Erinnerungen (2/2) Erinnerungen brechen sich Bahn – Der Kampf ums Überleben für die Roma Von Mike Hard
© 2004
Irgendw...
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Erinnerungen (2/2) Erinnerungen brechen sich Bahn – Der Kampf ums Überleben für die Roma Von Mike Hard
© 2004
Irgendwo – Damals „Sie holt sich immer mehr von ihnen. Das ganze läuft längst auf einen Machtkampf hinaus“, sprach Annas Vater mit Nachdruck. Wie gehetzt lief er auf und ab. Ihm gegenüber stand ein alter Mann. Ein langer weißer Bart verhüllte die Hälfte des Gesichts und eine graue Kutte umhüllte ihn. Merlin von Avalon stand aufrecht vor seinem Freund und hielt auch dessen Blick stand. „Wir werden Vorkehrungen treffen. Ich fürchte Jeannette wird die Macht über die Wikka verlieren. Das Verschwinden von Jason, wofür sie mir die Schuld gibt, hat sie sehr mitgenommen. Ihr Zauber hat viel Unheil angerichtet. Und nun ist sie alt und deine ehemalige Frau triumphiert“, gab Merlin zurück. „Silvia. Wie ich sie hasse!“, schrie Annas Vater wütend, „Nicht nur das sie mir Liebe vorgeheuchelt hat, nein, nun trägt Anna den magischen Keim in sich. Was wird nur aus ihr werden?“ „Da mach dir keine Sorgen. Ich werde Vorkehrungen treffen. Anna wird unter Freunden, Mitstreitern sein. Sie wird gegen das Kämpfen wofür ihre Mutter steht. Und hier, hier werden wir ihr etwas errichten was ihr helfen wird. Sobald sie ihr Hexenerbe angenommen hat, soll hier eine Bibliothek zur ihrer Verfügung stehen“, erklärte Merlin. „Du willst ihr eine Bibliothek errichten - ausgerechnet hier?“, wollte Annas Vater wissen. „Ja, gerade hier. Wir werden uns Hilfe von den Wikka holen. Jeannette soll uns einige ihrer noch treuen Verbündeten zur Seite stellen. Und das Tor werde ich verschließen“, erklärte Merlin. „Das Tor. Ich wusste nie, dass es ein Tor ist. Wohin führt es?“, wollte Annas Vater wissen. Und Merlin sagte es ihm. *
Vergangenheit, Osteuropa Nur langsam wich die Schwärze in Michaels Blickfeld und er fand in die Wirklichkeit zurück.
Schmerz pochte hinter seinen Schläfen und Tränen verschleierten seinen Blick. Eine Flut von
Erinnerungen hatte sich Bahn gebrochen.
Nur Bruchstücke, Bilder, Sätze. Noch nichts Zusammenhängendes, doch das würde nicht
mehr lange dauern.
Eine Hand strich über sein Gesicht und half ihm sich aufzurichten. Ashka lächelte zu ihm
herab. Eine Wunde, die mit Blut verkrustet war, zog sich über ihre Stirn.
„Was ist passiert?“, wollte Michael wissen und setzte sich auf.
Um sich herum sah er die anderen Roma. Nicht mehr so viele wie zuvor, doch fast alle waren
anwesend. Viele waren mehr oder minder schwer verwundet.
„Das gleiche wollte ich dich auch fragen. Du bist einfach zusammengebrochen. Unsere
freundlichen Mitbrüder und Schwestern haben sich als Feinde entpuppt und uns angegriffen“,
erklärte Ashka.
„Was?“, nun war Michael wieder hellwach.
Sein schwarzes Haar war zerzaust und auf seiner Stirn hatte sich, bedingt durch die
Erinnerungen, ein dünner Schweißfilm gebildet. Wie gern hätte er jetzt eine heiße Dusche
genommen.
Doch der Komfort seiner Zeit blieb ihm hier, viele Jahre in der Vergangenheit, versagt.
„Aber warum?“, wollte Michael wissen.
„Es ist die Alte der anderen Sippe. Sie hat unsere weiße Frau umgebracht und sich der Träne
der Zeit bemächtigt. Sie will uns dem Inquisitor übergeben“, erklärte Ashka.
Ein eisiger Schreck durchfuhr Michael. Erst vor kurzem hatte er erfahren, dass der Inquisitor
niemand anderes als der ewige Krieger dieser Epoche war. Wenn sie ihm in die Hände fielen
würde er Michael erkennen und seine Chance, die Zukunft entscheidend zu beeinflussen,
ergreifen.
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Die Lightfighter: Michael Hartmann: Der 25jährige wurde sehr früh Waise und steht nun an der Spitze des Hartmann-Konzerns. Er ist der Anführer der Lightfighter. Michael ist mittelgroß, hat schwarze, kurze Haare und blaue Augen. Er ist sportlich und beherrscht neben verschiedenen Kampfsportarten auch viele Sprachen. Auf seinem rechten Oberarm befindet sich ein Tattoo (Ornament). Dorian Schwerthoff:
Dorian und Michael verbindet ein ähnliches Schicksal: Als kleines Kind besuchte Dorian mit seinen Eltern eine
ihrer Ausgrabungsstellen. In einer Nacht wurde diese entvölkert und seine Eltern verschwanden. Er selbst besitzt
keine Erinnerungen mehr daran, nur eine Narbe am Hals ist geblieben. Dorian ist 27 Jahre alt und Archäologe.
Er hat braune, mittellange Haare und grüne Augen.
Anna Schneider:
Anna entwickelt ständig neue Waffen für die Lightfighter, um gegen Dämonen vorzugehen. Sie ist das Kind
einer Halbdämonin mit einem menschlichen Mann. Ihre Mutter ist eine Hexe, und seit Kurzem besitzt auch
Anna diese Fähigkeiten. Sie ist 27, hat lange braune Haare und grüne Augen. Durch ihr Erbe besitzt sie
eigentlich ein schwarzes und ein gelbes Auge, was sie jedoch durch Kontaktlinsen kaschiert.
Jason Parker: Der 18-jährige Junge tauchte vor Kurzem in New York auf, wo er in einer Zeitblase die letzten Jahrzehnte verbracht hatte. Er lebte im Jahre 1942. Merlin fror ihn aus einem unbekannten Grund ein. Er besitzt keine Erinnerungen an die Vergangenheit und hat, wie Michael, auf seinem rechten Oberarm das gleiche Tattoo. Jason hat kurze, dunkelblonde Haare und braune Augen. Andi Neumann: Der junge Informatiker schloss sich bereits sehr früh dem SE an und ist dort für allerlei technische Entwicklungen zuständig. Durch Alicia wurde er zum Vampir und war lange Zeit ein erbitterter Feind. Nach seiner Rückkehr zu den Lightfightern versucht er, deren Vertrauen wieder zu erlangen und kämpft verbissener denn je für das Gute. Was bisher geschah: Andi verfolgt die schlafwandelnde Anna. Gemeinsam stürzen sie durch das Sprungtor und landen an einem unbekannten Ort. Es zeigt sich, dass es sich um eine Bibliothek handelt, die Annas Vater mit Merlin anlegte. Die Vergangenheit kommt empor und setzt beide Lightfighter außer Gefecht. Michael erhält immer mehr seiner Erinnerungen zurück. Noch kann er mit den Bruchstücken jedoch nichts anfangen. Die Roma werden überfallen und ihre Gegnerin trägt die Träne der Zeit. Karren Hartmann entdeckt das Zeitgefängnis einer Unbekannten. Indem sie die magischen Worte liest, sorgt sie so für deren Befreiung.
„Wir müssen etwas tun“, sagte Michael entschieden.
„Natürlich, das ist mir auch klar. Und meine Leute versuchen bereits die Schwächen der
anderen herauszufinden. Aber wir dürfen nichts überstürzen.“
„Und uns nicht zu viel Zeit lassen.“
„Ich weiß. Die Gefahr ist immens. Wir hätte nicht zu vertrauensselig sein dürfen.“
„Mach dir keine Vorwürfe, niemandem ist etwas aufgefallen. Wie auch?“
„Was uns nun vielleicht das Leben kosten wird.“
„Hey, so kenne ich dich gar nicht. Ich dachte ich bin der Pessimist“, sprach Michael und
lächelte. Beide umarmten sich und versanken in einen innigen Kuss.
„Also schön. Ich muss mit den anderen reden“, erklärte Ashka und befreite sich aus seiner
Umarmung.
Während sie davon ging dachte Michael einmal mehr wie wunderschön sie doch war. Er
bedauerte den Moment seiner Heimkehr, sollte er je kommen, schon jetzt. Es war jedoch
unvermeidlich. Er würde suchen, so lange bis er es geschafft hatte.
Wenn sie dies überlebten. Und dann würde er auch endlich erfahren was es mit dem Ewigen
Krieg auf sich hatte. Die Erinnerungen kamen zweifellos. Was ihn natürlich vor das Problem
stellte das er, sobald er zurückkehrte, wieder alles vergessen würde.
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Ebenso natürlich Jason. Er musste sich auch dafür beizeiten etwas einfallen lassen. Langsam folgte er Ashka. *
Felsendom, Villa Thielmann Langsam schritt die Unbekannte umher und sah sich um. Karrens Blick haftete noch immer
auf dem Tattoo, jenem Ornament, das sich auf dem rechten Oberarm der Unbekannten
befand. Sie wusste, was dies bedeutete. Auch Michael trug ein solches.
In der Zeit nach ihrer Erwachung hatte sie sich eingehend mit dem Machtgefüge und den
Konstellationen befasst. Natürlich hatte sie auch Informationen über den Ewigen Krieg
erhalten, wenn auch sehr dürftig.
Trotzdem wusste sie, dass Michael und ein Junge namens Jason ein Tattoo trugen und als
ewige Krieger bezeichnet wurden. Auf der anderen Seite stand John Green. Ein ewiger
Krieger des Bösen. Doch wozu gehörte diese Frau? Zu welcher Seite?
Die Fremde sah sich aufmerksam um, mit kalten, blauen Augen, die alle Details um sie herum
erfassten. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, das ihre Augen jedoch nicht zu
erreichen vermochte.
„Nenn mir das Datum, Frau!“, verlangte die Unbekannte herrisch.
In der ersten Sekunde wollte Karren gegen diese Behandlung aufbegehren, unterließ es dann
jedoch. Sie benötigte ebenso Informationen wie die Unbekannte. Es mochte hilfreich sein
wenn sie nicht unverschämt reagierte.
„Wir schreiben das Jahr 2005. Und darf ich fragen wer ihr seid?“, wollte Karren wissen.
Unwillkürlich passte sie sich der Sprache ihres Gegenübers an.
„2005. So viele Jahre. Wie konnte er es nur wagen!“, schrie sie wütend.
Blitzschnell wandte sie sich zu Karren um. So schnell die Wut gekommen war, so war sie
auch wieder verraucht.
„Ich werde mir Informationen holen müssen, was ein wenig Schmerzhaft sein dürfte. Du hast
mich jedoch befreit. Ich bin also bereit dich am Leben zu lassen. Niemand soll sagen das
Morgan Le Fay nicht großzügig wäre. Ich erkenne die Schwingungen dieser Zeit. Bereits
einmal hatte ich mit einem von euch zu tun. Ein Mann namens Jürgen. Durch mich wurde er
zu Mordred. Diese Welt wird mir gefallen“, erklärte sie.
Kurz darauf hob sie die Hand. Ein Schlag traf Karren und ließ sie in tiefe Bewusstlosigkeit
stürzen.
Morgan ging auf die andere Frau zu und bückte sich zu ihr hinab. Ihre Finger berührten die
Schläfen von Karren. Blaues Elmsfeuer entstand zwischen ihren Fingerkuppen und sprang
über auf Karren.
Minutenlang waren beide Frauen von blauer Energie umgeben, wurden darin eingehüllt,
verschlungen und wieder ausgespieen.
Dann erlosch die uralte Magie und Morgan stand triumphierend auf.
„Viel Glück Karren“, sprach sie und ließ ihr Gegenüber bewusstlos zurück.
Eine neue Welt wartete auf sie.
*
London, Angel Island Langsam ging Jason den Weg entlang, ein schmaler, bepflasterter Streifen, der von Century Hall zum Strand der Insel führte. Das Sprungtor befand sich oben am Haus, doch bevor er zurückkehrte wollte er noch einige Minuten abschalten. Zu viel war in letzter Zeit geschehen. Nach der Injektion, die Sandra ihm in der Zukunft verabreicht hatte, fühlte er, dass sein Körper sich ständig veränderte. Auf der einen Seite war das beängstigend, auf der anderen waren die Veränderungen durchweg positiv. Er konnte sich besser konzentrieren, seine Muskulatur hatte sich verbessert und er war schneller und ausdauernder geworden. 4
Und seit einigen Tagen hatte er das Gefühl das auch seine Erinnerungen langsam
zurückkehrte. Immer öfter hatte er Alpträume und Visionen.
Er hatte momentan viel zu wenig Zeit, sich auf sich selbst zu konzentrieren. Michael war in
der Vergangenheit verschollen und Dorian und er taten alles um ihn zurück zu holen. Nun
waren auch noch Anna und Andi verschwunden. Jeannette ließ ihn in Century Hall nicht
eintreten und die Anwälte waren dabei das Hartmann Imperium aufzusplitten.
Es brannte allen Ecken und Enden.
„Na, so nachdenklich“, vernahm Jason eine Stimme.
Er erkannte sie sofort. Seine Überraschung dauerte jedoch nur Sekunden. Seine Reflexe, auch
weitaus besser als früher, übernahmen die Oberhand. Blitzschnell zog er seine Waffe, ließ
sich fallen, rollte sich ab und zielte auf seinen Feind.
„Wie kommst du hierher?“, wollte er wissen.
„Na, na. Begrüßt man so einen alten Freund? Gute Reaktion“, höhnte John Green.
Der Ewige Krieger des Bösen blickte auf den jungen Mann. Jason hatte sich verändert. Seit
seinem Aufenthalt hier in dieser Zeit war es John Green noch nie so bewusst geworden wie in
diesem Moment. Jason war eine Gefahr. Nun, da er selbst begann zu vergessen, mehr denn je.
Das Geflecht um den Ewigen Krieg musste beendet werden.
„Du bist kein Freund“, widersprach Jason und handelte.
John Green war völlig überrascht. Er hatte nicht damit gerechnet, dass der Lightfighter von
sich aus den Angriff begann. Ein Faustschlag traf ihn ins Gesicht und der Krieger des Bösen
taumelte zurück. Innerhalb weniger Sekunden trafen mehrere Schläge und Tritte auf seinem
Körper auf. Jasons Schlägen wohnte eine Kraft inne, die töten konnte.
Doch über eines gebot Jason nicht. Magie. John Green bereitete sich vor. Und schlug zu.
*
Irgendwo Langsam kam Anna zu sich. Noch immer flackerten die Bilder in ihrem Kopf auf. Loderten wie ein langsam verlöschendes Feuer empor und zeigten ihr die Schatten der Vergangenheit. Ihr Vater, der gemeinsam mit Merlin diese Bibliothek errichtet und eingerichtet hatte. Mit Jeannette und den Wikka hatte er ein Werk vollbracht das ihr, Anna, dabei helfen sollte, ihr magisches Erbe zu vervollkommnen. Sie hatte gesehen wie Merlin versucht hatte das Tor zu versiegeln und dass etwas schief gegangen war. Ihr Vater und er waren mit den Wikka geflohen. Vermutlich hatte ihr Vater vorgehabt zurück zu kehren. Sein Tod musste ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Und Merlin hatte vermutlich auch nicht damit gerechnet von den Hohen Mächten aus der Existenzebene verbannt zu werden. Ein Stöhnen neben ihr ließ sie sich Andi zuwenden. Der Freund und Kampfgefährte erwachte nun ebenfalls langsam. Die Bilder klangen ab. „Hast du es auch gesehen?“, stammelte er. „Ja. Die Vergangenheit“, gab Anna zurück. Die Konfrontation mit dem Abbild ihres Vaters hatte ihre Gedanken schweifen lassen. Silvia, die versucht hatte Anna unter ihre Kontrolle zu bringen. Patrick, der ihr den freien Willen genommen hatte. Ihr Vater, der mit keinem Wort ihr Erbe erwähnt hatte, bis es zu spät gewesen war. Sie war nicht stolz auf ihre Familie. „Ja, aber wenn ich das richtig interpretiere, und korrigiere mich wenn ich falsch liege, ist mit dem Zauber etwas schief gelaufen. Das Tor wurde durch die Manifestation eines Dämons versiegelt und die Preisfrage lautet: Wo ist er?“, sprach Andi. „Ja, eine gute Frage. Vielleicht hat Merlin ja doch…“, wollte Anna antworten, wurde von Andis starrem Blick jedoch abgelenkt. „Dasssssss Blut kennnnnne ich dochhhhhh“, hörten sie ein Fauchen.
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Eine schwarze Wolke verdichtete sich zunehmend. Konturen schälten sich heraus. Das
Ektoplasma gewann an Form. Verdichtete sich weiter. Etwas Ähnliches hatte Anna noch nie
gesehen. Nach wenigen Sekunden hatte sich der Dämon völlig materialisiert.
Sie war nie ein Fan der Alien-Reihe gewesen, doch sie kannte natürlich das Bild des
mordenden Geschöpfes das Sigourney Weaver das Leben zur Hölle gemacht hatte. Ein Bild
des Monsters stand nun vor ihnen.
Anna handelte.
„Aduro“, rief sie und deute auf den Dämon.
Schon häufig hatte sie den Feuerzauber eingesetzt, dieses Mal jedoch geschah nichts.
„Du bissssst die Tochhhhhter. Deinnnnn Zauber ist hier Bedeutunnnnngsssslosssss“, sprach
der Dämon.
Dann griff er an.
*
Vergangenheit, Osteuropa Langsam schritt die Alte in den Raum. Triumph glühte in ihren Augen und die Träne der Zeit, ein Machtfaktor ungeahnten Ausmaßes, hing an ihrem Hals. „Tötet diese beiden“, sprach sie und deutete auf zwei der Roma. „Nein!“, schrieen die umstehenden und die Verurteilten versuchten sich auf die Alte zu werfen. Sie waren chancenlos. Ein Blitz zuckte aus dem Amulett. Michael hatte ähnliches schon einmal gesehen. Nina Prestova hatte die Träne lange Zeit besessen, bevor sie zerbrochen und mit ihr verschmolzen war. Der Gedanke, dass sie die Fähigkeiten der Träne nun größtenteils besaß, ließ ihn erschauern. Ebenso empfand er Grauen als er die Körper der Verurteilten zur Seite kippen sah. Sie waren im Zeitraffertempo gealtert und fielen nun zu Boden. Sekunden später war nur noch Staub übrig. „So, damit wäre klar gestellt in wessen Hand die Macht nun liegt. Es wird euch nichts nützen euch aufzulehnen. Und bald werden wir hohen Besuch bekommen. Ein guter Freund, der für die Inquisition arbeitet, möchte euch alle kennenlernen“, erklärte die Alte. Ein heißer Schreck fuhr in Michaels Glieder. Was dies zu bedeuten hatte war klar. Die Alte arbeitete mit dem gegnerischen Ewigen Krieger zusammen. Dies war sein Todesurteil. Soweit durfte es keinesfalls kommen. Michael sah die Wut in Ashkas Augen. Er wusste sie würde handeln. Blitzschnell wandte sie sich um und brach ein Tischbein von der Tafel die in dem Zelt stand ab. Michael konzentrierte sich. Bereits als die Alte hereinkam hatte er die Affinität zur Träne gespürt. Er wusste, dass er es schaffen konnte. Seine Macht über die Träne des Universums war erloschen doch die Träne der Zeit fühlte sich nur schwach gebunden an. Er hob die Hand und ballte sie zu Faust. Ashka sah in verblüfft an. Die Alte lächelte, jedoch nur für Sekunden. Dann verzog sich ihr Gesicht zu Hass. Michael öffnete die Hand, die Träne der Zeit lag darin. Ashka schleuderte das Tischbein. Und das Chaos brach über das Zelt herein. Ein Kampf begann. Die Sieger standen jedoch bereits fest und Michael hatte nur eines im Sinne, was die Logik gebot: Die Flucht. *
Angel Island Längst hatte Jason das Bewusstsein verloren. Der magische Schlag hatte ihn überrascht. Trotz enormer Reflexe und guter Kampftechnik hatte er keine Chance gehabt. John Green hatte ihn über das Plateau geschleudert und mit magischer Energie auf ihn eingeschlagen.
6
Mittlerweile musste er keine Magie mehr benutzen. Die Gegenwehr Jasons war erloschen.
Blut rann über die Hände Johns, doch er schlug weiter zu. Ein Rausch hatte ihn ergriffen. Er
konnte nun ein Kapitel beenden, einen langen Kampf.
Und mit Michael würde er genauso verfahren. Es endlich und endgültig beenden. Viel zu
lange hatte es gedauert, viel zu viele Dinge waren passiert. Dinge die ihn von seinem Ziel
abgelenkt hatten.
Er hatte in Gedanken weiter auf Jason eingeschlagen. Der Junge war kaum noch zu erkennen.
Der Kampf der ewigen Krieger war fast vorbei.
Keuchend hielt John Green inne. Langsam legte er seine Hände um den Kopf von Jason. Ein
Genickbruch würde die Sache abkürzen.
Der Strahl traf ihn in den Rücken.
Einmal, zweimal.
Dorian hatte geschossen. Er hatte den Blaster nur auf Betäubung gestellt und sah John Green
nun zu Boden taumeln. Er musste sich beeilen. Er wusste, dass der Gegner ein mächtiger
Magier war und er kaum mit seinem Blaster gegen ihn ankam.
Geschockt blickte er auf Jason, der mehr tot als lebendig vor ihm lag. Vorsichtig nahm er ihn
auf und rannte über den steinernen Weg so schnell er konnte nach oben.
„Halte durch. Du musst durchhalten, Kleiner“, redete er immer wieder auf den
Kampfgefährten und längst auch Freund ein.
Als er zurückblickte sah er, dass John Green sich bereits wieder erhob. Der Feind blickte in
ihre Richtung und… rannte los. Dorian hatte das Gefühl sich durch zähflüssigen Sirup zu
bewegen. Er konnte förmlich spüren, dass John Green näher kam.
Dann hatte er das Sprungtor erreicht und rief: „Tripudio!“
Der magische Schlag erreiche ihn und löschte sein Bewusstsein aus als der Transport
eingeleitet wurde.
*
Irgendwo Panisch begriff Anna was dies bedeutete. Sie waren wehrlos. Sie trugen beide keine Waffen
bei sich und ihre Magie versagte. Sie hatten keine Chance.
Blitzschnell stieß der Dämon zu und einen Kralle fuhr über ihre Haut. Blut spritzte. Ein
Schrei entfuhr Annas Kehle und sie sprang zurück.
Mit aller Kraft trat Andi dem Gegner in die Kniekehlen. Ein beißender Schmerz durchfuhr
sein Bein. Er hatte Gefühl in Schmerz zu baden und taumelte langsam zurück.
Wenn die Situation nicht so aussichtslos gewesen wäre hätte er gelacht. Zwei Menschen
kämpften ohne Waffen gegen einen Dämon. Die Chancen zu überleben sanken mit jeder
Sekunde.
Der Dämon setzte weiter Anna nach, ihn schien er völlig zu ignorieren. Anna wich an die
gegenüberliegende Wand zurück. Der Dämon folgte ihr. Anstatt jedoch direkt auf sie
zuzugehen lief er, wie um einen unsichtbaren See, einen Halbkreis und ging so auf Anna zu.
Diese ging wieder zur anderen Seite und der Dämon verwendete wieder den Umweg.
Verblüfft nahm Andi die Tatsache zur Kenntnis und auch Anna bemerkte den
Hoffnungsschimmer. Beide blickten sich an.
Die Idee entstand wie von selbst und für wenige Sekunden war es, als wären sie nie durch
Alicias Vampirbiss voneinander getrennt worden. Anna begab sich in die Nähe des Dämons.
Dieser stieß ein triumphierendes Fauchen aus und sprang auf sie zu. Gleichzeitig warf sie sich
zur Seite und Andi warf sich gegen den Dämon.
Ein gleißender Schmerz durchzuckte seine Schulter doch der Dämon wurde in den Bereich,
den er gemieden hatte, geschleudert.
Siegel traf Schloss.
Ein gleißender Blitz durchzuckte den Raum.
7
Als Andi und Anna die Augen wieder öffneten hatte sich die Szenerie verändert.
Vor ihnen erhob sich ein steinerner Torbogen, in dem verschiedene Aussparungen zu
entdecken waren. Hinter ihnen, am Ort ihrer Ankunft, befand sich nun ein Sprungtor.
„Wir haben es geschafft“, stammelte Anna tonlos.
Beide fielen sich in die Arme.
„Was ist das wohl für ein Tor?“, fragte sich Andi.
„Um ehrlich zu sein ist mir das egal. Ich will eine heiße Dusche, etwas zum anziehen und
etwas essen. Danach können wir gerne hierher zurückkehren“, erwiderte Anna.
„Einverstanden“, sprach Andi.
Gemeinsam gingen sie zum Sprungtor.
Hinter ihnen blieb der geheimnisvolle Torbogen zurück.
*
Vergangenheit, Osteuropa Keuchend taumelten Michael und Ashka weiter. Keiner von ihnen konnte das Glück fassen,
welches ihnen zur Flucht aus der Gefangenschaft geholfen hatte. Die Alte hatte dass Amulett
innerhalb kürzester Zeit zurückgerufen, doch das Chaos hatte sie nicht mehr aufhalten
können.
Gemeinsam war es Michael und Ashka gelungen, dies auszunutzen um zu fliehen.
„Und nun, wie geht es weiter?“, wollte Michael wissen.
Die Roma hatten ihm ein Zuhause gegeben und er hatte sich eingelebt, doch nun fühlte er sich
wieder wie am Beginn seiner Reise. Verloren in einer fremden Welt. Er wollte nach Hause, in
seine Gegenwart. Er vermisste seine Freunde. Dorian, Jason, Andi und ganz besonders Anna.
Sie waren seine Familie.
„Wir müssen weiter. Die nächste Stadt ist nicht weit entfernt. Wir müssen untertauchen und
uns ausrüsten“, erklärte Ashka.
„Wir werden es alleine niemals schaffen die anderen zu befreien. Und wenn der feindliche
Ewige Krieger angekommen ist, haben wir es mit der geballten Macht zweier absolut bösen
Mächte zu tun“, erwiderte Michael.
„Das ist mir egal. Und wenn ich dabei sterbe. Sie sind meine Familie. Und ich würde alles für
sie tun. Du nicht?“, wollte Ashka wissen.
Sie beschleunigte ihre Schritte und lief vor Michael her.
Dieser dachte über ihre Worte nach. Seine Familie war durch Jahrhunderte von ihm getrennt
und er hatte bereits viele Freunde verloren.
Er dachte an seinen Kampf gegen das Böse, die Überzeugung seiner Freunde, dass Lächeln
Annas.
„Ja, ich würde“, murmelte er leise.
*
Rom, Villa Hartmann, Gegenwart Der Flur vor dem Krankenhausflügel war leer. Fast leer. Eine einsame Gestalt saß auf einem Stuhl und wartete. Die Operation dauerte an. Dr. Marquardt und weitere 3 Personen bildeten ein Ärzteteam, das um Jasons Leben kämpfte. Ein Kampf, der bereits mehrere Stunden andauerte. Kurz war Dr. Marquardt einmal erschienen und hatte ihm mitgeteilt, dass starke innere Verletzungen vorlagen und dass das Leben des jungen Lightfighters auf Messers Schneide stand. Kein anderer Mensch hätte die Attacke John Greens überlebt. Kein Mensch mit einem normalen Körper. Doch Jason war längst auch in dieser Hinsicht etwas Besonderes. Nachdem Sandra ihm bei einer Reise in die Zukunft ein nichtidentifizierbares Serum injiziert hatte,
8
waren Veränderungen mit Jason vor sich gegangen. Veränderungen, die seinen Körper
verbessert hatten und nun auch sein Leben gerettet hatten.
Was wäre geschehen wenn Jason heute gestorben wäre? Hatte Sandra ihm deshalb die
Spritze gegeben, um dies zu verhindern, fragte sich Dorian.
Die Vergangenen Stunden lagen wie hinter einem Nebelschleier. Man hatte ihn informiert,
dass Andi und Anna wieder aufgetaucht waren, unverletzt. Erst vor wenigen Minuten. Oder
Stunden?
Dorian spürte, dass etwas Nasses seine Wangen benetzten. Er konnte die Tränen nicht
zurückhalten. Er hatte seine Eltern verloren und noch viele weitere Menschen. Im Kampf
gegen das Böse waren in den vergangenen Jahren Freunde und Mitkämpfer gestorben.
Michael war vermisst und keiner von ihnen wusste ob er noch lebte und das SE stand kurz vor
seiner Zerschlagung durch Karren Hartmann.
Alles war in der Schwebe. Und nun verloren sie vielleicht einen weiteren Mitstreiter. Einen
Freund. Der niemals die Chance gehabt hatte seine eigene Vergangenheit, seine
Erinnerungen, wieder zu erlangen.
Schritte erklangen. Dorian sah auf.
Er erkannte Andi und Anna. Das Neonlicht ließ ihre Gesichter blasser wirken, doch auch so
war zu erkennen, dass sie schweres durchgemacht hatten. Anna war leicht verletzt. Mit einem
Mal kam ihm sein Misstrauen Andi gegenüber völlig deplaziert vor. Auch ihn hatten sie
verloren gehabt, doch er war zurückgekehrt.
Schweigend setzten sich beide neben ihn.
„Wir wissen was passiert ist. Die Security hat uns informiert“, erklärte Anna.
„Gibt es etwas Neues?“, wollte Andi wissen.
Dorian schüttelte nur den Kopf.
Nach ihrer Ankunft war er kurz bewusstlos gewesen. Als er erwacht war hatten sie bereits
begonnen, Jason zu operieren.
Ein leises Quietschen war zu hören. Alle drei Lightfighter wandten sich synchron zu Dr.
Marquardt um, die den OP-Bereich verließ.
Mit ernstem Gesicht sah sie die Lightfighter an.
Ende des Zweiteilers
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Vorschau auf Band 36 – „Verlorene Freiheit“
Gemeinsam mit Chris dringen Andi und Anna in den Vatikan ein. Sie wollen das Geheimnis
um die Venator pro Lux und den Gefangenen, den Karsten Hartmann auf der Traumebene
entdeckte, lösen. Ihr Ausflug wird zu einem Kampf ums überleben.
In der Vergangenheit lassen Ashka und Michael nichts unversucht die Roma zu befreien und
ein weiterer Erinnerungsschub enthüllt Michael eine schockierende Wahrheit.
Das Erbe der Macht
Band 36
Verlorene Freiheit
Weitere Bände in Vorbereitung:
Band 37 – „Das Fremde Volk“ (1/2)
Band 38 – „Planetenfeuer“ (2/2)
Band 39 – „Die Bestimmung“(1/2)
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