Expedition zur Lebensquelle
Kontakt mit der Seele von Pthor von Marianne Sydow
Atlan - König von Atlantis - Nr. 490
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Expedition zur Lebensquelle
Kontakt mit der Seele von Pthor von Marianne Sydow
Atlan - König von Atlantis - Nr. 490
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In das Geschehen in der Schwarzen Galaxis ist Bewegung gekommen. Schwerwiegende Dinge haben sich bereits vollzogen – weitere Ereignisse von großer Bedeutung bahnen sich an. Es begann damit, daß Duuhl Larx, der verrückte Neffe, mit zwei gefange nen Magiern an Bord des Organschiffs HERGIEN durch die Schwarze Ga laxis raste und Unheil unter seinen Kollegen stiftete. Es hatte damit zu tun, daß die große Plejade zum Zentrum der Schwarzen Galaxis gebracht wur de und nicht zuletzt auch damit, daß Atlan, der Arkonide, und Razamon, der Berserker, in ihrem Wirken gegen das Böse nicht aufsteckten. Inzwischen hat die große Plejade den Lebensring um Ritiquian aufgelöst. Der Dunkle Oheim mußte seine bisher schlimmste Niederlage einstecken, und die Neffen, die Statthalter des Dunklen Oheims, sterben aus. Ob damit das Schicksal der dunklen Mächte in der Schwarzen Galaxis endgültig besiegelt ist, bleibt abzuwarten. Der Dunkle Oheim trifft jedenfalls einschneidende Maßnahmen, indem er die Dimensionsfahrstühle zusam menführt und mit ihnen startet. Auf Pthor indessen gibt es Probleme genug. Nach der im Keim erstickten Verschwörung der Roboter sucht Atlan Kontakt mit der Seele von Pthor und unternimmt die EXPEDITION ZUR LEBENSQUELLE …
Die Hautpersonen des Romans:
Valschein - Der Bildermagier verschwindet spurlos.
Atlan - Der Arkonide stößt in die Tiefen des Dimensionsfahrstuhls
vor.
Koratzo und Copasallior - Die beiden Magier im Kampf mit den
Vollstreckern.
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1.
Einst hatte Atlan dem Bildermagier Valschein den Auftrag erteilt, die Tei le des Parraxynts zusammenzusetzen. Valschein war, so hatten die Magier versichert, der Experte für solche Aufgaben, aber angesichts der Tatsache, daß das fertige Parraxynt noch immer nicht zur Verfügung stand, zweifelte der Arkonide allmählich an den Fähigkeiten des Bildermagiers. Er konnte nicht genau bestimmen, wieviel Zeit vergangen war, seit er Valschein die sen Auftrag gegeben hatte – es war inzwischen zu viel passiert, und wäh rend seiner Irrfahrt durch die Schwarze Galaxis hatte Atlan häufig ganz andere Interessen haben müssen, als die Tage zu zählen – aber allmählich wurde es Zeit, daß ein Ergebnis vorlag. Schließlich handelte es sich bei dem Parraxynt doch um nichts anderes als um ein sehr großes Puzzlespiel, dachte Atlan. Es war vielleicht etwas komplizierter als andere Spiele dieser Art, aber Valschein sollte inzwi schen wenigstens einen Teil der Bruchstücke zu einem sinnvollen Ganzen zusammengefügt haben. Also machte der Arkonide sich auf den Weg, um dem Bildermagier einen Besuch abzustatten. Valschein hatte einen Saal im Basisgeschoß der Großen Pyramide bezo gen. Wenigstens bezeichnete Atlan dieses Deck des uralten Raumschiffs in Gedanken so, obwohl er wußte, daß es darunter noch viele weitere Räu me gab. Wie fast alle Magier, war Valschein allergisch gegen Leute, die zu ihm hineinsahen oder gar ein Schwätzchen mit ihm halten wollten. Selbst das Stimmengemurmel in den häufig benutzten vorderen Gängen hätte ihn bereits gestört. Darum hatte er sich in einen Winkel verzogen, in den so gut wie nie jemand kam. Während der Arkonide durch die leeren, hallenden Gänge schritt, dräng te sich ihm der Gedanke daran auf, wie es in jenen unsagbar fernen Tagen hier ausgesehen haben mochte, als die Tapheen im Auftrag des Dunklen Oheims nach Pthor gekommen waren. Er wußte nicht genau, wie er die Tapheen hätte beschreiben sollen, denn er hatte sie nie gesehen, und auch der Bericht des Dunklen Oheims hatte viele Lücken offengelassen. Es wa ren Humanoide gewesen, so viel stand fest, und darüber hinaus Angehöri ge eines Volkes mit sehr kriegerischen Ambitionen. Bei ihrer Landung waren sie bereits von dem spezifischen Wahnsinn befallen gewesen, den die Nähe des Oheims in ihnen auslöste. Sie hörten auf, nüchtern und tech nisch zu denken, und tobten statt dessen ungezügelt ihre Aggressionen aus, gaben sich Wutanfällen hin, die denen der Berserker ähnelten. Raza mon war daher beinahe davon überzeugt, daß sein Volk von den Tapheen abstammte.
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Der Gedanke daran, wie diese Wesen heulend und brüllend vor Wut nur mit Mühe das Schiff auf den Boden gebracht hatten, um dann hinauszu stürmen und über die wehrlosen Inselbewohner herzufallen, hatte etwas Bedrückendes. Fast glaubte Atlan, die Geräusche hören zu können, die diese erbarmungslosen Krieger verursacht hatten, und die klamme Kälte, die den inneren Gängen der Pyramide zu eigen war, erschien ihm wie ein Symbol des Todes, der seit jener Zeit in Pthor reiche Ernte gehalten hatte. Fröstelnd eilte er weiter und erkannte erleichtert hinter der nächsten Biegung das geschwungene Portal, hinter dem Valschein sich eingenistet hatte. Atlan hielt den schweren Türknauf bereits in der Hand, als ein seltsames Gefühl ihn warnte. Irgend etwas hatte sich verändert. Er spürte es, hätte aber nicht sagen können, woher er seinen Verdacht bezog. Ärgerlich über sich selbst, stieß er die Tür auf. Sie öffnete sich lautlos und schwang weit zurück. Unwillkürlich hatte er den Knauf losgelassen und stand nun am Eingang, mit einem schnellen Blick den ganzen Saal durchstreifend. Der Raum war viereckig. An den Wänden hingen ein paar vergilbte Teppiche. Einer davon war am unteren Ende angesengt, ein anderer teil weise zerfetzt. Der einst leuchtend gelbe Teppich, der den ganzen Boden bedeckte, wies ebenfalls Brandspuren auf. In einer Ecke entdeckte Atlan ein unordentliches Lager. Schlief Val schein etwa auch in diesem Saal? Atlan dachte erschrocken daran, daß er sich damals herzlich wenig um die Bedürfnisse des Bildermagiers hatte kümmern können. Er hatte Val schein gebeten, sich sofort zu melden, wenn er irgend etwas brauchte, aber der Magier hatte von diesem Angebot niemals Gebrauch gemacht. Die Bruchstücke des Parraxynts zogen seine Aufmerksamkeit auf sich, und tiefe Enttäuschung kam in ihm auf, gemischt mit Ungeduld und auf keimendem Ärger. Valschein hatte nichts zusammengesetzt – absolut gar nichts. Die Teile lagen verstreut auf dem Boden. Einige waren zu kleinen Pyramiden aufge schichtet, hinter denen der Magier sich verborgen halten mochte. Atlan trat einen Schritt vor und zuckte zusammen, als etwas ihn wie ein eiskalter Hauch streifte. Noch ein Schritt – da war es bereits vorbei, und er stand vor den ersten Bruchstücken. »Valschein?« rief er leise. Keine Antwort. Vielleicht war der Magier für einige Stunden nach draußen gegangen – niemand konnte ihm das schließlich verbieten. Andererseits hatte Atlan weder vor der Ankunft in der Schwarzen Galaxis noch in den Tagen seit seiner Rückkehr den Magier jemals draußen zu Gesicht bekommen.
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Er ging langsam weiter, vermied es jedoch aus Gründen, die er selbst nicht hätte ausreichend erklären können, das Zentrum des Saales zu durch queren. Statt dessen schlug er einen weiten Bogen, bis er sicher war, daß Valschein sich nicht in diesem Raum aufhielt. Neben dem Lager fand er ein paar einfache Nahrungsmittel. Sie waren ausnahmslos verdorben und vertrocknet. Nachdenklich blieb er neben dem Lager stehen und sah sich um. Was war hier geschehen? Die Brandspuren, ein großes Loch im Teppich, seltsam geformte Split ter, die er hier und da auf dem Boden liegen sah – man hätte annehmen können, daß in dem Saal eine Bombe explodiert war, keine starke aller dings, und es sah auch nicht so aus, als hätte sie Valschein erwischt. Bei näherem Hinsehen entdeckte der Arkonide weitere Spuren: Falten im Bo denbelag, die aussahen, als wäre dort jemand hingefallen, einen bunten Stoffetzen, in dem ein kleiner Gegenstand hängengeblieben war. Atlan mußte dreimal hinsehen, ehe er imstande war, das zu akzeptieren, was sei ne Augen ihm zeigten. Es handelte sich um einen krallenartig gebogenen Fingernagelrest. Schließlich fand er ein kleines Stückchen von einem blut roten, filzigen Gewebe, und damit war der Fall für ihn endgültig klar. Vollstrecker waren in den Saal eingedrungen und hatten Valschein ent führt. Atlan wollte sich bereits umdrehen und den Saal verlassen, da kam ihm plötzlich ein Gedanke. Er sah sich um und entdeckte fünf oder sechs Teile vom Parraxynt, die – wie es schien – zueinander gehörten. Vielleicht tat er Valschein Unrecht, wenn er ihn verdächtigte, die ganze Zeit hindurch untätig hier herumgelungert zu haben. Aber die Herausfor derung war zu groß für ihn. Er konnte und wollte nicht glauben, daß es wirklich so schwer sein sollte, dieses Puzzlespiel zu bewältigen. Er betrachtete die Bruchstücke genau. Deutlich sah er Höcker und Gru ben an den Kanten des einen und die ergänzenden Gegenstücke bei einem anderen. Magie! dachte er beinahe verächtlich. Mir scheint, hier reicht es durch aus, wenn man gesunden Menschenverstand besitzt. Jetzt wollen wir doch mal sehen! Er hob das erste Stück auf. Prüfend wog er es in der Hand. Es war schwer und fühlte sich kalt und feucht an. Er ignorierte das Gefühl der Be klommenheit, das ihn befiel, und bückte sich nach einem zweiten Stück. Vorsichtig richtete er es auf, balancierte es aus und hielt das erste Teil dar über. Er lachte spöttisch auf. »Paßt genau!« murmelte er und senkte die Hand. Die beiden Stücke be
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rührten sich. Gleichzeitig zuckte ein Schmerz durch seinen rechten Arm und nistete sich in seinem Herzen ein. Atlan ließ die beiden Teile mit einem Schrei fahren und preßte die Hän de vor die Brust. Eine brennendheiße Klammer legte sich um sein Herz und schnürte es ein. Er spürte sein Blut heiß in den Schläfen hämmern und taumelte blindlings davon. Er bekam keine Luft, und er glaubte spüren zu können, wie sein Herz unter dem unerbittlichen Druck zerquetscht wurde. Verschwommen sah er den Ausgang vor sich. Er stürzte und kroch auf allen vieren aus dem Saal hinaus. Als er draußen war, verschwand der Schmerz so plötzlich, wie er gekommen war. Atlan sank auf dem eiskalten Boden in sich zusammen und blieb minu tenlang liegen, ehe er es fertigbrachte, sich wenigstens auf den Rücken zu drehen. Er atmete dankbar die kalte, feuchte Luft ein. Als er die Kälte spürte, die durch seine Kleidung drang, richtete er sich vorsichtig auf. Ihm war ein wenig schwindlig, und vor seinen Augen tanzten schwarze Punkte, aber sonst war alles in Ordnung. Mißtrauisch blickte er noch einmal in den Saal hinein. Nichts hatte sich verändert. Die Falle war bereit und willens, sich des nächsten Opfers anzu nehmen. Falle? Atlan stutzte und schüttelte unwillkürlich den Kopf. Um eine Falle im normalen Sinne handelte es sich ganz sicher nicht. Er war zwischen den Bruchstücken herumgewandert, und es war ihm nichts geschehen. Er hatte sogar ein Teil vom Parraxynt in die Hand nehmen können, ohne etwas zu spüren. Erst als er versuchte, zwei Teile aneinan derzufügen, war es losgegangen. Er fragte sich, was geschehen mochte, wenn er den Versuch unternahm, etwas nach draußen zu bringen, aber er probierte es wohlweislich nicht aus, denn er ahnte, womit er es zu tun be kommen hatte: Das Parraxynt wurde durch eine magische Sperre geschützt. Solange diese Sperre existierte, würde niemand an die Teile herankommen, bezie hungsweise das mit ihnen tun können, was nun einmal nötig war, wenn man die Pläne des Dunklen Oheims durchkreuzen wollte. Es gab nichts, was man gegen solche magischen Sperren unternehmen konnte – es sei denn, ein anderer, stärkerer Magier befaßte sich damit. Atlan hatte keine Ahnung, wo Valschein in der Hierarchie der Magier von Oth gestanden hatte, aber nach der gerade leidvoll erlebten Erfahrung neigte er dazu, ihn ziemlich weit oben einzuordnen. Im Grunde spielte je doch die Rangfolge jetzt keine besondere Rolle mehr, denn die Mehrzahl der Magier schlief ohnehin irgendwo in jenem Gewirr von Höhlen, das Kennon, Sator Synk und Bördo unter der Ebene von Kalmlech entdeckt hatten.
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Ärgerlich und besorgt zugleich begab Atlan sich auf die Suche nach Co pasallior und Koratzo. Er hoffte, daß sie einen Weg finden würden, um die unersetzlichen Teile des Parraxynts von diesem unheilvollen Bann zu be freien. Er bestand darauf, die beiden Magier zu begleiten, als sie Valscheins Saal aufsuchten, obwohl er spürte, daß ihnen seine Gegenwart in diesem Au genblick peinlich war. Offenbar waren sie der Ansicht, daß Valschein einen schlimmen Fehler begangen hatte – womit sie nach Atlans Meinung nicht ganz unrecht hatten – und selbst Koratzo liebte es gar nicht, derartige Fehler eingestehen zu müssen, selbst wenn ein ganz anderer Magier sie begangen hatte. Weder Copasallior noch Koratzo betraten den Saal so schnell, wie Atlan es getan hatte. Sie blieben dicht vor der Tür stehen und schienen zu lau schen – der Himmel mochte wissen, worauf. Dann sahen sie einander an, und Koratzo nickte. »Wenn ihr miteinander sprecht, dann würde ich gern auch etwas hö ren«, bemerkte Atlan mißmutig. Er kannte die Eigenheiten des Stimmen magiers. Koratzo zog es mitunter nicht nur in gefährlichen Situationen vor, auf dem Umweg über hörbar gemachte Gedanken und lautlose Stim menübertragung Gespräche zu führen, bei denen man keinen Ton hörte. »Es ist kein Geheimnis«, bemerkte Copasallior ruhig. »Wir sind nur ein wenig verwundert. Du bist wirklich durch diese Tür gegangen?« »Was soll die Frage?« erkundigte Atlan sich ärgerlich. »Als du damals in der Großen Barriere das Budella in die Flucht ge schlagen hast«, sagte Copasallior bedächtig, »da hat das Goldene Vlies dir geholfen. Wir wissen längst, daß du auch ohne diesen Anzug nicht immer für magische Kräfte greifbar bist, aber diese Sperre hättest du spüren müs sen.« »Da war etwas Kaltes, das mich streifte«, erinnerte der Arkonide sich. »Andere Leute hätte es todsicher verjagt«, bemerkte Koratzo nüchtern. »Und es hätte noch schlimmer kommen können.« »Nun gut«, murmelte Atlan. »Könnt ihr es beseitigen?« Copasallior verschränkte demonstrativ alle sechs Arme vor der Brust. Atlan wußte, was diese Geste bedeutete: Von dem Weltenmagier hatte er keine Hilfe zu erwarten. Seufzend wandte er sich an Koratzo. »Ich verstehe nichts von diesen Dingen«, sagte er und bemühte sich da bei um Geduld. »Wenn ich etwas Falsches gesagt habe, dann bitte ich um Entschuldigung, aber verrate mir um Himmels willen, wie wir an die Teile des Parraxynts herankommen!« »Wir können die Sperre öffnen«, sagte Koratzo zögernd. »Worauf wartest du noch?«
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Koratzo sah zu Copasallior hinüber. »Überrede ihn!« forderte Atlan wütend. »Du verstehst das falsch«, murmelte Koratzo. »Ich brauche die Hilfe des Weltenmagiers nicht – ich kann es auch alleine tun. Valschein war kein sehr starker Magier. Er hatte nur eine hervorstechende Eigenschaft, und das war die Fähigkeit, mit unübertrefflicher Geduld Bilder zusammen zusetzen.« »Er hat sich selbst übertreffen!« bemerkte Atlan mit einem bezeichnen den Blick auf das Durcheinander im Saal. »Das Parraxynt ist nicht irgendein Bild!« sagte der Stimmenmagier ge lassen. »Abgesehen davon ist die Bezeichnung ›Bildermagier‹ in mancher Weise irreführend. Normalerweise hat Valschein sich mit anderen ›Bildern‹ befaßt. Ich habe sehr oft mit ihm zusammengearbeitet. Man konnte ihm einen Wust von Informationen übergeben, Bruchstücke sozu sagen, Einzelbeobachtungen aller Art – er brachte sie miteinander in Zu sammenhang, sortierte aus, was nicht dazugehörte, und ergänzte das, was fehlte. Das war der Hauptgrund dafür, daß wir ihn auf das Parraxynt ange setzt haben. Wir müssen davon ausgehen, daß wir längst noch nicht alle Stücke gefunden haben. Wenn überhaupt jemand imstande gewesen wäre, trotzdem die komplette Botschaft zu ermitteln, dann wäre das Valschein gewesen.« »Du sprichst in der Vergangenheit von ihm!« stellte Atlan erschrocken fest. Koratzo wandte sich ab und blickte in den Saal hinein. »Wahrscheinlich lebt er noch«, sagte er nachdenklich. »Du sagst, daß du Spuren gefunden hast, die auf die Vollstrecker hindeuten.« Atlan trat ungeduldig einen Schritt nach vorne. Koratzo sah für einen Augenblick aus, als wollte er den Arkoniden mit Gewalt zurückhalten, und Copasallior hob gar zwei Hände und schickte sich an, mit seinen knochi gen Fingern auf den Arkoniden zu deuten – was normalerweise zur Folge gehabt hätte, daß Atlan sich an irgendeinem anderen Ort wiedergefunden hätte. »Laßt doch den Unsinn!« knurrte der Arkonide ärgerlich. »Kommt mit, es passiert nichts!« Für einen Augenblick war es sehr still. »Laß ihn gehen«, sagte Koratzo dann. »Er durchdringt die Sperre, ohne einen Schaden anzurichten.« »Worauf wartet ihr!« fragte Atlan. »Wir können dich nicht begleiten«, sagte Copasallior düster. »Was willst du da drin?« »Ich dachte, ihr würdet gern selbst die Spuren begutachten.« »Das ist nicht nötig«, behauptete Copasallior schroff.
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»Es reicht, wenn du etwas mitbringst, was die Vollstrecker zurückgelas sen haben«, schwächte Koratzo hastig ab. »Aber berühre das Parraxynt nicht!« »Worauf du dich verlassen kannst«, sagte Atlan grimmig und ging auf die Stelle zu, an der der Stoffetzen lag. Er sammelte alles ein, was auf die Vollstrecker hindeutete, soweit es sich mitnehmen ließ, dann kehrte er zu den Magiern zurück. Koratzo nahm ihm das Stückchen Tuch aus der Hand. Er berührte es so vorsichtig, als wäre es glühendheiß, ließ es schließlich für einen Augenblick auf seiner Handfläche liegen und warf es angewidert zu Boden. »Es waren die Vollstrecker«, murmelte er und schüttelte sich. »Bei Kir Ban – diese Wesen sind so bösartig, daß sie fast an den Dunklen Oheim selbst heranreichen!« »Und nun? Wißt ihr jetzt endlich genug?« »Ja«, sagte Koratzo. »Ich glaube schon. Die Vollstrecker haben die Ma gier nicht getötet, sondern nur eingeschläfert und verschleppt. Valschein ist mit einiger Wahrscheinlichkeit noch am Leben. Wir wollen nicht dieje nigen sein, die ihn umbringen.« »Was soll das heißen?« fragte Atlan verblüfft. Koratzo sah ihn überrascht an, und selbst Copasallior gab seine abwei sende Haltung zum Teil auf. »Valschein war ein schwacher Magier«, wiederholte Koratzo jene Aus sage, die er schon zuvor gemacht hatte. »Er wäre niemals imstande gewe sen, eine solche Sperre zu schaffen.« »Er hat es aber getan!« »Ja.« »Oder war ein anderer Magier beteiligt?« »Nein«, sagte Koratzo bedrückt. »Es war Valschein. Aber er hat sich selbst in diese Sperre hineinverschlüsselt. Seine gesamte Lebenskraft steckt darin. Er hat sich keine Reserve für die Rückkehr gelassen. Die Vollstrecker hatten es nicht mehr nötig, ihn zu betäuben – er war mehr tot als lebendig, als sie ihn aus diesem Saal geschleppt haben.« »Heißt das, daß er endgültig stirbt, wenn ihr die Sperre beseitigt?« »Falls die Vollstrecker ihn am Leben gelassen haben, befindet er sich jetzt in einem Zustand, in dem es ihm nicht mehr schaden kann. Er spürt überhaupt nichts. Aber wenn es uns gelingen sollte, die Magier zu befrei en, muß Valschein an diesen Ort zurückgebracht werden, ehe er erwacht. Entweder kann er die Energie, die er in die Sperre gesteckt hat, sofort wie der in sich aufnehmen, oder er stirbt auf der Stelle.« Atlan dachte an den Bildermagier, wie er ihn kannte, – ein bescheidener Mann, der wenig Wirbel um seine Person veranstaltete. Und er dachte an das, was Koratzo ihm erzählt hatte. Diese Fähigkeit, aus vielen kleinen In
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formationen ein großes, komplettes Bild zusammenzusetzen, von einer fremden Welt, einem fremden Volk, einer Kultur –, ein solcher Magier ging hin und verschwendete seine gesamte Lebensenergie an eine Sperre, die das Parraxynt schützte. Verschwendete? Ja, denn die Vollstrecker hatten sich für die Bruchstücke gewiß nicht in teressiert. Bist du sicher? fragte der Extrasinn spöttisch. »Warum hat er für uns keinen Durchgang gelassen?« fragte der Arkoni de. »Er mußte doch damit rechnen, daß Freunde kommen und nach ihm suchen würden.« »Ich weiß nicht, warum er es nicht getan hat«, sagte Koratzo. »Vielleicht ging alles so schnell, daß ihm keine Zeit dazu blieb.« Er zögerte und sah zu Copasallior hin, dann wieder zu Atlan. »Das Parraxynt ist wichtig«, sagte er kaum hörbar. »Du mußt entschei den, was geschehen soll!« Atlan starrte auf den Saal, auf die Bruchstücke, die nicht zusammenge setzt waren. Hatte Valschein wirklich versagt? Oder gab es etwas, das sich ihm ent gegengestemmt hatte? Die Frage war es im Augenblick nicht wert, auch nur gestellt zu wer den. »Wir werden ihn herausholen«, sagte er rauh. »Ihn und die anderen. Es wird höchste Zeit, daß wir es tun. Wenn wir noch lange warten, bringen die Vollstrecker sie vielleicht doch noch um.« Er hatte von den Magiern keine großartigen Gefühlsausbrüche erwartet, und sie kamen auch nicht, aber Koratzos dankbarer Blick traf ihn bis ins Mark, und als er zu allem Überfluß – zum erstenmal! – sah, daß Copasal liors Hände zitterten, begriff er plötzlich, daß diese beiden die ganze Zeit über darauf gewartet hatten, daß er eine derartige Entscheidung traf. Aber warum hatten sie gewartet? Sie waren durchaus fähig, selbständig zu handeln, und Atlan wußte ge nug über sie, um zu ahnen, daß sie seine Hilfe bei der Befreiung ihrer Freunde nicht brauchten. »Warum habt ihr nicht längst etwas unternommen?« fragte er. »Du bist der König von Pthor«, erwiderte Koratzo. Atlan unterdrückte mit Mühe ein hysterisches Gelächter. »Das war unpassend!« stellte er fest. »Nein«, behauptete der Stimmenmagier sehr ruhig. »Das war es ganz und gar nicht. Ich verstehe dich sehr gut, aber du solltest eines bedenken: Wir sind unsterblich – wie du. Wir warten seit undenkbaren Zeiten darauf, daß dieses Land Frieden findet. Wir selbst hatten nie die Kraft, es durch
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zusetzen, obwohl wir es vielleicht gekonnt hätten. Mit deiner Ankunft hat sich alles geändert. Ragnarök hätte eine Sache der Kinder Odins sein sol len – aber du allein hast die Entscheidung herbeigeführt. Du warst es, der eine Verbindung zur Seele von Pthor fand, der dazu beitrug, daß die Di mensionsschleppe abgetrennt wurde. Du bist in die Schwarze Galaxis hin ausgeflogen und hast schließlich den Dunklen Oheim aufgespürt. Ohne dich wäre die große Plejade niemals von Xudon weggekommen, und ohne dich wären wir jetzt nicht mit dem Dunklen Oheim unterwegs.« »Ich sehe kein Verdienst darin, daß es so ist«, bemerkte Atlan bitter. »Was den Rest betrifft – das war eine Verkettung von Zufällen, nicht mehr.« Koratzo lächelte schwach. »Du hast mir einiges von der Logik erzählt, der die Wissenschaftler in deiner Welt folgen. Hier in Pthor sind wir Magier die Repräsentanten der Wissenschaft, obwohl wir nie darum gebeten haben. Was wir tun, mag sich mit deiner Logik nicht immer vertragen, aber in einem Punkt sind die Wissenschaftler deiner Welt und wir Magier uns offensichtlich einig: Wenn derartige Zufälle sich häufen, dann sollte man besser nach einem Zusammenhang suchen. Wir haben das getan, und wir sind zu dem Schluß gelangt, daß du das bist, was du oder die Menschen in deiner Welt als einen Katalysator bezeichnen würden.« »Ein Katalysator leistet nichts aus eigener Kraft«, sagte Atlan unbehag lich. »Er bewirkt etwas allein durch seine Existenz!« »Das ist die Definition in deiner Welt. Bei uns sieht es anders aus. In dieser Welt zu existieren, ohne sich anzupassen, zu resignieren, den hier üblichen Glauben anzunehmen – das allein ist schwer genug. Du bist für uns nicht in dem Sinne der König von Pthor, wie man es in deiner Welt verstehen würde. Bei euch ist ein König jemand, der über den Dingen steht, die den Alltag bestimmen. Er trifft die großen Entscheidungen und befaßt sich nicht mit all den Kleinigkeiten, die für seine Untertanen wich tig sind. Zu einem König gehören ein Hofstaat, ein Schloß, eine Schar von Ministern und ähnlichen Leuten …« Atlan lächelte schwach, denn Koratzos Worte erinnerten ihn an alte Märchenbücher. »Für uns«, fuhr der Stimmenmagier fort, »bist du der König über dieses Land in ganz anderer Weise. Du bist unbestechlich. Du hast dich niemals zum Diener böser Mächte machen lassen. Du hast niemals um deiner eige ner Freiheit willen die Unfreiheit anderer Wesen in Kauf genommen; im Gegenteil: Du hast deine eigene Freiheit und dein Leben riskiert, um sol chen Wesen zu helfen. Du bist der positive Faktor in Pthor, derjenige, der die wenigsten negativen Eigenschaften auf sich vereinigt, und darum bist du für mich und für andere Magier für alle Zeiten der König von Pthor.«
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Atlan sah den Stimmenmagier beinahe erschrocken an. »Du irrst dich«, sagte er rauh. »Ich bin nicht das, wofür du mich hältst. An meinen Händen klebt so unendlich viel Blut … Es gibt Wesen, die ich hasse. Ich kämpfe und töte, um am Leben zu bleiben.« »Du wärst ein Narr, wenn du das nicht tun würdest«, sagte Koratzo ernst. »Er kann es nicht verstehen«, mischte Copasallior sich unvermittelt ein. »In seiner Welt ist selbst der schlimmste Bösewicht nicht absolut negativ. Irgendwo gibt es einen Punkt, an dem man ihn verstehen kann – vielleicht mit Mühe, aber immerhin. Spürst du es nicht, Koratzo? Irgendwo hat er sogar noch mit dem Dunklen Oheim Mitleid.« »Er kämpft um seine Existenz«, sagte Atlan nachdenklich. »Ich glaube nicht, daß er von Anfang an geplant hat, das zu werden, was er jetzt ist. Ich kenne seine Geschichte. Es hat sich eines aus dem anderen ergeben – er ist bösartig, aber er ist für seine Veranlagung nicht verantwortlich.« »Würdest du ihm das Leben schenken, wenn du die Möglichkeit hättest, ihn zu besiegen?« »Ich weiß es nicht«, sagte Atlan zögernd. »Aber ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen. Er hat so viel Elend verursacht … Ich hoffe, daß ich niemals vor dieser Entscheidung stehen werde.« Unsicher sah er zu Koratzo hin. Der Stimmenmagier wandte sich abrupt ab. »Er könnte dir eine andere Antwort geben«, bemerkte Copasallior ohne jede Spur von Ironie, »aber das ist ein anderes Kapitel. Er ist nicht frei. Er kann nicht entscheiden, wie er in solchen Situationen reagieren will. Den Dunklen Oheim würde er zweifellos auch zerschlagen, wenn er es könnte, aber lieber wäre es ihm, dieses Wesen nur zu neutralisieren, noch dazu auf eine Weise, die weder dem Oheim noch dessen Untertanen weh tut. Korat zo ist ein positiver Magier, Atlan, und er ist der stärkste seiner Art, den wir je hatten.« Koratzo ging davon, und Atlan traf Anstalten, ihm zu folgen. Copasalli or hinderte ihn daran, indem er ihn am rechten Arm packte. Von einem Augenblick zum anderen befanden sie sich in einem grauen Nichts, das dem Arkoniden Angst einflößte. »Ich weiß, daß das kein angenehmer Aufenthaltsort ist«, sagte Copasal lior ruhig, »aber es ist der einzige derzeit erreichbare Ort, an dem Koratzo uns auch durch einen unglücklichen Zufall nicht hören kann. Hör mir ge nau zu, Atlan. Koratzo und einige andere sind positiv. Sie bilden ein Boll werk gegen Kräfte wie die, die vom Dunklen Oheim ausgehen, aber das ist nicht ihre eigentliche Aufgabe. Etwas ruht unterhalb der Barriere. Es braucht beides, die positiven wie die negativen Kräfte. Die negativen Kräfte haben wir verbannt, aber damit haben wir denen, die positiv sind,
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keinen großen Gefallen getan. Bis zum Augenblick der Verbannung hatte Koratzo genug damit zu tun, sich gegen die negativen Elemente zur Wehr zu setzen. Es war ein harter Kampf. Jetzt ist es vorbei, und er hat Zeit, über Dinge nachzudenken, über die man besser nicht nachdenken sollte. Als Duuhl Larx uns in die Schwarze Galaxis hinausbrachte, da hat Korat zo erkannt, welchen Zweck seine Existenz erfüllt. Seine Veranlagung hin dert ihn daran, verbittert zu reagieren, aber es ist nicht leicht, sich damit abzufinden, daß man nicht mehr als ein Speicher ist. Ja, Atlan, genau das ist er: ein Speicher für eine bestimmte Form von Energie, und er ist dazu bestimmt, eines Tages geleert zu werden. Niemand weiß, was dann ge schehen wird.« »Wird er sterben?« fragte Atlan mit einer körperlosen Stimme in ein körperloses Nichts hinein. »Ich weiß es nicht«, kam Copasalliors Antwort. »Vielleicht hat er ge wisse Ahnungen, aber er äußert sich nicht zu diesem Thema.« Copasallior zögerte einen Augenblick lang. »Koratzo war für mich immer so etwas wie ein Sohn«, sagte er schließ lich. »Dendera war seine Mutter, und ich habe sie geliebt. Sein Vater war Kir Ban, und er hat unsagbares Elend über dieses Land gebracht. Koratzo selbst hat mir geholfen, seinen Vater zu besiegen, und er ist der einzige le bende Magier, der die Speicher am Skatha-Hir schalten kann. Er ist stärker als ich – es kostet mich einige Überwindung, das zuzugeben, aber es ist die Wahrheit. Ich habe jahrtausendelang gegen ihn und mich selbst ge kämpft. Ich hoffe, daß gerade du das verstehen kannst. Jetzt nähern wir uns dem Ende des Weges. Was dabei herauskommt und wo das Ziel liegt, wissen wir alle nicht, aber ich fürchte, daß gerade Koratzo sich in großer Gefahr befindet.« »Was ist das Geheimnis der Magier?« fragte Atlan zögernd. »Woher be zieht ihr eure Kräfte?« Copasallior lachte leise auf. »Es ist ganz einfach«, sagte er sanft. »Ein junges Universum besteht zu nächst aus viel Energie und wenig Materie. Je älter ein Universum wird, desto mehr gewinnt die Materie die Überhand, aber die freie, ursprüngli che Energie bleibt lange Zeit hindurch erhalten. Sie verschwindet erst dann völlig, wenn das Gleichgewicht zwischen Energie und Materie end gültig erreicht ist, beziehungsweise zur Materie hin überkippt. In einem solchen Universum ist Leben in unserem Sinne nicht mehr möglich. Wir haben immer und überall etwas von dieser freien, ursprünglichen Energie zur Verfügung. Normalerweise läßt sie sich kaum nutzen.« »Aber ihr könnt es trotzdem«, sagte Atlan überrascht. »Ja. Es ist manchmal mit Schwierigkeiten verbunden, diese Energie so einzusetzen, wie es einem vorschwebt. Es ist in erster Linie ein geistiger
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Vorgang, der ein hohes Maß an Konzentration voraussetzt. Um diese Kon zentration zu erreichen, bedienen wir uns sehr verschiedener Methoden, die auf Außenstehende wahrscheinlich einen etwas unheimlichen Eindruck machen. Die ganze Angelegenheit ist zu kompliziert, um sie mit wenigen Worten zu erklären.« »Das leuchtet mir ein«, murmelte Atlan. »Wir sollten zurückkehren, ehe Koratzo mißtrauisch wird.« »Er wird sich denken können, weshalb ich diesen Abstecher mit dir un ternommen habe, aber ich wollte nicht, daß er uns zuhören kann. Er will allein damit fertig werden, und das ist auch richtig so, denn helfen kann ihm ohnehin keiner von uns. Aber wenigstens du solltest wissen, daß uns einiges bevorsteht. Es betrifft nicht nur Koratzo, auch nicht nur uns Ma gier, sondern ganz Pthor.« »Nun, daß uns Gefahr droht …« »Du siehst im Moment nur den Dunklen Oheim vor dir«, fiel Copasalli or dem Arkoniden ins Wort. »Daran ist auch gar nichts auszusetzen, denn dieses Wesen ist extrem gefährlich. Aber es könnte noch andere Mächte geben, die diesem schwarzen Ring in nichts nachstehen.« »Wenn du etwas weißt«, sagte Atlan gedehnt, »dann sprich es aus. Du hilfst mir nicht, indem du dunkle Andeutungen machst.« Copasallior zuckte bedauernd die Schultern. »Ich weiß so gut wie nichts«, gab er zu. »Ich weiß zum Beispiel, daß et was seit undenkbaren Zeiten dafür sorgt, daß die Barriere von Oth von ma gisch begabten Wesen bewohnt wurde – von Wesen, die genau wie wir ge wisse Energien speichern und nutzbar machen konnten.« »Dieses Etwas manipuliert euch?« »Das ist eine schwierige Frage. Manipulation würde voraussetzen, daß es lebt und denkt, daß es ein Bewußtsein besitzt.« »Und du meinst, daß ihr es dann längst hättet aufspüren müssen.« »Das wäre anzunehmen, nicht wahr?« »Habt ihr danach gesucht?« »Anfangs schon. Aber da wir nichts fanden, haben wir schließlich das Interesse daran verloren.« »Vielleicht ist gar nichts da«, murmelte Atlan und dachte unwillkürlich an die Barriere von Oth mit ihren wilden Berggipfeln und den vielen dü steren, geheimnisvollen Schluchten. In einer solchen Umgebung konnten selbst stocknüchterne Wesen auf die absonderlichsten Ideen kommen. Wa rum sollten die Magier eine Ausnahme machen? »Du denkst, wir würden uns das alles nur einbilden«, stellte Copasallior leidenschaftslos fest. »Ich kann dir das Gegenteil nicht beweisen. Wir wa ren in der Barriere, und wir haben es gespürt. Es hat versucht, uns festzu halten. Die anderen denken, daß es nur an den Bergen selbst liegt, die zur
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Zeit zuwenig Energie zugeführt bekommen, aber Koratzo und ich wissen es besser. Es beginnt, sich zu regen. Es ist noch nicht wach, aber etwas sagt mir, daß es aufwachen wird – und zwar bald.« Atlan erinnerte sich voller Schrecken an die Aussage des Dunklen Oheims, derzufolge in jedem Dimensionsfahrstuhl einige junge Ringe ver borgen waren. Er hatte in Dorkh erlebt, welche Folgen es nach sich zog, wenn ein solcher Ring erwachte. Zum Glück schien so etwas nur selten zu geschehen, aber wenn es ausgerechnet jetzt dazu kam – es gab nichts, was man gegen einen solchen Ring hätte tun können. Auch Copasalliors Behauptung, einige Magier seien nichts anderes als Energiespeicher, dazu bestimmt, irgendwann leergesaugt zu werden, paßte erschreckend genau zu der Vermutung, daß das Erwachen eines Ringes bevorstand. Die Tatsache, daß zum Beispiel Koratzo einem Ring keines wegs die negative Energie zuzuführen vermochte, die ein solches Wesen benötigte, änderte leider gar nichts. Die Neffen des Oheims hatten eben falls mit positiver Energie versorgt werden müssen, und niemand, nicht einmal der Oheim selbst, wußte, welche Faktoren nötig waren, um ein Ringwesen zu aktivem Leben zu erwecken. Der Oheim hatte unzählige Versuche unternommen – die Magier mochten gegen ihren Willen an ei nem davon beteiligt sein, ohne bisher etwas davon zu wissen. »Wir werden uns darum kümmern müssen«, sagte er nachdenklich. »Aber jetzt bringe mich zurück. Diese Umgebung verwirrt mich allmäh lich.« Copasallior versetzte sich schweigend mit dem Arkoniden in die große Pyramide zurück. Offenbar waren in der wirklichen Welt nur Bruchteile von Sekunden vergangen, während sie ihr Gespräch geführt hatten, denn Koratzo befand sich immer noch nur wenige Schritte entfernt in dem dü steren Gang, der von Valscheins Saal wegführte. Er stand gerade im Be griff, sich umzudrehen. »Wieder zurück?« fragte er mit leisem Spott. »Ja«, erwiderte Copasallior gelassen. »Eines Tages wirst du einsehen, daß es richtig war, ihm die Wahrheit zu sagen.« »Ich glaube nicht, daß es richtig ist, den König dieses Landes jetzt mit Problemen zu belasten, die allein unsere Angelegenheit sind!« gab Korat zo eisig zurück. »Und ich befürchte, daß weit mehr dahintersteckt«, erklärte Atlan ruhig. Er hätte gern noch mehr zu diesem Thema gesagt, aber er bemerkte die ab lehnende Haltung des Stimmenmagiers und beschloß, einen günstigeren Zeitpunkt abzuwarten. »Kümmern wir uns erstmal um eure Freunde«, schlug er ablenkend vor.
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2.
»Ich habe keine Ahnung, wo dieses Gewölbe sich befindet«, erklärte Co pasallior mißmutig. »Natürlich würde ich es finden, aber die Suche könnte uns wertvolle Zeit kosten. Ich schlage vor, daß wir die Transportkammer benutzen, durch die Kennon, Synk und Bördo in die FESTUNG gelangt sind. Haben wir erst die Quelle des Lebens erreicht, dann ist alles andere nicht mehr so schwer.« Atlan dachte, daß es den Magier sicher einige Überwindung gekostet hatte, sich zu diesem Vorschlag durchzuringen. Die Transportkammer – zweifellos ein Transmitter – war mit Sicherheit eine antimagische Maschi ne, und Copasallior hätte sich früher eher zu Fuß auf die Suche begeben, als einen solchen Apparat zu benutzen. Der Arkonide hütete sich jedoch wohlweislich, Copasallior gegenüber eine Bemerkung zu diesem Thema zu machen. »Ich werde Kennon herrufen«, bot er an. »Er kann uns die Transportkammer zeigen und uns beschreiben, wie es von der Lebensquelle aus weitergeht.« »Willst du wirklich mitkommen?« fragte Koratzo. »Du wirst hier oben nötiger gebraucht.« Atlan zögerte. Der Stimmenmagier hatte natürlich recht, aber andererseits hieß eine Ahnung den Arkoniden, an diesem Vorstoß in die Tiefen des Dimensions fahrstuhls teilzunehmen. Er war jedoch nicht bereit, das den Magiern ge genüber zuzugeben. »Ich möchte zumindest die Quelle des Lebens besuchen«, erklärte er. »Ich muß wissen, wie es da unten aussieht.« Koratzo lächelte, und Atlan wandte sich hastig ab und ging, um Kennon herbeizuholen. Er überlegte, ob der Magier etwa wieder unaufgefordert seine Gedanken für sich hörbar gemacht hatte. In dieser Hinsicht kannte Koratzo, der sonst so viel von Rücksichtnahme und Toleranz hielt, offen bar keinerlei Skrupel, und er ließ sich nicht einmal dadurch abschrecken, daß Atlan ihm schon mehrmals deutlich zu verstehen gegeben hatte, daß er seine Gedanken als sein unantastbares Eigentum betrachtete. Die Leichtig keit, mit der der Magier sich zu jedem beliebigen Zeitpunkt Zugang zu den geheimsten Gedankengängen verschaffen konnte, war für Atlan um so be unruhigender, weil er mentalstabilisiert und damit vor telepathischen Horchversuchen aller Art geschützt war. Gegen die Magie kam offenbar auch die Mentalstabilisation nicht an. Er fand Kennon inmitten einer Gruppe von Dellos, denen er offenbar Unterricht in Sachen Verbrechensbekämpfung und Kriminalistik erteilte.
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Als Kennon den Arkoniden sah, entließ er seine Schüler. Sie gingen nur zögernd. Einige von ihnen waren offenkundig restlos fasziniert von ihrem Lehrer – oder von dem Wissen, über das Kennon verfügte. Atlan beobachtete den Terraner. Obwohl sein Körper noch längst nicht dem eines normalen Mannes glich, hatte Kennon sich sehr verändert – und das bezog sich nicht nur auf sein Aussehen. Jene kleinen Zeichen von Ge hemmtheit und Minderwertigkeitskomplexen, die ein Eingeweihter selbst an dem in einem perfekten Robotkörper steckenden Kennon stets hatte be merken können, waren restlos verschwunden. Der Terraner hatte eine er staunliche Wandlung durchgemacht. Von der früher oft spürbaren Hektik war nichts mehr zu bemerken. Kennon wirkte ruhig und ausgeglichen. »Hast du es dir anders überlegt?« fragte Atlan, als Kennon endlich auf ihn zukam. »Versuchst du, deine Kenntnisse weiterzugeben, solange es dir noch möglich ist?« Kennon stutzte und schüttelte dann lachend den Kopf. »Nein«, sagte er. »Wenn du jemals die Gelegenheit haben solltest, nach Terra zurückzukehren, wirst du ohne mich gehen müssen. Vergiß nicht – ich könnte mit meiner Rückkehr ein Zeitparadoxon auslösen.« »Schon gut«, murmelte Atlan. »Was hast du vor?« »Die Ereignisse in Aghmonth haben mir gezeigt, wie wichtig es wäre, in Pthor so etwas wie eine nicht regional gebundene Polizei zu schaffen. Die Ereignisse waren so durchsichtig, daß jeder Außenstehende sofort Verdacht geschöpft hätte. Den Kelotten, Pfisters und Dellos von Agh month war das nur deshalb nicht möglich, weil sie direkt betroffen waren und dementsprechende Emotionen ins Spiel brachten.« »Meinst du, daß Dellos geeignet sind, einen solchen Job zu überneh men?« »Warum nicht?« fragte Kennon schulterzuckend. »Die, die ich mir aus gesucht habe, sind intelligent genug, um sich die nötigen Kenntnisse anzu eignen. Gleichzeitig fühlen sich gerade Dellos oft besonders stark als Pthorer und nicht so sehr als Angehörige einer kleinen, von Natur aus be sonders vorteilhaft ausgestatteten Gruppe. Ich habe es auch mit Leuten aus den anderen Städten versucht, aber da gibt es laufend Schwierigkeiten. Am schlimmsten sind die Orxeyaner.« »Laß das Sator Synk nicht hören!« »Er ist eine Ausnahme. Es gibt mehr von seiner Art, aus allen nur denk baren Völkern, aber es sind leider nur wenige. Ich nehme an, du bist nicht hergekommen, um mit mir über diese Dinge zu plaudern.« »Nein. Ich wollte dich bitten, mir die Transportkammer zu zeigen, mit der man zur Lebensquelle gelangen kann.« »Willst du versuchen, die Magier aus der Höhle zu holen?« Atlan nickte.
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»Wer ist mit von der Partie?« »Nur Koratzo und Copasallior.« »Laß mich mitgehen. Es hat keinen Sinn, mit einer halben Armee durch die Höhlen marschieren zu wollen, aber ich habe erlebt, wie schwer es ist, zu dritt dort durchzukommen.« »Du vergißt, wer meine Begleiter sind«, sagte Atlan lächelnd. Er hatte mit Einwänden dieser Art gerechnet. »Sie werden Mittel und Wege finden, alle Hindernisse zu beseitigen.« »Dann laß mich an deiner Stelle gehen.« »Nein!« »Du bist zu wichtig, als daß du dein Leben leichtsinnig aufs Spiel setzen dürftest!« Atlan lächelte nur und zog spöttisch die Augenbrauen hoch. »Na gut«, murmelte Kennon ärgerlich. »Aber dann laß mich wenigstens den Transport mitmachen. Jemand muß die Kammer bewachen.« »Wir brauchen sie für den Rückweg nicht«, lehnte Atlan ab. »Copasallior kann die FESTUNG jederzeit erreichen.« »Seine Magie könnte auch mal versagen – falls es wirklich etwas mit Magie zu tun hat. Mir kommt das alles sehr merkwürdig vor. Diese Leute erinnern mich eher an Mutanten als an Magier.« »Das habe ich lange Zeit auch gedacht«, gab Atlan zu. »Aber es steckt tatsächlich mehr dahinter. Tue mir den Gefallen und bleibe hier. Die Od inssöhne geben sich redliche Mühe, sich nützlich zu machen, von Kolphyr, Razamon und den anderen ganz zu schweigen. Aber du weißt, wie es aus sieht: Sie haben irgendwie mit Problemen zu kämpfen, alle miteinander. Kolphyr spricht immer öfter von seiner Heimat, die Odinssöhne haben me lancholische Momente, Sator Synk braucht mal wieder etwas, woran er or dentlich sein Mütchen kühlen kann, Koy ist sich mitunter seiner selbst nicht sicher, Razamon plagt sich mit etwas herum und weigert sich, dar über zu sprechen …« »… und ich leide unter dem Gedanken, daß mein Körper noch immer nicht das ist, was er sein könnte«, fuhr Kennon mit einem schiefen Lä cheln fort. »Wo liegt dein Problem, oder hast ausgerechnet du etwa kei nes?« »Doch: den Dunklen Oheim. In Ordnung, ich gebe es zu. Ich habe das Gefühl, daß ich etwas ganz Bestimmtes dort unten finden werde. Du weißt, daß man solche Ahnungen nicht mißachten sollte.« Kennon nickte nachdenklich und drehte sich dann plötzlich um. »Ich zeige euch die Kammer«, murmelte er und ging voran, zunächst zu jenem Raum, in dem die Magier warteten, dann über Rampen und Galeri en, durch Gänge und Säle immer tiefer hinab in jene Anlagen, die sich un terhalb der eigentlichen Pyramide erstreckten. Niemand hatte dieses Laby
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rinth bisher gründlich genug erforscht, um behaupten zu können, alles ge sehen zu haben, was sich darin verbarg. »Da hinten ist es«, sagte er schließlich und bog in einen düsteren Gang ein, der von einer kreisförmigen Halle wegführte. Er betastete die Wände, und nach wenigen Sekunden glitt lautlos eine Tür zur Seite. Ein matt er leuchteter Raum lag vor ihnen, klein, quadratisch und absolut leer. Die Magier blickten mißtrauisch hinein, und Atlan kämpfte gegen ein plötzliches Gefühl unerklärlicher Angst an. Energisch rief er sich zur Ord nung und betrat als erster die Kammer. Es geschah genau das, worauf er gewartet hatte – nämlich gar nichts. Auf welcher Basis der fremde Trans mitter auch immer arbeitete, er »wußte« offenbar, daß Atlan nicht der ein zige war, der sich von ihm befördern lassen wollte. Kennon stand direkt neben der Tür. Er beobachtete Atlan und die Ma gier, die vorsichtig in die Kammer hineingingen, und er stellte fest, daß niemand auf ihn achtete. Blitzschnell tat er einen Schritt nach vorn. Er empfand keinerlei Gewissensbisse dabei. Er kannte den Arkoniden gut genug und wußte, daß Atlan auf einen solchen Versuch gefaßt war. Wenn Kennons ehemaliger Chef dennoch nicht ausdrücklich darauf achte te, daß der Terraner auch wirklich zurückblieb, dann konnte das eigentlich nur ein Zeichen dafür sein, daß er im Grunde nichts gegen Kennons Teil nahme an diesem Unternehmen einzuwenden hatte. Kennon mußte jedoch feststellen, daß die stillschweigende Duldung sei ner Eigenmächtigkeit durch den Arkoniden allein nicht ausreichte. Er stand kaum in der Kammer, da schob sich etwas auf ihn zu und drängte ihn rückwärts wieder hinaus. Kennon hatte die Magier im Verdacht, die Hände dabei im Spiel zu haben, aber als er sah, daß weder sie noch Atlan auch nur in seine Richtung blickten, ja, nicht einmal zu bemerken schie nen, was mit dem Terraner geschah, begann er an dieser Theorie zu zwei feln. Was es auch war – es warf ihn kunstgerecht hinaus. Er stolperte nach rückwärts, und als er sich außerhalb des Raumes befand, schloß sich die Tür direkt vor seiner Nase. Er hatte nicht die leiseste Chance, sich etwa noch im letzten Augenblick hindurchzuzwängen. Minutenlang blieb er vor der Tür stehen und wartete, aber sooft er auch versuchte, die Tür zu öffnen – es gelang ihm nicht. Er hörte auch keine Stimmen von drinnen, und so kam er zu dem Schluß, daß Atlan und die beiden Magier von der Kammer irgendwohin transportiert worden waren. Er redete sich ein, daß sie längst in jenen Anlagen herumschlichen, zu de nen die Quelle des Lebens gehörte. Ganz gelang es ihm nicht, sich selbst davon zu überzeugen. Es schien ihm, als wäre nicht alles mit rechten Din gen zugegangen, und als hätte sich jemand oder etwas in die Angelegen heit eingemischt, mit dem niemand bisher gerechnet hatte.
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Er hoffte inständig, daß Atlan keinen folgenschweren Irrtum begangen hatte, als er einer vagen Ahnung zuliebe in die Kammer gegangen war.
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3.
Atlan selbst merkte nicht viel von dem eigentlichen Transportvorgang. Nachdem die Tür sich geschlossen hatte, kam ein kurzer Augenblick der Desorientierung. Als dieser Eindruck lange genug angehalten hatte, um sich seinem Bewußtsein aufzuprägen und auf seinen Körper einzuwirken, war es bereits vorbei. Er sah sich hastig um und registrierte, daß Kennon tatsächlich nicht mitgekommen war – das wunderte ihn, denn er hatte da mit gerechnet, daß der ehemalige USO-Spezialist sich nicht so leicht wür de zurückhalten lassen. Koratzo schien die Angelegenheit ebenfalls gut überstanden zu haben, und nur Copasallior machte einen etwas mitgenommenen Eindruck. »Wir sind da«, stellte Atlan fest. »Wenn Kennon recht hat, müßte sich jetzt die Tür öffnen.« Sie tat es, als hätte sie den Arkoniden gehört. Aber was sich jenseits der Öffnung zeigte, entsprach nicht ganz dem, was die drei Passagiere der Kammer erwartet hatten. »Mir scheint, da ist etwas schiefgegangen«, murmelte Atlan. »Das da draußen mag alles mögliche sein, aber mit dem Gang, der zur Lebensquel le führen soll, hat es sicher nichts zu tun.« »Ich habe es geahnt«, sagte Copasallior düster. »Man sollte sich nicht mit der Antimagie einlassen.« »Könntest du von hier aus in die FESTUNG zurückkehren?« erkundigte sich der Arkonide. Copasallior schien in sich hineinzulauschen. »Kein Problem«, erklärte er kurz angebunden. Atlan atmete auf. Er hatte bereits befürchtet, in eine Falle geraten zu sein. Durch die Tür drangen zuckende Lichtblitze in allen möglichen Farben, und obwohl sie außer den Blitzen und einer dazwischen herrschenden tie fen Finsternis nichts sehen konnten, hatten sie alle drei den Eindruck, am Eingang zu einem sehr großen Raum zu stehen. Es war beängstigend still. Auch die Lichterscheinungen wurden von keinem noch so leisen Geräusch begleitet. So jedenfalls wollte es Atlan und dem Weltenmagier scheinen. Koratzo dagegen hörte mehr. »Es sind Maschinen«, sagte er leise. »Antimagische Geräte. Sie müssen sehr fremdartig sein.« »Das ist anzunehmen«, kommentierte Atlan trocken und ging auf die Tür zu. Als er in der Öffnung stand, sah er sekundenlang nichts weiter als eine grenzenlose Dunkelheit vor sich. Instinktiv zögerte er. Er konnte vor seinen Füßen keinen Boden erkennen, und nur die Tatsache, daß zumin
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dest von unten keine Blitze herangeschossen kamen, deutete darauf hin, daß er sich keinesfalls am Rande eines Abgrunds befand. Die Blitze änderten ihre Richtung und kamen direkt auf ihn zu. Es ging so schnell, daß er nicht einmal mehr erschrecken konnte. Buntes Licht um zuckte ihn und blendete seine Augen, aber er spürte nichts dabei, und so kam er zu dem Schluß, daß die Blitze ungefährlich waren. Die Wirkung könnte später einsetzen! warnte der Extrasinn. Da sich nichts änderte, tastete er schließlich mit einem Fuß den Boden ab und wagte sich Schritt für Schritt weiter. Die Blitze folgten ihm – bis sie von einem Augenblick zum anderen verschwanden. Überrascht blieb Atlan stehen. Vor ihm lag ein riesiger Saal, ein kreisförmiges, niedriges Gewölbe von mindestens einhundert Metern Durchmesser. Die Wände stiegen an den Rändern steil an, bogen sich dann nach innen und bildeten eine niederge drückte Kuppel, deren höchster Punkt etwa zehn Meter vom Boden ent fernt war. Es gab keinerlei Pfeiler oder sonstige Abstützungen. In die Decke waren in regelmäßigen Abständen flache, runde Beleuchtungskör per eingelassen, die ein mildes, schwach rötliches Licht spendeten. Der Boden war glatt und spiegelte in mattem Glanz. An den Wänden zogen sich in einer endlosen Kette Bildschirme hin, von denen jedoch die wenig sten arbeiteten. Die Schirme waren rechteckig, leicht gerundete Kanten verliehen ihnen ein vertrautes Aussehen. Unter den Bildschirmen befanden sich Pulte und Konsolen mit Schalteinrichtungen. Da der Boden zur Mitte hin leicht abfiel, entstand in Atlan der Ein druck, am oben Rand einer riesigen Schüssel zu stehen. Die Schüssel war fast völlig leer, nur in der Mitte erhob sich ein niedriges Podest, auf dem etwas stand – ein Sessel, eine Kombination von Schaukelstuhl und Kon turliege, vielleicht sogar ein Thron. Der Sessel glänzte, als wäre er aus pu rem Gold geschmiedet. Atlan hörte Geräusche hinter sich und sah sich um. Koratzo und Copasallior tauchten wie aus dem Nichts zwischen zwei Instrumentenpulten auf. Sie waren kaum zwei Schritte von der Wand ent fernt, als plötzlich hinter ihnen die Tür und die hellerleuchtete Transport kammer sichtbar wurde. »Wir sollten vorsichtig sein und die Tür sichern!« sagte Atlan. »Das ist bereits geschehen«, erklärte Copasallior. »Ich fürchte nur, daß diese Tür sich dadurch nicht beirren lassen wird, wenn sie sich schließen will.« Atlan überging diese Bemerkung. »Kennt einer von euch diese Halle?« fragte er. »Nein«, erwiderte Copasallior knapp. »Kannst du ungefähr sagen, wo wir uns befinden?« drängte Atlan unge
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duldig. Der Weltenmagier hob in einer Geste der Ratlosigkeit alle sechs Arme. »Ich habe während des Transports die Orientierung verloren«, gestand er. »Ich kann diesen Ort verlassen, aber ich glaube nicht, daß ich ihn ohne langes Suchen wiederfinden werde.« Atlan sah den Stimmenmagier fragend an. Koratzo zuckte die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, wo wir hier sind«, sagte er. »Aber ich denke, die Kammer hatte einen bestimmten Grund, uns herzubringen.« »Du meinst, jemand hat sie entsprechend programmiert?« »Ja.« »Ich weiß, daß du auch mit Robotern auf deine Weise reden kannst. Gibt es in den Wänden der Kammer so etwas wie ein künstliches Gehirn?« »Wenn es eines gibt, dann habe ich es nicht gefunden. Von der Kammer selbst werden wir nichts erfahren. Aber vielleicht ist hier etwas versteckt, was uns Auskunft geben kann. Wir sollten es zuerst drüben bei dem Thron versuchen.« Atlan sträubte sich gegen diesen Ausdruck. Während sie langsam und vorsichtig auf das fremde Sitzmöbel – falls es je als solches gebaut worden war – zugingen, versuchte er sich vorzustellen, wie es in grauer Vorzeit in diesem Raum ausgesehen hatte. Er ahnte, daß er durch Zufall an einen Ort gelangt war, von dem er be reits gedacht hatte, daß es ihn gar nicht gab. Unzählige Male hatte er sich den Kopf darüber zerbrochen, welchem Zweck die Dimensionsfahrstühle gedient haben mochten, ehe sie dem Dunklen Oheim in die Hände gefallen waren. Der Bericht des Oheims gab über diesen Punkt keinen Aufschluß, nur ein Verdacht war zur Gewißheit geworden: Die Inseln hatten einem positiven Zweck gedient. Und sie wa ren seit eh und je durch Raum und Zeit gereist. Wie immer man es drehen und wenden mochte – die Weltenfragmente waren im Grunde nichts anderes als gigantische, höchst seltsam konzipier te Raumschiffe. Dementsprechend mußte es eine Möglichkeit geben, sie zu lenken. Als die Tapheen nach Pthor gekommen waren, hatte es die See le bereits gegeben, aber Atlan war nicht bereit, daran zu glauben, daß die ses verschwommene Etwas die einzige Instanz sein sollte, die jemals für die Steuerung zuständig gewesen war – daß der Steuermann erst viel spä ter ins Spiel gekommen war und im Grunde nur dazu diente, die Seele zu manipulieren, war dem Arkoniden mittlerweile bekannt. Er wußte nicht, was die Seele war. Er hatte sich in ihrer »Nähe« aufge halten, hatte – über La'Mghor – sogar mit ihr gesprochen. Er hielt sie für die Kontaktfunktion eines Computers, der irgendwo in der Tiefe verbor gen war. Er war überzeugt davon, daß es lange vor dem Auftreten des Dunklen Oheims die Möglichkeit gegeben hatte, die Dimensionsfahrstühle
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von einem bestimmten, zentralen Kontrollraum aus zu steuern. Es mußte einfach so sein, denn kein vernunftbegabtes Wesen schickte derart kompli zierte Gebilde wie diese Weltenfragmente blindlings auf die Reise, ohne sich selbst die Möglichkeit zu sichern, in ihre Funktionen eingreifen zu können. Niemand vertraute solche »Schiffe« ohne gründliche – und vor al lem praktische – Überprüfung einem Computer an. Allein für die prakti sche Erprobung, für Testflüge und ähnliches, war es notwendig, einen Ort zu schaffen, an dem alle Fäden zusammenliefen und an dem sich alles steuern ließ. Atlan hatte das untrügliche Gefühl, gerade an diesem Ort gelandet zu sein. Sie erreichten das Podest und stiegen hinauf. Die Stufen, die ihnen hal fen, den Höhenunterschied von etwa eineinhalb Metern zu überwinden, waren nicht höher, als sie es gewohnt waren. Und der »Thron« entpuppte sich aus der Nähe tatsächlich als eine Art Kontursessel, der für ein Wesen von menschlicher Gestalt geschaffen schien. Atlan strich mit den Fingern über die Außenseite der einen Lehne und fühlte sich plötzlich an etwas erinnert, was ihm bereits weit in der Vergan genheit zu liegen schien: Das Material, aus dem dieser Sessel bestand, fühlte sich allzu vertraut an. Es schien sich um dasselbe Material zu han deln, aus dem auch das Goldene Vlies bestand. Fast mit Wehmut erinnerte Atlan sich daran, daß er den wunderbaren Anzug dem Mathoner Algonkin Yatta übergeben hatte. Der Mathoner soll te zur Milchstraße zurückkehren und Perry Rhodan davon unterrichten, wo und in welcher Lage Atlan sich befand. Das Goldene Vlies sollte Algonkin Yatta mitnehmen, damit es nicht zerstört wurde – die Gefahr dazu war ge rade damals als besonders dringlich erschienen. Seitdem war so viel geschehen, daß Atlan sich unwillkürlich fragte, ob er nicht kurzsichtig gehandelt hatte. Er hätte das Goldene Vlies etliche Male gut gebrauchen können. Koratzos Stimme riß ihn aus seinen Gedanken. »Er birgt keine Geheimnisse in sich«, sagte der Stimmenmagier leise. »Einige antimagische Vorrichtungen sind in den Lehnen enthalten.« »Steuerelemente«, murmelte Atlan. Koratzo nickte. »Das denke ich auch. Aber ich hatte angenommen, daß mehr in diesem Sessel steckt.« Atlan mußte lächeln. »Magische Geheimnisse?« fragte er spöttisch. »Im Gegenteil«, gab Koratzo nüchtern zurück. »Auf den ersten Blick habe ich gedacht, daß es eine Verbindung zwischen diesem Sessel und dem Goldenen Vlies gibt. Das Goldene Vlies machte dich nahezu unan
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greifbar für magische Einflüsse aller Art, solange sie gegen deinen Willen erfolgten und eine Gefahr für dich darstellten. Ich bin fast sicher, daß der Sessel aus demselben Material besteht. Er sollte also fähig sein, magische Kräfte zu neutralisieren, aber er tut es nicht.« »Vielleicht liegt es daran, daß niemand darin sitzt«, meinte Atlan und trat einen Schritt vor, aber Koratzo hatte etwas dagegen einzuwenden, daß der Arkonide sich einer Gefahr in so überflüssiger Weise aussetzte. Atlan kam nicht dazu, auch nur ein Wort des Protests zu äußern. Koratzo saß be reits auf dem Sessel und nickte Copasallior zu. »Ich lasse meine Sperren fallen«, sagte er ruhig. »Versetze mich – nur von hier bis zum Rand des Podests. Ich werde versuchen, mich dagegen zu wehren, ohne es zu weit zu treiben.« »Das ist kein richtiger Test!« gab Atlan zu bedenken. »Aber einer, der uns gewisse Erkenntnisse verschaffen kann«, behaupte te Copasallior und hob die Hände. Atlan hatte niemals ein Duell zwischen zwei Magiern beobachten kön nen. Es gab nicht viel zu sehen. Die beiden Magier starrten sich an und be wegten ab und zu auf seltsame Weise die Hände. Aber selbst Atlan spürte eine fremdartige, unheimliche Energie, die sich zwischen ihnen aufstaute und nach einem Ventil suchte. Nach einiger Zeit verschwand der Sessel mit dem Stimmenmagier für den Bruchteil einer Sekunde hinter einem bläulichen Leuchten, und Copasallior taumelte zurück und wäre gestürzt, wenn Atlan ihn nicht festgehalten hätte. Als Atlan sich nach Koratzo umsah, war das blaue Leuchten längst ver schwunden. Der Stimmenmagier erhob sich bleich und beinahe zitternd. »Das wollte ich nicht!« versicherte er verstört. »Bei den Speichern am Skatha-Hir, Copasallior – ich schwöre dir, daß ich nicht zurückschlagen wollte. Dieser Sessel hat es getan. Er hat meine Magie benutzt!« In Copasalliors steinern wirkenden Augen flackerte es. »Ich weiß«, murmelte er. »Schon gut – aber komm von dem Ding weg!« »Habt ihr jetzt erfahren, was ihr wissen wolltet?« fragte Atlan ärgerlich, denn die Reaktionen der beiden Männer zeigten ihm deutlich genug, daß das Spiel auch ein wesentlich unangenehmeres Ende hätte nehmen kön nen. »Ja«, sagte Copasallior schwerfällig. Er deutete auf den Stimmenma gier, und Koratzo zuckte angesichts des auf ihn gerichteten Fingers unwill kürlich zusammen. Der Sechsarmige ließ die Hand hastig sinken. »Er hatte seine Sperren aufgegeben«, erklärte er. »Das heißt, daß er oh ne jede Verteidigung war. Er hat lediglich versucht, mich daran zu hin dern, ihn zum Rand des Podests zu versetzen. Solche direkten Abwehrver
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suche sind im allgemeinen völlig hoffnungslos. Koratzo hätte mich damit vielleicht einige Sekunden lang aufhalten können, mehr nicht. Aber dieser Sessel hat eigene Sperren aufgebaut. Sie waren anfangs schwach, so daß ich dachte, sie durchdringen zu können. Als ich mit mehr Kraft zuschlug, hat dieses Ding mich auf magische Weise angegriffen – und zwar mit den Mitteln der Stimmenmagie. Das ist kein einfacher Sessel. Dieses Mon strum hat die Möglichkeit, zu erkennen, über welche Fähigkeiten ein We sen verfügt, das sich in ihm niederläßt, und wenn dieses Wesen angegrif fen wird, verteidigt er es mit dessen eigenen Mitteln. Wenn ich versucht hätte, Koratzo ernsthaft anzugreifen oder gar zu töten, hätte das Ding mich umgebracht.« Atlan verzog das Gesicht. »Na gut«, murmelte er. »Das mag interessant sein, aber es hilft uns nicht weiter.« »Vielleicht doch«, sagte Koratzo leise und warf Copasallior einen selt samen Blick zu. »Der Sessel schützt nicht jeden.« »Ich habe es auch gemerkt«, stimmte der Weltenmagier zu. »Wenn ich mich hineingesetzt hätte, wäre das Ergebnis womöglich ganz anders aus gefallen, denn ich bin im Gegensatz zu dir neutral veranlagt.« »Ich hatte einen anderen Eindruck«, wehrte Koratzo ab. »Für den Sessel stellen solche Dinge nur ein zweitrangiges Problem dar. Er ist weder für ein betont negatives noch für ein positives Wesen gemacht worden.« »Sondern?« fragte Atlan gespannt. »Für einen Unsterblichen«, sagte Koratzo ernst. Es ließ sich nicht restlos klären, ob der Sessel nun tatsächlich aus demsel ben Material bestand, aus dem auch das Goldene Vlies gefertigt war, aber zumindest war die Wahrscheinlichkeit dafür sehr groß. Auch das Goldene Vlies konnte nicht von jedem benutzt werden, und Atlan hatte bereits frü her vermutet, daß der Anzug in irgendeiner Weise auf die Impulse seines Zellaktivators – also indirekt auf die Unsterblichkeit des Arkoniden – an sprach. Die Magier trugen natürlich keine Aktivatoren, aber es mochte sein, daß sie, indem sie die geheimnisvolle Energie nutzten und speicher ten, unbewußt Impulse erzeugten, die denen des lebenserhaltenden Geräts glichen. Nahm man alles zusammen, so ergaben sich einige interessante Schluß folgerungen: Diese Steuerzentrale war einst von einem Wesen benutzt worden, das unsterblich war, über ungewöhnlich gute Kenntnisse auf dem Gebiet der Abwehr magischer Angriffe verfügte, weder ausgesprochen »gut« noch bösartig zu nennen war und eine annähernd menschliche Ge stalt besessen haben mußte, wobei es offenbar von imponierender Körper größe gewesen war, denn Koratzo, der nicht eben klein war, hatte Mühe gehabt, die Füße auf den Boden zu setzen, solange er in dem Sessel saß.
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Wo dieses Geschöpf geblieben war, woher es stammte, was es in Pthor getan hatte – das alles ließ sich nicht klären. Unbestimmbar war auch der Zweck, den der Sessel erfüllen sollte, denn die in den Armlehnen unterge brachten Apparaturen schienen keinen anderen Daseinszweck zu haben, als den Besitzer des Sessels mit einigen lebensnotwendigen Dingen zu versorgen. Wenigstens behauptete Copasallior das, nachdem er die Appa raturen – mit der gebotenen Vorsicht – auf magische Weise untersucht hat te. Sie standen weder mit den Bildschirmen noch mit den sicher irgendwo verborgenen Kontrollmechanismen für die Bewegungen, die das Land vollführte, in Verbindung. Sie wandten schließlich ihre Aufmerksamkeit den Bildschirmen zu. Die meisten zeigten Pthor, allerdings in einer sehr schematischen Darstellung, häufig auch nur als hellen Fleck, der von verschieden gefärbten Körpern umgeben war – zweifellos sollten dadurch die benachbarten Dimensions fahrstühle gekennzeichnet werden. Nur etwa ein Zehntel der vorhandenen Schirme arbeitete. Es schien, daß sie alle ein und dasselbe Problem zeigten, aber unter immer neuen Ge sichtspunkten und aus unterschiedlichen Perspektiven. Wenigstens zwei der Flächen, die auf einem Schirm erschienen, blinkten und flackerten – es war deutlich zu erkennen, daß sie Alarm gaben. »Die Stellung der Inseln zueinander ist falsch«, meinte Atlan. »Es kann keinen anderen Grund für diesen Alarm geben. Entweder nehmen Pthor und andere Weltenfragmente nicht die richtigen Positionen im Verbund der Dimensionsfahrstühle ein, oder es wird schon die Annäherung an sich als eine Bedrohung eingestuft.« Atlan hatte nach der Flucht aus dem Ritiquian-System genug Zeit ge funden, über seine Erlebnisse zu berichten, und so waren die Magier auch über alles orientiert, was der Arkonide und Razamon während ihres Auf enthalts in der Lebensblase über den Dunklen Oheim und die Geschichte der Weltenfragmente erfahren hatten. »Dein Bericht ließ eigentlich nur den Schluß zu, daß die Inseln früher nicht miteinander in Verbindung gestanden haben«, meinte Koratzo. »Es gab zwar einen Sammelpunkt, an dem sie sich nach ihren Reisen trafen, aber sie scheinen in großem Abstand zueinander gestanden zu haben. Ich nehme an, daß dieser direkte Zusammenschluß durch den Dunklen Oheim verursacht wurde – ohne Rücksicht darauf, daß dieser Pseudoplanet ein wenig stabiles Gebilde abgeben muß.« »Genau das glaube ich auch.« Atlan nickte. »Von der GOL'DHOR aus kann man deutlich sehen, daß die einzelnen Bruchstücke gar nicht zuein ander gehören. Sie haben völlig unterschiedliche Formen, und es ist an vielen Stellen zu leichten Kollisionen gekommen. Jetzt gibt es längst keine Erschütterungen mehr, die wir oben an der Oberfläche spüren könnten,
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aber die Gefahr, daß es zu einer Katastrophe kommt, die mehrere Dimen sionsfahrstühle gleichzeitig betrifft, besteht nach wie vor.« »Irgend etwas ist vorläufig noch imstande, die Schwankungen auszu gleichen«, murmelte Copasallior und deutete auf die schematische Darstel lung eines bestimmten Weltenfragments. Der Fleck hatte gerade aufge hört, zu flackern, und leuchtete nun in einem ruhigen Violett. Aber schon wenige Sekunden später begann ein anderer Fleck zu blinken. »Es ist sinnlos«, bemerkte Atlan. »Das Land hat zu wenig Bewegungs freiheit. Es ist so von anderen Dimensionsfahrstühlen eingezwängt, daß es nach keiner Seite ausweichen kann, ohne neue Störungen auszulösen.« »Und dabei wird es bleiben, bis der Dunkle Oheim sich dazu ent schließt, die Inseln erneut auf die Reise zu schicken«, stellte Koratzo be drückt fest. »Falls nicht vorher etwas geschieht, was der ganzen Sache ein Ende bereitet. Den Schirmen nach zu urteilen, vollführt nicht nur Pthor ständig solche ausgleichenden Manöver. Die angrenzenden Inseln tun das auch. Es kommt darauf an, wie lange die verschiedenen Steuerzentren ihre Maßnahmen perfekt aufeinander abstimmen können.« »Die Inseln fliegen seit Millionen von Jahren durch Raum und Zeit«, sagte Atlan. »Sie werden nicht ausgerechnet jetzt restlos versagen.« »Das kommt darauf an, wie lange die Seelen der Belastung standhal ten.« Atlan sah den Stimmenmagier skeptisch an. »Die sogenannten Seelen«, sagte er, »sind älter als der Dunkle Oheim. Sie dürften schon mit ganz anderen Problemen fertig geworden sein.« »Sie dürften vor diesem Problem nie zuvor gestanden haben«, gab Ko ratzo zu bedenken. Er sah den Arkoniden an, und plötzlich weiteten sich seine Augen überrascht. »Oh nein!« sagte er vorwurfsvoll. »Die Seelen haben nichts mit Robo tern, denkenden Gehirnen oder dergleichen zu tun. Sie sind auf eine ganz besondere Weise lebendig. Hast du das etwa nicht gespürt?« »Gefühle kann man sich einreden«, murmelte Atlan ärgerlich und wandte sich ab. »Man kann auch das Gegenteil tun«, erwiderte Koratzo gelassen, »indem man sich selbst davon überzeugt, gewisse Gefühle nie gehabt zu haben.« Die Worte riefen ein seltsames Echo in Atlans Gedanken hervor. Er blieb überrascht stehen, denn für einen Augenblick war es ihm so vorge kommen, als hätte er einen Ruf gehört, der allein ihm galt – einen Ruf, der aus unendlicher Ferne kam, eine verzweifelte Bitte um Hilfe und Ver ständnis. Ernüchtert dachte er an die Fähigkeiten des Stimmenmagiers. Er drehte sich abrupt um.
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»Laß das bleiben!« sagte er grob. »Ich hätte nicht gedacht, daß du dich so billiger Tricks bedienst, um jemanden von deiner Meinung zu überzeu gen.« Koratzo sah den Arkoniden verwundert an und schüttelte den Kopf, aber Atlan gab ihm keine Gelegenheit, sich gegen den Vorwurf zur Wehr zu setzen. Für den Arkoniden waren die Zusammenhänge allzu offensicht lich, als daß er bereit gewesen wäre, sich weitere Erklärungen anzuhören. Er schritt an der Reihe der Pulte und Konsolen entlang, einer Stelle ent gegen, die Abwechslung versprach. Eine Lücke zwischen den Konsolen enthielt ein Gerät, das offensichtlich beschädigt war. Trümmerstücke la gen auf dem Boden. Dem Arkoniden fiel erst jetzt auf, daß es in dieser Halle keinen Staub gab – der Boden war glatt und sauber. Nur in dieser Nische wirkte er grau und schmutzig. Er blieb vor der Lücke stehen und hörte abermals diesen merkwürdigen Ruf. Er konnte keine einzelnen Worte unterscheiden, eigentlich nicht ein mal seinen eigenen Namen verstehen, aber aus irgendeinem Grunde wußte er, daß der Ruf für ihn bestimmt war. Mehr noch – die ferne, unartikulierte Stimme rief eine fast panische Furcht in ihm wach – nicht um sich selbst, sondern um jenes Wesen, das ihn auf diese geisterhafte Weise um Hilfe bat. Die Stimme verwehte, und Atlan kehrte auf den Boden der Tatsachen zurück. Er sah sich um und entdeckte Koratzo, der ihm langsam gefolgt war. »Ich warne dich!« sagte der Arkonide leise und drohend. »Mit mir soll test du solche Spiele nicht treiben.« Er wollte noch mehr sagen, aber eine neue Welle von Gefühlen, die von außen auf ihn eindrangen, hinderte ihn am Sprechen. Diesmal war es nicht die ferne Stimme, die zu ihm sprach. Statt dessen spürte er die Anwesen heit einer bösartigen, drohenden Wesenheit, die sich seiner Gedanken zu bemächtigen versuchte. Gleichzeitig war ihm klar, daß Koratzo für dieses Phänomen nicht verantwortlich sein konnte. »Was, um alles in der Welt, kann das sein?« fragte er flüsternd und kämpfte gegen das Unbekannte an, das sich in seine Gedanken zu drängen versuchte. »Ich weiß es nicht!« stieß Koratzo hervor. »Aber es ist ungeheuer stark, und auf dich scheint es besonderen Wert zu legen. Rühre dich nicht – ich werde versuchen, dich dagegen abzuschirmen.« Atlan hörte den Magier unverständliche Worte murmeln und einige knappe Handbewegungen vollführen, dann spürte er erleichtert, daß der Einfluß der fremden Wesenheit sich abschwächte. »Es wird nicht lange halten«, bemerkte Koratzo besorgt. »Wir sollten uns beeilen und diesen Saal bald wieder verlassen.«
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»Was war denn los?« fragte Copasallior, der ein Stück vorausgegangen war und erst jetzt wieder zu ihnen stieß. »Hast du gar nichts davon gemerkt?« fragte Atlan verblüfft. »Offensichtlich nicht«, sagte der Weltenmagier spöttisch. »Sonst wüßte ich wenigstens, wovon hier die Rede ist.« Sie erklärten ihm, was sich zugetragen hatte, und Copasallior sah mit seinen düsteren Basaltaugen von einem zum anderen. »Du hast also eine Stimme gehört«, murmelte er und musterte Atlan nachdenklich. »Sie hat dich um Hilfe gebeten, und du hast zuerst geglaubt, daß Koratzo dich zum Narren halten wollte. Mir ging es zunächst genau so.« Atlan sah den Sechsarmigen überrascht an. »Konntest du erkennen, wer da gerufen hat?« fragte er. »Erkennen ist zuviel gesagt. Trotzdem weiß ich, mit wem wir es zu tun haben – und du weißt es auch.« Atlan nickte wie betäubt. »Es war die Seele von Pthor«, murmelte er.
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4.
Ich hätte darauf gefaßt sein müssen, dachte er. Wir befinden uns im eigent lichen Zentrum von Pthor. Hier laufen alle Fäden zusammen, von hier aus wird auf irgendeine Weise alles gesteuert, was in diesem Land geschieht. Es ist nur logisch, daß hier auch die Seele zu finden ist. Der Raum unter halb der FESTUNG war vermutlich ursprünglich nur eine unbedeutende Kontaktstelle. Als die Tapheen auf Pthor landeten, hatten sie schließlich keine Ahnung davon, wie man dieses Land steuert. Sie haben ihren Lande platz aufs Geratewohl gewählt. Vielleicht hat es die Kontaktstelle unter halb der FESTUNG damals schon gegeben, vielleicht wurde sie aber auch erst wegen der Tapheen eingerichtet, beziehungsweise ausgebaut. Kein Wunder, daß die Seele sich nach La'Mghors Ende von dort zurückgezogen hat. Der Steuermann ist tot, und niemand leitet von der FESTUNG aus Be fehle an sie weiter. Atlan stutzte, als ihm bewußt wurde, welcher Widerspruch in diesen Überlegungen lag. Gewiß, die Robotbürger existierten noch – aber konnten sie allein ge währleisten, daß die Seele auch weiterhin nach der Pfeife des Oheims tanzte? Statt der drei Fesseln, die es früher gegeben hatte – den Herren der FESTUNG, die als direkte Beauftragte des Oheims über große Macht ver fügten, dem Steuermann, der, wie es hieß, im Notfall die Seele sogar hatte ersetzen können, und den Robotbürgern – existierte jetzt nur noch eine. Mußte man nicht davon ausgehen, daß es der Seele möglich sein sollte, sich unter diesen Umständen selbst zu befreien? Aber vielleicht sah er das Problem zu sehr aus menschlicher Sicht. Er hatte es schon früher feststellen müssen und in Dorkh bestätigt bekommen – die Seelen der Dimensionsfahrstühle waren unverständlichen, undurch schaubaren Zwängen unterworfen und daher unfähig, logisch im normalen Sinne zu handeln. Er zuckte zusammen, als er abermals – noch leiser als zuvor – den Ruf der Seele vernahm. »Sie will uns etwas mitteilen«, sagte er. »Aber ich kann sie nicht verste hen.« Das drohende Etwas kroch wie eine schwarze Wolke am Rande seines Bewußtseins hoch und löschte die ferne Stimme aus. Atlan schüttelte heftig den Kopf, als könnte er sich auf diese Weise leichter von diesem drohenden Einfluß lösen. Er fuhr herum und drückte wahllos auf die Knöpfe und Schalter der nächstbesten Konsole. »Wir müssen Pthor von hier wegbringen!« rief er den Magiern zu. »Schnell, helft mir! Es muß gehen – das hier ist die Steuerzentrale.
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Wenn wir es von hier aus nicht schaffen, wird es uns nie gelingen!« Copasallior, der den Ruf ebenfalls vernommen hatte, drehte sich um und rannte zu dem Sessel hinüber, um es noch einmal mit den Apparaturen in den Armlehnen zu versuchen. Koratzo dagegen zögerte. »Wir bringen das Land nicht aus seiner Position heraus«, sagte er zu At lan. »Und selbst wenn uns das gelänge – es gäbe eine Katastrophe. Hast du vergessen, wo wir uns befinden? Wenn Pthor sich aus dem Verbund der Inseln löst, rast es direkt in die schwarze Hülle hinein. Das wäre das En de!« »Das Ende kommt so oder so«, erwiderte Atlan verbissen und nahm sich das nächste Pult vor. »Die Seele fürchtet sich fast zu Tode!« Koratzo wies auf die Schirme und Kontrollgeräte, an denen sich nichts verändert hatte. »Es ist sinnlos«, sagte er ruhig. »Gib es auf, Atlan, so erreichst du dein Ziel nicht. Wir müssen mit der Seele reden. Vielleicht hat sie einen ganz anderen Grund, mit uns Kontakt aufzunehmen, als du jetzt annimmst.« Atlan antwortete nicht. Er arbeitete fieberhaft weiter. Koratzo schüttelte betrübt den Kopf und betrat die Nische mit dem halb zertrümmerten Gerät. »Wenn du dort drüben fertig bist, solltest du dir das hier ansehen«, sagte er zu dem Arkoniden. Atlan brauchte noch einige Minuten, ehe er breit war, seine Niederlage einzugestehen. Entweder waren die Pulte gar nicht mehr in Betrieb, oder die Geräte konnten nicht von jedem bedient werden. Copasallior war noch immer auf dem Podest beschäftigt. Atlan konnte nicht erkennen, was der Weltenmagier dort tat, aber im Augenblick inter essierte ihn die Nische ohnehin weit mehr. Koratzo deutete auf das beschädigte Gerät. »Wir werden Pthor von hier aus niemals steuern können«, sagte er ru hig. »Es sei denn, es tritt etwas ein, was uns die nötigen Mittel in die Hän de spielt. Ich habe dieses Ding hier untersucht. Es steht mit jenem Mecha nismus in Verbindung, der den Wölbmantel steuert. Der Dunkle Oheim hat diesen Schutzschirm so manipulieren lassen, daß jeder, der von draußen nach Pthor kommt und nicht aus diesem Land stammt, beim Passieren des Wölbmantels das Gedächtnis verliert. Das kann nur von dieser Stelle aus geschehen sein.« »Es waren also schon Diener des Oheims hier unten«, sagte Atlan nach denklich. »Wahrscheinlich waren es Alven. Natürlich werden sie versucht haben, auch auf andere Funktionen Einfluß zu nehmen, und es ist ihnen nicht gelungen. Du hattest recht, Koratzo – ich habe lediglich Zeit ver schwendet und nichts dabei erreicht.« »Die letzte Welle von Impulsen enthielt eine hypnotisch wirkende
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Komponente«, antwortete der Stimmenmagier ruhig. »Ich konnte dich nicht davor schützen – es ist also meine Schuld.« Atlan zuckte die Schultern zum Zeichen, daß er dieses Thema als erle digt betrachtete, und wandte seine Aufmerksamkeit erneut dem Gerät zu, vor dem sie standen. »Könnten wir die Manipulation rückgängig machen?« fragte er. »Es wäre nicht besonders schwierig, aber ich rate davon ab. Eine Verän derung des Wölbmantels müßte den Dunklen Oheim auf uns aufmerksam machen. Immerhin wissen wir jetzt, daß solche Anlagen existieren. Wahr scheinlich gibt es sie auf allen Dimensionsfahrstühlen.« »Du rechnest damit, daß es eines Tages möglich und erforderlich sein wird, sie alle auf die ursprünglichen Werte einzustellen«, sagte Atlan ver blüfft. »Ja«, murmelte der Stimmenmagier. »Warum sollte es auch nicht mög lich sein? Es gibt nur zwei Möglichkeiten, was unsere Zukunft betrifft. Entweder gewinnt der Dunkle Oheim – und dann wird dieses Ungeheuer dafür sorgen, daß uns Probleme dieser Art absolut gleichgültig sind. Oder der Oheim verliert, und dann werden wir gezwungen sein, ein neues Ver hältnis zu unserer seltsamen Welt zu entwickeln.« »Du glaubst daran, daß es uns gelingen wird, den Oheim zu schlagen?« »Wundert dich das?« fragte Koratzo zurück. »Nein«, murmelte Atlan lächelnd. »Bei dir nicht. Jeden anderen würde ich jetzt allerdings für einen Phantasten halten.« »Man hat mich schon schlimmerer Dinge verdächtigt«, erwiderte Korat zo lächelnd. Atlan sah zu dem Podest hinüber. »Was macht Copasallior dort?« fragte er. »Er errichtet magische Sperren«, erklärte Koratzo. »Der Sessel selbst kann dich vielleicht nicht ausreichend schützen. Darum die Sperren. Copa sallior und ich werden dich noch zusätzlich absichern.« »Wozu das alles?« »Die Seele versucht verzweifelt, mit uns Verbindung aufzunehmen, das hast du doch selbst festgestellt. Sie wird es nicht schaffen, solange du die sem anderen Einfluß ausgeliefert bist.« »Warum ich? Du wärst viel besser für einen solchen Kontakt geeignet!« Koratzo schüttelte den Kopf. »Du hast die Stimme am deutlichsten gehört. Vielleicht erinnert sich die Seele an dich, denn es ist nach ihren Maßstäben nicht lange her, seit du mit ihr in Verbindung warst. Abgesehen davon ist eine zusätzliche Ab schirmung nötig, und du könntest sie nicht verstärken.« »Also gut«, seufzte Atlan. »Ich gebe mich geschlagen. Aber im Augen blick spüre ich weder von der Seele noch von dieser anderen Wesenheit et
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was.« »Sie kämpfen gegeneinander an«, behauptete Koratzo. »Die Seele zieht sich zurück, aber das scheint mir Taktik zu sein. Sie wird sich für einige Zeit durchsetzen. Es ist wichtig, daß sie ihre Botschaft dann an die richtige Adresse bringen kann. Wir sollten jetzt hinübergehen.« »Diese Halle ist unwirklich«, murmelte Atlan, als sie auf das Podest zu gingen. »Sie paßt nicht zu diesem Land. Sie hat die falschen Maße, und sie wirkt viel zu modern.« Koratzo lachte leise auf. »Sie ist uralt«, versicherte er. »Wahrscheinlich so alt wie Pthor selbst. Aber du hast recht – sie wirkt fremd. Ich möchte zu gerne wissen, wer hier …« Er unterbrach sich und gab dem Weltenmagier, der zu ihnen herübersah, ein hastiges Zeichen. Copasalliors knochige Finger deuteten auf Atlan und den Stimmenmagier, und im selben Augenblick standen sie auf dem Po dest. »Stelle keine Fragen«, bat Koratzo auf seine lautlose Weise. »Setze dich auf den Sessel und konzentriere dich auf die Seele.« Atlan ließ sich auf den goldenen Sitz gleiten und spürte, wie das seltsa me Material sich blitzschnell seiner Körpertemperatur anpaßte. Zum er stenmal, seit er das Goldene Vlies verloren hatte, spürte er wieder dieses seltsame Gefühl der Geborgenheit. Sowohl dieser Sessel, als auch das Goldene Vlies hatten die Fähigkeit, ihn mit einer schützenden Aura zu umgeben. Von weit her spürte er, wie diese andere, bösartige Wesenheit an Stärke gewann und mit ihrem Einfluß den ganzen Saal ausfüllte. Er spürte es, aber er wurde nicht davon berührt. Er sah die Magier, die still und starr in seiner Nähe standen, und er frag te sich, ob die Seele von Pthor ihn hinter dem dreifachen Schutzwall über haupt erreichen konnte, aber noch während er das dachte, vernahm er das seltsame Wispern. Er lehnte sich zurück und konzentrierte sich darauf. Vielleicht war die Seele wirklich nichts weiter als die Stimme eines Ro boters – aber selbst dem Arkoniden erschien das als immer unwahrschein licher. Er erlebte mit, wie erbittert dieses Etwas kämpfte, wie sehr es sich bemühte, ihn zu erreichen. Er spürte den Widerstand der anderen, bösarti gen Macht, und er fühlte, wie verzweifelt sich die Magier ihr entgegen stemmten und ihn zu schützen versuchten. Er konnte nichts tun, um ihnen oder der Seele zu helfen, sondern war dazu verdammt, tatenlos abzuwarten – bis für einige Sekunden eine sanfte, klare Stimme in sein Bewußtsein drang. »Suche den Schlüssel!« sagte diese Stimme. »Er besteht aus sieben Tei len des Parraxynts. Du mußt ihn zusammensetzen und zu mir bringen. Die
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Kammer wird dir den Weg zeigen. Der Schlüssel …« Was dann kam, ähnelte einem Überfall. Die Stimme der Seele ging in einem Rauschen unter. Eine dunkle Masse schien in den Raum zu krie chen und näherte sich unaufhaltsam dem Podest. Lichter erloschen, und je ne böse Kraft, die er vorher nur als einen dumpfen Druck wahrgenommen hatte, griff mit eisigen Fingern nach ihm. »Wir müssen weg von hier!« schrie Atlan und sprang auf. Er sah, daß die Magier aus ihrer tiefen Konzentration nur schwer in die Wirklichkeit zurückfanden, und er riß sie mit sich, die Stufen hinunter, auf jenen hellen Fleck zu, der den Eingang zu der Transportkammer kenn zeichnete. Sie waren zu langsam. Atlan wußte es. Er brauchte sich nicht einmal umzusehen, denn er spürte, daß die Dunkelheit auf sie zuraste. Koratzo riß sich mit einem heftigen Ruck los. »Lauft weiter!« befahl er. »Dieser verdammte Narr!« fauchte Copasallior und drehte sich um, be reit, den Stimmenmagier in die rettende Kammer zu versetzen. Als er aber sah, was Koratzo tat, verzichtete er auf diese Maßnahme. Sie erreichten die Kammer, und Atlan stellte fest, daß der Sessel in ei nem seltsamen goldenen Licht glühte. Eine goldene Lichtbahn ging von dem Podest aus und reichte bis an die Tür der Kammer heran. Mitten in dieser Lichtbahn stand Koratzo, mit erhobenen Händen, das Gesicht dem seltsamen Sessel zugekehrt. »Er hat es aufgehalten«, flüsterte Copasallior. »Er benützt den Sessel als Verstärker, und das Ding geht darauf ein.« Koratzo zog sich langsam zurück. Schritt für Schritt näherte er sich der Tür. »Hole ihn herein!« forderte Atlan. »Es geht nicht«, erwiderte Copasallior bedrückt. »Koratzo kann seine Magie nur anwenden, weil der Sessel ihm hilft. Dieses dunkle … Etwas unterdrückt alles andere.« »Womit haben wir es hier zu tun?« fragte Atlan ratlos. »Was ist das dort draußen?« »Ich glaube, daß du das sehr gut weißt.« »Ein Ableger des Dunklen Oheims?« »Eher ein Teil von ihm. Es wird uns umbringen, wenn es eine Gelegen heit dazu bekommt.« Atlan ging dicht an die Tür heran. Er wartete auf den Augenblick, in dem Koratzo nahe genug heran war. Auf der anderen Seite der Öffnung stand Copasallior. Der Stimmenmagier wich noch immer zentimeterweise vor der nachdrängenden Dunkelheit zurück. Die goldene Gasse war zu ei nem kaum mehr sichtbaren Faden zusammengeschrumpft. Atlan wußte,
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daß es keinen Sinn hatte, Koratzo zur Eile zu mahnen – der Magier hatte nur dann eine Überlebenschance, wenn er die Kontrolle über die Ereignis se behielt. Was nützt ihm das, wenn die Kammer nicht mitspielt? fragte der Extra sinn, und Atlan erkannte erschrocken, daß ihrer aller Leben von diesem Transportmechanismus abhing. »Was glaubst du wohl, warum ich noch hier draußen herumstehe?« fragte Koratzos »lautlose« Stimme direkt in die Ohren des Arkoniden hin ein. »Die Seele dirigiert die Kammer, solange dieses Monstrum nicht end gültig die Oberhand gewinnt. Über den Sessel existiert eine Verbindung zwischen der Seele und dir. Wenn diese Verbindung unterbrochen wird, ist es aus mit uns allen.« Atlan warf Copasallior einen schnellen Blick zu. Der Weltenmagier gab ihm mit einer knappen Geste zu verstehen, daß er die Nachricht ebenfalls empfangen hatte. Sie konnten nichts tun. Sie mußten warten, bis Koratzo in der Kammer stand. Mit einer Handbewegung, die das Ausmaß seiner Erschöpfung deut lich zeigte, löschte der Stimmenmagier die Verbindung. Da aber hatte die Tür sich bereits geschlossen, und den kurzen Moment der Desorientierung empfand diesmal selbst der Weltenmagier als eine Er lösung. »Sieben Teile«, sagte Atlan und starrte in den Saal hinein, in dem die Bruchstücke des Parraxynts lagen. »Das hört sich so wenig an …« »Wir müssen Valschein herschaffen«, murmelte Copasallior. »Eine an dere Lösung sehe ich nicht.« »Er wird mit dem Schlüssel keine geringeren Schwierigkeiten haben als mit dem Parraxynt selbst«, vermutete Atlan. »Manchmal glaube ich wirk lich, daß ein Fluch auf diesem Ding liegt.« »Die sieben Teile müssen auf irgendeine Weise gekennzeichnet sein«, meinte Koratzo. »Diesmal muß Valschein nicht ganz so blindlings herum suchen. Sobald er einen Anhaltspunkt besitzt, wird er das Problem mei stern.« »Aber wie sollen wir ihn finden?« fragte der Arkonide ratlos. »Der Kammer ist nicht mehr zu trauen.« Koratzo sah den Weltenmagier auffordernd an. »Tut mir leid«, murmelte Copasallior und breitete verlegen die Hände aus. »Es hat keinen Sinn, wenn ich es jetzt versuche. Wir würden niemals da landen, wo wir eigentlich ankommen möchten. Vorläufig ist der Ein fluß dieser schwarzen Kreatur noch zu stark. Ich nehme an, daß sich das bald ändern wird.« »Ich versuche es noch einmal mit der Kammer«, erklärte Atlan ent schlossen.
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»Eben noch hast du selbst gesagt …« »Ich weiß, was ich gesagt habe«, unterbrach der Arkonide den Welten magier. »Aber da es keinen anderen Weg zu geben scheint, müssen wir es eben riskieren. Kannst du gar keine Transmittersprünge mehr ausführen?« Copasallior musterte den Arkoniden betont gleichmütig. »Ich spüre nichts von diesem Ding da unten in der Halle, solange ich mich an der Oberfläche von Pthor halte«, erklärte er. »Gut. Wie ist es mit dir, Koratzo?« Der Stimmenmagier hatte bereits erfaßt, worauf der Arkonide hinaus wollte. »Ich kann dich wahrscheinlich im Auge behalten«, murmelte er. »Wenigstens konnte ich bisher nicht feststellen, daß meine Fähigkeiten durch die schwarze Macht beeinträchtigt werden. Aber was hilft es, wenn ich dich hören kann, Copasallior aber keine Möglichkeit hat, dich heraus zuholen?« »Wir werden sehen!« sagte Atlan energisch und kehrte zu der Kammer zurück. Es zeigte sich, daß sie sich alle Vorbereitungen hätten sparen können. Es spielte überhaupt keine Rolle, wie weit Copasalliors Fähigkeiten noch reichten, denn er würde Atlan nirgends herausholen müssen. Die Kammer streikte. Sie weigerte sich, irgend jemanden zu transportie ren, und da man den fremdartigen Mechanismus, der die Transporte durchführte, nicht kannte, ihn nicht einmal zu sehen bekam, gab es auch keine Möglichkeit, ihn umzustimmen oder gar zu zwingen, so zu arbeiten, wie der Arkonide es sich erhofft hatte. »Wir werden Valschein und die anderen auch ohne die Hilfe der Kam mer finden«, versicherte Koratzo. »Die Frage ist nur, wie lange ihr dazu braucht«, konterte Atlan. Wie um ihm zu zeigen, daß er den Tiefpunkt noch lange nicht erreicht hatte, kam ein Dello mit einer Nachricht aus den oberen Räumen der FE STUNG. »Die Horden brechen aus!« schrie das Kunstwesen aus Aghmonth den drei Männer zu. Die Vollstrecker hatten die Kontrolle über die Horden verloren. Die Unge heuer gehorchten ihnen nicht länger, und fast schien es, als wären sie nicht einmal mehr an die Gesetze der simpelsten Instinkte gebunden. Sie rasten ziellos hin und her, und viele von ihnen stürzten und zogen sich schwere Verletzungen zu, was sie aber gar nicht kümmerte. Ein unheimlicher Drang hatte sie erfaßt und zwang sie, sich unausge setzt zu bewegen. Sie fraßen nicht und tranken nicht, sie rannten nur noch blindlings über die Ebene von Kalmlech, und oft genug gerieten sie auch an deren Rand oder gar darüber hinaus.
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Dort aber hatten sich in letzter Zeit zahlreiche Siedlungen gebildet. Die Ebene von Kalmlech war – entgegen früheren Behauptungen – durchaus kein unfruchtbares Land, im Gegenteil: Je tiefer man in dieses Gebiet ein drang, desto fruchtbareren Boden fand man vor. Außerdem gab es zahllose Quellen und Bäche, die Wasser für Mensch und Tier lieferten und die Fel der bewässern halfen. Wenn man etwas genauer darüber nachdachte, dann konnte man sich ohnehin nur darüber wundern, wie Kalmlech zu seinem schlechten Ruf gelangt sein mochte. Natürlich besaßen die Horden der Nacht eine recht abschreckende Wirkung, und solange es sie gegeben hat te, wäre es glatter Selbstmord gewesen, in Kalmlech Ackerbau und Vieh zucht treiben zu wollen. Aber eben diese Bestien lieferten den besten Hin weis auf die Fruchtbarkeit dieses Geländes. So gigantische, wilde Lebewe sen verbrauchten auch eine Unmenge Futter, und wäre Kalmlech nur eine Halbwüste gewesen, so hätten die Horden es wohl kaum jemals zu ihrem traurigen Ruhm gebracht. Trotz allem waren die Pthorer vorsichtig geblieben, und daß es gut so war, zeigte sich, als die neuen Horden auftauchten. Hätte es da bereits Siedlungen im Zentrum von Kalmlech gegeben, so wären furchtbare und aussichtslose Kämpfe zwischen Pthorern und Monstren unausweichlich gewesen. Auch am Rand der Ebene lebte es sich zu dieser Zeit nicht unge fährlich, aber die Bedrohung hielt sich in Grenzen. Schon bald hatte es sich herausgestellt, daß die neuen Bestien nicht frei und ungebunden ihr Reich durchstreifen konnten. Die Vollstrecker hielten streng auf Ordnung und zwangen die Ungeheuer zu seltsamen, rätselhaften Manövern. Offenbar betrachteten die rotberockten Nachfolger der Technos die Horden der Nacht als eine Armee, deren Heerführer sie bildeten. Na türlich stand zu befürchten, daß sich der allgemeinen Ausbildung alsbald auch praktische Übungen anschließen würden, in deren Verlauf das eine oder andere Dorf dem Erdboden gleichgemacht werden könnte, aber die Siedler waren hartnäckige Optimisten und weigerten sich, die Flucht zu er greifen, ehe die Gefahr offensichtlich war. Es schien, als sollten sie mit ihrer Bereitwilligkeit, die Zukunft in mög lichst freundlichen Farben zu sehen, recht behalten. Wochen gingen ins Land, und keine einzige Siedlung wurde angegriffen. Um so schlimmer war der Schock, als plötzlich geifernde, rasende Be stien auftauchten, die frisch bestellten Felder verwüsteten und Häuser und Scheunen zertrampelten. Auch diese Monstren schienen nicht die Absicht zu haben, die Siedler mit Stumpf und Stiel auszurotten – wäre es so gewesen, so hätte man schon nach wenigen Stunden kein Dorf und keinen lebenden Pthorer mehr am Rande von Kalmlech gefunden –, aber sie richteten auch unabsichtlich genug Unheil an.
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Die Pthorer flohen in hellen Scharen, und sie verbreiteten die Nachricht vom Angriff der Bestien in immer größeren Gebieten. Es war nicht die erste Panik dieser Art, die das Land erschütterte. All mählich entwickelten die Bewohner dieses Dimensionsfahrstuhls ganz er staunliche Fähigkeiten, wenn es darum ging, blitzschnell alle wirklich le benswichtigen Gegenstände zu ergreifen und ohne Zögern das zurückzu lassen, was gerade noch entbehrlich war. Die Flucht, die immer weiter entfernte Gebiete erfaßte, glich fast einem geregelten Rückzug. Nachdem die Pthorer des öfteren Gelegenheit gehabt hatten, festzustellen, daß sie sich nur selbst zusätzlichen Schaden zufüg ten, wenn sie sich von blinder Panik mitreißen ließen, bewahrten sie die Ruhe und den Verstand. Atlan war sehr zufrieden über diese Entwicklung. Das änderte aber nichts daran, daß die Pthorer immer weitere Landstriche radikal räumten und damit den Horden der Nacht den Weg zu den Städten freigaben. Natürlich konnte man hoffen, daß die Vollstrecker die Kontrolle über die Bestien zurückerobern würden, ehe die Lage hoffnungslos wurde. Die Rotberockten bemühten sich sehr, ihren Einfluß geltend zu machen. Ge wiß taten sie das nicht den Pthorern zuliebe, aber ihre Motive waren in diesem Augenblick auch nicht wichtig. Leider zeigten die Bestien vorerst noch keine Neigung, sich dem Befehl der Vollstrecker erneut zu unterstellen. Statt dessen drängten sie immer deutlicher über die Grenzen von Kalmlech hinaus, und ein loser Verband von rund zweihundert Ungeheuern wälzte sich in breiter Front gerade in die Richtung, die sie zur FESTUNG führen mußte. Unter diesen Umständen war es dem Arkoniden unmöglich, sich weiter der Suche nach den betäubten Magiern und dem Parraxynt-Schlüssel zu widmen. Er war nicht sehr erfreut über diese Entwicklung, war aber auch nicht der Mann, der sich seiner Verantwortung zu entziehen vermochte. Er wußte zu genau, daß er hier oben dringender gebraucht wurde als in den uralten Anlagen in der Tiefe des Weltenfragments. Er glaubte nicht daran, daß die Horden der Nacht nur durch einen puren Zufall ausgerechnet jetzt verrückt spielten. Nahm man alle Informationen zusammen, dann gelangte man fast zwangsläufig zu dem Schluß, daß der Ausbruch der Horden ungefähr zu dem Zeitpunkt begonnen hatte, zu dem Atlan und die beiden Magier aus der Halle und vor der seltsamen Finster nis geflohen waren. Es war nicht ausgeschlossen, daß es zwischen der schwarzen Macht in der Tiefe und den Horden von Kalmlech eine Verbin dung gab. Atlan hielt das für so sicher, daß ihm eigentlich nur noch ein Punkt Kopfzerbrechen bereitete: Warum reagierten nicht auch die Voll strecker in ähnlicher Weise wie die Monstren?
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5.
»Wir können nicht warten«, sagte Copasallior zu dem Stimmenmagier. Vorsichtshalber formulierte er die Worte nur in seinen Gedanken, nach dem er Koratzo mit einer kurzen Geste auf seine Absichten hingewiesen hatte. »Ich muß auch ehrlich gestehen, daß es mir beinahe lieber ist, diese Angelegenheit ohne den Arkoniden zu bereinigen. Die schlafenden Magier gehen nur uns etwas an.« »Mißtraust du ihm?« fragte Koratzo spöttisch, wobei er seine »lautlose« Stimme benutzte. »Unsinn!« widersprach Copasallior ärgerlich. »Du weißt genau, daß es nicht so ist. Aber wir haben keine Ahnung, was uns da unten erwartet. Er ist kein Magier. Ich will ihn nicht in Gefahr bringen. Er ist wichtiger als einer von uns.« »Da hast du recht«, stimmte Koratzo zu. »Abgesehen davon könnte es sein, daß die Magier gebraucht werden, wenn die Horden der Nacht sich auf andere Weise nicht aufhalten lassen. Aber wie wollen wir unsere Freunde finden?« »Der Einfluß der schwarzen Macht hat nachgelassen«, erklärte Copasal lior nüchtern. »Ich werde vorsichtig sein müssen und darf keine allzu lan gen Sprünge riskieren, aber es sollte uns gelingen, die Quelle des Lebens zu finden.« »Schon gut«, sagte Koratzo. »Gehen wir hinaus. Wenn wir vor ihren Augen verschwinden, sorgen wir nur für noch mehr Unruhe.« »Sie haben sich längst daran gewöhnt«, bemerkte Copasallior. Koratzo wußte, daß der Weltenmagier ihn längst durchschaut hatte, aber um des lieben Friedens willen war er bereit, auf das Spiel einzugehen. »Sie mögen sich daran gewöhnt haben«, stimmte er zu. »Aber mir fällt es schwer, in ihrer Gegenwart die Sperren fallenzulassen.« »Sie merken davon gar nichts«, behauptete Copasallior spöttisch. »Für sie siehst du aus wie immer.« Koratzo drehte sich schweigend um und verließ den Raum, in dem eini ge Bildschirme verwaschene Bilder vom Geschehen in der Ebene von Kalmlech zeigten. Niemand achtete auf die beiden Magier – Copasallior hatte sicher recht. Sie konnten es tatsächlich weder sehen noch spüren, wenn er die Sperren abbaute, jene schützenden magischen Kräfte, die ihn stets umgaben und vor allerlei Gefahren bewahrten. Aber er selbst fühlte sich jedesmal nackt und schutzlos. Er betrat einen leeren Raum, in dem sich niemand aufhielt. Copasallior war dicht hinter ihm. Der Weltenmagier hatte offenbar beschlossen, sich ausnahmsweise von seiner rücksichtsvollen Seite zu zeigen, denn er
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schloß sogar die Tür. »Bist du bereit?« fragte er. Koratzo verzog das Gesicht und ließ die Sperren fallen. Copasallior streckte die Hand nach ihm aus, zögerte aber im letzten Augenblick. »Wir müssen es nicht sofort tun«, bemerkte Koratzo ruhig. »Das ist es nicht«, erwiderte Copasallior unwillig. »Verrate mir eines, Koratzo: Was will dieses Etwas, das unter der Barriere haust, von dir und den anderen Positiven?« »Ich weiß es nicht.« »Das nehme ich dir nicht ab. Ich habe dir angesehen, daß du etwas ge fühlt oder gehört hast.« »Dann hast du dich eben geirrt.« Copasallior starrte den Stimmenmagier ratlos an. Koratzo schüttelte den Kopf. »Es ist keine Lüge«, erklärte er. »Es stimmt, ich habe etwas gehört, aber es war keine Nachricht.« »Was war es dann?« »Es war wie der Schatten eines Traumes. Es läßt sich nicht beschreiben, und es liefert leider auch keine Anhaltspunkte dafür, welche Bedeutung es besaß.« »Aber es muß doch irgendeinen Inhalt gehabt haben!« »Den hatte es ganz sicher.« »Und du willst mir weismachen, du hättest ihn nicht erkannt? Ausge rechnet du?« »Erinnerst du dich an die Bewohner von Shutuh?« »Ja, natürlich«, murmelte Copasallior verwirrt. »Die Klingenden. Ihre Sprache war Musik – im wahrsten Sinne des Wortes. Es hat ungewöhnlich lange gedauert, bis du sie verstehen konntest. Was hat das mit dem Etwas unter der Barriere zu tun?« »Das, was ich gehört habe, ähnelte in gewisser Weise der Sprache der Klingenden. Natürlich gibt es da keine Verbindung! Ich will dir nur klar machen, daß ich ähnliche Schwierigkeiten hätte, die Botschaft zu überset zen – noch dazu, da ich nicht einmal weiß, ob es sich um eine Botschaft gehandelt hat.« »Was sollte es sonst sein?« »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.« Copasallior beobachtete den Stimmenmagier mißtrauisch. Er kannte Koratzo zu gut. Der Stimmenmagier war dafür bekannt, daß er so gut wie niemals log. Seine Wahrheitsliebe war sprichwörtlich. Sie war es auch ge wesen, die den Weltenmagier oft genug bis zur Weißglut gebracht hatte. Aber gerade in letzter Zeit hatte er einige Male die Erfahrung machen müssen, daß der Stimmenmagier es sehr wohl verstand, die Unwahrheit zu
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sagen. Er hatte Koratzo im Verdacht, daß er ihn jetzt belog. Er konnte es jedoch nicht beweisen, und darum gab er es auf. Er nahm die Hand des anderen und versetzte sich mit ihm zu einem Punkt in der Ebene von Kalmlech. Der Ort, an dem sie in die Wirklichkeit zurückkehrten, war von niedri gen Hügeln umgeben. Der ewig graue Himmel – seit die Reise mit dem Dunklen Oheim begonnen hatte, war kein Sonnenstrahl mehr zu einem der Dimensionsfahrstühle vorgedrungen, denn es gab keine Sonne innerhalb der schwarzen Hülle – hing fast bis auf den Boden herab. Alles wirkte dü ster und bedrückend. »Hier sieht es schlimm aus«, stellte Koratzo erschrocken fest. »Es wird höchste Zeit, daß wir die anderen befreien. Wenn Breckonzorpf nicht bald wieder einige kräftige Regenschauer nach Kalmlech schickt, werden die Ungeheuer schon aus Durst und Mangel an Nahrung auswandern und das Land überschwemmen.« »Er sollte besser ein Unwetter herschicken, das alle Bestien auf einen Schlag ersäuft!« Koratzo sah den Weltenmagier vorwurfsvoll an. »Viele von ihnen waren Menschen«, bemerkte er. »Andere entstanden aus Tieren, die zwar auch gefährlich gewesen sein mögen, aber alles ande re als Ungeheuer waren. Sie haben nicht um ihr Schicksal gebeten.« »Du möchtest sie natürlich am liebsten zurückverwandeln«, sagte Copa sallior. »Wenn das möglich wäre, würde ich alles daransetzen, es zu erreichen.« »Es ist nicht möglich!« »Das bleibt abzuwarten. Wie weit ist es noch?« »Wir stehen direkt darüber«, erklärte Copasallior und versetzte sich und den Stimmenmagier in die Tiefe hinein. Diesmal standen sie in einer Halle, deren grauenhafte Bedeutung sie aus dem Bericht, den Kennon, Synk und Bördo gegeben hatten, nur zu genau kannten. Schaudernd blickte Koratzo auf den rauhen Felsboden. Er sah die unebenen Stellen darin, und vor seinem geistigen Auge entstanden jene Wesen, die dort hilflos eine Verwandlung hatten ertragen müssen, wie man sie sich grauenhafter kaum vorstellen konnte. Er spürte noch mehr: die Verzweiflung derer, die hier gelitten hatten, ihre Qual und ihren ohn mächtigen Zorn einem erbarmungslosen Schicksal gegenüber. Er hatte nie zuvor an einem Ort gestanden, der so unendlich viel Hoffnungslosigkeit und Grauen in sich barg. »Bring uns weg von hier!« forderte er heftig. Copasallior hatte selbst mit dem zu kämpfen, was aus dieser Umgebung auf sie einstürmte. Er war in mancher Hinsicht robuster und härter als der Stimmenmagier, aber die Atmosphäre dieses Raumes lähmte ihn geradezu.
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Endlich gelang es ihm, den Schritt in die Welt jenseits der Wirklichkeit zu vollziehen und Koratzo mitzunehmen. Er empfand das graue, leere Nichts als so tröstlich und anheimelnd im Vergleich zu der grauenvollen Höhle, daß er länger als unbedingt notwendig darin verweilte. Unwillkür lich fragte er sich, warum fast jeder, den er auf eine solche Reise mitnahm, die Leere als grauenerregend bezeichnete. In seinen Augen herrschte jen seits der Wirklichkeit ein so tiefer Frieden, eine so umfassende Ruhe, daß er sich manchmal wünschte, länger dort bleiben zu können. »Das kann ich verstehen«, sagte Koratzo in die Leere hinein. »Hier gibt es keine Grausamkeit, weil niemand da ist, der sie verüben könnte. Trotz dem möchte ich zurück.« Copasallior zuckte die Schultern und vollzog den nächsten Schritt, der sie direkt zur Quelle des Lebens brachte. Inmitten einer riesigen, runden Halle lag der Plasmasee, von einem Wall umgeben, um den noch einmal ein Graben herumführte. Der Graben war jedoch nicht mit Plasma, sondern mit Wasser gefüllt, und es lebten Fische darin, blutgierige Bestien, die allem Anschein nach dazu dienten, Wesen aller Art von dem Plasma fernzuhalten. Das Gelände jenseits des Grabens war eine felsige Wildnis, in der hier und da sogar Pflanzen wuchsen. Es waren jedoch keine normalen Gewächse, wie man sie oben finden konnte, sondern Wesen, die ebenfalls in den oberen Höhlen verwandelt worden waren. Ihre Stammformen mußten keine Pflanzen gewesen sein – bei die ser grauenhaften künstlichen Metamorphose war einfach alles möglich. Von Kennon, Synk und Bördo hatten die Magier erfahren, daß es in der Höhle außerdem Tiere gab, die offenbar recht aggressiv waren. Vorerst ließ sich keines davon blicken, und auch die Pflanzen rührten sich nicht. Die beiden Magier standen hoch oben auf dem Wall und über blickten die Höhle und den See. Mit den Augen und mit ihren seltsamen Sinnen erforschten sie ihre Umgebung und waren schließlich sicher, daß sich kein ausgewachsener Vollstrecker in der Nähe befand. Dafür gab es jedoch junge Wesen dieser Art, die im See heranwuchsen. Es waren nicht mehr sehr viele – das Plasma war fast erschöpft. Sie gingen langsam hinunter und starrten in die trübe Masse, die sich schwach bewegte. »Ich wüßte zu gerne, woher es stammt und wie lange es schon hier ist«, murmelte Copasallior und beobachtete die treibenden Hülsen, in denen die Vollstrecker heranwuchsen. »Eines ist jedenfalls sicher«, bemerkte Koratzo. »Es wird nicht mehr lange existieren.« »Steht es so schlimm?« »Ja. Es ist zu Tode erschöpft. Viele von denen, die jetzt darin wachsen, werden ihre Reife nicht erreichen.«
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»Das Zeug tut mir leid«, sagte der Weltenmagier spontan. Koratzo sah ihn erstaunt an. »Es hat mir schließlich nichts getan«, verteidigte der Sechsarmige sich hastig. »Und außerdem hat es sicher nicht darum gebeten, nach Pthor ge bracht zu werden.« »Das ist nicht anzunehmen«, stimmte Koratzo zu. »Es ist ein Opfer des Dunklen Oheims. Ich spüre, daß es nicht böse ist. Es wird gezwungen, die Vollstrecker zu bilden, aber es ist nicht schuldig an dem, was diese Wesen oben in Pthor anrichten.« »Du brauchst es nicht zu verteidigen«, meinte Copasallior mißmutig. »Ich bin bereits allein darauf gekommen.« »Ich werde versuchen, mit ihm zu reden«, kündigte der Stimmenmagier an, und Copasallior nickte. Er beobachtete den Stimmenmagier, der dicht an den seltsamen See her angetreten war und aufmerksam in die trüben Plasmafluten starrte. Unwill kürlich versuchte er, etwas von den magischen Strömungen zu erfassen, die jetzt über das Plasma hinstrichen, aber es gelang ihm nicht. Koratzos Magie war ihm zu fremd, als daß er sie so einfach hätte erfassen können. Für einen Augenblick hatte er in seiner Wachsamkeit nachgelassen, und er bekam sofort die Rechnung dafür serviert. Er sah aus den Augenwin keln heraus eine Bewegung auf der anderen Seite des Sees, und als er er schrocken hinsah, entdeckte er ein Dutzend Vollstrecker, die sich an die breiten Stufen heranschlichen. Die Stufen gehörten zu einer runden Insel im See – dort endete offensichtlich der Antigravschacht, den Kennon und die beiden anderen entdeckt, aber nicht benutzt hatten. Die Vollstrecker mochten hergekommen sein, um nach ihrem »Nachwuchs« zu sehen, aber zweifellos war ihnen mittlerweile aufgegan gen, daß Unbefugte sich in ihr Reich geschlichen hatten. Andere Wesen als diese rotberockten Knochengestelle hätten sich möglicherweise den Kopf darüber zerbrochen, woher die Fremden gekommen waren, und wie es ihnen hatte gelingen können, in diesen Komplex vorzudringen. Solche anderen Wesen hätten dann vielleicht sogar auf einen sofortigen Angriff verzichtet, um erst einmal zu beobachten und bestimmte Kenntnisse zu er ringen. Die Vollstrecker aber machten ihrem Namen Ehre, indem sie zu dem Zeitpunkt, an dem Copasallior sie entdeckte, bereits die Waffen in den Händen hielten und es unverkennbar darauf abgesehen hatten, die un gebetenen Gäste schleunigst ins Jenseits zu befördern. Unglücklicherweise befand sich Koratzo in tiefer Konzentration, und er hatte, um mit dem Plasma leichter in Kontakt zu kommen, seine Sperren fast völlig aufgelöst. Damit war der Stimmenmagier verwundbar gewor den – Copasallior aber konnte ihn nicht auf seine typische Weise in Si cherheit bringen, ohne ihm einen schlimmen und schmerzhaften Schock
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zu versetzen, der die Kampfkraft des anderen auf Stunden hinaus schwä chen würde. Wütend deutete er auf den vordersten Vollstrecker, der gerade die Waf fe hob. Der Rotberockte erstarrte förmlich, als sich die Waffe, die er auslö sen wollte, plötzlich nicht mehr in seiner Hand befand. Sie fiel aus einer Höhe von etwa zwei Metern direkt neben Koratzo klirrend zu Boden. Der Stimmenmagier schrak zusammen. Das laute Geräusch hatte ihn aus seiner Trance gerissen. Er brauchte Sekunden, um sich zu fangen – was dem Weltenmagier einiges darüber verriet, wie schwer es war, mit dem erschöpften Plasma in Verbindung zu treten. Inzwischen erhob sich drüben bei den Vollstreckern ein wüstes Geschrei. Die, die das Ufer be reits erreicht hatten, versuchten voller Wut, auf die Magier zu feuern. Co pasallior hatte alle Hände voll zu tun, um ihnen noch rechtzeitig die Waf fen abzunehmen, und er schleuderte die Mordinstrumente zum Crallion, wo er sie jederzeit abholen konnte. Inzwischen war auch Koratzo wieder voll bei Bewußtsein. Er stand hoch aufgerichtet am Ufer des Plasmasees und schleuderte den Voll streckern magische Laute entgegen, mit denen er sie lähmte. Copasallior bemerkte zufrieden, daß der Stimmenmagier diesmal keine Skrupel hatte, hart und konsequent zuzuschlagen. Es zeigte sich, daß Copasallior nur einen kleinen Teil jener Rotberock ten bemerkt hatte, die sich bereits auf der Insel befanden. Vielleicht kam aber auch ständig Verstärkung aus dem Schacht. Auf jeden Fall waren es rund fünfzig dieser Wesen, die schließlich entwaffnet und betäubt auf der Insel lagen. Copasallior stellte fest, daß sie für den Augenblick Ruhe hatten, und griff grimmig mit seinen Transmitterkräften nach dem ersten Vollstrecker. Er versenkte den Fremden in dem See aus lebendem Plasma und sah voller Genugtuung, wie das Plasma sich an dieser Stelle zusammenballte. Er war sicher, daß das Plasma sich binnen Sekunden das zurückholte, was es auf Befehl des Dunklen Oheims hatte hergeben müssen. Die Gabe war zu ge ring, als daß sie dem Plasma über die tiefe Erschöpfung hinweghelfen konnte, aber es war zumindest ein Anfang. Der Weltenmagier war ein wenig erstaunt angesichts der Tatsache, daß Koratzo nicht gegen sein Vorgehen protestierte. Auch wenn der Rebell die Vollstrecker als absolut negativ einschätzte, hatte Copasallior zumindest einen nutzlosen Appell an sein Mitgefühl erwartet. Schließlich war auch Jarsynthia negativ gewesen, aber Koratzo hätte sie niemals töten oder zu lassen können, daß ein anderer in seiner Gegenwart der Liebesmagierin den Hals umdrehte. Der Weltenmagier versenkte vier weitere Vollstrecker, als er diese Ge danken verfolgte, und er war nicht sonderlich überrascht, als Koratzo sich
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nach ihm umdrehte und ihm auf seine unausgesprochenen Fragen antwor tete. »Jarsynthia war ein lebendes, im Gegensatz zu den Vollstreckern vor al lem denkendes und fühlendes Wesen«, sagte der Stimmenmagier be drückt. »Darüber hinaus war sie nicht dafür verantwortlich zu machen, daß sie negativ war. Man hatte sie in die Barriere geholt, und damit war ihr Schicksal besiegelt. Hätte man sie in ihrer Umgebung gelassen, so wäre etwas ganz anderes aus ihr geworden.« »Es war Kir Ban«, murmelte Copasallior, während er weitere Voll strecker in das Plasma schleuderte. »Sie hat ihn immer gehaßt, und dieser Haß galt dir, sobald Kir Ban tot war. Daß du Dendera und mir damals ge holfen hast, war nur ein zusätzlicher Grund für sie, dich zu verfolgen.« »Es gab noch einen Grund«, bemerkte Koratzo ruhig. »Was weißt du darüber?« fragte Copasallior überrascht und hielt in sei ner derzeitigen Beschäftigung inne. »Es gab eine Zeit, in der Jarsynthia unter ihrem Schicksal litt«, sagte der Stimmenmagier nüchtern. »Später hat sich das gegeben, aber anfangs war noch etwas von der alten Jarsynthia übrig, und sie wußte, wie sehr sie sich verändert hatte. Sie gab nicht nur Kir Ban die Schuld. Du warst auch da mals das Oberhaupt der Magier von Oth, und sie glaubte, daß ihr kein solch schlimmes Schicksal geblüht hätte, wenn du bereit gewesen wärst, Kir Ban aufzuhalten und ihr zu helfen. Sie hat versucht, deine Liebe zu ge winnen. Du hast sie zurückgewiesen. Das war der eigentliche Grund dafür, daß sie auch Dendera und mich haßte. Du hast dich uns zugewandt, und sie hatte das Gefühl, daß wir dich ihr gestohlen hätten.« Copasallior verzog das Gesicht. »Das alles liegt weit zurück«, murmelte er. Er dachte nicht gern an jene Zeit, in der er um Dendera gekämpft und sie schließlich auch gewonnen hatte – nicht zuletzt durch Koratzos Hilfe. Auch andere Magier waren in die ganze Affäre verwickelt gewesen, aber der Stimmenmagier hatte eine ganz besondere Rolle dabei gespielt, denn er war sowohl der Sohn der Ma gierin, die Copasallior für sich eroberte, wie auch der Sprößling jenes Ma giers, der Dendera verlor, und dieser Mann war außerdem einer der mäch tigsten, die es jemals in Oth gegeben hatte, ein negativer Magier, der da mals im Begriff stand, sein eigenes Volk zu vernichten. Copasallior hatte sich oft den Kopf darüber zerbrochen, warum und wie es ihnen überhaupt gelungen war, diesen Magier zu besiegen. Er war sich selbst gegenüber ehrlich genug, um zuzugeben, daß es nicht allein sein Verdienst war. Glyndiszorn und Kolviss hatten ihm geholfen – und Korat zo. Er war es gewesen, der damals die Voraussetzungen dafür schuf, daß zum erstenmal in der Geschichte derer von Oth Magier im Verbund arbei
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teten – ihre Fähigkeiten miteinander verknüpften, wodurch ihre Stärke über das Maß dessen hinaus wuchs, was eine Addition ihrer Kräfte erge ben hätte. Begonnen aber hatte Kir Bans Niederlage nicht erst in jenem Moment, in dem er sich einem Verbund gegenübergesehen hatte, sondern weit frü her – in dem Augenblick nämlich, da er feststellen mußte, daß sein Sohn zwar seine magische Veranlagung geerbt hatte, was selten genug vorkam, daß dieser Sohn jedoch von einem unerklärlichen Schicksal dazu auserse hen war, der Gegner seines Vaters zu sein. Kir Ban war negativ, Koratzo positiv. Einen größeren Gegensatz konnte es nicht geben. Kir Ban hatte um seinen Sohn gekämpft und dabei dieses unerklärliche Gesetz entdeckt – es gab immer diese verschieden veranlagten Magier in Oth, und es gab etwas, das beide Komponenten im Gleichgewicht hielt. Weder die positi ven noch die negativen Kräfte würden jemals die Übermacht erringen, ganz gleich, mit welchen Mitteln sie danach strebten. Kir Ban hatte ver sucht, Koratzo umzupolen, obwohl er gewußt haben mußte, wie sinnlos dieses Vorhaben war. Zu jener Zeit hatte Kir Ban sich auf dem Gipfel sei ner Macht befunden, und er hätte die gesamte Elite von Oth auf einen Schlag hinwegfegen können. Er konzentrierte sich jedoch auf seinen Sohn, und die Erkenntnis, daß er es mit all seiner Macht nicht schaffte, wenig stens Koratzo dem zu entreißen, was das Schicksal der Magier bestimmte, versetzte ihm den größten Schlag seines Lebens. Copasallior erinnerte sich nur allzu deutlich daran, was sich damals zu getragen hatte. In seinem ohnmächtigen Zorn war Kir Ban nahe daran ge wesen, Koratzo zu zerbrechen, ihm seine magischen Fähigkeiten zu rau ben und ihn zu einem lallenden Idioten zu machen. Dendera und der Wel tenmagier hatten zu helfen versucht, aber sie wären machtlos gewesen oh ne die Einwirkung jener ruhigen, stetigen Kraft, die in Koratzo selbst zu wohnen schien. Dieselbe Kraft, die den Stimmenmagier damals gerettet hatte, mochte sich jetzt anschicken, ihn zu vernichten. Es war das Etwas, das unter der Barriere hauste und in einem rätselhaften Zustand zwischen Leben und Tod gefangen war. Man konnte es nicht sehen und nicht berühren, nicht aufspüren und darum auch nicht unschädlich machen. Seit rund zwanzig tausend Jahren hatten die Magier seine Gegenwart gespürt und es dennoch nicht geschafft, es zu erforschen und zu lokalisieren. Sie hatten es schließ lich aufgegeben. Copasallior fragte sich in diesen Augenblicken am Rande der Quelle des Lebens, ob sie es nicht zu früh aufgegeben hatten. Er sah sich an ei nem Ort, der ein uraltes Geheimnis barg, und er hatte das Gefühl, daß die ses Geheimnis sich sehr leicht hätte lösen lassen, wären sie nur eher darauf gestoßen. Die Erkenntnis, daß sie von der Quelle des Lebens nichts ge
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wußt hatten, daß sie es versäumt hatten, dem Geheimnis der Technos nachzuspüren, machte ihn betroffen, zumal es nicht das einzige Rätsel war, mit dem er sich in dieser Weise konfrontiert sah. Auch den Saal, in dem die Seele von Pthor zu dem Arkoniden gesprochen hatte, war ihm fremd gewesen. Er erkannte, daß er, der er sich eingebildet hatte, fast alle Geheimnisse dieses Landes zu kennen, völlig ahnungslos gewesen war. Diese Erkenntnis erschütterte ihn und machte ihn unsicher. Als wüßten die Vollstrecker, wie es um den Weltenmagier bestellt war, wählten sie gerade diesen Moment, um erneut anzugreifen. Diesmal aber kamen sie nicht durch den verborgenen Schacht, und sie rückten den Ma giern in einer Übermacht zu Leibe, die jedem anderen Gegner zum Ver hängnis geworden wäre. Türen, Tore und Luken in den Wänden und der Decke der Halle öffne ten sich, und jede einzelne Öffnung war von Vollstreckern besetzt, die ihre Waffen auf die Eindringlinge richteten und sofort das Feuer eröffneten. Diesmal brauchte Copasallior auf den Stimmenmagier keine besondere Rücksicht zu nehmen. Darum versetzte er ihn auf die Insel im Plasmasee und folgte ihm auf dem Weg durch das Nichts. Als er drüben war und sich umsah, trafen sich zahllose Glutstrahlen an jenen Stellen, an denen die Magier eben noch gestanden hatten. »Laß uns von hier verschwinden«, sagte Koratzo, und obwohl er leise sprach, durchdrang seine magische Stimme das ungeheure Getöse, das die Höhle erfüllte. »Wenn wir nur wüßten, von wo aus das Plasma kontrolliert wird!« rief der Weltenmagier. »Die Vollstrecker sind so wütend, daß sie vielleicht so gar das Kontrollzentrum zerstören würden, wenn wir ihnen ein solches Ziel anbieten.« »Wir würden dem Plasma damit einen schlechten Dienst erweisen«, be hauptete Koratzo. »Es leidet schon jetzt unter der Hitze. Es braucht kon stante Temperaturen. Siehst du die Hülsen in der Nähe der glühenden Flä che?« Copasallior blickte hinüber und entdeckte zu seinem Schrecken, daß die Hülsen sich braunschwarz verfärbt hatten und dicht unter der Oberfläche trieben. Die dünnen Wände aus verdichtetem Plasma rissen auf, und große Blasen brodelten auf, zerplatzten in der Hitze und gaben das frei, was von den jungen Vollstreckern übriggeblieben war. »So wird es dem ganzen See ergehen, wenn der Beschuß anhält«, er klärte Koratzo. Copasallior nahm ihn schweigend bei der Hand und versetzte sich mit ihm zum oberen Ende des Antigravschachts. »Warte hier auf mich!« bat er und war schon wieder verschwunden. Koratzo sah sich hastig um. Ein paar Vollstrecker kamen aus einem
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Gang und starrten ihn verblüfft an. Ihre Überraschung hielt kaum eine Se kunde lang an, dann stürzten sie sich auf den Magier. Koratzo wich vor dieser Meute zurück und betäubte sie mit seinen ma gischen Lauten. Hinter sich hörte er Geräusche, und er konnte die nächsten Vollstrecker gerade noch niederstrecken, ehe sie ihn erreichten. Dann aber vernahm er Geräusche aus der gewölbten Decke des kuppel artigen Raumes, der den Schachtausstieg umgab, und er wußte, daß die Vollstrecker von nun an eine andere Taktik verfolgen würden. Das Klicken und Summen konnte nur von antimagischen Geräten stam men, die dort oben verborgen waren. Es gehörte wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, um welche Art von Geräten es sich handelte. Koratzo blieb regungslos stehen und suchte die Decke mit seinen magi schen Sinnen ab. Die richtige Stelle hatte er schnell gefunden. Augen blicke später machte er ein kristallines Gebilde aus, das offensichtlich einen Teil der Waffe bildete, die man auf ihn zu richten gedachte. Noch während er sich darauf konzentrierte, diesen Kristall in Schwingungen zu versetzen und damit zu sprengen, vernahm er das feine Schleifen, mit dem ein steinernes Luk zur Seite glitt. Er wußte, daß die Waffe auf ihn gerich tet war und daß es kritisch für ihn wurde, aber andererseits war es längst zu spät gewesen, als daß er hätte fliehen können. Er errichtete die stärksten Sperren, die ihm zur Verfügung standen, und ließ gleichzeitig die entsprechenden Laute auf den Kristall los. Für einen Augenblick stand er in einer blaßgoldenen Aura, in der grelle Blitze zuck ten. Dann zersprang der Kristall. Koratzo begann gerade mit der Suche nach weiteren Waffen dieser Art, als ihm klar wurde, daß die Gefahr noch längst nicht vorüber war. Die Zer störung des Kristalls zog einen rapiden Zerfall der antimagischen Waffen nach sich, und dieser Zerfall würde in einer verheerenden Explosion en den. Es war zu spät, um wegzulaufen. Koratzo hatte keine Chance, einen der Gänge oder wenigstens den Antigravschacht zu erreichen. Darum blieb er stehen und verstärkte seine Sperren noch weiter, bis sie so gewaltig waren, daß sie ihm die Kraft aus den Knochen zu ziehen drohten. Im nächsten Augenblick wurde die Decke über ihm von einer Explosion zerrissen. Ohne den magischen Schutzschirm hätte allein der Druck der Explosion ausgereicht, ihn davonzuwirbeln. Den daraus resultierenden Aufprall hätte er mit etwas Glück überleben können, das nachfolgende Bombardement von Gesteinsbrocken dagegen nicht. Und als endlich Ruhe eintrat, da war er so tief unter dem Schutt vergraben, daß er eigentlich hätte ersticken müssen. Der seltsame Schutzschild aber hielt alles von ihm fern. Er stand sicher und geborgen darunter, blickte auf das Chaos und fragte sich, was die
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Vollstrecker jetzt wohl unternahmen. Er wartete, bis um ihn herum Ruhe eintrat. Dann zog er ganz langsam und vorsichtig seine Sperren ein wenig zurück. Sofort rollten Gesteins brocken nach. Er biß die Zähne zusammen und wartete abermals. Dann versuchte er es wieder. So arbeitete er sich langsam und vorsichtig bis an einen Punkt her an, an dem die Sperren eine halbwegs normale Stärke erreicht hatten. Unwillkürlich atmete er auf. Draußen rührte sich immer noch nichts. Als Stimmenmagier war er im stande, auch die feinsten Geräusche aufzufangen. Wären draußen Voll strecker herumgeschlichen, so hätte er sie auch dann wahrgenommen, wenn sie auf Zehenspitzen gegangen und jeden Laut vermieden hätten, denn sie konnten nicht aufhören zu atmen und ihre Herzen nicht dazu brin gen, plötzlich stillzustehen. Diese Geräusche aber hätten ausgereicht, um sie zu verraten. Daran änderte auch das ständige Knacken und Knirschen nichts, das noch immer durch die Gesteinstrümmer ging. Koratzo holte tief Luft. Natürlich hätte er warten können – Copasallior konnte ihn auf jeden Fall herausholen. Aber es widerstrebte ihm, sich in dieser Falle ertappen zu lassen, ganz abgesehen davon, daß seine Lage al les andere als bequem war. Er kannte die Dicke der Schicht, die er durchdringen mußte – er hörte sie in jedem Laut, mit dem die Steine sich enger aneinanderpreßten. Er wußte, daß er es schaffen konnte, wenn nicht die Vollstrecker inzwischen angriffen. Auch nach dem Durchbruch würde er wenigstens für einige Se kunden Zeit brauchen, um neue Kräfte zu sammeln. Aber darauf wollte er es ankommen lassen. Die uralten Laute der Zerstörung durchdrangen den magischen Schirm und lösten einige Gesteinstrümmer in eine krümelige Masse auf. Ehe wei tere Steine nachrollen konnte, hatte Koratzo die Lücke bereits mit den ma gischen Sperren aufgefüllt. So rückte er vorwärts, Schritt für Schritt. Ab und zu legte er eine winzige Pause ein und lauschte nach draußen. Er hörte nichts. Die Vollstrecker kümmerten sich nicht um ihn. Er konnte sich das zwar nicht erklären, nahm es aber dankbar als eine Tatsache hin, die sein Vorhaben erleichterte. Dafür machte er sich allmäh lich Gedanken wegen Copasallior, der ihm gar zu lange ausblieb. Zwar konnte der Weltenmagier durchaus für sich selbst sorgen, aber auch einer der Mächtigen von Oth konnte einmal in eine Falle geraten – wie Koratzos derzeitige Situation hinreichend bewies. Er hatte die schlimmste Strecke hinter sich gelassen und arbeitete schneller. Er spürte, daß er es fast geschafft hatte – nur noch ein oder zwei Schritte, dann konnte er die Sperren lösen und mit all seiner Kraft den Rest der Gesteinstrümmer wegfegen. Binnen Sekunden war er dann frei.
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Aber wie zum Hohn erklangen jetzt die murmelnden Stimmen der Voll strecker. Koratzo hielt enttäuscht inne. Es hatte keinen Sinn, jetzt durchzubre chen. Er konnte nur hoffen, daß die Vollstrecker nicht auf die Idee kamen, unter den Trümmern nach ihm zu suchen. Vorläufig dachten sie noch nicht daran. Sie waren lediglich darauf versessen, den Weg zum Antigrav schacht freizulegen. Dazu bedienten sie sich nur einfacher Werkzeuge, mit denen sie sehr langsam vorankamen. Koratzo wunderte sich darüber. Es war ein Widerspruch, den er nicht verstand. Da gab es in dieser Anlage au tomatisch arbeitende Waffen, Antigravfelder und ähnliches – aber die Vollstrecker gingen mit Schaufeln und Hacken, teilweise sogar mit ihren bloßen Händen, an die Arbeit. Der Magier vergaß allerdings, sich länger darüber zu wundern, als er feststellen mußte, daß zwei Vollstrecker sich direkt auf ihn zu arbeiteten. In kürzester Zeit würden sie ihn erreicht haben. Es konnte nicht schwer sein, diese zwei zu überwältigen, aber die anderen, die in unmittelbarer Nähe arbeiteten, bildeten ein Problem, zumal Koratzo noch immer Sperren aufrechterhielt, die ihn ihrer Stärke wegen daran hinderten, seine Fähigkei ten voll zum Einsatz zu bringen. Er nutzte die wenigen Sekunden, die ihm noch blieben, und bereitete sich auf einen Kampf vor, dem er zwar nicht mit Verzweiflung, wohl aber mit einiger Skepsis entgegensah.
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Copasallior hatte mehr Glück als der Stimmenmagier. Er war sofort zur Quelle des Lebens vorgedrungen. Die Vollstrecker waren immer noch da, wie er es erwartet hatte. Sie hatten noch gar nicht mitbekommen, daß ihr Wild aus der Falle entwischt war. Immerhin hatten sie aber begriffen, daß ihr erster Angriff fehlgeschlagen war. Nun suchten sie nach den Eindring lingen und schossen bisweilen blindlings auf alles, was sich in der Höhle rührte. Auf diese Weise dezimierten sie sich selbst, was ihnen jedoch we nig Kopfzerbrechen zu bereiten schien. Da Copasallior sich jetzt in der Höhle auskannte, gelang es ihm, sich an einen Ort zu versetzen, an dem die Vollstrecker ihn nicht vermuteten. Dicht neben der Stelle, an dem der Antigravschacht aus der Höhlendecke hervorstach, gab es einen Vorsprung mit einem Geländer. Vermutlich en dete an dieser Stelle auch ein Reparaturschacht. Als Copasallior auf dem Vorsprung in die Wirklichkeit zurückkehrte, sah er in der Tat ein winziges Luk. Er untersuchte es sorgfältig und blockierte den Öffnungsmechanis mus, indem er mit Hilfe seiner Transmitterkräfte eine kräftige Schraube aus dem Geländer löste und sie mitten in das Schloß hineinversetzte. Beruhigt wandte er sich den Vollstreckern zu, die tief unter ihm nach den beiden Magiern suchten. Er haßte Verschwendung und war deshalb entschlossen, so viele Waffen wie nur irgend möglich zu erbeuten und in Sicherheit zu bringen. Er hatte nur eines nicht bedacht: Die Vollstrecker waren diesmal ge warnt und wußten, auf welche Weise die unheimlichen Eindringlinge sich verteidigten. Als die ersten Waffen verschwanden, erhob sich ein gewalti ges Geschrei. Die Vollstrecker liefen ratlos durcheinander. Schon bald aber kam System in die Angelegenheit, und wenig später entdeckten eini ge die hagere Gestalt dicht unter der Decke. Copasallior versetzte sich ohne jede Mühe an einen anderen Ort – hinter einen Felsen in der zerklüfteten Wand der Höhle. Von dort hatte er keinen so guten Überblick, aber er sah genug Vollstrecker, die er berauben konn te, ohne daß sie die geringste Chance zur Gegenwehr hatten. Schon nach kurzer Zeit gab es nur noch wenige Waffen in der Halle. Die Waggus waren aus einem Metall gefertigt, zu dem Copasallior eine besondere Affinität besaß. Er spürte, ob ein Gegenstand aus diesem Metall in seiner Nähe war, noch ehe er ihn zu sehen bekam. Darum konnte er jetzt mit großer Sicherheit sagen, daß die Vollstrecker so gut wie waffenlos wa ren. Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, in den Antigrav schacht zu gehen und den Eingang zu verriegeln. Dann saßen die Voll
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strecker in der Höhle fest, und es würde eine ganze Weile dauern, bis sie sich befreien konnten. Das einzige, was den Weltenmagier an diesem Ge danken störte, war die Lebensquelle. Er hatte kein so phänomenales Ge spür für fremde Lebensformen wie der Stimmenmagier, aber selbst er fühlte, daß das Plasma immer schwächer wurde, und es wollte ihm schei nen, daß die Anwesenheit der Vollstrecker noch dazu beitrug. Er stellte sich vor, daß das Plasma am Verhungern war und angesichts der Tatsache, daß es die zum Greifen nahe gerückten Vollstrecker nicht erwischen konn te, schier verzweifelte. Einige Vollstrecker hatten wieder einmal seinen Standort ausgemacht. Einer von ihnen besaß noch eine Waggu, die anderen bereiteten sich dar auf vor, den Weltenmagier mit den bloßen Händen zu erledigen. Copasal lior schleuderte die Waffe zum Crallion und die Vollstrecker in die Quelle des Lebens, dann versetzte er sich zum Antigravschacht. Er öffnete eines der Tore und spähte nach oben. Die scheinbar endlos lange Röhre war leer. Hinter sich hörte er das Geschrei der Vollstrecker, die ihn entdeckt hatten. Er ignorierte voller Verachtung das künstliche, antimagische Transportfeld und griff statt dessen auf die Mittel der Magie zurück. Es war für ihn leicht, ein tragendes Luftpolster unter seinen Füßen zu erzeugen. Dieses Verfahren hatte noch dazu den Vorteil, daß er seine Geschwindigkeit be liebig regulieren konnte. Als die ersten Vollstrecker in die Röhre stürmten und zur Verfolgung ansetzten, war Copasallior längst aus ihrer unmittelbaren Reichweite ent kommen. Er starrte auf seine Verfolger, während er darauf achtete, daß sein Vorsprung sich nicht verringerte. In dem Gewühl dürrer Körper und blutroter Roben spürte er noch einige Waffen auf, die er sofort in Sicher heit brachte. Er sah auch, daß die Vollstrecker ungeheure Anstrengungen unternahmen, um ihn einzuholen. Sie stießen sich an den Wänden ab, ver loren dadurch aber die Richtung und vergrößerten das Durcheinander noch. Der Weltenmagier lächelte verächtlich. Er fragte sich, was den Dunklen Oheim dazu bewogen hatte, die recht pfiffigen Technos gegen diese Jam mergestalten auszutauschen, die noch dazu ganz offensichtlich einen äu ßerst mangelhaften Verstand auf ihren Lebensweg mitbekommen hatten. Für einen Augenblick dachte Copasallior daran, sich der Vollstrecker zu entledigen. Es wäre sehr leicht gewesen. Er spürte überdeutlich die anti magische Maschine, die das Feld erzeugte, in dem die Dürren schwebten. Er hätte diese Maschine zerstören können. Da sie inzwischen mehr als hundert Meter vom Grund des Schachtes entfernt waren, hätte kein einzi ger Vollstrecker den Absturz überlebt. Aber Copasallior brachte es dann doch nicht fertig, einen solchen Mordplan durchzuführen. Sie in das Plas ma zurückzuschleudern, dem sie entsprungen waren und das noch dazu
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darunter litt, daß es solche Kreaturen erzeugen mußte, war etwas ganz an deres. Er entdeckte einen Schacht, der in einem steilen Winkel schräg von der Röhre wegführte. Das brachte ihn auf eine andere Idee. Immer häufiger zeichneten sich jetzt Türen in den senkrechten Wänden ab. Es gab auch offene Durchgänge, durch die er auf kleine Räume blickte, von denen weitere Gänge abzweigten. Hinter anderen Öffnungen lagen weitläufige Hallen, die mit allerlei Maschinen vollgestopft waren. Copa sallior konzentrierte sich auf die knapp über ihm liegenden Räume und sondierte sie mittels seiner Magie, bis er eine Halle entdeckte, die sich für seine Zwecke so hervorragend eignete, daß man fast glauben konnte, sie wäre extra dafür gebaut worden. Die Vollstrecker waren hoffnungslos ineinander verstrickt. Viele konn ten sich gar nicht mehr rühren, so fest hatten andere sie eingekeilt. Dieser chaotische Haufen war so sehr mit sich beschäftigt, daß kaum noch je mand auf den Magier achtete, der bisher stetig vorangeschwebt war. Copa sallior fand, daß es an der Zeit war, die Verfolger ein wenig aufzurütteln – sie schwebten sonst glatt an der Falle vorbei. Er verlangsamte seinen Flug und stieß laute Schreie aus. Dazu ruderte er mit allen sechs Armen in der Luft herum, als hätte er das Gleichgewicht verloren. Die Vollstrecker hörten sofort auf, gegeneinander zu kämpfen. Sie leg ten die Köpfe zurück und sahen den Weltenmagier dicht über sich. Ihre schwarzen Augen glühten mordlüstern auf, die Kapuzen verrutschten und gaben die haarlosen, knochigen Schädel frei. Copasallior sah voller Unbe hagen, daß die vordersten Vollstrecker die Zähne fletschten. Zum ersten mal kam ihm der Gedanke, daß er sich mit einem Gegner angelegt hatte, der nicht daran gewöhnt war, besiegt zu werden, und er wußte, daß in der Tat die meisten Pthorer dieser Horde gegenüber nicht die leiseste Chance gehabt hätten. Die Vollstrecker waren unter normalen Umständen fast un überwindlich. Sie waren zwar nicht unverwundbar, aber mit den in Pthor üblichen Waffen konnte man sie kaum umbringen. Ihr Nervensystem und ihr ganzer Körperbau mußten einem völlig unnatürlichen System entspre chen. Sie kämpften auch dann noch weiter, wenn ihre Verwundungen so schwer waren, daß jedes andere vergleichbare Wesen an ihrer Stelle hilflos zu Boden gesunken wäre. Um so besser war es, diesem Spuk wenigstens vorübergehend ein Ende zu bereiten. Wenn sie in Ruhe nach den betäubten Magiern suchen woll ten, konnten sie die Vollstrecker nicht gebrauchen. Copasallior sah die Öffnung dicht über sich auftauchen, beschleunigte und schoß so schnell hindurch, daß sein Flugfeld eine dichte Staubwolke aufwirbelte. Er lächelte zufrieden – die Staubwolke würde die Vollstrecker
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erst recht davon überzeugen, daß er diesmal nicht einfach verschwunden, sondern tatsächlich in diese Öffnung geflohen war. Einige Meter vom Eingang entfernt wartete er, bis die ersten Voll strecker auftauchten. Dann beschleunigte er abermals und zog sich fast bis an das andere Ende der Halle zurück. Die Vollstrecker folgten ihm wie Schafe, die blind dem Leithammel gehorchten. Es waren viel mehr dieser dürren Gestalten in der Halle, als Copasallior bei der Quelle des Lebens mit sich gelockt hatte. Er kam zu dem Schluß, daß »seine« Vollstrecker unterwegs Verstärkung aus anderen Teilen dieser grauenvollen Anlage er halten hatten. »Um so besser«, murmelte er und stieg an der Wand hinauf. Die Voll strecker sammelten sich unter ihm, schreiend, knurrend, fauchend und zähnefletschend. Copasallior achtete nicht auf die, die unter ihm herumlie fen und versuchten, ihn im Sprung zu erreichen oder allerlei Gegenstände nach ihm zu werfen. Er war selbst für den wütendsten Vollstrecker außer Reichweite, und die Wurfgeschosse prallten an seinen magischen Sperren wirkungslos ab. Er beobachtete den Eingang und sah immer neue Vollstrecker auftau chen. Allmählich wurde ihm die Sache unheimlich. Erstens mußte die Hal le bald so überfüllt sein, daß keine weiteren Gegner hineinpaßten, und zweitens mußte doch wohl irgendwann eines dieser Wesen auf die Idee kommen, es auf andere Weise zu versuchen oder wenigstens diese Halle genauer anzusehen. Aber die Wut und der Haß beherrschten die Vollstrecker und machten sie blind. Solange Copasallior über ihren Köpfen schwebte, würden sie es nicht aufgeben, ihn sinnlos anzugreifen. Der Weltenmagier atmete auf, als der Eingang frei wurde. Kein weiterer Vollstrecker war in Sicht. Die Wände ringsum bestanden aus massivem Fels. Es gab nur den einen Ausgang – die Falle war perfekt. Er brauchte nur den Bruchteil einer Sekunde, um sich an sein Ziel zu versetzen, und kaum länger dauerte es, das schwere Tor zu verschließen. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme riß er auf magische Weise die als Türen dienenden Metallplatten anderer Räume an diesen Ort. Das Metall mochte ebenso widerstandsfähig sein wie das, aus dem die Insel gefertigt war – Copasalliors seltsamen Kräften vermochte es sich nicht zu widerset zen. Die Ränder glühten auf und verschmolzen mit dem Fels. »Es dürfte ihnen einige Mühe machen, sich da hindurchzuarbeiten«, sagte Copasallior zu sich selbst. »Es wird Zeit, daß ich mich nach dem Stimmenmagier umsehe.« Aber ehe er den Sprung durch das Nichts tat, warf er einen Blick in den Antigravschacht, und ihm wurde klar, daß oben weitere Probleme auf ihn warteten.
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Diesmal waren zwar keine Vollstrecker in Sichtweite, dafür aber trudel ten Gesteinsbrocken aller Größenklassen den Schacht hinunter. Copasallior dachte an Koratzo, der oben auf ihn wartete, und er nahm sich nicht einmal mehr die Zeit, die Arme zu heben, was den Schritt durch das Nichts erleichtert hätte. Koratzo wurde immer ruhiger, je näher die Vollstrecker ihm kamen. Ihm wurde bewußt, daß er in einer fast perfekten Falle steckte. Er hätte mühe los sämtliche Gegner um sich herum lahmlegen können, wenn es nicht un abdingbar nötig gewesen wäre, die Sperren aufrechtzuerhalten. Er hatte sie soweit abgebaut, wie er es gerade noch vertreten konnte. Er spürte bereits den Druck des Gesteins, das die Lücke schließen wollte. Er konnte nicht noch weitergehen, oder er wurde erschlagen. Solange er aber die Sperren auf diesem Stand halten mußte und es sich nicht einmal erlauben durfte, auch nur die winzigste Lücke zu schaffen, war es ihm unmöglich, die Vollstrecker zu beeinflussen. Er hätte lediglich auf einen Schlag das restliche Gestein unschädlich machen können – aber dann wäre er für den Gegner erst recht sichtbar geworden, und so, wie Ko ratzo die Lage einschätzte, würden sie ihn schneller angreifen, als er die verlorene Energie erneut aufbauen konnte. Er würde wenigstens eine halbe Sekunde benötigen, und dann mußte er bei den Sperren ganz von vorn an fangen – für eine weitere halbe Sekunde konnte selbst ein Stein ihn tödlich treffen. Er beschloß, es trotzdem zu wagen. Allerdings mußte er den Zeitpunkt gut abpassen. So stand er unter den Trümmern und wartete darauf, daß die Voll strecker ihn erreichten. Sollten sie ihm ruhig die Arbeit abnehmen und ihn so weit ausgraben, daß er nur noch die Hand nach ihnen auszustrecken brauchte. Er fürchtete sich nicht vor ihnen. Die Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten, und Koratzo verspürte den dringenden Wunsch, entgegen allen vernünftigen Überlegungen mit einem gewaltigen Geschrei aus seinem Gefängnis hervorzustürmen. Hätte er es nicht ausgerechnet mit Vollstreckern zu tun gehabt, dann wäre er diesem Impuls vielleicht sogar wirklich gefolgt, denn ein schreiender Stimmenma gier war sehr wohl imstande, ganze Heerscharen von Gegnern zu pani scher Flucht zu veranlassen. Vollstrecker aber waren alles andere als schreckhaft. Als die Hacke des einen Dürren gegen Koratzos Sperren traf und daran ebenso abprallte, wie die Steine sie nicht hatten durchdringen können, brachte der Magier vorsichtig die Felstrümmer, die teilweise seinen Kör per so dicht umschlossen, daß er sich nicht rühren konnte, zum Zerkrü meln. Er bewegte mit unendlicher Vorsicht die Füße und suchte einen si cheren Stand, während die Hacke dröhnte und krachte, daß dem Mann im
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Innern der magischen Blase die Ohren klangen. Er befreite seine Hände, hielt sie jedoch vorsichtig zur Seite – von draußen waren sie noch längst nicht sichtbar. Und er schuf einen kleinen Hohlraum vor seinem Gesicht. Die Hacke wich zurück, und statt dessen erschienen knochige Hände in dem Loch, das sich nicht vergrößern lassen wollte. Die Hände tasteten über den magischen Schirm, der glatt und kalt war – viel zu glatt, um mit der Oberfläche eines Gesteinsbrockens verwechselt zu werden. »Ich weiß nicht, was das ist«, sagte der Vollstrecker und zog seine Hän de zurück. »Es ist zu hart. Ich komme nicht durch.« Koratzo schöpfte neue Hoffnung und wartete gespannt auf die Stimme eines Anführers, der dem ratlosen Wesen empfahl, es weiter seitlich zu versuchen. Aber die Vollstrecker hatten keine Anführer im üblichen Sinn. Allem Anschein nach brauchten sie auch keine. Sie wußten – solange sie keinen so seltsamen Problemen wie magischen Sperren inmitten eines Trümmerbergs gegenüberstanden – jeder für sich haargenau, was zu wel chem Zeitpunkt zu tun war, und wenn es auch bei ihnen manchmal so aus sah, als wären sie unsagbar dumm und stur, so zeigte die Erfahrung mit ih nen doch recht gut, wie wirkungsvoll ihre merkwürdige Art der Zusam menarbeit war. In diesem Fall allerdings führte sie dazu, daß der Vollstrecker sich mit seinem Problem alleingelassen fühlte. Niemand antwortete ihm, und nie mand ließ sich dazu herab, das Phänomen mit eigenen Händen zu untersu chen. Der zweite Vollstrecker fuhr fort, den bereits gegrabenen Teil des Durchgangs zu verbreitern. Er kümmerte sich nicht im geringsten um sei nen Artgenossen. Der gab es schließlich ebenfalls auf, sich den Kopf zu zerbrechen und ließ die Hacke erneut auf das Hindernis sausen. Koratzo biß die Zähne zusammen und fragte sich verzweifelt, warum dieses Geschöpft nicht wenigstens auf die naheliegende Idee kam, die Öff nung nach den Seiten hin zu verbreitern. Der Vollstrecker hatte die Gedanken des Magiers ganz sicher nicht auf gefangen. Trotzdem tat er genau im selben Augenblick das, worauf Korat zo so lange gewartet hatte. Als die Hacke sich aber zwischen zwei Fel strümmern verkeilte und der Vollstrecker mit all seinen unheimlichen Kräften daran riß, lösten sich nicht nur die beiden Brocken, sondern noch eine ganze Menge anderer Steine – und urplötzlich geriet die Masse von Steinen, die den Magier umfing, ins Rollen. Koratzo besaß genug Geistesgegenwart, um seine Sperren erneut zu ver stärken. Die Steine taten ihm daher nichts, aber er stand, als sie halbwegs zur Ruhe kamen und die Staubwolken sich verzogen, bis zu den Hüften im Geröll. Er verlor keine Sekunde. Blitzschnell schleuderte er seine magischen Laute gegen das Gestein. Es reichte im Augenblick nicht aus, um es völlig
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zu zerkrümeln, aber die Umklammerung der Steine lockerte sich, so daß Koratzo sich mit einem kraftvollen Schwung aus der Falle herausziehen konnte. In geduckter Haltung stand er auf den Trümmern, und direkt unter ihm hockte der erste Vollstrecker und starrte ihn fassungslos an, nur für die Dauer von ein oder zwei Herzschlägen. Dann stieß das dürre Wesen sich vom Boden ab und schnellte sich auf den Magier zu. Die Sperren existierten nicht mehr, und seine Kräfte reichten auch noch nicht wieder aus, um den Vollstrecker zu betäuben. Aber Koratzo hatte gar keine Zeit, darüber nachzudenken. Er sah den Vollstrecker auf sich zuflie gen und wich zur Seite. Er war heilfroh, daß er es nie versäumt hatte, auch seinen Körper zu trainieren und sich nicht allein auf magische Übungen zu beschränken. Noch froher war er darüber, daß er beizeiten mit den Händen zu kämpfen gelernt hatte – nicht zuletzt von jenen Sterblichen, die in die Tronx-Kette gekommen waren, um ihrerseits ganz andere Dinge zu erler nen. Er schlug dem Dürren die Handkante ins Genick und registrierte zufrie den, daß selbst ein Vollstrecker einen solchen Treffer nicht sofort verdau en konnte. Der Fremde ging zu Boden, prallte schwer auf die Steine, ver suchte dann zwar sogleich, Koratzos Bein zu packen, war aber so benom men, daß er danebengriff. Koratzo kümmerte sich nicht weiter um ihn. Er sah den zweiten Voll strecker, der bis zu diesem Augenblick genug damit zu tun gehabt hatte, sich den Staub aus den stechenden Augen zu wischen. Dabei hatte das Wesen sich nicht einmal umgedreht. Es interessierte sich nicht dafür, was der Lärm bedeutete und was seinem Gefährten zugestoßen sein mochte, sondern konzentrierte sich einzig und allein auf seine Arbeit. Als es sich jedoch umwenden wollte, um das herabgerollte Geröll zur Seite zu schaf fen, sah es sich urplötzlich dem Stimmenmagier gegenüber, der so von Staub bedeckt war, daß er wie ein Gespenst aussah. Koratzo schlug dem Vollstrecker die Faust gegen die Schläfe. Der Dürre schüttelte nur den Kopf. Er streckte die Hände nach dem Ma gier aus, und es gelang ihm, seine dolchartigen Nägel in Koratzos Schul tern zu bohren. Den Magier packte das nackte Entsetzen. Er wußte, daß die Vollstrecker nicht normal reagierten, aber der Schlag, den er eben gelandet hatte, hätte selbst den Dürren wenigstens für einen Augenblick benommen machen sollen. Statt dessen war diese unglaubliche Kreatur drauf und dran, dem Mann aus Oth das Fleisch von den Schultern zu reißen, und zu allem Überfluß öffnete sie den Mund und schickte sich an, sich im Hals des Ma giers zu verbeißen. Wut und Angst verliehen dem Stimmenmagier Kräfte, die er selbst nie in sich vermutet hätte. Er rammte seinem Gegner das Knie in den Leib und
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schmetterte ihm gleichzeitig die Faust gegen das Kinn, daß der Kopf mit dem geifernden Mund nach hinten flog. Als der Vollstrecker sein Opfer auch dann noch nicht freigeben wollte, dachte Koratzo keinen Augenblick lang mehr an die verlorene Energie, sondern schrie dem Dürren die Laute der Vernichtung ins Gesicht. Der Dürre stieß einen Laut aus, den Koratzo nie zuvor gehört hatte. Er ließ den Magier los und taumelte nach rückwärts. Blaues Feuer umloderte ihn. Es hätte ihn augenblicklich auflösen sollen, aber die erwartete Wir kung trat nicht ein. Der Vollstrecker blieb innerhalb des blauen Leuchtens deutlich sichtbar. Er taumelte herum und schrie mit dünner, maunzender Stimme. Für einen furchtbaren Augenblick dachte Koratzo, daß diese Wesen ge gen magische Einflüsse immun seien. Dann wurde ihm bewußt, wie unsin nig ein solcher Verdacht war. Er selbst hatte bereits Dutzende von Voll streckern betäubt, und abgesehen davon hätte er eine solche Immunität längst spüren müssen. Er begriff, daß es an ihm selbst lag. Während der Reise mit Duuhl Larx hatte er sich regelrecht aufgeladen. Nach der Ankunft im Ritiquian-System jedoch hatte die GOL'DHOR ihm die zusätzlichen Kräfte wieder genommen. Seitdem war er gezwungen ge wesen, wie alle anderen Magier, die nicht betäubt in einer dieser Höhlen lagen, von seinen Reserven zu zehren. Der Aufenthalt in der Großen Bar riere hatte ihm nicht geholfen, im Gegenteil: Das Energiegefälle in den Bergen war bereits so groß, daß die Magier ihre Heimat fluchtartig hatten verlassen müssen. Das geheimnisvolle Etwas, das irgendwo in oder unter halb der Barriere existierte, verlangte stürmisch nach seiner Nahrung. Es schien eher bereit, die Magier auszulöschen, als sich mit einem geringeren Quantum an Energie zu begnügen. Koratzo war infolge all dieser Umstände ohnehin nicht auf dem Höhe punkt seiner Macht, und die eben durchgestandenen Strapazen schwächten ihn stärker, als er gedacht hatte. Er wußte, daß er immer noch Reserven besaß, aber er brauchte mehr Zeit als sonst, sie nutzbar zu machen. Die Energie, über die er jetzt, mehrere Sekunden nach dem Durchbruch ver fügte, reichte nicht einmal aus, einen einzigen Vollstrecker auszulöschen. Er vergaß völlig, auf seine Umgebung zu achten. Er sah nur noch diese Kreatur, die blind und ziellos umhertaumelte und diese schrecklichen Lau te ausstieß, während das blaue Leuchten sich langsam in ihren Körper fraß, und tiefe Reue erfaßte ihn. Vor langer Zeit hatte er sich geschworen, diese furchtbaren Laute der Vernichtung niemals zu gebrauchen. Was war aus diesem Schwur gewor den? Es hatte damit begonnen, daß ein paar Seelenlose versuchten, Glyndis
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zorns Luftschiff zu stehlen. Zweifellos wußten diese Kunstwesen nicht, daß sie damit im Begriff standen, die Barriere von Oth, vielleicht sogar ganz Pthor, zu vernichten. Damals hatte er getötet, um Copasallior zu ret ten. In jenem schrecklichen Augenblick, als er vor der Wahl stand, entwe der den Tod des Weltenmagiers hinzunehmen oder die Seelenlosen auszu löschen, hatte er sich für Copasallior entschieden. Er zweifelte nicht daran, daß diese Wahl gut gewesen war, aber das hinderte ihn nicht daran, zu se hen, was diese eine Entscheidung nach sich gezogen hatte. Weil er Copasallior geholfen hatte, war die ORSAPAYA in der Barriere geblieben, und Glyndiszorn hatte den Großen Knoten schließen können. In der nachfolgenden Isolation war eine Entscheidung gefallen, die einmalig in der Geschichte derer von Oth war: Es war zum Kampf zwischen den ne gativen und den positiven Magiern gekommen, und die Negativen waren verbannt worden – mehr als zweihundert Magier verschwanden für immer aus der Barriere. Dann kam die Erweckung der GOL'DHOR, die Ent deckung Allersheims, das Archiv des Schreckens, die Expedition nach Cyrsic, die kläglich mißglückte, der Schwarzschock, die Reise mit Duuhl Larx, der Dunkle Oheim … Jedesmal war Koratzo gezwungen gewesen, seine Magie auch im nega tiven Sinne anzuwenden. Er konnte für jede einzelne Gelegenheit tausend gute Gründe und Entschuldigungen dafür anführen, daß er es getan hatte, aber er ließ in diesem Augenblick nichts davon gelten, denn er sah das vorläufige Ende dieses Weges vor sich: den Vollstrecker, der einen qual vollen Tod erlitt, weil er, Koratzo, die Kontrolle über sich verloren und die Laute der Vernichtung zu einem Zeitpunkt auf die Reise geschickt hatte, da er sie gar nicht zu handhaben vermochte. Die Tat ließ sich nicht mehr rückgängig machen. Selbst wenn er sich im Vollbesitz seiner Kräfte befunden hätte, wäre es ihm unmöglich gewesen, den Vollstrecker von dem grauenvollen Bann zu befreien. Er wußte das – und trotzdem versuchte er es. Es funktionierte! Die blauen Flammen fielen in sich zusammen, und er spürte, wie die Laute zu ihm zurückkehrten. Für einen Moment war es, als wäre die Energie wieder in ihm, die die GOL'DHOR ihm genommen und an die große Plejade weitergeleitet hatte. Plötzlich sah er auch die anderen Vollstrecker. Einige waren ihm schon sehr nahe. Fünf zielten auf ihn mit Waggus, die nicht nur zu lähmen vermochten. Sein Mund formte die be täubenden Laute, ehe er sich dessen noch recht bewußt war, und die Geg ner sanken zu Boden – gelähmt, aber lebend. Koratzo stand regungslos inmitten der Trümmer und sah sich fassungs los um. Er begriff nicht, was geschehen war. Die Kraft, die er eben noch in sich gefühlt hatte, war von ihm gewichen, aber er wußte, was er getan hat te, und selbst wenn er es nicht anhand seiner Erinnerung an diesen seltsa
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men Augenblick erkannt hatte, so hätte es genug Spuren gegeben, um selbst den größten Skeptiker zu überzeugen. Er fing ein vertrautes Geräusch auf, ein Rauschen, das weit unter der Wahrnehmungsgrenze normaler Ohren lag. Er drehte sich langsam um und sah Copasallior am Rande der Trümmerfläche stehen. Der Weltenmagier hob in einer Geste, die Erleichterung und Hilflosigkeit zugleich ausdrück te, vier seiner Arme. »Ich bin ein alter Narr«, sagte er. »Ich habe mir Sorgen um dich ge macht.« »Ich wollte, du hättest eher damit angefangen«, flüsterte Koratzo. »Ich fürchte, es war so knapp wie nie zuvor in meinem Leben.« »Etwas hat dir geholfen«, stellte Copasallior nüchtern fest. »Ich habe es gefühlt, als ich hier auftauchte. Was war es?« »Ich weiß es nicht«, erwiderte Koratzo. »Ich wollte, ich könnte dir eine andere Antwort geben.« »Die Macht, die in der Barriere schläft?« Koratzo zuckte die Schultern. »Vielleicht war sie es, vielleicht auch nicht«, sagte er nachdenklich. »Ich fürchte, es hat keinen Sinn, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Hast du herausgefunden, wo die anderen sind?« »Nein. Aber ich habe eine Horde von Vollstreckern eingesperrt. Wie lange werden diese da schlafen?« »Es dürfte für einige Stunden reichen.« »Gut. Ich sehe mich mal kurz um. Ich glaube nicht, daß sich noch viele von diesen Wesen hier unten herumtreiben. Die anderen dürften mit den Horden der Nacht beschäftigt sein.« Während Copasallior unterwegs war, suchte Koratzo die Gänge ab, bis er einen Raum fand, der sich von außen verschließen ließ. Er brachte die betäubten Vollstrecker dort unter und verrammelte die Tür. Er gab sich keinen Illusionen hin – die Dürren würden nicht lange in diesem Gefäng nis ausharren müssen. Wenn es ihnen nicht gelang, sich selbst zu befreien, dann würden ihnen jene helfen, die jetzt die Horden zusammenzutreiben versuchten. Es war durchaus möglich, daß sie schon jetzt über die Vorgän ge in ihrem Schlupfwinkel Bescheid wußten.
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7.
In der Nähe der Quelle des Lebens und des Antigravschachts war die An lage übersichtlich und nach einem bestimmten Schema gestaltet, das sich leicht durchschauen ließ. Copasallior ging daher kein Risiko ein, wenn er sich an Orte versetzte, die er nie zuvor gesehen hatte. Normalerweise konnte ihm bei diesem Verfahren auch gar nichts passieren, aber diesmal spürte er allzu deutlich etwas, das ihn irritierte, ihn vielleicht sogar bewußt fehlzuleiten versuchte. Als sie auf die Suche nach den betäubten Magiern gingen, beschränkte er sich aus diesem Grunde darauf, nur kurze Schritte durch die Welt jenseits der Wirklichkeit zu tun und dabei Ziele anzuvisie ren, die er sehen konnte. Auf diese Weise kamen sie nicht so schnell voran, wie sie es gewöhnt waren, und sie lernten das Labyrinth der Höhlen, in denen die Horden der Nacht entstanden, gründlicher kennen, als sie es sich gewünscht hätten. Zum Glück waren die meisten Hallen jetzt so gut wie leer. Die Meta morphose der Monster war abgeschlossen. Daß sie nicht in allen Fällen er folgreich verlaufen war, davon zeugten unförmige Klumpen aus organi scher Materie, die hier und da am Boden hafteten. Einige von ihnen waren in Teilung begriffen, und es war bereits zu erkennen, was aus ihnen wer den sollte – als seltsame, pflanzenähnliche Kreaturen krochen sie den Aus gängen der Hallen entgegen. »Wir werden sie vernichten müssen«, sagte Koratzo bedrückt. »Aber nicht jetzt. Sie haben genug gelitten, und sie sollen nicht auch noch die Laute der Vernichtung spüren müssen.« Copasallior nickte nur. Zwei Hallen weiter fanden sie zahlreiche Tiere und einige Pthorer. Sie waren allesamt wie versteinert und zeigten keine Reaktionen. Ihre Gehirne produzierten auch keine Gedanken mehr. Dennoch lebten sie. Ihre Bestim mung war es, an diesem Ort auszuharren, bis eines der Monster gestorben war. Dann würde man sie wecken und der grauenvollen Verwandlung un terwerfen. Sie stellten den »Nachwuchs« für die Horden der Nacht dar. Copasallior beobachtete den Stimmenmagier besorgt, während sie diese Zusammenhänge erforschten. Er wußte, daß Koratzo schier außer sich vor Zorn und Entsetzen war, aber der Rebell ließ sich wie üblich wenig davon anmerken. Er ging langsam zwischen den reglosen Gestalten umher und betrachtete sie, berührte einige von ihnen und wandte sich schließlich energisch ab. »Könntest du sie von hier wegbringen?« fragte er den Weltenmagier. »Hast du einen Weg gefunden, sie aufzuwecken?« Koratzo nickte.
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»Die Vollstrecker werden andere an ihrer Stelle herbeischaffen«, warnte der Weltenmagier. »Diese hier haben den schlimmsten Teil bereits hinter sich.« »Das stimmt nicht. Die Metamorphose steht ihnen noch bevor. Aber da von abgesehen – die Vollstrecker werden niemanden mehr in diese Höhlen verschleppen!« »Wie willst du sie daran hindern?« »Laß das meine Sorge sein«, forderte Koratzo eisig. »Nimm zuerst die Pthorer.« »Sie rühren sich immer noch nicht.« »Sie werden es tun, wenn sie frei sind«, versicherte Koratzo. »Ich möchte nicht, daß sie in dieser Umgebung ihr Bewußtsein wiedergewin nen. Wenn sie außerhalb dieser Höhle zu sich kommen, werden sie das Ganze für einen schlechten Traum halten.« Copasallior zuckte die Schultern. Er griff mit seinen magischen Kräften nach den Gefangenen und spürte, noch während er den Transport einleite te, daß sie zu erwachen begannen. Als er die ersten Tiere nach draußen beförderte, an Orte, an denen sie leben konnten und die möglichst weit vom Zentrum der Ebene von Kalm lech entfernt waren, versuchte er herauszufinden, was Koratzo mit den ar men Wesen tat. Aber Koratzo ließ sich diesmal nicht dazu herbei, dem Weltenmagier wenigstens einen Hinweis zu geben. Copasallior gab es schließlich auf. »Und was jetzt?« fragte er, als auch das letzte Tier verschwunden war. »Wir suchen weiter«, sagte Koratzo mit steinerner Miene. »Das meinte ich nicht«, erklärte Copasallior ungeduldig. »Glaubst du etwa, daß niemand etwas gemerkt hat? Die Vollstrecker beginnen mögli cherweise schon jetzt, sich Ersatz für die verlorenen Opfer zu beschaffen.« »Die Vollstrecker haben vorerst anderes zu tun«, behauptete Koratzo. »Komm endlich.« Der Weltenmagier folgte ihm ärgerlich, als er die Halle verließ, ohne sich erst lange mit einer Untersuchung des nächsten, Ganges aufzuhalten. Der Gang war sehr kurz, und Koratzo betrat die nächste Halle, als Copa sallior ihn gerade erst eingeholt hatte. Der Sechsarmige sah eine bösartig schillernde, organische Masse, die den Boden bedeckte, sich aber zischend aufbäumte, als Koratzo sie er reichte. Er deutete hastig auf den Stimmenmagier, um ihn aus dem unmit telbaren Gefahrenbereich herauszuversetzen, stellte aber zu seinem Schrecken fest, daß Koratzo sich mit Sperren umgeben hatte, die ein sol ches Vorhaben unmöglich werden ließen. »Hast du den Verstand verloren?« schrie er ihm zu. Er wollte noch mehr sagen, aber die Worte blieben ihm im Halse stecken.
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Koratzo war stehengeblieben. Der Rand des aufgeregten Plasmafladens reichte ihm bis über die Schultern und war kaum noch einen Meter von ihm entfernt. Er kräuselte sich und wechselte aufgeregt die Farbe, während Koratzo schweigend dieses Monstrum sondierte. Copasallior lehnte sich resignierend an die klamme Felswand und war tete. Als er nach einigen Sekunden einen seltsamen, klagenden Laut hörte, schloß er hastig die Augen. Das blaue Leuchten war so stark, daß er es durch die geschlossenen Lider hindurch wahrnahm. Als er wieder hinsah, war von dem Fladen nichts mehr übrig. Die ganze Halle war wie leergefegt, nicht einmal Staub lag auf dem Boden. »Es spielte keine Rolle mehr, wodurch es starb«, bemerkte Koratzo la konisch. Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Sie mußten noch durch viele Hallen, aber sie trafen nur noch selten auf lebende Wesen. Copasallior war sehr froh darüber. Er machte sich Sorgen um Koratzo, der ihm verändert schien, seit sie den »Nachwuchs« für die Horden aufgespürt hatten. Es schien ihm bezeichnend, daß der Stimmen magier seit diesem Zeitpunkt bereit war, die Worte der Vernichtung gegen jene Lebensformen einzusetzen, die aus fehlgeschlagenen Metamorphose vorgängen entstanden waren. Copasallior versuchte einige Male, Koratzo mit entsprechenden Bemer kungen aus der Reserve zu locken, aber der Stimmenmagier reagierte nicht darauf. Als sie wenig später eine Halle erreichten, in der große Plas maklumpen mit ausgestreckten Fangarmen auf Beute lauerten und Koratzo all diese Wesen ohne Zögern in blauem Licht vergehen ließ, hatte der Sechsarmige genug. Er wich zurück und verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust. »Was ist in dich gefahren?« fragte er grob. »Rede endlich, oder ich gehe allein auf die Suche.« »Ist es dir zu riskant, mich zu den Magiern zu bringen?« fragte Koratzo gelassen. »Fürchtest du, ich könnte sie umbringen?« »Auf diese Idee bin ich noch nicht gekommen«, sagte Copasallior grim mig. »Aber ich finde es interessant, daß du einen solchen Gedanken aus sprichst. Ich will wissen, welches Spiel du spielst. Entweder du antwortest, oder du wirst unsere Freunde niemals erreichen.« »Willst du mich daran hindern?« fragte Koratzo belustigt. »Ich weiß, worauf du anspielst«, rief Copasallior wütend. »Du bist stär ker als ich. Aber verlaß dich darauf – einen Kampf mit mir wirst du nicht ungeschoren überstehen.« »Du meinst das tatsächlich ernst«, murmelte Koratzo betroffen. »Wir brauchen nicht miteinander zu kämpfen, Weltenmagier. Ich hatte ange nommen, daß in diesen Wesen immer noch etwas von der früheren Per
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sönlichkeit enthalten sein müßte. Bei denen, die wir zuerst getroffen ha ben, war das auch der Fall, aber alle anderen haben nichts mehr mit dem gemeinsam, was oben lebt. Sie bestehen nur noch aus Haß und Gier. Man kann sie weder ändern noch ihnen die Erinnerung zurückgeben. Es ist für uns alle besser, wenn sie sterben.« »Ist das alles?« fragte Copasallior mißtrauisch. »Nein«, gab Koratzo zögernd zu. »Dieser riesige Fladen … Er bestand aus einer Vielzahl von Wesen dieser Art, wie sie eben noch in der Höhle vor uns gelebt haben. Sie haben sich zusammengeschlossen und waren auf dem Weg zur Oberfläche.« »Das heißt, daß dieses Wesen intelligent war!« Copasallior bereute den Ausruf, den die Überraschung ihm diktiert hat te, sofort wieder, denn er hätte wissen müssen, wie schwierig es für Korat zo war, mit solchen Dingen fertig zu werden. »Ja«, sagte der Stimmenmagier bitter. »Es war intelligent, wie die ande ren auch. Aber ihre Intelligenz kannte nur ein Ziel – sie wollten nach oben, um zu töten. Sie empfanden einen unstillbaren Haß auf alles, was in Pthor lebt.« »Steckt der Dunkle Oheim dahinter? Benutzt er diese Wesen?« »Ich weiß es nicht. Aber ich kann mir ehrlich gesagt keine andere Lö sung vorstellen. Ganz von selbst sind diese Wesen nicht auf eine derartige Idee gekommen.« »Wir sollten den Schacht sofort verschließen«, meinte Copasallior ner vös, aber Koratzo schüttelte beruhigend den Kopf. »Wir haben noch etwas Zeit«, sagte er. »Diese Entwicklung hat gerade erst eingesetzt. Wenn wir jetzt den Schacht schließen, machen wir nur die Vollstrecker vorzeitig nervös. Laß uns warten.« »Wie du meinst«, murmelte der Weltenmagier. Als sie wieder auf einige dieser unheimlichen Wesen trafen, nahm er dem Stimmenmagier die Arbeit ab und schleuderte die gefährlichen Krea turen in das Nichts, aus dem es keine Wiederkehr gab. Sie brauchten einige Stunden, bis sie endlich die Höhle fanden, in der Kennon, Synk und Bördo die schlafenden Magier zurückgelassen hatten. Schon geraume Zeit früher berichtete Koratzo, der die gefangenen Voll strecker mittels seiner Magie überwachte, daß eine Gruppe der Dürren sich hatte befreien können und nun den anderen zu Hilfe eilte. Als die Magier sich in die Höhle zwängten und endlich ihre Freunde vor sich sahen, war bereits ein ansehnlicher Haufen von Vollstreckern auf ihrer Spur. Sie be kamen Unterstützung aus der Ebene Kalmlech, und in der Anlage über der Quelle des Lebens wimmelte es förmlich von dürren Wesen in roten Ro ben. Die Verfolger kamen beunruhigend schnell voran. Das war kein Wun
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der. Sie brauchten sich schließlich auch nicht mit den Metamorphosewe sen aufzuhalten, und sie kannten dieses Labyrinth. Während Koratzo und Copasallior viele Umwege hatten machen müssen, konnten die Voll strecker den geraden Weg nehmen, und sie benutzten zweifellos auch noch Abkürzungen, die den Magiern verborgen geblieben waren. Gemeinsam untersuchten sie die Schlafenden. Copasallior stellte schon bald fest, daß er wenig für seine Freunde tun konnte und zog sich daher zum Eingang zurück. Dort wartete er auf die Vollstrecker, bereit, sie mit allem, was ihm zu Gebote stand, zu bekämpfen, sobald sie sich blicken lie ßen. Er hätte Koratzo gerne geholfen, aber seine Weltenmagie vermochte nichts gegen den tiefen Schlaf auszurichten, in den die Vollstrecker die Magier versetzt hatten. Koratzo fuhr mit seinen Untersuchungen fort. Er wußte schon nach kur zer Zeit, daß er die Magier jederzeit aufwecken konnte und daß sie durch den langen Schlaf keinen Schaden genommen hatten. Aber einige von ih nen mochten nach dem Erwachen gefährliche Reaktionen zeigen. Offenbar hatte man bei der Behandlung der Magier keinen Unterschied getroffen und sie alle über einen Kamm geschoren, gleichgültig, wie fremdartig das Volk war, dem sie entstammten. Die Nichtmenschlichen aus der Gegend am Lichterfang und einige andere Bewohner von Oth hatten nicht nur einen anderen Körperbau, sondern häufig auch einen Stoffwechsel, der sich von dem aller anderen Pthorer unterschied. Es war kaum vorstellbar, daß die Vollstrecker darauf Rücksicht genommen hatten – ja, Rücksicht nehmen konnten. Koratzo glaubte nicht daran, daß die Dürren die erforder lichen Techniken beherrschten. Zweifellos gehorchten sie nur Befehlen und dachten kaum selbständig über etwas nach. Der, der ihnen die Befehle gab, mochte jedoch veraltete Informationen besitzen, was die Magier von Oth betraf. Viele der Nichtmenschlichen waren erst innerhalb der letzten Jahrtausende nach Pthor gekommen. »Es ist besser, wenn du Querllo herholst«, sagte Koratzo zu dem Wel tenmagier. Copasallior deutete schweigend auf den Durchgang zur nächsten Höhle, und Koratzo erschrak. Er war so sehr in seine Untersuchungen vertieft ge wesen, daß er die Vollstrecker gar nicht wahrgenommen hatte. Jetzt waren sie bereits so nahe heran, daß sie schon in den nächsten zwei oder drei Mi nuten eintreffen mußten. »Nun gut«, murmelte Koratzo. »Dann lassen wir die Nichtmenschlichen vorerst noch schlafen.« Sekunden später drang seine Stimme wispernd bis in den abgelegensten Winkel der Höhle. Copasallior starrte auf den Durchgang, in dem die Vollstrecker auftau chen mußten. Die ersten kamen heraus, und sie trugen Waffen – Kir Ban
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mochte wissen, woher sie immer wieder Nachschub bekamen. Copasallior schleuderte sie davon und wartete auf die nächsten. Aber er mußte erken nen, daß auch die Vollstrecker lernfähig waren, wenn es auch geraume Zeit gedauert hatte, bis sie sich zu der Erkenntnis durchrangen, daß dieses Problem sich nicht mit tödlichen Energiestrahlen lösen ließ. Offenbar hatten sie erkannt, daß sie dann besonders gefährdet waren, wenn sie in Sichtweite der Magier gerieten. Folgerichtig blieben sie in dem Stollen. Zunächst verließen sie sich auf die Dunkelheit, und als Copa sallior nach einigem Tasten trotzdem einige von ihnen erwischte, zogen sie sich hinter eine Biegung zurück. Dort konnten sie allerdings ihre Waggus nicht mehr zum Einsatz brin gen, weder die tödlichen noch die lähmenden, weil keine von beiden im stande war, um die Ecke zu schießen. Copasallior fluchte in Gedanken erbittert vor sich hin. Die Vollstrecker waren, sobald er sie nicht mehr sah oder sie sich nicht wenigstens in halb wegs gerader Linie vor ihm befanden, schwer zu erfassen. Er konnte ihren genauen Standort fast nur noch durch die Waggus ermitteln. Wenn er dann aber mit seinen magischen Kräften zuschlug, verschwand nicht nur der Vollstrecker, sondern auch die Waffe, und das ärgerte den Weltenmagier. Er hörte hinter sich Geräusche und Stimmengewirr, sah sich um und stellte fest, daß etwa die Hälfte der Magier wieder auf den Beinen war. Sie wirkten alle noch etwas benommen und verwirrt, erholten sich jedoch schnell. Copasallior entdeckte Glyndiszorn und winkte ihn zu sich. »Nimm ein paar Leute und geh mit ihnen hinter die Vollstrecker«, bat er. »Ich komme nicht an sie heran.« Der Knotenmagier strich sich mit der Hand über das feiste, rote Gesicht und sah den Weltenmagier mißtrauisch an. »Geh schon«, drängte Copasallior, dann fiel ihm ein, daß Glyndiszorn gar nicht wissen konnte, was in der Zeit, in der er geschlafen hatte, alles vorgefallen war. »Die Vollstrecker sind jene Wesen, die euch entführt haben«, erklärte er hastig. »Sie verwandeln in dieser Anlage Tiere und Pthorer in Monster für die Horden der Nacht – beim Geist der FESTUNG, Glyndiszorn, das Gan ze ist zu kompliziert, als daß ich jetzt darüber berichten könnte. Geh und hilf mir, uns die Vollstrecker vorn Hals zu halten, bis Koratzo die anderen wachbekommen hat!« Andere Magier, die in der Nähe standen, hatten aufmerksam zugehört, und Glyndiszorn war binnen weniger Sekunden von mehr als einem Dut zend Leuten umringt, die alle mit ihm gehen wollten. Der Knotenmagier ließ sich mitreißen und verschwand mit seinen Begleitern. Augenblicke später brach drüben im Stollen eine wahre Panik los. Eini
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ge Vollstrecker rannten schreiend aus dem Gang hinaus und gerieten da mit sogleich in Copasalliors Reichweite. Andere schienen entschlossen zu sein, den Gang zu verteidigen, aber Glyndiszorn und seine Begleiter heiz ten ihnen so kräftig ein, daß sie schließlich Hals über Kopf flohen. Der Knotenmagier erschien in der Öffnung des Stollens und winkte dem Sechsarmigen triumphierend zu. »Der Weg ist frei!« schrie er mit seiner schrillen Fistelstimme. Copasallior winkte zurück und sah sich abermals um. Nur die Nicht menschlichen waren noch betäubt – und natürlich Valschein, der erst in der FESTUNG erwachen durfte. Koratzo kam auf den Weltenmagier zu und deutete auf die Schlafenden. »Wir sollten sie wegbringen«, sagte er auf seine lautlose Weise. »Die anderen sind so wütend auf die Vollstrecker, daß sie keine Rücksicht neh men werden. Sie wollen unbedingt mit den Dürren kämpfen.« »Das kann ich gut verstehen«, bemerkte Copasallior mit feinem Spott. »Wohin soll ich sie bringen?« Koratzo zögerte nur einen Augenblick lang. »In die Tronx-Kette«, sagte er dann. »In meine Wohnhalle. Dort sind sie sicher untergebracht, bis wir uns um sie kümmern können.« Copasallior nickte, und die schlafenden Magier waren fort. Die anderen aber drängten aus der Höhle hinaus, und Copasallior spürte ihren Zorn so deutlich, daß selbst ihm angst und bange wurde. Wenn diese aufgebrachten Leute auf Vollstrecker trafen, dann mußte es ein Unglück geben. Er hatte nichts dagegen, daß die Vollstrecker von Pthor verschwan den, aber er fand, daß man vorsichtig zu Werke gehen und keine unvorher sehbaren Vergeltungsmaßnahmen provozieren sollte. »Sie lassen sich nicht mehr zurückhalten«, erklärte Koratzo lautlos. »Viele von ihnen haben die Vollstrecker gesehen, bevor sie betäubt wur den. Sie haben nur noch ihre Rache im Kopf. Ich hoffe aber, daß sie zur Vernunft kommen werden, wenn sie die vorderen Hallen sehen.« »Wir werden schon weit früher auf Vollstrecker treffen.« »Das weiß ich auch. Glyndiszorn ist noch einigermaßen ruhig und nüch tern, Kolviss, Parlzassel und Breckonzorpf ebenfalls. Ihr könntet voraus gehen und dafür sorgen, daß wir ungehindert vorwärtskommen.« »Was tust du?« »Ich bleibe bei unseren aufgebrachten Freunden und bereite sie auf das vor, was sie in dieser Anlage noch finden werden.« »Was ist mit deinen Freunden aus der Tronx-Kette?« »Die sind zur Zeit genauso wütend wie alle anderen.« Bis sie die vorderen Höhlen erreichten, hatte Koratzo die Magier über die wichtigsten Ereignisse der letzten Zeit informiert. Sie wußten nun, wer der Dunkle Oheim war und daß er sich mit seinen Dimensionsfahrstühlen auf
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die Reise zur Milchstraße begeben hatte. Sie waren über die Vollstrecker, die Quelle des Lebens und die Entstehung der Horden der Nacht infor miert. Sie gierten immer noch nach Rache, aber sie sahen ihre Entführung mittlerweile etwas nüchterner. Den Ausschlag aber gab die entsetzliche Atmosphäre in jenen Hallen, in denen die Verwandlung der Pthorer statt gefunden hatte. Da wurden die Magier immer stiller, und als sie weitergin gen, wußte Koratzo, daß das Schlimmste bereits überstanden war. Die Magier hatten erkannt, daß es völlig sinnlos war, sich an den Voll streckern rächen zu wollen, denn das waren nur Werkzeuge ohne eigenen Willen. Das hieß nicht, daß die Leute aus Oth gewillt waren, die Vollstrecker einfach in Ruhe zu lassen. Man würde sie vertreiben und dafür sorgen, daß sie diese Anlage nie wieder betraten. Es war nicht anzunehmen, daß sie über weitere Schlupf winkel dieser Art verfügten, und selbst wenn es so war – man würde sie von jetzt an im Auge behalten. Es war noch niemandem gelungen, sich in nerhalb Pthors vor den Magier auf lange Sicht verborgen zu halten, sobald sie von seiner Existenz gewußt hatten. Wenig später trafen sie auf die Vollstrecker, und es waren so viele, daß die rund zweihundert Magier ihnen gegenüber hoffnungslos im Nachteil zu sein schienen. Aber schon bald änderte sich das Bild, und die Wesen in den roten Ro ben befanden sich in heilloser Flucht vor einem Gegner, wie er ihnen nie zuvor untergekommen war. Die Vollstrecker wußten mit den Magiern nichts anzufangen. Diese Leute ließen sich auf keinen vernünftigen Kampf ein. Wollte man sie packen, so griff man entweder ins Leere oder man steckte bis zu den Schultern in unbeschreiblichen Dingen, die scheinbar aus dem Nichts ent standen, oder Feuerwände loderten auf und entzogen den Magier den Blicken seines Gegners. Die Vollstrecker sahen Gänge, Türen und Flucht wege, wo es gar keine gab, und rannten demzufolge gegen harte Felswän de, und sie fanden sich mitten in Schneewehen wieder, wo nie zuvor die Temperatur auch nur um ein Grad unter den festgesetzten Wert gesunken war und selbstverständlich auch kein Niederschlag stattgefunden hatte. Sie sahen sich von winzigen Wirbelstürmen, Blitzen, Hagelschauern, tanzen den Flammen und glühenden Kugeln verfolgt, und sie kämpften gegen Ungeheuer, die es nur in ihrer Phantasie gab. Ihr Stützpunkt und Schlupf winkel, aus der Sicht der Vollstrecker der sicherste Ort in ganz Pthor, wur de binnen einer halben Stunde zu einem Hort des Grauens und einer Stätte, an der die Rotberockten keine Sekunde lang ihres Lebens sicher waren. Als sie durch den Schacht flohen, sahen die Magier ihnen mit grimmi ger Zufriedenheit nach. Dann sammelten sie sich rund um den Schacht,
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um sich von Copasallior und Glyndiszorn in die Barriere von Oth bringen zu lassen. Aber nicht alle verließen die Anlage. Einige blieben in den oberen Be reichen zurück, um den Zugang zum Schacht zu versperren. Sie brauchten dazu keinen Sprengstoff – ihre magischen Fähigkeiten reichten ihnen vol lauf. Als sie mit dem Schacht fertig waren, konnten sie sicher sein, daß selbst die zähen Vollstrecker Tage benötigen würden, um sich erneut hin durchzugraben. So lange aber konnten die Rotberockten von nun an nicht mehr unbemerkt an einer bestimmten Stelle arbeiten. Eine zweite Gruppe schwebte zur Quelle des Lebens hinab. Auch Ko ratzo war dabei. Nachdem er es vorher nicht geschafft hatte, mit der Quel le ein echtes Gespräch zu führen, wollte er es nun noch einmal versuchen. Diesmal würden keine Vollstrecker auftauchen und ihn stören. Aber als er auf den breiten Stufen aus blauem Metall stand und über den Plasmasee hinwegsah, erkannte er, daß er sein Ziel auch diesmal nicht er reichen würde. Die Quelle hatte sich verändert. Es trieben nur noch wenige Hülsen in der trüben Masse, und sie waren alle sehr klein und schrumpften immer noch weiter. Der See war so glatt wie ein Spiegel. Nirgends zeigte sich die Spur einer Strömung. Fast hätte man glauben können, das seltsame Wesen wäre tot. »Ich bin zurückgekommen«, sagte Koratzo lautlos zu der Quelle. »Ich habe Freunde mitgebracht, die aufpassen werden. Wir haben die Voll strecker in die Flucht geschlagen und dafür gesorgt, daß sie nicht wieder kehren werden.« Die Quelle schwieg. »Meine Gefährten werden dich nicht verstehen können, wenn du zu ih nen sprechen willst«, fuhr Koratzo behutsam fort. »Wir wissen so gut wie nichts von dir. Es mag sein, daß du keine Gesellschaft und keine Bewa chung brauchst und lieber mit dir allein bist. Dann solltest du mir das sa gen, und zwar jetzt, denn ich werde nicht sofort zu dir zurückkehren kön nen.« Die Quelle antwortete auch jetzt nicht, aber Koratzo spürte, daß sie ihm und seinem Angebot Sympathie entgegenbrachte. Sie lehnte die Magier je denfalls nicht ab. Natürlich sollten die Magier nicht in dieser Höhle bleiben, um lediglich dem Plasmasee Gesellschaft zu leisten. Ihre Aufgabe bestand in erster Li nie darin, die Entstehung weiterer Vollstrecker zu verhindern. Es sah ganz danach aus, als sollten sie damit wenig Mühe haben. Atlan sah überrascht auf, als Copasallior auf seine übliche, nie kalkulier bare Weise vor ihn hintrat. »Wo ist Koratzo?« fragte der Arkonide, sobald er sich gefangen hatte.
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»Und wo sind die anderen Magier?« »In der Barriere von Oth«, erwiderte der Sechsarmige ruhig. »Nur der Stimmenmagier und Querllo sind mit Valschein hergekommen. Aber be vor wir zu ihnen gehen, möchte ich dir etwas zeigen. Komm mit.« Atlan fragte sich, warum der Weltenmagier es so spannend machte. Co pasallior führte den Arkoniden zu einem der vielen leeren Räume, die es in der großen Pyramide gab. »Ich hoffe, du kannst sie gebrauchen«, sagte er, während er die Tür öff nete. Atlan starrte sprachlos auf zwei Haufen von Waggus. Auf den ersten Blick sah er, daß viele Strahler mit tödlicher Wirkung darunter waren – in Pthor, das durch die verschiedenen Invasoren von Waffen fast völlig ent blößt worden war, stellten diese beiden Haufen einen unerhörten Reichtum dar. »Woher hast du sie?« fragte er fassungslos. »Ich habe sie den Vollstreckern abgenommen, teils während des Kamp fes, teils danach.« »Ich kann ein solches Geschenk nicht annehmen.« »Unsinn!« erwiderte der Weltenmagier grob. »In der Barriere brauchen wir dieses Zeug nicht.« Atlan gab ihm im stillen recht. Es hatte also einen Kampf zwischen Vollstreckern und Magiern gegeben, und die Magier hatten gesiegt – ob wohl die Vollstrecker bewaffnet gewesen waren. Atlan war sicher, daß die Leute aus Oth auch jeder anderen Gefahr trotzen konnten, es sei denn, sie ließ sich durch Waffen ohnehin nicht besiegen, wie zum Beispiel der Schwarzschock. »Na gut«, sagte er. »Aber du mußt mir versprechen, daß du mir beim nächstenmal Gelegenheit gibst, mich bei dir zu revanchieren.« »Diese Gelegenheit wird sich vielleicht schneller ergeben, als du jetzt annimmst«, murmelte Copasallior düster. Atlan wollte ihm Fragen über den Kampf und eventuell gewonnene Er kenntnisse stellen, aber der Sechsarmige winkte ab. »Wir haben nicht viel Zeit«, erklärte er. »Unsere Barriere befindet sich in einem erbärmlichen Zustand. Ich kann Valschein in der FESTUNG las sen, aber Koratzo und Querllo gehören jetzt nach Oth – genau wie ich.« »Steht es so schlimm?« »Ja, leider. Wir werden vorerst all unsere Kräfte darauf konzentrieren müssen, den Bergen die notwendige Energie wieder zuzuführen. Noch ha ben wir eine Frist, aber sie ist sehr knapp.« Atlan schwieg betroffen. Er hatte gehofft, daß mit der Rückkehr der von den Vollstreckern verschleppten Magier die alte Ordnung wieder herge stellt sei und er aus Oth mehr Hilfe als je zuvor erhalten könne. So, wie
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Copasallior sich jetzt ausdrückte, mußte er im Gegenteil darauf gefaßt sein, auf die Magier fast völlig verzichten zu müssen. »Ganz so schlimm ist es nicht«, sagte eine beruhigende Stimme direkt in seinen Ohren. »Copasallior weiß, was du dir erhofft hast, und wollte all zu großen Erwartungen vorbeugen. Damit hat er durchaus recht, denn die Lage in der Barriere ist wirklich ernst. Aber wenn du uns brauchst, werden wir zur Stelle sein.« Danke, Koratzo! dachte Atlan erleichtert und sah gleichzeitig den Stim menmagier einige Meter entfernt zu einer Tür heraussehen. »Valschein ist bereits beim Parraxynt«, erklärte Koratzo, und diesmal bediente er sich nicht der Technik der lautlosen Stimmenübertragung. »Wir haben ihm erklärt, was er zu tun hat, und er hat sich sofort an die Ar beit begeben.« »Ich möchte mit ihm sprechen.« Koratzo sah sich nach Querllo um, und der zwergige Lichtmagier schüt telte den Kopf. »Es ist besser, wenn du ihn in Ruhe läßt«, erklärte er. »Valschein ist et was mitgenommen. Es würde ihn nur verletzten, wenn du ihn in diesem Zustand sehen könntest.« »Ist er krank?« fragte Atlan beunruhigt. »Nein, nur ein bißchen geschwächt. Das vergeht in den nächsten Stun den. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.« Atlan nickte, fing einen Blick von Koratzo auf und dachte ärgerlich: Mußt du immer in meinen Gedanken herumwühlen? Koratzo lächelte nur und streckte Copasallior die Hand hin. Wenige Au genblicke später war Atlan allein. Er ging langsam auf Valscheins Saal zu. Es war nicht so, daß er Querllo mißtraute, aber er wollte Valschein gesehen und sich mit eigenen Augen davon überzeugt haben, daß alles in Ordnung war. Behutsam öffnete er die Tür und spähte hinein. Er sah Valschein mit un tergeschlagenen Beinen mitten zwischen den Bruchstücken sitzen. Der Magier nahm scheinbar wahllos bald das eine, dann das andere Teil auf. Nichts davon paßte zusammen. Daraus wird niemals etwas Vernünftiges! dachte Atlan bitter. Laß ihm Zeit, empfahl der Extrasinn. Querllo hat dir doch gesagt, was mit ihm los ist. Er hat mehrere Wochen lang geschlafen, und das war si cher alles andere als eine Erholung. Erwartest du, daß er sofort wieder mit Hochdruck an die Arbeit geht? Atlan zuckte die Schultern und schloß die Tür lautlos. Er hoffte instän dig, daß es Valschein gelingen würde, wenigstens den Schlüssel zusam menzusetzen.
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Weiter geht es in Atlan Band 491 von König von Atlantis mit: Botschafter des Friedens von Peter Terrid
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