OTTO ZIERER
BILD D E R J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE [N 18 EINZEL- UND 12 DOPPELBÄNDEN
Hohe Zeit des Ab...
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OTTO ZIERER
BILD D E R J A H R H U N D E R T E EINE WELTGESCHICHTE [N 18 EINZEL- UND 12 DOPPELBÄNDEN
Hohe Zeit des Abendlandes Unter diesem Titel erscheint demnächst der 19/20. Band der neuartigen Weltgeschichte. Der Doppelband behandelt das zwölfte Jahrhundert n. Chr.
Das 12. Jahrhundert wird in seiner ersten Hälfte durch die mystische Gestalt des heiligen Bernhard, in seiner zweiten durch die wuchtige Heldengestalt Friedrich Barbarossas gekennzeichnet. Alle Gebiete der mittelalterlichen Kultur entfalten sich nun zu prächtiger Blüte. In dieser Zeit wird jenes religiös-philosophische und politisch-soziale Gebäude aus Gedanken und Gefühlen errichtet, das sich wie eine gläserne Kuppel über der in sich geschlossenen abendländischen Welt wölbt.
Auch dieser Doppelband ist in sich vollkommen abgeschlossen und enthält wieder ausgezeichnete Kunstdrucktafeln und zuverlässige historische Karten. Eikostet in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung und farbigem Schutzumschlag DM 6.60. Mit dem Bezug des Gesamtwerkes kann in bequemen Monatslieferungen jederzeit begonnen werden. Auf Wunsch werden auch die bereits erschienenen Bücher geschlossen oder in einzelnen Bänden nachgeliefert. Erschienen ist seit Januar 1951 monatlich ein Band. Prospekt kostenlos vom
VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU/MÜNCHEN
KLEINE
BIBLIOTHEK
DES WISSENS
LUX-LESEBOGEN NATUR-
UND
K U L T U R K U N D L I C H E
HEFTE
P.C. Ettigkofer
SUOMI L a n d der Seen und
Wälder
VERLAG SEBASTIAN LUX * MURNAU / MÜNCHEN
Mitternachtssonne (Reihenaufnahme)
Unter den Gletschern begraben Im verlorensten Winkel Europas, und doch durch das Gewicht seiner Wirtschaft und die Kraft seines Volkstums weithin im Blickpunkt der Welt, liegt Suomi, das „Seenland". Die Ausländer haben ihm den Namen jenes kleinen Zipfels um die frühere Hauptstadt Turku gegeben, der „Finland" hieß, und haben das ganze Land „Finnland" und seine Bewohner Finnen genannt. Von der Ostsee im Süden, diesem breiten und vielbenutzten Handelsweg seit einem Jahrtausend, erstreckt sich das Land der Sechsundsechzigtausend Seen elfhundert Kilometer weit hinauf bis zum Rande des Eismeeres. Auf mitteleuropäische Maße übertragen, würde Suomi von Köln bis Neapel, von München bis Palermo oder von Köln bis Barcelona reichen. So groß und so weit ist Finnland, daß es mit seiner Fläche (337 000 qkm) die Fläche Westdeutschlands (245 400 qkm) weit übertrifft. Seine Bevölkerungszahl ist jedoch so gering, daß alle Einwohner in den Mauern Chicagos untergebracht werden könnten und noch viel Wohnraum übrig bliebe; es leben nur vier Millionen Finnen unter der Fahne ihrer Heimat, die weiß ist wie der Schnee, der endlose Flächen acht Monate lang bedeckt, und blau wie die Himmelskuppe, die sich zur Mitsommerzeit als wundersame Schale von makelloser Reinheit über dem Norden wölbt. 2
Finnland nimmt die ganze Landbrücke ein, die von Rußland nach Skandinavien hinüberführt. Über diese Brücke aus granitnem Untergrund, den „baltischen Schild", schoben sich in den Epochen der Eiszeit gewaltige Eismassen hinweg, die in den- skandinavischen Hochgebirgen ihren Ausgang nahmen, — Gletscher, wie sie in einer anderen Stoßrichtung von dorther auch, die Ostsee und Nordsee überlagernd, bis auf die Linie London, Köln, Leipzig, Breslau vorgedrungen sind. Die Zeiten der Vergletscherungen haben das Antlitz Finnlands gezeichnet. Das Eisgeschiebe trug den Mutterboden so vollständig vom Lande herunter, daß heute nur eine dünne Schicht kultivierbaren Bodens den Menschen zur Ausnutzung geblieben ist. Unter den Eislasten, unter der mahlenden, schürfenden Kraft der Gletscherzungen zerfurchte sich der felsige Untergrund in der Bewegungsrichtung der Eisströme und schuf Schotterwälle und Klüfte, Tröge und Mulden, in denen sich die Schmelzwasser zu Seen sammeln und stauen konnten; denn eines Tages begann die kilometerdicke Schicht des Inlandeises zu zergehen. Eine noch ungeklärte allmähliche Erwärmung der Polarzonen wirkte sich aus. Der Wärme gelangen vom Atlantik her große Einbrüche in das Packeis des Nordpolarmeeres und den nordischen Eispanzer, das Meer brandete in die ausgeschmolzenen Lücken und ein milder Warmstrom — den wir heute Golfstrom nennen — erreichte den Nordrand Europas und ließ seine temperierte Flut auch gegen den Nordsaum des finnischen Gletschermassivs spülen. So begab sich etwas sehr Merkwürdiges: dank der schmelzenden Wärme des Golfstromes, der unaufhörlich aus dem tropisch-heißen Trog des Golfes von Mexiko gespeist wurde, trat in Nordfinnland das Erdreich früher eisfrei zu Tage als in den mittleren und südlichen Breiten des Landes, ja früher noch als im nördlichen Deutschland. Hoch im Norden fanden sich auch die ersten Spuren menschlicher Besiedlung auf finnischem Boden. Im Jahre 1926 stieß man auf diese Spuren — der Fund war für den Vorgeschichtsforscher eine unerhörte Überraschung! Im Nordzipfel Finnlands, im Lande Petsamo, das nach dem letzten Kriege an Rußland abgegeben werden mußte, entdeckte man prähistorische Wohnbezirke, die vor mindestens zehntausend Jahren schon bewohnt gewesen waren. Während al&o die Gletscher noch weit in den Süden Finnlands reichten, lebten hoch oben am Rande des Eismeeres, auf einem schmalen, durch die Wärme des Golfstromes eisfrei geschmolzenen Küstenstreifen schon primitive Fischer und Jäger. Das weite Meer bot ihnen Nahrung. Nie sahen sie einen Baum mit seinem Wurzelwerk im Erdreich stehen; denn ihre Um3
weit war der nackte Fels, den das Eis hervorgekehrt hatte. Und dennoch benutzten die frühesten Bewohner schon hölzerne Kähne, weil das warme, fischreiche Meer ihnen nicht nur ausreichende Nahrung bot, sondern auch die Stämme zum Bau der Hütten und der Boote und zur Anfertigung von allerlei Gerätschaften. Langsam schwemmte das Holz auf dem Wasserspiegel heran, es kam aus jenen unermeßlichen Fernen, in die allabendlich die Sonne niedersank. Blieben die Treibholzsendungen einmal aus, oder wurden sie von den Stürmen am Gestade vorbeigesteuert, dann warfen sich die Menschen zur Erde und opferten dem roten Tagesgestirn fette Dorschlebern. Heute noch heften die Fischer-Lappen oben an der Kola-Halbinsel frische Dorschlebern an weithin sichtbare Felsen, bevor sie zum Fischfang ausfahren. So hat sich der Opferbrauch der Urbewohner durch Jahrtausende erhalten, obwohl die heutigen nordfinnischen Fischer sich der Zusammenhänge nicht mehr bewußt sind. Das bewohnbar gewordene Land war begrenzt durch das Polarmeer im Norden und die hochaufragende Gletschermasse, die noch immer über Finnlands Mitte und Süden lagerte. Für jene ersten Nordbewohner, die von Osten gekommen sein müssen, hörte die Erde dort auf, wo der Sonnengott täglich in das Wasser tauchte; aber niemand wagte sich je gegen die Horizonte der See. Wer den schützenden Bereich der Küste und der Fjorde verließ, den fraß das Eismeer. Den größten Teil des Jahres blieb die Sonne verschwunden, sie stand dann tief im Süden hinter jenem fürchterlichen, gleißenden Gletschergebirge. Durch die lange Polarnacht rollte das unheimliche Donnern der berstenden, sich spaltenden Eisdecke. Sommers aber, wenn die Sonne im Norden stand und die Nacht für einige Monate gebannt war, sprangen Wildwasser und Ströme aus der Wand der Erstarrung, rasten zu Tal und ergossen sich wirbelnd in das nördliche Meer. Es war die wilde Zeit, da unter der erneut zunehmenden Erwärmung auch das Inlandeis abzuschmelzen begann. Jahrtausende gingen darüber hin. Zwischen dem zurückgebliebenen Geröll und dem Moränenschutt wagte sich der erste Pflanzenwuchs hervor. Von irgendwoher wanderten Pelztiere in das Neuland, wahrscheinlich kamen auch sie aus dem Osten, aus der gewaltigen Landmasse Asien, und dichtauf folgten die Jäger und Fallensteller einer unbekannten Menschenart. Wo Schotter und Schutt der Gletscher die Ausgänge der Gletscherfurchen und der Spaltungen im Granitsockel versperrten, wo sich Ausspülungen und Mulden öffneten, ließen die 4
Schmelzwasser die Seen zurüde. Unter dem Einfluß der Wassermassen der vieltausend Gewässer verbesserte sich wieder das Klima, neue Pflanzen siedelten sich an. Urwald bedeckte die Flächen, von der Südküste Finnlands an der Ostsee bis über den Polarkreis hinaus. Das „grüne Gold" Suomis war da, aber es fehlten.noch immer Menschen in genügender Zahl, um es zu heben.
E u r o p a entdeckt das F i n n e n v o l k Vor zweieinhalbtausend Jahren setzten sich vom Ural oder vom Kaukasus her die finnisch-ugrischen Volksstämme in Bewegung vermutlich getrieben von Mongolen, die sich über ganz Asien ausbreiteten und alle ansässigen Völker aus ihren Weidegründen nach Westen abdrängten. Die Vertreibung geschah nicht in einem plötzlichen, brutalen Treck, die erzwungene Abwanderung erfolgte langsam und innerhalb vieler Jahrhunderte. Um Christi Geburt kamen die Massen des Wandervolkes, am Südufer des gewaltigen LadogaSees entlangziehend, auf die karelische Landenge. Wo sich später Zar Peter seine Hauptstadt Petersburg, das heutige Leningrad, erbaute, sahen sie vor sich das weite Meer, die Ostsee. Sie hatten sich zu entscheiden, ob sie nach Norden oder nach Süden ausweichen wollten. Da trennten sich die Stämme, einige wanderten an der Südküste des Finnischen Meerbusens entlang, wurden in Estland ansässig und lebten friedlich mit den alteingesessenen, urgermanischen Hirten und Bauern. Eine zweite Gruppe schwenkte noch viel weiter nach Süden aus und kam bis nach Ungarn — die Ungarn sind weitläufig mit den Finnen verwandt —, während die stärksten Sippen den nördlichen Weg einschlugen und sich von K a r d i e n aus über das „Land der tausend Seen" verbreiteten. Auch diese Landnahme geschah nur sehr langsam und durchaus friedlich. Wo die Finnen auf nomadisierende Lappensippen trafen, da wichen die scheuen Ureinwohner nach Norden aus; das Land war groß und weit. Jahrhunderte lang blieb Finnland unberührt vom unruhevollen Leben des Abendlandes. Erst im Mittelalter fand die historische Begegnung des Finnenvolkes mit den übrigen europäischen Völkern statt. Schiffe der reichgewordenen Hansestädte an den Ostseeküsten segelten nach Norden, um mit dem Volk am Rande Europas Handelsverbindungen aufzunehmen. Bunte Stoffe, Stickereien, Schmuck, metallene Gerätschaften, Waffen und Gewürze» besonders aber Salz, waren die gern eingetauschten Waren aus den Lagerhäusern 5
der Hansa. Die heimsegelnden Schiffe der norddeutschen Kaufherren nahmen nordische Felle mit, Pelze und große Ballen guter Schafwolle. Der finnische Holzexport setzte erst viel später ein; damals gab es in Mitteleuropa noch genügend Wälder, die dem Schiffsbau das benötigte Holz gleich an Ort und Stelle liefern konnten. Diese Kauffahrer aus dem fernen Süden, aus Deutschland, dem „Land der Sachsen", wurden die besten und unentbehrlichen Mittelsmänner zwischen Finnland und Mitteleuropa. „Saksa" wurde zur finnischen Bezeichnung für Deutschland „Saksalaise", das heißt Deutscher, nannte man mit der Zeit jeden fremden Kauffahrer, und „saksa" jede bessere ausländische Ware, die von den europäischen Märkten kam. So ergab es sich, daß Finnland seine Jugend gerne in die Länder schickte, aus denen so vielerlei brauchbare Dinge kamen. Finnische Jungmänner studierten an den mittelalterlichen Universitäten in Heidelberg, in Köln, in Wien, in Erfurt in Rostock, in Greifswald und in Leipzig. Eine Studentenliste der Universität Leipzig aus dem Jahre 1438 zählt acht Finnen als Immatrikulierte auf. Einer von ihnen wurde später Bischof in der damaligen finnischen Hauptstadt Turku. Der höhere finnische Klerus wurde fast durchweg an deutseben Universitäten ausgebildet. So kam im Jahre 1536 ein junger Finne auch nach Wittenberg, um sich dort dem Studium der Theologie zu widmen. Es war Michael Agricola, Sohn eines armen Fischers. Martin Luther wurde sein erster Lehrer, auch Melanchthon gewann Einfluß auf ihn. Mit der Würde eines Magisters kehrte er in seine Heimat zurück und wurde der Reformator der finnischen Kirche. Er übersetzte das Neue Testament ins Finnische und gab in dieser Übersetzung seinen Landsleuten eine einheitliche Schriftsprache; bis dahin schrieb jeder in seiner Dialektsprache, wodurch die Verständigung unter den Landesteilen sehr erschwert worden war. Spät entwickelte sich bei den Finnen auch der Gedanke, als Volk in staatlicher Selbständigkeit zusammenzuleben. Seit ihrer Berührung mit der Kulturwelt Europas war Finnland aufs engste von Schweden abhängig, mit dem es auch die nordwestliche Grenze gemeinsam hatte. Die Grenze nach Rußland aber war immer wieder umstritten, und immer wieder bröckelten Grenzteile ab, bis Rußland im Jahre 1809, als Europa in den napoleonischen Wirren beschäftigt war, sich des ganzen Landes bemächtigte. Unter der russischen Herrschaft, die bis in die Jahre der bolschewistischen Revolution währte, wurde statt Turku die Stadt Helsingfors = Helsinki zur Hauptstadt erhoben. 6
Helsinki Helsinki, das alte Helsingfors, heute das Tor Finnlands zur Welt, liegt breit über eine Halbinsel gelagert am Finnischen Meerbusen. Aber lange Zeit verbirgt sich die Stadt dem Blick des Reisenden, der von der See herkommt. Der Horizont, an dem nach der Karte die Stadtumrisse längst sichtbar sein müßten, wird durch einen Sperrgürtel unzähliger Schären, Inseln und Inselchen beherrscht. Eine Kette weithin vorgeschobener Wächter sichert so die Einfahrt in den Bereich der Stadt. Es ist kein Wunder, daß weit vor der Küste schon ein Lotse an Bord genommen werden muß, der die
Finnland: Die Eismeerstraße ist in ihrer ursprünglichen Linienführung eingezeichnet. Von Ivalo geht eine Abzweigung auf das norwegische Gebiet und zum Eismeer. Oben links: Lage Finnlands im Rahmen Europas. Vergl. die Karte auf dem Umschlag 7
Führung durch das Wasserlabyrinth übernimmt und bis zum Pestmachen im Hafen den Dienst auf der Kommandobrücke versieht. Merkwürdig sind diese Schären, die in Zehntausenden von Klippen und Eilanden die Küsten Finnlands umschwärmen. Es sind zumeist die aus dem Meer hervorragenden Kuppen des einstigen hügeligen Küstensaumes, der sich gegen Ende der Eiszeit abgesenkt hat und vom Meer bis auf die Hügelspitzen überflutet worden ist. Andere Wasserfelsen, die oftmals noch deutlich die Schraffur des Gletscherschliffes vorweisen, sind jedoch Geröllbrocken, Schuttreste aus dem Moränenge6chiebe des Inlandeises. Die Gewalt der wandernden Gletscher war ja so groß, daß sie die mächtigsten Felsbrocken vor sich her fegten,"wie der Besen der Hausfrau die Krümel, die von der Tafel heruntergefallen sind. So sind schwerste Granitblöcke — vom Eis hoch im Norden an den Gebirgen abgesprengt — südwärts bis in die Lüneburger Heide und südostwärts bis weit nach Rußland hinein gewälzt worden. Manche Schären sind nichts als solche „Findlinge"; aber die Geröllbrocken sind hier noch kantiger und weniger ausgeschliffen, als die in der norddeutschen Heide oder in der russischen Ebene, weil der Schleifweg nur kurz war. Auf den Schären vor Helsinki ragen aus dem dichten Grün der Bäume Leuchttürme und die Granitmauern gewaltiger alter und neuzeitlicher Befestigungen. Sie zeugen von schweren Zeiten, da Finnland sich gegen Ost und West zur Wehr setzen mußte. Da taucht endlich in der Fahrstraße, die den letzten Sperrgürtel der Schärenwelt durchbricht, vor uns die weiße Stadt auf: Helsinki! In weitem Bogen fährt unser Schiff in den Südhafen ein. Die Hauptstadt Finnlands breitet an dieser Stelle ihre monumentale Schauseite aus, eine Front hochragender Geschäftsbauten, zu beiden Seiten flankiert von den Kuppelbauten der beiden Hauptkirchen: zur Linken St. Nikolai, die evangelische Stadtkirche, zur Rechten die ehemalige russische Kathedrale auf einer bevorzugten Anhöhe. Aus dem Hintergrund grüßt der pfeilerschlanke Turm des Olympiastadions. Und dann gehen wir an Land und wundern uns über die Menschen, die an diesem heitern Morgen, hier und da gegen die Häuserwände gelehnt, in der Sonne stehen. Fast andachtsvoll genießen sie mit zurückgebogenem Antlitz die wärmende, heilende Kraft des Lichtes. Doppelt auffällig ist dieses behagliche Sonnenbaden, weil rings um die geruhsamen Sonnengenießer der Lärm und die Unrast eines wirklich großstädtischen Lebens brandet. Großzügig ist die Anlage der Stadt, in deren Mitte sich einer der schönsten Plätze Europas entfaltet: Der Senatsplatz. Die großartige Anlage verdankt ihr Entstehen, wie das ganze moderne Hel8
sinki, mehreren furchtbaren Brandkatastrophen, in denen AltHelsingfors mit den Tausenden seiner Holzbauten in Schutt und Asche fiel. Der heutige Stadtgrundriß, der ein fast regelmäßiges Muster zeigt, ist das Werk zweier großer Architekten, des Schweden Ehrenström und des deutschen Baumeisters Carl Ludwig Engel. In den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts schuf Engel den Senatsplatz, dessen Nordseite von der blendend weißen Fassade der Nikolaikirche beherrscht wird. Auch das Universitätsgebäude an der West- und das Senatsgebäude an der Ostseite gehen auf Engels Entwürfe zurück. Beim Gang durch die Straßen der Stadt muß man sich oft darauf besinnen, daß man sich in der Hauptstadt Suomis befindet. Helsinki gleicht durchaus anderen modernen Städten. Die Pracht seiner Architektur hält den Vergleich mit den Monumentalbauten anderer Hauptstädte aus. An breiten gepflegten Straßen zeigen sich die Säulenfronten der Verwaltungs-, Wirtschafts- und Kulturgebäude. Groß gedacht ist vor allem das Reichstagsgebäude an einer baumbestandenen Alleestraße, ein Bau aus rotbraunem Granit und ganz das Werk finnischer Künstler. Der kreisrunde Sitzungssaal gilt mit Recht als der schönste und würdigste Parlamentsraum der Welt, verwandt dem Innenraum der Frankfurter Paulskirche. Sind hier noch die Vorbilder zu erkennen, so hat Finnland in der eigenwilligen, wuchtigen Granitarchitektur des Hauptbahnhofs und des Nationalmuseums einen eigenen, dem Ernst der Landschaft angepaßten Baustil entwickelt, dem man auch in manchen finnischen Provinzstädten begegnet und den man als „karelischen Stil" bezeichnet. Die Architekten des Landes sind aber auch der modernen „sachlichen" Bauweise zugetan; kühn und mit sicherer Hand wissen sie die Anregungen abzuwandeln, die von draußen kommen. In Helsinki zeugen dafür die Hauptpost, die herrliche Schule Aleksis Kivis, das Krankenhaus Tikka, die neuen Wohnviertel am Stadtrand, das Stadion, die Stätte der Olympischen Spiele von 1952. Draußen im weiten Land sind es die großzügigen Holz-, Zelluloseund Papierfabriken mit ihren weißen Arbeitssiedlungen, die Wollspinnereien, Metall- und Lederfabriken, die Kraftwerke an den Wildströmen, viele Hotelbauten bis hinauf in die lappländische Wildnis, wo weit jenseits der Baumgrenze das moderne Großhotel von Pallastunturi, „das zweite Wunder Finnlands", als Wintersportzentrum und als sommerliches Reiseziel Tausende in die Polarzone lockt. Weil der Untergrund des Landes hartes Granitgestein ist, bedarf es selbst für die Hochbauten keiner kostspieligen Fundamente.
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Unweit des Schwedischen Theaters in Helsinki kommt die Blumenfreude des Finnen mitten in der Stadt zum beglückenden Ausdruck. Hier spielt sich der Blumenmarkt ab. Im Sommer blüht und prangt an vielen Ständen ein üppiger Flor; im Frühjahr werden bescheidene Topfpflanzen, die aber nicht billig sind, angeboten, gern gekauft und mit rührender Liebe gehegt und gepflegt. Selbst im harten Winter stehen hier die Blumenweiblein und bieten Äste mit Tannenzapfen feil. Wenige Schritte entfernt vom Blumenmarkt ist das Geschäft des Wunderläufers Nurmi, das keine Reklame braucht. Nurmi, einer der erfolgreichsten Olympiakämpfer aller Zeiten, und vor, mit und nach ihm viele andere Dauerläufer, Skilangläufer, Speerwerfer, Hoch- und Weitspringer, Zehnkämpfer, Turner, Ringer, Schwerathleten und namhafte Frauensportlerinnen haben den Ruhm Finnlands als eine der größten Sportnationen der Welt fest begründet. Die besonderen Bedingungen, unter denen das finnische Baueruvolk lebt: die ererbte Härte, die kräftige Waldluft, die Weiträumigkeit der Wege, das Training schwerer Berufsarbeit, die gehaltvolle Kost und nicht zuletzt das Gesundheitsbad der Sauna — alles zusammen hat die Finnen gleichsam zu ewigen Sportlern gemacht. Aber nicht in einseitiger Überbewertung der Körperkraft; harmonisch verbindet sich mit der Freude am Sport ein reges Bemühen um das geistige Leben.
D a s Fest der „weifjen Älützen" In keinem Lande der Erde gibt es im Verhältnis so viele Gebildete wie in Finnland. Seit mehr als dreihundert Jahren herrscht Schulzwang im Lande und wer eh und je heiraten wollte, hatte nachzuweisen, daß er lesen und schreiben konnte und daß er sich gut in der Bibel auskannte. Die Jugend Finnlands ist von einem ungewöhnlichen Lerneifer erfüllt. Zwar wird der Unterricht im Sommer unterbrochen; aber da die Sommerzeit nur kurz ist, bleibt reichlich Zeit zur Entfaltung des großzügigen und modernen Unterrichtsplanes; selbst die Lappenkinder müssen alljährlich ihren Schulranzen schultern. Höchster Ausdruck der öffentlichen Hochachtung vor dem Wissen und der Bildung ist der Abschluß des Schuljahres und das „Fest der weißen Mützen" im April. Wer um diese Zeit das Land betritt, erstaunt über die Vielzahl der weißen Kopfbedeckungen; man sieht sie auf jungen und weniger jungen Köpfen, sie zieren Männer und Frauen und stehen jungen
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Platz vor der Großkirdie St. Nicolai in Helsinki blonden Mädchen besonders gut. Die Mützen sind das Zeichen, daß der Träger seine Reifeprüfung bestanden hat und in den Kreis der akademischen Jugend Finnlands aufgenommen ist. Und diese Mütze bleibt dem, der die Schuljahre glücklich hinter sich gebracht hat, als Ehrenzeichen für das ganze Leben. In Finnland betrachtet man die Studentenmütze nicht als Zeichen eines besonderen Vorrechtes oder einer bevorzugten Klasse; der einfache Mann braucht sich nicht zurückgesetzt zu fühlen, denn auch seinen Kindern wird der Staat das Studium ermöglichen, sofern sie das geistige Rüstzeug dafür mitbringen. Das „Fest der weißen Mützen" ist der Tag, an dem die Ergebnisse der Abiturientenprüfungen bekanntgegeben werden. Die Aula der Schule ist gefüllt, Schüler und Eltern sind in ungeduldiger Erwartung. Jedermann hat langstielige Rosen, sorgsam eingehüllt, in den Händen. Die Rose ist als Symbol des Bildungsstrebens die Blume des finnischen Staatswappens, neben dem Löwen, der die Tapferkeit und die Unerschrockenheit des finnischen Mannes versinnbildlicht. Es ist unglaublich, wieviele Rosen alljährlich im April aus den Gewächshäusern Finnlands in die Schulstädte wandern, aber sie genügen keineswegs; und so kommt es, daß um diese Zeit große Mengen Rosen eingeführt werden, Rosen zum Tag der „Weißen Mützen". Längst wissen die Abiturienten, ob sie die Prüfung bestanden haben oder nicht, aber die gute Sitte verlangt, daß sie sich über11
rascht zeigen, wenn am Festtag das Ergebnis verkündet wird. Die weißen Mützen sind schon seit Tagen angeschafft und ihr fescher Sitz daheim vor dem Spiegel geübt. Das schwarze Samtband sticht vorteilhaft vom seidigen Weiß ab, und die vergoldete Leier an der Stirnseite über dem Lederschirm spiegelt im ersten Frühlingslicht. Zum Schulfest bringt man die Mützen mit, aber sie stecken noch verborgen in den Taschen. Sind die Zensuren verlesen, werden die Weißkappen aufgestülpt, die Papierhüllen rascheln zur Erde — die bereitgehaltenen Rosen kommen zum Vorschein und verbreiten einen betäubenden Duft. Eltern, Verwandte und Freunde umdrängen die Gefeierten, in deren Händen Rosengaben zu dicken Sträußen werden. Und dann — bezeichnend für die finnische Gemütsart — ziehen die jungen Menschen hinaus auf den Friedhof, um den Großteil der Blumen jenen zu spenden, die nicht mehr an der Freude des Lebens und der Jugend teilhaben dürfen. An den Gräbern der Mitschüler, den Gräbern der Gefallenen liegen am Abend dieses Tages unzählige Rosen. Denn Suomi hat alle seine gefallenen Söhne von den Soldatenfriedhöfen heimgeholt. Jedes Dorf und jede Stadt ehrt die Gefallenen auf einem Ehrenfriedhof der Gemeinde. Das „Fest der weißen Mützen" berührt nicht nur die Familien, deren Söhne und Töchter die Schuljahre und die Jugend beschließen. Wer berechtigt ist, dieses Symbol zu tragen, holt am Festtag die Mütze früherer Jahre und Jahrzehnte avis dem Schrank. Man sieht ältere und alte Männer und Frauen mit der weißen Mütze auf dem Kopf frohgemut mit den neugebackenen Muli durch die Straßen ziehen. Meist fällt das Fest auf die letzten Apriltage und leitet zur Walpurgisnacht über. Mit frohem Treiben wird der anbrechende Mai begrüßt, der wieder Sonne und Wärme in den Norden bringt. Im Mai beginnt die lange Reihe der hellen Nächte, in denen es nicht mehr dunkel wird. Um die Mittsommerwende liegt über Helsinki und über ganz Südfinnland der nördliche Horizont wie in Glut getaucht. Die Straßenlaternen werden wochenlang nicht mehr angezündet, die Zeit der Ferien und der großen Ausflüge auf das flache Land, zu den Seen und in die Wälder ist angebrochen, wo schon die Abtrift des Holzes begonnen hat.
A u f den S e e n und Kanälen Vor einigen Jahrhunderten noch reichte der Urwald bis an den Stadtrand von Helsinki. Dann rückten die Siedler langsam aus den Küstengebieten nach Norden vor. Der Urwald wurde gerodet, man 12
legte Weiden an, und die Viehwirtschaft wurde zur wichtigsten Nahrungsquelle. Später versuchte man, auf kargen Äckern Gerste anzubauen. Zur Gerste kam dann der Weizen, als kältefeste Saatsorten entwickelt waren; heute ist der Weizenanbau bis über den 64. Breitengrad hinaus möglich. Kartoffeln und Gerste, ja sogar Roggen gibt es am Polarkreis; die wetterfeste Feldfrucht reift innerhalb von 90 Tagen während des kurzen, heißen Sommers. In diesen Sommermonaten bietet die Landschaft Mittelfinnlands ein farbenfrohes Bild. Tiefblau liegen die Seen, saftiggrün sind ihre Ränder, dunkel stehen dahinter die endlosen Waldstrecken; hier und da ragt aus der unendlichen Weite ein viereckiger Glockenturm empor, daneben die geräumige Kirche. Manche dieser Steinkirchen reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück, in die Zeit, als in den norddeutschen Küstenstrichen die kirchlichen und weltlichen Backsteinbauten errichtet wurden. Der Einfluß der beginnenden deutschen Backsteingotik hat auch nach Finnland hinübergewirkt. So findet man an den aus schweren Moränenblöcken gefügten Baukörpern der Kirchen oftmals Verzierungen, Tür- und Fensterrahmen aus Backsteinen gemauert. Die Häuser und Gehöfte, die zu den Kirchensprengeln gehören, sind meist auf große Strecken verteilt. Man hat einen langen Weg zum sonntäglichen Gottesdienst, und meist sehen sich die Nachbarn nur beim Kirchgang. In jeder Kirche hängt ein großer Leuchter, darunter eine kostbare goldene Kugel, Stiftung der Gläubigen, aber man hat niemals gehört, daß eine dieser Kugeln gestohlen worden wäre. Diebstahl ist auf dem Lande unbekannt. Die Lagerhäuser neben den Bauernhöfen sind unverschlossen, wer etwas nötig hat, der bekommt es, niemand braucht sich etwas auf unrechtmäßige Weise anzueignen. Die Zehntausende von Seen sind nicht nur Schönheitspunkte in der Landschaft, sie sind auch ergiebige Nahrungsquellen und dienen auf weiten Strecken als Straßennetz. Ohne diese Seen und ihren Fischreichtum wäre die finnische Bevölkerung während des zweiten Weltkrieges wohl zu einem großen Teil verhungert. Fisch, Fisch in hunderterlei Zubereitungsarten — das war jahrelang die einzige Eiweißnahrung des hart arbeitenden und hartgeprüften Volkes. Die Seen sind auch die natürlichen Verkehrswege zwischen den Siedlungen und Arbeitsstätten. Tagelang fährt man auf den kleinen Dampfern von einem Gewässer zum andern. Wo die Seen nicht ineinandergreifen, oder wo Stromschnellen im Wege liegen, da hat man schmale Verbindungskanäle gegraben und gebaggert, um möglichst weite, durchgehende Strecken zu schaffen. Die Kanalwege 13
durch das Gewirr der Seen messen heute schon mehr als 6000 Kilometer. An den Ufern von Seen liegen die Städte Finnlands, sofern sie nicht Küstenstädte sind. Zum Seeufer drängt alles, auch der Bauer, der gern am Gestade siedelt, weil er auf dem Wasserwege seine Feldfrucht bequem heim oder zum Markt befördern kann; die Seen sind aus der Gesamtwirtschaft Finnlands nicht mehr wegzudenken; die Menschen haben sie genutzt und ihre Lebens- und Wirtschaftsgewohnheiten den Wasserflächen angepaßt. Z u m VV i l l k o m m e n : D i e S a u n a In einem der sauberen Bauernhäuser, das sich an einem der dunkelgrünen Waldseen hingelagert hat, sind wir für einige Stunden zu Gast. Wir kommen ohne Empfehlung, niemand kennt uns, und doch empfängt man uns mit unverhohlener und ungekünstelter Freundlichkeit. Die Gastfreundschaft ist für den Finnen ein Herzensanliegen; der Fremde, der an die Tür klopft, um bei einem plötzlich hereinbrechenden Unwetter für kurze Zeit Unterschlupf zu suchen, wird ebenso gastlich aufgenommen, wie der Reisende, der um ein Nachtlager bittet. Kaum sind die Worte der Begrüßung gewechselt, da steht auch schon die Erfrischung auf dem Tisch der Wohnstube, frische Milch oder Piimä, Dickmilch, oder die sahnige Viili, eine joghurtartige Milchzubereitung, die sehr anregend und schmachhaft ist. Der Bauer entschuldigt, sich, daß wir ein wenig warten müssen, die Sauna sei noch nicht richtig angeheizt. Wir sind überrascht und verlegen, denn wir haben nicht um ein Bad gebeten; aber wer die gute alte Sitte des Nordens kennt, weiß, daß die Sauna die selbstverständliche Ehrung des willkommenen Gastes ist, so wie man anderswo dem Fremden einen bequemen Lehnstuhl anbietet, damit er sich wohlfühlen möge. Ein Besucher, dem man ausnahmsweise das Bad nicht gewährt, weiß, daß man ihn nicht lange im Hause zu sehen wünscht. Und während wir sitzen und plaudern, hat der Älteste die Sauna geheizt. Das Badehaus steht unten am Ufer des Sees; jede Sauna muß an einem Ufer stehen, sonst ist sie nicht vollkommen. Zwar gibt es auch im Häusergewirr von Helsinki und in den anderen Städten Saunabäder, aber sie sind mehr oder weniger für die Fremden da und die ausländischen Besucher. Die echte finnische Sauna findet man nur draußen auf dem flachen Land, sie ist der Gesundheitsquell für die Menschen in Suomi. Ohne Sauna wäre der lange Winter kaum zu ertragen, die Bauern, Fischer und Waldarbeiter 14
würden unter ständigen Erkältungskrankheiten leiden. Sobald ein Neusiedler das Stück Urwald gerodet hat, das ihm zur Kultivierung zugeteilt ist, baut er zuerst eine Sauna. Darin haust er mit seiner Familie, bis er daran gehen kann, den Bau des Wohnhauses in Angriff zu nehmen. Die Sauna dient auch als Wochenstube. Die meisten finnischen Bauernkinder werden in der Sauna geboren. Das Herz der Sauna ist ein Steinhaufen, kunstvoll und ohne Mörtel geschichtet. Die Steine werden aus dem Wildfluß genommen, vom Seeufer, es sind runde, vom Schmelzwasser abgewaschene Granitbrocken. Sie aufzuschichten ist eine Kunst, die nur der Nordländer richtig versteht. Der Steinhaufen muß so übereinandergefügt sein, daß darunter ein Hohlraum bleibt, groß wie eine mittlere Hundehütte. Erst wenn die Steine zweckdienlich geschichtet sind, wird darüber aus rohen Baumstämmen das Saunahaus errichtet. Es hat zwei Räume; einen An- und Auskleideraum, in dem einige Ruhebetten aufgeschlagen und meist mit Fellen belegt werden. Vom Ruheraum führt eine niedrige Tür in den eigentlichen Saunaraum, in dessen Mitte sich der kunstvoll gebaute Steinhaufen erhebt. Ein winziges Fensterchen läßt etwas Tageslicht herein. In der steinernen Höhlung wird das Feuer entfacht. Brennholz sind trockene Birkenscheite, die der Bauer mit Fichtenknüppeln mischt. Große Stücke getrockneter Birkenrinde dienen zum Anzünden. Sie brennen knisternd mit bläulicher Flamme und setzen die Scheite schnell in Brand. Da es keinen Kamin gibt, muß der Rauch sich zuerst im Raum halten, ihn ganz ausfüllen; dann erst zieht er durch die Ritzen zwischen den Stämmen und durch das Schindeldach ins Freie; er läßt aber alle Wirkstoffe und die harzigen Düfte zurück. Was im Laufe von vielen Jahren im Walde gewachsen ist, wird durch die Flamme verzehrt, aber es bleibt der Ruch der frischen, gesunden Natur und der heilsame Brodem der Wildnis. Nach einer halben Stunde ist die Holzladung abgebrannt, der Steinhaufen muß neu beschickt und immer wieder beschickt werden, bis nach zwei Stunden die runden Granitbrocken eine dunkelrote Färbung angenommen haben — die Steine glühen. Das ist der Augenblick, da man die Sauna „stehen" läßt. Die Glut bleibt unter den Steinen liegen und vergeht langsam innerhalb einer weiteren Stunde. Jetzt werden Fensterluke und Türen geöffnet, damit die letzten beißenden Holzgasschwaden verziehen können. Dann werden Tür und Fenster wieder geschlossen, die Gäste dürfen kommen. Im Vorraum werfen wir die Kleider ab. Der Bauer hat uns freundlichst die notwendigen Verhaltungsmaßregeln gegeben; wir wissen, was wir zu tun haben, damit das Bad zur vollen Wirkung 15
kommt. Durch die niedrige Tür betreten wir den Saunaraum, ein Schwall von Hitze schlägt uns entgegen. Wir ringen einige Sekunden nach Luft. Unsere Freunde, die mit uns gekommen sind, weisen auf die Bottiche mit kaltem Seewasser in der Ecke. Wir tauchen unsere Hände hinein, benetzen Schläfen und Herzgegend mit kaltem Wasser, und sofort verschwinden alle Beklemmungen. Die Zeremonie des Saunabades kann beginnen. Die Badegäste nehmen Platz auf den Stufen des treppenartigen Holzgestells, das sich seitlich erhebt. Der Gastgeber tritt mit einer Holzkelle aus Maserbirke an den Steinhaufen und sprüht kaltes Wasser über die rotglühenden Granitbrocken. Im Nu verzischt das Wasser, und eine trockene Hitzewelle breitet sich jäh durch den Raum. Wie Schauer fährt es über unsere Körper. Schweiß tritt aus allen Poren, man sitzt und schweigt und hört die eigenen Pulse hämmern. Aber nun hält man es nicht länger in dieser unerhörten Hitze aus. Wir stürzen ins Freie, werfen uns in das eiskalte Wasser des Sees, schwimmen einige Stöße. Das Wasser erscheint uns wohlig warm. Wir empfinden keinen Unterschied zwischen der Hitze da drinnen und der Kälte hier draußen. Erst nach zwei oder drei Minuten geht erneut ein Schauer über die Haut, jetzt erst verspürt man die Kälte des Wassers. Das ist das Signal zum Abbrechen der Kur im Freien. Also wieder hinein in die Sauna! Und nun merkt man nichts mehr von der Hitze da drinnen. Wieder wird kellenweise Wasser auf die Steine geschüttet, wir klettern einige Stufen höher; da erst kommt erneut der Schweiß, diesmal in Strömen. Die Sauna wirkt. Der Gastgeber hat Birkenzweige rutenförmig gebündelt und schlägt unsere Körper, damit die Blutzirkulation voll in Gang kommt. Dann wieder hinaus in den kalten See, und erneut hinein in die Hölle der Sauna! So geht es mehrere Male. Ein Saunabad muß gründlich sein. Jede Pore muß sich öffnen, alle Krankheitskeime sollen mit dem abgesonderten Schweiß den Körper verlassen, die Lungen atmen frei, das Herz schlägt nun regelmäßig und erleichtert. Dann, nach einem letzten kurzen Bad im See, wickelt man sich in die bereitgelegten Tücher. Nun ist die Zeit der Ruhe gekommen; das Bad hat seine Dienste getan. Man liegt, eingehüllt wie Mumien, man trinkt Tee oder kühlende Getränke. Zum Sprechen ist man nicht aufgelegt, Müdigkeit überkommt den Körper, letzte Schweißperlen treten auf die Stirn, verdunsten, trocknen ab. Nach einer Stunde oder nach zwei Stunden erheben wir uns und schlüpfen in die Kleider. Wir fühlen uns frisch wie nach einem erquickenden Schlaf, auch der Geist ist erholt. Drüben im Haus des Bauern wartet die wohlzubereitete Mahlzeit; der Appetit ist unendlich groß. 16
S e i den Holzfällern im Urwald Nur ungern läßt man uns ziehen, wir müssen versprechen, einmal wiederzukommen. Niemand erwartet Dank oder ein Entgelt, sie freuen sich, daß wir zufrieden sind. Noch ein Stück Weges gibt uns die ganze Familie das Geleit, dann nimmt uns das Dunkel des Waldes auf. Unser Ziel ist das Lager der Holzfäller. An armseligen Ödlandssiedlungen vorbei, über kaum sichtbare Saumwege erreichen wir den Arbeitsplatz am Hange eines dicht bestandenen Moränenhügels. Ohne viele Formalitäten macht uns der Vormann mit seinen Leuten bekannt. Es sind harte, wettergewohnte Männer mit kräftigen Körpern, den Muskeln von Ringern und den Herzen von gutmütigen Kindern. Als Begrüßungstrunk reicht man die Branntweinflasche; es ist empfindlich kalt, und der Schluck wärmt uns die starren Glieder. Aus wetterharten Gesichtern strahlen uns blaue Augen entgegen. Die Bewegungen der Männer sind langsam, jeder Handgriff, jeder Schritt scheint überlegt zu sein. Im Umgang mit den schweren Baumstämmen haben sie diese Bedächtigkeit erlangt. Sie tragen buntkarierte Hemden aus Wolle oder Flanell, am Gürtel ihrer Hosen hängt der unvermeidliche Puukko, das breite, scharfe Finnenmesser mit stehender Klinge, Werkzeug und Waffe zugleich. Ihre Füße stecken in Saapas, in Lederstiefeln aus rohgegerbtem Leder. Die
Land der Schären, Wälder und Seen 17
langen Stulpen reichen bis über die Knie hinauf, werden aber bei der Arbeit lässig heruntergeklappt. Der Stiefelfuß endet als Spitze, die zugleich Halt für die Skier ist; denn jeder dieser Männer ist ein ausgezeichneter Skiläufer, er muß es sein, weil er sonst durch viele Monate im Jahr nicht vom Fleck käme. Die meisten weltbekannten finnischen Skiläufer sind ja daheim Holzknechte oder Waldarbeiter. In einer Lichtung, die sie in den Urwald geschlagen, haben die Waldarbeiter ihre Hütte gebaut. Das Haus, ein langgestreckter Bau, ist aus rohen Baumstämmen gefügt, das Dach mit mehreren Schichten Holzschindeln oder Astwerk gedeckt. Das wärmt und kühlt. In der Mitte des Hauses, das innerhalb weniger Tage ohne Nagel und ohne anderes Werkzeug als Axt und Säge in der Waldlichtung ersteht, wird ein Kamin hochgezogen, darunter kommt der große Ofen aus Steinen und Lehm. Rechts und links dehnen sich die beiden Räume für je etwa 25 Mann. Der Koch, eine gewichtige und wichtige Persönlichkeit, wohnt und hantiert in der Mitte neben der Feuerstelle. Pritschen, Bänke und Tische — alles wird an Ort und Stelle aus Balken gebaut, jedes Stück massiv und klobig, wie für viele Geschlechter. Im Herbst, wenn die Flüsse Suomis und seine 66 000 Seen sich langsam wieder mit einer Eiskruste überziehen, wenn der Tag nur noch wenige Stunden dauert und der Regen von einer Nacht zur anderen in Schnee übergeht, werden überall im finnischen Urwald diese Holzfällerhütten gebaut und bezogen. Und dann ist der Winter da, die Schneemassen rieseln lautlos herab und überdecken das Land. Drunten im südlichen Mitteleuropa blühen um diese Zeit die letzten Rosen in den Vorgärten, werden die Spätbirnen geerntet und der letzte Wein. Hier im Norden aber hat für lange Monate der Winter wieder sein strenges Regiment angetreten. Das ist die Zeit des großen Holzschlags im Urwald Suomis. Früh am Morgen wird es in der Holzfällerbehausung lebendig. Noch herrscht die fahle Dämmerung. Man sieht nur zwei Farben, das blendende Weiß der liegenden und herabrieselnden Schneemassen und das Grau der Stämme und der Felshänge, auf denen der frische Schnee noch keinen Halt findet. Auch die grünen Äste der Fichten, die sich langsam unter den Schneelasten herabsenken, haben diese eintönige, graue Färbung angenommen. Bevor sie aufbrechen, erhalten die Waldarbeiter ein reichliches und fettes Frühstück. In eisernen Pfannen sind große Stücke Speck ausgebraten. Die Männer langen sich mit der Spitze ihres Puukko faustgroße Stücke aus der Pfanne und legen sie auf ihr Brot. Flach, dunkel und hartgebacken ist dieses Brot, es wird in großen Ringen 18
geliefert und hängt an einer Querstange in der Baracke. Gebratene oder mit viel Fett angerichtete Kartoffeln werden gereicht, und dazu gibt es Kaffee, den die älteren Holzfäller am liebsten leicht gesalzen trinken, die jüngeren Leute — verweichlichte Milchbärte! — stark gesüßt. Nun werden die Pfeifen in Brand gesetzt, die Stulpen der Saapas über die Knie hochgezogen, damit man bequem durch die Schneewehen waten kann. Das scharfgeschliffene Werkzeug ist zur Hand, Axt und Säge; so geht es in langer Kolonne in den Winterwald. Holzfällen ist eine schwere Arbeit. Wer aber diesen finnischen Holzfällern zuschaut, dem kommt das emsige Hantieren wie eine vergnügliche Beschäftigung vor; alle Arbeitsgänge greifen fast spielerisch einfach ineinander. Erst wenn man selbst versucht, mit den wenigen Schlägen, die ein eingefahrener Holzfäller dazu braucht, eine starke, fast mannsdicke Fichte zu fällen, erst dann merkt man, daß zu dieser Arbeit langjährige Übung, Erfahrung und stählerne Muskeln gehören. Die gefällten Stämme werden sofort entastet, man kappt die Krone und schleift den Stamm zur Abfahrtschneise. Die Herstellung einer Abfahrtschneise oder Abfahrtbahn ist echt finnisch. Sobald die Einschlagstelle bestimmt ist, macht sich einer der Männer mit seinen Skiern auf, durchforscht den Wald und sucht die geeignetste und kürzeste Verbindung zum nächsten See. Irgendwo und irgendwie ist in den finnischen Forsten immer ein See zu erreichen. Ist die Verbindung gefunden, so gilt es, eine abfallende Strecke vom Holzschlageplatz bis zum See ausfindig zu machen. Die Strecke darf ruhig in einigen Windungen verlaufen, sich den Geländefalten anpassen, sie muß nur ein gutes Gefälle zum See haben. Den geländekundigen Waldläufern ist das kein Problem. Die Bahn wird kurz markiert, ein Pferd vor einen leeren Schlitten gespannt und über die Strecke geschickt. Die Kufen drücken eine tiefe Fahrfurche in den weichen Schnee; dann wird in großen Bottichen Wasser herbeigeschafft und in Güssen in die Kufenspuren gespritzt. Das Wasser gefriert sofort, und innerhalb von Minuten ist die Fahrbahn fertig. Wie auf den Schienen einer Eisenbahn gleiten die beladenen Schlitten leicht über die Abfahrtsstrecke. Das Pferd hat eigentlich nur die Anstrengung der Anfahrt, dann läuft der schwerbefrachtete Schlitten durch sein eigenes Gewicht in den vereisten Kufenspuren dahin bis zum gefrorenen Seeufer. Dort werden die Stämme abgeladen und auf das Eis gekippt. Die Gehilfen des Forstmeisters messen sie ab, schlagen den Stempel der Waldgesellschaft ein. So, nun mag der Stamm liegen und sich überschneien lassen. Erst im Frühjahr wird man sich wieder um ihn kümmern. Schon ist das Pferd mit dem leeren Schlitten wieder unterwegs und geht seine Eisbahn, und wieder 19
werden nach Minuten in einer neuen Schlittenlast Stämme herangebracht, auf das Eis der Seefläche geworfen, gemessen und gestempelt und ihrem Schicksal überlassen. Bis zum Eintritt der Dämmerung am Nachmittag arbeiten die Holzfäller ohne Pause; denn die Tage sind zu kurz, um lange z u . verschnaufen. Mit schweren, bedächtigen Schritten kehren die Männer schweigend in die Behausung zurück. Wärme Fettdünste wehen ihnen entgegen, die Hauptmahlzeit des Tages wartet auf sie. Es gibt eingedickte Suppen, es gibt reichlich Fleisch, auch schon mal Rentierfleisch, beliebt aber ist das fette Schweinefleisch, dazu reichlich Kartoffeln. Für Gemüse hat der Holzfäller wenig Meinung, es ist rar im Lande. Fettes Fleisch ist ihm lieber; es sättigt und hält warm. Und wieder kreist der unvermeidliche Kaffeekessel und muß oftmals nachgefüllt werden. Am Abend gibt es dann noch fettgeschmierte Brote mit Belag und Kaffee. Die Holzbaracke ist gut geheizt, man braucht mit Holz nicht zu sparen. Man sitzt um das Feuer, schärft das Werkzeug oder schnitzt mancherlei Gerät aus Holz und läßt dabei die Pfeifen niemals ausgehen. Einer erzählt eine lustige Schnurre; dann dröhnt das Lachen der Männer weithin durch das Dunkel; oder ein Lied erklingt zum Klange der Mund- und Ziehharmonika, mit endlos vielen Strophen und wehmütigem Tonfall. Und dann erlöschen die Lichter, nur die Feuerstelle in der Barackenmitte bekommt neue Nahrung. Draußen rieselt der Schnee und deckt auch die Eisrinne zu, die morgen wieder neu mit Wasser ausgeschwenkt werden muß, damit das Pferd mit seiner Last auf dem Schlitten gut vorankommt. Über dem Urwald weht das geheimnisvolle Nordlicht, schön wie das höchsteigene Gewand Gottes. D a s g r ü n e Lro
iSuomis
Wer von Finnland sprechen und schreiben will, der wird immer vom Urwald berichten, denn er ist es, der den ganzen Lebensrhythmus dieses kleinen, emsigen Volkes bestimmt. Das Holz ist Finnlands größter Exportartikel. Mit Holz hat Finnland nach 1918 und zum großen Teil auch nach 1945 seine Kriegsschulden und Anleihen bezahlt, mit Holz hat Suomi im Handel mit dem Ausland alle die Gegenstände und Artikel des täglichen Bedarfs kaufen können, die seiner Bevölkerung einen verhältnismäßig guten Lebensstandard ermöglichen. Holz ist der Hauptreichtum Finnlands und er ist praktisch unerschöpflich. Es gibt zwar noch einen anderen Reichtum, aber er läßt sich weder exportieren noch mün20
zen; es ist die edle Gesinnung der Finnen, ihre Gastfreundschaft, ihre Ehrlichkeit und alle jene Tugenden, die sie als kleines Volk in der gewaltigen Völkerfamilie dieser Erde so bedeutend gemacht haben. Nur ein Mensch ohne Herz und Gemüt kann es fertigbringen, Finnland und die Finnen nicht zu lieben. Stolz darf sein, wer die Namen von Finnen aufzählen kann, die seine Freunde sind; es sind Freunde, die auch in Not und Gefahr nicht versagen. Daß der Wald Finnlands nahezu unerschöpflich ist, beweisen die recht hohen Einschlagzahlen der Kriegs- und Nachkriegszeit. In diesen Notzeiten wirbelten zehntausende Äxte vom frühen Morgen bis zum späten Abend, hunderttausende, Millionen Stämme sanken in den Schnee. Damals befürchtete man, daß innerhalb weniger Jahre vom grünen Gold Suomis nicht mehr viel vorhanden sein werde. Aber es war ein Irrtum. Die Raubbaujahre haben dem Waldbestand des Landes nur wenig anhaben können. Finnlands Holz ist begehrt. Die Sommer sind kurz, die Winter lang: die Jahresringe, die sich nur während der Sommermonate bilden, liegen wegen der kurzen, sommerlichen Wachstumszeit dicht hintereinander und verleihen dem Holz eine außergewöhnliche Festigkeit. Bei solch kurzfristigen Wachstumszeiten versteht man, daß die finnische Fichte erst in dreihundert Jahren Mannesdicke erreicht. Sie wächst dann auch nicht mehr weiter, sondern trocknet langsam ein. Überall im Urwald Finnlands findet man die erstorbenen Bäume. Sie haben ihre Rinde verloren. Wind, Wetter, Kälte und Sonnenglut haben dem entblößten Holz eine glänzende, seidige, dunkelgrüne Patina verliehen. Etwa 50 Jahre lang kann solch ein Stamm noch stehen bleiben, dann aber sind die Wurzeln so morsch geworden, daß der nächste kräftige Sturmwind den Veteranen umwirft. Er kracht zusammen und liegt auf dem dichten Moosteppich. Die Tiere des Waldes schleichen über ihn hinweg, der Schnee deckt ihn zu, die Sonne dörrt ihn aus. Noch jahrelang liegt er da, eisenhart geworden, wie versteinert, dann beginnt der gänzliche Zerfall. Nach weiteren 50 oder 100 Jahren findet man auf dem Moos nur einen gelben, dünnen Streifen aus verwittertem Holz, letzte sichtbare Spur eines Urwaldbaumes, der vor 500 Jahren als Sämling gekeimt hat und mühsam und bedächtig zur Sonne emporgewachsen ist. Die Holzfäller reißen nicht alle Bäume nieder, hier und dort bleibt ein besonders kräftiger Baum als Samenspender stehen, mehr braucht man nicht, um den Urwald zu erhalten. Der einsame Baum wird nur alle 25 oder 30 Jahre reifen Samen ausstreuen, aber die Winde werden ihn über die Kahlflächen wehen, und in 50 Jahren wird ein neuer Wald dort grünen. 21
M i l l i o n e n »Stämme t r e i b e n z u m JVleer Die Stämme liegen geschlagen auf den gefrorenen Seen. Sie sind gemessen, registriert und gestempelt. Es sind unermeßliche Werte, ! die hier die weiten Eisflächen bedecken. Und eines Tages, im April oder Mai, kracht die Eiskruste; der Frühling ist da, die Sonne steht schon länger über den Wäldern. Nach einer Woche — es geht alles viel rascher als bei uns — ist das Eis geschmolzen, nur an den Rändern der Seen, an den Nordufern, halten sich noch einige geringe Flächen brüchiger Schollen. Die Millionen Stämme schwimmen, der Wind treibt sie von einem Seeufer zum anderen. Das ist die große Zeit der Flößer. Die Holzfäller verlassen die Hütte und helfen mit bei der Abtrift der Stämme. Das Holzhaus bleibt stehen, herrenlos. Vielleicht wird sich später ein Neusiedler darin sein Heim einrichten, vielleicht wird auch nie wieder einer darin wohnen. Die Hütte wird noch nach Jahrzehnten zu sehen sein, bis sie eines Tages unter dem Anprall eines Eismeersturmes zusammenbricht und auf dem Waldboden verfault. Mit großer Geschicklichkeit springen die Flößer von einem Baumstamm zum anderen, sie treiben die Stämme zusammen, sie bringen sie in Bewegung, und langsam, manchmal von kleinen Motorbooten gezogen, schwimmt der abgeschlagene Wald über die endlosen Seen. Er wird durch enge Verbindungskanäle geschleust, man schiebt die Stämme mit langen Stangen voran, und nach Tagen oder nach Wochen erreichen sie einen Wildfluß oder einen der großen Ströme, die fast alle in den Bottnischen Meerbusen münden. Die Stämme werden vom Wildwasser erfaßt, umhergewirbelt und schießen zu Tal. Nichts vermag sie aufzuhalten, nirgendwo können sie sich sammeln oder verirren, niemand wird es wagen, einen mit voller Wucht dahinschießenden Baumstamm aus dem tosenden Wasser zu fischen. Die Flüsse und Ströme Suomis sind die besten, die raschesten und sichersten Wege zum Transport des grünen Goldes. Erst kurz vor der Einmündung in das Meer, im oft kilometerbreiten Delta, schwimmen die Bäume wieder beruhigt dahin. Und dort stehen schon die Flößermeister und Forstbeamten des Staates und der Waldgesellschaften mit ihren Männern. Sie sehen die Stempel auf den einzelnen Stämmen und wissen genau, welcher Posten jetzt und für die nächsten Stunden oder Tage daherschwimmt. Eine lange, viele Kilometer messende Sperre aus aneinandergekoppelten Stämmen ist gebildet, um den ankommenden Segen aufzufangen, zu ordnen, zu lenken. Im Hafen warten bereits die Schiffe auf die willkommene Fracht, unermüdlich fischen die Ladebäume Stamm um Stamm an 22
Bord. Berge von Baumstämmen wandern aber auch an Land, denn drüben rauchen die Schornsteine der Zellulose- und Papierfabriken, dort stehen die großen Sägemühlen und andere Industriewerke, die Holz als Rohstoff brauchen. Von der Schneeschmelze bis zum Herbst schwimmen die im Winter geschlagenen Stämme zu Tal. Niemals, nicht eine Minute reißt der endlose Holzstrom ab. Sie schwimmen, während die Mitternachtsonne droben jenseits des Polarkreises leuchtet, sie schwimmen lautlos zwischen dem Kuckucksruf und dem Locken des Auerhahnes, vorbei an Siedlungen und durch einsame Waldgründe. Erst wenn Ende August beim frühen Frost plötzlich die Birkenblätter gilben und in das Wasser rieseln und mit in die Ferne schwimmen, wird der Holzstrom lichter. Wenn dann die Vereisung der Seen und Bäche einsetzt, hört das Flößen ganz auf. Drunten in den Mündungen haben sie Vorräte genug für die langen Wintermonate. Die Schiffe aber müssen sich beeilen mit dem Abtransport der Stämme, Bretter und Zelluloseballen, weil das Bottnische Meer rasch zufriert und manchmal erst nach Ostern wieder auftaut. Im Urwald sind die Holzfäller in dieser Zeit schon wieder dabei, neue Wohnbaracken zu errichten. Auch sie müssen sich sputen; denn es hängt bereits Schnee in der Luft und nächtens strahlt wieder das wundersame Nordlicht. Das Jahr des Holzfällers, des Waldmannes und Flößers hat eigentlich keinen Anfang und kein Ende — es ist ein ewiges Schaffen um das grüne Gold Suomis, das wertvoll und beständig bleibfwie der Granitboden, aus dem es hervorwächst. E i s m e e r s t r a i j e i n s L a n d d e r JVi.itternaaitssonne Nicht nur Bücher und Menschen, auch Straßen haben ihre Schicksale und ihre Geschichte. Eine dieser Schicksalsstraßen ist die Verbindung zwischen Rovaniemi, der Hauptstadt Lapplands, dieser nördlichsten Provinz Suomis, und der Eismeerküste am Rande Europas. Das letzte Drittel dieser wichtigen, geradezu einmaligen Straße gehört heute nicht mehr zu Finnland; der meernahe Teil wurde mit dem Lande Petsamo an Rußland abgetreten. Finnland hat seitdem nach Norden hin keine landeseigene Verbindung mehr zum Meer. Auch Liinahamari, der Endpunkt der 520 Kilometer langen Straße, ist heute nicht mehr finnisches Gebiet. Und doch ist es dieser Hafen, der bei der Geburt der Eismeerstraß'e Pate gestanden hat. Im ersten Weltkrieg war Finnland durch die Sperre der Ostsee vom Welthandel abgeschnitten. Gigantische Holzmassen stauten sich auf 23
den Stapelplätzen an den Küsten und konnten nicht mehr außer Landes auf die Märkte gelanget; aber auch kein Schiff brachte Lebensmittel oder Rohstoffe von draußen herein. Auch Schweden litt unter der Blockade, seine Schiffe wagten sich nicht mehr durch den Sund aus der Ostsee in die Nordsee. Vom Atlantischen Ozean war nach Schweden und Finnland allein der Seeweg über das Nordkap offen, an der Eismeerküste entlang. Hier bleiben die meisten Häfen auch in strengsten Wintern noch eisfrei, während oft genug die sicher gelegenen Ostseehäfen, besonders aber das Bottnische Meer völlig zufrieren. Das Wunder vollbringt der Golfstrom, der mit seinem warmen Gewässer die Nordküste auch im Winter umspült. Die Fabrikanten von Tampere und die Geschäftsleute von Helsinki waren also gezwungen, Waren aus dem Ausland übers Nordkap zum Eismeerhafen Liinahamari an der Petsamobucht schicken zu lassen. Dort wurden die Schiffe, weitab von jeglichem Kriegsgeschehen, gelöscht, und dann kamen endlose Karawanen von Lappenschlitten. Alle Lappensippen hatte man zum Transport verpflichtet. Tausende von Rentieren zogen die hochgefüllten Lastenschlitten durch die Einöde, mehr als 500 Kilometer weit nach Rovaniemi, zur nördlichsten Bahnstation Finnlands, wo Anschluß an das südliche Bahnnetz des Landes bis nach Tampere und Helsinki bestand. Das alles war zeitraubend und teuer. Zudem wollte Finnland für künftige politische Verwicklungen in Europa nicht noch einmal auf ähnliche Art vom Welthandel ausgeschlossen werden. So wurde zunächst eine Bahnlinie von Rovaniemi bis zum Eismeer erwogen, aber dieser Plan erwies sich als undurchführbar. Ein Bahnkörper würde nur schwerlich den langen Lapplandwinter ohne größere Schäden überstehen. Eine Bahnlinie blieb auch immer verwundbar, viel unempfindlicher war eine Straße. Und so wurde, auf der Spur der alten Rentierpfade, diese einmalige Nordlandstraße gebaut. Schweden beteiligte sich an den Kosten. In Rovaniemi am Bahnhof beginnt die Autobahn, führt über den Kemifluß und überquert schon nach wenigen Kilometern den Polarkreis. Ein mehrsprachiges Schild verkündet an dieser Stelle, daß hier der nördliche Polarkreis entlangführt. Dann strebt die Eismeerstraße pfeilgerade und breit durch den endlosen Urwald. Erst viel weiter nördlich wird sie schmaler und verläuft in zahlreichen Windungen. Bald ist das Land der Tunturis erreicht, der abgerundeten Hügel Lapplands. Alle diese bis zu tausend Meter anfragenden Hügel sind kahl; die Baumgrenze befindet sich hier schon bei 100 Meter Höhe, während sie im Allgäu zum Beispiel bis 1600 Meter hinaufreicht. Hinter der Stadt Ivalo am großen Inarisee wird der Wald lichter, die Straße nähert sich der nördlichen Baumgrenze Europas. Der 24
Wälder mit Millionen Stämmen schwimmen zu Tal Nadelwald bleibt bald ganz zurück, höchstens, daß in geringen Senken noch Krüppelkiefern ein armseliges Dasein fristen. Die Birke aber begleitet die Eismeerstraße noch eine Strecke weiter. Manchmal glaubt man eine künstlich angelegte Pflanzung anzutreffen, so regelmäßig und fast in Reihen, mit exakten Abständen, stehen hier die Birken. Seltsame Laune der Natur, die bestimmt, daß jeder Birke ein großer, fast gleichmäßiger Lebensraum zur Verfügung zu stehen hat! Bald hört auch dieser „Birkengarten" auf, es sind nur noch verkrüppelte Pflanzen rechts und links der Straße zu sehen, und dann lange Zeit nur Rentiermoos und geringe Flechten. Nach einer weiteren Stunde Fahrt bietet sich das gleiche Bild des Pflanzenlebens, aber in umgekehrter Anordnung: Es erscheinen wieder geringe Birken, sie werden nach und nach höher und kräftiger. Bald sieht man auch wieder Krüppelkiefern, dann höhere Fichten, und man weiß, daß sich die Straße ihrem Ende nähert. All diese Pflanzen und Bäume können sich nur behaupten, weil der Golfstrom nahe ist und seine lebenspendende Wärme ins Binnenland weht. Und dann ist das Eismeer in Sicht und der Blick schweift über vorgelagerte Inseln hinweg in die Weite des Polarmeeres. 25
M.ittsommerwen
den Mantel angeweht, bewegen sich nun seine Falten, schieben sich übereinander. Und da wechselt erneut die Farbe, der Faltenwurf wird blaßrot, dann leuchtendrot, und verblaßt, bis er nur noch fahl und gelblich in der Unendlichkeit hängt. Bald huschen alle Farben des Spektrums eilig über den Faltenwurf, bald verweilen sie nacheinander, lösen sich nur zögernd ab, verschwimmen ineinander. Die Himmelserscheinung des Nordlichtes ist eine der schönsten Offenbarungen der Natur. Gewaltige elektrische Entladungen der Sonne werden vom Magneten Erde an die Pole gezogen und bringen die Lufthülle über den Polarräumen zum Leuchten. Glücklich zu preisen ist derjenige, der die sogenannte Krone erlebt. Nur selten ist sie zu sehen. Dann strahlt das Nordlicht besonders stark, der reiche Faltenwurf bewegt sich nicht, er bleibt geschlossen als vollendeter Kreis. Und genau in der Mitte dieses Kreises, dieser Krone aus Licht und Farbigkeit, strahlt der Polarstern; die Krone zeichnet über der Stratosphäre die Umrisse der Polarkappe ab. Es folgen die langen, dunklen Winternächte, rasch sind sie da, wenn der kurze nordische Sommer mit all seiner Glut und mit der unerhörten Fülle seines Lichtes vergangen ist. Richtig hell wird es dann eigentlich nicht mehr am Polarkreis und nördlich davon. Aber schon zur Mittwinterwende kurz vor Weihnachten sieht man vielleicht im Süden wieder einen schwachen Lichtstreif am Horizont. Und bald, nach Tagen, wird um die Mittagsstunde das Leuchten im Süden heller. Und eines Tages ist die Sonne wieder da, für Minuten nur, und die Menschen gehen wie trunken vor Freude einher und bestaunen das Leuchten wie ein nie erlebtes Ereignis. Die Bogen zwischen Aufgang und Untergang der Sonne werden von Tag zu Tag größer gesp-annt. Der Februar bringt die Wende.
Im hödisten N o r d e n Wenn die Sonne wieder länger über das Land scheint, wenn die Schneemassen sich gesetzt haben und die Luft so beruhigt ist, daß der Rauch kerzengerade emporsteigt und sich nur langsam oben verteilt, beginnen die Lappensippen mit der großen Rentierscheidung. Noch sind die Nächte eisig, das Thermometer zeigt 30 und 40 Grad an, und der Schnee knirscht unter den Schiern. Die trockene Kälte ist jedoch gut zu ertragen und durchaus gesund. Die Rentierherden, der ganze Reichtum der Lappen, waren das ganze Jahr über sich selbst überlassen. In der Stille der Urwälder hatten die Kühe ihre Kälber geboren; dann wanderten die Rudel, unter Führung 27
der Leitbullen, nach Norden bis zum Rande des Eismeeres, auf die Tundra, wo das gute Rentiermoos üppig gedeiht. Jetzt, da die Monate des ewigen Tages angebrochen sind, verbringen die Rentiere die Weidezeit in der freien Tundra, wo sie weniger von Mücken und anderem Ungeziefer geplagt werden als im feuchten Wald; denn die Mücken sind die große, die erste und die „siebente Plage" Lapplands. Mit der Wärme kommen sie alljährlich zu Millionen und Milliarden aus den Mooren, Sümpfen und Tümß ein, sind überall da, eine wahre Geißel für Mensch und Tier. Ein uraltes Lappen-Märchen, das sie dem Besucher gerne erzählen, berichtet folgendes über die Herkunft der Mücken. Als Gott, der Herr, Lappland erschaffen hatte, gefiel es dem Teufel nicht, daß dieses neue Werk der Schöpfung so schön war in seinen Wäldern, seinen Seen und den Tunturihügeln. Mehrmals versuchte Satan den hohen Zaun zu übersteigen, den der Herr vorsorglich um das.Paradies des Landes errichtet hatte; der Herr aber jagte den Eindringling zurück. Der Teufel aber entdeckte eine kleine Öffnung im Zaun; rasch formte er aus seinem Nasendreck ein paar Fliegen und ließ sie durch das Loch in das schöne Land Gottes, Lappland genannt, hineinfliegen. Dort haben sie sich vermehrt, und sind zur furchtbaren Last geworden. Über die Entstehung der Tundra an der Eismaerküste berichtet ein anderes Lappenmärchen: „Gott hatte die Welt erschaffen, alles war ihm wohlgeraten. Aber in seinen Händen hielt er noch einige Häuflein überflüssiger Schöpfungsmasse, nur so ein paar tausend Geviertkilometer Ödland, einige Fjorde und Wildflüsse, viel Rentiermoos und wohl eine Million Felsbrocken, die meisten mehr als mannshoch. Er warf all dies Unnütze ganz hoch im Norden an den Rand des Eismeeres, dort, wo niemand wohnte und wo es niemand störte. Das ist dann die Tundra geworden, der nördlichste Teil Lapplands. Als der Herr aber entdeckte, daß die Menschen auch in diese entlegenen Landstriche wanderten, bescherte er ihnen zum Tröste und zur Freude das Geschenk seiner Mitternachtsonne und das magische Leuchten des Nordlichtes." Sobald die Zeit der Nächte heraufgestiegen ist, beginnt die Wanderung der Rentiere nach Süden, in das Gebiet der Urwälder, wo das Rentiermoos, herrliche Weide für den Winter, noch unangetastet liegt. Die Lappensippen setzen sich in die Spur der ziehenden Rudel, und eines Tages werden die Tiere mit vereinten Kräften in die großen Gatter getrieben. Jeder Rentierbesitzer sucht sich die Rene seiner Ohrmarke aus, fängt sie mit dem Lasso ein, die Jungtiere werden gezeichnet, die älteren Tiere und die überflüssigen Jungbullen ge28
Ren-Karawane zieht durdi das einsame Lappland schlachtet. Besonders gutgebaute Tiere sucht man aus als SchlittenRene. Sie werden eingefangen, geworfen und dann legt man ihnen das buntbestickte Ledergeschirr um. Sie werden es immer tragen, denn das Ren ist scheu und läßt sich nur ungern von Menschen anfassen und aufzäumen. Um seine Nahrung braucht sich der Besitzer nicht zu kümmern; abends bindet er das Schlittenren an die nächste Fichte, sofort wittert es, schlägt mit seinen kräftigen Vorderläufen die Schneedecke auf und tut sich gütlich an dem darunterliegenden Rentiermoos. Mehr braucht das Rentier nicht, um kräftig zu bleiben. Wird es vor den Schlitten gespannt und spürt es das Leitseil an seiner Flanke, so setzt es sich in Trab. Eine andere Gangart scheint es nicht zu kennen. Mit einer gleichmäßigen Geschwindigkeit, die größer ist als die eines trabenden Pferdes, läuft es dahin, seine breiten Schalen sinken* kaum ein im lockeren Schnee. Erst wenn man ihm einen Stab vor die Läufe wirft, steht es augenblicklich. Nach der alljährlichen Rentierscheidung, die viel Geld einbringt, ziehen die Lappensippen in ihre großen Kirchdörfer, unter denen 29
Sodankylä an der Eismeerstraße besonders bekannt ist. Die Rentierviertel haben sich inzwischen zu Gefrierfleisch abgekühlt und werden in hohen Lasten in die Dörfer gebracht, um später als getrocknetes Fleisch oder als Rauchfleisch die Feinschmecker in aller Welt zu erfreuen. Geräucherte Rentierzunge ist der begehrteste Leckerbissen der berühmten Schwedenplatte. Aus den angefallenen Rentierfellen werden Stiefel, Hosen, Pelze und allerlei Gebrauchsgegenstände genäht, auch Schlafsäcke, in denen man getrost bei 40 Grad Kälte im Freien übernachten kann, ohne zu erfrieren. Alles, aber auch das Letzte am Rentier wird verwertet; noch aus den Knochen schnitzt der Lappe hübsche Gegenstände und auch die reichverzierten Griffe der finnischen Puukos. Das Rentier ist die ergiebige, aber auch die einzige Erwerbsquelle der Lappensippen. Deshalb läßt man es sich gut sein nach der „Scheidung", wenn die dicken Geldscheine in der Geldkatze aus Rentierfell knistern. Während dieser Festtage im Kirchdorf werden Hochzeiten geschlossen, Kinder müssen getauft werden, die jungen Leutchen tauschen Verlobungsgeschenke. Ausgiebig wird der Gottesdienst und die Predigt besucht; eine Predigt im Lappenland muß lang sein; man hört so selten das. Wort Gottes aus dem Munde des Pfarrers. Unzählige Kannen Kaffee werden geleert, es wird eingekauft für das ganze lange Jahr, und dann geht man wieder auseinander in die Weiten Lapplands. Wir aber machen noch einen Abstecher ganz in den Norden. Dort droben, am Rande des Eismeeres, hausen die Fischerlappen, ihre Sippen ziehen sich hinüber bis zur russischen Halbinsel Kola. Sie fangen die kostbaren Lachse, sie füllen ihre Netze mit Dorschen. Neben ihren Hütten, die sie aus Treibholz und Erde bauen, stehen die Trockengestelle, gleichfalls aus Treibholz errichtet — aus jenem Holz, das der Golfstrom ihnen zuführt, genau wie vor Jahrtausenden schon ihren Vätern. Und genau wie damals trocknen sie die Dorsche in der dünnen, keimfreien Luft des Nordens und im Eismeerwind, um sie später als Stockfische in den Handel zu bringen. Hier oben, am Rande Europas, ist die Welt ganz unberührt, hier ist der Mensch noch ohne Falschheit und Arglist. Wer hier am gastlichen Feuer saß, wird die Welt des hohen Nordens und seine Menschen nie vergessen können. Finnland In Zahlen Auf 337.113 Geviertkilometer wohnen 4,029 Millionen Finnen. Finnland ist e 1 f m a 1 so groß wie Belgien. Im Süden wohnen im Durchschnitt 23, im Norden 3 Einwohner auf dem Quadratkilometer (Landesdurchschnitt 12 Einwohner je Quadratkilometer). Helsinki, die Hauptstadt hat 376 000 Einwohner. 30
Die südlichste der zehn Landesprovinzen ist Uusimaa, In der auch Helsinki liegt. Die nördlichste Provinz ist Lappland mit Rovanieml am Polarkreis als Hauptstadt. Die finnischen Bauern verfügen über eine Nutzfläche von 2,6 Millionen Hektar Ackerboden. Der finnische Wald ist 20 Millionen Hektar groß mit etwa 1,4 Milliarden Festmeter Holz. Neben 5000 Kilometer Eisenbahnlinie mit russischer Spurweite verfügt Finnland über 50 000 Kilometer Straßen und 50 000 Kilometer natürlicher und künstlicher Wasserwege. Flugverbindungen bestehen zu 9 Städten im Landesinneren und nach Schweden, Dänemark und Deutschland. Per Eisenbahn ist Finnland über Nordschweden oder über Leningrad zu erreichen. Meistbenutzte Seewege sind die Strecken Stockholm-Turku und Stockholm-Helsinki. Finnland hat 35 Städte und 30 Marktflecken. Größte Städte nach Helsinki sind Turku mit 104 000, und Tampere mit 103 000 Einwohnern. Die Geschichte Finnlands beginnt eigentlich * mit der Gründung des Bistums Finnland im Jahre 1155. 1228 nimmt der Papst das vom Osten her bedrohte Bistum Finnland unter seine Schirmherrschaft. 1240 Kampf der Finnen gegen die Russen. Anführer der Finnen ist Bischof Thomas. Sein Heer unterliegt an der Newa. 1249 faßt der schwedische Regent Birger Jarl Fuß im westliehen Finnland. Schweden gewinnt Einfluß. 1362 Finnland darf erstmalig an der schwedischen Königswahl teilnehmen. 1542 Michael Agricola, der Reformator Finnlands, schreibt das erste Buch in finnischer Sprache. 1640 Gründung der Universität' Turku. 1695 — 1697 Hunger wütet in Finnland, ein Viertel der Bevölkerung erliegt den Entbehrungen. 1809 Finnland wird von Schweden getrennt und als russisches Großfürstentum dem Zarenreich eingegliedert. 1812 Helsinki (Helsingfors) wird Hauptstadt Finnlands. 1849 Entstehung der Kalevala, des finnischen Nationalepos, das der Volkskundler Elias Lönnrut aus uralten, erzählenden Volksliedern zusammensetzte. 1862 Die erste finnische Eisenbahnlinie wird in Betrieb genommen.
1917 U n t e r F ü h r u n g d e s R i c h t e r s P e k k a S v i n h u f v u d e r k l ä r t F i n n l a n d seine Unabhängigkeit. 1918 K a m p f F i n n l a n d s um s e i n e F r e i h e i t . 1939/40 F i n n i s c h - r u s s i s c h e r W i n t e r k r i e g , im F r i e d e n s v e r t r a g v o n M o s k a u tritt F i n n l a n d d i e K a r e l i s c h e L ä n d e n g e , T e i l e O s t k a r e l i e n s u n d Transitrecht im Gebiet von Petsamo ab. Teilnahme Finnlands am 2. Weltkrieg. 1947 Friedensvertrag in P a r i s : A b t r e t u n g v o n P e t s a m o an die UdSSR.
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L u x - L e s e b o g e n 130 ( E r d k u n d e ) - H e f t p r e i s 25 Pfg. Natur- und kulturkundliche Hefte — Bestellungen (vierteljährl. 6 Hefte DM 1.50) durdi jede Budihandlung und jede Postanstalt — Verlag Sebastian Lux, MurnauMündien — Drude: Budidrudcerei Mühlberger, Augsburg
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sind von uns schon ausgeführt worden. Aber auch für Sie haben wir noch eine Kassette vorrätig. Sie müssen uns aber bald schreiben. Die Kassette ist karminrot und trägt auf dem Goldetikett den Aufdruck des Titels „Lux-Lesebogen". Jeder Kassette ist auch ein gummiertes Sammeletikett in Goldprägedruck zum Abschneiden und Selbstaufkleben beigegeben. Es enthält den Aufdruck der Jahreszahl 1952 sowie alle früheren Jahreszahlen, außerdem die Titel: Kunst und Dichtung / Geschichte / Völker und Länder / Tiere und Pflanzen / Physik,Technik, Sternenkunde. So kann man die Lesebogen beliebig nach Jahrgängen oder nach Sachgebieten ordnen. Größe 15 x 11 x 4,5 cm für 24 Lesebogen Preis 1.20 DM einschließlich Versandspesen. Bezug durch jede Buchhandlung oder unmittelbar vom Verlag Seb. Lux. Wird beim Verlag bestellt, Betrag auf PostscheckKonto München 73823 erbeten. VERLAG SEBASTIAN LUX • MÜRNAÜ VOR MÜNCHEN
F R E I LAU F