Springer-Lehrbuch
Richard Pott Joachim Hüppe
Spezielle Geobotanik Pflanze – Klima – Boden Mit 160 Abbildungen und 31 Tabellen
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Professor Dr. rer. nat. Richard Pott Professor Dr. rer. nat. Joachim Hüppe Leibniz Universität Hannover Institut für Geobotanik Nienburger Str. 17 30167 Hannover E-mail:
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ISBN-13 978-3-540-49356-3 Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Text und Abbildungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Verlag und Autor können jedoch für eventuell verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Planung: Dr. Dieter Czeschlik, Heidelberg Redaktion: Stefanie Wolf, Heidelberg Herstellung: LE-TEX, Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Umschlaggestaltung: WMXDesign, Heidelberg Umschlagabbildungen: links: Blattquerschnitt von Nerium oleander (Apocynaceae), Vergrößerung 100-fach, rechts: Garigue mit Euphorbia acanthothamnos (Euphorbiaceae) auf der griechischen Insel Euböa Foto S. X: Waldgrenze eines natürlichen Lärchen-Arvenwaldes (Larici-Pinetum cembrae) im Val Viola, Tessin Foto S. XIV: Herbstaspekt eines natürlichen Silikat-Buchenwaldes (Luzulo-Fagetum) im Weserbergland (Alle Fotos von den Autoren) Satz: Druckfertige Vorlage der Autoren SPIN 11789789
29/3180/YL – 5 4 3 2 1 0
Gedruckt auf säurefreiem Papier
Gewidmet dem Gedenken an den hannoverschen Geobotaniker Professor Dr. Hans Zeidler *4.4.1915
† 6.8.2003
Vorwort
„Umweltprobleme, wie das heute viel diskutierte Waldsterben, die Fernwirkung des Abholzens tropischer Regenwälder oder die Folgen der Verschmutzung von Flüssen und küstennahen Meeren, machen uns zunehmend klar bewusst, wie kompliziert die Wechselbeziehungen zwischen Organismen und ihren mehr oder minder belasteten Lebensräumen sind.“ Heinz Ellenberg (1986) Zum Verständnis der Ursachen von Naturphänomenen wurde im Laufe der vergangenen 250 Jahre viel Wissen über die Erde zusammengetragen. Der Kern dieser Erkenntnisse ist, dass die Erde ein dynamischer, ruheloser Planet ist. Ihre Lufthülle, die Ozeane und die Erdkruste sind in dauernder Bewegung und werden dabei von Kräften getrieben, die stärker sind als alles, was der Mensch ihnen entgegensetzen könnte. Erdbeben und Tsunamis zeigen das überaus deutlich. Das große Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 ist noch heute unvergessen: Damals begann sich mit den Aufklärern Immanuel Kant (1724-1804), Jean-Jacques Rousseau (17121778) und Voltaire (1694-1778) die Einsicht durchzusetzen, dass solche verheerenden Erdbeben, Flutwellen und Vulkanausbrüche nicht Gottesstrafe, sondern normale Vorgänge an der Erdoberfläche sind. Diese Veränderlichkeit der natürlichen Systeme ist Basis unseres Wissens, wir erleben derzeit nur die Momentaufnahme eines langen evolutiven Prozesses auf dem Weg in eine unbekannte Zukunft. Dies erschreckt noch immer viele Menschen, die meinen, unsere Erde sei ein solides und unverrückbares Fundament für menschliches Planen und Schaffen, und sie verdrängen gern die Tatsachen des dynamischen Planeten. Ein „Status quo“ wäre für viele wünschenswert, und so wird oft gedacht. Beim derzeitigen Klimawandel wird sogar suggeriert, nur der Mensch mit seinem Kohlendioxidausstoß verändere das Klima. Wenn es nur gelänge, den CO2-Ausstoß zu stoppen – wie im Protokoll von Kyoto und auf den Klima-Konferenzen von Montreal 2005 und Nairobi 2006 gefordert – werde das Klima so bleiben wie es ist. Dabei wird der seit der Entstehung der Erde vor viereinhalb Milliarden Jahren nachgewiesene beständige Klimawandel negiert. Nichts deutet darauf hin, dass das Klima in Zukunft stabil sein könnte, unabhän-
VIII
Vorwort
gig von menschlichem Zutun. Das zeigt uns insbesondere der rasche Klimawandel während und nach den großen Vereisungs- und Erwärmungsphasen vor allem auf der Nordhemisphäre mit ihren jeweiligen dramatischen Landschafts- und Vegetationsveränderungen. Diese elementaren Gesetzmäßigkeiten der bekannten Interaktionen von Klima, Boden und Pflanze werden in diesem Buch mit zahlreichen Beispielen aus älteren und neueren Forschungsdaten näher beleuchtet und allgemein verständlich dargestellt, um die natürlichen Kräfte in Ursache und Wirkung zu beschreiben. Das ist eine notwendige Grundvoraussetzung zum Verständnis von Ökosystemen und deren Evolution in Raum und Zeit. Wir werden dabei sehen, wie natürliche Prozesse, beispielsweise Verlandungen von Gewässern, funktionieren, wie sich Sukzessionen auswirken oder auch wie sich Störungen nach Stürmen, Bränden oder Klimaänderungen zeigen. Aus vielen Gesprächen mit Studierenden und Kollegen wird neuerdings immer deutlicher, dass wir Lehrenden an den Universitäten zunehmend neue Themenfelder unserer Wissenschaftsgebiete erläutern und erklären müssen. Das betrifft in den Naturwissenschaften nicht nur die Grundlagen von Physik und Chemie, sondern in der Geobotanik auch das Basiswissen in Klima- und Bodenkunde, Meteorologie und Geographie. Wir müssen die Studierenden im Grundstudium wieder da abholen und mitnehmen, wo sie nach der Schulausbildung sind, und da hat sich in den letzten Jahren einiges geändert. Den Studierenden fehlen vielfach grundlegende Kenntnisse der Zusammenhänge: fußend oft auf ungenügendem Wissen um die allgemeinen geomorphologisch-klimatologischen Grundlagen, mangelnde Artenkenntnis von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen sowie Schwierigkeiten im Erlernen der lateinisch-griechischen Fachsprachen ohne humanistische Schulbildung. Deshalb haben wir nach dem Erscheinen der „Allgemeinen Geobotanik – Biogeosysteme und Biodiversität“, welche das bewährte Grundlagenwissen und die Evolution der wichtigsten Großlebensräume unseres Globus allgemein behandelt, umgehend mit der „Speziellen Geobotanik“ begonnen, in der die essentiellen standörtlichen Grundlagen des Zusammenwirkens von Klima, Boden und Pflanzen zu Ökosystemen erläutert werden. Es ist ein Buch zum fundamentalen Verständnis und zum Begreifen der naturwissenschaftlichen Zusammenhänge, welche uns erklären, warum sich im Laufe der Erdgeschichte auf der Erde die verschiedenen Lebensräume mit ihren speziell angepassten Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen zu den Lebensgemeinschaften, den Biozönosen, entwickelt haben. Manche Kritiker haben angemerkt, das Buch der Allgemeinen Geobotanik – Biogeosysteme und Biodiversität (2005) wäre besser als Spezielle Geobotanik bezeichnet worden. Das kann man aus der botanischen Wissenschaftstradition so sehen: Wir wollen jedoch auf die Geobotanik bezo-
Vorwort
IX
gen, die allgemeinen evolutionsbiologischen, geologischen und pflanzengeographischen Grundlagen dieses Faches als Allgemeine Geobotanik bezeichnen. Die ökologischen Grundlagen der Interaktionen von Pflanzen, Klima und Boden mit deren methodischem Erfassungsinventar interpretieren wir als Spezielle Geobotanik wie im vorliegenden Buch. Hierbei darf die Lehre von der Ökomorphologie der Pflanze nicht fehlen, sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Verständnisses für das evolutive Verhalten der Pflanzen in Raum und Zeit. Da die klassischen botanischen Disziplinen, die früher immer solche notwendigen Lehrveranstaltungen im Repertoire hatten, dieses Fach heute im Zuge ihrer molekularbiologischen Erneuerung inzwischen weitgehend abgeworfen haben, muss es neu in die Grundlage einer Speziellen Geobotanik integriert werden. Eine Angewandte Geobotanik, welche die Frage der Umsetzung des biogeographischen, evolutionsbiologischen und standortsökologischen Basiswissens sein muss, soll umgehend folgen. Dort findet sich eine Einführung in die Instrumentarien der landschaftsökologischen Raumerfassung, der Paläoökologie, der Historischen Geobotanik, der naturräumlichen Landeskunde sowie Antworten auf Fragen zur Restauration und Renaturierung von Ökosystemen und zur anthropogenen Einflussnahme auf die Natur. Dieses Buch vermittelt den Stoff einer Grundvorlesung für Studierende der Bachelor-Studiengänge Biologie, Life Science und Geowissenschaften der Leibniz Universität Hannover zur Einführung in das Fach und dient als Basis für weiterführende Studien. Es richtet sich also an Studierende und Interessierte der Landschaftswissenschaften, der Boden- und Vegetationskunde und der Geoökologie insgesamt. Es ist so geschrieben und konzipiert, dass sich alle Interessenten auf dieser Basis in der speziellen Literatur zurechtfinden können. Das tiefere Eindringen in einzelne Teildisziplinen erschließt sich durch die am Ende eines jeden Kapitels aufgeführte Auswahl an Artikeln und Originalarbeiten, welche die Brücke vom Lehrbuch zur aktuellen Forschung bilden sollen. Auf diese Weise wurde der Text zur besseren Lesbarkeit weitgehend von Referenzen freigehalten. Mit speziellen Lern- und Merksätzen wird zudem der Lehr- und Lernbuchcharakter gewährleistet. Dem Landesmuseum Natur und Mensch, Oldenburg, und seinem Direktor, Herrn Professor Dr. Mamoun Fansa, danken wir für die Überlassung von Bodenprofilen aus der Sammlung Reinhold Tüxen. Dem SpringerVerlag Heidelberg sind wir für die Aufnahme des Manuskriptes in seine naturwissenschaftliche Reihe und Frau Stefanie Wolf für das Lektorat zu sehr großem Dank verpflichtet. Hannover, am 8. Juli 2007
Richard Pott Joachim Hüppe
Inhaltsverzeichnis
1 1.1
Einführung ................................................................................... 1 Literatur ......................................................................................... 4
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 2.10
Grundlagen des Klimas .............................................................. 5 Klimafaktoren und Klimatypen ..................................................... 6 Klimaschwankungen ..................................................................... 8 Strahlungsparameter..................................................................... 12 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen .................................... 15 Atmosphärische Zirkulation ........................................................ 20 Globale Temperaturverteilung .................................................... 22 Temperaturparameter .................................................................. 29 Niederschlagsverteilung............................................................... 31 Wind ............................................................................................ 33 Literatur ....................................................................................... 41
3 3.1 3.2 3.3 3.4
Klima- und Vegetationszonen .................................................. Klimadiagramme ......................................................................... Ozeanität und Kontinentalität ..................................................... Vertikalgliederungen ................................................................... Literatur .......................................................................................
4 4.1 4.2 4.3 4.4 4.5 4.6 4.7
Das Klima der bodennahen Luftschicht .................................. 65 Charakteristika der bodennahen Luftschicht ............................... 66 Der Einfluss des Reliefs .............................................................. 69 Wärmeableitung ........................................................................... 73 Niederschläge ............................................................................... 79 Luftfeuchtigkeit und relative Luftfeuchtigkeit............................. 84 Schneedecken und Frost .............................................................. 86 Literatur ....................................................................................... 89
43 48 50 56 63
XII
Inhaltsverzeichnis
5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 5.9
Bodenfaktoren – Schrift des Bodens ........................................ 91 Ausgangsgesteine für die Bodenbildung ..................................... 92 Bodenarten .................................................................................. 96 Bodenminerale .......................................................................... 101 Physikalische und chemische Verwitterung .............................. 106 Biologische Verwitterung und Tonzerfall ................................. 115 Bodenwasser und Bodenluft ..................................................... 119 Feldkapazität ............................................................................. 124 Humus ....................................................................................... 126 Literatur ..................................................................................... 129
6 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8 6.9 6.10 6.11 6.12 6.13 6.14 6.15 6.16 6.17 6.18
Bodenhorizonte und Bodentypen ........................................... Globaler Überblick .................................................................... Konsistenz des Bodens .............................................................. Bodenhorizonte ......................................................................... Rohböden und A/C-Böden ........................................................ Regosol ..................................................................................... Ranker, Rendzina und Pararendzina ......................................... Tschernosem ............................................................................. Braunerde .................................................................................. Podsol ........................................................................................ Parabraunerde ............................................................................ Stau- und Grundwasserböden .................................................... Auenböden ................................................................................ Moorböden ................................................................................ Gebirgsböden ............................................................................ Salzböden .................................................................................. Wüstenböden.............................................................................. Latosol ....................................................................................... Literatur .....................................................................................
131 132 136 139 144 146 147 150 153 155 157 159 161 162 164 166 169 171 173
7 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5
Lebensbedingungen der Bodenorganismen .......................... C/N-Verhältnis .......................................................................... Auswirkungen auf die Bodenstruktur ....................................... Bodenmikroorganismen ............................................................ Bodenfauna und Bodenflora ..................................................... Literatur .....................................................................................
175 176 178 180 184 193
Inhaltsverzeichnis
8
XIII
8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7
Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben.............................................................. Einfluss von Bodenkomponenten auf die Pflanzen ................... Pflanzenmineralstoffe ............................................................... Lichtwirkungen .......................................................................... Temperaturwirkungen ............................................................... Hitzewirkungen ......................................................................... Windwirkungen ......................................................................... Literatur......................................................................................
195 198 202 208 215 222 225 231
9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.8 9.9 9.10 9.11
Anpassungen der Pflanzen ...................................................... Wasserhaushaltstypen ............................................................... Formen der Primärproduktion ................................................... Xerophyten ................................................................................ Mesophyten ............................................................................... Hygrophyten .............................................................................. Helophyten ................................................................................ Hydrophyten .............................................................................. Epiphyten und Epiphyllie .......................................................... Halophyten ................................................................................ Pyrophyten ................................................................................ Literatur .....................................................................................
233 237 243 248 259 259 261 263 266 275 279 281
10
Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts ........................................................................... Abiotische und biotische Faktorenkomplexe ............................ Arealbildung .............................................................................. Konvergenz ............................................................................... Pflanzengesellschaften und Assoziationen ................................ Symbiosen ................................................................................. Dynamik und Regulation .......................................................... Vegetationsveränderungen durch Eutrophierung....................... Klimainduzierte Vegetationsveränderungen ............................. Literatur .....................................................................................
283 284 286 293 294 297 301 306 309 315
10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8 10.9
Verzeichnis der Gattungen, Arten und Syntaxa ................... 319 Sachverzeichnis ........................................................................ 323
1 Einführung
Wenn wir eine Exkursion durch die einzelnen Landschaften unseres Globus oder einer Region in Europa oder direkt vor unserer Haustür machen, so werden wir feststellen müssen, dass die einzelnen Pflanzen nirgendwo auf der Erde auf einem Kontinent oder an einem Berghang wahllos und zufällig verteilt wachsen, sondern dass bei der Verteilung der Pflanzen in einer Vegetationsdecke über weite Räume hinweg, beispielsweise in einer Talregion mit Nord- und Südhängen oder in einem Wald, ganz bestimmte Gesetzmäßigkeiten vorherrschen. Auf Kalkböden finden wir ganz andere Arten vor als auf Sandböden, im Schatten des Waldes wiederum andere als auf Wiesen und Trockenrasen, die dem vollen Lichtgenuss ausgesetzt sind. Die Pflanzen treten also zu ganz bestimmten Gemeinschaften, zu Pflanzengesellschaften zusammen. Was sich überblicken lässt, ist Landschaft, was ins Detail zerfällt, ist Natur, so hört man es gelegentlich in den Diskussionen mit Geographen. Die Identifizierung räumlicher Muster der Landoberfläche anhand gut unterscheidbarer Vegetation kennen wir als eine alte mitteleuropäische Tradition. Alexander Freiherr von Humboldt (1769-1859) hat diese geobotanisch ausgerichtete Sichtweise als Erster systematisch betrieben und durch seine Weltreisen auch gleich auf tropische und subtropische Klimazonen ausgedehnt. „Landschaft“ war für ihn also so etwas wie eine „Komposition von Vegetationsmustern“ aus Wäldern, Gebüschen, Rasen, Heiden, Mooren oder Röhricht, also nur aus Pflanzendecken bestimmter Wuchsformen, den Pflanzenformationen, wie wir sie noch heute so bezeichnen. Humboldts Erarbeitung der Formationen war ein erster beschreibender Schritt zur Vegetationsklassifizierung moderner Prägung. Mit Alphonse Pyrame de Candolle (1806-1893), Anton Kerner von Marilaun (1831-1898) und Johannes Eugenius Warming (1841-1921) verlagerte sich danach das Interesse von den räumlichen Vegetationsmustern auf die Vegetationsdynamik und die Beschreibung von Sukzessionen. Das gipfelte schließlich in der Begrifflichkeit Klimax für Endstadien natürlicher Höherentwicklung von Pflanzengesellschaften, jene Stadien also, das sich letztlich von selbst einstellen. Kern der geobotanischen Forschung ist das Erkennen und die methodische und begrifflich klare Beschreibung der Fülle zahlreicher aus Pflanzen
2
1 Einführung
und Tieren aufgebauter Lebensgemeinschaften, ihrer Struktur, ihrer Entwicklung, ihrer Verbreitung und räumlichen Ordnung, der Beziehung zwischen den jeweiligen Gliedern der Biozönose und der menschlichen Einwirkung. Aus der Erkenntnis, dass grundlegende Bindungen und Gesetzmäßigkeiten zwischen Vegetation – vor allem aber zwischen Arten in einem Pflanzenbestand – und jeweiligen Standortbedingungen bestehen, entwickelte sich die Auffassung, dass Vegetationsbestände als Gemeinschaften oder als Pflanzengesellschaften aufzufassen seien. Daraus entstand die Pflanzensoziologie. Josias Braun-Blanquet (1884–1980) und Reinhold Tüxen (1899–1980) schufen in Mitteleuropa zunächst ein Lehrgebäude mit fest umrissenen Pflanzengesellschaften, den Assoziationen, ihren Verbänden und syntaxonomisch verschieden strukturierten Ordnungen und Klassen, welches inzwischen in fast allen Ländern der Erde Anwendung findet. Die häufigsten Vegetationsklassen Mitteleuropas sind unter anderem bei Richard Pott (1995) in der Beschreibung der Pflanzengesellschaften Deutschlands aufgeführt. Der Amerikaner Frederik E. Clements (1847–1945) und seine Schule entwickelten aus den Anfängen der Pflanzensoziologie in den 1920er Jahren sogar eine holistische Naturbetrachtung, in der sie die Vegetationseinheiten mit Organismen verglichen, diesen gar gleichsetzten und sie schließlich sogar als „Superorganismen“ betrachteten. Der große englische Ökologe Sir Arthur Tansley (1871–1955) führte im Jahre 1935 den Begriff Ökosystem ein, den er aus der aufkommenden Systemlehre übernahm. Was ein Ökosystem ist, wurde von Arthur Tansley zwar erklärt, aber nicht definiert. Das geschah erst mit Raymond L. Lindeman (1915–1942) und Eugene P. Odum (1913–2002). Danach trat das aus der Vegetationsökologie hervorgegangene Ökosystem-Konzept seinen großen Siegeszug an. Es ist heute allgemein akzeptiert und vereinigt in idealer Weise eine analytische und synthetisch-ganzheitliche Darstellung der Beziehungsgeflechte von Standortparametern, wie es jüngst auch Wolfgang Haber (2004) formuliert. Es berücksichtigt räumlich-ökologische und zugleich historischdynamische Aspekte der Vegetation und beschreibt deren Struktur und Aufbau. Heinrich Walter (1898–1993) und Heinz Ellenberg (1913–1997) haben dieses Konzept besonders gefördert und konsequent weiterentwickelt: Das in den 1960er Jahren von Ellenberg im Rahmen des damaligen „Internationalen Biologischen Programm, IBP“ entwickelte deutsche Waldforschungsprojekt in der norddeutschen Mittelgebirgslandschaft Solling vereinigte seinerzeit die europäischen und nordamerikanischen Forschungsansätze zu den Stoff- und Energieflüssen in den vegetationskundlich definierten Einheiten Wälder, Wiesen und Äcker und wurde so zu einem wichtigen Schritt in der modernen Ökosystemforschung. Die Ergebnisse des „Solling-Projektes“ wurden von Heinz Ellenberg (1986) ver-
1 Einführung
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öffentlicht. Seitdem ist die Gleichsetzung von Pflanzengesellschaften oder Formationen mit Ökosystemen üblich. Die Vegetation dient dabei fast immer als Ausgangspunkt von Ökosystemstudien, welche auf einem räumlichen Ansatz beruhen. Vegetation ist wegen ihrer weitgehenden Ortsgebundenheit im terrestrischen, amphibischen und aquatischen Milieu der dingliche Ausdruck von Biotop und Biozönose, wie wir es seit Karl August Möbius (1877) wissen. Sie ist ein integrierender Bestandteil oder ein allgemeiner Anzeiger aller wesentlichen Umwelteigenschaften. Vegetation prägt weithin das Erscheinungsbild einer Landschaft und zeigt deren Entwicklungszustand. Sie spielt also eine zentrale Schlüsselrolle, und darum geht es in diesem Band: Vegetation ist – wie in der Allgemeinen Geobotanik, Biogeosysteme und Biodiversität (2005) ausgeführt – eine Besonderheit des Phänomens Leben, weil in ihr viele Einzelorganismen und Pflanzenarten zu greifbaren Gebilden höherer Ordnung und damit zu definierbaren Einheiten, den Pflanzengesellschaften integriert sind, wobei das Maß der Integriertheit der inneren Organisation schwächer oder stärker ausgeprägt sein kann, aber jedenfalls feststellbar ist. Das ist der Vorzug der Ganzheitlichkeit der Vegetation: Sie ist kein unauflösbares, geheimnisvolles, sondern ein zergliederbares, weitgehend in Transparenz überführbares Ganzes! Nur so verstehen wir, wie Vegetation sich ihr eigenes Kleinklima schafft, den Wasserhaushalt, die Bodenbildung, ja die Standortentwicklung sogar selber steuert, durch Strahlungsabsorption und CO2-Bindung ebenfalls das Großklima beeinflusst – schließlich die photosynthetische Produktivität der Pflanzenbestände gewährleistet und letztlich Habitat- und Nischenangebote für die Tierwelt bildet. Das rechtfertigt und stärkt eine eigenständige Vegetationsökologie als wichtigen Zweig der Geobotanik und bildet auch die Brücke zur Landschaft, also zur geographisch-räumlichen Komponente. Und damit sind wir wieder am Ausgangspunkt unserer Betrachtung. Landschaft als Ausschnitt der terrestrischen Erdoberfläche ist also im Wesentlichen ein Komplex von Vegetationseinheiten mit bestimmten physisch-geographischen Strukturen. Alle Stufen der ökologischen Hierarchie schließen Leben und biologische Prozesse ein, so dass sich schließlich die Biogeosysteme – der umfassende Begriff für sämtliche Ökosystem der Erde - definieren lassen: Die sichtbare Biosphäre geht ohne scharfe Grenzen in die Lithosphäre, die Schicht der Gesteine, der Sedimente sowie des Mantels und des Kerns der Erde selbst, über. Gleichermaßen vermittelt sie zur Hydrosphäre, der Wasserhülle von Ozeanen, Meeren und Seen mit Oberflächen- und Grundwasser, zur Kryosphäre mit ihren Schnee- und Eisflächen an den Polen und in den Gebirgen. In der Pedosphäre, im Bodenraum, sind als wichtige Standortparameter beispielsweise die Bodenentwicklung, die
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1 Einführung
Verfügbarkeit von Mineralstoffen sowie die chemisch-physikalische Beschaffenheit des Bodens zu nennen.
1.1 Literatur Begon M, Harper JL, Townsend CR (1990) Ecology. 2nd ed. Blackwell, Boston Oxford London Braun-Blanquet J (1921) Prinzipien einer Systematik der Pflanzengesellschaften auf floristischer Grundlage. Jahrb St Gallen Naturwiss Ges 57, 305-351 Braun-Blanquet J (1928, 1951, 1964) Pflanzensoziologie. Grundzüge der Vegetationskunde. 1. Aufl (1928) Biologische Studienbücher 7, Berlin, 2. Aufl (1951) Springer, Wien, 3. Aufl (1964), Springer, Wien Brown, JH, Gibson AC (1983) Biogeography. Mosby, St. Louis Campbell NA, Reece JB (2006) Biologie. 6. Aufl, Pearson Studium, München Boston San Francisco Clements FE (1937) Nature and structure of the climax. J Ecol 24: 252-284 Cox CB, Moore P (2005) Biogeography. An ecological and evolutionary approach. 7th ed. Blackwell, Oxford Dierschke H (1994) Pflanzensoziologie. Grundlagen und Methoden. Eugen Ulmer, Stuttgart Dierßen K (1990) Einführung in die Pflanzensoziologie (Geobotanik). Wiss Buchgesell, Darmstadt. Ellenberg H (1968) Wege der Geobotanik zum Verständnis der Pflanzendecke. Naturwissenschaften 10: 462-470 Ellenberg H (1996) Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen in ökologischer, dynamischer und historischer Sicht. Ulmer, Stuttgart Haber W (2004) Vegetation, Ganzheitlichkeit und Naturschutz, Festschrift anlässlich der Verleihung der Ehrendoktorwürde an Herrn Dr. Dieter Mueller-Dombois, Cottbus Humboldt A v (1807) Ideen zu einer Geographie der Pflanzen nebst einem Naturgemälde der Tropenländer (Neudruck 1960). Akademische Verlagsanstalt, Leipzig Kerner von Marilaun A (1863) Das Pflanzenleben der Donauländer. Innsbruck Klink HJ (1996): Vegetationsgeographie, Das geographische Seminar. 2. Aufl. Westermann, Braunschweig Kratochwil A, Schwabe A (2001) Ökologie der Lebensgemeinschaften. Ulmer, Stuttgart Krebs CJ (1978) A Review of the Chitty Hypothesis of Population Regulation. Canadian J Zoology 56: 2463-2480 Larcher W (1994) Ökophysiologie der Pflanzen. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart Lindeman RL (1942) The trophic-dynamic aspect of ecology. Ecology 23: 399-418 MacArthur RH (1972) Geographical Ecology. Harper & Row, New York Möbius K (1877) Die Auster und die Austernwirtschaft. Hempel & Parey, Berlin Nentwig W, Bacher S, Beierkuhnlein C, Brandl R, Grabherr G (2003) Ökologie. Spektrum, Heidelberg Odum EP (1983) Grundlagen der Ökologie. 2 Bde. Thieme, Stuttgart Pott R (1995) Pflanzengesellschaften Deutschlands. 2 Aufl Ulmer, Stuttgart Pott R (1998) Vegetation analysis: In Ambasht RS: Modern trends in Ecology and environment 55-89, Backhuys, Leiden Pott R (2005) Allgemeine Geobotanik – Biogeosysteme und Biodiversität. Springer, Heidelberg Sitte P, Weiler EW, Kadereit JW, Bresinsky A, Körner C (2002) Lehrbuch der Botanik. Spektrum, Heidelberg Tansley AG (1935) The use and abuse of vegetational concepts and terms. Ecology 16: 284-307 Thienemann A (1939) Grundzüge einer Allgemeinen Ökologie. Archiv Hydrobiologie 35, 267-285 Walter H (1968) Die Vegetation der Erde in ökophysiologischer Betrachtung. Bd II: Die gemäßigten und arktischen Zonen. Gustav Fischer, Jena Stuttgart Warming E (1909) Oecology of plants. An introduction to the study of plant communities. Clarendon Press, Oxford (die Originalausgabe ist 1895 in dänischer Sprache erschienen) Whittaker RH (1975) Communities and Ecosystems. 2nd ed. MacMillan, New York Wilmanns O (1998) Ökologische Pflanzensoziologie. 6. Aufl. Quelle & Meyer, Heidelberg Wilson DS (1980) The natural selection of populations and communities. Science 192: 1358-1360
2 Grundlagen des Klimas
Geographische Variationen des Klimas – vor allem durch Temperatur und Niederschläge gesteuert – bestimmen die globale Anordnung der Klimazonen. Klimazonen sind großräumige Gebiete der Erde, in denen die Klimabedingungen ungefähr gleichartig sind. Sie beruhen im Wesentlichen auf unterschiedlichen Einstrahlungsbedingungen für das Sonnenlicht auf die Erdoberfläche (Abb. 2.1) und die darauf zurückzuführende allgemeine Zirkulation der Atmosphäre. Die natürliche Vegetation reflektiert die Klimazonen der Erde, und so zeigen Klimazonen und Vegetationszonen eine weitgehende Parallelität, weshalb wir uns zunächst mit klimatischen Grundlagen beschäftigen müssen.
Abb. 2.1. Unterschiedliche Einstrahlung bewirkt expositionsbedingt unterschiedlich starkes Abtauen von Eis und Schnee im Wildspitzmassiv (Tirol); die Ablation ist auf den südgeneigten dunklen Felswänden am größten
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2 Grundlagen des Klimas
2.1 Klimafaktoren und Klimatypen Die Faktoren, von denen der Zustand der Atmosphäre beeinflusst wird, bezeichnet man als Klimafaktoren. Sie sind dafür verantwortlich, dass alle Klimaelemente an verschiedenen Orten der Erde andere Werte besitzen: Geographische Breite, Land-Meer-Verteilung, die Nähe oder die Entfernung von den Ozeanen und die Höhe über dem Meeresspiegel spielen dabei entscheidende Rollen. Wichtige Klimamotoren sind: die Sonne, die Sonnenfleckenaktivitäten, die Kontinentaldrift, der Vulkanismus, die Meteoriteneinschläge, die Meeresströmungen, die globalen Windsysteme sowie die Rückstrahlung des Planeten Erde in Bezug auf das Sonnenlicht. Hierdurch kühlte und erwärmte sich das Klima im Laufe der Erdgeschichte mehrmals. Äußere Klimafaktoren sind Wirkungsgrößen und Abläufe, die einen Klimazustand verändern, ohne selbst vom Klima beeinflusst zu werden. Dazu gehören vor allem die Sonnenwirkungen, die Kontinentalverschiebungen und Vulkaneruptionen mit ihren Stäuben und Gasen. Innere Klimafaktoren sind Rückkopplungsvorgänge, die durch biologische, chemische und geologische Vorgänge gesteuert werden. Dazu gehören vor allem die Bildung und der Verbrauch von Klimagasen. Die Begriffe Klima, Witterung und Wetter sind in diesem Zusammenhang voneinander getrennt zu betrachten. Klima ist „die für einen Ort, eine Landschaft oder einen größeren Raum typische Zusammenfassung der erdnahen und die Erdoberfläche beeinflussenden atmosphärischen Zustände und Witterungsbedingungen während eines längeren Zeitraumes von charakteristischer Verteilung der häufigsten mittleren und extremen Werte“, wie es der Klimatologe Joachim Blüthgen (1966) definiert hat. Klima ist die „Synthese des Wetters“ über einen mindestens dreißigjährigen Zeitraum. Witterung beinhaltet die kurzfristigen, lokalen, also an einem Ort zu einem bestimmten Zeitpunkt wirksamen Kombinationen der atmosphärischen Elemente, wie zum Beispiel feuchte und trockene Sommer, kalte oder milde Winter, das Auftreten von Hoch- und Tiefdruckgebieten während der Jahreszeiten. Wetter ist demgegenüber die aktuelle Kombination von Temperatur, Feuchtigkeit, Niederschlag, Wind, Bewölkung und anderer atmosphärischer Gegebenheiten an einem bestimmten Ort zu bestimmter Zeit. Langfristig bilden die Witterungsfaktoren die jeweiligen Klimafaktoren. Messbare Einzelerscheinungen zur Charakterisierung des Klimas sind Strahlung, Luftdruck, Luftfeuchte, Temperatur, Wind, Verdunstung, Niederschlag und Bewölkung. Alle diese Parameter werden registriert, ge-
2.1 Klimafaktoren und Klimatypen
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sammelt und für längere Zeiträume, im Regelfall mindestens 30 Jahre, nach Mittelwerten, Häufigkeiten und Abfolgen von Extremen ausgewertet. Langjährige Messwerte zahlreicher Klimastationen, die oft nur wenige Kilometer voneinander entfernt stehen, dokumentieren und kennzeichnen das Klima der betreffenden Lokalitäten, das wir zusammenfassend als Großklima oder Makroklima bezeichnen. Großräumig für alle Kontinente existieren bereits entsprechende Klimakarten, und auch über einzelne Länder verfügen wir über umfangreiches Datenmaterial, teils tabellarisch, teils in Klimakarten zusammengestellt. Berechnungen verschiedener auf Klimadaten basierender Indizes, wie diejenigen von Feuchte- und Temperaturregime, Höhenstufung und Kontinentalität, erlauben unter Heranziehung der Vegetation vor Ort sogar bioklimatische Charakterisierungen. Solche hat beispielsweise Salvador Rivas-Martínez für Spanien bereits im Jahre 1983 vorgelegt und später (1995, 1996) auf ganz Europa und sogar auf die ganze Erde erweitert. Das Makroklima umfasst als naturräumlicher Parameter den gesamten Globus, sowohl seine erdumspannenden Gürtel als auch kontinentale und maritime Zonen der Landmassen und Ozeane mit Flächen von mehr als 5000 Quadratkilometern Größe. Sie sind die Grundlage für die Zonobiome der Erde. Die Werte des Mesoklimas sind unter sorgfältiger Ausschaltung aller mehr oder weniger zufälligen Lokaleinwirkungen gewonnen. Die von den Wetterstationen übermittelten klimatischen Daten und Beobachtungen geben dabei Aufschluss über das Landschaftsklima einer Region beziehungsweise einer Landschaft. In vielen Fällen kann man jedoch für ökologische Fragestellungen mit diesen zu allgemein gehaltenen Klimawerten nicht viel anfangen, denn das Klima vor Ort, sei es in einem Pflanzenbestand oder in einem speziellen Vegetationstyp, ist meist stark verschieden von den Werten des Mesoklimas. In der Geobotanik interessiert daher vorwiegend das Lokalklima oder Mikroklima, auch als Topoklima bezeichnet, also das an einem Standort herrschende Klima im engeren Sinne. Das Mikroklima umfasst etwa das Klima der bodennahen Luftschicht eines Strauchbestandes in einem Triftgelände oder in einem Park im Sinne von Rudolf Geiger (1961), welches vom Mesoklima stark abweichen kann. Unmittelbar an der Bodenoberfläche nimmt man eine weitere Differenzierung vor: Der Energieaustausch zwischen einer Pflanzendecke oder einem Boden und dem angrenzenden Luftraum erfolgt in einer nur wenige Millimeter umfassenden Schicht durch molekulare Transportprozesse. Diese Schicht wird molekulare oder laminare Grenzschicht genannt. Sie hat nicht nur große Bedeutung für das Temperaturverhalten und die Wärmeleitung von Oberflächen sowie die molekulare Diffusionen verschiedener Gase in diesem Grenzbereich, sondern auch auf die Wir-
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2 Grundlagen des Klimas
kungen des Windes mit Mikroturbulenzen, wie dieses Peter Hupfer u. Wilhelm Kuttler (2006) besonders hervorheben. Mit zunehmender Höhe über NN. nehmen die Temperaturen ab, und wir messen normalerweise Temperaturabnahmen von 0,52 Grad Celsius pro 100 Meter Höhenaufstieg. Daraus leiten wir mit dem Oroklima spezielle Klimaformen ab, die Gebirgs- oder Berglandsklimate. Regionale oder lokale Abweichungen der Temperaturbedingungen des Oroklimas können in vielen Fällen gegenüber denen des Makroklimas sehr groß sein. Bezüglich der Einwirkungen des Klimas auf die Pflanzenwelt müssen wir also gleich mehrere Klimatypen unterscheiden: • • • • •
das Großklima oder Makroklima, das Landschafts- oder Mesoklima, das Lokalklima, also das Standort-, Mikro- oder Topoklima, die molekulare oder laminare Grenzschicht, das von der Höhenlage und Geländeform abhängige Oroklima.
Ein besonderer Typ des Mesoklimas, mit allerdings stark ausgeprägten mikroklimatischen Aspekten, ist das Stadtklima, das wir nachfolgend aus Platzgründen nicht näher betrachten wollen, da seine Besonderheiten ausgiebig von Herbert Sukopp (1990) und Rüdiger Wittig (1991, 1996, 2002) sowie Sukopp u. Wittig (1998) behandelt wurden.
2.2 Klimaschwankungen Wichtigster Motor unseres Klimasystems ist die Sonne. Die Sonneneinstrahlung erwärmt die Festlandsflächen und das Oberflächenwasser der Meere in Abhängigkeit von der geographischen Breite. Die Erde absorbiert in der Atmosphäre auf den Kontinenten und den Ozeanen etwa die Hälfte der von der Sonne zur Erde ausgesendeten Wärmeenergie. Die Wärmeabgabe der Kontinente an die überlagernden Luftschichten beeinflusst die Zirkulation der Luftmassen in der Atmosphäre, die wir nahe der Erdoberfläche als Wind spüren. Die Sonne verursacht auch die unterschiedlich langen zyklischen Klimaschwankungen, von den etwa 100 000 Jahre währenden MilankovichZyklen im Rahmen der Änderungen der Erdbahn um die Sonne bis zu den Zyklen wechselnder Sonnenflecken-Aktivitäten. Die mittlere Entfernung von der Erde zur Sonne wird durch die Exzentrizität der elliptischen Erdumlaufbahn im Laufe des Jahres verändert. Diese Exzentrizität verändert sich langfristig im Verlauf von jeweils etwa 100 000 Jahren. Die Neigung der Erdachse variiert ebenso zyklisch zwischen 22 Grad und 24,5 Grad mit
2.2 Klimaschwankungen
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einer Periode von circa 41 000 Jahren. Gegenwärtig beträgt sie 23,5 Grad, und das beeinflusst den Strahlungsunterschied zwischen Äquator und den Polen. Die Strahlung wird außerdem durch die veränderliche Lage von Perihel, des sonnennächsten Punktes der Erdumlaufbahn, und Aphel, des sonnenfernsten Punktes, im Wechsel von etwa 23 000 Jahren und 18 000 Jahren beeinflusst und die jahreszeitliche Verteilung der Sonnenstrahlung auf der Erde verändert. Alle diese Langzeitvariationen sind als Milankovich-Parameter sehr wichtig für das Verständnis des Wechsels von Kaltund Warmzeiten in der Vergangenheit und natürlich auch in der Zukunft. Kurzfristige Schwankungen der Solarstrahlung sind durch veränderliche Solaraktivitäten bedingt, die man seit den 1970er Jahren durch Satellitenmessungen kontinuierlich erfasst. Äußerlicher Eindruck der veränderlichen Sonnenaktivität sind leicht beobachtbare Sonnenfleckenmaxima, die periodisch vor allem 11-jährig als Schwabe-Zyklus oder längerfristig alle 88 Jahre als Gleissberg-Zyklus in Erscheinung treten. Zwischen den Sonnenfleckenmaxima gibt es innerhalb der letzten 800 Jahre genau datierte Phasen mit geringerer Aktivität der Sonne: • • • •
Wolf-Minimum von etwa 1210 bis 1350, Spör-Minimum von 1400 bis 1510, das Maunder-Minimum von 1645 bis 1715 sowie das weniger ausgeprägte Dalton-Minimum von 1800 bis 1830.
Genau in die Phasen des Spör-Minimums und des Maunder-Minimums fällt die „Kleine Eiszeit“ von 1450 bis 1780 mit globalen Temperaturrückgängen um ein Grad Celsius. Später stellten sich die Durchschnittstemperaturen wieder auf die nacheiszeitlichen Mittelwerte ein, welche sie aber in den letzten 20 Jahren überschreiten. In ihrem in kurzer Zeit seit 2001 mehrfach aufgelegtem Buch über Klimafakten beschreiben Ulrich Berner und Hansjörg Streif in der 4. Auflage (2004) die wichtigsten verändernden Kräfte unseres Klimasystems: Kontinentalverschiebungen mit dem allmählichen Verdriften der Kontinente führten über viele Millionen Jahre zu unterschiedlichen Konfigurationen von Landmassen und Ozeanen auf der Erde. Dadurch veränderten sich auch die globalen Wasserzirkulationen in den Ozeanen; kalte und warme Meeresströmungen entstanden und verbanden sich zu einem weltweiten Netzwerk. Gleiches geschah mit der Luftzirkulation in der Atmosphäre, was sich ebenfalls entscheidend auf den Wärmeaustausch über den gesamten Globus mit verschiedenen Kaltzeiten und Warmzeiten mehrfach ausgewirkt hat. Die irdischen Klima- und Ökosysteme sind in der Vergangenheit auch wiederholt durch große Vulkanausbrüche und Meteoriteneinschläge gestört und verändert worden. Die vulkanischen Gase, Stäube und Aschen haben ganz unterschiedliche Auswirkungen auf das Klima.
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2 Grundlagen des Klimas
Hier zu nennen ist besonders das Chicxulub-Event vor 65 Millionen Jahren an der Grenze von der Kreidezeit zum Tertiär, in dessen Folge die Großsaurier auf der Erde ausstarben und gleichzeitig das Reich der Gymnospermen zu Ende ging. Damals entwickelte sich die Welt der heutigen Säugetiere und der Angiospermen. Pflanzen und Tiere starben also aus und machten den Weg frei für die nächsten Schritte der Evolution. Auch das Klima veränderte sich immer wieder dementsprechend. Es ist offensichtlich, dass die Erde durch die eingestrahlte Sonnenenergie in unterschiedlichem Maße erwärmt wird, weil die niedrigen, äquatornahen Breiten mehr Wärme empfangen als die Polregionen. Da die Sonnenstrahlung am Äquator nahezu im rechten Winkel auf die Erdoberfläche trifft, verteilt sich eine gegebene Wärmemenge über eine relativ weite Fläche auf der Erde, und die Wärmestrahlung ist relativ hoch. Die Strahlungsintensität ist in den Polargebieten dagegen relativ gering, weil die Sonnenstrahlen hier flach auf die Erde treffen und sich die Energie auf eine große Fläche verteilt. Für die niedrigen Temperaturen in den Polargebieten ist nicht nur der niedrige Sonnenstand, sondern auch eine hohe Albedo, das heißt eine hohe Reflexion der Sonnenstrahlen über Eis und Schnee, verantwortlich. Neuschnee hat beispielsweise eine Albedo von 75 bis 90 Prozent, Altschnee dagegen von nur 40 bis 70 Prozent, Vegetation und Böden etwa 20 Prozent. Wir werden die Albedo im Kapitel 2.4 eingehender kennen lernen. Die globale Albedo wird heutzutage erheblich von Arktis und Antarktis verstärkt, da die Pole eisbedeckt sind und dies die Rückstrahlung intensiviert. Sonnenstrahlung erwärmt nicht nur die Festlandsflächen, sondern auch das Oberflächenwasser der Meere. Veränderungen in der Zusammensetzung klimarelevanter Treibhausgase führen naturgemäß auch zu Änderungen des Strahlungshaushaltes der Erde und somit zu Klimaveränderungen. Die natürlichen Treibhausgase der Erdatmosphäre, wie zum Beispiel Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Ozon (O3), ermöglichen erst das Leben auf der Erde. Diese klimarelevanten Gase sind aber auch anthropogen freisetzbar und bilden seit dem Anthropozän Rückkopplungsvorgänge im irdischen Klimasystem. Ihre Menge in der Atmosphäre ist durch Umsetzungsprozesse in der Vegetation, durch Verwitterung von Gesteinen und Böden und durch Freisetzung aus den Feucht- und Nasslebensräumen weitgehend bestimmt. Wärmeabgabe und Treibhausgase sind also entscheidend für die Energiebilanz der Atmosphäre. Ohne die schützende Wirkung der Atmosphäre würden die Temperaturen an der Erdoberfläche heute etwa minus 18 Grad Celsius betragen. Tatsächlich stellt sich jedoch eine Temperatur – in globaler Sicht gemittelt – von etwa plus 15 Grad Celsius ein. Obwohl die von der Sonne auf die Erdatmosphäre auftreffende kurzwellige Strahlung zu etwa 30 Prozent wieder in den Weltraum reflektiert wird, wärmt
2.2 Klimaschwankungen
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die verbleibende Strahlungsenergie sowohl die Atmosphäre als auch die Erdoberfläche. Box 2.1. Klimaveränderungen Mit dem Begriff Klimaveränderungen bezeichnen wir heute vor allem die offenbar vom Menschen verursachte oder beschleunigte globale Erwärmung. Das Klima kann mehrere Dauerzustände einnehmen, die mehr oder weniger warm sind. Im Moment befinden wir uns im Übergang zu einem wärmeren Zustand. Die Folgen sind aus der Erdgeschichte bekannt: vor etwa 55 Millionen Jahren im Paläozän gelangte ungefähr die gleiche Menge an CO2 in die Atmosphäre wie heute. Die Ursachen für die damalige Situation sind bislang unklar. Jedenfalls erwärmte sich die Erde aber damals um fünf, in höheren Breiten sogar um acht Grad Celsius. Dass das Klima wärmer oder kälter, feuchter oder trockener und von Monat zu Monat oder auch von Jahr zu Jahr schwankender wird, kann auch an natürlichen Kräften liegen, die nichts mit dem Menschen zu tun haben. Solche Kräfte haben wir in der Allgemeinen Geobotanik (2005) bereits kennen gelernt: Es sind Veränderungen in der von der Sonne abgestrahlten Wärme, Vulkanausbrüche und dabei entstehende Stäube in der Atmosphäre, Freisetzung von Gashydraten aus den Ozeanen, Veränderungen in der Orientierung der Erdachse relativ zur Erdumlaufbahn nach den Milankovitch-Zyklen, die vergangenen Kalt- und Warmzeiten sowie die Veränderung der Lage der Kontinente und der Ozeane auf der Erde. In Erinnerung gebracht seien hier beispielsweise die erdweit nachweisbare „Kleine Eiszeit“ von 1450 bis 1780 und die kurzfristige globale Abkühlung nach dem gewaltigen Ausbruch des indonesischen Vulkans Tambora am 5. April 1815. Bei dieser Eruption gelangte soviel Staub in die oberen Atmosphärenschichten, dass weniger Sonnenlicht die Erde erreichte und auf der Nordhemisphäre 1816 das „Jahr ohne Sommer“ mit der Konsequenz großer Hungersnöte in Europa folgte, weil die Erträge der Getreideernten spontan stark zurückgegangen waren. Die Sonnenfleckenaktivität hat in den letzten Jahren messbar zugenommen, aber die damit verbundene stärkere Einstrahlung reicht nicht aus, um die bisherige Erwärmung der Erdoberfläche um 0,6 Grad Celsius zu erklären. Dazu gehören Sekundäreffekte, zum Beispiel verminderte Reflexion durch Abschmelzen der Eisflächen und Ausdünnung der Ozonschicht, hauptsächlich aber die Zunahme der absoluten Luftfeuchtigkeit durch Erwärmung der Ozeane und stärkere Verdunstung. Wasserdampf ist das wirksamste Treibhausgas. Das durch Verbrennung fossiler Kohlenstoffe gebildete und im Meerwasser gelöste Kohlendioxid gelangt in die Luft und bewirkt den Anstieg von 0,030 auf 0,036 Prozent. CO2 ist unabdingbar für den Pflanzenwuchs, der die Grundlage allen Lebens auf der Erde ist. Ohne Kohlendioxid wäre unser Planet ein toter Himmelskörper. Einen Effekt in der gleichen Größenordnung wie das CO2 liefert die Zunahme des Methangehaltes.
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2 Grundlagen des Klimas
2.3 Strahlungsparameter Seit den Physikern und Nobelpreisträgern Max Planck (1858-1947) und Albert Einstein (1879-1955) wissen wir um die Doppelnatur der Lichtstrahlung: Wir können Licht als elektromagnetische Wellen, aber auch als Partikel-Strahlung auffassen, die aus lauter getrennten diskreten Einheiten, den Photonen oder Quanten, bestehen. Die Energie eines solchen Photons wird durch die Formel E=h· = h c beschrieben. Dabei bedeuten: E = Energie, h = Sonnenhöhe, c = Lichtgeschwindigkeit, = Wellenlänge, = Frequenz. Da h und c Konstante sind, folgt, dass die Energie eines Photons umso höher ist, je kürzer seine Wellenlänge ist. Die Energie wird in Joule (J) gemessen. Die abgegebene oder aufgenommene Energie pro Zeiteinheit ist der Strahlungsfluss (F), dessen Dimension J · s-1 = W (Watt) beträgt. Der Strahlungsfluss pro Fläche ist die Strahlungsflussdichte, die in W · m-2 (= J · s-1m-2) angegeben wird. Eine Quantenflussdichte wird entsprechend in mol Photonen als Maßeinheit des Brechungsindexes (m) und der Länge der durchstrahlten Luftmasse (s) in der Größenordnung Millimol pro Quadratmeter und Fläche gemessen. Das Spektrum elektromagnetischer Wellen reicht von den Impulsen der -Strahlung (der optischen Dicke und Impulse) bis zu Radiowellen.
Abb. 2.2. Ein Teil des elektromagnetischen Spektrums differenziert nach Solarstrahlung und thermischer Strahlung. Ultraviolettes, sichtbares und infrarotes Licht bilden nur einen kleinen Teil des Spektrums (nach Smith u. Smith 2006, © Pearson, San Francisco)
2.3 Strahlungsparameter
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Für uns ist zunächst nur ein kleiner Bereich der Strahlung interessant, die Solarstrahlung oder Sichtbare Strahlung, auch Licht genannt, mit einer Wellenlänge zwischen 400 und 700 Nanometern (nm) und die daran anschließende kurzwellige Infrarotstrahlung (IR), wie wir aus der Abb. 2.2 entnehmen können. Strahlung ist kein Privileg der Sonne. Wir wissen aus dem von den österreichischen Physikern Josef Stefan (1835-1893) im Jahre 1879 und seinem Schüler L. Boltzmann (1844-1906) im Jahre 1884 theoretisch begründeten gleichnamigen physikalischen Gesetz, das jeder Körper eine seiner Oberflächentemperatur proportionale Strahlung abgibt. In diesem Zusammenhang ist ferner zu berücksichtigen, dass kurzwellige Sonnenstrahlung energiereicher ist als die vergleichsweise langwellige thermische Strahlung (Abb. 2.2). Das Stefan-Boltzmann-Gesetz besagt also, dass die Ausstrahlung eines Körpers mit der 4. Potenz seiner absoluten Temperatur anwächst: A= ·
· T4
A = spezifische Ausstrahlung eines Körpers (W · m-2), = Emissionsvermögen für Oberflächen (für einen schwarzen Strahler ist = 1), = Stefan-Boltzmannsche Konstante (5,6697 · 10-8 W · m-2 · k-4), T = Temperatur eines Körpers (k)
Der Faktor beschreibt also das Emissionsvermögen beziehungsweise das Absorptionsvermögen einer Oberfläche, das zwischen 0 und 1 sein kann. Warum sich das solare und terrestrische Strahlungsspektrum unterscheiden, erklärt sich weiterhin aus dem Wienschen Verschiebungsgesetz, das 1893 vom deutschen Physiker und Nobelpreisträger Wilhelm Wien (1864-1928) formuliert wurde. Es besagt, dass die Wellenlänge ( max) maximaler Energieabgabe umso kleiner wird, je höher die Temperatur des Strahlers ist: 2,8978 10-3 max = T max = maximale Wellenlänge der spezifischen Ausstrahlung (m), T = Temperatur des Strahlers (k)
Mit Hilfe des Wienschen Verschiebungsgesetzes lässt sich also die Wellenlänge höchster Strahlenflussdichte errechnen. Für die 5800 Grad Celsius heiße Sonne folgt ein Maximum der Ausstrahlung bei 0,48 Mikrometern ( m), also bei 480 Nanometern (nm) im Übergang zwischen blauem und grünem Licht (Abb. 2.2). Annähernd die gesamte solare Strahlungsenergie (99 %) liegt im Wellenlängenbereich von 0,22 bis 5 m (500 nm). Die Abschnitte des Sonnenspektrums mit Strahlungswerten von kleiner als 400 Nanometer werden als kurzwellige Strahlung, die mit größer als 400 Nanometer als langwellige Strahlung bezeichnet.
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2 Grundlagen des Klimas
Für die Pflanzen ist nur die Strahlung bedeutsam, die sie für die Photosynthese nutzen können; das ist die Strahlung zwischen 380 und 720 Nanometern, die auch als photosynthetisch aktive Strahlung, abgekürzt PAR (engl. Photosynthetically Active Radiation) bezeichnet wird. Da die photosynthetisch wirksame Strahlung sich aus Photonen, aus Lichtteilchen mit sehr unterschiedlicher Energie zusammensetzt, werden von einem neutralen, filterlosen Strahlungssensor immer die kurzwelligen energiereichen Spektralbereiche stärker gewichtet. Dem begegnet man mit Photonensensoren, die so gefiltert sind, dass sie alle Photonen zwischen 400 und 700 Nanometern annähernd gleichwertig registrieren und damit zu Photonenzählern werden. Wegen der direkten stöchiometrischen Beziehung zwischen absorbierten Photonen im 400 bis 700 Nanometer-Bereich und der photosynthetischen CO2-Bindung wurde die Photonenstromdichte in der Biologie zum Standard (engl. Photosynthetically Active Photon Flux Density, PPFD, in mol Photonen pro Quadratmeter und Sekunde, nach C. Körner 2002). Diese sind nicht mit den Werten einer PAR gleichzusetzen. Das Licht wird in Lux-Einheiten gemessen. Physikalisch einwandfreie Lichtmessungen sind sehr umständlich und viele Methoden, die im Labor üblich sind, können daher im Gelände nicht in Betracht kommen. Dabei sind Dauermessungen im Gelände wichtiger als Momentmessungen. Die Lichtmessungen gehen auf zwei Methoden zurück: Häufig angewendet wird die photoelektrische Methode mit Selen-Photozellen. Das einfallende Licht erzeugt Strom, der an einem Mikroamperemeter abgelesen wird. Die photochemische Methode, die auf Schwärzung von schwach lichtempfindlichem Chlor-Silberpapier beruht, ist mittlerweile fast bedeutungslos geworden. Die Intensität des direkten Lichtes nimmt vom Äquator zu den Polen hin ab, in gleicher Richtung vermehrt sich aber der diffuse Anteil des Lichtes. Auch steigt mit zunehmender Höhe im Gebirge der direkte Lichtanteil an, während das diffuse Licht abnimmt. Diese allgemeinen Lichtbedingungen können aber durch lokale oder regionale Faktoren geändert werden: Eine Vermehrung des Lichtes erfolgt wie bei der Wärmestrahlung an südlich exponierten Hängen auf der Nordhalbkugel und an nördlichen Hängen auf der Südhalbkugel. Weiterhin kann eine Vermehrung vor allem durch Reflexion auf hellen Böden bei Dünenpflanzengesellschaften, bei Schneeflecken im Hochgebirge, über dem Wasser bei Wasser- und Ufervegetation sowie an Flussterrassen erfolgen. Die Reduktion der Solarstrahlung erfolgt wie bei der Wärmestrahlung an nördlich exponierten Hängen auf der Nordhalbkugel und an südlich exponierten Hängen auf der Südhalbkugel, wesentlich intensiver aber durch die Bewölkung. Die Bewölkung ist auf der Erde sehr unterschiedlich. Am geringsten ist sie in den Trockengebieten, vor allem in den Subtropen.
2.4 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen
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Den Einfluss der Bewölkung auf das Licht zeigen folgende Werte der Tabelle 2.1, die in 700 m Höhe auf der Schwäbischen Alb um die Mittagszeit im Juli 1994 an verschiedenen Tagen gewonnen wurden: Tabelle 2.1. Einfluss der Bewölkung auf das Licht Bewölkungszustand
Licht in Prozent
Wolkenlos
100
Sonne, viele helle Wolken
100-114
Keine Sonne, Wolken hell
41
Keine Sonne, Wolken dunkler
33
Sprühregen, Himmel grau
9
Niedrig hängende, dunkle Wolken
4
2.4 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen Wenn man sich dem System Erde-Atmosphäre-Weltraum näher befassen will, bietet es sich an, die Strahlungsbilanzen getrennt nach Solarstrahlung, Terrestrischer Strahlung und nach Wärmeflüssen darzustellen, wie es in der Abb. 2.3 dargestellt ist. In ihrer Neubearbeitung des Lehrbuchs zu Klimatologie beschreiben Wilhelm Lauer und Jörg Bendix (2004) eindrucksvoll klar und prägnant die wesentlichen Klimaparameter in deren raum-zeitlichen Dynamik. Auf dieses lesenswerte Buch greifen wir nachfolgend einige Male zurück. Dabei sind zunächst einige Voraussetzungen zu erfüllen, unter denen die Bilanzierung erfolgen kann: • Die Bilanz der Solarstrahlung gilt grundsätzlich nur für die Tagseite der Erde. • Die Bilanz der Terrestrischen Strahlung (Infrarotstrahlung) gilt für den gesamten Globus (Tag- und Nachtseite), da Wärmestrahlung auch nachts abgegeben wird. Auf der Tagseite der Erde setzt sich die Globalstrahlung aus der direkten Sonneneinstrahlung (I) und der diffusen Himmelsstrahlung (D) zusammen. Sie bezeichnet den Wert der tatsächlich den Erdboden erreichenden Energiezufuhr, aus der alle vitalen Prozesse ihre Ausgangsenergie beziehen. 28 Prozent der direkten Sonnenstrahlung erreichen die Erdoberfläche nur bei wolkenfreiem Himmel. Mit dem Begriff diffuse Himmelsstrahlung bezeichnet man das Sonnenlicht, das an Luftmolekülen, Aerosol-
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2 Grundlagen des Klimas
teilchen oder Wolkentropfen gestreut wird und das mit einem Anteil von 23 Prozent die Erdoberfläche erreicht. 26 Prozent der Strahlung gehen als atmosphärische Reflexion in den Weltraum zurück. Weitere 4 Prozent gehen dem System durch die Reflexion der Landoberfläche verloren. Die gesamte Reflexion, die als planetare Albedo ( ) bezeichnet wird, beträgt rund 30 Prozent. An der Erdoberfläche stehen aus den direkten und den diffusen Strahlungsgewinnen also insgesamt 51 Prozent der Solarstrahlung für die Umwandlung der Lichtenergie in Wärmeenergie zur Verfügung.
Abb. 2.3. Schema der Strahlungs- und Wärmebilanz für das System Erde-Atmosphäre-Weltraum; Erläuterungen im Text (aus Lauer u. Bendix 2004, © Westermann, Braunschweig)
Der Energiezufuhr durch die Solarstrahlung am Tage steht die terrestrische Strahlung gegenüber, die zwar auch bereits bei Tage wirkt, in ihren Auswirkungen jedoch erst in der Nacht ihre volle Entfaltung erlangt. Dabei kommt es im umgekehrten Prozess zu einer Energieabgabe der zuvor er-
2.4 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen
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haltenen Energiezufuhr, die folgendermaßen bilanziert werden kann: Durch die Terrestrische Ausstrahlung (A) würde eigentlich mehr Energie verloren gehen (114 Prozent), als zuvor gewonnen wurde, wenn nicht die Gegenstrahlung der Atmosphäre (93 Prozent) eine negative Gesamtstrahlungsbilanz verhindern würde. Die Strahlungsbilanz des Gesamtsystems in Abb. 2.3 zeigt, dass sich an der Obergrenze der Atmosphäre in der Mesopause der 1. Hauptsatz der Thermodynamik erfüllt: Es geht dem System im Jahresmittel genau so viel Energie durch terrestrische Infrarot- und reflektierte Solarstrahlung verloren, wie es durch die Einstrahlung der Sonne gewinnt. So ist garantiert, dass sich weder Erde noch Atmosphäre kontinuierlich aufheizen oder abkühlen. Die Strahlungsbilanz lässt sich deshalb in dieser Gleichung darstellen: S = (I + D) · (I – ) - (A – G) S = Strahlungsbilanz, I = Direkte Sonneneinstrahlung, D = Diffuse Himmelsstrahlung, = planetare Albedo, A = Terrestrische Ausstrahlung, G = Atmosphärische Gegenstrahlung
Die Globalstrahlung hat direkte und diffuse Anteile und ist wegen Reflexion und Absorption in der Atmosphäre in mittleren geographischen Breiten im Durchschnitt nur etwa halb so intensiv wie die Strahlung, die außerhalb der Atmosphäre in Richtung Sonne gemessen wird. Die Solarkonstante beträgt nach C. Körner (2002) etwa 1400 Watt pro Quadratmeter. Etwa die Hälfte der Globalstrahlung entfällt auf den Bereich der sichtbaren Strahlung, was weitgehend dem Spektralanteil der photosynthetisch aktiven Strahlung im Wellenlängenbereich von 380 bis 710 Nanometern entspricht. Ein Teil der Globalstrahlung wird von den getroffenen Oberflächen reflektiert, wobei in unserem Fall gerade die Pflanzendecke einen wesentlichen Einfluss hat. Die diffuse Himmelsstrahlung dringt wesentlich tiefer in Pflanzenbestände ein als die direkte Strahlung. Pflanzen erhöhen je nach Form und Gestalt – vor allem ihrer Blätter – den Streulichtanteil der diffusen Strahlung. Wir werden die Reflexion noch näher kennen lernen, aber so viel ist schon vorweg zu bemerken: Weißblättrige Wüstenpflanzen haben eine Reflexion von etwa 20 Prozent, ein dunkler Fichtenwald nur etwa 10 Prozent und frisch gefallener Schnee kann bis zu 90 Prozent reflektieren. Unter Reflexion oder Rückstrahlung versteht man eine starke Richtungsänderung der Strahlung nach Auftreffen auf eine Oberfläche. Das Verhältnis reflektierter Strahlung zur einfallenden Strahlung ergibt den Reflexionskoeffizienten. In Prozent ausgedrückt wird diese Größe als Al-
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2 Grundlagen des Klimas
bedo bezeichnet. Die planetare Albedo, die wir schon aus Abb. 2.3 kennen, ist als das Verhältnis der aus der oberen Atmosphäre in der Mesopause austretenden, reflektierten kurzwelligen Strahlung zur dort einfallenden Strahlung definiert. Die Albedo verschiedener Oberflächen zeigt Tabelle 2.2. Die dort angegebenen Messgrößen variieren mit der Bodenfeuchtigkeit und dem jahreszeitlichen Gang der Vegetationsentwicklung. Auffällig ist die sehr starke Schwankung der Albedo von Wasserflächen mit dem Einfallswinkel der Strahlung. Sie beträgt wenige Prozent bei hohem Sonnenstand und bis zu 50 Prozent bei völlig ruhigem Wasser und geringer Sonnenhöhe. Die Reflexion ist stark abhängig von der Beschaffenheit des Bodens und von der Vegetationsbedeckung. Bei hellen Kalkverwitterungsböden ist die Reflexionszahl beispielsweise sehr hoch und bei dunkelbraunen Moorböden vergleichsweise sehr gering. Bei letzteren wird die meiste Einstrahlung vom Boden direkt absorbiert. Farbe, Material, Zustand und Vegetationsbedeckung der Böden sind also ausschlaggebend für die Reflexion. Tabelle 2.2. Reflexion in Prozent (= Albedo) der einfallenden Strahlung im Naturschutzgebiet Heiliges Meer, Nordrhein-Westfalen (1990-1996)
Wald
5 – 10 Prozent
Wasser
5 – 75 Prozent
Heide
10 Prozent
Neuschnee
75 – 90 Prozent
Sand
12 – 50 Prozent
Altschnee
40 – 70 Prozent
Die hohen Albedowerte über Schneedecken und Eis bewirken dort beispielsweise bei windarmem Strahlungswetter eine hohe Reflexion, die noch durch den Umstand verstärkt wird, dass Schnee, insbesondere Neuschnee, wegen des Lufteinschlusses nur eine äußerst geringe Wärmeleitfähigkeit besitzt. Der Boden ist in solchen Fällen oft in nur wenigen Zentimetern Tiefe nicht mehr gefroren. Für Pflanzen und Tiere bietet eine solche Situation ausgezeichneten Kälteschutz. Wir haben in Abb. 2.3 gesehen, dass Reflexion, Ausstrahlung, Wärmeaustausch und Verdunstung die Gesamtausstrahlung bilden, welche vom Erdboden ausgeht wie von einer erhitzten Fläche. Ein Teil dieser Wärmeausstrahlung, die von der Erde als ganzer ausgeht, kommt aber als Gegenstrahlung zurück, wie uns das Schema der globalen Strahlungsbilanz zeigt. Die globale Wärmebilanz würde also nicht stimmen, wenn wir neben der Wärmeabgabe nicht die Gegenstrahlung berücksichtigen würden. Was ist nun die Gegenstrahlung?
2.4 Globale Strahlungs- und Wärmebilanzen
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Gegenstrahlung ist die aus der Atmosphäre emittierte und auf die Erdoberfläche treffende Wärmestrahlung. Sie ist dort ein wichtiger Bestandteil der Energiebilanz. Während die Erdoberfläche wegen ihrer Temperatur Wärme an die Atmosphäre abstrahlt (terrestrische Ausstrahlung), erhält sie von der Atmosphäre die Gegenstrahlung zugesandt, die einen Teil der Strahlungsverluste kompensiert. Aus Abb. 2.3 wissen wir bereits, dass im Gegensatz zu den Lichtstrahlen die Wärmestrahlen, die von der Erdoberfläche ausgesandt werden, von der Atmosphäre, insbesondere vom Kohlendioxid (CO2) und dem Wasserdampf zum größten Teil absorbiert werden. Nur etwa vier Prozent davon gehen zurück in den Weltraum. Die Lufthülle der Erde wirkt also auf die gleiche Weise wie ein Treibhaus. Die von der Lufthülle absorbierte Wärme kommt dabei teilweise als Gegenstrahlung der Atmosphäre wieder zur Bodenoberfläche zurück. Die effektive Ausstrahlung ist also gleich der Differenz zwischen Gesamtausstrahlung (A) und Gegenstrahlung (G), wie es in Abb. 2.3 angegeben ist. Die Glashauswirkung wird auch als natürlicher Treibhauseffekt bezeichnet. Daran sind in der Erdatmosphäre vor allem der Wasserdampf und das CO2 mit variablen Anteilen und tageszeitlichen Schwankungen beteiligt. Ohne Atmosphäre und ohne den natürlichen Treibhauseffekt würde die Erde nur durch solare Einstrahlung abzüglich der planetaren Albedo erwärmt werden können. Die Gegenstrahlung hängt vor allen Dingen vom Dampfgehalt der Luft und dem Grad und Zustand der Bewölkung ab. Je stärker diese beiden Faktoren ausgeprägt sind, umso größer ist auch die Gegenstrahlung. Ihr Anteil an der globalen Wärmebilanz ist zwar im Allgemeinen gering, besonders nennenswert jedoch: • in kontinentalen Gebieten, überhaupt in allen Trockengebieten der Erde mit wolkenlosem Himmel, • in Hochgebirgen, denn dort nimmt die Gegenstrahlung mit zunehmender Meereshöhe ebenfalls ab. Die abschirmende Wirkung der Atmosphäre wird hier aufgrund der geringeren Luftverunreinigungen zunehmend kleiner. In allen Klimagebieten der Erde ist demnach eine Abnahme der Wärmestrahlung während klarer Nächte zu verzeichnen. Große Ausstrahlung und geringe Gegenstrahlung bedingen allgemein tiefe Temperaturen am Boden sowie Taubildung am Morgen, zum Teil sogar mit Spätfrostgefahr. Gegenstrahlung verringert also normalerweise die täglichen Temperaturamplituden. Deshalb fördert man beispielsweise in spätfrostgefährdeten Obstanbaugebieten künstlich die Gegenstrahlung, immer wenn Gefahr droht, mit Schutzsystemen.
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2 Grundlagen des Klimas
2.5 Atmosphärische Zirkulation Die Wärmeabgabe der Kontinente an die Atmosphäre beeinflusst vor allem die Zirkulation der Luftmassen: Wir spüren sie nahe an der Erdoberfläche als Winde aus verschiedenen Himmelsrichtungen. Ein Faktor ist es vor allem, der das atmosphärische Zirkulationsmuster in der Troposphäre, der bis zu zehn Kilometer Höhe aufreichenden, unteren Atmosphärenschicht, erzeugt: Die Luftmassen werden in Abhängigkeit von der geographischen Breite unterschiedlich stark erwärmt. Damit unterscheiden sie sich in Volumen und Dichte und setzen sich entsprechend dieser Kontraste in Bewegung. Sind sie einmal in Bewegung, so werden sie durch die CoriolisKraft als Folge der Erdrotation abgelenkt, von der Strömungsrichtung nach rechts auf der Nordhalbkugel und nach links auf der Südhalbkugel. Die Coriolis-Kraft ist benannt nach dem französischen Physiker Gaspard Gustave de Coriolis (1792–1843) für die ablenkende Kraft auf Luftströmungen als Folge der Erdrotation und beschreibt die Trägheitskraft, die scheinbar auf sich bewegende Körper wirkt. Sie lässt sich feststellen, wenn man den Körper von einer mit dem Bezugssystem rotierenden Stelle aus betrachtet, beispielsweise von einem festen Punkt auf der Erdoberfläche. Die Veränderung der Pendelebene des foucaultschen Pendels hat ebenfalls diesen Effekt, genau wie Wirbelbewegungen eines Flüssigkeitsstrudels. Am Äquator kaum merklich, wächst die Wirbelströmung zu den Polen hin an und erreicht dort ihr Maximum. In der nördlichen Hemisphäre dreht sich die Bewegungsebene im Uhrzeigersinn und in der südlichen gegen ihn. Letztlich aus der Wechselwirkung der Wärmestrahlung von der Sonne mit der Erdrotation ergibt sich ein komplexes Muster von Zirkulationswalzen, die Zellen genannt werden und die sich jeweils über circa 30 Breitengrade erstrecken (Abb. 2.4). Die mit diesem planetaren Wirbel verbundene Zonalzirkulation in West-Ost-Richtung ist der dominante Faktor der atmosphärischen Zirkulation. Hadley-Zellen, benannt nach dem englischen Physiker und Meteorologen George Hadley (1685–1768), entstehen beim Aufsteigen von warmer Luft im Bereich der äquatornahen „Innertropischen Konvergenz-Zone“ (ITCZ). Die Hadley-Zellen transportieren also erwärmte Luft vom Äquator polwärts. Bei etwa 30 Grad führt deren Abkühlung zum Absinken bei abnehmender Sättigung an Wasserdampf. Ein Teil dieser Luftmassen strömt an der Unterseite der Hadley-Zellen gegen den Äquator zurück und erzeugt so die richtungskonstanten Passat-Winde. Den Nordost-Passat der Nordhalbkugel machte sich die europäische Segelschifffahrt auf den Wegen zur Karibik zunutze.
2.5 Atmosphärische Zirkulation
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Ein anderer Teil der Luftmassen wird in den mittleren Breiten von den Ferrel-Zellen übernommen und strömt an ihrer Basis polwärts. Die FerrelZellen, benannt nach dem amerikanischen Meteorologen William Ferrel (1817-1891), schließen an die Hadley-Zellen polwärts an, und zwar im Bereich absteigender Luft der subtropischen Hochdruckgebiete und aufsteigender Luft in den Zyklonen mittlerer Breiten. Sie sind Motor der globalen Westwinde auf der Nord- und Südhalbkugel.
Abb. 2.4. Die großen atmosphärischen Zirkulationssysteme und Niederschlagsverteilung in der Troposphäre: Die Rossbreiten liegen unter den absteigenden Ästen der Hadley- und Ferrel-Zellen, die relativ kalte Luft herabführen. Am Äquator liegt die Zone der variablen Flauten auf den Meeren unterhalb der Aufstiegszone erwärmter Luft und zwischen den beiden Hadley-Zellen. Die häufigen und lang anhaltenden Flauten waren bei den Seeleuten in Zeiten großer Segelschiffe gefürchtet (aus Bahlburg u. Breitkreuz 2004, © Elsevier, München)
Bei etwa 60 Grad treffen diese Luftmassen auf diejenigen der PolarZellen. Polar-Zellen besitzen die am schwächsten ausgebildete Struktur im Aufsteigen in den Tiefdruckgebieten der gemäßigten Breiten und Absinken in der polaren Region. Sie sind verantwortlich für die polaren Ostwinde und das polare Hochdruckgebiet an Nord- und Südpol. Luft über den Polen kühlt ab und strömt äquatorwärts. Bei Querung des 60. Breitengrades ist sie ausreichend erwärmt, um aufzusteigen. Diese Luftmassen sind aber immer noch dichter als diejenigen der Ferrel-Zellen, weshalb beide sich nicht leicht mischen. Dies führt zu sehr wechselhafter Witterung in den entsprechenden Breiten. Nach Aufstieg strömt der größte Teil der
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2 Grundlagen des Klimas
polaren Luftmassen erwärmt zu den Polen zurück, während die Luft der Ferrel-Zellen an ihrer Oberseite gegen den Äquator fließt. Insgesamt bilden diese Zellen jedoch nicht in sich geschlossene Systeme: Der zwischen ihnen stattfindende Luftaustausch reicht aus, um gemeinsam mit den von den Zirkulationssystemen erzeugten oberflächennahen Meeresströmungen recht effektiv Wärme vom Äquator gegen die Pole zu transportieren. Diese globale Zirkulation ist eng mit der Verteilung des Luftdruckes auf Meeresniveau verbunden: Während des ganzen Jahres findet man am Äquator relativ niedrige Luftdruckwerte. Dieser Bereich wird deshalb als Äquatoriale Tiefdruckrinne bezeichnet. Sowohl nördlich als auch südlich des Äquators liegen in Breiten von 20 Grad bis 40 Grad in zellulärer Struktur die subtropischen Hochdruckgebiete. In den anschließenden Mittleren Breiten bestehen ausgedehnte Gebiete mit niedrigem Luftdruck, zu denen beispielsweise das bekannte IslandTief gehört. Auch auf der Südhalbkugel gibt es um den 60. Breitengrad ganzjährig einen Gürtel niedrigen Luftdrucks. Die Luftdruckverteilung ist hier allerdings symmetrischer als auf der Nordhalbkugel als Folge der unterschiedlichen Land-Meer-Verteilung von Nord- und Südhemisphäre. Hier bestimmt die Westwinddrift das Bild der Zirkulation: Darunter versteht man von West nach Ost gerichtete, besonders auf der Nordhalbkugel relativ unbeständige Luftbewegungen zwischen 35 Grad und 60 Grad geographischer Breite. Sie entwickeln sich zwischen den subtropischen Hochdruckgebieten und der subpolaren Tiefdruckrinne. Auf der Südhalbkugel ist die Westwinddrift besonders gut ausgebildet; dort werden sehr hohe Windgeschwindigkeiten mit mehr als 250 Stundenkilometern erreicht. Berühmt sind die „Roaring Forties“ („Brüllende Vierziger“), die beispielsweise im neuseeländischen Hochland von Otago die Landschaft und Vegetation prägen (Abb. 2.5).
2.6 Globale Temperaturverteilung Für die klimatischen Bedingungen auf der Erde ist demnach nicht allein die Sonne verantwortlich: Einen wichtigen Faktor stellen neben den Winden die Ozeane dar, welche immerhin den größten Teil der Erde bedecken. Sie dienen als riesiges Wärmereservoir und als Wärmeaustauscher. Sie geben Wärme an die kalte Atmosphäre ab oder nehmen sie von einer warmen Umgebung auf. Ihre eigene Temperatur bleibt dabei im Durchschnitt relativ konstant. Die oben skizzierten großräumigen Windsysteme treiben aber obendrein die Oberflächenschichten des Meerwassers an, indem sie einen Teil ihrer Bewegungsenergie durch Reibung auf die Oberfläche der Meere übertragen. Auf diese Weise entstehen die Wellen und Oberflächen
2.6 Globale Temperaturverteilung
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Abb. 2.5. Im Einflussbereich der Roaring Forties, der kontinuierlich wehenden Westwinde auf der Südhalbkugel, können im Winter viele Orkane auftreten. Diese bewirken sogar das „Wandern“ von Pflanzen in Windrichtung von zwei bis drei Millimetern pro Jahr. Solche „Girlanden“ bilden die endemische, kleinwüchsige Epacridacee Dracophyllum muscoides und das Horstgras Chionochloa oreophila (Old Man Range, Neuseeland)
strömungen der Ozeane. Diese wiederum transportieren beispielsweise im Golfstrom einen großen Teil der Wärme von den Äquatorregionen zu den hohen Breiten. Im Nordatlantik sinken auf ihrem Weg nach Norden abgekühlte und damit dichter gewordene Wassermassen ab und gehen danach in ozeanische Tiefenströmungen über (Abb. 2.6). Solche atmosphärischen und ozeanischen Strömungsmuster waren im Verlauf der Erdgeschichte ihrerseits natürlicherweise immer stark beeinflusst von der sehr variablen jeweiligen geographischen Verteilung der Kontinente auf der Erde. Schließlich dürfen wir nicht vergessen, dass die Erde als Himmelskörper auch von jeher bestimmten kosmischen Einflüssen unterworfen ist. Als Beispiel sei der Mond genannt, der neben der Sonne durch seine Anziehungskraft die Gezeiten der Meere hervorruft und kontinuierlich modifiziert. Das globale Wärmeklima ist also zonal angeordnet. Es erfährt jedoch groß- und kleinräumige Abwandlungen. Für die räumliche Anordnung und Verteilung der Lufttemperaturen an der Erd-
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2 Grundlagen des Klimas
Abb. 2.6. Oberflächenzirkulation in den Ozeanen (rot: warme Strömung, blau: kalte Strömung). Auffallend sind die kreisförmigen Bewegungen um die Hochdruckgebiete im Bereich der subtropischen Zonen bei 22 bis 30 Grad nördlicher bzw. südlicher Breite. Die Bereiche der Äquatorialströmungen decken sich mit dem Gürtel der Passatwinde. Zwischen dem nördlichen und dem südlichen Äquatorialstrom bewegen sich äquatoriale Gegenströmungen. In niederen Breiten und entlang der Westseiten der Kontinente wird der Äquatorialstrom zu den Polen hin abgelenkt. Dadurch entstehen küstenparallele Strömungen. Im Bereich der Antarktis bewegt sich der Antarktische Zirkularstrom gegen den Uhrzeigersinn (aus Brockhaus 2002, © FA Brockhaus, Mannheim)
oberfläche gelten nach P. Hupfer u. W. Kuttler (2006) folgende vier Grundsätze: • Die mittlere Jahrestemperatur nimmt in allen Jahreszeiten mit zunehmender geographischer Breite ab. Diese Abnahme ist im jeweiligen Winter stärker als im Sommer ausgeprägt. • Unter gleicher geographischer Breite und bei gleicher Höhenlage ist die mittlere Lufttemperatur über Festlandsflächen im Sommer höher und im Winter niedriger als über Ozeanen. • Unter gleicher geographischer Breite besteht ganzjährig außerhalb der Tropen eine thermische Begünstigung der Westküsten der Kontinente durch Advektion milder Luftmassen und durch den Einfluss von Meeresströmungen. In den Tropen dagegen dominiert eine thermische Begünstigung der Ostküsten vor allem durch die Oberflächenzirkulation der Ozeane (Abb. 2.6). • Die mittlere Lufttemperatur nimmt im Allgemeinen mit zunehmender Meereshöhe ab. Eine Ausnahme bleiben die polaren und alpinen Regionen durch Vorherrschen von Inversionswetterlagen.
2.6 Globale Temperaturverteilung
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Vor allem die Meeresströmungen spielen im Klimageschehen eine wichtige Rolle. Schon die Zone der höchsten Temperaturen unserer Erde, der Wärmeäquator, deckt sich nicht mit dem mathematischen Äquator, sondern liegt etwas nördlich oder südlich davon (Abb. 2.7). Die Nordhalbkugel ist infolge der größeren Landmassen etwas wärmer als die Südhemisphäre. Hier spielt der Nordatlantische Oszillationsindex eine global bedeutsame Rolle (s. Box 2.2).
Abb. 2.7. Monatstemperaturmittel (reduziert auf den Meeresspiegel) im Januar (oben) und im Juli (unten; aus Smith u. Smith 2006, © Pearson, San Francisco)
Äquatorwärts gerichtete Ströme wirken abkühlend auf die Lufttemperatur: Das sind an den Westküsten der Kontinente auf der Südhemisphäre der
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2 Grundlagen des Klimas
Humboldt-Strom, der Benguelastrom und der Westaustralstrom. Polwärts gerichtete Ströme (z. B. Golfstrom) bringen dagegen Wasser aus wärmeren Meeren und geben ihre Wärme an die überlagernden Luftschichten ab. Der Wärmewirkung des Golfstromes verdankt zum Beispiel Irland die Erhaltung seiner mediterranen Pflanzengesellschaften aus Arbutus unedo, Rubia peregrina und Blechnum spicant, die das Blechno-Quercetum petraeae Br.-Bl. et R. Tx. 52 aufbauen. Ferner ermöglicht der Golfstrom den Vorstoß atlantischer Arten bis nach Westnorwegen und zu den Färöern, wie wir es von Erica cinerea her kennen und im Kapitel 10 sehen werden. Box 2.2. Nordatlantischer Oszillationsindex (NAOI) und Circumantarktische Meeresströmungen Der NAOI basiert auf den Druckunterschieden zwischen Islandtief und Azorenhoch. Dieser Index ist das Maß für die Differenz zwischen diesen beiden Luftdruckgebieten. Bei positivem NAOI ist das Islandtief stark, das Azorenhoch schwach. Dann sind die Westwinde über dem Nordatlantik und Westeuropa verstärkt, was im Winter zu einem Anstieg der Temperatur führt. Dann frieren der Bottnische und der Finnische Meerbusen in der Ostsee nicht mehr zu und fungieren für diese Zeit nicht mehr als abstrahlende Eisfläche mit erhöhter Albedo. Bei negativem Index wird das Wetter in Europa von kontinentalen kalten Luftmassen geprägt. Im ersteren Fall gibt es in Europa kühlfeuchte Witterungsphasen im Winter, wie zuletzt 2006/2007, im letzteren Fall gibt es eisig-kalte Wintertage, wie im Winter 2004/2005. Die Ozeanströmungen spielen eine zentrale Rolle im Klimasystem der Erde; sie transportieren Wärme, Kohlenstoff und Nährstoffe rund um den Globus und regulieren auch deren Vorräte in den Tiefen der Ozeane. Vermischungen von Kalt- und Warmwasser in circumantarktischen Meeresströmungen spielen eine Schlüsselrolle in diesem Prozess der globalen Zirkulation.
Die globale Verteilung der bodennahen Lufttemperatur auf dem Zweimeter-Niveau, welche die oben genannten Gesetzmäßigkeiten widerspiegelt, zeigt die Abb. 2.7. Generell kann man festhalten: Die flächenhafte Darstellung der Wärmebedingungen der Erde geschieht durch Karten, in denen Isothermen verzeichnet sind. Hierbei handelt es sich um Linien, welche Orte gleicher Temperatur miteinander verbinden. Das Verfahren solcher Darstellungen wurde zuerst von Alexander v. Humboldt (1814) angewendet, als die ersten klimatischen Mittelwerte verschiedener Orte bekannt wurden. Die Äquidistanz solcher Linien hängt von der gewünschten oder möglichen Detaillierung ab. Das Temperaturgefälle, das heißt der horizontale Temperaturgradient, ergibt verschieden enge Scharungen der Isothermen auf der Karte, deren Zuverlässigkeit mit der Dichte des Klimastationsnetzes wechseln kann. Heute besitzen wir global ein solides Daten-
2.6 Globale Temperaturverteilung
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netz. Die Linie, welche die höchsten Monats- oder Jahresmittelwerte auf den einzelnen Längenkreisen verbindet, ist eine Isotherme der höchsten Temperatur (Abb. 2.7). Beiderseits dieser Maximumlinie fallen die Temperaturen ab. Diese Maximumlinie ist deswegen eine Scheitellinie. Sie hat man früher als „Wärmescheitel der Erde“ oder „thermischen Scheitel“ im Sinne von Joachim Blüthgen (1966) bezeichnet; heute wird sie thermischer Äquator genannt. Die mittlere Lufttemperatur im langjährigen Beobachtungszeitraum nimmt also von den Niederen Breiten gegen die Polargebiete ab. Deutlich erkennt man in Abb. 2.7 das gradientenarme tropische Wärmeplateau zwischen den Wendekreisen, das stärkere Gefälle in den Mittleren Breiten zwischen 40 und 70 Grad auf der Nordhalbkugel und zwischen 55 und 80 Grad auf der Südhalbkugel. Die engere Scharung der Isothermen auf der Südhalbkugel zeigt einen hohen Temperaturgradienten vom Äquator zum Pol und damit eine thermische Benachteiligung der Südhemisphäre gegenüber der Nordhemisphäre. Der thermische Äquator, diese Scheitellinie wärmster Temperaturen auf der Erde, verläuft im Mittel zwischen 10 Grad Nord und schwankt im Extremfall zwischen 20 Grad Nord (Mittelamerika, Südasien, abgeschwächt auch Nordafrika) und etwa 5 Grad Süd (Südamerika, Indonesien). Die Ursachen für diese Asymmetrie liegen in der Tatsache begründet, dass die Nordhalbkugel im Sommer infolge der größeren Kontinentalmassen im Durchschnitt der Breitenkreise eine stärkere Erwärmung erfährt (Landhalbkugel) als die Südhemisphäre mit ihren größeren Meeresanteilen (Wasserhalbkugel). Außerdem ist die antarktische Polkappe von einem riesigen Eisschild bedeckt. Sie besitzt ein hohes Rückstrahlvermögen und ist damit mit Jahresmitteln unter minus 30 Grad Celsius der Kältepol der Erde bei der antarktischen Station Wostok, wo man im Juli 1993 den bisherigen Rekord von minus 91,5 Grad Celsius festgestellt hat, wohingegen die Minima der arktischen meereisbedeckten Polkappe kaum unter minus 20 Grad Celsius liegen. Die minimale Durchschnittstemperatur beträgt an der Station Wostok immerhin minus 58,2 Grad Celsius. Ob auch der sechs Tage längere Nordsommer (Aphel-Stand der Sonne) eine Wirkung auf das Temperaturgeschehen hat, steht dahin, doch kann der sechs Tage längere Nordsommer nicht durch die Sonnennähe des Südsommers kompensiert werden. Die wärmsten Gebiete der Erde sind in den randtropischen Trockenräumen der Festländer in Nord-Mexiko, der Sahara, Nord-Indien, Nord-Australien, abgeschwächt auch im südlichen Zentralafrika und im Innern Südamerikas lokalisiert. Dem negativen „thermischen Ostküsteneffekt“ der Mittleren und Hohen Breiten durch ablandige Ostwinde der passatischen Trockengürtel steht in den Niedrigen Breiten ein in mancher Hinsicht ähnlicher „kalter
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2 Grundlagen des Klimas
Westküsteneffekt“ gegenüber: Diese bedingen im Verein mit antarktischen, kalten äquatorwärts gerichteten Meeresströmungen, wie den Benguela- und den Humboldtstrom, kalte, allerdings nur aus 200 bis 300 Metern Tiefe aufquellende Auftriebswässer, die zu kräftiger Abkühlung und Nebelbildung in den darüber streichenden warmen Luftmassen führen (Abb. 2.6). Die Januarisothermenkarte (Abb. 2.7) zeigt über den Nordkontinenten einen grundlegenden Unterschied des Isothermenbildes gegenüber Juli: Eine starke winterliche Abkühlung über Nordamerika und über Nordasien erzeugt hier sogar einen sekundären Kältepol der Erde bei Oimjakon in Sibirien, wo im Februar 1964 die Temperatur von minus 71,1 Grad Celsius gemessen wurde. Hier gibt es noch menschliche Siedlungen und Lärchentaiga aus Larix dahurica über Permafrostboden. Zwischen den Kältezentren der Nordhemisphäre buchten sich die Isothermen über den mildtemperierten nordatlantischen Gewässern stark polwärts aus, so dass die 0-Gradund die minus 1-Grad-Januarisothermen an der Küste von Mittelnorwegen ihre am engsten benachbarte Lage auf der Erde überhaupt erreicht, und zwar auf der gleichen Breite, auf der in Nordsibirien der nordhemisphärische Kältepol liegt. Die Juliisothermenkarte der Abb. 2.7 zeigt ein vergleichsweise geringes Temperaturgefälle in allen Teilen der Erde. Der breitenparallele Isothermenverlauf herrscht vor, und Maxima mit Monatsmitteln von über 30 Grad Celsius werden nur auf der Nordhalbkugel erreicht. Über den Nordkontinenten verlaufen die Isothermen annähernd zonal, lediglich die Eiskappe Grönlands bildet ein eigenständiges Kältezentrum. Bemerkenswert ist auch das über Nordostasien zu beobachtende starke Zurückspringen der Isothermen nach Süden unter dem Einfluss des kalten Meeresstromes von Oyashio um die Kamtschatka-Halbinsel und über die Beringstraße bis auf die Aleuten (Abb. 2.6 u. 2.7). Auf der Südhemisphäre macht sich der dort um diese Zeit herrschende Winter bemerkbar, da die Landmassen hier bereits in so niedrigen Breiten enden, dass es auf ihnen noch nicht zu größerer Abkühlung kommen kann. Die bis 55 Grad Süd reichende Spitze Südamerikas ist wiederum so schmal und daher so maritim getönt, dass nahezu ungestört zonal verlaufende Isothermen sich nur um null bis plus 4 Grad Celsius von denen des antarktischen Schelfmeeres unterscheiden. Eine Besonderheit stellt in thermischer Sicht der antarktische Kontinent im Juli dar: Seine Höhe mit Gebirgen von vier- bis fünftausend Metern und seine kilometermächtige Eisbedeckung mit den extrem tiefen Temperaturen bedingen, dass sich zu allen Jahreszeiten hier der Kältepol der Erde befindet. Der Vergleich zwischen den beiden Hemisphären unseres Globus offenbart die thermische Ungleichheit, welche durch den wärmeabhängigen Luftdruck zum Ausdruck kommt.
2.7 Temperaturparameter
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Dass dieser Effekt nicht noch deutlicher hervortritt, liegt daran, dass die bodennahen Wärmebedingungen nur einen Teil des Energiehaushaltes ausmachen. Die schon genannte Albedo allein wirkt hier schon modifizierend; deshalb ist die globale nordwinterliche Temperaturverteilung, genau gesagt der Anteil von Gebieten mit Schnee- und Eisbedeckung auf der Erde, auf den großen Landmassen der Nordhalbkugel wichtiger und für die Asymmetrie beider Erdhälften entscheidender als die nordsommerliche Situation. Ein Vergleich der polaren Januar- und Juliwerte beider Hemisphären verdeutlicht das (Tabelle 2.3). Tabelle 2.3. Gegenüberstellung von Frosttemperaturdaten für Januar und Juli am Nord- und Südpol (nach Hann-Süring 1951 und Gentilli 1958) Nordpol
Südpol
Januar
– 41 °C
– 13,5 °C
Juli
– 1 °C
– 48 °C
Da die negativen Wintertemperaturen auf der Nordhalbkugel am weitesten und einseitig äquatorwärts ausgreifen, beeinflussen sie die Thermodynamik des Westwindgürtels ungleich stärker als auf der Südhalbkugel, wo sich lediglich der Eisgürtel des antarktischen winterlichen Schelfmeeres auswirken kann.
2.7 Temperaturparameter Der enge Zusammenhang zwischen Temperatur und Strahlung wird im Mikroklima genauso deutlich wie im Großklima. Orte hoher Einstrahlung sind warm oder heiß, Orte geringer Einstrahlung kühl oder kalt. Ausnahmen von solchen Koinzidenzen hoher Strahlung und hoher Temperaturen stellen nicht nur die Hochgebirge mit ihren eigenen Klimaten dar, die wir im Kapitel 3 noch näher kennen lernen werden, sondern hohe Boden-, Luft- und Wassertemperaturen entstehen auch in Zusammenhang mit vulkanischen Erscheinungen. Geothermie, Erdwärme und Überhitzung von Pflanzenstandorten sind auch hier stets die Folge von großem Zustrom absorbierbarer Energie und gleichzeitig unzureichender Wärmeabfuhr. Die heißesten von Lebewesen bewohnten Stellen auf der Erde sind Geysire, in denen das Wasser mit 92 bis 95 Grad Celsius zutage treten kann (Abb. 2.8). Wir werden dieses Thema nachfolgend noch näher behandeln. In den vergangenen Kapiteln haben wir hinsichtlich der positiven Strahlungsbilanzen gesehen, dass Pflanzen erhebliche Energieüberschüsse er-
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2 Grundlagen des Klimas
halten können. Da von dieser Energie in der Regel nur etwa ein Prozent in der Photosynthese verbraucht wird, würden sich Pflanzen rasch erwärmen und binnen kurzer Zeit eines Hitzetodes sterben, wenn sie nicht Möglichkeiten hätten, diese Energie wieder abzuleiten. Eine Möglichkeit dazu liegt in der Transpiration, der Verdunstung über das pflanzliche Gewebe. Eine weitere ist die Konvektion. Darunter verstehen wir die Fortleitung von Wärme in einem bewegten Medium. Emittierte Wärmestrahlung plus Verdampfungswärme der Transpiration plus Konvektion sind die Parameter der von der Vegetation abgegebenen Energie in Relation zur absorbierten Global- und Wärmestrahlung. Das Verhältnis von aufgenommener zu abgegebener Energie bestimmt die Energiebilanz. Im Gegensatz zur Strahlungsbilanz muss die Energiebilanz eines Vegetationsbestandes ausgeglichen sein, da sonst die Pflanzen Schaden erleiden. Die überschüssige Energie der Nettostrahlung (Abb. 2.3) wird in der bodennahen Luftschicht und in der Vegetationsdecke also durch Energieverluste mit unterschiedlichen Anteilen von Transpiration und Konvektion ausgeglichen.
Abb. 2.8. Der Prince of Wales Geysir in Rotorua auf der Nordinsel Neuseelands gehört zu den aktivsten Eruptoren der Erde. Schwefelbakterien und Grünalgen können sich in der Nähe des heißen Wassers ansiedeln und führen zu einem intensiven Färbungsmuster auf den umgebenden Felsen
2.8 Niederschlagsverteilung
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2.8 Niederschlagsverteilung Hinsichtlich der globalen Jahresniederschlagsverteilung differenziert man allgemein drei Haupttypen: den konvektiven, den frontalen und den orographischen Niederschlag. Überall auf der Erde nehmen die Jahresniederschläge vom Äquator zu den Polen hin ab, wie Abb. 2.9 deutlich zeigt. Das liegt vor allem daran, dass warme Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann als kalte Luft. Diese Abnahme vom Äquator zu den Polen wird allerdings durch die ungleiche Land-Meer-Verteilung von Nord- und Südhemisphäre, durch Gebirge, durch das Geländerelief und die Höhenlage eines Gebietes generell vielfach modifiziert. Box 2.3. Transpiration und Konvektion Um bei 25 °C ein Mol Wasser von der flüssigen in die Dampfphase zu überführen, werden 44 Kilojoule (kJ) benötigt. Der Energieverbrauch für die Transpiration berechnet sich aus dem Produkt der Verdampfungswärme des Wassers und der Wassermenge der Transpiration. Für eine Transpirationsrate von 1 Millimol pro Quadratmeter pro Fläche (m-2 · s-1) ergibt sich demnach: Energieverbrauch = 44 kJ · mol-1 1 mmol · m-2 · s-1 = 44 J · s-1 · m-2 = 44 Watt · m-2 Bei einer mittleren Transpirationsrate von 4 mmol · m-2 · s-1 für einen Vegetationsbestand in der temperaten Zone Europas würden dabei 176 W · m-2 durch die Transpiration kompensiert werden, und das wäre etwa bereits die Hälfte der überschüssigen Strahlungsenergie. Über die Transpiration besteht also die Möglichkeit, überschüssige Energie zu kompensieren. Bei der Konvektion sieht das so aus: Wenn ein Blatt mit der Temperatur T1 von Luft der Temperatur T2 überströmt wird, dann wird für den Fall, dass T1 größer als T2 ist (T1 > T2) Wärme vom Blatt abgeführt. Diese Wärmeabfuhr ist umso größer, je größer die Temperaturdifferenz von Blatt und zugeführter Luft ist. Hier spielt auch die Geschwindigkeit der vorbei geführten Luft eine Rolle: Der über ein Blatt streichende Wind wird durch Wärmeaufnahme punktuell erhitzt, d. h. der T-Wert wird immer kleiner. Wärmeübertrag durch Konvektion erfolgt also nach folgender Formel: Jkonv. = K1 · v0,5 · B-0,5 (TBlatt – TLuft) J = Transpirationsrate einer Pflanze, K1 = ein Viertel der thermischen Leitfähigkeit der Luft, V = die Windgeschwindigkeit (m-2 · s-1), B = Blattbreite in Meter, TBlatt – TLuft) die Temperaturdifferenz zwischen Blatt und Luft.
Dadurch lassen sich auffällige Niederschlagsgürtel und Trockenzonen auf der Erde differenzieren. Diese sind:
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2 Grundlagen des Klimas
Abb. 2.9. Weltweiter Jahresniederschlag. Die feuchtesten und die trockensten Gebiete stehen immer im Zusammenhang mit Gebirgen, Meeresströmungen und Winden (aus Smith u. Smith 2006, verändert; © Pearson, San Francisco)
• der Äquatoriale, tropische Regengürtel mit überwiegend starker Bewölkung und Niederschlagssummen von mehr als 2 000 Millimeter, stellenweise sogar über 3 000 Millimeter pro Jahr, • die eigentlichen Passatgebiete, welche sich an den tropischen Regengürtel beidseits anschließen und wo Bewölkung und Niederschläge deutlich abnehmen und weitgehend Niederschlagsarmut vorherrscht, • der subtropische Trockengürtel als regenarmer Bereich der subtropischen Trockengebiete im Bereich der abwärts gerichteten Luftströmungen der ITCZ, wo oft große Trockenheit bei wolkenlosem Himmel herrscht, • die sich polwärts daran anschließenden Bereiche der Außertropischen Westwinde zwischen den subtropischen Hochdruckzellen und den Polarregionen mit ausgeprägter Zyklonenaktivität, wo es oft zu starker Wolkenbildung mit entsprechend reichlichen Niederschlägen kommt, • schließlich die Polargebiete, welche mit Niederschlägen von häufig weniger als 100 Millimetern vergleichsweise trocken sind. Es ist auffällig, dass die Niederschlagsverteilung der Erde nicht absolut parallel zu den Breitenkreisen erfolgt, sondern dass bis auf wenige Ausnahmen die Niederschlagshöhen auf gleicher Breite in der Nähe der Ozeane deutlich höher ausfallen als über dem Inneren der Landmassen. Dazu
2.9 Wind
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kommt der Einfluss des Reliefs in den Gebirgen, die als Hindernis für die Luftströmungen wirken, sichtbar vor allem in Nord- und Südamerika als Effekt der Nord-Süd streichenden Rocky Mountains und der Anden. Auch die Land-Meer-Verteilung und die Ausgestaltung der Küsten sind bestimmende Faktoren für die Niederschlagsverteilung. An manchen Orten finden sich deshalb Niederschlagsmengen, die weit über den allgemeinen Durchschnittswerten liegen und Rekordwerte erzielen. Dies ist meistens auf die Summenwirkung gleich mehrerer niederschlagsverstärkender Faktoren zurückzuführen. So hält beispielsweise der Ort Cherrapunji am Khasia-Gebirge in Nordindien den Niederschlagsrekord, wo zwischen August 1860 und Juli 1861 innerhalb von nur 12 Monaten insgesamt 26 461 Millimeter Regen niedergingen. Hierbei handelt es sich zwar um extreme Ausnahmewerte, aber auch in langfristigen Messungen gewonnene Werte können beträchtlich sein. So fällt an der Messstation Mt. Waialeale auf der hawaiianischen Insel Kauai, weltweit betrachtet, der meiste Niederschlag. Dort hat man im langjährigen Mittel 12 344 Millimeter Regen pro Jahr zu erwarten. Dem steht die Region Iquique an der peruanischen Küste in der Wüste Atacama gegenüber, wo man mit einer mittleren Jahressumme von kaum mehr als einem Millimeter zu rechnen braucht. Je nach Jahresgang des Niederschlags und nach Niederschlagsmengen differenziert man verschiedene niederschlagsbezogene Klimatypen: Im humiden Klima sind die Niederschläge meist gleichmäßig über das Jahr verteilt. Dabei übersteigen die Niederschlagswerte diejenigen der potenziellen Verdunstung; es gibt also mehr Wasser, als verdunsten kann, und damit kommt es zu einem Wasserüberschuss, was sich im Allgemeinen durch oberflächlichen Abfluss in Fließgewässern zeigt. Dem steht das aride Klima gegenüber, wo die jährlichen Niederschlagssummen nicht ausreichen, die Wasserverluste, die durch die Evapotranspiration entstehen, auszugleichen. In solchen Gebieten tritt gewöhnlich Trockenstress auf, dem sich Pflanzen und Tiere anpassen müssen.
2.9 Wind Am Zustandekommen von Wind sind mehrere Faktoren beteiligt. Das horizontale globale Druckgefälle ist natürlich der wichtigste Motor für horizontale Luftströmungen (Abb. 2.4). Dieses Gefälle ist im Grunde genommen nur durch die Erwärmungsunterschiede zwischen Äquator und Polkappen primär bedingt. Auch eng begrenzte thermische Gegensätze wirken über ihre Druckdifferenzen auf die Luftbewegung ein. Der Auftrieb bei Lufterwärmung und demzufolge Anhebung mit Luftmassenabfluss in der Höhe sowie das Absinken der Luft bei Abkühlung und Schrumpfung
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2 Grundlagen des Klimas
sind Vorgänge, die lokale Druckunterschiede hervorrufen und damit auch vertikale Ausgleichsströmungen hervorrufen. Die vertikalen Luftströmungen als Auf- und Abwärtsströmungen von Luftmassen sind oft nur von lokaler oder regionaler Bedeutung. Wir kennen sie als Hangwinde oder Fallwinde, als Berg- oder Talwinde. Ein bekanntes Phänomen von Gebirgsüberströmungen sind die Bora und der Föhn. Unter Föhn (lat. favonius, lauer Westwind) versteht man einen nach einer Überquerung eines Gebirgskamms auftretenden warmen, trockenen, böigen Wind. Ihn gibt es in fast allen Gebirgen der Erde. Der Föhn ist eine Luftmasse, die an Gebirgshindernissen zum Auf- und Absteigen gezwungen wird. Die feuchtadiabatische Abkühlung während des Luftaufstiegs führt zu einer sehr effektiven Ausregnung (Abb. 2.10). Beim Abstieg findet eine größtenteils trockenadiabatische Erwärmung der Luft um bis zu 25 Grad Celsius statt, wobei die relative Luftfeuchte extrem absinkt. Der Begriff der adiabatischen Zustandsänderung steht für die Temperaturänderung feuchter aufsteigender und trocken absteigender Luftmassen, die ohne den Einfluss von Kondensations- und Verdampfungsvorgängen mit einem Gradienten von 0,52 Grad Celsius (feuchtadiabatisch) und ungefähr 1 Grad Celsius pro hundert Meter (trockenadiabatischer Temperaturgradient) abläuft.
Abb. 2.10. Föhn-Effekt. Die Luft wird an Gebirgen zum Aufsteigen gezwungen, kühlt ab und verliert dabei auf der Luv-Seite ihre Feuchtigkeit. Beim Abstieg auf der Lee-Seite erwärmt sich die trockene Luft wieder (aus H. Gebhardt et al. 2007 © Elsevier, München)
Föhn kommt in den mitteleuropäischen Alpen an etwa 50 Tagen im Jahr vor, vornehmlich im Frühjahr und im Herbst. Auch auf hohen Inseln und an Gebirgen im subtropischen und tropischen Passatklima beobachten wir häufig solche Fallwinde: Auf den Kanarischen Inseln beispielsweise, deren Gebirgskämme nicht über die thermische Inversionsschicht der oberen Passatwolken hinaus ragen, werden die Wolkenbänke des Nordostpassates über die Gipfel gedrückt (Abb. 2.11).
2.9 Wind
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Abb. 2.11. Föhnmauer auf der Kanareninsel La Palma: Die Wolken fließen oft wasserfallartig über die Felsgrate, hinter denen sie sich rasch auflösen und die Stadt Los Llanos nicht mehr erreichen
Abb. 2.12. Wie ein Blick von der Heidelberger Hütte ins zentralalpine Fimbertal zeigt, kommt es bei Föhnwetterlagen an der Inversionsschicht zur Wolkenbildung, die deutlich die Grenze zwischen Kalt- und Warmluft anzeigt
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2 Grundlagen des Klimas
Box 2.4. Bora, Mistral und Tramontana - Beispiele für kalte Fallwinde Während Föhn-Winde zu charakteristischen Temperaturanstiegen im Lee der Gebirge führen, verursacht die Bora (griech. boreas, Nordwind) eine deutliche Temperaturabnahme. Die dalmatinische Bora wird deshalb als Prototyp für kalte Fallwinde angesehen. Die Bora bildet sich insbesondere im Winter über der Landmasse des Balkans, wenn kalte Luft aus der ungarischen Tiefebene zur Adria transportiert wird. Dann weht ein kräftiger, kalter Wind, oft in Sturmstärke, über die Adria. Bora-Ereignisse führen meist zu Kälteeinbrüchen am überwiegend warmen Adriatischen Meer, so dass die immergrüne mediterrane Vegetation des Zonobioms IV (vgl. Kap. 3) sich hier nur in windgeschützten Lagen voll entwickeln kann. Verwandt mit der Bora ist der kalte oder kühle Mistral Südfrankreichs. Bei tiefem Luftdruck über dem Golfe du Lion strömt atlantisch-mitteleuropäische Luft marinen Charakters durch die Leitfurche des Rhonetals mittelmeerwärts. Soweit sie vom Massif Central hinabfällt, hat sie vor allem im Winter so niedrige Ausgangstemperaturen, dass die adiabatische Erwärmung am Abfall der Cevennen nicht ausreicht, um ihre kalte Wirkung zu mildern. Auch der Mistral ist böig und erreicht Sturmstärken. Da er das ganze Jahr über wehen, aber vor allem im Winter und Frühling sich mächtig in seiner Wirkung bis nach Korsika und Sardinien erstrecken kann, bildet er einen bedeutenden Klimafaktor für die Provence und die Hochgebirge dieser großen Mittelmeerinseln. Bezeichnend ist auch hier, dass mediterran-immergrüne Vegetation erst dort auftritt, wo hohe Bergzüge schützend bis an die Küste heranreichen, wie an der Côte d’Azur und im Windschatten des Monte Cinto auf Korsika oder der Supramonte di Olieri auf Sardinien. Von 705 bekannten mediterranen Arten verbleiben im unteren Rhonetal bei Arles im Einflussbereich des Mistral etwa nur noch 500 Arten. Der Mistral wirkt hier also auslesend. Umgekehrt finden wir in Föhngebieten am Alpennordrand und am Bodensee manchmal noch submediterrane immergrüne Arten, wie Buxus sempervirens und Ruscus aculeatus. Dem Mistral genetisch verwandt sind die als Tramontana bekannten Winde der Ligurischen Küste und der Balearen.
Nachdem diese bereits beim Aufsteigen an der Luvseite einen Teil ihrer Feuchtigkeit durch Kondensation verloren haben, sinken Luftmassen nach Überquerung eines Gebirgskammes wieder ab und erwärmen sich trockenadiabatisch mit zusätzlicher Sonneneinstrahlung. Erwärmung und Absinken des Luftdrucks führen dazu, dass die relative wie auch die absolute Luftfeuchte zunächst feuchtadiabatisch abnehmen und sich die typische Staubewölkung als Luv-Wolke oder Föhn-Wolke entlang einer verhältnismäßig stabilen Grenze auflöst, wie es uns das Foto in Abb. 2.11 eindrucksvoll und deutlich zeigt. Da solche Föhnwinde nach Überquerung des Gebirgskammes ihre Feuchtigkeit verloren haben, tragen sie örtlich zum
2.9 Wind
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Austrocknen des Bodens bei und erhöhen somit die Evapotranspiration. Oft gleitet der Föhn auf die in den Tälern der Lee-Seite liegende lokale Kaltluft auf, so dass sich eine scharfe Temperaturinversion mit typisch sichtbarer Dunstgrenze und erhöhter bodennaher Temperatur ergibt (Abb. 2.12).Wichtiger für größere Areale sind die horizontalen Luftströmungen, die durch die thermischen Unterschiede im Luftdruck bedingt sind. Die Entstehung der Winde hängt mit den unterschiedlichen Luftdruckverhältnissen auf der Erdoberfläche zusammen. Die Luftmassen bewegen sich von Gebieten hohen Druckes in Gebiete niederen Druckes, und diese Bewegung der Luftmassen bezeichnen wir als Wind. Die Geschwindigkeiten, die Winde erreichen können, sind zuweilen sehr beträchtlich. Sie steigen im Allgemeinen mit zunehmender Höhe über dem Boden. Nach G. Hellmann (1904, 1918 u. 1923) betrug zum Beispiel die mittlere Jahresgeschwindigkeit des Windes auf einem offenen Feld bei Nauen: in 2 Meter Höhe = 3,29 Meter pro Sekunde in 16 Meter Höhe = 4,86 Meter pro Sekunde in 32 Meter Höhe = 5,54 Meter pro Sekunde Unterhalb von 2 Meter sinkt die Windgeschwindigkeit noch weiter ab. In Bodennähe ist sie in vielen Fällen durch die stark bremsende Wirkung der Vegetation sehr gering. Wind nimmt also allgemein mit steigender Höhe zu (Tabelle 2.4). Box 2.5. Windrichtung, Windgeschwindigkeit und Windstärke Die Windrichtung wird durch eine Himmelsrichtung, im Wetterdienst nach einer 360-Grad-Skala mit Ost (E) = 90 Grad, Süd (S) = 180 Grad, West (W) = 270 Grad und Nord (N) = 360 Grad angegeben. Die Windgeschwindigkeit wird mit unterschiedlichen Maßeinheiten erfasst, zum Beispiel in Meter pro Sekunde, Kilometer pro Stunde oder Knoten. Ein Knoten entspricht 1,852 Kilometer pro Stunde. Windrichtung und Windgeschwindigkeit unterliegen starken turbulenten Schwankungen. Daher benutzt man in der Regel die über 10 Minuten gemittelte und als Windwert definierte Größe. Für Windangaben sind stets die Daten der Messhöhe erforderlich; für den Bodenwind gelten als Anemometerhöhe 10 bis 15 Meter über ebenem, hindernisfreiem Gelände. Zur Angabe der Windstärke wird vor allem die Beaufort-Skala (Bf) nach F. Beaufort (1774-1867) benutzt (Tabelle 2.4).
In windexponierten Gebieten nehmen die Windgeschwindigkeiten beträchtlich zu. Die windgepeitschten Küsten Südirlands verzeichnen eine durchschnittliche Jahresgeschwindigkeit von 7,4 Meter pro Sekunde, der
38
2 Grundlagen des Klimas
Tabelle 2.4. Windstärkeskala nach Beaufort (aus Hupfer u. Kuttler 2006) Wind- Bezeichnung stärke in Bf
Auswirkungen des Windes
Windgeschwindigkeit m s-1
km h-1
0
Stille
Rauch steigt gerade empor
0,0-0,2
<1
1
Leiser Zug
Wind durch Zug des Rauches angezeigt
0,3-1,5
1-5
2
Leichte Brise
Windfahne bewegt sich
1,6-3,3
6-11
3
Schwache Brise
Blätter und dünne Zweige bewegt, Wimpel streckt sich
3,4-5,4
12-19
4
Mäßige Brise
Hebt Staub und loses Papier, bewegt Zweige und dünnere Äste
5,5-7,9
20-28
5
Frische Brise
Kleine Laubbäume schwanken, Schaumköpfe auf Seen
8,0-10,7
29-38
6
Starker Wind
Starke Äste in Bewegung
10,8-13,8
39-49
7
Steifer Wind
Bäume in Bewegung
13,9-17,1
50-61
8
Stürmischer Wind
Zweige werden abgerissen
17,2-20,7
62-74
9
Sturm
Kleinere Schäden an Häusern
20,8-24,4
75-88
10
Schwerer Sturm
Bäume entwurzelt
24,5-28,4
89-102
11
Orkanartiger Sturm
Starke Schäden
28,5-32,6
103-117
12
Orkan
Verwüstende Wirkungen
> 32,6
> 117
Säntisgipfel 7,7 Meter pro Sekunde und der freistehende Mount Washington sogar 15 Meter pro Sekunde. Von furchtbarer Gewalt sind die Extreme. Am Säntisgipfel zeigte der Windmesser nach Angaben von J. BraunBlanquet (1964) am 27. Januar 1890 eine Windgeschwindigkeit von 46,1 Meter pro Sekunde an, das entspricht mehr als 165 Stundenkilometern. Solche Windstärken sind imstande, ganze Baumbestände zu entwurzeln oder zu knicken. Sogar Steinplatten können dabei in die Luft gewirbelt werden. Am meisten gefürchtet sind die Wirbelwinde, Tornados und die
2.9 Wind
39
Orkane. Der Orkan Kyrill im Januar 2007 erreichte beispielsweise Windgeschwindigkeiten von bis zu 250 Stundenkilometern in den Kammlagen der deutschen Mittelgebirge und führte dort zu großflächigen Windwürfen, vor allem in Nadelholzforsten und Altholzbeständen. Auch wenn Stürme und Hurrikane erhebliche Schäden hervorrufen, so sind sie auf der anderen Seite auch gestaltende Kräfte, welche neuen Lebensraum verfügbar machen können. Viele anemochore Pflanzen haben sich in ihren Ausbreitungsmechanismen an den Wind angepasst. Wir kommen darauf zurück. Die globalen Windsysteme bewirken beispielsweise die Verbreitung von Pollen, Mikroorganismen, Sporen und Samen über weite Strecken. Die physikalischen Kräfte der Winde bewirken nicht nur die Ausbildung von Küsten- und Binnenlandsdünen, sondern auch spezifische Wuchsformen nach Windschur an Gehölzen an Standorten in Starkwindgebieten, vor allem an Küsten und in Gebirgen (Abb. 2.13). Hier wird der Wind oftmals zum entscheidenden vegetationsgestaltenden Faktor.
Abb. 2.13. An der Küste der Neuseeländischen Südinsel bei Haast werden die berühmten Wälder der Tieflagen aus Dacrycarpus dacryoides, Dacrydium cupressinum und Weinmannia racemosa durch die Starkwinde aus der Tasman-See geschoren; die Verzweigungsmodi der Kurztriebe verleihen der Vegetation eine teppichartige Oberflächenstruktur
Der Wind beeinflusst vor allem die Transpiration der Pflanzen: Er bringt ständig neue ungesättigte Luft an verdunstende Oberflächen der pflanzli-
40
2 Grundlagen des Klimas
chen Organe. Der Grenzschichtwiderstand an der Oberfläche der Pflanze, der die Austauschgeschwindigkeit von Gasmolekülen steuert, ist bei Windstille für großflächige Blätter beispielsweise dreimal so hoch wie für kleine, nadelförmige Blätter. Diese Unterschiede gleichen sich mit zunehmender Windstärke aus. In geschlossenen Pflanzenbeständen, dichten Baumkronen, in Horst- und Polsterpflanzen ist der Wind weitgehend abgeschwächt und die Transpiration herabgesetzt. Der physiologisch austrocknend wirkende Wind ist besonders gravierend, wenn die Wasserversorgung der Pflanzen nur unzureichend ist oder der Wassernachschub bei gefrorenem Boden unterbrochen wird. Dann vertrocknen die jungen Triebe, und es kommt zur Welke bis hin zu letaler Wirkung. Gerade in den Gebirgen ist diese physiologisch austrocknende Windwirkung an den Baumgrenzen deutlich sichtbar. Sie wird meistens von der mechanischen Windwirkung begleitet.
Abb. 2.14. Im Starkwindgebiet rund um den Beagle-Kanal an der Südspitze Feuerlands kann man auf extrem windgeschorene Individuen von Nothofagus betuloides treffen, die den mechanischen Einfluss von Wind eindrücklich bezeugen
Windschur und Windschliff sind die Folge mechanischer Windeinwirkung, wobei vor allem die jungen Triebe und Knospen von Gehölzen und Polsterpflanzen auf der dem Wind zugewandten Seite geschädigt werden und auf der vom Wind abgewandten Seite zum Ausgleich oft eine gesteigerte Entwicklung einhergeht, so dass jene eigenartige Fahnenformen an Bäumen und Sträuchern entstehen, die für windreiche Gegenden charakte-
2.10 Literatur
41
ristisch sind (Abb. 2.14). Die Hauptwindrichtung lässt sich hier leicht an der Vegetation ablesen. Vom Wind mitgeführte Sand-, Salz- oder Schneekristalle verschärfen als Schleifpulver die mechanische Windwirkung. Winde besorgen oftmals auch den Stofftransport über weite Distanzen. In vegetationsarmen Gebieten können dabei erhebliche Mengen an Feinmaterial verfrachtet werden. Bekannt ist der Sahara-Staub auf alpinen Gletschern nach Winden aus Nordafrika oder der aus den subarktischen Tundren verwehte Löss in Periglazialzeiten. Schon Charles Darwin notierte am 16. Januar 1832 die Deposition großer Mengen von Sahara-Stäuben bei den Kapverdischen Inseln. Bei solchen Stürmen verbindet die Spur der Stäube auch die Ökosysteme der Erde über Ozeane und Kontinente miteinander. Diese Wüstenstäube werden von Afrika bis in die Karibik und nach Südamerika geweht, wo sie in den Ozeanen für die dortigen Korallenriffe und für die Epiphyten der Regenwälder Amazoniens düngend wirken. Ähnliches gilt für die Stäube aus der Wüste Gobi in China, die bis in den Pazifik nach Hawaii nachgewiesen wurden. Etwa 2 Milliarden Tonnen Staub werden jährlich vom Wind durch die Atmosphäre bewegt.
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42
2 Grundlagen des Klimas
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3 Klima- und Vegetationszonierungen
Die Erde weist unendlich viele Mikro- und Mesoklimate auf, die bestimmten Klimazonen zugeordnet werden. Der deutsche Klimatologe Wladimir Peter Köppen (1846-1940) veröffentlichte im Jahre 1918 die Endfassung seiner bis heute gebräuchlichen Klimaklassifikation (Abb. 3.1). Er unterschied sechs Haupttypen von Klimaten, die er mit den Buchstaben A-F bezeichnete. • A-Klimate sind Tropische Regenklimate der ITCZ entlang dem Äquator ohne Jahreszeiten; die Mitteltemperaturen des kältesten Monats liegen immer über 18 Grad Celsius. Sie gliedern sich in feuchte und wechselfeuchte Untertypen. • B-Klimate sind Trockenklimate, die den anderen Klimaten gegenüber nach Temperatur und Jahresniederschlag abgegrenzt werden. Hier werden die Steppen- und Savannenklimate von den Wüstenklimaten getrennt. • C-Klimate sind Gemäßigte Regenklimate, deren kältester Monat zwischen plus 18 Grad Celsius und minus 3 Grad Celsius liegt, wobei der wärmste Monat immer die plus 10 Grad-Celsius-Marke übersteigt. Sie werden in die drei Kategorien „Immerfeucht“, „Sommertrocken“ und „Warm“ unterteilt. • D-Klimate sind Kontinentale Klimate mit Januarmitteln unter minus 3 Grad Celsius, aber mit Julimitteln von über plus 10 Grad Celsius. • E-Klimate sind Polare Tundrenklimate; der wärmste Monat bleibt immer unter plus 10 Grad Celsius. In den F-Klimaten, den Klimaten des Ewigen Frostes, bleibt die Temperatur des wärmsten Monats schließlich unter 0 Grad Celsius. • Die Höhenlagen-Klimate der Berg- und Hochländer stellen eine Besonderheit dar und können beispielhaft für die Anden in Ecuador beschrieben werden: An der Basis eines Gebirges kann das Klima tropisch sein, am Gipfel kalt genug für Gebirgsgletscher. Auf der Luv-Seite der Gebirgskette kann es pro Jahr mehr als 1500 Millimeter Niederschlag geben, auf der Lee-Seite im Regenschatten können es weniger als 250 Millimeter sein. Hochgebirge können deshalb mehrere Klimate besitzen. Sie sind zu kleinflächig, um in einer Globalkarte dargestellt werden zu
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3 Klima- und Vegetationszonierungen
können. Daher wird dieses Klima auch als undifferenziertes Hochlandklima bezeichnet. Die Klimaklassifikation nach Köppen (Abb. 3.1) ist in ihrer großklimatischen Einteilung nicht nach einheitlichen Prinzipien erfolgt, wie dies auch W. Lauer u. J. Bendix (2004) betonen. Dennoch hat sie zweifellos die größte Verbreitung und wird bei der Beschreibung klimatischer Raumeinheiten nahezu überall benutzt. Ihr Nachteil ist, dass im Gegensatz zu den thermisch definierten Großklimaten die B-Klimate (Trockenklimate) hygrisch definiert werden. Daher kann die Zugehörigkeit von Trockengebieten zu den Hauptklimazonen erst durch eine weitere Differenzierung erfolgen. Das System von Köppen ist eine empirische Klassifikation, in der Klima- und Vegetationszonen letztlich koinzidieren.
Abb. 3.1. Klimazonen nach Köppen (© National Geographic Society, Washington, DC 2006)
Weitere Klimakarten schufen Carl Troll und Karl-Heinz Paffen (1963), die als Jahreszeitenklimate auf dem Grundgedanken des jahreszeitlichen Wandels der Klimafaktoren Licht, Temperatur und Niederschlag basieren. Troll u. Paffen unterscheiden die mittlerweile allgemein angewendeten fünf Hauptklimazonen:
3 Klima- und Vegetationszonierungen
• • • • •
I II III IV V
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Polare und subpolare Zone Kaltgemäßigte boreale Zone Kühlgemäßigte Zone Warmgemäßigte Subtropen-Zone Tropenzone
Diese Einteilung entspricht im Wesentlichen auch den Inhalten der synoptischen Tabelle 3.1. Den fünf Hauptzonen, die nach thermischen Prinzipien definiert sind, wollen wir hier aber zusätzlich die warm-temperaten und die mediterranoiden – quasi zonal auf den gleichen Breitenkreisen vorhanden – zuordnen. Sie sind heute aus klima- und vegetationsgeschichtlichen Gründen voneinander getrennt und isoliert. Die ökoklimatische Klimaklassifikation von W. Lauer u. P. Frankenberg (1986) beschreibt ebenfalls auf der Basis der ökologisch relevanten Klimaparameter die wesentlichen globalen Typenmerkmale mit vier solaren Strahlungsgürteln: Tropen, Subtropen, Mittelbreiten und Polarzonen. Die globalen atmosphärischen Zirkulationssysteme und die jährliche Temperatur- und Niederschlagsverteilung auf der Erde, wie wir sie in den Abb. 2.4, 2.5 und 2.7 sehen, bedingen auch die globalen Windregime: In den Tropen entsteht der von Ost nach West wehende Passat aufgrund der Hadley-Zirkulation. Passate sind also beständige Winde, die auf beiden Erdhalbkugeln das ganze Jahr hindurch von den subtropischen Hochdruckgürteln zur äquatorialen Tiefdruckrinne hin gerichtet sind. Sie sind trockene und niederschlagsarme Luftströmungen. Wegen der Erdumdrehung weht auf der Nordhalbkugel deshalb ständig ein Nordostpassat in Richtung Äquator und auf der Südhalbkugel ein Südostpassat. Zwischen den Polregionen und den Subtropen beherrschen in großer Höhe spezifische Strahlstürme, der Jetstream, die Luftbewegung. Sie treiben Hoch- und Tiefdruckgebiete in spiralförmigen Drehbewegungen auf Grund der Erdrotation vor sich her. In der Westwindzone oder Westwinddrift bilden sich im Grenzbereich zwischen Kaltluft aus polaren und Warmluft aus subtropischen Breiten die Hochdruckgebiete und die zyklonalen Tiefdruckgebiete der gemäßigten Breiten mit ihrem veränderlichen Wettergeschehen. Hauptaktionszentren in den subpolaren Tiefdruckrinnen zwischen 50 und 70 Grad nördlicher Breite sind vor allem das Islandtief und das Aleutentief auf der Nordhalbkugel. Polwärts grenzen jeweils die polaren Hochdruckzonen zwischen 70 und 90 Grad Breite an; hier herrschen östliche Winde zwischen den polaren Hochdruckgebieten und den subpolaren Tiefdrucksystemen vor, die charakteristischen polaren Ostwinde. Wie hier der Lufttransport funktioniert, haben wir in Kapitel 2.5 schon kennen gelernt.
46
3 Klima- und Vegetationszonierungen
Alle diese Windsysteme sind wesentliche Bestandteile der allgemeinen atmosphärischen Zirkulation, die mit ihren Luftmassentransporten immer wieder von neuem die strahlungsbedingten Temperaturgegensätze zwischen den südlichen und den nördlichen Breiten beider Hemisphären verringert und damit eine ausgeglichene globale Wärmebilanz ermöglichen. So differenzieren wir in der Tabelle 3.1 die Klima- und Vegetationszonen im Grunde nach den verschiedenen Mengen der von der Sonne zugeführten Strahlungsenergie und ihrer globalen atmosphärischen Verteilung. Diese Zonen decken sich weitestgehend mit der globalen Abgrenzung der Zonobiome von den tropischen Regenwäldern, Trockenwäldern und Savannen über die subtropischen Wüsten, Halbwüsten und Trockengebiete, die immergrünen mediterranoiden Etesienklimate (s. Box 3.1) mit ihren Hartlaubwäldern, den Jahreszeitenklimaten der gemäßigten Breiten mit ihren frischen sommergrünen Wäldern, den wintertrockenen, kalten borealen Nadelwäldern bis zu den polaren arktischen und antarktischen Klimaten mit ihren verschiedenen Tundren, den polaren Wüsten und dem Ewigen Eis. Box 3.1. Was sind Etesien? Die Etesien sind sehr regelmäßig wehende trockene sommerliche Nordwestoder Nordostwinde über dem östlichen Mittelmeer. Sie werden durch die Ausläufer des Azorenhochs über dem Alpengebiet und das vorderasiatische Tiefdruckgebiet gesteuert. Es handelt sich also nur beschränkt um antizyklonale Luftströmungen, denn die Etesien gehen teilweise ohne Frontströmungen in den Nordostpassat Nordafrikas über. Sie können deshalb in gewisser Hinsicht als „Passatwurzeln“ angesehen werden. Ihre Beständigkeit ist auffällig und hat dazu geführt, das mediterrane Wechselklima mit Sommerhitze und Winterkälte generalisierend als Etesienklima zu bezeichnen. Dieses Klima mit Sommertrockenheit und Winterregen ist in den Breitenkreisen um 40 Grad beider Hemisphären in der Mittelmeerregion und in Kalifornien auf der Nordhalbkugel sowie in der Karroo-Region Westaustraliens, im Kapland von Südafrika und in der valdivianischen Küstenregion in Südchile auf der Südhalbkugel verbreitet.
Der dominierende Einfluss von Temperatur und Niederschlag auf die globale Verteilung der Vegetation ist auch die Grundlage für ein modernes Klassifikationssystem von L. R. Holdridge und Mitarbeitern (1971), welche auf der Basis globaler Temperatur- und Niederschlagsverteilung und der potenziellen Evapotranspiration so genannte Humiditätsregionen berechnet und definiert haben. Damit wird eine sinnvolle Beziehung zwischen Vegetation und Klima dargestellt (Abb. 3.2).
3 Klima- und Vegetationszonierungen
47
Tabelle 3.1. Temperaturbedingungen, Wärme-, Klima- und Vegetationszonen und Zonobiome Wärme- und Klimazonen Tropische Zone mit gleichmäßiger Temperatur, Jahresschwankungen sehr gering (unter 10 °C), kein Monat unter 20 °C, Regen das ganze Jahr, Tageszeitenklima, A-Klimate (feuchter Typ) Zone tropischer Sommerregengebiete mit kurzer Dürrezeit, Monsunregen mit größeren Tagesschwankungen der Temperaturen, meist mehr als 10 °C, A-Klimate (wechselfeuchter Typ) Subtropische Zone mit starken Jahres- und Tagesschwankungen der Temperatur; periodische oder episodische Niederschläge, B-Klimate Mediterranoide Etesienklimate mit Winterregen und Sommerdürre, starke Temperaturschwankungen in den Jahreszeiten, C-Klimate Warmtemperate Zone mit gleichmäßigen Niederschlägen im Jahr, von den Subtropen bis in die Gemäßigten Breiten, ozeanisches Klima, C-Klimate Nemorale, kalttemperierte Zone mit ausgeprägten Jahreszeiten und kurzer Winterkälte, D-Klimate Gebiete mit starken Temperaturamplituden, heißen Sommern und kalten Wintern, arid, D-Klimate Kalttemperate Zone der Nordhalbkugel mit kühlen Sommern und langen Wintern, D-Klimate Zirkumpolare Zone mit sehr kurzen, kühlen Sommern und lang andauernden, kalten Wintern, E- und FKlimate
Vegetationszone/Zonobiom Immergrüner tropischer Regenwald, Zonobiom I
Tropische halbimmergrüne Regenwälder, regengrüne Monsunwälder und Savannen, Zonobiom II
Subtropische Wüsten, Zonobiom III
Immergrüne Hartlaubvegetation, winterfeuchtes Zonobiom IV
Immergrüne Lorbeerwälder und subtropische Regenwälder, Zonobiom V
Sommergrüne Laubwälder, nemorales Zonobiom VI Steppen und Wüsten, arid-gemäßigtes Zonobiom VII Immergrüne boreale Nadelwälder, Zonobiom VIII Tundren und Kältewüsten, arktisches und antarktisches Zonobiom IX
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3 Klima- und Vegetationszonierungen
Unter Evaporation verstehen wir die Verdunstung an der freien Wasseroberfläche und der festen Oberfläche auf dem Land, insbesondere aber an der Bodenoberfläche. Auf Bodenflächen mit Vegetation ist die Evaporation die direkte Verdunstung von Bodenwasser und die Interzeptionsverdunstung, welche unabhängig neben der Verdunstung durch die Pflanzendecke (= Transpiration) stattfinden kann. Die gesamte Verdunstung über den Landflächen wird als Evapotranspiration bzw. Landverdunstung bezeichnet. Dabei handelt es sich also um die Summe von Evaporation und Transpiration.
Abb. 3.2. Klassifikation der Pflanzenformationen der Erde nach den mittleren Jahrestemperaturen, den Jahresniederschlägen und der potenziellen Evapotranspiration von LR Holdridge et al. 1971 (verändert aus Archibold 1996, © Chapman & Hall, London)
3.1 Klimadiagramme Temperatur und Strahlung als atmosphärische Parameter und Niederschlag als hydrosphärischer, aber auch atmosphärischer Parameter werden durch den Aufbau der Atmosphäre bestimmt. Entscheidender als Mittelwerte von
3.1 Klimadiagramme
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Temperaturen und Niederschlag wirken sich jedoch die Dauer der Vegetationsperiode und kurzfristig einwirkende Ereignisse wie Spätfrost im Frühjahr und Frühfrost im Herbst aus. Das Zusammenwirken verschiedener atmosphärischer Standortparameter wird in Klimadiagrammen deutlich, wie sie von Heinrich Walter und seinen Mitarbeitern im Jahre 1968 zusammengestellt wurden (Abb. 3.3). In ihnen sind unter anderem verzeichnet: Durchschnittstemperaturen, durchschnittliche Niederschlagsmengen, monatliche Verteilung von Temperatur und Niederschlag sowie ihr Verhältnis zueinander. Dieses Verhältnis drückt sich aus in der Dauer der frostfreien Periode sowie in humiden, perhumiden beziehungsweise ariden Phasen. Abb. 3.3. Aufbau und Inhalte eines Klimadiagramms nach H. Walter und H. Lieth (1967): Für die Nordhemisphäre werden die Monate von Januar bis Dezember auf der Abszisse aufgetragen, für die Südhemisphäre von Juli bis Juni, so dass die warme Jahreszeit immer in der Mitte des Diagramms liegt. Ordinate: Die Temperatur (linke Ordinate) wird in °C angegeben, der Niederschlag (rechte Ordinate) in mm. Die Ziffern auf dem Diagramm bedeuten: 1. Station, 2. Höhe über dem Meer, 3. Zahl der Beobachtungsjahre, 4. mittlere Jahrestemperatur, 5. mittlere jährliche Niederschlagsmenge, 6. mittleres tägliches Minimum des kältesten Monats, 7. absolutes Minimum (tiefste gemessene Temperatur), 8. Kurve der mittleren Monatstemperaturen, 9. Kurve der mittleren monatlichen Niederschläge, 10. liegt die Niederschlagskurve über der Temperaturkurve, herrscht eine relativ feuchte Zeit vor, die vertikal schraffiert dargestellt wird, 11. Monate mit mittlerem Tagesminimum unter 0 °C (schwarz = kalte Jahreszeit), 12. Monate mit absolutem Minimum unter 0 °C (schräg schraffiert), d. h. Spät- oder Frühfröste möglich (aus Nentwig et al. 2004, © Spektrum, Elsevier, München)
Klimadiagramme dienen vor allem dem Zweck, Orte ähnlichen oder gleichen Klimas zu erkennen und unterschiedliche Klimagebiete anhand einfacher und anschaulicher Darstellungen kenntlich zu machen. Verläuft die Niederschlagskurve über der Temperaturkurve, überwiegt der Wassereintrag den Verlust, und wir haben humide Bedingungen. Bleibt die Niederschlagskurve unter der Temperaturkurve, ist die Verdunstung höher als die Niederschlagsmenge, und wir haben aride Verhältnisse. Dies wird im Diagramm durch entsprechende graphische Darstellungen kenntlich: Schraffierte Flächen bedeuten humide, gepunktete Flächen bedeuten aride
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Bedingungen. Diese Art der Darstellung lässt zudem auf einen Blick erkennen, ob es sich um ein Winter- oder ein Sommerregengebiet handelt, ob mehrere Regenzeiten vorkommen oder nur eine, und wie lange Dürrephasen anhalten können. Wie der Verlauf der Jahresisothermen in Abb. 2.7 zeigt, nehmen die Temperaturen vom Äquator zu den Polen hin ab. Diese Temperaturabnahme zu den Polen hin bedingt die äquatoriale Anordnung der großen Wärmezonen der Erde. Wäre die Oberfläche unserer Erdkugel ganz homogen aus Wasser- oder Landmassen und Vegetation zusammengesetzt, dann müssten die Grenzlinien der einzelnen unterschiedlichen Wärmezonen vollkommen parallel zu den Breitengraden verlaufen. Dieser Idealfall ist aber keineswegs verwirklicht. Er scheitert an der ungleichmäßigen Verteilung der Land- und Wassermassen der Erde. Wir sehen hieraus, dass eine Einteilung der Wärmezonen der Erde allein auf der Basis der Isothermen nicht genügt, sondern dass vor allem viele weitere Faktoren mit berücksichtigt werden müssen. Von besonderer Bedeutung sind dabei im Gefolge der Ozeanität oder Kontinentalität die Gebirgsverteilung, die Feuchtigkeitsbedingungen, die Tagestemperaturen und die jahreszeitliche Differenzierung eines Gebietes. Unter Berücksichtigung dieser Punkte kommen wir zu einer Einteilung von neun Wärmezonen (s. Tabelle 3.1). Die neun Wärmezonen entsprechen, wie gezeigt wurde, auch neun ganz verschiedenen Klima- und Vegetationszonen sowie den bekannten neun Zonobiomen, die in der Allgemeinen Geobotanik (Pott 2005) eingehend behandelt sind. Auf ihre Weiterbehandlung wird daher an dieser Stelle aus Platzgründen verzichtet. Neben der Temperatur spielen auch die Niederschlagsbedingungen eine wichtige Rolle. Die markanteste, durch die Temperatur bedingte Scheidelinie ist wohl die Grenze zwischen frostfreiem Gebiet und dem Gebiet mit einer ausgeprägten Frostzeit, denn sehr viele Pflanzen werden schon durch Temperaturen, die knapp über 0 Grad Celsius liegen, geschädigt. Sie sind daher in ihrer Verbreitung auf die ersten drei Zonen beschränkt. Das sind die tropischen Pflanzen im weiteren Sinne.
3.2 Ozeanität und Kontinentalität Die Wärmeschwankungen vergrößern sich natürlich vom Äquator zu den Polen hin, aber auch von den Meeresküsten zum Inneren der Kontinente hin. Es zeigen sich also Ozeanitäts- und Kontinentalitätseffekte, vor allem in den temperaten Zonen, und weisen höhenbedingte Abnahmen von
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den Tieflagen bis in die Gebirge auf. Die mittleren Wärmeschwankungen zwischen dem kältesten und dem wärmsten Monat verschiedener Orte in der Nähe des 52. Breitengrades zeigt Abb. 3.4. Das zonal angeordnete Wärmeklima erfährt also graduelle Abwandlungen zum Inneren Eurasiens hin durch die Temperatureinflüsse zunehmender Kontinentalität, durch den Temperatureinfluss des Golfstroms vor Irland und durch den Temperatureinfluss der Winde: Während im atlantischen Europa Fröste nahezu fehlen, treten im kontinentalen Sibirien bei gleicher Breitenlage extreme Kälteperioden auf. Zugleich sind dort die Sommer heißer als im ozeanischen Gebiet und daher die Jahrestemperaturschwankungen wesentlich größer, sie betragen im Mittel fast 60 Grad Celsius. Die Kontinentalität nimmt generell von der Meeresküste zum Inneren der Kontinente hin zu. Während beispielsweise im atlantischen Irland und Westfrankreich winterliche Fröste nahezu ganz fehlen, treten im kontinentalen Sibirien bei gleicher Breitenlage extreme Kälteperioden auf. Zugleich sind dort die Sommer heißer und trockener als in ozeanischen Gebieten, und daher messen wir hier wesentlich größere Temperaturschwankungen im Verlauf eines Jahres. Die Auswirkungen der Jahresschwankungen der mittleren Temperaturen auf 52 Grad nördlicher Breite zeigt die Abb. 3.4. Entsprechend dieser Unterschiede gibt es auch starke Differenzen hinsichtlich der Vegetation in diesem Bereich des temperaten Zonobioms durch Eurasien von Irland bis zur Kamtschatka-Halbinsel. Das Gefälle zwischen Ozeanität und Kontinentalität zeigt sich durch die natürliche Vegetation auf diesem Breitenkreis jeweils an den Flanken des eurasiatischen Kontinents. Im hyperozeanischen Irland beträgt die Jahresamplitude nur 7,8 Grad Celsius, und dort herrschen die genannten atlantischen, halbimmergrünen Eichenwälder vom Typ des Blechno-Quercetum mit Quercus robur und Ilex aquifolium in der Baumschicht, unterwachsen von immergrünen Sträuchern wie Arbutus unedo, Rhododendron ponticum und Ruscus aculeatus (s. Abb. 3.4). Im subatlantischen Westfalen an der Station Münster messen wir einen Jahreswert von 16 Grad Celsius zwischen kältestem und wärmsten Monat; dort wachsen Eichen-Hainbuchenwälder oder Eichenwälder aus Quercus robur, Q. petraea oder Buchen-Eichenwälder mit diesen Arten und Fagus sylvatica, unterwachsen von der immergrünen Stechpalme Ilex aquifolium, also winterkahle Wälder mit teilimmergrüner Strauchschicht. Im subkontinentalen Warschau messen wir eine Amplitude von 23 Grad Celsius, dort herrschen Eichen-Hainbuchenwälder vom Typ des GalioCarpinetum. Die Waldsteppe im Übergang zur kontinentalen Steppe bei Chkalov in Südrussland besteht aus halboffenen Graslandschaften mit Festuca und Stipa.
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Abb. 3.4. Transekt entlang dem 52. Breitenkreis durch Eurasien und die Veränderung der Vegetation nach dem Ozeanitätsgefälle, dargestellt an den Temperaturamplituden zwischen kältestem und wärmsten Monat des Jahres (nach www.topwetter.de/Klimadiagramme). Dementsprechend durchfährt man von Irland bis zur Kamtschatka-Halbinsel folgende Vegetationstypen: 1 Irischer Eschen-Eichenmischwald mit Quercus robur, Fraxinus excelsior und Ilex aquifolium, Rhododendron ponticum in der Strauchschicht, 2 Fago-Quercetum petraeae mit Ilex aquifolium, 3 Galio-Carpinetum mit Quercus robur, 4 Festuca valesiaca-Stipa capillata-Waldsteppe im Vegetationsmosaik mit thermophilen Eichenmischwäldern, 5 Betula pubescens s.l.-Laubwald, 6 Festuca sulcata s.l.-Steppe, 7 Pinus sylvestris-Larix sibirica-Nadelwald, 8 Ahornmischwald mit Pinus koraiensis, Betula mandschurica und verschiedenen Acer-Arten, 9 Betula ermannii-Alnus-Wald mit Filipendula kamtschatica-Riesenblättern
Jenseits des Urals befinden wir uns in der offenen sibirischen BirkenTaiga mit Betula pubescens s. l.; hier betragen die jährlichen Amplituden immerhin schon 36,9 Grad Celsius. In der kasachischen Steppe an der Messstation Celinograd auf dem 71. Längengrad Ost messen wir nur noch 260 Millimeter Jahresniederschlag bei einer Temperaturamplitude von 37,6 Grad Celsius, wobei die kälteste Zeit im Januar mit minus 17,3 und die wärmste Zeit im Juli mit 20,3 Grad Celsius liegt. Hier ist Baumwuchs nicht mehr möglich, und die innerasiatischen Grassteppen nehmen hier ihren Anfang. Aber schon am Baikalsee bei Irkutsk gelangen wir in die südliche boreale Nadelwaldzone mit Pinus nigra und Larix sibirica. Hier beträgt die Temperaturamplitude immerhin schon 39,2 Grad Celsius, und diese wird nur noch übertroffen an der Station Blagovescensk auf 127,5 Grad östlicher Länge am Amur mit 52,2 Grad Celsius. Auch hier wachsen Wälder aus Pinus koraiensis, Betula mandschurica und verschiedenen Ahorn-Arten. Hier betragen auch die tiefsten mittleren Januartemperaturen minus 23,7 Grad Celsius und die Juliwerte erreichen 21,5 Grad Celsius. Die Niederschläge liegen bei 542 Millimetern im Durchschnitt mit einem deutlichen Maximum im Juli und August, so dass die dortigen Laubmischwälder verständlich werden. Auf der Kamtschatka-Halbinsel schließlich zeigt sich deutlich der mäßigende Einfluss des Pazifischen Ozeans, der ein ganzjährig humides Klima gewährleistet mit deutlich geringeren Jahresamplituden von 21,1 Grad Celsius und nur geringen winterlichen Frosttemperaturen von durchschnitt-
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lich minus 8 Grad Celsius im Januar und Februar. Dazu kommt das im Kapitel 2.7 erwähnte Abbiegen der 10-Grad-Juliisotherme in diesem Gebiet nach Süden über die Beringstraße zu den Aleuten, was ein kühles maritimes Klima erzeugt (Abb. 2.7). Hier wachsen im Zonobiom VIII der immergrünen borealen Nadelwälder die spektakulären Riesenstauden von meist über zwei Metern Höhe manchmal sogar im Unterwuchs von Wäldern aus Betula ermannii oder Alnus maximowiczii (Abb. 3.5).
Abb. 3.5. Riesenstauden von Petasites amplus können eine mehr als zwei Meter hohe Vegetationsschicht bilden (Sachalin 2006)
Diese sind wahrscheinlich erst im Pleistozän entstanden, als das Beringmeer weitgehend trockengefallen war. Hier hat es nie eine Vereisung gegeben, weshalb man sogar von einer „Bering-Gap“ spricht, einer Lücke in den damaligen nordischen Eispanzern der Glazialzeiten. Darüber hinaus herrschte in den Kaltzeiten ein vergleichsweise mildes, regenreiches Klima mit kurzer Vegetationszeit. Diese war zwar zu kurz für die Etablierung von Baumwuchs, reichte jedoch für die Entwicklung solcher luxurierender, biomassereicher Hochstauden. Diese sind noch bis heute auf die Randbereiche des Pazifiks beschränkt, wo in kurzen, kühlen Sommern von etwa 100 Tagen zwar nur maximal 10 Grad Celsius erreicht werden, dafür aber in langen Wintern der Wert von maximal minus 6 Grad Celsius nicht unterschritten wird. Die lang anhaltende günstige ozeanische Klimasituation hat in dieser Region also eigene Vegetationstypen mit ganz speziellen RiesenWuchsformen der Pflanzen geschaffen. Gleichartiges gibt es nicht nur auf der Nordhalbkugel unserer Erde, sondern auch auf der Südhalbkugel, wo
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wir im Bereich der Subantarktis, beispielsweise auf den Kerguelen, ebenso solche großwüchsigen Stauden finden. Generell sind aber Nord- und Südhemisphäre hinsichtlich ihrer Ozeanität und Kontinentalität völlig voneinander geschieden. Die Vegetationszonen der Erde, dargestellt auf einen „Idealkontinent“, hat Carl Troll im Jahre 1948 konstruiert. Wenn man die Landmassen aller Kontinente unter Wahrung ihrer Breitenlage zu einer einzigen Landmasse zusammenrechnet, und so zusammenschiebt, wie es die Abb. 3.6 zeigt,
Abb. 3.6. Die Vegetationszonen der Erde, dargestellt auf einem „Idealkontinent” (nach C. Troll 1948, aus Klink 1996)
sieht man sofort die unterschiedliche Land-Meer-Verteilung von Nordund Südhemisphäre. Das Gebilde des „Idealkontinents“ wird im Fachjargon wegen seiner Form als die „Trollsche Rübe“ bezeichnet. Die ausgleichende Wärmerückstrahlung der Ozeane ist auch Grund für die Verschiedenartigkeit der Vegetationszonen auf den beiden Erdhälften: Sie macht zudem die Regelhaftigkeit der Lage der einzelnen klimatischen Vegetationszonen deutlich wie auch mit ihren Auswirkungen von kontinentaler und
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maritimer Lage den Nord-Süd- und Ost-West-Gegensatz. Zirkumboreale Tundren und Nadelwälder fehlen deshalb auf der Südhalbkugel und auch das temperate Zonobiom ist dort nur kleinflächig ausgebildet. In Äquatornähe innerhalb der Wendekreise dagegen finden wir die spiegelbildlich angeordneten Trocken- und Feuchtsavannen und die immergrünen tropischen Regenwälder.
3.3 Vertikalgliederungen Bei der Besprechung der Wärmezonen müssen wir noch darauf hinweisen, dass sich neben dieser horizontalen Gliederung auch eine Vertikalgliederung beim Aufstieg im Gebirge bemerkbar macht. Mit steigender Höhe über dem Meere ist die Temperaturabnahme also derjenigen der zunehmenden Breitengrade gleichzustellen. Wir haben schon gesehen, dass die Abnahme der Temperatur pro 100 Meter Höhe etwa 0,52 Grad Celsius beträgt. Dieser Temperaturgradient entspricht einer horizontalen, polwärts gerichteten Entfernung von etwa 100 Kilometern. Wir kommen dabei auf eine annähernde Faustregel: Bei der Temperaturabnahme entsprechen 100 Kilometer in der Horizontalen etwa 100 Meter in der Vertikalen. Aufgrund dieser Tatsache könnte man annehmen, dass das Hochgebirgsklima dem Klima nördlicher Breiten gleichzusetzen sei. Das Hochgebirgsklima entspricht aber keineswegs dem Klima des zirkumpolaren arktischen oder subarktischen Typs. Dies trifft nur für die mittleren Jahrestemperaturen zu, also für alle zur vollen Stunde gemessenen und durch 24 dividierten Temperaturwerte, im Übrigen aber nicht. Bei dem sehr viel höheren Sonnenstand und der starken Einstrahlung im Hochgebirge sind die Tagesschwankungen der Temperatur in Äquatornähe oder in niedrigen Breiten viel größer als in Polnähe. Gerade im Winter zeichnet sich das Klima der aus den Wolken herausragenden Gipfel durch sonnige Tage aus und die Temperatur steigt mittags häufig über den Nullpunkt. Frostwechseltage, an denen der Nullpunkt von der Tagestemperaturkurve überschritten wird, sind deshalb relativ häufig. In der sibirischen Tundra an der Lena-Mündung gibt es beispielsweise nur 42,5 Frostwechseltage im Jahr, in den Gebirgen der gemäßigten Zone dagegen die doppelte Anzahl: zum Beispiel auf der Schneekoppe im Riesengebirge (1602 m) und auf der Zugspitze (2962 m) etwa je 80 Frostwechseltage. Die Zahl der Eistage und der frostfreien Tage hängt in unseren Gebirgen also von der Höhe ab, wobei natürlich die Jahreszeiten mit kalten Wintern und warmen Sommern
3.3 Vertikalgliederungen
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deutlich ausgeprägt sind. Die Gebirge der gemäßigten Zone besitzen also ein Jahreszeitenklima. Von einem Jahreszeitenklima spricht man, wenn die Amplitude der Monatsmittel größer ist als die mittlere Tages- und Nachtamplitude der Temperaturen. Das Auftreten wohl definierter thermischer Perioden in Form von Jahreszeiten hat zu zahlreichen Anpassungen im Pflanzenreich geführt und wird oft auch zur Synchronisation phänologischer Erscheinungen benutzt, die wir in Kapitel 9 behandeln werden. Daraus ergeben sich nun Höhengliederungen der Vegetation, die wir als Vegetationsstufen bezeichnen. Das sind für Mitteleuropa: Die planare Stufe des Tieflandes bis etwa 200 Meter Meereshöhe, die colline Stufe bis etwa 500 Meter Meereshöhe, darüber die montane Stufe, die subalpine Stufe bis zur Waldgrenze, darüber die alpine Stufe bis zur Obergrenze der geschlossenen Vegetationsdecke sowie die nivale Stufe oberhalb der Obergrenze der Blütenpflanzen. Die absoluten Höhenangaben für diese Stufen sind abhängig von der jeweiligen geographischen Breite, von der Massenerhebung der einzelnen Gebirge oder Gebirgsmassive sowie von der Exposition zur Sonne. Auf etwa gleicher geographischer Breite erwarten wir also ähnliche Vegetationsabstufungen, wie sie auch in geographischer Abfolge in Richtung der Pole angeordnet sind. Auf planare und colline Laubwälder folgen in der montanen Stufe „boreale“ Nadelwälder, subalpine „Waldtundren“ an den Waldgrenzen und darüber „arktische Tundren“ in Form alpiner Rasen. Ein Beispiel für die Japanischen Alpen zeigt Abb. 3.7. Anders sieht das Klima in den tropischen Gebirgen aus: Jahreszeiten gibt es hier nicht. Der Wechsel zwischen Frost und Wärme vollzieht sich in größeren Höhen täglich. Es sind praktisch alle Tage Frostwechseltage (Abb. 3.8). Das Klima der tropischen Gebirge ist also im Gegensatz zum Jahreszeitenklima der Gebirge in den gemäßigten Zonen ein typisches Tageszeitenklima (s. Box 3.2). Ein ausgeprägtes Tageszeitenklima liegt vor, wenn die Temperaturamplitude über den Tag größer ist als über das Jahr. Gerade dieser tägliche Wechsel zwischen kalten Temperaturen in der Nacht und warmen Temperaturen am Tage stellt an die Pflanzen dieser Hochgebirge große Anforderungen. Sie erreichen deshalb ihre obere Verbreitungsgrenze schon bei noch verhältnismäßig hohen Tages- und Jahresmitteltemperaturen. Die Höchstgrenzen der Hochgebirgspflanzen Ranunculus glacialis und Androsace alpina liegen in den europäischen Alpen bei über 4 200 Metern und für Saussurea gnaphaloides am Mt. Everest im Himalaya sogar bei über 5 000 Metern.
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Abb. 3.7. Der Tsubakuro dake in den Japanischen Alpen zeigt eine deutliche Höhengliederung der Vegetation: In der hochmontanen Stufe wächst kalt-gemäßigter Nadelwald, in der subalpinen Stufe die subarktische Waldtundra (Krummholz) und in der alpinen Stufe die arktische Tundra in Form alpiner Matten
Abb. 3.8. Blick von Süden auf den 6.962 Meter hohen Aconcagua in den Anden Argentiniens, der höchste Berg Amerikas. Stipa chrysophylla-Rasen bilden die andinen Matten bis zur Obergrenze der Vegetation
3.3 Vertikalgliederungen
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Die Temperaturabnahme mit zunehmender Meereshöhe zeigt zwar den Temperaturgradienten von 0,52 Grad Celsius pro einhundert Meter, schwankt jedoch jahreszeitlich von 0,4 bis 0,7 Grad Celsius. In den Hochgebirgen kommen aber je nach Höhenlage stark davon abweichende Temperaturgradienten vor; denn in den tieferen Luftschichten verläuft die Temperaturabnahme mit der Höhe nicht linear: In den Alpen ist sie bis etwa 1700 Meter geringer, darüber messen wir eine stärkere und regelmäßigere Abnahme der Temperaturen. Gleichlautendes beschreibt W. Lauer (1986) für die Gebirge des tropischen Amerika. Bedeutend in diesem Zusammenhang sind vor allem die Temperaturinversionen bei der Bildung von Kaltluftseen. Inversionen treten besonders im Bereich des Hauptkondensationsniveaus tropischer Gebirge oder bei Stau- und Passatbewölkung in den Subtropen auf. Für den Wärmehaushalt spielen auch die Hangexpositionen eine besondere Rolle: Südlich exponierte Lagen erhalten auf der Nordhalbkugel mehr Wärme und höhere Temperaturen, umgekehrt ist dies auf der Südhemisphäre (Abb. 3.8). Box 3.2. Tageszeitenklima der Tropen Im Gegensatz zur gemäßigten Zone ist der Bereich der tropischen Hochgebirge durch ein Beleuchtungs- und Tageszeitenklima gekennzeichnet. Immerwährender zwölfstündiger Tag am Äquator, keine Kurz- und Langtagperiode, gering schwankende Strahlungsintensitäten übers Jahr. Thermische Jahreszeiten fehlen, die täglichen Temperaturschwankungen ergeben kühle Nächte (wie Winter) und heiße Tage (wie Sommer). Besonders große Tagesschwankungen treten auf Hochplateaus und in Hochtälern der Randtropen auf, wo Trockenheit und fehlende Vegetationsdecke die Wirkungen der Einund Ausstrahlung noch verstärken. Subtropische Wüstengürtel und die äquatorialen Regenwaldzonen sind Orte ausgeprägten Tageszeitenklimas.
An dieser Stelle muss auch die Massenerhebung erwähnt werden. Darunter versteht man sehr allgemein den geomorphologischen Sachverhalt, dass sich größere Vollformen, wie Gebirge, mit ihren Längs- und Quererstreckungen von ihrem Umland unterscheiden. Der Gebirgskörper als herausragende Masse erhält mehr Strahlung und Gesamtwärme als seine Umgebung und wird entsprechend aufgeheizt. Das hat Folgen für die Oroklimate: Infolge der stärkeren Erwärmung bei fehlender Schneedecke, steigen die Isothermen im Gebirge; die Höhengrenzen der Pflanzen und der Vegetationsstufen sowie die Wald- und Baumgrenzen steigen dadurch deutlich. Mit den Temperaturen und dem Wasserangebot hängt vor allem in den Tropen und Subtropen die Länge der Vegetationszeit zusammen, die entscheidenden Schwellenwerte sind in der Köppenschen Klimaklassi-
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fikation sichtbar. Nach Angabe von G. Gensler (1946) erfolgt beispielsweise auf der Nordseite der Schweizer Alpen eine Verkürzung der Vegetationsperiode um 7 Tage pro 100 Meter Höhenzunahme, auf der Südseite um 6 Tage, Dies bestätigen auch Conradin Burga, Frank Klötzli und Georg Grabherr (2004) in ihrem einzigartigen Buch über die Hochgebirge der Erde. Nach den bekannten Höhenstufungen und den Höhengradienten kennen wir heute global vier klimatische Höhenzonen: • Tieflandszone, das ist der untere, wolkenfreie Raum in subtropischen und tropischen Regionen, • Wolkenzone oder Nebelzone sowie die • Zone oberhalb des Wolkenraumes und der Temperaturinversion, • Eis- und Schneegrenze. Für die mediterranen Gebirge wurde von Salvador Rivas-Martínez (1983) die Abfolge der Höhenstufen ab Meeresniveau zunächst mit der thermomediterranen Höhenstufe angesetzt; darüber folgen bei ihm die mesomediterrane und die supramediterrane colline Stufe, höher hinaus die oromediterrane Stufe, darüber wiederum die cryo-oromediterrane Stufe (subalpin-alpin oder nival). Diese bioklimatische Klassifikation gründet sich auf Berechnungen verschiedener Klima-Indizes, wie Feuchteund Temperaturregime, Höhenstufung und Kontinentalität, welche im Vegetationsbild einer Region deutlich zum Ausdruck kommen. Wir haben diese Höhenstufung im Jahre 2003 auf die Kanareninsel Teneriffa mit ihrem höchsten Vulkangipfel, dem 3 718 Meter hohen Teide, übertragen. Danach gibt es auf den Kanarischen Inseln folgende Einheiten, die in Abb. 3.9 idealtypisch dargestellt sind: • • • • •
Infrakanarische Höhenstufe Thermokanarische Höhenstufe Mesokanarische Höhenstufe Suprakanarische Höhenstufe Orokanarische Höhenstufe
In dieses Ordnungsprinzip wollten wir nun alle entsprechenden Lebensräume der Kanarischen Inseln eingliedern (Abb. 3.10). So gibt es typische Vegetationsstufen, die expositionsbedingt zum Teil sehr unterschiedliche Höhengrenzen aufweisen: • arid-semiarider „Sukkulentenbusch“ (Tabaibal und Cardonál) der infrakanarischen Stufe (Kleinio neriifoliae-Euphorbio canariensis-Stufe) bis in Höhen von 100 bis 800 Metern über NN.
3.3 Vertikalgliederungen
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Abb. 3.9. Höhenstufung nach Bioklimaten am Beispiel der Kanarischen Insel Teneriffa (aus Pott et al. 2003, © Ulmer, Stuttgart)
• semiarider „thermophiler Buschwald“ (Bosque termófilo) der thermokanarischen Stufe (Mayteno canariensis-Junipero phoeniceae-Stufe) zwischen 200 bis 900 Metern über NN. • semihumide „Lorbeerwälder“ (Monteverde mit Laurisilva und Fayal-Brezal) der mesokanarischen Stufe (Ixantho viscosi-Lauro novocanariensis-Stufe) zwischen 200 bis 1400 Metern über NN. Auf La Palma, Gran Canaria, El Hierro und Teneriffa kommen wegen der größeren Höhen der Inseln noch hinzu: • trockene „Kanarenkiefernwälder“ (Pinares) der mesokanarischen Stufe (Cisto symphytifolio-Pino canariensis-Stufe) in 1200 bis 2000 Metern über NN. und nur auf Teneriffa und La Palma • das „Teideginstergebüsch“ (Retamár) der suprakanarischen Stufe (Spartocytiso supranubii-Stufe) oberhalb 2000 Metern über NN. • die alpinoide „Teideveilchen-Schuttflur“ (Violeta del Teide) der orokanarischen Stufe (mit Viola cheiranthifolia) oberhalb 2700 Metern über NN. Es sei an dieser Stelle ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jeder Versuch einer detaillierten Höhengliederung auch noch jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen sein kann. Deshalb bleibt für die höhenklima-
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Abb. 3.10 a-f: Höhenabhängige Vegetationsformationen auf der Insel Teneriffa: a Sukkulentenbusch aus Euphorbia balsamifera (Tabaibal), b Cardonál von Euphorbia canariensis, c Juniperus turbinata ssp. canariensis kennzeichnet den thermophilen Buschwald (Bosque termófilo), d Thermokanarische Stufe der Nordhänge, beherrscht vom Monteverde aus Lorbeerwald (Laurisilva) und FayalBrezal, e Retamar der suprakanarischen Stufe und Viola cheiranthifolia (Detail), die am Vulkankegel des Teide Schuttfelder besiedelt, f Kanarenkiefernwald (Pinar) der mesokanarischen Stufe
tische Differenzierung von Teneriffa eine alte Version des schweizerischen Botanikers Hermann Christ (1833-1933) aus dem Jahre 1885 am plausibelsten, der schlicht eine Zone „unter den Wolken“, eine „Wolkenregion“ und einen Bereich „über den Wolken“ unterscheidet. Er hat damit, vermutlich ohne es zu ahnen, ein Charakteristikum aller passatbeeinflussten Gebirge erfasst.
3.4 Literatur
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3 Klima- und Vegetationszonierungen
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
Die Anfänge der Erforschung bodennaher Luftschichten liegen im 19. Jahrhundert, als zunächst der russische Forscher Aleksandr I. Wojeikov (1842-1916) an Vegetation und Boden gebundene Klimaeigenschaften untersuchte. Von ihm stammt unter anderem der immer noch gebräuchliche Begriff der Bestandesoberfläche als Grenzbereich des Boden-PflanzeAtmosphäre-Kontinuums. Nach Untersuchungen des Finnen Theodor Homen (1858-1923) zur Energiebilanz von Böden im Jahre 1897 konnte – auf diesen Ergebnissen aufbauend – im Jahre 1911 der deutsche Botaniker Gregor Kraus (1841-1915) die erste Monographie zum Thema „Boden und Klima auf kleinstem Raum“ herausgeben. Sechzehn Jahre später veröffentlichte dann der deutsche Meteorologe Rudolf Oskar Geiger (1894-1981) sein grundlegendes Werk „Das Klima der bodennahen Luftschicht“, das bis zum Jahre 1961 in der vierten deutschen Auflage erschien. Dieses Lehrbuch der Mikroklimatologie hatte seinerzeit Pioniercharakter und ist bis heute unübertroffen. Die mikroklimatischen Bedingungen der bodennahen Luftschicht werden weitestgehend durch das Relief der Bodenoberfläche bestimmt. Dabei spielt der Strahlungs- und Wärmeumsatz, wie wir ihn im Kapitel 2.3 kennen gelernt haben, eine maßgebliche Rolle. Die Energiebilanz an der Grenzfläche vom Boden zur Atmosphäre bestimmt hier die Eigenschaften des Mikro- oder Standortklimas beziehungsweise der laminaren Grenzschicht. Der unbewachsene Erdboden und die Vegetation modifizieren jedoch die Strahlungsbedingungen und die thermischen Eigenschaften je nach Dichte, Struktur und Zusammensetzung der Pflanzendecke sowie Porenvolumen, Wärme- und Temperaturleitfähigkeit oder Feuchtigkeit und Wasserleitfähigkeit des Bodens. Auch die Oberflächen von Gewässern sind in diesem Zusammenhang zu nennen: Im Vergleich zum festen Boden zeichnen sich Seen und breite Flüsse durch besondere strahlungsklimatische und thermische Eigenschaften aus. Trübungsgrade des Wassers und Intensität der Strahlung bestimmen hier die Eindringtiefen. Die Luftfeuchtigkeit über Wasserflächen ist im Vergleich zu festem Boden meistens erhöht. Detaillierte Darstellungen zum Thema „Lebensraum Wasser und Umgebung“ finden sich im Lehrbuch „Gewässer des Binnenlandes“ von R. Pott u. D. Remy (2000).
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
4.1 Charakteristika der bodennahen Luftschicht Die Luftschicht unterhalb der international vereinbarten Höhe von zwei Metern über der Bodenoberfläche ist die bodennahe Luftschicht, wie sie von Rudolf Geiger im Jahre 1927 definiert wurde. Je näher man der Bodenoberfläche kommt, desto mehr nimmt durch die Reibung am Boden die Windgeschwindigkeit ab und damit auch die Durchmischung der Luft. Obendrein absorbiert die Bodenoberfläche einerseits die einfallende Sonnenstrahlung und erwärmt sich dabei, andererseits strahlt sie auch die Wärme wieder aus und kühlt dabei die umgebende bodennahe Luft. Die Bodenoberfläche ist unter anderem auch Quelle des Wasserdampfes, der durch Verdunstung in die Atmosphäre gelangt. In dieser bodennahen Luftschicht wachsen die meisten Pflanzen, und viele niedrigwüchsige Pflanzengesellschaften sind auf dieses bodennahe Standortklima angewiesen. In einem mehrschichtigen Pflanzenbestand, wie wir es beispielsweise von einem mitteleuropäischen Wald kennen, gibt es verschiedene Wuchsstockwerke im typischen Bestandesaufbau: Am Boden und in der Krautschicht darüber, in der Strauchschicht, im Stammraum und im Kronendach des Waldes herrschen durchaus verschiedene, jeweils charakteristische Mikroklimate. Vergleichbares gilt darüber hinaus auch für den unterirdischen Wurzelbereich im selben Wald vom Humushorizont über die Bodenhorizonte bis in die tiefsten Gesteinsschichten (Abb. 4.1). Kronendach
Stammraum Strauch- und Krautschicht Humus- und Bodenhorizonte
Gesteinsschicht
Abb. 4.1. Stratigraphische und mikroklimatische Schichtung eines naturnahen Waldmeister-Buchenwaldes (Galio odorati-Fagetum) auf Rendzina-Humuskarbonatböden über kreidezeitlichem Plänerkalk im Teutoburger Wald
4.1 Charakteristika der bodennahen Luftschicht
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Neben der Feuchtigkeit ist die Temperatur wohl die wichtigste Klimakomponente und beeinflusst nachhaltig das Leben einer Pflanze. Die Stoffwechselvorgänge sind dabei in entscheidendem Maße von der Umgebungstemperatur abhängig, die bei höheren Werten zumeist fördernd, bei niedrigeren dagegen häufig hemmend wirkt. Bei Temperaturmessungen wird meistens die Lufttemperatur neben der Bodentemperatur bestimmt. Als Messinstrumente dienen dazu Thermometer oder auch selbstregistrierende Thermographen in Dataloggern (Abb. 4.2).
Abb. 4.2. Mit modernen Dataloggern, wie hier eine Messstation der Firma Thies im Naturschutzgebiet „Heiliges Meer“, Nordrhein-Westfalen, wird nicht nur die Lufttemperatur, sondern auch Luftfeuchte, Luftdruck, Niederschlagsmenge, Lichtintensität, Windgeschwindigkeit und Windrichtung aufgezeichnet (aus Pott 2000)
Besonders wichtig für manche Pflanzenbestände sind dabei die Extremtemperaturen, also die für die Zeitdauer eines jeweiligen Tages größte Erwärmung beziehungsweise die stärkste Abkühlung bei Nacht. Von Bedeutung sind weiterhin auch die Extremtemperaturen im Verlauf eines Jahres. Extremtemperaturen werden mit dem Maximum- und Minimumthermometer gemessen, einem eigens für solche Messungen konstruierten Thermometer. Dessen Quecksilbersäule schiebt ein Stäbchen vor sich her, welches jeweils bei den Extremwerten hängen bleibt. Mit der Erfassung solcher Extremtemperaturen werden gleichzeitig auch Temperaturschwankungen ermittelt. Das sind die Differenzen zwischen der höchsten und der niedrigsten Temperatur für einen gewissen Zeitraum, sei es für den Tag, den Monat oder das Jahr. Diese Differenzen werden als Amplituden bezeichnet: So können wir neben Tages- auch Monats- und Jahresamplituden
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
unterscheiden. Für die Messung der Bodentemperaturen verwendet man ebenfalls eigens konstruierte Instrumente: Die Quecksilberkugel eines Thermometers, die man in den Boden einsenkt, ist dabei mit der eigentlichen Skala durch ein Verbindungsstück konnektiert. Das Verbindungsstück richtet sich mit seiner Länge nach der Bodentiefe, in der gemessen werden soll. Es gibt Thermometer, mit denen man von etwa zwei Zentimetern Bodentiefe bis zu mehreren Metern messen kann. Will man einzelne Temperaturwerte in verschiedenen Bodentiefen auf einem begrenzten Raum erhalten, so setzt man mehrere Thermometer mit verschieden langen Verbindungsstücken nebeneinander an. Um die Lufttemperaturen für einen gewissen Zeitraum graphisch darzustellen, verwendet man normalerweise ein einfaches Kurvendiagramm, so wie man auch eine Fieberkurve zeichnet (Abb. 4.3). In der gleichen Weise kann man auch Bodentemperaturen darstellen; doch es empfiehlt sich, wenn zugleich an einem Ort in mehreren Tiefen gemessen wird, eine Bodenisothermendarstellung, wie sie auch schon Rudolf Geiger (1961) vorgestellt hat. Unter Bodenisothermen versteht man Linien beziehungsweise Flächen gleicher Temperatur in verschiedenen Bodentiefen.
Abb. 4.3. Messung und Darstellung von Bodentemperaturen, wie hier an einem Beispiel eines Studentenpraktikums aus dem Botanischen Garten der Universität Münster aus dem Jahr 1979. Bodenthermometer werden in definierten Tiefen eingebracht (oben); es ergeben sich Temperaturwerte über die Zeit (Mitte, hier in Stunden), die in Bodenisothermen-Darstellungen (unten) umgesetzt werden können
4.2 Der Einfluss des Reliefs
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4.2 Der Einfluss des Reliefs Der Einfluss der Geländegestalt, also des Reliefs, auf die Temperaturen ist bei Tag und Nacht oftmals sehr verschieden und führt zu differenzierten Auswirkungen insbesondere in Bezug auf die Wärme. Wir beginnen zunächst mit dem Kaltluftfluss und daraus resultierendem Kaltluftstau, welche bei Windstille meist nachts auftreten. Da kalte Luft schwerer ist als warme, sinkt sie im reliefierten Gelände abwärts und fließt dementsprechend von höheren in tiefere Lagen. So kommt es in Talgründen und Mulden zur Ansammlung von stagnierenden Kaltluftmassen am Boden und oftmals zur Ausbildung von Bodenfrost. Wir sprechen dann von Kaltluftseen oder im Gebirge von „Frostlöchern“, die sehr gefürchtet sind, weil dort extrem niedrige Temperaturen auftreten können. Anstelle der von den Hängen herabgeflossenen Kaltluft erhalten die höheren Lagen demgegenüber wärmere Luft. Auf diese Weise tritt eine Temperaturumkehr ein, denn sonst nehmen ja normalerweise die Temperaturen zur Höhe hin ab, wie wir es zuvor gesehen haben. Die so erzeugten Temperaturdifferenzen können erheblich sein. Dementsprechend bleiben starke lokale Temperaturgefälle auf kleinstem Raum nicht ohne Einfluss auf die Vegetationsverteilung. Am Beispiel der Temperatur- und Vegetationsverteilung der Doline Gstettneralm in Abbildung 4.4 ist sehr gut zu sehen, wie stark sich ein solcher Kaltluftstau auswirken kann.
Abb. 4.4. Temperaturverteilung in der Doline Gstettneralm in den Ostalpen bei Lunz (verändert nach Geiger 1961)
Es kommt nicht nur zu einer erheblichen Abkühlung am Grunde der Doline, sondern die Vegetation erfährt quasi eine Umkehr gegenüber der „normalen“ Höhenstufung. Folgen im Regelfall mit der Höhe auf Nadelwald Krummholz und alpine Matten, so sind die Verhältnisse hier umgekehrt. In der Doline Gestettneralm ist damit eine Inversion der Vegetationsstufen auf kleinstem Raum eingetreten, genauso, wie sich die Tempe-
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
raturumkehr aufbaut. In diesem Frostloch ist auch die für Mitteleuropa bislang tiefste Temperatur von minus 51 Grad Celsius gemessen worden. Ähnliche Verhältnisse in anderen Frostlöchern sind nicht selten, wie schon im Jahre 1932 der österreichische Vegetationskundler Erwin Aichinger (1894-1985) aus den Karawanken beschrieben hat. Eine ganze Reihe solcher Beispiele ist auch aus dem südwestlichen Schweizer Jura bekannt. In vielen Tälern, deren Hänge mit Obstplantagen bestockt sind, werden bei Frostgefährdung nachts die Talsohlen künstlich beregnet. Das Wasser gefriert in der Talsohle, dabei wird Wärme frei, und es entsteht künstlicher Rauhreif. Auf diese Weise verhütet man die Bildung von Kaltluftseen. Als Kaltluftströme entwickeln sich in Berglagen oder in Wüsten die gefürchteten nächtlichen Talwinde. Sie können beispielsweise Nebelfrost erzeugen. Auch dieses übt einen erheblichen Einfluss auf die Vegetation aus. Das Themenfeld Frost wollen wir in den Kapitel 4.4 und 4.6 vertiefen. Von besonderer Bedeutung sind die Unterschiede in der Exposition und der Inklination des Geländes: Von der Exposition eines Hanges zur Sonne hängt das Maß der Wärmestrahlung ab, welche der Boden erhält (Abb. 4.5).
Abb. 4.5. Unterschiedliche Expositionen erhalten unterschiedlichen Lichtgenuss. Jede Strichfolge symbolisiert eine gleiche Energiemenge langwelliger Einstrahlung. Die vom gleichen Strahlenbündel versorgte Fläche ist am Nordhang in unserem Beispiel um das mehrfache größer als am Südhang, das heißt, die Energiemenge pro Quadratmeter ist entsprechend geringer
Dadurch wird das Wärmeklima der Lokalität bestimmt. Wie bei einer ebenen Fläche setzt sich auch die empfangbare Wärmemenge eines Hanges aus der direkten Sonnenstrahlung und der diffusen Himmelsstrahlung zusammen, aus Faktoren also, die wir im Kapitel 2.3 schon kennen gelernt haben. Die diffuse Strahlung zeigt im Allgemeinen bei wechselnden Expositionen keine großen Unterschiede, deswegen sind die Temperaturen eines Nord- und Südhanges bei trübem Wetter auch ziemlich gleich. Ganz anders ist dies bei direkter Sonnenstrahlung: Unsere Messungen im Elbsandsteingebirge von 1995 bis 1999 an Moospolstern in unterschiedlichen Expositionen haben das sehr deutlich gezeigt (Abb. 4.6).
4.2 Der Einfluss des Reliefs
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Abb. 4.6. Das Laubmoos Mylia taylori bildet im Elbsandsteingebirge Rasen an nordexponierten Sandsteinwänden in schattigen und feuchten Lagen; Pohlia nutans, ebenfalls ein Laubmoos, wächst auf den südexponierten und sonnenbestrahlten Felskuppen. Die Differenzen der Temperaturen, bei denen diese Moose wachsen, sind extrem, obwohl die Messpunkte keine 50 Meter auseinander liegen (vgl. Tab. 4.1)
Wie extrem das Wärmeklima bei wechselnder Exposition an verschiedenen Berghängen sein kann, zeigen die Zahlenwerte in der Tabelle 4.1. Tabelle 4.1. Temperaturmessungen an Moospolstern im Elbsandsteingebirge im Abstand von nur 50 Metern Nordhang
Südhang
Mittleres Jahresmaximum
19,5 °C
52,6 °C
Mittleres Jahresminimum
- 3,6 °C
- 6,0 °C
6,2 °C
23,3 °C
Mitteltemperaturen
Berechnet man aus diesen Werten die angenäherte mittlere Jahrestemperatur, so findet man für den Moosrasen am Nordhang 6,2 Grad Celsius und für den Moosrasen am Südhang 23,3 Grad Celsius. Ins Großklima übersetzt würde das einem Temperaturklima in Mittelskandinavien einerseits und in der Sahara andererseits entsprechen. Wenn wir uns diese Werte vor Augen halten, dann ist die stark expositionsbedingte Verschiedenheit von Flora und Vegetation unserer Berghänge sehr gut verständlich. Wir verstehen auch, weshalb die wärmeliebenden Pflanzen, die ihre Hauptverbreitung im südlichen und südöstlichen Europa haben, gerade die südlich ge-
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
richteten Hänge besiedeln, während die nordisch-borealen Arten eher Nordhänge bevorzugen. Die unterschiedliche Besonnung der Hanglagen ändert sich mit der geographischen Breite: Am Äquator zum Beispiel, wo die Sonne um die Mittagszeit mehr oder weniger im Zenit steht, verschwinden die Unterschiede fast ganz. Hier erhalten die größten Wärmemengen vormittags beziehungsweise nachmittags die Ost- und Westhänge. Mit zunehmender geographischer Breite ändert sich das aber. Auf der Nordhemisphäre erhält dann der Südhang und auf der Südhemisphäre der Nordhang die stärkste Einstrahlung. In den polaren Gebieten schließlich nimmt die direkte Sonnenstrahlung im Verhältnis zur diffusen Strahlung immer mehr ab, so dass auch hier die Expositionsunterschiede wiederum von geringerer Bedeutung sind, aber nicht ganz verschwinden. Mit zunehmender Höhe über dem Meer wird obendrein der Anteil der diffusen Strahlung ebenfalls immer geringer. Deshalb werden in den Gebirgen von unten nach oben in unseren mittleren Breiten die Expositionsunterschiede mit direkter Einstrahlung für die Vegetation immer bedeutungsvoller. Wenn durch die Hangneigung die Strahlen senkrecht zur Bodenoberfläche fallen, dann treten beträchtliche Temperaturunterschiede zwischen Süd- und Nordhang auf. Für die Vegetation macht sich das bemerkbar durch unterschiedliche Andauer der Vegetationsperioden: Während letztere an einem Südhang bereits in vollem Gang ist und im Kalkbuchenwald schon die Frühlingsgeophyten blühen, liegen an der Nordseite noch die Reste des Winterschnees und die Pflanzen in Winterruhe.
Abb. 4.7. Einstrahlungsunterschiede machen sich an süd- oder nordexponierten Hängen deutlich bemerkbar. Aus der Zeichnung wird ersichtlich, dass es sich dabei um Unterschiede in der Strahlungsintensität handelt
4.3 Wärmeableitung
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Mit zunehmender Neigung eines Hanges, also der Inklination, wird die Sonneneinstrahlung zunächst immer stärker. Am besten und intensivsten wird der Hang erwärmt, der mittags im rechten Winkel zur Sonne steht, wenn bei Sonnenhöchststand ihre Strahlen senkrecht auf den Boden treffen (Abb. 4.7 u. 4.8). Dieser günstigste Neigungswinkel zur Sonnenstrahlung ändert sich mit geographischer Breitenlage und dem Sonnenstand im Laufe des Jahres zu den verschiedenen Jahreszeiten.
Abb. 4.8. Expositionsunterschiede von Süd- und Nordhängen am Badberg im Kaiserstuhl. Die sonnenbeschienenen Südhänge wirken gegenüber den Nordhängen wie ausgedörrt
Überschreitet oder unterschreitet der Neigungswinkel eines Hanges diese Grenzwerte, dann nimmt die Einstrahlung wieder ab. Eine senkrechte Felswand wird daher in unseren Breiten die stärkste Einstrahlung im Winter beim Tiefststand der Sonne erhalten, nicht jedoch im Sommer. Diese Erscheinungen ändern sich natürlich wiederum in anderen geographischen Breiten. In der Antarktis wird zum Beispiel im Sommer eine senkrechte Nordwand die günstigsten Wärmeverhältnisse aufweisen, in der Arktis eine Südwand.
4.3 Wärmeableitung Nach der Aufsummierung aller Energiezufuhren und Abflüsse bleibt an der Erdoberfläche ein Energieüberschuss übrig. Dieser wird für zwei Prozesse verbraucht: Zum einen wird Luft durch Kontakt mit der Erdoberfläche erwärmt, wodurch der Atmosphäre Energie zugeführt wird. Dies ist
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
nach H. Gebhardt et al. (2007) der fühlbare Wärmestrom. Dieser kann durch Lufttemperaturmessungen erfasst werden, und er ist unter anderem wichtig für die Bildung von Wasserdampf durch Kondensation, also für den „versteckten Energietransport“ von der Erdoberfläche in die Atmosphäre, bei der Taubildung auch latenter Wärmestrom genannt. Die Sonnenenergie gelangt also nicht nur durch Absorption der direkten Sonnenstrahlung, sondern noch viel stärker durch Absorption an der Erdoberfläche und Umsetzung über langwellige Ausstrahlung in die Atmosphäre zurück. Für eine komplette Strahlungsbilanz müssen wir aber auch noch eine weitere Komponente berücksichtigen: den Bodenwärmestrom, die Energieleitung oder Wärmeableitung von der Erdoberfläche in den Boden. Folgende Parameter sind für die Wärmeableitung im Boden von Bedeutung: • Wärmeausstrahlung gegen die Atmosphäre, also Reflexion (Abb. 2.3), • Wärmeaustausch mit den unmittelbar angrenzenden bodennahen Luftschichten, • Wärmespeicherung, • Verdunstungswärme, sofern der Boden feucht ist. Die Wärmeausstrahlung von der Bodenoberfläche gehört zu den Wärmeumsetzungen, die sich in der Atmosphäre vollziehen. Über die Zusammenhänge der Reflexion sind wir bereits aus Kapitel 2.3 informiert. Bei der Ausstrahlung vom Boden her handelt es sich um nicht sichtbare, langwellige Strahlen. Ausstrahlungseffekte sind besonders intensiv in klaren Nächten oder in wolkenarmen Gebieten und oftmals mit Bodenfrostgefahr verbunden. Sie treten besonders häufig im Frühling der gemäßigten Breiten auf. Eine große Bedeutung für die Erwärmung der Atmosphäre kommt dem Wärmeaustausch zu: Die unmittelbar dem Boden angrenzende Luftschicht wird dabei durch direkte Wärmestrahlung erhitzt. Die Luft wird dadurch spezifisch leichter, was zu einer Instabilität der unteren Luftschichten führt: Schwerere, kühlere Luftmassen liegen dann über den leichteren, erhitzten Luftmassen. Die erwärmten Luftmassen steigen infolgedessen auf, während sich an ihrer Stelle die Kaltluft abwärts bewegt; die Folge ist dann die schon erwähnte Bildung von Mikroturbulenzen mit entsprechenden Temperaturunruhen in der gesamten bodennahen Luftschicht. Es gibt also eine Temperaturdifferenz zwischen dem Boden und der Luft über dem Boden, deutlich spürbar etwa bei uns im Sommer auf einem nahezu unbewachsenen Sandboden einer Binnenlandsdüne (Abb. 4.9). Ein solches Phänomen mit starkem Luftaustausch über erhitztem, nacktem Boden wird oft im Sommer durch Schlierenbilder sichtbar, wenn Flimmerbewegungen der Luftpartikel sogar Zerrbilder am Horizont erzeugen. Die-
4.3 Wärmeableitung
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se Naturerscheinung ist eine komplizierte Art einer Luftspiegelung, die in Wüsten sogar Wasserflächen vorgaukelt und entfernte Teile einer Landschaft scheinbar näher rücken lässt. Zahlreiche Beispiele von Anpassungsnotwendigkeiten der Vegetation des vergleichsweise extremen Lebensraumes einer Binnenlandsdüne lassen sich hier anführen: So gibt es erhebliche Belastungen bis hin zu Schädigungen der Pflanzen auf offenen Sandböden, da in Bodennähe die Temperaturen oft 15 bis 20 Grad Celsius über der Lufttemperatur in 2 Metern Höhe liegen, was einen erheblichen Trockenstress auslösen kann. Mit einer starken nächtlichen Abkühlung bei Hochdruckwetterlagen können hier die durchschnittlichen Temperaturschwankungen eines Tages durchaus bis zu 50 Grad Celsius betragen. Die Maxima können sogar noch höher sein, wie Abb. 4.9 zeigt. Ähnliche Messergebnisse liegen schon aus den 1930er Jahren von den Trockenrasen des Maintales vor, die O. H. Volk (1937) untersuchte; auch hier erhitzten sich die Moospolster bis zu 70 Grad Celsius, aber schon in einem Zentimeter Tiefe sank die Temperatur auf 55 Grad Celsius.
Abb. 4.9. Im Sommer entwickelt sich über Sandböden tagsüber an der Bodenoberfläche ein vertikaler Temperaturgradient. Die Wärmeableitung ist in diesem Fall abhängig von der Bodenauflage. Besonders stark ist die Wärmeableitung und damit auch entsprechend gering die Erwärmung der oberen Bodenschichten (grüne Kurve), wenn diese weitgehend vegetationsfrei und hell sind. Sie ist gering, wenn lufterfüllte, dunkle Humusauflagen oder dunkel gefärbte Vegetationsschichten die Strahlung absorbieren. So können in einer trockenen, dunklen Humusauflage und einer Moosschicht mit Polytrichum juniperinum auf Sandböden im Hochsommer Extremtemperaturen bis zu 70,5 Grad Celsius gemessen werden (rote Kurve). Stixer Düne an der Elbe bei Neuhaus
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
Diejenige Menge der Sonneneinstrahlung, welche auf die Erdoberfläche gelangt, wird also zu einem Teil vom Boden reflektiert, zum anderen Teil absorbiert und im Wege der Wärmespeicherung in Wärme umgesetzt. Die absorbierte Strahlung erwärmt dementsprechend den Boden auf der Landmasse und auch das Wasser der Ozeane. Das Eindringen der Wärme in den Boden ist abhängig von dessen mineralischer Beschaffenheit, der physikalischen Struktur und der Durchfeuchtung. Tägliche Temperaturschwankungen sind im Boden jedoch höchstens bis zu einer Tiefe von einem Meter spürbar. Nur die Jahresamplituden der Temperaturen sind bis in größere Bodentiefen hinein messbar. Erst bei 10 bis 15 Metern Bodentiefe bleiben die Temperaturen das Jahr über konstant und spiegeln damit die mittlere Jahrestemperatur der Luft wider, was man leicht in Höhlen feststellen kann, die oft in besonderem Maße isotherm sind, also über ein besonders gleichmäßig gestaltetes Klima verfügen. In noch größeren Tiefen erfolgt dann eine Temperaturzunahme im Rahmen der geothermischen Tiefenstufen mit Werten um 1 Grad Celsius auf etwa 35 Meter Tiefenabstieg. Die Bodenisothermen in Abb. 4.3 verdeutlichen zunächst ein wichtiges Phänomen: Für die Bodentemperaturen kennzeichnend ist der Ausgleich von Temperaturschwankungen, der mit zunehmender Tiefe immer größer wird. Grundlegend wichtig ist in diesem Zusammenhang die Transformation der sichtbaren kurzwelligen Einstrahlung an der Erdoberfläche in Wärme und die Speicherung derselben im Boden. Diese ist abhängig vom Luftgehalt des Bodens, indem dieser isolierend wirkt. Lufthaltige, trockene Böden erhitzen sich also an der Oberfläche, nasse, luftarme Böden leiten die Wärme besser ab. Bewachsener Boden mindert die Extreme, nackter Boden oder unbewachsener Fels steigert sie, so dass Werte von 60 bis 70 Grad Celsius erreicht werden können, besonders bei dunkler Farbe, wie wir in Kapitel 4.1 gesehen haben. Die Verdunstungswärme bedingt, dass feuchter Boden bei gleicher Einstrahlung kühler bleibt als trockener Boden; dieses Phänomen hängt nicht nur mit der schon erwähnten Wärmestrahlung, sondern vor allem mit der potentiellen Evaporation zusammen. Die potentielle Evaporation spiegelt die unter gegebenen klimatischen Bedingungen maximal mögliche Verdunstung wider. Die tatsächliche Verdunstung bezieht sich demgegenüber auf die Verdunstung, die von den gegebenen Wasservorräten im Boden abhängig ist. Die tatsächliche ist immer kleiner oder maximal gleich der potentiellen Verdunstung. Bei Wassermangel im Boden nimmt der Unterschied zwischen potentieller und tatsächlicher Evaporation stark zu.
4.3 Wärmeableitung
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Die Verdunstung „absorbiert“ gleichsam die Wärme im Boden. Es wäre daher auch angebrachter, von „Verdunstungskälte“ zu sprechen. Die Temperaturdifferenzen, welche an der Bodenoberfläche durch die Verdunstungswärme hervorgerufen werden, sind oft erheblich, wie es uns ein Beispiel in der Tabelle 4.2 aus der Etoscha-Pfanne in Südwestafrika zeigt. Hier können die Mittagstemperaturen auf trockenem Substrat etwa 40 Grad Celsius höher sein als die Werte am frühen Morgen (vergleiche Abb. 4.10). Die Wärmeabgabe hier lebender Pflanzen kann nur über die Wärmeleitung im Boden, über Wärmeausstrahlung in den Luftraum, über Wärmeaustausch oder über die Verdunstung erfolgen. Tabelle 4.2. Lufttemperaturen in Grad Celsius an der Bodenoberfläche in der Etoscha-Pfanne am 20. Februar 2002 Tageszeit
8 Uhr
10 Uhr 12 Uhr 13 Uhr 14 Uhr 15 Uhr 16 Uhr
trockener Sand
23,8
45,9
64,0
65,7
65,3
63,0
57,5
feuchter Sand
21,5
33,3
40,0
41,0
41,0
38,5
37,8
Abb. 4.10. In der Etoscha-Pfanne im südwestafrikanischen Namibia können plötzliche Starkregen entstehen, wenn sich kondensiertes Wasser in der Luft angereichert hat
Verschiedene Bodenarten bedingen große Unterschiede in der Wärmeleitung. Größere, grobkörnige Sandböden und stark gekrümelte Böden leiten im Allgemeinen schlechter als feindisperse Böden, wie Lehme und Tone. Das hat natürlich zur Folge, dass sich aufgrund der geringeren
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
Leitfähigkeit ein Sandboden oberflächlich viel stärker erwärmt als ein Lehmboden, der die Wärme besser in die Tiefe ableitet. Die Wärmeleitung hängt also von der Luftkapazität des Bodens ab. Die Temperaturleitfähigkeit des Bodens steht also mit seinem Feuchtigkeitszustand in engem Zusammenhang: Ist der Boden trocken, dann sind die Zwischenräume der Bodenkrümel mit Luft erfüllt. Wasser dagegen leitet die Wärme im Allgemeinen 30-mal besser als Luft. Sind also die Bodenzwischenräume im feuchten Zustand mit Wasser gefüllt, ist eine wesentlich bessere Wärmeableitung garantiert. Das bedeutet also, dass sich trockener Boden nur oberflächlich erwärmt und zwar sehr schnell, während ein feuchter Boden relativ kühl bleibt, weil eben die Wärme besser in tiefere Bodenschichten abgeleitet wird. Es ist leicht einzusehen, dass damit auch die Temperaturschwankungen in trockenen Böden wesentlich größer sind, als in feuchten Substraten. Wir halten fest: Feuchte Böden sind im übertragenen Sinne „ozeanische“, trockene Böden dagegen „kontinentale“ Standorte.
Abb. 4.11. Im Frühjahr bilden sich in manchen Buchenwäldern dichte Teppiche des Märzenbechers (Leucojum vernum) aus und zeigen, wie Geophyten von der Erwärmung der Böden profitieren können
Ein schönes Beispiel für die Wärmewirkung zeigt sich in unseren Breiten im zeitigen Frühjahr. Die Laubstreu in unseren Buchenwäldern erwärmt sich bei uns Ende März oder Anfang April vor der Belaubung der Bäume oft schon sehr stark. An sonnigen Tagen sind in dieser Jahreszeit Temperaturen, die auf 25 bis 30 Grad Celsius ansteigen können, keine Seltenheit. An Südhängen vieler Mittelgebirge in Mitteleuropa sind sogar im Frühling Temperaturen der Streu von bis zu über 40 Grad Celsius gemes-
4.4 Niederschläge
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sen worden. Die in dieser Streuschicht befindlichen Knospen von Waldpflanzen werden durch solche Temperaturen zum frühen Austreiben veranlasst. Das trägt mit dazu bei, dass in unseren Wäldern im Allgemeinen ein Blütenzauber aus Geophyten im Vorfrühling entsteht, während ringsum die Natur noch kaum erwacht ist. Anemonen, Lerchensporn, Leberblümchen, Scharbockskraut, Goldsterne und Märzenbecher kennzeichnen die Geophyten-Fazies des Vorfrühlings mitteleuropäischer Kalkbuchenwälder (Abb. 4.11).
4.4 Niederschläge Abgesehen von der Temperatur wird eine Pflanzendecke in keinem anderen Falle so stark beeinflusst wie durch die Feuchtigkeit. Feuchtigkeit und Temperatur sind also die bestimmenden Faktoren für die Differenzierung des Pflanzenkleides unserer Erde. Das Wasser spielt in unserem Standortsgefüge eine ganz besondere Rolle: Es ist nicht nur ein vielfältiger abiotischer Faktor, sondern gleichzeitig auch ein wesentlicher Bestandteil der Pflanzen selbst. Als meteorologische Größe tritt uns Wasser in allen drei bekannten physikalischen Zuständen von fest, flüssig und dampfförmig entgegen. Wir kennen Eis, Schnee, Regen, Nebel, Tau und Wasserdampf (Luftfeuchte). Im Boden gibt es Grundfeuchte, Grundwasser, Kapillarwasser, Haftwasser, und es tritt gebundenes und pflanzenverfügbares Wasser oder auch Wasserdampf auf. Im Faktor Wasser wird das KlimaBoden-Pflanze-Kontinuum ganz besonders deutlich. Pflanzen können nur dort existieren, wo zumindest zeitweise ausreichend Wasser zum Aufbau eines Pflanzenkörpers von der Keimung bis zur Reproduktion zur Verfügung steht. Für die Pflanzen am Wuchsort stellen sich zwei Hauptprobleme: Einmal muss Wasser aus dem Boden aufgenommen, zum anderen muss eine übermäßige und unkontrollierte Wasserabgabe an die Atmosphäre verhindert werden. Als klimatischer Standortfaktor für die Differenzierung der Vegetation sind Niederschläge, Niederschlagsmengen und die Feuchtigkeit in vierfacher Weise bestimmend: • durch Menge, • durch Dauer, • durch jahreszeitliche Verteilung, • durch Wasserdampfgehalt der Luft. Das Ausmaß der Wasserrückführung in die Atmosphäre wird generell von deren Aufnahme- und Speicherkapazität für Wasserdampf geprägt, und dieser Vorgang ist temperaturabhängig: In warmer Luft kann eine er-
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
heblich größere Wassermenge im dampfförmigen Aggregatzustand gehalten werden als in kalter Luft. Dementsprechend wird bei niedrigen Temperaturen das Wasserdampfsättigungsdefizit der Luft aus geringeren Wassermengen, die verdunsten, auffüllbar sein, als dies bei hohen Temperaturen selbst bei erheblich höherer Wassernachlieferung auf dem Niederschlagsweg möglich ist, wie dies besonders Rainer Lösch (2002) sowie R. Lösch u. E. D. Schulze (1994) hervorheben. Überschreitet die Größe oder das Gewicht von kondensiertem Wasserdampf den Reibungswiderstand der Luft und deren Auftrieb, so fällt er als Regen herab. Die Grenze zwischen den kondensierten Tautropfen und den Regentropfen ist fließend, aber wichtig hinsichtlich ihrer Dauer und Intensität sowie der Größe und der Menge. Wenn man bedenkt, dass ein normaler Regentropfen rund 8 Millionen Wassertröpfchen von je einhundertstel Millimeter Durchmesser enthält, so sieht man den enormen Spielraum zwischen Wasserdampf – oder Wolkenkondensation – und Niederschlag. Die Grenzen sind natürlich fließend: Wir kennen sie aus dem Wetterbericht als Erscheinungen des Nieselns, des Nebelnässens, des Nebelniederschlags bis hin zum Landregen. Die klimatische Bedeutung der Niederschläge ist evident. Im Allgemeinen unterscheiden wir hinsichtlich der Niederschläge mehrere verschiedene Kategorien. Konvektionsniederschläge beruhen auf dem wärmebedingten Aufsteigen der Luft bis zum Kondensationsniveau. Die Anregungen zu solchen vertikalen Luftbewegungen erfolgen durch klein- oder mittelräumige Erwärmungsunterschiede an der Erdoberfläche. Ausdruck solcher Vertikalbewegungen sind die Thermik und die Konvektion. Dabei verstehen wir unter Thermik die mehr aufwärts gerichtete Strömung wärmerer Luft und unter Konvektion hingegen das Aufsteigen erwärmter Luft bei gleichzeitigem Absinken kälterer Luft in der Umgebung. Vollzieht sich die Thermik ohne Wolkenbildung, spricht man von trockener Thermik oder Blauthermik. Ist die Luft dagegen ausreichend feucht, entwickeln sich typische Cumulus-Wolken, wie man sie an sommerlichen Schönwettertagen oft nachmittags beobachten kann. Abends lösen sie sich auf, da mit Abkühlung des Erdbodens die Thermik erlischt. Konvektionsbedingte Niederschläge sind daher an die warme Jahreszeit oder an warme und zugleich feuchte Klimate gebunden. Besonders niederschlagsreich sind die inneren Tropenzonen im Bereich der ITCZ (s. Kapitel 2.5) und die Westwindgürtel mit ihren Zyklonalregen. Zyklonale Aufgleitniederschläge entstehen, wenn sich Tiefdruckgebiete als Luftwirbel größeren Ausmaßes mit vorderseitigen Warmluft- und rückseitigen Kaltluftvorstößen bilden. Diese wurden interessanterweise als erste vom englischen Admiral Robert FitzRoy (1805-1865) durch Beobach-
4.4 Niederschläge
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tung auf See im Jahre 1859 erkannt und beschrieben. Robert FitzRoy ist uns als Kapitän der Beagle bekannt, mit der Charles Darwin seine große Weltreise unternommen hatte. Solche Zyklone besitzen charakteristische Warm- und Kaltfronten, die bei uns in Europa oft den Witterungsverlauf im Sommer prägen, wenn schwülwarme und gewitterträchtige Witterungsabschnitte von kühleren Phasen unterbrochen werden. Wenn dabei feuchte Warmluft an Fronten über kältere Luftmassen aufgleitet, bilden sich hohe Wolkentürme mit oftmals kräftigen Niederschlägen. Luftmassenmischungsniederschläge sind meist Gewitter, die an mächtige Wolken mit kräftigen vertikalen Luftströmungen und heftigen Kondensationsvorgängen gebunden sind. Besonders fördernd für die Gewitterentstehung ist feuchtwarme Luft mit feuchtlabiler Schichtung bis in große Höhen der Troposphäre. Man unterscheidet, je nach Genese, Luftmassengewitter – die bekannten Wärmegewitter im Sommer –, Frontgewitter im Bereich von Zyklonen, orographisch bedingte Gewitter und Gewitter, die von der Luftmassenzufuhr, von Ausstrahlung in hohen Luftschichten oder von Konvergenz der Luftströmungen in tieferen Luftschichten verursacht werden. Sie bringen lokal hohe Niederschläge. Jährlich entstehen auf der Erde rund 16 Millionen Gewitter, täglich etwa 44 000. Es gibt Gewitterzentren in Südamerika und Äquatorialafrika mit 180 bis 200 Gewittertagen pro Jahr. In Mitteleuropa sind jährlich rund 30 Gewittertage zu verzeichnen, in den Polarregionen dagegen gibt es durchschnittlich nur einen Gewittertag pro Jahr. Diese Phänomene sollen hier nicht weiter vertieft werden; sie können ausführlich bei Peter Hupfer u. Wilhelm Kuttler (2006) nachgelesen werden. Steigungsniederschläge gehören zu den konvektiven Niederschlägen, die durch geländebedingte Hebung von Luftmassen erfolgen. Hohe Werte werden dabei vor allem an Gebirgen durch Luftmassen, die bei der Passage der Höhen zum Aufsteigen gezwungen sind, erzeugt. Dass die Niederschläge in allen drei Aggregatszuständen von Wasser auftreten können, nämlich fest, flüssig und gasförmig, wollen wir zunächst am Beispiel des Nebelniederschlags verdeutlichen. Nebel nennt man den zu feinsten Tröpfchen (Durchmesser 0,02 Millimeter) kondensierten schwebenden Wasserdampf in den untersten Luftschichten und am Boden. Nebel entsteht bei starker Abkühlung der bodennahen Luft, die dadurch den Taupunkt unterschreitet. Die Wassermenge, die aus treibendem Nebel beispielsweise durch Wald herausfiltriert wird, hängt ab vom Tröpfchengehalt der Nebelwolke selbst, von der Kontinentalität des Klimas und von Hangeffekten aus Luv- und Lee-Expositionen. Seehöhe und Strömungsgeschwindigkeiten der Winde spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Diese Erscheinungen sieht man deutlich im Winter, wenn gewaltige Nebelfrostbehänge diese Landschaften bizarr verformen (Abb. 4.12). In den Tropen
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
bedingen solche Nebelniederschläge die Formationen der Nebelwälder an den Gebirgshängen. Im Sommer ist interessanterweise in Mitteleuropa der Gesamteintrag des Nebelniederschlags geringer als im Winter, weil in den Wäldern der Verdunstungsverlust durch Interzeption (= Niederschlagszurückhaltung) im belaubten Zustand der Bäume größer ist als im winterlichen unbelaubten Zustand. In den Kronen der Bäume wird also bedeutend mehr Niederschlag ausgefällt, als auf den Waldboden gelangt. Dieses kann zu beträchtlichen Werten führen (Tabelle 4.3).
Abb. 4.12. Dichte Nebelfrostbehänge prägen einzeln stehende Buchen am Schauinsland im Hochschwarzwald Tabelle 4.3. Interzeption mitteleuropäischer Wälder gegenüber Freiland im Jahresdurchschnitt (nach Blüthgen 1966) Ausgewählte Berge
Sommer
Winter
Großer Feldberg, Taunus (880 Meter)
+ 30 Prozent
+ 50-60 Prozent
Lemberg, Schwäbische Alb (1015 Meter)
+ 30 Prozent
+ 69 Prozent
Wasserkuppe, Rhön (950 Meter)
+ 160 Prozent
+ 260 Prozent
Tau ist der Typ des flüssigen atmosphärischen Niederschlags, der sich bei starker Ausstrahlung durch Anlagerung von feinen Wassertröpfchen an unterkühlte Oberflächen von Pflanzen, Boden oder an Steinen bildet, wenn
4.4 Niederschläge
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der Taupunkt in Bodennähe unterschritten wird. Beim Taupunkt ist eine feuchte Luftmasse voll gesättigt; die Luftfeuchtigkeit beträgt dann 100 Prozent. Beim Unterschreiten der am Taupunkt herrschenden Temperaturen setzt Kondensation ein, der Wasserdampf geht vom gasförmigen in den flüssigen Zustand (Abb. 4.13).
Abb. 4.13. In den frühen Morgenstunden können oftmals Tautropfen an Pflanzen, wie hier an Agrostis capillaris, auftreten
Eine weit verbreitete, selbst in den Wüsten der Subtropen vorkommende Form von Eisniederschlägen bildet der Reif. Dabei handelt es sich um Niederschlag von Wasserdampf in Form von feinsten Eiskristallen an der unterkühlten Vegetationsdecke und an anderen kalten Oberflächen (Abb. 4.14). Advektionsreif entsteht, wenn die Bodenoberfläche so stark erkaltet ist, dass der Sättigungspunkt der bodennahen Luft unter dem Gefrierpunkt liegt und sich infolge der nächtlichen Abkühlung die Feuchtigkeit in fester Form auf dem Boden, an Pflanzen oder an anderen Gegenständen als kondensierter Beschlag niederschlägt. Reif bildet sich nach Unterschreiten des Gefrierpunktes in Bodennähe bei feuchter Luft sehr rasch und ist häufig in den Übergangsjahreszeiten. Normalerweise erfolgt dies in klaren und windstillen Nächten.
Abb. 4.14. Deutlich zeichnet sich ein Reifrand an den Blättern des Efeus Hedera helix ab
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
Nebelfrost ist der Oberbegriff für die abgesetzten Niederschläge Raureif, Raueis, und Klareis. Nebelfrostablagerungen bilden sich meist beim Gefrieren von Nebeltröpfchen an vorwiegend vertikalen Flächen unter gleichzeitiger Beteiligung von Sublimation. Raureif ist eine Sonderform von Advektionsreif. Es handelt sich meist um dünne Eisnadeln oder Eisschuppen. Diese haften an Gegenständen nur locker an, sind zerbrechlich und entstehen fast ausschließlich durch Sublimation. Dabei handelt es sich um den Übergang von festen zu gasförmigen Zuständen ohne eine flüssige Phase. Dies kann nur bei Temperaturen unterhalb des Gefrierpunktes erfolgen. Voraussetzung für die Reifbildung sind hohe Luftfeuchte (um 90 Prozent oder mehr), schwacher Wind und Temperaturwerte unter minus 8 Grad Celsius. Die Kristalle wachsen in die Richtung, aus der der Wind weht. Abweichend davon entsteht Raueis bei Nebel durch Eisniederschlag der kondensierten Feuchtigkeit. Herrscht dabei nur ein geringster Wind, dann geschieht der Raueisansatz meist einseitig an der Luvseite, wie wir es in Abb. 4.12 gesehen haben. Auf diese Weise können gewaltige, meterdicke Eisgebilde entstehen, die an Bäumen mit Eis- und Schneebruch große Zerstörungen anrichten. Diese Form des Niederschlags ist in den E- und FKlimaten Köppens von großer Bedeutung. Er kann mit den normalen Regenmessern zwar nicht erfasst werden, beträgt aber nach Hildung Köhler (1937) für die Gletscher von Lappland und Ellesmere Island bis zu 50 Prozent der Schnee-Niederschlagsmenge und wird gebildet bei Lufttemperaturen von minus 20 bis minus 35 Grad Celsius. Er spielt auch für die Niederschläge in der Antarktis die größte Rolle. Regnet es bei Frost, ohne dass die Regentropfen schon zu Eis gefroren wären, dann überzieht sich alles mit einer Eisschicht: Dieses Phänomen wird Klareis genannt. So ein gläserner Panzer über Pflanzen kann ebenfalls schwerste Bruchschäden an Phanerophyten zur Folge haben.
4.5 Luftfeuchtigkeit und relative Luftfeuchtigkeit Die Luftfeuchtigkeit, also der Wasserdampfgehalt der Luft, wird als absoluter Wert entweder in Gramm ausgedrückt oder in Millimetern Dampfspannung. Daneben wird aber auch die relative Luftfeuchtigkeit bestimmt. Die relative Luftfeuchtigkeit gibt das Verhältnis des wirklichen Dampfgehaltes zum höchstmöglichen Dampfgehalt der Luft an. Sie setzt also Feuchtigkeitsgehalt und Feuchtigkeitskapazität der Luft (partielle Luftfeuchtigkeit) in Relation, denn die Feuchtigkeitskapazität ändert sich mit der Temperatur. Die Luftfeuchtigkeit ist aufgrund der Evapotranspiration innerhalb eines Pflanzenbestandes meistens deutlich höher als über
4.5 Luftfeuchtigkeit und relative Luftfeuchtigkeit
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unbewachsenem Boden. Allerdings besteht dann eine Umkehrmöglichkeit der Bedingungen, wenn die Pflanzendecke so licht ist, dass sich der Erdboden tagsüber an Strahlungstagen erwärmen kann und die Feuchte an der Bodenoberfläche und im Boden abnimmt. Der Übergang des Wassers von der Pflanze in den Luftraum ist im Gegensatz zum Übergang des Wassers vom Boden in die Pflanze mit einem Phasenwechsel verbunden. Hier wechselt das Wasser von der flüssigen Phase in die Dampfphase. In einem Liter Luft sind die verschiedenen Bestandteile zu unterschiedlichen Volumenprozenten enthalten, was bedeutet, dass der Gesamtdruck sich aus vielen Partialdrücken aufbaut. Der Gesamtdruck wird heute in der Maßeinheit Pascal gemessen und der Luftdruck meistens in Hektopascal (hPa) angegeben. Der Partialdruck einer Gaskomponente ist der Druck, den dieses Gas ausüben würde, wenn es allein das Gesamtvolumen ausfüllen könnte. Der Anteil des Wasserdampfdrucks am Gesamtdampfdruck ist nicht so einfach zu beschreiben, denn die Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf ist stark temperaturabhängig. Das gilt auch für den Wasserdampfpartialdruck. Trägt man den maximal möglichen Wasserdampfgehalt der Luft als Partialdruck gegen die Temperatur auf, ergibt sich folgende Situation (Abb. 4.15).
Abb. 4.15. Kurve Sättigungsdampfdruck über Wasser in Hektopascal (hPa) in Abhängigkeit von der Temperatur. In unserem Beispiel wird 1 bei 14 Grad Celsius erreicht, wenn kein Sättigungsdefizit mehr besteht und die absolute Feuchte gleich der Sättigungsfeuchte ist.
Die dargestellte Kurve gibt den Sättigungsdampfdruck, also die Sättigungsfeuchte der Luft, wieder. Selten ist jedoch die Luft mit Wasserdampf gesättigt, so dass der tatsächliche oder absolute Wasserdampfpartialdruck, also die absolute Feuchte, nicht dem Sättigungsdruck entspricht. Der absoluten Feuchte fehlt häufig ein bestimmter Betrag zur Sättigung. Dieser Be-
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
trag wird als Sättigungsdefizit bezeichnet. Dies ist die Differenz zwischen zwei Sättigungspartialdrücken und damit die treibende Kraft der Verdunstung reinen Wassers aus einer offenen Schale. Aus den Berechnungsgrößen der absoluten Feuchte und der Sättigungsfeuchte kann die Relative Luftfeuchte berechnet werden. Relative Luftfeuchte =
absolute Feuchte Sättigungsfeuchte
x 100 [in Prozent]
Der absoluten Feuchte bei einer Lufttemperatur T1 entspricht eine Sättigungsfeuchte bei einer tieferen Temperatur. Diese Temperatur wird die Taupunkttemperatur (griech. = tau genannt, nicht mit dem deutschen Wort „Tau“ zu verwechseln). Kühlt man den Luftraum der Temperatur T1 ab, so setzt bei der Taupunkttemperatur 1 Taubildung ein. Brillenträger kennen dieses Phänomen im Winter vom Beschlagen der Brillengläser. Meteorologisch ist die Taupunkttemperatur an der Unterkante der Wolken erreicht. Die relative Luftfeuchte kann damit auch als Verhältnis zweier Sättigungsfeuchten aufgefasst werden. Relative Luftfeuchte =
Sättigungsfeuchte bei Taupunkt Sättigungsfeuchte bei Lufttemperatur
x 100 [in Prozent]
Das Wasserdampfsättigungsdefizit ist nur in erster Näherung treibende Kraft der Transpiration. Da meist die Blatttemperatur höher ist als die Umgebungstemperatur und in den Interzellularen Sättigungsfeuchte herrscht, wird die treibende Kraft der Transpiration größer sein als das Sättigungsdefizit der Luft, und zwar genau um den Betrag der Differenz zwischen den Sättigungsfeuchten der Blatt- und der Lufttemperatur. Dieser Wasserdampfgradient zwischen dem Blattinneren und der Außenluft wird Delta W, abgekürzt W, genannt. Im Kapitel 8 werden wir dieses Thema ausführlich behandeln.
4.6 Schneedecken und Frost Feste Niederschläge aus Eis, das heißt aus Schnee und Hagel und verwandten Formen, wirken als Isolierschicht auf Vegetation und Boden, wenn sie sich zu einer Schnee- oder Eisdecke ansammeln. Sie wirken wärmeentziehend, wenn sie schmelzen. Sie nehmen nicht nur unmittelbar auf den Wasserhaushalt des Bodens Einfluss, sondern beeinflussen auch den Wachstumsrhythmus der Vegetation sowie das Mikroklima. Schnee wirkt infolge seines hohen Luftgehaltes stark isolierend, am stärksten tro-
4.6 Schneedecken und Frost
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ckener Pulverschnee. Er schützt daher den Erdboden äußerst wirksam vor dem Eindringen kalter Luft und dämpft die Temperaturschwankungen. Dazu kommt sein starkes Reflexionsvermögen, wie die Tabelle 2.2 schon gezeigt hat. Neben den generell hohen Albedo-Werten besitzt eine Schneedecke auch besondere Strahlungseigenschaften: Für die drei Spektralbereiche, wie sie Abb. 2.2 zeigt, ergeben sich konkret folgende Albedozahlen einer frischen Pulverschneedecke: für ultraviolettes Licht 75 bis 85 Prozent, für sichtbares Licht 80 bis 85 Prozent und für Infrarot 8 bis 100 Prozent! Langwellige Wärmestrahlen im Infrarotbereich von größer als 1 000 Nanometern Wellenlänge werden tagsüber vom Schnee restlos absorbiert, nachts dagegen werden diese als Ausstrahlung wieder völlig abgegeben. Dieses und die starke Reflexion tagsüber bewirken insgesamt die enorm abkühlende Wirkung einer Schneedecke auf die bodennahen Luftschichten. Die tiefsten Temperaturen entstehen so in klaren Nächten unmittelbar über frisch gefallenem Schnee. Altschnee und nasser Schnee haben nur eine Albedo von etwa 40 bis 70 Prozent. Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, dass nur geringe Anteile der auftreffenden Strahlung den Schnee durchdringen. So messen wir bei 10 Zentimetern Schneetiefe höchstens 50 Prozent, bis 30 Zentimeter höchstens 10 Prozent der Strahlen, wobei der langwellige Anteil infolge der Absorption ganz verschwindet. Das erzeugt das blaue Licht der Gletscherhöhlen und des mächtigen Eises in einem Gletscher (Abb. 4.16).
Abb. 4.16. Der Glaciar Perito Moreno, der Argentinien mit Chile in den Patagonischen Anden verbindet, gehört zu den größten Gletschern der Erde. Sein mächtiges Eis erscheint auf Grund der Absorption des Lichtes leicht bläulich
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
Für die Entwicklung von Frühblühern in der Arktis und den alpinen Gebirgsstufen spielt die Lichtdurchlässigkeit des Schnees eine wichtige Rolle. Sie erklärt das Aufblühen von Schneeglöckchen, Krokussen und Soldanellen im Schnee oder unter einer verharschten Altschneekruste. Eine Schneedecke wirkt zusätzlich düngend auf die Vegetation und die obersten Bodenschichten. Gleiches gilt für Graupel, Hagel und Eisregen. Sobald Sonnen- oder Luftwärme oder die Verdunstung eine Schneedecke spürbar angegriffen haben, also Schneeschmelze einsetzt, reichern sich allmählich an der schmelzenden Schneeoberfläche neben neu angewehtem Staub auch die eingeschlossenen Partikel an, welche beim Schneefall äußerst effektiv aus der Luft herausgefiltert worden waren. Höhe und Dichte von Schnee- und Eisdecken sind essentiell für den bodennahen Bereich: Die Dichte der Schneedecke ermittelt man durch Wiegen eines ausgestochenen Würfels. Die Höhe misst man in Zentimetern oder Metern. Als Faustregel kann dabei gelten, dass ein Zentimeter Schneehöhe einem Gegenwert von 1 Millimeter Niederschlag entspricht. Wo die sommerliche Erwärmung nicht ausreicht, verbleibt der Frost im Boden unter einer wechselnd mächtigen sommerlichen Auftauschicht, deren Umfang von Wärme, Frost, Schneedecke und Bodenart abhängig ist. Man bezeichnet diese Schicht zwischen der sommerlichen Auftautiefe und den durch die geothermische Erwärmung darunter erreichten positiven Temperaturbereich als Permafrostboden (Abb. 4.17).
Abb. 4.17. Permafrostböden, wie hier in der Kanadischen Arktis, enthalten oftmals charakteristische Eislinsen mit ovalen Aufwölbungen, die als Palsa bezeichnet werden
4.7 Literatur
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Er ist in winterkalten Klimaten Eurasiens und Nordamerikas sowie in den Hochgebirgen und in der Antarktis weit verbreitet. Wir unterscheiden den kontinuierlichen vom diskontinuierlichen Permafrost, der im ersteren Fall bis in tiefe Schichten ganzjährig andauert und nur eine Tundrenvegetation erlaubt; im letzteren Fall taut der Boden im Sommer oberflächlich auf und ermöglicht den spärlichen Baumwuchs der Waldtundra. Hier liegt auch die polare Waldgrenze. Auf den Frost und seine Wirkung auf die Pflanzen kommen wir im Kapitel 9 noch einmal zurück.
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4 Das Mikroklima der bodennahen Luftschicht
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Der Boden ist – im Vergleich zu den Dimensionen des Planeten Erde – nur eine sehr dünne Haut. Ohne diese gäbe es aber so gut wie kein Pflanzenwachstum auf unserem Globus. Auch gäbe es ohne diese meist nur wenige Zentimeter dünne Krume aus fein zerbröseltem Gestein und zersetzten Pflanzenresten keinen Ackerbau und keine Kultur mit Saatzucht und Viehhaltung, und auch die Wälder wären nicht denkbar. Der Boden besteht also aus festen mineralischen und organischen Bestandteilen unterschiedlicher Größe, ist mit Bodenwasser und Bodenluft durchsetzt und bietet den Pflanzenwurzeln Nährstoffe und Verankerung und den unzähligen Bodenorganismen Lebensraum. Insgesamt gibt es mehr als 7500 verschiedene Bodentypen auf der Erde. Jeder von ihnen ist ein Produkt aus mineralischen und biologischen Rohstoffen. Die Minerale können dabei entweder dem Gestein entstammen, auf dem der jeweilige Boden gerade „wächst“, oder sie wurden von Wind, Wasser oder Gletscher oft über weite Strecken zu ihrem gegenwärtigen Standort transportiert. Beim äolischen windverfrachteten Löss können diese Strecken sogar mehrere hundert Kilometer betragen. Bei den biologischen Rohstoffen im Boden handelt es sich um die Reste von Pflanzen, die auf verwitterten Gesteinsschichten wachsen. Im Laufe der Zeit führten Pflanzenwachstum, chemische Reaktionen, wie Auslaugung und Einwaschung, und physikalische Vorgänge zu einem jeweils charakteristischen Boden. Der Verwitterung kommt in diesem Prozessgefüge eine Schlüsselstellung zu, denn durch sie werden Festgesteine in Lockermaterialien und grobkörnige Substanz überführt. Diese sind wiederum zum einen Voraussetzung für eine Bodenbildung und den Bodenaufbau sowie für den Pflanzenwuchs; zum andern steuert die Verwitterung auch den Abtrag von Böden. Die dabei wirkenden Kräfte verändern die Gesteine an der Erdoberfläche in ihren physikalischen, chemischen, mineralogischen und biologischen Eigenschaften. Eine besondere Rolle spielen dabei Grundwasser und Regenwasser, denn vom Feuchtigkeitsgehalt hängt es ab, wie rasch Veränderungen im Boden stattfinden. Damit ist auch die Bildung und Entwicklung unserer Böden ein klima- und naturraumabhängiges Phänomen. Der Boden ist ein dynamisches System, das sich ständig wandelt. „Ein Schnitt durch den Boden ist ein bis an den Rand voll beschriebenes Blatt
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
aus dem Buche der Natur, das sowohl seine Entstehung aus dem Grundgestein als auch seine Entwicklung und Reifung unter dem Einfluss von Klima, Pflanzendecke, Tierwelt und menschlicher Wirkungen abzulesen erlaubt, die darin verzeichnet sind“, schrieb der Pflanzensoziologe Reinhold Tüxen (1898-1980) im Jahre 1957 treffend in seiner Veröffentlichung „Schrift des Bodens“. Unter Boden verstehen wir die oberste, unter dem Einfluss von Klima und Lebewesen veränderte Schicht der Erdkruste. Ein Boden bildet sich aus dem Ausgangs-, Grund- oder Muttergestein unter dem wechselnden Einfluss von Klima und Vegetation. Als Ausgangsgestein bezeichnet man alle anorganischen Minerale, aus denen sich ein Boden bilden kann. Auch Lockersedimente gehören dazu. In den ersten Stadien der Bodenentwicklung bestimmt das Ausgangsgestein seine Eigenschaften.
5.1 Ausgangsgesteine für die Bodenbildung Angaben von Hans Gebhardt et al. (2007) in ihrem neuen Buch zur Physischen Geographie und Humangeographie zufolge, worauf die nachfolgenden Ausführungen Bezug nehmen, dominieren unter den Gesteinen der Erdkruste mit etwa 65 Prozent magmatische Gesteine, gefolgt von metamorphen Gesteinen mit etwa 27 Prozent. Sedimentgesteine haben demgegenüber nur einen relativ geringen Anteil von etwa 8 Prozent, bilden aber etwa 75 Prozent der Erdoberfläche. Gesteine bestehen in der Regel aus einem oder mehreren Mineralen, aus Gesteinsbruchstücken oder aus einer ganz natürlichen Ansammlung tierischer oder pflanzlicher Reste. Gesteine sind also das Ergebnis und ein Zeugnis vergangener geologischer Prozesse, und dies ist wichtig für die Bodenbildung: Etwa 90 Prozent der häufigen Minerale in der Erdkruste sind Silikate, inklusive Quarz (SiO2), daneben gibt es Carbonate, Sulfate, Sulfide, Chloride, Oxide und Hydroxide sowie Phosphate (Apatit). Wichtige silikatische Minerale sind beispielsweise Quarze, Feldspäte (Orthoklase und Plagioklase), Glimmer (Muskovit und Biotit), Pyroxene, Amphibole, Olivine oder amorphe Varietäten. Einige davon spielen für den Bodenaufbau eine wichtige Rolle. Wir werden diese im Kapitel 5.5 näher erläutern. Die Verwitterungsstabilität nimmt bei ihnen von den dunklen Mineralen wie Olivin mit der extrem dunklen Farbe über eine Abfolge zum Biotit zu den hellen Mineralen nach Feldspat und Quarz zu. Oxide und Hydroxide sind bis zu etwa 4 Prozent am Aufbau der Erdkruste beteiligt. Viele braune und rote Farben in der Natur stammen von
5.1 Ausgangsgesteine für die Bodenbildung
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verschiedenen Eisenoxiden und Eisenhydroxiden, wie beispielsweise dem braun gefärbten Goethit ( -Fe3+O[OH]) oder dem rot gefärbten Hämatit (Fe2O3). Eine besondere chemische Bedeutung besitzen auch die leicht wasserlöslichen carbonatischen Minerale, wie Calcit (CaCO3), und verschiedene Sulfate, wie Gips und Anhydrit, sowie Salze oder Halogenide. Anhydrit wird beispielsweise mit Wasser unter Quellung umgewandelt zu Gips (Ca[SO4] · 2H2O). Dieser Quellungsdruck kann umgebende Gesteinsschichten verbiegen und bewegen, wir nennen diesen Vorgang Gipstektonik. Ähnliches geschieht bei wasserlöslichen Salzen und Halogeniden, wie Natriumchlorid (NaCl) oder Kaliumchlorid (KCl), die ein viskoses Fließen von salzführenden Gesteinen hervorrufen können und dabei ebenfalls benachbarte Gesteinsschichten verdrängen, verstellen oder verbiegen. Meist bilden sich dabei mächtige Salzkissen oder Salzstöcke, die Diapire. Dieser Vorgang der Salztektonik wird auch als Diapirismus bezeichnet. Die über 60 Meter hohen Sandsteinfelsen der Nordseeinsel Helgoland liegen beispielsweise auf einem aus ungefähr 700 Metern Meerestiefe aufgedrungenen Salzkissen (Abb. 5.1). Hier beobachten wir direkt die tektonischen Bewegungen durch den Diapirismus.
Abb. 5.1. Die roten Felsen Helgolands sind eine Besonderheit in der Nordsee. Hier gelangte über ein Salzkissen durch salztektonische Prozesse und gewaltigen diapirischen Druck Buntsandstein, der den Kern der Insel bildet, an die Erdoberfläche
Grundsätzlich unterscheiden wir als Ausgangsmaterialien für die Bodenbildung die vulkanischen Ergussgesteine, die Magmatite, und die Ablagerungsgesteine, die Sedimente. Silikatreiche Magmatite reagieren che-
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
misch sauer, denn sie sind aus Quarz (SiO2), Glimmer, speziellen Aluminium-Silicium-Verbindungen mit flächigen Kristallgittern und Alkalifeldspaten mit makromolekularer Kristallstruktur dreidimensional aufgebaut. Es gibt auch silikatarme Magmatite, die vor allem aus calciumreichen Plagioklasen bestehen. Diese haben die chemische Summenformel CaAl2Si2O8, während die typischen Feldspate den Grundaufbau eines Kalium- oder Natrium-AlSi3O8-Körpers aufweisen. Wir sind uns mit W. Frey u. R. Lösch (2004) einig, dass eine Bodenbildung direkt über anstehendem Magmatit durch physikalische und chemische Verwitterung erfolgen kann. Wie wir nachfolgend genauer sehen werden, sind allerdings Bodenbildungen aus Verwitterungsprozessen von umgewandelten oder auch umgelagerten ehemaligen Magmatiten viel häufiger, die im Laufe ihrer Geschichte zu Sedimenten geworden sind. Die durch biogene oder chemische Lösungs- oder Umbauprozesse entstandenen kalkreichen Sedimentgesteine zeigen normalerweise eine ausgesprochen basische chemische Reaktion. Die schwer löslichen Anteile der Magmatite, die entweder am Verwitterungsort verblieben oder aber durch Wasser, Wind und Eis verlagert worden sind, bezeichnet man als klastische Sedimente oder Lockersedimente. Dabei handelt es sich, nach Partikeldurchmesser differenziert, um Kiese, Sande, Schluffe, Lehme und Tone. Bei den Festgesteinen müssen wir grundsätzlich zunächst die vulkanischen Erstarrungsgesteine, wie Basalte und Granite, von den metamorphen kristallinen Schiefern oder Gneisen unterscheiden. Durch ihre Verwitterung entsteht immer zunächst ein unreifer, flachgründiger Boden. Für den Verwitterungsgrad der Böden aus solchen Gesteinen ist ihre Struktur von Bedeutung: Grobkörnige Gesteine (z. B. Granit) zerfallen relativ schnell, porphyrische Gesteine, deren Grundmasse aus mikroskopisch kleinen Kristallen besteht, verwittern dagegen sehr viel langsamer. Kristalline Schiefer werden dagegen leicht abgebaut, wenn die Schichten aufgerichtet sind, sonst ziemlich schwer. Verwitterungsprodukte dieser Gesteine bestehen meist aus kleinen Glimmerplättchen, wie zum Beispiel Phyllit. Die chemischen Eigenschaften und damit die Fruchtbarkeitsgrade dieser Gesteine hängen primär von ihrem Basengehalt ab, vor allen Dingen aber von der Menge des Kalkes, der bei der Verwitterung ausgeschieden wird. Gerade die Eigenschaften spielen ja für die Ausbildung der verschiedenen Pflanzengesellschaften eine wesentliche Rolle. Wir unterscheiden deshalb: • Saure Gesteine (70% SiO2, 2% CaO): Granit, Gneis, Glimmerschiefer, Phyllit. • Neutrale Gesteine (55% SiO2, 6% CaO): Porphyrit, Diorit, Andesit. • Basische Gesteine (50% SiO2, 10% CaO): Basalt, Dolerit, Diabas, Gabbro u. a.
5.1 Ausgangsgesteine für die Bodenbildung
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Siliciumdioxid und Calciumoxid und verhalten sich in diesem Zusammenhang umgekehrt proportional. Wie sieht es nun bei der zweiten Gruppe von Gesteinen aus, die wir als Sedimentgesteine bezeichnen? Die Sedimentgesteine setzen sich in der Hauptsache bereits aus Produkten der Verwitterung und Aufbereitung der Eruptiv- und metamorphen Gesteine zusammen. Sie sind deshalb zunächst lose zusammengefügt. Allerdings können sie durch Zementierung verfestigt werden. Die Härte dieser Gesteine hängt dann hauptsächlich von der Kittmasse ab, die Siliciumdioxid oder Kieselsäure (SiO2), Kalk, Ton oder Eisenoxidhydrat (Fe2O3 · n H2O) sein kann. So können folgende lockere Ausgangsprodukte zu verfestigtem Gestein verwittert werden: Schotter und Kiese werden zu Konglomeraten, Sande zu Sandsteinen, Tone zu Tonschiefern und Kalke zu Kalksteinen und Dolomiten. Hinsichtlich ihrer Fruchtbarkeit sind die Gesteine folgendermaßen einzustufen: Sedimentgesteine als saure Gesteine aus Sandstein mit SiO2 als Kittsubstanz oder aus Tonschiefer sind recht unfruchtbar. Es gibt auch neutrale Gesteine, wie Keupersandsteine, Kalksandsteine der Kreide und basische Gesteine, wie Kalksteine und Dolomite, die fruchtbare Böden hervorbringen können. Im Gegensatz zu den Regionen mit Festgesteinen sind die planaren Gebiete der Erde meist von Lockergesteinen bedeckt. Im nördlichen Mittelund Osteuropa gibt es beispielsweise vorwiegend Ablagerungen aus den Vereisungsphasen. Zu solchen pleistozänen Lockergesteinen gehören zunächst die Sandablagerungen der eiszeitlichen Schmelzwässer. Bei Abtauen der Gletscher haben sie sich mit dem Schmelzwasser vor den Endmoränen ausgebreitet. Man bezeichnet die Art der Sandablagerungen als Sander. Große Teile der nordwesteuropäischen Sandgebiete sind von diesem Typ. Es handelt sich in der Regel um sehr arme, saure Sande. Sandablagerungen der Eiszeitschmelzwässer findet man weiterhin noch als Talsande der Urstromtäler, die meist fluvioglazialer Entstehung sind. Tonablagerungen in den eiszeitlichen Staubecken und Schmelzwasserseen spielen räumlich gesehen keine große Rolle. Die Geschiebemergel der Moränendecken, vor allem in Grundmoränen, waren anfangs als Jungmoräne kalkhaltig. Im Altmoränengebiet sind sie jedoch größtenteils durch Auswaschungen entkalkt. Das wichtigste Lockersediment ist der Löss, ein calciumcarbonatreiches, äolisches, vom Wind zusammengetragenes Sediment mit Korngrößen von 10 bis 60 Mikrometern. Löss bildet ein sehr feines Ausgangsmaterial für die Bodenbildung, wobei den reichlich mit einwertigen Kationen ausgestatteten Aluminium-Silikat-Gittern ein hoher Kalkanteil gegenübersteht, was bei der Verwitterung sehr nährstoffreiche Böden ergibt. In humiden Gebieten ist der Kalk aber vielfach ausgewaschen. Aus dem Feldspat entsteht Ton, und wir erhalten dann den schweren Lösslehm.
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Die aus solchen Lockergesteinen hervorgegangenen Böden sind tiefgründig. Es handelt sich um meist ausgereifte oder gealterte Bodentypen (im Gegensatz zu den Festgesteinsböden), die je nach ihrem Ausgangsgestein mehr oder weniger fruchtbar sind. Aufgrund ihrer Tiefgründigkeit dienen sie auch in erster Linie der Ackerkultur. Auch hier ist wie bei den Festgesteinsböden der Kalkgehalt von größter Bedeutung. Kalkarme Sande weisen eine ganz andere Vegetation auf als kalkhaltige Bodenablagerungen. Diese pleistozänen Lockergesteine wurden im Holozän nochmals umgelagert. Sie sind teils zusammengeschwemmt und abgelagert in Flussauen, wo sie dann als alluviale Bildungen angesprochen werden. Sie können auch zu Dünen angehäuft oder am Wattenstrand als Schlickböden abgelagert sein, woraus dann die fruchtbaren Marschenböden entstehen (Abb. 5.2).
Abb. 5.2. Die jungen, holozänen Marschenböden sind aus Feinsand und Schlickablagerungen an den gezeitenaktiven Flachküsten und in Flussmündungen entstanden. Sie ähneln in ihrem Profilaufbau (A-G0G1-Profil) den Gleyböden. Sie werden in die Bodentypen Seewasser- Brackwasser- Fluss- und Moormarsch untergliedert. Nordseeküste bei Wilhelmshaven
5.2 Bodenarten Das mineralische Material, aus dem ein Boden aufgebaut ist, stammt nur zum Teil aus dem Ausgangsgestein, zum Teil ist es im Prozess der Bodenbildung als Sekundärmineral neu gebildet worden. Neben den chemischen Eigenschaften und der Kristallstruktur der Minerale ist ihre Körnung oder
5.2 Bodenarten
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Korngrößenverteilung ein wichtiges Kennzeichen. Da die spezifische Oberfläche, das ist die Oberfläche bezogen auf die Masse, mit abnehmender Korngröße stark zunimmt, ergeben sich beispielsweise Möglichkeiten der Wechselwirkung mit der Bodenlösung bei kleinen Korngrößen eher als bei großen. Daher werden die Korngrößen nach einem Schema unterteilt, das mit abnehmendem Durchmesser immer engere Bereiche voneinander trennt (Abb. 5.3). Für die Korngrößenverteilung ist im deutschen Sprachgebrauch der Begriff Bodenart eingeführt.
Abb. 5.3. Körnungsdreieck der mineralischen Substanz des Feinbodens (aus W. R. Fischer 2002); es bedeuten: Ss = stark sandiger Sand, Su = schluffiger Sand, Sl = lehmiger Sand, Slu = lehmig-schluffiger Sand, St = toniger Sand, Us = sandiger Schluff, Uu = stark schluffiger Schluff, Ut = toniger Schluff, Ts = sandiger Ton, Tt = stark toniger Ton, Tl lehmiger Ton, L = Lehm, Ls = sandiger Lehm
Das Schema der Klassifikation von Bodenarten in Abb. 5.3 berücksichtigt vor allem die mineralische Substanz des Feinbodens, wobei die Summe der Anteile von Ton (T), Schluff (U) und Sand (S) 100 Prozent betragen. Eine feinere Unterteilung der Bodenarten wird durch die Kombination von Begriffen erzielt, wobei die Hauptbodenart voransteht, zum Beispiel: toniger Schluff (Ut), sandig-schluffiger Lehm (Lsu), schwach sandiger Lehm (Ls2). Unter Lehm (L) verstehen wir ein Gemisch aus Sand, Schluff und Ton.
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Bodenarten werden nach Korngrößen ihrer mineralischen Bestandteile definiert und klassifiziert: Ton (T) hat einen Partikeldurchmesser, der weniger als 2 Mikrometer beträgt (< 2 m), darauf folgen Schluff (U) mit einer Spannbreite von 2 bis 63 Mikrometer (2 – < 63 m) und Sand (S) mit 63 Mikrometer bis 2 Millimeter (0,063 – < 2 mm). Größere Fraktionen sind Kies und Grus (Gr), deren Größen zwischen 2 und 63 Millimetern schwanken (2 - < 63 mm) sowie Steine über 63 Millimeter bis 200 Millimeter (63 - < 200 mm) und schließlich Blöcke mit einem Durchmesser von mehr als 200 Millimeter (> 200 mm). Der Begriff Bodenart basiert auf den Bezeichnungen für Körnungsmischungen und der Zuordnung von Bodenpartikeln am Anteil Primärteilchen mit Durchmessern von weniger als 10 Mikrometern (Abb. 5.4). Hierdurch kann man verlässliche Mischungs- und Körnungsklassen ermitteln und darstellen. Beim Feinboden werden die Anteile der Sandfraktionen durch Sieben ermittelt; die Anteile der Schluff- und Tonfraktionen bestimmt man mit Pipett- und Aräometer-Methoden, beispielsweise nach N. Moshrefi (1993). Da die Durchführung einer vollständigen Körnungsanalyse sehr aufwändig ist, empfiehlt sich im Gelände deshalb oft die einfache „Fingerprobe“, mit der man Plastizität, Rollfähigkeit, Schmierfähigkeit und Rauigkeit einer Bodenprobe schnell erfühlen und bestimmen kann: Die Tonfraktion ist nach F. Scheffer und P. Schachtschabel (2002) gut formbar, sie hat eine durch das freigepresste Wasser glänzende und glatte Schmierfläche. Schluff ist weniger verformbar, mehlig und leicht staubig. Seine Schmierfläche ist rau. Sand ist nicht formbar, schmutzt nicht, und seine Körnigkeit ist sofort zu erkennen. Es ist also in vielen Fällen möglich, eine Körnung mit der Fingerprobe einer Bodenart mit hoher Sicherheit zuzuordnen. Im Allgemeinen zeigen durch Wasser und Wind transportierte Kornmischungen eine stärkere Sortierung der Bodenarten: Die Schlufffraktion kann vom Wind erfasst und leicht transportiert werden; deshalb sind schluffreiche Windsedimente, wie der Löss, auf der Erdoberfläche weit verbreitet. Tone sind ebenfalls großflächig vom Wind verfrachtet, aber meistens durch das Wasser weiträumig angesammelt, da Tone im Wasser stärker dispergieren und langsam sedimentieren. Schluff- und tonreiche Sedimente, wie sie als Löss oder als Marschen- und Auenablagerungen vorliegen, enthalten kaum jemals weniger als 10 Prozent Ton. Dagegen sind Tongehalte über 80 Prozent, wie sie in Tonschiefer oder tonreichen Kalkablagerungen vorkommen können, in Auenlehmen und Küstenmarschen selten. In Flussauen werden die Bodenarten vom Hochwasserregime beeinflusst: Am Unterlauf von Flüssen gibt es die feinen Körnungen der Auenlehme, an den Oberläufen hingegen finden wir eher Steine und Kiese.
5.2 Bodenarten
99
Parallel hierzu ist in einem Flusstalquerschnitt die Körnung flussnah am gröbsten und wird mit zunehmendem Abstand von der fließenden Welle feiner, da erst hier bei geringerer Strömung und Schleppkraft des Wassers die feinen Partikel sedimentieren (Abb. 5.5).
Abb. 5.4. Darstellung verschiedener Mischungen als Beispiele für Korngrößenfraktionen entsprechend ihrem Durchmesser (16,9 = Quarzmehl, < 0,2 mm = Ton, 0,2 – 0,63 mm = Schluff, > 0,63 mm – 2 mm = Sand, > 2 mm = Kies oder Grus)
Besonders wichtig für die Körnung eines Bodens ist die Anordnung der Bodenpartikel im Gesamtverband: Je enger die Bodenpartikel aneinander gelagert sind, umso größer ist die Dichte des Bodens. Dieser Sachverhalt ist so allgemein gültig, dass in der Umgangssprache im Gegensatz zu einem „lockeren Boden“ ein verdichteter, „verfestigter Boden“ steht. Diese verbreitete Verallgemeinerung übersieht, dass die Zunahme der Dichtelagerung von Bodenpartikeln zwar eine regelmäßige, aber nicht die einzige Ursache einer Festigungszunahme im Boden ist. Es gibt nämlich auch nur dort punktuelle Verfestigungen in einem Bodenhorizont, wo an speziellen Kontaktstellen Möglichkeiten einer Verfestigung oder Konkretion von Partikeln bestehen. Ein Beispiel hierfür ist die Ortsteinbildung in den BHorizonten von Podsolen, die wir im Kapitel 6 noch näher kennen lernen werden. Wie die Körnung, so stellen auch die Porenform und die Porengrößenverteilung ein Kontinuum dar, das man klassifizieren kann. Poren im Boden nennt man Primäre Poren, die körnungsbedingt sind, oder Sekundä-
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Abb. 5.5. In einem Teiltransekt durch eine Flussaue wird deutlich, wie das Körnungsmuster die auffällige Vegetationszonierung einer mitteleuropäischen Flussaue mit Fließwasserröhrichten auf Kies am Flussufer, mit Weichholzwäldern auf Sand und Hartholzauenwäldern auf Auenlehm bedingt (aus Pott 1996, © Ulmer, Stuttgart)
re Poren die durch spaltförmige Schrumpfungsrisse sowie Wurzelröhren oder durch Lockern und Wühlen von Bodentieren entstehen. Zusammen bilden sie die Porengrößenverteilung oder Porung. Auch dieses System ist ein wichtiges Element des Bodens, besonders von Bedeutung für den Wasserhaushalt und die Feldkapazität. Darauf wird später noch näher eingegangen. Die Porengrößenverteilung ist bedeutsam für den Welkepunkt der Pflanzen: Wasser in den Feinporen von weniger als 0,2 Mikrometer Durchmesser ist in der Regel nicht pflanzenverfügbar. In den Mittelporen mit Durchmessern von mehr als 0,2 bis 10 Mikrometern ist es dagegen pflanzenverfügbar. Die Grobporen mit Lumina von mehr als 10 bis 50 Mikrometern sind in terrestrischen Boden normalerweise wasserfrei; ihr Anteil ist besonders wichtig für die Bodendurchlüftung. Die Porengröße ist weiterhin auch von großer Bedeutung für das Wurzelwachstum der Pflanzen und der Pilzhyphen. Wurzelhaare Höherer Pflanzen mit Durchmessern von mehr als 10 Mikrometern können nur in Grobporen eindringen. Pilzmycelien mit Durchmessern von etwa 3 bis 6 Mikrometern und Bakterien mit 0,2 bis 1 Mikrometer Größe können noch in Mittelporen leben. Die Feinporen sind selbst für Mikroorganismen nicht mehr besiedelbar. Die Porengrößenverteilung ist hinsichtlich der Primärporen von Körnung und Kornform und hinsichtlich der Sekundärporen vom Bodengefüge und damit von der Bodenentwicklung abhängig. Deshalb ist der Anteil an
5.3 Bodenminerale
101
Grobporen eines Bodens umso größer, je gröberkörnig, also sand- und kiesreicher, er ist. Der Anteil an Feinporen ist dagegen umso größer, je feinerkörnig ein Boden ist. Die Tabelle 5.1 zeigt, dass der Anteil der Grobporen bei sandigen Böden am höchsten ist und mit dem Tongehalt der Bodenfraktion absinkt. Ein zunehmender Gehalt der organischen Substanz führt besonders bei Sandböden zu einem erhöhten Anteil an Mittel- und Feinporen. Moorböden besitzen natürlicherweise sehr hohe Porenvolumina. Ihr Grobporenanteil sinkt, wenn der Zersetzungsgrad der organischen Substanz zunimmt, gleichzeitig steigen Mittel- und Feinporenanteil. Tabelle 5.1. Anteil des prozentualen Porenvolumens und der Porengrößen in Mineralböden und organischen Böden (aus Scheffer u. Schachtschabel 2002) Porenvolumen
Grobporen
Mittelporen
Feinporen
Sand
46 ± 10
30 ± 10
7±5
5±3
Schluff
47 ± 9
15 ± 10
15 ± 7
15 ± 5
Ton
50 ± 15
8±5
10 ± 5
35 ± 10
Anmoor
70 ± 10
5±3
40 ± 10
25 ± 10
Hochmoor
85 ± 10
25 ± 10
40 ± 10
25 ± 10
Physikalisch betrachtet ist der Boden ein Dreiphasensystem mit festen, flüssigen und gasförmigen Phasen in Wechselbeziehung. Im Zuge der Bodenreifung entstehen deutliche Horizonte, die an den einen Substanzen verarmen, während sich andere in ihnen anreichern. Diese Horizonte sind mit bloßem Auge zu erkennen. Ihre gesetzmäßige Anordnung ergibt das Bodenprofil. Und dieses Bodenprofil in seinem charakteristischen Aufbau und seiner Zusammensetzung ergibt den Bodentyp. Der Bodentyp ist also nichts anderes als ein gewisses Stadium der Bodenentwicklung unter verschiedenen Einflüssen. Das werden wir im Kapitel 6 vertiefen.
5.3 Bodenminerale Die Primär- und Sekundärminerale im Gestein und im Boden unterliegen bei der Bodenbildung oder Bodenreifung verschiedenen chemischen Umwandlungen, wobei auch immer wieder neue Minerale entstehen können; sie sind in Tabelle 5.2 zusammengestellt. Siliciumdioxid ( -SiO2, Quarz) ist als mechanisch und chemisch sehr stabiles Mineral in Böden gemäßigt humider Klimate weitgehend inert. Da
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Quarz oft aus körnigen Gesteinen (z. B. Granit) stammt, findet er sich als Hauptbestandteil der Sand- und gröberen Schlufffraktionen. Hier stabilisiert er vor allem die Grobporen des Bodens. Während die Fe(II)-oxide in Böden kaum eine Rolle spielen, sind die Fe(III)-oxide sowohl für das Aussehen der Horizonte als auch für deren ökologische Eigenschaften von Bedeutung. Weiterhin markieren sie die Auswirkungen wichtiger Bodenprozesse. Die wichtigsten pedogenen Eisenoxide seien nachfolgend genannt: Hämatit (Fe2O3) ist rot und bildet sich bevorzugt bei höheren Temperaturen, geringerer Wasseraktivität (z. B. durch höhere Salzgehalte) und bei sehr raschem Abbau der organischen Bodensubstanz. Er ist der färbende Bestandteil in fast allen roten Böden, besonders in den „Terra rossa“Böden und in den Latosolen der Tropen. Das gelbbraune Mineral Goethit ( -Fe3+O[OH]) ist das häufigste pedogene Eisenoxid in den Böden Mitteleuropas. Die Bildung von Goethit wird gefördert durch ausreichend Wasser, teilweise reduzierende Bedingungen bei relativ hohen CO2-Gehalten in der Bodenluft bei carbonathaltigen Substraten. Das orangefarbene Mineral Lepidokrit ( -Fe3+O[OH]) bildet sich in carbonatfreien Böden bei wechselnden Redox-Bedingungen, beispielsweise in Pseudogleyen. Ferrihydrit (5 Fe23+O3 · 9 H2O) ist das Eisen(III)-oxid mit der schlechtesten Kristallstruktur, der größten spezifischen Oberfläche, der höchsten Löslichkeit und dem größten Sorptionsvermögen für gelöste Stoffe. Dieses Mineral entsteht als erstes Verwitterungsprodukt eisenhaltiger Gesteine beziehungsweise als Abscheidungsprodukt eisenhaltiger Bodenlösungen. Im Laufe der Zeit kann Ferrihydrit zu Hämatit oder Goethit umgewandelt werden, was aber durch die Anwesenheit von gelösten Huminstoffen verzögert wird. Da Eisen im Boden in zwei- und dreiwertiger Form vorkommen kann und die meisten Verbindungen des zweiwertigen Eisens leichter löslich sind als Eisen(III)-oxide, verändert sich der Eisenoxidgehalt von Böden als Folge von Redoxprozessen, so dass oxidierte Zonen gelb bis rotbraun, reduzierte Zonen dagegen grau gefärbt sind. Eine wichtige Eigenschaft der Eisenoxide ist ihre Fähigkeit zur Bildung variabler Ladungen, an denen gelöste Ionen gebunden werden können. Aluminiumoxide entstehen in Böden durch die Verwitterung von Alumosilikaten; wichtigster Vertreter ist der Gibbsit [ -Al(OH)3]. Da die Aluminiumoxide weiß beziehungsweise farblos sind und auch durch Redoxprozesse nicht beeinflusst werden, haben sie für die Bodenansprache kaum diagnostische Bedeutung. Sie können aber, ebenso wie die Eisenoxide, variable Ladungen tragen und damit gelöste Ionen binden. Mangan(IV)oxide, beispielsweise der schwarze Pyrolosit (MnO2), werden in Böden unter oxidierenden Bedingungen, etwa bei Kontakt mit Luftsauer-
5.3 Bodenminerale
103
Tabelle 5.2. Wichtige gesteins- und bodenbildende Minerale Mineralstoffklassen
Namen
chem. Formeln
Elemente
Kohlenstoff
C
Halogenide
Oxide
Natriumchlorid, Halit, Steinsalz Kaliumchlorid
NaCl KCl
Calciumfluorid
CaF2
Siliciumdioxid
SiO2
Hämatit
Fe2O3
Goethit
-Fe3+O(OH)
Lepidokrit
-Fe3+O(OH)
Ferrihydrit Aluminiumoxid
5 Fe23+O3 · 9 H2O -Al2O3
Mangan(IV)-oxid
MnO2
Natriumsulfat
Na2SO4
Gips
Ca[SO4] · 2 H2O
Calcit
Ca[CO3]
Dolomit
CaMg(CO3)2
Siderit
FeCO3
Orthokieselsäure
H6SiO7
Kaolinit
Al4[(OH)8|Si4O10]
Hydroxide
Opal
SiO2 · n H2O
Phosphate
Apatit
Ca5[(F,Cl,OH)|(PO4)3]
Sulfide
Pyrit
FeS2
Kupferkies
CuFeS2
Ammoniumnitrat
NH4NO3
Carbonate und Sulfate
Silikate
Nitrate
stoff, gebildet, wenn die Möglichkeit der Zufuhr gelösten Mangans (Mn2+) gegeben ist. Solche Bedingungen finden sich etwa in Stauwasserböden in der Trockenphase, so dass hier oft Manganoxide in Konkretionen auftreten. Mangan(IV)-oxide sind sehr wirkungsvolle Adsorbentien für viele gelöste Ionen, vor allem für Schwermetalle.
104
5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Sieht man von leicht löslichen Sulfaten, wie Natriumsulfat (Na2SO4), ab, die nur in typischen Salzböden vorkommen, so ist Gips (CaSO4 · 2 H2O) das einzige Sulfatmineral, das in Böden von größerer Bedeutung ist. Dabei kann Gips sowohl als Primärmineral aus Gipsgesteinen als auch aus pedogenen Neubildungen auftreten, wie sie uns als „Gipsausblühungen" beispielsweise von Böden des mitteldeutschen Trockengebietes bekannt sind. In stärker versauerten Böden kommen allerdings Sulfate mit eng begrenzten Stabilitätsbereichen vor, die für die Säurespeicherung in diesen Böden Bedeutung haben. Die mengenmäßig bedeutendsten Carbonatminerale sind Calcit (CaCO3) und Dolomit (CaMg[CO3]2). In reduzierten eisen- und carbonathaltigen Horizonten kommt außerdem Siderit (FeCO3) vor, der aber gegenüber Luftsauerstoff instabil ist und sich dann in Eisen(III)-oxide umwandelt. Die Carbonatminerale sind in Böden von großer ökologischer Bedeutung, weil sie durch die Reaktion CaCO3 + H+ = Ca2+ + HCO3-
Säuren sehr wirkungsvoll durch Puffern neutralisieren können. Daher ist der pH-Wert von carbonathaltigen Bodenhorizonten normalerweise zwischen 7 und 8 und damit im Optimum wichtiger Bodentiere, beispielsweise der Regenwürmer. Durch Verringerung des Kohlendioxid-Partialdruckes der Bodenluft kann Calcit aus dem Bodensickerwasser ausgeschieden werden und zum Beispiel zur Bildung verhärteter Horizonte oder von Konkretionen führen. Formal sind Silikate Salze der sehr schwachen Kieselsäure (H4SiO4). In Böden fasst man unter diesem Begriff eine Vielzahl von Mineralen zusammen, die in ihrer Kristallstruktur das Tetraeder SiO4 haben, daneben aber noch eine Reihe weiterer Kationen und Anionen. Von besonderer Bedeutung sind die Alumosilikate oder Aluminosilikate, deren Struktur durch eine Verknüpfung von Silikat-Tetraedern mit Aluminiumoxid-Tetraedern gekennzeichnet ist. Bekanntestes Beispiel ist der Feldspat. Aufgrund der verschiedenen Ausgangsgesteine sowie des Grades der Verwitterung und des Tonaufbaus ist zu erwarten, dass die minerogenen Bodenteilchen der einzelnen Böden von unterschiedlicher Größe sind. Der Bodenkundler spricht hier von Korngrößen oder auch von Bodenfraktion. Unter Bodengefüge versteht man die räumliche Anordnung und Verbindung der festen Einzelteilchen des Bodens. Indirekt wird das Bodengefüge durch das Porensystem gekennzeichnet, das durch Größe und Anordnung der Einzelteilchen gegeben ist. Das Gefüge des Bodens lässt sich auf seinen verschiedenen Aufbaustufen untersuchen: Im Bereich der kolloidalen Ton- und Humuspartikel bestimmt man vor allem Form und Dichte der Koagulate. Koagulation der Bodenkolloide ist eine Voraussetzung für die
5.3 Bodenminerale
105
Bildung von Bodenkrümeln, in die auch größere Einzelteile eingeschlossen sind. Die Krümel sind oft zu Krümelaggregaten verbunden (Abb. 5.6).
Abb. 5.6. Krümelstruktur des Bodens. Die Zwischenräume der Bodenkrümel füllen sich im Laufe der Zeit durch Partikel, die aus dem Prozess der Mikroerosion von den Krümeln abgetragen worden sind
Man unterscheidet zunächst zwischen Gefügen, die aus unverkitteten Einzelteilchen bestehen, dem Einzelkorngefüge, und Gefügen mit mehr oder weniger fester Verbindung der Mineralpartikel. Eine besondere Bedeutung haben die Aggregatgefüge, bei denen eng zusammenhängende Bereiche von anderen durch Aggregatgrenzen getrennt sind. Beim Kohärenzgefüge sind die Bodenteilchen über größere Flächen miteinander verbunden. Nach der Gestalt und Größe der Aggregate und ihrer Orientierung im Boden unterscheidet man verschiedene Gefügeformen und macht dabei oft gleichzeitig eine Aussage über die wirksamen gefügeprägenden Prozesse. In der Tabelle 5.3 sind die wichtigsten Formen der Aggregatgefüge zusammengestellt. Neben der Gefügeform ist die Stabilität der Aggregate maßgebend für den Luft- und Wasserhaushalt eines Bodens. Tabelle 5.3. Bodengefüge (aus W. R. Fischer 2002)
Typ
Entstehungsweise
Aussehen
Einzelkorn
Sediment ohne Verkittung
einzelne Körner
AggregatVerkittung von EinzelteilBodengefüge chen in begrenzten Bereichen der Bodenmatrix
zusammenhängende Stücke unterschiedlicher Größe
KohärentVerkittung der gesamten Bodengefüge Bodenmatrix über größere Bereiche
kompakt, gleichmäßig fest, keine bevorzugten Bruchstellen
106
5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
5.4 Physikalische und chemische Verwitterung Eine Begrenzung des Bodens erfolgt nach unten durch festes oder lockeres Gestein und nach oben durch die Vegetationsdecke. Der Boden ist für die Pflanze nicht nur physikalischer Halt und Wasserspeicher, sondern auch Nährstoffträger. Mit Ausnahme von Kohlensäure und Sauerstoff der Luft werden alle anderen chemischen Verbindungen für Leben und Wachstum aus dem Boden entnommen. Feinstruktur, Chemismus sowie Austauschvorgänge zwischen Bodenlebewesen, Pflanzenwurzeln und Bodenpartikeln bestimmen somit das Geschehen vor allem in den oberen Bodenhorizonten. Doch wie entsteht ein Boden? Das Gestein in der Tiefe bildet keine kompakte Masse, sondern ist durch Schichtfugen, Spalten und Klüfte zerlegt (Abb. 5.7). Diese Trennflächen bilden bevorzugte Ansatzpunkte für Erosion, also Abtrag, Exaration, Aus- und Abschürfung, sowie Korrasion, Abrieb und Schliff. Besonders an der Erdoberfläche unterliegen Gesteine dem Einfluss und der zerstörerischen Wirkung von Sonne, Feuchtigkeit, Wind, Frost und den biologischen, chemischen und physikalischen Verwitterungskräften. Unter Verwitterung verstehen wir die natürliche Zerstörung der Gesteine an der Erdoberfläche. Bei der physikalischen oder mechanischen Verwitterung werden Gesteine durch physikalische Kräfte zerkleinert. Allmählich bildet sich im Laufe der Zeit ein humoser Bodenhorizont, ein Prozess, den wir nachfolgend genauer betrachten wollen. Dabei dominiert zunächst der Faktor Druckentlastung: Bei der Erosion von Deckgebirgen werden die liegenden Partien entlastet und können sich ausdehnen. Dadurch können in Festgesteinen Risse entstehen. Verstärkend wirken Temperaturwechsel, insbesondere bei starken Tag-Nacht-Unterschieden, Wechsel von Sonne zu Schatten und jahreszeitliche Unterschiede. Minerale haben unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten in Abhängigkeit von der Temperatur, dadurch treten in körnigen Gesteinen mechanische Spannungen auf, die dort zu Rissen führen können. Dunkel gefärbte Minerale absorbieren mehr Licht, erwärmen sich rascher und kühlen sich schneller ab. Auch dadurch kommt es zu mechanischen Spannungen. Kompakte Gesteine zeigen an ihren Oberflächen die größten Temperaturunterschiede. Dadurch gibt es mechanische Spannungen zwischen den Innen- und Außenbereichen, so dass sich manchmal sogar schalenförmige Teile ablösen. Dieser Vorgang wird auch als Temperatursprengung oder Insolationsverwitterung bezeichnet. Besonders wirksam ist die Insolationsverwitterung in schon vorhandenen Schwächezonen von Klüften und an instabilen Grenzflächen. Dort lösen sich dann die Gesteinsschichten schalen- oder schuppenförmig ab und wir sprechen von Desquamation, oder sie zerfal-
5.4 Physikalische und chemische Verwitterung
107
Box 5.1. Zwei-, Drei- und Vierschichtminerale Bei Zweischichtmineralen ist eine Tetraederschicht (Zentralion Si4+) über gemeinsame Sauerstoffionen mit einer Oktaederschicht (Zentralion Al3+) verbunden, während der Zusammenhalt zwischen den Doppelschichten durch Wasserstoffbrücken bewerkstelligt wird. Typischer Vertreter dieses Mineraltyps ist der Kaolinit (Al4[(OH)8|Si4O10]), der in sehr alten Böden vorkommt. Unter den Schichtsilikaten haben aufweitbare Dreischichtsilikate einen besonderen Einfluss auf die Bodeneigenschaften. Die Schichtsilikate, die in der Tonfraktion vorkommen, werden auch als Tonminerale bezeichnet. Zu diesem Mineraltyp gehören beispielsweise die Glimmer mit einer hohen permanenten Ladung und Kalium als Zwischenschicht-Kation. Da Kalium sich von seiner Ionengröße gut in diesen Raum einfügt, wird es besonders fest gebunden und ist nur sehr langsam austauschbar. Wird im Verlauf der Bodenentwicklung dieses Kalium durch andere Kationen, wie Calcium, Magnesium oder Natrium, ersetzt, so ist der Zusammenhalt zwischen den Schichtpaketen nicht mehr so fest, und es können mit diesen Kationen auch Wassermoleküle eindringen. Dadurch wird die Kristallstruktur aufgeweitet, und der Austausch der ZwischenschichtKationen wird erheblich erleichtert. Typische Vertreter solcher Minerale in Böden sind Vermiculite und Smectite (z. B. Montmorillonit), die dadurch eine wichtige Rolle bei der Speicherung kationischer Nährstoffe bekommen. Bei uns werden als Tonminerale vorwiegend Montmorillonit, Illit und Vermiculit gebildet. In tropischen Breiten kommt es dagegen zu einer stärkeren Kieselsäureabfuhr und als Tonmineral entsteht vorwiegend Kaolinit. Die Unterscheidung dieser Tonminerale ist deswegen so wichtig, weil sie eine unterschiedliche Absorptionsfähigkeit besitzen. Der Montmorillonit ist zum Beispiel aufgrund seiner Feinstruktur wesentlich absorptionsfähiger als der tropische Kaolinit. Daher sind auch die Böden des tropischen Regenwaldes nährstoffarm. Das Nährstoffpotential liegt hier in der Vegetation. Nach W. R. Fischer (2002) können in stärker versauerten Böden auch Aluminiumhydroxy-Kationen aus der Bodenlösung in den Zwischenschichtraum eingelagert werden. Sie enthalten dann eine weitere, oft zusammenhängende Oktaederschicht und bilden so die sekundären Chlorite, die auch als Vierschichtminerale bezeichnet werden. Durch diese Einlagerung wird auch ein großer Teil der permanenten Ladung blockiert und geht für den Kationenaustausch verloren. Eine weitere bodenkundlich wichtige Eigenschaft der Silikate beruht auf der sehr geringen Säurestärke der Kieselsäure. So können Wasserstoffionen das Anion SiO44+ auch im Kristallverband protonieren. Die Folge ist einmal eine Pufferung der Säure, zum anderen eine Zerstörung des Kristallverbandes der Silikate, wobei auch die in ihnen enthaltenen Pflanzennährstoffe freigesetzt werden.
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
len in einzelne Mineralkörper. Diesen Vorgang nennen wir Abgrusung (Abb. 5.7). Wenn die Gesteinsschichten in großen Schalen oder Platten abgelöst werden, sprechen wir von Exfoliation. Letztere finden wir häufig bei massigen Gesteinen, wie Plutoniten. Die Insolationsverwitterung kommt dadurch zustande, dass sich die Minerale bei hohen Temperaturen ausdehnen und bei tiefen zusammenziehen, insbesondere durch starke Temperaturschwankungen von mehr als 50 Grad Celsius. Durch diesen Vorgang wird das Gesteinsgefüge gelockert. In die entstandenen Spalten kann Wasser eindringen. Dabei dehnen sich die Minerale in den Gesteinen ungleich aus, und es kommt zu Spannungen nahe der Oberfläche, wodurch das Gesteinsgefüge gelockert wird.
Abb. 5.7. Silikat-Buchenwald vom Typ des Luzulo-Fagetum auf flachgründigem Ranker aus stark verwitterndem devonischem Schiefergestein im Sauerland
Beim Granit spricht man von Wollsackverwitterung und meint damit rundliche Gesteinsblöcke, die als Felsenburgen oder Blockmeere vergesellschaft vorkommen und deren Entstehung überwiegend auf chemische Verwitterung zurückgeht (Abb. 5.8). Man muss allerdings die Insolationsverwitterung immer im Kontext mit den anderen Verwitterungsformen sehen.
5.4 Physikalische und chemische Verwitterung
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Unter Einwirkung von Wasser und Kohlensäure beginnt danach die chemische Verwitterung. Diese Verwitterung fehlt in den Trockengebieten der Erde aus Mangel an Wasser. Dagegen ist sie gerade in den warmen humiden Gebieten die häufigste Form. Sie umschließt die mannigfaltigen Vorgänge, die das Wasser mit den in ihm gelösten Substanzen an den Gesteinspartikeln auslöst.
Abb. 5.8. Wollsackverwitterung an Granitfelsen auf dem Brocken im Nationalpark Harz
Die schon genannte Exfoliation, das „Abblättern“ oder Abschälen der äußersten Deckschichten der Gesteine, erzeugt schließlich die runden Formen. Diese Form der Verwitterung wird auch als Feinabschuppung oder als thermische Exfoliation bezeichnet. Sie tritt besonders häufig an Feldflächen auf, die intensiver Sonnenstrahlung ausgesetzt sind, also tagsüber an ihren Oberflächen stark erhitzt werden, während das Gestein dicht darunter wegen seiner schlechten Wärmeleitfähigkeit vergleichsweise kühl bleibt. Dadurch kommt es zur Ausdehnung und zur Kontraktion der oberflächennahen Mineralschichten mit der Folge von Scherspannungen, der Bildung oberflächennaher, meist haarfeiner Gesteinsspalten und der nachfolgenden Abblätterung oder Abschuppung ganzer Gesteinsschichten. Gesteinsbewohnende Algen und Flechten können diesen Prozess noch verstärken (Abb. 5.9). Eine weitere wichtige Form ist die Verwitterung durch Frostsprengung: Sie ist der wichtigste Verwitterungstyp aller jener Klimate, in denen Frostwechsel stattfindet. Flüssiges und gasförmiges Wasser, das sich in
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
feinen Haarrissen, Poren, Kapillarräumen und Fugen im Gestein anreichert, dehnt sich beim Gefrieren mit einer Volumenzunahme von 7 bis 10 Prozent aus. Das Maximum der Ausdehnung wird bei minus 25 Grad Celsius erreicht. Ihre Tiefenwirkung hängt ab von der Gesteinsart und Lagerung sowie zahlreichen Gesteinseigenschaften in Form von Klüften und Poren. Frostsprengung kann bis in etwa 2 Meter Bodentiefe hinabreichen.
Abb. 5.9. 200 Millionen Jahre alte Granite im Flinders Chase National Park auf dem südaustralischen Kangaroo Island zeigen das Phänomen der Exfoliation, wobei unter dem Einfluss des Seewindes spezielle orange-rot gefärbte Flechten und Algen die Verwitterung verstärken. Durch Salzverwitterung entstehen die Tafoni, die rundlichen Hohlformen im Gestein
In Gesteinhohlräume eindringendes Wasser gefriert bei Frostwechsel und bildet Klufteis. Da sich Wasser beim Frieren ausdehnt, entstehen beim weiteren Frieren im Poreninneren sehr hohe Drücke auf die umgebenden Gesteinswände. Dieser Vorgang wirkt vor allem bei wiederholtem Temperaturwechsel um die Null-Grad-Grenze. In wassergefüllten Poren friert das Wasser von außen, so dass sich ein Eispfropf bildet, der die Poren verschließt. Die Sprengwirkung tritt nur dann ein, wenn die Hohlräume weitgehend geschlossen sind. Ihre Wirkung reicht von der Zerstörung der Minerale eines Gesteins bis hin zum Zerlegen der Blöcke und der Erzeugung von Frostschutt (Abb. 5.10).
5.4 Physikalische und chemische Verwitterung
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In frostfreien ariden Gebieten bewirken Mineral- oder Salzlösungen die Zersprengung des Gesteins, indem nach Verdunsten des Wassers Salze auskristallisieren. Es handelt sich hier also um eine Form von Salzsprengung, der aber im Vergleich zur Frostsprengung weniger Bedeutung zu-
Abb. 5.10. Geklüftete Gesteine verwittern mechanisch durch Blockzerfall, wie hier am Feldberg im Schwarzwald. Thermische Expansion und Kontraktion, seitliche Druckentlastung durch Abtrag von Nachbargesteinen und Eisbildung in den Klüften sind hierbei die wirksamsten Kräfte. Das Material sammelt sich als Blockhalde am Fuß einer Felswand
kommt. Bei der Salzverwitterung werden die Minerale des Ausgangsgesteins beziehungsweise des Bodens durch den Einfluss klimatischer Faktoren, wie Niederschläge, Säuren oder Luftsauerstoff, umgewandelt oder aufgelöst. Dringen salzhaltige Lösungen in Gesteinshohlräume, so verdunstet in ariden und semiariden Klimaregionen das Bodenwasser und es kommt zur Bildung von Salzkristallen oder Salzhorizonten im Boden. Bei erneuter Befeuchtung, beispielsweise mit Regenwasser, kommt es dann zur Hydratation, also zur Anlagerung von Wassermolekülen an die Oberfläche der salzhaltigen Bodenpartikel oder sogar zur Einlagerung von Wassermolekülen in die Kristallgitter der Salze selbst. Das führt zur Volumenzunahme, wie wir es von der chemischen Reaktion der Umwandlung von Anhydrit zu Gips her kennen, die mit einer Volumenänderung von etwa 60 Prozent abläuft: CaSO4 + 2 H2O
CaSO4 · 2 H2O
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Diese Form der Salzverwitterung gehört zwar wegen ihrer Volumenänderung und Bodenquellung infolge des Kristallwachstums zum Typ der physikalischen Verwitterung, wir können hier aber schon von chemischer Verwitterung sprechen, da hierbei auch neue chemische Substanzen entstehen. Insbesondere in klimatisch wechselfeuchten Regionen kommt es dazu, dass Gesteins- und Bodenoberflächen sehr schnell an ihren Oberflächen austrocknen, während das Wasser in tieferen Schichten länger verbleiben kann. Dort bewirkt es eine chemische oder salinäre Verwitterung im Innern des Gesteins, was letztlich zu einer inneren Auflösung äußerlich noch intakt wirkender Gesteine führt. Entstehen – meist durch Salzsprengung – Öffnungen in der äußeren Kruste solcher Formen, so kann das verwitterte Material ausgeräumt werden, und es bilden sich Hohlräume, die Tafoni (Abb. 5.9). Dieser Vorgang der Bildung von Hohlformen in Felswänden oder größeren Gesteinsblöcken, die auf chemisch-physikalische Verwitterung zurückzuführen sind, bezeichnet man als Tafonierung. Dabei wird im humiden Klimabereich oft ein Teil des Materials mit dem Sickerwasser weggeführt. Daneben bilden sich direkt oder aus der Lösungsphase neue Minerale, die wir schon als Sekundärminerale kennen gelernt haben. Die Tradition, den chemischen Vorgang der Lösung als chemische Verwitterung zu betrachten, beruht darauf, dass dieser Vorgang in der Tat in Verbindung oder im Gefolge von chemischen Verwitterungsprozessen auftritt. Dabei unterscheidet man verschiedene Prinzipien: Unter den natürlichen Mineralen sind die Chloride von Natrium (NaCl) und Kalium (KCl) besonders leicht wasserlöslich. Sie sind daher nur in extremen Trockenklimaten an der Erdoberfläche zu finden, beispielsweise am Toten Meer in Israel oder an den Salzseen in Nordamerika (Abb. 5.11). Der Begriff der chemischen Verwitterung fasst alle weiteren gesteinsumwandelnden Prozesse zusammen, bei denen sich die chemischen Mineralkomponenten verändern. Hierzu sind Kohlendioxid (CO2), Sauerstoff (O2), ausreichend Wasser als Lösungsmittel und zahlreiche organische und anorganische Säuren zur intensiven chemischen Umwandlung der Minerale notwendig. Eine Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass sich keine Bodensättigung einstellt. Die Verwitterungsprodukte der oberen Bodenhorizonte müssen entweder mit dem Sickerwasserstrom weggeführt oder im Boden in neue Sekundärminerale, wie Oxide, Hydroxide und Tonminerale, überführt werden. Dabei spielen die genannten Vorgänge der Hydratation oder Lösungsverwitterung eine entscheidende Rolle: Aufgrund des Dipolcharakters von Wasser neigen Grenzflächenkationen zur Anlagerung von Wassermolekülen. In Folge umschließt eine Hydrathülle frei liegende Ionenoberflä-
5.4 Physikalische und chemische Verwitterung
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chen. Die angelagerten Wassermoleküle an den Grenzflächen verändern die chemischen Bindungen im Kristall, und eine Lockerung des Gesteins ist die Folge. Andere Verwitterungsformen, wie die schon erwähnte Salzsprengung, könnten hier problemlos ansetzen.
Abb. 5.11. Der Mono-Lake ist ein etwa 200 Quadratkilometer großer Salzsee am Rande der Mojave-Wüste in Kalifornien. Der See ist über 700 000 Jahre alt und vermutlich das Ergebnis früherer vulkanischer Tätigkeit. Er hat zwar mehrere Zuflüsse, aber keinen oberirdischen Abfluss. Die bizarr geformten, salzüberkrusteten Kalksinterbildungen an seinem Südufer sind etwa 13 000 Jahre alte Sedimente, die erst seit den 1960er Jahren sichtbar sind, seitdem man hier große Mengen Wasser für die Stadt Los Angeles entnommen hat und der Seespiegel erheblich gesunken ist
Oft wird auch die Verwitterung von Carbonaten, den Salzen der Kohlensäure, als eigenständige Verwitterungsart definiert: Die Löslichkeit von Steinsalz (NaCl) beträgt bei 10 Grad Celsius beispielsweise 263 Gramm in einem Liter Wasser. Die Löslichkeit von Gips dagegen beträgt nur 1,9 Gramm pro Liter, ist aber immer noch groß genug, um auch morphogenetisch wirksam zu sein. Auch Kalkgestein wird gemeinhin zu den wasserlöslichen Gesteinen gezählt; das funktioniert jedoch nur, wenn Kohlendioxid (CO2) im Wasser enthalten ist. Dieses ist seinerseits durch Lösung in Form von Kohlensäure (H2CO3) in natürlichen Gewässern gelöst. Als eigenständiger und überdies vorherrschender chemischer Verwitterungsvorgang tritt die Carbonatisierung, also die Bildung und Anreicherung von Carbonaten, im Boden auf. Diese bestehen ihrerseits bereits als Carbonate,
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
wie Calcit (CaCO3), das Mineral des Kalksteins. Durch Reaktion mit der Kohlensäure bildet sich daraus ein „doppeltes“ Carbonat, früher Calciumbicarbonat, heute Calciumhydrogencarbonat genannt. Kalkstein reagiert mit Kohlensäure zu Calciumhydrogencarbonat: CaCO3 + H2CO3
Ca (HCO3)2
Chemisch liegt hier der gleiche Grundprozess vor wie bei der Hydrolyse, wörtlich aus dem Griechischen die „Auflösung in Wasser“, unter Beteiligung von Kohlensäure mit dem einzigen Unterschied, dass alle entstehenden Reaktionsprodukte hochgradig wasserlöslich sind und damit meist abgeführt werden: Im Unterschied zum Calcit ist das Calciumhydrogencarbonat bereits im Wasser löslich. Das ist die entscheidende Voraussetzung für die „Löslichkeit“ des Kalks und für die Entstehung entsprechender Erosionstypen aus dem geomorphologischen Formenschatz der Karstverwitterung, der beispielsweise auch die Doline Gstettneralm ihre Entstehung verdankt, die wir in Abb. 4.4 kennen gelernt haben. Durch den Reaktionsschritt der Carbonatisierung bildet sich Calcit, beispielsweise beim Quellaustritt („Sinterkalk") oder als Tropfstein in Höhlen. Auf der gleichen chemischen Reaktion beruht die Bildung von Kalkkonkretionen im Unterboden. Die Carbonatisierung wirkt auch bei der Komplexverwitterung vieler anderer Minerale mit, beispielsweise bei der Hydrolyse der Feldspäte. Die Carbonatverwitterung ist gleichzeitig der wirksamste Säurepuffer in Böden und stabilisiert den pH-Wert im Neutralbereich. Dabei ist der Dolomit etwas stabiler als das Calcit, so dass seine Auflösung etwas langsamer abläuft. Ganz wichtig für die Verwitterungsgeschwindigkeit ist die Größe der reaktiven Oberfläche der Minerale, also die spezifische Oberfläche, und damit auch die Korngröße. So kann es vorkommen, dass man in einem Oberboden eines Kalkverwitterungsbodens, beispielsweise einer Rendzina, noch größere Stücke Kalkstein findet, während der Feinboden vollständig entkalkt und sogar sauer ist. Hydrolyse ist die wichtigste chemische Reaktion bei der Silikatverwitterung. Der Vorgang der Verwitterung von Silikaten ist sehr bedeutsam, weil er in großen Teilen der Erde abläuft und viele Gesteine überwiegend aus Silikaten bestehen. Durch diesen Vorgang wird das vorwiegend kolloidchemisch reaktionsfähige Bodenmaterial der Tonkolloide geschaffen. Das Wasser reagiert mit dem Silikatmineral durch Austausch eines H+Ions gegen ein Kation des Minerals, das sich seinerseits mit dem Anion OH- zu einem Hydroxid verbindet. Die Silikatverwitterung ist in ihrer Wirkung eine Mikroverwitterung. Jedes Silikat stellt ein Raumgitter dar, und dieses Raumgitter wird stufenweise abgebaut. Die am Rande dieses Raumgitters befindlichen Kationen haben das Bestreben sich zu hydratisieren. Durch diese Hydratisierung erfahren die Randzonen des Silikatgitters
5.5 Biologische Verwitterung und Tonzerfall
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eine Auflockerung und Auflösung, und die Alkalien und Erdalkalien werden frei. Damit wird gleichzeitig ein Teil der Kieselsäure frei, und das Silikat zerfällt in die restlichen Bruchstücke Aluminiumhydroxid (Tonerde; Al[OH]3) und Siliciumdioxid (SiO2). Bei diesen Vorgängen wird auch das eingebaute Eisen in den Randzonen frei. Es oxidiert als Folge des Sauerstoffzutritts und wird in Brauneisenstein oder Limonit umgewandelt. Die fortschreitende chemische Verwitterung lässt sich also an der zunehmenden Braun- oder Rotfärbung (Rostfärbung) des Gesteins oder der Böden gut verfolgen. Dieser stufenweise Zerfall geht also in den Randzonen des Minerals vor sich und schreitet nach innen bis zur völligen Auflösung des primären Gitters fort. Der Prozess dieser Silikatverwitterung läuft umso schneller ab, je stärker die Wasserstoffionenkonzentration, je höher die Temperatur und je günstiger der Feuchtigkeitsgehalt ist.
5.5 Biologische Verwitterung und Tonzerfall Wir haben schon gesehen, dass Verwitterung und Abbau organischer Substanz Gesteine, Minerale und Humusstoffe in unterschiedlichen Stadien der Bodenbildung integrieren. Ein echtes Gleichgewicht zwischen Bodenaufbau und Dekomposition kann sich allerdings nicht einstellen, denn der Boden ist ein offenes System. Bei Auswaschungsvorgängen kommt es zu Verlusten an Mineralen und organischer Substanz, und durch die Absorption von Wärme gewinnt ein Boden an Energie. Wichtig in diesem Zusammenhang ist ferner die Tatsache, dass tages- und jahreszeitliche Schwankungen im Energie- und Nährstoffhaushalt sowie langjährige Veränderungen eines Bodens in den verschiedenen Klimaregionen der Erde zu verzeichnen sind. Ein Boden ist also in dauernder Veränderung begriffen. Die biologische Verwitterung wirkt insbesondere durch die Sprengwirkung von Wurzeln, welche die physikalische Verwitterung unterstützen, durch die von den Wurzeln und Abfällen ausgeschiedenen Säuren, besonders im Hinblick auf die Unterstützung der chemischen Verwitterung, und durch die Tätigkeit der Mikroorganismen. Unter den Mikroorganismen sind vorwiegend Bakterien, Algen und Spaltpilze (Actinomyceten) wirksam bei diesem Prozess. Zum Beispiel gehören Salpeterbakterien und Nitratbakterien zu den gesteinszerstörenden Mikroorganismen. Auch endolithische Flechten wirken hierbei mit. Neben solchen Spezialgruppen fördern alle Kohlensäureproduzenten unter den Mikroorganismen die Prozesse der Gesteinsverwitterung. Die mineralischen Bestandteile eines Bodens bestehen aus Gesteinsbruchstücken und primären oder neugebildeten Mineralen, vor allem Tonmineralen. Für die Bodenbildung essentiell sind ferner die organischen
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Box 5.2. Hydrolyse, Kohlensäureverwitterung und Tonminerale Bei der Hydrolyse werden Silikate und Carbonate durch Wasser chemisch verwandelt. Dabei kommt es zu einer stofflichen Veränderung der Kristallgitter, da die H+-Ionen des Wassers die Kationen in den Gesteinsgrenzflächen dissoziieren. Kalium (K+), Natrium (Na+), Calcium (Ca2+) und Magnesium (Mg2+) gehen im Austausch gegen die Wasserstoffionen in die Bodenlösung über. Dieser Vorgang schreitet von der Gesteinsoberfläche in das Innere fort, so dass letztlich auch tiefer im Gestein gebundene Kationen freigesetzt werden. Auf diese Weise verlieren die Silikat- und Carbonatmineralien ihren Zusammenhalt und letztendlich werden Kieselsäure (SiO2) und Aluminiumionen aus ihrem ursprünglichen Mineralverband gelöst und in das Sicker- oder Bodenwasser überführt. Säuren beschleunigen die hydrolytische Verwitterung, da sie die Wasserstoffionen-Konzentration des Mediums erhöhen und dessen pH-Werte dadurch erniedrigen. Die wichtigste Rolle hierbei spielt das CO2, das als Kohlensäure (H2CO3) im Wasser gelöst vorkommt. Das CO2 wird zum einen Teil aus der Atmosphäre bereitgestellt, der weitaus größere Teil jedoch entstammt der Bodenluft, wo die Atmung der Bodenorganismen den CO2-Gehalt um ein Vielfaches vermehren kann. Der CO2-Partialdruck der Bodenluft kann nach Angaben von Gebhardt et al. (2007) den der freien Atmosphäre um das Dreihundertfache übersteigen. Vor allem die häufigen Feldspäte reagieren mit Kohlensäure und Wasser zu Kaolinit, Kieselsäure, Kalium und Hydrogencarbonat nach folgender Formel: 2 KAlSi3O8 + 2 H2CO3 + H2O
Al2Si2O5 (OH)4 + 4 SiO2 + 2 K + 2 HCO3
Das Hydrogencarbonat (HCO3) geht dabei in Lösung und wird meistens abgeführt. Die anderen Verwitterungsprodukte werden ausgefällt oder in die Synthese weiterer Tonminerale eingebunden. Welche Tonminerale letztendlich entstehen, hängt vom pH-Wert der Bodenlösung und der Löslichkeit der Minerale selbst ab. Auch spielt die Zeit in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle, da fortschreitende Verwitterung normalerweise mit kontinuierlicher Versauerung des Bodenmilieus einhergeht. So kann aus einem Dreischicht-Tonmineral Smectit durch Lösung und Abfuhr von Silicium (Si) bei langanhaltender Verwitterung in den Tropen das Zweischicht-Tonmineral Kaolinit entstehen. Aus der Tonmineralzusammensetzung eines Bodens kann also auch auf den Grad der Bodenbildung und auf sein Alter geschlossen werden.
Substanzen, welche primär von den Pflanzen gebildet und von Mikroorganismen und Tieren umgewandelt werden. Minerogene Bestandteile des Bodens, die durch die Verwitterung des Ausgangs- oder Muttergesteins zustande gekommen sind, bestimmen die Bodenart. Alle zusammen, die
5.5 Biologische Verwitterung und Tonzerfall
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minerogenen und die organogenen Bestandteile des Bodens, erfahren mit der Zeit Umschichtungen und Veränderungen vor allem durch die Organismen des Bodenlebens, das Edaphon, das anschließend behandelt wird. In den Böden finden sich nahezu alle Minerale der Ausgangsgesteine wieder, man nennt sie Primärminerale. Dazu kommen noch weitere, die im Verlauf der Bodenentwicklung gebildet werden. Man nennt diese Sekundärminerale. Sie sind wichtig für die Bodeneigenschaften. Bei stark saurer Reaktion des Bodens geht im Gegensatz zu den Kalkböden der Zerfall der Silikate zwar schnell voran, aber die Tonminerale sind nicht beständig. Es tritt ein Tonzerfall ein in die Zerfallsprodukte Kieselsäure (SiO2) oder verschiedene Sesquioxide, wie zum Beispiel Eisen(III)-oxid oder Aluminiumoxid. Die Humuskolloide bilden mit den Sesquioxiden komplexe Verbindungen und führen sie in Solform über, so dass eine Auswaschung durch Regenwasser erfolgt. Wir sprechen im Fall des Tonzerfalls auch von der Bodenalterung, weil die Sorption der Nährstoffe infolge des abnehmenden Tongehaltes allmählich schwindet und sich die Nährstoffversorgung der Pflanzen verschlechtert. Danach unterscheiden wir drei Alterklassen eines Bodens: • Jugendstadium: Zwar physikalische Verwitterung, jedoch kein nennenswerter Tonaufbau (Primäre Minerale), • Reifestadium: Optimaler Tonaufbau (Sekundäre Minerale), • Altersstadium: Tonzerfall. Der Prozess der Tonverlagerung oder Lessivierung bewirkt, dass sich Partikel der Tonfraktion im Oberboden aus dem Aggregatverband lösen, mit dem Sickerwasser nach unten transportiert und im Unterboden wieder festgelegt werden. Auf diese Weise entsteht ein Bodenhorizont mit geringeren Tongehalten und einer mit Tonanreicherung. Auslöser für diesen Prozess ist das Absinken der Calcium-Konzentration in der Bodenlösung: Bei hohen Calcium-Konzentrationen sind hier die negativ geladenen Tonpartikel über Calcium-Brücken aggregiert und damit immobil. Bei sinkender Konzentration in der Bodenlösung werden die Calcium-Brücken aufgebrochen und die nun freien negativen Ladungen erzeugen Abstoßungskräfte zwischen den Tonteilchen. Der Ton kann dispergieren und, falls genügend Sickerwasser vorhanden ist, nach unten verlagert werden. Im Unterboden werden bei höheren Calcium-Konzentrationen neue CalciumBrücken aufgebaut, die den Ton festlegen. Reduktions- und Oxidationsreaktionen in den Bodenschichten sind bei verschiedenen Sauerstoffkonzentrationen an einer Vielzahl von chemischen und biologischen Vorgängen beteiligt. Sie beeinflussen die Bildungsformen und biologische Verfügbarkeit sowie die Verlagerung und den Transport der Bodenelemente von Eisen, Mangan, Kohlenstoff,
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Box 5.3. Podsolierung Beim Prozess der Podsolierung, auch „Sauerbleichung” genannt, lösen sich Aluminium- und Eisenoxide unter dem Einfluss komplexierend wirkender Fulvosäuren im Oberboden auf, werden mit dem Sickerwasser verlagert und dann wieder ausgefällt. Es bildet sich ein verfestigter Einwaschungshorizont, der Ortstein. Dieser durch Eisen- und Humusanreicherung steinhart verfestigte und bräunlichschwarz gefärbte obere Teil des B-Horizontes mit seinen zapfenförmigen Ausbuchten an Wurzelkanälen, wie sie Abb. 5.12 zeigt, ist vor allem auf Sanden unter Heidevegetation verbreitet und beeinträchtigt stark die Vegetationsentwicklung zurück zum Wald, da der Ortstein-Horizont schwer wasserdurchlässig ist und von den Pflanzenwurzeln kaum durchstoßen werden kann. Bei geringerer Verhärtung des Ortsteins spricht man von Orterde. Im Einzelnen lässt sich der Prozess in folgende Phasen aufgliedern: Zunächst kommt es zur Bildung stark saurer, wasserlöslicher Abbauprodukte, der Fulvosäuren, in der Organischen Boden-Schicht, in der Humusauflage und im Ah-Horizont, der dann als Ahe-Horizont bezeichnet wird (e von Eluvial). Dann tritt eine komplexierende Auflösung von Eisen- und Aluminiumoxiden im Ahe- und manchmal auch im Ae-Horizont auf. Es folgt der Transport aller Fulvosäuren mit dem Sickerwasser in tiefere Schichten. Schließlich kommt es zur Ausfällung in den Anreicherungshorizonten Bh (h = humos) und Bs (s von sesqui = anderthalb nach dem Atomverhältnis in Fe2O3 und Al2O3) im Ortstein oder in der Orterde. Für diese Ausfällung sind die hydrolytische Zersetzung bzw. Immobilisierung bei ansteigendem pH-Wert und die mikrobielle Umwandlung in weniger lösliche Formen oder eine Mineralisierung der organischen Molekülteile verantwortlich. Podsolierung tritt auf in nährstoffarmen, sehr sauren Böden mit der typischen Humusform des Rohhumus, da sich unter solchen Bedingungen verstärkt Fulvosäuren bilden. Außerdem wird der Prozess durch ein kühl-feuchtes Klima und gut durchlässige Sandböden begünstigt. Der Bh-Horizont ist nach unten oft in einzelne, scharf abgegrenzte Bänder aufgelöst.
Stickstoff und Schwefel. Redoxreaktionen nennt man solche chemischen Umsetzungen, an denen Elektronen beteiligt sind. Da Elektronen in wässriger Lösung nicht frei vorkommen, ist jede Oxidation (= Elektronenabgabe) mit einer Reduktion (= Elektronenaufnahme) eines anderen Stoffes verbunden. Ein Maß für die Konzentration der oxidierten und reduzierten Stoffe in einer Lösung ist das Redoxpotential. Es ist eine Kenngröße für die elektrochemische Aktivität der Elektronen in einem Medium. Von den chemischen Elementen der Bodenbestandteile kommen nur wenige als Donatoren oder Rezeptoren für Elektronen in Frage. Die wichtigsten sind die oben genannten Bodenelemente Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Mangan, Eisen und Schwefel. Unter stark reduzierenden Standortbedin-
5.6 Bodenwasser und Bodenluft
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gungen kommt noch Wasserstoff hinzu. Als Kräfte für die Redoxprozesse im Boden wirken niedrige und hohe Oxidationsstufen bei unterschiedlichen Sauerstoffgehalten.
Abb. 5.12. Die Lackprofile von Eisen-Humus-Podsol-Böden von Reinhold Tüxen aus der Sammlung des Museums „Natur und Mensch“ in Oldenburg zeigen zapfenartige Strukturen, die auf das Eindringen von Wurzeln in tiefere Bodenschichten zurückzuführen sind
5.6 Bodenwasser und Bodenluft Wir haben es bereits gesehen, jeder Boden ist ein dreiphasiges System: Es besteht aus einer festen, einer flüssigen und einer gasförmigen Phase. Je günstiger das Raumverhältnis zwischen diesen einzelnen Phasen ist, umso größer sind die Voraussetzungen für die Bodenfruchtbarkeit. Der Raum am Gesamtvolumen eines Bodens, den die feste Phase einnimmt, bezeichnet man als Substanzvolumen, während der übrige Teil, die Hohlräume im Boden, als Porenvolumen bezeichnet werden. Der Anteil des Porenvolumens gibt also den Raum an, welcher der gasförmigen und flüssigen Phase, das heißt der Luft und dem Wasser zur Verfügung steht. Ideale Verteilungsverhältnisse zwischen Porenvolumen und Substanzvolumen für das
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
Wachstum der meisten unserer Pflanzen liegen dann vor, wenn die Verhältnisse etwa 1:1 stehen, also 50 Prozent Porenvolumen und 50 Prozent Substanzvolumen. In solchen Böden sind die Hohlräume auch so groß, dass selbst dann, wenn der Boden bis zur Wasserkapazitätsgrenze mit Wasser versorgt ist, noch genügend Hohlraum für die Luft zur Verfügung bleibt. Macht das Luftvolumen in diesem wassergesättigten Zustand etwa 10 Prozent des Gesamtbodenvolumens aus, so ist eine ausreichende Sauerstoffzufuhr für die Wurzeln unserer meisten Wild- und Kulturpflanzen gewährleistet. Diese Sauerstoffzufuhr spielt ja für die Wurzelatmung der Höheren Pflanzen und noch mehr für die Lebensprozesse der aeroben Mikroorganismen eine lebenswichtige Rolle. Bei den verschiedenen Korngrößenfraktionen unserer Böden und ihren unterschiedlichen Strukturverhältnissen mit Einzelkorn- oder Krümelstruktur ist es verständlich, dass die Hohlräume der einzelnen Böden durchaus unterschiedlich sind. Bei den schweren Böden, den Lehm- und Tonböden, sind sie, weil die Bodenpartikel sehr fein sind und sich daher dicht zusammenschließen können, sehr klein. Das hat den großen Nachteil, dass diese kleinen Hohlräume wie Kapillaren wirken und sich bei Wassersättigung des Bodens voll mit Wasser anfüllen. Dazu kommt dann noch eine Quellung der Tonkolloide infolge der Hydratation. Für die Bodenluft bleibt unter diesen Umständen nur noch wenig oder überhaupt kein Platz mehr. Das Wasser wird also in den feinen Hohlräumen festgehalten. Wir bezeichnen einen solchen Vorgang als Staunässe. Er tritt also oberflächlich ohne Abhängigkeit vom Grundwasserspiegel auf und zwar immer in dicht gelagerten, wenig durchlüfteten Böden. Solche Böden sind sofort an der Zusammensetzung ihrer Pflanzengesellschaften zu erkennen. Anders verhält sich ein schwerer Boden, wenn durch Kalk eine gesunde Krümelstruktur hervorgerufen wird. Die Krümel können aufgrund ihrer Größe nicht so dicht lagern wie die einzelnen Tonpartikelchen. Es entstehen also größere Hohlräume im Boden, die auch bei voller Wassersättigung nicht mit Wasser angefüllt werden. Das Wasser füllt dabei nur die kleineren Poren aus. So ist in einem solchen Boden für eine gute Verteilung von Wasser und Bodenluft gesorgt. Im Boden tritt das Wasser als Grundfeuchte, Grundwasser, Kapillarwasser, Haftwasser, als gebundenes sowie pflanzenverfügbares Wasser und als Wasserdampf auf. Von dem Niederschlagswasser, das nicht an der Oberfläche des Bodens abfließt, bewegt sich ein Teil als Senkwasser oder Sickerwasser abwärts, während der andere Teil als Haftwasser von den Bodenteilchen zurückgehalten wird. Wie groß die Menge ist und wie tief nun eine gewisse Regenmenge in den Boden eindringt, hängt von der Wasserkapazität oder der Wasserhaltefähigkeit des Bodens ab. Je größer die Wasserkapazität des Bodens ist, desto mehr Haftwasser wird zurückgehalten
5.6 Bodenwasser und Bodenluft
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und desto weniger tief ist die Durchfeuchtung. Die Wasserkapazität hängt wiederum von der Bodenart ab: Ein Regen mit 50 Millimeter Niederschlag dringt beispielsweise in Sandboden 50 Zentimeter tief, in Lehmboden aber nur 10 Zentimeter tief ein. Box 5.4. Staunässe anzeigende Unkräuter Auf unseren Kulturböden gibt es verschiedene Varianten von Ackerunkrautgesellschaften, die auf staunassen Böden vorkommen. Die Erkennung dieser Gesellschaften ist vor allem für den Landwirt von großer Bedeutung, weil sie ihm anzeigen, dass hier Maßnahmen für die Bodendurchlüftung notwendig sind. Die Staunässe anzeigende Flachwurzler Ackerminze (Mentha arvensis), Kriechender Hahnenfuß (Ranunculus repens), Sumpf-Ruhrkraut (Gnaphalium uliginosum), Krötenbinse (Juncus bufonius) oder Sumpfziest (Stachys palustris) können sich nur dort halten, wo der Boden zumindest zeitweise staunass und schlecht durchlüftet ist. Staunässe ertragende Tiefwurzler, wie Acker-Schachtelhalm (Equisetum arvense), Ampfer-Knöterich (Polygonum amphibium var. terrestre), Wasserpfeffer (Polygonum hydropiper) oder Huflattich (Tussilago farfara), haben tief reichende Wurzeln und Rhizome. Sie deuten daher den Wasserstau in größeren Tiefen, in etwa 50 bis 150 Zentimetern, an. Kommen die Arten zusammen mit denjenigen der ersten Gruppe vor, so ist der Boden drainagebedürftig.
Die wichtigsten Wasserträger des Bodens sind seine Ton- und Humuskolloide. Sie besitzen allgemein elektronegative Eigenschaften und sättigen ihre Ladung ab, indem sie positiv geladene Ionen, also Kationen, adsorbieren. Dieser Kationenschwarm, der die Bodenteilchen umgibt, setzt sich aus zweiwertigen Calcium- und Magnesiumionen und aus einwertigen Wasserstoff-, Kalium- und Natriumionen zusammen. In unseren Böden überwiegen in der Regel Ca2+- und H3O+-Ionen. Bei Überwiegen von Ca2+Ionen weisen die Böden gute Krümelstruktur auf, während sie bei den H3O+-Ionen zur Einzelkornstruktur neigen und leicht durch Regen eingeschlämmt und verdichtet werden. Jedes adsorbierte Ion besitzt nun eine Hydratationshülle, d. h. es ist von Wassermolekülen umgeben und somit hydratisiert. Deshalb ist auch jedes von vielen Ionen umschwärmte Tonteilchen im Boden mit einem Wassermantel, dem Schwarmwasser, umhüllt, wobei die Wassermoleküle umso fester gebunden sind, je näher sie den Tonteilchen liegen. Diesen inneren Ring der am stärksten gebundenen Wassermoleküle zum Tonteilchen hin bezeichnet man als hygroskopisches Wasser. Die Saugkraft, mit der dieses Teilchen gebunden wird, ist so stark, dass die festen Bodenteilchen sich nicht unmittelbar zu berühren vermögen. Dabei können immense Saugkräfte entwickelt werden.
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Die Größe der Wasserhülle um die Bodenteilchen hängt von der adsorbierten Ionenart ab. Sie ist infolge der starken Hydratationshülle des Na+Ions bei den Salzböden am größten, da das Na+-Ion sehr stark hydratisiert ist. Bei salzhaltigen Böden sind folglich die Tonteilchen mit so mächtigen Wasserhüllen umgeben, dass sie weit auseinander gedrängt werden. Der salzhaltige Schlickboden unserer Wattenküsten, der ja vorwiegend aus Tonteilchen besteht, quillt daher bei Wasserzufuhr regelrecht auf und nimmt eine breiige Konsistenz an. Bei Trockenheit zieht sich das Bodengefüge infolge Wasserverlustes wieder zusammen. Es entstehen an der Oberfläche starke Spannungen, bis an den schwächsten Stellen des Gefüges Risse entstehen, die man als Trockenrisse bezeichnet (Abb. 5.13). Diese Trockenrisse entstehen in allen feindispersen Böden mit hohen Tonanteilen.
Abb. 5.13. Polygonale Trockenrisse im Schlickwatt der Nordsee entstehen durch Kontraktion der Bodenpartikel bei Ebbe und oberflächlicher Austrocknung. Sie sind für die annuellen Salicornia-Arten existentiell, denn nach der Reife im Herbst geraten die Samen in solche Bodenspalten, die somit „Safe Sites“ für die Keimung im nächsten Jahr darstellen
Überwiegt dagegen im Ionenschwarm das Ca2+-Ion, so ist die Wasserhülle der Tonteilchen gering. Die einzelnen Bodenteilchen nähern sich besonders stark und neigen zum Verkleben. Es tritt die für Bodenfruchtbarkeit äußerst wertvolle Krümelbildung ein. In diesem Falle ist zwar die Menge des von den Bodenteilchen zurückgehaltenen Adsorptionswassers relativ gering, jedoch legen sich die kleinsten Krümel zu etwas größeren zusammen, so dass feine Porenkanäle entstehen, die sich mit Kapillarwasser füllen können. Das ist besonders der Fall, wenn der Boden neben Tonteilchen auch noch genügend Humusteilchen enthält. Aufgrund dieser Hydratationsverhältnisse des Bodens können wir jetzt auch verstehen, dass Böden, die vorwiegend aus Quarzteilchen bestehen und kaum über feine Tonkolloide verfügen, nur wenig Ionen adsorbieren und deshalb nur unbe-
5.6 Bodenwasser und Bodenluft
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deutende Wasserhüllen enthalten. Dazu gehören zum Beispiel die armen Sandböden. Die Saugkräfte dieser Böden sind dementsprechend schwach im Gegensatz zu Lehm- und Tonböden. Schon bei geringem Wassergehalt ist ein solcher Boden abgesättigt. Dabei wird das meiste Wasser nur kapillar im Boden festgehalten. Diese Verhältnisse muss man nicht nur beim Eindringen des Wassers in den Boden, sondern auch beim Wasseranstieg aus dem Grundwasserbereich berücksichtigen. Ein solcher Wasseranstieg geht immer vom Grundwasserspiegel oder Stauwasserspiegel aus. Es kommt beim Wasseranstieg sowohl auf die Steighöhe als auch auf die Steiggeschwindigkeit an: Je feinkörniger der Boden ist, desto langsamer verläuft der Wasseranstieg. Hingegen vergrößern sich mit zunehmender Feinkörnigkeit die Steighöhen. Theoretisch müsste die Steighöhe beim feinkörnigsten Boden, also beim Tonboden die höchste sein. Das ist aber nicht der Fall. Beim Tonboden sind die Wasserhüllen um die Tonteilchen nämlich zu dick, und daher sind die Poren zwischen ihnen sehr geringmächtig, so dass der Wasseranstieg zu große Reibungskräfte nach sich zieht. Unmittelbar über dem Grundwasser steigt das Wasser kapillar auf und füllt alle Poren des Bodengefüges aus. Über dieser Zone bleiben die Poren zum größten Teil mit Luft erfüllt, und für die weitere Wasserbewegung hin zur Oberfläche sind nur noch die Saugkräfte der Bodenteilchen maßgebend. Sie bewirken, dass sich das Wasser wie ein Film über alle Bodenteilchen ausbreitet und sie benetzt. Durch Nachschub aus tieferen Bodenschichten wird der Wasserfilm immer dicker, bis schließlich die Teilchen mit Adsorptionswasser abgesättigt sind. Je mehr sich nun das anstehende Kapillarwasser vom Grundwasserspiegel entfernt, desto größer und anhaltender werden die Reibungswiderstände, die der Wassernachschub überwinden muss. Der Nachschub wird geringer und dementsprechend auch der Absättigungsgrad. Schließlich wird die Endsteighöhe erreicht. Sie beträgt im günstigen Falle bei Lehmböden 2 Meter. Aufgrund solcher maximalen Steighöhen ist es verständlich, dass eine gewisse Höhe des Grundwasserstandes in unseren Böden für die Vegetation von Bedeutung ist. Der optimale mittlere Grundwasserstand beträgt bei Sandböden einen Meter, bei sandigen Lehmen und leichten Lehmen 1,50 Meter und bei schweren Lehmen etwa 2 Meter. Für Böden mit Grünland sind die günstigsten Grundwasserstände erheblich höher, da die Bewurzelung der Pflanzen sich größtenteils nur auf die obere Bodenschicht von etwa 20 Zentimeter beschränkt. Für Auenwälder und Bruchwälder ist ein hoher Grundwasserstand essentiell; einen mittleren Grundwasserstand benötigen Eichen-Hainbuchenwälder, und mit einem tiefen Grundwasserstand kommen Birkenwälder und Eichen-Elsbeerenwälder zurecht.
124
5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
5.7 Feldkapazität Der Energiegehalt der Feldkapazität ( ) eines bestimmten Wasservolumens im Boden setzt sich aus mehreren Teilbeträgen zusammen: Das Gravitationspotential ( z) beschreibt die Differenz der Lageenergie des Wassers gegenüber der Bodenoberfläche. So ist das Gravitationspotential positiv, wenn sich das Wasser über der Bezugsebene, ihr Wert ist negativ, wenn er sich darunter befindet. Das Matrixpotential ( m) beschreibt die Energie, mit der das Wasser als Dipol mit der Bodenmatrix verbunden, also in den Bodenporen adhäsiv gebunden ist. Für freies, nicht gebundenes Wasser, beispielsweise Grundwasser, gilt: Das Matrixpotential ist null. Es ist also kein Energieaufwand nötig, Wassermoleküle zu entfernen. Die Bindung in Bodenporen verringert deren Energiegehalt, so dass das Matrixpotential für gebundenes Wasser negativ ist. Der negative Wert eines Matrixpotentials wird auch als Saugspannung (- m) bezeichnet. Das Matrixpotential muss also aufgewendet werden, wenn Wasser aus den Bodenporen absorbiert werden soll. Über die Korrelation von Porengrößen und Matrixpotential informiert die Tabelle 5.4. Die Saugspannung in den Pflanzen werden wir in Kapitel 8.2 näher betrachten. Tabelle 5.4. Porendurchmesser und Matrixpotentiale (aus W. R. Fischer 2002) Porenklassen
Durchmesser [ m]
Matrixpotential [cm] [pF]
weite Grobporen
> 50
0 bis -60
< 1,8
enge Grobporen
10 bis 50
-60 bis -300
1,8 bis 2,5
Mittelporen
0,2 bis 10
-300 bis -15000
2,5 bis 4,2
Feinporen
< 0,2
< -15000
> 4,2
Feinwurzeln
> 10
Pilzmycele
3 bis 6
Bakterien
0,2 bis 1
Wie das Gravitationspotential wird auch das Matrixpotential meist in der Längeneinheit Zentimeter angegeben. Da der Absolutbetrag dieser Werte sehr groß werden kann, verwendet man oft die logarithmische Darstellung: pF = log(- m). In der Tabelle 5.4 sind die Werte für das Matrixpotential angegeben; es wird deutlich, dass die Bindungsfähigkeit des Porenwassers bei abnehmendem Porenradius zunimmt. In den Feinporen
5.7 Feldkapazität
125
wird das Wasser so fest gebunden, dass die Pflanzen nicht mehr darauf zugreifen können. Wir bezeichnen dieses als „Totwasser“. Die Potentialgrenze zum verfügbaren Wasser wird Permanenter Welkepunkt genannt. Dieser liegt bei einem Matrixpotential von minus 15000 Zentimetern beziehungsweise einem pF-Wert von 4,2, wie aus der Tabelle 5.4 ersichtlich wird. Die treibenden Kräfte für die Wasserbewegung im Boden sind also Gravitations- und Matrixpotential, deren Summe als das Hydraulische Potential ( H) definiert ist. Das Osmotische Potential ( o) berücksichtigt die Tatsache, dass hohe Salzkonzentrationen im Bodenwasser dessen Verfügbarkeit einschränken. Bei Pflanzen und Mikroorganismen macht sich dies durch einen erhöhten osmotischen Druck bemerkbar. Mit sinkendem Wassergehalt beziehungsweise steigender Wasserspannung sinkt die Wasserleitfähigkeit stark ab. Ein Grund dafür ist zunächst, dass gröbere und damit luftgefüllte Poren für die Wasserleitung ausfallen. Darüber hinaus nimmt der Transportweg eines Wasservolumens erheblich zu. Dabei hat Sandboden zwar zunächst die höchste Wasserleitfähigkeit, bei steigender Wasserspannung nimmt diese jedoch um mehrere Zehnerpotenzen ab, da dann kaum noch wasserführende und deswegen leitfähige Poren, vor allem Mittelporen, vorhanden sind (Abb. 5.14). In den Bodenporen kann Wasser gespeichert werden, wenn es durch ein entsprechend niedriges Matrixpotential gegen Versickerung geschützt wird. Man definiert daher die Feldkapazität eines Bodens, abgekürzt FK und auch als Wasserkapazität (WK) bezeichnet, als diejenige Wassermenge, die der Boden über einige Tage gegen die Schwerkraft halten kann. In der Regel entspricht das dem Volumen der Fein- und Mittelporen. Üblicherweise unterscheidet man Standorte mit hohem Grundwasserstand, mit Stauhorizonten oder mit hohen, gleichmäßig verteilten Niederschlägen, bei denen keine großen Gradienten im hydraulischen Potential auftreten. Bei diesen bestimmt man die Feldkapazität als den Wassergehalt bei pF 1,8 ( m = -60 cm). Hier sind auch die engen Grobporen in die Wasserspeicherung einbezogen. Es wird angenommen, dass alles in Grobporen vorhandene Wasser innerhalb weniger Tage versickert und daher nicht zur Speichermenge beiträgt. Deshalb zieht man die Grenze der Feldkapazität bei pF 2,5 ( m = -300 cm). Zieht man von der Feldkapazität das Totwasser ab, so erhält man die nutzbare Feldkapazität (nFk), auch nutzbare Wasserkapazität (nWk) genannt. Dieser ökologisch wichtige Wert hat einen engen Zusammenhang zur Körnung eines Bodens bzw. zur Bodenart. Wie Abb. 5.14 zeigt, ist zwar die Feldkapazität beim Tonboden am größten, die nFk hat ihr Maximum aber beim Schluff. Ein Grund dafür ist im Schluffboden der hohe Anteil an Mittelporen, die Wasser pflanzen-
126
5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
verfügbar speichern können. Dies ist auch eine wesentliche Ursache dafür, dass Schluffböden unsere fruchtbarsten Böden sind. Einen erheblichen Beitrag zur Fk und nFk leistet auch der Humus. Aus Abb. 5.14 ist weiterhin ersichtlich, dass bei gleichem Wassergehalt die Bindungsstärke, also das Matrixpotential des Bodenwassers, in der Reihenfolge von Sandboden über Schluffboden zu Tonboden hinansteigt.
Abb. 5.14. Beziehungen zwischen Wasserspannung und Wassergehalt in einem Sandboden, einem tonigen Schluffboden (Lössboden) und einem Tonboden. FK = Feldkapazität, PWP = permanenter Welkepunkt (aus Scheffer u. Schachtschabel 2002 © Spektrum Akademischer Verlag)
5.8 Humus Bisher haben wir von den minerogenen Bestandteilen des Bodens gesprochen. Zum Boden gehören aber auch – insbesondere was die oberen Bodenhorizonte betrifft – die organogenen Bestandteile. Die gesamten organogenen Bestandteile des Bodens, gleichgültig, ob es sich um pflanzliche, tierische oder Bildungen von Mikroorganismen handelt, bezeichnet man im weitesten Sinne als Humus oder als Organische Bodensubstanz (OBS). Dies ist ein außerordentlich heterogenes Stoffgemisch, welches sich aus Huminstoffen, den Reaktionsprodukten von Humifizierungsprozessen ohne definierte Molekülstruktur und Nichthuminstoffen, den definierten chemischen Verbindungen der Streu sowie den Resten von Wurzeln und Bodenorganismen zusammensetzt. Was bedeutet der Humus für den Boden und für die Vegetation? Der Humus ist kein unmittelbarer Nährstoff für unsere Höheren Pflanzen im üblichen Sinne. Er hat aber dennoch für die Pflanzenwelt eine hervorragende Bedeutung: als Nährhumus für die heterotrophen Mikroorganismen
5.8 Humus
127
des Bodens, als Nährstoffträger besonders für Stickstoff, wobei die Huminsäuren Kristallite ausbilden, die wie Tonkolloide Sorptionsvermögen haben, durch Freiwerden von Nährstoffen bei der Mineralisation durch mikrobiellen Abbau und als Beitrag entweder direkt oder indirekt über Förderung des Bodenlebens zur Strukturverbesserung des Bodens. Unter Rohhumus verstehen wir Bodenauflagen von halbzersetzten Rotteprodukten. Es kommt hier zur Bildung von HuminsäureVorstufen. Sie gehen mit Wasser eine helle Lösung ein und verbinden sich mit den Zerfallsprodukten der sekundären Tonmineralien (Sesquioxide). In humiden Klimaten kommt es zur Auswaschung dieser Bestandteile aus dem Oberboden und zu einer Anreicherung im Unterboden (Orterde, Ortstein). Diesen Vorgang nennt man Podsolierung (Abb. 5.15). Etwa 90 bis 95 Prozent des im Boden vorkommenden Stickstoffs finden sich in organischer Bindung und werden bei der Mineralisierung des Humus freigesetzt. Die organische Substanz enthält in erster Linie Cellulose und Hemicellulose, Fette, Proteine, Kohlenhydrate sowie Lignine. Cellulose und Lignine nehmen dabei etwa 50 bis 60 Prozent ein. Die einzelnen Stoffe werden verschieden schnell abgebaut, wobei Fette, Proteine, Kohlenhydrate, Cellulose und Hemicellulose relativ rasch, Lignine dagegen nur sehr langsam zersetzbar sind. Der Abbau der organischen Substanz durch die Bodenorganismen geschieht nach dem Fließbandsystem. Sobald bestimmte Abbaustufen erreicht sind, treten jeweils neue Gruppen von Mikroorganismen auf. Diese Vorgänge des Abbaus werden von der leichten Zersetzbarkeit der organischen Substanz, wenn zum Beispiel wenig Lignin vorhanden ist, und von der mehr oder weniger neutralen Bodenreaktion gefördert. Wichtig ist auch ein möglichst ausgeglichener Wasserhaushalt der Böden. Wenn die Böden zu nass oder zu trocken sind, ist der Abbau gehemmt. Dazu kommt die Bodenwärme, die belegt wird durch eine schwache Zersetzung unter arktischem Klima, im feucht-warmen Tropenklima dagegen durch eine starke Zersetzung. Schließlich ist auch der Nährstoffgehalt des Bodens insgesamt für die Geschwindigkeit der Abbaurate bedeutsam. Die Spanne der Humusgehalte der Oberböden reicht von unter einem Prozent („sehr schwach humos“) bis zu 8 bis 15 Prozent („sehr stark humos“). Terrestrische Böden mit Humusgehalten zwischen 15 und 30 Prozent bezeichnet man als „extrem humos“ und entsprechende Feuchtböden als „anmoorig“. Das langfristige Maß des Humusgehaltes ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen Biomassezufuhr, beispielsweise aus Laubstreu, und Mineralisierung. Unter allgemein günstigen standörtlichen Bedingungen ist der Humusgehalt meist relativ gering, da zwar die Biomasse opti-
128
5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
mal, die Mineralisierung aber noch stärker ausgebildet ist. Ist aber einer oder mehrere dieser Faktoren ungünstig gestaltet, so kommt es zur Hemmung des Abbaus, und gerade diese Hemmstufen beim Abbau der organischen Substanz können sich für Boden und Pflanzenwelt äußerst nachhaltig auswirken.
Abb. 5.15. Mächtige Rohhumuspakete stellen sich über einem Podsolboden ein, der in feinkiesigen Sanden ausgebildet ist. Der Podsol ist von der Besenheide (Calluna vulgaris) und jungen Kiefern besiedelt, die das organische Material für die Rohhumusauflage anliefern
Daher ergeben sich die höchsten Humusgehalte, wenn die Mineralisierung auch bei ausreichender Streuzufuhr gehemmt ist, beispielsweise durch zeitweiligem Sauerstoff- oder Wassermangel, durch Kälte oder auch durch sehr niedrige pH-Bereiche. So kann es bei großer Nässe zu Moorbildung kommen. Extrem saure Bodenreaktion fördert obendrein die Rohhumusbildung. Die im Boden akkumulierte Humusmenge beträgt je nach Gehalt und Mächtigkeit des humosen Horizontes etwa 100 Tonnen pro Hektar, bei Schwarzerden und Anmoorböden auch erheblich mehr. Entsprechend hoch sind dann auch die im Humus enthaltenen Nährstoffmengen, insbesondere Stickstoff.
5.9 Literatur
129
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5 Bodenfaktoren – Schrift des Bodens
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
Im System der globalen Kreisläufe, wie es für die Klimafaktoren im Kapitel 2 ausgeführt ist, nimmt der Boden in seiner Kontinuum-Funktion eine wichtige Rolle ein. Die Bodenbildung im Gestein geht mit einer Nährstofffreisetzung aus den Mineralien und gleichzeitiger Nährstoffspeicherung aus der anfallenden Biomasse einher. In diesem Prozess wirken alle Faktoren zusammen, die an der Erdoberfläche eine Rolle spielen, von der Sonnenstrahlung bis zur menschlichen Tätigkeit. Böden sind zudem über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende gewachsen; sie sind damit auch Archive der Erd- und Landschaftsgeschichte. Das Gestein oder das Sediment liefern die dominierenden bodenbildenden Voraussetzungen, welche die Körngrößenzusammensetzung, also die Bodenart, den Mineralbestand und damit den Bodenchemismus, das Bodengefüge und die Bodenfarbe maßgeblich beeinflussen, wie wir in Kapitel 5 gesehen haben. Das System Boden-Pflanze-Atmosphäre ist dank der Positionierung der Böden im globalen Gesamtsystem von Strahlungs- und Wärmebilanzen eingebunden. Mit ihrer Filterwirkung und Pufferung sowie der ihnen eigenen biotischen Aktivität wird außerdem klar, dass ein Boden die Funktion eines „Zwischenspeichers“ einnimmt. Das gilt sowohl für die Wärme- als auch für die Nährstoffbilanz. Die Böden besitzen dazu im Allgemeinen eine hohe Regenerationsfähigkeit, und im Gegensatz zur Hydro- und Atmosphäre hat die Pedosphäre eine hohe funktionale Speicherkapazität, wie wir es in der Einführung schon definiert haben. Dies führt jedoch auch dazu, dass Belastungen mit Schadstoffen im Boden über längere Zeit hinweg verborgen bleiben können, bis sie bei Überschreitung ihrer Kapazitätsgrenzen plötzlich in Erscheinung treten. Wir sehen das derzeit überaus deutlich bei der Überdüngung der Böden mit Stickstoff aus Gülle und Ammoniakdepositionen beispielsweise in den nordwesteuropäischen Pleistozänlandschaften, wo mancherorts über 50 Kilogramm Stickstoff pro Hektar und Jahr alleine aus der Luft in den Boden eingetragen werden (Abb. 6.1). Das wird unsere Böden und ihre Vegetation in der Zukunft stark verändern, wenn diese Einträge nicht gestoppt werden. Bei jungen, unreifen Böden ist das Ausgangsgestein von ausschlaggebender Bedeutung für Bodeneigenschaften, und je nach der Gesteinsart unterscheiden sich die Verwitterungsböden sehr stark. Mit der Zeit verwi-
132
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
schen sich diese Unterschiede aber immer mehr, beispielsweise sichtbar an der Auswaschung des Kalkes aus Kalkgesteinen. Der Einfluss des Klimas und der Pflanzenwelt auf den Boden ist dagegen umso ausgeprägter, je weiter die Bodenreifung fortgeschritten ist, da mit der Bodenreifung auch die den Boden deckende Pflanzenmasse zunimmt. Das Bodenprofil wird somit vom Klima und von der Pflanzendecke geprägt. Doch verschwinden gewisse, durch das Ausgangs- oder Muttergestein bestimmte Besonderheiten niemals ganz. Diese Wechselwirkung macht es verständlich, dass zwischen Klimazonen, Vegetationszonen und Bodenzonen auf der Erdoberfläche eine nahezu völlige Parallelität besteht. Sie ist jedoch in Kulturlandschaften nur schwer nachzuweisen, denn der Mensch hat die natürliche Pflanzendecke weitgehend zerstört und auch das Bodenprofil teilweise verändert, indem er den Boden bearbeitete.
Abb. 6.1. Stickstoffeintrag über Niederschläge aus Intensivlandwirtschaftsgebieten in unterschiedliche Vegetationsbestände im Gebiet des Nationalparks „Hoge Veluwe“ in den Niederlanden (2005-2006), gemessen in Lysimetern und oberirdischen Niederschlagssammlern. Es bedeuten: BQ1N: Betulo-Quercetum roboris Kootwijkerzand; BQ2N: Betulo-Quercetum roboris Caitwickerzand; DPN: Deschampsio-Pinetum Kootwijkerzand; AFN: Ackerbrache bei Stroe (Nähe Kootwijk); CIN: Campylopus introflexus-Gesellschaft Kootwijkerzand; SC1N: Spergulo-Corynephoretum Caitwickerzand, SC2N: Spergulo-Corynephoretum Hoge Veluwe. Die hohen Werte für Ammonium bezeugen den aerosolierten Eintrag
6.1 Globaler Überblick Die Böden der Erde lassen sich in Bodenzonen aufteilen, die weitgehend den Zonobiomen entsprechen. Über diese Böden wollen wir zunächst eine kurze Übersicht geben (Abb. 6.2). Global betrachtet besitzen etwa 40 Pro-
6.1 Globaler Überblick
133
zent der Festlandflächen unfruchtbare Tundren, Wüsten oder Halbwüsten mit entsprechenden Bodenformationen. Dazu kommen flachgründige Böden in den Gebirgen sowie etwa 35 Prozent nur mäßig fruchtbare Podsole und Latosole. Etwa 6 Prozent aller Böden sind von mittlerer Güte, und nur etwa 20 Prozent sind von Natur aus fruchtbar. Die immerfeuchten Tropen, in denen man früher und vielfach leider auch heute noch, getäuscht von der Artenfülle und der Dichte der Vegetation des Regenwaldes, das umfangreichste Potential für die Erweiterung landwirtschaftlicher Nutzflächen sah, weisen nur eine scheinbar üppige Fruchtbarkeit aus. Hier sind infolge der hohen Temperaturen und der Niederschläge im Regime der ITCZ die chemische Verwitterung, die Auswaschung der Nährstoffe und der Abbau der organischen Substanz so sehr beschleunigt, dass die lateritischen tropischen Böden als „unfruchtbar“ gelten müssen. Das liegt daran, dass die tropischen Ökosysteme seit Alters her ungestört und klimatisch relativ einheitlich einer intensiven Verwitterung ausgesetzt sind, wobei fast alle Nährstoffe des Bodens in die Biomasse der Vegetation verlagert sind.
Abb. 6.2. Böden der Erde (aus Brockhaus Enzyklopädie, 19. Aufl. 3. Band © F. A. Brockhaus, München)
Wird das natürliche Gleichgewicht in tropischen Wäldern nun durch Waldzerstörung vernichtet und durch Beseitigung der pflanzlichen Gehölzbiomasse gestört, verschwindet die anfangs noch vorhandene organi-
134
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
sche Bodensubstanz durch Auswaschung in tiefe Bodenschichten oft schon in den ersten Jahren. Mangels ausreichender Austauschkapazität des Bodens durch seine hohen Kaolinitgehalte kann hier auch eingesetzter Dünger keinen Ersatz bringen; auch er wird rasch ausgewaschen. Eine Ausnahme davon bilden die jungen basischen Vertisole und die durch regelmäßige Überschwemmungen mit Flusssedimenten regelrecht „gedüngten“ Auenböden tropischer Tiefländer. Ein Vertisol ist ein dunkelgrauer, im feuchten Zustand fast schwarzer, tonmineralreicher Bodentyp mit A/C-Profil auf Gesteinen mit hohem Kalk- und Calciumsilikat-Anteil. Er besitzt hohe Gehalte an quellfähigen Tonmineralen, vor allem Smectiten. Der mächtige A-Horizont liegt dem Muttergestein (C) unmittelbar auf. Großflächige Vorkommen davon gibt es in den wechselfeuchten Tropen, besonders in Ebenen und Senken, wo die Böden in der Regenzeit durchfeuchtet und in der Trockenzeit ausgedörrt sind. In diesem Klima führt das zur periodischen Bildung tiefreichender Schrumpfrisse, in die humoses Material geraten kann und später in der Regenzeit, wenn die Risse sich schließen, erneut eingearbeitet wird. In der Folge bildet sich ein mächtiger, nahezu humoser Ah-Horizont, der jedoch nicht biogen ist, sondern seine Entstehung der Quellungsdynamik verdankt. Wir kennen diese Böden vor allem von den Randtropen in Zentralafrika, aus Indien, aus Australien und von den pazifischen Inseln (Abb. 6.3).
Abb. 6.3. Vertisol in Schwemmebenen auf der Insel Viti Levu (Fidschi). Diese Böden sind nur in der Regenzeit zu bewirtschaften. In der Trockenzeit sind sie völlig ausgedörrt
6.1 Globaler Überblick
135
Vertisole sind insgesamt extrem anfällig gegen Brandrodung und Weidewirtschaft, da sie nicht regenerieren können und schnell erschöpfen. In den Trockensavannen Afrikas und Indiens kann nach der Vegetationszerstörung mangelnder Niederschlag grundsätzlich ein begrenzender Faktor für Boden und Vegetation sein: Nach lange ausbleibenden Niederschlägen kommt es dann zur Bodenversalzung durch die Evaporation bis zur totalen Bodenerschöpfung. Der Vorgang ist als „Sahelisierung“ inzwischen aus vielen subtropischen Regionen der Erde und nicht nur aus Afrika bekannt. Die mediterranen Böden der Terra rossa sind Varianten von Braunerden. Rotgelbe, hämatitreiche podsolige Böden sind bezeichnend für die Subtropen (Abb. 6.2). Die braunen und roten Böden der Savannen sind zudem als Roterde oder Rotlehme zu bezeichnen; sie sind teilweise den Vertisolen verwandt. Als die fruchtbarsten Böden der Erde gelten die Steppenböden, besonders die Tschernoseme und Kastanoseme. Hohe Erträge erbringen aber auch die Böden des gemäßigt warmen, humiden Klimas, die Braunerden und Parabraunerden, während in höheren geographischen Breiten mit abnehmenden Temperaturen und zunehmenden Niederschlägen die Podsole an Raum gewinnen. Wegen ihrer großen Bedeutung wollen wir sie nachfolgend einzeln behandeln. Die Tundren- und Frostmusterböden im äußersten Norden Amerikas und Eurasiens sowie in der Antarktis sind durch Permafrost dominiert. Normalerweise sind diese Regionen schnee- und eisbedeckt. Wo aber in Kältewüsten die Niederschläge sehr gering sind, finden wir die Tundrenböden und Frostmusterböden (Abb. 6.2). Hier herrscht ein vorwiegend arides Kaltklima mit Niederschlägen unter 50 Millimetern pro Jahr, praktisch nur als Schnee. An solchen Stellen dominieren relativ starke Verdunstung und zeitweilige Schneefreiheit, vor allen in manchen Regionen der Antarktis und in der Arktis, beispielsweise bei Ellesmere Island im Kanadischen Polarmeer. In dieser Situation bilden sich humusfreie, neutrale bis alkalische eisige Böden mit deutlicher Anreicherung an Salzen in den oberen Bodenhorizonten. Aerosolierte Salze aus den angrenzenden Ozeanen mögen hier verstärkend wirken. Diese Eiswüsten können bis in die Formation der Tundren übergehen. Wenn mehrere Monate Schneefreiheit und Mitteltemperaturen von über 2 Grad Celsius eine mehr oder weniger geschlossene Tundrenvegetation erlauben, entstehen unter dem Einfluss des Permafrostes vor allem Böden mit eingeschlossenen Eisschichten, die wir in den Palsas der Abb. 4.17 schon gesehen haben. Diese Tundrenböden zeigen normalerweise alle Formen der Kryoturbation mit Frostsprengung, Solifluktion sowie Polygonbildung (Abb. 6.4). Hydromorphe Böden gibt es in den großen Flussniederungen, wie am Amazonas und im Kongo-Becken; Gebirgsböden sind weit verbreitet.
136
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
Abb. 6.4. Frostmuster in der Kanadischen Arktis
Allein in Mitteleuropa unterscheiden wir mehrere hundert verschiedene Bodentypen. Das Spektrum reicht dabei von den Marsch- und Wattböden der Nordseeküste über die Auenlandschaften der großen Flüsse zu den eiszeitlich geprägten Regionen in den mitteleuropäischen Tiefebenen und zu den verschiedenen Bodenlandschaften der Mittelgebirge und in den Voralpen, aber auch in von Lössböden geprägte Gegenden in Rheinhessen, am Oberrhein sowie in die großen Bördelandschaften. Diese Naturräume sind nach Alter und Genese verschieden und besitzen ihre jeweils eigenen charakteristischen Bodentypen. In diesem Zusammenhang spielen die physikalischen Eigenschaften des Bodens eine entscheidende Rolle.
6.2 Konsistenz des Bodens Vor allem die Konsistenz eines Bodens ist jene Eigenschaft, die auf Kohäsion, also Anziehung zwischen Bodenmolekülen gleicher Art, und Adhäsion, Anziehung zwischen Bodenteilchen unterschiedlicher Art, beruht. Sie beschreibt den Widerstand des Bodens gegenüber jeglicher Formveränderung. Die Konsistenz wird vor allen durch die Bodenkörnung, also ihre Textur, oder die Bodenart, den Bodenfeuchtegehalt, also die Saugspannung oder die Wassersättigung, weiter durch den Gehalt an organischer Bodensubstanz, das Bodengefüge und zum Teil durch den Kationengehalt
6.2 Konsistenz des Bodens
137
bestimmt. Man unterscheidet vier Konsistenzbereiche: fest, halbfest, plastisch und flüssig. Die Grenzwertparameter der Konsistenzbereiche sind zunächst die Haftgrenze, der Wassergehalt also, bei dem Gefügekörper zusammenzuhalten beginnen. Die Plastizitätsgrenze beschreibt den Wassergehalt, bei dem eine 3 bis 4 Zentimeter dicke Bodenrolle nicht mehr in 1 bis 2 Zentimeter große Brocken zerfällt, die Klebgrenze wiederum meint den Wassergehalt, bei dem das Kleben des Bodens am Bohrstock beginnt. Die Fließgrenze schließlich beschreibt den Wassergehalt eines Bodens, bei dem dieser ohne Druckanwendung zu fließen beginnt. Box 6.1. Internationale Bodenklassifikationssysteme (amerikanisches System nach H. Gebhardt et al. 2007) Die international gebräuchlichen morphologischen Klassifikationssysteme der Böden gehen auf ein System zurück, das 1960 in Amerika entwickelt worden ist. Die Böden werden dabei nach ihren Horizonten und nach ihrer Genese wie folgt definiert: Cryosols (griech. kryos = Frost) oder Gelisols (lat. gelare = zum Gefrieren bringen): Böden mit Permafrost; Histosols (griech. histos = Gewebe): Hoch- und Niedermoor, Böden mit organischem Bodenmaterial; Spodosols (griech. spodos = Holzasche): Podsolböden mit einem spodic-B-Horizont; Andisols (japanisch an = dunkel): Braunerdeböden mit andischen Eigenschaften, meist junge Vulkanascheböden; Oxisols (oxic-B, von oxisch): Ferralitböden mit stark verwittertem Unterboden; Vertisols (lat. vertere = wenden): Pelosole, also tonige Böden mit starker Quellungs- und Schrumpfungsdynamik; Aridisols (lat. aridus = trocken): Böden mit aridem Feuchteregime und hohem Salzgehalt oder Oberboden mit geringem Humusgehalt; Ultisols: Ferrasilitböden mit basenarmem Unterboden (Basensättigung weniger als 35 Prozent) und Tonanreicherungshorizont; Mollisols (lat. mollis = weich): Tschernosemböden mit mächtigem, durch Akkumulation von grauschwarzen Huminstoffen gekennzeichnetem Oberboden und hoher Basensättigung; Alfisols (vom amerikanischen Fachwort pedalfs = entkalkter Boden): Parabraunerdeböden mit einem Tonanreicherungshorizont im Unterboden; Inceptisols (lat. inceptum = Anfang): schwach entwickelte Braunerdeböden mit erkennbaren Horizonten; Entisols (engl. recent = jung): Ranker oder Lockersyroseme, also unentwickelte Böden ohne erkennbare Horizonte. Mit dieser Benennung kann man für die Böden nach Art und Genese Kunstnamen bilden, wobei die ersten Silben der Bodentypen für Klassifikation und Namensgebung benutzt werden: Es entstehen neue Namen wie beispielsweise Aquert (ein aquic = vernässter Vertisol) oder Humult (ein humic = humoser Ultisol mit humosem Oberboden). Diese Bodentaxonomie wird nicht nur in den USA, sondern auch in einer ganzen Reihe anderer Länder für tropische und subtropische Gebiete angewendet.
138
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
Für physikalische und chemische Verwitterungsprozesse ist die Beschaffenheit des Gesteins oder des Sediments von großer Bedeutung. So hängt die Verwitterungsstabilität eines Gesteins von seiner mineralogischen Konsistenz ab: Lockeres Gestein, wie Löss, festes, wie Gneis, schiefriges, wie Phyllit, grobkristallines, wie Granit, oder feinkristallines, wie Basalt, reagieren in dieser Hinsicht verschieden; dazu kommt die tektonische Vorbelastung der Gesteine. Auch die Struktur der gesteinsbildenden Minerale beeinflusst die Geschwindigkeit der Verwitterung. Je komplexer seine Struktur, desto verwitterungsresistenter ist das Mineral. In festen Sedimentgesteinen hängt die Verwitterung sehr stark von der Art des Bindemittels ab, denn bei carbonatischen Sedimenten muss erst der Boden entkalkt werden, um eine Silikatverwitterung zu bewerkstelligen. Hierbei spielt das Geländerelief mit den mikroklimatisch wirksamen Hangexpositionen zur Sonne hin ganz wesentlich mit. Ebenso ist das Wasser im Boden von großer Bedeutung: Sickerwasser, Haftwasser und Kapillarwasser bewirken Stoffverlagerung und Horizontdifferenzierung im Boden, und es stellen sich bei Wasserüberangebot die hydromorphen Böden ein. Dies ist vor allen der Fall, wenn sich Stauwasser über einen dichten tonreichen Bodenhorizont bilden kann oder wenn das Grundwasser hoch ansteht. Welcher Wassergehalt beziehungsweise Bodenfeuchtegehalt im Einzelnen vorliegt, hängt ursächlich vom Porensystem des jeweiligen Bodens ab, wie wir es im Kapitel 5.3 schon ausführlich kennen gelernt haben. Auch die Rolle der Bodenmikroorganismen und der Bodentiere, wie wir sie in Kapitel 7 kennen lernen werden, ist wichtig für die Bodenbildung. Die Vegetation schützt den Boden vor Abtrag und beeinflusst den Bodenwasserhaushalt, sie entzieht dem Boden Nährstoffe und trägt mit ihren Exsudaten, den Wurzelsäuren, zur Verwitterung bei. Die Bodentiere schaffen die Bodengefügeformen mit den speziellen Krümelstrukturen. Auch der Mensch spielt natürlich eine wichtige Rolle: Er rodet die Vegetation, pflügt den Boden, bearbeitet, düngt, be- und entwässert; er trägt Bodenmaterial ab oder auf und greift somit fundamental in die Bodenbildungsprozesse ein. Die negativen Folgen sind Bodendegradation, Bodenerosion und Nährstoffverluste oder extreme Nährstoffanreicherung. Nicht nur Stickstoff wird heute in die Böden eingetragen: Vielerorts sind Kontaminationen mit schädigenden Schwermetallen oder Kohlenwasserstoffen lang anhaltend wirksam. Die Dauer einer Bodenbildung ist also vom Mineralabbau, der Mineralneubildung und der Humifizierung abhängig. So finden wir vielfach Böden vor, die unterschiedliche Entwicklungsphasen durchlaufen haben und deshalb als polygenetische Bildungen anzusehen sind. Wir können eine re-
6.3 Bodenhorizonte
139
gelrechte Entwicklungsreihe der Bodentypen feststellen: Von unreifen Böden mit nur geringen Veränderungen der Verwitterungsprodukte des Muttergesteins zu reifen Böden, bei denen ein Profil mit den verschiedenen Horizonten deutlich erkennbar ist. Schließlich kann man auch noch von greisenhaften Böden sprechen, wenn eine starke Auswaschung der oberen Horizonte eingetreten ist (Abb. 6.5).
Abb. 6.5. Ausgeprägter Heidepodsol mit geringer Plaggenauflage. Durch die Heide verursachte Orterdebildung passte sich den Störungen des Bodens durch die Wurzeln des ursprünglichen Waldes an, so dass dessen Wurzelzapfen deutlich sichtbar werden (aus Pott 1999 © Ulmer, Stuttgart)
Die Bodenentwicklung geht nun Hand in Hand mit einer bestimmten Vegetationsentwicklung. Diese Wechselbeziehungen zwischen Boden und Pflanze sind sehr eng. Auf beide Teile wirkt gleichermaßen das Klima ein, das in der bodennahen Luftschicht wiederum eine gewisse Beeinflussung, sowohl durch den Boden, als auch durch die Pflanzenwelt erfährt. Somit ergeben sich zwischen Klima, Boden und Vegetation spezielle Beziehungen von sehr komplexer Natur. Plaggenauflagen haben in den Geestgebieten Nordwestdeutschlands beispielsweise das vorausgegangene ältere Bodenprofil eines Eichen-Birken-Waldes überformt. Die feinen horizontalen Bänder unter der Orterdeschicht stammen vom ehemaligen Eichen-BirkenWald, ein Beleg für den Begriff „Schrift des Bodens“.
6.3 Bodenhorizonte Wir haben in den vorhergehenden Kapiteln gesehen, dass Wasser und Temperatur die beiden klimatischen Faktoren sind, die in stärkstem Maße die Bodenentwicklung bestimmen. Dementsprechend unterscheiden sich die Böden der humiden und der ariden Gebiete sehr stark voneinander. In humiden Gebieten wird die Bodendynamik bestimmt durch einen abstei-
140
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
genden Wasserstrom. Dieser absteigende Wasserstrom nimmt verschiedene lösliche und auch kolloidale Bestandteile aus den oberen Bodenschichten mit sich in die Tiefe. Die leicht löslichen Bestandteile, vor allem Salze, werden dabei dem Grundwasser zugeführt, während die kolloidalen Bestandteile, wie Humus, Eisenhydroxid und Tonerde schon in geringeren Tiefen wieder ausgefällt werden und sich dort als Orterde und Ortstein anreichern. Auf diese Weise entstehen bestimmte Bodenhorizonte, die eine scharfe Gliederung des Bodenprofils verursachen. Den oberen Horizont, welcher der Auswaschung unterliegt, bezeichnet man als Eluvialhorizont oder auch als A-Horizont, wobei man ihn noch weiter in A1, A2 etc. unterteilen kann. Darunter liegt der Illuvialhorizont als Anreicherungshorizont für die ausgewaschenen kolloidalen Bestandteile. Man bezeichnet einen solchen Horizont im Bodenprofil als B-Horizont. Unter diesem B-Horizont liegt das mehr oder weniger verwitterte Muttergestein in Form von Locker- oder Festgestein, das man als C-Horizont bezeichnet. (Abb. 6.6).
Abb. 6.6. Podsol aus Flugsand (aus Niedersächsisches Landesamt für Bodenforschung, Böden in Niedersachsen, Hannover 1997/98)
In den ariden Gebieten gibt es dagegen einen absteigenden Wasserstrom nur vorübergehend nach Regenfällen. Da hier aber die Verdunstung überwiegt, kommt besonders während der Trockenzeiten ein aufsteigender Wasserstrom zustande. Eine Auswaschung kann hier also nicht erfolgen.
6.3 Bodenhorizonte
141
Ebenfalls tritt, da ja auch der Kalk nicht ausgewaschen wird, nie extreme Versauerung und kein Tonzerfall ein, und daher sind die kolloidalen Bodenbestandteile ganz unbeweglich. Somit fehlt auch stets der B-Horizont. Wir bezeichnen daher diese Böden als AC-Böden. In Mitteleuropa gibt es solche Böden nur im Jugendstadium der Kalkverwitterungsböden. Die Bodenhorizonte werden mit Großbuchstaben bezeichnet. Zur Benennung geogener und anthropogener Eigenschaften können kleine Buchstaben vorangestellt werden. Pedogene, durch Bodenbildungsprozesse veränderte Eigenschaften werden durch nachgestellte Kleinbuchstaben angezeigt (Tabelle 6.1). Zur Kennzeichnung des Humustyps beziehungsweise der Humusform fasst man nach dem Arbeitskreis Bodensystematik (1988) die stofflichen Eigenschaften der organischen Bodensubstanz und das Aussehen der entsprechenden Oberbodenhorizonte zusammen und definiert somit die Humushorizonte, wie es in der Box 6.2 beschrieben ist. In Anwendung der Horizontsystematik, wie sie sich aus der Tabelle 6.1 ergibt, kann man auch Humustypen oder Humusformen klassifizieren und beschreiben. Unter Mull ([L]/Ah) versteht man eine Humusform, dem der LHorizont als Auflage fehlt oder der nur nach Streufall kurzfristig vorhanden ist. Im oftmals mächtigen Ah-Horizont fehlen Streustoffe nahezu völlig. Der Humuskörper ist gut gekrümelt, er besteht fast ausschließlich aus dunkel gefärbten bis schwarzen Tonmineralen. Sein pH-Wert liegt um 7, und seine Körnung ist Schluff bis Lehm. Mull bildet sich in Böden unter günstigen Wasser- und Luftbedingungen und hohen Nährstoffgehalten; ein intensives Bodenleben und Bioturbation sorgen für einen schnellen Abbau und die Durchmischung der organischen und mineralischen Bodenbestandteile. Auch bei Moder (LOfOh/Ah) sind alle Auflagehorizonte vorhanden, jedoch mit geringerer Mächtigkeit und mit unscharfen Grenzen. Nach Karl E. Rehfuess (1990) sowie F. Scheffer und P. Schachtschabel (2002) sind die Horizonte oft miteinander verfilzt, darunter gefolgt von einem deutlich ausgeprägten humosen Mineralboden. Es gibt kaum Spuren biogener Durchmischung, und unter den Huminstoffen sind Huminsäuren und Fulvosäuren stärker vertreten. Die pH-Werte liegen in Böden aus Silikatgesteinen bei 3 bis 4, können in solchen aus Karbonatgesteinen aber größer als 4 sein. Moder bildet sich in Böden unter krautarmen Laub- und Nadelholzwäldern über nährstoffarmem Gestein und unter kühl-feuchten Klimaten. Rohhumus (L/Of/Oh/Aeh) schließlich ist die dritte Humusform, die wir für eine Bodenansprache kennen müssen. Hier sind alle Auflagehorizonte getrennt. Die Humusauflage ist bis zu 30 Zentimeter mächtig. Es gibt kaum Spuren biogener Durchmischung, da wühlende Bodentiere meist
142
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
Tabelle 6.1. Wichtige Horizontsymbole nach der Systematik der Deutschen Bodenkundlichen Gesellschaft (Mitt. DBG 86 [1998]) Substratmerkmale (vorangestellt) Sym- kombinierbol bar mit
Horizontsymbole
Bedeutung
Symbol
Bedeutung
Pedogene Merkmale (nachgestellt) Sym- kombinierbol bar mit
Bedeutung
a
A, C, G, M
Auendynamik
F
am Gewässergrund
a
A
anmoorig
c
C
carbonatisch
H
aus Torf
b
B
gebändert
mergelig
L
aus wenig zersetzter Streu (Litter)
c
H, A, B, C, Sekundärkarbonat T, S, G, M
fossil
O
aus stark zersetzter Pflanzensubstanz
d
B, P, T, M, G, C
e f
F, H, Ah, C, G, P, S, R, M H, A, B, P, T, S, G
dicht (wasserstauend) eluvial, sauergebleicht, nassgebleicht
h
H
Hochmoor
A
terrestrischer Oberbodenhorizont
e
A, S
j
A, H, C, S, G
anthropogen umgelagertes Natursubstrat
B
terrestrischer Unterbodenhorizont
f
O
vermodert
l
C
locker (grabbar)
C
g
S
haftnässegeprägt
m
A, C
massiv (nicht grabbar)
P
h
O, A, B, G humos
n
H
Niedermoor
T
i
F, A
initial
r
A, B, P, T, S, G
reliktisch
S
l
A
lessiviert, tonverarmt
y
C, G
anthropogen umgelagertes künstliches Substrat
G
o
F, G
oxidiert
z
F, A, G
salzhaltig
M
p
H, A
gepflügt
r
F, H, S, G
reduziert
s
H, G, B
angereichert mit Sesquioxiden (in Podsolen
t
B
tonangereichert
v
B, C
verbraunt, verlehmt, verwittert
w
S
wasserleitend
X
A
biogen durchmischt
z
H, A, G
Anreicherung von Salz
E R
terrestrischer Unterbodenhorizont, Ausgangsgestein terrestrischer Unterbodenhorizont aus Tongestein (Pelos) terrestrischer Unterbodenhorizont aus Carbonat-Lösungsrückständen (Terra) terrestrischer Unterbodenhorizont mit Stauwassereinfluss Semiterrestrischer Horizont mit Grundwassereinfluss Horizont aus sedimentiertem Bodenmaterial (migrare) Horizont aus aufgetragenen Plaggen oder Kompost (Esch) durch Rigolen entstandener Mischhorizont
6.3 Bodenhorizonte
143
fehlen. Dafür durchziehen die Hyphen der Basidiomyceten die oftmals plattig gelagerten Grob- und Feinhumusauflagen; sie bewirken hauptsächlich die Mineralisierung. Es fehlt ein humoser A-Horizont, oder er tritt stark gegenüber der Bodenauflage zurück. Häufig werden auch die Humusstoffe in den Unterboden eingewaschen, wie wir es beim Vorgang der Podsolierung im Kapitel 5.8 kennen gelernt haben. Der Humuskörper ist ferner gekennzeichnet durch niedrige pH-Werte von meist unter 4. Die Huminstoffe enthalten vor allen Fulvosäuren. Rohhumus bildet sich insbesondere bei extrem nährstoffarmem und grobkörnigem Boden unter einer Vegetationsdecke, die schwer abbaubare und nährstoffarme Streu liefert, wie die Heidebildner Calluna, Erica, Vaccinium oder Rhododendron, oder bei Nadelbäumen, insbesondere Picea und Pinus. Box 6.2. Prinzipien der Horizontbeschreibung (AK Bodensystematik 1988) Bei der Beschreibung von Horizontfolgen der Bodenprofile kennzeichnet man die Substratmerkmale oder die pedologischen Eigenschaften durch Schrägstrich-Unterteilung, zum Beispiel Ah/Bv/C. Übergangshorizonte mit Merkmalen zweier unterschiedlicher Bodenprofile werden durch Aneinanderreihen der Kleinbuchstaben (Ahe) oder mit Bindestrich (Ah-Ae) dargestellt, wobei der letztgenannte Buchstabe immer die größere Bedeutung hat. Schichtwechsel im Profil werden durch vorangestellte römische Ziffern gekennzeichnet (II Bv). Gepflügte Böden, die je nach Bearbeitungstiefe mechanisch durchmischt sind, bezeichnet als Ap, humushaltige Mineralbodenhorizonte als Ah und Mineralböden, die durch Auswaschung löslicher Huminstoffe geprägt sind, als Aeh oder Ahe-Mineralbodenhorizonte. Ah = humushaltiger mineralischer Oberbodenhorizont, L = Horizont aus gering zersetzter oder unzersetzter Streu, Of = Horizont einer Humusauflage mit hohem organischen Anteil aus zersetzter Pflanzensubstanz, Oh = vollständig humifizierte Auflage, Ahe, Aeh = Mineralbodenhorizont mit Aus- oder Einwaschung von Fulvosäuren sind weitere Beispiele für Horizontbeschreibungen.
Diese drei Humusformen entstehen ohne den Einfluss von Grund- oder Oberflächenwasser; zwischen diesen Haupttypen gibt es zahlreiche Mischund Übergangsformen, die je nach Spezifität gesondert benannt werden können: Sandmull beispielsweise ist der typische Mull sandiger Böden, Kalkmull entsteht über carbonathaltigem Boden, Kalk- oder Rendzinamoder (L/(Of)/Oh/Ah) entsteht auf trockenen, oft flachgründigen Kalkgesteinen in kühleren Klimaten, wo der Of-Horizont nur schlecht ausgebildet wird. Eine besondere Humusform ist der Tangelhumus (L/Of/Oh/Ah), den wir hier noch erwähnen wollen, weil er als Auflagenhumusform von Rendzinen in der montanen und subalpinen Stufe der Kalk-Hochgebirge
144
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
bei kurzer, kühler, meist niederschlagsreicher Vegetationszeit weit verbreitet ist. Hier ist die dunkle bis schwarze Humusauflage 15 bis 30 Zentimeter mächtig, locker gekrümelt, von unten mit Karbonatsplittern oder kleinen Steinchen angereichert und hat pH-Werte von 6 bis 7. Er ist stark durchsetzt von Pflanzenwurzeln, besonders denen von Fichten, die im klüftigen Gestein ihren Halt finden. Ein moos- und farnreicher Fichtenwald vom Typ des Asplenio-Piceetum ist, wie er bei Richard Pott (1995) beschrieben ist, ist bezeichnend für die Tangelrendzinen in den nördlichen Kalkalpen. Hier bedecken die Waldmoose Hylocomium splendens, Rhytidiadelphus loreus, Bazzania trilobata, Plagiomnium undulatum und Ptilidium cristacastrensis in dichten Paketen den Boden (Abb. 6.7).
Abb. 6.7. Eine alpine Sonderform der Humusbildung ist Tangelhumus, bei dem üppige Moosdecken unter Fichtenwald vom Typ des Asplenio-Piceetum, wie hier bei Berchtesgaden, entwickelt sind
6.4 Rohböden und A/C-Böden Das erste Stadium der Bodenbildung, bei dem ein neugebildeter AHorizont eine Mächtigkeit von höchstens 2 Zentimetern aufweist (Ai), bezeichnet man als Rohboden. Nach der Art des Ausgangsgesteins unterscheidet man Syrosem (Ai/mC) aus Festgestein und Locker-Syrosem (Ai/lC) aus Lockergestein (Abb. 6.8). Als Syroseme (russ. = „rote Erde“) hat W. Kubiena (1953) alle Gesteinsrohböden bezeichnet. Ältere Bezeichnungen sind Schutt- oder Skelettböden.
6.4 Rohböden und A/C-Böden
145
Abb. 6.8. Locker-Syroseme einer Weißdünenkette auf der Nordseeinsel Langeoog. Diese je nach Entwicklungsstadium und Sandzufuhr unterschiedlich intensiv bewachsenen Küstendünen werden von Ammophila arenaria besiedelt
Darüber hinaus unterscheiden wir zum einen unter Wasser gebildete, vor allem in silikatoligotrophen Gewässern verbreitete, also subhydrische Protopedon-Rohböden, zum anderen semiterrestrische Rambla-Böden und terrestrische Syroseme, die den Anfang spezieller Bodenentwicklungen bilden. Die ökologischen Eigenschaften der Rohböden werden fast ausschließlich durch die Gesteinseigenschaften bestimmt. Die Abb. 4.6 und 4.9 von den Sandsteinfelsen und den Dünen des Elbtales zeigen zusätzlich augenfällig die mikroklimatischen Besonderheiten dieser Rohbodenstandorte. Aus dem Stadium eines Rohbodens bildet sich bei ungestörter Entwicklung aus dem Ausgangsgestein, dem C-Horizont, ein neuer Bodenhorizont A, der in diesem Stadium mit wenigen Millimetern Stärke noch äußerst geringmächtig ist und unmittelbar dem festen Gestein aufliegt. Da die Bodenentwicklung aber noch nicht allzu weit fortgeschritten ist, dominiert in diesem Entwicklungsstadium das Ausgangsgestein noch viele wesentliche Bodeneigenschaften. Deshalb differenziert man die A/CBöden nach dem Typ ihres Ausgangsgesteins: • • • •
Syrosem-Regosol – aus carbonatfreiem oder -armem Lockergestein, Syrosem-Ranker – aus carbonatfreiem Festgestein, Syrosem-Rendzina – aus carbonatischem Festgestein und Gips, Syrosem-Pararendzina – aus carbonatischem Lockergestein.
146
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
Auf Kalkgestein entstehen basische oder neutrale Syrosem-Rendzinen; auf Silikatgestein saure Syrosem-Ranker. Bisweilen sind auch die oberen Zentimeter des festen Gesteins an Stoffen verarmt, also ausgehagert. Hier können Flechten, Algen und Bakterien, vor allem Cyanobakterien, in die oberen Gesteinsschichten eindringen, und die chemische und biologische Verwitterung beginnt. Flechten können dem Gestein wasserlösliche Minerale, vor allem Calcium, Kalium und Magnesium entziehen. Cyanobakterien bringen Stickstoff in das System, was für Syroseme in Trockengebieten und in Wüstenböden nicht unerheblich ist. Syroseme gibt es also in allen Extremlebensräumen der Erde, vor allem aber in Erosionslagen der Gebirge und an Felsstandorten. Auch in den arktischen und antarktischen Kältewüsten sind die Flechten die Pioniere dieser Extremlebensräume. Sogar unter Steinen lebende, kryptoendolithische Flechten sind von sonnenbeschienenen nordexponierten Hängen unter Felsgestein aus der Antarktis bekannt. Sie sind im Hochgebirge oftmals sogar Indikatoren des alpinnivalen Klimas, wie dies der österreichische Botaniker Helmut Gams (1893-1976) schon 1927 erkannte. Er verstand darunter vor allem die allgegenwärtigen Überzüge der Nabelflechten Umbilicaria cylindrica, die oft zusammen mit der Landkartenflechte Rhizocarpon geographicum auf Silikatfelsen im Hochgebirge zu finden ist (Abb. 6.9).
Abb. 6.9. Rhizocarpon geographicum agg. ist eine Sammelbezeichnung für viele gesteinsbewohnende Krusten flechten mit grauweiß-gelbem Thallus in rissig-netzartigen Lagern. Diese Landkartenflechte wächst mit vielen Rassen in den Hochgebirgen Europas
6.5 Regosol Regosole besitzen einen humosen A-Horizont, der direkt in Lockermaterial aus Flug- oder Geschiebesand übergeht. Der Name (griech. rh gos = Decke, Teppich), soll die geringe Humusdecke hervorheben. Wir finden diesen Bodentyp ortsweise nur kleinflächig auf Dünen, häufiger jedoch als
6.6 Ranker, Rendzina und Pararendzina
147
Formen der Bodendegradation nach langer ackerbaulicher Nutzung (Abb. 6.10). Ein Regosol unterscheidet sich in seinen bodenchemikalischen Eigenschaften nicht sehr viel vom Ranker. Ein Unterschied liegt jedoch in der physikalischen Bodenkomponente: Hier macht sich der Unterschied zwischen den Locker- und Festgesteinen bemerkbar; denn die Gesteinseigenschaften sind auch zunächst prägend.
Abb. 6.10. Regosol auf den Emsterrassen bei Emsbüren in Niedersachsen. Dieser Rohboden besteht aus einer lückenhaften, oft nur filmartigen Lage aus noch kaum zu Humus zersetzter abgestorbener organischer Substanz, auf der sich nach Auflassung des Ackerbaus großfächig Silbergrasrasen oder ruderale Hochstaudenfluren mit Tanacetum vulgare eingestellt haben
6.6 Ranker, Rendzina und Pararendzina Ranker und Rendzina entstehen aus Gesteinsrohböden. Sie sind daher vorwiegend Gebirgsböden. Der Ranker ist ein oft nur wenige Dezimeter tiefer Boden, der ausschließlich auf carbonatfreien oder carbonatarmen Gesteinen entstehen kann. Er hat seine Bezeichnung nach dem österreichischen Volksnamen für steile Berghalden, wo dieser Bodentyp häufig auftritt. Der Skelettanteil dieser flachgründigen Gebirgsböden ist naturgemäß sehr groß. Der A-Horizont ist humos und wird nach unten hin, schon bei ein oder zwei Dezimetern Tiefe, humusarm. Oft bildet sich Moder als Humusform; bei sehr basenreichem Ausgangsgestein, wie beispielsweise Basalt, kann es auch Mull sein. Darunter folgt der C-Horizont aus dem an-
148
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
stehenden Muttergestein (A/C-Profil). Da diese Ranker carbonatarm oder carbonatfrei sind, ist ihre Bodenreaktion immer sauer. Sie neigen daher auch, wenn sie tiefer verwittern und mit Nadelhölzern bepflanzt werden, zur Podsolierung, das heißt, sie können direkt vom Jugendstadium in das Greisenstadium übergehen. Unter natürlichen Standortbedingungen werden sie bei weiterer, tiefgründigerer Verwitterung zu mesotrophen und oligotrophen Braunerden. (Abb. 6.11).
Abb. 6.11. Podsolige oligotrophe Braunerde, ein typisches Bodenprofil des SilikatBuchenwaldes. Dies ist ein weit verbreiteter Bodentyp im gemäßigt humiden Klimabereich mit verbrauntem Ah-Bv-C-Profil. Nach beginnender Versauerung setzen sich Eisenoxide und Eisenhydroxide aus primären Silikaten frei. Diese bilden Beläge auf anderen Mineralen, was zur charakteristischen Braunfärbung führt. Der Humus ist als Mull oder Moder ausgeprägt
Die Rendzina ist ebenfalls ein sehr flachgründiger, junger Gesteinsboden mit A/C-Profil, aber meist über massivem Kalkgestein, in dem durch Verwitterung schon Klüfte entstanden sind. Der Unterschied zum Ranker ist der Carbonatreichtum seiner Ausgangsgesteine. Der A-Horizont in diesen Rendzinen ist im Allgemeinen sehr humusreich, liegt als Mull vor und verfügt daher auch auf Grund seiner basischen Reaktion über ein reges Bodenleben. Dadurch kommt auch die innige Durchmischung der Mineralbestandteile mit den organischen Substanzen des Bodens zustande. Die pH-Werte liegen zwischen 7 und 8, Calcium und Magnesium sind ausreichend vorhanden. Auf Grund ihrer starken Basensättigung neigen diese
6.6 Ranker, Rendzina und Pararendzina
149
Böden im Gegensatz zu den Rankern kaum zur Podsolierung. Bei tieferer Verwitterung und Tonaufbau entstehen aus ihnen eutrophe Braunerden (Abb. 6.12). Gesteine, deren Löslichkeit in reinem Wasser nicht zu gering ist, können bereits durch das versickernde Niederschlagswasser aufgelöst und verlagert werden. Neben den leicht löslichen Salzen, die in unserem Klima rasch ausgewaschen werden, betrifft das in erster Linie Gips (CaSO4 · 2 H2O). Eine Folge dieser Auswaschung sind typische Höhlensysteme in Gipsgesteinen, wie wir sie in Gipskarst-Landschaften finden. Als weitere Folge reichern sich die Begleitminerale des Gipses an und liefern das Material für die Bildung entsprechender Böden, beispielsweise Gipsrendzinen.
Abb. 6.12. Die Rendzina ist ein HumusCarbonatboden, im allgemeinen skelettreich und flachgründig. Dieser A-C-Boden verfügt über eine geringe Wasserkapazität und trocknet leicht aus, weil das Wasser in den durchlässigen Kalken rasch versickert. Rendzinen zeigen eine neutrale bis schwach basische Reaktion, und ihr Nährstoffreichtum lässt einen stark belebten Mull entstehen
Ranker und Rendzina sind in Mitteleuropa meist als Waldböden ausgebildet. Zur Ackerkultur sind sie auf Grund ihrer Flachgründigkeit nicht geeignet, wohl aber zur Anlage von Reben, wie wir es beispielsweise von den südexponierten Lagen des Kaiserstuhls her kennen. Der A-Horizont einer Pararendzina ähnelt sehr der Rendzina, nur entwickelt sich dieser Boden im Unterschied dazu aus Löss, Geschiebemergel, karbonathaltigen Schottern oder gar aus Sanden und Sandgesteinen. Auch ihr pH-Wert, ihre Calcium-Sättigung und das Krümelgefüge des Humus in Form von Mull ähneln denen einer Rendzina. Die Pararendzina unterscheidet sich jedoch davon durch höhere Sand- und Schluffgehalte. Unter Wald geht dieser Bodentyp nach Entkalkung in Braunerden oder Parabraunerden über, während er sich im Steppenklima zu Schwarzerden entwickelt.
150
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
6.7 Tschernosem Unter Tschernosem (russ. „schwarze Erde“) verstehen wir einen Bodentyp, der im deutschsprachigen Raum unter dem Namen Schwarzerde bekannt ist und hauptsächlich in den südlichen osteuropäischen Steppenlandschaften verbreitet und. Das Muttergestein dieses Bodentyps besteht aus einem schweren kalkhaltigen Löss. Dazu herrscht im Verbreitungsgebiet des Tschernosems ein semiarides Klima, das die Mineralisation der Humusstoffe periodisch jeweils im Spätsommer durch Trockenheit und im Winter durch Kälte hemmt. Dieses Klima, Grasvegetation und tiefgründiger, kalkhaltiger Untergrund sind die Voraussetzungen für die Ausbildung einer typischen Schwarzerde. Nur wenige andere Bodentypen haben einen derart hohen Humusgehalt. Die Humuskonzentration des Oberbodens einer typischen Schwarzerde erreicht 12 bis 15 Prozent des Substratgewichtes mit hoher Gefügestabilität und hoher nutzbarer Feldkapazität, womit ein Quadratkilometer Bodenfläche bei einer Bodentiefe von durchschnittlich 2 Metern 50 000 bis 70 000 Tonnen Humus enthält. Deshalb sind Tschernoseme die fruchtbarsten Böden der Erde. Bei einer mächtigen Schwarzerde kann der Humushorizont über 1 Meter und mehr Tiefe reichen. Er ist schwarz gefärbt und enthält im Allgemeinen 5 bis 10 Prozent Humus in Form von Mull, der in einen dunklen AhHorizont mit stabilem Krümelgefüge übergeht. Er wird nach unten zunehmend humusärmer und damit auch heller in der Farbe. Bei etwa 2 Meter Tiefe geht er allmählich in den unveränderten Löss, den C-Horizont, über. (Abb. 6.13).
Abb. 6.13. Der Tschernosem ist ein zu den Steppenböden gehörender, mächtig humoser Ah-C-Boden auf kalkhaltigem Lockersediment. Tschernoseme sind durch einen bis ein Meter mächtigen dunkelgrau-braunen bis grauschwarzen, gut gekrümelten A-Horizont gekennzeichnet. Intensives Bodenleben führt zu starken, tiefgehenden Durchmischungen von humosem und mineralischem Material. Typisch für Tschernoseme sind die Krotowinen, die mit Bodenmaterial erfüllten Gänge und Hohlsysteme von Bodenwühlern. Im unteren C-Horizont finden sich Kalkausblühungen oder regelrechte Kalkkonkretionen, die der chemischen Verwitterung unterliegen
6.7 Tschernosem
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Die dunkle Färbung des A-Horizontes wird durch die sehr gute Durchmischung des Humus mit mineralischen Bestandteilen und die adsorptive Sättigung mit Kalk bedingt. Die Zersetzung von Humus und die Bildung von leicht löslichen Salzen findet unter günstigen Bedingungen innerhalb von 8 bis 10 Wochen statt. Der neutrale oder alkalische Humus vom Typ eines Mull bindet die Mineralpartikel und bildet eine günstige Bodenstruktur, was die hohe Biodiversität in Landschaften mit solchen Böden erklärt. Ein solcher Boden absorbiert Wasser problemlos und speichert es bis in tiefe Schichten. Er ist auch besser durchlüftet, seine Temperatur schwankt weniger, denn durch seine dunkle Färbung absorbiert er mehr Sonnenlicht und erwärmt sich schneller. Das ist einerseits durch die starke und tiefe Durchwurzelung des A-Horizontes mit Steppengräsern und Kräutern, andererseits aber auch durch das rege Tierleben in diesen Böden bedingt. Wir finden hier auf Schritt und Tritt die Gänge und Bauten grabender Steppentiere, vor allem des Ziesels. Ebenfalls herrscht ein Reichtum an Regenwürmern vor. Der Humushorizont mit seiner krümeligen Struktur bildet somit einen idealen Ackerboden. Daher ist das Steppengebiet heute auch bis auf kleine Reste zu Ackerland geworden. Wir unterscheiden mehrere klimaabhängige Typen von Tschernosemen. Alle unterliegen einer negativen Evapotranspiration: Während der feuchten Jahreszeit wird der freie Kalk im Boden durch Regen oder Schmelzwässer, die im Boden CO2 aufnehmen, gelöst und in die Tiefe verlagert. Die Regenmenge reicht jedoch nicht aus, um den Kalk bis zum Grundwasser hinabzuschwemmen. Vielmehr setzt im Sommer ein intensiver Wasserverbrauch durch die Pflanzenwurzeln ein, die Kalklösung wird konzentrierter und schließlich kristallisiert der Kalk aus. Bei der mächtigen Schwarzerde geschieht das in Form von feinen, weißen Fäden, die wie Schimmelpilze aussehen. Man spricht daher auch von „Schimmelcarbonaten“. Ihre Lage gibt die Tiefe des mittleren Vordringens der Niederschläge an. Bei der mächtigen Schwarzerde ist das in etwa 70 Zentimetern Tiefe. Je geringer die jährlichen Niederschläge nach Süden werden, desto weniger tief dringen sie in den Boden ein und desto höher liegen daher die Kalkausscheidungen. Zugleich ändert sich aber auch deren Charakter. Die mächtige Schwarzerde ist unter einer kräuterreichen Wiesensteppe entstanden, in der Festuca sulcata (Abb. 6.14) dominiert. Unter trockenerem Klima wird der Kalk in rundlichen Konkretionen auskristallisiert, und man spricht von „Kalkaugen“. Da aber auch die Produktivität der Pflanzendecke abnimmt, ist der Humushorizont hier weniger mächtig, nur bis etwa 75 Zentimeter. Das trockenere Klima bedingt aber auch eine Hemmung des Humusabbaus, was zu schlechteren Lebensbedingungen für die Bodenorganismen führt. Für diesen Typ der Schwarzerde ist als natürliche Pflanzendecke die krautreiche Federgrassteppe bezeich-
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
nend. Hier mischen sich diverse Kräuter und Stauden mit verschiedenen Stipa-Arten. Weiter südlich erreicht der Humushorizont kaum 50 Zentimeter. Aber auch der Humusgehalt nimmt hier ab (5 %), weil eben die Produktion der Pflanzendecke zu gering ist. Wird das Klima nach Süden noch trockener, so geht die Veränderung in derselben Richtung weiter. Der Humus nimmt mehr und mehr ab und die Färbung des Bodens wird dunkelund dann hellbraun. Der Kalkhorizont liegt dabei noch höher. Hier findet man schließlich die reine Federgrassteppe (Abb. 6.15). Kräuter und Stauden treten darin stark zurück.
Abb. 6.14. Festuca sulcata-Steppe in der chinesischen Mongolei mit blühendem Allium tenuissimum und Stipa krylovii
Abb. 6.15. Stipa grandis-Steppe in der chinesischen Mongolei
6.8 Braunerde
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6.8 Braunerde Eine Zwischenstellung zwischen Tschernosem und Podsol nimmt die Braunerde ein. Dieser Bodentyp ist in der Hauptsache als ausgereifter Boden in Laubwaldgebieten Mitteleuropas vertreten, wo infolge höherer Niederschläge durch die Verwitterung primärer Silikate eine Reihe von Sekundärmineralen, vor allem Schichtsilikate und Eisen- oder Aluminiumoxide, entstanden sind. Es handelt sich also um einen mehr ozeanisch beeinflussten Bodentyp. Diese Auswaschungsprozesse können nur bei pHWerten unter 6 ablaufen, so dass auch eventuell vorhandene Karbonate mit ausgefällt werden. Durch die entstehenden Eisen(III)-Ionen werden entsprechende Bodenhorizonte braun gefärbt, daher der Ausdruck „Verbraunung“ oder auch Braunerde als Bezeichnung für diesen Bodentyp. Box 6.3. Terra rossa und Terra fusca Die Terra fusca ist ein Boden auf Carbonat- oder Gipsgestein. Der Unterboden aus carbonatischen Lösungsrückständen (T-Horizont = terra) ist im Unterschied zum dunkleren Bv-Horizont einer Braunerde leuchtend gelbbraun bis rotbraun gefärbt, daher der Name Terra fusca (lat. fuscus = dunkel). Dieser Boden entsteht oft aus einer Rendzina, wenn der silikatische, tonreiche Lösungsrückstand eines kalkhaltigen Gesteins versauert oder sehr geringmächtig geworden ist. Bei diesem Prozess wird gebundenes Eisen freigesetzt und oxidiert, es findet also eine Verbraunung statt. Die entstehenden Silikatminerale sind reich an Illit und bei starker Verwitterung kaolinitreich. Terrae fuscae sind häufig im warm-feuchten mio- bis oligozänen Abschnitt des Tertiärs entstanden. Das gilt vor allem für die hämatitreiche, rotgefärbte Terra rossa des Mediterrangebietes. Die Terra fusca ist in Mitteleuropa vergleichsweise selten, man findet sie vornehmlich in erosionsgeschützten tertiären Landschaften über mesozoischem Kalk. Terra rossa und Terra fusca werden international neuerdings zu den Braunerden gestellt.
Die ökologischen Eigenschaften einer Braunerde hängen entscheidend vom Ausgangsgestein ab: Bei basenreichen Gesteinen sinkt der pH-Wert im Lauf der Bodenentwicklung nur langsam ab und bleibt längere Zeit im Bereich zwischen 6 und ca. 4,5. Bei der Verwitterung werden große Mengen an Sekundärmineralen gebildet und Nährstoffe freigesetzt. Die Humusform ist Mull, und entsprechend bildet sich ein günstiger Standort für Pflanzenwachstum und Bodenleben. Solche Braunerden entwickeln sich bei ausreichenden Niederschlägen in der Regel zu Parabraunerden weiter. Sinkt bei basenarmem Ausgangsgestein der pH-Wert rasch auf Bereiche unter 4,5 und ist der Standort nährstoffarm, ist die Humusform Moder oder
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
geht sogar schon in Richtung Rohhumus. Hier verläuft die Bodenentwicklung in der Regel zum Podsol. Der Kalk ist aus den reifen Braunerden im Wesentlichen ausgewaschen. Der Basenumlauf im Boden ist jedoch noch so ausreichend, dass es unter Laubwald nicht zur Ausbildung von Rohhumusdecken kommt. Die Bodenreaktion ist im Oberboden nur schwach sauer. Der A-Horizont ist auf Grund des reichen Bodenlebens sehr gut mit gesunden Humusstoffen durchmischt, die nach unten hin bei etwa 20 Zentimeter immer mehr abnehmen. Über dem A-Horizont lagert unter natürlichen Waldverhältnissen eine mehr oder weniger dicke Laubschicht.
Abb. 6.16. Lackprofil einer Podsol-Braunerde von Reinhold Tüxen aus der Sammlung des Museums „Mensch und Natur“ in Oldenburg. Hierbei handelt es sich um einen Auswaschungsbodentyp silikatischer Lockergesteine und Verwitterungsdecken der kühl- bis kalt-gemäßigten Klima- und Vegetationszonen. Der Illuvial- oder Einwaschungshorizont (B-Horizont) ist durch verlagerte Sesquioxide und Huminstoffe rotbraun bis rostrot gefärbt
Wird die Basensättigung in den Braunerden und Parabraunerden geringer, dann tritt Rohhumusbildung ein und damit auch Durchschlämmung des Bodens und ein Tonzerfall. Es wird dann die Podsolierung und die Ausbildung eines Anreicherungshorizontes, eines echten B-Horizontes, eingeleitet. So können wir also alle Übergänge von der gesunden Braunerde bis zum typischen Podsol vorfinden. Deshalb wird dieser Bodentyp auch als Podsol-Braunerde angesprochen (Abb. 6.16). Braunerden, in deren Profil die Podsolierung schwach angedeutet ist, bezeichnet man als podsolig. Je nach ihrem Nährstoffgehalt und ihrer Basensättigung unterscheiden wir in Mitteleuropa oligotrophe, mesotrophe und eutrophe Braunerden. Heute sind die Braunerden größtenteils keine Laubwaldböden mehr, sondern sie sind unter Kultur genommen und eignen sich als Ackerböden (Abb. 6.17).
6.9 Podsol
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Abb. 6.17. Buchen-Eichenwälder auf podsoligen Braunerden sind in Norddeutschland seit dem Neolithikum häufig unter Kultur genommen. Die Äcker weisen eine charakteristische dunkelbraune bis rehbraune Färbung auf
Ein wesentlicher Unterschied gegenüber den Podsolen besteht weiterhin darin, dass bei den Braunerden der Boden nicht gealtert, sondern gereift ist, das heißt, der Tonaufbau aus primären Silikaten ist hier weit fortgeschritten, und es tritt noch kein Tonzerfall ein. Eine Abschwemmung der Zerfallsprodukte der Sesquioxide Eisen und Tonerde und deren Anreicherung im B-Horizont erfolgt hier also nicht. Das Eisen wird beim Tonaufbau zwar abgespalten, legt sich aber rindenartig um alle Bodenpartikel, ohne in den Unterboden abzuwandern. Durch die Umrindung der Bodenpartikel mit Eisenoxid erhält das Bodenprofil eine gleichmäßige Braunfärbung.
6.9 Podsol Den Bodentyp Podsol finden wir in einer enormen Ausdehnung durch das ganze Waldgebiet bis zur Tundra im Norden. Die Hauptverbreitung dieses Bodentyps liegt also in der Borealen Nadelwaldzone. Bei uns in Nordwesteuropa tritt er vorwiegend in den Sandböden auf. Die Podsolböden sind allerdings nicht an nährstoffarme Sandböden gebunden, sondern bilden sich auf jedem Muttergestein aus. Den Vorgang der Podsolierung ha-
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
ben wir im Kapitel 5.8 bereits kennen gelernt. Er tritt umso schneller und intensiver auf, je basenärmer das Gestein ist. Ist der Basengehalt der Gesteine hoch, so entstehen weniger typische Podsole. Auf Kalkstein kommt es nur dann zur Podsolierung, wenn dem unverwitterten Gestein eine genügend mächtige Verwitterungsschicht aufliegt und der Kalk vom Untergrund her somit keinen Einfluss auf den Oberboden mehr hat. Desgleichen können auch unter Rohhumusauflagen auf Kalk Podsole auftreten. Wir finden beim Podsol ein typisches ABC-Profil vor, wobei der AHorizont der Auswaschungshorizont und der B-Horizont der Anreicherungshorizont ist. Die Stärke der Podsolierung ist an der Mächtigkeit des gebleichten Auslaugungshorizontes zu erkennen, der fast nur noch gebleichte Quarzkörnchen enthält und daher eine aschgraue Farbe aufweist. Auch die Stärke des Anreicherungshorizontes kann über die Intensität der Podsolierung Auskunft geben. Der Anreicherungshorizont kann entweder nur schwach verfestigt sein, dann sprechen wir von Orterde, oder er ist steinhart verfestigt, dann nennen wir ihn Ortstein. Je nach den Ausfällungen im B-Horizont unterscheiden wir den Eisen-Humuspodsol vom reinen Eisenpodsol. Letzterer tritt meist bei weniger extremer Podsolierung auf (Abb. 6.18).
Abb. 6.18. Profil eines doppelten Podsols: Bei starker Stoffverlagerung oder periodischer Austrocknung kann ein Einwaschungshorizont zu Ortstein verhärten. Je nach örtlichen Bedingungen entstehen so Eisen- oder Eisenhumuspodsole auch zeitlich hintereinander, die dann am Aufbau und an der Zusammensetzung des Bodenprofils unterscheidbar und datierbar sind. Die farbigen Markierungen an der Messlatte umfassen jeweils einen Bereich von 20 Zentimetern
6.10 Parabraunerde
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Die ausgefällten Sesquioxide werden von den Wurzeln der Pflanzen kaum aufgenommen. Sie scheiden praktisch aus dem Stoffkreislauf aus. Voraussetzung für die Podsolierung ist natürlich humides und kühleres Klima und damit absteigender Wasserstrom im Boden sowie nicht allzu starke Zersetzung. Stark gefördert wird die Podsolierung in Böden, die von Rohhumuslagen überdeckt sind, vor allem unter Nadelhölzern und Heidekraut. Aufgrund der Entstehung der gefürchteten Fulvosäuren wird der Boden dann noch wesentlich stärker ausgewaschen. Durch die Ansäuerung des Bodens geht auch das Bakterienleben zurück. Damit wachsen die Rohhumusdecken immer stärker heran, und parallel nimmt auch die Intensität der Podsolierung zu.
6.10 Parabraunerde Die Parabraunerde entsteht durch Lessivierung, das heißt durch Tonverlagerung vom Ober- in den Unterboden. Voraussetzung für ihre Bildung ist, dass genügend Ton im Oberboden vorhanden ist, entweder aus dem Ausgangsgestein oder durch Silikatverwitterung, der pH-Wert lange genug in einem Bereich ist, der die Dispergierung der Tonminerale zulässt (ca. pH 6,5 bis pH 5) und der dispergierte Ton durch ausreichend Sickerwasser in groben Poren in den Unterboden verlagert werden kann. Diese Bedingungen sind oft in ursprünglich carbonathaltigen Lockersedimenten (Löss, Geschiebemergel etc.) gegeben, so dass sich dort Parabraunerden als typische Bodenform entwickelt haben (Abb. 6.19).
Abb. 6.19. Lackprofil einer Parabraunerde von Reinhold Tüxen aus der Sammlung des Museums „Natur und Mensch“ in Oldenburg. Parabraunerden oder Lessivés sind mäßig saure bis saure verbraunte Böden mit Tonverlagerung vom Oberin den Unterboden, erkennbar an dem aufgehellten, leicht verfahlten, an Ton verarmten A-Horizont unter dem Humus und dem dichten, mit Ton angereicherten Einwaschungsoder B-Horizont im Unterboden. Stark versauerte Parabraunerden werden auch als Fahlerden bezeichnet. Den Vorgang der Tonverlagerung bezeichnet man als Lessivierung
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
Parabraunerden sind auf Grund ihres günstigen Wasser- und Nährstoffspeichervermögens relativ gute Pflanzenstandorte und werden daher meist ackerbaulich genutzt. Allerdings nimmt die Gefügestabilität im Oberboden bei Ackernutzung stark ab, und es kommt zur Degradierung, so dass Verschlämmungs- und Erosionsgefahr bestehen. Bei mechanischer Belastung entsteht leicht eine Verdichtung des Oberbodens, was diese Probleme noch verstärkt. Das Verhalten gegenüber Belastungsstoffen ist einmal durch die günstige Humusform, zum anderen durch die Tonverlagerung geprägt: gelöste Stoffe können einerseits an den festen Bodenbestandteilen gebunden und damit aus der Lösung entfernt werden. Andererseits können sie mit den Tonteilchen in den Unterboden verlagert werden und finden sich dann im Bt-Horizont wieder. Die Mineralisierungsleistung ist allgemein gut und wird durch landwirtschaftliche Meliorationsmaßnahmen (Kalkung, Düngung, Bewässerung) noch erhöht. In stärker entwickelten Parabraunerden kann bei entsprechenden klimatischen Bedingungen Staunässe auftreten. Zu den Parabraunerden gehört auch die Fahlerde. Hierbei handelt es sich um eine extrem versauerte Parabraunerde, die vor allem unter Löss und Geschiebemergel, aber auch auf lehmigen Sanden vorkommt. Auch die Fahlerde ist ein Geschöpf der Eiszeit. Ihre Grundlage ist der Geschiebemergel, ein Produkt der eiszeitlichen Gletscher. Als sich die Eismassen mit ihrem erheblichen Gewicht damals langsam über das Gestein bewegten, wirkte ihre Unterkante wie ein Hobel, der Späne aus dem Gestein schleift. Diese wurden unter dem Gletschereis zerrieben und abgelagert. Nach dem Rückzug der Eismassen blieben diese lockeren Sedimente als Moränen erhalten. Schon bald nach dem Rückzug der Gletscher lagerte der Wind feinen Flugsand auf diesen Moränen ab. Geschiebemergel und Sand begannen sich zu vermischen. Beim Kontakt mit Luft und Wasser wurde der Boden in diesen jungen Moränen zunächst braun, weil die darin enthaltenen Eisenverbindungen zu rosten begannen. Im Laufe der Zeit spülte das Wasser aber die eisenhaltigen Tonpartikel aus. Dabei entstand ein blassbrauner Bodenhorizont, der im Vergleich zu den eisenreichen Braunerden oder den humusreichen Schwarzerden fahl erscheint – daher der Name Fahlerde. Die Fahlerde ist ein sehr ertragreicher Boden, auf dem Winterweizen, Wintergerste und Raps besonders gut gedeihen. Aber auch für die ausgedehnten Buchen- und Eichenmischwälder Norddeutschlands ist dieser Boden ein idealer Standort. Am weitesten sind die Fahlerden in Mitteleuropa in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und Brandenburg verbreitet. Vereinzelt findet man sie auch in Baden-Württemberg, SachsenAnhalt und Hessen, wo sie sich aber meist nicht aus Geschiebemergel, sondern aus Löss entwickelt haben.
6.11 Stau- und Grundwasserböden
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6.11 Stau- und Grundwasserböden Unter dem Begriff Stau- und Grundwasserböden werden Böden zusammengefasst, bei denen durch zeitweiligen Wasserstau Sauerstoffmangel und dadurch Redoximorphie auftritt. Diese äußert sich in einer „Marmorierung” der betreffenden Horizonte, worunter die Entstehung grauer, gebleichter und brauner, mit Eisenoxiden angereicherter Flecken nebeneinander zu verstehen ist. Diese können auf Grund von zwei verschiedenen Ursachen entstehen, erstens durch Stauwassereinfluss und zweitens durch den Einfluss von Grundwasser. Nach ihrer Entstehungsweise und Ausprägung des Wassereinflusses unterscheidet man verschiedene Typen: Nassböden bilden sich, wenn der Grundwasserstand so hoch ist, dass geschlossenes Kapillarwasser bis in das Bodenprofil hinaufreicht. Aber auch durch Staunässe über einer undurchlässigen Bodenschicht können Böden wenigstens zu bestimmten Jahreszeiten nass werden. In tonreichen Substraten sind Wasser- und Luftbewegungen durch das Überwiegen von Feinporen stark verlangsamt. Das äußert sich einmal in einer ebenfalls verlangsamten Auswaschung und chemischen Verwitterung. Zum anderen tritt bei höherer biologischer Aktivität leicht Sauerstoffmangel auf. Das ist beispielsweise im Bereich grober Poren der Fall, durch die Niederschlagswasser mit darin gelösten organischen Substanzen und Nährstoffen aus dem Oberboden rasch in den Unterboden vordringen kann. Als Folge davon werden Mangan(IV)- und Eisen(III)-Oxide lokal durch Reduktion gelöst. Die entstehenden Mn2+- und Fe2+-Ionen wandern ins Innere der Aggregate und werden dort durch den restlichen Sauerstoff wieder oxidiert. So entsteht die „Marmorierung” der Stauwasserhorizonte: graue und braune Flecken nebeneinander im selben Horizont. Solche mineralischen Nassböden, die durch Grundwassereinfluss entstanden sind, bezeichnet man als Gleyböden. In den Grundwasserhorizonten der Gleyböden sind alle Poren des Bodens mit Wasser gefüllt. Es fehlt infolgedessen der Sauerstoff. Das Eisen, das in den besprochenen Böden ohne Grundwassereinfluss unter Zutritt des Sauerstoffs in oxidierter, dreiwertiger Form als Eisenhydroxid vorlag und deshalb rostbraun gefärbt war, liegt hier unter Sauerstoffabschluss in reduzierter, also zweiwertiger Form als Ferro-Eisen vor. Reduziertes Eisen zeigt keine Braun-, sondern eine grau-grünliche bis bläuliche Färbung (Abb. 6.20). Alle Bodenhorizonte der Gleyböden, die dauernd unter Grundwasser stehen, weisen daher in der Hauptsache diese Farbtöne auf. Wir sprechen dann von Reduktionshorizonten. Diese Reduktionshorizonte oder Gleyhorizonte werden mit dem Buchstaben G bezeichnet. Oberhalb des reinen Gleyhorizontes befindet sich in der Regel ein Bodenhorizont, in dem der Grundwasserspiegel zu trockeneren Zeiten zeitweilig absinkt und die Näs-
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
se verschwindet. Dann dringt auch Sauerstoff in diesen vorher mit Wasser getränkten Horizont ein, und das Eisen oxidiert. Es bilden sich dabei charakteristische rostbraune Flecken, häufig entlang der Wurzelkanäle, die bevorzugt den Sauerstoff in die Tiefe leiten. Wir finden in diesem Horizont also sowohl Reduktionsformen des Eisens in der üblichen gräulichgrünen Farbe als auch rostbraune Oxidationsformen vor. Je nach der Höhe des Grundwasserspiegels in den verschiedenen Böden können auch die einzelnen Gley-Horizonte verschieden hoch im Bodenprofil liegen.
Abb. 6.20. Lackprofil eines Pseudogley-Bodens von Reinhold Tüxen aus der Sammlung des Museums „Natur und Mensch“ in Oldenburg. Die Bodenklasse der grundwasserbeeinflussten Gleyböden ist durch das Standardprofil Ah-G0G1 charakterisiert. Der Grundwasserspiegel steht hier meist nur etwa 40 Zentimeter unter Flur. Unter einem feuchten, aber gut zersetzten Mullhumus folgt der periodisch durchlüftete und demzufolge durch oxidiertes Eisen rostfleckige dunkle Grundwassersaumhorizont G0. Im ständig wassererfüllten Unterboden liegt das Eisen fein verteilt in reduzierter Form vor; dieser Horizontabschnitt ist deswegen grünlich-grau gefärbt (G1). Bei sehr konstantem Grundwasserspiegel kann sich im G0-Horizont dichter, verfestigter Raseneisenstein bilden
Wir unterscheiden dabei im Wesentlichen drei Formen: • Semigley: Kapillarsaum des Grundwassers tiefer als 40 Zentimeter unter Flur, • typischer Gley: Kapillarsaum des Grundwassers längere Zeit des Jahres höher als 40 Zentimeter unter Flur, • Nassgley: Kapillarsaum des Grundwassers längere Zeit des Jahres bis zur Erdoberfläche.
6.12 Auenböden
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Einen Bodentyp, der nicht durch Grundwasser, sondern durch Stauwasser gleyartig verändert ist, bezeichnen wir als Pseudogley. Das Niederschlagswasser staut sich meist auf einer undurchlässigen Bodenschicht. Zu niederschlagsreichen Zeiten sind die Böden daher nass, während sie in niederschlagsarmen Zeiten austrocknen. Sie sind also wechselfeucht, und daher finden wir in diesen Böden auch Reduktions- und Oxidationsformen fleckenweise nebeneinander. Jedoch fehlt ihnen der reine Reduktionshorizont mit den vorwiegend graugrünen Farben, der durch den Dauerstand des Grundwassers bedingt ist. Bei hohen Niederschlägen und kühlfeuchtem Klima, etwa in den Mittelgebirgen, können Nassphasen sehr lange andauern und sehr intensiv sein. Hier bildet sich der Stagnogley. Dann kann, vor allem in hängigem Gelände, das durch den Sd-Horizont gestaute Wasser lateral im Sw-Horizont abfließen. Mit diesem Wasser werden auch die durch Reduktion gebildeten Fe2+- und Mn2+-Ionen weggeführt, so dass der Sw-Horizont massiv an Eisen und Mangan, aber auch an allen Neutralkationen verarmt und schließlich stark versauert. Ein solcher Horizont wird dann als Srw bezeichnet. Entsprechend seinen chemischen Eigenschaften ist dieser Boden ein allgemein ungünstiger Pflanzenstandort und lässt nur eine geringe Durchwurzelungstiefe zu.
6.12 Auenböden Auenböden sind durch stark schwankende Grundwasserstände mit periodischer Überflutung gekennzeichnet. Sie finden sich daher in unmittelbarer Nachbarschaft von Flüssen mit einer großen Amplitude zwischen Hochund Niedrigwasser. Bei Überflutung werden frische Sedimente auf dem Boden abgelagert und nach dem raschen Abfluss des Wassers von den Bodentieren eingearbeitet. Dadurch wächst das Profil nach oben, und es werden mit den Sedimenten Nährstoffe und Puffersubstanzen, beispielsweise Carbonate, zugeführt. Bei anwachsendem Sedimentkörper werden die Überflutungen seltener, die Sedimente feinkörniger und die Zeit zur Einarbeitung länger, so dass solche Böden oft im unteren Teil Sedimentschichtung, im oberen Teil vollständige Durchmischung zeigen. Die typische Horizontfolge sieht wie folgt aus: Die Humusform ist in der Regel Mull, da die biologische Aktivität sehr hoch ist und auch die typische Vegetation eine leicht abbaubare Streu liefert. Der Ah-Horizont ist durch Bioturbation mächtig und besitzt ein stabiles Krümelgefüge. Der Humusgehalt ist nicht sehr hoch und zeigt sich nach unten hin allmählich abnehmend. Bei entsprechendem Niveau des Niedrigwassers ist oft ein gelbbrauner G0 als Oxidationssaum über dem Grundwasser zu sehen.
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
Die ökologischen Eigenschaften der Auenböden werden durch den Wasser- und Nährstoffhaushalt bestimmt. Die Mineralisierungsleistung ist in der Regel sehr groß, und Schwermetalle werden immobilisiert. Durch die periodischen Überflutungen ist die Nutzung stark eingeschränkt. Je nach Entwicklungszustand und Ausgangsmaterial werden die Auenböden Rambla, Paternia, Auenregosol oder Tschernitza (schwarzerdeartiger Auenboden) und Vega (braunerdeartiger Auenboden) unterschieden.
6.13 Moorböden Wo sich an feuchten oder nassen Stellen Torfmoose der Gattung Sphagnum oder Bleichmoose der Gattung Leucobryum ansiedeln können, sind sie potentielle Keimzellen von Hochmooren. Sie besitzen in ihren Blättchen zu Wasserspeichern umgebildete Zellen, mit deren Hilfe sie sich mit Wasser vollsaugen wie ein Schwamm. Die einzelnen Pflänzchen wachsen an der Spitze ständig weiter und sterben unten ab. Die abgestorbenen Teile werden in der nassen Umgebung jedoch nur unvollständig zersetzt, lagern sich ab und vertorfen. So heben sich die schwellenden Moospolster allmählich über das Niveau der Umgebung, sie wachsen zu Hochmooren heran. Gleichzeitig entwachsen sie dem Einflussbereich des Grundwassers und sind dann vollständig auf Niederschläge angewiesen, sie wachsen ombrotroph (griech. ombros = Regen). Hochmoore werden zu extrem nährstoffarmen Lebensräumen und funktionieren regelrecht als Ionenaustauscher, indem die Torfmoose unter Abgabe von Wasserstoff-Ionen verschiedene Anionen und Kationen aus dem Niederschlagswasser oder ihrer Umgebung aufnehmen. So wird das wässrige Medium eines lebenden Hochmoores ständig im sauren Milieu gehalten. Auf diese Weise entstanden mächtige Torflagerstätten, die mit steigendem Wasserstand im Hochmoor unter Luftabschluss gerieten. Torf entsteht unter Luftabschluss. Dabei handelt es sich um durch hoch anstehendes und stagnierendes, sauerstofffreies Wasser nur unvollständig zersetztes, abgestorbenes Pflanzenmaterial. Es ist im Hochmoortorf vor allem aus Resten von Sphagnum, Eriophorum und Ericaceen-Reisern zusammengesetzt. Torflager können mehrere Meter mächtig sein, müssen aber, um als solche definiert zu werden, eine Mindeststärke von 30 Zentimetern aufweisen und einen Anteil von mehr als 75 Prozent verglühbarer organischer Substanz besitzen. Normalerweise gliedert man den Hochmoortorf in einen stark zersetzten, meist langsam aufgewachsenen älteren Sphagnum-Torf, den Schwarztorf, und den häufig darüber liegenden, schwächer zersetzten
6.13 Moorböden
163
und schneller gewachsenen jüngeren Sphagnum-Torf, den Weißtorf (Abb. 6.21). Die obere Schicht des Moores, das Akrotelm, besitzt eine hohe hydraulische Durchlässigkeit mit Luftzutritt bei absinkendem Wasserstand. Diese Schicht ist reich an aeroben Bakterien und anderen Mikroorganismen und ist der Bereich der Stoff- und Energieumsätze im Hochmoor. Darunter liegt das oft meterdicke Katotelm, das eigentliche Torflager. Jedes Hochmoor besitzt mit oft riesigen Mengen gespeicherter Niederschläge einen eigenen Wasserhaushalt.
Abb. 6.21. Profil eines Hochmoortorfes von Reinhold Tüxen aus der Sammlung des Museums „Natur und Mensch“ in Oldenburg. Der Torfkörper ist zusammengesetzt aus schwach zersetzten Rotteprodukten von anspruchslosen Hochmoorpflanzen, unter denen besonders die Torfmoosgattung Sphagnum von Bedeutung ist
Im Gegensatz dazu steht das Niedermoor, dessen anspruchsvolle Sumpfpflanzen und Röhrichte stets vom nährstoffreichen Grundwasser abhängig sind. Definitionsgemäß bilden sich Niedermoore nur im Einflussbereich nährstoffreichen Grundwassers. Je nach Art und Weise des Wasserzutritts und der Niedermoorbildung differenziert man Durchströmungs-, Verlandungs-, Überflutungs-, Hang- und Quellmoore. Oft gibt es auch unterschiedliche Übergänge zu Hochmooren, die als Übergangsmoor oder Zwischenmoor bezeichnet werden. Die Entwässerung und Moorkultivierung haben diese organogenen Substrate heute zumeist irreversibel verändert: Tiefumbruchböden und Sandmischkulturen, Treposole genannt, do-
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
minieren in der modernen Kulturlandschaft. Diese anthropogenen Böden werden in bodenkundlichen Kartierungen heute nach dem ursprünglich anstehenden Bodentyp unterschieden. Böden mit Humusgehalten zwischen 15 und 30 Prozent, die durch stärkere Vernässung entstanden sind, bezeichnet man als Anmoorböden.
6.14 Gebirgsböden Die arktisch-alpinen Böden haben mit den Wüstenböden die starke physikalische und fast fehlende chemische Verwitterung gemeinsam. Im Gegensatz zu den Wüstenböden zeichnen sie sich jedoch durch einen Überschuss an Wasser aus, wenigstens zu einer bestimmten Jahreszeit. Ebenfalls tritt hier im Vergleich zu den Wüstenböden eine starke Anreicherung der organischen Substanz ein, die auf eine größere Produktion und wenig Abbau zurückzuführen ist, die bald mehr torfig, bald mehr humusartig sein kann. Als wesentlicher Faktor kommt dann noch die Frostwirkung hinzu. Die obere organogene Schicht besteht in den meisten Fällen aus einem 10 bis 20 Zentimeter dicken humosen oder torfigen Horizont, dessen Beschaffenheit von dem Bewuchs und dem Grad der Durchnässung abhängt. Darunter steht entweder der Felds an oder es beginnen je nach dem Grad der Verwitterung des Ausgangsgesteins schluffige, sandige oder kiesige Schichten. Abhängig vom Klima kann ab einer bestimmten Tiefe der Dauerfrostboden beginnen. Meistens sind die Bodenschichten stark gestört und überschoben. Die Überschiebung und Störung der einzelnen Bodenschichten hängt mit der Erscheinung des Erdfließens oder Solifluktion zusammen. Solche Fließbewegungen des Bodens kann man in der Arktis an allen Hängen beobachten. Sie kommen zustande, wenn die obere aufgetaute Bodenschicht, die teils von den Pflanzenwurzeln zusammengehalten wird, bei völliger Durchnässung dem gefrorenen Boden aufliegt. Es bilden sich stellenweise Risse, und die oberste Bodenschicht rutscht dann auf dem gefrorenen Boden, der als Gleitunterlage dient, hangabwärts (Abb. 6.22). Hänge von nur ganz geringer Neigung genügen meist, um diesen Vorgang auszulösen. An den Abrutschstellen wird der Unterboden entblößt und an der unteren Seite der Abrutschfläche schiebt sich der abgerutschte Boden wulstartig zusammen. So entstehen dann an einem Hang terrassenartige Bildungen oder Bulten und kleine Hügel. Zum Teil treten auch Überschiebungen an den Unterkanten ein. Die entblößten Flächen werden von der Vegetation wieder überwachsen. Je spärlicher die Vegetation der
6.14 Gebirgsböden
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Arktis nach Norden beziehungsweise der Hochgebirge mit zunehmender Höhe wird, desto intensiver sind die Erscheinungen der Solifluktion, weil hier die verankernde Wirkung der Pflanzenwurzeln immer mehr abnimmt. Die Solifluktion hat eine enorme abtragende Kraft. Sie schafft sehr schnell das Bodenmaterial von den Hängen in die Täler hinein. Es ist verständlich, dass diese Erdbewegungen das Pflanzenwachstum, das in der Arktis und dem Hochgebirge bereits unter sehr ungünstigen Bedingungen stattfindet, noch mehr erschweren.
Abb. 6.22. Solifluktionsloben, wie hier im Silvretta-Gebiet der schweizerischen Zentralalpen, werden oft durch Weidetiere verstärkt und zu treppenartigen Weidepfaden umgebildet
Eine weitere Erscheinung, die mit dem Frost zusammenhängt, ist für die arktischen und hochalpinen Böden typisch. Das Skelettmaterial des Bodens wird durch abwechselndes Gefrieren und Auftauen an die Erdoberfläche gebracht, und dadurch erfolgt auf verschiedenen Böden eine Anreicherung an Gesteinsmaterial. Dieses „Sich-Herausarbeiten“ der Steine an die Erdoberfläche kommt folgendermaßen zustande: Beim Gefrieren der obe-
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
ren Bodenschichten nehmen diese durch Ansaugen von Wasser aus den tieferen Schichten an Volumen zu und der Boden friert auf. Dabei werden die Steine, die im gefrierenden Boden stecken, mit angehoben. Darunter bilden sich Eislinsen. Nach dem Auftauen fällt der Stein nicht wieder in seine frühere Lage zurück, weil feines Bodenmaterial in die Höhlung gelangt. Er rückt somit immer näher an die Bodenoberfläche. Dieser Vorgang wiederholt sich bei jedem Gefrieren und Auftauen des Bodens. An Hängen werden bei diesen Vorgängen die Gesteine zugleich dem Gefälle folgend abwärts geschoben. Es entstehen so die Steinströme oder Streifenböden. Im ebenen Gelände geht dagegen die Bewegung zentrifugal von den Gefrierzentren aus und führt zur Bildung der Steinnetzböden oder Polygonböden.
6.15 Salzböden Als Salzböden werden Böden bezeichnet, die einen Überschuss leicht löslicher Salze und daher hohe Ionenkonzentrationen im Bodenwasser aufweisen. Sie entstehen etwa dann, wenn bei salzhaltigem Grundwasser die Verdunstung größer ist als der Niederschlag. Wegen des stark negativen osmotischen Potentials können auf ihnen nur wenige Pflanzenarten wachsen. Salzböden sind in ariden Gebieten aller Kontinente weit verbreitet. Sie treten aber auch in humiden Gebieten dort auf, wo das Grundwasser salzig ist, etwa an flachen Meeresküsten oder im Landesinneren um Salzquellen herum. In ariden Gebieten kann der Ursprung der Salzanreicherung im Boden verschiedene Möglichkeiten haben: • Salzanreicherungen durch Verdunstung eines großen Wasserbeckens, wie wir es beispielsweise von den weiten Randzonen des Kaspischen Meeres oder des Arals her kennen, • Salz eines früheren Meeresbodens, bekannt etwa von den nordafrikanischen Salzgebieten, • Anreicherungen von Salz in sedimentären Gesteinen, verursacht durch Meere in früheren geologischen Zeiten, welche nach Hebung und Verwitterung der aufliegenden salzfreien Schichten an die Erdoberfläche treten können, • äolischer Ursprung des Salzes, wobei eine oberflächliche Ablagerung eintritt, wie sie zum Beispiel aus der Namib-Wüste bekannt ist, in der Salzablagerungen durch Verwehungen, die tief ins Binnenland getragen werden, erfolgen, • Salzstaub im verspritzten Meerwasser in Küstengebieten.
6.15 Salzböden
167
In diesen Böden wird im Sorptionskomplex der Humusstoffe das austauschfähige Calcium durch austauschfähiges Natrium verdrängt. Dabei wird der Humus leicht peptisiert, was bedeutet, dass sich im Wasser dunkle, kolloidale Humuslösungen bilden. In konzentrierten Salzlösungen werden dagegen die Humusstoffe ausgeflockt. Wird durch Niederschläge oder Bewässerung der Hauptteil der löslichen Salze in den Unterboden verlagert, so entsteht ein Solonez. Seine ökologischen Eigenschaften werden aber immer noch durch die Salzakkumulation bestimmt und sind durch hohe Natrium-Anteile am Austauscherbelag und einen hohen pH-Wert gekennzeichnet. Durch die deutlich geringere Ionenkonzentration im Bodenwasser sind die Tonminerale nicht mehr geflockt, sondern können verschlämmen, so dass das Gefüge instabil ist; trotz des hohen pH-Wertes kann hier Tonverlagerung auftreten. Eine Milderung dieser aus landwirtschaftlicher Sicht ungünstigen Eigenschaften ist möglich, wenn mit dem Bewässerungswasser Calcium-Ionen, etwa aus Gips, zugeführt werden. Grundwasser ist selten reich an löslichen Salzen, weil diese Stoffe ja immer wieder durch den Grundwasserstrom mit abgeführt werden und letzten Endes ins Meer gelangen. Anders ist das in ariden Gebieten. Je trockener das Klima ist, desto mehr lösliche Salze führt das Grundwasser mit sich. Dazu kommt noch die starke Verdunstung, die einsetzt, sobald das Grundwasser so hoch steigt, dass die Bodenoberfläche durch kapillaren Anstieg ständig feucht gehalten wird. In diesem Falle reichern sich die im Wasser vorhandenen Salze an der Bodenoberfläche an, besonders dann, wenn keine dichte Pflanzendecke vorhanden ist. Nasse Böden sind daher in ariden Gebieten gleichbedeutend mit Salzböden. Den Vorgang der Salzanreicherung bezeichnet man als Verbrackung. Man unterscheidet je nachdem, welche Salze angereichert werden, die Karbonatverbrackung mit den Formen Kalkverbrackung (Carbonate) und Sodaverbrackung (Natriumcarbonate) von der Chlorid-Sulfatverbrackung. Die Art der Verbrackung hängt also von der Zusammensetzung des Grundwassers ab und diese wiederum von der Aridität des Klimas (Abb. 6.23). Im semihumiden Gebiet enthält das Grundwasser praktisch keine Chloride oder Sulfate und auch kein Natrium, dagegen oft große Mengen von Calciumcarbonat. Das Wasser verdunstet und der Kalk bleibt zurück. So kommt es zu Kalkablagerungen, und es tritt Kalkverbrackung ein. Diese ist für die alkalitrophen Moore semihumider Regionen charakteristisch. Die Vegetation dieser Moore unterscheidet sich nicht wesentlich von derjenigen unserer Flachmoore. Auch hier sind Carex-Arten, Phragmites, Typha und andere Sauer- und Süßgräser typisch. Der Torf dieser Moore kann oft bis zu 40 Prozent Kalk enthalten. Diese Moore sind in Europa für das Ge-
168
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
biet der Waldsteppe, also im nördlichen Anschluss an das große pontische Grassteppengebiet des südlichen Osteuropas bezeichnend. Mit zunehmender Aridität treten im Grundwasser schon geringe Mengen von Natriumchlorid (NaCl) oder Natriumsulfat (Na2SO4) auf. Das führt zu einer gewissen Anreicherung von Na+-Ionen in der oberen Humusschicht neben den Ca2+-Ionen. Die im Sorptionskomplex vorhandenen Ca2+-Ionen werden zum Teil durch Na+-Ionen verdrängt. So entstehen Natriumcarbonate (Soda). Während der heißen Jahreszeit reichert sich das Soda an der Bodenoberfläche an, und es kommt zur Sodaverbrackung. Solche Verbrackungen kann man in der mittleren Steppenzone Südosteuropas häufiger beobachten. Zeigerpflanzen für diese Sodaverbrackung sind meist solche Pflanzen, die auch im Wattenstrandgebiet vorkommen.
Abb. 6.23. Auf Solonchak bei Illmitz am Neusiedler See wachsen nur halotolerante Arten, wie Lepidium cartilagineum und Aster tripolium ssp. pannonicum
Die Chlorid-Sulfatverbrackung ist an vollaride Gebiete gebunden. Bei der Aridität des Klimas reichern sich im Grundwasser immer mehr Sulfate und schließlich auch Chloride des Natriums an, die sogar die Menge der
6.16 Wüstenböden
169
Carbonate übertreffen. Unter diesen Umständen nehmen die leicht löslichen Salze an der Oberfläche stark zu, so dass bei Verdunstung des Wassers eine weiße Salzkruste entsteht. Es bildet sich so der echte Solonchak, wie wir ihn im äußersten Südosten Europas vorfinden (Abb. 6.24).
6.16 Wüstenböden Alle Wüstenböden zeichnen sich durch eine geringmächtige Verwitterungskrume aus. Man muss hier bei den Wüstenböden die Frage stellen, ob man überhaupt von einem Boden sprechen darf. Eine Pflanzendecke fehlt diesen Gebieten fast ganz. Wenn somit eine Verwitterung der oberen Gesteinsschichten stattfindet, so sind biologische Vorgänge dabei so gut wie ausgeschlossen. Auch die Wirkung des Wassers tritt sehr zurück, so dass die physikalischen Kräfte der Verwitterung gegenüber den chemischen und biologischen sehr überwiegen. Vom Boden kann man also in diesem Sinne nur sprechen, wenn man den Begriff sehr weit fasst. Das Gestein in den Wüsten zerspringt unter der Einwirkung starker Temperaturschwankungen. An der Oberfläche reichert sich somit grober Gesteinsschutt an. So entsteht der erste Typ, die Steinwüste. In Nordafrika bezeichnet man sie als Hamada. Je nach dem Ausgangsgestein sind die Schuttstücke klein oder groß. Klein sind sie beispielsweise beim Kalkgestein, während die Eruptivgesteine zu scharfkantigen großen Felsklötzen zerspringen. Die Steinwüste ist extrem vegetationsfeindlich. Mit der Zeit geht die Zersprengung des Schutts immer weiter und es bildet sich auch feineres Material. An Berghängen wird dieses feinere Material dauernd herausgeblasen, in ebener Lage bleibt es dagegen liegen. Es wird durch die episodischen Platzregen zwischen das Grobmaterial gespült und füllt schließlich die Lücken ganz aus. Dadurch wird die Steinwüste zu einer ebenen Tenne, die mit herausragenden Gesteinsbrocken gespickt ist. Die immer weitergehende Aufspaltung der Brocken führt schließlich dazu, dass aus einer Steinwüste eine Kieswüste entsteht, die man als Serir oder Reg bezeichnet. Der Kies wird vom Sturmwind bewegt und die einzelnen Teilchen sind daher nicht mehr scharfkantig, sondern abgeschliffen und abgerundet. Bei dieser Schleifarbeit des Windes bleiben immer nur die härtesten Gesteinsfragmente, wie Feuersteine oder Quarzgerölle, übrig. In den teilweise ausgedehnten Mulden der Kieswüsten kann nach heftigen Regenfällen das Wasser die feinsten Tonteilchen zusammenschwemmen. So entstehen Tonpfannen, zunächst allerdings ohne Salzanreicherung. Die Oberfläche wird nach dem Austrocknen stark rissig. Solche Tonböden sind in ariden Gebieten besonders vegetationsfeindlich, weil sie bei der starken Trockenheit eine luftundurchlässige zementartig-harte
170
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
Abb. 6.24. Artemisia frigida-Steppe auf Solonchak in der Inneren Mongolei
Abb. 6.25. Die besonderen Gesteinformationen der Pinnacles prägen das Bild der Sandwüste im westaustralischen Nambung-Nationalpark. Die charakteristischen Kalksteinsäulen entstanden durch Pflanzenwuchs vor etwa 500 000 bis 50 000 Jahren auf einer aus Quarzsand bestehenden Wanderdüne
6.17 Latosol
171
Oberfläche entwickeln. Tritt nun in abflusslosen, tiefliegenden Mulden das Grundwasser zu Tage, so kommt es in den Wüsten in Folge der Verdunstung stets zu einer Salzanreicherung. Es bilden sich die Salzpfannen (Salzsümpfe und Salzseen), die man auch als Schott bezeichnet. Diese Gebiete sind meist relativ dicht mit einer Halophytenvegetation bestanden. Der Boden ist wegen der Eisenanreicherung oben braun gefärbt. Dort, wo beim Gesteinszerfall, wie zum Beispiel bei anstehenden Sandsteinen, Sand entsteht, wird dieser durch äolische Kräfte ausgeweht und an anderen Stellen abgelagert. Diese riesigen und beweglichen Sandmassen bilden die Sandwüste, auch Erg genannt. Dabei schaffen unterschiedliche Windströmungen bald flache Sanddecken, bald bewegte Dünenlandschaften mit Erhebungen bis zu 250 Metern Höhe. Im Landesinnern ist die Sandwüste wegen der Eisenanreicherung rötlich gefärbt, unter dem Einfluss der feuchten Meeresküsten gelb (Abb. 6.25).
6.17 Latosol Latosole sind Bodentypen der feuchten Tropen. Es kommt hier zu keiner Ausbildung von Humushorizonten, weil die Zersetzung äußerst schnell vor sich geht. Wie bereits erwähnt, verläuft in den Tropen die Verwitterung der Silikate ganz anders als etwa in Mitteleuropa. Die freiwerdende Kieselsäure wird in viel größerem Ausmaße weggeführt. Dasselbe tritt auch bei Tonzerfall ein, so dass die Sesquioxide (Al2O3 und Fe2O3), die beim Tonzerfall entstehen, sich gegenüber der Kieselsäure im Boden stark anreichern. Dieses ist ganz bezeichnend für die tropischen Lateritböden. Durch das freigewordene Eisenhydroxid nimmt der Lateritboden die rote Färbung an, weshalb Tropenböden rot gefärbt sind. Nur bei gestauter Nässe oder bei kalkhaltigem Muttergestein ist das nicht der Fall. Es handelt sich auch beim Laterit wie bei den Schwarzerden um A-C-Böden (Abb. 6.26). Wechseln in den Tropen Regenzeiten mit ausgeprägte Trockenzeiten, so kommt es in den Trockenzeiten zu aufsteigenden Wasserströmen im Boden. Es bilden sich daher an der Oberfläche bei der Verdunstung des Wassers Krusten aus Eisenhydroxid und Kieselsäure, die ja jetzt nicht abgeführt werden, sondern nach oben wandern. Diese Krusten sind blasenförmig aufgetrieben. Sie sind schlackenartig hart und unlöslich. So entstehen die Laterite im engeren Sinne. Es handelt sich ganz besonders unfruchtbare Böden.
172
6 Bodenhorizonte und Bodentypen
Alle Lateritböden der Tropen zeichnen sich aufgrund der geschilderten Bodendynamik und weiterhin aufgrund der geringen Sorptionsfähigkeit ihrer Tonbestandteile, des Kaolinits, und der Tatsache, dass Humus fast
Abb. 6.26. Lateritböden mit tropischem Regenwald in Brasilien. Nach Rodung der Wälder erscheint die typische Rotfärbung dieser alten Böden
vollkommen fehlt, durch Nährstoffarmut aus. Scheinbar besteht hier ein Widerspruch, weil ja gerade diese Böden von Natur aus die denkbar üppigste Vegetation, nämlich den tropischen Regenwald, tragen. Das Nährstoffkapital liegt hier aber nicht im Boden, sondern in der Vegetationsschicht selbst. Die Nährstoffe befinden sich in ständigem Kreislauf; nach der Zersetzung der abgestorbenen Pflanzenteile, die sehr rasch vor sich geht, werden freigewordene Nährstoffe gleich wieder den Wurzeln zugeführt. Es tritt somit kein Verlust ein, wie etwa bei der Bildung von Rohhumus, sondern das Nährstoffkapital erhält sich unbegrenzt. Das weggeführte Wasser in den Bächen des Regenwaldes ist nahezu destilliert. Die Üppigkeit des Wuchses kommt allein durch die Wärme und die hohe Feuchtigkeit zustande.
6.18 Literatur
173
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6 Bodenhorizonte und Bodentypen
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7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
Bisher haben wir im Wesentlichen über die minerogenen und organogenen Substanzen des Bodens gesprochen. Es gibt aber mit der biotischen noch eine dritte Bodenkomponente. Ihr gehört die ganze Welt der Organismen des Bodens an, die in ihrer Gesamtheit als Edaphon (griech. edaphos = Boden) bezeichnet wird. Das Edaphon setzt sich zusammen aus Bodenmikroorganismen sowie der Bodenfauna und der Bodenflora. Die meisten Mikroorganismen des Bodens halten sich in der Streu oder in den oberen Bodenschichten auf. Die Artenzahl und auch die Individuenzahl der Bodenorganismen ist ungeheuer groß. Der Boden ist also durchaus kein totes Substrat. In einem Gramm humosen Wiesenbodens können bis zu 15 Milliarden Bodenmikroorganismen vorkommen. Dabei handelt es sich meist um Bakterien, die vielen anderen Gruppen des Pflanzen- und Tierreichs gar nicht eingerechnet. Nicht nur ihre Zugehörigkeit zum Komplex Boden charakterisiert solche Bodenorganismen, sondern auch ihre Leistung im Hinblick auf die ganze Bodendynamik ist überhaupt nicht fortzudenken. Sie ist oft sehr eng mit den chemischen Prozessen im Boden verknüpft (Tabelle 7.1). Die wichtigsten Lebensbedingungen der Bodenorganismen sind Feuchtigkeit und Wärme, die Wachstum und Vermehrung stark fördern. Auch die Menge und Beschaffenheit der organogenen Substanz und eine ausreichende Durchlüftung des Bodens sind hier zu nennen. Letzteres gilt besonders für die Aerobier, die in den oberen Bodenhorizonten leben und bei weitem den größten Teil ausmachen. Die Wasser- und Nährstoffaufnahme der Pflanzen wird unter anderem durch die speziellen Bedingungen der Bodenstruktur und der Bodenfeuchte gesteuert. Darüber hinaus müssen Wurzeln um Ressourcen mit benachbarten Pflanzen konkurrieren und sich gegen Pathogene wehren. Pflanzen haben sich an diese schwierigen Bedingungen angepasst, indem sie sich mit Mikroorganismen vergesellschaften, die das Wachstum von Pathogenen eindämmen, die Verfügbarkeit von Nährstoffen erhöhen und ihre Aufnahme erleichtern. Die Gesamtheit der mikrobiellen Gemeinschaften in der unmittelbaren Umgebung der Wurzel bezeichnen wir als Rhizosphäre.
176
7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
Tabelle 7.1. Organismen des Bodens und ihre Funktion Artengruppe Bakterien: - aerob, - anaerob
Cyanobakterien Actinomyceten Rhizopoden Rotatorien und Landturbellarien Nematoden Anneliden Arthropoden
Wirbeltiere Algen (vor allem Diatomeen) Pilze
Beispiele Bacillus mesentericus Bacillus fusiformis Bacillus megaterium Bacillus mycoides Azotobacter croococcum
Funktion Mineralisation von Biomasse, Reduktion von N, Mn, Fe, S- und CVerbindungen, Biomasse-Abbau, Begrenzung des Humusgehaltes Anabaena, Spirulina, Oscillato- Photosynthese, ria Stickstoff-Fixierung Streptomyces griseus Humifizierung, MineraliStreptomyces coelicolor sierung starker Besatz im Bodenwasser; Cystenbildung bei Trockenperioden Tylenchorhynchos, Longidorus Wurzelfraß Enchytraeen, Lumbriciden Bioturbation, Lockerung des Bodens, Streuabbau Tardigraden (bevorzugt in Streuzersetzung, DeziMoospolstern), Asseln (Fallmierung von Pilzen und laub), Milben, Tausendfüßer, Bakterien, HumusbilAmöben, Ciliaten, Termiten dung, Stabilisierung des (Tropen), Ameisen ökologischen Gleichgewichtes Maulwurf, Wühlmaus, Ziesel Bioturbation Humerillia exilis Photosynthese Chlorococcum humicula Trochiscia aspera Mucus, Abbau auch in sauren Aspergillus und nährstoffarmen BöTrichoderma den, Bildung von FulvoFusarium säuren
7.1 C/N-Verhältnis Ein guter Indikator für hohe Aktivitätsraten der Bodenmikroorganismen ist vor allem die Anlieferung und Bildung organischer Bodensubstanz. Diese ist das Ergebnis der jährlichen Biomasseproduktion, des Nettozuwachses und der jährlichen Streuerzeugung, die, wie wir bereits mehrfach gesehen haben, ebenfalls vom Klima, von den Bodenbedingungen und vom Vegetationstyp abhängt, der den Bestandesabfall erzeugt. Für die Berechnung der Menge der organischen Substanz spielt natürlich die mikrobielle Bio-
7.1 C/N-Verhältnis
177
masse ebenfalls eine entscheidende Rolle; denn aus der Summe der jährlichen Anlieferung der organischen Bodensubstanz ermitteln wir die Menge an Kohlenstoff (C) und an Stickstoff (N) für die Humusumsetzung im Boden. Entscheidend ist dieses auch für das Kohlenstoff-StickstoffVerhältnis, das C/N-Verhältnis eines Bodens. Das C/N-Verhältnis abgestorbenen organischen Materials im Boden gibt einen sehr guten Hinweis auf die Zersetzbarkeit beziehungsweise die Geschwindigkeit der Mineralisierung und erneute Bereitstellung der mineralischen Nährstoffe. Liegt die Relation über einem Richtwert von 25, ist der Abbau meistens gehemmt, weil dann in der Regel der Stickstoff für die zersetzenden Mikroorganismen limitiert ist. Die Bedeutung der Kohlenstoffakkumulation und der mikrobiellen Humusumsetzung im Boden wird im Vergleich der Zonobiome der Erde besonders deutlich, wie es die Tabelle 7.2 zeigt. In tropischen Regenwäldern und in temperaten Laubwäldern gibt es die höchsten Biomasseakkumulation, während in Böden der borealen Nadelwälder aufgrund der ungünstigen Standortbedingungen die jährliche Kohlenstoffakkumulation am höchsten ist. Hinsichtlich der mikrobiellen Biomasse liegen auch im globalen Vergleich die grasdominierten Ökosysteme der Steppen in der Kohlenstoffund Stickstoffbilanz an der Spitze. Beim Mull beträgt das C/N-Verhältnis meistens 10 bis 15, bei Moder liegt das C/N-Verhältnis bei 20. Rohhumus ist erwartungsgemäß durch ein C/N-Verhältnis von 30 bis 40 ausgezeichnet und selbst im Oh-Horizont von meist über 25. Für schwach zersetzte Hochmoortorfe liegen die C/NWerte noch höher, nämlich bei 50 bis 100; die Humuskennzahlen sind also sehr hoch, während für Niedermoortorfe die C/N-Werte bei 15 bis 35 liegen, was den Grad ihrer Humifizierung im Unterschied zum Hochmoortorf verdeutlicht. Wenn beispielsweise der Ligninanteil der Laubstreu sehr hoch ist, besteht ein ungünstiges C/N-Verhältnis, und das beeinflusst sehr stark die Bodenfauna, vor allem den Regenwurmbesatz, der in diesem Fall abnimmt. Vom C/N-Verhältnis ist auch das Regenerationsverhalten vieler unserer Laubbäume beeinflusst: So sind in der Regel alle Gehölze bei einem günstigen C/N-Verhältnis, also bei einem relativ hohen Stickstoffanteil im Boden, fähig, auch aus dem Stock auszutreiben, wie dies Richard Pott (1981, 1985) für die Interaktion von Buche und Hainbuche aus historisch-ökologischer Sicht untersucht hat. Zu solchen regenerationskräftigen Laubbäumen gehören nach H. Ellenberg (1996) sowie A. Schwabe und A. Kratochwil (2001) in Mitteleuropa beispielsweise Fraxinus excelsior (C/N: 21), verschiedene Ulmus-Arten (C/N: 28), Carpinus betulus (C/N: 23), Prunus padus (C/N: 23) und die Eichen (Quercus div. spec. mit C/N: 47). Fagus sylvatica (C/N: 51) vermag dies nur eingeschränkt, reagiert jedoch
178
7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
auf Niederwaldbetrieb oder Verbiss mit basitonem Wachstum und erhöhtem Stockausschlag bei langen Umtriebszeiten. Zum Vergleich sei hier noch die Gattung Larix angeführt, deren C/N-Verhältnis 113 beträgt und die nicht in der Lage ist, nach Zerstörung apikaler Meristeme im Stockausschlag neu auszutreiben. Tabelle 7.2. Menge, Verteilung und Umsetzung von Trockenmasse organischer Substanz in ausgewählten Zonobiomen (nach Schlesinger 1991, Scheffer u. Schachtschabel 2002, Sitte et al. 2002). 1 = Biomasse in g C m-2, 2 = Nettozuwachs in g C m-2, 3 = Corg in g m-2, 4 = N in g m-2, 5 = C/N-Verhältnis, 6 = Mikrobielle Biomasse C in g m-2, 7 = Mikrobielle Biomasse N in g m-2, 8 = CAkkumulation in g m-2 pro Jahr; n.b. = nicht bekannt Zonobiom
1
2
3
4
5
6
7
8
27000
1100
15300
760
20
50
2
2,4
14000
600
7100
660
11
110
14
2,4
9000
400
15500
1100
14
35
2,5
13,5
1800
450
5400
320
17
60
8,7
n.b.
1400
300
10500
790
13
215
51
n.b.
Halbwüste
350
45
3300
260
13
n.b.
n.b.
n.b.
Tundra
250
70
10800
1150
19
20
1
1,3
Wüste
100
1,5
100
10
10
n.b.
n.b.
n.b.
Tropischer Regenwald Temperater Laubwald Borealer Nadelwald Savanne Steppe
Vertreter der Schmetterlingsblütler (Fabaceae) besitzen dank ihrer Symbiose mit Knöllchenbakterien ebenfalls ein günstiges C/N-Verhältnis. Sie dienen deshalb als wichtige Futterpflanzen. Ähnliches gilt für die Interaktion von Nematoden mit Luftstickstoff fixierenden Actinomyceten beim Sanddorn (Hippophae rhamnoides), auf die wir im Kapitel 7.4 noch einmal zurückkommen.
7.2 Auswirkungen auf die Bodenstruktur Die Bedeutung der Bodenmikroorganismen hinsichtlich der Humusbil dung und des Stickstoffkreislaufes im Boden ist eine bekannte Tatsache. Weniger bekannt ist jedoch der bedeutende Einfluss der Mikroorganismen auf die Bodenstruktur. Unter einer guten Bodenstruktur verstehen wir ei-
7.2 Auswirkungen auf die Bodenstruktur
179
ne optimale Krümelstruktur des Bodens. Wir sprechen dabei auch wohl von der Aggregatbildung des Bodens, wie im Kapitel 5 schon einleitend beschrieben. Wir müssen aufgrund ihrer Entstehung zwei verschiedene Aggregatbildungen unterscheiden, die sich gegenseitig ergänzen. Die kolloidchemischen Aggregatbildungen werden als Primäraggregate bezeichnet, die biologischen Aggregatbildungen durch die Mikroorganismen sind die Sekundäraggregate. Beide zusammen bilden ein optimales Strukturgefüge des Bodens, die Bodengare (Abb. 7.1). Dieser Begriff steht für einen günstigen Bodenzustand aus landwirtschaftlicher Sicht, weshalb dafür gelegentlich auch der Begriff Ackergare verwendet wird. Hier kommt das optimale Zusammenwirken aller kolloidalen und biologischen Fruchtbarkeitseigenschaften eines Bodens zusammen. Bestimmend ist und bleibt dabei jedoch die Bindung von Bodenkrümeln durch Bodenorganismen zur Schaffung und Erhaltung einer optimalen Krümelstruktur. Man bezeichnet diesen Vorgang auch als „Lebendverbauung“ der Bodenkrume.
Abb. 7.1. Primäraggregate werden durch die Mikroorganismen zu Sekundäraggregaten verknüpft. Die chemischen Kolloidbrücken werden dabei meist über Pilzhyphen miteinander verbunden und bilden so „lebende Brücken“. Dies dient der Strukturverbesserung des Bodengefüges und wird als Bodengare bezeichnet
Die kolloidchemische Aggregatbildung entsteht bei Anwesenheit von Calcium-Ionen durch Koagulation der Bodenkolloide, den Ton- und Humusteilchen. Bei dieser Zusammenballung der Bodenkolloide werden natürlich auch die gröberen Bestandteile des Bodens, etwa Sandkörnchen, mit „eingebacken“. Die Primäraggregate sind also nach dem Prinzip Baustein und Mörtel aufgebaut, wobei die hochdispersen Bodenkolloide den Mörtel und die gröberen Sandkörnchen die Bausteine darstellen. Form, Größe und Stabilität dieser Krümel hängen von dem Kolloidzustand des Bodens ab.
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7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
Die biologische Aggregatbildung besteht in dem Aufbau von Sekundäraggregaten, bei der die Primärkrümel nochmals zu größeren Krümelverbänden zusammengefügt werden. An diesem Sekundäraufbau sind nicht mehr die Bodenkolloide als Bindesubstanz beteiligt, sondern es sind die Mikroorganismen des Bodens. Halbkugelige und fädige Kolonien von Bodenbakterien verbinden auf Grund ihrer Schleimhüllen die einzelnen Primärkrümel ganz fest und stabil miteinander. Man kann direkt von einem festen „Verkleben“ sprechen. Zu diesem Verkleben der Bodenkrümel durch die Bakterien tritt dann noch das Umwachsen und Umweben der Pilzhyphen hinzu. So wird durch die Bodenmikroorganismen ein festes und dauerhaftes, schwammartiges Gefüge des Bodens geschaffen. Auf Grund des lockeren Aufbaus eines solchen Bodengefüges spricht man auch von einer Schwammstruktur. Optimale Schwammstrukturen eines Bodens gewährleisten sowohl eine genügende Wasserkapazität als auch eine ausgezeichnete Durchlüftung. Die Mittelporen liegen in den Primärkrümeln selbst und bilden die Speicherräume für das Wasser, während die größeren Hohlräume der Grobporen zwischen den Sekundäraggregaten als Luftkanäle fungieren. Diese optimale Lebendverbauung der Krümelstruktur durch die Mikroorganismen ist die eigentliche Definition der Bodengare. Durch diese Lebendverbauung tritt eine Stabilisierung mit fester Verankerung der Krümelstruktur ein. Damit ist ein solcher Boden gegen die verschlämmende Einwirkung von Niederschlägen geschützt. Auf der anderen Seite sind gemeinsam mit den Actinomyceten die Bodenbakterien vielfach auf die Zersetzung und Oxidation schwer abbaubarer Lignine, Cellulosen und Huminstoffe spezialisiert und können dabei hohe Mengen an Kohlendioxid erzeugen. Diese Quelle ist für das Wachstum photoautotropher Organismen essentiell. Eine Reihe von Cyanobakterien ist sogar in der Lage, Luftstickstoff als Stickstoffquelle zu benutzen und dem Stickstoff-Kreislauf von Boden und Pflanzen zuzuführen. Darüber hinaus produzieren Actinomyceten das Geosmin, das den typischen „Erdgeruch“ verursacht (griech. osmé = Duft).
7.3 Bodenmikroorganismen Eine größere und bedeutendere Rolle als den Bodentieren fällt dabei den Mikroorganismen des Bodens zu. Diese leben vorzugsweise in der Wurzelschicht der Pflanzen. Die bedeutendste und individuenreichste Gruppe sind die Bakterien: Es kommen sowohl anaerobe, wie auch aerobe Arten vor. Die Aerobier sind bei weitem individuenmäßig in der Überzahl. Sie besiedeln vor allen Dingen die oberen Bodenhorizonte mit Luftzutritt,
7.3 Bodenmikroorganismen
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während die Anaerobier gezwungen sind, die tieferen Horizonte zu bevölkern. Der Weg, Bodenmikroorganismen und Bodenpartikel unter dem Mikroskop in verschiedenen Farbtönen zu sehen, wurde vom Münsteraner Botaniker Siegfried Strugger (1906-1961) entdeckt. Dabei handelt es sich um die Anfärbung des Bodens mit dem Fluoreszenzfarbstoff Acridinorange, einer Vitalfärbung. Die angefärbten Präparate werden dabei unter dem Blaulicht-Fluoreszenzmikroskop beobachtet (Abb. 7.2).
Abb. 7.2. Der Fluoreszenzfarbstoff Acridinorange leuchtet bei Anstrahlung mit Blaulicht in starker Konzentration blutrot auf und in schwacher Konzentration hellgrün. Totes pflanzliches und tierisches Gewebe hat nun die Eigenschaft, viel AcridinorangeFarbstoff zu speichern, lebendes aber wenig. Daher haben wir bei totem Material eine blutrote Fluoreszenz und bei lebendem eine Grünfluoreszenz
Die Ansprüche der Mikroorganismen an die Bodenfeuchtigkeit gleichen denen der Höheren Pflanzen. Wie bei diesen liegt auch hier das Optimum der Entwicklung bei 70 bis 80 Prozent der wasserhaltenden Kraft des Bodens. Jedoch verhalten sich die einzelnen Mikroorganismen wie die Höheren Pflanzen diesbezüglich etwas verschieden: Das Optimum der Bodenfeuchtigkeit liegt für die Pilze in der Regel etwas tiefer als für die Bakterien. Indirekt kann natürlich eine zu starke Durchfeuchtung des Bodens hemmend auf die Entwicklung des Bodenlebens einwirken, weil dabei der Sauerstoffzutritt eingeschränkt wird. Auf diese Weise kommt ja auch primär die unvollkommene Zersetzung der organischen Substanz in unseren Hochmooren zustande zusammen mit der Wirkung der starken Säurebildung durch den Ionenaustausch der Torfmoose. Nicht alle Mikroorganismen sind auf normale oder stärkere Durchfeuchtung des Bodens angewiesen. Es gibt auch einzelne Formen, die noch bei einem Prozent Wassergehalt des Bodens zu wachsen vermögen, wie man bei Untersuchungen von Wüstenböden festgestellt hat. Die Bedeutung der Temperatur als Wärme ist ebenfalls für die Mikroorganismen des Bodens sehr groß. Jedoch muss betont werden, dass die in den verschiedenen Klimazonen der
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7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
Erde herrschenden Temperaturen dem Mikroorganismenleben keine absoluten Grenzen setzen können. Selbst in den arktischen Tundraböden gibt es noch zahlreiche Arten von Mikroorganismen. Allerdings spielt sich dort das Mikroorganismenleben vorwiegend in den oberen 2 bis 5 Zentimeter tiefen Horizonten ab, da der Boden dem Permafrost unterliegt. Die Mikroorganismen des Bodens bleiben auch in gemäßigten Breiten noch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und bei gefrorenem Boden in Tätigkeit. Ihre Individuenzahl sinkt dabei nach ersten Frösten im Winter stark ab und erfährt eine starke Massenentwicklung bei warmer Witterung, vorausgesetzt, der Boden ist nicht zu trocken. Nach kälterer Witterung genügen oft zwei bis drei warme Tage, um die Bodenkeimzahl auf das Doppelte oder Dreifache anschnellen zu lassen. Dasselbe tritt natürlich auch nach Niederschlägen auf, wenn der Boden vorher relativ trocken war. Durch die Schnelligkeit ihrer Entwicklung ist es den Mikroorganismen auch möglich, kürzeste Zeiträume zur Durchführung ihrer Lebensvorgänge auszunutzen. Das gilt besonders für die Arktis und für das Hochgebirge, aber auch für die episodischen Feuchtigkeitsverhältnisse in den Trockengebieten der Erde. Bekannt ist auch ihre regionale Anpassung an die Temperaturbedingungen. In den unterschiedlichen Breiten zeigen viele über die ganze Erde verbreitete Formen jeweils verschiedene Optimaltemperaturen. So liegt zum Beispiel die Optimaltemperatur von Acetobacter in tropischen Böden bei 30 Grad Celsius, dagegen in gemäßigten Breiten bei 28 Grad Celsius. Nitritbildner, wie Nitrosomonas, zeigen in den Tropen die optimale Lebenstätigkeit bei 35 Grad Celsius, in gemäßigten Breiten bei 25 Grad Celsius, und in den arktischen Gebieten ist noch eine starke Nitritbildung bei 6 bis 8 Grad Celsius nachgewiesen. Für die Mikroorganismen der gemäßigten Breiten gilt allgemein, dass ihr Temperaturoptimum etwas über der vorherrschenden Durchschnittstemperatur des Großklimas liegt. Als weiterer, wesentlicher Faktor für das mikrobielle Bodenleben ist die Menge und Beschaffenheit der organischen Substanz im Boden zu nennen. Sie bildet ja die Ernährungsbasis der Bodenmikroorganismen, soweit es sich um heterotrophe Formen handelt. Und diese bilden in unserem Boden die überwiegende Mehrzahl. Nicht nur der Humusgehalt, sondern auch die Humusart spielt für das Bodenleben eine entscheidende Rolle. Eine bevorzugte Nahrungsquelle für die Bodenbakterien bilden die absterbenden und toten Wurzelhaare von Pflanzen, deren Anfall ja gerade in dicht bewachsenen Böden sehr groß ist, weil sie beim Wurzelwachstum immer wieder neu gebildet werden. Dieser Anfall an Wurzelhaaren ist natürlich in Wiesen- und Weidenböden, wo die Pflanzen sehr dicht beieinander wachsen, am größten. Kleiner wird er bereits in den Ackerböden, und unsere Waldböden zeigen im Allgemeinen einen lockeren und teilweise offenen Bo-
7.3 Bodenmikroorganismen
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denbewuchs. Hier ist also der Anfall an Wurzelsubstanz noch geringer. Wenn man nun diese drei verschieden genutzten Böden miteinander vergleicht, so kann man eindeutig feststellen, dass mit der Abnahme der Wurzelsubstanz im Boden auch eine Abnahme des Bakteriengehaltes erfolgt, so dass Böden unter Wiesen- und Weidenutzung im Allgemeinen die doppelte bis dreifache Menge an Bodenbakterien besitzen, wie vergleichbare Acker- und Waldböden. Allerdings muss man hierbei auch bedenken, dass die Gräser und Wiesenkräuter relativ flach wurzeln und daher nur die oberen 10 Zentimeter dieser Böden so bakterienreich sind. Bei der tieferen Bewurzelung unserer Acker- und Waldböden trifft das nicht zu. Weiterhin ist bemerkenswert, dass saure Rohhumusdecken im Gegensatz zu Mullbodendecken des Waldes weniger von Bakterien besiedelt werden. Hierin liegt auch ein wichtiger Grund der Zersetzungshemmung. Die drei genannten Faktoren Wasser, Temperatur und Anfall an organischer Substanz im Boden bestimmen die jahreszeitlichen Schwankungen des Gehaltes an Bodenmikroorganismen. Je stärker diese Faktoren auf das Bodenleben einwirken, umso höher ist die Besatzzahl. Ausschlaggebend ist immer der Faktor, der im Minimum vorhanden ist. Das ist bei uns in Mitteleuropa im Sommer die Feuchtigkeit und im Winter die Wärme. Daher tritt im Winter immer ein Minimum des Besatzes an Mikroorganismen ein. Sehr wichtig für das Gedeihen der aeroben Bodenmikroorganismen ist auch der Sauerstoff im Boden, gewährleistet und bedingt durch die Bodendurchlüftung. Diese Bedeutung des Sauerstoffs erkennen wir schon daran, dass die anaeroben Mikroorganismen zur Tiefe hin zunehmen, so wie wir es beim Akro- und Katotelm der Hochmoore im Kapitel 6 gesehen haben. Desgleichen sind dauernd durchnässte Böden wesentlich reicher an anaeroben Mikroorganismen als normal durchfeuchtete Böden, wo sie nur eine ganz geringe Rolle spielen. Allgemein kann hierzu gesagt werden, dass gut durchlüftete, gekrümelte Böden, wenn alle anderen Voraussetzungen für das Gedeihen der Bodenmikroorganismen gewährleistet sind, über einen hohen Besatz an Mikroorganismen verfügen, während deren Gehalt in dicht gelagerten Böden stark abfällt. Wie bei der Vegetation der Höheren Pflanzen ist auch bei den Bodenmikroorganismen die Reaktion des Bodens von Bedeutung. Ohne weiter darauf einzugehen, kann man behaupten, dass ein Optimum des Bakterienbesatzes bei neutralen bis leicht basischen Böden erwartet werden kann. In stark sauren Böden fällt der Bakterienbesatz dagegen ab, und die Pilze nehmen zu.
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7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
7.4 Bodenfauna und Bodenflora Den größten quantitativen und qualitativen funktionellen Anteil an den Umsetzungen im Boden haben die Bodenmikroorganismen, während die größeren Vertreter der Bodenfauna quantitativ nur geringe Stoffumsätze bewirken. Ausnahmen sind die Regenwürmer in den nährstoffreichen Böden gemäßigter Klimate, wo sie durch Bioturbation vor allem organisches Material in den Boden einarbeiten, durchmischen und den Aufbau einer stabilen Krümelung fördern. In den Tropen und Subtropen fehlen sie; hier übernehmen Termiten oder Blattschneiderameisen deren Rolle. Unter den Protozoen sind die Rhizopoden die wichtigste Gruppe. Ihre Besatzzahl kann etwa 10 000 pro Kubikzentimeter betragen. Auch die Rotatorien (Rädertierchen) sind häufig vertreten. Sie schwimmen im Bodenwasser. Durch Zystenbildung können sie größere Trockenperioden überstehen. Auch höchste und tiefste Bodentemperaturen können in diesem Zustand überdauert werden. Man findet im Boden etwa 100 verschiedene Arten. Eine wenig untersuchte Gruppe ist die der Landturbellarien. Sie kommen häufig in feuchten Falllaublagen vor. Eine weitere Gruppe der Bodenfauna sind die Nematoden. Sie gehören zu den häufigsten Bodentieren und sind in guten Böden etwa mit einer Anzahl von 10 000 pro Kubikmeter vorhanden. Sie bauen im Boden tote Wurzelsubstanz ab und erreichen Massenentwicklungen in Böden mit viel organischer Substanz. Als wichtigste Gruppen sind die Anneliden mit den kleinen, nur 5 bis 15 Millimeter kurzen Enchytraeen und den größeren Lumbriciden, den echten Regenwürmern, zu erwähnen. Durch die Gänge der Regenwürmer, die bis maximal 5 Meter tief in den Boden eindringen, schließen sie auch die unteren Bodenschichten auf, wenn auch die Hauptbildung der Gänge in den oberen Bodenhorizonten liegt. Es erfolgt dadurch eine regelrechte fortwährende Durcharbeitung des Bodens bis zu 20 Prozent. Wichtig sind dabei die Wurmgänge auch für die Bodendurchlüftung. Bei Sonneneinstrahlung werden an der Bodenoberfläche höher gelegene Ausgänge von Wurmröhren intensiver erwärmt, und es entsteht ein Luftsog: Von tiefer gelegenen Wurmgängen strömt kühlere Luft in das Gangsystem nach und erzeugt so eine perfekte Klimaanlage. Gleiches gilt übrigens auch für Ameisen- und Termitenbauten, auf die wir noch zu sprechen kommen. Noch ein weiterer Vorgang ist für die Bodendynamik von besonderer Bedeutung. Die Würmer fressen nämlich unzersetzte Pflanzenreste, die sie vielfach in Naturböden aus dem oberen Streuauflage-Horizont in den Boden hineinziehen, verdauen diese Pflanzenreste und durchmischen sie dann mit mineralischen Bestandteilen. Der wertvolle Kot wird auf der Erdoberfläche oder auch in den Röhren abgelegt. Dadurch ist eine Durchmischung des Bodens mit hochwertigem Humus gewährleistet. Darüber hinaus
7.4 Bodenfauna und Bodenflora
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Abb. 7.3. Der Sanddorn Hippophae rhamnoides an der Nordseeküste auf der ostfriesischen Insel Norderney Box 7.1. Interaktion vom Sanddorn Hippophae rhamnoides und Nematoden Auf den holländischen und niedersächsischen Nordsee-Inseln beobachtet man derzeit eigenartige Begebenheiten: Bei fortschreitender Bodenentkalkung der Dünen wird die Vitalität des Sanddorns Hippophae rhamnoides (Abb. 7.3) geschwächt, und manchmal können die Sanddorngebüsche sehr rasch innerhalb weniger Wochen oder Monate absterben. Normalerweise besitzt dieser Strauch eine obligatorische, pH-abhängige Symbiose mit dem Actinomyceten Frankia alni, der Luftstickstoff bindet und speichert und die Aufnahmekapazität von Bodenphosphat erhöhen kann (Abb. 7.4). Die Luftstickstoffbindung der Wurzelsymbionten erfolgt im neutralen bis schwach alkalischen Bereich; sinkt der pH-Wert auf den kalkarmen oder entkalkten Inseldünen unter pH 6, können Nematoden der Gattungen Tylenchorhynchus und Longidorus vermehrt die Symbionten von Hippophae angreifen und verzehren (Abb. 7.4). Die dadurch verringerte Aufnahmekapazität für Luftstickstoff und Bodenphosphat schwächt den Sanddorn, bis er schließlich abstirbt. In die degenerierten Hippophae-Gebüsche dringen zunächst das Weidenröschen Epilobium angustifolium und dann der Holunder Sambucus nigra ein, die Abbaustadien des Sanddorn-Gebüsches darstellen und ihrerseits durch Mobilisierung des Stickstoffvorräte im Boden die Entwicklung zu einem Dünenwald einleiten können. Dies ist ein Schlüsselprozess der natürlichen Sukzession in den Dünenökosystemen der Nordseeinseln mit kalkhaltigem Dünensand.
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7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
Abb. 7.4. Wirkungsschema der Veränderung und Verdrängung von Sanddorn mit Interaktion von Nematoden-Wurzelfraß in den Küstendünen Ostfrieslands (zusammengestellt nach Pott 1995 © Ulmer, Stuttgart)
wird mit dem Wurmkot der Boden mit Bakterien geimpft, denn in 1 Gramm Wurmkot sind etwa fünfmal soviel Bakterien enthalten wie in 1 Gramm guter Ackererde. Die Regenwürmer verlangen einen guten, durchlüfteten Boden. In nassen und stark sauren Böden treten sie dagegen nicht auf. Die Grenzwerte liegen etwa zwischen pH 5,8 und 8,3 mit einem Optimum der Entwicklung in neutralen Böden. Bevorzugte Lebensstätten des Regenwurms sind gute Gartenerde sowie Wiesen- und Weidenböden (Tabelle 7.3). Berechnet man aus diesen Zahlen das Gewicht der Regenwürmer pro Quadratkilometer, so ist ihr Gewicht größer als das Gewicht der Menschen auf der gleichen Fläche in den am dichtesten besiedelten Teilen Europas. Ein wichtiger Bestandteil des Edaphons sind die Arthropoden: Davon leben die Tardigraden, die Bärtierchen, bevorzugt in Moospolstern. Asseln fressen das Falllaub. Die Milben sind nur zum Teil Pflanzenfresser. Sie sind aber infolge ihrer großen Zahl als Bodenbildner von Bedeutung. Soweit Tausendfüßer keine Räuber sind, ernähren sie sich auch von faulem
7.4 Bodenfauna und Bodenflora
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Tabelle 7.3. Regenwurmbesatz pro Kubikmeter in der Umgebung des Naturschutzgebietes „Heiliges Meer“, Nordrhein-Westfalen (1990-1996) Biotop
Individuenzahlen
Gartenboden
400
Wiesen und Weiden
10 bis 300
Ackerland
70 bis 120
Wälder
50 bis 80
Brache
5 bis 10
Holz und totem Laub. Unter den Insekten sind in erster Linie die Collembolen, die Springschwänze, zu nennen. Sie sind universelle Verarbeiter der organischen Reste und stellen oft 30 bis 80 Prozent der gesamten Bodenfauna. Die Zahl ihrer Arten ist jedoch gering. Die Termiten spielen nur in den Tropen eine Rolle. Im Wald wird durch sie das Holz in großen Mengen aufgearbeitet und mit mineralischer Substanz vermischt (Abb. 7.5).
Abb. 7.5. Termitensavanne im Kakadu-Nationalpark, Northern Territory, Australien. Staatenbildende Termiten bauen oberund unterirdische Nester bis zu 7 Metern Höhe. Die Kompasstermiten Nordaustraliens richten die Längsachse ihrer Bauten in genauer Nord-Südrichtung aus, wodurch eine Überhitzung zur Mittagszeit vermieden wird. Die Temperaturen im Innern eines Termitenbaus werden durch ein Be- und Entlüftungssystem ganzjährig konstant gehalten. Termiten leben oft in Symbiose mit Pilzen, die bei der Erschließung pflanzlicher Nahrung behilflich sind. So findet ein Stofftransport von der Bodenoberfläche in tiefere Schichten statt
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7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
Für unsere gemäßigte Zone sind dann als weitere Arthropoden noch Ameisen und Käfer zu nennen, doch spielen sie für die Bodenbildung eine nur untergeordnete Rolle (Abb. 7.6). Hier wollen wir beispielhaft eine pionierhafte, nach Theorie, Methodik und Ergebnissen noch immer aktuelle, im Einzelnen jedoch viel zu wenig bekannte gemeinsame Studie von Victor Westhoff und seiner Frau Jeanette Nicoline de Joncheere (1942) über die Beziehungen von Wald- und Forstgesellschaften und ihrer Ameisenpopulationen erwähnen. Die beiden Autoren haben zum ersten und einzigen Mal wirklich gründlich den Boden samt Bewuchs, Streu und Ästen Zentimeter für Zentimeter in 126 exakt pflanzensoziologisch definierten Beständen durchmustert und dabei fast 2000 Nester von nicht weniger als 29 Ameisenarten gefunden und geprüft. Dabei zeigte sich beispielsweise ein
Abb. 7.6. Ameisenbau der Schwarzen Waldameise: Große Kolonien dieser staatenbildenden Insekten bauen über einen Meter hohe Haufen, die nicht gleichförmig konisch gestaltet sind. In Südexposition ist der Haufen flacher gestaltet, um den Winkel der Sonneneinstrahlung zu erhöhen. Spezielle Arbeiterinnen „sonnen“ sich und erhöhen somit die Temperaturen ihres Exoskeletts und gehen danach direkt in die Brutkammern, wo sie die Temperatur auf konstanten 23 Grad Celsius halten können, bei der die Brut heranreift
7.4 Bodenfauna und Bodenflora
189
deutlicher Unterschied in der Ameisenfauna zwischen Stiel- und Traubeneichenwäldern, bedingt durch das divergierende Bodenklima in diesen Waldtypen, das von warm-trocken-sandigen bis zu kühl-feucht-tonigen Standorten reicht. Ferner konnte in diesem Zusammenhang auch der Einfluss der Bestandesstruktur in ein und derselben Pflanzengesellschaft auf die Ameisenpopulation nachgewiesen werden: Niederwaldbetrieb im Birken-Eichenwald (Betulo-Quercetum typicum) wirkte hier auf die Ameisenpopulationen nachteilig, denn diesen Beständen fehlte zeitweise eine gut entwickelte Krautschicht, ohne die es zu wenig Beute für Ameisen gibt, und es mangelte an guten Nistplätzen aus Moosen, Ästen und Baumstümpfen. Solche frühen biozönologischen Arbeiten sind nach Otti Wilmanns (1991) sowie Angelika Schwabe u. Anselm Kratochwil (2001) essentiell und beispielhaft für das Studium der Beziehungen zwischen Pflanzen, Boden und der Tierwelt. Hinsichtlich der Fragen von Myrmekochorie, in der Ameisen Diasporen verbreiten, spielen myrmekochore Pflanzenarten, vor allem solche mit Elaiosomen, eine wichtige Rolle. Dies sind in unseren Buchenwäldern beispielsweise Allium ursinum, Cordalis cava, Hepatica nobilis und verschiedene Viola-Arten. Weltweit gibt es nach Angaben von A. Beattle (1983) etwa 70 Pflanzenfamilien, in denen Myrmekochorie auftritt. Myrmekochorie spielt eine große Rolle in den mediterranoiden Klimaregionen mit ihren Terra fusca-Böden. Sie ist weit verbreitet im südafrikanischen Fynbos und im Kwongan Südwestaustraliens. Ameisen stellen je nach Substrat besondere bioturbate Mikrostandorte oder Choriotope dar und können auch formgestaltend wirken: Hier sei besonders auf die Hügel von Ameisen verwiesen (Abb. 7.7). Solche beispielsweise von der Ameise Lasius flavus geformte Hügel in Trockenrasen bilden ein spezielles Kleinmosaik, das für Extensivlandschaften auf Sandböden typisch ist. Die Sandhügel zeigen im Bewuchs markante Unterschiede zu ihrer Umgebung; da der Sand durch die Tätigkeit der bodenbewohnenden Ameisen laufend umgelagert wird. Zunächst können mit dem Aufwuchs horstbildender Gräser oder mit Hilfe übersandungsunempfindlicher Kriechpioniere, wie Thymus pulegioides, buckelförmigen Gebilde geschaffen werden, die dann das unruhige Kleinrelief bewirken. Die dortige Vegetation setzt sich aus myrmekochoren Arten, wie Veronica officinalis und Viola canina, zusammen oder aus ausläuferbildenden Pflanzen, wie Agrostis capillaris. Von den Ameisen „domestizierte“ Wurzelläuse aus der Gruppe der Aphidinae wiederum nutzen die AgrostisGräser als Nahrungspflanzen.
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7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
Abb. 7.7. Kleinmosaik im Sandtrockenrasen durch Ameisensandhügel von Lasius flavus, der Gelben Waldameise. Bei Lasius flavus ist die Entwicklung der Kolonien weitgehend mit dem Lebenszyklus von Blattläusen synchronisiert. Die Ameisen bringen die Blattläuse sogar an geeignete Nährpflanzen und verteidigen sie. Hier im Vegetationskomplex von Sandmagerrasen, Besenginsterheiden und Wacholderbüschen wird die Mannigfaltigkeit formenbildender Kräfte und die Schaffung von Mikrostandorten besonders deutlich (Haselünner Wacholderhain; aus Pott und Hüppe 1991)
7.4 Bodenfauna und Bodenflora
191
Auch die tropischen Blattschneiderameisen der Gattungen Acromyrmex und Atta sind von großer Bedeutung für den Nährstoffeintrag aus der Biomasse in den Boden (Abb. 7.8).
Abb. 7.8. Blattschneiderameisen im „Pilzgarten“
Box 7.2. Blattschneiderameisen Die sozialen Insekten leben in riesigen unterirdischen, oft 4 bis 5 Meter tiefen Nestern, welche Durchmesser von 7 bis 8 Metern erreichen können. Es sind quasi „unterirdische Farmen“, mit einem Netzwerk von Tunneln und Kammern, wo die Ameisen sogar spezielle Pilzkulturen als regelrechte „Pilzgärten“ anlegen, diese füttern und pflegen. Die Pilze benötigen sie zur Aufzucht ihrer Brut. Die im Innern eines solchen Ameisenbaus in der Nähe und in den Brutkammern lebenden Tiere haben sogar spezielle Drüsen im Bereich der Mandibeln, die fungizide Sekrete, zum Beispiel Streptomycin absondern und so das Exoskelett der Ameisen gegen Pilzbefall schützen. Spezielle Arbeiterinnen wiederum sieht man in einer ständigen „Blätterparade“, jedoch verstärkt am Abend und in der Nacht, zerschnittene Blätter und Blüten der Tropenbäume transportieren. Eine Kolonie kann mehr als eine Million solcher Blattschneider-Arbeiterinnen haben, die mit ihren scharfen Mandibeln über Nacht einen ganzen Baum entlauben können. Die Blattschneidearbeit geht „nonstop“ bei Tag und Nacht. Man rechnet im Allgemeinen, dass eine Kolonie nach fünf Jahren ungefähr 50 Tonnen Biomasse und Waldboden für Anlage, zum Unterhalt und zur ständigen Erneuerung des unterirdischen Bauwerks bewegt und somit die Waldböden der Tropen stark beeinflusst.
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7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
Unter den Wirbeltieren sind die Grabtiere von Bedeutung. Bei uns denkt man zunächst an den Maulwurf, der tierische Nahrung zu sich nimmt, und an die verschiedenen Arten von Wühlmäusen. Gerade die Grabtiere sind für die Auflockerung und Durcharbeitung der Waldböden von enormer Wichtigkeit. In den osteuropäischen Steppengebieten ist es vor allem die grabende und Boden durchmischende Tätigkeit der Ziesel (Citellus-Arten), die umfangreiche Erdbaue bis in zwei Meter Tiefe anlegen. In den nordamerikanischen Prärien sind es die zu den Erdhörnchen gehörenden fahlbraunen Nagetiere der Präriehunde aus der Gattung Cynomys. Diese leben in Kolonien mit unterirdischen Gangsystemen, die mit ausgeklügelten „Klimaanlagen“ – ähnlich den Termiten – versehen sind. Bedeutsam für die Bodenbiologie sind ferner die Pilze. Man kann davon im Boden mehr als 300 Arten finden. Die häufigsten Bodenpilze stammen aus den Gattungen Penicillium, Mucor, Aspergillus, Trichoderma und Fusarium. Sie besitzen in den Böden eine weltweite Verbreitung. Jedoch tritt in gemäßigten Breiten mehr die Gattung Penicillium in den Vordergrund, während in wärmeren Gegenden Aspergillus stärker vorherrscht (Abb. 7.9). Auch die Mycelien der Höheren Pilze, der Asco- und der Basidiomyceten, die den Humus durchziehen, sind hier zu nennen.
Abb. 7.9. Pilze sind Primärzersetzer der Laubstreu, dabei findet eine hydrolytische Aufspaltung von Makromolekülen statt, insbesondere der Polysaccharide. Die Abbauraten sind unter feucht-warmen Witterungsbedingungen besonders hoch, wie uns das die Pilzhyphen auf den Buchenblättern zeigen
7.5 Literatur
193
In Rohhumusdecken sind die Pilze besonders stark vertreten. Oft ziehen Pilzhyphen von Meterlänge durch die Rohhumusauflagen hindurch. Von entscheidender Bedeutung ist dabei die Mykorrhiza, jene unterirdische Lebensgemeinschaft von Wurzeln und Pilzen, ohne die fast keine Höhere Pflanze auskommt. Im intakten Waldboden sind nahezu alle Wurzeln von einem Geflecht feinster, nur wenige Tausendstel Millimeter dicker Pilzfäden, den Hyphen, umgeben. Die Mykorrhiza-Pilze sind bei der Wahl der Bäume, mit denen sie eine Symbiose eingehen können, keineswegs festgelegt. Vielmehr hält ein Pilz im Waldboden über lange Ausläufer oft mit mehreren Bäumen gleichzeitig Kontakt. So können Waldbäume über das verzweigte Hyphennetz Nährstoffe miteinander austauschen. Für das Zonobiom des Borealen Nadelwaldes ist dies im ersten Band der Geobotanik beispielhaft beschrieben. Im Kapitel 10.6 zu den Symbiosen kommen wir genauer auf die Mykorrhiza zurück. Eine große Gruppe der Organismen des Bodens bilden Actinomyceten (Strahlenpilze) und Proactinomyceten. Auch Algen sind häufige Bewohner unserer Böden. Man findet chromatinhaltige Algen nicht nur an der Bodenoberfläche, sondern mindestens bis 15 Zentimeter Bodentiefe vor. Das ist möglich, weil sie die Fähigkeit besitzen, sich bei Lichtmangel saprob zu ernähren. Die Artenzahl der im Boden lebenden Algen ist relativ groß. Die meisten Bodenalgen stammen aus der Gruppe der Kieselalgen (Diatomeen). Wenn auch die Algen zweifellos mit einer großen Anzahl von Arten den Boden bevölkern, so spielen sie mengenmäßig und auch bodendynamisch längst nicht die bedeutende Rolle der Bakterien, der Pilze und der Strahlenpilze.
7.5 Literatur Asman WHA, Sutton MA, Shjorring JK (1998) Ammonia: emission, atmospheric transport and deposition. New Phytol 139: 27-48 Bach HJ, Dilly JC, Munch JC (1993) Bodenmikroflora. Int Mitt Ökosystemforsch Bornhöveder Seenkette 1: 120-125 Batjes NH (1996) Total carbon and nitrogen in the soils of the world. Eur J Soil Sci 47: 151-163 Beattle A (1983) Distribution of ant dispersal plants. Sonderb Naturwiss Ver Hamburg 7: 249-270 Becker TA (1988) Zur Rolle von Mikroklima und Bodenparametern bei Vegetationsabfolgen in Trockenrasen des unteren Unstruttales (Sachsen-Anhalt). Gleditschia 26: 29-57 Belnap J, Lange OL (eds 2003) Biological soil crusts: structure, function and management. Springer, Berlin Heidelberg New York Berger-Landefeld U (1960) Zum Celluloseabbau in Böden unter verschiedenem Baumwuchs. Oikos 11: 2 Blume HP (1965) Die Charakterisierung von Humuskörpern durch Streu- und Humus-Stoffgruppenanalysen unter Berücksichtigung ihrer morphologischen Eigenschaften. Zeitschr Pflanzenern Bodenk 111: 95-114 Boerboom JHA (1960) De plantengemeenschappen van de Wassenaarse duinen. Medel Landbouw-Ges. 60, 19: 1135. Wageningen Burrichter E (1953) Beiträge zur Beurteilung von Böden aufgrund fluoreszenzmikroskopischer Untersuchungen ihrer Mikroflora. Z Pflanzenern Düngung Bodenk 63: 154-171 Burrichter E (1954) Regeneration von Heidepodsolböden und die Entwicklung des Bodenkeimgehaltes in Abhängigkeit von der Bewaldung. Z Pflanzenern, Düngung, Bodenk 64: 150-163 Burrichter E (1958) Untersuchungen über die Massenentwicklung von Bodenbakterien im Laufe des Jahres. Ber Dtsch Bot Ges 71 (2): 71-80
194
7 Lebensbedingungen der Bodenorganismen
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Strahlungsangebot, Wasser- und Mineralstoffversorgung sowie effektive Photosynthese für Wachstum und Aufbau von Biomasse sind die wichtigsten Bindeglieder im Kontinuum von Pflanze, Klima und Boden. Die Pflanzen sind dabei von zahlreichen Standortfaktoren abhängig, die zusammenfassend gewöhnlich als der „Standort“ bezeichnet werden. Von den biotischen Faktoren, zu denen vor allem die Pflanzen und Tiere selbst zählen, werden die abiotischen Faktoren unterschieden, die als klimatische, edaphische und orographische Standortfaktoren bezeichnet werden können. Klimatische Einflüsse bestehen insbesondere hinsichtlich der Wirkungen von Einstrahlung, Niederschlag, Wind und Temperatur. Bei den Bodenfaktoren ragen die Faktoren Ausgangsgestein, Bodenart, Bodentyp, Wassergehalt sowie Nährstoff- und Basenversorgung heraus. Hinsichtlich des Reliefs sind Hanglage und Neigung von besonderer Bedeutung. Der Standort hat also für Pflanzen eine vielfältige und weit reichende Bedeutung, da er den Aufbau und die Lebensprozesse der Pflanzen beeinflusst, indem Energie und Nährstoffe bereitgestellt werden. Es liegt auf der Hand, dass die einzelnen Standortfaktoren nicht für sich allein wirken, sondern einen Komplex ineinander greifender Faktoren bilden. Beispielsweise hängt die Wasserversorgung des Bodens nicht nur vom Klima ab, das die Niederschlagshöhe und die Luftfeuchtigkeit bestimmt. Daneben üben die Lage im Gelände, die Bodenart oder die Bodenbedeckung einen entscheidenden Einfluss auf die Wasserverhältnisse aus. Es macht eben einen Unterschied, ob sich ein Standort in Hanglage oder in einer Senke befindet, die Bodenart Sand oder Ton ist oder ob dichter Bewuchs oder nackter Boden zu beobachten ist. In entsprechender Weise werden die Temperaturbedingungen eines Standorts nicht allein durch die besonderen Bodeneigenschaften beeinflusst, die sich in unterschiedlicher Wärmekapazität und Rückstrahlung bemerkbar machen, sondern auch durch die Strahlungsintensität der Sonne, die deutliche Unterschiede beispielsweise in unterschiedlichen Hanglagen aufweist, je nachdem, ob eine Süd- oder Nordexposition vorhanden ist. Alle Pflanzen sind entsprechend ihrer unterschiedlichen physiologischen und morphologischen Gegebenheiten für das Leben in einer ganz bestimmten ökologischen Nische einge-
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
richtet, die durch eine spezifische Kombination von Klima- und Bodenfaktoren gekennzeichnet ist. Für jeden der Klimafaktoren Licht, Wärme und Kontinentalität und der Bodenfaktoren Feuchtigkeit, Bodenreaktion und Stickstoffversorgung besitzt jede Art ein Minimum, ein Optimum und ein Maximum. Heinz Ellenberg (1992) verdanken wir durch die Analyse so genannter Zeigerwerte die Kenntnis insbesondere der Optimalwerte der verschiedenen Pflanzen, deren Grundidee in Tabelle 8.1 zusammengefasst ist. Tabelle 8.1. Ellenbergsche Zeigerwerte. Die Zeigerwerte nach Heinz Ellenberg (1992) geben das ökologische Verhalten der Arten mit ihrem ökologischen Optimum zu den wichtigsten Standortfaktoren an. Alle Arten werden in eine Skala von 1 bis 9 eingeteilt, wobei die Werte 1 und 9 jeweils die Extremwerte darstellen und der Wert 5 einen mittleren Wert ergibt Klimafaktoren Licht (L)
1 = Tiefschattenpflanze
9 = Voll-Lichtpflanze
Wärme (T)
1 = Kältezeiger
9 = Wärmezeiger
Kontinentalität (K)
1 = ozeanisch verbreitet
9 = kontinental verbreitet
Feuchtigkeit (F)
1 = Trockniszeiger
9 = Nässezeiger
Bodenreaktion (R)
1 = Starksäurezeiger
9 = Kalkzeiger
Stickstoffversorgung (N)
1 = Stickstoffmangelzeiger
9 = übermäßigen Stickstoff anzeigend
Bodenfaktoren
Pflanzenarten werden häufig zu ökologischen Gruppen zusammengefasst. Darunter verstehen wir Arten, die in ihrem soziologischen und ökologischen Verhalten annähernd übereinstimmen. Die Bedeutung der Erarbeitung ökologischer Gruppen liegt vor allem in der Möglichkeit, Pflanzenbestände und mit ihnen deren Standorte zu charakterisieren und eine entsprechende Beurteilung vorzunehmen. In der Tabelle 8.2 sind exemplarisch für unterschiedliche Vegetationstypen ökologische Gruppen von Arten zusammengestellt, die uns am Beispiel von Ackerwildkräutern einerseits und Waldpflanzen andererseits Möglichkeiten solcher Gruppierungen in Bezug auf den Faktor Bodenreaktion zeigen (vgl. Tabelle 8.1).
8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
197
Tabelle 8.2. Ökologische Gruppen von Pflanzen am Beispiel von Ackerwildkräutern und Waldpflanzen in Nordwestdeutschland Acker
Wald
R 1 = auf stark sauren Böden Scleranthus annuus Rumex acetosella Spergula morisonii Spergula arvensis Holcus mollis Galeopsis segetum
Calluna vulgaris Vaccinium vitis-idaea Vaccinium myrtillus Melampyrum sylvaticum
R 2 = hauptsächlich auf sauren Böden, gelegentlich auf neutrale übergreifend Raphanus raphanistrum Anthemis arvensis Juncus bufonius Stachys arvensis Spergularia rubra
Polypodium vulgare Dryopteris carthusiana Teucrium scorodonia Maianthemum bifolium Melampyrum pratense
R 3 = vorwiegend auf schwach sauren Böden Matricaria recutita Apera spica-venti Aphanes arvensis Oxalis stricta Papaver dubium
Oxalis acetosella Stellaria holostea Anemone nemorosa Poa nemoralis Mycelis muralis
R 4 = auf schwach sauren bis alkalischen Böden Sinapis arvensis Veronica persica Fumaria officinalis Papaver rhoeas
Carex sylvatica Galium odoratum Hepatica nobilis Brachypodium sylvaticum Lamium galeobdolon
R 5 = auf neutralen bis alkalischen Böden Consolida regalis Scandix pecten-veneris Chenopodium album Solanum nigrum Urtica urens
Sanicula europaea Mercurialis perennis
198
8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
8.1 Einfluss von Bodenkomponenten auf die Pflanzen Unterschiede im Nährstoffangebot verschiedener Bodentypen sind für das Verständnis der unterschiedlichen Zusammensetzung der Vegetation grundlegend. Seit langem ist bekannt, dass der Florenwechsel besonders zwischen Kalkgestein und saurem Gestein sehr groß ist. Man hat dementsprechend kalkliebende und kalkfliehende Arten unterschieden (vgl. Bodenreaktion in Tabelle 8.1). Auf Grund dieser Erscheinung wurden schon relativ früh zwei Theorien entwickelt: Die erste Theorie besagte, dass es die chemischen Komponenten der Gesteine seien, welche diesen Florenwechsel hervorriefen. Dagegen postulierte die zweite Theorie, dafür kämen nur die physikalischen Komponenten in Frage, indem die Kalkpflanzen die Kalkböden bevorzugten, weil diese wasserdurchlässiger und daher auch trockener und wärmer seien, während die kalkfliehenden Arten auf den feuchten Silikatverwitterungsböden besser gediehen. Demnach wären also die Kalkpflanzen trockenheits- und wärmeliebende Arten, die auch auf kalkfreiem Boden vorkommen könnten, wenn dessen physikalische Eigenschaften ähnlich seien. Später hat sich allerdings gezeigt, dass diese Theorien nicht haltbar sind, sondern dass man in Wirklichkeit zwischen bodensteten und bodenvagen Arten unterscheiden muss, das heißt dass die ersteren immer auf Kalk vorkommen, die letzteren daneben auch auf anderen Bodenarten wachsen können. Auch kann das Verhalten einer Art innerhalb ihres Areals, also ihres Verbreitungsgebietes, wechseln. So sind viele pontisch-kontinentale Arten, die in Mitteleuropa ihre westliche Verbreitungsgrenze erreichen, dort streng an Kalkstandorte gebunden. Sie sind also bodenstet, während sie im Südosten, im Zentrum ihres Verbreitungsgebietes, bodenvag sind und damit auch auf andere Böden übergehen können. Nicht verwechselt werden darf dieses allerdings mit dem scheinbaren Wachsen von Arten unter wechselnden Bedingungen, wie uns das Beispiel des Zittergrases Briza media zeigt. In Mitteleuropa wächst die Art in Kalktrockenrasen und trockenen Wiesen, während sie beispielsweise in Irland im Einflussbereich des ozeanischen Klimas auf sauren Moorsubstraten zu gedeihen scheint. Diesen Widerspruch klären in Wirklichkeit aerosolierte mineralische Salze auf, die das benötigte trocken-warme Mikroklima kompensieren. Ebenso kann es vorkommen, dass Briza media tatsächlich auf Kalksubstraten wächst, diese jedoch kaschiert sind, weil die als Blanked bogs bekannten Hochmoorkörper über das Substrat hinweg gewachsen sind, während die Graswurzeln das Substrat noch erreichen können. Was die chemische Komponente des Bodens anbetrifft, so muss hier betont werden, dass die auslesende Wirkung nicht durch das Calcium-Ion als solches erfolgt, sondern es sich tatsächlich um eine Nebenwirkung des
8.1 Einfluss von Bodenkomponenten auf die Pflanzen
199
Calciumcarbonats handelt. Eine solche Nebenwirkung ist insbesondere die Änderung der Bodenreaktion. Dabei handelt es sich um nichts anderes als die Änderung der Konzentration an Wasserstoff-Ionen, die durch den pHWert ausgedrückt wird (Tabelle 8.3). Die Messung des pH-Wertes kann sowohl auf chemischem Wege durch Indikatoren erfolgen als auch mit verschiedenen pH-Metern. Die Messung erfolgt in Bodenaufschlämmungen 1:2,5 entweder mit destilliertem Wasser oder in einer KaliumchloridLösung. Tabelle 8.3. Maß für Bodensäure pH-Wert pH < 4,1 pH 4,1 – 4,5 pH 4,6 – 5,2 pH 5,3 – 6,4 pH 6,5 – 7,4 pH > 7,4
Säuremaß extrem sauer stark sauer sauer schwach sauer neutral alkalisch
Die Tatsache, dass die Pflanzen nicht auf den Kalkgehalt des Bodens reagieren, sondern auf die von diesem abhängige Bodenreaktion, erklärt uns auch, dass Kalkpflanzen auf Böden vorkommen, die nicht über nachweisbaren freien Kalk verfügen. Das ist meist der Fall bei Gips- und Basaltböden. Diese Böden zeichnen sich trotz des Fehlens von Kalk durch neutrale bis alkalische Reaktionen aus. Wir sprechen daher besser nicht von kalkliebenden und kalkfliehenden Pflanzen, sondern von basiphytischen und acidophytischen Pflanzen, also von Arten, die bei basischer, und Arten, die bei saurer Bodenreaktion ihr Wachstumsoptimum finden. Wir kennen nun einerseits Arten, die innerhalb eines sehr engen pHBereichs wachsen und die man als stenotope Arten bezeichnet, andererseits solche mit einem Wachstum in einem sehr breiten pH-Bereich, die eurytopen Arten. Die Waldkiefer Pinus sylvestris und auch der Wacholder Juniperus communis gehören beispielsweise zu den extrem eurytopen Arten. Sie wachsen sowohl auf basischem Kalkboden als auch auf extrem saurem Sandboden. Man kann hierbei nahezu von indifferenten Arten hinsichtlich der Bodenreaktion sprechen. Dagegen sind Arten wie etwa Cypripedium calceolus oder Primula suaveolens streng stenotop (Abb. 8.1). Sie wachsen nur auf basischen Böden. Andere wiederum gedeihen nur auf sauren Substraten, wie Erica tetralix oder die Hochmoorpflanze Drosera anglica. Die meisten jedoch sind indifferent und reagieren nach allgemeinem Nährstoffangebot oder Feuchtigkeit der Böden, von denen in Abb. 8.1 die Geophyten Paris quadrifolia, die wir aus Auenwäldern ken-
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
nen, oder als Pflanze aus Bruchwäldern und Nasswiesen Caltha palustris dargestellt sind.
Abb. 8.1a-f. Zeigerpflanzen. Kalkzeiger: a Cypripedium calceolus und b Primula suaveolens; Säurezeiger: c Erica tetralix und d Drosera anglica; indifferente Arten: e Paris quadrifolia und f Caltha palustris
Es gibt auch ökologische Vikarianten hinsichtlich der Basen- und Säurezeiger, die schon seit langem von den Alpenpflanzen bekannt sind. Einige davon sind in der Tabelle 8.4 angeführt. Bei der Beurteilung der Standortverhältnisse bezüglich des pH-Wertes muss man auch den Konkurrenzfaktor berücksichtigen. Viele Pflanzen würden ohne Konkurrenz mit Sicherheit eine breitere ökologische Amplitude aufweisen.
8.1 Einfluss von Bodenkomponenten auf die Pflanzen
201
Tabelle 8.4. Ökologische Vikarianten bei Gattungen basiphytischer und acidophytischer Alpenpflanzen (nach W. Frey u. R. Lösch 2004) Gattung
Kalksubstrat
Silikatsubstrat
Achillea Doronicum Gentiana Hutchinsia Pulsatilla Primula Ranunculus Rhododendron Saxifraga Soldanella
atrata grandiflorum clusii alpina alpina auricula alpestris hirsutum moschata alpina
moschata clusii kochiana brevicaulis sulphurea hirsuta glacialis ferrugineum exarata pusilla
Wiederum andere, wie Minuartia verna oder Viola guestphalica, werden auf Grund ihres ausschließlichen Vorkommens auf schwermetallhaltigen Böden als regelrechte Schwermetallzeiger angesehen (Abb. 8.2). Beispielsweise verträgt Silene vulgaris Chrom und Nickel im Substrat, Festuca ovina und Agrostis tenuis gedeihen auf bleihaltigen Böden; Viola calaminaria, V. guestphalica und Minuartia verna ssp. hercynica wachsen auf zinkhaltigen Böden.
Abb. 8.2. Schwermetallzeiger: Minuartia verna (links) und Viola guestphalica (rechts)
Als Schwermetalle werden die metallischen Elemente mit einer Dichte von mehr als 5 Gramm pro Kubikzentimeter bezeichnet. Dazu gehören zum Beispiel Eisen (Fe), Blei (Pb), Kupfer (Cu) oder Zink (Zn), um nur
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
einige zu nennen. Neben ihrem hohen spezifischen Gewicht zeichnen sich Schwermetalle dadurch aus, dass die meisten von ihnen in mehreren Oxidationsstufen auftreten können und somit zum Valenzwechsel befähigt sind. Sie sind in den Pflanzen als metallische Komponenten von katalysierenden Enzymen, zum Beispiel Eisen in den Cytochromen, Mangan in vielen Dehydrogenasen und Kupfer in Cytochromoxidasen, häufig anzutreffen. Ein Teil dieser Schwermetalle zählt zu den Spurenelementen, wie sie in der Tabelle 8.5 aufgelistet sind, und damit zu den essentiellen Wirkstoffen, ein anderer hingegen zu den Zellgiften, beispielsweise Quecksilber (Hg), Blei (Pb), Cadmium (Cd), Chrom (Cr) und Arsen (As). Aber auch die Spurenelemente können in hohen Konzentrationen toxisch wirken; es kommt also immer auf die Dosis an. Gerade bei den Schwermetallen liegen die Konzentrationsbereiche für Mangel, optimale Versorgung und Toxizität eng beieinander. Tabelle 8.5. Mikroelementkonzentrationen (mg/kg Trockensubstanz) in Nutzpflanzen (nach Amberger 1988) Mikroelement Mangan Eisen Zink Kupfer Bor (in monocotylen Pflanzen) Bor (in dicotylen Pflanzen)
Mangel < 20 < 50 < 20 <5 <2 < 15
ausreichend ernährt 20 – 250 50 – 250 20 – 150 5 – 20 2–5 15 – 100
toxisch > 500 > 500 > 400 > 40 > 20 > 200
Wie die Tabelle 8.5 zeigt, hat die Schwermetalltoxizität insgesamt eine weite Konzentrationsamplitude. Das hängt damit zusammen, dass zahlreiche metalltolerante Pflanzen, die Metallophyten, Schwermetalle excludieren, entgiften oder sequestrieren können, indem sie die Schwermetallionen in speziellen Organen akkumulieren und entsorgen und somit Stoffwechselprobleme umgehen.
8.2 Pflanzenmineralstoffe Nicht nur die Bodenreaktion ist für die Zusammensetzung der Pflanzenwelt von Bedeutung, sondern auch der Mineralstoffgehalt des Bodens. Pflanzen benötigen für ihren Stoffwechsel und zum Aufbau des Pflanzenkörpers eine Vielzahl von Elementen oder deren Ionen, die sie primär über die Wurzeln aus der Bodenlösung aufnehmen. Diese Substanzen gelangen
8.2 Pflanzenmineralstoffe
203
zunächst apoplastisch in die Wurzelrinde. Erst bei der Plasmalemmapassage erfolgt die selektive Ionenaufnahme über den kontrollierten Durchtritt durch Ionenkanäle mittels Energie umsetzender Ionenpumpen. Dies geschieht spätestens an der Endodermis, wo die wässrige Ionenlösung wegen der Barrierewirkung des hydrophoben Casparyschen Streifens in das pflanzliche Cytoplasma geschleust und dort weitergeleitet wird. Die Kräfte des Wasserpotentials, die wir im Kapitel 9.1 näher sehen werden, sind für den Ferntransport der aufgenommenen Nährstoffe in der Pflanze verantwortlich. Dabei sind vor allem Stickstoff, Phosphor und Kali zu nennen. Wenn wir von den rein praktischen Fragen der Düngung in der Landwirtschaft absehen, ist über die ökologische Bedeutung des Phosphor- bzw. Kaligehaltes der Böden für die Zusammensetzung der Pflanzendecke immer noch vergleichsweise wenig bekannt. Viel genauer ist dagegen die ökologische Wirkung des Stickstoffs untersucht worden. Stickstoffanreicherung in Form von Nitraten kommt an verschiedenen natürlichen Standorten vor und bedingt eine nitrophile Flora. Ein- und zweiwertige Nährstoff-Kationen, wie beispielsweise Kalium (K+), Calcium (Ca2+), Magnesium (Mg2+), aber auch etliche Mikronährstoffe, liegen im Boden in Ionenform vor und nehmen in dieser Form auch am pflanzlichen Stoffwechsel teil. Vor allen die Makronährstoffe Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphat und Schwefel sind im Boden in unterschiedlicher Konfiguration vorhanden oder verfügbar und werden in den Pflanzen in verschiedene Substanzen eingebaut und umgesetzt. Makro- und Spurennährelemente sind für die Pflanzen essentiell. Über die im Boden vorhandenen Mengen der einzelnen Nährelemente gibt zusammenfassend Tabelle 8.6 eine Übersicht. Der Bedarf an diesen Nährstoffen und die Toleranz von Höchstmengen sind jedoch von Pflanzenart zu Pflanzenart verschieden. Zwischen den einzelnen Pflanzenarten, ja sogar zwischen Unterarten einer Sippe bestehen im Einzelfall große Unterschiede hinsichtlich der Nährelemente, und dies ist ein wichtiger Faktorenkomplex für die individuelle differenzierte Standort-Einnischung der verschiedenen Pflanzen. H. Marschner (1985, 1995) verdanken wir sehr eindrucksvolle Einblicke in den Umsatz und die Nutzung der wichtigsten pflanzlichen Nährelemente, und auf diese Arbeiten wollen wir uns nachfolgend beziehen. Abgesehen vom Gewinn an Stickstoff durch Fixierung molekularen Luftstickstoffs (N2), wie wir ihn von der Symbiose mit Rhizobien, Actinomyceten und Cyanobakterien her kennen, oder durch Carnivorie bei Pflanzen nährstoffarmer Extremstandorte, wie beispielsweise auf Hochmooren oder in Heidegesellschaften, erfolgt der normale pflanzliche Stickstofferwerb aus dem Boden, wo Stickstoff normalerweise zu 98 Prozent organisch gebunden im Humus vorliegt und erst durch Mineralisierung freigesetzt wird.
204
8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Tabelle 8.6. Nährelemente des Bodens aus Gesteinen, Mineralen und organischen Substraten (zusammengestellt nach Klink 1998, Schroeder und Blum 1992, Gebhardt et al. 2007) Hauptnährelemente
IonenForm
Quellen
Gehalt im Boden
Stickstoff (N)
NO3-, NH4+
0,03 – 0,3 %
Phosphor (P)
Schwefel (S)
H2PO4-, HPO42-, (PO43-) SO42-
Organische Substanzen, N2 über Symbionten Ca-, Al-, Fe- Phosphate
0,01 – 0,1 %
Kalium (K)
K+
Calcium (Ca)
Ca2+
Magnesium (Mg)
Mg2+
Fe-Sulfide, Ca-Sulfat Glimmer, Illit, K-Feldspäte Ca-Feldspäte, Augit, Hornblenden, Ca-Carbonate, Ca-Sulfate Augite, Hornblenden, Olivin, Biotit, MgCarbonate
akzessorisch in Silikaten und Salzen Eisen-Al-Oxide, Al-Hydroxide Chloride
5 -100 ppm*** 0,5 – 5 ppm
0,01 – 0,1 %
0,2 – 3,0 % 0,2 – 1,5 %*
0,1 – 1,0 %**
Spurenelemente Bor (B)
H2BO3-
Molybdän (Mo)
MoO42-
Chlor (Cl)
Cl-
Eisen (Fe)
Fe2+, Fe3+
Mangan (Mn)
Mn2+, (Mn3+) Zn+
Zink (Zn)
Kupfer (Cu)
*
Cu2+, (Cu+)
Augite, Biotit, Fe-Oxide, Fe-Hydroxide Manganit akzessorisch in Silikaten Zn-Phosphat, Zn-Carbonat, Zn-Hydroxid Cu-Sulfid, Cu-Sulfat, Cu-Carbonat
mit Ausnahme von Kalkböden mit Ausnahme von Dolomitböden *** ppm = parts per million = 1 Millionstel = 0,0001% = 1mg/kg **** mit Ausnahme von Eisen-Anreicherungshorizonten **
50 - > 1000 ppm 0,5 – 4,0 %**** 200 – 4000 ppm 10 – 300 ppm 5-100 ppm
8.2 Pflanzenmineralstoffe
205
Stickstoff wird der Bodenlösung in Form von freien Nitrat-Ionen (NO3-) und Ammonium-Ionen (NH4+) entnommen und in den Pflanzen in großen Mengen in Aminosäuren, Proteinen, Nukleinsäuren und Coenzymen gebunden. Etwa die Hälfte des pflanzlichen Stickstoffs befindet sich in den Blättern, und davon wiederum ist ein Großteil in den Chloroplasten. Nur etwa 10 bis 20 Prozent des Stickstoffs sind in den Pflanzen längerfristig frei verfügbar. Der Einbau von Ammonium in Aminosäuren erfolgt bereits in den Wurzeln, während Nitrat im Xylemwasser bis in die Sprosse transportiert wird. Bei nitrophilen Pflanzen fungieren freie Nitrationen im Zellsaft sogar als Osmotika, beispielsweise bei den Urticaceae und den Chenopodiaceae. Bei Stickstoffmangel reagieren die Pflanzen häufig durch Chlorosen, etwa bei Chlorophyllschädigung, Anreicherung von Anthocyanen oder verstärkter Ligninbiosynthese, die zur Verholzung bei so genannter Hungermorphose, der Peinomorphose, führt. Auch Kümmerwuchs, sichtbar am niedrigen Spross-Wurzel-Verhältnis, kann eine Folge des Stickstoffmangels sein. Schwefel nimmt am Pflanzenstoffwechsel in reduzierter Form teil, wobei die Sulfat-Aufnahme in Form des SO42--Anions und die Sulfatreduktion in Wurzeln und Blättern erfolgt. Die Sulfationen werden im Xylemsaftstrom transportiert. Sulfat ist neben Nitrat das wichtigste zusätzliche Anion für die Ernährung der Pflanzen. In den Blättern nicht benötigtes Sulfat sowie für den dortigen Proteinstoffwechsel überschüssiger reduzierter Schwefel, der als Glutathion vorliegt, gelangen über das Phloem wieder in die Wurzeln. Schwefel ist Bestandteil von Aminosäuren, Peptiden und Proteinen und kommt in allen Zellmembranen vor. Schwefel kann auch im Parenchym gespeichert und remobilisiert werden. Die Schwefelreduktion erfolgt in den Chloroplasten, wo Ferredoxin die Elektronen auf den oxidierten Schwefel überträgt. Da Sulfat mit Calcium schwer lösliche Salze, wie beispielsweise Gips bildet, kann es nicht in anorganischer Form in der Vakuole gespeichert werden, sondern wird in organischen Molekülen festgelegt. Phosphor ist das zentrale Element des Energiestoffwechsels und nimmt am Stoffwechsel als anorganisches Phosphat (H2PO4-) teil. Phosphor katalysiert die Speicherung und die Übertragung der chemischen Energie durch den Auf- und Abbau von Polyphosphaten mit Adenosin. Auch in der Zelle liegt Phosphor auf seiner höchsten Oxidationsstufe vor und verbindet sich als PO43+ mit Kohlenhydraten zu einfachem Phosphatestern (C-O-P). Phosphat ist wegen seiner geringen Löslichkeit im basischen Milieu, wo es als Calcium-Phosphat oder Apatit sowie im sauren Bereich als AluminiumPhosphat oder Goethit vorliegt, an vielen Standorten ein Minimumfaktor für Pflanzen. Im Boden ist Phosphat zudem nur schwer löslich und wird im Gegensatz zum leicht löslichen Nitrat kaum ausgewaschen. Wo an Wur-
206
8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
zelhaaren Protonen oder organische Säuren ausgeschieden werden, kann Phosphat leichter gelöst werden. Eine solche primäre Phosphataufnahme sichern sich die Pflanzen, die über eine Mykorrhiza verfügen, oder auch die australischen und südafrikanischen Proteaceen mit ihren Proteoidwurzeln. Nach der Aufnahme von Phosphorsäure wird diese umgehend an organische Moleküle gebunden und damit gegen eine „Rücklösung“ geschützt. Der Transport erfolgt im Xylem. Der Phosphatbedarf für ein optimales Pflanzenwachstum liegt bei 0,3 bis 0,5 Prozent der pflanzlichen Trockenmasse. Die basischen Kationen Kalium, Magnesium und Calcium sind essentielle Makronährstoffe, die jedoch nicht im Stoffwechsel umgesetzt werden, sondern bestimmte Reaktionen ermöglichen, den pH-Wert regulieren und den Wasserhaushalt der Zelle stabilisieren. Kalium ist ein wichtiger Bestandteil von Tonmineralen und dort reversibel gebunden. In den Pflanzen hat es einen Anteil von 2 bis 5 Prozent des Trockengewichtes und fungiert als wichtiges Osmotikum. In dieser Funktion wird es in den Vakuolen der Schließzellen der Stomata an- und abgereichert. Kalium formt im Cytoplasma mit manchen Enzymen schwach gebundene Komplexe, wirkt mit bei der Bindung der Messenger-RNA an die Ribosomen und hat eine wichtige funktionelle Bedeutung beim Phloemtransport. Kalium-Mangel reduziert das Pflanzenwachstum, da der Gewebeturgor gestört ist; der gestörte Wasserhaushalt äußert sich in Dürre- und Welkeerscheinungen besonders am Rande älterer Blätter, durch Vergilben von Nadeln oder Nadelabwurf. Magnesium ist im Boden vor allem als austauschbares Kation Bestandteil von primären und sekundären Mineralen, aus denen es durch Verwitterung freigesetzt wird. Die Aufnahme von Magnesium in die Pflanzen wird dabei stark durch Effekte der Ionenkonkurrenz beeinträchtigt. Wichtigster Antagonist für Magnesium ist Calcium. Aber auch Ammonium, Kalium, Mangan und selbst Wasserstoff-Ionen beeinflussen die Magnesiumaufnahme. Die Funktion von Magnesium in der Pflanze beruht auf seiner Fähigkeit, Ionenbindungen mit Phosphorgruppen einzugehen sowie zahlreiche Komplexe zu binden oder zu stabilisieren. Seine metabolischen Funktionen sind vor allem Stabilisierung von Enzymen bei der Phosphatumsetzung, wie Nitrogenase, ATPase, Phosphorylase, Regulation des Protonengradienten im Stroma der Chloroplasten bei der ATP-Synthese sowie Osmoseregulation und pH-Regulation der Zelle als Antagonist zu Calcium und Kalium. Seine wichtigste Funktion ist aber seine strukturelle Bedeutung als Zentralatom von vier Pyrrolringen beim Aufbau des Chlorophylls. So führt Magnesiummangel bei den Pflanzen umgehend zu Chlorosen, Vergilbungen und Blattabwurf. Calcium liegt in der Bodenlösung als Ca2+ vor, wobei wir „kalkarme“ und „kalkreiche“ Böden unterscheiden, bei denen das Calcium in der Form
8.2 Pflanzenmineralstoffe
207
des Calciumcarbonats (CaCO3) im Boden vorliegt. Bei Kalkböden wird der pH-Wert durch die Lösung von Calciumcarbonat bei etwa pH 7 stabilisiert, wobei es praktisch unbegrenzt zur Verfügung steht. Wie E. D. Schulze et al. (2002) betonen, ist in kalkarmen Böden Calciumcarbonat auf Grund seiner hohen Löslichkeit und der geringen Witterungsstabilität schnell verbraucht, so dass das gelöste Calcium nach Auflösung des Carbonats nur noch an den Austauschern festgelegt ist. Auch die CalciumAufnahme in die Wurzeln wird durch antagonistische „Ionenkonkurrenz“, besonders von Aluminium, beeinflusst. Die erfolgreiche CalciumAufnahme erfolgt deshalb zusammen mit Anionen, besonders Nitrat, im sauren Boden mit Sulfat. Calcium wird im Xylem transportiert und fehlt in Phloem, da dort wegen des vergleichsweise hohen pH-Wertes Calcium mit Phosphat zu unlöslichem Apatit reagieren würde. Deshalb wird Calcium nur in gebundener Form, beispielsweise in einer Calcium-Protein-Bindung, transportiert. Calcium hat in pflanzlichen Zellwänden zusammen mit Magnesium eine vernetzende und stabilisierende Funktion. Es kommt in den Pflanzen gelöst im Cytosol oder in den Vakuolen vor. In der Zellwand und in der Vakuole wird Calcium in Verbindung mit Malat gespeichert, wobei Ausfällungen als Calciumoxalat, Calciumsulfat oder Calciumcarbonat möglich sind. Es aktiviert unter anderem membrangebundene Enzyme, wie die ATPasen der Ionenkanäle, wirkt entquellend und wirkt beim Wasseraustritt aus den Cytoplasmen über Hydathoden beim Vorgang der Guttation. Calcium ist in den Zellwänden ein wichtiger Bestandteil der Mittellamellen. Calcium-Mangel zeigt sich durch Aufweichen und Verfärben der Zellwand, beginnend an den jüngsten Blättern. Ferner tritt Kleinzelligkeit im Blattgewebe auf, da das meristematische Teilungswachstum gestört ist. Schließlich verlieren die Membranen ihre Selektivität der Ionenaufnahme. Die in der Tabelle 8.6 verzeichneten Spurenelemente gelten als kationische Mikronährstoffe. Sie sind für verschiedene Stoffwechselvorgänge der Pflanzen notwendig. Diese stets nur in Spuren notwendigen Elemente haben in der Regel katalytische Funktionen als essentielle Co-Faktoren von Enzymen. Viele Enzyme enthalten ein oder mehrere Metallionen als fest eingebaute Komponenten ihres aktiven Zentrums, beispielsweise Zink als Zn2+ in Lactat- und Alkoholdehydrogenase, Kupfer als Cu2+ in verschiedenen Ascorbat- und Phenoloxidasen, Molybdän zusammen mit Eisen in der Nitratreduktase. Wenn beispielsweise nach hohen Niederschlägen, bei hohen pH-Werten in Kalkböden oder nach längerer Trockenheit der weit verbreitete Mangel an Bor auftritt, führt dies zum Absterben von Knospen und zur Verkürzung von Internodien, da dieses Spurenelement wegen seiner Bindung an Ribose direkt in die DNA- und RNA-Synthesen eingreift und schließlich
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Zellwand- und Membranfunktionen beeinträchtigt. Die metabolische Funktion von BO33- spielt offenbar zusätzlich eine noch nicht ganz verstandene Rolle bei der Regulation des Kohlenhydrat- und Phenolstoffwechsels.
8.3 Lichtwirkungen Die Lichtversorgung einer Pflanze zur Photosynthese wird durch die genannte Relative Beleuchtungsstärke als Quotient aus Lichtstärke am Wuchsort und der Lichtstärke des vollen Tageslichts ausgedrückt, wie es W. Larcher (1994) formuliert (vgl. Kap. 2). Sie ist unter anderem vom Blattflächenindex (Leaf Area Index, LAI) als Maßzahl für die Belaubung der Pflanzendecke abhängig. Er gibt an, wie groß die Oberfläche sämtlicher Blätter der Pflanzen über einer bestimmten Bodenfläche ist. Auch die Lichtverteilung in mehrstöckigen Vegetationsbeständen, wie in einem Wald oder einer Wiese, sind davon abhängig (Abb. 8.3).
Abb. 8.3. Lichtverteilung in einem stockwerkartig aufgebauten Laub-NadelMischwald (links) und in einer Hochgraswiese (rechts). Die Zahlen geben die Prozentwerte der an der Bestandsoberfläche einfallenden kurzwelligen Einstrahlung wieder. Die roten Kurven kennzeichnen den Temperaturverlauf in den Pflanzenbeständen, die ebenfalls den Strahlungsgang widerspiegeln. Während in einem mehrschichtigen Wald der maximale Strahlungseintrag im oberen Kronenraum liegt, verteilt er sich in einer Wiese auf 0,1 bis 1 Meter Höhe. In vegetationsarmen Formationen oder in Wüsten findet der gesamte Strahlungsaustausch am Erdboden statt mit hoher Tageserwärmung und hoher nächtlicher Ausstrahlung. (nach Klink 1998, Larcher 1994 und Gebhardt et al 2007 © Elsevier, München)
8.3 Lichtwirkungen
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Das Lichtbedürfnis einer einzelnen Art ist nicht an allen Standorten konstant, sondern kann je nach den unterschiedlichen Standortverhältnissen sehr variabel sein. Es ändert sich in der Regel: • mit der geographischen Breite unter Berücksichtigung der umgekehrten Proportionalität zwischen Lichtbedürfnis und Temperatur. Je ungünstiger die Temperaturbedingungen für die einzelnen Arten werden, umso lichtbedürftiger werden sie. Das bedeutet beispielsweise für mitteleuropäische Arten, dass sie immer weniger Schatten ertragen, je weiter sie nach Norden ausstrahlen. Umgekehrt sind solche Arten in wärmeren Gebieten weniger lichtbedürftig. • mit der Höhe über dem Meer unter dem Einfluss der Temperatur. • mit den Ernährungsbedingungen der Pflanze. Das Lichtbedürfnis liegt bei schlechten Ernährungsbedingungen höher als bei guten. Wälder auf mageren Böden weisen zum Beispiel einen wesentlich schlechteren Kronenschuss auf als vergleichbare Wälder auf guten Böden. Unter natürlichen Bedingungen ist der schlechte Kronenschuss ein Zeichen für größere Lichtbedürftigkeit. Bezüglich ihrer Lichtansprüche kann man die Pflanzen nach H. Wiesner u. J. Claus (1985) in verschiedene Gruppen einteilen: Die Sonnenpflanzen der Offenstandorte und die Lichtblätter von Laubbäumen im oberen Kronenbereich des Waldes (Abb. 8.4) verbindet ein größerer Blattquerschnitt für effektivere Nutzung der Strahlung und eine verstärkte Cuticula zur Verminderung der cuticulären Transpiration. Demgegenüber kommen die Schattenpflanzen beziehungsweise die Schattenblätter in den unteren Vegetationsschichten oder im Inneren des Waldes mit teilweise weniger als zwei Prozent des vollen Sonnenlichtes aus. Auf diese speziellen Anpassungen der Pflanzen gehen wir in Kapitel 9 detaillierter ein.
Abb. 8.4. Blick auf das Kronendach eines Buchenwaldes im Nationalpark Hainich. Die sonnenexponierten Blätter der Eschen und Buchen (Detail) sind insgesamt kleiner gestaltet und weisen eine starke Cutinisierung auf
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Diese Einteilung stimmt zwar grundsätzlich, doch ist mit der Einstufung einzelner Arten in diese Kategorien Vorsicht geboten. Starklichtpflanzen sind zwar Arten, die einen vollen Lichtgenuss an unbeschatteten Standorten, wie in Wüsten, Steppen und im Hochgebirge, genießen. Das heißt aber nicht, dass für solche Pflanzen unbedingt die starken Lichtintensitäten notwendig wären. Deshalb sollte besser davon gesprochen werden, dass die Starklichtpflanzen an Starklichtstandorten wachsen können. Viele dieser Arten sind auf extreme Standorte angewiesen, weil sie an günstigeren Standorten dem Wettbewerb konkurrenzkräftigerer Arten nicht gewachsen sind. Es wäre in diesem Sinne also falsch anzunehmen, dass diese Pflanzen eine leichte Beschattung nicht vertragen könnten. Gleiches trifft auf die Schwachlichtpflanzen zu, die noch bei vollem Tageslicht wachsen und zudem eine gewisse Schattenwirkung vertragen können. Dazu gehören beispielsweise Segetal- und Ruderalpflanzen, Wiesenpflanzen und Röhrichtpflanzen (Tabelle 8.7). Tabelle 8.7. Schwachlichtpflanzen nach Messungen des Lichteinfalls in Prozent am Standort Segetal- und Ruderalpflanzen
Wiesenpflanzen
Matricaria discoidea Lithospermum arvense Hordeum murinum Cardaria draba
Salvia pratensis Thymus serpyllum Geranium pratense Colchicum autumnale
100 – 50 % 100 – 33 % 100 – 25 % 100 – 10 %
100 – 30 % 100 – 25 % 100 – 17 % 100 – 12 %
Unter Schattenpflanzen verstehen wir Arten, die niemals dem vollen Tageslicht ausgesetzt sind, wie es in Schattholzwäldern, beispielsweise Buchenwäldern und Eschen-Ahorn-Schluchtwäldern, der Fall ist. Darin wachsen Waldpflanzen, wie Lathyrus vernus bei 33 bis 20 Prozent, Prenanthes purpurea bei 10 bis 3 Prozent und Geranium robertianum bei 74 bis 4 Prozent Lichteinfall. Unterschiede zwischen Sonnen- und Schattenblättern sind nicht nur auf die morphologisch-anatomische Ebene beschränkt, sondern berühren auch physiologische Parameter, wie Wasser- und Chlorophyllgehalt (Tabelle 8.8). Der Lichtgenuss einer Art hängt von vielen Faktoren ab. Wenn Pflanzen das volle Tageslicht meiden, so hängt das in der Regel meist nicht unmittelbar so sehr mit dem Licht zusammen. Es handelt sich also nicht in erster Linie um eine Lichtempfindlichkeit dieser Arten, sondern vielmehr um Störungen des Wasserhaushaltes an sonnigen Stellen. Die Pflanzen können auf Grund ihres morphologischen Aufbaus die Transpiration an extremen
8.3 Lichtwirkungen
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Lichtstandorten nicht genügend einschränken. Sie würden vertrocknen oder kümmerlich wachsen. Es handelt sich also auch hier wieder um komplexe Zusammenhänge, so dass wir besser von licht- oder schattenertragenden Arten sprechen. Alternativ könnte das Begriffspaar lichttolerant und schattentolerant verwendet werden. Tabelle 8.8. Unterschiede zwischen Sonnen- und Schattenblättern von Fagus sylvatica (nach Lichtenthaler et al. 1981) Charakter Dichte der Stomata (Zahl/mm²) Blattdicke (µm) Blattfläche (cm²) Frischgewicht (g) Trockengewicht (g) Wassergehalt (% Frischgewicht) Chlorophyll (mg/g Trockengewicht) Chlorophyll auf Blattflächenbasis (mg/100 cm²)
Sonnenblätter 214 ± 26 185 ± 12 29 ± 4 0,5 ± 0,1 0,24 ± 0,03 53 ± 4 6,6 ± 2 5,5 ± 1,8
Schattenblätter 144 ± 11 93 ± 5 49 ± 7 0,4 ± 0,1 0,12 ± 0,02 70 ± 5 16,1 ± 2 3,9 ± 0,4
Unmittelbar zum Lichthaushalt der Pflanze gehört auch das Lichtminimum, das die Pflanze unbedingt zur Photosynthese braucht. Das Lichtminimum bildet die so genannte Hungergrenze. Unterhalb davon ist die Stoffproduktion stark eingeschränkt, so dass es nicht mehr zur Ausbildung von Blüten und Früchten kommt. Solche sterilen Pflanzen findet man des Öfteren an stark schattigen Stellen. Analog zu den Licht- und Schattenpflanzen lassen sich auch lichttolerante und schattentolerante Pflanzengesellschaften unterscheiden. Lichttolerant sind viele einschichtige sowie die Oberschicht mehrschichtiger Pflanzengesellschaften. Als schattentolerant sind demgegenüber Pflanzengesellschaften der Felsklüfte und Höhlen, der nordexponierten Hänge sowie allgemein die Unterschichten mehrschichtiger Pflanzengesellschaften zu bezeichnen. Wie sich bei pflanzensoziologischen Untersuchungen von Höhlen herausgestellt hat, findet dort je nach Lichtbedürfnis der Arten von außen nach innen eine typische Abstufung statt mit Abfolge der Evolution von Blütenpflanzen über Farne, Laubmoose und Lebermoose bis hin zu thallophytischen Algen und Cyanobakterien (Abb. 8.5). In unseren am höchsten entwickelten Pflanzengesellschaften, den natürlichen Wäldern, gehören allein die Arten der höheren Baumschicht zu den Lichtpflanzen. Alle darunter liegenden Schichten, wie Strauch- und Krautschicht, sind in der Regel zu den Schattenpflanzen zu stellen. Eine Ausnahme machen hier aber unsere Edellaubwälder auf nährstoffreichen
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Lehm- und Kalkböden, wie wir es am Beispiel der krautreichen Buchenwälder in Abb. 4.1 gesehen haben. Hier ist in der Krautschicht sowohl eine Gruppe von Schattenpflanzen als auch von Lichtpflanzen vorhanden. Beide Gruppen lösen sich in der jahreszeitlichen Vegetationsfolge ab. Die Lichtpflanzen erscheinen schon Anfang April, und ihre Blüte- und Fruktifikationsvorgänge schließen sie bei Belaubung der Bäume, im Mai, ab. In der schattenreichen, belaubten Periode des Sommers entwickeln sich dann am gleichen Ort die Schattenpflanzen. Durch diese zeitliche Anpassung an die jeweiligen Belaubungsverhältnisse der Bäume wird die Vegetationsperiode in diesen höchstentwickelten Waldgesellschaften optimal ausgenutzt. Abb. 8.5. Schistostega pennata ist ein 0,5 bis 1 Zentimeter großes akrokarpes Moos aus der Familie Schistostegaceae. Dieses Moos wird deshalb Leuchtmoos genannt, da es im Dunkeln zu leuchten scheint. Die Pflanzen besitzen ein ausdauerndes Protonema, welches linsenförmige oder rundliche Zellen enthält, deren Vakuolen einfallendes Licht ähnlich einer Sammellinse auf die Chloroplasten fokussiert. Dies ist eine Anpassung an sehr dunkle Standorte von tiefen Felsspalten und Höhlen. Ein Teil des Lichtes wird von der gekrümmten Zellrückwand, ähnlich wie bei einem Katzenauge, reflektiert. Hierdurch scheinen die Moose bei bestimmten Lichtverhältnissen goldgrün zu leuchten. Es handelt sich dabei also um einen rein optischen Effekt
Auch eine Reihe von Epiphytengesellschaften fällt in diese Kategorie. Das zeigen nicht nur in den tropischen Regenwäldern die Epiphyten auf ihren „Trägerbäumen“ in günstiger Lichtexposition. Dies gilt sogar in unseren Buchenwäldern besonders für epiphytische Moose und Flechten, aber auch für Höhere Pflanzen, wie den Tüpfelfarn Polypodium vulgare (Abb. 8.6). Kletterpflanzen oder Lianen klimmen mit dünnen Stengeln an anderen Gewächsen, aber auch an Felsen empor und bringen auf diese Weise ihr Laub, ohne selber kräftige, tragende Stämme zu entwickeln, auf dem kürzesten Wege aus dem Waldesschatten und vom Erdboden empor an das Sonnenlicht. Der tages- und jahreszeitlichen Lichtverteilung in unseren mitteleuropäischen Laubwäldern sind auch die Frühjahrsgeophyten , die wir im Kapitel 4 und in Abb. 4.11 kennen gelernt haben, bestens angepasst, da sie im zeitigen Frühjahr unter Ausnutzung des vollen Sonnenlichtes bei der ersten Bodenerwärmung vor der Laubentfaltung der Bäume blühen und fruchten.
8.3 Lichtwirkungen
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Auch die Vegetationsdynamik eines Waldes wird vom Lichteinfall gesteuert: Sukzessionen beginnen mit lichtliebenden Pionierpflanzen, während die Folge- und Schlussstadien aus Schattholzarten aufgebaut sind. In unseren Buchenwäldern sind die Keimlinge der frostempfindlichen Buchen (Fagus sylvatica) und Eichen (Quercus robur) schattentolerant; das bedeutet, sie keimen auf dunklem Waldboden im Schatten von Vorwaldstadien, meist aus Holunder (Sambucus nigra, Sambucus racemosa), Eberesche (Sorbus aucuparia) und Esche (Fraxinus excelsior), sind so bis in die ersten Jahre ihres Lebens vor den gefährlichen Spätfrösten geschützt. Sie überwuchern später die Vorwaldbäume und dunkeln sie aus, um schließlich als adulte Bäume mit Sonnenblättern und Schattenblättern das gesamte Licht auszunutzen und nahezu monodominante Bestände aufzubauen.
Abb. 8.6. Nur in alten Bannund Hudewäldern wachsen Moose und Farne zusammen mit dem Tüpfelfarn Polypodium vulgare auf alten Eichenstämmen
Bezüglich des Lichteinflusses auf das Wachstum und die Entwicklung der Pflanzen seien noch zwei weitere für die Vegetation sehr wesentliche Erscheinungen erwähnt. Beim Photoperiodismus handelt es sich um die Anpassung des Lichtgenusses der Pflanzen an die Tageslänge. Auf den Photoperiodismus ist man erst aufmerksam geworden, als man Pflanzen aus ihrer ursprünglichen Heimat in Gebiete mit anderen Tageslängen brachte. Ökologisch ist darüber noch nicht viel erarbeitet worden, jedoch wissen wir, dass wir diesbezüglich Arten, die eine solche Anpassung aufweisen, von indifferenten Arten unterscheiden müssen. Bei den ersteren ist
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
die Erscheinung der Langtag- und der Kurztagpflanzen charakteristisch. Kurztagpflanzen findet man verständlicherweise in erster Linie unter den tropischen Gewächsen, während Langtagpflanzen vorwiegend in Höheren Breiten vorkommen. Die kurzen Tage fallen ja hier in die ausgedehnte Winterzeit, in der die Vegetation ruht. Die zweite Erscheinung betrifft die Besonderheiten unserer Hochgebirgsflora, die sowohl durch stärkere Intensität des Lichtes als auch durch andere, von denen der Ebene abweichende Lichtqualitäten induziert werden. Wie wir bereits erfahren haben, steigt mit zunehmender Höhe die Intensität des Lichtes an. Es ändert sich gleichzeitig aber auch die Zusammensetzung des Lichtes. Beim Durchgang durch die mit Wasserdampf und Staubteilchen geladene Atmosphäre werden die kurzwelligen ultravioletten Strahlen von 400 bis 290 Mikrometer Wellenlänge viel stärker geschwächt als die langwellige Strahlung, zu der auch die Wärmestrahlung gehört. Die Verunreinigung ist in den unteren Luftschichten, also in der Ebene, wesentlich größer als in den Höhen der Hochgebirge. Deshalb zeigt das alpine Lichtklima infolge der reinen, staubarmen Atmosphäre mit steigender Höhe eine Zunahme der kurzwelligen Strahlung.
Abb. 8.7. Drei wichtige Lebensformtypen sind in den alpinen Rasengesellschaften aus Carex curvula und Sempervivum montanum als Anpassung an Strahlung und Trockenheit evolviert: Poikilohydre Moose und Flechten als austrocknungstolerante Arten, tiefwurzelnde Höhere Pflanzen mit stomatärer Transpiration und wasserspeichernde Sukkulente mit CAM-Metabolismus
8.4 Temperaturwirkungen
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Welchen Einfluss übt nun das alpine Lichtklima auf den Habitus und die physiologische Leistung der Alpenpflanzen aus? Die Blätter vieler Alpenpflanzen besitzen eine ausgesprochene Sonnenblattstruktur. Sie sind infolge der Vermehrung des Palisadenparenchyms vielfach dicker als die Blätter der gleichen Art aus dem Tiefland. Fest steht weiterhin, dass viele Alpenpflanzen schon bei niedrigen Temperaturen, im Minimum schon bei minus 16 Grad Celsius zu assimilieren vermögen, Flechten sogar bei minus 20 Grad Celsius, so dass sie auch unter der Schneedecke, sofern der Boden nicht stark gefroren ist, nicht zur vollkommenen Unterbrechung ihrer Lebenstätigkeit gezwungen sind (Abb. 8.7). Einen besonderen Einfluss übt das alpine Lichtklima, insbesondere der Reichtum an ultravioletten Strahlen, auf die Hemmung des Längenwachstums aus, indem der kurzwellige, ultraviolette Strahlungsbereich das Streckungswachstum der Zellen und Organe hemmt. Alle Pflanzen der hochalpinen Region zeichnen sich daher durch einen so genannten Nanismus aus. Der Zwergwuchs ist also nicht nur eine ausschließliche Anpassung an die tiefen Temperaturen allein, um den Schneeschutz ausnutzen zu können, sondern auch durch das ultraviolette Strahlungsklima bedingt. Es gibt also eine Komplexwirkung von Temperatur und Licht in gleichsinniger Richtung. Wir unterscheiden den induzierten Nanismus bei solchen Alpenpflanzen, wo die „alpine Tracht“ verloren geht. Denken wir zum Beispiel an das Edelweiß Leontopodium alpinum, das in der Ebene zu einer langstieligen Pflanze wird und zudem noch das dicke Wollkleid zum Temperatur- und Strahlungsschutz verliert. Aber nicht alle hochalpinen Pflanzen verlieren bei der Kultur in der Ebene ihren Nanismus, obwohl ihnen dort das ultraviolette Licht und niedrige Temperaturen fehlen. Bei der Form des erblichen Nanismus handelt es sich um einen Zwergwuchs, der auch in der Ebene beibehalten wird. Beispiele dafür sind in Abb. 8.8 zusammengestellt.
8.4 Temperaturwirkungen Durch die Temperaturen wird vor allem die Vegetationszeit eines Gebietes bestimmt. Die Länge der Vegetationszeit mit ihren hellen Tagen hat insbesondere in den temperaten, borealen und arktischen Breiten eine sehr große Bedeutung für die Pflanzen. Unter Vegetationszeit verstehen wir die Jahresperiode, die ein Wachstum der Pflanzen ermöglicht. Die Ansprüche können bei den einzelnen Pflanzen sehr unterschiedlich sein, wie wir das schon an den verschiedenen Blühzeiten einzelner Arten sehen können (Tabelle 8.9).
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Abb. 8.8a-l. Pflanzen mit erblichem Nanismus. a Dryas octopetala, b Saxifraga muscoides, c Saxifraga oppositifolia, d Potentilla nitida, e Silene elisabethae, f Campanula cenisia, g Silene acaulis, h Silene exscapa, i Salix reticulata, j Gentiana schleicheri, k Gentiana verna, l Gentiana clusii
8.4 Temperaturwirkungen
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Tabelle 8.9. Beginn der Vegetationszeit in Mitteleuropa Einsetzen der Blüte von Hasel (Corylus avellana) Mandel (Amygdalus communis) Aprikose (Prunus armeniaca) Birne (Pyrus communis) Apfel (Malus domestica)
bei Tagesmitteltemperaturen von mindestens 2 °C 6,2 °C 8,8 °C 10,5 °C 11,5 °C
Aus der Tabelle 8.9 ist bereits zu entnehmen, dass es keine generelle Vegetationszeit gibt, die für alle Pflanzen Gültigkeit hat. Selbst innerhalb einer Wärmezone sind die Vegetationszeiten der Pflanzen verschieden. Dennoch definieren wir eine Vegetationszeit in den temperaten Laubwaldzonen vom Zeitpunkt des Ergrünens bis zur Laubverfärbung: Das Ergrünen von Holzpflanzen und die Stoffproduktion setzen damit in Mitteleuropa erst dann wirklich ein, wenn die Tagesmittel der Temperaturen durchschnittlich 5 Grad Celsius erreichen. Ein Abschluss der Assimilationstätigkeit tritt im Herbst danach bei der Blattverfärbung ein, ebenfalls bei Tagesmitteln von rund 5 Grad Celsius. Deshalb rechnet man als Hauptvegetationszeit in den gemäßigten Zonen die Jahreszeit mit Tagesmitteln über 5 Grad Celsius. Die Vegetationszeiten ändern sich also mit der geographischen Breite: Bereits im Etesienklima, also im Mittelmeerbereich, ist die Vegetationszeit, abgesehen von extremen Trockenheiten, schon wesentlich länger als in Mitteleuropa. Wir haben hier bei den Immergrünen zwar eine Stockung des Wachstums in den ausgesprochenen Wintermonaten zu verzeichnen, jedoch können auf Grund der Tatsache, dass die Temperaturen im Allgemeinen nicht unter null Grad absinken, die Früchte verschiedener Wildund Kulturpflanzen das ganze Jahr hindurch ausreifen. Es gibt die Erscheinung, das vorjährige, reife Früchte und Blüten zu gleicher Zeit im Frühjahr auf einer Pflanze anzutreffen sind, wie bei Orangen, Zitronen und beim Erdbeerbaum Arbutus (Abb. 8.9). In den tropischen und subtropischen Breiten tritt abgesehen von der Äquatorialzone - die eine ganzjährliche Vegetationsperiode aufweist - eine Stockung des Wachstums zu den Trockenzeiten ein. Die Unterbrechung der Vegetationszeit hat hier also andere Gründe als in den anderen Zonobiomen der Erde. Eine zunehmende Verkürzung der Vegetationszeit zeigt sich auf der Nordhemisphäre an Nordhängen und mit steigender Höhenlage in den Gebirgen. In Höhen von 3000 Metern und darüber hinaus haben wir in den Alpen oft nur noch Vegetationszeiten, die nicht mehr als einen oder zwei
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Abb. 8.9. Arbutus canariensis ist ein endemischer Baum des trockenen Lorbeerwaldes (Monteverde seco) auf den Kanarischen Inseln Box 8.1. Reproduktionszyklus des mediterranen Erdbeerbaums Arbutus Die Arbutus-Arten aus der Familie Ericaceae haben einen ganz speziellen Reproduktionszyklus: vom Beginn der Knospenbildung bis zur Fruchtreife vergehen fast 22 Monate. Dabei werden im März/April die Knospen und die Blütenrispen angelegt, die weißen Blüten erscheinen jedoch erst im Oktober und blühen bis Ende Januar/Anfang Februar. Wenn der Sommer aber zu trocken war, werden die Knospen und Blütentriebe vor der Blüte abgeworfen; so reguliert die Pflanze selbst ihre Fruchtproduktion. Wenn nach der Blüte und nach der Pollination die Fruchtreife während des Winters oder im zeitigen Frühling (Oktober bis Februar) erfolgt, ist also genügend Feuchtigkeit und eine ausreichende Zahl von Früchten vorhanden, die dann alle reifen können, so dass möglichst wenige davon im Sommer verlorengehen. Das Regenwasser des Winters und des Frühlings kann so vorwiegend für die vegetativen Aktivitäten der Pflanzen genutzt werden, während im Sommer und vor allem im Herbst, wenn die Tage kürzer werden und die Photosyntheseaktivität nachlässt, der Großteil des verfügbaren Wassers für die Fruchtreife benutzt werden kann. Im Herbst und Frühwinter sind die Früchte reif, so dass neue Blüten und reife Früchte des Vorjahres gleichzeitig an der Pflanze zu sehen sind. Die Samen werden im Frühling verbreitet, wenn die Temperaturen nicht zu hoch sind, der Boden noch feucht ist und die Tage schon lang genug sind, um ein schnelles Wachstum der Keimlinge zu gewährleisten, da das geringe Endosperm der Samen als Reserve nicht lange vorhält.
8.4 Temperaturwirkungen
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Monate umfassen. Diese Verkürzung wird sowohl durch Frost bedingt als auch durch lange Schneebedeckung. Das erfordert eine Anpassung aller alpinen Pflanzen an diese Bedingungen. Eine Reihe davon überwintert mit grünen Blättern, die dann sofort nach der Schneeschmelze assimilieren können, wie wir es bei zahlreichen Ericaceen, zum Beispiel Rhododendron, Empetrum und Loiseleuria sehen. Sehr viele Alpenpflanzen bilden die Blütenknospen schon im Jahr vorher aus, der Gletscherhahnenfuß (Ranunculus glacialis) als Nivalpflanze gilt hier als Paradebeispiel (Abb. 8.10).
Abb. 8.10. Der Gletscherhahnenfuß Ranunculus glacialis gilt als höchstaufsteigende Blütenpflanze der Alpen. Diese Pflanze ist optimal angepasst, denn sie erträgt die Auswirkung der Schneebedeckung in normalen Wintern mit achtmonatiger Schneedecke sowie in Sommern mit bleibender Schneedecke
Vor allem durch die langjährigen Forschungen von W. Moser et al. (1977) am Hohen Nebelkogel (3184 m) in den Ötztaler Alpen sind wir gut über die Lebensvorgänge im Hochgebirge unterrichtet: Im Reich des Gletscherhahnenfußes dauert die Vegetationsentwicklung je nach Witterung und Standort etwa 3 Monate. Sie wird immer wieder von Kaltlufteinbrüchen mit Schneefall und Frost unterbrochen, so dass die von Pflanzen nutzbare Vegetationszeit nur zwischen etwa 30 und 70 Tagen beträgt. Da der Gletscherhahnenfuß in seiner Wachstumsphase recht frostempfindlich ist und dann nur Temperaturen bis minus 6 Grad Celsius erträgt, überlebt er solche Wetterstürze im Sommer nur in windgeschützten Lagen unter Schneeschutz. Bei Strahlungswetter können sich seine Blätter aber um bis zu über 20 Grad Celsius über die Lufttemperatur erwärmen, so dass hier extreme Temperaturschwankungen in kürzester Zeit möglich sind. Normalerweise beginnt Ranunculus glacialis nach dem Austrieb zwischen Anfang Juni und Anfang August seine Knospen zu entfalten, die Blätter wachsen und die schon ein bis zwei Jahre vorher angelegten Blüten öffnen sich. Wenn die Schneedecke länger bleibt, ist die Blühbildung verzögert. Der Gletscherhahnenfuß überlebt sogar eine über zwei Sommer andauernde Schneedecke und kann sogar länger als 32 Monate unter Schnee seine Blühfähigkeit erhalten, wie H. Reisigl u. R. Keller (1987) betonen.
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Andere Pflanzen verlängern die Vegetationsperiode dadurch, dass sie das Ausreifen der Samen, das die eigentliche Vegetationsperiode abschließt, in den Winter hinein verlegen. Solche Wintersteher säen dann den Samen auf Schnee aus. Sie sind alle Frostkeimer, das heißt, ein Durchfrieren des Samens ist für ihre Keimfähigkeit notwendig. Wieder andere Pflanzen beschreiten einen ganz eigenartigen Weg: Sie sind „pseudolebendgebärende“ Pflanzen im übertragenen Sinne. Als Beispiel sei hier Poa alpina var. vivipara, das Alpen-Rispengras genannt (Abb. 8.11). An den Rispen bilden sich Brutknospen aus, die zu einer voll entwickelten kleinen Pflanze mit Blättchen und einer kleinen Wurzel auswachsen. Diese Miniaturpflänzchen fallen ab und wurzeln sich noch vor Einbruch des Winters fest. Ähnlich verhält sich der „lebendgebärende Knöterich“ Polygonum viviparum.
Abb. 8.11. In der alpinen Höhenstufe, wie hier am Timmelsjoch in den Ötztaler Alpen (2474 m), wachsen alpine Rasengesellschaften mit an kurze Vegetationszeiten angepassten Arten, die unter anderem vivipar sein können, wie Poa alpina var. vivipara (Detail)
Tiefe Temperaturen können eine stark negativ auslösende Wirkung auf die Vegetation ausüben, und aus diesem Grunde sind auch die absoluten Temperaturminima eines Gebietes von großer Bedeutung. Während der kalten Jahreszeit befinden sich die meisten Pflanzen im Ruhezustand. Doch sind bei vielen Pflanzen auch im Ruhezustand extreme
8.4 Temperaturwirkungen
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Minustemperaturen nicht unwichtig. Die Empfindlichkeit gegenüber solchen Temperaturen ist bei den einzelnen Pflanzenarten sehr verschieden und eine Einteilung bezüglich der Frostempfindlichkeit sieht so aus: • Pflanzen, die schon bei Temperaturen leicht über null Grad Celsius getötet oder geschädigt werden. Dazu gehören viele tropische Gewächse. • Pflanzen, die erst bei Temperaturen unter null Grad Celsius geschädigt werden. Dabei handelt es sich meist um wasserhaltige Pflanzen oder Pflanzenteile mit niedrigem osmotischen Wert. Spätfröste haben auf saftige Jungtriebe und Blätter verheerende Auswirkungen. • Pflanzen, die mehr oder weniger tiefe Temperaturen unter null Grad Celsius ohne Schaden vertragen können. Am sibirischen Kältepol bei Oimekon am Baikalsee halten zum Beispiel immergrüne Nadelbäume, wie Larix- und Pinus-Arten, Temperaturen bis zu minus 70 Grad Celsius aus. Die Fähigkeit, tiefe Temperaturen ohne Schaden zu ertragen, bezeichnet man als Frosthärte. Die Frosthärte einer Pflanze bleibt nicht über das ganze Jahr hindurch gleich, sondern sie unterliegt oft großen Schwankungen. Die Frosthärte ist in den Sommermonaten, wie man experimentell belegen kann, gering. Sie nimmt im Herbst rasch zu und beginnt im Spätwinter wieder abzuklingen. Für die Änderung der Frosthärte sind als auslösende Reize die Änderungen der Außentemperaturen und der Tageslängen maßgebend. Eine wesentliche Bedeutung kommt wohl den Temperaturänderungen zu. Die Zunahme der Frosthärte im Herbst ist nichts anderes als ein Abhärtungsvorgang, bedingt durch die ersten kühlen Tage und Nächte, bei dem kryoprotektive Stoffe, häufig Zucker oder Zuckerderivate, ferner verschiedene organische Säuren, einige Aminosäuren und spezifische Proteine gebildet werden. Diese Angaben über die wechselnde Frosthärte einer Pflanze zu den verschiedenen Jahreszeiten zeigen, dass starke Fröste die Vegetation mitten im Winter nicht so sehr gefährden. Die größte Gefahr besteht im Vorfrühling, wenn durch vorübergehende warme Witterung oder starke Bestrahlung die Pflanzen leicht enthärtet werden und darauf ein plötzlicher Kälteeinbruch erfolgt. Als häufige Ursache der Frostschädigung ist heute für eine große Zahl von Pflanzen experimentell erwiesen, dass eine amorphe Eisbildung in den Interzellularen erfolgt, die eine Entwässerung der lebenden Zellen zur Folge hat. Dabei werden die Biomembranen irreversibel zerstört, was rasch den Eistod bewirken kann. Eine andere Art der Schädigung von Pflanzen durch tiefe Temperaturen ist die Frosttrocknis. Die Frosttrocknis ist oft das, was wir gemeinhin als Erfrieren bezeichnen, dabei hat sie im Grunde mit Erfrieren nichts zu tun. Sie ist ein regelrechtes Vertrocknen der Pflanzen, das durch Gefrieren des Bodens und die damit verursachte Unterbindung des Wassernachschubs
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
zustande kommt. Der Wasserverbrauch der Pflanzen ist auch im Winter nicht ganz eingestellt. Ein Wassernachschub ist infolge des eingefrorenen Wurzelwerkes aber nicht mehr möglich, und daher kommt es zu Trockenschäden an den oberirdischen Pflanzenteilen oder im schlimmsten Falle sogar zum Vertrocknungstod. Besonders gefährdet sind die Pflanzen, wenn sonnige Witterung und zugleich gefrorener Boden vorherrschen. Die oberirdischen Pflanzenteile weisen dann starke Übertemperaturen auf, weshalb Photosynthese und Transpiration oft schon früh, manchmal zu früh, einsetzen.
8.5 Hitzewirkungen Besonders interessante Lebensräume wurden erst vor wenigen Jahren in der Tiefsee entdeckt: Es sind hydrothermale submarine Quellsysteme an den Mittelozeanischen Rücken im Bereich von Plattengrenzen der Erdkruste. Hier werden in „Smokers“ aus schlotähnlichen Gebilden mineralisches, vor allem sulfidreiches warmes oder heißes Wasser freigesetzt, wie es J. F. Grassle (1991) und C. L. van Dover (2000) beschreiben. An solchen Stellen bilden sich bislang unbekannte neue Lebensgemeinschaften aus Protozoen, Bakterien und Tiefseetieren. Die Primärproduktion wird hier durch Chemosynthese bewerkstelligt; chemoautotrophe Archaea und Bakterien nutzen die energetisch bedeutsamen Schwefelverbindungen zur Primärproduktion auf der Basis, den Schwefelwasserstoff (H2S), der aus den untermeerischen Kaminen tritt, zu elementarem Schwefel und Sulfaten zu oxidieren. Mit Hilfe der durch diese Oxidation gewonnenen Energie wird danach CO2 in organische Verbindungen eingebaut. Auch an terrestrischen Thermalquellen oder an anderen geothermisch aktiven Orten, wo heißes Wasser, Dämpfe oder Schlämme an die Erdoberfläche gelangen, gibt es solche Extremlebensräume. Berühmt sind hier die Solfatare und Fumarolen, wo Schwefel sichtbar auskristallisiert wird oder wo heiße Dämpfe aus Erdspalten oder Vulkanschloten entweichen. Schwefelhaltig sind normalerweise Gase in einem aktiven Vulkan, die wir am deutlichsten mit unseren Sinnen wahrnehmen können, sei es am stechenden Geruch von Schwefeldioxid (SO2), an dem von faulen Eiern des Schwefelwasserstoffs (H2S) oder anhand der Ablagerungen und Konkretionen von reinem Schwefel, wie wir es in Kapitel 2 und in Abb. 2.8 schon vorgestellt haben. Hier entstehen ganz eigene Lebensräume, die oftmals stammesgeschichtlich sehr alte Organismen beherbergen und vielfach sogar in der räumlich angrenzenden Anordnung von Archaea, Bakterien, Mikroorganismen, Moosen, Flechten, Sporen- und Samenpflanzen gestaffelt zoniert weg vom heißen Schlot sogar das zeitliche Spektrum der biolo-
8.5 Hitzewirkungen
223
gischen Evolution widerspiegeln (Abb. 8.12). Auch in Fumarolen sind Schwefelwasserstoff und elementarer Schwefel (S2) nach Schwefeldioxid die volumetrisch wichtigsten Komponenten. Hier können zusätzlich wichtige Spurengase wie Kohlenoxidsulfid (COS) und Kohlenstoffdisulfid (CS2) im Gleichgewicht mit Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Kohlenmonoxid (CO) akzessorisch auftreten. Die meisten homoiohydren Höheren Pflanzen und Farne reagieren empfindlich gegen hohe Temperaturen; von den poikilohydren Moosen und Box 8.2. Pflanzen auf heißem Boden Der „biologisch evolutive Zeitraffer“ an solchen vulkanischen Extremstandorten, wie hier am Taupo-Vulkan in Neuseeland ist evident (vgl. Abb. 8.12): Archaea, die in ihrer äußeren Form bei sonst tiefgreifenden Unterschieden an Bakterien erinnern – und daher früher auch als Archaebakterien bezeichnet wurden – bilden aerobe und anaerobe, heterotrophe, schwefelabhängige und phototrophe Formen. Sie sind extrem thermo-, acido- und halophil und leben zum Inneren des Vulkanschlotes hin, gefolgt von Photosynthese betreibenden grünen oder grünblauen Cyanobakterien, Moosen, manchmal sogar einigen Flechten und einem „Miniaturwald“ von Lycopodium volubile, einem Vertreter der Bärlappgewächse. Hier verlassen wir den eigentlichen Geothermbereich und kommen in die angrenzende baumfreie Gebüschvegetation aus Kanuka (Kunzea ericoides), durchsetzt von den Farnen Gleichenia und Dicranopteris. Ähnliches finden wir in den Vulkangebieten vom Kilauea auf Hawai’i und an den Akan-Vulkanen auf der japanischen Insel Hokkaido. Nur die Moose, die weiteren Kryptogamen und die Blütenpflanzen ändern sich jeweils entsprechend der biogeographischen Regionen in solchen Zonierungsmustern an den vulkanischen Schloten. Am Akan konnten wir in einem Fumarolenfeld die Temperaturen in den hitzebeeinflussten natürlichen Moosund Graspolstern messen: Bei 78 Grad Celsius Bodentemperatur wachsen niedrige Rasengesellschaften aus Fimbristylis dichotoma, Poaceae, und bei 45 Grad Celsius fanden wir höherwüchsige Bestände des Grases Miscanthus sinensis, umgeben von dichten Moospolstern aus verschiedenen SphagnumArten. Auch an den Gipfeln des Teide (3718 Meter), dem höchsten Vulkan der Kanarischen Inseln, gibt es Fumarolen und Solfatare. Dort fanden wir am 5.6.1995 in einer Höhe von 3650 Metern knapp unter dem Gipfel in einigen Fumarolen an feuchten und warmen Erdspalten im Geröll mehrere kleine Populationen von Sagina procumbens, einer Caryophyllacee, vergesellschaftet mit Poa annua, verschiedenen polsterförmigen Moosen, wahrscheinlich aus den Gattungen Grimmia und Tortula, welche jedoch alle bis jetzt noch nicht genau bestimmt werden konnten, da sie auch in Kultur bislang steril geblieben sind. Unser Neufund, das Mastkraut Sagina procumbens, ist die derzeit am höchsten aufsteigende Blütenpflanze im Gipfelbereich des Teide und gedeiht isotherm bei 37 Grad Celsius.
224
8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Abb. 8.12. Geothermalfeld nördlich von Taupo auf der Nordinsel Neuseelands. In der Entfernung von den heißen Vulkanschloten zeigt sich sehr schön das zeitliche Spektrum der biologischen Evolution. Im Detailfoto sieht man insbesondere den durch den Bärlapp Lycopodium volubile geprägten Aspekt
Flechten haben wir schon im vergangenen Kapitel über ihre Toleranz gegen Hitze erfahren. Einige C4-Gräser, wie die für die vulkanischen AkanThermalfelder genannten Vertreter der Gattungen Fimbristylis und Miscanthus ertragen Temperaturen von 50 Grad Celsius und darüber. Die Hitzeresistenz ist jedoch im Allgemeinen auf Werte von 50 bis 55 Grad Celsius begrenzt. Als Beispiel sei in diesem Zusammenhang noch die extrem seltene endemische Seerose Nymphaea thermarum angeführt, die mit einer Population von etwa 100 Individuen von einer 34 Grad Celsius warmen Thermalquelle im südlichen Ruanda bekannt ist, von wo sie E. Fischer (1988) erstmals beschrieben hat. Das Gras Dichanthelium lanuginosum wächst an den heißesten Stellen des Yellowstone-Nationalparks in den USA. Bodentemperaturen von bis zu 65 Grad Celsius hält die Pflanze aus, was sie offenbar einer Symbiose mit einem Pilz verdankt, dessen Wirkungsweise bislang allerdings unbekannt ist.
8.6 Windwirkungen
225
8.6 Windwirkungen Die Einwirkung des Windes ist neben der direkten mechanischen Wirkung darüber hinaus auch eine indirekte. Der Wind verändert nämlich die Intensität anderer Faktoren. So setzt zum Beispiel der Wind die Temperatur der Pflanzen bei starker Einstrahlung herab, indem er den Wärmeaustausch mit der umgebenden Luft begünstigt. Andererseits kann der Wind auch durch Aufwirbeln von überhitztem Staub die Lufttemperatur so erhöhen, dass ein Hitzetod eintreten kann. Das erleben wir in den Trockengebieten der Erde, vor allem in den heißen Wüsten. Die wesentlichste physiologische Wirkung des Windes auf die Pflanzen ist aber die Steigerung der Transpiration. Damit zeigt er eine ähnliche Wirkung wie die Trockenheit. Ein leichter Wind begünstigt gegenüber Windstille hingegen die Heranführung von Kohlendioxid für die Photosynthese der Pflanzen. Die direkte und indirekte mechanische Wirkung des Windes auf die Pflanzenwelt zeigt zum einen lebenswichtige Vorteile für die Pflanzenwelt, zum anderen aber auch große Nachteile. Zu den lebenswichtigen Einwirkungen zählt der Transport der Pollen anemogamer Pflanzen. Neben dem Pollentransport ist für viele Pflanzen auch der Samentransport von sehr großer Bedeutung. Die Samen zahlreicher Arten sind sogar mit Flugeinrichtungen versehen, zum Beispiel bei Esche, Ahorn, Kiefer und anderen mit propellerartigen Anhängseln oder der Pappus bei den Asteraceen als fallschirmartiges Gebilde. Die Pflanzen, deren Samen und Früchte durch den Wind verbreitet werden, bezeichnet man als anemochor. Die Anemochorie, die Ausbreitung von Diasporen durch Wind, ist essentiell für alle Sporenpflanzen und einige Pilze sowie für Pflanzen mit flugfähigen Samen und Früchten. Sehr auffällig ist die Verbreitung dieser anemochoren Arten in den Hochgebirgen. Mit zunehmender Höhe steigert sich bekanntlich die Windwirkung, und angepasst daran nimmt auch die Zahl der anemochoren Arten rapide zu. Bezogen auf die Alpenflora haben wir etwa folgende prozentualen Anteile ermittelt: • montane und subalpine Stufe etwa 41,3%, • alpine Stufe etwa 52,4%, • nivale Stufe etwa 62,5%. Nachteilige Auswirkungen auf die Pflanzenwelt machen sich besonders in Gebieten mit starken Windwirkungen bemerkbar. Das ist unter anderem besonders im Flachland wie in Hochgebirgen der Fall, vor allem dann, wenn kein Baumwuchs vorhanden ist und somit die Reibung der Luft in Bodennähe verringert wird. Beispiele dafür sind Steppen und Wüstengebiete, die Tundren der Arktis sowie windexponierte Stellen der Alpenmatten.
226
8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Auch an den Meeresküsten treten häufig sehr starke Winde auf, weil sich die Geschwindigkeit der Luftmassen auf dem Meer frei auswirken kann. Die Pflanzenwelt der Küstengebiete hat somit unter den vom Meer her kommenden Stürmen stark zu leiden, weniger stark allerdings die Pflanzen in unmittelbarer Bodennähe, weil hier die Windgeschwindigkeit deutlich gebremst wird. Zur Veranschaulichung zeigen wir ein Beispiel von Windmessungen, die wir an unterschiedlichen Tagen der Jahre 1990 bis 1996 in der Heide des Naturschutzgebietes „Heiliges Meer“ durchgeführt haben (Tabelle 8.10). Tabelle 8.10. Windgeschwindigkeiten über Heideflächen Höhe über Boden
Windgeschwindigkeit
150 cm = freie Atmosphäre
4,7 - 5,1 m/s
40 cm = Höhe der Calluna-Spitzen
1,0 - 1,7 m/s
2 cm = zwischen Calluna vulgaris
0,007 - 0,009 m/s
Die bodennahen Pflanzen sind also selbst bei Sturm keinen hohen Windgeschwindigkeiten ausgesetzt. Das ist aber bei unserem Baumwuchs nicht mehr der Fall. Besonders einzeln stehende Bäume haben unter der Windwirkung stark zu leiden. Diese Tatsache äußert sich schon rein morphogenetisch in der Windschur, die solche Bäume erleiden. Die Krone ist fahnenartig nur an der abgekehrten Seite der Hauptwindrichtung ausgebildet (vgl. Abb. 2.13 u. 2.14). Dazu setzt aber auch noch eine mechanische Deformation der Krone ein, indem Stücke der Blattlamina einfach abreißen oder tiefe Risse im Blattgewebe zwischen den Blattnerven entstehen. Auf starke Küstenwindeinwirkungen sind auch die bekannten Krattwälder an der Nordsee zurückzuführen, die sich von den Küsten Schleswig-Holsteins bis nach Norwegen hinauf erstrecken. Sie gleichen physiognomisch den windgeschorenen Wäldern Neuseelands, die wir in Abb. 2.13 gesehen haben. Es handelt sich dabei um eine windbedingte Form von Niederwäldern: Zum Kratt gehört also der Seewind. Seewärts zum Meere hin sind diese Wälder durch einen dichten Strauchgürtel abgeschirmt. Im Schutze des niedrigen Gebüsches können zur windabgekehrten Seite hin die Sträucher immer etwas höher wachsen, bis schließlich einige Bäume auftreten, die erst noch niedrig sind, landeinwärts jedoch normale Höhe erreichen und nur deren Gipfel vom Sturm beeinflusst werden. Der Krattwald weist also somit im Profil eine deutliche Stromlinienform auf. Es ist vollkommen unmöglich, in einen solchen Krattwald von der Windseite aus
8.6 Windwirkungen
227
einzudringen, da die Zweige eine dichte, geschlossene Wand bilden, über die der Sturm hinwegfegt. Die Winderosion kann größere Ausmaße an den Sandstränden der Meeresküsten annehmen. Der Sand stammt zumeist aus Ablagerungen am Meeresstrand. Er wird nahe der Bodenoberfläche weitergetrieben und an bestimmten Stellen zu Dünen aufgehäuft. Bei der Bildung unserer Küstendünen an Nord- und Ostsee ist neben dem Wind auch die Vegetation maßgebend beteiligt. Stößt der Wind auf ein totes Hindernis, so wird die Windstärke im Lee abgeschwächt, und es kommt hier zu Sandablagerungen in Form von Sandschwänzen. Es wird so lange Sand angehäuft, bis die Anhäufung die Höhe des Hindernisses erreicht. Darüber kann sie nicht hinauswachsen. Anders verhält sich der Fall, wenn das Hindernis mit zunehmender Sandablagerung immer höher wächst, was bei unseren Dünenpflanzen, vor allem bei den Hauptdünenbildnern, nämlich unseren Strandgräsern Strandweizen Elymus farctus, Strandhafer Ammophila arenaria und Strandroggen Elymus arenarius, zutrifft, und wenn sich die ersten Embryonaldünen bilden (Abb. 8.13).
Abb. 8.13. Grashorste von Elymus farctus (vorne) und Elymus arenarius bilden durchlässige, elastische Hindernisse auf den Strandplaten. Hier wird der Sand nicht nur hinter dem Hindernis, sondern auch zum Teil in ihm selbst abgelagert, das heißt, der Grashorst wird teilweise verschüttet. Die Pflanze wächst aber durch den Sand wieder hindurch. Damit wird das Hindernis erhöht, und es kann neuer Sand abgelagert werden. Die Düne nimmt also aufgrund des Wachstums der Dünengräser immer mehr an Höhe zu. So entstehen am Meeresstrand Primärdünen
228
8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Als weitere Dünenbildner kommen, wenn auch untergeordnet, Cakile maritima und Honckenya peploides vor, die einen relativ hohen Salzgehalt des Bodens vertragen können. Deshalb sind sie auch nahezu von jeder Konkurrenz bei der Bildung der Primärdünen ausgeschlossen, denn die Primärdünen werden ja in Strandnähe gebildet. Vor allem der Einfluss des Pflanzenwachstums ist für die Entstehung und die Bewegung von Wanderdünen entscheidend. Pflanzen können ab einer bestimmten Besiedlungsdichte sichelförmige Dünen in parabelförmige umwandeln. Ist die Primärdüne höher geworden, so wird sie immer mehr vom Regenwasser ausgesüßt. Es siedeln sich dann bei einem Salzgehalt, der nicht mehr über 1% Salz hinausgeht, langsam andere Arten an, die zuerst wegen des höheren Salzgehaltes hier nicht gedeihen konnten. Solche Arten sind in der Hauptsache Ammophila arenaria und Elymus arenarius, die mit dem Elymo-Ammophiletum eine eigene Pflanzengesellschaft bilden. Beide Dünengräser sind viel wüchsiger als der Strandweizen. Daher unterdrücken sie allmählich den Strandweizen und beherrschen bald die Düne. Bei diesem neuen Wandel in der Vegetationsbedeckung sprechen wir von einer Sekundärdüne. Im Gegensatz zur primären Strandweizendüne ist dies also eine Strandhaferdüne. Sobald die oberirdischen Teile des Strandhafers und der Strandgerste zugeweht werden, tritt eine Streckung der Internodien an der Basis ein, und es wachsen neue Ausläufer steil aufwärts in den neu abgelagerten Sand hinein, so dass die Pflanzen immer wieder die Spitze der Dünen erklimmen. Die Rhizome und Wurzeln dieser Dünengräser gehen oft über einen Meter in die Tiefe und wachsen mehrere Meter in horizontaler Richtung. Im Sommer verlängern sie sich sehr rasch, bis zu 10 Zentimetern pro Woche. Diese Sekundärdünen können auf den Nordseeinseln bis zu 20 Meter Höhe erreichen. Zunächst liegen die Sekundärdünen zerstreut hinter dem Strandgelände. Bei Sturmfluten werden sie aber vom Wasser angenagt, und das abgespülte Material wird zwischen den Dünen abgelagert. Somit entsteht ein zusammenhängender Dünenwall, an dem an der Luvseite neuer Sand durch den Wind angelagert wird (Abb. 8.14). Bei weiteren Sandablagerungen am Strand rückt die Strandlinie zum Meer hin fort, während die Sekundärdünen weiter ins Binnenland rücken. Sie werden auch bei Sturmfluten nicht mehr vom Meerwasser überspült, und es kann damit eine vollkommene Aussüßung durch das Regenwasser einsetzen. Ebenfalls sind die Sandablagerungen hier in größerer Entfernung vom Strand nicht mehr nennenswert. Es siedeln sich jetzt Pflanzen an, die zunächst nur schwächere Übersandung ertragen können, wie Salix repens oder Carex arenaria. Weiterhin, wenn keine Übersandungen mehr erfolgen, treten Pflanzengesellschaften auf, die auch auf unseren festgelegten Binnensanddünen und Sandfeldern vorkommen. Artenbeispiele sind
8.6 Windwirkungen
229
Abb. 8.14. Sekundärdüne mit Ammophila arenaria und Ammocalamagrostis baltica auf der Nordseeinsel Langeoog
Abb. 8.15. Tertiärdünenlandschaft mit natürlichen Krähenbeerheiden aus Empetrum nigrum als erstes Altersstadium auf der ostfriesischen Insel Spiekeroog
230
8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
Corynephorus canescens, Carex arenaria, Calluna vulgaris und Hippophae rhamnoides, den wir besonders aus Kapitel 7.4 kennen. Die Düne hat damit das Stadium der Tertiärdüne erreicht. Durch Abfall von totem Pflanzenmaterial wird der Oberboden zunehmend humoser. Die weiße Farbe der Primär- und Sekundärdünen, die durch laufende Übersandung zustande kam, wird hier zur grauen Farbe des humosen Bodens. Man spricht daher wohl auch von Graudünen (Abb. 8.15).
Abb. 8.16. Seewindgeschorener Eichenkratt mit Quercus petraea und Salix arenaria im Populo-Quercetum auf der Nordseeinsel Spiekeroog
Im Bereich des Sanddorn-Gebüsches vollzieht sich normalerweise der Übergang von der Weißdüne zur Graudüne. Die Kriechweide Salix repens ist den Winden gegenüber unempfindlich; sie erklimmt daher auch die Dünenkuppen und kann dort die letzten Wehsande fangen und festlegen. Für Hippophae rhamnoides ist sie Wind- beziehungsweise Sandschutz. Der Sanddorn bleibt im Luv niedrig, wächst im Lee aber bis zu 2 Meter hoch. In der Altersphase des Sanddorn-Gebüsches kommen Straucharten hinzu, meistens der Holunder Sambucus nigra, der windfest genug ist, um an stickstoffreiche Stellen vorzudringen. Vor allem aber folgen dem Elymo-Ammophiletum in der Sukzession typische Trockenrasen-Vegetationseinheiten der sich anschließenden Graudünen, meist mit Silbergrasrasen vom Typ des Violo-Corynephoretum, auf die wir im Kapitel 10 noch ein-
8.7 Literatur
231
mal zu sprechen kommen werden. Diese sind Ausgangsstadien für die Entwicklung der natürlichen Küstenheiden, vor allem aus Calluna vulgaris und Empetrum nigrum, die meistens mit den Trockenrasen mosaikartig verzahnt sind. Ihr endgültiges Verteilungsmuster in den Dünen ist jedoch mikroklimatisch bestimmt: Es gibt auffällige Unterschiede bei der Besiedlung von Nord- und Südexpositionen. Während das Violo-Corynephoretum seinen Schwerpunkt in Südlage hat, ist die Krähenbeerheide vom Typ des Hieracio-Empetretum bevorzugt auf Nordhängen verbreitet. Hierbei machen die unterschiedlichen Wärme- und Feuchtigkeitsansprüche der Silbergrasrasen beziehungsweise der Krähenbeerheiden ein solches Verteilungsmuster verständlich. Bei ungestörter Weiterentwicklung können sich auf den Dünen natürliche windharte Birkenwälder oder vereinzelt sogar Pappel-Eichenwälder als windgeschorene Kratts ausbilden (Abb. 8.16). Graudünen und Braundünen bilden zusammen mit ihren Gebüschen und Dünenwäldern die Tertiärdünenlandschaft.
8.7 Literatur Amberger A (1988) Pflanzenernährung. UTB. Ulmer, Stuttgart Buchanan BB, Gruissem, W, Jones R L (2002) Biochemistry & Molecular Biology of Plants. Am Soc of Plant Physiologists, Rockville Campbell NA, Reece JB (2006) Biologie. 6. Aufl. Pearson Studium, München Boston San Francisco Crawford RMM, Palin MA (1981) Root respiration and temperature limits to the North-South distribution of four perennial maritime plants. Flora 171: 338-354 Dover CL van (2000) The Ecology of Deep-Sea Hydrothermal Vents. Princeton Univ Press, Princeton/NJ Fischer E (1988) Beiträge zur Flora Zentralafrikas I. Eine neue Nymphaea sowie ein neuer Streptocarpus aus Rwanda. Feddes Repert 99: 385-390 Frey W, Lösch R (2004) Lehrbuch der Geobotanik – Pflanzen und Vegetation in Raum und Zeit. Spektrum, Heidelberg Gebhardt H, Glasser R, Radtke U, Reiber P (2007): Geographie. Physische Geographie und Humangeographie. Spektrum Elsevier , München Grassle JF (1991) Deep-sea benthic biodiversity. Bioscience 41: 461-469 Gurevitch J, Scheiner SM, Fox GA (2002) The Ecology of Plants. Sinauer, Sunderland/MA Klink, HJ (1998): Vegetationsgeographie. 3. Aufl. Westermann, Braunschweig Körner C (2003) Alpine Plant Life. Functional Plant Ecology of High Mountain Ecosystems. 2nd ed. Springer, Berlin Heidelberg New York Lal R (1987) Tropical ecology and physical edaphology. Wiley, Chichester Lange OL, Lösch R, Schulze ED, Kappel L (1971) Responses of stomata to changes in humidity. Planta 100: 76-86 Larcher W (1994): Ökophysiologie der Pflanzen. 5. Aufl. Ulmer, Stuttgart Lichtenthaler HK, Buschmann C, Doll M, Fietz HJ, Bach T, Kozel U, Meier D, Rahmsdorf U (1981): Photosynthetic activity, chloroplast ultrastructure and leaf characteristics of high-light and low-light plants and of sun and shade leaves. Phytosyn Res 2: 115-141 Marschner H (1985) Nährstoffdynamik in der Rhizosphäre. Ber Dtsch Bot Ges 98: 291-309 Marschner H (1995) Mineral nutrition of higher plants. 2nd ed. Academic Press, London San Diego Mengel K (1991) Ernährung und Stoffwechsel der Pflanze. Fischer, Jena Moser W, Brzoska W, Zachhuber K, Larcher W (1977) Ergebnisse des IBP-Projekts „Hoher Nebelkogel, 3184 m“. Sitz Ber Österr Akad Ges Math Nat Kl Abt 1: 1-186 Nobel PS (1999) Physiochemical and Environmental Plant Physiology. Academic Press, New York Odum EP (1991) Prinzipien der Ökologie – Lebensräume, Stoffkreisläufe, Wachstumsgrenzen. Spektrum, Heidelberg Petersen J, Pott R (2005) Ostfriesische Inseln – Landschaft und Vegetation im Wandel. Textband + Kartenband. Schlütersche, Hannover Pfadenhauer J (2001): Vegetationsökologie. Ein Skriptum. 2.Aufl. IHW, Eching
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8 Klima und Boden als Standortfaktoren für pflanzliches Leben
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9 Anpassungen der Pflanzen
Heteromorphie, Plastizität, Gestaltwandel und morphologisch-physiologische Veränderungen sind offenbar eine notwendige biologische Voraussetzung für die Anpassungen von Pflanzen an sich ständig verändernde Umweltbedingungen, die ja unsere Erde kennzeichnen. Pflanzen haben sich im Laufe der Zeit vielfältig angepasst und manchmal sogar interessante Gestaltveränderungen hervorgebracht. Dimorphismus ist die Bezeichnung für das regelmäßige Auftreten verschiedener Erscheinungsformen bei ein- und derselben Art; manchmal sehen die männlichen und weiblichen Pflanzen oder Blüten beziehungsweise die jungen und alten Formen derselben Individuen verschieden aus. Gelegentlich kommt auch Saisondimorphismus vor, wobei es sich um das Auftreten einer nach Farbe und Form verschiedenen Frühjahrs- und Sommergeneration handelt. Das Phänomen der Heterophyllie finden wir bei den Unterwasser- und Schwimmblattformen der Teichrose Nuphar lutea (Abb. 9.1).
Abb. 9.1. Dimorphismus und Heterophyllie am Beispiel der Teichrose Nuphar lutea mit ihren typischen Unterwasser- (links) und Schwimmblättern (rechts). Die Teichrose bildet im Flachwasser dicke, ledrige, dunkelgrüne, epistomatische und wasserabscheidende Schwimmblätter sowie dünne, häutige, durchscheinende, blassgrüne, salatblattartige und kurzgestielte Unterwasserblätter, die am Rand gewellt sind. Die Ausbildung von Schwimm- und Unterwasserblättern ist ontogenetisch festgelegt. Letztere zeigen eine Oberflächenvergrößerung der Blattlamina durch asynchrones Wachstum ihrer Intercostalfelder, die den „Salatblatt“-Habitus erzeugt. Die ehemaligen Stomata der Blattunterseite sind zu Hydropoten umgewandelt, was eine zusätzliche Mineralstoffaufnahme über die Unterwasserblätter ermöglicht
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9 Anpassungen der Pflanzen
Mit Ausnahme der Phänomene Dimorphismus und Heterophyllie sind Variationen von Merkmalen innerhalb der Pflanzenarten kontinuierlich. Manchmal sind jedoch auch Verzweigungsmodi, Bedornung, Verästelung und die Blattgestalten einzelner Arten physiognomisch heteromorph und täuschen so unterschiedliche Pflanzensippen vor: Dieses Phänomen heißt Divarikation und ist für viele strauchige, meist sklerophylle Gehölzarten der Tropen und Subtropen bekannt. Gehäuft tritt es in Neuseeland auf, wo bei mehr als 60 Arten verschiedener Familien und Verwandtschaftskreise solche Verzweigungen und divergierenden Beblätterungen von Jungpflanzen spezieller Gebüsche und kleiner Bäume verwirrend vielgestaltig sind. Beispiele sind etwa die völlig verschiedengestaltigen Juvenil- und Adultformen von Pseudopanax ferox (Araliaceae) oder auch von Prumnopitys taxifolia (Podocarpaceae) (Abb. 9.2 und 9.3 a).
Abb. 9.2. Pseudopanax ferox aus der Familie Araliaceae ist eine der auffälligsten divarikaten Arten der Flora Neuseelands. Bei juvenilen Pflanzen hängen die bis zu 50 Zentimeter langen und 7 bis 15 Millimeter breiten Blätter von der Sprossspitze herab (links im Bild). Diese Blätter sind am Rande gewölbt und regelmäßig gezähnt. Das Juvenil-Stadium kann bis zu 20 Jahre andauern. Danach entwickelt die Pflanze ein stark verzweigtes Adultstadium mit viel kürzeren und mehr oder weniger abstehenden Blättern
Es gibt viele Überlegungen für eine solche Verschiedengestaltigkeit gerade innerhalb der neuseeländischen Flora. Eine Hypothese besagt, dass diese Pflanzen sich aus laubwerfenden und nur schwach hartlaubigen Arten der Eiszeiten entwickelt haben könnten. Eine andere Hypothese vermutet, dass sich solche divarikaten Arten als beweidungsresistent gegen die großen Laufvögel, wie etwa die Moas, vor Ort entwickelt haben und nach
9 Anpassungen der Pflanzen
235
Ausrottung der Moas in den letzten Jahrhunderten heute ohne diesen Selektionsfaktor weiterleben. Das würde auch die starke Bedornung des Strauches Melicytus alpinus erklären (Abb. 9.3 b). Auffällig ist in Neuseeland auch die physiognomische Ähnlichkeit in einer Art Mimikry der Südbuche Nothofagus menziesii mit der endemischen Ericacee Gaultheria antipoda in den Wäldern der Südinsel, die ebenfalls als Anpassung gegen selektiven Verbiss gedeutet wird (Abb. 9.3 c).
Abb. 9.3a-c. a Die eibenähnlichen Blätter von Prumnopitys taxifolia aus der Familie Podocarpaceae werden 1 bis 1,5 Zentimeter lang. b Die auf der Südinsel Neuseelands endemische Melicytus alpinus aus der Familie Violaceae zeigt im Adultstadium Blätter im Inneren des Strauches und Dornen nach außen. Die Divarikation dient offenbar als Camouflage gegen den Verbiss der Jungpflanzen. Was den Wechsel des Juvenil- und Adult-Kontrastes bewirkt, ist noch unbekannt. c Gaultheria antipoda aus der Familie Ericaceae (oben) und Nothofagus menziesii (unten) sind täuschend ähnlich in ihren Blattformen und wachsen zusammen in neuseeländischen Buchenwäldern
Im Laufe von Generationenfolgen verändern sich also über längere Zeiträume Merkmalsgefüge durch Mutation und durch Selektion derart, dass Anfangs- und Endglieder solcher Entwicklungsreihen zu zwei verschiedenartigen Arten gestellt werden. Es findet dann keine Kreuzung der gleichzeitig lebenden Arten mehr statt. Eine Stammart spaltet sich so im Laufe der Evolution in zwei oder mehr gleichzeitig lebende Schwesternarten auf, ein Phänomen, das als Speziation bezeichnet wird. Die Höheren Pflanzen haben sich also – wie alle Organismen – im Laufe ihrer Evolution an bestimmte abiotische Rahmenbedingungen angepasst. An der äußeren Gestalt der Pflanzen erkennt man häufig ihre Anpassung an die Standortbedingungen. Deshalb ist zu erwarten, dass sie in verschiedenen Gebieten der Erde unter vergleichbaren Standortbedingungen auftreten können und dies auch tun. Eine mediterrane Art wird in Mit-
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9 Anpassungen der Pflanzen
teleuropa eher trockene und warme Standorte, wie Südhänge in Flusstälern, bevorzugen; eine boreale Art eher feuchte und kühle Standorte, wie Moore oder Nordhänge von Bergkämmen. Schattentolerante Pflanzen, die in Mitteleuropa als Unterwuchs von Buchenwäldern vorkommen, wachsen beispielsweise im wolkenreichen, atlantischen Klima Westirlands auch in Offenlandschaften. Ein Paradebeispiel ist die spätfrostgefährdete, atlantisch verbreitete Stechpalme Ilex aquifolium, die in Westeuropa in Küstennähe im Freiland als Baum wächst und im Binnenland den Schutz der Wälder sucht. Ilex aquifolium ist die einzige in Mitteleuropa einheimische immergrüne Laubbaumart. Sie ist besonders empfindlich gegenüber tiefen Wintertemperaturen. Ihre Arealgrenze stellt ein klassisches Beispiel einer klimatisch bedingten Verbreitungsgrenze dar, das oft in Lehrbüchern der Botanik aufgeführt wird. Zurzeit beobachten wir eine Ausweitung ihrer nördlichen Arealgrenze in Europa (Abb. 9.4).
Abb. 9.4. Klimalimitierte Verbreitungsgrenze der Stechpalme Ilex aquifolium (grün) und der Verlauf der mit blauer Linie markierten Null-Grad-Januar-Isotherme (nach Walter u. Straka 1970). Die nördliche Verbreitungsgrenze von Ilex aquifolium gilt als klassisches Beispiel einer klimalimitierten Arealgrenze und war Basis zahlreicher vegetationsgeschichtlich-paläoökologischer Arbeiten. Die Basisdaten (links) gehen auf eine Arbeit von J. Iversen (1944) zurück, die Verschiebung der Arealgrenzen nach Norden (rechts) und der Isothermen basieren auf den Daten von S. Berger et al. (2007)
Manche Arten stellen enge Ansprüche an den Standort und sind nur unter ganz bestimmten Bedingungen anzutreffen. Wir nennen sie stenöke Pflanzen mit enger ökologischer Amplitude. Das Gegenteil sind euryöke Arten, die ein breites Standortspektrum besitzen. Im Allgemeinen differenzieren wir die Pflanzen in Generalisten und Spezialisten und bezeich-
9.1 Wasserhaushaltstypen
237
nen sie entsprechend ihrer Reaktion auf spezielle Standortfaktoren mit dem Präfix „eury-“ oder „steno-“ und leiten aus ihrem Verhalten auch ihren ökologischen Zeigerwert ab (Tabelle 9.1). Tabelle 9.1. Generalisten und Spezialisten Standortfaktor
Generalisten
Spezialisten
Allgemein
euryök
stenök
Temperatur
eurytherm
stenotherm
Salzgehalt
euryhalin
stenohalin
Wassergehaltsschwankungen
euryhydrisch
stenohydrisch
9.1 Wasserhaushaltstypen Dem Wasser stehen zwei Wege beim radialen Transport durch das Rindengewebe der Wurzel zum Zentralzylinder offen: als apoplastischer Weg über die Zellwände mittels Diffusion durch die intermicellären und interfibrillären Räume bis zur Endodermis. Dort endet der freie Diffusionsraum, da mitgeführte Ionen den Casparyschen Streifen nicht passieren können (vgl. Kap. 8.2). Der Weg in den Zentralzylinder der Wurzel führt nur über das Cytoplasma und die Vakuolen, vor allem in den Durchlasszellen. Der symplastische Weg verläuft durch die Plasmodesmen der Gewebeprotoplasten, wenn ein Gefälle der Saugkraft in radialer Richtung vorliegt. Tatsächlich ist im Inneren der Wurzel die Saugkraft am höchsten, weil die Gefäße in den Leitbündeln den Zellen relativ viel Wasser entziehen. Nach außen nimmt die Saugkraft des Wassers allmählich ab. Die Wasserbewegung in der Pflanze folgt entsprechend gerichtet dieser Saugkraftkette. Der Übertritt des Wassers aus dem Protoplasten von Durchlasszellen in den Zentralzylinder und weiter über die Markstrahlen in das Fernleitungssystem ist noch nicht eindeutig gekärt, wahrscheinlich sind Wasser- und Ionenkanäle daran beteiligt. Grundsätzlich unterstützt der Wurzeldruck die für den Wassertransport wirksame und durch die Transpiration ausgelöste Saugkraft, den „Transpirationssog“ und den hydrostatischen Druck der Pflanzen. Bei den Koniferen bestehen die Wasserleitbahnen aus aneinandergereihten gestreckten Zellen, den Tracheiden, die rund nur einen Millimeter lang sind. Sie grenzen jeweils seitlich an ihren Enden aneinander, wobei Tüpfel den Übertritt des Wassers ermöglichen. In den Tüpfeln ist eine in der Mitte verdichtete Membran gespannt, die das Wasser nur am Rande passieren
238
9 Anpassungen der Pflanzen
lässt. Laubbäume dagegen besitzen vergleichsweise dicke und lange Tracheen. Wo das Wasser durch Tüpfel strömen muss, trifft es auf Membranen, die auf der ganzen Fläche durchlässig sind. Es scheint somit besonders leicht fließen zu können. John Sperry et al. (2005) haben neuerdings an Mammutbäumen (Sequoiadendron giganteum) Kaliforniens gezeigt, dass die Leitungsbahnen dieser Koniferen dem Wasser sogar weniger Widerstand entgegensetzen als diejenigen der Laubbäume. Das Wasser zwängt sich durch Nanometer große Poren in der Membran. Wären diese Löcher größer, könnten die Tüpfel ihre Aufgabe, beim Eindringen von Luft die Leitungsbahnen zu verschließen, nicht erfüllen. Die Tüpfelmembran der Koniferen hingegen bietet dem Wasser wesentlich größere Schlupflöcher, wodurch ihr Nachteil, dass sie in der Mitte undurchlässig ist, mehr als wettgemacht wird. Dringt Luft in das Wasserleitsystem eines Nadelbaumes ein, wird der verdickte Mittelteil der Membran gegen die Tüpfelöffnung gepresst und somit der Gefahr einer transpiratorischen Embolie entgegengewirkt. Bei den zu den höchsten Bäumen der Erde zählenden bis 112,7 Meter großen Exemplaren von Sequoia sempervirens haben jüngst Georg W. Koch et al (2004) obendrein festgestellt, dass in den obersten Baumspitzen der eingeschränkte Wassertransport auch die Photosynthese limitiert und schließlich das Längenwachstum dieser Baumriesen beschränkt (Abb. 9.5).
Abb. 9.5. Die kalifornischen Mammutbäume Sequoia sempervirens (links) und Sequoiadendron giganteum (rechts) aus der Familie Taxodiaceae gehören zu den höchsten Bäumen der Erde
9.1 Wasserhaushaltstypen
239
Im Gegensatz zu anderen chemischen Substanzen, etwa Ionen, kann Wasser nicht aktiv aufgenommen und transportiert werden. Die Wasserflüsse sind stets passiv und energiefrei beziehungsweise verlaufen entlang einem Energiegradienten. Zur Beschreibung von Wasserflüssen hat sich eine thermodynamische Kenngröße als zweckmäßig erwiesen, das Wasserpotential. Das Wasserpotential ist eine vom chemischen Potential des Wassers abgeleitete Größe und setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen: =P–
– [PA]
(psi) = Wasserpotential; P = hydrostatischer Druck; (pi) = osmotisches Potential; (tau) = Matrixpotential; PA = Pflanzenflächenindex
wird in der Einheit Pascal (1 Pa = 1 kg/(m·s²) = 1 N/m²; frühere Maßeinheit Bar: 1 bar = 0,1 MPa [Megapascal]) angegeben. Das Wasserpotential ist der thermodynamische Zustand des Wassers, also die benötigte Energie, um Wasser eines bestimmten Systems in den Standardzustand zu überführen. Als Bezugssystem wird das Wasserpotential reinen Wassers in einem Standardzustand gleich 0 gesetzt. ist also gleich 0 bei einem Druck von 0,1 MPa (Megapascal) und einer Temperatur von 0 Grad Celsius. In dieser Form beschreibt die freie Enthalpie pro Volumeneinheit Wasser in einer Lösung bezogen auf den Standardzustand von Wasser oder anders ausgedrückt die Arbeit, die in ein System hinein gesteckt werden muss, um das vorliegende Potential des Wassers auf das Potential reinen Wasser zu heben. Da das Potential reinen Wassers gleich Null definiert ist, werden die Wasserpotentiale alle < 0 und besitzen immer negative Werte. Je weiter sich das Wasserpotential von Null entfernt, desto niedriger ist es, und umso mehr Arbeit muss aufgewendet werden, um es wieder auf das Potential reinen Wassers zu heben. Daraus folgt nun, dass ein energiereicher Wasserfluss nur von Orten hohen Wasserpotentials zu Orten niedrigen Wasserpotentials stattfinden kann. Es gibt immer wieder Schwierigkeiten mit den Begriffen „höher“ und „niedriger“ im Zusammenhang mit Wasserpotentialen. Man kann es sich am besten an einem Thermometer und Temperaturen unter Null klar machen. Eine Temperatur von minus 5 Grad Celsius ist höher als eine Temperatur von minus 10 Grad Celsius. Genau so ist ein Wasserpotential von minus 0,5 Megapascal höher als eines von minus 1,0 Megapascal. In der dargestellten Form erhält das Wasserpotential die Dimension eines Drucks, also Pascal (Pa) beziehungsweise Megapascal (MPa, früher: bar), und wir können die Wasserpotentialwerte für unsere Pflanzen an einem Standort wie folgt angeben: Boden <
Pflanze <
Luft
240
9 Anpassungen der Pflanzen
Die Transpiration ist ein Diffusionsvorgang und gehorcht damit dem 1. Fickschen Gesetz. Wir können es für die Transpiration in der folgenden Form schreiben: EBlatt = gBlatt ·
W
EBlatt = Transpirationsrate eines Blattes [mmol H2Om-2/s-1]; gBlatt = Leitfähigkeit eines Blattes für Wasserdampf [mmol H2Om-2/s-1]; W = WasserdampfdruckDifferenz zwischen Blatt und Außenluft [dimensionslos] = vpd (vapor pressure deficit)
Die Blattleitfähigkeit gBlatt ist nichts anderes als das Reziproke der Summe aller Diffusionswiderstände auf dem Weg zwischen Zellwand und Umgebung. Die Blattleitfähigkeit wird ganz wesentlich von der Öffnungsweite der Stomata bestimmt. Daraus folgt, dass bei konstanter Öffnungsweite der Stomata die Transpiration eines Blattes nur von W abhängt. Das bedeutet, dass im Tagesverlauf die Transpiration den gleichen Kurvenverlauf haben wird wie W. Überall dort, wo dies nicht der Fall ist, hat die Pflanze aktiv durch Veränderung der Spaltöffnungsweite ihren Wasserverlust beeinflusst. Da die Transpiration leicht bestimmt werden kann und W eine ebenso leicht zu berechnende Größe ist, kann man die Blattleitfähigkeit einfach bestimmen. EBlatt =
mWasser t·A
mWasser = Menge des transpirierten Wassers [mol H2O]; t = Zeitabschnitt in Sekunden; A = Blattfläche [m²]
Die Wasserdampfdruck-Differenz, das heißt die Differenz des Molenbruchs für Wasserdampf innerhalb des Blattes (Wasserdampf-Partialdruck zu Luftdruck) und dem Molenbruch für Wasserdampf der umgebenden turbulenten Außenluft berechnet sich wie folgt: W = NBlattinnenraum - NLuft
PWasser Blattinnenraum PLuft
-
PWasser Luft PLuft
Das Wasserpotential quantifiziert also ganz allgemein den Energieaufwand, der nötig ist, um das System „Pflanze im Boden“ mit Wassermolekülen abzusättigen beziehungsweise solche aus ihm zu entfernen. Dieser Energiebedarf zur Verschiebung von Wassermolekülen im Gesamtsystem wird letztlich bestimmt durch die Intensität der Bindung, mit welcher die Wasserdipole vom jeweiligen Milieu festgehalten werden, und durch die Aufnahmekapazität des jeweiligen Mediums für Wasser. So sind Wassermoleküle im Boden normalerweise an die Oberflächen der Bodenkolloide
9.1 Wasserhaushaltstypen
241
angelagert und so mit der Bodenmatrix verbunden. Ihre freie Beweglichkeit ist gewissermaßen eingeschränkt, und man bezeichnet sie als Matrikale Teilkomponente des Wasserpotentials (Matrixpotential). Sie ist als Größe in die zuvor genannte Formel eingegangen und im Kapitel 4.5 erläutert worden (vgl Abb. 4.15). Die Osmotische Komponente des Wasserpotentials steht dagegen für die Kräfte in den Vakuolen der Pflanzenwurzelzellen und liegt meist in der Größenordnung von minus 1 und minus 2 Megapascal (entsprechend minus 10 bis minus 20 bar) bei mesophytischen Pflanzen (Osmotisches Potential). Bei normalen Wald- und Ackerböden wird das Gesamtwasserpotential hauptsächlich durch die matrikalen Bindungsgrößen bestimmt, in Salzböden jedoch überwiegt die osmotische Komponente. Insgesamt gesehen herrscht somit in gut wasserversorgten und nur mäßig austrocknenden Böden ein vom Boden zur Pflanze hin gerichteter Wasserpotentialgradient vor. Er beträgt nach W. Larcher (1980) in feuchten Böden bis 0 Megapascal, in trockenen Böden minus 2 bis minus 5 Megapascal, in feuchter, bodennaher Luft minus 10 Megapascal und in trockener Luft minus 100 Megapascal und mehr. Die Pflanze ist somit im Normalfall in einen Wasserpotentialgradienten vom Boden durch den Pflanzenkörper in den Luftraum eingebunden; dies ist das eigentliche Boden-Pflanze-Atmosphäre-Kontinuum, abgekürzt SPAC (Soil-Plant-Atmosphere-Continuum), von dem eingangs von Kapitel 4 schon die Rede war. Entlang des SPAC strömt das Wasser vom Boden apoplastisch durch die Pflanze bis zu den Blattinterzellularen in flüssiger Aggregatform, vom Blatt über die cuticuläre und stomatäre Transpiration in den Luftraum als Wasserdampf. Die meisten Pflanzen können ihren Wasserhaushalt so wenig regulieren, dass dieser im Wesentlichen dem der Umgebung entspricht. Wir bezeichnen solche Pflanzen als poikilohydre, also austrocknungstolerante Arten. Sie besitzen kleine Zellen ohne Zentralvakuole, so dass sie ohne Schaden für längere Zeit austrocknen und anschließend wieder Feuchtigkeit aufnehmen und sich wieder entfalten. Unter ihnen gibt es Arten, wie Moose und Flechten, Kryptogamen also, welche die Trockenperioden in einer Art Trockenstarre überdauern. Das können auch einige subtropisch bis mediterran verbreitete Farnpflanzen, wie Ceterach officinarum, Cheilanthes marantae und die „Rose von Jericho“ (Selaginella lepidophylla) aus den Wüsten Jordaniens und Israels (Abb. 9.6). Poikilohydrie ist in ariden Lebensräumen mit kurzen und unregelmäßigen Regenperioden von Vorteil. Die meisten Höheren Pflanzen regulieren ihren Wasserhaushalt über die Transpiration, und ihre Regulationsfähigkeit ist damit begrenzt; wir nennen diese homoiohydre, also eigenfeuchte Arten, welche ihren Wasserhaushalt so weit kontrollieren können, dass sie mehr oder weniger unabhängig vom Wasserhaushalt der Umgebung wer-
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9 Anpassungen der Pflanzen
Abb. 9.6a-d. Beispiele für poikilohydre Pteridophyten: a Selaginella lepidophylla, Selaginellaceae, b Cheilanthes marantae Sinopteridaceae, c-d Ceterach officinarum, Polypodiaceae, c trockener und d feuchter Zustand
den. Hierzu verfügen die Zellen über eine große Zentralvakuole, die den stabilen, lebensnotwendigen Wassergehalt des Protoplasmas gewährleistet. Homoiohydre Pflanzen besitzen zahlreiche cuticuläre und stomatäre Anpassungen zur Regulation ihres Wasserhaushaltes. Die Entwicklung der Homoiohydrie fand statt im Silur vor etwa 420 Millionen Jahren beim Übergang der Pflanzen vom Wasser zum Land. Heute gehören fast alle Kormophyten diesem Typ an. Als erste kormophytische Landpflanze ist uns Cooksonia caledonica, ein fossiler Nacktfarn aus der Gruppe der Psilophyten aus dem Silur der Britischen Inseln und aus Böhmen bekannt. Die Psilotaceae sind heute nur noch durch die beiden pantropisch verbreiteten Gattungen Psilotum und Tmesipteris mit je nur zwei Arten vertreten (Abb. 9.7). Das Landleben stellte große Herausforderungen an die Pflanzen und brachte erhebliche evolutionäre Neuerungen mit sich. Wichtig wurden beispielsweise Epidermen mit Spaltöffnungen zum Gasaustausch und mit Cuticula als Verdunstungsschutz; Wurzeln beziehungsweise Rhizoide zur Verankerung und zum Transport, Leitgewebe mit Xylem zum Wasser- und Ionentransport sowie Phloem zum Transport organischer Stoffe, ferner verschiedene Festigungselemente zur Stabilisierung mit Lignin und Sklerenchym. Insgesamt begünstigt feuchte Luft die Hygromorphie von Pflanzen, während trockene Luft die Xeromorphie fördert. Stellt man nun Einflüsse verschiedener Feuchtigkeitsverhältnisse, die man beispielsweise über die potentielle Evapotranspiration ermitteln kann, an Pflanzenstandorten zusammen, wird schnell klar, dass sich diese im
9.2 Formen der Primärproduktion
243
morphologischen und anatomischen Bau der Pflanzen bemerkbar machen. Eine Übersicht über wesentliche Faktoren vermittelt die Tabelle 9.2.
Abb. 9.7. Die Psilophyten Psilotum nudum (Australien, links) und Tmesipteris vieillardii (Neukaledonien, rechts) sind „lebende Fossilien“: Die habituelle Ähnlichkeit der Psilotaceae mit den ersten bekannten Landpflanzen aus der Silurzeit ist zunächst so verblüffend, dass noch vor wenigen Jahren eine tiefere Verwandtschaft vermutet wurde. Es gibt Anhaltspunkte für eine Verwandtschaft mit den Bärlappgewächsen, aber auch mit echten Farnen, wie den Gleicheniaceae, etwa mit der neukaledonischen Stromatopteris aus der Familie Schizeaceae. Tmesipteris hat etwas größere Mikrophylle in locker schraubiger Anordnung, die flügelartig an der Sprossachse herunterlaufen. Sie sind noch nicht ohne weiteres den Blättern der Höheren Pflanzen gleich zu stellen. Psilotum nudum ist noch in Australien und Neukaledonien verbreitet und findet sich als Relikt in Europa nur in Südspanien bei Algeciras
9.2 Formen der Primärproduktion Die Photosynthese ist die Stoffwechselgrundlage der Biosphäre: In den Lichtreaktionen wird Sonnenenergie eingefangen und dazu benutzt, ATP aus ADP zu regenerieren und Elektronen von Wassermolekülen auf NADP+ zu übertragen. ATP und NADPH dienen dann im Calvin-Zyklus zur Synthese von Zucker aus Kohlendioxid. Die Energie, welche die Chloroplasten als Sonnenlicht absorbieren, wird als chemische Energie in organischen Verbindungen gespeichert. In den meisten Pflanzen erfolgt die anfängliche Kohlenstoff-Fixierung durch die Rubisco (Ribulosebisphosphat-Carboxylase-Oxygenase), jenes Enzym des Calvin-Zyklus, das CO2 an Ribulose-1,5-bisphosphat bindet. Pflanzen mit solchem Metabolismus bezeichnet man als C3-Pflanzen, weil das erste Produkt der Kohlenstoff-Fixierung bei ihnen das 3-Phosphoglycerat ist, eine Verbindung mit drei Kohlenstoffatomen. Diese Arten erzeugen weniger Photosyntheseprodukte, weil ihre Spaltöffnungen an heißen, trockenen Tagen geschlossen bleiben müssen, um einen zu hohen Wasserverlust durch die Transpiration zu verhindern (Abb. 9.8).
244
9 Anpassungen der Pflanzen
Tabelle 9.2. Übersicht Feuchtigkeitsverhältnisse und Formgestaltung der Pflanzen Schwache potentielle Evapotranspiration: Begünstigung der Hygromorphie
Starke potentielle Evapotranspiration: Begünstigung der Xeromorphie
Begünstigung des Wachstums und der Blattentwicklung
Hemmung des Wachstums und Verkleinerung der Transpirationsfläche
Verringerung der Ausbildung von Stacheln und Haaren
Begünstigung von Stacheln und Haarbildungen
Verzögerung der Blütenbildung und Fruchtreife
Beschleunigung der Blüten und Fruchtbildung
Vergrößerung der Interzellularen und des Schwammparenchyms
Starke Entwicklung des Wurzelsystems zum Ausgleich des Wasserdefizits
Verlangsamte Verholzung und Einschränkung der Holzgefäße
Verkleinerung der Epidermiszellen und Verringerung der Rinden- und Markschicht
Vergrößerung der Rinden- und Markzellen
Begünstigung der Sklerenchym-, Kork- und Holzbildung Förderung des Palisadenparenchyms in Blättern (daher Verdickung) Vielfach Transpirationseinschränkung durch Einsenkung der Spaltöffnungen, Einrollen der Blätter etc.
Entsprechende Umweltbedingungen, die der Photorespiration Vorschub leisten, herrschen an trockenen, stark besonnten und heißen Standorten. Die C4-Pflanzen heißen so, weil hier dem Calvin-Zyklus eine andere Art der Kohlenstoff-Fixierung vorgeschaltet ist, bei der als erstes Produkt eine Verbindung mit vier Kohlenstoffatomen entsteht. Diesen C4-Dicarbonsäureweg nutzen viele Arten nicht nur der ariden Tropen und Subtropen aus derzeit bekannten rund 20 verschiedenen Pflanzenfamilien. Der Mechanismus des C4-Dicarbonsäurewegs ist in der Regel an einen besonderen anatomischen Aufbau der Blätter gebunden. Die meisten C4-Pflanzen besitzen zwei Typen photosynthetisch aktiver Zellen: die Bündelscheidenzellen der Leitbündel und die Mesophyllzellen. Die Bündelscheidenzellen sind als dichter Kranz um die Leitbündel angeordnet. Zwischen dieser Leitbündelscheide und der Blattepidermis, also dem äußeren Abschlussgewebe, liegen die lockerer gepackten Mesophyllzellen. Der CalvinZyklus läuft ausschließlich in den Chloroplasten der Bündelscheidenzellen ab, aber zuvor wird CO2 im Mesophyll in organische Verbindungen einge-
9.2 Formen der Primärproduktion
245
baut. Ein erster Schritt ist die Anlagerung von CO2 an Phosphoenolpyruvat (PEP), bei der Oxalacetat entsteht, ein Molekül mit vier Kohlenstoffatomen. Letztlich „pumpen” die Mesophyllzellen der C4-Pflanzen das CO2 also in die Bündelscheidenzellen. Dadurch bleibt dort der CO2-Partialdruck so hoch, dass die Rubisco keinen Sauerstoff, sondern Kohlendioxid bindet. Das ist der „Trick“ der C4-Pflanzen. Auf diese Weise wird die Photorespiration auf ein Minimum beschränkt und die Zuckerproduktion läuft auch bei teilweise geschlossenen Stomata unvermindert weiter. Die maximale Zuwachsrate kann das Zehnfache der Effizienz von C3-Pflanzen betragen. Besonders vorteilhaft ist diese Anpassung in den Tropen und anderen heißen Gegenden mit starker Sonneneinstrahlung. Das sind auch genau die Gebiete, in denen sich die C4-Pflanzen seit dem Oligozän vor etwa 25 Millionen Jahren evolutiv durchgesetzt haben.
Abb. 9.8. Photosyntheseraten bei verschiedenen Temperaturen in der C3Wüstenpflanze Camissonia claviformis (Onagraceae), die normalerweise im Winter und im Frühling wächst, und bei der C4-Pflanze Amaranthus palmeri (Amaranthaceae) aus demselben Lebensraum, welche im Sommer wächst. Die Maximumrate der Photosynthese liegt in der C3-Pflanze bei 23 Grad Celsius und bei der C4-Pflanze um 42 Grad Celsius (aus Gurevitch et al. 2002 © Sinauer Ass. Inc.)
Bei drei Vertretern der Familie Amaranthaceae hat man kürzlich festgestellt, dass sie C4-Photosynthese durchführen, aber keine kranzförmigen Bündelscheidenzellen besitzen. Suaeda aralocaspica weist dabei eine proximale und eine distale Kompartimentierung der Chloroplasten auf, Bienertia cycloptera und Bienertia sinuspersici haben ein zentrales und ein peripheres chloroplastidäres Kompartiment. Diese Pflanzen exprimieren PEP-Carboxylase, Pyruvat-Phosphat-Dikinase und das NAD-Malatenzym und gehören zum NAD-Malatenzym-Typ. Ein zweiter, an besonders trockene Standorte angepasster Weg der CO2Fixierung existiert bei den sukkulenten Arten der Dickblattgewächse sowie bei vielen Kakteen, Bromelien und Vertretern von über 25 weiteren Pflanzenfamilien. Diese Pflanzen öffnen ihre Spaltöffnungen nachts und schlie-
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9 Anpassungen der Pflanzen
ßen sie am Tage, genau umgekehrt, wie es die anderen machen. Wenn sie die Spaltöffnungen tagsüber geschlossen halten, vermindert sich zwar der Wasserverlust, aber gleichzeitig kann auch kein CO2 in die Blätter gelangen. Dazu haben diese Pflanzen folgenden Ausweg beschritten: Nachts nehmen sie durch die geöffneten Spaltöffnungen CO2 auf und bauen es in verschiedene Carbonsäure-Anionen ein, hauptsächlich in Malat. Diesen Weg der Kohlenstoff-Fixierung nennt man, weil man ihn bei Sukkulenten aus der Familie Crassulaceae zuerst entdeckt hat, Crassulaceen-Säurestoffwechsel (Crassulacean acid metabolism, CAM). Die Mesophyllzellen solcher CAM-Pflanzen speichern die Carbonsäuren, die sie nachts produzieren, bis zum Morgen in großen Vakuolen und schließen dann ihre Spaltöffnungen. Da nachts tiefere Temperaturen als tagsüber herrschen, somit also die Luftfeuchtigkeit relativ höher und der Wasserverlust der Pflanzen durch Transpiration nur gering ist, können die Stomata der CAMPflanzen zu dieser Zeit geöffnet bleiben. CO2 dringt in den Pflanzenkörper ein und wird in der Primärfixierung von CO2 vorfixiert. Mit Hilfe der PEPCarboxylase werden CO2 und PEP zu Oxalessigsäure (Oxalacetat) umgewandelt und anschließend durch ein weiteres Enzym, die Malatdehydrogenase, zu Malat2- reduziert. Eine H+/ATPase in der Tonoplastenmembran pumpt unter Energieaufwand Protonen in die Vakuole, worauf Malat2-Ionen passiv folgen. Es wird also eine Potentialdifferenz beziehungsweise ein elektrochemischer Gradient zwischen Cytoplasma und Tonoplast aufgebaut. Im Tonoplasten bildet sich aus Malat2- und H+ Äpfelsäure. Es können sich hierbei Konzentrationen von 0,1 mol/L einstellen, was einem pH von 3,5 entspricht. Tagsüber, wenn die Lichtreaktionen ATP und NADPH für den CalvinZyklus liefern, wird das CO2 aus den in der Nacht zuvor gebildeten Carbonsäuren in denselben Zellen wieder freigesetzt, so dass es in den Chloroplasten in Zuckermoleküle eingebaut werden kann. Auf diese Weise sind CAM-Pflanzen in der Lage, den unvermeidlichen Wasserverlust auf etwa ein Zehntel gegenüber nicht angepassten C3-Pflanzen zu reduzieren. Allerdings ist ihre Produktivität auch deutlich niedriger. Wegen des Wechsels im Säuregrad mit dem Tagesverlauf spricht man häufig auch vom diurnalen Säurerhythmus. Die CAM-Metaboliten lassen sich noch genauer differenzieren: Am Tage, also bei Belichtung, wird Malat in Oxalessigsäure überführt, aus der Vakuole in die Chloroplasten transportiert und hier in Pyruvat und CO2 gespalten. Während CO2 dem Calvin-Zyklus zugeführt wird, wird das Pyruvat unter Einfluss einer Pyruvat-Phosphat-Dikinase zu PEP umgewandelt, woraus wieder Kohlenhydrate entstehen. Man unterscheidet drei Typen von CAM-Pflanzen, die sich durch verschiedene Enzyme bei der Umwandlung von Malat in CO2 selektiv verhalten:
9.2 Formen der Primärproduktion
247
Box 9.1. Ausbreitungen von C4-Pflanzen im Zuge des „Global Warming“ Es ist derzeit sehr spannend zu beobachten, ob und wie sich C4-Pflanzen im Zuge des Global Warming erfolgreich in solche Gebiete vorwagen können, in deren Klimaten sich normalerweise ein C3-Assimilationstyp evolutiv entwickelt hat. Wir beobachten derzeit beispielsweise bei uns in Mitteleuropa eine Ausbreitung der C4-Pflanzen Atriplex glabriuscula, A. hastata var. salina, A. rosea, A. sabulosa, A. tatarica sowie Salsola kali, Botryochloa ischaemum, Eragrostis pilosa und Setaria viridis. Als Archäophyten sind Setaria pumila, Digitaria ischaemum, Echinochloa crus-galli, Panicum miliaceum, Portulaca oleracea und Euphorbia peplus eingewandert. Nach dem Jahre 1500 sind folgende Neophyten hinzugekommen: Amaranthus retroflexus und andere Amaranthus-Arten, verschiedene Cyperus-Arten, Cynodon dactylon, Eragrostis minor sowie Spartina anglica.
• NADP-Malatenzym-Typ (z. B. Cactaceae, Agavaceae) • NAD-Malatenzym-Typ (z. B. Crassulaceae) • Phosphoenolpyruvat (= PEP)-Carboxykinasen-Typ (z. B. Bromeliaceae, Liliaceae) Die genauen Mechanismen der Regulation zwischen CO2Dunkelfixierung bei Belichtung sind noch nicht vollständig geklärt. Sicher ist jedoch, dass die CO2-Refixierung durch die PEP-Carboxylase durch eine hohe Malatkonzentration (als Endprodukt) gehemmt wird. Man spricht von einer „Feed-back“-Hemmung oder auch Endprodukthemmung. Somit kann die Rubisco während des Tages also allein über das CO2 verfügen und es in den Calvin-Zyklus einschleusen. In der Dunkelheit wird sie allerdings inaktiviert und die PEP-Carboxylaseaktivität setzt sich durch. Ein weiterer Regulationsmechanismus auf Ebene der PEP-Carboxylase ist die Aktivierung durch Phosphorylierung bei Nacht und die Inaktivierung durch Dephosphorylierung bei Tag, also durch Umwandlung von malatsensitiver in malatinsensitive Form. Die ökologischen Vorteile des CAM-Metabolismus sind also hohes Temperaturoptimum, Tolerierung mittlerer bis hoher Lichteinwirkungen und ein sehr niedriger CO2-Kompensationspunkt. Die wohl extremste Ausprägung des CAM findet sich bei einigen Wüstenpflanzen (z. B. Opuntia basilaris, Cactaceae, und Agave americana, Agavaceae, Abb. 9.9), die auf Grund der starken Trockenheit ihre Stomata ständig geschlossen halten. CO2 zirkuliert zwischen Atmung und Photosynthese, und es findet keine Netto-Kohlenstoffaufnahme statt. Somit
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9 Anpassungen der Pflanzen
kommt es praktisch zu einem Nullwachstum. Nur während kurzer Regenphasen können die Pflanzen mit Hilfe des CAM eine positive Nettophotosynthese-Bilanz erzielen. Allerdings kann auch hier eine ausreichende Wasserverfügbarkeit zu einem „normalen“ C3-Stoffwechsel führen.
Abb. 9.9. Agave americana, Agavaceae, am Naturstandort in Arizona, austreibender Blütenstand (links), ausgereifter Blütenstand (rechts)
9.3 Xerophyten Betrachtet man die verschiedenen Organe der Xerophyten (aus griech.: xerós - trocken und phytón - Pflanze) an trockenen Standorten, so wird man eine möglichst optimale Ausbildung der Organe für die Wasseraufnahme, also die Wurzel, und eine Reduktion der wasserabgebenden Organe, also hauptsächlich der Blätter, feststellen. Die Wurzeln können einerseits als tiefe Pfahlwurzeln ausgebildet sein, wobei sich deren Länge daran orientiert, dass sie das Grundwasser erreichen können. Anderseits finden sich weitläufige Wurzelsysteme dicht unter der Oberfläche, die in kurzen Regenzeiten möglichst viel Niederschlagswasser aufzusaugen vermögen. Die Entwicklung eines solchen Wurzelsystems dicht unter der Oberfläche kann sogar den Abstand der Pflanzen voneinander bestimmen (Abb. 9.10). Das vermehrte Anlegen von Wurzeln auf trockenen Böden kann experimentell nachgewiesen werden: Dazu werden Keimpflanzen gleicher Herkunft und aus gleichen Anzuchtbedingungen einerseits in trockenen und
9.3 Xerophyten
249
andererseits in feuchten Boden gesetzt. An den Pflanzen auf trockenem Boden entwickeln sich auffällig mehr Wurzeln als an jenen auf feuchtem Boden.
Abb. 9.10. Darstellung eines weitverzweigten Wurzelsystems, wie es beispielsweise bei der Waldkiefer Pinus sylvestris ssp. sylvestris auftreten kann. Untersucht wurde ein kümmernder, schütterer Kiefernbestand auf Kalkblockschutt, in dessen Zwischenräumen Moder auftritt, worin die Feinwurzeln nestartig angehäuft erscheinen. Aus L. Kutschera u. E. Lichtenegger (2002)
Eine Reduktion der Blattfläche, zumindest der transpirierenden Oberfläche, ist generell bei Xerophyllie gegeben. Bei den sklerophyllen Xerophyten handelt es sich meistens um Holzpflanzen, deren Blätter durch Sklereiden versteift sind. Die Blätter des mediterranen Oleanders (Nerium oleander) aus der Familie Apocynaceae sind derb wie bei den meisten skleromorphen Pflanzen der mediterranoiden Zonobiome (Abb. 9.11).
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9 Anpassungen der Pflanzen
Abb. 9.11. Blattquerschnitt mit Krypta von Nerium oleander, Apocynaceae: e obere und untere Epidermis, p Palisadenparenchym, s Schwammparenchym. Vergrößerung 100-fach. Zeichnung aus Sitte et al. (2002) © Spektrum Akad. Verlag
Diese feste Struktur kommt nicht allein durch Festigungselemente, wie beispielsweise sklerenchymatisches Gewebe oder Sklereiden zustande, sondern durch eine dicke, mehrschichtige Epidermis mit Hypodermis, welche wie ein Außenskelett wirkt. Auf die Epidermis ist zusätzlich noch eine dicke Cuticula aufgelagert. Einen solchen Blattaufbau nennen wir bifazial, da er ähnliche Ober- und Unterseiten aufweist. Das Mesophyll wird in ein mehrschichtiges Palisadenparenchym – das oben und unten vorhanden ist – und ein Schwammparenchym unterteilt. Die Stomata liegen in Krypten, Vertiefungen auf der Blattunterseite, die der Verringerung der Transpiration dienen. Außerdem werden durch die Haare Luftkonvektionen verhindert (Abb. 9.12).
Abb. 9.12. Krypta mit Trichomen und Stomata (400x). Für die Darstellung von Cutin und Suberin wurde das Präparat mit Sudan III gefärbt. Die einzelligen, epidermalen Trichome entstehen durch lokales Auswachsen einzelner Epidermiszellen. Sie sind mit dem unteren Teil in der Epidermis verankert. So bildet sich ein windstiller Raum, der mit Wasserdampf gesättigt ist
9.3 Xerophyten
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Ein Beispiel für sklerophylle Stauden stellt die südafrikanische xerophytische Clivia nobilis dar. Die Art besitzt spezielle Spaltöffnungen, die sehr effektiv vor der Transpiration schützen (Abb. 9.13).
Abb. 9.13. Blattunterseite mit Spaltöffnungsapparat von Clivia nobilis, Amaryllidaceae (400x, Sudan III, links). Spaltöffnung von Clivia nobilis (1000x, Sudan III, rechts). Die cutinisierten Schichten (Cuticula und Zellwandbereiche) sind hellrot gefärbt. Deutlich ist zu erkennen, dass die Cuticula sich bis in den substomatären Raum hineinzieht und die Schließzellen überzieht. Kräftig rot erscheinen auch die Cutinhöcker und die Cuticularleisten, die zwischen den Epidermiszellen hineinragen. Die epistomatischen Stomata sind leicht eingesenkt und somit nicht dem trocknenden Wind ausgesetzt. Durch cutinisierte Höcker, die mit einer Cuticula überzogen sind, schließen die Spaltöffnungen an drei verschiedenen Stellen wie eine Schleuse, und die stomatäre Transpiration ist effektiv herabgesetzt. Es entstehen somit ein „äußerer“ und ein „innerer Hof“ zur Verringerung der Verdunstung. Die cuticuläre Transpiration wird obendrein durch eine dicke Cuticula verringert. Zusätzlich sind alle Epidermiszellwandbereiche nach außen cutinisiert und verdickt. Die Epidermiszellen stehen über Tüpfel in Verbindung
Als weitere Reduktionsmöglichkeit der Transpiration ist die Ausbildung von Trichomen an der Blattoberfläche zu sehen. Dabei müssen die Haare sowohl mengenmäßig als auch in ihrer Struktur so angeordnet und differenziert sein, dass es zwar zu einer Herabsetzung der Transpiration, aber nicht zu einem Wärmestau an der Blattoberfläche kommt. Wichtig für eine reduzierte Transpiration – und zwar sowohl eine stomatäre als auch eine cuticuläre – ist das Vorhandensein einer dicken Cuticula und weiterer Cuticularschichten sowie die Auflage von Wachsen. Solche aufgezeigten Differenzierungen sind bei den einzelnen Xerophyten in unterschiedlicher Weise ausgebildet und aufeinander abgestimmt.
252
9 Anpassungen der Pflanzen
e aa-
h Abb. 9.14a-i. Cistus-Arten als Beispiele für malakophylle Xerophyten. a Garigue aus Cistus creticus und Cistus monspeliensis; Île Rousse, Korsika; b Cistus monspeliensis; c Cistus laurifolius; d Cistus creticus; e Cistus salviaefolius; f Cistus incanus; g Cistus albidus; h Cistus symphytifolius; i Cistus villosus
9.3 Xerophyten
253
Verwirklicht sind diese Anpassungen besonders bei einer interessanten Gruppe von Pflanzen, die wir mit Heinrich Walter (1968) als malakophylle Xerophyten bezeichnen wollen. Hier finden wir Vertreter mit der vergleichsweise schwächsten Dürreresistenz. Vor Eintritt der Trockenheit entwickeln sie relativ große Blätter, die eine starke Behaarung aufweisen. Bei zunehmender Trockenheit werden die noch neu gebildeten Blätter immer kleiner und noch dichter behaart. Bei weiter fortschreitender und länger anhaltender Trockenheit vertrocknen zunächst die größeren Blätter und eventuell auch noch die kleineren, bevor sie schließlich abgeworfen werden. Übrig bleiben dann nur junge Blattanlagen, die bei einsetzenden Niederschlägen bald wieder austreiben. Zu den malakophyllen Xerophyten zählen neben vielen krautigen Pflanzen aus Sommerregengebieten und Halbsträucher der Steppen auch die Cistus-Arten des Mediterrangebietes (Abb. 9.14). Der wirksamste und häufigste Transpirationsschutz homoiohydrer Pflanzen wird durch starke Reduktion der transpirierenden Oberflächen im Verhältnis zum Gesamtvolumen erzielt, so vielfach durch Blattfall zu Beginn der Trockenzeit; ferner bei immergrünen Pflanzen durch Verzwergung der ganzen Pflanze, durch geringe Verzweigung, durch Verminderung der Blattmenge sowie durch Reduktion der Sprossachsen und der Blattspreiten. Dieses Phänomen nennen wir Nanismus (Abb. 9.15). Wir haben es in Kapitel 8.3 schon kennen gelernt.
Abb. 9.15. Die aus Südafrika stammenden Lithops-Arten stellen ein schönes Beispiel für Pflanzen mit Nanismus dar
Bei einigen Ericaceen ist die freie Oberfläche der Blattspreiten durch Einkrümmung der Ränder dauernd, bei einigen einheimischen Dünengräsern (z. B. Ammophila arenaria) und bei den Steppengräsern (z. B. Stipa
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9 Anpassungen der Pflanzen
pennata) durch Zusammenfaltung oder Einrollung in den Trockenzeiten vorübergehend stark verkleinert. Wir sprechen dann von Rollblättern. Bei Genista-Arten oder Zypressengewächsen sind beispielsweise die Laubblätter nur noch kleine Schuppen oder, so bei vielen Kakteen, zu Dornen umgebildet; bei anderen Kakteen, baumartigen Euphorbia-Arten, einigen Asclepiadaceen sind sie sehr frühzeitig vergänglich oder völlig reduziert. Mit der Verkleinerung und noch mehr dem Schwund der Blätter muss allerdings auch die Assimilation des Kohlenstoffs abnehmen. Zur Kompensation dieses Verlustes sehen wir Assimilationsparenchym in den Stengeln auftreten. In diesem Fall sind die Sprossachsen grün gefärbt; so etwa bei den Rutengewächsen. Als schönes Beispiel kann der Besenginster Sarothamnus scoparius dienen, der allerdings an seinen langen, rutenförmigen Zweigen noch kleine, grüne, lanzettliche Blättchen entwickelt, die jedoch nur noch wenig wirksam sind (Abb. 9.16).
Abb. 9.16. Der Besenginster Sarothamnus scoparius (Fabaceae) liefert ein bezeichnendes Beispiel für einen typischen Rutenstrauch
Oft geht bei solchen Pflanzen mit einer Reduktion der Blätter auch eine Abflachung oder sogar blattähnliche Ausbildung der grünen Sprossachsen Hand in Hand: sie können alsdann weit vollkommener als zylindrische Formen die Assimilationsfunktion des Blattes übernehmen, transpirieren dann aber natürlich auch wieder stärker.
9.3 Xerophyten
255
Solche blattartigen Sprosse werden als Flachsprosse oder Platycladien bezeichnet. Wenn sie begrenzt wachsen, also Kurztriebe darstellen, nennt man sie Phyllocladien (Abb. 9.17), besonders blattähnlich sind Phyllodien (Abb. 9.18), im Falle von Langsprossen werden diese als Cladodien bezeichnet (Abb. 9.19).
Abb. 9.17. Die westaustralische Acacia glaucoptera (links) besitzt Phyllocladien, Casuarina equisetifolia (Casuarinaceae, rechts) dagegen dünne, schmale und lang ausgezogene Blätter
Abb. 9.18. Auf Hawai’i wächst Acacia koa, Mimosaceae, mit charakteristisch geflügelten Blattstielen, die als Phyllodien bezeichnet werden und größtenteils die Funktion der Blattspreiten übernehmen
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9 Anpassungen der Pflanzen
Abb. 9.19a-c. a Opuntia ficus-indica, Cactaceae: als Flachsprosse ausgebildete Cladodien mit nach den Blattstellungsregeln geordneten Seitensprossen, deren Blätter zu Dornen umgewandelt sind. b Zweig von Ruscus aculeatus, Ruscaceae, mit blattähnlichen Phyllocladien, denen Früchte aufsitzen, c Cladodien bei Schlumbergia kautzkii, Cactaceae
Eine Abflachung des gesamten massig entwickelten Stammes mit Verschmälerung an den Verzweigungsstellen zeigen beispielsweise die bekannten Opuntien und die Blattkakteen. Lehrreiche Beispiele für Phyllocladien finden sich in der Gattung Ruscus mit mehreren strauchigen Arten. Ruscus aculeatus trägt an seinen Zweigen in den Achseln reduzierter schuppenförmiger Blättchen breite, in eine Stachelspitze auslaufende, dunkelgrüne Phyllocladien, die durchaus den Eindruck von Blättern machen. Ihrer Oberseite aber entspringen in der Mittellinie, annähernd in ihrer halben Länge, aus der Achsel eines winzigen schuppenförmigen Blattes eine bis mehrere Blüten, wodurch die Achsennatur der blattähnlichen Gebilde deutlich erkennbar wird (Abb. 9.19 b). Eine besondere Anpassung an die Trockenheit ist die Fähigkeit zur Wasserspeicherung bei den Sukkulenten. Sie zählen deshalb zu den arido-
9.3 Xerophyten
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aktiven Xerophyten. Sukkulente, darunter die Kakteen, besitzen eine spezialisierte Anatomie, die ihnen das Überleben auch bei Trockenheit ermöglicht. Sie vermögen Wasser in speziellen Geweben, den Hydrenchymen, zu speichern, und die meisten haben Merkmale entwickelt, die ihnen erlauben, die Verdunstung einzuschränken. Unter anhaltender Trockenheit können sie das Wachstum sogar ganz einstellen. Im bizarren Äußeren der Pflanzen drückt sich die Evolution aus, in der sich Funktion und Überleben miteinander verbanden. Die aufgewölbte Form hat eine Oberflächenverkleinerung im Verhältnis zum Inhalt als Verdunstungsschutz zur Folge. Organe solcher Pflanzen können als Ganzes zu Wasserspeichern entwickelt sein. Häufiger ist allerdings der Fall, dass nur bestimmte Teilbereiche sukkulent sind. Man unterscheidet zwischen Wurzel-, Blatt- und SprossSukkulenz. Während Blatt- und Spross-Sukkulenz in verschiedenen Familien, wie Cactaceae, Euphorbiaceae, Asteraceae oder Crassulaceae weit verbreitet sind, tritt Wurzelsukkulenz nur selten auf. Ein typisches Beispiel für Stammsukkulenz liefern die Kakteen. Deren Keimlinge ähneln noch denen anderer dikotyler Pflanzen. Bei der weiteren Entwicklung schwillt aber das Rindenparenchym zum Hydrenchym, einem Wasserspeichergewebe mit großlumigen und dünnwandigen Zellen, an. Außerdem werden die Blätter zu Dornen umgebildet, und die Seitenknospen wandeln sich zu Haar- oder Dornenbüscheln, den Areolen, um (Abb. 9.20).
Abb. 9.20. Bei der Familie Cactaceae können die Blätter sowohl vollkommen erhalten bleiben (Pereskia grandifolia, links) als auch zu Blattdornen mit Areolen umgebildet sein (Echinocactus grusonii, rechts)
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9 Anpassungen der Pflanzen
Abb. 9.21a-d. Crassulaceae (Dickblattgewächse): a Aeonium ciliatum als Beispiel für die Sukkulenten-Gattung Aeonium. Diese artenreichste Gattung der Crassulaceae ist mit 34 Endemiten und einer Vielzahl von Hybriden auf den Kanarischen Inseln vertreten. Fast alle sind inselspezifisch und stehen unter internationalem Artenschutz. b Greenovia aurea als Beispiel für die dickfleischigen, in breiter, becherförmiger Rosette ausgebildeten Gewächse mit stark blau bereiften Blättern. c Aichryson parlatorei als Beispiel für kurzlebige, zerbrechliche Kräuter mit fleischigen, flachen Blättern. d Monanthes brachycaulon als Beispiel für die kleinsten Vertreter der Crassulaceae. Sämtliche Blätter, auch die Kron- und Kelchblätter, sind fleischig, die Blüten meist unscheinbar rötlich gestreift mit einem Kreis deutlich vergrößerter Nektarien (aus Pott et al. 2003)
Ein weiteres Beispiel zur Transpirationsreduzierung findet sich bei Kugel- und Säulenkakteen. Sie bilden nicht selten prominente Längsrippen aus, die nicht nur eine Zu- oder Abnahme des Sprossumfangs ermöglichen, sondern deren Flanken wegen ihrer unterschiedlichen Sonnenexposition
9.5 Hygrophyten
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deutliche Temperaturunterschiede aufweisen (Abb. 9.20). Mit diesem thermischen Potential halten sie kühlende Luftströme in Gang. Wie die Sprosse können auch die Blätter sukkulenter Pflanzen als Speichergewebe fungieren. Es können alle Blattzellen als potentielle Hydrenchymzellen ausgebildet sein. Solche Blätter bezeichnet man als „allzellsukkulent“. Voraussetzung hierfür ist, dass alle Zellen sowohl Chloroplasten als auch große Vakuolen besitzen. Allzellsukkulenz tritt beispielsweise bei der Familie Crassulaceae auf (Abb. 9.21) und ist an den CAMStoffwechsel gekoppelt.
9.4 Mesophyten Als Mesophyten (aus griech.: mésos - mittel und phytón - Pflanze) bezeichnet man Pflanzen, die an mäßig feuchten bis mäßig trockenen Standorten vorkommen. Sie nehmen dadurch eine Stellung zwischen den Xerophyten und den Hygrophyten ein. Man könnte sie als „Normalfall“ der Pflanzen bezeichnen. Mesophyten zeichnen sich meist durch relativ große Blätter aus, welche an der Oberfläche nicht durchweg behaart sind und auch nur selten Wachsüberzüge besitzen. Ein insgesamt mesomorpher Bau der Pflanze schließt dabei nicht aus, dass einige Sprossabschnitte oder Organe nicht auch xeromorphe oder hygromorphe Anpassungen aufweisen können. Zu denken ist dabei etwa an die schon behandelten Sonnen- und Schattenblätter an ein und derselben Pflanze (vgl. Kap. 8.2). Auf spezielle Anpassungen können vor allem diejenigen Pflanzengruppen, die ungünstige Jahreszeiten, wie Winter oder Trockenzeiten, als Samen überdauern, verzichten. Hier bei den Therophyten finden wir die häufigste Ansammlung von Mesophyten. Darunter gibt es auch Arten, die in Wüsten als Pluviotherophyten nur während der Regenzeit blühen.
9.5 Hygrophyten Hygrophyten (aus griech.: hygrós - feucht und phytón - Pflanze), meist krautartige Feuchtpflanzen, sind in Nebel- und Regenwäldern und Hochgebirgswäldern zu finden, aber auch in schattigen Wäldern der gemäßigten Zone. Sie gehören zu den hydrolabilen Pflanzen, denen es schwer fällt, ihren Wasserhaushalt zu regulieren, und die häufig schon bei kurzen Trockenphasen Wasserstress erleiden. Die Wurzel der Hygrophyten ist meist nicht stark ausgebildet. Da meist genügend Niederschlag vorhanden ist, braucht die Wurzel nicht zur verstärkten Wasseraufnahme aus den tieferen Bodenschichten eingesetzt zu werden.
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9 Anpassungen der Pflanzen
In den gemäßigten Breitengraden, den sommergrünen Laubwäldern, bestehen die Hygrophyten aus krautigen Pflanzen, die ebenfalls keine Stützfunktion oder verstärkte Aufnahme von Wasser benötigen. Der Spross der Hygrophyten zeichnet sich durch geringes Festigungsgewebe aus, da auch hier der Turgordruck zur Stabilität der Pflanze beiträgt. Die Epidermis besteht, ebenso wie die der Helophyten, aus dünnwandigen, nur mit dünner Cuticula überzogenen Zellen, um wiederum die Transpiration in diesem mit hoher Luftfeuchtigkeit ausgestatteten Standort zu erhöhen. Die Blätter der Hygrophyten sind dünn, da die einzelnen Gewebetypen meist nur einschichtig sind, wie zum Beispiel die Epidermiszellen und das Palisadenparenchym. Eine interessante Beobachtung gelingt manchmal, wenn man Hautfarne der Gattung Hymenophyllum an Stammfüßen oder am Boden tropischer Regenwälder untersucht. Dabei kann man eine epiphytische Lage von blaugrünen Cyanobakterien sehen, die offenbar den Farnen zusätzlichen Stickstoff aus der Atmosphäre bieten (Abb. 9.22).
Abb. 9.22. Hautfarne aus der Gattung Hymenophyllum mit einem Überzug aus Cyanobakterien im Regenwald von Hawai’i
Auch das Schwammparenchym ist nur mäßig entwickelt. Kennzeichnend für ein Hygrophytenblatt sind außerdem die hoch aufgewölbten Stomata an der Blattunterseite und lebende Haare auf der Epidermis, um die Oberfläche zu vergrößern. Auch diese Merkmale dienen alle der Unterstützung der Transpiration. Die Epidermiszellen und das Palisadenparenchym können des Weiteren prismenartig geformt sein, um das wenige Licht, das durch die vielen Vegetationsschichten schattiger Wälder zu den krautigen Pflanzen durchdringt, optimal aufzufangen.
9.6 Helophyten
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9.6 Helophyten Helophyten (aus griech.: hélos - Sumpf und phytón - Pflanze), kommen in Sumpf- und Moorlandschaften vor, die teilweise oder ganz überflutet sind oder zumindestens einen stark durchnässten Untergrund aufweisen. Es handelt sich um hydrolabile Pflanzen, die nur bedingt eine Wasserverknappung ertragen können. Das Wurzelsystem ist bei den Helophyten nur gering bis mäßig ausgebildet. Es zeichnet sich aber durch besondere Anpassung aus. So sind zum Beispiel besonders große Interzellularräume im parenchymatischen Gewebe zu erkennen. Diese Aerenchyme oder auch Durchlüftungsgewebe reichen weit bis an die Sprossbasis hinein, so dass auch ein Gasaustausch mit den meist untergetauchten Wurzeln erfolgen kann. Da die Helophyten in sehr durchnässten oder überschwemmten Gebieten stehen und Sauerstoff wegen der viel geringeren Löslichkeit in Wasser nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung steht, wäre die Sauerstoffzufuhr in die untersten Pflanzenteile gefährdet. Die Versorgung erfolgt demnach über den Teil der Sprossachse, der sich über dem Wasser befindet und im direkten Gasaustausch mit der Umgebung steht. Die Aerenchyme gewährleisten also die Versorgung der Wurzeln und überschwemmten Teile der Pflanze mit Sauerstoff. Dieses Durchlüftungsgewebe ist sehr massiv entwickelt und kann bis zu ca. 70 % des Gewebevolumens ausmachen. Die Interzellularräume reichen bis in die Sprossachse, um den Gasaustausch zu gewährleisten. Im Spross sind die Interzellularräume des parenchymatischen Gewebes als Sternparenchym ausgebildet (Abb. 9.23). Die zellulären Markzellen sind hier sternförmig miteinander verwachsen, wodurch ein Durchlüftungsgewebe mit großen Interzellularräumen entsteht. Daher liegt das Festigungsgewebe im peripheren Bereich der Sprossachse.
Abb. 9.23. Sternparenchym im Spross der Flatterbinse Juncus effusus
Bei Pflanzen, die ein sekundäres Dickenwachstum aufweisen, kann die Sauerstoffzufuhr in die Sprossachse praktisch nur noch über Lenticellen erfolgen, so dass sich bei helophytisch lebenden Bäumen andere Struktu-
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9 Anpassungen der Pflanzen
ren entwickelt haben. Meist werden Atemwurzeln ausgebildet, die mit ihren Endausläufern über die Bodenoberfläche und über die Überschwemmungsgrenze hinausreichen, so dass das Interzellularsystem des Rindengewebes „Luftkontakt bekommt“ und somit den Wurzeln genügend Sauerstoff zugeführt werden kann. Diese Ausbildung der Wurzeln ist besonders in Mangroven vertreten (Abb. 9.24).
Abb. 9.24. Bei Ebbe erscheinen die charakteristischen Luftwurzeln der MangroveArten, mit deren Hilfe die Sauerstoffzufuhr in die unteren Pflanzenteile für die Zellatmung sichergestellt wird. In der australischen Mangrove von Daintree in Queensland dominieren Arten wie Avicennia marina, Rhizophora spec. und Brugiera spec.
Weitere Merkmale der Sprossachse von Helophyten sind eine einschichtige, dünne Epidermis und eine sehr dünne Cuticula, um die Transpiration zu erhöhen. Bei unter Wasser liegenden Pflanzenteilen ist sogar meistens keine Cuticula vorhanden. Außerdem besitzen Helophyten nur wenig Festigungsgewebe. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit in der Umgebung wird der Turgordruck in den Zellen auf einem stabilen Niveau gehalten. Er trägt dazu bei, die Pflanze zu stabilisieren. Die Blätter der Helophyten weisen ebenfalls morphologische Merkmale auf, die bei ihrem Standort von Vorteil sind. So ist auch hier die Cuticula nur sehr dünn entwickelt. Normalerweise reicht das Feuchtigkeitsgefälle
9.7 Hydrophyten
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zwischen dem Pflanzeninneren und der Außenwelt aus, um die Transpiration zu regulieren. Durch die Abgabe des Wassers während der Transpiration entsteht ein Unterdruck im Xylem, der einen Sog von der Wurzel bis in die Blätter auslöst. Der ist notwendig, um das Wasser von der Wurzel in die oberen Bereiche der Pflanze zu saugen. Bei den Helophyten kann die Transpiration nur in ausreichendem Maße aufrecht erhalten werden, indem die Epidermiszellen klein sind, einschichtig vorliegen und nur von einer gering entwickelten Cuticula überzogen werden. Da in den Gebieten, in denen die Helophyten wachsen, eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, müssen die Pflanzen die Transpiration auf diese Weise unterstützen. Bezeichnenderweise besitzen die Helophyten viele Stomata, um die Transpiration zu erleichtern. Die stomatäre Transpiration beruht auf der Diffusion des Wasserdampfes, der aus den Interzellularen stammt und durch die regulierbaren Spalten in die Atmosphäre entweicht. Diese Stomata sind hoch aufgewölbt, damit der über die Blätter streichende Wind die abgegebene Feuchtigkeit besser aufnehmen kann. Da die Helophyten teilweise in Gebieten wachsen, wo Windzufuhr sehr niedrig sein kann, wie bei sehr dicht bewachsenen Röhrichtgürteln, muss jeder Luftzug optimal ausgenutzt werden. Um die Transpiration zusätzlich zu erleichtern, sind in den Blättern auch viele Leitbündel vorhanden. Zwar findet die Transpiration auch über andere Teile der Pflanze statt, die Blätter bilden hierbei jedoch die wichtigsten Organe.
9.7 Hydrophyten Als Hydrophyten (aus griech.: hýdor - Wasser und phytón - Pflanze), also echte Wasserpflanzen, sollen hier nur solche Pflanzen verstanden werden, die sich als höherentwickelte schwimmfähige Moose, Farne oder Höhere Pflanzen sekundär dem Leben im Wasser wieder angepasst haben. Bei diesen Wasserpflanzen ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen submersen und schwimmenden Arten (Abb. 9.25). Die schwimmenden oder amphibischen Wasserpflanzen haben sowohl Kontakt mit der Luft als auch mit dem Wasser. Die submers lebenden Wasserpflanzen sind meist am Boden durch Wurzeln verankert. Ein fester verholzter Stamm ist nicht entwickelt; er würde dem Wasser, insbesondere dem fließenden, einen zu großen Widerstand entgegensetzen. Auch die Blätter sind entweder schmal oder stark aufgeschlitzt. Riemenförmige, flutende, strömungstolerante Wasserpflanzen werden als Rheophyten bezeichnet (Abb. 9.26). Festigende verholzte Gewebe können den Wasserpflanzen auch fehlen, weil die Turgeszenz durch den hydrostatischen Druck im Wasser aufrechterhalten wird. Solche speziellen ökomorphologi-
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9 Anpassungen der Pflanzen
Abb. 9.25. a Azolla filiculoides und Salvinia natans als schwimmende Farne. Das Buchenblatt bietet den Größenvergleich. b Salvinia natans, Spirodela polyrhiza und Lemna minor als Konstituenten der Schwimmfarngesellschaft. c Die Algenfarne beherbergen in Höhlungen der Oberlappen ihrer Blätter luftstickstoffbindende Cyanobakterien, Habitus von Azolla filiculoides, d Ricciocarpus natans als Beispiel für ein schwimmfähiges Lebermoos der Familie Ricciaceae, e Propagulen von Utricularia (Lentibulariaceae) dienen als Turionen der Überdauerung ungünstiger Jahreszeiten
Abb. 9.26. Sagittaria sagittifolia var. vallisneriifolia, die rheobionte Form (links) und die Normalform (rechts). Zwischen beiden sind je nach CO2-Partialdruck des Außenmediums alle morphologischen Übergänge möglich
9.7 Hydrophyten
265
schen Veränderungen bei Wasserpflanzen sind eingehend bei Richard Pott und Dominique Remy (2000) beschrieben. Weil die submersen Blätter der Hydrophyten mit der gesamten Blattoberfläche gelöste Gase und auch Wasser mit den gelösten Nährstoffen aufnehmen, sind die Epidermiszellen äußerst dünnwandig und nur von einer hauchdünnen Cuticula überzogen. Um die Gasaufnahme zu sichern, hat bei den submersen Blättern eine starke Oberflächenvergrößerung stattgefunden. Die Blätter sind zumeist sehr zart und dünn und zudem fedrig zerschlitzt. Die federartigen Blätter können geradezu mit Kiemen verglichen werden und erfüllen wie diese die Aufgabe, die in stehenden Gewässern spärlich vorhandenen lebenswichtigen Gase, vor allem den Sauerstoff, durch die Entwicklung einer großen Oberfläche optimal aufzunehmen. Einen weiteren Vorteil bietet diese Blattform in fließenden Gewässern: Sie beugt einer Zerstörung der Blätter durch die Scherkräfte des Wassers vor, da die Blätter so dem Zug der Strömung besser nachgeben können. Da das Wasser ein viel dichteres und damit tragfähigeres Medium ist als Luft, bilden die Hydrophyten in den submersen Blättern nur wenig Festigungsgewebe aus. Als Schutz vor dem Kollabieren werden allerdings Silikate und Oxalate inkrustiert. Zu einer Ausbildung von Spaltöffnungen kommt es bei submersen Blättern nicht, aber sie besitzen, ebenso wie die emersen Schwimmblätter, Hydropoten, durch die Wasser mit den gelösten Nährstoffen aufgenommen werden kann. Wie bereits erwähnt, nehmen die submersen Blätter im Wasser gelöstes Kohlendioxid oder Calciumbicarbonat auf. Dieses wird nach der Entnahme von Kohlendioxid als freies Calciumhydroxid (Ca[OH]-) auf der Blattoberseite wieder ausgeschieden, welches sich dort durch Kohlendioxidaufnahme aus dem Wasser wieder in Carbonat oder Bicarbonat umwandelt. Daher lassen sich auf der Oberseite häufig schmutzig graubraune Krusten von Calciumcarbonat (CaCO3) feststellen. Diesen Vorgang nennt man biogene Entkalkung. Wenn Wasserpflanzen einen Teil ihrer Blätter unter Wasser ausgebildet haben und andere schwimmend, wie beim Wasserhahnenfuß Ranunculus cf. aquatilis, beim Schwimmfarn Salvinia natans oder bei Nuphar lutea mit ihren „Salat“- und Schwimmblättern (vergleiche Abb. 9.1), gehört dieses ebenfalls zum Formenkreis der Heterophyllie. Die Wasseraufnahme der Hydrophyten kann oftmals mit der gesamten Oberfläche der Pflanzen erfolgen. Sind Wurzeln entwickelt, so kann in diesen sogar noch ein Wurzeldruck entwickelt werden. Eine Aufnahme des Wassers ist insbesondere für die Zufuhr neuer Mineralnährstoffe erforderlich. Um davon genügend zu erhalten, besitzen viele submerse Wasserpflanzen oder schwimmende Arten auf der Unterseite ihrer Blätter spezielle Hydropoten oder Hydatoden. Dabei handelt es sich um drüsenartig
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9 Anpassungen der Pflanzen
differenzierte Epidermiszellen oder reduzierte Stomata, die einzeln oder gruppenweise auftreten. Wegen ihrer Aufnahme- und Speicherfähigkeit von Ionen werden sie auch als Ionenfänger bezeichnet. Box 9.2. Propagulen und Ramets Vegetative Diasporen, auch als Propagationskörper bezeichnet, dienen entweder ausschließlich der Überdauerung oder der Ausbreitung der Pflanzen oder vereinen beide Funktionen. Der wesentliche Unterschied zwischen Propagulen und Ramets besteht in deren jeweiliger Überdauerungsfähigkeit. Während Ramets nicht besser als ihre jeweilige Mutterpflanze vor Umwelteinflüssen geschützt sind, weisen Propagulen Eigenschaften auf, die sie als spezielle Überdauerungseinheiten kennzeichnen. Ähnlich wie bei Samen werden dabei unter anderem komplexe Kohlenhydrate als Reservestoffe eingelagert, die zu einer deutlichen Verschiebung des Verhältnisses von Trocken- zu Frischgewicht führen können und gleichzeitig aufgrund ihres höheren spezifischen Gewichtes die Propagulen absinken lassen. So weisen nach Elias Landolt (1986) Turionen von Spirodela polyrhiza ein Verhältnis von Trocken- zu Frischgewicht von 0,27 auf, im Vergleich zu 0,08 bei Ramets. Ein weiterer Schutzmechanismus besteht in der Ausbildung unterschiedlicher Dormanztypen. Im Gegensatz zu Samen besitzen Propagulen allerdings keinen effektiven Schutz gegenüber längerfristiger Austrocknung.
9.8 Epiphyten und Epiphyllie Epiphyten leben auf anderen Pflanzen, benutzen diese jedoch nur als Unterlage, ohne ihnen Wasser oder Nährstoffe zu entziehen, und sind daher strikt von Parasiten oder Halbparasiten zu unterscheiden. In der Regel hoch oben in den Kronen der Bäume sitzend, leben sie völlig abgeschnitten vom Erdboden und sind ausschließlich auf die Zufuhr von Wasser und Mineralstoffen aus der Luft angewiesen. Epiphyten wurden erstmals 1492 von Christoph Kolumbus (1451-1506) erwähnt, wenn auch nicht richtig gedeutet. Er beschrieb verschiedenartige Zweige und Blätter auf einem Baum, die alle einer Wurzel entspringen. Der Begriff Epiphytismus wurde erst um 1880 von Georg Klebs und Andreas Franz Wilhelm Schimper eingeführt; vorher sprach man wie Anton Joseph Kerner von Marilaun (1831-1898) von Raumparasiten oder Überpflanzen (Abb. 9.27). Es gibt Übergänge von der terrestrischen zur epiphytischen Lebensweise: So kommen beispielsweise in unseren gemäßigten Breiten auf Kopfweiden Epilobium- und Moehringia-Arten vor. Dieses ist allerdings kein
9.8 Epiphyten und Epiphyllie
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Abb. 9.27. Epiphytische Bromeliaceen der Gattung Vriesea und Cactaceen der Gattung Rhipsalis im Regenwald von Iguazu, Brasilien
echter Epiphytismus, da sich in den Astgabeln der Bäume nur Erde angesammelt hat, in der die Pflanzen quasi terrestrisch zu siedeln vermögen. Diese Erscheinung wird als fakultativer Epiphytismus bezeichnet, wobei es oft die gleichen Arten sind, die zwischen terrestrischer und epibionter Lebensform – dies ist wohl der treffendere Begriff – hin und her pendeln. Eine Rhododendron-Art, nämlich Rhododendron javanicum, ist als ein typischer fakultativer Epiphyt anzusehen: Diese Art siedelt in den Tropenwäldern Javas je nach den Umweltbedingungen mal terrestrisch, mal steigt sie mit zunehmender Feuchtigkeit des Klimas bis in die höchsten Baumwipfel empor (Abb. 9.28). Gleiches gilt für Senecio multivenius aus den Bergwäldern Costa Ricas. Pflanzen, die ausschließlich auf anderen Pflanzen siedeln, sind die obligaten Epiphyten. Thallophyten, die dank ihrer poikilohydren Organisationsform Wasser rasch aus der Atmosphäre aufnehmen können und so genügsam sind, dass sie mit dem in angewehtem Staub, verwesenden Rindenstückchen oder den im Niederschlags- oder Träufelwasser gelösten Spuren anorganischer und organischer Stoffe auskommen, passen sich einer epiphytischen Lebensweise relativ leicht an; so findet man Algen, Flechten und viele Moosarten als Aufwuchs in Wäldern aller feuchter Klimagebiete.
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9 Anpassungen der Pflanzen
Abb. 9.28. Rhododendron javanicum aus Südostasien (links) und Senecio multivenius aus Costa Rica (rechts), zwei Beispiele für fakultativen Epiphytismus
Für Sprosspflanzen bedeutet dagegen der Verzicht auf die stetige Wasser- und Nährstoffzufuhr aus dem Boden zugunsten eines höheren Lichtgenusses eine derart einschneidende Umstellung ihres Wasser- und Stoffhaushaltes, dass eine solche Umstellung im Allgemeinen nur unter den günstigen Wachstumsbedingungen des feuchten Tropenklimas gelingt, aber auch dort zu erheblichen Einschränkungen und Anpassungen zwingt. Das gemeinsame Kardinalproblem aller Epiphyten ist die Wasserversorgung. Daher existieren für die kormophytischen Epiphyten umso bessere Lebensbedingungen, je feuchter und wärmer das Klima ist. Die günstigsten Bedingungen für das Gedeihen epiphytischer Farne und Blütenpflanzen bietet ohne Zweifel der tropische Regenwald, wo im Durchschnitt 10 bis 20 Prozent, stellenweise bis zu 30 Prozent aller Pflanzenarten epiphytisch leben. Von den etwa 50 000 Orchideenarten bewohnt mehr als die Hälfte epiphytisch die Wälder des tropischen Amerikas und Südostasiens; die Familie Bromeliaceae setzt sich fast gänzlich aus Epiphyten oder Felspflanzen zusammen. In den Wäldern der immerfeuchten Tropengürtel sind nicht nur die Blätter der Bäume mit Algen, Flechten oder Moosen überzogen. Man bezeichnet solche Arten als Epiphylle (Abb. 9.29) und die Erscheinung des Epiphytismus auf Blättern als Epiphyllie. In den Baumkronen haftet eine zusätzliche Pflanzenwelt aus Farnen und Kräutern, bis zu
9.8 Epiphyten und Epiphyllie
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Sträuchern und selbst kleinen Bäumchen, die nicht selten so kräftig wuchern, dass der sie tragende Ast oder Baum unter dem Gewicht der Epiphytenlast zusammenbricht und mit den darauf lebenden Pflanzen zu Boden stürzt.
Abb. 9.29. Vor allem auf Blättern immergrüner Arten der Tropen ist oftmals ein Überzug von Algen, Pilzen und Flechten zu beobachten, der als Epiphyllie bezeichnet wird
Die fehlende Wasser- und Mineralstoffversorgung aus dem Boden muss bei den Epiphyten durch besondere Anpassungen ausgeglichen werden. Relativ einfach wird noch die Nährstoffzufuhr gelöst: Da Mineralstoffe nur in kleinsten Mengen von den Pflanzen benötigt werden, genügen Spuren von Humus aus pflanzlichen und tierischen Resten, die sich in den Astgabeln oder zwischen dem Wurzelgewirr der Epiphyten ansammeln. Vielfach bilden die unteren Teile der Blätter zisternenartige Auffangvorrichtungen für solche Humusreste, oder es gibt besondere Anpassungsformen wie die Nischenblätter mancher Farne (Abb. 9.30). So schaffen sich die Epiphyten einen eigenen Humusboden, dessen Masse im tropischen Regenwald auf mehrere Tonnen pro Hektar geschätzt wird und der zahlreichen Kleintieren, vor allem Ameisen, ihren eigenen Lebensraum bietet. Die ökologische Hauptschwierigkeit der Epiphyten liegt in der Wasserversorgung, und diese wird umso größer, je höher der Lichtbedarf der Pflanzen ist. In diesem Zusammenhang unterscheidet man zunächst je nach Wuchslage im Kronenraum der Bäume die Schatten- und SonnenEpiphyten (s. Box 9.3). Ein weiteres Phänomen der epiphytischen Lebensweise ist die Wasserspeicherung. Im einfachsten Falle siedeln Höhere Pflanzen auf Moospolstern, die schwammartig das Wasser aufsaugen. Speziellere Differenzierungen weisen die unterschiedlichen Blätter der Geweihfarne Platycerium auf: Zwischen den geweihartig verzweigten werden fast ganzrandige Blätter gebildet, die sich weitgehend der Unterlage anschmiegen (Abb. 9.30). Diese Blätter, die als Mantelblätter bezeichnet werden, sind recht kurzlebig. Sie werden allerdings nicht abgestoßen, sondern dicht übereinanderge-
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9 Anpassungen der Pflanzen
Abb. 9.30. Drynaria quercifolia (links) und Platycerium alcicorne (rechts) stellen zwei typische epiphytische Farne tropischer Regionen dar
schichtet, wobei sie nach oben leicht abstehen. Durch diese Lage sammeln die Mantelblätter das Wasser, das von zahlreichen kurzen Wurzeln aufgenommen werden kann.
Box 9.3. Schatten- und Sonnen-Epiphyten Schatten-Epiphyten sind solche Pflanzen, die in den untersten Teilen der Baumkronen siedeln. Sie finden dort im geschlossenen Waldesinneren eine hochgradig feuchte, vielfach dampfgesättigte Atmosphäre und erhalten ausreichend Regen- und Träufelwasser aus den oberen Kronenlagen. Es sind meist Farne, die in den großen Astgabeln sitzen und in der Regel als Zisternenpflanzen ausgebildet sind. Je höher die Pflanzen an das Sonnenlicht rücken, umso stärker werden tagsüber Erwärmung, Lufttrockenheit und potentieller Wasserverlust. Da keine Wassernachleitung aus dem Boden existiert, müssen die Pflanzen sich auf den Gelegenheitserwerb von Wasser aus atmosphärischen Niederschlägen einstellen. Sonnen-Epiphyten haben daher stets besondere Einrichtungen zur Anpassung an einen gespannten Wasserhaushalt, wie sie in ähnlicher Form auch bei Pflanzen trockener Bodenstandorte vorkommen. Damit tragen die Sonnenepiphyten - auch im Regenwald der Immerfeuchten Tropen - unverkennbar gewisse Züge von Xerophytismus: Darunter fällt zunächst der Verdunstungsschutz. Die Transpiration wird durch eine dicke Cuticula und gut funktionierende Spaltöffnungen bei Wassermangel drastisch eingeschränkt. Vielfach besitzen diese Pflanzen auch nur wenige Spaltöffnungen pro Quadratmillimeter, ähnlich wie die Sukkulenten.
9.8 Epiphyten und Epiphyllie
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Bei den obligaten Epiphyten lassen sich zunächst äußere und innere Wasserspeicher unterscheiden. Im ersteren Fall kommt es außerhalb der Pflanze zur Anlage von Wasserreservoiren: Untere Blätter oder Teile davon formen dabei Auffangbehälter für Tropfwasser und Humusreste. Dazu gehören die Zisternen der Bromeliaceen. Die epiphytischen Formen, in denen die Vielzahl der Bromelien zusammengefasst wird und die die unteren Regionen der Urwaldbäume besiedeln, bilden durch Blattrosetten eine Zisterne aus, die mehrere Liter Wasser fassen kann. Besonders die Blattunterseiten im Zisternenbereich besitzen einen dichten Belag spezialisierter Saugschuppen. Dazu gehören Vriesea, Aechmaea, Guzmania, Nidularium, Billbergia und viele Tillandsia-Arten. Die epiphytischen Formen höher entwickelter Bromelien haben keine Zisternen mehr. Sie sind wurzellos, der ganze Spross ist bandförmig und mit Saugschuppen übersät, die überall Wasser aufnehmen können. Sie stellen den höchsten Grad der Anpassung an die epiphytische Lebensweise dar. Paradebeispiel für solche Arten ist Tillandsia usneoides, die eine extreme Oberflächenvergrößerung und eine extreme Reduktion der Leitgewebe aufweist sowie keine Fähigkeit zur Wasserleitung mehr besitzt. Die Saugschuppen übernehmen die Funktion der Nährstoffaufnahme. Zu beachten ist hier die Konvergenz zu den Wasserpflanzen, die sich oft auch sekundär an den „Extremstandort“ Wasser angepasst haben. Da durch die Cuticula kein Wasser aufgenommen werden kann, sind bei vielen Epiphyten unabhängig von den Wurzeln spezielle Wasseraufnahmeorgane entwickelt, im einfachsten Fall parenchymatische, dünnwandige Zellen oder Zellgruppen in Form von Saughaaren oder Hydathoden, die aus der cutinisierten Epidermis oder verkorkten Knollenwand herausragen. Ein weiteres eindrucksvolles Beispiel für die äußere Wasserspeicherung ist das Urnenblatt von Dischidia rafflesiana, einer Asclepediacee aus den Mangrovenwäldern Queenslands (Abb. 9.31). Die Wasseraufnahme erfolgt hier durch dichte Filze von Adventivwurzeln. Weiter verbreitet als die äußere ist die innere Wasserspeicherung. Dazu bedarf es aber zunächst eines besonderen Modus effizienter Wasseraufnahme. Eine spezifische Errungenschaft der Epiphyten ist ihre Fähigkeit zu äußerst rascher Wasseraufnahme, nicht nur durch die Wurzeln, sondern auch über alle oberirdischen Organe. Ihre Lebensweise zwingt die Epiphyten zu einer großen Vielfalt in der Wurzelbildung. Sie haben meist dreierlei Wurzeln: • Echte Erdwurzeln, die das wenige Erdreich und die Humusreste durchziehen, die sich etwa in den Astgabeln gesammelt haben, sind nur spärlich entwickelt. • Haftwurzeln dienen lediglich der Verankerung der Pflanze an ihrer Stütze beziehungsweise auf der Unterlage. Sie zeigen schon kurz nach
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9 Anpassungen der Pflanzen
Abb. 9.31. Dischidia rafflesiana, Asclepiadaceae; Detail: Urnenblatt aufgeschnitten
der Ausbildung der Radicula zahlreiche Seitenwurzeln, die ebenfalls der Anheftung dienen. • Luftwurzeln schließlich wachsen sparrig nach allen Richtungen und erfüllen über ihre spezielle Rhizodermis mit dem Velamen radicum eine besondere Aufgabe bei der Aufnahme von Wasser. Das Velamen radicum ist eine Wurzelhülle, die aus luft- oder wassergefüllten, toten Zellen epidermalen Ursprungs besteht. Es ist meist 2- bis 12-schichtig aufgebaut und grenzt im Inneren der Wurzel an die Exodermis, wobei Durchlasszellen für den Stoffaustausch zwischen Velamen und Wurzelrinde sorgen. Darüber hinaus sind sie auch in der Lage zu assimilieren. Physiognomisch erscheinen die Luftwurzeln weiß und grau. Bei der Aufnahme von Wasser ergrünen sie sofort und die chlorophyllführenden tieferen Wurzelschichten werden sichtbar. Box 9.4. Wasseraufnahme durch ein Velamen radicum Das Velamen radicum ist in der Lage, durch kapillare Saugkräfte Tau- und Regenwasser sehr rasch aufzunehmen, vorübergehend zu speichern und auf osmotischem Wege dann allmählich an die lebenden Zellen im Wurzelinneren abzugeben. Dabei kann man jedoch beobachten, dass einzelne spindelförmige Flecken von etwa 2 bis 4 Millimetern Länge und 1 bis 2 Millimetern Breite weiß bleiben. Diese Gebilde sind die Pneumathoden, die dem Gasaustausch dienen und gewissermaßen die Rolle von Spaltöffnungen übernehmen, wenn das Velamen mit Wasser gefüllt ist (Abb. 9.32).
9.8 Epiphyten und Epiphyllie
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Abb. 9.32. Velamen radicum, Exodermis und Teile der Wurzelrinde (links). Deutlich erscheinen im lichtmikroskopischen Bild (rechts) die Durchlasszellen (400x, Sudan III-Färbung)
Ist das Wasser erst einmal in der Pflanze, erfolgt eine effiziente innere Wasserspeicherung. Oft wird bei den Epiphyten, so bei den Rubiaceae und Orchidaceae, das Wasser in Spross- oder Speicherknollen gespeichert. Die bis zu 30 Zentimeter dicken Sprossknollen, es handelt sich in diesem Fall um Hypocotylknollen, können in ihren inneren Hohlräumen beträchtliche Mengen an Wasser speichern (Myrmecodia, Abb. 9.33), gleichzeitig finden dort Ameisenvölker Unterschlupf. Die Wasseraufnahme erfolgt - ähnlich wie bei manchen Hydrophyten - mit Hilfe von Hydropoten, die als spezialisierte Organe das Wasser osmotisch aufnehmen.
Abb. 9.33. Fast unscheinbar im Kronenbereich von australischen Mangrovenbäumen wachsen die Hypocotylknollen von Myrmecodia beccarii, Rubiaceae, einer typischen Ameisenpflanze
Ein Großteil der Epiphyten speichert demgegenüber das Wasser auch in den Blättern. In den Blattquerschnitten von Myrmecodia, Hydnophytum und vielen Orchideen findet sich ein mächtig ausgebildetes, subepider-
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9 Anpassungen der Pflanzen
Box 9.5. Saugschuppen der Bromeliaceen Sprosse von Tillandsia recurvata, die in regenarmen Winterperioden am natürlichen Standort bis zu einem Wasserdefizit von 60 Prozent austrocknen, nehmen nach Besprühen bereits in der ersten Sekunde 10 bis12 Prozent des verlorenen Wassers kapillar wieder auf. Nach wenigen Minuten wird die Wasseraufnahme fortgesetzt, nach oft nur 10 Minuten waren etwa 20 Prozent, nach 2 Stunden 50 Prozent und nach 5 Stunden bereits 80 Prozent des ursprünglichen Wasserdefizits getilgt; die volle Aufsättigung dauert etwa 30 Stunden. Auf natürliche Verhältnisse übertragen bedeutet dies, dass ein einziger Regentag genügt, um einen mehrwöchigen Wasserverlust zu ersetzen, und dass bereits ein kurzer Schauer für eine mittlere Wasserversorgung ausreicht. Mit derart leistungsfähigen Einrichtungen zur Aufrechterhaltung des Wasserhaushalts ausgestattet, haben sich zahlreiche Epiphytenarten, vor allem aus der Familie Bromeliaceae, weit außerhalb der immerfeuchten Waldgebiete ausgebreitet und finden sich in der offenen Tropenlandschaft, vielfach gehäuft entlang von Straßen, dringen bis in geschlossene Siedlungen vor, reihen sich büschelförmig an Telegrafendrähten auf und besiedeln selbst den trockensten Dornenbusch. Mit der vorgenannten Befähigung zu rascher Wasseraufnahme und ihrem wirksamen Verdunstungsschutz können diese Pflanzen ohne Schwierigkeiten auch mehrmonatige Trockenzeiten überdauern. Die Saugschuppen der Bromeliaceae sind der höchstentwickelte und leistungsfähigste Wasseraufnahmeapparat. Über ihren aus einem Kranz toter dünnwandiger Zellen bestehenden Schild wird in Sekundenschnelle Wasser durch Kapillarkräfte angesaugt, anschließend langsam an die lebenden Fußzellen und über sie an die Blatt- und Sprossgewebe weitergegeben. Beispielhaft sind solche Saugschuppen bei der Bromeliacee Tillandsia usneoides ausgebildet (Abb. 9.34). Dabei handelt es sich um einen vollkommen wurzellosen Epiphyten, bei dem die gesamte Wasser- und Nährsalzaufnahme über die Oberfläche der Pflanze erfolgen muss. Bei Tillandsia findet die Saugschuppenbildung in Form einer besonderen Haarbildung statt. Hier wird ein Schildhaar, die spätere Saugschuppe, dadurch gebildet, dass von einem gewissen Entwicklungsstadium ab nur noch mehrere radiale Zellteilungen stattfinden. Zunächst wird durch tangentiale Teilungen und Einsinken der so genannten Fußzelle ein „Stiel“ gebildet. Durch radiale Teilungen wird dann der Deckel mit dem Schild ausgebildet. Das fertige Haar zeigt den in Abb. 9.34 dargestellten Aufbau.
males oder zentral gelegenes, stark wasserhaltiges Parenchym, das den Blättern einen sukkulenten Habitus verleiht. Gleichzeitig sind die Leitbündel häufig verkümmert, da kein langer Wasserweg zu überbrücken ist. Ebenso wie viele Sukkulenten, die auf sparsamsten Wasserverbrauch eingerichtet sind, haben zahlreiche Sonnenepiphyten auch einen ähnlichen
9.9 Halophyten
275
Gasaustausch mit diurnalem Säurerhythmus entwickelt: Kohlendioxid wird nur nachts durch die dann geöffneten Stomata in die Pflanzen aufgenommen, zu organischen Säuren angereichert und tagsüber ohne Transpiration für die Photosynthese verarbeitet.
Abb. 9.34. Tillandsia usneoides (Bromeliaceae) in den Mangroven der Everglades in Florida. Saugschuppe von T. usneoides im Längsschnitt. In der Anfärbung mit Sudan III wird der Verlauf der Cutinisierung deutlich. Saugschuppe von T. usneoides, Querschnitt und Aufsicht, Detail
9.9 Halophyten Der Begriff Halophyt leitet sich von „halas“, dem griechischen Wort für Salz, insbesondere Meersalz, ab. Den Halophyten stehen die Glykophyten gegenüber, deren Name sich aus „glykýs“, griechisch für süß, ergibt. Der Begriff Halophyten wurde im Jahre 1928 von Otto Stocker (1888-1979) geprägt. Er gibt eine ökologisch-standörtliche Definition, indem er jede Pflanze als Halophyt bezeichnet, die in irgendeinem Stadium ihres Lebens einer Salzwirkung ausgesetzt ist, die von der großen Masse der „normalen“, glykischen Pflanzen nicht ohne Schaden ertragen wird. Somit wird deutlich, dass der Ausdruck „Halophyt“ für Pflanzen verwendet wird, die in Lebensräumen mit hoher Salinität vorkommen und ihren Lebenszyklus dort vollenden. Üblicherweise wird dieser Begriff nur für Pflanzen benutzt, die konstant und spezifisch in salzreichen Lebensräumen vorkommen.
276
9 Anpassungen der Pflanzen
Salzpflanzen sind nicht nur weltweit an den Meeresküsten und im Brackwasser verbreitet, sondern können auch in Binnenregionen an versalzten Senken und Salzquellen auftreten. Heute können wir Halophyten folgendermaßen definieren: Halophyten sind Pflanzen, die auf Standorten mit einem Salzgehalt über etwa 0,5 Prozent eine Förderung ihrer Entwicklung und Verbreitung erfahren. Des Weiteren bezieht sich der Begriff Halophyt nicht ausschließlich auf Pflanzen, die eine erhöhten Konzentration an Natriumchlorid (NaCl) tolerieren, sondern er kann sich auch auf Pflanzen mit einer Toleranz gegenüber Salzen wie Natriumsulfat (Na2SO4 ) oder Calciumsulfat (CaSO4) beziehen. Halophyten weisen zahlreiche morphologische und physiologische Anpassungen an ihre Standorte auf. Vor allem Natrium ist für einige Halophyten von essentieller Bedeutung. Als Mikronährelement spielt es eine Rolle im C4- und CAMStoffwechsel, jedoch nicht im C3-Stoffwechsel. Es kann in bestimmten Situationen auch als Ersatz für Kalium fungieren. In der Zelle liegt Natrium als Ion im Cytosol vor. Neben den bereits erwähnten Wirkungen auf den Wasserhaushalt, den Turgor und die Stomatabewegungen, kann es auch zur Aktivierung verschiedener Enzyme beitragen. Steigt der Salzgehalt innerhalb der Pflanze jedoch, wirkt sich Natriumchlorid auf die Konformation von Enzymen aus. Es kann dann zu Fällungen oder partieller Denaturierung von Proteinen und damit zu Strukturänderungen von Organellen und Membranen kommen. Änderungen im Stoffwechsel können ebenfalls auftreten. Da das Natrium-Ion sich mit einer vergleichsweise großen Hydrathülle umgibt, sind Störungen in molekularen Wasserstrukturen im Cytoplasma möglich. Große Probleme ergeben sich für die Pflanze besonders dann, wenn sich die Bodensalinität auf einen Wert über 0,5 Prozent erhöht. Als obligate Halophyten werden solche Pflanzen bezeichnet, die ausschließlich an Salzstandorten wachsen und durch eine mäßige Salzaufnahme eine Wachstumsförderung erfahren. Sie werden auch Euhalophyten genannt und benötigen zumindest während eines Abschnitts ihrer Lebensphase erhöhte Salzmengen. Dadurch besitzen diese Pflanzen an ihren Standorten Konkurrenzvorteile gegenüber anderen Arten. Viele Chenopodiaceen gehören hierher. Ein gutes Beispiel ist der Queller, der heute taxonomisch in mehrere Arten, vor allem Salicornia ramosissima, Salicornia brachystachia und Salicornia stricta, aufgegliedert wird (Abb. 9.35). Fakultative Halophyten sind solche Pflanzen, die zwar ausschließlich Salzböden besiedeln, deren physiologisches Optimum aber im salzfreien oder zumindest salzarmen Milieu liegt. Erhöhte Salzkonzentrationen werden lediglich toleriert. Der Grund für die Besiedlung salzhaltiger Standorte liegt darin, dass die Pflanzen hier praktisch konkurrenzlos wachsen können, wogegen sie auf salzfreien Böden schnell dem Konkurrenzdruck der Glykophyten erliegen. Zahlreiche Poaceen, wie zum Beispiel Spartina B
B
B
B
B
B
B
B
B
B)
9.9 Halophyten
277
anglica, Cyperaceen und Juncaceen gehören zu dieser Gruppe. Standortindifferente Halophyten wiederum können noch auf Salzböden wachsen, man findet sie aber in der Regel an salzfreien Standorten. Bei ihnen lassen sich häufig sogar genetische Unterschiede zwischen solchen Populationen finden, die halophytisch, und solchen, die glykophytisch wachsen. Glykophyten schließlich finden an allen Salzstandorten mit SalzKonzentration höher als 0,5 Prozent auf Dauer keine Möglichkeit zu überleben.
Abb. 9.35. Salicornia stricta in herbstlicher Rotfärbung auf Grund der hohen Anthocyananreicherung im Laufe des Abbaus von Chlorophyll
Betrachtet man Küstenstandorte in humiden Regionen, fällt erwartungsgemäß auf, dass mit zunehmender Entfernung vom Meer eine deutlich zunehmende Anzahl von Glykophyten zu finden ist. Durch Regen wird hier das Salz aus dem Boden ausgewaschen und die Konzentration des Salzes nimmt mit wachsender Entfernung zum Meer ab. In ariden Gebieten hingegen ist die Situation genau umgekehrt. Da die Regenfälle dort vergleichsweise gering sind, wird das Salz nicht aus dem Boden ausgewaschen, sondern lagert sich durch Verdunstung des Meerwassers in höheren Konzentrationen im Boden ab. Da hinter dem Spülsaum keine Auswaschung durch Meerwasser erfolgt, steigt die Salzkonzentration im Boden hier deutlich über die Konzentration des Meerwassers an. Infolgedessen sind dort die obligaten Halophyten in einiger Entfernung
278
9 Anpassungen der Pflanzen
zum Wasser zu finden. Natürlich nimmt auch hier der Salinitätsgrad ab einer bestimmten Entfernung vom Meer wieder ab. Box 9.6. Salz als Stressfaktor Alle Lebewesen benötigen in gewissen Mengen verschiedene Salze. Allerdings ist dabei die Menge von Bedeutung; Salze können für jede Pflanze schnell zu einem Stressfaktor werden. Da das Wasser in salzhaltigen Böden sehr stark osmotisch gebunden ist, kann die Pflanze keine wirksame Saugspannung aufbauen, die es ihr ermöglicht, Wasser aufzunehmen. Pflanzen auf Salzstandorten sind daher einer physiologischen Trockenheit ausgesetzt. Durch die Störung der Wasseraufnahme ist aber gleichzeitig auch die Aufnahme essentieller Mineralstoffionen gestört. Dadurch können sich Pflanzen nicht mehr ausreichend mit Nährstoffen versorgen. Um Wasser aufnehmen zu können, erhöht die Pflanze die Salzkonzentration in den Zellen soweit, dass das Wasserpotential in der Pflanze negativer ist als im Boden. Um der toxischen Wirkung zu hoher Salzkonzentrationen in der Pflanze entgegenzuwirken, werden in den Zellen osmotisch wirksame, aber nicht toxische Stoffe eingelagert, so dass der osmotische Druck in der Pflanze größer bleibt als im Boden und somit eine Saugspannung entsteht. Ionen, wie zum Beispiel Natrium, Chlor, Calcium oder Magnesium besitzen in zu hoher Konzentration eine toxische Wirkung auf lebenswichtige Enzyme, wie PEPCarboxylase, RubisCo und Nitratreduktase, die eine entscheidende pflanzenphysiologische Rolle bei der Aufnahme von Kohlendioxid spielen. Ohne diese Enzyme kommen grundlegende Wachstumsvorgänge und damit der gesamte Stoffwechsel in der Pflanze zum Erliegen. Die meisten Enzyme von Halophyten sind folglich genauso empfindlich gegenüber hohen Salzkonzentrationen wie die der Glykophyten. Halophyten haben daher eine Methode entwickelt, mit der sie die schädlichen Salzionen vom Cytosol ihrer Zellen fernhalten. Die Pflanzen erreichen dies durch selektive Kompartimentierung, indem das aufgenommene Salz in erster Linie in der Vakuole gespeichert und somit ein negativer Einfluss etwa auf Chloroplasten verhindert wird. Bei dem Begriff Salinität wird zumeist an Kochsalz gedacht, also Natriumchlorid. Es lassen sich viele der Aussagen, die für Natriumchlorid zutreffen, aber auch auf andere Salze übertragen, die ebenfalls Einfluss auf die Entwicklung von Pflanzen haben. Zu nennen wären etwa Calciumchlorid, Magnesiumchlorid, Natriumsulfat oder Magnesiumsulfat. Natriumchlorid ist vor allem an den Küsten von Bedeutung, während in Steppen und Wüstengebieten alkalisch wirkende Sulfate und Carbonate von Magnesium, Natrium und Calcium verbreitet sein können.
Salzakkumulation und Salzelimination in den Halophyten erfolgen meistens über Salzdrüsen. Sie dienen der Entfernung von Salzen aus dem Stoffwechsel der Pflanzen, um die Menge in der Pflanze gering zu halten.
9.10 Pyrophyten
279
Bereits erwähnt wurde, dass die Evolution der Halophyten konvergent verlaufen ist und Halophyten aus unterschiedlichen Pflanzenfamilien stammen, weshalb von einer konvergenten Entwicklung der Salzdrüsen unterschiedlicher Familien gesprochen werden kann. Es handelt sich also um polyphyletisch entstandene ökomorphologische Anpassungen. Hervorgegangen sind sie aus bereits vorhandenen Strukturen glykophytischer Vorläufer der Halophyten, etwa Drüsenhaaren oder zweizelligen Haaren. Salzdrüsen, die in der Epidermis liegen, entziehen den Mesophyllzellen durch Plasmodesmen Natriumchlorid (Abb. 9.36). Durch aktive Sekretion pumpen die Drüsenzellen das Chlorid nach außen, der Natrium-Transport erfolgt als passiver Export. Die Ionenpumpe ist in der Plasmamembran lokalisiert. Die Energie für den aktiven Transport wird durch die Zellatmung der in den Drüsenzellen reichhaltig vorhandenen Mitochondrien geliefert. P
Abb. 9.36. Detailaufnahme eines Querschnitts durch einen Salzdrüsenkomplex des Strandflieders Limonium vulgare, Plumbaginaceae, bei 1000facher Vergrößerung und gefärbt mit Sudan III
9.10 Pyrophyten In vielen Regionen der Erde ist Feuer ein wichtiger ökologischer Faktor für die Entwicklung und die Artenzusammensetzung der Vegetation. Das gilt insbesondere für die Vulkangebiete, wo Feuer nach Vulkanausbrüchen zum natürlichen Geschehen gehören. Sogar ganze Biome verdanken dem Feuer ihr bekanntes Erscheinungsbild: Savannen, semiarides Buschland, Prärien, mediterrane Macchien und Garigues und auch die borealen Nadelwälder. Natürliche Auslöser sind hier meist Blitze. Die meisten Pflanzenarten in diesen Lebensräumen sind speziell an die Wirkungen des Feuers angepasst, und für einige von ihnen ist das Feuer sogar existenziell. Solche „Feuerspezialisten“ nennen wir Pyrophyten, und die Anpassungs-
280
9 Anpassungen der Pflanzen
syndrome werden als Pyrophytismus bezeichnet. Pyrophyten haben oft langlebige Samenbanken im Boden oder in den langlebigen Zapfen und Früchten der Baumkronen, wie wir es beispielsweise von der Kanarischen Kiefer Pinus canariensis oder den australischen Proteaceen der Gattungen Banksia und Grevillea kennen (Abb. 9.37). Diese öffnen sich erst unter der Wirkung des Feuers, die Samen werden erst nach dem Brand ausgestreut und erreichen dann ihre volle Keimfähigkeit.
Abb. 9.37. Eine aus Lignotubern ausschlagende Banksia nach einem Brand in der Nähe von Sydney in Australien (links). Die verholzten Fruchtstände entlassen die Samen nur, wenn sie durch Feuer zur Öffnung angeregt worden sind (rechts)
Der Pyrophytismus zeigt sich in vielfältigen Überlebensstrategien: Viele Pflanzen treiben nach einem Feuer immer wieder aus; sie besitzen zur Regeneration befähigte Sekundärmeristeme unter schützenden Borken oder generell unterirdische Apikalmeristeme, vor allem die Gräser und viele Geophyten. Bei Horstgräsern und Rosettenpflanzen wirken häufig „Strohmäntel“ aus abgestorbenen Blättern als Feuerschutz. Viele Pflanzen speichern auch einfach soviele Reservestoffe im Stamm, dass sie nach einem Brand sofort wieder austreiben, wie wir es von den australischen „Grasbäumen“ der Gattungen Xanthorrhoea, Kingia und Dasypogon und einigen Baumfarnen der Gattungen Cyathea und Dicksonia kennen. Manche Pflanzen besitzen Lignotuber, das sind durchschnittlich 5 bis 60 Zentimeter große verholzte Anschwellungen der unteren Internodien im Bereich der Cotyledonen, der Primärblätter inklusive der Wurzelhälse. Diese werden als Xylopodien bezeichnet. Manchmal hilft auch nur die „Verlagerung“ von Vegetationsmeristemen in die Erde, da der Boden
9.11 Literatur
281
als guter Isolator gegen die Feuerhitze fungiert, wie wir es von den Geophyten und den vielen Zistrosen aus dem Mittelmeergebiet her kennen. Obligatorische Feuerzyklen variieren zwischen jährlich in der Savanne, einem Zeitraum von 30 bis 40 Jahren in den mediterranen Zonobiomen bis zu mehrhundertjährigen Abständen im borealen Wald. Entzündbare Streuund Strauchschichten der Wälder oder leicht entflammbare Papierborken beispielsweise bei den australischen Melaleuca- und Eucalyptus-Bäumen begünstigen das Brennen. Hier entstehen die häufigen Brände mit so genannten durchziehenden Grundfeuern von etwa 100 Grad Celsius am Boden und 500 Grad Celsius in einem Meter Höhe und den destruktiven Kronenfeuern mit Temperaturen über 1000 Grad Celsius mit Vernichtung aller Holzgewächse.
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9 Anpassungen der Pflanzen
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
Die Gesamtheit der Einwirkungen der Außenwelt auf die Pflanze bezeichnet man als Standort. Dieser Begriff darf nicht mit dem Terminus Fundort verwechselt werden. Die Bezeichnung Standort hat also in der geobotanischen Terminologie einen streng festgelegten Sinn. Somit können wir die Synökologie auch als Standortlehre definieren (Abb. 10.1).
Abb. 10.1. Indirekt und direkt wirkende Standortfaktoren (verändert nach Ellenberg 1968)
Bei Pflanzen besteht eine enge, bei Tieren eine etwas lockerere Bindung an den Standort. Der Standort ist ein bestimmter Geländeausschnitt mit der Gesamtheit aller dort wirksam werdenden äußeren Bedingungen. Tiere
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
können sich nacheinander an mehreren Standorten aufhalten. Sie verbinden auf Wanderungen, wie auf dem Vogelzug, verschiedene Ökosysteme; unter anderem daran zeigt sich, dass Ökosysteme offen sind. Der Standort wird deshalb von zahlreichen Parametern oder Faktoren geprägt. Sie müssen das Leben und Überleben der Lebewesen am Standort gewährleisten. Am Standort herrscht Konkurrenz zwischen und innerhalb einzelner Arten, welche die am besten an die jeweiligen Standortbedingungen angepassten Individuen einer Art fördert und sich durch das „Survival of the fittest“ auszeichnet (Abb. 10.2). Standortbedingungen sind nicht konstant; daher werden auch nicht stets die gleichen Individuen gefördert.
Abb. 10.2. Haushohe Vulkanschlote und Kraterhänge aus Vulkangestein auf der westlichsten Azoreninsel Flores sind mit meterdicken Sphagnum-Torfmoosdecken bekleidet, welche die Elemente der Baumheide-Gesellschaften des Fayal-Brezal unter sich begraben. Hier können die ombrotraphenten Torfmoose wegen ihrer Wasserspeicherkapazität solche dominanten Vegetationsstrukturen ohne Konkurrenz anderer Arten bilden
Wir wollen nachfolgend die Phänomene der Pflanzenverbreitung und ihrer Ursachen, der Verbreitungsbedingungen sowie der Interaktionen von Pflanze-Klima-Boden als integrierende Kräfte behandeln und deren Funktion für die Ökosysteme an einigen Beispielen kennen lernen.
10.1 Abiotische und biotische Faktorenkomplexe Der Standort einer Pflanze setzt sich aus einer Fülle von einzelnen Faktoren der Außenwelt zusammen, und ihnen kommt für die Artenauslese und
10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
285
Zusammensetzung einer Pflanzengesellschaft die Schlüsselrolle zu: Die jeweiligen Standortbedingungen sind sowohl exogener als auch endogener Natur, das heißt, sie wirken einmal von außen her auf die Pflanzengesellschaften ein und zum anderen von innen her, aus der Pflanzengesellschaft selbst. Sie werden folgendermaßen differenziert (Tab. 10.1): Tabelle 10.1. Standortbedingungen (nach Pott 1995) exogen
endogen
klimatische Faktoren Konkurrenz und Koexistenz (Niederschläge, Temperatur, Wind etc.) (Wettbewerb um Raum, Nahrung, Wasser und Energie) edaphische Faktoren (physikalische und chemische Bodenbeschaffenheit)
Abhängigkeit (z. B. Licht- und Schattenpflanzen)
anthropo-zoogene Faktoren (Einwirkungen von Mensch und Tier)
Anpassung (z. B. zeitlich komplementäre Geophyten) Duldung (z. B. Kommensalismus)
Die exogenen Faktoren wie Licht und Temperatur bestimmen, welche Pflanzenarten an einem bestimmten Ort wachsen können und welche nicht, das heißt, sie begrenzen den Rahmen der Wachstumsmöglichkeiten im Gelände. Die endgültige Auswahl der Arten einer Gesellschaft bestimmen sie in der Regel aber nicht. Dafür sind die endogenen Faktoren verantwortlich, jene Kräfte, welche die Pflanzen selbst besitzen und entfalten, um das Leben in der Gemeinschaft zu regulieren. Aus der Vielzahl von zufälligen Arten, die aufgrund der exogenen Faktoren beispielsweise auf neu geschaffenen Wuchsplätzen wie Brachäckern, Ruderalstellen oder Gärten wachsen können, bleibt im Endeffekt nur ein Bruchteil von bestimmten Arten zurück. Exogene Einflüsse der unbelebten Umwelt auf den Organismus bezeichnet man auch als abiotische Faktoren; Einflüsse, die von anderen Lebewesen ausgehen, nennt man biotische Faktoren. Aus der zufälligen primären Artenkombination entwickelt sich also unter dem Einfluss der endogenen Faktoren die bestimmte, gesetzmäßige Artenkombination. So treiben die Knollen-, Wurzel-, Rhizom- und Zwiebelgeophyten in unseren Buchenwäldern schon im zeitigen Frühjahr aus. Sie blühen und fruchten, bevor die Buche ihr sommerliches, schattiges Kronendach entwickelt. Diese Pflanzen sind also zeitlich komplementär in
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
das Ökosystem Buchenwald eingenischt. Welcher von beiden Kräftegruppen im Endeffekt für die Bildung der Pflanzengesellschaften nun die wirksamere Bedeutung zukommen, hängt von der Einseitigkeit oder Vielseitigkeit der exogenen Faktoren ab. Sind die exogenen Faktoren einseitig, überwiegend also ein Faktor als Extremfaktor, dann sind sie am meisten für die Auslese der Pflanzenarten in der Gesellschaft verantwortlich, so wie wir es von extremen Halophytengesellschaften, Primärdünengesellschaften der Meeresküsten oder alpinen Rasengesellschaften kennen. Sind dagegen die Außenfaktoren vielseitig, kommt den endogenen Faktoren die Hauptauslese für die jeweilige Pflanzengesellschaft zu. Wir sind bei ökologischen Labor- und Geländeuntersuchungen also gezwungen, jede Faktorengruppe meist zunächst getrennt für sich zu behandeln und in ihrer Wirkung auf die Pflanzenwelt zu untersuchen. In Wirklichkeit tritt aber im Leben der Pflanze ein ganzer Faktorenkomplex wirksam in Erscheinung, und die einzelnen Faktoren stehen zueinander in vielfacher Wechselwirkung. Die Wirkung jedes einzelnen Faktors wird demnach vom Zusammenwirken aller Faktoren beeinflusst. Wenn wir auch im Folgenden die Einwirkungen einzelner Faktoren auf die Pflanzen nacheinander abhandeln, so müssen wir diese Tatsache der komplexen Interaktion immer berücksichtigen und bedenken.
10.2 Arealbildung Die Ursachen-Komplexe für die Verbreitung von Pflanzenarten und die jeweilige Arealabgrenzung durch Minimum-Temperaturen, durch mangelnde Sommerwärme, winterliche Tiefsttemperaturen oder zu geringe Niederschläge haben wir inzwischen mehrfach gesehen. Dabei werden verschiedene Arealtypen – also Gruppen von Pflanzensippen mit ähnlicher Arealform – oder Geoelemente, das sind Arten mit ähnlichen Verbreitungsschwerpunkten in bestimmten Florenregionen oder Florenreichen, beispielhaft erwähnt. Die Lebensäußerungen der Organismen folgen annähernd einer Optimumskurve (Abb. 10.3), bei der die jeweils empfindlichsten Lebensstadien den Erhalt und die Ausbreitung von Arten begrenzen. Das physiologische Verhalten einer Art ist der Bereich eines Standortfaktors, den die Art in kontrollierten Experimenten in Reinkultur ohne Konkurrenz durch andere Arten toleriert. In der englischsprachigen Fachliteratur wird dieses als „Fundamental niche“ bezeichnet. Das ökologische Verhalten einer Art ist der Bereich eines Standortfaktors, in dem die Art auch bei Konkurrenz durch andere Arten tatsächlich vorkommt, das ist die „Realized niche“. Die
10.2 Arealbildung
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Abbildungen 10.3 bis 10.6 geben die Abhängigkeiten von Eibe (Taxus baccata), Buche (Fagus sylvatica) und der Küstenheide (Erica cinerea) von der Trophie des Standortes oder ihrer jeweiligen Höhenlage im Gebirge und deren Konkurrenzverhalten im Gelände wieder: Die ökologische Potenz ist von Art zu Art verschieden groß; der Bereich, in dem diese optimal gedeihen, wird als Vorzugsbereich oder auch als physiologisches Optimum bezeichnet.
Abb. 10.3. Physiologisches und ökologisches Verhalten derselben Pflanzenarten (nach Ellenberg 1953). Schematisches Diagramm der physiologischen und ökologischen Wachstumskurve von Taxus baccata in der Konkurrenz zur Buche. Im Hintergrund: Taxus baccata-Wald mit Taxus-Früchten (Detail)
Wird der Minimal- oder Maximalwert eines Faktors überschritten, ist die Grenze der Toleranz erreicht. Häufig werden jedoch die Verhältnisse dadurch kompliziert, dass die einzelnen Faktoren nicht unabhängig voneinander wirken: So ist beispielsweise die Fähigkeit zur Wasserspeicherung im Boden abhängig von dessen Beschaffenheit, seiner Körnung und chemischen Zusammensetzung. Sein Wassergehalt beeinflusst wiederum den Wärmehaushalt: Nasser Boden erwärmt sich langsamer als trockener, speichert also mehr Wärme und leitet diese auch besser weiter. Der Toleranzbereich einer Art, also ihr physiologisches Optimum, muss in der Natur nicht ihrem ökologischen Optimum entsprechen, wie wir es in Abb. 10.3 am Beispiel der Eibe gesehen haben. Grund dafür ist die Konkurrenz um Nährstoffe und Raum mit anderen Arten.
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
Abb. 10.4. Das physiologische und ökologische Optimum der Buche (Fagus sylvatica) findet sich auf ausgeglichenen Standorten. Auf feuchten Böden ist die Buche edaphisch eingeengt und wird von feuchtigkeitsliebenden Baumund Gehölzarten verdrängt. Das potentielle bzw. physiologisch bedingte Areal der Buche ist also größer als ihr ökologisch bedingtes, wirkliches Areal
Abb. 10.5. Wechsel des Höhengradienten von Erica cinerea mit abnehmender Ozeanität von Madeira im Atlantischen Ozean bis zu den Faröern im europäischen Nordmeer
10.2 Arealbildung
289
Abb. 10.6. Höhenverbreitung von Rotbuche (Fagus sylvatica) in einem schematischen Nord-Süd-Profil von Südskandinavien bis zum Apennin (nach Ellenberg 1963). Die Geobotaniker Erna und Heinrich Walter (1952) bezeichnen dieses Phänomen des Standortwechsels in unterschiedlichen Klimaregionen als „Relative Standortskonstanz und Biotopwechsel“: „Wenn in der Richtung zur Verbreitungsgrenze einer Art das Klima sich in bestimmter Weise ändert, dann tritt bei der Art ein Biotopwechsel ein, durch den die Klimaänderung möglichst kompensiert wird, so dass die Standortbedingungen (...) mehr oder weniger konstant bleiben.“
Abb. 10.7. Verbreitung von Buchenwäldern in Europa. Detail links Fagus sylvatica, rechts Fagus orientalis, in roter Ellipse das Verbreitungsgebiet von F. orientalis (Kartographie nach Bohn et al. 2003)
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
In fast allen bisher untersuchten Fällen hat sich herausgestellt, dass der Konkurrenzdruck eine Verschiebung des ökologischen Optimums gegenüber dem physiologischen bewirkt und dass das natürliche Vorkommen einer Art nur selten direkt und allein durch exogene Standortfaktoren bestimmt wird. Diese beeinflussen meist die Verbreitung nur indirekt, indem sie die Wettbewerbsfähigkeit verändern. Die großen Differenzen, die offenbar bei vielen Arten zwischen potentiellem und tatsächlichem Areal bestehen, machen das Problem verständlich, aus einem Verbreitungsbild Schlüsse auf das ökologische Verhalten einer betreffenden Art ziehen zu wollen. Mit der Feststellung der Verbreitung einer Pflanzenart drängt sich unwillkürlich die Frage auf, weshalb eine Pflanze nun gerade dieses Gebiet besiedelt, an anderer Stelle aber fehlt. Auf unser Beispiel der Abb. 10.7 bezogen: Warum dominiert Fagus sylvatica in ganz Europa und warum ist das Areal von Fagus orientalis in Europa auf die Region um das Schwarze Meer beschränkt? Wir fragen hier nach dem „Warum der Verbreitung“ und kommen damit auf die Verbreitungsursachen, die einmal florengeschichtlich, zum anderen aber auch ökologisch bedingt sein können. Es stellen sich dabei die beiden Grundfragen: „Ist die Pflanze im Zuge ihrer Ausbreitung überhaupt nicht an diesen Ort gelangt, oder fehlen hier die grundsätzlichen Lebensbedingungen?“ Sie kann auch, wenn sie schon einmal vorhanden war, im Laufe früherer erdgeschichtlicher Epochen durch Aussterbeprozesse schnell oder durch ungünstige klimatische Veränderungen recht langsam wieder ausgelöscht worden sein, wie wir es bei den Auswirkungen der Eiszeiten ja mehrfach auf der Erde erlebt haben. In der Regel spannen die Außenfaktoren, wie Klima und Boden, nur den großen Rahmen der Wachstumsmöglichkeiten für die einzelnen Pflanzenarten. Sie bestimmen meist, ob die Pflanzen an bestimmten Orten überhaupt wachsen können oder nicht. Ob sie nun auch an allen Stellen, wo es die Außenfaktoren ermöglichen, in Wirklichkeit vorkommen, ist eben die Frage der Konkurrenz unter den Pflanzenarten selbst. Unter Konkurrenz versteht man den Wettbewerbskampf der einzelnen Arten um Raum, Nahrung, Wasser und Energie. Die Konkurrenzkraft der einzelnen Arten spielt hinsichtlich der Begrenzung der Pflanzenareale demnach eine ganz entscheidende Rolle. Wir unterscheiden die Konkurrenz zwischen verwandten Arten gleicher genetischer Herkunft in einer Population vor Ort, die intraspezifische Konkurrenz, von dem Wettbewerb zwischen genetisch verschiedenen Arten, der interspezifischen Konkurrenz, oder aber auch nur das „gegenseitige Dulden“, die Koexistenz im Lebensraum. Wir müssen also theoretisch
10.2 Arealbildung
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unterscheiden zwischen einem potentiellen Areal, das die Pflanzen auf Grund ihrer ökologischen Konstitution besiedeln können, und einem tatsächlichen, realen Areal (Abb. 10.8).
Abb. 10.8a-c. Arealtypen: a geschlossenes Areal, b disjunktes Areal, c Hauptareal mit Exklaven und Vorposten
Wie wir schon gesehen haben, sieht letzteres meist ganz anders als das theoretisch mögliche Areal aus und ist durch die Konkurrenz der Arten gegenüber dem ersteren meist wesentlich verkleinert. Die konkurrenzbedingte Einengung einer Pflanzenart kann somit auf zwei Wegen erfolgen: • Von der Peripherie her: Das gibt es insbesondere bei klimatisch bedingten Arealen, wie wir es bei borealen Arten in Mitteleuropa sehen. Auch das Beispiel der Buche in Abb. 10.7 zeigt an den klimatisch bedingten Arealgrenzen im Mittelmeergebiet, dass hier in den Montanstufen die Konkurrenzkraft der Buche nachlässt und das zusammenhängende Areal zerstückelt ist. • Vom Zentrum her, wenn physiologisches und ökologisches Optimum nicht mehr übereinstimmen. Das Beispiel der Eibe (Abb. 10.3) verdeutlicht die Abdrängung dieser Art durch die Buche auf trockene KalkfelsSteilhänge beziehungsweise auf feuchte, rutschige Hänge oder sogar auf Übergangs- oder Flachmoore, wo Taxus baccata jeweils am Rande ihrer physiologischen Existenzmöglichkeiten noch wachsen kann. Ein ähnliches Verhaltensspektrum zeigt in Mitteleuropa die Waldkiefer (Pinus sylvestris) in ihrer Konkurrenz zu vielen Laubbaumarten: Wir finden heute natürliche Kiefernwälder hier nur an Moorrändern und auf Trockenstandorten, also in Extrembereichen. Die mittleren Bereiche haben im Laufe der nacheiszeitlichen Wiederbewaldung Europas die Laubbäume erobert. Koexistenz von Pflanzen gleicher oder ähnlicher Standortansprüche in gemeinsamen Habitaten ist durch räumlich-zeitliche Komplementarität möglich, wie wir bei den Geophyten im Buchenwald in Abb. 4.11 gesehen haben. Ebenso kennen wir Konkurrenzausschluss durch wiederholte Störungen, wobei möglicherweise konkurrenzstärkere Arten immer wieder
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
durch Störung auf ein Ausgangsniveau zurückgeworfen werden, so dass sie nicht dominieren können und somit Koexistenz für eine gewisse Zeit zustande kommt. Es gibt auch das Phänomen der Koexistenz durch zeitliche Heterogenität, besonders sichtbar bei verschiedenen Sukzessionsstadien und Alterklassen von Waldgesellschaften oder bei Gewässerverlandungen, auf die wir im Kapitel 10.7 näher eingehen wollen. Neben den direkt sichtbaren phänotypischen Merkmalen, wie Körpergröße oder Körperform, unterliegen viele weitere populationsbestimmende Merkmale der Selektion und stehen im Zusammenhang mit den Umweltfaktoren des Lebensraumes; hierzu gehören die Fortpflanzungsrate und die Altersstruktur einer Population. Je nachdem, ob der Lebensraum weitgehend konstante Verhältnisse aufweist oder sehr variabel ist, lassen sich zwei unterschiedliche Selektionstypen unterscheiden: die K-Selektion und die r-Selektion. Sie führen zu zwei verschiedenartigen Überlebensstrategien, die man deshalb auch als K-Strategie und r-Strategie bezeichnet. Entsprechend unterscheidet man K-Strategen von r-Strategen. Aus dem Zusammenwirken verschiedener genetisch fixierter Anpassungen beziehungsweise Merkmale ergeben sich unterschiedliche Lebensstrategien, die eine Koexistenz unterschiedlicher Arten an einem scheinbar uniformen Standort zulassen. Das einfache Modell der r-Selektion und der KSelektion geht dabei von zwei gegensätzlichen Habitattypen aus, in denen günstige Lebensbedingungen kurzfristig oder dauerhaft vorhanden sind. Es werden nach R. H. MacArthur u. E. O. Wilson (1967) sowie E. R. Pianka (1970) r-Strategen als meist kurzlebige, konkurrenzschwache Arten mit hoher Fortpflanzungsrate und schneller Ausbreitung von meist langlebigen, konkurrenzstarken, aber reproduktionsschwachen K-Strategen unterschieden. Im Falle stabiler Lebensräume ist es für die Population von Vorteil, besonders enge Anpassungen an die Umweltfaktoren zu entwickeln, die genetisch fixiert sind. Die Anpassung an einen lokalen konstanten Lebensraum innerhalb eines komplexen Ökosystems mit zum Teil auch instabilen Kompartimenten begünstigt Individuen mit einem genetisch fixierten Verhalten zur Ortstreue. Jene Individuen, die hiervon abweichen, unterliegen einem großen Selektionsdruck, sie gehen der Population durch Genfluss verloren. Nur wenige hiervon sind in der Lage, außerhalb der Heimatlokalität zu überleben und unterscheiden sich von der Ausgangspopulation zunächst durch genetische Drift und später eventuell auch durch Mutation und gerichtete Selektion, die eine Rückkehr zur Heimatlokalität verhindert und auch die Variabilität der Tochterpopulation erhöht.
10.3 Konvergenz
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10.3 Konvergenz Wenn analoge Formen in genetisch verschiedenen Verwandtschaftskreisen im Laufe der Evolution durch ähnliche Umwelteinflüsse entstanden sind, sprechen wir von Konvergenz. Es bilden sich evolutiv unter spezifischen Lebensbedingungen bei nicht verwandten Arten, also unabhängig voneinander, konvergente Lebensformen. Konvergente Lebensformen bei Pflanzen sind beispielsweise die Phanerophyten, die Chamaephyten und vor allen die verschiedenen Geophyten als Anpassungen an das Temperaturgefüge ihres Lebensraumes. Konvergent sind auch die sukkulenten Kakteen und Euphorbien, die sich auf verschiedenen Kontinenten zu teils ähnlichen Gestaltungstypen als Anpassung an die Trockenheit entwickelt haben (Abb. 10.9).
Abb. 10.9. Ein schönes Beispiel für Konvergenz in der Paläotropis und der Neotropis zeigen stammsukkulente Arten aus den Familien Euphorbiaceae und Cactaceae: Euphorbia canariensis der Kanarischen Inseln (links), zwei Vertreter der Sonora-Wüste Arizonas mit der kandelaberartig wachsenden Carnegiea gigantea und der basisverzweigten Lemaireocereus thurberi (rechts)
Das breite Spektrum der Verbreitung des CAM-Metabolismus spricht für Konvergenz. Eine wichtige Voraussetzung ist offensichtlich die Entwicklung von Geweben, deren Zellen mit großen Vakuolen und Chloroplasten ausgestattet sind, wie es auch Gerhard Richter (1998) betont. Diesen Weg beschreiten offenbar selbst einige Wasserpflanzen, wie Littorella uniflora und Lobelia dortmanna, ein Hinweis auf die frühe phylogentische Etablierung dieser Anpassungsform.
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
10.4 Pflanzengesellschaften und Assoziationen Die ganz bestimmte floristische Zusammensetzung einer Pflanzengesellschaft kommt dadurch zustande, dass diese sich aus solchen Pflanzenarten zusammensetzt, welche nahezu allesamt gleiche Ansprüche an ihre Umwelt stellen, oder dass sie zumindest diese Umweltbedingungen ertragen können. Damit erklärt sich auch, dass innerhalb eines gewissen geographischen Verbreitungsgebietes an verschiedenen Stellen im Gelände bei gleichen Umweltbedingungen immer wieder gleiche Pflanzengesellschaften vorkommen. Das ist eine der Grunderkenntnisse der Geobotanik.
Box 10.1. Die ersten Ökosysteme der Erde Seit dem frühen Archaikum haben mit der Entwicklung erster Organismen auch die biologischen Inkorporationen und der Stoffwechsel von Mineralen, besonders von Kalium, Magnesium, Eisen und Silizium, die Evolution beeinflusst und somit auch die damalige jeweilige globale Umwelt modifiziert. Marine und nicht-marine Systeme der Biomineralisation wurden damals entwickelt, und es begann eine erste Interaktion zwischen den Lebensräumen, den Ozeanen, dem festen Land mit seinen Gesteinen, der Atmosphäre, den ersten Böden und der damaligen Biosphäre, zunächst in einer sauerstofffreien, dann aber in einer Sauerstoffatmosphäre, wie wir sie noch heute haben. Ganz am Anfang gab es noch eine versteckte, „Tiefe Biosphäre“ mit Temperaturen von bis zu 120 Grad Celsius. Hier lebten in der Hitze prokaryotische Archaea und Bakterien und sogar einige eukaryotische Pilze. Die meisten dieser Organismen waren chemolithotroph und spielten eine wichtige Rolle während der ersten Gesteinsumwandlungen und der Bildung von Bodenmineralen. Diese „Tiefe Biosphäre“ war sicherlich anaerob und ist heute durch phylogenetisch „alte Organismen“ fossil repräsentiert. Es bestehen auch keine Zweifel, dass diese „Tiefe Biosphäre“ für die ersten geologischmikrobiologischen und geobiologischen Umwandlungsprozesse auf der Erde eine wichtige Rolle gespielt hat. Hydrocarbon-Degradation auf der Basis von elementarem Schwefel und Carbonaten ist noch heute durch mikrobiologische Aktivität nachweisbar. In ähnlicher Weise, wie wir heute den Efflux von Hydrocarbonaten als Flüssigkeit oder als Gase an Kontinentalschelfen in das Ozeanwasser beobachten, dürften damals ähnliche Vorgänge stattgefunden und sich energiereiche Oasen in den damaligen Weltmeeren gebildet haben. Hier war ein anaerobes Leben auf der Basis von Chemosynthese möglich – und denkbar. Diese Prozesse haben die damalige Hydrosphäre, die Evolution und wahrscheinlich auch das Klima schon im Erdaltertum beeinflusst und modifiziert.
10.4 Pflanzengesellschaften und Assoziationen
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Vegetationskunde ist die Lehre von der Evolution, der geographischen Verbreitung einzelner Pflanzensippen, ihrer Aggregation zu Pflanzengesellschaften und Vegetationsformationen und deren Synthese zu Großlebensräumen, den Zonobiomen. Die Vegetationskunde in diesem speziellen Sinne wird seit F. Höck (1906) auch als Pflanzensoziologie bezeichnet, also als Lehre von der Vergesellschaftung charakteristischer Pflanzenarten und bestimmter Standortbedingungen in definierten geographischen Räumen und in den jeweiligen Epochen der Evolution. Für eine feinere Analyse der Pflanzendecke, die sich einer floristischen Gliederung bedient, war die Fassung der Pflanzengesellschaften und die Etablierung der Pflanzensoziologie folgender Schritt essentiell: Auf Vorschlag des Franzosen Charles Flahault (1852-1935) aus dem Jahre 1893 und des Schweizers Carl Schröter (1855-1939) wird eine Pflanzengesellschaft als definierbare Einheit = Assoziation bezeichnet. Sie begründeten auf dem 3. Internationalen Botaniker-Kongress in Brüssel im Jahre 1910 dieses Begriffssystem für die hierarchische Gliederung der Vegetation auf floristischer Grundlage. Eine Assoziation ist eine Pflanzengesellschaft mit definierter floristischer Zusammensetzung und von einheitlicher Physiognomie unter gleichartigen Standortbedingungen in Raum und Zeit. Die Assoziation ist die grundlegende Einheit in der Vegetation. Jede Assoziation ist dreifach charakterisiert: • sie zeichnet sich aus durch eine ganz bestimmte Artenzusammensetzung, ihren floristischen Charakter, • sie verdankt ihr Dasein dem Zusammenwirken ganz bestimmter Außenbedingungen, sie hat also einen eigenen Lebenshaushalt, einen eigenen Standort, also einen spezifischen ökologischen Charakter und • sie verkörpert in sich ganz bestimmte evolutive Entwicklungsmöglichkeiten, besitzt also einen historisch-genetischen Charakter in Raum und Zeit. Vor diesem Hintergrund entwickelte Josias Braun-Blanquet (1913) sein pflanzensoziologisches Konzept. Die Grundzüge dieser pflanzensoziologischen Methode haben Victor Westhoff u. Eddy van der Maarel (1973) folgendermaßen zusammengefasst: • Assoziationen sind durch ihre floristische Zusammensetzung charakterisiert. Ihre vollständige Artenzusammensetzung kennzeichnet das Verhältnis zu anderen Pflanzengesellschaften und zu ihrem Lebensraum im Allgemeinen besser als andere Merkmale.
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
• Unter den Arten, die eine Pflanzengesellschaft aufbauen, sind einige bessere Indikatoren des jeweiligen Vegetationstyps selbst sowie seines Standortes als andere Arten. Für eine Klassifikation und Standortbeschreibung ist es deshalb sinnvoll, die Pflanzenarten mit der engsten Gesellschaftsbindung und entsprechenden standörtlichen Amplitude als die zweckmäßigsten Indikatoren auszuwählen. Solche diagnostisch wichtigen Arten umfassen Kennarten, Differentialarten sowie stete begleitende Arten einer Pflanzengesellschaft. Insgesamt spricht man von der charakteristischen Artenkombination einer Assoziation. • Diagnostisch bedeutsame Pflanzenarten finden Verwendung bei der hierarchischen Klassifikation von Pflanzengesellschaften. Eine derartige Klassifikation wird für einen typologischen Vergleich von Pflanzengesellschaften untereinander als notwendige Voraussetzung erachtet. Ein sehr instruktives Beispiel hierfür bieten die Pflanzengesellschaften in den verschiedenen Biozönosen unserer Meeresküsten. Begrenzende Faktoren sind hier für die Pflanzen meist hohe Salzgehalte des Meerwassers, der Böden und der Luft. Nur wenige Arten, vor allem die salztoleranten Halophyten vermögen dieses Milieu zu ertragen. Alle anderen Pflanzen werden von der Besiedlung der Meeresküsten ausgeschlossen. Die Entwicklung von Dünen aus dem Zusammenwirken von Wind, Boden und Pflanzen haben wir in den Abb. 8.12 bis 8.15 gesehen. Die Erkenntnis des Zusammenwirkens der abiotischen und biotischen Standortfaktoren zur Genese von Pflanzengesellschaften in Küstendünen ist eine grundlegende Erkenntnis der Pflanzensoziologie, die wir J. BraunBlanquet und W. C. de Leeuw verdanken. Sie hatten schon im Jahre 1936 auf der westfriesischen Insel Ameland die Grundzüge von den Wechselbeziehungen im komplizierten Gefüge von Pflanze, Boden und Klima und der Verbindung von Pflanzenarten zu Pflanzengesellschaften nachgewiesen. Auf Grund seiner Schlüssigkeit und vergleichsweise leichten Anwendbarkeit hat sich der methodische Ansatz Braun-Blanquets inzwischen bewährt und wird daher weltweit – besonders in Europa – angewandt. In einer Vielzahl von Veröffentlichungen hat Josias Braun-Blanquet immer wieder sein Konzept erörtert und weiterentwickelt. Mit der Herausgabe seines Lehrbuches der Pflanzensoziologie im Jahre 1928, welches in 3. Auflage 1964 letztmalig erschien, schuf er einen umfassenden gedanklichen Überbau dieser Disziplin, weit über die reine Typologie von Pflanzengesellschaften hinausgehend – ein Meilenstein geobotanischer Forschung.
10.5 Symbiosen
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10.5 Symbiosen Unter Symbiose versteht man das enge Zusammenleben zweier artverschiedener Organismen, die wenigstens zeitweise aus der Stoffwechselgemeinschaft miteinander einen gewissen Nutzen ziehen. Das Gleichgewicht zwischen den beiden Partnern ist ein dynamisches, das heißt, für eine bestimmte Zeit ist der Wirt der Profitierende, für eine andere Zeit ist der Gast der Profitierende. Der Wirt ist im Allgemeinen der systematisch und phylogenetisch höher entwickelte Partner dieses Verhältnisses, während der Gast phylogenetisch niedriger einzustufen und oft auch heterotroph ist. Die Symbiose kann zwischen Pflanze und Tier, häufiger aber zwischen einer Höheren und einer Niederen Pflanze verlaufen. Ein sehr signifikantes Beispiel für eine Symbiose stellen die Knöllchen der Rhizobium-Arten, die deswegen auch als Knöllchenbakterien bezeichnet werden, oder die Actinorhiza bei Hippophae rhamnoides dar, die beide der Stickstoffgewinnung aus molekularem Luftstickstoff dienen und die wir in Abb. 7.4 schon kennen gelernt haben. Während der ersten Phase des Zusammenlebens verhalten sich die Bakterien parasitisch: die Bakterien gelangen durch einen Infektionsschlauch in das Rindengewebe der Wurzel. Die bildet als eine Abwehrreaktion eine Zellulosekapsel, denBeginn einer Zellwucherung, ein Vorgang, den wir als Nodulation bezeichnen. Die Wirtszellen vermehren sich unter der Reizwirkung der Infektion, gleichzeitig vermehren sich auch die Bakterien, so dass schließlich die charakteristischen Wurzelknöllchen entstehen. Die Bakterien produzieren während dieser Symbiose das Leg-Hämoglobin, das dem Hämoglobin des Blutes ähnlich ist, jedoch ein niedriges Molekulargewicht besitzt. Seine Funktion ist mit Sauerstoff-Bindung und Sauerstoff-Transport zu beschreiben. Sein Vorkommen ist an die Zellwand des Bakteriums gebunden, wo es nur während der Symbiose gebildet wird. Währenddessen fixieren die Bakterien den Luftstickstoff, wozu die Fabaceen nicht in der Lage sind. Haben diese sich zu einer gewissen Menge vermehrt, beginnt die Wirtspflanze mit der Abwehrreaktion, was bedeutet, dass sie letztlich von dieser Symbiose profitiert. Sie verdaut die Bakterien, es bleiben jedoch noch mehr Bakterien als bei Beginn der Infektion übrig. Im Endeffekt profitieren also beide Partner. Bakterienknöllchen können auch in Blättern vorkommen, so bei einigen Rubiaceen. Man spricht in diesem Fall von einer zyklischen Symbiose. Die Bakterien werden mit den Samen weitergegeben. Später wachsen sie und vermehren sich in den Interzellularen der Blätter, wodurch die angrenzenden Zellen zurückgedrängt werden. Makroskopisch ist dieses deutlich zwischen den Blattadern zu erkennen. Sie vermögen ebenso wie die Wurzelknöllchenbakterien Luftstickstoff zu binden.
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
Als besondere Symbiose bilden die Pilze mit sehr vielen Landpflanzen eine Mykorrhiza aus. Dabei sind die Hyphen der Pilze mit den Wurzeln der Pflanzen vergesellschaftet. Sie übernehmen die Funktionen der Wurzelhaare: Wasseraufnahme, Aufnahme anorganischer Substanzen und zum Teil auch organischer Substanzen. Man unterscheidet zwischen ektotropher Mykorrhiza, wobei die Pilzhyphen nur zwischen den Zellen wachsen, bei Fichte, Eiche und anderen einheimischen Baumarten, und endotropher Mykorrhiza, wobei die Hyphen bis in die innersten Rindenbereiche hineinwachsen, vor allem bei Orchideen. Es gibt aber auch Übergänge zwischen beiden Formen. Entfernt man die Mykorrhizahyphen von einer Wurzel, können viele Wirtspflanzen nur weiterbestehen, wenn sie mit Phosphat und Stickstoff gedüngt werden. Symbiosen besonderer Art stellen die Flechten dar (Abb. 10.10). Eine Flechte ist kein in sich einheitlicher Organismus, auch wenn sie äußerlich als unzertrennbares Ganzes in Erscheinung tritt. Sie ist das Produkt einer Symbiose aus einem Pilz, dem Mycobionten, und einer oder mehrerer Algen, den Phycobionten, also Angehöriger zweier vollkommen verschiedener biotischer Gruppen. Algen und Pilze stehen in der Flechte in engem Kontakt; meist umhüllt der Pilz mit seinem dichten Geflecht von Hyphen eine große Zahl von ein- oder mehrzelligen Algen. Pilze sind als heterotrophe Organismen zur Produktion organischer Substanz aus anorganischem Material nicht in der Lage. Sie schließen gewöhnlich totes organisches Material wie etwa Stroh, Humus oder Holz auf oder parasitieren auf anderen Organismen. In der Flechtensymbiose erhalten sie die notwendigen Kohlenhydrate von der autotrophen Alge, wobei Grünalgen besonders Zuckeralkohole und Cyanobakterien besonders Glukose aufbauen und an den Pilzpartner abgeben. Als Gegenleistung wird die Alge vom Pilz mit Wasser und Mineralstoffen versorgt. Flechten decken ihren Wasser- und Mineralstoffhaushalt fast vollständig über Niederschläge beziehungsweise Luftfeuchtigkeit und atmosphärische Stäube. Sie
Abb. 10.10a-i Flechtentypen: a Die Krustenflechte Xanthoria parietina ist Stickstoffzeiger auf festem Substrat, b Peltigera canina ist eine Boden bewohnende Blattflechte, c Cornicularia aculeata besiedelt Sandböden, d bei Cetraria islandica handelt es sich um eine arktisch-alpin verbreitete Strauchflechte, e die Becherflechte Cladonia coccinea wächst in Calluna-Heiden, f Bartflechten der Gattung Usnea wachsen epiphytisch nur bei hoher Luftfeuchtigkeit, g Parmelia azetabulum bewächst Baumstämme und gilt als Bioindikator für reine Luft, h mit Stereocaulon vesuvianum beginnt weltweit die Erstbesiedlung von Lava, i Cladina retipora (weiß) und Cladonia pyrenoclada (gelb) charakterisieren ultramafische Substrate auf Grande Terre, Neukaledonien
10.5 Symbiosen
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
nehmen Wasser im flüssigen oder dampfförmigen Zustand über die gesamte Thallusoberfläche auf. Zwischen 100 und 300 Prozent des eigenen Trockengewichts können Flechten normalerweise an Wasser aufnehmen, sie stellen also poikilohydre Organismen dar. Nicht nur in morphologisch-anatomischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf ihre physiologischen Eigenschaften vollbringen Flechten Leistungen, zu denen die jeweiligen Partner allein nicht fähig sind. In der Symbiose entstehen zahlreiche Stoffwechselprodukte, die für die Lichenen spezifisch sind: Diese Flechtenstoffe, die den Thallus häufig rot, gelb oder grün färben, kommen sonst nur selten bei Pilzen oder Pflanzen vor. Beide Partner einer Flechte erfahren in der Symbiose neben der Verbesserung ihrer physiologischen Lebensbedingungen eine Ausweitung ihrer Standorte: So können Pilze Gesteine nur in Form der Flechtensymbiose besiedeln, da sie auf beziehungsweise in diesem unwirtlichen Substrat durch die Algen versorgt werden müssen, unser Beispiel Rhizocarpon geographicum in der Abb. 6.9 zeigt dies. Die Alge andererseits ist in der Umhüllung durch das Pilzhyphengeflecht geschützt, zum Beispiel vor allzu raschem Wasserverlust, vor intensiver Strahlung oder vor dem leichtem Zugriff algenfressender Tiere. Somit dringen Pilze und Algen an Standorte vor, die sie auf sich jeweils allein gestellt auf Dauer nicht besiedeln können. Wegen ihres langsamen Wachstums sind Flechten den schnell sprossenden Blütenpflanzen zwar konkurrenzmäßig an zahlreichen Standorten unterlegen, aber sie können sich dort dauerhaft behaupten, wo Höhere Pflanzen für sie widrige Wuchsbedingungen vorfinden, beispielsweise bei nicht ausreichendem Wurzelraum auf nacktem Fels oder auf der Rinde von Bäumen. In klimatisch extremen Gegenden, wie vor allem in der Arktis und in den Hochgebirgen, bedecken Flechten in großen Mengen den Boden und bestimmen so das Bild der Vegetation. Sie sind dort Charakterarten der meisten Pflanzengesellschaften, wie dies B. Sieg et al. (2006) vorbildlich für Grönland erforscht haben. Auch in den Trockenrasen-Pflanzengesellschaften von Dünen, in Heiden oder in bodensauren Wäldern können die Flechten eine bezeichnende Rolle spielen; wir kennen sie als Pioniere in der Besiedelung von Lavagestein überall auf der Erde, sie sind in der Lage, metallische, ultramafische Extremstandorte flächenhaft einzunehmen, und wir kennen sie sogar als Erstbesiedler in und an Fließgewässern. Eine große Rolle in diesem Zusammenhang spielen aber die epilithischen und die epigäischen Flechten, die spezielle, gut charakterisierbare Gesellschaften bilden, welche vikariierend in entsprechenden Phanerogamen-Gesellschaften eingemischt sind, wie das beispielhaft die Gegenüberstellung in der Tabelle 10.2 aus den Dünen der Nordseeküste zu zeigen vermag.
10.6 Dynamik und Regulation
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Tabelle 10.2. Gegenüberstellung einiger Phanerogamen- und ErdflechtenGesellschaften auf Küstendünen (nach H. Bültmann 2006) Phanerogamen-Gesellschaften Primärdüne Elymo-Agropyretum juncei Sekundärdüne Elymo-Ammophiletum arenariae
Tertiärdüne Carex arenaria-Rasen Violo-Corynephoretum
Tortulo-Phleetum arenariae Hieracio-Empetretum
Erdflechten-Gesellschaften keine Flechten Cladonietum foliaceae Cetraria aculeta/C. muricataCladonion arbusculae-Fragmentges. Cladonia rangiformisDominanzbestand Lecideetum uliginosae Cladonietum zopfii, Cladonietum foliaceae Cladonia bacillaris-Mikrogesellschaft Cladonietum mitis mit C. gracilis und C. uncialis Cladonietum nemoxynae
Die Flechtensymbiose hat sich als äußerst erfolgreiche Lebensform erwiesen; rund 20 000 Arten sind bisher auf der Erde beschrieben worden. Gewöhnlich treten Flechten in der Natur nicht allein, sondern zusammen mit anderen Flechtenarten auf, die ähnliche Ansprüche haben. Solche Flechtengesellschaften kommen von den arktischen und antarktischen Regionen bis zu den tropischen Regenwäldern und Wüsten vor. Wo die Lebensbedingungen für die Höheren Pflanzen ungünstig werden, nehmen konsequenterweise oft Flechten deren Stelle ein. An solchen Standorten wirkt sich die große Resistenz gegen Kälte und lange Schneebedeckung, gegen Hitze und lange Austrocknung besonders günstig aus. Selbst unter extremen Umweltbedingungen erreichen Flechten noch eine positive Stoffwechselbilanz.
10.6 Dynamik und Regulation Diversität in Ökosystemen ist das Ergebnis eines noch nicht vollkommen verstandenen evolutiven Prozesses von Einwanderung, Diversifikation und Auslöschung der beteiligten Organismen. Die Theorie der Inselbiogeographie von MacArthur u. Wilson aus dem Jahr 1967 erklärt die Artenvielfalt als eine Balance zwischen Einwanderungsraten und Auslöschungs-
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
raten der Organismen. Die Variation der Diversität bei diesem Prozess bleibt jedoch unerklärt. Einwanderungsalter, Persistenz vor Ort und evolutive Dauer bleiben hierbei ebenfalls unberücksichtigt. Aus den neuen Studien von Tadashi Fukami et al. (2007) wissen wir jedoch um die Bedeutung des evolutionären Alters der Diversität für ein Ökosystem. Großflächig auftretende mechanische Störungen können zu dramatischen Verlusten an Biodiversität in den betroffenen Ökosystemen führen, wie wir es beispielsweise von Vulkanausbrüchen, Hurrikanen, Tsunamis oder von Waldbränden her kennen; diese Katastrophen können aber auch einzigartige Möglichkeiten zur Wiederbesiedlung mit hoch diversen Systemen auf neuen Substraten bieten. Wie sind solche Wiederbesiedlungsprozesse reguliert? Wir finden derartige Ereignisse nicht nur nach Naturkatastrophen, sondern auch in unterschiedlich alten, von Menschen geschaffenen oder beeinflussten Landschaften, wie zum Beispiel den jungen Poldern im Marschengebiet der Nordsee mit ihren spektakulär schnell etablierten und artenreichen neuen Vegetationstypen der Röhrichte, Weichholzgebüsche und Feuchtwälder, in denen sich in nur wenigen Jahrzehnten seit den 1950er Jahren beispielsweise mehr als 200 Moosarten neu angesiedelt haben. Ähnliches gilt für die vergleichsweise alten artenreichen Kalktrockenrasen in den Kalkgebieten Mitteleuropas, wo man indigene natürliche Felsrasen und Xerothermvegetationskomplexe mit neuen Steinbruchflächen in Dauer und Qualität der pflanzlichen Wiederbesiedlung miteinander vergleichen kann. Vergleichsweise langsame Vegetationsentwicklungen und Sukzessionsprozesse kennen wir von den Litoralzonen unserer Binnengewässer oder vom epiphytischen Moosbewuchs von Baumborken. Hier spielen Transport und Ausbreitung von Propagulen, von Sporen, deren Keimung und dauerhafte Etablierung an Ufern von Gewässern oder auf unterschiedlich glatten oder rauen Borken wohl die entscheidende Rolle: Vorhandene und sich ausbreitende Artenpools sowie spezielle Etablierungsmöglichkeiten sind dafür Grundvoraussetzung. In ökologisch bewertbaren Zeiträumen hängt die Dynamik der Pflanzendiversität eines Ökosystems von der Balance zwischen Einwanderung neuer Arten und dem lokalen Aussterben von Populationen des regionalen Artenpools ab, wie wir es seit MacArthur u. Wilson (1967) und Martin Zobel (1997) genau wissen. Neue Theorien über den Ursprung und die Andauer von Diversität, die in der „Unified neutral theory of biodiversity“ von S. P. Hubbel (2001) und in der „Stochastic niche theory“ von D. Tilman (2004) formuliert wurden, unterscheiden sich zwar in vielen Aspekten, stimmen jedoch in der fundamentalen Rolle der Einwanderung für ein besseres Verständnis der Dynamik von Diversität überein. Darüber hinaus ist Einwanderung eine wichtige Determinante der genetischen Variation aller Pflanzenarten, die in diesen Prozess einbezogen
10.6 Dynamik und Regulation
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sind. Die Konsequenzen für die genetische Differenzierung der Pflanzen bei ihrer jeweiligen Einwanderung in neue Gebiete sind jedoch völlig verschieden bei haplonten Organismen wie den Moosen und Farnen sowie normalerweise diploiden oder polyploiden Phanerogamen. Monözische oder diözische Vermehrungssysteme oder selbstbefruchtende Arten modifizieren zusätzlich solche genetischen Konsequenzen, wie dies auch jüngst M. K. Nowack et al. (2007) für die Endosperm- und Samenentwicklung bei Arabidopsis thaliana nachweisen konnten. Moderne molekularbiologische Labormethoden und mathematische Modelle für die Datenanalysen öffnen gerade heute unvorhersehbare Möglichkeiten zum Studium solcher genetischen Muster und der Rekonstruktion von Entstehungs-, Einwanderungs- und Etablierungsprozessen spezieller Pflanzen und Tiere in Ökosystemen, wie wir es am Beispiel der Koevolution australischer BanksiaArten der Kwongans, der australischen Heidebusch-Formationen, und den Nahrungsansprüchen dortiger blütenbesuchender Beuteltiere, den Honey Possums, honigfressender Vögel und Insekten in Abb. 10.11 sehen.
Abb. 10.11. Blühphasen westaustralischer nektarreicher Banksia-Arten im Jahresverlauf als Ressource für spezielle Bestäuber aus verschiedenen Tiergruppen und als Ergebnis der Koevolution und zeitlichen Einnischung. Von oben nach unten: Banksia serrata, B. prionotis, B. blechnifolia, B. ilicifolia, B. praemorsa, B. attenuata und B. grandis
Aus der vergleichenden Betrachtung und Analyse lässt sich eine grundlegende Theorie zur Regulation und Andauer von Biodiversität entwi-
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ckeln. Wir wollen das nachfolgend spezifizieren: Einwanderungsraten sind abhängig von der Fähigkeit der Diasporen, sich in einem Ökosystem zu verbreiten, dort zu keimen und sich zu etablieren. Während die hauptsächliche Verteilung ihrer Deposition meist nahe um die Samenquelle herum erfolgt, wird aber ein Teil der Diasporen in den „Long-distance-transport“, den Ferntransport einbezogen, der sicherlich artspezifisch verschieden und abhängig von der Größe, der Form und der Gestalt der Diasporen ist. Prinzipiell handelt es sich bei den Diasporen um generative Ausbreitungseinheiten, wie Sporen, Samen oder Früchte, aber auch um vegetative, wie Bulbillen, Rhizome oder Turionen. Hinsichtlich des für die Diasporenausbreitung verantwortlichen Mediums oder Vektors bezeichnet man den durch Schwerkraft hervorgerufenen Ausbreitungsprozess als Barochorie. Unter Autochorie versteht man dagegen die Verbreitung durch die Mutterpflanze oder Diaspore selbst. Bei der Semachorie lösen äußere Kräfte eine Verbreitung aus, bei der Anemochorie der Wind. Bei der Hydrochorie trägt Wasser zur Verbreitung bei, bei der Zoochorie Tiere und bei der Hemerochorie der Mensch. Autochore Pflanzen bewirken selbst aktiv die Ausbreitung ihrer Diasporen, während die übrigen Ausbreitungsarten generell als allochor diesen gegenüber stehen. Bei letzteren werden die Diasporen passiv durch einen äußeren Vektor verbreitet. Susanne Bonn u. Peter Poschlod (1998) widmen diesem Thema ein eigenes, sehr empfehlenswertes Lehrbuch. Immigrationsraten von Pflanzen hängen ab von der Fähigkeit ihrer Propagulen, sich im System auszubreiten, nachfolgend zu keimen und sich zu etablieren. Während das Verbreitungsmuster der Propagulen meistens einen scharfen Peak nahe an ihrer Quelle, also an der Mutterpflanze, zeigt, können sich die verschiedenen Pflanzenarten aber merklich hinsichtlich ihrer potentiellen maximalen Ausbreitungsdistanzen unterscheiden und dabei ist meist nur ein Teil der Propagulen in eine Fernverbreitung, das „Longrange dispersal“, involviert. Auch die Größe der Propagulen ist eine wichtige Determinante für die Ausbreitungsdistanz und für den Keimerfolg, wie dies in zahlreichen Untersuchungen von Martin Zobel (1997) nachgewiesen wurde. Generell kann man feststellen, dass die maximale Ausbreitungsdistanz der Samen von Blütenpflanzen höchstens einige Kilometer beträgt – das ist auch der Fall selbst bei windverbreiteten Diasporen. Sporen von Moosen und Farnen dagegen werden oftmals über tausende von Kilometern verbreitet, was natürlich verschiedene Pflanzenareale und somit verschiedene Diversitätsmuster zur Folge hat. Das erklärt auch den heutigen Moosreichtum in den niederländischen Poldern. Während lokaler oder kleinräumiger Diasporentransport inzwischen ausführlich untersucht worden ist, kann man den Ferntransport und die Fernausbreitung generell nur schwierig quantifizieren. Nur für seltene Arten gibt es einigermaßen
10.6 Dynamik und Regulation
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verlässliche Daten von S. A. Levin et al. (2003). So weiß man, dass in vielen Ökosystemen eine erfolgreiche Etablierung von Propagulen auf seltene Ereignisse beschränkt ist, welche meist auf lokale Störungen zurückzuführen sind. Konsequenterweise müssen quantitative Studien von Einwanderungsmustern der Pflanzen unter Berücksichtigung von Ferntransport auch entsprechende Muster von großräumigen Störungen, den „Large-scale disturbances“, zugrunde legen. Ausbreitung ist der erste und essentielle Schritt beim Einwanderungsprozess. Diasporen-Ausbreitungsexperimente zeigen, dass die lokale Pflanzendiversität oft durch Ausbreitungsfaktoren limitiert wird. Potentielle Ausbreitungsdistanzen sind zunächst abhängig von der Größe der Diasporen, jedoch hängt der Ausbreitungserfolg sehr davon ab, welche Agentien involviert sind, Wind, Wasser, Vögel und andere Tiere oder auch der Mensch. Ausbreitungsfähigkeit erlangt ferner große Bedeutung im Fall seltener Arten, die eventuell unter genetischen, demographischen oder räumlichen Effekten leiden, beispielsweise infolge Habitatfragmentation und Begrenzung oder der Größe ihrer Population. Hier müssen im Ausbreitungsgeschehen oft bemerkenswerte Distanzen überbrückt werden. Gelegentlich ermöglichen großräumige Ereignisse exzellente Gelegenheiten, die Ergebnisse der Langstrecken-Verbreitung und der Ausbreitung von Diasporen indirekt zu studieren, wenn ausreichend Einwanderungserfolge seltener Arten nachgewiesen sind und deren Verbreitungsmuster analysiert werden kann. In dieser Hinsicht kann man Phanerogamen, Farne und Moose untereinander vergleichen, denn sie regulieren ihre Verbreitung unterschiedlich. Einwanderungsstrategien und -muster von Moosen, Farnen und Blütenpflanzen sind also verschieden, da ihre Diasporen, ihr Ausbreitungssystem und ihre jeweilige Lebensgeschichte verschieden sind. Moose und Farne benötigen zur Etablierung und erfolgreichen Ansiedlung offene Habitate, und wir erwarten ein grob gekörntes Verbreitungsmuster neuer Genotypen, vor allem in den Kontaktbereichen verschiedener Klone. Das „Window of Opportunity“ beträgt als Zeitfenster für Moose und Farne 10 bis 20 Jahre. Bei Blütenpflanzen führt genetische Variation zu feinkörnigen Verbreitungsmustern. Störungen der Bodenoberfläche und die zeitlich differenzierte Verfügbarkeit von Nährstoffen unterbrechen diese Balance und erhöhen die Biodiversität. Die allgemeinen Barrieren für eine erfolgreiche Ansiedlung und die Ausbreitung einer Pflanzenart sind abiotischer Stress und das Vorhandensein negativer biotischer Interaktionen. Diese Barrieren fungieren als „Hierarchie von Filtern“, die bestimmen, welche Arten erfolgreich kolonisieren. Unter oligotrophen Bedingungen ist die relative Bedeutung abiotischer
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
Filter höher als die der biotischen Filter, während unter eutrophen Bedingungen sich die gegenteiligen Verhältnisse einstellen. Sehr oft ist sogar eine Art von Störung notwendig, um zeitweise den Filtereffekt abzuschwächen. So führt bei oligotrophen Bedingungen eine Störung des Bodens zu einer leicht ansteigenden Verfügbarkeit von Nährstoffen. Innerhalb eines Systems kann eine Art hinsichtlich des Grades der Störung differieren, welche diese zu Etablierung benötigt, beispielsweise humuskompatible und humusinkompatible Arten in Kalktrockenrasen. Die Breite des Zeitfensters, in dem eine Etablierung nach einer Störung möglich ist, variiert bemerkenswert zwischen den einzelnen Arten, vornehmlich in Abhängigkeit von den biologischen Charakteristika der Pflanzen, wie Samengröße, Umweltbedingungen, Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser sowie dem Lebensraum. Zusammenfassend kann man festhalten, dass Störungen eine große Rolle in der Dynamik der lokalen Biodiversität spielen.
10.7 Vegetationsveränderungen durch Eutrophierung Überall ist in den Gebieten vor allem die Konzentration von Nitrat im Grund- und Oberflächenwasser stark angestiegen, in denen intensive Landwirtschaft betrieben wird. Das haben wir in Abb. 6.1 deutlich gesehen. Der zunehmende Einsatz von Mineraldünger, dichte Viehbestände auf Weideflächen und das Ausbringen von Gülle in Europa sind die wesentlichen Ursachen. Auch im Niederschlag werden zunehmende Stickstoffkonzentrationen gemessen, die aus Stickoxiden von Autoabgasen und Ammoniak aus Massentierhaltungen resultieren. Der Dünger wird seit Jahrhunderten in zu hohen Dosen ausgebracht; Stickstoff geriet dabei vom Mangelfaktor zum Überschussfaktor. Das Überangebot an Stickstoff aus der landwirtschaftlichen Düngung und der Luftdeposition beträgt in der Regel also mehr als das Doppelte oder sogar das Vielfache dessen, was die Pflanzen aufnehmen können. Der überwiegende Rest gelangt über den Boden vornehmlich als Nitrat zum Grundwasser und wird dort in zunehmendem Maße zum Problem. Die damit verbundene Hypertrophierung bedeutet nicht nur eine Verarmung an ehemals standorttypischer Vegetation in quantitativer Sicht, sondern auch die Mengenzunahme an euryöken Pflanzen mit breiten ökologischen Amplituden, woraus eine Nivellierung und Uniformierung der Vegetation resultiert. Besonders deutlich werden solche Vegetationsveränderungen durch Eutrophierung im Bereich der Gewässervegetation. Die Vegetation der Seen, Weiher und Teiche zeigt hinsichtlich ihrer Artenkombination und ihrer räumlichen Verteilung für jedes Stillgewässer individuelle Züge, wobei eine direkte Abhängigkeit von der Ausformung
10.7 Vegetationsveränderungen durch Eutrophierung
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Box 10.2. Stickstoff im Grundwasser Unsere 1992 begonnenen und seither kontinuierlich andauernden Untersuchungen der Schadstoffbelastungen der Gewässerlandschaft „Heiliges Meer“ in Nordrhein-Westfalen erbrachten ein detailliertes Bild von Schadstoffeinträgen aus unterschiedlichen Quellen sowie der räumlichen und zeitlichen Dynamik bzw. der Differenzierung von Stoffflüssen und -umsetzungen. Dabei nehmen besonders Wechselwirkungen zwischen Vegetation, Böden und Milieubedingungen im oberflächennahen Grundwasser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Intensität von Stoffflüssen aus der Umgebung. Deren Dynamik ist gerade im oberflächennahen Bereich an der Grenzfläche zwischen Sicker- und Grundwasser besonders intensiv. Die Untersuchungen haben gezeigt, dass ein wesentlicher Teil von Stickstoffeinträgen aus der Umgebung in aquatische Ökosysteme direkt über diese oberflächennahen Bereiche erfolgen und dass es darüber hinaus einen erheblichen Stofftransport über größere Distanzen innerhalb der Bereiche um 5 bis 10 Meter Tiefe gibt. Kleinräumig strukturierte Milieu- und Transportbedingungen innerhalb des oberflächennahen Sicker- und Grundwassers gehen zusätzlich in erster Linie auf kleinräumige Mosaikstrukturen der Vegetation zurück, welche die Durchlässigkeit der Böden und des oberflächennahen Grundwasserleiters sowie die Aktivität von Mikroorganismen verändern und auch über Stoffabgabe und -entnahme durch Pflanzen auf alle Stoffflüsse im Untergrund und an der Erdoberfläche direkten Einfluss nehmen. Umsätze im Grundwasser sowie Transportvorgänge innerhalb der oberflächennahen Schichten pleistozäner Sande werden daher wesentlich von der Vegetation beeinflusst. So verhalten sich zum Beispiel Birkenwälder und Erlenbruchwälder bei winterlicher Bodengefrornis hinsichtlich der Grundwasserdynamik nahezu antagonistisch: Erlenbrücher fördern die Dynamik des Grundund Sickerwassers und damit auch den Stofftransport innerhalb dieser Zonen, Birkenwälder senken sie. Die Art der Stoffflüsse und Stoffeinträge unterliegt charakteristischen Amplituden, von denen in hohem Maße auch die Vegetation abhängig ist, insbesondere in ihrer Nährstoffversorgung. Verstärkt werden solche Schwankungen durch einen jahreszeitlichen Wechsel der Mineralisationsrate, der durch die Aktivität von Mikroorganismen gesteuert wird. Dies hat zur Folge, dass Pflanzennährstoffe im Frühjahr in hohen Konzentrationen vorliegen; insbesondere gilt dies für den Nitratstickstoff. Deshalb kommt es innerhalb der trophogenen Zone eines Gewässers während der Vegetationsperiode zu einer mehr oder weniger raschen Verknappung der Pflanzennährstoffe. Das Nährstoffangebot und die Trophieentwicklung wird daher innerhalb aquatischer Ökosysteme neben geohydrologischen Faktoren besonders auch durch biotische Faktoren beeinflusst.
des Gewässergrundes und den jeweiligen physiko-chemischen Gegebenheiten besteht. Innerhalb oligo- bis hypertropher Typenreihen von Stillgewässern sind die Endstadien von ihrer Vegetation her jeweils am einfach-
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sten strukturiert und weisen vergleichsweise wenige und artenarme Pflanzengesellschaften auf. Im Gegensatz zum produktionsschwachen oligotrophen Milieu ist das hypertrophe Milieu häufig reicher an angepassten, euryöken Individuen und deshalb durch eine sehr umfangreiche Phytomasse gekennzeichnet. Meso- bis eutrophe Gewässer bieten dagegen ausgeglichenere Standortbedingungen mit einer jeweils recht großen Vielfalt an Pflanzenarten und Pflanzengesellschaften (Abb. 10.12).
Abb. 10.12. Vegetationszonierung eines eutrophem Gewässers am Beispiel des Naturschutzgebietes „Großen Heiliges Meer“ in Nordrhein-Westfalen mit Myriophyllo-Nupharetum-Schwimmblattvegetation im Zonationskomplex mit Röhrichten vom Typ des Scirpo-Phragmitetum und kulissenartig aufragenden Gehölzen des Bruchwaldes
Viele Pflanzengesellschaften in und an Gewässern stellen vor allem Zwischenglieder einer Sukzession dar, die beispielsweise während der Verlandung eines Sees auftreten und die sich im Laufe der Zeit gegenseitig ablösen. Solche typischen Vegetationsabfolgen in der Verlandungsreihe eines eutrophen Sees sind nur dann verwirklicht, wenn räumliche Zonierungen mit Schwimmblatt-, Röhricht-, Seggen- und Gebüschformationen mit dem abschließenden Birkenbruch oder dem Erlenbruchwald auftreten. Diese Verlandungszonen wachsen irisblendenartig zunehmend in Richtung Seemitte und bilden als Endphase der Verlandungssukzession verschiedene organogene semiterrestrische Nassböden, auf denen letztendlich ein Bruchwald stockt.
10.8 Klimainduzierte Vegetationsveränderungen
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Das Grundwasser als natürliche Ressource, die oberirdischen Kleingewässer und die größeren Seen sowie deren typische Vegetation aus Wasserpflanzen, Röhrichten und Bruchwäldern genießen heute zwar gesetzlichen Schutz. Gegen die schleichenden Prozesse der Vegetationsveränderung, Uniformierung und Nivellierung sind aber einfache Schutzmaßnahmen wirkungslos.
10.8 Klimainduzierte Vegetationsveränderungen Die tiefsten Wintertemperaturen Mitteleuropas treten bekanntlich im Hochgebirge auf. Hier können in der alpinen und nivalen Stufe, oberhalb der Baumgrenze, Temperaturen bis minus 40 Grad Celsius vorkommen. Auf welche Weise schützen sich nun die alpinen Gewächse vor diesen außergewöhnlich tiefen Temperaturen? Wir müssen in diesem Zusammenhang zwei Gruppen von Pflanzenarten unterscheiden: Die frostresistenten Arten wachsen auf Felsnasen, Felsgraten und anderen oft windexponierten Extremstandorten. Dazu gehört beispielsweise der schon genannte Gletscherhahnenfuß (Ranunculus glacialis, vgl. Abb. 8.9). Diese Art kommt in der Regel in Höhenlagen von 3000 bis 4000 Metern vor und ist dort nahezu vor jeglicher pflanzlichen Konkurrenz geschützt. Sie benötigt allerdings einen winterlichen Schneeschutz. Neben den einzelnen Arten gibt es auch frostresistente Pflanzengesellschaften. Diese Gesellschaften treten in den Alpen immer dort auf, wo sich der Schnee nicht halten kann, auf windgepeitschten Hängen, Graten und Felsrücken. Sie überdauern in der Regel den alpinen Winter ohne Schneeschutz in der Windecken- oder Gratvegetation (Abb. 10.13). Die zweite Gruppe alpiner Arten bedarf des Schneeschutzes, um tiefe Temperaturen überdauern zu können. Die Pflanzen sind unter einer 50 cm tiefen Schneedecke keinen tiefen Temperaturen mehr ausgesetzt. Vor allem ist die eisige Windwirkung unter Schneebedeckungen vollkommen ausgeschaltet. Viele dieser alpinen Arten erfrieren bei uns bei strengeren Frösten ohne Schneebedeckung. Zu erwähnen sind im Hochgebirge auch noch die Schneetälchengesellschaften. Das sind speziell an die lange Schneebedeckung angepasste Pflanzengesellschaften mit äußerst kurzer Vegetationsperiode, welche zum Teil nur 6 bis 8 Wochen umfasst. Solche Schneetälchen sind meist muldenförmige Vertiefungen auf den alpinen Matten von nur wenigen bis zu einigen hundert Metern Durchmesser, in denen der Schnee im Winter zusammengeweht ist und die dann eine ganz dicke Schneedecke tragen, die an ihren tiefsten Stellen zum Teil gar nicht oder nur im Hochsommer auftaut. In diesen Schneetälchen hat sich eine ganze Reihe von Pflanzenge-
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
Abb. 10.13. Windecken- oder Gratvegetation mit der Gemsheide-Gesellschaft vom Typ des Loiseleurio-Cetrarietum im Fimbertal, Silvretta. Detail: Loiseleuria procumbens, Ericaceae
sellschaften angesiedelt, die sich dadurch unterscheiden, dass sie verschieden lange Schneebedeckung vertragen können und daher auch unterschiedliche Vegetationszeiten haben. Nach außen hin, an der Peripherie der Schneetälchen, wo der Schnee schneller auftaut, kommen Pflanzengesellschaften mit etwas längerer Vegetationszeit vor. Die Bestände, die weiter nach innen hin liegen, vertragen zunehmend kürzere Vegetationszeiten. So kommt also durch das langsame Auftauen des Schnees von den Rändern her eine regelrechte Vegetationszonierung zustande, die oft kreisförmig angeordnet sein kann. Von außen nach innen treten zunehmend Pflanzengesellschaften mit kürzerer Vegetationszeit auf. (Abb. 10.14). Die alpinen Chamaephyten und Hemikryptophyten können den vollen Vorteil des Schneeschutzes ausnutzen, und sie nehmen mit steigender Höhe auf Kosten anderer Wuchsformen zu. Phanerophyten, also Bäume und höhere Sträucher fallen in der alpinen Stufe allgemein aus und Geophyten, deren Knospen im Boden liegen oder die Zwiebeln und Knollen besitzen, sowie Therophyten fehlen den obersten Höhenstufen. In der Gruppe der Chamaephyten, die in größeren Höhen absolut dominierend vertreten ist, sind bei den Höheren Pflanzen zwei Sonderformen ausgebildet, die besonders gut der Schneebedeckung angepasst sind:
10.8 Klimainduzierte Vegetationsveränderungen
311
Die Spalierpflanzen sind in der Regel kleine Holzpflanzen, die sich zweidimensional in der Horizontalen ausbreiten. Die Sprosse wachsen also nicht nach oben, sondern sie legen sich flach an den Boden, um die Schneebedeckung voll ausnutzen zu können (Abb. 10.14). Die Polsterpflanzen wachsen ähnlich wie Moospolster, indem sie kurze, etwa gleichlange und dicht stehende Sprosssysteme ausbilden. Solche Wuchsformen sind insbesondere an extreme klimatische Bedingungen angepasst, also nicht allein an den Schneeschutz. Ihre Wuchsform ist optimal zur Anpassung an Schneeschutz, als gegenseitiger Schutz der Sprosse gegenüber Windwirkung und Kälte, sowie als Verdunstungsschutz bei starker Einstrahlung.
Abb. 10.14. Die im Wesentlichen aus Spalierpflanzen bestehende Krautweiden-Gesellschaft Salicetum herbaceae stellt ein gutes Beispiel für eine Schneetälchengesellschaft dar, in der die blauen Blüten von Soldanella pusilla besonders auffallen
Die jüngste Vergangenheit zeichnet sich durch eine Häufung von Jahren mit überdurchschnittlich warmen Temperaturen aus, und wir beobachten seit einigen Jahren deutliche Veränderungen in der alpinen Flora, speziell hinsichtlich des „Höhersteigens“ zahlreicher Alpenpflanzen und ihrer Gesellschaften. Wie wird das weitergehen? Mit Ausnahme des Jahres 1996 war die letzte Dekade die wärmste seit Beginn der Klimamessungen. Die mittlere Erdoberflächentemperatur hat sich im Verlauf des letzten Jahrhunderts um 0,6 Grad Celsius erhöht, und es ist von einem weiteren raschen Anstieg in den kommenden Jahrzehnten auszugehen. Der Trend dieses Temperaturanstiegs verlief über diesen Zeitraum allerdings nicht kontinuierlich, sondern akzentuierte sich in zwei Phasen (Abb. 10.15). Während der erste markante Temperaturanstieg in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf natürliche Ursachen zurückgeführt wird, lässt sich der zweite, seit 1976 anhaltende Trend bislang nicht allein mit den heute bekannten, natürlichen klimawirksamen Faktoren erklären. Klimatische Parameter beeinflussen in vielen Regionen der Erde maßgeblich die Physiologie und Produktivität von Arten sowie deren Areale und damit die Zusammensetzung und Verteilung von Biomen. Mit dem Klimawandel werden diese Parameter verändert, und damit ist auch eine Reaktion klimasensibler Arten und Ökosysteme zu erwarten.
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
Ziel neuerer Untersuchungen ist, für diese auf Modellannahmen beruhenden Erwartungen Beispiele in der Natur zu finden, die belegen, dass ökologische Auswirkungen des ablaufenden Klimawandels bereits im Gange und mit Hilfe von Felddaten dokumentierbar sind. Fallbeispiele, die hier vorgestellt werden, fokussieren auf Arten, deren Grenzen vorwiegend klimalimitiert sind und somit eine rasche Reaktion auf sich ändernde klimatische Bedingungen in Form von Arealverschiebungen erwarten lassen.
Abb. 10.15. Vergleich gemessener und modellierter Jahresdurchschnittswerte der Abweichungen der Erdoberflächentemperatur vom langjährigen Mittel der Messperiode 1880-1920. Die Modellresultate basieren nur auf natürlichen Faktoren (links), nur auf anthropogenen Faktoren (Mitte) und der Kombination natürlicher und anthropogener Faktoren (rechts; aus Walther et al. 2005)
Alpine Gebiete gehören zu jenen Regionen, für die eine überdurchschnittliche Erwärmung im Zusammenhang mit dem andauernden Klimawandel erwartet wird. Gleichzeitig gehören sie zu den Gegenden mit der längsten Tradition floristischer Inventarisierungen und Vegetationsuntersuchungen. Das Resultat dieser früheren Untersuchungen ist eine reiche Quelle an Daten, die weit in das letzte Jahrhundert zurückreicht, beispielsweise durch Eduard Rübel (1912), Josias Braun (1913) und Carl Schröter (1926). Insbesondere die Flora alpiner Gipfel wurde schon früh als möglicher Indikator für Klimaschwankungen erkannt, und erste diesbezügliche Arbeiten wurden bereits im Anschluss an die Erwärmungsphase der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch Josias Braun-Blanquet (1955 und 1957) publiziert. In der jüngeren Vergangenheit konnte eine Vielzahl von Berggipfeln erneut von H. R. Hofer (1992), Georg Grabherr et al. (1994) und Gian-Reto Walther (2003) besucht und auf mögliche floristische Veränderungen im Vergleich zu historischen Datenbelegen untersucht werden (Abb. 10.16 u. Tabelle 10.3). Seit diesen letzten Reinventarisierungen hat sich das Klima nicht nur weiter erwärmt, sondern der Trend hat in den 1990er Jahren und in den ersten Jahren des neuen Jahrtausends deutlich zugenommen. Zwei Dekaden nach der ersten Wiederaufnahme in den Jahren 1983-85 durch H. R. Hofer (1992), stellt sich die Frage, ob sich die außergewöhnlich warmen klimatischen Bedingungen der 1990er Jahre
10.8 Klimainduzierte Vegetationsveränderungen
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auch in einer weiteren Veränderung der Zusammensetzung alpiner Gipfelfloren widerspiegeln – und wenn ja – wie stark diese Veränderung im Verhältnis zu jener der ersten Vergleichsperiode ausfällt. Die hier vorgestellten Resultate zeigen, dass der von Hofer (1992) für dieselben Gipfel sowie von anderen Autoren für weitere Gebiete der Alpen wie auch in Skandinavien nachgewiesene Aufwärtstrend alpiner Arten unvermindert anhält. Dieser Vergleich zwischen verschiedenen Untersuchungsperioden zeigt, dass nicht nur die Artenzahlen im Allgemeinen weiter in Zunahme begriffen sind, sondern sich auch die Änderungsraten insgesamt erhöht haben.
Abb. 10.16. Artenzahlen der untersuchten Berggipfel des Berninagebiets der verschiedenen Aufnahmezeitpunkte (aus Walther et al. 2005). Dies entspricht einer durchschnittlichen Diversitätsveränderung pro Gipfel von +7,3 Arten (19852003), im Vergleich zu +10,5 Arten für die frühere Vergleichsperiode (19051985) von E. Rübel (1912) zu R. H. Hofer (1992). Die Änderungsrate belegt, dass sich die relative Artenzahlveränderung in den letzten zwei Dekaden (+3.7 Arten/Dekade) im Vergleich zu den acht Jahrzehnten der ersten Vergleichsperiode (+1.3 Arten/Dekade) verstärkt hat
Es ist allgemein anerkannt, dass das Klima der wichtigste die Obergrenze der Verbreitung von Pflanzenarten bestimmende Faktor darstellt. Da sich das Klima im Verlaufe des hier untersuchten Zeitfensters sowohl global als auch lokal nachweislich erwärmt hat, kann dies auch das Überleben der Pflanzen in höher gelegenen Gebieten begünstigt haben. Dies wird auch als plausibelste Erklärung für die beobachtete Artenzunahme schon in den früheren Arbeiten genannt. Auf diesem Wege kann man nicht nur die Fortsetzung, sondern sogar eine Verstärkung dieses Höhenwanderungstrends alpiner Arten in der Zeit seit Mitte der 1980er Jahre aufzeigen. Eine
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10 Reaktionen der Pflanzen auf die Veränderlichkeit des Standorts
Tabelle 10.3. Arten, die 2003 in größerer Höhe gefunden wurden als deren zu Beginn des 20. Jahrhunderts für das Berninagebiet bzw. für denselben Berg nachgewiesene Obergrenze (aus Walther et al. 2005) Artname
Achillea atrata
Obergrenze im Bernina-Gebiet (Rübel 1912) 2900 m
Adenostyles leucophylla
2940 m
Agrostis rupestris Antennaria dioica Arenaria biflora
3100 m 3010 m 2970 m
Artemisia umbelliformis Aster alpinus Carex sempervirens
3020 m 2980 m 2930 m
Draba fladnizensis Dryas octopetala Festuca quadriflora Geum montanum
3170 m 2800 m 3010 m 3080 m
Gnaphalium hoppeanum Hieracium piliferum
2650 m 2800 m
Hieracium villosum Minuartia verna
2650 m 3090 m
Moehringia ciliata
2850 m
Myosotis alpestris
2930 m
Phyteuma hemisphaericum Polygonum viviparum Saussurea alpina Saxifraga caesia Solidago virgaurea Trisetum spicatum
2977 m 3060 m 3010 m 2770 m 2700 m 3080 m
Obergrenze am selben Berg nach Rübel (1912) Tschüffer: 23002750 m Alv: 2200-2900 m dals Lejs: bis zu 2820 m Languard: 3090 m Alv: 2600 m Lagalb: bis zu 2700 m Languard 2700 m
Höchster Gipfel für die Art im Jahre 2003 P. Tschüffer (3123 m) P. Alv (2975 m) P. dals Lejs (3041 m) P Languard (3262 m) P. Alv (2975 m) P. Lagalb (2959 m)
P. Languard (3262 m) P. Alv (2975 m) Chatscheders: P. Chatscheders 2930 m (2986 m) Languard: 3170 m P. Languard (3262 m) Alv: bis zu 2620 m P. Alv (2975 m) P. Tschüffer (3123 m) Languard: > 2700 P. Languard (3262 m) m Alv 2650 m P. Alv (2975 m) P. Chatscheders (2986 m) Las Sours (2979 m) Piz Languard: P. Languard (3262 m) 3090 m* Tschüffer 2850 m P. Alv (2975 m) Alv: 2500 m Piz Lagalb: 2500 P. Lagalb (2959 m) m P. Chatscheders (2986 m) Tschüffer: 2900 m P. Tschüffer (3123 m) Tschüffer: 2700 m P. Tschüffer (3123 m) Alv: 2650 m P. Alv (2975 m) Alv: 2650 m P. Alv (2975 m) Munt Pers (3207 m)
* Brügger in Heer (1845)
gleichzeitige Verdrängung alpiner Pflanzen durch das „Höhersteigen“ von Pflanzen tiefer gelegener Gebiete konnte allerdings nicht nachgewiesen werden. Viel eher handelt es sich bei der beobachteten Artenzunahme um eine Erweiterung des Artenpools ohne gleichzeitige Verdrängung bestehender Arten.
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Verzeichnis der Gattungen, Arten und Syntaxa
Acacia glaucoptera 255 Acacia koa 255 Acetobacter 182 Achillea atrata 201, 314 Achillea moschata 201 Acromyrmex 191 Adenostyles leucophylla 314 Aechmaea 271 Aeonium ciliatum 258 Agave americana 247, 248 Agrostis capillaris 83, 189 Agrostis rupestris 314 Agrostis tenuis 201 Aichryson parlatorei 258 Allium tenuissimum 152 Allium ursinum 189 Alnus maximowiczii 54 Amaranthus palmeri 245 Amaranthus retroflexus 247 Ammocalamagrostis baltica 229 Ammophila arenaria 145, 227, 228, 229, 253 Amygdalus communis 217 Anabaena 176 Androsace alpina 57 Anemone nemorosa 197 Antennaria dioica 314 Anthemis arvensis 197 Apera spica-venti 197 Aphanes arvensis 197 Arabidopsis thaliana 303 Arbutus canariensis 218 Arbutus unedo 26, 51 Arenaria biflora 314 Artemisia umbelliformis 314 Aspergillus 176, 192 Asplenio-Piceetum 144 Aster alpinus 314 Aster tripolium ssp. pannonicum 168 Atriplex glabriuscula 247 Atriplex hastata var. salina 247 Atriplex rosea 247 Atriplex sabulosa 247
Atriplex tatarica 247 Atta 191 Avicennia marina 262 Azolla filiculoides 264 Azotobacter croococcum 176 Bacillus fusiformis 176 Bacillus megaterium 176 Bacillus mesentericus 176 Bacillus mycoides 176 Banksia attenuata 303 Banksia blechnifolia 303 Banksia grandis 303 Banksia ilicifolia 303 Banksia praemorsa 303 Banksia prionotis 303 Banksia serrata 303 Bazzania trilobata 144 Betula ermannii 54 Betula mandschurica 53 Betula pubescens 53 Betulo-Quercetum roboris 132 Betulo-Quercetum typicum 189 Bienertia cycloptera 245 Bienertia sinuspersici 245 Billbergia 271 Blechno-Quercetum 51 Blechno-Quercetum petraeae 26 Blechnum spicant 26 Botryochloa ischaemum 247 Brachypodium sylvaticum 197 Briza media 198 Brugiera 262 Buxus sempervirens 36 Cakile maritima 228 Calluna vulgaris 128, 143, 197, 226, 230, 231, 298 Caltha palustris 200 Camissonia claviformis 245 Campanula cenisia 216 Cardaria draba 210 Carex 167 Carex arenaria 228, 230 Carex curvula 214 Carex sempervirens 314
Carex sylvatica 197 Carnegiea gigantea 293 Carpinus betulus 177 Casuarina equisetifolia 255 Ceterach officinarum 241, 242 Cetraria islandica 298 Cheilanthes marantae 241, 242 Chenopodium album 197 Chionochloa oreophila 23 Chlorococcum humicula 176 Cistus albidus 252 Cistus creticus 252 Cistus incanus 252 Cistus laurifolius 252 Cistus monspeliensis 252 Cistus salviaefolius 252 Cistus symphytifolius 252 Cistus villosus 252 Citellus 192 Cladina retipora 298 Cladonia coccinea 298 Cladonia gracilis 301 Cladonia pyrenoclada 298 Cladonia uncialis 301 Cladonietum foliaceae 301 Cladonietum mitis 301 Cladonietum nemoxynae 301 Cladonietum zopfii 301 Clivia nobilis 251 Colchicum autumnale 210 Consolida regalis 197 Cooksonia caledonica 242 Cordalis cava 189 Cornicularia aculeata 298 Corylus avellana 217 Corynephorus canescens 230 Cyathea 280 Cynodon dactylon 247 Cynomys 192 Cypripedium calceolus 199, 200 Dacrycarpus dacryoides 39 Dacrydium cupressinum 39 Dasypogon 280 Deschampsio-Pinetum 132
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Verzeichnis der Gattungen, Arten und Syntaxa
Dichanthelium lanuginosum 224 Dicksonia 280 Dicranopteris 223 Digitaria ischaemum 247 Dischidia rafflesiana 271, 272 Doronicum clusii 201 Doronicum grandiflorum 201 Draba fladnizensis 314 Dracophyllum muscoides 23 Drosera anglica 199, 200 Dryas octopetala 216, 314 Drynaria quercifolia 270 Dryopteris carthusiana 197 Echinocactus grusonii 257 Echinochloa crus-galli 247 Elymo-Agropyretum juncei 301 Elymo-Ammophiletum 228, 230, 301 Elymus arenarius 227, 228 Elymus farctus 227 Empetrum nigrum 229, 231 Epilobium 266 Epilobium angustifolium 185 Equisetum arvense 121 Eragrostis minor 247 Eragrostis pilosa 247 Erica cinerea 26, 287, 288 Erica tetralix 199, 200 Eriophorum 162 Eucalyptus 281 Euphorbia 254 Euphorbia balsamifera 62 Euphorbia canariensis 62, 293 Euphorbia peplus 247 Fago-Quercetum petraeae 53 Fagus orientalis 289, 290 Fagus sylvatica 51, 177, 211, 213, 287, 288, 289, 290 Festuca ovina 201 Festuca quadriflora 314 Festuca sulcata 53, 151 Filipendula kamtschatica 53 Fimbristylis dichotoma 223, 224 Frankia alni 185 Fraxinus excelsior 53, 177, 213 Fumaria officinalis 197 Fusarium 176, 192 Galeopsis segetum 197 Galio odorati-Fagetum 66 Galio-Carpinetum 51, 53 Galium odoratum 197 Gaultheria antipoda 235
Genista 254 Gentiana clusii 201, 216 Gentiana kochiana 201 Gentiana schleicheri 216 Gentiana verna 216 Geranium pratense 210 Geranium robertianum 210 Geum montanum 314 Gleichenia 223 Gnaphalium hoppeanum 314 Gnaphalium uliginosum 121 Greenovia aurea 258 Grevillea 280 Grimmia 223 Guzmania 271 Hedera helix 83 Hepatica nobilis 189, 197 Hieracio-Empetretum 231, 301 Hieracium piliferum 314 Hieracium villosum 314 Hippophae rhamnoides 178, 185, 230, 297 Holcus mollis 197 Honckenya peploides 228 Hordeum murinum 210 Humerillia exilis 176 Hutchinsia alpina 201 Hutchinsia brevicaulis 201 Hydnophytum 273 Hylocomium splendens 144 Hymenophyllum 260 Ilex aquifolium 51, 53, 236 Juncus bufonius 121, 197 Juncus effusus 261 Juniperus communis 199 Juniperus turbinata ssp. canariensis 62 Kingia 280 Kunzea ericoides 223 Lamium galeobdolon 197 Larix 178, 221 Larix dahurica 28 Larix sibirica 53 Lasius flavus 189, 190 Lathyrus vernus 210 Lecideetum uliginosae 301 Lemaireocereus thurberi 293 Lemna minor 264 Leontopodium alpinum 215 Lepidium cartilagineum 168 Leucobryum 162 Leucojum vernum 78 Limonium vulgare 279 Lithops 253 Lithospermum arvense 210 Littorella uniflora 293
Lobelia dortmanna 293 Loiseleuria procumbens 219, 310 Loiseleurio-Cetrarietum 310 Longidorus 176, 185 Luzulo-Fagetum 108 Lycopodium volubile 223, 224 Maianthemum bifolium 197 Malus domestica 217 Matricaria discoidea 210 Matricaria recutita 197 Melaleuca 281 Melampyrum pratense 197 Melampyrum sylvaticum 197 Melicytus alpinus 235 Mentha arvensis 121 Mercurialis perennis 197 Minuartia verna ssp. hercynica 201, 314 Miscanthus sinensis 223, 224 Moehringia 266 Moehringia ciliata 314 Monanthes brachycaulon 258 Mucor 192 Mucus 176 Mycelis muralis 197 Mylia taylori 71 Myosotis alpestris 314 Myriophyllo-Nupharetum 308 Myrmecodia beccarii 273 Nerium oleander 249, 250 Nidularium 271 Nitrosomonas 182 Nothofagus betuloides 40 Nothofagus menziesii 235 Nuphar lutea 233, 265 Nymphaea thermarum 224 Opuntia basilaris 247 Opuntia ficus-indica 256 Oscillatoria 176 Oxalis acetosella 197 Oxalis stricta 197 Panicum miliaceum 247 Papaver dubium 197 Papaver rhoeas 197 Paris quadrifolia 199, 200 Parmelia azetabulum 298 Peltigera canina 298 Penicillium 192 Pereskia grandifolia 257 Petasites amplus 54 Phragmites 167 Phyteuma hemisphaericum 314 Pinus 143, 221 Pinus canariensis 280 Pinus koraiensis 53
Verzeichnis der Gattungen, Arten und Syntaxa Pinus sylvestris 199, 291 Pinus sylvestris ssp. sylvestris 249 Plagiomnium undulatum 144 Platycerium alcicorne 269, 270 Poa alpina var. vivipara 220 Poa annua 223 Poa nemoralis 197 Pohlia nutans 71 Polygonum amphibium var. terrestre 121 Polygonum hydropiper 121 Polygonum viviparum 220, 314 Polypodium vulgare 197, 212, 213 Polytrichum juniperinum 75 Populo-Quercetum 230 Portulaca oleracea 247 Potentilla nitida 216 Prenanthes purpurea 210 Primula auricula 201 Primula hirsuta 201 Primula suaveolens 199, 200 Prumnopitys taxifolia 234, 235 Prunus armeniaca 217 Prunus padus 177 Pseudopanax ferox 234 Psilotum nudum 242, 243 Ptilidium crista-castrensis 144 Pulsatilla alpina 201 Pulsatilla sulphurea 201 Pyrus communis 217 Quercus petraea 51, 230 Quercus robur 51, 53, 213 Ranunculus alpestris 201 Ranunculus cf. aquatilis 265 Ranunculus glacialis 57, 201, 219, 309 Ranunculus repens 121 Raphanus raphanistrum 197 Rhipsalis 267 Rhizobium 297 Rhizocarpon geographicum 146, 300 Rhizophora 262 Rhododendron 143, 219, 267 Rhododendron ferrugineum 201 Rhododendron hirsutum 201 Rhododendron javanicum 267, 268 Rhododendron ponticum 51, 53 Rhytidiadelphus loreus 144
Ricciocarpus natans 264 Rubia peregrina 26 Rumex acetosella 197 Ruscus aculeatus 36, 51, 256 Sagina procumbens 223 Sagittaria sagittifolia var. vallisneriifolia 264 Salicetum herbaceae 311 Salicornia 122 Salicornia brachystachia 276 Salicornia ramosissima 276 Salicornia stricta 276, 277 Salix arenaria 230 Salix repens 228, 230 Salix reticulata 216 Salsola kali 247 Salvia pratensis 210 Salvinia natans 264, 265 Sambucus nigra 185, 213, 230 Sambucus racemosa 213 Sanicula europaea 197 Sarothamnus scoparius 254 Saussurea alpina 314 Saussurea gnaphaloides 57 Saxifraga caesia 314 Saxifraga exarata 201 Saxifraga moschata 201 Saxifraga muscoides 216 Saxifraga oppositifolia 216 Scandix pecten-veneris 197 Schistostega pennata 212 Schlumbergia kautzkii 256 Scirpo-Phragmitetum 308 Scleranthus annuus 197 Selaginella lepidophylla 241, 242 Sempervivum montanum 214 Senecio multivenius 267, 268 Sequoia sempervirens 238 Sequoiadendron giganteum 238 Setaria pumila 247 Setaria viridis 247 Silene acaulis 216 Silene elisabethae 216 Silene exscapa 216 Silene vulgaris 201 Sinapis arvensis 197 Solanum nigrum 197 Soldanella alpina 201 Soldanella pusilla 201, 311 Solidago virgaurea 314 Sorbus aucuparia 213 Spartina anglica 247, 276, 277 Spergula arvensis 197 Spergula morisonii 197
321
Spergularia rubra 197 Spergulo-Corynephoretum 132 Sphagnum 162, 163, 223, 284 Spirodela polyrhiza 264, 266 Spirulina 176 Stachys arvensis 197 Stachys palustris 121 Stellaria holostea 197 Stereocaulon vesuvianum 298 Stipa chrysophylla 58 Stipa grandis-Steppe 152 Stipa krylovii 152 Stipa pennata 253, 254 Streptomyces coelicolor 176 Streptomyces griseus 176 Stromatopteris 243 Suaeda aralocaspica 245 Tanacetum vulgare 147 Taxus baccata 287, 291 Teucrium scorodonia 197 Thymus pulegioides 189 Thymus serpyllum 210 Tillandsia recurvata 274 Tillandsia usneoides 271, 274, 275 Tmesipteris vieillardii 242, 243 Tortula 223 Tortulo-Phleetum arenariae 301 Trichoderma 176, 192 Trisetum spicatum 314 Trochiscia aspera 176 Tussilago farfara 121 Tylenchorhynchus 176, 185 Typha 167 Ulmus 177 Umbilicaria cylindrica 146 Urtica urens 197 Usnea 298 Utricularia 264 Vaccinium myrtillus 197 Vaccinium vitis-idaea 197 Veronica officinalis 189 Veronica persica 197 Viola calaminaria 201 Viola canina 189 Viola cheiranthifolia 61, 62 Viola guestphalica 201 Violo-Corynephoretum 230, 231, 301 Vriesea 267, 271 Weinmannia racemosa 39 Xanthoria parietina 298 Xanthorrhoea 280
Sachverzeichnis
A/C-Böden 144, 145 Abgrusung 108 Abhängigkeit 285 abiotische Faktoren 195, 284, 285 Ablation 5 acidophytisch 199 Ackergare 179 Actinomyceten 115, 176, 178, 180, 185, 193, 203 Actinorhiza 297 Adhäsion 136 adiabatische Zustandsänderung 34 Adsorptionswasser 122 Advektionsreif 83, 84 Aerenchym 261 Aggregatbildung 179, 180 Aggregatgefüge 105 Akrotelm 163, 183 Albedo 10, 17, 18, 29, 87 Aleutentief 45 Alfisols 137 alpine Stufe 57, 60 Altschnee 18 Ameisen 184, 188 amorphe Eisbildung 221 Amphibole 92 Andesit 94 Andisols 137 Anemochorie 39, 225, 304 anemogame Pflanzen 225 Anhydrit 93, 111 Anmoor 101 Anmoorböden 164 Anneliden 184 Anpassung 182, 212, 213, 214, 215, 219, 235, 245, 256, 261, 270, 271, 285, 292, 293, 311 Anreicherungshorizont 118 Antarktis 10, 24 Antarktischer Zirkularstrom 24 Anthropozän 10
anthropo-zoogene Faktoren 285 Apatit 92, 103, 205, 207 Aphel 9 äquatoriale Regengürtel 32 äquatoriale Tiefdruckrinne 22 Äquatorialströmungen 24 Aquert 137 Areal 288, 290, 291 Arealtypen 286, 291 arides Klima 33, 49 Aridisols 137 Arktis 10 arktische Tundra 57 Artemisia frigida-Steppe 170 Arthropoden 186 Assoziation 2, 294, 295, 296 Atemwurzeln 262 Atmosphäre 5, 8, 10, 11, 19, 20, 48, 66 atmosphärische Gegenstrahlung 17 atmosphärische Strömungsmuster 23 atmosphärische Zirkulation 20, 21, 45, 46 Auenböden 134, 161, 162 Auenlehm 100 Auenregosol 162 Ausbreitung 305 Ausgangsgestein 92, 96, 131, 142, 145, 147, 153, 157, 169, 195 äußere Klimafaktoren 6 außertropische Westwinde 32 Autochorie 304 Azorenhoch 26, 46 Barochorie 304 Basalt 94, 138, 147 Basenzeiger 200 basiphytisch 199 Baumgrenze 59 Beaufort-Skala 37, 38 Benguelastrom 26 Bergwinde 34 Bering-Gap 54
Betula ermannii-Alnus-Wald 53 Bewölkung 6 Binnenlandsdünen 39, 75 Biodiversität 3 biogene Entkalkung 265 Biogeosysteme 3 Bioklimate 61 biologische Verwitterung 115 Biosphäre 3 biotische Faktoren 195, 284, 285, 307 Biotit 92, 204 Biotop 3 Bioturbation 141, 161, 176, 184 Biozönose 3 Blanked bogs 198 Blattflächenindex 208 Blattschneiderameisen 184, 191 Blauthermik 80 Blöcke 98 Bodenalterung 117 Bodenart 77, 88, 96, 97, 98, 116, 121, 125, 131, 136, 195 Bodenbildung 3, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 101, 115, 116, 129, 131, 138, 144, 173, 188 Bodenfaktoren 91, 195, 196 Bodenfarbe 131 Bodenfauna 175, 177, 184, 187 Bodenflora 175, 184 Bodenfraktion 101, 104 Bodenfrost 69 Bodengare 179, 180 Bodengefüge 100, 104, 105, 122, 131, 136 Bodenhorizonte 66, 112, 126, 131, 139, 140, 141, 153, 159, 180 Bodenisothermen 68, 76 Bodenkeimzahl 182
324
Sachverzeichnis
Bodenkrümel 78, 105, 180 Bodenluft 91, 102, 104, 119, 120 Bodenmikroorganismen 138, 175, 176, 178, 180, 181, 182, 183, 184 Bodenminerale 101 bodennahe Luftschicht 65, 66 Bodenorganismen 91, 116, 126, 127, 151, 175, 179 Boden-Pflanze-AtmosphäreKontinuum 65, 241 Bodenpilze 192 Bodenprofil 101, 132, 139, 140, 148, 155, 159, 160 bodenstet 198 Bodenstruktur 151, 175, 178 Bodentemperatur 67, 68 Bodentiere 104, 138, 141 Bodentyp 91, 96, 101, 134, 146, 147, 148, 149, 150, 153, 154, 155, 161, 164, 195 bodenvag 198 Bodenwärmestrom 74 Bodenwasser 48, 91, 111, 116, 119, 125, 166, 167, 184 Bodenzonen 132 Bora 34, 36 boreale Nadelwälder 46 Boreale Nadelwaldzone 155 Bosque termófilo 61, 62 Bottnischer Meerbusen 26 Braunerde 135, 148, 149, 153, 154 Brutknospen 220 Bündelscheidenzellen 244, 245 C/N-Verhältnis 176, 177, 178 C3-Pflanzen 243, 245, 246 C4-Dicarbonsäureweg 244 C4-Pflanzen 244, 245, 247 Calcit 93, 103, 104, 114 Calcium 206, 207 Calciumhydrogencarbonat 114 Calciumoxid 95 CAM-Metabolismus 214, 247, 293 CAM-Pflanzen 246 Campylopus introflexusGesellschaft 132 Carbonat 92, 114, 153, 204, 265 Carbonatisierung 113 Cardonál 60, 62 Carex arenaria-Rasen 301 Carnivorie 203
Cetraria aculeta/C. muricataCladonion arbusculaeFragmentges. 301 charakteristische Artenkombination 296 chemische Verwitterung 112 Chicxulub-Event 10 Chlorid 92 Chlorid-Sulfatverbrackung 167, 168 Choriotope 189 circumantarktische Meeresströmung 26 Cisto symphytifolio-Pino canariensis-Stufe 61 Cladodien 255, 256 Cladonia bacillarisMikrogesellschaft 301 Cladonia rangiformisDominanzbestand 301 colline Stufe 57 Coriolis-Kraft 20 Crassulacean acid metabolism (CAM) 246 cryomediterran 60 Cryosols 137 Cyanobakterien 146, 176, 180, 203, 211, 223, 260, 264 Dalton-Minimum 9 Desquamation 106 Diabas 94 Diapirismus 93 Differentialarten 296 diffuse Himmelsstrahlung 15, 17, 70, 72 Dimorphismus 233, 234 Diorit 94 direkte Sonneneinstrahlung 15, 17, 70 diskontinuierlicher Permafrost 89 diurnaler Säurerhythmus 246 Divarikation 234, 235 Dolerit 94 Doline 69 Dolomit 95, 103, 104, 114 Dreischichtsilikate 107 Duldung 285 Dünenpflanzengesellschaften 14 Dynamik 15, 174, 301, 302, 306, 307 edaphische Faktoren 285 Edaphon 117, 175 effektive Ausstrahlung 19 Einstrahlung 70, 72 Einstrahlungsbedingungen 5
Einwanderung 301, 302 Einzelkorngefüge 105 Eis 5, 10, 18, 79, 84, 86, 87 Eisen-Humuspodsol 156 Eisenpodsol 156 Eisgrenze 60 Eislinsen 88, 166 Eisniederschlag 83, 84 Eiswüste 135 elektromagnetische Wellen 12 Ellenbergsche Zeigerwerte 196 Eluvialhorizont 140 Embryonaldünen 227 emittierte Wärmestrahlung 30 endogen 285 endolithische Flechten 115 Energiebilanz 19, 30, 65 Entisols 137 epigäische Flechten 300 epilithische Flechten 300 Epiphyllie 266, 268, 269 Epiphyten 41, 212, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 273, 274 Epiphytismus 266, 267, 268 erblicher Nanismus 215 Erdflechten-Gesellschaften 301 Erdrotation 20 Erg 171 Erosion 106 Etesienklima 46, 217 euryök 236 eurytop 199 Eutrophierung 306 Evaporation 48 Evapotranspiration 37, 46, 48, 242 Evolution 10 Ewiges Eis 46 Exaration 106 Exfoliation 108, 109, 110 exogen 285 Exposition 59, 60, 70, 71, 72, 73 Exsudate 138 Extremtemperaturen 67 Exzentrizität 8 Fahlerde 157, 158 Faktorenkomplex 203, 286 Fallwinde 34 Fayal-Brezal 61, 62, 284 Federgrassteppe 151, 152 Feinporen 100, 101, 124, 159 Feldkapazität 100, 124, 125, 126, 150
Sachverzeichnis Feldspat 92, 95, 104 Ferrel-Zellen 21 Ferrihydrit 102, 103 Festgesteine 94 Festuca sulcata-Steppe 152 Festuca valesiaca-Stipa capillata-Waldsteppe 53 feuchtadiabatische Abkühlung 34 Feuchtigkeit 6, 34, 36, 65, 67, 79, 83, 84, 172, 175, 183, 196, 199, 218, 241, 263, 267 Feuchtigkeitsgehalt 84, 91 Feuchtigkeitskapazität 84 Fingerprobe 98 Finnischer Meerbusen 26 Flechten 109, 110, 146, 212, 214, 215, 222, 223, 224, 241, 267, 268, 269, 298, 300, 301, 318 Fließwasserröhrichte 100 Föhn 34, 35, 36 Foucaultsches Pendel 20 frontaler Niederschlag 31 Frosthärte 221 Frostlöcher 69 Frostmusterböden 135, 136 Frostschutt 110 Frostsprengung 109, 110, 111, 135 Frosttrocknis 221 Frostwechseltage 56 Frühfrost 49 fühlbarer Wärmestrom 74 Fulvosäuren 118, 141, 143, 157, 176 Fumarolen 222, 223 Fundamental niche 286 Gabbro 94 Gashydrate 11 Gebirgsböden 135, 147, 164 Gegenstrahlung 18, 19 Gelisols 137 Gemäßigte Regenklimate 43 Generalisten 236, 237 Geoelemente 286 Geophyten 72, 78, 79, 199, 212, 280, 285, 291, 293, 310 Geosmin 180 Geothermie 29 Gesamtausstrahlung 18, 19 Gesamtwasserpotential 241 Geschiebemergel 95, 149, 157, 158
gesetzmäßige Artenkombination 285 Gewitter 81 Geysir 29, 30 Gezeiten 23 Gibbsit 102 Gipfelflora 313 Gips 93, 103, 104, 111, 113, 145, 149, 167, 199, 205 Gipsrendzina 149 Gipstektonik 93 Gleissberg-Zyklus 9 Gleyböden 96, 159, 160 Glimmer 92, 94, 107, 204 Global Warming 247 globale Abkühlung 11 globale Erwärmung 11 globale Strahlungsbilanzen 15 globale Temperaturverteilung 22 globale Westwinde 21 globale Zirkulation 22 globales Wärmeklima 23 Globalstrahlung 15, 17, 30 Glykophyten 275, 276, 277, 278 Gneis 94, 138 Goethit 93, 102, 103, 205 Golfstrom 26 Granit 94, 102, 108, 110, 138 Grassteppe 53 Gravitationspotential 124 Grobporen 100, 101, 102, 125, 180 Großklima 7, 8, 44 Grundfeuchte 79, 120 Grundfeuer 281 Grundgestein 92 Grundwasser 3, 79, 91, 120, 123, 124, 138, 140, 151, 159, 161, 163, 166, 167, 168, 171, 248, 306, 307, 309, 317 Grundwasserböden 159 Grus 98, 99 Hadley-Zellen 20, 21 Hadley-Zirkulation 45 Haftwasser 79, 120, 138 Halbwüste 133, 178 Halogenide 93 Halophyten 275, 276, 277, 278, 279, 281, 296 Hamada 169 Hämatit 93, 102, 103 Hangwinde 34 Hartholzauenwälder 100 Hartlaubwälder 46
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Hauptklimazonen 44 Heidepodsol 139 Helophyten 260, 261, 262, 263 Hemerochorie 304 Heteromorphie 233 Heterophyllie 233, 234, 265 Hierarchie von Filtern 305 Histosols 137 Hochgebirgsflora 214 Hochgebirgsklima 56 Hochmoor 101, 162, 163 Hochmoortorf 162, 177 Höhenlagen-Klimate 43 Höhenstufung 7, 60, 61 Homoiohydrie 242 horizontale Luftströmungen 33 Horizonte 101, 102, 104, 137, 139, 141, 143, 159, 160, 181 Humboldt-Strom 26 humid 49 humides Klima 33 Humifizierung 138, 176, 177 Huminstoffe 126 Humult 137 Humus 119, 126, 127, 128, 140, 147, 148, 149, 150, 151, 152, 157, 167, 172, 184, 192, 193, 203, 269 Humusformen 141 Humushorizont 66 Humustypen 141 Hurrikan 39 Hydratation 111, 112, 120 hydraulisches Potential 125 Hydrenchym 257 Hydrochorie 304 Hydrolyse 114, 116 Hydrophyten 263, 265, 273 Hydrosphäre 3 hydrostatischer Druck 237, 239 Hydroxid 92 Hygromorphie 242, 244 Hygrophyten 259, 260 hygroskopisches Wasser 121 Hypertrophierung 306 Idealkontinent 55 Illit 107, 153, 204 Illuvialhorizont 140 Inceptisols 137 induzierter Nanismus 215 Infrakanarische Höhenstufe 60 Infrarotstrahlung 12, 13, 15 Inklination 70, 73
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Sachverzeichnis
innere Klimafaktoren 6 Innertropische Konvergenzzone 20, 32, 43, 80 Insolationsverwitterung 106, 108 Internationales Biologisches Programm 2 Interzeption 82 Interzeptionsverdunstung 48 Inversion 35, 37, 59, 60 Inversion der Vegetationsstufen 69 Inversionswetterlagen 24 Ionenaustauscher 162 Islandtief 22, 26, 45 Isothermen 26, 50 Ixantho viscosi-Lauro novocanariensis-Stufe 61 Jahreszeitenklima 44, 57 Januarisothermen 28 Jetstream 45 Juliisothermen 28 Kalium 206 Kalkmoder 143 Kalkmull 143 Kalksinterbildungen 113 Kalkverbrackung 167 Kalkverwitterungsböden 18 Kältepol der Erde 27, 28 kalter Westküsteneffekt 27, 28 Kaltluftfluss 69 Kaltluftsee 69 Kaltluftstau 69 Kaltzeiten 9, 11 Kaolinit 103, 107, 116, 134 Kapillarwasser 79, 120, 122, 123, 138, 159 Karstverwitterung 114 Kastanosem 135 Katotelm 163, 183 Kennarten 296 Kies 98, 99, 100, 169 Kieswüste 169 Klareis 84 Klassifikation 42, 44, 48, 60, 63, 97, 137, 296 Kleine Eiszeit 9, 11 Kleinio neriifoliae-Euphorbio canariensis-Stufe 60 Klima-Boden-PflanzeKontinuum 79 Klimadiagramme 48, 49 Klimafaktoren 6, 196 klimainduzierte Vegetationsveränderungen 309
Klimaklassifikation 43, 44 Klimaparameter 15 Klimaschwankungen 8 klimasensible Arten 311 Klimate des Ewigen Frostes 43 klimatische Faktoren 285 Klimatypen 6, 8 Klimaveränderungen 10, 11 Klimawandel 311, 312 Klimax 1 Klimazonen 1, 5, 43, 44, 132, 181 Klufteis 110 Koagulate 104 Koevolution 303 Koexistenz 285, 290, 291, 292 Kohärenzgefüge 105 Kohäsion 136 Kohlendioxid 10, 11, 19 Kohlensäureverwitterung 116 Kommensalismus 285 Kondensation 74 Konkurrenz 200, 228, 284, 285, 286, 287, 290, 291, 309 Konsistenz 122, 136, 138 Kontinentaldrift 6 kontinentale Klimate 43 Kontinentalität 7, 50, 51, 55, 60 Kontinentalverschiebungen 9 kontinuierlicher Permafrost 89 Konvektion 30, 31, 80 Konvektionsniederschläge 31, 80 Konvergenz 20, 81, 271, 293 Köppensche Klimaklassifikation 59, 60 Korngrößenfraktionen 97, 99 Körnung 96, 98, 99, 100, 125, 141, 287 Körnungsdreieck 97 Korrasion 106 Krattwälder 226, 230 Krautschicht 66 Kronendach 66 Kronenfeuer 281 Krotowina 150 Krümelaggregate 105 Krümelstruktur 105, 120, 121, 179, 180 Krummholz 58 Kryosphäre 3 Kryoturbation 135 K-Strategie 292 Kurztagpflanzen 214
kurzwellige Strahlung 13 Lackprofil 119, 154, 157, 160 laminare Grenzschicht 7, 8 Land-Meer-Verteilung 22, 33 Landschaftsklima 7, 8 Landverdunstung 48 Langtagpflanzen 214 langwellige Strahlung 13 Large-scale disturbances 305 latenter Wärmestrom 74 Lateritböden 133, 171, 172 Latosol 133, 171 Laurisilva 61, 62 Leaf Area Index 208 Lehm 77, 97, 141, 212 Lepidokrit 102, 103 Lessivé 157 Lessivierung 117, 157 Lianen 212 Licht 208 Lichtbedürfnis 209 Lichtblätter 209 Lichtgeschwindigkeit 12 Lichtintensität 67 Lichtpflanzen 285 Lignotuber 280 Limonit 115 Lithosphäre 3 Lockersedimente 92, 94 Locker-Syrosem 144, 145 Lokalklima 7, 8 Long-distance-transport 304 Long-range dispersal 304 Lorbeerwald 61, 62, 218 Löss 41, 91, 95, 98, 138, 149, 150, 157, 158 Lösslehm 95 Lösungsverwitterung 112 Luftdruck 6, 67 Luftfeuchte 6, 34, 36, 67, 79, 84, 86 Luftfeuchtigkeit 11, 65, 83, 84, 195, 246, 260, 262, 263, 298 Luftkapazität 78 Lufttemperatur 67 Luftzirkulation 9 Lumbriciden 184 Luv-Wolke 36 Lux-Einheiten 14 Magmatit 93, 94 Magnesium 206 Makroklima 7, 8 malakophylle Xerophyten 252, 253 Mangrove 262 Marschenböden 96
Sachverzeichnis Massenerhebung 59 mathematischer Äquator 25 Matrixpotential 124, 125, 126, 239, 241 Maunder-Minimum 9 MaximumMinimumthermometer 67 Mayteno canariensis-Junipero phoeniceae-Stufe 61 mechanische Windwirkung 40 mediterranoide Etesienklimate 46 Meeresströmungen 6, 9, 25 Mesokanarische Höhenstufe 60, 61, 62 Mesoklima 7, 8 mesomediterran 60 Mesopause 17 Mesophyten 259 mesotrophe Braunerden 148 Metallophyten 202 Meteoriteneinschläge 6, 9 Methan 10 Mikroklima 7, 8, 65, 66 Mikroklimatologie 65 Mikroturbulenzen 8, 74 Milankovich-Parameter 9 Milankovich-Zyklen 8, 11 Mimikry 235 Mineralisation 127, 150, 176 Mistral 36 Mittelporen 100, 101, 125, 180 Mitteltemperaturen 71 Moder 141, 147, 148, 153, 249 molekulare Grenzschicht 7, 8 Mollisols 137 montane Stufe 57 Monteverde 61, 62, 218 Montmorillonit 107 Moorböden 18, 101, 162 Mull 141, 143, 147, 148, 149, 150, 151, 153, 161 Muskovit 92 Mutation 235, 292 Muttergestein 92, 132, 134, 140, 148, 150, 155, 171 Mycobiont 298 Mykorrhiza 193, 206, 298 Myrmekochorie 189 Nanismus 215, 216, 253 Nassböden 159, 308 Nassgley 160 Nebel 79, 81, 84, 259 Nebelfrost 70, 84, 89 Nebelfrostbehänge 81
Nebelniederschlag 81 Nebelzone 60 Neigungswinkel 73 Nematoden 176, 178, 184, 185, 186 Neuschnee 18 Nichthuminstoffe 126 Niedermoor 137, 163 Niederschlag 6, 33, 43, 44, 46, 48, 49, 79, 80, 88, 121, 135, 166, 195, 259, 306 niederschlagsbezogene Klimatypen 33 Niederschlagsgürtel 31 Niederschlagsmenge 67 Niederschlagsverteilung 31, 32 Niederschlagszurückhaltung 82 nivale Stufe 57, 60 Nivalpflanze 219 Nivellierung 306, 309 Nordatlantischer Oszillationsindex 25, 26 Nordostpassat 20, 34, 45 nutzbare Feldkapazität 125 nutzbare Wasserkapazität 125 Oberflächentemperatur 13 Oberflächenzirkulation 24 ökologische Amplitude 200 ökologische Nische 195 ökologische Vikarianten 200 ökologisches Optimum 287, 288 ökologisches Verhalten 286 Ökosystem-Konzept 2 oligotrophe Braunerden 148 Olivin 92, 204 ombrotroph 162 Optimumskurve 286 Organische Bodensubstanz 126 Orkan 39 orographischer Niederschlag 31 Orokanarische Höhenstufe 60, 61 Oroklima 8 oromediterran 60 Orterde 118, 127, 139, 140, 156 Orthoklase 92 Ortstein 118, 127, 140, 156 Ortsteinbildung 99 osmotisches Potential 125, 239, 241 Oxid 92
327
Oxisols 137 ozeanische Strömungsmuster 23 ozeanische Tiefenströmung 23 Ozeanität 50, 51, 55 Ozeanitätsgefälle 53 Ozon 10, 11 Palsa 88, 135 Parabraunerde 135, 149, 157, 158 Pararendzina 145, 147, 149 Partialdruck 85, 240, 245, 264 Partikel-Strahlung 12 Passat 45, 59 Passatgebiete 32 Passat-Winde 20, 24 Passatwurzeln 46 Paternia 162 Pedosphäre 3, 131 Peinomorphose 205 perhumid 49 Periglazial 41 Perihel 9 Permafrost 28, 88, 89, 135, 137, 182 Permanenter Welkepunkt 125 Pflanzenflächenindex 239 Pflanzenformationen 1, 48 Pflanzengesellschaften 1, 2, 3, 4, 26, 41, 66, 94, 120, 130, 174, 211, 228, 285, 286, 294, 295, 296, 300, 308, 309, 310 Pflanzenmineralstoffe 202 Pflanzensoziologie 2, 4, 41, 89, 130, 174, 295, 296 pflanzenverfügbares Wasser 79, 120 Phosphat 92, 203, 204, 205, 206, 207, 245, 246, 298 Phosphor 205 photochemische Methode 14 photoelektrische Methode 14 Photonen 12 Photonenstromdichte 14 Photoperiodismus 213 Photosynthese 14, 30, 176, 195, 208, 211, 222, 223, 225, 238, 243, 245, 247, 275 Photosynthetically Active Photon Flux Density 14 Photosynthetically Active Radiation 14 photosynthetisch aktive Strahlung 14 Phycobiont 298
328
Sachverzeichnis
Phyllit 94, 138 Phyllocladien 255, 256 physiologische Windwirkung 40 physiologisches Optimum 287, 288 physiologisches Verhalten 286 Pilzhyphen 100, 179, 180, 192, 193, 298 Pinar 61, 62 Pinus sylvestris-Larix sibiricaNadelwald 53 Plaggenauflage 139 Plagioklase 92 planare Stufe 57 planetare Albedo 16, 17, 18 Platycladien 255 Pluviotherophyten 259 Pneumathoden 272 Podsol 99, 119, 128, 133, 135, 140, 153, 154, 155, 156 Podsol-Braunerde 154 Podsolierung 118, 127, 143, 148, 149, 154, 155, 156, 157 Poikilohydrie 241, 300 polare Tundrenklimate 43 polare Waldgrenze 89 polare Wüste 46 Polargebiete 32 Polar-Zellen 21 Polsterpflanzen 40, 311 Polygonböden 166 Porengrößenverteilung 99, 100 Porenvolumen 65, 101, 119, 120 Porphyrit 94 Porung 100 potentielle Evaporation 76 Primäraggregate 179 Primärdünen 227, 228, 301 Primäre Poren 99 Primärminerale 101, 117 Primärproduktion 222, 243 Primärteilchen 98 Propagulen 264, 266, 302, 304, 305 Protopedon 145 Pseudogley 160, 161 Pyrit 103 Pyrolosit 102 Pyrophyten 279, 280 Pyrophytismus 280 Pyroxene 92 Quantenflussdichte 12 Quarz 92, 94, 101, 102
Rambla 145, 162 Ramets 266 Ranker 108, 137, 145, 146, 147, 148, 149 Raseneisenstein 160 Raueis 84 Raureif 84 Realized niche 286 Redoximorphie 159 Redoxpotential 118 Redoxreaktion 118 Reflexion 10, 11, 16, 17, 18, 74 Reflexionskoeffizient 17 Reg 169, 316 Regen 33, 79, 80, 121, 151, 162, 270, 277 Regenwald 41, 59 Regenwasser 91, 117, 218, 228, 272 Regosol 145, 146, 147 Regulation 4, 206, 208, 242, 301, 303 Reif 83 relative Beleuchtungsstärke 208 relative Luftfeuchte 84, 86 relative Standortskonstanz und Biotopwechsel 289 Rendzina 66, 114, 145, 147, 148, 149, 153 RendzinaHumuskarbonatboden 66 Rendzinamoder 143 Retamár 61, 62 Rheophyten 263 Rhizosphäre 175, 231 Riesenstauden 54 Roaring Forties 22, 23 Rohböden 144, 145 Rohhumus 118, 127, 141, 143, 154, 172 Rollblätter 254 Rossbreiten 21 Roterde 135 Rotlehm 135 r-Strategie 292 Rückstrahlung 6, 195 Rutenstrauch 254 Safe Sites 122 Sahara-Staub 41 Saisondimorphismus 233 Salzböden 104, 122, 166, 167, 241, 277 Salzdrüsen 278, 279 Salzpflanzen 276, 282 Salztektonik 93
Salzverwitterung 110, 111, 112 Sand 18, 41, 97, 98, 99, 100, 101, 102, 149, 158, 171, 189, 195, 227, 228 Sandböden 1, 75, 101, 118, 123, 155, 189, 298 Sandmull 143 Sandwüste 170, 171 Sättigungsdampfdruck 85 Sättigungsdefizit 85, 86 Saugkraft 121, 237 Saugschuppen 271, 274, 275 Saugspannung 124, 136, 278 Säurezeiger 200 Savanne 46, 178, 281 Savannenklimate 43 Schattenblätter 209, 211, 259 Schattenpflanzen 209, 210, 211, 212, 285 Scheitellinie 27 Schiefer 94 Schlickböden 96, 122 Schlickwatt 122 Schluff 97, 98, 99, 101, 125, 141 Schnee 3, 5, 10, 17, 18, 29, 79, 84, 86, 87, 88, 219, 220, 309, 310 Schneegrenze 60 Schneeschutz 309 Schneetälchengesellschaft 309 Schott 171 Schrift des Bodens 91, 92, 130, 139 Schwabe-Zyklus 9 Schwachlichtpflanzen 210 Schwammstruktur 180 Schwarmwasser 121 Schwarzerde 149, 150, 151 Schwarztorf 162 Schwefel 205 Schwefelbakterien 30 Schwefeldioxid 222 Schwefelwasserstoff 222 Schwermetallzeiger 201 Sedimente 3, 93, 94, 98, 113, 158, 161 Sedimentgesteine 92, 94, 95 Sekundäraggregate 179 Sekundärdüne 228, 229, 301 Sekundäre Poren 99, 100 Sekundärminerale 101, 112, 117 Selektion 235, 292 Selen-Photozellen 14 Semachorie 304
Sachverzeichnis Semigley 160 Serir 169 Sesquioxide 117, 127, 154, 155, 157, 171 sichtbare Strahlung 13, 17 Siderit 103 Siliciumdioxid 95, 101, 115 Silikat 92, 104, 108, 114, 115, 116, 148 Silikatverwitterung 114, 115, 138, 157 Sinterkalk 114 sklerophylle Xerophyten 249 Smectite 107, 134 Smokers 222 Sodaverbrackung 167, 168 Soil-Plant-AtmosphereContinuum 241 Solarkonstante 17 Solarstrahlung 9, 12, 13, 14, 15 Solfatare 222, 223 Solifluktion 135, 164, 165 Solonchak 168, 169, 170 Solonez 167 Sonnenblätter 211 Sonneneinstrahlung 8, 76 Sonnenenergie 10 Sonnenfleckenaktivitäten 6, 8, 11 Sonnenfleckenmaxima 9 Sonnenlicht 15 Sonnenpflanzen 209 Sonnenstrahlung 66, 73 Spalierpflanzen 311 Spartocytiso supranubii-Stufe 61 Spätfrost 19, 49 Speicherkapazität 79, 131 Spezialisten 236, 237 Speziation 235 Spodosols 137 Spör-Minimum 9 Spurenelemente 202, 204, 207 Stadtklima 8 Stagnogley 161 Stammraum 66 Standort 7, 91, 153, 158, 195, 203, 210, 219, 236, 239, 260, 262, 274, 283, 284, 292, 295 Standortbedingungen 2, 148, 177, 235, 284, 285, 289, 295, 308 Standortentwicklung 3 Standortfaktoren 195, 196, 237, 283, 290, 296
Standortklima 8, 65, 66 Standortlehre 283 Starklichtpflanzen 210 Staunässe 120, 121, 158, 159 Stauwasserböden 103, 159 Stefan-Boltzmann-Gesetz 13 Stefan-Boltzmannsche Konstante 13 Steighöhe 123 Steigungsniederschläge 81 Steine 98, 165, 166 Steinnetzböden 166 Steinsalz 113 Steinwüste 169 stenök 236 stenotop 199 Steppe 51, 53, 174, 178 Steppenklimate 43 Stickstoff 118, 127, 128, 131, 138, 146, 176, 177, 180, 203, 204, 205, 260, 298, 306, 307 Stickstoffeintrag 132 Stickstofffixierung 176 Stipa grandis-Steppe 152 Stochastic niche theory 302 Strahlung 6, 65 Strahlungsbilanz 15, 16, 17, 30, 74 Strahlungsenergie 31 Strahlungsfluss 12 Strahlungsflussdichte 12 Strahlungsintensität 10, 59 Strahlungsparameter 12 Strahlungsverlust 19 Strauchschicht 66 Streifenböden 166 Streuzersetzung 176 subalpine Stufe 57, 60 subarktische Tundra 41 Sublimation 84 subpolare Tiefdruckrinne 22, 45 Substanzvolumen 119, 120 subtropische Hochdruckgebiete 21, 22 subtropische Trockengürtel 32 subtropische Wüsten 46 Südostpassat 45 Sukkulente 214, 257 Sukkulentenbusch 60, 62 Sukkulenz 257 Sukzessionen 1, 213 Sulfat 92, 204, 205, 207 Sulfid 92 Suprakanarische Höhenstufe 60, 61, 62
329
supramediterran 60 Survival of the fittest 284 Symbiose 178, 185, 187, 193, 203, 224, 297, 298, 300 Synökologie 283 Syrosem 144, 145, 146 Tabaibal 60, 62 Tafoni 110, 112 Tageszeitenklima 57, 59 Talwinde 34, 70 Tangelhumus 143, 144 Tau 79, 82, 86, 90, 272 Taubildung 19, 74 Taupunkt 81, 83, 86 Teideginstergebüsch 61 Teideveilchen-Schuttflur 61 Temperaturamplituden 67 Temperaturdifferenz 74 Temperaturgradient 75 Temperaturklima 71 Temperaturleitfähigkeit 65, 78 Temperaturparameter 29 Temperatursprengung 106 Temperaturumkehr 69 Termiten 184, 187, 192 Termitensavanne 187 Terra fusca 153, 189 Terra rossa 102, 135, 153 terrestrische Ausstrahlung 17, 19 terrestrische Strahlung 15, 16 Tertiärdüne 229, 230, 301 Thallophyten 267 Thermik 80 thermische Exfoliation 109 thermische Inversionsschicht 34 thermische Leitfähigkeit 31 thermische Strahlung 12 thermischer Äquator 27 thermischer Ostküsteneffekt 27 Thermokanarische Höhenstufe 60, 61, 62 thermomediterran 60 thermophiler Buschwald 61, 62 Tieflandszone 60 Ton 77, 95, 97, 98, 99, 101, 104, 117, 157, 179, 195 Tonablagerungen 95 Tonminerale 107, 112, 116, 117, 134, 157, 167 Tonverlagerung 117, 157, 158, 167 Tonzerfall 115, 117, 141, 154, 155, 171
330
Sachverzeichnis
Topoklima 7, 8 Torf 162, 163, 167 Tornado 38 Tramontana 36 Transpiration 30, 31, 39, 40, 48, 86, 209, 210, 214, 222, 225, 237, 240, 241, 243, 246, 250, 251, 260, 262, 263, 270, 275 Treibhauseffekt 19 Treibhausgase 10 Treposol 163 rockenadiabatische Erwärmung 34 Trockengebiete der Erde 19 Trockenklimate 43 Trockenzonen 31 Trollsche Rübe 55 tropische Regenklimate 43 tropische Regenwälder 46, 178 Troposphäre 20, 21, 81 Tschernitza 162 Tschernosem 135, 150, 153 Tundra 46, 56, 58, 89, 133, 135, 155, 178 Turionen 264, 266, 304 Übergangsmoor 163 Ultisols 137 ultraviolettes Licht 12 undifferenziertes Hochlandklima 44 Unified neutral theory of biodiversity 302 Uniformierung 306, 309 vapor pressure deficit 240 Vega 162 Vegetationsdynamik 213 Vegetationsklassen 2 Vegetationskunde 4, 295, 317 Vegetationsperiode 49 Vegetationsstufen 59 Vegetationszonen 5, 42, 44, 46, 47, 50, 55, 90, 132, 154 Velamen radicum 272, 273 Verarmung 306 Verbrackung 167 Verbreitungsursachen 290 Verdunstung 6, 66 Verdunstungskälte 77
Verdunstungswärme 74, 76, 77 Verlandung 308 Vermiculite 107 vertikale Luftströmungen 34 Vertikalgliederungen 56 Vertisol 134, 137 Verwitterung 10, 91, 94, 95, 102, 106, 108, 109, 110, 112, 113, 114, 115, 116, 133, 138, 146, 148, 149, 150, 153, 159, 164, 166, 169, 171, 206 Vierschichtminerale 107 Violeta del Teide 61 Vulkanausbrüche 9, 11 vulkanische Gase 9 Vulkanismus 6 Waldgrenze 59 Waldsteppe 51 Waldtundra 57, 58 Wärmeabgabe 8 Wärmeableitung 73 Wärmeäquator 25 Wärmeausstrahlung 74 Wärmeaustausch 74 Wärmeaustauscher 22 Wärmebilanzen 15, 16 Wärmeflüsse 15 Wärmekapazität 195 Wärmeleitfähigkeit 65 Wärmeleitung 7, 77, 78 Wärmereservoir 22 Wärmespeicherung 74, 76 Wärmestrahlen 87 Wärmestrahlung 14, 15, 30, 70 Wärmewirkung 26, 78 Wärmezonen der Erde 50 Warmzeiten 9, 11 Wasserdampf 10, 11, 19, 20, 31, 74, 79, 81, 83, 85, 120, 214, 240, 250 Wasserdampfsättigungsdefizit 80, 86 Wasserhaushalt 3, 237 Wasserleitfähigkeit 65 Wasserpflanzen 263, 265, 271, 293, 309 Wasserpotential 203, 239, 240, 278
Wasserpotentialgradient 241 Wasserspeicher 106, 271 Wasserspeicherung 125, 256, 269, 271, 273, 287 Weichholzauenwälder 100 Weißtorf 163 Westaustralstrom 26 Westwinddrift 22 Wettbewerb 285 Wiensches Verschiebungsgesetz 13 Wind 6, 20, 33, 37, 81, 225 Winderosion 227 Windfahne 40 Windgeschwindigkeit 37, 38, 67 Window of Opportunity 305 Windrichtung 37, 67 Windschliff 40 Windschur 39, 40, 226 Windstärke 37, 38 Windsysteme 6, 46 Windwert 37 Windwurf 39 Winterregen 46, 50 Wintersteher 220 Wirbelwinde 38 Witterung 6 Wolf-Minimum 9 Wolkenkondensation 80 Wolkenzone 60 Wollsackverwitterung 108, 109 Wurzelatmung 120 Wurzeldruck 237, 265 Wurzelfraß 176, 186 Wurzelkanäle 118 Wüste 33, 41, 59, 113, 133, 166, 178, 293 Wüstenböden 146, 164, 169, 181 Wüstenklimate 43 Wüstenpflanzen 17 Wüstenstäube 41 Xeromorphie 242, 244 Xerophyllie 249 Xerophyten 248, 249, 251, 252, 253, 257, 259 Xylopodien 280