glut sprang auf ihn über ... ... und riss ihn fort. Gedankenschnell veränderte sich die Umgebung für ihn. JULES VERNE-1 25. April 1463 NGZ, 14.37 Uhr Atlans Augen tränten. Immer wieder wischte er sich die klebrige Nässe aus den Augenwinkeln. Schwere Kopf schmerzen machten ihm zu schaffen. Aber davon war jeder in der Zentrale betroffen, nicht nur er allein. Die Ursache dafür konnte nur in ei ner äußeren Einwirkung liegen. Alles andere schied aus, nachdem ein Groß teil der Standardanalysen von den Ro botsystemen ausgeführt worden war. Es gab keine Verunreinigung der Atemluft, weder durch biologische Organismen noch durch chemische Verbindungen. Strahlungseinwirkung konnte ebenfalls ausgeschlossen werden.
Feueraugen
Andererseits hielten die Schutz schirme äußere Einflüsse fern. Psionische Einflüsse, raunte der Ex trasinn schon zum zweiten Mal. Die Feueraugen sind verschwunden, beharrte Atlan. Sie sind auf und davon, weil sie vielleicht anderswo dringender benötigt werden. Wer weiß, unter Um ständen nutzt VATROX-VAMU die Ge legenheit und vergreift sich an der ge schwächten Frequenz-Monarchie. Narr!, erwiderte der Extrasinn unge wohnt heftig. Gleich zweimal Narr! Wo her nimmst du die Gewissheit, dass die Feueraugen nichts zurückgelassen ha ben? Das Toben unter seiner Schädeldecke machte es dem Arkoniden schwer, über haupt noch klare Gedanken zu fassen. Die beiden Feueraugen waren schon seit Minuten nicht mehr da. Von einer Sekunde zur anderen waren sie ver schwunden, und die Ortungen suchten auch im größeren Umkreis vergeblich. Ungehalten wischte Atlan alle Über legungen beiseite. Ich muss mich nicht mit dem befas sen, was ich ohnehin nicht verändern kann. Es fiel ihm schwer, sich erneut in die interaktive Virtuelle Realität einzu schalten. Allerdings blieb ihm keine andere Wahl, solange ihm die Wieder gabe in den Holoschirmen zu detailarm war. Zudem verschwammen die Bilder und Datenkolonnen vor seinen Augen, sobald er sich intensiver auf sie kon zentrierte. Ihm fiel auf, dass der Logiksektor nicht reagierte. Du kannst mich jetzt nicht allein las sen. Die Situation spitzt sich zu. Ein spöttisches Lachen antwortete ihm. Atlan biss die Zähne zusammen. Du brauchst mich nicht, weil du mei nen Rat ohnehin nicht hören willst!, kommentierte der Extrasinn. Das ist nicht wahr. Du bist verwirrt, mein Freund, stellte der Logiksektor fest.
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Ich bin nicht dein Freund!
Wenn das so ist, schweige ich.
Du hast mir zu gehorchen!, brauste
Atlan auf. Das wüsste ich aber. Atlan stutzte. Er fühlte sich benom men, alles um ihn herum drehte sich. Seufzend ließ er sich in den Konturses sel zurücksinken. Das Gefühl, rasend schnell herumzu wirbeln, hielt einige Sekunden lang an. Dann löste es sich in Übelkeit auf. Sieh an, es geht dir wieder besser, stellte der Extrasinn fest. Atlan schaute auf die Schirme. Für einen Moment fürchtete er, die Feuer augen sehr nahe bei der JULES VER NE-1 zu sehen. Aber die lodernden PsiMaterie-Ballungen waren und blieben verschwunden. Ein erleichtertes Aufat men erlaubte sich der Arkonide den noch nicht. Was war das? Psionischer Einfluss, antwortete der Extrasinn. Wir haben beide unlogisch und inkonsequent darauf reagiert. Du – nicht wir beide. Der Einfluss wirkt immer noch nach. Atlan verzichtete auf eine Erwide rung, obwohl sie ihm schon auf der Zunge lag. Wenn der Logiksektor das letzte Wort wollte, sollte er es ruhig ha ben. Daran hatte Atlan sich längst ge wöhnt. Er widmete sich wieder der Virtu ellen Realität. Übernahme der Außen beobachtung. Er zuckte zusammen, als er sich jäh in der Weltraumschwärze wiederfand und Eiseskälte ihn ein hüllte. Er hatte den SERUN nicht ge schlossen, nicht einmal das Prallfeld aufgebaut ... Nein, er fiel nicht darauf herein. Das Entsetzen und sogar gelegentliche To desfurcht waren ein Privileg für Frisch linge an Bord eines Raumschiffs – »Prak tikanten im Außeneinsatz«, nannte sie der Flottenjargon. »Ein übles Spiel wird mit diesen jungen Menschen getrieben«,
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behaupteten einige LFT-Abgeordnete, die seit Jahrzehnten in schöner Regel mäßigkeit forderten, diese Form des Missbrauchs der Virtuellen Realität un ter Strafe zu stellen. Ebenso regelmäßig wurden ihre Anträge aber stets verwor fen. Atlan empfand diese Spielchen als Bereicherung. Ein Stück Bordkultur, wenn auch der raueren Art. Er ließ sich treiben. Es war ohnehin nur ein virtueller Avatar, der für ihn den Beobachtungsposten außerhalb des Schiffes bezog. Nicht einmal Atlan ent sann sich, wer diese Art der Darstellung entwickelt hatte. Schwerelos schwebte er neben dem Schiff und sah sich um. Zoombereich. Energie- und Masseortung. Indem er die Knie anzog und die Arme leicht anwinkelte, setzte er zum lang samen Überschlag an. Rundum ging sein Blick. Er erfasste die Explosionen, Lichtminuten entfernt. Fragmentraumer der Posbis lieferten sich mit Schlacht lichtern heftige Gefechte und gewannen nach und nach die Oberhand. An anderen Positionen wirkten die Schiffe der Alliierten weit weniger ziel strebig und die Schlachtlichter erzielten Erfolge. Psionische Beeinflussung von außen, wisperte Atlans Extrasinn. Die Posbis sind effektiv, weil sie ihr Bioplasma ab getrennt haben und nur mehr auf rein positronischer Basis reagieren. Wo liegt die Quelle der psionischen Beeinflussung? Unbekannt. Logisch erscheint ein Eingreifen eines der drei Triumvirn, am ehesten VATROX-CUUR oder VATROX DAAG, obwohl wir VATROX-VAMU nie ausschließen dürfen. »Warum haben wir diese Feststellung nicht eher getroffen?« Atlan ließ sich geradezu aus der Virtuellen Realität herausfallen und gab sich sofort selbst die Antwort: »Es hat mit der Beeinflus sung zu tun.«
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Der tobende Kopfschmerz war noch da. Nur schaffte Atlan es immer besser, damit umzugehen. Möglich, dass auch sein Zellaktivator dagegen ankämpfte. Der Arkonide ließ neue Lichtschalt felder entstehen. Suche nach der JULES VERNE-2! In Sekundenschnelle erfolgte die Eingrenzung. Das Schiff – Kugelzelle und Mittelteil waren zusammengekop pelt – stand sehr nahe an der falschen Sonne, der Tarnung des Handelssterns. Atlan ließ sich von der Funkstation ein Sendepaket geben; Hyperfunk, ge rafft und verschlüsselt. Er rief die zweite der beiden Kugel zellen des Hantelraumers. Keine Antwort kam. Das Schiff re agierte nicht. »Senden im Fünfundvierzig-Sekun den-Takt!«, ordnete er an. »Antwort von Rhodan oder Mausbiber Gucky so fort zu mir!« Statusabfrage Hibernation-4/25. Ap ril 1463 NGZ, 14.00 Standardzeit. Kommandeur: Admiral Meruv Tatur/ Tefroder. Zielstatus: Hibernation-4 massiv be schädigt, Wachflotte (10.000 Schlacht lichter) vernichtet. Verluste: 1900 Fragmentraumer/Pos bis, 15.000 Walzenschiffe/Maahks, 5200 Kugelraumer/Tefroder. Status der Krathviras: rund 98 Milli onen Vamu-Einheiten. 5. Nirgendwo Grünes Land. Es reichte von Hori zont zu Horizont und verlor sich im warmen Dunst eines erfüllten Tages. Perry Rhodan fragte sich, wie er an diesen Ort gelangt war und was er dort überhaupt wollte. Er wusste nicht ein mal, wo er sich befand. Obwohl aus sei nem Gedächtnis Dutzende ähnlicher Landschaften aufstiegen, erkannte er
Feueraugen
kein Geländemerkmal, das ihm eine eindeutige Zuordnung erlaubt hätte. Die Luft war rein und klar. Vor Kurzem hatte es geregnet. Er roch die Nässe, das feuchte Erdreich und das schwere Aroma exotischer Blüten. Herbststimmung! Nicht die schlech teste der Jahreszeiten. Der Kreislauf erfüllte sich. Es wurde Zeit, die Früchte des zu Ende gehenden Jahres zu ernten, Altes loszulassen und der ewigen Folge von Werden und Vergehen anzuvertrau en. Es roch sogar bereits leicht nach Schnee. Der Winter würde bald kom men; die Ruhe, die Vorbereitung auf neues Leben. Auch er hatte seine Reize, wenn Schnee das Land bedeckte und Eis Seen und Flüsse überzog. In klaren Winternächten reichte der Blick weit in den Weltraum hinaus, in dem die Sterne als ewige Begleiter ein Netz der Ruhe und Geborgenheit spannten. Der knir schende Schnee unter den Stiefeln des einsamen Wanderers ... Die Natur hielt Winterschlaf. Win.ter.schlaf! Rhodan zuckte wie unter einem kör perlichen Schlag zusammen. Winterschlaf – Hibernation. Fre quenz-Monarchie. Diese Assoziation war plötzlich da, und sie erschreckte ihn. Befand er sich auf einem Planeten der Vatrox? Auf einer der beiden verbliebe nen Welten ihrer Wiedergeburt in An thuresta? Sein Blick schweifte über den Him mel, sprang in den Zenit empor. Wol kenschleier begrenzten die Sicht. Ver waschen wirkendes Rot in allen denk baren Schattierungen beherrschte das Firmament. Als tobe hinter den Wolken düstere Glut. Wie lange stand er schon herum? Se kunden erst, nicht länger als zwei oder drei Atemzüge. Seinem Ruf als Sofort umschalter war er jedenfalls nicht ge recht geworden. Er glaubte wieder, Guckys grell lo
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dernde Augen vor sich zu sehen – Feu eraugen, wie sie ihn seit Stunden ver folgten. Eine Vorahnung? Vielleicht. Auf dem Absatz fuhr er herum. Aber der Ilt war nicht zu sehen. Gucky hatte ihn teleportiert. Wahr scheinlich mithilfe der Psi-Kraft der Feueraugen, ähnlich wie Lloyd/ Tschubai das Distribut-Depot aus dem Orbit von Hibernation-6 entfernt hat te. Vogelrufe hallten heran. Rhodan sah einen Schwarm großer Vögel in per fektem Formationsflug. Graugänse? Al so hatte Gucky ihn nach Terra zurück gebracht, irgendwo in die Weite Nord amerikas? Kanada? Aber wieso? Der Mausbiber war in die Gewalt der Frequenz-Monarchie geraten. VATROX-CUUR beherrschte ihn, und wahrscheinlich erging es Atlan und der gesamten Besatzung der JULES VERNE-1 ebenso. Aber dieser Ortswechsel? Hatte Gu cky sich dem fremden Zwang mit letz ter Kraft widersetzt, um wenigstens ihn, Rhodan, dem Zugriff des Gegners zu entziehen? Und wieso Terra? Es gab viele mögliche Deutungen. Die Erde war sicher vor dem Zugriff der Fre quenz-Monarchie. Der emotionale Be zug zu seiner Heimatwelt war für Perry größer als zu jedem anderen Ort in der Milchstraße. Der Folienfalthelm seines SERUNS war im Nackenwulst verstaut. Rhodan machte sich nicht die Mühe, den Helm nach vorn zu ziehen und zu schließen, um sich der Funktionen des Head-upDisplays zu bedienen. Das Multifunkti onsarmband am linken Handgelenk genügte für die wichtigsten Mes sungen. Er überzeugte sich davon, dass die Schwerkraft ziemlich genau ein Gravo betrug. Die Abweichung von Prozent bruchteilen war dem jeweiligen Stand ort geschuldet. Auch die Zusammenset zung der Atmosphäre ließ keine Zweifel aufkommen – das war Terranorm. »Un
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gewöhnlich steril«, wies das Armband nach einem zweiten Messgang aus. Kaum Schwebstoffe in der Luft und sehr wenig Mikroorganismen. Damit stieg die Wahrscheinlichkeit, dass er eine künstlich erzeugte Atmo sphäre atmete. Zumindest wurde sie permanent umgewälzt und von Filter anlagen gereinigt. Also war er nicht auf Terra. Aber wo befand er sich? Auf einem Planeten, in einer Biosphäre, einem künstlich angelegten Habitat? Für eine Raumstation erschien ihm der Raum zu groß. Das Areal war eher auf einem le bensfeindlichen Planeten angelegt, vielleicht auch nur auf einem Mond. Solche Stationen gab es Hunderte ... ... aber eigentlich nur eine einzige, die seiner Vermutung entsprach. Die rote Dämmerung erschien ihm unverändert. Nicht die letzten Strahlen einer untergehenden Sonne riefen diese trübe Abendstimmung hervor, sie kam vielmehr von außen. Diese Erkenntnis überraschte Rho dan – nicht mehr, aber auch nicht weni ger, obwohl sie ihm den eigenen Tod wieder vor Augen führte. Seine Nahtod-Erfahrung, als er mit dem Schattenmaahk Grek 1 in die Nie mandswelt versetzt worden war, lag noch gar nicht lange zurück. Sein ster bender Körper und sein Bewusstsein waren paramechanisch konserviert und in reflektorische Felder eingebettet worden. Geblieben war das Gefühl eines Traums, der vielleicht eines Tages verwehen würde wie Nebel in der Mor gensonne. Und in diesem Moment? Perry Rhodan war bereits sicher, dass er sich in der Irene-Lieplich-Station auf dem Jupiter seiner Nahtod-Erfah rung befand. Der rote Widerschein über den Wolken stammte von dem seit Jahr tausenden währenden Großen Roten Sturm. Aber warum? Warum ausgerechnet in der Niemandswelt? Diesmal war keine
Hubert Haensel
Bombe in seiner nächsten Nähe explo diert. Keine Druckwelle hatte seine Lunge zerrissen, keine Splitter hatten den Körper perforiert ... Was war mit dem Feuer aus Guckys Augen? Die Glut der entfesselten PsiMaterie? Nein, jenes Feuer hatte ihn nicht ver brannt, es hatte ihn nur an diesen Ort versetzt. Die Landschaft wirkte real. Rhodan bückte sich und strich mit einer Hand über das kurz geschnittene Gras. Er fühlte die Nässe auf den Halmen, sah die Regentropfen abperlen. Wie ein Ka leidoskop waren sie, das ihm in vielfäl tigen Nuancen den Himmel nahebrachte. Ein dicker Falter kletterte an einem der Halme empor und schwirrte surrend davon. Rhodan richtete sich wieder auf. Er zweifelte nicht daran, dass er sich auf einer der neun terrassenartig angelegten Landschaften befand. Allerdings hatte sich vieles verändert. Als er mit Grek 1 gemeinsam die Station besucht hatte, waren in den Wiesen rote Rosen zu se hen gewesen und es hatte nach Frühling gerochen. Menschen hatten unter den weit ausladenden Bäumen gelegen; sie hatten gegessen und getrunken, gesun gen und gelacht. Dazu Spaziergänger, Reiter auf Pferden, eben eine Freizeit idylle. Rhodan entsann sich der getragenen Melodie einer Gitarre oder Laute. Von weit her war sie zu hören gewesen. Diesmal lauschte er vergeblich. Er sah Bäume und Sträucher in der Ebene, aber keine Menschen. Stille lag über dem Land wie erstickender Herbstne bel. Der heisere Schrei eines Raubvo gels erklang. Rhodan sah einen Schat ten in die Tiefe stürzen und sofort wie der aufsteigen. Ein kleines Tier, womöglich eine Maus, zappelte in den Fängen des Vogels. Er ging einfach los. Nach wenigen Minuten stieß er auf einen kleinen Was serlauf. Munter plätschernd und in wei
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Vor wor t Werte Leserinnen und Leser, diesen Monat habe ich weiß Gott keinen Grund, um über das Nachlassen am Ausstoß von gedruckten Fan zines zu klagen. Es kamen viele; zum Teil kommen sie per Post, zum Teil kaufe ich sie einfach im Laden – zu mindest Letzteres wäre vor 20 Jahren undenkbar gewesen. Brav werde ich weiterhin die Entwicklung beobachten und mit meinen Fanzine-Kisten mitaltern. Per aspera ad astra! Euer Hermann Ritter
Nachrichten Empfehlung des Monats Der fandom observer 250 präsentiert sich in seiner Jubelausgabe mit tollem Cover und guten Artikeln. Das hat nichts, aber auch gar nichts damit zu tun, dass die beiden Grußworte zur Eröffnung von Klaus N. Frick und mir stammen. Dass wir hier als »Alt-Fans« auf dem Silberteller präsentiert werden, ist Zufall. Es gibt wieder Rezensionen, einen wundervollen Arti kel von Doris Dreßler »Von menschlichen Biotopen« (der nichts mit Science Fiction zu tun hat, wie ich gleich betonen will), ein Interview mit Atlan Club Deutschland-Mitgründer John Lochhas, einen Artikel von Peter Thüringen über Hugo Gernsback (den Erfin der des Wortes »Science Fiction«), einen Bericht über die Arbeit am Film »Iron Sky« und einen schönen Artikel von Armin Möhle über »Leichenfledderei im PRBCBS?!«. Das Heft kostet drei Euro. Die Seite des fandom observer erreicht man unter www.fandomobserver. de. Herausgeber ist Martin Kempf, Märkerstra ße 27, 63755 Alzenau (E-Mail mk170866@t online.de).
Vierwöchentliche Beilage zur PERRY RHODAN-Serie. Ausgabe 445.
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Online: Fantasy Die Reihe der Neuerscheinungen 2007 bis 2009 wird von Hermann Urbanek in Fantasia 274e mit »Buchver lage L–P« fortgesetzt und in Fantasia 275e mit »Buch verlage R–Z« beendet. Wie immer sind seine Beiträge sehr informativ und überraschend (fast erschreckend) umfassend. Herausgeber ist der EDFC e.V., Postfach 1371, 94003 Passau (im Internet unter www.edfc.de). Abenteuer & Phantastik Ein schöner Artikel zu den Robin-Hood-Verfilmungen für Fernsehen und Kino, etwas über »den edlen Räu ber« und den Mythos dahinter, ein Interview mit dem Autor Stephen Lawhead zum selben Thema – schön. Dazu ein gutes Interview mit Jens Lossau und Jens Schumacher, den Autoren von »Elbenschlächter« und ein Bericht über Markus Heitz’ »Zwerge live!«. Sogar einen Bericht über den Spieleklassiker »Talisman« in neuer Aufmachung liefert Abenteuer & Phantastik 74. Ich kann nicht klagen. Das Heft kostet 4,50 Euro. Herausgeber ist der Aben teuer Medien Verlag, Jaffestraße 6, 21109 Ham burg (im Internet unter www.abenteuermedien. de). Atlan Club Deutschland Die Vorbereitungen für den ACD-Jahrescon 2010 laufen auf vollen Touren. Es gibt viel zu feiern – im merhin wird der rührige Club 25 Jahre alt. Das Pro gramm sieht gut aus … nur bezweifle ich, dass das Selbstlob der beiden Veranstalter durch Aufstellfi guren der beiden zum »Einstudieren der Jubelarien« gerechtfertigt ist, bevor der Con gelaufen ist. Termin ist der 6. bis 8. August 2010. Näheres erfährt man bei Rüdiger Schäfer, Kolberger Straße 96, 51381 Leverkusen (per E-Mail unter ruediger_001@ yahoo.de). Bei solchen Großereignissen gehen Magazine wie In travenös 192 leider mal unter. Der Verein schreibt Neuwahlen aus, man diskutiert darüber, warum ein (Ex-)Mitglied in der NPD sein kann und – um das The ma unauffällig zu wechseln –, man lobt zu Recht die Fernsehserie »Life on Mars«. Ein nettes Fanzine. Das Fanzine ist im Jahresbeitrag des ACD enthalten. Kontakte über Rüdiger Schäfer (Adresse siehe oben),
hier aber heißt die E-Mail kontakter@atlan-club deutschland.de. Aventurischer Bote Wenn ich lese, dass man für eine Fantasy-Welt eine Karte unter Google Earth 5.0 erstellt – wow! Und die Bilder sehen schon fantastisch aus. Aventurischer Bote 140 kann bereits damit voll über zeugen. Weiterhin finden sich Artikel über die »Das schwarze Auge«-Welt Aventurien, Spielhilfen, Hinter grundinformationen und so weiter. Noch einmal: Wow! Das Magazin wird in Spieleläden verkauft, es kostet 3,50 Euro. Herausgeber ist der Fantastic Shop, Langgasse 3 b, 65529 Waldems Wüstems (im In ternet unter www.f-shop.de) Fliegende Drachenbriefe Farbig präsentiert sich der Drachenbrief 144. Hier zeigt der »Drachenorden von Ranabar«, eine der Kulturen auf der Fantasy-Welt »Magira«, was er kann. Nach einer kurzen redaktionellen Einführung finden sich eine Kurzgeschichte und ein Spielbericht zum »Aben teuer in Ranabar«-Rollenspiel. Traurig stimmt nur der Nachruf auf ein verstorbenes Mitglied. Für Interessenten für »Magira« immer ein guter Ein stieg. Sein Flieger 59 ist ein achtseitiges Egozine, herausge geben für die Science-Fiction-Amateurpressegruppe FAN; eine Art Fanzine- und Lesebrieftauschring. Er staunlich sind sowohl das hohe Niveau der Beitra genden als auch der Bekanntheitsgrad der Beiträger – von Dieter Steinseifer selbst über Florian Breitsame ter, Gerd Maximovic und Eckhard D. Marwitz. Das ist so eine Art Siegel dafür, dass man es zum BNF (»Big Name Fan«) geschafft hat, wenn man hier auftaucht. Herausgeber ist Dieter Steinseifer, Dr.-Geiger-Stra ße 1, 83022 Rosenheim. Auf Anfrage (per Post) er hält man normalerweise ein Heft gratis. Future Magic Selbst wenn man sich manchmal an eigenartige Wör ter im Österreichischen gewöhnen muss (ich sage nur »Traffik«), ist vielleicht gerade deswegen Future Magic 67 ein schönes Heft. Sechs Kurzgeschichten, einige Artikel (besonders schön ist »Die Schutzengel meines Neffen« von Eva Kalvoda), ein wenig Information über
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Astronomie und Filme, Leserbriefe und ein Stapel sehr unterhaltsamer Rezensionen (hervorgehoben sei die Besprechung von Buffed, bei der die Rezensentin mit falschen Voraussetzungen an das Regal ging und statt eines Rollenspielmagazins ein Computerrollenspiel magazin kaufte). Sehr unterhaltsam. Das Heft ist im Jahresbeitrag von 18 Euro enthalten. Die Redaktion liegt bei Andreas Leder (E-Mail
[email protected]), Kontakterin des herausge benden Vereins SFC Stardragons ist Eva Kalvoda, Kundratstraße 20/8/25, A-1100 Wien (E-Mail kal
[email protected]). Games Orbit Für ein Heft, das umsonst in Spieleläden ausliegt, ist games orbit 20 wirklich sehr gut gemacht. Übersicht liche Aufmachung, gute Optik und Rezensionen, die nicht immer so aussehen, als wären sie reine Gefäl ligkeitsübungen gegenüber jenem, der einem das Rezensionsexemplar in die Hand gedrückt hat. Allein dafür hebt sich das Heft von vielen anderen Konkurrenten ab. Wenn man jetzt noch bedenkt, dass es eine sehr gute Comic-Sektion hat … Herausgeber ist die Leuchtameisen Kommunika tions-Kooperative, Heilbronner Straße 7, 70174 Stuttgart (www.leuchtameisen.de). Näheres zum Heft erfährt man unter www.gamesorbit.de. LARPzeit Wenn diesen Monat nicht schon das »Fanzine des Monats« vergeben wäre, würde es die LARPzeit 27. Thema ist dieses Mal »Steampunk« oder »Gaslight«. Es finden sich »Entdecker, Spürnasen und Rebellen« mit dem Untertitel »Charaktere für Gaslight-LARP«, also für ein Steampunk-Live-Rollenspiel. Man erfährt etwas über die Szene in Großbritannien, bekommt praktische Tipps für Masken mit Bärten, darf beim Waffenbasteln über die Schulter schauen, man kann ein Interview mit dem Fantasy-Autor Chris toph Hardebusch lesen, etwas über Phrenologie (die Lehre von der Kopfform) lernen oder erfahren, dass es sogar Live-Rollenspiele zu »Battlestar Galactica« gibt. Das Heft kostet fünf Euro. Herausgeber ist die Zau berfeder GmbH, Witzlebenstraße 2, 38116 Braun schweig (im Internet unter www.larpzeit.de).
Paradise Thomas Harbachs Artikel über Ernst Vlceks »Sternen saga« bildet für mich das Rückgrat von Paradise 79. Es gibt wieder TV-Episoden-Guides (»Stargate Atlan tis«) und Rezensionen sowie Kurzgeschichten zum PERRY RHODAN-Universum. Ein unterhaltsames Clubfanzine; auch wenn dieses Mal nicht viel drin war, das mich begeistern konnte. So etwas passiert ... Herausgeber ist der Terranische Club Eden, kurz TCE (im Internet unter www.terranischer-club eden.com). Kontakt erhält man über Volker Wille, Hacheneyer Straße 124, 44265 Dortmund (E-Mail
[email protected]). Ein Heft kostet 4,50 Euro zuzüglich 1,20 Euro Ver sand. Phantasia Eine wunderschöne Idee ist der Phantasia Alma nach 8. Das Heft geht in einer Auflage von 350 Exemp laren nur an Kunden der Edition Phantasia, eines sehr guten Kleinverlages. Es finden sich echte Perlen in diesem Heft. Es gibt eine Geschichte von Robert E. Howard (dem Erfinder von »Conan«), einen Artikel von H. P. Lovecraft (dem Erfinder von »Cthulhu«), eine Kurzgeschichte und zwei Nachrufe auf den verstorbenen Autor J. G. Ballard (einen von dem Schriftsteller Jeff VanderMeer, einen von Joachim Körber, dem Chef der Edition Phantasia selbst). Bezugsadresse etc. sind aus den oben genannten Gründen nicht angegeben. Den Verlag findet man un ter www.edition-phantasia.de im Netz. Science Fiction Club Deutschland Was könnte der SFCD für ein schöner Verein sein, wenn er nicht seine Mitglieder hätte. Das aktuelle sfcd:intern 6 enthält wieder das übliche Hickhack zwi schen meinem »Spezi« Michael Haitel als Herausgeber der Clubzeitschrift und der Gegenpartei, dem Kassie rer Herbert Thiery. Entschuldigung, aber das ist Pa pierverschwendung. Leider lenkt der ganze Blödsinn vom sehr schön ge machten und optisch gigantischen Andromeda Nach richten 229 ab. Da gibt es viele Rezensionen, einen guten Artikel zu »Sun Quest« und die von Ralf Boldt
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betreuten Informationen über PERRY RHODAN. Ein rundum gutes Magazin, jaja! Informationen über den SFCD erhält man bei Michael Haitel, Ammergauer Straße 11, 82418 Murnau am Staffelsee (E-Mail
[email protected]). Der Preis für ein Andromeda Nachrichten beträgt acht Euro. SOL Das Mitgliedermagazin der PERRY RHODAN FanZentrale e.V. präsentiert sich mit SOL 58 wieder üppig aufgemacht mit einem hervorragenden Cover. Rainer Stache gibt jetzt seit fünf Jahren den »galaktischen Beobachter«, Han(n)s Kneifel wird interviewt, Frank G. Gerigk präsentiert den zweiten Teil seines beein druckenden Artikels »Die Flieger des Johnny Bruck«, und Lieblings-Schweizer Marc A. Herren darf eben falls in einem Interview glänzen. Dazu Neuigkeiten von und um PERRY RHODAN – was will man mehr als PERRY-Fan? Un-ver-zicht-bar. Das Heft ist in der Mitgliedschaft enthalten; diese kos tet 24 Euro im Jahr. Die Postanschrift ist PERRY RHO DAN FanZentrale e.V., Postfach 2352, 76413 Rastatt. Im Internet findet man den Verein unter www. prfz.de. Star Gate Aktuell erschien der Doppelband Star Gate 65/66.
Beide Geschichten (»Die Urmutter« und »Erben des
Alten Feindes«) stammen von Wilfried A. Hary.
Das Heft kostet 6,90 Euro. Herausgeber ist Hary-Pro
duction, Canadastraße 30, 66482 Zweibrücken
(im Internet unter www.HaryPro.de).
Tabletop Insider Endlich mal ein Hobby, aus dem ich offensichtlich völ lig raus bin. Im aktuellen Tabletop Insider 3 kenne ich nicht einmal zehn Prozent der Spiele … Was aber in Ordnung ist. Ich war noch nie ein Freund von Zinn figurenschlachten. Aber optisch, ja, optisch hat mich das Magazin total
begeistert. Herausgeber Martin Ellermeier hat sich personell breiter aufgestellt, sodass die Arbeit auf mehr Schultern lastet. Er selbst hofft darauf, dass das Magazin ab jetzt regelmäßiger erscheint. Die Bilder, besonders die Malanleitungen für Zinnfi guren, sind großartig. Dazu kommen Rezensionen und Informationen zu allem, was in diesem Spielbereich stattfindet. Das Heft kostet 4,95 Euro. Herausgeber ist Martin Ellermeier, An der Lehmkaute 30, 64625 Bens heim (E-Mail
[email protected]). White Dwarf Schon vor längerer Zeit zu einem Werbeheft verkom men ist das aktuelle White Dwarf 173, ein Heft, das nur und wirklich nur für die Figuren und Spiele jener Firma wirbt, die es herausgibt. Früher war das Maga zin ein (englischsprachiges) Rollenspielmagazin erster Güte, jetzt hingegen ist es … ein teures Werbeheft. Das Magazin ist in Spieleläden für 7 Euro erhältlich, die es trotz der schönen Bilder nicht wert ist. Zauberwelten Manchmal kriege ich Hefte, von denen ich nicht weiß, ob sie Teil einer Reihe, einer Serie, einer obskuren Idee sind … So erging es mir mit Zauberwelten. Der Auf machung nach ein »one-shot«, und kein guter. Auf grund der Verlagsangaben würde ich vermuten, dass es eine Sondernummer der Larpzeit ist. Da gibt es das Programmheft der Role Play Conventi on 2010 im Heft, da gibt es Rezensionen, etwas über »LARP in der Schule« (LARP bedeutet Live-Rollen spiel, eigentlich Live Action Roleplaying); man findet Rezensionen, die gar nicht mal so schlecht gemacht sind. Aber es fehlt für mich die durchgehende Linie, das Programm, die Idee … So ist es ein Werbeheft mit schöner Optik. Mehr nicht. Herausgeber ist die Zauberfeder GmbH, Witzleben straße 2, 38116 Braunschweig (im Internet unter www.larpzeit.de). Ein Preis ist nicht angegeben; das Heft wird umsonst in Spieleläden abgegeben.
Impressum Die PERRY RHODAN-Clubnachrichten erscheinen alle vier Wochen als Beilage zur PERRY RHODAN-Serie in der 1. Auflage. Anschrift der Redaktion: PERRY RHODAN-Clubnachrichten, Pabel-Moewig Verlag GmbH, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Bei allen Beiträgen und Leserzu schriften behält sich die Redaktion das Recht auf Bearbeitung und gegebenenfalls auch Kürzung vor; es besteht kein Anspruch auf Veröffent lichung. Für unverlangte Einsendungen wird keine Gewähr übernommen.
Feueraugen
ten Mäandern verschwand der Bach zur Linken. Rhodan begleitete den Bach. Üppiger Pflanzenwuchs säumte das Ufer. Hängende Samenstände lockten Scharen von Insekten an. Laub trieb auf dem Wasser, große bunte Blätter. Wo die Strömung sie ans Ufer spülte, zer setzten sie sich schnell. Rhodan schaute zu, wie sie welk wurden und zerfielen. Nur die Blattadern zeigten sich bis zu letzt widerstandsfähig, ein feines Ge rippe, das sogar dem heranschwappen den Wasser trotzte. Bleiches Myzel wucherte auf den Adern. Im Zeitraffertempo griff es um sich. An einigen Stellen reckten sich dünne Fruchtkörper in die Höhe, bunt schillernde Ovale auf hauchzarten Stie len. Schnee fiel und deckte alles zu. Rhodan schaute um sich. Nichts hat te sich verändert: der Bach, die grünen Wiesen, die sanft im Wind wogenden reifen Felder. Nur das schmale Stück chen Uferstreifen vor seinen Füßen war schneebedeckt. Aber schon schmolz die weiße Pracht. Neues Grün spross aus dem Boden. Winzige Spitzen entfalteten sich zu ei ner bunten Blumenwiese. Insekten tum melten sich, aber von dem Pilzgeflecht war keine Spur mehr. Die Blumen wurden welk und verlo ren ihre Pracht. Die letzten Käfer wühl ten sich in den Boden, und das Myzel kehrte wieder. Bleich und weit ver zweigt war es wieder da und mit ihm die dünnen Fruchtkörper. Es wuchs dichter als zuvor. Wieder deckte der Schnee alles zu. Ein neuer Zyklus begann. Da und dort wuchsen zwar einzelne Blumen aus dem Vorjahr, doch ihre üppige Pracht war vergangen. Lange Ranken breiteten sich aus. Sie trugen goldfarbene Beeren. Für kurze Zeit stieg der Bach höher, die Flut trug die reifen Beeren mit sich. Die Ranken wurden dürr – dann war das weiße Geflecht wieder da.
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Rhodan dachte da längst schon über die Analogie nach. Wenn die Zeit sich vollendete, starb das Alte, und neues, anderes Leben spross daraus hervor. Was blieb, war das Myzel, das tief im Boden überdauerte und alles durchzog. Es war wie die Frequenz-Monarchie. Seine dünnen Früchte versinnbildlich ten Polyport-Höfe und Distribut-De pots. Hatte VATROX-CUUR ihn an diesen Ort versetzt, damit er erkennen sollte, dass die Frequenz-Monarchie das ein zig Beständige war? Während das Le ben immer wieder neu entstand und verging, überdauerte die FrequenzMonarchie. Rhodan trat zu. Mit der Haftpro filsohle des Stiefels zermalmte er das weiße faserige Gewebe. Für einen Mo ment ließ er sich von seinem Drang trei ben, den Boden aufzuwühlen, dann zog er den Fuß zurück. Er hatte das Myzel und die Früchte zerfetzt. Schlamm war alles, was noch davon zeugte. Schnee fiel. Und rasch sprossen neue Pflanzen. Keine Blumen mehr, auch keine Beeren ranken. Braune, stachelige Gewächse brachen aus dem zerfurchten Erdreich und breiteten sich aus. Für kurze Zeit verschwanden sie fast zur Gänze unter dem anschwellenden Wasserstand, und als die Flut sich verlief, hing viel von dem, was der Bach angeschwemmt hat te, an den Stacheln. Dann war das Myzel wieder da. Rhodan verzichtete darauf, dieses kleine Stückchen Boden noch einmal aufzuwühlen und darauf herumzutram peln. Er würde es nicht schaffen, das Geflecht zu vernichten. »VATROX-CUUR? Gucky?« Sein Ruf verhallte ungehört. Er war allein. Sekundenlang lauschte er in sich hinein, aber er nahm nicht einmal mehr den dumpfen mentalen Druck wahr. Auf dem kleinen Uferstück lag schon wieder Schnee. Rhodan achtete nicht mehr darauf und ging weiter, quer über
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die Wiese, bis er auf einen Pfad stieß, dem er geländeabwärts folgte. Nicht mehr allzu weit vor ihm lag der Mittelpunkt der Station. Rhodan fragte sich, wohin die Men schen verschwunden waren, die noch im Frühjahr das Land bevölkert hat ten. Vielleicht suchten sie im Innern der Anlage Schutz vor dem Herbst und der Kälte des Winters. * Er hatte die innere Terrasse erreicht. Zurückblickend sah er die Dunstschwa den über dem Land dichter werden. Ein dünner Strich hing über ihm in der Luft. Das mussten die Kabel der Seilbahn sein. Eine Gondel, entsann er sich, hatte ihn und Maroana bei seinem ersten Besuch in der Irene-LieplichSiedlung bis ans Seeufer getragen. Er fand sogar den Baum mit den silb rigen Blättern wieder. Auch der Geruch von Weihrauch hing noch in der Luft. Wenigstens etwas, das von Bestand zu sein schien. Maroana hatte an dieser Stelle ihre Schuhe abgestreift und mit den nackten Füßen im Wasser ge planscht. Er ging zu dem Platz, wo sie beide gesessen und miteinander geredet hat ten. Maroana war nicht da. Aber das durf te er auch nicht erwarten. Maroana ge hörte nicht in diese Welt und diese Epo che. Seine kurze Zeit mit ihr lag viele Menschenleben zurück; damals, nach dem Ausbruch der PAD-Seuche auf der Fidschi-Insel Mana. Rhodans Blick schweifte über den See. Dunkel wie ein unergründlicher Spiegel erschien ihm die Oberfläche. Auf einmal schreckte er davor zurück, zu nahe ans Wasser heranzutreten, da mit er sich nicht in der ruhigen Oberflä che spiegele. Er war sich plötzlich nicht sicher, ob ihm gefallen würde, was er dort zu sehen bekäme.
Er vermisste die vielen Menschen, ihr Lachen, ihre Stimmen. Wohin mochten sie gegangen sein und vor allem, war um? Lange konnten sie noch nicht fort sein. Die Wiesen und Felder wirkten zu gepflegt, und er hatte bislang keine Ro botgärtner gesehen. Kies knirschte unter seinen Stiefeln, als er weiterging. Rhodan blieb stehen. Er bückte sich. Seine Hand wischte suchend durch den Kies und fischte zielsicher einen flachen Stein heraus. Den Stein zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, holte er weit aus. Mit kräftigem Schwung warf er den Kiesel beinahe waagerecht auf den See hinaus. Ungefähr zehn Meter vom Ufer ent fernt schlug der Stein auf die Oberflä che und prallte in flachem Winkel ab. Er sprang weiter, berührte den See erneut und hüpfte abermals davon. Vier Sprün ge nur, und jeder Aufprall wurde von einem dumpfen, hohlen Dröhnen be gleitet, als berühre der Stein nicht Was ser, sondern Eis oder gar eine dünne Metallschicht. Beim fünften Aufschlag versank er. An der entsprechenden Stel le breiteten sich kleine konzentrische Ringe aus. Sie verwischten schnell. Er war enttäuscht. Vier Sprünge. In seiner Jugend hatte er das Doppelte und mehr geschafft, ohne sich anstrengen zu müssen. Er bückte sich nach einem zweiten Stein, da hörte er das Geräusch. Ein schlurfendes, schabendes Schleifen, als ziehe jemand einen schweren Körper über den Boden. Die Richtung vermoch te er nicht zu erkennen. Für einen Mo ment gewann er zwar den Eindruck, als komme das Schlurfen aus dem See, aber dann schien es hinter ihm zu sein. Ein geradezu unheimliches Geräusch. Eisiger Wind wehte über den See her an. Rhodan fröstelte trotz des SERUNS, den er trug. Aber die Kälte, die ihn frie ren ließ, drang nicht von außen auf ihn ein. Sie wuchs tief in ihm selbst.
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Das Schlurfen kam näher. Etwas be wegte sich schwerfällig auf ihn zu. Dieses Etwas kroch von allen Seiten heran. Perry Rhodan wandte sich um. Er stand neben der niedrigen Ufermauer auf dem Kiesweg, der den See von den baumbestandenen Liegewiesen trennte. Der rote Widerschein der Jupiteratmo sphäre machte es schwer, Entfernungen einzuschätzen. Die Sicht war allerdings gut genug, den Terraner erkennen zu lassen, dass sich in seiner Nähe nichts bewegte. Er hob mehrere Kiesel zugleich auf und wog sie abschätzend in der Hand. Das Schlurfen erklang nun rechts von ihm. Es war ein schreckliches Geräusch, und der Ursprung lag höchstens fünf zehn Meter entfernt. Rhodan kannte diese schlurfenden, schabenden Laute. Sie weckten keine guten Erinnerungen. Er warf den ersten Stein. Der Kiesel schlug neben dem Weg auf und sprang ins Gras. Der zweite Wurf. Der runde Brocken verschwand urplötzlich. Das Geräusch wurde lauter und aggressiv. Ein Quant der Finsternis! Es konnte gar nicht anders sein. War die Station evakuiert worden, weil sich ein Quant dort festgesetzt hat te? Die Finsternis im Solsystem? Rho dan stockte der Atem. Über hundert Jahre lag es zurück, seit er mit Quanten der Finsternis zu tun gehabt hatte. Nie hätte er erwartet, dass es zu einer er neuten Konfrontation kommen würde. Es war dunkler geworden. Er konnte kaum die Hand vor Augen sehen. Eine pulsierende, lebendig wirkende Finsternis hüllte ihn ein. Die schreckli chen Geräusche waren auf einmal sehr nahe. Glühende Augen starrten Rhodan an. Gestalten belauerten ihn, deren Um risse er nur erahnte, als entstünden diese Bilder direkt in seinem Bewusst sein.
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Deformierte Körper krochen über den Boden. Ausgemergelte, nahezu fleischlose Gerippe mit aufgequollenen Schädeln. Entsetzliche Zerrbilder, Kre aturen, wie sie nur einer Apokalypse entsprungen sein konnten. Albtraum gestalten. Rhodan wollte zurückweichen, aber so konnte er den Quanten der Finsternis keinesfalls entkommen. Zwei der düs teren Kreaturen sprangen ihn an. Ab wehrend riss er die Arme hoch, stieß dabei allerdings nicht auf den gerings ten Widerstand. Seine Fäuste drangen durch die Angreifer wie durch Nebel. Der Schmerz, als das Erste der un heimlichen Geschöpfe gegen seinen Oberkörper prallte, war real und inten siv. Rhodan torkelte zurück und stürzte über die niedrige Ufermauer. Im Fallen versuchte er die zweite Gestalt loszu werden, die sich in seiner Schulter ver krallte. Vergeblich. Augenblicke später waren die ande ren ebenfalls heran. Sie sprangen ihn an. Ihre Krallen gruben sich in seinen Kragenring und sie zerrten mit aller Kraft daran. Andere rissen ihm die Haube und den Halbschalenhelm vom Kopf. Auch an seinen Beinen hingen die Geschöpfe der Finsternis aus der Urzeit des Universums. Rhodan schaffte es nicht, sie abzuschütteln. Er konnte sich nicht einmal mehr herumwälzen oder gar versuchen, wieder auf die Beine zu kommen. Ihre Last erdrückte ihn schier. Gie rige Krallenhände kratzten über sein Gesicht, tasteten nach seinem Hals. Vergeblich rang er nach Luft. Er dachte an Mondra und fühlte grenzenloses Bedauern in sich aufstei gen. Seine Gedanken sprangen weiter zu Delorian, ihrem gemeinsamen Sohn. Delorian war zum Chronisten von ES geworden, über sein Schicksal hätte er gern mehr gewusst. Doch vieles blieb unerledigt ... Letztlich wurde die Niemandswelt doch zu seinem Schicksal. Rhodan fühl
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te sich schwächer werden. Seine Ge danken faserten auf ... Terrania. Sein Bungalow, der Blick über den Goshunsee. Noch einmal atmete er die angenehm trockene Luft und schmeckte das Aro ma von Salz auf den Lippen, dann gab er sich einen Ruck. Er wandte sich nicht mehr um, als er das Haus verließ. »Sie werden nicht zurückkommen?«, fragte der Portier zögernd. »Niemand bedauert das mehr als ich.« Rhodan warf einen kurzen Blick auf die gläserne Flasche. Der siganesische Portier legte seine rechte Hand aufs Herz und verneigte sich leicht. »Es ist gut«, entgegnete Rhodan. »Ich mag es nicht, wenn jemand meinetwe gen Tränen vergießt.« »Ich lache, Sir. Alles andere sieht nur so aus. Ich würde Sie gern begleiten. Wo Sie hingehen, herrscht ewiger Friede.« Rhodan ging. Es fiel ihm nicht schwer. Oder doch? Seine Schritte wurden träge. Sein Blick glitt über die Skyline Terranias hinweg, und da war doch ein klein we nig Wehmut. Eine Träne stahl sich aus seinem Augenwinkel, brennend rann sie die Wange hinab. Er winkelte den Arm an zum letzten militärischen Gruß. Wie damals, vor ei ner Ewigkeit, als er die STARDUST be treten hatte, die ihn und seine Kame raden als erste Menschen zum Mond bringen sollte. Zum Mond gebracht hat te! Oh ja, er entsann sich, als sei dies eben erst geschehen. Start um 3 Uhr Ortszeit am 19. Juni 1971, Nevada Fields. Perry Rhodan vollendete die Bewe gung nicht. Nicht nur, weil er sich nach seiner Rückkehr vom Mond die Rang abzeichen des Majors der US SpaceForce von der Schulter gelöst hatte und desertiert war, um die technischen Er rungenschaften der Arkoniden nicht einem einzigen Nationalstaat, sondern
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der gesamten Menschheit zukommen zu lassen – auch, weil in dem Moment wie aus dem Boden gewachsen sein Butler vor ihm stand. Er ist nicht mein Butler, durchfuhr es Rhodan. Er ist Grek 1, der Schatten maahk. »Warum bist du gekommen, Pral? Willst du mich abermals zum Narren halten mit deiner Verkleidung?« Der Butler lächelte mitleidig. »Ich soll Ihnen das übergeben – mit den besten Grüßen von Ihrem Freund.« Rhodan stutzte. Was Pral ihm entge genhielt, war eine Möhre. Frisch aus dem Boden gezogen. Erdkrümel klebten noch an der dicken Pfahlwurzel, und auf einem der langen gefiederten Blät ter krabbelte ein kleiner Käfer. »Gucky ist nicht mehr mein Freund!«, stieß Rhodan schroff hervor. Er wollte weitergehen, aber der But ler hielt ihn am Arm fest. »Nehmen Sie das, bitte! Mehr kann ich nicht für Sie tun, Sir.« »Du vergreifst dich im Ton, Pral! Ich hatte mir einen angenehmeren Abschied vorgestellt ...« Er redete ins Leere. Der Butler war verschwunden, aber Rhodan hielt die Möhre in der Hand. Ärgerlich wollte er sie zur Seite werfen, doch im selben Moment löste sie sich auf. Nur Schein, ein Trugbild, ein letzter verachtender Gruß von VATROX-CUUR ... Rhodan begriff. Er wurde manipuliert. Eine geistig überlegene Macht spielte mit ihm. Hat te Gucky es geschafft, ihm diese Nach richt zukommen zu lassen, oder ver dankte er die Erkenntnis seinem Unter bewusstsein? Egal. Die Quanten der Finsternis waren so falsch wie die Möhre, nur Schein, ein Trugbild fremder Gedanken. Rhodan stemmte sich mit aller Kraft, deren er noch fähig war, dagegen. Die Last fiel von ihm ab wie ein böser Traum, er
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konnte wieder atmen. Gierig sog er die Luft ein. Die Schwärze riss auf und verwehte. Gleichzeitig verstummten die schlur fenden, schabenden Geräusche. Das rote Streulicht der Jupiterat mosphäre hing wieder über dem Land. Rhodan genoss diesen Schein. Er atme te den Duft des Herbstes, den Geruch von feuchtem Laub und Getreide. Aro matischer Rauch wälzte sich heran. Endlich war er in der Wirklichkeit angekommen. Eine neue Chance. Die Düsternis lag hinter ihm, ebenso der pochende Druck im Kopf. Offenbar gab es nun keine Verbindung mehr zur JULES VERNE-2, zu Gucky und VATROX-CUUR. Eine laue Brise trug ihm Stimmen zu. Er hörte Kinderlachen und fröhlichen Gesang. Vor ihm erstreckten sich Streuobst wiesen und abgeerntete Felder. In der Ferne sah er Frauen und Männer das letzte Getreide schneiden und zu Gar ben binden. Sie stellten die Garben zu sammen. Wenn ihm jemand gesagt hätte, dass sich diese Welt in der mörderischen At mosphäre Jupiters befand, er hätte es nicht glauben wollen. Und doch war es so. * Der Boden war von Metallzinken aufgerissen worden. Dürres Kraut lag herum, Kinder trugen es zusammen und schichteten es zu Haufen auf. Es war einer dieser Haufen, den je mand in Brand gesteckt hatte. Der an fängliche Rauch, dem Rhodan nachge gangen war, hatte sich inzwischen weit gehend verflüchtigt. Das trockene Kraut brannte zischend und knisternd ab, und immer wieder schlugen Flammen fast mannshoch empor. Er ging langsam auf das Feuer zu. Kleine Knollen lagen auf dem Feld,
ebenso angefaulte, weiche Früchte. Es lohnte nicht, sich danach zu bücken. Rhodan fand endlich eine unbeschä digte Kartoffel und hob sie auf. Mit den Fingern säuberte er sie vom Erdreich. Die rote, grobporig wirkende, aber glänzende Schale weckte Erinnerungen an seine Kindheit. Obwohl das lange zurücklag, hatte er das Gefühl, es sei erst gestern gewesen. Er gesellte sich zu den Männern und Frauen am Feuer. Nur einige Kinder nahmen Notiz von ihm. Ein kleines Mädchen reichte ihm einen Kunststoff stab. »Du musst die Kartoffel aufspie ßen und ins Feuer halten. Sie ist gar, sobald sie aufplatzt. Aber pass auf, dass sie nicht einseitig verbrennt.« Er lächelte. »Ich weiß.« Das Mädchen schaute ihn verblüfft an, dann warf es sich herum und rannte davon. Rhodan glaubte, die Gedanken der Kleinen zu hören. Was weiß ein Raum fahrer schon von Kartoffeln? Er lebt nicht in der Atmosphäre eines Planeten, sondern im Weltraum. Ich mag den Weltraum nicht. Alles Böse kommt von dort. Ich bin froh, dass wir hier die Ster ne nicht sehen. Sie sind böse. Er wollte darauf antworten, wollte ihr hinterherrufen, aber sie war schon verschwunden. Ausgelassen tollten die Kinder drüben zwischen den aufgestell ten Getreidegarben. Rhodan spießte die rohe Kartoffel auf und hielt sie mit dem Stab in die Flam men. Ich weiß nicht einmal, ob Gucky Kar toffeln mag. Verärgert schüttelte er den Kopf. Der Mausbiber hatte sich von der FrequenzMonarchie überwältigen lassen und war damit zum Gegner geworden. Die Flammen loderten. Rhodan zog den Stab zurück. Die Kartoffel dampf te. Sie war unten leicht angebrannt und aufgeplatzt, der Rest wirkte ein wenig bleich. Trotzdem dachte der Terraner
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nicht daran, sie noch einmal ins Feuer zu halten. Heiß genug war sie, als er sie in die Hand nahm. Er schaffte es trotzdem, die teils angebrannte Schale mit den Fin gern abzuziehen. Genussvoll brach er ein Stück ab und schob es sich in den Mund. Es schmeck te nur ein wenig fad. »Du brauchst Salz dazu«, sagte eine markante Stimme neben ihm. Rhodan schaute auf. Das Erste, was er bewusst wahrnahm, waren die lan gen weißen Haare und die roten Augen des Mannes. »Atlan?«, fragte er verwundert. »Ich hätte nie erwartet, dich hier zu treffen. Wieso bist du hier?« »Wieso?«, echote der Arkonide. »Du machst Fehler, Barbar. Du weißt nicht mehr, was deiner Menschheit zuträglich ist. Mit deiner Flucht machst du alles schlimmer. Hör dir wenigstens an, was er zu sagen hat.« »Wer?« Eine böse Ahnung stieg in Rhodan auf. Aber das konnte nicht sein. Er wollte es nicht wahrhaben. »Warum ziehst du nicht die Unter werfung vor?«, fragte der Arkonide drängend. »Die Alternative ist der Tod.« »Auch du, mein Freund?« Rhodan wollte es nicht glauben. Den noch war es so. Erst war Gucky beein flusst worden, nun Atlan. Er fragte sich, wie es weitergehen sollte. Würde er bald allein sein? Der Einzige, der noch gegen die Frequenz-Monarchie aufbegehrte? Grell flammten Atlans Augen. Wieder dieses stechende Rot, das Rhodan ver folgte, seit er die Feueraugen bei FATI CO zum ersten Mal gesehen hatte. Er wollte zurückweichen, aber der Arkonide war schneller. Mit beiden Händen griff Atlan zu und riss den Ter raner an sich, die rechte Hand fuhr in Rhodans Nacken. Ein schneller Dagor griff konnte töten. »Ich liebe deine Menschheit mehr, als du denkst«, schleuderte Atlan ihm ent
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gegen. »Ich dulde nicht, dass du alles zugrunde richtest, was wir gemein sam aufgebaut haben. Nicht VATROX CUUR ist unser Feind: Der Gegner ist VATROX-VAMU, ihn müssen wir be kämpfen!« »Du bist verrückt!«, schleuderte Rho dan dem Freund entgegen. »Begreifst du nicht, dass du beeinflusst wirst?« »Du verstehst nichts, Perry – gar nichts. Du zwingst mich dazu, die Menschheit vor dir zu schützen.« Rhodan spürte die Hand in seinem Nacken, die Finger, die sich zwischen seine Wirbel legten. Er riss den Stab hoch, an dem er die Kartoffel gebraten hatte. Der harte Kunststoff war ange spitzt, womöglich gar mit einem Stück Terkonit verstärkt. Jedenfalls drang er mühelos durch den Hals des Arkoni den. Atlan erstarrte. Er wollte etwas sa gen, aber nur ein Ächzen quoll über sei ne Lippen. Die Hand in Rhodans Nacken wurde kraftlos. Der Arkonide sackte auf die Knie. Er griff nach dem Stab und ver suchte, ihn aus der Wunde herauszurei ßen, aber der Tod kam schneller. Rhodan stand in dem Moment wie erstarrt. Wenn auch aus Notwehr, er hatte den Freund getötet. Dass er keine andere Wahl gesehen hatte – was spielte das für eine Rolle? Wie von Furien gehetzt, warf er sich herum und hastete davon. Er konnte es nicht glauben, aber er floh vor sich selbst. Vor seiner Schuld. Und vor sei ner Verantwortung. * Ein Schatten folgte ihm. Perry Rhodan hörte das Geräusch der Schritte. Es kam nicht näher, es fiel auch nicht zurück. Es war einfach nur da, knirschte auf dem Kies der Wege und wurde leise, sobald er eine der Wie sen oder ein abgeerntetes Feld über querte.
Feueraugen
Wieder wandte er sich um. Niemand war hinter ihm. Auch die Ortungsfunktionen seines SERUNS zeigten nichts an. Bildete er sich nur ein, dass er verfolgt wurde? Weil sein Gewissen rebellierte? Er hatte das Schlimmste getan, was er hatte tun können. Atlan war tot, und das hatte er sich weiß Gott nicht nur eingebildet. »Gucky?«, rief er zögernd. »Wenn du da bist, zeige dich! Hör auf mit diesem Schmierentheater!« Niemand antwortete. Nur das Kräch zen aufgeschreckter Vögel erfüllte die Luft. Keine dreißig Meter entfernt stand ein knorriger Laubbaum. Aus dem bun ten Herbstlaub stoben Hunderte kleiner Vögel auf. Etwas hatte sie erschreckt. Rhodan schaute genauer hin. Nichts. Lediglich einige Blätter taumelten sanft zu Boden. Die Stille kehrte zurück. Er ging weiter. Aber schon nach we nigen Schritten hielt er wieder inne. Jemand war hinter ihm. Er spürte es deutlich. Der oder die Unbekannte starrte ihn an, und es war ein bedroh licher, aggressiver Blick. Er wirbelte herum. Da war niemand. Seine überreizten Sinne hatten ihm einen Streich gespielt. Für ein paar Sekunden erwog er, die In frarotortung einzusetzen, aber er ver warf den Gedanken ebenso schnell wie der. Vielleicht wollte er gar nicht wis sen, ob da wirklich jemand war. Falls er sich den unsichtbaren Verfolger nur einbildete, musste er sich unangenehme Fragen über seine Belastbarkeit stellen. Er wurde nicht damit fertig, dass er At lan getötet hatte. Und je länger er darüber nachdachte: Vielleicht hätte er dem Arkoniden hel fen können. Atlan war zäh und trug ebenfalls einen Aktivatorchip. Es wäre seine Pflicht gewesen, dem Freund bei zustehen, wenigstens einen Medorobo ter zu rufen. Aber die Menschen auf den Feldern
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hatten keine Roboter. Sensen und höl zerne Rechen waren ihre Werkzeuge. Terra-Nostalgiker. Sie suchten das ein fache, ursprüngliche Leben. Menschen wie sie wussten nichts von der Fre quenz-Monarchie. Sie würden auch nie von den unerbittlichen Klonsoldaten und den Vatrox hören. Ein glückliches Volk. Rhodan lachte heiser. Glück war es ebenso, mit zigmillionenfacher Licht geschwindigkeit zwischen den Galaxien zu fliegen, die Berührung der Ewigkeit zu spüren. Wozu war das Universum da, wenn nicht, es zu erforschen? Weiter! Im Laufen aktivierte er das Kombi armband. Kein Funkkontakt kam zu stande, nicht einmal zum technischen Kern der Irene-Lieplich-Station. Er erreichte die nächste Terrasse. Längst war ihm bewusst, dass er die Siedlung verlassen und den Widerstand neu organisieren musste. Und einen Arzt oder Medoroboter musste er zu At lan schicken – wenigstens um das Ge fühl zu haben, dass er nichts unversucht gelassen hatte. Auf die alten Freunde durfte er nun nicht mehr vertrauen. Jeder konnte VATROX-CUUR zum Opfer gefallen sein. Von Atlan hätte er es jedoch am wenigsten erwartet gehabt. Hatte VATROX-CUUR auch Mondra und Tifflor schon überwältigt? Viel leicht war es einer der beiden, der ihm folgte? Mondra? Um Himmels willen, nur das nicht. Rhodan wusste nicht, ob er fähig sein würde, ihr notfalls gewalt sam entgegenzutreten. Er lief weiter. Im Mittelpunkt der Anlage wartete der See. Pral hatte ihn schon einmal hindurchgeführt, aber der Schatten maahk war nicht da. Nicht mehr. Noch nicht. Niemals? Rhodan musste es allein versuchen. Der See hatte ihm den Blick in die tiefs te Vergangenheit von Raum und Zeit
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erlaubt. Er hatte Protogalaxien entste hen sehen und die ersten Sonnen. Licht war in der Schwärze des Raums ent standen, und schließlich war er Andro meda entgegengefallen. Wie ein Ner vengeflecht hatte er das Polyport-Netz der Sterneninsel vor sich gesehen – und das musste ihm auch mit der Milchstra ße gelingen. Mit etwas Glück konnte er dann über den See in das Transportnetz eindringen und Reginald Bull erreichen. Dann stand dem Aufbruch einer neuen großen Flotte nach Andromeda nichts mehr entgegen. VATROX-CUUR suchte die Ausein andersetzung. Er sollte sie haben! Rhodan hatte den Rundweg verlassen und bewegte sich quer durch die Wie sen. Keine dreißig Meter vor ihm lag der See. Geheimnisvoll dunkel wie flüssiges Blei schimmerte die Oberfläche. Nicht ein Windhauch kräuselte das Wasser. Rhodan blieb abrupt stehen. Hinter ihm erklangen Schritte. Sie verharrten ebenfalls, wenn auch merk lich zeitverzögert. Nur ein sehr fernes Echo hätte diesen Unterschied hervor rufen können. Aber die Schritte waren mittlerweile sehr nahe gewesen, nicht einmal mehr fünf Meter hinter ihm. »Jetzt reden wir miteinander!« Rho dan wirbelte herum. Er war nicht überrascht. Oder doch? Er hätte es in dem Moment nicht zu sa gen vermocht. Ein klein wenig fühlte er sich sogar erleichtert, dass er nicht Mondra Diamond gegenüberstand. Gucky bot allerdings ein kaum weni ger erschreckendes Bild. Der Mausbiber hatte den Kopf geho ben und schaute ihn an. Das helle, kräf tig rote Glühen seiner Augen verriet allzu deutlich, dass der Zweite Triumvir der Vatrox Gewalt über ihn hatte. Auf Rhodan wirkte es immer noch, als sähe er die Feueraugen aus Psi-Materie vor sich. Der Anblick war erschreckend und ernüchternd zugleich. So elend hatte der Terraner den
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Mausbiber nie gesehen. Gucky bot ein Bild des Jammers. Noch ein paar Stun den in der Gewalt von VATROX-CUUR, und Gucky würde daran zugrunde ge hen. Sein Fell war räudig geworden. Es hatte keinen Glanz mehr und wirkte grau. Im Gesicht fehlte es büschelwei se. Das Gesicht war nur mehr ein Zerr bild des Mausbibers. Der »Retter des Universums« und »Überall-zugleichTöter« war alt geworden. Schorf ließ seine Wangen eingefallen und krank aussehen. Da war nicht einmal mehr ein Hauch seiner wohlgenährten Fül le. Schmerz drückte sich in jedem Zu cken der schlaffen Gesichtsmuskeln aus. Unwillkürlich wartete Rhodan darauf, einen abgebrochenen Zahn stumpf zu sehen, sobald der Ilt den Mund aufmachte. Aber Gucky schwieg. Er hatte kaum mehr die Kraft, sich auf den Beinen zu halten. Unruhig flappte sein Biberschwanz übers Gras. »Du brauchst Hilfe, Kleiner.« Ob er wollte oder nicht, Rhodan machte einen schnellen Schritt auf den Ilt zu. Nur das Auflodern in Guckys Au gen ließ ihn wieder innehalten. Die Warnung war unmissverständlich. So lange ein Funken Leben in dem Ilt steckte, würde er Rhodan töten. Nur ein Schritt näher, und Gucky würde mit der Wildheit eines in die Enge getriebenen Raubtiers reagieren. Rhodan bezweifelte nicht, dass der Mausbiber ihn sogar in diesem desola ten Zustand jederzeit töten konnte. Ein kurzer telekinetischer Zugriff reichte aus, ihm das Genick zu brechen oder seinen Herzschlag anzuhalten. Er schluckte krampfhaft. Gucky starrte ihn an, als gehe dem Ilt genau das ebenfalls durch den Sinn. »Wie kommst du hierher?« Rhodans Stimme klang fürchterlich belegt und kratzig. Er brachte die Frage kaum über die Lippen. »Warum verfolgst du mich? Sag VATROX-CUUR ... Nein, sag ihm
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nichts. Du musst versuchen, dich von der Beeinflussung zu befreien ...!« Der Ilt verstand ihn nicht. Guckys Gesicht verzerrte sich zur Fratze, eine absurde Travestie, die sich ihren Beifall aus dem Entsetzen des Be trachters holte. Mit beiden Händen fuhr der Ilt sich übers Gesicht. Büschelweise hing das Fell danach an seinen gespreizten Fin gern. Blutige Striemen blieben auf der mumifiziert wirkenden Haut zurück. Gucky schien das nicht einmal mehr wahrzunehmen. Ebenso wenig, dass sein Körper in Wallung geriet. Erst vermutete Rhodan heftige Mus kelzuckungen. Unter Guckys Haut pul sierte das Fleisch. Am deutlichsten fiel es auf seinen Handrücken und an den Armen auf. Geschwülste bildeten sich, flossen zuckend aufeinander zu und vereinten sich. Die Arme wurden länger und kräf tiger. Guckys Schultern wuchsen in die Breite und sprengten den Kampfanzug. Auch der veränderte sich. In dem Moment erkannte Rhodan, dass sich viel mehr abspielte als nur ei ne körperliche Verwandlung des Ilts. Noch wäre Gelegenheit für ihn gewe sen, sich herumzuwerfen und zu flie hen. Er konnte es nicht ... ... und schon gar nicht, als er Guckys neue Gestalt erkannte. Rumpf und Glieder streckten sich weiter. Der Biberschwanz war zu einem kurzen, heftig zitternden Stummel ge worden und schrumpfte weiter, bis er vollends verschwunden war. Und auch das Gesicht. Es war nun menschlich. Das halblange dunkelblonde Haar hing in einigen wirren Strähnen in die Stirn. Ein angenehmer Kontrast zu der leicht gebräunten, glatten Haut. Rhodans Blick blieb an den feinen Lachfalten hängen. Er bemühte sich, ruhig zu atmen. Aber sich selbst hatte
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er lange nicht mehr gegenüberge standen. An sein Robotdouble hatte er sich damals gewöhnt, und auch, dass der Vario-500 sich im letzten Kampf mit Monos seiner Maske bedient hatte, war längst vergessen. Aber das hier, diese erschreckende Verwandlung, die mit Gucky vor sich gegangen war ... »Und?«, fragte Rhodan zögernd. Er erwartete nicht, dass sein Eben bild antwortete. Es war, als blicke er in einen Spiegel. Nur zeigte dieser Spiegel nicht das übliche seitenverkehrte Ab bild, sondern die Realität. Rhodan hob die rechte Hand und tastete mit den Fingerspitzen über die helle Narbe an seinem rechten Nasenflügel. Sein Doppelgänger tat es ihm nicht nach. Auf gewisse Weise wirkte der an dere verstört. Kein Wunder, denn in sei nen Augen loderte das unheimliche Feuer greller als zuvor bei Gucky. War der andere Rhodan sein Dunkles Ich, dem er in der Niemandswelt schon einmal begegnet war? Stumm musterten sie einander. Rho dan versuchte, eine Regung des anderen zu erkennen, doch es gelang ihm nicht. Ein greller Blitz zuckte auf. Einen Sekundenbruchteil später dröhnte der Donner heran. Der Terraner wandte den Blick. Der gesamte Horizont schien in Flammen zu stehen. Ein heftiges Unwetter tobte. Die Wolken glühten im Widerschein der pausenlos zuckenden Blitze. Der See war aufgewühlt. Eine heftige Bö peitschte die Wasseroberfläche. Der sofort einsetzende Sturm trieb die Wel len an Land. Tosend klatschten sie ge gen die Ufermauer und schwappten darüber hinweg. Das Wasser war eine zähflüssige, trä ge Masse. Sie flutete nicht zurück, son dern kroch an der Mauer entlang über den schmalen Grasstreifen, als wohne ihr eigenes Leben inne. Rhodan fühlte sich an das Bioplasma der Posbis erin nert, das als biologisch denkendes Ele
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ment für die natürliche Intelligenz des Robotervolks sorgte. Der See schien mit einem Mal zu ko chen. Blasen stiegen aus der Tiefe auf und zerplatzten an der Oberfläche. Da zu der Sturm, der immer mehr Plasma ans Ufer warf. Das war nicht die Niemandswelt! Jäh wurde Rhodan bewusst, dass VATROX-CUUR auch ihn mental be einflusste. Die Wesenheit setzte alles daran, seinen Widerstand zu brechen. »Warum auf diese Weise?«, fuhr er seinen Doppelgänger an. Der andere war mittlerweile perfekt. Jedes Detail stimmte. Selbst die vorwit zige Haarsträhne, die er links auf der Stirn spürte. »Ich glaube nicht, dass du stumm bist. Also: Was willst du von mir, VATROX-CUUR?« »Du weißt es, Rhodan«, sagte der Doppelgänger. Der Terraner verzog die Mundwinkel. Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht deine Kriegsordon nanz! Ich erwarte, dass alle Angriffe der Frequenz-Monarchie auf das PolyportNetz eingestellt werden. Das gilt für alle Galaxien, nicht nur für Hathorjan und ...« »Du erwartest ...?« Der Doppelgänger rang nach Atem. Es sah aus, als wolle die Glut seiner Augen in einem verzeh renden Feuer detonieren, aber dann verlief sich die Reaktion. Der Gewittersturm tobte nun über dem See. Meterhoch brandeten die Wel len auf, aber sie klatschten nicht mehr so heftig gegen die Ufermauer. Rhodan glaubte zu erkennen, dass das Plasma weniger wurde. In diesem brodelnden Chaos schien es zu verdampfen, als Gischt zu verwehen. »Diebe und Mörder haben keine For derungen zu stellen!«, keuchte der Dop pelgänger. »Die Terraner werden bedin gungslos mit der Frequenz-Monarchie zusammenarbeiten.« »Oder?«, wollte Rhodan wissen.
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Der See, diese zähflüssige brodelnde Masse, war zumindest ein Sinnbild für die Mentalsubstanz des Gegners. »Oder die Terraner werden ausge löscht. Das Universum wird euch nicht vermissen. In einigen Tausend Jahren werden andere die leere Nische beset zen. Wesen, die es wert sein werden, den Vatrox zu dienen.« Der Doppelgänger redete stockend, als müsse er immer wieder neue Kraft schöpfen. Rhodan horchte auf die Stimme und beobachtete den See. Das Bioplasma bäumte sich bei jeder Drohung auf und sackte zurück, sobald der falsche Terraner eine Pause mach te. Kein Zweifel: Der See war VATROX CUUR! Zumindest eine bildliche, meta phorische Darstellung der Wesenheit und des in ihr vereinten Vamu. Noch etwas wurde Perry Rhodan in diesen Sekunden bewusst. Wenn VATROX-CUUR ihm diese Welt vor gaukelte, hatte er sie seiner Nahtod-Er fahrung entnommen. Die Erinnerung daran war immer noch eine der inten sivsten der letzten Monate. Tief hatte sich das alles in sein Unterbewusstsein gegraben. »Du wirst meine Entscheidung nicht beeinflussen, VATROX-CUUR«, sagte Rhodan schroff. »Für dich steht viel auf dem Spiel. Wir werden über ein Rück zugsgebiet sprechen, in dem die Fre quenz-Monarchie ...« »Du bist übergeschnappt!«, brauste der Doppelgänger auf. »Wenn die Vatrox lange genug ihren guten Willen bewiesen haben, werden sie auch eine Chance erhalten, in die Gemeinschaft aufgenommen ...« »Du vergisst VATROX-VAMU!« Rhodan überlegte fieberhaft. Er war inzwischen nahezu sicher, dass die Nie mandswelt diesmal nur in seiner Vor stellung existierte. VATROX-CUUR zwang sie ihm auf. Wenn dem so war, befand er sich noch in der Zentrale der JULES VERNE-2 ...
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»VATROX-VAMU ist nicht mein Geg ner«, stellte er unumwunden fest. »Die Gefahr, die uns allen durch VATROX-VAMU droht, kannst du gar nicht abschätzen«, widersprach der Doppelgänger heftig. »Sobald du es kannst, wird es für dich und deinesglei chen aber zu spät sein. Zu spät, um zu bereuen.« Rhodan hörte schon nicht mehr hin. Er versuchte, alles um sich herum aus zublenden, sich nur auf das Wesentliche zu konzentrieren. Abschalten!
Ignorieren, was nicht Bestand hatte!
Der Sturm wurde leiser. Rhodan spürte seine innere Ruhe wachsen. Er hörte das Blut in seinen Adern, ein be ruhigendes, gleichmäßiges Rauschen. Unendlich vertraut und beruhigend sein gleichmäßiges Atmen. Das Gewitter rückte in weite Ferne. Er nahm die Blitze schon nicht mehr wahr, das Tosen des aufgewühlten Plas mas verstummte ... * Perry Rhodan spürte, dass er sich wieder in der Zentrale befand. Eigent lich hatte er sie nie verlassen. Womög lich war alles, was er in der Irene-Lie plich-Siedlung erlebt zu haben glaubte, die erzwungene Vision eines einzigen Augenblicks gewesen. Nicht ablenken lassen!, ermahnte er sich. Seine Lider flatterten. Eigenartig un wirklich erschien ihm die Zentrale, so transparent, als könne er durch die Sta tionen und die Wände einfach hin durchgehen. Er versuchte es gar nicht. Da war ein strahlendes Leuchten. Er konzentrierte sich darauf und ging ei nige Schritte näher, weil in der Hellig keit menschliche Umrisse kondensier ten. Dieser Schemen – das war er selbst. Er hantierte an einem Terminal, und in sei
nen Augen loderte helles rotes Feuer. Rhodan verstand nicht, was da ge schah. Er stand hier, sich seiner Exis tenz vollauf bewusst, aber er sah sich zugleich nicht weiter als fünf Meter entfernt. Ausgeschlossen, dass er sich sogar das einbildete. Der Rhodan, den er an dem Terminal sah, schien echt zu sein. Er selbst war ebenfalls echt. Entsetzt erkannte er, was der andere an dem Terminal machte. Sein Doppel gänger arbeitete mit der Überrang-An weisung und war im Begriff, die Schutz schirme der JULES VERNE auszu schalten und ihren Neuaufbau zu blockieren. Ein Blick auf die Ortungsanzeigen trieb Rhodan den Schweiß auf die Stirn. Ringsum tobte eine erbitterte Raum schlacht, die vermutlich die Entschei dung bringen würde. Er stürmte vorwärts. Bevor er sich jedoch auf den Doppelgänger stürzen und ihn an seinem mörderischen Tun hindern konnte, wandte der sich um. Rhodan blickte in die glühenden Augen seines Ebenbilds ... Er fiel zurück in die Niemandswelt. Verzweifelt versuchte er, sich wieder zu konzentrieren. Er musste an die PsiMaterie-Kugeln in seiner Brusttasche herankommen. Aber nicht in dieser Scheinwelt. Die Glasmurmeln, wie er sie nannte, existierten in der JULES VERNE. Statusabfrage Hibernation-5/25. Ap ril 1463 NGZ, 14.00 Standardzeit. Kommandeur: Lingam Tennar/Ha luter. Zielstatus: Hibernation-5 massiv strukturell beschädigt, Oberfläche ver brannt, Wachflotte (10.000 Schlacht lichter) vernichtet. Verluste: 2800 Fragmentraumer/Pos bis, 9400 Walzenschiffe/Maahks, 4100 Kugelraumer/Tefroder. Status der Krathviras: rund 127 Mil lionen Vamu-Einheiten.
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6. JULES VERNE-1 25. April 1463 NGZ, 14.58 Uhr Wir dürfen FATICO nicht verlieren!, raunte Atlans Extrasinn. Das Einfalls tor für die Frequenz-Monarchie nach Andromeda stünde sperrangelweit of fen. Glaubst du, ich weiß das nicht? Der Arkonide, sonst die Ruhe und eiskalte Gelassenheit in Person, reagierte ge reizt. Die Ortungen zeichneten ein surre ales Schlachtengemälde. Selbst mit po sitronischer Unterstützung war es schwer geworden, auch nur annähernd den Überblick zu bewahren. Mit hal ber Lichtgeschwindigkeit jagten die Schlachtschiffe durch den Raum. Pas siergefechte nahmen oft nur Sekunden in Anspruch, die Besatzungen waren ihren Bordrechnern ausgeliefert. Ent scheidungen mussten schneller getrof fen werden, als menschliche Sinne dies erlaubten, und das galt ebenso für Maahks und Tefroder, für Arkoniden, Blues und alle anderen. Tausende Schiffe gingen gleichzeitig in den Überlichtflug. In Sekunden über wanden sie Millionen Kilometer. Sobald sie in den Einsteinraum zurückfielen, hatten sie schon neue Positionen einge nommen, die ihnen strategische Über legenheit sichern sollten. Einzelne Schlachtschiffe materiali sierten zwischen gegnerischen Pulks und eröffneten sofort das Feuer. Stets entschieden Sekundenbruchteile über Leben und Tod. Es war eine kalte Schlacht, in der Menschen nur Beiwerk waren. Ge schwindigkeit, Präzision und Planung zählten. Atlan sah Maahkwalzen, die in eis kalter Berechnung Schlachtlichter der Frequenz-Monarchie rammten. Für die Maahks zählte Effektivität, ihre eigene Existenz stand hinter logischer Planung zurück.
Blues vollzogen ähnliche Manöver mit unbemannten Beibooten. Dazwischen immer mehr Notrufe von Havaristen. Aber keine der Frequenz-Monarchie. Nicht einmal im Angesicht des endgül tigen Todes flehten die Darturka und Vatrox um ihr Leben. Und immer noch keine Antwort von der JULES VERNE-2 und dem ange koppelten Mittelteil. »Was treibt Perry da drüben? Und Tiff dazu?« Atlan taxierte die Ortungs daten, die das Schiff knapp über der Sonnentarnung des Handelssterns zeigten. »Ich möchte wissen, was die vorhaben.« Seit Minuten flog die JULES VERNE auf unverändertem Kurs. Das Schiff be schleunigte nicht, es traf keine Anstal ten, in den Überlichtflug zu gehen. Le diglich der Schutzschirm war akti viert. Lange konnte dieser Status quo aber nicht mehr Bestand haben. Schlacht lichter und mehrere Hundert Einheiten der Alliierten näherten sich der JULES VERNE. Atlan hatte schon versucht, die bei den zusammengekoppelten Einheiten zu erreichen. Aber seine JULES VER NE-1 und die Begleitschiffe waren von mehreren Schlachtlichtern angegriffen worden. Nur knapp schaffte es die Ku gelzelle, sich mit hoher Beschleunigung abzusetzen. Ungläubig beobachtete der Arkonide die Energieortung. Die Schutzschirme der JULES VER NE verloren an Leistung. Sie wurden heruntergefahren, waren nach zwei oder drei Sekunden erloschen und wur den nicht wieder aufgebaut. Beide Einheiten trieben schutzlos durch den Raum. »Notfallorder an die nächststehenden Flottenteile: JULES VERNE gegen An griffe von Schlachtlichtern abschirmen! Totalausfall der Schirmfelder im Mit telteil und in Zelle zwei!«
Feueraugen
Atlan ließ den Befehl mehrmals wie derholen. Knapp zwanzig Sekunden später ging die JULES VERNE-1 in den Über lichtflug und fiel nur wenige Lichtse kunden vor den beiden gekoppelten Segmenten zurück. Die Zahl der Ortungsreflexe in die sem Bereich stieg schnell an. JULES VERNE 25. April 1463 NGZ, 11.15 Uhr Die Niemandswelt hielt ihn fest. Perry Rhodan schaffte es nicht, in die JULES VERNE-2 zurückzukeh ren. Mehrmals schien das Land sich aufzulösen, vermischten sich die fahler werdenden Konturen mit der durch scheinenden Raumschiffzentrale, aber jedes Mal wurde Rhodan zurückge rissen. Der See hielt ihn zurück. Er spürte es, doch er kam nicht dagegen an. Das Gewitter gewann wieder an Hef tigkeit. Im Widerschein der Blitze sah der Terraner den See brodeln. Hier und da schienen Arme aus der Plasmamasse aufzuwachsen. Krallenfinger griffen in den Himmel und verwehten mit der nächsten Sturmbö. Rhodan wusste nicht, ob er das wirk lich sah oder ob der permanente Wech sel von Licht und Schatten ihn narrte. Eben noch hoch aufwallend, zog sich das Plasma im nächsten Moment wie der zurück. Die Substanz verlor an Masse, löste sich auf. Ein mehrere Meter breiter Uferstreifen fiel beinahe schlag artig trocken. Rhodan hatte wahrgenommen, dass der See ihn zurückhalten wollte. Nun registrierte er ebenso, dass die Kräfte der schrumpfenden Substanz nachlie ßen. Er konzentrierte sich ... ... sah die Umrisse der Zentrale vor sich, die Männer und Frauen immer noch besinnungslos auf ihren Plät zen ...
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... aber das alles verschwamm schon wieder vor ihm. Er schafft es nicht. Wieder stürmte er vorwärts, als kön ne er ein paar Schritte weiter vordrin gen. Abermals stieß er auf fester wer denden Widerstand, der ihn abfing und zurückstieß. VATROX-CUUR! Ganz ruhig waren seine Gedanken, eisig kalt sogar. Dafür wirst du bezahlen! Rhodan erwartete nicht, dass der Zweite Triumvir darauf reagierte. Aber womöglich war es eine Art Antwort, dass er sein Ebenbild wieder in der Zentrale stehen sah. Das Leuchten, das seinen Doppelgänger anfangs umgeben hatte, war fahl geworden. Rhodan musste genau hinsehen, um diese Aura überhaupt noch zu erkennen. Sein Ebenbild wandte sich in dem Moment um. Die Feueraugen starrten den Terraner an. Es war ein brennender, stechender Blick, als ob er allein damit bereits töten könne. Aber dann hob der andere nur die Hand zu einer Geste, als wolle er ein lästiges Insekt beiseite scheuchen. Im Hintergrund zuckte der Wider schein einiger Blitze auf. Ein heller werdendes Leuchten breitete sich dort aus. Rhodans Doppelgänger zuckte wie unter einem plötzlichen körperlichen Schmerz zusammen. Die erhobene Hand sank kraftlos herab. Der Terraner verstand. Das grell werdende Leuchten stamm te von einem Krathvira. Es sprang aus den Statusholos herab und verriet, dass das Vamu Tausender Vatrox von den ÜBSEF-Sammlern eingefangen wurde. Rhodan vermochte nicht zu sagen, wie viele Psi-Materie-Kugeln noch vorhan den waren. Aber vielleicht hatte soeben jemand einen der letzten Torpedos ge zündet. VATROX-CUUR blufft. Das wurde Perry Rhodan in der Sekunde deutlich. Der Zweite Triumvir war bis zu einem
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gewissen Grad die Summe aller Vatrox. Demnach musste VATROX-CUUR schon deutlich geschwächt gewesen sein, als er Gucky in seinen Bann ge schlagen und Rhodan angegriffen hatte. Immerhin hatten die Krathviras schon während der Angriffe auf die Hiberna tionswelten enorm viel Vamu eingefan gen. Als weitere Vatrox ihr Leben beende ten und ihr Vamu aufgesogen wurde, geriet das Vatrox-Kollektivwesen ans Ende seiner Macht. Für Rhodan war es, als verdichte sich eine Holoprojektion zu materieller Existenz. Eben noch war die Zentrale für ihn nur schemenhaft gewesen, nun nahm sie ihn wieder auf. Der letzte Hauch der Niemandswelt verwehte. Ihm war, als sei keine Zeit vergangen. Reglos lagen die Besatzungsmitglieder in ihren Sesseln. Der eine oder andere war auf dem Boden zusammengebro chen. Einige Medoroboter kümmerten sich um die Bewusstlosen. Rhodans Blick fiel auf die Zeitanzei ge. 15.12 Uhr. Er entsann sich nicht, wann er in die Niemandswelt verschla gen worden war, aber eine halbe Stun de war seitdem mindestens verstri chen. Ein gereiztes Fauchen ließ ihn aufse hen. Ramoz war wach. Aber der Luchsar tige kauerte nicht bei Mondra und war tete darauf, dass sie ebenfalls das Be wusstsein wiedererlangte – er hatte den Doppelgänger gestellt, der durch die Zentrale taumelte, und attackierte ihn. Immer wieder schnappte Ramoz nach den Beinen des anderen. Wirklich zuzu beißen wagte er allerdings nicht. Rhodan erschrak, als er sein Eben bild sah. Der Mann wirkte um Jahre, wenn nicht gar um Jahrzehnte gealtert. Das Haar war schütter geworden und fast schlohweiß. Sein Gesicht wirkte fleckig, wie von Geschwüren zerfressen. Eine verkrüppelte Hand schlug nach Ramoz, verfehlte ihn jedoch.
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Fühlte der andere, dass Rhodan ihn musterte? Er richtete sich ruckartig aus seiner gebückten Haltung auf. Das Rote in seinen Augen war matt geworden, aber noch immer waren Augapfel und Pupille eins. »Gucky?«, fragte Rhodan. Der andere starrte ihn an. Ein Stück seines Gesichts verrutschte; alles an ihm wirkte mit einem Mal schief. Er wollte etwas sagen, brachte aber nur ein unverständliches Stammeln hervor. Mit dem Handrücken wischte er sich über den Mund. Rhodan stockte der Atem, als die hal be Unterlippe und mehrere Zähne sei nes Doppelgängers nach vorn klappten. Wie Fremdkörper klebten sie an dem verunstalteten Gesicht. »Was ist mit Gucky geschehen?« Keine Antwort. Nur ein verständnis loses Frankenstein-Grinsen. Rhodan griff endlich in die Brustta sche seines SERUNS und zog eine der beiden Glasmurmeln heraus. Mit einem knappen Gedankenbefehl zündete er die mit der Suggestion zur Selbstentlei bung programmierte Kugel. Sie löste sich zwischen seinen Fingern auf. Nahezu augenblicklich sah er die Re aktion im Holo. Die Energiekugel über dem Krathvira leuchtete extrem hell. Mondra richtete sich in ihrem Sessel auf. Benommen schaute sie sich um. Sie wirkte verwirrt, als sie Rhodan sah und seinen körperlich verfallenden Doppel gänger, der sich kaum mehr auf den Beinen halten konnte. Auch Julian Tifflor war wieder zu sich gekommen. Er schwang sich aus dem Kontursessel und lief auf den falschen Rhodan zu. Dabei rief er nach einem Medoroboter. Ein anderer war schneller. Lloyd/ Tschubai materialisierte zwischen den beiden mittlerweile so unterschied lichen Männern. Der Blick des Konzepts taxierte Rhodan, sprang weiter zu dem anderen, und dann machte Lloyd/ Tschubai zwei schnelle Schritte auf den
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Doppelgänger zu, ergriff ihn mit beiden Händen am Arm und teleportierte. Zwischenspiel
Schlachtturm VART
Frequenzfolger Sinnafoch fror. Noch vor kurzer Zeit war ihm diese innere Kälte unbekannt gewesen. Sie signalisierte einen schweren Verlust. Plötzlich aber fror er erbärmlich, und er fühlte sich gelähmt, schlimmer als nach einer sehr langen Periode des To desschlafs. VATROX-CUUR hatte sich soeben verflüchtigt. Die Präsenz des Zweiten Triumvirs war erloschen. Ein unglaub licher, geradezu unbegreiflicher Vor gang, hätte Sinnafoch nicht selbst eben falls den nahezu unwiderstehlichen Drang verspürt, sein Vamu freizuset zen. Er war nahe daran gewesen, den Kör per zurückzulassen, den er erst vor Kurzem erhalten hatte. Ein neues Le ben war eine neue Chance, sich zu be währen. Was hätte er dabei schon ver loren? Nichts. Nicht einmal ein prächtig gewachsenes Pigasoshaar. Dennoch war es ihm im letzten Mo ment gelungen, dem schier übermächtig werdenden Drang zur Selbstentleibung
zu widerstehen. Diesmal hätte es keine Wiedergeburt für ihn gegeben, keinen neuen Körper, der sich ebenso anfühlte wie vielleicht schon dreißig vorher. Er kannte die genaue Zahl nicht, aber letztlich war das auch unerheblich. Sinnafoch fürchtete nichts mehr, als in einem Seelen-Kerker zu enden. Er konnte diesen Zustand nicht einschät zen. Das waren weder Tod noch Leben und bestimmt keine Hibernation, die Jahrzehntausende wie eine Nacht er scheinen ließen. Die Terraner raubten das Vamu. Ein grausames Verbrechen. Sinnafoch fragte sich, wie mindere, vamulose Lebewesen überhaupt zu so einer Tat fähig sein konnten. Sie waren Verbrecher. Er beruhigte sich schnell wieder. Die unglaublich hohe Zahl der geraubten Vamu, weit mehr als eine Milliarde Vatrox, machte die Tat zum unbegreif lichen Verbrechen. Was bedeutete da schon, dass er selbst dafür gesorgt hat te, dass Frequenzmittler Cedosmo starb und eingekerkert wurde. Das war ein unerheblicher Einzelfall. Zudem hatte Cedosmo ihn bedroht und gedemütigt. Sinnafoch musste die Auswertungen nicht mehr sehen, um zu wissen, dass die Schlacht um den Handelsstern ver loren war. Immer mehr Schlachtlichter
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und sogar Schlachttürme endeten als expandierende Gaswolken, nachdem Vatrox in freudigem Eifer die Selbst vernichtungsschaltungen aktiviert hat ten. In Hathorjan gab es für Sinnafoch nichts mehr zu tun. Die Schlacht war geschlagen und verloren. Es galt, sich auf die nächste vorzubereiten. Er schaute zu den Panoramaholos auf. Die Angreifer waren der VART schon sehr nahe. Ihre Verluste mussten enorm hoch sein, aber sie machten sich nichts daraus. Das ließ sie beinahe wie Vatrox erscheinen. Ein unpassender Vergleich. Wenn Terraner starben, kamen sie niemals wieder. Obwohl der endgültige Tod für Sinnafoch eine unglaubliche Verschwendung darstellte, war es in diesem Falle gut so. Er betätigte seinen Controller. Mit wenigen Schaltungen aktivierte er eine von VART abgehende Transmit terverbindung für drei Personen. Sofort danach berief er Kruuper in die Trans mitterhalle. Ohne länger zu zögern, erhob er sich aus seinem Sessel. Die Kampfschiffe der Galaktiker ka men schnell näher. Sie waren nicht mehr aufzuhalten. Daran änderte auch nichts, dass ihre Zahl schon deutlich dezimiert worden war. Philip fiepte zufrieden, als Sinnafoch ihn mit einer knappen Geste auf scheuchte. Seite an Seite verließen sie die Zentrale der VART. Sinnafoch nutzte einen Transport schweber, um mit Philip schnell den Transmitter zu erreichen. Kruuper traf nur wenige Augenblicke nach dem Fre quenzfolger ein. Gerade rechtzeitig, denn Sinnafoch wartete auf nieman den. Zögerte Kruuper, die Transmitterflä che zu betreten? Der Vatrox verpasste ihm einen kräftigen Stoß in den Rücken, der den Okrivar vorwärts taumeln ließ. Über den Controller schaltete Sin
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nafoch eine Strukturlücke im Schutz schirm der VART, dann aktivierte er den Transmitter. Das Ziel war FATICO. JULES VERNE 25. April 1463 NGZ, 15.17 Uhr Bis auf einzelne Ausnahmen, Besat zungsmitglieder, die mit anhaltendem Brummschädel aus der Bewusstlosig keit aufgewacht waren und nun in den Medokliniken untersucht wurden, wa ren alle an Bord der JULES VERNE wieder wohlauf. Die Schlacht war so gut wie geschla gen. Nur kleinere Verbände hatten sich von den Schiffen der Frequenz-Monar chie noch nicht gelöst. Dass die JULES VERNE für kurze Zeit ohne Schutzschirm zum Ziel meh rerer Schlachtlichter geworden war, entlockte den meisten in der Zentrale nur ein Achselzucken. »Was hätten wir daran ändern kön nen?« Die Frage des Ersten Offiziers, Oberstleutnant Luuk, klang Rhodan noch in den Ohren. Ebenso die Antwort, die der Plophoser selbst darauf gegeben hatte: »Wenn wir Galaktiker uns nicht einer auf den anderen verlassen kön nen, wer dann?« Über Hyperkom hatte Rhodan ein kurzes klärendes Gespräch mit Atlan geführt. Inzwischen grinste Gucky aus dem Übertragungsholo. Nachdenklich klopfte der Ilt mit einem Finger auf sei nen Nagezahn. »Ich habe alles mitgekriegt, Perry. Hast du wirklich geglaubt, dieses VATROX-Sammelwesen könnte mich so einfach überwältigen? Ausgerechnet mich? Du kennst mich doch, du weißt, wie ich hier in Andromeda genannt wurde ...« »Das ist lange her.« Rhodan unter brach den Redefluss. »Ein paar Jährchen«, schränkte Gu cky ein.
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»Ein paar Jahrtausendjährchen«, be richtigte Rhodan. »Wo warst du, als wir dich diesmal gebraucht hätten?« »Wo ...?«, dehnte der Mausbiber. »Genau das interessiert mich. Viel leicht bist du auch nur ein Trugbild von VATROX-CUUR und ...« »Bitte, Perry!«, begehrte der Ilt auf. »Ich bin echt. Wenn du mir das nicht glaubst ...« Er zwickte sich in den linken Oberarm. »Das tut weh. Bestimmt.« »Heraus mit der Sprache: Was war los mit dir?«, drängte der Terraner. »Eigentlich ... nicht viel«, gestand Gucky schon deutlich leiser. »Ich war bei RourSi. Bei ihm sah ich diese großen roten Feueraugen und ...« »... und du warst dem Triumvir ver fallen«, wandte Mondra Diamond ein. Gucky schüttelte den Kopf. »Erst vor ein paar Minuten bin ich wieder zu mir gekommen. In RourSis Kabine. Aber der Atto war fort, er ... Ich fürchte, RourSi stand unter VATROX-CUURS Einfluss. Die beiden haben mich be täubt, dann hat RourSi meine Gestalt angenommen. So muss es gewesen sein. Der Kerl beherrscht den Gestaltwandel perfekt. Oh verflixt, ich könnte mir in den Schwanz beißen, dass ich das nicht sofort bemerkt habe. RourSi hatte sich nur Minuten zuvor in meinem Beisein verändert. Das verstößt so sehr gegen seinen Kodex. – Wo ist der Atto jetzt?« »Da, wo er hingehört.« Lloyd/ Tschubai trat in den Erfassungsbereich des Hyperkoms. »Wo?«, drängte Gucky. »Verrat’s mir schon, du Doppelmensch. Ich muss RourSi sehen.« »Er ist ziemlich durcheinander«, sagte das Konzept. »Er hatte seine Fä higkeiten schon nicht mehr unter Kon trolle, deshalb bin ich mit ihm direkt zum Krathvira teleportiert. Zu dem Zeitpunkt war er schon eine ziemlich derangierte Perry-Kopie. Inzwischen befindet er sich hier in der Medostati on.« »Sag’s doch gleich!«, rief Gucky.
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»Schaltet eine Strukturlücke im Schirm! Ich komme an Bord.« Es dauerte keine fünf Minuten, dann materialisierte der Ilt gemeinsam mit dem Atto in der Zentrale der JULES VERNE-2. Mit einem Finger dirigierte er den offensichtlich völlig verwirrten RourSi auf Rhodan zu. »Sag’s ihm!«, krähte er. »Na los, mein Freund. Sag Perry, wie das alles war!« RourSi brachte nicht ein verständli ches Wort hervor. Sekunden später gellte der Alarm. * Oberstleutnant Pecker gestikulierte heftig. Der Marsianer, Leiter der Abtei lung Funk und Ortung der JULES VER NE-2, glaubte offenbar, seine geringe Körpergröße durch Lebhaftigkeit kom pensieren zu müssen. Rhodan wusste allerdings, dass Marin Pecker selbst in den hektischsten Situationen nie den Überblick verlor. »Wir messen eindeutig Charakteristi ka an, die jenen der Transferkamine eines Polyport-Hofs gleichen. Wie ge habt: Es könnten Dakkar- oder Hyper sexta-Halbspurphänomene sein, wahr scheinlich ein Hang zum sechsdimensi onalen Bereich.« »Treffend indifferent«, kommentierte Tifflor. »Mit anderen Worten: Genaues wissen wir nicht.« Der Alarm war wegen einer Verände rung auf der Sonnenoberfläche ausge löst worden. Ein gut fünfhundert Kilo meter durchmessender dunkler Bereich, vom Aussehen her ein Sonnenfleck, war innerhalb weniger Sekunden entstan den und hatte sich ebenso schnell wei ter verändert. Der Fleck emittierte ex trem ultrahochfrequente Strahlung des hyperenergetischen Spektrums. Er war bereits zu einem blauen Etwas gewor den, einem schlauchartigen Gebilde, dessen Rand sich permanent weiter nach außen stülpte und eine immer noch anwachsende Strahlung abgab.
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»Dieser Riesentunnel wächst der JULES VERNE entgegen!«, meldete die Ortung. »Soeben entsteht ein zweites identisches Gebilde. Exakt dieselben Emissionen ...« Der Handelsstern wird aktiv!, durch zuckte es Rhodan. Die Frequenz-Mon archie hat immer noch die Kontrolle über FATICO. »Ein Schlachtturm materialisiert! Distanz knapp eine Million Kilometer. Schlachtturm reagiert nicht auf unsere Nähe, keine auftreffende Ortung. Schiff nimmt Kurs auf den zweiten Tun nelschlauch ...« Rhodan fragte sich in der Sekunde, warum er überhaupt so lange gezögert hatte. »Ausweichmanöver!«, brüllte er. »Weg hier! Der Tunnel darf uns nicht erwischen!« Er wandte sich an Gucky und den Atto, die beide in dem Moment ziemlich verloren wirkten. Was immer RourSi eben hatte sagen wollen, er bekam kei ne Gelegenheit dazu. »Raus ihr beiden! Sofort! Rüber zu Atlan!« Gucky warf ihm einen verzweifelten Blick zu. Für einen Sekundenbruchteil hatte Rhodan den Eindruck, dass der Ilt lieber an Bord bleiben wollte, aber dann griff Gucky nach RourSi, und beide ent materialisierten. Die JULES VERNE-1 beschleunigte bereits und drehte ab. Atlan hatte über die bestehende Konferenzschaltung mitgehört. Rhodan achtete nicht auf das Holo des Arkoniden. Seine Aufmerksamkeit galt aus schließlich der heranschnellenden Tun nelröhre. Die JULES VERNE beschleu nigte viel zu schwerfällig, um ... »Ultrastarke Traktorstrahlen haben das Schiff erfasst!«, meldete Oberst leutnant Pecker. »Wir kommen nicht dagegen an, werden bereits zur Tunnel röhre gezogen ...« »Wie lange bis zum Eintritt?«, rief je mand im Hintergrund.
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»Sieben Sekunden ... sechs ...« Rhodan fischte die letzte Glasmurmel aus seiner Brusttasche. Er zündete die Psi-Materie, kaum dass er die Kugel vor Augen hatte. Nichts, aber auch gar nichts konnte er damit aufhalten. Der riesige Transferkamin schluckte den Schiffsverbund, die große Kugel der JULES VERNE-2 und das zylinder förmige Mittelteil. Rhodan spürte sofort, dass etwas an ders verlief als während eines üblichen Polyport-Transfers. Er hatte das entsetzliche Gefühl, dass sich sein Inneres nach außen kehrte. JULES VERNE-1 25. April 1463 NGZ, 15.33 Uhr »Knapp«, sagte Atlan. »Das war in der Tat sehr knapp.« Der riesige Transferkamin hatte die JULES VERNE-1 wirklich nur um we nige Tausend Kilometer verfehlt, wäh rend der Verbund der beiden anderen Segmente unaufhaltsam in dem Tunnel verschwunden war. Die Ortung hatte noch einen blen dend grellen Lichtblitz registriert und einen immens hohen hyperphysika lischen Strahlungsanteil angemessen, dann war die JULES VERNE ver schwunden. Sekunden später erlosch der Tunnel. Gucky hatte es gerade noch mit RourSi in die Zentrale geschafft. Der Maus biber war zusammengebrochen und hatte in den wenigen Minuten seither die Besinnung nicht zurückerlangt. RourSi zitterte am ganzen Körper und starrte unverwandt auf die Panorama holos. Keinen Laut gab er von sich. Um beide kümmerten sich mittler weile Medoroboter. Atlan erhielt die nächsten Meldungen. Eigentlich bestätigten sie nur, was er ohnehin als gegeben angenommen hat te.
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Die Schlacht gegen die FrequenzMonarchie war siegreich geschlagen. Das entscheidende Moment, so die Aus wertungen einiger Tausend Einzelmes sungen, war das Erlöschen VATROX CUURS gewesen. Eigentlich unvor stellbar, dass es so leicht gewesen sein konnte, diese Wesenheit zu besiegen. Unmittelbar danach hatte bei den »ÜBSEF-Sammlern« ein wahres Strah lengewitter begonnen, in dessen Folge Hunderte Schlachtlichter von ihren Be satzungen offenbar durch Selbstver nichtungsschaltungen zerstört worden waren. Die Vatrox hatten es vorgezogen, ih rem Zweiten Triumvir zu folgen. Es gab keine Wiedergeburt für die Vatrox, nur die Gefangenschaft. Trotz dieses schnellen Endes waren die eigenen Verluste hoch. Im Bereich des Handelssterns befanden sich nur noch rund 38.600 Schiffe aller beteilig ten Völker. Die Suche nach Überlebenden be gann. Atlan und die JULES VERNE-1 be teiligten sich allerdings nicht daran. Der Arkonide machte sich zu große Sor gen um Rhodans Verschwinden. Alle Versuche, wieder in den Handelsstern vorzustoßen, scheiterten kläglich. Immerhin schien FATICO sämtliche Aktivitäten eingestellt zu haben. Es gab nicht den geringsten Ortungsbeleg da für, dass im Innern der falschen Sonne noch Maschinen arbeiteten. Damit war der erste Schritt hin zur Normalität in Andromeda getan. Wei tere große Anstrengungen mussten fol gen. Atlan war überzeugt davon, dass die Völker Hathorjans den richtigen Weg eingeschlagen hatten. Die Einheit ihrer Galaxis war wohl nur mehr eine Frage der Zeit. Besonders deutlich erkannte das der Arkonide, als RourSi zu ihm kam. Der Atto hatte sich inzwischen wieder ge fasst. Er unterbreitete Atlan einen überaus interessanten Vorschlag.
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Trotzdem waren die Gedanken des Arkoniden bei Perry Rhodan und der JULES VERNE. Der Terraner hatte schon ganz ande re Gefahren überstanden. Er war oft erst nach langer Zeit zurückgekehrt, aber er hatte immer den Weg zurück in die Heimat gefunden. Das Solsystem wartete auf ihn. Statusabfrage Hibernation-6/25. Ap ril 1463 NGZ, 14.00 Standardzeit. Kommandeur: Atlan da Gonozal/Ar konide. Zielstatus: Hibernation-6 vernichtet, Distribut-Depot LORRAND auf Hö he der zehnten Planetenbahn in einem Sonnenabstand von 2,4 Milliarden Kilometern, Feindeinheiten (14.500 Schlachtlichter) vernichtet, 500 Feind einheiten konnten fliehen. Verluste: 1500 Fragmentraumer/Pos bis, 11.300 Walzenschiffe/Maahks, 4700 Kugelraumer/Tefroder. Status der Krathviras: rund 416 Mil lionen Vamu-Einheiten. Epilog (I) Atlan warf einen Blick auf die Zeit-
Die Welt des
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anzeige. Es war 12 Uhr mittags, der 26. April. Der Atto hatte bewusst diese Uhrzeit gewählt. Es war der Tag eins nach dem Angriff auf die Hibernations welten. RourSi redete zu allen beteiligten Völkern. Für jedes Volk war er einer der ihren. So, wie er es immer schon gehandhabt hatte. Das Aussehen, hatte er erklärt, unterstützte die Wirkung des Gesagten. Noch dazu das Gefühl jedes Zuhörers, in der eigenen Sprache angesprochen zu werden. Das machte die Botschaft bes ser, eindrucksvoller und wirksamer als jeder Translator. Um gleichzeitig alle Völker Hathor jans zu erreichen, hatte der Atto die un terschiedlichen Versionen aufzeichnen lassen. Atlan argwöhnte, dass RourSi damit nicht gerade wenig dazu beitrug, dass er selbst eines Tages zur Legende wur de. Es würde sich schnell herumspre chen, dass RourSi in mehr als zwei Dut zend verschiedenen Gestalten zu den Besatzungen aller Raumschiffe gespro chen hatte. Und das zur selben Zeit. Die technische Erklärung dafür lag auf der Hand. Wer jedoch das Besonde re glauben wollte, der verwarf jeden Gedanken an Kristallspeicher, Positro niken und Sendefrequenzen. Atlan war überzeugt davon, dass viele daran glauben würden. Die Zeit war reif dafür, und der Atto hatte das treffend erkannt. »Mein Name ist RourSi, ich bin der Legendensammler. Ihr habt sicher schon von mir gehört. Ich wurde auf dem Pla neten Attorua im Sektor Jessytop gebo ren und bin ein Wesen dieser Galaxis. Ich stamme also aus Hathorjan, Ka rahol, der Großen Insel, dem Alten Ne bel, aus Andromeda, wie auch immer wir unsere Heimat bezeichnen oder wie sie lange vor unserer Zeit genannt wur de. Mein Volk weiß nicht, ob es auf At torua entstanden oder irgendwann auf
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diesen Planeten verschlagen wurde, den wir als unsere Heimat ansehen. So sind viele Völker nach Hathorjan eingewan dert. Einige kennen nur ihre Geschich te, andere haben sogar noch ihre Legen den, wieder andere haben ihre Herkunft vergessen. Aber alle leben hier seit un gezählten Planetenumläufen gemein sam, mal mehr, mal weniger gut.« RourSi legte eine kurze Pause ein. Zeit genug, um die Einleitung setzen zu lassen. »Ich spreche zu euch, weil ihr zu mir gesprochen habt. Ich war in vielen Ge stalten bei euch und habe euch zuge hört. Ich habe eure alten Geschichten gesammelt und zugleich eure Erfah rungen, damit andere sie eines Tags hö ren und verstehen können. Jetzt befinde ich mich in der JULES VERNE aus der Milchstraße, deren Völ ker wie wir von der Frequenz-Monar chie bedroht werden. Ich spreche nicht von philosophischen Ideen und auch nicht von politischen Programmen – ich spreche aus meiner eigenen Geschichte und aus meinen Erfahrungen als der Legendensammler Hathorjans. Würde ich zu euch in meiner Sprache reden, keiner würde mich verstehen – meine Sprache ist neben Hathorianisch vermutlich das seltenste Idiom, das in diesem Spiralnebel auf mehr als zwei Planeten gesprochen wurde. Ich hätte in meiner Sprache als Kind nicht ein mal einen Namen dafür gehabt – Ha thorjan war schlicht mein ›Sternenhim mel‹. Aber schon als Kind lernte ich die Sprachen und Dialekte eines anderen Volkes, der Tefroder. Die Tefroder gehö ren zu uns wie alle anderen auch. Vielen ist bekannt, dass wir Atto eine besondere Art haben, Sprachen und Verhalten anderer Völker sehr schnell zu lernen – oftmals zum Leidwesen un serer Lehrer. Und die Tefroder hatten Worte und Erklärungen für viele Dinge, die ich nicht kannte. Irgendwann fiel mir auf, dass nicht alle ihre Worte und Erklärungen von
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den Tefrodern selbst erfunden waren, sondern dass sie diese von anderen übernommen haben, teils von älteren Völkern, aber auch von Feinden und von Zuwanderern – und oftmals kann ten sie die Herkunft ihrer Worte nicht. Wenn ihr alle von einem großen Kampf als Wazalakampf sprecht, be nutzt ihr ein Kraahmak-Wort, das die Forrils geprägt haben. Niemand in An dromeda kann etwas erzählen, ohne da bei auf die Worte der anderen zurück zugreifen. Schon unsere Sprachen ver raten also, wie eng wir miteinander verbunden sind. Die Sagen und Legenden, die ich seit meiner Jugend bei euren Völkern sam melte, geben mir den nächsten Hinweis auf diese Verbundenheit. Wir sind keine Gemeinschaft, wir sind nicht aus einem Gelege und sehen die Dinge nicht ein mal mit demselben Auge, um einige be kannte Sprichwörter zu zitieren – aber uns muss klar sein, dass wir auf derselben Scheibe kreisen. Wir sollten dafür sorgen, dass auf dieser Scheibe unser Leben weiterhin möglich bleibt.«
Die zweite Pause. Atlan hatte Holoübertragungen aus mehreren Schiffszentralen zur JULES VERNE-1 schalten lassen. Deutlich registrierte er die Anspannung, mit der die Angehörigen der verschiede nen Völker RourSis Worten lausch ten. »Seit Monaten herrscht Krieg in Ha thorjan«, fuhr der Atto bedeutungs schwer fort. »Die Geschichte unserer Sterneninsel war oft eine Geschichte des Krieges. Aber diesmal ist der Krieg anders. Bei Kriegen weiß jeder, worum es geht, wer in wessen Interessen han delt, wer woran profitiert und welche Verluste er fürchtet. Die Legenden al ler Völker sind voll von solchen Krie gen, von Siegen und Niederlagen. Unser Krieg ist anders, weil der Feind anders ist. Dieser Feind erobert nicht, erbeutet nicht, verhandelt nicht – an scheinend interessieren wir ihn nicht einmal. Trotzdem verjagt er uns und vernichtet uns, obwohl er uns nicht ein mal kennt – wir stören ihn offenbar nur. Die Frequenz-Monarchie behandelt uns
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wie ungebetene Eindringlinge, wir wer den davongejagt. Ich habe erfahren, dass die Vatrox vor urlanger Zeit in Hathorjan geherrscht haben sollen. Das mag sein, doch es liegt so lange zurück, dass sich niemand erinnern kann. Wir kennen von den Vatrox keine Geschichten, haben von ihnen keine Erfahrungen oder Worte geerbt. Wir haben unseren Sternenne bel mit unserer Anwesenheit, mit un seren Sagen, Mythen und Legenden geprägt. Welches Recht hätten die Vatrox, an die sich niemand erinnert, unsere Gala xis als ihr Herrschaftsgebiet zu bean spruchen? Es gibt kein solches Recht – und sie berufen sich auch nicht auf ein Recht, sondern sie handeln. Sie nehmen sich, was sie haben wollen. Also handeln auch wir! Wir kämpfen um unsere Galaxis! Ich weiß, dass wir eine Chance haben, eine gute Chance sogar. Wir werden die Vatrox dauerhaft be siegen, denn gemeinsam sind wir un überwindbar ... Die Frequenz-Monarchie hat viele Völker gegen sich. Völker mit unter schiedlichster Mentalität, Technik und Denkweise. Schlachtlichter und Klon soldaten mögen mächtige Waffen sein, sie sind dennoch nur begrenzt in ihren Möglichkeiten. Hätte Lasky Baty, unser berühmtes ter Komponist der Neuzeit, allein mit zwei Tönen seine Musik komponiert, wäre er wenig erfolgreich gewesen. Gegen die Frequenz-Monarchie setzen wir die Vielfalt der Töne – ein gewal tiges Orchester! Jedes unserer Völker kämpft mit seinen Instrumenten, aber wir haben gemeinsame Erfah rungen und gelernt, voneinander zu lernen! Gemeinsam, nur gemeinsam, werden wir die Frequenz-Monarchie endgültig verbannen, um danach gemeinsam in Frieden zu leben! Und das nicht nur in Hathorjan, sondern überall, wo die Fre
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quenz-Monarchie noch ihr Unwesen treibt ...« Als die Rede des Geschichtenerzäh lers zu Ende war, begann einer in der Zentrale zu klatschen, es klang wie ein zelne Wassertropfen auf einem Blech dach. Und nur wenige Sekunden später trom melte ein wahrer Wolkenbruch herab. Atlan wusste, dass er einen histo rischen Moment erlebt hatte, wenn die Rede überall so gut angekommen war wie auf der JULES VERNE-1. Ein neuer Schritt war getan. Ein Schritt hin in eine würdige Zukunft Andromedas. Statusabfrage Krathviras/25. April 1463 NGZ, 14.00 Standardzeit. Insgesamt 1,384 Milliarden VamuEinheiten. Epilog (II) Aufzeichnung automatische Außen messstation OORT-149. 26. April 1463 NGZ, 1.55 Uhr Terra nia-Standard. Aktuelle Position 49,05 Milliarden Kilometer von Sol. Die Ortungen zeigen ein energetisches Phänomen. Es materialisierte im Bruch teil einer Sekunde (Ortungsprotokoll folgt). Analysevorgang: Kursvektor und Ge schwindigkeit erlauben keine sichere Identifikation. Rückschlüsse auf die Herkunft des Objekts durch Vergleichs daten, Ursprung Andromeda, vorbe haltlich weiterer Messungen möglich. Identifikation des Objekts: Feuer auge. Zustand des Objekts: Es schwebt wie eine kugelförmige Feuerlohe im freien Raum. Größe des Objekts: Durchmesser ein tausend Kilometer. Der optische Ein druck wird als Sekundäreffekt eines heftigen Psi-Sturms bestätigt.
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Warnung: Ein Objekt wie dieses war ursächlich für die Vernichtung der Sonne Sicatemo und den Untergang des Planeten Chatria und seiner Bevölkerung.
Folgerung: Der Bedrohungsfall ist eingetreten. OORT-149 gibt Alarm für das Solsys tem!
ENDE
VATROX-CUUR griff in die Kämpfe zwischen den Bewohnern der beiden Nachbargalaxien gegen die alte Kultur der Vatrox ein, und alles wurde anders ... Kommende Woche läuten wir die zweite Halbzeit des laufenden Zyklus ein: Denn eine siegreiche Schlacht gegen die Frequenz-Monarchie in Andromeda hat nichts zu bedeuten, wenn der Krieg an anderer Stelle verloren geht. Band 2550, der von Michael Marcus Thurner stammt, folgt Perry Rhodan auf seiner Reise in die unendlichen Weiten des Universums. Der Roman erscheint nächste Woche überall im Zeitschriftenhandel unter dem Titel: DIE WELT DER 20.000 WELTEN
PERRY RHODAN – Erbe des Universums – erscheint wöchentlich in der Pabel-Moewig Verlag GmbH, 76437 Rastatt. Internet: www.vpm.de. Chefredaktion: Klaus N. Frick, Postfach 2352, 76413 Rastatt. Titelillustration: Dirk Schulz. Innenillustration: Dirk Schulz/Horst Gotta. Druck: VPM Druck KG, Karlsruher Str. 31, 76437 Rastatt, www.vpm-druck.de. Vertrieb: VU Verlags union KG, 65396 Walluf, Postfach 5707, 65047 Wiesbaden, Tel.: 06123/620-0. Marketing: Klaus Bollhöfener. Anzeigenleitung: Pabel-Moewig Verlag GmbH, 76437 Rastatt. Anzeigenleiter und verantwortlich: Rainer Groß. Zurzeit gilt Anzeigenpreisliste Nr. 36. Unsere Romanserien dürfen in Leihbüchereien nicht verliehen und nicht zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden; der Wiederverkauf ist verboten. Alleinvertrieb und Auslieferung in Österreich: Pressegroßvertrieb Salzburg Gesellschaft m.b.H., Niederalm 300, A-5081 Anif. Nachdruck, auch auszugsweise, sowie gewerbsmäßige Weiterverbreitung in Lesezirkeln nur mit vorheriger Zustimmung des Verlages. Für unverlangte Manuskriptsendungen wird keine Gewähr übernommen. Printed in Germany. Juni 2010 Internet: http://www.Perry-Rhodan.net und E-Mail:
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Offensive (II) Die Vatrox und ihre Kollektivwesen hatten in den drei Zeitaltern der Hyperdepression über einen Zeitraum von rund zehn Millionen Jahren neben der an die erhöhte Hyperimpedanz perfekt angepassten Technologie den kaum zu unterschätzenden Vorteil, Gegnern in dem rund ein Dutzend Galaxien umfassenden Bereich des Polyport-Netzes stets einen maßgeblichen Schritt vor aus zu sein. Neben der Möglichkeit, über die Handels sterne des Polyport-Netzes blitzschnell ganze Flotten von Schlachtlichtern verlagern zu können, waren die acht Hibernationswelten – sechs in Andromeda, zwei in Anthuresta – geheime, zuvor nie entdeckte Rückzugs refugien. Gerade letzter Punkt war von maßgeblicher Bedeu tung. Die unbedingt zu erhaltende Unversehrtheit der Hibernationswelten, zu denen das Vamu zurückkehrte und den Vatrox ihre Unsterblichkeit verlieh, beruhte auf der prägenden Angst vor VATROX-VAMU. Dass diese Wesenheit die Vatrox in den vergangenen rund zehn Millionen Jahren nie gefunden hatte, reduzierte aller dings die Angst nicht. Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte die Frequenz-Monarchie dafür gesorgt, dass es auch normalen Gegnern in der Vergangenheit nie ge lang, die Vatrox und ihre Kollektivwesen »im Kern« zu treffen. Und bei aller Arroganz, die die Frequenz-Monarchie an den Tag legte – selbst das Machtmittel der Psi-Materie, im PARALOX-ARSENAL gesammelt und bei Bedarf un ter anderem in Gestalt der »Feueraugen« gezielt einge setzt, verleitete nicht zu der Unvorsichtigkeit, unter normalisierten Bedingungen »auf Teufel komm raus« eine Herrschaft aufrechterhalten zu wollen. Diese wäre unter dem Strich vielleicht für eine gewisse Zeit möglich gewesen, aber stets mit der Gefahr verbunden, dass eben diese Rückzugsrefugien doch entdeckt werden könnten. Deshalb gab es ja den Plan, mit der Hilfe des PARALOX-ARSENALS im Bereich des Polyport-Netzes dauerhaft für eine erhöhte Hyperimpedanz zu sorgen. Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist ein geordneter Rückzug und ein Abtauchen nun nicht möglich. Wäh rend früher mit dem Ende der jeweiligen Hyperimpe danz-Erhöhung und dem damit verbundenen Wandel der technischen Möglichkeiten einem erstarkenden Gegner ausgewichen wurde, können in der Gegenwart die Alliierten aus zwei Galaxien gezielt an den neural gischen Punkten zuschlagen.
Im Kampf gegen die Frequenz-Monarchie haben die Alliierten den bemerkenswerten Vorteil, den Gegner in vielerlei Hinsicht »auf dem falschen Fuß« zu erwischen sowie dank eigener Vorbereitungen durchaus gewapp net und aufgrund früherer Erfahrungen fest entschlos sen zu sein. Zudem kommt mit den ersten, schnell er zielten Erfolgen ein Aspekt hinzu, der keineswegs vernachlässigt werden darf. Durch den erfolgreichen Angriff auf den Handelsstern FATICO sowie die sich direkt anschließende massive Attacke von Hiberna tion-3 gelang es wie geplant, den Gegner bis ins Mark zu erschüttern und zu demoralisieren. Das, was nie zuvor geschehen war, bricht über die Fre quenz-Monarchie wie ein Tsunami herein. Die massive Offensive der Alliierten betrifft die wichtige Hauptgala xis der Frequenz-Monarchie, zielt genau auf die Hiber nationswelten und, nicht zu vergessen, auf das Vamu. Der Schock könnte kaum größer sein – wäre da nicht überdies die Nachricht, dass ausgerechnet jetzt auch der gefürchtete VATROX-VAMU in Anthuresta aktiv ge worden ist! Die Vatrox und ihre Kollektivwesen haben die Möglich keiten und vor allem die Entschlossenheit der Alliierten aus Andromeda und der Milchstraße eindeutig unter schätzt. Bis zum Schluss waren sie abgelenkt, haben sich mehr auf das Polyport-Netz und die Suche nach dem PARALOX-ARSENAL konzentriert – und dabei der blitzschnell heranwachsenden Gefahr vor Ort zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dass Sinnafoch mit der Verlagerung von rund 40.000 Schlachtlichtern zum Handelsstern FATICO fast verzweifelt versuchte, das Ruder nochmals herumzureißen, zeigte mehr als deut lich, dass ihm – und letztlich auch VATROX-CUUR als Kollektiv im Hintergrund – eine funktionierende Verbin dung als einzige Möglichkeit der Flottenverlagerung nach Anthuresta sogar wichtiger war als der Schutz von Hibernation-6. Selbst zu diesem Zeitpunkt konnte sich der Vatrox nicht vorstellen, dass der eigentliche Angriff der Alliierten auf alle fünf verbliebenen Hibernationswelten zielt – und überdies mit fürchterlicher Präzision durchgeführt wird. Die maßgeblich von Atlan entworfene Strategie scheint aufzugehen, doch bleibt abzuwarten, ob der dafür zu entrichtende Preis letztlich nicht doch als zu hoch be wertet werden muss ... Rainer Castor
Leserkontaktseite Liebe Perry Rhodan-Freunde, bis Ende Juli 2010 läuft noch der SciFi-Wettbewerb des Vereins zur Förderung der Raumfahrt. Das Thema »Energie aus dem Weltraum – letzte Chance für die Menschheit?« ist attraktiv und anspruchsvoll zugleich, geht es doch um unsere nahe Zukunft in hundert Jah ren. Mehr dazu findet ihr weiter unten auf dieser LKS. Ein interessantes Seriendatum in dieser Woche: Am 1. Juli 1967 erschien in Band 302 die erste LKS. Einem geschenkten Gaul ... Andreas Tonner,
[email protected] Meine Zeilen schreibe ich auf den Leserbrief von Klaus Schulze in PR 2538. Ich empfinde das genauso. Es geht doch nicht an, dass man mit »geschenkter« Hightech rumfliegt, ohne sie selbst beherrschen (soll heißen: reparieren und nachbauen) zu können. Das entspricht überhaupt nicht der bisher in der PR-Historie ge schilderten Mentalität der Terraner. Darum wäre ich ebenfalls für neue (selbst gebaute) Schiffe mit ähnlicher Technik.Aber geht bitte behutsam mit Neuerungen/Adaptionen um. Eine Entwicklung soll te erkennbar sein, ohne gleich wieder die Grenzen zu sprengen. Die Menge der Schiffe, die diese Neutechnik nutzen, solltet ihr begrenzen. Nicht, dass jede SpaceJet damit ausgerüstet ist! Dass ihr die Gigantomanie reduziert habt, fand ich echt gut, vor allem, da sich dadurch in letzter Zeit die Ge schehnisse immer mehr in den heimatlichen GalaxienCluster verlagerten. Hoffentlich bleibt das erhalten. Auch Schauplätze wie die Magellanschen Wolken (Gurrads), Gruelfin (Cap pins), M 87 (Haluter-Brüdervölker) oder die Galaxien ESTARTUS (Elfahder und Somer tauchten ja teilweise jetzt schon auf) könnten wieder handlungsrelevant werden. Es würde das PR-Universum weiter abrun den. Klaus spricht in seinem Leserbrief auch von der wei teren Entwicklung der Terraner. Hier wäre mit den Polyport-Höfen ebenso ein riesiges (bisher) ungenutztes Potenzial für zukünftige Ge schichten vorhanden wie in der Milchstraße allge mein.
Erst recht würde es nicht zu den Terranern passen, die Metaläufer-Technik aus der JULES VERNE nur tröpf chenweise anzuwenden, wenn sie denn entschlüsselt ist und nachgebaut werden kann. Da gerät mir die Lo gik zu sehr unter die Räder. Der Aspekt einer global und gut zu verteidigenden Milchstraße würde alle anderen Argumente in den Boden stampfen. Soll Perry allen Ernstes auf die Metaläufer-Technik ver zichten, nur weil es ein Geschenk ist oder weil er nicht reinschauen kann? Oder gar das Schiff deswegen ein motten? Bei einem Menschen, der seit 3000 Jahren mit höheren Mächten verkehrt, wäre das nicht glaubhaft. Wir haben bei der Terminalen Kolonne und auf EVOLUX diese Black-Box-Technik eingeführt, damit die Ent wicklung in kleinen Schritten erfolgen kann und die Terraner selbst etwas zustande bringen. Kleiner Scherz am Rande: Wollten wir deinen Maßstab bezüglich der Anwendung von Fremdtechnik und Ge schenken umsetzen, dürften 90 Prozent der heutigen User keinen Computer benutzen, weil sie ihn zwar be dienen, aber nicht bauen können. Ähnliches gilt für Auto, Kühlschrank, Rasierapparat ... Polyport-Höfe so wieso! Der Unterschied zwischen den Geschenken der Meta läufer und dem Diebstahl der VEAST’ ARK im ArkonSystem am Anfang der Serie ist gar nicht so groß. Da mals kam Rhodan mit leeren Händen an. Heute hat er es nicht mehr nötig, ein Schiff zu stehlen. Aus der VEAST’ ARK wurde bekanntlich die TITAN. Jürgen-Tobias Schmidt,
[email protected] Das Vorgehen der Frequenz-Monarchie finde ich gar nicht mal so schlecht.Wenn sie keine Idee mehr haben, hören sie auf ihre Berater, die sie in langen und schweren Tests ausgewählt haben, anstatt sie, wie bei Diktatoren sonst üblich, für ihr eigenes Versagen ver antwortlich zu machen und hinzurichten. Sie scheinen in ihrer Monarchie auch Unterschiede zwischen KlonVolk und Nicht-Klon-Volk zu machen. Die Vatrox haben einst nicht anders gehandelt als die heutigen Terraner. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, haben sie via Technologietransfer den eigenen Charakteristika hinzugefügt. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass Perry keine Kon trolle über das Polyport-Netz bekommt. Damit wird die Hyperimpedanz ad absurdum geführt.
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Aus meiner Sicht macht es keinen Unterschied, ob er (oder andere Terraner, Arkoniden etc.) mit ganzen Flot ten in eine Milliarden Lichtjahre entfernte Galaxie auf bricht oder ob er dort eine Kolonie errichten lässt und Raumschiffe baut. Letzteres dauert zwar länger, hat aber den gleichen Effekt. Lieber sollte er mehr die eigene Milchstraße erkunden. Da gibt es ja noch genug Ecken, wo noch nie ein Mensch (Lemurer-Abkömmling) seinen Fuß hingesetzt hat. In der Milchstraße gibt es in der Tat noch vieles zu er kunden. Aber es ist nicht die einzige Front, an der Rho dan kämpft. Schließlich soll er eines Tages das Univer sum erben. Stardust – übrigens auch ein Geschenk an Rhodan wie die Metaläufer-Technik – könnte nicht nur zu einem Brückenkopf werden, sondern zu einer zwei ten Heimat, mehr als die Kolonien auf Thorrim oder Kenteullen. Das Polyport-Netz kommt da wie gerufen. Wäre da nicht die erhöhte Hyperimpedanz, hätte Rho dan bekanntlich weitaus weniger Probleme damit. Ob die neusten Erkenntnisse da zur Entlastung der Kosmo kraten beitragen? Marco Scheloske,
[email protected] Ich muss mal einen Gedanken zur »Erhöhung der Hyperimpedanz durch die Hohen Mächte« loswer den. Es steht nun – wenn ich die aktuellen Romane richtig verstanden habe – zweifelsfrei fest, dass nicht etwa die Hohen Mächte den hyperphysikalischen Widerstand erhöht haben, um das Leben an sich einzuschränken, sondern es sich vielmehr (wie schon lange von mir vermutet) um eine natürliche, immer wieder auftre tende Schwankung handelt. Sollte da das Bild, das unsere Helden von den Hohen Mächten haben, nicht plötzlich in ein ganz anderes Licht rücken? Schließlich haben diese – alten Maya- und Azteken priestern nicht unähnlich, die astronomische Ereignisse zur Manipulation der Massen gebrauchten – lediglich ihr Wissen um die bevorstehende Schwankung einge setzt, um scheinbar grenzenlose Macht über die »Nie derungen des Universums« vorzugaukeln. Als im Perryversum betroffener Protagonist würde mich das nachdenklich stimmen und erhebliche Zweifel am Machtanspruch dieser Wesenheiten hervorrufen.
Schon im Sternenozean-Zyklus kamen unseren Protagonisten Zweifel, ob das alles so ist, wie His moom es verzapfte. Jetzt sind sie nicht kleiner gewor den. Eines sollten wir dabei jedoch nicht vergessen: Kosmo kraten sind eine Erscheinungsform des Perryversums, die drei Zwiebelschalen höher angesiedelt sind. Und sie sind eine natürliche Erscheinungsform wie Materie quellen und Superintelligenzen. Welche Aussetzer sie sich ab und zu leisten, wenn sie sich unserem ge wohnten Normalraum aussetzen, das wissen wir seit den 1100er-Bänden. Besonders Bully war manchmal dem Weinen nah. Peter Kotowski In letzter Zeit schafft ihr es, Tränen der Rührung in mir zu wecken. Eure Beschreibungen werden immer bes ser nachvollziehbar. Kurzum, man kann richtig mitge hen. Ihr habt es schon vorher geschafft, dass man sich gedanklich die Planeten und ihre Umgebungen vorstel len konnte. Aber jetzt geht es noch tiefer. Klasse! 43 Jahre Lesevergnügen, Woche für Woche! Sogar in meiner schlimmsten Zeit wart ihr für mich eine Stunde lang Zuflucht in ein anderes Leben. Leider lese ich viel zu schnell. Anderes Thema: Manche Leserbriefe finde ich ganz gut. Jedoch sollte der eine oder andere mal darüber nach denken, was Toleranz bedeutet. Ich möchte nur an die unmöglichen Diskussionen um das Fußballspiel erin nern. Gerade SF-Fans müssten doch etwas toleranter sein. Ich glaube, es liegt gar nicht so sehr an der fehlenden Toleranz. Es ist eher ein Zeichen dafür, wie sehr ihr als Leser die Serie mitlebt. Sie ist gewissermaßen Teil eu res Alltags und steht damit in Konkurrenz zu Fußball und anderen Dingen. Gleichzeitig bleibt sie dort aber dennoch fremd, weil pure Fantasie. Wenn dann noch ein Roman kommt, der so gar nicht zum Heile-Welt-Bedürfnis auf Terra passt, wie etwa der Band 2527, dann scheiden sich daran ein paar Geister und Gemüter. Ich finde das in Ordnung, solange es bei bloßen Mei nungsbekundungen bleibt und die Ansichten der ande ren Leser respektiert bleiben.
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PERRY RHODAN – Negasphäre-Zyklus Box 1 + 2 Mit gebührendem, zeitlichem Abstand zur Erstveröf fentlichung vor über zwei Jahren erschienen kürzlich die ersten zwanzig Episoden des PERRY RHODAN-Ne gasphäre-Zyklus auf 10 MP3-CDs. Jede CD beinhaltet zwei Hörbücher in einer Kartonstecktasche, die beid seitig mit den entsprechenden Titelbildern bedruckt ist. Alle 10 MP3-CDs finden sich in einer schicken Klapp box, die zum Preis von 79,90 Euro ab sofort unter www. einsamedien.de (als auch im Buchhandel/Tonträger markt, ISBN: 978-3-939648-76-5) bestellt und gekauft werden kann. Die Zyklus-Box hat eine Gesamtlaufzeit von über 70 Stunden und enthält zudem PDF-Dateien mit Kom mentar, Glossar und Leserkontaktseiten der jeweiligen Printausgaben. Eingelesen wurden die einzelnen Epi soden von Ranier Baaken, Simon Roden, Tom Jacobs und Gregor Höppner – dazu kommen Josef Tratnik und Leo Lukas als Gastsprecher. Die Folge-Box mit den Episoden 21 bis 40 ist inzwi schen ebenfalls erhältlich. Danach geht es im DreiMonats-Rhythmus weiter. SciFi-Wettbewerb Auch in diesem Jahr veranstaltet der »Verein zur För derung der Raumfahrt« www.vfr.de wieder einen Wettbewerb. Das Thema lautet: »Energie aus dem Weltraum – letzte Chance für die Menschheit?« Das Szenario: »Die Welt im Jahre 2110. Die fossilen Brennstoffe sind fast aufgebraucht, die Kernfusion ist noch immer nicht industriell nutzbar und die regene rativen Energieformen können den zunehmenden Energiehunger der Menschheit nicht alleine decken. Eine mögliche Alternative sind Solarkraftwerke im Weltall, die das Sonnenlicht ungefiltert einfangen, in elektrische Energie umwandeln und diese über Mikro wellen oder Laser auf die Erde übertragen. Dort kann sie an die Endverbraucher weitergeleitet werden. Erste Versuchsanlagen sind schon im All installiert und liefern Energie im Probebetrieb. Es beginnt nun die Zeit, in der industrielle Stationen aufgebaut werden sollen. Das ist ein gigantisches Geschäft für diejenigen, die solche Stationen bauen und betreiben können. Ölge sellschaften und andere Konzerne liefern sich einen
harten Wettbewerb um die Vorherrschaft bei der Ener giegewinnung im All. Die Raumfahrtnationen verfolgen ihre eigenen Interessen. Allerlei Abenteurer suchen dabei auch ihr Glück ...« In diesem Umfeld sollen die AutorInnen nun Kurzge schichten erfinden. Die Geschichten können vom Le ben und Arbeiten der Besatzungen der Stationen und Raumschiffe erzählen, von Ingenieuren, Arbeitern, Lie benden, Kriminellen, Sinnsuchern und Glücksrittern. Und auch von herausragenden Leistungen, Erfolgen und Ideen. Vielleicht ist Solarenergie aus dem Welt raum die Lösung unserer Probleme, vielleicht aber erzeugt sie nur weitere Probleme? Die AutorInnen sollen ihre Visionen und Ideen in eine spannende, interessante, aber auch stilistisch an spruchvolle Kurzgeschichte umsetzen. Die technischen Konzepte sollten sich im Rahmen heute vorstellbarer Grenzen bewegen (Beamen und Hyperräume werden im Jahre 2110 sicher noch nicht beherrschbar sein). Umfang: max. 20.000 Anschläge (circa 5 Seiten) Sprache: Deutsch Alter der Autoren: keine Einschränkung; Mehrfachein sendungen pro Autor sind möglich. Einsendeschluss: 31. Juli 2010, 24 Uhr Einsendungen: Word- oder PDF-Dokument per E-Mail an scifi@vfr.de. Die E-Mail muss folgende Absenderinformationen ent halten: Name, Vorname, Adresse, Telefonnummer, E-Mail, Alter. Einsendungen auf Papier werden nicht berücksich tigt. Die Einsendungen werden im Zeitraum August/Sep tember 2010 ausgewertet. Die Siegerehrung findet am 24. Oktober 2010 im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) statt. Durchgeführt wird der Wettbewerb von Mitarbeitern und Mitgliedern von: Astrium, vfr, DLR, Perry-RhodanStammtisch Ernst Ellert, Hachinger Autoren. »Der Engel der Apokalypse« Vom Altmeister der ATLAN-Serie, Hanns Kneifel, war in letzter Zeit öfter zu lesen. Sein neuestes Buch erschien jüngst im Lübbe Verlag, ein historischer Roman mit dem Titel »Der Engel der Apokalypse«.
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Bekannt wurde Kneifel durch seine Romane zur TV-Serie »Raumpatrouille Orion«.Als Autor der ATLANZeitabenteuer ist er bei den PERRY RHODAN- und ATLAN-Lesern beliebt. Bis heute ist er der größten Science-Fiction-Serie als Gastautor treu geblieben. Mit historischen Romanen wie »Babylon – Das Siegel des Hammurabi« oder »Hatschepsut« erregte Hanns Kneifel seit den 90er Jahren auch außerhalb des Per ryversums Aufsehen. Sein neuer historischer Roman »Der Engel der Apoka lypse« entführt die Leser in das Jahr 1499: »Lucca, Italien. In seinem Palazzo liest Desiderio Mont falcone das Buch der Prophezeiungen. Es verspricht allen, die auf den Weltuntergang vorbereitet sind, eine
zweite Geburt. Aus diesem Grunde plant Desiderio ein alchimistisches Werk: einen gewaltigen Engel, gekrönt mit dem lebenden Haupt einer Frau. Einer Frau wie Caterina, der Geliebten des jungen Bronzegießers Sandro ...« Das 445 Seiten umfassende Paperback ist im LübbeVerlag erschienen und kostet 8,99 Euro. Mithilfe der ISBN 978-3-404-16406-6 kann der Roman überall im Buchhandel bezogen werden – selbstverständlich gibt es ihn auch bei Versendern wie amazon.de In dankbarer Erinnerung Am 27. Juni 1993 verstarb im Alter von 59 Jahren PERRY RHODAN-Autor Kurt Mahr. Marc London von Robert Straumann aus Basel
Zu den Sternen! Euer Arndt Ellmer Pabel-Moewig Verlag GmbH Postfach 2352 76413 Rastatt
[email protected] Impressum Alle abgedruckten Leserzuschriften erscheinen ebenfalls in der E-Book-Ausgabe des Romans. Die Redaktion behält sich das Recht vor, Zuschriften zu kürzen oder nur ausschnittsweise zu übernehmen. E-Mail- und Post-Adressen werden, wenn nicht ausdrücklich vom Leser anders gewünscht, mit dem Brief veröffentlicht.
Glossar Atto Die aufrecht gehenden, terranischen Kaninchen ähnelnden Atto stammen wahrscheinlich von dem Planeten Attorua in Andromeda und sind ein Volk der Gestalt wandler (»Physiokopisten«). Ihr Normalkörper – ob er das Original darstellt oder lediglich eine irgendwann zum Standard gewordene Modeform, wissen selbst die Atto nicht – ist etwa 1,70 Meter groß, mit normal großen Ohren, dichtem Fell, kurzen stämmigen Beinen, men schenähnlichen Armen und Händen sowie hervorste henden Hasenzähnen. Ihr Fell färben sie je nach der herrschenden Mode mit Streifen, Punkten oder anderen Mustern. Das Beibehalten einer Form über einen längeren Zeit raum hinweg gilt unter den Atto als langweilig, und von daher ist das Gestaltwandeln für sie eine Art Volkssport. Die Atto glauben, dass das paramorphische Feld (das Tloru), das zu jedem von ihnen kopierten Körper gehört, mit der Zeit auf sie »abfärbt« und sie auch die Charakter eigenschaften eines kopierten Wesens annehmen, wenn sie dessen Gestalt für längere Zeit beibehalten. Atto sind gutherzig und hilfsbereit, aber disziplinlos und verspielt. Sie sind leidenschaftliche Köche, essen jedoch kein Fleisch – es könnte sich schließlich um einen Artge nossen handeln, der gerade ein Tier kopiert hat. Begriffe wie Treue und Besitzdenken sind den meisten Atto fremd. Sie haben eine halbnomadische Kultur und leben mit ständig wechselnden Partnern zusammen. Die Atto haben einige Tabus, deren Nichtbeachtung be straft wird. Atto dürfen keine stark bewusstseinsverän dernden Drogen zu sich nehmen (andere Drogen sind bei ihnen aber sehr beliebt) oder Geräte benutzen, die Hyper energie verwenden. Das strengste Tabu betrifft das Ge staltwandeln: Es ist den Atto verboten, die Gestalt eines kopierten Lebewesens mehr als nur in ganz kleinen De tails abzuwandeln oder bei der Änderung der Gestalt beobachtet zu werden. Wer ein Tabu bricht, wird für einen bestimmten Zeitraum von den anderen Atto isoliert und mit Nichtachtung gestraft. FATICO Der Handelsstern ähnelt einem ins Gigantische vergrö ßerten Virus. Die kugelige Form entspricht einem Virion – in die Hülle des viralen Nukleokapsids ist jeweils eine unterschiedliche Anzahl an Proteinen und Glykoproteinen
eingelagert. Diese Glykoproteine ragen als Spitzen oder Peplomere über die Virusoberfläche hinaus. Die kugelige Kernstruktur erreicht einen Durchmesser von etwa 1520 Kilometern. Von ihr ragen insgesamt 62 grob kegelförmige Zapfen oder Stachel auf, die an der Basis einen Durchmesser von rund 200 Kilometern ha ben und bis zu 340 Kilometer hoch sind. Der Gesamt durchmesser beträgt somit etwa 2200 Kilometer. Die Oberfläche ist hierbei keineswegs glatt, sondern rau und strukturiert. Deutlich kleiner und nur wenige Kilome ter groß sind unzählige Korkenzieherspiralen, dünne Türme, schlanke Obelisken, Säulen mit ausgedehnten »Pilzhüten« etc., die zwischen den Hauptstacheln ange ordnet sind. Der Farbeindruck beinhaltet diverse Graunu ancen zwischen schmutzigem Weiß bis hin zu einem fast schwarzen Dunkelgrau. In FATICO kann eine beachtliche, aber nicht genau be stimmbare Menge Psi-Materie angemessen werden. Zur Tarnung als Sonne wird permanent Psi-Materie in niede re Hyperenergieformen degeneriert – bei dieser quasi »permanenten Explosion« wird Energie (und z. T. auch Masse) ins Standarduniversum rund um den Handels stern geleitet. Die maßgeblichen Emissionen gehen hier bei von den Spitzen der 62 Hauptstachel aus. In ihnen befinden sich im unteren Drittel ausgedehnte Hohlräume, die als Hangaranlagen identifiziert werden. An der Basis vieler Hauptstacheln befinden sich im Zentrum auch die Transferdecks. Darüber hinaus muss es – so die ersten Vermutungen – auch projizierbare, deutlich größere »Transportmöglichkeiten« geben, immerhin sollen mit Handelssternen auch Großobjekte oder gar ganze Flotten verschickt werden können ... RourSi RourSi ist ein Atto, ein bekannter Künstler seines Volks, in Andromeda fast so berühmt wie der legendäre Kompo nist Lasky Baty. Er kann hervorragend mit Sprachen und Emotionen umgehen und hat sich für eine Kunstform ent schieden, die (fast) alle Völker lieben: Er ist Märchen- und Legendensammler und -erzähler. Durch sein Wirken ist unterhalb der verschiedenen Machtblöcke und Systeme (Gaids, Maahks, Tefroder, Twonoser …) bereits ansatz weise das Gefühl einer gemeinsamen Heimat und eines gemeinsamen Schicksals entstanden. Er gab sich den Galaktikern zu erkennen, als diese ein Schiff der Fre quenz-Monarchie aufbrachten, auf dem er sich aufhielt.