Das Buch Am Ende des »Tausendjährigen Reiches« war München, von den Nationalsozialisten mit dem Mal der »Hauptstadt der...
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Das Buch Am Ende des »Tausendjährigen Reiches« war München, von den Nationalsozialisten mit dem Mal der »Hauptstadt der Bewegung« belegt, fast zur Hälfte zerstört. Die Davongekommenen des Krieges mußten sich nun fragen, wie sie den neugewonnenen Frieden überstehen sollten. Wo sollten sie wohnen, wovon sich ernähren, womit sich bekleiden? Wie sollte man sich trotz Elend und Not durchbringen? Das bißchen an Nahrungsmitteln und Gebrauchsgütern war rationiert und reichte nicht zum Leben; um zu überleben, mußte man »organisieren« gehen und mit geeigneten Ersatzprodukten improvisieren. Dank des großen Erfindungsreichtums der Menschen begann auch das öffentliche Leben bald wieder Gestalt anzunehmen: Im August 1945 trat der Stadtrat zu seiner ersten Sitzung nach dem Krieg zusammen, Konzerte wurden gegeben, und 1946 fand nach 1938 zum erstenmal wieder ein »Oktoberfest-Ersatz«, das »Herbstfest«, statt. Die Autoren lassen den Leser in das Kaleidoskop dieses Trümmeralltags blicken. Durch Bilder, Texte, Dokumente und Erinnerungen von Zeitgenossen versuchen sie, der damaligen Realität so nahe wie möglich zu kommen. Das Trümmerleben in München steht dabei stellvertretend für den Alltag im zerstörten Deutschland nach 1945. Die Herausgeber Friedrich Prinz, geboren 1928 in Tetschen an der Elbe, ist Ordinarius für Mittelalterliche Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte an der Universität München und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Publikationen u.a.: ›Frühes Mönchtum im Frankenreich‹ (1965), ›Prag und Wien 1848‹ (1968), ›Klerus und Krieg im früheren Mittelalter‹ (1971) ›Askese und Kultur‹ (1980), ›Gestalten und Wege bayerischer Geschichte‹ (1982), ›Böhmen im mittelalterlichen Europa‹ (1984), ›Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945-1949‹ (Hrsg., 1984). Marita Krauss studierte in München Geschichte und Politikwissenschaft; Promotion über die ›Münchner städtische Kulturpolitik 1945-1954‹; Lehrauftrag an der Universität München. Mitarbeit an der Dokumentation Integration und Neubeginn‹ (1984) sowie Beiträge zu Friedrich Prinz (Hrsg.): ›Trümmerzeit in München‹ (1984).
Trümmerleben Texte, Dokumente, Bilder aus den Münchner Nachkriegsjahren Herausgegeben von Friedrich Prinz und Marita Krauss Mit 89 Fotos
Deutscher Taschenbuch Verlag
Für dieses Taschenbuch wurde das Kapitel ›Trümmerkaleidoskop‹ des Ausstellungskatalogs ›Trümmerzeit in München‹, herausgegeben von Friedrich Prinz, 1984 erschienen bei der C. H. Beck'schen Verlagsbuchhandlung, von den Herausgebern erweitert.
Scanned by Doc Gonzo Diese digitale Version ist FREEWARE und nicht für den Verkauf bestimmt
Originalausgabe April 1985 ©für diese Ausgabe: 1985 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München Umschlaggestaltung: Celestino Piatti unter Verwendung eines Fotos von Herbert List aus der Sammlung Max Scheler Gesamtherstellung: C. H. Beck'sche Buchdruckerei, Nördlingen Printed in Germany • ISBN 3-423-10409-0
Inhalt Einleitung für einen Rückblick ohne Zorn und Nostalgie (Friedrich Prinz)
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»... es geschahen Dinge, die Wunder ersetzten.« Die Frau im Münchner Trümmeralltag (Marita Krauss)
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Trümmermode und New Look - Kleidung und Mode in München 1945-1949 (Günther Volz)
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»Zucker, wer hat? Öl, wer kauft?« Ernährungslage und Schwarzmarkt in München 1945-1949 (Margot Fuchs)
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»Die Kontingentierung von Adoptiv- und Pflegekindern ... unterliegt nicht mehr der Beschwerdestelle ...« Bürokratie der Mangelverwaltung (Marita Krauss)
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»Deutsche sind Deutsche, ... gleichgültig, aus welchem Teil Deutschlands sie stammen.« Flüchtlinge und Vertriebene im Trümmermünchen (Marita Krauss)
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»Rama dama« - »Munich at work« Eine Trümmerräumaktion der Nachkriegszeit (Nina A. Krieg)
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»Vee GAYT ess ee-nen?« Lebenssplitter aus dem Umgang mit Besatzern (Marita Krauss)
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»Hurra, wir leben noch!« Vergnügungen und Feiern zwischen den Ruinen (Marita Krauss)
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Das Herbstfest 1946 im Trümmermünchen: Kein Oktoberfest, 212 aber eine richtige Wies'n (Sybille Spiegel) Anhang Anmerkungen Auswahlbibliographie
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München 1945 (H. Schürer)
Einleitung für einen Rückblick ohne Zorn und Nostalgie »Die Menschen waren einfach erschöpft vom Hungern und Frieren. Aber es fielen keine Bomben mehr auf sie herab. Jetzt sollte eine neue Zeit beginnen. Der Krieg war aus, man hatte ihn überlebt, das war die Hauptsache. Faschismus, Machthunger, Massenmord und Länderraub, schon damals begann das totale Vergessen. Niemand wollte mit den Ungeheuerlichkeiten der nationalsozialistischen Herrschaft etwas zu tun gehabt haben. Jeder hatte nur seine Pflicht getan und suchte Vergessen für sich und bei den anderen, die doch nicht vergessen konnten. Das unfaßbare Phänomen, sich des Geschehenen nicht mehr erinnern zu wollen, es zu verdrängen, legte sich wie eine Schutzhülle über meine Mitmenschen. Sie begannen das neue Leben mit unsagbarer Tatkraft ... Eine Art Verzückung ergriff die Menschen, die, noch das Grauen des Krieges um sich, in eine schönere Welt zu flüchten versuchten. Sie mochten hungern und frieren - aber es mußte auch eine Welt geben, die mit dieser Realität nichts zu tun hatte. Ohne diese Hoffnung hätten sie die Wirklichkeit nicht ertragen können. Da war der Volksempfänger, der Abend für Abend Schnulzen in die kalten Stuben trug. Sie saßen in Decken gehüllt, schlürften bitteren Brombeerblättertee und lauschten auf Stimmen, die von Capri und der Adria sangen. Die Künstler und Intellektuellen aber hatten ihren ›Zustand‹, sie hatten ihr Schwabing, dieses Dasein der Schwerelosigkeit, in das sich schon früher Generationen versetzt hatten. Wie Pilze schössen sie aus dem Boden, die ›Kabaretts‹, die Brettl', die Theaterchen und andere Bühnen. Eine wahre Besessenheit erfaßte vor allem die jüngeren Menschen. Der Krieg war aus, das Leben sollte weitergehen. Eintritt zu diesen Brettln mußte mit Briketts oder in Naturalien entrichtet werden. Unter den unzähligen Schuppen dieser Tage ragte die ›Schaubude‹ hervor, die unter der Ägide Erich Kästners eine Blütezeit sondergleichen erlebte. Ich erinnere mich noch genau des Abends, an dem Ursula Herking Kästners Lied ›... denn wir haben, wir haben den Kopf ja noch auf dem Hals!‹ sang. Die Menschen rasten, es war eine Kundgebung, wie ich sie selten erlebt habe. Viele weinten, auch ich. Jeder fühlte, jetzt muß eine neue Zeit beginnen.«1 Genauer könnte man die Mentalität der ersten Nachkriegsjahre, ihr zwischen Fäulnis und Hoffnung phosphoreszierendes Leuchten kaum beschreiben, eine besonders deprimierende, vertrackte, aber auch wieder menschlich anrührende Variante der alten Melodie »München
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leuchtete«. Gerade im Alltag der »Trümmerzeit« tritt uns das krasse Nebeneinander von erbärmlichster Not und der exzessiven Freude, »noch einmal davongekommen zu sein«, unvermittelt entgegen; »unvermittelt« auch im ideologischen Sinne, nämlich noch nicht zugekleistert mit generellen, hoch über der jämmerlichen und zugleich bunten Realität schwebenden Erklärungsversuchen und Verständnisbrücken, wie sie später feilgeboten wurden. Die Erbschaft der 1000 Jahre Einige Fakten zur Erinnerung: Als amerikanische Truppen am 30. April 1945 gegen vier Uhr nachmittags den Münchner Marienplatz erreichten und das Rathaus übernahmen, fand dieser Akt in einer makabren Trümmerszenerie statt, deren Trostlosigkeit heute kaum noch vorstellbar ist. In mehr als siebzig Luftangriffen war das Stadtbild teilweise bis zur Unkenntlichkeit zerstört und fast die Hälfte der Bausubstanz vernichtet worden; von 262000 Wohnungen des Jahres 1939 waren 81500 völlig
Einmarsch der Amerikaner am 30. April 1945 (E. Langendorf)
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zerbombt, die restlichen teilweise erheblich beschädigt. In dieser Ruinenlandschaft, München genannt, lebten aber immer noch fast 60 Prozent der Vorkriegsbevölkerung, nämlich etwa 480000 Menschen, für deren Ernährung ebenso gesorgt werden mußte wie für ihre Behausung und Bekleidung.2 In den ersten Besatzungstagen ließen es die Amerikaner zu, daß die Münchner zur Selbsthilfe griffen und die Lebensmittelund Vorratslager plünderten, für viele ein Fest nach Jahren verordneter Entbehrung für den »Endsieg«. Gleichzeitig war es auch eine Angstreaktion, ausgelöst durch die bange Frage, wie es weitergehen solle. Viele trauten der Besatzungsmacht aus eigenem schlechtem Gewissen nur das Allerschlimmste zu, und die weltweite Empörung über die KZ-Greuel der Naziherrschaft wie auch die rigoros anlaufende Entnazifizierung des Öffentlichen Dienstes taten ein Übriges, um Befürchtungen solcher Art noch zu verstärken. Wie wurden die Menschen mit dieser Situation fertig, wie erfüllten sie die »Forderung des Tages« - eine Floskel übrigens, die damals im allerwörtlichsten Sinne galt, denn über den Tag hinauszudenken war oft unmöglich und vermessen. Zeit zwischen den Zeiten Trümmerzeit und Trümmeralltag - es war eine Hoch-Zeit des Paradoxen, des Unglaublichen. So seltsam dies heute klingen mag, in dieser kurzen Epoche zwischen 1945 und 1948/49 - einer »Zeit zwischen den Zeiten«, eines »Interregnum« auf vielen Gebieten des politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens für fast alle Deutschen - steckte ein gerüttelt Maß »Lust am Alltag«, an der Vogelfreiheit und auch an der Anonymität eines Daseins, das aus allen gewohnten (und daher auch kontrollierenden!) Lebenszusammenhängen gerissen war. Das galt vor allem für die Springflut von Vertriebenen, Flüchtlingen, Displaced Persons aus Ostmitteleuropa, für Familien, die Not und Tod grausam reduziert hatte auf ein davongekommenes Mitglied oder auf Frau und Kind oder Mann und Kind. Millionen Menschen erlebten so auf eine individuelle Weise ihre eigene »Stunde Null«, die es ansonsten im politischen, öffentlichen Bereich kaum oder nur streckenweise gegeben hat. Not, Hunger, Verzweiflung regierten sicher das Feld der Lebensumstände, nachdem es der Kriegsgott Mars geräumt hatte, aber es steckte auch ein Gutteil jener Stimmung in den Menschen, die sich auf großen Bauernbegräbnissen schlagartig auszubreiten pflegt, sobald die Leiche in der Erde ist und die Trauergäste, vom Friedhof kommend, sich dem Leichen-
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schmaus im Wirtshaus zuwenden: Eine anfangs zögernd, dann immer nachdrücklicher sich ausbreitende Heiterkeit, ein Gefühl der Freude, selbst der »süßen Gewohnheit des Daseins« noch nicht enthoben zu sein; ein urtümliches Gefühl, dem in primitiven Kulturen reich ausgestaltete Rituale galten, ein Gefühl, das immer wieder durch die wohlgeordneten Muster moderner Daseinsbewältigung wie Lava emporquillt. Um wieviel mehr war dies der Fall nach der totalen Katastrophe, die jeden in irgendeiner Form betraf, als Täter, als Mitläufer, als Opfer, oftmals alles zugleich in derselben Person. Eine zwielichtige Normalität »Lust am Alltag« - das war auch für Millionen Deutsche die Sehnsucht nach einem Quentchen Normalität nach den glorreich-bestialischen Zeiten, es war aber auch zugleich für viele, allzu viele ein Weglaufen in den Alltag, fort von Schuld und Sühne - so wie eine Rotte Schulbuben nach einem bösen Streich hastig auseinanderstiebt. Die Heimkehrer aus dem »Großen Sterben«, ausgemergelt, oft schwer verwundet, erblindet, amputiert und angefüllt mit den schrecklichen Bildern von Krieg und Gefangenschaft, waren wohl diejenige Gruppe, die nach langen Jahren befohlener Unmenschlichkeit am meisten die kleine Normalität ersehnte, den im Frieden oft verachteten »Alltag«, mochte dieser Alltag zwischen Trümmern noch so sehr durch Hunger, Kälte und bürokratischengherzige Mangelverwaltung entstellt und verdunkelt sein. Dennoch und dies gilt für die gesamte geschlagene Nation - vergessen wir nicht die manchmal fragwürdige, ja erschreckende Kehrseite dieses Drangs zum normalen oder gar einfachen Leben, die bei vielen tief im Unbewußten wurzelte: Die »Forderung des Tages«, für die meisten die schlichte Notwendigkeit, Nahrung für den kommenden Tag zu erkämpfen, zu erarbeiten, zu erlisten - etwa durch den »Schwarzmarkt«, dessen unerbittliche Gesetze die Stunde regierten -, dies alles war zugleich ein Alibi vor sich selbst, ein »Hinter-die-Schule-Laufen«, eine Verweigerung für Einsichten in die offenkundigen Ursachen der Katastrophe. Hunger und Kälte, Not und Elend machten auch verstockt; viele stellten ihre Ohren auf Durchzug, wenn es darum ging, eigene Schuld einzugestehen, etwa gegenüber den fürchterlichen Fakten aus den Nürnberger Prozessen gegen die Hauptkriegsverbrecher, mit denen die Bevölkerung durch die Medien immer wieder konfrontiert wurde. Der selbst wieder ideologisierte, fast militante Antiideologismus der frühen Nachkriegsjahre hat hier eine seiner tiefsten Wurzeln; Arbeit: das war eben auch Heilmittel und Fluchtbunker, dergleichen der Kampf ums »tägliche
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Interessierte Zeitungsleser nach der Urteilsverkündung der Nürnberger Prozesse, 1. Oktober 1945 (W. B. France)
Brot« - und zwar um Brot im allerkonkretesten, einfachsten Sinne, nicht in jener üppigen Auslegung, die Martin Luther diesem Grundwort menschlicher Existenz in seinem Katechismus gegeben hat. Dieser oft bittere Kampf ums »tägliche Brot« war also auch ein Narkotikum gegenüber der Pflicht, selbstkritisch nachzudenken; so jedenfalls sagen es manche Kritiker der Nachkriegszeit. Aber auch das ist wieder nur eine Teilwahrheit, denn in vielen Briefen der Zeitgenossen jener Epoche, in Erinnerungen und Memoiren kehrt die subjektiv überzeugende Feststellung wieder, damals, in der Trümmer- und Hungerzeit seien die Menschen menschlicher zueinander gewesen, hilfsbereiter, verständnisvoller, auch zufriedener mit dem kleinen, großen Glück der warmen Stube, der Sättigung Tag für Tag, des eigenen Betts, das man nicht auf den grölenden Kommandoruf eines mißgelaunten Feldwebels verlassen mußte. Es gab auch so etwas wie eine Egalisierung der Gesellschaft bis weit ins Bürgertum hinein; »Neuarme« unterschieden sich für Jahre nur wenig von den »gebürtigen« Armen, besonders unter den Vertriebenen und den Evakuierten der bombardierten Großstädte. Es war dies eine Art erzwungener Notkommunismus, der ein echtes Solidaritätsgefühl erzeu-
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gen konnte, das die folgenden Wirtschaftswunderjahre dann um so gründlicher zerstörten. Aber: Muß der Mensch wirklich erst ruiniert werden, damit er Mensch wird, war dies nicht alles viel zu teuer erkauft? Die Bedingungen und Folgen des »Trümmerlebens« und seine Bewertung aus dem Rückblick nach vierzig Jahren bleiben widersprüchlich; es sollen und dürfen hier keine betulichen Glättungen vorgenommen werden, es soll weder eine (idealistisch) besonnte (Trümmer-) Vergangenheit beschworen noch einer pauschalen Verdammung das Wort geredet werden. Eher geht es um »Psychoarchäologie«, also um mühsame Rekonstruktion einer kurzen, aber wichtigen Zeitspanne von wenigen Jahren, in deren Ablauf, wie in einer Filmprogrammvorschau, fast alle Positionen und Stadien andeutungs- und versuchsweise durchlaufen worden sind, die dann in der Geschichte der Bundesrepublik nacheinander Wirklichkeit wurden: hurtige Anpassung an Gegebenheiten, wirtschaftlicher Erfolg, Protest und Aufbegehren, Zupacken, Meistern der Not wie auch die Verweigerung, die sogenannte Realität einfach anzuerkennen. Es gilt also, im »Trümmerleben« und »Trümmeralltag« auch die Vielfalt der Möglichkeiten sichtbar zu machen, die damals offenstanden oder offenzustehen schienen in jener scheinbaren »Stunde Null«, als es - den Deutschen von jeher ein Greuel - keine sichere staatliche Autorität gab und die verwirrte, gescheuchte Gesellschaft des totalen Zusammenbruchs in den Status vor dem Rousseauschen »Contrat Social« gleichsam zurückzufallen schien.3 Die Flüchtlinge vor der Tür An Versuchen, diesen »Contrat Social«, diesen stillschweigenden Gesellschaftsvertrag der Solidargemeinschaft deutscher Nation, einfach aufzukündigen, fehlte es nicht, und besonders die Vertriebenen und Flüchtlinge bekamen in diesen Jahren oft das Gefühl, als hätten sie allein Hitlers wahnsinnigen Krieg mit Haut und Haaren zu bezahlen, während sich der glückliche Rest der Nation im »goldenen Westen« wieder behaglich zurechtzusetzen versuchte.4 Der »Hochmut der Ämter« - schon Hamlet hat ihn beklagt - kannte oft keine Grenzen: Zuzugsgenehmigung, Aufenthaltserlaubnis, Wohnraumzuweisung, Lebensmittelkarten-Zuteilung, Lagerordnung, Arbeitserlaubnis -, das waren alles Schreckensworte für das Millionenheer der Heimatlosen, hier hätte sich unter Umständen ein gefährliches Potential von Aggression und Zerstörungslust aufbauen können, das alle Dämme gesellschaftlicher Ordnung zu sprengen imstande gewesen wäre. Der zufriedene Rückblick auf die geglückte Integration der Vertriebenen verstellt heute
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Der Heimkehrer (A. Heinzinger) Tuschzeichnung, um 1946, Privatbesitz
manchmal die Einsicht, wie nahe wir der gesellschaftlichen Katastrophe waren; wäre es doch durchaus möglich gewesen, daß die Vertriebenen Deutschlands »Palästinenser-Problem« wurden. Ansätze dazu gab es, etwa in der Dachauer Lagerrevolte vom August 1948, die auch auf andere Flüchtlingslager überzuspringen drohte; und es fehlt nicht an unmittelbaren Stimmen aus der Zeit selbst, die voller Erbitterung auf diese drohende soziale Zweiteilung der Nation reagierten.5 Fast ist es ein Wunder zu nennen, daß das Netz des »Gesellschaftsvertrags« hielt, die Nation sich nicht selbst zerfleischte. Wieviel dabei auf das Konto der stets präsenten, allein die Szene beherrschenden Besatzungsmacht ging, bleibe dahingestellt; der Bürgerkrieg blieb uns jedenfalls erspart, allerdings auch die große Abrechnung mit den Schuldigen der Katastrophe.
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Die Besatzer Die Besatzungszeit selbst zeigte viele Gesichter. Die amerikanische Besatzungsmacht vor allem war für die erste Nachkriegsgeneration keineswegs der große, schreckliche Popanz, zu dem sie heute manchmal ein modisch gewordener Antiamerikanismus erklären möchte. Freilich, es wurden Wohnungen beschlagnahmt, es wurden auch Lebensmittel weggeworfen oder vor den Augen der darbenden Bevölkerung vernichtet. Aber es gab noch viel mehr spontane Hilfe und bald auch den festen Willen der Verantwortlichen, dem deutschen Volk wieder eine Zukunft zu geben; und dies war nicht nur ein erwünschtes, wenn auch etwas dubioses Nebenergebnis der beginnenden neuen Konfrontation des »Kalten Krieges«, wie man es heute verschiedentlich darzustellen versucht. Vom »Amerikahaus« über die ›Neue Zeitung‹ bis zum »FräuleinWunder« gab es trotz offizieller »Non-Fraternization« im »Trümmerleben« der verschüchterten Bevölkerung bald ein Hinüber und Herüber von Sympathien und Erfahrungen, die der späteren positiven Normalisierung zugute kamen. Im übrigen steht es uns Deutschen, die wir leider für die Extreme von kaltschnäuzigem Hochmut und schamloser Kriecherei eine fatale Neigung haben, wenig an, hier eine selbstgerechte Richterpose einzunehmen. Schließlich waren wir jahrelang in glorreicher Zeit die erbarmungslosen Besatzer Europas; noch heute müssen deutsche Staatsmänner an den Mahnmalen deutscher Besatzungsopfer in Ost und West bei ihren Staatsbesuchen Kränze niederlegen ... Kultur zwischen den Trümmern Ob die kulturelle Blüte der ersten Nachkriegsjahre - die Zeitschriftenschwemme, die Vielzahl von Theatern, das reiche Musikleben und anderes - nur eine Scheinblüte war, ist umstritten.6 Das Urteil darüber hängt wohl vom jeweiligen ideologischen Standpunkt ab, unter dem diese Epoche betrachtet und zensiert wird. An dieser Stelle geht es nur um den Aspekt der Lebenswirklichkeit jener Zeit, also um die Frage, ob für die Mehrheit der Bevölkerung Kultur noch mehr bedeuten konnte als Flucht aus der tristen Wirklichkeit in eine illusionär aufgeschönte Welt des tröstlichen Scheins. Aber auch hier bleibt »die Zeit zwischen den Zeiten«, das »Trümmerintermezzo« unserer neuesten Geschichte janusköpfig. Einerseits erstaunt es, wie stark dennoch das Bedürfnis nach Kultur, besonders nach Musik, Literatur und Theater, über die elementaren Lebensbedürfnisse hinaus von den Menschen Besitz ergriffen hat-
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Beethovens Neunte Symphonie: ergriffene Zuhörer bei einem Konzert der Münchner Philharmoniker in der Aula der Universität, 1945 (H. Schürer)
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te. Andererseits stoßen wir oft auf die ebenso bezeugte Unmöglichkeit, über die materielle Forderung des Tages hinaus denken und fühlen zu können: »Kultur war nicht gefragt, wir hatten Hunger!« So oder ähnlich heißt es in manchen »Trümmerbriefen«.7 Die zwangsweise Reduktion der Menschen auf ihre einfachsten Bedürfnisse, die aus solchen Feststellungen spricht, erklärt zumindest teilweise, warum damals die in Zeitschriften und Zeitungen leidenschaftlich geführte Diskussion um die Ursachen der deutschen Katastrophe letztlich doch nur auf eine relativ dünne Schicht von Intellektuellen und einen Teil der besonders betroffenen und dezimierten »Kriegsgeneration« beschränkt blieb, das »Volk« aber, dieses lebensvollste Abstraktum, angesichts leerer Läden und Speisekammern, kalter Stuben, Baracken und feuchter, dunkler Kellerbehausungen offenbar nicht im tiefsten Kern berührte. Merkwürdig bleibt, daß sich heute über solches Verhalten vor allem eine satte, behäbige und routinemäßige Systemkritik hochmütig erhebt, die im übrigen gern das grimmige Brecht-Zitat im Munde führt, daß »erst das Fressen und dann die Moral« komme. Von einer Gleichgültigkeit der Menschen gegenüber dem kulturellen Angebot der Trümmerjahre kann man schon deshalb nicht sprechen, weil aus der Mentalität der Zeit heraus ganz bestimmte Segmente des Kulturspektrums auf ein geradezu leidenschaftlich geäußertes Bedürfnis trafen. Es war vor allem die Woge der allgemeinen Musikbegeisterung, die man als ein besonderes Signum der Trümmerjahre bezeichnen darf; ein nicht unproblematisches übrigens, denn in dieser Begeisterung schwang wiederum viel von jener eskapistischen Grundstimmung weiter Kreise mit, der die politische Unverbindlichkeit musikalischen Genusses weitgehend entgegenkam. Musik - das war oft auch eine angstvolle Flucht aus der Misere der Gegenwart, ein Aufatmen, jedenfalls ein durchaus ambivalentes Phänomen, gleichsam eine Erlösung ohne Beichte und Absolution, ein Freispruch in jenem weiten, undefinierbaren Terrain des Gefühls, wo »alle Menschen Brüder« werden; manchmal war's wohl auch ein süßes Gift, das, um mit Mephistopheles zu reden, von der Arznei kaum zu unterscheiden war. Was die Frauen leisteten Trümmerleben - das meinte nach 1945 in ganz besonderer Weise das Leben der Frauen; sie spielten damals zwangsläufig eine Hauptrolle, und zwar in allen Berufen: Als Gattinnen und Mütter ebenso wie als Schutträumerinnen und Ziegelputzerinnen, als berufliche und familiäre »Statthalterinnen« vermißter, gefallener oder gefangener Männer und
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Söhne sowie als natürliche Sammelstellen vom Krieg gewaltsam zerstörter und mühsam sich wieder zusammenfindender Familien oder als couragierte Einzelkämpferinnen im öffentlichen und kulturellen Leben. Sicher war es kein Zufall, daß unserem Aufruf im ›Münchner Stadtanzeiger‹,7 Erlebnisse der Trümmerzeit niederzuschreiben und einzusenden, in der Mehrzahl Frauen Folge leisteten; sie hatten nach 1945 wohl die schwerste Last zu tragen, für sich allein, aber auch stellvertretend für die Männer. In ihren Briefen ist immer wieder die Rede vom täglichen Kampf um die Grundnahrungsmittel, um Brennmaterial, um Glas für die im Bombenhagel zersprungenen Fenster, um Betten für die Kinder oder für vertriebene Verwandte und Freunde. Kurz, die elementare Daseinsfürsorge war ihre Domäne, hier entfalteten sie Energie, Phantasie und eine schier unermüdliche Bereitschaft, auch das Unmögliche immer wieder zu versuchen. So ist es sicher kein Zufall, daß ihre spontanen Berichte ein wesentlicher Bestandteil unserer Retrospektive geworden sind. Emanzipation der Frau - das war damals keine ideologische Spielwiese und schon gar kein literarischer Markt, sondern bittere Notwendigkeit. In dieser Beziehung möchte unsere Publikation auch ein Beitrag zur Erforschung des Alltagslebens der Menschen sein, auch wenn es sich um den schweren Alltag in einer wahrlich nicht alltäglichen Zeit handelt. Für jeden, der Emanzipation ernst nimmt, stellt sich darüber hinaus die Frage, ob dieser von der materiellen Not erzwungene Anlauf zur Emanzipation der Frau nicht in der nostalgischen Wohnstubem'dylle der fünfziger Jahre für lange Zeit wieder verlorenging. Wenn dem so ist, wo liegen die Ursachen? Das Schlagwort vom »restaurativen Charakter der Adenauer-Ära« erklärt jedenfalls nichts und vernebelt bloß, und schließlich hat das lateinische Wort »restaurare« auch einen positiven Sinn: wiederherstellen; in diesem Falle ein Wiederherstellen von Recht und Freiheit, von Menschlichkeit und Demokratie. Rückblick ohne Ressentiment Trümmerleben - Trümmeralltag; unsere Retrospektive in die ersten Nachkriegsjahre soll weder ein nostalgischer Rückblick und schon gar keine Verklärung einer oft schrecklichen und permanent chaotischen Zeit sein. Noch viel weniger soll für eine übersatte und von der Langeweile befriedigter materieller Bedürfnisse geplagte Gegenwart ein pädagogischer Zeigefinger erhoben werden. Etwa in dem Sinne: Seht, wie gut sich damals die Menschen mit Not und Mangel jeder Art abzufinden wußten, wie stark ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft war, wie fern
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WENDUNG ZUM BESSEREN
,,Dank der vielfachen, übersichtlich angebrachten Hinweise spielt sich nunmehr der Verkehr mit der Behörde reibungslos ab."
Der Simpl Nr. 2, 1946, S. 19
vom »no-future«-Gefühl einer saturierten Generation! Das liefe letztlich auf das wahnhafte Ansinnen hinaus, ab und an einen mittleren Weltuntergang zu inszenieren, damit die Menschen wieder das schätzen lernen, was ihnen jetzt so selbstverständlich und darum oft fast verächtlich ist. Aber vielleicht kann der heutige Leser durch die Begegnung mit einer Zeit, die ihm nur durch Erzählungen der Eltern oder gar der Großeltern zugänglich ist, etwas für sich selbst gewinnen: Einsichten in andere, wenn auch durch die Not erzwungene Möglichkeiten, mit dem Leben fertig zu werden; Einsichten, die ihm helfen, für sein eigenes Dasein zu klären, was wirklich wichtig ist oder was einem oft nur von anderen als wichtig eingeredet wird. Für die Kriegs- und Nachkriegsgeneration mag es vornehmlich ein Erinnerungsbuch sein an ihre einst gelebte, bedrängte Gegenwart, die nun schon Geschichte geworden ist. Diese Generation wird heute von
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einer sich ungeheuer wichtig nehmenden Gegenwart manchmal schon an die Seite gedrängt und ist vielfach stumm geworden; das modische Gerede über Nostalgie verschreckt sie eher, als daß es ihr den Mund öffnen würde. Schließlich und endlich: Vierzig Jahre nach Kriegsschluß, nach dem Ende des blutigsten Weltkrieges der Geschichte, gibt es leider nur allzu viele Gründe, darüber nachzudenken, welch kostbares, unersetzliches Gut der Frieden ist. Unser Buch ist absichtlich eine Mischung von Kolportage, wörtlichem Zitat aus der Zeit selbst wie auch aus der Rückschau jener, die das »Trümmerleben« in all seiner Härte, mit all seinen großen Leiden, Überraschungen und kleinen Freuden gelebt haben. Es ist »München wörtlich« und eine Art »Trümmer-Charivari«, also durchaus angemessen einer wahrhaft chaotischen und grotesken Epoche, in der Tragisches manchmal in Komisches, Lachhaftes umschlägt und wo auch der Witz bitterem Galgenhumor entspringt. Eine Szenerie also, die eines neuen Simplicius Simplicissimus würdig wäre. Jeder, der diese Zeit schon als Erwachsener miterlebt hat, könnte wohl ein eigenes Kapitel dazuschreiben und sollte es auch tun. Ein Wort noch zu dem Umstand, daß unser Buch die Münchner Trümmerzeit als Beispiel für das Geschehen im Gesamtgebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland in den Vordergrund rückt. Weit davon entfernt, hier einem modischen »München-Trend« nachzulaufen, ergab sich diese Publikation aus dem Münchner Arbeitsfeld eines größeren Forschungsprojektes über Kultur und Gesellschaft dieser Stadt unter amerikanischer Besatzung, ein Projekt, das mit zahlreichen Mitarbeitern etwa drei Jahre lang durchgeführt wurde und einerseits zu einer umfangreichen Publikation führte, andererseits aber auch die wissenschaftliche Basis für eine Ausstellung im Münchner Stadtmuseum sicherte, die unter dem Titel »Trümmerzeit in München« im Frühjahr 1984 gezeigt wurde.8 Aus der Publikation wurden in dieses Buch jene Teile übernommen und erweitert, die dem Trümmeralltag gewidmet waren. So konnte ein Lesebuch über »die Jahre danach« entstehen, nämlich nach der selbstverschuldeten deutschen Katastrophe; ob es zum Nachdenken und damit zu kritischen Fragen anregt, die auch unserer Gegenwart gelten, muß dem Leser überlassen bleiben. Friedrich Prinz
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»... es geschahen Dinge, die Wunder ersetzten.« Die Frau im Münchner Trümmeralltag
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◄ Waschtag, März 1948
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»In den Zügen kein Platz mehr zu haben. Auf dem Trittbrett stehend oft die Hälfte der Strecke, in eisiger Kälte. Der Fahrtwind läßt die Hände und das Gesicht erstarren ... kommt man dann in den Waggon hinein, weil einige ausgestiegen sind, so steht man bis zu den Knöcheln in Flugschnee, der durch die zerbombten Scheiben hereingeweht ist ... Advent. Leise rieselt der Schnee ... Da hocken die Frauen und Mädchen, die auf Hamsterfahrt sind, weil sie eine Nachricht erhalten haben: In Weilheim oder Ohlstadt oder Garmisch kann man gegen Schmuck oder gerettete Kunstgegenstände bei den Bauern oder Amis Kartoffeln und andere Lebensmittel tauschen. Die Frauen, die den ganzen Krieg über die Hauptlast aller Schrecken zu tragen gehabt haben ... Hetzen nach Lebensmitteln auf Karten, stundenlanges Anstehen, um die mageren Rationen zu ergattern. Die Kinder versorgen. Tätig als Krankenschwestern, als Wehrmachtshelferinnen, an den Flakbatterien oder in den Fabriken beim Granatendrehen. Und als Briefträgerinnen, Schaffnerinnen. Zu Hause immer die Feuerpatsche und den Eimer mit Wasser bereit, wenn die Bomben wieder einmal die Wohnung durchgeblasen haben. Krieg aus. Nun erst recht ran. Denn die Männer sind gefallen, vermißt oder noch in Gefangenschaft. Trümmerfrauen, eine gewaltige Menge von Schuftenden, die nie ermüden dürfen und doch so todmüde sind. Leiden über Leiden, und dabei hungern müssen, die eigenen Kinder hungern sehen und nichts geben können. Doch weiterwerkeln, nie die Hände in den Schoß legen. Stets ist der Tag zu kurz, er müßte zehn Stunden mehr haben, um das zu schaffen und zu organisieren, was das Überleben ermöglicht. Unerfindlich, woher diese Frauen die Kraft nehmen, so viel durchzustehen. Es gibt nur eine Erklärung: Der Krieg hat sie gelehrt, sich auf das Unmögliche einzurichten, ob nun bei der Arbeit in den Fabriken oder zu Hause. Lange Jahre des Eingewöhnens in die Zustände, die im Frieden undenkbar gewesen waren. Immer mehr Belastungen, immer mehr Einschränkungen. Und damit hat sich dann eine gewisse Gewöhnung ergeben. Den anderen ist ja auch nichts Besseres beschieden.«1 Wer war sie nun, diese hier von Christian Hallig mit Recht so bewunderte Frau des Trümmeralltags? Ein nur auf das nackte Überleben im Nachkrieg zurückgeworfenes Geschöpf, dessen Tag vollauf damit ausgefüllt war, das Essen für die Familie herbeizuschaffen? Ein »Fräulein«, das für Schokolade und Zigaretten beinahe alles tat? Eine überaus tüchtige Arbeitskraft, die in ihrem Büro oft schon jahrelang den einberufenen Chef reibungslos ersetzte? Ein unterdrücktes, unemanzipiertes graues »Trümmermäuschen« ohne Charme und Chic? Mit Klischees ist diesen Frauen der vierziger Jahre nur schwer beizukommen soviel läßt sich bereits vorweg sagen. Die NS-Zeit hatte — von 22
einigen begrüßt, von einigen empört abgelehnt - wieder die Frau im Heim, die deutsche Mutter mit vielen Kindern, die Hausfrau und Erzieherin zum Ideal erhoben. Damit wurde eine Entwicklung als »undeutsch« abgebrochen, die, von Amerika kommend, auch Deutschland ergriffen hatte: die Emanzipation des »Heimchens am Herd« zu einer selbständigen, berufstätigen Frau. Sichtbaren Ausdruck fand dieses neue Frauenbild beispielsweise in Hollywood, oft Propagandist der einen, wie der anderen Strömungen; verkörpert wurde es vor allem von Schauspielerinnen wie Katharine Hepburn, die in ihren Filmen als Rechtsanwältin oder Journalistin den Männern Paroli bot. Diese Frau wurde also - teils mit, teils gegen ihren Willen - wieder aus dem Berufsleben, in das sie sich zu integrieren begann, in den Haushalt zurückgeschickt. Das lag keineswegs nur an einer generellen, ideologisch verbrämten Ablehnung der berufstätigen Frau, sondern hatte auch viel mit der »Bewältigung« der Arbeitslosigkeit zu tun. Der Krieg schuf nun eine neue Situation: Immer mehr Männer mußten einrücken, die Rüstungsindustrie brauchte jedoch laufend Arbeitskräfte, und auch andere Bereiche in Industrie und Verwaltung konnten ohne weibliche Hilfe nicht mehr auskommen. So geschah das Paradoxe, daß ausgerechnet das Regime, das die gebärende und erziehende »deutsche Frau« inthronisiert hatte, dieselben Frauen nun an die Drehbänke und in die Werkshallen schickte. In welchem Maße das Einfluß auf das offiziell vorherrschende Frauenbild der Nachkriegszeit hatte, wird noch zu klären sein. Die Frauen selbst mußten nun jedenfalls an der »Heimatfront« tätig sein und »ihren Mann stehen«. In immer größerem Maße ersetzten sie gegen Kriegsende die Männer; 1945/46 war beispielsweise München überwiegend eine Stadt der Frauen. Deutlich wird dies anhand einiger Zahlen: So lebten 1946 (legal) in München 751967 Personen; von diesen waren 341538 männlichen, 410429 weiblichen Geschlechts, Kinder und Jugendliche eingeschlossen.2 Es standen also 1000 Männern 1202 Frauen gegenüber.3 Besonders betroffen waren dabei die Altersstufen zwischen 20 und 30, zwischen 50 und 55, sowie über 60 Jahren: Hier standen oft weit mehr als 1300 Frauen nur 1000 Männern gegenüber.4 Im Jahre 1950 waren 57 Prozent der Frauen in der Bundesrepublik unverheiratet. Ähnliche Proportionen werden bei einer Gegenüberstellung der ledigen Münchner deutlich, bei der der »normale« Altersunterschied zwischen Ehepartnern berücksichtigt wurde: »Rund 19000 Münchner Mädchen zwischen 16 und 20 Jahren können unter 24000 ledigen Münchnern zwischen 20 und 25 Jahren wählen, während schon in der darauf folgenden Gruppe für nahezu 6000 wenigstens am Wohnsitz kein im Alter passender Mann vorhanden ist. Die noch Älteren sind auch heute so schlecht daran, daß von zweien 23
nur eine die Aussicht hat, unter die Haube zu kommen; in der Theorie natürlich ...« Doch genug der Zahlenspielereien; die geschilderte Situation zeigt, daß viele Frauen, oft mit großen Familien, beim Überlebenskampf nach Kriegsende auf sich selbst angewiesen waren. Und, ob in der Familie, als »Trümmerfrauen« im Wiederaufbau, in Wirtschaft und Verwaltung oder im kulturellen Leben Münchens: Die Frauen behaupteten sich jedenfalls in den ersten Jahren, bevor sie dann in den meisten Fällen wieder den heimkehrenden oder arrivierenden, den besser ausgebildeten oder inzwischen »denazifizierten« Männern weichen mußten. In den fünfziger Jahren wurden die Frauen daher aus der vordersten Reihe verdrängt. Erst mit dem großen Umdenken der sechziger Jahre trat dann auch die Frau abermals aus dem Schatten von Haushalt und Familie und holte in vielen Bereichen binnen weniger Jahre die Entwicklung nach, die Amerika bereits 30 Jahre früher vollzogen hatte und die durch die NS-Ideologie in Deutschland zum Stillstand gekommen war. Doch zurück in den Trümmeralltag des Jahres 1945. Im folgenden soll versucht werden, einen Überblick über das Spektrum weiblicher Probleme, Aufgaben und Positionen im Trümmermünchen zu geben, teils rekonstruiert aus den vielen Zuschriften Münchner Bürgerinnen und Bürger, die sich an diese bewegte Zeit erinnerten,6 teils aus städtischem Aktenmaterial, teils aus alten Zeitungen.7 Die Bilanz der Leistungen und Schwierigkeiten der Frauen dieser Jahre kann und soll dabei noch keinesfalls endgültig gezogen werden.
Frauen in der Familie »Jeden Tag ging ich nachmittags aus dem Hause, um irgendetwas Eßbares für meine Familie zu suchen. Da stand plötzlich einmal ein Wagen mit Spinat, ein anderes Mal einer mit Blattsalat. Oder eine Bäckerei machte auf und verkaufte etwas, das wie schwarzer Kuchen aussah und ein klein wenig süß schmeckte. Oder ich begegnete der Pfarrschwester von St. Ursula, und sie nahm mich mit und schenkte mir amerikanische Suppenpäckchen und Puddingpulver. Manchmal lief es auch umgekehrt, daß ich etwa einer Frau begegnete, die am Umsinken war, so daß ich in der nächsten Metzgerei um eine Stärkung für sie bitten und sie dann heimbegleiten mußte, ihr ein paar Pfund 24
Kartoffeln versprechend, die ich ihr dann nächstentags brachte. Was Kartoffeln anbelangte, hatte ich mit dem Himmel einen Vertrag gemacht: ›Lieber Gott, wenn Du mir nicht hilfst, immer wieder Kartoffeln zu organisieren, lege ich mich ins Bett und rühre keinen Finger mehr!‹ Ich brauchte mich nicht ins Bett zu legen. Es geschahen Dinge, die Wunder ersetzten.«8 »Meine Familie litt Hunger, Hunger und nochmals Hunger. Solange der Krieg andauerte und ich mit dem Baby in Pestenacker evakuiert war, arbeitete ich wie eine Magd auf dem Bauernhof, bezahlte für eine winzige Kammer mit einem feuchten Bett (darin war auch noch das Pferdegeschirr aufgehängt) RM 150,— (das Baby schlief mit 2 Jahren im Kinderwagen). Dafür durfte ich die Lebensmittelkarte des Babys für meine alten, in München vegetierenden Eltern behalten. Erst nach Kriegsende, als wir Pakete von Verwandten aus den USA bekamen, konnten wir in einer uns bekannten Gärtnerei den Kaffee, Tee etc. gegen Gemüse und Kartoffel tauschen. Wir hatten alle Untergewicht und trotzdem hatte meine Mutter noch vor Kriegsende in München eingesetzten Kriegsgefangenen (teils Russen und Franzosen) heimlich Brotmarken zugesteckt. Sie sagten immer ganz leise, damit die Aufsicht sie nicht hörte: Frau, bitte Hunger. Viele hatten Mitleid mit ihnen und wir aßen noch weniger.«9 »Schwarzmarkthändler kamen zu uns, ich wurde selbst inmitten eines Freundeskreises auf dem Schwarzmarkt tätig, das Dienstmädchen brachte vom Lande Obst, Kartoffeln, ich fotographierte soweit wie möglich weiter u.a. in einem notdürftig eingerichteten Atelier in einem Bräuhaus in München-Ost, nämlich GI's vor der gemalten Kulisse des zerstörten München; dafür standen sie dort Schlange, jeden Tag, dafür konnte ich in der Kantine essen, z. B. ›Donats‹ (doughnuts: amerikanisches Gebäck, Anm. d. Verf.), eine Köstlichkeit für mich. Ins Haus hier kam u.a. ein fragwürdiger Typ mit den kostbarsten Bildern, die ich für ihn fotographieren mußte, das Atelier war voll, Bilder, Bilder, woher er sie hatte, wohin er sie brachte, ich stellte keine Fragen; ich glaubte im nachhinein, daß es Diebesbeute war, aber er bezahlte.«10
Lebensmittelbeschaffung Drei Frauen der Trümmerzeit, drei Schicksale - und drei verschiedene Wege, mit den Problemen fertig zu werden. Der Schwarze Markt war wohl nicht jedermanns Sache, einigen »lag« er einfach nicht,11 andere fanden nichts dabei. Die Beschaffung von Lebensmitteln für den eige25
nen oder für den Familienbedarf war in jedem Falle schwierig, egal ob man auf dem Lande hamstern ging, ob man Schlange stehen mußte vor fast leeren Geschäften, oder ob man »kompensierte«, sich also mit Tauschhandel durchschlug, solange die eigenen Vorräte an attraktiven Waren reichten. Andere gaben in der Zeit vor der Währungsreform für Eßbares ein Vermögen aus: »Eine Freundin von mir opferte ihr Vermögen von 22000 Mark, um sich und einem Studienkollegen, den sie auf seine Bitten hin bei sich aufgenommen hatte, mit Hilfe des Schwarzen Marktes über den ärgsten Hunger hinwegzuhelfen. Sie war weise genug, um sich zu sagen: ›Geld ist nichts, überleben ist alles‹. Bei der Währungsreform wäre das Geld ja sowieso zu einem Nichts zusammengeschmolzen. Aber der Studienkollege, 1,90 lang, bekam trotzdem Skorbut.«12 Mit viel, genauer mit sehr viel Geld konnte man sich also durchaus lebensnotwendige Dinge beschaffen. Wer kein Geld hatte, suchte sich eine Arbeit, die statt mit Geld, mit Naturalien bezahlt wurde: »Ich habe mich als Bauernmagd in Niederbayern verdingt gegen l Ztr. Weizen in der Erntesaison. Meine Lebensmittelkarte überließ ich den Eltern. Zum Wochenende - die Fahrt mußte mit dem Rad (ich war in der glücklichen Lage, eines zu besitzen, nur mußte man entsetzliche Ängste ausstehen, daß es einem von den Soldaten weggenommen wurde) oder per Anhalter zurückgelegt werden - brachte ich dann oftmals einige Scheiben Brot, einige Löffel Schmalz oder zwei Eier mit nach Hause. Wenn die Bäuerin sehr guter Laune war, steckte sie mir auch l oder 2 Schmalznudeln zu (die oftmals schon angebissen waren). Im Winter fuhr ich dann zum Flicken und Nähen hin oder gab auch am Abend Vorstellungen für die Kinder mit einem selbstgebastelten Schattentheater. Eintritt l Ei! Nebenher tauschte ich meine Lieblingspuppe gegen Butter ein, was mir immer als Verrat erschienen ist .«13 »Ich habe mir im Mai 1945 in einer Gärtnerei in der Nähe Arbeit gesucht, der Lohn war Gemüse und Kartoffeln für den Eigenbedarf. Die Arbeitszeit war von 7h-18h mit 1/2 Stunde Mittagspause. Die Arbeit war schwer und ungewohnt, Unkraut jäten, pflanzen, pikieren, umgraben u.s.w. Ich erinnere mich aber immer noch gern an diese Zeit, es haben Leute aus allen Berufsschichten, ältere und junge da gearbeitet, und es war eine tolle Arbeitsgemeinschaft.«14
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»Gelegentlich bekam ich von einem bekannten Bäcker l Pfund Brot ohne Marken, später klebte ich für einen anderen Bäcker Lebensmittelmarken auf und wurde dafür in Naturalien entlohnt. Auch Norweger-Handschuhe aus vom Auftraggeber gelieferten Wollresten strickte ich gegen Entlohnung in Lebensmitteln. Meine Schwester arbeitete abends nach Dienstschluß in einer Gärtnerei und erhielt dafür ein Abendessen.«15 Die Grenzen zwischen Arbeit und »Organisieren« waren manchmal fließend; auch Kinder wurden hier bald tätig: »Meine Tochter Ute (7 Jahre), ein gewitztes Milbertshofener Schlüsselkind, stand sich mit den in unserem Stadtteil noch bestehenden Landwirtschaftsunternehmen recht gut. Sie half beim Heuen, bekam dafür ein gutes Stück Brot, dann beim Sammeln der Ähren, oder Kartoffelkäfer ablesen, im Herbst dann Kartoffelklauben, immer brachte sie stolz Brot, etwas Milch oder gar Kartoffeln. Zwar nicht sehr viel, auch die Ökonomen waren recht sparsam, aber ein großer Gärtnermeister mit viel Land an der Schmalkaldenerstraße, der war besonders ›neidig‹. So schlich sich meine Tochter einmal abends zwischen finster und siehst mich nicht in die Gärtnerei, um Freilandkohlrabi für den Kochtopf zu bringen. Doch sie bedachte nicht die Sperrstunde, und tatsächlich fuhr schön langsam die MP im Jeep die Straße entlang, ließ die Scheinwerfer über das Gelände tasten und meine Tochter drückte sich in die Furchen fest an den Boden. Voller Dreck und Baz kam sie heim, stolz 4 Kohlrabi in der Hand: ›Mami, die Amis hab' i sauber blitzt, und den gscherten Gärtner auch!‹ Eine Beute von 4 Kohlrabi! Aber sie füllten wieder mal die Mägen.«16 Glücklich war derjenige, der Arbeit bei den Amerikanern gefunden hatte. Dort konnte man manchmal amerikanisches Kantinenessen oder sogenannte k-rations, die eisernen Rationen aus amerikanischen Armeebeständen, ergattern. »Als wir später bei den Amerikanern mit in der Kantine essen durften, habe ich oft für meine Familie kleine Kostbarkeiten (Frühstücksfleisch, eine Orange etc.) durch die Wachen des Krankenhauses Schwabing geschmuggelt. Offiziell war es verboten, Lebensmittel mit herauszunehmen. Und wenn sie uns dabei erwischten, nahmen sie es uns weg und warfen es vor unseren Augen in den Abfall. Das fanden wir sehr grausam. Es gab aber auch Wachsoldaten, die beide Augen zudrückten, wenn sie unsere ausgebeulten Taschen sahen.«17
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»Freiluft-Wartesaal« am Starnberger Bahnhof im Herbst 1945 (W. B. France)
»Ich war zu dieser Zeit noch aktive Leistungsschwimmerin im Damen-Schwimmverein München und unsere Frau Käthe Jacobi sah uns alle recht mager und schwach im Volksbad umherpaddeln. Sie übte also mit uns wieder das Kunstschwimmen wie vor dem Krieg und stellte ein Programm zusammen, nahm Verbindung mit den US-Offizieren für Zivilfragen auf - und so traten wir erstmals als ›Isar-Nixen‹ in den Erholungszentren der US-Army am Rissersee, Eibsee, Kochel-
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see und in Bad Tölz (Flint-Kaserne) als Kunstschwimmerinnen auf. Dafür bekamen wir dann nach dem Schwimmen einen reichlich gedeckten Tisch mit Sandwiches und Kaffee serviert. Bei den farbigen Soldaten am Kochelsee gab es dazu noch viel Schokolade, was Frau Jacobi dazu bewog, uns Mädeln noch besser zu behüten ... Am Rissersee durften wir 6 Tage bleiben und mußten jeden Abend ins sehr kalte Wasser zum Lampionreigen-Schwimmen. Dafür bekam jede Schwimmerin als Belohnung genau abgezählt einen Apfel. Gottlob hatte man dann aber unten in Garmisch im Hotel Alpenhof ein Herz für uns und wir wurden für damalige Verhältnisse recht gut verpflegt.«18 Auch hier erkannten schlaue Nachkriegskinder bald ihre Chancen: »Meine Tochter Ute, damals noch die jüngste Isar-Nixe, erfaßte die Situation sehr schnell. Sie sprang vom 5-Meter-Brett wunderschön herunter und verlangte von den umstehenden US-Soldaten ganz kategorisch - Chocolate, please. Der Erfolg war umwerfend, wir profitierten auch von den Süßigkeiten, und meine Kameradinnen brachten meiner Tochter im Schnellverfahren neue Sprünge vom Brett bei. So gesehen waren die Amerikaner für uns schön langsam ganz passabel.«19
Kochen Hatte man sich durch Hamstern, Tauschen, Schnorren, legal oder illegal dann etwas Eßbares errungen, oft nach stundenlangem Anstehen oder auf abenteuerlichen Wegen, so mußten diese Dinge zu Mahlzeiten verarbeitet werden, oft ohne Strom oder Gas, in Gemeinschaftsküchen oder größeren Kochgemeinschaften, meist mit einem Minimum an Fett, Eiern, Vollmilch und Fleisch. Es war die große Zeit der Ersatzprodukte: statt Milch gab es Trockenmilch, statt Hühnereiern Trockenei, statt Kaffee Ersatzkaffee, den »Muckefuck«, statt Essig Rhabarber- oder Berberitzensaft, statt Bittermandeln Pfirsichblätter, statt Mandeln leicht geröstete Kürbiskerne oder Haferflocken; aus Bucheckern machte man Öl, zum Fetten von Backblechen empfahl man Wachs, gebraten und gebakken wurde mit Rizinusöl, Malzkaffee-Ersatz und Lebertran, Zucker wurde durch Süßstoff oder Rübensirup ersetzt.20 Ein Münchner Kochbuch des Jahres 1946 enthielt 30, ein anderes sogar 55 verschiedene Kartoffelrezepte.21 Als »allgemein Wissenswertes« wird in einem weiteren Kochbuch dieses Jahres genannt, daß »man beim Backen von Pfannkuchen Fett spart, wenn man die ebene Pfanne mit einer halben, an der Schnittfläche in Fett getauchten Zwiebel ausreibt«, oder daß »man er29
frorene Eier in einem kalten Raum mit kaltem Wasser auftauen« kann, wenn man sie danach sofort aufbraucht; der Fleischmangel wird an einer weiteren Empfehlung deutlich: »Wissen Sie übrigens schon, daß man beim Durchdrehen von Fleisch durch die Hackmaschine alle Reste herausbekommt, wenn man zum Schluß noch harte Semmeln, Pergamentpapier oder Kartoffeln nachdreht?«22 Auch wer sich möglicherweise noch damit abfinden konnte, daß Fleischpflanzerl mit durchgedrehtem roten Rübensalat gestreckt wurden, durch den sie »schön rot und geschmacklich befriedigend« bleiben sollten,23 hätte gewiß bei folgendem gestreikt: »Beim Brennessel-Sammeln fand ich einmal sehr viel von den großen Weinbergschnecken ... Da ich nicht wußte, wie man sie macht, brühte ich sie und drehte sie durch die Fleischmaschine. Mit 1/4 Pfund Hackfleisch, Zwiebeln und Semmel machte ich Bouletten ... Wir aßen es, nur meine Schwiegermutter sagte nach dem Essen: ›Deine Bouletten hatten heute so einen eigentümlichen Geschmack?!‹ Ich selbst hatte es nur mit dem Gedanken heruntergewürgt: ›Eiweiß! Eiweiß! Eiweiß!‹«24 Auf dem Viktualienmarkt konnte man zur Bereicherung des Speisezettels »oft markenlos Raben, Dohlen und Eichhörnchen« kaufen.25 Für diese »Delikatessen« der Trümmerjahre finden sich allerdings auch in den zeitgenössischen Kochbüchern keine Rezepte ... Kochbücher waren überdies kaum zu haben, da sie nur in äußerst geringer Auflage gedruckt werden konnten. Praktische Tips für die Frau fanden sich jedoch auch damals in Frauenzeitschriften wie ›Der Regenbogen oder ›Der Silberstreifen‹ - Titel, die bereits ein Programm enthielten.26 Die »Rezeptionsgeschichte« vieler der durchaus zeitbezogen konzipierten Empfehlungen gibt ein von einer Leserin an den ›Silberstreifen‹ eingesandtes Gedicht wieder: »Der Silberstreifen schenkt Rezepte Der Silberstreifen spricht von Zucker! Wir armen Freudenstädter Schlucker! Von Zucker ahnen wir nichts mehr und das Wort ›Tomate‹ wundert uns sehr. Ist das eine Frucht, ein Tier, ein Getränk? Gewiß ist es ein Göttergeschenk! Berliner Pfannkuchen mit Marmelade? 30
Schade! Wir würden schlecken! Und da würde es klecken: mit Trockenmilch und Trockenei und gar noch Maisgrieß dabei! Au weih! Und Gurken! In vielerlei Form! Enorm! Aber - wir leben ohne diese Ohne Süße, ohne Gemüse. Eismilch! Welcher Begriff! Wir leben dafür intensiv! Sogar Mockele sind knapp Da bricht nun der Faden ab ...
M. Heide-Herwig«27
Wie sahen nun solche Rezepte aus? Einige Beispiele zeigen, wie man sich damals behalf. »Mehlsuppe Die zur Verteilung kommenden Suppenmehle (Erbsen, Grünkern, Mais etc.) werden mit etwas feingeschnittenem Grünzeug und Zwiebel vermischt, mit Wasser kalt angerührt und mit genügend Brühe aufgekocht, bis es dickt. Milchpulver und ein bißchen Fett, auch ein kleines Stückchen Knoblauch verfeinern die Suppe. Am Schluß ein paar Brotwürfel mit wenig Fett rösten und drüberstreuen beim Anrichten. - Sehr gut kann man auch kleine Maismehl (statt Grieß)Klößchen in der Mehlsuppe aufkochen. Etwas Maismehl und Grieß gemischt macht die Klößchen fester. Mit Milch- und Eipulver angerührt, gesalzen und gerade soviel Flüssigkeit als der Teig braucht, um fest zu werden. Mit dem Kaffeelöffel ausstechen und in der Suppe garkochen. Feingeschnittene Petersilie drüberstreuen nach dem Anrichten.« Rosenkohl-A uflauf Rosenkohl, Kartoffeln, Zwiebel, Petersilie und Liebstöckl werden gut gewaschen, gesalzen und mit wenig Wasser weichgekocht; Brühwürfel verbessern den Geschmack. In einem Pfännchen mit wenig Fett, Milchpulver und etwas Maismehl eine kleine Buttersauce bereiten, mit Magermilch oder Wasser ablöschen und an das Gemüse geben. Fertigkochen. Wer eine Käserinde aufgehoben hat, kann etwas Käse drüberreiben und einrühren. Das ganze in eine Auflaufform und in der Sparherd- oder Ofenröhre fertigbacken oder braten.« 31
»Soße von weißen Rüben und Datschen Die Rüben schälen und reiben. In Fett läßt man etwas Zucker bräunen, wer hat, auch gehackte Zwiebeln. Dazu legt man einen Teil der Rohrüben ein und bindet dieses mit Mehl, in kalter Flüssigkeit glatt gerührt. Gewürzt wird mit Salz, zerdrücktem Knoblauch, (wo solcher vorhanden ist), mit Pfefferersatz, zerriebenem Thymian und Kümmel. Ein Spritzer Essig macht sich gut. Und wer seine Dotschen besonders pikant auf den Tisch bringen will, verfeinert sie zuletzt mit Senf, der allerdings auch nicht mehr kochen darf. Man fügt ihn also erst mit dem Rest des Gemüserohbreies bei und läßt alles heiß werden.«28 Wärmstens müsen«:
empfohlen wurde
auch die
Zubereitung von
»Wildge-
»Retter kann nur das Wildgemüse sein. Schon im März beginnt es zu sprossen und übertrifft unsere im Garten gezogenen Gemüsepflanzen an Vitamingehalt und Gesundheitswert. Es hat sich allmählich herumgesprochen, daß manch einer unserer Soldaten und Kriegsgefangenen in dem so schweren Jahr 1945 sein Leben nur durch Wildgemüse und Heilkräuter vor Hungertod, Typhus und Ruhr rettete. Voriges Jahr hat uns die reiche Buchelesernte über den Winter geholfen, heuer wird es für manche Gegenden das Obst, für die Masse unserer Bevölkerung das Wildgemüse sein. Anders können wir nicht durch die Scylla und Charybdis der Ernährungsenge steuern. Auf unserem Heimatboden gedeihen etwa 50 Wildgemüsearten, die wir in größerem oder kleinerem Ausmaß irgendwie verwerten können. Hier sollen nur die gangbarsten Erwähnung finden. Ersatz für den im Vorfrühling fehlenden Chicoree ist der Löwenzahn auf Äckern und Kleefeldern. Je früher er geholt wird, desto zarter ist er. Auf ungepflügten Stoppelfeldern erlebt er, weil die Blätter abwärts und die Wurzeln nach oben zu liegen kommen, im Frühjahr eine gewisse Bleichung wie der echte Chicoree. Ein so gebleichter Löwenzahn wird von den Franzosen mit Vorliebe genossen. Sollte er uns in Verbindung mit Ackersalat und etwas Zwiebeln nicht auch munden? Auf Wiesen und Rainen gedeiht ein immergrünes Pflänzchen, der Wiesenknopf, Pimpinelle nennen es die Kräuterkenner. Dieser Name wurde ihm gegeben, weil seine gefiederten, am Rande gesägten Blätter denen der beiden Bibernellen ähneln, weshalb es auch schwarze Bibernelle heißt. Es wird öfters im Garten als Wintergewürzkraut gehalten und erfreut die Hausfrau nach jeder Schneeschmelze durch seine grünen Blätter, die als Ersatz für Schnittlauch, Sellerie und Petersilie genommen werden können. Wenn man es vor Gebrauch einige 32
Zeit in Essig legt, verleiht es den Speisen einen angenehmen Beigeschmack. Als anerkanntes Mittel gegen Blutungen, Diarrhöe, Ruhr und Lungensucht ist die Pimpinelle als Vorbeugungsmittel gegen Hungertyphus zu empfehlen. Das ganze Jahr hindurch findet man in Frühbeeten, Gärten und Äkkern ein in verschiedenen Abarten vorkommendes Unkraut, die Vogelmiere. Die Bauern nennen es Hühnerdarm. Auf feuchtem, malmigem Boden bildet eine Art davon noch an Weihnachten mächtige, grüne Büsche, was dem Landwirt sehr lästig ist. Alle Vogelmieren eignen sich hervorragend zu Spinalen, aber auch zu Suppen und Salaten. Der Naturheilkundige schätzt sie als Herzstärkungsmittel und verwendet sie gerne bei Kindergicht und bei Auszehrung. Bei Entzündungen aller Art werden die zerquetschten Mieren auf die erkrankten Stellen gelegt. Daß zwei Teile Brennesselblätter und ein Teil Geißfuß- oder Gierschblätter einen sehr bekömmlichen Spinat ergeben, ist neuerdings allgemein bekannt geworden. Wer sich an dieses Gemüse gewöhnt hat, zieht es sogar dem echten Spinat vor, da es einen milderen Geschmack hat. Neuerdings wird es auf den Märkten der Großstädte feilgeboten.«29 Besondere Mühe bereiteten jedoch die Süßspeisen, da Zucker, Mehl oder Schlagsahne meist unerschwinglich als hochbrisante Schwarzmarkt-Ware gehandelt wurden. Auch hier behalf man sich mit Ersatzstoffen, so beispielsweise mit Eicheln. »Zum Kochen und Backen wird das Eichelmehl genau wie Mehl verwandt, möglichst mit Mehl zusammen und im Verhältnis 1:1. Es dickt weniger als Mehl. Im folgenden einige Rezepte für Speisen und Kuchen, bei denen sich die Verwendung von Eichelmehl besonders bewährt hat: Eichelkinderbrei 2 Löffel Eichelmehl werden in wenig Fett braun geröstet, zunächst mit etwas Wasser, dann mit Milch abgelöscht. 2 Eßlöffel Mehl werden in 3/8 Liter Milch angerührt und mit 1/2 Löffel Zucker mit dem Eichelbrei zusammen aufgekocht. Eichel-Kaffee- Torte
(ohne Ei, ohne Fett, schmeckt viel besser, als es klingt), l Tasse Eichelmehl, l Tasse Mehl, l Tasse Zucker, l Tasse Kaffeeersatz, 1/2 Tassen Milch, l Backpulver werden zusammengerührt und in 33
einer Springform gebacken. Wenn der Kuchen erkaltet ist, wird er durchgeschnitten und die Schnittfläche entweder mit irgend einer Creme oder mit Gesälz bestrichen. (Am besten schmeckt es, wenn man den Kuchen zweimal durchschneidet und eine Fläche mit Gesälz, die andere mit Butter bestreicht.) Der Kaffee-Ersatz wird in Pulverform genommen, nicht etwa aufgebrüht. Eichelgugelhupf 80 Gramm Fett, 4 Eier, 150 Gramm Mehl, 150 Gramm Eichelmehl, l Backpulver, 1/4 Liter Milch, 150 Gramm Zucker, Zubereitung wie üblich. Sehr verbessert wird der Gugelhupf, wenn man ihm 1-2 Teelöffel Kakao zufügen kann. Eichel-Lebkuchen 1 1/2 Pfund Eichelmehl, 1 1/2 Pfund Mehl, l Pfund Zucker, 10 Gramm Hirschhornsalz oder l Backpulver, Lebkuchengewürz, so man hat, 3 Eier, werden mit l Pfund heißgemachtem Syrup vermischt und der Teig gut verarbeitet, auf ein Blech gestrichen, 5-10 Minuten gebakken und heiß geschnitten. Kastenlebkuchen 1/2 Pfund Syrup, 100 Gramm Zucker, 1/2 Pfund Eichelmehl, 1/2 Pfund dunkles Mehl (l Ei, 70 Gramm Fett, kann auch wegbleiben), Lebkuchengewürz, l Backpulver, 1/4 Liter Magermilch zusammenrühren und in gefetteter Kastenform gut durchbacken.«30 Aber auch die verschiedenen Rezepturen für »falsche Schlagsahne« lassen den heutigen Wohlstandsbürger erschauern, dies nicht nur wegen der mühsamen Zubereitung: »Einfacher Kuchen mit Schlagsahne 4-6 mittlere rohe Kartoffeln schälen und reiben (nicht abgießen), 2-3 Tassen Mehl, l Tasse Zucker, l Prise Salz, l Backaroma, l Backpulver. Dieses gut zu einem Rührteig mischen, dann in eine gefettete Springform oder auf ein kleines Blech geben, l Tasse Zucker darüberstreuen und backen. Schlagsahne 1/2 Liter Frischmilch, 1/4 Liter Wasser (oder nur Milch). Zusammen kochen lassen, dann eine rohe Kartoffel schälen und fein reiben, in die kochende Milch mit dem Wasser dazugeben, alles noch einige Male aufkochen und dann gut erkalten lassen. Wenn richtig kalt, mit Prise Salz und (Vanille) Zucker schlagen, bis es steif ist.« 34
Der Simpl Nr. 24, 1947, S. 294
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»Falscher Schlagrahm mit Beeren
In 1/2 Liter Milch kocht man 50 g Grieß ein, süßt mit l Löffel Zucker oder 4 Tabletten Süßstoff und würzt mit l Päckchen Vanillinzucker. Der Grieß wird kalt gerührt und dann l Stunde kräftig mit dem Schneebesen geschlagen. Dazu gibt man leicht gesüßte Beeren. Diesen Schlagrahm kann man zum Füllen und Verzieren von Kuchen, Törtchen, Cremes usw. verwenden und entsprechend würzen.« »Falsche Schlagsahne
In 1/2 Liter kochende Milch läßt man 50 g glatt gerührtes Mehl einlaufen. Die Masse wird mit dem Schneebesen geschlagen, bis sie mehrmals aufkochte und dann weiter geschlagen, bis sie völlig erkaltet ist. Dann erst süßt man etwas, würzt die Sahne, wenn noch vorhanden mit einem alkoholischen Aroma (Rum oder Arrak) und häuft sie in die Schüssel. Dann wird noch mit Zucker überstreut. (Dabei wird weniger Zucker verbraucht, als wenn hinein der ganze Zucker gegeben wird, und den Kindern wird die Süßung stärker bewußt).«31 Eine Ironisierung solcher Rezepte bietet die nebenstehende Karikatur aus der satirischen Zeitschrift ›Der Simpl‹.32 Haushalt Neben Rezepten lassen auch viele praktische Hinweise Rückschlüsse auf die Probleme der Hausfrau in der Trümmerzeit zu. Dazu gehört unter anderem die Bastelanleitung für eine »Kochkiste« aus Holz, die mit fest zusammengepreßter Holzwolle, mit Stroh oder Heu ausgepolstert und einem Stoff überzogen gerade Platz für zwei Töpfe besitzt, deren Inhalt hier, ohne weitere Energiezufuhr, fertiggaren kann.33 Als dafür besonders geeignete Gerichte werden solche mit langer Garzeit angegeben. Aber nicht nur die Ernährung findet in den Frauenzeitschriften Beachtung; es fehlte ja in allen Bereichen des Haushalts am Nötigsten. Da beispielsweise die Seife knapp war, gab man neben Hinweisen, wie man vorhandene Seife sparsamer anwenden könne, auch Empfehlungen für ein »Waschen ohne Seife«. »Waschen mit Efeublättern (für dunkle Woll- und Seidensachen, Strümpfe)
3 Liter Wasser, 50 g Efeublätter. Die gewaschenen Efeublätter im kalten Wasser zusetzen, 5 Minuten kochen lassen und abgießen. Die Brühe handwarm abkühlen lassen, dann schaumig schlagen und die Wäschestücke gut darin durchdrücken. Mehrmals gut spülen. Zum Abkochen der Blätter einen alten Kochtopf verwenden, da der Absud leicht giftig ist. Auf alle Fälle nachher sehr gut ausspülen. 36
Seife - in den »Trümmerjahren« ein Schwarzmarktprodukt
Waschen mit Kastanien (für dunkle und helle Sachen aus Wolle oder Seide oder Mischgeweben) 8 Kastanien, 4 Liter abgekochtes Wasser oder Regenwasser. Die Kastanien ungeschält in kleine Stücke schneiden, das Regenwasser oder das abgekochte und wieder abgekühlte Wasser darangießen, 4-5 Stunden stehen lassen, durch ein Sieb oder Tuch abseihen. Die Brühe handwarm erwärmen, schaumig schlagen und die Wäschestücke darin durchdrücken, in klarem, warmen Wasser spülen.
Improvisierte Kücheneinrichtung der Trümmerzeit mit der berühmten »Kochkiste« (B. Beyreiss)
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Waschen mit Kartoffelschalen (für helle und dunkle Sachen, Strümpfe) Die Schalen von sauber gebürsteten, roh geschälten Kartoffeln in ein kleines Tuch oder Säckchen (am besten Mullsäckchen) binden, in kaltem Wasser aufsetzen und auskochen. Den Absud handwarm abkühlen lassen, schaumig schlagen, die Wäschestücke darin durchdrücken, spülen. Waschen mit Ochsengalle (für dunkelblaue und schwarze Sachen) 10 Liter Wasser, % Liter Ochsengalle (beim Metzger erhältlich). Das Wasser mit der Galle mischen, in der handwarmen Brühe die Wäschestücke durchdrücken, gut nachspülen. Holzaschenlauge zum Einweichen für die große Wäsche Auf einen Waschzuber legt man zwei Holzleisten, darauf stellt man einen Weidenkorb, den man mit einem alten Tuch oder einem Sackrupfen auslegt. Man gibt die Holzasche hinein und gießt langsam kaltes Wasser darüber, bis die Asche ganz durchnäßt ist. Über die durchnäßte Asche muß nochmals Wasser gegossen werden, jedoch nur soviel, daß eine kräftige Lauge abfließt. Die anfangs trübe Lauge wird nach längerem Stehen hell. Je nach Wasserzugabe wird sie kräftiger oder schwächer. Die Lauge soll hellgelb, klar und im Griff weich sein. Man stellt sie am besten 24 Stunden vor dem Einweichen her, sie klärt sich dann gut. Die obere helle Lauge wird abgeschöpft und zum Einweichen der weißen Wäsche verwendet, die untere etwas trübe Lauge zum Einweichen der bunten Wäsche. Auch Regenwasser, dem keinerlei Zusatz beigefügt werden muß, eignet sich zum Einweichen.«34 Man müßte nun wohl selber ausprobieren, wie weiß weiße Wäsche mit diesem Waschverfahren wird; alternativ ist es sicherlich, wenn auch kaum waschmaschinen-tauglich. Aber Rückgriffe auf alte Hausmittel ergaben sich damals als bittere Notwendigkeit, nicht als Suche nach dem Natürlichen. So waren die Münchner Philharmoniker, die ja beruflich weiße Hemden tragen mußten, herzlich dankbar für die - damals anonyme - Spende von zehn Kilo Waschpulver, mit denen der Gewerkschaftler Oscar Embacher dem Holzaschenlaugen-Grau abzuhelfen bemüht war.35 Einen weiteren Rückgriff auf die Natur machten viele Hausfrauen, wenn sie die Farben ihrer alten Kleider ohne chemische Stoffarben, die kaum erhältlich waren, aufzufrischen versuchten. Auch hier gibt ›Der Regenbogen‹ genaue Hinweise:
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»Übermangansaures Kali (braun, nicht lila) Die (sehr intensiv färbenden) stäbchenartigen lila Körnchen werden in Wasser sorgfältig aufgelöst. Man gießt die Farbbrühe durch ein feines Sieb oder Tuch und verdünnt je nach dem gewünschten Farbton mit mehr oder weniger Wasser. Man färbt warm oder kalt. Rote Tinte (hell- und dunkelrosa) Je nach dem gewünschten Farbton wird wenig Tinte mit mehr oder weniger Wasser verdünnt (sehr gut umrühren, damit sich alle roten Körnchen lösen!) Man färbt auf kaltem oder warmem Wege. Diese Lösung eignet sich zum Färben und Auffärben von Wäsche, Blusen, Kinder- und Babysachen. Kopierstift (blaulila) Ein Stück Kopierstift (ohne Holz) wird fein zerkleinert und in Wasser aufgelöst. Man gießt die Farbbrühe durch ein feines Tuch und färbt auf warmem oder kaltem Wege. Rote Rüben (karminrot) Die gut gewaschenen Schalen der roten Rüben werden ordentlich ausgekocht. Die abgegossene Flüssigkeit ergibt ein sehr kräftiges Färbemittel, das man je nach Wunsch mit mehr oder weniger Wasser verdünnt. Spinatbrühe (hellgrün)
Der Saft von zusammengefallenen Spinatblättern (schlechte, zum Essen unbrauchbare Blätter verwenden!) wird abgegossen und das Färbegut hineingegeben. Birkenlaub (grüngelb)
250 g frisches Birkenlaub werden in 2 Liter Wasser eine Stunde lang gekocht. 50 g Färbegut beizt man in einer Lösung von 10 g Alaun auf 2 Liter Wasser eine halbe Stunde lang, dann gibt man es in die durchgegossene Farbbrühe und kocht es eine Stunde lang darin. Sauerampfer (maisgelb) 200 g Sauerampfer kocht man in 2 Liter Wasser aus. 50 g Färbegut werden in 2 Liter Wasser mit 6 g Alaun gebeizt und eine Stunde langsam in der Farbbrühe gekocht. Äußere Schalen reifer Walnüsse oder Erlenrinde (braun) Zerkleinerte Walnußschalen oder die sorgfältig abgelöste Rinde junger Erlenzweige (auch zerkleinert!) werden 3-4 Stunden ausgekocht. Dann gießt man die Farbbrühe ab und gibt das Färbegut hinein, das etwa 2 Stunden darin gekocht wird. Eva Goette 36 39
Tauschmarkt Mit solchen Methoden - die heute wieder hochaktuell sind - kann man zwar Vorhandenes verbessern, nicht aber Neues zaubern. Tausch wurde daher großgeschrieben; man tauschte alles gegen jedes:37 Vertausche Graues Damenkleid gegen Bügeleisen Marsstraße 33/I Biete: Revolverdrehbank Suche: Fräsmaschine Ein Oberschenkelamputierter bietet
Einen linken Herrenhalbschuh gegen einen rechten Suche unbelasteten Mezzosopran Tausche Herren Marken-Rad, Halbballon, mit guter Bereifung gegen guten Radio.
Tauschanzeigen am Rotkreuzplatz (H. Schürer)
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Tausche
Ehering gegen gute Kochplatte Braunes Kostüm gegen guterhaltenen Kinderwagen Dunkelblauen Gummimantel, gut erh. gegen elektrische Kochplatte Elektr. Bügeleisen, elektr. Heizkissen oder Herren-Schaftstiefel, Gr. 43 gegen komplette Fahrradbereifung Biete Violine mit Kasten (Schülergeige) Suche elektr. Backrohr oder Heizplatte. Biete Rasierpinsel gegen Süßstoff Tausche Bratpfanne gegen Filzhut Wer tauscht Frack für schlanke Figur gegen Heizplatte? Ausgebombte sucht dringend kleinen Herd Gebe Herrenschuhe, Größe 41 zu erfragen hier im Laden Biete: Gut erhaltenes Sofa Suche: Kinderwagen Professionelle Tauschzentralen versuchten, dieses Bedürfnis der Bevölkerung legal zu befriedigen und nicht dem Schwarzen Markt zu überlassen. Aber auch eine andere Institution wurde in diesen Jahren geboren: die Freie Selbsthilfe. Als Zusammenschluß der Berufsverbände der Künstler, Schriftsteller, Komponisten sowie der Frauenverbände, des Deutsch-Amerikanischen Frauenclubs und des Bayerischen Roten Kreuzes hatte sie es sich »zur Aufgabe gestellt, den Notleidenden bei der angemessenen Verwertung ihres Besitzes, den sie veräußern müssen, zu helfen, ferner Absatzmöglichkeiten für selbstgefertigte Gegenstände zu schaffen und eine zusätzliche Arbeitsmöglichkeit zu vermitteln. Die Freie Selbsthilfe arbeitet ohne Gewinn mit ehrenamtlichen Helfern, hauptsächlich Frauen. Bei der Verkaufsvermittlung haben sich absolut zuverlässige Taxatoren aller Art zur Schätzung und Beratung zur Verfü41
Improvisation 1947: Gieskannen aus Gasmaskenbüchsen (W. B. France)
gung gestellt ... Die selbstgefertigten Gegenstände müssen geschmackvoll und tadellos gearbeitet sein.«38 Oder, wie es sich in der Rückschau des Jahres 1983 anhört: »In den Jahren ... der Fragebogen und des Kopfgeldes, stellten sich ein paar beherzte, einfallsreiche amerikanische und deutsche Frauen mit einem US-Army-Truck auf den Odeonsplatz und griffen zur Selbsthilfe. Das heißt, sie boten Dinge an, die die noch einmal Davongekommenen mit viel Glück gerettet hatten. Und nahmen dafür das Bargeld derer, die mit noch mehr Glück, schlauer Rührigkeit und manchmal auch geringeren Skrupeln ihre lebenswichtigen Grundbedürfnisse schon befriedigt sahen und bereits an den neuen Segnungen partizipierten. Geschäfte ohne jede Geschäftemacherei - was die Ver42
anstalter betraf. Heutigen Ohren muß das wie aus einem Märchen klingen: Die ehrenamtlich handelnden Damen waren nur Vermittler zwischen Angebot und Nachfrage.«39 Die Freie Selbsthilfe ist als Institution in Deutschland einmalig geblieben - hierin vergleichbar der Internationalen Jugendbibliothek, die ebenfalls in dieser Zeit, auch durch großen persönlichen Einsatz und ebenfalls durch eine Frau, durch Jella Lepman, verwirklicht wurde. Da über die »Mode« der Trümmerjahre an anderer Stelle ausführlich berichtet wird, sollen hier nun nur noch en passant zwei kosmetische Empfehlungen und ein Frisurtip des ›Regenbogen‹ weitergegeben werden. »Ein bißchen Kosmetik für die Hausfrau Wer durch seine Arbeit oder aber auch bei der häuslichen Beschäftigung leicht graue oder dunkle Nägel bekommt, halte sich einen kleinen Salbentopf mit pulverisiertem Bimsstein. Im Bedarfsfalle wird etwas Wasser zum Anfeuchten hineingegossen; dann wird jeder einzelne Nagel von oben herab in den entstehenden Schlamm gebohrt. In wenigen Minuten ist dieser am Finger hellgrau angetrocknet. Nun reinigt man die Nägel mit einem Stäbchen, worauf sie wieder weiß erscheinen. Regenwasser und dünner Teeaufguß sind ein reinigendes Gesichtswasser, das der Haut zuträglicher ist als hartes Leitungswasser. Es muß aber jede Frau herausfinden, ob für ihren Teint Kamillen- oder Lindenblütentee besser ist. Die Haut reagiert sehr schnell auf das, was ihr bekommt, also heißt es in diesem Falle achtsam sein. Rosl Wirsing«
Selbstgemachte Hausschuhe und Einkaufstasche aus Ersatzmaterialien
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»Meine Frisur sitzt nicht Viele benutzen ›Wuckerln‹, die Papilloten unserer Zeit. Brav feuchten sie abends die Haarsträhnen an, drehen fest die Locken ein und wundern sich morgens über die unnatürliche Frisur, ihr sprödes Haar. Nehmt statt dessen die Bürste, ihr erreicht mehr damit und hübsch seht ihr wirklich nicht aus mit den Holzröllchen im Haar, das durch die Gewaltkur jede Elastizität verliert. Zu häufiges Waschen und zu scharfe Seife sind auch die Ursache der ewig fetten Strähnen. Die Talgdrüsen sind überreizt, arbeiten nicht mehr normal, wir müssen sie beruhigen. Wir bürsten und massieren kräftig, manchmal mit einer stark verdünnten Spirituslösung.«40 Die ernste Seite des Trümmeralltags soll über »Wuckerln«, »Muckefuck« und Ochsengalle jedoch nicht vergessen werden. In den Frauenzeitschriften findet sich durchaus auch das ganze Spektrum von Sorgen, das die Trümmerzeit für die Frauen bereithielt. Neben den Mühen bei der Besorgung von Kleidung, Schuhen, Lebensmitteln und anderen Dingen des täglichen Bedarfs waren sie häufig noch weit größeren seelischen Belastungen ausgesetzt: Schulen und Kindergärten, anfangs ganz geschlossen, litten nach ihrer Wiederöffnung unter fast unerträglichem Platzmangel. Die Kinder und Jugendlichen spielten zwischen den Trümmern; die Gefahr der Verwahrlosung war groß, es bildeten sich regelrechte Kinderbanden, die stahlen und raubten, während die Mütter um Lebensmittel anstanden, Trümmer räumten oder anderen Arbeiten nachgingen. Viele Ehemänner und Väter waren gefallen oder befanden sich noch in Gefangenschaft; auch wenn sie zurückkehrten, stellte sich oft nicht die frühere Gemeinschaft ein, man war sich fremd geworden und fand kaum noch zueinander. Die Scheidungsraten schnellten in die Höhe; nach den Ergebnissen der Volkszählung von 1950 war der Anteil der Geschiedenen seit 1946 um 42 Prozent, das sind 7000 Personen,41 auf fast 23000 Personen angestiegen. Die Frauen hingegen, deren Männer oder Söhne als vermißt oder verschollen galten, warteten und hofften, erledigten oft in tiefster Mutlosigkeit ihren »täglichen Kram« und klammerten sich dann doch an die kleinsten Anzeichen von Hoffnung, standen stundenlang, tagelang auf zugigen Bahnhöfen, um Kriegsheimkehrer nach den vermißten Männern oder Söhnen zu fragen, meist mit Fotos in den Händen, die sie den Ankommenden wie Amulette entgegenhielten. Nicht vergessen darf man aber auch die Frauen, die teils mit, teils ohne eigenes Verschulden in den Untergrund, die Illegalität, oft auch die Prostitution abgedrängt wurden, diejenigen, die als Flüchtlinge, Heimatlose und Ausgebombte oft ohne Verwandte oder Freunde ein elendes Leben führten, die Vergewaltigten und Geschlagenen, die Trümmerfrauen, die »Fräuleins« und viele mehr.
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Frauen im Nachkrieg »In der Nacht zum Pfingstmontag 1945 verschafften sich zwei Negersoldaten Einlaß in das Einfamilienhaus, in dem ich wohnte. Angeblich suchten sie SS. Im Flur des oberen Stockwerks, wo die Schlaf räume lagen, richteten sie eine Maschinenpistole auf meine Wirtsleute und mich, und einer verkündete: ›You must die!‹ Dann fand er es aber wohl angenehmer, mich zu vergewaltigen, zerrte mich in mein Zimmer und aufs Bett, hatte eine schreckliche Bierfahne und wurde äußerst handgreiflich, als meine Wirtin an ein Fenster stürzte und gellend um Hilfe schrie. Im Nu waren die beiden wie ein Spuk verschwunden, und ich hatte einen schweren Schock. Am nächsten Tag ging meine Wirtin zur Militärpolizei, um den Vorfall zu melden, und bekam nur lakonisch zur Antwort: ›Das stimmt nicht. ‹«42 »Persönlich blieb mir die Begegnung mit der Besatzungsmacht fast völlig erspart. Bei der Suche nach einer Freundin öffneten mir unbeschwerte junge amerikanische Soldaten in der beschlagnahmten Wohnung, die am liebsten gleich mit Sekt ›fraternisiert‹ hätten. Einmal wurde ich von der Militärpolizei beim ›Trittbrettfahren‹ verhaftet. Das hätte eine Nacht Sammellager in der Corneliusstraße und Schnellrichter bedeutet. Vor dem ›Ausladen‹ eines Lastwagens voller ›Geschnappter‹ konnte ich noch abspringen und wohl mit stiller Duldung der Amis verschwinden.«43 »Mehr und mehr Zivilisten unterwegs, geschäftig, mit sich selbst beschäftigt. Zum ersten Male ein Kleid aus der Bettwäsche der Wehrmacht - blau-weiß kariert. In Dirndlform gehalten, mit einem vierekkigen, großzügigen Ausschnitt. Siebzehn oder achtzehn Jahre alt, offenes Haar, flotter Gang, ihrer Attraktivität bewußt. In Windeseile mußte das Kleid geschneidert worden sein, das Mädchen hatte nur eines im Sinn gehabt - mal was Neues zum Anziehen, mal zeigen, was man hat und wie man wirkt. Auf die amerikanischen Soldaten jedenfalls wirkte sie prompt. Sie pfiffen hinter ihr her, riefen ihr aus den Jeeps kurze, anerkennende Worte zu: ›pretty girl... beautiful... great ... kiss me, darling .. .‹ Andere Mädchen, die ebenfalls kurze, leichte Kleider aus ihren alten Beständen trugen, wurden von den Amis ebenfalls mit Komplimenten bedacht. Sie taten, als hörten sie nichts und wendeten den Kopf ab ... Frauen, die einige Jahre älter waren und nicht mehr so taufrisch, von den Leiden und Nöten des Krieges gezeichnet, blickten neidvoll auf die jungen Dinger. Für sie, die zwei, drei Kinder an der Hand führten oder betreuten, sah die Lage anders aus. Der Mann gefallen oder in Kriegsgefangenschaft oder vermißt. 45
Staatliche Stellen, die bisher Familienunterstützung bezahlt hatten, gab es nicht mehr. Woher das Geld nehmen für die lebensnotwendigen Dinge? Wenn der letzte Notgroschen verbraucht, der letzte Schmuck getauscht war - was dann? Wenn man so bedenkt, flotte Kerle unter den Amis - nicht nur die Offiziere. Und was nicht alles bei ihnen zu holen war: Kaffee, Schokolade, Zigaretten und andere Lebensmittel - alles Dinge, die man auf dem Schwarzmarkt gut tauschen konnte - oder verkaufen. Bargeld also in Sicht. Man brauchte nur zuzugreifen, denn aus dem Verhalten der Amis war das ja zu ersehen ... sie hatten nichts gegen die deutschen ›Fräuleins‹ .. .«44 Fräuleins
»Fräuleins« ... dieser Begriff wird wohl untrennbar mit der Nachkriegszeit verbunden bleiben. Im Gegensatz zur sowjetischen Besatzungszone, aus der meist Schreckliches über die einmarschierenden Besatzungstruppen berichtet wurde, scheinen sich die Amerikaner überwiegend auf sanftere Werbungsmethoden gegenüber dem weiblichen Geschlecht beschränkt zu haben. Das Bayerische Rote Kreuz in München hatte daher vor allem Frauen zu betreuen, die aus der russischen Zone kamen: »Ein besonders trauriges Kapitel war die Betreuung der in dieser Notzeit schwangeren Frauen und vor allem der Vergewaltigten. Über 200 schwere Vergewaltigungsfälle, in der weitaus überwiegenden Zahl in der russischen Zone an Frauen begangen, die flüchteten, wurden vom BRK München betreut. 150 dieser Unglücklichen waren geschwängert, etwa ein Viertel geschlechtskrank geworden. Eine Siebzehnjährige starb nach 38 Fällen, eine schwerkranke Mutter nach einer unbekannten Zahl von Vergewaltigungen ... Neben den ›Gretchen‹ (abgekürzt V. D. = Veneral Diseases = Geschlechtskrankheiten genannt), die ihre Frauenehre für eine Tafel Schokolade oder eine Zigarette verkauften, gab es auch deutsche Frauen, die damals an Schändungen zugrunde gingen oder, da sie ja noch Kinder waren, schwersten seelischen Erschütterungen ausgesetzt blieben. Der Grimm mancher Münchner Männer über die ›Gretchen‹ machte sich übrigens in anonymen Anschlägen Luft ... in denen zur Selbsthilfe durch Haarabschneiden und Prügel aufgefordert wurde.«45 Die amerikanische Militärpolizei oder der Schnellrichter im Polizeipräsidium mußten sich auch mit vielen »Soldatenliebchen« der verschiedensten Grade von Verkommenheit beschäftigen. Oft wurden dabei Einzelschicksale deutlich, die die Handlungsweise der Beschuldigten nur allzu verständlich machten. 46
»Vor dem Richter steht auch ein breitschultriges Mädchen, gut frisiert, mit einem ganz hübschen Kleidchen. ›Sie sind von der Streife mitgenommen worden, weil Sie keine Arbeitskarte vorweisen konnten. Sie stehen also nicht in Arbeit?‹ Der Mund des Mädchens wölbt sich trotzig und bleibt geschlossen. ›Ohne Arbeitskarte erhalten Sie keine Lebensmittelmarken. Wovon leben Sie also?‹ Schweigen. ›Nun, auch ohne Ihre Antwort wissen wir, wovon Mädchen Ihres Schlages sich erhalten.‹
Fraternisierung (E. Oehl) Öl auf Leinwand, 1946, Privatbesitz
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›Jawohl‹, sagt sie heftig und blickt auf, ›ganz genau davon lebe ich. Und nicht nur, weil meine Freunde dafür sorgen, daß ich zu essen und etwas Ordentliches zum Anziehen habe, bin ich froh. Mit 17 Jahren haben sie mich in die Rüstung gesteckt. Da habe ich von früh bis abends in den Hallen gesessen und Schrauben gefräst. Tausende am Tag. Nachts saßen wir im Luftschutzkeller. Kurz vor Kriegsende wurde ich noch zur Flak eingezogen. In die Nähe von Wien. Nur mit Mühe sind wir den Russen ausgekommen und mußten all unsere kleinen Habseligkeiten zurücklassen. Als ich heimkam, war unser Haus zerstört. Irgendwo in der Oberpfalz hat man meine Mutter mit den 3 kleinen Geschwistern in ein armseliges Zimmer hineingestopft. Der Vater ist noch nicht aus der Gefangenschaft zurück. Meine Mutter hat mit dem besten Willen keinen Platz für mich. Wenn ich sie besuche, muß ich mit ihr und dem Kleinsten in einem Bett zusammen schlafen oder auf dem Boden, denn sie haben im ganzen nur 2 Betten. Da bin ich in der. Stadt wieder in die Fabrik gegangen. Aber was konnte ich mir am Ende der Woche von dem Lohn kaufen? Nicht einmal ein Paar Strümpfe. Sonntags mußte ich zum Kartoffelhamstern gehen oder Holz im Wald holen. Ja, ist das denn ein Leben? Ein Leben, wenn man jung ist? Nein, die Nächte sind vorbei, in denen mir die Angst hochkroch, daß das ganze Leben so trostlos weiter- und vorbeigehen könnte. Jetzt will ich endlich einmal leben.‹«46 Etliche weitere Fälle hatte die Militärpolizei zu bearbeiten, die dafür bekannt war, auch gegen die eigenen Soldaten radikal durchzugreifen. Da die deutschen Polizisten damals noch keine Waffen tragen durften, besaß die MP einen Großteil der Polizeigewalt. Karl Jering, später Referent des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen, berichtet in seinen Tagebuchaufzeichnungen über seine Erlebnisse als deutscher Dolmetscher bei der Militärpolizei: »17. 12. 45 ... Inzwischen brach die Stunde der ›curfew violators‹ an, der Unglücklichen, die nach der Sperrstunde von der Streife auf der Straße aufgelesen wurden, hauptsächlich biedere Deutsche, die sich in den Ruinen verlaufen oder sonstwie verspätet hatten. Resigniert warteten sie, bis sie aufgerufen, registriert und abgeführt wurden. Eine Streife brachte ein Offiziersliebchen heran. Der sie begleitende Leutnant protestierte heftig und telephonierte mit dem Kommandeur. Er bekam das Mädchen frei; aber der Wachleiter bemaß den beiden die Frist zur Heimkehr so kurz, daß sie wahrscheinlich der nächsten Streife in die Arme laufen werden ..
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Die Handhabung des »Fraternisierungs«-Verbots
5.1. 46 Diese Nacht zunächst keine Vorfälle. Gegen Mitternacht brachten die Soldaten eine streunende 15jährige, ein Kind noch, aber verderbt aussehend. Sie hatte keine Ausweise und konnte auch keinen Wohnsitz angeben. Ihre Eltern wurden in Nürnberg ausgebombt; sie wisse nicht, wo sie sich jetzt aufhalten. Ihre Aussagen piepsig und undeutlich; sie kommt wegen Überschreitung der Sperrstunde und Geschlechtskrankheit in den Bunker ... 10.1. 46 Viele der streunenden Frauen, die jeden Abend aufgegriffen werden, kommen aus der Sowjetzone, wo sie einen Grad menschlicher Erniedrigung erfahren haben, daß sie selbst für den amerikanischen Geschmack zu grob geworden sind, was etwas heißen will... 22.1. 46 ... Nachts eine Ehetragödie. Eine Frau klagt das in ihrem Zimmer hausende Mädchen an, es habe ihren Mann mit einer Geschlechtskrankheit angesteckt, die sie sich im Verkehr mit Negern holte. Der Wachoffizier läßt den Ehemann und das Mädchen herbeischaffen. Die Soldaten schleppen auch die 18jährige Tochter des Ehepaares an. Auf meine Bitten schickt sie der Leutnant wieder nach Hause. Die Sache ist schmutzig genug. Der Mann, ein Krüppel mit einer halben Lunge 49
und einem Dutzend weiterer Defekte, muß zugeben, daß er und das Mädchen sich in ärztlicher Behandlung befinden. Die beiden werden eingesperrt.«47 Abschließend sei zu diesem düsteren Kapitel des Nachkriegsalltags noch aus einem Bericht des Münchner Zuzugskommissars Willi Irlbeck zitiert: »München 21 Uhr Im Wartesaal des Münchner Hauptbahnhofs. Fahles Licht ergießt sich über Gepäck und Menschen. Die Halle ist angefüllt von Dunst, penetrante Gerüche durchziehen den Raum. Jugendliche, die alle Stadien sittlicher Verworfenheit bereits durchwanderten, Mädchen, die um die Wechselwirkung von Angebot und Nachfrage wissen; Geschäftemacher und Gelegenheitsdiebe, denen Gesetz und Recht leere Begriffe sind; entlassene Kriegsgefangene, deren Sehnsucht, die Heimat wiederzusehen, einem unüberwindlichen Ekel wich; Mütter, deren Kindern Wartesäle und Eisenbahnabteile zum Spielplatz, Kisten und Koffer zum Kinderbett wurden; menschliche Wracks, denen ihr zerschundener Körper Verdienst bedeutet; stumpfes Dösen, dumpfes Brüten, Schmutz und Hoffnungslosigkeit.
MP-Streife mit Münchner Schutzmann, 1946 (W. B. France)
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Evakuierte Münchner kehren zurück
›... wer ehrlich sein Geld verdienen will, soll sich lieber gleich aufhängen .. .‹ - ›Die Heimat und Eltern waren einmal, wer schert sich darum, wenn ich mal n'Jahr eingesperrt werde ...‹-›... Ich schlafe bei dem, der am meisten bietet, da brauch' ich kein Zimmer und habe mein Auskommen ...‹-›... seit Monaten reise ich mit den Kindern von Stadt zu Stadt, nichts von meinem Mann, nichts von meinen Angehörigen ...‹-›... mehr wie verrecken kann man ja nicht ...‹-›... eh' ich krepiere, gehen noch ein paar andere kaputt .. .‹ Resignation, Mitleid mit sich selbst, Spott, Haß, Verachtung, Wut... Gesprächsfetzen wirbeln durcheinander, verweben sich zu monotonem Rauschen, das so harmlos klingt. Meine Damen und Herren, dieses monotone Rauschen erhebt sich bei uns, die wir mit der Frage des Zuzugs zu tun haben und die auseinandergerissenen Familien, welche schon Jahre getrennt sind, nicht zusammenkommen lassen, bereits brausend und wird ... weiterhin nichts getan ..., so wird dieses Rauschen bald ein orkanartiges sein.«48
Zuzug und Unterbringung
Zuzug ... ein magisches Wort der Trümmer jähre.49 Fast ebenso schwierig wie der Zuzug war jedoch die Unterbringung, also die Beschaffung von Wohnung oder Schlafmöglichkeit. Über einige »Geheimtips« der Trümmerzeit berichtet Maria von Eynern: 51
»Für findige Leute gibt es ein ›Hotel auf Schienen‹. Da kann man in einem am Hauptbahnhof abgestellten Bahn-Speisewagen warm essen und mehrere Schlafwagen bieten eine auf Rädern stehende Übernachtungsmöglichkeit an. Allerdings ist die Zahl der Nächte, die jeder dort verbringen darf, begrenzt. Auch tagsüber dürfen müde Reisende sich am Bahnhof ausschlafen: von abends 6 bis 10 sind die ›Nachtgäste‹, von früh um 10 bis abends 6 die ›Taggäste‹ willkommen.«50 Weniger komfortabel hausten Flüchtlinge, die keine Arbeit und daher auch keinen Zuzug in München erhalten hatten, in abgestellten Zügen: »Da uns das Wasser bis zum Hals stand, blieben wir in München und schliefen die erste Zeit in leeren Zügen am Hauptbahnhof. Morgens wusch man sich, Männlein und Weiblein in einer Schlange stehend, notdürftig an einem dünnen Hahn kalten Wassers; tagsüber mit hungrigem Magen auf Arbeitssuche; nachts wieder in die leeren Züge, bei denen wir vor lauter Übermüdung manchmal früh die Abfahrtszeit verpaßten und bis zur ersten Vorortstation mitfahren mußten. Mein Schwager bekam dann Arbeit bei einer Baufirma, wo er in der Gemeinschaftsbaracke mit schlafen konnte. Nach vergeblichen Bewerbungen bei deutschen Firmen und Behörden hatte ich bei einer amerikanischen Ingenieur-Einheit Arbeit gefunden ... Ich hatte aber immer noch keine Zuzugsgenehmigung (die erhielt ich erst Jahre später) und vor allem keine Unterkunft. So schlief ich halt weiter in den leeren Zügen, seit mein Schwager nicht mehr bei mir war mit einem kleinen Messer in der Hand, mit dem ich mich manchmal Zudringlichen gegenüber wehren mußte. Meine amerikanischen Kollegen waren ein Bündel sehr offenherziger Sergeanten, die nach einiger Zeit freimütig bemerkten, daß ich zwar eine gute Arbeitskraft wäre, aber etwas gepflegter sein könnte. Ich brach, glaube ich, daraufhin in Tränen aus und erzählte ihnen von meinem Nachtlager. Für diese Kinder einer Badezimmer-Hochkultur war so etwas völlig unvorstellbar, und der Construction Supervisor, ein Leutnant, packte mich sofort in seinen Jeep und raste mit mir zum Wohnungsamt. Er brüllte zwar reichlich herum, erreichte aber verständlicherweise für mich gar nichts, denn ›Amis‹ mit ihren ›Fräuleins‹ im Schlepptau waren dort ein täglicher, für die deutschen Beamten sicher unangenehmer Anblick ... Aber mein Chef boxte dann bei den amerikanischen Behörden durch, daß mir ... ein von den Amerikanern beschlagnahmtes Zimmer zur Verfügung gestellt wurde.«51 Von einer weiteren, recht ungewöhnlichen Art der Unterbringung machte Maria von Eynern Gebrauch. Ein Freund führte die Überraschte, der der Holzvorrat ausgegangen war, vor die Ruine des Hotels Regi52
na, und zwar an die rückwärtige Front des Hotels, an der sich ein improvisierter Hotel-Empfang befand. »Voller Spannung folge ich ihm. Ohne Umschweife wenden wir uns nun in eine andere Richtung: es geht ein paar Stufen hinab. Wir befinden uns im Keller. Lange Flure. Wir wandern an Rohren unterschiedlicher Dicke vorbei und spüren bereits eine gewisse Wärme. Er zeigt darauf: ›Heizung!‹ sagt er knapp. Endlich öffnen sich die verschlungenen Irrwege zu einem großen, milde angewärmten Raum: dem ehemaligen Dampfbad. Inmitten liegt ein Becken, bunt gefliest wie aus Tausendundeiner Nacht, ein paar Stufen führen hinab. Das ehemalige Schwimmbecken. Ringsum Holztüren, die jetzt alle offenstehen. Die früheren Badekabinen. In jedem ›Stübchen‹ eine appetitlich weißbezogene Liegestatt. ›Nun?‹ wartet er stolzgeschwellt. Und dann fallen wir uns gegenseitig um den Hals, und ich habe Mut und Laune wiedergefunden. ›Verehrte Dame, darf ich Ihnen die Zimmer unseres Hotels zeigen?‹ sagt er mit weitausladender Handbewegung und stelzt gravitätisch von Zimmer zu Zimmer. Überall das gleiche: Reinlichkeit - Gastlichkeit. Ich hole tief Luft: es riecht nach dem unergründlichen Mief ungelüfteter Kellerräume. ›Und hier -‹ flüstert er geheimnisvoll und schleicht
"Ja. wenn Sie keine Briketts mitbringen, kann ich Sie in der Hölle nicht mehr aunehmen."
Der Simpl Nr. 3, 1948, S. 27
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um eine Ecke herum auf den Gang direkt oberhalb des Schwimmbekkens - ›hier mein Geheimtip:‹ er zieht den Vorhang vor einer Nische zurück: ich sehe darin ein weißes Lager. Darüber verläuft ein dickes Rohr. ›Heizung!‹ nickt er bedeutsam ... Ein paar Tage später schlüpfe ich im Regina-Keller unter. Ich schlafe dort, wärme mich - wasche mich. Frühstück gibts in der winzigen Bügelnische, wo man sich untereinander kennenlernt, denn es sind hauptsächlich Stammgäste, die hier wohnen ... Die Schlafkojen waren durch leichte Holzwände abgetrennt, die oben keineswegs die Decke und unten ebensowenig den Boden berührten. Es waren simple Trennwände. Jeder Schnarcher, jegliches Rascheln, alle Töne und Düfte teilte man getreulich einander mit. Nichts ließ sich verheimlichen außer dem Anblick: die Gäste konnten sich natürlich hinter dem Holz nicht sehen.«52 Wer nicht nur für sich allein Unterkunft zu finden hoffte, der hatte sich beim Wohnungsamt anzustellen; es war jedoch nur bis Mittag geöffnet. Die in Außenbezirken Untergebrachten mußten daher meist unverrichteter Dinge abziehen. Eine junge Frau, die für ihre Eltern und Geschwister eine Wohnung suchte, wählte daher einen anderen Weg. »Ich faßte eines Tages den heroischen Entschluß, in unmittelbarer Nähe des Wohnungsamtes die Nacht zu verbringen, um dann am Morgen möglichst bei den ersten zu sein, die nach Öffnung der Schalterstunden vorgelassen werden. Ich suchte mir eine Ruine heraus, die ich geeignet fand, um mich in den Kellerräumen nachts zu verstecken. Sie war bald ausgemacht. Ich sagte meinen Bekannten Bescheid ... Die rüsteten mich aus mit guten Ratschlägen, einer Wolldecke und mit Daumenhalten, und ich zog eines Abends, Tapferkeit vorgebend, los. Gerade noch vor Beginn der Sperrstunde war ich in meinem Versteck. Es wurde eine lange Nacht, die nicht enden wollte. Mir war trotz der Wolldecke am ganzen Körper eiskalt, ich stand in sie eingehüllt an die feuchtanzufühlende Mauer gelehnt und war voller Ängste. Einmal, so gegen Mitternacht, kamen Schritte näher. Ich duckte mich in die äußerste Ecke, das Herz klopfte laut bis zum Halse, und ich hielt vor Schreck den Atem an. Doch die Taschenlampe entdeckte mich nicht. Es war anscheinend nur jemand austreten gegangen; vielleicht ein Wachsoldat der amerikanischen Armee, der sein Geschäft nicht oben machen wollte. Am Morgen war ich dann die dritte Person, die vor der noch verschlossenen Türe des Wohnungsamtes darauf wartete, eingelassen zu werden. Dort nahm man meine Wünsche auf. Doch blieben sie rein auf den bürokratischen Vorgang beschränkt, denn Hilfe war angesichts der durch Bombenschaden verursachten ungeheuren Wohnraumnot nicht so schnell zu erwarten.«53 54
Andere, die sich dem nicht aussetzen wollten, versuchten oft auf abenteuerliche Weise, wieder zu ihren Verwandten zu kommen, nur um erschöpft doch wieder in München zu landen. So berichtet eine weitere Nachkriegs-Leidensgenossin: »Ich ... wußte nichts von meinen Eltern in Düsseldorf und überhaupt von meiner Familie, da es seit Wochen keine Post mehr gab, und so setzte ich mich auf mein altes Fahrrad und radelte nach Düsseldorf. Natürlich durfte man nur bis Freimann, aber ich radelte um einen Lastwagen herum, der gerade kontrolliert wurde, und war draußen. Das Abenteuer dieser Tour übergehe ich. Nach sechs Wochen radelte ich wieder zurück, denn ich wollte natürlich weiter Musik studieren und unbedingt in München ein Zimmer haben. Kurze Strecken konnte ich nun schon in oder auf Güterwagen zurücklegen. In München landete ich in einem Zustand totaler physischer und psychischer Erschöpfung (Bruder gefallen, Schwager vermißt, ein Onkel in Buchenwald umgebracht, Eltern ausgebombt) im jetzigen Franz-Joseph-Stift Mühlbauerstraße, das damals Krankenhaus war und von Barmherzigen Schwestern geleitet wurde. Dort behielt man mich sieben Wochen.«54 Die extremen Anspannungen und Anforderungen des Trümmeralltags hatten aber auch ein Phänomen zur Folge, das bereits in den letzten Kriegsjahren, beispielsweise nach Bombenangriffen, häufig die Überlebenden erfaßte: überschäumende, eruptive Lebenslust, rauschhafte, manchmal fast ein wenig irre Vergnügungssucht, verrückte Tanzwut und beinahe fanatische Lebensfreude. Meist ohne Alkohol oder ähnliche Stimulantia, ohne Geld, oft nur gerade noch mit dem nackten Leben davongekommen feierte man Feste von spontaner Fröhlichkeit. Ein Münchner erinnert sich: »Ich .. .ging monatelang jeden Abend zum Tanzen, obwohl es selbstverständlich keinen Alkohol und nichts zu essen gab. Es gab nur ein saures Getränk, Molke genannt. Ich und alle anderen Tanzwütigen haben sich jeden Abend so amüsiert und waren so fröhlich, wie später trotz Abendessen und Alkohol selten wieder.«55 Maria von Eynern versucht dies so zu erklären: »Vieles spielt mit hinein - vor allem die echte, persönliche Freiheit, die die zerstörte Umwelt uns läßt, und die geradezu verschwenderisch ausgeteilt wird und etwas Faszinierendes hat. Man ist unerhört kontaktfreudig. Und man ist letzten Endes für sich selbst verantwortlich für jede Freude, auch für jeden Fehltritt im Dschungel der Verwor55
renheit, der das liebe Ich hier und da zum Straucheln bringt. Man lebt in dieser freien Wild- und Tummelbahn in ständiger Partnerschaft mit Gleichgesinnten - eng verbunden mit den Menschen, deren Gedanken auf der gleichen Wellenlänge laufen wie die eigenen. Und überall scheint das ›große Abenteuer‹ zu warten, das endlich die Welt offenbart, auf die wir hoffen. Überzeugt davon, dieses Neue nicht mit den Mitteln von Tradition, Überlebtheit, Bürgerlichkeit und Geistlosigkeit schaffen zu können, suchen wir überall das Außergewöhnliche. Und schaffen um uns eine Atmosphäre steter Bereitschaft, den Merkwürdigkeiten des Daseins zu begegnen und sich mit ihnen zu befassen. Freiheit winkt auf allen Gebieten - in der Berufswahl, die eigentlich an allen Ecken und Enden behindert wird durch wirtschaftliche Misere und die doch so reizvoll erscheint. In der Diskussion, die frei von allen persönlichen und politischen Bindungen geführt werden kann. Es gibt keine Bekleidungs-Konventionen mehr, weil einfach niemand mehr das ›Konventionelle‹ besitzt - es gibt wahrhaftig die Freiheit aller Besitzlosen und Intellektuellen.«56 Trümmeralltag bot also nicht nur Mühsal und Not, auch ein Aufbruch in neue geistige Freiheit und Offenheit schien möglich. In vielen Bereichen des öffentlichen Lebens, der Politik, der Kultur und der Verwaltung eroberten sich die Frauen in diesen Jahren Positionen, die sie weit über die Sorgen der täglichen Brotbeschaffung hinaustrugen. Hier galt Erich Kästners Diktum: »Der Magen knurrt, doch die Augen blitzen!«57 Dies aufzuzeigen scheint besonders nötig, um das Bild der Frauen dieser Jahre nicht zwischen »Muckefuck« und Notkochtöpfen verkommen zu lassen.
Frauen im Beruf und im öffentlichen Leben »Im Mai 1945 gab es für alle in der Firma gar keine Arbeit, denn alle öffentlichen Funktionen hatten aufgehört: keine Post, keine Transporte. Erst ab 25. Mai begannen die ersten Trambahnen wieder zu verkehren. Trotzdem wurde erwartet, daß man sich täglich meldete und einige Stunden blieb, auch wenn man - wie ich - eine Stunde zu Fuß hin und eine Stunde zurückgehen mußte (ich wohnte in Schwabing). Als ich bei einer dieser Gelegenheiten von einer Kollegin erfuhr, daß die Amerikaner im Radio nach englischsprechenden Steno56
typistinnen, die möglichst auch englisch stenographieren konnten, suchten, meldete ich mich sogleich beim Arbeitsamt, das damals notdürftig in Schwabing ein Büro unterhielt, und wurde sogleich an die Militärregierung in der Holbeinstraße verwiesen. Schon nach wenigen Tagen wurde ich dort eingestellt, aber meine alte Firma wollte mich immer noch nicht gehen lassen ... So blieb ich einfach weg, und darüber waren die beiden Direktoren ... so erbost, daß der eine dem Offizier, dem ich zugeteilt worden war ..., einen Brief schrieb, ich sei eine ›Nazi‹ gewesen! Dies erfuhr ich von dem Offizier persönlich, sonst jedoch wurde ich kein einziges Mal von den Amerikanern vernommen, hörte nur von meinen ehemaligen Kolleginnen, daß 2 Herren in der Firma gewesen seien und dort Erkundigungen eingezogen hätten ... Ich habe dann volle zwei Jahre bei der Militärregierung für Bayern gearbeitet und dort mit unseren Vorgesetzten sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Offiziere waren generell zu uns deutschen Angestellten sehr freundlich und menschlich.«58 »Mein Schwimmkamerad Harry Valerien erkannte meine erbärmliche Lage und verschaffte mir einen Arbeitsplatz im neugegründeten Sportblatt ›Tempo‹ im Pressehaus an der Bayerstraße. Doch nach 8 Monaten ging das Sportblatt in Fusion mit dem Sportkurier Ulm. Ich konnte weiter im Münchner Zeitungsverlag arbeiten, es gab jedoch zu dieser Zeit nur 3 Erscheinungstage der Zeitung, also arbeitete ich am Tage in der Gärtnerei von Samen-Schmitz und 3 Nächte in der Zeitung. Stundenlohn 1,20. - Dazwischen sauste ich mit dem Fahrrad immer wieder schnell heim, denn meine Tochter war ja viel allein. So ergab sich eine 60-Stunden-Woche - per Rad morgens zur Gärtnerei, um 18 Uhr schnell per Rad nach Milbertshofen in die Wohnung, ab 21 Uhr bis morgens um 3 Uhr in die Zeitung. Alles natürlich mit dem Rad ... Große Achtung habe ich auch vor jenen Frauen, die in der Nacht im Keller des Zeitungsversands schufteten, morgens sodann daheim schnell die Familie versorgten und dann meist noch die Zeitung ausgetragen haben, oder zum Putzen gingen. Welche Mühe war das Zeitungsaustragen! Ruinen, zerbombte Treppenaufgänge mit Notleitern, ohne Taschenlampe war es überhaupt nicht möglich, die Abonnenten zu finden. Denn die meisten hausten damals noch hinter provisorischen Holzverschlägen und nur ein Zettel zeigte an, wer dahinter wohnte. Diese tapferen Frauen kannten keinen Sonn- oder Feiertag, Urlaub - ein Fremdwort -, aber wer spricht noch darüber? Wer denkt überhaupt heute noch darüber nach, daß es damals die Frauen und Mütter waren - die Trümmerfrauen -, die die Begründerinnen des deutschen Wirtschaftswunders waren. Die Männer waren ja entweder noch in Kriegsgefangenschaft, oder schwere Verwundungen ließen 57
überhaupt keine Arbeit zu, oder die Mitgliedschaft in der NSDAP zwang sie zunächst ›unterzutauchen‹ - wenn ich daran noch denke! Was waren da die starken Männer zahm und kleinlaut!«59
Die Frau auf dem Arbeitsmarkt Die berufstätige Frau zwischen Trümmern und Haushalt, zwischen Kindern und Schreibmaschine, zwischen Verantwortung und Einengung ein Thema, das bereits mehrfach zur Sprache kam. Im Jahre 1946 waren 37,8 Prozent der Münchner Erwerbstätigen Frauen; unter den beruflich tätigen Verheirateten galten dabei etwa 17 500 Frauen als »Alleinverdienende aus Restfamilien«, ersetzten also in vollem Umfang die abwesenden Männer. In einem Bericht des Wiederaufbaureferats heißt es: »Von dem patriarchalischen Zustand, daß der Mann die Familie ernährt und die Frau das Hauswesen besorgt, hat sich die Großstadtfamilie schon lange entfernt. Im Herbst 1946 verdienten in 156205 Familien zusammenlebender Ehepaare 29504 Ehefrauen, also 18,9% mit, davon waren Frauen von Selbständigen Beamten Angestellten Arbeitern Rentnern u. a.
39,2% 3,0% 13,4% 34,4% 10,0%
wobei bemerkenswert ist, daß die Ehefrau, wenn sie mitverdient, dies überwiegend in derselben sozialen Stellung tut, die der Mann im Beruf innehat. Im ganzen übten Ende 1946 rund 64000 Hausfrauen einen Hauptberuf aus oder finanzierten sonst die Familie.«60 Der soziale Aufstieg der Frauen in qualifizierte Berufe, der hier bereits angedeutet wird, bestätigt sich an einer anderen Stelle des Berichtes. Dort heißt es, unter Hinweis auf die etwa gleichgebliebene Quote der Frauenarbeit seit 1882 (1882 sind 35,l Prozent der Erwerbstätigen Frauen, 1946 sind es 37,8 Prozent): »Allerdings verbirgt sich hinter dem überraschend hohen Anteil der Frauenarbeit eine weittragende soziale Umschichtung. In früheren Jahrzehnten war die Frau fast nur in ›dienender‹ Stellung, als Dienstbote oder Arbeiterin, tätig. Daneben spielten nur noch die selbständigen Geschäftsfrauen eine gewisse Rolle, während die Mittelschicht 58
fast völlig fehlte. Sie begann sich erst nach dem 1. Weltkrieg zu entwickeln, seitdem die fortschreitende Bürokratisierung von Verwaltung und Wirtschaft Berufe geschaffen hat, in denen die Frau als Angestellte vielfältige Verwendungsmöglichkeiten als Stenotypistin, Sekretärin, Sachbearbeiterin, technische Assistentin und dgl. fand. Schließlich waren bei der letzten Zählung im Herbst 1946 im Angestellten- und Beamtenverhältnis schon mehr Frauen tätig, als in Lohnarbeit. Die zunehmende Geringschätzung der ›häuslichen Dienste‹ drückt sich deutlich in dem verminderten Anteil dieser Sparte aus.« Diese Tendenz zeigte sich nach Kriegsende auch massiv an den Zahlen der jeweils Arbeitslosen und der offenen Stellen. So standen im Dezember 1946 in Bayern 43000 voll einsatzfähige weibliche Büroangestellte den nur 780 offenen Stellen gegenüber, während der dringende Bedarf an Haushaltskräften zur selben Zeit 8000 betrug.61 Die Münchner Frauenzeitschrift ›Der Regenbogen‹ versuchte daher unter der Überschrift »Ersehnte und erfüllbare Frauenberufe« ihren Leserinnen die Mangelberufe schmackhaft zu machen: »Nicht wenige Hausangestellte sind durch den Krieg, sagen wir es einmal ruhig, ins Büro ›hineingerutscht‹ in dem Gedanken, nun auf einer höheren gesellschaftlichen Stufe zu stehen; denn Büroarbeit erscheint auch heute noch ›feiner‹ als Hausarbeit. Vielleicht ist neben anderen Gründen die Bezeichnung ›Dienstmädchen‹ daran schuld .. .Und doch ›dienen‹ alle, die ihren Beruf ernsthaft erfüllen. Dient nicht eine Mutter ihr Leben lang ihrer Familie, dient nicht ein Gelehrter in jeder Minute der Wissenschaft, und dient nicht ein Arzt ständig der Menschheit? ... Der dringende Bedarf an Hauskräften ... hat alle Hausfrauen zu größeren Zugeständnissen bereit gemacht ... Besonders selbständig wird die Arbeit dann sein, wenn die Frau des Hauses auch beruflich tätig ist, so daß die Hausangestellte ein völlig selbständiges Arbeitsfeld hat... Findet man je auf dem Büro eine selbständigere Arbeit? ... Niemand sage, daß Hausarbeit keine Kopfarbeit sei. Warum gibt es so viele Frauen, die nie fertig werden, während man immer wieder mit leisem Neid andere bewundert, die es verstehen,... jede Arbeit genau vorher zu überlegen?«62 Ähnlich argumentierte ›Der Regenbogen‹ im Hinblick auf das Gaststättengewerbe, in dem Bayern 2200 Kräfte benötigte,63 ähnlich auch für die Landwirtschaft, wo 15000 Arbeitskräfte fehlten. »Was bietet heute die Stadt? Ruinen, mühseliges Trambahnfahren, im Büro sitzen bei schönem Wetter, am Abend im kalten Zimmer auf dem Kocher schnell etwas herrichten und dann, allerdings, wenn man 59
Glück hat, ab und zu einmal eine Kino- oder Theaterkarte. Natürlich gibt es auf dem Land weniger geistige Anregung, aber dafür frische Luft, Naturnähe, und - nicht zu verachten - bessere Verpflegung ... Das junge Mädchen ist heute vor die Notwendigkeit gestellt, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Die Eheaussichten sind durch den Krieg schlechter geworden und der Ausweg, von dem vielleicht manche träumen, einen Amerikaner zu heiraten, ist durch Gesetz versperrt. Wie lange werden die Ersparnisse noch reichen? Es ist schon besser, sich jetzt in aller Ruhe einen Posten im Haushalt oder in der Landwirtschaft zu suchen. Verlangt es erst einmal die Not, müssen wir das erste beste Angebot annehmen.« Für die Landeshauptstadt München galt sinngemäß ähnliches wie für das bayerische Umland. So meldete das Arbeitsamt München mit dem Stand vom 13. Januar 1949 folgenden »vordringlichen Arbeitskräftebedarf« an weiblichen Arbeitskräften:64 593 Hausgehilfinnen, davon 95 für Tagesstellen; 2 gelernte Bürsteneinzieherinnen; l perfekte Rahmenvergolderin; 30 gelernte Einlegerinnen; 20-30 gelernte Buchbinderinnen; 4 geübte Flaschenwäscherinnen (nasse, kalte Arbeit); 140 gelernte Schneiderinnen; 10 gelernte Büglerinnen für Waschanstalten; 20 gelernte Maschinenstickerinnen; 45 Küchenmädchen für Gaststätten; Schäftestepperinnen und Miedernäherinnen. In welchen Berufen waren die Frauen im Nachkriegsmünchen des Jahres 1946 nun überwiegend beschäftigt?65 Kaufmännische Berufe: 34106 Verwaltung und Büro: 14764 Hauswirtschaft: 14356 Textilarbeiterinnen: 13143 Mithelfende in gewerblichen Betrieben: 8696 ohne nähere Angabe: 8491 Gesundheitsdienst und Körperpflege: 7502 Reinigungsarbeiten: 5752 Nahrungs- und Genußmittelarbeiterinnen: 4511 Erzieher und Lehrberuf: 4275 Gaststätten: 3677 Künstlerische Berufe: 3550 60
Verkehrspersonal: 3333 Dienst- und Wachpersonal: 2250 Hilfsberufe Stofferzeugung und -Verarbeitung: 2142 Landwirtschaft und Gartenbau: 1820 Bildungs- und Forschungsberufe: 1408 Graphische Berufe: 1549 Mithelfende in der Landwirtschaft: 1127 verschiedene Berufe: 5880 Die hauswirtschaftlichen Berufe traten also quantitativ stark hinter den Büroberufen zurück.
Trümmerfrauen
Da genauere Interpretationen solcher Statistiken66 ohnehin fragmentarisch bleiben müßten, erscheint es sinnvoller, sich nun einem Phänomen - fast möchte man es Phantom nennen - der Trümmerzeit zuzuwenden, dessen Erfassung sich als äußerst schwierig erwies: der Münchner Trümmerfrau. Gewiß haben auch in München viele Frauen bei den Schutträumungsaktionen mitgearbeitet, Ziegel geputzt, Steine aufgeladen, Loren geschoben und Gehsteige enttrümmert; sie sind jedoch statistisch kaum erfaßt. Im Gegensatz zu Berlin, wo die Legende der »Trümmerfrau« entstand, kann der Anteil der Frauen an der Schutträumung selbst, vor allem an der professionellen, von Baufirmen durchgeführten Trümmerbeseitigung, in München nicht sehr groß gewesen sein. Am Wiederaufbau der zerstörten Reichshauptstadt Berlin arbeiteten im Juli 1946 41116 weibliche und »nur« 37074 männliche Hilfskräfte mit;67 die Münchner Trümmerräumungs-Berichte aber geben jeweils nur die Zahlen der daran beteiligten Männer, des beseitigten Schutts sowie der benötigten Hilfsmittel und Materialien an.68 So heißt es in einem städtischen Bericht von 1948 über die Schutträumung: »Alsbald nach dem Einmarsch begann die Besatzungsmacht selbst mit eigenen Lastwagen und deutschen Kriegsgefangenen die Beseitigung des auf den Hauptstraßen der Innenstadt liegenden Schuttes. Ab 1. 12. 1945 wurden die Maßnahmen unter Verantwortung der Stadtverwaltung weitergeführt und im März 1946 neben der Straßen- auch die Gebäudeschutträumung zusätzlich in Angriff genommen. Bis 31.12. 1947 sind etwa 2,2 Millionen cbm Schutt vom Gesamtumfang von etwa 5 Millionen cbm durch die Stadt und die Bevölkerung abgefahren worden ... Der Schutt wird an den Schadensstellen mit Greifbaggern aufgenommen, mit LKW-Kippen zu den Zwischenkip61
Brennholz aus den Ruinen (W. B. France)
pen in der Innenstadt gebracht und dort mit Löffelbaggern auf die Feldbahnen umgeladen. Brauchbare Altbaustoffe wie Ziegelsteine, Eisen und Schrott, Installationsmaterial und Holz werden an den Zwischenkippen aussortiert.«69 Hier mögen wohl auch Frauen, vor allem als Hilfsarbeiterinnen, eingesetzt worden sein. Im Jahre 1946 waren jedenfalls etwa 38000 Einwohner Münchens im Bau- und Baunebengewerbe beschäftigt, das ent62
sprach 50 von 1000 Einwohnern; 1935, in der ersten Zeit des nationalsozialistischen Baubooms, waren es 60 gewesen, 1933 nur 20. Durch die großen Kriegsverluste fehlten jedoch überall geschulte Kräfte, die man vor allem aus den Kreisen der Heimatvertriebenen zu ersetzen versuchte.70 In einer Stadtratssitzung im April 1946 appellierte Oberbürgermeister Scharnagl an die Anwesenden: »Meine Damen und Herren! Die Not der Stunde fordert den Einsatz des letzten Mannes, der letzten Frau Münchens zu tätiger Mithilfe bei der Säuberung der Stadt von Trümmern und Ruinen, dem traurigen Erbe des 3. Reiches.«71 Wie die Bevölkerung sich an der »Enttrümmerung« beteiligte, zeigte Stadtrat Rudolf Schwarzer in der nämlichen Sitzung auf: In einer freiwilligen Räumungsaktion hatte die »Baugenossenschaft West des Eisenbahnpersonals« 4000 cbm Schutt beseitigt, Dächer selbst gedeckt und ähnliches; dabei waren vor allem Kinder, Frauen und alte Männer zum Einsatz gekommen, auf deren Leistung Schwarzer besonders lobend hinwies. Ähnliches zeigte sich in der Schutträumungsaktion des »Aktionsausschusses Harlaching«. Hier wurde erstmals auch der prozentuale Anteil der Frauen an den Räumungsarbeiten genannt: »Was die Zusammensetzung der Arbeitskräfte anbelangt, so machten wir die Beobachtung, daß sich fast überwiegend Frauen zur Verfügung stellten und gerade die Frauen außerordentlich kräftig mitarbeiten; es sind ja reihenweise in den Häusern in Harlaching kaum Männer da oder nur alte und kriegsversehrte, so daß die Frauen zu 75% überwiegen.« Nur diese »Beobachtung« bleibt also von der Münchner Trümmerfrau übrig. In dem Bericht von der Harlachinger Aktion wird übrigens noch eine in anderer Hinsicht aufschlußreiche Bemerkung angefügt: »Es haben sich in Harlaching auch nicht nur deutsche Hauseinwohner zur Verfügung gestellt, es sind auch Ausländer zur Arbeit angetreten. Wir hatten am vergangenen Samstag das aparte Bild in Harlaching, daß an einem Fahrzeug gleichzeitig ein deutscher Beamter, der wegen seiner Parteizugehörigkeit aus dem Dienst entlassen war, ein ehemaliger KZler, ein Bulgare, ein Slowene und ein Jude arbeiteten und alle zusammen haben fleißig geschaufelt und einiges geschaffen.« Ein weiteres Stichwort für die Trümmerräumung ist damit bereits gefallen: Der »freiwillige« Zwangseinsatz ehemaliger Parteimitglieder bei der Trümmerräumung. Durch etliche Aufrufe in Rundfunk und Zeitun63
gen wurden nämlich ehemalige Nationalsozialisten aufgefordert, sich zur freiwilligen Trümmerräumung zu melden - andernfalls würde man ihnen die Lebensmittelzuteilungen entziehen. Neben 1330 Männern, die sich daraufhin aus diesem Kreise zur Verfügung stellten, meldeten sich auch 102 Frauen. Im Stadtrat wurde die Meinung geäußert: »Die Nazi sind verantwortlich für den Dreckhaufen, sie haben deshalb Sühne zu leisten.« Frauen und Mädchen müßten dabei miterfaßt werden, da sie auch während der NS-Herrschaft Zeit gehabt hätten, »herumzulaufen und Geld einzusammeln«; »sie müssen heute auch in der Lage sein, hier mitzuarbeiten«, betonte eine Stadträtin. Alle diese Stellungnahmen zeigen, daß die Arbeit der Frauen bei der Trümmerräumung in München keine solche Selbstverständlichkeit war wie etwa in Berlin. Die Münchner Trümmerfrau bleibt also wohl größtenteils eine Chimäre.
Emanzipation Dies gilt aber keineswegs für die Frau im Trümmeralltag. Ganz im Gegenteil! Das Selbstbewußtsein vieler Frauen war oft durch die Arbeit während der Kriegsjahre, durch den Zwang, in der Abwesenheit der Männer, Väter und Brüder allein zurechtzukommen und durch den eigenen Erfolg im Beruf erst geweckt worden. Sekretärinnen hatten während des Krieges reibungslos ihre zur Wehrmacht einberufenen Chefs ersetzt, sei es in der Wirtschaft oder in der Verwaltung; viele Ressentiments gegenüber Frauen in technischen Berufen waren gefallen, und auch die These von der geringeren Leistungsfähigkeit der Frau ließ sich nicht mehr aufrechterhalten. Die Frau hatte sich bewährt und war kaum wieder aus dem Arbeitsleben zu verbannen - jedenfalls nicht in den Trümmer Jahren, in denen sie noch dringend als Arbeitskraft gebraucht wurde. Die Frauen erhoben daher auch Ansprüche - meist jedoch zaghaft und vorsichtig, unter Betonung der besonderen »weiblichen« Qualifikation für den Umgang mit der Jugend als Erzieherinnen, Fürsorgerinnen, Jugendrichterinnen und Kinderärztinnen, für die Schaffung von Wohnlichkeit als Architektinnen und für die Regelung wirtschaftlicher Dinge als erfahrene Haushälterinnen.72 Zusammenfassend schreibt dazu ›Der Regenbogen‹: »Dies sind sehr wesentliche Aufgaben, die auf die Frau im wirtschaftlichen Leben des Volkes entfallen, ihr eine große Verantwortung auferlegen und sie auch auf das Gebiet der Politik führen. Die im öffentlichen Leben stehende Frau ist meist auch politisch interessiert. Die ›Nur‹-Hausfrau, die von Sorgen und Arbeiten überlastet, manchmal körperlich und seelisch erschöpft ist, steht jetzt vielleicht noch dem 64
politischen Geschehen gleichgültig bis abwartend gegenüber. Dieser Zustand wird aber zwangsläufig mit der Zeit überwunden werden ... Darüber hinaus kann und darf keiner Frau mehr das Geschehen um unsere Kriegsgefangenen, die staatliche Fürsorge für unsere Schwerund Seh werstverletzten, die Witwen- und Waisen Versorgung, die Not der Ausgewiesenen, die Rückführung der Jugend in geordnete Bahnen, die Wohnungsbaufragen, das Ernährungs- und Gesundheitswesen und vieles andere gleichgültig sein. Sie muß an diesen Fragen aktiv Anteil nehmen. Und sie kann durch ihr ausgleichendes Wesen, ihren gesunden Menschenverstand und ihr Bewußtsein für Verantwortung viel dazu beitragen, das Volk aus der Verelendung, die Jugend aus der erschütternd anwachsenden Verwahrlosung herauszuführen, um ihnen wieder den Weg der Anständigkeit und Gerechtigkeit, Wahrheit und praktischen Nächstenliebe zu weisen.« Noch deutlicher nennt eine Leserzuschrift des Jahres 1946 die Dinge beim Namen. »... Gerade diese Aufbauzeit ist der rechte Augenblick, diese Forderung nach dem gleichen Staatsbürgerrecht der Frau nachdrücklichst zu erheben. - Wie war es denn nach dem ersten Weltkrieg, in dem die Frau im wahrsten Sinne des Wortes auch schon ›ihren Mann‹ in der Wirtschaft gestanden hatte. Lohnte man ihr dies? Kaum wurden die ersten Tarife abgeschlossen, als auch schon, wie bei den kaufmännischen Angestellten, ein 15-20%iger Abzug für sie von den festgesetzten Männergehältern in den Gehaltstarifen aufgenommen wurde ... Aber nicht nur um gleiche Bezahlung für gleiche Leistungen für die Frau geht es jetzt, sondern auch um die Beteiligung an allen Einrichtungen. Das sind nicht nur die sogenannten Sozialgebiete im engsten Sinne, sondern auch die Beisitzerplätze für Arbeitsgerichte, Schlichtungsausschüsse usw., die Schöffen- und Geschworenen-Plätze bei den Gerichten mit eingerechnet. Wenn man der Frau auch jetzt die Schippe in die Hand drückt, weil es um den Aufbau von Heimat, Existenz und Familie geht, dann wird sie mitarbeiten in der Hoffnung, daß diese Prüfungszeit Befreiung von überholten Vorurteilen bringen wird.«73 Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, qualifizierter beruflicher Einsatz, mehr politische Mitbestimmung - keine unbilligen Forderungen. Unter der Überschrift »Frauen müssen arbeiten« appellierte Werner Eckhardt im ›Regenbogen‹: »Die 5 Millionen von 20 bis 45 Jahren müssen ersetzt werden! Sie können es nur durch die Frauen. Es ist nicht übertrieben zu sagen: 65
Von der deutschen Frau hängt das Schicksal unseres Aufstiegs ab. Frauen müssen arbeiten ... Es muß nicht nur so sein, daß nur die Stenotypistin und nur die Krankenpflegerin als echte frauliche Berufe gelten. Es muß vielmehr so werden, daß die Frau in alle Berufssparten übergreift, in denen sie ohne Gesundheitsschädigung die männliche Arbeitskraft ersetzen kann ... Es ist die Tragik der arbeitenden Frau, daß heute noch ein Großteil der männlichen Schaffenden auf sie herabsieht, anstatt zu ihr als zu einer Gleichen hinzusehen! Noch unsere Großväter hatten in ihren Kanzleien den Herrn Sekretär. Welcher Mann denkt heute überhaupt noch daran, wenn ihn Fräulein Sekretärin ebenso freundlich wie bestimmt abweist? Steht nicht schon ein gut Teil ordentlicher Betriebe unter weiblicher Führung? Sitzen nicht schon Frauen auf Referentenposten in den Behörden und an vielen leitenden Stellen? Ist die Journalistin noch eine Seltenheit? Oder gar die Ärztin? Man sage nicht, das seien nur wenige weibliche Experten. So ist es nicht. Je stärker die Unterschicht ihrer Geschlechtsgenossinnen ist, um so mehr und um so bedeutendere Spitzen werden daraus hervorgehen.«74 Nachdenklich stimmt es, liest man im folgenden die hoffnungsvolle Zukunftsprognose des Jahres 1947: »Das Wort von der Emanzipierung ist abgedroschen. Es bedarf auch dieses Wortes nicht mehr. Der Frauenüberschuß ist eindeutig. Zwischen 18 und 40 Jahren kommen auf 1000 Männer 1242 Frauen. Das besagt alles. Die Frauen sind also nicht nur an sich, sie sind speziell im leistungsfähigsten Alter in der Mehrzahl. Die Zunahme der Frauenarbeit ist die unabwendbare Folge. Die Gleichberechtigung der Frau in politischer, allgemein-sozialer, gesellschaftlicher und endlich auch psychischer Hinsicht ist unausbleiblich. Über heute noch verbreitete Vorurteile werden schon unsere Kinder lachen.« Lachen wir wirklich darüber? In vieler Hinsicht sicherlich, aber einige dieser Fragen werden auch heute noch ungemindert diskutiert, sind noch ungelöst. Das angekündigte Zeitalter des Matriarchats ist jedenfalls noch nicht angebrochen, auch wenn wir die Aufgabe der Frau keineswegs mehr überwiegend auf Ehe und Haushalt, Krankenpflege, Erziehung oder kunsthandwerkliche Berufe beschränkt sehen, wie noch die Begründerin einer später nicht realisierten »Frauenhochschule« im Jahre 1946.75 Aber die Frage des ›Silberstreifen‹ aus dem Jahre 1948, »Wo bleiben die Frauen?«, die vor allem der politischen Repräsentation der weiblichen Bevölkerung galt,76 stellt sich heute noch genauso.
66
»Es ist sattsam bekannt, wie groß in Deutschland ... der Frauenüberschuß ist. Sehen wir uns indes daraufhin die verschiedenen Volksvertretungen, die Betriebsräte, die Ausschüsse usw. an, so ist von diesem Frauenüberschuß nichts zu merken, ganz im Gegenteil könnte man annehmen, es müsse unendlich viel mehr Männer als Frauen geben. Die Zahl der weiblichen Abgeordneten steht in schreiendem Gegensatz zur Zahl der weiblichen Wähler. Wo bleiben die Frauen? ... Die Frauen unserer Zeit, und gerade und insbesondere die deutschen Frauen, müssen endlich begreifen lernen, daß es nicht nur ihr Recht ihr ihnen auch heute noch immer vorenthaltenes Recht -, sondern auch ihre Pflicht ist, sich endlich um die sogenannten öffentlichen Angelegenheiten, mit anderen Worten um die Politik in Gemeinde, Kreis und Staat zu kümmern, ihre Stimme zu erheben, ihren Einfluß geltend zu machen, ihre Interessen zu verteidigen.«
Die Frau im öffentlichen Leben Ganz ohne politische Vertretung waren die Frauen natürlich auch damals nicht. Es bestand jedoch ein aufschlußreicher Unterschied zwischen der Zahl der Frauen auf der städtischen Ebene und in den Länderparlamenten; die Großstadt spielte dabei eine Sonderrolle. Das geht aus einem Zahlenvergleich des Jahres 1954 hervor: Lag München mit einer Frauenvertretung von 16,4 Prozent in dieser Hinsicht durchaus im vorderen Feld, nur noch übertroffen von Berlin und Hannover, so bildeten Bayerns Frauen im Vergleich mit anderen Länderparlamenten das Schlußlicht: nur 3,4 Prozent der Abgeordneten in Bayerns Parlament waren weiblichen Geschlechts; der Frauenanteil der Stadtstaaten hingegen lag zwischen 12 und 14 Prozent, der der übrigen deutschen Länder zwischen 4,4 Prozent (Niedersachsen) und 8,8 Prozent (Hessen). In den kleineren Gemeinden sank er jedoch oft auf weniger als l Prozent.77 Für die Einordnung Münchens ist dies insofern aufschlußreich, da sich hier seine Sonderstellung im bayerischen Umland erneut bestätigt; außerdem zeigt der Vergleich mit anderen Großstädten, daß sich München durchaus - noch vor Hamburg oder Frankfurt - behaupten konnte und keineswegs generell als frauen- oder gar fortschrittsfeindlich bezeichnet werden kann. Einen Großteil dieser positiven Normalität hatte München dabei seiner SPD zu verdanken, die fünf Frauen - ein Drittel ihrer Stadtverordneten! - in den Stadtrat entsandte. Die CSU hingegen bot nur eine Stadträtin auf; die KPD hatte mit der sehr aktiven Adelheid Ließmann, nach 1948 auch die WAV mit Katharina Syffert und vor allem die FDP mit Hildegard Brücher, wichtige weibliche Politikerinnen in die Kommunalvertretung gebracht. Mit der später bedeutendsten dieser Stadträtinnen, Hildegard Brü67
cher, die damals Journalistin der ›Neuen Zeitung‹ war, konnten sich die Münchner Stadträte anfangs nicht recht anfreunden, war sie ihnen doch zu wenig bayerisch, zu jung und überdies bei einer Zeitung beschäftigt. So traute man ihr offenbar durchaus auch zu, geheime Stadtratssitzungen nicht immer ganz diskret zu behandeln - was sicherlich nur einem Ressentiment entsprang.78 In der Kommunalpolitik spielte sie während der Trümmerjahre jedoch noch keine wichtige Rolle, ebensowenig die übrigen Stadträtinnen, vielleicht mit Ausnahme von Adelheid Ließmann. Eine weit größere Bedeutung hatten die Frauen im kulturellen Bereich. Viele Seiten könnte man füllen, wollte man über alle diejenigen berichten, die im Trümmermünchen lebten und arbeiteten: über Schauspielerinnen wie Inge Birkmann, Heidemarie Hatheyer, Maria Koppenhöfer, Maria Nicklisch, Hanna Rucker und Luise Ullrich, die Abend für Abend die Besucher der Kammerspiele und des Staatstheaters am Brunnenhof begeisterten, oder Ursula Herking, die durch ihre Auftritte in der ›Schaubude‹ etwa als Flüchtlingsfrau - oder durch ihre Präsentation von Erich Kästners ›Lied vom Warten‹ unvergeßlich wurde. Erzählen müßte man von Sängerinnen und Musikerinnen wie Maud Cunitz, Felice Hüni-Mihaczek, Ruth Michaelis, Cäcilie Reich, Herma Studeny, Edith von Voigtländer oder der Pianistin Rosl Schmid, die jahrelang der Liebling des Münchner Konzertpublikums war. Zu nennen wären Zeichnerinnen wie Franziska Bilek, Schriftstellerinnen und Journalistinnen wie Marieluise Fleisser oder Luise Rinser, wie Erich Kästners Lebens- und Arbeitsgefährtin Luiselotte Enderle, wie Maria Gehrke, Eise von Reventlow oder Ursula von Kardorff. Hinweisen müßte man auf selbständige und einfallsreiche Frauen wie Eise Domberger, die eine Musikschule leitete und sich sehr für die Förderung des künstlerischen Nachwuchses und die Veranstaltung von Konzerten einsetzte; wie die Bibliotheksobersekretärin Agnes von Krempelhuber, die unter schwierigsten Umständen die gesamte Auslagerung und Rückführung der Buchbestände der Münchner Stadtbibliothek durchführte;79 wie die Galeristin Karin Hielscher, die erstmals nach dem Krieg bedeutende französische Künstler wie Franz Masareel nach München holte; wie Anneliese Hugendubel, die den Wiederaufbau ihrer renommierten Buchhandlung maßgeblich mittrug; wie Annemarie Meiner, die den Landesverband für den Bayerischen Buchhandel mitbegründete und seine Verbandszeitung zu einem wichtigen Vorläufer des Börsenblatts für den deutschen Buchhandel machte; wie Frau Kornhas-Brandt, die die Meisterschule für Mode nach dem Krieg erneut zu einem Begriff werden ließ. Erwähnenswert wären auch die vielen kulturinteressierten Ehefrauen Münchner Prominenter, die sich für die Wiederbelebung der Münchner Kultur einsetzten wie beispielsweise die Frau des Münchner Universitätsrektors Karl Vossler oder adelige Damen wie Prinzessin Pilar von Bayern, Prin68
zessin Ahrensberg und viele, viele andere.80 Über alle diese Frauen müßte man hier berichten, ebenso wie über die Studentinnen und Wissenschaftlerinnen, die unter oft haarsträubenden Bedingungen ihr Studium oder ihre wissenschaftliche Tätigkeit Wiederaufnahmen. Stellvertretend sollen hierfür drei Beispiele angeführt werden:81 »Gerda H. ist Flüchtling. Nach einem vergeblichen Versuch, in Hamburg unterzukommen, hat sie sich nach München gewandt. Sie bekommt unter unendlichen Schwierigkeiten die Zulassung zum Studium, ihre Studienkameraden ›organisieren‹ ihr ein Zimmer. Da sie alles verloren hat, was ein Zivileuropäer zu verlieren hat, muß sie ihr Studium selbst verdienen. Sie versucht mit ihrem Dolmetscherexamen eine Abendbeschäftigung bei den Amerikanern zu bekommen. Vergeblich. Schließlich kommt sie auf einen anderen Gedanken: Blut zu spenden. Sie ›spendet‹ einmal im Monat, bekommt dafür 30 Mark und eine Lebensmittelzulage. Die Lebensmittelkarte verkauft sie wieder. Ich frage erstaunt, ob sie das auf die Dauer durchhalte, und sie lacht mit blühendem Gesicht: ›Na, bei den Rationen wird es bald ein Ende haben. Vorläufig spür' ich noch nichts!‹ Sonstige Einnahmen kommen unregelmäßig aus kleinen ›Geschäften‹. Ihre alten Kleider hat sie bereits verhamstert, einen Bezugsschein bekam sie nicht. Die Belastung ist groß, weil sie alles selbst machen muß. Dazu die ewig magere Gasthauskost. Der letzte Winter war entsetzlich: 8 Grad Kälte im Zimmer und kein Brennmaterial ... Ich frage nach ihren Kommilitoninnen - ob es denn noch ›normale‹ darunter gäbe. ›Freilich, die hier in München zuhause sind, die ihre Eltern hier haben. Denen geht es besser und sie wissen gar nicht, wie gut sie es haben.‹« »Eine Kollegin von ihr ist Kriegerwitwe und begann nach dem Tod ihres Mannes mit dem Studium. Sie stammt aus Leipzig, kam schwarz über die Grenze, ihre Eltern leben noch dort, aber die finanzielle Unterstützung ist sehr gering.« »Eine dritte ist junge Ehefrau, hat ein niedliches einjähriges Baby. Ihr Mann studiert Jura, sie bemüht sich eifrig, um das vor ihrer Heirat begonnene Studium jetzt zu beenden. Dazu muß das große Latinum noch nachgemacht werden. So ergibt sich oft die ergötzliche Situation: Mutti und Baby auf einer Bank in der Herbstsonne: sie hält das Lateinbuch auf den Knien und das Strickzeug zwischen den fleißigen Fingern. So leben sie. Wenn man unseren Großmüttern erzählt hätte, was ihre Enkelinnen leisten müßten und fertigbrächten - sie hätten nur ungläubig den Kopf geschüttelt.«81
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Wie ihre Kommilitonen mußten auch die Studentinnen, um die Zulassung zum Studium zu erhalten, Trümmer räumen; sie schaufelten sich den Zugang zu ihrem Studium und zur Universität also buchstäblich mit eigenen Händen frei. Neben all diesen tüchtigen Frauen hätten jedoch vor allem zwei Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens umfangreichere Biographien verdient: Die Journalistin Jella Lepman, die als »Beraterin in Frauenfragen« bei der amerikanischen Besatzungsmacht beschäftigt war und durch deren Initiative in München 1946 die erste Internationale Kinderund Jugendbuchausstellung nach dem Krieg zustande kam, aus der dann, nach zähem Ringen, 1948 die heute noch einmalige Institution der Internationalen Jugendbibliothek erwuchs.82 Und die »Filmfrau« und Treuhänderin des Münchner Luitpoldkinos, Lonny van Laak, die als Leiterin des zeitweilig existierenden städtischen »Filmamts«, als bayerische Filmspezialistin im Stuttgarter Länderrat und als Präsidentin des Verbandes Bayerischer Filmtheater den Wiederaufbau des Münchner Nachkriegsfilms entscheidend mitprägte.83 Betrachtet man nun das breite Spektrum der berufstätigen Frau im München der Nachkriegs jähre, so entsteht ein lebendiges Bild von Improvisation, erwachendem Selbstvertrauen, Alltagsbewältigung und Freude an der eigenen selbständigen Leistung. Die Frauen behaupteten sich, trotz aller Schwierigkeiten.
Ausblick: Frauenbild und Fraueninitiativen Am Ende dieses gewiß sehr lückenhaften Ganges durch den Nachkriegsalltag der Frau in Haushalt und Beruf stellt sich die Frage, ob sich eigentlich die Auffassung von der Rolle der Frauen durch Krieg und Nachkrieg geändert hat. Auch wenn darauf keine schlüssige, eindeutige Antwort zu geben ist, so zeigt doch der Vergleich vor allem mit den Vereinigten Staaten deutlich, daß die deutschen Frauen um viele Jahre hinter ihren amerikanischen Geschlechtsgenossinnen zurückgeblieben waren. So heißt es im ›Regenbogen‹: »Amerika ist uns hier voraus. 60 v. H. des gesamten Volksvermögens stehen dort unter der Kontrolle von Frauen. 30 v. H. aller Arbeitsstellen sind dort von Frauen besetzt. Ihnen gehören 40 v. H. allen Grundbesitzes, 40 v. H. aller Aktien, 54 v. H. aller Vorzugsaktien, 65 v. H.
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aller Sparguthaben - und wahrscheinlich gehört ihnen auch ein nicht errechenbarer Prozentsatz dessen, was wir Menschlichkeit nennen.«84 Es unterschied nämlich nicht nur die wirtschaftliche Gleichberechtigung Deutsche und Amerikanerinnen: In den USA spielten auch die großen Frauenorganisationen, für die kein vergleichbares deutsches Pendant existierte, eine ungemein wichtige Rolle. Ihren Eindruck von der ersten Begegnung mit einer solchen Organisation schildert Jella Lepman, die sich im April 1948 auf einer Werbereise für ihre Jugendbibliothek in St. Louis aufhielt: »Dann geriet ich mit Haut und Haar in den Wirbel meiner ersten amerikanischen Konferenz in St. Louis. Ihre Veranstalterin war die American Association of Childhood Education. Die Organisation war ein Schaustück, mehr als 2000 Teilnehmer, meistens Frauen mit den knalligsten Blumen- und Bänderhütchen und echten Orchideen am Jackenaufschlag! Alle Altersklassen waren vertreten, alle riefen sich beim Vornamen und strahlten eine Lebensfreude und Tüchtigkeit aus, daß die Luft knisterte ... Dabei von einer Sachkenntnis, die immer aufs neue überraschte ... Am Abend verwandelten sich diese erstaunlichen Frauen, von denen viele akademische Titel trugen, in elegante Damen von Welt. Sie schlüpften in lange Abendkleider in allen Regenbogenfarben und steckten ganze Büschel echter Orchideen in den Ausschnitt.«85 Ein Telegramm der berühmten Eleanor Roosevelt - der Witwe von Franklin D. Roosevelt, der während der Kriegszeit Präsident der USA war - an den höchsten amerikanischen Besatzungsoffizier in Deutschland, General Clay, rettete das Projekt »Internationale Jugendbibliothek«;86 der Initiative amerikanischer Frauenorganisationen war ein Großteil der Buchgeschenke zu verdanken, die Deutschland nach dem Kriege erreichten;87 amerikanische Fraueninitiative war es vor allem, die mit der CARE-Paket-Aktion die Deutschen vor dem Verhungern bewahrte.88 Der Einfluß der amerikanischen Frauen reichte also sehr weit. Wie sah das in Deutschland aus? Was hatte man dem beispielsweise in München entgegenzusetzen? Neben der »katholischen Frauenschaft«, die sich schon bald nach Kriegsende sozialer Aufgaben annahm, wurde im Dezember 1948 der seit 1914 bestehende »Münchner Frauenklub« wieder gegründet, der sich zu dem Ziel bekannte, »die in freien Berufen schaffenden Frauen wirtschaftlich, menschlich und künstlerisch zu betreuen«.89 Im Oktober 1949 begann auch die 1926 gegründete »Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstfreunde«, die Gedok, in München wieder mit ihrer Tätigkeit. Ihre Aufgabe beschrieb sie so: 71
»Die Gedok will die Interessen der Künstlerinnen wahren, sowohl im Wirtschaftsleben als auch in Frauenfragen. Neben diesen sachlichen Belangen werden in der Gedok die menschlichen Beziehungen gepflegt. Sie will Sammelpunkt sein für alle Künstlerinnen, die sich aus der Einsamkeit des Lebens und Arbeitens nach Gemeinschaft und Verständnis sehnen.«90 Gute Initiativen also, zaghafte Anfänge weiblicher Selbstorganisation aber in keiner Weise vergleichbar der Bedeutung und dem Einfluß der amerikanischen Frauen verbände. Hier war Deutschland wirklich noch ein »Entwicklungsland« und ist es wohl auch geblieben. Als man im Januar 1947 daran ging, eine »Soziale Frauenschule« zu gründen, mit deren Hilfe der Auftrag der bayerischen Verfassung verwirklicht werden sollte, allen Mädchen eine hauswirtschaftliche Ausbildung zukommen zu lassen, tauchten dann trotz aller Bemühungen um eine neue Sehweise die alten Vorstellungen von der Rolle der Frau im Leben wieder ungebrochen auf.91 Diese wurden keineswegs von Männern vertreten, nein, promovierte Frauen äußerten sich hier zu den Grundfragen weiblicher Erziehung: »... schon immer wurde es als Mangel empfunden, wenn eine Frau von hauswirtschaftlichen Dingen nichts versteht. Die Mädchen sollen zu guten Frauen herangebildet werden, ob sie ihr hausfrauliches Können später in der Familie oder als alleinstehende Berufstätige verwerten werden. Dies liegt sowohl im Interesse der weiblichen Jugend selbst als auch im Interesse des ganzen Staates, denn ein großer Prozentsatz des Volksvermögens geht durch die Hand der Frau, und von ihrem Können und Verstehen hängt es ab, ob dasselbe gut oder schlecht genutzt wird ... Das größte Problem der Frauenerziehung ist die richtige Haltung dem Mann gegenüber. Gerade hier wirkt sich ein großer Fehler der Erziehung in der Vergangenheit heute aus, in der besonders schlechten Stellung der deutschen Frau, besonders in Bayern, die offenbar wird in der Einstellung des Mannes zur Frau. Schuld an dieser Entwicklung trage zum Teil auch die pfarrliche Erziehung in den Jugendkreisen ... Wie segensvoll wäre die Mitarbeit einer Frau bei der religiösen Erziehung der Mädchen, die bisher nur den geistlichen Herren oblag! In Lebenskunst müßte auch für die unverheiratete, berufstätige Frau ein Wort gesprochen werden. So wenig weiß die Jugend von der Bedeutung der Jungfräulichkeit! Welch ein großes Aufgabengebiet zur Einführung der Frau durch die Frau! Die 3-klassige Mittelschule gilt als allgemein bildend, sie soll die Mädchen für ihre künftige Aufgabe als Hausfrau und Mutter vorbereiten, die allgemeine Bildung vertiefen ... Die Mittelschule wird als vollwertige Schule angesehen, die Zukunft hat, denn die Zahl der Mädchen, 72
die studieren können, wird immer mehr zurückgehen ... Vorschlag: Wie vom Studenten ein Praktikum verlangt wird, so sollte auch vom jungen Mädchen der Nachweis von einem gewissen Mindestmaß an hauswirtschaftlichem Können und Wissen verlangt werden, ehe es berechtigt ist, einen Beruf, gleich welcher Art, auszuüben ...« Das Bewußtsein einer Fehlentwicklung und die Vorstellung von der in Zukunft möglicherweise wieder aus der höherqualifizierten Ausbildung auf Haushalt und Familie zurückgeworfenen Frau durchdringen sich hier beinahe unentwirrbar. Da dabei unter anderem christ-katholische Vorstellungen von der Aufgabe der Frau anklingen, soll auch die evangelische Auffassung zu Worte kommen, ebenfalls von einer Frau verfaßt: »Spüren wir es nicht: Die Stunde der Frau in unserem Volk ist gekommen! Was brauchen die Zerbrochenen und Zermürbten, die Heimatlosen und Ratlosen mehr als die mütterliche Frau, die ihre Arme ausbreitet und diese Notleidenden an ihr Herz nimmt? Sie wird nichts von ihnen fordern und ihnen keine neuen Lasten auferlegen. Sie wird sie nur erleben lassen, in der verstehenden Liebe eines priesterlichen Menschen endlich ausruhen zu können .. ,«92 In diametralem Gegensatz zu diesen Empfehlungen stehen die von einem ostdeutschen Frauenverlag propagierten »Frauen von denen man spricht«,93 die linientreuen Konditormeisterinnen, Ärztinnen, Traktoristinnen oder sonstigen Aktivistinnen, die im Einsatz für die Norm und damit für das »sozialistische Vaterland« ihre Pflicht erfüllen. Die berufstätige Frau, die »ihren Mann steht«, wird hier zum Leitbild erhoben, nicht die Frau in der Familie. Für Erziehung sorgt der Staat, das Recht zum Studium ist eine Frage der praktischen Bewährung im Berufseinsatz, die Beziehung zum Mann baut auf Kameradschaft auf. Zwei deutsche Staaten, zwei propagierte und wohl auch praktizierte Vorstellungen von der Rolle der Frau. Betrachtet man jenseits dieses ideologischen Überbaus die Frau der Nachkriegszeit, hier zwischen den Trümmern Münchens nach 1945, so bleibt der Eindruck von vorsichtigem Erwachen und Bewährung bei der Bewältigung der »Forderung des Tages«. Das Frauenbild hatte sich also kaum geändert, wohl aber die wirkliche Bedeutung der Frau in ihrer Alltagsumwelt. Marita Krauss
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Trümmermode und New Look Kleidung und Mode in München 1945-1949
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Nr. 56, 1948
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Im zerstörten München des Jahres 1945 mußten die Überlebenden des Krieges nun auch den ersten Frieden überleben und zunächst einmal die Grundbedürfnisse Nahrung, Wohnung und Kleidung befriedigen. Die Versorgung mit Bekleidung war alles andere als ausreichend. Der Bedarf der Zivilbevölkerung konnte schon in den letzten Jahren vor dem Krieg recht schlecht gedeckt werden, obwohl der tatsächliche Verbrauch mit 14 kg Textilien pro Kopf der Bevölkerung im Jahr ziemlich hoch war. Ein großer Teil davon wurde allerdings für Uniformen der Armee und der zahllosen NS-Gruppierungen benötigt. Über die Reichskleiderkarte und verschiedene Zusatzkleiderkarten (beispielsweise für die HJ-Uniformen der Jugendlichen) waren Textilien rationiert worden, und mit sogenannten Reichsspinnstoffsammlungen versuchte man, eine größtmögliche Menge von Altkleidern und Lumpen für eine Weiterund Wiederverwendung zu gewinnen. Im Krieg hatte selbstverständlich die Produktion für Wehrmacht, Luftwaffe und Marine absoluten Vorrang gehabt; somit waren bei Kriegsende die Vorräte an Textilien bei der Bevölkerung so ziemlich dahingeschmolzen. Eine nicht geringe Menge von Textilien hatte man zwar eingelagert, doch fielen Ausweichund Reservelager oft nach den schweren Bombenangriffen oder während des Machtvakuums zwischen NS-Herrschaft und Einmarsch der alliierten Truppen Plünderungen zum Opfer; später landete ein Großteil dieser Textilien auf dem Schwarzen Markt. Die Textilproduktion konnte nach dem Krieg nicht im großen Stil wiederaufgenommen werden, da durch beträchtliche Zerstörungen und Beschädigungen vieler Betriebe die einstmals hohe Produktionskapazität sehr verringert war. Außerdem mußte zunächst der Bedarf der Besatzungsstreitkräfte gedeckt werden, dann der der Zwangsverschleppten, Flüchtlinge oder Ausgebombten, die kaum das Nötigste gerettet hatten und für die die Versorgung mit Textilgütern die Befriedigung unmittelbarer Existenzbedürfnisse bedeutete. Erst danach konnten die sogenannten Normalverbraucher berücksichtigt werden. Von großer Bedeutung war daher die Entscheidung des amerikanischen Außenministeriums vom Januar 1946, Textilrohstoffe, in erster Linie Baumwolle, nach Deutschland zu schicken. Die Textilindustrie sollte nach amerikanischen Vorstellungen ein wichtiger Zweig der deutschen Friedenswirtschaft werden. Die ›Neue Zeitung‹ schrieb dazu: »Während des Winters sind größere deutsche Kohlenexporte nach den befreiten Ländern erfolgt. Die Textilprodukte, die künftig mit Hilfe der amerikanischen Baumwolle hergestellt werden sollen, werden nach Deckung des dringendsten Bedarfs ebenfalls zu einem großen Teil nach diesen notleidenden Ländern ausgeführt werden ... Aber beides, die gegenwärtigen Kohlelieferungen und die zukünftigen Textilexporte, sind zugleich Maßnahmen, die dem Wiederaufbau der 76
deutschen Wirtschaft zugute kommen, ist es doch eine entscheidende Frage für eine funktionierende deutsche Wirtschaft, daß Deutschland wieder ausführen kann, um seine notwendigen Einfuhren zu finanzieren. Deutschland muß immer Lebensmittel einführen, um sich zu ernähren, und Rohstoffe einführen, um sich zu bekleiden. Zur Zeit erhält Deutschland Lebensmittel aus den alliierten Ländern, um eine Hungerkatastrophe und Hungerepidemie zu verhindern ... Ein Teil der Erträge aus den deutschen Kohlelieferungen z. B. wird bereits für die Bezahlung von notwendigen Einfuhren gutgeschrieben. Dasselbe soll... auch mit den Erträgen aus den künftigen deutschen Textilausfuhren geschehen. Deutschland soll - das ist ja in Potsdam ausdrücklich festgelegt worden - genügend Industrien erhalten, um seinen Friedensbedarf zu decken und um kaufen zu können, was es nicht selbst herstellen kann ...«1 Mit einer ersten Lieferung kamen 50 000 B allen Baumwolle aus den USA nach Deutschland, die zunächst zu Lebensmittelsäcken für die Einbringung der Ernte verarbeitet werden sollten. Bevorzugt wurden Fabriken beliefert, die mit Wasserkraft produzierten, um so Kohle zu sparen. In der amerikanischen Zone gab es zu dieser Zeit etwa zwei Millionen betriebsfertige Baumwollspindeln, mit denen um die 300000 Ballen Baumwolle pro Jahr hätten verarbeitet werden können: circa 1,1 Millionen in Nordbayern, 450000 in Südbayern mit dem Textilzentrum Augsburg, der Rest in Württemberg. Die Produktion konnte allerdings oft wegen des Rohstoff- und Arbeitskräftemangels nur zu ungefähr 15 Prozent der Kapazität gefahren werden. Nach den ersten Baumwoll-Lieferungen im Mai 1946 versuchte man dann, durch die Einführung der Arbeitsverpflichtung dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken: Immerhin arbeiteten in der US-Zone bald wieder 300 Betriebe der Textilindustrie und 400 der Bekleidungsindustrie. Natürlich konnte diese Produktion den tatsächlichen Bedarf nicht decken, zumal mehr als ein Drittel der Produktion sofort in Sperrlager ging, aus denen Zwangsverschleppte und Flüchtlinge versorgt werden mußten.2 Neue Bewirtschaftungsvorschriften, die am 15. Juli 1946 in der amerikanischen Zone in Kraft traten, brachten ebenfalls keine Erhöhung der zur Verteilung kommenden Warenmenge. Hier wurde allerdings endlich auch eine Mindest-Besitz-Quote für Textilien festgelegt. Für Männer waren dies: ein Hut oder eine Mütze, ein Winterregenmantel, ein Anzug, eine Hose, eine Krawatte, ein Paar Hosenträger, ein Paar Sockenhalter, ein Paar Handschuhe, zwei Paar Strümpfe oder Socken, zwei Unterhosen, zwei Kragen, drei Hemden, drei Taschentücher. Frauen sollten besitzen: einen Hut, einen Wintermantel oder ein Umschlagtuch, einen Gummi- oder Regenmantel, ein Wollkleid, ein Kunstseidekleid, einen Unterrock oder ein Unterkleid, einen Überziehschlüpfer, ein 77
ODYSSEE EINER ARMEN DAME –
- DIE ETWAS KAUFEN WOLLTE
Der Simpl Nr. 13, 1947, S. 163
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Nachthemd, einen Kittel oder eine Schürze, einen Hüft- und Büstenhalter oder ein Korsett, ein Paar Winterhandschuhe, drei Paar Strümpfe, zwei Schlüpfer, drei Taschentücher. Wer weniger besaß, sollte einen Antrag auf Bezugscheine stellen - was jedoch nicht unbedingt auch die tatsächliche Möglichkeit, das fehlende Kleidungsstück zu erwerben, garantierte. Gebrauchte Textilien waren bezugsbeschränkt, während Nähmittel und Kurzwaren jeweils nach Aufruf auf die Haushaltskarte, Wischtücher, Stickwaren und Sterbewäsche frei erhältlich sein sollten.3 Allein in München gingen nun bei den zuständigen Stellen jeden Monat etwa 10000 Anträge auf Textilbezugscheine ein. Vor allem während der ersten Monate des Jahres 1947 wurde erhebliche Kritik an der Praxis der Münchner Bearbeitungsstellen laut: Vorhandene Waren konnten nicht ausgegeben werden, weil zu wenig Bezugscheine da waren. Es kam deswegen zu einer erregten Aussprache im Münchner Stadtrat,4 in deren Verlauf die Verwaltung Fehler eingestehen mußte und gleichzeitig rasche Abhilfe versprach. Bald schon kehrte sich das Verhältnis um, und einem Bezugscheinsegen stand wieder ein eklatanter Warenmangel gegenüber. Im Raum München konnten beispielsweise für 300000 Frauen nur 26 Kostüme zur Verfügung gestellt werden. Dieser Warenmangel wurde verschärft durch die Umtriebe skrupelloser Geschäftemacher, die insgeheim Waren horteten. Hier griff man allerdings mit harter Hand durch: Im Januar und Februar 1947 entdeckte man allein in der Textilbranche in 33 Fällen größere Hortungslager mit versteckten Waren.5 Alle Versuche der Behörden, mit verschiedenen Bewirtschaftungssystemen eine bessere Textilien-Versorgung herbeizuführen, scheiterten: Zuerst gab man den sogenannten domizilierten Bezugschein aus, das heißt nach den Bestandsmeldungen der einzelnen Geschäfte wurden entsprechend an ein bestimmtes Geschäft gebundene Bezugscheine ausgestellt. Dann kam der freie Bezugschein, mit dem man ein Anrecht auf eine bestimmte Ware hatte, aber nun selbst ein Geschäft finden mußte, in welchem diese Ware vorrätig war; schließlich schuf man eine Bezugsmarke mit Punktwerten und setzte für die einzelnen Textilien Punktquoten fest. Einkauf nach »freier Wahl« (von Ware und Geschäft) wurde somit möglich, außerdem konnte man, etwa in einer Familie, Punkte von mehreren Personen zusammenlegen oder umverteilen. Mit diesen verschiedenen Systemen wurde die Produktion durchaus nicht erhöht, es führte letztendlich zwar zu einer Erleichterung im Einkaufen, nicht aber zu einer Verbesserung der Versorgungslage; für besonders knappe Artikel wie Wolldecken, Wintermäntel, Herrenanzüge und Arbeitskleidung war nach wie vor eine Bezugsanweisung erforderlich. Die Warenkontingente wurden innerhalb der US-Zone entsprechend der Wohnbevölkerung verteilt; aber auch in der Nachkriegszeit war München Kaufplatzfür ein weites Umland, und die Einführung der »freien« Bezugsmarke hatte in der Stadt eine weitere Warenverknap79
pung zur Folge. Viele benötigte Artikel konnten sich die Münchner nur auf dem Schwarzen Markt - unter anderem in der Möhlstraße und bei der Museumsbrücke - mit seinen übersetzten Preisen beschaffen. Hier mußten für Anzugstoff bis zu 2000 Mark je Meter bezahlt werden, Damenschuhe kosteten von 400 Mark bis 800 Mark, Herrenschuhe etwa 500 Mark und Kinderschuhe 200 Mark.6 Für viele, die Verwandte oder Freunde in den USA hatten, bedeuteten die CARE-Pakete mit Textilien eine große Hilfe. Im Sommer 1947 trafen Decken- und Baumwollpakete ein, die je zwei ungefärbte Decken aus Armee-Beständen, Nähmittel, eine Schere und ein Paar Schuhsohlen, bzw. 10,25 Meter Baumwollstoff, meist gestreift oder geblümt, Nadeln, eine Schere, Faden und einen Fingerhut enthielten. Mit den »Knitting Wool Packages«, den CARE-Wollpaketen, kamen im folgenden Winter dann jeweils elf Stränge Strickwolle (in dunkelblau, dunkelrot und beige), ein Satz Stricknadeln, Nähnadeln, drei Meter schwarzes Band, Knöpfe, ein Maßband und zwei Stück Seife zum Waschen der Wollsachen.7 Nach den Vorstellungen und Planungen des Alliierten Kontrollrates sollte eine spürbare Verbesserung der Versorgungslage im Textilbereich erst 1949 eintreten. Tatsächlich dauerte es trotz Währungsreform und Einführung der Marktwirtschaft noch einige Zeit, bis der Nachholbedarf an Textilien gedeckt und die Bedürfnisse befriedigt werden konnten.
Behelfsmode Vor diesem Hintergrund der Materialknappheit entwickelte sich dann die Nachkriegsmode - sofern man hier überhaupt von »Mode« sprechen kann.
Aus alt mach neu Wo noch vorhanden, wurden alte Kleider aus den Schränken geholt, die Mottenkiste mit Omas Wintermantel geöffnet, man arbeitete um und putzte mit neuen Details auf. Vielfach fand »Ersatzkleidung« Verwendung: Frauen trennten die Anzüge ihrer gefallenen Männer auseinander, um sich daraus warme Jacken zu schneidern. Kissenbezüge, Vorhangstoffe, Handtücher, Bettzeug usw. wurden zu Kleidern verwandelt. Die ›Neue Zeitung‹ schilderte dies so: 80
SIMPL-MODESCHAU
Der Simpl Nr. 7, 1947, S. 79
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»Da wären etwa die alten Decken aus dem Luftschutzkeller. Jetzt brauchen sie das Tageslicht nicht mehr zu scheuen - und Einfallsreichtum kann aus ihnen einen schicken Mantel, eine Jacke oder lange Hose, einen Wickelrock oder dergleichen zaubern ... Also: Einfärben, zerschneiden - nicht so zaghaft bitte, sondern mit Schwung, das macht sich später im eleganten Sitz bezahlt! - nähen, steppen - und fertig ist das gute Stück ... Manches vom modischen Standpunkt aus gesehene ›hoffnungslose‹ Kleid wird durch Einstricken von Ärmeln, Rollkragen oder Miederteilen aus farbigen Wollresten nicht nur bedeutend hübscher, sondern gleichzeitig auch wärmer. Und wie kleidsam wird jedes noch so reizlos geschnittene Kleid, wenn man es schwarz einfärbt und einmal mit einem bunten Schal, einmal mit einem selbstgefertigten weißen Leinenkragen ... trägt! ... Wie war's da mit praktischen Hausschuhen ...? Alte Sofakissenfüllungen sind heute in solchen Schuhen, selbstverständlich auch in Muffs, weit mehr am Platz, denn als molliger Hintergrund sinniger Worte (und Sprüche) ... Unbrauchbar gewordene Unterwäsche, alte Strümpfe etc., in schmale Streifen geschnitten, aneinandergenäht und dann zu Zöpfen geflochten: ein bewährtes Material, Sohlen für Hausschuhe zu fertigen, die warm und haltbar sind. Ein ebenso gutes, jedoch weit weniger bekanntes Material für die Herstellung von Schuhsohlen sind getrocknete Maisblätter, die ebenfalls in geflochtenem Zustand verarbeitet werden .. .«8 Von gleicher, wenn nicht gar noch größerer Bedeutung war die Verwendung von Armeetextilien: Tatsächliche Uniformstücke, Fliegeroveralls oder Wehrmachtsmäntel - sie sollten sich als ideales Kleidungsstück bei zugigen Bahnfahrten auf dem Trittbrett erweisen -, wurden von Männern und Frauen getragen. Aufgrund eines Befehls des Alliierten Kontrollrates vom 1. Dezember 1945 war es freilich verboten, Wehrmachtsuniformen in ihrer eigentlichen Farbe zu tragen. Die Uniformstücke wurden also - meist schwarz - umgefärbt.9 Umgehen ließ sich diese Färbverordnung durch die Umänderung von grauen Wehrmachtsuniformen und -mänteln in »Trachtenkleidung«, die ja traditionell grau war. Auch Stoffe aus (geplünderten) Wehrmachtsbeständen wurden verarbeitet: gestreifte Lazarettbettwäsche ergab hübsche Dirndlstoffe, Fallschirmseide ließ sich sehr schön zu Blusen und - wenn man irgendwoher noch Imprägniermittel auftreiben konnte - auch zu Blousons umwandeln, aus Wehrmachtshandtüchern konnte man Bademäntel herstellen. Auch hier spielte das Einfärben eine große Rolle; mangels chemischer Farben griff man immer wieder auf die Natur zurück und färbte mit Tee, Heidelbeeren, Kamille und Pfefferminze. Aus Gasschutzanzügen der Wehrmacht wurde Regenbekleidung für Arbeiter, die weißen Gasplanen für den Wintereinsatz verwandelten sich zu Regenmänteln und Um82
Schnittmuster für Mäntel aus Wolldecken der CARE-Aktion Heute Nr. 37, 1947
hängen für die Polizei, Gasmaskenbänder ergaben Hosenträger und Strumpfbänder. Großer Beliebtheit erfreuten sich auch amerikanische Felddecken, aus denen sich ebenfalls sehr gut Mäntel schneidern ließen; die amerikanische Verwaltung sah sich sogar gezwungen darauf hinzuweisen, daß diese Decken Eigentum der amerikanischen Streitkräfte seien und zu deren ausschließlichem Gebrauch bestimmt. Eine Ausnah-
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Beispiele für »Deckenmäntel« Echo der Woche, 22. November 1947
me bildeten nur die Decken aus CARE-Paketen. Wie die Armeeuniformen fanden natürlich auch die NS-Uniformen eine Wiederverwendung in umgearbeitetem Zustand: BDM-Blusen, neue Jungvolkhosen, Braunhemden, die man immer noch für eine Siegesparade aufgespart hatte, wurden aus den Schränken geholt, die »Fahnen der Bewegung« ergaben nette rote Sommerkleidchen, aus so manchem SA-Koppel wurden Schuhsohlen: »aus Mützen der SA und der politischen Leiter werden Hausschuhe, ein Symbol des Weges von oben nach unten.«10
Aus zwei mach eins Findige Köpfe ersannen auch eine andere »Mode«-Möglichkeit, die Kombination mehrerer Kleidungsstücke übereinander:
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»Da ist ein häufig getragenes Wollkleid, das unter den Ärmeln und an den Ellbogen schadhaft ist. In Ermangelung eines Ausbesserungsstoffes trennen wir die Ärmel heraus und arbeiten aus dem noch guten Stoff Schulterflügelteile. Wenn wir den Ausschnitt unseres Modells noch umgestalten, bekommen wir einen Miederrock, der über einem weniger schönen Kleid sehr reizend aussehen wird. Wir schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Hübsch und sehr warm. Welch eine Fülle von Möglichkeiten, überdies Farben zu kombinieren, nett auszusehen und doppelt warm angezogen zu sein.«11 Desgleichen wurden Kleider aus verschiedenen Stoffen gefertigt, da oft genug dasselbe Material nicht für ein ganzes Kleid ausreichte, und man verwendete dann gern wirkliche Kontraste in Farbe und Stoffmuster als Einsätze. Daß bei diesen Kombinationsmöglichkeiten oft schreckliche Zusammenstellungen vorkamen, etwa geblümter und karierter Stoff nebeneinander, war bei der angespannten Versorgungslage fast selbstverständlich. Voller Erbitterung werden deshalb auch in der Zeitschrift ›Echo der Woche‹ höhnische Bemerkungen von Amerikanerinnen über die Geschmacklosigkeit der deutschen Frauen zurückgewiesen.
Aus eins mach viel Einen weiteren Trick, mehr Inhalt in den leeren Schränken vorzutäuschen, bot das sogenannte Verwandlungskleid. Ein Grundkleidungsstück wurde durch geschickte Ergänzungsteile wie Bolero-Jäckchen, anund abknöpfbare Taschen, miederartige Gürtel und anderes Beiwerk sehr wandelbar und so für verschiedene Anlässe immer wieder stilvoll tragbar. Schon grotesk war, wie versucht wurde, den Mangel an seidenen Damenstrümpfen zu kaschieren: man färbte die Beine dunkel und malte sich die Naht mit einem dunklen Stift.12 Was bisher hier über die Kleidung der Frauen gesagt wurde, galt ähnlich auch für die der Männer. Altes wurde aufgetragen, Uniformen umgewandelt, wobei die Erinnerung an die Zeit, in der man diese Uniform tragen mußte, möglichst verdrängt werden sollte und man deshalb aus Soldatenhosen etwa gern Knickerbocker schneiderte. Bei vielen jungen Männern, besonders auch bei Studenten, konnte man kurze Lederhosen sehen, die ja in Bayern Teil der Uniform der Hitler-Jugend gewesen waren 13 und die, einstmals meist »auf Zuwachs« gekauft, nun in den kalorienarmen Zeiten immer noch paßten; die ›Süddeutsche Zeitung‹ sprach sogar von einem Triumph der Lederhose, die »in München schon immer salonfähig ... im Wert beträchtlich gestiegen ist«.'4
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Frisuren
Mehr oder weniger »Behelfsmode« stellten auch die Frisuren dar. Viele Friseurläden waren zerbombt, die chemischen Präparate für Dauerwellen knapp. Also ließen die Frauen ihre Locken frei auf die Schultern fallen oder schlugen mit oft viel Phantasie die langen Haare zu Rollen ein, die an den Seiten hochgesteckt und kunstvoll über der Stirn aufgetürmt wurden. Zu den turbanartigen Kopfbedeckungen aus ineinander verschlungenen Tüchern und Schals waren Löckchen und Kringel über der Stirn nicht unüblich. Asymmetrische Frisuren, an einer Seite glatt nach oben gekämmt und festgesteckt, an der anderen mit breit fallenden Locken, oder quer über die Köpfe gelegte Zöpfe mit einem Knoten im Nacken wurden ebenfalls häufig getragen. Für festliche Abendfrisuren flocht man in die Zöpfe bunte Bänder und Borten ein. Bei den Männern, besonders bei der männlichen Jugend setzte sich jetzt, nachdem jahrelang fast jeder Streichholzlänge oder kürzer getragen hatte, längeres Haar durch: Die nach hinten gekämmten Haare reichten dabei meist vom Ansatz an der Stirn bis in den Nacken, wo sie etwa auf halber Ohrhöhe gerade und ohne anrasierten Übergang abgeschnitten wurden. Von den ausgehenden 40er Jahren an erfreute sich aber dann wieder ein kurzer, von den amerikanischen Soldaten übernommener Bürstenschnitt immer größerer Beliebtheit, vor allem bei den jungen Burschen.
Modische Frisur des Jahre 1946 Heute Nr. 11, 1946
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Modische Frisur für Frauen, die sich das Haar nicht schneiden lassen wollten.« Heute Nr. 94, 1949
Neubeginn des Münchner Modeschaffens Was bisher über Kleidung gesagt wurde, kann kaum als »Mode« - im eigentlichen Sinn - angesprochen werden. Trotz aller Schwierigkeiten erwachte jedoch schon bald auch in München das Interesse an wirklicher Mode, setzte das Modeschaffen wieder ein. Als Vorreiter der Mode trat die Meisterschule für Mode München (MMM) auf. Diese Schule sollte das Zentrum des Münchner Modeschaffens bleiben - allerdings überwiegend in ihrem eigenen Selbstverständnis. Im Jahre 1931 hatte die MMM ihre Arbeit aufgenommen, sie stand damals ganz in der Tradition der von Stadtschulrat Hans Baier in den zwanziger Jahren gegründeten Meisterschulen, die, im Gegensatz zu den Kunstgewerbeschulen alten Stils, sehr praxisorientiert waren und zu beruflicher Tüchtigkeit führen sollten. Die MMM war als Ausbildungsstätte für das Damenschneiderhandwerk gedacht. Von der Gründung bis zum Jahr 1957 - sieht man von einer kurzen Zeitspanne 1952 bis 1954 ab - wurde die Schule von Gertrud Kornhas-Brandt geleitet. Frau Kornhas-Brandt mußte sich während der NS-Herrschaft zwar immer wieder gegen Vorwürfe angeblicher politischer Unzuverlässigkeit zur Wehr setzen, welche die streng auf NSDAP-Kurs liegende Führung der Schneider-Innung (die gerne die lästige Konkurrenz der MMM ausgeschaltet hätte), aber auch die SS-Zeitung ›Das Schwarze Korps‹ erhoben hatten, gleichzeitig war sie jedoch durchaus eine forsche Vertreterin des »deutschen Modeschaffens« und unterstützte die Forderung nach dessen führender Rolle in der Welt. Als im April 1944 das Schulgebäude im ehemaligen Landschaftshaus durch Bomben schwer beschädigt wurde, bat Gertrud Kornhas-Brandt um die Evakuierung der Schule, doch mußte im folgenden November der Lehrbetrieb eingestellt werden. Sofort nach Kriegsende, schon im Juli 1945, begann Frau Kornhas-Brandt mit dem Modellstudio erneut ihre Arbeit und veranstaltete am 8. April 1946 in den Kammerspielen die erste Modenschau der US-Zone, die sie dann im Mai am Chinesischen Turm vor amerikanischen Soldaten wiederholte. Gezeigt wurden 53 Frühjahrs- und Sommermodelle, Kleider aus Wollschals mit Fransen besetzt und Einsätzen aus anderen Stoffen, schlichte schwarze Abendkleider, insgesamt alle Modelle mit etwas längeren Röcken, sowie, ganz dem Zeittrend folgend, ein von Eva Otto entworfenes Kostüm, das aus zwei kontrastierenden Stoffen zusammengesetzt war (feldgrauer und kanariengelber Gabardine), mit halbweitem Rock und Gehfalte. Ergänzt wurden diese Kleider vielfach durch kleine Hüte, die man wie Krönchen am Hinterkopf trug und die mit Frühlingsblumen oder Bändern verziert waren, insgesamt in lebhafter Farbigkeit gehalten. Nach dieser Modenschau konnten schließlich ab 2. Mai 1946 wieder die ersten 18 Schülerinnen unterrichtet werden. 87
Modepräsentation der bayerischen Textilindustrie im Haus der Kunst während der ersten bayerischen Exportschau 1946 Heute Nr. 19, 1946
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Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1947 präsentierte die MMM, glaubt man einem Kommentar der ›Neuen Zeitung‹, ihre Kollektion recht erfolglos: »München beschränkte sich auf Modelle der Meisterschule für Mode, die zum Teil schon seit fünf Jahren auf Modenschauen gezeigt werden.«15 Auch in München sagte man über eine neue Modellkollektion der MMM vom Mai 1947 wenig Gutes. Es wurden zwar siebzig Modelle präsentiert, die aber kaum als interessante Kreationen angesprochen werden konnten, sich vielmehr auf dem Niveau der »Eigenschöpfungen« der Münchner Durchschnittshausfrau bewegten; so fragte man sich, »ob man mit solchen Arbeiten vor ein großes Publikum in das repräsentative Schauspielhaus gehen und Eintrittspreise von zwei bis acht Mark nehmen, oder ob man sie nicht lieber in den Schulräumen zeigen und damit deutlich machen soll, daß man weiß: Es sind nur Versuche«.16 Die MMM stand mit ihrem Bemühen um neue Mode in München im übrigen nicht allein. Im Rahmen der bayerischen Exportschau im Haus der Kunst lud am 3. August 1946 die bayerische Textilindustrie ein. Dreißig verschiedene Modehäuser beteiligten sich daran, darunter Julie Kölbl, Maria Edelthalhammer, Otto Ponater, Modellhaus Stephanie, Anny Holzmann, Thilde Baumann, Werner Janssen, BinderWerle, Tony Diehl, Gunde Hollnberger, Maria Remisch, Bärbel Schäder-Hofweber, Sofi Templer, Friedl Wehlin-Röder.17 Neben Münchner Modefirmen waren auch einige norddeutsche Firmen vertreten. Insgesamt wurden etwa hundert Modelle präsentiert. Vielfach waren die Kreationen von bayerischen Trachten inspiriert: Dirndlkleider, Trachtenkostüme, Lodenmäntel, sportlich-elegante Lederjacken, kurze, enganliegende, handgestrickte Spenzer, kurze, glockige Strickröckchen mit farblich abstechenden Bordüren und, als besonderer Gag: kurze Krachlederne für junge Damen. Daneben sah man durchsichtig-farbige Werk-
»Mode macht Frühling« - Präsentation der Kollektion von Werner Janssen während der zweiten bayerischen Exportschau 1947 Echo der Woche, 7. März 1947
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Stoffmäntel oder aus mehreren Seidentüchern zusammengesetzte Kleider. Häufig verwendete Stoffe waren Zellwolle und Vistramaterial. Auch festlichere Abendkleider wurden wieder gezeigt, mit eingesetzten Ärmeln aus Angorawolle oder Pepitaseide. Julie Kölbl verarbeitete kostbare Stickereien, Maria Edelthalhammer wagte sogar einen Rückgriff auf die Mode von 1900 mit Cul de Paris und viel echter Spitze, Otto Ponater setzte auf klassische, exakt gearbeitete Kostüme, während Gunde Hollnberger mit leuchtenden Farben wie türkis, maisgelb oder ziegelrot überraschende Effekte erzielte. Überhaupt dominierten kräftige, strahlende Farbtöne, welche »die Sehnsucht nach lebendiger, heiterer Mode«18 ausdrücken konnten. Ein amerikanischer Modenschaubesucher urteilte über das Gesehene: »Die gezeigten Modelle sind durchweg handwerkliche Meisterarbeiten. Die Stoffqualitäten sind noch überraschend gut, aber mit nur wenigen Ausnahmen ist der Charakter der Modeschöpfungen zu ›brav‹ und ›konservativ‹ in Stil und Linienführung.«19 Einige Monate später, am 15. März 1947, ging dann die nächste große Modenschau auf der zweiten bayerischen Exportausstellung über den Laufsteg. Diesmal trat besonders Werner Janssen hervor. Zu einem russisch-grünen Wollkleid etwa mit aparten Raffungen über Büste und Hüfte ließ er einen maisgelben, grüngenoppten Mantel mit glockigem Rückenteil vorführen. Ein feingestreiftes Jackenkleid in hellen Kupfertönen war mit einem stark gestellten Schoß am Vorderteil versehen, hatte als Gegensatz aber ein strenges, glattes Rückenteil. Enge Röcke bekamen durch große »Wasserfälle« (Rüschenkaskaden) oder durch bis zu sechs - Schlitze eine besondere Note. Die Kritik fiel allerdings vernichtend aus, insbesondere, nachdem die Welt in einer Modenschau in Paris am 12. Februar 1947 Christian Diors revolutionären »New
Beispiele der Kollektion von Werner Janssen Echo der Woche, 20. Dezember 1947
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Look« (lange, weitschwingende Röcke) kennengelernt hatte. Das ›Echo der Woche‹ schrieb dazu: »Geschöpfte Röcke, sportblusige Oberteile, sehr nett, sehr appetitlich und - sehr bekannt ... Warum im allgemeinen diese Angst vor der Wespentaille, der rundlich betonten Hüfte, dem Cul de Paris, vor allem, dem nun wieder längeren Rock? Offenbar haben die meisten der ausstellenden Modeschöpfer und Modeschöpferinnen nicht daran gedacht, daß sie keineswegs für uns modisch unterernährte Deutsche schöpfen, sondern für's Ausland! Und das Ausland hat bereits wieder sehr präzisierte Ansichten über das, was es modern nennt. Und modern ist nun mal der längere Rock. Bei vielen stegspazierenden Mannequins aber sah man die Kniekehlen ... Erstaunlich diese Anhänglichkeit an den kürzeren Rock. Bitte, jeder bleibe treu, mit Ausnahme
Das »Tonnenkleid« von Gunde Hollnberger Echo der Woche, 31. Mai 1947
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dessen, der exportieren will. Denn es geht ja hier nun mal um das Geschäft und nicht um den persönlichen Geschmack. Es ist bei uns leider auf dem Gebiet der Mode ähnlich, wie es leider auf dem Gebiet der Malerei bei uns ist: man anerkennt in breiten Kreisen eine neue Richtung erst dann, wenn sie im Ausland längst nicht mehr modern ist.«20 Und doch war man auch in München durchaus kreativ; Gunde Hollnberger unternahm einen sehr interessanten Versuch, mit ihrem »Tonnenkleid« (vom Typ her ein Verwandlungskleid): In den Rocksaum eines Kleides ist ein Band eingezogen, so daß durch leichtes Zusammenziehen eine Krausung am Saum entsteht, der Rock also ein ballonartiges Aussehen erhält; wird das Band stärker zusammengezogen, der Saum dabei in die Höhe geschoben, entsteht ein üppig gebauschter Überrock, der über einem engen, schmalgeschnittenen Rock getragen wird (ähnliche Ideen haben die Pariser Modeschöpfer um 1955 entwickelt); als dritte Möglichkeit läßt sich das Band ganz aus dem Saum ziehen und man hat einen einfachen, nur leicht ausgestellten Rock, ein Tageskleid, dessen Stoffmenge der auf einem gewöhnlichen Bezugschein erhältlichen entsprach. Daneben entstand auch ganz zufällig eine Mode: Als 1947 die Augsburger Firma Riedinger karierte Zellwollstoffe herstellte und größere Mengen davon nach München gelangten, konnte man plötzlich überall in den Straßen karierte Mäntel, karierte Röcke, karierte Blusen sehen. Im übrigen fand man in München dann doch noch Anschluß an eine allgemeine Modeentwicklung, und Suzanne, jene Modekolumnistin, die so böse Worte für die Modenschau auf der zweiten Exportausstellung gefunden hatte, jubelte nun auf einmal: »Kenner der Weltmode - das sind jetzt bei uns vor allem die amerikanischen Gäste - zeigten sich überrascht, wie weitgehend die hiesigen Modeschöpfer den Anschluß gefunden haben, denn sie stützen sich ja fast ausschließlich auf indirekte Informationen, ausländische Zeitungen, private Berichte. Beachtlich aber auch manch eigene Idee ... mir will scheinen, als wären unsere Bayern, die ja in dem Ruf stehen, immer ein wenig abseits nachzuhinken, diesmal auf dem richtigen Weg. Sie zeigten sich maßvoll und entsprechen damit gewiß dem Gros der modisch interessierten Damenwelt... Für den Export auf breiterer Basis lägen die bayerischen Modeformen also ziemlich richtig.«21 Tatsächlich kam aus Belgien auch schon ein Auftrag für die Lieferung von Konfektionskleidung im Wert von 124000 Dollar. Alle Hoffnungen auf Exportgeschäfte zerschlugen sich aber trotz großer Aufträge aus Schweden, Dänemark, Holland und Belgien bald wieder, da der Export 92
Ein stilvolles Abendkleid von Gunde Hollnberger, für den Export bestimmt Echo der Woche, 18. April 1947
aus der US-Zone nur auf Dollarbasis erfolgen durfte, und damit wegen der weltweiten Dollarknappheit die meisten Aufträge dann doch wieder annulliert werden mußten. Die ursprünglich nur für den Export gefertigten Modelle kamen deshalb zu einem guten Teil von der Exportausstellung über den Schwarzen Markt zu sündhaft teuren Preisen zu deutschen Verbrauchern und schmückten vielfach die Frauen und Freundinnen der Schieber und Schwarzhändler.
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Nachkriegsweltmode Was war aber nun die internationale Mode der Nachkriegsjahre, an die man in München mit den Exportschau-Modellen unbedingt den Anschluß erreichen wollte? Nach dem Ersten Weltkrieg war eine gewisse Vermännlichung der Damenmode eingetreten, oder besser: Der knabenhafte, schlanke Typ wurde zum weiblichen Schönheitsideal. Um 1930 war diese Phase überwunden, die Damenmode wurde wieder weicher, weiblicher, die nach unten auf die Hüftknochen gerutschte Taille saß wieder an ihrem natürlichen Platz, man bevorzugte fließende Stoffe, die Röcke waren nun länger und auch weiter, allerdings wurde die Kleidung nie mehr so unpraktisch wie vor 1914. In den späten 30er Jahren setzte dem Zeitgeist entsprechend - Stärke und »Heldentum« waren gefragt - wiederum die Vermännlichung der weiblichen Kleidung ein, die Silhouette verhärtete sich. Man sah breite Schultern, mit Roßhaarpolstern unterlegt, eine schmale Taille und relativ enge Röcke, welche im Laufe der Zeit bei steigender Materialknappheit und Stoffrationierung immer kürzer wurden, schließlich das Knie umspielten oder es gar wieder freilegten. Kostümjacken erhielten mehr einen Uniformcharakter und ähnelten vom Schnitt her immer stärker einem Herrensakko. Strenge Revers, Schulterklappen und Manschettenringe wirkten sehr unweiblich. Dazu kamen hohe Frisuren, welche durch schmale Gesichter die Unproportioniertheit der modischen Kleidung noch unterstrichen: Über der Stirn bauschten sich turmartige Löckchen hoch, das übrige Haar war in einer Nackenrolle zusammengesteckt, wobei die Ohren frei blieben. Als Kopfbedeckung standen Tücher und Schals hoch im Kurs, die meist zum Turban drapiert wurden, der in den Kriegs- und Nachkriegs Jahren fast zur Einheitskopfbedeckung für die Frauen in ganz Europa werden sollte. Als bei Kriegsende die Pariser Modesalons dann wieder zu arbeiten begannen, herrschte zunächst große Unentschlossenheit, man war auf der Suche nach einem neuen Modestil, nach neuen Proportionen und Linien. Die Modeschöpfer lehnten die Kriegsmode kategorisch als unkleidsam ab, sie wollten wieder mehr die weibliche Figur herausstellen: Busen, Taille, Hüften. Lucien Lelong versuchte mit seiner Kreation »ä la Winterhalter« in einem Rückgriff auf die Mode der Zeit vor Kaiserin Eugenie sogar die Krinoline erneut einzuführen. Bald wurden die Röcke immer schwingender und weiter, Christian Dior vollzog endlich den entscheidenden Schritt, als er seine »Carolle-Linie«, den sogenannten »New Look«, vorstellte. Und genau diese feminine Linie war allüberall das nachahmenswerte Vorbild, sie wurde zu einem Symbol, einer »strahlenden Illusion des Friedens«.22 Diors glockig-weite, wadenlange Röcke elektrisierten förmlich die Frauen in der ganzen Welt, überall versuchte 94
Die Moderevolution des Jahres 1947: Diors »New Look« Heute Nr. 42, 1947
man, die enge Taille noch zerbrechlicher erscheinen zu lassen, die schmalen, natürlich abfallenden Schultern der Dior-Kleider zu kopieren. Zum »New Look« trug die Dame dann kurzes, leicht gelocktes Haar, das den Kopf eng umspielte, kleine Hütchen mit Schleier oder Federn, sogenannte Toques, oder flache, breitkrempige (Stroh-)Hüte. Aber genau wie Diors Linie begeistert aufgenommen und begehrt wurde, lehnte man sie auch ab und bekämpfte sie erbittert. Selbst in Paris kam es auf offener Straße zu Tumulten und Protesten gegen derartige Stoff Verschwendung und gegen die Trägerinnen des »New Look«. Gerade auch in Deutschland wetterte man gegen den von Frankreich ausgehenden Versuch eines allgemeinen Modediktats:
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»Die Modeschöpfer haben eine erstaunliche Fähigkeit, an der Zeit vorbeizugehen: Gibt es Stoffe in Hülle und Fülle, sparen sie Stoff an den Modellen, daß man glaubt, ein neues Zeitalter der Nacktkultur sei angebrochen, sind Stoffe hingegen kostbare und unerschwingliche Raritäten, werden Kleider und Mäntel prompt länger ... Die Herbstmode propagiert die Stoffverschwendung an allen Ecken und Enden. Die Kleider und Mäntel sollen so lang sein, daß sie sogar die Waden keusch verhüllen, und zu allem Überfluß soll der plissierte Rock oder der mit übereinandergesetzten Volants versehene Rock die modische Silhouette ergeben ... Überhaupt die Taille! Sie kann nicht schmal genug sein ... wobei zu befürchten ist, daß im nächsten Sommer sogar das Schnürkorsett aus Großmutters Mottenkiste wieder auftaucht.«23 Diese Befürchtung war durchaus nicht übertrieben: Tatsächlich entwarf Rochas ein zweiteiliges Korsett, welches nun »Guepiere« genannt wurde.24 Eine Verstärkung in der Betonung der weiblichen Figur erreichte man durch eine Hervorhebung der Hüften mit Auspolsterungen, reichen Drapierungen oder großzügig geschnittenen Schößen. In einer zweiten Kollektion zeigte Dior die sogenannte »Enge Linie« oder »BleistiftLinie«. Hier war das Oberteil figurbetont mit stark eingehaltener Taille, der Rock setzte mit vielen kleinen Falten an, betonte so die Hüfte und lief dann schmal nach unten. Diese »Bleistift-Linie« entsprach natürlich mehr dem knappen Stoffangebot. Und trotzdem mußte auch dies für die deutschen Frauen mehr oder weniger ein Traum bleiben, wenn sich auch die Modeschöpfer bemühten, eine gewisse Fälligkeit in ihre Modelle zu bringen. Die Münchnerinnen verfolgten die Neuerungen in der großen Mode mit Interesse, versuchten wenigstens ein bißchen mitzuhalten und hofften, bald wieder selbst jene herrlichen Sachen tragen zu können, die man in Zeitschriften wie ›Echo der Woche‹, ›Münchner Magazin‹, ›Constanze‹ oder ›Heute‹ gesehen hatte. Die Mode des Jahres 1949 gab sich insgesamt schlicht und betont einfach in der Linie: nicht zu weite und nicht zu lange Röcke, die Oberteile mit blusiger Weite und weniger enger Taille, was zu einer stärkeren Betonung der Hüften, welche durch Hüftgürtel in Form gezwängt wurden, führte. Große Kelch-, Kutten-, Schal- und Rüschenkragen (begünstigt durch die gutfrisierten, kurzen Haare), Kapuzen, Ausschnitte und Revers waren jedoch raffiniert geschnitten, die Ärmel wurden häufig angeschnitten, waren recht füllig und mit runden Schultern gearbeitet.25 Pelzbesatz und dekorative Knöpfe gewannen an Beliebtheit. Die Mäntel waren entweder zeltartig weit und voluminös oder als stark taillierte Redingote mit weitem, glockigem Rock geschnitten, oder sie hingen taillenlos und gerade von den Schultern herab. Als Modefarben galten pflaume, mauve, braun, oliv, blaugrau und grauviolett; bei den Mustern dominierten Streifen. 96
Links oben: Neue Wintermäntel des Jahres 1949: »Der neue, gerade geschnittene Mantel aus rauhem, dunkelbraunen Wollstoff mit hohem Kragen, einer Tasche und tief angeschnittenen Ärmeln.« Heute Nr. 99, 1949 Rechts oben: Neue Baumwollkleider: Luftige Sommermode 1949 Heute Nr. 84, 1949 Links unten: Der Exportschlager Trachtenmode Heute Nr. 30, 1947
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Kleidung und Mode in München in den ersten Nachkriegsjahren, das war Stoffrationierung und großer Mangel an Textilien, das war Behelfsmode und der Versuch, französischen Vorbildern nachzueifern. Eine konservative Grundströmung Münchens, die in vielen Gebieten zutage trat, zeigte sich auch in der Mode, in einem »Maßhalten« bei modischen Neuerungen - gerade im Vergleich zu Paris und Rom, aber auch zu Berlin- oder in der häufigen Orientierung an bodenständigen Trachten, wobei sich freilich gerade diese Modelle noch über viele Jahre hinaus als die Exportschlager erweisen sollten. Wenn 1949 in der Zeitschrift ›Heute‹ den jungen Mädchen die »junge Dame« als modisches Vorbild präsentiert wurde,26 so weist dieser Ratschlag auf ein gesellschaftliches und politisches Bewußtseinsphänomen der 50er Jahre hin, auf das ständige, oft verkrampfte Bemühen um Unauffälligkeit, vornehme Zurückhaltung und Wohlanständigkeit. Mode zeigt sich also - hier wie dort - als Ausdruck des Zeitgeistes, sei es in der »Aufarbeitung« der Hinterlassenschaft des Krieges, sei es als Umsetzung des bundesrepublikanischen Puritanismus der 50er Jahre. Günther Volz
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»Zucker, wer hat? Öl, wer kauft?« Ernährungslage und Schwarzmarkt in München 1945-1948
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◄ Die Fischhalle an der Guideinstraße, Sommer 1947
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Seit 1939, also bereits während des Krieges, war die Ernährung in Deutschland trotz der Rationierung der meisten Lebensmittel und Verbrauchsgüter weitgehend gesichert, da die besetzten Gebiete für den Nachschub sorgten. Wurden auch die Rationen Ende 1944 mit der gezielten Bombardierung der Transportwege knapper, so konnten im Winter 1944/45 doch immerhin noch so viel Nahrungsmittel an einen »erwachsenen Normalverbraucher« ausgegeben werden, daß er 2000 Kalorien pro Tag erhielt. Dieser Kalorienstand wurde erst wieder 1950/51 erreicht. Mit der bedingungslosen Kapitulation des Jahres 1945 brach das Ernährungs- und Versorgungssystem in Deutschland nämlich völlig zusammen. Durch das Potsdamer Abkommen gingen die für die Agrarproduktion wichtigen Ostgebiete verloren. Die territoriale Zerstückelung, die völlige Abschottung der besetzten Zonen gegeneinander und vor allem die Unterbrechung und Zerstörung des Transportsystems wirkten sich auf die Ernährungslage katastrophal aus. Für die Landwirtschaft und damit für die Wiedereinsetzung der Nahrungsmittelproduktion kamen noch andere Schwierigkeiten hinzu: Fehlendes Saatgut und akuter Arbeitskräftemangel sorgten dafür, daß die Produktion nur zäh voranging. Der Wegfall von Kriegsgefangenen und ausländischen Zivilarbeitern in der Landwirtschaft ließ ein Defizit von etwa 40000 Arbeitskräften entstehen, das laut Kontrollratsbefehl Nr. 3 vom 17. Januar 1946 in einer »Aktion zur Sicherung des Kräftebedarfs ... auch bei persönlicher Freiheitseinschränkung« aufgefüllt werden mußte.1 Ein weiteres Problem bildete der Flüchtlingszustrom, von dem Bayern besonders betroffen war. Zwischen 1939 und 1949 wuchs die bayerische Bevölkerung um etwa 2,3 Millionen Menschen, also um rund 30 Prozent.2 »An einem Tisch, wo früher zehn Leute gegessen hatten, (sitzen) heute deren 14, 15 und in einzelnen Gebieten 16 bis 17«, berichtete Bürgermeister Wimmer dem Stadtrat im Mai 1948.3 Am 9. Mai 1945 beauftragten die Amerikaner Dr. Ernst Rattenhuber mit der Leitung des Landesamtes für Ernährung und Landwirtschaft. Im Herbst 1945 wurden die städtischen und regionalen Ernährungs- und Wirtschaftsämter mit 45 Verteilungsstellen errichtet, die dem Landesamt, dem späteren Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, unterstellt waren. Gleichzeitig sollten sämtliche Wehrmachtsbestände erfaßt und für die Kriegsgefangenen- und Lazarett-Versorgung bereitgestellt werden.4
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Die Lebensmittelzuteilungen Anfangs wurde auch noch das alte Lebensmittelkartensystem beibehalten. Danach war die Bevölkerung in folgende Gruppen, »Versorgungsberechtigte«, eingeteilt: Die Grundkarte bekamen Erwachsene (über 20 Jahre), die sogenannten »Normalverbraucher«, Jugendliche (10-20 Jahre) Kinder (6-10 Jahre) Kleinkinder (3-6 Jahre) Kleinstkinder (1-3 Jahre) Säuglinge (0-1 Jahre). Weiterhin existierten noch Zusatzkarten für Teilschwerarbeiter, Mittelschwerarbeiter, Schwerarbeiter, Schwerstarbeiter, landwirtschaftliche Arbeiter, werdende und stillende Mütter und Kranke, sowie die Pflegeund Gefährdetenzulage. Man gab die Karten immer für eine Versorgungsperiode aus, dies anfangs nach dem schon während des Krieges gültigen System nach Dekaden, bald darauf jedoch nach Wochen. Die Einteilung der Gruppen von »Versorgungsberechtigten« wurde zwischen 1945 und 1948 mehrmals verändert, am tiefgreifendsten im Jahre 1948, als man die Alterseinteilung zuerst von sechs auf vier und im Januar 1949 auf drei Gruppen reduzierte. Die Höhe der monatlichen Zuteilung wurde vom Frankfurter Wirtschaftsrat auf Weisung der Alliierten festgesetzt. Zusatzaufrufe durch lokale bayerische Behörden waren genehmigungspflichtig. So konnte es passieren, daß zum Beispiel Sonderzuteilungen möglich gewesen wären, die Lebensmittel aber verdarben, weil die Genehmigung aus Frankfurt nicht rechtzeitig erfolgte. Die Bevölkerung wurde über die Zuteilung durch den Rundfunk um 7.00 Uhr (in der »Stunde der Hausfrau«) und mittags um 12.00 Uhr, sowie durch den Münchner Stadtanzeiger informiert. Auch hier gab es des öfteren Unstimmigkeiten, da zum Beispiel ein Frankfurter Pressebüro Notizen über Zuteilungen bekanntgab, die in Bayern überhaupt nicht vorhanden waren. Das Gutachten eines amerikanischen Arztes gab ein Nahrungssoll von 2600 Tageskalorien für den »erwachsenen Normalverbraucher« an. Darin hätten 404 Gramm Kohlehydrate, 74 Gramm Fett und 71 Gramm Eiweiß enthalten sein sollen. Dieses statistische Maß wurde jedoch in den Jahren 1945 bis 1948 auch in München nie erreicht. Ende Dezember 1945 gab man in München nur 1500 Tageskalorien aus.5 Die Lage im Mai 1945 war katastrophal, wie der Münchner Stadtdirektor Dr. Wunderer, der im September 1945 das Ernährungs- und Wirtschaftsreferat übernahm, berichtete: 102
Frankfurter Ernährungsfachleute gezwungen, ihre Theorien unter Beweis zu stellen Der Simpl Nr. 6, 1948, S. 6
»Fast die gesamten Lebensmittelvorräte in der Stadt bei dem Großund Einzelhandel waren geplündert. Dies waren keine Hamsterlager, sondern Bestände, auf die das Ernährungsamt für die Versorgung der Bevölkerung für mehrere Wochen angewiesen war.«6 Die Milch Versorgung funktionierte nicht, da die Milch jeweils nur bis zur Stadt, aber nicht bis in die Molkereien kam: Reichsbahnzüge wurden jede Nacht an bestimmten Stellen auf der Garmischer Strecke beraubt, so daß militärischer Schutz beantragt werden mußte. Die Brennstoffversorgung war äußerst gefährdet, so daß zunächst nur die Bäckereien Briketts und Kohle für jeweils ein bis zwei Tage erhalten konnten.7 Große
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Plakatanschlag der Kommunistischen Partei München, 1948 (H. Schürer)
Schwierigkeiten gab es auch bei der Fleischversorgung, da die Metzgermeister den Schlacht- und Viehhof anfänglich nicht betreten und eventuell noch vorhandenes Fleisch aus eigenen Kühlzellen herausholen durften.8 Zwischen Herbst 1945 und etwa April 1946 trat dann eine leichte Entspannung ein. Der Fleischbedarf der Münchner Bevölkerung hatte, wohl auch durch den Wechsel im Verwaltungsamt für Ernährung und Landwirtschaft, in dem nun Dr. Baumgartner die Nachfolge Rattenhubers angetreten hatte, bisher nur zu 40 Prozent gedeckt werden können. Die Schlachtviehanlieferung war erheblich zurückgegangen. Nach einer Verschärfung der Anweisungen wurde Ende des Jahres 1945 das Soll dann erfüllt.9 Die Getreideversorgung war offenbar einigermaßen zufriedenstellend;10 wegen Plünderungen und schlechter Milchablieferung (60 Prozent weniger als im Vorjahr) mußten jedoch die Fettzuteilungen gekürzt werden. Im Dezember verbesserte sich die Milchversorgung wieder, so daß auch die Fettration von 300 auf 400 Gramm leicht erhöht werden konnte.11 Die Kartoffelversorgung war jedoch lediglich bis zum Jahresende 1945 gesichert. Schlecht sah es auch mit dem Zucker aus. Viele Raffinerien, die bisher zur Versorgung beigetragen hatten, lagen in der russischen Zone und fielen nun aus. Der Bedarf konnte nicht allein aus 104
Wartende vor der Freibank am Viktualienmarkt, 1947 (W. B. France)
bayerischen Zuckerfabriken gedeckt werden. Für die 83. Versorgungsperiode kündigte sich aber eine erste Zuteilung von 500 Gramm an.12 Die Gemüseversorgung hingegen war überwiegend ein Transportproblem. Oftmals mußten die zuständigen Stellen hier Prioritäten setzen, wenn es zum Beispiel darum ging, ob vorhandenes Gemüse aus Bamberg oder Butter aus dem Allgäu transportiert werden sollte, für beide Lieferungen aber der Treibstoff fehlte. Hier wurde dann die Entscheidung zugunsten der Butter getroffen.13 Schlecht war es in dieser Zeit um das Bier bestellt. Die Militärregierung hatte im Juni 1945 ein Mälz- und Sudverbot erlassen, um alle Getreidevorräte der Brotversorgung zuzuführen. Zwar durfte ab Dezember 1945 wieder gemälzt und ab Februar 1946 wieder gesotten werden, doch war abzusehen, daß die Bestände in den Brauereien bald aufgebraucht sein würden. Die bayerischen Behörden wiesen die Militärregierung immer wieder darauf hin, daß Bier in Bayern kein Luxusgetränk sei, sondern ein wichtiges Nahrungsmittel darstelle; allerdings ohne großen Erfolg.14 Dem offiziell aufrecht erhaltenen Mälz- und Sudverbot stand andererseits aber die Ausfuhr von Starkbier ins Ausland gegenüber.15 Die Münchner Bevölkerung erhielt zum Trost von der Militärregierung dann wenigstens die Genehmigung, für Brotmarken 1,5 Liter Dünnbier erstehen zu können.16
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Versorgungstiefpunkte und Hungerdemonstrationen Im April 1946 kam es wiederum zu einem Versorgungstiefpunkt. Die ›Süddeutsche Zeitung‹ berichtete darüber und veröffentlichte ein Foto, auf dem die Tagesration für den »erwachsenen Normalverbraucher« abgebildet war.17 Das Bild zeigte jeweils einen halben Kaffeelöffel Nährmittel und Zucker, ein fingernagelgroßes Stück Fett, eine Käseportion von der Größe eines halben Streichholzes, ein Fleischfetzchen so groß wie ein Radiergummi, zwei Kartoffeln, eine Prise Ersatzkaffee und einen Schluck Magermilch. In diesem Monat mußten die Rationen allgemein gekürzt werden. Schwierigkeiten in der Brotversorgung traten auf: Statt für vier mußte der Vorrat nun für sechs Wochen reichen. Das Ernährungsministerium kündigte verstärkte Hofbegehungen bei den Bauern und Mühlenbesitzern an, um deren Ablieferungsquantum zu kontrollieren. Das fehlende Brot wurde durch Hülsenfrüchte ersetzt. Der Bedarf an Rindfleisch konnte nur noch zu 50 Prozent gedeckt werden, der an Schweinefleisch zu 25,8 Prozent und der an Kalbfleisch zu 24 Prozent. Die Ausgabe von Schwerarbeiterkarten wurde stark eingeschränkt, so daß Arbeiter im Baugewerbe, im Baunebengewerbe, in Transport- und Fuhrunternehmen sowie Kaminkehrer nur noch Teilschwerarbeiterkarten erhielten. Als »arbeitsmäßig stark belastet« eingestufte Dienststellen der Stadtverwaltung erhielten ebenfalls keine Zulagen mehr.18
Die tägliche Lebensmittelration eines »Normalverbrauchers« 1940-1947
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Warenkontrolle der Preisbehörde an einer Ausfallstraße, 1946 (W. B. France)
Der Winter 1946/47 brachte dann den kältesten »Hungerwinter« seit langer Zeit mit drei Frostwellen und akutem Brennstoffmangel. Die Transportschwierigkeiten verstärkten sich erneut durch Kesselfrostschäden und verschneite Bahnwege, so daß ein Großteil des in Bayern aufgetriebenen Viehs an den Sammelstellen und Bahnhöfen erfror, weil keine Züge fuhren. Im März 1947 wurden auf einer Kundgebung der Betriebsräte Bayerns eine Erhöhung der Lebensmittelrationen sowie die Todesstrafe für Schwarzhändler gefordert. In anderen Teilen Deutschlands kam es zu Hungerdemonstrationen und zu Streiks. Der absolute Tiefpunkt war dann im Sommer und Herbst erreicht, verstärkt durch eine Mißernte. Das Schlagwort »Kartoffelkrieg« ging um. Die CSU brachte einen Dringlichkeitsantrag im Stadtrat ein, in dem eine Erhöhung der Anzahl an Flurwächtern und die Ausstattung der Polizeistreifen mit Fahrrädern gefordert wurde, da Kartoffeldiebstähle gang und gäbe geworden waren. Die Stauden wurden meist schon herausgerissen, bevor die Kartoffeln reif waren. »Zu Beginn der Spätkartoffelversorgung trafen höchstens ein oder zwei Waggons am Münchner Großmarkt ein. Normalerweise hätten es 50 bis 70 sein müssen. Nach den Hofbegehungen erreichten dann 20, 25 und 30 und an einem Tag sogar 70 Waggons den Großmarkt.«19
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Kartoffelverkauf au£ der Amalienstraße, 1946 (W. B. France)
Anfang 1948 wurde eine »trübe Ernährungsbilanz« gezogen: Die Brotrationen mußten wieder reduziert werden, da die Getreideernte in Bayern im Jahre 1947 um 160000 Tonnen geringer ausgefallen war als 1946. Kartoffeln sowie Fleisch - ein international bewirtschaftetes Nahrungsmittel, für das Deutschland nicht auf der Zuschußliste stand waren rar. Die Buttererzeugung in Bayern war um 40 Prozent zurückgegangen.20 »Es ist nicht aufwärts gegangen, ... es ist abwärts gegangen auf dem Gebiet der Ernährung«, betonte Stadtrat Branz in einer Sondersitzung des Münchner Stadtrats im Mai 1948.21 Im Jahr 1947 war die Tagesration auf 1545 Kalorien abgesunken, und man befürchtete, sie werde noch weiter fallen.22 Tags zuvor war deshalb eine sechzigköpfige Delegation Münchner Hausfrauen in den Stadtrat eingedrungen und hatte unter anderem den rechtzeitigen Aufruf und die Ausgabe von Lebensmittelrationen zu Beginn einer jeden Versorgungsperiode gefordert.23 Ferner verlangten die Frauen gleichwertigen Ersatz in Form von Mehl, Hülsenfrüchten und ähnlichem für die aufgerufenen, aber bisher vorenthaltenen Kartoffeln sowie Ersatz für die gekürzten Fleischrationen.24 Der Versuch, die Ernährungsprobleme organisatorisch in den Griff zu bekommen, war von Anfang an durch den Kompetenzwirrwarr zwischen den Besatzungsmächten und den neu geschaffenen lokalen Verwal-
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tungsbehörden erschwert worden. An diesem wichtigen Punkt trat außerdem der alte Gegensatz zwischen bayerischem Regionalismus und dem ehemals preußischen Zentralismus wieder zutage: Nur widerwillig wurden bayerische landwirtschaftliche Produkte nach Berlin oder in den Norden Deutschlands geliefert. Auf der bereits erwähnten Kundgebung der Betriebsräte Bayerns meinte Staatsminister Baumgartner, es sei unzumutbar, daß Bayern die Hälfte der Fettproduktion abgeben, die Zuteilung an die eigenen Verbraucher aber kürzen müsse. Er beendete seine Rede, bei der hohe Vertreter der Militärregierung anwesend waren, mit den Worten: »Lieber bayerisch sterben, als noch einmal zentralistisch verderben!«25 Auch die Gewerkschaften versuchten, die örtlichen Behörden zur Herausgabe von vermuteten Beständen oder zur Erhöhung der Rationen zu bewegen. Im allgemeinen ermähnten sie jedoch ihre Funktionäre zur Besonnenheit, um einem immer noch möglichen Verbot zu entgehen, aber auch auf Grund von innergewerkschaftlichen Flügelkämpfen, wobei die Führung nicht zulassen wollte, daß ihr die Basis aus der Hand glitt. So war die 24stündige Arbeitsruhe vom Januar 1948, die sich gegen katastrophale Erfassungs- und Verteilungsmethoden richtete, nur als Ventil geduldet worden, »um Schlimmeres zu verhüten«. Der Generalstreik wurde von der bayerischen Gewerkschaftsführung verworfen, da sie befürchtete, »wilde Streiks gerieten in die Hände von Personen, welche die Unzufriedenheit der breiten Masse des Volkes zu unlauteren politischen Zwecken« mißbrauchen könnten.26 Im Mai kam es jedoch auch in Bayern zu Streiks, die allerdings als »spontane Einzelaktionen« nicht gebilligt wurden. 8000 Arbeiter der MAN Augsburg und 5000 des Nürnberger Zweiges traten in einen Sitzstreik. Kleinere Münchner metallverarbeitende Betriebe sowie Arbeiter bei Krauss-Maffei und dem Reichsbahn-Ausbesserungswerk Neuaubing schlossen sich mit insgesamt 10000 bis 12000 Streikenden dem Ausstand an. Die Staatsregierung übersandte den geforderten Fettaufruf per Eilkurier nach Augsburg, worauf langsam die Arbeit in Augsburg und Nürnberg wieder aufgenommen wurde. Nur in München dauerte die Arbeitsniederlegung noch länger an,27 und man verordnete die sofortige Freigabe von Fett, Fleisch und Eiern, um eine Entspannung der Lage zu erreichen. Schließlich versuchte man, auf Geheiß der Besatzungsmächte, die Kontroversen über Ablieferungsmengen und Produktionsquoten gesetzlich in den Griff zu bekommen. Am 24. Januar 1948 wurde das »Nothilfegesetz zur Ermittlung, Erfassung und Verteilung von Lebensmittelbeständen«, kurz »Speisekammergesetz«, erlassen. Durch eine Fragebogenaktion wollte man gehortete Bestände ausfindig machen. Trotz drakonischer Strafen erwies sich die Aktion insgesamt als Fehlschlag.
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Schwarzmarkt und Tauschhandel Da die staatliche Verteilungswirtschaft sich unfähig zeigte und die Versorgungssicherstellung sich in zunehmendem Maße zuspitzte, entwickelten sich desto mehr Schwarze und Graue Märkte. Unter Schwarzhandel wurde der Handel außerhalb der Bewirtschaftungs-, Versorgungs- und Preisbestimmungen verstanden.28 Hierunter fiel auch der Einkauf ohne Lebensmittelmarken oder Bezugsberechtigungen, wodurch der offiziellen Verteilung Güter entzogen, die allgemeine Versorgung gefährdet und das Preisgefüge zersetzt wurden. Zum Grauen Markt zählte der Schleichhandel, durch den ein Händler sich Vorteile bei Lieferungen von Waren durch die Bevorzugung von Kunden verschaffte, oder ein Käufer Vorteile bot oder gab, um bevorzugt bedient zu werden. Auch Arbeits- und Dienstleistungen konnten »erschlichen« werden. Der Tauschhandel blühte ebenso wie die sogenannten »Kompensationsgeschäfte«, von denen später noch die Rede sein wird. Welche gesellschaftlichen Schichten in München in welchem Umfang
Vor der Währungsreform: Briefmarken als Kleingeldersatz, 1947 (W. B. France)
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an Schwarz- und Tauschhandel teilgenommen haben, wem er nützte oder wem er schadete, darüber können kaum gesicherte Aussagen gemacht werden. Es scheint, als habe der Zugriff zu dem verknappten Warenangebot nur wenigen offen gestanden; Ende 1946 schätzte man jedoch, daß etwa 30 Prozent der Industrieproduktion ausgenommen die Schwerindustrie - der allgemeinen Verteilung entzogen und auf dem Schwarzen Markt abgesetzt wurden.29 Für die britische Zone erließ die Militärregierung schon im Frühjahr 1946 eine »Verordnung zur Unterbindung des Schwarzmarktes«, für das vereinigte Wirtschaftsgebiet folgte im März 1947 das »Kontrollratsgesetz No. 50 zur Bekämpfung von Schwarz- Anschläge an einem Lokal in der Neuund Tauschhandel«. Daneben hauserstraße, 1947 (W. B. France) blieben weiterhin deutsche Bestimmungen, wie zum Beispiel die Kriegswirtschaftsverordnung von 1939 und die Verbrauchsregelungsverordnung von 1941 gültig. Unmittelbar nach Kriegsende spielte, im Gegensatz zu später, Geld auf dem Schwarzmarkt eine große Rolle; die Schwarzhändler traten auch noch ungeniert öffentlich auf. Im Monatsbericht der Kriminalpolizei für Juni 1945 heißt es: »Die Hemmungslosigkeit dieser Leute geht sogar schon so weit, daß sie eine Art Standplatz unter Marktschirmen aufschlagen und dort ihre Ware auflegen. Auch werden am Schwarzen Markt bereits verbotene Spiele usw. ausgetragen, wobei als Gewinnsätze große Bündel mit 10 RM und 20 RM und noch höherwertigen Markscheinen umgesetzt werden.«30 Die Preise überschritten bei schwarzen Transaktionen den reellen Warenwert oft um mehr als das Hundertfache und pendelten sich nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage ein. Börsenmacher sagten die je111
weiligen Tageskurse an und überwachten sie zur Vermeidung unerwünschter Konkurrenz. Ende 1945 wurde im Stadtrat dann ein fragwürdiger Sieg vermeldet: In Zusammenarbeit zwischen der Preisbehörde, dem Polizeipräsidenten und der Militärregierung sei es gelungen, den Schwarzmarkt aus der Öffentlichkeit zu verdrängen.31 Die Geschäfte wurden nun in zunehmendem Maße hinter verschlossenen Türen abgewickelt. Anbieter führten nurmehr Muster bei sich. Formeln wie »Zucker, wer hat? Öl, wer kauft?« gehörten zu einem seltsamen Ritual, das in größeren oder kleineren Menschenansammlungen im Flüsterton und im Vorübergehen die Kauf- und Verkaufshandlungen begleitete. Öffentliche Plätze dienten bald ausschließlich der Kontaktaufnahme, auch wurden fast nur noch Zigaretten öffentlich gehandelt, die die Funktion von Geld übernommen hatten und gesetzliche Zahlungsmittel wie die Reichsmark, die Militärmark und den Dollar als Tauschmittel verdrängten.
Zwischen den Ruinen gedeiht der Notbehelf: Tabakanbau in der Trappentreustraße, 1947 (W. B. France)
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Schwarzmarktzentren In den Polizeiberichten der Münchner Kriminaluntersuchungsabteilung tauchten folgende Plätze regelmäßig als Schwarzmarktherde auf: die Gegend um den Münchner Hauptbahnhof, der Pasinger Bahnhof, die Hirtenstraße, die Blumenstraße, die Erhardstraße und die Gegend um das Deutsche Museum (in dem Ausländer untergebracht waren), ferner die Simmernschule (ebenfalls ein Ausländerlager), dann die Gegend um den Goetheplatz. Es wurden auch regelmäßig Kneipen, Gaststätten und Hotels in den betreffenden Gegenden genannt. Bestimmte Nationalitäten schienen sich an bestimmten Orten zu sammeln. Die Tätigkeit auf dem Schwarzen Markt war witterungsabhängig: Bei schönem Wetter spielte sich das Geschehen draußen ab, bei schlechtem Wetter verlagerte es sich mehr in die Gaststätten. Die meisten Personen, die bei Schwarzmarktgeschäften festgenommen wurden, führten Waren amerikanischer Herkunft bei sich. Im März 1947 war nämlich in den USA das Verbot des »Handelns mit Feinden« durch das amerikanische Finanzministerium aufgehoben worden. Inwieweit dies das Warenangebot auf dem deutschen Schwarzen Markt beeinflußte, läßt sich schwer klären. Die Polizei vermutete jedoch, daß die meisten Händler regelmäßige Quellen hatten. In ihren Akten werden die Lager für Displaced Persons immer wieder genannt. Ob diesen Lagern tatsächlich die Bedeutung als Schwarzhandelszentren zukam, die ihnen unterstellt wurde, steht nicht fest. Die deutschen Behörden hatten hier besondere Schwierigkeiten, da die dort untergebrachten Personen nicht der deutschen Gerichtsbarkeit unterstanden. Jüdische Gaststätten, zum Beispiel am Sendlinger Torplatz, in denen die deutsche Polizei den Schwarzhandel beobachtet haben wollte, waren nur jüdischen Bürgern zugänglich, folglich deutschem Zugriff entzogen. Bei Razzien faßte die Polizei meistens nur die »kleinen Fische«. Auch waren die Zahlen der tatsächlich Verurteilten gegenüber den wegen vermuteten Delikten festgenommenen Personen durchwegs sehr viel niedriger, denn Schwarzhandelsvergehen waren schwer zu beweisen.32 Die Tätigkeit der deutschen Polizei konnte den Schwarzen Markt daher lediglich eindämmen, aber nicht wirksam bekämpfen. Von ihr aufgelöste Schwarzmarktherde bildeten sich meist nach wenigen Minuten in unmittelbarer Nähe wieder neu. Polizeistreifen erwiesen sich zunehmend als unwirksam, da die Beamten in den einschlägigen Kreisen bald bekannt wurden. In Pasing hatten die Schwarzhändler einen Streifendienst organisiert, der, mit Fahrrädern ausgerüstet, bei Nahen einer Polizeistreife Warnzeichen gab. Man mußte auch größere Fehlschläge einstecken. So mißlang am 19. Juli 1945 eine Razzia gründlich, als 20 Kriminalbeamte
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Kippenaufklauber (H. Meyer-Brockmann) Der Simpl Nr. 5, 1946
und 25 uniformierte deutsche Polizisten versuchten, am Viktualienmarkt einen Schwarzhandelsherd aufzulösen: »Gleich bei der Anfahrt stürzte sich eine große Anzahl Ausländer und KZler auf den anfahrenden Wagen, brachte diesen zum Stehen und bemächtigte sich zunächst des Fahrers. Die Beamten wurden auseinandergerissen, von einzelnen Gruppen umstellt und angegriffen. Unter großen Schwierigkeiten konnte die Polizei 14 Angreifer festnehmen und den erheblich verletzten Fahrer befreien. Unter einem Steinhagel verließen die Beamten fluchtartig den Viktualienmarkt. Auf der Flucht konnten mit Unterstützung der Ausländer 8 Verhaftete abspringen und entkommen.«33 Das magere Ergebnis dieser Razzia: sechs verhaftete Schwarzhändler und etliche verletzte deutsche Polizeibeamte. Mißlungene Aktionen dieser Art nahm Polizeipräsident Pitzer zum Anlaß, die Bewaffnung der Beamten zu fordern. Schwarzhändler seien oft »bis zu den Zähnen« bewaffnet, wogegen die bisher nur mit Holzknüppeln ausgestatteten Polizeibeamten schwer ankämen. Die Amerikaner wollten vorerst allerdings nur eine zahlenmäßige Verstärkung der Beamtenschaft zulassen.34 Auf das Preisgefüge hatte dies kaum Auswirkungen: Amerikanische Zigaretten kosteten etwa gleichbleibend zwischen RM 90,- und 100,das Päckchen, Lebensmittel waren in München wohl insgesamt »billiger« als in Berlin.35 Das Angebot auf dem Schwarzmarkt blieb jedoch nicht immer gleich. Schon im Herbst 1946 berichtete die Polizei, daß die Nachfrage augenblicklich größer sei als das Warenangebot. Im Herbst 114
1947 herrschte wiederum Warenknappheit: »Die öffentlichen Schwarzhändler besitzen sehr wenig, und sie sind schon seit einiger Zeit dazu übergegangen, unkundige Schwarzhändler zu betrügen.«36 »Pusten« oder »Spritzen« hieß diese Methode im Polizeijargon. Die Händler brachten durch Überredung die Waren an sich; wenn der Betrogene sie wieder haben wollte oder zu teuer verkaufte, drohten sie mit der Polizei oder mit Gewaltanwendung.37 Am 12. Oktober 1945 hieß es im wöchentlichen Sammelbericht des Polizeipräsidenten an das ›Public Safety Office‹ noch: »Anzeichen, daß der reguläre Handel verlagerte oder versteckt gehaltene Ware in den Schwarzhandel einschiebt, haben sich bisher nicht gezeigt.« Schon am 19. Oktober wird dann jedoch von einer Münchner Sportfirma berichtet, die als frühere Heereslieferantin aus Wehrmachtsmaterial größere Posten Handtaschen hergestellt und illegal vertrieben habe. Auch wurden bei einem Öl- und Fetthändler größere Mengen Wein gefunden.38 Im April 1946 wird die Zunahme von gewerblichen Leistungen, die von Gegenleistungen in Form von Lebensmitteln oder anderen Verbrauchsgütern abhängig gemacht wurden, notiert.39
Plünderung eines Schuhlagers bei Kriegsende (H. Schürer)
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Kompensationsgeschäfte und Schiebungen War der Schwarzmarkt anfangs lokal auf das Münchner Stadtgebiet und auf Waren des täglichen Bedarfs beschränkt, so weitete sich das Geschäft zusehends aus. Man handelte nun auch mit Eisen und Stahl aus der britischen Zone, mit Obst und Wein aus der französischen und Textilien aus der russischen Zone. Besonders Baumaterial wurde über den Eisenbahn- und Güterverkehr, durch die Post und durch Fuhrunternehmer verschoben.40 Geld spielte jetzt kaum noch eine Rolle, man tauschte Ware gegen Ware. Auch gingen Firmen dazu über, ihre Angestellten mit Lebensmitteln zu bezahlen. So hatte die Werkskantine der Elektrotechnischen Versuchsanstalt der Reichsbahn in Freimann durch Schwarzeinkäufe Vieh und Weizen aus der Landshuter Gegend, darunter zwei Ochsen, fünf Schweine, vier Spanferkel, 19 Zentner Weizen, sechs Zentner Mehl innerhalb eines Jahres der allgemeinen Versorgung entzogen und an ihre Werksangehörigen ohne Marken verteilt.41 Aus Nürnberg wurde ein Fall bekannt, in dem ein Schlosser und eine Brauerei Kompensationsgeschäfte mit bezugsbeschränkten Waren abgeschlossen hatten. Die Brauerei bezog sich auf ihr monatliches Freikontingent von 150 Hektoliter Vollbier. Im Polizeibericht hieß es: »Diese Freikontingente, die zur Belebung der Geschäfte immer mehr zugestanden werden, sind ein unkontrollierbarer Punkt, der die Bekämpfung des Schwarzhandels wesentlich erschwert, dem Schwarzhandel der Geschäftswelt aber ungeahnte Möglichkeiten eröffnet und die gebundene Wirtschaft durchlöchert.«42 Spätestens ab Herbst 1947 waren Kompensationsgeschäfte gang und gäbe. Im Monatsbericht des Polizeipräsidiums an die Preisüberwachungsstelle heißt es: »Firmen und Geschäftsleute können nurmehr Geschäfte machen, wenn sie kompensieren ...« Es wird das Beispiel einer Zementfabrik angeführt, die ohne Kohlen keinen Zement herstellen konnte. Wer Zement brauchte, auf dem normalen Weg, das heißt über Bezugscheine, aber keinen bekam, bot der Zementfabrik die Waren an, die sie brauchte, diese wiederum lieferte den Zement aus ihrem Freikontingent. »So manches Rad würde stillstehen, wenn der Geschäftsmann nicht zu diesen verbotenen Mitteln greifen würde.«43 Vom Frankfurter Wirtschaftsrat wurde dieser Graue Markt zur Aufrechterhaltung der eigenen Arbeitsmöglichkeiten geduldet.44 Inwieweit und ob sich Münchner Behörden an Kompensationsgeschäften beteiligt haben und welchen Anteil solche Geschäfte am Gesamtwirtschaftsvolumen hatten, ist nur schwer auszumachen. Hinweise gibt allerdings ein
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Auch für Marken gibt es 1947 in manchen Gasthäusern keine Fleischgerichte mehr (W. B. France)
Rundschreiben des Leiters des Ernährungs- Und Wirtschaftsamtes Oberbayern vom Februar 1948. Er führt darin aus: »Aus besonderem Anlaß muß nachdrücklich darauf hingewiesen werden, daß die Organe der Polizei Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sind und als solche berechtigt, ... bei Ermittlungen von Straftaten gegen Beamte und Angestellte der Wirtschaftskontrollstellen auch ohne besonderen Auftrag der Staatsanwaltschaft Einsicht in Akten, Listen, Karteien usw. der Wirtschaftskontrollstellen zu nehmen.«45 Dies läßt natürlich nur indirekt auf Schwarzmarkttätigkeit von Beamten und Behörden schließen, ebenso wie die Tatsache, daß Beamte besonderen Bedingungen und Strafmaßnahmen innerhalb der angewandten Schwarzmarktrechtsordnungunterlagen.46
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Geldüberhang, niedrige Verbrauchsgüterproduktion und unzureichende Rendite führten bereits in der NS-Zeit, vor allem jedoch in den Trümmerjahren, zu einer Marktspaltung mit zweigleisigem Preissystem: den offiziellen und den »schwarzen« Preisen. Behördliche Kontrollen wurden zunehmend umgangen, indem Waren vom Markt zurückbehalten oder in Tauschgeschäften abgesetzt wurden, bis sie einen den Vorstellungen der Geschäftsleute entsprechenden Preis erzielen konnten. Mit der Zeit verselbständigte sich der Schwarze Markt, und das Marktgeschehen geriet immer mehr außer Kontrolle der deutschen staatlichen Behörden. Über die Notwendigkeit einer Währungsreform war man sich daher einig. Die übervollen Läden nach dem 20. Juni 1948 machten jedoch deutlich, bis zu welchem Ausmaße die Marktspaltung in der Zeit zuvor gegangen war. Besitzern von Sachwerten und Produktionsmitteln ging es nun gut, Schuldner waren über Nacht zu neun Zehnteln ihrer Zahlungsverpflichtungen enthoben. Der Handel nutzte die erste Euphorie und Kaufwut der Verbraucher zu massiven Preiserhöhungen. Besonders sozial schwache Bevölkerungsteile und Leute mit kleineren Ersparnissen bekamen die Ungerechtigkeiten der Währungsreform zu spüren. Auftretende Härten sah man jedoch als notwendig an und nahm sie in der Hoffnung auf eine baldige Normalisierung der wirtschaftlichen Lage in Kauf. Kritiker der neuen Marktwirtschaft, Befürworter einer grundlegenden Neuordnung konnten sich hingegen nicht durchsetzen. Margot Fuchs
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»Die Kontingentierung von Adoptiv- und Pflegekindern ... unterliegt nicht mehr der Beschwerdestelle ...« Bürokratie der Mangelverwaltung
IM PARADIES DES AMTSSCHIMMELS
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◄ Der Simpl Nr. 7, 1946, S. 93
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»Für den Aufruf von einem Stück Einheitsseife für alle Verbraucher ist der Sonderabschnitt ›Bayern LWA II‹ (mit und ohne Buchstabenzusatz) und von einem Normalpaket Waschseifenpulver oder einer Normaleinheit Zusatzwaschmittel der Sonderabschnitt ›Bayern IV‹ (mit und ohne Buchstabenzusatz) der Lebensmittelkarte der 81. Versorgungsperiode zu verwenden ... Der Handel und die Verbraucherschaft werden darauf aufmerksam gemacht, daß in München Marken mit dem Aufdruck »Bayern LWA II‹ und ›Bayern IV‹ nur von solchen Lebensmittelkarten beliefert werden dürfen, deren Sonderabschnitt Nr. 27 (links vom Stammabschnitt) den Aufdruck ›EA: Stadt München‹ trägt. Ebenso dürfen für Rasierseife und Feinseife nur Marken mit dem Aufdruck ›Stadt München‹ entgegengenommen werden.«1 »Schuhreparaturbetriebe haben Kunden, welche die Austragung aus der Kundenliste beantragen, in der Liste zu streichen und unter Beisetzung des Namens und des Datums auf der Rückseite des Stammteiles der Lebensmittelkarte der 81. Versorgungsperiode die Streichung zu bescheinigen. Der Abschnitt der Lebensmittelkarte ist in diesem Falle zurückzugeben ... Selbstbesohler dürfen sich in die Kundenlisten eines Schuhreparaturbetriebes nicht eintragen lassen. Sie liefern ihre Abschnitte LWA I gegen Empfangsbescheinigung beim Wirtschaf tsamt, Abt. Schuhe, Oberer Anger 44/1. ab, das sie zwecks späterer Zuteilung von Sohlenmaterial in eine Liste aufnimmt.«2 »Ein kleiner Münchner kam in diesen Tagen zur Welt. Er kann leider keine Muttermilch, sondern nur Vollmilch erhalten, im übrigen bekanntlich lieferbar auf Kleinstkinderkarte mit Bestellabschnitt. Nach fünf Tagen stellt der Arzt fest, daß das Kind die Kuhmilch nicht annimmt; Umstellung auf ein gewisses medizinisches Trockenmilchpräparat - gegen Bescheinigung in den Apotheken zu haben - ist erforderlich. Die Mutter erfährt auf dem Ernährungsamt, daß für die Lieferung dieser Trockenmilch die Rückgabe des Vollmilchbestellabschnitts unerläßlich sei. Der Milchhändler, der darum gebeten wird, bedauert, dazu nicht mehr in der Lage zu sein, da alle seine Abschnitte sich bereits auf der Markenrücklaufstelle befänden. Ein Heraussuchen auf der dortigen Dienststelle unter den Zehntausenden dieser Papierstückchen ist ausgeschlossen. Der Säugling erhält inzwischen täglich nur etwas Haferschleim und Tee; die Mutter ist verzweifelt, denn er ist sichtbar unterernährt. Die Laufereien werden durch einen Sonntag verzögert. Am Beginn der neuen Woche wird als letzte Instanz der Vorstand der zuständigen Kartenstelle um Hilfe gebeten. Auf alle Vorhalte, daß sich doch ein kleines Menschenleben in Gefahr befinde, hat er nur die Antwort: ›Ohne Rückgabe des Bestellabschnittes kann ich auch nichts machen. Ich bin an meine Vorschriften gebunden.‹ In 121
FORMULARE STATT BUTTER
Der Simpl Nr. 3, 1948, S. 30
ihrer Verzweiflung sucht die Mutter einen Schwarzhändler auf. Dieser liefert prompt für den zwanzigfachen Preis - für 250 Mark - zwei Büchsen der begehrten Säuglings-Trockenmilch. Die Ersparnisse der Familie sind aufgebraucht, und das Ernährungsproblem des neuen Erdenbürgers ist auf drei Wochen hinausgeschoben. An dieser Geschichte fehlt nur noch, daß die Mutter auf dem Schwarzen Markt verhaftet worden wäre.«3 Bürokratische Bewirtschaftungsbestimmungen einer extremen Notzeit und ihre katastrophalen Folgen im menschlichen Einzelfall - mit diesem Gegensatzpaar wird man auf dem Weg durch Akten, Zeitungen und Erinnerungen der »Trümmerjähre« immer wieder konfrontiert. Der Amtsschimmel, während der NS-Zeit gut gefüttert, wieherte. Gerade in einer Zeit, die Flexibilität und Improvisation zu erzwingen schien, wuchsen Macht und Wichtigtuerei der subalternen Beamten. Ob bei der Verwaltung bewirtschafteter Güter, bei der Suche nach Arbeit oder der Zuteilung von Wohnungen: Es ging nicht ohne sechsfache Ausfertigung, ohne Dienststempel und deutsche Beamtengründlichkeit. So schrieb der Münchner Kulturbeauftragte Hans Ludwig Held, nachdem er sich im122
mer wieder umsonst um Zuzug für wichtige Verlage, Schriftsteller oder Künstler bemüht hatte, an Oberbürgermeister Scharnagl: »Alles in allem komme ich zu der Auffassung, daß an manchen amtlichen Stellen, die mit kulturellen Belangen zu tun haben, nicht solche Beamte oder Angestellte sitzen, die dem geistigen Umkreis ihrer Aufgaben gewachsen wären.«4
Die Behörde Dies galt in noch viel größerem Maße für die Verwalter des täglichen Überlebens. Da die meisten »Normalverbraucher« aber gezwungen waren, einen wichtigen Teil ihrer Zeit im Umgang mit Zuteilungs-, Bewirtschaf tungs-, Zuzugs- oder Wohnungsämtern zu verbringen, wuchs die Erbitterung über den zermürbenden Papierkrieg zusehends. Erst 1948 entspannte sich diese Situation. In den Jahren 1945 bis 1947 finden sich jedoch in den Zeitungen ebensoviele bürokratische Verlautbarungen der bereits zitierten Art wie erboste bis satirische Stellungnahmen der gequälten Behördengänger. So heißt es 1946 in der satirischen Zeitschrift ›Der Simpl‹ unter der Überschrift »Die Behörde«: »Die Behörde ist, wenn man nacheinander in fünf verschiedenen Zimmern erfährt, daß man nicht an der zuständigen Stelle ist. Den Sitz einer Behörde erkennt man meist daran, daß einem bereits auf der Treppe zornerfüllte Leute entgegenkommen. Das ist das Publikum. Das Publikum dient dazu, die Korridore der Behörde zu füllen und ihr den Anschein starker Beschäftigung zu geben. Es verzehrt sich in Ungeduld und teilweise mitgebrachte Brötchen. Schwarze Brötchen. Trocken ... Manchmal gelingt es einem Teil des Publikums, in das gewünschte Zimmer hereinzugelangen. Ganz wenige erwischen sogar auf das erste Mal den richtigen Beamten. Die Plötzlichkeit dieser unerwarteten Gnade erregt sie dann meist so, daß sie zu stottern beginnen ... Behörden liegen selten im Parterre. Meist muß man zwei bis drei Treppen erklimmen, um zu ihnen zu gelangen. Das ist aus psychologischen Gründen so. Treppensteigen nagt an Körper und Geist. Im dritten Stock flimmert es einem vor den Augen, und die geistige Spannkraft ist armselig zusammengeschrumpft... Der Beginn einer Unterhaltung zwischen einem Behördenangestellten und einem Besucher ist stets der gleiche. Er ist sozusagen rituell. Der Besucher 123
teilt sein Anliegen dem Beamten mit. Darauf sagt dieser: ›Das geht nicht. ‹ Hierauf beginnt der Besucher von neuem mit erhöhter Beredsamkeit. Nun antwortet der Beamte: ›Das dauert aber sehr lange.‹ Das ist für den Besucher das Zeichen, daß er sich noch mehr zu ereifern hat. Er tut es. Worauf der Beamte entgegnet: ›Bedaure, aber wir machen keine Ausnahmen.‹ Das ist so ähnlich wie in der Kirche. Wechselgesang zwischen Pastor und Gemeinde. Nach Erledigung dieser einführenden Formalitäten beginnt die Verhandlung wirklich ... Ganz früher lagen alle Behörden im Rathaus. Damals pflegte man zu sagen: ›Wer vom Rathaus kommt, ist klüger.‹«5 Erinnern einige der hier geschilderten Abläufe uns in satirisch-überspitzter Weise an heutige Behördenbesuche, so bleibt dem Nachgeborenen bei der »Odyssee eines ausgebombten Schwabinger Heimkehrers« das Lachen im Halse stecken: MODERNER STAUDAMM
Der Simpl Nr. 4, 1947, S. 42
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»Um neun Uhr morgens Start mit Wasser in den Gelenken, Holzpantinen und östlichem Galaanzug zur Markenstelle Sparkassenstraße. Nach Erhalt der Normalverbraucherkarte und Fünfzig-Mark-Anweisung der Münchner Nothilfe zur zehn Minuten entfernten Kasse Reisingerstraße. Anschließende Tippelei zum Ernährungsamt, Abteilung Krankenfürsorge, Beethovenstraße. Dort Besorgung der ärztlichen Heimkehrerzulagebewilligung. Damit zurück zur Markenstelle Sparkassenstraße. Hier erst Aushändigung der Krankenzulagemarken. Dies war die Wanderung Schwabing-Zentrum-Schlachthofviertel und zurück wohl wert. Am nächsten Tag Anmeldung im Polizeirevier. Endgültige Ausfüllung der drei Kennkarten sowie zweier Anmeldeformulare erfolgte erst nach einer Woche, da der Heimkehrer sechsmal beim Wohnungsamt um eine Behausung vorsprechen mußte. Durch Zwangseinweisung erhielt er ein Zimmer ohne Bett. Dafür wurden je fünf Mark für Zimmerzuweisung und Rückkehrbewilligung entrichtet. Einen Münchner Bürger, der durch Gestellungsbefehl seine Vaterstadt verlassen mußte, kostet also das Wiederbetreten des Heimatbodens amtliche Gebühren. Bei Nichtbefolgung drohte damals Füsilierung. Zur Feststellung des Versehrtengrades war dreimaliger Besuch in der Schwabing so nahe gelegenen Lazarettstraße nötig. Erster Tag: Anmeldung. Zweiter Tag: Untersuchung. Dritter Tag: Aushändigung der Bescheinigung über siebzigprozentige Erwerbsminderung. Gelegentlich ein Marsch zu Arbeitsamt und Ortskrankenkasse. Dort Abgabe der Rentenantragsformulare. Schwabing-Lehel-Schlachthofviertel, der nächste Weg. Zur Abwechslung auch dreimal ins Zentrum. Im Polizeigebäude, Zimmer 103, Meldung wegen der amerikanischen Entlassungspapiere. Erster Tag: Abgabe eines Formulars. Zweiter Tag: Ausfüllung von vier Formblättern. Dritter Tag: Aushändigung des ersehnten Scheines. Anmeldung bei der zuständigen Verteilungsstelle. Dazwischen diverse Bittgänge zu verschiedenen karitativen Verbänden in drei Stadtteilen. Heroischer Nahkampf um die Bezugscheine. Praktische Antragstellung für Geschirr im Hochhaus, für Möbel in der Theresienstraße und für Bekleidung in der Türkenstraße. Nicht zu vergessen wiederholte Visiten beim Wohlfahrtsamt. Der ehemalige Landser macht seinem neuen Tauglichkeitsgrad d. u. (dienstunfähig; Anm. d. Verf.) alle Ehre. Er ist wirklich seit Wochen dauernd unterwegs.«6
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Der bewirtschaftete Mangel Nicht die Tatsache einer Mangelverwaltung erboste dabei den »Otto Normalverbraucher«, wie der Notstandsbürger seit einem berühmten Film mit Gerd Probe genannt wurde. Die Sinnlosigkeit mancher Behördenmaßnahmen löste Aggressionen oder dumpfe Resignation aus. »Wer noch lebt, ist selbst schuld; Bomben sind genug gefallen«, kommentierten die Berliner.7 Der Münchner ›Simpl‹ stellte dem Leser in seinem »Politischen Rechenbuch« Textaufgaben wie die folgende: »In einer Münchner Verteilungsstelle entfielen auf l Arbeitshemd 946 geprüfte Anträge, auf l Arbeitshose 710 und für l Regenmantel 500, das sind zusammen 2156 Formulare. Berechne: a) Den Verbrauch derartiger Formulare in den anderen 39 Münchner Verteilungsstellen, sodann in ganz Deutschland? b) Wieviele Arbeitshosen oder -hemden könnten hergestellt werden, wenn das Holz für dieses vergeudete Papier zur Stofferzeugung verwendet würde?« oder eine weitere: »Der Brennholzeinschlag betrug im Oldenburgischen in den letzten zwei Wintern 533000 Festmeter. Für den Transport zum Verbraucher wurden 1386000 Liter Treibstoff benötigt. Der Heizwert des Treibstoffes beträgt rund 14Milliarden Kcal. Dies entspricht dem Heizwert von 5,6Millionen Kilogramm Holz. Für die Förderung einer Tonne Kohle werden nur 0,07 Festmeter Grubenholz benötigt. Wieviele Tonnen Kohle müssen mehr exportiert werden, um die Devisen für den eingeführten Treibstoff zum Holztransport zu bekommen?« und die folgende: »1938: 487200 Bayerische Bienenvölker 1945: 381000 Bayerische Bienenvölker Berechne: Wieviele Tonnen Zucker müssen dem Normalverbraucher weiterhin zur Fütterung der Bienen entzogen werden, damit in drei Jahren ein Pfund je Normalverbraucher zur Verteilung kommt?«8 Die Bekanntmachungen der jeweiligen Bewirtschaftungsstellen, die hier so treffend karikiert werden, lesen sich im Original etwa so:
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»Der Oberbürgermeister der Stadt München gibt bekannt: Wiederholt ist darauf hingewiesen worden, daß die Bevölkerung mit einer Kohlenzuweisung für den kommenden Winter nicht rechnen kann. Die zuständigen Stellen haben alles mögliche in die Wege geleitet, um wenigstens den dringendsten Bedarf an Brennmaterial zu beschaffen. Die Verteilung kann auf der bisherigen Grundlage nicht mehr erfolgen. Es wird daher zusammen mit den Lebensmittelkarten der 80. Verteilungsperiode an jeden Lebensmittelkartenempfänger eine Brennstoffkarte ausgegeben ... Mit den Brennstoffkarten wird ein Fragebogen ausgegeben. Während jede Person eine Brennstoffkarte erhält, ist jedoch der Fragebogen immer nur für einen ganzen Haushalt mit allen ihm zugehörigen Personen gemeinsam auszufüllen ... Die ausgefüllten Brennstoffkarten und Fragebögen müssen vom Haushaltungsvorstand oder dessen Beauftragten bei dem Kohlenhändler vorgelegt werden .. .Der Stammabschnitt der Brennstoffkarte wird vom Kohlenhändler nach Abstempelung und Behandlung entsprechend von Richtlinien, die der Kohlenhändler vom Wirtschaftsamt erhalten hat, an den Verbraucher zurückgegeben ... Nähere Auskünfte sind bei den Kohlenhändlern zu erlangen.«9 Der Unterschied zwischen der öffentlichen »Realsatire« und ihrer Karikatur im ›Simpl‹ bestand also eigentlich nur darin, daß die Ironisierung kürzer und präziser den Tatbestand erfaßte. Weniger lustig fanden es die Münchner, wenn bürokratische Schwerfälligkeit dazu führte, daß tonnenweise Lebensmittel verdarben; so trafen beispielsweise an einem Freitag im Mai 1947 acht Tonnen See- und Räucherfische in München ein. Die Verteilung der von der Fischfirma rechtzeitig angekündigten Lieferung sollte vor allem an Gaststätten und Kantinen erfolgen. Einem Referenten des Ernährungsministeriums fiel es jedoch ein, diese Fische müßten an die Kleinhändler verteilt werden, und er ließ den Transport beschlagnahmen. Es wurde überdies sein Ausspruch überliefert, »daß die Räucherfische so verteilt werden müßten, wie er es angeordnet habe, es sei ihm auch egal, wenn die Ware dabei kaputt ginge«.10 Am Montag war es dann soweit: Etwa drei Tonnen geräucherte Bücklinge und Makrelen waren gänzlich verdorben, zwei Tonnen weitgehend verschimmelt und nicht mehr zu genießen. Die Süddeutsche Zeitung‹ berichtet dazu: »Angesichts unserer heutigen Ernährungslage ist es wohl mehr als verständlich, daß es beim Ausladen der verdorbenen Fische bei der Bevölkerung zu Ausbrüchen einer gerechten Empörung kam und eine Kantinenpächterin den ›frommen Wunsch‹ äußerte, man solle den Verantwortlichen zwingen, die verdorbenen Fische alle selbst zu essen.«11 127
Aus der verdorbenen Ware konnte nur noch Öl und Fett für technische Zwecke gewonnen werden. Ein ähnlich unverantwortliches Verhalten der Behörden wurde im August 1947 aus den Molkereien berichtet. Dort entstanden infolge der Hitze aus größeren Mengen Milch einige hundert Kilo Topfen. Zu dessen Verteilung konnte man sich jedoch nicht recht entschließen, da, wie die ›Süddeutsche Zeitung‹ berichtet,12 »es nach Ansicht des Sachbearbeiters ›nicht so einfach‹ sei, sie bezugscheinmäßig zu verrechnen«. Der Beamte empfahl überdies einem Molkereileiter: »Lassen S' halt nicht so viel Milch nach München herein, dann wird nicht so viel sauer!« Im Ernährungsamt befürchtete man sogar, eine Zuteilung könne dazu führen, daß die vom Kontrollrat vorgeschriebene Kalorienzahl überschritten werde. Bitter kommentiert die ›Süddeutsche Zeitung‹: »Von den Unterschreitungen der Kalorienzahl wurde bei dieser Gelegenheit nicht gesprochen.« Bei der Textilienzuteilung sah es ähnlich aus wie bei den Nahrungsmitteln. Diese Situation ironisierte ›Der Simpl‹ in seinem »Simpl-Briefkasten« so: »Junger Arzt in Essen. Sie wundern sich, daß Sie auf Ihren mühsam errungenen Bezugschein keinen weißen Arztkittel bekommen können, weil es diese nur auf Bergmannspunkte gibt. Auch wir können Ihnen nicht sagen, wozu Bergleute Ärztekittel brauchen, aber wir können Ihnen versichern, daß die Textilfabrikanten Bergmannspunkte brauchen können. Haben doch sogar findige Taschenkalenderhersteller es fertig gebracht, für ihre Notizbüchlein den Bergmannsfrauen zwei der kostbaren und auf dem Schwarzen Markt hoch bezahlten Punkte abzunehmen. Sie sehen daraus, daß unsere chaotische Planwirtschaft jede noch so gut gemeinte Einrichtung ins Gegenteil zu verkehren vermag, da, unter Ausschluß jeden Wettbewerbs und jedes Leistungsgrundsatzes, eine ins Metaphysische reichende Bürokratie, der surrealistische Beamte schlechthin, das absolute Nichts verwaltet, während das ›Seiende‹ von geschäftstüchtigen Kompensationskaufleuten hin und her geschoben wird.«13 Der hier zugrundeliegende Sachverhalt war eingetreten, nachdem man den an ein bestimmtes Geschäft gebundenen Bezugschein aufgehoben hatte. Der Münchner Bürger erhielt nun einen »Textilpunkt« im Monat, der auch durch Ware abgedeckt war. Da aber etwa siebzig Prozent der Münchner Ware durch auswärtige Wirtschaftsämter eingelöst wurden, die mit den Bezugscheinen »freizügig« in der ganzen US-Zone einkaufen konnten, fehlte den Münchnern plötzlich die Ware. Dies ermöglichte es nun auch den Münchner Einzelhändlern, Ware zurückzuhalten, ohne 128
DICHTUNG UND WAHRHEIT Der Simpl Nr. 22, 1947, S. 273
daß man es ihnen nachweisen konnte; diese gehorteten Bestände wanderten dann leicht auf den Schwarzen Markt oder wurden über die bis 1948 ständig erwartete Währungsreform hinübergerettet. Im April 1947 standen auf diese Weise in München für 250000 Männer nur 40000 Socken, »292 dreiteilige Herrenanzüge, 1300 zweiteilige Herrenanzüge, 1362 Arbeitshosen, 500 Lodenmäntel, 1430 sonstige Mäntel, 780 Pope-
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linmäntel, 950 Strickwesten mit Ärmeln, 760 Arbeitshemden, 12500 Taghemden für Herren« zur Verfügung.14 Für die etwa 300000 Frauen gab es beispielsweise 770 wollene Pullover und etwa 26 Kostüme. Auch diese Zahlen erfaßten nur die insgesamt verfügbare Ware, nicht die wirklich erwerbbare. Die Mängel eines solchen Systems bedürfen eigentlich keines weiteren Kommentars. Sein Zynismus und seine Menschen Verachtung sollen jedoch noch durch die Brille eines schwerstkriegsverletzten Rollstuhlfahrers deutlich gemacht werden: »Meine Schwester hatte dann nach meiner ›Heimkehr‹ Lebensmittelmarken beantragt; ich bekam sie als Normalverbraucher, denn es ›ist nicht nachgewiesen, daß ihr Bruder Kriegsverletzter ist‹. Natürlich konnte ich das nicht nachweisen, denn die Verletzung stand zwar auf dem amerikanischen Entlassungsschein, aber der bearbeitende Beamte konnte kein Englisch ... Somit war auch die Zuteilung für Kranke und Verletzte zunächst nicht möglich, denn da hätte ich mich selber präsentieren müssen und das konnte ich nicht, weil mein Krankenfahrstuhl keine Reifen hatte ... Nach meiner ›Entlassung aus der Wehrmacht‹ hatte ich pro Monat genau RM 18.-bekommen, denn ich lebte nach dem Befinden des Wohlfahrtsamtes im Haushalt meiner Schwester und die verdiente! Ergo war sie ›unterhaltspflichtig‹ - für mich blieben somit unter Einbeziehung des Gehalts meiner Schwester genau RM 18.-. Diese RM 18.- habe ich dann 10 Monate lang bezogen ... ich hätte diese ›Riesensumme‹ nicht bekommen, wenn ich nicht vorher einen Revers unterschrieben hätte, daß ich das Geld zurückzahle, wenn ich dazu in der Lage bin ... 4 Tage nach der Währungsreform bekam ich ein Schreiben des Wohlfahrtsamtes München, daß ich ihm noch RM 180.- schuldig sei aus der Zeit 1946; nunmehr abgewertet DM 18.-, ich wolle umgehend diese Summe einzahlen ... Bis 1950 war das Amt hartnäckig hinter seinem Geld her ... Aber es kommt noch besser bzgl. Währungsreform: Im Frühjahr 1947 waren alle Kriegsbeschädigten aufgefordert worden, sich an bestimmten Stellen zu melden, um die sog. ›Versehrtenstufe‹ feststellen zu lassen, diese ging von Kategorie I = leichte Beschädigung bis IV = Schwerste Beschädigung = 100% ... Ich bekam die 100 v. H. zuerkannt ... Also, die Währungsreform nahte und genau 4 Tage vor dem 20. Juni 1948 brachte mir der Geldbriefträger RM 600.- von der Landesversicherungsanstalt Oberbayern ins Haus ... eine Akontozahlung ... Jung verheiratet und den zweiten Nachkriegswinter mit Frost und Kälte hinter mir, bekam ich am linken Bein eine sehr schwere Sepsis - also wieder mal ins Krankenhaus ... Der behandelnde Arzt meinte, daß mir das damals vielgesuchte Antibiotikum Penicillin sicher helfen würde, damit die schweren Eiterungen sich reduzierten. Im zweiten 130
Stock der Hohenzollernschule gab es eine von polnischen Hilfspolizisten schwer bewachte Station mit Geschlechtskranken, die dort behandelt wurden, Männlein und Weiblein. Die wurden mit Penicillin behandelt und waren schnell geheilt. Die Bitte meines Arztes, mir 6 Mio Einheiten Penicillin abzugeben, wurde von dem dort behandelnden Arzt abgeschlagen ... der junge Arzt dann bei einer Visite: ›Fahr nach Schwabing, hol' dir dort einen Tripper, dann bekommst du dein notwendiges Penicillin.‹ Dieser ›Umweg‹ schien mir wegen meines labilen Allgemeinzustandes denn doch nicht gangbar .. .!«15
Die Bürokratie der Besatzungsmacht Das Bild, das die Münchner von ihrer amerikanischen Besatzungsmacht bekamen, war gespalten: Auf der einen Seite standen höchst bürokratische Prozesse wie die Entnazifizierungs-Fragebögen, wie die umständlichen Lizenzierungsverfahren für alle Bereiche des täglichen Lebens, wie sinnlose oder einander widersprechende Befehle innerhalb der militärischen Einheiten. Auf der anderen Seite gab es aber auch Lässigkeit und Spontaneität. Karl Jering, später Referent beim Staatskommissar für das Flüchtlingswesen, damals Dolmetscher bei der amerikanischen Militärpolizei, schrieb 1946 in sein Tagebuch: »Nun habe ich sechs Wochen, wenn auch nur am Rande, den inneren Betrieb einer amerikanischen Kampfeinheit kennengelernt. Vorangegangen waren fast sechs Jahre Wehrmachtserfahrungen. Was mir an den Amerikanern gefällt, ist ihr gelassener Umgangston. Sie sprechen ruhig miteinander, und wer höheren Ranges ist, fühlt sich darum noch nicht besser als sein Untergebener. Auch wenn einer gefehlt hat, wird er nie roh oder verächtlich behandelt. Sie halten nichts von künstlichen Schranken, die bei uns eine so große Rolle gespielt haben ... Dennoch können sie bei der Durchsetzung ihrer Befehle recht strikt sein. Aber ihre Strenge ist stur, nicht anmaßend. Auch diese Züge erklären einen Teil ihrer Erfolge in der Welt, nicht nur die materielle Überlegenheit allein, die ihnen ja nicht in den Schoß gelegt worden ist, sondern auch eine Frage des menschlichen Zusammenspiels, der Auslese, der Organisation war.«16
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Einen knappen Monat später, Jering ist inzwischen schon bei Staatskommissar Jaenicke angestellt, berichtet er eine andere Begebenheit aus dem Umgang mit den Besatzern. Es handelt sich dabei um eine Besprechung in Flüchtlingsfragen zwischen Jaenicke, dem amerikanischen Chef der Flüchtlingsabteilung, und dessen jungem Assistenten: »Dann trat Lt. R. ein. Der Sprache nach muß der 26jährige ein Wiener Jude sein. In irritierender Weise mischte er sich in unser Gespräch. Jaenicke blieb unverändert höflich, aber seine Überarbeitung, sein Zögern, das daher rührt, daß uns die Hände gebunden sind und wir um jede Rolle Dachpappe, jede Fensterscheibe aus unseren Beständen bei den Amerikanern antichambrieren müssen, da ja alle Rohstoffe und Fertigprodukte Kriegsbeute sind, die Tatsache, daß wir unterernährt und überfordert sind, all dies wurde immer fühlbarer, je entschlossener der junge Fant seine Spitzen vorwärts trieb. Ich bewunderte, wie wenig sich Jaenicke provozieren ließ, wie er immer wieder den Faden aufgriff und des Leutnants Gründe entkräftete ... M. E. macht er sich zu wenig klar, daß diese Besatzer dem grauenvollen Experiment der Ausweisung mit der ruhigen Neugier gegenüberstehen, mit der der Zoologe einem Tierversuch zusieht. Selbst in ihrer aufmerksamen und intelligenten Höflichkeit liegt eine Kälte, die mit der Humanität wenig zu tun hat, für die sie angeblich gekämpft haben.«17 Die Art des Umgangs amerikanischer Soldaten untereinander schildert Hermann Scherer, der recht unkonventionell von den Amerikanern als Ernährungsspezialist eingestellt wurde und von ihnen eine Ausweiskarte erhalten hatte, die ihn zur Benützung eines Fahrrades berechtigte. Trotz seines Ausweises wurde das Rad am nächsten Tag beschlagnahmt, und Scherer bat seinen neuen amerikanischen Vorgesetzten, einen Captain, um Hilfe: »Der Captain hängte sich sofort an sein Feldtelephon und palaverte mit dem Posten am Baldeplatz. Er übergab mir dann einen Notizzettel mit einer Art Dienstsiegel, auf dem sinngemäß stand: ›Sei so freundlich und gib dem Herrn sein Fahrrad wieder‹. Er fügte dann lachend hinzu: ›Wenn er will, gibt er es heraus, wenn nicht, dann kann ich auch nichts machen.‹ ... Ich erwähne dies hier so ausführlich, weil es mir zunächst merkwürdig vorkam, daß der Captain nicht einen Befehl erteilte, sondern seinen untergebenen Sergeanten-Posten nur freundlich ersuchte, das oder das zu tun. Ich dippelte also zum Baldeplatz zurück und übergab dem Posten den Zettel, der drehte ihn mehrmals um, das Wichtigste schien ihm der Stempel zu sein, bis er mir dann bedeutete, ich könne mein Fahrrad nehmen und verschwinden.«18 132
Entnazifizierung und Renazifizierung In manchen Fällen war die Bürokratie der Besatzungsmacht wohl auch nur die Antwort auf den aufgeblähten deutschen Verwaltungsapparat. Da die Unmöglichkeit einer wirklichen Entnazifizierung immer klarer wurde, kam die Furcht vor einer Renazifizierung hinzu. Dazu trugen auch Ereignisse bei, wie sie die Süddeutsche Zeitung‹ im Mai 1947 berichtete: Ein »Spaßvogel« hatte an Stelle des Straßenschildes »Platz der Opfer des Nationalsozialismus« ein selbstgemaltes Äquivalent mit der Aufschrift »Platz der Opfer demokratischer Menschenverdummung« gehängt. Weder der Verkehrsschutzmann am Odeonsplatz, noch dienahegelegene Polizeiwache, das Polizeipräsidium oder das Polizeirevier sahen sich zuständig oder in der Lage, das Schild zu beseitigen. Nach über fünf Stunden entfernte ein SZ-Reporter das Schild; er schreibt dazu: »Es kann als ›Corpus delicti‹ auf der Lokalredaktion der SZ abgeholt werden. Der Herr Polizeipräsident möge diesen ›Übergriff‹, der unter Umständen gar als Amtsanmaßung gedeutet werden könnte, entschuldigen. - Es ist nicht beabsichtigt, von diesem Straßenschild aus auf ausgedehnte nazistische Untergrundbewegungen in München zu schließen ... Wir glauben aber, daß die Polizei nicht gar zu gemütlich und reserviert bei der Beseitigung derartigen Unfugs sein sollte. Man könnte derlei Dinge nämlich sonst leicht als ›Demonstrationen‹ mißdeuten, die in der Welt mehr Aufsehen und unliebsamere Wirkungen erzielen als im gemütlichen München.«19 Zwei Jahre später, 1949, ging es dann schon wieder um den konkreten Vorwurf, in Bayern hätten sich sehr viele ehemalige Nationalsozialisten wieder Schlüsselstellungen erobern können. Vor allem die städtischen und staatlichen Verwaltungen standen dabei unter Beschüß. Die daraufhin von den bayerischen Ministerien erstellte Statistik machte nochmals die ganzen Schwierigkeiten der Entnazifizierung deutlich: Man gab Zahlen an für die Parteigenossen, die während der NS-Zeit öffentliche Ämter bekleidet hatten und nun wieder ihre alten Stellungen einnahmen. Außerdem wurde erneut darauf hingewiesen, daß die Formel Pg gleich Nazi oder Nazi gleich Pg nicht stimme, die Betriebsräte bei den Wiedereinstellungen ein wichtiges Wort mitgeredet hätten und die Militärregierung via Spruchkammerverfahren ihre Billigung erteilt habe. Auch der erhöhte Druck, dem die Beamten in bezug auf ihren Parteibeitritt ausgesetzt waren, wurde erneut betont. Unter diesen Auspizien wirkten Zahlen von über 50 Prozent ehemaliger Parteigenossen im Landwirtschaftsministerium, von etwa 40 Prozent im Höheren Dienst
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SCHWARZ WIRD WEISS oder MECHANISCHE ENTNAZIFIZIERUNG
Der Simpl Nr. 6, 1946, S. 63
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des Innenministeriums und etwa 30 Prozent im Wirtschaftsministerium, von denen allerdings nur in den Ministerien der Wirtschaft und der Finanzen mehrere Parteigenossen Schlüsselstellungen innehatten, harmloser als sie es eigentlich waren. Bereits wenige Jahre nach Kriegsende wurde also eine beunruhigend harmlose Sicht der Vergangenheit gepflegt.20 In dem Bericht der Süddeutschen Zeitung‹ über diese Ereignisse wollte man dem Leser das Urteil überlassen und sich selbst auf keine Stellungnahme festlegen. Ob jedoch dem amerikanischen Magazin ›Newsweek‹, das den Vorwurf der Renazifizierung Bayerns geäußert hatte, auf diese Weise ein positives und demokratisches Bild der bayerischen Situation gezeichnet wurde, bleibt dahingestellt. Alle diese bösen Zahlen und Zitate aus dem Bereich der bürokratischen Mangelverwaltung sollen natürlich nicht zu einem ebenso falschen Pauschalurteil verführen, wie es vielen Amtsträgern hier nachgesagt wurde. Jede Verwaltung des deutschen Trümmerhaufens im Jahre 1945 hätte zwangsläufig Ungerechtigkeiten, Unzulänglichkeiten und Unverträglichkeiten zur Folge gehabt: Was man dem einen gab, entzog man dem anderen. Nicht deutlich genug kritisieren kann man jedoch jenen Beamtentypus, der stur, subaltern und verknöchert glaubt, den Menschen den Vorschriften beugen zu müssen. Eine satirische Zeichnung dieses Typus bot ›Der Simpl‹ im Jahr 1948, als es um den Vorschlag von Verwaltungsrationalisierungen ging, unter der Überschrift »Rede eines Amtsleiters«: »Meine Damen und Herren! Wir haben Kaiser und Könige, republikanische und nationale, demokratische und sozialistische Führer kommen und gehen gesehen - aber wir blieben und werden allen Gewalten zum Trotz uns erhalten. Der Tod unserer geheiligten Institutionen wäre gleichbedeutend mit dem Untergang des Staates. Weil wir ihm dienen wollen, lächeln wir über die Wichtigtuerei der Volksvertreter und die anonymen Neider. Es gilt, wie so oft in der Geschichte, ihnen zu beweisen, daß Regierung und Landtag ohne unsere Arbeit ins Wesenlose hinabsinken müßten und daß jeder Staatsbürger ohne unsere Existenz ein anonymes Geschöpf wäre, weil erst wir ihm täglich das Bewußtsein seines Ich vermitteln. Erfüllt von den hohen Idealen unserer Tradition lassen Sie uns weiterarbeiten. Beweisen Sie durch noch peinlichere Gewissenhaftigkeit, durch Ausbau und Vertiefung Ihres Amtes die geschichtsbedingte Existenz der staatlichen Verwaltung, die geschichtslose und staatsfeindliche Kreaturen Bürokratie nennen. Ich sage nicht zu viel, wenn ich behaupte, diese, die verspottete Bürokratie, wird alle ihre Kritiker und Neider und ihre Nachkommen überleben, dem Vaterland zum Wohle. Und nun gehen Sie wieder an Ihre Arbeit, im Vertrauen an die Größe Ihrer Aufgabe.«21 Marita Krauss
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»Deutsche sind Deutsche, ... gleichgültig, aus welchem Teil Deutschlands sie stammen.« Flüchtlinge und Vertriebene im Trümmermünchen
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◄ Lebensmittelverteilung an Flüchtlinge 1945 (H. Schürer)
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1.8.1946. »Es hat sich in den Reihen der Flüchtlinge wohl doch ein großer Teil die Hoffnung bewahrt, über kurz oder lang ... wieder heimkehren zu können ... Wenn man nun so viel von den Exilregierungen und ihrem einflußreichen Wirken während der Nazizeit las, taucht unwillkürlich die Frage auf, wo hat das bedeutende Land Schlesien seine interessenvertretende Exilregierung ... Zweifellos dürfte es doch nicht allzu schwer sein, die früheren Regierungskräfte Schlesiens unverzüglich zu sammeln und als Interessenvertretung zu einer Exilregierung zusammenzuschließen ... Man täusche sich doch nur nicht, daß das Riesenvolk allein der Schlesier (doppelt so groß wie Norwegen, 25mal so groß wie eine der Sowjetunionen von 300000 Bewohnern!) bis an sein unseliges Ende stillhalten und Riemenleder aus sich 5. 8. 1946. »So sehr ich von dem schweren Schicksal, das über Schlesien und die Schlesier hereingebrochen ist, betroffen bin und so nahe mir dieses Schicksal geht, so bin ich zu meinem Bedauern doch nicht in der Lage, zur Verwirklichung Ihrer Anregungen beizutragen. Der Zusammenschluß irgendwelcher Flüchtlingsgruppen auf landsmannschaftlicher Basis ist von der Militärregierung untersagt. Die Bildung einer Exilregierung steht daher völlig außer Frage. Die Befassung mit rein politischen Aufgaben ist weder meiner Behörde noch mir als Chef einer Bayerischen Behörde möglich.«2 Dieser Briefwechsel aus dem Jahre 1946, der hier stellvertretend für etliche andere der gleichen Art steht, zeigt bereits viele wichtige Komponenten eines Problems auf, unter dem nach Kriegsende das zerstörte und entkräftete Restdeutschland gänzlich zusammenzubrechen drohte: Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen strömten aus dem Sudetenland, aus den Gebieten östlich von Oder und Neiße, aus Ungarn und aus anderen Teilen des Altreiches oder des Auslandes nach Westen, teils in wilden Trecks, teils einzeln, später auch in organisierten Ausweisungszügen. Bayern als Grenzgebiet war hiervon besonders betroffen.3 Das Ausmaß der Schwierigkeiten läßt sich erahnen, betrachtet man die Ergebnisse der Volkszählung vom 13. September 1950: Zu diesem Zeitpunkt lebten 1924000 Heimatvertriebene in Bayern, das waren 21,1 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes.4 Diese moderne Völkerwanderung hatte ein Land betroffen, dessen Wohnraum insgesamt zu 14,8 Prozent zerstört oder unbewohnbar war - keineswegs eine sehr hohe Zerstörungsrate, vergleicht man etwa mit dem Ruhrgebiet,5 schwierig genug aber, betrachtet man die Zahl der Neuankömmlinge. Nur ein kleiner Teil der Flüchtlinge und Vertriebenen konnte in Städten mit über 100000 Einwohnern untergebracht werden, die auch vom Krieg am meisten betroffen waren: 1946 nur 5 Prozent, 1949 nur 6,1 138
Prozent der fast zwei Millionen Neubürger Bayerns. Drei Viertel lebten auf dem flachen Land.6 In dem oben zitierten Brief eines heimatvertriebenen Schlesiers äußert sich ein Teil der Emotionen, die wohl viele der Heimatvertriebenen empfunden haben mögen: Sehnsucht nach Rückkehr, Angst vor der Zukunft, Hoffnung auf eine politische Lösung sowie Abwehr und Protest gegen das erlittene Vertreibungsschicksal mit seinen bitteren Konsequenzen. Auch die Antwort aus dem Büro des bayerischen Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen, Wolfgang Jaenicke, läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig: Die amerikanische Besatzungsmacht wollte kein Minderheitenproblem schaffen und sah die Vertreibung überdies als endgültig an; auch ein Politiker aus Flüchtlingskreisen wie Jaenicke bekannte sich zu diesem Programm, das eine Integration zu ermöglichen versprach. Dieser Weg, der rückblickend so klar und einfach erscheint, konnte es in der Nachkriegszeit jedoch noch keineswegs sein. Die Integration der Heimatvertriebenen bedeutet vielmehr, vor der düsteren Kulisse der Trümmerjahre betrachtet, ein wahr gewordenes Wunder. Es kann und soll an dieser Stelle nicht versucht werden, einen vollständigen Überblick über alle Maßnahmen der Flüchtlingsbetreuung und Flüchtlingspolitik in Bayern zu geben;7 dies läßt sich in anderen Werken nachlesen. Einige Daten sind jedoch für das Verständnis auch des Münchner Flüchtlingsproblems unerläßlich.
Rahmendaten Der Flüchtlingszustrom läßt sich in mehrere Phasen einteilen: Die erste begann bereits vor Kriegsende und führte vor allem Reichsdeutsche aus den Ostgebieten nach Bayern, die größtenteils in den Grenzgebieten Niederbayerns und der Oberpfalz untergebracht wurden. Die zweite Phase begann mit der organisierten Ausweisung vorwiegend der Sudetendeutschen aus ihrer Heimat,8 die bald die zahlenmäßig stärkste und politisch einflußreichste Vertriebenengruppe in Bayern werden sollten. Der Umfang der geplanten Ausweisungen war, entgegen anderslautenden offiziellen Stellungnahmen, der neuen bayerischen Regierung bereits im Juli 1945 in etwa bekannt. In einer Vormerkung des Münchner Oberbürgermeisters Scharnagl, vom 28. Juli 1945 für die bei der Stadt München betroffenen Referate wird dies deutlich:
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»Im heutigen Ministerrat wurde Mitteilung gemacht von dem Entwurf eines Schreibens, den das Ministerium des Inneren vorlegte und der an die staatlichen Verwaltungsstellen gehen wird. Es ist auf Veranlassung der tschechischen Regierung mit einer Abschiebung der Deutschen aus der Tschechei zu rechnen, deren Umfang und deren Zeitpunkt noch unbekannt sind. Man rechnet, daß bis zu 2 Millionen Personen im Laufe der Zeit nach Bayern abgeschoben werden würden.«9 Zu diesem Zeitpunkt hoffte man jedoch noch, die Aufgabe der Betreuung und Versorgung der Vertriebenen dem Roten Kreuz überlassen zu können und staatliche oder städtische Stellen nur bedingt und in kleinerem Umfang heranziehen zu müssen. Diese quasi-staatliche Position des Roten Kreuzes blieb noch lange Zeit erhalten; vor allem bei der Betreuung der Flüchtlingslager machte sich dies bemerkbar.10
Die Flüchtlings-Sonderverwaltung Bereits im Sommer 1945 hatte die bayerische Regierung einen »Sonderbeauftragten für das Flüchtlingswesen« ernannt; im November 1945 wurde dann das »Staatskommissariat für das Flüchtlingswesen« beim Bayerischen Staatsministerium des Inneren geschaffen.11 An seiner Spitze stand Staatskommissar (später: Staatssekretär) Wolf gang Jaenicke, dem für jeden Regierungsbezirk ein Regierungskommissar und auf der Ebene der Landkreise Flüchtlingskommissare zur Verfügung standen. Diese Flüchtlingsverwaltung, durch die man der Sondersituation Herr zu werden hoffte, kam jedoch immer wieder in Konflikt mit den Bürgermeistern und Landräten, da diesen ursprünglich das Wohnungswesen zugeteilt worden war.12 Bald wurde daher das gesamte Wohnungswesen den Flüchtlingskommissaren unterstellt, die damit gegenüber der einheimischen Bevölkerung eine Handhabe hatten, um Flüchtlinge notfalls mit Gewalt einquartieren zu können. Mehrere Umorganisationen sollten das Problem lösen, das im Grunde ein Strukturproblem des neuen bayerischen Staates war. Hauptanliegen mußte es nämlich sein, die Gettoisierung der Vertriebenen und Flüchtlinge als »Staat im Staate« zu verhindern, und statt dessen die Weichen für eine erfolgreiche Integration zu stellen. Neben der Flüchtlings-Sonderverwaltung, deren Aufgabe erst einmal in der anfänglichen Versorgung der Vertriebenen mit dem Nötigsten bestehen mußte, bildeten sich jedoch bald Selbsthilfeorganisationen, wie die »Sudetendeutsche Hilfsstelle« in München,13 die sich bereits sehr früh mit den Maßnahmen zur Eingliederung der Vertriebenen beschäftigten. Obwohl die amerikanische Besatzungsmacht das Flüchtlingspro140
Plakat einer Flüchtlingshilfsaktion vom 1. Juni 1947 (C. Hansmann)
blem zu einer »rein deutschen Angelegenheit« erklärt hatte, verbot sie im Sommer 1946 die Hilfsstellen, um einem Minderheitenproblem vorzubeugen; diese hatten nämlich - vorwiegend aus wirtschaftlichen Gründen - einer geschlossenen Ansiedelung der Vertriebenen das Wort geredet.14
Das Flüchtlingsgesetz
Auf politischer Ebene bemühte man sich unterdessen um ein Flüchtlingsgesetz. Bereits die Beratungen dieses Gesetzes waren von großer Bedeutung, da sich die Regierung hier mit der Endgültigkeit der Zuwanderung abfinden und den Schritt von der »Nothilfe« zur »Eingliederungshilfe« gehen mußte.15 An seiner Ausarbeitung wurden auf aus141
drücklichen Wunsch Ministerpräsident Hoegners auch die Flüchtlinge selbst beteiligt, vor allem der inzwischen gebildete »Hauptausschuß der Flüchtlinge und Ausgewiesenen«, der sich paritätisch aus verschiedenen Vertretern der Parteien sowie der Herkunftsgebiete zusammensetzte und immer mehr zu einem Ansprechpartner für die Regierung und die Flüchtlinge wurde. Unter seinem Vorsitzenden Hans Schütz konnte dieser Ausschuß als »Versammlung von vernünftigen und gemäßigten Leuten« ausgleichend auf die Entwicklung einwirken.16 Im Februar 1947 wurde dann mit Zustimmung der Militärregierung das Fluchtlingsgesetz erlassen: unter anderem war hier auch die demokratische Mitwirkung der Flüchtlinge in der Regierung und ihren Gremien festgelegt, die einen weiteren Schritt auf dem Wege zu einer wirklichen Integration der Neubürger bedeutete.17 Die bis 1950 dann abgeschlossene Rückführung der Flüchtlingssonderverwaltung in die allgemeine Verwaltung, die ursprünglich große Unruhe unter den Heimatvertriebenen auslöste, ist ebenfalls in diesem Sinne zu verstehen. Etwa zu demselben Zeitpunkt begannen nämlich die ersten Gelder aus dem »Soforthilfegesetz«, der Vorstufe des späteren »Lastenausgleichsgesetzes«,18 zu fließen, das den Vertriebenen wenigstens einen vorläufigen und partiellen Ausgleich für das Verlorene bieten sollte. Der Abbau des Sonderstatus der Flüchtlinge ging also mit der gesetzlichen Regelung der wirtschaftlichen Entschädigung und politischen Integration Hand in Hand. Das politische Entscheidungszentrum all dieser Vorgänge lag in der bayerischen Landeshauptstadt. Hier sammelten sich daher auch »Flüchtlingspolitiker« wie Hans Schütz, Richard Reitzner, Wolf gang Jaenicke und viele andere, die bald die Interessen ihrer Volksgruppen in den etablierten Parteien und Gremien vertraten. Schon aus diesem Grunde übte München eine magische Anziehungskraft auf die Vertriebenen aus, die sich hier schnellere Hilfe und leichteres Vorwärtskommen erhofften. Ein weiterer und wohl noch wichtigerer Grund lag jedoch in der Hoffnung auf bessere Arbeitsmöglichkeiten.
Der Teufelskreis: Arbeit und Wohnung Anfänglich erschien es nur vernünftig, den schier unendlichen Flüchtlingsstrom von den zerstörten Städten weg in die ländlichen Regionen zu leiten, die von den Kriegseinwirkungen nicht so sehr betroffen waren.
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Diese Maßnahme, mit der man wohl einerseits nur der Not der Stunde gehorchte, führte jedoch zu schwerwiegenden Problemen bei dem »dritten Schritt« der Integration der Flüchtlinge und Vertriebenen: Nach der notdürftigen Aufnahme und vorläufigen Unterbringung sollte die endgültige Seßhaftmachung der Vertriebenen erfolgen, also ihre Eingliederung in den Wirtschaftsprozeß des Landes.19 In einer Konferenz über das Flüchtlingswesen vom 7. Dezember 1945 schien der Zusammenhang zwischen der vorläufigen Unterbringung und der späteren Ansiedelung noch nicht allen klar zu sein. Der für Oberbayern zuständige Flüchtlingskommissar, der Münchner Stadtrat Preis, äußerte jedenfalls:20 »Die vorläufige Unterkunft, Verpflegung und Arbeitsvermittlung für die Flüchtlinge ist vordringlich, ihre endgültige Ansiedlung ist eine spätere Sorge. Hierfür wird eine vernünftige Aufteilung des Großgrundbesitzes in Betracht kommen.« Auch Preis sah jedoch die Chancen der Situation: »Eine vernünftige Lösung des Flüchtlingsproblems kann für das Land Bayern zu einer wirtschaftlichen Intensivierung und zur Erhöhung seiner Steuerkraft führen.«
Arbeit in der Landwirtschaft Wie die »vorläufige Arbeitsvermittlung«, auf die Preis hoffte, in der Praxis aussehen sollte - de facto wurden sogar diese Planungen dann von den Ereignissen überrollt -, geht aus anderen Stellungnahmen während der nämlichen Sitzung hervor. So äußerte der Präsident des Landesarbeitsamtes, Menzel: »Der hereinkommende Flüchtlingsstrom wird an den 4 Grenzübernahmestellen ... durch kleine, ad hoc errichtete Grenzlagerarbeitsämter gesichtet. Seine Weiterleitung in die bayer. Kreise erfolgt nach arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten (Berücksichtigung des vordringlichsten Bedarfs der Land- und Bauwirtschaft, pfleglicher Einsatz standortgebundener Berufe) ... Es wird von den Arbeitsämtern angestrebt, jeden arbeitsfähigen Flüchtling so schnell als möglich in Arbeit zu bringen, selbst wenn dies zunächst nur bei Hilfsarbeiten, wie Schneebeseitigung, Kriegsaufräumungsarbeiten, beim Holzeinschlag oder zum Holzzerkleinern möglich ist.« Herr Stähler vom Bayerischen Bauernverband ergänzte: 143
»Die Zuweisung von geeigneten Arbeitskräften in bäuerliche Betriebe bildet die Voraussetzung für erhöhte Leistungen in der Lebensmittelversorgung. Die Landwirtschaft kann viele junge, gesunde und arbeitswillige Flüchtlinge aufnehmen ... Der Bauer wird ... den Flüchtlingen auch mit Bekleidungsstücken helfen, wenn sie arbeitswillig sind und er seinen Nutzen sieht. Für ihn steht die Sorge für den eigenen Hof im Vordergrund.« Der Bedarf an landwirtschaftlichen Arbeitskräften war durch den Wegfall der Fremdarbeiter und die Kriegsgefangenschaft und den Tod vieler Bauernsöhne sowie anderer landwirtschaftlicher Arbeiter sehr gestiegen. Landwirtschaftliche Zwangsarbeit stellte in jedem Falle jedoch nur eine höchst fragwürdige Lösung des Flüchtlingsproblems dar, da es den aus den hochindustrialisierten Gegenden des Sudetenlandes oder Schlesiens stammenden Heimatvertriebenen kaum zuzumuten war, sich auf Dauer mit unqualifizierter Arbeit und den Lebens- und Arbeitsbedingungen auf dem Lande abzufinden.
Arbeit im Wiederaufbau Ein Ausweg aus diesem Dilemma bot sich durch den Arbeitskräftemangel in allen Bereichen des Wiederaufbaus. Da vor allem die Städte von den Kriegszerstörungen betroffen waren, hätte hier auch die Möglichkeit des Arbeitseinsatzes in der Stadt bestanden; dem stand jedoch der Materialmangel im Wege. In der bereits erwähnten Sitzung zeigte dies Ministerialrat Fischer von der Obersten Baubehörde auf: »Zur Zeit stehen nur 12 bis 15% der angeforderten Bauhilfsarbeiter zur Verfügung. In der Bauwirtschaft bieten sich für die hereinkommenden Flüchtlinge große Arbeitsgelegenheiten. Die Bereitstellung der Baustoffe bereitet allerdings noch große Schwierigkeiten. Denn es stehen für den zivilen Sektor nur kleine, freie Kontingente zur Verfügung, die übrigen werden von den amerikanischen Dienststellen beansprucht. Infolgedessen können für die Erstellung und den Ausbau der Flüchtlingsunterkünfte auch nur unzureichende Kontingente bereitgestellt werden. Die Oberste Baubehörde verfügte im Oktober und November über kein Holz! Zement ist im Augenblick reichlich verfügbar. Seine Verteilung hemmen jedoch die schwierige Transportlage und der Mangel an Zementsäcken. Hierfür fehlen Rohstoffe. Zudem stehen eine Anzahl von Zementwerken vor ihrer Schließung wegen der Stromsperren. Auch mit der Glasversorgung steht es schlecht. Wenn die freien Kontingente für die Barackenunterkünfte eingeteilt werden, muß der zivile Bedarf ungedeckt bleiben. Für das Land Bay144
Mühsamer Wiederanfang der Kerzen- und Seifcnproduktion unter freiem Himmel, 1945 (W. B. France)
ern besteht bei einem Gesamtbedarf von 5 Milliarden qm Glas ein Monatsbedarf von allein 70000qm. Der Beschaffung von Wasserleitungsrohren aus dem Ruhrgebiet stellen sich unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Indessen steht zu hoffen, daß Wasserpumpen geliefert werden können. Bei landwirtschaftlichen Kulturarbeiten (die überdies wenig Baustoffe verlangen) könnten viele Flüchtlinge Lohn und Brot finden. Allein 28% unserer landwirtschaftlich genutzten Fläche ist verbesserungsbedürftig. Allerdings werden Drainage-Röhren noch nicht erzeugt wegen Kohlemangels. Es ist möglich, DrainageKolonnen von 25 bis 30 Arbeitskräften in den einzelnen Orten einzusetzen. Die Baustofferzeugung muß in großem Umfange für die Flüchtlinge freigegeben werden.« Es fehlten also einerseits Arbeitskräfte, um Wohnungen zu bauen, andererseits aber auch Wohnungen, um diese Arbeitskräfte unterzubringen, und Materialien, um diesen Arbeitern wenigstens Notunterkünfte erstellen zu können.
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Der Zuzug Um dieser Situation Herr zu werden, hatte die Stadt München bereits am 14. September 1945 folgende Anordnung erlassen: »Zuzugssperre und Rückkehrbeschränkung Bei Verstößen keine Lebensmittelkarten Die zuständigen Stellen der Stadtverwaltung sind mit allen Kräften bestrebt, möglichst viel Wohnraum zu schaffen und die katastrophale Wohnungsnot so rasch wie möglich zu lindern. Die Bevölkerung muß aber bis auf weiteres in den bisherigen Wohnräumen verbleiben, selbst wenn sie vielfach ungenügend sind. Sie wird sogar, wo dies irgend angängig ist, noch weiter zusammenrücken müssen. Die Wohnungsämter können die Wohnraumnot von sich aus nicht beheben. Es hat daher keinen Zweck, wenn täglich viele Hunderte von Menschen vor den Wohnungsämtern anstehen und dort wegen neuer Wohnungen vorstellig werden. Die Bevölkerung muß sich mit den gegenwärtigen Wohnmöglichkeiten bis auf weiteres zufrieden geben und dafür Verständnis aufbringen, daß durch das immer wiederholte Vorbringen auch an sich berechtigter Wünsche die Wohnungsämter nur unnötig belastet werden. Ein eigenmächtiges Beziehen von Wohnraum ist nicht gestattet. Es hat Zwangsräumung zur Folge und kann nach den Umständen des Falles auch Bestrafung nach sich ziehen. Im einzelnen wird angeordnet: Zuzugssperre 1. Ab 1. August 1945 ist der Zuzug nach München für alle Personen gesperrt... 2. Ausnahmen von dem Zuzugsverbot können nur in ganz vereinzelten Fällen dann zugelassen werden, wenn der einwandfreie amtliche Nachweis erbracht wird, daß der Zuziehende in München Aufgaben im öffentlichen Interesse zu erfüllen hat und durch eine ortsansässige Kraft nicht ersetzt werden kann. 3. Familien, die nach dem 30. Juli 1943 und alleinstehende Personen, die nach dem 31. Juli 1945 ohne die erforderliche Genehmigung nach München zugezogen sind, können noch bis zum 1. Oktober 1945 um nachträgliche Zuzugserlaubnis nachsuchen. Den Anträgen ist ein amtlicher Nachweis über die Berufstätigkeit und die polizeiliche Anmeldung beizufügen. Nichtberufstätige Personen haben keine Aussicht auf nachträgliche Zuzugserlaubnis ... 146
Rückkehrbeschränkungen 5. Die Rückkehr der evakuierten Münchner kann nur schrittweise erfolgen. Als Rückkehrer gilt, wer München ohne Aufgabe seines Wohnrechtes vor dem 1. Mai 1945 freiwillig oder auf Grund behördlicher Anordnung ... verlassen hat. 6. Jeder Rückkehrer bedarf der Rückkehrbewilligung des Hauptwohnungsamtes ... 8. Eine Rückkehrbewilligung kann auf Antrag erteilt werden a) Berufstätigen Personen, die zur Ausführung einer lebenswichtigen Arbeit sofort benötigt sind; b) den zum Haushalt zählenden Angehörigen eines bereits in München anwesenden Berufstätigen oder eines Wehrmachtsentlassenen, falls sie in ihre Wohnung zurückkehren und dort keine Eingewiesenen oder freiwillig aufgenommenen Inwohner verdrängen ... Verstöße gegen Zuzugssperre oder Rückkehrbeschränkungen 10. Wer entgegen diesen Vorschriften nach München zuzieht oder zurückkehrt, erhält keine Lebensmittelkarten, wird aus einer eigenmächtig bezogenen Unterkunft entfernt und bis zu seiner Verbringung nach auswärts in ein Sammellager verbracht. Diese Maßnahmen werden gegebenenfalls im Wege polizeilichen Zwanges durchgesetzt.«21 Diese Regelung, die am 15. Juli 1946 noch dadurch verschärft wurde, daß sich München zum »Brennpunkt des Wohraumbedarfs« erklären ließ und den Zuzug kontingentierte,22 ermöglichte es dem Stadtrat, die Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge auf ein Mindestmaß zu beschränken. So gibt eine Tabelle des Jahres 195023 für München im Jahre 1946 die Zahl von 45388 Flüchtlingen und Vertriebenen an; 1947 werden 47012, 1948 47489 und erst 1949, nach der Lockerung der Zuzugsbestimmungen, 69036, 1950 dann sogar 80762 Personen genannt. Der Anteil der Flüchtlinge an der Bevölkerung der Stadt München blieb in den ersten drei Nachkriegs jähren also zwischen sechs und acht Prozent, während er im bayerischen Umland bereits auf über 22 Prozent angestiegen war.24 Wie groß der Druck auf die Landeshauptstadt in dieser Zeit wirklich war, zeigt ein Bericht vom Januar 1948: »Den seit dem 1. 9. 45 bis heute genehmigten 76852 Anträgen mit einer Personenzahl von 100243 stehen ca. 231000 abgelehnte Anträge mit einer Personenzahl von ca. 400000 Personen gegenüber. In diesen Zahlen ist der Personenkreis, der nur um Auskunftserteilung vorsprach, nicht enthalten.«25 147
Obwohl die hier genannten Zahlen alle Antragsteller umfaßten, deutet der rapide Anstieg der Flüchtlingsbevölkerung Münchens ab 1949 darauf hin, daß ein nicht unbeträchtlicher Anteil an Zuzugswilligen diesem Personenkreis entstammte. Arbeitskräftemangel So vegetierten also viele qualifizierte Facharbeiter in Lagern oder bei unangemessener Arbeit auf dem Lande dahin, während sie in München dringend gebraucht worden wären. Die Lage auf Münchens Arbeitsmarkt im Januar 1948 machen folgende Beispiele deutlich: »Allein die Fa. Krauss-Maffei und die Süddeutsche Bremsen-AG benötigt 2500 Kräfte. Die Betriebe verfügen über genügend Einrichtungen und Materialien ... Weitere tausend Kräfte benötigt die feinmechanische Industrie, die vorzugsweise in das Exportprogramm eingeschaltet ist. Die Fa. Agfa Kamerawerk, deren Produktion zu 82% in das Ausland ausgeführt wird, benötigt insgesamt 600 Arbeitskräfte, darunter Werkzeugmacher, Feinmechaniker, Optiker, die z. Zt. nicht zur Verfügung stehen. Gerade bei dieser Industrie sichert ein verhältnismäßig geringer Materialaufwand beträchtliche Einnahmen in ausländischer Valuta, ein Umstand, der für den wirtschaftlichen Wiederaufbau von außerordentlicher Wichtigkeit ist. Die Fa. Winkelhofer & Söhne, München, stellte bei einem Beschäftigungsstand von ca. 275 Arbeitskräften vor dem Kriege wöchentlich ca. 22000m Antriebsketten für Fahrzeuge her. Es handelt sich bei dieser Firma um den einzigen, bedeutenden Hersteller innerhalb der 4 Zonen. Gegenwärtig sind in diesem Betrieb nur 113 Fach- und Hilfsarbeiter beschäftigt. Statt der vorgenannten 22000m können wöchentlich nur noch ca. 200m hergestellt werden. 70% der hochwertigen Maschinen stehen still, obwohl genügend Rohmaterial vorhanden ist. Die Fa. Hurnaus, Vernicklerei, ist mit der Eloxierung von Milchkannen und Melkeimern beauftragt. Das wöchentliche Soll umfaßt 1000 Stück. Infolge Arbeitskräftemangel können jedoch nur 300 Stück zur Auslieferung gelangen. Die Firma beschäftigte vor dem Kriege 80 Kräfte. Z. Zt. sind es nur noch 13, von denen wiederum 3-4 Mann wegen Krankheit oder aus sonstigen Gründen fehlen. Bei der Fa. Münchner Emaillier- und Stanzwerke ist von 8 Brennöfen nur einer in Betrieb. Dieses Werk hat von der Militärregierung Bayerns einen Auftrag zur Emaillierung von 500 Elektroherden im Monat. Da nun schon seit Jahren neues Geschirr nicht zu bekommen ist, beabsichtigt die Firma auch die Emaillierung gebrauchten Geschirrs. Sie wird in 148
dieser Beziehung durch die Bevölkerung geradezu dazu gedrängt. Daß die Firma nur ca. 30% des insgesamt vorliegenden Auftragsvolumens erledigen kann, ist ausschließlich auf Arbeitskräftemangel zurückzuführen. Der ungedeckte Kräftebedarf im Bauhauptgewerbe, Baunebengewerbe und der Metallindustrie ist an Facharbeitern 8800 und an Hilfsarbeitern 7500. Allein der Kräftebedarf an Lehrlingsnachwuchs im Baugewerbe beträgt z. Zt. 827.«26 Das Durcheinander von Flüchtlingszuweisung, Zuzugsbeschränkung, ortsansässiger beschäftigungsloser sowie zuzugswilliger, wohnungsloser Bevölkerung bei starker Vorbelastung Münchens durch nicht rückkehrwillige Evakuierte aus anderen Zonen, Displaced Persons sowie die Angehörigen der Besatzungsmacht war offensichtlich in den ersten Jahren groß. So hoffte man auch 1948 noch, durch gezielten Arbeitseinsatz der bereits Ansässigen ohne zusätzliche Hinzuziehung von Flüchtlingen auskommen zu können.27 Außerdem glaubte man, größere Verpflichtungen gegenüber den noch etwa 50000 evakuierten Münchnern zu haben, deren Rückführung man als vordringlich ansah.
Währungsreform und Arbeitslosigkeit Die Jahre vor der Währungsreform im Juni 1948 bildeten nun insofern eine Ausnahmesituation, als sich in vielen Bereichen des täglichen Lebens eine wirtschaftliche und kulturelle Scheinblüte entfaltet hatte. Auch auf dem Lande waren, oft in verkehrsmäßig ungünstigster Lage, Wirtschaftsbetriebe der Flüchtlinge und Vertriebenen entstanden,28 deren Umsatz- und Beschäftigungszahlen aber über die arbeitsmarktpolitischen Strukturprobleme eher hinwegtäuschten. Die Währungsreform zwang dann zum Offenbarungseid: Die Arbeitslosenzahlen schnellten in die Höhe, viele Betriebe, die über keine ausreichende Eigenkapitalbasis verfügten, mußten schließen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurden auch die Fehler bei der Verteilung der Flüchtlinge offenkundig, wie aus einer gemeinsamen Entschließung des Bayerischen Innen- und des Arbeitsministeriums vom Oktober 1948 hervorgeht:29 »Seit der Währungsreform hat es sich noch deutlicher als vorher erwiesen, daß wir aus den verschiedensten Gründen eine ungünstige Beschäftigungsstruktur haben. Innerhalb des gleichen Wirtschaftszweiges besteht neben Kräftemangel oft Kräfteüberschuß. Ein großer Teil der vorhandenen Arbeitskräfte sitzt am falschen Ort und ist nicht im erlernten Beruf tätig. Insbesondere sind auf dem flachen Lande für die Flüchtlinge, die in erster Linie nach wohnraummäßigen Gesichtspunkten verteilt wurden, nicht genügend Arbeitsmöglichkeiten vor149
handen. Die Arbeitslosigkeit ist daher in den ländlichen Gemeinden überdurchschnittlich gestiegen. In den Städten, in denen in vielen Berufen empfindlicher Kräftemangel besteht, sind die Unterkunftsmöglichkeiten, insbesondere infolge der Zerstörungen durch den Krieg, noch nicht in genügendem Ausmaß vorhanden.« Diese Erkenntnis an sich war noch nicht neu; »neu« jedoch waren die Mittel, mit denen man nun diesem Notstand abzuhelfen versuchte. »Eine bessere Verteilung der Arbeitskräfte wird durch behördliche Eingriffe allein nicht zu erreichen sein. Die natürlichen Antriebskräfte der Wirtschaftsbelebung werden zu einem großen Teil automatisch die Arbeitskräfte dahin ziehen, wo sie in einer gesunden Wirtschaft untergebracht werden. Die Behörden der inneren Verwaltung und der Arbeitsämter werden in der kommenden Zeit durch engste verständnisvolle Zusammenarbeit bemüht sein müssen, diesem natürlichen Wirtschaftsprozeß nicht hindernd im Wege zu stehen, ihn vielmehr nach allen Möglichkeiten zu fördern ... Oberstes Ziel muß sein, die Verteilung der Arbeitskräfte nach Gesichtspunkten der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit und des volkswirtschaftlichen Vorrangs zu lenken und die vielen anderen Einflüsse, die gegenwärtig einer volkswirtschaftlich gesunden Entwicklung hemmend im Wege stehen, zunehmend in den Hintergrund zu drängen ... In voller Erkenntnis der Notwendigkeit, Flüchtlinge in den Arbeitsprozeß einzugliedern, ist es erforderlich, aufgrund obenstehender Verfügung die bisherigen Bestimmungen über Aufenthalts- und Zuzugsgenehmigung nach München entsprechend zu erweitern.« Die Tatsache, daß zwischen 1948 und 1950 die Anzahl der Flüchtlinge in München um fast 35000 Personen anstieg zeigt, daß man auch tatsächlich nach diesem Konzept vorging. Ein Fragebogen des Bayerischen Städteverbandes aus dem Jahre 1951 gibt überdies Einblick in die Beschäftigungslage der in München lebenden Vertriebenen vor und nach der Währungsreform30 und damit auch Hinweise auf den Grad ihrer Integration: Waren 1946 von den sechs Prozent Vertriebenen in München noch überproportional viele in Arbeit und anteilmäßig etwa »angemessen« viele arbeitslos, so änderte sich dies mit dem Jahre 1948. Ab 1948 stagnierte nämlich die Zahl der Gesamtbeschäftigten, während die Menge der Arbeitslosen emporschnellte: Betrug der Anteil der nun etwa acht Prozent Vertriebenen an der Münchner Gesamtarbeitslosenzahl Ende 1948 noch 9,2 Prozent, so kletterte er bis September 1950 bereits auf 15,2 Prozent, während die Gesamtzahl der Flüchtlinge nur um etwas über ein Prozent anstieg. 150
Staatliche Hilfen Von den etwa 1500 Flüchtlingsbetrieben im München des Jahres 1951 erhielten bis 1950 245 Flüchtlingsproduktivkredite,31 also Hilfe aus dem staatlichen Kreditprogramm zur Förderung der wirtschaftlichen Integration der Flüchtlingsbetriebe; davon lagen 71 über 10000,-DM. Deutliche Schwerpunkte sind dabei im Baugewerbe und der Lebensmittelbranche zu erkennen, gefolgt von der Textilindustrie. Die Textil- und Bekleidungsindustrie beschäftigte in München auch die meisten Vertriebenen. Das Gros der in München ansässigen Flüchtlingsbetriebe machten allerdings die Handwerksbetriebe aus, die allein fast 2000 Personen, davon etwa 1400 Flüchtlinge, beschäftigten. In den Industriebetrieben der Flüchtlinge waren hingegen nur etwa 1000 Vertriebene in Arbeit. Als Kommentar fügte die Stadt diesen Zahlen bei: »Während ein Teil der Flüchtlinge bereits als eingegliedert und eingelebt angesehen werden kann, scheint sich ein anderer Teil mit den veränderten Verhältnissen noch schwer abfinden zu können. Er ignoriert die wirtschaftlich schwierige Gesamtsituation der Bundesrepublik und glaubt, daß nur ein Flüchtlingsproblem existiere, dessen Lösung in seinem persönlichen Sinne böswillig von der einheimischen Bevölkerung hintertrieben werde. Der Standpunkt der Vertriebenen ist, von der Anerkennung des Geleisteten bis zum extremen Querulan tentum so unterschiedlich, daß er alle Schattierungen umfaßt.«32 Auf die Frage des Städteverbandes, wie es um die Aufnahme weiterer Vertriebener stünde, erfolgte von Seiten der Stadt München die Antwort, dies sei »im wesentlichen von den Faktoren ›Arbeits-‹ und ›Verdienstmöglichkeit‹ plus ›Wohnraum‹ abhängig.« Dies zeigt, daß sich an den Konstituenten des Flüchtlingsproblems bis 1951 im Grunde nicht viel geändert hatte. Ein weiteres, heiß diskutiertes Problem bildete die proportionale Berücksichtigung der Vertriebenen im öffentlichen Dienst. Im Flüchtlingsgesetz war festgelegt worden, daß die Heimatvertriebenen entsprechend ihrem Gesamtanteil an der Bevölkerung, also 1:4, auch im städtischen und staatlichen Verwaltungsapparat zu beschäftigen seien. Von seilen der Vertriebenen beschuldigte man nun, nicht ganz zu Unrecht, den Staat und die Städte, dieses Soll in keiner Weise zu erfüllen. Der Stadt München wurden hier besondere Versäumnisse angelastet: Sie beschäftige statt der vorgeschriebenen zwanzig Prozent nur ein Prozent Flüchtlinge und nicht einmal die Münchner Flüchtlingsverwaltung selbst sei mit Heimatvertriebenen besetzt.33 Noch 1951 warf man der Stadt vor, »lediglich den Buchstaben des Gesetzes« zu erfüllen, »indem man Posten wie Putzfrauen, Lagerarbeiter und untertariflich bezahlte Schreib151
kräfte vorwiegend mit Heimatvertriebenen aus den Flüchtlingslagern« besetze, auch im Flüchtlingsamt als Heimatvertriebene nur die Putzfrau beschäftige und selbst unter den 19 Lagerleitern nur drei Flüchtlinge heranziehe. Genaue Zahlen nennt ein Schreiben der ›Arbeitsgemeinschaft Union der Ausgewiesenen‹ des Bezirksverbandes München vom September 1948: »Es ist eine Schande, eine deutsche Schande ohnegleichen, daß bei einem Beamtenapparat von 7373 Beamten 27 Flüchtlinge, die gleichzeitig als Schwerbeschädigte aufscheinen, von 5834 Angestellten 151 Flüchtlinge, von 9938 Arbeitern 481 Flüchtlinge und Schwerbeschädigte beschäftigt sind ... An Bewerbungen aus Kreisen der Ausgewiesenen und Heimatvertriebenen um Aufnahme in den städtischen Dienst hat es nicht gefehlt ... Im Interesse der Ausgewiesenen und Heimatvertriebenen beantragen wir daher auf Grund des Flüchtlingsgesetzes, bei Neueinstellungen in den städtischen Dienst für Beamte, Angestellte und Arbeiter, bis zur Erfüllung der Quote 4: l ausschließlich Einstellungen aus Reihen der Ausgewiesenen vorzunehmen.«34 Beim Staat sah es offenbar nur wenig besser aus. Auf eine Anfrage des Abgeordneten Josef Scharf (CSU) im Bayerischen Landtag hin mußte beispielsweise Landwirtschaftsminister Schlögl zugestehen, daß in seinem Ministerium nur 13 Prozent der Angestellten und Beamten Flüchtlinge seien. Allein das Innenministerium, in dessen Ressort sich ja auch die Flüchtlingsverwaltung befand, konnte mit höheren Zahlen aufwarten: Von den hier beschäftigten 50438 Personen waren immerhin 12117, also 24,02 Prozent Flüchtlinge und Vertriebene.35 Innenminister Ankermüller fügte dem hinzu, der Flüchtlingsanteil bei den kreisunmittelbaren Städten betrage demgegenüber nur 7,23 Prozent. Die Nichterfüllung der gesetzlich festgelegten Quoten rechtfertigten alle Betroffenen mit Stellenmangel. Die Lösung des Teufelskreises von Arbeit, Wohnung und sozialer Integration war also auch Anfang der fünfziger Jahre noch keineswegs vollzogen. Die von allen Seiten bedrängte Stadt München hatte dabei besondere Schwierigkeiten, da sie den Ansprüchen der verschiedensten Gruppen gerecht werden mußte und ihr knapper Wohnraum von der Besatzungsmacht und den Displaced Persons ebenso stark in Anspruch genommen wurde wie von den Kulturschaffenden, die sich in München niederlassen wollten. Allen Herren zu dienen war der Wohnungsbehörde nicht möglich; so mußten dann vor allem die Flüchtlinge überproportional unter dieser Situation leiden.
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Soziale Aspekte des Münchner Flüchtlingsproblems Ganz uneigennützig war das Bestreben der Münchner Wohnungsbehörde, die Flüchtlinge von München fernzuhalten, natürlich keineswegs. Dies macht ein Brief vom Dezember 1946 deutlich, in dem sich der Regierungskommissar für das Flüchtlingswesen des Regierungsbezirks Oberbayern, Gernbeck, bei Oberbürgermeister Scharnagl über die Vorgehensweise der Stadt beschwerte: »Durch Herrn Stadtrat Hamm werde ich mit Schreiben vom 27.11. davon verständigt, daß der Stadtrat München in seiner Sitzung vom 26. 11. beschlossen hat, an mich das Ersuchen zu richten, die in dem städt. Lager an der Weinbergstraße untergebrachten Flüchtlinge auf das Landgebiet zu verteilen. Ich bedauere, diesem Ersuchen unter keinen Umständen stattgeben zu können. Es ist Ihnen, Herr Oberbürgermeister bekannt, daß wir bei der Einschleusung von Flüchtlingen in die Stadt München bis jetzt bereits immer besondere Vorsicht haben walten lassen, vor allem mit Bezug auf die in der Landeshauptstadt besonders gelagerten Verhältnisse. So haben wir unser Augenmerk
Flüchtlingskindcr in einem Barackenlager (H. Schürer)
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insbesondere darauf gerichtet, daß in die Stadt München nur Personen Zuzug bekommen, die hier arbeitsmäßig eingesetzt werden, während Invalide, Hilfsbedürftige und nicht arbeitseinsatzfähige Personen auf die Landkreise verteilt wurden. Im Zuge dieser Maßnahmen habe ich bereits zwei Mal die Insassen der Münchner Flüchtlingslager in die Landkreise überführt. Eine ähnliche Maßnahme weiterhin durchzuführen bin ich nicht in der Lage, denn ich kann auch den Landgemeinden nicht zumuten, daß sie diejenigen Personen aufnehmen sollen, die die Stadt München nicht will.«36 Flüchtlingsfürsorge und Fremdenfeindlichkeit Mit anderen Worten: München bemühte sich in verständlicher, wenn auch eigennütziger Weise, seinen Anteil an der Flüchtlingsfürsorge mit dem Argument des Wohraummangels so klein wie möglich zu halten, und wollte obendrein nur die für den Wiederaufbau Nützlichen nehmen. Diese Auffassung spiegelt auch eine Stellungnahme des für den Zuzug nach München zuständigen Willi Irlbeck wider, der in schöner Offenheit das Konzept verteidigt, durch Abschottung nach außen die Zahl der Arbeitslosen und der Fürsorgeempfänger so niedrig wie möglich zu halten.
Flüchtlingslager in München 1945: Fünf Familien hausen auf engstem Raum zusammen (H. Schürer)
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»Es war mein Bestreben seit 1945, nur solchen Personen den Aufenthalt in München zu genehmigen, die für den Wiederaufbau der Stadt und des Wirtschafts- und Kulturlebens unbedingt notwendig sind. Die Statistik des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und soziale Fürsorge spiegelt die Richtigkeit dieser Planung.«37 Laut dieser erwähnten Statistik stieg die Arbeitslosenzahl nach der Währungsreform in Städten wie Bayreuth und Passau um weit mehr als das Doppelte auf über vier Prozent an, während sie in München nur von 1,4 auf 1,6 Prozent kletterte. Die Zahl der Fürsorgeempfänger verdoppelte sich jedoch zwischen Oktober 1946 und dem Jahresende 1948 auch in München, und zwar von 556 auf 1222 Personen.38 Irlbeck sprach sich klar gegen eine Lockerung der Zuzugsbeschränkungen aus,39 die von der Militärregierung und dem Innenministerium gefordert wurde, da diese Lockerungen zur Folge hätten, »daß München nicht mehr in der Lage wäre, den Zuzug nach arbeitsund wohnungsmäßigen Gesichtspunkten entsprechend zu steuern. Ein freier und willkürlicher Zuzug würde einsetzen, die Arbeitslosigkeit würde wachsen, die Fürsorgelasten der Stadt ebenso.« Keine sehr soziale Stellungnahme, wenn man bedenkt, daß München die bayerische Stadt mit der bei weitem niedrigsten Arbeitslosenzahl war! Bis zu welchem Grade über die normale Abneigung gegen Einquartierungen hinaus bei solchen Maßnahmen auch stark fremdenfeindliche Ressentiments mitgespielt haben mögen, läßt sich nur ahnen. Diese waren jedoch stark genug, um den amerikanischen Bezirkskommandanten Oberst James Kelly im August 1948 zu folgendem Schreiben an Oberbürgermeister Wimmer zu veranlassen: »Es ist zu meiner Kenntnis gekommen, daß gewisse, jetzt im Wohnungsamt der Stadt arbeitende Mitglieder der Bayernpartei angedeutet haben, daß sie alle Nichtbayern aus Räumen und Häusern in München vertreiben werden. Ich möchte Ihnen gegenüber völlig unmißverständlich zum Ausdruck bringen, daß ich nicht zulassen werde, daß irgendeine politische Partei aus menschlichem Elend Kapital schlägt. Dem Wohnungsamt obliegen bestimmte, genau umrissene Pflichten, die einwandfrei auf deutsche Gesetze, auf Gesetze des Kontrollrats und auf Anweisungen der Militärregierung zurückgehen. Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, daß diese Gesetze und Anweisungen befolgt werden, und zwar unparteiisch, und Verletzungen an höherer Stelle zu melden. Ich möchte, daß Sie diese Angelegenheit, die ich als einen flagranten Bruch der Menschenrechte bezeichne, dem Stadtrat zur Kenntnis 155
bringen und ihm mitteilen, daß ich auf solche Handlungen seitens irgendeiner Gruppe mit Mißfallen blicke. Deutsche sind Deutsche, und sie sind unparteiisch zu behandeln, gleichgültig, aus welchem Teil Deutschlands sie stammen.«40 DIE LÄSTIGE UNTERMIETERIN
„Ausgerechnet zu Mittag, wenn ich den Herd brauche, kommen Sie mit Ihrer Wassersuppe daher!"
DerSimplNr. l, 1948, S. 12
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Lagerleben
Dieser Hinweis auf die de jure vorhandene Gleichstellung aller Deutschen war besonders angebracht, wenn man die Kasernierung eines Großteils der Flüchtlinge in Lagern bedenkt, in denen die Vertriebenen meist überaus beengt lebten. Wie aus der folgenden Beschwerde ersichtlich, vollzog die faktische Gleichstellung der Vertriebenen nicht einmal das Staatssekretariat für das Flüchtlingswesen: »Besondere Erbitterung hat seinerzeit schon im Lager die Tatsache ausgelöst, daß das Ministerium bzw. das Staatssekretariat neben den Massenunterkünften für seine Angestellten Massivunterkünfte erstellt hat.«41 Hier führte man den Flüchtlingen also auch noch zynisch vor Augen, daß sie als Menschen zweiter Klasse galten. Obwohl solche Zustände nicht unbedingt die Regel waren, bestand vor allem durch die Lagerunterbringung die Gefahr der Gettoisierung der Flüchtlinge. In München existierten im Oktober 1946 23 Massenlager, in denen 9500 Flüchtlinge untergebracht waren.42 Ende 1948 zählte man nur noch 10 Massenlager mit 2650 Bewohnern und acht Wohnlager mit 4550 Insassen, 1950 hatte man weitere acht Massenlager auflösen können und die Zahl der in den restlichen zwei Lagern verbliebenen Bewohner betrug 1200, in den inzwischen 17 Wohnlagern war die Insassenzahl auf 5100 angewachsen, eine Wohnsiedlung bot jedoch immerhin bereits 780 Flüchtlingen eine neue Heimat. In Werksunterkünften lebten jedoch 1948/50 noch mehr als 20000 Vertriebene, während 1948 immerhin bereits 37000, 1950 dann 49000 Flüchtlinge in Wohnungen untergebracht waren. Zur Relativierung dieser erschreckenden Zahlen muß man jedoch anfügen, daß nicht nur die Vertriebenen in München beengt lebten: Ende 1946 betrug die »Wohndichte« (»Zivilbevölkerung im Verhältnis zur Zahl der Wohnräume ohne Küchen«) in München 2,08, in Nürnberg hingegen nur 1,58 und in Augsburg 1,68 Personen. Aus der Luft gegriffen waren also auch die Klagen des Wohnungsamtes über den akuten Wohnungsmangel der Gesamtbevölkerung nicht.43 Den meisten Flüchtlingen war die elendste Wohnung lieber als ein Leben im Lager, das Individualität und Familienleben zerstörte. In einem Artikel mit der Überschrift »Das Lager stirbt nicht« schrieb die frankfurter Allgemeine Zeitung‹ noch 1952: »›Homo Barackensis!‹ Das 20. Jahrhundert hat den Menschen eine furchtbare Wahrheit gelehrt: Fortschritt, Humanität und Selbstachtung gibt es nur in der intakten Welt. Wenn die Ordnung zerfällt, entsteht das Lager, das grauenvollste und grausamste Zeugnis 157
Plakat einer Flüchtlingshilfsaktion, 1945 (Atelier Schönfeld)
Plakat der CARE-Aktion, um (E. Kappes)
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1947
Plakat einer Flüchtlingshilfsaktion vom l. Juni 1947 (C. Hansmann)
menschlichen Unvermögens - entsteht die Brutstätte des Nihilismus.«44 Die Münchner Lager bildeten dabei keine Ausnahme. Im Oktober 1946 schickte der Münchner Wohlfahrtsreferent Hamm daher dem Flüchtlingskommissar der Stadt München ein Ultimatum: »Der bauliche Zustand der Münchner Flüchtlingslager ist besorgniserregend. Trotz unentwegter, auf das Vorjahr sich erstreckender Bemühungen der Abteilung Flüchtlingsfürsorge der Stadtverwaltung sind bisher alle Versuche, Materialien zur Besserung der Zustände in den Flüchtlingslagern zu erhalten, infolge der mangelnden Material-Zuweisungen durch den Flüchtlingskommissar, der allein über Zuweisungen auf dem Flüchtlingssektor verfügungsberechtigt ist, fehlgeschlagen. Da die Stadtverwaltung nicht die Verantwortung für Zustände tragen kann, deren Besserungsmöglichkeit nicht in ihrem eigenen Bereich liegt, werden sämtliche nachstehend aufgezählten Flüchtlingslager, deren Verwaltung zur Zeit die Abteilung Flüchtlingsfürsorge führt, dem Flüchtlingskommissar zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um die nachfolgenden Lager: 1. Lager Allach I, Krauss-Maffei-Str. 2 2. Lager Allach III, Lochhauserstraße 3. Lager Laim, Agricolastr. 16, Gasthof Bürgerbräu 4. Lager Sendung, Cimbernstr. 58 5. Lager Moosach, Gneisenaustr. 35 6. Lager Übersendung, Kistlerhofstraße 7. Lager Laim, Langbehnstraße 8. Lager Martinschule, Giesing, Martinstr. 30 9. Lager Moosach, Pasinger Straße 66/74 10. Lager Pasing, Weinbergerstraße (Zentralflüchtlingslager) 11. Lager Türkenschule, Türkenstraße 12. Lager Waisenhaus, Waisenhausstraße 13. Lager Waldfriedhof, Fürstenriederstraße 14. Lager Obermenzing, Riemerschmiedstraße, Mollager 15. Lager Ungerer Bunker, Hochbunker an der Ungererstraße Vom BRK betreut: 16. Lager Laim, Aindorfer Straße 17/2 17. Lager Laim, Fürstenriederstraße 68 18. Lager Sendung, Impler-Wackersberger Str., Implerstr. 71 19. Lager Milbertshofen, Knorrstraße 148 20. Lager Simmernschule, Simmernstraße 2 21. Lager Stielerschule, Bavariaring, Stielerstr. 6 ... 159
Wenn schon der Stadtverwaltung infolge der Schaffung des staatlichen Organisationsapparates des Flüchtlingswesens nicht die Mittel gegeben sind, auch die primitivsten Baumaterialien zur Verfügung gestellt zu erhalten, ist es auch untragbar, ihr die Verantwortung für die Flüchtlingslager zu überlassen. Nachdem alle Vorstellungen in dieser Richtung bisher ohne Erfolg verliefen, wird darauf hingewiesen, daß die Stadtverwaltung am 15. 11. 1946 ihre gesamte Tätigkeit in der Verwaltung der Flüchtlingslager beendet, wenn nicht bis zu diesem Zeitpunkt die vom Leiter der Flüchtlingsfürsorge, Herrn Oberinspektor Mühlbauer, im einzelnen zum Vortrag gelangten Mindestforderungen für die Schaffung menschenwürdiger Zustände in den Flüchtlingslagern erfüllt werden.«45 Wie sahen diese »menschenunwürdigen Zustände« nun im einzelnen aus? Darüber gibt ein Besiehtigungs-Bericht des Bayerischen Roten Kreuzes vom November 1946 Auskunft: »Lager Waldfriedhof: Dasselbe dient ausschließlich als Durchgangslager für Flüchtlinge österreichischer Nationalität, welche nach Österreich zurückkehren. Das Lager besteht aus 5 Wohnbaracken 8 x 25 m. Infolge von Stauung ist das Lager z. Zt. überbelegt, es ist z. Zt. belegt mit 407 Flüchtlingen. Es mußte sogar der Speiseraum als Unterkunft benutzt werden. In einem Raum von ca. 50 qm mit 16 Betten sind 28 Personen untergebracht. An den Baracken selbst ist zu beanstanden, daß die Dächer undicht sind und es fast in sämtlichen Räumen durchregnet. In einigen Räumen wird über Ungeziefer geklagt (Flöhe und Wanzen, gegen die DDT-Pulver wirkungslos ist). Für 30 Öfen werden 120 Ztr. Kohlenstaub pro Monat geliefert. Diese Zuteilung sei zu knapp; die Flüchtlinge haben sich teilweise durch selbstgesammeltes Holz geholfen. Eine erhöhte Brennstoffzuteilung wäre erwünscht. Da ein Teil der Flüchtlinge, in der Annahme, daß sie innerhalb von wenigen Tagen in ihre Heimat verbracht werden, ihr Gepäck schon nach Hause gesandt haben, über keine Decken verfügt, wird über den Mangel an solchen geklagt. In der Waschbaracke sind in der Frauenabteilung einige Fenster defekt, während in der Männerabteilung einige Fensterflügel vollkommen fehlen. Von seilen der Flüchtlinge wurde auf das Fehlen von Reinigungsgerät und -material aufmerksam gemacht und am meisten auf die Unmöglichkeit, eine ordentliche Körperreinigung durchzuführen, da Waschmittel, Seife und Pulver vollkommen fehlen. Es ist ein Kinderraum vorhanden mit 6 Betten. Die Mutter eines ca. 9-jährigen Jungen klagte über die Kälte und teilte mit, daß sie gezwungen sei, sich zu ihrem Jungen ins Bett zu legen, um ihn einigermaßen erwärmen zu können ... 160
Die Verpflegung erfolgt durch die Großküche. Es wurde vorgebracht, daß das Essen eintönig sei, vor allem abends dauernd nur Suppe und Kartoffel verabreicht werden ... Ein großer geeigneter Herd ist vorhanden, jedoch keinerlei Töpfe.«46 Daß diese Zustände keineswegs außergewöhnlich zu nennen waren, zeigt ein anderer Bericht, diesmal erstellt von einem städtischen Bezirksausschuß, aus dem Jahre 1950: »Der Bezirksausschuß besichtigte am 23. August das Heimat-Vertriebenenlager an der Ungererstr. Am 21. Juli 1950 wurde dieses Lager unter die Verwaltung der Stadt München gestellt. Dieses Heimat-Vertriebenenlager ist mit circa 500 Personen belegt, davon sind 350 in Massen- und 150 in Einzelwohnungen untergebracht. Die Unterbringung in den Massenquartieren ist einer unbedingten Änderung zu unterziehen. Wir mußten feststellen, daß auf circa 50 Quam. Fläche 16 bis 20 Personen untergebracht sind, Familien und Einzelpersonen ohne Altersunterschied. Der größte Teil der Baracken ist nicht abgeteilt, so daß sich Frauen und Mädchen in diesem Raum waschen, an- und ausziehen müssen in Gegenwart sämtlicher Insassen. Der andere Teil ist mit Decken und Wellpappe abgeteilt, was mit großer Feuergefahr durch die aufgestellten eisernen Öfen verbunden ist. Dieser Zustand ist moralisch für die Insassen des Lagers auf Dauer nicht tragbar, auch wegen der Feuersgefahr nicht zu verantworten ... Die Dächer der Baracken sind zum Teil so schlecht, daß bei Regen das Wasser durchläuft. Es mußten bis zum Eintritt der schlechten Witterung die Dächer zum Teil ausgebessert und geteert, desgleichen die Fenster repariert werden ... Wir möchten darauf hinweisen, daß das Lager noch mit einem Stacheldrahtzaun umgeben ist, um dessen Beseitigung ebenso ersucht wird. Die Wege des Lagers sind bei schlechtem Wetter in einem kaum passierbaren Zustand. Eine Instandsetzung der Lagerstraßen ist dringend notwendig.«47 Solche Zustände herrschten noch im Jahr 1950! Man kann sich ausmalen, wie es 1946 ausgesehen haben mag ... Beispiele ließen sich für diese untragbare Situation noch in großer Anzahl finden. Die hier angeführten mögen jedoch genügen, da sie bereits hinreichend deutlich machen, daß die Insassen von Flüchtlingslagern als Menschen zweiter Klasse nicht den geringsten Anspruch auf Individualität oder gar Intimität besaßen. Für diejenigen, die länger in Lagern gelebt hatten, wurde dies daher auch zu einem tiefgreifenden sozialen Problem; »die aus dem Lager« waren eben in keiner Weise ebenbürtig, sei es nun bei der Stel161
lensuche oder bei einer geplanten Heirat. Auch in München gelang es also in den ersten Jahren nicht, die soziale Notlage der Vertriebenen durchgreifend zu bessern.
Ausblick: Der »vierte Schritt«, die kulturelle Integration An anderer Stelle war bereits von den drei Schritten der Integration der Heimatvertriebenen in ihren Aufnahmeländern die Rede: Notdürftige Aufnahme - Vorläufige Unterbringung - Endgültige Seßhaftmachung. Als der »vierte Schritt« dieses Eingliederungsprozesses ist die kulturelle Integration zu bezeichnen, die ein hochinteressantes wissenschaftliches Untersuchungsfeld bildet. Die Geldsummen, die seit Beginn der fünfziger Jahre für die kulturelle Betreuung der Vertriebenen zur Verfügung gestellt wurden, ermöglichten es, die kulturelle Infrastruktur vor allem der bayerischen Landgemeinden stark zu verbessern. Der zügige Ausbau des Volksbibliotheks- und Volkshochschulwesens nach dem Zweiten Weltkrieg wurde zu einem wichtigen Teil auf diese Weise gefördert.48 Es ist kein Zufall, daß dieser Teil der Eingliederung erst so spät begann. Weder in der Zeit der ersten Aufnahme, also den Jahren 1944-1946/47, noch in den Jahren der scheinbaren wirtschaftlichen Konsolidierung vor der Währungsreform, noch gar in der Zeit der großen Arbeitslosigkeit im Anschluß an den wirtschaftlichen Offenbarungseid des Jahres 1948 hatte man kulturellen Fragen große Aufmerksamkeit widmen können. Erst in der Phase der zweiten und endgültigen Konsolidierung, also in den Jahren des zaghaft beginnenden deutschen Wirtschaftswunders, nach der Beseitigung der größten sozialen Probleme, erwachte bei den Vertriebenen das übermächtige Bedürfnis einerseits nach Teilnahme am kulturellen Leben der neuen Heimat und andererseits nach eigener kultureller Verwirklichung. Beide Seiten waren dabei gleich wichtig, die Erinnerung an die alte Heimat und das Erschließen der neuen Umgebung. Die Hilfe von Staat, Rundfunk49 und Städten50 sowie die Bemühungen der Vertriebenen selbst zielten dabei sorgsam darauf hin, dieses Gleichgewicht nicht zu stören. So entwickelten sich aus den besitzlosen Flüchtlingsmassen in München eigene kulturelle und politische Institutionen, etwa das »Haus des deutschen Ostens«, das »Sudetendeutsche Archiv« und das »Collegium Carolinum«, weiterhin die ostdeutschen und südostdeutschen Landsmannschaften und schließlich und endlich für die Sudetendeutschen, die stärkste Vertriebenengruppe in Bayern, die offizielle Anerkennung als vierter Stamm Bayerns. Marita Krauss
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»Rama dama« - »Munich at Work« Eine Trümmerräumaktion der Nachkriegszeit
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◄ Schutträumung in der Maffeistraße (W. B. France)
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Unter dieses volkstümliche Motto wurde die Schutträumungsaktion vom 29. Oktober 1949 gestellt, die auf eine Anregung der amerikanischen Besatzungsmacht zurückging. Im Amtsjargon bedeutete das, daß in München »ähnlich wie es in den Städten Amerikas üblich ist, die Bevölkerung an einem Tag zur freiwilligen Mitarbeit an der Saubermachung der Stadt aufzurufen« sei.1 Es galt, kleinere Schutthaufen, die immer noch auf öffentlichen Straßen und Plätzen lagerten, weil sie bei den großen, behördlich organisierten - und bis dato sehr erfolgreichen Räumungsaktionen übergangen worden waren, zu entfernen. Initiiert worden war die »Rama-dama«-Aktion vom › Münchner Merkur‹ in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Stadtkommandanten George Godfrey; das Protektorat für diesen »Verschönerungstag«, diese »große Aktion bürgerlichen Gemeinschaftsgeistes und der Hilfsbereitschaft der Besatzungsmacht« übernahmen der damalige Oberbürgermeister Thomas Wimmer, der bereits genannte George Godfrey als Leiter der USZivilverwaltung, Colonel Wood als Vertreter der US-Armee, Felix Buttersack vom ›Münchner Merkur‹ und schließlich der Intendant des Bayerischen Rundfunks, Rudolf von Scholtz.2 Das schon Wochen vorher in allen Medien propagierte Plädoyer an den Gemeinsinn, »Münchner helfen München«, blieb nicht wirkungslos; bei der Münchner Stadtverwaltung und der Redaktion des ›Münchner Merkur‹ trafen zahlreiche gutgemeinte Ratschläge und konkrete Anmeldungen zu den Listen der freiwilligen Helfer ein: »Hochzuverehrender Herr Oberbürgermeister! Das Münchner Kindl bittet Sie vertrauensvoll, bei der Schutträumungsaktion die St. Annastr., den St. Annaplatz, die Herzog-RudolfStr., Christophstr., Bürkleinstr. nicht zu vergessen. Vergelt's Gott!«3 Der Rektor der Universität, Professor Walther Gerlach, bot - ebenso wie etwa der Allgemeine Studentenausschuß des Oskar-von-Miller-Polytechnikums - die Mitarbeit seiner Institution an: »Die Herren des Lehrkörpers, Beamte, Angestellte und Arbeiter und, soweit erreichbar, auch Studenten der Universität München, beteiligen sich an der von Ihnen angeregten Schutträumungsaktion. Wir rechnen mit einer Zahl von 100-150 Teilnehmern .. .«4 Und ein sehr persönlicher Brief an den Oberbürgermeister lautete: »Werter Herr Wimmer! Als ehemaliger Funktionär der freien Gewerkschaft am Postamt Erding, würde ich gerne bei der Schuttaktion am 29.10. 49 mithelfen. Ich bin zur Zeit ... beurlaubt, bin schwerbeschädigt und politisch 165
Verfolgter. Weisen Sie mir einen Platz zu, am liebsten Mariahilfsplatz oder Marienplatz, und ich bin zur Stelle ... Als ich von dieser Aktion las, war mir Verzweifeltem der Glaube an Deutschland, an Freiheit und Recht, sowie an die ehrliche Absicht der Besatzungsmacht wiedergegeben.« Wer nicht direkt mithelfen konnte, leistete auf andere Weise seinen Beitrag, mit Spenden (Material- und Brotzeitspenden aus dem Stadtgebiet und aus dem Münchner Umland) und - mit »Selbstgereimtem«: »Kemts her ihr Manna und ihr Leut, Wo uns der Dreck scheniert, Der uns scho gar nix mehr bedeut, A Brotzeit werd' spendiert.« Für Wahlmünchner wurde eine hochdeutsche Textfassung zur Klärung der Sachlage nachgereicht: »So helfe, was da helfen kann, Und fasse fest die Schaufel an,
»Trümmerauto« mit Holzvergaser, 1948
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Löwen am Siegestor, 1945 (W. B. France)
Vereint mit allen Kräften, seid ihr gern gewillt, Mit zu verbessern Münchens Städtebild! ... Ein Ruck, ein Zuck, wir schaffen es bestimmt ... Wenn selbst der Ami, der uns erst derbledert, Sich solcher Folgen nun beinahe schämt, Mit Fahrzeugparken, gummi-wohlberädert, Teilnahmsgefühl bezeugt ganz ungehemmt, Und helfen will, den Stall hier mit zu misten, Der ja auch ihm ein schützend Obdach gibt, Konservenbüchsen, Blech- und Pappekisten sind allerorts, doch hier nicht mehr beliebt.. .«6 Zweierlei ist dabei zu verspüren: zum einen der Versuch, durch Engagement im Bürgersinn wieder ein neues Selbstbewußtsein zu entwickeln; zum anderen ein deutliches antiamerikanisches Ressentiment (wobei »amerikanisch« hier mit den Besatzungsbehörden gleichzusetzen ist); ein Ressentiment, das bei der Münchner Bevölkerung offensichtlich erst durch die »Rama-dama«-Aktion vollständig ausgeräumt werden konnte, durch den so augenscheinlich gewordenen »guten Willen« und die Hilfe der amerikanischen Besatzungsmacht. Die Verantwortlichen des »Kehraus« gaben übrigens, wie in der am 30. September 1949 verfaßten Resolution nachzulesen ist, genügend Anreiz zur Mitarbeit: »Es darf damit gerechnet werden, daß dieser Aufräumungstag durch Beteiligung von Musikkapellen, durch Tanz auf den geräumten Plätzen, durch Teilnahme prominenter Leute, angefangen vom Oberbürgermeister bis hin zu den Lieblingen von Theater und Film und durch Stiftungen von Betrieben (Bier und Brotzeit) eine besondere Ausgestaltung erfahren wird.«7
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Trümmerräumung in München, 1947 (W. B. France)
Wer in diese - wie man wohl sagen kann, für München äußerst prestigeträchtige - Aktion nicht miteinbezogen wurde, wie beispielsweise der »Bayerische Industrieverband Steine und Erden e.V.«, der hatte allen Anlaß, dieses Manko »außerordentlich zu bedauern«.8 Wie ging nun die eigentliche Aktion vonstatten? Am Morgen des 29. Oktober standen am Königsplatz sämtliche LKWs und Bagger zur Abholung bereit; jeder der 41 Bezirksausschußvorsitzenden versuchte, möglichst viele Fahrzeuge für seinen Bereich zu ergattern, kleineres Arbeitsgerät mußte vom Helfer selbst mitgebracht werden.9 Die Mehrheit aller Schutträumfahrzeuge wurde von den deutschen Behörden zur Verfügung gestellt und stand unter der Aufsicht der ›Münchner Aufbau Gesellschaft (MAG)‹. Von amerikanischer Seite gelangten insgesamt 264 LKWs zum Einsatz (ca. 4000 Liter Treibstoff wurden ebenfalls von den amerikanischen Behörden gespendet). Für alle Teilnehmer der
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Ruinenholz ist begehrt (W. B. France)
Hinweistafel in der Franz-Joseph-Straße, 1947 (W. B. France)
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Zusammenarbeit beim Schutträumen im Färbergraben (W. B. France)
Über 16 Miüionen Altziegel wurden in München gewonnen (W. B. France)
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Bürgermeister Thomas Wimmer und Oberbürgermeister Karl Scharnagl (erster und dritter von links) und andere Helfer beim Rama dama
»Rama-dama«-Aktion, von denen einige sogar aus Bad Reichenhall, Berchtesgaden und Bad Tölz angereist waren, hatten die Organisatoren übrigens vorab Unfallversicherungen abgeschlossen. Dank der Spenden einheimischer und auswärtiger Firmen und Brauereien und mit organisatorischer Hilfe des Roten Kreuzes konnte den Helfern gegen Ende der Aktion, um etwa 16 Uhr, ein »kleiner Imbiß, bestehend aus 2 Würsten, Brötchen und l Ltr. Bier« gereicht werden. Um 20 Uhr fand die Aktion mit einem »Festabend der Schutträumer« auf dem Ausstellungsgelände ihren feierlichen Ausklang.10 Trotz des großen Aufwandes und mancher »Vorschußlorbeeren« war das Ergebnis eher mager: Insgesamt wurden 15360 Kubikmeter Schutt geräumt, davon 6450 Kubikmeter durch Handladung; das bedeutet, daß die Einzelleistung der ungefähr 7000 Teilnehmer rund einen Kubikme-
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ter betrug. Im Vergleich dazu: Die tägliche Menge der »normalen Schutträumung« umfaßte im Oktober des Jahres 1949 8278 Kubikmeter. Viel Lärm um nichts? Auf jeden Fall fiel das Urteil der berufsmäßig mit der Schutträumung betrauten Behörden, hier des Baureferats, gemischt aus. So schrieb Stadtbaurat Helmut Fischer den Magistraten von Düsseldorf und Kassel, die reges Interesse an der Münchner Schutträumaktion gezeigt hatten, lakonisch: »Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Aktion vom 29.10. 1949 leistungsgemäß betrachtet nicht die Erwartungen erfüllt hat, ihr Widerhall jedoch ein ganz erfreulicher gewesen ist.«11 Wegen der seiner Meinung nach geringen Leistung, der zu stark überladenen Organisation und der Kostenfrage - hätte der »Münchner Merkur‹ nicht die Propaganda für die Aktion übernommen, so hätte das Baureferat wohl von diesem »Großeinsatz« Abstand genommen - riet Fischer von einer Nachahmung der Münchner Aktion ab. Einen Pluspunkt konnte allerdings auch er vermerken: »Als außerordentlich positiv jedoch kann die Tatsache gewertet werden, daß sich aus Anlaß des 29.10. 1949 die gesamte Bevölkerung doch wenigstens einmal mit dem Problem der Trümmerräumung befaßt hat.«12 Der Leistungsnachweis zählte also nicht unbedingt - dabei gewesen zu sein, war alles. »Rama dama«, »Kehraus«, »Verschönerungstag«: mehr eine symbolische Aktion der Solidarität, eines sich nach den Wirren des Zweiten Weltkrieges neu entwickelnden Bürgersinnes. Nina A. Krieg
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»Vee GAYT ess ee-nen?« Lebenssplitter aus dem Umgang mit Besatzern
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◄ Das sieben Monate alte Kamel Clarence, Maskottchen der Neubiberger Flieger, sammelt Geld und Lebensmittelspenden für Berliner Kinder, Herbst 1948 (H. Schürer)
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»Die GI's schoben ihren Dienst, machten ihre Geschäfte und empfanden die Langeweile einer Beschäftigung, die sie nicht ausfüllte. Schon fand man, mit Kreide geschrieben, die Parole an Wänden und Zäunen: Get the boys home ... Die Uniform, die sie trugen, war für sie kein Statussymbol. Das Zivilleben war ihr Ziel. Sie fürchteten, keinen Job mehr zu finden, wenn sie nach zu langer Zeit wieder in die USA zurückkehren würden. Der harte amerikanische Berufsalltag ... nahm auf nichts Rücksicht als auf das Können und die Kraft jedes einzelnen. Gut - es war Gesetz, daß ein GI nach der Rückkehr seinen Arbeitsplatz wieder erhielt. Aber wie gut war er noch, wie tüchtig? Was hatte er inzwischen bei der Army verlernt? Ein Jahr im Job, und dann gefeuert wegen mangelnder Leistungen ... so etwas war gewiß drin.«1 »Wir Kinder und Jugendlichen aus der Gegend waren dann natürlich schon mal neugierig und trotz Non-Fraternization kamen kleine Gespräche auf, zumal, wenn etwas Englischkenntnisse da waren. In den Folgewochen war man allgemein zur Registrierung und Arbeitsvermittlung aufgefordert und da bekam ich dann einen Job bei amerikanischen Luftwaffenpionieren auf dem Fliegerhorst Schleißheim. Da ja unter Blinden der Einäugige König ist, war ich mit meinen Schulenglisch-Kenntnissen natürlich der gefragte Mann im Team: Die GI's wollten ›Souvenirs‹, die deutschen Kollegen hatten so ungefähr alles, was gefragt (und verboten!!!) war: Mein Kampf; Walther 7,65; Orden; Parteiabzeichen usw. usw. und: zu Ehren der GI's muß gesagt werden, bis auf einen Fall hat keiner versucht, seine private ›Besatzungsmacht‹ auszuspielen, sich ohne Bezahlung in den Besitz der Souvenirs zu setzen. Jeder gab brav Zigaretten, Candy, Coffee usw. ... Später wurde dann unsere Arbeits-Crew, ehemalige Gold-Nazis ebenso wie ein paar politische KZ'ler, Schüler und Halbinvaliden, einer Küche als Küchenhelfer zugeteilt. Ein Segen und eine Goldgrube im Jahre 1945/46! Eine heitere Episode am Rande: Ein Soldat hatte in Frankreich ein Mädchen kennengelernt, die ihm nun, natürlich französisch, schrieb. Er konnte aber nicht Französisch, dafür einer unserer Küchen-Crew, ein ehemaliger Jagdflieger-Offizier, der aber nicht Englisch konnte. Also übersetzte Hubert Französisch-Deutsch, ich dann Deutsch-Englisch und so konnte der GI Joe erfahren ›that my virgin rose has closed, until you'll come to break it up with your strong arms!«2 »Zwei Tage nach dem Einmarsch stand ich am Gartenzaun. Da nahte ein großer Militärlaster, voll besetzt mit Negern direkt auf den Zaun zu. Ich vor den Zaun, rief: ›there's no way!‹ Die Neger fuhren ein paar Schritte zurück, nahmen Anlauf und walzten den Zaun nieder. Ein 175
riesiger Neger grinste freundlich: ›Now, little mamma, it's open.‹ Sie legten eine Leitung durch den Garten und fuhren wieder ab. Nach ein paar Tagen kamen sie wieder, montierten alles wieder ab und richteten den Zaun wieder her. Es war, wie so oft beim Militär, eine Fehlanzeige gewesen.«3
»Keep your distance« »Die Amerikaner« existierten also eigentlich nicht, wie bereits die hier von Münchner Bürgern erzählten Erlebnisse verdeutlichen. Sehr bald nach dem Einmarsch löste sich die scheinbar geschlossene Gruppe der Besatzer in viele Einzelindividuen auf, die zwar unter militärischem Befehl standen, jedoch ihre Richtlinien verschieden anwendeten. Dies erstaunt nicht, wenn man die Zusammensetzung der Besatzungstruppen bedenkt: Von Berufssoldaten bis zu »US-Civilians«, die eigentlich an Universitäten lehrten, Musiker oder Graphiker waren, von Farmerssöhnen aus dem Mittleren Westen bis zu deutschen Emigranten, von kleinen Angestellten bis zu hochqualifizierten Technikern war hier das ganze Spektrum menschlicher Möglichkeiten vertreten. Einige ließen, vor allem unter dem entsetzlichen Eindruck der Befreiung der Konzentrationslager, an den Deutschen Rachegefühle aus, andere versuchten zu helfen, dritte hielten sich stur an vorgegebene Richtlinien. Auch der Informationsstand der einzelnen Besatzungssoldaten über Deutschland differierte stark; ein hochinteressantes Zeitdokument ist hier der ›Pokket Guide 10, Germany‹, der in Kurzform Wissenswertes zu vermitteln versuchte. Er ist im Uniformtaschenformat geschnitten und enthält auch - für uns höchst amüsante - Sprachtips.4 Das Büchlein steht unter dem Motto: »This booklet is issued in the interest of informing you about the country you occupy. Nothing contained herein should be considered a relaxation of the Non-Fraternization Policy. Keep faith with the American soldiers who have died to eliminate the German warmakers. Do not fraternize.« Unter Überschriften wie »Keep Your Distance«, »Keep Your Eyes Open« oder »Keep Your Guard Up« werden dem amerikanischen Soldaten Verhaltensmaßregeln gegeben: 176
Am Max II-Denkmal: »Die amerikanische Eroberung der bayerischen Geschichte«, 1946 (W. B. France)
»You are in enemy country! These people are not our allies or our friends ... However friendly and repentant, however sick of the Nazi party, the Germans have sinned against the laws of humanity and cannot come back into the civilized fold by merely sticking out their hands and saying - ›I'am sorry.‹ ... Don't forget that eleven years ago, a majority of the German people voted the Nazi Party into power.«
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Das Büchlein warnt dann vor dem »Werwolf«, den nationalsozialistischen Untergrundkämpfern, rät zur Vorsicht gegenüber jungen Leuten zwischen 14 und 28 Jahren, da diese durch die NS-Erziehung geformt worden seien und bittet den amerikanischen Soldaten eindringlich, immer auf der Hut zu sein. Eine historische Überblicksinformation, eine Landkarte, Beschreibungen von Landschaft und Klima, deutsche Maßund Gewichtsangaben sowie ein Sprachführer vervollständigen den ›Pocket Guide‹. In einer Zusammenfassung wird versöhnlich betont: »It has not been the aim of this booklet to sing a ›Hymn of Hate‹ against the enemy or to make you practice äs revenge his fanatical creed of intolerance, with its untold cruelties and brutalities. One of the tragedies in Germany's recent history is her own betrayal of her past gifts to civilised life. The country has produced great writers, philosophers, scientists, artists andmusicians. Her peoplepossess great energies which at times have been used to benefit ratner than destroy mankind. In the peace to come it is hoped that those energies can be more consistently employed to benefit the world, more than they have been in the past.« Verständigungsschwierigkeiten konnte der Sprachführer sicherlich kaum verhindern. Vor allem die verwendete »Umschrift« bereitete wohl Probleme; Auszüge sollen hier wiedergegeben werden: Good morning How are you? Sir Miss Please Excuse me Do you understand? Speek slowly Where is a restaurant Where is a toilet To the right One Two Three Five Six 178
GOO-ten MAWR-gen (guten Morgen) vee GAYT ess ee-nen? (Wie geht es Ihnen?) main HAYR (mein Herr) FROY-lain (Fräulein) BIT-tuh (Bitte) fayr-TSAI-oong (Verzeihung) fer-SHTAY-en zee? (Verstehen Sie?) SHPRESH-en zee LAHNK-zahm (Sprechen Sie langsam) Vo IST ain ress-to-RAHNG (Wo ist ein Restaurant?) Vo ist ai-nuh twa-LET-tuh (Wo ist eine Toilette?) nahkh RESHTS (nach rechts) AINSS (Eins) TSVAI (Zwei) DRAI (Drei) FEWNF (Fünf) ZEKS (Sechs)
Seven Eight Ten Twelve Nineteen Twenty-one Forty Seventy What's that? I want cigarettes butter cheese meat pork veal Chicken soup potatoes beets fruit salt sugar chocolate tea coffee a glass of beer matches What time is it? Ten past two When does the movie Start When does the train leave Where is the nearest town Come here! I am lost Where are the American Soldiers? Watch out!
ZEE-ben (Sieben) AHKHT (Acht) TSAYN (Zehn) TSVERLF (Zwölf) NOYN-tsayn (Neunzehn) AIN-oont-tsvahn-tsik (Einundzwanzig) FEER-tsik (Vierzig) ZEEP-tsik (Siebzig) VAHSS ist DAHSS (Was ist das?) ish MERSH-tuh tsee-ga-RET-ten (ich möchte Zigaretten) BOOT-ter (Butter) KAY-zuh (Käse) FLAISH (Fleisch) SHVAI-nuh-flaish (Schweinefleisch) KAHLP-flaish (Kalbfleisch) HOON (Huhn) ZOOP-puh (Suppe) kar-TAWF-feln (Kartoffeln) RO-tuh REW-ben (rote Rüben) OHPST (Obst) ZAHLTS (Salz) TSOOK-ker (Zucker) sho-ko-LA-duh (Schokolade) TAY (Tee) KAH-fay (Kaffee) ain GLAHSS BEER (ein Glas Bier) SHTRAISH-herl-tser (Streichhölzer) vee SHPAYT ist ess (Wie spät ist es) TSAYN nahkh TSVAI (Zehn nach Zwei) VAHN buh-GINT dahss KEE-no (Wann beginnt das Kino) vahn GAYT dayr TSOOK (Wann geht der Zug) VO is dee NAYSH-stuh AWRT-shaft? (Wo ist die nächste Ortschaft?) KAWM-men zee HAYR! (Kommen Sie her!) ish HA-buh mish fayr-LOW-fen (ich habe mich verlaufen) VO ZINT dee a-may-ree-KA-nee-shen zawl DA-ten? (Wo sind die amerikanischen Soldaten?) OWF-pahss-sen! (Aufpassen!) 179
Die amerikanische Armee-Presse bot offenbar ähnliches. Karl Jering, später Referent beim Staatskommissar für das Flüchtlingswesen, berichtet in seinem Tagebuch: »Wie unentwegt die Soldatenpresse den Haß schürt, zeigt der folgende Artikel in ›Army Talks‹: Was kann ich tun? ›Sei mißtrauisch gegen jedermann. Prüfe sorgfältig, was sie dir erzählen (unter ›sie‹ sind wir gemeint). Äußere nichts Abfälliges über die USA, die Armee, unsere Verbündeten. Melde sofort verdächtige Nazis oder Verstöße gegen Befehle der Militärregierung und Anordnungen lokaler Behörden (eine Karikatur zeigt Deutsche beim Turnen) ... Verhalte dich wie ein guter Soldat. Achte auf deine Uniform und benimm dich ordentlich in der Öffentlichkeit. Vergiß nie, daß du als Eroberer hier bist, nicht als Befreier .. .Wirb für die Demokratie, wann immer sich Gelegenheit bietet. Wenn du in ein Fräulein verliebt bist, dann verkauf dich nicht ihretwegen an Deutschland. Sei höflich aber kurz angebunden mit Deutschen. Alle Deutschen sind schuld am Kriege. Glaube und sage nicht: Vergeben und vergessen. Tu freudig, was von dir verlangt wird, und so gut du es kannst. Bist du mit deinen Offizieren, deiner Arbeit und deinen Lebensumständen unzufrieden, so zeige es den Zivilisten nicht.«5
Bericht aus München: Der erste „Pg" arbeitet Der Simpl Nr. 3, 1946, S. 28
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Ernährungsfragen
All diese Propaganda konnte jedoch nicht verhindern, daß sich nach und nach ein besseres Verhältnis einstellte: »Insbesondere um die Kinder waren die Amerikaner sehr bemüht, und neben Partys, Kaugummi, Schokolade und solchen Sachen haben wohl auch ›Seifenkisten-Rennen‹ auf der eigens hierfür errichteten, hohen Ablaufbahn zu Füßen der Bavaria und ähnliche Veranstaltungen dazu beigetragen, den menschlichen Abstand zwischen ›Besatzern‹ und ›Besetzten‹ langsam und allmählich zu verringern.«6 Oder, wie es Karl Jering schildert: »Im allgemeinen gefallen mir die Burschen. Sie sind kerngesund und in ihren Instinkten kaum verdorben. Die ihnen eingeflößten Haß- und Rachegefühle verdunsten daher bald in ihren mächtigen Leibern. Im Gegenteil, angesichts des täglichen Anschauungsunterrichts fragt sich der eine oder andere unwillkürlich, mit welchem Recht diejenigen, die gehaßt haben, ohne zu kämpfen, die belehren, die gekämpft haben, ohne zu hassen. Die meisten sind freundlich zu mir. Charakteristisch für ihre Einstellung war z. B. die Geste, daß sie die große Torte heute nacht erst wegschafften, nachdem sie mir ein gewaltiges Stück davon abgeschnitten hatten.«7 Das Verhalten der gutgenährten Amerikaner gegenüber der hungernden Bevölkerung wurde wohl besonders genau beobachtet, da es hier oft wirklich um Tod oder Leben ging. So berichtet eine Münchnerin: »Ich habe die Besatzung hart empfunden, wir mußten ganze Häuser innerhalb einer Stunde räumen. In der Renatastraße war das Hotel Columbia der Amerikaner, ganz in der Nähe der Winthirschule. Dort haben die Amis in der Mittagszeit, wenn die Schule aus war, ihre ganzen Speisereste im Vorgarten ausgebreitet, mit Benzin übergössen und angezündet. Die Schulkinder steckten ihre Köpfe durch die Gitterstäbe und starrten mit hungrigen Augen auf diese Speisereste. Sie standen dicht bei dicht und übereinander. Und so ging das Tag für Tag. Die Kinder der bösen Deutschen waren am Krieg nicht schuld, man hätte die Speisereste ebensogut hinter dem Haus verbrennen können.«8
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Gerade die Vernichtung von Speiseresten, für die Amerikaner ein hygienisches Problem, findet immer wieder negative Erwähnung. Auch diese Maßnahme wurde aber nicht überall durchgeführt: »Freundlicherweise wurde uns erlaubt, das grundsätzlich nur einmal verwendete Koch- und Bratfett (das eigentlich zu vernichten gewesen wäre) mitzunehmen, ebenso die herrlichen Anschnitte von den in Massen verzehrten Weißbrot-Laiben und sonstige nicht verbrauchte Speisen.« Einige Amerikaner gingen noch weiter. Von einem solchen Fall berichtet Christian Hallig: »War er von einem geradezu missionarischen Eifer erfüllt, der alle Grenzen der Non-Fraternization sowie viele Befehle der Militärregierung mißachtete? Oder war er nur ›ein guter Mensch‹? Lag es daran, daß seine Eltern sehr reich waren und ihm, in der Vorstellung, er müsse in diesem zerbombten Deutschland Furchtbares durchstehen, Tausende von Dollar in die Tasche gesteckt hatten, als er zum Dienst in die US-Zone abkommandiert wurde? Was auch immer die Beweggründe gewesen sein mögen, der GI Ted Warner tat Gutes an den Geschlagenen, wo und wann er es konnte. Ein Mann Mitte Zwanzig mit der Figur eines Boxchampions im Halbschwergewicht, ein offenes, jungenhaftes Gesicht und braune, wache Augen. Heumann und ich lernten ihn durch Zufall kennen, als wir in Schwabing unterwegs waren, mit dem Auftrag, einige Leute unter die Lupe zu nehmen, die sich regelmäßig in einer Eckkneipe trafen ... Ted saß also in voller Uniform in der Eckkneipe und verteilte gerade Stapel von Seife an die Frauen der Künstler, die - wie ihre Männer - von ihm eingeladen worden waren. Als wir ankamen, war das Lokal abgeschlossen gewesen. Wir hatten uns mit einem Trick Einlaß verschafft. Gegen die Tür gebummert und gerufen: ›MP-Kontrolle kommt - macht auf, wir haben schwarze Ware bei uns .. .‹ Man schloß auf, schon waren wir drin ... Man steckte die Köpfe zusammen und tuschelte. So hatten wir Zeit, Ted zu mustern, der nur einige Brocken deutsch sprach. Im Laufe des Abends erfuhren wir, daß Ted der große Wohltäter der Künstler war. Gestern hatte er bei seiner Einheit einen ganzen Sack voll Briketts geklaut und verteilt. Vorgestern waren es Candys gewesen für die Kinder der Künstler. Jeden Tag brachte er etwas anderes.«9 Auch wenn dies wohl eine Ausnahme war, so bemühten sich die Amerikaner doch darum, die Deutschen nicht verhungern zu lassen. Hermann 182
Scherer, damals Leiter des Getreidewirtschaftsverbands, schildert seinen Eindruck so: »... Zwischendurch kümmerte ich mich um die Installierung meiner Dienststelle, und durch tägliche Gespräche mit meinem ErnährungsCaptain über die allgemeine Versorgungslage konnte ich die Erkenntnis ziehen, daß die Hilfe der Amerikaner für uns nicht aus Menschenfreundlichkeit kam, sondern in erster Linie aus einer gewissen Angst vor Hunger-Revolten und Seuchen ... Später kamen dann schon die ersten Weizenlieferungen aus Amerika und Kanada, da die Drüben ja froh waren, daß sie ihre überfüllten Getreidesilos und Lagerhäuser entlasten konnten, um wieder neue Ernten aufnehmen zu können.«10
Beschlagnahmungen Ob nun aus Angst vor Unruhen, aus wirtschaftlichen Gründen oder aus Menschlichkeit - amerikanische Hilfe hielt die deutsche Bevölkerung am Leben. Neben Ernährungsfragen erweckten vor allem die Wohnungsbeschlagnahmungen Erbitterung. In einer Zeit, in der Deutsche oft zu fünft oder sechst in einem Zimmer hausten und die Flüchtlingslager überfüllt waren, standen von den Amerikanern beschlagnahmte Häuser oft wochenlang leer oder wurden nur von wenigen Personen bewohnt. Das Verwaltungszentrum München war hiervon besonders betroffen.11 So berichtete Oberbürgermeister Scharnagl 1946, daß »mindestens 13700 Wohnräume der Zivilbevölkerung durch die Beschlagnahmeaktionen entzogen worden sind.«12 Ein Viertel der deutschen Bevölkerung Münchens, nämlich 270000 Menschen, mußten sich zum selben Zeitpunkt mit 78300 Räumen zufrieden geben, in denen jeweils drei bis acht Personen zusammenlebten. Eine Zeitzeugin berichtet: »Eine Elitetruppe der Amerikaner (so wurde sie genannt) machte Quartier in drei Häusern, es mußten Bäder und Heizungen vorhanden sein. In diesem Straßenzug stand nur ein Haus, das solche Bequemlichkeiten nicht bieten konnte. So mußten sämtliche Bewohner innerhalb kürzester Zeit aus diesen Wohnungen und wurden verteilt auf die Umgebung. Ich kam mit zwei jungen Damen in eine Wohnung, deren Mieter - außer dem Hausherrn - evakuiert waren.
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Die Soldaten dieser Truppe standen am Hauseingang und befahlen schnellste Räumung - wir konnten nur noch das Allernötigste mitnehmen, so eben das sogenannte Luftschutzköfferchen, das immer bereitgestanden hatte. Der Captain dieser Truppe war sehr streng, er haßte die Deutschen ... Der Captain erlaubte nicht, aus unseren Kellern ein paar kärgliche Reste lagernder Kartoffeln zu holen und drohte, sollte er einen Deutschen in einem Keller erwischen, mit dem Erschießen als Exempel sozusagen. Manchmal warf ein gutmütiger Soldat ein paar Riegel Schokolade auf einen Balkon, sie waren ja sicher auch, trotz allem, was sie über die Deutschen wußten, angerührt. Fanden sie, nachdem sie die Wohnungen besetzt hatten, noch ein Bild Hitlers oder andere ›Erinnerungen‹ an die NSDAP, richteten sie ein Chaos an, stapelten alles auf einen Haufen und vernichteten das Ganze.«13 Obwohl man ursprünglich bei Beschlagnahmungen vor allem die durch NS-Parteizugehörigkeit Belasteten heranziehen wollte, konnte das in der Praxis kaum durchgeführt werden. Da die Amerikaner darauf Wert legten, ein geschlossenes Gebiet zur Verfügung zu erhalten, wurden beispielsweise in Harlaching nur neun Prozent Belastete, jedoch 91 Prozent politisch Unbelastete von Beschlagnahmungen betroffen.14 Diese Probleme blieben Streitpunkte, bis sie sich durch die Truppenreduzierungen und größere Wohnungsbauprogramme Anfang der fünfziger Jahre von selbst erledigten. Hausdurchsuchungen und Verhaftungen belasteten die deutsche Bevölkerung selbstverständlich während der gesamten Besatzungszeit. Für eine junge Münchnerin bedeutete dies ihr einziges negatives Erlebnis mit der Besatzungsmacht: »Negativ eingeprägt hat sich mir natürlich die ›Hausdurchsuchung‹ der Amerikaner im Februar 1946. In allen Wohnungen wurde nach Verbotenem gefahndet - es ging wohl vor allem um ›Waffen‹ jeglicher Art. Groteskerweise fielen dieser Durchsuchung auch etwa Studentensäbel zum Opfer, die als Dekorationsstücke an der Wand hingen. Bei uns allerdings gab es einen verhängnisvolleren Fund: In einem Verschlag unter dem schrägen Dach entdeckten die Sucher eine alte Pistole, die seit mehr als zwanzig Jahren - so jedenfalls lautete die Auskunft meines Vaters - dort in einem nie mehr benutzten Schülerpult meines gefallenen Halbbruders gelegen hatte. - Man muß hier wissen, daß mein Vater, 1874 geboren, damals also 72 Jahre alt war ... Nun wurde er wegen illegalen Waffenbesitzes verhaftet und nach Stadelheim gebracht - zusammen mit mehreren (auch älteren) Damen aus Sollner Familien auf einem offenen Lastwagen. Er wurde dann übrigens einige Wochen später freigesprochen.«15 184
Als deutscher Begleiter einer Razzia der Militärpolizei erlebte auch Karl Jering eine Hausdurchsuchung mit. Es ging dabei um die Aufklärung einer undurchsichtigen Diebstahlsgeschichte: »Aus der Küche kam ein älterer Mann; er mochte ein Handwerker oder kleiner Angestellter sein. Seine Frau lag auf der Couch, die anscheinend auch ihm als Nachtlager diente. Die armen Leute, die mit geduldiger Höflichkeit die Störung auf sich nahmen, waren am Vorfall unbeteiligt, ebenso die Greisin, die mit einem Mädchen im Nebenzimmer schlief. Unterdessen hatte sich drunten die Alte wieder eingestellt ... Ihr Mundwerk klapperte wie ihre Glieder. - Ob sie von einem lockeren Mädchen im Haus wisse, unterbrach ich ihren Redefluß. Einem, Dutzende wohnen hier, die sich Negern und Soldaten hingeben. Ich beschrieb die Gesuchte. - Möglicherweise wohne sie beim KZler im Vorderhaus, erster Stock. Auf unser Klopfen öffnete uns ein kleiner Jude. Trotz der mitternächtlichen Stunde schien er noch nicht zu Bett gegangen zu sein. Der Raum war mehr als ärmlich möbliert. Auf dem rohen Tisch stand eine Schüssel mit Seifenlauge. Im Bett lag eine junge Blonde. Sie schien nichts anzuhaben und blinzelte schläfrig in das Licht der Taschenlampe ... Der Jude war hilfswillig und freundlich. Im Lokal im Erdgeschoß verkehren Neger und GIs zur späten Stunde. Im trübe erleuchteten Flur halten die Dirnen Cour. Naht Militärpolizei, verschwinden sie im Hinterhaus. Wieder kehrten wir unverrichteter Dinge zurück.«16 Die Militärpolizei hatte also alle Rechte, unvorbereitet Häuser zu durchsuchen, wochenlang Männer oder Frauen ohne viel Federlesens einzusperren und notfalls auch mit den Fäusten nicht zimperlich zu sein - man lebte unter Besatzungsherrschaft.
Erlebnisse der Besiegten Da über die Frauen, vielmehr die »FROY-lains« in diesen schwierigen Jahren an anderer Stelle ausführlich berichtet wird,17 soll hier nun nur noch ein Blick auf einige amüsante Erlebnisse aus dem Umgang mit den Besatzern geworfen werden, die zeigen, daß dieser nicht nur ernste Seiten hatte. Die Journalistin Maria von Eynern erinnert sich an solche Begebenheiten:18
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»Alex sah gut aus: er war fast zwei Meter groß, blond und strahläugig. Sein Typ mußte jeden Amerikaner sympathisch ansprechen, denn es haftete ihm etwas Internationales, völlig Undeutsches an ... Der Soldat, der ihn einstellte, knautschte ein schreckliches New-OrleansEnglisch. Alex verstand nichts. Er begriff nur die Frage, wo er denn Englisch gelernt habe, und stotterte: ›Well - at school.‹ Der Ami wars zufrieden und heuerte den jungen Mann an. Alex machte einen guten Eindruck und das genügte vollauf. Nun hieß es, nachts zu arbeiten und die anfallenden Telephonverbindungen herzustellen ... Es ging alles gut, bis an einem frühen Morgen eine weibliche Stimme aufgeregt etwas Unverständliches in den Apparat schrie. Alex reagierte mit bayerischer Bier-Ruhe. Er sagte: ›Well, M'am, f connect you with the town operator.‹ Worauf die weibliche Stimme sich in weiteren Unverständlichkeiten überschlug. Der Vorgang wiederholte sich noch zweimal. Alex hatte Pech: Die Anrufende war die Frau des Chef Commandeurs vom Hospital und hatte ihm, vom Schreck geschockt, mitgeteilt, daß ein Zimmerbrand ausgebrochen sei. Nachdem der friedfertige Vermittler an der Zentrale ihr auf diese Botschaft dreimal angeboten hatte, sie per Amtsleitung in die Stadt zu verbinden, verlor die Dame völlig die Nerven, rannte zum Chef und schrie unter Tränen: ›Fire this guy!‹ Der Chef aber besaß Humor. Er feuerte ihn nicht hinaus, sondern bestellte Alex zu sich. ›Junger Mann‹, sagte er, ›so geht das nicht. Eigentlich müßte ich dich an die Luft setzen. But - it's cold outside. Im Winter soll man niemanden vor die Tür befördern. Ich erwarte von dir einen Vorschlag, was wir mit dir machen sollen - nur am Telephon können wir dich nicht mehr brauchen.« Oder über Amerikaner, mit Kinderaugen gesehen: »›Vor unserem ersten Ami haben wir mächtig gezittert‹, berichtet Greta, die damals 14 Jahre alt war, ›Er betrat unser Haus in voller Uniform, bewaffnet bis an die blanken Zähne. Schußbereit hielt er eine Pistole in der Hand und rollte furchterregend mit den Augen. Ohne ein Wort zu sagen schritt er dann mit schweren Stiefeln durch alle Räume des Hauses und durchsuchte Schränke, Truhen und Schubladen nach Waffen. Aber wie sollten wir Waffen haben - wir waren doch nur Weiber und Kinder. Wir standen in einem verängstigten Trupp beieinander wie Hühner, wenn der Fuchs in den Stall eindringt, und fürchteten uns. Meine kleine Schwester flüsterte: ›Mami ist das der Nikolaus?‹ Der Vergleich stimmte übrigens - so komisch er klang. Der Soldat stapfte nämlich wieder zum Ausgang, blieb dort plötzlich stehen und holte aus den Taschen seiner Jacke einen ganzen Haufen Schokoladentafeln heraus. Die legte er auf den Küchentisch 186
und guckte uns Kinder nochmals bedeutungsvoll an. Und komisch in diesem Augenblick sah sein Gesicht gar nicht mehr zum Fürchten aus ...« Und über eine Episode aus der Welt des Tauschhandels: »Im tiefen Winter stand eine lange Schlange vor einer Tausch-Stelle... Inmitten eine zierliche, ältere Dame, die eine silberne Teekanne an ihre Brust drückte ... Geduldig wartete sie auf eine Schätzung - aber ach, die fiel sehr gering aus. Das Teekännchen hatte ein zu leichtes Gewicht. Es war aus Silber, in schöner, barocker Form ... Aber nur der Silberwert zählte. So zögerte die Dame in den zwei Wintermänteln, trat zurück, betrachtete traurig ihre sehr geliebte Kanne und wollte schon umkehren, als sie eine Bekannte traf ... An den beiden vermummten Deutschen ging eine sehr gepflegte, schöne Dame vorbei - eine Amerikanerin ... Und so verließen zwei Frauen samt Teekanne die unwirtliche Tausch-Stätte, um ihr Privatgeschäft draußen abzuwickeln ... Die Amerikanerin strebte ihrem bequemen Auto zu und fragte hastig: ›Wo wohnen Sie denn - kommen Sie mit, ich fahre Sie heim!‹ Die Deutsche, verwundert und überrascht, beschrieb ihren kilometerlangen Heimweg. Dann stiegen beide in eine große Ami-Kutsche ein und fuhren los. Sanft summte die Heizung des Wagens. Der deutschen Dame wurde mollig ... Dann trennten sie sich, wünschten sich alles Gute und versprachen, einander wiederzusehen. Die Teekanne fuhr mit dem Ami-
Amerikanisches Rodeo in München, 1947 (H. Hubmann)
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Auto ... Sie würde ihren Adjutanten mit den fälligen Gegenständen vorbeischicken, versprach die Dame noch. Voll Vertrauen, insgeheim auch stolz, kehrte Mutter ohne Teekanne heim zur Familie. Auf Skepsis war sie gefaßt - nicht aber auf Vorwürfe. ›Du kannst doch nicht einfach die wertvolle Teekanne hergeben für nichts, nur für Worte!‹ meuterten die hungrigen Angehörigen. ›Paß auf - ewig werden wir auf diese Gegenleistung warten!‹ ... Endlich, am fünften Tag, klingelte es. Vor der Tür stand ein gut ernährter, freundlicher Soldat mit einem großen Ledersack. Er fragte nach dem Namen der Familie und wurde in den Wohnraum komplimentiert. Dort fing er an, seine Schätze auszupacken. Stangen um Stangen Zigaretten waren darunter ... Auch Fett und andere Lebensmittel gab es in großen Mengen - Zucker dabei, der einen handgeschriebenen Zettel trug: ›For your strawberries in summer.‹ Halbbitteres Gelächter darob - Erdbeeren bekamen die Deutschen niemals in diesen Jahren. Die gingen an die Besatzungsmacht. Der herzliche Dank vermittelte. Es stellte sich heraus, daß der Ehemann der Dame General war. Bei ihm und seiner Frau fand sich eine Aufgeschlossenheit, die in diesen Tagen nicht alltäglich war.« »Die Amerikaner« - Besatzungsmacht, Arbeitgeber, Sieger, Ernährer ... Nach einem verlorenen Krieg kann kein Volk darauf rechnen, mit großer Liebe und Achtung behandelt zu werden. Auch die amerikanische Besatzungsmacht machte von diesem Grundsatz keine Ausnahme. Es gab jedoch jenseits von »Non-Fraternization« und Besatzungsstatut menschliche Begegnungen, die das Leben in dieser Zeit erträglich machten. Marita Krauss
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»Hurra, wir leben noch!« Vergnügungen und Feiern zwischen den Ruinen VERTRAUEN
„Hast Du schon gehört, Egon, sie wollen die Luxuslokalc schließen?' „Mir egal, das wollen sie schon seit einem Jahr!"
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◄ Der Simpl Nr. 2, 1948, S. 24
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»Die Säle waren überfüllt. Die Volks- und Völkergemeinschaft, die viel gerühmte, die oft besungene Gemütlichkeit des Bräuhauses tobte. Viele Amerikaner liebten das Bräuhaus. Sie fanden es großartig und gemütlich. Sie fanden es noch großartiger und gemütlicher als alles, was sie darüber gelesen oder gehört hatten. Die Oberländer Kapelle spielte den Badenweiler Marsch, den Lieblingsmarsch des toten Führers. Man brauchte der Kapelle nur eine Lage zu spendieren, und sie spielte den Marsch, der den Einzug Hitlers in die Versammlungssäle der Nationalsozialisten begleitet hatte. Der Marsch war die Musik der jungen und verhängnisvollen Geschichte. Der Saal hob sich wie eine einzige geschwellte Brust der Begeisterung von den Plätzen. Es waren nicht Nazis, die sich da erhoben. Es waren Biertrinker. Die Stimmung allein machte es, daß alle sich erhoben. Es war nur eine Gaudi! Warum so ernst sein? Warum an Vergangenes, Begrabenes, Vergessenes denken? Auch die Amerikaner erhoben sich. Auch die Amerikaner summten den Marsch des toten Führers, schlugen mit Füßen und Fäusten den Takt. Amerikanische Soldaten und davongekommene deutsche Soldaten umarmten sich. Es war eine warme, rein menschliche Verbrüderung ohne politische Absicht und diplomatischen Handel. Fraternization verboten, Fraternization freigegeben. Die Woche der guten Nachbarschaft.«1 »Bevor wir hinauf in unsere Wohnung gingen, besuchten wir noch die ›Schwarz-Gelb-Stube‹, eine Bar, die schräg gegenüber in der Schellingstraße lag. Aber was sage ich, Bar! Es war die schäbigste StinkKneipe, die ich je in meinem Leben betreten habe. Die wenigen Stufen, die hinaufführten, waren bröckelig, in den schlechtbeleuchteten Wänden drinnen war der Schwamm, und die grüngestrichenen Tische und Stühle waren aus irgendeinem Biergarten gestohlen. Bar! Hier traf sich das Gschwerl von München, aber es waren auch interessante Leute darunter. Da drinnen konnte man alles haben, wenn man etwas zu bieten hatte. Dachpappe gegen Unterwäsche, Nägel gegen Schuhe, Schnaps gegen Hosenknöpfe. Der Wirt, einer aus dem Ruhrgebiet, und seine Frau vermittelten ... Da saßen oder standen sie also nach des Tages Mühen und genehmigten sich einen. Männer im besten Alter, im Kampf erfahren, im Herzen nichts als das Motto Du oder Ich und sprachen gemütlich miteinander wie Freunde, die sich in ihrem Kegelklub trafen. Auch Huren waren darunter, die etwas teureren und die billigeren, die auch auf ihr Körnchen warteten.«2 Wolfgang Koeppen und Walter Kolbenhoff, zwei Schriftsteller, die im Trümmermünchen der Nachkriegszeit lebten und arbeiteten, schildern hier ihre recht zwiespältigen Eindrücke aus dem Münchner Nachtleben. Nachtleben ... konnte es so etwas überhaupt geben zwischen den Rui191
nen, angesichts der Sperrstunde - des »Curfew« - und der nackten Not der Bevölkerung? Es konnte. Es gab auch nicht nur Gaststätten, in denen man gegen Lebensmittelmarken seinen Hunger stillen konnte, es gab bald auch Schieber- und Schwarzhändlertreffs, Singspielhallen und Varietes öffneten ihre Tore, Kabaretts wie ›Die Schaubude‹, ›Der bunte Würfel‹ oder ›Bei Popp‹ fanden sich zusammen, Theater, Konzerte, Opernaufführungen, Ausstellungen und Autorenlesungen begeisterten das kulturinteressierte Publikum, die Lichtspieltheater zeigten synchronisierte amerikanische und auch einige »entnazifizierte« deutsche Filme, der Zirkus Krone führte seine Programme auf3, man spielte Fußball und sah sich Auto- oder Motorradrennen an, Seifenkistlrennen begeisterten die Kinder, auf den neuentstandenen Münchner Schuttbergen versuchten sich die ersten Rodler und Schifahrer, im Sommer konnte man wieder in den städtischen Freibädern schwimmen oder - so über den Krieg gerettet - mit dem Radi Ausflüge zum Starnberger See unternehmen, kurz: Diejenigen, die noch einmal davongekommen waren, arrangierten sich und machten das Beste aus ihrer Situation. Oft waren es wohl auch nur die Kälte, der Hunger und die Einsamkeit, die die Menschen zusammentrieben. So hieß es in einem Kabarettext, den Erich Kästner im Frühjahr 1948 für die ›Schaubude‹ schrieb: »Ich bin die lust'ge Witwe und tu ernsten Menschen leid. Lust'ge Witwen, liebe Leute, sind so lustig wie die Zeit! Ich bin die lust'ge Witwe, grau die Haut, die Augen rot. Nächstens lest ihr in der Zeitung: ›Lust'ge Witwe lacht sich tot.‹ Mensch, nimm den Mund von meinem müden Munde ... Such dir ein andres zahmes Spielzeugtier ... Ach nein! Bleib hier! Und schmeiß noch eine Runde! Ich kann nicht mehr allein sein, - keine Stunde! Begleite mich bis morgen früh! Es lebe das Klavier.«4 Lebensgier, Hunger nach Menschen, nach Vergnügungen, nach Musik, Tanz und Vergessen bestimmten das Leben derer, die nicht ausschließlich ihr Überleben sichern mußten.
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Gaststätten, Cafes, Kneipen Bereits im Oktober 1945 berichtete die ›Süddeutsche Zeitung‹: »In München sind zur Zeit über 800 Gaststätten geöffnet, die der Bevölkerung täglich 150000-160000 Mahlzeiten verabreichen können ... Auch für den Kaffeehaus-Freund ist gesorgt; 120 Cafes hat er zur Auswahl, eine ganz stattliche Zahl für die augenblicklichen Verhältnisse. Da und dort gibt es auch schon Unterhaltung: Im Weinhaus Birk fidele Schrammelmusik, im Cafe Boheme, der alten Künstlerkneipe Schwabings, Stimmungsmusik. Das Platzl mit seiner altbewährten Kapelle bringt uns in nächster Zeit eine Bauernbühne. In der Hamburger ›Seemannsspelunke‹ regiert das Schifferklavier und im Märzenkeller ertönen die alten bayerischen Klänge der Oberländerkapelle. Jenseits der Isar, am Nockherberg, sieht München zum ersten Mal nach Kriegsende wieder ein Variete. Ein großes Bierzelt, das an vergangene, aber hoffentlich bald wiederkehrende Oktoberfestzeiten erinnert, faßt 2000 Zuschauer, die viel Freude an dem heiteren Programm haben.«5
Luxuslokale In der Ludwigstraße avisierte ein ›Cafe Atelier‹ seine abendlichen »Künstlerkonzerte« und in der Blumenstraße eröffnete »Nora Noris ihr neues Weinrestaurant besondere Note«, für das man Zutrittskarten bestellen mußte.6 Aber auch gutbürgerliche Wirtschaften inserierten ihren »Mittagstisch« für die Berufstätigen, die in keiner Kantine essen durften. Viele konnten sich nicht mehr als ein oder zwei warme Mittagessen in der Woche leisten, da ihre Markenration, von der oft noch die alten Eltern oder kleineren Geschwister abhingen, bald verbraucht war. Für dieses Gros der Bevölkerung stellten die »Luxuslokale«, die »Sumpfblüten«, natürlich ein beständiges Ärgernis dar. Bereits im November 1945 nahm sich Werner Friedmann in der Süddeutschen Zeitung‹ dieses Problems an: »Es gibt Dinge, die unabwendbar sind. Sie müssen getragen werden. Es gibt aber auch Dinge, über die wir uns ärgern, weil sie taktlos und überflüssig sind und gegen den guten Geschmack verstoßen. Da beginnt zum Beispiel in München eine gewisse Art von Lokalen, Sumpfblüten gleich, sich zwischen den Trümmern der Stadt breit zu machen, zu denen man Einladungen und Einlaßkarten haben muß. Man ißt
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dort gut und reichlich und trinkt teuer (eine Flasche Wein für dreißig Mark und mehr) - vorausgesetzt, daß man dem Wirt gefällt und ›in den Rahmen seines Hauses‹ paßt. Man sieht dort elegant gekleidete Leute, an denen der Krieg diskret vorüberging, ohne sie in ihrem Besitz an Opossum-Mänteln, Brillantnadeln und greifbaren Bankkonten zu schmälern. Dieses sogenannte ›gute‹ Publikum ist in unseren Augen durchaus nicht das beste ... Es sind jene Leute, die zu allen Zeiten und unter jedem Regime wie Sektkorken auf der Oberfläche schwimmen und ganz bestimmt nicht zu den Menschen zählen, die in den letzten zwölf Jahren so etwas wie Charakter zeigten. Hitlers Opfer nämlich, seien es die Verfolgten ... oder die Flüchtlinge und Ausgebombten, die in den Taschen ihrer armseligen Kleider den Blechlöffel tragen, den sie zum Einnehmen eines Kartoffelgerichtes in der ungeheizten Gastwirtschaft brauchen, passen schlecht ›in den Rahmen‹ dieser Lokale ... Wir sind weit entfernt davon, der harmlosen Lebensfreude, die ohnehin noch wenig Ventil findet, einen moralischen Riegel vorschieben zu wollen. Aber angesichts der Tatsache, daß Zehntausende in Ruinenquartieren hausen, ... verstößt diese Art von Luxuslokalen ... gegen den guten Geschmack.«7 Es gab jedoch auch ganz einfache Vergnügungen, die beinahe erstaunt kommentiert wurden: »Vor einem Cafe in der Schwanthalerstraße steht eine ›Schlange‹. Auf unsere Frage gibt ein junges Mädchen lachend Auskunft: ›Hier wird getanzt, von 14 Uhr 30 bis 20 Uhr!‹ Ja, wir dürfen wieder tanzen, wenn uns gerade so zumut ist! Wer es nicht kann, den ladet bereits ein Plakat ein, den Gesellschaftstanz in einer neuzeitlichen Tanzschule zu lernen. In einem Münchner Lokal spielen sogar fünf Kapellen, darunter das Münchner Rundfunkorchester, von 8 Uhr morgens bis zur Polizeistunde. Immer sind alle Stätten der Unterhaltung bis auf den letzten Platz besetzt.«8 Oder, wie sie der Filmkritiker Gunter Groll beobachtete: »Vor dem Kino saß die Kapelle Paul Günther und jazzte in den Münchner Sommer hinein. Die Leute standen drum herum und wußten nicht genau, ob sie nun tanzen sollten. Da es aber niemand anordnete und sie es ganz von allein hätten tun müssen, ließen sie es doch lieber bleiben. Ein älterer Herr meinte, die Zeit sei zu ernst, um auf öffentlichen Plätzen zu tanzen. ›Vielleicht wäre sie weniger ernst‹, bemerkte eine junge Dame, ›wenn man es täte‹. ›Aber ich bitte Sie‹, sagte der Herr, ›ohne jeden Anlaß .. .‹ ›Eben‹, sagte die Dame, ›das wäre doch gerade das Nette: nur so .. .‹ Aber sie tanzte auch nicht.«9 194
Man tanzte aber natürlich nicht »nur so«, es gab beispielsweise in einer Gaststätte am Platzl auch den »Enlisted Men's Night Club« der Amerikaner, in dem eine Münchner Jazzkapelle spielte und zu dem die GI's auch deutsche Tanzpartnerinnen mitbringen durften. In anderen Kantinen oder Klub-Räumen hatten nur alliierte Soldaten und uniformierte amerikanische Armeehelferinnen Zutritt. Dort spielte eine Wiener Kapelle nachmittags Walzer und bayerische Landler.10 Fasching
Anfang 1947 stellte sich dann die Frage, ob man in diesem Jahr den Münchner Fasching Wiederaufleben lassen könne. Eine Umfrage bei der Bevölkerung sollte das Pro und das Contra klären helfen: »Fasching - oder nicht? ... Und was sagt die Bevölkerung? Ein 25jähriger Kriegsversehrter mit einer Armprothese: ›Wir haben lange genug nichts gehabt und mehr Rente kriegen wir auch ohne Faschingsveranstaltung nicht, also bin ich dafür.‹ Eine 26jährige Münchnerin: ›Solang 's nix zum Trinken gibt, bin i net zum hab'n für'n Fasching; bloß der ›Wuggi Wuggi .. .‹?‹ und dabei schüttelt sie ablehnend den Kopf. Ein 22jähriges Mädchen: ›Fasching - ja, bis jetzt kenn ich ihn noch nicht, aber ich würde mich sehr darauf freuen.‹... Ein SOjähriger Flüchtling: ›Fasching in unseren heutigen Verhältnissen - nein!‹ Ein Straßenarbeiter in mittleren Jahren: ›Ich kon mir zwar net vorstell'n, daß oaner, der bei der heiligen Ernährung arbeiten muaß, dazu no a Verlanga hat, aber meinetwegn können s' das Vergnüg'n scho hob'n.‹«11 Ein Rückblick vom Faschingsdienstag des nämlichen Jahres zeigt, wie ärmlich es im Winter 1947 noch zuging: »Es gab heuer ›Faschingslokale‹, in denen man erbärmlich fror, bis die Faschingsbeflissenen sich allmählich selbst in - wohltemperierte Wärme tanzten. Und die Musiker zogen sich in den Pausen Handschuhe und Fäustlinge an, machten Kniebeugen und schlenkerten die Arme. Bescheidene Versuche, in ›besseren‹ Lokalen Abendkleider und dunkle Anzüge vorzuschreiben, mußten scheitern. Und man ging ›Maschkera‹, wie man das ganze Jahr über auch geht - im Straßenanzug. Im Hinblick auf den Mangel an geeigneten Räumen, an Heizmaterial, an Kalorien und nicht zuletzt an Alkohol zieht es dte^Narhalla‹, Münchens älteste Karnevalsgesellschaft, vor, ein heiteres Fest im Sommer zu veranstalten.«12 195
WILDES FASCHINGSTREIBEN
Der Simpl Nr. 3, 1947, S. 36
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Wieweit auch die Amerikaner am Münchner Fasching Freude hatten, läßt sich nur schwer rekonstruieren. Schwierigkeiten gab es jedenfalls erst 1951, als das Thema eines Faschingszugwagens - »Neues Amerikahaus« - auf die Kritik des Amerikahaus-Direktors Munsing stieß. Hier war offenbar das Thema der »Fräuleins« mit ihren amerikanischen Freunden etwas zu deutlich karikiert worden.13 Insgesamt erwies sich die Vorstellung, der Münchner Fasching ließe sich nach diesem Kriege nicht wieder beleben, als falsch.14 Eine Zeitzeugin betont sogar, diese Trümmer-Faschingsfeste seien »insgesamt viel schöner und lustiger« gewesen »als der heutige Krampf und Kommerz«.15
Trachten, Volkssänger und Künstlerfeste Neben dem Fasching gab es jedoch noch andere wichtige Zäsuren in der Welt der Vergnügungen und der Unterhaltung: Im Frühjahr 1947 wurde beispielsweise im Kongreßsaal des Deutschen Museums das ›Weiße Rößl‹ aufgeführt, bei dem sowohl die Amerikaner wie die Deutschen auf ihre Rechnung kamen: Neben der Aufführung begeisterte man sich vor allem für den furiosen Einzug der Trachtenvereine und ihrer Musikkapellen.16 Als der Münchner Volkssänger Weiß Ferdl, der zwischenzeitlich mit Aufführungsverbot belegt worden war, im April 1947 dann wieder im Platzl auftrat, war die bayerische Welt noch ein Stück mehr in Ordnung. Stürmischen Applaus erhielt Weiß Ferdl, als er sich mit besonderer Genugtuung über einen Satz seines Spruchkammerurteils äußerte: »Er war stets ein echter Bayer und ein guter Demokrat«17 oder als er verkündete: »Man soll nicht sagen, daß es in der Demokratie nicht vorwärts geht. Vorgestern, zum Beispiel, war erst der 17. April und heut' ist schon der 19. !«18 Aber auch das erste Münchner Frühlingsfest 1947 erfreute sich eines regen Interesses. Die Zeitungen konstatierten einen »Massenbesuch« von Münchnern und Auswärtigen, die sich über die Schuttwege schoben und sich vor den Fahrgeschäften und den Bierzelten drängten.19 Zwei Jahre später hatte sich das Leben dann noch weiter normalisiert: Im »Aumeister« im Englischen Garten fand das »Altmünchner Künstlerfest« statt, zu dem sich Tausende von Gästen einfanden. Zugunsten der »Münchner Künstlerhilfe« lief hier ein Programm ab, das einem heutigen Fest dieser Art alle Ehre machen würde: Adolf Gondrell moderierte eine »Parade der Bilderbuchgestalten« aus der Münchner Geschichte mit dem Ewigen Hochzeiter, dem Xaver Krenkl, dem Schichtl und anderen Münchner Gestalten, die Couplets 197
Der Simpl Nr. 15, 1949, S. 169
und Gstanzl vortrugen; es folgte ein Ähnlichkeitswettbewerb, in dem die Schönheitengalerie Ludwigs I. die Vorbilder lieferte. Tanz, Tombola und Feuerwerk beschlossen das Fest.20 Im Herbst 1949 konnte man sich bereits wieder über den Bierpreis echauffieren und sich auf dreizehnprozentiges Oktoberfestbier freuen.21 Die Notzeit ging ihrem Ende entgegen.
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Das Kulturangebot der Nachkriegsjahre Über den schnellen Neuanfang des kulturellen Lebens in München kann man dicke Bücher schreiben.22 An dieser Stelle soll jedoch nur ein Eindruck von der Stimmung vermittelt werden, in der die kulturinteressierten Münchner sowie die in München zufällig oder zwangsläufig ansässig Gewordenen auf diese Explosion der Kultur reagierten. Erich Kästner schreibt: »München ist ›der‹ Treffpunkt derer geworden, die bei Kriegsende nicht in Berlin, sondern in West- oder Süddeutschland steckten. Mitten auf der Straße fallen sie einander um den Hals. Schauspieler, Dichter, Maler, Regisseure, Journalisten, Sänger, Filmleute - tags und abends stehen sie im Hof der Kammerspiele, begrüßen die Neuankömmlinge, erfahren Todesnachrichten, erörtern die Zukunft Deutschlands und der Zunft, wollen nach Berlin, können's nicht, wägen ab, ob's richtiger sei, hier oder in Hamburg anzufangen ... Alle
Zeitungs- und Zeitschriftenstand am Hauptbahnhof, 1949 (H. Schürer)
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Welt scheint am Werke, einen Überfrühling der Künste vorzubereiten. Daß man wie die Zigeuner leben muß, hinter zerbrochenen Fenstern, ohne Buch und zweites Hemd, unterernährt, angesichts eines Winters ohne Kohle, niemanden stört das. Keiner merkt's. Das Leben ist gerettet. Mehr braucht's nicht, um neu zu beginnen ... Hans Habe kreuzt auf. Als amerikanischer Captain. Er soll, in den Restgebäuden des ›Völkischen Beobachters‹, im Auftrag der Militärregierung eine Millionenzeitung für die amerikanische Zone starten. Ob wir die Feuilletonredaktion übernehmen wollen? Einverstanden ... Wo kriegen wir Bücher her? Woher ein Archiv? Woher einen Musikkritiker? Woher ausländische Zeitschriften? Wir arbeiten Tag und Nacht. Es geht zu wie bei der Erschaffung der Welt ... In der Reitmorstraße wächst die ›Schaubude‹ Stein um Stein. Auf geht's!«23
Musik, Theater und Ausstellungen Die Münchner Kammerspiele, im wesentlichen unzerstört, spielten nach Kriegsende eine wichtige Rolle als Treffpunkt und kulturelles Inkubationszentrum; neben dem Prinzregententheater waren sie als einziges Schauspielhaus bespielbar. In Ausweichquartieren begannen jedoch bald wieder in allen Teilen der Stadt die Proben: Im Postsaal in Pasing quartierte sich das ausgebombte Volkstheater ein, das auch einen Teil der Woche den Festsaal des Bayerischen Hofs bespielte; im Brunnenhof der Residenz fand das Staatsschauspiel seine provisorische Heimat, im Prinzregententheater gastierte die Staatsoper, die Aula der Universität wurde zum beliebtesten Münchner Konzertsaal, den sich die Münchner Philharmoniker und die »Musikalische Akademie« - also das Staatsorchester - teilen mußten. Hier fanden unvergessene Aufführungen statt, so beispielsweise ein restlos ausverkaufter Beethoven- und ein Bruckner-Zyklus. Eine Zeitzeugin erinnert sich: »Nach all den schrecklichen, unmenschlichen Jahren im 3. Reich und den Kriegs Jahren ... habe ich mich vor allem nach guter Musik gesehnt. Es fand damals ein Beethoven-Zyklus (9 Konzerte) in der teilweise beschädigten Aula der Universität statt. Das war für mich der höchste musikalische Genuß meines Lebens, niemals mehr war ich so glücklich. Die Aula war zwar hundekalt, und wir saßen eingemummt in alten Mänteln da, aber mit leuchtenden Augen nahmen wir die herrliche Musik in uns auf. Heimzu ging es dann über die Trümmerstraßen der Stadt.«24 Nicht nur die Konzerte stießen auf begeisterte Zustimmung; Theater, Kabarett und Kino erfreuten sich ähnlicher Beliebtheit: 200
»Geld hatten wir als Schüler wenig, in Lokale mit Schwarzmarktpreisen konnten und wollten wir nicht gehen, und alle liebten wir Theater, Konzerte und Kino. Man mußte oft sehr lange um Karten anstehen, aber das machte uns gar nichts aus, Zeit hatten wir ja, und so gingen wir oft 3-4 mal in der Woche ins Theater, Konzert oder Kino. Wir waren glücklich schon über Stehplätze, die damals circa 2 RM kosteten.«25 »Alles war neu und aufregend. Wir waren ja jahrelang vom geistigen Leben der Welt abgeschlossen. Trotz Kälte, Hunger und dunkler Straßen bin ich, glaube ich, später nie wieder so viel in Theater und Konzerte gegangen. Besonders in Erinnerung ist mir geblieben: Das erste Konzert unter Knappertsbusch im Prinzregententheater im Sommer 1945; der Bruckner-Zyklus, wohl im Winter 1946/47 in der Aula der Universität. Man ging mit Skistiefeln, Skihose und warmer Decke dahin, denn der Saal war ungeheizt. Trotzdem habe ich nach meiner Erinnerung kein Konzert versäumt; Antigone von Anouilh im Brunnenhoftheater: Endlos haben wir darüber diskutiert.«26 »Das Kulturangebot fiel auf ausgedörrten Boden und wurde als hervorragend empfunden; war es auch teilweise tatsächlich. Ich erinnere mich an eine Kunstausstellung kurz nach Kriegsende in der Dietlindenstraße - Fenster zerbrochen, teils mit Pappe verklebt, ungeheizt (Winter!) - aber man ging enthusiasmiert von Bild zu Bild, stand beisammen, teils in Militärmänteln, teils in Wolldeckenumhängen, und redete sich heiß. Aufbruchstimmung, in ihrer Intensität nicht zu schildern, schwebte über der gesamten Kulturszene. Oder eine Aufführung von Beethovens 9. Symphonie in der ausgebombten Aula der Universität, der Saal brechend voll, die Gänge und Treppen auch. Alle im Mantel, oder: die Abende in der ›Schaubude‹ mit der mitreißenden Ursula Herking, die mit ihrem Chanson ›Wir haben ja den Kopf - noch auf dem Hals‹ haargenau in die Kerbe traf, Bum Krüger, Kästnertexte, die damals unter die Haut gingen ... es war einmalig und unwiederbringlich.«27 Kabarett Vor allem die ›Schaubude‹, deren Texte zu großen Teilen von Erich Kästner und Walter Kiaulehn stammten, erlangte größere Berühmtheit. Kästners erwähntes ›Marschlied 1945‹, das Ursula Herking vortrug, wurde zu einem Identifikationslied der Trümmerepoche:28 »Prospekt: Landstraße. Zerschossener Tank im Feld. Davor junge Frau in Männerhosen und altem Mantel, mit Rucksack und zerbeultem Koffer. 201
In den letzten dreißig Wochen zog ich sehr durch Wald und Feld. Und mein Hemd ist so durchbrochen, daß man's kaum für möglich hält. Ich trag Schuhe ohne Sohlen, und der Rucksack ist mein Schrank. Meine Möbel hab'n die Polen und mein Geld die Dresdner Bank. Ohne Heimat und Verwandte, und die Stiefel ohne Glanz ja, das war' nun der bekannte Untergang des Abendlands! Ich trage Schuhe ohne Sohlen. Durch die Hose pfeift der Wind. Doch mich soll der Teufel holen, wenn ich nicht nach Hause find'. In den Fenstern, die im Finstern lagen, zwinkert wieder Licht. Freilich nicht in allen Häusern. Nein in allen wirklich nicht... Tausend Jahre sind vergangen samt der Schnurrbart-Majestät. Und nun heißt's: Von vorn anfangen! Vorwärts marsch! Sonst wird's zu spät! Links, zwei, drei, vier, links, zwei, dreiVorwärts marsch, von der Memel bis zur Pfalz! spuckt in die Hand und nimmt den Koffer hoch Links, zwei, drei, vier, links, zwei, drei Denn wir hab'n ja den Kopf, denn wir hab'n ja den Kopf noch fest auf dem Hals!« Weder die ›Schaubude‹, noch ›Die Hinterbliebenen‹, ›Der bunte Wür-fel‹, der ›Simpl‹, die ›Kabarettiche‹ und die vielen anderen Kabaretts, die in den Jahren nach 1945 in München entstanden,29 machten ausschließlich politisch-literarisches Kabarett. In den Texten nahm vielmehr die Alltags-Satire großen Raum ein, egal ob es sich um Zuteilungsfragen handelte, wie sie das ›Lied von der Schraube‹ in der ›Schaubude‹ glossierte,30 um die Überfrachtung mit amerikanischer Musik und »american way of life«, wie in dem Chanson von der ›Stimme Amerikas‹ oder 202
›Totentanz‹ in einer Aufführung des Kabaretts »Die Schaubude« im Haus der Kammerspiele in der Maximilianstraße, 1945 (H. Schürer)
um »typische« Kabarettexte von Trude Hesterberg, Ciaire Waldorf und anderen, wie sie im ›Bunten Würfel‹ erklangen.31 Auch hier entstanden jedoch bald wieder alte Ressentiments; so spitzte sich der Konflikt zwischen dem »Berliner« Kabarett eines Erich Kästner oder Werner Finck und dem eher »bodenständigen« Kabarett, wie es der ›Bunte Würfel‹, aber auch der ›Simpl‹ oder das ›Platzl‹ vertraten, so zu, daß man Werner Finck sogar den im Künstlerhaus geplanten Kabarettraum mit der Begründung verweigerte, »daß dieser als ausgesprochener Repräsentant bester Berliner Kleinkunst wahrscheinlich auf die Dauer in München nicht Boden finden könnte, und daß vor allem die süddeutschen und Münchner Kabaretti-
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NÖRDLICHES KABARETT
"Weeste Otto, nur durch uns, kann den doofen Bayern etwas Lebensstil beigebracht werden!" Der Simpl Nr. 3, 1947, S. 33
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sten nicht verstehen würden, wenn Werner Finck das Kabarett im Künstlerhaus bekäme ... Die Herren ... werden mit Gondrell und Erich Klotz Verbindung aufnehmen mit dem Zweck, beide für das Künstlerhaus-Kabarett zu gewinnen, wobei... Gondrell, der erfahrene Kabarettleiter, sich mit dem Dichter Erich Klotz zu einer ausgezeichneten Gemeinschaftsleistung zusammenschließen könnte, die mentalitätsmäßig ganz auf dem Boden Münchens stehen würde.«32 Die »nördlichen« Kabarettisten wiederum verärgerten die Münchner und Süddeutschen durch ihre oft deutlich zur Schau getragene Auffassung vom »Entwicklungsland Bayern«, dessen Humor sich ohnehin in »Schnaderhüpferl« und Lederhosengemütlichkeit erschöpfe. Dieser alte Nord-Süd-Konflikt brach in der mobilen Gesellschaft der Nachkriegsjahre also wieder deutlich auf; daher bildeten sich im Kulturleben auch verschiedene Zentren, um die sich die jeweils Gleichgesinnten sammelten und die untereinander wenig Kontakt hatten.33 Film
Theaterereignisse wie Thornton Wilders ›Unsere kleine Stadt‹, Carl Zuckmayers ›Des Teufels General‹ oder Jean Giraudoux ›Der trojanische Krieg findet nicht statt‹ in den Kammerspielen begeisterten alle Kulturinteressierten, Opernaufführungen wie ›Fidelio‹ im Prinzregententheater faszinierten Besucher aller Bevölkerungsschichten, und das Bürgertheater oder das Münchner Volkstheater pflegten auch die volkstümliche Seite des Spielplanes. Einen ungleich größeren Zulauf erlebten jedoch die Filmveranstaltungen: Laut einer Umfrage der Süddeutschen Zeitung‹ von 1947 besuchten über 80 Prozent der Befragten Filme; die Frauen lagen dabei mit 90 Prozent noch vor den Männern. 40 Prozent der befragten Männer und 25 Prozent der Frauen fanden die gezeigten Filme, vor allem die amerikanischen, »schlecht«.34 Dennoch überschritt die Besucherzahl der Münchner Lichtspieltheater im März 1947 die Millionengrenze; aus der Kinosteuer nahm die Stadt München im Monat etwa 400000 Reichsmark ein, im Jahr also fünf Millionen.35 Bereits im November 1945 konnte man eine stolze Bilanz vorweisen: »München hat wieder 14 Lichtspieltheater mit einem Fassungsraum von ungefähr 5000 Sitzplätzen. Sie bieten täglich 1500 Menschen Unterhaltung und Entspannung ... Die Beginnzeiten in den Kinos sind im allgemeinen 14.15, 16.30 und 18.45 Uhr. Manche Theater spielen schon ab 14 Uhr, das Luitpold-Theater ladet sogar schon um 12 Uhr 205
mittags zur ersten Vorstellung ... Wie wir erfahren, stehen den Münchner Lichtspieltheatern derzeit 25 freigegebene amerikanische Spielfilme, mehrere Kurzfilme und die deutsche Wochenschau ›Welt im Film‹ zur Verfügung. Filme deutscher Herkunft sind vorläufig für die amerikanische Zone noch nicht freigegeben.«36 Welche Titel trugen nun diese 1945 gezeigten Filme? Die Gasteig-Lichtspiele zeigten ›Urlaub vom Himmel‹, die Leopold- und die MarienLichtspiele präsentierten ›Die ewige Eva‹, das Münchner-Film-Theater gab das Lustspiel ›Tom, Dick und Harry. Drei Männer und eine schöne Frau‹. Den »Renner« der gezeigten Filme brachte jedoch das LuitpoldTheater unter seiner engagierten Leiterin Lonny van Laak: Charlie Chaplins › Goldrausch^37 Auch ein halbes Jahr später hatte sich das Bild nicht wesentlich geändert; das Programm zeigt Titel wie ›Nacht im Hafen‹, ›Abenteuer in Panama‹, ›Die Spur des Falken‹, ›... und das Leben geht weiten; außerdem finden sich einige Filmbiographien, so ›Dr. Paul Ehrlich‹, ›Der junge Edison‹ sowie ›Abe Lincoln‹. Mit dem ›Meineidbauer‹ brachte man auch einen »volkstümlichen« Beitrag.38 Noch Ende 1947 schrieb man zu jedem Film hinzu, wenn er in deutscher Sprache vorgeführt wurde;39 Filme wie ›Rendezvous nach Ladenschluß‹, ›In flagranti, ›Ich hab von dir geträumt‹, ›Anuschka‹ oder ›Schlüssel zum Himmelreich‹ versprachen gute Unterhaltung ohne große Denkarbeit. Mit ›Anna und der König von Siam‹ hatte sich das Luitpold wiederum einen der attraktivsten Filme - mit Yul Brynner! - gesichert. Es war mit fast 1200 Sitzplätzen Münchens größtes Lichtspielhaus.40 Es wußte sich auch als Premierenkino gut zu profilieren. So berichtet der Filmkritiker Gunter Groll: »Dann betraten wir das Kino. Das Luitpold hatte allen Glanz und Charme entfaltet, dessen dieses gastliche Unternehmen fähig ist. Blumen, Musik, ein strahlendes Rahmenprogramm, Steps und Songs und eine Menge Solisten und Bert Grund und viel Vergnügen. Fehlte nur noch der Film.«41 Ende 1947 ging der Kinobesuch dann von über einer Million Besuchern im März auf 810000 im September zurück; man machte dafür die Witterung, die Stromsperren, die Verschlechterung der Verkehrsverhältnisse sowie die Programmgestaltung verantwortlich.42 Das Argument »zu teuer«, das bei verhinderten Theater- und Konzertbesuchen im Vordergrund stand, spielte hier interessanterweise keine Rolle. Die Programmvorschau der ersten Juliwoche des Jahres 1949 zeigt dann bereits wieder einen Höhepunkt der Kinokultur an: 45 Filmtheater inse206
rieren hier ihre Programme, darunter Dauerbrenner wie ›Das indische Grabmal‹, ›Orientexpress‹ oder ›Ninotschka‹.43 Auch deutsche Filme mit Theo Lingen, Leo Slezak, Margot Hielscher, Willi Forst, Grete Weiser, Paul Dahlke, Johannes Heesters und Rudolf Platte gab es wieder reichlich. Der deutsche Film der fünfziger Jahre kündigte sich bereits deutlich an.
Kleine Freuden: Sonnenbaden, Ausflüge und Sport »Die stehengebliebene Hälfte eines zerschnittenen Hauses, die jetzt wie eine Bühnendekoration anmutet, ist von liebevollen Händen in eine hübsche ›Frühstücksveranda‹ verwandelt worden, luftig und voller Licht, auf platten Notdächern haben unermüdliche Rauchfreunde Tabakpflanzungen eingerichtet, wobei die Erde mühselig in Kübeln hinaufbefördert werden mußte. Zwischen Ruinen gedeihen sorgsam gehütete Blumenbeete und röten sich Tomaten, und auf den geköpften Häusern blühen nicht nur Bohnen und Pfirsiche, sondern auch junge Mädchen, die ihre Mittagspause dazu benützen, auf einem improvisierten ›Dachgarten‹ zwischen leeren Fensterhöhlen und Speichertrümmern mit der Sonne zu liebäugeln, die mit ihrem Licht die häßliche Zeitkulisse vergoldet und alle Wunden kleiner erscheinen läßt.«44 Bereits 1946 bemühten sich die in den Trümmern Lebenden also wieder darum, ihre Ruinenumwelt zu verschönen. Von außen gesehen mußte dies wohl fast gespenstisch anmuten: der Gartenzwerg zwischen den Trümmern eines deutschen Staates. Für die Überlebenden bedeutete es jedoch neben Zusatznahrung oder Zusatztabak auch oft den einzigen Zugang zu etwas Natur und Schönheit in einer ansonsten häßlichen und erschreckenden Umwelt. Deshalb ist zu verstehen, daß ein Jahr später wieder ein Reporter auf der Fährte des Münchner Frühlings die Blumen im Hof garten, die Wiesen und Sträucher des Englischen Gartens, die Leberblumen des Nymphenburger Parks und den Frühlingsschmuck der Kleingärten kommentiert.45 Dem Lebensgefühl dieser kleinen und unschuldigen Vergnügungen gibt eine Zeitzeugin so Ausdruck: »Wir entdeckten voll Entzücken den nahen Leopoldpark, in den man nie reingedurft hatte, voll Frühlingsblumen, lagen in der Sonne und 207
brauchten keine Angst mehr vor Fliegeralarm zu haben. Ich saß auf einer Bank auf der Leopoldstraße, neben mir ein junger Mann, mager, in Zivilkleidern (denen man den Koffer noch ansah), amerikanische Trappen martialisch ›im Dienst‹ vorbeiziehend, und wir hatten beide das Gefühl, das geht uns nun nichts mehr an, lange genug mußten wir auch so ›funktionieren‹. Daß das Staatsgefüge zerbrochen war, änderte zu meinem Erstaunen auch das persönliche Lebensgefühl, und zwar unabhängig davon, daß die Nazis weg waren.«46 Ähnlich bescheiden und genügsam machte man Pläne für die Pfingsttage im Mai 1947; die ›Süddeutsche Zeitung‹ berichtet: »›Meine Pläne für die Feiertage?‹ Eine zwanzigjährige Ostpreußin antwortet: ›Schlafen, Spazierengehen, tanzen und ein klein wenig Ausschau halten nach einem jungen Mann.‹ - ›Wenn i d'Radln fertig bring bis dahin, dann fahr i mit meiner Frau und meim Buam a bissl naus. Aber dös is ja a Jammer, i hab jedn Schlauch scho drei oder viermal unterlegt‹, sagt ein Arbeiter ... Die 42jährige Sekretärin aus dem Vorzimmer eines Ministeriums, kunstbegeistert und ledig, freut sich auf die ›Walküre‹, zu der sie endlich eine Karte bekommen habe. ›Bei günstigem Wetter wird auf dem Starnberger See gesegelt‹, erklärt ein Medizinstudent. ›Mir ham a Fußballspui‹, berichtet ein Lehrbub. ›Wir werden eine Schnitzeljagd abhalten‹, sagt die junge Baronin aus Schleißheim ... Ein 23jähriges Dienstmädchen mißdeutet unsere Frage und gesteht uns zunächst: ›I hab scho oan.‹ Dann aber erzählt sie: ›In der Früh geh i in d'Kirch und am Nachmittag mit ›eahm‹ in den Englischen Garten, zum Aumeister‹. - ›Noch heut fahr ich in die Berg und der ganze Kram kann mir zwei Tage lang gestohlen bleiben‹, ist der Vorsatz eines Reichsbahninspektors. ›I fahr nach Niederbayern und schaug, daß i a bissl was hoambring‹, nimmt sich ein Zeitungsverkäufer vor. - ›Mei, was wui ma heit macha, wo ma nix z'essen hat und nirgends mehr eikehrn ko? Mir gengan halt in Tierpark oder in Botanischen Garten oder a bisserl ins Isartal‹. Das ist der Plan eines Eisenbahners und seiner Frau.«47 Unter diesen Umständen versteht man auch, daß die Freude groß war, als man auf dem Kleinhesseloher See mit zwanzig in Nürnberg erstandenen Booten wieder »schifferlfahren« konnte; auch Ruhebänke wurden 1947 wieder aufgestellt, da man an einem Sonntag des Jahres 1946 im Englischen Garten 80000 Besucher gezählt hatte, was eine solche Ausgabe wohl zu rechtfertigen schien.48 Aber nicht nur im Sommer bot die Stadt Erholungsmöglichkeiten. Auch der Wintersport kam nicht zu kurz: 208
»Inmitten der bedrängenden Nöte des Großstadtwinters sind die kleinen Freuden, die Kälte und Schnee der Jugend bieten, geblieben. Sind auch die Schlitten, Schlittschuhe und Skier jetzt häufig nur ›behelfsmäßig‹, die Schuhe zerrissen, die Kleider dünn und der Magen immer hungrig, die Lust am Spiel und Sport ist bei den Münchner Buben und Mädeln erfreulicherweise trotzdem nicht geringer geworden ... Im Englischen Garten klingt Musik, zu der junge und alte Pärchen im Walzertakt über die glitzernde Fläche des Kleinhesseloher Sees schweben. Am Hinterbrühler See trainieren Anfänger und ›Kanonen‹ in der matten Wintersonne. Auch die beiden Kessel am Nymphenburger Kanal sind heuer wieder dem öffentlichen Eislauf zugänglich gemacht. Märchenhaft liegt die weiße Fläche des Pagodensees im Nymphenburger Park. Auch die Tennisplätze in Großhesselohe und am Luitpoldpark wurden zum Eislaufparadies für jung und alt. Der vielversprechende Münchner Skimeisternachwuchs versammelt sich inmitten des Gewimmels kleiner Rodler in den Gasteiganlagen und beurteilt fachmännisch eine neue Kandahar-Bindung. Auf dem BaronBergl wird ein scharfer Slalomlauf ausgetragen ... Die KatzenbucklAbfahrt an der Theresienwiese zählt schon zu den klassischen Hängen .. ,«49 Die Theresienhöhe war außerdem Austragungsort des Straßenrennens »Rund um die Bavaria«, bei dem sich ein schwerer Unfall ereignete: Ein Fahrer verlor auf der Höhe des Pschorrbräu-Kellers die Herrschaft über seinen Wagen und fuhr mit großer Geschwindigkeit in die dicht gedrängt stehende Zuschauermenge. Bei diesem Unglück starben sieben Personen, 28 wurden zum Teil schwer verletzt; der Fahrer kam mit Prellungen und Hautabschürfungen davon. Nach diesem Unglück verbot man weitere Straßenrennen.50 Motorradrennen im Dantestadion, Radrennen auf Straßenstrecken oder in der »Amorbahn«, Fußballspiele und andere sportliche Veranstaltungen gingen glimpflicher aus.51 Ein großes Ereignis des Jahres 1949 fand dann wiederum zu Füßen der Bavaria statt: Die Seifenkistl-Rennen. Mit Berichten von den Vorbereitungen und den Rennen selbst soll dieser Streifzug durch die Vergnügungen der Nachkriegs jähre beschlossen werden.52 »630 Münchner Buben haben sich für den »Großen Preis von Deutschland‹ gemeldet. Wochenlang haben sie an ihren Seifenkistln gebastelt und die Rennvorschriften auswendig gelernt. In den letzten Tagen zogen 400 Jungen, aus allen Stadtteilen kommend, hinaus auf d'Wies'n zur Inspektion der Wagerl. Rund 300 wurden nach eingehender Prüfung zugelassen ... In langer Reihe warten die Buben mit ihren bunten Eigenbau-Konstruktionen: Knallrote Holzkarrosserien, scheckige Kistenbrettl, weißbemalte Sperrholzplatten, von denen 209
Auch 1950 fand wieder ein Seifenkistlrennen statt, das diesmal von drei bekannten deutschen Rennfahrern (E. Kluge, R. Carraciola, M. von Brauchitsch) eröffnet wurde (Bilderdienst Süddeutscher Verlag, München)
noch die Farbe abgeht, Pappdeckel-Konstruktionen auf Kinderwaglradln und glitzernde Stromlinienwagerl aus Blech mit Sitzpolsterung und ›Motorkühlung‹... Wie bei einer Modenschau werden die Auterl auf einem Laufsteg vorgeführt. Ein kleiner Unterschied: diese ›Mannequins‹ werden erst gewogen, denn das vorgeschriebene Höchstgewicht darf nicht überschritten werden. ›Warum kommst denn scho wieda mit a abbrochenen Brems?‹, meint einer der Prüfenden. ›Weil mei Vatta krank is‹, antwortet treuherzig der Kleine ... ›Da Schorsch mit seim Carepaket-Kistl wead sicha zuaglassn.‹ - ›Für mi macht da Kare an Erscht'n, weil a guat g'schmiat hat‹ ... Das sind die Gespräche der kleinen Rennfahrer ... Sergeant Rohr, der Initiator des Seifenkistlrennens, hat alle Hände voll zu tun. Er ruft uns nur mit einem rollenden R zu: ›Der Kartenvorverkauf hat bereits begonnen!« ... Die ersten Gigs rollen über die Bahn. Die Buben haben rote Trikots an und drohende Sturzhelme auf. Ein Vehikel, das auf den Namen ›Bazi‹ hört und aussieht wie eine fahrbare Blasenwurst, kommt als erstes durchs Ziel. Stolz steigt der Besitzer aus, gibt seinem Gefährt einen liebevollen Fußtritt, was es keineswegs zweckdienlicher macht und klebt sich einen Kaugummi hinter die Ohren ... Auf dem Abstellplatz der Lumpenfahrzeuge, einer Kategorie Kistlwagl, die teilweise deshalb nicht als vollwertig gelten, weil sie von den Buben nicht allein 210
gebaut wurden, sind sich die Erzeuger zweier Teilnehmer in die Haare geraten. ›Mit dem Schesal mecht Eahna Bua gwinna, des schaugt ja aus wia a umgarbata Bierfihra-Handschuah.‹ - ›Sie ham's nötig, von wos ham's denn da traamt, wia's Eahnan Gribbi des Varekerl baut ham, da brauchst ja a Schuahleffe zum Neischliaffa‹ ... Feld auf Feld wird gestartet, pausenlos rollen die Radi, sofern sie sich nicht lieber auf der Bahn selbständig machen ... ›Brr‹ macht ein anderer, dreht verzweifelt das nicht vorhandene Gas auf und schaltet mit hochrotem Kopf an einem unsichtbaren Hebel, bevor er als Letzter den breiten weißen Zielstrich passiert. ›Stinkt da da?‹ schreit ihm ein glücklicherer Rivale zu. Doch der Geschlagene erwidert mit verächtlichem Blick: ›Was mechst denn du Tschiweie-Bobberl, mit dem amerikanischen Material ko ma leicht gwinna.‹« Marita Krams
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Das Herbstfest 1946 im Trümmermünchen: Kein Oktoberfest, aber eine richtige Wies'n
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◄ Das erste Frühlingsfest in München nach dem Krieg, 1946 (H. Schürer)
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Für den heutigen Wies'n-Besucher ist es selbstverständlich, daß er sich auf einem geteerten Straßensystem zwischen den Fassaden und Zelten bewegt. Jeder Festwirt rechnet mit funktionierendem Wasseranschluß, der Schausteller mit Stromversorgung und Telefon im Wohnwagen. Für diese Voraussetzungen zu sorgen, ist Aufgabe der Stadt. Zuständig für die Organisation der Festwiese war und ist das Referat 10 der Stadt München, das Referat für Wirtschaft und Verkehr. Bei diesem Sachreferat bewerben sich Schausteller und fliegende Händler um einen Standplatz für ihre Geschäfte. Vom Referat 10 erhalten auch die Festwirte ihre Verträge, ebenso einige seßhafte Händler, heute beispielsweise die Brotverkäufer(innen) vor den Bierzelten oder Münchner Spirituosenhersteller.1 Das letzte Oktoberfest vor dem Zweiten Weltkrieg hatte 1938 stattgefunden. Bereits 1945 stellte der »Bayerische Landesfachverein e.V. Ambulanter Gewerbetreibender« wieder einen Antrag, auf der Theresienwiese ein Fest veranstalten zu dürfen; die amerikanische Militärregierung lehnte diesen Antrag ab.2 Die erste Verdienstmöglichkeit nach dem Krieg erhielten die Schausteller erst 1946 durch zwei Frühlingsfeste, die in Ramersdorf und auf der Theresienwiese abgehalten wurden. Im gleichen Jahr stellte der Schaustellerverein auch einen Antrag für eine Herbstveranstaltung. Diesem Gesuch wurde stattgegeben und mit der Durchführung der städtischen Organisationsaufgaben der berufsmäßige Stadtrat Karl Erhart vom Sachreferat 10 beauftragt. Welche Hindernisse zu überwinden waren, bis am 14. September 1946 Vertreter der Stadt und der Militärregierung den Festplatz feierlich eröffnen konnten, ist aus dem Schriftwechsel des Sachreferats und aus Sitzungsprotokollen des Stadtrats zu ersehen.3
Ein Oktoberfest im Trümmermünchen? - moralisch-politische Bedenken Am 26. April 1946 wandte sich der Schaustellerverein mit einem Anliegen an Stadtrat Erhart: »Im Zeichen des Wiederaufbaues der Landeshauptstadt München, einst weltberühmt durch ihre von tiefer menschlicher Symbolik durchzogenen, traditionellen Veranstaltungen künstlerischer und volksfestlicher Natur, möchte das Gewerbe nach Schaustellerart das Seine dazu beitragen, der sprichwörtlichen Münchner Gemütlichkeit wieder zu 214
neuem Leben zu verhelfen. Wir denken dabei an die Abhaltung eines Herbstfestes - Oktoberfestes vom 14. 9.-6.10. 1946.«4 Stadtrat Erhart nahm zu diesem Antrag in einer Sitzung des Hauptausschusses Mitte Mai 1946 Stellung: »Daß in Anbetracht der heutigen Notlage das Oktoberfest nicht in seinem alten Glanz erstehen kann, ist selbstverständlich ... Immerhin wird der Jugend, die entbehrungsreiche Jahre hinter und noch vor sich hat, etwas Ablenkung vom Alltag und Freude geboten werden können. Wenn es gelingen sollte, ein Bierzelt aufzustellen, in dem das nötige Bier zum Ausschank zur Verfügung steht, dann sieht die Veranstaltung nach Oktoberfest aus, und sie wird von der Bevölkerung als ein Anfang gewertet und begrüßt werden ... Ich lasse mich bei meinem Vorschlag in keiner Weise ausschließlich vom Standpunkt der Tradition und den Vergnügungsansprüchen der Bevölkerung, insbesondere der Jugend, die von der Münchner Gemütlichkeit noch nicht viel bemerkt hat, leiten, sondern ich sehe in der Veranstaltung des Oktoberfestes einen belebenden finanziellen Faktor, der, wenn auch mit Schwierigkeiten, so doch mit der Sicherheit des Erfolges in Schwung gesetzt werden kann.«5 Diese wirtschaftlich und sozial-psychologisch positiven Aspekte einer Herbstveranstaltung stellte Stadtrat Dr. Proebst in seiner Erwiderung genau gegensätzlich dar: »Man kann darüber streiten, ob Bier unbedingt notwendig ist, aber die Mehrzahl derer, die ich sprechen konnte, erklärte, ohne Bier gehe es nicht ... Weiter haben die Brauereien keine Bierzelte, ... auch weder Tische, noch Stühle, noch Maßkrüge, es fehlt an allem, womit man jetzt ein größeres Volksfest wieder aufziehen könnte ... Wie sollen allein schon die sanitären Anlagen erstellt werden! ... da werden ihnen die Kübel voll weggestohlen bei der Not an Kübeln jeder Art, die für die Hausfrauen besteht ... Dazu kommen die Ernährungsschwierigkeiten ... Dazu kommt die Wirkung auf das Ausland, insbesondere auf Amerika ... Wir würden den gut gesinnten Kreisen in Amerika die Arbeit in unserem Sinn außerordentlich erschweren, wenn drüben Funkbilder und Berichte über das traditionelle Oktoberfest erscheinen ... Es würde allgemein heißen, die Deutschen sind wieder in der Lage, Feste zu feiern wie früher, und das würde die Bereitwilligkeit zur Lebensmittellieferung nach Deutschland nach meiner Auffassung außerordentlich gefährden und per saldo für Deutschland, aber insbesondere für München und Bayern die größten Gefahren heraufbeschwören.«6 215
Trotz dieser im Namen der CSU-Fraktion vorgebrachten Einwände wurde Stadtrat Erharts Antrag noch am selben Tag angenommen. Vorbehaltlich der Zustimmung der Militärregierung beschloß man, vom 14. September bis zum 6. Oktober auf der Theresienwiese ein Fest durchzuführen.7 Der um knapp eine Woche vorverlegte und verlängerte Termin ergab sich »aus der Notwendigkeit, den von auswärts kommenden Geschäften in Anbetracht der erheblichen Transportschwierigkeiten und insbesondere der damit verbundenen, die Friedenspreise bedeutend übersteigenden Kosten, einen Ausgleich zu schaffen«.8 Man ermächtigte Stadtrat Erhart, einen Oktoberfestausschuß zu bilden9 und betraute das Sachreferat 10 damit, alle notwendigen Verträge abzuschließen, vor allem den Vertrag mit dem Schaustellerverein. Zunächst bereitete die Namensgebung für die geplante Veranstaltung den Stadträten jedoch noch einiges Kopfzerbrechen: Oberbürgermeister Karl Scharnagl sprach sich für die Beibehaltung der Bezeichnung Oktoberfest aus,10 Bürgermeister Thomas Wimmer plädierte jedoch dagegen;11 Stadtrat Erhart erinnerte schließlich daran, daß auch 1919, nach dem Ersten Weltkrieg, in bescheidenerem Rahmen unter dem Namen Herbstfest gefeiert worden war.12 Damit besaß dieser Name seine eigene, nachdenklich stimmende Tradition. Die Schäden, die der Zweite Weltkrieg verursacht hatte, wirkten sich allerdings so nachhaltig aus, daß nicht nur eine Nachkriegsveranstaltung diesen Namen trug. Das erste »richtige« Oktoberfest konnte erst 1949 wieder veranstaltet werden.
Lizenziertes Fest, politisch »unbedenkliche« Veranstalter - organisatorische Besonderheiten der Trümmerfeste Am Tag des Stadtratsbeschlusses, dem 16. 5. 1946, erteilte auch die Militärregierung eine entsprechende Erlaubnis: Die »Public Safety Section« genehmigte der Landeshauptstadt München, ein Fest zum Zweck der »Volksbelustigung (traditionelle Herbstveranstaltung)« zu organisieren. Stadtrat Erhart verpflichtete sich, dafür zu sorgen, »daß die Veranstaltung für keine politische Tätigkeit irgendwelcher Art mißbraucht wird« und daß keine politisch belasteten Personen beteiligt würden.13 Auch der Schaustellerverein schloß sich dem in einem Vertrag mit dem Referat 10 an.14 Bei sämtlichen Verhandlungen und Abschlüssen vertrat Josef Fuchs als 1. Vorsitzender des Bayerischen Landesfachvereins die Anliegen der 216
Amerikanische und deutsche Prominenz beim Herbstfest 1946
Schausteller.15 So intervenierte er beispielsweise gegen die Bestimmung, ehemals parteizugehörigen Schaustellern auf der Theresienwiese keinen Standplatz einzuräumen: Der Verein fragte beim Referat 10 an, ob nicht wenigstens »jüngere Parteigenossen« zugelassen werden könnten. Eine entsprechende Auskunft holte sich Stadtrat Erhart bei der Stadt Augsburg ein, die zu diesem Zeitpunkt bereits ein Fest, den traditionellen »Plärrer«, veranstaltet hatte. Der Augsburger Oberbürgermeister antwortete, man habe von den Schaustellern bei der Anmeldung eine Erklärung über Parteizugehörigkeit verlangt.16 Traditionelle Feste wurden also auch in anderen bayerischen Städten in den Trümmer jähren wiederbelebt: Die Stadt Erlangen, die 1947 wieder die Erlanger Bergkirchweih feiern wollte, hatte ebenfalls Probleme mit der politischen Vergangenheit der Schausteller.17 Von diesen langwierigen Vorgängen erfuhr die Münchner Bevölkerung nur wenig. Daß allerdings die etablierte Ochsenbraterei 1946 noch nicht auf das Herbstfest ziehen konnte, da sie erst entnazifiziert werden mußte, darüber berichtete die Münchner Presse.18 Die Auflagen, die die Militärregierung den Veranstaltern machte, wirkten sich beim Aufbau des Festplatzes und während des Festes selbst nur wenig aus. Einzig acht gut sichtbar angebrachte Schilder auf der Theresienwiese verkündeten, daß es sich um ein »Genehmigtes Herbstfest 1946 - Granted autumnfestivity« handelte.19 In Friedens Jahren bewerben sich Schausteller und Gewerbetreibende
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Begeisterte Besucher des Frühlingsfestes 1946 (H. Schürer)
direkt bei den zuständigen Referaten der Gemeinden um einen Standplatz. Die Schausteller verfügen über ein berufseigenes Informationsorgan, ›Der Komet, Fachblatt für Reisegewerbe und Markthandel, in dem Gemeinden oder Vereine die geplanten Veranstaltungen anzeigen. Auf diese Anzeigen hin können sich Schausteller frühzeitig um einen Standplatz an den Veranstalter wenden. Im Jahre 1946 erschien im ›Komet‹ nur eine kleine Notiz, und zwar erst am 30. September. Es heißt dort, das Oktoberfest »wird in diesem Jahr laut Beschluß des Münchner Stadtrates durch ein Herbstfest ersetzt, das im kleinen Rahmen ... stattfindet.«20 Da das Sachreferat 10 mit der Aufgabe, die Platzverhältnisse auf der Theresienwiese wieder herzustellen, ohnehin fast überfordert war, wurden die Vorverhandlungen zur Platzvergabe für die Herbstfeste nicht vom Referat, sondern vom Landesfachverein der Schausteller geführt, der sich unter Absprache mit der Stadt um Zulassung oder Ablehnung, Vertragsabschlüsse, Einhebung der von der Stadt festgesetzten Platzgelder, Bewachung und Reinhaltung des Festplatzes kümmerte. Außerdem verpflichtete sich der Verein, die Prüfung der Bauten auf dem Festplatz durch den Technischen Überwachungsverein selbst zu veranlassen.21 Nachdem »normalerweise« die meisten dieser Aufgaben von der Stadt wahrgenommen wurden, wandten sich manche Gewerbetreibende direkt an das Referat 10. Vielleicht wollten einige Antragsteller ihrem Gesuch dadurch auch besonderen Nachdruck verleihen. So bewarb sich Mitte September eine Familie für einen Platz zum Postkar-
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tenverkauf beim »Wehrten Herrn Oberinspektor«. Die Begründungen ihres Anliegens waren vielfältig: der Vater, Versehrtenstufe IV, ist doppelt unterschenkelamputiert, zwei Kinder sind zu versorgen, in Aussicht stehende Möbel können nicht bezahlt werden, die Familie hat ohnehin kein Dach über dem Kopf, da sie »total fliegergeschädigt« ist. Auf diesen Brief erfolgte eine nicht minder erschütternde Absage, unterzeichnet von Stadtrat Erhart: »Es geht nicht an, daß einzelne Hilfsbedürftige die Wohltätigkeit der Bevölkerung für sich allein in Anspruch nehmen, während ungezählte Opfer dieses Krieges mit den Mitteln zurecht kommen müssen, die ihnen der Staat und private Hilfsorganisationen zubilligt.« Und außerdem: »So bedauernswert Ihre Lage auch ist, so liegt hier doch nur ein Fall von vielen vor.«22 Stadt und Verein bemühten sich, überwiegend große Schaustellergeschäfte, die entsprechend mehr Umsatz machen, von auswärts anzuwerben. Das Herbstfest sollte jedoch auch den Münchner, und unter ihnen den weniger gut verdienenden Schaustellern zugute kommen. Entsprechend zeitraubende Verhandlungen mußte der Verein führen; die Stadt hatte »nur« noch den Festplatz »bezugsfertig« bereitzustellen.
Stunde Null eines Festes - Kriegsschäden »Bezugsfertig« bedeutet, daß die Schausteller anreisen und ihre Geschäfte aufschlagen können. Von diesem Zustand war die Wiese bei Kriegsende weit entfernt. Wie Münchner Markt- und Festplätze bereits während des Krieges, schon vor Bombenangriffen aussahen, davon gibt die Aufnahme des Dultplatzes vom Sommer 1940 ein einprägsames Bild.23 Aber nicht nur Grasnarbe und Pflasterung oder Asphalt der Plätze waren nach dem Krieg zerstört, teils hatte man die Freiflächen der Stadt zu Kriegszwecken bebaut, und die Bestände des Oktoberfestbauhofs waren nach und nach dem Krieg zum Opfer gefallen. Bereits 1939 wurde Kabelmaterial aus dem Oktoberfestbauhof zweckentfremdet und zur Stromversorgung der »Zugbefehlstelle und Werferstellung Theresienwiese«, also der Flak, verwendet. Den stadteigenen Bau der Fischer-Vroni funktionierte man in eine Feldschmiede um, und die heizbaren Baracken für Feuerwehr, Sanitäter und Bauleitung des Oktoberfestes requirierte das Heer.24 219
Der Restbestand des Oktoberfestbauhofs, etwa Absperrungsgitter, Beleuchtungskörper, Bauholz und ähnliches war »bei verschiedenen Fliegerangriffen der Vernichtung anheimgefallen«.25 Auf der Theresienwiese hatte man überdies einen Bunker errichtet;26 die ursprünglich ebene Wiese war von Bombenkratern aufgewühlt, jegliche Versorgungsleitungen für Strom, Gas und Wasser unterbrochen, die sanitären Anlagen weitgehend unbrauchbar. Vom bezugsfertigen Zustand war man daher auch im Herbst 1946 noch weit entfernt. Bevor mit den Aufräumungsarbeiten und dem aktiven Wiederaufbau begonnen werden konnte, mußte erst noch geklärt werden, ob nicht der Südteil des traditionsreichen Münchner Festplatzes in eine Kleingartensiedlung umgewandelt werden sollte.27 Außerdem war die Theresienwiese zwar als Schafweide verpachtet, in den dort frei herumlaufenden Pferden sah man jedoch »eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, die sich bei dem für das Herbstfest zu erwartenden Massenbesuch der Theresienwiese in bedenklicher Weise auswirken kann. Es genügt, wenn sich ein Pferd unter die Besucher mischt und eine Panik auslöst«.28 Der Bunker auf der Wiese wurde überdies »widerrechtlich als Pferdestall« benützt.29 Den Ersatz des verlorengegangenen Materials und der requirierten Bauten mußte die Stadt selbst finanzieren. Bei Diebstählen neu zusammengesuchten Materials sah man gleich die Abhaltung des Festes »in Frage gestellt«.30 Bereits am 18. Oktober 1945 hatte die Militärregierung der Stadt erlaubt, »Grundflächen mit ehemaligen deutschen Flak-Steüungen oder Bomben-Kratern« zu planieren und sie nutzbar zu machen. Das Liegenschaftsamt leitete dem Referat 10 erst am 21. August 1946 die entsprechenden Unterlagen zu, das dann die Planierungsarbeiten an ein Münchner Baugeschäft vergeben konnte.31 Im Juli 1946 stellte das Referat 10 eine Liste der Instandsetzungskosten zusammen; dabei wurde deutlich, daß allein die Installation und Reparatur der sanitären Anlagen über die Hälfte des veranschlagten Haushalts verschlingen würde.32 Auch der Zustrom und Abtransport von Besuchern durch die Straßenbahn mußte geregelt werden. Zugunsten eines reibungslosen Ablaufs erklärten sich die Stadtwerke-Verkehrsbetriebe bereit, die Haltestelle Bavariaring (am Brausebad) für die Dauer des Festes eigens einzurichten. Den Einsatz besonderer Wagen für den Wies'n-Betrieb bezeichnete man allerdings als bei »der derzeitigen Wagenlage leider unmöglich«.33 Für »dringende Fälle (Feuermeldungen, dringende polizeiliche Anrufe usw.)«34 richtete man zwei Telefonapparate ein. Der städtische Informationsdienst wollte die offizielle Eröffnung des Festes »wenn möglich, 2-3malige Durchsage« - per Rundfunk bekanntgeben.35 Die Stadtgartendirektion wurde beauftragt, Girlanden für die Eingänge zum Festplatz anzufertigen, und ein Reklame-Atelier stellte Schilder vom Münchner Kindl her, die die Eingangs-Dekoration ver220
vollkommneten.36 Vergleicht man das heutige, wuchtig-kubische grüne Portal am Wies'n-Haupteingang mit der Festdekoration von 1946, so wird deutlich, was mit »bescheidenem Anfang« gemeint ist. Doch die vergleichsweise zierlichen grünen Girlanden von 1946 waren der Stadt so wichtig, daß man, als die Girlanden durch einen Sturm ramponiert wurden, die Stadtgartendirektion um sofortigen Ersatz bat, damit »sämtliche Eingänge am zweiten Wiesenhauptsonntag mit den neuen Girlanden geschmückt sind«.37 Das Ansehen des Festes, das Selbstverständnis eines Festplatzes als Ort der fröhlichen Verschwendung von Lebens- und Genußmitteln, von körperlichen Kräften, von Farben, Düften und Licht schien nach entbehrungsreichen Jahren teilweise in Frage gestellt. Man befürchtete, die unter Materialmangel leidende Bevölkerung könnte den Aufwand für die Wies'n übel aufnehmen.38 So richtete die Süddeutsche Zeitung‹ nach Ablauf des Festes eine Anfrage an die Stadt, ob nicht vielleicht die unmäßig in Verwendung gewesenen Glühlampen aus dem Festfundus abgezogen werden könnten zugunsten der Münchner Straßenbahn. Hierauf antwortete das Referat 10 mit einer peinlich genauen Darstellung der Besitzverhältnisse und setzte auseinander, daß die Glühbirnen bis auf fünf Stück Eigentum der Schausteller gewesen seien. »Den Strom lieferte übrigens während des Festes die damals noch reichlich vorhandene Wasserkraft.« Das Referat sah sich also zu einer exakten Rechtfertigung des »Lichtermeers« getrieben.39 Ein Münchner Bürger führte einen ausdauernd-verbitterten Schriftwechsel mit dem Referat, in dem er sich gegen das Feiern ganz allgemein aussprach oder vorschlug, die Theresienwiese in einen Gemüse- und Kartoffelacker zu verwandeln, den Verkauf von Scherzartikeln zu verbieten und eben auch, daß die Schausteller ihre Glühbirnen der Münchner Bevölkerung überlassen sollten.40 Das Klischee vom bunt erleuchteten, abendlich-nächtlichen Festplatz hatte die sieben Jahre, in denen es fehlte, also nicht ganz unbeschadet überstanden.
Das Fest trägt sich selbst - Finanzierung Für das Frühlingsfest war die Theresienwiese nur notdürftig hergerichtet worden. Der allmähliche Wiederaufbau zum ursprünglichen Zustand konnte jedoch durch Einnahmen nicht nur aus dem Fühlingsfest, sondern auch durch die zu erwartenden Standgelder des kommenden 221
Herbstfests abgedeckt werden. Die daraus zu erwartenden Summen setzte Stadtrat Erhart im Hauptausschuß mit 20000,- RM an.41 Auch in der bereits genannten Liste der Instandsetzungskosten waren rund 20000,-RM als Einnahmen aus dem geplanten Herbstfest zugrunde gelegt worden.42 Diese Summen wurden jedoch bei weitem übertroffen. Die Platzgelder sollten noch vor Beginn zu zwei Dritteln an die Stadt überwiesen werden, um damit die nötigen Instandsetzungen finanzieren zu können. Am 2. September 1946 wurde bei der Stadthauptkasse der Betrag von 62580,- RM eingezahlt, gut dreimal so viel wie erwartet. Bei der Schlußabrechnung am 7. Oktober 1946, nach Ende des Festes, kamen als Gesamtsumme städtischer Einnahmen sogar 94934,52 RM zustande.43 Mit diesem Geld mußten die geleisteten Instandsetzungsarbeiten, der Druck von Plakaten, die Neuanschaffung des Oktoberfestbauhofs und seines üblichen Bestands finanziert werden. Der Reingewinn der Stadt ist dabei schwer zu schätzen, nachdem aber für den Wiederaufbau im Herbst 1946 rund 31510,-RM Kosten veranschlagt worden waren, ist dieser wohl nicht allzu gering gewesen. Bekannt als zusätzliche Einnahmequelle der Stadt sind die Spendenbeiträge der Schausteller und anderer Beschicker des Festes: bereits die Fieranten des Frühlingsfestes hatten 16690,-RM zum Wiederaufbau des Oktoberfestes gestiftet. Unter den Beschickern des Herbstfestes wurden 1946 für Aufräumungsarbeiten auf der Theresienwiese 17070,-RM eingesammelt. Die »Spendenfreudigkeit« der einzelnen Fieranten ist in der Sammlungsliste genau dokumentiert, sie variiert stark, ganz nach Vermögen des Spenders. So gab ein Großschausteller, der mit einem umfangreichen Schaugeschäft auf der Wies'n stand, 1000,-RM, die Besitzerin eines Kinderkarussells, die mit geringeren Einnahmen zu rechnen hatte, spendete 200,- RM, und kleine Geschäfte wie Brot- oder Scherzartikelverkäufer erübrigten durchschnittlich 15,bis 20,-RM. Für die Münchner Nothilfe wurde außerdem ein Betrag von 5840,- RM aufgebracht. Schließlich sammelten auch noch die Teilnehmer der Jacobi-Dult 1946, ebenfalls Schausteller und fliegende Händler, 300,- RM ein, die der Landesfachverein für den Wiederaufbau des Oktoberfestes bestimmte.44 Ist die Sammlung für die Nothilfe sicher einfach als »gutes Werk« zu betrachten, so kommt in den restlichen Spenden von immerhin rund 36000,- RM vor allem der Wunsch der Schausteller zum Ausdruck, die Wies'n möglichst schnell wieder zu ihrem früheren Umfang auszubauen, um damit entsprechend mehr Kollegen einen Standplatz zu sichern. Wenn also auch ein gewisser Eigennutz in der großzügigen Spende lag, scheint doch die Bemerkung Stadtrat Erharts über den Zustand des Festplatzes nach Abzug der Fieranten etwas grob:
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»Ich nehme wohl mit Recht an, daß die großzügige Spende für ›Aufräumungsarbeiten‹ nicht für die Beseitigung von Heringsköpfen und sonstigen Abfällen, sondern für die Behebung von Kriegsschäden gedacht war.«45 In diesen Worten kommt das zwiespältige Verhältnis deutlich zum Ausdruck, das zwischen der Stadt und den Reisenden immer bestanden hat und besteht: Einerseits setzte sich besonders Stadtrat Erhart zusammen mit einigen anderen Stadträten dafür ein, daß den Schaustellern nach dem Krieg wieder eine Verdienstquelle geboten wurde und die Schausteller, abhängig von der Stadt, waren bemüht, auch zu eigenen Gunsten den Wiederaufbau des Oktoberfestes zu fördern. Auf der anderen Seite läßt sich nicht verleugnen, daß die Stadt bereits am Herbstfest 1946 gut verdient hatte und daß die gelungene Wiedereinführung der Wies'n München auch in anderer Form zugute kam und kommt. Es sei nur an den steigenden Umsatz der Gastronomie oder der Übernachtungszahlen während des Festes erinnert - ganz abgesehen vom immateriellen Prestigezugewinn als Stadt mit dem »größten Volksfest der Welt«.
Herbstfest 1946 - eine richtige Wies'n?! Gegen Ende August 1946 verschickte das Referat 10 eine Pressemitteilung an den städtischen Informationsdienst: »In den Jahren vor dem Krieg war um diese Zeit reges Leben auf der Theresienwiese. Die Bauten der großen Bierzelte waren im Entstehen, die Gerippe der Achterbahnen wuchsen von Tag zu Tag und kündigten vom baldigen Beginn des beliebtesten aller Münchener Feste, vom Münchner Oktoberfest mit seinem Frohsinn, den Brathendln, Steckerlfischen, Schweinswürsteln und Wiesenbier, den Kokosnüssen und dem Türkischen Honig und vielen anderen Dingen, die heute nur noch in der Erinnerung bestehen ... Wenn nun mangels so wesentlicher Voraussetzungen nicht an die Abhaltung des Oktoberfestes gedacht werden kann, so ist doch nicht beabsichtigt, die Köpfe so lange in den Isarsand zu stecken, bis uns die gebratenen Hühner auf den Tisch fliegen.«
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Außerdem informierte die Pressemitteilung über das Vergnügungsangebot, das den Herbstfest-Besucher erwarten sollte: »An Fahrgeschäften beteiligen sich zwei Autoskooter, Raketen-, Gebirgs- und Raupenbahnen, Kettenflieger, eine Geisterbahn, zwei Riesenräder, Schiff- und Überschlagschaukeln und eine Anzahl von Kinderkarussells und Kinderschaukeln. Die nicht mehr zeitgemäßen Schießbuden sind durch Ring- und Ballwurfbuden ersetzt ... Steilwandfahrer und andere Artisten werden in Schaubuden ihre Leistungen darbieten. In einer Anzahl von Verkaufsständen gibt es natürlich nur gegen Abgabe der entsprechenden Marken - belegte Brote, Wurst, Backwaren, und in einem großen Bierzelt wird die Wiesenmusik Erinnerungen an vergangene Zeiten wachrufen. Allerdings gibt es statt Märzenbier nur das heute übliche Dünnbier.«46 Nachdem dieser Text vom veranstaltenden Referat herausgegeben wurde, ist den in ihm enthaltenen Zahlenangaben wohl am ehesten Glauben zu schenken. Berichte über das Herbstfest nennen nämlich teilweise andere Zahlen und Fakten: »Die Zelt- und Budenstadt hatte 1946 nur etwa ein Drittel der friedensmäßigen Ausdehnung. Das Ganze, als erstes Volksfest nach dem Kriege, nannte sich ›Herbstfest‹. Eine Heringsbraterei gab den Stekkerlfisch markenfrei ab, belegte Brote dagegen konnte man nur auf Marken kaufen ... Zwei Bierzelte verkauften Dünnbier, in den Schießbuden durfte nur mehr mit Bällen geworfen werden, und manchem Deutschen wollte eher die Hand verfaulen, bevor er in seinem Leben noch einmal ein Gewehr in die Hand nehmen sollte. Die Lukasbesitzer sparten Zündhütchen, es fehlte das ›Schmalz zum Krachalass'n‹.«47 Soweit die Chronik in »Bildern und G'schichten« über das Herbstfest 1946. Nicht nur an den ehemaligen Schießbuden durfte nicht mehr geschossen werden. Gerda Möhler erwähnt, daß auch das Festschießen der Schützenvereine entfallen mußte.48 Daß das Referat 10 in seiner Pressemitteilung nur »gebremste Vorfreude« erwecken konnte, versteht sich aus der angespannten Lage. Fest-Gegnern sollte der kritische Wind aus den Segeln genommen werden, Fest-Befürwortern gleichzeitig Vergnügen an der Volksbelustigung verheißen werden. Weniger verständlich ist, daß sich die heutigen Rückblicke stets an denselben Merkmalen stoßen, am Dünnbier, an den nicht markenfreien »Festspeisen« und am Fehlen der sirrenden Luftgewehrschüsse. Möglicherweise ist auf diese »Mängel« auch zurückzuführen, daß ein fast zeitgenössischer Rückblick die Herbstfeste gar nicht regi224
strierte: Als 1949 nach drei Herbstfesten wieder ein Oktoberfest gefeiert wurde, erschien eine »Offizielle Festschrift«, in der die Wies'n-Geschichte von Hanns Vogel in Reime gefaßt wurde; das Gedicht erwähnt die Herbstfeste überhaupt nicht, spricht vielmehr von einer Fest-Pause von »zehen Jahren«.49 Wenn man all die Schwierigkeiten bedenkt, die es 1946 bis 1948 zu überwinden galt, um die ersten kleinen Feste veranstalten zu können, ist dies kaum zu rechtfertigen. Vielmehr sind die Herbstfeste mit ihren »Mängeln« als zeitgemäß zu bezeichnen, als »den Umständen entsprechende Wies'n«. Ein Fest wird und wurde gefeiert mit den zur Verfügung stehenden Mitteln. Niemand käme auf den absurden Gedanken, den Oktoberfesten des 19. Jahrhunderts die charakteristische Authentizität abzusprechen, weil etwa für sie kein Doppel-Looping, kein Auto-Skooter aufgebaut war, weil es dort keine Käfer-Schenke, keine Zuckerwatte, keinen Glühwein oder glasierte Früchte gab. Wie wenig die Herbstfeste der Trümmer jähre als »schaler Ersatz«50 zu bezeichnen sind, wird deutlich, wenn man sich abschließend ihr Vergnügungsangebot vor Augen führt. Auf dem offiziellen Lageplan vom Herbstfest 1946 sind 122 Geschäfte eingezeichnet. Nachdem der Plan bereits am 20. August gezeichnet wurde, ist auf ihm nicht das Gesamtangebot dargestellt. Bis zum Wies'nBeginn kamen weitere Schausteller hinzu. Ohnehin nicht eingetragen sind fliegende Händler, damals »Spezialisten« genannt, die aus Bauchläden heraus Rasierklingen, Scherzartikel, Postkarten und ähnliches verkauften. Diese Händler mußten zwar Standgelder an die Stadt abführen, hatten aber keinen festen »Stand«-Platz, sondern wanderten auf dem gesamten Festgelände umher. Aus einer Nachtragsliste und anderen Unterlagen geht hervor, daß knapp 200 Fieranten zum Herbstfest 1946 zugelassen waren.51 Bei dieser hohen Zahl ist natürlich einzuschränken, daß ein nicht unbeträchtlicher Anteil auf die Spezialisten entfiel. Darum sollte vor allem der Lageplan berücksichtigt werden. Auf ihm ist ein Bierzelt festgehalten. Dieses Zelt »aufzutreiben« war mit Schwierigkeiten verbunden gewesen, da die Brauereibestände weitgehend im Krieg requiriert worden waren. Außerdem ist im Plan noch ein Imbißgeschäft mit Sitzplätzen im Freien eingezeichnet, und es gab zusätzlich 28 Geschäfte für Lebensmittel oder Getränke. Auf dem Münchner Frühlingsfest heute gibt es vergleichsweise zwei Bierzelte und insgesamt 30 Verkauf sgeschäfte für Süß- und Imbißwaren, auf dem gegenwärtigen Gäubodenfest in Straubing werden etwa 38 entsprechende Verkaufsgeschäfte aufgebaut und stets sechs Bierzelte und ein Weinzelt. Auf den beiden heutigen Vergleichsfesten sind jeweils rund 25 Fahrgeschäfte vertreten, also Karussells, Riesenräder, Schiff- und Überschlagschaukeln und ähnliches. Beim Herbstfest konnten sich die Besucher immerhin an 42 Fahrgeschäften, davon waren elf für Kinder bestimmt, vergnügen. Auf dem Herbstfest 1946 gab es 16 Schaustellungen, davon war eine die im Plan 225
Festzelt-Innenansicht, 1946 (H. Hubmann)
riesenhaft dominierende »Liliput-Märchenstadt«. Schaugeschäfte sind heute zugunsten anderer Attraktionen zurückgegangen; auf den gegenwärtigen Vergleichsfesten werden jeweils nur kleinere Tierschauen und Kasperltheater aufgebaut. Belustigungsgeschäfte, zu denen etwa die Geisterbahnen oder das »Teufelsrad« gehören, waren auf dem Herbstfest in der Überzahl. Dort gab es sieben Belustigungen, wogegen heute auf den Vergleichsplätzen jeweils nur ein bis zwei derartige Vergnügungen aufgebaut werden. Das Münchner Frühlingsfest und das Straubinger Gäubodenfest bilden passende Vergleichsobjekte, da sie heute zu den großen Festen zählen. Freilich sind sie nicht mit dem gegenwärtigen Oktoberfest zu vergleichen, ebensowenig wie das Herbstfest 1946. Zum Oktoberfest ziehen alljährlich rund 680 Geschäfte auf, außerdem ein Weinzelt und zwölf Bierzelte. Trotzdem empfindet nicht nur der Straubinger sein »größtes« Volksfest Niederbayerns als passable Veranstaltung. Beim letzten Herbstfest der Trümmerzeit, 1948, stellten die ehemaligen Schießgeschäfte von Wurf- wieder auf Schießbuden um; geschossen wurde mit Armbrüsten. Zu diesem Zeitpunkt gab es auch wieder »normales« Bier. Wie aus dem Plan ersichtlich, erweiterte sich der Festplatz in den Trümmerjahren allmählich. Im Jahre 1949, auf dem ersten »Oktoberfest«, standen auch »nur« drei Bierzelte.52 Die Photographien, die sich vom Herbstfest 1946 erhalten haben, überzeugen schließlich doch, daß dieses Fest eine richtige Wies'n war. 226
Statt überfüllter Parkplätze und abgesperrter Zufahrtsstraßen gab's riesige Fahrrad-Fuhrparks an den Haupteingängen. Im Hintergrund ist zwar je nach Blickwinkel noch die Paulskirche mit zerstörtem Dachstuhl zu sehen, und kleine Geröllhügel, dem Festplatz vorgelagert, zeigen an, daß die Aufräumungsarbeiten noch nicht beendet waren. Ansonsten sieht man auf den Aufnahmen vorwiegend Menschen, Festbesucher dicht an dicht, sieht sie scharenweise über das unbebaute Gelände auf den Vergnügungspark zuströmen. Menschen bevölkern das Podium des Kettenfliegers, Überschlagschaukeln scheinen in der Luft zu stehen. Diese Atmosphäre wurde von den Amerikanern keineswegs getrübt, die sich - damals wie heute - ebenfalls mit Wonne in den Trubel stürzten. Die Süddeutsche Zeitung‹ schrieb am 17. September 1946 zu solchen Problemen: »Es ist alles schon einmal dagewesen - auch ein Oktoberfest mit Dünnbier und Brotmarken. Das war im Jahre 1919. Man nannte es Kleines Herbstfest (wie heute), und die Kinder strahlten über die zeitgemäße »Pracht« auf der Wies'n (wie heute). Den lachenden Kinderaugen zuliebe aber war damals wie heute die Abhaltung des Festes gerechtfertigt... Was mußte alles geschehen, ehe ein amerikanischer Oberst und ein Münchner Bürgermeister, gleichsam Hand in Hand, wieder ein Oktoberfest eröffnen konnten - eine bescheidene, aber nette Vorstufe zu einem wirklichen Oktoberfest! ... Lob und Dank Münchens Kommunalreferenten Stadtrat Erhart, der dieses BehelfsOktoberfest gegen mancherlei Widerstände auf die Beine gestellt hat. Er hat recht getan. Die alten Münchner aber müssen sich hinsichtlich der leiblichen Genüsse mit den Erinnerungen begnügen, über die Michael Schottenhamel, der Senior der Münchner Festwiesenwirte, so nett zu plaudern wußte, als er gestand, der letzte Überlebende einer Gesellschaft von 30 Münchner Bürgern zu sein, von denen sich jeder verpflichtet hatte, alljährlich auf der Wies'n einen Hektoliter Starkbier zu trinken, worüber sie gewissenhaft Buch führten.«33 Sibylle Spiegel
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Anhang
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Anmerkungen
Einleitung für einen Rückblick ohne Zorn und Nostalgie (Seite 27 bis 19) 1 W. Kolbenhoff, Schellingstraße 48. Erfahrungen mit Deutschland, 1984, S. 83ff. 2 H. H. Wacker, Nachlaßverwaltung oder demokratische Erneuerung? Münchner Kommunalpolitik nach 1945, in: F. Prinz (Hrsg.), Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945-1949, München 1984, S. 40 3 F. Prinz, Münchner Kultur - Kultur in München 1945/49. Nature morte oder Musica Viva?,ebd.,S. 9ff. 4 F. Prinz, Integration und Neubeginn. Dokumentation über die Leistungen des Freistaates Bayern und des Bundes zur Eingliederung der Wirtschaftsbetriebe der Vertriebenen und Flüchtlinge und deren Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1984, S. 12-32. 5 E. Pscheidt, Die Flüchtlingslager, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, S. 197-270 und K.-M. Haertle, Die Wohnungssituation der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, ebd., S. 271-305. 6 Ein ausgewogenes Urteil darüber bietet M. Krauss, Provinzialität und Weltbürgertum - Münchner städtische Kulturpolitik 1945 bis 1949, in: F. Prinz (Hrsg.), Trümmerzeit in München, S. 21-38; vgl. ferner die Beiträge von N. Krieg, B. Buberl, B. Frosch, G. Finckh, F. Messmer, C. Wilke, G. Hay, V. Wehdeking in demselben Band. 7 Über den Münchner Stadtanzeiger wurden 1983 Münchnerinnen und Münchner aufgefordert, über ihre Erlebnisse in den ersten Nachkriegsjahren unter amerikanischer Besatzung zu berichten. Diese »Trümmerbriefe« liegen gesammelt im »Institut für Bayerische Geschichte« an der Universität München, Abteilung Vergleichende Landesgeschichte (München 40, Ainmillerstr. 8) vor und wurden für diese Publikation mit ausgewertet; zitiert als Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe. 8 F. Prinz (Hrsg.), Trümmerzeit in München, a. a. O.
Die Frau im Münchner Trümmeralltag (Seite 21 bis 74) 1 C. Hallig, Erinnerungen, Die Besatzer II, S. 120f., masch. Manuskript, o. J. 2 Statistisches Handbuch der Stadt München, hrsg. vom Statistischen Amt der Stadt München, 1954. 3 Stadtarchiv München (BUR 1789), Die Münchner Bevölkerung nach Alter und Familienstand, Ergebnisse der Volkszählung vom 13. 9. 1950, III, S. 5. 4 Ebd.; außerdem Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8. 9. 1950.
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5 Stadtarchiv München (BUR 1789), Volkszählungsergebnisse vom 3. 9. 1950, S. 7. 6 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe. 7 Vor allem aus den Beständen Stadtarchiv München (BUR) und Bauamt sowie Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held). 8 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 76 vom 18. 9. 1982. 9 Ebd., Brief Nr. 4 vom 26. 3. 1981. 10 Ebd., Brief Nr. 71 vom 31. 10. 1982. 11 Ebd., Brief Nr. 67 vom 3. 11. 1982. 12 Ebd., Brief Nr. 76 vom 18. 9. 1982. 13 Ebd., Brief Nr. 58 vom 20. 1. 1982. 14 Ebd.,BriefNr. 30 vom23. 3. 1981. 15 Ebd., Brief Nr. 8 vom 18. 5. 1981. 16 Ebd., Brief Nr. 53 vom 16. 7. 1981. 17 Ebd., Brief Nr. 46 vom 22. 4. 1981. 18 Ebd., Brief Nr. 53 vom 26. 7. 1981. 19 Ebd. 20 Kochbuch für heute, zusammengestellt von der Versuchsküche Buchenau, Murnau-München 1946, S. 5-13. 21 Ebd.; außerdem G. Boruttau, Gute Kost in magerer Zeit. Rezepte, Ratschläge und Anregungen für die Küche, München 1946. 22 Zeitgemäßes Kochen. Ein Nachschlagebüchlein für Hausfrauen und Haushaltungsschülerinnen von A.-M. Weber, Tegernsee 1946. 23 Kochbuch für heute, a. a. O., S. 60. 24 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 15 vom 21.4.1981. 25 Ebd. 26 Der Regenbogen, Zeitschrift für die Frau, 1946ff.; Der Silberstreifen, hrsg. von M. Ketterer, 1946 ff. 27 Der Silberstreifen, a. a. O., Jg. l, 1947, Heft 6/7. 28 Ebd., Jg. l, 1947, Heft 4/5 und Der Regenbogen, a.a.O., Jg. 2, 1947, Heft 11/12, S. 19. 29 Der Silberstreifen, a.a.O., Jg. l, 1947, Heft 11/12, S. 48. 30 Ebd., Jg. 2, 1948, Heft 2/3, S. 63. 31 Ebd., Jg. l, 1947, Heft 10, S. 63 und Gute Kost in magerer Zeit, a.a.O., S. 98 sowie Der Regenbogen, a.a.O., Jg. l, 1946, Heft 2, S. 19. 32 Der Simpl, Jg. 2, 1947, Heft 24, S. 294. 33 Der Regenbogen, a.a.O., Jg. l, 1946, Heft 8, S. 12. 34 Ebd., Jg. l, 1946, Heft 8, S. 13 und ebd., Jg. 3, 1948, Heft 12, S. 21. 35 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 375). 36 Der Regenbogen, a. a. O., Jg. 2, 1947, Heft 2, S. 30. 37 Süddeutsche Zeitung, 3. 9. 46; Süddeutsche Zeitung, 24. 8. 45; Süddeutsche Zeitung, 16. 10.45 38 Der Regenbogen, Jg. 3, 1948, H. 12. 39 Süddeutsche Zeitung, 27. 10. 83, Die im Dunkeln helfen sich selbst, von M. A. Boese zum 35jährigen Jubiläum der Freien Selbsthilfe.
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40 Der Regenbogen, a.a.O., Jg. 3, 1948, Heft 5, S. 19. 41 Stadtarchiv München (BUR 1789), Volkszählungsergebnisse vom 13.9. 1950. 42 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 43 vom 18.5. 1981. 43 Ebd., Brief Nr. 3 vom 5. 4.-27. 4. 1981. 44 C.Hallig, a.a.O., S. 74 f. 45 F. Obermaier, J. Mauerer, Aus Trümmern wächst das neue Leben, 1949, S. 57. 46 Der Regenbogen, Jg. 2, 1947, Heft 11/12, A. Steinhoff, Jugend hinter Gittern. 47 K. Jering, Überleben und Neubeginn. Tagebuchaufzeichnungen eines Deutschen 1945/46, 1979, S. 70, S. 94, S. 98, S. 104. 48 Stadtarchiv München (BUR 1887), Tagung der Kreisbeauftragten für das Flüchtlingswesen am 16. 6. 1948, Referat von Willi Irlbeck. 49 Dazu der Beitrag von M. Krauss, Flüchtlinge, in der vorliegenden Publikation. 50 M. von Eynern, Erinnerungen, masch. Manuskript, S. 25. 51 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 6 vom 15.5. 1981. 52 M. von Eynern, a.a. O., S. 106. 53 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 6 vom 15. 5. 1981. 54 Ebd., Brief Nr. 43 vom 18. 5. 1981. 55 Ebd., Brief Nr. 32 vom 1. 4. 1981. 56 M. von Eynern, a.a.O., S. 106. 57 E. Kästner, Notabene '45. Ein Tagebuch, "1980, S. 154. 58 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 64 vom 30.10. 1982. 59 Ebd., Brief Nr. 53 vom 26. 7. 1981. 60 Stadtarchiv München (Bauamt-Wiederaufbaureferat 1096); Beiträge zur Soziographie Münchens, hrsg. vom Wiederaufbaureferat, 1950, S. 66f. 61 Der Regenbogen, a.a.O., Jg. 2, 1947, Heft 4, S. 6. 62 Ebd., S. 6f. 63 Ebd., Jg. 2, 1947, Heft 9, W. Eckhardt, Nahrhafte Berufe, S. 14. 64 Stadtarchiv München (BUR 1899), Sitzungsprotokoll über die am 17. 1. 1949 beim Bayerischen Landeszuzugsamt stattgefundene Besprechung betreffs der von der Stadt München durchgeführten Aktion »Kontingent Grenzlager«, S. 2. 65 Stadtarchiv München (Bauamt - Wiederaufbaureferat 1096); Beiträge zur Soziographie Münchens, a.a.O., S. 67. 66 Weitere Statistiken zu ähnlichen Fragestellungen finden sich im Statistischen Handbuch der Stadt München, 1954, a. a. O., S. 78ff. 67 Stadtarchiv München (Bauamt-Wohnungswesen 139), Auszug aus dem städtischen Informationsdienst vom 7. 10. 1946 über die Wirtschaft Berlins. 68 Dazu beispielsweise die Akten aus Stadtarchiv München (Bauamt-Wohnungswesen, 16b, Abgabeverzeichnis 78/1). 69 Stadtarchiv München (Bauamt-Wiederaufbaureferat 1096), Amtlicher Bericht des Wiederaufbaureferats der Bayerischen Landeshauptstadt München, München nach dem 2. Weltkrieg, 1948, S. 22.
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70 Stadtarchiv München (Bauamt-Wiederaufbaureferat 1096), Beiträge zur Soziographie Münchens, a.a.O., S. 35f. 71 Stadtarchiv München (Bauamt-Wohnungswesen-Schutträumung, Verschiedenes, 16b, Abgabeverzeichnis 78/1, Reg. XII), 1949, Sitzung des Stadtrats vom 11.4. 1946. 72 Der Regenbogen, a.a.O., Jg. l, 1946, Heft 2, S. 4. 73 Ebd., Jg. l, 1946, Heft3. 74 Ebd., Jg. 2, 1947, Heft 4. 75 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 487), Entwurf von Hermine Baumgarten, Gewerbeoberlehrerin, vom 4. 8. 1946. 76 Der Silberstreifen, a. a. O., Jg. 2, 1948, Heft 2/3. 77 G. Bremme, Die politische Rolle der Frau in Deutschland, 1956, S. 133ff. und 257 ff. 78 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held). 79 M. Krauss Nachkriegskultur in München. Münchner städtische Kulturpolitik 1945-1954, 1985, das Kapitel über die Städtischen Bibliotheken. Außerdem dazu: F. Prinz (Hrsg.), Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945-1949, München 1984, S. 427ff.: Inge Birkmann, geb. 1915, kam unter Otto Falckenberg 1941 an die Münchner Kammerspiele. Später trat sie auch am Neuen Münchner Theater, am Deutschen Theater in Göttingen und am Bayerischen Staatsschauspiel auf. Ursula Herking, geb. 1912, gest. 1974, war zunächst Schauspielerin an den Berliner Staatstheatern, wechselte dann aber bald zum Kabarett. Nach 1945 trat sie in München in verschiedenen Kabaretts auf; sie spielte auch in vielen Filmen mit. Maria Koppenhöfer kam durch Otto Falckenberg an die Münchner Kammerspiele und feierte hier bis zu ihrem Tod im November 1948 große Erfolge. Maria Nicklisch kam 1934 nach München, zunächst an das Staatsschauspiel, 1935 an die Kammerspiele. Zwischen 1941 und 1944 trat sie in Berlin und Wien auf. Nach dem Krieg kehrte sie an die Münchner Kammerspiele zurück, denen sie bis heute treu geblieben ist. Die Pianistin Rosl Schmid, geb. 1911, gest. 1978, spielte 1945 bis 1949 in München zahlreiche Solokonzerte und gab Klavierabende; 1948 wurde sie Professorin an der Münchner Musikhochschule. 80 Ein Großteil der hier genannten Namen ist städtischem Aktenmaterial entnommen, vor allem Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 410 und 411), sowie Tages- oder Verbandszeitungen. 81 Dazu z.B. Der Regenbogen, a.a.O., Jg. 3, 1948, Heft 3, S. 6, Wie lebt die Studentin heute von M. von Eynern. 82 M. Krauss, Nachkriegskultur in München, a. a. O., das Kapitel über die Internationale Jugendbibliothek. Außerdem dazu: F. Prinz (Hrsg.), Trümmerzeit in München, a.a.O., S. 432: Die Journalistin Jella Lepmann, geb. 1891, gest. 1970, war in den Weimarer Jahren Redakteurin in Stuttgart, emigrierte 1936 nach London und wurde 1945 Beraterin für Jugend- und Frauenfragen bei der amerikanischen Militär-
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regierung. 1946 organisierte sie die erste Internationale Jugendbuchausstellung in München und wurde Gründerin und (bis 1957) Direktorin der Internationalen Jugendbibliothek München (ÜB). 83 Dazu z.B. Stadtarchiv München (BUR 2152), Schreiben Oberbürgermeister Scharnagls an das Referat 11 vom 14. 9. 1945; weitere Informationen finden sich in Stadtarchiv München (BUR 2153, 2154, 2156). Außerdem dazu: F. Prinz (Hrsg.) Trümmerzeit in München, a. a. O., S. 431. Die Cineastin Lonny van Laak, geb. 1895, lebt seit 1918 in München. Nach einem Musikstudium trat sie in die Filmwirtschaft ein. Im 3. Reich Berufsverbot. Nach 1945 intensive Mitarbeit in der amerikanischen Militärverwaltung, der Information Control Division (ICD) mit Zuständigkeit für Theater, Funk, Konzerte, Presse etc. Von 1945 bis 1952 Präsidentin des Bayerischen Filmtheaters. Wiederaufbau des Luitpoldtheaters und Leitung bis 1960; Bau des Filmcasinos. 84 Der Regenbogen, a.a.O., Jg. 2, 1947, Heft 4, S. 3, Frauen müssen arbeiten von W. Eckardt. 85 J. Lepman, Die Kinderbuchbrücke, 1964, S. 125ff. 86 Ebd., S. 133ff. 87 H. Gehring, Amerikanische Literaturpolitik und deutsche Interessen, 1976, S. 33. 88 CARE (Cooperative for American Remittances to Europe) ist eine Vereinigung von 26 US-amerikanischen Wohltätigkeitsorganisationen, die 1946 in den USA gegründet wurde, um Hilfssendungen von Privaten, Vereinen, Gewerkschaften usw. an Hilfsbedürftige in notleidenden Ländern zu organisieren. Zwischen August 1946 (Beginn der eigentlichen CARE-Aktionen) und dem 30. 6. 1960 (Ende der Tätigkeit von CARE in der Bundesrepublik) erhielt Deutschland fast 10 Millionen Pakete im Wert von rund 400 Millionen DM, dazu Kleidung und Textilien für rund 14,5 Millionen DM und landwirtschaftliche Geräte, Werkzeuge, wissenschaftliche Instrumente und Bücher für rund 3,5 Millionen DM. Für das Packen eines CARE-Paketes genügte die Spende eines amerikanischen Bürgers in Höhe von 10 Dollar. 1955 betreute die CARE-Mission 52 Länder - darunter die DDR und Berlin, das allein 60 Millionen DM der Spenden erhielt - 1968 waren es noch 39 Länder. Seit 1951 war in Deutschland die zoll- und steuerfreie Einfuhr der CARE-Pakete durch den CARE-Vertrag geregelt. CARE stellte seine Tätigkeit in der Bundesrepublik 1960, in Berlin 1963 ein. 89 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 626), Aufruf vom April 1948, gezeichnet von Elisabeth LörikKummer, sowie SZ Nr. 113, 19. 12. 1948, Münchner Frauenklub wieder da von E. Momm. 90 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 678), Drucksache der Gedok München, außerdem MM, 13. 10. 1949, Neubeginn der Gedok von R. Prevot. 91 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 507), Bericht über eine Besprechung bezüglich der Sozialen Frauenschule in München am 8. 1. 1947. 92 D. Hasselblatt, Heutige Frauenschicksale und ihre Überwindung, Evangelische Zeitstimmen, Heft 10, o. J. (1947?), S. 23. 93 G. Bengsch, Frauen von denen man spricht, 1950.
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Trümmermode und New Look (Seite 75 bis 99) 1 Rundfunkkommentar von Peter Arnold für ›Voice of America‹ am 24. 1. 1946, abgedruckt in Neue Zeitung vom 21.1. 1946, S. 4, »Baumwolle nach Deutschland«. 2 Neue Zeitung vom 28. 1. 1946, S. 4, »50000 Ballen Baumwolle« und Neue Zeitung vom 15. 4. 1946, S. 4, »Wo bleiben die Verbrauchsgüter?« 3 Süddeutsche Zeitung vom 23. 7. 1946, S. 4, »150 Punkte für Säuglinge«. 4 Süddeutsche Zeitung vom 11. 1. 1947, S. 4, »Hier stimmt etwas nicht«; Süddeutsche Zeitung vom 14. 1. 1947, S. 3, »Hier stimmt vieles nicht«; Süddeutsche Zeitung vom 16. 1. 1947, S. 2, »Neue Textilkarte für Kinder«; Süddeutsche Zeitung vom 1. 2. 1947, S. 4, »Es stimmte nicht! - Stimmt es jetzt?«; Süddeutsche Zeitung vom 8. 2. 1947, S. 4, »Aussprache über ›Hier stimmt etwas nicht‹«. 5 Süddeutsche Zeitung vom 11. 3. 1947, S. 3, »Versteckte Waren wurden entdeckt - Siebzig Hortungslager beschlagnahmt«; Süddeutsche Zeitung vom 15. 3. 1947, S. 6, Sonderseite, »Der Schwarze Markt«. 6 Süddeutsche Zeitung vom 8. 9. 1946, S. 6, »Schwarzhändler mit Kundendienst«. 7 Heute Nr. 37, vom 1. 6. 1947, S. 16/17, »Mode streckt sich nach der Decke«; Heute Nr. 42, vom 15. 8. 1947, S. 24/25, »10,25 Meter Stoff«; Heute Nr. 49, vom 1. 12. 1947, S. 20/21 »CARE-Wolle«. 8 Neue Zeitung vom 28. 10. 1945, S. 6, »Phantasie gegen leere Kleiderschränke«. 9 Chronik der Stadt München 1945-1948, bearbeitet von W. Selig unter Mitwirkung von H. Stahleder und L. Morenz, hrsg. von M. Schattenhofer i. A. des Münchner Stadtarchivs, 1980, S. 109, zum 1. 12. 1945. 10 Süddeutsche Zeitung vom 13. 9. 1946, S. 6, »Hausschuhe aus SA-Mützen«. 11 Siehe Anm. 8. 12 Süddeutsche Zeitung vom 23.7. 1946, S. 4, »150 Punkte für Säuglinge«; Schwäbische Donauzeitung vom 17. 9. 1966, »Amerikanischer Fallschirm umhüllte Undine«; A. Weber, Immer auf dem Sofa - Das familiäre Glück vom Biedermeier bis heute, 1982, S. 256. 13 In: Bekleidung und Ausrüstung der Hitler-Jugend: ... Sonderbestimmungen für 1) Gebiete Franken, Hochland, Deutsch-Österreich: In den Gebieten Franken, Hochland und Deutsch-Österreich können statt kurzen braunen Hosen und den Kniestrümpfen die landesüblichen kurzen braunen Lederhosen bzw. weißen Stutzen getragen werden. 14 Süddeutsche Zeitung vom 23. 7. 1946, S. 4, »150 Punkte für Säuglinge«. 15 Neue Zeitung vom 14. 3. 1947, S. 8, »Leipziger Frühjahrsmesse - Modenschau«. 16 Echo der Woche vom 1. 5. 1947, S. 9, »Schulversuche, Mode zu machen«. 17 Süddeutsche Zeitung vom 27. 9. 1946, S. 4, »Mode 1946 im Spiegel des Exports«. 18 Neue Zeitung vom 15. 8. 1946, S. 2, »Moden auf der Exportausstellung«. 19 Siehe Anm. 17. 20 Echo der Woche vom 21. 3. 1947, S. 9, »Nanu, auch noch Modenschaukritik?«.
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21 Echo der Woche vom 7. 2. 1948, S. 10, »Dollars und Wespentaille«. 22 Heute Nr. 34, vom 15. 4. 1947, S. 21-23, »Pariser Modefrühling«. 23 Echo der Woche vom 13. 9. 1947, S. 10, »Pariser Herbstmode«. 24 R. Klein, Lexikon der Mode, 1950, S. 154 (»Guepiere«) und S. 225 (»Korsett«). 25 Heute Nr. 99, vom 1. 12. 1949, S. 22/23, »Neue Wintermäntel«. 26 Heute Nr. 83, vom 27. 4. 1949.
Ernährungslage und Schwarzmarkt in München (Seite 101 bis 120) 1 Süddeutsche Zeitung vom 22. 3. 1946. 2 W. Fuhrmann, Geschichte der Bayerischen Lagerversorgung 1945-1974. Ein Zeitspiegel der Ernährungswirtschaft, 1974, S. 35f. 3 Stadtarchiv München (RP 721/1) Sitzung des Stadtrates vom 13. 5. 1948, S. 968f. (Sondersitzung, Anmerkung Bürgermeister Thomas Wimmers). 4 W. Fuhrmann, a.a.O., S. 7. 5 Stadtarchiv München (RP 718/1) Sitzung des Stadtrates vom 6. 12. 1945, S. 508 (Vortrag von Stadtdirektor Dr. Wunderer über die Versorgungslage). 6 Stadtarchiv München (RP 718/1), ebd. S. 486. 7 Stadtarchiv München (RP 718/1), ebd. 8 Stadtarchiv München (RP 718/1), ebd. 9 Stadtarchiv München (RP 718/1), ebd., S. 495. 10 Stadtarchiv München (RP 718/1), ebd., S. 496. 11 Stadtarchiv München (RP 718/1), ebd., S. 497. 12 Stadtarchiv München (RP 718/1), ebd., S. 498. 13 Stadtarchiv München (RP 718/1), ebd., S. 503. 14 Stadtarchiv München (RP 718/1), ebd., S. 512. 15 F. Grube, G. Richter, Schwarzmarktzeit, 1979, S. 164. 16 Ebd. 17 Süddeutsche Zeitung vom 19. 4. 1946. 18 Stadtarchiv München (RP 719/1), Sitzung des Stadtrates vom 11.4. 1946, S. 266f. 19 Stadtarchiv München (RP 720/2), Sitzung des Stadtrates vom 11. 11. 1947, S. 2414f. (Anmerkung Stadtrat Weiß). 20 Süddeutsche Zeitung vom 19. 4. 1946. 21 Stadtarchiv München (RP 721/1), Sitzung des Stadtrates vom 13.5. 1948, S. 957 (Vortrag Stadtrat Branz, SPD). 22 Stadtarchiv München (RP 721/1), ebd., S. 971 f. (Vortrag Stadtrat von Miller, CSU). 23 Stadtarchiv München (RP 721/1), ebd. 24 Stadtarchiv München (RP 721/1), ebd., S. 989f. 25 Süddeutsche Zeitung vom 11.3. 1947. 26 Süddeutsche Zeitung vom 24.1. 1948. 27 Süddeutsche Zeitung vom 15. 5. 1948, Artikel überschrieben mit »Hungerdebatte im Landtag«. 28 K. Kromer, Schwarzmarkt, Tausch- und Schleichhandel, 1947, S. 9ff. 29 M. Balfour, Vier-Mächte-Kontrolle in Deutschland 1945-1946, 1959, S. 148, dort der Artikel der TIMES vom 20. 11. 1946.
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30 Stadtarchiv München (BUR 1708), Schwarzmarktberichte (Wochenberichte) der Kriminaluntersuchungsabteilung beim Polizeipräsidium an das Public Safety Office der Militärregierung (Durchschläge wurden jeweils an den OB zur Kenntnisnahme weitergeleitet), hier der Bericht vom 20. 12. 1946. 31 Stadtarchiv München (RP 718/1), Sitzung des Stadtrates vom 6.12. 1945, S. 507f. (Vortrag von Stadtdirektor Dr. Wunderer über die Versorgungslage). 32 Stadtarchiv München (BUR 1703), dort die Sammelberichte über Schwarzmarkt, Razzien und Beschlagnahmungen, 1945-1950. 33 Stadtarchiv München (BUR 1722), Monatsberichte der Stadtverwaltung (Referate, Ämter), dort ein Schreiben des Referates 5, Dr. Wunderer, an Scharnagl vom 22. 6. 1945. 34 Stadtarchiv München (BUR 1722), Schreiben vom 23. 7. 1945. 35 Bayer. Landeszentrale für Polit. Bildungsarbeit, J. Weber (Hrsg.), 30 Jahre Bundesrepublik Deutschland. Auf dem Wege zur Republik 1945-1947, Bd. I, 1978, S. 210. Dort werden Beispiele für die unterschiedliche Preisentwicklung in München und Berlin angeführt; so kostete, laut »Schwarzmarkt-Preisliste« (Dokument 8 auf S. 210), l kg Mehl in Berlin 28-30 RM, in München ca. 20 RM. Diese Entwicklung wird auch durch die Schwarzmarkt-Wochenberichte der Münchner Kriminaluntersuchungsabteilung bestätigt. 36 Stadtarchiv München (BUR 1704), Schwarzmarktberichte des Polizeipräsidiums an die Preisüberwachungsstelle beim Regierungspräsidenten, 1946-1949, hier der Bericht vom 25. 9. 1947 (umfaßt rückwirkend den Zeitraum vom 26. 8. bis zum 25. 9. 1947). 37 Stadtarchiv München (BUR 1704), ebd. 38 Stadtarchiv München (BUR 1705), Schwarzmarktberichte (Wochenberichte) der Kriminaluntersuchungsabteilung beim Polizeipräsidium an das Public Safety Office der Militärregierung, hier der Bericht vom 19. 10. 1945. 39 Stadtarchiv München (BUR 1707), Schwarzmarktberichte (Wochenberichte), hier der Bericht vom 25. 4. 1946. 40 Stadtarchiv München (BUR 1704), Schwarzmarktberichte des Polizeipräsidiums an die Preisüberwachungsstelle beim Regierungspräsidenten, 1946-1949, hier der Bericht vom 25. 11. 1947 und der vom 15. 3. 1948. 41 Stadtarchiv München (BUR 1707), Schwarzmarktberichte (Wochenberichte), hier der Bericht vom 20. 12. 1946. 42 Stadtarchiv München (BUR 1707), ebd. 43 Stadtarchiv München (BUR 1708), Schwarzmarktberichte (Wochenberichte), hier der Bericht vom 25. 9. 1947. 44 K. Kromer, Schwarzmarkt, S. 10. 45 Stadtarchiv München (Akten des Ernährungsamtes, Nr. 76) Rundschreiben vom 10. 2. 1948 zur »Bekämpfung von Wirtschaftsstrafsachen«. 46 K. Kromer, Schwarzmarkt, S. 82f.
Bürokratie der Mangelverwaltung (Seite 121 bis 137) l Münchner Stadtanzeiger vom 21. 11. 1945, S. 2. Das Zitat aus der Überschrift findet sich in der Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 230), Rundschreiben Nr. 10 des Regierungsbeauftragten für das Flüchtlingswesen, S. 14.
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2 Münchner Stadtanzeiger vom 31.10. 1945, S. 1. 3 Süddeutsche Zeitung vom 6. 5. 1947, S. 3. 4 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 228), Bericht Hans Ludwig Helds an Oberbürgermeister Scharnagl vom 15.12. 1947. 5 Der Simpl 1946, Heft 2, S. 19, Artikel von K. Wolff. 6 Der Simpl 1947, Heft 24, S. 294. 7 Süddeutsche Zeitung vom 30. 7. 1946, S. 6, Artikel von W. Friedmann. 8 Der Simpl 1948, Heft 3, S. 30, Artikel von A. Zech. 9 Münchner Stadtanzeiger vom 14. 9. 1945, S. 4. 10 Süddeutsche Zeitung vom 20. 5. 1947, S. 3, Artikel von S. Sommer. 11 Ebd. 12 Süddeutsche Zeitung vom 5. 8. 1947, S. 3. 13 Der Simpl 1948, Heft 3, S. 27. 14 Süddeutsche Zeitung vom 26. 4. 1947, S. 4. 15 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 79. 16 K. Jering, Überleben und Neubeginn. Tagebuchaufzeichnungen eines Deutschen 1945/46, 1979, S. 109. 17 Ebd. S.127f. Zu weiteren Berichten Jerings über die Besatzer vgl. die Kapitel »Die Frau im Münchner Trümmeralltag« und »Lebenssplitter aus dem Umgang mit Besatzern« in der vorliegenden Publikation. Die Flüchtlingssituation und ihre bürokratische Bewältigung wird in dem Kapitel »Flüchtlinge und Vertriebene im Trümmermünchen« ausführlich gewürdigt, in dem auch die Wohnungs- und Zuzugsverwaltung dargestellt wird, auf die daher an dieser Stelle verzichtet wurde. 18 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 77 vom 29. 11. 1982. 19 Süddeutsche Zeitung vom 3. 5. 1947, S. 4. 20 Süddeutsche Zeitung vom 23. 7. 1949; zur Entlassung und Wiedereinstellung der städtischen Beamten vgl. H. H. Wacker, Nachlaßverwaltung oder demokratische Erneuerung? Münchner Kommunalpolitik nach 1945, in: F. Prinz (Hrsg.), Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945-1949, München 1984, S. 41 f. sowie die dort und in der Bibliographie der vorliegenden Publikation angegebene weiterführende Literatur. 21 Der Simpl 1948, Heft 18, S. 213.
Flüchtlinge und Vertriebene im Trümmermünchen (Seite 139 bis 165) 1 Bayerisches Hauptstaatsarchiv (MArb, Abgabe 1979, vorl. Nr. 537), Brief Guido Baron Leitgebs an Staatskommissar Dr. Jaenicke vom 1. 8. 1948. 2 Ebd., Antwortschreiben, i.V. Dr. Ähnelt, vom 5. 8. 1946. 3 F. J. Bauer, Flüchtlinge und Flüchtlingspolitik in Bayern 1945-1950, 1983, S. 21 ff. 4 Ebd., S. 25f. Zu den Schlüsselverhandlungen über die Verteilung der Flüchtlinge über die US-Zone E. Pscheidt, Der Kampf um die Verteilung der Flüchtlinge in der US-Zone, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, Dokumentation über die Leistungen des Freistaates Bayern und des Bundes zur Einglie-
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derung der Wirtschaftsbetriebe der Vertriebenen und Flüchtlinge und deren Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes, hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1984, S. 49ff. 5 Deutscher Städtetag (Hrsg.), Vergleichende Städtestatistik 1946; demnach waren in Essen nur 13,1 Prozent der Wohnungen unbeschädigt, in Düsseldorf 7 Prozent, in Dortmund 19,4 Prozent, in Oberhausen 7,3 Prozent. In Dortmund beispielsweise waren 76 Prozent der Wohnungen total oder schwer beschädigt. Auch wenn man davon ausgeht, daß München, im Gegensatz zum bayerischen Umland, zu 45 Prozent beschädigt war, so ist der Unterschied immer noch eklatant. 6 F.J. Bauer, a. a. O., S. 28. 7 Die wirtschaftliche Integration der Vertriebenen wird vor allem ausführlich behandelt in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, a. a. O. Ausführliche Literatur- und Quellenangaben zu diesem Thema finden sich ebd., in der Bibliographie S. 1365 ff. Auch bei F.J. Bauer, a. a. O, S. 416f., ist Literatur zur Flüchtlingspolitik angegeben. 8 F. J. Bauer, a.a.O., S. 161 ff. 9 Stadtarchiv München (BUR 1899), Vormerkung Oberbürgermeister Scharnagls vom 28. 7. 1945. 10 E. Pscheidt, Die Flüchtlingslager, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, a.a.O., S. 197ff. sowie Stadtarchiv München (BUR 1891), Schreiben des Wohlfahrtsreferenten Hamm an den Münchner Flüchtlingskommissar Zauß vom 9. 10. 1946. 11 K. M. Haertle, Ein Überblick über die Entwicklung der Flüchtlingsverwaltung, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, a. a. O., S. 61. 12 Ebd. 13 W. Stehle, Die Sudetendeutsche Hilfsstelle, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, a.a.O., S. 83ff. 14 Ebd. 15 F. J. Bauer, a.a.O., S. 301 ff. 16 Ebd., S. 295. 17 Ebd., S. 301 ff. 18 W. Kumpert, W. Stelzle, Das Lastenausgleichsgesetz, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, a.a. O., S. 362ff. 19 K. M. Haertle, Flüchtlings Verwaltung, a.a.O., S. 63. 20 Stadtarchiv München (BUR 1889), Konferenz über das Flüchtlingswesen am 7. 12. 1945 im Landesarbeitsamt München. 21 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 230), Erfahrungs- und Tätigkeitsbericht über den Zuzug nach München, zusammengestellt von Stadtassessor Willi Irlbeck, 15. 1. 1948, S. 3ff. 22 Ebd., S. 6 23 Ebd., S. 3ff. 24 Stadtarchiv München (BUR 1899), Fragebogen betreffend die Verhältnisse der Heimatvertriebenen nach dem Stand vom 1. 5. 1951 für die Stadt München, angefertigt für den Bayerischen Städteverband. 25 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 230), Erfahrungsbericht über den Zuzug nach München, a.a.O., S. 15. 26 Ebd., S. 13ff.
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27 Dazu auch Stadtarchiv München (Baureferat-Wohnungswesen 139), Arbeitstagung des deutschen Verbands für Wohnungswesen, Städtebau und Raumplanung vom 22. 9. 1947. Demnach waren zu diesem Zeitpunkt etwa 25000 Flüchtlinge in Bayern als Baufacharbeiter beschäftigt, ohne die der Wiederaufbau nicht sinnvoll hätte vorangetrieben werden können. 28 E. Pscheidt, Die Kreditierung der heimatvertriebenen Spezialindustrie, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, a. a. O., S. 408ff., sowie ebd. die Artikel von B. Dusik und E. Pscheidt über einzelne Industriezweige der heimatvertriebenen Spezialindustrie, S. 460ff. 29 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 230), Rundschreiben Nr. 10 vom 1. 12. 1948, gez. von Willi Irlbeck, hier: Zitat einer gemeinsamen Entschließung des Bayerischen Innenministeriums und des Arbeitsministeriums vom 27. 10. 1948. 30 Stadtarchiv München (BUR 1899), Fragebogen für den Bayerischen Städteverband vom 1. 4. 1951. 31 Zu den Kreditierungsmaßnahmen der Bayerischen Regierung und des Bundes: K. M. Haertle, Der gesetzgeberische Rahmen und die ersten Maßnahmen der Kreditvergabe, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, a. a. O., S. 317ff. Hier werden auch die verschiedenen Kreditarten aufgeschlüsselt. 32 Stadtarchiv München (BUR 1899), Fragebogen für den Bayerischen Städteverband vom 1. 4. 1951. 33 Stadtarchiv München (BUR 1890), Auszug aus dem Ost-West-Kurier Nr. 8, 4. 2. 1951. 34 Stadtarchiv München (BUR 1899), Schreiben der Arbeitsgemeinschaft Union der Ausgewiesenen des Bezirksverbandes München vom 3. 9. 1948 an Oberbürgermeister Wimmer. 35 Stadtarchiv München (BUR 1899), Auszug des Städtischen Nachrichtendienstes aus dem »Bayerischen Landtagsdienst« vom 13. 10. 1948. 36 Stadtarchiv München (BUR 1891), Schreiben des Regierungskommissars für das Flüchtlingswesen, Regierungsbezirk Oberbayern, Gernbeck, an Oberbürgermeister Scharnagl vom 6. 12. 1946. 37 Stadtarchiv München (BUR 1899), Schreiben Willi Irlbecks an Stadtrat Wüstendörfer vom 18. 1. 1949. 38 Stadtarchiv München (BUR 1899), Fragebogen für den Bayerischen Städteverband vom 1. 4. 1951. 39 Stadtarchiv München (BUR 1899), Schreiben Irlbecks an Wüstendörfer vom 18. 1. 1949. 40 Stadtarchiv München (BUR 1874), Schreiben des Area Commanders Oberst James Kelly an Oberbürgermeister Wimmer vom 3.12. 1948. 41 Stadtarchiv München (BUR 1891), Kommentar zu einem in der SZ und dem Münchner Merkur erschienenen Artikel, 24. 8. 1950. 42 Stadtarchiv München (BUR 1899), Fragebogen für den Bayerischen Städteverband vom 1. 4. 1951. 43 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 230), Erfahrungsbericht über den Zuzug nach München, a.a.O., 5. 3. 44 K. Zentner, Aufstieg aus dem Nichts, 1954, Bd. I, S. 95. 45 Stadtarchiv München (BUR 1891), Schreiben des Wohlfahrtsreferenten Hamm an den Münchner Flüchtlingskommissar Zauß vom 9. 10. 1946. Das
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Regierungsdurchgangslager Allach II, das durch den Hungerstreik der dort untergebrachten Flüchtlinge und die Aktivitäten des Flüchtlingssprechers Egon Herrmann ins Licht der Öffentlichkeit rückte, gehörte nicht zum Stadtkreis München, sondern zum Landkreis Dachau. Die Geschichte dieser »Dachauer Lagerrevolte« des Jahres 1948 ist nachzulesen bei E. Pscheidt, Flüchtlingslager, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, a.a.O., S. 265ff. 46 Stadtarchiv München (BUR 1891), Bericht über die Besichtigung der Flüchtlingslager Waldfriedhof und Allach am 21.11. 1946 durch Vertreter des Roten Kreuzes. 47 Stadtarchiv München (BUR 1891), Besichtigungsbericht des Bezirksausschusses des 22. Stadtbezirks vom 24. 8. 1950 für Oberbürgermeister Wimmer. 48 Dokumente dafür finden sich beispielsweise im Bayerischen Hauptstaatsarchiv (MArb, Abg. 1979, vorl. Nr. 712, 713, 719, 722-724 sowie vor allem 1422). 49 Stadtarchiv München (BUR 1894), betrifft: Kulturhilfe zur Förderung kultureller Bestrebungen der Heimatvertriebenen, gez. Bürgermeister W. v. Miller, 7. 9. 1951. Als förderungswürdig werden hier angegeben: »1. kulturelle Neugründungen der Heimatvertriebenen in Bayern, die eine wesentliche Bereicherung heimischen Kulturlebens darstellen und sich auch in der neuen Heimat bewährt haben; 2. Museen, Büchereien und andere kulturelle Einrichtungen, die zusätzlich zu ihren bisherigen Aufgaben sich die Pflege der Traditionsgüter der Vertriebenen angelegen sein lassen; 3. Vertriebenensiedlungen als Träger, deren Büchereien, Ausstellungs- und Gemeindehäuser, Theater und Orchesterkörper sowie ihre Ausstattung; Volkshochschulen, Fachschulen und Forschungsanstalten, Musikschulen, Künstlerwerkstätten u.a. öffentliche und genossenschaftliche Einrichtungen, die ihre menschliche und sachliche Beständigkeit und Verläßlichkeit erkennen lassen und damit ausstrahlende Stätten werden; 4. Verleger, Aussteller und Veranstalter, die wesentliche Kunstwerke und wissenschaftliche Forschungsergebnisse in zugänglicher Form veröffentlichen und zur Wirkung bringen.« 50 Stadtarchiv München (BUR 1894), betrifft: Kulturelle Betreuung der Flüchtlinge in München, Dr. Karl Witthalm an den Kulturbeauftragten Hans Ludwig Held vom 18. 9. 1952. Hier wird genau aufgeschlüsselt, wie die von der Stadt München zur kulturellen Flüchtlingsbetreuung jährlich ausgeworfenen DM5000,- zu verwenden sind. Außer »Ausstellungen, Kongressen und sonstigen Veranstaltungen« sollten dabei hauptsächlich Büchereien, musikalische und literarische Veranstaltungen sowie das Chorwesen bedacht werden.
Eine Trümmerräumaktion der Nachkriegszeit (Seite 167 bis 176) l Stadtarchiv München (Baureferat Wohnungswesen 16b, Abgabeverzeichnis 78/1), dort der Einzelordner »Schutträumungsaktion am 29. 10. 49 (Freiwillige Mitarbeit der Bevölkerung), aus dem im folgenden zitiert wurde. Wiederaufbaureferat der Landeshauptstadt München an den Beauftragten für das Wohnungswesen im Bayer. Gewerkschaftsbund, 3. 10. 1949.
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2 Stadtbaurat Helmut Fischer an den Magistrat von Kassel bzw. Düsseldorf, 8. bzw. 14. 2. 1950 (zwei gleichlautende Schreiben), S. l und Eintrittskarte zum Festabend der Schutträumer am 29. 10. 49 in der Ausstellungshalle l im Ausstellungsgelände. 3 Handgeschriebene Briefe an Oberbürgermeister Thomas Wimmer. 4 Der Rektor der Universität München, Prof. Dr. Walther Gerlach, an den Münchner Merkur, 21. 10. 49. 5 Handgeschriebene Briefe an Oberbürgermeister Thomas Wimmer. 6 Gedichte zur »Rama-dama«-Aktion von Wilhelm Heiden aus München. 7 Resolution über die Aktion »München wieder eine saubere Stadt - Kehraus in München«, 30. 9. 1949. 8 Bayer. Industrieverband Steine und Erden e. V. an das Wiederaufbaureferat der Landeshauptstadt München, 28. 10. 1949. 9 Abendzeitung vom 29. 10. 1949 und Stadtbaurat Helmut Fischer an den Magistrat von Kassel bzw. Düsseldorf, 8. bzw. 14. 2. 1950, S. 3. 10 Eintrittskarte zum Festabend der Schutträumer und Stadtbaurat Helmut Fischer an den Magistrat von Kassel bzw. Düsseldorf, S. 4. 11 Stadtbaurat Helmut Fischer an den Magistrat von Kassel bzw. Düsseldorf, S. 4. 12 Stadtbaurat Helmut Fischer, ebd., S. 5.
Lebenssplitter aus dem Umgang mit Besatzern (Seite 177 bis 192) 1 C. Hallig, Erinnerungen, Besatzer II, masch. Manuskript, S. 80. 2 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 37 vom 24. 3. 1981. 3 Ebd., Brief Nr. 61. 4 Pocket Guide 10, Germany, 1944; Standort: Bayerische Staatsbibliothek München. 5 K. Jering, Überleben und Neubeginn, 1979, S. 81 f. 6 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 17 vom 12.5. 1981. 7 K. Jering, a.a.O., S. 80. 8 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 11 vom 5. 4. 1981; außerdem dazu ebd.. Brief Nr. 85. 9 C.Hallig, a. a. O., S. HOf. 10 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 77 vom 29. 11. 82. 11 Dazu auch M. Krauss, der Beitrag über Flüchtlinge in der vorliegenden Publikation sowie K. M. Haertle, Die Wohnungssituation der Heimatvertriebenen und Flüchtlinge, in: F. Prinz, Integration und Neubeginn, Dokumentation, hrsg. vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, 1984 sowie Stadtarchiv München (BUR 1876). 12 Stadtarchiv München (BUR 1876), Schreiben Oberbürgermeister Scharnagls an die amerikanische Militärregierung vom 20. 11. 1946. 13 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 85. 14 Stadtarchiv München (BUR 1876), Schreiben Max Gerstls an Oberbürgermeister Scharnagl vom 18. 11. 1946.
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15 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 67 vom 3. 11. 1982. 16 K.Jering, a.a.O., S. 921 17 Vgl. M. Krauss, der Beitrag über die Frau im Münchner Nachkriegsalltag in der vorliegenden Publikation. 18 M. von Eynern, Erinnerungen, Mit Besatzern leben, masch. Manuskript, S. 89, S. 85 und S. 95ff.
Vergnügungen und Feiern zwischen den Ruinen (Seite 193 bis 215) 1 W. Koeppen, Tauben im Gras,21979, S. 151 ff. 2 W. Kolbenhoff, Ein ganz normaler Besuch, in: F. Prinz (Hrsg.), Trümmerzeit in München. Kultur und Gesellschaft einer deutschen Großstadt im Aufbruch 1945-1949, München 1984, S. 276ff. 3 Dazu Münchner Stadtanzeiger vom 21.11. 1945, »Richtfest bei Krone«, Süddeutsche Zeitung vom 2. 11. 1945 sowie Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 731/6); der Zirkus hatte anfänglich Schwierigkeiten mit der Lizenzierung, da sowohl Carl Krone wie auch sein Schwiegersohn politisch belastet waren. Durch Fürsprache Oberbürgermeister Scharnagls gelang es jedoch, Frau Ida Krone und ihre Tochter als Treuhänder einzusetzen. Dazu Expose vom 21. 6. 1946, Schreiben Scharnagls an den ursprünglichen Treuhänder des Zirkus vom 22. 6. 1946, an Oberst McMahon vom 24. 6. und 28. 6. 1946 und an den Staatsminister für Sonderaufgaben vom 24. 6. 1947. 4 E. Kästner, Die lustige Witwe, in: ders., Der tägliche Kram, 1978, S. 151 f. 5 Süddeutsche Zeitung vom 16. 10. 1945, S. 3. 6 Süddeutsche Zeitung vom 26. 10. 1945, S. 6. 7 Süddeutsche Zeitung vom 6.11. 1945, S. 3, Artikel von W. Friedmann. 8 Süddeutsche Zeitung vom 30. 11. 1945, S. 6. 9 Süddeutsche Zeitung vom 12. 7. 1945, S. 3. 10 Süddeutsche Zeitung vom 4. 12. 1945, S. 3. 11 Süddeutsche Zeitung vom 4. 1. 1947, S. 4. 12 Süddeutsche Zeitung vom 18. 2. 1947, S. 3. 13 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 285/2). 14 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 307). 15 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 61. 16 Ebd., Brief Nr. 90 vom 4. 1. 1983 und Brief Nr. 37 vom 24. 3. 1981. 17 Süddeutsche Zeitung vom 19. 4. 1947, S. 6. 18 Süddeutsche Zeitung vom 22. 4. 1947, S. 4. 19 Ebd. 20 Süddeutsche Zeitung vom 12. 7. 1949, S. 4. 21 Süddeutsche Zeitung vom 18. 8. 1949, S. 7. 22 Dazu vor allem F. Prinz (Hrsg.), Trümmerzeit in München, und die dort abgedruckten Artikel über die Münchner Kulturszene sowie M. Krauss, Nachkriegskultur in München, Münchner städtische Kulturpolitik 1945 bis 1954, München 1985.
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23 E. Kästner, a.a.O., S. lOf. 24 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 25 vom 24.3. 1981. 25 Ebd., Brief Nr. 30 vom 23. 3. 1981. 26 Ebd., Brief Nr. 49 vom 26. 4. 1981. 27 Ebd., Brief Nr. 21 vom 12. 5. 1981. 28 E. Kästner, a.a.O., S. 45ff. 29 Stadtbibliothek München (Handschriftensammlung, Handakten Hans Ludwig Held 349-352). 30 Etliche dieser Texte und Chansons sowie Erzählungen zur Geschichte der Kabaretts ›Die Schaubude‹, ›Der Bunte Würfel‹ und ›Die Hinterbliebenem aus der Sicht ihrer Initiatoren und Hauptdarsteller wurden am 31. 12. 1980 in einer Sendung des Bayerischen Rundfunks unter dem Titel ›Kabarett nach 1945‹ in der Reihe ›Die Jahre nach 1945‹ ausgestrahlt. 31 Ebd. 32 Stadtarchiv München (BUR 2091), Bericht über die Sitzung des Arbeitsausschusses für Fragen der Bildenden Kunst am 23. 10. 1945 im Künstlerhaus. 33 Dazu auch F. Prinz, Münchner Kultur - Kultur in München 1945/49. Nature morte oder Musica Viva? in: ders. (Hrsg.), Trümmerzeit in München, a. a. O., S. 12ff. und M. Krauss, Provinzialität und Weltbürgertum - Münchner städtische Kulturpolitik 1945-1949, ebd. S. 21 ff. 34 Süddeutsche Zeitung vom 2. 8. 1947, S. 4. Zum Theaterbesuch finden sich dort weniger klare Aussagen: Die Frage »Gehen Sie ins Theater?« beantworteten 46 von 100 Männern und 24 von 100 Frauen mit »Nein«; aber nur 12 Prozent waren am Theater grundsätzlich uninteressiert. 35 Süddeutsche Zeitung vom 22. 4. 1947, S. 3. 36 Süddeutsche Zeitung vom 13. 11. 1945, S. 3. 37 Ebd.; zur Biographie Lonny van Laaks vgl. das Kapitel ›Die Frau im Münchner Trümmeralltag‹ in der vorliegenden Publikation. 38 Süddeutsche Zeitung vom 24. 5. 1946, S. 6. 39 Süddeutsche Zeitung vom 31. 10. 1947, S. 6. 40 Süddeutsche Zeitung vom 4. 11. 1947, S. 3. 41 Süddeutsche Zeitung vom 12. 7. 1947, S. 3. 42 Süddeutsche Zeitung vom 4.11. 1947, S. 3. 43 Süddeutsche Zeitung vom 2. 7. 1949, S. 13. 44 Süddeutsche Zeitung vom 30. 7. 1946, S. 6, Artikel von W. Friedmann. 45 Süddeutsche Zeitung vom 5. 4. 1947, S. 6. 46 Institut für Bayerische Geschichte, Bestand Trümmerbriefe, Brief Nr. 26 vom 22.3.1981. 47 Süddeutsche Zeitung vom 24. 5. 1947, S. 4, Artikel von /. Strahl. 48 Süddeutsche Zeitung vom 15. 4. 1947, S. 3. 49 Süddeutsche Zeitung vom 25. 1. 1947, S. 4. 50 Süddeutsche Zeitung vom 10. 6. 1947, S. 4 und vom 14. 6. 1947, S. 4. 51 Dazu z. B. Süddeutsche Zeitung vom 5. 4. 1947, S. 7. 52 Dazu z.B. Süddeutsche Zeitung vom 16. 6. 1949, S. 10 und vom 19. 7. 1949, S. 7.
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Das Herbstfest 1946 im Trümmermünchen (Seite 217 bis 232) 1 »Mit ›Geschäft‹ bezeichnet man im Fachvokabular das jeweilige Objekt, das der Schausteller betreibt (Karussell, Wurfbude, Mandelbrennerei etc.), also nicht die berufliche Aktivität des Unternehmers.« »Die Geschäfte der Schausteller lassen sich in drei Kategorien teilen, die sich in ihrer Funktion für den Rezipienten, den Festbesucher, unterscheiden und zusätzlich eine voneinander weitgehend unabhängige Entwicklung haben. -Bei den Schaugeschäften führen Personen ihre Darbietungen vor (z.B. Steilwandfahrer),... oder Gegenstände sind zu besichtigen (z.B. Wachsfigurenkabinett). Das Publikum nimmt hier die Rolle des Betrachters ein. - Bei den Verkaufsgeschäften werden verschiedene Waren angeboten (z.B. Imbiß, Süßigkeiten, Spielzeug, Scherzartikel). Bei den Ausspielungsgeschäften (Verlosungen) werden dem Kunden Lose mit unterschiedlichen Gewinnmöglichkeiten verkauft. - Die Fahr-, Belustigungs- und Geschicklichkeitsgeschäfte umfassen die Objekte, die für das Publikum zur aktiven Benutzung, zum Fahren und zum Erproben der Kraft und Geschicklichkeit aufgestellt werden.« Zit. nach F. Dering, Volksbelustigung auf öffentlichen Plätzen vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Zur Entwicklung der Fahr-, Belustigungs- und Geschicklichkeitsgeschäfte der Schausteller, Diss. masch. München 1981, hier S. l und S. 235, Anm. 1. 2 Mitteilung des Oberbürgermeisters der Stadt München an das Referat 10 für Wirtschaft und Verkehr über den negativen Bescheid der Militärregierung betreffend ein Frühlings-Volksfest auf der Theresienwiese vom 21. 9. 1945, Stadtarchiv München (O 262/28). 3 Es handelt sich um folgende Quellen: - Protokolle der Hauptausschuß-Sitzungen des Münchner Stadtrats von 1946, die sich inhaltlich mit dem Herbstfest 1946 befassen, im folgenden zitiert als: Stadtarchiv München (RP 719/3) - Stadtarchiv München, Bestand Oktoberfest, Nr. 262/28, Verwaltungsakten, im folgenden zitiert als Stadtarchiv München (O 262/28). 4 Schreiben des Bayerischen Landesfachvereins für ambulante Gewerbetreibende an das Referat 10 vom 26. 4. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 5 Stadtarchiv München (RP 719/3), Sitzung vom 16. 5. 1946, S. 394f., Stadtrat Karl Erhart. 6 Stadtarchiv München (RP 719/3), ebd. S. 397-403, Stadtrat Dr. Proebst. 7 Stadtarchiv München (RP 719/3), ebd., S. 412, Stadtrat Karl Erhart. 8 Stadtarchiv München (RP 719/3), ebd., S. 396, Stadtrat Karl Erhart. 9 Stadtarchiv München (RP 719/3), ebd. 10 Stadtarchiv München (RP 719/3), ebd., S. 404, Oberbürgermeister Scharnagl. 11 Stadtarchiv München (RP 719/3), ebd., S. 405f., Bürgermeister Wimmer. 12 Stadtarchiv München (RP 719/3), ebd., S. 412, Stadtrat Karl Erhart. 13 Gesuch des Oberbürgermeisters der Stadt München, vertreten durch Stadtrat Karl Erhart, und Genehmigung durch die Militärregierung durch Capt. C. M. P. A. J. Urban, für das Herbstfest vom 16.5. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28).
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14 Vertrag zwischen dem Referat 10 und dem Bayerischen Landesfachverein über Abhaltung des Herbstfestes vom 2. 9. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 15 Abschrift der Lizenz für Josef Fuchs zur Betreuung der Mitglieder des Bayerischen Landesfachvereins vom 20. 5. 1946, Stadtarchiv München (O 262/ 28). 16 Schreiben des Oberbürgermeisters von Augsburg an das Referat 10 vom 5. 6. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 17 Schreiben des Oberbürgermeisters von Erlangen an das Referat 10 vom 2. 10. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 18 150 Jahre Oktoberfest, 1810-1960, Bilder und G'schichten, zusammengestellt von E. Hoferichter, H. Strobl, hrsg. vom Wirtschaftsreferat der Landeshauptstadt München, 1960, S. 83. 19 Schreiben des Referates 10 an die Stadtkanzlei vom 2. 9. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 20 Der Komet, Fachblatt für Reisegewerbe und Markthandel, 1883 ff. (ohne Seitenangaben), hier Nr. 3063, 1946 (erschienen am 30. 9.). 21 Siehe Anm. 14. 22 Schreiben an das Referat 10 vom 17. 7. 1946, Antwortschreiben des Referates vom 18. 8. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 23 Der Komet Nr. 2873, 1940. 24 Stadtarchiv München (O 224), Kriegsschäden (Aktennotizen ohne weitere Kennzeichnung). 25 Stadtarchiv München (RP 719/3), Sitzung vom 28. 3. 1946, S. 213, Stadtrat Karl Erhart. 26 Schreiben des Referates 10 an das städtische Liegenschaftsamt vom 7. 8. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 27 Schreiben des Referates 10 an die Stadtgartendirektion vom 15. 5. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 28 Schreiben des Referates 10 an das Polizeipräsidium vom 27. 8. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 29 Ebd. 30 Bestätigung für Georg Graf vom 7. 9. 1946, Stadtarchiv München (O 262/ 28). 31 Erlaubnis für Planierungsarbeiten der Militärregierung vom 18. 10. 1945 und Schreiben des städtischen Liegenschaftsamtes an das Referat 10 vom 21. 8. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 32 Etat-Schätzung des Referates 10 vom 18. 7. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 33 Schreiben der Stadtwerke-Verkehrsbetriebe an das Referat 10 vom 16. 9. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 34 Schreiben des Referates 10 an das Polizeirevier 24 vom 14. 9. 1946, Stadtarchiv München O 262/28. 35 Schreiben des Referates 10 an den städtischen Informationsdienst vom 12. 9. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 36 Rechnung des Ateliers M. Krettner vom 20. 12. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 37 Schreiben des Referates 10 an das Stadtbauamt vom 26. 9. 1946, Stadtarc München (O 262/28).
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38 Stadtarchiv München (RP 719/3), Sitzung vom 16.5. 1946, S. 400, Stadtrat Dr. Proebst. 39 Schreiben des Referates 10 an die SZ vom 15. 11. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 40 Schriftwechsel zwischen dem Referat 10 und Oskar Günther vom 2. 5. 1946 bis 24. 6. 1947, Stadtarchiv München (O 262/28). 41 Stadtarchiv München (RP 719/3), Sitzung vom 25. 7. 1946, S. 724, Stadtrat Karl Erhart. 42 Siehe Anm. 32. 43 Schreiben des Bayerischen Landesfachvereins an das Referat 10, Abrechnung der Einnahmen vom 7. 10. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 44 Stadtarchiv München (O 262/28). Dort sind verschiedene Belege über die Spenden der Herbstfest-Besucher abgelegt. Unter Beschickern versteht man die Wirte, Schausteller und Verkäufer, die auf einem öffentlichen Fest ihre Waren bzw. Dienstleistungen anbieten. Bei den Belegen handelt es sich um Spendenlisten des Bayerischen Landesfachvereins mit genauen Namensnennungen und Angaben der gespendeten Beträge sowie um Schriftwechsel zwischen Landesfachverein und Referat 10. 45 Stadtarchiv München (O 262/28), »Ergänzungen zur Fierantenliste«. Unter diesem Stichwort nennt eine Liste die Schausteller, die erst nach Festbeginn gemeldet sind. 46 Schreiben und Pressemitteilung des Referates 10 an den städtischen Informationsdienst vom 19. 8. 1946, Stadtarchiv München (O 262/28). 47 Siehe Anm. 18. 48 G. Makler, Das Münchner Oktoberfest. Vom bayerischen Landwirtschaftsfest zum größten Volksfest der Welt, 1981, S. 91. 49 Gedicht über die Entwicklung des Oktoberfestes von H. Vogel, in: Offizielle Festschrift, Oktoberfest 1949, zusammengestellt von H. Vogel, hrsg. vom Münchner Festkreis, o.J. (München, September 1949). 50 H. Vogel, Ewige Wies'n, in: Offizielle Festschrift, a.a.O. 51 Ergänzungen zur Fierantenliste, Stadtarchiv München (O 262/28). 52 150 Jahre Oktoberfest, a.a.O. 53 Süddeutsche Zeitung vom 17. 9. 1946.
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Auswahlbibliographie
Ungedruckte Quellen Archive, Registraturen, Sammlungen Bayerische Staatsbibliothek München Standort eines Großteils der zitierten Ausstellungskataloge, Broschüren und Einzelveröffentlichungen Bayerisches Hauptstaatsarchiv München - Akten des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Abgabe 1979 (MArb) Institut für Bayerische Geschichte an der Universität München, Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte und Vergleichende Landesgeschichte - Bestand »Trümmerbriefe«. Institut für Zeitgeschichte, München Stadtarchiv München - Akten des Bestandes Bürgermeister und Rat (BUR, von Nr. 1184 bis 1946 Alt-Signaturen) - Akten des Bestandes Bauamt - Wiederaufbau - Akten des Bestandes Baureferat - Wohnungswesen - Akten des Ernährungsamtes - Akten des Bestandes Flüchtlingswesen - Akten des Bestandes Oktoberfest (O) - Bestand Ratssitzungsprotokolle (RP), aufgegliedert in: Ältestenausschuß, Bauunterausschuß, Entnazifizierungsausschuß, Finanzausschuß, Hauptausschuß, Kulturausschuß, Kuratorium des Kulturbaufonds, Personalausschuß, Stadtrat Stadtbibliothek München - Monacensia-Abteilung (MON) - Handschriftensammlung, Bestand Handakten Held Ungedruckte Materialien Eynern, Maria von: Erinnerungen, masch. Manuskript, Murnau o. J. Hallig, Christian: Erinnerungen, masch. Manuskript, München o. J. Preis, Karl Sebastian: Der erste Schritt zum Wiederaufbau unserer Stadt, München 1945, in: Bayerisches Hauptstaatsarchiv, Ministerium des Äußeren, Abgabe 1976, Az. 2654, Bd. l, 1945-1946.
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Zeitungen, Zeltschriften, Periodika (Auswahl) Abendzeitung. Unabhängiges Münchner Nachrichtenblatt, München 1948 ff. Bayerische Rundschau. Tageszeitung für die Interessen der Schaffenden Stände, Kulmbach 1903 ff. Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt, München 1946ff. Bayerland. Illustrierte Wochenschrift für bayerische Geschichte und Landeskunde, München 1890 ff. Beiträge zur Statistik Bayern, hrsg. vom Bayerischen Statistischen Landesamt, München 1847 ff. Das Beste aus Readers' Digest, Stuttgart 1948ff. Echo der Woche. Unabhängige Wochenzeitung, München 1947ff. Ende und Anfang. Zeitung der jungen Generation, Meitingen, Augsburg 1946ff. Frankfurter Allgemeine Zeitung. Zeitung für Deutschland, Frankfurt a. M. 1949 ff.
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