Soonpyo Moon
Topos des Pathologischen Zwischen Singularität und Gemeinsamkeit
Diplomica Verlag
Soonpyo Moon Topos de...
25 downloads
555 Views
688KB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Soonpyo Moon
Topos des Pathologischen Zwischen Singularität und Gemeinsamkeit
Diplomica Verlag
Soonpyo Moon Topos des Pathologischen: Zwischen Singularität und Gemeinsamkeit ISBN: 978-3-8428-0772-3 Herstellung: Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2011
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtes. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Informationen in diesem Werk wurden mit Sorgfalt erarbeitet. Dennoch können Fehler nicht vollständig ausgeschlossen werden und der Verlag, die Autoren oder Übersetzer übernehmen keine juristische Verantwortung oder irgendeine Haftung für evtl. verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen. © Diplomica Verlag GmbH http://www.diplomica-verlag.de, Hamburg 2011
INHALTSVERZEICHNIS DANKSAGUNG
4
VORREDE: DAS REALE UND DAS TRANSZENDENTALE
5
EINLEITUNG: TRANSZENDENTALE AUSKLAMMERUNG ALS METHODE
7
1. Das Bestimmungsvermögen und das Reflexionsvermögen
7
2. Der kapitalistische Austauschwert und das Pathologische
12
3. Die transzendentale Ethik und das Pathologische
15
TEIL I: COGITO UND AUTOBIOGRAPHIE
KAPITEL I: LEIDEN VON COGITO
19
1. Cogito in abgelöster Welt
19
2. Philosophie als Auto-Bio-Graphie
23
2.1 Zwischen Auto - und - Graphie
23
2.2 Philosophen Bios als symbolische Form (moderner Formalismus)
24
2.3 Bios als Metapher zwischen Staat und Körper (immunitas)
27
2.4. Das erzählende Ich
29
KAPITEL II: COGITO IM DENKBILD
31
1. Artaud als der Geisterseher?
31
2. Hemmungspunkt der Melancholiker
33
3. Common Sense und das Gemeinsame
35
KAPITEL III: FORM DES GEMEINSAMEN UND DUALITÄT 1. Artauds Metaphysik: entweder organische Sexualität oder A-sexualität
38 41
und entweder Denkbild oder Denken im Denken These: „Die Sexualität parallelisiert sich zum Denken.“ (Körper ohne Organ) Exkurs: Entweder Abnormalität oder das Pathologische
43
2. Signifikant oder Eigenname im Eigentlichen
44
3. Dualität vom Individuum her
46 1
INTERMEZZO:
48
Umkehrung der Auto-bio-graphie in Topo-patho-graphie oder vom Individuellen zum Gemeinsamen
TEIL II: TOPOPATHOGRAPHIE ALS TOPOS DES PATHOLOGISCHEN
KAPITEL IV: DAS PATHOLOGISCHE ALS NORMATIVER AXIOM 1. Vorkritisch und Kritisch oder Pathologisch und Normal
52 52
1.1 Geisterseher und Metaphysik
52
1.2 Theoretische Kritik
56
1.3 Praktische Kritik
59
2. Typologie des Pathologischen
61
2.1 Cassirers Typologie: Mangel an den symbolischen Formen
62
2.2 Das transzendentale Pathologische
63
KAPITEL V: PATHOLOGISCHE INDIVIDUATION
71
1. Das Erhabene und der Genuss/das Jouissance
71
2. Logik der Komödie als minimale Differenz
77
3. Die dem Individuum vorangehende pathologische Individuation
80
4. Neuer Eigenname und partiell individuiertes Jouissance
89
SCHLUSS
92
1. Artaud-bio-graphie als das individuierte Reale
92
2. Von der aus den Angeln gehobenen Zeit her
93
LITERATURVERZEICHNIS
99
2
Für jeden Ödipus
„Thus you can yourselves make your list of categories according to your mood, according to your character.“1 Gilles Deleuze
1
. Deleuze (1978, meine Hervorhebung)
3
DANKSAGUNG
Hätte es neben mir die Hilfe und die Unterstützung der Anderen für diese Arbeit nie gegeben, wäre sie zur Welt nie gekommen.
Vor allem danke ich Prof. Hans-Peter Krüger für die Betreuung dieser Arbeit und die stetige Unterstützung. Insbesondere danke ich Guido Tamponi für die wertvolle Korrektur dieser Arbeit und die duldige Attitüde zu deren komplizierten und fremden Satzstruktur. Für die anregende Kritik danke ich Daehun Jung, dessen intellektuellen Impuls ich während des Aufenthalts in Deutschland nie erlebt habe.
All denjenigen, die während der Herausarbeitung dieser philosophischen Autobiographie mehr oder weniger auf mich sowohl in Realität als auch in Gedächtnis eingewirkt haben, ist diese Arbeit gewidmet.
S-P. M. Berlin, im März 2011
4
VORREDE: DAS REALE UND DAS TRANSZENDENTALE
Hinter dem Ansatz, von vornherein von der transzendentalen Philosophie Kants2 auszugehen, versteckt sich grundlegend das spekulative Interesse, wo sich das Reale befindet und inwiefern es zu erreichen ist.3 Ist es nur aufgrund des objektiven Korrelats, z.B. durch Sprache, Intentionalität, Diskurs, Institutionsvernunft usw. indirekt vermittelt, ohne einen direkten Zugang? Gemäß dieser Perspektive, die als (post-)kantisch etikettiert wird, bleibt das Jenseits von verschiedenen Korrelata abgesperrt, entweder in Form eines Verbots, dessen Überschreiten dogmatisch wird, oder einer verlorengegangenen und beraubten Unmöglichkeit, die nur noch Raum für Schwärmerisches und Fanatisches zulässt. Gerade durch diese Grenzziehung wird der Gemeinort des Möglichen und des Legitimen da konstruiert. Was dort für legitim und sinnvoll erachtet werden kann, ist allein, das jeweilige Korrelat zu verschärfen und transparent zu machen – anders ausgedrückt: den gemeinsamen Sinn innerhalb des Kreises des objektiven Korrelats über den Nihilismus hinaus einzuschließen. Die Disziplinierung als einer der modernen Machtmechanismen entspricht exakt dieser (post)kantisch-philosophischen Operation. Sie hat weniger mit der Bestimmung des Inhalts dessen, sondern vielmehr mit der Form der Bestimmung zu tun: durch Einteilungen wie legitim/illegitim, möglich/unmöglich, erlaubt/verboten usw. Diese funktionale Proportion oder Aufteilung des jeweiligen Korrelats sowohl im einzelnen Organismus als auch im allgemeinen Leben stößt im extremen Fall auf die Dualität als die Antinomie zwischen Widerstand und Desubjektivierung oder Subjektivierung als Spezifikation und Objektivierung. Dadurch kann sie so ordentlich funktionieren. Ausgerechnet in diesen Kontext die Topik des Pathologischen – im Gegensatz zum Pathologischen als rein empirisches Phänomen - erneut einzuspeisen, besagt nichts anderes, als das abgesperrte Jenseits des Korrelats demselben immanent zu machen. Das heißt, die Grenzziehung zu vernachlässigen oder einfach an ihr vorbeizugehen und den Ausbruchsmoment der Aufteilung des Korrelats oder, kantisch 2
. Im Bezug auf das Hauptthema „das Pathologische“ ist es gemeint mit der kantischen Philosophie methodologisch die transzendentale Kritik. Diese Typ von Kritik ist gleichzeitig verwandt mit Benjamins „Kritik zur Gewalt“, wo neben der buchstäblich genealogischen Kritik an der Gewalt des Gesetzes versucht wird, die Ermöglichungsbedingung derselben an die göttlich-blutlose Gewalt zu binden. In der vorliegenden Arbeit geht es allerdings um die Kritik des Pathologischen oder dessen Reinigung. 3 . Diese Frage lässt sich im Namen eines Protagonisten bei Dostojewski folgendermaßen umformulieren: „Spontaneous people and men of action can act precisely because they are limited and stupid. How shall I explain ? Let me put it in this way : because of their limitations, these people mistake the nearest secondary causes for primary ones. This way they become convinced faster and more easily than others that they have found an incontrovertible reason for acting, and they have no further qualms about acting, which, of course, ist the important thing.“ ; Dostoyevsky (1961: S. 102 f., meine Hervorhebung)
5
gesprochen, des jeweiligen Vermögens als gemeinsam/communis – über den einzelnen Organismus oder das jeweilige Individuum hinaus - anzueignen. Dann lässt sich das Reale nie mehr als jenseitig der objektiven Realität thematisieren, sondern vielmehr als die Spalte derselben in der Realität selbst, die das synthetische Urteil der Realität im Ganzen verhindert. Von nun an rückt die Frage also dahin, wie das Reale inmitten des Korrelats realisiert wird und nicht wie Objekt und Begriff begründet werden.
6
EINLEITUNG: TRANSZENDENTALE AUSKLAMMERUNG ALS METHODE
1. Das Bestimmungsvermögen und das Reflexionsvermögen Erstens: Mit der Aufteilung des Vermögens ist die transzendentale Ein- oder Ausklammerung des jeweiligen Urteils verbunden. So formuliert bspw. Karatani den Orientalismus in einen ästhetischen Zentrismus um, um ihn dann zu kritisieren4 , da im Orientalismus das NichtWestliche zum ästhetischen Objekt oder zu einer Realität vom Westen unter Absehung der realen Gegenbenheiten sublimiert wird. Unter der Voraussetzung, dass es dementsprechend bei der Dreieckskritik Kants um die Gebrauchsvorschrift zur Ein- und Ausklammerung des jeweiligen Urteils geht – sei dieses theoretisch, praktisch, oder ästhetisch –, zielt die vorliegende Arbeit darauf ab, die kantisch verstandene Kritik eines anderen Urteils hinzuzufügen:
im
Speziellen
am
Urteil
entweder
„pathologisch/anormal“
oder
„gesund/normal“, weiter gefasst geht es jedoch um die Unmöglichkeitsbedingung eines jeden Urteils
überhaupt.
Während
bspw.
das
theoretische
Urteil
die
legitime
Ermöglichungsbedingung der Erkenntnis, vermittels der apriorischen Bestimmung des Begriffs im Verstand, erstrebt, zielt unsere Kritik darauf, das Pathologische als die allgemeine Grenzsituation der Kritik schlechthin zu erweisen, auf der jene Ermöglichungsbedingung als ihre (sozial-kulturelle) Bestimmung beruht. Wie die Kulturkritik von Cassirer exemplarisch gezeigt hat, wird die Kritik hierdurch relativiert. Zunächst wird das Pathologische dem Nichtkultivierten zugeschrieben, aber gleichzeitig wird es auch als der unbedingt vermiedene Exzess des Vernunfttriebes verstanden, nämlich als sein immanenter Exzess selbst und auch als das formale Sich-bilden der Einbildungskraft, aber nicht im Sinne der harmonischen Regelhaftigkeit, sondern vielmehr als Assoziation bzw. Phantasie. 5 Gerade in diesen 4
. Karatani (1998: S. 145-160) . „The imagination then I consider either as primary, or secondary. The primary imagination I hold to be the living Power and prime Agent of all human Perception, and as a repetition in the finite mind of the eternal act of creation in the infinite I AM. The secondary I consider as an echo of the former, co-existing with the conscious will, yet still as identical with the primary in the kind of its agency, and differing only in degree, and in the mode of its operation. It dissolves, diffuses, dissipates in order to re-create; or where this process is rendered impossible; yet still at all events it struggles to idealize and to unify. It is essentially vital, even as all objects (as objects) are essentially fixedd and dead. Fancy, on the contrary, had no other counters to play with, but fixities and definites. The Fancy is indeed no other than a mode of Memory emancipated from the order of time and space; and blended with, and modified by that empirical phenomenon of the will, which we express by the word CHOICE. But equally with the ordinary memory it must receive all its materials ready made from the law of association.“ Das Hochinteressante an dieser Darstellung ist die Tatsache, dass Fancy, im Gegensatz zu 5
7
verschiedenen Erscheinungsmodi des Pathologischen funktioniert die Bestimmbarkeit des Gegenstandes um eine bestimmte Grenze herum: diesseits und jenseits der Grenze der transzendentalen Bestimmung, des Verstandes oder der regulativen Idee. Gegenüber diesem Bestimmungsvermögen, das das Gegebene als für uns sinnvoll erscheinen lässt, rückt es anschließend zur allgemeinen Urteilskraft als dem reflektierende Urteil, das ohne Vermittlung des Begriffs oder der regulativen Idee und auch ohne empirische Überprüfung des jeweiligen Geschmacksurteils trotz allem die Mitteilbarkeit des Urteils unbedingt erfordert. Hier wird die Privatheit eines jeden Geschmacksurteils zur allgemeinen Urteilskraft hin aufgehoben, die die Unbestimmtheit der gemeinsamen Norm oder die transzendentale Grundlosigkeit derselben enthüllt. In der Urteilskraft wird gleichzeitig beides – die Schönheit und das Erhabene – insofern undifferenziert situiert, als dass das Erhabene ausschließlich über einen besonderen Fall hinaus verallgemeinert wird. Gerade an diesem Neutralisierungsort dieser Unterscheidung wird das Pathologische über die Empirie hinaus verankert, aber als ein Solches, das „die Ungleichartigkeit der Vermögens“ zum Vorschein bringt, die in jeder Antinomie aller Vermögen auftaucht. Wie der Organismus gleichzeitig als das Naturprodukt und auch als die Naturidee angesehen werden muss, wird diese Antinomie dadurch aufgehoben, dass der Inhalt gereinigt wird, indem das Geschmacksurteil bei dessen Antinomie in Umkehr von einem bestimmten zu einem unbestimmten Begriff als gespaltet entlarvt wird. Darin spielt sich eben nur noch die reale Opposition zwischen positiven Beweggründen und eben kein Widerspruch ab. Die Aufmerksamkeit wird dabei weggelenkt von der harmonischen Aufteilung/Proportion des Vermögens hin zur aus der Dysfunktion resultierenden Reflexion derselben, denn dadurch, dass die reflektierende Urteilskraft über kein Objekt verfügt, eröffnet sie einen Moment, das Pathologische über das Individuum oder das Organismus hinaus bis in die Individuation hin zu verschieben. Analog zur reflektierenden objektlosen Urteilskraft hat das Pathologische nichts mehr mit dem bestimmten pathologischen Individuum, oder kantisch gesprochen, mit dem in die Empirie versunkenen Individuum, sondern vielmehr hat das Pathologische hier mit dem Gemeinsamen zu tun, was sowohl als leer/unbestimmt als auch exzessiv/überbestimmt erscheint und daher nach wie vor zwangsläufig in die Individuation gerät. So wird das Pathologische gleichzeitig Imagination, „aus der Ordnung der Zeit und des Raumes emanzipiert ist“. Coleridge (1997: S. 175, meine Hervorhebung) Während die Imagination, oder genauer: die transzendentale Imagination, a priori der Zeit und dem Raum entlang zuläuft, ebenso wie sich bei Heidegger die transzendentale Einbildungskraft auf die horizontale Zeitlichkeit gerade durch drei Modi der zeitlichen Einbildungskraft, nämlich Nach-, Ab-, und Vorbilden, bezieht, hängt Fancy ganz von der Einordnung der Zeit und des Raumes in die herausreißenden Assoziationen ab, aus einer partiellen Repräsentation/Idee die ganze Repräsentation/Idee zu erreichen. Übrigens ist deshalb zu vermuten, dass es ein Modus vom Gedächtnis ist – parallel zum Sinn(-esorgan) bei der Wahrnehmung oder der Perzeption der Idee als der abstrahierten Bilder eines distanzierten Objekts.
8
auch als ein Solches positiviert, was von uns gemeinsam übernommen werden muss, aber auf eine individuelle Weise, analog dem Geschmacksurteil, welches ohne weiteres in Form der Individualität und der allgemeinen Mitteilbarkeit, weiter gegeben wird. Aus dieser Wende vom Individuum oder dem Organismus zur Individuation geht der Übergang vom normativethischen heteronomen Andere gegenüber der Autonomie des transzendentalen Subjekts zum ästhetischen Gemeinort des Pathologischen hervor, an dem der reale Konflikt zwischen Bestimmungs- und Reflexionsvermögen stattfindet. Das Scheitern der Proportion des Vermögens, in dem nichts anderes als die Unmäßigkeit in Bezug auf die Zeitlichkeit und die Räumlichkeit zum Ausdruck kommt, resultiert eben aus der Dysfunktion der methodisch-transzendentalen Einklammerung des jeweiligen Urteils. Diese Form der Einklammerung hat jedoch nichts mit der „Epoché“ Husserls zu tun, in der aus dem empirischen ein phänomenologisch reines Ego hervorgehen soll, damit wird die Existenz der Welt außer Acht gezogen. Abgesehen von der Verwandtschaft zwischen phänomenologischer Attitüde und ästhetischer Attitüde/Desinteresse6, betrifft die kantische Einklammerung eher den Grenzbegriff: bspw. im bezüglich des Ursprungs der Menschengeschichte Widerstreit zwischen Tiergattung und sittlicher Gattung oder zwischen dem Naturgesetz als dem Rückfall vom Guten zum Bösen und der Freiheit als der Fortgang vom Schlechteren zum Besseren.7 Dort wird beider Beweggrund keinesfalls aufgehoben: d.h. dort bleibt die Grenze als der Kampfplatz vom beiden enthalten und zugleich beide aus der zweifach gespalten Perspektive hergestellten Pointe muss inhärent jedem Gegenstand immer wieder beibehalten werden. Dementsprechend bringt er diesen Widerstreit als Parallaxe8 zum Ausdruck im Vorkritischen (Träume eines Geistersehers), in welcher die Perspektive des Anderen als des Geistersehers in meine Perspektive hinein interveniert. Hierin stellt sich eine Hypothese im Bezug auf kantische Chronologie zwischen Vorkritischem und Kritischem: und zwar im Modus Verräumlichung der Zeitlichkeit oder der zeitlichen Aufteilung. Dieser Modus wird folgendermaßen erklärt: Gewiss liegt diesem Scheitern der Proportion des Vermögens ein Paradox in der methodischen Strategie Kants zugrunde: Um die kritische Einklammerung und 6
. Während jener auf Sache selbst (eidos) abzielt, wendet sich diese der Erscheinungsweise zu. vgl. Lories (2006) . Kant (1977: Anm. A16-17) 8 . Über den engen Zusammenhang der Parallaxe mit dem Widerstreit schreibt Kant so folgendermaßen: „Unter den Kräften, die das menschliche Herz bewegen, scheinen einige der mächtigsten außerhalb demselben zu liegen, die also nicht etwas bloß Mittel sich auf die Eigennützigkeit und Privatbedürfnis, als auf ein Ziel, das innerhalb dem Menschen selbst liegt, beziehen, sondern welche machen, daß die Tendenzen unserer Regungen den Brennpunkt ihrer Vereinigung außer uns in andere vernünftige Wesen versetzen; woraus ein Streit zweier Kräfte entspringt.“: Aus dieser zweifach gespalten Beobachtung geht die Parallaxe hervor, die mit der Frage zu tun hat, aus welchem Gesichtspunkt der allgemeine Verstand betrachtet und erreicht werden kann: Kant (1977b: S. 942, meine Hervorhebung); Im vierten Kapital wird erläutert die Rolle des Geistersehers im Vermittlungsort zwischen Mannigfaltigem in Natur und Menschlichem im Verstand. 7
9
Konstruktion des jeweiligen Gegenstandes zu ermöglichen, wird für immer vorausgesetzt, dass das einmal eingeklammerte Urteil das nächste Mal wieder ausgeklammert werden muss, wobei seine Ungleichartigkeit außer Acht gelassen wird. Ob ihm diese chronische Aufteilung oder Verminderung des Exzesses der methodischen Ein- und Ausklammerung gelingen kann, liegt im Abstand zwischen philosophischer Methode und pathologischem Zwang. Um diesen in der kantischen Kritik selbst ausfindig zu machen, muss man auf das Vor-kritische - z.B. Träume eines Geistersehers: Erläutert durch Träume der Metaphysik – zurück gehen, da gerade dort der ursprünglich-anachronische Moment zur Geltung kommt, an dem die Urteile ausgeklammert koexistieren, noch bevor sie zeitlich aufgeteilt werden. In diesem Moment wird die chronische Kritik vorweggenommen, indem sie zum Gemeinort des Pathologischen gebündelt wird; bspw. geht das Pathologische in der theoretischen Ausklammerung auch mit dem ethisch-moralischen Moment einher. Vielmehr ist jener Gemeinort Nicht-Ort des Gemeinsamen oder der Gemeinsamkeit, wie schon oben vorbeigehend erläutert. Ebenso wie bei kantischem Widerstreit die zweifach gespalten Aspekte des gleichen Objekts wie immer aufbewahrt bleibt, ist jener Ort einerseits auf die Unmöglichkeit jeder vergebens Versuche, das
(verlorengegangene)
Eigentliche
wiederzufinden
9
und
andererseits
auf
die
leidenschaftliche Überbestimmung desselben berufen, die aus der zwingende Ausklammerung jeweils Urteils entspringt. Während jener der Gemeinschaft als der Grenze an sich entspricht, mit welcher die Realisierung derselben verhindert werden kann - dadurch dass das gemeinsame Nichts als unbestimmt dorthin eingeführt wird -, ruft dieser den Exzess oder die Überbestimmtheit desselben: wie beim Melancholiker die Zeit als umkehrbar (reversible) überbestimmt wird, aufgrund der Überlegenheit des Verlustgefühls gegenüber dem Habitus des Handlungssubjekts. Aus dieser zweifach Un-/Über-bestimmtheit geht eine Art Wiederholung hervor. Bei dieser Wiederholung kehrt es ohne Ende auf den gleichen Ort als die Verluststätte zurück. Wie die Melancholie allein an der reinen Tatsache des Verlustes festhält, wird es wiederholt dazu getrieben, gleichzeitig beiden in Gegenrichtung auswirkenden Beweggrund aufzubewahren: einerseits unbestimmt, andererseits überbestimmt. Hierin trifft also die Parallaxe mit der pathologischen Ausklammerung miteinander, die methodische Ein- und Ausklammerung überschreitend. Auch dorthin lässt sich das Mannigfaltige oder die Mannigfaltigkeit gegenüber dem Menschenverstand berücksichtigen, analog zur Ungleichheit der Proportion in der Gesellschaft.10 Dieses ermöglicht nicht zuletzt,
9
. Vgl. Esposito (2004b: S. 97-130) . Ranciere (1994: S. 129)
10
10
dass das Pathologische zum Positiven11 oder Produktiven12 erhoben wird: in diesem Sinne stellt Kant den Geisterseher sowohl als den aus der Zukunft kommenden Mensch als auch als die Kennzeichnung der Grenze des jetzigen gemeinsamen Verstandes dar. Diese anachronische Zusammenstellung von allem Urteil am Topos des Pathologischen charakterisiert dieses zugleich als die gleichzeitige und auch zwingende Ausklammerung all dessen. Freilich ist zweifache Modalität wie unbestimmt und überbestimmt ihr Janusgesicht. Von daher steht die folgende Erörterung der Suggestion von Karatanis Kant-Interpretation entgegen, dass ein zuvor eingeklammertes Urteil auf jeden Fall im richtigen Moment wieder ausgeklammert werden muss, weil gerade nach der Ausklammerung des Eingeklammerten nichts Epistemologisches geändert wird, zumal dieser Prozess die Dekonstruktion bzw. die Umkehrung des schon aufgrund der einmaligen Einklammerung gesetzten Wissens wirklich und nicht formal verlangt; auch in diesem Sinne ist die Methode von Husserls transzendentalmomentanen Einklammerung verschieden. Nach der Ausklammerung bleibt doch die reine Form des Pathologischen übrig, wobei das (Erkenntnis-)Objekt selbst - gegenüber dem menschlichen Geist überhaupt -, im Gegensatz zur intentionalen philosophischen Methodologie, annulliert wird. Diese reine Form lässt sich demnach analog zur psychoanalytischen Unterscheidung des Begehrens vom Trieb beschreiben: Während bei 11
. Zunächst verweist dieses Attribut als positiver Beweggrund in der realen Opposition bei Kant auf keinen logischen Widerspruch. Dieser positive Beweggrund steht im Zusammenhang mit dem „Dispositiven“, wie es, in Rücksicht auf das Dispositive bei Deleuze, Foucaults Methode schlechthin darstellt. Laut Deleuze stellt er sich sowohl als die Bruchlinie wie auch als die Aktualisierungslinie dar. Beim Ersten hört man mit dem vorhergien „Anteil der Geschichte“ auf, beim Zweiten dagegen wird man zukünftig ganz anders, nämlich in Form „Anteil des Aktuellen“. In Bezug auf das Dispositiv kommt Deleuze so zu der Frage, wie die Produktion der Neuheit ermöglicht werden kann. Dieser Begriff lässt sich eigentlich auf die Positivität (Hegel/Hyppolite) zurückführen, wie Agamben in seinem Text (What is an Apparatus?) erläutert. Darin wird die Positivität als die rationale Historisierungsprozess des Fremden gegenüber der Vernunft definiert; wie z.B. in der Unterscheidung der positiven Religion von der natürlichen Religion. Bei jener wird die Beziehung von Master/Gott und Sklave/Mensch historisch kultiviert oder in die reine Vernunft integriert. Daran ist Agambens Bemerkung anzuknüpfen, dass „the relation between individuals as living beings and the historical element [...] as the concrete modes in which the positivies (or the apparatuses) act within the relations, mechanisms, and plays of power.“ (Agamben, 2009: S. 6) Kurzum zwischen lebendigem Sein und Apparat oszillierend führt seine Erörterung schließlich zur Diagnose der Kontroll-Gesellschaft. Dabei geschieht keine reale Subjektivierung mehr, die gleichzeitig aus der Desubjektivierung folgt. Die problematische Situation, in der der Apparat kein Subjekt mehr produziert, oder spekulativ ausgedrückt, die permanente Abtrennungslinie zwischen Sein und Akt daher keine Produktion des Subjekts, das aus dem Kurzschluss beider Linien hervorgeht - impliziert oder antizipiert eher die kommende Problematik dieser gesamten Erläuterung der vorliegenden Arbeit in Form von der Diskrepanz zwischen Denken als Akt und Denken als Sein, Produktion eines anderen Subjekts usw.; Deleuze (2005); Hyppolite (1996). 12 . Gegenüber der Perspektive des Produkts sowie des Individuums charakterisiert sich das Produktive oder die Produktion bzw. der Produktionsprozess eher als ein disparater Moment im kantisch-transzendentalen Feld. Dabei wird der Schatten oder, der Terminologie von Deleuze zufolge, die virtuelle Seite mit dem Aktuellen/Erfahrbaren koexistent/kristallisiert (Deleuze) und dann ohne Analogie von beiden für immer aktualisiert. Danach wird der jeweilige Platz gegenseitig, nämlich zwischen aktuellem Objekt und virtuellem Bild/Image, ausgetauscht. Dieser Moment impliziert auch den Ausbruch des legitimen Gebrauchs des jeweiligen Vermögens, der als pathologisch gekennzeichnet wird. Konkretisiert wird dieser Moment der Überfülle in Koexistenz zwischen „virtuell“ und „aktuell“ nun im Zusammenhang mit der (zwangsläufigen) Individuation im letzten Kapitel.
11
jenem das äußere Objekt oder das objektive Korrelat – zumindest indirekt – angestrebt wird, dreht es sich bei diesem nur um das Objekt selbst herum, welches die Relation des Begehrens(-subjekts) auf dessen Objekt formal enthüllt und in Frage stellt. Es geht der resultierenden Form weniger um das Gelingen der Relation des Erkennenden in Bezug zum Gegenstand, sondern vielmehr um ihr Scheitern. Obwohl diese reine leere Form kantischer Transzendentalismus und Psychoanalyse gemein als die Grundlage teilen, geht die folgende Erörterung darüber hinaus bis dahin vor sich, sie intensivieren.
2. Der kapitalistische Austauschwert und das Pathologische Zweitens: In dieser Arbeit geht es um die Multiplizität oder das Mannigfaltige sowohl in der kapitalistischen Tauschabstraktion als auch im Pathologischen. Während bei jenem der Wert und der Sinn nur formal synthetisch als Basis des Austausches, abgesehen von der vorgegebenen substanziellen Einheit dessen, gegeben ist, geht dieser gerade mit dem Bruch des Austausches um, woraus notwendig der Unsinn/das Nihil hervorgeht. Diese beiden unterschiedlichen Arten von Multiplizität werden im Hinblick auf zweierlei Auffassungen vom Genuss weiter herausgearbeitet, von der die erste eine formale Subsumption unter die regulative Idee und die zweite den partiell-individuellen Genuss ohne Garantie der Idee meint. Während die kapitalistische Kritik die vierte Kritik darstellt, kommt somit in der Kritik des reinen Pathologischen die fünfte zum Tragen – nicht nur weil dabei, methodologisch gesehen, beide, pathologische und kapitalistische Kritik, die Einklammerung des Urteils oder der Interesse als die Grundlage gemein haben, sondern auch weil die fünfte Kritik wieder aus der Kritik an der Kapitalismuskritik a fortiori hervorgeht. Worin liegt diese Kritik? Im Kapitalismus reduziert sich all die Differenz der Gegenstände alsbald auf den Tauschwert im Markt; egal ob es irgendein Interesse gibt oder nicht.13 Dieses kapitalistische Desinteresse am Interesse wird so weit ontologisch umformuliert, dass dessen Mechanismus ohne weiteres die permanente Axiomatisierung ist, die nicht nur all die kontingente pathologische Empirie vom eindeutigen Sinn des Seins befreit, sondern sie zugleich wieder in die anderen Axiome transformiert. Damit wird die Grenze des Kapitalismus weiterhin aufgrund eines erneut eingeführten Axiomes erweitert bzw. verschoben, z.B. durch die Zusammensetzung vom 13
. Karatani (2005: S. 149) „At this point, it becomes necessary to consider a realm that Kant did not scrutinize a place where all differences are unconditionally bracketed: the monetary economy. This is where manifold use values and the practical labor that produces them are reduced to exchange value, or, in Marx's terms, ‘social and abstract labor’.“
12
Homo- und Heterosexuellen in Form der differenten Waren(-produktion) ohne Widerspruch oder Widerstreit. So zeichnet sich der Kapitalismus auch als „das automatisch axiomatische System“ 14 aus. Diesen nihilistischen Aspekt, also die Abkopplung des Seienden von der Präsenz des Seins (i.e. Desäkuralisierung) schätzt bspw. A. Badiou gegenüber der Nostalgie für den Feudalismus als „einen ontologischen Wert“15 ein. Demgemäß wird wiederum die Ontologie nicht mehr als Etwas um das Seins als das Eins, sondern vielmehr als Etwas um das Multiple umformuliert. Von diesem reinen Multiplen her steht Philosophie in engem Kontakt mit dem Kapitalismus, in dem neben der Desäkularisierung als dem aktiven Nihilismus die endlose Axiomatisierung geschieht; In gleicher Weise unterscheidet Deleuze die Schizophrenie und den Kapitalismus voneinander dadurch, dass jenes gerade die absolute Grenze selbst oder die äußere Grenze von diesem ist, während dieses eine Grenze/ein Axiom der Gesellschaft in andere Grenzen transportiert oder verschiebt16. Solange die Differenz von beiden ausgeschaltet wird, bleibt davon eben der gemeinsame pathologische Ort des Kapitals übrig, wo das empirisch Kontingente immerhin automatisch axiomatisiert wird. Indem das Sein als das Nichts vom Wissen entbunden fließt, nämlich im aktiven Nihilismus, der eher den Wille zum Nichts meint, da ist es gewiss daran gehindert, durch die Historie des Geistes oder die Metaphysik der Historie den konsistenten Sinn des Seins aufzubauen. Es wird so im Pathologischen widergespiegelt, imitiert, und wiederholt sich dort. Karatani analysiert, dass der Ausbruch der Synthese zum Tauschwert dazu dient, das reflektierende Urteil in das bestimmende Urteil intervenieren zu lassen, insofern ein Produkt im Markt ausgetauscht wird. Dies weist zugleich die Verborgenheit und die Nachträglichkeit des Austauschwertes auf, d.h. dass die Synthese zuvor nie gegeben ist, sondern vielmehr gerade nach dem Austausch ausgeführt wird. Insofern der Ausbruch dessen dem Pathologischen zugeschrieben wird, analog zur Sprachauffälligkeit, geht die fünfte Kritik von dem Ausbruchsmoment aus, um zur Fragilität der Synthese des Tauschwerts zu gelangen. Inwiefern aus dieser Dysfunktion überhaupt die Genese oder die Individuation des Gemeinsamen hervorgeht – darauf wird die Aufmerksamkeit gelenkt und nicht mehr auf den Tauschwert im Kapital. Dadurch wird der pathologische Ausbruch verallgemeinert und relativiert und erscheint so als keine besondere Ausnahme mehr.
14
. „Integrated global capitalism is a machine – and a machine is nothing other than an automated axiomatic system – but an astonishingly supple and adaptive one, singularized by its fluidity, its metamorphoric plasticity. Whenever confronted by a limit or anomaly, capitalism has the wherewithal – the intelligence? – to invent a new axiom in order to incorporate the unexpected, constantly reconfiguring its prarmeters by adding a supplementary axiom through which it can continue expanding its own frontiers; Brassier (2004: S. 53, meine Hervorhebung) 15 . Badiou (1999: S. 53-60) 16 . Deleuze & Guattari (1977: S. 316)
13
Diese Verallgemeinerung des Pathologischen ruft gleichzeitig einen ontologischen Anspruch ins Leben. Aufgrund des aus der Ausklammerung des Urteils notwendig folgenden Mangels am repräsentierbaren Objekt oder besser: aufgrund des Verschwinden der Gegenständlichkeit des Urteils seitens des Menschen/Geistes lässt sich letztes Endes „der Schluss mit all dem Urteil oder dem Gericht“ (Artaud, Deleuze) 17 ziehen. Im Verschwinden ist es auf den ontologischen Moment berufen, der die (Un-)Möglichkeit der Epistemologie bedingt: dies ist die Überlegenheit der Ontologie der Epistemologie, oder genauer: die Ontologie, die der Kondition/der Bedingung jener (Un-)Möglichkeit nachgeht. Das heißt, sich nie mehr an „ob (un-)möglich“ sondern vielmehr an „wie real“ zu orientieren – auch darin wird ein pathologischer Ort als ein Axiom verankert. An dieser Stelle taucht das pathologische Subjekt auf und behauptet sich, aber nicht aus der Perspektive des Erkennenden, des Repräsentierenden oder des transzendentalen Subjekts, und damit nicht aus der Perspektive, die die kantische, formal-normative Ethik als die Verantwortung für das Andere als Ding-ansich grundsätzlich unterstützt. Obwohl dabei natürlich zwei Instanzen – die pathologische und die philosophisch-methodologische – miteinander überlappend ablaufen, unterscheidet sich doch die vorliegende Arbeit von der transzendentalen Kritik Kants dadurch, dass sie von der Seite des Anderen selbst her, möglicherweise auch gegen den Commonsense überhaupt, entfaltet wird. Demnach lautet eine Frage also: „Kann das Andere selber überhaupt für sich sprechen?“18
17
. Deleuze ersetzt das subjektiv-personale Gefühl gegenüber dem Fremden oder dem Anderen durch den aus diesem Stoß entsprungenen unpersönlich-vitalen Krafthorizont. In diesem wird das auf dem (höheren) Wert basierende Urteil gegenüber dem Anderen nicht mehr vollzogen, sondern vielmehr „sensing whether they agree or disagree with us.“. In diesem Fall ist es doch auf die Relation zur (Nicht-)Gegenständlichkeit berufen: Sie geht zunächst vom transzendentalen Subjekt aus. Doch letztlich gelangt der unpersönlich-vitale Krafthorizont vom leeren zum intensiven Ort des Transzendentalen. Deleuze (1998: S. 135) 18 . Diese Frage ist eine ontologisch verallgemeinerte Form der Frage: „can the subaltern speak?“, die Spivak gestellt hat und letztlich verneint wurde. Sie kritisiert daran, dass der Subaltern oder der Andere (gegenüber Europa) als eine Ermöglichungsbedingung des transparenten europäischen Intellektuellen gesetzt wird. Dies ist die transzendentale Frage/Kritik und zwar in zweierlei Richtungen: (1) Einerseits von dem Subaltern her. In der Kritik von diesem spielt „die Diskrepanz zwischen Anschein und Realität“ eine Rolle. Obwohl der Subaltern für sich selbst de facto sprechen kann, verlangt es de jure die Unmöglichkeit des Selbst-sprechens, damit die weitere Repräsentation des anderen mit all den Darstellungsmitteln immerhin aufgefordert werden kann: sogar als die Realität des weiteren Grades. (2) Andererseits vom Repräsentierenden her. An die Stelle der Transparenz oder der Abwesenheit des (europäischen) untersuchenden Subjekts tritt das (nicht-europäische) Andere insofern als autonom ein, als dass dieses darin assimiliert werden kann. Daher verlangt es eine bestimmte Repräsentation dessen im zweifachen Sinne als Vertretung und Darstellung, nur mit der Bedingung, dass dabei der Vertreter oder der Darsteller „sich selbst darzustellen lernen muss“ (i.e. Kritik an sich selbst). Aber darin liegt die Aporie: Die Unmöglichkeit als der Grund der Möglichkeit der Repräsentation (von dem Subaltern sowohl in reiner Präsenz als auch a-substanziell) und die Möglichkeit als der Grund der Unmöglichkeit der Repräsentation (von dem Repräsentierenden in transparenter Absenz her). Um diese Aporie herum kreist die transzendentale Kritik am Subaltern, zwischen Unmöglichkeit und Möglichkeit seines Sprechen-Könnens. Zur Frage, inwiefern diese Aporie oder die kreisförmige Abhängigkeit von beidem das Pathologische betrifft, kommen wir später zurück. Siehe, Spivak (1988a)
14
3. Die transzendentale Ethik und das Pathologische Drittens: Was uns letztlich motiviert oder veranlasst, das Pathologische als die philosophisch-ontologische Kategorie anzusetzen, bezieht sich auch auf die gegenwärtig privilegierte Vorstellung der Welt. Diese ist jedoch von den (post-)kolonialistischen Kategorien von erster, zweiter oder dritter Welt verschieden. Die Welt wird hier vielmehr vermittels der Kategorie des Pathologischen klassifiziert und zwar entweder als Normalstaat oder als Anormalstaat. Während beim Normalstaat – demokratisch gesehen – der Mittelstand ganz vom Staat repräsentiert oder vertreten wird und – historisch-politisch gesehen – das Gedächtnis der Vergangenheit eine beherrschende Rolle spielt, das als die Relativierung und die Veralltäglichung dessen bezeichnet wird, bedeutet der Anormalstaat die nichtdemokratische Situation, dessen Geschichte vom gegenwärtigen grausamen Ereignis sowie von der Naturkatastrophe, dem Krieg oder dem Massenmord überschwemmt wird. Auf den ersten Blick scheint beides exakt entgegengesetzt zu sein, einerseits normal-positiv, andererseits abnormal-negativ. Aber in Wahrheit verhält es sich genau umgekehrt. Trotz des oberflächlichen sprachlichen Ausdrucks ist der Normalstaat abhängig von Anormalstaat, d.h. nur durch Abnormales kann sich Normales behaupten. Nur durch Abnormales wird es möglich sein, zu diesem den Abstand zu halten, ebenso wie die heutige Politik als das Gedächtnis des vergangenen radikalen Bösen (i.e. das totalitäre utopische Projekt)19 existiert und dazu die Distanz impliziert, als wäre die Utopie schon auf der Erde verwirklicht. In diesem Sinne schreibt Benjamin, dass die Vergangenheit als die Geschichte eben erst im Moment des Jüngsten Gerichts ganz restlos gedacht und auch geschrieben werden kann. Demgegenüber liegt der Anormalstaat in realer Opposition im kantischen Sinne vor. In diesem stoßen zwei positive Kräfte zusammen, wodurch die Geschichte nicht geschrieben wird, sondern vielmehr sich selbst präsentiert: meistens in Form der Grausamkeit des aus dem realen Konflikt gelangten Nullpunktes. Aus der Perspektive des Normalstaates produziert dieser Nullpunkt eine Art Ethik. Bei dieser in unserer Gegenwart privilegierten ethischen Attitüde, die aus der Unterscheidung der Staatsform hervorgebracht wurde, wird die Ethik nur durch die Feststellung der reinen Tatsache des bloßes Lebens des Anderen im Anormalstaat legitim und alsbald wird aus dieser Bestätigung der Anspruch nach dem Menschenrecht herausgezogen.
Darin
bleibt
die
Unterscheidung
19
zwischen
Tatsache
und
Norm
. Diese auf dem vergangenen kollektiven Trauma basierende Politik nennt Ranciere „die ethische Wende“ der Politik. Sie beruht auf dem Konsens statt auf dem Dissenz. Siehe, Ranciere (2007a)
15
verschmolzen. 20 Gleichzeitig liegt diese Verschmelzung der transzendentalen Ethik in Ausgrenzung
des
Anderen
zugrunde,
im
Widerstreit
zwischen
Autonomie
des
transzendentalen modernen Subjekts und Heteronomie des reinen empirischen Anderen, der jedoch sofort zu einem ethischen Ding-an-sich aufgewertet wird. Innerhalb der transzendentalen Ethik ist es nicht möglich, diese Grenze abzuschaffen oder zu vernachlässigen. Erinnern wir uns noch mal daran, dass der Diskurs um den modernen Machtmechanismus hier in diesem Anormalstaat keineswegs gültig ist. Genau in diesem Moment trifft der Anormalstaat rückwirkend auf die erste These, die behandelte, wie die transzendentale Aufteilung des Vermögens abgerissen wird, wenn die Ausklammerung eines jeden Urteils stattfindet. Wo es keine Politik mehr gibt, bleibt allein die reine Tatsache des bloßen Lebens oder des Todes: Es kann kein transzendentales Subjekt heranwachsen. Hierin liegt der entscheidende Grund, warum neben dem Orientalismus die Unterscheidung des Normalstaates vom Anormalstaat auf die Ebene des Ontologischen wieder übertragen und dann umformuliert werden sollte, selbst im Zustand der Ausklammerung eines jeden Urteils. Ohne dass ein bestimmtes epistemologisches Urteil auf der Spitze steht oder hierarchisiert wird und zugleich ein anderes Urteil durch das dominante ausgeschaltet wird, wie z.B. die japanische Kultur als das Idol der schönen vormodernen Kultur für die Europäer galt, wird das Pathologische als der Grund, als der gemeinsame Topos des Seienden platziert. Die vorliegende Arbeit will auch über die Zusammenstellung der verschiedenen Differenzen, nämlich in Form von Toleranz, hinausgehen. Gleichermaßen verhält sie sich gegenläufig zur Einklammerung jeder Differenz oder der Interessen vermittels der Produkte oder des im Kapitalismus angelegten Tauschwertes. In Bezug auf den Grund des Seienden sollte noch etwas deutlich gemacht werden. Weil beim Pathologischen eigentlich jedes Objekt eben durch die gleichzeitige Ausklammerung annulliert wird, entspricht dem Grund des Pathologischen keine klassischen Ontologie mehr: Um dies zu markieren, wird der Neologismus „Topo-patho-graphie“ eingeführt. Dieser drückt den Gemeinort des Pathologischen aus. Parallel zur Topo-patho-graphie soll hier zunächst die Überlegung von Auto-bio-graphie behandelt werden. Dabei bleibt sowohl auf dem privaten Bereich als auch auf der sozialen Ebene die Spaltung der Kategorie(-sierung) oder des Urteils in „normal“ oder „anormal“ latent. Aus dieser ursprünglichen Spaltung ergibt sich eine weitere zwischen Intimität und Extimität oder die der Selbsterzählung zwischen des gesunden
20
. Siehe, Anm. 19
16
und des kranken Menschen. Daher lautet eine weitere Frage: „Kann der Andere denn über sich selbst schreiben?“21
21
. Oder mit Foucault gesprochen: Solange die Autor-Funktion „eine der möglichen Spezifikationen der SubjektFunktion“ ist, kann diese Frage folgendermaßen reformuliert werden: „Kann das Andere zu einem bestimmten Subjekt werden, oder die Position dessen übernehmen, damit es in den Diskursbereich – z.B. als „Diskursitivitätsbegründer“ – eintreten kann?“; vgl. Foucault (2001: S. 1022; S. 1029)
17
TEIL I
COGITO UND AUTOBIOGRAPHIE
18
KAPITEL I: LEIDEN VON COGITO
„Ich leide an einer schrecklichen Krankheit des Geistes.[...] Sobald ich also eine Form ergreifen kann, so unvollkommen sie auch sei, halte ich sie fest, aus Furcht, das ganze Denken zu verlieren. [...] All dies, das sehr schlecht ausgedrückt ist, birgt die Gefahr, ein gefährliches Missverständnis in Ihrem Urteil über mich aufkommen zu lassen.“22
Die von vornherein zu stellende Frage ist das Folgende: Inwiefern unterscheidet sich „Ich leide“ von „Ich denke“? Wie dieses Zitat zeigt, steht das leidende Ich in der Gefahr, sowohl „das ganze Denken zu verlieren“ als auch einem bestimmten „Urteil“ untergeordnet zu werden. Dabei wird all meine Aussage in „ein gefährliches Missverständnis“ geraten. Dem „Ich denke“ widerstehend, oder von der Furcht vor der Fragilität dessen überschwemmt, bleibt das leidende Ich da stehen. Abgesehen davon, dass dieses Narrativ ausgerechnet in Form asketischer Selbstbekenntnis oder genauer, als Brief konstruiert ist, liegt der folgende Fokus gerade darin, beides sowie das leidende Ich und das denkende Ich am gleichen Ort zusammenzubringen. Wie in diesem Zitat wird die asymmetrische Beziehung zwischen Absender (Artaud) und Empfänger (Riviere) durch die Dichotomien Normal/Anormal sowie Gesund/Krank ersetzt und dadurch die unlösbare Distanz erhalten bleibt. Stattdessen wird beides am gleichen Ort oder Spitze aufgerufen und versammelt. Dieser Ort wird ja so genannt, nämlich statt der Selbstbekenntnis oder des Briefgenres, vielmehr als Auto-Bio-graphie.
1. Cogito in abgelöster Welt Was bedeutet aber der jetzige Aufruf der Autobiographie im philosophischen Diskurs überhaupt? Oder anders gefragt, inwiefern kann Autobiographie über Literatur hinaus gehen und dann in Philosophie verortet werden? Diese Frage ist so bezogen auf den Status oder die Funktion des Ichs in Philosophie. Ist es ein Autor oder ein Erzähler, wie in Literatur? Oder wie Foucault erklärt, ist es ein Begründer der (philosophischen) Diskursivität? Seit Descartes wird bekanntlich dieses Ich als cogito im Diskurs eingeschlossen. Obwohl cogito zwischen besonderem und allgemeinem Ich oszilliert, wird es so als ein Angelpunkt der modernen Erkenntnis verstanden. Wie cogito aus der modernen Welt(-bild) nämlich der Relativierung 22
. Artaud (1983: S. 15 f., meine Hervorhebung)
19
einer eigenen Kultur im Vergleich zur fremden hervorgegangen ist, verlangt es so, aus dem jetzigen bestimmten Weltbild ein anderes cogito entspringen zu lassen. Zunächst darin liegt der Grund, warum das Ich von Autobiographie philosophisch angeeignet werden sollte: nämlich cogito in abgelöster Welt. Zur Vorstellung dieses besonderen Weltbildes dient die ganze Reihe Darstellung der Landschaft oder der Topographie der gegenwärtigen Theorie. Erstens wie F. Jameson schildert, spielgelt das „meat-book“ als die neue Tendenz der Theorie deren Undurchsichtigkeit wider, die aus der Unsicherheit der Kommunizierbarkeit oder des Austausches hervorgeht. Damit wird die private Sprache auf den öffentlichen Bereich transportiert und übertragen. Darin spielt die klassische Frage nach der Bedeutung oder dem Sinn der Aussage keine Rolle mehr. Es bleibt nur die Eroberung des reinen Signifikanten. Daran geknüpft tritt die neue Theorie bzw. die Metatheorie dahin ein;
„[…] whose task is the invention of a theory about other theories, the construction of a master theory through which their apparent inconsistencies can be overcome, or, in the case of theories which do not contradict each other because they have no visible connection with each other at all, in whose larger context they may be made fruitfully to interact for the first time.”23
Daran anschließend lässt sich Schürmanns These, “broken hegemonies”24 hier einführen. Sie markiert den Moment, wo das hegemonische Prinzip sowie „das Eins“ der Griechen, „die Natur“ der Römer, oder „das Bewusstsein“ in der Moderne abgerissen ist. Legitim verwandelt solches Prinzip nicht nur das Singuläre in Bestimmtes parallel zum Allgemeinen. Sondern es konstruiert auch aufgrund der nominativen Normalisierung die thetische Realität – im Gegensatz zum Realen - und breitet sich überall dahin als ein Vater/Phantasma aus. Das kann man „die philosophische Entscheidung“25 nennen, die die Realität vermittels einer möglichst legitimen Repräsentation konstruieren kann. Danach zeichnet sich Luther-Kant als „topoi“ der modernen Hegemonie aus, nämlich als das Bewusstsein vom Selbst. Dadurch kann das Selbst und Gott als „double bind“ zur Konstruktion der repräsentativen Realität beitragen. Was aber dabei aufgrund solcher Verallgemeinerung ausgeschlossen wurde, bleibt dem Gesetz solcher Konstruktion immanent: Nämlich dasjenige, was als Antrieb zur Singularisierung in Erscheinung tritt. Es zeigt sich die epochenspezifische Hegemonie gleichzeitig als in den 23
. Jameson (1976 : S. 126) . Schürmann (2003: S. 3-48) 25 . Laut Laruelle besagt diese Entscheidung die Funktion des Autoeffekts, die nicht nur eine bestimmte Realität ins Leben ruft, sondern zugleich das Reale verwirft. Aus dieser Funktion bringt sich das Denkprozess oder die Autoentscheidung dessen hervor; Laruelle (o. J: S. 56 f.) 24
20
Momenten der Institutionalisierung und der Deinstitutionalisierung. Aber in zeitgenössischer Philosophie reißt sich dieser doppelte synthetische Moment ab. Sie kann als „der Zerfall der Subsumption“ gekennzeichnet werden und liegt auch analog zu zweierlei Nihilismus Nietzsches als die aktive und passive Reaktion auf diese Mangelhaftigkeit des letzten Sinnes all des Symbolischen.
„On the other hand, if the contemporary age genuinely shows the exhaustion of normative positions, there can no longer be such a relapse in the thinking that gives in to it. No more can the investment be withdrawn from some ultimate authority and transferred to some safer place. What comes to pass for us is not the destitution of one fantasm after another, but a diremption that deprives us henceforth of any fantasmic recourse. By «diremption » I only mean secondarily the will not to want to posit, which is only another posture of the will. « Diremption » means first of all an expiration has happened, the annihilation of normative acts that cleanses the tragic condition. If there is a task and a possibility of thinking today, it can only be that of letting normative consciousness collapse – not by putting a stop to philosophy so as to pass on, either to the science (the Anglo-Saxon temptation), or to literature (the French temptation), but by learning not to have wohlehearted faith in semantic maximization itself (which is the temptation in any Western language). How is one to live, under the sign of Proteus ? How does one let the postions, which for our peace of mind focus on some particular focal sense of being, collapse ? These are daunting questions, but they are nevertheless secondary in relation to this question, which is graver still: How is one to think? Not „What is one to think?“ Not „Which datum is to be borne in mind and followed?“ But rather: How is one to bear in mind that which gives itself without submitting it straight away to subsumption? Only the lover of the disparate26has stopped denying the diremption – which has already been legislating, in any case, for a century and a half.“27
Anschließend unterscheidet Balibar drei Universalitäten28 sowie die Realität, die Fiktion und das Symbol voneinander im Blick auf die globalisierte Welt. Diese Globalisierung weist ohne weiteres die erste Universalität als die Realität oder die schon auf der Erde realisierten utopische Wunschbilder auf. Aber diese Universalität steht jedenfalls in Konflikt mit der zweiten, wie die Immigranten aus der dritten Welt in europäischen Apratheid ausgeschlossen und dann in bloßes Leben geraten werden. Diese zweite Universalität ist bezogen auf den 26
. Dieser Begriff „Disparität“ wird gegenüber dem Individuum in Hinsicht auf die Individuation im letzten Teil erläutert. 27 . Schürmann (2003: S. 514 f., meine Hervorhebung) 28 . Balibar (2002)
21
modernen Begriff sowie Staat, Nation oder Rasse oder Hegels Terminologie zufolge, den objektiven Geist. Dadurch wird die Normalisierung des Individuums verwirklicht, in welcher die Familie als das elementare Gefüge der Gesellschaft zum Staat oder staatlich dominanten Ideologie subsumiert wird. Diese Synthetisierung des Individuums auf der stabilen Identität, auf der der Kampf zwischen erster und zweiter Universalität zurückzuführen ist, schließt die flüchtende fragile Identität aus. Oder in diesem Prozess wird so die zweite Universalität begründet. Darum drängt sich das Verlangen nach der dritten Universalität als die Reformation der zweiten hierin auf. Was für immer bei der Normalisierung ausgeschlossen wurde, kehrt für immer zurück: gerade in Form eines neuen Symbols oder genauer eines neuen Gebrauchs des normativen Symbols in zweiter Universalität. Die Instanz dieser Reformation bringt dadurch zum Vorschein, dass der ideale Buchstabe per se buchstäblich ernst genommen und dessen Idealität auf der Straße demonstriert/bewiesen wird. Dafür ist ein Beispiel zu nennen. Dementsprechend schreitet die Emanzipation der Frauen sowie Feminismus die der unterdrückten Sozialsubstanz (eine bestimmte Identität/Differenz) über. So gleichzeitig wird die homogen-männlichen Politik selbst (eine bestimmte zweite Universalität) transformiert. Dabei wird nicht nur die Exklusion in der zweiten Universalität problematisiert, sondern zugleich die weitere Genese der Universalität wird angetrieben (NUniversalität). Letztlich wird so die individuelle Freiheit und Gleichheit zum Kollektiven erhoben. Aus diesen Weltbildern entspringt ein bestimmtes cogito nämlich ein pathologisch leidendes vor der entsynthetisierten Welt, das am Gemeinort der Autobiographie und der Philosophie situiert wird. In diesem Sinne, dass damit die innere Spalte zwischen Genießen und Wissen, oder das leidende Ich und das denkende Ich dergleichen selbst erschlossen wird: als die zerstückelten Form der Philosophie. Die Autobiographie als die private Sprache charakterisiert sich dann in dem Sinne der inneren eingeschlossenen Grenze der (Nicht-)Kommunizierbarkeit, die über die Regel in einer Gemeinschaft oder einer Gesellschaft hinaus geht.29 Und sie zeichnet sich auch als die aus der Hegemonie der nominativen Normalisierung 29
. Vgl. Karatani stellt die Unmöglichkeit der privaten Sprache Wittgensteins so dar: nicht die Gültigkeit für eine Gemeinschaft, sondern für die Kommunikation selbst im Allgemeinen. Was dabei hier betrifft, ist weniger als die Unmöglichkeit derselben, sondern vielmehr die formale Art und Weise, wie die solche Gültigkeit selbst aufgrund der Existenz der privaten Sprache bestimmt wird. Was dabei mehr noch aufmerksam gemacht werden muss, ist die unterschiedliche Art und Weise, wie die private Sprache beurteilt wird, entweder negativ oder positiv, aber nicht im logischen Widerspruch, sondern in der realen Opposition. Dieses zufolge stellt sich die private Sprache nicht als der absolute Mangel, sondern vielmehr als etwas Positives, was dem Normalen widersteht und daraufhin zuläuft. (Kants Unterscheidung vom beiden wird im nächsten Teil erläutert) „As I noted earlier, Wittgenstein sought to scrutinize linguistic communication in the context of teaching foreigners. He negated private language not from the conventional position – that language is a rule of a community – but from a heterology that sees language in that kind of social communication wherein those who belong to different
22
wieder ausgelöste Singularität gerade in der Situation des Abrisses der Hegemonie in Philosophie aus. Im nächsten Schritt wird die folgende Erläuterung auf dem Niveau der detaillierten Darstellung dergleichen verweilen.
2. Philosophie als Auto-Bio-graphie
2.1 Zwischen Auto- und -Graphie In dem Oberbegriff der Autobiographie vereinigen sich zwei heterogene Elemente oder Triebe miteinander. Einerseits Auto (cogito), die (Je-)Meinigkeit oder Mein Leben als das Intime, andererseits „-logie“ oder „-graphie“ als das Extime. Um das Intime oder das Innere zu externalisieren, braucht es dabei unbedingt einen Verlust. Wie das innere Leben von Bourgeoisie gerade in der inneren Ausstattung des Hauses entäußert oder realisiert wird (Benjamin), wendet sich das Innen für immer zum Außen - auch im extremen Fall sowie der freiwilligen Sperrung im Innen, z.B. Dostoevskys Double oder Doppelgänger. Ein solches Paradox erscheint am deutlichsten in Auto-Bio-graphie, denn sie bringt jene intime Extimität zum Vorschein. In diesem Sinne hat Derrida den Text über Nietzsche und seine Autobiographie im Folgenden betitelt, nämlich statt der Autobiographie Oto-biographie 30 , oder das Ohr des Anderen. Erinnern wir an die organische Struktur des Ohrs als das Einzige im ganzen Körper, dessen intimer Teil von außen gesehen ist.
communities enconunter each other. » Karatani (2005: S. 79 f.) In diesem Sinne weist die positive Benennung derselben gleichwohl darauf hin, solchen realen Konflikt oder Widerstreit in Autobiographie zum Vorschein zu bringen und zugleich dabei den Unterbrechungsmoment zu dramatisieren: und zwar im Abstand oder vielmehr Paradox zwischen (bewusstlos) Gebrauch/Praxis der Regel und (mit dem minimalen Bewusstsein) Produktion/Re-präsentation derselben, oder anders formuliert die Erscheinung der latent transzendentalen Instanz aufgrund der Unterbrechung sowie z.B. der Kommunikation. vgl. Karatani, a. a. O., S. 75, Ebenso wie Karatani im Bezug auf die Begriffspaare sowie Singularität/Universalität und Individualität/Allgemeinheit der Sprache als den richtigen Namen nun den Unterschied der privaten Sprache von dem gemeinsamen öffentlichen Gebrauch der Sprache angibt, entlarvt sich die Autobiographie als einen transzendentalen Ort, wo wider die Zugehörigkeit der Sprache in einer Gemeinschaft oder einer Gesellschaft, die gerade die unartikulierbare Singularität aufhebt, die Tür dazu geöffnet wird, möglichst die Singularität zum Ausdruck zu bringen, sowohl auf die negative Weise wie auch auf die positive Weise. Oder von der negativen Phase, den verborgenden Grund der synthetischen Regel in einer sprachlichen Gemeinschaft und Gesellschaft in Frage zu stellen, zur positiven Phase, durch den richtigen Namen die Singularität/Universalität zu markieren. Dazu kommt anschließend das Pathologische als deren richtigen Namen hinzu: ökonomisch gesehen, sowohl als der Exzess des Tausches der Produkte im Markt wie auch die Unterbrechung dessen selbst. Da entsteht eine andere exzessive Form dessen Synthesis. Von daher richtet sich so diese Erörterung an die Kritik des reinen Pathologischen. vgl. Karatani, a. a. O., S. 100-112. 30 . Derrida (1985)
23
Trotz all dieser Diskrepanz trifft beides auf einem bestimmten Punkt zusammen. Dieser Vermittlungsmoment entspricht exakt dem Aussagemoment in der psychoanalytischen Situation. Wie die organische Struktur des Ohrs die Neigung zum Außen verkörpert, ist man davon schon immer ausgeschlossen, und deshalb gewilligt automatisch - ohne Achtung auf seinen Interesse oder die Autorität des anderen - etwas Beliebiges auszusagen. Die psychoanalytische Situation bringt diese ursprüngliche Unzugänglichkeit auf die Bühne, wo der Analytiker kein Gesprächspartner, sondern eine Art Wand oder weißer Schirm ist. Darin werden nur das Aussagen der Analysierten und das Zuhören des Analytikers gegenseitig verortet. Dann fängt es an, das autobiographische Aussagen (von jenem) im bisher erläuterten Sinne zu durchlaufen. Sein Aussagen gleichzeitig selber zuhörend, weil jenes Aussagen selbst die Integration im objektiven mit der materialisierten Ideologie/Phantasie verbundenen Geist voraussetzt, oszilliert diese Aussage zwischen dem Subjekt des Aussagens und dem Subjekt des Ausgesagten, oder des Wissens hin und her, ohne die Intervention des anderen oder des Analytikers in diesem Fall; „auto“ sowie „oto“ und auch „autre“ (das Andere oder der objektive Geist). Descartes’ cogito stellt sich darum sowie als das verallgemeinerte Ich oder die Verallgemeinerung der Jemeinigkeit und auch als das Einzelne dar, zwischen dem sich aktiv auf Gott orientierenden Ich des Aussagens (cogito) und dem passiv auf das Sein geworfene Ich (ergo sum) schwankend. Da bleibt die Frage wie früher in Autobiographie latent: Wie kann beides sowie mein Genießen und das objektive Wissen oder die Verständigung des anderen zueinander wenden und dann sich koexistieren?
2.2 Philosophen Bios als die symbolische Form (moderner Formalismus) Solange „moderner Formalismus“ die Kluft zwischen konkretem Leben und abstrakter Idee als sein eigenen Kern einschließt, kann es nötig sein, Cassirers Projekt hier weiterzuführen, was nun „Philosophie der symbolischen Formen“ genannt wird, um solche Dualität aufzuheben. Zunächst fängt seine Erläuterung an, Simmels ontologischen Dualismus zwischen Geist und Leben, oder Idee/Form und Leben zu kritisieren. Laut Cassirer, laufen bei Simmel das
Leben,
oder
genauer
der
Lebensprozess
und
„die
Wendung
zur
Idee“ durcheinander, denn jenes ist ein ganz reines Werden oder Fließen und überschreitet die Form als die Grenze oder die Schranke. Also das Leben zeichnet sich als die Transzendenz ab, die jenem selbst immanent ist. Nämlich das Leben als die „immanente Transzendenz“. „Das Wesen des konkret erfüllten Lebens ist nicht etwas, was zu seinem Sein hinzukäme, sondern
24
sein Sein ausmachend: dass ihm die Transzendenz immanent ist.“31 Wie es eben in diesem Ausdruck nicht absehbar ist, wird das Leben als die Transzendenz oder die Verabsolutierung von Cassirer zur Stelle der Gottessubstanz hochgehoben. Aus dieser Umkehrung, in dem Sinne, dass im Gegensatz zur normalen Auffassung von platonischer Idee/intelligibel und Materie/sinnlich sich die Idee selbst dem modernen Leben gegenüber als die Schranke oder die Grenze usw. charakterisiert,32 lässt sich die Absolutheit des Lebens gewährleisten. „Denn auch sie (die moderne Metaphysik) geht in der Weise vor, dass sie zunächst bestimmte Gegensätze betrachtet und fixiert, die sich ihr in der Welt der Erfahrung, in der Welt des Gegebenen, darbieten, um sodann diese Gegensätze von der Relativierung, von den Schranken, die ihnen im Gebiet des endlichen Daseins anhaften, zu befreien und sie ins Unendliche zu projizieren. Kraft dieser Methode der Projektion wird das Unendliche zu dem Punkte, in dem alle Divergenzen, alle Gegensätze und Widersprüche, wie sie sich im Bereich des Endlichen darbieten, sich lösen sollen, in dem sie sich aber zugleich aufs höchste verdichten.[...] aber er (Gott) wird damit zum Zentrum und Angelpunkt auch all der Prädikate, die in der empirischen Sphaere und unter den Gesetznamen der logischen Reflexion einander ausschliessen. Von ihm gelten alle Namen, weil und sofern keiner von ihm gilt: die absolute Position und die absolute Negation fallen in ihm in eins zusammen. Durch einen völlig analogen Doppelschritt des Denkens wird auch bei Simmel der Grundbegriff
seiner
Metaphysik:
der
Begriff
der
Absolutheit
des
Lebens
erreicht.“ (Cassirer, a. a. O., S. 11f.)
Im nächsten Schritt wird der Zusammenhang mit der Biopolitik, der Immunität, oder der normativen Normalisierung herausgearbeitet und es werden davor einige Anhaltspunkte dessen gegeben, was Cassieres Terminologie zufolge, die philosophische Autobiographie als eine symbolische Form auszeichnet. Abgesehen von juristisch-medizinischer Bezugnahme und auf den philosophisch-literarischen Bios eingeschränkt, entspricht seine Kritik an Metaphysik des Lebens der Funktion der Autobiographie in der Philosophie. Eben mit dieser Funktion stimmt auch der Ausweg davon überein, nämlich vermittels der symbolischen 31
. Cassirer (1995: S. 9), wieder zitiert von Cassirer: Simmel (1999: S. 223) . Solche Umkehrung lässt sich auch in Habermas’ Text über Schelling hineinblicken, nämlich der dramatische Auftritt des Bürgers an der Stelle Gottes. Freilich entwickelt wird dies bis zur marxistischen Interpretation von der Geburt der Bourgeoisie. Und auch im Bezug auf die materialistische Lebensform. „[...] die besondere Form des ‚Materialismus’, dem das menschliche Leben unterworfen ist geht in beiden (Schelling und Marx) Fällen auf ein ‚egoistisches‘ Prinzip zurück. [...] die anthropologisierende Ausdrucksweise der ‚Pariser Manuskripte’ hält ihre Verwandtschaft mit den physiko-moralischen Erwägung der ‚Freiheitsschrift’ fest, sie übersetzt die metaphysischen Kategorien ins Ökonomische. Die Form der privaten Aneignung der gesellschaftlichen Produktion zwingt die Hervorbringung und Verteilung der Gebrauchswerte unter das ökonomische Gesetz einer zum Selbstzweck gewordenen Vermehrung von Tauschwerten“, Habermas (1974: S. 216) 32
25
Formen, die sich selbst unendlich hervorbringt, wie seine Unterscheidung von „forma formata“ und „forma formans“ deutlich zeigt. Nicht dass die Erzählung von einem privatem konkretem Leben ganz auf die intime Ebene begrenzt wird, sondern;
„Es ist daher zu erwarten, dass der literarische Bios, rückwirkend auf den konkreten Lebensvollzug, menschliche Lebensform bestimmt.“33
Aus der Perspektive Simmels kommt vielleicht die Autobiographie als solche vor, die das Leben selbst in einer abstrakten Idee einsperrt, die eben durch das Narrativ zum Vorschein gebracht wird. Aber von der Seite Cassirers her ist diese Verabsolutierung des Lebens nichts anderes als der geistige Akt selbst, das Leben von dessen Form abzutrennen und zugleich es in den Wertbereich zu übertragen. Darauf wirkt sich noch eine bestimmte dominante Anschauung aus, die dem Werturteil zugrunde liegt. Dennoch bleibt das Leben nicht konkret, sondern abstrakt, ebenso wie das Leben als die Schaffung einer neuen Norm keine Bezugnahme auf die dominante Norm selbst zu sich nimmt. Von daher scheint es zurzeit hilfreich, Cassirers Suggestion von unendlicher Formungsmöglichkeit in dieser Erläuterung; als das Leben selbst zu definieren oder in einer Form ohne Ende zu übertragen. Obwohl er in verschiedenen Bereichen, sowie z.B. Mythos, Erkenntnis und Sprache usw., die symbolische Form darstellt - statt der Unmittelbarkeit, oder der unmittelbaren Erkenntnis des Lebens, damit die unterschiedliche Vermittlungs- oder Repräsentationsmittel legitimiert wird, verweilt die symbolische Form nur auf der kulturellen Nachträglichkeitsebene. Insofern es im Zusammenhang mit der Kultur als transzendentalem Grund zur Geltung kommen kann, - in diesem Moment stimmt beides Kulturkritik und transzendentale Kritik überein - folgt daraus zweierlei miteinander eng verbundenen Pointen. Erstens, wie Kants Kritik an metaphysischer Dogmatik, beruht sie nur auf der Ermöglichungsbedingung der menschlichen Erkenntnis; und zwar die Exklusion des ontologischen Moments, außerhalb des Menschen überhaupt. Weil was nur für menschlichen Geist erkennbar ist, ist sinnvoll. Dabei ist kein Wunder, dass im Gegensatz zu Cassirers Kritik an metaphysischem Lebensbegriff Simmels der Letztere gerade dem ontologischen Moment zugrunde liegt. Seine Metaphysik des Lebens beruht nämlich auf der Axiomen, sowie solche Artikulation, „Mehr-Leben“ oder „Mehr-alsLeben“, was bezeichnet das gleichzeitige Hinausgreifen des Lebens über ein konkretes Leben und zugleich eine abstrakte Form. So wird es als ein Adriadnefaden die Schlachtlinie vom beiden vor Augen gebracht. Daraus zieht sich dann der vom beiden jeweils außer Acht 33
. Schirren (2005: S. 68)
26
gezogene Punkt. Grob gesagt, den Zwischenraum oder den Überlappungsraum zwischen theoretischem (den Begriff zu bestimmen) und praktischem (den Begriff real zu machen) Gebrauch der Vernunft bei Kant zu bahnen. Oder als Frage formuliert, wie kann die ontologische Intervention in repräsentativer Epistemologie funktionieren? Oder, Cassirers Terminologie zufolge, inwieweit kann sich die Formungsmöglichkeit nur ontologisch hervorbringen? Oder, warum und auch wie kann das Epistemologische und das Ontologische gleichzeitig in Eins zusammengefügt werden? Zweitens wird eben in der Philosophie der symbolischen Formen das Pathologische nur als der Mangel an Symbolfunktion oder die Dysfunktion addiert, nicht als ein Moment der Produktion der symbolischen Formen selbst. Oder, bei Cassirer nicht als die Motivation der permanenten Formung. In der weiteren Diskussion wird es darum gehen, zwischen Simmels metaphysischem Lebensbegriff und Cassirers Philosophie der symbolischen Formen oszillierend beides in eins zusammenzufügen, und auch solche Mangelhaftigkeit wieder zu symbolisieren. In diesem Moment ist der Grund, weshalb es dabei um die Autobiographie des Geistsehers oder der Wahnsinns geht, wieder herauszufinden.
2.3 Bios als Metapher zwischen Staat und Körper (Immunitas) Im Hinblick auf die Geburt der Biopolitik, die so als materiale Verwirklichung der Körpermetapher in staatlichen Institutionen definiert werden kann, lässt sich Bios von Autobio-graphie gerade in diesen (Begriffs-)Bereich der Normalität und der Normativität 34 übertragen. Somit wird ein anderer Moment zur inneren Diskrepanz der Auto-bio-graphie selbst hinzugefügt. Gemäß der Biopolitik stellt sich das Leben selbst als die disziplinäre Norm dar. Das heißt, es wird schon für immer in einer bestimmten Norm integriert. Dann folgt daraus entweder, dass die Auto-biographie als die Erzählungsform über ein (konkretes) Leben eher dem gelungenen Hineintreten des Individuums/auto in eine gültige anerkannte Norm zugrunde liegt. Zutage treten wird gleichzeitig die gelungene Funktion der Norm als solche. Diese normative Funktion weist just darauf hin, all das Individuum nur als das jeweilige Element des gesellschaftlichen Organismus der Autonomie zur Verfügung zu stehen. Gerade weil der mögliche Moment der Selbsterzählung am Ende des Lebens, oder an dessen letzter 34
. Foucault und Canguilhem zufolge stimmt die Normalität mit der Normativität überein, in dem Sinne, von „nämlich eben dem Vermögen, neue Normen zu schaffen,“ Und zwar bleibt die Norm anders als das Gesetz nicht von außen, sondern immanent zwischen „dem Lebenden und dem Leben“. Dieser Punkt wird weiterhin im nächsten Teil behandelt: nämlich „die Bedeutung von A-„ erläutern. vgl. Esposito (2004)
27
Phase schon ein bestimmtes autonomes Subjekt voraussetzt. Ist es denn überhaupt die Autobiographie der Psychose möglich? Oder, daraus wird es gezogen, dass sie gerade die Übergangsphase von einer vorherig die Psychose als krank beurteilenden Norm zu einer noch nicht anerkannten Norm impliziert, wie Canguilhem das Pathologische als eine neue Norm definiert, aber in Gegenrichtung. Das heißt, ebenso wie die Dialektik zwischen Gesundheit und Krankheit deutlich zeigt, in der sich paradoxerweise das Übel oder das Böse als die Ursache der Krankheit umgekehrt in deren Heilmittel verwandelt, steht eben die Autobiographie, Espositos Terminologie zufolge, im „Ein-Zweifache“. 35 In dieser Erörterung besagt es die immanente Spaltung von Bios zwischen Auto- und -Graphie. Dabei gerät es entweder in die Gefahr, von Graphie oder Norm vertrieben zu werden, bzw. als Pathologie beurteilt und eingesperrt zu werden, die nicht mehr die Fähigkeit besitzt, eine neue Norm zu schaffen. Oder, es läuft die Gefahr, in den Verlust von Auto- zu fallen. Dabei bleibt noch eine andere Frage im Bezug auf die normative Normalisierung zum Leben. Abgesehen von der impliziten Tatsache, dass die Biopolitik genau der Strategie des Neoliberalismus entspricht36, lautet sie so, wie oder insofern kann eine neue Norm anerkannt werden? Oder, gemäß welcher Maßnahme kann die Anerkennung einer neuen Norm legitim zulaufen? Vom Naturgesetz des Lebens, oder von der zweiten Natur her? Gerade darin liegt der Grund, warum die Biopolitik mit keiner gearteten Lebensform zu tun hat, sondern das Lebens selbst behandelt, wie Esposito betont. Obwohl es ihr dabei gelingt, vom Leben her den Tod zu sozialisieren, oder zu kultivieren, sowie z.B. „Leben machen und Tod lassen“ (Foucault), und auch im Gegensatz zur Affirmation des Lebens, bleibt die letzte Maßnahme des lebenden Lebens selbst oder die Überlebensform selbst unbestimmt oder vielmehr negativ: in diesem Sinne, dass die Souveränität ganz davon ausgelöscht wird. Anders gesagt, nur insofern die Lebensform per se in Betracht gezogen wird, kann das Leben selbst gelebt werden: im Kampf für die Erschaffung der Lebensform selbst. Diese Abtrennung selbst zeigt den immanenten Widerspruch der Biopolitik. Dagegen sollte die Pathologie selbst als solche verstanden werden, die nicht nur den Mangel des Sprechens und auch des Schreibens als die soziale Tätigkeit widerspiegelt, sowie z.B. A-phasie, sondern vielmehr als den Exzess, den man nie in Kauf nehmen kann, und der die Existenz und deren Grund beides in Frage stellt. Oder, als die 35
. Er zieht diese Terminologie aus pharmakon ab. „Das phamarkon ist zugleich das Übel und das, was sich ihm widersetzt, indem es sich seiner Logik beugt. Es selbst als das Andere und das Andere als es selbst – der Punkt, wo das Eine ins Zweifache eingeht und dabei doch Eins bleibt; das Ein-Zweifache, weder Eins noch Zwei, und dennoch beide, die auf der Linie ihres Gegensatzes zur Deckung kommen.“ Esposito, a. a. O., S. 178 (meine Hervorhebung) 36 . Weil statt der Souveränität die zwingende Aufforderung uns erwartet, für immer zur Kreation einer neuen Norm/Normativität bereits bereit und auch dazu fähig zu sein, zumal dadurch die Autonomie des Individuums scheinbar versichert und verwirklicht wird.
28
Gleichzeitigkeit von Negation und Affirmation im Allgemeinen und auch als das gleichzeitige Rollenspiel vom beiden.37
2.4 Das erzählende Ich Der bisherige Bezugspunkt insgesamt trifft Descartes’ cogito zu. Wenn Descartes’ Methode vom autobiographischen Narrativ ausgeht 38 , dann tauchen sein cogito als die gewisse Konsequenz des Zweifels und dabei appellierter Gott als Unterstützer dessen Gewissheit auf; auf der einen Seite „Ich“, was ganz Descartes als einem Individuum angehört, und auf der anderen Seite „der Andere“, was jenes begründet, oder die Begegnung des kontingenteinsamen Ichs mit dem absoluten Anderen. Abgesehen von der Geburt des modernen Ichs oder des Individuums und des davon ausgehenden Selbstnarratives, zeichnet sich die 37
. In diesem Zusammenhang kommt Nietzsches Wahnsinn als das folgende vor; „Yet indeed, this statement (“actually, I would much rather be a Basel professor than God; but I have not ventured to carry my private egotism so far as to omit creating the world on his account”, Nietzsche, the letter to J. Burckhardt, January 6, 1889) is a statement of madness, but of madness coming at the real point of a lack, when the announcement fails. This ordeal takes place in three stages: the ambition of radical rupture, of archi-politics, is indeed that of creating a world, of creating the other world, the world of affirmation, the world which in fact is no longer the world, or the man that is no longer man, and whose name is „overman“. But to create this world, the everyman must also be seized by its creation. Only this everyman can certify the appearance of the overman. And what would have benn preferred, or preferable, is that the professor, in Basel, be seized as such as traversed by this unattested event. But since this is not the case, since this legitimate preference is not verified, the anti-philosophical hero ist forced to declare that he will create this world. That he will create it, and not that he has been seized by its triumphal appearance. This world is thus a program, but one that antecedes itself. And so one is a captive of the circle. And in the end to breakt this circle one needs the disinterested fiction of an integral creation, not only of a new world, but of the old world as well. At this point, nothing but madness.“; Badiou (2001: S. 8 f.); Dieser Wahnsinn ist auch bezogen auf die ethische Ebene, nämlich die Einheit von Mensch als dem Überwinder und auch als dem Überwundene, oder als dem Beobachter um die Überwindung diesseits der Grenze und auch der Überwinder jenseits der Grenze. „Auch dies ist, logisch genommen, ein Widerspruch: wer sich selbst überwinde, ist zwar der Überwinder, aber doch auch der Überwundene. Das Ich unterliegt doch selbst, indem es siegt; siegt, indem es unterliegt. Aber erst in der Verfestigung zu entgegensetzten, einander eigentlich ausschließenden Verfassungen entsteht der Widerspruch. Es ist eben der ganz einheitliche Prozess des sittlichen Lebens, der jeden niederen Zustand durch einen höheren und diesen wieder durch einen höheren überwindet, übergreift. Dass der Mensch sich selbst überwindet, bedeutet, dass er über die Grenzen hinausgreift, die der Augenblick ihm steckt. Es muss etwas zu überwinden da sein, aber es ist auch nur das, um überwunden zu werden. So ist der Mensch auch als ethischer das Grenzwesen, das keine Grenze hat.“ Simmel (1999: S. 217 f.); Dazu sollte etwas noch addiert werden, wie oder inwiefern sich der Wahnsinn zum sittlichen Lebensprozess erhoben wird. Oder warum hat Nietzsche ausschließlich in den Wahnsinn geraten, ohne an der Normalität festzuhalten? Dafür gibt Simmel eine Antwort in Blick auf die lineare Zeitlichkeit, sowie Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft. Trotz des Mangels an Zeitlichkeit oder Ausdehnung der Zeit in der aktuellen Gegenwart ermöglicht die gegenwärtige Überwindung seiner selbst, die Vergangenheit als Nicht-mehr und die Zukunft als Nocht-nicht aktuell auszumachen. Vielmehr ist so, dass nur aufgrund des Zeithorizontes die Selbstüberwindung des Lebensselbst fortgesetzt wird. „Die Existenzart, die ihre Realität nicht auf den Gegenwartsmoment beschränkt und damit Vergangenheit und Zukunft ins Irreale rückt – deren eigentümliche Kontinuität vielmehr sich realiter jenseits dieser Scheidung hält, so dass ihre Vergangenheit wirklich in die Gegenwart hineinexistiert, die Gegenwart wirklich in die Zukunft hinausexistiert – diese Existenzart nennen wir Leben.“ (Simmel, a. a. O., S. 222 f.); Eben auf diese Art und Weise wird der Wahnsinn vermittels der zeitlichen Kontinuität abgelöst und dann die Normalität gesichert. 38 . Vgl. Nancy (1978); Foucault (2001); Kosman (1986)
29
Intervention von Ich Descartes’ in die Philosophie zumindest als ein philosophisches Ereignis aus. Nicht im Sinne von Begründung des Punktes der (Zentral-)Perspektive, woraus angeblich die moderne Erkenntnis ohne Gottessubstanz hervorgeht, sondern vielmehr im folgenden Sinn, dass Gott uns es derzeit verlangt, unendlich seine Existenz genau in der verzweifelten Situation der Erkenntnis oder Gründung derselben (sufficient ground) vorzubehalten, und zugleich ad infinitum sich selbst als die Gier des allergegenwärtigen Zweifels umzuwandeln. Dabei rückt sich sein Platz von oben in das Narrativ des Ichs: nämlich von Transzendenz zur Immanenz. Von daher ist es kein Wunder, dass sich hinter all den modernen Wissenschaften Gottes Imperativ versteckt und so artikuliert wird, etwas Unmögliches einzuklammern und dann davon los zu lassen39. Insbesondere im Fall, dass es „sufficient ground“ der Erkenntnis aufgegeben wird. Beispielweise dreht sich die negative Theologie um die Identität des Begriffs bzw. Gott, von der negativen Begründung her. Descartes’ Ich bringt sich erstes Mal diesen Zirkel der Präsenz und der Absenz Gottes zum Vorschein. Auch kein Wunder, dass sein Ich gleichwohl auf die anthropologischen Ebene bezogen ist; nämlich als anreisendes Ich,40 das an sich selbst in einer bestimmten angeboren-gewohnten Kultur zu zweifeln anfängt, nachdem es auf die fremde Kultur (Niederland) stoßt. In diesem Sinne wird es so insistiert, dass sich Descartes’ Methode als eine explizite Probe einer Philosophie als einer Autobiographie charakterisiert. Dabei taucht Ich nicht nur als das allgemeine Ich, sondern zugleich als das Einzelne oder der narrator/Erzähler auf. Solches Ich als Erzähler wird in folgender Erläuterung wieder aufgerufen und dabei mitgespielt.
39
. Im Bezug auf ‚Meditation’ Descartes’ lässt sich dies so anders herum zusammenfassen, „It is not that God provides the cetainty for which narrator has been searching; it is rather that God release him – and thus release us – from the feeling that this certainty is lacking, and that it can be secured only through his being freed from the very possibility of error and doubt.“. Aber freilich ist dieses Gott zunächst „realtive zum Argument“ und dann sich verwandelt in Transzendenz. „in the first half as nothing more than necessary aspects of the structure of experience, in the second as beings whose existence transcendens that experince.“ Diese Differenz zwischen anfänglichem Projekt und letztlichem Schluss ist entsprechend diesem Text auf die zwischen dessem Autor und Erzähler zurückzuführen, die schließlich zur seinen „epistemologischen Rettung“ führt. Kosman, a. a. O., S. 29, S. 37 ff. (meine Hervorhebung) 40 . Karatani (2005: S. 81-92); Descartes (1996)
30
KAPITEL II: COGITO IM DEKNBILD
Wie die Diskussion über Descartes’ cogito zwischen Foucault und Derrida widerspiegelt, entweder die Exklusion des Wahnsinns im demselben oder derjenige, der den Wahnsinn enthält - bleibt es noch dabei die Entscheidung oder das Urteil, wo cogito steht und sich bewegt hin und her. Hinter sich das endgültige Urteil dessen lassend, kann lässt sich diese Frage folgendermaßen werfen: Wo cogito als „ich denke“ artikuliert wird? Grob gesagt lautet die Antwort so: beim Denken im Denkbild, nicht im Denkakt. (Deleuze)
1. Artaud als der Geisterseher? Welchen Geist meinen Sie überhaupt? Oder mit welchem Geist denken und beurteilen Sie? : Mit gesundem Menschenverstand. So ist es das geläufige Bild dessen, entlang welchem weiter die Analogie des Urteils verläuft. Egal ob es dabei der Fokus auf der Sinnlichkeit oder der Begrifflichkeit liegt. Letztlich reduziert all das Denken auf das gemeinsame Bild dessen, oder umgekehrt, gerade vor all der Erfahrung wird es der Gehalt dessen schon wie immer determiniert oder bestimmt. Davon entfernen zu lassen heißt ohne weiteres die Rücksicht auf die Form dessen selbst oder den formalen Aspekt dessen. Nämlich im gleichzeitigen Hinblick auf die Grenze des Möglichen und Unmöglichen des Denkens beides schlechthin. Dafür ist die Korrespondenz zwischen Artaud und Rivière ein ausgezeichnetes Beispiel.41 Eher von der formalen oder methodologischen Weise her.
„Sicher war es in meinem Brief vom letzten Jahr falsch, Sie um jeden Preis beruhigen zu wollen: ich habe wie jene Ärzte gehandelt, die ihre Patienten zu heilen gedenken, indem sie weigern, ihnen zu glauben, indem sie die Eigenartigkeit ihres Falles bestreiten und sie gewaltsam wieder in das Normale einordnen. Es ist eine falsche Methode.“42
Kein Wunder, dass J. Rivières Grundgedanken genau der Idee der positiven/produktiven Macht seit Ende des achtzehnten Jahrhunderts, dem „Normalisierungsdisziplin“ zugrunde
41 42
. Diese Erläuterung lässt sich teilweise Deleuze verdanken; Deleuze (1992: S. 191 f.) . Artaud (1983: S. 27)
31
liegt, wie Foucault im seinen Text „Die Anormalen“ 43 charakterisiert, im Gegensatz zu solcher hierarchisierten Macht als die Unterdrückungsinstanz oder die Überbauinstanz. Gleichwohl funktioniert diese Macht so nach dem Urteil entweder Heilung oder Gefangensein, besser
gesagt,
medizinisch-juristischer
Behandlung/Wissen
dessen
anhand
vom
Zwischenstand von Wahnsinn und Verbrechen: und zwar die Gesellschaft vor dem gefährlichen Individuum (L’individu dangereux) zu schützen. Von solcher Denkweise ausgehend entfaltet oder entwickelt sich weiterhin ein anderes Urteil, statt der Veröffentlichung seiner Gedichte vielmehr die Briefe44 von beidem zu publizieren, die nun von der ungewöhnlichen Erfahrung um das Anormale eingeprägt sind. Da gibt es noch die andere Möglichkeit der Korrigierbarkeit oder der Korrektur, obschon es sich dabei um das Irrtum des Denkens handelt. Denn innerhalb des gleichen Denkbildes, oder genauer, der gleichen Mechanismen dessen geht es schon wie immer vor sich. Was dabei auf die Aufmerksamkeit lenken lassen sollte, ist nicht das Ausgeschlossene wieder ins Leben zu rufen, vom Unterdrückungsmechanismus der Macht her gesehen, oder aus der inhaltlichen Perspektive, sondern gegen die inhaltliche Repräsentation der Normalisierung die formale Grenze, besser gesagt, den Hemmungspunkt dergleichen zum Vorschein zu bringen; nicht umso mehr zu verlangen, sondern umso radikaler zu fordern, oder das Individuelle zum Gemeinsamen zu erheben. Genauso wie Artauds Verlangen so anspruchsvoll klingt, seine Gedichte als einen exakten Beweis seiner Existenz und zugleich des Rechts darauf, weiterhin zu denken, - denn sein Gedanke steht nicht nur in Gefahr, ganz ausgelöscht zu werden – nämlich die Fragilität des Denkens. Sondern sein Gedanke muss auch darum in Form des Gedichts zum Ausdruck gebracht und damit vorbeihaltet werden, trotz der mangelhaften Grammatik. Hier drängt sich die hochwichtigste Frage auf, wie das Denken überhaupt möglich sei. Oder wie Deleuze insistiert, diese Frage streckt sich weiter bis zum Ursprung oder „voraussetzungslosen Anfang“ dessen aus. Bevor direkt in diesen Punkt einzusteigen, wird es einen Umweg dazu vorangebracht, um vorliegenden „Hemmungspunkt“ zu erläutern. 43
.Foucault (2003: S. 50) „Die Funktion der Norm besteht nicht darin, auszuschließen oder zurückzuweisen. Sie ist im Gegenteil immer an eine positive Technik der Intervention und Transformation, an eine Art normatives Projekt verbunden.“ 44 . Diese supplementäre Veröffentlichung der Korrespondenz vom beiden könnte so, zufolge Blanchot, umformiert werden: Rivieres Interesse besteht nicht auf seiner Gedichte selbst, sondern auf der Erfahrung anhand von denen. Kein Wunder ist, dass die zu veröffentlichen Briefe als die Dokumente uns die psychiatrische in Erinnerung rufen, sowie die Distanzierung vom Anormalen z.B. vermittels genau der Erfahrung solches Kunstwerkes als auch die Supplementation, welche nach dem in Kauf zu nehmenden Urteil zuläuft, beides charakterisiert die Funktionsweise der Normalisierungsmacht. vgl. „Was Jacque Riviere aware of the anomaly here? Poems which he considered inadequate and unworthy of publication cease to be so when supplemented by the account of the experience of their inadquacy. As if what they lacked, their failing, became plentitude and consummation by virtue of the overt expression of that lack and the exploration of its necessity. Rather than the work itself, what interests Jacques Riviere ist clearly the experience of the work, the movement which leads up to it, and the obscure, anonymous trace which, clumsily, it represents.”; Blanchot (1996: S. 127)
32
Im Gegensatz zur gelingenden Trauerarbeit um die Toten oder die verlorengegangene Werte so wie Freiheit, Humanität usw. hält sich der Melancholiker an der Hemmung fest. Dieses Symptom zeigt zweierlei Pointe. Nie gelingt es nicht nur dabei die Abtrennung von den Toten. Sondern dieser Verlust überträgt sich auch in das Ich selbst in Form der Selbstliebe(-hasses) oder der Selbstverantwortung dafür.
2. Hemmungspunkt der Melancholiker Beispielweise könnte es die Verbindung des Homosexuellen mit den Melancholikern sein, wobei jenes nicht nur umso mehr als die sexuelle Identifizierungsform zur Erscheinung kommen, sondern auch auf die abgewichene Transzendenz der (sexuell-identischen) Form verweisen kann.
45
Normalerweise stellt sich Homosexuell als die verstoßende Form
gegenüber der heterogenen Identifizierung dar. Aber die reine Form, die all der Identifizierung entzieht, bleibt immer noch als das im Subjekt verweilende Objekt (Melancholie): nämlich das ent-subjektivierende Objekt, das die erste Subjektivierung des Subjekts als die genetische Bedingung bis dahin überschreitet, das Subjekt von der Welt entbunden zu machen. Obgleich es dabei die Form gibt, mangelt es gewiss an der Kategorie bzw. Attribute. Daraus entspringt sich eine schmerzhafte Frage der Melancholiker: „inwiefern könnte ich das (unintelligible) Objekt in mir selbst in Kauf nehmen, anders gesagt, ist dieses Objekt für mich schon wie immer verlorengegangen?“ Gerade in diesem Moment verwandelt sich das Unbehagen im Objekt in das (ursprüngliche) Verlorengegangene oder die Verlust dessen. Das heißt, das Unmögliche der Intelligibilität als eingebüßt zugeschrieben wird. Eher das Epistemologische durch das Ontologische zu ersetzen. Da ist ein Melancholiker nicht nur dem empirischen Material inklusiv der reinen Kausalität zwischen dem Verlust und der Trauer(-arbeit)
unzugänglich,
sondern
steht
auch
vor
der
reinen
Relation
von
Begehren/Erkenntnis des Subjekts an sich und Liebes- oder Hassesobjekt/Gehalt an sich. Dieser Moment impliziert gleichwohl den Zusammenhang der Melancholie mit der kantischen Moral als die reine Form. Dennoch unzeitgemäß geht es zunächst auf Freuds Text ein.
45
. Dieser Punkt wird im Bezug auf Platons Symposion im späteren Teil erörtert, womit die Eros/das Sexuelle im Bereich der Ontologie situiert werden kann.
33
„In solchen Fällen glaubt man an der Annahme eines solchen Verlustes festhalten zu sollen, aber man kann nicht deutlich erkennen, was verloren wurde, und darf um so eher annehmen, dass auch der Kranke nicht bewusst erfassen kann, was er verloren hat. Ja, dieser Fall könnte auch dann noch vorliegen, wenn der die Melancholie veranlassende Verlust dem Kranken bekannt ist, indem er zwar weiß wen, aber nicht, was er an ihm verloren hat. [...] und wir fragen uns nur, warum man erst krank werden muss, um solcher Wahrheit (die moralische Selbstkritik als die Selbstherabsetzung) zugänglich zu sein. [...] Das Krankheitsbild der Melancholie läßt das moralische Mißfallen am eigenen Ich vor anderen Ausstellung hervortreten. [...] Dort fanden sie aber nicht eine beliebige Verwendung, sondern diente dazu, eine Identifizierung des Ichs mit dem aufgegebenen Objekt herzustellen. Der Schatten des Objekts fiel so auf das Ich, welches nun von einer besonderen Instanz wie ein Objekt, wie das verlassene Objekt, beurteilt werden konnte. Auf diese Weise hatte sich der Objektverlust in einen Ichverlust verwandelt, der Konflikt zwischen dem Ich und der geliebten Person in einen Zwiespalt zwischen der Ichkritik und dem durch Identifizierung veränderten Ich.“46
Die Schatten des (verlorenen) Objekts bringt implizit die reine Relation der Objekte überhaupt zum Vorschein, auf der Seite des gespalteten Ich. Daraus gezogen wird, dass die Objektbesetzung durch die Identifizierung mit dem Ich ersetzt wird, nämlich in das Ich oder in den Teil dessen die ganz von der Realität getrennte Objektbeziehung verwandeln zu lassen. So weist das narzisstische Symptom der Melancholiker nicht nur auf den Zwiespalt des Ichs selbst hin. Es streckt sich auch bis zur Relation der Objekte als solche aus, die im Objekt an sich verborgen, nämlich zum Teil dem Ich entsprechend, aber teilweise demselben verdeckt bleibt. Denn „er zwar weiß wen, aber nicht, was er an ihm verloren hat.“ Dabei zeichnet sich die Libido zumindest als solches aus, was die Mechanismen der ökonomischen Verknüpfung des Ichs mit dem (Liebes- oder Hasses-)Objekt und die Ablösung erklärt: die unentbehrlich widersprüchliche Beziehung auf das Objekt, einerseits „um die Libido vom Objekt zu lösen (Hass)“, anderseits „um diese Libidoposition gegen den Ansturm zu behaupten. (Liebe)“ als „die ambivalente Konfliktbeziehung“. Was dabei am bedeutsamsten die folgende Erläuterung betrifft, ist ja der Blick auf den Suspendierungsmoment oder den Hemmungsmoment, der nicht nur die Unterbrechung der normal-alltäglichen Handlung markiert, sondern auch einen „voraussetzungslosen Anfangspunkt“ des Denkens zutage treten lässt. Dies wirft auch das Licht auf den folgenden Punkt ein, dass das Gedachte oder das Denkbare vor allem von dem
46
. Freud (1975: S. 199 ff.)
34
Undenkbaren, besser gesagt, solchem Suspendierungsmoment dessen ausgeht, dies wird im Späteren thematisiert.
3. Common Sense und das Gemeinsame Auf Artauds Artikulation zurückgehend, stellt sich eine Frage vor uns. Wie könnte man den Paradox, dass „the thoughts he has only make him feel that he has not yet begun to think“ (Blanchot 1996: S. 131) verstehen? Mit Kant und gleichzeitig über ihn hinaus. Normalerweise verstanden wird das Transzendentale als solches, welches den Verstand oder die Erkenntnis ausmacht, sowie sog. die synthetisch-kategorische Einheit. Gerade in dieser Instanz der Möglichkeit verkoppelt sich beides so wie das Mögliche als etwas, was gedacht ist/wird und das Unmögliche als das Denken selbst: nämlich das Mögliche im (Un)möglichen oder die transzendentale Abhängigkeit jenes von diesem. Dennoch wird diese Spannung sobald dadurch ausgelöscht, dass all die Aufmerksamkeit auf den Gehalt dessen gelenkt wird, z.B. siehe Rivieres Vorschlag, das anormale Phänomen in Form Dokument übertragen zu lassen, worin der gesunde Menschenverstand die wichtigste Rolle spielt. Diese Abtrennung aufgrund des Gehaltes dessen lässt mehr noch den Unmöglichen als den bewegenden Mangel des Denkens selbst verstecken, gleichzeitig bei der beurteilenden Repräsentation. Einerseits die Kategorie selbst so wie Raum, Zeit, Imagination oder bei Artaud Schmerzen nur als die Möglichkeitsbedingung oder das objektive Korrelat dessen, andererseits im Blick auf die Repräsentation(-mechanismus) etwas, was schon wie immer vor uns erscheint, weiterhin zu re-präsentieren. Beim zweiten Fall bleibt es immer der Rest oder die Leere anhand von Mengentheorie, obwohl die Repräsentation der Welt oder der multiplen Elementen offen steht und funktioniert, z.B. gegenüber dem Staat sein eigenes Recht als der Staatsbürger
herauszufordern,
ist
es
schon
beschränkt
auf
die
teilweise
Zählung47/Repräsentation, besser gesagt, die Teilmenge als das schon Repräsentierbare neben dem Kommenden. Offensichtlich ist es unmöglich, vom Staat ganz restlos als einzeln gezählt/repräsentiert zu werden. Dort bleibt immer die Leere in Teilmenge selbst übrig. Von daher bewegt sich der Mangel oder die Unmöglichkeit des Denkens oder das Recht auf das Denken selbst schon wie immer, gleichzeitig mit solchem verknüpft, welches eher gedacht wird/ist. Es sollte unbedingt Artauds Rede so akzeptiert werden; „I am a man who has endured great mental suffering and, as such, I have the right to speak.“ (Blanchot, S. 132) Und 47
. Badiou (1988: S. 95-128)
35
zwar appelliert es nicht den bisher ausgeschlossenen Gehalt des Sehbaren und des Sagbaren, nämlich auf der Ebene des verdunkelten Gehaltes, sondern just die Regel selbst so wie des Sprachspiels im Allgemeinen. Das heißt, dass es damit das Denken den Anfangspunkt dessen vergegenwärtigen lässt, das schon wie immer abläuft und beispielweise vermittels der melancholischen Hemmung suspendiert. Denn die Einheit zwischen Subjekt und Objekt wird abgelöst durch die pathologische Selbstliebe und Selbstkritik, die aber paradoxerweise zur Enthüllung der Relation der Objekte selbst dient, nachdem es von subjektiver Perspektive gelöst wird. Dabei muss man zweierlei „Common Sense“ voneinander unterscheiden, aus Common Sense die Seite des A-normalen zu extrahieren, anders gesagt, vor allem trotz des grundsätzlichen Mangels im Denken etwas zum Ausdruck bringen zu müssen, womit sich die Existenz als solche erweisen könnte. Allerdings kann es damit das geistige Schmerzen als ein Anlass des Denkens angesetzt werden. Was heißt überhaupt dabei auf den Anfangspunkt des Denkens zurückzugreifen? Ohne weiteres auf den Verknüpfungspunkt vom Vorkritischen und Kritischen bei Kant, vom Normalen und A-normalen, oder von solchem, was schon für immer gedacht ist, und das Denkens selbst bzw. der Form dessen zu rekurrieren. All diese Dichotomie dreht sich gerade um die Repräsentation herum, die der Diskrepanz zwischen Wort/Vorstellung und Dinge/Realität zugrunde liegt. Wie Ranciere48 daran anschließend den reinen Buchstabe der Gleichheit in der Demokratie erläutert, führt immerhin es - solche Diskrepanz
zu
enthüllen
und
sich
daran
festzuhalten
–
entweder
zum
Dogmatismus/Archaismus oder zum Skeptizismus. Besser gesagt, vermittels reminiscence Platons an die ursprüngliche Idee der Demokratie in Athen und darauf zurückzukehren (Archaismus) oder den Abstand der illusionären Idee dergleichen von ihrer Realität immerhin zu halten (Skeptizismus). Demgegenüber verlangt er uns vielmehr die Naivität im Gegensatz zur Reflexivität/Reflexion.49 Über die zweierlei diskrepante Ebene hinausgehend, damit steht es im Spiel dessen, was durch den Akt diese Distanz momentan ablösen lässt und dadurch eine bestimmte Weise der Repräsentation, nämlich wie sich das Denken nicht auf „jedes beliebige“, sondern auf „etwas bestimmbares“ für immer rückt, in Form „von etwas und für wen“ entfremden macht oder problematisiert. Diese „logische Demonstration“ des Buchstabes so wie Gleichheit oder Freiheit usw. konstruiert den „common place“ von „jedes beliebige“ her, aber nicht von „etwas bestimmbares“ her aus gesehen. Obwohl man dabei mit der gleichen Sprache oder der gemeinsamen Regel des Sprachspiels zu tun hat, sagt er etwas 48 49
. Ranciere (1995) . Vgl. Plessner (2002: S. 58-78)
36
Mehr als solches, was für immer repräsentiert wird, z.B. nicht als Staatsbürger, sondern als illegaler Immigrant das Recht auf die Arbeit zu verlangen; Aufgrund der Naivität von der Seite von „jedes beliebige“ – auch als ein Symptom der Psychose, wobei der Symbol als buchstäblich akzeptiert wird. Analog dazu geht es die Vorstellung/Repräsentation über das Anormale soweit, über die juristisch-medizinische Merkmale hinaus, bis dahin dass sich was Sagbare, Denkbare oder Sehbare qualitativ ausbreiten kann. Diese Wende weist auch auf den Übergang vom Schweigen zum Aussagen dessen selbst hin. Am Fall Artauds anschließend, da er geistig krank ist, hat er insofern das Recht, momentan im konstruierten „common place“ bzw. bei der Veröffentlichung seiner Gedichte etwas auszusprechen, trotz all der Fragilität des Denkens.50
50
. Daran anschließend erläutert wird im nächsten Teil die Verkoppelung von Melancholie und Moral im Blick auf die kantische Kritik vom vorkritischen Werk her. Und zwar zweierlei Pathologie: einerseits im Blick auf das Vorkritische oder aus der Perspektive des hinzukommenden kritisch-vernünftigen Richters (die auf das Phänomen beschränkte Vernunft), andererseits das Empirisch-sinnliche vom Formalismus der Moral her (Freiheit von der Empirie als das melancholische Symptom), und zweierlei Kritik: einerseits theoretische Kritik, andererseits praktische Kritik.
37
KAPITEL III: FORM DES GEMEINSAMEN UND DUALITÄT
Wie kann die Form des Gemeinsamen vorgestellt werden, das über gesunden Menschverstand hinausgeht und wiederum vom Beliebigen ausgeht? Oder kann das Beliebige ein objektives Korrelat dessen sein, wie das Schmerzen gegenüber dem Denken? Im diesen Schritt wird Symposion Platons behandelt nur unter der Voraussetzung, dass dort eine besondere Form der Eros als des Gemeinsamen implizit enthalten bleibt. Weniger als Eros selbst vielmehr die Form überhaupt anhand von Eros. Bekanntlich geht es Symposion um Eros im Allgemeinen. Über die alltägliche Liebesbeziehung hinaus läuft es dabei auf der Ebene der Kosmologie oder der Ontologie im Griechen durch: Grob gesagt, die Relation zwischen dem Eins und dem Viele. All diese Diskussion, auch für Sokrates’ Erläuterung, kann mathematisch so verdichtet oder umformiert werden: 1+2=3. 51 Dieses Schema gilt dafür, ob es einer distanzierten Einschätzung oder einem Urteil über Eros entweder als gut oder schlecht (alle Rede gerade vor Sokrates’ in Symposion), oder der Teilnahme am Zwischenraum vom Beiden zugrunde liegt, daher ist keine Einschätzung möglich, sondern kommt je nachdem Maß der Teilhabe am Ganze zur Geltung. Wie Sokrates oder Diotimas Rede impliziert, dass es durch die Generationen der Teil und das Ganze oder die Endlichkeit und die Unendlichkeit miteinander zur Verbindung gebracht werden kann, spielt die Eros eine große Rolle im klassisch-philosophischen Thema, nämlich der Relation zwischen dem „Eins“ und dem „Viele“. Vor allem wird es vorausgesetzt, dass der Ursprung und dessen Verlust oder die Abschweifung davon im mythischen Kontext
situiert
werden muss.
Wie Aristophanes’ Kugelmensch den
(eingebüßten) Ursprung der Liebe kennzeichnet, fällt uns die Aufgabe der Eros als solches, wieder auf den Ursprung des Ganzen zurückzukommen. Aus moderner Perspektive wird angeblich diese Wiedervereinigung (reunification) durch den Heirat und das Zeugen der neuen Generationen bzw. der Kinder verwirklicht. Dennoch steigt diese Diagnose diese normale
Auffassung
über.
Zwischen
dem
verlorengegangen
Ursprung
und
der
wiedergefundenen Vereinigung entfaltet sich zweierlei Modus, dementsprechend diese Diskrepanz spannend bleibt. Einerseits Vereinigung bezüglich der Mimesis Platons, andererseits
51
Multiplikation
oder
Individuation
. Vernant (1990)
38
anhand
von
der
Teilhabe
der
Dinge/Phänomene an den Formen/Ideen als die Immannez.
52
Beides bezieht sich
interessanterweise auch auf die zweierlei Art und Weise, wie die Repräsentation(-system) funktioniert, beispielweise im Bereich der Malerei.53 Wie es schon erläutert wurde, solange die Repräsentation im Prinzip auf dem notwendigen Abstand zwischen der Realität und der Vorstellung/der Expression beruht, geht sie so weit durch, bis dieser Abstand vermindert oder eliminiert wird. Vom repräsentierenden Repräsentant, nämlich einer bildlichen Darstellung her aus gesehen, wird es durch das Fenster gegenüber der Realität oder der repräsentierbaren Materie konstruiert. Durch dieses Fenster hin blickt ein Maler die äußere Welt hinaus. Dieser Mechanismus kann als Mimesis genannt werden, wobei die reine Realität für immer auf der Stelle der Transzendenz stehen bleibt, gegenüber einer bestimmten Repräsentation die Grenze derselben einnehmend. Warum es die Eros von Anfang an im mythischen Kontext aufgerufen erläutert wird, besteht gerade in diesem Moment, in dem der Ursprung der Ganzheit oder der Totalität retrospektiv oder nachträglich vorgestellt wird. Infolgedessen wird es die Repräsentation im Spiel gesetzt, die zumindest von Aristoteles zum ersten Mal zum Ausdruck gebracht wurde. Diese Spannung zwischen der Unmöglichkeit und der Möglichkeit oder die gegenseitige Wechselwirkung wird genau durch Sokrates’ Verschiebung der Bewertung über Eros erschlossen. Ohne Garantie, den perfekt harmonisierten Ursprung wieder zu erreichen, wird man schon wie immer auf den Weg dergleichen Teilnahme getrieben. Um die transzendentale Grenze der Repräsentation zu ergänzen, von der Seite der Eros, denn das Reale selbst kann keine Selbsterkenntnis erzeugen, die nur vom Selbstbild ausgehen kann, entspringt sich es notwendig, durch das Andere oder das Reale ein (Selbst)Bild zur Welt kommen zu lassen oder im Anderen sich selbst zu multiplizieren: als der Prozess der Reflexion. Diese Figur kann so dargestellt werden, Vernant und Neoplatonist zufolge; „the fall into the mirror of Dionysos“54 Er beschreibt so folgendermaßen: „the mirror to which the One, contemplating and admiring itself, is attracted by the image which duplicates it, which makes it two, to find itself there infinitely multiplied in a myriad of reflections.“ (Vernant 1990: S. 468) Die dabei insbesondere Tatsache, dass es die Rede von der psychoanalytischen 52
. „Die Rose (Ding) kann Rot (Form) nur nachahmen (transzendent), weil sie Rot in sich selbst hat (immanent). Wie Immanenz Transzendenz impliziert, so impliziert Transzendenz Immanenz.“ Gerade von dieser „wechselseitigen Implikation zwischen Immanenz und Transzendenz“ der Form lässt sich „etwas gemeinsam mit der (immanenten) Form haben“ ohne weiteres auf den Übergang vom Individuellen zum Gemeinsamen oder die Umkehr der Autobiographie in die Topopathographie zutreffen. Insbesondere auf das Pathologische am Gemeinort zu situieren ist dies bezogen. „[...] wenn irgendetwas wie die Form sei, müsse es etwas mit der Form gemeinsam haben und diese Gemeinsame müsse eine zweite Form sein, die natürlich immanent ist.“ Aber in exzessiv zerrissener Form und darum am Gemeinort der weiterhin gescheiterten Identifizierung mit der Form. Dieses Scheitern wurde jemals von den Neuplatonikern nichts anderes als Böse genannt. (Collingwood 2005) 53 . Marin (1994; 2006) 54 . Vernant (1990: S. 468)
39
Bezugnahme ist, hinterlassend, befasst es sich den Augenblick mit der Umschreibung der Reflexion in Form der Multiplikation oder der Individuation: und zwar der Homogeneität des Ganzen die Heterogeneität der Individuen entgegenzustellen, oder „the real and the image, the individual and his double, self-knowledge and the detour through the other, mortal and immortal, the half and the One, the two and the three.“ (Vernant, a. a. O., S. 469) Diese durch diese Umschreibung ermöglichte Umkehrung oder Subversion, nämlich vom Ursprung der Ganzheit in die Multiplikation der Bilder nun den Fokus rücken zu lassen, kann eine Art Übergang von der Transzendenz zur Immanenz 55 oder Umschlag von kosmologischer zur zerrissenen Ontologie umbenannt werden. Was dabei am wichtigsten ist, ist eher, dass beides schon wie immer miteinander verbunden und sogar als jeweiliger Wesensgrund mitwirkt. Um auf die Existenz eingetreten zu werden, sollte es vom Ursprung oder dem Original vertrieben werden, nämlich der Verfall desselben. Diese wechselseitige, oder Aristophanes androgynische Relation zufolge kann folgendermaßen charakterisiert werden:
„In the tradition of the Platonic theory of love (although breaking completely with the matter of the Academy, and all Greek classicism, as far as the status of the image is concerned), Plotinos confers a metaphysical dimension on the mirror, using it to express the condition of souls after they are incarnated. The destiny of each individual soul moves between the two poles to which the model of the mirror lends itself. On the one hand, the soul may place itself in the position of the source of light – that is to say, itself, inasmuch as it remains turned toward the sun of Being and the One, which it contemplates, and with which, united with it in that vision, it merges. In this case the reflection is nothing. Alternatively, the soul may turn toward the reflection, turning away from the source from which the light emanates, living as if the reflection were the reality itself. It indiviualizes itself and localizes itself within the limits of the body. It falls into the mirror like Narkissos; it is fragmented in the mirror like Dionysos.[...] The mirror is charakterized by the presence within it of two opposite poles, of reciprocity and alternation between dispersion into multiples and reunification in the divine. Reflecting himself in the mirror, Dionysos dedicates himself to multiplicity. He presides over the creation of the various and the changing, over the genesis of particulars. But at the same time, by virtue of his heart, miraculously preserved in the dismemberment, he remains whole.“ (Vernant, a. a. O., S. 475f., meine Hervorhebung)
55
. Diese Logik der Immanenz wird erschlossen anhand von Differenz der Komödie zu Tragödie im fünften Kapital.
40
Diese reine Multiplizität als die Zerrissenheit des Seins wird so bildlich nachgewiesen, insofern Aristophanes’ Kugelmensch als die ursprünglich harmonische Figur von Eros in Wirklichkeit verkörpert vor uns auftaucht. Dann verwandelt sich die harmonische Figur unheimlich in den zerstückelten Körper. Von der Repräsentation her impliziert diese Figur symbolisch-bildlich etwas Unrepräsentierbares, wie Aristoteles erklärt, weil die Erkenntnis genau durch die wechselseitige Amphibolie zwischen Form und Materie erreicht wird, je nachdem inwieweit dabei die innere aktive Form und die äußere passive Materie miteinander verkoppelt und auch konjunkturell verknüpft werden, woraus die jeweilig unterschiedliche Grade der Erkenntnis hervorgeht. So im Nullpunkt liegt der Kugelmensch. Umgekehrt verdient Eros als eine vergebliche Prozedur dazu, beides nämlich die Form der Liebe und die sie verwirklichende Materie derselben harmonisch zusammenzubringen. Dementsprechend rückt die hier aufgerufene Ontologie von vornherein in die Gegenrichtung der Kosmologie oder unbedingt dazu abgesperrt. Dennoch bleibt da die folgende Frage, wie oder inwiefern Eros oder die Sexualität mit dem Denken zusammengestellt werden kann, welchem sich die bisherige Erläuterung widmet?
1. Artauds Metaphysik: entweder organische Sexualität oder A-sexualität und entweder Denkbild oder Denken im Denken These: „Sexualität parallelisiert sich zum Denken.“ (Körper ohne Organ) Wenn Aristophanes’ Androgyn als den Ursprung und den Verlust der Liebe oder der Geschlechtsdifferenz oder – aporie verstanden würde, wirft diese unheimliche Figur gewiss ein Licht darauf ein, sowohl den Körper mit den (sexuellen) Organen als auch deren symbolischen Bilder zu verkoppeln. Beispielweise wenn man sich ein Bild des Traumes vorstellt, nämlich „ein anonymer Körper, der immerhin aus dem weiblichen Organ bzw. Brust und dem männlichen Organ bzw. Penis besteht“, könnte man es nie in Griff nehmen, inwiefern dieser Körper als etwas bzw. weder Männlich noch Weiblich kategorisiert werden kann. Zumindest auf das Genitalorgan eingeschränkt kann man ohne Zweifel so beurteilen. Geblieben ist dennoch die unheimliche Vorstellung dessen. Aufgrund dieses unheimlichen Bildes kann man so den Schluss ziehen, dass kein reiner Körper existiert, sondern in Hinsicht auf dessen Bilder repräsentiert werden kann. Denn nur vom sexuellen Organ her wird es dieser Körper als unheimlich charakterisiert. Über Butlers Behauptung hinaus, dass all die sexuelle Identität keineswegs vom natürlichen Körper, sondern vom gesellschaftlichen Akt 41
sowie der Benennung/dem Eigennamen abhängt, ist es dabei von der Rede, aus der ontologischen Perspektive, nicht nur dass der Körper vom Anderen sowie dem gemeinsam repräsentierten Bild abhängig ist, im Blick auf Common Sense. Sondern es ist auch darauf bezogen, dass beim direkten Geschlechtsverkehr „es kein solches gibt“ (Lacan). Denn obwohl der Geschlecht oder die sexuelle Identität nur durch die Relation mit anderem zur Erscheinung kommen kann – sexueller Trieb zum anderen (hetero) oder ähnlichen (homo) Geschlecht -, gescheitert es immer wieder, die sexuelle Vereinigung vom beiden, gerade wegen der begrenzten Symbolisierung der sexuellen Identifizierung oder der teilweise scheiternden Identifizierung mit der sexuellen Form. Davon ist das Homosexuelle ein Beispiel für dieses Scheitern der Symbolisierung. Aber nicht, weil es dabei einigermaßen an dem sexuellen Trieb mangelt, sondern weil die sexuell-duale Kategorisierung nur eine der verschiedenen Möglichkeit ist, wie Leibniz’ Welt. Daraus zieht sich gerade zweierlei Konsequenz heraus, einerseits die mögliche N-Geschlechter, je nachdem sexueller Intensität, andererseits A-sexualität als die Figur von Androgyn, welche sich widerspiegelt, dass der Zugang zum Sexuellen ursprünglich blockiert wird, wie da oben das unheimliche Traumbild beschreibt. Beim Zweiten sei Artaud zufolge die organische Sexualität die geschichtlich kontingente Konstruktion. Daher schreibt er so folgendermaßen; „Er (Abelard und zugleich Artaud) verzichtet auf den keuschen und von Gott gestatteten Koitus. Welche Köstlichkeit ist doch der Koitus! Welche seraphische und greifbare Wohne, selbst wenn er menschlich ist, selbst wenn er sich den Körper der Frau zunutze macht!“56 Dementsprechend ist es so zu vermuten, dass der reale Geschlechtsverkehr nur die Tatsache beweist, dass mein Körper selbst vom Anderen nämlich von symbolisch-sozialer Repräsentation und Praxis so beschränkt eingeprägt wird. Im Gegensatz zu Sokrates’ Überlieferung der Generationen vermittels des Erzeugens der Kinder als die Teilnahme an der Unendlichkeit und der Ganzheit, um die Rückkehr auf die sexuelle Harmonie zu erreichen, setzt sich die organische Sexualität vielmehr als der Schleier des Scheiterns der symbolischen Kategorisierung oder der Division, entweder Männlich oder Weiblich, an. In diesem Sinne bezeichnet sein Begriff, „corps sans organ“ (Körper ohne Organ) nichts als folgendes, weder naturalistische Auffassung über den (sexuellen) Körper noch den gesellschaftlich-kulturelle Register dergleichen es nur den Punkt des radikalen Scheiterns vom Letzteren, nämlich der symbolischen Benennung und
56
. Artaud (1983: S. 136)
42
Integration ans Licht bringt. Anschließend führt es zum Schluss, dass die Sexualität eng mit dem gemeinsamen Denkbild oder seinem Scheitern zusammenhängt.57
Exkurs : Entweder Abnormalität oder das Pathologische Was heißt „A“ von der „A-sexualität“? Oder welchen Unterschied gibt es zwischen „A“ und „Ab“? Oder wie unterscheidet sich im Bezug auf die Naturwissenschaft oder die Lebenswissenschaft (la science de la vie) die Abnormalität vom Pathologischen? Diese ganze Reihe Fragen breitet sich bis zur naturwissenschaftlichen Praxis aus und dann spiegelt sich sie wider, über die etymologische Geschichte hinaus. Laut Canguilhem kontrastiert sich die Abnormalität mit dem Pathologischen im folgenden Maß: und zwar die Abnormalität als die entstellte Norm und das Pathologische als die andere Norm. Wider die Perspektive des Platonismus, und zwar aufgrund der Dichotomie zwischen Form und Ding das Naturgesetz von der Individualität oder den Typ/die Wahrheit von der Singularität abzutrennen, siedelt er das Pathologische auf der Ebene der Überlebensform als des Geltungsgrundes dessen an. Das heißt, nicht nur, dass dadurch das Pathologische und die Gesundheit auf der gleichen Horizont angesetzt wird, sondern auch, dass die Geltung(-sgrund) der pathologischen Lebensform gerade auf der Lebensmöglichkeit oder „the eventual success of the life“ gesucht wird :
57
. Die Verkoppelung zwischen Sexualität und Denken(-bild) kann psychoanalytisch so weit formuliert werden. Wie Didier Anzieu (Anzieu: 1992) die Haut(-ich) als solches beschreibt, was nicht nur die Kommunikation zwischen Baby und Mutter ermöglicht, sondern auch die Grenze zwischen Außen- und Innenwelt von jenem zeichnet, wenn sich die Haut, über einen Körperteil hinaus, als die Körperoberfläche und auch als die psychische Grundlage, nämlich des Denkens oder common sense in primärer Form, darstellt, insofern könnte die Sexualität mit dem Denken verbunden sein. Allerdings „ist die Haut nicht weniger als der Mund – Ort und primäres Werkzeug der Kommunikation mit dem Anderen und der Entstehung bedeutungsvoller Beziehungen.“ (Anzieu, a. a. O., S. 61) Davon bezeichnet der Attribut „bedeutungsvoll“ gleichzeitig beides sowie die gefühlsvolle Befriedigung und die psychische Beruhigung im den Sinne, dass „seine Bedürfnisse verstanden werden.“ (a. a. O., S. 65) „Das Paradox des bedeutungsvermittelnden Kontakts zwischen Mutter und Säugling kommt darin zum Ausdruck, dass die Mutter nicht nur auf die körperlichen, sondern auch auf die seelischen Bedürfnisse achtet, dass sie diese Bedürfnisse nicht nur befriedigt, sondern auch zeigt, dass sie sie richtig verstanden hat, indem sie sensorische Reize wie ein Echo reflektiert und konkret darauf reagiert.“ (Ebd.) Solche Gleichzeitigkeit vom Körperlich-sensorischen und Psychisch-seelischen wirft einen Hinweis darauf, wie das von common sense ausgehende Denken primär funktioniert. Um die Grenze der Haut als die Körperoberfläche drehend, steht das Ich auf der Dialektik zwischen dem Selbstabwehr gegenüber der Außenwelt und der Öffnung seines Körpers zur Welt, gerade an dieser Oberfläche trennt sich das psychische Ich vom körperlichen ab, in Form der Selbstbeobachtung oder –Reflexion. Im Blick auf kantisches Transzendentale ist daher so zu sagen, dass die (sinnliche) Erfahrung eine Möglichkeit des Phänomens ist, trotzdem sich dieser Erfahrungsgehalt bis zur kategorischen Einheit verwickeln muss, um den allgemeinen Sinn zu erreichen. Genau diese Zurückziehung des denkenden Ichs kann durch den Doppelaspekt der Haut aufschlussreich umformiert werden: eben mit der Sexualität verknüpft.
43
„Living forms are considered not beings referable to a real, pre-established type but organizations whose validity (that is, value) must be referred to the eventual success of their life.“58 (das Pathologische als die Existenz, meine Hervorhebung)
Dem Urteil, ob eine bestimmte Lebensform entweder pathologisch oder normal sei, geht gewiss die Existenzmöglichkeit dergleichen voraus. Daran anschließend, aus der Perspektive der naturwissenschaftlichen Praxis betrifft es die folgende Unterscheidung, dass die Monstrosität nur aus Interesse daran gesucht wurde, die Grenze des Naturgesetzes zu charakterisieren. Denn die Monstrosität besagt eher die Verzerrung der Formation der Lebensform selbst, womit die Überschneidungsform der jeweiligen Gattung enthüllt wird. Auch wird die Grenze der Lebensform einer bestimmten Gattung zum Vorschein gebracht. Definiert wird dagegen das Monströse als „chaos ad infinitum“, und zwar was von der Imagination ausgeht, ohne Rücksicht auf die Verwirklichungsmöglichkeit. Was diese biowissenschaftliche Kategorisierung, immerhin die Lebensform nur auf das Naturgesetz beschränkt, diese gesamten Erläuterung betrifft, ist das Folgende: Erstens, die Norm oder die Normalität selbst charakterisiert sich keineswegs als etwas Genaueres, während sich das Pathologische als die in Verwandlung eingetretene Lebensform auszeichnet. Vielmehr ist das Normale vom Pathologischen abhängig, oder anders herum formuliert, im Anbetracht der Existenz der unterschiedlichen Lebensformen steht dieses in Verwandlungsprozess. Zweitens, wie schon mehrmals betont wurde, auch auf dieses Urteil entweder Normal oder Pathologisch wirkt sich das Denkbild aus, welches aus der Unterscheidung des Möglichen vom Unmöglichen entspringt. Statt der Ermöglichungsbedingung die Realisierungsbedingung des Pathologischen im Leben selbst anzusetzen.
2. Signifikant oder Eigenname im Eigentlichen Im Zusammenhang mit dem Eigennamen, sowie die anfängliche Verleihung und die spätere Ersetzung dessen durch anderen bei den Toten, dreht sich die soziale Norm um die zeitliche Gebrauchsweise dessen herum. Beispielweise zeigt Artauds Versuch just die Abtrennung von der ihm angeborenen oder gegebenen Regel sowie die organische Sexualität, seinen Eigennamen überhaupt abzulegen. Doch er bleibt dort, als wäre er ein Toter und gleichwohl wie in einer bestimmten primitiven Gemeinschaft der Eigenname der Toten als ein Tabu 58
. Canguilhem (2008: S. 125)
44
verboten und stattdessen einen anderen gerufen und erinnert wurde. Oder dazu analog wird so genannt ein weiteres Beispiel aus Platons Symposion als eine Trauerarbeit um verstorbenen Sokrates. Dort umformuliert wird Sokrates als der Eigenname in den verallgemeinerten neutralen Namen wie philosophische Weisheit. Insbesondere im letzteren Fall kommt es vor, dass der Repräsentierte oder die Vergegenwärtigung des jemals Anwesenden wie Sokrates in Wirklichkeit nie existiert – zumindest nach der Darstellung Platons, sondern von Diotima und anderen indirekt vertreten artikuliert und repräsentiert wird. Eben weil die Toten ihrer (In)Existenz nie bewusst sind, werden sie für immer verschleiert oder vom Lebenden projiziert, wie das Verhältnis Alchibiades’ auf Sokrates als die verschleierte Anwesenheit dessen, was jenem fehlt, letztlich auf den Niveau vom Signifikant ohne Signifikat, um dieses herum oder demgemäß dreht sich all die Rede über die Eros: und sogar als ein Anlass der Rede über die Liebe, und zugleich der des Liebestriebes. Letztlich Sokrates als episteme von Eros per se. Dies weist genau darauf hin, wie die soziale Normalität mit den Toten umgehen kann, was nur vermittels des symbolischen Mittels so wie in Form Bild, (Eigen-)Name oder Gesetz vorgestellt werden kann. Darum ist es notwendig, dort entweder Exzess oder Mangel erzeugt zu werden. Daran angeknüpft ist der Vorrang des Lebens dem Tod im modernen Machtmechanismus (Foucault) in die Erinnerung zu rufen. Dennoch was bedeutet überhaupt wie Artauds Anstreben nach dem freiwilligen Verlust des Eigennamens nicht der Toten, sondern der Lebenden? Ist es allerdings ein Versuch der Individuation als der Multiplikation, um ein geeigneten Namen herauszufinden? Oder ausschließlich durch den zweiten Namen verwandelt sich der Eigenname in die Kennzeichnung, die beides sowie den vorherigen/angeborenen und gewonnenen/geeigneten Namen in die Sinnebene zwischen den Eigennamen – ohne Rücksicht auf die äußere Referenz als derselbe Notwendigkeit – bringt oder diese Umwälzung bezeichnet im folgenden Sinne;
„On the contrary, an individual acquires a true proper name as a result of the most severe operations of depersonalization, when he opens himself to multiplicities which pervade him and to intensities which run right through his whole being.“59
Diesen Verlust des Eigennamens und auch die daraus notwendig folgende Beraubung der Identität nennt Deleuze ein Ereignis oder genauer, die Struktur dessen selbst: und zwar als der Abstürz des objektiven Korrelats der Weltvorstellung.
59
. Deleuze (1977: S. 113, meine Hervorhebung)
45
„Wie auch immer all diese Umkehrungen in der unendlichen Identität sich zeigen, sie führen stets zur gleichen Konsequenz: zum Bestreiten der persönlichen Identität von Alice, zum Verlust des Eigennamens. Der Verlust des Eigennamens ist jenes Abenteuer, das sich in allen Abenteuern von Alice wiederholt. Denn der einzigartige oder der Eigenname wird durch die Beständigkeit eines Wissens gewährleistet. Dieses Wissen verkörpert sich in allgemeinen Namen, die Stillstände und Ruhepunkte bezeichnen, in Substantiven und Adjektiven, zu denen der eigene Name eine beständige Beziehung wahrt. So benötigt das persönliche Ich Gott und die Welt überhaupt. Wenn jedoch die Substantive und Adjektive sich zu verflüssigen beginnen, wenn die Namen der Stilstände und Ruhepunkte von den Verben des reinen Werdens mitgerissen werden und in die Sprache der Ereignisse hinübergleiten, verlieren das Ich, die Welt und Gott jede Identität. Das ist die Wissens- und Rezitationsprobe, in der die Worte, da von den Verben auf Abwege geführt, verkehrt herum kommen, und in der Alice ihrer Identität beraubt wird. Als ob die Ereignisse sich einer Unwirklichkeit erfreuten, die sich dem Wissen und den Personen über die Sprache mitteilt. Denn die persönliche Ungewissheit ist kein dem Geschehen äußerlicher Zweifel, sondern eine objektive Struktur des Ereignisses selbst, insofern es stets in zwei Richtungen zugleich verläuft und das Subjekt dieser doppelten Richtung entsprechend zerteilt. Das Paradox besteht zunächst darin, den gesunden Menschenverstand als einzige Richtung, als Einbahnstraße, oder einzigen Sinn, dann aber auch den Gemeinsinn als Zuweisung festgelegter Identitäten zu zerstören?“60
3. Dualität vom Individuum her Platonismus, dazu parallel Antiplatonismus Aristoteles’, die Bewusstseinsphilosophie als der Anthropomorphismus und der Vorrang des Nicht-repräsentierbaren dem Repräsentierbaren sowie das Erhabene (immaterielle Materialität/Lyotard), verläuft all dies gültig nur vom Individuum her, welches auf der habituellen Gegenwart als dem Anhaltspunkt basiert. Beim Ersten, gegen teleologische Hierarchie der Idee wird diese Beziehung umgekehrt, nämlich von der Seite eines Individuums, welches in zweierlei Ebene gespaltet ist, sowie Möglichkeit und Wirklichkeit. Beim Zweiten, hält es daran fest, aus der Perspektive eines Individuums oder eines Subjekts, welches mit dem Maß versehen ist, all das Phänomen wahrzunehmen und zu beurteilen, ohne Rücksicht auf ein in die Individuation getriebenes Individuum. Oder abgesehen von der Tatsache, dass dieses nur als eine Konsequenz/Nebeneffekt von jener sei,
60
. Deleuze (1993: S. 17 f., meine Hervorhebung)
46
verläuft es immerhin trotz seiner Reflexion im Teufelskreis vom Anthropomorphismus, beispielweise die Analogie des Menschen auf die Tiere und die Unterscheidung vom beiden. Beim Dritten, noch einmal die Umkehrung im Bezug auf das Repräsentationssystem. Dadurch funktioniert es, dass die (über-)sinnliche Erfahrung, bzw. das mathematische oder dynamische Erhabene in den Bereich der repräsentativen Diskrepanz zwischen Realität und Vorstellung vorangebracht wird, womit nicht nur die Grenze des Repräsentationssystems vor sich gezogen wird, sondern zugleich außerhalb dessen einen bestimmten kräftigen Bereich eingeführt würde. Dennoch läuft so diese Strategie im Prinzip vom Dualismus zwischen Intelligible/Form und Sinnlich/Materie eingeschlossen. An der gekrönten Stelle der Idee die Materie anzusetzen geht paradoxerweise zum gleichen Schluss, dass die Materie selbst so idealistisch wie die Idee hierarchisiert wird.61 Was dabei am problematischsten ist, ist ja, dass auch im Verlauf der Einführung des Unrepräsentierbaren solche Erfahrung von einer bestimmten Repräsentation auch in einer bestimmten Richtung authentisiert und angeeignet wird.62
61
. George Bataille nannte es „Idealismus der Materie“, eine in seinen Augen besonders dumme philosophische Position. Siehe, Anmerkung 3 In: Didi-Huberman (1999: S. 5) 62 . Siehe „Shoa“ als die übersinnlich undarstellbare Erfahrung, die sich zurzeit auf den grausamen Konflikt zwischen Israel und Palästina asymmetrisch auswirkt, wobei diese Erfahrung durch ein Volk als ein erhabenes Opfer ganz und gar angeeignet wird. So ist dies auch darauf berufen, psychoanalytisch gesehen, von der Entfremdung von der Sprache über die davon Abtrennung bis zur Wiedervereinigung (reunification) oder Wiedereinschreibung aufgrund des neuen Namens oder der Multiplikation dessen überzugehen. (im letzten Teil erläutert)
47
INTERMEZZO: UMKEHRUNG DER AUTO-BIO-GRAPHIE IN TOPO-PATHOGRAPHIE ODER VOM INDIVIDUELLEN ZUM GEMEINSAMEN Um an der Stelle von „Autobio-„ gerade „Topopatho-„ einzufügen, oder den Anknüpfungspunkt vom Individuellen und Gemeinsamen zu erschließen, wird es zunächst rekurriert auf den kritischen Moment Kants als etwas, was in Vorkritisch und Kritisch entzweit ist. Dann wird das Ausgeschlossene auf den Tisch gebracht, außer der metaphysischen Dogmatik, was die transzendentale Kritik ausmacht und zugleich konstruiert. Damit wird es als der Produkt erreicht, den Status des Selbst durch den anonymen oder unpersönlichen (impersonal) Topos ersetzt zu werden und zugleich das Leben selbst von der Seite des Pathologischen erneut in Betracht zu ziehen. Infolgedessen ist die bisherige Erläuterung so vorzustellen, nämlich als die Umdrehung um den Topos des Pathologischen herum. Daraus geht einigermaßen der heterogene Topos vor unseren Augen hervor. Anhand von Repräsentation sowohl als Erkenntnis wie auch als Vertretung her kann das Reale hingegen darin vorangebracht werden, ebenso wie Merleau-Ponty die damit verbundene Frage im Blick auf die bildende Kunst oder die bildende Darstellung von Dingen einwirft, nämlich „die Frage nach dem Verhältnis von pikturalem und realem Sein : 1. Auf welche Weise schafft sich der Künstler ein ihm angemessenes Zeichensystem? – und wie verhält sich dasselbe zum wahrnehmenden Befragen der realen Dinge? – oder anders: wie kann sich der Künstler durch das Gesehene inspirieren lassen, um es durch ein anderes Etwas zu ersetzen?
2. Der andere Aspekt der Frage betrifft den Liebhaber, den Kunstbetrachter oder den – Kritiker : er kennt den Mechanismus, das Wie dieser Chiffre oder dieses Stiles ja nicht; also wird er – besonders wenn es sich um neuartige Bilder handelt – das Lesen derselben erst erlernen müssen, indem er ein neuartiges Sehen vollzieht; wie verläuft nun dieser Vorgang? – anders gewendet: wie beruft sich der Maler in seinem Schaffen auf das Sehen, wie und auf welcher Weise beruft sich der Kunstliebhaber seinerseits auf das Bild, um
48
damit in die chiffrierte Sprache der Malerei vorzudringen? Hier haben wir also das Verhältnis von Sehen und Malen zu unterscheiden. “63
Und zwar wie ein Subjekt, das nur durch die Signifikantenkette repräsentiert oder interpelliert wird, steht der Kunstliebhaber als der Seher zwingend vor dem Werk des Künstlers oder vor dem schon von ihm irgendwie Repräsentierten und Dargestellten. Weniger als den Verlust eines bestimmten Sachverhaltes oder die Unmöglichkeit der Darstellung der Sache selbst ist eben vielmehr die folgende Tatsache, dass der Künstler darin etwas Mehr darstellt, was ganz und gar nicht eindeutig gesehen oder repräsentiert wird. Beispielweise während bei Sartre der Andere nur als solcher vor uns auftaucht, der nicht nur das Gesetz als den Verbot inkarniert, sondern auch ein sehendes Subjekt in ein gesehenes Objekt umsetzen lässt, erscheint der Andere bei Deleuze uns als ein anderes Wahrnehmungsfeld, oder genauer, der Grund unserer Wahrnehmung im Gegensatz zum schon Wahrgenommenen, im zeitlichen Abstand, z.B. im solchen Ausdruck, „damals habe ich so und so [...]“ und bei Lacan, im Bezug auf das Gesetz, als das implizit schon im Subjekt selbst Eingeschlossene oder Inkarnierte. Was solche unterschiedliche Darstellung besagt, ist nichts anderes als die Situation des Subjekts als solches, was die Erkenntnis oder die Vorstellung überhaupt behindert oder blockiert. So ist das der wechselseitige Austausch oder die Dialektik weder zwischen Sichtbarem und Nichtsichtbarem von der Ansicht der Phänomenologie her noch zwischen dem Sehenden (Subjekt) und dem Gesehenen (Objekt). Vielmehr das Subjekt oder die bestimmte Subjektivierung per se. Darum fällt dem Subjekt selbst eine andere Aufgabe, von dieser blockierten Situation sich selbst in zweierlei zerlegen zu lassen oder das Subjekt vom Subjekt selbst abzuziehen. Anders gesagt, das schon aufgeklärte Subjekt wieder aufzuklären. Etwas, was die Sichtbarkeit ausmacht, wieder dem Subjekt oder genauer der Schranke dessen verdanken zu lassen und damit es in Zweierlei verwandeln zu machen. In diesem Sinne definiert Merleau-Ponty das Sehen so im folgenden: „So ist das Sehen (vision) nicht mein Eigentum, wie etwa ein Gedanke oder eine Meinung. Es ist vielmehr die Herstellung eines Bezuges, eines Sichöffnens-auf-etwas. Das Wahrnehmen ist nicht mehr allein ein Sehen auf die Welt; es sieht auch auf sich zurück. Es vollzieht sich ebenso vor mir wie auch hinter meinem Rücken oder in meinem Leib.“ (Merleau-Ponty, a. a. O., S. 233), obwohl er hierin auf die wechselseitige Ergänzungsrelation zwischen Subjekt/Künstler und Objekt/Welt fokussiert, vom Punkt der Intervention des Subjekts in eine bestimmte Situation ausgehend. Gerade dieser Moment, die Möglichkeit in ihre Grenze umzukehren, taucht das Reale auf, was den Grund der 63
. Merleau-Ponty (1972: S. 231 f.)
49
Ermöglichung genannt wird. „Das alltägliche Sehen enthält vermutlich keine besondere Probleme. Aber sobald es sich um das Sehen eines Sichtbaren handelt, das nicht allen Menschen zugänglich ist, zum Beispiel um das Sehen eines Bildes, dass stellen sich eben solche Probleme. Wir erfahren zum Beispiel, dass sich das Sehen erlernen und bilden lässt.“ (Ebd.) Was diesen Moment zur ontologischen Ebene gelangen macht, ist genau die Aufgabe der Topo-patho-graphie. Grob gesagt, geht die folgende Erläuterung so vor sich, dass durch die Versammlung der pathologischen Spuren an einem bestimmten Ort eine Art Onto-graphie dessen ermöglicht werden könnte. Aber nicht aus dem Grund der logischen (In)Konsistenz, sondern vielmehr aufgrund des verallgemeinerten Werturteil ums Leben selbst, Nieztsche zufolge als der Askese oder des asketischen Ideals, verschiebt sich oder wird für immer in zeitgenössischer Philosophie die Begründung oder das Hineintreten der Ontologie im Diskursumfeld so verneint oder so als unmöglich beurteilt und dann verboten. Auf der ersten Bahn von diesem gegensätzlichen Umweg steht Kant sowohl als der Geisterseher wie auch als der Kritiker/Richter der Vernunft.
50
TEIL II
TOPOPATHOGRAPHIE ALS TOPOS DES PATHOLOGISCHEN
51
KAPITEL IV: DAS PATHOLOGISCHE ALS NORMATIVER AXIOM
1. Vorkritisch und Kritisch oder Pathologisch und Normal 1.1 Geisterseher und Metaphysik Ebenso wie es in Vorrede von Kritik der reinen Vernunft expliziert ist, lässt sich von vornherein die theoretische und praktische Vernunft oder genauer deren zweierlei legitimer Gebrauch hierin voranbringen und voneinander so unterscheiden: einerseits den Begriff zu bestimmen, andererseits ihn wirklich zu machen. Diese Unterscheidung stellt Kant so deutlich dar:
„So fern in diesen nun Vernunft sein soll, so muss darin etwas a priori erkannt werden, und ihre Erkenntnis kann auf zweierlei Art auf ihren Gegenstand bezogen werden, entweder diesen und seinen Begriff (der anderweitig gegeben werden muss) bloß zu bestimmen, oder ihn auch wirklich zu machen. Die erste ist theoretische, die andere praktische Erkenntnis der Vernunft. Von beiden muss der reine Teil, so viel oder so wenig er auch enthalten mag, nämlich derjenige, darin Vernunft gänzlich a priori ihr Objekt bestimmt, vorher allein vorgetragen werden, und dasjenige, was aus anderen Quellen kommt, damit nicht vermengt werden.“64
Daraufhin laufend, um die (Natur-)Wissenschaft zu „sichern“ muss unbedingt das Objekt wechselseitig mit dem Verstand a priori bestimmt werden. Entsprechend unserer Vorstellungsart hat das Objekt so zu bestimmen: Beispielweise in Beobachtung des Himmels muss das Objekt nicht
„in den Gegenstände des Himmels, sondern in ihren
Zuschauer“ gesucht werden. Dieses Verfahren wird eben so genannt „Regel“ in mir selbst, durch welche all das Gegenstand damit übereinstimmend konstruiert wird. So gleichzeitig kann es bei der Erfahrung vermittels des Verstandes oder im bestimmten Gegenstand die Einheit des Erkennenden verwirklicht oder externalisiert werden. Trotzdem läuft solche a priori Bestimmung des Objekts innerhalb einer Grenze oder gegen Gefahr hindurch, in die
64
. Kant (1956: B IX f., meine Hervorhebung)
52
Metaphysik zu geraten, oder aufgrund des Triebes der Vernunft sich auf Ding-an-sich zu richten. Nämlich „mit dem vermengt wird, was aus anderen Quellen kommt“. Dafür wird der praktische Gebrauch der Vernunft darin eingespeist.
„Nun bleibt uns immer noch übrig, nachdem der spekulativen Vernunft alles Fortkommen in diesem Felde des Übersinnlichen abgesprochen worden, zu versuchen, ob sich nicht in ihrer praktischen Erkenntnis Data finden, jenen transzendenten Vernunftbegriff des Unbedingten zu bestimmen, und auf solche Weise, dem Wunsche der Metaphysik gemäß, über die Grenze aller möglichen Erfahrung hinaus mit unserem, aber nur in praktischer Absicht möglichen Erkenntnis a priori zu gelangen.“ (Kant, 1956: BXXI, XXIII)
Für den Augenblick, abgesehen von zweiter Kritik, aus welcher sich die Übergangsfrage zum kategorischen Imperativ, wie Cassirer stellt und einigermaßen antwortet, ergeben kann,65 ist es zu vermuten, dass das Praktische als ein Mittel dazu vorangebracht wird, beides nämlich eine bestimmte Erkenntnis vermittels der Synthesis/der Verbindung und die Vernunftidee selbst gleichzeitig zu retten. Aber diese Idee sollte allererst von anderer Form der Idee unterschieden werden und zwar von „der leeren Form des Gesetzes“, „der Idee ohne Form“ oder meiner Terminologie zufolge „der flüchtenden Form der Idee“, wozu man selber ohne konkretem Gehalt über das Gute etwas durch die Handlung per se erfüllen muss: und zwar in Form Autoaffektion, und auch im Gegensatz zum „transzendenten Vernunftbegriff des Unbedingten“. Dort tritt das Gute nicht als ein Schema, sondern vielmehr als ein Symbol ein. Diese zweierlei Einteilung sowie des Gebrauchs der Vernunft als auch der Idee selbst kann klar gemacht werden, durch den Blick auf die Zurückverweisung des Kritischen auf das Vor-kritische. Daher kehrt diese Erläuterung auf vorkritische Phase zurück. Nicht zuletzt antizipiert sie auch im Bezug auf den modernen Lebensbegriff sowohl die neo-kantische epistemologische Aneignung (Cassirer) von der Seite der theoretischen Vernunft wie auch die lebensphilosophische Umformung (Simmel) bzw. die Lebensmetaphysik im Hinblick auf die praktische Vernunft. Jener Punkt wird umso strittiger im nächsten Schritt anhand von der Diskussion mit Heidegger bzw. Davoser Disputation ans Licht gebracht; zwischen epistemologischer Kritik an „Kritik der reinen Vernunft“, und daraus folgender exakter 65
. „Der kategorische Imperativ muss so beschaffen sein, dass das Gesetz, das aufgestellt wird, nicht etwa nur für Menschen, sondern für alle Vernunftwesen überhaupt gilt. Hier ist plötzlich dieser merkwürdige Übergang. Die Beschränktheit auf eine bestimmte Sphäre fällt plötzlich ab. Das Sittliche als solches führt über die Welt der Erscheinungen hinaus. Das ist doch das entscheidende Metaphysische, dass nun an diesem Punkt ein Durchbruch erfolgt. Es handelt sich um den Übergang zum mundus intelligibilis. Das gilt fürs Ethische, und im Ethischen wird ein Punkt erreicht, der nicht mehr relativ ist auf die Endlichkeit des erkennenden Wesens, sondern da wird nun ein Absolutes gesetzt.“ Heidegger (1991: S. 276, meine Hervorhebung)
53
Trennung der metaphysisch-praktischen Vernunft von der Heideggers theoretischontologischer Erkenntnis schwankend. Analog zu Heideggers Unterscheidung des Daseins von „das Man“ steht da ein besonderes Subjektbegriff im Gegensatz zur Person, das sich sinnlich zwischen der „sichtbaren“ und unsichtbaren“ Welt spaltet, woraus die weitere Spaltung zwischen „Geist“ und „Mensch“ hervorgeht. Nämlich, was Kant den Wahnsinn genannt und dahinter untersucht, liegt gerade vielmehr in einem Exzess des Geistes, der eben aus der Mannigfaltigkeit des Sinnlichen folgt, genauso wie das Zeichen Geister-seher schon impliziert. Freilich wird noch nicht dieser Geist in gesicherter oder legitimer Erkenntnisform eingeordnet: weder auf die äußere Gegenstände bezogen noch durch die symbolische Form (Cassirer) objektiviert wird.
„Es ist demnach zwar einerlei Subjekt, was der sichtbaren und unsichtbaren Welt zugleich als ein Glied angehört, aber nicht eben dieselbe Person, weil die Vorstellungen der einen, ihrer verschiedenen Beschaffenheit wegen, keine begleitende Ideen von denen der andern Welt sind, und daher, was ich als Geist denke, von mir als Mensch nicht erinnert wird, und, umgekehrt, mein Zustand als eines Menschen in die Vorstellung meiner selbst als eines Geistes gar nicht hinein kommt.“66
In dieser Richtung, wie Freud eine andere Denkform, nämlich das Denken im Traum formiert, oder „das Unbewusste denkt auch“ Lacan zufolge, dementsprechend bringt Kant den brechenden Moment zwischen Schlaf/Traum und Wachen darin voran. Insofern der Traum nachträglich nach Erwachen wieder vorgestellt oder „erinnert“ werden kann, und auch beim Schlafen die äußere Wahrnehmung funktioniert, folgt daraus, dass dabei „Ideen der Phantasie und die der äußeren Empfindung untereinander geworfen werden.“ Während beim Geisterseher „die geistige Empfindungen“ ganz und gar nichts zum Bewusstsein erhoben werden, die „Phantasie erregen, die mit ihnen verwandt sein“, wider diese „immaterielle Welt“, lässt sich sie in die sprachliche Zeichen im normalen Fall übertragen. Damit wird der Austausch der Empfindungen mit anderem ermöglicht. Was dabei diese Erläuterung betrifft, ist nicht nur, dass die Vernunftidee oder die begleitende Idee darin die große Rolle spielt, aber ohne äußere gemeine Bezugnahme nämlich die Erfahrung. Sondern diese nur durch die Phantasiebilder angenommene Idee gehört gleichzeitig der Gemeinsamkeit oder dem gemeinsamen Land vom beiden sowie „reiner Geister“ und „der
66
. Kant (1977b: S. 947/A 49f.)
54
Geist des Menschen“ an. Ob darin sie durch die Sprache entäußert wird oder nicht, liegt dabei als eine wichtige Maßnahme der Entzweiung vom beiden.
„Abgeschiedene Seelen und reine Geister können zwar niemals unsern äußeren Sinnen gegenwärtig sein, noch sonst mit der Materie in Gemeinschaft stehen, aber wohl auf den Geist des Menschen, der mit ihnen zu einer großen Republik gehört, wirken, so, dass die Vorstellungen, welche sie in ihm erwecken, sich nach dem Gesetze seiner Phantasei in verwandte Bilder einkleiden, und die Apparenz der ihnen gemäßen Gegenstände als außer ihm erregen.“ (Kant 1977b: S. 950/A55f.)
So weiter läuft sein Versuch anhand von einem bestimmten Organ bzw. Gehirn oder genauer der gegeneinander laufenden Bewegung dessen zu, dementsprechend zweierlei moderner Topos sowie z.B. das Innen und das Außen zum Vorschein gebracht wird, um beides voneinander zu unterscheiden oder von Wahnsinn abzugrenzen.
„[...] Das Eigentümliche dieser Krankheit (Wahnsinn) besteht darin: dass der verworrene Mensch bloße Gegenstände seiner Einbildung außer sich versetzt, und als wirklich vor ihm gegenwärtige Dinge ansieht. [...] dass, durch irgend einen Zufall oder Krankheit, gewisse Organen des Gehirnes so verzogen und aus ihrem gehörigem Gleichgewicht gebracht sein, dass die Bewegung der Nerven, die mit einigen Phantasie harmonisch beben, nach solchen Richtungslinien geschieht, welche fortgezogen sich außerhalb dem Gehirne durchkreuzen würden, so ist der focus imaginarius außerhalb dem denkenden Subjekt gesetzt, und das Bild, welches ein Werk der bloßen Einbildung ist, wird als ein Gegenstand vorgestellt, der den äußeren Sinnen gegenwärtig wäre.“ (Kant, a. a. O., S. 956f./A66-69)
Dadurch ist es leicht zu bemerken, inwiefern der geistige Normalzustand mit dem Wahnsinn in der gemeinsamen Grundlage steht, nämlich in der Einbildungskraft außer Gehirnnerven: Obschon bei der Einbildungskraft der innere Sinn/Bild so externalisiert wird, als wäre es wirklicher Gegenstand vor Augen. Insofern der Wahnsinn aus diesem Moment hervorgeht, in welchem zweierlei Richtungslinie der Wahrnehmung oder Sinnlichkeit, wie es oben dargestellt wurde, nämlich in „mir selbst“ und „außer mir“ irgendwann in Eins gesetzt oder zueinander verschmolzen wird, ist es wahrscheinlich sinnvoll, es im nächsten Schritt zu erörtern: wie die (transzendentale) Einbildungskraft als das gemeinsame Erbe vom normalen und pathologischen Zustand in späterer Kritik wieder auftaucht und im Gang setzt. Damit 55
kann gleichwohl Kants umgekehrte Attitüde zum Wahnsinn erschlossen werden: und zwar sowohl als die Grundlage der inneren Sinne/Bilder wie auch als der darüber hinausgehende Exzess deren. Oder anders als schon Cassirer die Pathologie dementsprechend erklärt, nicht als der Mangel der Sinne oder der Signifikation/Bedeutung, sondern vielmehr als dessen Exzess. Daran anschließend lässt sich die folgende Frage stellen, wie Kant schon beschreibt, ob solche Verbindung der zwei Richtungslinien zufällig geschieht oder nicht, wie schon solche Auszeichnung Krankheit voraussetzt und dabei impliziert. Oder anders gefragt, insoweit kann man die Trennungslinie vom beiden zu sich ziehen und immerhin sie aufbewahren? Oder, wie Kant es expliziert und betitelt hat, lässt sich überhaupt „ein Fragment der gemeinen Philosophie (z.B. Metaphysik Leibniz’) die Gemeinschaft mit der Geisterwelt aufheben“? Oder vielmehr zur Konstruktion der Normalität oder Kants Terminologie zufolge, des gemeinen Verstandes dient einigermaßen eine Art „ontologische Notwendigkeit“? Eher Cassirers Definition dergleichen hierin aufgerufen und
auch die transzendentale
Einbildungskraft als ein Vermittelnder zwischen Vorkritik und Kritik verankert wird, läuft die folgende Erläuterung so ab, die Aufmerksamkeit darauf lenken zu lassen, wie die zweierlei Kritik, sowie theoretische und praktische, voneinander unterscheiden und gegeneinander im Gang gesetzt wird.
1.2 Theoretische Kritik Kant zieht aus dem ersten Teil von „Geistseher und Metaphysik“ einen „theoretischen Schluss“ heraus. Obwohl seine endgültige Haltung gegenüber dem Wahnsinn nicht deutlich hier gezeigt wird, kann man zweierlei Pointe herausnehmen; und zwar einerseits bezüglich der Antwort auf die Frage, welche Rolle der Wahnsinn als der Exzess des Geistes in der späteren theoretischen Kritik spielt, andererseits im Blick auf zweierlei Denkensart, die eben auf Kants Kritik der reinen Vernunft beruht, sowie von Heidegger und Cassirer. Von Anfang an kommt es vor, dass er so angeblich versucht, den Geisterseher als einen wichtigen Ansatzpunkt der „gemeinen“ Philosophie einzusetzen, mit diesem Anderen gegenüber dem gemeinen Verstand solche Grenze, oder besser gesagt, die Parteilichkeit dessen überwunden werden kann. Wie er im Folgenden so lang, aber ambivalent schreibt:
„Ich habe meine Seele von Vorurteilen gereinigt, ich habe eine jede blinde Ergebenheit vertilgt, welche sich jemals einschlich, um manchem eingebildeten Wissen in mir
56
Eingang zu verschaffen. Jetzo ist mir nichts angelegen, nichts ehrwürdig, als was durch den Weg der Aufrichtigkeit in einem ruhigen und vor alle Gründe zugänglichem Gemüte Platz nimmt; es mag mein voriges Urteil bestätigen oder aufheben, mich bestimmten oder unentschieden lassen. Wo ich etwas antreffe, das mich belehrt, da eigne ich es mir zu. Das Urteil desjenigen, der meine Gründe widerlegt, ist mein Urteil, nachdem ich es vorerst gegen die Schale der Selbstliebe und nachher in derselben gegen meine vermeintliche Gründe abgewogen und in ihm einen größeren Gehalt gefunden habe. Sonst betrachtete ich den allgemeinen menschlichen Verstand bloß aus dem Standpunkte des meinigen: jetzt setze ich mich in die Stelle einer fremden und äußeren Vernunft, und beobachte meine Urteile samt ihren geheimsten Anlässen aus dem Gesichtspunkte anderer. Die Vergleichung beider Beobachtungen gibt zwar starke Parallaxen, aber sie ist auch das einzige Mittel, den optischen Betrug zu verhüten, und die Begriffe an die wahre Stellen zu setzen, darin sie in Ansehnung der Erkenntnisvermögen der menschlichen Natur stehen.“ (Kant, a. a. O., S. 960f./A 73ff.)
Ob diese optische Parallaxe der intersubjektiven Beobachtungen oder dem solchen Austausch entspricht, oder vielmehr der Geisterseher als ein vermittelnder Punkt dazu zugänglich macht, im dem Sinne, dass etwas Weniger als die gemeine Übereinstimmung des Verstandes und auch etwas Anderes als die gemeine Wahrnehmung diese Parallaxe ermöglicht, wie schon die Dichotomie von Subjekt und Person widerspiegelt, sogar in Form „X vs. die Gemeinschaft“, kann im Hinblick auf seine weitere Beschreibung entschieden werden:
„[...] so unermeßlich ist die Mannigfaltigkeit desjenigen, was die Natur in ihren geringsten Teilen einem so eingeschränkten Verstande, wie der menschliche ist, zur Auflösung darbietet. Allein mit dem philosophischen Lehrbegriff von geistigen Wesen ist es ganz anders bewandt. Er kann vollendet sein, aber im negativen Verstande, indem er nämlich die Grenzen unserer Einsicht mit Sicherheit festsetzt, und uns überzeugt.“ (a. a. O., S. 963/A79f.)
Eben von der Mannigfaltigkeit der Natur als die Ursprünglichkeit der menschlichen Erkenntnis ausgehend, liegt der andere Punkt bei, wie Heidegger an dieser Stelle der transzendentalen Einbildungskraft als „Sich-bilden“ ohne vorgestellten oder objektivierten Gegenstand ansetzt. In Gegenrichtung des negativen Sicherstellung deren, zwar von allem Sinnlichen etwas schon Bestimmtes herauszuziehen, tritt der Geisterseher in der Mitte oder dem Bruchpunkt
zwischen Mannigfaltigkeit
und Verstand ein, gerade weil die
Einbildungskraft schon dabei eine erkennende Form ohne Gehalt konstruiert. Beispielweise 57
obwohl Cassirer es versucht, vermittels der symbolischen Form oder der Kulturform diese Diskrepanz zu verschränken, zwar in Form „Kulturkritik“ als der Analog zur Kritik der Vernunft, geht es für immer nur auf die nachträgliche Weise, nämlich auf die schon konstruierte Kulturform beruhend vor. Im Vergleich zu Foucaults Historisierung des Transzendentalen durch die Veränderung der Grenzlinie zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren liegt jenes eben auf der Idealisierung der „reinen funktionellen Einheit“ dadurch, den Begriff zu bestimmen. „Statt vom Gegenstand als dem Bekannten und Gegebenen auszugehen, müsse vielmehr mit dem Gesetz der Erkenntnis als dem allein wahrhaft Zugänglichen und als dem primär Gesicherten begonnen würde; statt die allgemeinsten Eigenschaften des Seins im Sinne der ontologischen Metaphysik zu bestimmen, müsse durch eine Analyse des Verstandes die Grundform des Urteils als der Bedingung, unter welcher Objektivität allein setzbar ist,“67 Durch die wechselseitige Bestimmung des Objektiven und des Subjektiven vermittels der (Erkenntnis-)Form lässt sich eine bestimmte Bedeutung als die „neue Seite der Wirklichkeit“ setzen. Dementsprechend fokussiert er genau auf die verschiedene innere Form des Seins, aber in schon strukturierter Form sowie beispielweise Mythos, Kunst, Sprache oder Religion usw. Was aber dabei außer Acht gezogen bleibt, wie Latour gegen die moderne Abtrennung der Kultur von der Natur oder die Gegenstellung vom beiden etwas, was plötzlich außer dieser kulturellen Form auftaucht, dahin einsetzt, im Namen „Ding“, ist für immer der Ursprung dergleichen als die Form der Form selbst in außergewöhnlicher Form aufzubewahren, oder genauer formlos/unintellgibel: aber nicht auf den linearen Horizont der Geschichtlichkeit hinauslaufend. Gerade an dieser Erscheinung wird momentan der der Einbildungskraft zugrunde liegende Wahnsinn als eine ontologische Notwendigkeit erhoben eintreten. Über den Analog der kulturellen Form und daraus weiterhin folgende Erweiterung oder Idealisierung derselben hinaus liegt der Grund darin, weshalb ein ontologischer Ansatz im Blick auf den Wahnsinn hier eingespeist werden muss. Daran anschließend ist Kants Transzendentales nicht einmal a-historisch, sondern bezeichnet schon wie immer das Engagement in einer historischen bestimmten Situation.68 Wie Lacan erwähnt, zumindest von der Seite der Psychose, die damals in den psychiatrischen Diskursbereich eingeführt wurde.69 Aber wie kann beides das Ontologische und das Historische miteinander 67
. Cassirer (2001: S.7) . Dieser Gedanke verdankt sich Zizek (Zizek, 1999a: S. 65) „Furthermore, does not the notion of transcendental horizon (as opposed to noumenal transcendence) already point towards the Heideggerian notion of the world as the finite historical horizon of the disclosure of being, if only we purge it of its Cartesian physicalist connotations (categories of understanding as the conceptual framework of the scientific comprehension of representations of natural, present-at-hand-objects) and transpose it into the horizon of meaning of a finite engaged agent?“ 69 . „I can’t recount to you the history of paranoia since it made its first appearance with a psychiatrist disciple of Kant at the beginning of the nineteenth century, but let me tell you that at its maximum extension in German 68
58
verschränkt werden? Hier impliziert beides schon einander: aber nur unter der Bedingung, dass beides gleichzeitig zueinander von normaler Auffassung divergiert wird. Ebenfalls abgesehen von dem als geschichtlich Gegebenem eher im Prozess der Suche nach dem Gemeinsamen sowohl geschichtlich als auch ontologisch um das Pathologische herum.
1.3 Praktische Kritik Wie ist denn „das Gegebene“ oder „die Gegebenheit“ zu definieren oder zu bestimmen? Schon in dieser Frage ist es geantwortet, aber zu implizit. Allein dadurch, es auf die bestimmte Weise zu bestimmen. Dafür stellt Kant so die Parallellinien zwischen a priori und a posteriori dar.
„Da also der Philosoph wohl sahe, dass seine Vernunftgründe einer Seits, und die wirkliche Erfahrung oder Erzählung anderer Seits, wie ein paar Parallellinien wohl ins Undenkliche neben einander fortlaufen würden, ohne jemals zusammenzutreffen, so ist er mit
den übrigen,
gleich als
wenn sie darüber
Abrede genommen
hätten,
übereingekommen, ein jeder nach seiner Art den Anfangspunkt zu nehmen und darauf, nicht in der geraden Linie der Schlußfolge, sondern mit einem unmerklichen Clinamen der Beweisgründe, dadurch dass sie nach dem Ziele gewisser Erfahrungen oder Zeugnisse verstohlen hinschieleten, die Vernunft so zu lenken, dass sie gerade dahin treffen mußte, wo der treuherzige Schüler sie nicht vermutet hatte, nämlich dasjenige zu beweisen, wovon man schon vorher wußte, dass es sollte bewiesen werden. Diesen Weg nannten sie alsdenn noch den Weg a priori, ob er wohl unvermerkt durch ausgesteckte Stäbe nach dem Punkte a posteriori gezogen war, [...]“ (Kant, a. a. O, S. 971f./ A95f.)
Dass dieser Gebrauch der Vernunft, einerseits a priori (Logik) und andererseits a posteriori (aus der Erfahrung), so in zweierlei durchläuft, kann Simmels Grenzbegriff entsprechend so umformiert werden: nämlich als „Sich-überschreiten“ des Geistes. Wie er nachträglich am Ende seines Lebens erklärt, stände die Existenz des Menschen zwischen zweierlei Grenze, sowie „einzelner“ und „genereller“ Grenze. Und es spaltet sich gleichzeitig zwischen Innen und Außen dergleichen, um die einzelne Grenze von der Seite der generellen zu übergreifen. Insofern ergibt sich daraus die fortlaufende Verschiebung der Grenze, einmal die Grenze zu psychiatry it covered almost all forms of madness – seventy percent of the ill in asylums bore the label of paranoia. Everything we call psychosis or madness was paranoia.“ Lacan (1993: S. 4)
59
bestimmen und dann andersmal nach der Überwindung derselben sie nachträglich zurückzublicken. In diesem Sinne sagt er so paradoxerweise, „wir haben nach jeder Richtung hin eine Grenze, und wir haben nach keiner Richtung hin eine Grenze.“ (Simmel, 1999: S. 214) Epistemologisch gesagt, steht man wiederum zwischen Nicht-Wissen und Wissen. Aber gleichzeitig erkennt man diese Grenze in Form „ich weiß, dass ich das nicht weiß.“ und dann verschiebt sie wieder aus der Perspektive, die die natürliche Sinne des Menschen überschreitet, sowie z.B. auf der Mikro- oder Makroebene. Wie kann er so stark, genauso wie er solchen Bedenk hegt - logisch gesehen da gibt es den Widerspruch - die Grenzüberschreitung behaupten? Anders als Kants Aufhebung der Grenze der Erkenntnis („wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht einsehe) durch die praktische Nützlichkeit („wie viele Dinge gibt es doch, die ich alle nicht brauche“), nicht in dem Sinne vom Moralgesetz. Dies liegt gerade darin, wie da oben der Ausdruck „nachträglich“ zweimal verwendet wurde, dass sich Simmels Perspektive eben vom Endpunkt seines Lebens ableitet, während Kant zwischen Scheinerfahrung und Scheingründe der Vernunft steht. Abgesehen davon, dass beides historisch gesehen jeweils einerseits in Mitte der Aufklärung und anderseits am Ende dergleichen steht, kann jenes zwischen Leben und Tod oder auf der endgültigen Grenze des Lebens selbst nachträglich das Leben so axiomatisieren: ebenfalls als Mehr-Leben. Obwohl Kant letztlich kurz eine andere praktische Ansicht dahin einführt, in Form moralischer Glaube als „die Erwartung der künftigen Welt auf die Empfindungen einer wohlgearteten Seele, als umgekehrt ihr Wohlverhalten auf die Hoffnung der andern Welt zu gründen“, führt es letztlich zum Schluss der Begründung der Möglichkeit der Wissenschaft oder der praktischen gemeinen Nützlichkeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft. Was beides voneinander unterscheidet, beruht wahrscheinlich auf der entweder Außen oder Innen der Grenze angesiedelten Perspektive, oder anders gesagt, entweder aus der (über-)zeitlichen Perspektive (Simmel) oder von räumlicher Ansicht her (Kant), wie der Ausdruck das gemeinsame Land von Geisterseher und Metaphysiker impliziert. Überdies stellt dieses die Metaphysik in diesem Sinne so dar, sowohl als die Erhellung der dunklen Seite der Dinge wie auch als die Wissenschaft von der Grenze der Vernunft. Von daher kann jenes, wie es von der Seite Kants her wahrscheinlich Geistseher genannt würde, so folgendermaßen behaupten, „dass wir, selbst rein problemtaischer Weise, eine Weltgegebenheit denken könne, die wir eben nicht denken können – das ist ein Hinaussschreiten des geistigen Lebens über sich selbst, Durchbruch und Jenseitigkeit nicht nur einer einzelnen, sondern seiner Grenze überhaupt, ein Akt der Selbsttranszendenz, der die – gleichviel, ob wirkliche oder nur mögliche – immanente Grenze selbst erst setzt.[...] Dies setzt sich in den ethischen Bezirk mit der in vielerlei Formen immer 60
von neuem auftretenden Idee fort, dass die Überwindung seiner selbst die sittliche Aufgabe des Menschen sei, von der ganz individualistischen Form an.“ (Simmel, a. a. O., S.217) Wiederum greift dies Kants kommende Kritik der praktischen Vernunft über: Grob gesagt, von der Empirie als pathologisch zurückgezogen, auch wider a priori, das sich auf a posteriori bezieht, sich mit der reinen Form des Moralgesetz konfrontierend.
2. Typologie des Pathologischen70 Jetzt ist es nun der geeignete Moment, das bisher häufig hierin impliziert verwendete Pathologische zu erhellen, einmal auf die negative Weise gegen Kants Definition. In Kritik der praktischen Vernunft lässt sich auf die transzendentale Weise das Moralgesetz von allem Empirischen unterscheiden, das die Glückseligkeit (Aristoteles) als das Prinzip dessen aufbaut: Oder allgemein formuliert, wobei all das Grundsatz der Handlung ganz vom aus dem empirischen Objekt hervorgebrachten Gefühl sowie Lust oder Unlust abhängt. Und zwar wider „pathologisch“. Dagegen kann man es in zweierlei Richtungen so charakterisieren. Wie Deleuze schon in ‚Nietzsche und Philosophie’ einordnet, geht all die tragische Philosophie sowie z.B. Pascal, Kierkegaard, Schestow usw. von Askese oder asketischen Idealen aus. Beispielweise stellt Shestow Philosophie als eine Form Krankheit ein, indem er von vornherein von religiöser Auslösung ausgeht und sie wiederum zum Endziel der Philosophie erhebt, in welcher eine private Verzweiflung sowie Kierkegaards Impotenz in Relation auf Regine Olsen zur allgemeinen Kondition der menschlichen Existenz sublimiert wird. In diesem Sinne nennt er Philosophie die Krankheit. Oder wie es schon zu einfach bemerkt ist, in Ansehung auf Nietzsches Metapher von Herrenmoral und Sklavenmoral in „Genealogie der Moral“, wird unbedingt dem unterlegten Philosophen eine Art philosophisches Prinzips gebracht, damit er sich selbst „aus seiner realen ungünstigen Lage symbolisch retten“71 kann, während beim Siegreichen kein Prinzip aufgefordert steht.
„Für Schestow beginnt die Geschichte der europäischen Vernunft in dem Augenblick, da Platon den Tod des Sokrates (des besten unter den Menschen) akzeptiert und als Äußerung des universalen Schicksals begriffen hat, statt gegen diesen Tod zu protestieren.“ (Boris 1994: S. XXI)
70 71
. Dieser Gedanke verdankt sich Zupancics Text (Zupancic 2003) . Boris (1994: S. XV, meine Hervorhebung)
61
Wie dieser Zitat deutlich antizipiert, geht bei ihm die religiöse Erlösung gegen das Naturgesetz der philosophischen Symbolisierung vorrangig voraus. Aber davon abgesehen, was hier das Pathologische betrifft, hat beides die (geistige) Krankheit zum Ausgangspunkt gemein. Trotzdem wider die nietzscheanische Verkoppelung von Krankheit und Heilung, die sich gewiss wiederum auf die theologische Kosmologie bezieht, an der Nietzsche kritisiert,72 steht das Folgende in Versuch, es in die Spannung von Mangel (Cassirer) und Exzess (Lacan) der symbolischen Sinne/Bedeutung zu übertragen: vom transzendentalen Prinzip (a priori) und empirisch vorgestelltem Objekt (a posteriori) bezüglich des Begehrensvermögen und auch vom Transzendenten (Ding an sich) und Transzendentalen (a priori) anhand von spekulativem Interesse der Vernunft her. Indem es Philosophie als die Krankheit buchstäblich ernst genommen, und auch als die ontologische Vorbedingung derselben akzeptiert wird.
2.1 Cassirers Typologie: Mangel an den symbolischen Formen „[...] die Sprachpathologie [...], die bestimmte pathologische Veränderungen der Sprache im Gebiet der reinen Denkprozesse nach sich ziehen.“73
Laut Cassirer lässt sich die Frage anhand von Pathologie so werfen, was mangelt es genau bei der Pathologie sowie der Sprachestörung? Die theoretische Entscheidung scheint mir sehr winzig, ob sie entweder auf „die bloße Intelligenzstörung“ oder auf „das Gesamtverhalten und die gesamte seelische Verfassung der Kranken“ beschränkt. Diese graduelle Unterscheidung breitet sich beispielweise bezüglich der Aphasie als der Pathologie der Sprache bis zu solcher Differenz aus, nämlich nicht der Mangel an einzelnem Wort, sondern an einem bestimmten Sinn auf dem Niveau des ganzen Satzes, woraus sich das propositionale Urteil ergibt. Diese Darstellung zielt gerade darauf ab, wie er expliziert ausspricht, dahin die erkenntniskritischphänomenologische Methode zur Anwendung zu bringen. Ebenso wie der Ausdruck 72
. „Das Problem liegt nicht, wie Sontag sagt, in der Verwendung der Krankheit als Metapher, sondern im Wissenssystem der modernen Medizin, das die Krankheit als reine Krankheit objektiviert. Solange wir dieses System nicht in Frage stellen, werden wir glauben, dass die Menschen durch den Fortschritt der modernen Medizin von den Krankheiten und folglich auch von deren metaphorischem Gebrauch befreit werden können. Aber gerade dieses Denken – Dubos nannte es die „Illusion der Gesundheit“ – ist bloß eine weltliche Form der Theologie, die das Böse zum Verursacher von Krankheit erklärt und dieses Böse auszurotten versucht. [...] Nietzsche bezeichnete die Geistesgeschichte Westeuropas als eine Geschichte der Krankheit. Er hat zwar die Krankheit als Metapher mißbraucht, doch von der Illusion der Gesundheit war er weit entfernt.“: Karatani (1996: S. 119 f.) 73 . Cassirer (2002: S. 238)
62
„Asymoblie“ deutlich beweist, erweist sich die Pathologie nicht zuletzt als das Verlorengegangene der „Fähigkeit des symbolischen Ausdrucks und der symbolischen Formulierung“. Wie schon vorher seine Interpretation von Kants Kritik antizipiert, eher im kantischen Sinne, wird bei der Pathologie das transzendentale Schema sowie Raum, Zeit usw. in Unordnung stehen, mit welchem sowohl die sinnliche Erfahrung (Präsentation) in Anschauung als auch die Repräsentation im Verstand – letztlich zum Urteil gelangt - ohne Störung in Gang gesetzt werden. Wird die Form dabei nicht substanziell, sondern funktional erneut verwendet, kann man dazu kantische Auffassung des Pathologischen als das Empirische wieder gegenüberstellen. Während bei ihm früher das Prädikat oder das Attribut „pathologisch“ dazu bestimmt ist und dafür eingeführt wurde, ohne Hinsicht auf die Klinik das Begehren und das Moralgesetz vom Empirischen, oder äußeren Objekt und damit verbundenen Treib abzugrenzen, eben ganz auf die formal-funktionale Weise, kehrt es sich diesmal so um, mit diesem Prädikat sowie positiv wie auch ad infinitum in Ansehung des unendlichen Urteils (Kant) umzugehen. In diesem Sinne zieht Jakobson schon weniger als der Mangel der Aphasie vielmehr ihre jeweilige produktive Kraft dessen sowie an Metapher als die syntaktische Aphasie und an Metonymie als die semantische Aphasie von der sprachlichen Struktur her heraus und erweitert bis dahin, sie an der Poetik zu verknüpfen,74 Dazu analog fokussiert dies darauf, ganz von der klinischen Pathologie geschieden, den ontologischen Ort dessen zu markieren, metaphorisch gesagt, in Form der Karte des Pathologischen. Oder dem Schmitts Ausnahmezustand entsprechend, was den Normalzustand mehr erklärt: und zwar pathologisch als unbestimmt.
2.2 Das transzendentale Pathologische Vielmehr sollte das Pathologische im Blick auf das positive Negative oder genauer, „die realen Opposition“ in Differenz zum logischen Widerspruch aufgefasst werden. Während laut Kant bei diesem zwei gegensätzliche Prädikate gar nichts im gleichen Subjekt genommen werden kann, sowie z.B. die Unlust als der Mangel der Lust, läuft es bei jenem in Gegenrichtung ab, beiden Prädikaten jeweils einen positiven Grund zuzuschreiben, sowie beispielweise bei der Annahme der Medikament die gespaltene Empfindungen zwischen Unlust als der schlechte Geschmack und Lust als die Hoffnung auf die Heilung. Bei diesem 74
. Vgl. „To study adequately any breakdown in communications we must first understand the nature and structure of the particular mode of communication the nature that has ceased to function.“ Jakobson (2002: S. 69)
63
wird beides ausgeschlossen, aber dagegen bei jenem wird beides in Form der Entgegensetzung im gleichen Subjekt/Körper angenommen, sich darauf auswirkend. Dies beschreibt Kant anhand von mathematischem Begriff „die negative Größe“ im Folgenden: „Denn es sind die negative Größen nicht Negationen von Größen, wie die Ähnlichkeit des Ausdrucks ihn hat vermuten lassen, sondern etwas an sich selbst wahrhaftig Positives, nur was dem andern entgegensetzt ist. Und so ist die negative Anziehung nicht die Ruhe, wie er davor hält, sondern die wahre Zurückstoßung.“75
Gewiss folgt es daraus zweierlei Art des Negativen nämlich zwischen Mangel und Beraubung/Privation, was weiterhin bis auf das Nichts reicht: so entweder logisches Nichts oder reales Nichts. Während sich beim Mangel die Negation einer bestimmten Eigenschaft sowie nicht-bewegender Körper abspielt, steht es bei der Beraubung in realem Konflikt oder Widerstreit zwischen beiden positiven Bewegkräften, z.B. der zwischen rechts und links schwankende
Körper.
In
diesem
Sinne
nennt
er
dieses
„die
verhältnismäßige
Entgegensetzung“. Um diesen Unterschied mehr deutlich zu machen, fügt er dies in den Bereich der Empfindungen ein, nämlich die Beziehung von Lust und Unlust:
„Ob Unlust lediglich ein Mangel der Lust, oder ein Grund der Beraubung derselben, der an sich selbst zwar was Positives, und nicht lediglich das kontradiktorische Gegenteil von Lust, ihr aber im Realverstande entgegensetzt sei, und also ob die Unlust eine negative Lust könne genannt werden. [...] Denn was man auch nur vor Lust haben mag, so fehlt hiebei doch immer einige mögliche Lust, so lange wir eingeschränkte Wesen sind. [...] Der Mangel der Lust so wohl als der Unlust, in so ferne er aus dem Mangel der Gründe hiezu herzuleiten ist, heißt Gleichgültigkeit (indifferentia). Der Mangel der Lust so wohl als Unlust, in so fern er eine Folge aus der Realopposition gleicher Gründe abhängt, heißt das Gleichgewicht (aequilibrium) : beides ist Zero, das erstere aber einer Verneinung schlechthin, das zweite eine Beraubung.“ (Kant 1977a: S. 792f./A21ff., meine Hervorhebung)
Wenn dies in die Formulierung des Pathologischen übertragen würde, geht daraus hervor, nicht dass es auf die Instanz verweist, die weder über die Norm noch über A-normal verfügt, sondern vielmehr dass es auf den Konflikt zwischen dem Realen und Symbolischen hindeutet, der eben in der praktischen Vernunft umso deutlicher erscheint. Für Kant wird das 75
. Kant (1977a: S. 781)
64
Moralgesetz dadurch konstruiert, von der pathologischen Empirie die Grenze zu ziehen, oder hier verwandter Terminologie zufolge sie selbst zu negieren. Hier lässt sich formulieren, dass die pathologische Empirie dem Moralgesetz logisch widersteht: eher die erste Erscheinung des Pathologischen in Form des logischen Widerspruchs. Psychoanalytisch formuliert, dieses Moralgesetz entspringt aus dem Schuldgefühl, das durch ein imaginäres Objekt hergestellt wird. Als der notwendiger Schritt zur reinen Form des Moralgesetzes wird diese Abgrenzung vom Imaginären hierin eingebettet, als solches, was schon in der Kritik der reinen Vernunft dadurch antizipiert wurde, dass das verlorengegangene Objekt als Ding-an-sich wiederum durch andere Gegenstände retrospektiv konstruiert und dann substituiert wird, nämlich vermittels des a priori gegebenen Begriffes/Verstandes. In diesem Sinne ist immer ein Erkenntnisobjekt nicht reales Objekt, sondern nur ein symbolisches Term. Psychoanalytisch gesehen ist ein Objekt für immer ein objektives Korrelat des Triebes, der Erkenntnis oder der Lust. Wenn die Abgrenzung von der pathologischen Empirie eben der Kastration entspricht, und zwar als die Zurückziehung von der Inkonsistenz der Empirie, dann kommt diesmal die zweite Definition des Pathologischen vor, in reiner Form des Moralgesetzes, die „das Land ohne Volk“ ausgezeichnet wird, oder über keine Maxime für die konkrete Handlung verfügt. Aber nicht in dem Sinne des Mangels von logischem Widerspruch her, sondern in dem Sinne der Beraubung im realen Konflikt. Welche positive Bewegkraft setzt sich dann dort gegeneinander und auch zueinander wirkend? Darin taucht wiederum das Pathologische auf. Aber diesmal in Form der exzessiven Idee
wider den Begriff/Verstand, die all der
Identifizierung mit derselben entgeht. Ebenso wie der Wahnsinn in Träumerei der Geisterseher die Hoffnung auf die Zukunft ins Leben ruft, braucht notwendigerweise das Ethische die Autoaffektion, die von der Idee der Vernunft affiziert wird. Davor kann man dieses Pathologische auf die Melancholie einbeziehen. Wie schon im Bezug auf Platons Symposion erläutert wurde, bringt die Melancholie die Schatten des transzendentalen Erkenntnisvermögens ans Licht. Eben nach dem Verlust des (Liebes-)Objekts oder idealen Objekts sowie Freiheit, Brüderlichkeit oder Gleichheit usw. tritt die ursprüngliche Tatsache zutage, dass die transzendentale Erkenntnis nur durch die Negation des Exzesses der Vernunft oder des möglichen Wahnsinnes zur Konstruktion kommt, wie schon der enge Zusammenhang des Wahnsinnes mit der Metaphysik erörtert wurde. Oder wie Heidegger an Kant kritisiert, wird die formale Einbildungskraft als das Sich-bilden ohne Bezug auf das äußeren Objekts zum Verstand reduziert, der die Erfahrung ausmacht und zugleich damit selbst versichert wird. Im Bezug auf das Nichts schreibt David-Menard so im Folgenden:
65
Das Objekt ist gerade, was das Denken von Etwas erkennen ausmacht, im Ort des Widerstreits im Bezug auf das Nichts. Die Konstruktion von Etwas ist gesetzt durch die Erläuterung dessen, was das Denken sich formieren ausmacht, im Ort oder im Platz des Nichts, d.h. der Idee der Welt, die nicht weniger als das Nichts für den Verstand ist, um die Idee der Totalität zu sein. Die Struktur selbst von Etwas, was durch den Verstand erkannt wird, kann verstanden werden nur durch die Differenz zur Struktur vom Nichts, vom Anschein (appearance), dessen Vernunft sich unerschöpflich verstärkt. Und wie die Studie des Anscheins eine Reflexion für die logische und transzendentale Kraft der Negation notwendig macht, existiert die Opposition zwischen dem Nichts und Etwas auf die solche Weise, wie die Negation in unseren Urteil interveniert.“76
Die Struktur des Nichts entspricht eben dem Moment des Melancholikers, der der Lust auf das Objekt überhaupt beraubt ist. So gibt es zweierlei ähnliche Struktur. Einerseits analog dazu, die Zurückziehung von der Empirie im Moralgesetz, spürt zugleich das verlorengegangene Objekt als etwas in sich selbst nämlich im Subjekt Verweilendes. Das heißt, dass für die Erkenntnis der Gegenstände die Hälfte des Subjekts negiert werden musste. Andererseits parallel dazu, gerade nach der Negation der Struktur des Nichts als der Idee der Vernunft wieder nur formal darauf bezogen zu sein, ist er gleichzeitig gar nicht dessen bewusst, welchen Teil dessen bei ihm eingebüßt wurde, sondern hält formal an demselben Objekt selbst fest. Solche Zurückziehung vom Anschein/appearance der bestimmten Gegenstände ist verdoppelt auf die Melancholie bezogen. Da bleibt nur die bloße Struktur (minimale Differenz zwischen reinem Anschein und konstruktivem Anschein) des Subjekts auf das Objekt allgemein übrig. Kant beschreibt diese Beziehung zwischen reiner Idee als der absoluten Totalität und dem Verstand als derer Negation so folgendermaßen:
„[...] dass die Vernunft eigentlich gar keinen Begriff erzeuge, sondern allenfalls nur den Verstandesbegriff von den unvermeidlichen Einschränkungen einer möglichen Erfahrung frei mache, und ihn also über die Grenzen des Empirischen, doch aber in Verknüpfung mit demselben, zu erweitern suche. Dieses geschieht dadurch, dass sie zu einem gegebenen Bedingten auf der Seite der Bedingungen (unter denen der Verstand alle 76
. David-Menard (1990: S. 28 ff., meine Hervorhebung), Org. franz. : „l’objet est ce qui permet à la pensée de connaître quelque chose n’est établie que par l’élucidation de ce qui lui permet de se former aux lieu et place du rien, c’est-à-dire de l’idée de monde, qui pour être l’idée de la totalité, n’en est pas moins un rien pour l’entendement. La structure même du quelque chose qui est connu par l’entendement ne peut être comprise que par différence d’avec la structure du rien, de l’apparence, dont se sustente inépuisablement la raison. Et, comme l’étude de l’apparence rend nécessaire un réflexion sur le pouvoir logique et transcendental de la négation, l’opposition entre le rien et le quelque chose consiste en la manière dont la négation intervient dans nos jugements.“ (meine Hervorhebung und Übersetzung)
66
Erscheinungen der synthetischen Einheit unterwirft) absolute Totalität fordert, und dadurch die Kategorie zur transzendentalen Idee macht, um der empirischen Synthesis, durch die Fortsetzung derselben bis zum Unbedingten(welches niemals in der Erfahrung, sondern nur in die Idee angetroffen wird), absolute Vollständigkeit zu geben.“77
Dieses verlorengegangene Objekt geht auch aus dem Moment hervor, in welchem sich die transzendentale Einklammerung all des jeweiligen Urteils (theoretisch, praktisch und ästhetisch) abbricht, kurzum all das Urteil gleichzeitig ausgeklammert wird. Insofern Kants drei Kritik eben auf die Konstruktion des Objekts sowie der Erkenntnis, der Moral und des Geschmacks abzielt, ist es dann unbedingt, in jedem Moment jeweils das Urteil einzuklammern. Diesen Punkt stellt Karatani folgendermaßen dar:
„Modern science was established by bracketing moral and aesthetic judgements. Only at this moment did the object appear. But this was not limited to natural science. Machiavelli came to be known as the father of modern political science precisely because he discovered the domain of politics by bracketing morality. Importantly, with the domain of morality the same can be said. The moral domain does not exist in and of itself. When we confront the world, we have at least three kinds of judgement at the same time: cognitive judgement of true or false, ethical judgement of good or bad, and aesthetic judgement of pleasure and displeasure. In real life, they are intermixed and hard to distinguish. Scientists make observations by bracketing ethical and aesthetic judgements: Only by this act can the objects of cognition come into existence. In aesthetic judgement, the aspects of true and false and good and bad are bracketed, only at the precise moment that artistic objects come into existence. These operations are emphatically not done naturally. Rather one is always ordered to bracket by the external situation. And being accustomed to it, one forgets that one brackets, and think that the objects – scientific or artistic or moral – exist by themselves.“78
Davon ist es die Melancholie ein besonderer Fall, dass das theoretische und praktische Urteil gleichzeitig miteinander ausgeklammert werden, und auch darin das Begehren(-objekt) interveniert wird: und zwar in der Situation, dass ein bestimmtes Liebesobjekt eingebüßt wird, leidet man genau vom moralischen Urteil her daran, dass er dafür verantwortlich sei, dieses Objekt im Subjekt selbst fixiert verweilen lassend. Dass er gar nichts weiß, an welchen verlorengegangenen Teil dessen er leidet, sondern nur der Tatsache selbst bewusst ist, dass 77 78
. Kant (1956: B 435 ff., A 408 ff.) . Karatani (2005: S. 114, meine Hervorhebung)
67
ein Liebesobjekt eingebüßt wurde, beweist genau diesen Punkt. So untergebrochen wird die Konstruktion des Objekts, indem es bei der Trauer das moralische Urteil zukommt, woraus sich die Melancholie als deren gescheiterte Form ergibt. Abgesehen davon, dass solche Verantwortlichkeit oder das Schuldgefühl nur am eingebüßten Objekt fixiert bleibt, was daraus herausgezogen werden kann, ist wie schon gesagt, dass dieser Moment nichts anderes als der Enthüllungsmoment des transzendentalen Ortes der Beziehung des Subjekts auf das Objekt ist, aber in gescheiterter Form. Denn die Erkenntnis enthält für immer die Reflexivität der (symbolischen) Bestimmung dessen Gegenstandes, umso extremer gezeigt wird diese Doppelseitigkeit bei Melancholie in Form Identifizierung des Teils des Subjekts mit dem Objekt, bei welcher gleichzeitig die Unmöglichkeit der Erkennbarkeit sobald ontologisch supplementiert wird: und zwar in den Verlust oder die Beraubung des Objekts hinein. Ebenso wie zwischen theoretischem und praktischem Urteil das Begehren als die Brücke vom beiden hinzukommt, bezieht sich diese transzendentale Annullierung des Objekts als die Schatten der transzendentalen Konstruktion dessen auf psychoanalytische Auffassung des Begehrens, oder genauer der Differenz des Begehrens zum Trieb. Insofern das Begehren durch die reale Opposition nämlich aufgrund des Widerstreits zwischen der Lust und der Unlust so funktioniert, kann dieser Suspendierungsmoment dessen, nämlich dass es sich nicht mehr durch das äußere Objekt (theoretisches Urteil) hervorbringt, einen Resultat des realen Konflikts als der Nullpunkt dessen selbst, aber schon einen bestimmten Platz des Wertes einnehmend. Diesen Platz ist vom theoretischen Urteil her so zu kennzeichnen, als der des unendlichen Urteils, sowie im Ausdruck a-normal. Darin steht die reine leere Form des theoretischen Urteils, gerade weil der Verstand im Hinblick auf die äußere Erfahrung nicht mehr vergewissert oder verwirklicht wird. Theoretisch gesehen kann dies so umformuliert werden, die Umkehrung vom Begehrensobjekt zum Begehrensprinzip selbst. Oder Kants Terminologie zufolge, vom Transzendentalen nicht ohne Verstand und Anschauung zum Transzendentalen ohne Verstand oder Anschauung überzugehen, sowie z.B. das Unding als die leere Anschauung ohne Begriff oder das Gedankending als der leere Begriff ohne Objekt. Von daher kann auch dieser Ort dessen als transzendental Pathologisch zugeschrieben werden. Mehr noch kehrt sich es auch dabei vom Mangle an theoretischem zum praktischen Urteil um. Wie sich kantscher Moralprinzip eben aus der Ausschaltung des empirischen pathologischen Objekts konstruiert, und zwar der Ausschaltung des theoretischen Urteils, von der Seite des praktischen Urteils, erweist sich dieser Mangel oder dieser Nullpunkt als etwas Positives sich selbst. Infolgedessen kann sich das transzendentale Pathologische nichts anderes als solches, was zwischen jeweiligem Urteil steht und im Alltag unbewusst auftaucht. Daraus folgt auch, 68
dass das Urteil oder die Zuschreibung des Pathologischen aus einer bestimmten Perspektive, sowie z.B. medizinisch oder juristisch, nicht mehr endgültig ist, sondern nur auf der empirischen Ebene verweilt. Eben weil das Transzendentale für immer in die Gefahr hin gerät, die jeweilige Erfahrung in der Anschauung absolut zu setzen oder den jeweiligen Begriff im Verstand zu verallgemeinern, wie McDowell exemplarisch zeigt, jedenfalls trotz seines Versuchs, die Besonderheit der Anschauung aus der begrifflichen Proposition abzuziehen und damit sie zu retten, inwiefern sich die jeweilige Anschauung oder genauer deren Gehalt einseitig auf den begrifflichen Gehalt reduziert. Gegen diese einseitige Reduktion im transzendentalen Prinzip
gibt
Karatani ein
Gebrauchsweise oder –vorschrift
der
transzendentalen Kritik an:
„Meanwhile, the lesson of the Kantian transcendental critique is to keep both stances at ths same time. One has to know how to bracket and unbracket at the same time.“ (Karatani, a. a. O., S.121)
Diese gleichzeitige Einklammerung und Ausklammerung scheint einigermaßen pathologisch durchzulaufen, nämlich nicht so intentional, sondern rezeptiv. Obwohl man diese Art und Weise methodologisch im Gang setzt, gibt es dabei den winzigen Unterschied zwischen dem Pathologischen und dem Philosophischen:
„To Hume, practicing transcendental reduction by bracketing the world of self-evidence – and then coming back to the same world by unbracketing – could never be voluntary. If it is true that the only distinction between philosophers and psychotics is that the former can bracket and unbracket freely and the latter cannot, then David Hume definitely belongs to the latter group. If, however, Hume is not a psychotic, it would be wrong to define philosophers – not scholars of philosophy, of course – as free agents of bracketing. In a certain sense, they, too, are compelled to doubt the world of self-evidence. It seems that philosophers intentionally deplete the self-evidence of the world, but perhaps they do so because they have already lost self-evidence from the beginning. I am not trying to say that philosophers are close to or candidates for schizophrenia, but I am suggesting that the transcendental reduction in philosophy cannot merely be a methodology.“ (a. a. O., S.94)
Aber im folgenden Sinne, dass Kant im praktischen Urteil die Empirie pathologisch zuschreibt, ist seine Artikulation gültig von der philosophischen Methodologie her, um das theoretische Urteil auszuschalten oder einzuklammern. Doch dieser Prozess geschieht auch 69
gleichermaßen im transzendentalen Pathologischen, wie Karatani schreibt, obschon man dabei dazu gezwungen wird. Letztlich kann man das transzendentale Pathologische folgendermaßen formulieren; wohl der Moment, in dem sich das Transzendentale abreißt, daraus folgt keine Konstruktion der erkennbaren oder bestimmten Gegenstände. Dies geschieht dadurch, dass die legitime Distanz zwischen kategorischem Begriff und sinnlicher Anschauung oder phänomenalem Objekt verschwindet. Dann resultiert dies entweder daraus, dass ein besonderes Objekt zum transzendentalen Prinzip selbst erhoben wird (z.B. Warenoder Geldfetischismus), oder daraus, dass dessen Prinzip in ein besonderes begehrendes Objekt verwandelt wird (z.B. Sade oder die Logik des Erhabenen) sowie statt eines Begehrensobjekt das Begehren selbst als ein besonderes (Begehrens-)Objekt. Aber diese scheinbare Unmöglichkeit lässt sich wiederum so darauf umstellen, das Unmögliche als unmöglich per se zu realisieren. So heißt das, der normalen Autonomie die pathologische Heteronomie entgegengestellt wird. Indem die Letztere für immer das Extreme ermöglicht – transzendental - und dann realisiert – umso transzendentaler als transzendental - , verdient es letztlich dazu, die transzendentale Struktur als gescheitert erscheinen zu lassen. So heißt dieses Scheitern ethisch. Da dadurch das endgültige Urteil/Gericht immerhin verschoben wird und so gleichzeitig es sich dazu wendet, die abgestürzte Struktur wiederum in Ordnung zu bringen. Aber davon bleibt noch die Distanz zum Pathologischen als dem Anderen. Sie kann insofern als transzendental-ethisch zugeschrieben werden, als dass das Pathologische da schweigend transzendental bleibt. Wie beginnt es denn für sich selbst auszusprechen?
70
KAPITEL V: PATHOLOGISCHE INDIVIDUATION
1. Das Erhabene und der Genuss/das Jouissance Gerade im letzteren Teil hat es sich darum gehandelt, in Umkehr von theoretischem ins praktische Urteil dem transzendentalen Pathologischen zu nähern, nämlich aus der normativethischen Perspektive. Was es hier mit „normativ-ethisch“ gemeint ist, ist gerade die Heteronomie des Pathologischen gegenüber der Autonomie des Normalen. Hierin lässt sich der Verlust zuerst als legitim-notwendig setzen und dann zum Gesetz/Verbot hin hochbringen. So wird das Unmögliche in die Prohibition verwandelt. Aber es wendet sich gleichzeitig dem Anderen als dem Verlorengegangenen oder dessen Supplemenation zu. Oder topographisch gesehen richtet es sich auf das Außen oder das Fremde der transzendentalen Erkenntnis und zwar auf die Gegenüberstellung der Heteronomie des Pathologischen der Autonomie des Normalen: als eine Art Umkehrung des jeweiligen Wertes. Dagegen verschiebt sich in diesem Teil das transzendentale Pathologische in die Wende zum ästhetischen Urteil. Aber im folgenden Sinne von aisthesis als die asymmetrische Aufteilung des gemeinsamen Sinnlichen, Rancière zufolge79 und auch die Art und Weise, wie trotz solcher Aufteilung des Gegebenen oder vielmehr hingegen das Gemeinsame im Prozess dessen Fundierung hinterherkommen kann. Denn das Gemeinsame ist a priori, aber als leer oder unbestimmt gegeben, und in Bestimmung dessen durchaus etwas als gemeinsam behauptet und demonstriert wird, was bisher weder als gemeinsam vor uns erscheint noch gleichgültig zur Verfügung steht. Damit kann es das Gemeinsame, über die ethische Heteronomie hinaus, bis zur Überlappung vom Sinnlichen und Intelligiblen hin ausstreckt werden, aber in Form sowohl Leere als auch Exzess. Letztlich durch diese genetische Dualität gelangt es zum abschaffenden Moment solcher normativen Kategorien, wie Außen und Innen, Intelligibel und Sinnlich, oder aktive Form und passive Materie usw., just im neutral-gleichgültigen Ort. Hier ist auch der der Gleichzeitigkeit. Im folgenden Sinne, dass der Ursprung im jeweils Moment des Ausbruchs 79
. Die Existenz des Gemeinsamen und die asymmetrisch-heteronome Aufteilung dessen, sowie inklusiv oder exklusiv, z.B. „wer fähig oder unfähig zum Gemeinsam ist“, ist auf das demokratische Prinzip gerichtet. Im den Sinne, dass kantische a priori Gegebenheit gleichgültig allen anderen zugänglich ist, oder dabei die hierarchische Dualität abgeschaffen wird; „diese Gleichheit der Gleichgültigkeit ist die Konsequenz einer dichterischen Parteinahme. Denn die Gleichheit aller Gegenstände verneint jegliche notwendige Beziehung zwischen einer bestimmten Form und einem bestimmten Inhalt.“ Methodologisch und Strategisch daran anschließend geht es soweit vor, eine bestimmte Dualität, sowie ästhetische Form und Materie, durch eine genetisch Dualität sowie Leere und Exzess zu substituieren. Während vom Individuum her sich beides widerspricht, aber von Individuation her tauscht sich beides wechselseitig aus und kommuniziert miteinander. vgl. Ranciere (2006)
71
der symbolischen Funktion in Erinnerung gerufen oder vergegenwärtigt wird. Während bei Lyotard aus dem Ursprung die Erfahrung der (ethischen) Schuld 80 entspringt, in welcher nichts anderes als die Aufopferung oder die Aufhebung der „immateriellen Materialität“ (bei Kant Natur) in den gesetzgebenden Geist eingeprägt bleibt. Etwas, was er „Desaster“81 der Einbildungskraft und sinnlicher Materialität nennt. Aber diese auf dem ursprünglichen Schuldgefühl basierende Ethik, die in Verbindung mit Präsenz des unrepräsentierbaren Anderen steht, wird letztlich der kantischen durch die regulative Idee gestützten autonomen Ethik entgegengesetzt. Die materielle Heteronomie (Lyotard) der formalen Autonomie. (Kant)82 entgegenzustellen. Darum befasst es sich zunächst mit dem Erhabenen. Hinter dem versteckt sich zweierlei eng zusammenhängende Frage. Erstens, wie oder inwiefern kann die wegen der Heteronomie des Erhabenen enteignete Autonomie sowie etwas rein Quantitatives z.B. Ton oder Farbe, was gar nichts durch eine bestimmte (Anschauungs-)Form zu fassen ist, wieder angeeignet werden? Zweitens, warum stellt sich die Idee in beidem Fall als leer oder der positiven Darstellung unzugänglich/verboten dar? Beides ist so von kantischer Attitüde zum Pathologischen her zu verantworten. Bei ihm definiert sich als pathologisch etwas, was sich auf die fixierte Bestimmung bezieht. Beispielweise muss man sich selbst von reiner empirischer Absenkung distanzieren, gerade weil die falsche Identifizierung mit dem äußeren Gegenstand passieren kann, wie z.B. animalistische Identifizierung.83 Da wird die Zurückziehung von der Fixierung legitim verlangt. Oder wenn das Sinnliche und das Intelligible nachhaltig zusammentreffen,
80
. Es scheint so, dass diese Schulderfahrung an der Intensivierung der Passion zwischen (ursprünglicher) Beraubung des Gemeinsamen und Erleichterung deren Schreckens im Erhabenen gebunden sei. Darin liegt der Grund, warum das Andere als ethische Maßnahme aus der Zukunft für immer vorkommen sollte, laut Lyotard, in Form „Vorkommnis“. Anhand E. Burke schreibt Lyotard so. „Diese ganz und gar geistige Leidenschaft heißt im Lexikon Burkes: Schrecken, Und dieser Schrecken ist an Beraubungen gebunden: Beraubung des Lichts: Schrecken der Finsternis; Beraubung des Nächsten: Schrecken der Einsamkeit; Beraubung der Sprache: Schrecken des Schweigens; Beraubung der Gegenstände: Schrecken der Leere; Beraubung des Lebens: Schrecken des Todes. Was schreckt ist, ist, dass das Es geschieht – nicht geschieht, dass es zu geschehen aufhört. […] Und der Schock par excellence ist, dass es geschieht, dass etwas geschieht und nicht nichts, dass die Beraubung suspendiert ist.“ Lyotard (2001: S. 117 f.) 81 . Lyotard (2001b: S. 158) 82 . Diese Unterscheidung verdankt sich Ranciere. vgl. Ranciere (2004; 2007) 83 . „Diese Vorstellung (die sublimierte Vorstellung eines individuellen leibgeistigen Ich durch die Sinnorgane) ist jedoch Mythologie und was ihren Wahrheitsgehalt angeht jeder andern Erkenntnismythologie gleichwertig. Wir wissen von Naturvölkern der sogenannten präanimistischen Stufe welche sich mit heiligen Tieren und Pflanzen identifizieren, sich wie sie benennen; wir wissen von Wahnsinnigen die ebenfalls sich zum Teil mit den Objekten ihrer Wahrnehmung identifizieren, die ihnen also nicht mehr Objecta, gegenüberstehend sind; wir wissen von Kranken die die Empfindungen ihres Leibes nicht auf sich selbst sondern auf andere Wesen beziehen und von Hellsehern welche wenigstens behaupten die Wahrnehmungen anderer als ihre eigenen empfangen zu können. [...] Diese (systematische Spezifikation des Bewußtseins) gliedert das empirische Bewußtsein systematisch in die Arten des Wahnsinns. Der erkennende Mensch, das erkennende empirische Bewußtsein ist eine Art des wahnsinnigen Bewußtseins. [...] das wahre Kriterium des Wertunterschiedes der Bewußtseinsarten festzuhalten wird eine der höchsten Aufgaben der kommenden Philosophie.“ Benjamin (1991: S. 161-2)
72
wie beim Geisterseher, der die (sinnliche) Halluzination zum Intelligiblen übereinstimmend hochhebt, wird notwendig die kantische davon zurückziehende Bewegung befehlt: wie die verbotene Darstellung der Idee im Erhabenen. Im diesen Sinne fasst sich es so zusammen, dass kantische Attitüde zum Pathologischen zwischen dem Sinnlichen und dem Intelligiblen oszilliert. Diese Haltung wird genau in der leeren regulativen Form der Idee inkarniert. Sie steht nun ihrer fixierten Bestimmung entgegen. Anders gesagt, sie flieht für immer von einer bestimmten Bestimmung, aber insofern eine weitere Bestimmung formal mit dem Gemeinsinn übereinstimmt und dadurch das Besondere dem Allgemeinen untergeworfen wird und das Erste durch das Letztere garantiert wird.84 Hier liegt auch der Grund, warum die Form der Idee den grundsätzlichen Verlust implizit bezeichnet. Oder vielmehr wird die weitere Bestimmung derselben nur durch diesen einmaligen (fiktiv) Verlust ermöglicht. Um diese Pointe deutlich zu machen, wäre es einleuchtend, die Analyse des reinen Genusses hierin einzuführen. Gegen diesen reinen pathologischen Genuss geht das Geschmacksgefühl in der zurücknehmende Form hervor aus dem Kultivierungs- oder Normalisierungsprozess dessen per se. Oder wie Lyotard darstellt, das ist die reine Lust, die vom reinen Genuss des Gegenstandes emanzipiert ist. Hier ist es nicht unabsehbar, darin sich immerhin die abhebende Bewegung abzuspielen. Dadurch wird letztlich das Transzendentale Kants raumzeitlich legitimiert konstruiert, wie vom tierischen Genuss zum menschlichen Geschmacksgefühl oder von Empirie/Fixierung zur Idee/weitere Bestimmung. Dennoch bleibt dabei die Idee als ein Ganzes, trotz der Unzugänglichkeit zur Idee selbst. Warum
der
reine
Genuss
scheinbar
dem
Geschmacksgefühl,
sowie
dem
Schönheitsgefühl/der lustvollen Kontemplation oder dem erhabenen Gefühl/Lust in Unlust, vorausgegangen eingesetzt wird, besteht nun auf der umgekehrten Zeitlichkeit, die nämlich von schon kultiviertem Gefühl her projiziert wird. Dabei wird gleichzeitig der reine empirische Genuss durch die Idee als das Ganze formal subsumiert. Wenn es eine Art Geschichtlichkeit im Transzendentalen selbst gäbe, verweist es dann ohne weiteres auf diese Nachträglichkeit der transzendentalen Konstruktion. Hierbei trifft sich beides wie das Transzendentale und die Kultivierung zusammen, wie schon Cassirer kantische Kritik durch die Kulturkritik substituiert. Aber dieser Prozess läuft so einseitig durch, wie es bei Kant vom reinen nicht-kultivierten Genuss zum Geschmacksgefühl durchquert? Darin spielt eine große Rolle die (formale) Ganzheit der regulativen Idee. Ebenso wie bei praktischer Vernunft 84
. In diesem Kontext beschreibt Benjamin die Entstehung der pathologischen Dogmatik, die inhärent dem Transzendentalen sei, so folgendermaßen; „weil der Begriff des Dogmatischen lediglich den Übergang von Kritik zu Lehre von allgemeinern zu besondern Grundbegriffen kennzeichnen soll.“ (Benjamin, a. a. O., S. 169, meine Hervorhebung)
73
subsumiert sie sowohl die reine Empirie als auch den reinen Genuss unter der regulativen Idee. Oder zeichnet es sich anders herum als die fundamentale Phantasie aus, die trotz des Fehlens der konkreten regulativen Anweisung der Idee selbst schon dazu verdient, von rein pathologisch zurückzuziehen und dann diese Passivität erneut in die Form der Idee aktiv übertragen zu lassen: z.B. die Mannigfaltigkeit der Natur, die die transzendentale Einbildungskraft auf ihre Grenze stoßen macht, in die „subjektive Gemütsbestimmung“ zu subsumieren. All dieses Prozess kreist sich gerade um die Ganzheit der Idee, oder genauer, ihre einseitige Funktion herum. Dies besagt auch von Unzugänglichkeit zur Idee her aus gesehen, dass es durch eine Art Urszene des Verlustes und der Ersetzung eingeprägt ist. Nämlich nicht mehr die als die Substanz, sondern vielmehr als die Funktion. Wie von Idee her das Stoßen der Einbildungskraft auf ihre Grenze notwendig geschieht, als eine Instanz der Präsentation der Idee in Natur, sollte dieser Verlust als ursprünglich und notwendig gestempelt werden. Dadurch verschleiert sich der Mangel des reinen Genusses selbst und dann verschiebt sich weiter in die Idee. Dieses Verschleiern ist mit dem Verbot ein und dasselbe. So erhoben wird es dadurch zum konstruktiven Ereignis, die Idee zu erreichen. Während von der Seite der Idee der reine Genuss aufgeopfert oder ausgeschlossen erscheint, steht der Letztere von selbst her in Allianz mit der Idee. Den Mangel dessen selbst als Ganzes oder Eins zuzuschreiben folgt gerade aus dieser Allianz. In diesem Sinn zieht es sich heraus, dass das Erhabene oder die transzendentale Ästhetik überhaupt als die Präsentation der Idee der Vernunft in der sinnlichen Natur paradoxerweise eine dramatische Konstruktion dessen sei, was nicht nur den Mangel des Genusses in Form des Verbots ereignishaft macht, sondern auch dessen Mangel kulturell erträglich transformiert. Da tritt es nun als verlorengegangen oder beraubt ein; inmitten mit dem Kultivierungsprozess. Wird es mit dem Pathologischen zusammengesetzt, entgeht das Letztere Kants’. Dies deutet nicht mehr auf die Absenkung in den reinen Genuss des Gegenstandes hin: wobei charakterisiert sich der Genuss als Eins oder Etwas Verlorengegangenes aus der Kultivierung oder der Symbolisierung. Dagegen liegt der Fokus diesmal auf dem dramatischen Verschleierungsakt dessen Mangels per se. Dadurch lässt sich ein anderer Weg bahnen, den Genuss nicht mehr als den Verbotenen oder das Verlorengegangene im Ganzen, sondern vielmehr als solchen erneut aufzustellen, was nicht als Eins kalkuliert wird. Während der als Eins kalkulierbare Genuss eher der Qualität des Gegenstandes entspricht, dagegen geht der Genuss des zweiten Grades, von Quantität dessen aus. Diese Unterscheidung von zweierlei Genuss/Jouissance wird gleichermaßen in die Diskrepanz zwischen Ontologie und Epistemologie übertragen. Wenn es bei jener um den 74
Grund des Seins geht, und es bei dieser hingegen um die Repräsentierbarkeit geht, dann stimmt das mythische „massive Jouissance“85 mit der Epistemologie überein. Dabei wird dies als Eins gezählt repräsentiert. Dieses Eins markiert Jenseits und Diesseits der Grenze dessen aus. So bezogen ist es auch auf die Überschreitung der Grenze. Dagegen sollte das zweite „partielle Jouissance“ ontologisch verstanden werden: und zwar erstes mal als den ursprünglichen Mangel dessen selbst und dann multiple Versuche, von diesem Ort der Nichtrepräsentierbarkeit ausgehend, und zugleich dessen Ort von Nichts86 im epistemologischen Sinne, ontologisch individuell zu übernehmen und zu subjektivieren. Eher aus dieser Unterscheidung leitet sich die zweierlei Auffassung des Pathologischen ab. Die für den Mangel oder die Störung gehaltene Pathologie hängt ganz von Epistemologie ab. Auch im Fall der Normalität als die darauf auswirkende Maßnahme. Um darüber hinaus zum zweiten Pathologischen zu gelangen, sollte es die ontologische Perspektive dahin projiziert werden, die den partiellen Genuss als dessen Fluchtpunkt enthält. Weder Sinn/Bedeutung noch Unsinn/Nicht-repräsentierbarkeit zu beurteilen, sondern den Unsinn als den Grund des Seins buchstäblich zu nehmen. In diesem Moment wird die Diagnose der Nihilismus aufgerufen. Zunächst epistemologisch gesehen verweist der Nihilismus ohne weiteres auf den Mangel des letzten Grundes der Existenz. Insofern Nietzsches Manifest „Gott ist tot.“ das Folgende aufweist, dass die auf dem Nihilismus basierende Askese nichts als die Lochung des Symbolischen bedeutet, in diesem Fall die entzauberte Situation des Bruchs der Sinngebung des religiösen Rituals. Im Vergleich dazu sollte der Nihilismus ontologisch aufgefasst werden. Das heißt, er sollte vielmehr als den Grad des Grundes dessen betrachtet werden. Beim Erhabenen trifft die Einbildungskraft mit der Idee der Vernunft zusammen; erstes mal negativ, eher als der Stoß auf die Grenze der Einbildungskraft, dann anderes mal als die formale Affirmation der Idee, die nämlich durch die Unerreichbarkeit der Natur dargestellt wird. Dazu analog weist der Nihilismus auf einen Anlass dazu hin, den Mangel des letzten Grundes selbst zu individuieren. Aber im Gegensatz zur letztlichen Abfolge der erhabenen Erfahrung, die schließlich zur Einheit/Autonomie des beurteilenden transzendentalen Subjekts oder des gesetzgebenden Geistes führt, gleichzeitig
85
. Chiesa (2007: S. 183-192) . Dieses Nichts sollte als Privation oder Beraubung des Sinns oder der Bedeutung verstanden werden. Im den Sinne, dass trotz der Privation oder der Beraubung davon es der Platz des Symbolischen allgemein markiert bleibt. “It implies that the non-marked term is not opposed to the marked term as an absence is to a presence, but rather that non-presence is somehow equivalent to a zero degree of presence (that presence is lacking in its absence).[…] The philosophical foundation of these concepts lies in Aristotle’s theory of “privation” (steresis), […] Indeed, according to Aristotle, privation is distinguished from simple “absence” (apousia) insofar as it still entails a referral to the form which it is a privation, which is somehow attested through its own lack.” Agamben 2009a: S. 77 f., meine Hervorhebung) 86
75
in Form der Umkehr der Unlust in die Lust, geht es so vor. Schon da oben ist gemeint, dass der Ort des nicht-genießbare Jouissance der Kalkulierung als Eins dessen entgegensteht. Dies besagt nun „ohne sichere Garantie der Idee der Vernunft“. Psychoanalytisch formuliert wird dies auch folgendermaßen, „keine fundamentale Phantasie mehr“, die die Präsentation der Idee feststellt, aber formal, als gäbe es hinter der regulativen Idee reinen Genuss versteckt bleibt. Würde man dennoch diesen Treffpunkt zwischen Einbildungskraft und Idee ernst nehmen, nimmt auch das Pathologische da einen Platz ein. Dabei reißt sich die kantische Einbildungskraft ab, die bei vorkritischem Kant als ein Gemeinort des Normalen und des Pathologischen oder der Ort der realen Opposition vom beiden angesetzt wurde. Das heißt, dass sie nie mehr die raumzeitliche Dimension des Objekts auf den Begriff des Verstandes hinziehen kann. Aber gerade ehe die Idee diese Grenze dergleichen in das Gemütsvermögen übertragen lässt, nämlich vom Pathologischen her, angesetzt ist dieses Prozess der Integration gleich mit der Heilung dessen selbst, oder der Wiedergewinn der Autonomie des Subjekts. Stattdessen verweilt das Pathologische immerhin bei diesem Bruch der Einbildungskraft. Epistemologisch tritt die Pathologie als etwas, was geheilt werden muss, ein, wie die folgende Aussage des Beobachters dem Krankenden gegenüber impliziert; „Alles über ihn wissen.“87 Minkowski erscheint so der geistige Krankende, dessen Existenz sich restlos auf ein Nichts reduziert, vom Werden abgetrennt; ebenso wie das Noumenal = X nicht erkannt bleiben muss und trotzdem durch die transzendentale Illusion die Identität des Subjekts vorbehaltet werden kann. Aber in seiner Aussage über den Krankenden, analog zum Transzendenten, der verborgene Grund des Lebens wird entkleidet und dann sich als Nichts entpuppet oder wir so vernichtet, womit man über jemanden mehr oder weniger wissen kann. Denn insofern die Transzendenz als verschleiert oder verkleidet vor uns repräsentiert wird, kann sie so im unseren Leben funktionieren. Wider diese phänomenologische Haltung tritt immer wieder die geistige Krankheit sowie z.B. die Psychose oder die Schizophrenie, trotz der Ablösung oder des Verlustes der Realität in den Bereich der (Un-) Möglichkeit des Sinns ein, die eine Art Intervention des Denkakt verursacht. Aber diesmal statt mit der symbolischen Bestimmung mit dem reinen Realen umzugehen, was gerade vor der Bestimmung oder davon unabhängig anwesend sei, als wäre jenes gemeinsam. 87
. „[...] wenn wir diesen Kranken sprechen hören -, haben wir den Eindruck, als würden wir genötigt, in einem offenen Buch zu lesen, über dessen Seiten hinaus es nichts mehr gäbe. An Stelle des Lebensbuches, in dem die leeren Stellen ebensoviel wenn nicht mehr Bedeutung haben als der gedruckte Text, haben wir irgendein Buch vor uns; alles ist darin völlig intellgibel, alles reduziert sich hier auf Wörter, Sätze und die Sachen, die sie ausdrücken; der Hauch des Lebens ist entwichen.“ Minkowski (1972: S. 14 f.)
76
2. Logik der Komödie als minimale Differenz Nun
kehren
wir
auf
Kugelmensch
Aristophanes’
wieder,
der
schon
als
„a-
sexuell“ gekennzeichnet ist. Der andere Grund dessen lässt sich auch in der anderen Logik der Komödie fundieren, gegenüber die der Tragödie oder des Erhabenen. Also bei der Dualität zwischen Intelligibel/Idee und Sinnlich/Phänomen ist es auf den Abstand zwischen dem Realen und dem Anschein berufen. Diese Dualität entlang synthetisiert lässt sich der platonische Donjuanismus 88 so weit synthetisieren, über die körperlich-sinnliche Form der Liebe hinaus zu ihrer Idee selbst als der Selbstvollkommenheit zu gelangen. Dieser indirekten Erwähnung
der
platonischen
Ideenlehre
scheint
Aristophanes’
Rede
von
Liebe
entgegenzustehen. Auf den ersten Blick ist es so vermuten, dass in Symposion insgesamt die einzelne Rede von der Körperlichkeit der Liebes sei. Aber was dabei problematisch sei, ist auf den ersten Blick eine Art Widerspruch in seiner Aussage. Nachdem er die Körperlichkeit im Ursprung der Liebe aufmerksam macht, wird so alsbald die Rolle des Geschlechtsverkehrs in Liebe vernachlässigt oder verneint. Wenn diese scheinbar widersprüchliche Aussage aufmerksam gemacht würde, kann sich daraus die andere Logik der Liebe als die der Tragödie konstruieren. Bei Letzterer wollte man gerne für die Liebe oder den Geliebten sein Leben bezahlen oder aufopfern. Aber da hinter der ersteren Logik versteckt sich eine minimale Differenz, die im Zwischen Mehr als Anschein und dem reinen Anschein nicht absehbar sei 89 . Dort wird die Frage entweder real oder nicht real vernachlässigt, sondern stattdessen taucht die Unterscheidung des Aktuellen vom Virtuellen auf, beides hört gleichwohl dem Realen im Anschein an. Beispielweise trotz der gleichen Hinsicht auf die Körperlichkeit gibt es die minimale Differenz zwischen im Ursprung der Liebe und nach der Entzweiung, und zwar zwischen „a-sexuell“ und „sexuell“. Das heißt, 88
. Lacan (2001: S. 165). Wie sich Donjuan in die Frau als etwas Großgeschriebene verliebt, egal ob sie entweder hässlich oder schön sei, nämlich die Frau als die platonische Idee, damit er eine Art Archiv der geliebten Frauen aufbauen kann, ist zumindest Sokrates’ Rede letztlich dazu durchgelaufen, jenseits des sinnlichen Scheins in sich selbst zurückzukehren. Dieser letzte Zustand bringt paradoxerweise gerade den Todesmoment zum Vorschein, wo kein Anstreben nach der Schönheit mehr geschieht. Wie Lacan darstellt, während die Schönheit den Abwehraffekt gegen den (symbolischen) Tod sei, zeichnet sich die Liebe als das Erhabene eine Art Todestrieb aus, sowie Sokrates’ Begehren zum Tod, und auch den platonischen letzten Zustand. 89 . Badiou (1999a). Dabei unterscheidet Badiou zweierlei Leidenschaft zum Realen voneinander, im Bezug auf den Abstand zwischen dem Realen und dem Anschein: einerseits die maximale Zerstörung aufgrund der Identität des Realen, andererseits die minimale Differenz, die aus dem Hinzufügen der anderen Differenz dem schon gegebenen Differenz hervorgeht. Während bei jener das Ereignis ganz restlos auf die Ereignisstätte reduziert wird, nämlich durch die Identität des Ereignisses selbst, kommt für immer die minimale Differenz zwischen Ereignis und Ereignisstätte vor, von daher läuft es die Leidenschaft zum Realen so folgendermaßen durch, nicht auf dem idealen Bild des Realen beruhend, daher zur Zerstörung des Scheins führend, sondern für immer in die gegebene Situation/Schein eine Differenz hineinführen zu lassen, beispielweise das historische Ereignis auf die neue Weise hic et nunc wiederzuholen, ohne an dem Ereignis des Toten zu gedenken. 89 . Diese Unterscheidung leitet von Zupancic ab (Zupancic 2003: S. 164-181)
77
während im Ursprung der Liebe bzw. Kugelmensch die Genitalorgane noch nicht sexualisiert sind, werden sie dann sexualisiert, gerade nach der Entzweiung dessen: egal ob es homo- oder hetero-sexuell eingeordnet wird. So heißt diese Sexualisierung genau die Symbolisierung der Geschlechter. Da verstanden wird der Kugelmensch nachträglich als eine Kennzeichnung; nämlich der Tatsache, dass die Rückkehr auf den Ursprung der Liebe oder die Harmonisierung der Liebe, genauer gesagt, die A-sexualität von selbst schon abgesperrt, aber von symbolischer Kennzeichnung oder genauer, ihrem Moment des Scheiterns her zugänglich ist. Daraus ergibt sich die vergebliche Sucht nach der Hälfte von Selbst, was allerdings die Symbolisierung der Geschlechter und auch das Scheitern der Symbolisierung der Symbolisierung oder ihr ganzen Symbolisierung impliziert. Gerade um diese Diskrepanz zwischen Asexuell/unbestimmt und Sexuell/bestimmt herum kreist sich die sexuelle Identität, nicht mehr um jeweils Identität herum, sowie homo- oder hetero-, weiblich oder männlich. Weniger als das jeweilig gegenseitige Symbol der Sexualität, vielmehr ihre Symbolisierung selbst, die die Instanz sowohl der Sexualität als auch ihrer Scheiterns per se in sich selbst enthält oder sie aufzeigt, sollte im Vordergrund stehen. Nun versucht die Liebe der Tragödie so, diese Diskrepanz zwischen Ursprung/Idee und Anschein/Phänomen zu überwinden, durch die Zerstörung des Letzteren. Dadurch sublimiert wird das Liebesobjekt auf der Ebene der Idee. Wie Kierkegaard zur Idee der Liebe die reale Liebe zu Regine Olsen aufgibt, kurzum die unzugängliche Transzendenz oder „die immanente Unzugänglichkeit“. Dagegen wird bei Komödie das Liebesobjekt bis zum Anschein niedergegangen, aber etwas Mehr als reiner Anschein. Nämlich als die zugängliche Transzendenz, oder die immanente Transzendenz, aber im den Sinne, insofern die Liebe durch die trivial-banale Aspekte des Liebesobjekt in Wirklichkeit ihre Differenz ergeben kann. Schon ist es uns nie gestattet, die ursprüngliche Harmonie auf der Erde wieder zu erreichen. Und zwar grundsätzlich aus der Perspektive der Identität des idealen Realen, das jenseits von all dem Anschein angesetzt wird. Diese Unzugänglichkeit ist so zu inkarnieren in der Dichotomie zwischen körperlicher und seelischer Liebe. Aber diesmal verschiebt sich die Aufmerksamkeit auf die minimale Differenz zwischen dem erhabene Liebesobjekt und dem banalen Liebesobjekt; dadurch, dass sich beide Körperbilder, nämlich Kugelmensch und Geschlechtsverkehr, miteinander auf der gleichen Ebene überlappen. Wie beim Erhabenen von Kant die positive Darstellung der Idee verboten wird, ist uns die Zugänglichkeit zur Idee oder sublimierter Liebe unmöglich. Das heißt, diese Unzugänglichkeit selbst ist immanent in Subjekt selbst zu erfahren, wie das vom Subjekt verursachte Begehren für immer vom ihm flüchtet. Insofern kann die Idee im Subjekt selbst eingeschlossen enthält werden, aber nur 78
verboten-unzugänglich. Aber bei Entsublimierung (desublimation) des sublimierten Liebesobjekts transzendiert das Liebesobjekt innerhalb des banalen Objekts oder des alltäglichen Anscheins. Oder anders gesagt, das Reale differenziert sich nicht mehr jenseits des banalen Anscheins, sondern vielmehr in Form Anschein per se. Gerade in diesem Moment wird es uns erlaubt, die Idee positiv darzustellen. Im Gegensatz zum kantischen Versuch, auf der gemeinsamen Realität stehenzubleiben, und dann die Idee formal anzudeuten, da bei ihm noch die Idee als Eins gezählt bleibt, wird die Idee diesmal in den Zwischenraum von Intelligibel und Sinnlich, oder genauer in die Lochung und Kurzschluss vom beiden eingespeist, wie Malewitschs „Schwarzer Quadrat auf weißem Grund“. Woran es sich von nun an wenden muss, ist nicht mehr, inwieweit das Reale aufgrund des transparenten Korrelats (z.B. Sprache, Intentionalität, Institution usw.) besser repräsentiert werden kann, durch die transzendentale Reinigung dessen Korrelats oder wie es nur formal auf das Reale hingewiesen werden kann. Sondern vielmehr das Verlangen, dass das Reale selbst das Anschein entlang für immer differenziert werden muss. Hierin liegt der Grund, warum Sokrates notwendig eine verschleierte Figur sein muss, die Alkibiades anstrebt. Obwohl hinter dem Schleier nichts Besonderes verborgen bleibt, wie Sokrates sein Begehren auf die aus ihm unbekannten Mangel folgende Phantasie zurückführen lässt, nämlich in Form Gegenübertragung. Diesen Moment verwandelt sich sein Begehren in den Trieb, und zwar erhebt sich der Schleier oder der Verschleierungsakt selbst zur Ursache des Begehrens. Da tritt es ein als ein notwendiger Akt dafür, die minimale Differenz zwischen hässlichem Aussehen Sokrates’ und seiner schöner Seele als das Liebesobjekt herzustellen. Nicht mehr, dass das Reale hinter dem Schleier in diesem Fall Götterbilder verborgen bleibt, sondern vielmehr, dass neben diesem Akt des Verschleierns gleichzeitig die illusionäre Wendung zum Außen oder Hinten des Schleiers hervorgebracht wird. Nicht einen bestimmten Schleier zu entkleiden, sondern vielmehr vermittels einer jeweils dadurch hergestellten minimalen Differenz das Reale individuell zu produzieren. Das heißt nicht mehr, dass ein Subjekt vom allgemeinen Sinn abhängig bestimmt wird, sondern vielmehr, dass das Allgemeine subjektiv bestimmt wird. Epistemologisch gesehen ist dieser Schleier gleich mit dem jeweiligen (transparenten) Korrelat. Dementsprechend wirkt angeblich das Pathologische so, den Korrelat der gemeinen Übereinstimmung und auch privilegierte Bestimmung übersteigend in Form der Ausbruchs der symbolischen Funktion wie im Erhabenen: diesmal als Transzendenz, aber andersmal lässt das pathologische Reale wieder in den Korrelat intervenieren. Nicht nur, weil das reine einheitliche Genuss jenseits des jeweiligen Korrelats unzugänglich ist, nämlich von Kultur her 79
eine Illusion der Überschreitung der Grenze z.B. „Todeswunsch“, sondern auch weil das Pathologische für immer im exzessiven Fluss steht und dann vom imaginären Individuum, oder Einzelnen her individuiert wird, was dieser Exzess wieder transzendiert. Dann stoßt sich das Pathologische auf die Individuation oder den Vorrang der Individuation dem Individuum. Wobei die Pathologie schlechthin so genannt und klassifiziert wird, ist gerade nur vom Individuum her, oder im entwickelten Modus von Kollektiv-Individuell, gegenüber dem transzendierenden Pathologischen.90 Aber wieder immanent zu werden, wie Kugelmensch einmal transzendent als den Ursprung der Liebe sei, aber andersmal unheimlich in Wirklichkeit immanent auftaucht, oder die Selbstdifferenzierung oder die Individuation der Idee als die Leere selbst. Letztlich was es vorher mit dem Raum des Pathologischen gemeint ist, ist gerade diese topologische Umstellung, Mehr als Anschein und ein Anschein auf der gleichen Ebene zu überlappen, dann dazwischen den Ort dessen zu kennzeichnen, in Opposition zur Störung der räumlichen Wahrnehmung bei geistigem Krankenden.
3. Die dem Individuum vorangehende pathologische Individuation Ehe es sich zur Individuation im Pathologischen wendet, kann es sich hierin Lyotards Bemerkung über die Darstellungsform der Idee einführen, als eine Art Schwelle zur Genese der Form.
„So daß sie (Einbildungskraft) sich entfesseln, zügellos werden und das Denken in den Wahnsinn des Enthusiasmus treiben kann. Es ist ein vorläufiger und vorübergehender Wahnsinn, nicht die eigentliche Schwärmerei, bei der die Einbildungskraft eine positive 90
. Was heißen genau die Transzendenz und die Immanenz des Pathologischen? Zunächst vom Normalisierungsprozess her sind sie so zu formulieren: wie Agamben von Sprache her das Beispiel im Vergleich zu Ausnahme voranbringt, um die Lebensform in Politik einzusetzen, während das Pathologische als ein Beispiel juristisch-medizinisch als anormal beurteilt wird, dadurch ausgeschlossen eingeschlossen (exklusive Inklusion) wird, z.B. entweder in Krankenhaus oder in Gefängnis, ohne Rücksicht auf die normale Lebensform, aber damit das Normale oder vielmehr das Gute nur im Blick auf das Anormale oder das Böse momentan konstruiert wird, diesmal die Transzendenz des Pathologischen oder die unzugängliche Immanenz, enthüllt aber Ausnahme als die eingeschlossene Ausgeschlossenheit (inklusive Exklusion) die Unintelligibilität oder die Grundsätzlichkeit des Urteils des Normalen oder des Guten dadurch, dass das Pathologische als die Ausnahme die immanente Grenze des Normalen selbst markieren machen und dann damit durch andere Kategorie ersetzen lässt, um die Konfrontation mit der Grundsätzlichkeit selbst zu vermeiden, sowie z.B. für das Homosexuelle die warenhafte Differenz/die austauschbare Produkte ersetzt werden, oder es als ästhetisch oder geschmacksurteilhaft (sexuelle Identität) differenzieren lässt, diesmal als die zugängliche Transzendenz. Aber darüber hinaus fokussiert diese gesamte Erörterung darauf, das Pathologische wieder als den Axiom des Gemeinsamen, aber nicht vom Individuum her und die daraus notwendigerweise folgende Beurteilungsproblem und auch Normalisierungsproblem, sondern von Individuation/Produktion her, zu transformieren. vgl. Agamben (1993: S. 13 ff.; 1998: S. 17-25)
80
Darstellung des Absoluten beabsichtigt. Wenn sie im Wahnsinn mitgerissen wird, dehnt sich die Darstellung über ihr Grundmaß hinaus aus, aber sie bleibt negativ. Denn die Verpflichtung, die die Vernunft der Einbildungskraft auferlegt, erschreckt diese nicht nur zutiefst, sie gibt ihr auch den Mut, ihre Schranken zu sprengen und eine Darstellung des Unendlichen zu versuchen. Dieser Versuch endet in einer bloß negativen Darstellung. Worin besteht diese? Sie ist weder Darstellungslosigkeit noch Darstellung des Nichts. Sie ist negativ im Hinblick auf das Sinnliche, aber doch zugleich ein Darstellungsmodus, eine Darstellungsart. Das Spezifische an diesem Modus ist, daß er zurückgenommen oder zurückgezogen, abgezogen ist, und daß die Darstellung, die er liefert, in einer Absonderung, einer Abstraktion besteht. Dieser Modus entzieht sich dem ersten Maß der Einbildungskraft (es ist abgezogen). Das gemäß diesem Modus Dargestellte ist von dem, was gemäß diesem Maß normalerweise dargestellt wird, abgesondert; es ist isoliert, es hat einen speziellen, einen Sonderstatus. Hier besteht also für die Einbildungskraft eine Darstellungsweise, die ihre Norm über-schreitet, vielmehr von ihr ab-fällt. [...] Die negative Darstellung ist in diesem Sinne nur die Demonstration, daß die Forderung, das Absolute darzustellen, sinnlos ist. Indem sie von den ihr eigenen Grenzen der Darstellung absieht, deutet die Einbildungskraft die Präsenz dessen an, was sie nicht darstellen kann. (Widerstreit zwischen Form der Darstellbarkeit und Formlosigkeit des Undarstellbaren des Absoluten) [...] Zweitens ist die Erschütterung des Formdenkens durch das Denken des Absoluten Ausdruck und sichtbare Bestätigung eines tiefgreifenden Wandels dessen, was in Kunst und Literatur auf dem Spiel steht. (als ein Anlaß dazu, von Formlosigkeit oder Un-sinn, Wahn-sinn zum Wandel der Form selbst überzugehen, den Unsinn der Formlosigkeit zu individuieren oder den Eigennamen an der Stelle des Realen zu errichten) [...] Ist es und wie ist es möglich, durch künstlerische und literarische Darstellungsmittel, die immer Formen unterworfen sind, vom Absoluten Zeugnis abzulegen?“ (Lyotard 1994: S.171ff., meine Hervorhebung und Bemerkung)
Dementsprechend besagt das Erhabene allererst jenen Moment: wobei der Widerstreit, aber wie schon erläutert wurde, kein logischer Widerspruch, sondern vielmehr Kampf zwischen positiven Beweggründen, zwischen Form der Schönheit und Formlosigkeit des Absoluten geschieht. Gleichwohl gilt es für ein aus der Präsenz des Nicht-darstellbaren oder des Wahnsinn, von Einbildungskraft her. Gerade weil sie das Sinnliche auf den Begriff oder die begrifflichen Propositionen nie mehr reduzieren lässt, wird der Antrieb dazu ins Leben kommen, aus der Form der Schönheit eine Art Genese der Form zu entspringen. Eben in diesen Moment hin lässt sich der Platz des Widerstreits zwischen Intelligiblerem als Intelligibel und Sinnlicherem als Sinnlich aufrufen und dann da einbetten. Dieses „Mehr 81
als“ verweist allererst auf „das Überhinaus“ der harmonischen Verknüpfung zwischen aktiver Form und passiver Materie in einer bestimmten Darstellungsform. Und dann führt es dazu, beides jeweils genetisch zum jeden Negativen, nämlich beim Intelligiblen von sich selbst abzuziehen (als Un-intelligibel). Eben aufgrund der inneren Spaltung dessen. Auch im Sinnlichen bis dahin sich selbst zum Über-sinnlichen zu erheben, die Form der Schönheit überschreitend. Hier ist es nicht absehbar, den Mangel/Un- mit dem Exzess/Über- verkoppelt zu werden. Dabei bleibt keine Notwendigkeit der Zusammenstellung vom beiden mehr übrig. Sondern es drückt es vielmehr zufälligerweise oder interesselos disparat sich selbst aus. Obwohl beides auf den gleichen Ort – sowie z.B. der Ausbruchs der Messung in der sinnlichen Wahrnehmung - immerhin zurückkehrt und dann da herum kreist, differenziert es sich zueinander und auch auseinander. Eben weil die gemäß der Idee zulaufende Spiegelung, sowie die Realität der Repräsentation, nie mehr funktioniert, sondern sich beides auf der gleichen Ebene zusammenstoßend und überlappend differenziert. Also kann man diese Differenzierungsebene als pathologisch charakterisieren. Von der Seite des Individuums kommt es die Krankheit vor, aber von Individuation des Gemeinsamen her die Differenzierung selbst. Von daher erscheint die Krankheit vor uns als furchtbar, aus der Unzugänglichkeit zur Intelligibilität deren Symptoms. Dies steht auch parallel zum vorläufigen Wahnsinn beim Erhabenen, wobei zwangsläufig die Einbildungskraft dem Nichtdarstellbaren der Idee oder deren Präsenz begegnen muss.
„It is within the experience of many medical practioners, that a patient, with strange and unusual symptoms of diease, has been more distressed in mind, more wretched, from the fact of being unintelligibl to himself and others, than from the pain or danger of the disease.“ (Coleridge, 1997: S. 355, meine Hervorhebung)
Coleridges Schluss, was beim Kranken offensichtlich furchtbar sei, ist nicht die Krankheit selbst, sondern vielmehr die Nicht-intelligibilität der krankhaften Situation, oder genauer, deren unintelligiblen Symptoms per se. Diese Logik korrespondiert sich mit dem Pathologischen. Da an der Stelle des Mangels der normalen Funktion des Organs oder der Sprachefähigkeit usw. der (epistemologische) Nihil oder die Nicht-repräsentierbarkeit eintreten kann. Dies spiegelt ja sogar den bekämpfenden Moment zwischen Normal und Anormal als jeweils positive Bewegkraft wider, aber auf der zweierlei zusammenwirkende Ebene, einerseits Intelligibel oder präindividuell-virtuell, andererseits Sinnlich oder unpersönlich-aktuell. Beides hört gleichsam dem Realen im Anschein selbst an, wie schon die 82
Logik der Komödie nachgewiesen hat, dass statt der Frage entweder real oder nicht real die minimale Unterscheidung des Aktuellen vom Virtuellen auftaucht. Gleichzeitig rückt der Fokus vom einzelnen Individuum just in die vom präindividuellen Gemeinsamen ausgehende unpersönliche Individuation. Zumindest aus der Post-kantischen Perspektive gesehen charakterisiert sich die Pathologie als ein Spiegel(-bild) der leeren gemeinsamen Norm. Diese Auffassung setzt nun das Folgende voraus, dass das Gemeinsame das quantitative Ganze des einzelnen Individuums sei. Dabei wird eine geistige Krankheit eines Individuum so beurteilt, gemäß des kollektiven gemeinsamen Bild der Norm. Schon unterstützt sie die ganze Menge anderen Individuen implizit und entsprechend derselben disziplinieren sich die Individuen freiwillig. In diesem Sinne, dass das Pathologische eines Individuums ein Zeichen dessen sei, was die Entfremdung des Individuums im Allgemein gegenüber der sozialen Disziplinierung bezeichnet und ans Licht bringt, aber in Form der Dysfunktion der leeren gemeinsamen Norm selbst. Insofern bedarf der Normalisierungsprozess notwendig der Erscheinung des pathologischen Individuums, um dadurch auf die folgende Weise die Grenze der Norm selbst ausbreitend zu bestimmen, wie heutzutage Kapital vom Desaster selbst profitiert und dann der schon bedingten bestimmten Norm überhaupt nur eine andere Norm hinzuzufügen: und zwar als die Indifferenz jeweiliger Differenz und gleichwohl um unentbehrlich den Umgang mit der Leerheit der Grenze der Norm(-alisierung) zu vermeiden oder sie zu verschleiern. Diese Logik ist also noch mal in die Dialektik zwischen pathologisch und normal umzuformulieren. Darin wird es nicht nur die Grenzziehung vom beiden notwendig verlangt, sondern vielmehr im so extremen Fall, wenn sich all das beliebige Individuum pathologisch verwandeln würde, oder anders herum formuliert, das Pathologische verallgemeinert würde, dann würde das Normalisierungsprozess unterbrechen. Nicht nur weil darin die Opposition zwischen dem Individuellen und dem Gemeinsamen eine große Rolle spielt, sondern auch, weil beides nur auf die quantitative Weise überlagert wird, auf der Grenzziehung zwischen pathologisch und normal. Daher spielt sich eine illusionäre Vorstellung in dieser Erörterung für immer implizit vorausgesetzt ab, als würde das Pathologisch verallgemeinert oder als gemeinsam eingesetzt, aber sowohl methodologisch als auch strategisch. Neutralisiert wird darum der Gemeinort des Pathologischen, im den Sinne von Eliminierung der ethischnormativen Unterscheidung sowie von Normal und Anormal, Form und Materie oder Autonomie und Heteronomie usw. Gemäß dieser Unterscheidungsfolge stellt sich z.B. der geistig Krankende im Außen des Normalen, aber als der ethische Andere gegenüber dem Selbst. Dabei steht in all dem Diskurs um die Pathologie wie immer das Individuum als die 83
letztliche Substanz im Mittelpunkt, von aktuellem Sozialgebirge her. Im Hinblick auf die Dualität von Form und Materie lässt sich dieser Punkt so umformulieren, dass die individuelle Materie die gemeinsame ideale Form vom außen akzeptiert und dann in sich selbst internalisiert. Daher läuft die Grenzziehung vom beiden für immer aufgrund des nachträglichen Rückgriffs des ontogenetisch-phylogenetischen Narrativen durch. Trotz des individuellen Freiraumes oder Distanzierung zum Kollektiven gerade nach dieser Integration setzt dies sich so fort, auf das aktuelle Individuum als die produzierte Substanz beschränkt. Infolgedessen wird die Selbstbehauptung oder das Manifestieren des Pathologischen selbst blockiert oder ausgeschlossen. Gerade in diesem Moment geht das Pathologische über, vom Epistemologischen zur Ontologischen, vom Kritischen zum Vorkritischen – aber diesmal aus dem Scheitern der transzendentalen Kritik entsprungen,91 und letztlich vom Individuum zur Individuation: vor der Kategorisierung des Individuums als des Produkts der Individuation. Gehalten wird das Pathologische nur insofern für repräsentierbar gegenüber dem Normalen, vom Individuum her, als dadurch die Grenze vom beiden gezogen wird. Dazu wird das Pathologisch als ein Spiegelbild verwendet, gleichzeitig das Normale abgegrenzt zu bestimmen. Dagegen verschiebt sich es von Individuation her in den Bereich der Produktion, das Prä-individuelle als das Gemeinsame oder die gemeinsame Form wieder zu entdecken, und dann sie anders rehabilitiert zu verwenden oder zu individuieren. In diesem Prozess bezeichnet das Pathologische jedenfalls sowohl den Widerstreit zwischen Prä-individuell und Individuell, im kantischen Sinne, als auch das Individuationsprozess selbst: aber als solches, was gegen die Einordnung auf das Prä-individuelle als das Universale protestiert. Letztlich verweilt dessen Topos zwischen dem Gemeinsamen/dem Präindividuellen und dem Singulären/dem Individuellen. Oder die reale Opposition zwischen Indifferenz einerseits und Selbstdifferenzierung andererseits. Oder psychoanalytisch gesehen auf der linken Seite die Vorstellungsrepräsentanz, die wie immer auf die privilegierte repräsentative Repräsentation abzielt, und auf der rechten Seite das übermäßige Signifikant, das einen bestimmten repräsentativen Sinne übersteigt und immerhin davon flieht. Diese psychoanalytische Interpretation wird im Zusammenhang mit der Unterscheidung und auch die Verkoppelung von Null/Mangel (0) und Rest/Exzess (a+1) folgendermaßen so formuliert. Beim Ersten charakterisiert sich das Reale als das Primäre, was schon durch die kulturelle Symbolisierung verlorengegangen ist und auch wodurch das Symbolischen 91
. „Deleuze posits a pure transcendental field, itself animated by intensive differeces. This transcedental field is not of the order of the meta-empirical ; it emerges only when a degree of discombobulation shatters the peaceful concordance of the faculties.“, Bergen (2009: S. 8)
84
wahrscheinlich als Ganzes betrachtet werden kann. Doch beim Zweiten ist das Reale nichts anderes als die Lochung des Symbolischen oder innerhalb des Symbolischen, aber auch als der die ganze Symbolisierung behindernde Exzess im Symbolischen selbst, von daher kennzeichnet es die Inkonsistenz dessen selbst. Aber nur in Form des Exzesses innerhalb desselben und auch als etwas, was nachträglich als vergessen und zugleich unzugänglich disparat präsentiert: d.h. die die Unmöglichkeit der Grenzziehung zwischen dem Begreifen des Realen als etwas Ganzes und dem Symbolische als etwas Konsistentes. Diese zweierlei Unterscheidung wird so die Diskrepanz zwischen Transzendenz des verlorengegangenen Realen und Immanenz des funktionalen Realen umbenannt: und zwar der Übergang von transzendentem zum immanenten Realen. Gezogen ist diese Entzweiung des Realen aus der zweierlei Funktionen dessen als des Restes nach der Symbolisierung. Von Beraubung als ursprünglichem Ereignis ausgehend neigt es erstens dazu, auf das primäre Reale zurückzuweisen und dann es als Ganzes in Griff zu nehmen. Dadurch wird die epistemologische Grenze zwischen Unrepräsentierbarem und Repräsentiebarem gezogen. Diese retrospektive Illusion ist nichts anderes als die transzendente Funktion des Realen. Wird diese Funktion in das Symbolische sowie die Sinngebung immanent transportiert, dann geht daraus „das Reale des Symbolischen“ hervor, was die ganze Symbolisierung des Symbolischen selbst behindert.92 Gleichermaßen entspricht diese Logik des Realen der zweierlei Logik sowie Tragödie als immanente Unzugänglichkeit analog zum primären Realen und Komödie als zugänglicher Transzendenz im Einklang mit dem Realen als der exzessiven Leere. Gemäß dieser Logik stellt
sich
das
Subjekt
Präindividuellem/Gemeinsame
so
dar,
als
(Materie)
und
solches,
was
spannend
Individuation/Produktion
zwischen
oszilliert.
Im
Zusammenhang mit der Produktion und der formalen Austauschbarkeit im Kapitalismus kann 92
. „Since there is no Other of the Other, it follows that the symbolic Other is in contact with the radical otherness of the Real. The Real stands for that which cannot be symbolized: but now this impossibility is inherent to the Symbolic – that is, the Symbolic as Symbolic is inherently prevented from fully symbolizing itself. More precisely, the Real with which the symbolic Other is now in direct contact is a leftover, a remainder of the primordial Real: Lacan defines it as object a, the „peu du reel“ which is left to us. There is just a little piece of Real, since the primordial Real is that which was eliminated by the emergence of the signifier : this „murder“ occured in a mythical but logicall necessary time; it is retrospectively indispensable to postulate it. In parallel, by being the remainder of the Real, object a will also be its reminder, that which reminds us of the loss of an always already-lost Unity. Here, one point should be made absolutely clear: the reminder actually reminds us of something which ultimately never existed. Indeed, there is/was/will be no possibility of having the wohle Real since, strictly speaking, there is no Real beyond the symbolic order. Lacan invites us to acknoweldge that not only is it possible to posit the primordial Real soley from the standpoint of the Symbolic, in a retroactive way, but that it is precisely because this homeostatic 0, this no-Thing, was holed that the Real(as lack of the Symbolic) was created. Thus all of the Real is nothing but the Real-of-the-Symbolic. Nonetheless, as we have just seen, this Real-of-the-Symbolic resists the Symbolic which consequently cannot be whole: a whole Symbolic would in fact correspond to a real-ized Symbolic, a mythical return to the primordial Real (as 0) by means of a „saturation“ of the Symbolic. Chiesa (2007: S. 121-2, meine Hervorhebung)
85
dieses Topos des Subjekts zum Ort der Un-austauschbarkeit der Produkte. Daraus bringt sich der Unsinn oder der Un-wert hervor, aber inmitten mit dieser momentanen Unterbrechung kann der Antrieb hergestellt werden, weiterhin auf die andere Weise Produktion zu betreiben: nämlich wie es nie mehr von früherem Austausch abhängt. Da spielt sich solche Angst ab, die also
aus
der
Spaltung
zwischen
Präindividuellem
und
Individuation
entspringt.
Herausgefordert wird dabei die weitere Individuation als die jeweils lokale Auflösung der Problematik aufgrund vom Mehr als die Identität oder die Einheit mit sich selbst, oder kapitalistisch gesehen, die Unterbrechung der gemäß des formalen Austausches ermöglichten Hervorbringung des Wertes. Für diesen Moment ist ein Beispiel in Symposion zu nennen: und zwar Sokrates’ Ablehnung der Erwartung der Austauschbarkeit der wechselseitig entdeckten Schönheit Alkibiades’: „O guter Alkibiades du scheinst wahrlich gar nicht dumm zu sein, wenn das wahr ist was du von mir sagst, und es eine Eigenschaft in mir gibt durch welche du besser werden könntest, und dann eine gar wunderbare Schönheit an mir erblickst die deine Wohlgestalt um gar vieles übertrifft. Wenn du also diese sehend in Gemeinschaft mit mir treten und Schönheit gegen Schönheit austauschen willst: so gedenkst du ja mich nicht wenig zu übervorteilen und suchst für den bloßen Schein derselben das wahre Wesen der Schönheit zu gewinnen, und denkst in Wahrheit Gold für Kupfer einzutauschen.“93 Dann bringen wir diese Un-austauschbarkeit94, die den Ausbruch
der regulativen Idee des Kapitalismus impliziert. Oder die Asymmetrie des wechselseitigen Tausches in Analog zur schizophrenen Entfremdung95 in der Sprache, die scheinbar aus der
93
. Platon (1991: S. 170 f.) . Diese (Un-)Austauschbarkeit kann in zweierlei Ebene betrachtet werden, nämlich einerseits im Bezug auf Preise/Bedeutung/Sinn, andererseits auf der Ebene des Wertes/der Differenz des unterschiedlichen Wertsystems. „Saussure employed economic figures only when he spoke of the value of language that is distinguished from meaning. He explained it by using examples of different currencies. If one follows this analogy, meaning is identified with price, while value corresponds to the difference between the relational systems that determine price.“ vgl. Karatani (2005: S. 230) In diesem Sinne lässt sich diese schizophrene Unaustauschbarkeit in der Sprache zur Kritik eines bestimmten Wertsystems selbst sowie der Sprache schlechthin erheben. Wie Nietzsches Kritik an (moralischem) Wert selbst, umso kritischer als die kantische Kritik, wird es fortgesetzt auf die Art und Weise, wie sich das Scheitern des Austausches – sowohl des ökonomischen als auch des sprachlichen – von der ontischen Synthese in den ontologischen Wert/Gelingen umkehrt, d.h. nicht nur, dass es das schon vorgegebene System relativieren macht, in Form des Ausbruchs des darauf basierende Austausches, sondern auch, dass dieses Ausbruch selbst in den positiven Anlass dazu verwandelt wird, die Genese des Systems zu treiben, aufgrund der Differenzierung der in einem System virtuell bleibenden Differenz. Diese Genese des Systems bringt Deleuze im Zusammenhang mit „dem leeren Feld“ der Struktur im Strukturalismus voran. „Von daher stellt sich dem Strukturalismus ein Ensemble komplexer Probleme, welche die strukturellen ‚Veränderungen’ (Foucault) oder die ‚Übergangsformen’ von einer Struktur zur anderen (Althusser) betreffen. Immer auf Grund des leeren Feldes sind die differentiellen Verhältnisse empfänglich für neue Werte oder Wandlungen und die Besonderheiten fähig zu neuen Verteilungen, die für eine andere Struktur konstitutiv sind.“, Deleuze (1992a: S. 58) 95 . Dreierlei Entfremdungsform (Marx, Gilbert Simondon, Paolo Virno) kann folgendermaßen klassifiziert werden; 1) ökonomische Entfremdung (Marx) – sowohl die Entfremdung gegenüber des Eignens der Produktionsmittels, als auch die der sozialen Relation, die ganz auf „die perverse Form der Relation der Dinge“ reduziert wird. 2) inter-individuelle Entfremdung (Simondon) - von der Opposition von Technologie und Arbeit her, nur an endgültig konstruiertem Individuum angehaftet, nur auf die interindividuelle Relation beschränkt, kein Zugang zur transindividuellen Relation mittels der Individuation, 3) Post-fordische Entfremdung (Virno) – das Präindividuell nur als die interne Problematik, die dem Subjekt unzugänglich bleibt, 94
86
Unaustauschbarkeit im Markt oder der Unkommunizierbarkeit in der Sprache folgt. Schizophrenie platziert sich gerade am Ort, wo die Opposition zwischen Orientierung auf das primären verlorengegangen Realen (Todeswunsch) und die Spur dessen selbst im Symbolischen (Todestrieb) geschieht. Daher richtet sich ihre Anwendung des Symbols für immer direkt auf seine eigene Realität oder seine Existenz, und sogar in Form der Entfremdung in der Sprache. Was kann man überhaupt unter zweiter Realität der Schizophrenie verstehen? Ist sie eigentlich nur die Entfremdungsform gar von der allgemeinen Realität im den Sinne der Austauschbarkeit oder der Beurteilbarkeit durch die regulative Form der Idee? Aber dies gilt nur für die Perspektive der endgültig konstruierten oder synthetisierten Kollektiv-individuellen. Dagegen wird es also als positiv eingesetzt: von der Beziehung zwischen Disparität oder exzessive Leere des Präindividuellen oder des Gemeinsamen sowie Sprache, Einbildungskraft oder Affekt usw. und der endlosen Individuation/Bestimmung her. Nie mehr in Form der Entfremdung, sondern vielmehr von schon subjektivierter Leere ausgehend läuft die Individuation oder die Bestimmung/das Bestimmbar-machen des Unbestimmten des Gemeinsamen durch. Während die Erste auf der Identität des Individuums oder der diachronisch gelebten Erfahrung sowie Familientheater beruht, dagegen steht die Letztere synchronisch oder gleichzeitig im Prinzip des Nicht-Eins des Individuums oder des Ichs (von präindividuell zu unpersönlich). Oder anders gesagt, eher aus der Wiederholung des Scheiterns der primären Identifizierung mit dem Ganzen des Präindividuellen oder des Symbolischen folgt die ganze Reihenfolge der reinen Differenz; nämlich das Subjekt als Nicht-Eins oder das Scheitern zum Positiven zu erheben oder den Mangel zu subjektivieren, aber ohne imaginären Angelpunkt des Ichs oder des Individuums als das Ganze. Da spielt gewiss die Ermöglichungsbedingung keine Rolle mehr. Stattdessen
dabei noch nicht die Verdinglichung durch res publica d.h. die nicht-repräsentative Institutionalisierung in Form Transindividualität; z.B. das Grundeinkommen, wodurch die Produktionszeit als die Lebensform schlechthin gemessen oder verdinglicht werden kann, wie Arbeitszeit; vgl. Virno (2006); Weil es bei der zweiten und auch letzten Definition der Entfremdung die Perspektive des Konsums oder des Austauschs fehlt, d.h. nur von Produktion/Arbeit aus betrachtet, wird die Möglichkeit der anderen Entfremdungsform, und zwar vom Warenaustausch her, vernachlässigt. Beispielweise trotz des immateriell-kognitive Form der (lebendigen) Arbeit bleibt dabei doch die Entfremdung, „sich entkleiden, um sich schützen“ d.h. z.B. beim Auftritt in den kommerziellen Bereich figurieren die Schauspieler (-in) von vornherein sich selbst als Opfer aber auf die fiktive Weise, um keinesfalls später durch die Massenmedien ihr ego verloren zu werden, oder anders formuliert passiv zum Opfer zu werden. Wie Karatani deutlich voneinander unterscheidet, ist der Tauschwert kein metaphysischer oder „Ex Post Facto“, sondern vielmehr „Ex Ante Facto“ (vgl, Karatani 2005: S. 185-193), und dies besagt nichts als die Fragilität des synthetischen Urteils zum Tauschwert, der gerade nach dem Austausch im Markt sicher gewonnen werden kann. Aber in dieser Antizipation der zukünftigen Austauschbarkeit spielt sich noch die Umkehr des reflexiven Urteils in den determinierenden Urteil ab, d.h. die Maßnahme der austauschbaren legitimen Form bleibt verborgen und gleichzeitig dabei gibt es keinen Betracht darauf, wie es mit dem Scheitern dessen zu tun haben kann (z.B. bei schizophrener Unaustauschbarkeit in der Sprache als krankhaft beurteilt?), dagegen scheint es exemplarisch die schizophrene Unaustauschbarkeit, die interne Problematik dessen selbst auf die partiell-individuell leidende Weise zum Vorschein zu bringen, aus welcher die Individuation getrieben wird.
87
kommt die Realisierungsbedingung der Differenz oder der weiteren Individuation hinzu. Einerseits auf den ersten Blick scheint dies nur auf einzelnes Individuum eingeschränkt durchzulaufen. Aber andererseits wie die Teilnahme der Schizophrenen an Kunst exemplarisch zeigt, liegt dies auch der Erweiterung der möglichen Gebrauchsform des Gemeinsamen nahe. Darin liegt genau der Grund, warum bei Schizophrenie für immer die Sublimierung geschieht oder dadurch verallgemeinert wird. Dabei wird all das Symbol oder all das Ding zum affektiven Signal für seine Existenz oder sein Schicksal hochgehoben. Wie Kant darstellt, enthüllt sich die Grenze der Einbildungskraft, oder allgemein gesagt, des Präindividuellen. Aber gegensätzlich der Distanzierung dazu durch den Rückgriff der Idee im Subjekt selbst, geht es bei Schizophrenie so weit: über die Ermöglichungsbedingung hinaus, bis dahin, wie die Disparität des Präindividuellen auf die lokale Weise aufgelöst werden kann, z.B. im künstlerischen Topos, aber nicht im künstlerischen Werk. Parallel dazu, wie Kant bemerkt, dass das Erhabene ganz und gar nichts direkt mit der Kunst(-werk) zu tun, im Vergleich zur Schönheit: sondern vielmehr mit der Grenze der Ermöglichung der Schönheit selbst zu tun. Oder im Bezug auf (religiös-politischen) Fanatismus kann man so sagen, dass gerade aus Mangel an Heuchelei bei Schizophrenie, d.h. kein Abstand zwischen Sprache und Ding oder die Abschaffung der Fiktiv-symbolischen der Realität (als ob) er das Symbol buchstäblich nimmt und dann es in Ansehung seiner Existenz demonstriert und realisiert, wie die Naivität der revolutionären Figur. In diesem Sinne lässt sich so die Schizophrenie als eine Art subtraktives Element fundieren, das für immer der ganzen Realisierung des bestimmten Symbolischen nicht ohne Rest widersteht, während das Symbolische für immer auf die bestimmte Weise allgemein ist. Darum geht deren Symptom ohne weiteres aus der schmerzhaften Situation hervor, dass die Allgemeinheit des Symbolischen von einem (krankenden) Subjekt individuell übergenommen und bestimmt wird. Nicht mehr umgekehrt, dass ein Subjekt durch die Allgemeinheit bestimmt wird. Der Krankende macht nicht nur den Mangel dessen positiv, sondern steht auch in die Gefahr hin, ganz und gar in die Desubjektivierung oder Entfremdung in der Sprache zu geraten. Der erste Moment bezeichnet die Ästhetik im Sinne von aisthesis der Schizophrenie, nicht nur weil dadurch die Grenze des Symbolischen neben der fundamentalen Phantasie in Form der für die Subjektivierung notwendigen Ideologie sichtbar und hörbar gemacht wird, - dadurch von dieser Ideologie entfremdet wird - sondern auch weil überall die Erscheinung des Affekts oder das exzessive Auftauchen dessen, aber ohne Interesse und auch reduktive Subtraktion, in eine bestimmte Form z.B. seines Körpers, Geste, Mimik oder des Künstlerischen entäußert 88
wird: trotz Mangels an der eindeutigen Handlung. Dennoch sollten wir uns auch mit der folgenden Frage konfrontieren: „And, most importantly, what is there to be done after the subject has assumed symbolc castration, positivized lack in self-consciousness, given that this same process necessarily involves (temporary) desubjectivation?“96
Daran tritt dann die nächste Pointe zutage, nämlich die Desubjektivierung der Psychose im Jouissance oder reinen Genuss als die unerträgliche Lust: wiederum in Rücksicht auf den Eigennamen.
4. Neuer Eigenname und partiell individuiertes Jouissance97 Zwischen dem Todeswunsch und dem Todestrieb hin und her oszillierend, muss man dementsprechend zweierlei Jouissance als unerträgliche Lust (Lacan) oder den reine Genuss (Kant) voneinander unterscheiden. Wie es schon erläutert wurde, der nicht-kultivierten Genuss wird retrospektiv gegenüber dem kultivierten Geschmacksgefühl sowie der Schönheit oder dem Erhabenen so konstruiert, der paradoxerweise die scheinbare Möglichkeit des reinen Genusses außerhalb der Kultur oder des Symbolischen voraussetzt. Dann demgemäß wird der Versuch so legitimiert, den verlorengegangen Ort jenseits der Kultivierung scheinbar vorzustellen. Das heißt, hier spielt sich gewiss die Grenzziehung zwischen Prä-symbolischem und Symbolischem ab. Oder da steht zweierlei Ganzes bewirkend, einerseits das primären Reales als verlorengegangenes Ganzes, andererseits das allgemein Symbolische als dominantkonsistentes Ganzes. Dazu kann ein andere Form dessen eingeführt werden, im Hinblick auf die Individuation. Durch die Unbestimmtheit des Präindividuellen/des Gemeinsamen oder die Disparität, oder Lacans Terminologie zufolge, „die subjektivierte Leere“ – im den Sinne, dass die Leere individuell übergenommen wird, wird die Individuation angetrieben, die die Disparität momentan auf die lokal-individuelle Weise auflösen kann, obwohl diese Lösung nicht mehr endgültig ist. Dementsprechend zeichnet sich das Jouissance des Individuums, das 96
. Chiesa (2007: S. 167) . Diese Art Jouissance steht dem phallischen Jouissance als solchem entgegen, was das Jouissance als das Ganze einsetzt. Wie Lacan (Kant with Sade) und Chiesa darstellt, wird dieses in zweierlei Richtung verteilt, einerseits auf die sadische Weise, wobei das Genuss zum Gesetz der Natur erhoben wird, andererseits auf die kantisch-masochistische Weise, umgekehrt das Gesetz als die regulative Form der Idee an der Stelle des Genusses verankert zu werden, aber beides spiegelt letztlich das zweierlei Gesicht von Janus des phallischen Jouissance wider. Davon ausgehend wird eine andere Form des Jouissance folgendermaßen angegeben. 97
89
weiterhin in Individuationsprozess hinein gerät, als solches ab, was allererst die schizophrene Entfremdung in der Sprache aufgrund der isolierten Realität wieder entfremden macht. Da diese zweite Entfremdung den Zustand der Distanzierung von fundamentaler Phantasie markiert, mit welcher die Konsistenz des allgemeinen Symbolischen ausgemacht oder gewährleistet werden kann. Gleichwohl anstatt der dominierenden Ideologie oder des privilegierten normativen Begriffs oder Wertes in Form väterlicher Metapher setzt sich aber sein eigener Name ein. Dies besagt nun, dass die Leere als die Inkonsistenz des Symbolischen so individuiert wird, wie Schizophrenie in Form des Ausbruchs der Handlung oder der Dysfunktion
der
Verständigung.
In
diesem
Sinne,
nicht
von
epistemologischer
Ermöglichungsbedingung her, sondern aus der Perspektive der ontologischen Realisierung, zieht es sich so, dass der Schizophrene an Individuation der (gemeinsamen) Leere ohne vorgegebene fundamentale Phantasie teilnimmt oder teilhat. Anschließend muss dadurch sich die Beurteilung für immer verschieben, gerade weil gegenüber diesem schizophrenen Sein in Individuation das Denken oder das Urteil des Dritten auch in der Individuation steht. Ebenso wie Heinz die ohne Zweifel verwendeten Begriffe sowie Metapher, Allegorie und Symbole allerdings im Hinblick auf die schizophrene Spracheauffälligkeit klar macht.98 Darin besteht auch der Grund, warum die Philosophie in der Zeit99 oder die sich zeitigende Philosophie anhand von der Beziehung von Denken und Sein erneut konstruiert werden muss. Über den gemeinsam verwendeten Realitätsbegriff hinaus weist es genau Folgendes auf: nämlich das Reale selbst im einen bestimmten geeigneten Eigennamen wieder zu benennen, das nicht mehr als Ganzes im Fall des Symbolischen, sondern vielmehr als momentan – wegen der weitere Individuation - bestimmt 100 oder individuell betrachtet wird, aber im Gegensatz zur Metaphysik der Repräsentation. Letztlich im Bezug auf die Metaphysik der Repräsentation wird die folgende Problematik hinzugefügt: und zwar die methodologisch-strategische Einführung des Unbewussten in den Diskurs. Aber mit der Begründung, dass nicht mehr die Identifizierung des Subjekts mit dem Objekt funktioniert, sondern nur es auf die innere Wahrnehmung die Aufmerksamkeit gelenkt wird. Diesmal wird die Repräsentation mit der fundamentalen Phantasie verkoppelt, gerade weil es gewiss um den Verlustmoment geht, wo das wahrgenommene Objekt gerade am 98
. Heinz (2008: S. 53) . Toscano (2006: S. 154) 100 .„Insofar as the symbolic structure is universal only through a particular contingent Master-Signifier that hegemonizes fundamental fantasies, the subject’s encounter with the real lack beneath his ideologized fundamental fantasy forces him to assume the lack in the universal. Conversely, the resymbolization of lack is therefore, by definition, always carried out at the level of the particular. More precisely, insofar as this is nothing but the specific moment at which the subject realizes that particularity is necessary if there is to be universality, it is here that the particular is turned into the individual.“, (Chiesa 2007: S. 191, meine Hervorhebung) 99
90
früheren gleichen Ort nicht mehr liegt. Von daher in der Relation des Subjekts zum Objekt scheitert für immer die Repräsentation in Form Wiederfindens des schon beraubten Objekts. Oder kantisch formuliert lässt sich das erfahrbare Objekt aufgrund a priori Kategorie konstruieren, wie z.B. Zeit und Raum, aber nicht mehr das reale Ding (an sich). Eher in diesem Moment kommt die fundamentale Phantasie als die Ermöglichungsbedingung der Wahrnehmung oder der Repräsentation im kantischen Sinne hinzu. Zuvor weist die Beraubung des Objekts in Welt aber die Absenz und der früheren Präsenz dessen selbst auf. Da verlangt es so, dieses Unmögliche als gemeinsam zu positivieren und dann als unmöglich zu realisieren; statt kantischer Re-präsentation, die z.B. dessen Absenz als moralisch verboten zuschreibt.
„That’s what Freud indicates when he says that „the first and most immediate goal of the test of reality is not to find in a real perception an object which corresponds to the one which the subject represents to himself at that moment, but to find it again, to confirm that it is still present in reality.“ [...] The object will be there when in the end all condition have been fullfilled – it is, of course, clear that what is supposed to be found cannot be found again. It is in nature that the object as such it lost. It will be never be found again. The world of our experience, the Freudian world, assumes that it is this object, das Ding, as the absolute Other of the subject, that one is supposed to find it again. It is to be found at the most as something missed. [...] The world of perception is represented by Freud as dependent on that fundamental hallucination without which there would be no attention available.“101
101
. Lacan (1992: S. 52 ff.)
91
SCHLUSS
1. Artaud-bio-graphie als das individuierte Reale Um die oben exemplarisch erwähnte doppelte Entfremdung z.B. bei der Schizophrenie deutlich zu machen, kehren wir auf Artaud zurück. Er hat versucht, von der schon gegebenen symbolischen Entfremdung zusammen mit der Differenzierung des Sinnes aufgrund des symbolischen Anderen sich selbst zu entfremden und diese zweite Entfremdung als „authentisch“ zu begreifen, oder genauer: er hat eine „Produktion der authentischen Schwärmerei“ versucht und zwar als Entfremdung der Entfremdung.
102
Analog zur
Diskrepanz bei Aristophanes zwischen der ursprünglichen Form der Liebe, i.e. der a-sexuelle oder infantile Kugelmensch, und dem genitalen Geschlechtsverkehr sind beide, organische Sexualität und repräsentatives Denken, ein und dasselbe. Wie jene, die vom schon grundsätzlichen Mangel ausgeht und permanent momentane Befriedigung erlaubt und daher die Überschreitung ihrer Grenze als eine bloße Illusion anbietet, beruht dieses, als Postkantisches, auf der Legitimierung des Möglichen oder der Grenzziehung von Denkbarem und Undenkbarem, in dem Maße, wie der Sinn von der Seite des Menschen oder des Geistes zur Geltung gebracht wird. Ausgerechnet in diesem Moment liegt der Grund, warum bei Kant all das Wahnsinnige oder das Pathologische um den Zwischenraum, um die Vermittlung von Sinnlichem und Intelligiblem herum kreist – sowohl um die tiefe Absenkung in den reinen empirischen Genuss (Kritik der praktischen Vernunft) als auch um die positive Darstellung der Idee (Kritik der Urteilskraft). In diesem Sinne versucht Artaud, der (Un)Möglichkeitsform des Denkens und auch der Sexualität die Genese der Struktur entgegenzusetzen. Diese Genese verläuft dabei folgendermaßen: von der Trennung vom Symbolischen durch die Eliminierung seines angeborenen Namen, über die Desubjektivierung von sich selbst in Form der Namenlosigkeit, bis zur Wiedereinführung in das Symbolische mittels seines erneut erfundenen und geeigneten Namen. In dieser letzten Phase fängt Artaud wieder an, über sein Leiden als sein Sein zu schreiben, und zwar in Form Auto-biographie, oder genauer, Artaudbio-graphie – eben weil an die Stelle des dominanten Signifikanten des Symbolischen sein Eigenname (momo/Schwärmerei) eingesetzt wird. Dabei leidet er gleichzeitig an der Unmöglichkeit der Repräsentation desselben, nämlich an der Spannung oder dem Paradox 102
. Chiesa (2006: S. 340f.) Wie Chiesa in diesem Text aufzeigt, bezeichnet das französische Wort „aliéné“ sowohl die Entfremdung als auch den Wahnsinn oder die Schwärmerei.
92
zwischen „bio-„ und „-graphie“ – wie dies schon im ersten Kapitel erläutert wurde. Gerade bei diesem Versuch wird ein Prozess angetrieben, den man „Individuation“ nennen kann, und der aus der Disparität abgeleitet wird. Wie Simondon diese Disparität darstellt, ist sie nichts anderes als die „problematische interne Differenz“ als solche, die die Nicht-Identität mit sich selbst jenseits des Identischen mit sich selbst besagt und die so Artauds Leiden als die interne Problematik erscheinen lässt. Gleichzeitig individuiert dieses Leiden die Allgemeinheit oder die Substantialität der Leere des Symbolischen, wobei das Schema, sich „innerhalb und außerhalb oder diesseits und jenseits der Realität“ fixierend, überall dominiert. In diesem Prozess der Individuation der Leere und gleichzeitig des Genusses gewinnt Artaud ein minimales symbolisches Territorium in Form des Schreibens oder der Selbsterzählung. Diesmal bedarf es für diese Differenzierung keiner sicheren Garantie der regulativen Idee (Kant) und keines ausreichenden Grundes (Descartes’ nicht-täuschender Gott), weil sich das Hinziehen von einem zum anderem Topos des Realen innerhalb des Symbolischen selbst als nichts anderes auszeichnen kann, als ein Anlass zur weiteren Differenzierung. Worum es hier geht, ist daher nicht mehr die Ermöglichungsbedingung des epistemologischen Sinnes, sondern vielmehr die Realisierung selbst, die keine dritte Perspektive oder (Selbst- und auch Dritte-)Beurteilung und Rechtfertigung nötig macht, da sie schon am Symbolischen des Anderen teilhat bzw. teilnimmt. Genau dies bedeutet, das Leiden selbst zu übernehmen; es stellt die „Ontologie des Leidens“ 103 dar. Dieser Akt markiert nicht nur das Reale als präindividuell, oder genauer: als unbestimmt, aber individuell auf partielle Weise bestimmbar, sondern positiviert darüber hinaus das Pathologische als ein transzendentales Prinzip. Dieses steht der allgemeinen Pathologie oder der repräsentativen Pathologie als stumm und auch dumm entgegen, die mit der Interpassivität und auch dem Skeptizismus und Zynismus verbunden sind. Das Pathologische als ein transzendentales Prinzip dient dazu, das symbolische Reale partiell zu realisieren: nämlich als ein Solches, das nur nachträglich aufgerufen wird, wie dies den schizophrenen Umgang mit dem Wirklichkeitscharakter oder der lokalen momentanen Auflösung der Problematik verursacht. Dementsprechend schreibt Simondon:
„The a priori forms of the sensibility are not obtained either a priori or a posteriori by abstraction, but rather must be understood as the structures of an axiomatic that appears in a process of individuation.“104 103 104
. Chiesa, a. a. O., S. 348 . Simondon (1992: S. 309, meine Hervorhebung)
93
2. Von der aus den Angeln gehobenen Zeit her Wie kann die symbolische Wiederholung bzw. Rückkehr Artauds – nämlich von der Desubjektivierung zur Wiedereinschreibung vermittels des Eigennamens in das Symbolische – verstanden werden, bei der die Zeit um ein bestimmtes Zentrum herum kreist und erneut verteilt oder organisiert wird? Da sich dieses Zentrum als nichts anderes als auf ein gewaltiges, aber unzugängliches Ereignis bezogen, entpuppt, wird die Frage trotz all der vergeblichen und unfreiwilligen Erinnerungen an dieses anders herum gestellt: Wie bzw. inwiefern verändert ein bestimmtes Ereignis, das „für mich als zu groß empfunden wird“ (Deleuze), die Modi der Zeit und auch das davon abhängige Zeitbewusstsein? Wie z.B. in der melancholischen Fixierung auf die Vergangenheit überhaupt, in der die Vergangenheit nur asymmetrisch als „Vorher“ eines Ereignisses (sei es der Verlustmoment des Liebesobjekts) vorgestellt wird, bleibt kein Gehalt des eingebüßten oder beraubten Objekts, sondern nur die Tatsache an sich übrig. Dieser Frage entspricht die schon als einer verlorengegangen erläuterten Idee Kants. Die kantische Idee oder der Gebrauch derselben basiert allerdings auf dem (transzendentalen) Zeitcharakter, nämlich der Retrospektiven oder der Nachträglichkeit, die den Ursprung als etwas Beraubtes zeitlich umgekehrt rekonstruiert oder an ihn als etwas Vergessenes erinnert, und geht damit nicht vom vergangenen Ursprung, sondern von der Gegenwart aus. Daraus folgt gewiss die wiederholte Erinnerung des Verlustmoments als eines Ereignisses, das wieder als kultiviertes Erhabenes umformuliert werden kann. Daher ist es trotz der Konfrontation mit dieser Idee ja notwendigerweise verboten, sie positiv darzustellen, was eher dem übersinnlichen Gebrauch der transzendentalen Einbildungskraft entspricht. Die Zeit des Erhabenen ist dementsprechend so darzustellen: Sie unterbricht nicht nur die gegenwärtige Gewohnheit und den Habitus, indem sie von diesem Alltag herabsteigt, sondern geht gleichzeitig auf den Grund der Zeit selbst oder auf solches zu, was niemals gegenwärtig war, sondern vielmehr immer „ein war“ ist. 105 Kurzum: Die Zeit des Erhabenen zielt auf den Nullpunkt oder die Gründung der Zeit an sich, außerhalb zeiträumlicher Kategorie, und auch auf den daraus folgenden Tod des transzendentalen Subjekts.106 105
. Deleuze (1992: S. 136) . Vgl. „Hier sinkt die Anschauung – wenn der Lauf der Zeit und damit ihre eigene Form, um eine gleichzeitige Zusammenfassung zu leisten – in sich zurück, in die Zeit selbst, in Nicht-Zeit, in Raum. (keine a priori Funktion für raumzeitliche Apprehension) Sie fällt bis zum dem Punkt, an dem es notwendig ist, wieder von Null auf zu beginnen. Sie fällt bis zu dem Punkt der creatio ex nihilo, bis zu dem Punkt, der, wenn man so sagen kann, sogar noch transzendentaler als die transzendentale Synthesis der Apprehension in der Anschauung ist. [...] Ist es nicht möglich zu sagen, daß das Subjekt gerade im Schatten der Pyramide das Mysterium der Schöpfung erfährt? Es erfährt, daß das Ding an sich (außerhalb von Zeit und Raum) nichts als das nihil ist, das Nichts im Kern des Phänomens, jenes Nichts, aus dem die Phänomene in der räumlich-zeitlichen Synthesis geschaffen werden. Es 106
94
Um diese ganze Reihe von Fragen nach der asymmetrischen und ungleichen Verteilung der Zeit in Vergangenheit, Gegenwart, und Zukunft „ursprünglich oder endgültig“, zumindest in Bezug zum verschiebenden Topos des Pathologischen zu setzen, ist die Zeit nun reif, die dritte Synthese der Zeit bei Deleuze mit einzubeziehen. Wie Deleuze auf verschiedenen Weisen, z.B. im Hinblick auf die psychische Realität oder die Metasprache, darstellt, koexistieren in der dritten Synthese der Zeit alle zeitlichen Merkmale, i.e. die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Im Gegensatz zur kosmologischen Zeitform, also die der Messung des Raumes oder der Bewegung untergeordnete Zeit – auf dieser basieren auch Platonismus und Antiplatonismus (Aristoteles) –, wird die Zeit hier „aus den Angeln gehoben“ (Deleuze). Das besagt nichts anderes als die Ablösung eines bestimmten Angelpunktes, sei es bei den Griechen in Form der Idee der Schönheit oder des Guten, oder aber in der Moderne der des transparenten Korrelats der Repräsentation
(z.B.
Sprache,
Intentionalität,
Institution),
auf
den
die
gesamte
aufeinanderfolgende Reihe von Ursache-Wirkung oder Ursprung-Wiederholung gründet. In diesem Sinne wird bspw. im „Symposion“ der Kugelmensch sowohl als ein unzugänglicher Ursprung der Liebe wie auch als das Ähneln dessen in Form der Vereinigung der Geschlechter dargestellt. Gerade in diesem Moment unterscheidet sich die formlose Zeit oder die leere Form derselben als die dritte Synthese der Zeit sowohl von der reinen Vergangenheit als dem Grund oder der Bedingung der Zeit als auch von der lebendigen Gegenwart als dem Gehalt der Zeit. Im Hinblick auf den Eros wird nicht nur in der lebendigen Gegenwart die Lust oder das Lustprinzip auf die empirische Sache der Erfahrung bezogen, der Eros geht vielmehr auch auf das verlorengegangene und auch wiedergefundene Ding selbst, in der reinen Vergangenheit, die mit der Gegenwart für immer koexistiert, und auch in Form der Diskrepanz zwischen virtuellem und realem Objekt, über die Realitätsprüfung des realen Lust- oder Liebesobjekt in Gegenwart hinausgehend. Dort wird dieses Ding für immer als ein solches empfunden, was „nicht da [ist], wo es sein soll, [...] [und wird somit] dort gesucht, wo es nicht ist“ (Deleuze 1992: S. 136). Dadurch wird die permanente Wiedererinnerung mit dem Ziel, die Erfahrung aufgrund ihrer Ähnlichkeit in das Zeitbewusstseins einzuordnen, in Gang gesetzt. Hier liegt der Grund, warum Eros und Mnemosyne beide an der Stelle der reinen Vergangenheit für immer aneinander gekoppelt zu sein scheinen. Darüber hinaus liegt hierin auch der Grund, warum Sokrates Alkibiades’ verführerische Projektion ablehnt: Seine erfährt, daß der Schatten nicht nur die Begrenzung des Dings an sich im Sonnenlicht ist, sondern etwas, das gerade das Ding an sich sperrt. Auf diese Ar wird in der Anschauung die Beziehung zwischen dem Geheimnis, das in der Pyramide steckt – das Rätsel ihrer Erschaffung und unzugänglichen Höhe -, und dem Geheimnis, das im Betrachter selbst zu finden ist, gemessen, wobei letzteres Geheimnis Kant den übersinnlichen Grund des Subjekts nennt, der sich im Erhabenen offenbart.“ Zupancic (1994: S. 50 f.)
95
Gegenübertragung besagt nichts anderes als der Hinweis auf die gleichzeitige Koexistenz zwischen virtuellem/verschobenem und aktuellem/verkleidetem (Liebes-)Objekt. Anders formuliert: Sokrates verweist auf das Oszillieren zwischen dem für immer aus der reinen Vergangenheit (1. Synthese) in der lebendige Gegenwart gegebenen Mangel/Verlust und dem Ersatz- oder Supplementationsobjekt in der lebendigen Gegenwart (2. Synthese). Durch dieses wird das Begehren oder das Streben nach der Liebe und dem Liebesobjekt permanent hin und her getrieben. In dieser Wiederholung selbst geschehen zwei Bewegungen: Einerseits die Verkleidung, die sich auf die empirischen Dinge richtet, und andererseits die Verschiebung, die den Verlust der Dinge als solche in die Erinnerung ruft. Diese zwei Synthesen der Zeit bedürfen unbedingt eines passiven Ichs (Wiedererinnerung) oder eines handelnden Subjekts (Habitus). Beide drehen sich um den Platonismus und den Antiplatonismus als die Metaphysik der Repräsentation: Entweder wird Artaud in der Tiefe des Grundes der Zeit desubjektiviert, oder aber die schizophrene Realität wird als bloß entfremdete oder als von der alltäglichen Realität entbundene aufgefasst. Beides ist gerade ein und dasselbe Janusgesicht. Dagegen ist die Differenz außerhalb des Begreifens oder des Griffes des Handelnden als intern charakterisiert. In ihr nimmt die Schizophrenie, wie bereits erläutert, als das leidende Subjekt am Differenzierungsprozess teil. In diesem Moment verwandelt sich die Zeit in die leere Form, die die Vergangenheit und die Gegenwart hin zur Zukunft verschiebt und zugleich um die Zukunft herum versammelt und somit koexistent macht: eben vermittels eines gewaltigen Ereignis, gleichzeitig undurchschaubar und unbestimmt und nur nachträglich rekonstruierbar ist. In dieser Zeitform werden der aufeinanderfolgende Zeithorizont und auch die umgekehrte Zeiterinnerung – z.B. Heideggers (Je-)Meinigkeit des Todes – ausgeschaltet bzw. eingeklammert. So wie Artaud von der Trennung von Sexualität/(Un-)Denkbarkeit über die Leere des Symbolischen und der damit verbundenen fundamentalen Phantasie bis zur Wiedereinschreibung in das Symbolische mit seinem eigenen Namen voranschreitet, stimmt diese letzte Phase mit der leeren Form der Zeit als dem Todestrieb107 überein. Nicht dass der Mangel als Grund aufgestellt wird oder der Eros auf dem Mangel basiert, sondern vielmehr derart, dass der Todestrieb den Mangel als den Un-grund durch die Desexualisierung der Sexualität oder des Eros internalisiert. An die Stelle der Leere oder des Mangels tritt das sich individuierende oder differenzierende Subjekt ein, weil die Logik der Komödie Aristophanes’ 107
. Der Todestrieb unterscheidet sich vom Todeswunsch(-instinkt), der zum anorganischen Zustand zurückkehrt; Ersterer steht dagegen immer inmitten des Symbolischen. Im Todestrieb kann es also keine Bezugnahme auf die heidegger‘sche Jemeinigkeit des auf die Gegenwart zurückwirkenden Todes geben, vielmehr muss er als ein unpersönlicher Trieb dem System selbst immanent begriffen werden.
96
das Reale nicht als unzugängliche, sondern als „zugängliche Transzendenz“ auf der Ebene des Anscheins ansiedelt. Trotz allem ist es ein leidendes Subjekt, weil es „Bewegungen [gibt], die man nur als Leidendes erfahren […], das Leidende seinerseits aber […] nur eine Larve sein“ kann. (Deleuze, S. 156) Von der Ganzheit des Ursprungs/des Verlustes und auch des gemeinsamen Korrelats und seinen Gebrauchsweisen entfremdet lassen sich die Differenzen herstellen und können so miteinander kommunizieren, jedoch nicht ohne die optische Illusion der Identität oder der Ähnlichkeit, aber ohne weiteres mit der subtraktiven Operation der Differenzierung bzw. der Individuation. Dadurch wird das Subjekt auf partielle Weise an der Symbolisierung zweiten Grades teilnehmen. Als ein Solches, das sich aus der Disparität bzw. der internen Problematik ableitet, geht das Pathos notwendigerweise mit dieser Symbolisierung zweiten Grades einher: „Gerade ihr Leiden, ihr Pathos [dasjenige der Neurooder Psychopathen] ist die einzige Antwort auf die Frage, die sich fortwährend in sich selbst verschiebt, auf ein Problem, das sich fortwährend in sich selbst verkleidet.“ (Deleuze a. a. O., S. 144, meine Ergänzung)
97
LITERATURVERZEICHNIS Agamben, G. (1993): The Coming Commuity, London: Mineapolis, S. 13-15. Agamben, G. (1998): Homo Sacer: Sovereign Power and Bare Life, California: Standford UP, S. 17-25. Agamben, G. (2008): Theorie des Signatures, In: Signatura Rerum: sur la methode, Paris: Vrin, S. 80-91. Agamben, G. (2009): What is an Appratus? And other essays, California: Standford UP, S. 124. Agamben, G. (2009a): Theory of Signatures, In: The signatures of all things: on method, N.Y: Zone Books, S. 71-80. Anzieu, D. (1992): Das Haut-ich, Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Artaud, A. (1983): Korrespondenz mit Jacuqes Riviere und Der reine Abelard, In: Frühe Schriften, München: Matthes u. Seitz. Badiou, A. (1988): L'être: excès, état de la situation; Un/Multiple, Tout/Parties, ou E/C? In: L’étre et l’événement, Paris: Seuil, S. 95-140. Badiou, A. (1999): Manifesto for Philosophy, N.Y.: SUNY. Badiou, A. (1999a): Le siècle, In: Séminaire public d’Alain Badiou (10 février), http://www.entretemps.asso.fr/Badiou/98-99.htm. Badiou, A. (2001): Who is Nietzsche, In: Pli 11 (Warwick Journal of Philosophy), S. 1-11. Balibar, E. (2002): Ambiguous Universality, in Politics and the Other Scene, London: Verso, S. 146-175 Benjamin, W. (1972): Erkenntniskritische Vorrede, In: Der Ursprung des deutschen Trauerspiels, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 7-44. Benjamin, W. (1991): Über das Programm der kommenden Philosophie, In: GS. Bd. II-1, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 157-171. Bergen, V. (2009): Deleuze and the Question of Ontology, In: Deleuze and the intensive reduction, London: Continuum, S. 7-22. Blanchot, M. (1996): Artaud (1956), In: The Blachot Reader, Oxford: Blackwell, S. 129-135. Brassier, R. (2004): Nihil unbound: Remakrs on substractive ontology and thinking capitalism In: Think agagin, Alain Badiou and the future of philosophy, Peter Hallward (Hrg.), London: Continuum, S. 50-58. Brassier, R. (2007): Nihil Unbound: Enlightenment and Extinction, N.Y.: Palgrave Macmillan, S. 153-204. 99
Canguilhem, G. (2008): Knowledge of Life, N.Y.: Fordahm UP. Cassirer, E. (1995): Geist und Leben, In: Zur Metaphysik der symbolischen Formen, Nachgelassene Mankskripte und Texte Band I, Hamburg: Felix Meiner, S. 3-32. Cassirer, E. (2001): Erster Teil - Die Sprache, Philosophie der symbolischen Formen, GW HA, Bd. 11, Hamburg: Felix Meiner, S.1-49. Cassirer, E. (2002): Dritter Teil - Phänomenologie der Erkenntnis, GW HA, Bd. 13, Hamburg: Felix Meiner, S. 218-233. Cassirer, E. (2003): Psychologie und Erkenntnislehre, In: Philosophie der Aufklärung, GW HA, Bd.15, Hamburg: Felix Meiner, S. 97-139. Chiesa, L. (2006): Lacan with Artaud: j’ouis-sens, jouis-sens, jouis-sans“, In: Lacan: The silent Partners, London: Verso, S. 336-364. Chiesa, L. (2007): Subjectivity and Otherness: a philosophical reading of Lacan, Cambridge u. a.: MIT, S. 104-192. Coleridge, S. T. (1997): Biographia Literaria, London: Everyman. Collingwood, R. G. (2005): Die Idee der Natur, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 70-88. David-Menard, M. (1990): La folie dans la raison pure : Kant lecteur de Swedenborg, Paris: J.Vrin. David-Menard, M. (2002): Kants’s An Essay on the Maladies of the Mind and Observations on the Feeling of the Beautiful and the Sublime, In: Hypatia (Vol. 15, No. 4, Fall), S. 82-98. Deleuze, G. (1977): I have nothing to admit, In: Semiotext(e) Anti-oedipus (Vol. II, No. 3), N.Y.: Columbia UP, S. 110-116. Deleuze, G. (1978): Kant - Synthesis and Time (14/03/1978), In: Les cours de Gilles Deleuze, www.webedeleuze.com. Deleuze, G. (1992): Differenz und Wiederholung, Aus dem Französischen von Joseph Vogl, München: Wilhelm Fink. Deleuze, G. (1992a): Woran erkennt man den Strukturalismus ?, Berlin: Merve. Deleuze, G. (1993): Logik des Sinnes, Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Deleuze, G. (1993a): Spinoza und das Problem des Ausdrcks in der Philosophie, München: Wilhelm Fink. Deleuze, G. (1994): Difference and Repetition, Aus dem Französischen von P. Patton, N.Y. : Columbia UP. Deleuze, G. (1998): To Have Done with Judgement, In: Essays critical and clinical, London: Verso, S. 126-135. 100
Deleuze, G. (2000): The idea of genesis in Kant’s aesthetics, In: Angelaki: Journal of the theoretical humanities (Vol. 5, No. 3), S. 57-70. Deleuze, G. (2005): Was ist ein Dispositiv?, In: Schizophrenie und Gesellschaft: Texte und Gespräche von 1975 bis 1995, Frankfurt a. M: Suhrkamp, S. 322-331. Deleuze, G. & Guattari, F. (1977): Anti-Ödipus: Kapitalismus und Schizophrenie I, Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Derrida, J. (1985): Otobiographies: The Teaching of Nietzsche and the Politics of the Proper Name, In: The Ear of The Other, N.Y.: Shocken Books, S. 1-38. Descartes, R. (1996): Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung, In: Philosophische Schriften in einem Band, Hamburg: Felix Meiner, S. 3-37. Didi-Huberman, G. (1999): Die Ordnung des Materials, In: Vorträge aus dem Warburg-Haus, Bd 3, Berlin: Akademie. Dostoyevsky, F. (1961): Notes from Underground, Signet: New American Library. Eposito, R. (2004): Immunitas - Schutz und Negation des Lebens, Aus dem Italianischen von Sabine Schulz, Berlin: diaphanes, S. 157-201. Esposito, R. (2004a): Communitas - Ursprung und Wege der Gemeinschaft, Aus dem Italianischen von Sabine Schulz & Francesca Raimondi, Berlin: diaphanes, S. 7-35; S. 97-130. Foucault, M. (1994): Qu’est-ce qu’un auteur ? In: Dits et Écrits I, 1954-1969, Gallimard, S. 789-821. Foucault, M. (2001): Schriften in vier Bänden, Dits et Ecrits (Band I 1954-1969), Aus dem Französischen, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 1003-1041. Foucault, M. (2003): Die Anormalen, Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Freud, S. (1970): Das Unheimliche, In: Psychologische Schriften, Studienausgabe Bd. IV, Frankfurt a. M.: Fischer, S. 241-274. Freud, S. (1975): Trauer und Melancholie, In: Psychologie des Unbewussten, Studienausgabe Bd. III, Frankfurt a. M.:S. Fischer, S. 193-212. Freud, S. (1975a): Jenseits des Lustprinzips, In: Psychologie des Unbewussten, S. 213-272. Groys, B. (1994): Die Krankheit Philosophie, In: Leo Schestow, Tolstoi und Nieztsche: Die Idee des Guten in ihren Lehren, München: Matthes & Seitz. Habermas, J. (1974): Dialektischer Idealismus im Übergang zum Materialismus – Geschichtsphilosophische Folgerungen aus Schellings Idee einer Contraction Gottes, In: Theorie und Praxis, Frankfurt a. M.: Suhrkamp Taschenbuch, S. 172-227. 101
Harman, G. (2002): Tool-Being - Heidegger and the Metaphysics of Objects, Chicago u.a.: Open Court. Hegel, G.W.F (1969): Jenauer Realphilosophie - Vorlesungsmanuskripte zur Philosophie der Natur und des Geistes von 1805-1806, Berlin: Akademie, S. 177-187. Heidegger, M. (1991): Kant und das Problem der Metaphysik, GSA B.3, Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann. Heidegger, M. (2004): Der Begriff der Zeit (Vortrag 1924), In: Der Begriff der Zeit, GSA B.64, S. 105-125. Heinz, A. (2008): Autismus und Konkretismus – widersprüchliche Konzepte schizophrener Denkstörungen ?, In: Psyche zwischen Natur und Kultur, Berlin: Parodos, S. 47-65. Hyppolite, J. (1996): Introduction to Hegel’s Philosophy of History, Gainesville Fla: Florida UP, S. 20-25. Jakobson, R. (2002): Fundamentals of Language, N.Y.: The Hague. Jameson, F. (1976): On Goffman’s Frame Analysis, In: Theory and Society (Vol. 3, No. 1, Spring), S. 119-133. Jameson, F. (1981): Realism and Desire: Balzac and the Problem of the Subject, In: The Political Unconscious: Narrative as a Socially Symbolic Act, Itaka & N.Y.: Cornell UP, S. 151-184. Jameson, F. (2005): Archeologies of the Future, London: Verso. Kant, I. (1956): Kritik der reinen Vernunft, Bd. II, Darmstadt: Wiss. Buchges. Kant, I. (1977): Mutmasslicher Anfang der Menschengeschichte, In: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1, Bd. XI, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S.83-102. Kant, I. (1977a): Versuch den Begriff der negativen Grössen in die Weltweisheit einzufügen, In: Vorkritische Schriften bis 1768, Bd. II, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 779-819. Kant, I. (1977b): Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik, In: Vorkritische Schriften bis 1768, Bd. II, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 919-989. Kant, I. (1998): Kritik der Urteilskraft, In: Kritik der Urteilskraft und Schriften zur Naturphilosophie, Bd. V, Darmstadt: Wiss. Buchges., S. 328-371. Karatani, K. (1996): Die Ursprünge der modernen japanischen Literatur, Basel: Stroemfeld. Karatani, K. (1998): Use of Aesthetics: After Orientalism“, boundary 2 (Vol 25, No.2, Edward W. Said), Durham: Duke UP, S. 145-160. Karatani, K. (2005): Transcritique - On Kant and Marx, Cambridge u. a.: MIT.
102
Kosman, L. A. (1986): The Naive Narrator - Meditation in Descartes’ Meditations, In: Essays on Descartes’ Meditations, Ameilie Oksenberg Rorty (Hrg.), London: California UP, S. 21-44. Lacan, J. (1988): On feminie sexaulity - The Limits of Love and Knowledge, Book XX, Encore 1972-1973, Aus dem Französischen von Bruce Fink, N.Y.: Norton, S. 14-25. Lacan, J. (1992): The Ethics of Psychoanalysis 1959-1960, London: Norton, S. 43-70; S.101127. Lacan, J. (1993): The Psychoses, The seminar of Jacques Lacan, Book III 1955-1956, London: Norton. Lacan, J. (2001): Die Übertragung, Das Seminar, Buch VIII 1960-1961, Wien: Passagen, S. 11-207. Laruelle, F. (o. J): Dictionary of Non-philosophy, Aus dem Französischen von Taylor Adkins, http://www.speculativeheresy.wordpress.com, S. 56-57. Laruelle, F. (1998): Dictionnaire de la non-philosophie, Paris: Kime. Lories, D. (2006): Remarks on Aesthetic Intentionality: Husserl or Kant, In: International Journal of Philosophical Studies (Vol. 14/1, Taylor & Francis), S. 31-49. Lyotard, J-F. (1994): Die Analytik des Erhabenen - Kant-Lektionen, Kritik der Urteilskraft §§ 23-29, München: Wilhelm Fink, S. 167-212. Lyotard, J-F. (2001): Das Erhabene und die Avantgarde, In: Das Inhumane - Plaudereien über die Zeit, S. 107-125. Lyotard, J-F. (2001a): Vorstellung, Darstellung, Undarstellbarkeit, In: Das Inhumane Plaudereien über die Zeit, S. 139-149. Lyotard, J-F. (2001b): Nach dem Erhabenen, Zustand der Ästhetik, In: Das Inhumane Plaudereien über die Zeit, Wien: Passagen, S. 157-165. Marin, L. (1994): Representation et simulacre, In: De la representation, Paris: Seuil/Gallimard, S. 303-12. Marin, L. (2006): Das Sein des Bildes und seine Wirksamkeit, In: Das Bild ist König Repräsentation nach Louis Marin, München: Wilhelm Fink, S. 15-24. Merleau-Ponty, M. (1972): Cartesianische und zeitgenössische Ontologie, In: Vorlesung 1, Phänomeologisch-psychologische Forschung Bd. 9, Berlin: Walter De Gruyter, S. 229-40. Minkowski, E. (1972): Die Gelebte Zeit, Bd. II - Über den zeitlichen Aspekt psychologischer Phänomene, Salzburg: Otto Müller, S. 7-29.
103
Nancy, J-L. (1978): Mundus Est Fabula, In: MLN/Modern Language Notes (Vol. 93, No. 4, French Issue: Autobiography and the Problem of the Subject), S. 635-653. Platon (1991): Symposion - Sämtliche Werke IV, Frankfurt a. M. & Leipzig: Insel, S.53-184. Plessner, H. (2002): Die Grenze der Gemeinschaft, Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Ranciere, J. (1994): Gemeinschaft der Gleichen, In: Gemeinschaften - Positionen zu einer Philosophie des Politischen, Joseph Vogl (Hrg.), Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 101132. Ranciere, J. (1995): The Uses of Democracy, In: On the shores of Politics, London: Verso, S. 39-61. Ranciere, J. (2004): The sublime from Lyotard to Schiller - two readings of Kant and their political significance, In: Radical Philosophy 126 (July/August), S. 8-15. Ranciere, J. (2006): Von der Aufteilung des Sinnlichen und den daraus folgende Beziehungen zwischen Politik und Ästhetik, In: Die Aufteilung des Sinnlichen - Die Politik der Kunst und ihre Paradoxen, Berlin: b_books, S. 21-34. Ranciere, J. (2007): Lyotard und die Ästhetik des Erhabenen: eine Gegenlektüre von Kant, In: Das Unbehagen in der Ästhetik, Wien: Passgen, S. 105-123. Ranciere, J. (2007a): Die ethsiche Wende der Ästhetik und der Politik, in Das Unbehagen in der Ästhetik, Wien: Passgen, S. 125-151. Schirren, T. (2005): Philosophos Bios, die antike Philosophenbiographie als symbolische Form, Studium zur Vita Appollonii des Philostrat, Heidelberg: Universität Verlag Winter. Schürmann, R. (2003): Broken Hegemonies, Bloomington: Indiana UP, S. 3-48; S. 513-5. Simmel, G. (1999): Lebensanschauung: Vier metaphysiche Kapitel, In: Der Krieg und die geistigen Entscheidungen, Grundfragen der Soziologie, Vom Wesen des historischen Verstehens, Der Konflikt der modernen Kultur, Lebensanschauung, GSW XVI, Frankfurt a. M.: Shurkamp, S. 209-296. Simondon, G. (1992): The Genesis of the Individual, In: Incorporations, J. Crary & S. Kwinker (Hrg.), o. O: Zone Books, S. 297-319. Spivak, G. Ch. (1988): The Letter as Cutting Edge, In: In Other Worlds - Essays in Cultural Politics, NY & London: Routledge, S. 3-14. Spivak, G. Ch. (1988a): Can the Subaltern speak?, In: Marxism and the Interpretation of Culture, Basingstoke: Macmillan Education, S. 271-313. Toscano, A. (1999): Fanaticism and Production: On Schelling’s Philosophy of Indifference, In: Pli 8 (Warwick Journal Philosophy), S. 46-70. 104
Toscano, A. (2006): The Theatre of Production - Philosophy and Individuation between Kant and Deleuze, N.Y.: Palgrave Macmillan, S. 136-201. Vernant, J-P. (1990): One...Two...Three: Eros, In: Before Sexuality - The Construction of Erotic Experience in the Ancient Greek World, Princeton: Princeton UP, S.465-478. Virno, P. (2006): Interview - Reading Gilbert Simondon; Transindividuality, technical activity and reification, In: Radical Philosophy 136 (March/April), S. 34-43. Zizek, S. (1999): Die Tücke des Subjeks, Frankfurt a. M.: Suhrkamp. Zizek, S. (1999a): The Ticklish Subject - The Absent Centre of Political Ontology, London: Verso. Zizek, S. (2008): In defence of lost causes, London: Verso. Zupancic, A. (1994): Die Logik des Erhabenen, In: Kant und das Unbewusste, Wo es war 4, Wien: Turia und Kant, S. 31-52. Zupancic, A. (2003): The Shortest Shadow - Nietzsche’s Philosophy of the Two, Cambridge u.a.: MIT.
105
Unser gesamtes Verlagsprogramm finden Sie unter: www.diplomica-verlag.de
Diplomica Verlag