OTTO ZIERER
BILD D E R J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 12 DOPPELBÄNDEN
HEXENKESSEL ROKO...
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OTTO ZIERER
BILD D E R J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE IN 18 EINZEL- UND 12 DOPPELBÄNDEN
HEXENKESSEL ROKOKO Unter diesem Titel ist der Doppelband 31/32 der neuen "Weltgeschichte erschienen. Der Doppelband behandelt den 1. Teil des 18 Jahrh. n. Chr. Was die großen Geister der Barockzeit entdeckt und erdacht haben, wird von den Aufklärern — Gelehrten, Dichtern, Pädagogen und Buchdruckern — unter die Massen getragen. Der Kontinent löst sich immer mehr in ein Gebrodel geistiger, sozialer und machtpolitischer Kräfte auf. Die Enkel des Barocks klammern sich an ein morsches Feudalsystem. Die Zeit aber drängt zum Umsturz, zur Explosion und zur Erneuerung. Im Hexenkessel Rokoko zersetzen sich die sozial und politisch führenden Schichten der Vergangenheit.
Auch dieser Doppelband ist in sich vollkommen abgeschlossen und enthält wieder ausgezeichneteKunstdrucktaf ein und zuverlässige historische Karten. Er kostet in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung und farbigem Schutzumschlag DM6.60. Mit dem Bezug des Gesamtwerkes kann in bequemen Monatslieferungen jederzeit begonnen werden. Auf Wunsch werden auch die bereits erschienenen Bücher geschlossen oder in einzelnen Bänden nachgeliefert. (Einzelbände 1—18 je.DM 3.60.) Prospekt kostenlos v o m VERLAG SEBASTIAN LUX
MURNAU • MÜNCHEN
INNSBRUCK
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L T U R K U N D L I C H E
Georg
HEFTE
Steinbacher
VOGELWELT IM Z O O Ein Zoodirektor erzählt von seinen gefiederten Freunden
VERLAG SEBASTIAN LUX MURNAU-MÜNCHEN-INNSBRUCK
m Vogelhaus des Berliner Zoo lebte fast die Hälfte aller Tierarten, die im Garten vorhanden waren, nämlich etwa 600 von 1300! Das kennzeichnet so recht die Fülle des Lebens, das dieses Gebäude beherbergte. Ich war lange Jahre für die Vogelreviere im Berliner Garten verantwortlich, für alle ihre Insassen vom Kolibri mit 1,5 Gramm Gewicht bis zum Strauß, der zwei Zentner schwer wird. Viele tausend Vögel sind mir in dieser Zeit im wahrsten Sinne des Wortes durch die Hand gegangen. Damals waren unsere Erfolge in der Kolibrihaltung weltberühmt. Es war nie zuvor gelungen, die bunten Zwerge längere Zeit der Gefangenschaft überdauern zu lassen. Sie leben in der Freiheit hauptsächlich vom Blumennektar und winzigen Insekten, die sie in der Luft fangen. Sie suchen im Schwirrflug die Blumen auf, rütteln vor ihnen und saugen mit Schnabel und Zunge die süße Flüssigkeit aus den Blumenkelchen in sich hinein. Die kleineren Arten schlagen hierbei mit den Flügeln so schnell, daß unser menschliches Auge die Bewegung nicht mehr wahrnehmen kann. Der sehr gute Schweizer Vogelkenner Cordier, der lange in Südamerika lebte, fand dort drüben ein Nahrungsgemisch, das es ihm ermöglichte, Kolibris einzugewöhnen. Es bestand aus einer dünnflüssigen Lösung von Honig, Kindermehl, Rohrzucker, kondensierter Milch und etwas Malzextrakt. Es hatte damit eine ähnliehe Zusammensetzung wie die Nahrung der Kolibris in der Freiheit, denn es enthielt viel Zucker wie der Nektar und außerdem tierisches Eiweiß und Fett wie die Insekten. Die Kolibris dauerten bei ihm längere Zeit aus. Ein deutscher Mittelsmann namens Danisch brachte Cordiers Vögel nach Europa. Lutz Heck griff sofort zu und kaufte einen wesentlichen Teil der ersten Importe für den Berliner Zoo auf. Die Kolibris wurden zunächst sehr teuer bezahlt: jeder Vogel kostete 150 Mark — ein schöner Batzen Geld für ein Tier von wenigen Gramm Gewicht. Wir brachten die seltenen Vögel in einem großen Flugkäfig und in geräumigen Glaskäfigen im Innern des Vogelhauses unter. Das Gebäude wurde stets sehr warm gehalten, die Zwerge brauchten also nicht zu frieren. Wir gaben ihnen das gleiche Futtergemisch wie Cordier, dazu aber viele winzige Insekten, Essigfliegen, die im 2
Aquarium für kleine Reptilien und nun auch für die Kolibris in Unmengen gezüchtet wurden. Später haben wir das Gemisch etwas abgeändert. Die Kolibris lebten bis zu vier Jahren und länger bei uns, sie legten sogar mehrfach Eier. Ein winzig kleiner Hummelkolibri setzte uns dadurch in Erstaunen, daß er fleißig ein laut zwitscherndes Lied hören ließ, das gar nicht zu diesem Zwerg paßte. An unseren Kolibris hat Professor Stresemann festgestellt, daß die kleineren Arten bis zu 50mal in der Sekunde mit den Flügeln schlagen! Im Berliner Zoo wurden etwa hundert verschiedene Papageienarten gleichzeitig zur Schau gestellt. Ein grüner Soldatenara hatte den größten Bekanntenkreis unter den Besuchern. Er ließ sich gern von jedem den Kopf kraulen. Sobald man sich aber von ihm abwandte, rief er einem laut und deutlich nach: „Alter Affe du!" Seine Sprachlkünste wurden bei weitem von denen eines Graupapageis aus Kamerun in den Schatten gestellt, der in vier Sprachen schimpfen konnte, nämlich in Deutsch, Englisch, Französisch und in einem uns unbekannten Negerdialekt. Er wies wirklich gründliche Kenntnis der Schimpfworte dieser verschiedenen Kulturgemeinschaften auf. Eine Blaustirnamazone im Kölner Zoo sprach nur deutsch, und zwar echt Kölsch. Sie hatte früher in Köln-Ehrenfeld gewohnt, wo die Umgangsformen manchmal rauh sind. Sie begann ihre Ausführungen meist mit dem Ruf „Schäle Kopp", dann folgten nicht wiederzugebende Kraftworte. Schließlich sei in diesem Zusammenhang der Weißhaubenkakadu erwähnt, der 1949 in den Münchner Zoo kam und dort plötzlich einen Gruß zu äußern begann, der vor 1945 viel in Deutschland gebraucht wurde. Nun —• Papageien verstehen den Sinn der Worte nicht, die sie sprechen, sie ahmen nur unsere Laute nach, bringen es aber hierbei zu einer beachtliehen Fertigkeit. Aber sie können uns auch auf andere Weise in Verlegenheit bringen. In Frankfurt lebte unter anderem ein Paar herrlidi schöner Hyazinth-Aras; der eine von ihnen biß mit seinem Riesenschnabel das Schloß der Käfigtür auf, die Tür öffnete sich, und beide Aras marschierten in die Freiheit. Nun kann man Papageien meist leicht am Fluehtort wieder fangen. Sie fliegen ihn auf der Nahrungssuche wieder an oder suchen die alten Bekannten in den anderen Käfigen wieder auf. Wir stellen dann einfach eine mit Futter beköderte Falle auf das Dach des Vogelhauses und haben sie schnell wieder, vor allem wenn nur ein Partner des Paares ausgerissen ist. Diesmal war leider das komplette Paar unterwegs — ich sah sie (500 Mark das Stück!) mit gemischten Gefühlen durch die Luft enteilen. Die leuchtend hyazinthhlauen Vögel boten zwar ein wun3
dervolles Bild, und wir waren überzeugt, daß wir sie über kurz oder lang wiederhaben würden, jedoch stand auch zu befürchten, daß uns ein Konkurrent zuvorkam oder die Vögel irgendwie Schaden nahmen. In der Wartezeit hatte unser Büro wahre Leiden auszustehen. Den ganzen Tag lang klingelte das Telephon; jeder Frankfurter, der die Aras sah, stürzte an den nächsten Apparat und läutete uns an. Alle Polizeireviere und die Feuerwehr hielten uns dauernd über neue Meldungen auf dem laufenden. Wir haben einfach geleugnet, die Besitzer zu sein, aber es half uns nichts. Die Feuerwehr fuhr mit wahrer Lammsgeduld hinter den Ausreißern her. Wurden sie irgendwo auf einem Baum entdeckt, kam sofort eine Motorspritze angerasselt, die mechanische Leiter wurde hochgekurbelt, ein Feuerwehrmann stieg nach oben, eine schaulustige Menge versammelte sich inzwischen. Der Vogel betrachtete interessiert die ganze Prozedur, wartete, bis der Fänger auf Greifweite heran war, und strich laut schreiend ab, sobald der Feind zufaßte. Meist setzte er sich nicht weit entfernt auf einen anderen Baum, und das ganze Schauspiel lief von neuem ab. Schließlich wurde den Aras das Obstfressen, die Freiheit und die Feuerwehr zu dumm. Sie erschienen nach rund einer Woche wieder bei uns und saßen eines Morgens auf ihrem alten Käfig. In kürzester Zeit waren sie eingefangen, und endlich war wieder Friede. In Berlin hielten wir eine ganze Kolonie südamerikanischer Mönchssittiche im freien Flug. Sie bauten riesige Reisignester an verschiedenen Stellen im Garten, in denen mehrere Paare gleichzeitig brüteten und vermehrten sich zunächst beträchtlich. Wir glaubten bereits, daß der Bestand dieser Siedlung gesichert sei. Aber dann zeigte es sich, daß sie auch Feinde hatten. Der Wanderfalk, der während des Winters auf dem Turm der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche zu hausen pflegt und sich zum Ärger der Berliner Taubenzüchter rechtschaffen von ihren Pfleglingen nährt, erbeutete auch einige Mönchssittiche. Der Kapuzineraffe „Fritzchen" auf der Baumaffenanlage fing ebenfalls mehrere; schließlich wurden die bunten Ausländer den Gartenbesitzern im Umkreis von mehreren Kilometer lästig, weil sie ihnen die Mühe der Obsternte abnahmen. Da griff man empört zum Tesching, und diese Waffe wirkte nachhaltiger als Wanderfalk und Kapuziner — die Mönchssittiche starben schnell aus. Wir haben auch versucht, Wellensittiche freifliegend zu halten. Aber die niedlichen Australier wanderten nach wenigen Tagen ab. Anderseits fanden sieh an unseren Sittichvogelhaufen fast täglich fremde Gäste ein, als das Gespenst der auch dem Menschen gefähr4
Das groteske Porträt des Kasuars aus Neuguinea
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lieben Papageienkrankheit in Deutschland umging und viele Vogel- . besitzer aus Furcht vor Ansteckung einfach ihr sonst so geliebtes Häuschen aus dem Käfig an die frische Luft setzten, Damals war der Wellensittich gerade im Begriff, denselben Platz im Haushalt zu erobern, den früher der Kanarienvogel inne hatte. Alljährlich wurden mehrere Millionen der kleinen bunten Papageien in Deutschland gezüchtet und umgesetzt. Da kam die übertriebene Angst vor der Papageienkrankheit und mit ihr eine Welle behördlicher Bestimmungen, welche die Haltung der Krummschnäbel außerordentlich erschwerte. Die Papageienkrankheit ist zwar eine .Tatsache, sie ist sicher auch recht gefährlich, aber sie tritt nur selten auf, und man braucht keine übertriebene Furcht vor ihr zu haben, um so weniger, als inzwischen vernünftige Verordnungen über Einfuhr und Handel von Papageien weitestgehenden Schutz vor einer Seuche gewährleisten. Unter den Papageien im Berliner Zoo befanden sich auch sehr seltene Arten, wie die Keas aus Neuseeland. Professor Heck erhielt die etwa krähengroßen grünen Vögel durch die Vermittlung einiger Arbeiter, die im Hochgebirge jener Insel eine neue Autostraße bauten. Die Keas pflegten regelmäßig eine Unterkunftshütte auf- i ansuchen und sich dort füttern zu lassen, und so waren sie leicht zu fangen. Sie werden in ihrer Heimat meist erbittert verfolgt, weil man ihnen nachsagt, sie fräßen den Schafen bei lebendigem Leib die Nieren heraus und richteten auf diese Weise großen Schaden an. Ich habe mit unseren Keas ausgiebige Versuche angestellt, um diese Frage zu klären. Ihr Schnabel ist nicht stark genug, um ein kräftiges gesundes Schaf massakrieren zu können. Stellte ich ihnen Schafsniere zur Verfügung, fraßen sie mit Vorliebe das umgebende Fett, nicht aber die Nieren selbst. Ihre Lebensweise zeigte uns "M dann die wahrscheinliche Lösung des Kea-Rätsels. Es sind Däm- ' merungsvögel, die vormittags schlafen, gegen Abend sehr beweglich Werden und besonders in hellen Nächten recht lebhaft sind. Sie fliegen des Nachts viel umher und schreien anhaltend. Da ist es wohl möglich, daß sie dabei freiweidende Schafe derart erschrecken, daß die Wiederkäuer kopflos davonrasen und sich in den Felsen zu Tode stürzen. Die Keas werden alle auf diese Weise oder auf andere Art verunglückten Schafe aufsuchen und nun in aller Ruhe das Fett j aus der Nierengegend der leblosen Tiere herausarbeiten. Das ist zwar eine für einen Papagei etwas ungewöhnliche Nahrung, aber ähnliches gibt es auch bei anderen Vögeln. Der Angola-Seeadler, ein Raubvogel, frißt mit besonderer Vorliebe die Früchte der Öl- ] palme, ernährt sich also mitunter vegetarisch, und der Wespen- I 6
bussard verzehrt bei uns vor allem die Larven der Wespen und Hummeln, in der afrikanischen Winterherberge dagegen auchFrüchte. Die Erfolge unserer Zoologischen Gärten in der Vogelhaltung waren bedeutend; in einer Beziehung aber waren uns die Engländer weit überlegen, und zwar in der Haltung der herrlich schönen Paradiesvögel. Einige dieser Märchenvögel lebten zwar stets auch in Berlin und Frankfurt, in London konnte man aber oft ein ganzes Dutzend verschiedener Arten isehen. Sie bewohnten hier nieht allein Käfige, einigen wurde sogar ein schön eingerichtetes Gewächshaus zur Verfügung gestellt. Der Grund für diesen britischen Vorsprung in der Tierpflege war allerdings ein — politischer. Fast alle Paradiesvogelarten kommen nur auf Neuguinea vor. Die eine Hälfte dieser Insel ist holländischer, die andere australischer Besitz. Die Holländer schützen die Paradiesvögel durch strenge Gesetze und untersagen jeden Fang und jede Ausfuhr. Die Australier dagegen ließen einige wenige fangen und exportieren. Das geschah vorwiegend durch einen Herrn Frost, einen Engländer, durch den die Vögel an den Londoner Zoo weitergeleitet wurden. Wir erhielten lediglich den Überschuß und das, was gelegentlich einmal geschmuggelt wurde. Paradiesvögel sind nicht besonders schwer zu halten. Wir brachten sie regelmäßig über einige Jahre hinweg. Sie zeigten oft ihre herrliche Balz, die bei jeder Form anders geartet ist und bei der die Vögel ihre farbenprächtigen Schmuckfedern präsentieren, indem sie die eigenartigsten Stellungen einnehmen, oft mit dem Kopf nach unten hängend oder förmliche Saltos um die Sitzstange schlagend. Sie waren im Handel nie billig, die größeren Arten kosteten 800 bis 1000 Mark das Stück. In jedem Vogelhaus pflegt ein Vogelhaus, eine Voliere, von einem Schwärm afrikanischer Webervögel bevölkert zu sein, die einzeln oder kolonieweise aus Gras oder Palmblattstreifen wunderschön geflochtene Nester bauen und die flaschenförmigen Geniste zum Schutz vor Raubtieren an Zweige aufhängen. Es sind die buntgefärbten Männchen, die «ich dieser Arbeit mit Eifer und Ausdauer hingeben. Wir stellten ihnen als Material hierzu Kokosfasern und Grashalme zur Verfügung. Unter lautem Gesang waren sie den ganzen Tag ununterbrochen tätig und machten nur kurze Futterpausen. Leider blieb es meist beim Nestbauen, zur Brut und Jungenaufzucht kamen die Vögel nur ausnahmsweise. Dazu ist das Durcheinander in der Voliere zu groß. Die ebenso bunten, kleinen tropischen Prachtfinken züchteten dagegen sehr eifrig. Da gab es immer wieder das schöne Bild zu sehen: tolpatschige, eben flügge Jung-
vögel, denen die Alten eifrig Futter herbeitrugen. Diese Prachtfinken tragen während des ganzen Jahres das schöne Hochzeitskleid. Die Webermännchen dagegen verlieren es nach der Brutzeit, sie bekommen dann das unscheinbare Gefieder der Weibchen. Die afrikanischen Glanzstare und die amerikanischen Trupiale werden ebenfalls regelmäßig in Volieren gehalten. Sie sind weit bunter und auffälliger als unsere einheimischen Stare. Bei ihnen ist es eigentlich meist ein Unglück, wenn sich ein Paar im Trupp zusammenfindet und brutlustig wird. Denn es wird dann zänkisch und verfolgt gemeinsam die anderen Räfiggefährten, die häufig der doppelten Attacke nicht gewachsen sind. Leider wird der Wärter gewöhnlich erst dann auf diese Entwicklung aufmerksam, wenn das neue Paar einige andere Vögel verletzt oder gar zur Strecke gebracht hat. Häufig bekommt man nun erst nach längerer Beobachtung heraus, wer die Verbrecher sind, und kann sie herausfangen. Im Inneren des Berliner Vogelhauses hatte Professor Heck eine Reihe sehr hübscher Glaskäfige einrichten lassen, in denen neben den schon erwähnten Kolibris besonders bunte Formen wie Schnurrvögel, Tangaren, Nektarinien und Zuckervögel zu sehen waren. Sie bekamen kein direktes Sonnenlicht und wurden durch Rückstrahlung an herabhängenden Tüchern beleuchtet. Der Mangel an ultravioletten Strahlen schädigte die Insassen keineswegs. Viele brüteten sogar, wie die Orangebrust-Tangaren und die Türkisvögel. Wir ließen sie gelegentlich von der Vitalux-Lampe bescheinen, in deren Licht sie sich dann sonnten, das Gefieder sträubten, die Flügel streckten, als säßen sie unter offenem Himmel. Den natürlichen Regen ersetzten wir bei allen Käfigvögeln, indem wir sie mit einer Blumenspritze und lauwarmem Wasser abbrausten. Außerdem hatten sie in ihren Wassernäpfen ausreichend Badegelegenheit. Die Kolibris hatten hierbei eine eigene Technik. Wenn ihr Käfig gesprengt wurde, sammelte sich stets Wasser auf den großen Blättern der zahlreichen Topfpflanzen, die ihren Raum schmückten. In diesen Wasseransammlungen badeten die Vogelzwerge! Wie schon erwähnt, hatten wir häufig Bruterfolge in den Vogelhäusern zu verzeichnen. In einem Käfig hielten wir drei der starengroßen Zwergohreulen aus dem Mittelmeergebiet. Sie hatten ein kleines Sdilafkästchen zur Verfügung; eines Tages waren nur noch zwei der zierlichen Eulchen zu sehen, das dritte weigerte sich standhaft, den Kasten zu verlassen. Als es doch einmal zum Fressen herauskam, stellten wir Eier in der Höhle fest. Nun ließen wir die Tiere ungestört, bis schließlich ein gerade flügges Vogelkind erschien und als vierter Insasse den Käfig bevölkerte. 8
Zwergnashornvoge] Behaglidies Ausruhen, .
. .Beute in Sicht
Besonders interessant war die Brut des Rotschnabeltokos, eines kleinen afrikanischen Nashornvogels. Das Weibchen mauerte sich selbst in die Nisthöhle ein, indem es den Eingang mit Lehm bis auf einen schmalen Spalt verengte. Dann saß es in der freiwilligen Klausur und brütete, wobei es vom Männchen durch die enge Öffnung hindurch gefüttert wurde. Auch als das Kind ausgeschlüpft war, blieb das Weibchen im Kasten; das Männchen trug für die Familie die Nahrung herbei. Erst als der Jungvogel eine < gewisse Größe erreicht hatte, öffnete das Weibchen den Eingang und half dem Männchen bei der Aufzucht des Kindes. Neben den kleinen Tokos hielten wir in Berlin und Frankfurt auch die großen Nashornvogel-Arten, wie den eigentlichen Nashorn- ; vogel, den Doppelhornvogel und den Jahrvogel. Ihre Schnäbel wirken durch die Aufsätze auf dem Oberteil phantastisch groß. Wenn man aber den Vogel in die Hand nimmt, ist man erstaunt, wie leicht der Schnabel und der pompöse Aufbau sind: sie bestehen nämlich nicht aus massivem Knochen, sondern eine dünne Knochenschicht bedeckt ein poröses Gebälk mit zahlreichen lufterfüllten Hohlräumen. Der Aufsatz ändert den Gesichtsausdruck des Vogels völlig und spielt gewiß eine gewichtige Rolle bei den Beziehungen der Artgenossen untereinander — sie finden das sicherlich schön. Erstaunlich hoch ist das Lebensalter, das viele Vögel im Zoologischen Garten erreichen. Ein westafrikanischer Purpurglanzstar, lebte in Berlin über 33 Jahre; er erblindete als Greis völlig, aber 'l er bewegte sich trotzdem so geschickt in seinem altgewohnten Käfig, daß man ihm sein Leiden nicht ansah. Mehrere Drosseln, die der bekannte Tierphotograph G. F. C. Schultz aus Brasilien mitbrachte, hielten zehn bis zwölf, ein Blaustirnsittich einunddreißig, ein australischer Kranich gar sechsundvierzig Jahre aus. Das sind Rekordzaihlen! Der Leser wird enttäuscht sein, daß sie nicht höher sind, und an die Berichte von hundertjährigen Papageien denken. Wohl kaum ein Warmblüter erreicht ein Alter von hundert Jahren, seihst große Arten wie der Elefant als Säugetier oder der Strauß oder die Adler als Vögel leben nicht so lange. Kleinvögel sterben weit früher, Kleinsäuger wie etwa die Spitzmäuse überdauern wohl wenig mehr als ein Jahr. Was die Vögel betrifft, werden unsere Zahlen allerdings dadurch herabgesetzt, daß Vogelfänger und Händler lieber die ausgefärbten erwachsenen Vögel in den Handel bringen, weil sie ältere Tiere besser absetzen können, als die oft unscheinbar gefärbten Jungvögel, so daß in erster Linie Altvögel in den Handel kommen. Das ist vor allem bei den Arten der Fall, die schwierig zu halten sind. Da kauft man lieber die bunten, mit10
Aus Mexiko stammt der prachtvolle Königsgeier
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unter schon betagten Vögel, als die unscheinbaren Aschenputtel, bei denen es fraglich ist, ob sie lange genug ausdauern werden, um das Prachtkleid anzulegen. Wenn also durch den Blätterwald der Zeitungen die Nachricht von einem Papagei rauscht, der alt sein soll wie Methusalem, weil er eine ausgestorbene, heute unverständliche Sprache spricht, tut man gut, diese Kunde mit Vorsicht aufzunehmen. Wie schon erwähnt, kenne ich selbst einen Graupapagei, der in seinem Wortschatz Ausdrücke hatte, die mir fremd waren — kein Wunder, denn ich beherrsche keinen afrikanischen Negerdialekt! Und wenn einmal von einem Zoopapagei ein unerhört hohes Alter berichtet wird, liegt wohl auch hier ein Irrtum durch Verwechslung sehr nahe. Wenn ein neuer Wärter das Vogelhaus übernimmt, weiß er zwar, daß sich unter seinen Papageien auch sehr alte Tiere befinden, aber er vergißt leicht, welche von seinen Pfleglingen das sind. Segnet einer von ihnen aber das Zeitliche, so bucht man ungern den berühmten steinalten Vogel ab, sondern läßt lieber den Senior auf äem Papier weiterleben und einen der jüngeren sterben. Ganz allgemein läßt sich sagen, daß die größeren Vertreter einer Tiergruppe, etwa ein Raubvogel, länger leben, als die kleineren I Arten. Natürlich spielt dabei die Eignung der betreffenden Form für die Gefangenschaft eine wesentliche Rolle. Es bereitet zum Beispiel im Zoo große Schwierigkeiten, einen Habicht längere Zeit am Leben zu erhalten, während der bekannte Tiermaler und Falkner Renz Waller seinen Beizhabicht Medusa über zwanzig Jahre besaß. Das liegt einfach daran, daß diese Art nicht geschaffen ist, ' • in einem engen Käfig zu hausen. Sie zerstößt sich bei ihrem Temperament das Gefieder zu stark. Man kann Habichte aber auch nicht in einem großen Gesellschaftskäfig setzen, weil sie ihre Käfig- I genossen zu schlecht behandeln. Ein einzelner Habicht hat aber im Zoo wiederum nicht genügend Schauwert, um ihn allein eine große Voliere bewohnen zu lassen. Da sind uns die großen Geierarten wie Kuttengeier, Gänsegeier, oder die südamerikanischen Raben- und Truthahngeier viel lieber. Sie vertragen sich untereinander gut und sind als Aasfresser billig im Futter. Sie bewegen sich recht geschickt auf dem Boden, denn sie haben keine dolchscharfen Krallen zum Rauben wie die Adler, sondern stumpfe Waffen, mit denen sie gut umherspazieren können. Sie sind ideale Zootiere, zumal sie auch leicht züchten. Gänsegeier beispielsweise brüten in der Freiheit in Kolonien, und man kann deshalb ein brutlustig werdendes Paar ruhig im Flugkäfig bei den Artgenossen lassen. Es läßt sich nicht von ihnen stören, sondern baut 12
seinen Reisighorst in einer Ecke und zieht in ihm ein Junges groß. Den größten Raubvogel der Erde, den Kondor, bei dem das Männchen etwa drei Meter Flügelspanne hat, setzt man am besten paarweise in einen gesonderten Käfig. Ich kam einmal dazu, wie ein Ehepaar aus der Provinz Sachsen das Kondorpaar in seiner Voliere betrachtete. Die Vögel ließen sich nicht stören, sondern saßen bewegungslos da und verdauten. Da nahm der menschliche Ehemann den neuen Regenschirm seiner Ffau, um die Tiere mit einem energischen Stoß durchs Gitter aus ihrem Nichtstun aufzuschrecken. Der Versuch gelang zu gut: der Kondorhahn ergriff blitzschnell die feindliche Waffe mit dem Schnabel, entriß sie der Hand und begann ruhig und gelassen, die Seide des Schirms in Streifen herunterzureißen und zu verschlingen. Die Ausführungen, welche die entrüstete Dame daraufhin an ihr Ehegespons richtete, waren zwar sehr treffend, leider aber auch nicht sehr freundlich. Neben den Geiern im großen Gesellschaftskäfig zeigten wir stets verschiedene Adler in Einzelgelassen. Besonders interessant waren die riesig großen Harpyien aus Südamerika mit ihren Eulengesichtern, gewaltige Räuber, die mit Vorliebe Affen fressen und geradezu ungeheuerliche Fänge haben, und die Kronadler aus Afrika mit schönem, buntem Gefieder und einem Schopf am Hinterkopf. Sie verzehren ebenfalls unsere vierhändigen Verwandten gern. Wir gaben ihnen außer Pferdefleisch häufig frischtote Katzen. Wenn sieh einmal eine lebendige Mieze durch das weitmaschige Drahtgeflecht in den Adlerkäfig verirrte, war ihr nicht mehr zu helfen — die scharfen Krallen des Räubers machten ihr blitzschnell den Garaus. Ich habe einmal eine solche Attacke miterlebt. Das Drama dauerte 23 Sekunden von dem Augenblick an, in dem die Katze sich durch das Gitter schlich, bis zu ihrer letzten Zuckung. Schneller konnte sie auch nicht vom Tierarzt getötet werden! Den extremen Gegensatz zu diesen Riesenraubvögeln stellen die abessinischen Zwergfalken dar, die Professor Heck aus Afrika mitbrachte. Die Kerlchen sind nur starengroß; sie hielten lange Jahre in einem geräumigen Bauer aus. Ein Weibchen legte sogar mehrfach Eier. Wir fütterten sie mit Mäusen und Sperlingen und gaben ihnen dazu Küchenschaben, die als lästiges Ungeziefer im Vogelhaus lebten und von den Zwergfalken mit Wonne gefressen wurden. Einen besonders eigenartigen Raubvogel möchte ich nicht zu erwähnen vergessen, den Sekretär aus den afrikanischen Steppen, der fast die Figur des Storches hat. Kopf und Schnabel zeigen allerdings sofort seine Verwandtschaft auf. Er lebt vorwiegend von Schlangen und bewältigt auch sehr giftige Arten. Ich habe versucht 13
festzustellen, wie er das schafft, indem ich ihm — allerdings ungiftige — Ringelnattern lebend in den Käfig setzte. — Der hochbeinige Vogel näherte sich mit angehobenen Flügeln sehr vorsichtig dem Reptil, immer zu schnellem Rückzug bereit, schlug dann sehr plötzlich und kraftvoll mit einem Fuß auf den Schlangenkopf und sprang sofort mehrere Meter zurück. Dieser erste Hieb traf immer genau den Kopf des Opfers und machte es bereits wehrlos und bewegungsunfähig. Weitere Angriffe folgten. Wenn der Kopf der Schlange völlig zertrümmert war, ließ der Vogel einen wahren Trittwirbel auf ihren Körper niedergehen und wiederholte das so lange, bis seine Beute keine Zuckung mehr erkennen ließ. Schließlich biß er ihr mehrfach in den Kopf, ergriff und verschlang sie. Man hatte bei dem ganzen Geschehen das Gefühl, daß der Vogel in der Freiheit der Schlange sehr weit überlegen ist und ihre Giftzähne nicht zu fürchten hat. Unser Sekretär hat sich später derart an die Tiergartennahrung gewöhnt, daß er nur noch Fleisch, Mäuse und ähnliches fraß, Schlagen aber verschmähte; dennoch tötete er jede, die er zu fassen bekam. Die Eulen sind im Zoo meist neben den Raubvögeln untergebracht. Die größte Art, der Uhu, brütet eigentlich am leichtesten. Ein Frankfurter Paar zog mehrfach Junge groß. In Berlin lebte ein einsames Weibchen, das einige Male auf dem Käfigboden eine Nestmulde scharrte, Eier hineinlegte und in dieser Mulde mit Ausdauer auf den unbefruchteten Eiern brütete. Vom Berliner Zoo sind öfter finnische Uhus ausgesetzt worden, um den König der Nacht in geeigneten Waldungen wieder heimisch zu machen, nachdem er mit Flinte und Eisen ausgerottet worden war. Leider war diesen Versuchen kein Erfolg beschieden. Einer der in Pommern freigelassenen Uhus machte sich sogar sehr mißliebig, denn er schlug dort die sorgfältig gehüteten und ebenso seltenen Fischadler. Unsere häufigste Eule, der Waldkauz, ist meist in einer ganzen Reihe von Individuen vertreten. Wenn die jungen Käuze im Juni flügge werden, landen sie oft beim ersten Start aus der schützenden Baumhö'hle, in der sie aus dem Ei krochen, auf dem Boden, werden dort von wohlmeinenden Passanten aufgelesen und uns überbracht. Ähnlich ergeht es vielen Bussarden, Turmfalken und manch anderen Gefiederten. Wir bekommen sie in jedem Sommer in derartigen Mengen, daß wir uns vor Jungvögeln nicht mehr retten können. Man soll all diese Tiere möglichst an Ort und Stelle sitzen lassen, denn ihre Eltern füttern sie auch auf dem Boden weiter, bis sie stark genug sind, sich mit eigener Kraft nach oben zu schwingen. Die größten Vögel, die afrikanischen Strauße, bewohnen meist 14
Schleiereule — ein fleißiger Mäusevertilger
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ein eigenes Haus. Wunderbar ist die Balz der Hähne. Sie lassen sich dabei auf die Fersen nieder und vollführen mit Hals und Flügeln schaukelnde Bewegungen. Hierbei wehen die weißen Schmuckfedern hin und her; so werben sie um die Zuneigung der Weibchen, die oft recht fleißig legen; jedes Ihrer Eier wog etwa drei Pfund! Auf den Tierkinderschauen ließen wir manchmal halbwüchsige Jungstrauße frei umherlaufen. Sie wurden aber dadurch lästig, daß sie mit ihrem langen Hals über den Absperrzaum der Gaststätte hinweglangten, die auf den Tischen stehenden Milchkännchen ergriffen und sie verschluckten. Geschadet hat es ihnen allerdings nichts, denn ihr Magen verträgt allerhand! Neben den Straußen waren auch immer die anderen flugunfähigen Vogelriesen zu sehen, die Kasuare aus Neu-Guinea, die Emus aus Australien und die Nandus aus Südamerika. Die Emus legten schöne schwarze, die Kasuare leuchtend grüne Eier. Die australischen Emus haben des öfteren gebrütet und Junge groß gezogen; dieser Aufgabe unterzieht sich — das Männchen. Das Weibchen legt nur die Eier und kümmert sich nicht weiter um ihre Kinder. Alle diese Vögel haben laute, dumpf dröhnende Stimmen. Wenn unser Augsburger Nanduhahn ruft, schallt es durch den ganzen Tiergarten. Die Besucher raten wohl immer vergeblich, wer der bauchrednerische Musikant ist. Die afrikanischen Strauße können übrigens in der Brunft recht gefährlich werden und mit einem Hieb des muskulösen Beins den Wärter schwer verletzen. Greift man einen Dandu, der weit kleiner und schwächer ist, so überraschen auch an ihm die rasend schnellen und kräftigen Tritte, die er auszuteilen vermag. Die Kasuare sind im Gegensatz zu ihren Verwandten Einzelgänger. Man muß jedem von ihnen ein besonderes Gelaß geben. Dem Wärter gegenüber werden sie fast immer bösartig, wenn sie voll erwachsen sind. In der Freiheit besetzt jeder von ihnen ein besonderes Bevier dm Urwald und vertreibt daraus alle Artgenossen. Bei unseren Zoovögeln handelt es sich stets um solche, die als Jungtiere in Gefangenschaft kamen und in der Obhut des Menschen groß wurden. Sie betrachteten ihn zuerst als Elterntier, später aber als Artgenossen, den sie nun aus ihrem Zuhause vertreiben wollen. Bei dem Kasuar sind die Weibchen weit farbenprächtiger gefärbt als die Männchen, und sie überlassen den Männchen auch die Jungenaufzucht.
* Teiche gehören zu jedem Zoo, und sie müssen von möglichst vielgestaltigen, bunten Vögeln bewohnt sein — so wollen es die Besucher. Am Eingang des Frankfurter und des Kölner Zoo begrüßten 16
Flamingo auf seinem Nest
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uns seit vielen Jahren als erste Tiere die Flamingos. Sie standen auf grünem Rasen, kleine Becken gaben ihnen das nötige Naß. Flamingos bieten dem Tiergärtner ein Problem: in der Freiheit sind sie je nach Art rosa bis dunkelrot gefärbt, im Tiergarten bleichen sie sehr stark oder völlig aus. Man hat die verschiedensten Mittel versucht, ihnen ihr schönes Aussehen zu erhalten — alles war umsonst. Schließlich lernte man, daß die roten und gelben Farbstoffe vieler Vögel gar nicht von ihnen seibist gebildet werden, sondern von ihnen mit der Nahrung aufgenommen und bei der alljährlichen Mauser in den neu wachsenden Federn abgelagert werden. Und so stammt auch das Rot der Flamingos gar nicht aus ihnen selbst, sondern aus kleinen Krebstierchen, die in großer Anzahl in Salzund Brackwasserseen leben und von den dort hausenden Flamingos gefressen werden. Die in unsern Teichen häufigen Wasserflöhe scheinen einen ähnlichen Farbstoff zu enthalten, denn sie kommen manchmal in solchen Massen vor, daß sie im flachen Wasser am Ufer einen dunkelroten Streifen bilden. Halten wir Flamingos in solchen Teichen, in denen es viel Wasiserflölhe gibt, so tritt denn auch der Erfolg ein: die Vögel werden nach der nächsten Mauser viel farbiger. Der Flamingo ist übrigens der einzige Vogel, der beim Schnattern an der Wasseroberfläche den Schnabel nicht durch Senken des Unterkiefers, sondern durch Heben des Oberkiefers öffnet. Er hält hierbei den Kopf anders als die übrigen Vögel, nämlich mit der Stirn nach unten, so daß der Oberschnabel unten und der Unterschnabel oben ist. Lange war nichts über das Brutgeschäft der Flamingos bekannt. Im Berliner Zoo haben wir es erreicht, daß die Langbeine legten und brüteten. Männchen und Weibchen lösten sich hierbei ab. Leider waren die Eier stets unbefruchtet. Flamingos haben Schwimmhäute zwischen den Zehen und können wie die Enten auf dem Wasser umherrudern. Das tun sie besonders gern, wenn es recht kalt ist. Dann hat das Wasser eine höhere Temperatur als die Luft, und die Flamingos wärmen sich ihre Beine auf, indem sie umherschwimmen. Das artenreiche Volk der Schwäne, Gänse und Enten bewohnt meist die gleichen Teiche wie die Flamingos. Sobald die Schwäne brutlustig werden, hat man seine liebe Not mit ihnen. Dann terrorisiert der Schwanenmann den ganzen Teich; man kann keinen Gattungsgenossen in seiner Nähe lassen, sonst gibt es Mord und Totschlag. Darum lassen sich im Tierpark nur soviel Schwanenpaare halten, wie es Teiche gibt. In Augsburg lebte ein männlicher Singschwan, der früher lange Jahre in einem andern Zoo einsam in einem kleinen Gehege verbracht hat. Wir setzten ihn auf einen größeren 18
1 eich, auf dem verschiedene Gänse hausten. In Ermangelung einer Singschwanfrau verfolgte er nun die Gänse mit seinen Anträgen und wurde dabei derart rabiat, daß wir ihn isolieren mußten. Die Menschen haßte er besonders und griff sie an, wo er nur konnte. Eigenartig ist die Haltung, die er kurz vor der Attacke zeigt: Er tritt mit den Füßen Wasser, daß es nur so spritzt, und steckt dann Kopf und Hals unter die Oberfläche. Danach geht er schreiend und mit den Flügeln schmerzhaft schlagend zum Angriff über. Das Kopfeintauchen vor dem Kampf erscheint uns sehr unpraktisch, denn der Vogel kann den Gegner minutenlang gar nicht sehen, aber das gehört nun einmal zum „Komment" der Singschwianmänner. Unser Höckerschwanmann war im Gegensatz zu diesem Singschwan meist verträglich; einen Sommer lang teilte er seinen Teich mit zwei Frauen. Er war mit beiden verheiratet. Besonders wilde Streiter sind die Schwarzen Schwäne aus Australien. Obwobl sie kleiner als» unsere einheimischen Arten sind, erweisen sie sich als wesentlich unverträglicher. Wenn sie frisch importiert sind, versuchen sie zunächst, im Winter zu brüten, wenn es in ihrer Heimat Sommer ist. Das mißlingt ihnen natürlich; sie stellen sich dann aber bald auf unsere Zeiten um. Mit der Zucht unserer einheimischen Wildgänse hat man viele Schwierigkeiten. In der Freiheit schließen sich die Paare für das ganze Leben zusammen. Beim Fang werden die Ehepaare meist auseinandergerissen; die so getrennten Ehegatten verheiraten sich nur sehr selten zum zweitenmal, scheiden also praktisch aus dem Brutgeschäft aus. Darum ist es das beste, jung aufgezogene Wildgänse zu beschaffen. Wenn sie brutlustig werden, kann es glücken, einen gut züchtenden Stamm zu bekommen. Noch schwerer ist die Zucht bei den Meeresgänsen wie Ringelgans, Weißwangengans oder Nonnengans. Man kann sehr lange warten, bis sich endlich einmal ein Brutpaar im Schwärm zusammenfindet. Fängt es aber zu nisten an, scheint das auf die andern geradezu ansteckend zu wirken. So brüteten in Berlin in einem Jahr plötzlich drei Paar Weißwangengänse, obwohl lange Jahre überhaupt kein Brutversuch gemacht worden war. Die zwischen den Gänsen und den Enten stehenden schwarzweiß-roten Brandgänse unserer Meeresküsten machen dagegen gar keine Umstände, ebenso die verschiedenen Kasarka-Arten. Die Brandgämse wurden in Berlin freifliegend gehalten. Die zuerst beschafften waren wohl amputiert, der Nachwuchs aber wurde im Besitz der Flugfähigkeit belassen. Sie besuchten die andern Berliner Parks und Anlagen, einige wanderten natürlich auch ab. Die Vogel19
kundigen meldeten daher als Besonderheit ein gelegentliches Auftreten von Brandgänsen im Binnenland; das dürften meist Ausreißer aus dem Zoo gewesen sein. Durch solche Freiflieger kommen überhaupt die merkwürdigsten Beobachtungen zustande. Ein australischer schwarzer Schwan zum Beispiel wurde bei Rügen auf der Ostsee festgestellt. Und die Ursache? Wir hatten dem Frankfurter Gartenamt einmal ein Paar Schwäne geliehen, das sechs Junge auf dem dortigen HohenzollernWeiher großzog. Man versäumte, ihnen die Schwingen zu kürzen. Das erfuhren wir leider erst, als der Nachwuchs schon ausgewachsen war: Wir kamen gerade noch rechtzeitig dorthin, um die schönen und teuren Vögel — das Stück zu 200 Mark! — sich erheben und hoch durch die Lüfte enteilen zu sehen. Gänsebrutpaare sind meist verträglich. Nur manche Arten wie die australische Hühnergans, die Kasarkas und die Nilgans sind Ausnahmen; sie können rechte Teufel sein, zumal sie sehr gut zu Fuß sind und die Teichgefährten darum um so besser verfolgen können. Gänse sind im allgemeinen sehr gute Eltern und betreuen ihre Kinder rührend. Es gibt kein hübscheres Bild, als solch ein Vogelpaar mit seinen Kindern. Wäh rend also bei Gänsen und Schwänen Männchen und Weibchen langfristig verheiratet sind und die Brut zusammen großziehen, machen es sich die Entenmänner leichter. So ein Erpel hält sich nur solange zu seinem Ehegespons, bis es fest auf dem Gelege sitzt. Ist es soweit, so führt er ein vergnügte« Strohwitwer-Leben. Doch gibt es hier auch Ausnahmen: Ich kannte einen Erpel der chilenischen Pfeifente, der sich wieder zu seiner Ehefrau schlug, wenn die Jungen geschlüpft waren, und sich an deren Führung beteiligte. Aber auch in anderer Beziehung verhalten sich Gänse und Enten sehr verschieden. Junge Gänse folgen den Eltern auf Schritt und Tritt; brütet man sie künstlich aus, schließen sie sich demjenigen an, der sie in ihren ersten Lebenstagen betreut, und sie sind untröstlich, wenn sie nicht bei ihm bleiben können. Bei den Enten dagegen halten die Jungen einer Brut zusammen, es stört sie kaum, wenn die Alte nicht bei ihnen ist, wenn nur die Geschwister vereint bleiben. Das Entengewimmel auf einem Zooteich ist für den Laien stet« recht verwirrend. Es gibt ja allein mehr als ein Dutzend einheimischer Arten, dazu kommen zahllose Ausländer. Besonderes Interesse finden stets die nordamerikanischen Braut-Enten und die ostasiatischen Mandarin-Enten, nicht allein deswegen, weil die Männchen besonders hübsch gefärbt sind, sondern weil beide Arten 20
Auf der Stelzvogelwiese
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bei uns schon öfter in Parks eingebürgert wurden. Sie brüten m Baumhöihlen. Sobald die Kleinen idem Ei entschlüpft sind, krabbeln sie aus der Höhle und wagen den Sprung von oben herab auf den Erdboden. Der Aufprall tut den winzigen Dunenbällchen nichts. Sobald alle unten gelandet sind, folgen sie der Mutter zum Wasser. Beide Arten bäumen auch gern hoch oben im Gezweig auf. Es ist ein für uns ungewobntes Bild, solch ein Entlein im Geäst spazieren gehen zu sehen. Die tropischen Baumenten können das noch besser; sie haben vor allem nicht den rasend schnellen Flug der anderen Arten, sondern besitzen breitere Flügel, fliegen auch langsamer und können so sehr geschickt durch die Baumkronen schwenken. Eine Baumentenart, die Herbst-Ente aus Mittelamerika, wurde ebenfalls freifliegend im Berliner Zoo gehalten. Sie hat eine hübsche pfeifende Stimme. Wenn man abends über den von zahllosen Lichtern schimmernden Asphalt des Kurfürstendamms ging, tönten die Rufe der Herbistenten durch das Getümmel des Verkehrs herab — sie kreisten dann über dem Häusermeer der Großstadt. Eine recht lästige Begleiterscheinung auf unseren Zooteichen sind die großen Mengen ihalbzahmer einheimischer Stockenten, die von den für unsere Enten gefüllten Futtertrögen magnetisch angezogen werden unid sich vom Herbist bis zum Frühjahr auf unsere Kosten durchfressen. Da sie hübsche bunte Vögel sind, wäre das aber noch erträglich, wenn nicht immer die Gefahr bestände, daß sie Krankheiten und Parasiten einschleppen. Darum sieht man diese Gäste mit recht gemischten Gefühlen. In den letzten Jahren sind nun unter den "rund dreihundert im Münchner Tierpark überwinternden freien Stockenten zwei Farbabänderungen aufgetreten: mehreren Erpeln fehlte der braune Kropffleck, während ein weiterer eine rotbraun überflogene Unterseite besaß. Unter den vielen zehntausenden wilder Stockenten, die ich bisher in Freiheit gesehen habe, fand sich dagegen nur einmal ein abnorm gelbbraun gefärbtes Weibchen. Zum Ententeich gehört die Stelzvogelwiese mit ihren Störchen und Kranichen. Kraniche aller Art werden gern von wohlhabenden Privatliebhabern gehalten; die Nachfrage nach ihnen ist groß, und sie erzielen deshalb besonders hohe Preise. Unser einheimischer Kranich war noch relativ billig, ein flügger Jungvogel kostete nur etwa 60 Mark. Die ausländischen Arten ihingegen waren weit teurer; seltenere Formen wie der Mandschureiikranich kosteten mindestens 1000 Mark das Paar; Raritäten wie der Südafrikanische Klunkerkranich waren fast (unerschwinglich. Leider züchten Kraniche nur sehr schwer in Gefangenschaft, denn
sie leben wie die Gänse in Lebensehe. Beim Fang oder im Tierhandel geraten die Paare auseinander, und die getrennten Partner sind fast nie zu einer neuen Ehe zu bewegen. Der einzige deutsche Vogelliebhaber, der große Erfolge auf dem Gebiet der Kranichzucht hat, ist Lorenz Hagenbeck, der Senior des bekannten Hauses Hagenbeck. Ich habe bei ihm Mandschuren- und Weißnackenkraniche gesehen, die Junge führten — ein herrliches Bild. Die Aufzucht der Kleinen ist nicht leicht. Die Alten füttern sie zunächst mit Insekten von Fliegengröße, die sie mit dem Schnabel fangen und ihnen vorhalten. Wir erhielten einmal mit viel Mühe ein „garantiertes P a a r " der schönen südafrikanischen Paradieskraniche, aber die beiden legten vier Eier und zeigten damit, daß sie zwei Weibchen waren, denn Kraniche haben nur ein bis zwei Eier im Gelege. Die weithin schallenden Rufe der Kraniche werden manchem Zoohesucher in Erinnerung sein; vor allem morgens schreien und tanzen die Kraniche gern. Dabei umspringt sich das Paar, mit eigenartigen Verbeugungen, heftig Flügel schlagend und laute Töne herausschmetternd. Schließlich rufen sie gemeinsam, ihre Stimmen gehen dabei so ineinander über, daß man meinen könnte, es sei e i n Vogel. Die Lautstärke wird dadurch bewirkt, daß die Luftröhre des alten Kranichs stark verlängert und in Schlingen in den Kamm des Brustbeins, den wir vom Gänsebraten her gut kennen, eingelagert is.t. Die ganze Brust des Vogels dient so als Resonanzboden und Verstärker. Die südamerikanischen Trompetenvögel, die nahe mit den Kranichen verwandt sind, besitzen ebenfalls solche Schlingen der Luftröhre; sie tragen eine merkwürdig kollernde und brummende Rufreihe vor. Sie wird mit Verbeugungen und Flügelzucken eingeleitet, dann beginnt die bauchrednerisch tönende Strophe. Man kann die Vögel in Trupps halten; wenn mehrere gemeinsam kollern, klingt es geradezu gespenstisch. Manchmal läßt man auf der Stelzvogelwiese auch Reiher laufen, denen man die Flugfähigkeit genommen hat. Sie brüten recht gern. Solche Reiherhorste im Zoo, in einer Voliere oder auf der Wiese wirken sehr anziehend auf die wilden Artgenossen. Sie versuchen, sich auf den Bäumen der Umgebung niederzulassen und dort zu nisten. In den Zoos von Amsterdam und Stockholm gibt es frei brütende wilde Reiherkolonien, auch in Köln und Frankfurt standen einige Reiherihorste auf hohen Bäumen; da ihre Insassen aber die Besucher mit ihrem Kot belästigen, konnte man sie dort nicht lange dulden. Ich wollte vor dem Krieg versuchen, wilde Reiher wieder im Frankfurter Zoo heinursch zu machen. Ich ließ daher die Jungen unserer amputierten Reiherpaare auf der Stelzvogelwiese 23
im Besitz ihrer Flugkraft. Als sie selbständig waren, verließen sie uns, kehrten aber in kürzeren und längeren Abständen immer wieder zurück und taten das noch im Jahre 1946! Eine Reiherkolonie im Flugkäfig ist ein äußerst interessantes Studienobjekt: Fisch-, Silber-, Seiden- und Nachtreiher, Ibisse und Sichler bauen ungeniert ihre Reisignester, legen, brüten und ziehen die Jungen groß. Stellt man ihnen nur niedere Bäume zur Verfügung, so daß sie nicht hoch oben bauen können, so kann sich der Besucher das ganze Familienleben aus nächster Nähe anschauen. In Berlin war die Produktion an Jungreihern derart groß, daß wir im Herbst immer eine Reihe herausfangen und verkaufen mußten — sonst wäre die Voliere zu eng geworden. Schließlich sanken die Preise vor allem für Nachtreiher dank ihrer Fruchtbarkeit derart, daß sich der Verkauf nicht mehr lohnte. Deshalb ließen wir die überzähligen einfach fliegen. Das war keine Verfälschung unserer Heimattierwelt, denn Nachtreiher waren früher in Deutschland weit verbreitet; wir beringten die Vögel und konnten feststellen, daß sie sich rasch über ein großes Gebiet verteilten. Der Krieg hat leider weitere Beobachtungen verhindert. Es war für den Beschauer ein besonders schönes Bild, als in einer niedrigen, kleinen Voliere ein afrikanischer Riesenreiher mit einer amerikanischen Cocoi-Reiherin zusammen brütete und nur zwei Meter vom Publikum entfernt auf einem ein Meter hoch stehenden Nest mehrfach Mischlinge großzog. Sobald die Jungen sich zu befiedern begannen, kletterten sie aus dem Horst und krabbelten sehr zum Mißvergnügen ihres Vaters auf dem Erdboden umher. Wenn einer von ihnen stillsaß, trug der Alte schleunigst Reisig herbei und begann, um den Sprößling herum ein neues Nest zu bauen — natürlich vergeblich, denn das Junge kroch bald weiter, aber unentwegt trug der Vater das Nistmaterial hinterher. Auch Störche kann man leicht zum Brüten bringen, zumindest unsere einheimische Art. Bei den Ausländern wie dem Abdim- oder dem Maguaristorch gelang es uns leider nicht. In Berlin hielten wir auch zwei Stelzvogelarten, die durch ihren stark verbreiterten Schnabel sehr auffallen: den Schuhschnabel aus dem Quellgebiet des weißen Nils und den südamerikanischen Kahnschnabel. Der Kahnschnabel ist ein nächtlich lebender Reiher, der erst bei Einbruch der Dunkelheit lebhaft wird. Er hat mehrfach bei uns gebrütet. Der Schuhschnabel —• durch Bengt Bergs Buch berühmt als „Abu-Markub" —• war unsere wertvollste Vogelart. Wir erhielten nach langen Bemühungen ein Paar aus dem Zoologischen Garten in Kairo. Professor Heck tauschte es gegen Tiere ein, die im 24
Abu-Markub — 5000 Mark>ert 25
Berliner Zoo gezüchtet waren, nämlich gegen zwei südafrikanische Elen-Antilopen und eine Reihe ebenfalls südafrikanischer Brillenpinguine. So bekamen wir afrikanische Tiere aus einem Zoo in Afrika im Austausch gegen in Berlin geborene Afrikaner! Der Wert der Abu-Markubs betrug zusammen rund 10 000 Mark —• Friedensmark wohlgemerkt. Als ich einmal einen bekannten englischen Jäger zu ihnen führte, sagte er allerdings: „They don't look so expensive — sie sehen gar nicht so teuer aus." Wir waren aber froh, daß wir sie hatten. Die Schuhschnäbel machten uns zunächst erhebliche Schwierigkeiten; sie stammten ja aus den Papyrussümpfen im Sudan, waren das Waten im seichten, warmen Wasser gewöhnt und wollten nur Welse oder Schleien fressen. Die Haut ihrer langen Beine wurde borkig und rissig. Schließlich 'gewöhnten wir sie an Heringe, ihrem Beinübel aber schafften wir dadurch Abhilfe, daß wir ein flaches Becken mit erwärmtem Wasser und weichem Bodenbelag konstruierten, in dem sie täglich zwei bis drei Stunden stehen mußten. Diese Kur brachte schnell Linderung. Bei der Beihandlung lernten wir den Schnabel des großen Vogels respektieren, seine Ränder sind scharf wie ein Rasiermesser. Der eine Abu-Markub hat bis zum Krieg ausgehalten, dem er dann — wie so vieles — zum Opfer fiel. Häufig hielten wir auch die gänsegroßen Webervögel aus Südamerika. Sie tragen dornartige Hornsporen an den Flügelbugen und können damit schmerzhaft zuschlagen. Fischfressende Schwimmvögel wie Pelikane und Möwen pflegt man auf einem Teich zusammenzuhalten. Pelikane schreiten im Zoo nur sehr selten zur Brut, die größeren Möwenarten wie Silbermöwe und Mantelmöwe dagegen sehr leicht. Die Möwen verteidigen ihre Nester selhr tapfer gegen die weit größeren Gehege-Gefährten. Solange sie nur Eier oder ganz kleine Junge haben, geht es meist gut. Sobald die Kleinen aber anfangen herumzulaufen, ist es aus. Sie verschwinden im riesigen Pelikanschnabel. Ich habe den tapferen Möwen dann geholfen, indem ich ein Gebüsch aus Kiefernzweigen um das Nest pflanzte, einen niederen Drahtzaun darumzog und ihn mit einem Einstieg für die Möwen versah. Dann konnten die Pelikane wegen der Zweige nicht an die Jungen heran und die Jungen wegen des Zaunes nicht fortlaufen, die Eltern aber lernten es schnell, den Einstieg zu benutzen. Wenn die Rosa-Pelikane brutlustig werden, beikommen die Männchen dicke Fetthöcker unter der Stirnhaut, die ihren Gesichtsausdruck stark verändern. Das scheint auf Pelikandamen besonders verführerisch zu wirken. Nicht so anziehend für das Publikum ist die Fasanerie, die aber 26
den zahllosen Liebhabern dieser interessanten Vögel um so wichtiger erscheint. Wir schufen 1938 in Berlin einen besonders schönen Neubau. Er ist der dritte seiner Art in dem heute über hundertjährigen Garten und hat selbst den letzten Krieg überdauert. In einer seiner großen Volieren gingen die Tallegalla-Hühner ihrem wunderbaren Brutgeschäft nach. Das Männchen ist zu dieser Zeit «ehr fleißig. Es scharrt bei uns wie in seiner Heimat, den Urwäldern Nordaustraliens, das Laub, von dem wir ihm in jedem Frühjahr drei Führen in den Käfig brachten, zu einem Riesenberg zusammen, den es während des ganzen Sommers schön in Ordnung hielt. Das Laub zersetzt sich und entwickelt hierbei eine beträchtliche Fäulniswärme. Die Henne gräbt ein tiefes Loch in den Haufen und legt ihr Ei hinein. Sie bringt es im Jahr auf rund zwanzig Stück, die sie in mehrtägigem Abstand produziert. Sie kümmert sich überhaupt nicht um ihr weiteres Schicksal. Wenn idie Kücken auf dem Grund des Kompostberges aus den Schalen schlüpfen, müssen sie sich selbst ihren Weg ans Sonnenlicht schaffen. Sie ziehen allein in die Welt hinaus; der Hahn interessiert sich nur für den Laubhaufen, nicht für seine Kinder. Sie sind vom ersten Tag an sehr selbständig. Sie haben sofort kleine Flügelfedern und können mit ihrer Hilfe sogar schon ein Stückchen flattern. Im englischen Tierpark Wipsnade ließ man die Tallegalla-Hühner in einem kleinen Wald frei laufen; dort wurden alljährlich bis zu einem Dutzend Junge großgezogen. Soweit brachten es unsere Käfigvögel allerdings nicht. Neben den Tallegallas hausten in Berlin die Argusfasanen; der Hahn, ein herrlicher Vogel mit zwei riesigen Schwanzfedern und stark verbreiterten Flügeln, deren Federn jede einzelne ein prächtiges Zeichnungsmuster mit zahlreichen „Augen" aufweisen. Der Hahn balzte oft vor seiner Henne, indem er sich tief vor ihr verbeugte, den Schwanz erhob, die wundervoll gezeichneten Flügel entfaltete und diese ganze Schönheit wie einen flachen Federkorb dem Weibchen hinhielt; seinen Kopf hatte er dabei versteckt. Die Henne legte immer nur zwei Eier. In den ersten Tagen hielten sich die Kücken stets rechts und links von ihr auf. Schon nach wenigen Tagen übernachteten sie aufgebäumt. Da saß denn, hoch oben auf einem Ast, je eines unter einem Flügel der Mutter verborgen. Die Fasanensammlung eines Tiergarten« repräsentiert stets einen beachtlichen Geldwert. Kosteten doch die herrlichen Glanzfasanen aus dem Himälaya 400 Mark das Paar, die Tragopane den gleichen Preis für einen Vogel, und Seltenheiten wie der Reinhardfasan waren noch wesentlich teurer. Diese Preise richteten sich allerdings wehiger nach dem Schauwert, als nach der Menge der angebotenen 27
Vögel, denn ein tadellos ausgefärbter Pfauhahn kostete nur 25 Mark, und der farbenprächtige Goldfasan gar nur 10 Mark das Männchen, obwohl jeder Besucher vor ihm stehenblieb. In Frankfurt hielt ich Gold- und Silberfasanen frei laufend im Garten. Die Goldfasanen gingen einzeln und verteilten sich über den ganzen Park, die Silberfasanen dagegen blieben stets im Trupp zusammen. Beide Arten brüteten regelmäßig und vermehrten sich gut. Die Goldfasanen besuchten gelegentlich auch die Gärten der Nachbarschaft, die Silberfasanen dagegen verließen den Zoo nur sehr selten. Es war ein wunderschöner Anblick, zehn bis fünfzehn der hübschen Vögel gemeinsam auf dem grünen Rasen zu sehen. Leider verschwanden die Fasanen kurze Zeit nach Kriegsausbruch -— sie wurden von Feinschmeckern weggefangen. Meine Bestrebungen, auch andere Fasanen ebenso zu halten, scheiterten. Sobald sie sich über irgend etwas erschreckten, burrten sie los und verflogen sich. Am besten lassen sich Pfauen auf diese Weise halten. Jeder Hahn wählt sich dann seinen Stammplatz, den er gegen die Konkurrenz verteidigt. Die Hennen schweifen umher und sind nicht an eine Stelle gebunden. Sie brüten fleißig und vermehren sich derart, daß man in jedem Herbst etwas vom Nachwuchs verkaufen muß, sonst werden sie zuviel. Störend ist das grelle und laute Geschrei der Pfauen, das sie abends vor dem Schlafengehen und vor allem morgens beim Hellwerden hören lassen, für die menschlichen Bewohner des Tiergartens und die Anwohner der Nachbarschaft. Wenn ein Pfau sein schillerndes Rad schlägt und die Federn raschelnd schüttelt, bleibt jeder Vorübergehende bewundernd stehen; für die Pfauhenne aber bedeutet es: hier ist ein Mann, der eine Frau sucht. Sie gesellt sich dann allerdings zu ihm; die Sorge um den Nachwuchs ist allein ihre Sache. Pfauhähne legen erst im dritten Herbst das vollkommen ausgefärbte Prachtgefieder an, aber sie schlagen bereits als kleine Kücken Rad, sobald ihnen die ersten Federn sprossen — das wirkt dann allerdings urkomisch. Da die Fasanen und die übrigen Hühnervögel am Boden leben, besetzen wir ihre Käfige meist noch mit Baumvögeln, um den Raum besser auszunutzen und dadurch die Gehege anziehender zu gestalten. Besonders gut hierzu geeignet sind Sittiche und andere Papageien, Tauben und auch Singvögel. Sehr eindrucksvoll sind die riesigen Krontauben aus Neu-Guinea. Die hühnergroßen, graublauen Vögel tragen einen eigenartigen Kopfschmuck von zerschlissenen Federn. Sie waren ziemlich teuer, jeder Vogel kostete etwa 400 Mark. Ich mußte bei ihrem Anblick stets an einen Bekannten denken, der über zwanzig Jahre in Neu-Guinea gelebt und sich dort an Kron28
Gpldregenpfeifer in guter Schutzfärbung
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tauben derart übergegessen hatte, daß er sie nur noch seinem Hund zu fressen gab! Die Stimme der Krontauben entspricht ihrer Größe; es ist ein dumpf trommelndes Geräusch, das weithin schallt. Sehr niedlich sind die zahlreichen tropischen Verwandten unserer Turteltaube, die den ganzen Sommer lang fleißig brüten und unentwegt gurren. Als wir dias schöne Balzlied des Birkhahns auf Schallplatten aufnahmen, hat uns das sehr gestört. Dauernd tönten die Stimmen der Afrikaner in das Kollern und Schleifen der Nordländer hinein, und es kostete einige Mühe, die Tauben zum Schweigen zu bringen. Lange Zeit versorgte Dr. Remler aus Kajana in Finnland die Zoologischen Gärten mit nordischem Federwild und mit anderen Tieren aus dem Lande der tausend Seen, auch mit Wölfen, Luchsen und Schneehasen. Es war für uns jedesmal eine Sensation, wenn ein Transport von ihm ankam und mächtige Auerhähne, bunte Birkhähne, im Winter rein weiße Schneehühner und zierliche Haselhühner aus den Transportkörben herausistolzierten. Wir machten uns viel Mühe, ihnen (die neue Umgehung einzurichten. Zweimal im Jahre wurden die Käfige völlig ausgeräumt. Dann wurde Waldboden in Platten ausgestochen und mit dem ganzen Pflanzenwuchs, mit Gras und Blaubeerkraut und der darauf lebenden Kleintierwelt mit dem Lastwagen zum Zoo gefahren und damit die Behausung der heiklen Vögel ausgelegt. Sie ästen allmählich alles Grüne ab, fraßen die Insekten und fühlten sich wohl dabei. Fast alle Photographien von balzenden Auer- und Birkhähnen, die in den letzten Jahrzehnten in der Jagdpresse erschienen sind, wurden nicht auf beschwerlichem Ansitz in freier Wildbahn, sondern mitten in der Großstadt Berlin im Zoo bequem auf kürzeste Entfernung aufgenommen! Neben den Käfigen für diese Waldhühner befand sich ein geräumiges Gehege für Großtrappen, unsere schwersten einheimischen Vögel, bei denen der Hahn 30 Pfund Gewicht erreichen kann. Wir haben — da die Trappen in der weiteren Umgebung von Berlin gar nicht selten waren — des öfteren Eier oder kleine Jungvögel bekommen und sie ausgebrütet, beziehungisweise großgezogen. Das ist eine beträchtliche Arbeit. Eine Person hat völlig nur für die winzigen Geschöpfe zu sorgen, die sofort jammernd piepsen, wenn man sie allein läßt. Wenn aber das Vorhaben gelungen und die Jungen erwachsen sind, kann man seine wahre Freude an den schönen Gestalten haben, vor allein dann, wenn der Hahn zu balzen beginnt. Er bläst dabei den Hals auf, knickt auf den Fersen, senkt die Flügel, kippt deren Federn um, so daß ihre weißen Unterseiten 30
erscheinen, legt den Schwanz auf den Rücken, sträuht das weiße Gefieder der Unterseite und verwandelt sich in einen weiß leuchtenden Federball, der weithin sichtbar ist. Erwachsene Trappen waren im Handel immer schwer erhältlich und kosteten nie weniger als 400 Mark das Stück. Als 1939 die neue Berliner Fasanerie eröffnet wurde, war sie eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Nie zuvor wurde eine so vollständige Sammlung von Fasanen und Hühnervögeln aller Arten, von Tauben und verschiedenen wetterharten Vögeln gezeigt. Der alte Geheimrat Ludwig Heck — 1951 als neunzigjähriger Senior der Tiergärtner gestorben — hat während seiner jahrzehntelangen Tätigkeit am Berliner Zoo stets besonderes Interesse für die Gefiederten gezeigt und den Grundstock für den einzigartigen Ausbau der Berliner Vogelsammlung gelegt. Sein Sohn, Professor Lutz Heck, hat als Nachfolger seines Vaters das Werk mit dem Ergebnis fortgeführt, daß über 900 Vogelarten im Zoo lebten; das sind mehr als zehn Prozent aller auf der ganzen Welt vorhandenen. Das aber wäre nie möglich gewesen, wenn die drei verantwortlichen Revierwärter, Schwarz in der Fasanerie, Daehne im Vogelhaus, Gottschlag für Wasservögel und Stelzvögel nicht anerkannte Spezialisten auf ihrem Gebiet gewesen wären und dazu ungewöhnlich fleißige, ehrliche und unglaublich tüchtige Menschen, denen nie eine Arbeit für ihre Pfleglinge zuviel wurde. Wie durch ein Wunder ist die Berliner Fasanerie von den Folgen der Kampfhandlungen im letzten Weltkrieg verschont geblieben, obwohl sich in ihrer nächsten Nähe der große Flakturm befand, um den schwere Kämpfe tobten. Auch ihr herrlicher Vogelbestand blieb zu einem großen Teil erhalten, denn der (unermüdliche Fasanenwärter Schwarz lhat selbst im schwersten Artilleriebeschuß seine Pfleglinge weiter betreut. Ihm ist es zu danken, daß der Berliner Zoo bei seiner Wiedereröffnung seinen Besuchern die Fasanerie fast im alten Glänze zeigen konnte.
Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky
L u x - L e s e b o g e n 162 ( N a t u r k u n d e ) - H e f t p r e i s 25 Pfg Natur- und kulturkundlidie Hefte — Bestellungen (vierteljährl. 6 Heite DM1.50) durch jede Buchhandlung und jede Postanstalt — Verlag Sebastian Lux, Murnau, München, Innsbruck — Druck: Buchdruckerei Mühlberger, Augsburg 31