Entführt aufs Schiff der Liebe Carole Mortimer
Julia 1406
15/1 2000
gescannt von suzi_kay korrigiert von Spacy74
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Entführt aufs Schiff der Liebe Carole Mortimer
Julia 1406
15/1 2000
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1. KAPITEL "Und wenn die Drohungen ernst gemeint sind, Whitney, was ich glaube, dann könnten Sie viel mehr verlieren als nur eine Story!" Whitney jagte bei Martins Warnung ein eiskalter Schauer über den Rücken. Auch sie zweifelte nicht einen Moment, dass die Drohanrufe, die sie im Verlauf der letzten Woche erhalten hatte, ernst gemeint waren. Schon die beiden, die hier in der Zeitungsredaktion eingegangen waren, hatten sie beunruhigt. Andererseits arbeitete sie nun schon seit zwei Jahren für den "National" und hatte inzwischen akzeptiert, dass die beteiligten Personen oftmals nicht begeistert davon waren, wenn etwas in der Zeitung über sie geschrieben werden sollte. Gewisse Missfallensbekundungen gehörten mit zum Tagesgeschäft eines Journalisten. Aber der letzte Anruf gestern Abend mit der Warnung, die Finger von Beresford zu lassen, hatte sie dann doch genügend erschreckt, um Martin Groves, ihren Chefredakteur, zu unterrichten. Denn dieser Anruf hatte sie zu Hause erreicht, und sie besaß eine Geheimnummer! "Es ist meine Story, Martin!" beharrte sie dennoch. "Bill könnte die Sache genauso gut abdecken." "Oh, vermutlich sogar besser", entgegnete sie gereizt. "Aber es ist meine Story!"
"Korruption in den städtischen Amtsstuben ist kein so brandneues Thema", wehrte Martin geringschätzig ab. "Mag sein", räumte sie ein. "Aber ich bin so nahe dran ..." Sie hielt Daumen und Zeigefinger in einem Zentimeter Abstand auseinander. "... zu beweisen, dass Tom Beresford in den meisten Fällen seine Finger im Spiel hat!" Martin schüttelte den Kopf. Er war ein kleiner, drahtiger Mann mit schütterem grauen Haar. Seine Enkelin war kaum jünger als die junge Frau, die im gegenübersaß. Aber bei allem großväterlichen Stolz hätte er nicht behaupten können, dass seine Enkelin auch nur annähernd so hübsch gewesen wäre wie Whitney Morgan. Whitney war ein Schönheit - angefangen von ihrem schimmernden tiefschwarzen Haar, den mandelförmigen veilchenblauen Augen und einem zarten, ebenmäßigen Gesicht bis hin zu ihrer schlanken, anmutigen Figur. In dem harten Job, den sie sich ausgesucht hatte, brachte ihr dieses Aussehen allerdings nicht nur Vorteile ein. Martin wusste, dass sie mit manchen Vorurteilen zu kämpfen hatte. "Das ist nicht nahe genug", sagte er nun schroff. "Ich leite eine Tageszeitung und kein Selbstmordkommando. Und ich habe Ihnen schon vor Tagen gesagt, Sie sollen die BeresfordStory ruhen lassen." Whitney hatte gezögert, ihm von den Anrufen zu erzählen, denn es war natürlich vorauszusehen gewesen, dass Martin verärgert sein würde, weil sie seine Weisung, die Story fallen zu lassen, ignoriert hatte. Doch sie hatte das, was sie schon wusste, nicht einfach vergessen können, zumal unschuldige Personen in Mitleidenschaft gezogen worden waren und Martin Groves der Erste sein würde, der ihr gratulieren würde, wenn sie mit einer guten Story herauskäme. "Beresford ist so schuldig wie ..." "Whitne y, Sie kennen doch den alten Gangsterwitz über ein Flussbad mit Betonschuhen, oder?" unterbrach Martin sie scharf. "Nun, Tom Beresford würde keine Witze machen!" Sie sah ihn unsicher an. "Sie wollen mir nur Angst machen", sagte sie schließlich.
Er seufzte. "Und? Habe ich Erfolg?" "Nein!" schwindelte sie. Natürlich hatte sie Angst! Martin stand auf. "Der Mann ist ein Barrakuda, Whitney! Und er würde sich nicht einmal selber die Finger schmutzig machen - dazu sind Sie zu unwichtig für ihn. Nein, er würde Sie einem seiner Handlanger überlassen." Sie wusste genau, wie Tom Beresford war, von dem es hieß, dass er der Kopf einer englischen Form von Mafia sei. Mit Anfang sechzig herrschte er in England über ein Imperium, das fast so mächtig war wie das der Mafia jenseits des Atlantiks, obwohl Whitney im Verlauf ihrer Recherchen bislang keinerlei Verknüpfungen hatte feststellen können. "Danke für diese aufschlussreiche Information, Martin." Sie lachte gespielt. "Denn ich werde heute mit ihm zu Mittag essen." "Wie bitte?" Martin sah sie entgeistert an und wurde hochrot vor Zorn. Seine Reaktion war verständlich, aber nach seiner Bemerkung über das Bad mit den Betonschuhen wollte Whitney wenigstens dafür sorgen, dass jemand wusste, mit wem sie sich zuletzt getroffen hatte! Schön, vielleicht war es etwas voreilig gewesen, Tom Beresford zum Mittagessen einzuladen ... Andererseits, wie hätte sie sonst mit ihm persönlich sprechen können, da er sein Privatleben derart abschirmte? Und immerhin hatte er ihre Einladung angenommen! "Sie haben mich schon verstanden, Martin." Whitney seufzte. "Wir treffen uns in zwanzig Minuten in einem Restaurant!" "In welchem?" fragte Martin sofort. "Bitte, Martin ..." "Ich möchte nur sichergehen, dass ich den richtigen Fluss nach Ihnen absuchen lasse", sagte er unwirsch. "Es fließt nur ein Fluss durch London", wehrte sie seinen Versuch ab, ihr erneut Angst zu machen. "Wenigstens waren Sie vernünftig genug, sich hier in der Stadt mit ihm zu verabreden! Was, in aller Welt, ist nur in Sie
gefahren? Wollen Sie ihm etwa die Chance geben, sich zu verteidigen?" "Das könnte er gar nicht", erwiderte sie bestimmt. "Aber wenn ich ihn mit dem provoziere, was ich bereits weiß, plaudert er vielleicht noch etwas Entscheidendes aus." Martin sah sie mitleidig an. "Wie lange arbeiten Sie jetzt schon für den ,National'?" "Zwei Jahre ... Schon gut, ich weiß, dass Leute wie Tom Beresford nicht einfach etwas ausplaudern." Sie seufzte. "Ich bin nicht völlig verblödet." "Was Sie nicht sagen!" schnaubte Martin. "Was genau hoffen Sie denn mit dieser Verabredung zu erreichen?" Ihre veilchenblauen Augen blitzten entschlossen auf. "Ich hoffe, Mr. Beresford zu zeigen, dass ich mich nicht so leicht abschrecken lasse!" Martins Miene wurde sofort freundlicher. "Ich bewundere Ihren Kampfgeist, Whitney..." "Aber Sie missbilligen ihn!" vollendete sie seinen Satz. "Die Sache stinkt", sagte er ernst. "Ich werde Hawk darüber informieren müssen." "Nein!" "Whitney..." "Ich sagte Nein", wiederholte sie scharf. Der Gedanke, dass Hawk von der Sache Wind bekommen könnte, erfüllte sie mit Panik. Sie konnte sich seine Reaktion lebhaft vorstellen. "Verdammt, ihm gehört die Zeitung!" erinnerte Martin sie gereizt. Whitney wusste sehr genau, wer oder was Hawk war. James Hawkworth - wobei der Letzte, der ihn tatsächlich James genannt hatte, vermutlich immer noch seine Knochen aufsammelte - war vor allem ein Mann, mit dem man sich besser nicht anlegte. Und Whitney zweifelte nicht, dass er auf ihr Vorhaben genauso reagieren würde wie Martin. Allerdings aus einem ganz anderen Grund. "Es gibt nichts, worüber er informiert werden müsste ..."
"Dass einer seiner Reporter ernst zu nehmende Drohungen erhält, ist schon was, Whitney!" widersprach Martin energisch. "Ich weiß, dass Hawk darüber in Kenntnis gesetzt werden will. Sagten Sie etwas?" Er sah sie aufhorchend an. Whitney errötete schuldbewusst. "Schon gut, es tut nichts zur Sache." "O doch!" entgegnete Martin scharf. "Aber mir ist klar, dass Sie nicht vorhaben, es zu wiederholen. Nehmen Sie jedenfalls zur Kenntnis, dass meine Entscheidung, Sie von dieser Story abzuziehen ..." "Wenn Sie das tun, gehe ich damit zu einer anderen Zeitung", fiel sie ihm ins Wort. "Whitney!" "Ich meine es ernst, Martin. Ich habe zu lange und zu hart an dieser Sache gearbeitet, um sie einfach so fallen zu lassen." Martin betrachtete forschend ihr entschlossenes Gesicht und seufzte resigniert. "Wir werden sehen, was Hawk dazu zu sagen hat. Vielleicht kommt er ja zu dem Schluss, dass Ihre hübsche kleine Person es nicht wert ist, beschützt zu werden ... Vielleicht stimmt er aber auch mit mir darin überein, dass das Leben eines Reporters immer mehr wert ist als eine Story!" "Martin, irgendjemand muss etwas gegen Beresford unternehmen!" "Dann überlassen Sie das der Polizei!" "Die scheint ihm nichts nachweisen zu können." "Aber Sie, ja?" spottete Martin. Whitney schwieg, denn sie wusste, dass auch sie noch nicht genug Beweise zusammengetragen hatte, um die Story in Druck zu geben. "Wir wissen beide, wie Hawks Antwort lauten wird", sagte sie schließlich. "Ach ja?" Martin sah sie provozierend an. "Ich habe in letzter Zeit nicht feststellen können, dass er wild darauf wäre, Sie zu verteidigen." Whitney wurde bleich. Sie wusste, dass Martin es gut meinte und Hawks Desinteresse an ihr nur ansprach, um ihr brutal vor
Augen zu führen, worauf sie sich einließ. Trotzdem traf es sie tief, weil es sie immer noch sehr schmerzte, dass Hawk sie aus seinem Leben verstoßen hatte. Die meisten ihrer Kollegen bei der Zeitung wussten natürlich, wie nahe sie Hawk einmal gestanden hatte. Doch sie hatten es aus ihrem Gedächtnis verdrängt, weil Hawk sie, Whitney, nun schon so lange ignorierte und sie die Situation scheinbar gelassen akzeptierte. Nur Martin schien zu ahnen, wie sehr Hawk sie immer noch durch seine Gleichgü ltigkeit verletzen konnte. "Erzählen Sie ihm, was Sie wollen", sagte sie nun müde. "Ich halte an meinem Entschluss fest, mich mit Tom Beresford zu treffen. Wenn Hawk der Zeitungsmensch ist, für den ich ihn halte, wird er mein Tun gutheißen." "Und wenn nicht?" Sie zuckte die Schultern. "Das ist dann Ihr Problem." "Nur bis er Sie erwischt", warnte Martin. "Wie Sie gerade so richtig bemerkt haben, warum sollte er sich die Mühe machen?" entgegnete sie verbittert und warf einen Blick auf ihre diamantenbesetzte goldene Armbanduhr - ein Geschenk von Hawk zu ihrem einundzwanzigsten Geburtstag. Zu ihrem zweiundzwanzigsten Geburtstag vergangenen Monat hatte er ihr nicht einmal mehr eine Karte geschickt ... Whitney verdrängte diese schmerzlichen Gedanken und strich sich entschlossen das lange schwarze Haar aus dem Gesicht. "Ich muss jetzt los, sonst komme ich noch zu spät." "Whitney..." "Verdammt, Martin, hören Sie auf, sich wie ein Waschlappen zu benehmen!" Seine braunen Augen blitzten zornig auf. "Jemand hätte Sie etwas öfter übers Knie legen sollen, als Sie klein waren!" ",Jemand' hat es offensichtlich nicht gewagt", entgegnete sie schlagfertig. "Okay, Whitney." Er gab sich geschlagen. "Gehen Sie zu diesem Essen mit Beresford. Ich werde hier sein und zu Ihrer
Verfügung stehen, wenn Sie zurückkommen. Falls Sie zurückkommen", fügte er leise hinzu. Martins unverhohlene Missbilligung dämpfte die erwartungsvolle Spannung, mit der Whitney ihrem Treffen mit Tom Beresford entgegengesehen hatte. Sie hatte eigentlich erwartet, dass ihr Chefredakteur etwas mehr Begeisterung an den Tag gelegt hätte angesichts dessen, was sie schon erreicht hatte. Natürlich hatte Hawks mögliche Ablehnung seine Reaktion mitbestimmt, aber Martin hätte sich deswegen wirklich keine Sorgen zu machen brauchen. Hawk hatte ziemlich deutlich gemacht, dass es ihm inzwischen völlig schnuppe war, was mit ihr passierte. Ganz gewiss aber würde er etwas dazu zu sagen haben, wenn er erst ihre Spesenrechnung aus einem der exklusivsten Restaurants der Stadt erhielt. Schließlich hätte sie Tom Beresford wohl kaum in den Schnellimbiss an der Ecke einladen können! Whitney hatte sich mit besonderer Sorgfalt zurechtgemacht. Sie musste gelassen und selbstsicher auftreten, um ihren Bluff durchzuhalten, denn immerhin hatte sie Beresfords Assistenten weisgemacht, dass es sich um eine Reportage über den Menschen Tom Beresford und seinen Weg zum Erfolg handeln würde. In Anbetracht der Drohanrufe würde es sich nun um einen doppelten Bluff handeln, da Beresford offensichtlich schon wusste, worin ihr wirkliches Interesse an ihm bestand. Doch es gab eine Vielzahl von harmlosen Fragen, die sie ihm stellen konnte und die nicht direkt mit seinen brisanten Beziehungen zur Stadtverwaltung zu tun hatten. Die Geschichte seines Erfolgs las sich wie ein modernes Märchen. Als ältester Sohn eines Bergarbeiters aus Yorkshire war er zu einem millionenschweren Immobilienhai und Baulöwen aufgestiegen, und es gab Gerüchte, dass er in Anerkennung seines Beitrags für die britische Wirtschaft als Kandidat im Gespräch sei, anlässlich der königlichen Titel Verleihung am Neujahrstag in den Adelsstand erhoben zu werden. Und Tom Beresford schien
dieser Ehre würdig zu sein - sofern man darüber hinwegsah, dass er seinen kometenhaften Aufstieg in der Baubranche mutmaßlich systematischer Bestechung verdankte. Whitney war buchstäblich über eine Verbindung zwischen Beresford und einem Ratsmitglied gestolpert, das wegen erwiesener Bestechlichkeit entlassen worden war. Sie hatte sich die großen Bauaufträge, die Beresford regelmäßig von Stadtund Gemeinderäten zugesprochen bekam, genauer angesehen und war schließlich zu dem Schluss gelangt, dass die Bestechungsgelder aus Beresfords Tasche stammten. Nach sechsmonatiger gründlicher Recherche war Whitney davon überzeugt, trotzdem würde sie noch mehr vorweisen müssen, um Hawk dazu zu bewegen, die Story in seiner Zeitung zu bringen. Hawk verlangte solide Beweise, bloße Überzeugungen genügten ihm nicht. Sobald sie das Restaurant betreten hatte, ließ Whitney sich vom Oberkellner zu dem auf ihren Namen reservierten Tisch führen. Tom Beresford erwartete sie bereits. Whitney hatte im Verlauf ihrer Recherchen so viele Fotos von ihm geschossen, dass sie wohl jeden Zentimeter seines markanten Gesichts kannte. Heute aber spielte sie die Rolle einer ganz normalen Reporterin. Es wäre nicht gut gewesen, ihm zu zeigen, dass sie ihn auch in diesem voll besetzten Lokal sofort erkannt hatte. Sie wusste, dass sie gut aussah in ihrem eleganten taubenblauen Kostüm, das ihre Augen noch blauer strahlen ließ, ihrem langen, natürlich gelockten Haar einen blauschwarzen Schimmer verlieh und ihre aufregende Figur wirkungsvoll zur Geltung brachte. Außerdem baute sie darauf, dass sie mit ihren ein Meter siebzig plus der acht Zentimeter ihrer schwarzen Sandaletten Tom Beresford wenigstens um einige Zentimeter überragen würde. Ihre Rechnung sollte aufgehen, wie sich zeigte, als sich Tom Beresford bei ihrem Erscheinen höflich erhob. Zufrieden lächelnd schüttelte Whitney ihm die Hand, bevor sie sich auf den Stuhl setzte, den der Oberkellner ihr zurechtrückte, und
einen Wein bestellte. Tom Beresford, der ihr gegenüber Platz nahm, hatte bereits einen Whisky vor sich stehen. Ein rascher Blick zum Nebentisch bestätigte Whitneys Vermutung, dass Tom Beresford Alex Cordell und Glyn Briant mitgebracht hatte - seine beiden Leibwächter, wobei er es vorzog, sie als seine "Partner" zu bezeichnen. Die beiden begleiteten ihn auf Schritt und Tritt, und Whitney wunderte sich ein wenig, dass sie nicht mit ihnen am Tisch saßen. Sie hütete sich jedoch, Beresford nach dem Grund zu fragen, und lächelte ihn stattdessen strahlend an. "Ich habe mich sehr auf dieses Treffen mit Ihnen gefreut." "Tatsächlich?" Er erwiderte ihr Lächeln, aber seine hellblauen Augen begutachteten sie kühl und forschend. Ein mulmiges Gefühl regte sich in Whitney. Martin hatte sich geirrt: Dieser Mann war kein Barrakuda, sondern ein Hai, der sein Opfer beobachtete und auf den geeigneten Moment wartete zuzuschlagen. Andererseits befanden sie sich in einem exklusiven, gut besuchten Londoner Restaurant. Was, in aller Welt, hätte er ihr hier antun können? Whitney zog es vor, erst gar nicht über eine Antwort auf diese Frage nachzudenken, und lächelte Beresford arglos an. "Alle Menschen lieben Erfolgsgeschichten, nicht?" "Tun sie das?" fragte er langsam. Sie lachte gespielt heiter. "Sie müssen es doch wissen!" "Miss Morgan", sagte er in gelangweiltem Ton, "aus welchem neuen Blickwinkel könnten Sie meinen Erfolg beleuchten, der von einem Ihrer Kollegen in einem Magazin mit bekannterem Namen nicht bereits abgedeckt worden ist?" Whitney hatte den Artikel gelesen, der vor einigen Monaten erschienen war, und es hatte sie verwundert, dass eine Zeitschrift von Rang und Namen derart leichtgläubig sein konnte. Aber das machte einen Teil von Tom Beresfords Erfolg aus: Die Mehrheit der Leute hatte keine Ahnung, mit welch hinterhältigen Methoden er an die Spitze gelangt war. Nur wenn
man tief genug grub, wie sie es getan hatte, wurde es offensichtlich, dass da etwas faul war. Sie warf ihm einen forschenden Blick zu, während sie über seine Frage nachdachte. Wollte er die Karten vielleicht gleich auf den Tisch legen? Nein, das war unwahrscheinlich. "Ich schreibe für eine Tageszeitung, Mr. Beresford, mit einer Auflage von zwei Millionen. Und meine Reportage über Sie würde zwei oder drei Ausgaben umfassen." "Ich habe wirklich keine kostenlose Werbung nötig, Miss Morgan", erwiderte er geringschätzig. Sein herablassender Ton ließ ihre blauen Augen wütend aufblitzen. Doch Whitney hatte sich rasch wieder in der Gewalt. Es würde ihr nichts bringen, diesem Mann gegenüber die Beherrschung zu verlieren. "Denken Sie an die königliche Titelverleihung am Neujahrstag", sagte sie deshalb schmeichelnd. "Die Geschichte Ihres unternehmerischen Einfallsreichtums und Erfolges kann doch nur auf all jene jungen Leute als Ansporn wirken, die heutzutage die Schulen verlassen, ohne darauf hoffen zu können, eine Anstellung zu finden." Um seine Mundwinkel zuckte es spöttisch. "Sie wollen mir schmeicheln, Miss Morgan?" Dieser Mann mochte einmal ein "ungeschliffener Diamant" gewesen sein. Aber die Jahre hatten ihn kultiviert, und sein Reichtum hatte ihm ein arrogantes Selbstbewusstsein verliehen, das entmutigend war. Mit zweiundsechzig zeigte Tom Beresford keine Spur von Bauchansatz oder Glatze - im Gegenteil, sein dichtes silbergraues Haar war gepflegt und teuer frisiert, und sein maßgeschneiderter grauer Anzug ließ ahnen, dass sein Körper immer noch fit und durchtrainiert war. Whitney begriff schnell, dass er ein Mann war, der jede Situation im Griff hatte. "Ganz und gar nicht, Mr. Beresford", wehrte sie locker ab. "Ihre Geschichte könnte wirklich viele Menschen ermutigen." "Ich wusste nicht, dass James Hawkworth derartige Reportagen in seiner Zeitung bringt", erwiderte er trocken.
Whitney blickte ihn aufhorchend an. "Und mir war nicht klar, dass ich Ihnen überhaupt gesagt habe, für welche Zeitung ich arbeite." "Das haben Sie auch nicht. Aber ein Mann in meiner Position trifft sich nicht einfach mit irgendjemandem, der aus heiterem Himmel anruft und behauptet, Reporter zu sein. Ich habe natürlich, was Sie betrifft, meine Hausaufgaben gemacht." "Natürlich", wiederholte sie nervös. Tom Beresford hatte seine "Hausaufgaben" sehr gründlich gemacht. Wie, in aller Welt, war er nur an ihre Geheimnummer gekommen? "Überdies hat Geraldine Sie selbstverständlich mit dem Namen in Verbindung gebracht", fügte er bezeichnend hinzu, wobei er aufmerksam beobachtete, wie sie auf die Erwähnung der Frau reagieren würde, die er Jahre nach dem Tod seiner ersten geheiratet hatte. Geraldine. Whitney hatte der Schlag getroffen, als sie entdeckt hatte, dass Geraldine inzwischen mit Tom Beresford verheiratet war. Wie hatte Geraldine nur diesen Mann - mochte er auch noch so reich und mächtig sein - Hawk vorziehen können? "Mein Name ist nicht sehr gebräuchlich", erwiderte sie spitz, weil der Gedanke an Geraldine sie stets aufbrachte. Wie konnte Hawk diese Frau immer noch lieben? Doch er tat es und würde sie vermutlich immer lieben, obwohl sie jetzt mit einem anderen Mann verheiratet war. Whitney wollte lieber nicht dabei sein, wenn Hawk erfuhr, dass sie an einer Reportage über Geraldines zweiten Mann schrieb! "Nachdem ich Sie nun persönlich kennen gelernt und Ihre ungewöhnliche Schönheit in Augenschein geno mmen habe, kann ich Hawks Interesse an Ihnen sehr gut verstehen", sagte Tom Beresford anerkennend. Sein unerwartetes - und unerwünschtes - Kompliment brachte sie etwas aus der Fassung. "Hat Ger... Ihre Frau Ihnen auch erzählt, dass das längst vorbei ist?" fragte sie scharf. "Sie arbeiten immer noch für ihn."
"Und werde wie jeder andere seiner Angestellten behandelt!" entgegnete sie eine Spur zu heftig. Hatte sie es nötig, sich vor diesem Mann zu verteidigen? Er zog spöttisch die Brauen hoch. "Ich hatte keine Ahnung, dass man als Reporterin genug verdient, um sich eine Armbanduhr für fünftausend Pfund leisten zu können!" Whitney errötete. "Mr. Beresford ..." "Verzeihen Sie, Whitney. Das war zu persönlich." Er hob entschuldigend die Hände. "Ich darf Sie doch Whitney nennen?" "Selbstverständlich", erwiderte sie widerstrebend. "Sollen wir bestellen?" Tom Beresford winkte dem Kellner. Obwohl das Essen zweifellos exklusiv und köstlich war, registrierte Whitney kaum, was man ihr servierte. Sie war so zuversichtlich gewesen, durch ihr Insiderwissen bei diesem Interview alle Trümpfe in der Hand zu haben. Doch Tom Beresford belehrte sie rasch eines Besseren. Er erwies sich als überaus versiert darin, nur über Themen zu sprechen, die ihm genehm waren, wobei er alle Frage n, die die von ihm gesteckte Grenze überschritten, höflich abblockte. Nachdem Whitney fast eineinhalb Stunden zugesehen hatte, wie er ein Menü mit vier Gängen plus Kaffee und Cognac verspeist hatte, reichte es ihr. Sie war einem entscheidenden Beweis für seine Verstrickungen mit den Stadträten nicht einen Schritt näher gekommen als zu Beginn ihrer Recherchen vor sechs Monaten. "Warum laden Sie Ihre Leibwächter nicht ein, uns beim Kaffee Gesellschaft zu leisten?" fragte sie bewusst provozierend, in der Hoffnung, ihn vielleicht so zu einer Reaktion zu bewegen. Doch seine hellblauen Augen blitzten nur belustigt. "Glyn und Alex würden es nie wagen, mich zu belästigen, wenn ich in Gesellschaft einer schönen Frau bin." Bereits zum zweiten Mal hatte er sie schön ge nannt, und die Vorstellung, dass ausgerechnet dieser Mann sie attraktiv finden könnte, gefiel Whitney ganz und gar nicht.
"Keine Sorge, Whitney", fügte er spöttisch hinzu. "Sie werden nicht von mir infiziert, nur weil ich Ihre Schönheit zu schätzen weiß. Davor haben Sie doch Angst, stimmt's?" Sie errötete, weil er sie durchschaut hatte. "Ich bin sicher, Hawk hat Ihnen unzählige Male wegen Ihrer Schönheit Komplimente gemacht." "Könnten wir Hawk da rauslassen?" bat sie unwillig. "Selbstverständlich", stimmte er zu. "Es macht mir nicht unbedingt Spaß, über den Exliebhaber meiner Frau zu reden." Whitney hätte ihm verraten können, das er wohl besser von "den Exliebhabern" gesprochen hätte, weil Geraldine sich nie mit nur einem Mann zufrieden gegeben hatte. Aber Tom Beresford machte - wie Hawk - nicht den Eindruck, als wollte er irgendetwas Abfälliges über die Frau hören, in die er sich verliebt hatte, nachdem er mehrere Jahre um seine erste Frau getrauert hatte. Was hatte Geraldine nur an sich dass sie solche Liebe inspirierte? Ihr Vater hatte immer behauptet, sie sei eine Frau "für die Männer", und Whitney zumindest hatte nie erlebt, dass Geraldine versucht hätte, sich unter Frauen Freunde zu machen. "Mr. Beresford, was haben Sie vorhin gemeint, als Sie angedeutet haben, ich könnte von Ihnen infiziert werden?" hakte sie noch einmal nach. War dies vielleicht als so etwas wie ein Geständnis zu werten? "Sie sind die reiche, junge Schönheit aus der feinen Gesellschaft, ich bin der Sohn eines Bergarbeiters", erwiderte er. "Allerdings bilde ich mir ein, dass es mir mit den Jahren gelungen ist, meinen nordenglischen Akzent fast gänzlich abzulegen." Er sah sie spöttisch-herausfordernd an. "Augenscheinlich", räumte sie kühl ein, wobei sie ihren Notizblock in die Handtasche steckte. "Sie waren sehr entgegenkommend, Mr. Beresford. Aber jetzt muss ich wirklich gehen."
Er nickte. "Ich habe unsere kleine Unterhaltung genossen. Sie schicken mir natürlich eine Kopie Ihrer Reportage, bevor sie in Druck geht?" Nicht von der Reportage, die sie tatsächlich zu schreiben beabsichtigte! "Natürlich", bestätigte Whitney liebenswürdig und bedeutete dem Kellner, dass sie zahlen wollte. Irgendwie hatte sie während des gesamten Essens das Gefühl gehabt, dass Tom Beresford sich insgeheim köstlich über sie amüsiert hatte. Und vermutlich fand er die astronomisch hohen Preise in diesem Restaurant seiner Wahl ebenfalls höchst amüsant. Doch als der Kellner die Rechnung brachte, griff Tom Beresford als Erster danach. "Da mir dieses Treffen mit Ihnen so viel Vergnügen bereitet hat, bestehe ich darauf zu bezahlen." "Der ,National' kann es sich durchaus leisten", erwiderte sie pikiert. Martin würde vor Lachen von seinem Schreibtischsessel kippen, wenn sie ihm erzählte, was für ein Reinfall diese Verabredung gewesen war! "Ich bestehe darauf", wiederholte Tom Beresford in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. "Und zögern Sie bitte nicht, sich erneut an mich zu wenden, falls Sie noch weitere Informationen ... für Ihren Artikel benötigen", fügte er bedeutsam hinzu. Und ich werde Ihnen Betonschuhe verpassen! dachte Whitney wütend, als sie das Restaurant verließ. Im Vorbeigehen nickte sie den beiden Leibwächtern spöttisch zu. Tom Beresford war ausgesucht höflich gewesen, trotzdem traute Whitney ihm nun, da sie ihn persönlich kennen gelernt hatte, noch weniger über den Weg. Vielleicht lag es an diesem kalten Ausdruck in seinen Augen, sogar wenn er lachte, vielleicht auch an der erdrückenden Selbstsicherheit, die er zur Schau trug, als würde er sich für unbesiegbar halten. Whitney war jedenfalls mehr denn je überzeugt, dass er schuldig sei. Doch sie wusste auch, dass sie noch einen weiten Weg vor sich hatte, bevor sie alle nötigen Fakten zusammengetragen haben würde, und dass Tom Beresford nicht beabsichtigte, sie
diese Fakten auch veröffentlichen zu lassen. "Es ist ratsam, seine Feinde zu kennen", hieß es - nun, sie kannte jetzt ihren Feind und wünschte, sie hätte ihn nicht kennen gelernt. "Miss Morgan?" "Ja?" Ehe Whitney sich zu dem Mann umdrehen konnte, hatte er ihr schon eine Hand auf die Schulter gelegt und mit der anderen ihr Handgelenk gepackt. "Was fällt Ihnen ...?" "Gehen Sie zu dem Wagen dort, Miss Morgan." Er drängte sie vorwärts zu einer langen schwarzen Limousine mit abgedunkelten Fensterscheiben. "Und bitte machen Sie keine Szene", fügte er hinzu, als sie sich zu wehren begann. "Das können Sie nicht tun!" protestierte sie empört. "Wir befinden uns auf einer belebten Straße mitten in London!" "Ich habe es schon getan, Miss Morgan", entgegnete er ungerührt, wobei er sie auf die Rückbank des Wagens drückte und die Tür hinter ihr zuschlug. Whitney rüttelte verzweifelt an dem Türgriff. Verschlossen! Ihre Panik wuchs, als sie hörte, wie der Motor des Wagens angelassen wurde. Außer sich pochte sie gegen die schwarze Trennscheibe, die den Mann, der nun den Wagen fuhr, vor ihren Blicken verbarg. Die Trennscheibe wurde so weit heruntergelassen, dass sie den Hinterkopf des Mannes sehen konnte. Sein Haar war dicht und schwarz, braune Augen blickten sie im Rückspiegel fragend an. Tom Beresfords Leibwächter waren beide dunkelhaarig, doch um ihre Augenfarbe hatte Whitney sich nie gekümmert. Deshalb hätte ihres Wissens jeder der beiden der Fahrer sein können. "Ja, Miss Morgan?" Er schien die Situation äußerst amüsant zu finden. "Halten Sie sofort den Wagen an, und lassen Sie mich raus!" befahl sie gespielt selbstbewusst. Verdammt, man hatte sie gekidnappt! "Tut mir Leid, das kann ich leider nicht tun." Er schüttelte bedauernd den Kopf.
Whitney beugte sich angestrengt vor und versuchte vergeblich, mehr von ihrem Kidnapper zu erkennen als seinen Hinterkopf und seine belustigt blitzenden braunen Augen. Der Mann musste krank sein, wenn es ihm tatsächlich Spaß machte, eine verängstigte Frau von der Straße weg zu entführen! "Ich ... Wohin fahren wir?" fragte sie kleinlaut. Der Ernst ihrer Lage wurde ihr schlagartig klar. Sie war noch zu jung zum Sterben! "Nicht sehr weit." Whitney spähte angestrengt zum Fenster hinaus. Sie fuhren zum Fluss! Du liebe Güte, Tom Beresford war so erbost darüber gewesen, dass sie es gewagt hatte, ihn persönlich zu befragen, dass er sie sofort loswerden wollte! "Hören Sie ..." Sie rückte näher an die Trennscheibe heran und lächelte den braunen Augen im Rückspiegel zu. "Ich vermute, Sie werden für diese Sache gutbezahlt..." "Sehr gut", bekräftigte er. Whitney schluckte. "Ich habe etwas Geld, sicher genug, um Sie zu entschädigen, wenn Sie mich gehen lassen. Und sehen Sie, hier ..." Verzweifelt hielt sie ihre kostbare Armbanduhr hoch. "Die ist einige Tausend Pfund wert." . "Sehr hübsch", sagte er gleichgültig. Whitney überlegte fieberhaft. Wie viel war ein Leben heutzutage wert? "Ich besitze noch weiteren Schmuck ... und Geld. Sicher ..." "Man hat mich für einen Job bezahlt, Miss Morgan", unterbrach er sie. "Und ich enttäusche meine Auftraggeber nie." Du liebe Güte! Whitney lehnte sich matt in den schwarzen Ledersitz zurück. Das konnte nicht wirklich ihr passieren! Sie kam sich vor wie in einem alten Krimi! Urplötzlich durchzuckte sie der schmerzliche Gedanke, dass sie nun nie die Gelegenheit haben würde, Hawk zu sagen, wie sehr sie ihn liebte. Ihre Angst steigerte sich zur Hysterie, als sie sich der Themse näherten. Hatte der Mann den Beton im Kofferraum? Oder würde er einfach nur einen Stein an ihre Füße binden?
Sie konnte doch nicht einfach tatenlos dasitzen und dem Schicksal seinen Lauf lassen! Dinge wie diese passierten nicht am helllichten Tag in der Hauptstadt Englands! Whitney beugte sich erneut beschwörend vor. Ihr Herz pochte vor Angst. "Hören Sie, es handelt sich bestimmt um einen Irrtum..." "Ich mache keine Fehler." Der Mann schüttelte den Kopf. "Man hat mich beauftragt, Whitney Morgan hierher zu bringen, und genau das habe ich getan." Er hatte den Wagen geparkt und stieg nun aus, um ihr den Wagenschlag zu öffnen. Whitney stellte fest, dass sie sich an einem Yachthafen für Luxusyachten befanden. Man wollte sie gar nicht in den Fluss werfen, sondern mit ihr aufs Meer hinausfahren und sie dort über Bord werfen! Sie war keine gute Schwimmerin und würde in dem kalten Kanal nicht den Hauch einer Chance haben. Was wohl beabsichtigt war. Dann erst bemerkte Whitney den Namen der schnittigen weißen Yacht, die direkt vor ihnen festgemacht war. Und sie sah den Mann, der auf dem Landungssteg stand und sie aufmerksam beobachtete.
2. KAPITEL Zwei Dinge wurden Whitney in diesem Moment bewusst: Erstens, sie sollte doch nicht umgebracht werden, und zweitens, der Fahrer war gar nicht von Tom Beresford beauftragt worden. Ihre Erleichterung wich rasch einer maßlosen Wut. "Du Schuft!" stieß sie hervor und schwang sich auf den Landungssteg. "Du hundsgemeiner Schuft!" Und sie begleitete ihre Worte mit einer schallenden Ohrfeige. "Whitney ..." Hawk packte sie bei den Handgelenken. "Ich dachte, ich müsste sterben", schluchzte sie. "Und dabei hast die ganze Zeit du dahinter gesteckt!" "Mr. Hawkworth..." Hawk blickte über ihren Kopf hinweg zu dem Fahrer, der unschlüssig neben dem Wagen stand. "Schon gut, Peterson. Von jetzt an komme ich mit Miss Morgan allein klar." Vielleicht lag es an seinem arroganten Ton, oder vielleicht war es Whitney aber auch egal, was er von ihrem Verhalten denken mochte, nachdem er sie derart erschreckt hatte. Auf jeden Fall begann sie plötzlich wie eine Furie zu kratzen und um sich zu treten. Hawk bemühte sich, sie zu bändigen, und fluchte, als ihr spitzer Absatz schmerzhaft sein Schienbein traf. "Das sehe ich, Mr. Hawkworth", bemerkte Peterson spöttisch.
Hawks goldbraune Augen blitzten unwillig auf. "Schicken Sie mir Ihre Rechnung", sagte er schroff. "Kann ich wirklich nichts mehr für Sie tun?" Der Fahrer schien es nicht eilig zu haben und Spaß an der Sache zu finden. "Nein, nichts!" Hawk sah Whitney, die sich immer noch wehrte, wütend an. "Hör auf, dich zum Narren zu machen!" raunte er ihr zu. Whitney gab auf, aber nur, weil sie keine Kraft mehr hatte. Denn sie wusste genau, dass nicht sie, sondern er sich zum Narren machte. Und das war eine Rolle, in der James Charles Hawkworth sich ganz und gar nicht gefiel. "Martin muss dich angerufen haben, sobald ich sein Büro verlasse hatte", sagte sie grollend. "Nicht früh genug!" Whitney blickte feindselig zu ihm auf. Trotz der hohen Absätze ihrer Sandaletten überragte Hawk sie noch um mindestens zehn Zentimeter. "Du hast mich fast zu Tode erschreckt. Ich dachte, ich würde gleich Betonschuhe verpasst bekommen!" "Das ließe sich immer noch einrichten", erwiderte er eisig. "Wag es nicht, mir zu drohen! Ich könnte dich wegen Kidnappings anzeigen!" Um seine Mundwinkel zuckte es spöttisch. "Du bist schon ein bisschen zu groß, um als ,Kid' durchzugehen." "Lenk nicht ab!" Sie wand sich aus seinem Griff und wünschte sich, er würde nicht so atemberaubend attraktiv aussehen, wie er jetzt vor ihr stand, bekleidet mit einem weißen Polohemd, einer weißen Hose und weißen italienischen Lederschuhen. "Du hast mich am helllichten Tag entführen lassen!" "Wer will das bezeugen?" Er strich sich lässig durch das dichte blonde Haar, dessen Spitzen von der Sonne gebleicht waren, weil er an Bord der "Freedom" oft in sonnigeren Gefilden kreuzte. "Ich!" entgegnete Whitney empört. "Und Peterson ..."
"Oh, er würde die Kidnapping-Geschichte ganz bestimmt nicht bestätigen", widersprach Hawk zuversichtlich. Ihre veilchenblauen Augen funkelten wütend. Und sie hatte auch noch die Tatsache beklagt, dass sie keine Gelegenheit mehr haben würde, ihm zu sagen, wie sehr sie ihn liebte! Nein, sie hasste ihn! "Ich glaube, du überschätzt deine Überredungsgabe." "Das ist keine Frage der Überredung, Whitney", sagte er spöttisch. "Peterson glaubt, dass dein heftiger Protest nur Teil unseres Spiels gewesen ist." "Was für ein Spiel?" fragte sie aufhorchend. "Sollen wir nicht hineingehen?" Hawk blickte bedeutsam zu den Mannschaftsmitgliedern, die neugierig an Deck herumstanden. "Falls du noch so eine Aufführung wie vorhin vorhast, würde ich sie lieber unter Ausschluss der Öffentlichkeit genießen." Whitney ging voran in den Salon der Yacht. Sie war schon einige Male an Bord der "Freedom" gewesen, doch diesmal hatte sie keinen Blick für deren Schönheit und Elega nz. Der geräumige Salon war größer als ein ganzes Stockwerk ihres Hauses. Daneben befanden sich auf dem oberen Deck noch eine Bibliothek und ein Speisezimmer, und das untere Deck der großen Yacht bot Raum für sechs luxuriöse Schlafsuiten sowie für die Unterkunft der sechs Mannschaftsmitglieder. Da Hawk ziemlich viel Zeit an Bord verbrachte, war die Ausstattung der Yacht - mit viel Leder, Holz, Messing und Glas - entsprechend luxuriös. Die "Freedom" war mehr als bloß ein zweites Zuhause für ihn - Hawkworth House war nie so warm und gemütlich gewesen. "Was für ein Spiel?" wiederholte Whitney ihre Frage, sobald Hawk die Tür hinter ihnen geschlossen hatte. Dank der Klimaanlage war es im Salon der Yacht an diesem heißen Julitag angenehm kühl. Hawk zuckte die Schultern. "Du glaubst doch nicht etwa, dass Peterson seinen Lebensunterhalt mit der Beschaffung von Frauen verdient, oder?"
"Nun, er hat mich jedenfalls profimäßig entführt!" - Hawk humpelte zur Bar, und Whitney bemerkte mit Genugtuung, dass ihm das Schienbein offenbar immer noch schmerzte. Er nahm einen Krug mit frisch gepresstem Orangensaft aus dem Kühlschrank, goss zwei Gläser ein und stellte sie auf den Couchtisch. Dann setzte er sich in einen der braunen Ledersessel. "Hawk!" rief Whitney gereizt aus, als er nun seelenruhig seinen Saft trank. Er seufzte. "Peterson glaubt, dass wir eine Art Spiel miteinander spielen", erklärte er ihr gelangweilt. "Du bist die wahnsinnig begehrenswerte Frau, und ich bin der böse Entführer. Verrückt, nicht wahr?" "Abartig!" Whitney sank fassungslos in einen Sessel. Kein Wunder, dass der Fahrer ihr Verhalten so amüsant gefunden hatte! Er hatte ihre Angst und ihr Flehen nur für gut gespielt gehalten. Sie errötete. Dieser Peterson musste sie für pervers halten! "Mach nicht so ein besorgtes Gesicht, Whitney", sagte Hawk spöttisch. "Er hat mir versichert, dass er schon wesentlich ungewöhnlichere Aufträge erledigt hat, seit er vor drei Jahren seinen Limousinenservice gegründet hat. Da war zum Beispiel dieser reiche Scheich, der ..." "Hawk! Ich interessiere mich wirklich nicht für die Absonderlichkeiten eines Arabers, der so reich ist, dass er nichts Besseres zu tun weiß, als lächerliche Spielchen zu spielen!" "Nein, vermutlich nicht", räumte er ein. "Aber ich wollte dir nur zeigen, dass Peterson unsere Bitte gar nicht ungewöhnlich fand." "Versuch nicht, mich mit hineinzuziehen!" protestierte sie empört. "Ich kann diesem Mann nie wieder in die Augen sehen!" "Wieso?" fragte Hawk belustigt. "Wolltest du seine Dienste denn noch einmal in Anspruch nehmen?"
"Sehr komisch, Hawk! Mich hätte fast der Schlag getroffen, als er mich gezwungen hat, in diese schwarze Limousine einzusteigen. Ich kam mir so hilflos und verloren vor!" "Ich würde wetten, wenn Peterson ein echter Entführer gewesen wäre, wärst du als Siegerin aus der Begegnung hervorgegangen." "Ich fühle mich nicht sehr siegreich, obwohl mir jetzt klar ist, dass in Wahrheit keine Gefahr bestanden hat", sagte sie heiser. "Ich ... ich dachte, ich müsste sterben!" "Und wir beide wissen auch, warum du das gedacht hast, nicht wahr?" Hawk stand auf und goss sich an der Bar einen Whisky ein. "Ich hätte Martin gefeuert, wenn er mich nicht angerufen hätte", sagte er wütend. "Du bist jedenfalls gefeuert!" "Das kannst du nicht tun!" Whitney sprang ebenfalls auf. Er zog spöttisch die Brauen hoch. "Verzeih mir, aber ich dachte, als Eigentümer des ,National' könnte ich es!" "Du weißt genau, was ich gemeint habe. Du hast keinen Grund, mich zu entlassen - jedenfalls keinen, der vor einem Arbeitsgericht Bestand hätte." "Und wie steht es mit fortgesetztem Nichterscheinen am Arbeitsplatz?" "Ich bin noch nie krank gewesen", sagte sie trotzig. "Ich kann mich nicht erinnern, in der Vergangenheit gesprochen zu haben", entgegnete Hawk bedeutsam. Whitney sah ihn überrascht an und begriff. "Du hast mich wirklich kidnappen lassen!" "Entführen", verbesserte er ungerührt. "Ich wüsste keinen, der für dich ein Lösegeld bezahlen würde." "Beresford vielleicht", schlug sie spitz vor. Seine goldbraunen Augen blitzten auf. "Vielleicht sollte ich ihn anrufen und fragen!" Whitney wusste, dass sie zu weit gegangen war. Hawk duldete keine Dummköpfe, und nachdem sie sich mit Tom Beresford auf diese unbedarfte Weise getroffen hatte, musste Hawk sie für mehr als dumm halten. Trotzdem hatte er kein
Recht, sie fast zu Tode zu erschrecken! "Du kannst mich nicht gegen meinen Willen an Bord der ,Freedom' festhalten." "Wer sagt das?" fragte er ungerührt. "Du bist schon so oft an Bord der Yacht gewesen. Warum sollte irgendjemand annehmen, dass es diesmal anders wäre?" "Weil ich ganz offensichtlich ein widerstrebender Gast bin." Er zuckte die Schultern. "Ich werde einfach sagen, dass du gegen den Rat deines Arztes aufbegehrst, der dir Ruhe verordnet hat." "Du hast auf alles eine Antwort, nicht wahr?" entgegnete sie gereizt. "Und was hoffst du damit zu erreichen, dass du vor mir die Muskeln spielen lässt?" "Erreichen?" Hawk betrachtete sie nachdenklich. "Vielleicht will ich dich einfach noch einige Jahre am Leben erhalten." "Nachdem du mir vor einem Jahr eine Diamantuhr geschenkt und mich dann mit einem Fußtritt aus deinem Leben befördert hast?" "Ich habe dir keinen Fußtritt verpasst!" protestierte er wütend. "Schön, du hattest deine Verpflichtung erfüllt", verbesserte sie sich hitzig. "Aber es kommt auf dasselbe raus. Und es überrascht mich, dass es dich danach überhaupt noch kümmert, was mit mir passiert." "Verdammt, natürlich kümmert es mich!" Whitney lachte ungläubig. "Deshalb hast du dich ja auch während des ganzen vergangenen Jahres so rührend um mein Wohlbefinden gesorgt!" "Martin hätte mich wissen lassen, wenn dich irgendetwas bedrückt hätte. Er hat mir gesagt, dass es dir gut geht", wehrte Hawk ab. "Natürlich geht es mir gut. Ich brauche dich nicht, um zu überleben", schwindelte sie. Er presste die Lippen zusammen. "Diesmal vielleicht doch!" sagte er scharf.
"Du bist genauso schlimm wie Martin." Sie seufzte. "Du meine Güte, ich recherchiere doch nur für eine Story." "Eine Story über Tom Beresford." "Warum haben eigentlich alle solche Angst vor diesem Mann?" fragte Whitney spöttisch. "Das ist keine Frage der Angst, und wenn du nicht so ein Baby wärst, würde ich dir ganz genau sagen, warum du einen großen Bogen um ihn machen solltest!" "Ich war nie ein Baby - schon gar nicht, seit ich dir begegnet bin." Ein betroffener Ausdruck huschte über sein markantes Gesicht. "War das Leben mit mir so schlimm?" "Schlimmer!" "Whitney ..." "Du weißt, dass Geraldine jetzt mit Tom Beresford verheiratet ist, ja?" Sobald die Frage heraus war, hätte Whitney sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Natürlich wusste Hawk, mit wem die Frau, die er immer noch liebte, verheiratet war! Er nickte kühl. "Ich habe eine Einladung zur Hochzeit erhalten." Sein Ton verriet nicht, was er fühlte. "Dieses gemeine Miststück!" Whitney errötete, als ihr klar wurde, dass sie soeben die Frau beleidigt hatte, die Hawk liebte. "Es tut mir leid, ich ..." "Schon gut." Er winkte ab. "Ich bin mir Geraldines Fehler durchaus bewusst." Trotzdem liebte er sie. Whitney hatte diese blinde Liebe nie begriffen. Als Geschäftsmann suchte Hawk seinesgleichen, wobei der "National" nur eines seiner vielen erfolgreichen Unternehmungen war. Und als Mann war er mit siebenunddreißig geradezu verboten attraktiv und mit seiner männlich-arroganten Ausstrahlung nahezu für jede Frau unwiderstehlich. Dennoch vergeudete er seine Gefühle an eine Frau, die seiner nicht wert war.
Natürlich lag ein Teil der Abneigung, die sie, Whitney, Geraldine entgegenbrachte, in ihrer Eifersucht begründet, weil sie Hawk liebte. Aber sie hatte Geraldine auch schon verabscheut, bevor sie den Fehler begangen hatte, sich in Hawk zu verlieben. Ein Fehler, weil Hawk ein Mann war, der einen nicht wieder losließ - doch sein Herz gehörte Geraldine. "Bist du zu der Hochzeit gegangen?" fragte Whitney bedrückt. "Selbstverständlich nicht", erwiderte er fest. "Warum sollte ich mir ansehen, wie ein weiterer armer Teufel seinem Verhängnis entgegengeht?" "Tom Beresford ist nicht wie du!" Als Whitney begriff, wie ihre Worte klingen mussten, beeilte sie sich hinzuzufügen: "Ich meine nur..." "Ich weiß, was du gemeint hast, Whitney", fiel Hawk ihr scharf ins Wort. "Aber du hast mein Verhältnis zu Geraldine nie verstanden - und ich hoffe von ganzem Herzen, dass du es nie verstehen wirst." Whitney hätte keinem Menschen eine so besessene Liebe gewünscht, wie Hawk sie offenbar für Geraldine empfand, und bei einem so stolzen, starken Mann wie ihm war es besonders schmerzlich mit anzusehen. Eine Zeit lang hatte sie versucht, auch für sich einen Platz in seinem Herzen zu erobern, aber obwohl Geraldine ihn weder liebte noch begehrte, hatte sie feindselig auf jeden reagiert, der ihm näher kommen wollte. Und sie hatte es geschafft, Whitney das Leben teilweise zur Hölle zu machen. "Meinst du, Geraldine weiß von Tom Beresfords Geschäftsmethoden?" Sie beobachtete aufmerksam, wie Hawk auf diese Frage reagieren würde. Er zuckte die Schultern. "Geraldine hat sich nie darum gekümmert, woher das Geld stammt, solange nur genug davon da war." Augenscheinlich machte Hawk sich wirklich keine Illusionen, was Geraldines Charakter betraf. Umso schlimmer,
dass er sie anscheinend trotzdem immer noch liebte. Eine solche Liebe war wie eine verzehrende Krankheit, sie ließ einen niemals wieder los. "Du wirst nie von ihr loskommen." Ohne zu überlegen, hatte Whitney ihre Gedanken laut ausgesprochen. Verlegen wich sie Hawks unergründlichem Blick aus. "Niemals." Er seufzte resigniert. "Hawk ..." "Lassen wir dieses Thema, ja?" unterbrach er sie energisch. "Ich habe die ,Freedom' nach London bringen lassen, um mit ihr am Wochenende für ungefähr eine Woche auf Kreuzfahrt zu gehen. Durch diese Sache haben sich meine Pläne etwas geändert." "Warum?" protestierte sie. "Lass mich einfach an Land gehen." "Nein! Du wirst genau hier bleiben, bis alle vergessen haben, dass du an einer Reportage über Beresford gearbeitet hast." Whitney dachte an Tom Beresfords kalten, misstrauischen Blick und schüttelte den Kopf. "Das könnte Wochen dauern!" "Du hast Wochen Zeit", entgegnete Hawk ungerührt. "Monate, falls nötig. Schließlich bist du arbeitslos und besitzt nicht einmal eine Katze, die gefüttert werden müsste." "Ich..." "Und denk nicht einmal daran, deine Drohung wahr zu machen und mit deiner Story zu einer anderen Zeitung zu gehen! Wenn du das versuchst, wird Martin verbreiten, dass du gefeuert worden bist, weil du Fakten frisiert hast, um eine bessere Story zu erhalten." Whitney wurde blass. Ihr war klar, dass sie ihre Karriere würde abschreiben können, sollte ein solches Gerücht jemals in Umlauf gesetzt werden, noch dazu aus einer so zuverlässigen Quelle wie Martin Groves, dem Chefredakteur des "National". "Das würdest du mir nicht antun!" "Lass es besser nicht darauf ankommen."
Nicht einmal ein Provinzblatt würde sie dann noch als Reporterin einstellen. Und sie war verdammt gut in ihrem Job! "In Wirklichkeit willst du gar nicht mich beschützen!" sagte sie vorwurfsvoll. "Wen sonst?" "Geraldine!" Ihre veilchenblauen Augen funkelten wütend. "Wenn ihr Mann auffliegt, ist auch sie mit dran. Ich glaube nicht, dass irgendeine Frau einem Mann so nahe stehen kann, ohne nicht ganz genau zu wissen, zu welchen Mitteln er bereit ist, um Geld zu scheffeln." "Richtig", räumte Hawk ein. "Ich bin sicher, dass Geraldine über die korrupten Machenschaften ihres Mannes informiert ist." "Dann verstehe ich nicht ..." Sie verstummte erschrocken, als Hawk mit entschlossener Miene auf sie zukam. "Liebe Güte, Whitney, ich habe nicht vor, dich zu schlagen", stieß er aus, als sie sichtbar zurückzuckte. "Kein Wort mehr!" kam er ihr zuvor, als sie etwas sagen wollte, zog sie zu sich heran und küsste sie. Völlig überrumpelt schmiegte Whitney sich an ihn und hatte im nächsten Moment alles um sich her vergessen. "Oh, verzeihen Sie, Hawk, ich hatte keine Ahnung ..." Der überraschte Ausruf eines Mannes ließ Whitney und Hawk auseinander fahren, Hawk warf Whitney noch einen befriedigten Blick zu, bevor er sich zu dem Mann umdrehte. "Schon gut, Stephen", sagte er gelassen. "Whitney, du erinnerst dich doch sicher an den Kapitän der ,Freedom'?" Sie nickte dem Mann, der vor der Tür stand und ihr von ihren früheren Besuchen auf der "Freedom" ein Begriff war, stumm zu, denn sie war so durcheinander, dass sie kein Wort über die Lippen brachte. Warum hatte Hawk sie so unerwartet - und so leidenschaftlich - geküsst? Stephen Hollister, ein großer, stattlicher Mann, war sichtlich verlegen, dass er in eine derart vertrauliche Szene hineingeplatzt war. "Ich kann später noch einmal wiederkommen."
Hawk sah Whitney forschend an und nickte. "Das wäre vielleicht das Beste. Ich wollte Whitney sowieso gerade hinunter in ihre Suite geleiten." Sein bedeutsamer Unterton veranlasste den Kapitän, sich rasch zurückzuziehen und die Tür hinter sich zu schließen. Whitney wich von Hawk zurück. "Und was, wenn die liebe Geraldine davon erfährt?" fragte sie provozierend, denn sie fühlte sich von ihm benutzt. Und das Schlimmste war, dass er gespürt haben musste, wie bereitwillig sie seinen Kuss erwidert hatte. Sein Blick wurde hart. "Meine Angestellten werden sehr gut dafür bezahlt, dass sie nicht über mich klatschen. Überdies konnte keiner von ihnen Geraldine besonders leiden." Sie war so wütend, dass sie ihn wenigstens genauso aus der Fassung bringen wollte, wie er es mit ihr getan hatte. "Und was ist mit Mr. Peterson?" fragte sie deshalb spitz. "Ist er auch dafür bezahlt worden, dass er alles vergisst?" "Ja", antwortete Hawk schlicht. "Du musstest mich nicht küssen, um mich zum Schweigen zu bringen!" sagte sie erregt. "Es hätte genügt, mir zu sagen, dass jemand kommt. Ich weiß, dass ich vorhin ausgeflippt bin, aber normalerweise ist es nicht meine Art, eine Szene zu machen." "Das weiß ich." Er seufzte müde. "Ich habe einfach ... Es tut mir leid, wenn ich dich in Verlegenheit gebracht habe." In Verlegenheit! Sie zitterte jetzt noch innerlich vor Verlangen und konnte der Versuchung kaum widerstehen, ihre Hand dorthin zu pressen, wo seine Lippen ihre berührt hatten. Verlegenheit war das Letzte, was sie empfand! "Du warst sechs Jahre lang mein Vormund. Solltest du nicht derjenige sein, der verlegen ist, weil er mich geküsst hat?" fragte sie verächtlich, um ihre Verwirrung zu verbergen. Er atmete tief ein. "Verlegenheit hat nichts damit zu tun. Du hast aber Recht, ich hätte dich nie küssen dürfen. Ich werde mit Stephen sprechen und ihn bitten, das, was er gesehen hat, zu vergessen."
"Und vergiss bitte nicht, ihm zu erklären, dass dieser Kuss nichts bedeutet haben kann, da du immer noch deine Exfrau liebst!" stieß Whitney gekränkt aus. "Whitney ..." "Mach dir keine Umstände, mich zu meiner Suite zu geleiten. Sicher ist es dieselbe, die ich noch von meinen früheren Besuchen auf der Yacht kenne!" Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Salon, machte die Tür nachdrücklich hinter sich zu und ging mit hoch erhobenem Kopf die Treppe hinunter auf das Deck, in dem die Schlafsuiten untergebracht waren. Erst als Whitney die Tür der eleganten Suite fest hinter sich verschlossen hatte, erlaubte sie sich, ihre mühsam beherrschte Haltung fahren zu lassen. Hawk hasste es, wenn Leute ihn mitten in einem Gespräch stehen ließen - das hatte sie schon mit sehr jungen Jahren gelernt, nachdem sie einmal eine ganze Woche in ihren Ferien hatte Französisch büffeln müssen, weil sie ihn auf diese Weise brüskiert hatte. Sie war fünfzehn gewesen, als Hawk die Vormundschaft über sie übernommen hatte. Damals hatte sie ihn auch erst persönlich kennen gelernt. Sie wusste zwar, dass ihr Vater und er Freunde waren, weil ihr Vater viel von ihm gesprochen und sie auch in den gleichen Zeitschriften, die über ihren Vater schrieben, die Artikel über den Erben der Hawkworths gelesen hatte. Zu der Zeit dominierten die beiden das MotorradRenngeschäft und wechselten sich bei den Siegen ab, wobei aus der freundschaftlichen Rivalität eine dauerhafte Freundschaft geworden war. Whitney wusste, womit ihr Vater sein Geld verdiente, und war stolz auf ihn. Sie verfolgte seine Karriere als Rennfahrer von dem Internat aus, auf das er sie mit acht Jahren geschickt hatte - ihre Mutter war gestorben, als sie noch ein Baby gewesen war. An dem Tag, als James Hawkworth ans telle ihres Vaters zu ihr in die Schule kam, wusste Whitney, dass die glänzende Karriere des Dan Morgan auf der Rennstrecke, die er so liebte, ein jähes Ende gefunden hatte. Ihre Lehrer hatten das Wissen
über den tödlichen Motorradunfall vor ihr zurückgehalten, bis Hawk eintraf, um ihr die Nachricht vom Tod ihres Vaters schonend beizubringen. Und Whitney schmiegte sich ganz selbstverständlich in die Arme des besten Freundes ihres Vaters, um ihren Verlust zu beweinen. Hawk hielt sie ganz fest in den Armen, bis ihre Tränen verebbten, und erklärte ihr dann ruhig, dass ihr Vater, der einige Jahre älter gewesen war als er, ihn zu ihrem Vormund bestimmt habe. So musste Whitney nicht nur mit dem Tod ihres Vaters, sondern auch mit der Tatsache zurechtkommen, dass sie in die Hände eines völlig Fremden überantwortet worden war. Zunächst änderte sich nicht viel in ihrem Leben. Hawk ließ sie auf dem Internat, damit sie dort noch das letzte Schuljahr beendete. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie die Ferien nicht mehr bei ihrem unternehmungslustigen Vater verbrachte, sondern in dem großen und imposanten Hawkworth House in einem exklusiven Stadtviertel von London, wo Hawk mit seiner Frau wohnte. Whitney, die ihre Mutter nur von Fotos kannte, hatte sich vorgestellt, in Geraldine Hawkworth eine große Freundin zu finden. Doch Hawks Frau erklärte ihr gleich bei ihrem ersten Zusammentreffen ohne Umschweife, wie lästig sie, Whitney, ihr sei und wie sehr diese Vormundschaft ihr Leben durcheinander gebracht habe. Whitney wusste, dass Hawk aus einer sehr reichen Familie stammte, die ihn als schwarzes Schaf betrachtet hatte, als er sich für eine Karriere als Motorradrennfahrer entschieden hatte, anstatt in die Familienunternehmungen einzusteigen. Doch die Vormundschaft über ein fünfzehnjähriges Mädchen und die damit verbundene Verantwortung veranlassten Hawk, sich nun den respektablen Geschäften seiner Familie zuzuwenden, anstatt wie bisher dem aufregenden Leben auf den Rennstrecken der Welt zu frönen. Und Geraldine machte Whitney gegenüber keinen Hehl daraus, wie sehr sie dieses Leben vermisste.
Hawk gab ihr, Whitney, niemals irgendeine Schuld, nicht einmal als sich abzeichnete, welch negative Auswirkungen sein Berufswechsel auf seine Ehe hatte. Trotzdem fiel auch ihm die Eingewöhnung in das Leben eines Geschäftsmannes schwer, und Geraldine ließ keinen Zweifel an ihrer Unzufriedenheit mit diesem neuen, sesshaften Leben - wenngleich das Geld genauso floss wie zuvor. Und da Geraldine sehr aufbrausend war, kam es in den ersten beiden Jahren, nachdem Whitney die Schule abgeschlossen hatte, häufig zu sehr heftigen und hässlichen Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten. Mit achtzehn schlug Whitney Hawk vor, sie wolle in eine eigene Wohnung ziehen, so dass er und seine Frau wieder für sich sein könnten. Doch Hawk klärte sie darüber auf, dass er, obwohl sie nun volljährig war, ihr Vormund bleiben würde, bis sie einundzwanzig sein würde. Ihr Vater hatte immer ein besonderes Bedürfnis gehabt, sie zu beschützen, gerade weil er so wenig Zeit für sie hatte, doch die Aussicht, deshalb drei weitere Jahre mit der verbitterten Geraldine und Hawk verbringen zu müssen, war für Whitney schrecklich. Allerdings änderte sich die Situation zwischen den Ehepartner plötzlich. Geraldine begann, allein auszugehen, und blieb immer öfter sogar die ganze Nacht fort. Hawk zog sich immer mehr zurück und konzentrierte sich ganz auf sein Geschäftsimperium. Er füllte die Rolle, die er ihretwegen übernommen hatte, inzwischen höchst erfolgreich aus und arbeitete nicht selten bis spät in die Nacht. Wobei sich Whitney sicher war, dass dies auch ein Vorwand war, um nicht zu Hause zu sein, wenn Geraldine ausging, um sich mit ihrem neuesten Liebhaber zu treffen. Irgendwie passte die Rolle des gehörnten Ehemanns nicht zu dem Hawk, den Whitney im Lauf der Jahre kennen - und auch lieben - gelernt hatte. Aber da er die Situation, wie sie war, ohne Protest hinzunehmen schien, blieb Whitney nichts anderes übrig, als zu akzeptieren, dass er Geraldine offensichtlich liebte, egal, was sie tat und mit wem sie es tat.
Schließlich war Geraldine jedoch dieses Leben überdrüssig geworden. Kurz vor Whitneys einundzwanzigsten Geburtstag bat sie Hawk um die Scheidung, und er willigte ohne Widerspruch ein. Wie hätte er auch eine Frau halten können, die so offensichtlich von ihm fortwollte? Nachdem Geraldine ausgezogen war, versuchte Whitney in der Zeit, bis die Scheidung durch war, Hawk näher zu kommen und ihm zu zeigen, dass sie ihn wirklich liebte - im Gegensatz zu Geraldine, die zu dumm gewesen war, ihn zu schätzen. Doch Hawk hatte sie zurückgewiesen, indem er so schnell wie möglich dafür gesorgt hatte, dass sie in ein eigenes kleines Haus umzog. Am Vorabend ihres Geburtstags hatte er ihr dann die diamantbesetzte Uhr geschenkt - und seitdem hatten sie sich bis zum heutigen Tag nicht mehr gesprochen. Whitney arbeitete für den "National" seit ihrem zwanzigsten Lebensjahr, und da sie wusste, dass sie gut in ihrem Job war, hatte sie keinen Grund gesehen, ihre Stelle aufzugeben. Natürlich bedeutete das, dass sie Hawk gelegentlich im Redaktionsgebäude sah. Seit der Scheidung von Geraldine und deren Wiederheirat wirkte er älter und noch zynischer, und obwohl er immer noch eine unwiderstehliche erotische Ausstrahlung besaß, gab es nicht einmal Gerüchte über irgendwelche flüchtigen Frauengeschichten. Anscheinend gehörte er immer noch mit Leib und Seele Geraldine, obwohl die ihn nicht mehr wollte. Es schien Hawk egal zu sein, dass Geraldine ihm während ihrer Ehe schamlos Hörner aufgesetzt und seine Liebe zum Gespött gemacht hatte oder dass sie nun einen der korruptesten - und mächtigsten - Männer Englands geheiratet hatte. Whitney kannte Geraldine gut genug, um zu wissen, dass diese Frau wild war auf Nervenkitzel jeglicher Art - je gefährlicher, desto besser. Und deshalb war Whitney auch überzeugt, dass Geraldine bis zu ihrem hübschen Hals in Tom Beresfords Korruptionsgeschichten mit drinsteckte. Sie befürchtete aber auch, das Hawk Geraldine und deren neues
Glück an der Seite eines anderen Mannes, koste es, was es wolle, beschützen würde, gleichgültig, was Geraldine sich zu Schulden hatte kommen lassen. Whitney hoffte inständig, dass sie sich zumindest in diesem Punkt irrte!
3. KAPITEL Wenn Whitney sich gefragt hatte, was sie für die Dauer ihres Aufenthalts an Bord der "Freedom" anziehen sollte, so löste sich dieses Problem von selbst, denn einige Zeit später wurden ihr von einem Mannschaftsmitglied zwei Koffer gebracht, die alles aus ihrer Garderobe enthielten, was sie brauchte. Sie hatte Hawk den Schlüssel zu ihrem Haus jedenfalls nicht gegeben! Empört ging sie Hawk suchen und fand ihn in der Bibliothek, wo er an dem großen Mahagonischreibtisch über einigen Geschäftspapieren arbeitete. "Gehört Einbrechen jetzt zu deinen neuesten Talenten?" fragte sie vorwurfsvoll. Er lehnte sich gelassen zurück und spielte geistesabwesend mit dem goldenen Füllfederhalter in seiner Hand. Whitney erkannte den Stift sofort, denn sie hatte ihn Hawk einige Jahre zuvor zu Weihnachten geschenkt. Hawk folgte ihrem Blick und sagte beiläufig: "Du hast einen guten Geschmack." Leider nicht in allen Dingen. Welche vernünftige Frau würde sich in einen verheirateten Mann verlieben, der ihr nie etwas anderes als brüderliche Zuneigung entgegengebracht hatte? Abgesehen von heute Nachmittag - dieser Kuss war alles andere als brüderlich gewesen! Aber Hawk hatte sich sofort danach entschuldigt, und nichts in seinem Blick erinnerte jetzt an diese leidenschaftliche Zärtlichkeit.
"Du auch", entgegnete Whitney nun, wobei sie auf die diamantbesetzte Armbanduhr deutete. Doch auch sein Geschmack war nicht ohne Makel - in Sachen Geraldine ließ er einiges zu wünschen übrig. "Aber du hast meine Frage nicht beantwortet", fügte sie scharf hinzu. "Bist du in mein Haus eingebrochen, um an meine Kleidungsstücke zu kommen?" "Nein, ich habe den Schlüssel benutzt, Whitney", antwortete er ruhig, wobei er auf ihre große Schultertasche deutete, die auf einem Stuhl in einer Ecke des Raumes lag. "Du hattest sie im Salon vergessen." Sie sah ihn empört an. "Und du hast sie einfach durchwühlt?" "Ist etwa etwas darin, was ich nicht sehen sollte?" fragte er misstrauisch. Außer einigen persönlichen Briefen enthielt die Tasche tatsächlich ihre Akte über Tom Beresford einschließlich der zahlreichen Fotos. Whitney hatte diese so wichtige Akte nie aus den Augen gelassen - außer in einem Moment völliger Verwirrung, als Hawk sie geküsst hatte! Jetzt nahm sie die Tasche und presste sie an sich. "Darum geht es gar nicht! Schlimm genug, dass du meine Handtasche durchwühlt hast, aber die Vorstellung, dass ein Fremder mein Haus betreten und ..." "Ich bin selbst hingefahren und habe deine Sachen geholt", unterbrach Hawk sie freundlich. Whitney wusste nicht, ob sie das nicht noch schlimmer finden sollte. Ihr kleines dreistöckiges Haus in London stammte noch aus viktorianischer Zeit, und sie, Whitney, hatte seinen Zimmern ihren ganz persönlichen Stempel aufgedrückt. Überdies fanden sich überall im Haus Fotos von Hawk glücklicherweise zeigten die meisten davon Hawk mit ihrem Vater, so dass ihm vielleicht nicht die Frage in den Sinn gekommen war, warum sie - so viele Fotos von ihrem ehemaligen Vormund bei sich zu Hause aufgestellt hatte.
"Zumindest etwas", sagte sie, bemüht, ihre Verlegenheit zu verbergen. "Warum hast du mich nicht einfach um den Schlüssel gebeten?" Nervös überprüfte sie den Inhalt ihrer Tasche. "Keine Sorge, es fehlt nichts", sagte Hawk schroff. "Und was ist mit meinem Hausschlüssel?" "Ich habe ihn zurückgetan, als ich ihn nicht mehr brauchte." "Wie überaus freundlich!" "Hättest du lieber für die nächsten drei Wochen immer dasselbe Kostüm getragen?" fragte er ungehalten. Sie presste die Lippen zusammen. "Ich würde lieber nach Hause gehen und weiter an meiner Story arbeiten." "Nein." Sein Ton duldete keinen Widerspruch. "Was soll ich hier den ganzen Tag machen?" protestierte sie. "Ich werde mich zu Tode langweilen!" "Du hast dich an Bord der ,Freedom' noch nie gelangweilt." "Ich war ja auch noch nie als Gefangene an Bord!" Hawks Miene verfinsterte sich. "Du bist auch jetzt keine Gefangene - du darfst nur nicht gehen." "Was für ein bemerkenswerter Unterschied!" spottete sie. "Du kannst dich auf der Yacht frei bewegen." "Besten Dank!" "Ich begreife allmählich, warum Eltern sich so häufig fragen, was sie falsch gemacht haben", entgegnete Hawk gereizt. "All das hier wäre nicht nötig, wenn du einfach tun würdest, was man dir sagt. Aber wir wissen ja beide, dass du das noch nie gut gekonnt hast, nicht wahr?" Whitney errötete, denn sie wusste genau, worauf Hawk anspielte. Sie ha tte sich damals gegen Hawks Wunsch entschieden, mit einigen Freunden in Urlaub zu fahren, und hätte für ihren Eigensinn fast damit bezahlt, dass sie vergewaltigt worden wäre, weil sie sich geweigert hatte, an den Bettspielen der anderen teilzunehmen. Hawk hatte sie schlafend auf einer Bank am Strand gefunden. Offenbar hatte er gespürt, dass ihre Enttäuschung in Bezug auf ihre Freunde Strafe genug
gewesen war, denn er hatte ihr keine Vorhaltungen gemacht. Bis jetzt. "Das ist nicht das Gleiche ..." "Da stimme ich dir zu. Damals hättest du bloß deine Unschuld verloren!" Er war sehr wütend, und Whitney wusste, dass es klüger gewesen wäre, es dabei zu belassen. Doch sie konnte sich nicht mehr zurückhalten. "Woher bist du so sicher, dass ich sie überhaupt noch zu verlieren hatte?" "Wie kommst du auf den Gedanken, dass mich das überhaupt interessiert hat?" entgegnete er barsch. Whitney zuckte sichtlich zusammen. Aber hatte sie es nicht darauf angelegt? Sie seufzte. "Es tut mir leid. All das war wirklich nicht nötig. " "Schön, dass du es einsiehst." Hawk war nicht so leicht zu versöhnen. "Wäre es dir jetzt lieber, wenn ich deine Sachen wieder nach Hause bringe ...?" "Natürlich nicht." Sie gab ihren Widerstand fürs Erste auf. "Ich werde sie brauchen, wenn ich einige Zeit hier an Bord verbringen soll," "Da gibt es kein ,Wenn'!" Whitney begriff, dass sie sich nun besser zurückziehen sollte. Wenn Hawk so wütend war, ließ er nicht mehr mit sich reden. "In dem Fall hoffe ich, dass du auch meinen Bikini eingepackt hast. Dann kann ich mich wenigstens an Deck sonnen." "Kommt nicht infrage." Er schüttelte entschieden den Kopf. Sie sah ihn verständnislos an. "Warum nicht? Ich versichere dir, dass ich nicht vorhabe, mit einem der Mannschaftsmitglieder zu flirten." Er presste die Lippen zusammen. "Meine Männer sind zu loyal, um bei so etwas mitzumachen, selbst wenn du es darauf anlegen würdest. Sie wissen alle - vom Kapitän bis hinunter zum einfachen Matrosen -, dass es sie ihren Job kosten würde. Als ich gesagt habe, dass du dich auf der Yacht frei bewegen kannst,
habe ich innerhalb der Räumlichkeiten gemeint. Ich will nicht, dass du dich auf Deck zeigst, wo man dich sehen kann." "Wer?" fragte sie ungläubig. "Jeder, der daran interessiert sein könnte!" Seine Heftigkeit verwunderte Whitney. Sie kannte Hawk nur gelassen und ruhig. Noch nie hatte er ihr gegenüber so die Beherrschung verloren wie heute. Irgendetwas an dieser Sache hatte ihn ziemlich aus der Fassung gebracht. "Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich in Gefahr bin?" wiegelte sie ab. "Ich dachte, du hättest diese Drohanrufe bekommen! Was glaubst du denn?" entgegnete er hart. Sie wurde blass, als sie sich an die leise, aber unmissverständlich drohende Stimme erinnerte. Es war die Stimme eines Mannes gewesen, aber durch ihr heiseres Flüstern unidentifizierbar. Die Drohungen hatten ernst gemeint geklungen und sie, Whitney, wenn sie ehrlich war, schon ziemlich beunruhigt. "Heißt das, dass Tom Beresford ungeschoren davonkommt?" fragte sie fassungslos. "Nicht unbedingt", widersprach Hawk beiläufig. "Martin meinte, du hättest eine Akte über Beresford samt Fotos." Whitney betrachtete ihn argwöhnisch. "Was ist damit?" fragte sie vorsichtig. "Wenn du sie mir geben würdest, könnte ich sie mal durchblättern und nachsehen, was du gegen ihn zusammengetragen hast." Er wirkte auf sie jetzt zu ruhig, zu gleichmütig. "Die Akte über Beresford ist in meinem Haus", schwindelte sie, wobei sie schuldbewusst Hawks Blick auswich. Unwillkürlich machte sie einen Schritt zurück, als Hawk aufstand. Er lehnte sich gegen den Schreibtisch und beobachtete sie aufmerksam. "Schade", sagte er langsam. Sein Ton gefiel ihr ganz und gar nicht. "Wir könnten hinfahren und sie holen", schlug sie deshalb eifrig vor.
"Ich glaube nicht." Er schüttelte den Kopf. "Es ist scho n spät, Whitney. Warum gehst du nicht in deine Suite und ziehst dich zum Abendessen um?" Whitney zögerte. Sie hatte Hawk fast ein Jahr lang nicht gesprochen, trotzdem konnte sie nicht glauben, wie sehr er sich verändert hatte. Er schien ihr so fern wie nie zuvor. Bis sie achtzehn und seine Ehe mit Geraldine unwiderruflich gescheitert war, hatte er sich ihr gegenüber stets wie ein fürsorglicher großer Bruder verhalten. Jetzt wahrte er unübersehbar Distanz. "Förmlich oder zwanglos?" fragte sie zerstreut. Um seine Mundwinkel zuckte es belustigt. "Sean würde auf ,förmlich' bestehen, ich ziehe ,zwanglos' vor." Ihre Augen leuchteten auf. "Sean? Ist er immer noch bei dir?" "Sollte er nicht?" fragte Hawk erstaunt. Der temperamentvolle Ire war immer Hawks Küchenchef auf der "Freedom" gewesen, obwohl er von seiner Statur her eher zum Maschineningenieur in der Marine getaugt hätte. Er war ein großer, jovialer Mann mit einer Polterstimme und den freundlichsten blauen Augen, die Whitney kannte. Im Grunde war sie natürlich nicht überrascht, dass er immer noch für Hawk arbeitete. Die Mehrzahl seiner Angestellten war überaus loyal, weshalb sie auch keine Sekunde zweifelte, dass Hawk sie an Bord der Yacht würde festhalten können, solange er wollte. Aber es war ein angenehmer Gedanke, einen ihr so freundlich gesonnenen Menschen an Bord zu wissen. Sean hatte sie vom ersten Moment an in sein großes irisches Herz geschlossen. "Ich freue mich darauf, ihn wieder zu sehen", sagte sie strahlend. Hawk verzog das Gesicht. "Ich wünschte, wir hätten alle diese Begeisterung in dir geweckt", sagte er und strich sich über das schmerzende Schienbein. Whitney brachte kein Mitgefühl für ihn auf. "Vielleicht überlegst du das nächste Mal, dass eine schlichte Einladung genügt hätte."
"Martin hat mir da einen ganz anderen Eindruck vermittelt", widersprach Hawk. "Er hat mir gesagt, du hättest mit Drohungen nur so um dich geworfen und überdies abfällige Bemerkungen über meine Erziehungsmethoden gemacht." Er sah sie spöttisch an. Verdammt, Martin wusste ganz genau, dass sie damit nicht auf Hawk angespielt hatte! "Ich glaube, ich werde Martin zu seinem nächsten Geburtstag einen Holzlöffel schenken", sagte sie in gespieltem Zorn. Hawk lachte. Zum ersten Mal seit langem sah Whitney ihn so herzlich und befreit lachen, und sie konnte den Blick nicht von ihm wenden. Sein Gesicht wirkte schlagartig um Jahre jünger, seine goldbraunen Augen blitzten jungenhaft. "Mach dieses Geschenk in unser beider Namen", bat er. "Denn ich bin sicher, dass er mir diese Information genauso sehr deshalb zugesteckt hat, um mich zu ärgern, wie um dich in Verlegenheit zu bringen." "Wahrscheinlich. Aber vielleicht wäre noch besser als ein Holzlöffel, ihn zu einigen Interviews rauszuschicken." "Nein, das wäre grausam!" Sie lachten beide, weil Martins Abneigung dagegen, seinen Schreibtisch zu verlassen, überall nur zu gut bekannt war. Sie war entführt worden, wurde gegen ihren Willen auf der Yacht festgehalten, und dennoch hätte Whitney in diesem Moment alles bereitwillig auf sich genommen, um mit Hawk zusammen zu sein. "Wohin sollte deine Kreuzfahrt denn gehen?" fragte sie atemlos. Das Lachen verschwand aus seinem Gesicht. "Nur einige Tage aufs Mittelmeer hinaus." "Klingt gut." Ihre Augen leuchteten bei der Aussicht, mit ihm allein auf der Yacht zu sein. Die "Freedom" war in der Vergangenheit der einzige Ort gewesen, auf der sie je allein gewesen waren, weil Geraldine nur beim Gedanken an ein Schiff seekrank wurde. Vielleicht würde Hawk ja endlich erkennen, dass - sie, Whitney, kein Kind mehr war.
Er nickte. "Sobald wir erst auf offener See sind, darfst du auch an Deck." "In meinem Bikini?" fragte sie neckend. Hawk ließ den Blick fast widerstrebend über ihre schlanke Gestalt gleiten. "Wenn du unbedingt willst." Er wandte sich ab und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. "Ich muss das hier wirklich vor dem Abendessen noch durcharbeiten ..." Whitney nahm den Fingerzeig auf und ließ Hawk allein. Doch sie fühlte sich keineswegs entmutigt. Vielleicht würde die Zeit an Bord ja gar nicht so schlimm sein! Und sobald sie wieder in London war, würde sie die Arbeit an ihrer Reportage über Tom Beresford fortsetzen. Sie recherchierte jetzt schon seit Monaten in dieser Angelegenheit - eine Woche mit Hawk würde auch keinen Unterschied mehr machen. Als Whitney sich später zum Abendessen mit Hawk im Speiseraum traf, war all ihr Groll auf ihn verflogen. Sie trug ein elegantes schwarzes Kleid, das ihre Weiblichkeit betonte. Ihr tief schwarzes Haar umschmeichelte in weichen Wellen ihr zartes Gesicht und fiel in seidig schimmernden Kaskaden bis weit über die Schultern. Doch so zufrieden sie auch mit ihrem Aussehen war, sie vergaß es in dem Moment, als sie Hawk erblickte. Ebenfalls ganz in Schwarz gekleidet, sah er geradezu sündhaft sexy und attraktiv aus! "Du siehst wunderschön aus", sagte er leise. "Ich bin froh, dass deine Vorstellung von ,zwanglos' nicht Jeans und T-Shirt bedeutet hat", erwiderte sie sein Kompliment indirekt. Er blickte ein wenig zerknirscht auf den mit Kerzen geschmückten Tisch hinter ihnen. "Wie es aussieht, war ich nicht schnell genug, um Stephen daran zu hindern, mit Sean zu klatschen." Whitney errötete. "Es ... macht mir nichts aus." "Ach nein?" fragte er spöttisch.
"Ich meine ... solange es dir nichts ausmacht. Und warum sollte es?" fügte sie hinzu, bemüht, ihre Verlegenheit zu überspielen. "Wie du schon sagtest, wird Geraldine es vermutlich nicht erfahren." Sie verwünschte sich insgeheim, als sie sah, wie verschlossen Hawks Miene bei der Erwähnung seiner Exfrau wurde. "Könnten wir heute Abend bitte nicht über Geraldine sprechen?" bat er kurz angebunden. "Von mir aus gern", erwiderte sie sofort. "Was wird Sean uns wohl zum Abendessen servieren?" Hawk lächelte. "Da er weiß, dass du an Bord bist, vermutlich deine geliebte Pastete und ,Beef Wellington', egal, was ich gern hätte!" Whitney lachte und spürte seine Hand warm auf ihrem Rücken, als er sie zu Tisch geleitete. "Das war, bevor ich auf die Kalorien achten musste!" Hawk blickte sie kritisch über den elegant gedeckten Tisch hinweg an. "Deine Figur ist perfekt", sagte er schroff. "Sie war es immer." "Mag sein, aber sie wird nicht so bleiben, wenn ich mich zu oft von Seans Kochkunst verwöhnen lasse." "Und was stimmt an meiner Kochkunst nicht, das würde mich interessieren?" Sean kam in diesem Moment aus der Kombüse herauf und servierte die Pastete. Er trug Jeans und TShirt, seine einzige Konzession an seinen Beruf war die gestärkte weiße Kochmütze auf seinem feuerroten Schöpf. "Nichts, das ist ja das Problem." Whitney lächelte ihn an. "Schön, Sie wieder zu sehen, Sean!" "Ich freue mich auch, Darling." Er lächelte auf sie herunter, ein gutmütiger Bär von einem Mann, aber auch der beste Koch, dessen Essen Whitney je probiert hatte. "Und ich bin froh, dass Hawk endlich zu Verstand gekommen ist und erkannt hat, was für eine Schönheit Sie sind", fuhr er mit der für ihn typischen Offenheit fort. "Wenn er es nicht getan hätte, hätte ich Sie mir selbst geschnappt."
"Sean..." "Ich wünschte, Sie hätten mir das früher gesagt, Sean", erwiderte Whitney gespielt bedauernd, wobei sie Hawks Einwurf bewusst ignorierte. "Ich habe jahrelang auf Ihren Antrag gewartet. Jetzt ist es leider zu spät." "Ah, so sieht das also aus." Sean ging augenzwinkernd auf ihr Spiel ein. "Trotzdem, wenn schon nicht ich, dann hätten Sie keinen Besseren finden können als Hawk." "Freut mich, dass Sie zustimmen." Sie lächelte Sean an, während Hawks Miene sich zusehends verfinsterte. "Und was ist Ihnen über die Leber gelaufen, mein Junge?" Sean betrachtete ihn durchdringend. "Ich wette, Sie sind ganz benommen vor Glück, stimmt's?" "So ungefähr", antwortete Hawk langsam. Sean nickte zufrieden. "Sollten Sie ihn je leid sein, Whitney, .Liebes, dann denken Sie an den alten Sean O'Gilligen. Ich würde Ihnen ein guter Mann sein." "Darauf wette ich", sagte Hawk leise, als der Koch wieder hinunter in die Kombüse verschwand. "Du hättest ihn nicht so ermutigen dürfen, Whitney", fügte er missbilligend hinzu. Sie zuckte die Schultern und bestrich eine Scheibe Toast mit der köstlichen Pastete. "Ich habe immer mit Sean herumgealbert. Das hat überhaupt nichts zu bedeuten." "Ich meine, unsretwegen", sagte Hawk schroff. "Je weniger Leute das glauben, umso besser." Urplötzlich war Whitney die ganze Freude auf diesen Abend verdorben. "Wegen Geraldine?" "Weil ich sechs Jahre lang dein Vormund war, verdammt!" "Und jetzt bin ich zweiundzwanzig und erwachsen!" entgegnete sie nicht minder heftig. "So erwachsen nun auch wieder nicht!" Sie aßen die Pastete in eisigem Schweigen. Whitney konnte nicht glauben, dass Hawk über ihren harmlosen kleinen Spaß mit Sean so verstimmt war. Er wusste doch genau, dass irgendwelche Gerüchte über sie beide nie über die "Freedom"
hinausgelangen würden. Die Mannschaft der "Freedom" war ihm loyal ergeben, was keineswegs nur an der guten Bezahlung lag. Geraldine war die Einzige gewesen, die ihm diese besondere Form von Loyalität, die Hawk in den Menschen weckte, nicht entgegengebracht hatte. Sie hatte sein Geld ausgegeben, seinen Einfluss ausgenutzt und ihm nur wenig zurückgegeben. In den letzten drei Jahren ihrer Ehe hatten die beiden nicht einmal ein Schlafzimmer miteinander geteilt. Hawk hatte sich nicht anmerken lassen, ob diese erzwungene Enthaltsamkeit ihn gestört hatte. Doch es musste für ihn, der Geraldine immer treu gewesen war, ein schwerer Schlag gewesen sein, als sie ihn um die Scheidung gebeten hatte, um den Mann zu heiraten, der schon seit einigen Monaten ihr Liebhaber gewesen war. "Traurige Erinnerungen?" Whitney blickte von ihrem "Beef Wellington" auf und stellte fest, dass Hawk sie aufmerksam beobachtete. "Ich ... kann mich nicht erinnern." "Seltsam", sagte Hawk ungläubig. "Ich wüsste nicht, dass du je an Gedächtnisschwund gelitten hättest." Sie errötete. "Dann solltest du vielleicht von selbst drauf kommen, dass meine Gedanken persönlicher Natur waren!" entgegnete sie heftig und schämte sich im nächsten Moment für ihre Grobheit. Aber wie hätte sie ihm sagen können, dass sie sich gewünscht hatte, sie hätte ihm die Enthaltsamkeit in all den Jahren versüßen können? "Es ... tut mir Leid." Er nickte. "Wir haben uns in diesem letzten Jahr so auseinander gelebt", sagte er bedauernd. "Ist dir klar, dass ich heute, als ich deine Sachen geholt habe, dein Haus zum ersten Mal gesehen habe?" "Nicht, dass ich dich nicht eingeladen hätte ... Es tut mir leid." Erneut entschuldigte sie sich für ihren bissigen Ton. Das hatte er all die Jahre von Geraldine zur Genüge ertragen müssen. "Du bist natürlich ein sehr beschäftigter Mann."
"Nicht zu beschäftigt für dich, Whitney." Er nahm ihre Hand und drückte sie sacht. "Ich bin immer für dich da, solltest du mich brauchen." Sie brauchte ihn immer. Dieses Jahr ohne ihn war ihr endlos vorgekommen. Zunächst hatte er ihre Einladungen so höflich ausgeschlagen, dass sie gar nicht begriffen hatte, was geschah. Aber schließlich hatte er überhaupt nicht mehr reagiert, und sie hatte aufgehört, ihn zu fragen, weil ihr klar geworden war, dass das Kapitel seines Lebens, in dem sie eine Rolle gespielt hatte, unwiderruflich abgeschlossen war. "Wie hat dir mein Haus gefallen?" fragte sie betont locker. Um seine Mundwinkel zuckte es belustigt. "Ein interessantes Wohnkonzept", antwortete er. Whitney lachte über seine taktvolle Umschreibung. "Es hat dir also nicht gefallen!" "Nun, ich muss zugeben, es hat mich ein wenig gewundert, die Schlafzimmer im Erdgeschoss und das Wohnzimmer im dritten Stock vorzufinden", gestand er ehrlich. "Aber ich habe mich schnell zurechtgefunden." Whitney hatte sich auf den ersten Blick in das alte Haus und sein gewachsenes Umfeld verliebt. Einige kleine Veränderungen, und es war das perfekte Zuhause für sie geworden. "Ist das eine neue Mode?" fragte Hawk neugierig. "Ich meine, diese umgekehrte Aufteilung." Sie schüttelte den Kopf. "Es gefällt mir einfach besser so. Was nützt schließlich die schöne Aussicht aus dem obersten Stock, wenn man die Zimmer nur benutzt, um schlafen zu gehen?" "So habe ich das noch gar nicht betrachtet ..." Hawk schien einen Moment über ihre eigenwillige Logik nachzudenken. Dann nickte er. "Es wäre vielleicht anders, wenn du einen Garten hättest. Aber da das nicht der Fall ist, sehe ich ein, dass es so .bequemer für dich ist."
"Und ungestörter. Ich brauche im Wohnzimmer nie die Vorhänge zuzuziehen, weil dort keiner hineinsehen kann." "Wie ich schon sagte, ein interessantes Konzept", sagte Hawk. "Aber du würdest es nicht in Hawkworth House umsetzen wollen", fügte sie spöttisch hinzu. "Nun, ich habe einen Garten. Außerdem würde es den guten Rusty sicherlich sehr verwirren, wenn ich anfangen würde, sein gewohntes Leben durcheinander zu bringen." Whitney lächelte bei der Erwähnung von Hawks rotem Setter. "Wie geht es ihm?" "Er wird langsam alt... wie wir alle." Sie sah ihn besorgt an. "Er ist doch nicht krank, oder?" Hawk schüttelte den Kopf. "Aber launischer denn je. Ich glaube, die Vaterschaft bekommt ihm nicht." "Rusty ist auf seine alten Tage noch Vater geworden?" fragte sie erstaunt. "Ja", bestätigte Hawk lachend. "Er war schneller als der Golden Labrador, den Mrs. Russell für ihre Honey ausgesucht hatte. Glaub mir, sie fand es überhaupt nicht komisch, als sie die Welpen sah!" Das war vermutlich eine Untertreibung. Whitney hatte Hawks versnobte Nachbarin und ihr Getue um ihre Rassehündin noch sehr gut in Erinnerung. "Sie waren sicher sehr niedlich", sagte sie lächelnd. "Nun, Mrs. Russell war da anderer Meinung, aber sie hat sie alle gut untergebracht. Der gute alte Rusty ist nicht sehr begeistert über die Anwesenheit seines Sohnes und Erben." "Du hast auch einen gekauft?" rief Whitney begeistert aus. "O nein, Mrs. Russell hat mir großzügig angeboten, mir einen auszusuchen", erwiderte er spöttisch. "Allerdings hat sie auch angedeutet, wenn ich keinen nehmen würde, würde sie Honey in meinen Garten lassen, damit sie meine Rosenbeete umgräbt." Der Rest des Essens verlief locker und entspannt, so dass Whitney, als sie schließlich Gute Nacht sagte, das Gefühl hatte,
sie und Hawk wären sich wieder etwas näher gekommen. Der brüderliche Kuss, den er ihr auf die Stirn drückte, war allerdings nicht das, wonach sie sich sehnte! Das Wissen, dass Hawk sich nur wenige Schritte den Flur entlang in seiner Suite befand, machte es Whitney unmöglich einzuschlafen. Nach einer Weile entschied sie sich, in die Bibliothek zu gehen und sich ein Buch zu holen. Ihr Artikel über Tom Beresford ging ihr genauso im Kopf herum wie der Gedanke an die bevorstehenden Tage mit Hawk. Es war so schön, wieder mit ihm zusammen zu sein, auch wenn Hawk nicht ahnen konnte, dass sie diese vermutlich letzte Chance mit ihm benutzen wollte, um ihm die Augen darüber zu öffnen, dass sie kein Kind mehr war. Wenn es ihr auf einer Kreuzfahrt allein mit ihm nicht gelingen würde, konnte sie es wirklich aufgeben! "... hier drinnen sollten wir ungestört sein." Whitney erstarrte in der Bibliothek, als sie Hawk in den angrenzenden Salon kommen hörte. Offensichtlich war er nicht allein. Wer konnte ihn um ein Uhr früh auf der Yacht besuchen, mit dem er ungestört sein wollte? Die Möglichkeit, dass es eine Frau - vielleicht sogar Geraldine Beresford - sein könnte, ließ sie reglos verharren. "Niemand hat Sie an Bord kommen sehen?" Hawks Frage wurde von einem leisen Gläserklirren begleitet. Offenbar schenkte er für sich und seinen Gast einen Drink ein. "Niemand", bestätigte sein Gast. "Ich bin kein blutiger Amateur!" Es war eine Männerstimme, und sie kam Whitney irgendwie bekannt vor. Whitney lauschte angestrengt. "Ich musste eine Wache an Deck lassen." Hawk seufzte. "Sie wissen, dass Whitney an Bord ist? Ich hatte keine Wahl", kam er einem Protest seines Besuchers zuvor. "Sie wurde zu neugierig." "Es hat ihm sicher nicht gefallen, sie gestern Mittag in dem Restaurant zu sehen", räumte der Gast ein.
Du liebe Güte, dieser Mann stand in irgendeiner Beziehung zu Tom Beresford! Und Hawk? "Ich werde nicht zulassen, dass er oder irgendein anderer ihr weh tut", sagte Hawk scharf. "Sie ist noch ein Kind, dem nicht klar ist, worauf es sich eingelassen hat." "Er sieht das, glaube ich, etwas anders", gab der Besucher zu bedenken. "Und er wird sehr vorsichtig sein, wenn er herausfindet, dass sie hier bei Ihnen ist." "Whitney war mein Mündel, und sie arbeitet für mich", wehrte Hawk gelassen ab. "Und gerade das Letztere gibt ihm zu denken. Deshalb ist er sich Ihrer nicht sicher - was wir nach all der Arbeit, die wir schon in die Sache gesteckt haben, nicht zulassen können." "Hören Sie, Glyn..." Glyn? Glyn Briant, einer von Tom Beresfords Leibwächtern? Whitney glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Sie wollte einfach nicht glauben, dass Hawk ihre Arbeit an der Beresford-Story unterbinden wollte, weil er selbst mit Tom Beresford unter einer Decke steckte! Aber was sonst konnte das alles bedeuten? "Hat sie die Akte und die Fotos dabei?" fragte Glyn jetzt. Hawk seufzte. "Sie streitet es ab, aber ich habe gestern Nachmittag ihr Haus durchsucht. Dort ist die Akte nicht. Als mir klar wurde, dass sie die Sachen vermutlich in ihrer Tasche hat, hatte sie diese bereits wieder an sich genommen. Leider bin ich nämlich wirklich ein Amateur." "Die Akte und die Fotos sind das Einzige, was ihn an ihr interessiert", sagte Glyn. "Unnötig zu erwähnen, dass auch ich gern einen Blick darauf werfen würde." "Als ich eingewilligt habe, bei der Sache mitzumachen, habe ich mir doch ausdrücklich ausbedungen, dass Whitney herausgehalten werden muss!" "Hawk, sie hat sich doch selber eingemischt", entgegnete Glyn gereizt. "Man hat sie gewarnt, und trotzdem hat sie weitergemacht. Sie wissen genau, dass zu viele andere Schaden nehmen, wenn wir jetzt aussteigen. Wenn Sie ihm geben
können, was er haben will, wird er Whitney Morgan vielleicht vergessen." "Okay. " Hawk seufzte. "Ich werde Ihnen diese Akte und die Fotos besorgen." "Und was werden Sie inzwischen mit Miss Morgan machen?" "Ich nehme sie für einige Tage auf eine Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer mit und hoffe, dass er sie dann einfach vergisst, wie Sie gesagt haben." "Einige Tage ... Nicht einmal einige Wochen würden reichen", widersprach Glyn. "Sie war in letzter Zeit zu neugierig." "Schön, was würden Sie vorschlagen?" fragte Hawk ungehalten. Glyn schwieg eine Weile und schien zu überlegen. "Vielleicht könnten wir ihm ja zeigen, dass Whitney harmlos ist", schlug er schließlich vor. "Und wie?" fragte Hawk. "Ihr Chefredakteur hat sie auf meine Veranlassung hin vor sechs Monaten angewiesen, die Story fallen zu lassen, doch sie hat sich einfach nicht darum gekümmert." "Mit dem Erfolg, dass er jetzt nervös und aufgeschreckt ist!" Tom Beresford nervös? Wenn es so war, hatte er es bei dem Mittagessen mit ihr aber sehr gut verborgen! "Wir sind schon zu weit gegangen, haben schon zu viel riskiert, um die Sache jetzt platzen zu lassen!" stieß Hawk aus. "Und sie wird platzen, wenn ich das bisschen Vertrauen, das ich bei ihm aufgebaut habe, wieder verliere. Er ist so verdammt vorsichtig!" "Wären Sie das nicht, vor allem in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen?" "Whitne y obliegt allein meiner Verantwortung. Ich habe sie im Griff", erklärte Hawk zuversichtlich. "Wirklich?" "Ja."
"Sie macht auf mich nicht den Eindruck einer jungen Dame, die sich leicht im Griff haben lässt", spottete Glyn Briant. "Sie wird tun, was ich ihr sage!" "Hoffentlich haben Sie Recht! Ich bin nicht so weit gekommen, um alles zu verlieren, nur weil ein kleines Mädchen zu neugierig ist." "Das wird nicht passieren." "Schieben Sie die Kreuzfahrt aufs Mittelmeer erst einmal auf", wies Glyn Hawk an. "Ich glaube, im Moment sähe es nicht so gut aus, wenn Sie beide in den Sonnenuntergang davonsegeln würden." "Zwischen Whitney und mir ist nichts!" sagte Hawk schroff. "Meinen Sie, Geraldine würde das glauben?" "Wer weiß schon, was Geraldine denkt?" wehrte Hawk geringschätzig ab. "Hören Sie, Glyn, es gefällt mir nicht, dass Whitney mit hineingezogen wird." "Wir haben keine andere Wahl. Sie steckt bereits mitten drin und muss genau wie wir das Beste daraus machen." "Wenn sie misstrauisch wird ..." "Dann wird es sich zeigen, wie gut Sie sie im Griff haben", sagte Glyn kalt. "Kein anderer darf wissen, dass wir an dieser Geschichte beteiligt sind - und wir müssen die Sache bald ins Rollen bringen. Es hängen Leben davon ab." "Whitney..." "Ihrem kleinen Mündel wird nichts passieren, solange Sie ihn davon überzeugen können, dass Sie sie im Griff haben. Besorgen Sie inzwischen die Akte und die Fotos. Damit können wir ihn wenigstens unter Druck setzen", riet Glyn Hawk beschwörend. Weiter hörte Whitney nichts mehr, denn Hawk schien seinen Besucher wieder hinauszubegleiten. Whitney versuchte zu begreifen, was sie belauscht hatte. Es hingen Leben davon ab, dass Hawk irgendein Geschäft mit Tom Beresford über die Bühne brachte? Vielleicht sogar Hawks Leben?
4. KAPITEL Am nächsten Morgen hatte Whitney das Gefühl, am Frühstückstisch einem Fremden gegenüberzusitzen. Der Hawk, der sich auf die zwielichtigen Geschäfte eines Tom Beresford einlassen konnte, war nicht mehr der Mann, der sie vor sieben Jahren so fürsorglich in sein Haus aufgenommen und den sie im Lauf der Jahre lieben gelernt hatte. Andererseits hatte er sie auch genauso aus heiterem Himmel vor einem Jahr aus seinem Leben abgeschoben und ihr seine Zuneigung entzogen, nachdem er seine Pflicht erfüllt hatte. Wann hatte er sich so dramatisch verändert? Und warum? Whitney fiel nur ein plausibler Grund ein: Geld. Hawk hatte damals ihr zuliebe seine geliebte und erfolgreiche Karriere als Motorradrennfahrer aufgegeben, um ein respektabler Geschäftsmann zu werden, wie es seiner Ansicht nach seine Aufgabe als Vormund verlangte. Was, wenn er in dieser Rolle gescheitert war und das Familienvermögen verloren hatte? In dem Fall war es gewissermaßen ihre Schuld, und sie fühlte sich verantwortlich. Vermutlich hatte er aus dem gleichen Grund auch Geraldine verloren, die nicht der Typ war, ein Versagen zu dulden. Zumal wenn sie nicht mehr so viel Geld zur Verfügung hatte, wie sie es gewohnt gewesen war.
Natürlich war das alles keine wirkliche Rechtfertigung dafür, sich mit einem Mann wie Tom Beresford einzulassen. Und dem Gespräch zwischen Hawk und Glyn Briant hatte Whitney entnommen, dass offensichtlich auch Beresford nicht restlos von Hawks Bereitschaft überzeugt war, weshalb Hawk unter Druck stand, sich beweisen zu müssen. "Du bist heute Morgen sehr still...?" Sie blickte schuldbewusst auf, wobei sie es jedoch vermied, Hawk direkt in die Augen zu sehen. "Ich habe nicht so gut geschlafen", sagte sie, was sogar der Wahrheit entsprach. Er nickte verständnisvoll. "Die erste Nacht an Bo rd ist immer etwas seltsam, auch wenn man sich nicht auf See befindet." Die vergangene Nacht war nicht seltsam, sondern eine Katastrophe gewesen! Whitney kämpfte mit den Tränen. "Es wird dich sicher freuen, zu hören, dass ich mich entschieden habe, noch ein paar Tage länger in London zu bleiben", fuhr Hawk beiläufig fort. Sie schluckte. "Heißt das, unsere Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer fällt aus?" "Du warst doch sowieso nicht so begeistert davon." Nun, jetzt war sie ganz wild darauf! Wie es aussah, war Hawk noch nicht aktiv in Tom Beresfords korrupte Geschäfte eingestiegen, und wenn es ihr gelänge, ihn fortzulocken und ihn davon zu überzeugen, dass er im Begriff stand, einen schweren Fehler zu begehen, wäre sie sogar bereit gewesen, dafür auf ihre Story zu verzichten. "Es würde uns sicher viel Spaß machen, Hawk", sagte sie beschwörend. Diesmal wich er ihrem Blick aus. "Es ist etwas dazwischengekommen"; sagte er kurz angebunden. "Ich muss noch eine Weile hier bleiben. Tatsächlich muss ich jetzt in die Stadt. Also, warum legst du dich nicht noch etwas hin? Du siehst ziemlich müde aus. Ich werde die Mannschaft anweisen, dich nicht zu stören."
Wie sollte sie in Ruhe schlafen, wenn Hawk im Begriff stand, persönlichen Selbstmord zu begehen? "Ach ja, wenn du möchtest, kann ich ja auf dem Weg die Akte über Tom Beresford aus deinem Haus holen", fügte er noch beiläufig hinzu. Whitney stockte der Atem. Selbst wenn sie gewollt hätte, konnte sie ihm die Akte jetzt nicht mehr geben, weil sie wusste, dass er sie nur benutzen würde, um seine eigene Vernichtung voranzutreiben. "Ich ... ich glaube, sie liegt in meinem Schreibtisch", schwindelte sie, wobei sie unwillkürlich nach ihrer Tasche griff, die neben ihr auf einem Stuhl lag. "Whitney..." Um ihn abzulenken, stieß sie mit einer bewusst ungeschickten Bewegung ihr Glas Orangensaft um, so dass sich der Saft über Hawks Hose ergoss. "Ach herrje, wie ungeschickt von mir! Es tut mir so Leid, Hawk!" "Nicht so schlimm", beruhigte er sie. "Ich gehe mich rasch umziehen." Sobald Hawk fort war, atmete Whitney erleichtert auf und goss sich einen starken Kaffee ein. Verzweifelt fragte sie sich, wie sie bloß mit dieser Sache fertig werden sollte. Sie musste Hawk stoppen! Aber wie? Vielleicht machte er sich jetzt gerade fertig für ein Treffen mit Tom Beresford! "Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat", entschuldigte sich Hawk, als er zehn Minuten später zurückkam. "Aber der Orangensaft war so klebrig, dass ich noch schnell geduscht habe." Er trug ein leichtes Sommersakko, eine helle Hose und ein helles Polohemd und sah wieder einmal umwerfend attraktiv aus. Maßanzüge, Seidenhemden, handgefertigte Schuhe, eine Luxusyacht, Hawkworth House ... Und das alles war nur leerer Schein! "Hawk", sagte sie zögernd, "du weißt, dass ich trotz unserer Probleme in diesem Jahr immer zu dir stehen würde, solltest du
in Schwierigkeiten stecken und Hilfe brauchen, ja?" Sie sah ihn beschwörend an. Er nickte nachdenklich. "Das will ich hoffen." "Und dass ich dir auf jede erdenkliche Weise helfen wollte, solltest du über irgendetwas bekümmert sein?" Er nickte erneut. "Dessen bin ich mir sicher." Sie schluckte. "Und? Bist du es?" "Bekümmert?" wiederholte er amüsiert. "Im Moment fällt mir eigentlich nichts ein." Whitney wollte es nicht glauben. So sehr konnte er sich doch nicht verändert haben! "Ach ja, wenn ich im Verlagshaus bin, kann ich ja auch gleich deinen Schreibtisch leer räumen." Er warf ihr einen herausfordernden Blick zu. Whitney wusste, dass er fest mit einem Widerspruch von ihrer Seite rechnete. Aber der Job, der ihr in diesem vergangenen Jahr so viel bedeutet hatte, weil ihr nichts anderes geblieben war, schien ihr jetzt nicht mehr wichtig angesichts dessen, was Hawk zu tun im Begriff stand. Deshalb zuckte sie nur die Schultern. "Es ist deine Zeitung." Er betrachtete sie forschend. "Es ist nur zu deinem Besten, Whitney." "Davon bin ich überzeugt." Seine Miene wurde bedenklich. "Bist du sicher, dass du nur übermüdet bist? Weil du überhaupt nicht du selbst zu sein scheinst." Der Anflug eines Lächelns huschte über ihr Gesicht. "Weil ich nicht wie gewöhnlich aufbrause?" "Ja", erwiderte Hawk ehrlich. Sie lachte wider Willen, obwohl ihr ganz und gar nicht zum Lachen zu Mute war. "Man kann dir wirklich nicht vorwerfen, dass du mich mit Schmeicheleien um den Finger wickelst!" "Das wiederum würde mir nicht ähnlich sehen." Was zutraf. Hawk war wirklich kein Mensch, der mit Komplimenten um sich warf und vor Charme sprühte. Dennoch
fühlten sich die Frauen unwiderstehlich von ihm angezogen, obwohl er ihr offensichtliches Interesse nie erwidert hatte ... wegen Geraldine. "Hawk ..." Whitney sah ihn bittend an. "Könnten deine Geschäfte nicht einige Tage warten? Wir hätten sicher viel Spaß zusammen, wenn wir jetzt zu einer kleinen Kreuzfahrt aufbrechen würden ... so wie früher." Geraldine hatte sie nur ein einziges Mal zu einer Kreuzfahrt auf der "Freedom" begleitet und damals tagelang seekrank in ihrer Suite gelegen. Von da an war Hawk immer mit ihr, Whitney, allein zu kleineren Kreuzfahrten aufgebrochen, und sie hatte diese Zeit mit ihm genossen. Jetzt aber schüttelte er bedauernd den Kopf. "Dieses Geschäft kann leider nicht warten." Sein Ton verriet, dass jeder Einwand vergeblich sein würde. Standen die Dinge derart dramatisch? "Ruh dich über den Tag aus, Whitney", sagte er sanft, als er ihr enttäuschtes Gesicht sah. "Heute Abend werden wir dann etwas zusammen unternehmen, das verspreche ich dir." Sein Beschwichtigungsversuch machte sie wütend. "Verrat mir eines, Hawk", sagte sie scharf. "Habe ich wie ein Kind auf dich gewirkt, als du mich gestern geküsst hast?" Er presste die Lippen zusammen. "Natürlich nicht ... Das weißt du genau." "Dann versuch nicht, mich wie ein kleines Kind zu beschwichtigen!" Ihre veilchenblauen Augen funkelten. "Ich bin zweiundzwanzig und keine fünfzehn mehr. Du brauchst mir keine ,besondere Freude' zu versprechen, um eine Enttäuschung wieder gutzumachen." "Ich wollte doch nur ..." "Ich weiß, was du wolltest", fiel sie ihm ins Wort, stand auf und ging entschlossen auf ihn zu. "Und wenn du mich schon mit einer ,besonderen Freude' trösten willst, dann möchte ich sie mir ganz gern selber aussuchen." Bei diesen Worten legte sie ihm die Arme um den Nacken und zog ihn zu sich heran.
Bei dem gestrigen Kuss war Hawk kühl und gelassen geblieben. Whitney war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass es heute anders sein würde. Sie legte alles in diesen Kuss - all ihre Liebe, all ihre Zärtlichkeit, all ihre Leidenschaft. Dabei schmiegte sie sich verführerisch an ihn und spürte, wie er erstarrte, als sie ihm die Zunge nspitze verlangend zwischen die Lippen schob. Als Hawk ihre Taille umfasste und sie an sich presste, konnte er nicht mehr verleugnen, wie erregt er war. Heißer Triumph stieg in ihr auf. Stöhnend drängte sie sich an Hawk und überließ nun ihm die Initiative. Whitney hatte immer geahnt, dass Hawk ein überaus sinnlicher Mann war, und was sie jetzt erlebte, bestätigte ihr, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Hawk küsste sie heiß und leidenschaftlich, wobei er die Hände begehrlich über ihren schlanken Körper gle iten ließ. Sehnsüchtig hob Whitney ihm die Brüste entgegen. Doch im nächsten Moment ließ Hawk die Hände sinken und wich fast entsetzt von ihr zurück. "Was fällt dir ein?" stieß er ungläubig aus. "Was, zum Teufel, fällt dir ein?" Whitney sah ihn herausfordernd an. "Ich denke, das weißt du sehr gut." "Whitney ...?" Er schüttelte verwirrt den Kopf. "Das war überhaupt nicht komisch!" Sie lachte spöttisch. "Das sollte es auch nicht sein." Er presste die Lippen zusammen. "Wenn du mir damit beweisen wolltest, dass du erwachsen bist - das war mir auch so schon klar!" Am liebsten hätte sie vor Enttäuschung geweint. Wie konnte er sie nur so missverstehen? Andererseits, wie hatte sie nur glauben können, dass ein aufgezwungener Kuss ihn veranlassen könnte, in ihr etwas anderes zu sehen als die Tochter seines besten Freundes, das Mädchen, für das er die Fürsorge übernommen hatte? Diese Verpflichtung hatte von ihm einen hohen Preis gefordert: seine geliebte Karriere, die Frau, die er
besessen liebte, und, wie es aussah, sogar sein Vermögen. Allein die Tatsache, dass er sie nicht längst zutiefst hasste, war Beweis für sein großes Herz. Whitney wandte sich ab. "Es tut mir Leid. Ich war wütend ... und du kennst mich ja, Hawk", sagte sie gespielt locker. "Ich mache die dümmsten Sachen, wenn ich wütend bin. Wie geht es übrigens deinem Schienbein?" "Es tut noch weh, aber ich werde es überleben", antwortete er sichtlich erleichtert und blickte auf die Uhr. "Ich muss jetzt wirklich los. Wirst du hier den ganzen Tag allein klarkommen?" "Du meinst, ob ich versuchen werde zu fliehen?" fragte sie direkt. "Whitney, du bist keine Gefangene!" entgegnete er gereizt. "Verdammt, ist es denn eine solche Strafe, etwas Zeit mit mir zu verbringen?" Strafe? Es wäre himmlisch gewesen, wenn sie nicht gewusst hätte, dass Hawk in den nächsten Tagen vermutlich etwas unternehmen würde, das sein ganzes Leben zerstören würde! "Du wirst doch die meiste Zeit sowieso nicht da sein", sagte sie zerstreut. Plötzlich kam ihr eine Idee. "He, warum nimmst du mich nicht einfach mit?" "Es ist eine geschäftliche Besprechung." "Ich würde dir bestimmt nicht im Weg sein", versicherte sie ihm rasch. "Whitney, waren wir uns nicht einig, dass du müde bist?" "Das bin ich auch", räumte sie ein. "Aber tagsüber kann ich doch nicht schlafen." "Trotzdem könntest du dich ausruhen." Sie spürte, dass sie auf verlorenem Posten kämpfte. Dabei .wäre es die ideale Lösung gewesen: Solange sie bei ihm war, konnte sich Hawk wohl kaum mit Tom Beresford treffen. Noch einmal zog sie alle Register. "Du willst mich nur nicht dabeihaben!" schmollte sie mit einem hinreißenden Augenaufschlag.
Hawk lächelte. "Ich erinnere mich noch gut daran, als du mir das letzte Mal ein schlechtes Gewissen gemacht hast. Es hat damit geendet, dass ich zwei Wochen lang Tag für Tag mit dir in Wimbledon verbracht habe, obwohl ich Tennis hasse!" "Und mir hast du gesagt, dass es dir Spaß gemacht hat!" antwortete sie empört. "Ich wollte dich nicht enttäuschen", gestand er. "Aber heute muss ich es. Dieses Treffen ist rein geschäftlich, und du würdest dich nur zu Tode langweilen. Nein, Whitney", kam er jedem weiteren Einwand zuvor. "Ja, ich habe endlich gelernt, dir gegenüber Nein zu sagen." "Das klingt ja, als wäre ich eine verwöhnte Göre!" "Ich habe nur das vollendet, was dein Vater angefangen hatte", entgegnete er neckend. "Nur dass ich nicht deine Tochter bin", wandte sie vielsagend ein. Sein Gesicht nahm einen verschlossenen Ausdruck an. "Nein, aber du bist die Tochter, die ich mir immer gewünscht habe." Whitney blickte ihm ungläubig nach. Sah er sie so? Als Tochter? Das durfte nicht wahr sein! Whitney nutzte Hawks Abwesenheit, um die Akte über Tom Beresford und die Fotos hervorzuholen und auf dem Schreibtisch in der Bibliothek auszubreiten. Niemand sonst an Bord war sich der Bedeutung dieser Unterlagen bewusst. Aber egal, wie oft sie sich das Material auch ansah, sie konnte einfach nichts entdecken, womit Hawk Beresford wirklich unter Druck hätte setzen können. Schön, sie hatte gründlich recherchiert und Dutzende von Fotos gemacht, trotzdem hatte sie noch keinen hieb- und stichfesten Beweis erbringen können, dass tatsächlich von Beresford Bestechungsgelder geflossen waren. Hawk würde sehr enttäuscht sein, wenn er die Akte schließlich in die Hand bekam. Und Whitney zweifelte nicht daran, dass es passieren würde, denn sie konnte ihn nicht ewig belügen. Doch als Hawk ihr an diesem Abend die Sachen aus ihrem Schreibtisch brachte, erwähnte er die Akte und die Fotos mit
keinem Wort. Er wirkte jedoch so müde und abgespannt, dass Whitney sich mehr denn je wünschte, sie könnte ihm irgendwie helfen. Aber er hatte ihr ja sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass er ihre Einmischung nicht wünschte. Sofort nach dem Abendessen hatte Hawk sich dann in die Bibliothek zurückgezogen unter dem Vorwand, arbeiten zu müssen. Whitney hatte sich ein heißes Bad gegönnt und war danach sehr schnell eingeschlafen. Sie wusste nicht genau, was sie geweckt hatte. Plötzlich war sie hellwach und setzte sich auf. Der Wecker zeigte ein Uhr - die gleiche Zeit, zu der Glyn Briant vergangene Nacht auf die Yacht gekommen war! Das konnte kein Zufall sein. Whitney zog sich ihren Bademantel über das Seidennachthemd und schlich sich leise nach oben an Deck. Es war eine wundervolle Sommernacht, klar und warm. "Was machst du hier draußen?" fragte Hawk unvermittelt aus der Dunkelheit. Schuldbewusst fuhr sie herum und bemerkte erleichtert, dass er allein war. Er kam vom Sonnendeck im Heck der Yacht. Sein Sakko hatte er abgelegt, den Hemdkragen aufgeknöpft... Whitney konnte den Blick nicht von ihm wenden. "Irgendetwas hat mich geweckt", antwortete sie und drehte sich aufhorchend um, als sie draußen auf dem Kai den Motor eines Wagens hörte. Für einen Moment sah sie Autoscheinwerfer aufleuchten, dann wendete der Wagen, und nur noch die Rücklichter waren zu sehen, bis sie in der Dunkelheit verschwanden. Whitney wandte sich wieder Hawk zu. "Ein Besucher?" fragte sie gespielt beiläufig. Er wich ihrem Blick aus. "Auf einer der anderen Yachten vermutlich." Nach Glyn Briants Besuch in der vorangegangenen Nacht glaubte sie ihm natürlich nicht. "Das muss mich geweckt haben. Hast du auch noch nicht geschlafen?" "Ich musste noch einiges erledigen." Er sah sie forschend an.
"Ich verstehe." Sie zeigte keinerlei Eile, in ihre Suite zurückzukehren. "Es ist schon spät, Whitney", drängte Hawk. "Oder früh - je nachdem, wie man es betrachtet." Hawk seufzte ungeduldig. "Bist du denn gar nicht müde?" "Nicht besonders. Wie wär's, wenn wir noch einen Schlummertrunk zusammen trinken?" schlug sie fröhlich vor. "Whitney..." "Im Salon oder hier draußen an Deck?" ging sie ungerührt über seine Einwände hinweg. Wenn sie ihn nur dazu bringen könnte, mit ihr zu reden! "Ich habe schon eine Flasche Brandy hier oben", räumte er widerstrebend ein. Whitney folgte ihm zur Sitzecke im Heck der Yacht. Ihr entging nicht, dass zwei der Gläser auf dem Tablett bereits benutzt waren. Glyn Briant war also wieder hier gewesen! "Danke." Lächelnd nahm sie von Hawk das Brandyglas entgegen und machte es sich in einem der gepolsterten Sessel" bequem. Hawk blieb sichtlich angespannt stehen und trank seinen Brandy mit großen Schlucken. Whitney atmete tief ein. "Kann ich dir irgendwie helfen?" "Wie bitte?" Er blickte sie verständnislos an. Sie zuckte die Schultern. "Nun ja, ich kann mich nicht erinnern, dass du es je nötig gehabt hättest, die halbe Nacht durch zu arbeiten", sagte sie so harmlos wie möglich. Verdammt, wie sollte sie ihn dazu bewegen, sich ihr anzuvertrauen? Sie konnte ihn doch nicht geradeheraus fragen, ob er mit Tom Beresfo rd unter einer Decke steckte. Dann würde er sie nur eiskalt abfahren lassen. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so hilflos gefühlt. "Ich sagte dir doch, ich musste noch einige Dinge erledigen, bevor wir in See stechen können." Sie sah ihn überrascht an. "Dann ist die Kreuzfahrt immer noch geplant?"
"Habe ich je etwas anderes gesagt?" beantwortete er ihre Frage mit einer Gegenfrage. Genau genommen hatte er das nicht, aber Whitney war nach Lage der Dinge davon ausgegangen und war sich sicher, dass ihre Annahme bis vor wenigen Minuten auch noch zutreffend gewesen war. Was hatte Glyn Briant Hawk heute Nacht erzählt, das ihn veranlasst hatte, seine Pläne erneut zu ändern? Denn aus irgendeinem Grund waren die beiden Männer jetzt offensichtlich zu dem Schluss gelangt, dass diese Kreuzfahrt nun doch eine gute Idee sei. "Wie hat Martin eigentlich die Nachricht von meiner Entlassung aufgenommen?" wechselte sie bewusst das Thema. "Niemand zweifelt meine Entscheidungen an", erwiderte Hawk selbstbewusst, bevor er mit einem bezeichnenden Blick auf sie hinzufügte: "Zumindest fast niemand." Whitney lächelte. "Dann war Martin nicht zu aufgebracht darüber, seine Starreporterin zu verlieren?" Hawk wandte sich ab und blickte zu den anderen Yachten hinüber. "Nein, nicht allzu aufgebracht", sagte er schließlich. "Sobald diese Sache vorbei ist, helfe ich dir, einen neuen Job zu finden, Whitney. Wenn du nur nicht..." "Ja?" Sie kam dicht an seine Seite und blickte vertrauensvoll zu ihm auf. "Hawk ..." "Fass mich nicht an!" Er wich vor ihrer ausgestreckten Hand zurück und trank einen großen Schluck Brandy. "Hawk?" Diese rüde Zurückweisung kränkte sie tief. Noch nie hatte Hawk so auf sie reagiert. Seine Miene war wie versteinert. "Es ist schon spät. Ich habe heute Abend zu viel Brand y getrunken, und ich kann mich nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt mit einer Frau geschlafen habe. Verdammt, Whitney, ich bin im Moment zu verletzbar!" Sie sah ihn an und verstand. In seinen goldbraunen Augen leuchtete brennendes Verlangen, und seine Haltung verriet, wie angespannt er war. Würde er sich ihr anvertrauen, wenn sie ein Liebespaar würden? "Hawk ..."
"Nein, Whitney!" Er wich erneut zurück. "Ich will dich nicht." "Doch, du willst mich", widersprach sie zuversichtlich und spürte, wie sein Herz pochte, als sie ihm eine Hand auf den Oberkörper legte. "Hawk, ich bin hier, wenn du mich willst." "Ich will dich nicht!" Er atmete schwer. "Hawk, es ist gut. Ich bin kein Kind mehr, und wir könnten uns so viel geben." "Nein!" Er meinte es nicht wirklich. Begehrlich ließ er den Blick über ihre wohlgeformten Beine gleiten, als sich ihr Bademantel vorne teilte. "O doch", beharrte sie. "Ich würde dich nur benutzen", stöhnte er, als sie sich an ihn schmiegte. "Dann benutz mich, Hawk", ermunterte sie ihn heiser. Er schluckte. "Ich kann es nicht tun." "Doch, du kannst es." Langsam begann sie, ihm das Hemd aufzuknöpfen. "Wir können es nicht tun!" Er schüttelte verzweifelt den Kopf. "Ich kann es." Whitney streifte ihm das Hemd von den Schultern. Bewundernd betrachtete sie seinen sonnengebräunten athletischen Oberkörper, der im silbernen Mondlicht samten schimmerte. Allein der Anblick erregte sie, und es kribbelte sie in den Fingern, ihn zärtlich zu erkunden. "Es darf nicht sein, Whitney", flüsterte Hawk rau, als sie seine Brust mit zarten, verführerischen Küssen bedeckte. "Whitney, wie soll ich das ertragen?" stöhnte er, als sie die Zungenspitze über seine warme Haut gleiten ließ. "Wenn du nicht sofort damit aufhörst..." Doch Whitney hatte nicht vor aufzuhören. Im Schutz der Dunkelheit fand sie den Mut, all jene Dinge zu tun, von denen sie immer geträumt hatte. Verlangend erkundete sie seinen Körper mit Händen und Lippen. Hawk ermutigte sie nicht,
wehrte sich aber auch nicht mehr, sondern schien seinen Gefühlen machtlos ausgeliefert. Seine Passivität erregte Whitney nur noch mehr. Zu lange hatte sie davon geträumt, ihn so zu lieben. Sie kostete es aus, seinen männlich schönen Körper ausgiebig zu liebkosen, als sie gemeinsam auf das Sofa hinter ihnen sanken. Immer heißer und begehrlicher wurden ihre Küsse, und nun hielt auch Hawk nichts mehr zurück. Ungeduldig zog er ihr den Bademantel auf und knöpfte ihr Nachthemd auf. Whitney hob ihm die Brüste verlangend entgegen und stöhnte erregt auf, als er eine der harten Spitzen mit dem Mund umschloss und sacht daran saugte. Hawk erschauerte heftig, als sie seine Hüften umfasste und sich an ihn presste. Sie genoss es, seinen wundervollen Körper auf sich zu spüren, und wollte ihn endlich ganz fühlen. Ohne von seinen Lippen zu lassen, zog sie sich das Nachthemd aus und schmiegte sich nackt an Hawk. Das war der Moment, von dem sie immer geträumt hatte, der Moment, da sie Hawk endlich ganz gehören würde. Whitney stand lichterloh in Flammen und begegnete Hawks Zärtlichkeiten mit all der Leidenschaft, die sie nur für ihn aufbewahrt hatte. Lustvoll seufzend kam sie ihm entgegen, als er ihr eine Hand zwischen die Schenkel schob und sie erregend liebkoste. Und ihre Erregung steigerte sich in ungeahntem Maß, als er sich dann auf sie legte und sich an sie drängte. "Hawk!" rief sie atemlos aus, denn sie spürte, dass sie im nächsten Moment ohne ihn zum Höhepunkt gelangen würde. "Du wirst mich danach dafür hassen", flüsterte er an ihren Lippen. "Solange du nur weißt, dass ich es bin, ist mir alles egal", hauchte sie. Hawk hielt inne, und Whitney wusste, dass sie genau das Falsche gesagt hatte. Tränen der Enttäuschung stiegen ihr in die Augen, als Hawk benommen auf sie herabblickte, als würde er sie zum ersten Mal sehen. Sie hatte behauptet, es sei ihr egal,
wenn er sie benutzte. Doch ihr war nicht klar gewesen, dass sie nur Ersatz für die Frau sein würde, die ihn verlassen hatte und die er immer noch liebte! Mit zittrigen Fingern zog sie sich ihren Bademantel wieder an und hob ihr Nachthemd vom Boden auf. Hawk stand mit dem Rücken zu ihr an der Reling und atmete schwer. "Wir werden morgen Gäste an Bord haben", verkündete er unvermittelt. Whitney sah ihn fassungslos an. Sie hatte gewiss nicht erwartet, dass er das sagen würde! Er wandte sich zu ihr um. In seinen Augen lag ein schmerzlicher Ausdruck. "Geraldine und ihr Mann werden zum Abendessen kommen." Plötzlich glaubte Whitney zu begreifen, warum er so viel Brandy getrunken hatte. Lieber Himmel, hatte Geraldine ihn vielleicht sogar heute Nacht an Bord besucht - und ihn erregt und unbefriedigt zurückgelassen? Aufschluchzend drehte Whitney sich um und floh unter Deck in ihre Suite.
5. KAPITEL Hawk war nicht an Bord, als Whitney am nächsten Morgen ihre Suite verließ. Von Stephen Hollister erfuhr sie, dass sein Arbeitgeber schon vor Stunden in sein Büro in der Stadt gefahren sei. Vielleicht hatte sie ja den Schmerz und die Demütigung verdient, die Hawk ihr in der Nacht zugefügt hatte. Schließlich hatte er sie gewarnt, dass er sie nur benutzen würde - doch er hätte nicht ganz so grausam sein müssen. Es hätte genügt, ihr schlicht und einfach zu sagen: "Ich liebe meine Exfrau immer noch." Nein, er hätte ihr nicht ganz so deutlich zeigen müssen, dass er bei ihrem Liebesspiel nur an Geraldine gedacht ha tte! Whitney fragte sich natürlich, ob nicht sogar Geraldine in dem Wagen gesessen hatte, den sie in der Nacht vom Kai hatte wegfahren sehen. Wenn Hawk eine Affäre mit seiner Exfrau hatte, während er gleichzeitig versuchte, mit ihrem zweiten Mann ins Geschäft zu kommen, steckte er allerdings in noch ernsteren Schwierigkeiten, als sie angenommen hatte, Tom würde ein Techtelmechtel zwischen seiner Frau und Hawk niemals tatenlos hinnehmen. Vielleicht waren diese Schlüsse aber auch etwas voreilig. Hawk hatte offen eingestanden, dass es schon lange her gewesen sei, dass er mit irgendeiner Frau geschlafen hatte, und seine
heftige Reaktion auf ihre, Whitneys, Avancen war Beweis genug dafür. Doch letzte Nacht hatte er ihr auch gezeigt, dass er überhaupt keine Frau wollte, wenn er nicht Geraldine haben konnte oder eine Frau, die bereit war, ein bloßer Ersatz für seine Exfrau zu sein! Und in diesem Wissen wollte Whitney nicht auf der "Freedom" bleiben und ihm noch einmal gegenübertreten. Eine Flucht über den Landungssteg erwies sich als unmöglich, weil sich immer mindestens einer aus der Mannschaft dort aufhielt - was natürlich kein Zufall war. Die einzige Alternative war, über die Reling zu steigen, sich so vorsichtig ins Wasser zu lassen, dass niemand aufmerksam wurde, und an Land zu schwimmen. Die Chance dazu bot sich nach dem Mittagessen, als ein Teil der Mannschaft noch unter Deck bei Tisch saß, während die übrigen in der Nähe der Landungsbrücke Pause machten. Whitney ergriff die Gelegenheit beim Schopf. Erst als sie über die Reling geklettert war, wurde ihr richtig bewusst, wie hoch die Außenbordwand der Yacht war. Bis hinunter zum trüben Wasser der Themse war es noch einmal fast ihre Körperlänge, und es würde einen gehörigen Platscher geben, wenn sie sich aus dieser Höhe hinabfallen ließe! Tränen rannen ihr über die Wangen, als sie sich ihre groteske Situation bewusst machte: Sie hatte weder die Kraft, sich wieder hochzuziehen, noch den Mut loszulassen! Whitney glaubte schon, sie würde sich die Arme ausreißen, als sie über sich heftiges Fluchen hörte. Schuldbewusst blickte sie hoch ... direkt in Hawks wütendes Gesicht. Ohne ein Wort packte er sie bei den Handgelenken und zog sie wieder auf Deck, aber seine zornige Miene sprach Bände. Mit zittrigen Knien stand Whitney neben ihm an Deck. Ihre Schultern schmerzten unerträglich, schließlich hatten sie ihr ganzes Gewicht tragen müssen. "Du kleine Närrin!" schimpfte Hawk, während sie sich die schmerzenden Schultern massierte.
Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu. "Besten Dank! Das habe ich schon selber eingesehen." "Was wolltest du damit eigentlich erreichen?" fragte er schroff. "Meine Freiheit!" "Du bist nicht einmal eine besonders gute Schwimmerin und hättest ertrinken können! Ich dachte, ich hätte Halluzinationen, als ich in meine Suite hinunterging, um mich umzuziehen, und dich vor dem Fenster baumeln sah!" Dümmer hatte sie sich wirklich nicht anstellen können, als ausgerechnet vor Hawks Fenster über Bord zu klettern! Aber viel länger hätte sie sich sowieso nicht mehr halten können, und dann hätte die gesamte Mannschaft von ihrer Dummheit erfahren. "Wie lange hast du dort gehangen?" Hawk schob ihre Hände beiseite und begann nun seinerseits, ihr die Schultern zu massieren. Whitney jagte ein warmer Schauer über den Rücken. "Zu lange", flüsterte sie. "Warum, Whitney?" Er hielt inne. "Wenn es wegen gestern Nacht war..." "Das hat nur zum Teil damit zu tun", unterbrach sie ihn scharf. "Ich mag nicht, was du tust, Hawk." "Tue ich dir weh?" fragte er besorgt und setzte die Massage vorsichtiger fort. "Das meine ich doch nicht." Sie wich vor seinen Händen zurück. "Was hast du mit Geraldine und Tom Beresford zu tun?" Hawk vermied es geflissentlich, sie anzusehen. "Das geht dich nichts an!" "Du zerstörst dein Leben ..." "Ich tue, was ich tun muss." Whitney schüttelte den Kopf. "Schön, aber ich muss nicht auch noch dabei mitmachen." "Du steckst schon viel zu tief drin, um jetzt einfach so aussteigen zu können, ohne Schaden zu nehmen", widersprach Hawk.
Wusste er, dass sie ihn liebte? Forschend betrachtete sie sein verschlossenes Gesicht und erkannte, dass er von ihrem Wissen über Tom Beresford sprach und nicht darüber, was vergangene Nacht zwischen ihnen beiden vorgefallen war. "Begreifst du denn nicht, dass du Geraldine so auch nicht zurückbekommst?" fragte sie verzweifelt. Er sah sie starr und durchdringend an. "Warum sollte ich sie erst gehen lassen, wenn ich sie dann zurückhaben wollte?" "Es war nicht deine Entscheidung!" "Whitney ..." Er presste die Lippen zusammen. "Gib mir die Akte über Tom Beresford und die Fotos, und vielleicht - aber auch nur vielleicht - kann ich dich dann aus der Sache heraushalten." "Du weißt, dass ich sie habe?" Er nickte. "Sie sind vermutlich in der Plastiktüte in deiner Handtasche", sagte er, wobei er einen bezeichnenden Blick auf das Bündel warf, das sie so fest an sich presste. Whitney errötete schuldbewusst. "Wenn du das die ganze Zeit gewusst hast, warum hast du dir die Unterlagen nicht einfach genommen?" "Ich wollte, dass du sie mir freiwillig aushändigst." "Aber sie enthalten nichts, weshalb Beresford sich ernsthaft Sorgen machen müsste", protestierte sie. "Lediglich Mutmaßungen und Spekulationen. Beresford ist zu gerissen, um sich zu belasten." "Zeig mir das Material, das du zusammengetragen hast." Hawk streckte eine Hand aus. Whitney kämpfte mit sich. Wenn sie Hawk die Unterlagen nicht freiwillig gab, konnte er sie sich mit Leichtigkeit gewaltsam nehmen - und seine Geduld schien ziemlich am Ende zu sein. Andererseits konnte sie sich wirklich nicht erklären, warum Beresford so wild auf ihre Unterlagen war. Sie hatte die Akte und die Fotos an diesem Morgen noch einmal gründlich durchgesehen und nichts entdecken können, weshalb Beresford ernsthaft beunruhigt hätte sein müssen. Es blieb einzig die
Tatsache, dass sie neugierig genug gewesen war, die Informationen zusammenzutragen und die Fotos zu schießen und für einen Mann wie Tom Beresford konnte das genügen, um ihn nervös zu machen. Mit einem Seufzen zog sie die Akte und den Umschlag mit den Fotos aus ihrer wasserdicht eingeschlagenen Tasche und reichte Hawk das Material ihrer monatelangen Recherche. Dann folgte sie ihm in den Salon der Yacht, wo er den Inhalt des Umschlags auf den Couchtisch schüttete. Hunderte von Schnappschüssen fielen heraus: Tom Beresford allein, mit anderen Leuten, mit Geraldine, Geraldine allein, Geraldine mit anderen Leuten. Letztere waren vornehmlich ihrer krankhaften Neugier über die Frau, die Hawk immer noch liebte, entsprungen. Hawk begann, die zahlreichen Fotos zu sortieren. "Zumindest könnte Tom Beresford dich wegen Verletzung seiner Privatsphäre belangen", sagte er spöttisch. "In dem Fall hätte er zu viele Erklärungen abzugeben", entgegnete sie verächtlich. "Du bist gar keine schlechte Fotografin", sagte Hawk zerstreut, während er manche Fotos genauer betrachtete, andere nach flüchtigem Ansehen beiseite legte. Whitney beobachtete ihn interessiert. "Wonach suchst du eigentlich?" Sofort wurde seine Miene verschlossen. "Du hast so gut wie keine konkreten Beweise gegen Tom Beresfords Machenschaften", wich er einer Antwort aus. "Und dabei hast du Martin gesagt, du würdest kurz davor stehen, ihn festnageln zu können." Sie errötete zornig. "Jedenfalls habe ich genug zusammen, um ihn nervös zu machen!" "Mag sein", räumte Hawk ein, wobei er das Material wieder einsammelte. "Jedenfalls hätte ich erwartet, dass du nach sechs Monaten wesentlich mehr Material zusammenhaben würdest."
"Wirst du ihm das alles einfach so übergeben?" fragte Whitney vorsichtig. "Du brauchst dir jedenfalls keine Gedanken mehr deswegen zu machen", antwortete er schroff. "Und was ist mit dir? Soll ich mir deinetwegen auch keine Gedanken mehr machen?" fragte sie verzweifelt. Er zuckte die Schultern. "Gerade eben hast du versucht, die Yacht auf Biegen oder Brechen zu verlassen. Nachdem du mir jetzt die Informationen, die ich brauchte, gegeben hast, werde ich sehen, was ich tun kann, um dich von Bord der ,Freedom' gehen zu lassen." "Du meinst, du wirst ihn um Erlaubnis fragen!" sagte sie verächtlich. "Whitney!" Er sprang auf. "Halt dich um Himmels willen jetzt da raus. Später ... später können wir vielleicht darüber reden." "Wann? Wenn du genauso korrupt geworden bist wie er?" Hawk blickte sie kalt an. "Ich denke, du solltest dich jetzt zurückziehen und ein ausgiebiges Bad nehmen. Sonst werden deine überdehnten Schultern noch steif." Doch Whitney wollte sich nicht einfach so wegschicken lassen. "Warum willst du mit Tom Beresford Geschäfte machen, obwohl er mit Geraldine verheiratet ist?" fragte sie eigensinnig. "Du solltest ihn eigentlich hassen." "Oder bemitleiden!" Sie schüttelte verwirrt den Kopf. "Ich verstehe dich nicht." "Das musst du auch nicht", entgegnete er schroff. "Es ist sogar besser, wenn du mich nicht verstehst. Sechs Jahre lang war ich für dein Wohl und deine Sicherheit verantwortlich, und ich möchte nicht, dass dir jetzt etwas passiert." "Wie du schon sagtest, ich stecke bereits in der Sache mit drin", wehrte sie ab. "Und egal, was du dir gern einreden möchtest, du hast gestern Nacht auf mich, Whitney, reagiert", fügte sie beschwörend hinzu. Sie brauchte zumindest diese Zusicherung, wenn sie mit Hawk auf der Yacht bleiben wollte.
Der Versuch, die "Freedom" zu verlassen, war ein Fehler gewesen, das war ihr inzwischen klar. Sie konnte Hawk nicht helfen, wenn sie nicht bei ihm blieb. Hawk atmete tief ein. "Ich weiß genau, was gestern Nacht passiert ist, aber weißt du es auch?" Sie wich seinem Blick aus. "Ich weiß, dass du sehr viel mehr wert bist als Geraldine Beresford." "Komm heute Abend nicht auf dumme Gedanken, Whitney", bat er sie eindringlich. "Du könntest alles kaputtmachen." "Ich wünschte, das könnte ich!" "Nein, Whitney!" Er packte sie beschwörend. "Es steht zu viel auf dem Spiel!" Sie kämpfte mit den Tränen. "Wenn es um Geld geht..." "Nein, darum geht es nicht." Es fiel ihr schwer, zu akzeptieren, dass die Entschuldigung, die sie für sein Verhalten gefunden hatte, nicht zutraf. "Aber warum?" fragte sie verzweifelt. Er ließ sie los und wandte sich ab. "Geh jetzt baden. Und benimm dich um Himmels willen heute Abend." "Und wenn nicht?" Hawk seufzte. "Dann könnten wir beide Grund haben, das zu bedauern." Gerade weil Whitney Hawk immer nur als stark und selbstbewusst gekannt hatte, brachte seine jetzige Schwäche sie so sehr aus der Fassung. So war sie in zutiefst deprimierter Stimmung, als sie sich für einen Abend zurechtmachte, der bestenfalls spannungsgeladen werden würde und schlimmstenfalls eine Katastrophe. Doch eins hatte sie sich geschworen: Sie würde Geraldine keine Gelegenheit geben, sie derart herablassend zu behandeln, wie sie es in der Vergangenheit gewöhnlich getan hatte. Sie, Whitney, war nicht länger der unsichere Teenager, der bei jeder bissigen Bemerkung zusammenzuckte. Sie war eine Frau und hatte keine Angst mehr davor, offen zu zeigen, dass sie Hawk für sich wollte.
Whitney bezweifelte, dass Hawk sich das aufreizende, purpurrot und schwarz gemusterte Satinkleid genau angesehen hatte, als er es gestern in ihren Koffer gepackt hatte. Sonst hätte er vielleicht ahnen können, wie reizvoll es ihre aufregende Figur umschmeichelte. Schmale Träger und ein tiefes Dekolletee betonten ihre zierlichen Schultern und ihre hohen, straffen Brüste. Überdies hatte Whitney sich ihr schwarzes Haar in losen Locken hochgesteckt, um den atemberaubenden Rückenausschnit t zur Geltung zu bringen. Sie fühlte sich schön und selbstsicher, als sie mit hoch erhobenem Kopf ihre Kabine verließ, um sich zu Hawk in den Salon zu gesellen. Auf der Türschwelle zögerte sie für den Bruchteil einer Sekunde, als sie bemerkte, dass Glyn Briant bereits da war. Doch dann ging sie entschlossen auf die beiden Männer zu, wobei sie den Blick herausfordernd auf Glyn richtete. Er mochte ungefähr in Hawks Alter sein und hatte kurzes braunes Haar und braune Augen, die sie in diesem Moment forschend betrachteten. Alles in allem war er eine ganz angenehme Erscheinung. "Miss Morgan", begrüßte er sie höflich und hielt ihr eine Hand entgegen. "Mr. Briant." Whitney zog es vor, die ausgestreckte Hand zu ignorieren, und ärgerte sich, als Glyn ihr Verhalten mit einem offensichtlich amüsierten Lächeln quittierte. "So ganz allein heute Abend?" fragte sie spitz. "Mein Arbeitgeber und seine Frau werden bald hier sein." "Mit anderen Worten, Sie spielen die Vorhut und kundschaften uns aus", sagte Whitney geringschätzig. "Whitney..." "Könnten Sie denn gefährlich werden, Miss Morgan?" Glyn Briant beobachtete sie aufmerksam. Sie warf Hawk einen flüchtigen Blick zu. Wie auch immer er beim Anblick ihres verführerischen Kleides reagiert haben mochte, jetzt war seine Miene wie versteinert. Dabei schien er keinerlei Angst vor Glyn Briant zu haben, sondern lediglich ihre
Sticheleien zu missbilligen. "Vielleicht könnte Hawk diese Frage besser beantworten?" schlug sie provozierend vor. "Ich habe schon vor Jahren den Versuch aufge geben, dein Verhalten vorherzusagen", wehrte er müde ab. "Du machst sowieso, was du willst, ohne Rücksicht auf Verluste." Ohne Rücksicht auf Verluste? Nein, wenn sie Hawk mit ihrem Verhalten tatsächlich gefährden würde, würde sie selbstverständlich sofort damit aufhören. Denn egal, in was für eine Sache er da hineingeraten war, sie hätte den Gedanken nicht ertragen, dass ihm etwas passieren könnte. Sie hakte sich bei Hawk ein und lächelte Glyn gespielt fröhlich an. "Hawk übertreibt immer. Er hat es immer noch geschafft, mich dazu zu bringen, genau das zu tun, was er will." "Ach ja?" fragte Glyn aufhorchend. "Nein!" widersprach Hawk energisch. "Ich denke, die Lady wird es ja wohl wissen", meinte Glyn vielsagend. "Die ,Lady' ist immer noch ein halbes Kind ... trotz dieses Kleides." Hawk blickte sie finster an. "Habe ich das für dich eingepackt?" "Ja, warum?" fragte sie unschuldig. "Gefällt es dir nicht?" "Ein Mann, dem das nicht gefällt, müsste schon blind und senil sein, Miss Morgan", spottete Glyn Briant. "Nun ja ... ich weiß, dass er nicht blind ist", erwiderte Whitney bedeutsam. "Und, Hawk?" stichelte Glyn lachend, als Hawk versteinert schwieg. Er atmete tief ein. "Ich fange an, mir wegen der Senilität Gedanken zu machen." "Aber Hawk, du weißt doch, dass ich ..." "Whitney!" unterbrach er sie scharf. "Er ist zu bescheiden, Mr. Briant", fuhr sie locker fort, "und ich bin zu sehr Dame, um darüber zu sprechen." "Verdammt!" Hawk wandte sich von Whitney ab und sah Glyn Briant aufgebracht an. "Ich kann das nicht dur chziehen!"
"Hawk..." "Ich war sechs Jahre ihr Vormund, und jetzt hält sie mich für einen Kriminellen, verdammt!" Whitney blickte ihn völlig verblüfft an, Glyn Briant wirkte eher wütend. "Hawk, wir hatten uns doch darauf geeinigt..." "Sie haben bestimmt", fiel Hawk Glyn ins Wort, "und ich habe mich gefügt, weil ich glaubte, Sie wüssten, was Sie tun. Aber Whitney wird alles kaputtmachen, wenn wir ihr nicht die Wahrheit sagen, begreifen Sie das nicht? Heute Mittag hat sie schon versucht, über Bord zu klettern, nur um von mir wegzukommen! Und erzählen Sie mir nicht, dass Sie sich erst die Erlaubnis von irgendeinem blöden Vorgesetzten einholen müssen!" fügte er zornig hinzu. "Ich muss es ihr jetzt sagen!" "Das ist zu gefährlich!" entgegnete Glyn nicht weniger heftig. "Das wenige, was sie weiß, ist gefährlich. Entweder Sie sagen ihr die Wahrheit, oder ich werde es tun", erklärte Hawk ihm ungerührt. Whitney blickte verwirrt zwischen den beiden Männern hin und her. Was sollte sie nach Hawks Ansicht unbedingt erfahren? "Sie oder ich, Glyn", wiederholte Hawk drohend. "Wenn er nach all der Zeit wieder davonkommt..." "Das wird er nicht", versprach Hawk schroff. "Aber Sie müssen akzeptieren, dass mir Whitneys Respekt genauso viel bedeutet wie Ihnen die Tatsache, ihn endlich dingfest zu machen." "Ach, zum Teufel mit Ihnen!" stieß Glyn resignierend aus. "Schön, aber ich erzähle ihr nur so viel, wie sie unbedingt wissen muss, um Sie zu entlasten ... und kein Wort mehr!" Hawk sah Whitney an und nickte. Sie wandte sich nun erwartungsvoll Glyn Briant zu. Er hatte von "Entlastung" gesprochen, was nur bedeuten konnte, dass Hawk sich nicht schuldig gemacht hatte! Glyn Briant horchte angespannt auf, als draußen auf dem Kai ein Wagen vorfuhr. "Da sind sie schon!" sagte er ungeduldig.
"Eigentlich müssen Sie nur wissen, dass ich ein verdeckter Ermittler der Polizei bin und Hawk mir bei meinen Nachforschungen hilft, um einen miesen Verbrecher endlich hinter Schloss und Riegel zu bringen. Er wird nichts Kriminelles tun und hat es auch nie getan. Sind Sie nun zufrieden?" Er blickte Hawk unwirsch an. "Whitney?" Hawk wandte sich ihr besorgt zu. Sie atmete auf und lehnte sich erleichtert an ihn.
6. KAPITEL Nach all der Angst, die Whitney in den vergangenen beiden Tagen um Hawk ausgestanden hatte, fiel ihr ein Stein vom Herzen, als sie nun erfuhr, dass Hawk in Wirklichkeit darauf aus war, Tom Beresford eine Falle zu stellen. Dennoch sah sie ihn vorwurfsvoll an, als Glyn Briant nach draußen geeilt war, um die Gäste zu begrüßen. "Warum ha st du mir das nicht gesagt?" Er zuckte die Schultern. "Du hast Glyn doch gehört. Er hätte es dir überhaupt nicht erzählt, wenn ich ihn nicht dazu gedrängt hätte. Ich habe deinen Blick gesehen, als ich dir sagte, dass Tom Beresford heute Abend an Bord kommen würde, und nach all den Jahren, in denen ich für dich verantwortlich war, konnte ich den Gedanken einfach nicht ertragen, dass du mich für einen Verbrecher hieltest. Aber vielleicht war es auch ein Fehler, und du hättest die Wahrheit besser nicht erfahren. Wenn wir ihn dadurch jetzt verlieren, hätte ich einen zu hohen Preis für meine persönliche Ehre bezahlt." "Aber Hawk..." "Benimm dich einfach heute Abend, Whitney", fiel er ihr energisch ins Wort, "und ich werde später versuchen, dir mehr zu erklären. Enttäusche mich nur nicht!" fügte er noch rasch
hinzu, als die Stimmen ihrer Gäste schon vor der Tür zum Salon zu hören waren. Nun, da ihr Vertrauen in ihn wieder hergestellt war, hätte Whitney alles für Hawk getan. Doch sie wusste, dass er im Grunde überha upt nichts von ihr erwartete, sondern sich nur für sie verantwortlich fühlte. Und das tat sehr weh. Dennoch stand sie mit stolz erhobenem Kopf an seiner Seite, als Tom Beresford und Geraldine, gefolgt von Alex Cordell und Glyn Briant, den Salon betraten. Tom Beresford registrierte Whitneys Anwesenheit mit nachdenklicher Miene, aber Whitneys Aufmerksamkeit galt zunächst nur Geraldine. Hawks Exfrau war schöner denn je: Schimmerndes feuerrotes Haar umschmeichelte in wilden Locken ihr zartes, ebenmäßiges Gesicht, das von katzenhaften grünen Augen beherrscht wurde. Ein hautenges rotes Kleid betonte ihre aufregenden weiblichen Rundungen und brachte ihr Haar eher noch mehr zum Leuchten, anstatt ihm die Schau zu stehlen. Da sie sehr klein war, wirkte ihr Mann neben ihr größer und stattlicher, wobei Whitney ihn erneut dank ihrer hohen Absätze um Zentimeter überragte. Geraldine besaß die Fähigkeit, stets klein und hilflos zu wirken, was bei Männern den Beschützerinstinkt weckte. Whitney war sich dagegen neben Hawks Exfrau immer groß und unbeholfen vorgekommen. Während Whitney Geraldine so ausgiebig betrachtet hatte, hatte auch Geraldine die Zeit genutzt, um ihrerseits Whitney abschätzig zu begutachten, und was sie sah, gefiel ihr anscheinend ganz und gar nicht. Aus ihrem Blick sprach blanker Neid. "Hawk." Tom Beresford schüttelte seinem Gastgeber fest die Hand. "Und Miss Morgan ..." wandte er sich an Whitney. "Ich hatte keine Ahnung, dass wir uns so bald wieder sehen würden." Sie spürte, wie Hawk an ihrer Seite erstarrte, und unterdrückte die spitze Bemerkung, die sie auf der Zunge hatte.
"Ich kann Hawk nie widerstehen, wenn er mich um etwas bittet", sagte sie stattdessen bewusst doppeldeutig. "Ach ja?" Tom Beresford sah sie interessiert an. Sie schenkte ihm ein strahlend es Lächeln. "Ja, als er mich bat, heute Abend als seine Gastgeberin zu fungieren, konnte ich einfach nicht ablehnen. Hallo, Geraldine, wie schön, dich wieder zu sehen!" fügte sie dann hinzu. Geraldine nickte spöttisch. "Du warst ja schon immer halbwegs in Hawk verliebt", entgegnete sie geringschätzig. Whitney fühlte, wie sie errötete. Doch sie wusste, dass Geraldine sie mit ihrer Bemerkung nur aus der Fassung hatte bringen wollen, und diese Genugtuung wollte sie ihr nicht gönnen. "Nur halbwegs?" erwiderte sie deshalb provozierend. Geraldines grüne Augen funkelten wütend. "Wir oft haben wir beide über deine kindische Schwärmerei für ihn gelacht!" sagte sie bissig. Whitney glaubte nicht einen Moment, dass Hawk so grausam gewesen wäre. Aber allein der Gedanke, dass er von ihrer Liebe gewusst haben und sie ihm peinlich gewesen sein könnte, genügte, um sie blass werden zu lassen. Sie wagte es nicht, ihn anzusehen. "Nun; jetzt scheint er nicht mehr darüber zu lachen", erwiderte sie selbstbewusst. "Du..." "Aber solltest du wirklich so viel Interesse am Liebesleben deines Exmannes zeigen, Geraldine", tadelte Whitney betont sanft, denn Geraldines Zorn verriet ihr, dass sie eine empfindliche Stelle getroffen hatte. "Aber, aber, meine Damen", mischte sich Tom Beresford beschwichtigend ein. "Du hast deine Wahl getroffen, Geraldine und Hawk hat es anscheinend auch. Sie haben einen guten Geschmack, was Frauen betrifft, Hawkworth", fügte er schroff hinzu. Hawk nickte und streckte dann Alex Cordell, Tom Beresfords zweitem Le ibwächter, die Hand zum Gruß entgegen. "Alex. Ich hatte Sie schon früher erwartet."
"Das war diesmal Glyns Job", antwortete Alex in der für ihn anscheinend typischen reservierten Art. "Tolle Yacht." "Freut mich, dass sie Ihnen gefällt", erwiderte Hawk. "Mir wird jetzt schon schlecht", beklagte sich Geraldine spitz und blickte sich kritisch in dem Salon um. "Wirklich, Hawk, ich muss dir einmal die Visitenkarte unseres Innenarchitekten geben!" "Ich denke, dieser Raum ist perfekt, so wie er ist." Whitney fühlte sich verpflichtet, Hawk sofort zu verteidigen. Geraldine strafte sie mit einem verächtlichen Blick. "Ich hatte ja immer einen so ganz ... anderen Geschmack als du", sagte sie bezeichnend. Whitney fühlte Wut in sich aufsteigen, denn diese letzte Bemerkung war natürlich ein Seitenhieb auf Hawk gewesen. Doch sie hielt eine heftige Entgegnung zurück, als Hawk ihr in diesem Moment den Arm um die Taille legte. Wie konnte er nur so ruhig dastehen und sich von Geraldine beleidigen lassen? Die Antwort war wohl die gleiche wie früher: weil er sie immer noch liebte. Und plötzlich kam Whitney ein weiterer Gedanke. Möglicherweise half Hawk Glyn Briant nur, Tom Beresford dingfest zu machen, weil dann Geraldine wieder frei sein würde! All ihre Erleichterung über Hawks Unschuld wandelte sich in Kummer und Enttäuschung. "Aber nicht unbedingt einen besseren", antwortete sie vielsagend auf Geraldines Spitze, wobei sie sich Hawks Arm entzog. "Hawk, vielleicht möchten unsere Gäste ja etwas trinken?" Während sie auf das Essen warteten, verlief die Unterhaltung nur stockend. Tom Beresford war recht einsilbig, Hawk ebenso, und die beiden Leibwächter hielten sich schweigend im Hintergrund. So blieb es Whitney und Geraldine überlassen, die drückende Stille zu überbrücken. Doch da die beiden Frauen keinerlei Versuch machten, ihre gegenseitige Abneigung zu verbergen, herrschte eine ziemlich spannungsgeladene
Atmosphäre. Und auch nachdem sie sich zu Tisch gesetzt hatten, wurde es nicht viel besser. Whitney brannten so viele Fragen auf der Seele, die sie Hawk stellen wollte, dass sie ihre Ungeduld kaum bezwingen konnte. Musste Hawk wirklich den Gastgeber für Tom Beresford spielen, um mit ihm ins Geschäft zu kommen? Oder war es im Grunde nur ein Vorwand, um Geraldine zu sehen? Dieser Gedanke schmerzte Whitney sehr. "Wie war's mit einem kleinen Spaziergang an Deck, Miss Morgan?" schlug Tom Beresford schließlich vor. Mit seinem Scharfblick schien er den Grund für ihre plötzliche Verstimmung erraten zu haben. "Nein ... vielen Dank." Hawk sah sie forschend an. "Du siehst etwas blass aus." Sie hatte sich auch noch nie in ihrem Leben so elend gefühlt. Die Vorstellung, dass Hawk das alles nur machte, um Geraldine zurückzubekommen, war mehr, als sie ertragen konnte. Fast wünschte sie, er hätte es wirklich nur für Geld getan. Tom Beresford erhob sich. "Ich bestehe darauf, Miss Morgan." Er kam um den Tisch herum, um ihr den Stuhl zurückzuziehen. "Sie sehen aus, als würden Sie jeden Moment umfallen." Hawks Miene war wie versteinert. "Whitney..." "Sie ist bei mir gut aufgehoben, Hawkworth", sagte Tom Beresford schroff. Whitney nahm nur am Rande wahr, dass Alex Cordell ebenfalls aufstand, um ihnen unauffällig hinaus an Deck zu folgen. Es war eine klare Mondnacht, und Whitney atmete tief die milde Abendluft ein. "Nun, fühlen Sie sich besser?" fragte Tom Beresford unerwartet freundlich. "Ein wenig", schwindelte sie. "Aber sollten Sie Ihre Frau mit Hawk allein lassen?" Um seine Mundwinkel zuckte es spöttisch. "Sie hasst ihn", sagte er schlicht.
"Wie bitte?" Er nickte. "Wie heißt es noch von einer verschmähten Frau ...?" "Geraldine ist nicht verschmäht worden!" widersprach Whitney heftig. "Hawk hat sie geliebt. Er ..." Sie verstummte, als ihr klar wurde, was sie zu tun im Begriff gestanden hatte. Glyn Briant hatte ihr mit Recht misstraut. Fast hätte sie ihn aus purer Eifersucht auffliegen lassen! "Er hat alles getan, um sie glücklich zu machen", fügte sie nervös hinzu. "Meine Frau besitzt ein sehr forderndes Wesen", erwiderte Tom Beresford gelassen. "Und Hawk ist ein Mann, der viel verlangt. Er hat zu viel von Geraldine verlangt." "Ihre Liebe!" "Ihre Treue", verbesserte Tom Beresford sie, lehnte sich an die Reling und blickte starr aufs Wasser hinaus. "Meine Frau ist so etwas wie eine streunende Katze", fügte er verbittert hinzu. "Und obwohl Sie das wissen ...?" Whitney schüttelte den Kopf. "Was hat diese Frau nur an sich, dass die Männer sie so lieben?" Er lachte spöttisch. "Ich kann diese Frage nur für mich beantworten. An wen sonst haben Sie gedacht?" Whitney wich seinem scharfen Blick aus. Hawk verließ sich darauf, dass sie ihn nicht im Stich ließ. Wenn sie jetzt enthüllt hätte, dass er Geraldine immer noch liebte, hätte das für ihn vermutlich alles kaputtgemacht und vielleicht sogar sein Leben in Gefahr gebracht. "Hawk hat sie einmal geliebt", antwortete sie deshalb ruhig. "Aber jetzt liebt er sie nicht mehr." "Weil er jetzt Sie liebt, ja?" "Genau!" bestätigte sie fest. Tom Beresford musste ihr glauben, dass sie und Hawk ein Liebespaar waren. Nur das war für ihn eine plausible Erklärung für ihre Anwesenheit an Bord. Beresford nickte und wechselte unvermittelt das Thema. "Und wie läuft es mit Ihrer Reportage über mich?" Seine Frage machte sie wütend, denn er wusste natürlich, dass sie nun, da Hawk in die Sache verwickelt war, ihre Story
auf keinen Fall schreiben durfte. "Hawk ist zu dem Schluss gekommen ... dass sie in der breiten Öffentlichkeit kein Interesse finden würde." "Ich verstehe." "Zumindest im Moment", fügte sie trotzig hinzu, weil sein triumphierender Blick sie maßlos ärgerte. Tom Beresford wandte sich wieder von ihr ab und dem Wasser zu. "Vielleicht hätten Sie Ihren Liebhaber konsultieren sollen, bevor Sie sich all die Mühe mit Ihren Recherchen gemacht haben", bemerkte er arrogant. Whitney blickte unbeha glich zu Alex Cordell, der nicht weit von ihnen entfernt ebenfalls an der Reling stand. Wie konnte er dort stehen und so gleichmütig dieses völlig private Gespräch mithören? Zweifellos wurde er sehr gut dafür bezahlt, alles, was er hörte, sofort wieder zu vergessen. Trotzdem war es unangenehm, bei diesem Gespräch einen ungebetenen Zuhörer zu haben. "Damals war Hawk noch nicht mein Liebhaber!" sagte sie scharf. "Sind Sie ihm treuer, als Geraldine es war?" fragte Tom Beresford spöttisch. "Zufällig liebe ich ihn - was Geraldine nie getan hat!" erwiderte sie verächtlich. "Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden ... Ich glaube, ich gehe besser wieder hinein. Die Luft hier draußen ist doch nicht frischer als die da drinnen." Sie wandte sich ab und wollte fort, aber Beresford packte sie am Arm und hielt sie zurück. "Ich hoffe um Ihretwillen, dass Hawk Sie im Griff hat!" Ihre Augen blitzten auf. "Er ..." "Geht es dir wieder besser, Whitney?" fragte Hawk unerwartet aus dem Dunkel. Wütend drehte sie sich zu ihm um. "Nein, eigentlich nicht!" . Ohne darauf einzugehen, wandte Hawk sich lächelnd an Tom
Beresford. "Ihre Frau ist ziemlich seekrank, Tom, und spricht davon, nach Hause zu fahren." Beresfords Miene wurde hart. "Ich werde mir ihr reden." Whitney atmete etwas auf, als er zusammen mit seinem Leibwächter verschwunden war. "Wie kannst du auch nur so tun, als würdest du Geschäfte mit ihm machen?" fragte sie fassungslos. "Du liebe Güte!" Hawk zog sie zum Heck der Yacht, so weit wie möglich weg vom Salon und von seinen Gästen. "Das hat man dir nur gesagt, damit du dich nicht verplapperst!" stieß er hervor. "Glyn hat nicht gescherzt, als er gesagt hat, es würde hier viel auf dem Spiel stehen." "Warum verhaftet er ihn nicht einfach?" fragte Whitney erregt. "Das wird er." "Und wann?" "Wenn die Zeit dazu reif ist." Hawk sah sie herausfordernd an. "Also, wirst du dich jetzt wieder zu den anderen gesellen und dich benehmen, oder soll ich ihnen sagen, du wärst in deine Kabine gegangen, weil du dich nicht wohl fühltest?" "Sich benehmen" bedeutete, zu Menschen höflich und zuvorkommend zu sein, die sie verachtete. Für diesen Abend hatte sie genug davon. "Könntest du das tun?" fragte sie. "Solange es den Anschein hat, dass ich dich im Griff habe, kann ich alles tun", erwiderte er ironisch. "Du und Geraldine, ihr habt erfolgreich den Eindruck vermittelt, als würdet ihr beide seit Jahren an unerfüllter Liebe zu mir leiden!" Whitney errötete. "Die Unterhaltung hat sich einfach in diese Richtung entwickelt." "Ich weiß." Er nickte müde. "Zumindest hat es seinen Zweck erfüllt. Jetzt sind alle überzeugt, dass wir ein Liebespaar sind." "Sogar Geraldine?" fragte sie spitz. Es kränkte sie, dass Hawk nicht einmal auf den Gedanken kam, die Sache mit der unerfüllten Liebe könnte, zumindest was sie betraf, der Wahrheit entsprechen.
"Hast du das nicht bemerkt?" antwortete er verächtlich. "Hast du keine Angst, dass sie dir Schwierigkeiten machen könnte?" fragte Whitney plötzlich besorgt. "Geraldine hat selber einen Liebhaber, von dem Tom nichts erfahren soll", erwiderte er schroff. Whitney sah ihn forschend an. Konnte es möglich sein, dass er Geraldines Liebhaber war? Urplötzlich war ihr wieder unsäglich elend zu Mute. "Ich glaube, ich gehe jetzt wirklich lieber in meine Kabine." Sie wich seinem Blick aus. "Bitte entschuldige mich bei deinen Gästen." "Whitney..." "Gute Nacht, Hawk", sagte sie rasch und eilte davon. Whitney atmete erleichtert auf, als Hawk nicht versuchte, sie zurückzuhalten. Sie war so glücklich gewesen, als Glyn Briant ihr eröffnet hatte, dass Hawk ihm lediglich bei seinem Vorhaben half, Tom Beresford zu verhaften. Doch nun schien alles nur noch schlimmer als zuvor. Sie hatte geglaubt, Hawk habe akzeptiert, dass Geraldine nach der Scheidung aus seinem Leben verschwunden war. Nun schien es offensichtlich, dass er bereit war, alles zu tun, um sie zurückzubekommen. Und ihre, Whitneys, Liebe war damit hoffnungsloser denn je. So war Whitney völlig überrascht, als Hawk zwei Stunden später nach kurzem Anklopfen ihre Kabine betrat. Sie hatte inzwischen geduscht und sich einen zartlila Seidenpyjama angezogen. Doch sie war viel zu aufgewühlt gewesen, um schlafen zu gehen. Rastlos war sie im Wohnzimmer ihrer Suite auf und ab gegangen. Schließlich hatte sie an Deck gedämpfte Stimmen vernommen und daraus geschlossen, dass Hawk seine Gäste endlich verabschiedete. "Wir müssen reden." Hawk schloss die Tür nachdrücklich hinter sich zu. Dann zog er die Smokingjacke und die Fliege aus, warf beides auf einen Stuhl und öffnete den obersten Knopf seines Hemds. "Ich bin es restlos leid, dass du mich mitten in einem Gespräch einfach stehen lässt!"
Whitney wandte sich ihm trotzig zu, ohne sich bewusst zu sein, dass sich die harten Spitzen ihrer straffen Brüste reizvoll durch den seidigen Stoff der Pyjamajacke abzeichneten. "Was mich betrifft, so habe ich dieses Gespräch als beendet betrachtet." Hawk fuhr sich ungeduldig durchs Haar. "Und was mich betrifft, hatte es gerade erst angefangen", entgegnete er heftig. "Jedes Mal, wenn Geraldines Name ins Spiel kommt, zeigst du mir die kalte Schulter!" "Du weißt genau, warum." Sie sah ihn zornig an. "Wenn ich es wüsste, würde es mich vielleicht nicht so wütend machen." Whitney hatte endgültig genug von diesem Versteckspiel. "Du bist ihr Liebhaber!" "Ich bin was?" fragte er ungläubig. Seine Stimme klang bedrohlich leise. Doch Whitney ließ sich nicht verunsichern. ",Geraldine hat selber einen Liebhaber"', ahmte sie seine Worte nach. "Du bist ihr Liebhaber", wiederholte sie und sah ihn herausfordernd an. Seine goldbraunen Augen funkelten, während er sichtlich um Beherrschung rang. "Ich bin niemandes Liebhaber", stieß er schließlich hervor. "Warum sonst solltest du bei dieser Sache mitmachen, wenn nicht ihretwegen?" fragte Whitney spöttisch. "Glyn Briant denkt vielleicht, dass du ihm helfen willst, aber in Wirklichkeit willst du nur Geraldine zurückhaben. Und ohne ihren steinreichen zweiten Ehemann würde sie sich vermutlich wieder dir zuwenden. Ja, sie hat es bereits getan!" Hawk war sehr blass geworden. "Das kannst du nicht ernsthaft glauben!" "Natürlich glaube ich es, sonst hätte ich es nicht gesagt", entgegnete sie verächtlich. Er atmete tief ein. "Komm her zu mir, Whitney, und wir werden sehen, wessen Liebhaber ich bin." Sie sah ihn mit großen Augen an. "Hawk ..."
"Ich sagte, komm her zu mir!" stieß er hervor und hielt sie mit seinem Blick in Bann. Langsam und zögernd ging sie auf ihn zu. Seine Mundwinkel zuckten spöttisch, als sie vor ihm stehen blieb. "Die Erfahrung, mit der du dich brüstest, sollte dir verraten, dass ich schon eine Ewigkeit keine Frau mehr gehabt, geschweige denn mit meiner Exfrau geschlafen habe." "Aber warum sonst?" "Ich bin nicht in der Stimmung, noch weitere Vorwürfe zu widerlegen, Whitney." Er zog sie zu sich heran. "In den vergangenen Tagen habe ich mehr als genug von dir hingenommen." Er hatte vor, sie zu lieben ... Whitney sah es in seinem Blick und kam ihm entgegen. Auch wenn ihr nur dieses eine Mal mit ihm vergönnt sein würde, so war es immerhin besser als gar nichts. Zu lange hatte sie ihre Gefühle für ihn unterdrücken müssen. Ein Gedanke ließ sie in letzter Sekunde zögern. "Hawk ..." Er sah sie eisig an. "Ich weiß genau, wer du bist, Whitney. Jetzt ist es an der Zeit, dass du erfährst, wer ich bin." "Aber ich weiß doch ..." "Nein", unterbrach er sie, "ich glaube nicht, dass du es weißt. Ich bin ein Mann, nur ein Mann, und ich mache Fehler wie jeder andere auch. Ich lache, ich weine, ich fühle. Es ist höchste Zeit, dass ich von diesem Podest heruntersteige, auf das du mich gestellt hast!" Sie hatte ihn nie auf ein Podest gestellt, sondern war sich immer bewusst gewesen, dass er ein Mensch mit Stärken und Schwächen war. Aber bevor sie ihm das sagen konnte, küsste er sie bereits leidenschaftlich auf den Mund. Und dann wollte sie nicht mehr reden, sondern schloss die Augen und schmiegte sich an ihn. Hawk ließ die Lippen verlangend über ihre Wange und ihren Hals gleiten, und Whitney bog seufzend den Kopf zurück und gab sich ganz ihren wundervollen Gefühlen hin. Mit zittrigen Händen knöpfte Hawk ihr die Pyjamajacke auf. "Du bist so sexy!" flüsterte er, als die Jacke zu Boden glitt.
"Keine andere Frau ist so sexy wie du." Dabei streichelte er begehrlich ihren schönen, schlanken Körper. Whitney war nicht entgangen, dass er sie endlich als Frau bezeichnet hatte. Genau das hatte sie sich immer gewünscht. Mit leuchtenden Augen begegnete sie seinem Blick. "Du gibst mir das Gefühl, sexy zu sein, Hawk", antwortete sie heiser. "Nur du." Wortlos beugte er sich herab und umschloss eine ihrer rosigen Brustspitzen mit seinem Mund. Gleichzeitig öffnete er den Knopf am Bund ihrer Pyjamahose und umfasste ihre Hüften, als die Seidenhose lautlos zu Boden glitt. Whitney drängte ihm lustvoll seufzend die vollen Brüste entgegen. Sie fühlte, wie Hawk vor Erregung erschauerte. Schwer atmend richtete er sich auf, um sie erneut auf den Mund zu küssen. Dabei ließ er die Fingerspitzen liebkosend über ihre Brüste gleiten, bis Whitney vor Verlangen zitterte. "O bitte, Hawk!" flüsterte sie flehentlich. "Bitte!" Im nächsten Moment hob er sie hoch, trug sie zum Bett und legte sie behutsam auf die kühlen Laken. Im Nu entledigte er sich seiner Kleidung, wobei er nicht eine Sekunde den glühenden Blick von ihr ließ. Whitney stand sofort lichterloh in Flammen, als Hawk sich endlich zu ihr legte. Es war ein so wundervolles Gefühl, als sie sich nackt in den Armen lagen, und Hawk streichelte und küsste sie, bis sie glaubte, vor Verlangen nach ihm wahnsinnig zu werden. Dennoch fühlte sie, dass sie noch nicht ganz bereit für ihn war, als er sich zwischen ihre Beine legte. Aber Hawk konnte sich nicht mehr beherrschen. Während er sie gleichzeitig heiß und wild, auf den Mund küsste, drang er in sie ein. Im ersten Moment verspürte Whitney einen Schmerz und hielt unwillkürlich inne. Doch dann wurde sie vom Ansturm ihrer Gefühle überwältigt, umfasste Hawks Hüften und drängte ihn, in seinem Liebesspiel fortzufahren. Rasch steigerte sich der Rhythmus ihrer Leidenschaft zu einem rasenden Crescendo. Whitney krallte die Finger in Hawks breite Schultern und fühlte
den Gipfel der Lust schon zum Greifen nahe. Doch bevor sie ihn erreichte, kam Hawk mit einem Aufschrei zum Höhepunkt und sank erschöpft auf sie nieder. "Es tut mir Leid", stöhnte er. "Es tut mir so Leid." Er barg das Gesicht an ihrem Hals. Whitneys leise Enttäuschung, diesen Höhepunkt nicht mit ihm zusammen erreicht zu haben, wurde von der Gewissheit verdrängt, wie viel Lust sie Hawk geschenkt hatte. Zärtlich streichelte sie ihm den Rücken. Sie gehörte zu ihm, ob Hawk es akzeptierte oder nicht, und sie war glücklich. Er blickte auf und sah sie betroffen an. "Du hattest keine anderen Liebhaber vor mir, Whitney." Es war eine Feststellung, keine Frage. "Nein", bestätigte sie lächelnd. "Ich habe dir wehgetan", sagte er voller Selbstverachtung. "Nur ein wenig." Sie sah keinen Sinn darin, ihn anzulügen, denn er hatte ihren Schmerz gespürt. "Und danach habe ich nicht einmal die Beherrschung aufgebracht, dir die gleiche Lust zu bereiten, die du mir bereitet hast." Er drehte sich auf den Rücken und bedeckte die Augen mit einem Arm. "Das ist mir nicht mehr passiert, seit ich ein Teenager war und begriffen habe, dass Sex keine egoistische Angelegenheit ist. Verdammt, ich bin mit siebzehn ein besserer Liebhaber gewesen als eben jetzt!" Whitney hatte nie bezweifelt, dass Hawk vor seiner Heirat mit Geraldine andere Frauen gehabt hatte und dass seine Ehe zumindest anfangs in sexueller Hinsicht glücklich gewesen war. Sie war nicht eifersüchtig auf all diese Frauen, weil die Art, wie Hawk soeben die Beherrschung verloren hatte, für sie der beste Beweis war, dass er wirklich lange keine Frau mehr gehabt und schon gar nicht in der vorangegangenen Nacht mit Geraldine geschlafen hatte. Sie beugte sich über ihn und ließ die Lippen sacht über sein Kinn gleiten, wobei sie mit zärtlicher Hand seinen Oberkörper liebkoste. Hawk seufzte tief.
"Whitney..." "Gib es mir jetzt, Hawk", flüsterte sie heiser. Er ließ den Arm sinken und blickte sie zerknirscht an. "Ich weiß nicht, ob ich es kann, Whitney", gestand er ehrlich. "Entgegen der weitläufigen Ansicht, dass alle Männern Sexprotze sind, brauche ich Zeit, um mich zu erholen." Trotz ihrer Unerfahrenheit war Whitney nicht naiv. Sie wusste, dass sie Hawk mit Geduld und Zärtlichkeit erneut erregen konnte - schließlich hatten sie noch die ganze Nacht vor sich. Ihr Haar streichelte wie ein seidiger dunkler Schleier seinen Körper, als sie ihn zu küssen begann. Hawk entspannte sich lustvoll seufzend ... und zuckte zusammen, als sie sich mit ihren Küssen seinen Schenkeln näherte. "Whitney!" "Lass mich ..." Unbändiges Verlangen leuchtete in ihren großen veilchenblauen Augen. Sie wollte nichts anderes, als diesem Mann Lust zu bereiten und ihn so mit dem einzigen Mittel an sich zu binden, das er zuließ. Hawk gab sich geschlagen. Er ließ den Kopf ins Kissen zurücksinken und gab sich ganz ihren verführerischen Liebkosungen hin. Angespornt durch diesen Erfolg, wurde Whitney immer mutiger und liebte ihn in einer Weise, wie sie es nie zu träumen gewagt hätte. Schließlich zog Hawk sie auf sich und umschloss eine der harten Brustspitzen, die sie ihm entgegendrängte, mit seinem Mund. Nun übernahm er wieder die Initiative und bereitete ihr eine Lust, wie sie sie sich in ihnen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hatte. Rasch näherte sie sich erneut dem Höhepunkt, der ihr zuvor nicht vergönnt gewesen war. Diesmal kam sie Hawk voller Verlangen entgegen, als er den Mund von ihr löste und sich zwischen ihre Beine legte, und genoss das unbeschreibliche Glücksgefühl, endlich eins mit ihm zu werden. Und dann verlor sie sich ganz im Ansturm ihrer Gefühle und schrie auf vor Lust, als sie den Gipfel erreichte. Heißer Triumph
durchzuckte sie, als Hawk fast gleichzeitig kam und sie gemeinsam den Rausch ihrer Leidenschaft bis zur Neige auskosteten. Erschöpft sanken sie sich danach in die Arme und lagen lange so da, während ihre Körper in den Nachwehen ihrer Liebe erschauerten. "Was habe ich getan?" stöhnte Hawk plötzlich. "Was haben wir getan?" verbesserte sie ihn zärtlich. "Ich bin nicht nur von dem Podest herabgestiegen, ich habe es zerschmettert!" sagte er voller Selbstverachtung. Whitney wollte ihm keine Zeit geben, das, was zwischen ihnen passiert war, zu bereuen. Denn dann hätte er sie sofort verlassen, und sie wollte wenigstens diese eine Nacht mit ihm. Sie hatte ihn zu lang und zu sehr geliebt, um darauf zu verzichten. "Komm mit ins Bad, und wasch mir den Rücken", lud sie ihn verführerisch ein, stand auf und streckte ihm eine Hand entgegen. Hawk ließ den Blick begehrlich über ihren schönen nackten Körper gleiten. Dann blickte er ihr tief in die Augen, sah das glühende Verlangen darin leuchten und war verloren. Das gemeinsame Duschen führte zu neuerlichen Liebesspielen, wie Whitney es gehofft hatte. Danach sanken sie eng umschlungen in einen tiefen, traumlosen Schlaf. Whitney wurde von dem Gefühl geweckt, dass irgendetwas anders war. Die Morgensonne schien schon durch die Vorhänge vor dem Kabinenfenster, und Hawk lag immer noch eng an sie geschmiegt neben ihr im Bett. Er hatte sich nicht davongeschlichen, während sie schlief, wie Whitney fast befürchtet hatte. Seine Hand ruhte auf ihren nackten Brüsten, und Whitney spürte, dass seine Leidenschaft schon wieder erwachte. Erst dann wurde ihr bewusst, was sie geweckt hatte ... was anders war: Die Motoren der Yacht liefen. Die "Freedom" war ausgelaufen!
Hawk wurde sofort wach, als Whitney sich zu ihm umdrehte. Im ersten Moment leuchteten seine Augen zärtlich auf, doch dann nahm er sich zurück. "Was ist los?" "Die ,Freedom' ist ausgelaufen." Sie sah ihn fragend an. "Du hattest doch gesagt..." "Unsere Pläne haben sich geändert." Hawk kehrte ihr den Rücken zu und stand auf. "Deshalb wollte ich ja gestern Abend mit dir reden." Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. "Wie es aussieht, bin ich irgendwie abgelenkt worden." "Wohin fahren wir?" fragte Whitney. "Nach Europa." "Nach Europa?" wiederholte sie ungläubig. "Und wohin in Europa?" Hawk begann, sich anzuziehen. "Nun, da wir Gäste an Bord haben, dachte ich ..." "Gäste?" fiel sie ihm entgeistert ins Wort. Das konnte nur eines bedeuten. "Heißt das, Tom Beresford und Geraldine sind immer noch auf der Yacht?" Hawk drehte sich zu ihr um, vermied es aber, sie direkt anzusehen. "Ja." "Aber warum?" "Sie sind meine Gäste", lautete die kurz angebundene Antwort. "Und von mir erwartest du vermutlich, dass ic h mich in ihrer Gegenwart benehme", fügte Whitney resigniert hinzu. "Genau", bekräftigte er schroff. "Und jetzt muss ich in meine Suite zurück, bevor einer von ihnen aufsteht." "Warum?" Whitney legte sich ins Kissen zurück und blickte starr an die Decke. "Die glauben doch sowieso alle, dass wir ein Liebespaar sind." "Sie mögen es ja vielleicht glauben, aber deshalb brauchen wir es noch lange nicht zu bestätigen", erwiderte Hawk scharf. "Whitney ... vergangene Nacht, das war nicht geplant..."
"Ich weiß." Sie seufzte. "Sag mir bitte, warum sie an Bord geblieben sind. Geraldine wird doch schon beim Anblick von Wasser seekrank." "Mag sein, trotzdem ist sie noch an Bord." Hawk schüttelte bedauernd den Kopf. "Aber den Grund darf ich dir leider nicht sagen." "Nein, das dachte ich mir", gab sie sich resigniert geschlagen.
7. KAPITEL Es folgte der seltsamste Tag, den Whitney je erlebt hatte. Geraldine wurde von schrecklicher Seekrankheit gequält und blieb den ganzen Tag in ihrer Kabine. Also war Whitney in der Gesellschaft der vier Männer allein. Sofern man das als "Gesellschaft" bezeichnen konnte! Hawk war einsilbig und wenig mitteilsam und beobachtete sie, wann immer er glaubte, sie würde es nicht bemerken. Tom Beresford war zwar charmant und zuvorkommend, aber auf seine ziemlich arrogante Art, und Alex Cordell und Glyn Briant, die eigentlich ganz nett zu sein schienen, hielten sich die meiste Zeit im Hintergrund. Ja, sie waren schon eine merkwürdige Gesellschaft, und mit Fortschreiten des Tages wurde Whitney sich zunehmend unsicherer, wie sie sich jedem Einzelnen gegenüber verhalten sollte. Waren nur Glyn Briant und Hawk in den Plan eingeweiht, Tom Beresford zu verhaften, oder wusste Alex Cordell auch davon? Als sie schließlich am Nachmittag verkündete, sie würde jetzt ein Sonnenbad an Deck nehmen, war er jedenfalls der Einzige, der sich anbot, ihr Gesellschaft zu leisten - wenngleich vermutlich nur aus reiner Höflichkeit.
Alex Cordell war mittelgroß und wirkte nicht übermäßig kräftig. Das braune Haar trug er kurz, seine Augen waren braun. Rein äußerlich hatte er nichts Verwegenes an sich, und Whitney fragte sich unwillkürlich, wie er überhaupt dazu gekommen war, Tom Beresfords Leibwächter zu werden. "Ich bin Judomeister", sagte er, weil er bemerkte, wie ausgiebig sie ihn begutachtete. Whitney errötete und war froh, dass sie ihre Verlegenheit hinter ihrer Sonnenbrille verbergen konnte. "Verzeihen Sie ... Mir kam nur einfach in den Sinn, dass ein intelligenter Mann ... Es tut mir Leid. Das war sehr unhöflich vo n mir." Er mochte Ende dreißig, Anfang vierzig sein, aber wenn er lachte, wirkte er jünger. Seine braunen Augen blitzten jungenhaft. "Ich bin überhaupt nicht beleidigt", wehrte er locker ab. "Manche Menschen verdienen sich ihren Lebensunterhalt mit ihren Muskeln, manche mit ihrem Verstand. Jeder macht das, was er am besten kann." Sie nickte. "Ja, natürlich. Mein Vater war Motorradrennfahrer - auch nicht gerade ein durchgeistigter Beruf!" "Ach, genau wie Mr. Hawkworth früher", warf Alex ein. "Allerdings hat der längst bewiesen, dass er seine Muskeln genauso gut gebrauchen kann wie seinen Verstand." Bei dem Gedanken an Hawk leuchteten ihre Augen zärtlich auf. "Ja, ich nehme nicht an ..." "Darf ich mich zu Ihnen gesellen?" Glyn Briant war unbemerkt zu ihnen an Deck gekommen. Whitney blickte ein wenig widerwillig auf, denn sie hatte sich allein mit Alex Cordell wesentlich entspannter gefühlt. "Sie können meine Liege haben", bot Alex sofort an und stand auf. "Es ist sowieso Zeit, dass einer von uns nach Mrs. Beresford sieht." Whitney blickte ihm bedauernd nach. Hawk und Glyn hatten ihr zwar genug verraten, dass sie sich wegen Hawks Beziehung zu Tom Beresford keine Sorgen mehr zu machen brauchte. Aber sie hatten sie über so viele Dinge im Unklaren gelassen, dass sie
sich wie ein Fisch auf dem Trockenen fühlte, und sie glaubte nicht, dass die beiden vorhatten, sie noch weiter in ihre Pläne einzuweihen. "Und? Genießen Sie die Kreuzfahrt?" fragte Glyn spöttisch, als er sich auf der Liege neben ihr ausstreckte. "Nicht besonders!" entgegnete sie, ohne ihn anzusehen. "Haben Sie Hawk mit Beresford allein gelassen, damit er sich für Sie noch mehr zum bösen Buben macht?" "Hawk hat mir versprochen, er hätte Sie im Griff!" stieß er hervor. Sie lächelte ungnädig. "Das Leben ist voller kleiner Enttäuschungen." "Whitney." Er seufzte gereizt. "Bitte, halten Sie sich zurück, sonst könnte Hawk dabei Schaden nehmen." Sie sah ihn ungläubig an. "Wollen Sie mir drohen?" "Nein", wehrte er müde ab. "Ich bezweifle, dass das in Ihrem Fall etwas bewirken würde. Aber ich wünschte mir, Sie hätten sich aus dieser Sache herausgehalten, wie es ursprünglich geplant war." Sie schüttelte den Kopf. "Jetzt, da ich weiß, dass Hawk daran beteiligt ist, wäre das nicht mehr möglich." "Wenn Sie ihn wirklich lieben, dann arbeiten Sie nicht gegen ihn, sondern helfen Sie ihm!" "Das würde ich ja tun, wenn ich nur wüsste, was hier wirklich abläuft!" Glyn seufzte resigniert. "Können Sie ihm nicht einfach vertrauen?" "Ich vertraue ihm", sagte sie schlicht. "Aber mir nicht", fügte Glyn vielsagend hinzu. "Hören Sie, mir ist klar, dass man mir nie einen Orden für Diplomatie verleihen wird, aber ich bin gut in meinem Job." "Und was genau ist Ihr Job?" fragte sie sofort. "Das darf ich Ihnen nicht sagen." Whitney zuckte die Schultern. "Wie können Sie dann erwarten, dass. ich Hawk helfe, wenn ich überhaupt nicht weiß,
was hier passiert? Sie und Hawk arbeiten offensichtlich schon seit Monaten in dieser Sache zusammen - aber ich weiß nicht einmal genau, wer in diesem Spiel ,die Guten' und wer ,die Bösen' sind!" Glyn lächelte nachsichtig. "Leider teilt sich die Welt nicht immer so klar in Schwarz oder Weiß." Sie winkte unwillig ab. "Mit anderen Worten, Sie wissen es selber nicht!" Er lachte. "Hawk hat Sie völlig unterschätzt." "In welcher Hinsicht?" fragte sie vorsichtig. "Ich glaube, er dachte, Sie wären immer noch ein kleines Mädchen, das er beschützen muss." Nun, jetzt nicht mehr. Nach der Nacht, die sie zusammen verbracht hatten, konnte Hawk wirklich keinen Zweifel mehr daran hegen, dass sie kein kleines Mädchen mehr war. Aber im Verlauf des heutigen Tages war er ihr so weit wie möglich aus dem Weg gegangen, und Whitney wusste, dass er es bedauerte, ihr gegenüber derart die Beherrschung verloren zu haben, dass er sogar mit ihr geschlafen hatte. Trotzdem, er konnte nicht verleugnen, was zwischen ihnen geschehen war, und Whitney war fest entschlossen, nicht zuzulassen, dass er es vergaß. Glyn hatte sie aufmerksam beobachtet. "Aber vielleicht trifft das inzwischen nicht mehr zu?" erkundigte er sich neugierig. Whitney hielt Angriff für die beste Verteidigung. "Warum hat Hawk sich eigentlich bereit erklärt, Ihnen in dieser Sache zu helfen?" Sofort wurde Glyns Miene wieder verschlossen. "Das müssen Sie ihn schon selber fragen." "Und was würde mir das einbringen?" fragte sie empört. "Er ist so gesprächig wie eine Auster!" "Ist Ihnen denn nie in den Sinn gekommen, dass er nur versucht, Sie zu beschützen?" "Und ist Ihnen beiden nie in den Sinn gekommen, dass ich gar nicht beschützt werden will?"
Glyn schüttelte den Kopf. "Hören Sie, Whitney, dies hier ist kein Kinderspiel..." "Und ich bin kein Kind mehr, wie Sie vor einer Minute so richtig erraten haben", fiel sie ihm ins Wort. "Das ist eine Sache zwischen Hawk und Ihnen." Glyn stand auf, um zu gehen. "Aber nur, solange es nicht mit Ihrer Arbeit in Konflikt gerät, nicht wahr?" spottete sie. Er beugte sich zu ihr herab, bis sein Gesicht ganz dicht vor ihrem war. "Versuchen Sie nicht, Ihre Krallen an mir zu wetzen, Whitney. Ich bin als ziemlich harter Bursche bekannt", warnte er sie. Whitney hielt seinem Blick unbewegt stand. "Sollte Hawk irgendetwas passieren, werden Sie erfahren, wie scharf meine Krallen wirklich sind!" entgegnete sie herausfordernd. Seine Augen blitzten belustigt auf. "Hawk hat Sie zweifellos unterschätzt." "Warum erzählen Sie ihm das nicht?" schlug sie spöttisch vor. "Vielleicht würde dann wenigstens einer von Ihnen beiden aufhören, mich wie eine Schwachsinnige zu behandeln!" Glyn pfiff bewundernd durch die Zähne. "He, ich bin wirklich froh, dass wir auf der gleichen Seite stehen." Whitney lächelte wider Willen. "Sollten Sie jetzt nicht zu den anderen zurückkehren? Man wird Sie schon vermissen." Er zuckte die Schultern. "Mir wird genau wie jedem ändern Mann zugestanden, einer schönen Frau nicht widerstehen zu können." "Wie schön, dass wenigstens einer hier an Bord so denkt!" Whitney rückte ihre Sonnenbrille zurecht und hob das Gesicht in die Sonne. "Hawk scheint dagegen immun zu sein." "Wogegen bin ich immun?" Whitney gab sich alle Mühe, sich nicht anmerken zu lassen, dass es sie bei Hawks unerwartetem Auftauchen heiß durchzuckte. "Gegen eine schöne Frau", antwortete sie bedeutsam. "Oder hast du heute schon nach Geraldine gesehen?
Ach, wie dumm von mir, natürlich ... Das scheint heute ja die beliebteste Freizeitbeschäftigung aller an Bord befindlichen Männer zu sein." "Wieso?" fragte Hawk aufhorchend. "Wer denn sonst noch? Alex?" "Er ist vor einer halben Stunde hinuntergegangen, um nach ihr zu sehen", antwortete sie widerwillig und fügte spitz hinzu: "Ist er etwa noch nicht zurück? Du liebe Güte, das wird ihrem Mann aber nicht gefallen ... Die Frage ist nur, welchem ihrer Männer?" "Whitney ..." "Ich finde das übrigens sehr rücksichtslos von dir, Hawk", fuhr sie fort, ohne seinen Einwand zu beachten. "Du hättest wenigstens dafür sorgen können, dass genauso viele Frauen wie Männer an Bord sind. Die arme Geraldine und ich, wir haben Probleme, euch allen gerecht zu werden." "Tom hat nach Ihnen gefragt", wandte Hawk sich gereizt an Glyn Briant. Der nickte. "Ich habe unseren kleinen Plausch genossen, Whitney", sagte er spöttisch. "Und ich werde vor den Krallen auf der Hut sein." Sobald er gegangen war, wandte Hawk sich wieder Whitney . zu. "Was sollte seine Bemerkung?" Im Schutz der dunklen Sonnenbrille ließ Whitney den Blick bewundernd über ihn gleiten. Er trug eine dunkle Hose und ein weißes Polohemd und sah umwerfend attraktiv aus. Allerdings verrieten die dunklen Schatten unter seinen Augen, dass er in dieser Nacht zu wenig geschlafen hatte. Sie lächelte unwillkürlich bei der Erinnerung an die wundervollen Stunden, die sie gemeinsam im Bett verbracht hatten. "Was ist da so komisch?" fragte er misstrauisch. Ihr Lächeln wurde verführerisch. "Nicht komisch, nur wundervoll", antwortete sie heiser. Seine Augen leuchteten auf. "Whitney, letzte Nacht..." "... war wundervoll, ich weiß." Sie stand auf, legte ihm die Arme um den Nacken und schmiegte sich an ihn. "Bislang
unübertroffen", fügte sie bedeutsam hinzu und kam ihm entgegen, um ihn zu küssen. "Bislang?" wiederholte er fragend und schob sie etwas von sich. Sie nickte vielsagend. "Es war wunderbar, solange wir hier allein waren, aber es hat etwas ungemein Erotisches an sich, zu wissen, dass noch andere Leute an Bord sind, wenn wir uns lieben ... Warum gehen wir nicht einfach in meine Suite? Ich bin sicher, niemand wird uns vermissen." Hawk erschauerte, als sie sich bewusst provozierend an ihn schmiegte. "Whitney ..." "Verzeihung, wenn ich störe ..." Es war die verlegene Stimme von Alex Cordell. "Mr. Beresford würde Sie gern sprechen", fügte er an Hawk gewandt hinzu. Hawk nickte gleichmütig. "Richten Sie ihm aus, dass ich gleich komme." Sobald sie wieder allein waren, sah er Whitney an und seufzte. "Danke. Seit du an Bord bist, scheint mir jede List recht." Sie ließ die Fingerspitzen sacht über seine Wange gleiten. "Wie lange muss das denn noch so gehen?" fragte sie genervt. "Ich hoffe sehr, dass es bald vorbei ist!" antwortete er nachdrücklich. "Wegen gestern Nacht?" fragte sie traurig. Er wich ihrem Blick aus. "Whitney, ich wollte nicht, dass so etwas passiert..." Er verstummte, als sie ihm sacht einen Finger an die Lippen legte. Doch dann nahm er entschlossen ihre Hand. "Ich muss mit dir reden", sagte er schroff. "Später, heute Abend, in deiner Kabine." Nachdem Hawk gegangen war, schlief Whitney mit einem Lächeln auf dem Gesicht in der Nachmittagssonne ein. Mochte er ruhig denken, dass er heute Abend zu ihr kommen, vernünftig über alles reden und dann wieder gehen könnte, als wäre nichts geschehen. Sie wusste es besser. Sobald er erst allein mit ihr in ihrer Suite sein würde, würde sie schon einen Weg finden, ihn
bei sich zu behalten. Eine kribbelnde Vorfreude erfasste sie bei der Aussicht auf eine weitere Nacht in seinen Armen. Ihre veränderte Beziehung zu Hawk gab Whitney das nötige Selbstbewusstsein, um auf dem Weg in ihre Kabine, wo sie sich zum Abendessen umziehen wollte, nach Geraldine zu sehen. Hawks Exfrau sah schrecklich aus. Ihr Gesicht hatte eine ungesunde grünliche Farbe, und sie schien um Jahre gealtert. "Bist du gekommen, um dich an meinem Anblick zu weiden?" fragte sie biestig, wobei sie sich mühsam im Bett aufsetzte. "Du solltest nicht alle Menschen nach dir beurteilen", riet Whitney ihr ungerührt. Ihre grünen Augen blitzten feindselig. "Warum bist du dann hier?" "Als deine Gastgeberin", antwortete Whitney bewusst provozierend, "hielt ich es für meine Pflicht, nach dir zu sehen." "Schön, wie du siehst, geht es mir dreckig!" jammerte Geraldine. "Ich habe nie verstanden, was Hawk für ein Vergnügen daran finden konnte, tagelang auf dieser schwimmenden Hölle unterwegs zu sein." Whitney setzte sich in einen Sessel neben dem Bett. Sie trug einen weiten Bademantel über ihrem Bikini. "Wir wissen doch beide, dass du immer schon unter Seekrank heit gelitten hast. Weshalb hast du diese Kreuzfahrt überhaupt auf dich genommen?" "Ich habe meine Gründe", antwortete Geraldine scharf. "Inzwischen genieße du deine kleine Affäre mit Hawk - solange sie dauert. Denn in dem Moment, wenn ich mich entscheide, der Sache ein Ende zu machen, werde ich es tun ... einfach so!" Sie schnippte mit den Fingern. Geraldine hatte schon immer die Fähigkeit besessen, andere Menschen an ihrer schwächsten Stelle zu treffen. Und ihre Unsicherheit, was ihre Beziehung zu Hawk betraf, war natürlich Whitneys wunder Punkt. Sie stand auf. "Du bist immer noch genauso giftig wie früher", sagte sie verächtlich.
"Und du in deiner lächerlichen Schwärmerei für Hawk immer noch genauso leicht zu durchschauen", entgegnete Geraldine höhnisch. "Wie ich schon sagte - genieße es, solange du kannst... solange ich dich lasse!" Ziemlich aufgewühlt kehrte Whitney in ihre Kabine zurück. Nicht, dass sie keine Kämpfernatur war - jeder, der sie kannte, wusste das. Aber ihre Beziehung zu Hawk stand noch auf so wackligen Füßen, und Geraldine hatte immer einen so zerstörerischen Einfluss auf ihn ausgeübt. Whitney konnte sich nicht sicher sein, ob sich daran etwas geändert hatte. Das Abendessen zog sich endlos hin. Nicht einmal Seans kleine Witzeleien konnten Whitney richtig aufmuntern. Sie wollte endlich mit Hawk allein sein - doch stattdessen musste sie Menschen gegenüber Höflichkeit heucheln, von denen sie einen verachtete, ein anderer ihr völlig gleichgültig war und der dritte ihr Angst einjagte, weil er und Hawk an irgendeiner geheimnisvollen Mission arbeiteten. Es war die Hölle. "Diese Kreuzfahrt scheint sich auf die Damen eher nachteilig auszuwirken", bemerkte Tom Beresford vielsagend, als sie sich schließlich wegen Kopfschmerzen entschuldigte. "Gott sei Dank erreichen wir morgen Amsterdam." Amsterdam? Whitney warf ihm im Hinausgehen einen scharfen Blick zu. Sie fuhren also nach Amsterdam. Aber warum? Auf was hatte Hawk sich da eingelassen? Eine gute Stunde später klopfte es an Whitneys Tür. "Schsch", warnte Hawk sie, als sie die Tür öffnete. "Gehen wir besser hinein", riet Glyn Briant aus dem Hintergrund. "Hier draußen könnte uns jemand sehen." Erstaunt und verärgert sah Whitney zu, wie Glyn Hawk in ihre Suite folgte. Nachdrücklich schloss sie die Tür hinter den beiden zu. Sie hatte mit Hawk allein sein wollen und keine Lust, sich wieder mit anzuhören, wie er und Glyn über Tom Beresford sprachen. Hawks mitfühlender Blick verriet, dass er wusste, was sie fühlte. Doch das hinderte ihn nicht, sich hinzusetzen und ihre Akte über Tom Beresford und die Fotos, die sie geschossen
hatte, auf ihrem Couchtisch auszubreiten, um sie mit Glyn Briant zu studieren! "Kümmert euch nicht um mich!" sagte sie schließlich spitz, als die beiden, ganz in ihr Gespräch vertieft, ihre Anwesenheit völlig vergessen zu haben schienen. Glyn blickte amüsiert auf. "Wie wär's mit Kaffee? Es wird eine lange Nacht", sagte er, wobei er vielsagend auf das Kaffeetablett blickte, das sie für sich und Hawk in ihre Kabine mitgenommen hatte. Ihre Auge n funkelten wütend. "Es sind nur zwei Tassen da!" "Schon gut", erwiderte er ungerührt. "Wir sind ja nur zu zweit." Wütend zog sie sich ihren Bademantel enger um die Taille. "Nehmt euch euren Kaffee selbst. Ich gehe jetzt schlafen!" Sie verschwand im angrenzenden Schlafzimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Kurz darauf wurde die Tür wieder geöffnet und leise geschlossen. Doch obwohl der Duft seines After Shakes ihr verriet, dass Hawk ihr gefolgt war, drehte sie sich nicht um. Sacht legte er ihr von hinten die Hände auf die Schultern. "Du solltest dich nicht so über Glyn ärgern", tadelte er sanft. "Dich aufzuziehen wird zu seiner Lieblingsbeschäftigung." Mit Tränen in den Augen drehte sie sich zu ihm um. "Ich dachte, wir würden heute Abend allein sein!" "Das dachte ich auch." Er seufzte. "Aber Glyn hat in deiner Akte und in den Fotos nichts gefunden, was die Beresfords ernsthaft belasten könnte. Deshalb dachte er, dass wir uns zusammensetzen und versuchen sollten, gemeinsam das Geheimnis zu lüften, warum diese Akte als so wichtig eingestuft worden ist, dass man dich deswegen bedroht hat." "In meiner Suite!" "Wir dachten, das wäre weniger auffällig. Warum kommst du nicht und hilfst uns?" "Frei nach dem Motto: Wenn du sie nicht schlagen kannst, solltest du dich ihnen anschließen, ja?" sagte sie spöttisch. Hawk nickte zerknirscht. "So ungefähr."
Doch Whitney schüttelte den Kopf. "Ich wüsste ja nicht einmal, wonach ich suchen sollte." "Dann komm einfach, und leiste mir Gesellschaft", bat Hawk und berührte sacht ihre Wange. Sein zärtlicher Blick ließ ihren Zorn auf der Stelle verfliegen. Glyn Briant konnte schließlich nicht die ganze Nacht in ihrer Suite bleiben - jedenfalls würde sie ihm nicht raten, es zu versuchen! "Ich zieh mir nur rasch etwas an", sagte sie he iser. Sein Blick schweifte unwillkürlich zu ihren Brüsten. "Was hast du darunter an?" fragte Hawk rau. Sie lächelte verführerisch. "Absolut nichts." "Meine Güte!" Seine Hände zitterten leicht. "Für mich?" "Ich habe dir doch gesagt, Hawk ... es ist immer nur für dich." Sie blickte ihn sehnsüchtig an. "Bist du sicher, dass du diese Unterlagen nicht ein anderes Mal mit Glyn durchgehen kannst?" fragte sie bedeutsam. Er atmete tief ein und schüttelte bedauernd den Kopf. "Nein, wir kommen morgen in Amsterdam an." "Was wird denn in Amsterdam passieren?" fragte sie beschwörend. "Da sind wir uns noch nicht sicher. Wir können nur hoffen." "Aber..." "Lass mich dich nur einmal ansehen." Er löste den Gürtel um ihre Taille und schob den Bademantel auseinander. Der Anblick ihres schönen nackten Körpers raubte ihm den Atem. Unwillkürlich streckte er die Hände aus und umfasste ihre Brüste. "Ein Blick ist nicht genug!" flüsterte er, beugte sich herab und umschloss eine der rosigen Spitzen mit dem Mund. Whitney, die sich den ga nzen Tag nach diesem erregenden Glücksgefühl gesehnt hatte, schmiegte sich verlangend an ihn. Ein leises Klopfen an der Tür ließ Hawk und Whitney auseinander fahren. Glyn gab Whitney kaum Zeit, sich den Gürtel wieder zuzubinden, so schnell öffnete er die Tür. "Ich möchte wirklich kein Spielverderber sein, Hawk", sagte er
bedauernd, "aber uns bleibt nur noch Zeit bis morgen, des Rätsels Lösung zu finden." Hawk stand mit dem Rücken zu ihm und schirmte Whitney vor den Blicken des anderen Mannes ab. "Ich komme sofort, Glyn", sagte er schroff. "Sehr freundlich von Ihnen", entgegnete Glyn Briant eisig. Hawk drehte sich unvermittelt um und ging drohend auf ihn zu. "Wagen Sie es nicht noch ein einziges Mal, so bei Whitney und mir hereinzuplatzen!" Glyn zuckte die Schultern. "Es tut mir leid." Hawk nickte. "Ich denke, Whitney wird Ihre Entschuldigung zu schätzen wissen. Und nun ... wie ich schon sagte, ich werde gleich bei Ihnen sein." Er ließ Glyn nicht aus den Augen, bis dieser sich zurückzog und die Tür wieder hinter sich schloss. "Es tut mir leid, Whitney." Hawk wandte sich ihr bedauernd zu. "Sobald ich mit dir allein war, konnte ich mich einfach nicht mehr beherrschen." Er streichelte ihr die errötete Wange. "Schon gut." Whitney nickte. "Ich werde mich anziehen und dann zu euch kommen." Sie lächelte flüchtig. "Wir werden später noch Zeit für uns haben ... oder?" "Ich hoffe es", antwortete Hawk müde und fügte hinzu: "Komm bald." In den nächsten Stunden tranken sie literweise Kaffee. Whitney ging mehrfach in die Kombüse, um neuen zu kochen, nachdem Sean längst im Bett war. Während die beiden Männer konzentriert über den Fotos brüteten, saß Whitney still daneben und sah ihnen zu, ohne genau zu wissen, wonach sie eigentlich suchten. Immer noch schienen, sie es für besser zu halten, sie nicht einzuweihen. "Ich glaube, ich habe das Muster gefunden!" rief Glyn plötzlich aus. "Du meine Güte!" Er nahm einige der Fotos und überprüfte noch einmal die Daten, die Whitney sorgfältig auf den Rückseiten notiert hatte. "Sehen Sie sich das an, Hawk!" Aufgeregt drückte er Hawk die Fotos in die Hand.
Hawk wurde blass, als er begriff. "Ich glaube es nicht", sagte er schroff. "Vergleichen Sie die Datumsangaben", forderte Glyn ihn auf. "Ein Irrtum ist ausgeschlossen. Es lag die ganze Zeit vor unseren Augen, und wir haben es nicht gesehen!" "Was?" fragte Whitney neugierig. "Worum geht es überhaupt?" "Nichts, was dich betrifft." Hawk gab Glyn die Fotos zurück. "Bis sie es nicht selber zugibt, kann ich nicht glauben, dass sie darin verwickelt ist", fügte er noch einmal energisch hinzu. Sie? Geraldine? Du liebe Güte, wenn Geraldine tatkräftig an den korrupten Machenschaften ihres Ehemanns beteiligt war, würde Hawk sicherlich niemals zulassen, dass ihr etwas passierte. Eine solche Wendung der Geschichte hatte er ganz offenbar nicht mit eingeplant! Glyn packte die belastenden Fotos wieder zurück zu den anderen Unterlagen. "Es erklärt, warum wir ihn nie festnageln konnten. Wir haben an ganz falscher Stelle gesucht." "Sie mag ja selbstsüchtig und ein richtiges Biest sein, aber ich glaube einfach nicht, dass sie dazu fähig wäre", beharrte Hawk, der immer noch sehr blass war. "Fotos lügen nicht, Hawk", gab Glyn zu bedenken. "Verdammt, Sie sollten sie nicht schon verurteilen, bevor ihre Schuld nicht erwiesen ist", sagte Hawk wütend. Glyn zuckte die Schultern. "Sie muss nicht mich, sondern die Richter von ihrer Unschuld überzeugen, das wissen Sie genau." "Sie werden sie doch nicht verhaften?" "Ihnen ist doch klar, dass ich es tun muss!" entgegnete Glyn hart. "Hören Sie, Hawk, Sie sind nicht mehr für sie verantwortlich. Lassen Sie das Beresfords Sorge sein. Whitney ist die neue Frau in Ihrem Leben." Hawk sah sie an, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen, geschweige denn bereits eine leidenschaftliche Liebesnacht mit ihr verbracht.
"Vergessen Sie nicht den Grund, warum Sie überhaupt in diese Sache eingestiegen sind", fügte Glyn nachdrücklich hinzu. Hawks Blick wurde leer. "Das könnte ich nie vergessen! Und gerade das ist ein weiterer Grund, warum ich nicht an Geraldines Mittäterschaft glauben kann." Zum ersten Mal war der Name gefallen. Doch Whitney hatte sowieso gewusst, dass es Geraldines mögliche Schuld war, gegen die Hawk so heftig protestierte. Die Erkenntnis, dass er seine Exfrau derart vehement verteidigte, erfüllte sie mit einer Leere und Traurigkeit, wie sie sie bislang erst einmal in ihrem Leben verspürt hatte - als Hawk sie vor einem Jahr aus seinem Leben ausgeschlossen hatte. In einem Punkt durfte sie sich jetzt nichts mehr vormachen: Hawk würde von seiner Liebe zu Geraldine nie loskommen. "Nicht wir haben über ihre Schuld zu entscheiden", sagte Glyn hart. "Schlafen Sie darüber, Hawk - und Sie werden einsehen, dass ich keine Wahl habe." "Und wenn ich ein Jahr darüber nachdenken würde, würde sich an meiner Meinung nichts ändern", entgegnete Hawk fest. Glyn seufzte müde. "Reden Sie mit ihm, Whitney, und versuchen Sie ihn zur Vernunft zu bringen." Er schüttelte den Kopf. "Wenn es einer schaffen kann, dann Sie." Nachdem Glyn Briant gegangen war, herrschte zunächst einmal angespanntes Schweigen. Whitney wusste nicht, was sie sagen sollte. Was konnte sie dem Mann sagen, der ihr Liebhaber war, aber so offensichtlich immer noch seine Exfrau liebte? Hawk sprach zuerst. "Wir werden unsere Unterhaltung aufschieben müssen - all das hat die Dinge ein wenig ... verändert." Er fuhr sich erregt durchs Haar. Whitney wusste sowieso nicht, worüber sie hätten reden sollen. "Ja", stimmte sie resigniert zu. "Es tut mir leid ... dass Geraldine darin verwickelt ist", fügte sie matt hinzu. Hawk schluckte. "Würdest du ...? Ich würde gern ..." Er schüttelte den Kopf und verstummte. "Ja?"
Er wagte es kaum, sie anzusehen. "Würdest du mit mir schlafen?" Wenn er sie gebeten hätte, über glühende Kohlen zu laufen, in ein Becken voller Haie zu springen oder in einem Käfig voller Giftschlangen auszuharren, wäre es ihr vermutlich leichter gefallen, mit Ja zu antworten, als bei dem Gedanken, mit ihm jetzt zu schlafen, nachdem er gerade eben seine Liebe zu Geraldine so dramatisch unter Beweis gestellt hatte. Dennoch konnte sie ihn nicht abweisen - sie hatte Hawk noch nie etwas abschlagen können. "Vergiss es", sagte Hawk, als er sah, wie verletzt und verwirrt sie ihn anblickte. "Es wäre nur ein weiterer Fehler, nachdem ich dir gegenüber schon so viele begangen habe." Es kränkte sie tief, zu hören, wie er die wundervollste Nacht ihres Lebens als einen "Fehler" bezeichnete. "Dann schlaf du mit mir", lud sie ihn ein, ohne den Blick von ihm zu wenden. "Ich möchte dir heute Nacht gern nahe sein." Denn vermutlich würde es keine weitere Nacht wie diese mehr für sie geben. Hawk atmete tief ein. "Ich sollte dir vielleicht sagen ..." "Sag mir gar nichts", fiel sie ihm rasch ins Wort. "Lass uns einfach ins Bett gehen." "Vielleicht hast du Recht." Er seufzte. "Verdammt, wie ich mir wünschte, du hättest dich aus dieser Sache herausgehalten!" "Und dass du nie mit mir geschlafen hättest?" "Das werde ich nie bereuen", antwortete er fest. "Ich habe dagegen angekämpft, aber ich werde es nie bereuen." Ihm schien nicht klar zu sein, wie sehr er sie verletzt hatte, als er Geraldine so vehement verteidigt hatte, und wie sehr er sie jetzt verletzte, weil er so offensichtlich zögerte, wenigstens noch einmal mit ihr zu schlafen. Doch für den Schmerz blieb später noch Zeit. Whitney wollte die wenige Zeit mit ihm genießen. Morgen konnte er dann zu Geraldine zurückkehren. Hawk liebte sie mit einer Intensität, die ihr die Sinne raubte. Jeder Kuss, jede Liebkosung, jedes zärtliche Wort schien eine ganz besondere Bedeutung zu haben, als würde auch er es
bereuen, dass sie nie wieder so zusammen sein würden. Auch wenn Whitney wusste, dass dies sicher nur Einbildung war, erwiderte sie sein Liebesspiel mit gleicher Zärtlichkeit und Leidenschaft. Wie gern hätte sie ihm gesagt, wie sehr sie ihn liebte! Doch sie wagte nur, ihm zuzuflüstern, welche Lust er ihr bereitete. In dieser Nacht wollte Hawk anscheinend überhaupt nicht schlafen. Kaum waren sie wieder zu Atem gekommen, begann er erneut - diesmal noch langsamer, noch genüsslicher. Immer wieder aufs Neue liebten sie sich wild und leidenschaftlich und wünschten sich beide, diese zauberhafte Nacht würde niemals enden. . Doch irgendwann graute der Morgen, und Hawk und Whitney mussten dem neuen Tag ins Auge blicken. Nachdem Hawk geduscht und sich angezogen hatte, zögerte er immer noch, ihre Suite zu verlassen. Er wirkte ernst und verschlossen. "Was immer heute passiert, falls etwas passiert, halte dich raus, ja?" wies er sie schließlich an. "Aber was wird denn passieren?" fragte Whitney frustriert. "Kannst du mir nicht wenigstens sagen, worum es überhaupt geht?" Sein Blick wurde hart. "Drogen", sagte er nur. Whitney sah ihn überrascht an. "Aber ich dachte ..." "Ich weiß, was du dachtest, Whitney", unterbrach er sie schroff. "Und es war besser so. Aber heute könnte es unangenehm werden, und ich möchte nicht, dass du in die Schusslinie gerätst." Sie schluckte erschrocken. "Könnte es denn tatsächlich zu einem Schusswechsel kommen?" "Wer weiß? Wenn Glyn ihn heute wirklich stellt, ist alles möglich." Whitney glaubte zu begreifen. Kein Wunder, dass Hawk so aufgebracht war, wenn Geraldine möglicherweise irgendwie
daran beteiligt war, ihrem Mann beim Drogenschmuggel zu helfen!
8. KAPITEL "Was geschieht jetzt?" Whitney saß Hawk allein am Frühstückstisch gegenüber. Die anderen hatten bereits gefrühstückt. Doch weder Whitney noch Hawk schienen so recht Appetit zu haben. Die "Freedom" lag jetzt schon eine ganze Weile in Amsterdam vor Anker. Hawk wirkte überaus wachsam und angespannt, was Whitney verunsicherte. "Wir warten", antwortete er und zuckte die Schultern. "Auf was?" "Woher soll ich das wissen?" Er sprang ungeduldig auf. "Glyn zieht die Fäden bei dieser Show." Whitney blickte besorgt zu ihm auf. "Glaubst du immer noch, dass Geraldine unschuldig ist?" Er seufzte. "Ich weiß es nicht. Diese Fotos ... waren schon ziemlich belastend. Aber ich weiß, dass Geraldine Drogendealer genauso hasst wie ich. Sie hatte Dan sehr gern ..." "Meinen Vater?" Whitney horchte auf. "Was hat mein Vater mit dieser Sache zu tun?" Hawk wich ihrem Blick aus. "Nichts", sagte er nachdrücklich. "Aber du hast doch gerade gesagt..."
In diesem Moment kam Glyn Briant aufgeregt in den Speiseraum gestürmt. "Hawk! Er geht jetzt an Land." "Und Geraldine?" fragte Hawk sofort. Glyn winkte ab. "Sie bleibt an Bord ... fühlt sich zu krank, um aufzustehen." "Immerhin etwas!" Hawk sah Whitney entschuldigend an. "Ich muss jetzt los. Wir reden weiter, wenn ich zurück bin." Sie nickte stumm. Es hatte ihr die Sprache verschlagen, dass Hawk ihren Vater im Zusammenhang mit Tom Beresford und Geraldine genannt hatte. Ihr Vater hatte nie etwas mit Drogen zu tun gehabt. Was also hatte Hawk gemeint? "Whitney?" Er sah sie besorgt an. Sie blickte benommen auf. "Ich verstehe nicht..." "Geben Sie ihr einen Kuss, und dann los, Hawk", befahl Glyn. "Ich muss ihm jetzt auf den Fersen bleiben." "Glauben Sie, dass er den Austausch selber machen wird?" "Da Geraldine sich unwohl fühlt, muss er es wohl." Glyns Augen funkelten triumphierend. Hawk legte Whitney beide Hände auf die Schultern und küsste sie zärtlich und innig. "Halte dich von Geraldine fern, während ich fort bin", bat er sie dann eindringlich. "In Ordnung", flüsterte sie. "Aber ich wünschte, du würdest mir erklären ..." "Wir können jetzt aufbrechen, Mr. Hawkworth", sagte Glyn Briant plötzlich ungewohnt förmlich. Whitney drehte sich neugierig um und bemerkte den Grund: Tom Beresford und Alex Cordell waren hinzugekommen. "Schön." Hawk nickte und wandte sich noch einmal zu Whitney um. "Wir sehen uns später", versprach er leise, ehe er den drei Männern folgte. Whitney blickte den Männern nach, als sie von Bord der Yacht gingen. Die Sache mit ihrem Vater ging ihr nicht aus dem Kopf. Warum hatte Hawk ihn erwähnt? Wo sollte da eine Verbindung bestehen? Wenn es überhaupt eine gab. Soweit sie
sich erinnerte, hatte sie mit ihrem Vater nur einmal über Drogen gesprochen, und er war vehement dagegen eingestellt gewesen. Whitney lehnte immer noch nachdenklich an der Reling, als ihr der unverkennbare Duft von Geraldines teurem Parfüm verriet, dass Tom Beresfords Frau an Deck gekommen war. "Wo sind denn alle?" fragte sie in beleidigtem Ton. Whitney drehte sich langsam zu ihr um. Geraldine sah wie stets wunderschön aus in einem zitronengelben Kleid, das ihr rotes Haar noch flammender wirken ließ. Doch auch ihr perfektes Make-up konnte die verräterischen Spuren ihrer Seekrankheit nicht ganz überdecken. "Nun?" fragte Geraldine gereizt, als Whitney sie so ausgiebig betrachtete. Hawk hatte sie gebeten, sich von Geraldine fern zu halten. Aber er hatte ihr nicht gesagt, was sie tun sollte, wenn Geraldine zu ihr kam! Whitney richtete sich auf. "Nun was, Geraldine?" fragte sie provozierend. Die grünen Augen blitzten zornig. "Wo sind die anderen?" Whitney zuckte die Schultern. "Fort." "Fort?" wiederholte Geraldine ungläubig. "Was meinst du mit ,fort'? Wo sind sie hin?" fragte sie ungeduldig. "Ich dachte, das wäre offensichtlich." Whitney deutete an Land. "Das glaube ich dir nicht!" Geraldine presste die Lippen zusammen. Whitney zuckte erneut die Schultern. "Wie du willst." Geraldine sah sie argwöhnisch an. "Ich weiß nicht, was für ein Spiel du spielst, aber..." "Ich bin lange aus dem Alter für Spiele heraus", fiel Whitney ihr energisch ins Wort. "Ausgenommen solche, die Hawk betreffen. Wenn du ihn willst, dann musst du mit mir um ihn kämpfen!" "Und warum sollte ich einen Mann wollen, der mich nicht will?" entgegnete Geraldine zerstreut, wobei sie angestrengt zum Ufer blickte.
"Er liebt dich." Geraldine sah sie mitleidig an. "Er hat mich nicht einmal geliebt, als wir verheiratet waren, und ich habe keinen Grund anzunehmen, dass sich daran je etwas ändern wird." "Das glaube ich nicht", widersprach Whitney sofort. "Deine Sache", antwortete Geraldine gleichmütig. "Hawk und du, ihr beide seid mir ziemlich egal. Und genauso egal ist es mir, was du glaubst oder nicht glaubst." "Aber..." "Bist du sicher, dass die Männer an Land gegangen sind?" fragte Geraldine erneut. "Ich habe es dir doch gesagt." "Wie lange ist es her?" erkundigte sich Geraldine nun sichtlich aufgeregt. Whitney zuckte die Schultern. "Vielleicht eine knappe Stunde oder so. Warum? Ich dachte, dir wäre es zu elend, um sie zu begleiten." "Zum Teufel mit ihm!" Geraldine schien die Frage gar nicht gehört zu haben. Ihre grünen Augen funkelten wütend. "Was hat er nur vor? Ich sollte doch mit ihm gehen!" Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass sie nicht allein war, und sie blickte Whitney feindselig an. Ein Ausdruck von Zorn, aber auch Verunsicherung huschte über ihr schönes Gesicht. "Sorge dafür, dass jemand aus der Mannschaft mir Bescheid gibt, sobald sie zurückkommen", sagte sie schnippisch und verschwand wieder unter Deck. Whitney zog aus dem Gespräch den Schluss, dass Geraldine nicht vorgehabt hatte, an Bord zubleiben, wenn ihr Mann nach Amsterdam in die Stadt ging. Anscheinend hatte Tom Beresford sie bewusst zurückgelassen. Warum? Überdies schien das Gespräch einmal mehr zu beweisen, dass Geraldine in die korrupten Machenschaften ihres Mannes tief verstrickt war. Seltsam, Whitney hatte bei ihren Recherchen nicht einen einzigen Hinweis darauf entdeckt, dass Tom Beresford auch in Drogengeschäfte verwickelt wäre. Sicher, sie hatte gar nicht in
diese Richtung gesucht, trotzdem ... Dagegen hatte es viele Gerüchte über Erpressungsversuche und Schmiergelder gegeben, aber auch dafür hatte sie keinen wirklichen Beweis finden können. Sie hoffte nur, dass Hawk und Glyn wussten, was sie taten. Vor allem aber hoffte sie, dass Hawk in der Lage sein würde, Geraldines Schuld zu akzeptieren. "Wenn sie sich etwas mehr konzentrieren würden, Darling, würden Sie nicht ständig verlieren", tadelte Sean Whitney freundlich, wobei er erneut das Geld von der Mitte des Tischs seinem bereits beträchtlichen Stapel Münzen hinzufügte. Whitney wandte sich mit einem flüchtigen Lächeln wieder den Karten zu. "Ich glaube, vierzig Pence werden mich nicht arm machen." Sean hatte sie eine Stunde zuvor an Deck aufgestöbert, wo sie rastlos herumgegangen war, und kurzerhand darauf bestanden, mit ihm Karten zu spielen. Das hatten sie auch auf den früheren Kreuzfahrten mit der "Freedom" immer gern getan, aber heute konnte Whitney sich einfach nicht konzentrieren. Sie dachte immer nur an Hawk und dass er vielleicht in irgendeiner Gefahr schweben könnte. Wie sehr wünschte sie sich, er hätte sie mitgenommen! Alles wäre besser zu ertragen gewesen, als einfach tatenlos herumzusitzen und sich um ihn zu sorgen. Auch Geraldine wartete offensichtlich ungeduldig auf die Rückkehr der Männer, denn sie war in der Zwischenzeit einige Male an Deck gekommen und eine Zeit lang unruhig an der Reling auf und ab gegangen, um dann wutschnaubend wieder unter Deck zu verschwinden. "Lassen Sie uns den Einsatz auf einen Penny erhöhen", schlug Sean jetzt augenzwinkernd vor. "Das macht die Sache interessanter." "Sie kennen Hawks Regeln", tadelte Whitney ihn neckend. "Halfpennies ... oder wir spielen wieder um Streichhölzer." "Aber Sie sind jetzt doch ein großes Mädchen", beschwerte sich Sean, während er die Karten ausgab.
Ihr Lächeln verschwand. Ja, sie war jetzt ein großes Mädchen. Nach ihrer zweiten leidenschaftlichen Liebesnacht mit Hawk konnte sie das wohl mit Fug und Recht behaupten. Dennoch behandelte er sie weiter wie jemanden, den er beschützen musste ... und nicht wie jemanden, mit dem er seine Probleme teilen konnte. Und sosehr sie das kränkte, wusste sie doch, dass sie sich nur zu gern für den Rest ihres Lebens von ihm beschützen lassen würde, wenn er ihre Liebe nur ein klein wenig erwidern würde. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Sean sie besorgt ansah, und sie blickte errötend auf. "Also schön, ein Penny", sagte sie betont fröhlich. "Aber passen Sie auf, Sean. Ich habe es im Gespür, dass ich jetzt eine Glückssträhne habe!" Während der nächsten Stunde verlor sie weitere neunzig Pence und stimmte zerknirscht zu, als Sean vorschlug, das zu einseitige Spiel zu beenden. Sie sorgte sich zu sehr um Hawk, als dass sie an irgendetwas anderes hätte denken können. Die vier Männer waren jetzt seit Stunden fort. Die Mittagszeit war schon vorbei. Was, in aller Welt, machten sie so lange in der Stadt? Whitney war in ihrer Kabine, als sie draußen auf dem Kai das Taxi kommen hörte. Sie eilte zum Fenster und sah, dass nur zwei Männer drinnen saßen, doch sie konnte nicht erkennen, wer es war. Auf dem Gang prallte sie fast mit Geraldine zusammen, die den Wagen anscheinend auch gehört hatte. Kreidebleich drängte sich Geraldine vor und lief zuerst die Treppe hoch. Whitney kam gerade rechtzeitig an Deck, um zu sehen, wie Hawk und Tom Beresford an Bord der Yacht stiegen. Geraldine wurde aschfahl im Gesicht, als sie den eisigen, harten Blick ihres Mannes sah. "O nein!" hauchte sie. "O doch, meine Liebe", entgegnete Tom Beresford leise. "Nicht ganz, was du erwartet hast, nicht wahr?"
Geraldine schluckte und rang um Fassung. "Ich ... Ihr seid so früh aufgebrochen, dass ich keine Möglichkeit hatte mitzukommen. " Ihr Mann nickte. "Das war beabsichtigt." Ihre grünen Augen blitzten zornig auf. "Aber ich wollte doch mitkommen!" "Es ist mir klar, was du wolltest, Geraldine", sagte Beresford ungerührt. "Leider ist das jetzt nicht mehr möglich." Whitney, die sehr erleichtert gewesen war, Hawk heil und gesund wieder zu sehen, sah ihn nun fragend an. Sie verstand kein Wort von der seltsamen Unterhaltung des Ehepaars. "Tom ..." "Ich denke, wir gehen besser in unsere Suite und besprechen das unter vier Augen", unterbrach er seine Frau barsch. "Nein." Geraldine schüttelte den Kopf und wich zurück. "Hawk ..." Sie blickte sich verzweifelt nach ihm um. "Lass nicht zu, dass er mir das antut!" Um Hawks Mundwinkel zuckte es verächtlich. "Du kannst froh sein, wenn er sich entschließt, dich für den Rest deines Lebens nur zweimal die Woche zu schlagen, Geraldine", sagte er gleichgültig. "Hawk!" Entsetzt kam Whitney an seine Seite. "Wird Glyn die beiden denn nicht verhaften?" "Nein." Hawk legte ihr einen Arm um die Schultern und zog sie zu sich heran. "Mich verhaften?" rief Geraldine empört. "Warum sollte Glyn Briant mich verhaften?" "Er ist ein verdeckter Ermittler der Polizei, meine Liebe", warf ihr Mann spöttisch ein. "Und?" fragte sie spitz. Tom Beresford presste wütend die Lippen zusammen. "Und er hat sich überreden lassen, mit deiner Verhaftung zu warten, bis wir wieder in England sind." "Mach dich nicht lächerlich! Ich habe doch nichts verbrochen!"
"Du nennst es also ,nichts', den Drogenkurier zu spielen?" mischte sich Hawk zornig ein. "Den Drogenkurier?" wiederholte Geraldine entgeistert. "Seid ihr beide betrunken?" "Nein, aber ich kann jetzt einen Drink brauchen!" Ihr Mann ging an ihr vorbei in den Salon, wo er sich einen großen Whisky einschenkte und ihn in wenigen Schlucken trank. "Du kannst aufhören, uns etwas vorzuspielen, Geraldine", sagte er dann müde. "Die Polizei weiß alles." Whitney war gemeinsam mit Hawk Geraldine und Tom Beresford in den Salon gefolgt. Sie konnte nicht begreifen, warum Glyn bis zu ihrer Rückkehr nach England warten wollte, um das Ehepaar zu verhaften. Und genauso wenig verstand sie, warum Glyn Briant jetzt nicht mit zur Yacht zurückgekommen war. Tom schenkte sich erneut ein. "Verdammt, sag etwas, Geraldine!" polterte er los. "Und wenn es nur ist, dass es dir leid tut!" Sie sah ihn abweisend an. "Wie kann mir etwas leid tun, von dem ich nicht einmal weiß, dass ich es getan habe?" Ihr Mann schnaubte verächtlich. "Ich weiß nicht, warum ich mich je in dich verliebt habe. Du bist ein selbstsüchtiges, hinterhältiges Miststück!" "Hawk!" Empört wandte sich Geraldine an ihren Exmann um Unterstützung. Doch Hawk zuckte die Schultern. "Ich kann es ihm nicht verübeln. " Geraldines grüne Augen funkelten wütend. "Ich weigere mich, vor Whitney über Dinge zu sprechen, die mein Privatleben betreffen!" "Ach ja? Zu schade!" entgegnete Tom geringschätzig. "Denn sie wird hier bleiben. Whitney hat als Frau mehr Format, als du dir je erträumen könntest, obwohl sie zehn Jahre jünger ist als du! Sie war bereit, zu Hawk zu stehen, obwohl sie ihn für einen
Kriminellen hielt. Aber du hast dich noch nie für jemand anders interessiert als dich!" Geraldine machte große Augen. "Du meinst... Hawk hat uns die ganze Ze it nur etwas vorgespielt?" "Allmählich fängst du an zu begreifen", spottete ihr Mann. Sie schluckte. "Aber ich dachte ... Liebe Güte!" Sie sah Hawk feindselig an. "Ich hätte es wissen müssen, dass du dich niemals darauf einlassen würdest..." "Ja?" drängte Tom aufhorchend. "Warum erzählst du uns nicht, worauf Hawk sich niemals eingelassen hätte ... du aber anscheinend doch?" Geraldine drehte ihnen sichtlich erregt den Rücken zu. "Ich muss euch gar nichts erzählen!" "Meinst du?" Ihr Mann packte sie am Arm und zwang sie, sich wieder umzudrehen. "Du wirst uns alles sagen, verdammt! Hawk mag bei dieser Sache nur eine Rolle gespielt haben, aber ich nicht!" Geraldine wurde blass. "Du ... wusstest doch, wie ich bin, als du mich geheiratet hast!" sagte sie trotzig. "Ich wusste, dass du mannstoll bist, aber nicht, dass du dumm bist!" entgegnete Tom brutal. "Wie kannst du es wagen?" protestierte sie empört. "Warum seid ihr Männer immer so schnell bei der Hand, die Schuld für die Untreue eurer Frauen von euch zu weisen? Hawk war genauso. Er hat nur für seine Arbeit gelebt, und wenn er mal nicht arbeitete, hat er jede freie Minute mit dieser Göre da verbracht." "Geraldine!" fuhr Hawk sie an, wobei er Whitney an sich drückte. Whitney hätte ihm sagen können, dass er sich ihretwegen nicht aufzuregen brauche. Sie hatte immer gewusst, was Geraldine von ihr dachte. "Göre" war noch ein harmloser Ausdruck im Vergleich zu den anderen Namen, mit denen Geraldine sie in der Vergangenheit schon betitelt hatte. Trotzdem freute es sie sehr, dass Hawk sie so spontan
verteidigte, wenngleich sie immer noch Mühe hatte, den eigentlichen Sinn dieser Unterhaltung zu begreifen. "Es war doch so!" beharrte Geraldine feindselig. "Und Tom war nicht viel besser. Vor unserer Heirat waren wir ständig zusammen, aber sobald ich seine Frau war, hat er mich nur als einen weiteren Besitz betrachtet, an dem er rasch das Interesse verloren hat." "Falls du unsere Heirat als Grund allen Übels zwischen uns betrachtest, ließe sich leicht eine Scheidung arrangieren", warf ihr Mann kalt ein. Sie seufzte. "Du liebe Güte, ich weiß ja, dass ich egoistisch und anspruchsvoll bin - aber so bin ich nun mal!" "Du weißt sehr wohl, dass es hier um mehr geht als bloß um deine Affäre mit einem anderen Mann", entgegnete Tom scharf. "Ich ... habe nie gesagt, dass ich eine Affäre hatte", beeilte Geraldine sich errötend zu versichern. Tom Beresford winkte unwillig ab. "Hast du eine Ahnung, welches Strafmaß das Gesetz für Drogenschmuggel vorsieht?" "Ich wünschte wirklich, du würdest end lich aufhören ..." "Cordell ist heute Morgen verhaftet worden", unterbrach Tom sie unwirsch. Nicht nur Geraldine, sondern auch Whitney verschlug diese Nachricht die Sprache. Alex Cordell, Tom Beresfords zweiter Leibwächter, war verhaftet worden? Sie sah Hawk fragend an, doch der lächelte ihr nur beruhigend zu. "Alex?" hauchte Geraldine ungläubig. "Ja, Alex, dein Liebhaber", bekräftigte ihr Mann höhnisch. "Der Mann, der jedes Mal in deinem Bett gelegen hat, wenn ich nicht da war ... der dich zu deinen Wochenenden in der Schweiz begleitet hat, um sich gleichzeitig um sein dickes Bankkonto dort zu kümmern. Der Mann, für den du die Drogen transportiert hast!"
9. KAPITEL Für einen Moment herrschte betroffenes Schweigen im Raum. "Das ist eine Lüge!" rief Geraldine dann verzweifelt aus. "Was genau davon?" fragte Tom Beresford angewidert. Er sah plötzlich müde und alt aus. Geraldine wich seinem Blick aus. "Alles!" Tom schüttelte traurig den Kopf. "Ich weiß seit Monaten, dass Cordell dein Liebhaber ist." Er wirkte wie ein gebrochener Mann, kein Vergleich mehr zu dem selbstbewussten grauhaarigen Charmeur, mit dem Whitney noch vor wenigen Tagen zu Mittag gegessen hatte. Natürlich gab es immer noch viel zu erklären, aber Whitney war erst einmal froh zu erfahren, dass Alex Cordell Geraldines Liebhaber gewesen war. Impulsiv lächelte sie Hawk zärtlich an, der ihren Blick liebevoll erwiderte, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder den Beresfords zuwandte. "Und warum hast du nichts gesagt?" höhnte Geraldine. Toms blaue Augen blickten kalt. "Glaubst du, es hat mir Spaß gemacht, tatenlos zuzusehen, wie du mir die Hörner aufsetzt?" fuhr er sie an. "Unzählige Male habe ich mir vorgestellt, dir deinen hübschen Hals umzudrehen! Aber es stand wesentlich
mehr auf dem Spiel als nur mein Stolz. Wusstest du eigentlich, dass meine erste Frau an einer Überdosis Drogen gestorben ist?" Geraldine machte ein überraschtes Gesicht. "Nein, ich wusste nur, dass sie plötzlich verstorben ist, aber nicht, wie. Aber warum redest du schon wieder über Drogen? Ich habe Drogendealer immer verachtet. Sag es ihm, Hawk!" wandte sie sich erneut Hilfe suchend an ihren Exmann. Der zuckte die Schultern. "Ich habe mir das auch einreden wollen, aber die Beweise sprechen gegen dich." "Was für Beweise?" "Die Päckchen, die du für Cordell auf deinen verschiedenen Reisen ins Ausland transportiert hast", erklärte Hawk ihr ungehalten. "Whitney hat unwissentlich einige Male fotografiert, wie er dir solche Päckchen überreicht hat." Geraldine warf Whitney einen giftigen Blick zu. "Du hattest kein Recht, mir nachzuspionieren!" "Hast du deshalb Cordell veranlasst, sie zu bedrohen?" fragte Hawk. "Ich wollte doch nur die Fotos von ihr, auf denen Alex und ich zusammen zu sehen sind. Wenn Tom sie zu Gesicht bekommen hätte, wäre ihm vermutlich aufgegangen, dass ich ...", "Ja?" drängte ihr Mann, als sie verstummte. "... dass ich eine Affäre mit Alex hatte, verdammt!" gestand sie widerwillig ein. Um Toms Mundwinkel zuckte es spöttisch. "Immerhin, wir machen Fortschritte!" "Aber das war auch alles", beteuerte Geraldine heftig. "Diese ganze Geschichte mit dem Drogenschmuggel ist blanker Unsinn. " "Ich habe dich nie für dumm gehalten, Geraldine", sagte ihr Mann müde. "Das bin ich auch nicht!" protestierte sie. "Alex war für mich da, wenn du keine Zeit hattest... oder keine Zeit haben wolltest. Er war nett zu mir. Er ..."
"Er hat dich benutzt", fiel Tom ihr verächtlich ins Wort. "Er wollte diese Fotos nicht von Whitney zurück, weil er Angst hatte, seine kleine Affäre mit dir könnte auffliegen, sondern weil ihm klar war, dass diese Fotos ihn eines wesentlich schlimmeren Verbrechens überführen könnten." Er sah seine Frau forschend an. "Da du nicht wahrhaben willst, dass diese Päckchen Drogen enthielten ... Was hast du denn geglaubt, was du für Cordell transportieren würdest?" Erneut wich sie seinem Blick aus. "Das muss ich dir nicht sagen." "Entweder du sagst es mir, oder ich übergebe dich jetzt gleich der Polizei!" drohte er ihr. Geraldine wurde kreidebleich. "Antiquitäten!" Sie bemerkte Toms und Hawks ungläubigen Blick und fügte trotzig hinzu: "Natürlich nicht irgendwelche Antiquitäten, sondern ausgesuchte Stücke, die von gewissen Privatkunden geordert worden waren ..." Das spöttische Lachen ihres Mannes ließ sie verstummen. "Das glaubst du doch nicht im Ernst!" Sie errötete gekränkt. "Nur weil Alex als dein Leibwächter gearbeitet hat, muss er noch lange nicht dumm sein. Er besitzt selber eine fantastische Sammlung antiken Silbers und ..." "Die er sich mit dem Leben anderer Menschen erkauft hat", fiel Tom ihr brutal ins Wort. "Er hat mit Tod und Zerstörung gehandelt, und du hast ihm in den vergangenen Monaten dabei geholfen!" "Nein! Ich ... Tom?" Geraldines Zorn wandelte sich in Besorgnis, als ihr Mann plötzlich in sich zusammensackte und zu Boden fiel. Whitney und Hawk knieten sofort bei Tom Beresford, dessen Gesicht eine beunruhigend graue Farbe angenommen hatte. Mit schmerzverzerrtem Gesicht griff er sich ans Herz. "Meine Tabletten", stieß er mühsam hervor. Geraldine durchsuchte verzweifelt seine Taschen, während Hawk ihm die Krawatte lockerte und das Hemd aufknöpfte.
"Du liebe Güte, was habe ich getan?" Geraldine hatte die Tabletten gefunden und sah besorgt zu, wie ihr Mann eine schluckte. Langsam kehrte etwas Farbe in sein Gesicht zurück. "Wir sollten ihn ins Bett bringen", schlug Whitney vor, "und einen Arzt rufen." "Nein, keinen Arzt." Tom rang sich ein Lächeln ab. "Obwohl das Bett keine schlechte Idee ist." Die sonst so kühle, selbstsichere Geraldine war völlig aufgelöst und in Panik. Stephen Hollister wurde gerufen und half Hawk, Tom Beresford in seine Suite zu tragen. "Wir sollten vielleicht doch besser einen Arzt rufen, Tom", meinte Hawk, als Geraldines Mann sicher auf dem Bett lag. "Nein, nein, es geht schon wieder", wehrte Tom ab. Er schien sich jetzt wirklich erstaunlich schnell zu erholen. "Ich hatte diese Anfälle schon einige Male." "Wann?" fragte Geraldine überrascht. "Du hast mir nie etwas davon gesagt!" "Ich wollte dich nicht beunruhigen." "Meinst du nicht, ich hätte ein Recht zu erfahren, wenn mein Mann krank ist?" Er lächelte sie zerknirscht an. "Anfangs wollte ich dich nicht mit der Nase darauf stoßen, dass du einen Mann geheiratet hast, der alt genug ist, um dein Vater zu sein. Und in letzter Zeit ... Nun ja, ich denke, deine Affäre mit Cordell spricht für sich." "Ach Tom!" Erstaunt bemerkte Tom den verräterischen Schimmer in ihren Augen. "Tränen?" "Was hast du denn gedacht?" sagte sie schluchzend. "Ich liebe dich doch!" Er presste die Lippen zusammen. "Du hast aber eine verdammt merkwürdige Art, es zu zeigen!" "Ich..." "Whitney und ich sind im Salon, wenn du uns suchst, Geraldine", unterbrach Hawk sie rasch, bevor er sich noch
einmal an Tom Beresford wandte: "Sind Sie sicher, dass Sie keinen Arzt wollen?" "Ganz sicher." Tom lächelte ihn beruhigend an, bevor er Whitney einen viel sagenden Blick zuwarf. "Wenn ich mich nicht irre, Hawk, haben Sie selber einiges zu erklären." "Allerdings", bekräftigte Whitney energisch. "Er hat mich in dem Glauben gelassen, Sie wären eine englische Ausgabe von AI Capone!" Tom Beresford lachte leise. "Es hat mir Spaß gemacht, diese Rolle zu spielen." "Nun, Hawk wird gleich nicht mehr viel zu lachen haben", versprach Whitney. Beresfords Augen blitzten vergnügt. "Wirklich, Hawk, ich bewundere Ihren Geschmack, was Frauen angeht!" Hawk lächelte zerknirscht. "Whitney hat ihren eigenen Kopf. Und ich befürchte, sie wird mich gehörig zurechtstauchen." Whitney hatte wirklich große Lust, Hawk auch noch vor das andere Schienbein zu treten, weil er ihr so wenig vertraut hatte. Andererseits war es vielleicht klüger gewesen, dass er ihr nicht die Wahrheit über Tom Beresfords richtige Rolle gesagt hatte. Sie hatte ihre Gefühle noch nie gut verbergen können, und es wäre der Sache nicht zuträglich gewesen, wenn man ihr angemerkt hätte, dass sie Tom mochte. Allerdings hatte sie nicht vor, Hawk so leicht davonkommen zu lassen. Etwas aufrichtiger hätte er schon mit ihr sein können. Entsprechend vorwurfsvoll sah sie ihn an, als er die Tür zum Salon hinter ihnen schloss. Er seufzte. "Am besten fange ich wohl mit dem Anfang an ..." "Das wäre nicht schlecht!" Ihr sarkastischer Ton bereitete ihm sichtlich Unbehagen. "Whitney, ich habe dir gesagt, was ich konnte." "Was nicht sehr viel war!" Seit er und Tom Beresford allein zurückgekommen waren, hatte sie sich wie ein Zuschauer bei einem Krimi von Agatha Christie gefühlt: Wie sich
herausgestellt hatte, war der Täter ein ganz anderer, als man sie zu glauben veranlasst hatte! Und diesmal sollte Hawk spüren, dass sie sich nicht mehr wie ein Kind behandeln ließ. "Nein", räumte er ein. "Aber Cordell ist ein sehr gefährlicher Mann, und ich wollte dich keinem Risiko aussetzen." Er schüttelte den Kopf. "Geraldine hat keine Ahnung, dass sie für ihn schon ziemlich entbehrlich geworden war. Ich glaube, sie ist wirklich davon überzeugt, dass sie lediglich Antiquitäten für ihn transportiert hat." Whitney nickte. Obwohl sie Geraldine wirklich nicht leiden konnte, war sie in diesem Punkt einer Meinung mit Hawk. "Sie hat Cordell sogar deine Telefonnummer gegeben, in dem Glauben, dass er lediglich die verfänglichen Fotos von ihnen beiden zurückholen wollte", fuhr Hawk fort. "Sobald Martin mir von den Drohanrufen erzählt hatte, wusste ich, dass ich dich nun bei mir behalten musste, bis die Sache vorbei war. Für diese Bemühungen habe ich mir dann eine Ohrfeige und blaue Flecken am Schienbein eingehandelt!" "Wie konnte ich denn ahnen, dass ich ausgerechnet Alex Cordell dabei fotografiert habe, wie er Drogen an seinen Kurier weitergegeben hat?" Whitney schauderte es bei dem Gedanken, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte. Sie konnte immer noch nicht glauben, dass Alex Cordell ein Drahtzieher im Drogenschmuggel sein sollte. Er war ihr eigentlich wie ein ganz netter Kerl vorgekommen. "Glyn und ich haben ziemlich lange gebraucht, bis uns klar war, was Cordell eigentlich von dir wollte", sagte Hawk bedauernd. Whitney schüttelte nachdenklich den Kopf. "Die ganze Sache scheint mir furchtbar kompliziert!" "Ach, zu Beginn war alles eigentlich ganz einfach ... bis Geraldine Tom kennen lernte und sich in ihn verliebte. Und dann hast du dich auch noch geweigert, deine Story über Tom fallen zulassen."
"Ich verstehe aber immer noch nicht, wie du überhaupt an Glyn Briant geraten bist." Whitney sah ihn fragend an. Seine Miene wurde verschlossen. "Man sollte allen Drogendealern, wo man kann, das Handwerk legen." "Ganz meine Meinung, aber warum hast du dich ausgerechnet in dieser Sache engagiert?" "Warum nicht?" fragte er ausweichend. "Hawk!" Er seufzte. "Schön, einer meiner Freunde starb, weil ihn jemand mit Drogen versorgt hat." "Einer deiner Freunde?" wiederholte sie aufhorchend. Ihr Herz pochte. "Mein Vater?" fragte sie heiser. "Ich habe auch noch andere Freunde!" sagte er energisch. "Ich weiß, aber ..." "Nein, es war nicht dein Vater, Whitney", unterbrach er sie entschieden. "Es war ... irgendein Freund." Whitney war nicht überzeugt. Aber sollte sie Hawk der Lüge bezichtigen? Dann hätte er ihr bestimmt nicht mehr über seinen "Freund" erzählt. Außerdem konnte sie einfach nicht glauben, dass ihr Vater in irgendeiner Form mit Drogen zu tun gehabt hatte. "Was ist also passiert?" drängte sie Hawk weiterzuerzählen. "Es war nicht leicht, aber ich erfuhr von anderen Drogensüchtigen, dass Alex Cordell der Dealer war, der auch ... meinen Freund mit Drogen versorgt hatte", antwortete Hawk ernst. "Doch Cordell war schwer festzunageln. Seinen Job als Toms Leibwächter hat er seit Jahren für seine Drogengeschäfte missbraucht, denn er brachte ihn überall dorthin, wo er seine Geschäfte abziehen konnte. Ich kam einfach nicht an ihn heran, und irgendwann ist dann Glyn Briant an mich herangetreten. Er und Tom hatten schon lange daran gearbeitet, Beweise gegen Cordell zu sammeln, um ihn für Jahre hinter Gitter zu bringen." "Dann hat Alex Cordell auch Toms erste Frau mit Drogen versorgt?" fragte Whitney betroffen. "Ja."
"Und ich dachte, du wärst hinter Tom her!" sagte sie fassungslos. Hawk nickte. "Das war auch besser so." "Nicht für mich", widersprach Whitney reumütig. "Ich habe den falschen Mann verachtet." "Nun, Alex Cordell war ja gerade deswegen so schwer festzunageln, weil er so unauffällig wirkt", erklärte Hawk ihr. "Der arme Tom hat jahrelang sein ,Al Capone-Image kultiviert, in der Hoffnung, dass Cordell sich eines Tages entschließen würde, sich in dem für ihn zunehmend riskanten Geschäft einen Partner zu suchen. Als Cordell sich mit diesem Plan nicht aus der Reserve locken ließ ..." "... hat man sich entschlossen, dich zu benützen", folgerte Whitney. "Richtig. Ich war seit fast zwei Jahren an ihm dran und habe versucht, ihn davon zu überzeugen, dass meine häufigen Fahrten auf der ,Freedom' die ideale Tarnung für den Drogenschmuggel seien. Vor einigen Wochen ist es mir endlich gelungen, ihn zu einem Probegeschäft zu überreden." "Und da kam ic h und hätte beinahe alles kaputtgemacht." Whitney begriff. "Nun, eine Zeit lang stand die Sache wirklich auf des Messers Schneide", räumte Hawk ein. "Deine Fotos, die er unbedingt haben wollte, gaben den Ausschlag. Als ich anbot, sie ihm zu besorgen, war er überzeugt, dass er mir vertrauen konnte." "Es fällt mir immer noch schwer, zu glauben, dass er ein solch gemeiner Verbrecher sein soll." Whitney schüttelte den Kopf. "Seine scheinbare Harmlosigkeit war seine beste Tarnung. Tom hat Jahre gebraucht, um zu erkennen, dass sein eigener Leibwächter für den Tod seiner ersten Frau verantwortlich war und dass Cordell die häufigen Auslandsreisen mit ihm für seinen Drogenschmuggel missbrauchte. Als Tom das klar wurde, hätte er Cordell am liebsten umgebracht. Aber Glyn, der schon
damals an Cordell dran war, überzeugte Tom, mit ihm zusammenzuarbeiten, um nicht nur Cordell das Handwerk zu legen, sondern möglichst auch an seine Hintermänner heranzukommen. Glaub mir, es war nicht leicht für Tom, sich zurückzuhalten, vor allem als Geraldine dann auch noch eine Affäre mit Cordell anfing. Aber erst als Glyn und ich uns gestern Nacht diese Fotos noch einmal genauer angesehen haben, ist uns klar geworden, dass Cordell Geraldine als Drogenkurier benutzt hat." Whitney betrachtete Hawk forschend. Wie hatte er die Affäre zwischen Geraldine und Alex Cordell aufgenommen? "Hawk, warum ...?" Doch Hawk blickte an Whitney vorbei zur Tür. "Ist etwas mit Tom?" fragte er besorgt. "Er möchte mit dir sprechen", sagte Geraldine und blieb auf der Schwelle stehen. "Selbstverständlich nur, falls du und Whitney fertig seid", fügte sie spitz hinzu. Hawk presste die Lippen zusammen. "Ich hoffe, dir ist klar, dass Glyn dich nur aus Respekt für Tom nicht auf der Stelle verhaftet hat?" Ihre grünen Augen blitzten auf. "Ich habe Alex gleich gesagt, dass er dir lieber nicht trauen soll. Nicht eine Sekunde habe ich den Unsinn geglaubt, den du ihm aufgetischt hast... von wegen Nervenkitzel und Abenteuerlust! Ich wusste, dass du immer schon der Typ warst, der jederzeit nett zu Tieren und Kindern ist und alten Damen über die Straße hilft!" "Pech für ihn, dass er dir nicht geglaubt hat", erwiderte Hawk ungerührt. Urplötzlich schwenkte Geraldine um. "Ich habe wirklich nicht gewusst, dass er mit Drogen dealt, Hawk", sagte sie beschwörend. "Er hat mir gesagt, ich würde Antiquitäten für ihn ins Ausland bringen. Das musst du mir glauben, Hawk!" "Nein, ich muss gar nichts", entgegnete er hart. "Du wirst die Richter davon überzeugen müssen. Tom wird es vielleicht
glauben wollen, weil er dich liebt. Aber ich muss gar nichts tun!" "Hawk, hör mich doch an ..." "Tut mir Leid, aber im Moment ist mir das unmöglich", unterbrach er sie verächtlich. "Wenn wir wieder in England sind, bin ich vielleicht so weit, mir deine Version anhören zu können, aber jetzt nicht." Ohne ein weiteres Wort verließ Hawk den Raum. Whitney wäre ihm liebend gern gefolgt, aber Geraldine stellte sich ihr in den Weg und sah sie herausfordernd an. "Nun?" "Nun was?" fragte Whitney vorsichtig. Um Geraldines Mundwinkel zuckte es spöttisch. "Willst du mir nicht sagen, was für ein Biest ich bin?" "Ich habe noch nie viel davon gehalten, das Offensichtliche auszusprechen", erwiderte Whitney kühl. Zu ihrer Überraschung lachte Geraldine. "Du meine Güte, wie hast du dich doch verändert! Kein Vergleich mehr zu dem schüchternen kleinen Ding, das Hawk vor sieben Jahren mit nach Hause brachte und das so begierig war, allen zu gefallen", sagte sie fast bewundernd. "Ich habe eine mütterliche Freundin gesucht", verteidigte Whitney sich. "Und hast stattdessen ein egoistisches Biest gefunden", ergänzte Geraldine vielsagend. "Herrje, ich war erst sechsundzwanzig und hatte keine Lust, die Ersatzmutter für einen fünfzehnjährigen Teenager zu spielen!" "Das hast du allerdings ziemlich deutlich gezeigt", entgegnete Whitney verbittert. Geraldines grüne Augen blitzten wütend auf. "Und ich hatte auch keine Lust, meinen Mann mit einem vernarrten Kind zu teilen!" Whitney errötete. "Ich war nicht in Hawk vernarrt", widersprach sie. "Aber nach dem Tod meines Vaters war er alles, Was ich hatte."
"Spiel mir nichts vor, Whitney", entgegnete Geraldine hart. "Ich weiß genau, wie es ist, wenn man in Hawk verliebt ist." "Du?" spottete Whitney ungläubig. "Ja, ich", bekräftigte Geraldine gekränkt. "Ich habe ihn einmal geliebt." "Es fällt mir schwer, das zu glauben", sagte Whitney verächtlich. "Und warum, meinst du, bin ich mit ihm verheiratet geblieben?" "Geld", behauptete Whitney kalt, "und die verlockende Macht, Mrs. James Hawkworth zu sein." "Am Schluss mag das gestimmt haben", räumte Geraldine ein. "Aber nur, weil Hawk mir gezeigt hatte, dass er mich nie so lieben konnte, wie ich ihn geliebt habe." "Du weißt doch gar nicht, wovon du sprichst!" "Ich mag ja vieles falsch gemacht haben, aber was Hawk betrifft, habe ich immer gewusst, wovon ich spreche", beharrte Geraldine stolz. "Er hat mich nie geliebt. Wir haben nur geheiratet, weil ich schwanger war." "Wie bitte?" Whitney sah sie wie vom Donner gerührt an. "Weil ich schwanger war", wiederholte Geraldine fest. "Ich war damals so eine Art Groupie im Motorrad-Renngeschäft. Ich reiste mit den Fahrern von Rennen zu Rennen und schlief mit jedem von ihnen, den ich in die Finger bekommen konnte." "Auch mit meinem Vater?" Geraldine zuckte die Schultern. "Warum nicht? Zufällig mochte ich ihn wirklich gern. Wer weiß, wenn er mich nicht so verdammt richtig eingeschätzt hätte, hätte ich vielleicht sogar deine Stiefmutter werden können ... Aber ich wollte Hawk. Er war der aufregendste unter ihnen, derjenige, der am schwersten zu packen war ... War sich wohl zu schade dafür, das auszunutzen, was all die Frauen ihm so bereitwillig anboten. Deshalb wurde er für mich zu einer Herausforderung ... und das Millionenerbe der Hawkworths war natürlich ein zusätzlicher Anreiz. Aber Hawk war nicht an mir interessiert."
"Und wie ist es dann dazu gekommen, dass ihr geheiratet habt?" "Ich erwischte ihn in einem schwachen Moment", antwortete Geraldine triumphierend. "Einer seiner Freunde war bei einem Rennunfall schwer verletzt worden, und ich sorgte dafür, dass ich zur Stelle war und ihn tröstete, als sein Freund an den Verletzungen starb. Eine Schwangerschaft hatten wir beide nicht eingeplant, aber Hawk zeigte sich natürlich als Ehrenmann und hat mich geheiratet!" Whitney war blass geworden. "Aber ... es hat doch nie ein Baby gegeben ...?" "Ich hatte eine Fehlgeburt, im vierten Monat." Geraldine zuckte die Schultern. "Und wieder erwies sich Hawk als Gentleman. Er ließ sich nicht von mir scheiden, obwohl der Grund für unsere Ehe nicht me hr existierte. Aber in allem, was zählte, war unsere Ehe von da an vorbei." Jahrelang hatte Whitney geglaubt, Hawk hätte Geraldine so sehr geliebt, dass er nie eine andere Frau lieben könnte. Und nun stellte sie fest, dass er seine Frau niemals geliebt hatte! Sie verstand ihn nicht und bezweifelte, ob sie ihn je würde verstehen können.
10. KAPITEL Eine Woche war seit ihrer Rückkehr nach England vergangen, und Whitney hatte sich noch nie in ihrem Leben so gelangweilt. Sie hatten Amsterdam noch am selben Nachmittag verlassen. Kapitän Hollister hatte wohl Anweisung erhalten, alles aus der Yacht herauszuholen, was in ihr steckte, denn die Rückfahrt verlief wesentlich schneller als die Hinfahrt. Sie verbrachten nur noch eine Nacht an Bord - Whitney in ihrer und Hawk in seiner Kabine. Was immer zwischen ihnen geschehen war, wenn es von Hawks Seite nicht sowieso nur Teil seiner Tarnung gegenüber Alex Cordeil gewesen war, es schien endgültig vorbei zu sein. Die Beresfords hielten sich die meiste Zeit in To ms Kabine auf, und als Geraldine in London zum Verhör geführt wurde, blieb Tom an ihrer Seite. Trotz allem schien er entschlossen, zu ihr zu stehen. Hawk hatte Whitney nach Hause gefahren, es aber abgelehnt, mit hineinzukommen. Er hatte sich mit den Worten von ihr verabschiedet, dass sie beide etwas Abstand brauchen würden, um über alles nachzudenken.
Nun, eine Woche später, hatte Whitney immer noch nichts von ihm gehört. Und da sie auch keinen Job mehr hatte, wurde sie langsam, aber sicher verrückt! "Was, in aller Welt, tun Sie da?" Sie fiel vor Schreck fast vom Fenstersims, auf dem sie waghalsig hockte, um ihre Blumenkästen zu wässern. Martin, der so unvermittelt von der Straße heraufgerufen hatte, schimpfte empört, als ihn im nächsten Moment eine kräftige Dusche aus der Gießkanne traf. "Tut mir Leid", rief Whitney zerknirscht hinunter. "Aber Sie hätten mich nicht so erschrecken sollen!" Martin blinzelte gegen die Sonne zu ihr hinauf. "Haben Sie keine Angst herunterzufallen?" "Nein." Lachend stieg sie ins Haus zurück und streckte noch einmal den Kopf zum Fenster hinaus. "Kommen Sie herauf, oder wollen wir uns weiter so zurufen?" "Sehr witzig!" Martin ging zur Haustür und wartete, dass Whitney ihm aufmachen würde. Sie hatte keine Ahnung, was Martin Groves veranlasst haben könnte, sich lange genug von seinem Schreibtisch loszureißen, um sie zu besuchen. Aber nach einer Woche tödlicher Langeweile war sie für jede Abwechslung dankbar und öffnete ihm begeistert die Tür. "He!" protestierte er, als sie ihn die Treppe hinaufzog. "Nichts für ungut." Sie lächelte. "Machen Sie es sich bequem, während ich mir rasch den Schmutz von den Händen wasche." Martin wirkte schon wesentlich entspannter, als sie zu ihm zurückkehrte, denn er hatte inzwischen festgestellt, das er sich entgegen seiner ursprünglichen Annahme - ganz offensichtlich in ihrem Wohnzimmer befand. Er lächelte ein wenig verlegen. "Für einen Moment hatte ich gedacht..." "Ich weiß genau, was Sie gedacht haben", fiel sie ihm lachend ins Wort. "Dass ich plötzlich eine Glückssträhne hätte!" Er grinste jungenhaft.
Sie drohte ihm tadelnd mit dem Finger. "Sie waren zu Tode erschrocken!" "Nein, nein, ich ..." Er zuckte die Schultern. "Ich habe nicht mehr die Energie, um mit einem jungen Ding wie Ihnen mitzuhalten. Mag die Versuchung auch noch so groß sein - ich fühle mich ganz wohl mit meiner Frau." Das mochte in den Ohren mancher eintönig und langweilig klingen, aber Whitney ahnte, wie viel Liebe und echte Zuneigung dahinter steckte, bis ein Ehepaar eine derartige Vertrautheit erlangte. Für sie, Whitney, klang es deshalb beneidenswert und wundervoll, aber es würde ihr nie vergönnt sein, weil sie Hawk nie bekommen würde. "Was haben Sie vorhin da draußen gemacht?" fragte Martin. "Ich habe meinen Garten gegossen." Sie deutete auf die Blumen in den Kästen am Fenster. "Ach so." Er setzte sich in einen der bequemen Sessel und blickte sich anerkennend um. "Hübsch haben Sie es hier." "Mir gefällt es." Whitney beobachtete ihn argwöhnisch. Martin besaß gewöhnlich weder die Zeit noch die Geduld für Höflichkeitsfloskeln. Unvermittelt sah er Whitney prüfend an. "Und? Wie geht es Ihnen?" "Gut." "Sie sehen aber nicht so aus", widersprach er mit der für ihn typischen Offenheit. Whitney hatte Hawk in dieser Woche mehr denn je vermisst. Sie hatte keinen Appetit, hatte kaum geschlafen und vergeblich versucht, sich durch einen besonders gründlichen Hausputz etwas abzulenken. Entsprechend blass und abgespannt sah sie aus. "Hat Hawk Sie geschickt?" fragte sie verärgert und hoffnungsvoll zugleich. "Nur indirekt", lautete die Antwort. "Und wie indirekt?" Sie ließ nicht locker.
"Ich habe ihn gefragt, wann Sie wieder zur Arbeit kommen würden. Und er wies mich an, zu Ihnen zu fahren und es herauszufinden." "Aber ich arbeite doch nicht mehr für den ,National'!" sagte Whitney erstaunt. "Seit wann?" "Seit Hawk mich gefeuert hat." Martin schüttelte den Kopf. "Er hat Sie nicht gefeuert. Ich bin Ihr Chefredakteur und müsste es schließlich wissen." "Aber ... was haben Sie denn geglaubt, wo ich die letzten eineinhalb Wochen gesteckt habe?" fragte sie ungläubig. Martin wurde urplötzlich richtig verlegen, was bei einem hartgesottenen Zeitungsmenschen wie ihm höchst selten vorkam. "Hawk hat mir gesagt, Sie beide würden zusammen Urlaub machen", antwortete er unbeha glich. "Es war eine Feststellung, keine Bitte, und es steht mir nicht zu, seine Entscheidungen in Frage zu stellen." Hawk hatte sie also gar nicht gefeuert! Sie hatte nach der Rückkehr aus Amsterdam wieder an ihren Schreibtisch in der Redaktion zurückkehren sollen - nur hatte Hawk, der Schuft, sich nicht die Mühe gemacht, es ihr zu sagen! "Nun?" drängte Martin, als sie schwieg. "Wie es aussieht, hat es zwischen Ihnen und Hawk nicht so funktioniert, aber Sie haben immer noch einen Job, der auf Sie wartet." Zu ihrer eigenen Überraschung stellte Whitney fest, dass er Recht hatte. Sie war wütend auf Hawk, aber auch ungeheuer erleichtert, dass sie sich nun nicht mehr ohne Sinn und Ziel zu Hause langweilen musste. "Den Hauptteil der Story über Beresford und Cordell haben Sie natürlich verpasst", fuhr Martin fort. "Aber unter den gegebenen Umständen waren Sie vielleicht auch zu sehr persönlich beteiligt, um objektiv darüber berichten zu können." Sie wünschte, sie hätte ihm beipflichten können. Aber tatsächlich war sie an der wirklichen Story überhaupt nicht nahe dran gewesen und hatte die Situation völlig falsch eingeschätzt.
Davon abgesehen hatte Bill Summers in ausgezeichneter Weise über die Sache berichtet - Whitney wusste, dass sie es kaum hätte besser machen können. "Aber wir besitzen die Exklusivrechte auf Geraldine Beresfords Version der Geschichte", fügte Martin nun bedeutsam hinzu. Whitney sah ihn scharf an. "Man hat sie bislang noch nicht angeklagt, nicht wahr?" "Bislang noch nicht, und ich bezweifle, dass es je geschehen wird." "Aber sie ist genauso schuldig wie ..." "... wie es ihr Ehemann war?" fiel Martin ihr spöttisch ins Wort. Whitney errötete. "Schön, in dem Punkt habe ich mich geirrt. Aber Geraldine ist wirklich schuldig. Sie hat es ja sogar zugegeben." "Sie hat zugegeben, die Drogen transportiert zu haben." Martin nickte. "Aber die Polizei ist überzeugt, dass es unwissentlich geschehen ist." "Kein Wunder, wenn man einen Tom Beresford und Hawk hinter sich weiß!" sagte Whitney verächtlich. "Sie zeigen schon wieder Ihre Krallen, Whitney", warnte Martin sie. "Warum hören Sie sich ihre Seite der Geschichte nicht erst einmal an, bevor Sie irgendwelche Schlüsse ziehen?" "Ich?" Sie glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Doch Martin nickte energisch. "Sie besteht darauf, dass Sie das Interview durchführen werden. Sie haben eine Verabredung mit Geraldine Beresford in ..." Er blickte auf die Uhr. "... einer halben Stunde." "Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?" Whitney sprang auf. "Ich muss mich umziehen. Ich muss ..." "Der Himmel bewahre mich vor einer Frau, die sich zum Ausgehen fertig macht!" Martin stand entschlossen auf. "Aber seien Sie pünktlich um halb drei bei den Beresfords."
"Sie können sich darauf verlassen", versicherte Whitney ihm eifrig. Nach Tagen der Untätigkeit war es ein wundervolles Gefühl, wieder einmal seinen Kopf gebrauchen zu müssen. Überdies war sie sehr interessiert daran zu hören, was Geraldine zu erzählen hatte, und wie es aussah, wollte auch Geraldine noch einmal mit ihr sprechen. Die Haushälterin öffnete Whitney auf ihr Läuten. Doch Whitney waren die beiden Männer draußen vor dem Haus nicht entgangen. Das waren offensichtlich die beiden neuen Leibwächter. Tom und Geraldine Beresford mussten ihr Privatleben mehr denn je abschirmen, da Geraldine in dem bevorstehenden Drogenprozess als Kronzeugin aussagen würde. Geraldine wirkte etwas verändert, als sie Whitney kurze Zeit später im Salon ihres Hauses begrüßte. Sie war schön wie immer, ihre grünen Augen blickten noch genauso hart, und sie wirkte immer noch genauso beherrscht und selbstbewusst, schien aber etwas von ihrer aufbrausenden Art verloren zu haben. "Ich nehme an, du hast dir vorgestellt, mich inzwischen hinter Gittern zu sehen?" fragte sie spöttisch, wobei sie der Haushälterin bedeutete, das Tablett auf den Couchtisch zu stellen. "Hoffen ist immer erlaubt", erwiderte Whitney kühl. Die schönen grünen Augen blitzten amüsiert. "Ich bezweifle, dass wir beide je Freunde werden können." Whitney bezweifelte es auch. Wenn sie ehrlich war, hie lt sie es nicht einmal im Entferntesten für möglich! Geraldine lächelte vielsagend. "Zum Glück, nicht wahr?" Whitney zuckte die Schultern. "Mein Vater hat immer gesagt, dass du eine ,Frau für die Männer' seist. Und ich glaube, daran wird sich nie etwas ändern." Bei der Erwähnung ihres Vaters wurde Geraldine plötzlich ernst. "Dan." Sie seufzte. "Weißt du, ich habe ihn wirklich sehr gern gehabt."
"Das hast du bereits gesagt", erwiderte Whitney ausdruckslos. "Aber dir ist es völlig egal, was ich für irgendetwas oder irgendwen empfinde, nicht wahr?" spekulierte Geraldine. Whitney war nicht bereit, darauf einzugehen. "Ich bin hier, um ein Interview mit dir zu machen, Geraldine, und nicht, um alte Geschichten wieder aufzuwärmen." Geraldine schenkte ihnen beiden Tee ein, lehnte sich dann auf dem Sofa zurück und schlug ihre wohlgeformten Beine anmutig übereinander. "Dann fang an", forderte sie Whitney auf. "Ehe wir anfangen ... Wie geht es deinem Mann?" erkundigte sich Whitney ehrlich interessiert. "Wieder viel besser, danke. Ich achte jetzt streng darauf, dass er sich nicht übernimmt." Whitney betrachtete Geraldine aufmerksam. Bei der Erwähnung ihres Mannes hatte ihr Gesicht einen fast liebevollen Ausdruck angenommen. Vielleicht liebte sie Tom Beresford ja wirklich - auf ihre Weise. Obwohl es ganz bestimmt nicht Whitneys Vorstellung von Liebe entsprach. Ohne weitere Verzögerung stürzte Whitney sich nun in das Interview. Auf der Fahrt zu der Villa der Beresfords hatte sie sich ein gewisses Konzept überlegt, und Geraldine beantwortete all ihre Fragen mit einer teilweise schockierenden Offenheit. Zwei Stunden später hatte Whitney so viele Informationen niedergeschrieben, dass ihr der Kopf davon brummte. Doch es blieb noch eine Frage, die sie unbedingt stellen musste. "Nachdem du jetzt weißt, dass die erste Frau deines Mannes an einer Überdosis Drogen gestorben ist, und angesichts der Tatsache, dass der beste Freund deines ersten Mannes auf die gleiche Art starb - was denkst du darüber, wozu dein Liebhaber dich benutzt hat?" Sie sprach diese Frage betont beiläufig aus, aber ihre Hand mit dem Stift zitterte, während sie auf die Antwort wartete. "Ich habe Drogenmissbrauch immer verabscheut, weil Dan so gestorben ist", antwortete Geraldine sofort. "Nachdem ich jetzt
weiß, dass Alex an seinem Tod wie auch an dem Tod von Toms erster Frau beteiligt war, kann ich ihn nur noch hassen." Whitney hatte aufgehört mitzuschreiben. Sie saß wie vom Donner gerührt da. "Whitney?" Geraldine sprang auf, kam um den Tisch herum auf sie zu und blickte vorwurfsvoll in ihr bleiches Gesicht. "Du hast mich reingelegt!" "Hawk wollte mir die Wahrheit nicht sagen, und ich ..." Sie verstummte völlig benommen, nachdem ihre schreckliche Vermutung, die sie seit ihrem letzten Gespräch mit Hawk gehegt hatte, bestätigt worden war. "Warum?" flüsterte sie heiser. "Warum was?" Geraldine hockte sich neben ihren Sessel und blickte sie besorgt an. "Mein Vater verabscheute diese Art von Drogen und was sie einem Menschen antun können." Whitney schüttelte ungläubig den Kopf. Geraldine wandte sich ab. "Es steht mir nicht an, dir diese Fragen zu beantworten, Whitney." "Warum nicht? Du kennst doch die Wahrheit, oder nicht?" "Ja, aber ..." Geraldine seufzte. "Ich hätte erwartet, dass Hawk dir inzwischen alles erzählt hat. Ihr zwei seid jetzt ein Liebespaar ..." "Nicht mehr", warf Whitney verbittert ein. "Was soll das heißen?" fragte Geraldine erstaunt. "Es war nur eine Rolle", erklärte Whitney ihr ungehalten, "die wir gespielt haben, um Alex Cordell zu überzeugen, dass ihm von mir kein Verrat droht." "Dann wart ihr beiden gar kein Liebespaar?" Whitney errötete. "Nein, zuerst jedenfalls nicht." "Aber nachdem wir an Bord gekommen sind?" Geraldine ließ nicht locker. "Ja", bestätigte Whitney widerstrebend. "Aber warum ...? Ich werde Hawk anrufen!" Geraldine richtete sich entschlossen auf. "Nein!"
"Aber Whitney ..." "Vielen Dank für das Interview", sagte Whitney und erhob sich rasch. "Du warst sehr entgegenkommend. Aber jetzt muss ich wirklich gehen." Geraldine begleitete sie zur Tür. "Es gibt noch so vieles, was du nicht weißt." "Ich weiß alles, was ich wissen muss - alles, was ich wissen will", erwiderte Whitney heftig. "Unmöglich." Geraldine schüttelte den Kopf. "Du kannst nicht wissen, dass ich dich damals angelogen habe, was den Grund betraf, weshalb er den Rennsport aufgegeben hat. Es hatte nämlich nichts mit seiner Vormundschaft für dich zu tun. Nach dem Tod deines Vaters war er zu dem Schluss gelangt, dass es das alles nicht wert sei." "Das ist jetzt nicht mehr wichtig", wehrte Whitney niedergeschlagen ab. "Natürlich ist es wichtig!" widersprach Geraldine frustriert. "Hawk liebt dich seit Jahren, und nun unternimmt er nichts deswegen!" "Du irrst dich", entgegnete Whitney. "Ich weiß, dass er dich liebt!" "Nein, du hast mich missverstanden, Geraldine. Egal, was Hawk für mich empfindet, er hat etwas unternommen - er hat mich aus seinem Leben ausgeschlossen." "Wie kann er nur so dumm sein!" Whitney lächelte kläglich. "Wir wissen beide, dass Hawk immer ganz genau weiß, was er tut." "Und im Moment benimmt er sich ausnehmend dumm", beharrte Geraldine. "Liebe Güte, du bist doch kein Kind mehr, und es ist höchste Zeit, dass er es einsieht! Ich habe dich nie besonders gemocht, Whitney - aber das hatte nichts mit dir persönlich zu tun. Ich hätte jeden abgelehnt, der sich in mein Leben mit Hawk gedrängt hätte. Er war nie wirklich glücklich mit mir, aber anfangs habe ich mir ehrlich Mühe gegeben, ihm die Frau zu sein, die er zu brauchen schien. Und dann kamst du,
die Tochter seines besten Freundes. Alles hätte so anders werden können ..." Sie seufzte. "Wir hätten eine Familie sein können, du hättest die Tochter sein können, die ich verloren habe." "Aber du hast es doch nicht so gewollt!" protestierte Whitney. Geraldine atmete tief ein. "Ich brauchte nur einen Blick auf dich zu werfen, um sofort zu wissen, dass es nicht funktionieren würde. Schon mit fünfzehn warst du eine Schönheit, und es war nicht zu übersehen, wie du Hawk vergöttert hast." "Ich habe ihn dafür geliebt, weil er so gut zu mir war." "Er hätte gar nicht anders zu dir sein können", bekräftigte Geraldine. "Ja, weil er ein Mensch ist, der stets zu ,Kindern und Tieren' gut ist", zitierte Whitney, was Geraldine einmal gesagt hatte. "Red keinen Unsinn! Das stimmt zwar auch, aber es war nicht der Grund, warum Hawk so gut zu dir war. Er hat dich schon damals begehrt." "Und wer redet jetzt Unsinn?" Geraldine schüttelte traurig den Kopf. "Ich weiß, wovon ich spreche, Whitney. Genauso wie ich weiß, dass Hawk versuchte, gegen das, was er für dich empfand, anzukämpfen. Er machte sogar den Versuch, unsere sexuelle Beziehung wieder aufzunehmen, aber es hat nicht funktioniert. Danach war ich umso entschlossener, euch beide auseinander zu bringen. Ich wollte mich nicht von einem Teenager aus meiner Position als Ehefrau verdrängen lassen." "Was sollen diese alten Geschichten, Geraldine?" fragte Whitney verächtlich. "Heute tust du nichts mehr, um uns auseinander zu bringen, und wir sind trotzdem nicht zusammen." Sie wandte sich ab und wollte gehen. "Aber du weißt doch noch gar nicht, was ich getan habe, um euch auseinander zu bringen!" rief Geraldine ihr nach. "Whitney, so hör doch ..."
"Es tut mir Leid, ich muss jetzt wirklich gehen", antwortete Whitney, ohne sich umzudrehen. "Auf Wiedersehen, Geraldine. An deiner Stelle würde ich versuchen, mich an Tom Beresford zu halten. Er ist ein guter Mann." "Das werde ich", versprach Geraldine und wollte noch etwas hinzufügen, aber Whitney war bereits in ihren Wagen gestiegen. Whitney gab sich keine Zeit zum Nachdenken. Unverzüglich fuhr sie zum Redaktionsgebäude des "National", ging geradewegs in Martin Groves' Büro und warf ihm ihren Notizblock auf den Schreibtisch. "Was soll das?" Martin blickte ärgerlich auf. "Das sind meine Notizen zu meinem Interview mit Geraldine Beresford", antwortete sie kühl. "Ich bin zu dem Schluss gelangt, dass ich die Story nicht schreiben kann, weil ich zu sehr persönlich betroffen bin." "He, Whitney ... was ist eigentlich los?" Er sah sie forschend an. "Fragen Sie Hawk!" riet sie ihm. "Alle Antworten liegen bei ihm. Allerdings ist er ein wenig zurückhaltend damit, sie auch herauszurücken." "Hören Sie bitte auf, in Rätseln zu sprechen!" Martin wurde allmählich ärgerlich. "Ich kündige - ist das deutlich genug?" Ihre veilchenblauen Augen funkelten. "Sehr deutlich", bestätigte er verblüfft. "Aber damit weiß ich immer noch nicht den Grund." Sie schüttelte den Kopf. "Den kann ich Ihnen nicht nennen." "Und was ist mit Ihrer Kündigungsfrist, Whitney? Sie können nicht einfach alles stehen und liege n lassen und verschwinden!" "Ich bin sicher, Hawk wird auf meine Kündigungsfrist verzichten", entgegnete sie spöttisch. "Wenden Sie sich an ihn. Er könnte diese Geschichte sowieso besser als jeder andere schreiben."
"Das ist doch lächerlich", protestierte Martin energisch. "Wollen Sie mir weismachen, dass Sie einen guten Job einfach wegwerfen, weil Sie sich über Hawk geärgert haben?" "Ich habe mich nicht bloß über ihn geärgert - ich verachte ihn!" "Hören Sie, das ist doch nicht wahr ..." versuchte Martin sie zu beschwichtigen. "Der Mann hat mich, seit wir uns kennen, wie einen Dummkopf behandelt. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Und ich will auch nicht mehr für ihn arbeiten!" "Whitney..." Zum zweiten Mal an diesem Tag ließ sie jemanden mitten im Gespräch einfach stehen. Mit hoch erhobenem Kopf ging sie durch das große Redaktionsbüro, eisern beherrscht, wie sie es seit dem Moment gewesen war, als Geraldine ihr unwissentlich die Wahrheit über ihren Vater enthüllt hatte, die ihr von Hawk vorenthalten worden war. Doch sobald Whitney zu Hause ankam, konnte sie die Tränen nicht mehr zurückhalten. Ihr Vater, dieser lebenslustige Mensch, den sie über alles geliebt hatte, war von den Drogen abhängig geworden, die Alex Cordell ihm verschafft hatte! Schön, ihr war natürlich klar, dass ihr Vater sich als Süchtiger die Drogen aus anderen Quellen besorgt hätte, wenn Cordell sie ihm nicht verkauft hätte. Trotzdem hasste sie Alex Cordell mit ungeahnter Heftigkeit. Und sie verabscheute Hawk, weil er sie die Wahrheit auf diese Weise hatte herausfinden lassen. Wie aus weiter Ferne hörte sie, wie es unten an der Haustür klopfte. Sie erstarrte und ahnte sofort, dass es Hawk war, der da so nachdrücklich Einlass begehrte. Doch sie hatte keine Lust, mit ihm zu reden. Im nächsten Moment sprang sie erschrocken auf, als sie das Zersplittern von Holz hörte und die Tür mit einem lauten Krachen gegen die Wand schlug. Mit angstvoll geweiteten Augen blickte sie zur Tür, als Hawk auf der Schwelle erschien.
Doch im Nu kehrte ihr Zorn zurück, und ihre veilchenblauen Augen funkelten vor Wut. Hawk schien seltsamerweise erleichtert, als er ihren feindseligen Blick bemerkte. Lässig betrat er das Zimmer, als wäre es für ihn völlig normal, ein Haus zu betreten, indem man die Tür einschlug. "Halb London scheint sich um dich zu sorgen", sagte er schroff. Ausgerechnet er machte ihr Vorwürfe! Damit hatte sie wirklich nicht gerechnet. "Geraldine hat mich angerufen, um mir zu sagen, was für ein Dummkopf ich bin", fuhr er ärgerlich fort. "Und Martin taucht vor meinem Schreibtisch auf und schreit mich an, ich hätte nicht nur dein Leben, sondern auch deine Karriere kaputtgemacht." Er sah sie durchdringend an. Whitney hielt seinem Blick trotzig stand. "Warum hast du mir nicht die Wahrheit über meinen Vater erzählt? Warum ...?" "Weil ich dich liebe."? "... hast du mich weiter in dem Glauben gelassen ...?" Whitney verstummte, als ihr klar wurde, was Hawk gesagt hatte. "Was hast du gesagt?" fragte sie verblüfft. Ihre offenkundige Ungläubigkeit machte Hawk sichtlich betroffen. "Ich habe gesagt, dass ich dich liebe." Sie betrachtete ihn argwöhnisch. "Ich glaube dir nicht!" sagte sie schließlich. Kein Mann hätte die Frau, die er liebte, so behandelt, wie Hawk es mit ihr gemacht hatte. "Natürlich nicht." Er nickte traurig. "Obwohl es die Wahrheit ist. Verdammt, ich bin zu alt für dich, ich habe bereits eine gescheiterte Ehe hinter mir - aber ich liebe dich." Whitney löste den Blick nicht von ihm, während sie begann, erregt im Zimmer auf und ab zu gehen. "Ich weiß jetzt, wie mein Vater gestorben ist", sagte sie heiser. "Ich weiß, und es tut mir Leid, dass du es so herausfinden musstest." "Du hättest es mir sagen können", entgegnete sie vorwurfsvoll. "Schon vor Jahren!"
Hawk wirkte plötzlich blass und mitgenommen. "Wie hätte ich es einem fünfzehnjährigen Mädchen erklären sollen, das gerade das einzige Elternteil, das ihm noch verblieben war, verloren hatte? Wie hätte ich ihm sagen sollen, dass der Vater, den es so vergötterte, nach einem schweren Unfall im Jahr zuvor nur noch Rennen fahren konnte, wenn er die Schmerzen mit Drogen betäubte?" "Er hat die Drogen gegen die Schmerzen genommen?" fragte Whitney leise. "Anfangs, ja. Und dann nahm er sie, weil er ohne sie den Tag nicht mehr überstehen konnte. Ich habe versucht, ihn davon abzubringen, aber er wollte nicht auf mich hören. Schließlich waren seine Reflexe durch die Drogen derart beeinträchtigt, dass er in jenem letzten Rennen gar nicht mehr den Versuch machte, die Kurve zu nehmen, sondern geradewegs gegen die Begrenzungsmauer fuhr. Das Motorrad ging sofort in Flammen auf." Whitney erschauderte angesichts dieser bildhaften Beschreibung, wie ihr Vater sich selbst zerstört hatte. "Trotzdem hättest du es mir nicht verschweigen sollen. Ich war alt genug." "Wenn du alt genug gewesen wärst, wärst du erst gar nicht mein Mündel geworden", widersprach Hawk. "Schon als ich dich damals in dem Internat das erste Mal in den Armen gehalten habe, nachdem ich dir die Nachricht von Dans Tod überbracht hatte, wusste ich, dass ich dir gefä hrlich werden könnte. Ich sollte dir ein Vaterersatz sein und konnte an nichts anderes denken, als mit dir zu schlafen!" "Das hast du mir aber nie auch nur in irgendeiner Weise gezeigt", entgegnete sie. "Du hast keine Ahnung, wie viel Willenskraft mich das gekostet hat. Geraldine hat sich nicht eine Sekunde täuschen lassen. Sie brauchte nur einen Blick auf uns beide zu werfen und wusste genau, was mit mir los war. Gerade weil sie wusste, dass ich sie nicht liebte, erkannte sie es sofort, als ich mich verliebt hatte. Aber es war nicht nur der Altersunterschied, der zwischen
uns stand. Ich war immerhin verheiratet, und eine Zeit lang habe ich mich bemüht, wieder zur Normalität zurückzufinden. Doch es war eine Katastrophe. Ich begehrte Geraldine nicht, genauso wenig wie ich in den vergangenen sieben Jahren irgendeine andere Frau außer dir begehrt habe. Geraldine hat mir diese zweite Zurückweisung sehr übel genommen und scheute nicht davor zurück, meine Gefühle gegen mich auszuspielen." Whitney hörte die Verbitterung in seinen Worten und blickte ihn fragend an. "Wie meinst du das?" Er wich ihrem Blick aus. "Ich hatte den Fehler gemacht, ihr einen greifbaren Beweis meiner Liebe zu dir zu geben." "Inwiefern?" Whitney wartete mit angehaltenem Atmen. "Drei Jahre lang durfte ich wenigstens dein Freund und Kamerad sein. Als dann die Zeit kam, dich gehen zu lassen... konnte ich es einfach nicht über mich bringen. Sieh mich nicht so an, Whitney", bat er, als er ihren verständnislosen Blick bemerkte. "Kannst du es dir nicht denken? Im Testament deines Vaters steht nichts von deinem einundzwanzigsten Geburtstag, sondern nur von deiner Volljährigkeit. Ich sollte nur dein Vormund sein, bis du achtzehn warst, und ich habe dich drei Jahre länger in meinem Haus gehalten, als ich das Recht gehabt hätte!" Endlich begriff Whitney. Kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag hatte Geraldine angefangen, eigene Wege in ihrer Ehe zu gehen, während Hawk sich immer mehr zurückgezogen hatte. Geraldine hatte ihr gesagt, dass sie fest entschlossen gewesen sei, sie, Whitney, und Hawk auseinander zu bringen. Hatte sie dazu das Wissen über den tatsächlichen Ablauf der Vormundschaft benutzt? Aber wie? "Hawk, du hättest zu dem Zeitpunkt doch längst wissen müssen, was ich für dich empfand und dass ich - ob Vormundschaft oder nicht - sowieso bei dir geblieben wäre, wenn du mich nur gefragt hättest."
Er seufzte. "Mir war klar, dass du dir eingebildet hast, in mich verliebt zu sein." "Das war keine Frage der Einbildung!" protestierte sie sofort. "Es war auch egal." Er schüttelte den Kopf. "Geraldine war mit Recht wütend über meine Gefühle für dich. Sie wollte innerhalb der Grenzen unserer Ehe ihr eigenes Leben leben und drohte mir, sie würde dich als meine Geliebte benennen, sollte ich versuchen, die Scheidung einzureichen. Was mit mir passierte, war mir egal, aber ich konnte nicht zulassen, dass du unter den Folgen einer Liebe gelitten hättest, von der du nicht einmal etwas wusstest." Obwohl Geraldine zu sehr grausamen Mitteln gegriffen hatte, um ihre Ehe zu erhalten, bis sie den Zeitpunkt für gekommen hielt, sie zu beenden, konnte Whitney Hawks Exfrau sogar verstehen. Auch sie wäre unter gleichen Umständen vermutlich nicht sehr wählerisch in der Auswahl ihrer Mittel gewesen, wenn Hawk ihr Mann gewesen wäre. "Aber das alles hat sich doch sicher geändert, als Geraldine sich entschloss, Tom Beresford zu heiraten?" "Zu dem Zeitpunkt war ich schon so tief in meine Bemühungen verstrickt, Alex Cordell dingfest zu machen, dass ich dich auf keinen Fall auch nur irgendwo in seiner Nähe wissen wollte", antwortete Hawk nachdrücklich. Er hatte ihr jetzt schon so vieles von dem erklärt, was sie über die Jahre gekränkt hatte. Und dennoch schien er immer noch nicht ganz zu akzeptieren, dass sie kein Kind mehr war, das er beschützen musste - vor ihm selbst oder irgendjemand anderem. "Ich hätte mit dir in dieser Sache zusammenarbeiten können, anstatt gegen dich zu arbeiten, wenn du dich mir nur anvertraut hättest!" "Du hast mir ja geholfen." Er blickte sie zärtlich an. "Zwei Tage - und zwei unvergessliche Nächte - lang hast du mich geliebt." "Nicht nur für zwei Tage und zwei Nächte!" widersprach sie. "Ich habe dich immer geliebt und werde dich immer lieben. Du,
aber hast mich in dem Glauben gelassen, du würdest immer noch Geraldine lieben!" "Es schien mir unter den Umständen das Beste zu sein." "Das Beste für wen?" fragte sie empört. "Für dich? Denn für mich war es ganz bestimmt nicht das Beste! Ich bin ein Jahr lang durch die Hölle gegangen, weil du mich nicht mehr in deinem Leben haben wolltest, nachdem du der Pflicht Genüge getan hattest!" "Aber ich konnte dich doch nicht mehr in meinem Haus wohnen lassen, nachdem Geraldine ausgezogen war", versuchte er ihr verständlich zu machen. "Du liebe Güte, ist dir eigentlich klar, dass ich jedes Mal, wenn wir uns geliebt haben, gedacht habe, ich wäre nur ein Ersatz für sie?" "Ich habe sie nie geliebt, Whitney", sagte Hawk leise. "Nicht einmal zu Beginn." Whitney nickte. "Sie hat mir erzählt, wie es zu eurer Heirat gekommen ist; Aber du hättest mir das erklären müssen, genauso wie du mir das von meinem Vater hättest erzählen müssen. Wie kannst du behaupten, mich zu lieben, wenn du mich dann doch wieder wie ein Kind behandelst, das vor allen Problemen des Lebens beschützt werden muss?" "Ihr habe Geraldine geheiratet, lange bevor du in mein Leben getreten bist", versuchte er sich zu verteidigen. "Und was deinen Vater betrifft - ich hatte einfach nicht das Recht, dich deiner Illusionen zu berauben." "Da war es dir lieber, wenn es jemand anders tun würde!" "Nein!" widersprach er zerknirscht. "Ich hatte gehofft, dass du nie die Wahrheit erfahren müsstest. Du hast deinen Vater so geliebt, Whitney. Vielleicht war es nicht richtig von mir, aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht nötig wäre, dir die schönen Erinnerungen an ihn kaputtzumachen." Whitney sah ein, dass er nicht ganz Unrecht hatte. Nun, da sie die Wahrheit über den Unfall ihres Vaters kannte, würden ihre Gefühle, was das betraf, nie wieder die gleichen sein.
"Das alles erklärt aber noch lange nicht, warum du dich in dieser letzten Woche nicht einmal bei mir hast blicken lassen", sagte sie vorwurfsvoll. "Nein, natürlich nicht." Er fuhr sich seufzend durchs Haar. "Ich habe die Situation an Bord der ,Freedom' ausgenutzt..." Ihr ungläubiges Lache n ließ ihn verstummen. "Ich habe mich dir doch förmlich an den Hals geworfen!" Er sah sie nachdenklich an. "Vielleicht wirst du es mir nicht glauben, aber ich hätte mich jetzt sowieso nicht mehr lange von dir fern halten können. Solange du nur die schöne junge Frau warst, die einmal mein Mündel war, konnte ich damit leben. Aber nachdem wir uns geliebt hatten ... Ich kann nicht ohne dich sein, Whitney!" sagte er rau. "Ich brauche dich wie die Luft zum Atmen." "Und was soll deiner Meinung nach jetzt geschehen?" fragte sie vorsichtig. Er zuckte die Schultern. "Das liegt ganz bei dir. Geraldine hat mir damals aus Wut und Kränkung heraus gedroht - aber im Kern hatte sie natürlich Recht: Solltest du mich heiraten, wird das Anlass für Klatsch geben." "Würde sie denn ihre Drohung immer noch wahr machen?" fragte Whitney ungläubig. Hawk schüttelte den Kopf. "Nein, sie scheint endlich ihre Verbitterung abgelegt zu haben. Dennoch würde unsere Geschichte in der Presse Aufsehen erregen, Whitney. Ich sehe schon die Schlagze ilen vor mir: ,Schönes junges Mündel heiratet den Mann, der ihr Vormund war!'" Er sah sie vielsagend an. "Würde es dir etwas ausmachen?" fragte sie, wobei sie ihn aufmerksam beobachtete. "Du liebe Güte, nein", antwortete er, ohne zu überlegen. "Es war immer nur dein Ruf, den ich schützen wollte. Wenn ich dich als meine Frau hätte haben können, wäre es mir völlig egal gewesen, was man über mich sagt." "Du bist arrogant, herrschsüchtig und rücksichtslos - aber ich werde dich trotzdem mein ganzes Leben lang lieben", erwiderte
Whitney heiser. "Skandal oder nicht, ich bin fest entschlossen, dich zu heiraten." Sie blickte herausfordernd zu ihm auf. "Und falls du dich weigerst, werde ich allen erzählen, du hättest mich verführt!" Seine goldbraunen Augen blitzten spöttisch auf. "Wie nett von dir, mich an meine Schwäche für dich zu erinnern!" "Du hast die Wahl", sagte sie mit unbewegter Miene. Ein zärtlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht, als er sie in die Arme nahm. "Ich bin fünfzehn Jahre älter als du und mag gar nicht daran denken, wie viel ich in meinem Leben schon falsch gemacht habe - und das meiste davon in Bezug auf dich, wie es aussieht." Er seufzte. "Ich werde mich wirklich bemühen, dich nicht so sehr zu bevormunden und zu beschützen, Whitney. Aber es fä llt mir schwer, weil ich dich am liebsten in Watte packen würde." Whitney wusste, dass Hawk Zeit und Geduld brauchen würde, um zu begreifen, wie unabhängig sie in diesem letzten Jahr geworden war. Aber sie war sich auch sicher, dass er sie schließlich als gleichberechtigten Partner respektieren würde. Und nach einigen weiteren Nächten voller Leidenschaft wie denen an Bord der "Freedom" würde er ganz bestimmt nicht mehr den Fehler machen, sie wie ein kleines Mädchen zu behandeln! "Du hast mir noch keine Antwort auf meinen Heiratsantrag gegeben", erinnerte sie ihn lächelnd. "Wenn du mich willst, dann gehöre ich dir", erwiderte er schlicht. "Ich habe immer dir gehört." Und seltsamerweise hatte Whitney das gleiche Gefühl: dass sie und Hawk immer zueinander gehört hatten. Bis an diesen Punkt ihres Lebens hatten sie einen stürmischen Weg hinter sich gebracht. Sie konnte nur hoffen, dass die Jahre, die nun vor ihnen lagen, in mancher Hinsicht ruhiger sein würden. Auf jeden Fall würden es die glücklichsten Jahre ihres Lebens sein!
-ENDE