Einmal ein großer
Zeichner Franz Kafka
als bildender Künstler
Vitalis
„Unsere Kunst ist ein von der Wahrheit Geblen...
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Einmal ein großer
Zeichner Franz Kafka
als bildender Künstler
Vitalis
„Unsere Kunst ist ein von der Wahrheit Geblendet-Sein: Das Licht auf dem zurückweichenden Fratzengesicht ist wahr, sonst nichts.“ „ … auf den wahrheitsgetreuen Bildern der Künstler sehen wir diese Gesichter der Verdammnis, die aufgerissenen Mäuler, die mit hoch zugespitzten Zähnen besteckten Kiefer, die verkniffenen Augen, die schon nach dem Raub zu schielen scheinen, den das Maul zermalmen und zerreißen wird. Sind die Kinder böse, halten wir ihnen die se Bilder hin und schon fliegen sie weinend an unsern Hals.“ Franz Kafka
Zeilenmaße und Paginierung weichen in diesem E-Book von der Druckvorlage ab. Die in den zitierten Texten von Franz Kafka enthaltenen Eigenheiten in Orthographie und Syntax sind dagegen beibehalten worden.
‚Einmal ein großer Zeichner‘ Franz Kafka als bildender Künstler Herausgegeben von Niels Bokhove und Marijke van Dorst
Vitalis
Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbiographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://www.ddb.de abrufbar.
© Vitalis, 2006 Zusammenstellung: Niel Bokhove und Marijke van Dorst Erläuterungen: Niels Bokhove Titel der niederländischen Originalausgabe: ,Einmal ein großer Zeichner‘․ Franz Kafka als beeldend Kunstenaar․ 2. erw. u. revid. Auflage. Utrecht: Salon Saffier, 2003 Druck und Bindung besorgte die Druckerei Finidr, Český Těšín/Teschen. ISBN 3-89919-094-7 · Alle Rechte vorbehalten · www.vitalis-verlag.com
Inhaltsverzeichnis Zeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 1 1 12 13 14 15 16 17 18 19 20 2 1 22 23 24 25 26 27 28
Der Denker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Mann zwischen Gittern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Mann mit Spazierstock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 Mann mit Kopf auf Tisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 6 Mann vor stehendem Spiegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 8 Sitzender Mann mit gesenktem Kopf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Fechter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Läufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Drei Läufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 ,Die Tänzerin Eduardowa […] in der Elektrischen in Begleitung zweier Violinisten‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 Mann auf Händen und Füßen gehend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 Jockey auf Pferd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Kutsche mit Pferden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 ,Ansichten aus meinem Leben‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 Eßunlustig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 ,Eingehängtsein‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 ,Etwas von meinen „Beschäftigungen“ ‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 ,Japanische Gaukler‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 Akrobaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 Mann zwischen Fabeltieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Schlangendame . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Protestumzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Gehende Figuren – Sänfte beim Fluß und Baum . . . . . . . . . . . . . 54 Goethes ,Gartenhaus am Stern‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 Glockenturm, vermutlich in Osteno . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Kirche und Häuser in Gandria – Springbrunnen in San Margherita . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 ,Eine derartige Brücke‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 Spieltisch im Casino des Kurhauses, Luzern . . . . . . . . . . . . . . . . 66
29 30 3 1 32 33 34 35 36 37 38 39 40 4 1
Wohnsituation in der Villa Tatra, Tatranské Matliare . . . . . . . . 68 ,Bittsteller und vornehmer Gönner‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Abraham opfert seinen Sohn Isaak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 Mann am Tisch, Wirtin hinter der Wand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 Frauenkopf und Pferdebein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 Malträtierter Mann vor einem Tisch, mit Zuschauern . . . . . . . . 78 Mürrischer Mann in schwarzem Anzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 Der wilde Trinker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 Spaziergänger ohne Hose auf dem Dach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Zwei Wartende . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 ,Ottlas Gabelfrühstück‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Dora Diamant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Mutter Kafka lesend – Selbstporträt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
Zu den Zeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 Kafka: ,ein großer Zeichner‘ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Editorische Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Erläuterungen zu Zeichnungen und Texten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 1 0 Erwähnte, jedoch nicht zugängliche Zeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Authentische Vorlagen zu Kafkas Zeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 22 Verwendete Literatur und Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 2 3 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
Zeichnungen
Unsere Kunst ist ein von der Wahrheit Geblendet-Sein: Das Licht auf dem zurückweichenden Fratzengesicht ist wahr, sonst nichts. 1 […] auf den wahrheitsgetreuen Bildern der Künstler sehen wir diese Gesichter der Verdammnis, die aufgerissenen Mäuler, die mit hoch zugespitzten Zähnen besteckten Kiefer, die verkniffenen Augen, die schon nach dem Raub zu schielen scheinen, den das Maul zermalmen und zerreißen wird. Sind die Kinder böse, halten wir ihnen diese Bilder hin, und schon fliegen sie weinend an unsern Hals. 2
1
Der Denker
Ich blieb mit meinem Denken bei den gegenwärtigen Dingen und ihren gegenwärtigen Zuständen nicht aus Gründlichkeit oder zu sehr festgehaltenem Interesse, sondern, soweit es nicht Schwäche des Denkens verursachte, aus Traurigkeit und Furcht, aus Traurigkeit, denn weil mir die Gegenwart so traurig war, glaubte ich sie nicht verlassen zu dürfen, ehe sie sich ins Glück auflöste, aus Furcht, denn wie ich mich vor dem kleinsten gegenwärtigen Schritt fürchtete, hielt ich mich auch für unwürdig, bei meinem verächtlichen kindischen Auftreten ernstlich mit Verantwortung die große männliche Zukunft zu beurteilen, die mir auch meistens so unmöglich vorgekommen ist, daß mir jedes kleine Fortschreiten wie eine Fälschung erschien und das Nächste unerreichbar. [Tagebuch, 2. Januar 1912] Ich kann nicht denken, in meinem Denken stoße ich immer fort an Grenzen, im Sprung kann ich noch einzelweise manches erfassen, zusammenhängendes, entwicklungsmäßiges Denken ist mir ganz unmöglich. [Aus einem Brief an Felice Bauer, 10./16. Januar 1913] 10
2
Mann zwischen Gittern
Eingesperrt in das Viereck eines Lattenzaunes, der nicht mehr Raum ließ, als einen Schritt der Länge und Breite nach, erwachte ich. Es gibt ähnliche Hürden, in die Schafe des Nachts gepfercht werden, aber so eng sind sie nicht. Die Sonne schien in geradem Strahl auf mich, um den Kopf zu schützen, drückte ich ihn an die Brust und hockte mit gekrümmten Rücken da. [Tagebuch, 4. Juli 1916] Mit einem Gefängnis hätte er sich abgefunden. Als Gefangener enden – das wäre eines Lebens Ziel. Aber es war ein Gitterkäfig. Gleichgültig, herrisch, wie bei sich zuhause strömte durch das Gitter aus und ein der Lärm der Welt, der Gefangene war eigentlich frei, er konnte an allem teilnehmen, nichts entgieng ihm draußen, selbst verlassen hätte er den Käfig können, die Gitterstangen standen ja meterweit auseinander, nicht einmal gefangen war er. [Tagebuch, 13. Januar 1920] Es war keine Gefängniszelle, denn die vierte Wand war völlig frei. Die Vorstellung, daß auch diese Wand vermauert sein oder werden könnte, war entsetzlich, denn dann war ich bei dem Ausmaß des Raumes, der ein Meter tief war und nur wenig höher als ich, in einem aufrechten steinernen Sarg. Nun, vorläufig war sie nicht vermauert, ich konnte die Hände frei hinausstrecken und, wenn ich mich an einer eisernen Klammer festhielt, die oben in der Decke stak, konnte ich auch den Kopf vorsichtig hinausbeugen, vorsichtig allerdings, 12
denn ich wußte nicht, in welcher Höhe über dem Erdboden sich meine Zelle befand. Sie schien sehr hoch zu liegen, wenigstens sah ich in der Tiefe nichts als grauen Dunst, wie auch übrigens rechts und links und in der Ferne, nur nach der Höhe hin schien er sich ein wenig zu lichten. Es war eine Aussicht wie man sie an einem trüben Tag auf einem Turm haben könnte. [Aus ,Konvolut 1920‘]
3
Mann mit Spazierstock
Und die Menschen gehn in Kleidern schwankend auf dem Kies spazieren unter diesem großen Himmel, der von Hügeln in der Ferne sich zu fernen Hügeln breitet. [Motto ,Beschreibung eines Kampfes‘, 1907/08] Mein neunter Sohn ist sehr elegant und hat den für Frauen bestimmten süßen Blick. So süß, daß er bei Gelegenheit sogar mich verführen kann, der ich doch weiß, daß förmlich ein nasser Schwamm genügt, um allen diesen überirdischen Glanz wegzuwischen. [Aus ,Elf Söhne‘, 1917] Selbstvergessenheit und Selbstaufhebung der Kunst: Was Flucht ist, wird vorgeblich Spaziergang oder gar Angriff. [Aus ,Oktavheft G‘, 1917/18] Auf Balzacs Spazierstockgriff: Ich breche alle Hindernisse, auf meinem: mich brechen alle Hindernisse. Gemeinsam ist das ,alle‘. [Aus ,Ehepaar-Heft‘, Ende 1922] 14
4
Mann mit Kopf auf Tisch
Vor dem Einschlafen hatte ich gestern die zeichnerische Vorstellung einer für sich bergähnlich in der Luft abgesonderten Menschengruppe, die mir in ihrer zeichnerischen Technik vollständig neu und einmal erfunden leicht ausführbar schien. Um einen Tisch war eine Gesellschaft versammelt, der Erdboden verlief etwas weiter als der Menschenkreis, von allen Leuten aber sah ich vorläufig mit einer großen Gewalt des Blickes nur einen jungen Mann in altertümlichem Kleid. Den linken Arm hatte er auf dem Tisch aufgestützt, die Hand hieng lose über seinem Gesicht, das spielerisch zu jemandem aufschaute, der sich besorgt oder fragend über ihn bückte. Sein Körper besonders das rechte Bein war mit nachlässiger Jugendlichkeit gestreckt, er lag mehr als er saß. Die zwei deutlichen Linienpaare, welche die Beine begrenzten, kreuzten und verbanden sich leicht zu den Grenzlinien des Körpers. Mit schwacher Körperlichkeit wölbten sich zwischen diesen Linien die bleich gefärbten Kleider. Vor Erstaunen über diese schöne Zeichnung die mir im Kopfe eine Spannung erzeugte die meiner Überzeugung nach dieselbe und zwar dauernde Spannung war, von der, wann ich wollte, der Bleistift in der Hand geführt werden könnte, zwang ich mich aus dem dämmernden Zustand heraus, um die Zeichnung besser durchdenken zu können. Da fand sich allerdings bald, daß ich mir nichts anderes vorgestellt hatte, als eine kleine Gruppe aus grauweißem Porcellan. [Tagebuch, 17. Dezember 1911] 16
5
Mann vor stehendem Spiegel
Als es schon unerträglich geworden war – einmal gegen Abend im November – und ich über den schmalen Teppich meines Zimmers wie in einer Rennbahn einherlief, durch den Anblick der beleuchteten Gasse erschreckt, wieder wendete, und in der Tiefe des Zimmers, im Grund des Spiegels doch wieder ein neues Ziel bekam, und aufschrie, um nur den Schrei zu hören, dem nichts antwortet und dem auch nichts die Kraft des Schreiens nimmt, der also aufsteigt, ohne Gegengewicht, und nicht aufhören kann, selbst wenn er verstummt, da öffnete sich aus der Wand heraus die Tür, so eilig, weil doch Eile nötig war und selbst die Wagenpferde unten auf dem Pflaster wie wildgewordene Pferde in der Schlacht, die Gurgeln preisgegeben, sich erhoben. [Beginn ,Unglücklichsein‘ 1910] Der dritte Sohn ist gleichfalls schön, aber es ist nicht die Schönheit, die mir gefällt. Es ist die Schönheit des Sängers: der geschwungene Mund; das träumerische Auge; der Kopf, der eine Draperie hinter sich benötigt, um zu wirken; die unmäßig sich wölbende Brust; die leicht auffahrenden und viel zu leicht sinkenden Hände; die Beine, die sich zieren, weil sie nicht tragen können. [Aus ,Elf Söhne‘, 1917] Ich habe seit jeher einen gewissen Verdacht gegen mich gehabt. Aber es geschah nur hie und da, zeitweilig, lange Pausen waren dazwischen, hinreichend um zu vergessen. Es waren außerdem Geringfügigkeiten, die gewiß auch bei andern vorkommen 18
und dort nichts Ernstliches bedeuten, etwa das Staunen über das eigene Gesicht im Spiegel, oder über das Spiegelbild des Hinterkopfes oder auch der ganzen Gestalt, wenn man plötzlich auf der Gasse an einem Spiegel vorüberkommt. [Aus ,Hungerkünstler‘, 1921/22]
6
Sitzender Mann mit gesenktem Kopf
An einem Wintervormittag – draußen fiel Schnee im trüben Licht – saß K. trotz der frühen Stunde schon äußerst müde in seinem Bureau. Um sich wenigstens vor den untern Beamten zu schützen, hatte er dem Diener den Auftrag gegeben, niemanden von ihnen einzulassen, da er mit einer größern Arbeit beschäftigt sei. Aber statt zu arbeiten drehte er sich in seinem Sessel, verschob langsam einige Gegenstände auf dem Tisch, ließ dann aber, ohne es zu wissen den ganzen Arm ausgestreckt auf der Tischplatte liegen und blieb mit gesenktem Kopf unbeweglich sitzen. [Aus ,Der Prozeß‘, 1914/15] Wie ich diesen Sonntag heute verbracht habe mit Kopfhängen, ohne unglücklich zu sein […] [Aus einem Brief an Felice Bauer, 9./10. März 1913] Mein sechster Sohn scheint, wenigstens auf den ersten Blick, der tiefsinnigste von allen. Ein Kopfhänger und doch ein Schwätzer. Deshalb kommt man ihm nicht leicht bei. Ist er am Unterliegen, so verfällt er in unbesiegbare Traurigkeit […] [Aus ,Beschreibung eines Kampfes‘, 1907/08] 20
7
Fechter
Der zweite [Sohn] ist schön, schlank, wohlgebaut; es entzückt, ihn in Fechterstellung zu sehen. [Aus ,Elf Söhne‘, 1917] 22
8
Läufer
Und ich setzte mich in Lauf. Ich lief ohne Hindernis dreimal um den großen Platz herum und da ich keinen Betrunkenen traf, lief ich ohne die Schnelligkeit zu unterbrechen und ohne Anstrengung zu verspüren gegen die Karlsgasse. Mein Schatten lief oft kleiner als ich neben mir an der Wand, wie in einem Hohlweg zwischen Mauer und Straßengrund. [Aus ,Beschreibung eines Kampfes‘, 1907/08] 24
9
Drei Läufer
,So kommen wir zu keinem Ende‘, sagte der Polizeimann und wollte Karl am Arm fassen. Karl wich noch unwillkürlich ein wenig zurück, fühlte den freien Raum, der sich ihm infolge des Abmarsches der Gepäckträger eröffnet hatte, wandte sich um und setzte sich unter einigen großen Anfangssprüngen in Lauf. Die Kinder brachen in einen einzigen Schrei aus und liefen mit ausgestreckten Ärmchen paar Schritte mit. ,Haltet ihn!‘ rief der Polizeimann die lange, fast leere Gasse hinab und lief unter gleichmäßigem Ausstoßen dieses Rufes in geräuschlosem große Kraft und Übung verratendem Lauf hinter Karl her. Es war ein Glück für Karl, daß die Verfolgung in einem Arbeiterviertel stattfand. Die Arbeiter halten es nicht mit den Behörden. Karl lief mitten in der Fahrbahn, weil er dort die wenigsten Hindernisse hatte, und sah nun hie und da auf dem Trottoirrand Arbeiter stehen bleiben und ihn ruhig beobachten, während der Polizeimann ihnen sein ,Haltet ihn!‘ zurief und in seinem Lauf, er hielt sich kluger Weise auf dem glatten Trottoir, unaufhörlich den Stab gegen Karl hin ausstreckte. Karl hatte wenig Hoffnung und verlor sie fast ganz, als der Polizeimann nun, da sie sich Quergassen näherten, die gewiß auch Polizeipatrouillen enthielten, geradezu betäubende Pfiffe ausstieß. Karls Vorteil war lediglich seine leichte Kleidung, er flog oder besser stürzte die sich immer mehr senkende Straße herab, nur machte er zerstreut infolge seiner Verschlafenheit oft zu hohe, zeitraubende und nutzlose Sprünge. Außerdem aber hatte der Polizeimann sein Ziel ohne nachdenken zu müssen, immer vor Augen, für Karl 26
dagegen war der Lauf doch eigentlich Nebensache, er mußte nachdenken, unter verschiedenen Möglichkeiten auswählen, immer neu sich entschließen. [Aus ,Der Verschollene‘, 1912/13]
10
,Die Tänzerin Eduardowa […] in der Elektrischen in Begleitung zweier Violinisten‘
Die Tänzerin Eduardowa, eine Liebhaberin der Musik, fährt wie überall so auch in der Elektrischen in Begleitung zweier Violinisten, die sie häufig spielen läßt. Denn es besteht kein Verbot, warum in der Elektrischen nicht gespielt werden dürfte, wenn das Spiel gut, den Mitfahrenden angenehm ist und nichts kostet, d. h., wenn nachher nicht eingesammelt wird. Es ist allerdings im Anfang ein wenig überraschend und ein Weilchen lang findet jeder, es sei unpassend. Aber bei voller Fahrt, starkem Luftzug und stiller Gasse klingt es hübsch. [Tagebuch, Mai 1909] 28
11
Mann auf Händen und Füßen gehend
Eine trübe Stallaterne schwankte drin an einem Seil. Ein Mann, zusammengekauert in dem niedrigen Verschlag, zeigte sein offenes blauäugiges Gesicht. ,Soll ich anspannen?‘ fragte er, auf allen vieren hervorkriechend. [Aus ,Ein Landarzt‘, 1917] 30
12
Jockey auf Pferd
Das Pferd stolperte, fiel auf die Vorderbeine nieder, der Reiter wurde abgeworfen. Zwei Männer, die jeder für sich irgendwo im Baumschatten gelungert hatten kamen hervor und besahen den Abgestürzten. Alles war jedem von ihnen irgendwie verdächtig, das Sonnenlicht, das Pferd, das wieder aufrecht stand, der Reiter, der Mann gegenüber, der plötzlich gelockt durch den Unfall hervorgekommen war. Sie näherten sich langsam, hatten die Lippen mürrisch aufgeworfen und mit der Hand, die sie in das vorn offene Hemd geschoben hatten fuhren sie unschlüssig an Brust und Hals umher. [Aus ,Konvolut 1920‘] Je mehr Pferde Du anspannst, desto rascher gehts – nämlich nicht das Ausreißen des Blocks aus dem Fundament, was unmöglich ist, aber das Zerreißen der Riemen und damit die leere fröhliche Fahrt. [Aphorismen 45, 1917] Wenn man doch ein Indianer wäre, gleich bereit, und auf dem rennenden Pferde, schief in der Luft, immer wieder kurz erzitterte über dem zitternden Boden, bis man die Sporen ließ, denn es gab keine Sporen, bis man die Zügel wegwarf, denn es gab keine Zügel, und kaum das Land vor sich als glatt gemähte Heide sah, schon ohne Pferdehals und Pferdekopf. [,Wunsch, Indianer zu werden‘, um 1912] 32
Nichts, wenn man es überlegt, kann dazu verlocken, in einem Wettrennen der erste sein zu wollen. Der Ruhm, als der beste Reiter eines Landes anerkannt zu werden, freut beim Losgehn des Orchesters zu stark, als daß sich am Morgen danach die Reue verhindern ließe. […] [Beginn ,Zum Nachdenken für Herrenreiter‘, 1909/10]
13
Kutsche mit Pferden
Das Pferd wurde vorgeführt. Der Mann zögerte. Die Frau schloß die Augen als Zeichen der Zustimmung. Von der Landstraße her kam ein Trupp Reiter. Man begrüßte ein ander. [Aus ,Beschreibung eines Kampfes‘, 1907/08, unkenntlich gemacht] Heute früh der leere Leiterwagen und das magere große Pferd davor. Beide, wie sie die letzte Anstrengung machten, einen Abhang hinaufzukommen, ungewöhnlich in die Länge gezogen. Für den Beschauer schief aufgestellt. Das Pferd ein wenig die Vorderbeine gehoben, den Hals seitwärts und aufwärts gestreckt. Darüber die Peitsche des Kutschers. [Tagebuch, 20. August 1912] Die scheinbare Stille, mit welcher die Tage, die Jahreszeiten, die Generationen, die Jahrhunderte aufeinanderfolgen, bedeutet Aufhorchen: so traben Pferde vor dem Wagen. [Aus ,Oktavheft H‘, 1918] 34
14
,Ansichten aus meinem Leben‘
Ein rasendes zwei Minuten langes Turnen, wie vielleicht schon einmal erklärt, bei ganz offenem Fenster, dann Anziehen und auf die Bahn. [Aus einem Brief an Felice Bauer, 24.125. November 1912] Welches Möbel man braucht? Eine spanische Wand natürlich oder eine Matte, um ,müllern‘ zu können. Um nackt bei offenem Fenster ,müllern‘ zu können, ohne daß die Leute gegenüber die gute Gelegenheit benützen und mitzuturnen anfangen. [Aus einem Brief an Felice Bauer, 25. Mai 1914] Sobald der Mann festgeschnallt ist, wird das Bett in Bewegung gesetzt. Es zittert in winzigen, sehr schnellen Zuckungen gleichzeitig seitlich, wie auch auf und ab. Sie werden ähnliche Apparate in Heilanstalten gesehen haben; nur sind bei unserem Bett alle Bewegungen genau berechnet; sie müssen nämlich peinlich auf die Bewegungen der Egge abgestimmt sein. [Aus ,In der Strafkolonie‘, 1914] […] ich schlafe jetzt so viel und fest bei Tag, ich habe während des Schlafes ein größeres Gewicht. [Tagebuch, 12. Januar 1912] Mehrmals in dieser Nacht trug ich mein Gewicht auf dem Rücken. [Tagebuch, 23. September 1912] 36
15
Eßunlustig
Schade, auf meinem Tisch wäre manches zu finden. Statt dessen aber mache ich folgendes:
um Dir wieder eine Lehrstunde zu verderben. [Aus einem Brief an Ottla, 11. Dezember 1918] 38
[…] die Eingeweihten wußten wohl, daß der Hungerkünstler während der Hungerzeit niemals, unter keinen Umständen, selbst unter Zwang nicht, auch das Geringste nur gegessen hätte; die Ehre seiner Kunst verbot dies. […] ,Du hungerst noch immer?‘ […] ,Weil ich hungern muß, ich kann nicht anders‘, sagte der Hungerkünstler. […] ,Weil ich […] nicht die Speise finden konnte, die mir schmeckt. Hätte ich sie gefunden, glaube mir, ich hätte kein Aufsehen gemacht und mich vollgegessen wie du und alle.‘ [Aus ,Ein Hungerkünstler‘, 1922] ,Ich wollte beweisen, daß wenn ich vor der Nahrung zurückwich, nicht der Boden sie schräg zu sich herabzog, sondern ich es war, der sie hinter mir her lockte.‘ [Aus ,Forschungen eines Hundes‘, 1922] Es ist die Nahrung von der ich gedeihe. Auserlesene Speisen auserlesen gekocht. Aus dem Fenster meines Hauses sehe ich die Zuträger der Nahrungsmittel, eine lange Reihe, oft stockt sie, dann drückt jeder seinen Korb an sich, um ihn vor Schaden zu behüten. Auch zu mir schauen sie empor, freundlich, manche entzückt. [Aus ,Blaues Schulheft‘, 1923/24]
16
,Eingehängtsein‘
Kaum hast Du unsere Zusammenkunft in Berlin beschrie ben, habe ich schon von ihr geträumt. […] Wir giengen auch auf der Gasse spazieren […], wir giengen zwar nicht eingehängt, aber wir waren einander noch näher, als wenn man eingehängt ist. Ach Gott, es ist schwer, auf dem Pa pier die Erfindung zu beschreiben, die ich gemacht hatte, um nicht eingehängt, nicht auffällig und doch ganz nahe bei Dir zu gehn […]. Wie soll ich es also nur beschreiben, wie wir im Traum gegangen sind! Während beim bloßen Einhängen sich die Arme nur an zwei Stellen berühren und jeder einzelne seine Selbstständigkeit behält, berührten sich unsere Schultern und die Arme lagen der ganzen Länge nach aneinander. Aber warte, ich zeichne es auf. Einge hängtsein ist so:
40
Wir aber giengen so:
[Aus einem Brief an Felice Bauer, 11./12. Februar 1913] Jetzt nach dem Nachtmahl sah ich im Abendblatt ein Bild Eueres neuen prinzlichen Brautpaares. Die zwei gehn in einem Karlsruher Park spazieren, sind ineinander einge hängt, haben aber, damit noch nicht zufrieden, auch noch die Finger verschlungen. Wenn ich diese verschlungenen Finger nicht 5 Minuten lang angesehen habe, dann werden es eben 10 Minuten gewesen sein. [Aus einem Brief an Felice Bauer, 14./15. Februar 1913]
17
,Etwas von meinen „Beschäftigungen“ ‘
Damit Du etwas von meinen ,Beschäftigungen‘ siehst, lege ich eine Zeichnung bei. Es sind 4 Pfähle, durch die zwei mittleren werden Stangen geschoben an denen die Hände des ,Delinquenten‘ befestigt werden; durch die zwei äußern schiebt man Stangen für die Füße. Ist der Mann so befe stigt, werden die Stangen langsam weiter hinausgeschoben, bis der Mann in der Mitte zerreißt. An der Säule lehnt der Erfinder und tut mit übereinandergeschlagenen Armen und Beinen sehr groß, so als ob das Ganze eine Original erfindung wäre, während er es doch nur dem Fleischhauer abgeschaut hat, der das ausgeweidete Schwein vor seinem Laden ausspannt. [Aus einem Brief an Milena Jesenská, September oder Oktober 1920] 42
18
,Japanische Gaukler‘
Alle Dinge nämlich die mir einfallen, fallen mir nicht von der Wurzel aus ein, sondern erst irgendwo gegen ihre Mitte. Versuche sie dann jemand zu halten, versuche jemand ein Gras und sich an ihm zu halten das erst in der Mitte des Stengels zu wachsen anfängt. Das können wohl einzelne z. B. japanische Gaukler, die auf einer Leiter klettern, die nicht auf dem Boden aufliegt, sondern auf den emporgehaltenen Sohlen eines halb Liegenden, und die nicht an der Wand lehnt sondern nur in die Luft hinaufgeht. [Tagebuch, November 1909] 44
19
Akrobaten
[…] er hat nur soviel Boden als seine zwei Füße brauchen, nur soviel Halt als seine zwei Hände bedecken, also um soviel weniger als der Trapezkünstler im Varieté, für den sie unten noch ein Fangnetz aufgehängt haben. Uns andere uns hält ja unsere Vergangenheit und Zukunft, fast allen unseren Müßiggang und wie viel von unserem Beruf verbringen wir damit, sie im Gleichgewicht auf- und abschweben zu lassen. [Tagebuch, im Herbst 1910] 46
20
Mann zwischen Fabeltieren
In dem Augenblick, in dem Du diesen Brief liest, fahre ich vielleicht in meinem alten Frack, mit zersprungenen Lackstiefeln, viel zu kleinem Cylinderhut und außergewöhnlich bleichem (das ist nichts als Koketterie, ich schaue genau so aus wie sonst und wie damals im August) Gesicht (ich brauche jetzt nämlich immer so lange Zeit zum Einschlafen) als Kranzelherr neben einer angenehmen, hübschen, eleganten und vor allem sehr rücksichtsvollen und bescheidenen Cousine in den Tempel, wo die Hochzeit mit dieser großen Feierlichkeit vollzogen wird, die mich auch immer stört, denn dadurch, daß für die jüdische Allgemeinheit wenigstens bei uns die religiösen Ceremonien sich auf Hochzeit und Begräbnis eingeschränkt haben, rücken diese zwei Gelegenheiten in eine so rücksichtslose Nähe, und man sieht förmlich die strafenden Blicke eines vergehenden Glaubens. [Aus einem Brief an Felice Bauer, 10./11. Januar 1913] 48
21
Schlangendame
,Bereitet der Schlange den Weg!‘ schrie es. ,Bereitet den Weg der großen Madam.‘ ,Wir sind bereit‘ schrie es zur Antwort, ,wir sind bereit.‘ Und wir Wegbereiter, vielgerühmte Steinzerklopfer, marschierten aus dem Busch. ,Los‘ rief unser immer fröhlicher Kommandant, ,los ihr Schlangenfraß.‘ Daraufhin hoben wir unsere Hämmer und meilenweit begann das fleißigste Geklopfe. Keine Pause wurde gestattet, nur Händewechsel. Schon für abend war die Ankunft unserer Schlange angesagt, bis dahin mußte alles zu Staub zerklopft sein, unsere Schlange verträgt auch das kleinste Steinchen nicht. Wo findet sich gleich so eine empfindliche Schlange? Es ist eben auch eine einzige Schlange, unvergleichlich verwöhnt ist sie durch unsere Arbeit, daher auch bereits unvergleichlich geartet. Wir verstehn es nicht, wir bedauern es, daß sie sich noch immer Schlange nennt. Zumindest Madam sollte sie sich immer nennen, trotzdem sie natürlich auch als Madam unvergleichlich ist. Aber das ist nicht unsere Sorge, unsere Sache ist es Staub zu machen. [Tagebuch, 8. August 1917] 50
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Protestumzug
Patriotischer Umzug. Rede des Bürgermeisters. Dann Verschwinden, dann Hervorkommen und der deutsche Ausruf: ,Es lebe unser geliebter Monarch, hoch.‘ Ich stehe dabei mit meinem bösen Blick. Diese Umzüge sind eine der widerlichsten Begleiterscheinungen des Krieges. Ausgehend von jüdischen Handelsleuten, die einmal deutsch, einmal tschechisch sind, es sich zwar eingestehen, niemals aber es so laut herausschreien dürfen wie jetzt. Natürlich reißen sie manchen mit. Organisiert war es gut. Es soll sich jeden Abend wiederholen, morgen Sonntag zweimal. [Tagebuch, 6. August 1914] Da ertönten aus der Ferne von der Gasse her stoßweise Trommeln und Trompeten. Einzelne Rufe vieler Leute sammelten sich bald zu einem allgemeinen Schreien. Karl drehte den Kopf und sah wie sich alle Balkone von neuem belebten. Langsam erhob er sich, er konnte sich nicht ganz aufrichten und mußte sich schwer gegen das Geländer drücken. Unten auf den Trottoiren marschierten junge Burschen mit großen Schritten, ausgestreckten Armen, die Mützen in der erhobenen Hand, die Gesichter zurückgewendet. Die Fahrbahn blieb noch frei. Einzelne schwenkten auf hohen Stangen Lampione, die von einem gelblichen Rauch umhüllt waren. [Aus ,Der Verschollene‘, 1912/13] 52
23 a
Gehende Figuren (oben)
Schon sprang ich mit ungewohnter Geschicklichkeit meinem Bekannten auf die Schultern und brachte ihn dadurch, daß ich meine Fäuste in seinen Rücken stieß, in einen leichten Trab. Als er aber noch ein wenig widerwillig stampfte und manchmal sogar stehen blieb, hackte ich mehrmals mit meinen Stiefeln in seinen Bauch, um ihn munterer zu machen. Es gelang und wir kamen mit guter Schnelligkeit immer weiter in das Innere einer großen, aber noch unfertigen Gegend, in der es Abend war. Die Landstraße, auf der ich ritt, war steinig und stieg bedeutend, aber gerade das gefiel mir und ich ließ sie noch steiniger und steiler werden. Sobald mein Bekannter stolperte, riß ich ihn an seinen Haaren in die Höhe und sobald er seufzte, boxte ich ihn in den Kopf. […] Zum Himmel aber, der mir allmählich durch die gekrümmten Äste der Bäume, die ich am Rande der Straße wachsen ließ, verdeckt wurde, rief ich in der erhitzten Bewegung des Reitens: ,Ich habe doch anderes zu thun, als immer verliebtes Gerede zu hören. Warum ist er zu mir gekommen, dieser geschwätzige Verliebte? Sie alle sind glücklich und werden es besonders, wenn es ein anderer weiß. Sie glauben einen glücklichen Abend zu haben und schon deshalb freuen sie sich des künftigen Lebens.‘ [Aus ,Beschreibung eines Kampfes‘, 1907/08] 54
23 b
Sänfte beim Fluß und Baum (unten)
Aus den Gebüschen des andern Ufers traten gewaltig vier nackte Männer, die auf ihren Schultern eine hölzerne Tragbahre hielten. Auf dieser Tragbahre saß in orientalischer Haltung ein ungeheuerlich dicker Mann. Trotzdem er durch Gebüsche auf ungebahntem Weg getragen wurde, schob er die dornigen Zweige doch nicht auseinander, sondern durchstieß sie ruhig mit seinem unbeweglichen Körper. Seine faltigen Fettmassen waren so sorgfältig ausgebreitet, daß sie zwar die ganze Tragbahre bedeckten und noch an den Seiten gleich dem Saume eines gelblichen Teppichs hinunterhiengen, und ihn dennoch nicht störten. Sein haarloser Schädel war klein und glänzte gelb. Sein Gesicht trug den einfältigen Ausdruck eines Menschen der nachdenkt und sich nicht bemüht es zu verbergen. Bisweilen schloß er seine Augen; öffnete er sie wieder, verzerrte sich sein Kinn. [Aus ,Beschreibung eines Kampfes‘, 1907/08] 56
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Goethes ,Gartenhaus am Stern‘
Montag 1 Juli. Gartenhaus am Stern. Im Gras davor ge zeichnet. Den Vers auf dem Ruhesitz auswendig gelernt. Kofferbett. Schlaf. Papagei im Hof, der Grete ruft. [Reisetagebuch, Juni/Juli 1912] Heute war ich in Malcesine, wo Goethe das Abenteuer gehabt hat, das Du kennen würdest, wenn Du die ,Italienische Reise‘ gelesen hättest, was Du bald tun sollst. Der Kastellan zeigte mir die Stelle, wo Goethe gezeichnet hat, aber diese Stelle wollte mit dem Tagebuch nicht stimmen und so konnten wir darin nicht einig werden, ebensowenig wie im Italienischen. [Ansichtskarte an Ottla Kafka, Riva, 28. September 1913] Ein wenig Goethes Tagebücher gelesen. Die Ferne hält dieses Leben schon beruhigt fest, diese Tagebücher legen Feuer dran. Die Klarheit aller Vorgänge macht sie geheimnisvoll, so wie ein Parkgitter dem Auge Ruhe gibt, bei Betrachtung weiter Rasenflächen und uns doch in unebenbürtigen Res pekt setzt. [Tagebuch, 19. Dezember 1910] 58
Plan eines Aufsatzes ,Goethes entsetzliches Wesen‘. [Tagebuch, 31. Januar 1912] Ein Mensch der kein Tagebuch hat, ist einem Tagebuch gegenüber in einer falschen Position. Wenn dieser z. B. in Goethes Tagebuch liest, daß dieser am 11. Januar 1797 den ganzen Tag zuhause mit verschiedenen Anordnungen beschäftigt, so scheint es diesem Menschen, daß er selbst noch niemals so wenig gemacht hat. [Reisetagebuch, August/September 1911]
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Glockenturm, vermutlich in Osteno
Mamette: mittelalterl. Zauberhut auf einem Glockenturm – Esel u. dem Laubengang früher eine Hafenplatzseite ent lang – am Vierwaldstättersee hat man zu viel an sich ge dacht – Osteno [Reisetagebuch, August/September 1911] Nur einen Turm sah K., ob er zu einem Wohngebäude oder einer Kirche gehörte, war nicht zu erkennen. Schwärme von Krähen umkreisten ihn. Die Augen auf das Schloß gerichtet, gieng K. weiter, nichts sonst kümmerte ihn. […] Flüchtig erinnerte sich K. an sein Heimatstädtchen, es stand diesem angeblichen Schlosse kaum nach, wäre es K. nur auf die Besichtigung angekommen, dann wäre es schade um die lange Wanderschaft gewesen und er hätte vernünftiger gehandelt, wieder einmal die alte Heimat zu besuchen, wo er schon so lange nicht gewesen war. Und er verglich in Gedanken den Kirchturm der Heimat mit dem Turm dort oben. Jener Turm, bestimmt, ohne Zögern, geradenwegs nach oben sich verjüngend, breitdachig abschließend mit roten Ziegeln, ein irdisches Gebäude – was können wir anderes bauen? – aber mit höherem Ziel als das niedrige Häusergemenge und mit klarerem Ausdruck als ihn der trübe Werktag hat. Der Turm hier oben – es war der einzige sichtbare –, der Turm eines Wohnhauses, wie sich jetzt zeigte, vielleicht des Hauptschlosses, war ein einförmiger Rundbau, zum Teil gnädig von Epheu verdeckt, mit kleinen Fenstern, die jetzt in der Sonne aufstrahlten – etwas Irrsinniges hatte das – und einem söllerartigen Abschluß, dessen Mauerzinnen unsicher, 60
unregelmäßig, brüchig wie von ängstlicher oder nachlässiger Kinderhand gezeichnet sich in den blauen Himmel zackten. Es war wie wenn irgend ein trübseliger Hausbewohner, der gerechter Weise im entlegensten Zimmer des Hauses sich hätte eingesperrt halten sollen, das Dach durchbrochen und sich erhoben hätte, um sich der Welt zu zeigen. [Aus ,Das Schloß, 1922]
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Kirche und Häuser in Gandria (oben) Springbrunnen in San Margherita (unten)
Gandria ein Haus hinter dem andern aufgesteckt, Loggien mit farbigen Tüchern, keine Vogelperspektive, Gassen und keine Gassen – S. Margherita mit Springbrunnen auf der Landungsstelle [Reisetagebuch, August/September 1911] […] nur paar Zeilen, in einem schönen Park geschrieben, das Rauschen eines Springbrunnens und den friedlichen Lärm der Kinder im Ohr [Brief an Grete Bloch, 16./17. Juni 1914] Was mich betrifft, Stille. Stille würde ich brauchen, kann leider auch der Ihrigen dort nicht glauben und würde zumindest den Springbrunnen abdrehn. [Brief an Robert Klopstock, 24. Juli 1922] 62
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,Eine derartige Brücke‘
Die Schweiz während der ersten Morgenstunden sich selbst überlassen. Ich wecke Max beim Anblick einer derartigen Brücke und verschaffe mir dadurch den ersten starken Ein druck von der Schweiz trotzdem ich sie schon lange aus innerer in äußerer Dämmerung anschaue. [Reisetagebuch, August/September 1911] Ich war steif und kalt, ich war eine Brücke, über einem Abgrund lag ich, diesseits waren die Fußspitzen, jenseits die Hände eingebohrt, in bröckelndem Lehm hatte ich mich festgebissen. Die Schöße meines Rockes wehten zu meinen Seiten. In der Tiefe lärmte der eisige Forellenbach. Kein Tourist verirrte sich zu dieser unwegsamen Höhe, die Brücke war in den Karten noch nicht eingezeichnet. So lag ich und wartete; ich mußte warten; ohne abzustürzen kann keine einmal errichtete Brücke aufhören Brücke zu sein. Einmal gegen Abend, war es der erste, war es der tausendste, ich weiß nicht, meine Gedanken giengen immer in einem Wirrwarr, und immer immer in der Runde – gegen Abend im Sommer, dunkler rauschte der Bach, hörte ich einen Mannesschritt. Zu mir, zu mir. Strecke Dich Brücke, setze Dich in Stand, geländerloser Balken, halte den Dir Anvertrauten, die Unsicherheiten seines Schrittes gleiche unmerklich aus, schwankt er aber, dann gib Dich zu erkennen und wie ein Berggott schleudere ihn ans Land. Er kam, mit der Eisenspitze seines Stockes beklopfte er mich, dann hob er mit ihr meine Rockschöße und ordnete sie auf mir, in mein buschiges Haar fuhr er mit der Spitze 64
und ließ sie, wahrscheinlich weit umherblickend, lange drin liegen. Dann aber – gerade träumte ich ihm nach über Berg und Tal – sprang er mit beiden Füßen mir mitten auf den Leib. Ich erschauerte in wildem Schmerz, gänzlich unwissend. Wer war es? Ein Kind? Ein Turner? Ein Waghalsiger? Ein Selbstmörder? Ein Versucher? Ein Vernichter? Und ich drehte mich um, ihn zu sehn. Brücke dreht sich um! Ich war noch nicht umgedreht, da stürzte ich schon, ich stürzte und schon war ich zerrissen und aufgespießt von den zugespitzten Kieseln, die mich so friedlich immer angestarrt hatten aus dem rasenden Wasser. [,Die Brücke‘, 1916]
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Spieltisch im Casino des Kurhauses, Luzern
Entdeckung des Spielsaales in Luzern. 1 fr. Entrée. 2 lange Tische. Wirkliche Sehenswürdigkeiten sind häßlich zu be schreiben, weil es förmlich vor Wartenden geschehen muß. An jedem Tisch ein Ausrufer in der Mitte mit 2 Wächtern nach beiden Seiten hin. Höchsteinsatz 5 f. ,Die Schweizer werden gebeten, den Fremden den Vortritt zu lassen, da das Spiel zur Unter haltung der Gäste bestimmt ist.‘ Ein Tisch mit Kugel, einer mit Pferdchen. Croupiers in Kaiserrock. Messieurs faites votre jeu – marquéz le jeu – les jeux sont faits – sont mar qués – rien ne va plus. Croupiers mit vernickelten Rechen an Holzstangen. Was sie damit können: Ziehn das Geld auf die richtigen Felder, sondern es, ziehn Geld an sich, fan gen von ihnen auf die Gewinnfelder geworfenes Geld auf. Einfluß der verschiedenen Croupiers auf Gewinnchancen oder besser der Croupier, bei dem man gewinnt, gefällt einem. Aufregung vor dem gemeinsamen Entschluß zu spielen, man fühlt sich im Saal allein. Das Geld (10 fr) verschwindet auf einer sanft geneigten Ebene. Der Verlust von 10 fr. wird als eine zu schwache Verlockung zum Wei terspielen empfunden, aber doch als Verlockung. Wut über alles. Ausdehnung des Tages durch dieses Spiel. [Reisetagebuch, August/September 1911] 66
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Wohnsituation in der Villa Tatra, Tatranské Matliare
Eine Kleinigkeit. Ein Gast, ein junger Mensch, krank aber fröhlich, singt ein wenig unter meinem Balkon oder unterhält sich auf dem Balkon über mir mit meinem Freund (dem Kaschauer, der übrigens zu mir rücksichtsvoll ist wie eine Mutter zum Kind) – also diese Kleinigkeit geschieht und ich winde mich auf meinem Liegestuhl fast in Krämpfen das Herz kann es nicht ertragen, in die Schläfen bohrt sich jedes Wort ein, die Folge dieser Nervenzerrüttung ist, daß ich auch in der Nacht nicht schlafe. [Aus einem Brief an Max Brod, 13. Januar 1921] 68
Ich hatte das Balkon-Unglück bei weitem nicht überwunden, der obere Balkon ist zwar jetzt still, aber meine angstge schärften Ohren hören jetzt alles, hören sogar den Zahn techniker, trotzdem er durch 4 Fenster und 1 Stockwerk von mir getrennt ist
und wenn er auch ein Jude ist, bescheiden grüßt und gewiß keine bösen Absichten hat, ist er für mich durchaus der ,fremde Teufel‘. Seine Stimme macht mir Herzbeschwerden, sie ist matt, schwer beweglich, eigentlich leise, aber dringt durch Mauern. Wie ich sagte, ich muß mich erst davon erholen, vorläufig stört mich noch alles, fast scheint es mir manchmal, daß es das Leben ist, das mich stört; wie könnte mich denn sonst alles stören? [Aus einem Brief an Max Brod, Ende Januar 1921]
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,Bittsteller und vornehmer Gönner‘
,Wie bescheiden diese Menschen sind. Sie kommen zu uns bitten. Statt die Anstalt zu stürmen und alles kurz und klein zu schlagen, kommen sie bitten.‘ [Zitat Kafkas nach Max Brod, s. d.] 70
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Abraham opfert seinen Sohn Isaak
Ich könnte mir einen andern Abraham denken, der – freilich würde er es nicht bis zum Erzvater bringen, nicht einmal bis zum Altkleiderhändler – der die Forderung des Opfers sofort, bereitwillig wie ein Kellner zu erfüllen bereit wäre, der das Opfer aber doch nicht zustande brächte, weil er von zuhause nicht fort kann, er ist unentbehrlich, die Wirtschaft benötigt ihn, immerfort ist noch etwas anzuordnen, das Haus ist nicht fertig, aber ohne daß sein Haus fertig ist, ohne diesen Rückhalt kann er nicht fort, das sieht auch die Bibel ein, denn sie sagt: ,er bestellte sein Haus‘ und Abraham hatte wirklich alles in Fülle schon vorher; wenn er nicht das Haus gehabt hätte, wo hätte er denn sonst den Sohn aufgezogen, in welchem Balken das Opfermesser stecken gehabt? am andern Tag: noch viel über diesen Abraham nachgedacht, aber es sind alte Geschichten, nicht mehr der Rede wert; besonders der wirkliche Abraham nicht, er hat schon vorher alles gehabt, wurde von der Kindheit an dazu geführt, ich kann den Sprung nicht sehn. Wenn er schon alles hatte und doch noch höher geführt werden sollte, mußte ihm nun, wenigstens scheinbar, etwas fortgenommen werden, das ist folgerichtig und kein Sprung. Anders die oberen Abrahame, die stehn auf ihrem Bauplatz und sollen nun plötzlich auf den Berg Morija; womöglich haben sie noch nicht einmal einen Sohn und sollen ihn schon opfern. […] [Aus einem Brief an Robert Klopstock, Juni 1921] 72
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Mann am Tisch, Wirtin hinter der Wand
Endlich ein Zimmer aufgenommen. Im gleichen Haus in der Bilekgasse. […] Der Nachbar unterhält sich stundenlang mit der Wirtin. Beide sprechen leise, die Wirtin fast unhör bar, desto ärger. […] Ist es so in jeder Wohnung? Erwartet mich eine solche lächerliche und unbedingt tödliche Not bei jeder Vermieterin, in jeder Stadt? [Tagebuch, 9. Februar 1915] […] meine Wirtin verflüchtigt sich zum Schatten mir zuliebe, der junge Mensch, der neben mir wohnt, kommt abends müde aus dem Geschäft, macht paar Schritte und liegt schon im Bett. Und trotzdem, die Wohnung ist eben klein, man hört die Türen gehn; die Wirtin schweigt den ganzen Tag, paar Worte muß sie mit dem andern Mieter vor dem Schlafengehn noch flüstern; sie hört man kaum, den Mieter doch ein wenig: die Wände sind eben entsetzlich dünn; die Schlaguhr in meinem Zimmer habe ich zum Leidwesen der Wirtin eingestellt, es war mein erster Weg, als ich eintrat, aber die Schlaguhr im Nebenzimmer schlägt dafür desto lauter, die Minuten suche ich zu überhören, aber die halben Stunden sind überlaut angezeigt, wenn auch melodisch; ich kann nicht den Tyrannen spielen und die Einstellung auch dieser Uhr verlangen. Es würde auch nichts helfen, ein wenig flüstern wird man immer, die Türglocke wird läuten, gestern hat der Mieter zweimal gehustet, heute schon öfter, sein Husten tut mir mehr weh als ihm. Ich kann keinem böse sein, die Wirtin hat sich früh wegen des Flüsterns entschuldigt, es sei 74
nur ausnahmsweise gewesen, weil der Mieter (meinetwegen) das Zimmer gewechselt hat und sie ihn in das neue Zimmer einführen wollte, auch werde sie vor die Tür einen schweren Vorhang hängen. [Aus einem Brief an Felice Bauer, 11. Februar 1915]
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Frauenkopf und Pferdebein (nach Leonardo da Vinci)
Im Louvre von einer Bank zur andern. Schmerz, wenn eine ausgelassen wird. Gedränge im Salon Carré, erregte Stimmung, gruppenweises Stehn wie wenn die Mona Lisa gerade gestohlen worden wäre. [Reisetagebuch, August/September 1911, Paris] Es ist Isabella, der Apfelschimmel, das alte Pferd, ich hätte sie in der Menge nicht erkannt, sie ist eine Dame geworden, wir trafen einander letzthin in einem Garten bei einem Wohltätigkeitsfest. [Aus ,Hungerkünstlerheft‘, 1921/22] Wenn irgendeine hinfällige, lungensüchtige Kunstreiterin in der Manege auf schwankendem Pferd vor einem unermüdlichen Publikum vom peitschenschwingenden erbarmungslosen Chef monatelang ohne Unterbrechung im Kreise rundum getrieben würde, auf dem Pferde schwirrend, Küsse werfend, in der Taille sich wiegend, und wenn dieses Spiel unter dem nichtaussetzenden Brausen des Orchesters und der Ventilatoren in die immerfort weiter sich öffnende graue Zukunft sich fortsetzte, begleitet vom vergehenden und neu anschwellenden Beifallsklatschen der Hände, die eigentlich Dampfhämmer sind – vielleicht eilte dann ein junger Galeriebesucher die lange Treppe durch alle Ränge hinab, stürzte in die Manege, 76
rief das – Halt! durch die Fanfaren des immer sich anpassenden Orchesters. [Beginn ,Auf der Galerie‘, 1917] Gestern in der Niklasstraße ein gestürztes Pferd mit blutigem Knie. Ich schaue weg und mache unbeherrscht Grimassen am hellen Tag. [Tagebuch, 7. Oktober 1915]
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Malträtierter Mann vor einem Tisch, mit Zuschauern
Mit Bekannten an einem Kaffeehaustisch im Freien sitzen und eine Frau am Nebentisch ansehn, die gerade gekommen ist, schwer unter großen Brüsten atmet und mit erhitztem, bräunlich glänzendem Gesicht sich setzt. Sie neigt den Kopf zurück, ein starker Bartanflug wird sichtbar, sie dreht die Augen nach oben, fast so, wie sie vielleicht manchmal ihren Mann ansieht, der jetzt neben ihr eine illustrierte Zeitung liest. Wenn man ihr doch die Überzeugung beibringen könnte, daß man neben seiner Frau im Kaffeehaus höchstens eine Zeitung, aber niemals eine Zeitschrift lesen darf. Ein Augenblick bringt ihr ihre Körperfülle zum Bewußten und sie rückt ein wenig vom Tisch weg. [Tagebuch, 24. August 1911] ,Willst Du Dich nicht in unsere Gesellschaft aufnehmen lassen‘, fragte mich letzthin ein Bekannter, als er mich nach Mitternacht allein in einem schon fast leeren Kaffeehaus traf. Nein das will ich nicht, sagte ich … [Tagebuch, 6. Juni 1914] Es war eine Kaffeewirtschaft in einem Heilbad. Der Nachmittag war regnerisch gewesen, kein Gast war erschienen. Erst gegen Abend lichtete sich der Himmel, der Regen hörte langsam auf und die Kellnerinnen begannen die Tische abzutrocknen. Der Wirt stand unter dem Torbogen und blickte nach Gästen aus. Tatsächlich kam auch schon einer den Waldweg herauf; Er trug ein langgefranztes Plaid über der 78
Schulter, hielt den Kopf zur Brust geneigt und setzte mit gestreckter Hand den Stock bei jedem Schritt weit von sich auf den Boden … [Tagebuch, 13. Juli 1916]
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Mürrischer Mann in schwarzem Anzug
Da sieht man plötzlich Löwy, der wie verschwunden war, vom Oberkellner Roubitschek mit den Händen, vielleicht auch mit den Knien zu einer Tür hin gestoßen werden. Er soll einfach herausgeworfen werden. Dieser Oberkellner, der vor jedem Gast, auch vor uns früher und später wie ein Hund dasteht, mit hündischer Schnauze die sich über einen großen von demütigen Seitenfalten geschlossenen Mund senkt. [Tagebuch, 14. Oktober 1911] 80
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Der wilde Trinker
,Gehe ich in eine Weinstube mit der Absicht mich zu betrinken, so weiß ich, ich werde diesen einen Abend betrunken sein, aber in meinem Fall!‘ [Aus ,Beschreibung eines Kampfes‘, 1907/08] Aberglaube: Trinkt man aus einem unvollkommenen Glas, bekommen die bösen Geister Eingang in den Menschen. [Tagebuch, 27. Oktober 1911] Das war die einmalige große Abwechslung im Monat, bei der ich mich gehen ließ; war irrtümlich etwas Schnaps zurückgeblieben, dann soff ich es gleich nach der Abfahrt des Inspektors aus, meistens hörte ich noch das Abfahrtssignal des Zuges, während es schon in mich hineingurgelte. Der Durst nach einer solchen Nacht war fürchterlich; es war, als ob in mir ein zweiter Mensch wäre, der aus meinem Mund seinen Kopf und Hals streckte und nach etwas Trinkbarem schrie. [Aus ,Erinnerungen an die Kaldabahn‘, 1914] ,Gib acht. Und trinke Wein damit Du Dir den Verstand schärfst. Ohne Scheu. Kräftig. Es ist noch eine ganze Schiffsladung da.‘ [Aus ,Oktavheft D‘, März/April 1917] 82
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Spaziergänger ohne Hose auf dem Dach
Wenn man in der Nacht durch eine Gasse spazieren geht, und ein Mann, von weitem schon sichtbar – denn die Gasse vor uns steigt an und es ist Vollmond – uns entgegenläuft, so werden wir ihn nicht anpacken, selbst wenn er schwach und zerlumpt ist, selbst wenn jemand hinter ihm läuft und schreit, sondern wir werden ihn weiterlaufen lassen. Denn es ist Nacht, und wir können nicht dafür, daß die Gasse im Vollmond vor uns aufsteigt, und überdies, vielleicht haben diese zwei die Hetze zu ihrer Unterhaltung veranstaltet, vielleicht verfolgen beide einen dritten, vielleicht wird der erste unschuldig verfolgt, vielleicht will der zweite morden, und wir würden Mitschuldige des Mordes, vielleicht wissen die zwei nichts von einander, und es läuft nur jeder auf eigene Verantwortung in sein Bett, vielleicht sind es Nachtwandler, vielleicht hat der erste Waffen. Und endlich, dürfen wir nicht müde sein, haben wir nicht soviel Wein getrunken? Wir sind froh, daß wir auch den zweiten nicht mehr sehn. [,Die Vorüberlaufenden‘, < 1908] 84
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Zwei Wartende
[…] ,Man nimmt überhaupt keine Rücksicht‘, sagte der Gerichtsdiener, ,sehn Sie nur hier das Wartezimmer.‘ Es war ein langer Gang, von dem aus roh gezimmerte Türen zu den einzelnen Abteilungen des Dachbodens führten. Trotzdem kein unmittelbarer Lichtzutritt bestand, war es doch nicht vollständig dunkel, denn manche Abteilungen hatten gegen den Gang zu statt einheitlicher Bretterwände, bloße allerdings bis zur Decke reichende Holzgitter, durch die einiges Licht drang und durch die man auch einzelne Beamte sehen konnte, wie sie an Tischen schrieben oder geradezu am Gitter standen und durch die Lücken die Leute auf dem Gang beobachteten. Es waren, wahrscheinlich weil Sonntag war, nur wenig Leute auf dem Gang. Sie machten einen sehr bescheidenen Eindruck. In fast regelmäßigen Entfernungen von einander saßen sie auf den zwei Reihen langer Holzbänke, die zu beiden Seiten des Ganges angebracht waren. Alle waren vernachlässigt angezogen, trotzdem die meisten nach dem Gesichtsausdruck, der Haltung, der Barttracht und vielen kaum sicherzustellenden kleinen Einzelheiten den höheren Klassen angehörten. Da keine Kleiderhaken vorhanden waren, hatten sie die Hüte, wahrscheinlich einer dem Beispiel des andern folgend, unter die Bank gestellt. Als die, welche zunächst der Tür saßen, K. und den Gerichtsdiener erblickten, erhoben sie sich zum Gruß; da das die folgenden sahen, glaubten sie auch grüßen zu müssen, so daß alle beim Vorbeigehn der zwei sich erhoben. Sie standen niemals vollständig aufrecht, der Rücken war 86
geneigt, die Knie geknickt, sie standen wie Straßenbettler. K. wartete auf den ein wenig hinter ihm gehenden Gerichtsdiener und sagte: ,Wie gedemütigt die sein müssen.‘ Ja‘, sagte der Gerichtsdiener, ,es sind Angeklagte, alle die Sie hier sehn, sind Angeklagte.‘ ,Wirklich?‘ sagte K. ,Dann sind es ja meine Kollegen.‘ […] [Aus ,Der Prozeß‘, 1914/15]
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,Ottlas Gabelfrühstück‘
Liebe zwischen Bruder und Schwester – die Wiederholung der Liebe zwischen Mutter und Vater [Tagebuch, 15. September 1912] Ottla scheint mir zuzeiten so, wie ich eine Mutter von der Ferne wollte: rein wahrhaftig ehrlich folgerichtig, Demütigkeit und Stolz, Empfänglichkeit und Abgrenzung, Hingabe und Selbstständigkeit, Scheu und Mut in untrüglichem Gleichgewicht. Ich erwähne Ottla weil doch auch in ihr meine Mutter ist, ganz und gar unkenntlich allerdings. [Tagebuch, 18. Oktober 1916] 88
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Dora Diamant
Ein wunderbares Wesen [Aus einem Brief an Tile Rössler, 3. August 1923] Eine in ihrer Art unwahrscheinliche Hilfe [Aus einem Brief an Milena Jesenská, November/Dezember (?)-1923] Ich kann nicht schreiben, Dora stört mich immerfort mit Fragen, was sie mir bringen soll. [Aus einem Brief an die Eltern, 11. April 1924] Von 2–4 ist D. immer bei mir, ja sie kommt schon nach 1 und ich fürchte, sie wird die ganze Krankenhausorganisation zerstören. [Aus einem Brief an die Eltern, 12. April 1924] 90
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Mutter Kafka lesend (oben) Selbstporträt (unten)
Jetzt erinnerte ich mich, daß die Brille im Traum von meiner Mutter stammt, die am Abend neben mir sitzt und unter ihrem Zwicker während des Kartenspiels nicht sehr angenehm zu mir herüberschaut. Ihr Zwicker hat sogar, was ich früher bemerkt zu haben mich nicht erinnere das rechte Glas näher dem Auge als das linke. [Tagebuch, 2. Oktober 1911] Auch diese Blitzlichtaufnahme, Liebste, gehört schon mir, sei es für Zeit oder für Ewigkeit, wie immer sie auch ausgefallen sein mag. Um Dir jedes Bedenken zu nehmen (nicht, um Dir gar welche Bedenken zu verursachen) schicke ich Dir eine Blitzlichtaufnahme von mir. Sie ist recht widerlich, sie war aber auch nicht für Dich bestimmt […] und ist beiläufig 2–3 Jahre alt. Ein verdrehtes Gesicht habe ich in Wirklichkeit nicht, den visionären Blick habe ich nur bei Blitzlicht, hohe Kragen trage ich längst nicht mehr. Dagegen ist der Anzug schon jener mehrerwähnte einzige (einzige ist natürlich eine Übertreibung, aber keine große) und ich trage ihn heute munter wie damals. Ich habe schon in Berliner Theatern auf vornehmen Plätzen, ganz vorn in den Kammerspielen, mit ihm Aufsehen gemacht und einige Nächte auf den Bänken der Eisenbahnwaggons in ihm durchschlafen oder durchduselt. Er altert mit mir. So schön wie auf dem Bild ist er natürlich nicht mehr. Die Halsbinde ist ein Prachtstück, das ich von einer Pariser Reise mitgebracht habe […]. Zufälligerweise trage ich diese 92
[Aus einem Brief an Felice Bauer, 2./3. Dezember 1912]
Binde gerade auch jetzt, während ich schreibe. Auch sie wird älter. Alles in allem bitte ich Dich nur, vor dem Bild nicht zu erschrecken.
Zu den Zeichnungen
Selbstvergessenheit und Selbstaufhebung der Kunst: Was Flucht ist, wird vorgeblich Spaziergang oder gar Angriff. 3 Der Standpunkt der Kunst und des Lebens ist auch im Künstler selbst ein verschiedener. 4 Die Kunst fliegt um die Wahrheit, aber mit der entschiedenen Absicht sich nicht zu verbrennen. Ihre Fähigkeit besteht darin in der dunklen Leere einen Ort zu finden, wo der Strahl des Lichts, ohne daß dies vorher zu erkennen gewesen wäre, kräftig aufgefangen werden kann. 5
Kafka: ,ein großer Zeichner‘ 6 Sprechen wir vom Werk Franz Kafkas (1883–1924), so denken wir unwillkürlich an sein literarisches Werk. Weniger bekannt ist, daß Kafka auch gerne zeichnete. Sein Freund und literarischer Nachlaßverwalter Max Brod meinte schon früh, daß Kafka ,auch als Zeichner ein Künstler von besonderer Kraft und Eigenart‘ sei und seine Zeichnungen zu unrecht als ,Kuriosum‘ bezeichnet werden. Mehrere Zeichnungen aus verschiedenen Abschnitten seines Lebens sind dank Brod, der sie von Kafka selbst erhielt oder aus dessen Papierkorb rettete, erhalten geblieben. 7 Die bekanntesten unter ihnen sind die sechs Zeichnungen eines stilisierten Männchens, das in verschiedenen Positionen dargestellt ist; von Brod als ,die schwarzen Marionetten an unsichtbaren Faden‘, aber von anderen auch als ,Six [Small] Black Figures‘ (Nr. 2-7) betitelt. 8 Sie werden gern als Umschlagillustrationen für Kafka-Ausgaben verwendet. Selbstverständlich bekam Kafka schon in der Volksschule Zeichenunterricht, dieser bestand jedoch nur aus ,Nachbilden‘, also Nach- oder Umrißzeichnungen von Objekten unterschiedlichster Form (vgl. Nr. 33 und 41 unten). Aufgrund dieser Unterrichtsform scheint Kafka diesem Fach, jedenfalls zu jener Zeit, den Beurteilungen nach relativ wenig Interesse und Begeisterung entgegengebracht zu haben. 9 Im Gymnasium war die Zeichenstunde dann fakultativ. Ob Kafka daran teilgenommen hat, ist nicht bekannt, aber im Hinblick auf seine Haltung in der Volksschule und auf die Tatsache, daß er vermutlich während oder nach seiner Studienzeit ,bei einer schlechten Malerin schulmäßiges Zeichnen zu lernen angefangen und mein ganzes Talent verdorben‘ hat, scheint das nicht sehr wahrscheinlich. 10 Wer diese Malerin war, ist leider nicht bekannt. Erst während seines Studiums bekam Kafka Lust zum Zeichnen. 1901/02 besuchte er bei Alwin Schultz (1838-1918) Vorlesungen über die Geschichte der Baukunst, die niederländische Malerei, die christliche Bildhauerkunst und belegte außerdem zwei kunsthistorische Seminare (in denen er Alfred Lichtwarks bekanntes Werk Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken nach Versuchen mit einer Schulklasse
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[1898] kennenlernte, das er Jahre später ,ausgezeichnet in seiner Art, darüber hinaus aber genug anzweifelbar‘ fand 11). In jenen Jahren war er auch mit seinem ehemaligen Mitschüler Emil Utitz, der später ein bekannter Kunstphilosoph werden sollte, befreundet. In den letzten Jahren seines Jurastudiums, 1903-1905, kritzelte Kafka vor Langeweile während der Vorlesungen ,Drudel‘ an den Rand seiner Notizen. Max Brod borgte diese von ihm, erkannte den Wert und war so klug, die Zeichnungen auszuschneiden und aufzuheben. Sie bilden jetzt wohl den Löwenanteil der von Kafka überlieferten Zeichnungen. 12 Bis zu seinem Tod zeichnete Kafka dann mit einiger Regelmäßigkeit. Mehr als das, gerade nach seiner Studienzeit scheint er trotz der ,schlechten Malerin‘ und seiner schon vom Gymnasium stammenden Schriftstellerambition daran gedacht zu haben, Zeichner zu werden (möglicherweise hat ihn dies zu Titorelli in Der Prozeß inspiriert), ein Wunsch, der ihn zehn Jahre später dazu verführte, sich rückblickend ,ein großer Zeichner‘ zu nennen. Seine Zeichnungen hatten ihn damals ,mehr befriedigt, als irgendetwas‘. Dies veranlaßte Brod, in jener Gründungszeit der Prager Malergruppe ,Die Acht‘ (,Osma‘) – die sich als erste in Prag zu Cézanne, Gauguin und van Gogh bekannte – zu der Bemerkung: ,Ich kann euch den Namen eines ganz großen Künstlers nennen: Franz Kafka‘, so erinnerte sich Gruppenmitglied und Mitschüler Kafkas, Fritz Feigl. Brod zeigte dann einige Zeichnungen, die expressionistisch anmuteten und an den frühen Paul Klee oder Alfred Kubin erinnerten, so Feigls Meinung. 13 Es scheint, daß Kafka in der Zeit nach seinem Studienabschluß, etwa ab 1906, in regelmäßigem Kontakt mit den Mitgliedern der Gruppe ,Die Acht‘ gestanden hat. Neben Feigl waren das Willy Nowak, Otokar Kubin (nicht mit Alfred Kubin zu verwechseln), Bohumil Kubišta, Anton Procházka, Emil Filla, Max Horb und Georg Kars. So schrieb er seiner Freundin im November 1907: ,Ich bin jetzt ganz plötzlich unter eine Menge Leute gekommen, Offiziere, Berliner, Franzosen, Maler, Coupletsänger‘. 14 Besonders die Worte ,Franzosen, Maler‘ lassen an die stark französisch orientierte Gruppe ,Die Acht‘ denken. In ihrer Gesamtheit betrachtet erwecken die genannten Tatsachen den Eindruck, daß Kafka in der beschriebenen Zeit noch keine eindeutige Wahl zwischen einer Existenz als Schriftsteller oder als bildender Künstler getroffen hatte.
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Später relativierte Kafka seine Zeichenbegabung und -ambition; so versprach er seiner Freundin Felice Bauer, ihr ein paar alte Zeichnungen zuzuschicken, ,damit Du etwas zum Lachen hast.‘ Brod, der, wie oben erwähnt, schon früh die Bedeutung dieser Zeichnungen erkannt hatte, führte seine Sammlung der ,Schmierereien‘ (so Kafka) fort. Später gab Kafka, wenn auch mit Beschwerden über Brods Lob, dessen Sammelwut, ,die ich nicht billige, aber verstehe‘, nach und gab sie ihm direkt. Aber letztendlich bedeutete diese Geste nicht viel, denn in seinem ,Testamentbrief an Brod von Ende 1921 bestimmte er, daß ,alles was sich in meinem Nachlaß […] an […] Gezeichnetem u.s.w.‘ befindet, vernichtet werden sollte, obschon er in einem zweiten letzten Willen ein Jahr später diese Zeichnungen nicht mehr explizit erwähnte. Seine Sammlung wollte Brod als Sondermonographie oder ‑mappe herausgeben, dazu ist es aber leider nie gekommen. 15 Dieser Band soll nachträglich diese Lücke einigermaßen füllen. Fritz Feigl war nicht der einzige, der Kafkas Zeichenarbeit als expressionistisch einstufte, es gab jedoch auch andere Auffassungen. Nach Brod war Kafka als Zeichner ein ,ebenso gewissenhafter Realist […] wie zugleich Schöpfer einer Phantasiewelt‘, genau wie sich dies in seiner Prosa widerspiegelt. Ein anderer drückte den Zeichnungen, die, beinahe abstrakt, aus ,flowing, virtually unbroken lines‘ bestehen, den Stempel ,Jugendstil‘ auf. Ein Weiterer teilte Feigls Auffassung und meinte, die Zeichnungen seien, mehr noch als die Erzählungen, expressionistisch; manche verbinden sie mit Chagall, George Grosz, Ludwig Meidner, Kubin, Marc, Kandinsky (,Blauer Reiter‘) und Klee. Ein Letzter betont vor allem die Verwandtschaft mit Kandinsky. 16 Der Leser merkt: Nicht nur Kafkas Prosa, sondern auch seine Zeichnungen entbehren nicht der verschiedensten Deutungen! Sehr interessant sind in diesem Zusammenhang die Bemerkungen zu seinen Zeichnungen, die Kafka wohl im Oktober 1922 Gustav Janouch gegenüber äußerte. Leider sind Janouchs Erinnerungen an die Gespräche nicht ganz zuverlässig, doch die Versuchung ist zu groß, um die essentiellen Teile jenes Gesprächs hier nicht zu zitieren. Unwillkürlich denkt man dabei an ,die schwarzen Marionetten an unsichtbaren Faden‘:
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,Aber das sind doch keine Zeichnungen, die ich jemandem zeigen könnte. Das sind nur ganz persönliche und darum unleserliche Hieroglyphen. […] Meine Figuren haben keine richtigen räumlichen Proportionen. Sie haben keinen eigentlichen Horizont. Die Perspektive der Figuren, deren Umriß ich da zu erfassen versuche, liegt vor dem Papier, am anderen, ungespitzten Ende des Bleistiftes – in mir!‘ […] [Das Papier] war mit seltsamen kleinen, nur die Bewegung abstrakt betonenden Skizzen laufender, fechtender und auf dem Boden kriechender und kniender Männchen bedeckt. […] ,[…] Die Zeichnungen sind Spuren einer alten, tief verankerten Leidenschaft. […] Da sind nur die Spuren. Die Leidenschaft ist in mir. Ich wünschte mir immer, zeichnen zu können. Ich wollte sehen und das Gesehene festhalten. Das ist meine Leidenschaft. […] Ich versuchte das Gesehene auf eine ganz eigene Weise zu umgrenzen. Meine Zeichnungen sind keine Bilder, sondern eine private Zeichenschrift.‘ […] ,[Die Männchen] kommen aus dem Dunkel, um im Dunkel zu verschwinden […]. Mein Herumzeichnen ist ein sich ständig wiederholender und mißlingender Versuch primitiver Magie. […] Alle Dinge der Menschenwelt sind zum Leben erweckte Bilder. Die Eskimos zeichnen auf das Holz, das sie entzünden wollen, einige Wellenlinien. Das ist das magische Bild des Feuers, das sie dann durch die Reibung des Entzündungsbolzens zum Leben erwecken. Dasselbe mache ich. Ich will mittels meiner Zeichnungen mit den Gestalten, die ich sehe, fertig werden. Doch meine Figuren zünden nicht. Vielleicht verwende ich nicht das richtige Material. Vielleicht hat mein Bleistift nicht die richtigen Eigenschaften. Es ist auch möglich, daß ich schon selbst und ganz allein nicht die notwendigen Eigenschaften besitze.‘ Kafka kam hierauf zurück, als sie über die Zeichnungen von van Gogh sprachen. Er bewunderte von ihm vor allem das Gemälde Le café, le soir: ,Ich möchte so gerne zeichnen können. In Wirklichkeit versuche ich es auch immer. Aber es kommt dabei nichts heraus. Es ist eine ganz persönliche Bilderschrift, deren Sinn ich selbst nach einer gewissen Zeit nicht mehr entdecken kann.‘ 17
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Vignetten-Entwurf Mitte August 1907 schrieb Kafka an Brod: ,Und jetzt bleibt mir nur übrig, Dir mein armer Junge für die Mühe zu danken, die Du hattest, um Deinen Verleger von der Güte meiner Zeichnung zu überzeugen.‘ Es handelte sich um Kafkas Entwurf für eine Vignette für Brods neues, ,ziemlich gewagtes Gedichtbuch‘, welches den vorläufigen Titel Erotes hatte und im Axel Juncker Verlag in Berlin erscheinen sollte. Brod hatte offensichtlich an Kafka über diese Zeichnung geschrieben. Aber auch Kafkas damalige Freundin (Hedwig Weiler) wußte von diesem Entwurf, denn aus einem Brief vom Oktober 1907 wird der Ausgang der Geschichte ersichtlich: , „Erotes“ werden bald unter dem Titel „Weg des Verliebten“ erscheinen, aber ohne mein Titelblatt, das sich als nicht reproduzierbar erwiesen hat.‘ 18 Dieser Enttäuschung war einiges vorausgegangen, wie neuere Untersuchungen zeigen. Kafkas Zeichnung war ursprünglich von Brod seinem Berliner Verleger Axel Juncker für seinen Erzählband Experimente angeboten worden: ,Ich glaube, daß Sie sich kein künstlerisch wertvolleres und zugleich effektvolleres Blatt wünschen können. Es steht ganz eigenartig, einzigartig da; und doch voll zartem Japonismus […]. Zudem könnte ich mir den Grundgedanken der Novellen gar nicht besser symbolisiert denken als durch diesen eleganten jungen Mann, der, lächelnd und weinend zugleich, resigniert zum Abgrund schreitet – zwischen zwei wunderschönen kahlen schwachen Bäumchen […]. Ich hoffe auch, daß das Blatt leicht zu reproduzieren ist. Ganz in schwarz natürlich, die Schrift rot. – Honorarium wird nicht beansprucht.‘ Zwar fand Juncker die Zeichnung ,raffiniert und originell‘, lehnte sie jedoch ab. Brod schlug daraufhin vor, die Zeichnung für seine fast parallel geplante Gedichtsammlung Erotes zu verwenden. Auf diese Weise würde er ,einem jungen Genie‘, wie er Kafka nannte, zu einem Debüt verhelfen. Juncker reagierte anfangs positiv auf diesen Vorschlag, entschied sich letztendlich, offensichtlich wegen der Unmöglichkeit der Reproduzierbarkeit von Kafkas Entwurf, aber doch dagegen. 19 Warum Kafkas Zeichnung – mittlerweile verschollen – nicht reproduzierbar
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war, ist unbekannt. Was deren Stil anbelangt: Wir dürfen annehmen, daß sie Ähnlichkeit hatte mit den frühesten Zeichnungen in diesem Band, wie z. B. jener einer Sänfte bei einem Fluß und einem Baum (Nr. 23 unten), die ebenfalls japonistische Elemente enthält. Es ist bekannt, daß Kafka in jenen Jahren stark an japanischer Kunst, vor allem an der von Hiroshige Monotaga, interessiert war.
Ein Buchstabe als Bild In den wenigen Studien zu Kafkas Zeichnungen wurde angenommen, seine bekanntesten Zeichnungen, die sechs ,schwarzen Marionetten an unsichtbaren Faden‘, seien Variationen auf den Anfangsbuchstaben seines Familiennamens: K. Eine bestimmte Faszination für diesen Buchstaben bezeugen auch die Namen der Hauptfiguren in Der Prozeß (1914/15) und Das Schloß (1922), und auch der Gaukler in einem Fragment von 1917 und das Paar in Das Ehepaar (1922) bekamen dieses Initial als ,Namen‘. In einer Tagebuchnotiz von 1914 bekannte er sich selbst dazu, diesem Buchstaben sehr ambivalent gegenüberzustehen: ,Ich finde die K häßlich, sie widern mich fast an und ich schreibe sie doch, sie müssen für mich sehr charakteristisch sein.‘ Zugleich schrieb er in dieser Notiz den Buchstaben K 20 mit einem schwungvollen Strich. Und auch die Faksimiles seiner Unterschrift zeigen klar den ästhetischen Wert des Buchstabens, wenn nicht das Vergnügen für ihn selbst.
Trotzdem schien er sich für diesen Buchstaben und für seinen ganzen Familiennamen zu genieren. Briefunterschriften versuchte er zu verkürzen zu ,FK‘, als könne mich das entlasten.‘ 1914 schrieb er einem Bekannten: ,Ich sehe meinen Namen nicht gern geschrieben‘. Dieses Unbehagen ging sogar so weit, daß er Briefe an Freundin Milena Je-
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senská immer knapper unterschrieb: von ,Ihr Franz K‘ über ,Ihr F‘ oder ,F‘ zu ,Dein‘: ,nun verliere ich auch noch den Namen, immerfort ist er kürzer geworden und jetzt heißt er: Dein‘. Kein Wunder, daß er sich bemühte, eine in diesem Zusammenhang bedeutungsvolle Zeichnung eines Bekannten von Milena für sie nachzuzeichnen 21, eine Zeichnung, die trotz ihrer für Kafka rätselhaften Natur unwillkürlich an den Buchstaben K erinnert.
Vor dem Einschlafen Nur zu einer Zeichnung existiert ein Text aus Kafkas Hand, der zeigt, daß Kafka an dieser Zeichnung gearbeitet hat. Allerdings nur in seiner Phantasie, in der Zeit kurz vor dem Einschlafen, in der er seine kreativsten Momente hatte. Ende 1911 beschrieb er im Tagebuch diesen Tagtraum über eine ,zeichnerische Vorstellung einer für sich bergähnlich in der Luft abgesonderten Menschengruppe‘. Sie kam ihm ,in ihrer zeichnerischen Technik vollständig neu und, einmal erfunden, leicht ausführbar‘ vor. Es handelte sich um die Szene einer Menschengruppe am Tisch, bei der ein junger Mann in einem altmodischen Anzug auffiel. Kafka achtete insbesondere auf die Struktur der Zeichnung: ,Die zwei deutlichen Linienpaare, welche die Beine begrenzten, kreuzten und verbanden sich leicht zu den Grenzlinien des Körpers. Mit schwacher Körperlichkeit wölbten sich zwischen diesen Linien die bleich gefärbten Kleider.‘ Dies erinnert sehr an eine der sechs ,Marionetten an unsichtbaren Faden‘ (Nr. 4), die noch immer als Kafkas bekannteste Zeichnungen gelten. Drollig – und einzigartig! – ist, daß er mit seiner eigenen ,Leistung‘ sehr zufrieden war: ,Vor Erstaunen über diese schöne Zeichnung […] zwang ich mich aus dem dämmernden Zustand heraus, um die Zeichnung besser durchdenken zu können. Da fand sich allerdings bald, daß ich mir nichts anderes vorgestellt hatte, als eine kleine Gruppe aus grauweißem Porcellan.‘ 22
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Sœnnecken Über die Zeichentechnik Kafkas weiß man nur sehr wenig. Es ist bekannt, daß eine Anzahl der Zeichnungen mit Tinte oder Bleistift angefertigt wurden. Bei den Tintenzeichnungen wurde entweder eine Kronen- oder eine Füllfeder verwendet. ,Richtige Bewertung der Schreibarbeit: ein Tisch mit Tintenfaß und Feder‘, stellte er während einer Reise ganz nüchtern fest. In einem Brief an Brod, vermutlich vom Sommer 1909, hat Kafka seine Füllfeder in einer Zeichnung – hier vereinigen sich sein Schreiben und das Zeichnen! – verewigt, wenn auch auf eine merkwürdig verunstaltende Weise:
Die ,echte‘ Feder sah wahrscheinlich wie in nebenstehender Anzeige aus jener Zeit aus. 23 Der Bedeutung der Füllfeder als bevorzugtes Schreibinstrument hat Kafka eine Reihe literarischer Denkmäler gesetzt, in denen er das Objekt personifiziert und ihm menschliche Eigenschaften wie einen eigenen Willen und Dummheit andichtet: ,Und trotz des besten Willens – es muß die Feder sein, die in meiner Hand ihre eigenen bösen Wege geht.‘ ,[…] vom Federhalter benutzte ich nur das untere Ende, um es mir beim Lesen von Akten in die Schläfen zu drücken und mich so wachzuhalten‘. ,Die dumme Feder! Was für Dummheiten sie sich niederzuschreiben nicht scheut, statt einmal etwas Vernünftiges zu schreiben, wie „Du Liebste!“ und dann noch einmal „Du Liebste!“ und dann wieder „Du Liebste!“ und nichts als das.‘
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,Wie kann man nur überhaupt schreiben, wenn man so viel zu sagen hat und wenn man weiß, daß die Feder durch die Menge des zu Sagenden nur eine unsichere und zufällige Spur ziehen wird.‘ 24
Kafkas Kunstinteresse Wir wissen nicht, ob die Ablehnung seines Umschlagentwurfs für Brods Poesieband Kafka dazu veranlaßte, sein Vorhaben, Zeichner zu werden, aufzugeben, um sich ganz der Literatur zu widmen. Fest steht, daß sein Interesse für die bildende Kunst, insbesondere für das Zeichnen und Malen, nicht nachließ. In seiner Studienzeit bewunderte er, wie oben schon erwähnt, die japanische Kunst, vor allem Hiroshige Motonaga, wohnte Polemiken und kunsttheoretischen Debatten bei, z. B. einer über Max Brods Vortrag ,Gibt es Grenzen des Darstellbaren in der Kunst?‘, und abonnierte Kunstzeitschriften wie Der Kunstwart und die explizit erotischen Die Opale und Der Amethyst. Während des Schreibens konnte er an der Wand in seinem Zimmerchen eine Reproduktion von Hans Thomas Pflügender Bauer betrachten. 25 Er kümmerte sich intensiv um die Illustrationen seiner eigenen Bücher Der Heizer und Die Verwandlung, träumte über Ingres‘ L‘Age d‘or, und Daumiers Aquarelle munterten ihn auf. 26 Er kaufte Werke von dem schon oben genannten Jugendfreund Fritz Feigl und von Willy Nowak, begegnete einige Male Alfred Kubin, dem schon früh nach Paris abgereisten Georg Kars und Lucian Bernhards Schüler Kurt Szafranski. 27 Er besuchte Ausstellungen der Gruppe ,Die Pilger‘, mit den Gastausstellern Alfred Kubin und Anton Bruder, und ,Das schöne Prag‘ und rezensierte – mehr oder weniger als ,practical joke‘ – eine kleine Aquarellausstellung eines Mitpatienten in einem Sanatorium. 28 Er lief durch die Säle des Louvre (die Mona Lisa war gerade gestohlen worden! – vgl. Nr. 33) und den Palast in Versailles und machte Notizen zum Werk von Tintoretto, Tizian, Martini, Mategna, Perugino, Velázquez, Jordaens, Rubens, Veronese und Lorrain und zu Feldschlachtbildern; ebenfalls im Louvre hing Georges Seurats Gemälde Le Cirque, das ihn wahrscheinlich zur Geschichte ,Auf der Galerie‘ inspiriert hat. 29 Er suchte nach den Orten, die Goethe in seinen Zeichnungen in der Italienischen Reise festgehalten hat (vgl. Nr. 24), hatte Bücher und Zeitschriftennummern mit Bildern von – schon früh – Ludwig Richter, auch Schnorr von Carolsfeld,
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Schadow, Signorelli (möglicherweise stand dieser zusammen mit Tizian und Tintoretto Pate für Kafkas Maler Titorelli in Der Prozeß), Paul Gauguin, dem schon genannten Vincent van Gogh, Erno Auerbach, Emile Bernard bis hin zu Paul Cézanne und Auguste Rodin in seinem Bücherschrank. 30 Und, in umgekehrtem Sinne: zwei Maler ersuchten ihn, nackt Modell zu stehen! 31 Darüber hinaus zeigte er, seit seiner frühen Freundschaft mit dem Barockkenner Oskar Pollak, Interesse für dreidimensionale Kunstformen wie Bildhauerei (František Bílek, Josef V. Myslbeck) und Architektur (Adolf Loos, Otto Wagner). 32 Wenn man Janouchs Gesprächsnotizen glauben darf, so bewunderte Kafka van Gogh sehr, empfand die Zeichnungen von George Grosz als ,gezeichnete Literatur‘ und verstand Kokoschkas Gemälde nicht. Picasso sah seiner Meinung nach ,die Verunstaltungen, die noch nicht in unser Bewußtsein eingedrungen sind‘. 33 Man kann also voraussetzen, daß Kafka seit seinen ersten Bestrebungen Künstler zu werden, das Interesse für diese Kunstform sein Leben lang erhalten hat und auch klare Urteile darüber hatte.
Editorische Hinweise Obwohl Kafkas Zeichnungen schon auf vielfältige Weise den Weg in die Öffentlichkeit gefunden haben, zum Beispiel als Umschläge und Illustrationen zu Ausgaben seines Werkes oder als Sequenzen in einem katalanischen Entwurf einer Art Zeichentrickfilm, ,Animació K.‘ 34, ist merkwürdigerweise noch nie eine Sammlung erschienen. Max Brod hat, wie oben erwähnt, seinen Plan, eine ,Kafka-Mappe‘ herauszugeben, nicht realisiert. 35 In seinem Nachlaß müssen sich viele Zeichnungen befinden, in die seine Erbin und ehemalige Wirtschafterin Ilse Esther Hoffe jedoch niemandem Einblick gewährt. Klaus Wagenbach nahm eine bescheidene Anzahl in seinem Bildband zu Kafkas Leben auf 36, aber mit dem Vorhaben Brods ist das nicht zu vergleichen. Sogar die kritische Ausgabe, die vom Kafka-Institut in Wuppertal im S. Fischer Verlag herausgegeben wurde, enthält keinen separaten Band für diese ,Kleinodien‘; der Grund dafür mag wohl sein, daß die Zeichnungen dort zwischen den Texten eingefügt wurden, wo sie auch im Manuskript zu finden sind. In diesem Band sind zum ersten Mal alle Zeichnungen Kafkas abgedruckt, sofern sie uns bekannt und auch veröffentlicht sind. Nur ein paar Zeichnungen werden im Nachwort genannt. Von diesen Zeichnungen, die zwar erwähnt, aber nie veröffentlicht wurden, ist eine Liste aufgenommen worden. Die vorliegenden Zeichnungen weisen eine große Stil- und Themenvielfalt auf. Sie sind auf vielerlei Weise zu ordnen, zum Beispiel nach Thema (informativ, Porträt, Reiseimpression, Phantasieszene) und nach Stil (realistisch, expressionistisch, karikaturistisch, abstrakt). In diesem Band haben wir uns für eine Kombination aus beiden Kriterien entschieden, daraus resultiert die frei assoziative, ,gleitende‘ Folge der Zeichnungen. Die Erläuterungen berücksichtigen eine Vielzahl von Einzelheiten: Titel, Technik, Format, Quelle, Datierung, Ort des Originals, erster Abdruck, Text(e). Den Zeichnungen selbst sind nur der Titel, die Nummerierung und die zugehörigen Texte beigefügt.
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Titel. Einigen Zeichnungen hat Kafka selbst einen Titel gegeben. Auch der Kontext, in dem die Zeichnung entstanden ist, half uns, einen angemessenen Titel zu finden. Beide Arten von Titeln, die aus Kafkas Feder entstanden sind, werden in Anführungszeichen erwähnt. Alle anderen Zeichnungen haben einen neutralen Titel bekommen (manchmal den Beschreibungen anderer entnommen), der nur das Wahrnehmbare benennt. In der Erläuterung werden die – oft interpretierenden – Titel anderer erwähnt. Technik. In vielen Fällen ist die benutzte Technik – in Kafkas Fall: Tintenfeder oder Bleistift – unbekannt. Sie kann manchmal aus den Reproduktionen abgeleitet werden. Als Untergrund für die Zeichnungen wurden unterschiedliche Materialien verwendet: die Marginalien der Vorlesungsmitschriften (Nr. 23), Ansichts- und Briefpostkarten (Nr. 14, 39), Briefe (Nr. 15, 16, 17, 29), Hefte (Nr. 10, 13, 18, 19, 31, 32), Notizblöcke (Nr. 24), zuweilen liniert (daher die Striche in Nr. 33 und 38), usw. Format (Breite x Höhe). Nur in einigen Fällen ist das wirkliche Format der Zeichnungen bekannt. Die Reproduktionen in diesem Band haben aus diesem Grund nicht immer dasselbe Format. Einige Zeichnungen wurden der Deutlichkeit wegen bewußt vergrößert. Von den Zeichnungen, die das Papier mit Text teilen, ist das Format nur der Abbildung selbst gegeben. Quelle und Datierung. Ein Teil der Zeichnungen befindet sich in Tagebuchheften oder in Briefen. Die Quelle ist dann eindeutig. – Nur ein Teil der Zeichnungen ist datierbar, namentlich wenn sie, wie im Tagebuch oder in Briefen, in Beziehung zu datierbaren Texten stehen. Eine Anzahl wurde von Brod aus Kafkas Vorlesungsdiktaten geschnitten, aber um welche es sich handelt, hat er nicht erwähnt. Ort des Originals. Auch der heutige Aufbewahrungsort der Zeichnungen ist manchmal unklar. Die von Brod publizierten Zeichnungen befinden sich wahrscheinlich in seinem Nachlaß, der von seiner Erbin Ilse Esther Hoffe (Tel Aviv) betreut wird. Erster Abdruck. Dies ist der Ort, wo eine Zeichnung zum ersten Mal veröffentlicht wurde. Danach sind mehrere Zeichnungen in anderen, gleichfalls erwähnten Publikationen wiedergegeben worden. Aus all den Abdrucken wurde das jeweils beste ,Original‘ für den Abdruck in diesem Band gewählt, da die wirklichen Originale sehr schwierig oder gar nicht zugänglich sind.
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Text(e). Ein Teil der Zeichnungen steht zwischen Texten von Kafka und gehört auch dazu. Die Textwahl war dann leicht; diese Texte sind fett gedruckt. In anderen Fällen wurden Stellen gewählt, die die Zeichnungen dem Thema oder dem Zweck gemäß gut zu ,illustrieren‘ scheinen. Für diese Texte, einschließlich Interpunktion und dergleichen, wurde die Kritische Ausgabe benutzt. Die Quellen werden in der Erläuterung zu den Zeichnungen erwähnt. Wir danken Hartmut Binder für seine Korrekturen und Ergänzungen.
Erläuterungen zu Zeichnungen und Texten 1
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Der Denker. Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: Aufgrund des Stils möglicherweise aus der gleichen Zeit wie Nr. 2-7. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv Max Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: S. Leib, Franz Kafka. The Question ofjewish Identity. Two Perspectives [Hebr.] (o. O., 1998), S. 108. – Text: T, S. 335 f., BrF, S. 400. Mann zwischen Gittern. Titel: Brod, ÜFK, S. 393: Mann ,auf einen Balkon herangeholt‘; Rothe, KH2, S. 565: Josef K. vor einer Art Schranke sich gegenüber dem unsichtbaren Gericht verteidigend‘ (zu P, S. 149 f.). – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt (s. nach Nr. 7). – Ort des Originals: unbekannt (Archiv Max Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, ÜFK, S. 396. – Texte: T, S. 791, 849, NSF II, S. 350 f. Mann mit Spazierstock. Titel: Gandelman, S. 262: ,Hamlet, leaning on a cane‘. – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt (s. nach Nr. 7) – Ort des Originals: s. Nr. 2. – Erster Abdruck: s. Nr. 2. – Texte: NSF I, S. 54, DL, S. 290, NSF II, S. 64, 532. Mann mit Kopf auf Tisch. Titel: Rothe, KH2, S. 565: Josef K. an seinem Schreibtisch im Büro über seiner Verteidigungsschrift brütend‘ (vgl. P, S. 176 f.); M. Barasch (Gandelman. S. 261 f.): ,Melancholy‘ (mit Nr. 4). – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt (s. nach Nr. 7). – Ort des Originals: s. Nr. 2. – Erster Abdruck: s. Nr. 2. – Text: T, S. 296. Mann vor stehendem Spiegel. Titel: Brod, ÜFK, S. 393 (Gandelman, S. 262: ,Hamlet, looking at himself dubiously in a mirror‘; id., S. 269: ,K. Gymnasta‘; Rothe, KH2, S. 565: ,mit verkreuzten Beinen stehende Figur, vor dem offenen Grab‘). – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt (s. nach Nr. 7). – Ort des Originals: s. Nr. 2. – Erster Abdruck: s. Nr. 2. – Texte: DL, S. 33 ff, 286, NSF II, S. 421 f. 110
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Sitzender Mann mit gesenktem Kopf. TittY. Gandelman, S. 262: ,Hamlet, „folded up“ dying (or in a fit of desperation) on the floor of the Castle‘; S. 269: ,Despairing K.‘; M. Barasch: s. Nr. 4). – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt (s. nach Nr. 7). – Ort des Originals: s. Nr. 2. Erster Abdruck: s. Nr. 2. – Texte: P, S. 149, Br II, S. 12728 (= BrF, S. 331), DL, S. 287-88. Fechter. Titel: Brod, ÜFK, S. 393: ,auf den Fechtboden (oder die Bühne Hamlets?) herangeholt‘; Gandelman, S. 262: ,Hamlet, fencing against Laertes‘; S. 269: ,Fencing K.‘; Rothe, KH2, S. 565: ,ein Mann fechtend‘. – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt (s. unten). – Ort des Originals: s. Nr. 2. – Erster Abdruck: s. Nr. 2. – Text: DL, S. 285. bilden eine Gruppe, die oft Schwarze Marionetten an unsichtbaren Faden genannt wird. Titel: Brod, ÜFK, S. 393 (Gandelman, S. 240 f.: ,Six [Small] Black Figures‘; Rothe, KH2, S. 565 f.: ,die sechs Figurinen‘, ,Strichmännchen‘). – Datierung: Wenn sich der Tagebuchtext zu Nr. 4 wirklich auf diese Zeichnung bezieht, stammen die zueinander gehörigen Nr. 2-7 vom Dezember 1911. Aufgrund der Tatsache, daß mindestens vier der ,Elf Söhne‘ von Ende März 1917 mit Nr. 2-7 assoziiert werden können, könnte auch eine Datierung in diesem Monat möglich sein. Wenn das im Nachwort angeführte Gespräch mit Janouch wirklich Nr. 2‑7 betrifft, kann man daraus auch eine Datierung im Oktober 1922 schließen (vgl. Sudaka, S. 145). Läufer. Titel: Brod, ÜFK, S. 393; Gandelman, S. 240, 256 f.: ,The (Mad) Runner‘. – Technik: Tinte (Brod, ÜFK, S. 393). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv Max Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, FK (Brod, ÜFK, S. 399). – Text: DL, S. 103. Drei Läufer. Titel: nach Rothe, KH2, S. 566 (Gandelman, S. 243: ,The Runners‘). – Technik: unbekannt. – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv Max Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, ÜFK, S. 401. -Text: V, S. 283 f. 111
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,Die Tänzerin Eduardowa […] in der Elektrischen in Begleitung zweier Violinisten‘. Titel: benannt nach zugehörigem Tagebuch text; Gandelman, S. 266: ,Violin Playing‘; White, S. 220: ,a bout [between two men] in the presence of a young woman, a clear reference to the primary jealousy of the father for possession of the mother‘. – Technik: Tinte, schwarz-braun. – Format (nur Abb.): ca. 14 x 12,5 cm. – Quelle und Datierung: 1. Tagebuchheft (,1. Quartheft‘), zwischen Notizen zum Besuch des Auftritts des Russischen Balletts (Petersburg) im Mai 1909 (F K, S. 11), wobei ihn vor allem die Tänzerin Jevgenja Eduardova faszinierte. – Ort des Originals: KBod AI,1, in Bodleian. – Erster Abdruck: in Tagebücher-Ausgaben. – Text: F, S. 10 f. Mann, auf Händen und Füßen gehend (oder, um 90° gedreht: Mann auf Leiter). Titel: Sudaka, S. 136-39: ,L‘Arpenteur‘ (Das Schloß). – Technik: Bleistift. – Format: 6,6 x 3,5 cm. – Quelle und Datierung: nach dem Stil möglicherweise aus der gleichen Zeit wie Nr. 2-7. – Ort des Originals: Zylberberg-Sammlung, DLA. – Erster Abdruck: Andere Seite, S. 169 (vgl. S. 164). – Text: DL, S. 253. Jockey auf Pferd. Titel: Brod, ÜFK, S. 393 (Gandelman, S. 254: ,Death riding her dying horse across the Styx‘; Ladendorf I, S. 301: ,Reiter‘; Rothe, KLF2, S. 565: Jockey auf sich bäumendem oder springendem Pferd‘; White, S. 232: ,whipswinging rider‘). – Technik: Tinte(?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: undatiert; wenn es einen Zusammenhang gibt mit Kafkas Besuchen der Pferderennen in Kuchelbad/Chuchle bei Prag (Chronik, S. 53, Br I S. 82), ist 1908-10 denkbar. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv Max Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, GuL = Brod, ÜFK, S. 395 (laut Gandelman, S. 240, 277: Brod, FK [vgl. aber Gandelman, S. 253 Anm. 22!]). – Texte: NSF II, S. 298, 123, DL, S. 32-33, 30. Kutsche mit Pferden. Technik: Bleistift. – Format: ca. 10 x 12,5 cm. – Quelle und Datierung: ,Oktavheft A‘, im Konzepttext vor, aber nicht gehörend zum Dramenfragment ,Der Gruftwächter‘ (NSF I, S. 277), vom November/Dezember 1916. – Ort des Originals: KBod AIII,1, in Bodleian. – Erster Abdruck: K. Wagen-
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bach, Franz Kafka. Annees dejeunesse (1883-1912) (Paris, 1983); auch: Wagenbach, Bilder, S. 203; mit zugehörigem Text: Sudaka, S. 108 f. – Text: NSF I, S. 78 und NSF I A, S. 245 (unkenntlich gemacht; zur Zeichnung), NSF II, S. 80, F, S. 431. ,Ansichten aus meinem Leben‘. Sechs Bilder von Kafkas Aufenthalt in der Pension ,Stüdl‘ in Schelesen, November/Dezember 1918; v. 1. n. r. und v. o. n. u.: Bett, ,Müllern‘ vor offenem Fenster, am Eßtisch; Liegebett auf Balkon, auf der Waage, am Tisch mit einer Frau (Frau Olga Stüdl?). – Technik: (Tinte?). – Format: ca. 14 x 9 cm. – Quelle und Datierung: Postkarte an Ottla, Schelesen, Anfang Dezember 1918. – Ort des Originals: Arch. K. Wagenbach (Gandelman, S. 242, Anm.). – Erster Abdruck: Wagenbach, MSS, S. 78 (BrO, Abb. 16, zu Nr. 64). – Texte: Br I, S. 266 (= BrF, S. 125-26) (,müllern‘ = nackt Turnen bei offenem Fenster), BrF, S. 589, DL, S. 209, T, S. 143, 460. Eßunlustig. Titel: nach Binder, BrO, S. 186. – Technik: Tinte(?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: Postkarte an Ottla, Schelesen, 11. Dezember 1918. – Ort des Originals: Bodleian. – Erster Abdruck: BrO, S. 62. – Texte: BrO, S. 62, DL, S. 335, 348-349 (vgl. NSF II, S. 385, 399), NSF II, S. 466, 566-67. ,Eingehängtsein‘. Im Brief an Felice Bauer vom 14./15. Februar 1913 erwähnte Kafka ein Zeitungsfoto eines verlobten Prinzenpaares, das in gleicher inniger Weise geht (Br II, S. 92, 416 [= BrF, S. 299-300, gegenüber 593]) (s. Ill. 1). – Technik: Tinte (Br I, S. 694). – Quelle und Datierung: Brief an Felice Bauer, 11./12. Februar 1913. – Ort des Originals: unbekannter Käufer; Kopie: FPDL. – Erster Abdruck: BrF, S. 294 (= Br II, S. 87). – Texte: Br II, 86-87, 92 (= BrF, S. 294, 299-300). ,Etwas von meinen „Beschäftigungen‘. Titel: Gandelman, S. 241: ,The Torture Machine‘. – Technik: Tinte(?). – Format: ca. 16,5 x 8 cm (vgl. BrM, S. 350). – Quelle und Datierung: Brief an Milena Jesenská, September oder Oktober 1920. – Ort des Originals: DLA. – Erster Abdruck: BrM, S. 271 (hier beide Teile verkleinert und zueinander gerückt). – Text: BrM, S. 271 f. ,Japanische Gaukler‘. – Technik: Tinte, schwarz. – Format (nur Abb.): 18,5 x 7,5 cm. – Quelle und Datierung: 1. Tagebuchheft
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(,1. Quartheft‘), in dem von diesem ,japanischen Gaukler‘ die Rede ist; wahrscheinlich Erinnerung an den Prager Auftritt der japanischen Gruppe ,The Mitsutas‘, November 1909. – Ort des Originals: KBod I,1 in Bodleian. – Erster Abdruck: TagebücherAusgaben (T, S. 15, 4°Ox1, S. 17). – Text: T, S. 14. 19 Akrobaten. Technik: Bleistift. – Format (nur Abb.): ca. 19 x 9 cm. – Quelle und Datierung: 2. Tagebuchheft (,2. Quartheft‘), wo kurz vorher, im November 1910[?], von ,Trapezkünstler im Varieté‘ die Rede ist (T, S. 118), möglicherweise von Zirkus- oder Varietébesuch angeregt. – Ort des Originals: KBod AI,2 in Bodleian. – Erster Abdruck: Tagebücher-Ausgaben (T, S. 119, 4°Ox2, S. 32). – Text: T, S. 118. 20 Mann zwischen Fabeltieren. Zwei der umringenden Figuren halten etwas fest, das Federwild ähnlich ist (Gandelman, S. 267). – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Ort des Originals: Archiv K. Wagenbach. – Erster Abdruck: K. Wagenbach, Kafka (Écrivains de toujours, 81) (Paris, 1968), S. 81. – Text: BrF, S. 244 (= Br II, S. 33 f.). 21 Schlangendame. Titel: Binder, Hebr., S. 534. – Technik: unbekannt. – Format: 2,5 x 12 cm. – Quelle und Datierung: ,Vokabelheft C‘ (,Quartheft‘ mit hebräischen Übungen), Juli 1923. – Ort des Originals: KBod AIII,12 in Bodleian. – Text: T, S. 824 f. 22 Protestumzug. Titel: Aufgrund der Spruchbänder zu verbinden mit der Tagebuchnotiz vom 6. August 1914 über einen ,Patriotischen Umzug‘ in Prag anläßlich des Beginns des Ersten Weltkriegs, August 1914 (Rothe, KH2, S. 566: ,skurrile disneyhafte, eine Fahne tragende Fabelgeschöpfe‘; Gandelman, S. 267: ,Parade‘). – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle: unbekannt; Datierung: vielleicht August 1914. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv M. Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, ÜFK, S. 401. – Text: T, S. 546-47, V, S. 321 f. 23a Gehende Figuren (beim Laurenziberg?). Möglicherweise mit unvollendeter, in jenen Jahren angefangener Novelle ,Beschreibung eines Kampfes‘ verwandt. – Technik: unbekannt (Bleistift?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: Kafkas Vorlesungsdiktate Jura, 2. Studienhälfte, 1903-05 (Wagenbach, Jugend, S. 127
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f.). – Ort des Originals: Archiv K. Wagenbach. – Erster Abdruck: Wagenbach, Jugend, Abb. 14, gegenüber S. 113. – Text: NSF I, S. 72 ff. 23b Sänfte beim Fluß und Baum. Möglicherweise mit unvollendeter, in jenen Jahren angefangener Novelle ,Beschreibung eines Kampfes‘ verwandt. – Technik: unbekannt (Bleistift?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: Kafkas Vorlesungsdiktate Jura, 2. Studienhälfte, 1903-05 (Wagenbach, Jugend, S. 127 f.). – Ort des Originals: Archiv K. Wagenbach. – Erster Abdruck: Wagenbach, Jugend, Abb. 14, gegenüber S. 113. – Text: NSF I , S. 78 f. 24 Goethes ,Gartenhaus am Stern‘. Gleichzeitig mit M. Brod zeichnete Kafka am 1. Juli 1912 Goethes Gartenhaus im Park an der Ilm in Weimar (Abdruck von Brods Zeichnung: BKR, S. 227). Nach Brod, ÜFK, S. 393, unvollendet. – Technik: Bleistift. – Format: ca. 15 x 8 cm. – Quelle und Datierung: Notizblock, u. a. während eines Besuches in Weimar, 29. Juni/7. Juli 1912, benutzt. – Ort des Originals: Privatbesitz (T K, S. 243). – Erster Abdruck: Brod, FK = Brod, ÜFK, S. 399 (T K, S. 244, BKR, S. 243). – Text: T, S. 1028 (= BKR, S. 242), Br II, S. 287 (= BrO, S. 20), T, S. 135, 367, 999 (= BKR, S. 177). 25 Glockenturm, vermutlich in Osteno. Nach H. Binder, der vorher (Binder, Sicht, S. 63 und Abb. 4 [und auch T K, S. 230]) die Kirche Albogasio Superiore in San Mamette am Nordufer des Luganosees erwähnte. Man kann auch an die Albogasio Inferiore im gleichen Ort denken (BKR, S. 284). – Technik: Bleistift. – Format: ca. 8 x 13 cm. – Quelle und Datierung: Reisetagebuch LuganoMailand-Paris-Erlenbach (August/ September 1911), 1. September 1911. – Ort des Originals: KPriv AIII,1 (Privatbesitz). – Erster Abdruck: T, S. 958 (= BKR, S. 153). – Text: T, S. 958 (= BKR, S. 153), S. 17 f. 26 (oben) Kirche und Häuser in Gandria (s. Ill. 2). – Technik: Bleistift. – Format: ca. 8 x 6 cm (geschätzt). – Quelle und Datierung: Reisetagebuch Lugano-Mailand-Paris-Erlenbach (August/September 1911), 1. September 1911. – Ort des Originals: KPriv AIII,1 (Privatbesitz). – Erster Abdruck: T, S. 957 (= BKR, S. 152). – Text: T, S. 957 (= BKR, S. 152) (von Kafka unterstrichen).
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(unten) Springbrunnen in San Margherita. – Technik: Bleistift. – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: Reisetagebuch Lugano-Mailand-Paris-Erlenbach (August/ September 1911), 1. September 1911. – Ort des Originals: KPriv AIII,1 (Privatbesitz). – Erster Abdruck: T, S. 957 (= BKR, S. 152). – Text: T, S. 957 (= BKR, S. 152), BrF, S. 601, Br, S. 398. ,Eine derartige Brücke‘. Während einer Eisenbahnreise von Prag nach Zürich, 26,/27. August 1911, auf der Strecke Lindau-BregenzHöchst-Rorschach-St. Gallen verfertigt. Vielleicht Brücke über den Alten Rhein (Brod: ,Morgens von Kafka geweckt, bei Anblick einer hohen Brücke. Zuerst verdrießlich, dann erfreut, denn es gibt viel zu sehn. Wir sind in der Schweiz.‘ [BKR, S. 75]). – Technik: Tinte, schwarz. – Format: ca. 5 x 5 cm (geschätzt). – Quelle und Datierung: Reisetagebuch Lugano-Mailand-Paris-Erlenbach (August/September 1911). – Ort des Originals: KPriv AIII, 1 (Privatbesitz). – Erster Abdruck: T, S. 945 (= BKR, S. 144). – Texte: T, S. 945 (= BKR, S. 144), NSF I, S. 304 f. Spieltisch im Casino des Kurhauses, Luzern. – Technik: Tinte, schwarz. – Format: beide ca. 8 x 5 cm (geschätzt). – Quelle und Datierung: Reisetagebuch Lugano-Mailand-Paris-Erlenbach (August/September 1911), 27. August 1911. – Ort des Originals: KPriv AIII.l (Privatbesitz). – Erster Abdruck: T, S. 952f. (= BKR, S. 149). – Text: T, S. 952 f. (= BKR, S. 148 f.) (von Kafka unterstrichen). Wohnsituation in der Villa Tatra, Tatranské Matliare. Deutet die Lage der Zimmer Kafkas und der anderen Gäste im Giebel des Sanatoriums an, wo er sich von Dez. 1920 bis August 1912 aufhielt (s. Ill. 3). Unterschriften in Kafkas Zeichenschema, v. l. n. r. und v. o. n. u.: ,Kaschauer‘ (Arthur Szinay), ,Zahntechniker‘ (Dr. Glauber?), ,stille nur manchmal gähnende Apothekerswitwe‘ | ,Arzt‘ (Dr. Leopold Strelinger), ,meine Wohnung‘, ,ich‘ (auf Balkon). – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format (Abb.): 19 x 5,5 cm (geschätzt). – Quelle und Datierung: Brief an M. Brod, Tatranské Matliare, Januar 1921. – Erster Abdruck: BKB, S. 306. – Text: BKB, S. 307. ,Bittsteller und vornehmer Gönner‘. Titel: Kafka. – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung:
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unbekannt. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv M. Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, GuL = Brod, ÜFK, S. 395. – Text (über die Mitglieder von Kafkas Arbeitgeber Arbeiter-Unfallversicherungs-Anstalt): Kafka, nach: Brod, ÜFK, S. 76. Abraham opfert seinen Sohn Isaak. Titel: Aufgrund des Kontextes, nämlich Notizen zum Bibelbuch Genesis, namentlich zu Abraham, vermutet Rothe, KH2, S. 562, Abrahams Opfern seines Sohnes Isaak (Genesis 22, 1-29: ,Abraham auf die Probe gestellt‘) sei dargestellt. Nach Sudaka, S. 91, zum nachfolgenden Text gehörig: ,Er sucht Hilfe in den Wäldern‘. – Technik: Tinte, blau. – Format: unbekannt (füllt vielleicht das ganze Blatt von ca. 25 x 20 cm aus). – Quelle und Datierung: 11. Tagebuchheft (,11. Quartheft‘), 14. Juli 1916. – Ort des Originals: KBod AI,11 in Bodleian. – Erster Abdruck: T, S. 796. – Text: Br, S. 333 f. Mann am Tisch, Wirtin hinter der Wand. Titel: Kurz zuvor, am 10. Februar 1915, hatte Kafka ein Zimmer bei einer Wirtin in der Bilekgasse 10 bezogen, wo er bis zum 15. März 1915 wohnen sollte (Chronik, S. 124). – Technik: Tinte, schwarz. – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: 10. Tagebuchheft (,10. Quartheft‘), 15. Februar 1915. – Ort des Originals: KBod AI,10 in Bodleian. – Erster Abdruck: T, S. 728. – Texte: T, S. 727, BrF, S. 627. Frauenkopf und Pferdebein. Vermutlich nach einer Zeichnung von Leonardo da Vinci (s. Ill. 4). Titel: nach Sudaka, S. 57. – Technik: Bleistift. – Format: 17 x 10,5 cm. – Quelle und Datierung: Reisetagebuch Lugano-Mailand-Paris-Erlenbach (August/September 1911), vermutlich während des Aufenthaltes in Paris, 8./13. September 1911. – Ort des Originals: DLA, Marbach. – Erster Abdruck: Sudaka, S. 58. – Text: T, S. 1002 (= BKR, S. 179), NSF II, S. 419 f., DL, S. 262, T, S. 769. Malträtierter Mann vor einem Tisch, mit Zuschauern. Titel: nach Rothe, KH2, S. 566: ,vielleicht vor einem Tisch Stehende mit wildem Haupt‘ (Sudaka, S. 101 ff: ,Mann vom Lande‘ ,[v]or dem Gesetz‘, d. h. Zusammenhang mit Der Prozeß und mit Nr. 37). – Technik: unbekannt. – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv
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M. Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, ÜFK, S. 402. – Text: T, S. 39, 531, 795. Mürrischer Mann in schwarzem Anzug. Wegen des Gesichtsausdrucks und der Kleidung könnte es Oberkellner Roubitschek vom Café Savoy sein (wo Kafka 1911/12 jiddischen Theatervorstellungen beiwohnte), den Kafka in seinem Tagebuch vom 14. Oktober 1911 beschrieb. Titel: Rothe, KH2, S. 565: ,ein älterer, mit Frack oder Talar bekleideter Herr, vielleicht ein Richter, mit knochigem, verwittertem Schädel‘; Sudaka, S. 63 f.: Porträt von Kafkas Vater Hermann Kafka. – Technik: Bleistift (Rothe, KH2, S. 565). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt, vielleicht Oktober 1911. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv M. Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, ÜFK, S. 403. – Text: T, S. 82 f. Der wilde Trinker. Titel: nach Brod, ÜFK, S. 393 (,der über sein Glas gebeugte grimmig-irrsinnige „Trinker“ ‘; Rothe, KH2, S. 565: ,brutaler oder irrer Säufer‘; G. Janouch, Encounter 1971, August: Selbstkarikatur). – Technik: unbekannt (Tinte?) – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv M. Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, GuL = Brod, ÜFK, S. 397 (Gandelmann, S. 240, 248, 277: Brod, FK). – Texte: NSF I, S. 116, T, S. 201, 685, NSF I, S. 380. Spaziergänger ohne Hose auf dem Dach. Titel: Binder, KafkaKommentar zu sämtlichen Erzählungen (München, 1975), S. 72: ,Nachtwandler‘; Gandelman, S. 240: ,The Man on the Roof; Rothe, KH2, S. 566: ,Mann, der über ein Dach oder eine Gasse schreitet‘. Binder und Rothe sehen Zusammenhang mit der Geschichte ,Die Vorüberlaufenden‘ (s. Text). – Technik: unbekannt (Bleistift?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv M. Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, FK = Brod, ÜFK, S. 398 (Gandelman, S. 240: Brod, GuL, S. 34). – Text: DL, S. 26 f. Zwei Wartende. Titel: Gandelman, S. 240, 245: ,Before the Law‘; Rothe, KH2, S. 566: ,zwei Sitzende, die wie Angeklagter und Richter oder auch Sohn und Vater scheinen‘; Sudaka, S.101 ff: Zusammenhang mit Nr. 34 und Der Prozeß. – Technik: unbe-
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kannt (Bleistift?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: unbekannt. – Ort des Originals: unbekannt (Archiv M. Brod, Tel Aviv?). – Erster Abdruck: Brod, FK = Brod, ÜFK, S. 400 (Gandelman, S. 240: Brod, GuL, S. 84). – Text: P, S. 92 f. ,Ottlas Gabelfrühstück‘. – Technik: Bleistift. – Format (Abb.): 14 x 6 cm. – Quelle und Datierung: Ansichtskarte an Freund von Schwester Ottla, Ouvaly, 16. Mai 1915. – Ort des Originals: Bodleian. – Erster Abdruck: BrO, S. Abb. 9. – Texte: T, S. 438, 808 (= BrF, S. 730). Dora Diamant. – Technik: Bleistift. – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: Manuskript von ,Josephine, die Sängerin‘ (NSF II A, S. 151), zwischen Mitte März und Anfang April 1924 verfaßt. – Ort des Originals: KBod BII,7 in Bodleian. – Erster Abdruck: Y. David (Hrsg.), Le Siècle de Kafka (Paris, 1984), S. 126. – Texte: Br, S. 439, BrM, S. 319, BrE, S. 69, 70. (oben) Mutter Kafka lesend. Beschreibung hat starke Ähnlichkeit mit Stelle im Tagebuch vom 2. Oktober 1911. (unten) Selbstporträt. Vielleicht nach einem Foto von etwa 1910 gezeichnet (Wagenbach, Bilder, S. 105). – Technik: Bleistift? – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: Oktober 1911(?). – Erster Abdruck: Brod, FK, 3., erw. Aufl. (Frankfurt a. M., 1954), S. 257 (,Porträt seiner lesenden Mutter / Selbstbildnis‘) (auch: J. Bauer, Kafka und Prag (Stuttgart, 1971), S. [6]; Rothe, KK, S. 20). – Text: T, S. 52, Br I, S. 293 (= BrF, S. 150 f.).
Erwähnte, jedoch nicht zugängliche Zeichnungen
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Eleganter junger Mann, der, lächelnd und weinend zugleich, resigniert zum Abgrund schreitet zwischen zwei wunderschönen kahlen schwachen Bäumchen. Als Titelblatt (in japanischem Stil) für Brods Band Experimente. Vier Geschichten (1907) bestimmt, nicht realisiert. Titel: Brod, Brief an Verleger Axel Juncker, 7. März 1907 (Binder, Zeichner). – Technik: unbekannt. – Format: unbekannt. – Datierung: Frühling 1907. – Ort des Originals: vormals im Archiv Axel Juncker Verlag (Stuttgart), jetzt wahrscheinlich verschollen. Plan der Wohnung Lange Gasse 923/5, Prag. Diese Dreizimmerwohnung sollten Kafka und Felice Bauer nach ihrer Eheschließung beziehen. – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: Brief an Felice Bauer, 19. Mai 1914. – Ort des Originals: anonymer Käufer der Briefe an Felice Bauer, Juni 1987. ,Das Wölkchen‘. Text hierzu: ,Wenn Dich jemand fragen sollte, wie Dein Bräutigam aussieht, so sag‘, daß Du ihn fotografiert hast und zeig das beiliegende Wölkchen. Ich bin es wirklich, und Du hast es wirklich fotografiert.‘ (BrF, S. 585) – Technik: unbekannt (Tinte?). – Format: unbekannt. – Quelle und Datierung: Brief an Felice Bauer, 24. Mai 1914. – Ort des Originals: anonymer Käufer der Briefe an Felice Bauer, Juni 1987. ,Der Beobachter auf der Leiter‘. Vielleicht ist Nr. 11 gemeint. Erwähnung: Brief an Max Brod, Marienbad, 12./14. Juli 1916 (BKB, S. 149). – Technik: unbekannt. – Format: unbekannt. – Datierung: Juli 1916 od. früher. – Ort des Originals: als Geschenk im Archiv Max Brod (Tel Aviv?). ,Der Studierende über dem Buch‘. Vielleicht ist Nr. 4 gemeint. Erwähnung: Brief an Max Brod, Marienbad, 12./14. Juli 1916 (BKB, S. 149). – Technik: unbekannt. – Format: unbekannt. – Datierung: Juli 1916 od. früher. – Ort des Originals: als Geschenk im Archiv Max Brod (Tel Aviv?). 120
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Hundekopf mit langen Ohren (?). Erwähnung: S A, S. 37. Titel: nach M. Pasley S A, S. 37. – Technik: Bleistift. – Format: ca. 1 cm hoch. – Quelle und Datierung: ,Schloßheft I, Anfang 1922. – Ort des Originals: KBod AI,18 in Bodleian. Einfache Skizze einer Menschenfigur (?). Erwähnung: S A, S. 37. Titel: nach M. Pasley, S A, S. 37: ,ein aufrechtes Oval, darin zwei senkrechte Striche, darauf ein kleiner Kreis‘. – Technik: Bleistift. – Format: ca. 1 cm hoch. – Quelle und Datierung: ,Schloßheft I‘, Anfang 1922 (vgl. Ladendorff I, S. 300 Anm. 26). – Ort des Originals: KBod AI,18 in Bodleian. Zeichnung zum ,Gesprächsblatt‘. Gehört vielleicht zum Text ,Da bekommt man einen Begriff von Schwindsucht in der Mitte ein facettierter Stein, zur Seite die Sägen, sonst alles leer, trockener Auswurf.‘ Erwähnung: Br, S. 484. – Datierung: April/Juni 1924. – Ort des Originals: vormals Archiv Robert Klopstock (New York), jetzt verschollen (Sudaka, S. 120). Italien und Sizilien. Zeichnung zum ,Gesprächsblatt‘. Erwähnung: Br, S. 488. Titel: Brod, Br, S. 488. – Datierung: April/Juni 1924 (Br, S. 488). – Ort des Originals: vormals Archiv Robert Klopstock (New York), jetzt verschollen (Sudaka, S. 120).
Authentische Vorlagen zu Kafkas Zeichnungen
Illustr. 1 (zu Nr. 16) – Das verlobte Paar Prinzessin Viktoria Luise und Prinz Ernst August (mit Detail ausschnitt)
Illustr. 3 (zu Nr.29) – Die Villa Tatra (Kafkas Balkon in der Mitte) (Wagenbach, Bilder S. 221)
Illustr. 2 (zu Nr. 26) – Gandria
Illustr. 4 (zu Nr. 33) – Frauenkopf von Leonardo da Vinci (Sudaka, S. 59)
Verwendete Literatur und Abkürzungen Werke von Kafka 4oOx 1-2 AS BKB BKR Br Br I Br II BrE BrF BrM BrO DL NSF I NSF I A NSF II NSF II A P S S A T T K V J
Oxforder Quartheft 1-2. [Faksimile-Ausgabe.] Frankfurt a. M./Basel, 2001. Amtliche Schriften. Berlin, 1984. Brod und Kafka, Eine Freundschaf II: Briefwechsel. Frankfurt a. M., 1989. Brod und Kafka, Eine Freundschafi I: Reiseaufzeichnungen. Frankfurt a. M., 1989. Briefe 1902-1924. Frankfurt a. M., [o. J.]. Briefe 1900-1912 [Krit. Ausg.]. Frankfurt a. M., 1999. Briefe 1913-März 1914 [Krit. Ausg.]. Frankfurt a. M., 1999. Briefe an die Eltern aus den Jahren 1922-1924. Frankfurt a. M., 1990. Briefe an Felice und andere Korrespondenz aus der Verlobungszeit. Frankfurt a. M, 1967. Briefe an Milena. Erw. u. neu geordnete Ausg., Frankfurt a. M., 1983. Briefe an Ottla und die Familie. Frankfurt a. M., 1974. Drucke zu Lebzeiten. Frankfurt a. M., 1994. Nachgelassene Schriften und Fragmente I [Krit. Ausg.]. Frankfurt a. M., 1993. Apparatband zu dieser Ausgabe. Nachgelassene Schriften und Fragmente II [Krit. Ausg.]. Frankfurt a. M., 1992. Apparatband zu dieser Ausgabe. Der Proceß. Roman [Krit. Ausg.]. Frankfurt a. M., 1990. Das Schloß. Roman [Krit. Ausg.]. Frankfurt a. M., 1982. Apparatband zu dieser Ausgabe. Tagebücher [Krit. Ausg.]. Frankfurt a. M., 1990. Kommentarband zu dieser Ausgabe. Der Verschollene. Roman [Krit. Ausg.]. Frankfurt a. M., 1983. Gustav Janouch, Gepräche mit Kafka. Erw. Ausg., Frankfurt a. M., 1968.
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Werke über Kafka – Quellen Andere Seite
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W Rothe, Kafka und die Kunst. Stuttgart 1979. J. Sudaka-Benazeraf, Le regard de Franz Kafka. Dessins d‘un écrivain (Coli. Un double regard). Paris, 2001. Unseld J. Unseld, Franz Kafka. Ein Schriftstellerleben. Die Geschichte seiner Veröffentlichungen. München/ Wien 1982). Wagenbach, MSS K. Wagenbach (Hrsg.), Franz Kafka 1883-1924. Manuskripte, Erstdrucke, Dokumente, Photographien. Berlin, 1966. Wagenbach, Bilder K. Wagenbach, Franz Kafka. Bilder aus seinem Leben. 2. erw. u. veränd. Neuausg.: Berlin, 1994. Wagenbach, Jugend K. Wagenbach, Franz Kafka. Eine Biographie seiner Jugend, 1883-1912. Bern, 1958. White J. S. White, ,Psyche and Tuberculosis: The Libido Organization of Franz Kafka‘, The Psychoanalytic Study of Society 4 (1967), S. 185-251. Archive und Bibliotheken Bodleian DLA FPDL
Bodleian Library, Oxford Deutsches Literaturarchiv, Marbach a. N. Forschungsstelle Prager Deutsche Literatur. Bergische Univ. Wuppertal.
Anmerkungen Aphorismus 63, 1917, NSF II, S. 62 und 127. Aus ,Beim Bau der chinesischen Mauer‘, Februar/März 1917, NSF I, S. 347. 3 Aus ,Oktavheft G‘, 1917/18, NSF II, S. 64. 4 Aus ,Oktavheft G‘, 1917/18, NSF II, S. 75. 5 Aus ,Oktavheft G‘, 1917/18, NSF II, S. 75-76. 6 Bearbeitung eines Vortrages anläßlich ,Der unbekannte Kafka‘ im Salon Saffier, Utrecht, 25. Juni 2000, im Literair theater Branoul, Den Haag, am 25. April 2001 wiederholt. 7 Brod, ÜFK, S. 214, 393 f., BKB, S. 149. 8 Brod, ÜFK, S. 396, 393; Rothe, KH2, S. 565; Gandelman, S. 240 f. Die Datierung dieser berühmten Zeichnungen ist unklar. Gandelman, S. 241, denkt wegen des möglichen Zusammenhangs mit J, S. 59 (das aber vermutlich von Oktober 1920 stammt; Rothe, KH2, S. 566, verbindet dies jedoch mit ,Drei Läufer‘) an Oktober 1922. Stilübereinstimmung mit ,Eingehängtsein‘ (BrF, S. 294) suggeriert 1912/13, möglicherweise thematischer Zusammenhang mit Der Prozeß (Gandelman, S. 245, 262, 269), 1914. Man denkt aber auch an einem Zusammenhang mit Hamlet (Brod, ÜFK, S. 393, Gandelman, S. 262). Prof. M. Barasch (Jerusalem) schlug Gandelman (S. 261 f.) für die zwei geneigten Figürchen den Titel ,Melancholy‘ vor. 9 Binder, ,Kindheit in Prag. Kafkas Volksschuljahre‘, Humanismen. Som salt & styrka. Bilder & betraktelser tillägnade Harry Järv (Stockholm, 1987), S. 96 f.; vgl. id., ,Schüler in Prag. Franz Kafka im Spiegel seiner Zeugnisse‘, Neue Zürcher Zeitung, 20./21. Oktober 1984. 10 22. Jahresbericht über das Staats-Gymnasium mit deutscher Unterrichtssprache in Prag-Altstadt für das Schuljahr 1893-94 (Prag, 1894), S. 34; 25. Jahresbericht […] 1896-97 (Prag, 1897), S. 44, Br I, S. 87 (= BrF, S. 294), vgl. KH1, S. 221. 11 BrF, S. 709. 12 Wagenbach, Jugend, S. 127 f. Außer einigen wenigen befinden sie sich jetzt im Max Brod Archiv, von seiner Erbin Ilse Esther Hoffe (Tel Aviv) betreut. 1
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Brod, ÜFK, S. 394; Wagenbach, Jugend, S. 243, BrF, S. 709, 294 (= Br II, S. 87); F. Feigl, ,Kafka und die Kunst‘ [1949], H.-G. Koch (Hrsg.), ,Als Kafka mir entgegenkam … ‚Erinnerungen an Franz Kafka (Berlin, 1995), S. 136. 14 Br I, S. 80. S. zu ,Die Acht‘: Brod, ,Frühling in Prag‘, Die Gegenwart, 18. Mai 1907 (nachgedruckt in: id., Der Prager Kreis (Frankfurt a. M., 1966), S. 60-65). 15 Br I, S. 87 (= BrF, S. 294), KH1, S. 323 f.; Brod, ÜFK, S. 214, 394; Br I, S. 123 (= BKB, S. 77 [vgl. S. 467]), BKB, S. 149, 365, 421 f. 16 Brod, ÜFK, S. 393; M. M. Anderson, Kafkas Clothes. Ornament and Aestheticism in the Habsburg Fin de Siècle (Oxford, 1994), S. 68; Gandelman, S. 248-56; Ladendorf I, S. 300. 17 J, S. 58-60, 180. 18 Br I, S. 54 (= BKB, S. 33), M. Brod, Streitbares leben. Autobiographie (München, o. J.), S. 11; BKB, S. 460, 31 (,Dein Brief), Br I, S. 73. – Von diesem Publikationsversuch ist merkwürdigerweise in der Sektion ,Franz Kafka als Zeichner (1907)‘ in Unseld, S. 22 ff., nicht die Rede. 19 Binder, Zeichner. 20 Gandelman, S. 269 ff., Sudaka, S. 148 f.; NSF I, S. 406 f. (s. a. S. 402 f.), NSF II, S. 516-24 und 534-41 (s. a. S. 531, 569 f.), T, S. 517. Zu Der Prozeß: s. a. T, S. 666 f., 893; zu Das Schloß: s. a. NSF II, S. 421, 569 f., 575 f. 21 BrF, S. 196 (= BR I, S. 348), 510, BrM, S. 8, 27, 35, 57, 67. BrM, S. 154 (28. Juli 1920): nach einer ,Dich [= Milena Jesenská] betreffende Zeichnung mit Blaustift von ihm [= Staša Jílovskás Mann Rudolf Jílovský]‘. 22 T, S. 296 f.. 23 T, S. 740 f.; Br I, S. 102, 767; Velhagen und Klasings Monatshefte 25 (1911), 8 (April), S. 9. 24 BrF, S. 154, 201, 233, 234 (= Br I, S. 297, 353, Br II, S. 22, 23). 25 BR I, S. 91 (vgl. 5r, S. 467); Cronik, S. 55; ,Über Apperzeption‘, NSF I, S. 9 f.; Brod, ÜFK, S. 54. 26 BR I, S. 196 f., Br, S. 135 f.; T, S. 258 f.; BR I, S. 38. 27 BrF, S. 683, 687-90, 713, Feigl, ,Kafka und die Kunst‘ …, Br I, S. 281 f.; Br I, S. 108, T, S. 305 ff; T, S. 40 f., 45, 49, 535 f. (s.: G.-G. Lemaire, Kafka et Kubin (Paris, 2002); T, S. 128 (s.: N. Nieszawer & G.-G. 13
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Lemaire, ,Georges Kars‘, G.-G. L. (Hrsg.), Métamorphoses de Kafka (Paris, 2002), S. 204 ff); T, S. 46 f. 28 T, S. 914 f.; BR I, S. 44; DL, S. 443. 29 T, S. 972-76, 1004, 1002 f. (Rubens: vgl. BR I, S. 129); Ladendorf I, S. 303 ff 30 T, S. 124, 144, DL, S. 443; J. Born, Kafkas Bibliothek. Ein beschreibendes Verzeichnis (Frankfurt/M, 1990), S. 135-42, 167 f., 176. Goethe: vgl. BR I, S. 129. 31 T, S. 359, 1047. 32 BKB, S. 390, 395 f., 401, 403; T, S. 922 (vgl. L. Václavek, ,Franz Kafka und der heilige Wenzel. Eine überraschende Entdeckung?‘, W. Kraus und N. Winkler (Hrsg.), Das Schuldproblem, bei Franz Kafka (Schriftenreihe der Franz Kafka-Gesellschaft, 6) (Wien/Köln/Weimar, 1995), S. 118-25, wo über die Behauptung, Kafka habe sogar ein Bühnenstück um Myslbeck verfaßt, berichtet wird); T, S. 159, BrF, S. 516. 33 J, S. 180, 197, 120, 195. 34 J. Insua (Hrsg.), La ciutat de K. Franz Kafka i Praga (Barcelona, 1999), S. 56 f. 35 Brod, ÜFK, S. 393. 36 Wagenbach, Bilder, S. 151, 157, 178 f., 203.
Der Philosoph und Literaturhistoriker Niels Bokhove ist einer der wichtigen europäischen Kafka-Experten. Begründer und zugleich erster Vorsitzender des Niederländischen Franz Kafka-Kreises, war er bis 2005 auch Chefredakteur der Vierteljahresschrift „Kafka-Katern“. Zur Kafka-Rezeption im niederländischen Sprachraum veröffentlichte er 1984 „Reiziger in scheerapparaten. Kafka in Nederland en Vlaanderen“ und 1993 zusammen mit Cor de Back „Niederländische Autoren über Franz Kafka, 1922–1942“. Von Niels Bokhove stammen auch zahlreiche kleinere Beiträge im „Kafka-Katern“ und in anderen Periodika, u. a. zu Franz Kafka, Bruno Schulz, David Vogel und Paul Celan. Bokhove arbeitet derzeit an einer Monographie über die Frauen in Kafkas Leben und Werk. Bokhove ist KonservatorDirektor am Comenius-Museum in Naarden/ Niederlande. Die Pädagogin Marijke van Dorst arbeitet teils als Beraterin, teils als Forscherin in den Bereichen Kunst und Kultur. Im Jahr 2000 gab sie eine Sammlung von Kafkas Gedichten „ ‚Ik ken de inhoud niet …‘ Gedichten / ‚Ich kenne den Inhalt nicht …‘ Lyrik“ in zweisprachiger Fassung heraus. Sie ist Schriftführerin des Niederländischen Franz Kafka-Kreises und Vorstandsmitglied einer niederländischen Božena-Němcová-Stiftung. Im Rahmen ihrer Beschäftigung mit der tschechischen Literatur – hierzu verfaßt Marijke van Dorst Beiträge, Rezensionen und Vorträge – untersucht sie besonders die niederländische Rezeption Karel Čapeks. Selbst als bildende Künstlerin aktiv, ist Marijke van Dorst Leiterin des monatlichen literarischen „Salon Saffier“ in Utrecht.
Sprechen wir vom Werk Franz Kafkas (1883–1924), so denken wir unwillkürlich an sein literarisches Werk. Weniger bekannt ist, daß Kafka auch gerne zeichnete. Sein Freund und literarischer Nachlaßverwalter Max Brod meinte schon früh, daß Kafka ‚auch als Zeichner ein Künstler von besonderer Kraft und Eigenart’ sei und seine Zeichnungen zu unrecht als ‚Kuriosum‘ betrachtet würden. In diesem Band wird das zeichnerische Werk des Schriftstellers präsentiert und zusammen mit den dazugehörigen Texten erstmals ausführlich dokumentiert. „ … eine ansprechend gestaltete Buchpublikation. Die großformatig reproduzierten Zeichnungen werden mit einschlägigen Passagen aus Kafkas Lebenszeugnissen und Erzählwerken konfrontiert, so daß sich im Wechselspiel von Bildbetrachtung und Lektüreeindruck Einsichten in Kafkas produktive Einbildungskraft ergeben.“ Hartmut Binder, Neue Zürcher Zeitung