Jim Elliot
Stunde der Entscheidung Ronco Band Nr. 305/42
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre...
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Jim Elliot
Stunde der Entscheidung Ronco Band Nr. 305/42
Version 1.0
Ronco erzählt seine eigene Geschichte Im Jahre 1967 stießen Bauarbeiter bei Abbrucharbeiten in einer kleinen Geisterstadt im Süden New Mexicos unter einem ausgebrannten Boardinghouse auf eine zugemauerte Kellernische. Sie fanden darin einen alten Revolver, der noch mit drei Patronen geladen war, ein silbernes US-Marshal-Abzeichen und einen indianischen Ledersack. Der mit Stachelschweinborsten und Perlen verzierte Sack enthielt fünf mit Lederriemen zusammengeschnürte Bündel alter Schulhefte. Es handelte sich um das Tagebuch eines Mannes, der in der Pionierzeit Amerikas gelebt hat. Dieser Mann ist nicht in die Geschichte eingegangen. Er hat sich auch nicht darum bemüht, Geschichte zu machen. Trotzdem hat er aufgeschrieben, was er erlebt hat. Vielleicht, weil er niemanden hatte, mit dem er über sein Leben sprechen konnte. Er nannte sich RONCO. Wir wissen nicht, ob das sein richtiger Name war. Vielleicht hat er aus Scham oder Stolz seinen Namen verschwiegen. Denn er war ein Outlaw, ein Gesetzloser, der Grund hatte, seinen Namen manchmal zu verschweigen. Obwohl aus seinen Aufzeichnungen hervorgeht, daß er unschuldig in die Mühlen der Behörden geriet und verzweifelt um seine Rehabilitation kämpfte. Aber seine Berichte zeigen mehr: Sie sprengen den Rahmen unserer Vorstellungen von der Pioniergeschichte der USA. Sie schildern diese Zeit wesentlich härter, rauher und wilder, als wir sie bisher gesehen haben. Basierend auf diesen Unterlagen wurde die Romanreihe RONCO gestaltet. Jedoch handelt es sich bei den für die Serie ausgewerteten Aufzeichnungen nur um einen Teil der Tagebücher. Um Ihnen, unseren Lesern, die ganze Geschichte dieses faszinierenden Mannes RONCO offenzulegen, haben wir uns entschlossen, in Abständen von fünf Wochen die Tagebuchaufzeichnungen dieses Geächteten zu veröffentlichen. Bearbeitet von den Autoren der RONCO-Serie. In diesen Romanen erzählt der Mann, der sich RONCO nannte, seine
eigene Geschichte.
Die Hauptpersonen des Romans Ronco – Nimmt den Job eines Armeescouts an und trifft damit eine Entscheidung, die sein späteres Leben tragisch beeinflussen wird. Colonel Charles Warwick – Der Yankee-Offizier meint es gut mit Ronco, aber weiß nicht, was er ihm einbrockt. Rafael Jordan – Ein Texaner mit zwei Gesichtern. Frank Henderson – Ein Mann, der glaubt, die Zeiten der Sklavenjäger seien zurückgekehrt. Quanah – Ein junger Häuptling der Kwahadi-Comanchen, der später einer der großen Roten Männer werden wird.
Stunde der Entscheidung 25. Juli 1881 Aufregende Tage liegen hinter mir. Ich scheine die Veranlagung zu haben, Gefahren anzuziehen wie ein Magnet das Eisen. Doch bisher habe ich mich immer behaupten können, wenn ich mich auch nach Ruhe sehne. Aber gerade das scheint mir nicht vergönnt zu sein. Ich reite wieder ostwärts auf den Golf von Mexiko zu. Lobo wartet auf mich in Tampico. Dort hoffe ich, die Spur des Entführers meines Sohnes Jellico wiederzufinden. Ich hoffe, das Glück steht mir diesmal zur Seite nach den vielen Rückschlägen und Irrfahrten der letzten Wochen. Die Sorge um Jellico zermürbt mich. Ich weiß natürlich, daß seine Entführer ihn nicht quälen oder schlecht behandeln dürfen, weil sie ihn lebend und gesund brauchen. Aber diese Gewißheit ist kein Trost für mich. Er ist mein Sohn und gehört zu seinem Vater. Er darf kein Werkzeug für gewissenlose, geldgierige Halunken sein, die in ihm nicht das kleine, unschuldige Kind sehen, sondern nur den Erben des Hilton-Vermögens. In den letzten Tagen habe ich miterlebt, wieviel Bitterkeit und welche Widerwärtigkeiten die Menschen von anderen Menschen hinnehmen müssen. Das erleichtert mir nicht mein Schicksal. Ich messe nur daran, wie ich selbst mit meinem Los zurechtkomme. Ich habe gesehen, wieviel der Mensch ertragen kann, ohne zu zerbrechen. Das ermuntert und bestärkt mich in meinem Durchhaltevermögen. Ich bin nicht der einzige, der durch die Hölle gehen muß. Ich muß Jellico wiederfinden und mit ihm zusammen neu anfangen, etwas aufbauen, meinem Leben einen Sinn und festen Inhalt geben. Ob dieser Wunsch jemals in Erfüllung geht? Ich erinnere mich an eine Zeit, als ich nach jahrelangem Umherstreunen, nach der Jagd auf Abenteuer, mein Leben gestalten und etwas Nützliches für die Allgemeinheit tun wollte. Ich war
gerade neunzehn Jahre alt geworden und hatte alles erlebt, was man braucht, um erwachsen zu werden. Ich hatte mir geschworen, mich nicht mehr mit der Armee einzulassen. Trotzdem wurde ich wieder Scout für die Armee und ritt in die Indianergebiete, weil andere mich überzeugt hatten, daß ich damit den Indianern helfen könne. Es sollte ein folgenschwerer Entschluß sein. Aber das wußte ich damals noch nicht, in jenem Herbst des Jahres 1865 in Texas …
1. Wir wollten in Fort Worth überwintern, sagte Colonel Charles Warwick zu mir, damals im Herbst des Jahres 1865. Das war noch in Longview gewesen, knapp zweihundert Meilen weiter östlich von hier, wo ich dem Colonel geholfen hatte, neunundzwanzig vermißte Offiziere der Unionsarmee wiederzufinden, die nach dem Krieg in der Gegend verschwunden waren und gegen ein immenses Lösegeld wieder freigegeben werden sollten – für eine Million Dollar pro Kopf. Mit diesem Geld hätte man einen neuen Krieg finanzieren oder ein ganzes Land von der Größe Texas kaufen können, wenn es damals noch so etwas auf dem Markt gegeben hätte. Auf jeden Fall konnte kein Mensch so ein hohes Lösegeld bezahlen, und deshalb begannen die Erpresser, tote Geiseln in der Gegend zu verstreuen, um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen. Nun, Sie kennen die Geschichte bereits. Es gelang mir, mit meinem Hund Shita, einer Brieftaube namens Victoria und meinem Wallach ohne Namen die Vermißten wiederzufinden und zu befreien. Darunter befand sich auch der Sohn des Colonels, Lieutenant Frederick Warwick, und seitdem hatte ich bei der Armee im allgemeinen und bei Colonel Warwick im besonderen einen oder diverse Steine im Brett. Warwick meinte, es wäre besonders meinem Geschick als Spurenleser zu verdanken gewesen, daß ich die Gefangenen auf einer Insel in einem See voller Alligatoren aufgespürt hatte. Ich neige eher dazu, das Verdienst an der Sache meinem Bastard Shita und dessen guter Nase gutzuschreiben, und schlug vor, Shita dafür einen Orden
zu verleihen oder eine Leibrente von Blutwürsten und Steaks auszusetzen, damit wir beide über den nächsten Winter kämen. »Junge, ich denke, aus dir wird ein hervorragender Scout. Wäre das kein Beruf für dich?« sagte der Colonel zu mir, als er sein Quartier in Longview auflöste und mich fragte, wie ich mir meine Zukunft vorstellte. Ich lachte ihn aus. »Sir«, sagte ich, »hier in diesem wasserreichen Sumpfgelände braucht keiner einen Scout, sondern nur einen guten Hund. Auch eine ordentliche Landkarte wäre nicht übel. Es gibt hier nichts zu erkunden und nichts wiederzufinden, außer ein paar unbelehrbaren Südstaatlern, die freigelassene Nigger jagen und sie umbringen. Oder sie dazu zwingen, wieder als Lohnsklaven auf den Farmen ihrer ehemaligen Besitzer zu arbeiten.« »Du hast von diesen Killerbanden gehört?« fragte der Colonel mich interessiert. »Ja, Sir. Sie stecken die gefangenen Neger in Käfige und bringen sie auf die Pflanzungen der Weißen zurück. Oder sie lynchen sie einfach, um den Niggern zu beweisen, daß sich trotz des Krieges nichts an den alten Verhältnissen geändert habe. Ich fürchte sogar, mancher der befreiten Neger sehnt sich nach der Sklaverei zurück. Da ging es ihnen nämlich besser.« »Der Krieg verdirbt alles, Junge. Auch die Ideale, für die man gekämpft hat.« »Sicher, Sir. Obwohl die Texaner meinen, die Yankees hätten nur dafür gekämpft, die reichen Pflanzer und Farmer im Süden ausplündern zu können.« Der Colonel hatte mich in sein Quartier zum Frühstück eingeladen. Seine Habe war schon für den Abmarsch gepackt, und sein Stab verlud die letzten Akten auf den Trainwagen. »Ich wollte dir etwas vorschlagen, Junge«, sagte der Colonel, nachdem ich mich durch sechs Gänge hindurchgefüttert hatte und mir der Verdacht aufstieg, das Frühstück sei nur ein Vorwand für ein Abschiedsdinner. »Ja, Sir?« »Ich bin nach Fort Worth abkommandiert. Ich wollte dich mitnehmen.«
»Hm.« »Oder hast du hier schon etwas Festes? Oder irgend etwas, das dich hier hält?« Der Colonel bewirtete mich, als wäre ich irgendein Würdenträger oder hohes Tier. Nach dem Frühstück ließ er sogar Whisky, Cognac und feine Zigarren auffahren. Ich probierte eine seiner feinen Zigarren, Importware aus Kuba. »Einen Posten, meinen Sie? Oder eine junge Dame, der ich meine Hand fürs Leben anbieten will?« Ich lachte dem »eisernen« Warwick ins Gesicht. »Erstens gibt es hier nur arme Töchter von bankrotten Pflanzern, die nur reiche Gentlemen mit Stammbaum zum Heiraten suchen. Zweitens bin ich, dank dieser Geschichte, die ich für Sie erledigt habe, der bestgehaßteste junge Mann im Umkreis von fünfzig Meilen, und drittens gibt es hier nicht mal für Einheimische Arbeit. Hier ist alles bankrott, auch wenn der Boden noch so reich an Humus und Wasser ist wie nirgends sonst in den Staaten. Außer am Mississippi vielleicht, wenn die Überschwemmung vorbei ist.« »Das dachte ich mir, Ronco. Deshalb mein Vorschlag.« »Sie geben mir ein Essen wie einem verdammten Botschafter in Washington, weil Sie mich in Ihre verdammte Armee einschleusen wollen? Nein danke. Wenn es das ist, bezahle ich lieber für das Frühstück!« Das schmale, energische Gesicht des Colonels rötete sich vor Ärger. Aber er überwand ihn schnell. Er bevormundete mich nie, obwohl ich viel jünger war als sein eigener Sohn. Er behandelte mich sogar wie einen gleichberechtigten Freund, auf dessen Rat und Meinung er viel Wert legte. Es war ein sonderbares Verhältnis, aber mir war das sehr recht. »Du hast keine hohe Meinung von uns, nicht wahr?« »Sollte ich das? Ich bin im Süden aufgewachsen. Vielmehr im wildesten Südwesten, wo es weder reiche Pflanzer noch fündige Minen oder Fabrikanten gab, die sich über die Zukunft der Vereinigten Staaten nicht einigen konnten. Ich bin bei spanischen Padres aufgewachsen und bei den wildesten Indianern in der Wüste. Von meiner Herkunft her gesehen können mir die Konföderierten wie die Yankees völlig schnuppe sein. Jetzt gibt es nur noch eine
Armee, die blau angezogen ist. Die Farbe gefällt mir nicht besonders.« »Also hast du was gegen die Unionsarmee.« »Hm – Texas hätte ein besseres Los verdient. Sie werden sehr hart dafür bestraft, daß sie erst vor zwanzig Jahren dafür gekämpft haben, aus Mexikanern Bürgern der Vereinigten Staaten zu werden.« »Gut, Ronco. Du willst also hier bleiben?« »Das ist eine schwierige Frage, Sir. Ich könnte ja Alligatoren fangen und ihre Häute verkaufen. Yankee-Ladies schwärmen für Krokodilledertaschen.« »Du bist hier als Yankee abgestempelt, obwohl du das gar nicht bist! Du kriegst nicht einen Fuß auf die Erde.« »Auf einen Sumpf, meinten Sie wohl. Aber das sagte ich ja alles vorhin schon.« Ich paffte genüßlich an meiner Zigarre. »Wir haben auch Posten für Zivilisten. Zum Beispiel Posten für Scouts. Die werden so gut bezahlt wie Offiziere bei freier Unterkunft und Verpflegung. Jedes Fort im Westen und Süden hat ein paar Planstellen für diese Scouts.« »Scouts, Sir? Hier in den Plantagen und Dschungelwäldern? Was soll ich da erkunden? Versprengte Nigger suchen oder Wasserbüffel?« »Ich spreche jetzt von Fort Worth, wohin ich noch heute reiten werde.« »Schaffen Sie nicht an einem Tag, Sir. Auch nicht, wenn Sie mit dem Dampfer den Trinity River hinauffahren würden, was Sie nicht können.« »Dort möchte ich dich als Scout einstellen, Ronco. Ich habe hier schon einen Vertrag aufgesetzt …« Der Colonel legte mir feierlich ein Stück Papier vor mein Whiskyglas. Ich lachte schon wieder. Der Whisky regte wohl meine Lachmuskeln an. »Was soll ich dort für Sie suchen, Sir? Petroleum? Ich hörte, dort quillt dieser Saft reichlich aus der Erde. Oder versprengte Rinder? Meines Wissens nach haben die Rancher am Brazos so viele davon, die sie nicht verkaufen können, daß sie die Tiere wild im Busch herumlaufen lassen.«
»Du sollst Indianer suchen. Das ist die Hauptaufgabe eines Scouts.« Ich verschluckte mich beinahe am Zigarrenrauch. »Sir, die Indianer lassen sich dort schon seit fünfzig Jahren nicht mehr sehen. Nicht in der Gegend von Dallas. Die Prärieindianer tummeln sich ein paar hundert Meilen weiter westlich, und die haben es nur auf Vieh aufgesehen, bestimmt nicht auf die Armee.« »Aber am Red River beginnt das Indianerterritorium, wohin die Stämme aus den Prärien umgesiedelt werden. Sogar ein paar Wüstenindianer haben sie bereits dorthin gebracht.« »Welche, Sir?« »Apachen zum Beispiel.« »Donnerwetter. Die haben aber einen verdammt weiten Weg bis dorthin zurücklegen müssen.« »Mag sein. Ich kenne mich mit Indianern nicht gut aus.« »Das ersehe ich aus Ihrem Vertrag, Sir.« Ich holte tief Luft. »Das Indianerterritorium beginnt ein paar hundert Meilen weiter nördlich. In Fort Worth mag es vielleicht Nigger geben – die gibt es ja inzwischen überall. Aber ganz gewiß keine Indianer.« »Da ich aber einen Posten für einen Indianer-Scout zu vergeben habe, möchte ich ihn dir anbieten, ob es nun welche gibt oder nicht, Ronco!« »Würden Sie Küster in einer Kirche werden, die gar nicht existiert, Sir?« »Junge, du mußt noch viel lernen. Ich habe in meinem Stab zwei Artillerieoffiziere und zwei Stabstrompeter, und das seit zwei Jahren. Aber ich habe weder eine Kanone in meinem Troß noch eine Trompete. Was sagst du nun?« »Das ist glatte Verschwendung, Sir.« »Du erhältst ein Gehalt wie ein Lieutenant und dazu freie Verpflegung und Unterkunft. Außerdem darfst du deinen Hund mitnehmen und deinen Wallach auf Armeekosten päppeln. Verdammt nochmal, weshalb habe ich dich eigentlich so gut bewirtet?« »Also Bestechung, Sir. Das läuft auf so etwas hinaus. Ich ahnte es doch.«
»Unsinn, Ronco! Du wirst doch nicht in eine Uniform gesteckt! Ich will dich nicht anwerben, zum Kuckuck! Ich möchte nicht einen guten Freund verlieren, dem ich, mein Sohn und die ganze Armee sehr viel zu verdanken haben. Warum soll ich dir dafür nicht einen Posten zuschanzen, auf dem du nichts zu tun brauchst, sondern deinen Interessen nachgehen kannst? Du darfst sogar auf Kosten der Armee etwas Vernünftiges lernen. Kein Mensch hindert dich daran!« »Bezahlter Bildungsurlaub?« »So etwas. Natürlich mußt du vielleicht einmal im Monat für einen Tag ausreiten und Spuren oder so etwas Ähnliches suchen. Herumstreifende Apachen oder …« »Wenn ich Apachen treffen soll, muß ich mindestens einen Monat lang nach Westen reiten, ehe ich einen davon zu sehen kriege! Lassen Sie bitte die Apachen aus dem Spiel.« »Gut. Dann sind es eben Osage oder Comanchen oder Pawnee …« »Das hätte wenigstens einen Schimmer von Wahrscheinlichkeit. Aber auch dann bin ich eine Woche unterwegs.« »Junge, mach es dir doch nicht so schwer. Ich möchte, daß wir noch eine Weile beisammenbleiben.« »Ist das der wahre Grund?« »Wenn du Soldat werden wolltest, hätte ich dich nicht so eingewickelt wie ein rohes Ei, Ronco. Dann würden sie dich zur Ausbildung nach Tennessee oder Idaho schicken, und ich hätte einen Teufel davon. Ich schätze dich sehr, Junge. Ich möchte dich nicht so rasch verlieren.« Der eiserne Warwick stand am Fenster seines halb ausgeräumten Quartiers und blickte hinüber zum Flußufer, wo sich die Walnüsse bereits braun verfärbten. Er hatte einen seltsam verkniffenen Zug um Augen und Mund. Ich sah mich schon dort mit den Alligatoren um die Wette schwimmen, während die Geheimbündler ehemaliger konföderierter Offiziere mich vom Ufer aus mit Springfield-Karabinern beschossen. Das schreckte mich nicht. Aber ich mochte diesen alten Haudegen genauso wie er mich. Ich unterschrieb …
* Fort Worth war damals noch eine kleine Stadt, was mir nicht sonderlich gefiel, weil ich nicht viel für Häuseransammlungen übrig hatte, ob sie nun aus Brettern, Backsteinen oder Adobe bestehen. Und die Stadt mochte wiederum das Fort nicht, weil es mit Blauröcken besetzt war, die auf die Einheimischen herabsahen, die ihnen dafür in den Saloons den Rücken zukehrten oder die Faust unter die Nase hielten. Es herrschte immer noch Kriegsrecht – oder Besatzungsrecht, was das gleiche ist –, und das Verhältnis der einzelnen Gruppen zueinander war seltsam gespannt. Wie daraus wieder eine geeinte Nation entstehen sollte, war mir ein Rätsel. Nur Shita, mein Bastardhund, kam mit den Texanern, Mexikanern und Yankees gleich gut zurecht. Er liebte den Geruch von verschwitztem Leder und den Knoblauchduft mexikanischer Vaqueros. Er rollte genauso gern mit den halbwilden Longhorns durch die Büsche wie mit den Kindern von Fort Worth auf den Stepwalks und den Höfen der Lagerschuppen. Er jagte die Truthühner im Fort und die wilden Gänse auf dem Trinity River. Er hatte eben von jeder Rasse etwas in sich und verstand daher die Nöte, Vorurteile und Leidenschaften aller miteinander verfeindeten Bevölkerungsgruppen gleich gut. Ich stand über ihnen und hielt mich daher abseits. Ich holte meistens schon ganz früh meinen Wallach aus dem Stall und ritt in die Dickichte oder in das Ranchergebiet im Südwesten der Stadt. Ich ritt durch das wellige Prärieland, durch Feigendisteln und Buschwälder nach Westen und besuchte die Weidecamps der Cowboys oder die Büros der alteingesessenen Rancher, die nicht mehr das Geld verdienten, um sich Farbe für den Außenanstrich ihrer Ställe und Wohnhäuser kaufen zu können. Überall hörte ich die gleichen Klagen. Das Land quoll über von »verdorbenem« Vieh, wie die Rancher ihre Longhorns nannten. Die Männer, die etwas von der Zucht verstanden, waren im Krieg gewesen oder saßen noch in den Gefangenenlagern der Union. Die Rinder hatten sich zügellos vermehrt und waren hand- und menschenscheu geworden, so daß sie davonrannten wie wilde Büffel,
wenn ein Cowboy sich so weit näherte, daß er sein Lasso am Sattelknopf lockern konnte. Die Bullen, die sich nicht für die Zucht eigneten, waren nicht verschnitten worden, und die Färsen waren nicht gebrannt. »Ebensogut hätte man das Land wieder den Bisons überlassen können«, meinten die Rancher verbittert. »Dann würden wir wenigstens am Fell etwas verdienen.« Viele Rancher gaben in diesem Jahr auf und packten ihre Planwagen, um irgendwo im Westen von vorn anzufangen. Vor Jahren noch hatte es zu wenige Rinder im Süden gegeben. Jetzt waren es zu viele. Das war das Problem. Aber ich lernte eine Menge in diesem Spätherbst. Ich hatte mir in Longview vorgenommen, in Fort Worth etwas für meine Bildung zu tun. Statt dessen lernte ich eine Menge über Rinderzucht und Longhorns. Ich hatte immer geglaubt, die Longhorns würden sich genausowenig voneinander unterscheiden wie ein Büffel vom anderen. Aber das ist nur ein weitverbreiteter Irrtum. Schon die Farbe dieser Biester ist bunter als ein Regenbogen und reicht vom gelbstichigen Weiß bis zu dunklem Moorbraun. Es gibt vornehm mausgraue Longhorns und so gescheckte Rinder, daß man sie nur als wandelnde Landkarten bezeichnen kann. Und bei weitem nicht alle trugen das Merkmal, was eigentlich ihre Zucht auszeichnen sollte: den Longhornrückenstreifen, der ein paar Schattierungen heller ist als das übrige Fell und von der Quaste über das Rückgrat bis zu den Schultern reicht. Am meisten staunte ich über die kolossalen Unterschiede ihres Kopfschmucks, der ja in »langen Hörnern« bestehen sollte, wie ihr Name schon sagt. Da gab es viele Rinder, die überhaupt keine Hörner trugen, aber auch wieder welche mit solchen gewaltigen Auslegern vor der Stirn, daß sie an den Pfosten einer Saloontür hängengeblieben wären. Manche Rinder trugen das eine Horn nach oben und das andere nach unten. Einige hatten es hoch auf der Stirn und andere wieder tief unten, in Augenhöhe. Bei manchen erinnerte das Gehörn eher an ein gewaltiges Schaf, weil es zusammengerollt war wie bei einem
Bergschaf der Rocky Mountains. Meistens waren die Hörner glatt und spitz, aber ich habe knorrige Hörner gesehen, die auch einem Hirsch gut auf den Kopf gepaßt hätten. Nur eins sah ich auf meinen Streifzügen durch das Rancherland nicht – den Kopfschmuck eines Indianers. Aber das sollte sich an einem Novembertag mit einem Schlag ändern, als ich von der Triangle-B-Ranch nach Fort Worth zurückkehrte.
2. Es war schon empfindlich kalt an diesem Tag, und von dem milden Winter, der in Texas herrschen sollte, konnte am Trinity River nicht die Rede sein. Die Kälte drang aus den Prärien im Norden südwärts und hatte sich offenbar an der Mesa der Staked Plains fast die Hörner eingerannt. Da schlug sie einen Haken nach Osten und wirbelte das Tal des Brazos hinunter, daß sich die Wasserrinnen auf den Weiden in eisige Rutschbahnen verwandelten, was seit zehn Jahren nicht mehr passiert war. Ich hatte diesmal Shita mitgenommen, damit er auch einmal den Unterschied zwischen einem Bullen und einer Kuh feststellen sollte, und der Bastard hatte auf der Triangle-B-Ranch auch ganz artig neben mir gesessen, als ich ihm den Unterschied erklärte. Doch dann hatte er einen Jungbullen in die knorrigen Knie gebissen, als dieser versuchte, eine Kuh zu bespringen. Daraufhin nahm ihn die Kuh, die den Bullen offenbar vor Shita verteidigen wollte, wütend auf die Hörner und schleuderte meinen Hund über ein Dornstrauchgatter in ein Wasserloch, wo sich eine Herde älterer Kühe ausgiebig und genüßlich im kalten Schlamm auf dem Rücken wälzte. Das Gehörn der Kuh war zum Glück sehr groß geraten – über zwei Yards von Spitze zu Spitze –, so daß Shita, der vom Hintern bis zur Nase etwa anderthalb Yards mißt, von den gefährlichen Dolchspitzen der Hörner nicht verletzt wurde. Er heulte nur kurz auf und hinkte ein paarmal im Kreis herum. Dann interessierte er sich nur noch für die Wälztechnik der
Longhorns und beherrschte sie nach einigen mißglückten Versuchen so perfekt, daß ein paar Weidereiter, die ich gut kannte und die gerade in Fort Worth einkauften, mir zuriefen, warum ich meinen gescheckten Hühnerhund gegen einen schwarzen Wolfshund eingetauscht hätte. Oder ob es vielleicht ein schwarzer Schnauzer wäre. Shita ließ sich weder streicheln noch näher betrachten, damit die Weidereiter sich nicht einig werden konnten, was er nun wirklich war. Er zog die Lefzen hoch und ließ ein dumpfes Knurren hören. Dann sauste er am Stepwalk entlang wie ein Windhund. Ich folgte ihm im Galopp, Shita mußte entweder einen Hasen auf der Kreuzung vor dem Fort erblickt haben – was ich für sehr unwahrscheinlich hielt – oder einen ganz fremden Geruch aufgefangen haben, der ihn wahnsinnig beunruhigte. Ich bog um die Ecke des Brazos Saloon herum, ritt die Straße hinunter, die zur Trinity Furt führte, und passierte die Schuppen der Texas Transport und die Sägemühle von Redford, Mills und Company. Dann folgte rechts ein freier, sandiger Platz, der im Sommer von schattigen Kastanien umgeben war. Sie reckten jetzt ihre kohlschwarzen Äste in die graue Frostluft, und Shita raste mit gesträubtem Fell zwischen ihnen im Kreis herum. Dieser Platz am Rande der Stadt hatte im Krieg der Bürgermiliz als Übungsgelände gedient. Dort lernten sie die Grundbegriffe militärischer Disziplin – das Antreten, das Kehrtmachen und Hinlegen auf Befehl. Jetzt, so hatten mir ein paar Einheimische erzählt, sollte hier ein Denkmal für die Gefallenen errichtet werden, wenn die Militärregierung wieder von Texanern abgelöst war. Bis es so weit sein würde, war der Platz ein Schandfleck. Der General Store lud hier verdorbenes Obst und zerbrochene Kisten ab. Die Hunde benäßten die Kastanien und drückten Würstchen zwischen die Sträucher, wo die Kinder aus den alten Kisten ihre Burgen gebaut hatten. Die alten Männer von Fort Worth schlugen Pfähle in den Sand und warfen dann mit alten Hufeisen danach. Nachts trafen sich hier die jungen Leute und knutschten. Zu Weihnachten sollte hier ein Basar für notleidende Veteranen stattfinden.
Im Augenblick schien dort ein Zirkus seine Pforten eröffnen zu wollen. Viele Leute standen unter den Kastanien und gafften trotz der Kälte. Ich sah ein halbes Dutzend Wagen im Halbkreis aufgefahren. Davor hatte man Pfähle in den gelben Sand geschlagen und zweibeinige Wesen mit Ketten daran befestigt. Ich war noch zu weit entfernt, um erkennen zu können, um was für Wesen es sich da handelte. Es mußten Tanzbären sein, weil Shita sich so ereiferte. Ein Zirkus, dachte ich verwundert. Die Leute haben kein Geld, um das Nötigste zu kaufen. Sie werden keinen Cent für solche Zerstreuungen ausgeben. Zumal der Zirkus offenbar über kein Zelt und über keine Kohlenbecken zum Heizen verfügte. Ich stieg von meinem Wallach, band ihn an einen Baum vor der Sägemühle an und drängte mich durch die Menge der Gaffer. »Shita!« rief ich erschrocken. »Komm sofort hierher!« Er hörte nicht. Er lief an den Wagen entlang wie ein Verrückter und strich dann winselnd um die Pfähle herum. »Gehört Ihnen der Köter?« rief ein Mann in blauer Uniform. »Holen Sie den sofort hier weg! Er macht meine Pferde scheu!« Davon konnte überhaupt nicht die Rede sein. Die Pferde standen hinter ein paar Sträuchern in einem Seilkorral beisammen und knabberten lustlos an dem Heu, das man ihnen vorgeworfen hatte. Shita verbellte nie ein Pferd. »Holen Sie ihn hier weg, oder ich knall ihn mit dem Colt über den Haufen!« Das war natürlich eine Drohung, die mich sofort munter werden ließ. Wer sich einbildete, er könne meinen Hund als Schießscheibe verwenden, konnte nur ein ganz bornierter Carpet-Bagger oder ein ganz gewöhnlicher Verbrecher sein. Ich löste mich also aus der Reihe der Zuschauer unter den kahlen Kastanien und ging auf den Mann zu, der Shita mit Exekution drohte. Der Mann überragte mich noch um einen halben Kopf, hatte graue stechende Augen und einen graumelierten Bart. Er trug eine blaue Uniform mit den Schulterstücken eines Majors und einen Colt am Gürtel, der mit dem Kolben nach vorn zeigte. Die Farbe seiner Uniform war so blau wie die der Yankeearmee, aber das Lederzeug und die Metallknöpfe waren so ungepflegt und blind, daß jeder
Rekrut, der im Fort mit solchen Stiefeln oder Halftern zum Appell erschienen wäre, sofort drei Tage Arrest hätte absitzen müssen. Zwischen den Wagen liefen noch ein paar Gestalten in blauer Uniform herum, die sich nicht mal die Jacken zugeknöpft hatten. Und die Pferde, bemerkte ich jetzt, waren offenbar seit Wochen nicht mehr gestriegelt worden. Erst dann sah ich mir den Inhalt der Wagen etwas genauer an – und die zweibeinigen Wesen, die mit den Ketten an den Pfählen befestigt waren. »Pfui Teufel«, entfuhr es mir, »mein Hund macht Ihre Pferde nicht scheu, Mister. Er empört sich!« »Ich knalle diesen schmutzstarrenden Bastard ab, wenn Sie ihn nicht augenblicklich von diesem Platz entfernen!« »Sie beleidigen meinen Hund, Mister!« erwiderte ich zornig. »Wenn Sie sich einen Spiegel kaufen sollten, würden Sie feststellen, daß Sie nicht viel sauberer aussehen als mein Hund! Und wenn Sie es wagen sollten, Ihren Colt auf ihn anzulegen, schieße ich Ihre Pferde zusammen!« »Das möchte ich doch mal sehen …«, erwiderte der Mann vor mir und bewegte die rechte Hand auf seine Halfter zu. Ich stieß einen schrillen Pfiff aus, und Shita kam sofort zu mir. Ich klemmte ihn zwischen meine Stiefel und sagte: »Falls Sie Ihren Colt ziehen, Mister, sind Sie ein toter Mann. Sie bedrohen nämlich dann nicht meinen Hund, sondern mich! Und ich bohre Ihnen ein so sauberes Loch zwischen die Augen, daß Sie danach einen Mittelscheitel ziehen können, falls Sie an der Kugel nicht sterben sollten. Doch die Chance steht eins zu einer Milliarde, daß Sie überleben!« Offenbar beeindruckte ihn meine Prahlerei. Ich denke, es war eher meine Empörung. Außerdem bluffte ich nicht. Meine rechte Hand war der Halfter näher als seine. Er bemerkte das natürlich. In seinen grauen Augen glitzerte Mordlust. Aber ich trug meine Halfter tiefgeschnallt an der rechten Hüfte, während er über Kreuz ziehen mußte. Auf die kurze Distanz konnte er nicht gewinnen, nicht einmal gegen einen Anfänger. Und das war ich nicht.
Er lockerte die Hand am Gürtel und ließ sie dann herunterfallen bis zur Hosennaht. »Es ist Zivilisten verboten, innerhalb der Stadt eine Feuerwaffe zu tragen«, sagte er böse. »Ich bin Ihnen deswegen keine Rechenschaft schuldig, Mister«, erwiderte ich nicht weniger böse. »Ich werde mich beim Fortkommandanten über Sie beschweren!« »Da landen Sie aber auf dem Bauch, Mister«, höhnte ich. »Colonel Warwick ist mein unmittelbarer Vorgesetzter. Nach Feierabend ist er mein Freund, und an den Wochenenden ist er beides.« Er zuckte zusammen. Unter der Lehmkruste, die sein Gesicht so braun färbte wie eine Walnußschale, schien er zu erbleichen. »Sie sind ein Offizier der Yankeearmee?« fragte er rasch. »So etwas Ähnliches.« »Ah, ich bin Major Frank Henderson. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ich – äh – bin mit meinen Leuten im Einsatz. Ich würde mich freuen, wenn der Colonel mich zu einem Höflichkeitsbesuch im Fort empfangen würde.« Ich hob die Schultern und ließ seine Augen nicht los. Der Major hatte mehr zu verbergen, als er gesagt hatte oder sagen wollte. »Welche Einheit, Major?« »Oh, Miliz aus dem Polk Country.« »Miliz?« »Wir arbeiten für die reguläre Armee und halten die Verbindung zwischen den vorgeschobenen Camps und Forts im Westen.« »Fort Worth gehört wohl nicht dazu, nicht wahr?« Er blickte mich jetzt schon wieder etwas forscher an. Meine Zivilkleider und meine Jugend erweckten in ihm Zweifel, ob ich tatsächlich mit der Allmacht der Militärregierung auf so vertrautem Fuß stand, wie ich behauptete. »Ich denke, darüber äußere ich mich nur vor einem Offizier gleichen oder höheren Ranges.« »Es interessiert mich ja auch gar nicht«, erwiderte ich und gab mit der linken Hand Shita einen leisen Klaps auf die Schnauze, damit er mit dem Knurren aufhörte. Ihm gefiel der Major offenbar noch viel
weniger als mir. »Sie haben einen seltsamen Troß in die Stadt gebracht, der mich viel neugieriger macht als Ihre Befehle oder Aufträge, Major. Warum sperren Sie Frauen und Kinder in Käfige ein und hängen ein paar alte Männer wie Raubtiere an Ketten und Pfähle?« Der Major reckte sich etwas höher auf seinen Absätzen und hob dabei die Stimme, damit auch die Zuschauer verstehen konnten, was er antwortete: »Sie sind schlimmer als Raubtiere, Mister! Wie sie sehen, sind es Rothäute. Sie haben weiße Siedler geschlachtet und einen Trupp Soldaten am Salt Fork überfallen! Wir müssen sie in Käfige sperren und in Ketten legen, Mister! Offenbar haben Sie wenig Erfahrung mit diesen Bestien! Sonst wüßten Sie nämlich, daß eine weibliche Rothaut genauso rücksichtslos kämpfen kann wie eine männliche. Auch die Kinder vermögen mit Messer und Kriegsbeil meisterhaft umzugehen und stoßen sofort zu, wenn man ihnen den Rücken zudreht. Stimmt das nicht, Männer?« Der Major horchte zu den Wagen hinüber, wo die blauuniformierten Begleiter des Majors kleine Lagerfeuer angezündet hatten, Zigaretten rauchten und große blutige Fleischstücke an Spießen brieten. Sie hatten sich offenbar auf ihrem Weg hierher mit frischem Proviant versorgt. Das Büffelfleisch, daß sie brieten, mußte mit Brandzeichen im Fell herumgelaufen sein. »Jawohl, Sir!« brüllten die Männer im Chor. »Sind diese Rothäute etwa Gefangene?« fragte ich. »Selbstverständlich sind sie das, Mister!« tönte der Major wieder mit überlauter Stimme. »Wir haben uns mit den Kriegern dieser Frauen tagelange Gefechte geliefert. Dabei haben wir selbst fünf unserer tapfersten Männer verloren. Wir haben die Frauen und Kinder gefangennehmen müssen, sonst hätten wir nicht mehr lebend Fort Worth erreicht.« »Warum bringen Sie Ihre Gefangenen nicht ins Fort, Major?« erkundigte ich mich und betonte das Wort »Gefangene« so stark, daß jeder meinen Zweifel heraushören konnte, der unser Gespräch verfolgte. »Sind sie dort sicherer?« erwiderte Major Henderson laut. »Mister, ich kenne die Comanchen und Cheyenne so gut wie meine Pferde!
So etwas darf man nicht in der Nähe von Waffen und Munition einquartieren. Die bringen es fertig und stehlen auch mit gefesselten Händen ein paar Repetiergewehre und schießen die Wachen am Tor über den Haufen. Die warten ja nur darauf, im Fort untergebracht zu werden! Die Truppen aus dem Norden haben keine Erfahrung mit Rothäuten, Mister. Die lassen sich von ihrem Jammern und Stöhnen erweichen und nehmen ihnen die Ketten ab. Und ehe sie sich zweimal umdrehen, gehört den Rothäuten das Fort, und die Besatzung sitzt im Käfig! So ist das mit diesen roten Bestien! Das habe ich selbst erlebt.« »Aha – und wo ?« »Nun, in Fort Sill zum Beispiel! Ich sage Ihnen, mit diesen Wilden kann man nicht vorsichtig genug sein. Nicht wahr, Männer?« Der Major horchte wieder zu den Lagerfeuern hinüber. »Jawohl, Sir«, tönte es im Chor zurück. »Es sind Frauen und Kinder der Cheyenne und Comanchen?« fragte ich. »Das sagte ich doch schon! Ganz gefährliche Stämme, die den Zusammenbruch der Konföderation ausnutzen und über die Rancher und Trecks im Westen herfallen! Deshalb wäre es gut, wenn der Colonel mich im Fort empfangen würde, damit ich ihm die Augen öffnen kann, was sich da alles in der Umgebung des Militärbereiches zusammenbraut.« Ich ließ meinen Hund zwischen meinen Stiefeln wieder vorsichtig los und klemmte ihn statt dessen unter den Arm. Der Bastard knurrte so anhaltend, daß ich fürchtete, er ging dem Major an die Hosen, sobald ich mich umdrehte, um den Platz mit den Käfigen wieder zu verlassen. Außerdem schien er diesem Major nicht ein einziges Wort zu glauben. »Ich werde dem Colonel selbst die Augen öffnen«, sagte ich laut und betonte dabei, ohne es diesmal zu wollen, das falsche Wort. »Ich denke, dazu fehlt Ihnen die Erfahrung! Sagen Sie ihm, ich will ihn sprechen. Mehr brauchen Sie nicht zu tun. Alles andere besorge ich schon.« Ich drängte mich wieder durch die Zuschauer am Rand des Platzes. Viele von ihnen sahen besorgt aus. Die Ansprache des
Majors hatte ihren Eindruck nicht verfehlt. Sie hatten Angst. Und Vor allem trauten sie den Yankees im Fort nicht zu, daß die sie vor Indianern beschützen würden. »Die sind doch froh, wenn wir hier alle verrecken«, sagte ein älterer Mann hinter vorgehaltener Hand, als ich mich mit meinem Hund an ihm vorbeischob. »Hab schon viel Schlimmes von den Comanchen und Cheyenne gehört. Besonders von den Comanchen.« Ich hatte mir die »Bestien« in den Käfigen genau angeschaut, wenn auch nur aus den Augenwinkeln. Erstens war unter den gefangenen Frauen und Kindern nicht ein einziger Comanche und nur eine Squaw, die vielleicht mal eine Cheyenne gewesen sein konnte, ehe sie dem Stamm, dem sie jetzt angehörte, in die Hände gefallen war. Und zweitens waren diese Frauen und Kinder in so einem erbärmlichen Zustand, daß sie eher ans Sterben dachten als an einen Aufstand. Es war nicht so sehr der Hunger, der sie schwächte und in eine Art von Stupor oder gar schon Agonie versetzt hatte, sondern die Kälte. Diese Frauen und Kinder froren entsetzlich. Kein Wunder, denn sie waren an die sengende Sonne von Arizona und die Gluthitze des Tularosa-Beckens gewöhnt. Diese Gefangenen waren Apachen, die sich meines Wissens lieber die Hände abhacken ließen, als freiwillig von ihren Schlupfwinkeln in den Bergen weiter nach Osten vorzudringen – und wenn überhaupt, dann allenfalls bis zu dem Ufer des Pecos River. Und der Pecos River war von Fort Worth fast fünfhundert Meilen entfernt.
3. »Sie haben es endlich geschafft, Sir«, meldete ich Colonel Charles Warwick. »Apachen sind in Fort Worth. Die Berge sind ins Fort gekommen, statt Ihr Scout zum Berg. Vielleicht haben die Rothäute davon gehört, daß Sie einen Scout angestellt haben, der nichts zu tun hat. Ich fürchte, das Faulenzen ist zu Ende.« Der Colonel war im Gegensatz zu mir ein vielbeschäftigter Mann, seit er das Kommando in Fort Worth übernommen hatte. Sein
Schreibtisch war überladen mit Bittschriften, Erlassen, Protokollen, Listen und Anfragen seiner Vorgesetzten, warum dieses noch nicht geschehen und jenes passiert war, was nicht hätte sein dürfen. Der Colonel war ein sehr gewissenhafter Mann und erledigte auch den Papierkrieg selbst. Das fesselte ihn oft bis Mitternacht an seinen Stuhl im Hauptquartier. »Du hast es besser getroffen als ich, mein Junge«, erwiderte der Colonel. Er blickte über den Rand seiner Papierstöße weg, eine steile Falte auf der Stirn und Grübelfalten um die grauen Augen. »Ich gebe zu, Sie sehen sehr blaß aus, Sir. Die Schultern hängen ungewöhnlich weit vorn, und über den Hüften spannt der Uniformrock. Wie ich bemerke, haben Sie den Gürtel zwei Löcher weiter geschnallt. Sie sollten sich wieder mal auf Ihr Pferd setzen, Sir. Das wird ebenfalls zu fett.« Er sah mich einen Moment so scharf an wie dieser Major Henderson von der Miliz. Doch dann huschte ein Lächeln über sein schmales Gesicht. »Wenn du eine Uniform tragen würdest, Ronco, würde ich dir zwei Wochen Wachdienst im Fort aufbrummen. Dann vergehen dir deine schnoddrigen Bemerkungen, und du setzt ebenfalls etwas Speck an.« »Nicht in meinem Alter, Sir.« »Du kommst auch noch in die Jahre.« Er stand von seinem Stuhl auf und reckte sich. Das konnte er sich nur vor einem Zivilisten wie mir erlauben. Er gähnte sogar. »Ich habe mich nicht freiwillig zur Armee gemeldet, um Regierungsbeamter zu werden, Junge. Männern in Uniform muß man nur sagen, was sie zu tun haben, und wenn sie meine Anweisungen nicht ausführen, werden sie ins Loch gesteckt, degradiert oder versetzt. Das Regieren in Uniform ist eine leichte Sache, weil die Disziplin der Truppe den Willen des Vorgesetzten sofort in die Tat umsetzt.« Der Colonel seufzte. »Die Truppe bereitet mir keine Sorgen, dafür die Zivilisten um so mehr.« »Meinen Sie mich, Sir?« »Unsinn.« Er lächelte trüb. »Ich komme mir vor wie der Direktor einer Sträflingskolonie, der mit ein paar hundert Polizisten einen riesigen Dschungel überwachen muß, in dem ein paar tausend
Sträflinge herumlaufen und tun, was sie wollen.« »Steht es so schlimm, Sir?« »Ich wäre voll ausgelastet mit meinen militärischen Aufgaben, Ronco. Aber ich bin überlastet als Gouverneur in Uniform, der ein paar tausend texanische Dickschädel regieren soll.« »Ja, Sir. Die Texaner sind die Broncos der Südstaaten. Sie lassen sich nicht gern zureiten, schon gar nicht von einem Yankee.« »Wir sind doch wieder Freunde, eine Nation.« »Die Texaner haben noch nicht den Vertrag unterschrieben, daß sie wieder zur Union gehören wollen.« »Das ist doch nur eine Frage der Zeit.« »Sicher, Sir. Es bleibt ihnen ja nichts anderes übrig. Am liebsten hätten sie ihren eigenen Staat, glaube ich, aber das gehört in den Bereich der Politik, von der ich nichts verstehe. Sie können nichts dafür, daß Sie ein Yankee sind, Sir. Ich stehe mich ganz gut mit den Leuten hier. Aber ich trage ja, gottlob, keine blaue Uniform. Mir sieht man nicht gleich an, was ich denke.« »Und was denkst du über Texas, Ronco?« »Sie haben zu viele Rinder, die sie nicht loswerden können, und die Leute hier leben davon. Ich denke, wenn die Texaner ihre Existenzsorgen loswerden, sind sie besser regierbar. Und man muß ihnen Zeit lassen, bis ihre Wunden verheilt sind. Aber das kann noch sehr lange dauern, Sir.« »Ich sollte dich in der Verwaltung anstellen, Junge. Du hast ein Gespür für politische Probleme.« »Nein, danke, Sir.« Ich rümpfte die Nase. »Erstens bin ich zu jung dafür, und zweitens habe ich ja inzwischen Arbeit gekriegt. Vor dem Fort steht ein Zirkus.« »Ein Zirkus? Davon ist mir nichts gemeldet worden!« »Dachte ich mir. Gefährliche Menschenansammlungen sind laut Gesetz der Militärregierung verboten. Aber dieser Zirkus möchte ganz bestimmt nicht die Texaner hier in der Stadt auf bessere Gedanken bringen. Zerstreuen, meine ich, von ihren tristen Alltagsproblemen ablenken. In den Raubtierkäfigen hocken nämlich Menschen – Frauen und Kinder.« »Die Rothäute, von denen du anfangs sprachst?«
»Sehr richtig, Sir. Vielleicht kassiert der Boß von diesem Zirkus Geld von den Zuschauern, wenn sie seine roten Bestien besichtigen wollen. Vielleicht auch von den Yankees, die noch nie eine Rothaut gesehen haben. Ich weiß es nicht. Aber was Gutes kann bei der Sache nicht herauskommen.« Der Colonel fürchte wieder seine hohe Stirn und nahm eine Zigarre aus dem Aschenbecher, die er nur halb geraucht hatte. Ich gab ihm Feuer. »Entschuldigung, Sir«, sagte ich, »daß ich Sie vom Regieren abgelenkt habe. Ich dachte, ich muß es Ihnen melden. Sie haben schon genug Sorgen mit den Weißen und den Schwarzen, und jetzt kommen auch noch ein paar rote Sorgen dazu. Aber die fallen nun mal in mein Ressort, Sir.« »Die roten Sorgen habe ich bereits, Ronco. Ich habe eine Botschaft aus Fort Bliss erhalten. Es gibt Auseinandersetzungen mit den Stämmen, die bereits im Indianerterritorium untergebracht worden sind.« »Ah, Sir! Mir scheint, das ist ein Prinzip des Lebens. Kaum ist ein Krieg zu Ende, fängt schon wieder ein neuer an.« »Die Indianer sind nicht in der Lage, einen Krieg anzufangen. Sie können nur Unruhen stiften. Sie haben weder die Mittel noch die Leute zu einem Krieg.« »Nun, ich möchte Ihnen nicht widersprechen. Aber Sie kennen diese Leute nicht. Sie sind nur ein Yankee.« »Ronco, ich kann dieses Wort bald nicht mehr hören!« Er schlug mit der flachen Hand auf seine Papierstöße. »Sie sind überarbeitet, Sir. Für Sie ist das Wort offenbar ein rotes Tuch geworden. Ich wollte damit nur ausdrücken, daß Sie noch ein Greenhorn sind, was Rothäute betrifft. Sie sehen hier ja nur zahme getaufte Indianer, die lesen und schreiben können und sich manchmal weißer betragen als die Weißen. Ich kenne ein paar von der Sorte, die da unten auf dem Platz im Käfig ausgestellt sind. Ich habe mal mit denen zusammen gegen Weiße gekämpft.« »Du hast auf der Seite der Indianer gekämpft?« »Ja, aber das ist schon lange her, deshalb habe ich Ihnen nichts davon erzählt.«
»Dann hast du ja …« »Fronterfahrung mit Indianern? Sicher, Sir. Aber das gilt für fast alle Weißen, die an der Westgrenze der Südstaaten wohnen und die früher hier in den Forts gesessen haben. Jetzt sind hier die Yankees eingezogen, die Rothäute nur aus Zeitungen und Büchern kennen. Aber die Erfahrungen, die Ihnen andere voraushaben, holen Sie spielend auf, Sir.« »Du sprichst, als gäbe es wirklich einen Krieg mit den Rothäuten, Junge.« »Ach, das wäre eine Übertreibung, Sir. Ich habe nur ein ungutes Gefühl, daß Ihre Sorgen zunehmen werden. Vielleicht liegt das gar nicht so sehr an den Rothäuten, sondern vielmehr an den Kerlen, die sie hierhergebracht haben nach Fort Worth.« Der Colonel schien seinen Papierkrieg völlig vergessen zu haben. Er lehnte am Schreibtisch, die Stiefel übereinandergeschlagen, und verstreute die Asche über seine dunkle Reithose, ohne es zu merken. »Was sind das für Leute?« fragte er rasch. »Zehn, Sir. Alle in blauer Uniform, als gehörten sie zur Armee. Ihr Anführer nennt sich sogar Major. Hat sich vorgestellt als Major Frank Henderson, schien aber gar nicht sehr erfreut zu sein, als er vernahm, daß ich hier zum Stab der Militärregierung gehöre. Er sagte, er möchte Ihnen gern einen Besuch abstatten, aber ich glaube das nicht. Er ist froh, wenn er Sie nicht sieht.« »Wie kommst du darauf, Ronco?« Der Colonel ließ sich nie eine Meinung vorkauen, und das gefiel mir. Ich denke, es war eine Schande, daß er ein Yankee war. Ich hätte sonst nicht das geringste an ihm auszusetzen gehabt. »Sir, sein Blick ist unstet, und sein Lederzeug ist so blind wie die Augen eines blaugesottenen Karpfens. Mir gefällt er nicht, und Shita gefällt er auch nicht. Er wollte ihm an die schmutzigen Hosen gehen. Und das tut er nur bei Leuten, die etwas auf dem Kerbholz haben.« »Und dieser Mann hat gefangene Rothäute in Käfigen nach Fort Worth gebracht?« »Frauen und Kinder, Sir. Sie frieren wie die Schneider.« »Hol mir diesen Kerl sofort hierher, Ronco!« »Jawohl, Sir. Aber wenn es eine Zeit dauert, bis ich diesen Major
dazu überredet habe, sich mit Ihnen zu treffen, dürfen Sie mich nicht gleich strafversetzen. Ich bin ein Zivilist, mir gehorcht nur mein Hund, und der auch nicht immer.« »Hinaus!« »Jawohl, Sir. Gerne, Sir.« * Ich ließ meinen Hund im Fort zurück. Schließlich war die Uniform der Majors schon schlecht genug. Ich wollte, nicht, daß er Colonel Warwick mit zerfetzten Reithosen seinen Besuch abstattete. Auch meinen Wallach ließ ich im Stall. Schließlich war es ja nur ein kurzer Weg vom Fort bis zu dem Platz, wo die Miliztruppe mit ihren Käfigen biwakierte. Und ich hatte es nicht übermäßig eilig. Major Frank Henderson, ob er diesen Rang nun zu Recht oder Unrecht führte, war meines Erachtens nur eine unbedeutende Figur. Es genügte, wenn er morgen früh nach dem Frühstück beim Colonel antrabte und sich verbeugte. Der Colonel brauchte dringend seinen Schlaf, und ich hatte das Gefühl, dieser Henderson konnte ihm den Schlaf nur verderben. Außerdem wollte ich mich mit den Rothäuten in den Käfigen ein wenig unterhalten, und ich war ganz sicher, daß ich das heimlich tun mußte, weil diese Milizsoldaten etwas dagegen haben würden. Sie hatten zwar ihre »Gefangenen« gern herumgezeigt, aber wenn einer mit den »Bestien« reden wollte, würden sie das mit Gewalt verhindern. Sonst hätten sie ihre Apachen bestimmt nicht als Comanchen deklariert. Da war etwas ganz faul an ihrer Geschichte. Ich näherte mich deshalb auch nicht auf dem üblichen Weg dem Platz, wo einmal ein Denkmal errichtet werden sollte, sondern vom Ufer des Trinity River her durch die Büsche. Ich orientierte mich nach dem Feuer, das die Soldaten hinter den Käfigwagen angeschürt hatten. Die Miliz benahm sich ziemlich laut. Offenbar wärmten sie sich auch von innen mit ein paar Flaschen Whisky an. Aus den Käfigen, die im tiefen Schatten lagen, hörte ich keinen Laut.
Die Soldaten vertrieben sich mit Würfeln und Kartenspielen die Zeit, statt sich in die Decken zu rollen und zu schlafen. Das wunderte mich. Sie hatten einen weiten Weg hinter sich. Das war bestimmt nicht gelogen, weil man ihnen das ansehen konnte. Unter den Kastanien am Rand des Platzes sah ich keinen Gaffer mehr. Das wunderte mich nicht. Die Nacht war empfindlich kalt, und von den »Bestien« war in ihren dunklen Verschlagen sowieso nichts zu sehen. Es gab also auch nichts zu gaffen. Aber während ich mich durch die Büsche an das Biwak heranpirschte wie ein verdammter Apache, hörte ich plötzlich das Bellen eines Kojoten von rechts. Es schien aus dem Grundstück der Sägemühle hinter den Bretterstapeln herzukommen. Und das wunderte mich nun doch. Hätte ein Hund im Hof der Sägemühle gebellt, wäre ich ganz ruhig in der Richtung weitergeschlichen, die ich auf der Böschung über der Furt gewählt hatte – links am Biwakfeuer vorbei durch die Abfallhaufen auf die linke Ecke der halben Wagenburg zu. Aber jetzt hielt ich mitten in den Büschen an und peilte nach rechts hinüber zu den Bretterstapeln. Shita hatte oft auf dem Lagerplatz der Sägemühle Ratten und Mäuse gejagt, die sich dort verkrochen, wenn sie sich die Bäuche mit dem verdorbenen Obst aus dem General-Store vollgeschlagen hatten. Shita hatte wütend an den Brettern gekratzt, weil er an die Ratten nicht herankam, und dazu laut gebellt. Ich kannte mich deshalb auf dem Grundstück auch ganz gut aus, weil ich Shita mit Gewalt daran hindern mußte, etliche Stapel zwei Zoll starker Bretter zum Einsturz zu bringen. Shita kann sehr hartnäckig sein, wenn er Tiere verfolgt, die kleiner sind als er. Also wußte ich genau, daß es auf dem Platz der Sägemühle nicht mal eine Katze gab und auch keine Konkurrenz für Shita. Wahrscheinlich konnte sich der Besitzer gar keinen Hund leisten, weil der Betrieb kaum Umsatz hatte. An allen Stapeln hingen dicke Spinnenweben und an der Sägemühle ein großes Schild: »Bis auf weiteres geschlossen!« Und jetzt sollte dort drüben ein Kojote eingezogen sein? Der mußte aber einen weiten Weg bis hierher zurückgelegt haben, dachte
ich. Dann sah ich, wie sich eine baumlange Gestalt vom Lagerfeuer erhob und auf die Kastanien zu bewegte, die den Bretterstapeln gegenüberstanden, nur durch einen schmalen Fahrweg von ihnen getrennt. Ich sah auch, daß die Milizsoldaten eine Menge Holz vom Flußufer zusammengetragen hatten und sich deshalb keine Bretter von gegenüber klauen mußten, damit ihr Feuer nicht ausging. Die baumlange Gestalt war Major Frank Henderson. Er blieb am Rand des Lagerplatzes gegenüber stehen und blickte angestrengt nach links und nach rechts. Dann war er plötzlich fort. Ich wartete wie angenagelt zwischen den Büschen. Ich zählte zweimal bis sechzig. Wenn sich tatsächlich ein Kojote bis auf den Hof der bankrotten Sägemühle der Firma Redford, Mills und Co. verirrt haben sollte, hätte es jetzt dort drüben ein wütendes Schnaufen oder Bellen geben müssen. Kojoten gelten zwar als feige, lassen sich aber nicht gern von einem Futterplatz vertreiben. Es blieb totenstill zwischen den dunklen Bretterstapeln. Die Milizsoldaten am Feuer würfelten und pokerten, als erwarteten sie ihren Anführer nicht so rasch zurück. Ich klopfte meinen Gürtel ab. Ich trug keine Feuerwaffe bei mir. Als Zivilist durfte ich das innerhalb der Stadtgrenze nicht, auch wenn ich zu den »Siegern« gehörte. Ich trug nur ein Bowiemesser am Gürtel. Gut, dachte ich, ich sehe auch mal nach, was sich dort drüben für ein merkwürdiges Tier versteckt! Ich schlug einen Haken durch die Büsche und schlich unter dem Rand der Uferböschung am Grundstück der Sägemühle entlang. Ein leichter Nebel kroch vom Fluß durch die gelbgesprenkelten Sträucher und die dunklen Stämme der Cottonwoods und Akazien. Die Sterne am Himmel waren trübe Funzeln und spendeten kaum Licht. Ich kannte hier einen Weg, der zu der Verwaltung der Sägemühle führte. Ich wollte nicht gleich über einen Kojoten stolpern, wenn ich mir das Grundstück einmal genauer ansah. Statt dessen stolperte ich über eine Menge Pferde. Sie standen in einem kleinen Korral, einer mit hohen Dornensträuchern umgebenen Lichtung im Uferwald. Ich sah nur die
Köpfe der Tiere als undeutliche Schemen im grauen Nebeldunst, als ein Schnauben mich auf die Koppel hinwies. Ich zählte zehn Köpfe und die Flinte eines Mannes, der offenbar die Pferde bewachte. Nun gehörte diese versteckte Koppel im Wald ebenfalls zur bankrotten Redford, Mills und Company. Sie hatte als Unterstellplatz für Privatbesucher gedient, hatte ich mir erzählen lassen. Und von dort aus führte ein Privatweg zur Hintertür des Verwaltungsgebäudes. »Betreten verboten«, stand auf einem verwitterten Schild, das an einen Baumstamm genagelt war, »Privatbesitz«. Es hielten sich also zehn Pferde »unbefugt« auf einer Privatkoppel auf, bewacht von nur einem Mann. Wo waren die anderen Reiter hingekommen? Ich bückte mich auf dem schmalen Weg, der zur dunklen Rückfront der Sägemühle führte. Es waren die ersten Spuren, die ich in meiner amtlichen Eigenschaft als Armeescout las. Keine Mokassins waren hier entlanggegangen, sondern harte Ledersohlen von Stiefeln. Die Spuren waren höchstens eine halbe Stunde alt. Ich richtete mich wieder auf und betrachtete die nebelverhangene Hinterwand des Gebäudes. Es war so gut und solide gemauert wie unsere Unterkünfte im Fort, bestand auch aus den gleichen Feldsteinen. In den schmalen Fenstern hingen ebenfalls dicke Spinnenweben, in denen sich der Dunst in glitzernden Wassertropfen niederschlug. Hier und dort fehlten die Scheiben. Kein Licht im Erdgeschoß und im ersten Stock, kein Geräusch, kein Leben. Die Disteln sprossen hinauf bis zu den ersten Fensterbrüstungen hinter dem Lattenzaun, der hier das Grundstück umschloß. Aber die Stiefelsohlen endeten alle an der Hintertür und kehrten nicht mehr von dort zurück. Im Zaun fehlten ein paar Latten. Ich zwängte mich durch eine der Lücken, glitt hinüber zur Feldsteinmauer, preßte mein Ohr gegen das kalte, feuchte Gemäuer und horchte. Idiot, dachte ich im selben Moment. Diese dicken Grundmauern verschlucken jedes Geräusch, es sei denn, die Dampfmaschine in der
Sägehalle wäre in Betrieb. Ich zog mich an der Fensterbrüstung über mir hoch und spähte durch die Scheiben. Die Fenster auf der anderen Seite des Gebäudes lagen auf gleicher Höhe. Ich konnte sogar die Bretterstapel auf dem Innenhof sehen. Dort rührte sich so wenig wie in dem Raum, der sich zwischen den beiden Fenstern befand. Ich stand mit gespreizten Armen und Beinen in der Fensternische und bot ein herrliches Ziel für jeden, der sich in dem Raum hinter dem Fenster versteckt hatte. Ich fühlte mich wie ein Schmetterling, der jeden Moment von einer Stecknadel aufgespießt wird. Aber nichts geschah. Ich hätte mich satt sehen können an dem Staub, der überall herumlag. Ich betrachtete ein paar Bänke, einen langen Tisch und ein großes Zahnrad mit einer Kurbel. Wahrscheinlich hatte die Sägemühle auch furnierte Hölzer hergestellt. Ich sah ein Regal mit Werkzeugen und Leimtöpfen. Auf dem Boden ringelten sich Hobelspäne und breitete sich etwas Feines, Helles über den Dielen aus. Selbst aus der Entfernung bei dem miesen Licht hätte ich noch Spuren sehen können. Da waren aber keine in dem feinen Sägemehl, das man nicht mehr aufgekehrt hatte, als die Mühle mangels Absatz und Aufträgen zugesperrt worden war. Wer bereitete sich schon die Mühe, noch aufzuräumen, wenn der Arbeitsplatz unter den Hammer kommt? Kein Geräusch. Ich langte mit dem Zeigefinger durch eine geborstene Scheibe und drückte den Riegel innen zur Seite. Das Fenster vor mir gab nach. Ich schwang mich in den dunklen Raum. Hatte der Colonel nicht befohlen, ich sollte Major Henderson zu ihm holen? Ich mochte jeden Betrag wetten, daß er irgendwo in diesem Gebäude steckte.
4. Ich fluchte, als ich über den langen Tisch lief, der sich vom Fenster bis zum Mittelgang erstreckte. Ich hatte ein Stemmeisen übersehen, das auf der Platte herumtrudelte wie eine verrücktgewordene
Kompaßnadel. Nur trudelte eine Kompaßnadel lautlos, während das Stemmeisen wie ein Wecker schepperte. Ich trat rasch mit dem Stiefel darauf und hielt es wieder an. Dann horchte ich in den Saal. Nichts. Auch nicht das Bellen eines Kojoten oder das Piepsen einer Maus. Ich muß noch viel lernen als Scout, dachte ich, und ließ mich leise wie eine Katze vom Tisch herunter auf die fein verteilten Sägespäne. Ich blickte nach rechts. Eine lange Reihe von Bänken und Tischen, die vor einer doppelflügeligen Tür endeten. Regale mit immer den gleichen Werkzeugen: Hobel, Stemmeisen, Leimtöpfe und Winkeleisen. An jedem Tisch ein Zahnrad mit einer Kurbel, die mit einer Gewindestange und einem Kissen verbunden war. In diesem Stockwerk war nicht verwaltet, sondern gearbeitet worden. Es war eine Werkhalle ohne Zwischenwände, und hinter der Doppeltür mußten die Diele und der Hinterausgang liegen. Am anderen Ende der Halle ragte nur eine Wand auf, mit einem großen Kruzifix und einem Plakat, das ich auch schon in Longview im Bürgermeisteramt bewundert hatte, obwohl es dort mit schwarzer Farbe kreuz und quer durchgestrichen worden war. Es war ein patriotisches Plakat der Südstaaten, das zum Durchhalten und Spenden für die Armeekasse der Konföderierten aufrief. Ich sah die beiden blauen Balken auf rotem Feld bis zu mir leuchten und auch die Faust des Soldaten, der die Fahne der Südstaaten trutzig durch den Saal tragen wollte. Das Plakat war mindestens zwanzig Yards von mir entfernt, aber ich vermochte die Einzelheiten genau zu erkennen. Du mußt noch verdammt viel lernen in deinem neuen Beruf, dachte ich wieder, und schlich auf das Kruzifix und das Plakat zu. Bei diesem Licht und auf diese Entfernung hättest du nicht mal einen grasenden Büffel vor der Hinterwand sehen können, wenn nicht von irgendwoher ein Licht in den Saal sickerte. Und dann hörte ich ganz leise Geräusche. Unmittelbar vor der Hinterwand der Halle zeichnete sich ein helles Viereck im Boden ab. Eine Falltür mit zwei Klappen. Der Saal war unterkellert, und an den abgescheuerten Dielenkanten vor der Falltür vermochte jeder halbgebildete Scout sofort zu erkennen, das der Keller unter den
Falltüren als Lagerraum für Furniere, Leim und Werkzeuge gedient haben mußte. Ich besann mich auf die Stemmeisen, die auf jedem Arbeitstisch herumlagen und Staub sammelten. Ich holte mir eins und fing zum erstenmal als Scout an zu schwitzen. * Es war eine unendliche mühsame Geduldsprobe, bis ich das Stemmeisen so weit unter eine der Falltüren geschoben hatte, daß ich etwas sehen und hören konnte, ohne selbst gehört oder gesehen zu werden. Teufel, dachte ich, der Colonel kriegt ein paar graue Haare mehr, wenn er nur den Ausschnitt von dem Keller sieht, den ich mir freigehebelt habe! Ich sah zuerst nur ein paar Fässer unter einem Backsteingewölbe, über das der Widerschein von Kerzenlicht flackerte. Ein Lagergewölbe, wie vermutet. Und dann sah ich die Fahne der Südstaaten, die an diese Fässer genagelt war. Vor der Fahne standen ein Tisch und eine lange Bank, wie ich sie oben in der Halle bis zum Überdruß betrachtet hatte. Auf dem Tisch – aber das konnte ich schon nicht mehr sehen – schienen die Kerzen zu brennen wie auf einem Altar in der Kirche. Hinter dem Tisch auf der Bank saß eine Reihe von Gestalten – ich sah nur drei genau und von den anderen die linke, beziehungsweise die rechte Schulter –, die mich an die Geschichtsstunden bei meinen spanischen Padres erinnerten. Die Männer, die ich sehen konnte, trugen nämlich alle eine Kapuze vor dem Gesicht mit Schlitzen für Augen, Mund und Nase. Holla, dachte ich erschrocken, die spanische Inquisition ist in Texas wiederauferstanden. Doch die Kapuzen der Inquisition sollen schwarz gewesen sein, und diese dort unten im Keller waren weiß. Natürlich ließ die Fahne der Konföderierten, die seit Kriegsende in Texas genauso wie in allen anderen Sezessionsstaaten verfemt war, nur eine Deutung zu. Diese vermummten Männer waren politische
Verschwörer! Vielleicht war ich der erste »Uneingeweihte«, der diese Kapuzenmänner zum erstenmal sah, die noch heute unter dem Namen Ku-Klux-Klan Angst und Schrecken im Süden der Vereinigten Staaten verbreiten. Nur konnten diese Männer, die ich bei ihrer Versammlung belauschte, noch nicht dem Ku-Klux-Klan angehören, weil dieser geheime Bund erst einen Monat später gegründet wurde. Aber diese spitzen Kapuzen, die ich damals im Keller unter der Sägemühle sah, trägt heute jeder Angehöriger dieses Bundes, wenn er nachts zu einem Fememord in den Südstaaten ausreitet. Ich konnte die Gesichter der Verschwörer nicht sehen. Ich kannte auch ihre Stimmen nicht. Ich vermochte nur zu hören, über was sie sprachen. »… noch mehr davon heranschaffen?« Ich sah, wie die Lippen des Mannes hinter dem weißen Stoff sich bewegten, der in der Mitte der Bank saß. Offenbar war er der Anführer dieser Weißvermummten. Und dann folgte eine Stimme aus dem Hintergrund, die ich inzwischen genau kannte – die Stimme des Majors Frank Henderson. Er sprach sehr respektvoll, fast unterwürfig. »Jawohl, Sir. Mindestens noch dreihundert oder vierhundert Frauen.« »Und Männer?« »Unmöglich, Sir. Die müssen alle liquidiert werden. Sie würden sich nicht zur Arbeit pressen lassen.« »Auch wenn wir sie gut behandeln? Ich meine, die Neger wollten anfangs auch nicht so wie wir.« »Das ist etwas anderes, Sir. Die Neger befanden sich weit weg von ihrer Heimat, in die sie nicht mehr zurückkonnten. Und die Mentalität dieser Indianer ist auch ganz anders.« »Wieso? Was unterscheidet einen Neger mit Steinzeitkultur von einem Roten auf der gleichen Kulturstufe?« »Das Bewußtsein, daß ihnen dieses Land vorher gehörte.« »Hm, da mag etwas dran sein. Also? Wie stellen Sie sich die Sache vor?«
»Die Natchez und Caddos, die man da und dort noch in Texas antreffen kann, arbeiten auch auf Plantagen, Sir.« »Sie arbeiten selten als Lohnarbeiter, Henderson. Sie arbeiten nur für sich selbst.« »Nun gut, Sir. Die waren ja auch hier ansässig. Aber die Roten, die ich Ihnen liefere, stammen aus den ärmsten Gebieten der Vereinigten Staaten.« »Aus dem Süden des Konföderiertenstaates, wollten Sie wohl sagen!« »Natürlich, Sir. Entschuldigen Sie, Sir.« »Weiter!« »Sie sind Entbehrungen gewohnt. Im Augenblick werden diese Rothäute am Rio Pecos zusammengetrieben, um in ein wüstes Reservat gesperrt zu werden. Dort können sie entweder verhungern oder an ihrem eigenen Stumpfsinn krepieren. Sie haben einfach nichts zu tun. Ich wette, sie werden sich selbst umbringen, indem sie gegen die Armee das Kriegsbeil erheben.« »Diese verdammten Yankees! Sie haben weder Kultur noch Verstand und bringen nur Elend über dieses Land!« Das sagte der Kapuzenträger rechts vom Wortführer. Er wurde sofort mit einer schroffen Handbewegung zum Schweigen gebracht. »Fahren Sie fort, Mister Henderson. Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit!« »Jawohl, Sir. Ich würde nur hundert Dollar pro Kopf verlangen und Ihnen eine regelmäßige Lieferung garantieren, wenn der Versuch mit der Probeware gut einschlägt.« »Hundert Dollar? Das ist eine Menge Geld, und wir haben keins.« »Ich nehme auch Naturalien, Sir«, beeilte sich Henderson zu versichern. »Zuckerrohrschnaps, Whisky und Waffen. Eventuell auch Konserven.« »Keine Baumwolle und Rinder?« »Nein, Sir, bedaure.« »Davon haben wir am meisten, wie Sie wissen.« »Ja, Sir. Trotzdem nein.« »Hm. Bevor wir abstimmen, Henderson, habe ich noch eine Reihe Fragen. Wir dürfen uns auf keine Experimente einlassen. Welche
Erfahrungen haben Sie mit Rothäuten als Lohnarbeiter gesammelt?« »Nur die besten, Sir. Sie sind viel genügsamer als Nigger und längst nicht so verwöhnt. Für ein bißchen Fleisch und Milch für ihre Kinder schuften sie den ganzen Tag. Ich kenne ein paar Rothäute aus Saloons oben in Kansas, die haben für ein paar Gläser Whisky die dreckigsten Spucknäpfe ausgewaschen, die ein Nigger nicht mit einem Handschuh anfassen würde. Sie sind ausgezeichnete Reiter und fangen nicht gleich an zu flennen oder zu jammern, wenn sie mit der Peitsche eins übergezogen kriegen. Hitze und Kälte machen ihnen nichts aus. Sie sind fünfhundert Meilen von ihrer Heimat entfernt, und das ist geradesogut, als läge ein Ozean dazwischen. An Flucht werden sie also nicht denken.« »Danke, das genügt, Mister Henderson. Vergessen Sie aber nicht, daß die Sklaverei gesetzlich verboten ist und wir von diesen verdammten Yankees auf Schritt und Tritt beobachtet werden! Wir brauchen dringend Ersatz für die Nigger, sonst sind wir alle bankrott wie diese Sägemühle. Wie vertuschen wir die Sache, daß uns keiner etwas anhängen kann?« »Ein paar hundert Rothäute verlaufen sich doch auf den Plantagen, Sir. Im Westen werden sie gejagt wie wilde Hunde, und das wissen diese Indianer sehr genau. Sie werden sich freiwillig verstecken, wenn sie schon einen Yankee von weitem sehen. Im Vergleich zu den Reservaten, in die sie zusammengepfercht werden, sind die Plantagen in Texas ein wahres Paradies!« »Das sind sie auch für die Nigger gewesen, Henderson. Aber da braucht ja nur ein verdammter Yankee zu erscheinen und etwas über Freiheit und Grundrechte zu faseln, und alle rennen sie fort und in ihr Unglück!« »Das passiert Ihnen mit den Rothäuten nicht, Sir«, erwiderte Henderson mit einem selbstbewußten Lachen. »Die können weder lesen noch schreiben noch ein Wort Englisch sprechen. Stumm, arbeitsam, unempfindlich gegenüber Yankeepropaganda – besser als jeder Nigger, Sir!« »Nun gut. Wir werden Ihnen den Posten abnehmen, an der verabredeten Stelle. Und Sie erhalten die Lieferung halb in bar, halb in Naturalien bezahlt.«
»Einverstanden, Sir.« »Aber wenn das Experiment schiefgeht?« fragte der Vermummte links vom Wortführer mit tiefer, skeptischer Stimme. Henderson lachte wieder, diesmal leiser und sehr unangenehm. »Darf ich Sie darauf hinweisen, daß das Gesetz über Skalpprämien für tote Indianer immer noch gilt? Sie kriegen für jeden Skalp fünfzehn Dollar von der Regierung ausbezahlt. Sie können also auch an den toten Rothäuten noch etwas verdienen.« Am Tisch herrschte einen Moment Schweigen. Die Kapuzenträger blickten sich gegenseitig an. Die Sitten nach dem Krieg waren hier sehr roh und grausam, und die Mörderkommandos der Südstaatler, die freigelassene Nigger lynchten, taten das nicht gerade auf sehr humane Weise. Trotzdem schienen die Gentlemen dort unten am Tisch etwas schockiert zu sein. »Skalpieren, Henderson? Was für eine Verschwendung! Das wird hoffentlich unnötig sein. Aber eins sage ich Ihnen zur Warnung!« »Sir?« »Alles, was wir gemeinsam unternehmen, muß geheim bleiben. Falls Sie nicht loyal mit uns zusammenarbeiten, verfallen Sie der Todesstrafe. Sie wird vollstreckt werden, auch wenn Sie sich in einem Fort der Yankees verstecken sollten. Verlassen Sie sich darauf!« »Ja-jawohl, Sir.« Die Bank ruckte schrill über den Steinboden. Die Kapuzenmänner erhoben sich, reichten sich die Hände und hoben sie hoch wie zu einem Massenschwur. Ich zog vorsichtig das Stemmeisen aus der Falltür und kroch rückwärts fort von dem leuchtenden Viereck im feinen Sägemehl. Ich konnte fest damit rechnen, daß ich meinen Skalp verlor, wenn ich diesen Kapuzenmännern in die Hände fiel. * Ich beeilte mich sehr bei meinem Rückzug. Ich spurtete auf dem Mittelgang zurück zu der Stelle, wo ich das Fenster durch eine geborstene Scheibe hindurch entriegelt hatte. Ich wußte, daß der
Tisch mein Gewicht trug, ohne laute Proteste und verdächtigen Lärm. Ich verließ das Gebäude durch das Fenster, verriegelte nicht mehr hinter mir und sprang hinunter in die kniehohen Disteln. Der Dunst, der vom Fluß herauftrieb, staute sich an der Außenmauer der bankrotten Sägemühle zu einer Milchsuppe. Ich vermochte keine drei Yards weit zu sehen. Keine idealen Bedingungen für einen Scout, aber für einen raschen Rückzug hätte ich mir nichts Besseres wünschen können. Der Nebel hüllte mich ein wie eine Tarnkappe. Ich stellte mir vor, daß die weißen Kapuzenmänner sich beim Verlassen ihres Treffpunktes wieder bei den Händen fassen mußten, weil sie sich sonst in dieser Suppe glatt auflösten. Ich verzichtete diesmal auf den Umweg durch die Büsche am Flußufer und lief geduckt am Lattenzaun entlang, bis ich eine Lücke am Ende des Grundstücks fand. Dort wechselte ich hinüber auf den kleinen Fußweg, der zur Straße mit den Kastanien führte. Erst dort tauchte ich wieder in den Sträuchern unter, damit ich nicht den Lichtschein des Lagerfeuers kreuzen mußte. Das Feuer war inzwischen kleiner geworden. Es schwebte im Dunst wie eine trübe rote Fackel. Die Milizsoldaten hatten ihre Karten und Würfel aufgegeben und torkelten vor dem Feuer wie rotgesäumte Teufel herum. Sie schienen sich innerlich zu kräftig aufgewärmt zu haben. Bei den Käfigwagen herrschte die gleiche Grabesstille wie zuvor. Dieser Kontrast zwischen den torkelnden, johlenden Gestalten und der dunklen Friedhofsstille gefiel mir nicht. Der Nebeldunst wurde zum Frosthauch auf meiner Haut. Ich hätte in diesem Moment einen Magenwärmer gut brauchen können. Ohne ihren Anführer waren diese uniformierten Gestalten nichts anders als ein zügelloser Haufen von Strauchdieben, bar jeder Disziplin. Nun durfte keiner von einem Milizsoldaten zu viel erwarten, was militärische Ordnung betraf. Dieses Betragen, in Hörweite der regulären Armee, erschien mir wie eine Provokation. Das Zusammenleben mit dem Militär hatte offenbar schon auf mein Verhalten und meine Einstellung abgefärbt. Aber für mein Vorhaben waren der Lärm und das Gerangel am
Feuer günstig. Ich mußte dort in die Grabesstille hinein und erkunden, wie diese frierenden Squaws und Kinder in die Käfige gelangt waren. Nach dem Handel, den ich eben belauscht hatte, mußte es dabei ziemlich übel zugegangen sein. Ich schlug den gleichen Haken durch das Gebüsch wie zuvor, als mich der seltsame Kojotenschrei von meinem Weg abgelenkt hatte. Ich kroch nicht auf dem Bauch durch das faulende Gemüse und Obst, weil die Männer am Feuer bestimmt nur noch doppelt sahen, aber nichts, was sich außerhalb des Lichtkreises bewegte. Ich nahm mir wieder die hintere Kante der Wagenburg zum Ziel. Doch ehe ich es ganz erreichte, torkelten zwei der uniformierten Kerle vom Feuer weg auf mich zu, als hätten sie mich gesehen oder gehört. Verflucht, dachte ich, vielleicht habe ich diese Männer unterschätzt! Ich drückte mich wieder zwischen die nassen Zweige des letzten Strauchs, als der eine der beiden vor mir um die mit Brettern vernagelte Hinterwand des Käfigwagens herumschwenkte und im Schatten anhielt. Kurz darauf hörte ich es plätschern. Der Mann entleerte sich in dem Käfig! Der andere torkelte an der Kante des Wagens herum und knickte plötzlich nach vorn. Offenbar mußte er sich übergeben. Er griff sich an den Magen und würgte. Aber er brachte nur ein bißchen Speichel heraus und ließ sich dann auf den Knien neben der Wagenkante zum Schlafen nieder. Am Feuer wurde eine scharfe, scheltende Stimme laut. Das mußte der Major sein, der von seiner Geschäftsverhandlung in der Sägemühle zurückgekehrt war. Ihm gefiel das Betragen seiner Leute nicht, und er verlieh seinem Unmut nicht nach dem Regelbuch der Armee Ausdruck. »Ihr versoffenen Schweine! Ich sagte, daß ihr wachbleiben sollt! Ich habe nichts von einer Orgie gesagt! Anspannen, sage ich jetzt! Sofort anspannen! Ich treibe euch alle mit dem Gewehrkolben in den Fluß, damit ihr wieder nüchtern werdet! Anspannen, habe ich gesagt!« Nun stand ich wieder vor einer Situation, die eine rasche
Entscheidung von mir verlangte. Entweder wechselte ich ein paar rasche Worte mit den armen Teufeln in den Käfigen, oder ich übermittelte diesem zwielichtigen Milizmajor, daß ihn der Kommandant des Forts sofort zu sprechen wünsche. Nun lag das Sofort schon über eine halbe Stunde zurück und konnte daher ruhig noch ein paar Minuten weiter verzögert werden. Ich handelte und löste mich aus den Büschen. »Eh!« sagte ich laut. Der betrunkene Milizsoldat an der Kante des Käfigwagens fiel mir direkt vor die Füße. Ich wollte über ihn hinwegsteigen, als ich die Pfeilspitze sah, die ihm hinten aus der Uniform herausragte. Ich fegte mit einem Satz über ihn weg und landete im Dunkeln hinter dem Käfigwagen. Dort kauerte der Uniformierte, der eben noch sein Wasser abgeschlagen hatte. Sein Kopf war eine etwas verschwommene breiige Masse. Jemand hatte ihm den Schädel eingeschlagen. Der letzte Wagen der halben Wagenburg war leer, und am zweitletzten Käfig bewegten sich zwei dunkle, sehr geschmeidige Gestalten, die etwas Längliches, das zwischen die Stäbe eingeklemmt war, mit viel Wucht hin und her schoben. Da ich nur auf Betrunkene eingestellt gewesen war, gelangte ich auch nicht geräuschlos zum Vorplatz der Käfige. Die Gestalten, die vor mir ein Gitter aufstemmten, reagierten sehr rasch auf die Störung. Ich konnte mich gerade noch auf den Bauch werfen, als ein Pfeil über mich wegstrich wie eine Eule im Tiefflug. Dann glitt ein Schatten auf mich zu – geschmeidig wie ein Puma und kräftig wie ein Bär. Das war keine frierende Squaw, sondern ein junger Krieger mit einem Tomahawk. In meiner Überraschung und Angst rief ich etwas zu laut: »Ron-tipa-schon-ta, sachempa!« – »Ich will dir nichts Böses, Freund!« Der Krieger zuckte zusammen, als hätte ihn unversehens ein Baumstamm im Nacken getroffen. Sein wirbelnder Arm mit dem Schädelbrecher beschrieb im letzten Moment einen Bogen, der mir nur ein paar Haarspitzen abrasierte. »Koin-mo!« kam es leise und scharf von ihm zurück. »Weg von hier – weg!«
Ich war so verdutzt, daß ich ihm sofort gehorchte. Ich hatte ein paar Worte im Mescalero-Dialekt gestammelt, und sie wirkten wie Wagenschmiere auf eine heißgelaufene Achse. Ich lief weg von den Wagen, ohne eine einzige Frage zu stellen. Ich jagte auf die Mauer des Forts zu, denn plötzlich knatterten Schüsse am Feuer auf, und ich hatte nur ein Bowiemesser. Apachen waren in Fort Worth. Was ich noch vor wenigen Tagen als Ding der Unmöglichkeit verspottet hatte, war Wirklichkeit geworden!
5. Als ich das Tor des Forts erreichte, hörte ich nur noch den Nachtwind durch die Palisadenspitzen pfeifen und das Knattern der dünnen Seile am Flaggenmast. Der Sergeant von der Torwache blickte mich böse vom Kopf bis zu den Stiefelspitzen an. »Haben Sie da draußen geschossen?« Ich hob nur die Schultern ein wenig und deutete auf meinen Gürtel. »Ich habe nicht mal eine Waffe bei mir.« Der Sergeant war ein galliger Veteran aus Ohio. Er mochte mich nicht sehr, weil ich mich nicht an den Zapfenstreich zu halten brauchte und in seinen Augen nur ein »Schmarotzer mit Privilegien« war, an dem der »Alte einen Narren gefressen hat«. Er hätte mich am liebsten in eine Uniform und anschließend in eine Arrestzelle gesteckt. Er traute auch nicht meiner politischen Gesinnung. Ein geborener Südstaatler, der im Fort ein und aus gehen konnte, wann und wie oft es ihm paßte, war nicht vertrauenswürdig. Wäre der Krieg nicht schon vorbei gewesen, hätte er mich bestimmt der Spionage bezichtigt. »Sie können Ihre Waffe auch weggeworfen haben!« »Habe ich aber nicht.« »Wer hat dann geschossen?« »Ein paar Milizsoldaten, die bei der Furt biwakieren.« »Und was haben Sie noch so spät in der Stadt zu suchen?« »Befehle ausführen.« »Was für Befehle?«
»Befehle vom Alten.« »Vom Alten? Ich kenne keinen Alten.« »Natürlich kennen Sie ihn, Sarge.« »Sollten Sie damit etwa den kommandierenden Offizier dieses Forts meinen, Colonel Warwick?« »Na, weshalb so viele Fragen, wenn Sie wissen, wen ich meine!« »Sie glauben wohl, weil Sie der Armee mal einen kleinen Gefallen erwiesen haben, können Sie sich Freiheiten herausnehmen wie ein Narr oder ein Kongreßabgeordneter?« »Entschuldigung, Sarge, aber ich muß dringend zum Colonel!« »Wurde etwa auf Sie geschossen?« Über das breite Gesicht des Sergeanten huschte ein erwartungsvolles Lächeln. Er hätte es wohl gern gesehen, wenn ich schwerverwundet durchs Palisadentor gewankt wäre. »Sie vertrödeln doch sonst großzügig Zeit. Weshalb plötzlich diese Eile?« »Man hat geschossen. Ob auf mich, konnte ich im Dunkeln nicht sehen. Ich weiß ja, daß Sie sich ärgern, weil Männer in Uniform im allgemeinen und Uniformierte aus Ohio im besonderen in dieser Gegend nicht beliebt sind …« »Colonel Warwick hat schon ein paarmal nach Ihnen gefragt, mein Lieber! Sie scheinen es auch nicht eilig gehabt zu haben mit dem Auftrag, den er Ihnen gab.« »Richtig, Sergeant. Doch das hat seine Gründe, und die gehen nur den Alten etwas an.« »Er wird Sie auf dem Teller verspeisen! Und dann wird er Sie feuern, Sie Schmarotzer!« * Colonel Warwick saß im Vorzimmer, wo er Besucher zu empfangen pflegte. Er hatte den Tisch mit drei Gedecken versehen und frischen Kaffee aufbrühen lassen. »Junge, du mußt noch viel lernen«, sagte er, als ich zur Tür hereinschneite. »Richtig«, erwiderte ich, »besonders den Dialekt der Mescaleros.« Er blickte mich mit verkniffenem Gesicht an. »Ich gestatte dir eine
Menge Freiheiten. Aber du hast keinen Freibrief, Ronco.« »Der Sergeant am Tor hat Ähnliches angedeutet, Sir.« »Ich habe inzwischen eine ganze Kanne Kaffee allein ausgetrunken. Wo ist der Gast? Steht er noch draußen im Flur?« »Keine Ahnung, ob er überhaupt noch in Fort Worth ist, Sir.« Er schob seine Tasse langsam auf die leere Blechkanne zu. »Du brauchst diesmal sehr gute Gründe, wenn du nicht fristlos gefeuert werden willst. Weigert sich der Mann?« »Sie aufzusuchen, Sir? Diese Milizsoldaten putzen zwar weder Stiefel noch Koppel, aber sie blicken häufig auf reguläre Soldaten hinunter …« »Keine Ausreden, sondern Gründe! Wo ist dieser Major von der Miliz?« »Unterwegs zu einer geheimen Übergabestelle, um seine Rothäute an vermummte Rebellen auszuliefern, Sir. Ich hatte vor, endlich meinem Beruf als Scout nachzugehen, dachte mir aber, daß Sie dringend auf eine Nachricht von mir warten. Deshalb kehrte ich schweren Herzens ins Fort zurück. Außerdem wurde ich von zwei Seiten beschossen – einmal von Gewehren der Miliz, die gottlob so besoffen war, um etwas zu treffen, und zweitens von Indianern, die gottlob meine paar Brocken Mescalerodialekt verstanden. Sonst hätte ich jetzt keine Haare mehr und ein zermanschtes Gehirn.« Der Colonel nahm die Kanne in die Hand und kippte sie über seiner leeren Tasse aus. »Ich habe zu lange hier warten müssen, um viel Sinn für deinen Humor zu haben.« »Es ist Galgenhumor, Sir. Sie haben wenigstens schon etwas gegessen und Kaffee getrunken. Die Indianer sind in Fort Worth. Ich fürchte, ich komme heute nacht nicht mal zum Schlafen, geschweige zum Essen oder Trinken. Hier sehen Sie die Stelle, wo ein Apachentomahawk meine Haare um die Hälfte gekürzt hat. Ich hatte nicht mal einen Revolver dabei, weil das verboten ist für Zivilisten.« Der Colonel blickte mich immer noch mit einer Mischung aus Verdrossenheit und Skepsis an, als fiele es ihm schwer, seine Entscheidung, mir fristlos zu kündigen, zurückzunehmen. Ich hatte ihm so oft vorgebetet, daß aufständische Apachen in Fort Worth so selten sein würden wie Eisbären in Arizona, daß er meinen Bericht
offenbar für einen Stuß hielt, der nur meine Unlust, militärischen Befehlen zu gehorchen, beschönigen sollte. »Erst redest du von gefangenen, frierenden Squaws und rothäutigen Kindern, die man in Käfigen zur Schau stellt. Und jetzt sind plötzlich vermummte Rebellen im Spiel und Tomahawks, die deine viel zu langen Haare zurechtgestutzt haben. Ich weiß nur zu gut, daß du trotz deiner Jugend Leistungen vollbringen kannst, die selbst erfahrene Frontoffiziere beeindruckt haben. Doch nun bin ich der Meinung, daß du faselst wie ein orientalischer Märchenerzähler …« Weiter gelangte er nicht. Schwere Stiefel trabten durch den Korridor, und eine Faust hämmerte gegen die Tür des Besuchszimmers, statt bescheiden dort anzuklopfen. Der Mann draußen wartete nicht auf das Herein. Die Tür schwang nach innen, und der Sergeant von der Torwache stand schwer atmend im Türrahmen. »Sir«, sagte er, und sein breites Gesicht zeigte eine Mischung aus Zorn und Verwirrung, »vor dem Tor steht eine Delegation der Einwohner von Fort Worth! Sie verlangen Waffen und Schutz für ihre Frauen und Kinder! Wenn ihnen das nicht gewährt würde, würden sie einen neuen Krieg gegen die Yankees anfangen, sagen sie, diese verdammten Sklaventreiber!« Der Colonel fuhr von seinem Stuhl hoch und fegte dabei die leere Kaffeekanne vom Tisch. Sie war zum Glück nur aus Blech. »Haben Sie Gründe für Ihr unverschämtes Verhalten, Sergeant?« »Zwei Tote, Sir. Der eine wurde angeblich auf dem Holzlager der bankrotten Sägemühle gefunden, der andere auf dem Hinterhof des Brazos Saloons.« Das hagere Gesicht des Fortkommandanten war jetzt so rot wie frische Leber. Er hatte offenbar an diesem Abend genug von Schluderei, Trödelei und subversivem Verhalten. »Wenn diese Texaner sich gegenseitig umbringen, geht uns das nichts an! Dafür haben sie einen Sheriff und einen Marshal! Wir greifen nur ein, wenn diese verdammten Kuhtreiber verbotene Feuerwaffen dazu benutzen! Haben sie sich mit ihren Colts erschossen oder mit dem Messer umgebracht?«
»Weder noch, Sir. Es geschah mit einem Pfeil. Ich habe mich selbst davon überzeugt, Sir. Sie haben die beiden Leichen zum Fort gebracht. Die Pfeile stecken noch drin.« »Pfeile? Verwenden die hier nachts Flitzbogen, weil Feuerwaffen untersagt sind?« »Nein, Sir. Der Anführer der Delegation behauptet, es handele sich um indianische Kriegspfeile.« »Die beiden wurden von Indianern ermordet? Ist es das, was diese Delegation behauptet?« »Jawohl, Sir.« Der Colonel beugte sich weit über den Besuchertisch. »Und was ist mit den Tätern? Hat jemand beobachtet, wie sie Pfeile verschossen haben?« Der Sergeant schien etwas ratlos. Offenbar hatte er die Delegation der Texaner nicht danach gefragt. Schließlich schüttelte er den Kopf. »Sie verlangen nur Schutz, Sir. Sie sind sehr erregt, als wimmele es in der Stadt vor Rothäuten.« »Sie haben doch die Wache am Tor und auf den Türmen! Es ist wichtig, was für eine Meinung Sie von der Lage haben, nicht diese verdammten Zivilisten, Sergeant!« Jetzt lief auch der Sergeant puterrot im Gesicht an. Es ärgerte ihn wohl, daß ich Zeuge war, wie er einen Rüffel erhielt. »Es ist ziemlich ruhig in der Stadt, Sir. Aber es ist auch dunstig, und nachts kann man dunkle Pferde nur schlecht im Gelände erkennen. Ich schätze, es geht uns auch so mit Rothäuten. Wir haben keine Erfahrung mit Wilden, Sir. Im Krieg hatten wir nur ein paar Mischlinge als Gegner, die anderen waren alle weiß. Und …« »Zum Kuckuck! Hat einer von Ihren Posten oder Streifen Indianer in der Stadt herumlaufen sehen oder nicht?« »Nein, Sir.« Der Sergeant strich sich nervös mit der linken Hand über die Haare. »Aber der Ausguck auf Turm zwei meldet ein Feuer südwestlich der Stadt. Sieht nach einer brennenden Ranch aus. Es könnte also schon etwas dran sein an den Gerüchten, daß aufständische Indianer hier herumstreifen!« Ich mußte unwillkürlich an die Triangle-B-Ranch denken, wo ich in den letzten Wochen häufig zu Gast gewesen war und eifrig
Longhorns studiert hatte. Ich mochte den Besitzer sehr, den alten Charley Beaumont, dem die Ranch gehörte. Feuer südwestlich von Fort Worth! »Sir«, sagte ich, »ich fürchte, ich hatte vorhin recht, als ich andeutete, ich käme heute weder zum Essen noch zum Schlafen. Ich schätze, ich muß sogar auf einen frisch gebrühten Kaffee verzichten.« Der Colonel streifte mich mit einem unwilligen Blick. »Sie sind Zivilangestellter und werden erst gefragt, wenn sich das Militär eine Meinung über die Lage gebildet hat, klar?« »Pardon, Sir, daß ich Ihnen widerspreche. Bisher hatte ich nichts zu tun, aber diesen Zahn muß ich mir wohl jetzt selbst ziehen – ich meine, daß ich fürs Faulenzen bezahlt werde. In Indianerfragen bin ich der einzige Experte im Fort. Vermutlich werde ich jetzt der meistbeschäftigte Mann in Fort Worth sein, wenn mich mein Instinkt nicht trügt. Und er betrog mich noch nie. Denken Sie an die neunundzwanzig Offiziere, die ich von einer Insel in alligatorverseuchten Gewässern befreite. Da war ich auch Tag und Nacht unterwegs, nur von meinem Instinkt geleitet. Und von meinem Hund Shita.« Ich warf einen hungrigen Blick auf das Gebäck, das auf dem Tisch stand. »Ich werde mir nur ein paar von den Biskuits, die Sie diesem Milizmajor Henderson vorsetzen wollten, in die Tasche stecken und Sie dann zum Tor begleiten, Sir!« »Was wollen Sie denn dort?« fauchte der Colonel mich an. »Spuren aufnehmen selbstverständlich. Ich dachte, dazu hätten Sie mich vor ein paar Wochen in Longview engagiert, Sir!« * Sie standen bei Laternenlicht und Fackelschein auf dem Exerzierplatz vor der Kommandantur um die beiden Leichen herum und redeten alle durcheinander. Ich schlich mich inzwischen auf der Fährte der vier Delegierten, die Colonel Warwick ins Fort eingelassen hatte, bis zur Torwache zurück. Das war eigentlich nur eine Vorübung, aber seit ich das Gespräch im Lagerkeller der stillgelegten Sägemühle belauscht hatte, traute ich
nur noch meinem Hund Shita, doch keiner der beteiligten Parteien mehr, ob sie nun genagelte Stiefel, Texasstiefel oder Mokassins an den Füßen trugen. Ich bückte mich tief über den nasses Lehm knapp hinter dem Bohlensteg, der von der Wohnbaracke der Offiziere zur Kommandantur führte. Hier waren die vier protestierenden Bürger von Fort Worth nicht mehr in einer Reihe hintereinander gegangen, sondern paarweise nebeneinander, jeder eine Leiche zwischen sich. Ich riß ein Schwefelholz an und dann noch eins, fluchte leise, weil ich mir die Fingerspitzen verbrannte, und erhöhte im stillen mein Gehalt, als die zweite Flamme erlosch. Die Abdrücke des rechten Vordermannes hatte ich vor einer knappen Stunde schon einmal betrachtet, wenn auch nur flüchtig. Dennoch hatten sie sich meinem Gedächtnis eingeprägt. Große Füße, etwas einwärts gestellt, Absätze außen und hinten fast bis zur Mitte stark abgetreten. Einer dieser Delegierten gehörte zu den weiß vermummten Männern im Keller der Sägemühle! »Ronco, kommen Sie doch mal bitte zu mir!« Das war die Stimme Colonel Warwicks. Ich hätte auch gern die Stiefelabdrucke der drei anderen Abgeordneten näher untersucht. Aber noch eine Pampigkeit an diesem Abend durfte ich mir nicht erlauben. »Sir!« rief ich und ging auf dem Bohlensteg zurück zu der Gruppe auf dem Exerzierplatz. Es war eine paritätisch aus Zivilisten und Militärs zusammengesetzte Gruppe, wenn man die Toten mitrechnete. Vier Soldaten der Torwache standen mit Fackeln und Laternen neben Colonel Warwick, dem Kommandanten des Militärbezirks, und Captain Redwood, seinem Adjutanten. Ihnen gegenüber hatten sich die vier Zivilisten aus Fort Worth aufgebaut, die vor ihren Stiefelkappen die beiden Toten im nassen Lehm wie kapitale Hirsche nach einer erfolgreichen Jagd abgelegt hatten. Die Toten lagen auf dem Bauch, und aus ihrem Rücken ragten die gefiederten Enden zweier Pfeile.
Zwei Apachenpfeile, stellte ich mit einem Blick fest. »Sir?« fragte ich, während ich mich bescheiden hinter den Adjutanten des Colonels stellte. Redwood stammte wie alle anderen Offiziere aus dem tiefsten Yankeeland – aus Indiana – und hatte sich im Krieg mehrfach ausgezeichnet. Deswegen war er auch schon Captain, obwohl er höchstens vier Jahre älter war als ich. Der Sergeant hatte ihn eben erst aus dem Bett geholt. Captain Redwood hatte sichtlich Mühe, die Augen offenzuhalten und nicht ständig zu gähnen. Colonel Warwick winkte mich ungeduldig an seine Seite. Dann blickte er die vier Zivilisten, die mich nicht mehr freundlich musterten, der Reihe nach an. »Ich möchte Ihnen meinen Scout vorstellen, Gentlemen. Er versteht davon mehr als ich.« Er vollführte eine vage Handbewegung zu den beiden Leichen hin. »Ronco, diese Gentlemen sind Vertreter des Gemeinderates von Fort Worth – Mister John Redford, Mister Frank Medin, Mister Raffael Jordan und Mister Fred Houston. Da der Gemeinderat vorläufig aufgelöst ist, haben sich die Gentlemen als Abgeordnete ihres Berufsstandes vorgestellt. Mister Jordan gehört der Brazos Saloon an der Main Street. Mister Medin ist der Inhaber des General Store. Fred Houston besitzt eine Schmiede in der Stadt, und Mister Redford betreibt die Sägemühle.« »Betrieb«, verbesserte ich den Colonel im stillen. »Guten Abend, Gentlemen«, sagte ich artig. Sie musterten mich jetzt noch feindseliger als zuvor. »Ziemlich jung für einen Scout«, bemerkte John Redford. Er schien der älteste der vier Delegierten von Fort Worth zu sein. Er hatte einen kurzen, asthmatischen Atem, rotgeränderte kleine Augen und einen von Gicht oder Rheuma krummgeschlossenen Rücken. Er sah ziemlich gebrechlich aus. Während ich ihn von Kopf bis Fuß betrachtete, stiegen meine Zweifel, ob er eine Ahnung hatte, was nachts in seiner Mühle vorging. Als ich seine Stiefel betrachtete, war ich ziemlich sicher, er wußte es nicht. »Hatte gar keine Ahnung, Sir, daß Sie einen Scout beschäftigen«, sagte Mister Jordan, der Saloonkeeper vom Brazos Saloon. Er schien als Wortführer der vier Delegierten ausgewählt zu sein, denn Mister
Houston, der Stellmacher, und Frank Medin vom General Store sagten gar nichts. Sie deuteten nur mit den Blicken an, was sie über mich dachten: Man hört sofort, wenn du den Mund auftust, daß du im Süden geboren bist! Du arbeitest aber für die Yankees! Also bist du ein Verräter! Ich zuckte nicht einmal mit den Schultern, sondern konzentrierte mich jetzt ausschließlich auf Mister Jordan vom Brazos Saloon. Er war die imposanteste Erscheinung von den vieren – groß, muskulös, energisch, in den besten Jahren. Am meisten fesselte mich an ihm seine Stimme – sonor, sehr bestimmt. Ich hatte sie heute abend schon einmal gehört, unten im Keller der Sägemühle. Der Vermummte, der mit Major Henderson um den Preis von Indianersklaven feilschte, hatte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen gebracht. Mister Raffael Jordan hatte gleich rechts neben dem Anführer der Kapuzenmänner gesessen. Aber die Stiefel mit den abgetretenen Absätzen, stellte ich mit einem verstohlenen Seitenblick fest, gehörten dem schweigsamen Mister Houston von der Schmiede und Stellmacherei. Sehr interessant, dachte ich. Ich werde Überstunden einlegen müssen, wenn ich allen verdächtigen Spuren gewissenhaft nachgehen will. Mister Frank Medin, ein schmächtiger Mann, der seine Augenlider nicht eine Sekunde stillhalten konnte, sagte jetzt doch etwas: »Mister Ronco, habe ich Sie nicht bei den Wagen mit den Rothäuten gesehen?« »Richtig, Sir«, sagte ich artig. »Sie schienen mit der Art, wie diese gefährlichen Leute in der Stadt untergebracht waren, nicht einverstanden zu sein, nicht wahr?« Seine Stimme war so schrill und nervös wie sein Aussehen. Ich strich ihn von der Liste der vermummten Verschwörer. »Nein, Sir. Meines Erachtens gehören nicht einmal Raubkatzen in Käfige, geschweige denn Menschen.« »Weshalb nicht?« »Sie werden neurotisch wie Kettenhunde.« »Aber Strafgefangene sitzen auch hinter Gittern! Ihre Bemerkung ist absurd, Mister Ronco. Nun, Sie sind noch sehr jung …«
»Es waren vierzig oder fünfzig Frauen und Kinder, die in kalten, schmutzigen Käfigen zusammengepfercht waren, und keine Strafgefangenen, Sir.« »Und hier sehen Sie den Erfolg, daß man offenbar nicht gut genug auf diese ach so bemitleidenswerten Frauen und Kinder aufgepaßt hat!« schnaubte der energische Mister Raffael Jordan vom Brazos Saloon. »Sie haben zwei meiner Angestellten ermordet!« »Sie meinen, die roten Frauen oder Kinder in den Käfigwagen haben die beiden getötet, Sir?« »Wer soll es sonst gewesen sein? Ich hörte, sie haben ihre Käfige aufgebrochen und …« »Ich bin davon unterrichtet, Sir«, unterbrach ich ihn höflich. »Und was sagen Sie zu dem Feuer, das südwestlich der Stadt beobachtet wurde, Sir?« Die vier Abgeordneten blickten sich gegenseitig an. Offenbar hatten sie davon noch nichts gehört. »Ein Feuer?« erwiderte Mister Raffael Jordan stirnrunzelnd. »Es ist ungewöhnlich kühl in diesem Jahr. Wahrscheinlich haben Puncher irgendwo ein großes Buschfeuer entfacht, um sich warmzuhalten.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf die beiden Toten zu seinen Füßen. »Sie wollen mich wohl von dieser Schweinerei nur ablenken, wie? Uns interessiert, was Sie gegen mörderische Indianer zu tun gedenken, die nachts unsere Stadt verunsichern?« Diese Worte waren an mich und den Colonel gleichzeitig gerichtet. Ich spürte knisternde Spannung hinter meinem Rücken. Der Colonel unterhielt sich mit zornigem Flüstern mit seinem Adjutanten. Ich sah schon eine Explosion voraus, die keiner Partei nutzen konnte. Am wenigsten unschuldigen Indianersquaws, die an den Spannungen zwischen Siegern und Besiegten eines weißen Bruderkrieges ganz gewiß keinen Anteil hatten. »Darf ich die beiden mal näher untersuchen?« fragte ich ruhig und bückte mich zu den Toten hinunter, um sie alle abzulenken. Keiner sagte etwas, als ich die Toten betrachtete. Ich drehte sie nicht auf den Rücken. Ich konnte auch so sehen, was ich wissen wollte. Es waren zwei noch ziemlich junge Männer, die für schlechten Lohn in schlechter Zeit anscheinend jede Arbeit
angenommen hatten. »Was sind das für Pfeile?« fragte der athletische Saloonkeeper mürrisch. »Indianerpfeile, Sir.« »Das sehe ich auch. Ich meine, welcher Stamm, welches Volk?« »Schwer zu sagen«, log ich. »So etwas will ein Scout sein«, zischelte der nervöse Mister Medin vom General Store. Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen. Die beiden jungen Männer trugen kleine Holzsplitter in den Maschen ihrer fadenscheinigen Hosen und Jacken. Sie mußten auf dem Lagerplatz der Sägemühle Posten gestanden haben, als der bellende Ruf eines Kojoten in der Dunkelheit aufgeklungen war. Ich hatte geglaubt, der Ruf hätte diesem eigenartigen Major Henderson gegolten. Jetzt wußte ich es besser. Krieger und Apachen hatten ihre gefangenen Frauen und Kinder darauf vorbereitet, daß sie in der Nähe waren, um sie aus ihren Käfigen zu befreien. Und ich Idiot hatte die Rothäute bei dieser Verzweiflungstat gestört und das Feuer der Milizsoldaten auf die Apachen gelenkt! »Wo haben Sie diese Toten gefunden, Mister Jordan?« fragte ich. »Wo schon! Im Hinterhof meines Saloons«, erwiderte er giftig. Das war natürlich eine Lüge, aber ich ließ mir nichts anmerken. Ein Feuer südwestlich der Stadt, vermummte Verschwörer hier in Fort Worth, rote Krieger, die ihren verschleppten Frauen und Kindern heimlich gefolgt waren, und ein Fort mit einer Handvoll uniformierter Yankees, die von diesen Vorgängen keine Ahnung hatten! Rundherum ein schöner Schlamassel, und ich mußte rasch etwas tun, damit daraus keine Katastrophe wurde, die keinem nutzen, sondern alle ins Verderben stürzen würde. Die Texaner, die Yankees, die Apachen – alle. Auch mich und meinen Hund Shita. »Nun?« fragte Raffael Jordan über mir höhnisch. »Ist das alles, was Sie als Scout zu unternehmen gedenken? Ich meine, dumme Fragen stellen?« Wenn ich mein Hund Shita wäre, dachte ich, ginge ich dir an die Hose. Aber da ich einen kühlen Kopf behalten muß, kannst du mich
vorläufig mal! Ich richtete mich auf und sagte: »Ich bin nur ein Zivilist. Wenn ich aber der Kommandant dieses Forts wäre, würde ich sofort die Besatzung alarmieren …« »Das ist bereits geschehen«, sagte jetzt Colonel Warwick mit giftiger Stimme. Mir schien, ich eckte im Augenblick überall an. »Captain Redwood geht mit dem Sergeanten vom Dienst gerade durch die Unterkünfte und weckt die Männer der Kompanie A und B. Ich denke, sie reichen aus, um Ruhe und Ordnung in der Stadt zu gewährleisten.« Die Stimme des Colonels wurde sarkastisch. »Wenn vier Delegierte aus der Gemeinde hierher ins Fort kommen und ein langes Palaver veranstalten, kann die Indianergefahr ja nicht so groß sein. Meine Soldaten warten nur darauf, daß Sie das Palaver beenden, Gentlemen, damit sie hier antreten und ausrücken können!« »Sir!« schnaubte der Saloonkeeper, Raffael Jordan. »Wenn unseren Frauen und Kindern auch nur ein Haar gekrümmt wird …« »Mister Ronco«, unterbrach der Colonel den Texaner mit scharfer Stimme, »hat mir berichtet, daß Sie keinen Funken Mitgefühl an die Frauen und Kinder der Rothäute verschwendet haben, die wie Schweine oder Raubtiere in Käfigen untergebracht waren! Außerdem entscheide ich, was ich für richtig halte, weil ich auch die Verantwortung trage!« Er blickte mich an und deutete mit einer knappen Handbewegung auf die Tür der Kommandantur. »Kommen Sie mit mir, Mister Ronco! Sie werden jetzt beweisen müssen, ob Sie Ihrem Posten wirklich gewachsen sind!« Dann drehte er sich noch einmal um und sagte zu einem der uniformierten Fackelträger: »Führen Sie die Gentlemen zurück zum Tor, Corporal! Die Audienz ist beendet!« * »Ich habe dich genau beobachtet, Junge«, sagte der Colonel, als er sich den Säbel umschnallte und den Mantel vom Haken nahm. »Mir scheint, ich habe vorhin nicht genau zugehört, als du mir von vermummten Verschwörern, Apachen-Tomahawks und betrunkenen Milizsoldaten berichtet hast!«
»Das kommt davon, daß Sie meine Anstellung als Indianer-Scout auch nicht so ernst genommen haben, Sir. Sie wollten mich als eine Art Gouvernante in der Nähe haben. Oder als Gesprächspartner nach Feierabend. Und jetzt, nachdem der Ernstfall eingetreten ist …« Er schnitt mir mit einer knappen Handbewegung das Wort ab. »Du kriegst zwei Tassen frischen Kaffee und so lange Zeit, die Lage zu erläutern, bis du sie ausgetrunken hast. Genügt das?« »Dicke«, erwiderte ich, und schilderte in knappen Worten, was ich alles gesehen und gehört hatte und welche Schlüsse ich daraus zog. Er hörte diesmal sehr genau zu, die Arme auf dem Rücken verschränkt und seine Männer durchs Fenster beobachtend, die auf dem Paradeplatz antraten. Als ich geendet hatte, war sogar noch eine Vierteltasse übriggeblieben. Ich trank den Rest mit einem Schluck aus, wischte mir den Mund ab und sagte: »Ich bin fertig, der Kaffee ist alle. Da Sie sich jetzt ein genaues Bild von der Lage machen können, werden Sie wohl die Sache selbst in die Hand nehmen. Ich schlage vor, ich haue mich jetzt aufs Ohr!« Er lachte kurz auf. Es klang wie ein Schnauben. »Junge, ich habe dich anfangs für einen gewandten Spieler und fixen Burschen gehalten, der gut mit Waffen umgehen kann. Aber ich hielt dich auch noch für unausgegoren, für einen jungen Mann, der noch eine väterliche Hand braucht. Daß du das Versteck der gefangenen Offiziere gefunden hast, mit denen uns ein paar fanatische Südstaatler erpressen wollten, hielt ich für einen Glückstreffer.« »Anfängerglück, wie?« »So ungefähr. Befriedigung von Abenteuerlust, vielleicht auch ein wenig Ehrgeiz, ein Problem zu knacken, das deine Intelligenz herausforderte.« »Hm. Und was sagen Sie jetzt?« Er drehte sich um. Seine Stimme war so ernst wie seine Augen. »Jetzt weiß ich, daß ich deine wahre Berufung entdeckt habe, Ronco.« Ich grinste ein bißchen. »Den Beruf eines Spürhundes?« »Du bist der geborene Scout, Junge.«
»Das sagte ich eben. Ich bin ein Spürhund.« »Ich verstehe etwas anderes darunter. Du bist der geborene Anführer, der selbständig handeln und entscheiden kann. Ein scharfer Beobachter, intelligent, verantwortungsfreudig. Du bist ein Mann, wie ihn dieses Land braucht, wenn die Wunden des Bürgerkrieges vernarbt sind – ein Pionier, der die Weite dieses Landes erschließt und es zu einer großen Zukunft führen kann.« »Oh«, erwiderte ich mit der Schnoddrigkeit meiner jungen Jahre, »das klingt fast so, als hätte ich das Zeug zu einem General oder gar zum Präsidenten der Vereinigten Staaten.« »Du hast das Zeug in dir, ein großer Mann zu werden. Auf welchem Posten du das wirst, ist deine Sache. Aber ich werde dafür sorgen, daß du die Basis dazu legst. Und zwar sofort.« »Sofort, Sir!« »Ich habe dein Pferd satteln lassen. Du wirst mich begleiten. Ich gebe die Befehle, aber du leitest das Kommando!« »Ich?« fragte ich erschrocken. »Selbstverständlich«, erwiderte er grimmig. »Es ist ein höllisch verwickeltes Problem, genau nach deinem Geschmack. Und wehe dir, du bringst nicht alles zu einem guten Ende!« Er meinte es wahrhaftig ernst. Ich stotterte: »Dann brauche ich aber auch noch meinen Colt, meinen Mantel und meinen Hund Shita, wenn ich mitkommen soll!« »Draußen wartet Captain Redwood mit zwei Kompanien auf deine Anweisungen und friert sich die Zehen ab! Also steh hier nicht herum und halte Maulaffen feil!« »Jawohl, Sir! Bin sofort wieder da!« Ich spurtete zur Tür.
6. Ich stand bis zum Bauch im kalten Wasser des Trinity River. »Hier hat die Miliz ihre Leichen versteckt, Sir«, sagte ich mit klappernden Zähnen. Shita hatte sie entdeckt. Er stand auf der Uferböschung und schüttelte sich das eisige Wasser aus dem Fell. Dann gab er wieder
helle, japsende Laute von sich. Der Colonel stand neben mir und ließ sich nicht anmerken, daß ihm die Kälte die Haut und die Knochen zusammenzog. Unter der ausgespülten Uferböschung pendelten die beiden uniformierten Milizsoldaten im glucksenden Wasser hinter den knorrigen Wurzeln einer Erle hin und her wie Baumstämme, die sich dort verirrt hatten. »Warum haben diese Kerle ihre Toten nicht in geweihte Erde begraben, wie es sich gehört?« fragte Colonel Warwick empört. »Hinter dieser Miliz verbirgt sich eine Menge, was das Tageslicht scheut, Sir. Ich denke, diese Leute tragen nur Uniformen, um die reguläre Armee zu täuschen, die hier für Ordnung sorgen soll.« »Was verbirgt sich dahinter?« »Sie haben ja die leeren Flaschen auf dem Lagerplatz gesehen, Sir. Und die Spuren eines überstürzten Aufbruchs. Sie fürchten etwas, das sie bisher keinem verraten haben – weder den vermummten Verschwörern im Keller der Sägemühle noch den Einwohnern von Fort Worth. Es ist ein undisziplinierter Haufen, der sich jedoch mit der Verhaltensweise der Indianer auszukennen scheint. Sie haben versucht, ihre Fährte gut zu vertuschen.« Ich deutete auf die flachen, kiesigen Flußbänke im Überschwemmungsbett des Trinity. »Sie lenken ihre Gespanne in den Fluß, wo das Wasser die Wagenspuren auslöscht und der Nebel sie verschluckt, daß sie den Verfolgern keinen Hinweis mehr bieten.« Ich kletterte aus dem Wasser und schüttelte mich wie mein Hund Shita. »Ich würde mir die Leichen sehr genau anschauen, ehe sie beerdigt werden. Vielleicht sind ihre Gesichter auf einer Reihe von Steckbriefen abgebildet.« »Banditen, wie?« murmelte Colonel Warwick und hielt die Fackel hoch, um die Gesichter der Toten genau zu betrachten. »Auf jeden Fall Menschenhändler, Sir, und ganz bestimmt Mörder.« Der Colonel winkte ein paar seiner Leute heran. »Schafft die beiden an Land und deckt sie mit Zweigen zu! Wir wollen nicht, daß sie auch noch das Wasser verpesten.« Er zog sich an den Wurzeln am Ufer hoch. »Und dann fachen wir ein Feuer an, um die Kleider zu trocknen.«
»Vorsicht, Sir. Wenn Rothäute in der Nähe sind, müssen wir erst Posten aufstellen. Ich vermute, die Indianer werden keinen Unterschied zwischen uniformierten Banditen und der regulären Armee machen!« »Gut, Junge. Du führst das Kommando. Ich gebe nur Befehle!« Der alte Haudegen setzte sich auf einen Baumstamm und hielt mir sein rechtes Bein hin. »Aber da du auch noch ein junger Spund bist und mir bisher immer aus meinen Stiefeln herausgeholfen hast, kannst du es auch jetzt tun.« »Aber gern, Sir. Weshalb Sir?« »Damit du nicht zu übermütig wirst, Junge. Ich bin ein schlechter Zuhörer, wenn ich nasse Füße und einen nassen Hintern habe.« »Sir, wir …« »Wir halten hier eine Lagebesprechung ab. Du wirst sie leiten, Junge. Mal sehen, ob du auch taktischen Verstand hast!« * Der Colonel hatte einen Halbkreis von Doppelposten um unseren Lagerplatz am Flußufer ziehen lassen. Er bewegte seine Zehen vor dem kleinen Feuer, das wir in einer Schlammkuhle angezündet hatten. Captain Redwood, sein Adjutant, und Lieutenant Stone, der die A-Kompanie führte, standen rechts und links neben ihm und sahen mit ausdruckslosen Gesichtern zu, wie ich mit einem Stock Kreise und Striche in den feuchten Sand malte und dabei ab und zu meinem Hund Shita einen Tritt auf die Zehen gab, weil er glaubte, er müsse dort, wo ich Kringel auf den Boden zeichnete, einen Dachs ausgraben. »Wir wissen bisher nur, daß die meisten Frauen und Kinder, die von dieser zwielichtigen Miliztruppe nach Fort Worth verschleppt wurden, offenbar dem Stamm der Mescalero-Apachen angehören. Die Spur der Käfigwagen, in denen sie transportiert wurden, endet hier im Flußbett des Trinity River. Natürlich bewegte sie sich mit dem Fluß weiter nach Osten.« Ich zeichnete einen Pfeil auf den Boden und dann schräge Striche links und rechts hinter den Pfeilspitzen, um die zahlreichen Zuflüsse
im Norden und Süden des Trinity anzudeuten. »Hier irgendwo sollen die Apachen einem Abnehmer übergeben werden, der sie als Arbeitssklaven verwenden will wie früher die Neger. Hier ist die Grenze zwischen Rancher- und Pflanzergebiet. Die Rancher brauchen aber keine Nigger für ihre unverkäuflichen Rinderherden. Also werden diese Apachen irgendwo im Osten in der Nähe des Trinity auf einer Plantage erwartet.« »In der Nähe?« warf der Colonel sofort ein. »Begründe das! Warum reiten diese Halunken mit ihren Käfigen nicht gleich durch bis zur Grenze von Louisiana?« »Unwahrscheinlich, Sir«, erwiderte ich knapp. »Die Pferde bei der Mühle sahen nicht abgetrieben aus. Der vermummte Anführer der Käufer im Keller der Sägemühle kann also höchstens einen Tagesritt von Fort Worth entfernt wohnen.« »Akzeptiert, Junge. Weiter!« »Diese Miliz trat sehr selbstbewußt in Fort Worth auf, als hätte sie überhaupt nichts zu befürchten. Das Begleitpersonal des Gefangenentransports schürte ein großes Feuer an und trank so viel Whisky, daß es nicht einmal mehr in der Lage war, die roten Sklaven ordentlich zu bewachen oder einen Indianer mit dem Repetiergewehr auf einer Entfernung von zwanzig Yards zu treffen.« »Oder dich, Junge.« »Mich übersahen sie sowieso, Sir.« »Gut. Und dann folgte eine kalte Dusche. Vier Tote und zwei aufgeknackte Käfigwagen. Welche Schlüsse ziehst du daraus?« »Ein paar Krieger vom Stamm der Mescalero-Apachen sind dem Gefangenentransport bis nach Fort Worth gefolgt. Einfache Schlüsse sind es nicht, die ich daraus ziehe, Sir.« Der Colonel blickte mich gespannt an. »Weshalb nicht?« »Das Stammesgebiet der Mescaleros liegt über fünfhundert Meilen von hier entfernt im Westen. Als ich das Gespräch im Keller der Mühle belauschte, deutete dieser Henderson an, daß er die Frauen und Kinder am Pecos River eingefangen habe wie Büffel. Sie würden dort zu Tausenden zusammengetrieben, sagte er, und er könne jede Menge Nachschub von diesen roten Sklaven besorgen.« »Was ist daran kompliziert?«
»Eine Menge, Sir. Diese Frauen und Kinder waren bestimmt nicht herrenlos. Dieser Henderson tat aber so, als wären seine Rothäute so schutz- und hilflos wie Neger, die man über den Ozean geschippert hatte.« »Er glaubte, die Männer dieser Frauen wären tot?« »Möglich, Sir …« »Nur heraus mit der Sprache! Mir scheint, du gibst dich mit dieser Vermutung nicht zufrieden, Ronco.« »Nein, Sir. Vielleicht hatten diese uniformierten Sklavenfänger ein Gefecht mit Mescalero-Kriegern und töteten sie. Andere Krieger in einem weit entfernten Lager erfuhren davon und beschlossen, ihre getöteten Stammeskrieger zu rächen. Sie folgten dem Wagenzug der Miliz und …« Ich stockte und schüttelte den Kopf. »Unbefriedigend, Sir.« »Weshalb?« »Sie hätten die Frauen und Kinder schon viel früher befreien müssen – im unbesiedelten Gebiet der Prärie, wo die Comanchen noch weithin das Gesetz des Geschehens diktieren. Warum also erst hier – weitab von ihrer Heimat, auf einem Terrain, das ihnen völlig fremd ist?« »Diese Krieger wurden unterwegs aufgehalten, Ronco.« »Das ist möglich. Aber von wem?« Ich bückte mich über meine Skizze und schüttelte den Kopf. »Nur eins ist gewiß. Diese Apachen wollen nur ihre Frauen und Kinder befreien und haben keine Angriffe auf weiße Siedler oder Niederlassungen geplant. Sonst hätten sie sich nicht darauf beschränkt, weiße Männer zu töten, die ihnen bei ihrer Befreiungsaktion in die Quere gerieten.« »Vielleicht sind es nur wenige Krieger, Ronco, die nicht zu größeren Operationen fähig sind.« Ich lächelte ein wenig überlegen. »Sie kennen die Mentalität dieser Wüstenindianer nicht. Sie sind listiger als Füchse und Kojoten zusammen. Und sie befinden sich auf einem Terrain, das ihnen fremd ist, dicht besiedelt, mit klimatischen Bedingungen, die ihnen ungewohnt sind. Möglich, daß sie nur ein paar Kundschafter vorausgeschickt haben, die eine Befreiung wagten, weil die Umstände dafür sehr günstig waren. Möglich, daß das Gros der
Krieger irgendwo im Westen lauert, in unserem Rücken, um auf die Rückkehr ihrer Kundschafter zu warten. Möglich aber auch, daß nur eine Handvoll verzweifelter Krieger ihren Frauen und Kindern gefolgt ist, um sie zu befreien oder zu sterben. Bei Rothäuten ist alles möglich, Sir. Ihre Unberechenbarkeit ist ihre Taktik.« »Schön. Aber wir sind weiße Soldaten, und unsere Stärke ist die logische Klarheit. Wie siehst du jetzt die Lage ohne Wenn und Aber?« »Klar ist, daß sie nur so weit nach Osten vorgedrungen sind, weil sie die Frauen und Kinder befreien wollen. Bis jetzt haben sie nur eine kleine Gruppe der Gefangenen befreit. Sie werden nicht lockerlassen, bis sie alle haben. Wenn wir der Kolonne der Käfigwagen folgen, werden wir zwangsläufig auch auf die Indianer stoßen – ob es nun eine Handvoll Krieger ist oder eine größere Streitmacht.« »Logisch. Dann tun wir das doch.« »Vorsicht, Sir. Ich habe so ein Kribbeln im Nacken, das nichts Gutes verheißt!« »Du meinst, die Indianer müssen nicht vor uns – sie können auch hinter uns sein?« »Schlimmer noch – sie könnten uns von allen Seiten in die Zange nehmen, Sir. Entspricht ihrer Taktik. Ich habe ja selbst als kleiner Junge mit ihnen zusammen gekämpft. Ich denke nämlich an das Feuer, das wir im Westen von Fort Worth beobachtet haben. Es kann eine harmlose Ursache haben, kann ein Ablenkungsmanöver sein, aber auch die Folge eines Indianerüberfalls auf eine Ranch. Ich würde das alles berücksichtigen, Sir.« »Pah, Ronco. Ich habe das Fort noch ausreichend mit Truppen besetzt. Die C-Kompanie ist angewiesen, die Stadt und das Gelände im Westen nach Indianern abzusuchen!« »Weiß ich, Sir. Aber …« Ich bückte mich und zog einen langen Strich parallel zu meinem Pfeil, der von der Prärie im Westen bis zur Grenze von Louisiana im Osten auf meiner Sandskizze reichte. »Hier – knapp hundert Meilen nördlich von uns liegt das Indianerterritorium. Da sitzen auch ein paar Apachen und eine ganze Menge rothäutiger Vettern aus der Prärie, die man hierher verpflanzt
hat. Cheyenne, Chickasaw, Chocktaws, Kiowas, Arapahos und wie sie alle heißen. Möglich, daß unsere Apachen ein paar Krieger dorthin geschickt haben mit der Bitte, ihnen bei der Befreiungsaktion zu helfen. Möglich, daß auch die schon befreiten Frauen und Kinder der Apachen bereits dorthin unterwegs sind und ihren Vettern schildern, daß man sie behandelt hat wie Kettenhunde – die schlimmste Schmach, die man einem Indianer antun kann. Wenn der Funke zündet, Sir, rollt eine breite Lawine von Rothäuten von Norden auf den Trinity River zu, die sich leicht um Fort Worth zu einem Kessel schließen könnte, spätestens in zwei Tagen, wenn die Rothäute sich beeilen.« »Teufel«, murmelte Colonel Warwick, »daran habe ich noch gar nicht gedacht.« »Ich sagte schon, Sir, daß man bei Rothäuten an alles denken muß.« »Dann wäre meine kleine Streitmacht zu schwach.« »Nein, Sir. Sie haben Repetiergewehre und eine überlegene Feuerkraft.« Der Colonel nickte. »Auch wieder richtig. Ich wußte ja, daß du nicht nur Longhorns studiert hast. In dir steckt eine echte taktische Begabung. Hast du auch einen Vorschlag, wie wir allen Gefahren begegnen können?« »Augenblick, Sir.« Ich fuhr mit meinem Stock an dem Pfeil im Sand entlang nach Osten. »Die Apachen wollen unter allen Umständen ihre Frauen und Kinder befreien. Wir müssen also die Kolonne mit den Käfigen einholen, um ein Blutvergießen zu verhindern. Das ist unsere wichtigste Aufgabe.« Ich wich mit meinem Stock nach Norden aus und zog einen Halbkreis über meinen Pfeil. »Hier ist die Grenze des Indianerterritoriums. Falls die Apachen dort ihre roten Vettern alarmiert haben, damit die ihnen bei der Befreiungsaktion helfen, müssen wir das rechtzeitig wissen, um uns auf das Südufer des Trinity River zurückziehen und dort verschanzen zu können, bis Verstärkung eintrifft. Wir brauchen hier also eine weitgefächerte Flankensicherung, die uns rechtzeitig benachrichtigt, damit wir von den Indianern nicht überrumpelt werden.«
Mein Stock, schloß den Halbkreis und kehrte zum Anfangspunkt des Pfeils im Westen zurück. »Möglich, daß nur Kundschafter der Apachen vor uns sind, die beobachten sollen, wo die Frauen und Kinder ihres Stammes ausgeladen werden. In diesem Fall sitzt uns eine Streitmacht der Apachen im Nacken. Deshalb brauchen wir eine starke Nachhut, Sir, die uns im Rücken absichert. Das war's, Sir.« Der Colonel blieb eine ganze Weile stumm, betrachtete meine Skizze und kringelte dabei seine Zehen vor dem Feuer. Dann blickte er noch zu seinen beiden Offizieren, Captain Redwood und Lieutenant Stono »Was sagen Sie dazu, Gentlemen?« Captain Redwood musterte mich sehr nachdenklich. Seine Augen hatten längst ihre Schläfrigkeit verloren, und seine Stimme klang sehr wach. »Ich denke, Mister Roncos Vorschlag hat eine Menge für sich, Sir.« »Lieutenant Stone?« Der junge Offizier schien sogar etwas Respekt vor mir zu haben. Wenigstens legte ich es so aus, als er mir zulächelnd sagte: »Hätte mein Lehrer in West Point auch nicht besser hinkriegen können, Sir.« »Na, dann werden wir Mister Roncos Vorschläge in die Tat umsetzen, Gentlemen. Fehlen nur noch die Spuren, die wir verfolgen müssen, Mister Scout. Das ist Ihre Aufgabe. Sie werden die Vorhut übernehmen und uns führen. Wie viele Leute brauchen Sie dafür?« »Eigentlich nur meinen Hund, Sir. Und einen Melder, der den Kontakt zu Ihnen aufrechterhält.« * Es war ein verdammt harter Ritt an jenem trüben Novembermorgen des Jahres 1865, den ich mein Leben lang nicht mehr vergessen sollte. Am Tag vorher hatte ich das Nichtstun noch in vollen Zügen genossen, und die Feindseligkeit der Texaner, der ich in Fort Worth begegnete, hatte mich wenig gekratzt. Mir genügte es, daß ich zwei Freunde in meiner Nähe hatte, die mir vertrauten und ihr Wohlwollen schenkten – Colonel Warwick und meinen Hund Shita.
Das alles hatte sich seit dem Zusammentreffen mit diesem verdächtigen Major Henderson und seiner Miliz schlagartig verändert. Blut war geflossen, eine Verschwörung gegen die Yankees zeichnete sich ab, und aus meiner »Beschäftigung« war plötzlich ein harter Job geworden, der mir fast zu viel abverlangte. Der Nebel, der vom kalten Wasser aufstieg, hing wie ein graues Tuch zwischen den Bäumen. Der Fluß schlängelte sich in mächtigen Windungen durch einen verfilzten Dschungel aus gelbem Schilf, mannshohem Rohrdickicht und mächtigen Erlen. Dazwischen dehnten sich immer häufiger ölige, stille Wasserflächen aus, kleine Hochmoore mit Weidestümpfen und verrotteten Cottonwood- und Akazienstämmen. Immer wieder mußte ich von meinem grauen Wallach absteigen und das Ufer nach Spuren absuchen, wenn sich dort das Gestrüpp etwas lichtete. Kalter Schlamm quoll in meine Stiefel, und der Nachtwind kroch wie eine riesige kalte Schnecke über meine Haut. Ich fror und schwitzte gleichzeitig, weil ich knapp hundert uniformierte Männer hinter mir wußte, die sich darauf verließen, daß ich sie nicht im Kreis herumführte oder in einen Sumpf, sondern auf der richtigen Fährte. Auf der Spur einer Kolonne mit acht Wagen und zehn Reitern. Corporal Sheen, den der Colonel mir als Begleiter zugeteilt hatte, hatte als einziger Soldat in Fort Worth Erfahrung mit Indianern. Er hatte ein paar Scharmützel mit Sioux oben in Minnesota hinter sich gebracht. Es war ein rothaariger, sommersprossiger Bursche, vielleicht zehn Jahre älter als ich, dafür aber auch mindestens zehn Pfund leichter. Er lauschte ständig in den Nebel, obwohl in dem seichten, rasch fließenden Wasser alle anderen Geräusche untergingen, die uns rechtzeitig hätten warnen können. »Heiliger Patrick«, flüsterte er, als ich wieder einmal am Ufer anhielt, »wenn die Apachen so gefährlich wie die Sioux sind, helfen uns Repetiergewehre nichts. Wir werden mit Pfeilen gespickt, ehe wir sehen, von wo die Dinger abgeschossen werden. Und dann ist es zum Schießen sowieso zu spät!« Ich prüfte die Zweige einer Weide und das Geröll an der
Böschung. Shita stand mit nassem Fell neben mir und zitterte wie Espenlaub. Er hatte bisher keinen Laut von sich gegeben und schien apathisch und völlig uninteressiert an allem, was ich tat. Entweder war er krank, dachte ich, oder er wollte mir andeuten, daß die Spur hier »kalt« war. »Sie fürchten, daß Indianer neben uns herschleichen und nur auf eine Gelegenheit warten, uns abzumurksen?« »Sie etwa nicht, Ronco?« »Es ist eine Möglichkeit, die ich nicht ausschließen kann«, erwiderte ich kühl, obwohl mein Herz ziemlich laut pochte, sobald ich mich dem Ufer bis auf eine Armlänge nähern mußte. Falls hier Apachen im Gebüsch lauerten, brauchten sie nur mit dem Tomahawk auszuholen. Ich schüttelte mich, als wären ein paar Wassertropfen von den Erlenzweigen über mir in meinen Kragen gelaufen. »Corporal«, flüsterte ich, »mein Hund ist auf Indianer abgerichtet. Der spitzt schon die Ohren, wenn sie noch hundert Yards von uns entfernt sind. Und auf diese Entfernung ist ein Treffer mit einem Pfeil so unwahrscheinlich wie ein Royal Flash am Pokertisch.« »Ist das wahr?« flüsterte Corporal Sheen mit blaugefrorenen Lippen. »So wahr wie mein Hund Shita heißt, Corporal«, log ich, um mir selbst Mut zuzureden. Der Corporal hielt den angefeuchteten Daumen in den Nebel. »Sir«, sagte er, plötzlich viel munterer, »der Wind ist umgesprungen! Er weht jetzt von Norden und bläst Ihrem Hund direkt in die Nase! Dann wittert er auch die Miliz oder Indianerponys, nicht wahr?« Ich hielt die Nase in den Wind. Der Corporal hatte recht, der Wind strich jetzt von Norden heran. Das erleichterte mir meinen Job ganz erheblich. Wenn ich Shita immer zwischen meinem Wallach und dem Nordufer traben ließ, roch er einen Warmblüter schon auf eine Meile Entfernung gegen den Wind. Das wußte ich aus Erfahrung. Am Mississippi hatte er sogar die Alligatoren rechtzeitig gerochen, die sich im Schlamm versteckt hielten, obwohl die kaltes Blut in den Adern haben.
Ich trieb meinen Wallach vorwärts. Mein Herz schlug jetzt viel ruhiger und leiser, obwohl ich erheblich rascher vorankam als zuvor.
7. Als die Dämmerung den Dunst allmählich milchigblau aufhellte, stiegen mir die ersten Zweifel auf. Nichts ist für einen Scout schlimmer als mangelndes Selbstvertrauen und nagende Ungewißheit. Was für eine Blamage, dachte ich, wenn ich schon bei meinem ersten Einsatz zugeben muß, daß ich die Spur verloren habe. Wir hatten schon zwei Zuflüsse – den Oak Creek und den Snake Spring – passiert und näherten uns der Einmündung des Denton River. Das Gelände im Norden wurde immer sumpfiger. Der Denton River, dachte ich beklommen, war die äußerste Entfernung für einen Tagesritt. Dort hörten die grotesken Windungen des Trinity auf, und er wurde zu einem reißenden tiefen Fluß, der nach Südosten nach Dallas hinunter abbog. Spätestens am Rand des Denton-River-Tales mußte die Kolonne, die wir verfolgten, das Hochwasserbett des Trinity wieder verlassen haben. Dort gab es keine flachen Kies- und Sandbänke mehr, die sich an der steilen Uferböschung im flachen Wasser hinzogen wie ein Trail oder eine Furt. Der Denton River war meine letzte Chance – oder ich hatte die Fährte verloren. Corporal Sheen merkte meinem verkniffenen Gesicht an, daß sich mein Selbstvertrauen dem Nullpunkt näherte. Er grinste. »Vielleicht ist diese verdammte Miliz mit ihren Käfigwagen auf ein paar Flöße umgestiegen und den Trinity River hinuntergeschwommen, Mister Ronco«, sagte er und spuckte ins Wasser. »Oder wir haben die beiden Abzweigungen nicht gründlich genug untersucht.« »Das haben wir aber, Corporal. Außerdem sagten Sie mir, daß es am Ufer des Oak und des Snake Spring nur Sümpfe und ungerodeten Wald gäbe.« »Sicher, Sir. Habe ich gesagt. Aber bei der nächsten Biegung wird das Ufer so steil, daß man einen Wagen nur noch mit einer Winde
herausziehen kann, aber nicht mit einem Pferdegespann.« Ich hielt meinen Wallach sofort an. »Warum haben Sie mir das nicht gleich gesagt, Corporal«, flüsterte ich wütend. »Nun, knapp hundert Yards hinter uns habe ich noch eine frische Pferdespur im Kies gesehen. Aber es könnte ja auch ein einzelner Reiter dort durch die Furt gekommen sein.« »Eine Furt? Was für eine Furt, verdammt noch mal!« »Ich dachte, Sie wüßten darüber Bescheid«, erwiderte der Corporal jetzt etwas verlegen. »Hier hat es mal Ärger gegeben!« Ich wendete meinen Wallach im flachen Wasser. Colonel Warwick mit dem Gros der Truppe war vielleicht zweitausend Yards hinter uns. Was für eine Blamage, wenn sie auf eine Spur stießen, die ich übersehen hatte! »Reden Sie, Corporal! Was für einen Ärger hat es dort gegeben?« »Als wir Fort Worth besetzten.« Der Corporal deutete auf die Böschung am Nordufer hinauf. »Hier zwischen dem Snake Spring und dem Denton Valley liegt eine riesige Plantage. Sie gehört einem ehemaligen Colonel der Konföderierten. Als wir damals auf dem Trail von Dallas heraufmarschierten, wurden wir aus ein paar Büschen heraus beschossen. Wir nahmen natürlich sofort die Verfolgung der Heckenschützen auf und stießen auf die Furt dort vorn. Wir konnten leider nicht nachweisen, daß dieser Plantagenbesitzer hinter dem Attentat …« Ich ließ ihn nicht weiterreden, sondern gab meinem Wallach die Sporen, daß das flache Wasser bis hinauf zu meinen Ohren spritzte. * »Sie warten hier!« befahl ich dem sommersprossigen Corporal. »Von jetzt an ist die Fährte nicht mehr zu verfehlen. Colonel Warwick wird von hier ab das Kommando wieder übernehmen wollen, weil er keinen Scout mehr braucht!« »Sir, er wird ärgerlich sein, wenn Sie eigenmächtig handeln.« »Unsinn, Corporal. Ich muß zuerst diesen Plantagenbesitzer unter die Lupe nehmen. Colonel Warwick weiß, warum. Sagen Sie ihm, daß ich in die Höhle des Löwen reite, um einen Kapuzenmann zur
Vernunft zu bringen, ehe die Indianer über ihn herfallen, klar?« »Ja, Sir«, stotterte der Corporal. »Ich werde es ihm ausrichten. Aber so wie ich den Alten kenne …« »Ich kenne ihn mindestens so gut wie Sie, Corporal. Und einer muß hierbleiben, um die Truppe einzuweisen.« Ich ließ den Corporal einfach am Ufer stehen und trabte mit meinem Wallach zwischen die Bäume. Der Corporal, dachte ich wütend, mochte vielleicht ein paar Indianer in Minnesota gesehen haben. Aber gekämpft hatte er bestimmt nicht gegen sie. Sonst wäre er nicht so begriffsstutzig gewesen und hätte schon viel früher den Mund aufgetan, statt zu warten, bis man ihn mit Fragen löcherte. Er war nur Ballast für mich. Gegen einen Apachen hatte der Corporal keine Chance. Shita lief auf den tiefen Wagenspuren mit gespitzten Ohren durch den Wald. Der Bastard war wie ausgewechselt – gespannt wie eine aufgezogene Uhrfeder, ein Fellbündel voll Energie. Ab und zu blickte er sich ungeduldig nach mir um. Er witterte eine noch ganz warme Fährte. Die Milizsoldaten unter Major Henderson waren »raffiniert« aus dem Flußbett des Trinity ausgestiegen. Sie mußten Bretter mitgeführt haben und hatten einen Steg vom tiefen Wasser bis zum hohen Ufer verlegt, der kaum Spuren hinterlassen hatte. Nur oben, am Rand der Böschung, hatte ich die flachen Eindrücke der Bretterkanten entdecken können. Möglich, daß selbst Apachen sich von diesem Trick täuschen ließen. Wo steckten die Indianer, die den Wagenzug verfolgten? Ich hatte den Spencer-Karabiner schußbereit quer vor mir auf der Kruppe des Wallachs. Shita, dachte ich, vielleicht lockst du mich in deinem Eifer in einen Hinterhalt der Apachen! Er drängte ungestüm vorwärts, als ginge es um Leben oder Tod. Und ich folgte ihm genauso unbedenklich wie immer, da ich seine vorzügliche Nase kannte. Der Wind stand gegen uns. Shita hätte sofort angehalten und wäre zu mir zurückgelaufen, wenn Apachen vor uns lauerten. Mir war das unbegreiflich. Wo waren die Rothäute hingekommen? Der Nebel vor mir wurde immer heller und riß plötzlich auf.
Der Wald war zu Ende und blieb hinter mir zurück wie ein Zaun. Vor mir breitete sich eine weite, wellige Ebene aus, die in den Wald eingepaßt war wie mit einem Lineal. Dunkle Gräben durchzogen das gerodete Land, gesäumt von langen, Buschreihen. Die Wagenspuren führten schnurgerade in die wirbelnden, aufgelösten Nebelschwaden, vorbei an abgeernteten Feldern und verrottenden Halden aus Zuckerrohr. Shita lief auf der Spur der Wagen auf eine dunkle Baumgruppe zu, die den Mittelpunkt dieser ausgerodeten Ebene bildeten. Eine Baumgruppe, unter der sich weiße Mauern im Licht der aufgehenden Sonne gelb verfärbten. Wo steckten die Rothäute? Nichts vor mir deutete auf eine Gefahr oder gar einen Überfall hin. Shita hatte es so eilig, daß ich ihm auf dem Wallach kaum zu folgen vermochte. Verdammt, dachte ich, dieser Bastard benimmt sich, als wäre er auf dieser Plantage zu Hause. Doch dann schlug er plötzlich einen Haken nach rechts und leitete mich zu einer Buschreihe, die neben einem Graben auf das Plantagenhaus zuführte. * Beim Näherkommen erkannte ich, daß die Handvoll Bäume, die ich aus der Entfernung gesehen hatte, sich auseinanderzog zu einem großen Komplex aus Korrals, Koppeln, braunen Parkwiesen und zu strohgedeckten Hütten, die sich hinter hohen Nußbaumhecken zu verkriechen schienen. Auch die gelbverfärbte Fassade des Herrenhauses zog sich gewaltig in die Breite und Höhe auseinander. Sie war nicht glatt und aus einem Stück, sondern gliederte sich in eine breite Vortreppe, hohe Säulen, die selbst Douglaszedern beschämt hätten, und ein Dach, auf dem der Exerzierplatz von Fort Worth bequem Platz finden würde. Auf den Koppeln, auf die der Graben und die Hecke zuliefen, kräuselte sich nur der Nebel, gelb wie brennender Schwefel. Und dort, wo die Hecke an einem Gatter endete, hielt Shita plötzlich an,
setzte sich auf die Hinterbeine und hechelte. Als ich ihn erreichte, die Schultern weit nach vorn, damit mein Kopf die Hecke nicht überragte, blickte Shita mich mit seinen dunklen Augen an und japste leise. Absteigen! bedeutete das. Vorsicht! Von hier ab nur noch zu Fuß weitergehen! Ich mußte im stillen lächeln. Shita, dachte ich, wenn du so sprechen könntest, daß auch Colonel Warwick dich verstünde, wärst du der beste Scout, den die Yankees engagieren könnten. Sein Spürsinn hatte mir schon ein paarmal das Leben gerettet. Wir waren ein eingespieltes Team, und ich wußte, daß ich mich in gefährlichen Situationen blind auf ihn verlassen konnte. Ich nahm den Spencer-Karabiner mit. Shita sah mir ungeduldig zu, wie ich aus dem Sattel rutschte, und als ich etwas unschlüssig hinter der Hecke stand, japste er wieder und blickte zur Koppel hinüber. »Ich soll mein Pferd einfach auf die Weide stellen? Gesattelt wie es ist?« Er japste ungeduldig. Gut, dachte ich, du bist der Boß! Ich schob ein paar Gatterstangen aus der Halterung und band die Steigbügel hoch, damit man nicht gleich aus der Entfernung erkennen konnte, daß sich ein fremdes Pferd hierher verlaufen hatte. Ich trieb meinen Wallach in die Koppel und hielt den Atem an. Ich war keine hundert Yards vom Herrenhaus entfernt. Von dort aus konnte man die Koppel übersehen. Nichts geschah. Mein Wallach senkte den Kopf und begann zu grasen. Shita stupste mich von hinten. Dann lief er wie ein schnürender Fuchs auf die Koppel. Ich schaute im wütend zu. Jeden Moment konnte jetzt ein Schuß fallen. Ich folgte ihm geduckt, die Spencer schußbereit, und schloß rasch das Gatter wieder hinter mir. Teufel, dachte ich, diesmal benimmst du dich aber wie ein Selbstmörder! Ich hatte den Schutz der Hecke verlassen und stand auf einer Wiese wie eine verdammte Schießscheibe! Shita schnürte quer über die Koppel, japste kurz, die Schnauze dem Herrenhaus zugekehrt, und verschwand in den Büschen jenseits
der Koppel. Er wollte nicht, daß ich ihm folgte. Von jetzt an sollten wir getrennt operieren! Der ist verrückt, dachte ich. Der Nebel ist ihm nicht bekommen! Er befahl mir, mich in das Herrenhaus zu schleichen, während er sich auf dem Grundstück herumdrückt! Ich blickte hinüber zu den gelb angestrahlten Säulen der Fassade. Shita, dachte ich jetzt, du bist ein Genie! Ich nahm die Beine in die Hand und lief auf das Haus zu. * Ich kam jetzt direkt aus der aufgehenden Sonne heraus. Und ich ging aufrecht, obwohl auf dem breiten Vorplatz des Herrenhauses eine Menge Leute herumwimmelten. Sie sahen mich nicht, denn am unteren Ende der Koppel schirmte mich ein Wall von Pferdeleibern gegen neugierige Blicke ab. Die Pferde der Miliz, dachte ich, gesattelt und schlammbespritzt wie mein Wallach. Sie weideten gierig das braune Herbstgras ab. Sie wußten wohl, das ihnen nur eine kurze Futterpause gegönnt war. Die Gespannpferde der Käfigwagen und Prärieschoner waren nicht darunter. Sie standen im Geschirr vor der Freitreppe des Herrenhauses und tauchten die dampfenden Nüstern in das Grünzeug, das man ihnen vorgeworfen hatte. Die Milizsoldaten hatte das kalte Wasser des Trinity offenbar gründlich ausgenüchtert. Sie arbeiteten, als empfingen sie keinen Sold, sondern Akkordlohn. Sie wuchteten Säcke und Fässer auf die Schultern, die ihnen ein paar Nigger oben auf der Treppe zureichten, und schoben sie in die Käfigwagen. Von den roten Frauen und Kindern, die vorher hinter den Gittern gesessen hatten, war nichts mehr zu sehen und zu hören. Major Henderson hatte also seine roten Sklaven abgeliefert und packte die Waren ein, die er für seine Fracht erhalten hatte. Aber wo steckte dieser Menschenhändler? Ich sah nur ein paar grauhaarige Neger oben unter den Säulen, die dort die Tauschwagen zum Verladen bereitgestellt hatten, und Hendersons uniformierte
Gespannführer und Sklaventreiber. Ich hörte das Schnauben der Pferde und irgendwo einen verschlafenen Vogelruf. Ich vernahm das dumpfe Poltern der Fässer und das Rutschen der Säcke, die auf die Ladeflächen der Wagen geschoben wurden. Und dann das Rumpeln der Kisten, die zuletzt von den Negern den uniformierten Lastträgern aufgepackt wurden – Kisten, die nur in den Prärieschonern verstaut wurden. In diesem Augenblick hatte ich das Gefühl, als verwandelten sich die Hecken und Bäume in meinem Rücken in lauernde Rothäute, die mir mit glühenden Blicken Löcher in den Rücken bohrten. Meine Nackenhaare sträubten sich. Eine Ungewisse Gefahr trieb mich vorwärts. Dieser Major Henderson war bestimmt ein Schurke und gewissenloser Lump. Aber dafür würde ein Gericht ihn zur Rechenschaft ziehen. Noch war es für mich nicht zu spät, ein Blutbad zu verhindern. * Ich erreichte ungesehen das Haus. Die Grundrisse dieser Plantagenhäuser in den Südstaaten kannte ich sehr genau. Von Virginia bis hinunter nach Texas glichen sie sich wie ein Ei dem anderen. Ich hielt an der Küchentür am Seitentrakt an und spähte durch das Fliegengitter. Die Wände waren hübsch gekachelt. Auf dem breiten Herd standen ein paar dampfende Kupferkessel. Hackmesser, Schöpfkellen und Kochlöffel lagen unordentlich verstreut auf einem Tisch unter dem Fenster. Das Personal war knapp, dachte ich, die Neger waren ihnen fortgelaufen. Nur die Alten, die keine Hoffnung und kein Vertrauen in eine bessere Zukunft mehr hatten, waren hier geblieben. Der Koch mußte offenbar vorn auf der Treppe beim Verladen mithelfen. Falls eine Apachensquaw das Kochen übernehmen sollte, dachte ich, während ich durch die Küche schlich, müßt ihr die Messer wegsperren. Und die Hackbeile ebenfalls. Ich lief durch die angrenzenden Räume – einem großen kahlen Zimmer mit einfachem Tisch und Bänken, wo früher das schwarze
Hauspersonal seine Mahlzeiten eingenommen haben mußte, und dann zwei Kammern, in denen sich der Staub auf gestapelten Geschirren und Tischdecken sammelte. Endlich erreichte ich die Halle. Sie war groß wie ein Dom, mit zwei Reihen Fenstern übereinander, die durch eine breite Galerie voneinander getrennt wurden. Zwei gelbe Lichtbahnen schnitten sich in der Mitte der Halle und ließen den Staub über kostbare Teppiche und Brokatmöbel tanzen. Zwischen den Geländerstäben der Galerie spannten sich ein paar Spinnennetze. Die stille, staubige Leere eines Museums schien mich zu umfangen. Aber die Halle war nicht leer. Dort, wo sich die flimmernden Lichtbahnen schnitten, saßen zwei Gentlemen auf einem breiten Diwan mit geschnitzter Lehne vor einem runden Marmortisch wie zwei Diplomaten, die nach einem Empfang noch über ein paar heikle Probleme unter vier Augen plauderten. Auf dem Tisch standen eine Kristallkaraffe und zwei Gläser. Ich schob mich vor bis zu einem Stützpfeiler unter der Galerie. Der weiße, kannelierte Stuck, mit dem er verkleidet war, zeigte feine Sprünge und Risse. Überall waren die Spuren der Vernachlässigung und des allmählichen Verfalls, die Folgen eines verlorenen Krieges. »Platz habe ich genug«, drang die Stimme des Mannes zu mir herüber, der in einem verschnürten Hausrock am rechten Ende des Diwans saß. »Sie könnten sich doch mit Ihren Leuten hier ein paar Stunden ausruhen, Mister Henderson!« »Sobald wir verladen haben, brechen wir auf«, erwiderte der Mann am linken Ende des Diwans. Er spielte nervös mit seinem Glas. »Aber warum die Eile, Mister Henderson? Nun gut, es sind Ihnen ein paar Sklaven ausgerissen. Aber die Rothäute, die Sie abgeliefert haben, benehmen sich überraschend ruhig und friedlich! Ich wußte doch, daß ihnen die Hütten gefallen würden, die wir ihnen als Wohnungen überlassen haben. Und Sie sagten selbst, daß diese Indianer unter primitivsten Verhältnissen gehaust haben. Diese Plantage muß ihnen wie ein Paradies erscheinen.« »Ich habe meine Termine, Colonel. Sie wollen so rasch wie
möglich eine neue Lieferung haben. Der Weg zum Pecos River ist weit, der Winter steht vor der Tür …« »Was bedeuten schon ein paar Stunden für einen Treck, der mindestens vier Wochen dauert, Mister Henderson? Oder verschweigen Sie mir irgend etwas, was mit diesen Rothäuten zusammenhängt? Sind sie vielleicht krank, mit einer Seuche angesteckt?« »Aber nein, Sir! Wo denken Sie hin? Diese Rothäute sind alle kerngesund!« »Bis auf ein paar Frostbäulen, ja. Nun, wenn sie nicht gesund aussehen würden, hätte ich sie auch nicht genommen. Wäre nur gut, wenn man mit diesen Subjekten auch etwas Vernünftiges reden könnte. Die Peitsche verstehen sie offenbar sehr schlecht.« Der grauhaarige, schlanke Mann mit dem geschnürten Hausmantel nippte an seinem Kristallglas. Ich hatte seine Stimme sofort wiedererkannt. Er war der Wortführer der vermummten Männer gewesen, die bereits im Keller der Sägemühle mit Henderson verhandelt hatten. Ein ehemaliger Colonel der Südstaatenarmee also, der einer verlorenen Sache noch nicht abgeschworen hatte. Ich konnte ihn gut verstehen, wenn ich an die verrottenden Halden von Zuckerrohr auf seiner Plantage dachte. Keine Leute, um die Ernte abzutransportieren. Verfall, Verwahrlosung und Verbitterung über die Sieger, die kein Verständnis für die wirtschaftliche Lage der Südstaaten aufbrachten, sondern mit hämischer Schadenfreude die Besiegten nur noch tiefer in den Bankrott stießen, um sie angeblich dafür zu bestrafen, daß sie auf Kosten schwarzer Sklaven reich geworden waren. Aber ich hatte weiße Lohnsklaven im Norden gesehen, die viel schlimmer und erbärmlicher lebten als die Neger im Süden. »Sir, ich danke Ihnen für den Whisky. Er ist ausgezeichnet. Aber ich erhalte gerade ein Zeichen von der Tür, daß die letzten Kisten verladen sind. Wenn Sie gestatten …« Der angebliche Major Henderson wartete gar nicht erst die Antwort des Hausherrn ab. Er leerte hastig sein Glas und stand auf. Der grauhaarige Plantagenbesitzer blickte seinen Gesprächspartner mit einem scharfen Blick unter den buschigen Augenbrauen an. Er
erhob sich nicht. Seine Stimme klang plötzlich sehr kalt, fast feindselig: »Mister Henderson – ich habe keine Ahnung, wie Sie sich die Uniformen beschafft haben, mit denen Sie sich als Yankees tarnen. Ich habe auch keine Ahnung, wo Sie sich Ihre rothäutigen Sklaven wirklich beschafft haben. Nun, ich habe früher auch nicht danach gefragt, wo meine Nigger herstammten, solange sie sich ordentlich benahmen und ihre Arbeit taten. Aber ich habe Ihnen einen fairen Preis bezahlt. Ich erwarte also auch, daß Sie sich fair verhalten!« »Tu ich doch, Sir«, erwiderte Henderson, schon zwei Schritte vom Diwan entfernt. Ich sah, daß er sich verdammt unbehaglich fühlte. »Wir haben unsere Manieren und Umgangsformen über den Krieg hinweg gerettet. Darauf sind wir stolz. Es ist das einzige, was die Yankees uns nicht wegnehmen konnten. Also benehmen Sie sich nicht wie ein verdammter Yankee, Henderson, wenn ich Sie schon zu einem Glas Whisky eingeladen habe!« »Ich …« Ich trat hinter der Säule vor und ging über die kostbaren Teppiche auf den Marmortisch zu, meinen Spencer-Karabiner unter dem Arm. »Er hat die Hosen voll, Colonel«, sagte ich. »Weil er Ihnen verschwiegen hat, daß er Ihnen nur ein paar Pulverfässer mit brennenden Lunten verkauft hat!« Die beiden Männer starrten mich einen Moment entgeistert an. Als sich Henderson von seiner Verblüffung erholte, wollte er nach seinem Colt greifen. Ich drehte meinen Karabiner um fünfundvierzig Grad, bis er auf Hendersons Brust zielte. »Keine Dummheiten, Henderson. Diesmal bin ich wieder bewaffnet, wie Sie sehen. Sie haben Ihre Spuren nicht gut genug vertuscht. Die Armee wartet schon vor der Tür, um Sie hopszunehmen!« Aber das war ein Irrtum. Es waren die Apachen. Und hätte mich Shita nicht in diesem Moment gewarnt, wäre ich mitten im nächsten Satz für ein Verbrechen gestorben, an dem ich völlig unschuldig war.
8.
»Colonel«, konnte ich noch zu dem weißhaarigen schlanken Mann im verschnürten Hausmantel sagen, »dieser Kerl hier hat Ihnen die gefährlichsten Rothäute verkauft, die es in diesem Land gibt. Ebensogut hätten Sie sich ein paar Tiger aus Indien anschaffen können, die Ihre Hausarbeit verrichten sollen. Ich bin sicher, er hat Ihnen auch verschwiegen, daß …« Im selben Moment fegte Shita durch die Kammertür, hinter der das Geschirr und die Tischdecken verstaubten. Ich hatte sie offengelassen, als ich mich in die Halle eingeschlichen hatte, um die beiden Gentlemen auf dem Brokatpolster neben dem Kamin nicht zu warnen und mir notfalls einen raschen Rückzug zu sichern. Shita mußte sich auf demselben Weg in die Halle geschlichen haben, weil es gar keinen anderen Zugang gab – außer durch die breiten Vordertüren, die ich im Blickfeld hatte. Ich hörte ihn erst, als er bereits dicht hinter mir war. Seine harten Zehen schabten über ein Stück Parkett, das die Teppiche freiließen. Und dann spürte ich ihn im Rücken, den Bastard. Er sprang mir mit voller Wucht ins Kreuz und warf mich nach vorn. Du verdammter Idiot, dachte ich wütend, der Nebel muß tatsächlich deinen kleinen Verstand verwirrt haben! Ich lag vor dem Diwan unter dem Marmortisch, und mein Karabiner war unter das Möbel gerutscht, wo ich ihn nicht rasch genug mehr erreichen konnte. Denn Henderson hatte die Attacke meines Bastardhundes bestimmt ausgenutzt, um seinen Colt zu ziehen. Aber ich hörte keinen Schuß, nur das schrille Wiehern der Pferde vor der Halle und ein seltsames Wisch-Wisch über meinem Kopf. Shita bellte nicht. Er japste nicht einmal. Er kauerte neben mir unter der Marmortischplatte und winselte. »Du Rindvieh!« knurrte ich jetzt laut. Der Colonel mit dem verschnürten Hausmantel bückte sich zu mir hinunter. Ich hatte keine Waffe an ihm bemerkt. Aber vielleicht trug er sie irgendwo unter dem Mantel versteckt. Mit einer verzweifelten Anstrengung, die mich ein Stück Haut am Handgelenk kostete, angelte ich meinen Karabiner unter dem Brokatdiwan hervor. Vielleicht konnte Shita diesen Major Henderson an der Hose packen und ihn ein bißchen ablenken, bis ich den ehemaligen
Colonel der Südstaatenarmee versorgt hatte. Ich konnte nicht auf beide zugleich schießen … Wisch-Wisch! Ein Schatten schlug neben mir im Teppich ein und wippte schwach. Dann fielen die Pantoffel von den Füßen des ehemaligen Colonels der Südstaaten. Kurz darauf landete er ebenfalls auf dem Boden, den Mund weit aufgerissen zu einem Schrei, gespickt mit Pfeilen wie ein verdammtes Stachelschwein. Er war tot, bevor er auf dem Teppich aufschlug. Shita zerrte mich am Hosenboden und winselte wieder. Ich hörte das Plopp-Plopp der Pfeilspitzen auf der Marmortischplatte, die uns beide vor dem Pfeilhagel schützte. Und ich sah, wie Major Henderson, der an dem allen schuld war, fast noch die Tür erreichte, vor der es auch Pfeile hageln mußte, wenn ich das Wiehern der Pferde und die entsetzten Schreie der Neger richtig deutete. Er mußte ein verdammt zähes Leben haben, dieser Henderson, dachte ich benommen. Er lief immer noch, obwohl ein Bündel von Pfeilen seinen Rücken bedeckte und sich bei jedem seiner Schritte noch ein paar hinzugesellten. Er schaffte es nicht mehr. Kurz vor dem Ausgang der Halle schlug er der Länge nach hin und rührte sich nicht mehr. Aber noch dauerte dieser Regen von Pfeilen an, der oben von der Galerie herunterzischte, wo sich geschmeidige Schatten vor den Fenstern im Morgenlicht bewegten – Frauen, Männer und Kinder, die sich gegenseitig Köcher, Bogen und immer neue Pfeile zureichten. Das Ganze erinnerte mich Groteskerweise an eine Abbildung, die ich in einem Buch der Padres im Kloster am Pease River bewundert hatte, wo ich als Waise aufgewachsen war. An ein antikes Vasenbild, entsann ich mich, während ich den Karabiner hin und her bewegte. Die Heimkehr des Odysseus oder seine Rache, als er nach jahrzehntelanger Irrfahrt seinen Palast voller Schmarotzer und Prasser vorfand, die ihm nach seinem Vermögen auch noch die Frau wegstehlen wollten. Auf dem Bild hatte es auch so geprasselt vor Pfeilen, die in die Wände und Polster fuhren, obwohl die Übeltäter
längst getötet waren. Endlich fiel mir der Spruch wieder ein – der einzige, den ich im Dialekt der Mescalero-Apachen beherrschte. »Ron-ti-pa-schon-ta, sachempa!« schrie ich unter der Tischplatte. »Ich will euch nichts Böses, Freunde!« Shita bellte laut dazu oder kurz danach. Ich war selbst erstaunt über die Wirkung meiner Worte. Der Pfeilregen hatte plötzlich aufgehört! »Bildung ist Macht«, flüsterte ich beglückt meinem Bastard zu, »da hast du wieder den Beweis dafür!« Shita schüttelte nur den Kopf, daß seine Schlappohren mir um die Nase flogen. Die Schatten oben auf der Galerie flohen durch die Fenster. Da hörte ich noch einen Ton, den die Apachen bestimmt sehr gut kannten, weil er auch in ihrer entfernten Heimat nicht anders geklungen hatte. Das schmetternde Trompetensignal angreifender Kavallerie. Ich kroch unter der Tischplatte hervor und kniff Shita gründlich in beide Ohren. »Wir werden jetzt beide gefeuert, Shita«, sagte ich streng, »weil wir eigenmächtig gehandelt und nichts verhindert haben! Die Attacke erfolgt zu spät!« Shita sah mich groß an. Dann fuhr er mir rasch mit der Zunge über das Gesicht und sprang hinüber zu der Kammertür, durch die wir beide in die Halle vorgedrungen waren. Er blickte sich um und japste leise. Dann war er durch die Tür in die Küche verschwunden. Teufel, dachte ich, du willst, daß ich mich vor Colonel Warwick und seinem Strafgericht verstecken soll? Das wird uns beiden nicht helfen. Dazu kenne ich den Alten zu gut! Aber ich folgte ihm. Ich wollte nicht auch noch meinen letzten Freund auf dieser Welt verlieren. * Ich hatte keine Zeit, mich zu der Koppel umzudrehen, wo die Pferde
der Milizsoldaten wiehernd auf und ab galoppierten. Shita lief in die entgegengesetzte Richtung, am Seitentrakt des Herrenhauses entlang zu dem Heckenweg, der zu den strohgedeckten Sklavenhütten führte. Die Nase dicht über dem Boden, huschte er am Haselgestrüpp entlang und dann über einen Knüppelweg, der sich an den Korrals entlangschlängelte. Die Gatter der Korrals waren aufgebrochen worden. Ich sah einen toten Neger mit ausgebreiteten Armen auf dem Knüppelweg, eine klaffende Wunde am Kopf. Ein Stück weiter, vor der ersten Sklavenhütte, lag wieder ein Neger mit umgeschnalltem Patronengurt. Ein Messer steckte in seinem Rücken, an seinem Handgelenk hing die Schlaufe einer Sklavenpeitsche. Er lehnte mit dem Kopf im dürren Gestrüpp und grinste mich mit toten Augen an. Ich blickte an der langen Reihe der Sklavenhütten entlang, die links den Knüppelweg säumten. Ich zählte fünfzehn strohgedeckte Holzhäuser, von denen ebenso viele kraushaarige Männer lagen – ältliche Neger mit faltigen Gesichtern und gelbstichigen verwunderten Augen. Die ehemaligen Sklaven, die offenbar freiwillig auf der Plantage geblieben waren, hatten sich als Wächter für die neuen rothäutigen Sklaven hergegeben. Sie hatten bitter dafür bezahlen müssen, obwohl keiner von ihnen gesehen haben mochte, wer und was ihn getötet hatte. Das sah ich ihren Gesichtern an. Es waren nicht mehr als fünfzehn oder zwanzig Krieger gewesen. Sie waren alle auf einmal aus den Büschen gestürmt, die hinter den Sklavenhütten wuchsen. Das sah ich aus den Mokassinspuren, die von dort kamen und am Knüppeldamm endeten. Die Neger waren entweder an einem Messerstich in den Rücken gestorben oder an einem Keulenhieb auf den Kopf. In keinem der dunkelhäutigen Toten steckte ein Pfeil. Ich schüttelte den Kopf, als ich die vielen zierlichen nackten Fußabdrücke betrachtete, die von den Hütten zum Knüppelweg verliefen. Die rothäutigen »Sklaven« hatten sich nur so brav verhalten, weil sie offenbar gewußt hatten, daß sie im Morgengrauen befreit werden sollten. Und dann, als ihre Bewacher tot waren, liefen sie alle aus den Hütten hinüber zum Herrenhaus, um den Kriegern zu helfen, die Bleichgesichter zu bestrafen.
Lautlos, diszipliniert und tödlich war alles abgelaufen, wie es sich für Apachen gehörte, dachte ich bitter. Und … Ich schreckte aus meinen Gedanken. Shita saß vor einer Sklavenhütte und winselte. Ich lief zu ihm und bückte mich über den toten Neger, der vor der leise hin und her pendelnden Brettertür lag. »Du Narr«, sagte ich leise, »auch diesem Krauskopf ist nicht mehr zu helfen! Selbst wenn ich ihm die geborstenen Schädelknochen wieder zusammenleimen würde!« Shita winselte noch lauter. Ich hörte ein paar Schüsse vom Herrenhaus herüber, und dann wieder das wilde Signal der Trompete. Gleichzeitig hörte ich ein leises, schurrendes Geräusch vor mir in der dunklen Hütte. Ich warf mich zur Seite, während Shita mit gesträubten Haaren zu knurren begann. Ein Kampfbeil strich an meiner Schulter vorbei und landete mit dumpfem Poltern im Korral hinter dem Knüppeldamm. Holla, dachte ich, da hat eine Rothaut aber den Anschluß verpaßt! Shita fuhr vor mir fauchend in die Hütte. Ich folgte ihm mit gefälltem Gewehr. »Laß sofort meinen Hund los!« schrie ich auf englisch. Die Rothaut in der Hütte gehorchte, als hätte sie meine Anweisung genau verstanden. Ich starrte sie an. Nach dem schlechten Wurf mit dem Kampfbeil hatte ich eine Squaw erwartet. Ich täuschte mich nicht. Aber diese Rothaut war bestimmt keine Apachin. Sie war auch keine Cheyenne, Comanche, Arapaho, Kiowa oder irgendein anderer Vertreter roter Stämme, die den Apachen bei ihrer Befreiungstat vielleicht geholfen hatten. Sie war eine als Rothaut angezogene weiße Frau! Ich starrte sie an wie einen Geist. Sie hatte sogar eine dunkel gefärbte Haut. Aber ihre Augen waren so blau wie die meinen, und der Ansatz ihrer Haare am Scheitel war so blond wie meine Haare. »Ich bin eine Weiße«, bestätigte sie im holprigen, mühsamen Englisch. »Ich bin als Kind den Comanchen in die Hände gefallen. Und – und ich bin an allem schuld.«
Shita knurrte noch immer mit gesträubten Haaren, aber er bleckte dabei nicht mehr das Gebiß. »Woran sind Sie schuld?« fragte ich verdattert. »Daß diese Apachen zu Sklaven wurden. Und daß sie jetzt wieder in ihr Verderben laufen, wenn sie mit ihren Squaws und Kindern zurück nach Westen in die Prärie fliehen!« »Tatsächlich?« fragte ich lahm. Ich begriff kein Wort von dem, was sie da im schlechten Englisch radebrechte. * »Bei Gott!« schäumte Colonel Warwick. »Sie sind uns alle wieder entwischt! Und diesmal werde ich Ihnen Ihre Eigenmächtigkeit nicht durchgehen lassen! Ich stelle Sie vor ein Kriegsgericht!« Jedesmal, wenn der Colonel ungehalten mit mir war, verfiel er wieder in seinen barschen, reservierten Yankeeton, als wäre ich ein verdammter Rekrut und ein blutiges Greenhorn. »Warum sind sie Ihnen denn entwischt?« erkundigte ich mich vorsichtig. »Weil ich Befehl gegeben hatte, nicht eher weiterzureiten, bis wir Sie gefunden hätten, Mister! Lebend oder tot! Deshalb sind uns die Kerle entwischt!« Ich blickte mich auf dem Vorplatz des Herrenhauses um. Soweit ich mit meinen übermüdeten, entzündeten Augen noch etwas sehen konnte, vermißte ich gar nichts. Die acht Wagen der Miliz waren vollzählig vor der breiten Treppe versammelt. Die Gespannpferde knapperten wieder am Grünzeug. In den Käfigwagen fehlte keins der eingeladenen Fässer. Und auch von den Kisten, die zuletzt in die Prärieschoner verladen worden waren, schien keine verschwunden zu sein. Was die uniformierten Milizsoldaten betraf, mußte ich Colonel Warwick in gewissen Punkten recht geben. Die Milizsoldaten waren ihm ins Jenseits entwischt und konnten über ihre Taten keine Rechenschaft mehr abgeben. Und auch in ihrer irdischen Erscheinung waren sie nicht mehr so intakt, wie ich sie noch gesehen hatte, ehe ich mich durch den Kücheneingang ins Haus geschlichen
hatte. Es fehlten ihnen alle die Haare und die Kopfhaut bis zu den Ohren herunter. Ihre blutigen nackten Schädel glänzten so rot wie die Morgensonne. Auch die Gewehre und Colts, die sie bei sich gehabt hatten, waren verschwunden. Das gleiche galt von den Pferden, die vorhin noch in der Koppel gegrast hatten. »Meinen Wallach haben sie ebenfalls mitgenommen!« rief ich erschrocken. »Wir hätten sie alle noch einfangen können, wenn Sie sich rechtzeitig gemeldet hätten!« schnaubte mich Colonel Warwick an. »Sie oder wenigstens Ihr verdammter Hund Shita!« »Tut mir leid, Sir, daß Ihnen die Apachen entwischt sind. Tut mir auch leid um die Nigger, die bei der Befreiungsaktion der Rothäute ihr Leben verloren haben. Sie hätten es eigentlich wissen müssen, wie weh das tut, wenn man seine Freiheit verliert. Ich kann nicht sagen, daß sie ganz unschuldig an ihrem Tod sind, Sir.« Ich deutete mit dem Daumen schräg über die Schulter. »Da hinten liegen noch mehr tote Neger herum. Die haben sich sogar so weit vergessen, daß sie mit Peitschen auf die Rothäute eingedroschen haben. Kein Wunder, daß die Apachen ihnen dafür eins mit der Keule über den Schädel gaben!« Ich holte tief Luft. »Aber um diese verdammten Sklaventreiber tut es mir nicht leid, Sir. Ich denke, die haben den Tod verdient.« »Sie sind uns alle entkommen, Ronco. Und sie haben sich mit Feuerwaffen ausgerüstet! Wissen Sie, was das bedeutet? Sie können unermeßlichen Schaden anrichten, Farmen ausplündern, Städte überfallen, Rancher ermorden …« Der Colonel kriegte einen Erstickungsanfall vor Wut. »Sir, ich denke, das haben sie nicht vor.« »Woher wollen Sie das wissen? Ich gebe zu, daß Sie Spuren einigermaßen richtig zu lesen vermögen, wie das von einem Scout verlangt wird. Aber daß Sie die Zukunft aus Spuren herauslesen können, bezweifle ich. Sie wollen nur wieder ein paar Märchen erzählen wie gestern nacht, um von Ihrer schlampigen Dienstauffassung abzulenken, Sie verdammter …« Die Kinnlade klappte ihm herunter, und er beugte sich weit im Sattel vor. »Wen haben Sie denn da hinter ihrem Rücken im Busch versteckt?«
»Eine weiße Rothaut, Sir«, sagte ich wegwerfend. »Ich wollte Sie Ihnen erst zeigen, nachdem ich mich vergewissert hatte, daß die Luft rein ist.« »Eine weiße Rothaut? Ein Indianeralbino?« »Nein, Sir. Sie ist das, was die weißen Männer oft abfällig als weiße Squaw bezeichnen.« »Und was ist das?« »Eine weiße Lady, Sir, die als Kind den Indianern in die Hände fiel und später, als sie zu einer Frau herangewachsen war, die Gemahlin eines Häuptlings wurde.« »Eine weiße Indianerin?« »So kann man es auch nennen, Sir. Auf jeden Fall hat sie Ihnen viel zu erzählen. Sie ist deshalb freiwillig hiergeblieben, statt mit den Apachen zu türmen.« »Sie will uns helfen, Ronco?« Ich schüttelte den Kopf. »Nicht uns, Sir, sondern den Indianern natürlich.« * Es war fast eine Woche später. Der Wind trieb Schneeflocken über die Prärie – ein ungewöhnliches Bild für die welligen Grasebenen südlich des Brazos-River. Shita trabte mit eingezogenem Schwanz frierend vor meinem Pferd her, Colonel Warwick hatte mir für meinen weiten Ritt nach Westen einen braunen Saddlebred geliehen, sein bestes und ausdauerndes Pferd, wie er behauptete. Mein Herz fror wie das Land um mich her, das diese Kälte nicht gewohnt war. Wie die Vögel auf den Dornenbüschen und wie die Antilopen, die sich hinter die steilen Klippen des Clear Fork Range flüchteten. Ich hatte einen Abstecher nach Südwesten zur Triangle-B-Ranch unternommen, wo ich bei dem alten Charley Beaumont so viel über die Rinderzucht und über die Vielgestaltigkeit von Longhorns gelernt hatte. Ich hatte nicht mehr viel vorgefunden von der Ranch. Die Ställe
und Scheunen waren Halden aus kalter Asche, in denen der Wind wühlte und die verkohlten Holzsparren ausgrub. In den Korrals hatten ein paar aufgedunsene Rinderkadaver gelegen, die ihre Beine steif in die frostige graue Luft streckten. Das Wohnhaus, wo der alte Charley mir den Treck der Texasrinder hinauf nach Kansas durch das Indianergebiet beschrieben hatte und mir erzählte, wie viele Rinder er jedesmal als Tribut an die Indianerstämme abschreiben mußte, hatte ausgesehen, als wäre ein Tornado durch die beiden kleinen Zimmer gerast. Das Feuer, das wir vom Fort aus beobachtet hatten, als die Miliz mit ihren Käfigwagen in der Stadt kampierte, hatte Charley Beaumonts Ranch vernichtet. Meine bösen Ahnungen hatten sich also bestätigt. Die Soldaten aus Fort Worth hatten ihn bereits beerdigt, als ich die verbrannten Überreste der Triangle-B-Ranch und die Spuren der Täter besichtigte, die dafür verantwortlich waren. »Wir müssen mit den Rothäuten in Frieden leben«, hatte der alte Charley mir immer wieder gepredigt. »Als Scout mußt du dich mit allen Häuptlingen der Stämme im Westen und Süden gutstellen, Junge, wenn du etwas in diesem Job erreichen willst. Es ist ein schweres und verantwortungsvolles Amt, Ronco, das sich nicht darauf beschränkt, daß du Spuren lesen kannst und dich in der Gegend auskennst. Ein Scout ist so etwas wie ein Vermittler zwischen Weiß und Rot, verstehst du? Dieses Land ist groß genug für alle, und wir sollten nicht vergessen, daß den Rothäuten nichts geschenkt, sondern nur genommen wurde, was wir jetzt besitzen. Ich habe großartige Menschen bei den Rothäuten kennengelernt, die mir mehr Achtung und Respekt entgegengebracht haben als so mancher Weiße.« Und jetzt hatten ihn die Rothäute ermordet und seine Ranch niedergebrannt. Aber auch davor hatte der alte Charley mich gewarnt, vor der leidenschaftlichen Unerbittlichkeit ihrer Rache, wenn man ihre Gesetze verletzte oder sich in die Angelegenheiten ihres Stammes mischte. Ich las die Spuren und versuchte, die Tragödie zu verstehen, die sich hier abgespielt hatte.
Der alte Charley hatte es gut gemeint. Er hatte es allen rechtmachen wollen, doch diesmal war er zwischen zwei Fronten geraten wie zwischen Mühlsteine, die ihn zerrieben hatten. Die Rothäute hatten ihn getötet, doch die wahre Schuld traf ein paar gewissenlose Bleichgesichter, die im trüben fischten, um ihren Profit daraus zu schlagen.
9. Drei Tage, nachdem ich ein paar Blumen auf Charleys Grab gelegt hatte, erreichte ich die Furt am Clear Fork River. Shita hatte ich ein paarmal zur Ordnung rufen müssen, weil er sich immer wieder danebenbenahm. Entweder ließ er ein leises Knurren hören, oder er versuchte mit gesträubtem Fell die Hänge des Fork River Valley hinaufzujagen, sobald das Schneetreiben etwas nachließ oder der Wind von Norden auf Westen drehte. Nachts schliefen wir eng aneinandergekuschelt, um uns einigermaßen warm zu halten, weil ich es nicht riskierte, ein Feuer anzuzünden. Auch dann schreckte er öfter aus dem Schlaf hoch und fing leise an zu knurren. »Ruhig, Shita«, ermahnte ich ihn leise. »Ich weiß, daß du sie witterst und dir der Geruch ihrer Ponys und der Büffelfett-Pomade nicht zusagt. Aber wir müssen so tun, als ahnten wir nicht, daß sie uns seit Tagen belauern und den Rückweg abschneiden. Warte nur, bis wir die Furt überquert haben und die Büsche dort drüben erreichen. Dann ist das Versteckspiel zu Ende, und du kannst deinen Gefühlen freien Lauf lassen!« Und so geschah es auch. Dort drüben am anderen Ufer, wo sich hinter den Büschen die roten Klippen der Clear Fork Range für den Trail nach Westen zum Llano Estacado öffneten, würden sie mich erwarten, um Rechenschaft von mir zu fordern. »Bring den Schlamassel in Ordnung«, hatte Colonel Warwick zu mir gesagt. »Du weißt jetzt, daß alles von deinem Verhandlungsgeschick abhängt. Frieden oder Blutvergießen – diese Entscheidung liegt in ihren Händen. Aber es liegt bei dir, wie sie sich
entscheiden werden. Es ist deine Bewährungsprobe, Junge. Ich hätte nicht geglaubt, daß sie so bald kommen würde. Nun – viel Glück, Junge.« Er hatte mir mit seinen Soldaten das Geleit bis zum Brazos River gegeben. Dort hatte er sein Biwak aufgeschlagen, als ich ihm meldete, daß ich auf die Spuren der ersten indianischen Späher gestoßen sei. Seitdem begleiteten sie mich wie mein eigener Schatten – als unsichtbare Schatten hinter Hügeln und Buschwäldern. Doch immer nahe genug, daß Shita seine Nervosität nie verlor. »Los, Junge!« sagte ich zu meinem Bastardhund. »Das Wasser ist nicht sehr tief, aber verdammt kalt. Wenn du drüben bist, wartest du auf mich! Rühre dich ja nicht von der Stelle, weil sie dich sonst mit Pfeilen spicken werden wie diesen Major Henderson und seine Sklaventreiber!« Shita blickte mich mit seinen klugen Augen an und japste leise. Diesmal war ich der Boß, wollte er damit sagen. Und er wollte alles tun, um mich nicht zu blamieren. Das zeigte er mir dadurch, daß er mir die Hand ableckte, ehe er mit weiten Sprüngen durch das flache Wasser planschte. Ich folgte ihm auf meinem Braunen, den Spencer entsichert im Scabbard. Als ich das westliche Ufer des Fork River erreichte, saß Shita ganz steif auf den Hinterbacken und spitzte die Ohren. Er gab keinen Laut von sich. Er saß da, als hätte er mit seinem Hundeleben abgeschlossen. Obwohl es mir im Nacken kribbelte, mußte ich leise lachen. »Shita«, sagte ich leise, »ich habe nicht von dir verlangt, daß du dich für mich opfern sollst! Ich sagte nur zu dir, daß du die Rothäute nicht herausfordern sollst, aber deshalb …« Weiter gelangte ich nicht. Eine Lanze flog aus dem Gebüsch vor mir. Dann noch eine, die wippend im feuchten Sand hinter mir steckenblieb. Ich griff nicht nach meinem Gewehr. Ich zügelte den Braunen und hob die rechte Hand bis zur Schulter. Dann bewegte ich sie langsam und kreisend bis zur Augenhöhe.
Nichts regte sich vor mir. Shita winselte leise. Er hatte wilde, erregende Gerüche in die Nase. Ich sah an seiner Schwanzspitze, die auf den Kieseln hin und her fegte, wie sehr er sich beherrschen mußte. Ich zog die rechte Hand herunter bis zu meinem Gürtel, streckte den Zeige- und Mittelfinger hinauf zum grauen Himmel und hob sie dann wieder bis zur Schulter. Ich wiederholte das ein paarmal, während mein Herz wie wild zu pochen begann. Hatte ich etwas falsch gemacht? Mißtrauten sie mir, weil ich so jung war und mein Gewehr und meinen Colt nicht neben Shita in das gelbe Gras warf, auf dem die Schneeflocken sich langsam in wäßriges Eis auflösten? Aber wenn sie mich töten wollten, hätten sie das schon vor Tagen tun können. Auch mein Hund hätte sie daran nicht zu hindern vermocht. Ich raffte meinen ganzen Mut zusammen und wiederholte jetzt den Satz zum drittenmal: »Ron-ti-pa-schon-ta, sachempa!« »Ich will euch nichts Böses, Freunde!« Mein Herz pochte noch lauter. Ich kam mir vor wie ein Wahlredner, der mit seinen eingelernten Sprüchen seine Ansprache eröffnet, weil die Zeit längst überschritten ist und trotzdem niemand zur Versammlung erschien. Ich fühlte mich wie ein verdammter Narr. Zweimal war ich bisher mit Indianern zusammengestoßen – zweimal nur in einer kurzen, heftigen Begegnung, die so überraschend und schnell abgelaufen war wie das Zusammentreffen eines seltenen Wildes mit einem Jäger. Nur war ich in diesen beiden Fällen das Wild gewesen und die Rothäute die Jäger. Dabei hatte mich zweimal dieser Satz wie eine Zauberformel gerettet. Würde er auch diesmal seine Wirkung nicht verfehlen? Sie sprangen aus den Büschen und stürmten von allen Seiten auf mich zu, die Lanzen zum Stoß gesenkt und die Tomahawks zum Schlag erhoben. Selbst Shita verlor bei diesem wilden Ansturm die Nerven und verkroch sich mit eingeklemmtem Schwanz unter den Bauch meines Braunen. Ich erschrak, als ich die vielen roten Krieger sah, die so jäh und
ungestüm aus den Büschen am Ufer brachen, als hätte die Erde sie ausgespuckt. Sie jagten auf mich zu, als wollten sie mich im Kies des Fork River zu Brei zerstampfen. Es waren mindestens hundert Reiter, die auf mich zugaloppierten. Mein Satz hatte sie nicht im mindesten beeindruckt. Sie verstanden ihn gar nicht. Im Gegenteil, schoß es mir durch den Kopf. Er hätte ihre Wut nur noch mehr angestachelt, wenn sie den Dialekt erkannt hätten, in dem ich sie angesprochen hatte, als sie noch hinter den Büschen und Felsen vor mir versteckt waren. Sie jagten auf mich zu, als wären sie mit ihren Pferden verwachsen. Ich biß mir auf die Unterlippe, um nicht wie Shita in Panik zu geraten. Gefiederte Lanzen schwirrten von allen Seiten auf mich zu und schlossen mich wie in einen Käfig ein. Manche verfehlten mich nur um Haaresbreite oder streiften sogar meine Schultern und Stiefelschäfte. Todesangst lähmte mich. Doch im selben Atemzug war ich dankbar für diese lähmende Starre, die mich überfallen hatte. Ich wußte, daß nur eine einzige Fluchtbewegung oder der Ansatz zu einer Verteidigung genügte, und ich war ein toter Mann. Dann würden die Lanzen mich nicht mehr knapp verfehlen. Ich würde von ihnen in den Kies genagelt werden, und mit mir mein Hund Shita. Dann, als ich schon glaubte, ich würde von ihren zottigen Ponys zurück in das Wasser geworfen, wirbelten sie alle wie auf ein Kommando herum und jagten so schnell davon, wie sie aus den Büschen getaucht waren. Einen Moment lang wußte ich nicht, wie ich mich verhalten sollte. Wollten die Rothäute nur ein Spiel mit mir treiben wie Katzen mit Mäusen? Folgte jetzt eine Schießübung mit ihren Pfeilen und alten Flinten, die ein paar der Krieger bei sich getragen hatten? Ich handelte so, wie es mir mein Instinkt eingab. Ich zog meinen Colt aus der Halfter und den Spencer aus dem Scabbard. Ich tat das ganz ruhig und gelassen, als wäre ich auf dem Exerzierplatz von Fort Worth. Ich hängte beide Waffen über den Schaft meiner Lanze, die vor mir im Uferschlamm steckte, verschränkte die Arme vor der Brust und wartete. Shita kroch auf dem Bauch wieder unter dem Pferd hervor und
winselte. »Ruhig Blut bewahren, Shita«, sagte ich und kraulte ihm den Kopf. »Erst wenn die Sache schiefgeht und sie mich zu Hackfleisch verarbeiten, siehst du zu, daß du abhaust, mein kleiner treuer Bastard. Dann schwimmst du ans andere Ufer hinüber und läufst zurück zum Brazos River, wo Colonel Warwick auf uns wartet.« Er winselte leise, als hätte er jedes Wort verstanden. Vielleicht war es dieses trauliche Zwiegespräch mit meinem Hund, was die Indianer umstimmte. Vielleicht hatten sie aber auch von Anfang an nur ausprobieren wollen, ob ich einen kleinen Spaß vertragen konnte, ehe sie sich ernsthaft mit mir befaßten. Denn als sich die Büsche wieder vor mir teilten, rückten drei Rothäute langsam und gemessen auf mich zu. Sie sahen sehr friedlich aus. Trotzdem wußte ich, daß die eigentliche Gefahr erst jetzt begann. Wenn ich nicht die richtigen Worte oder Gesten fand, würde ich diesen Tag nicht überleben. Das spürte ich. Wieder hob ich die Hand zum Zeichen des Friedens und führte sie langsam bis zur Stirn. Die drei rothäutigen Krieger, die auf mich zugingen, erwiderten den Gruß nicht. Knapp drei Schritte von mir entfernt hielten sie an und betrachteten mich von Kopf bis Fuß, als wollten sie Maß nehmen für einen Marterpfahl oder im stillen schon meine Waffen, mein Pferd und meinen Skalp unter sich aufteilen. Es waren ein noch sehr junger Krieger und zwei ältere Rothäute, die mich mit dunklen, ausdruckslosen Gesichtern betrachteten. Der junge Krieger in der Mitte trug den Kopfschmuck des Häuptlings, die beiden anderen schienen ein Medizinmann und ein Unterhäuptling zu sein. Sie trugen das Haar gescheitelt, aber ohne Kopfbinde, und auch die roten Mennigestreifen, mit denen ihre Gesichter bemalt waren, hatte mir die weiße Squaw auf der Plantage genau beschrieben. Ich war wenigstens bei der richtigen Adresse gelandet, dachte ich und seufzte erleichtert auf. Ich hob wieder die Hand und ließ meiner Zunge freien Lauf. Der junge Häuptling mit dem Adlerfederschmuck verstand Englisch und Spanisch, wie die »weiße Gazelle« mir verraten hatte. »Großer Häuptling der Kwahadi-Comanchen«, sagte ich langsam
und deutlich, »ich bin gekommen, um dir eine frohe Botschaft zu überbringen.« In dem breiten Gesicht des jungen Häuptlings rührte sich kein Muskel. Nur in seinen dunklen, ernsten Augen zuckte ein Funken der Überraschung auf. Er trug eine gefiederte Lanze über dem Umhang aus Büffelfellen, deutete jetzt damit auf mich und sagte: »Ich kenne dich nicht, Bleichgesicht«, sagte er im holprigen, kehligen Englisch. »Meine Späher haben dich seit Tagen beobachtet. Du wußtest, wo du mich finden würdest. Von wem? Wer hat dir das verraten?« »Eine Squaw, die den Bleichgesichtern als Sklavin verkauft wurde.« »Eine Apachin?« erwiderte er, und eine zornige Falte bildete sich über dem Nasensattel. »Du weißt, daß sie unsere Todfeinde sind! Hüte dich, dich auf die schlangenzüngigen Worte einer Apachin zu berufen. Und mache es kurz. Schickt das Bleichgesicht mit der blauen Uniform dich zu mir, um mir die Waren anzukündigen, die er mir dafür versprochen hat, daß ich ihm die Apachen vom Hals hielt?« »Der Häuptling der weißen Krieger von Fort Worth schickt mich zu dir, Häuptling Quanah, nicht dieser schlangenzüngige Verräter in der blauen Uniform.« Der Comanchen-Häuptling vor mir vollführte eine drohende Bewegung mit seiner Lanze. Ich mußte Shita einen heimlichen Tritt geben, damit er dem jungen Häuptling nicht an die Leggins fuhr. »Du weißt wohl nicht, wovon du redest, Bleichgesicht!« brauste der Comanchen-Häuptling auf. Er war nicht viel älter als ich, und die sprichwörtliche Beherrschung der Indianer war bei Quanah nicht besonders ausgeprägt. »Das Bleichgesicht mit den weit auseinanderstehenden Augen ist kein Verräter, sondern mein Freund! Er hat meinen Kriegern Feuerwasser geschenkt und Gewehre für die Büffeljagd!« »Er hat dich genauso betrogen wie die Apachen, großer Häuptling!« Ich griff in die Brusttasche meiner Lederjacke und holte einen mit Perlen bestickten Lederbeutel hervor. Ich bückte mich und legte den Beutel auf den feuchten Sand zwischen die Speere, die mich immer
noch einschlossen wie in einem hölzernen Käfig. »Hier ist der Beweis, daß ich eine gute Botschaft bringe und nicht den bösen Zauber falscher Bleichgesichter!« Der junge Häuptling hielt die Lanze immer noch drohend erhoben, als wolle er mich jeden Moment damit durchbohren. Doch als er den gestickten Beutel sah, ließ er die Lanze wieder sinken und stieß ein überraschtes »Uff« aus. Dann war es mit seiner Selbstbeherrschung zu Ende. Er warf die Lanze einfach fort, eilte auf mich zu, bückte sich und hob den Lederbeutel auf. Er hielt ihn hoch ins Licht, als könne er nicht glauben, was er da sah. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte ihn geküßt, dachte ich bei mir. »Weiße Gazelle«, sagte er erregt. »Woher hast du diesen Beutel?« Jetzt wußte ich, daß ich nicht mehr auf der Verliererstraße war. »Von ihr selbst, großer Häuptling. Und da du offenbar meinen Worten nicht ganz traust, soll deine Squaw, die du ›weiße Gazelle‹ nennst, selbst zu dir sprechen!« »Ist sie hier?« fragte der junge Häuptling, und in seinen dunklen Augen standen nicht mehr der Haß und die Trauer von vorhin, sondern aufkeimende Freude und grenzenloses Staunen. »Deine Späher hätten dir längst davon berichtet, wenn sie bei mir wäre. Aber sie ist nicht weit von hier entfernt, Häuptling Quanah.« »Führe mich zu ihr, Bleichgesicht!« rief der junge Häuptling erregt. »Wenn ich dir dein Leben schenken soll, wirst du mich augenblicklich zu ihr bringen!« Ich schüttelte den Kopf. »Sie ist in der Obhut des weißen Häuptlings, der mich zu dir geschickt hat. ›Weiße Gazelle‹ ist sehr mitgenommen von der Schmach, die ihr dein angeblicher Freund angetan hat. Ihre Füße sind wund und taub von der Kälte, und sie leidet Fieber. Die weißen Medizinmänner pflegen sie, damit sie bald wieder in dein Tipi zurückkehren kann.« Er lauschte meinen Worten und schüttelte den Kopf, als könne er mein Englisch nicht richtig verstehen. »Wie kann sie dann zu mir sprechen, Bleichgesicht! Willst du mich nur überlisten und betrügen, wie es die Art der weißen Männer ist?«
Der Zorn und die Erbitterung schienen seine aufkeimende Hoffnung wieder zu ersticken. »Hat ›weiße Gazelle‹ dich je betrogen oder hintergangen, großer Häuptling?« erwiderte ich rasch. »Habe ich nicht die gleichen Augen und Haare wie sie? Wäre es nicht möglich, daß ich auch die gleichen ehrlichen Absichten hinter meiner Stirn trage wie deine weiße Squaw?« »Uff, es ist wahr. Sie hat die gleichen blauen Augen wie du, Bleichgesicht. Klar und rein wie Bergkristall! Du hast sie also wirklich gesehen …« »… und mit ihr gesprochen, Häuptling Quanah. Und sie erzählte mir, daß sie dich gelehrt habe, nach Art der Bleichgesichter zu schreiben und ihre Botschaften zu lesen.« »Das ist wahr, Bleichgesicht!« »Dann öffne den Beutel und lese, was sie dir zu sagen hat. Sie hat es auf ein weißes Stück Papier geschrieben!« Der junge Häuptling öffnete die Lederschnüre des Beutels. Dann drehte er mir einfach den Rücken zu, weil er nicht wollte, daß ich Zeuge seiner Ergriffenheit wurde. Der große Häuptling hatte Tränen in den Augen. Ich wußte, was auf dem Zettel stand, in den »weiße Gazelle« noch eine Locke ihres Haars und einen Ring eingewickelt hatte, damit Quanah auch nicht mehr den geringsten Zweifel haben konnte, daß sie noch lebte und mich als Überbringer ihrer Botschaft ausersehen hatte. Ich kannte den Text auswendig. Ich wiederholte ihn mir in Gedanken, weil ich die lange Pause überbrücken wollte, in der sich alles entscheiden mußte: Krieg oder Frieden, blutige Vergeltung oder Versöhnung. Oder vielleicht auch nur ein paar Monate Waffenstillstand, was immerhin auch schon etwas war. »Weiße Gazelle«, die Frau des jungen Häuptlings Quanah, die einmal Cynthia Parker geheißen hatte, wie sie sich erinnerte, hatte ungefähr folgendes geschrieben, wenn man es in nüchternen Worten ausdrücken und die blumenreiche, sentimentalen Zwischenbemerkungen wegließ, die nur für ihren Mann Quanah
bestimmt waren. »Nicht die Apachen haben mich aus deinem Wigwam geraubt, als du im Norden bei der Büffeljagd warst, sondern die Comancheros, die deine Krieger mit Feuerwasser betäubt haben und dir billige Gewehre für gute Felle andrehten. Sie haben es getan, damit die Erbfeindschaft, die zwischen den Apachen und Comanchen besteht, wieder zu wildem Haß aufloderte und du dich bereit fandest, diesen weißen Halunken das Apachendorf in den Guadalupe Mountains zu zeigen, wo sie wehrlose Apachenfrauen und Kinder zusammentreiben konnten wie herrenloses Vieh. Du wußtest, daß die Krieger des Dorfes unterwegs waren auf Antilopenjagd und wolltest Gleiches mit Gleichem vergelten. In Wirklichkeit bist du nur auf die Lügen eines schlangenzüngigen Bleichgesichtes hereingefallen, der nie dein Freund war, sondern ein Erzfeind aller Rothäute – ein ehemaliger Skalpjäger. Ich wurde nicht von den Apachen getötet, wie diese Bleichgesichter dir erzählt haben. Sie haben mich in einer Berghöhle gefangengehalten und mich dann zusammen mit den Apachen-Squaws an die Bleichgesichter als Sklavin verkauft. Sie brachten mich weit weg von deinem Wigwam, damit ich nie mehr zu dir zurückkehren sollte, um dir die Wahrheit über diesen schändlichen Handel zu erzählen. Aber der große gute Geist, der über uns allen wacht, hat es anders gefügt. Das Bleichgesicht, das ich zu dir schicke, hat mich zusammen mit den Soldaten der weißen Männer aus den Händen dieser verräterischen Sklavenhändler befreit. Dieses Bleichgesicht wird dich zu mir führen. Und die wenigen Apachen, die sich durch die Scharen deiner Krieger nach Osten durchschlagen konnten, um ihre Squaws und Kinder aus den Händen der Bleichgesichter zu befreien, haben es verdient, daß du sie unbehelligt wieder zurück nach Westen ziehen läßt in ihre Heimat jenseits der weiten Prärien. Möge der Große Manitu dich erleuchten, daß du die richtige Entscheidung triffst.« * Nach drei Tagen kehrte ich wieder zurück nach Fort Worth, wo Captain Redwood inzwischen Mister Raffael Jordan vom Brazos
Saloon und noch ein paar andere Kapuzenmänner wegen »Verschwörung gegen die Militärregierung« in die Arrestzellen des Forts gesperrt hatte. Diese Sache ging mich nichts an. Außerdem war ich von meiner ersten Mission als Armeescout so erschöpft und mitgenommen, daß ich ein paar Tage wie ein Toter schlief und nicht einmal für meinen Hund Shita zu sprechen war. Ich hatte den Schlamassel zu einem unblutigen Ende geführt. Die Apachen gingen straflos aus und durften ungehindert mit ihren geretteten Frauen und Kindern durch die von den Comanchen beherrschte Prärie in ihre Heimat im Süden Arizonas zurückkehren. Auch die Comanchen versprachen, Ruhe zu halten, solange sich keine Büffeljäger in ihrem Gebiet tummelten und wahllos Bisons abknallten. Woher sie die blauen Uniformen hatten, die sie den Comancheros gegen ein Faß Feuerwasser überlassen hatten, ist allerdings nicht geklärt worden. Colonel Warwick befolgte meinen Rat und ließ diesen Punkt bei den Verhandlungen fallen. Den alten Beaumont konnte allerdings keiner mehr zum Leben erwecken. Er hatte, wie sich bei den Verhandlungen mit Häuptling Quanah herausstellte, ein paar Apachen auf seiner Ranch vor den Comanchen versteckt, die halbtot vor Hunger und der ungewohnten Kälte am Abend vor ihrer Befreiungsaktion bei ihm angeklopft hatten. Und da der alte Charley ein paar Brocken Mescalero-Dialekt mehr verstand als ich, hatte er ihnen sogar ein paar von seinen Pferden überlassen, damit sie ihre Frauen und Kinder aus den Käfigwagen der Comancheros befreien konnten, ehe sie jenseits des Trinity River im Dschungel der weißen Zivilisation auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Häuptling Quanah hatte ihn dafür bitter bestraft. Er bereute das hinterher und bot Colonel Warwick als Buße zehn seiner besten Pintos an. Doch Colonel Warwick winkte ab. Keiner seiner Yankees wäre in der Lage gewesen, ein Comanchenpferd zu reiten. Er betrachtete den Tod des alten Beaumont als einen bedauerlichen Irrtum, nicht als einen Mord. Ich konnte mich seiner Meinung nicht ganz anschließen. Aber ich wußte, daß ein Waffenstillstand mit dem berüchtigsten und wildesten
Stamm der Comanchen wichtiger war als die Sühne eines Mordes. Als ich endlich ausgeschlafen hatte und mich Colonel Warwick in die Kommendantur holen ließ, war ich fest entschlossen, meinen Abschied von der Armee zu nehmen. Ich hatte mir schließlich meinen Aufenthalt in Fort Worth anders vorgestellt. Als eine Art von Bildungsurlaub. »Sir«, sagte ich, als er mich in sein Allerheiligstes gebeten hatte, »ich denke, Sie werden jetzt ganz bestimmt keinen Scout mehr in Fort Worth brauchen. Die Comanchen geloben Frieden für alle Zeiten, und einen Apachen werden Sie wahrscheinlich am Trinity River nie mehr sehen. Da wette ich selbst tausend Dollar, die ich gar nicht habe.« »Pech, mein Junge«, erwiderte der alte Warwick und blickte mich dabei ein bißchen traurig an. »Ich fürchte, die Apachen werden dich bald wieder zu Gesicht kriegen!« Ich erschrak. Ich ahnte, daß ich in den zwei Tagen, in denen ich mich ausgeruht hatte, etwas Wichtiges versäumt hatte. Er kramte in seinen Papieren, die sich auf seinem Schreibtisch häuften, und zog ein Telegramm heraus, das wie ein Befehl aussah. »Das traf heute morgen aus Washington ein, Ronco. Vom War Department. Ich hatte einen Bericht über dich nach Washington schicken müssen. Du bist jetzt auch eine kleine Berühmtheit als Scout geworden.« »Um Gottes willen, Sir! Ich wollte gerade meinen Abschied nehmen!« »Da bist du ein paar Stunden zu spät dran. Ich habe Anweisung, dich sofort nach Fort Calhoun im Süden von Texas in Marsch zu setzen. Du sollst dort den Posten des Ersten Scouts übernehmen. Es ist eine ehrenvolle Aufgabe, schreibt man mir.« »Ich pfeife darauf, Sir.« »Es ist ein Befehl, Ronco. Die Armee hat Blut geleckt. Sie läßt dich nicht mehr los. Selbst ich kann daran nichts ändern.« Und so nahm das Verhängnis seinen Lauf. Es war die Stunde der Entscheidung über mein weiteres Leben …
ENDE
Vorschau Es waren vier Mexikaner, und sie hatten Ronco ganz schön in die Enge getrieben. Aber sie wollten ihn lebend, sonst hätte er keine Chance in dem Hohlweg gehabt, in dem sie ihn gestellt hatten. Einem zerschoß er den Arm, aber die drei anderen griffen ihn an. Zwei schaffte Ronco, indem er ihre Köpfe packte und mit Wucht aneinander krachen ließ. Sie taumelten um sich selbst und kippten um. Den vorstechenden Arm des dritten Mexikaners fing Ronco ab, hielt ihn am Handgelenk fest, drehte sich blitzschnell herum und krümmte sich nach vorn zusammen. Der Kerl brüllte wie aufgespießt, als er mit den Füßen hoch in der Luft über Roncos Schulter flog und dann unsanft auf den felsigen Boden prallte, inzwischen aber waren die beiden anderen, deren Köpfe aus Eisen zu sein schienen, wieder auf den Beinen. Sie hatten noch nicht genug, nur wollten sie diesen verdammten Gringo jetzt nicht mehr lebend … Die Jagd auf Ronco geht weiter. Lesen Sie nächste Woche Band 306 dieser großen deutschen Western-Serie:
Die Schatzsucher