Detlef Bierbaum (Hrsg.) So investiert die Welt
Detlef Bierbaum (Hrsg.)
So investiert die Welt Globale Trends in der ...
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Detlef Bierbaum (Hrsg.) So investiert die Welt
Detlef Bierbaum (Hrsg.)
So investiert die Welt Globale Trends in der Vermögensanlage
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
1. Auflage 2008 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008 Lektorat: Guido Notthoff Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Nina Faber de.sign, Wiesbaden Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0607-6
Geleitwort
Die vollzogene Öffnung nationaler Finanzmärkte und die enorm dynamische Entwicklung in der Informationstechnologie haben die Finanzwelt in den vergangenen fünfzehn Jahren nachhaltig verändert. Heute sind nur wenig andere Märkte derart globalisiert wie der Finanzmarkt. Die internationale Mobilität des Kapitals hat sich extrem verstärkt, und seine Allokation ist zunehmend effizienter geworden. Die wichtigsten Akteure des Finanzmarktes, Banken und Investmentfondsgesellschaften, Pensionsfonds und Versicherungen müssen sich den Herausforderungen der Globalisierung stellen. Die erfolgreichsten von ihnen sind längst selbst zu Global Playern geworden. Ihre zunehmende internationale Vernetzung lässt sie so gleichzeitig zu Treibern der Globalisierung werden wie zu Betroffenen. Denn der Wettbewerb wird für jedes Unternehmen und jeden Standort härter. Zahlreiche Mergers und die Konzentration auf wenige bedeutende Finanzzentren sind die – nicht immer gewollten – Folgen. Auch die traditionsreichen Privatbanken konnten und können sich diesen Entwicklungen nicht entziehen. Zum einen lastet auch auf ihnen ein zunehmender Kostendruck. IT-Ausgaben, gestiegene Anforderungen an das Risikomanagement oder Aufwendungen aufgrund veränderter regulatorischer Vorschriften haben den Fixkostenanteil steigen lassen. So wurde die private Vermögensverwaltung immer mehr zum Skalengeschäft – und Privatbanken mussten sich die Frage stellen, ob sie mit ihren Volumina langfristig profitabel arbeiten können. Größe gewinnt also auch für Privatbanken an Stellenwert. Zukäufe, nicht zuletzt im Ausland, sind hier ein Lösungsansatz. Zum anderen lässt sich ihr oft auf das Wealth Management fokussierte Geschäftmodell kaum noch losgelöst von den Aspekten der Globalisierung betrachten. Anspruchsvolle Privatkunden und institutionelle Anleger suchen auch die Expertise für neue komplexe Anlageprodukte jenseits klassischer Assetklassen – Produkte, die vor allem auf internationalen Märkten gehandelt werden. Zudem sehen sich insbesondere institutionelle und Unternehmerkunden steigenden internationalen Anforderungen in den Bereichen Recht, Steuern und Governance gegenüber gestellt. Unsere Kunden denken und handeln schon längst so global wie wir Banken selbst. Sie weltweit in allen Belangen zu betreuen, ihnen dabei viel mehr zu bieten als nur die traditionelle Vermögensverwaltung und Lösungen zu entwickeln, die ihrem eigenen Globalisierungsgrad Rechnung tragen, ist daher ein strategisches Ziel auch des Bankhauses Sal. Oppenheim. Diese Internationalisierung verlangt strategisch geschicktes und weitsichtiges Handeln und stellt somit auch unsere Bank vor wichtige Herausforderungen. Dies beinhaltet auch die Beachtung, wie aktuelle Beispiele in den USA zeigen, vielfach neuer Faktoren auf die Vermögensanlage, die jenseits der traditionellen Risiken liegen. Die hohe Dynamik der Kapital- und Finanzmärkte bedingt, dass Geldströme mit hoher GeschwinV
Geleitwort
digkeit auf Veränderungen reagieren. Risiko- und Informationsmanagement sind deshalb für Finanzinstitute erfolgsentscheidend. Das gilt besonders für das Erkennen von und das Reagieren auf nicht-traditionelle Risiken. Denn langfristig gesehen werden neben systemischen Risiken Faktoren wie Klimawandel oder globale Ressourcenknappheit unmittelbare Einflussgrößen für den geschäftlichen Erfolg von Unternehmen und somit auch Grundlagen für Investitions- und Anlageentscheidungen. Welche Unternehmen etwa werden künftig „Gewinner“ geo-physikalischer Veränderungen und deren Auswirkungen? Und welche werden zu den „Verlierern“ dieser Entwicklungen zählen? Welche neuen Finanzanlageprodukte müssen möglicherweise mit angeboten werden? Wie wirken sich zum Beispiel klimatische Veränderungen auf die Performance einzelner Assetklassen, etwa Immobilien, aus? Frühzeitig Antworten auf diese Fragen zu finden, nicht traditionelle Risiken zu antizipieren, sie zum selbstverständlichen Bestandteil des Risikomanagements zu machen und danach zu handeln, wird den Erfolg von Banken auf den globalisierten – und allein deshalb von globalen Effekten stark beeinflussbaren – Märkten massiv bedingen. Wie intensiv sich das Bankhaus Sal. Oppenheim mit diesen Themen auseinandersetzt, zeigen die Inhalte dieses Buches. Die Erkenntnisse daraus fließen schon heute in unsere tägliche Arbeit mit ein. Ob im Private Banking, im Asset Management oder im Investment Banking und in sämtlichen Assetklassen – immer mit dem Ziel, unseren Kunden ein verlässlicher, kompetenter Partner zu sein. Dieses Ziel hat sich auch der Herausgeber dieses Buches, Detlef Bierbaum, stets zum Maßstab seines Handelns gemacht. Detlef Bierbaum wurde 1991 zum persönlich haftenden Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheim berufen. Unter seiner Führung hat sich das Asset Management zu einem der wichtigsten Geschäftsfelder unserer Bank entwickelt. Seiner ausgewiesenen Sachkenntnis und seiner unternehmerischen Weitsicht ist es zu verdanken, dass der Bereich Asset Management sowohl bei Spezialfonds für institutionelle Kunden als auch bei Publikumsfonds für private Kunden ausgesprochen gut positioniert ist. Auch die weitere Internationalisierung des Bereiches hat Detlef Bierbaum maßgeblich vorangetrieben. Seiner Leistung gebührt der Respekt und Dank des gesamten Partnerkreises. Wie es seine Art ist, die wir sehr an ihm schätzen, so hat er auch dieses höchst anspruchsvolle, dabei immer interessante Buchprojekt in den letzten Monaten mit viel Engagement und der ihm eigenen großen Energie voran getrieben. Seinem enormen Ansehen in der internationalen Asset-Management-Szene sowie den vielen persönlichen Beziehungen zu renommierten Wirtschafts- und Anlageexperten ist es zu verdanken, dass dieses Buch auch unserem Bankhaus zur Ehre gereicht. Köln, im September 2007
VI
Matthias Graf von Krockow
Inhaltsverzeichnis
Matthias Graf von Krockow Geleitwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
V
Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Detlef Bierbaum Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
Teil I: Globale Anlagetrends – aktuelle Herausforderungen . . . . . . . . .
1
Axel A. Weber Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte – ausgewählte Aspekte aus Sicht einer Notenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
Thomas Hartmann-Wendels Freier Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
Klaus Peter Berger Rechtliche Rahmenbedingungen der Globalisierung – vom Wettbewerb der Rechtsordnungen zu „Private Governance“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
Michael Hüther Globaler Strukturwandel – wirtschaftspolitische und finanzwirtschaftliche Handlungsoptionen . . . . . . .
47
Manuel Frondel Wettbewerb um Ressourcen – Rohstoffe als Trend oder Megatrend? . . . . . . . .
61
Mathias Onischka/Thomas Orbach Klima und Finanzmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
Teil II: So investiert die Welt – Porträts ausgewählter Großanleger . . . . .
97
Ulrich Stockheim Der norwegische Ölfonds – der „Statens Pensjonsfonds“ – eine Erfolgsgeschichte
99
Norbert Kuls Prinz Alwaleed bin Talal – der Anleger-Prinz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 VII
Inhaltsverzeichnis
Ulrich Stockheim Der niederländische Riese: ABP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
119
Norbert Kuls Bill & Melinda Gates Foundation – der konservative Gigant
. . . . . . . . . . .
127
Norbert Kuls California Public Employees’ Retirement System (CalPERS) – die Aktivisten . .
135
Ulrich Stockheim Förderer der Wissenschaften in Deutschland: die VolkswagenStiftung . . . . . .
143
Norbert Kuls Der Stiftungsfonds der Universität Yale – Rendite für Studenten . . . . . . . . .
153
Torsten Riecke KKR – die Könige der Private-Equity-Branche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
161
Teil III: Vermögensanlage – Strategien und deren Umsetzung . . . . . . . .
171
Christopher Freiherr von Oppenheim Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen . . . . .
173
Emanuel Arbib Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie . . . . . . .
195
Wolfhard Leichnitz Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt . . . . . . . . . .
217
Christof J. Kessler Rentenmanagement – Strategien für jedes Zinsszenario . . . . . . . . . . . . . .
233
Wolfgang Leoni Dynamische Asset Allocation – ein ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz . . . . . . . . . . . . . . .
243
Robert Lloyd George Asien und die Emerging Markets: verbesserte Anlageperformance in den Märkten der Entwicklungsländer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
257
Rolf Wickenkamp/Marco Yanar Private Equity als globale Assetklasse – vom Nischenmarkt zum bedeutenden Investitionsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
269
Alexander Kempf Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen? . . . . . . . . . . . . . . .
289
Anhang: Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
307
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
311
VIII
Vorwort
Ich erinnere mich noch gut, es war 1970. Da gab mir mein damaliger Arbeitgeber, die Adig Investment, als jungem Fondsmanager eine einmalige Chance: Man schickte mich auf eine zwölfmonatige Weltreise, um alle wichtigen Börsenplätze kennenzulernen. New York, Montreal, Toronto, Sydney, Tokio und Johannesburg – ein Jahr durfte ich aus privilegierter Perspektive hinter die Kulissen der globalen Finanzindustrie schauen. Diese Tour rund um die Welt der Aktien und Anleihen hat mich nachhaltig geprägt. Der Blick für die internationalen Zusammenhänge weitet sich und geht glücklicherweise nie wieder verloren. Zahlreiche Freundschaften, Partnerschaften und geschäftliche Beziehungen sind in dieser Zeit entstanden – und haben bis heute gehalten. Ein wunderbarer Einstieg in die Welt der Finanzen und Vermögensanlage, für den ich immer dankbar sein werde. Heute, 37 Jahre später, steht die internationale Verflechtung der Finanzmärkte, die Globalisierung des Asset Managements und der Wissensaustausch mit Geschäftspartnern in aller Welt immer noch im Fokus meines Berufslebens. Welch eine Chance, nun also den Versuch zu wagen, den Blick auf die globalen Zusammenhänge, die Finanztrends der nächsten Jahre und Jahrzehnte in den Mittelpunkt eines Buchprojektes zu rücken. Dieses Buch konnte nur entstehen, weil viele Partner, Freunde und mir nahe stehende Akteure der Finanzszene spontan ihre Unterstützung zugesagt hatten. Aber: Ein Buch über die weltweite Vermögensanlage herauszugeben, ist auch für mich eine doppelte Herausforderung gewesen. Zum einen verändert sich die Welt, in der Investoren, Berater und Manager agieren, immer schneller. Scheinbar säkulare Trends drehen rapide in eine andere Richtung. Paradigmen wechseln dramatisch. Und exogene Schocks schütteln unser gern als fest angesehenes Weltbild gehörig durcheinander. Wie soll man da eine hoffentlich spannende, vor allem aber korrekte und möglichst umfassende Zustandsbeschreibung der Finanzwelt auf Papier bringen, die auch in einigen Jahren noch Bestand hat? Die zweite Herausforderung: Wer wie ich schon seit Jahrzehnten aktiver Teilnehmer der Anlagewelt ist, scheint alles zu kennen und fragt sich: Ist nicht über alles irgendwann irgendwo schon alles geschrieben worden? Ist ein Buch über Vermögensanlage für Laien nicht zu abgehoben und für Profis nicht zu langweilig? Meine Erkenntnis nach diesen monatelangen, herausfordernden Vorbereitungen zur Herausgabe dieses Buches: Das Bild der Finanzwelt 2007 kann klar und dennoch konturenreich gezeichnet werden. Und es gibt viel Neues, Spannendes, Überraschendes und Kontroverses, mit dem dieses Buch hoffentlich aufwarten kann. Selbst ich als offensichtlicher Profi habe eine Menge gelernt beim Studium der Beiträge meiner hoch verehrten Autorenkollegen. IX
Vorwort
Wussten Sie etwa, dass … y der norwegische Pensionsfonds 0,4 Prozent aller weltweit ausgegebenen Aktien hält, y Rohstoffe nicht so knapp sind, wie allgemein behauptet wird: y Bleivorräte reichen noch für 85 Millionen Jahre y Kupfervorkommen noch für 83 Millionen Jahre y Zinkvorkommen noch für 169 Millionen Jahre y Eisenvorkommen noch für 600 Millionen Jahre, y der saudische Prinz Alwaleed sein Vermögen von 20,3 Milliarden US-Dollar nicht mit Öl gemacht hat, sondern mit einem Startkapital von 30000 US-Dollar begann, y sich ein nach ethischen Gesichtspunkten optimales Portfolio mathematisch berechnen lässt, y der Betrag von drei Milliarden US-Dollar, den die Gates-Foundation jährlich für wohltätige Zwecke ausgibt, den Jahresetat der WHO übersteigt, y das Vermögen eben dieser Gates-Foundation in Höhe von 52 Milliarden US-Dollar spätestens 50 Jahre nach dem Tod des letzten Familienmitglieds der Familie Bill Gates’ verbraucht sein soll, während bei der deutschen VW-Stiftung niemals das Stiftungskapital angerührt werden darf, sondern nur die jährlichen Kapitalerträge verwendet werden dürfen, y an der Spitze des größten Pensionsfonds der Welt (CalPERS) mit Rob Feckner ein Gewerkschaftsfunktionär steht und CalPERS nicht in China investiert – aufgrund der mangelhaften Berücksichtigung der Rechte der Arbeitnehmer? Die Idee des Buches ist es, in drei großen Abschnitten einen weiten Bogen zu spannen: Von den globalen Trends, die heute und künftig das Anlagegeschehen nachhaltig beeinflussen werden, über die Beschreibung der Strategien und Philosophien führender institutioneller Investoren bis zu den Anlagelösungen, die Experten aus der Praxis schildern. Teil I dieses Buches untersucht, welche globalen Herausforderungen die Vermögensverwaltung in der Zukunft entscheidend prägen werden und welche Interdependenzen es zwischen ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Welt und der Finanzwirtschaft gibt. Die Beiträge in diesem ersten, unter den Titel „Globale Anlagetrends – aktuelle Herausforderungen“ gefassten Teil wurden neben Bundesbankpräsident Professor Axel A. Weber von namhaften Universitätsprofessoren und Wissenschaftlern renommierter Institute beigesteuert. So bin ich dem Bundesbankpräsidenten außerordentlich dankbar dafür, dass er sich spontan bereit erklärt hat, uns seine aktuellste Ansicht über die „Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte“ mitzuteilen. Unter dem Leitbegriff der „Globalisierung“ skizzieren Professor Thomas HartmannWendels, Direktor des Seminars für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Bankbetriebslehre an der Universität zu Köln, den „Freien Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung“, Professor Klaus Peter Berger, Direktor des Instituts für Bankrecht an der Universität zu Köln, den „Wettbewerb der Rechtssysteme“ und Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, den „Globalen Strukturwandel – wirtschaftspolitische und finanzwirtschaftliche Handlungsoptionen“. X
Vorwort
Die mittel- und langfristig zu erwartenden Einflüsse ganz konkreter globaler geo-physikalischer Entwicklungen auf das Anlageverhalten von Investoren beschreiben am Ende des ersten Teils Dr. Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen in seinem Beitrag „Wettbewerb um Ressourcen – Rohstoffe als Trend oder Megatrend?“ sowie Mathias Onischka und Thomas Orbach vom Wuppertal Institut im Beitrag „Klimawandel und Finanzmarkt“. Im zweiten Teil haben versierte Autoren, darunter langjährige internationale Korrespondenten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sowie des Handelsblattes, einen Blick hinter die Kulissen der großen institutionellen Investoren gewagt. Es sind gigantische Beträge, die von den größten professionellen Anlageorganisationen verwaltet und angelegt werden. Wer sind die Menschen, die dort die Verantwortung für Vermögen dieser Größenordnung tragen? Welchen Grundsätzen und Strategien folgen sie bei ihren Investitionsentscheidungen? Wie wägen sie dabei zwischen den beiden Polen der Renditemaximierung und der Risikominimierung ab? Und wie verteilen Großinvestoren ganz konkret ihre Anlagegelder auf einzelne Assetklassen? Vorgestellt werden der „Statens Pensjonsfonds“, der norwegische Ölfonds – inzwischen der drittgrößte Pensionsfonds weltweit; der saudiarabische Scheich und Investor Prinz Alwaleed bin Talal bin Abdul Aziz Alsaud, der laut Forbes-Liste zu den 15 reichsten Menschen der Erde zählt und größter internationaler Einzelinvestor in den Vereinigten Staaten ist; der niederländische Pensionsfonds ABP, zweitgrößter Pensionsfonds der Welt; die Bill & Melinda Gates Foundation, die weltweit größte Privatstiftung; der kalifornische Pensionsfonds CalPERS, größter Fonds seiner Art; die VolkswagenStiftung, die gemessen an der Ausschüttungssumme heute die größte private wissenschaftsfördernde Stiftung in Deutschland ist; der Stiftungsfonds der Yale University, nach Harvard der größte Universitätsfonds in den USA; und schließlich das Private-Equity-Unternehmen Kohlberg Kravis Roberts & Co. (KKR), das seit seiner Gründung vor rund 30 Jahren mehr als 145 Transaktionen mit einem Gesamtwert von über 274 Milliarden US-Dollar abgewickelt hat. Gemeinsam ist ihnen allen der nachgewiesene Erfolg in der Vermögensanlage. Doch so unterschiedlich wie die Ziele der einzelnen Institutionen sind auch die Strategien, mit denen sie diese Ziele erreichen. In Teil III des Buches kommen schließlich die „Praktiker“ zu Wort: Beiträge erfolgreicher Asset Manager aus dem Hause Sal. Oppenheim und aus der Feder von dem Bankhaus verbundenen Partnern. Sie geben Einblicke in konkrete Strategien der Vermögensanlage und deren Umsetzung. Christopher Freiherr von Oppenheim, persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheim und verantwortlich für den Geschäftsbereich Private Banking, schreibt über „Family Offices: Langfristiger Partner großer Familienvermögen“. Emanuel Arbib, CEO von Integrated Asset Management, London, erläutert die „Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie“. Dr. Wolfgang Leichnitz, Vorstandsvorsitzender der IVG Immobilien AG, berichtet über „Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt“. Christof J. Kessler, Geschäftsführer der Oppenheim Kapitalanlagegesellschaft, zeigt in seinem Beitrag „Rentenmanagement – Strategien für jedes Zinsszenario“ Erfolgsfaktoren für den Fixed-Income-Bereich auf. Das Prinzip der „Dynamischen Asset Allocation“ beschreibt XI
Vorwort
Dr. Wolfgang Leoni, Geschäftsführer der Oppenheim Kapitalanlagegesellschaft. Den Blick auf die Chancen in internationalen Märkten wirft Robert Lloyd George, CEO von Lloyd George Management, London/Hongkong, im Beitrag „Asien und die Emerging Markets – Verbesserte Anlageperformance in den Märkten der Entwicklungsländer“. Rolf Wickenkamp und Marco Yanar haben mit ihrem Beitrag einen Einblick in die Entwicklung und das Potenzial von Private Equity als alternatives Investment gewährt. Das Buch schließt mit einer überaus interessanten Frage von Professor Alexander Kempf, Direktor des Seminars für Finanzierungslehre an der Universität zu Köln: „Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?“ Kempf untersucht in seinem Beitrag die Performancechancen einer auf Ethikratings basierenden Anlage und kommt zu dem Schluss, dass ethische Investments durchaus eine Outperformance generieren können. Dieses Buch wäre ohne den wertvollen konzeptionellen und inhaltlichen Input von Ulrich Stockheim, Geschäftsführer der Stockheim Media GmbH, nicht möglich geworden. Ihm gilt an dieser Stelle mein besonderer Dank. Gemeinsam mit seinem Projektteam Petra Höfels, Carsten Jekel, Nina Meingast und David Verbeek hat er die Idee zu diesem Projekt fachkundig begleitet. Zu besonderem Dank verpflichtet bin ich meinen Partnern von Sal. Oppenheim. Nicht nur, weil Matthias Graf von Krockow und Christopher Freiherr von Oppenheim mit ihren Beiträgen ganz entscheidend zum Erfolg des Buches beigetragen haben. Ich wünsche Ihnen eine interessante, hoffentlich kurzweilige, zumindest aber immer erhellende Lektüre. Köln, im September 2007
XII
DETLEF BIERBAUM
Teil I: Globale Anlagetrends – aktuelle Herausforderungen
Axel A. Weber
Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte – ausgewählte Aspekte aus Sicht einer Notenbank
1
Globalisierung – einige übergeordnete Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . .
5
2
Direktinvestitionen als dynamisches Moment der Globalisierung . . . . . . .
7
3
Grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen in Form von Leveraged-Buy-outs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
10
4
Der LBO-Markt und Fragen der Stabilität des Finanzsystems . . . . . . . . . .
13
5
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_1, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
3
Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte
1
Globalisierung – einige übergeordnete Anmerkungen
Globalisierung ist einer der prägenden Begriffe der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklung der letzten zehn bis fünfzehn Jahre. Der Begriff der Globalisierung hat sich im Laufe der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts in unseren Sprachgebrauch eingeschlichen und ist aus diesem nicht mehr wegzudenken. Im Jahr 1993 tauchte beispielsweise das Wort Globalisierung in der FAZ ganze 34-mal auf, heute lesen wir es täglich mehrmals. Eine Google-Recherche im Internet nach dem deutschen Wort Globalisierung liefert immerhin neun Millionen Resultate. Aus ökonomischer Warte gesehen beschreibt Globalisierung den Prozess der fortschreitenden internationalen Arbeitsteilung, also die gestiegene internationale Verflechtung der Güter-, Finanz- und zunehmend auch der Arbeitsmärkte. Eines der wesentlichen Kennzeichen der Globalisierung seit den Neunzigerjahren war neben dem weiterhin dynamischen Wachstum der globalen Handelsströme – eine Entwicklung, die schon seit den Siebzigerjahren zu beobachten war – vor allem die Zunahme der grenzüberschreitenden Finanztransaktionen. Treiber dieser Entwicklung war und ist neben der Liberalisierung der Finanzmärkte der Fortschritt der Kommunikationstechnologien, der die Transaktionskosten grenzüberschreitender Aktivitäten merklich reduziert. Ein weiteres prägendes Merkmal der gegenwärtigen Globalisierungswelle ist die zunehmende Internationalisierung der Produktionsstrukturen in Form von ausländischen Direktinvestitionen. Obwohl es zutreffend ist, dass der derzeitige Globalisierungstrend historisch keineswegs einmalig ist – man denke nur an die die Phase zwischen 1870 und 1914, die mitunter auch als erste Welle der Globalisierung qualifiziert wird, weil sich der außenwirtschaftliche Anteil am Weltsozialprodukt in dieser Zeit verdoppelte – so lassen sich dennoch Unterschiede identifizieren, was Ausmaß und Tempo der gegenwärtigen Internationalisierung angeht. Insbesondere die Integration der Finanzmärkte und der grenzüberschreitenden Produktionsketten übertrifft diejenige vergangener Epochen. So ist beispielsweise der finanzielle Offenheitsgrad, definiert als die Summe der Auslandsaktiva und -passiva eines Landes im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, in Deutschland von 1990 bis 2005 um das Dreifache gestiegen – und damit deutlich rascher als der reale Offenheitsgrad (Anteil der Summe aus Exporten und Importen am Bruttoinlandsprodukt). Dieses Phänomen lässt sich ebenso in anderen Wirtschaftsräumen beobachten. Das Ausmaß und die Geschwindigkeit, mit der in den zurückliegenden Jahren die Integration der Güter- und Kapitalmärkte vorangekommen ist, gingen auch mit einem Wandel der Globalisierung einher. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam vor allem die Integration der westlichen Industrieländer schnell voran. Mittlerweile umfasst der Globalisierungsprozess auch den größten Teil der Entwicklungs- und Schwellenländer, deren Offenheitsgrad häufig höher ist als derjenige der führenden Industriestaaten. Damit ändern sich auch die Herausforderungen der wachsenden ökonomischen Inter5
Axel A. Weber
Abbildung 1:
6
Offenheitsgrad der Wirtschaft ausgewählter Staaten
Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte
dependenz für ein Industrieland wie Deutschland. Wie gut ein Land die Chancen offener Märkte für sich nutzen kann, wird wesentlich durch binnenwirtschaftliche Stellgrößen geprägt. In diesem Zusammenhang spielen der Strukturwandel und begleitende Strukturreformen eine zentrale Rolle. Sie tragen nicht nur dazu bei, die relative Position einer Volkswirtschaft im internationalen Wirtschaftsgefüge zu stärken. Auch aus binnenwirtschaftlicher Perspektive sind sie gerade für Deutschland unausweichlich. Die deutsche Volkswirtschaft hat sich der Herausforderung der Globalisierung in den letzten Jahren durchaus erfolgreich gestellt. Die Tatsache, dass die Exportentwicklung seit Jahren eine der tragenden Säulen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist, sowie der plakative Titel des Weltmeisters bei den Warenexporten belegen dies nachdrücklich. Der wirtschaftliche Anpassungsprozess an die Wettbewerbserfordernisse einer stärker verflochtenen Weltwirtschaft erforderte allerdings makroökonomische Anstrengungen, die im Falle Deutschlands zum Teil nur schrittweise und mühsam angegangen wurden, die aber angesichts der weiterhin hohen deutschen Arbeitslosigkeit und unter den Bedingungen einer gemeinsamen Währung makroökonomisch alternativlos sind. So wurde die Stärkung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit in den letzten Jahren maßgeblich durch betriebliche Restrukturierungen in Verbindung mit einer moderaten Lohnentwicklung erreicht. Der lohnpolitische Lernprozess hat viel dazu beigetragen, dass die deutsche Wirtschaft nach einer hartnäckigen Stagnation zu Anfang dieser Dekade inzwischen zu einem konjunkturellen Impulsgeber für den Rest des Euro-Raums geworden ist.1 Mit Blick nach vorn gilt es, diese Erfolge nicht aufs Spiel zu setzen, sondern die begonnenen Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im Bereich der sozialen Sicherung entschlossen fortzusetzen.
2
Direktinvestitionen als dynamisches Moment der Globalisierung
Gleichwohl begegnen viele Menschen dem Globalisierungsphänomen mit einer gehörigen Portion Skepsis und vielfach sogar offener Ablehnung. Globalisierung wird häufig als Gefahr für Wohlstand, soziale Sicherheit, Löhne und Arbeitsplätze wahrgenommen. Im Fokus der öffentlichen Diskussion in Deutschland steht in diesem Zusammenhang nicht selten das Thema der grenzüberschreitenden Produktionsverlagerung. Die wachsende Internationalisierung der Produktion, die durch Auslandsdirektinvestitionen aktiv vorangetrieben wird, weckt in der Öffentlichkeit häufig die Befürchtung, dass Globalisierung mit negativen Effekten für die heimische Beschäftigung verbunden ist. Die damit verbundenen Argumente, so eingängig sie auf den ersten Blick vielfach scheinen, halten jedoch einer genaueren ökonomischen Überprüfung nicht stand. 1
Vgl. Deutsche Bundesbank (2007a), S. 39 – 50.
7
Axel A. Weber
Die Deutsche Bundesbank, die nicht nur für die Meldungen über Auslandsdirektinvestitionsströme, sondern auch für die jährliche Bestandserhebung über Direktinvestitionen zuständig ist, besitzt Informationen auf der Ebene der einzelnen Unternehmen über die Kapitalbeziehungen aus Beteiligungen von Inländern an Unternehmen im Ausland bzw. von Ausländern an Unternehmen in Deutschland zu einem festen Zeitpunkt. Mittels einer solchen soliden empirischen Basis lassen sich die entsprechenden Diskussionen versachlichen. Zunächst aber eine kurze Einordnung in den Gesamtzusammenhang: Im weltweiten Maßstab fällt die Diskussion in eine Zeit dynamischen Wachstums der Direktinvestitionen. Im Jahr 2006 sind die Auslandsdirektinvestitionen nach ersten Schätzungen der UNCTAD global um 34 Prozent auf 1,2 Billionen US-Dollar gestiegen. Das Wachstum fiel damit noch stärker aus als im Vorjahr (+ 29 Prozent); das Gesamtniveau rückt zudem dem Höchststand von 1,4 Billionen US-Dollar aus dem Jahr 2000 recht nahe. Die derzeitige Dynamik erklärt sich zum einen durch das anhaltend robuste weltwirtschaftliche Umfeld. Zum anderen befördert die Kombination aus hohen Unternehmensgewinnen, günstigen Finanzierungsbedingungen und einer dynamischen Aktienkursentwicklung nicht nur die heimischen, sondern auch die Auslandsdirektinvestitionen. Schließlich spielt es eine Rolle, dass sich die Internationalisierung der Produktion in immer größerem Umfang auch auf Schwellen- und Entwicklungsländer ausweitet. Dies zeigt sich beispielhaft daran, dass es China in den letzten Jahren gelungen ist, sich weltweit als einer der bedeutendsten Empfänger von Direktinvestitionsmitteln zu etablieren. Auch die entsprechende Einbindung der deutschen Wirtschaft in den Weltmarkt hat sich in den letzten Jahren noch verstärkt, selbst wenn sich die Dynamik der von deutschen Unternehmen getätigten Auslandsdirektinvestitionen nach dem Platzen der „New-Economy-Blase“ im Jahr 2000 und dem darauf folgenden Rückgang der Aktienkurse etwas abgeflacht hat. Diese internationale Verflechtung ist unter anderem Reflex der starken Stellung Deutschlands im Warenexport, denn Direktinvestitionsströme entwickeln sich häufig im Einklang mit Handelsströmen.2 Im Zeitraum von 2001 bis 2006 floss Sachkapital in Höhe von knapp 190 Milliarden Euro aus Deutschland ins Ausland, davon allein 63 Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Das Interesse ausländischer Investoren an Unternehmen in Deutschland ist im gleichen Zeitraum mit Direktinvestitionszuflüssen von gut 170 Milliarden Euro nur wenig verhaltener gewesen. Damit scheint der in den Achtziger- und Neunzigerjahren zu beobachtende Trend eines steigenden negativen Direktinvestitionssaldos zunächst durchbrochen. Stattdessen verläuft die Entwicklung nunmehr volatiler und wird stärker von großvolumigen Einzeltransaktionen geprägt. Der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen deutscher Unternehmen verdoppelte sich von 1999 bis 2005. Eine ähnliche Steigerungsrate – wenngleich von einem geringeren Niveau aus – lässt sich für die ausländischen Direktinvestitionsbestände in Deutschland konstatieren. 2
8
Vgl. Ekholm/Forslid/Markusen (2003) sowie Herrmann/Jochem (2005).
Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte
Abbildung 2:
Unmittelbare und mittelbare Direktinvestitionen
Über 17400 deutsche Unternehmen betreiben eine Betriebsstätte im Ausland – und insgesamt sind in den ausländischen Unternehmen rund drei Millionen Beschäftigte tätig. Umgekehrt sind in den über 5700 ausländischen Produktionsstätten in Deutschland mehr als 900000 Beschäftigte zu verzeichnen. Die deutschen Direktinvestitionsbestände im Ausland konzentrieren sich im Wesentlichen auf Europa und Nordamerika. Allein in den 14 alten EU-Ländern werden knapp die Hälfte der gesamten Bestände gehalten, weitere 30 Prozent in den Vereinigten Staaten. Nur geringfügig mehr als sechs Prozent entfallen inzwischen auf die zehn Länder, die im Jahr 2004 der EU beigetreten sind; sie spielten zu Beginn der Neunzigerjahre – vor der mit dem „Fall des Eisernen Vorhangs“ verknüpften marktwirtschaftlichen Öffnung in Mittel- und Osteuropa – als Investitionsziele praktisch keine Rolle. Die Tatsache, dass der Standort Deutschland auch ausländische Direktinvestitionen in nennenswertem Umfang empfängt, ist aber nicht der einzige Grund, weswegen die in der öffentlichen Diskussion regelmäßig auftauchende Befürchtung von negativen, glo9
Axel A. Weber
balisierungsbedingten Beschäftigungseffekten einer tieferen empirischen Grundlage entbehrt. So zeigen Unternehmensumfragen denn auch, dass Direktinvestitionen weniger der Kostenersparnis, sondern der Markterschließung und dem Vertrieb von im Inland hergestellten Produkten dienen, was inländische Arbeitsplätze sichert und schafft. Darüber hinaus ist selbst bei Direktinvestitionen, die primär aus Kostenmotiven heraus getätigt werden, ein negativer Effekt auf die heimischen Arbeitsplätze alles andere als eindeutig.3 Durch die Verlagerung von Produktion können sich durchaus positive – zumeist indirekte – Impulse für die inländische Beschäftigung ergeben. Folgende Aspekte spielen dabei eine Rolle: eine erhöhte Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit der inländischen Unternehmen, die Teile der Produktionskette mit dem Ziel der Kosteneinsparung ins Ausland transferiert haben, teilweise auch ein niedrigeres Preisniveau für die Endkunden, ein verstärktes Exportwachstum sowie höhere Renditen auf das eingesetzte Kapital, und schließlich auch höhere reale Einkommen, verbunden mit einer Stimulierung der inländischen Nachfrage. Insoweit erstaunt es nicht, dass verschiedene empirische Befunde keinen Beleg für die in der Öffentlichkeit verbreitete Einschätzung finden, deutsche Direktinvestitionen im Ausland gingen mit negativen Beschäftigungseffekten im Inland einher. Vielmehr haben die deutschen Auslandsinvestitionen langfristig auch die Investitionen im Inland begünstigt. Unterstellt man einen positiven Zusammenhang zwischen Investitionen und der Schaffung von Arbeitsplätzen, dann darf von Direktinvestitionen im Ausland langfristig ein günstiger Einfluss auf den heimischen Arbeitsmarkt erwartet werden. Allerdings gilt es zu beachten, dass die Verlagerung arbeitsintensiver Prozesse ins Ausland mit einer kapitalintensiveren Produktion im Inland und einem höheren Qualifikationsgrad der Mitarbeiter einhergehen dürfte.
3
Grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen in Form von Leveraged-Buy-outs
Neben den realwirtschaftlichen Konsequenzen der Globalisierung ist auch die Globalisierung der Finanzmärkte von besonderer Relevanz. Die weltweite Verflechtung der Finanzströme sowie das Auftauchen neuer Instrumente und Akteure hat das Potenzial, die makroökonomischen Rahmenbedingungen, mit denen sich Notenbanken in ihrer originär geldpolitischen Domäne, aber auch mit Blick auf Fragen der systemischen Stabilität des Finanzsystems konfrontiert sehen, zu verändern. Nach mehreren Jahren eines dynamischen Liquiditätswachstums sind die Spreads für viele Vermö3
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Vgl. hierzu auch Deutsche Bundesbank (2006), S. 45–61, sowie Klodt/Christensen (2007), S. 63–76.
Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte
gensklassen auf sehr niedrigem Niveau. Dies legt die Frage nahe, ob die Marktteilnehmer gegenwärtig Risiken zu niedrig bepreisen. Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen in den letzten Jahren war die immer wichtiger werdende Rolle von Private Equity und Leveraged-Buy-outs (LBOs) in der Finanzierung von nationalen und internationalen Fusionen und Übernahmen. Über die Finanzierungsseite berühren sich im Fall der ausländischen Direktinvestitionen insofern die realwirtschaftliche und die finanzielle Globalisierung. Denn Auslandsdirektinvestitionen führen häufig nicht zu Neugründungen von Produktionsstätten, sondern werden zu einem Großteil in Form von Fusionen und Übernahmen bestehender Unternehmen getätigt.4 Im Jahr 2006 sind die effektiven Unternehmenszusammenschlüsse und -übernahmen – berechnet auf Grundlage der Angaben von Thomson Financial – weltweit um knapp 30 Prozent auf rund 2,2 Billionen Euro gestiegen; das Volumen der angekündigten Abschlüsse erreichte sogar ein Rekordniveau. Auch der deutsche Markt für Kapitalbeteiligungen wurde vom Sog der weltweit regen M&A-Aktivitäten – wenn auch mit kleiner zeitlicher Verzögerung – erfasst und verzeichnet seit dem Jahr 2005 wieder eine Belebung. Die abgeschlossenen Transaktionen mit deutscher Beteiligung stiegen im vergangenen Jahr um über 40 Prozent auf 130 Milliarden Euro; mit knapp drei Vierteln des Volumens entfiel dabei ein überdurchschnittlich großer Anteil auf grenzüberschreitende Fusionen und Übernahmen. Dies spiegelt deutlich die internationale Ausrichtung des Standorts Deutschlands wider. Ein wesentlicher Unterschied zwischen der jetzigen weltweiten M&A-Dynamik und vergleichbaren Phasen der späten Achtziger- und Neunzigerjahre ist der sprunghafte Anstieg desjenigen Teils der Fusionen und Übernahmen, die über Private Equity in Form von LBO-Transaktionen finanziert werden. Nach Angaben von Thomson Financial entfielen im Jahr 2006 weltweit 315 Milliarden Euro (das sind 14,5 Prozent der global abgeschlossenen Firmenübernahmen) auf LBO-Transaktionen. Auch der deutsche LBO-Markt ist in der letzten Zeit kräftig gestiegen; allerdings lag der Anteil der LBOTransaktionen bei den Übernahmen mit deutscher Beteiligung mit 9,5 Prozent noch unter dem weltweiten Durchschnitt. Private Equity bezeichnet Beteiligungskapital, das ein Unternehmen ohne Einschaltung von Börsen aufnimmt; im Fall von LBOs werden etablierte Unternehmen üblicherweise komplett unter Einsatz eines größeren Fremdkapitalanteils übernommen.5 Häufigst genannte Ziele der Transaktion sind eine Verbesserung der operativen Effizienz und/oder der Finanzstruktur des übernommenen Unternehmens. Die im Zuge des Übernahmeprozesses aufgenommenen Verbindlichkeiten werden üblicherweise in der Bilanz des übernommenen Unternehmens ausgewiesen. Der hohe Fremdkapitalhebel verspricht den Eigenkapitalgebern einer LBO-Transaktion über den Leverage-
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5
Ein direkter Vergleich der Daten über Direktinvestitionen und M&As ist jedoch nicht möglich, weil es sich bei den üblicherweise verwendeten M&A-Daten um Daten privater Anbieter handelt, die nicht den statistischen Begriffsbestimmungen der Zahlungsbilanz entsprechen. Vgl. hierzu auch Deutsche Bundesbank (2007b), S. 15–28.
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Axel A. Weber
Effekt hohe Renditen.6 Allerdings erhöht sich auch der Risikogehalt der Transaktion in dem Maße, in dem Fremdkapital zur Steigerung der Eigenkapitalrenditen eingesetzt wird. Die diesbezügliche Kenngröße der Leverage Multiples hat in den vergangenen Jahren kräftig zugenommen. Spiegelbildlich erreichte der durchschnittliche Eigenkapitalanteil einer LBO-Finanzierung 2006 nur noch 34 Prozent, während zu Anfang des Jahrzehnts noch Relationen von knapp 40 Prozent üblich waren. Es ist es aus Sicht der Theorie der Unternehmensfinanzierung nicht a priori einleuchtend, warum ein höherer Anteil an Verbindlichkeiten auf Seiten des erworbenen Unternehmens vorteilhaft sein soll, wenn es darum geht, den Wert der übernommenen Unternehmung zu maximieren. So postuliert das Modigliani-Miller-Theorem bekanntlich, dass der Firmenwert von der Finanzierungsstruktur unabhängig sei. In der Praxis allerdings existieren institutionelle Faktoren, wie eine unterschiedliche Behandlung der Erträge aus Eigenkapital und Fremdkapital, die die optimale Finanzierungsstruktur beeinflussen. Darüber hinaus variieren auch die relativen Kosten von Eigenkapital versus Fremdkapital über den Konjunkturzyklus, sodass sich typischerweise in einem günstigen Zinsumfeld ein höherer Anteil an schuldenfinanzierten Übernahmen ergibt.7 So ist der Aktientausch, der als Finanzierungsmittel von M&As gerade zu Zeiten des New-Economy-Booms weltweit mit einem Anteil von 57 Prozent (bezogen auf den Zeitraum von 1998 bis 2001) dominierte, mittlerweile deutlich hinter die Bar-Offerte zurückgetreten. Im vergangenen Jahr wurden 72 Prozent des weltweiten Finanzierungsvolumens aus liquiden (eigenen, anleihe- oder kreditfinanzierten) Mitteln getätigt. Dies mag sicherlich auch darauf zurückzuführen sein, dass Aktien als „Zahlungsmittel“ bei den Anteilseignern der übernommenen Unternehmen nach dem Kurseinbruch der Dividendenwerte an Ansehen verloren haben. Zudem dürfte die in den letzten Jahren gestiegene Profitabilität der Unternehmen die Akkumulation liquider Mittel erleichtert haben. Die Kreditfinanzierung von Fusionen und Übernahmen hat darüber hinaus auch aus anderen Gründen an Popularität gewonnen: So hat erst der rasante Fortschritt im Bereich der Finanzinnovationen den Weg für komplexe Finanzierungsstrukturen – wie LBO-Transaktionen – geöffnet. Des Weiteren ist der Zugang zur Fremdfinanzierung gerade in jüngster Zeit durch die niedrigen Zinsen an den globalen Kapitalmärkten besonders begünstigt. Zugleich ist das Interesse der institutionellen Anleger an alternativen Anlageformen in einem Niedrigzinsumfeld überdurchschnittlich hoch.
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Der Leverage-Effekt greift dann, wenn die Rendite des Investitionsobjekts über den Fremdkapitalzinsen liegt. Vgl. ECB (2007).
Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte
4
Der LBO-Markt und Fragen der Stabilität des Finanzsystems
Gesamtwirtschaftlich gesehen können Unternehmenszusammenschlüsse zu einer Verbesserung der Kapitalallokation beitragen. Beispielsweise lassen die häufig diskutierte Realisierung von Kostenvorteilen, eine effiziente Unternehmensführung oder die Nutzung von Skaleneffekten Wohlstandsgewinne erwarten. Unter dem Blickwinkel der Finanzstabilität stellt sich aber angesichts der beobachtbaren Dynamik auch die Frage, ob sich durch den kräftigen Anstieg der kreditfinanzierten Firmenübernahmen – insbesondere der LBOs – neue Risiken ergeben. Von besonderem Interesse ist diesbezüglich das Risiko, das sich für die Fremdkapitalgeber aus der schuldenfinanzierten Übernahme ergibt. Für den Bankensektor als Fremdkapitalgeber dürfte aus heutiger Sicht das Kreditrisiko das bedeutendste Risiko am LBO-Markt darstellen. Allerdings ist es in Deutschland – auch am Eigenkapital der Institute gemessen – derzeit verhältnismäßig gering, wie auch eine im Jahr 2006 unter deutschen Banken durchgeführte Umfrage der Deutschen Bundesbank gezeigt hat. Das größte Risikopotenzial konzentriert sich bei denjenigen Banken, die LBO-Transaktionen initiieren. Denn diese Institute übernehmen die Transaktionen temporär, das heißt bis zur endgültigen Weiterplatzierung nach einigen Wochen oder Monaten, in ihre eigenen Bestände. Darüber hinaus können bei diesen Banken unerwartete Konzentrationsrisiken im Falle fehlender Weiterplatzierungsmöglichkeiten entstehen. Diese Art des Kreditrisikos, das sogenannte „Warehousing Risk“, wird durch steigende Volumina der einzelnen LBO-Transaktionen tendenziell noch zunehmen. Derzeit wird ihm aber durch das Risikomanagement der Institute angemessen Rechnung getragen. Die übrigen Ausprägungen des Kreditrisikos haben sich in der Umfrage als weniger bedeutend dargestellt. Erstens behalten die mit der Initiierung von LBO-Transaktionen befassten Kreditinstitute üblicherweise nur einen geringen (und meist höherrangigen) Teil der Risiken in den eigenen Büchern. Zweitens halten deutsche Banken kaum direkte Beteiligungen an LBO-Fonds. Und drittens sind die Auswirkungen, die eine veränderte Schuldenstruktur eines übernommenen Unternehmens auf die Altgläubiger ausüben könnte, begrenzt. Denn in der Regel werden die alten Bankkredite des Zielunternehmens bei Durchführung der LBO-Transaktion zurückgezahlt, um die Passivseite der Bilanz des Unternehmens neu strukturieren zu können. Dass das Kreditrisiko im Bankensystem relativ begrenzt ist, ist auch auf die für LBOTransaktionen typische Refinanzierungsstruktur zurückzuführen, mit der über Verbriefungstransaktionen eine relativ breite Streuung von Kreditrisiken im Finanzsystem erreicht werden kann. Allerdings bringt diese – grundsätzlich positiv zu beurteilende – Risikostreuung auf den Syndizierungs- und Sekundärmärkten für LBOTransaktionen mit sich, dass die Verteilung der Risiken im Finanzsystem zunehmend intransparenter wird. Hinzu kommt, dass angesichts des dynamischen Wachstums des LBO-Markts einige Entwicklungen besondere Aufmerksamkeit verdienen. So 13
Axel A. Weber
gibt es mehrere Anzeichen dafür, dass die derzeitige Marktentwicklung eine Verschiebung von Risiken zu Lasten der Fremdkapitalgeber und zugunsten der Finanzinvestoren begünstigt. Beispielsweise ist eine Abschwächung der „Financial Covenants“, das heißt der vertraglichen Verpflichtungen des Kreditnehmers, zu beobachten. In der Tat dürfte sich die Verhandlungsmacht der Fremdkapitalgeber tendenziell verschlechtern, weil das Aufspüren attraktiver Transaktionen in einem boomenden Markt eher schwieriger wird. Hinzu kommt der sich verschärfende Wettbewerb der Kreditinstitute um das provisionsträchtige Initiieren von LBOTransaktionen: Je mehr sich der LBO-Markt in Richtung einer möglichen Überhitzung bewegt, desto größer ist das Risiko, dass die beteiligten Banken nachlässig werden und Due-Diligence-Prüfungen nicht mehr mit der gebotenen Sorgfalt ausführen könnten. Der Blick der Stabilitätsanalyse sollte folglich auch auf die Basis der LBO-Transaktionen, das heißt auf die übernommenen Unternehmen, gerichtet sein. Tatsächlich stellt der in den letzten Jahren deutlich gestiegene Fremdkapitalhebel eines der Hauptrisiken des LBO-Markts dar – zumal sich das derzeit sehr günstige Marktumfeld nicht ewig fortsetzen dürfte. Ein steigender Verschuldungsgrad schwächt die Widerstandsfähigkeit der Unternehmen gegenüber schwierigeren Wirtschaftslagen, steigenden Zinsen und anderen Schocks. Diese Einschätzung spiegelt sich schon jetzt in der Herabstufung der Ratingurteile einiger Zielunternehmen wider. Darüber hinaus könnte die Verwundbarkeit der übernommenen Unternehmen noch dadurch erhöht werden, dass der typischerweise kurze Zeithorizont, innerhalb dessen Finanzinvestoren ihre Renditeziele erreichen wollen, dazu führt, dass eher kurzfristig angelegte unternehmerische Entscheidungen in den Vordergrund treten. Damit stellt sich auch am LBO-Markt die Frage, ob manche Investoren in den letzten Jahren zu bereitwillig Risiken übernommen haben. Im Falle einer krisenhaften Entwicklung könnte eine solche Sorglosigkeit über die vielfältigen Verflechtungen zwischen Kreditinstituten, institutionellen Investoren und anderen Finanzmarktteilnehmern, aber auch über das Überschwappen einer generellen Risikoneueinschätzung vom LBO-Markt auf verwandte Märkte, die Stabilität des Finanzsystems beeinträchtigen. In dem noch jungen Markt für LBO-Transaktionen steht dem Risikomanagement der Finanzmarktteilnehmer eine wirkliche Belastungsprobe erst noch bevor.
5
Fazit
Die Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte bietet ein erhebliches Potenzial für wechselseitige wirtschaftliche Vorteile aller daran Beteiligten. Die deutsche Volkswirtschaft ist hier gut gerüstet. Dennoch sind neue Herausforderungen nicht aus dem Blick zu verlieren: Zum einen bedeutet die rasche Verflechtung der Märkte ein gesteigertes Tempo des strukturellen Wandels. Diesem wird man nur gerecht, wenn die heimischen Märkte hinreichend flexibel sind. 14
Globalisierung der Güter- und Finanzmärkte
Zum anderen bedeuten neue Akteure und Instrumente an den Kapitalmärkten zwar die Chance, Risiken besser zu verteilen und Kapital damit besser zu alloziieren. Andererseits sind auch hier neue Herausforderungen an die Marktakteure selbst, aber auch an die mit Fragen der Finanzstabilität befassten nationalen und internationalen Institutionen zu konzedieren.
Literaturhinweise DEUTSCHE BUNDESBANK (2006): Die deutschen Direktinvestitionsbeziehungen mit dem Ausland: neuere Entwicklungstendenzen und makroökonomische Auswirkungen, Monatsbericht September 2006. DEUTSCHE BUNDESBANK (2007a): Der deutsche Außenhandel im Euro-Raum: konjunkturelle Effekte und strukturelle Bestimmungsgründe, Monatsbericht März 2007. DEUTSCHE BUNDESBANK (2007b): Leveraged-Buy-out-Transaktionen: die Rolle von Finanzintermediären und Aspekte der Finanzstabilität, Monatsbericht April 2007. ECB (2007): Accounting for rising leveraged-buyout activity, Financial Stability Review, June 2007. EKHOLM, K./FORSLID, R./MARKUSEN, J. (2003): Export-Platform Foreign Direct Investment, NBER Working Paper, No 9517, 2003. HERRMANN, S./JOCHEM, A. (2005): Trade balances of central and east European EU member states and the role of foreign direct investment, Diskussionspapier des Forschungszentrums der Deutschen Bundesbank, Serie 1, Nr. 41/2005.
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Thomas Hartmann-Wendels
Freier Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung
1
Internationale Kapitalströme zu Beginn des 21. Jahrhunderts . 1.1 Leistungsbilanz und Kapitalverkehrsbilanz . . . . . . . . 1.2 Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Internationale Portfolioinvestitionen . . . . . . . . . . . . 1.4 Internationale Bankkredite . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2
Globalisierung und freier Kapitalfluss: Chancen und Risiken für die Weltwirtschaft . . . . . . . . . . . 2.1 Determinanten der zunehmenden Finanzmarktintegration 2.2 Freier Kapitalverkehr, Wachstum und Produktivität . . . . 2.3 Finanzmarktstabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_2, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Freier Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung
1
Internationale Kapitalströme zu Beginn des 21. Jahrhunderts
1.1
Leistungsbilanz und Kapitalverkehrsbilanz
Das Volumen des internationalen Kapitaltransfers ist in den letzten 20 Jahren kontinuierlich angestiegen. Eine wesentliche Ursache hierfür ist der Anstieg der weltweiten Produktion an Gütern und Dienstleistungen. Verbunden mit dieser Entwicklung ist die Zunahme der internationalen Arbeitsteilung, sodass Güter und Dienstleistungen heute in steigendem Maße international gehandelt werden. Der internationale Warenverkehr löst zwangsläufig grenzüberschreitende Finanztransaktionen aus. Eine weitere Ursache für die zunehmenden internationalen Finanzströme sind Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen zahlreicher Länder, allen voran das Leistungsbilanzdefizit der USA, das im Jahre 2005 mit knapp 800 Milliarden US-Dollar – dies entspricht rund 6,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – einen neuen Rekordstand erreicht hat. Diesem Leistungsbilanzdefizit stehen gigantische Kapitalimporte gegenüber, die zu einem drastischen Anstieg der Netto-Auslandsverschuldung der USA auf 2,7 Billionen US-Dollar geführt haben. Mittlerweile beanspruchen die USA 71 Prozent sämtlicher (Netto-)Kapitalimporte zum Ausgleich ihres Leistungsbilanzdefizits. Verstärkt wird der Bedarf an ausländischem Kapital durch die seit Mitte der Neunzigerjahre sinkende Sparneigung der amerikanischen Haushalte, die mit Beginn dieses Jahrtausends in eine Nettoverschuldung des Haushaltssektors umgeschlagen ist. Die Finanzierung der nach wie vor hohen Investitionsquote von circa 20 Prozent in den USA wäre ohne ausländisches Kapital nicht denkbar. Den Kapitalimporten der USA stehen Kapitalexporte gegenüber, die aus Europa, Asien und auch Afrika stammen (vgl. Abbildung 1). Zu den Ländern mit einem bedeutenden (Netto-)Kapitalexport zählen zum einen die exportstarken Nationen wie Japan, China und Deutschland, zum anderen haben die Öl-exportierenden Länder der arabischen Welt sowie Russland und auch Nigeria durch die gestiegenen Ölpreise hohe Überschüsse erzielt, die zu massiven Kapitalexporten geführt haben. Der Kapitalimport in die USA entspricht definitionsgemäß dem Unterschied zwischen der Ersparnis und den Investitionen in der übrigen Welt. Für den Anstieg dieses Unterschiedes außerhalb der USA sind vier Faktoren maßgeblich:1 y In den letzten Jahren wurden Kapitalverkehrsbeschränkungen abgebaut, sodass Finanzanlagen international besser diversifiziert werden können. y Das rasche Wirtschaftswachstum in China hat in Verbindung mit unterentwickelten Finanzmärkten und mit der Wechselkurspolitik der chinesischen Zentralbank die Sparquote deutlich ansteigen lassen.
1
Vgl. Dovern et al. (2006).
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y Die Ölförderländer haben durch den drastischen Anstieg des Ölpreises hohe Einnahmen erzielt. y Die Investitionsquote in den Industrie- und Schwellenländern mit Ausnahme Chinas war relativ niedrig. Umstritten ist, ob die gegenwärtige Situation massiver Kapitalimporte in die USA langfristig Bestand haben kann oder ob es mittel- bis langfristig zu Anpassungen kommen wird. Die Sparquote in den asiatischen Ländern wird sich voraussichtlich verringern, wenn die Haushalte dort ihre Ausgaben an die verbesserte Einkommenssituation anpassen. Die Ölförderländer werden ihre Erträge aus den Ölexporten mittel- bis langfristig vermehrt dazu nutzen, in die Entwicklung der eigenen Volkswirtschaft zu investieren, anstatt in amerikanische Finanzanlagen zu investieren. Mit dem Ansteigen der Investitionsquote in den wichtigsten Industrienationen Europas wird auch dort der Überschuss der Ersparnisse über die Investitionen zurückgehen. Alles dies wird dazu führen, dass weniger Kapital nach Amerika exportiert wird. Die Folge wird ein höheres Zinsniveau sowie eine Abwertung des US-Dollars sein. Bemerkenswert ist in jedem Fall, wie reibungslos das Leistungsbilanzdefizit durch Kapitalimporte finanziert werden konnte. Dies spricht für die Leistungsfähigkeit liberalisierter Finanzmärkte, die einen freien Kapitalfluss ermöglichen.
1.2
Direktinvestitionen
Die Zunahme der internationalen Kapitalströme ist nicht nur auf gestiegene Leistungsbilanzungleichgewichte zurückzuführen, sondern liegt zu einem wesentlichen Teil auch in reinen Finanztransaktionen begründet. Hierzu gehören Direktinvestitionen, Portfolioinvestitionen und die grenzüberschreitende Kreditvergabe der Banken. Ursachen für den Anstieg der grenzüberschreitenden Finanztransaktionen sind neben einer weitgehenden Liberalisierung der Finanzmärkte die abnehmende Bedeutung des sogenannten „Home Bias“. Aufgrund der Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechniken sind Informationen heute für Anleger weltweit verfügbar, sodass Informationsvorsprünge heimischer Investoren eine immer geringere Rolle spielen. Professionelle Investoren optimieren die Kapitalanlage heute weltweit, um für ihre Kunden die optimale Mischung aus Rendite und Risiko zu treffen. Die Direktinvestitionen haben in den letzten Jahren wieder erheblich zugenommen, nachdem sie im Jahr 2000 zunächst einen Höhepunkt erreicht hatten und in den Folgejahren dramatisch eingebrochen waren. Die gesamten Zuflüsse an Direktinvestitionen betrugen im Jahr 2005 knapp eine Billion US-Dollar, dies entspricht einem Zuwachs von knapp 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr (vgl. Tabelle 1). An diesem Anstieg haben prinzipiell alle Regionen partizipiert, allerdings nicht gleichmäßig. Den größten absoluten Zuwachs konnten die Industrieländer verzeichnen, der Zufluss an Direktinvestitionen in die ehemaligen Staaten der Sowjetunion und nach Südosteuropa stagnierte dagegen auf niedrigem Niveau. 20
Freier Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung
Abbildung 1:
(Netto)-Kapitalimporte und -exporte (Quelle: IMF-Statistiken 2007)
21
Thomas Hartmann-Wendels
Tabelle 1:
Zuflüsse an Direktinvestitionen im Jahr 2005 2
Region
in Mrd. US-Dollar
Steigerung gegenüber dem Vorjahr in %
weltweit
916
29
Industrieländer
542
37
Entwicklungsländer
334
22
31
78
104
3,1
35
85
165
20
40
0,3
y Afrika y Lateinamerika y Westliches Asien y Süd-, Ost- und Südostasien Südosteuropa und GUS
Differenziert man weiter nach Ländern, so sieht man, dass das Vereinigte Königreich mit Abstand der größte Empfänger von Direktinvestitionen war, gefolgt von den USA 3 und China (vgl. Abbildung 2). Abbildung 2:
2 3
22
Kapitalzuflüsse für Direktinvestitionen im Jahr 2005 in Milliarden US-Dollar 3
Vgl. IMF (2006b). Vgl. IMF (2006b).
Freier Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung
Bei den Ländern, aus denen die Mittel für die Direktinvestitionen stammen, rangieren die Niederlande, Frankreich und das Vereinigte Königreich mit großem Abstand vor 4 den anderen Ländern (vgl. Abbildung 3). Abbildung 3:
Kapitalabflüsse für Direktinvestitionen im Jahr 2005 in Milliarden US-Dollar 4
Industriezweige, in die in den letzten Jahren hauptsächlich investiert wurde, waren die Öl- und Gasindustrie, Telekommunikation sowie der Finanzbereich. Das erheblich gestiegene Volumen an Direktinvestitionen ist die Folge einer stärkeren internationalen Arbeitsteilung. Im Jahr 2005 gehörten 770000 ausländische Tochterunternehmen zu 77000 multinationalen Unternehmen. Diese Tochterunternehmen tätigten Umsätze im Wert von 22171 Milliarden US-Dollar, ihre Bruttowertschöpfung betrug 4517 Milliarden US-Dollar.5 Bemerkenswert ist der Anstieg der Direktinvestitionen von Investoren aus Entwicklungs- und Schwellenländern. Der Anteil der Kapitalabflüsse aus diesen Ländern betrug im Jahre 2005 17 Prozent, der Anteil an den Mergers & Acquisitions ist von vier Prozent im Jahr 1987 auf 13 Prozent in 2005 angestiegen. Einen besonderen Anteil an den Direktinvestitionen hatten in den letzten Jahren Investmentfonds, insbesondere Private-Equity- und Hedgefonds. Deren Anteil an den
4 5
Vgl. IMF (2006b). Vgl. IMF (2006b).
23
Thomas Hartmann-Wendels
Direktinvestitionen ist von 7,5 Prozent im Jahre 1990 auf knapp 20 Prozent im Jahr 2005 angestiegen.6 Einen wichtigen Beitrag zur Globalisierung der Finanzströme leisten Direktinvestitionen in ausländische Finanzinstitutionen. Mit der Zunahme des grenzüberschreitenden Warenverkehrs waren die Kreditinstitute gezwungen, ihren Kunden auf dem Weg der Internationalisierung zu folgen. Da die heimischen Märkte häufig wenig Potenzial für weiteres Wachstum besaßen, gingen Kreditinstitute seit der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre verstärkt dazu über, ausländische Finanzinstitutionen vollständig oder mehrheitlich zu erwerben. Das Volumen der grenzüberschreitenden Unternehmenskäufe im Finanzdienstleistungssektor erreichte im Jahr 1999 mit 50 Milliarden US-Dollar einen Höhepunkt. Nach einem drastischen Rückgang im Jahr 2002 hat sich das Niveau wieder in etwa auf dem des Jahres 1999 eingependelt.7 Schwerpunkt der Direktinvestitionen in ausländische Finanzdienstleister waren die aufstrebenden Volkswirtschaften in Lateinamerika sowie in Ost- und Mitteleuropa. Die Auswirkungen der Bankenübernahmen auf die heimischen Bankenmärkte sind in diesen Staaten enorm. Zunächst erhöht sich die Wettbewerbsintensität, wenn große Kreditinstitute durch den Erwerb von Tochterunternehmen auf einen fremden Markt eindringen. Mit dem Erwerb verbunden ist in der Regel ein Transfer von Know-how vom Mutter- zum Tochterunternehmen, sodass die Finanzmarktstabilität des Gastlandes durch den Einsatz entwickelter Risikomanagementsysteme verbessert wird. Trotz der Effizienzgewinne, die grenzüberschreitende Käufe von Finanzdienstleistern bewirken, wird die Übernahme von Banken durch ausländische Finanzinstitutionen von den Bankenaufsichtsbehörden des Gastlandes häufig skeptisch beurteilt: So wird befürchtet, dass die Unternehmenspolitik der übernommenen Bank nicht an den Bedürfnissen des Gastlandes ausgerichtet wird, sondern Teil einer globalen Optimierung durch das Mutterunternehmen ist. Darüber hinaus bedeutet der Erwerb heimischer Banken durch ausländische Banken für die Bankenaufsichtsbehörden auch immer einen Verlust an Kontrollmöglichkeiten.
1.3
Internationale Portfolioinvestitionen
Das Volumen ausländischer Portfolioinvestitionen hat sich innerhalb der letzten vier Jahre nahezu verdoppelt (vgl. Abbildung 4). Besonders profitiert von dem Anstieg haben Geldanlagen in Fremdkapitaltitel, der Anstieg bei den Eigenkapitalanteilen8 dagegen fiel über den gesamten Zeitraum aufgrund des Rückgangs der Investitionen im
6 7 8
24
Vgl. IMF (2006b). Vgl. Cumming (2006). Als Portfolioinvestitionen gelten Eigenkapitalanteile dann, wenn die Beteiligungsquote weniger als zehn Prozent beträgt. Bei einer größeren Anteilsquote wird die Beteiligung als Direktinvestition erfasst.
Freier Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung
Abbildung 4:
Bestand internationaler Portfolioinvestitionen 9
Jahre 2003 als Folge der weltweiten Baisse an den Aktienmärkten geringer aus. In den letzten zwei Jahren allerdings sind die grenzüberschreitenden Portfolioinvestitionen in Aktien kräftig gestiegen. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Finanzmärkte die Turbulenzen der vergangenen Jahre überwunden haben. Auch die steigende Tendenz der Aktienkurse in den letzten Jahren schlägt sich in einem größeren Bestand an ausländischen Portfolioinvestitionen nieder. Schließlich sieht man auch anhand der Portfolioinvestitionen, dass der „Home Bias“ deutlich an Bedeutung verliert, dies ist vor allem auf die zunehmende Bedeutung professioneller Investoren wie Investment9 fonds zurückzuführen. Hauptinvestor sind mit großem Abstand die USA, gefolgt vom Vereinigten Königreich, Japan und Frankreich (vgl. Abbildung 5). Während Investoren aus den USA vor allem in Eigenkapitaltitel investieren, dominieren Japan und Frankreich bei Finanzinvestitionen in langfristige Schuldtitel. Für US-amerikanische Anleger waren Auslandsinvestitionen in den letzten Jahren besonders attraktiv, da sie nicht nur von der Rendite der erworbenen Wertpapiere profitierten, sondern auch von einem fallenden Wechselkurs des US-Dollars.
9
Vgl. IMF (2006a).
25
Thomas Hartmann-Wendels
Abbildung 5:
Internationale Portfolioinvestitionen nach Ländern und Finanzierungstiteln 10
Die weltweit größten Emittenten grenzüberschreitender Portfolioanlagen sind neben den USA das Vereinigte Königreich, Deutschland und Frankreich. Während US-amerikanische Emittenten Fremdkapital präferieren, dominieren bei englischen Emittenten 10 Eigenkapitaltitel.
1.4
Internationale Bankkredite
Die grenzüberschreitende Kreditvergabe der Banken legte im letzten Jahr kräftig zu, die weltweit gehaltenen Auslandsforderungen der Banken stiegen um 26 Prozent und betrugen Ende 2006 26 Billiarden US-Dollar (vgl. BIS 2007).11 Den größten Anteil an diesen Forderungen betreffen Kredite (knapp 19 Billiarden US-Dollar). Von der Expansion der Auslandsforderungen profitierten vornehmlich die Industrieländer, allen voran die USA sowie die Schwellenländer.
10 11
26
Vgl. IMF (2006a). Vgl. BIS (2007).
Freier Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung
Abbildung 6:
Emittenten grenzüberschreitender Portfolioanlagen 12
2
Globalisierung und freier Kapitalfluss: Chancen und Risiken für die 12 Weltwirtschaft
2.1
Determinanten der zunehmenden Finanzmarktintegration
Über die letzten Jahre hinweg ist die internationale Verflechtung der Finanzmärkte enger geworden. Die Zunahme des internationalen Handels von Gütern und Dienstleistungen führt zu entsprechend höheren grenzüberschreitenden Zahlungsströmen. Durch Fusionen und Übernahmen sind multinational tätige Konzerne entstanden, die global operieren und entsprechend ihre Zahlungsströme auch global steuern. Neben diesem güterwirtschaftlich motivierten Anstieg der internationalen Kapitalströme gibt es auch eine rein finanzwirtschaftlich begründete Zunahme der grenzüberschreitenden Finanztransaktionen. Hauptursache hierfür sind die Fortschritte der Informationsund Kommunikationstechnologie, die nicht nur den Transfer von Zahlungsströmen 12
Vgl. IMF (2006a).
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erleichtern, sondern auch Informationen über rentable Investitionsmöglichkeiten weltweit verfügbar machen. Um die prinzipiell verfügbaren Informationen auch für Anlageentscheidungen nutzen zu können, vertrauen Kapitalanleger ihr Vermögen zunehmend Investmentfonds an, die weltweit nach rentablen Investitionsmöglichkeiten suchen. Die zunehmende Globalisierung macht auch vor den Institutionen des Finanzbereichs nicht halt: Wir erleben eine Welle grenzüberschreitender Übernahmen von Banken sowie internationale Fusionen und Übernahmen von Börsen. Diese Entwicklung wäre nicht möglich gewesen ohne eine Liberalisierung des grenzüberschreitenden Kapitalverkehrs sowie eine Öffnung der Finanzmärkte für ausländische Finanzinstitutionen. Begleitet wurde dieser Aspekt von einer Harmonisierung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Die vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht erarbeiteten Vorschläge zur Bankenregulierung schaffen – zumindest für den Bereich der wichtigsten Industrienationen – ein Level Playing Field. Hinzu kommt eine Angleichung der Rechnungslegungsvorschriften durch die zunehmende Bedeutung der IAS/IFRS-Bilanzierung. Hierdurch werden Informationsdefizite aufgrund unterschiedlicher Ansatz- und Bewertungsvorschriften abgebaut, sodass Unternehmensvergleiche anhand von finanzwirtschaftlichen Kennzahlen weltweit möglich werden. Für die Zukunft ist zu erwarten, dass sich der Trend einer zunehmenden Vernetzung der nationalen Volkswirtschaften sowohl in der güterwirtschaftlichen wie auch in der finanzwirtschaftlichen Sphäre fortsetzen wird. Das Potenzial an internationaler Verflechtung ist sicherlich bei weitem noch nicht ausgeschöpft.
2.2
Freier Kapitalverkehr, Wachstum und Produktivität
Die Konsequenzen einer Globalisierung der Kapitalströme werden kontrovers diskutiert. Ein wichtiges Argument für einen freien Kapitalfluss sind die positiven Wirkungen auf die Ressourcenallokation. Die weltweite Suche nach rentablen Investitionsmöglichkeiten lenkt das Kapital dorthin, wo die größte Rendite zu erwarten ist. Geht man davon aus, dass die Rentabilität dort hoch ist, wo die Kapitalintensität der Produktion gering ist und die zur Verfügung stehenden Mittel eng begrenzt sind, so wäre ein Kapitaltransfer in Entwicklungsländer zu erwarten gewesen. Stattdessen fließen immense Kapitalbeträge in die USA, in eines der reichsten und am weitesten entwickelten Länder. Dies wird häufig als ein Versagen der Allokationsfunktion der Finanzmärkte interpretiert.13 Dabei wird übersehen, dass in den Entwicklungsländern qualifizierte Arbeitskräfte und eine entwickelte Infrastruktur, die rentable Investitionsmöglichkeiten eröffnen, fehlen.14 Hinzu kommen politisch instabile Situationen, die Investoren abschrecken. Hohe Kapitalexporte der durch langjährige Bürgerkriege heimgesuchten Staaten Elfenbeinküste und Kongo deuten auf massive Kapitalflucht hin. 13 14
28
Vgl. zum Beispiel McKinley (2006). Vgl. Mishra et al. (2001).
Freier Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung
Ein ungehinderter internationaler Kapitaltransfer verbessert die intertemporale Ressourcenallokation: Länder, in denen die Ersparnisse die Investitionsmöglichkeiten übersteigen, können diese Überschüsse in andere Länder transferieren, in denen die Investitionsmöglichkeiten durch die heimischen Ersparnisse nicht finanziert werden können.15 Inwieweit Kapitalzuflüsse die Investitionstätigkeit im Empfängerland anregen, ist empirisch nicht eindeutig zu beantworten. Möglich ist, dass die Kapitalzuflüsse weniger für investive Zwecke, sondern vornehmlich einer konsumtiven Verwendung zugeführt werden, daneben können sie auch dazu verwendet werden, die Fremdwährungsreserven zu erhöhen. Nicht selten sind grenzüberschreitende Transaktionen auch steuerlich motiviert, in solchen Fällen verlässt das Kapital meist wieder nach kurzer Zeit das Empfängerland. Empirische Studien deuten darauf hin, dass Kapitalimporte tendenziell zu einer Zunahme der Investitionen führen und die Produktivität einer Volkswirtschaft erhöhen. Dies gilt insbesondere für Direktinvestitionen und internationale Bankkredite, weniger dagegen für Portfolioinvestitionen.16 Entscheidend für die Wirkungen von Kapitalimporten sind die ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen, die die Kapitalimporte begleiten. Für den Bereich der europäischen Union konnte nachgewiesen werden, dass die Kapitalströme von den reicheren EU-Staaten zu den neuen EU-Mitgliedsländern Zentral- und Osteuropas fließen und dort einen wichtigen Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisten. Dies wiederum führt zu einer Angleichung der Einkommensverhältnisse innerhalb der EU.17 Dass die Finanzmarktintegration innerhalb der EU diese positiven Wirkungen entfalten kann, deutet darauf hin, dass eine Integration der Finanzmärkte nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie in einen umfassenden Integrationsprozess, der sämtliche ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen umfasst, eingebettet ist. Neben den direkten Wirkungen auf Investitionen, Wachstum und Produktivität entfaltet eine globale Finanzmarktintegration auch positive Nebenwirkungen: Hierzu gehören die Entwicklung der nationalen Finanzmärkte, eine schnelle Verbreitung neuer Finanzmarktprodukte sowie eine verstärkte Disziplinierung durch die Marktkräfte, die zu verbesserten Corporate-Governance-Strukturen zwingt und die Möglichkeiten nationaler Alleingänge in der Wirtschaftspolitik begrenzt.18
2.3
Finanzmarktstabilität
Eine wachsende Verflechtung der Finanzmärkte zeigt sich nicht nur am Volumen der internationalen Kapitalströme, sondern auch an zunehmend gleichgerichteten Preisbewegungen der Assets. In mehreren Studien konnte nachgewiesen werden, dass die 15 16 17 18
Vgl. Fischer (2006). Vgl. Mishra et al. (2001), Abiad et al. (2007). Vgl. Abiad et al. (2007). Vgl. Llewellyn (2006), Kose et al. (2006).
29
Thomas Hartmann-Wendels
Korrelationen der Aktienrenditen sowie der Credit Spreads auf Unternehmensanleihen weltweit zugenommen haben. Diese Entwicklung schließt auch die Schwellenländer mit ein, trotz teilweise abweichender Fundamentaldaten.19 Mit der Integration der Finanzmärkte wächst auch die Gefahr, dass sich nationale Finanzkrisen in kürzester Zeit weltweit ausbreiten. Damit stellt sich das Problem, wie Finanzmarktstabilität in Zeiten der Globalisierung gewährleistet werden kann. Als Beleg für eine latente Instabilität der Finanzmärkte werden Krisen wie die in Mexiko, in Asien und in Russland angeführt. Insbesondere die Asienkrise in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre wird verantwortungslosen Spekulanten angelastet, die die Liberalisierung der Finanzmärkte für ihre Geschäfte missbraucht hätten. Um dies künftig zu verhindern, wird die Forderung erhoben, den Kapitalverkehr wieder stärker zu reglementieren und ausländische Direktinvestitionen zu kontrollieren. Dem kann entgegengehalten werden, dass die Finanzkrise in Asien nicht durch zu viel Liberalisierung, sondern durch eine unvollständige Liberalisierung ausgelöst wurde: Kapitalverkehrsbeschränkungen wurden zwar abgeschafft, es fehlte aber die Öffnung der heimischen Finanzmärkte für ausländische Finanzdienstleister. Damit wurden die inländischen Institute von dem internationalen Wettbewerb abgeschottet, es fehlte der Import moderner Standards der Risikokontrolle, der durch Direktinvestitionen ausländischer Institute hätte ermöglicht werden können. Mit ausgelöst wurde die Finanzkrise in Asien schließlich auch durch eine Bindung der Wechselkurse an den US-Dollar. Für eine stabile internationale Finanzmarktordnung ist daher zu fordern, dass neben dem Kapitalverkehr auch die heimischen Finanzmärkte für ausländische Investoren geöffnet werden. Um auf Fehlentwicklungen bei einzelnen Akteuren rechtzeitig und wirkungsvoll reagieren zu können, bedarf es einer engen Kooperation der Bankenaufsichtsbehörden, die auf der Basis harmonisierter Standards ihre Aufsicht ausüben müssen. Schließlich bedarf es der Transparenz, damit Informationen über wirtschaftlich relevante Sachverhalte weltweit gleichermaßen verfügbar sind. Dies erfordert zum einen weitgehende Offenlegungsvorschriften der Finanzinstitutionen und zum anderen eine Standardisierung der Informationsinhalte, damit ein und derselbe Sachverhalt in verschiedenen Ländern nicht unterschiedlich interpretiert wird. Eine Weiterentwicklung der internationalen Rechnungslegungsvorschriften ist daher dringend geboten. In der jüngsten Zeit werden Hedgefonds verstärkt als potenzielle Gefahr für die Stabilität der Finanzmärkte angesehen. Anlass für diese Befürchtungen sind zum einen spektakuläre Fallissements wie die LTCM-Krise, zum anderen schürt das schiere Wachstum der Hedgefonds in den letzten Jahren Ängste. Da Hedgefonds in hohem Maße Fremdkapital einsetzen, entstehen enorme Gegenparteirisiken, die andere Finanzinstitutionen im Fall einer Krise mit in den Abgrund stürzen können. Darüber hinaus wird befürchtet, dass die massive Liquidation von Positionen im Krisenfall die Preise von Finanztiteln und die Liquidität von Finanzmärkten massiv beeinträchtigt und auf diese Weise wiederum andere Finanzinstitutionen in Schwierigkeiten geraten. Eine aktuelle Studie des Financial Stability Forums kommt zu dem Ergebnis, dass die19
30
Vgl. Woolridge et al. (2003).
Freier Kapitalfluss in Zeiten der Globalisierung
sen Gefahren nicht durch Reglementierung, sondern durch eine Stärkung der Marktdisziplin am besten begegnet werden kann.20 Um die Marktkräfte zu stärken, ist Transparenz notwendig, damit alle Akteure auf der Basis aller verfügbaren Informationen ihre Entscheidungen treffen können. Unterstützt werden soll dieser Prozess durch eine Bankenaufsicht, die die Finanzinstitutionen zu einer kontinuierlichen Weiterentwicklung ihrer Risikomanagementsysteme anhält.
Literaturhinweise ABIAD, A./LEIGH, D./MODY, A. (2007): International Finance and Income Convergence: Europe is Different, IMF Working Paper 2007. BIS (2007): Statistical Commentary on Preliminary Locational and Consolidated Banking Statistics At-End-December 2006, April 2007. CUMMING, C. M. (2006): Review of Recent Trends and Issues in Financial Sector Globalisation, in: BIS Papers No. 32, Financial Globalisation, December 2006, S. 12–19. DOVERN, J./MEIER, C. P./SCHEIDE, J. (2006): Das hohe Leistungsbilanzdefizit der Vereinigten Staaten: Ein Risiko für die Weltwirtschaft und für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland?, Institut für Weltwirtschaft Kiel 2006. FINANCIAL STABILITY FORUM (2007): Update of the FSF Report on Highly Leveraged Institutions, May 2007. FISCHER, S. (2006): Financial Market Liberalisation, in: Financial Globalisation, 5th BIS Annual Research Conference, 2006, S. 4–11. IMF (2006a): Global Results of the Coordinated Portfolio Investment Survey, October 2006. IMF (2006b): World Investment Report 2006. IMF COMMITTEE ON BALANCE OF PAYMENTS STATISTICS (2006): Annual Report 2006. KOSE, M. A./PRASAD, E./ROGOFF, K./WEI, S.-J. (2006): Financial Globalisation: A Reappraisal, IMF Working Paper 2006. LLEWELLYN, D. T. (2006): Globalisation and Convergence in the Shareholder Value Model in European Banking, in: Financial Globalisation, 5th BIS Annual Research Conference, 2006, S. 20–29. MCKINLEY, T. (2006): The Monopoly of Global Capital Flows: Who Needs structural Adjustments now?, Working Paper, International Poverty Centre, March 2006. MISHRA, D./ASHOKA, M./MURSHID, A. P. (2001): Private Capital Flows and Growth, in: Finance and Development, vol. 38, No. 2, 2001. WOOLRIDGE, P. D./DOMANSKI, D./COBAU, A. (2003): Neue Muster in der Verflechtung zwischen entwickelten und aufstrebenden Finanzmärkten, BIZ-Quartalsbericht, September 2003.
20
Vgl. FSF (2007).
31
Klaus Peter Berger
Rechtliche Rahmenbedingungen der Globalisierung – vom Wettbewerb der Rechtsordnungen zu „Private Governance“
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1
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39 40 40 41
EU-Binnenmarkt: Paradigma eines regulatorischen „Level Playing Fields“ . . 2.1 Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Öffentliches Marktordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42 42 44
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_3, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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2
Schaffung eines „Level Playing Fields“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Instrument: Vereinheitlichung rechtlicher Rahmenbedingungen . . . . 1.2 Regulatorische Ebenen: Privatrecht und öffentliches Marktordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.1 Privatrechtsvereinheitlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2.2 Vereinheitlichung von Marktordnungsrecht . . . . . . . . . . . . 1.3 „Formulating Agencies“ als Gesetzgeber der globalisierten Wirtschaft 1.3.1 Regierungsorganisationen (GOs) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.3.2 Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) . . . . . . . . . . . . . 1.4 Regelungsansatz „Private Governance“: „Soft Law“ versus formelles Gesetzesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Spontane Rechtsbildung durch die Akteure selbst . . . . . . . . . . . . 1.5.1 Pragmatische Regelbildung statt formaler Rechtsetzung . . . . . 1.5.2 Problem „Legal Transplants“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Rechtliche Rahmenbedingungen der Globalisierung
Einleitung Der Wettbewerb der Rechtsordnungen ist in den letzten Jahren zu einem beliebten Schlagwort geworden. Dies gilt sowohl für die Rechtswissenschaft als auch für diejenigen Vertreter der Institutionenökonomie, die sich mit der Auswirkung des Rechts auf grenzüberschreitende Transaktionen befassen (New Institutional Economics of International Transactions). Bei genauer Betrachtung geht es in beiden Disziplinen um die gleiche, zentrale Frage, nämlich die nach dem für die Weltwirtschaft „optimalen Rechtsraum“ (Schmidtchen). Sie betrifft Waren-, Finanz- und Kapitalmärkte gleichermaßen. Diese Märkte sind längst globalisiert. Multinationale Unternehmen (MNUs) wie Siemens oder DaimlerChrysler sind schon lange nicht mehr auf einen nationalen Markt beschränkt, sondern verfolgen globale oder gar transnationale „Business Strategies“. Deutsche Unternehmen sind heute an der New York Stock Exchange (NYSE) notiert. Für deutsche Großbanken ist die globale Präsenz eine Selbstverständlichkeit. Deutsche Vermögensverwalter investieren das Geld ihrer Kunden global. Investoren aus dem arabischen Raum investieren mit großer Selbstverständlichkeit in Europa, etwa im Immobiliensektor. Investmentfonds spielen eine zentrale Rolle als Global Player im internationalen Private-Equity-Markt. Grenzüberschreitende Unternehmensübernahmen sind heute an der Tagesordnung. Zugleich sind diese Märkte und die auf ihnen agierenden Akteure jedoch seit jeher Gegenstand umfassender und zum Teil rigider rechtlicher Regelungen. Dies beruht zum einen auf der volkswirtschaftlichen Bedeutung dieser Märkte, zum anderen auf den mit Finanzmarkt- und Kapitalmarkttransaktionen typischerweise verbundenen Risiken für den einzelnen Akteur, aber auch für das System an sich. Man denke nur an die mit Interbankengeschäften verbundene Gefahr von „Dominoeffekten“ im Fall der Insolvenz eines Kreditinstituts. Die Entwicklung dieser rechtlichen Rahmenbedingungen hinkt aber seit Längerem der Globalisierung der Märkte weit hinterher. Die Territorialität des Rechts und die damit verbundenen konstitutionellen Unsicherheiten sowie die naturgemäße Langsamkeit gesetzgeberischer Prozesse stehen im Gegensatz zum transnationalen Charakter der Waren-, Kapital- und Finanzmärkte und der Dynamik ihrer Weiterentwicklung. Globalisierte Märkte können nur effizient funktionieren, wenn der freie, globale Fluss von Waren und Kapital nicht durch unterschiedliche Grundüberzeugungen über die Aufgaben des Rechts gehemmt wird. Das Ausmaß der Integration nationaler Volkswirtschaften in ein globales Weltwirtschaftssystem ist also abhängig vom Grad der Universalisierbarkeit der rechtlichen Institutionen, von denen seine Funktionsfähigkeit abhängt (Behrends).
35
Klaus Peter Berger
1
Schaffung eines „Level Playing Fields“
1.1
Instrument: Vereinheitlichung rechtlicher Rahmenbedingungen
Die Territorialität des Rechts bildet die Wurzel des Wettbewerbs der Rechtsordnungen. Zugleich bildet der Gedanke der Territorialität auch die größte Gefahr für die Effizienz dieses Wettbewerbs. Dieser Wettbewerb kann zu einem Kampf um Standortvorteile im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr und damit zu einem „Race to the Bottom“ degenerieren. Der Kampf um das liberalste Gesellschaftsrecht in den USA, den der Bundesstaat Delaware letztlich gewann, hat dies ebenso gezeigt wie das Entstehen von Offshore-Finanzzentren wie der Republik Vanuatu, die sich bis vor einigen Jahren jedem Zugriff durch nationale oder transnationale Aufsichtsbehörden entziehen konnten. Der wirtschaftlichen Globalisierung, die gerade auf die Herausbildung eines globalen Marktes statt territorial beschränkter Märkte abzielt, ist diese Entwicklung nicht dienlich. Es hat sich daher die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Wettbewerb der Rechtsordnungen durch die Schaffung eines regulatorischen „Level Playing Fields“ abgelöst werden muss. Gemeint ist damit das Idealbild eines einheitlichen rechtlichen Regelungsrahmens, der über nationale Grenzen hinweg (bzw. in allen betroffenen Rechtsordnungen gleich) gilt, den Besonderheiten der globalen Finanz- und Kapitalmärkte Rechnung trägt und den mit der Frage nach dem „Standortvorteil Recht“ zwangsläufig verbundenen Gedanken der Territorialisierung des Rechts ablöst. Das Instrument zur Erreichung dieses Zieles ist die Rechtsvereinheitlichung, also die bewusste Schaffung einheitlicher oder zumindest harmonisierter Rechtsprinzipien. Vereinheitlichtes oder harmonisiertes Recht lässt den Standortaspekt in den Hintergrund treten. Stattdessen wird die globale, am globalen Regelungsgegenstand „Weltwirtschaft“ orientierte Ausrichtung der entsprechenden rechtlichen Regelungsinstrumentarien betont. Die Qualität des Rechts und seine „Durchlässigkeit“ für die globalen Waren-, Kapital- und Finanzströme werden damit als Wettbewerbsfaktor weitgehend eliminiert.
1.2
Regulatorische Ebenen: Privatrecht und öffentliches Marktordnungsrecht
Die Rechtsvereinheitlichung vollzieht sich heute auf unterschiedlichen Ebenen und schreitet auf diesen Ebenen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten voran. Zu unterscheiden ist in diesem Zusammenhang zwischen der Privatrechtsvereinheitlichung und der Vereinheitlichung des öffentlichen Marktordnungsrechts, vor allem des Aufsichtsrechts. 36
Rechtliche Rahmenbedingungen der Globalisierung
1.2.1
Privatrechtsvereinheitlichung
Bei der Privatrechtsvereinheitlichung geht es um die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Austauschbeziehungen der auf den globalen Märkten tätigen Akteure. Gemeint ist damit in erster Linie das Vertragsrecht. Es wird seit jeher vom Grundsatz der privatautonomen Gestaltungsfreiheit der Parteien geprägt. Für internationale B2B-Transaktionen wird daher seit den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts die Notwendigkeit der Regelung durch nationale Gesetzgeber negiert und stattdessen die Entstehung einer transnationalen Rechtsordnung, einer neuen „Lex Mercatoria“ propagiert. Gemeint ist damit eine globale „Zivilrechtsgesellschaft“ grenzüberschreitend tätiger Kaufleute und Unternehmer, die sich ihr eigenes Recht gibt und sich weitgehend auf ihre eigenen Mechanismen der Selbstkontrollen wie Black Lists und internationale Schiedsgerichte verlässt. Die Loslösung von nationalem Recht fällt hier wegen des in fast allen Rechtsordnungen anerkannten Prinzips der Privatautonomie besonders leicht. Im B2C-Verkehr wird dieser Grundsatz allerdings durch die vielfältigen Aspekte des Verbraucher- und Anlegerschutzes überlagert. Der Gedanke der privatautonomen Gestaltungsfreiheit wird durch das Bestreben eines „Schutzes des Anlegers vor sich selbst“ verdrängt, zwingendes Ordnungsrecht tritt an die Stelle dispositiven Rechts. Die Notwendigkeit der Schaffung eines „Level Playing Fields“ ist daher in diesem Bereich besonders groß, wie die Rechtsentwicklung auf der EU-Ebene eindrucksvoll zeigt. Auf sie wird später zurückzukommen sein.
1.2.2
Vereinheitlichung von Marktordnungsrecht
Das Gleiche gilt für die zweite Ebene, auf der sich die Vereinheitlichung von Rechtsstrukturen und damit die Ablösung des Wettbewerbs der Rechtsordnungen vollzieht, den Bereich des öffentlichen Marktordnungsrechts. Gemeint ist damit für den Bereich der Finanz- und Kapitalmärkte vor allem das Bank-, Wertpapier- und Kapitalmarktaufsichtsrecht. Es dient seit jeher der Überwachung von Marktrisiken und damit des institutionellen Marktschutzes, der Markttransparenz und der Markthygiene. Dieser Schutz liegt im vitalen öffentlichen Interesse der nationalen Gesetzgeber. Durch die mit der Globalisierung verbundene Öffnung der nationalen Finanz- und Kapitalmärkte ist auch die Durchlässigkeit dieser Märkte für derartige Risiken exponentiell gestiegen. Der Schutz vor solchen Risiken, die sich schnell zu Gefahren für ganze Volkswirtschaften ausweiten können, ist damit heute das Gebot der Stunde. Gerade hier ist aber die Schaffung eines globalen „Level Playing Fields“ besonders virulent. Ein „Race to the Bottom“ durch einen freien Wettbewerb der Rechtsordnungen kann sich im Hinblick auf die enormen Gefahren systemischer Risiken fatal auswirken.
37
Klaus Peter Berger
1.3
„Formulating Agencies“ als Gesetzgeber der globalisierten Wirtschaft
Die Akteure, die auf transnationaler Ebene regelsetzend tätig sind, sogenannte „Formulating Agencies“, sind so vielfältig wie die Globalisierung selbst. Typologisch sind zwei Grundformen zu unterscheiden, die Regierungsorganisationen (Governmental Organizations, GOs) und die Nicht-Regierungsorganisationen (Non-Governmental Organization, NGOs).
1.3.1
Regierungsorganisationen (GOs)
Als Beispiel für die Ersten seien die Kommission für Internationales Handelsrecht der Vereinten Nationen (United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL) mit Sitz in Wien und das Internationale Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts (Institut International pour L’Unification du Droit Privé, UNIDROIT) mit Sitz in Rom genannt. Für das Bankaufsichtsrecht besonders bedeutsam ist der Ausschuss für Bankenregulierung (Basel Committee on Banking Supervision) bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel. Ihm gehören die Notenbankgouverneure und Chefs der Finanzmarktaufsichtsbehörden der sogenannten G 10-Staaten an. Der Ausschuss ist allerdings kein verfassungsmäßiges Gremium der BIZ, seine Mitglieder sind schon in ihren Heimatländern der Regierungskontrolle weitgehend entzogen und nur der Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems verpflichtet. Auf der europäischen Ebene wurden im Bereich des Aufsichtsrechts, aber auch des Verbraucherund Anlegerschutzes die Aktivitäten nationaler Gesetzgeber weitgehend durch die Richtlinien und Verordnungen der EU-Kommission als „supranationalem Gesetzgeber“ verdrängt.
1.3.2
Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs)
Noch vielgestaltiger sind die NGOs, die auf den globalisierten Weltmärkten regelsetzend tätig sind. Meist handelt es sich um Organisationen, die aus Mitgliedern der entsprechenden Wirtschaftskreise gebildet wurden. Am prominentesten ist die Internationale Handelskammer (International Chamber of Commerce, ICC) mit Sitz in Paris. In ihren 16 Kommissionen erarbeiten Praktiker aus allen Bereichen der Wirtschaft Regelwerke zu so unterschiedlichen Themen wie Transportrecht, Markenpiraterie, Schiedsgerichtsbarkeit, Außenhandelsfinanzierung oder Insolvenzrecht. Daneben existiert eine Fülle von NGOs, die mit der Regelung spezifischer Wirtschaftszweige befasst ist. So gibt die in New York angesiedelte International Swap and Derivatives Association (ISDA) Musterverträge für Interbankengeschäfte mit modernen Finanzinstrumenten heraus. Die in London ansässige Loan Market Association (LMA) befasst sich mit der Herausgabe von Musterverträgen für internationale Kredit- und Konsortialkreditver38
Rechtliche Rahmenbedingungen der Globalisierung
träge. Das Comité Maritime International (CMI) mit Sitz in Antwerpen befasst sich mit der Vereinheitlichung der Regeln des Seetransportrechts. Die International Air Transport Association (IATA) mit Sitz in Montreal übernimmt diese Aufgabe für den Lufttransport. Die World Intellectual Property Organization (WIPO) mit Sitz in Genf widmet sich der grenzüberschreitenden Vereinheitlichung des Urheber- und Patentrechts.
1.4
Regelungsansatz „Private Governance“: „Soft Law“ versus formelles Gesetzesrecht
Die vorangegangenen Überlegungen haben bereits angedeutet, dass heute der Wettbewerb der Rechtsordnungen durch einen neuen Wettbewerb um den richtigen und praxisnächsten Regelungsansatz für die Erfassung der Rechtsprobleme der internationalen Wirtschaft abgelöst wird. Der klassische Weg über das Aushandeln von bilateralen Abkommen, multilateralen Konventionen oder Modellgesetzen auf dafür eigens einberufenen, häufig Jahre oder gar Jahrzehnte tagenden Regierungskonferenzen hat sich als zu schwerfällig und praxisfern erwiesen. Die Praxisferne wird vor allem durch den kleinsten gemeinsamen Nenner bewirkt, der häufig als Ergebnis eines politischen Kompromisses am Ende einer solchen Konferenz übrig bleibt. Dieser politische Kompromiss führt dazu, dass im Text einer Konvention eine Fülle von Vorbehaltsklauseln zu finden ist. Sie ermöglichen den nationalen Gesetzgebern, den betreffenden Konventionstext nur mit Einschränkungen oder Modifikationen in Kraft zu setzen. Das Ziel der grenzüberschreitenden Vereinheitlichung des Rechts wird damit in Frage gestellt, bevor dieser Prozess überhaupt begonnen hat. Die Wirtschaftspraxis geht daher bei der Rechtsetzung seit Langem andere Wege. Sie vermeidet die mit derartiger internationaler Regelsetzung verbundenen Kosten-, Zeitund Effizienzverluste. Dies ist auch Reaktion auf die zunehmende Komplexität wirtschaftlicher Sachverhalte, denen der Gesetzgeber, gleich ob national oder international, nicht mehr Herr werden kann. Als Reaktion auf dieses Versagen der staatlichen und überstaatlichen Institutionen der Rechtsetzung bevorzugt die internationale Wirtschaft daher seit Langem den Weg der Vereinheitlichung des Rechts über sogenanntes „Soft Law“. Hierbei handelt es sich um Regelwerke, die von der Praxis für die Praxis entworfen wurden. Ihnen kommt keine Gesetzeskraft zu. Ihre Sachnähe und wirtschaftliche Vernünftigkeit führt aber zur Akzeptanz dieser Regelwerke durch die Kaufleute „vor Ort“. Plakativ wird von Rechtsetzung „Bottom up“ (durch die Praxis) statt „Top down“ (durch nationale oder supranationale Gesetzgeber) gesprochen. Die vielfältigen Regelwerke der ICC, wie etwa die INCOTERMS oder die ICC Customs and Practices for Documentary Credits (UCP) bilden prägnante und zugleich weltweit akzeptierte Beispiele für diese informelle Regelungstechnik. Die Wirtschaftspraxis befasst sich nicht mit der dogmatischen Frage nach ihrer Rechtsnatur. Sie befolgt diese Regelwerke vielmehr „wie ein Gesetz“, weil diese Regelwerke existieren und mit weltweitem Sachverstand entwickelt wurden. Die Bindungswirkung des formalen Gesetzes wird ersetzt durch die regulatorische Macht des Faktischen. 39
Klaus Peter Berger
Besonders drastisch zeigt sich dieser Trend zur „Private Governance“ auch bei den vielfältigen Verhaltenskodizes („Codes of Conduct“, „Codes of Best Practice“, „Wohlverhaltensregeln“), die heute sowohl von Unternehmen als auch von internationalen „Formulating Agencies“ für ganz unterschiedliche Bereiche erlassen werden. Meist geht es dabei um Themen von besonderer sozial- oder umweltpolitischer Bedeutung. Zu nennen sind hier zum Beispiel „The Equator Principles, An Industry Approach for Financial Institutions in Determining, Assessing and Managing Environmental & Social Risk in Project Financing“, der „Electronic Industry Code of Conduct (EICC)“ sowie die „OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen“. In diesen Verhaltenskodizes ist meist ausdrücklich festgelegt, dass es sich um rechtlich nicht bindende Instrumente handelt. Trotz dieser ausdrücklichen Unverbindlichkeitsvorbehalte werden die in derartigen Verhaltenskodizes niedergelegten Prinzipien befolgt und die in ihnen enthaltenen „weichen“ Obliegenheiten, etwa durch Bezugnahmen in Kredit-, Arbeits- oder Zuliefererverträgen, in „harte“ vertragliche Pflichten transformiert. Ein ähnliches Phänomen ist im Bereich der Corporate-Governance-Diskussion zu beobachten. So verweist heute § 161 Aktiengesetz, also ein formales deutsches Gesetz, auf den deutschen Corporate Governance Kodex als ein „Soft-Law“-Instrument. Gerade diese Transformationsprozesse von ursprünglich nicht bindenden Selbstverpflichtungen, Obliegenheiten oder Wohlverhaltensregeln zu vertraglich oder gar gesetzlich anerkannten Rechtspflichten zeigt sehr deutlich, dass der Gedanke des „Soft Law“ die Entwicklung der Zivilgesellschaft auf dem Gebiet der globalisierten Weltwirtschaft, also der Privatisierung der Recht- und Regelsetzung im Sinne eines „Rule-Making in the Shadow of the Law“, am besten widerspiegelt.
1.5
Spontane Rechtsbildung durch die Akteure selbst
Der Wettbewerb der Rechtsordnungen und mit ihm die nationalen Gesetzgeber werden aber nicht nur durch derartige formalisierte Verfahren der Rechtsvereinheitlichung verdrängt, bei denen die entsprechenden Regeln gleichsam „am grünen Tisch“ verhandelt und verabschiedet werden. Zunehmend schafft sich die internationale Wirtschaftspraxis auch ihr eigenes Recht.
1.5.1
Pragmatische Regelbildung statt formaler Rechtsetzung
Diese Rechtsetzungs- und Rechtsbildungsprozesse vollziehen sich etwa durch die „spontane“, gleichförmige Verwendung von Vertragsmustern, Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder einzelnen Vertragsklauseln, durch die grenzüberschreitende, meist auf bestimmte Branchen begrenzte Akzeptanz von Handelsbräuchen und durch die Herausbildung einer einheitlichen und praxisnahen Rechtsprechung durch inter40
Rechtliche Rahmenbedingungen der Globalisierung
nationale, von den Parteien gewählte und mit Fachwissen ausgestattete Schiedsgerichte. Mit der Verdrängung der nationalen Gesetzgeber auf der Ebene der Regelsetzung geht dann auf der Ebene der Streitentscheidung eine Verdrängung nationaler Gerichte einher. Die Fortentwicklung des Rechts wird damit nicht nur entnationalisiert, sondern auch entformalisiert. Diese Entwicklung weg vom Gesetzesrecht und hin zum Praxisrecht vollzieht sich informell und „schleichend“ durch die Wirtschaftspraxis selbst. Der damit zwangsläufig einhergehende Verlust an Rechtssicherheit wird durch das größere Maß an Praxisnähe und Anpassungsflexibilität kompensiert (Köndgen). Die klassische, am positivistischen Rechtsverständnis orientierte Rechtsquellenlehre, die stets in der traditionellen Trichotomie von nationalem Recht einschließlich Gewohnheitsrecht, Internationalem Privatrecht und Völkerrecht verhaftet war, beginnt erst langsam, sich mit diesen neuen Rechtsetzungsphänomenen und dem damit verbundenen „Abschied vom westfälischen System der Staatlichkeit“ des Rechts, also dem Abschied vom Rechtsetzungsmonopol des Staates, zu befassen. Häufig werden diese Phänomene, von Teubner zutreffend als „Global Law Without a State“ charakterisiert, als rein soziologische Erscheinungen abgetan, weil angeblich die Grenze zwischen Recht und Gesellschaft in unzulässiger Weise verwischt würde. Auch die Rechtsquellenlehre kann sich aber den Realitäten einer fortschreitenden Globalisierung der Wirtschaft nicht verschließen. Von einigen wird daher die klassische Rechtsquellenlehre fortgeschrieben und in der Verwendung und Akzeptanz gleichförmiger, von der internationalen Wirtschaftspraxis erzeugter und anerkannter Rechtsstrukturen das Heranwachsen einer neuen transnationalen Rechtsordnung, der oben bereits erwähnten neuen „Lex Mercatoria“, gesehen. Diese dezentrale Herausbildung anationaler Rechtsstrukturen steht in einem engen Zusammenhang mit der formalen Rechtsvereinheitlichung durch internationale „Formulating Agencies“. Das Bindeglied zwischen beiden Entwicklungen ist das Postulat der Subsidiarität. Die formale, zentralisierte Rechtsvereinheitlichung sollte überall dort unterbleiben, wo dezentrale Regelbildung durch die am Wirtschaftsverkehr Beteiligten zu befriedigenden und von der Praxis akzeptierten Resultaten führt (Schmidtchen).
1.5.2
Problem „Legal Transplants“
Noch ist diese neue Rechtsordnung allerdings unvollkommen und lückenhaft. Sie bedarf daher unter Umständen der Ergänzung durch das nationale Recht. In diesen Fällen kommt es zum Konflikt zwischen nationaler Rechtsordnung und internationaler, meist durch das Common Law geprägter, Vertragspraxis. Begriffe wie „Netting“, „Securitization“, „Equity Commitment“, „Clawback“, „Cap“, „Mezzanine Finance“, „Junk Bond“, „Material Adverse Change (MAC)“, „Default“ und „Cross Default“, „Market Flex“, „Representation & Warranties“, „Best Efforts“ oder „Ordinary Course of Business“ gehören zur Standardterminologie der internationalen Vertragspraxis. Dem deutschen Recht sind diese Begriffe dagegen fremd. Hier treffen globalisierte Ver41
Klaus Peter Berger
tragspraxis und Territorialität des Rechts in scheinbar besonders krasser Weise aufeinander. In diesem Kontext muss dann stets die Frage beantwortet werden, ob und wie sich diese fremden Rechtsinstitute, von Alan Watson plastisch als „Legal Transplants“ bezeichnet, in das deutsche Recht einpassen lassen. Häufig zeigt sich aber, dass hierfür nicht das deutsche Recht neu erfunden werden muss, sondern dass sich diese Instrumente häufig mit den klassischen Methoden und Instrumentarien des deutschen Rechts zutreffend erfassen lassen.
2
EU-Binnenmarkt: Paradigma eines regulatorischen „Level Playing Fields“
Die Regulierung des EU-Binnenmarktes steht paradigmatisch für diesen auf der Ebene der Weltwirtschaft zu beobachtenden Abschied vom Wettbewerb der Rechtsordnungen. Wie in einem Brennglas vollziehen sich hier Prozesse der Rechtsharmonisierung und -vereinheitlichung mit dem Ziel, ein regulatorisches „Level Playing Field“ als Grundvoraussetzung eines integrierten europäischen Binnenmarktes zu schaffen. Wie auf der globalen Ebene schreiten aber auch hier die Prozesse auf der Ebene des Privatrechts und des Marktordnungsrechts mit unterschiedlicher Intensität und Fokussierung voran.
2.1
Privatrecht
Bis vor einem Jahrzehnt stand das Privatrecht nicht im Mittelpunkt der Bemühungen der EU-Kommission zur Schaffung eines harmonisierten Rechtsrahmens für den EUBinnenmarkt. Lange Zeit herrschte der Glaube vor, man könne dies allein durch Harmonisierung des öffentlichen Marktrechts bewerkstelligen. Es blieb daher zunächst bei pointillistischer Harmonisierung einzelner Spezialgebiete, insbesondere des Gesellschafts-, Verbraucher- und Anlegerschutzrechts. Schon die Harmonisierung des Verbraucherschutzrechts hat aber gezeigt, dass die Erreichung dieses Ziels nicht ohne umfassende Eingriffe in das nationale Vertragsrecht der Mitgliedsstaaten erreicht werden kann. Zugleich setzte sich die Erkenntnis durch, dass ein integrierter Binnenmarkt nicht ohne Vereinheitlichung des für Austauschbeziehungen relevanten rechtlichen Rahmens, also insbesondere des Vertragsrechts, geschaffen werden kann. Das Europäische Parlament hat daher seit 1998 in zwei offiziellen Resolutionen die Schaffung eines einheitlichen Europäischen Zivilgesetzbuches angemahnt. Im Jahr 2006 hat das Europäische Parlament in einer weiteren Entschließung bekräftigt, dass „ein einheitlicher Binnenmarkt ohne weitere Schritte hin zu einer Harmonisierung des Zivilrechts nicht vollständig funktionsfähig ist“ und zugleich die EU-Kommission aufgefordert, die bisherigen Arbeitsergebnisse der privaten Forschergruppen zur Erarbeitung eines Euro42
Rechtliche Rahmenbedingungen der Globalisierung
päischen Vertragsrechts und des Netzes zum gemeinsamen Referenzrahmen für ein gemeinsames Schuld- und Sachenrecht (GRR-Netz, „Common Frame of Reference“; dazu gehören die „Study Group on a European Civil Code“, die „Research Group on the Existing EC Private Law (Acquis Group)“, die französische „Association Henri Capitant“, die „Common Core (Trento-Gruppe)“ und einige andere Forschergruppen) für eine Überarbeitung des gemeinsamen Besitzstandes im Bereich des Verbraucherschutzes und für die Entwicklung eines gemeinschaftlichen Zivilrechts zu nutzen. Nach dem Willen der EU-Kommission sollen diese Arbeiten in die Ausarbeitung eines Modellgesetzes zum Europäischen Zivilrecht münden, dessen gegenständliche Reichweite und normative Relevanz erst in den nächsten Jahren näher präzisiert werden soll. Begleitet werden diese privaten Arbeiten durch Diskussionen mit einem Stakeholder-Netzwerk, in dem über 160 Praktiker zusammengeschlossen sind. Vertreter aller dieser Bereiche treffen sich regelmäßig im „European Law Discussion Forum“, um den Beratungs- und Arbeitsprozess weiter zu optimieren. Von entscheidender Bedeutung für diesen Rechtsbildungsprozess hin zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch ist die Tatsache, dass die EU dieses Ziel nicht auf dem schwerfälligen und politisch mühsamen Weg der formellen Richtlinien- oder Verordnungsgesetzgebung durchzusetzen sucht. Vielmehr bildet auch hier der pragmatische Gedanke der informellen, dezentralen und privatisierten Rechtsbildung die Basis dieses Projekts. Von 1982 bis 2001 hat die „Commission of European Contract Law“ unter Führung des dänischen Rechtsprofessors Ole Lando die „Principles of European Contract Law (PECL)“ entwickelt. Es handelt sich dabei nach dem Vorbild der amerikanischen „Restaments of the Law“ um eine auf der Basis eines Rechtsvergleichs aller europäischen Rechtsordnungen ermittelte Zusammenstellung von Rechtsprinzipien zu einer Vielzahl von Bereichen des Vertragsrechts. Die in den PECL enthaltenen Rechtsregeln und -prinzipien lesen sich zwar wie ein Gesetz. Die PECL sind aber Ergebnis einer privaten Arbeitsgruppe aus Wissenschaftlern und Praktikern. Eine unmittelbare Bindungswirkung kommt ihnen nicht zu. Es handelt sich um „Soft Law“. Eine ähnliche Entwicklung vollzog sich fast zeitgleich auf globaler Ebene. Unter der Ägide der UNIDROIT verfasste eine private Arbeitsgruppe die „UNIDROIT Principles of International Commercial Contracts (UPICC)“. Sie wurden 1994 erstmals veröffentlicht. Nicht zuletzt wegen ihrer großen Akzeptanz in der internationalen Vertrags- und Schiedsgerichtspraxis erschienen sie im Jahr 2004 in einer zweiten, erweiterten Auflage. Für beide Instrumente wird die Umwandlung von „Soft“ in „Hard Law“ und damit letztlich die Umkehrung des Prozesses hin zu einem System der „Private Governance“ diskutiert: für die PECL im Zusammenhang mit dem Europäischen Zivilgesetzbuch, für die UPICC als Vorbild eines „World Code“ für die Weltwirtschaft. Angesichts dieses Erfolges der „Private Governance“ in der EU überrascht es nicht, dass sich derartige private und halbprivate Verfahren der Regelbildung innerhalb der EU immer weiter ausbreiten. Dieses Phänomen ist auch in Bereichen zu beobachten, die bisher der formalen Rechtsetzung durch Richtlinien und Verordnungen vorbehalten waren. Dies gilt etwa für das Komitologie-Verfahren und den vierstufigen „Lamfalussy-Prozess“ als Ergebnis des Schlussberichts des Ausschusses der Weisen über die Reglementierung der europäischen Finanzmärkte von 2001. 43
Klaus Peter Berger
2.2
Öffentliches Marktordnungsrecht
Die zentrale Rolle, die das europäische öffentliche Marktordnungsrecht bei der Schaffung eines „Level Playing Fields“ spielt, wird durch das in den Artikeln 81ff. des EUVertrages und in einer Reihe von Verordnungen verankerte EU-Kartellrecht und das Aufsichtsrecht deutlich. Während im Kartellrecht der Gedanke der Dezentralisierung bereits Einzug gehalten hat, ist im Bereich des Aufsichtsrechts und hier vor allem im Bereich des Bankaufsichtsrechts das umgekehrte Phänomen zu beobachten. Zentralisierung und Formalisierung der Rechtsetzung sind hier das Gebot der Stunde. „Gesetzgeber“ ist dabei nicht die EU-Kommission bzw. das Europa-Parlament, sondern der bereits erwähnte Ausschuss für Bankenregulierung bei der BIZ in Basel. Die im Ausschuss entwickelten, außerordentlich komplexen und umfangreichen neuen Eigenkapitalstandards für Banken („Basel II“) wurden, ähnlich wie ihre Vorgänger „Basel I“ in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts, sowohl im EU-Parlament als auch im deutschen Bundestag ohne lange Diskussionen „durchgewinkt“ und in Richtlinien- bzw. Gesetzesform gegossen. Die Änderungen, die an Basel II auf EUEbene vorgenommen wurden, erfolgten nicht durch das EU-Parlament, sondern vorab durch das (private) „Committee of European Banking Supervisors (CEBS)“. Letztendlich wird also der Inhalt des deutschen und europäischen Bankaufsichtsrechts durch demokratisch nicht legitimierte Gremien determiniert. Die jüngst vom ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog aus Sicht des deutschen Verfassungsrechts betonten Demokratiedefizite des europäischen Rechtsetzungsprozesses zeigen sich hier in besonderer Schärfe. Auch die Umsetzung der „Markets in Financial Instruments Directive (MiFID)“ und ihrer Durchführungsrichtlinien und -verordnungen, die als neues Grundgesetz des europäischen Finanzmarktrechts die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie von 1993 ablöst, zeigt die Problematik der Schaffung eines „Level Playing Fields“ durch öffentliches Marktrecht. Die durch die MiFID enorm gestiegenen Compliance-Anforderungen und die dadurch verursachten Kosten für die Finanzinstitute zeugen von einem Maß an Überregulierung, das mit dem Regelungsziel der Schaffung eines integrierten und effizienten EU-Finanzmarktes kaum zu vereinbaren ist. Es stellt sich die Frage, ob der Preis für die Schaffung und Sicherung des „Level Playing Fields“ in der EU nicht zu hoch geworden ist.
Fazit Die Globalisierung der Wirtschaft wird nirgends sinnbildlicher als im Internet, ohne das die globalisierte Wirtschaft nicht denkbar wäre. Der „Cyberspace“ macht zugleich deutlich, worum es heute in der Weltwirtschaft geht: weg von der Territorialisierung und hin zur Entnationalisierung, ja Virtualisierung grenzüberschreitender Austauschbeziehungen. Für die Rechtsbildung erwachsen aus dieser nicht mehr umkehrbaren 44
Rechtliche Rahmenbedingungen der Globalisierung
Entwicklung neue Herausforderungen. Dabei zeigt sich, dass der Gedanke des „Level Playing Fields“ den richtigen Weg weist. Zur Erreichung dieses Ziels haben sich Instrumente der „Private Governance“ als flexibler, praxisnäher und damit effizienter erwiesen als der klassische Weg der nationalen und internationalen Gesetzgebung. Trotz September 11 oder der großen Wirtschaftsskandale um Enron, Worldcom und Parmalat ist der Ansatz der „Private Governance“ weiter auf dem Vormarsch. Er wird auch in der Zukunft die Fortentwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft bestimmen. Die Erfahrungen in der EU zeigen aber auch, dass die Schaffung eines „Level Playing Fields“ nicht bedeutet, dass Einheitlichkeit rechtlicher Rahmenbedingungen um ihrer selbst willen und um jeden Preis anzustreben ist. Der für die Weltwirtschaft optimale Rechtsraum verlangt vielmehr nach einer sorgfältigen Balance zwischen Regulierung und Freiheit zur wirtschaftlichen Entfaltung.
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Michael Hüther
Globaler Strukturwandel – wirtschaftspolitische und finanzwirtschaftliche Handlungsoptionen
1
Globalisierung und Strukturwandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2
Realwirtschaftliche Strategieoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3
Notwendigkeit einer verstärkten Marktorientierung in der Finanzwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_4, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Globaler Strukturwandel – Handlungsoptionen
1
Globalisierung und Strukturwandel
In China boomt die Wirtschaft. Dies äußert sich in der Tatsache, dass vom jährlichen Zuwachs der Weltproduktion 25 Prozent auf diese Volkswirtschaft zurückgehen. Die Dynamik Chinas wird in den westlichen Industrieländern vielfach als Bedrohung angesehen. Die Befürchtung, dass künftig alle Waren und Dienstleistungen aus China kommen, ist jedoch unbegründet. Bereits seit David Ricardo wissen wir, dass Handelsströme durch komparative und nicht durch absolute Vorteile determiniert werden.1 Die dadurch entstehende internationale Arbeitsteilung hat sich im Zuge des globalen Strukturwandels vertieft und vielfältige internationale Verflechtungen inter- wie intraindustrieller Art begründet. Die Dynamik des Welthandels zeigt sich in einer Wachstumsrate von etwa fünf Prozent seit dem Jahr 2004 (Abbildung 1). Abbildung 1:
Wachstumsraten der Weltwirtschaft in Prozent
Quelle: IMF World Economic Outlook Database
Von dieser Dynamik profitiert auch die deutsche Volkswirtschaft. Dies verdeutlichen die Erfolge auf den Exportmärkten eindrücklich. So hat sich das Volumen der Warenexporte seit 1991 mehr als verdoppelt.2 Umso erstaunlicher erscheint daher der Rück1 2
Vgl. Hüther (2006), S. 49ff. Vgl. Statistisches Bundesamt (2007).
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Michael Hüther
gang des Produktionsanteils der deutschen Industrie (Abbildung 2). Eine Verringerung ist jedoch vorrangig im Zeitraum von 1970 bis 1991 zu beobachten. Allerdings handelt es sich nur um eine relative Betrachtung. Die nominale industrielle Wertschöpfung hat sich zwischen 1970 und 1991 von etwa 120 Milliarden Euro auf 370 Milliarden Euro etwa verdreifacht. Seit 1995 hat sich der industrielle Produktionsanteil stabilisiert und ist zuletzt sogar leicht gestiegen. Abbildung 2:
Produktionsanteil der Industrie in Deutschland. Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung in Prozent
Quellen: Statistisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln
Spiegelbildlich zum relativen Rückgang der industriellen Wertschöpfung ist der Dienstleistungsanteil gestiegen. Seit dem Jahr 1991 hat sich der Wertschöpfungsanteil der Dienstleistungen von etwa 62 Prozent auf rund 70 Prozent erhöht. Im internationalen Vergleich ist Deutschland in dieser Hinsicht dennoch als Nachzügler anzusehen. In Ländern wie den USA, dem Vereinigten Königreich oder Frankreich beträgt der Wertschöpfungsanteil des tertiären Sektors über 75 Prozent. Die gewachsene Bedeutung des Dienstleistungssektors in Deutschland zeigt sich auch in der Beschäftigung. 1970 waren 45 Prozent der Beschäftigten im Dienstleistungssektor tätig, heute sind es 72 Prozent. Im Vergleich dazu weist der Dienstleistungsanteil im Konsum mit etwa 52 Prozent einen erheblich geringeren Wert auf. Für diese Diskrepanz können zwei Erklärungen angeführt werden. Bei einem höheren Anteil der Dienstleistungen in der Produktion als im Konsum ist zunächst nahe liegend, dass die nicht in Deutschland konsumierten Dienstleistungen 50
Globaler Strukturwandel – Handlungsoptionen
exportiert werden. Eine andere Begründung lautet, dass die Dienstleistungen in hohem Maße als Vorleistungsgüter in die klassische Industrieproduktion eingehen. Eine Betrachtung des Vorleistungsverbunds im Verarbeitenden Gewerbe bestätigt die zweite These. Während die Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe ohne Berücksichtigung von Vorleistungen stagniert, ist bei dem gemeinsamen Wertschöpfungsanteil von Industrieproduktion und industrienahen Dienstleistungen ein deutlicher Anstieg zu beobachten (Abbildung 3). Industriewaren sind heute in besonderem Maße auf begleitende Dienstleistungen angewiesen. Das zusätzliche Angebot produktnaher Dienstleistungen wie Schulungen oder Finanzierungsdienstleistungen ist entscheidend, um auf den Weltmärkten erfolgreich zu sein. Aber in dem Produktionsprozess selbst bedarf es zunehmend begleitender Dienstleistungen. Abbildung 3:
Industrie und Vorleistungsverbund. Anteil des Verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung mit und ohne Berücksichtigung des Vorleistungsverbunds (Nettobezüge von anderen Sektoren) in Prozent
Quellen: Statistisches Bundesamt, IW Consult
Doch die Beschränkung auf vertikale Verflechtungen allein greift zu kurz. Die Industrie ist insbesondere dort erfolgreich, wo sich regionale Cluster bilden.3 Unter Clustern versteht man räumlich konzentrierte, vertikal und/oder horizontal angelegte Netzwerke von Unternehmen sowie Wissenschafts- und Bildungseinrichtungen. Die posi3
Vgl. IW Consult (2006a) oder IW Consult (2007).
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Michael Hüther
tiven Wirkungen eines solchen Standortverbunds umfassen Netzwerkeffekte, Losgrößenvorteile, spezialisierte Zulieferindustrien, einen allgemein zugänglichen Pool spezieller Qualifikationen oder einen durch räumliche Nähe erleichterten Austausch von Wissen und Erfahrungen.4 Empirische Studien bestätigen den Erfolg von Standortverbünden. In einer weiten Abgrenzung des Cluster-Konzepts weisen 60 Prozent der Kreise mit Cluster eine bessere Beschäftigungsentwicklung auf als Kreise ohne Cluster. Im Fall einer engen Abgrenzung sind es sogar 72 Prozent.5
2
Realwirtschaftliche Strategieoptionen
Wie kann der Strukturwandel von Seiten der Wirtschaftspolitik unterstützt werden? Zunächst ist festzuhalten, dass es nicht um diskretionäre Eingriffe gehen kann, sondern um Gestaltung von Rahmenbedingungen und um komplementäre öffentliche Investitionen, die die Produktivität der von der Privatwirtschaft erbrachten Leistungen erhöhen. Wenn die wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht verzerrend wirken, sondern sich am realwirtschaftlich bedingten Strukturwandel orientieren sollen, müssen die Entscheidungsträger ein Verständnis dafür entwickeln, nach welchen Bedingungen der globale Strukturwandel abläuft. Dazu bieten sich drei Leitbilder an: vollkommene Konkurrenz, unvollkommene Konkurrenz und die Neue Wachstumstheorie (Abbildung 4). Die klassische Theorie der internationalen Arbeitsteilung und damit des globalen Strukturwandels unterstellt eine Welt der vollkommenen Konkurrenz. Sie gründet auf dem Konzept der komparativen Vorteile, die durch die Faktorausstattung bedingt sind. Jede Volkswirtschaft konzentriert sich auf das, was sie am besten kann. Die hohe Spezialisierung führt zu einer Zerlegung der Wertschöpfungsketten. Aufgrund der annahmegemäß standardisierten Produkte und des vollständigen Informationsstands von Produzenten und Konsumenten bezüglich der Güterqualität ist der Preis der entscheidende Wettbewerbsparameter. Somit herrscht ein hoher Kosten- und Margendruck. Jede Tätigkeit wird an dem Standort durchgeführt, wo die beste Produktivitäts-Kosten-Relation vorzufinden ist. So kann die Führung von Unternehmen, das heißt die Bereitstellung von Headquarter-Dienstleistungen (zum Beispiel Finanzierung, Organisation, Image, FuE) räumlich von der Produktion getrennt werden. Der Spezialisierungsvorteil wird dadurch verstärkt, dass Headquarter-Dienstleistungen zumeist fallende Durchschnittskosten aufweisen und dadurch mit steigender Unternehmensgröße günstiger erbracht werden können. Nach der Theorie der vollständigen Konkurrenz spezialisiert sich die deutsche Volkswirtschaft auf humankapitalintensive Tätigkeiten und hoch produktive Dienstleistun4 5
52
Grömling/Lichtblau (2006), S. 65. Grömling/Lichtblau (2006), S. 68f. Weite Abgrenzung: Mindestgröße des Clusters 0,1 Prozent der bundesweiten Branchenbeschäftigung; enge Abgrenzung: Mindestgröße des Clusters 1 Prozent der bundesweiten Branchenbeschäftigung.
Globaler Strukturwandel – Handlungsoptionen
Abbildung 4:
Strategieoptionen im Strukturwandel
Quelle: Grömling/Lichtblau (2006), Deutschland vor einem neuen Industriezeitalter?, IW Analysen Nr. 20, Deutscher Instituts-Verlag, Köln, S. 70.
gen. Dies gilt nicht zuletzt aufgrund der im internationalen Vergleich sehr hohen Arbeitskosten.6 Eine Studie der IW Consult über bedrohte Produktionsbereiche in der Metall- und Elektroindustrie belegt dies.7 So haben die Unternehmen vor allem die Produktion technologisch einfacher, älterer, standardisierter, arbeitsintensiver, preisempfindlicher und massengefertigter Waren und Dienstleistungen in Deutschland abgebaut. In einem Strukturwandel, der sich nach dem Leitbild der vollkommenen Konkurrenz als Kostenwettbewerb vollzieht, hat Deutschland schlechte Chancen. Dies gilt umso mehr, als die Niedriglohnländer in einem Zweitrunden-Effekt in der Lage sein werden, Produktivitätsrückstände abzubauen. Zwar werden im Zuge des Aufholprozesses auch die Kosten in den Niedriglohnländern steigen. Der Kostennachteil Deutschlands sollte trotzdem nicht unterbewertet werden. Andererseits bietet die aus dem Leitbild der vollkommenen Konkurrenz abgeleitete Strategieoption den Vorteil, dass Deutschland seine Position im Bereich der Spitzentechnologien verteidigt und die Einkommen hochqualifizierter Arbeitskräfte steigen. Durch die Markterweiterungseffekte profitiert somit auch die Einfacharbeit, da nicht jede einfache Tätigkeit ins Ausland verlagert werden kann. 6 7
Vgl. Schröder (2006), S. 59–70. Vgl. IW Consult (2006b).
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Michael Hüther
Eine zweite Strategieoption im globalen Standortwettbewerb beruht auf dem Leitbild der unvollkommenen Konkurrenz. Die Annahme standardisierter Produkte aus der Welt der vollkommenen Konkurrenz wird aufgegeben, sodass Produktdifferenzierungen möglich sind, die Preissetzungsspielräume eröffnen. Auf diese Weise kann der intraindustrielle Handel erklärt werden. Durch die Modifikation von Produkten können Wertschöpfungsketten erweitert und verändert sowie neue Märkte geschaffen werden. An die Stelle des Wettbewerbs über den Preis als entscheidenden Parameter tritt der Qualitätswettbewerb. Dabei sind Flexibilität, Reagibilität, Schnelligkeit und Differenzierung entscheidende Eigenschaften erfolgreicher Unternehmen. Im Gegensatz zur Welt der vollkommenen Konkurrenz sind die Wettbewerbsvorteile, die auf diesem Wege erlangt werden, vorübergehender Natur. Die Erlangung solcher dynamischer Vorteile erfordert ein permanentes Re-Engineering der Produkte. Die Ursachen von dynamischen Vorteilen liegen in Ausbildung, Innovation, Skalenerträgen, Produktimage, Marketing, technologischer Produktweiterentwicklung oder Produktdifferenzierung, integrierten Dienstleistungen, Service, Kundendienst, etc. Diese Vorteile entstehen insbesondere in Clustern, wo Kompetenzen gebündelt und Synergien erzeugt werden können. Daher bietet diese Strategie einen wichtigen Ansatzpunkt für die regionale Wirtschaftspolitik. Die aus den beiden Modellwelten der vollständigen und der unvollständigen Konkurrenz abgeleiteten Strategieoptionen des Preiswettbewerbs und des Qualitätswettbewerbs können letztlich nicht unabhängig von einander verfolgt werden. Die Unternehmen müssen sowohl im Innovationswettbewerb als auch im Kostenwettbewerb bestehen. Dies führt regelmäßig zu Zielkonflikten, weil Variantenvielfalt die Kosten erhöht. Da deutsche Unternehmen erfahrungsgemäß in der Lage sind, diesen Widerspruch in effizienter Weise zu lösen, haben sie hier einen Wettbewerbsvorteil.8 So liegen die Stärken der deutschen Industrie in der Fähigkeit der Differenzierung, der Schaffung maßgeschneiderter Lösungen und in der Beherrschung von Komplexität. Während sie sich zumeist nicht an die Spitze des Technologiewettlaufs setzen können, sind sie erfolgreich in der Verfolgung von Second-Mover-Strategien, in deren Rahmen verschiedenen Spitzentechnologien kombiniert werden. Insbesondere sind die Cluster-Strukturen in Deutschland vorhanden, die für eine Doppelstrategie aus Kostenwettbewerb und Qualitätswettbewerb vorteilhaft sind. Dies bestätigt die zuvor genannte Studie der IW Consult. In der deutschen Metall- und Elektroindustrie sind jene Produktionen weniger bedroht, die in Zulieferer- und Wissensnetzwerke integriert und in hohem Maße kundenspezifisch orientiert sind.9 Eine dritte Strategieoption leitet sich aus der Neuen Wachstumstheorie ab.10 Im Rahmen dieses Theoriegebäudes wird der Versuch unternommen, technischen Fortschritt und Humankapitalbildung modell-endogen zu erklären. Entscheidend für die Ergebnisse ist der Verzicht auf die Annahme abnehmender Grenzproduktivitäten, der damit begründet wird, dass Wissen räumlich begrenzt diffundiert und somit positive Effekte 8 9 10
54
Grömling/Lichtblau (2006), S. 74. Vgl. IW Consult (2006b). Vgl. zum Beispiel Barro/Sala-i-Martin (2004).
Globaler Strukturwandel – Handlungsoptionen
auf die Leistungsfähigkeit anderer Unternehmen oder Produktionsfaktoren hat. Im Rahmen der Neuen Wachstumstheorie entstehen dauerhafte Wachstumsvorsprünge anstelle einer Konvergenz von Wachstumsraten. Die Theorie leistet einen hohen Erklärungsbeitrag im Hinblick auf dauerhafte Innovationsvorsprünge in der Spitzentechnologie. Dies ist nur in Regionen mit außerordentlich guten Rahmenbedingungen (Spitzenuniversitäten, Fachkräften, großen Unternehmen, die sich in der Forschung engagieren) und somit naturgemäß selten der Fall. Große Volkswirtschaften lassen sich leicht nach diesem Leitbild organisieren. Als relevante Strategie für Unternehmen und regionale Wirtschaftspolitik bietet sich daher die Kombination aus Innovationswettlauf und Kostenwettbewerb an. Aus den beiden ersten Strategieoptionen leiten sich zwei Handlungsfelder ab: eine Standortpolitik, die eher als bundespolitische Aufgabe zu verstehen ist und auf den Kostenwettbewerb abstellt sowie eine Industriepolitik, die dem Differenzierungserfordernis Rechnung trägt und in den Aufgabenbereich der Länder und Kommunen fällt.11 Industriepolitik ist dabei nicht als Förderung einzelner Wirtschaftsbereiche oder Unternehmen zu verstehen,12 sondern eher im Sinne einer Regionalpolitik, die die regionale Wirtschaftsstruktur durch komplementäre Investitionen unterstützt. Eine solche Industriepolitik muss sich immer daran messen lassen, ob sie Marktunvollkommenheiten korrigiert, indem sie beispielsweise öffentliche Güter bereitstellt bzw. positive externe Effekte erzeugt.13 Im Einzelnen bieten sich folgende Maßnahmen an. Ein erster Schritt beinhaltet die Sensibilisierung der regionalen Akteure für die Vorteile eines Standortverbunds. Dies beinhaltet die Publikation entsprechender wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Anfertigung von Fallstudien, die die Vorteile einer engen Verzahnung von Industrie und Dienstleistungen anhand von Beispielunternehmen aufzeigen, oder die Einbringung des Themas in die industriepolitische Diskussion von Politik und Verbänden. Der Verbund zwischen Industrie und Dienstleistungen kann durch verschiedene Maßnahmen befördert werden, wie die Ausweisung von Gewerbeflächen in Form von Themenparks, die Industrie und Dienstleister zusammenbringen, die Erstellung eines Beschaffungsatlas, der Informationen für ein local sourcing bereitstellt, die Durchführung von Regionalmessen, in deren Rahmen sich industrielle Dienstleister vorstellen, oder der Aufbau einer regionalisierbaren Internetplattform zu industrienahen Dienstleistungen. Die Einbindung der Forschung in ein Cluster kann durch die Stärkung der regionalen High-tech und Spitzenforschung erreicht werden. Zu diesem Zweck können Forschungsprämien ausgelobt oder die Installation von industrienahen Forschungsprojekten durch einen Förderlotsen vorangetrieben werden, der die Belange der Unternehmen berücksichtigt und zwischen der Industrie und den Forschungseinrichtungen vermittelt.14 11 12
Vgl. Grömling/Lichtblau (2006), S. 76ff. Eine solche verzerrende Industriepolitik führt zu Verzerrungen der Wirtschaftsstruktur und somit zu Effizienzverlusten. Vgl. Busch (2005). 13 Vgl. zu diesen Begriffen Fritsch/Wein/Ewers (2005). 14 Vgl. IW Consult (2007) sowie Grömling/Lichtblau (2006), S. 78ff.
55
Michael Hüther
Das Modell der vollständigen Konkurrenz hat in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen. Aufgrund von technologischen Entwicklungen sind Transportkosten und vor allem Kommunikationskosten drastisch gesunken. Die realen Bedingungen haben sich damit den Annahmen der neoklassischen Modellwelt – vollständige Transparenz und die Abwesenheit von Transaktionskosten – angenähert. Die Unternehmen sind dadurch einem zunehmenden Kostenwettbewerb ausgesetzt. Aufgrund der globalen Verflechtungen ist der Einfluss der Bundespolitik zwar zurückgegangen. Dennoch ist ihr Einfluss auf die Kostenstrukturen der Unternehmen nicht zu unterschätzen. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln hat eine umfassende Reformagenda zur Verbesserung der Standortbedingungen entwickelt, in der vier Wachstumscluster identifiziert werden.15 Ein erstes Reformfeld betrifft die Verbesserung der Investitionsbedingungen. Dies umfasst insbesondere eine Verringerung der Arbeitskosten durch eine Senkung der Steuer- und Abgabenbelastung sowie einen drastischen Bürokratieabbau. Neben Ländern und Kommunen kann auch der Bund die Investitionsbedingungen für Unternehmen durch komplementäre öffentliche Investitionen verbessern. Im Reformcluster Beschäftigung wurde durch eine Lohnzurückhaltung der Tarifparteien in den letzten Jahren ein wichtiger Beitrag geleistet. Dieses Kapital sollte nicht wieder verspielt werden. Die wichtigsten Maßnahmen im Wachstumsfeld Humankapital umfassen eine Einführung von Wettbewerb unter den Hochschulen – unter anderem durch finanzielle Autonomie und die Einführung von Studiengebühren – sowie eine bevölkerungsorientierte Familienpolitik. Durch Verringerung der expliziten und impliziten Staatsverschuldung mittels Senkung von Ausgaben können die Steuern und Abgaben reduziert werden.
3
Notwendigkeit einer verstärkten Marktorientierung in der Finanzwirtschaft
Neben der Schaffung von Rahmenbedingungen durch Bund, Länder und Kommunen bildet die Finanzierung von Unternehmensaktivitäten vor allem für Innovationsstärkung und Existenzgründung eine weitere wichtige Bedingung für die Wahrnehmung von Chancen der Unternehmen im globalen Standortwettbewerb. Eine unzureichende Bereitstellung von Mitteln kann als Restriktion für realwirtschaftliche Aktivitäten wirken. Eine Studie der IW Consult liefert einen Hinweis darauf, dass derzeit eine solche Restriktion greift.16 Bei einer Unternehmensbefragung zur Finanzierung von Innovationsaktivitäten wird der Innenfinanzierung mit einem Wert von etwa 1,3 auf einer Skala von 1 („sehr wichtig“) bis 4 („unwichtig“) die größte Bedeutung beigemessen. Dieser Befund zeigt sich über alle Größenklassen der Unternehmen. Eine deutlich ge15 16
56
Vgl. Institut der deutschen Wirtschaft Köln (2005). Vgl. IW Consult (2006c), S. 90.
Globaler Strukturwandel – Handlungsoptionen
ringere Bedeutung haben Kredite und Mittel von externen FuE-Partnern. Insbesondere zeigt sich ein Mangel an Risikokapital, das mit Werten von 3,2 bis 3,7 mit deutlichem Abstand den letzten Platz belegt. Die unzureichende Erfüllung der Finanzierungsaufgaben ist zum Teil auf die Veränderungen zurückzuführen, die sich im Bankensektor vollzogen haben und weiter vollziehen. Verschiedene Aspekte deuten sogar auf eine Krise des Kreditgeschäfts hin. So hat sich das Anlegerverhalten dahingehend geändert, dass Bargeld und Bankeinlagen als Anlageform zurückgehen und die Mittel in Anleihen, Aktien und Investmentzertifikate umgeschichtet werden (Abbildung 5). Die klassische Unternehmensfinanzierung über Hausbankkredite gerät dadurch unter Druck. Auch die Fristentransformation wird zunehmend problematisch. Eine glaubwürdige Geldpolitik sorgt für niedrige Inflationserwartungen und somit für eine Verringerung der langfristigen Zinsen. Dadurch verringern sich die Zinserträge der Banken. Ferner haben die Regelungen im Rahmen von „Basel II“ für erheblichen Anpassungsbedarf gesorgt. Beziehungsbasierte Finanzierungsformen beruhen letztlich auf der Überwindung der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer, die
Abbildung 5:
Verschiebungen bei der Intermediation, Geldvermögen privater Haushalte in Prozent
Quelle: Deutsche Bundesbank
57
Michael Hüther
aufgrund der engen und langfristigen Beziehung erreicht wird. Die Krise des klassischen Hausbankgeschäfts trifft daher vor allem kleine Unternehmen, neu gegründete Unternehmen sowie Unternehmen mit Restrukturierungsbedarf – also solche Einheiten, bei denen die asymmetrische Information zum Kreditgeber in besonderem Maße ausgeprägt ist. Auch die Innenfinanzierung steht eher den gereiften Unternehmen zur Verfügung und bietet sich für diese Unternehmen kaum als Alternative an. Der Wandel zu einem marktbasierten Ansatz der Unternehmensfinanzierung ist bereits in Ansätzen zu beobachten. Mezzanine bzw. hybride Finanzierungsformen, PrivateEquity-Gesellschaften etc. sind zwar auf dem Vormarsch. Im internationalen Vergleich ist ihre Bedeutung in Deutschland jedoch noch relativ gering. Laut einer Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau hat in Deutschland noch immer die Innenfinanzierung die größte Bedeutung (Abbildung 6). Sie erreicht auf einer Schulnotenskala von 1 bis 6 (1 entspricht „sehr wichtig“ 6 bedeutet „unwichtig“) einen Wert von 1,8. Die Bedeutung mezzaniner Finanzierungsformen wird hingegen mit einer 5,4 benotet.17 Abbildung 6:
Bedeutung ausgewählter Finanzierungsquellen
Quelle: Kreditanstalt für Wiederaufbau* (1=sehr wichtig, 6=unwichtig)
Die Finanzierung hat also eine deutlich hemmende Wirkung auf die dynamische Entwicklung der Realwirtschaft. Im Hinblick auf die Strategieoptionen des Strukturwandels fehlt insbesondere eine ausreichende Bereitstellung von Risikokapital. Darauf sind vor allem jene Unternehmen angewiesen, die mit Hilfe von Forschungs- und Entwicklungsstrategien auf eine Produktdifferenzierungsstrategie setzen. Letztlich ist ein Mix von Finanzierungsinstrumenten erforderlich, der sowohl den Phasen der Unternehmensentwicklung, als auch den verschiedenen Strategieoptionen im globalen Wettbewerb Rechnung trägt und somit den finanzwirtschaftlichen Bedingungen für den realwirtschaftlichen Strukturwandel genügt. 17
58
Vgl. kfw Bankengruppe (Hrsg.) (2006), S. 72.
Globaler Strukturwandel – Handlungsoptionen
Literaturhinweise BARRO, R. J./SALA-I-MARTIN, X. (2004); Economic Growth, 2. Aufl., Cambridge 2004. BUSCH, B. (2005): Renaissance der Industriepolitik?, IW-Positionen Nr. 15, Köln. FRITSCH, M./WEIN, T./EWERS, H.-J. (2005): Marktversagen und Wirtschaftspolitik, 6. Aufl., München 2005. GRÖMLING, M./LICHTBLAU, K. (2006): Deutschland vor einem neuen Industriezeitalter?, IW Analysen Nr. 20, Köln 2006. HÜTHER, M. (Hrsg.) (2006): Klassiker der Ökonomie – Von Adam Smith bis Amartya Sen, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 611, Bonn 2006. INSTITUT DER DEUTSCHEN WIRTSCHAFT KÖLN (2005): Vision Deutschland – Der Wohlstand hat Zukunft, Köln 2005. IW CONSULT (2006a): Märkisches Südwestfalen – Zukunft mit Industrie, Studie für die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer Hagen 2006. IW CONSULT (2006b): M+E-Unternehmenspanel: Die Zukunft des Standorts Deutschland, 1. Befragungswelle mit Schwerpunkt: „besonders verlagerungsanfällige Bereiche“, Ergebnisbericht, Köln 2006. IW CONSULT (2006c): Forschungsförderung in Deutschland: Stimmen Angebots- und Nachfragebedingungen für den Mittelstand?, Gutachten für die Stiftung Industrieforschung 2006. IW CONSULT (2007): Industrielle Kerne in Hessen – Potenziale der Zukunft, Studie im Auftrag der Initiative Industrieplatz Hessen 2007. KFW BANKENGRUPPE (Hrsg.) (2006): Unternehmensbefragung 2006. Unternehmensfinanzierung: Banken entdecken den Mittelstand neu. Kreditzugang für kleine Unternehmen bleibt schwierig. Frankfurt am Main 2006. SCHRÖDER, CH. (2006): Industrielle Arbeitskosten im internationalen Vergleich, IWTrends Nr. 3/2006. STATISTISCHES BUNDESAMT (2007): Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, Wiesbaden 2007.
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Manuel Frondel
Wettbewerb um Ressourcen – Rohstoffe als Trend oder Megatrend?
1
Reserven nehmen nicht kontinuierlich ab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2
Die Endlichkeit des Angebots an Rohstoffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3
Werden Rohstoffe immer teurer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zyklus statt Megatrend . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturhinweise und Danksagung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_5, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Wettbewerb um Ressourcen
Der Rohstoffgehalt der Erdkruste ist endlich. Diese unumstößliche Tatsache löst in Zeiten hoher Rohstoffpreise immer wieder große Besorgnis um die zukünftige Rohstoffversorgung aus. Mit Unterstützung der Medien schüren besonders Interessengruppen wie die heimische Steinkohlelobby derartige Ängste, um so ihre Partikularinteressen durchzusetzen. Darüber hinaus wird die Endlichkeit der Vorkommen an nichterneuerbaren Rohstoffen oftmals als entscheidendes Hemmnis für ein weiterhin uneingeschränktes wirtschaftliches Wachstum angesehen. Nicht zuletzt scheint die mit der Endlichkeit der Rohstoffe verbundene Einschränkung die Aussicht auf tendenziell immer weiter ansteigende Rohstoffpreise zu bergen. Dies lässt langfristige Investments in diejenigen Unternehmen attraktiv erscheinen, die sich mit der Exploration und Gewinnung von nichterneuerbaren Ressourcen wie Öl, Gas oder Kupfer beschäftigen. Dass metallische Rohstoffe wie Aluminium, Kupfer oder Nickel, vor allem aber energetische Rohstoffe wie Erdgas und Rohöl immer knapper und somit teurer werden, ist eine weit verbreitete Vorstellung, die in Zeiten explodierender Rohstoffpreise besonders oft betont wird. Und in der Tat treten auf Rohstoffmärkten immer wieder Engpasssituationen auf, die wie im Fall von Nickel und vielen anderen Rohstoffen innerhalb weniger Jahre zur Vervielfachung der Preise führen (Abbildung 1). Eine solche Phase ist etwa seit Beginn 2003 zu beobachten und wird von Rohstoffoptimisten gern als Superzyklus oder Megatrend bezeichnet. Spätestens seit dem drastischen Anstieg der Preise im Jahr 2006, als sich beispielsweise der Kupferpreis innerhalb der ersten fünf Monate von rund 4500 Euro je Tonne auf knapp 9000 Euro beinahe verdoppelte, haben Rohstoffe ihr Image als Langweiler unter den Investments verloren. Berichte über Stahl oder Basismetalle wie Kupfer schaffen es nun mühelos auf die Titelseiten. Anlageempfehlungen für Rohstoffkonzerne wie BHP Billiton, Anglo American, Rio Tinto oder CVRD (Compania Vale do Rio Doce) überbieten sich gegenseitig. Kein Wunder, dass bei so manchem Rohstoffinvestor Goldgräberstimmung aufkam. Unbeeindruckt von der Euphorie vieler Investoren auf der einen Seite und den Befürchtungen der allgemeinen Öffentlichkeit sowie der Rohstoffverarbeiter auf der andern Seite nutzt der vorliegende Beitrag die vorhandene empirische Evidenz, um durch eine langfristige Sichtweise und eine nüchterne statistisch-deskriptive Analyse ein unvoreingenommenes Porträt der Rohstoffmärkte zu zeichnen. Mit einer solchen langfristigen Analyse ist zwar ein hoher Grad an Abstraktion verbunden, sie bietet aber gerade deshalb den Vorteil eines hohen Maßes an Objektivität, da Phasen besonders hoher Rohstoffpreise darin kein unverhältnismäßig großes Gewicht erhalten. Es zeigt sich dabei, dass wenig Anlass zu schwerwiegenden Ängsten besteht, allerdings auch nicht zu übersteigerten Erwartungen und Hoffungen auf einen beinahe ewig währenden Megatrend. Der Beitrag demonstriert erstens, dass die Endlichkeit der Rohstoffe (vor allem bei nichtenergetischen Ressourcen) wenig Besorgnis auslösen sollte. Zweitens sind die Preise vieler Rohstoffe, welche mit zu den aussagekräftigsten Knappheitsindikatoren zählen, real betrachtet in der Vergangenheit sogar gesunken anstatt stark gestiegen. Drittens: Im Gegensatz dazu sind die Reserven der meisten Rohstoffe (definitionsge63
Manuel Frondel
Abbildung 1:
Nickelpreise in US-Dollar je Tonne an der Londoner Metallbörse
mäß die wirtschaftlich gewinnbaren, nicht die gesamtem Vorkommen) trotz eines immer weiter zunehmenden Verbrauchs nicht etwa gefallen, sondern gar angestiegen. Gemessen an den Reserven sind die meisten Rohstoffe demnach in der Vergangenheit keineswegs knapper geworden.
1
Reserven nehmen nicht kontinuierlich ab
Befürchtungen über zur Neige gehende Rohstoffe wurden nicht erst mit dem weltbekannten Bestseller „Limits to Growth“ von Meadows et al. geäußert.1 Bereits erheblich früher zeigte sich Jevons (1865) in seiner Monographie „The Coal Question: Can Britain Survive?“ besorgt über die schwindenden britischen Kohlevorräte, denn der Steinkohle kam im Zeitalter der Industrialisierung eine entscheidende Rolle zu. Ähnliche Befürchtungen äußerten Meadows et al. in ihrem Bericht an den Club of Rome:2 Bei „der gegenwärtigen Verbrauchssteigerung reichen die Rohstoffvorräte für Aluminium nur noch 31 Jahre“.3 Demnach wären die Aluminiumvorräte bereits 2003 erschöpft ge-
1 2 3
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Vgl. Meadows et al. (1972a). Vgl. Meadows et al. (1972a). Vgl. Meadows et al. (1972b), S. 54.
Wettbewerb um Ressourcen
wesen. Diese Prognose, die bekanntlich nicht eingetroffen ist, stützte sich auf das Konzept der statischen Reichweite. Diese stellt das Verhältnis der vorhandenen Reserven eines Rohstoffes zur jährlichen Fördermenge dar. Außer für Aluminium ermittelten Meadows et al. Reichweiten für viele andere Rohstoffe:4 Für Blei wurden 26 Jahre errechnet, für Zink und Zinn 23 bzw. 17 Jahre, für Silber und Quecksilber 16 bzw. 13 Jahre und für Gold elf Jahre. Folglich sollte heute keiner dieser Rohstoffe mehr verfügbar sein, ebenso wenig wie Erdgas und Erdöl, für die Reichweiten von 38 und 31 Jahren angegeben wurden. Offenbar aber ist die statische Reichweite kein geeigneter Indikator für die sogenannte absolute Knappheit eines Rohstoffs, unter der in der Ressourcenökonomik die Erschöpfung von Rohstoffvorkommen verstanden wird. Dies zeigt sich insbesondere auch darin, dass sich die statische Reichweite für Erdöl seit 1950 von rund 20 auf über 40 Jahre mehr als verdoppelt hat.5 Auch bei Erdgas liegt die statische Reichweite mit derzeit mehr als 60 Jahren deutlich über dem Wert von 1950.6 Von einem Indikator der absoluten Knappheit würde man hingegen erwarten, dass er bei energetischen Rohstoffen wie Öl und Erdgas beständig sinken würde. Schließlich werden die weltweiten Vorräte dieser Rohstoffe im Unterschied zu nichtenergetischen Rohstoffen wie Kupfer oder Eisen zwangsläufig immer weniger, da Öl und Gas unwiederbringlich verbraucht werden. Nichtenergetische Rohstoffe wie etwa Kupfer oder Aluminium gehen hingegen nicht verloren und können zumindest theoretisch zu 100 Prozent zurück gewonnen werden. Eine wesentliche Ursache für die mangelnde Eignung der statischen Reichweite als Indikator für die absolute Knappheit eines Rohstoffs liegt darin begründet, dass deren Berechnung auf den Reserven eines Rohstoffs beruht. Die Reserven nehmen allerdings keineswegs fortwährend ab, wie man aufgrund des beinahe beständig wachsenden Rohstoffbedarfs erwarten würde. Bei der Mehrheit der im Bericht an den Club of Rome aufgeführten Rohstoffe ist sogar das Gegenteil eingetreten. So liegen die Reserven von Zink gegenwärtig bei rund 220 Millionen Tonnen anstatt bei 123 Millionen Tonnen, wie von Meadows et al. angegeben wurde,7 die Zinnreserven betragen heute rund 6,10 anstatt 4,35 Millionen Tonnen und die Kupferreserven hatten 2004 einen Umfang von 470 anstatt 308 Millionen Tonnen wie im Jahr 1972 (Tabelle 1). Die Reserven der Edelmetalle Gold und Silber sowie der Platinmetalle sind seit Anfang der Siebzigerjahre ebenfalls ganz erheblich gestiegen: Wiesen Meadows et al. noch 11000 Tonnen an Goldreserven, 170000 Tonnen an Silber- und 13300 Tonnen an Platinmetallreserven aus,8 lagen diese 2004 bei 42000 Tonnen, 270000 Tonnen und 71000 Tonnen.9 Die Erdgasreserven bezifferte der Club-of-Rome-Bericht auf lediglich 0,325 Milliarden Kubikmeter, während die BGR die weltweiten Erdgasreserven für 2005 auf 4 5 6 7 8 9
Vgl. Meadows et al. (1972b), S. 46–49. Vgl. BGR (2003), S. 96, und BGR (2006), S. 38. Vgl. BGR (2003), S. 96, und BGR (2006), S. 49. Vgl. Meadows et al. (1972b), S. 46–49. Vgl. Meadows et al. (1972b), S. 46–49. Vgl. USGS (2005).
65
Manuel Frondel
Abbildung 2:
Entwicklung der Kupferreserven im Zeitablauf in Millionen Tonnen Gehalt (USGS 2006, BGR 2005)
rund 179000 Milliarden Kubikmeter taxiert.10 Auch die Ölreserven sind im Laufe der Zeit tendenziell immer weiter angestiegen,11 von weit unter 100 Milliarden Tonnen zu Beginn der Siebzigerjahre auf circa 162 Milliarden Tonnen im Jahr 2005.12
Tabelle 1:
Bauxit Blei Eisenerz Kupfer
Reserven in Millionen Tonnen zu Zeiten von Meadows et al. (1972b) und 2004 1972
2004
1972
2004
1170
23000
Chrom
775
810
91
67
Kobalt
2,18
7,00
100000
80000
Mangan
800
380
308
470
Molybdän
4,95
8,60
Zink
123
220
Nickel
66,5
62,0
Zinn
4,35
6,10
Wolfram
1,32
2,90
Quelle: USGS (2005), Meadows et al. (1972b)
Nach Abbildung 2 befinden sich die Kupferreserven derzeit auf einem ähnlich hohen Niveau wie Ende der Siebzigerjahre, als die Rohstoffpreise eine vergleichbare Hausse erlebten wie dies gegenwärtig der Fall ist. 10 11 12
66
Vgl. BGR (2006), S. 19. Vgl. BGR (2003), S. 50. Vgl. BGR (2006), S. 15.
Wettbewerb um Ressourcen
Offenbar stellt sich die Reservensituation gerade in Zeiten hoher Rohstoffpreise besonders günstig dar. Dies macht deutlich, dass der Begriff der Reserve sehr wenig mit der Vorstellung der endlichen geologischen Verfügbarkeit von Rohstoffen vereinbar ist. Vielmehr ist der Begriff der Reserve seiner Definition nach höchst ökonomischer Natur und spiegelt lediglich den wirtschaftlich gewinnbaren Teil der Vorkommen eines Rohstoffs wider. Dies zeigt sich insbesondere an der Abhängigkeit des Umfangs der Reserven von den Rohstoffpreisen. Entscheidend dafür, dass die Reserven vieler Rohstoffe nicht im umgekehrten Maß zur Zunahme des Bedarfs gesunken sind, sondern sogar erheblich zugenommen haben, sind indessen nicht etwa steigende Rohstoffpreise. Denn die realen Preise vieler Rohstoffe sind in der Vergangenheit gefallen, wie in diesem Beitrag noch dargestellt wird. Vielmehr liegt die wesentliche Ursache für den Anstieg der Reserven der meisten Rohstoffe im technologischen Fortschritt bei der Exploration und der Förderung von Rohstoffen. So gibt es beispielweise immer bessere Explorationstechniken wie die 3D- bzw. 4D-Seismik. Einer der bedeutendsten Kritikpunkte am apokalyptischen Weltbestseller von Meadows et al.13 ist, dass „die Möglichkeiten der Wissenschaft und des technologischen Fortschritts nicht genügend berücksichtigt“ wurden.14 Alles in allem ist es nach der massiven internen und externen Kritik nicht weiter verwunderlich, dass „Die neuen Grenzen des Wachstums“ von Meadows et al.15 nicht mehr unter der Schirmherrschaft des Club of Rome erschienen sind.
2
Die Endlichkeit des Angebots an Rohstoffen
Dass die Reserven eines Rohstoffes immer weiter abnehmen, bis schließlich nichts mehr davon vorhanden ist, ist eine in die Irre führende Vorstellung, der nicht nur Meadows et al. unterlagen.16 Von dieser Vorstellung wird oftmals noch heute ausgegangen ebenso wie davon, dass somit auch die statische Reichweite im Laufe der Zeit immer kürzer wird.17 So titelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.) am 8. Januar 2006: „In 42 Jahren ist alles vorbei“. Dieser Titel bezog sich auf Aussagen des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), das mit einer „realen“ statischen Reichweite für Erdöl von 22 Jahren rechnet, für Erdgas von 42 Jahren. Die in der Vergangenheit zu beobachtende Zunahme der Reserven einer Vielzahl von Rohstoffen, insbesondere auch von Erdöl und Erdgas, deutet allerdings darauf hin, dass die Pro13 14 15 16 17
Vgl. Meadows et al. (1972a). Vgl. Meadows et al. (1972b), S. 166. Vgl. Meadows et al. (1992). Vgl. Meadows et al. (1972a). Vgl. zum Beispiel Umbach (2005), S. 632.
67
Manuel Frondel
phezeiung der F.A.S. mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreffen wird – vor allem nicht dank des technologischen Fortschrittes. Dennoch verfehlen derartige Aussagen ihre Wirkung ebenso wenig wie die häufige Betonung der Tatsache, dass die Vorkommen an nicht-erneuerbaren Rohstoffen auf der Erde endlich sind. Die folgenden Beispiele demonstrieren, dass dieser Fakt häufig von wenig praktischer Relevanz ist: Ohne die Möglichkeit der Wiederverwertung zu berücksichtigen, errechnete zum Beispiel Nordhaus,18 dass der Bleigehalt der Erdkruste im Prinzip ausreichen müsste, um den damaligen jährlichen Bleibedarf noch rund 85 Millionen Jahre zu decken. Die Kupfervorkommen, die 0,0068 Prozent der Erdkruste ausmachen, würden theoretisch für etwa 83 Millionen Verbrauchsjahre reichen.19 Zink wäre mit einem Anteil an der Erdkruste von 0,0082 Prozent prinzipiell noch für rund 169 Millionen Verbrauchsjahre verfügbar. Bei Eisen, das mit einem Anteil von 5,8 Prozent sehr viel reichlicher in der Erdkruste vorhanden ist, würden die Erzvorkommen rein theoretisch sogar für mehr als 600 Millionen Verbrauchsjahre ausreichen. Dass einige Rohstoffe wie Eisen oder Aluminium im Überfluss in der Erdkruste zu finden sind, wird auch in den „neuen Grenzen des Wachstums“ konzediert: „Von der Quelle her gesehen kann man sie als praktisch unerschöpflich bezeichnen“.20 Diese scheinbar beruhigenden Befunde dürfen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Betrachtung der unveränderbar vorgegebenen Ausstattung der Erdkruste mit Rohstoffen aus ressourcenökonomischer Sicht wenig sinnvoll ist.21 Tatsächlich wird der überwältigende Teil davon niemals wirtschaftlich gefördert werden können. Die praktisch und ökonomisch relevanten Größen bilden hingegen die wesentlich weniger umfangreichen Reserven. Die Menge an Reserven ist, wie oben gesehen, indessen keineswegs fest vorgegeben, sondern stieg in der Vergangenheit tendenziell an. Die Reserven der meisten Rohstoffe werden dennoch immer Lichtjahre von derjenigen Grenze entfernt bleiben, die durch die unveränderbaren, geologisch vorgegebenen Vorkommen auf der Erde gegeben ist. Kurzum: Der Gehalt der Erdkruste an nichtenergetischen Rohstoffen wie Eisenerz, Kupfer, Zink, Aluminium oder Blei stellt zwar ein unverrückbares Datum dar. Dennoch bedeutet diese Endlichkeit in der Praxis häufig nicht die geringste Beschränkung, erst recht keine Grenze für das ökonomische Wachstum: „Natural resources are not finite in any meaningful economic sense, … but rather are expanding through human ingenuity“.22 Auch bei den Energierohstoffen wie Öl und Gas wird im Allgemeinen davon ausgegangen, dass eine Erschöpfung der weltweiten Vorräte nicht zu befürchten ist.23 Viel18 19 20 21 22 23
68
Vgl. Nordhaus (1974). Vgl. Hille (1995), S. 279. Vgl. Meadows et al. (1992), S. 114. Vgl. Enders/Querner (2000), S. 7–9. Vgl. Simon (1996), S. 24. Vgl. von Hirschhausen (2005), S. 5.
Wettbewerb um Ressourcen
mehr sind auch nach Auffassung des World Energy Council ausreichend Vorkommen vorhanden, um die wachsende Energienachfrage bis weit ins 21. Jahrhundert zu decken.24 „Eine Politik mit der Angst vor der baldigen Endlichkeit der Energierohstoffe ist unbegründet“.25 Bei vielen nichtenergetischen Rohstoffen ist die Sorge über die Endlichkeit der Vorkommen nicht zuletzt auch wegen der Möglichkeit des Recyclings ungerechtfertigt. Abbildung 3 illustriert am Beispiel des im Prinzip zu 100 Prozent rezyklierbaren Kupfers das theoretische Recyclingpotenzial. Selbst wenn nur ein kleiner Bruchteil des jemals hergestellten und verarbeiteten Kupfers mittels Recycling wieder gewonnen wird, könnte in Zukunft ein beträchtlicher Teil des jährlichen Kupferbedarfs auf diesem Wege gedeckt werden und somit Recycling eine immer wichtiger werdende ökonomische Alternative zur Primärgewinnung darstellen. So ist beispielsweise die Recyclingquote von Kupfer in Deutschland seit 1985 von etwa 35 Prozent auf mehr als 50 Prozent angestiegen.26 Abbildung 3:
24 25 26
Förderung, Reserven und bislang geförderte Menge an Kupfer (BGR 2005)
Vgl. DNK (2006), S. 28. Vgl. Bohnenschäfer (2005), S. 68. Vgl. BGR (2005).
69
Manuel Frondel
Sowohl das Recycling als sekundäre Rohstoffquelle als auch das vielfach festzustellende Wachstum der Reserven widerlegen die landläufige Vorstellung, dass mit der Förderung eines nichtenergetischen Rohstoffes dieser gleichsam verbraucht wird und somit von dessen Reserven stets etwas weggenommen wird: „We must constantly remember that we create new mines and replenish the inventory of copper. The new „mines“ may be somewhat different from the old ones – recycled metal …, for example, but the new sources may be better than worse“.27 Es ist somit wenig zutreffend, wenn oftmals von noch verbleibenden Reserven oder Ressourcen – definitionsgemäß die vermuteten oder gar nachgewiesenen, aber noch nicht wirtschaftlich gewinnbaren Vorkommen – gesprochen wird.28 Gerade die Möglichkeit des Recyclings steht im Widerspruch zur Vorstellung, dass jedes Mal, wenn der Erde eine gewisse Menge eines Rohstoffs wie Kupfer entnommen wird, weniger für die Zukunft bleibt.
3
Werden Rohstoffe immer teurer?
Eine ebenso immer wiederkehrende Befürchtung wie die Endlichkeit der Rohstoffausstattung der Erde stellen immer weiter steigende Rohstoffpreise dar. In der Tat trifft dies für die nominalen Preise in den meisten Fällen zu. Entscheidend für Rohstoffverarbeiter wie auch für Investoren in Rohstoffengagements ist jedoch allein die Entwicklung der realen Preise. Diese werden üblicherweise als Verhältnis der nominalen Preise eines Gutes und der Kosten für die allgemeine Lebenshaltung ermittelt. Im Vergleich dazu sind die Preise vieler Rohstoffe gesunken. So zeigt Abbildung 4, dass der reale Kupferpreis, welcher mittels des US-Preisindex für die Lebenshaltung aus den nominalen Preisen errechnet wurde, seit 1900 erheblich gefallen ist – trotz eines stark ansteigenden Verbrauchs. Sogar bei Nickel, dessen Preis in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen ist und 2007 eine Rekordhöhe erreichte, ergibt sich über den Zeitraum von einem Jahrhundert betrachtet ein leicht abnehmender Trend des realen Preises (Abbildung 5). Dieser Trend wurde allerdings immer wieder durch beinahe explosionsartige Preisanstiege unterbrochen. Zudem waren Jahrzehnte währende Phasen steigender Realpreise zu verzeichnen, so zum Beispiel zwischen 1950 und 1980. Aber auch die mittleren realen Preise der übrigen Basismetallrohstoffe waren während des Zeitraums von 2000 bis 2005 zum Teil erheblich niedriger als im Durchschnitt der Fünfziger-, Siebziger- und Neunzigerjahre – und dies bei einem jeweils stark gestiegenen Bedarf (Tabelle 2). Mit Kupfer, Aluminium bzw. Bauxit, Nickel und Eisenerz haben sich die vier – gemessen am Nettoimportwert – für Deutschland derzeit bedeutsamsten nichtenergetischen Rohstoffe über Jahrzehnte hinweg betrachtet immer weiter verbilligt.
27 28
70
Vgl. Simon (1996), S. 43. Vgl. zum Beispiel Umbach (2007), S. 41.
Wettbewerb um Ressourcen
Abbildung 4:
Tabelle 2:
Realer Kupferpreis pro Tonne, jährliche Kupferförderung (USGS 2005) und Preisprognose des Berichtes „Global 2000“
Durchschnittliche Entwicklung der realen Preise der Basismetallrohstoffe Förderentwicklung in % seit den
Preisentwicklung in % seit den
50ern
70ern
90ern
50ern
70ern
90ern
804,3
-101,0
28,8
-55,3
-67,2
-30,7
51,6
-11,3
2,0
-51,0
-41,1
-3,6
Eisenerz
231,8
- 42,1
20,3
-32,9
-50,0
-10,0
Kupfer
380,3
-101,4
32,0
-48,2
-55,4
20,1
Nickel
Bauxit Blei
545,5
- 93,1
31,8
- 4,7
-31,2
-14,7
Zinn
44,2
- 13,0
24,7
-42,5
-67,8
-15,0
Zink
273,9
- 68,4
23,0
-44,0
-49,8
-28,7
Quelle: USGS (2005), USGS (2006)
71
Manuel Frondel
Abbildung 5:
Realer Nickelpreis je Tonne in US-Dollar und jährliche Nickelförderung (USGS 2007)
Diese Rohstoffe stellen keine Ausnahmen dar: Der maßgeblich vom RWI Essen im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums angefertigte „Rohstoffbericht“29 zeigt, dass die realen Preise der meisten Rohstoffe über einen Zeitraum von 100 Jahren betrachtet gesunken sind. Entgegen der traditionellen Vorstellung von Gold als Wertaufbewahrungsmittel muss man sogar bei diesem Edelmetall feststellen, dass der reale Preis (und somit der Wert) über Jahrzehnte hinweg durchaus sinken kann, so zum Beispiel zwischen dem Zweiten Weltkrieg und der Mitte der Siebzigerjahre und von Mitte der Achtzigerjahre bis zum Beginn des neuen Jahrtausends (Abbildung 6). Offenbar aber ist Gold besonders in Krisenzeiten gefragt, wie die Preisspitzen zu den Ölpreiskrisen Mitte und Ende der Siebziger- und Anfang der Neunzigerjahre beweisen. Vor dem Hintergrund der vorhandenen empirischen Evidenz ist es besonders bemerkenswert, dass gerade in Zeiten hoher Rohstoffpreise häufig von immer weiter steigenden Preisen ausgegangen wird. Ein bekanntes Beispiel ist die Preisprognose des Berichtes „Global 2000“ an den amerikanischen Präsidenten im Jahr 1980. Unter dem Eindruck der in den Siebzigerjahren stark gestiegenen Rohstoffpreise wurde in diesem Bericht angenommen, dass die realen Rohstoffpreise bis zum Jahr 2000 um jährlich fünf Prozent wachsen. Diese Prognose, die in Abbildung 4 am Beispiel Kupfer illustriert ist, hat sich als grundlegend falsch herausgestellt. Tatsächlich sind auch die realen Preise der übrigen, in „Global 2000“ betrachteten Rohstoffe allesamt gefallen. 29
72
Vgl. RWI (2006).
Wettbewerb um Ressourcen
Abbildung 6:
4
Realer Goldpreis in Millionen US Dollar je Tonne und jährliche Goldförderung (USGS 2007)
Zyklus statt Megatrend
Diese Beispiele sollten gezeigt haben, dass sich Rohstoffe in der Vergangenheit keineswegs als stete Renditegaranten erwiesen haben. Davon ist – der Unkenrufe über einen angeblichen Paradigmenwechsel zum Trotz – auch in Zukunft nicht auszugehen: Aller Erfahrung nach ist bei den sich bekanntermaßen zyklisch verhaltenden Rohstoffmärkten früher oder später mit einer gegenläufigen Entwicklung der Preise und somit dem Ende des Aufwärtstrends der vergangenen Jahre zu rechnen. Die Ursache dafür bilden die hohen Rohstoffpreise selbst. So sorgten die hohen Kupferpreise Ende der Siebzigerjahre für ein wachsendes Angebot an Kupferbergwerks- und Förderkapazitäten. Das gestiegene Angebot sah sich zu Beginn der Achtzigerjahre einer geschwächten Nachfrage gegenüber, welche Resultat der weltweiten Rezession in Folge der zweiten Ölpreiskrise war. Dem folgte ein drastischer, fünfjähriger Preisverfall bei Kupfer (Abbildung 4), der für die Schließung eines Drittels der Minen in den USA verantwortlich war. Weitere Schließungen in aller Welt sorgten für ein immer engeres Angebot, in dessen Folge die Kupfererzpreise ab 1987 wieder stiegen. Dem Preisanstieg wurde bereits vor Einsetzen der weltweiten Rezession in Folge des Kuwaitkrieges 1990 erneut ein Ende bereitet, da es wiederum zu Überschüssen bei der Produktion kam.30 Das Abschwächen des Weltwirtschaftswachstums und damit der 30
Vgl. USGS (1998), S. 41.
73
Manuel Frondel
Nachfrage tat ein Übriges. Diese zyklischen Entwicklungen, die für Rohstoffe so charakteristisch sind und unter dem unschönen Fachterminus „Schweinezyklus“ firmieren, sollten auch in Zeiten vermeintlicher Megatrends nie vergessen werden. Wer folglich als Anleger mit Rohstoffen Geld verdienen will, muss die Extrempunkte der zyklischen Preisverläufe zu nutzen wissen. Eine Strategie des Laisser-faire, bei der in aller Seelenruhe auf langfristige Preissteigerungen gesetzt wird, funktioniert bei Rohstoffmärkten im Allgemeinen nicht. Auch wenn ökonomische Gesetze weit weniger ehern sind, als dies für die der Physik zutrifft, so spricht nichts dafür, dass zukünftig die Zyklen außer Kraft gesetzt sind und eine Trendwende ausbleibt. Den empirischen Beweis dafür sind die Rohstoffoptimisten bislang jedenfalls immer schuldig geblieben.
Literaturhinweise und Danksagung Ich danke Frau Sabine Weiler und den Herrn Joachim Schmidt und Christoph M. Schmidt sehr herzlich für wertvolle Kommentare und Anregungen. Herrn Nolan Ritter bin ich für die sorgfältige Aufbereitung der Daten in Graphiken und Tabellen sehr dankbar. BGR (2003): Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen 2002. Kurzstudie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover. BGR (2005): Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Datenbestand der BGR, Hannover. BGR (2006): Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen 2005. Kurzstudie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, Hannover. BMWI (2007): BMWi-Studie: Rohstoffbedarf langfristig gedeckt. Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie, 2. 3. 2007, Berlin. http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Presse/presse mitteilungen,did=189260. html BOHNENSCHÄFER, W. (2005): Beitrag der Energieträger zur sicheren und wettbewerbsfähigen Energieversorgung. In: BDI/A.D.Little (Herausgeber): Nachhaltige Energiepolitik für den Standort Deutschland. Anforderungen an eine künftige Energiepolitik, Berlin. DNK (2006): Energie für Deutschland 2006: Fakten. Perspektiven und Positionen im globalen Kontext. Deutsches Nationales Komitee des WeltenerGIERATES. ENDRES, A./QUERNER, I. (2000): Die Ökonomie natürlicher Ressourcen, Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart. GLOBAL 2000: Der Bericht an den Präsidenten, deutsche Übersetzung von „The Global 2000 Report to the President, Zeitausendeins, Frankfurt, 1. Auflage Oktober 1980, 22. Auflage Juli 1981. 74
Wettbewerb um Ressourcen
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75
Mathias Onischka/Thomas Orbach
Klima und Finanzmarkt
1
Klimawandel – einige Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
2
Klimawandel und Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
3
Klimawandel und Finanzmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
4
Was tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
5
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
Literaturhinweise
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_6, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
95
77
Klima und Finanzmarkt
1
Klimawandel – einige Grundlagen
Der anthropogene Treibhauseffekt basiert im Kern auf einfachen physikalischen Wirkungszusammenhängen: Die Atmosphäre der Erde besteht zu 99 Prozent aus Stickstoff und Sauerstoff; das verbleibende eine Prozent beinhaltet neben Wasserdampf weitere Spurengase, wie beispielsweise Kohlendioxid, Methan oder Ozon. Letztgenannte gehören zu den sogenannten Treibhausgasen. Dass diese für den Treibhauseffekt verantwortlich sind, ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt und vielfach durch Messungen bestätigt, obwohl sie lediglich einen sehr geringen Anteil an der Atmosphäre haben. Erklärbar ist dies schlicht dadurch, dass die Massengase nicht treibhauswirksam sind:1 Das Sonnenlicht dringt in die Atmosphäre ein und führt zu einer Erhöhung der Temperatur der Erdoberfläche. Die Erdoberfläche strahlt wiederum Wärme in Form von Infrarotstrahlung ab, wobei ein Großteil hiervon in das Weltall entweicht. Die Treibhausgase absorbieren jedoch einen Teil der von der erwärmten Erde ausgehenden Strahlung: Sie wirken auf die Erde wie eine Decke, die dafür sorgt, dass die Oberflächentemperatur rund 33°C höher bleibt als ohne sie.2 Es existiert ein belegbarer Zusammenhang zwischen der Konzentration an Treibhausgasen in der Erdatmosphäre und der Oberflächentemperatur der Erde. Dabei ist die Emission von Treibhausgasen ein grundsätzlich natürlicher Vorgang, der beispielsweise durch vulkanische Aktivitäten, Zersetzung organischer Trockenmasse oder Waldbrände entsteht. Diese werden jedoch von Ökosystemen zum Beispiel durch Photosynthese zum größten Teil wieder absorbiert, sodass sich die Konzentration von Treibhausgasen durch natürliche Einflüsse kaum verändert. Seit Beginn der Industrialisierung jedoch wächst die Konzentration von Kohlendioxid und andere Treibhausgasen. Sie stieg von circa 280 ppm auf momentan ca. 380 ppm; die globale Durchschnittstemperatur im gleichen Zeitraum um 0,78 °C.3 Es handelt sich um den Betrag, der physikalisch aufgrund der erhöhten Treibhausgaskonzentration erwartet wird. Die wissenschaftliche Beweislage ist erdrückend: Der Temperaturanstieg und damit der Klimawandel ist eindeutig auf den Menschen zurückzuführen („very high confidence“4). Die Gründe hierfür liegen in der Änderung der Landnutzung, der Landwirtschaft sowie in entscheidendem Maße in der Verbrennung von fossilen Energieträgern, wie Kohle, Gas und Öl. Da die jährliche Menge an verbrannten fossilen Energieträgern bekannt ist, kann direkt auf den jährlichen, vom Menschen verursachten Anstieg von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen geschlossen werden, momentan sind dies rund 1,9 ppm pro Jahr. Der Einfluss dieser steigenden Konzentration auf das Klima und die Temperatur ist komplex. Ursache und Wirkung stehen zudem in einem nicht-linearen Verhältnis und die Wirkungen treten mit zeitlicher Verzögerung auf. Heutige Veränderungen wichtiger Einflussgrößen wirken sich erst mehrere Dekaden später aus und sind oftmals ir1 2 3 4
Beispielsweise hat Kohlendioxid einen Anteil von lediglich 0,038 Prozent bzw. 380 ppm. Vgl. Carbon Trust (2005a). Vgl. IPCC (2007). Vgl. IPCC (2007).
79
Mathias Onischka/Thomas Orbach
Abbildung 1:
Temperaturprojektionen
Quelle: IPCC (2007)
reversibel. Selbst wenn der Mensch ab sofort keine Treibhausgase mehr emittieren würde, käme es dennoch zu einem Temperaturanstieg um durchschnittlich 0,1 °C pro Dekade im 21. Jahrhundert – eine Folge der Emissionen des 20. Jahrhunderts.5 Klimaforscher verwenden Modelle mit vereinfachten Annahmen, um die hohe Komplexität zu beherrschen. Zudem ermöglicht die gestiegene Rechenleistung von Supercomputern inzwischen eine stabile und sichere Abbildung des Klimas. In Abhängigkeit von den Emissionsszenarien ergeben sich verschiedene Projektionen zur Erderwärmung oder Meeresspiegelerhöhung. Je nach unterstelltem Szenario ergibt sich eine Bandbreite der Erderwärmung von 1,8 °C bis 4,0 °C (Best Case bis Worst Case) sowie ein Anstieg des Meeresspiegels um 18 cm bis 59 cm bis zum Jahr 2100.6 Unbeachtet bleiben hier jeweils nicht prognostizierbare Sondereinflüsse, wie zum Beispiel ein starkes Abschmelzen der Eismassen auf Grönland, das einen Anstieg des Meeresspiegels um bis zu sieben Meter nach sich ziehen würde.7
5 6 7
80
Vgl. IPCC (2007). Die Werte beziehen sich auf den Temperaturanstieg mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit in Abhängigkeit vom Szenario. Vgl. IPCC (2007).
Klima und Finanzmarkt
Abbildung 2:
Auswirkungen steigender CO2-Konzentration
Quelle: Latif (2007)
Aus der von den meisten Klimawissenschaftlern genannten, maximal noch vertretbaren Erwärmung von 2 bis 2,5 °C lassen sich Reduktionsziele für Treibhausgasemissionen ableiten. Um eine Erderwärmung von mehr als 2,5 °C zu verhindern, müssen bis zum Jahr 2100 die jährlichen Emissionen um 80 Prozent im Vergleich zum aktuellen Niveau sinken; bis zum Jahr 2050 muss die Emissionsmenge mindestens um 25 Prozent reduziert werden.8 Für Deutschland hat die Bundesregierung sogar eine verpflichtende Reduzierung der Emissionen um 40 Prozent bis 2020 relativ zu 1990 angekündigt und wäre mit diesem ambitionierten Ziel international ein Vorreiter.9 Die größten Herausforderungen bei der Erreichung der globalen Reduktionsziele liegen in den bevölkerungsreichen und wachstumsstarken Schwellenländern, wie China und Indien. His8 9
Vgl. Stern (2007). Vgl. BMU (2007b).
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Mathias Onischka/Thomas Orbach
torisch bestand eine hohe Korrelation zwischen steigendem Volkseinkommen und steigendem Energiebedarf respektive Emissionen, sodass für diese Regionen mit steigenden Treibhausgasemissionen gerechnet werden muss. Den Industrieländern, insbesondere Europa und den USA, kommt deshalb in der Emissionsreduzierung eine besondere Rolle zu. Denn nur wenn es den Industriestaaten gelingt, mit effizienten Technologien und intelligenten Nutzungskonzepten Klimaschutz und Wohlstand zu vereinen, wird dies als Entwicklungsmodell auch von den Entwicklungs- und Schwellenländern akzeptiert werden. Mit welchen Methoden die Emissionsreduzierung erreicht wird, ist für die Zielerreichung völlig unerheblich. In der Diskussion der letzten Jahre wurden verschiedenste Konzepte zur Emissionsvermeidung diskutiert: CO2-Speicherung, Ausbau von regenerativer und nuklearer Energieerzeugung, Kernfusion, Energieeffizienzsteigerung oder Energiesparkonzepte sind nur einige. Mit welchen Mitteln bzw. mit welchem Mix dieser Konzepte die Emissionsreduzierung erreicht wird, ist eine politische und letztlich auch ökonomische Frage, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten im Detail zu beantworten ist. Sicher ist, dass sich in den kommenden 15 bis 30 Jahren die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen für die Energieerzeugung und -nutzung signifikant ändern und direkte Auswirkungen auf die Produktgestaltung, Produktion und die Konsumentennachfrage haben werden. Die Alternative zu Emissionsreduzierung und Klimaschutz wäre eine reine Anpassung an den anthropogenen Klimawandel (Adaption) sowie die Regulation von dessen Schäden. Die Frage, ob dies die ökonomisch günstigere Alternative sei, ist inzwischen weitgehend beantwortet. Der sogenannte „Stern-Review“ aus dem Jahr 2006 kommt mithilfe monetär-volkswirtschaftlicher Analysen zu dem Schluss, dass Maßnahmen zur Vermeidung des Klimawandels signifikant günstiger sind, als sich sukzessive den Veränderungen aufgrund des Klimawandels anzupassen. Die volkswirtschaftlichen Kosten für eine Stabilisierung der Treibhausgaskonzentration werden auf jährlich rund ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschätzt. Würde man sich gegen den Klimaschutz entscheiden, muss langfristig mit klimabedingten Schäden in Höhe von fünf bis 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gerechnet werden. Je weniger und je später Klimaschutzmaßnahmen getroffen werden, desto höher fallen die Schäden aus, das heißt, desto ungünstiger wird auch die ökonomische Bilanz. Eine aktive Emissionsreduzierung stellt also die für Wachstum und Beschäftigung wirtschaftspolitisch beste Handlungsalternative dar. Ein schnelles Agieren und Reagieren beim Klimaschutz wirkt wohlfahrts- und wertschöpfungssteigernd. Für die Politik ergeben sich aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht daraus mehrere große Handlungsfelder: y Für die Emissionen von Treibhausgasen sollte weltweit ein Preis entrichtet werden. Erste Ansätze gibt es bereits in Form des europäischen Emissions-Zertifikatehandels. y Bei der Forschung und Entwicklung emissionsarmer Technologien und Energiequellen sind größere Anstrengungen erforderlich. Bestehende Konzepte (zum Beispiel erneuerbare Energien, Energieeffizienz oder die CO2-Speicherung) müssen weiterentwickelt werden und langfristig die emissionsstarke Energiegewinnung verdrängen. 82
Klima und Finanzmarkt
y Die Konsumenten müssen über die Wirkungszusammenhänge besser aufgeklärt und zu einem klimafreundlicheren Verhalten ermutigt werden. y Eine frühzeitige Adaption des unvermeidlichen Klimawandels ist überall erforderlich, auch in den Entwicklungs- und Schwellenländern. Diese Empfehlungen werden von vielen namhaften Ökonomen (einschließlich mehrerer Nobelpreisträger) ausdrücklich bekräftigt.10
2
Klimawandel und Unternehmen
Unternehmen sind in unterschiedlicher Weise vom Klimawandel betroffen. Zunächst besteht für Unternehmen ein sogenanntes bio-physikalisches Risiko. Hierunter wird das Risiko verstanden, dass Unternehmenswerte wie Produktionsanlagen durch klimabedingte Extremwetterereignisse vernichtet oder beschädigt werden können. Die bio-physikalischen Schäden aufgrund des Klimawandels können mithilfe bestehender Modelle vorsichtig abgeschätzt werden. Es gibt bereits überschlägige Berechnungen, die allein für Deutschland Schäden bis 2025 von jährlich etwa 21 Milliarden Euro sehen. Diese Schäden fallen allerdings in Abhängigkeit der Branche höchst verschieden aus: Während beispielsweise im verarbeitenden Gewerbe bis 2025 insgesamt rund 42 Milliarden Euro an Schäden erwartet werden, sind es im Gesundheitssektor lediglich 18,7 Milliarden Euro.11 Abbildung 3:
Quelle: DIW (2007)
10 11
Ökonomische Auswirkungen des Klimawandels auf Deutschland
* in Milliarden Euro
Vgl. The Treasury of United Kingdom (2006). Vgl. DIW (2007).
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Mathias Onischka/Thomas Orbach
Abbildung 4:
Globale bio-pysikalische Klimaschäden
Quelle: MunichRe (2007)
Für die teilweise hohen Schadenssummen sind aber nicht nur Wetterextrema verantwortlich. Einige Regentage pro Jahr weniger, etwas häufiger Frost, etwas wärmere Sommertage: Bereits solche unspektakulären Wetteranomalien können nach den Statistiken der Rückversicherer Schadensausmaße erreichen, wie sonst Naturkatastrophen.12 Zusätzlich sehen sich die Versicherer einem methodischen Problem gegenüber: Aufgrund des Klimawandels werden Schadensstatistiken in ihrer Aussagekraft entwertet, sodass aus vergangenen Ereignissen nicht mehr auf künftige Schadensfälle geschlossen werden kann. Es werden insbesondere solche Unternehmen von diesen bio-physikalischen Risiken betroffen sein, die Standorte in exponierten Lagen mit steigenden Wetterextrema haben, wie beispielsweise in den Südstaaten der USA oder in Japan.13 Damit sind aber die unternehmensbezogenen Risiken des Klimawandels noch nicht erschöpft, denn Unternehmen sehen sich auch zunehmend sogenannten regulatorischen Risiken ausgesetzt. Unter dieser zweiten Risikokategorie versteht man den gesetzgeberischen Erlass von Normen zur Vermeidung des Klimawandels, der die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen berühren kann. Beispielsweise verschlechtern alle regulativen Maßnahmen, die den Energieverbrauch verteuern, transnational die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Branchen. Als Beispiel kann hier der europäische Emissionshandel dienen. 12
Vgl. Swiss Re (2002). Solche Schäden kumulieren sich aus einer Vielzahl von oftmals sekundären Auswirkungen. Beispielhaft seien Ernteausfälle oder reduzierte Energieerzeugung bei Kraftwerken aufgrund niedriger Wasserstände angeführt. 13 Vgl. SAM & WWF (2006).
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Klima und Finanzmarkt
Darüber hinaus könnten sich Unternehmen auch mit Haftungsklagen aufgrund emissionsbedingter Klimaschäden konfrontiert sehen. Selbst wenn aus formaljuristischen Gründen – zumindest kurz- bis mittelfristig – Klagen kaum Aussicht auf Erfolg haben, bleibt zumindest langfristig ein Prozess- und Klagerisiko bestehen. Beispiele (wie die Tabakindustrie in den USA) zeigen, dass bei erfolgreicher Regresspflicht die Geschäftsentwicklung und Profitabilität der betroffenen Unternehmen stark beeinflusst wird. Haftungsklagen sind aber nicht nur von den direkt Betroffenen des Klimawandels möglich. Auch von Seiten der Anteilseigner können Klagen gegen das Unternehmen oder die Unternehmensführung aufgrund der Verletzung der Sorgfaltspflicht in Führung und Berichterstattung angestrengt werden. Falls zu spät oder falsche klimarelevante Weichenstellungen vorgenommen wurden, wird dies starke Rückwirkungen auf die Profitabilität und damit den Unternehmenswert haben. Eine vierte Kategorie von Klimarisiken für Unternehmen ist das Reputationsrisiko. Die Öffentlichkeit oder die Kunden beeinflussen bei einem als „Klimasünder“ wahrgenommenes Unternehmen nicht nur dessen Absatz, sondern auch dessen (Marken-)Image. Beispielhaft sei die seit 2006 verstärkt geführte Diskussion um die Antriebstechnik im Automobilsektor erwähnt. Japanische Hersteller mit Hybridantrieben konnten sich in der Öffentlichkeit als innovative und klimafreundliche Marken profilieren; im Gegensatz zu den US-amerikanischen Herstellern Chrysler, General Motors und Ford, die über keine als klimafreundlich wahrgenommenen Produkte verfügten. Mittel- bis langfristig können klimaschädliche Produkte oder Produktionstechnologien aufgrund sinkender Reputation den Goodwill und damit die Aktiva und den Unternehmenswert direkt beeinflussen. Da Produkte in einer globalisierten Wirtschaft zunehmend austauschbar werden, avancieren Marken und Image immer mehr zu einem bestimmenden Faktor des Unternehmenswertes. Die vier beschriebenen Risikokategorien sind beinahe beliebig akkumulierbar, das heißt, ein Unternehmen kann sämtliche dieser Risiken auf sich vereinen. Die Wahrscheinlichkeit hiervon betroffen zu sein, nimmt zusätzlich mit der Größe und Komplexität von Unternehmen zu, sodass es für multinationale Konzerne mit einem globalen Netz von Zulieferern und verbundenen Unternehmen beinahe unmöglich ist, diesem Risiko auszuweichen. Der Klimawandel geht zwar eher schleichend voran, für Unternehmen kann er aber bereits in wenigen Jahren signifikante Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklung haben. Vorsichtige, überschlagsmäßige Schätzungen zeigen, dass beispielsweise die Chemiebranche bis zum Jahr 2013 einem klimabedingten Risiko bei den Gewinnen (EBIT) von rund zehn Prozent ausgesetzt ist.14 Hierbei wurden lediglich einige wenige relevante Parameter und Risiken einbezogen und zudem die bevorstehenden Änderungen in der Regulierung noch nicht berücksichtigt.15
14
Gemessen in Form des Value at Risk, basierend auf den Geschäftszahlen von 2004 bei einem Preis für CO2/t von 20 Pfund Sterling. 15 Vgl. Carbon Trust (2005b).
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Mathias Onischka/Thomas Orbach
Abbildung 5:
Kategorien von Klimarisiken
Abbildung 6:
Branchenbezogenes Value at Risk
Quelle: Carbon Trust (2005b)
86
Klima und Finanzmarkt
Auf die Geschäftsentwicklung wirkt der Klimawandel vor allem durch drei Kanäle: Durch das operative Geschäft, durch die Investitionen und durch die Kapitalkosten. Das operative Geschäft wird insbesondere aufgrund sich verändernder Kundennachfragen nach weniger treibhausgasintensiven Technologien oder Produkten beeinflusst. Sobald sich Energie- und Emissionsrechte verknappen bzw. deren Preise steigen, nimmt der Wettbewerbsvorteil von energieeffizienten Produkten und Technologien zu. Trends zeigen darüber hinaus ein weiterhin steigendes Umwelt- und Klimabewusstsein der Konsumenten und damit sich ändernde Konsum- und Kundenpräferenzen. Damit verändert sich sowohl die Kostenstruktur als auch die Absatzmenge: Umsatz, Cash Flow und Gewinn sind unweigerlich tangiert. Die zweite Einflussgröße sind die Investitionen, wobei insbesondere die langfristigen Investitionen in Sachanlagen bzw. Produktionstechnologien sowie Ausgaben für FuE von Bedeutung sind. Paradebeispiel für Sachanlageinvestitionen sind Energieversorger, die mit Investitionen in heutige Kraftwerkstechnologien (zum Beispiel mit Braunkohle oder Gas befeuerte Kraftwerke) die Emissionen und Kosten der kommenden Jahrzehnte festlegen, mit entsprechend weit reichenden Konsequenzen für die künftige Liquiditäts- und Ertragslage. Die Kosten der Finanzierung, als dritte Einflussgröße auf das operative Geschäft, betreffen zum einen die Fremdkapitalkosten. Diese ändern sich in dem Maße, in dem Banken dazu übergehen, klimarelevante Faktoren in das unternehmensbezogene Kreditrating mit aufzunehmen. Erste Ansätze hierzu werden bereits praktiziert, sodass emissionsstarke Unternehmen sich mit höheren Finanzierungskosten konfrontiert sehen. Auch auf die Eigenkapitalkosten wird sich das Klimarisiko auswirken. Denn ebenso wie die Banken versuchen zunehmend auch Investoren den Einfluss des Klimawandels auf den Geschäftserfolg von Unternehmen in ihre Anlageentscheidungen einzubeziehen. Das heißt, es werden entsprechende Risikoaufschläge/-abschläge für die Eigenkapitalverzinsung gefordert. Die Veränderung des Klimas kann aber auch aus einer chancenbezogenen Perspektive gesehen werden. Selbst der Wettbewerbs-Guru Michael Porter will den Klima- und Umweltschutz nicht (allein) auf die Risikoperspektive bezogen wissen: „Companies must start to recognize the environment as a competitive opportunity – not as an annoying cost or a postponable threat.“16 Ein konkretes Beispiel für neue Geschäftschancen aufgrund einer regulatorischen Maßnahme ist in Deutschland das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG): Aufgrund der Förderung von Energiegewinnung aus erneuerbaren Energiequellen konnte seit den Neunzigerjahren die Solar- und Windbranche deutlich wachsen (2005: 157000 Beschäftigte) und sich international einen technologischen Vorsprung erarbeiten.17 Solarunternehmen wie die deutsche Solarworld entwickelten sich so zu renditestarken Börsenlieblingen.
16 17
Vgl. Porter/van der Linde (1995), S. 97–118. Vgl. BMU (2007a).
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Abbildung 7:
Werttreiber für den Unternehmenswert
Quelle: Rappaport (1999)
Wie stark die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen durch den Klimawandel beeinflusst wird, ist wesentlich davon abhängig, in welcher Form und insbesondere wie schnell ein Unternehmen – im Vergleich zur Konkurrenz – in den kommenden Jahren auf den Klimawandel reagiert. Auch hier gilt tendenziell, was der Stern-Review für die volkswirtschaftliche Ebene ermittelt hat: Je schneller und je umfassender sich Unternehmen mit dem Klimawandel befassen, desto besser stehen die Chancen, Schäden vom Unternehmen abzuwenden und auf sich ändernde Kundenwünsche mit innovativen Produkten zu reagieren. Diese Einsicht wächst auch in den Unternehmen. Bei einer internationalen Umfrage von McKinsey unter Unternehmensentscheidern landete der Klimawandel als Einflussfaktor auf den Shareholder Value mit 28 Prozent der Nennungen bereits auf Platz drei.18
18
88
Vgl. McKinsey Company (2006). Entscheider in 116 Ländern wurden gefragt: „What issues will affect shareholder value over the next five years“. Auf Platz eins landete Stellenabbau/ Auslandsverlagerung (41 Prozent) und auf Platz zwei politische Einflüsse (29 Prozent).
Klima und Finanzmarkt
Hierzu die weltgrößte Bank Citigroup: „as a direct result of pressure from consumer, litigant and investors, there will, in the next five years, be a ‚tipping point‘ in corporate behavior with regards to climate change issues“.19
3
Klimawandel und Finanzmarkt
Der Klimawandel beeinflusst also den Unternehmenswert auf unterschiedlichen Ebenen. Wenn man davon ausgeht, dass Investoren sich auch künftig primär für die Entwicklung des Unternehmenswerts und damit des Aktienkurses interessieren, werden sich klimabedingte Veränderungen der Geschäftsentwicklung auch in ihren Anlageentscheidungen niederschlagen. In Abbildung 8 wird der Zusammenhang auf Basis des Shareholder-Value-Konzepts (Rappaport) noch einmal qualitativ verdeutlicht. Es gibt bereits erste größere Studien, die den Versuch unternehmen, den Einfluss des Klimawandels auf den Unternehmenswert auch quantitativ zu messen. Exemplarisch sei eine Studie von SAM Research genannt, in der die Auswirkungen einer möglichen Regulierung der CO2-Emissionen für Pkw untersucht wurden. Bereits bei diesem engen Untersuchungsrahmen wird deutlich, dass der Studie zufolge sich die diskontierten zukünftigen Gewinne (EBIT) unternehmensbezogen sehr unterschiedlich entwickeln werden: Während Toyota mit einem höheren Gewinn von rund acht Prozent zu den Gewinnern zählt, sinken bei Ford allein aufgrund der Klimaregulierung die Gewinne, und damit der Unternehmenswert, um rund elf Prozent.20 Auch auf Branchenebene wurden bereits die Auswirkungen des Klimawandels auf die Bewertung von Unternehmen am Finanzmarkt untersucht. Bei einem realistischen Stabilisierungsniveau der CO2-Konzentration von rund 450 ppm sinkt einer Studie der WestLB zufolge beispielsweise der diskontierte (!) künftige Marktwert der Automobilindustrie in Europa um rund 35 Milliarden US-Dollar.21 Gewinner des Klimawandels wären die Telekommunikations- und Haushaltsgüterbranche, deren Marktwert der Studie zufolge jeweils um mehrere Milliarden US-Dollar steigen wird.22
19 20 21
Vgl. Citigroup Global Markets (2007). Vgl. SAM (2004). Tatsächlich steckt in den Berechnungen eine Vielzahl von Randannahmen über die damit verbundene Emissionsregulierung sowie über Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum und Ähnliches, zudem fallen die Marktbewertungen je nach Treibhausgas-Stabilisierungsniveau sehr unterschiedlich aus. Details sind der Studie „From Economics to Carbonomics“ der WestLB zu entnehmen. 22 Vgl. WestLB Panmure (2003).
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Mathias Onischka/Thomas Orbach
Abbildung 8:
Klimawandel und Shareholder Value
Quelle: Rappaport (1999)
4
Was tun?
Für Investoren wird es in Zukunft bei der Investitionsentscheidung darauf ankommen, klimarelevante Aspekte adäquat mit zu berücksichtigen. Dies kann sich beispielsweise bei der Gewichtung der Branchen im Portfolio bemerkbar machen. Branchen mit einem hohen Klimarisiko, wie beispielsweise die Energie- oder Luftfahrtbranche, sollten untergewichtet werden. Dagegen sollten Branchen, die vom Klimawandel sogar profitieren, tendenziell mit einem höheren Gewicht im Portfolio vertreten sein. Sind Klimarisiken als solche vom Investor erst einmal erkannt, können sie zum Großteil über das Portfoliomanagement sachgerecht behandelt werden, da es sich um sogenannte unsystematische Risiken handelt. Durch eine entsprechende Unter- und Übergewichtung von Branchen bzw. eine Diversifizierung kann dieses unsystematische 90
Klima und Finanzmarkt
Abbildung 9:
Gewinner- und Verliererbranchen durch den Klimawandel in Europa
Quelle:WestLB (2003)
Portfoliorisiko mit den üblichen Risikomanagementmodellen auf nahezu null reduziert werden. Übrig bliebe lediglich das nicht diversifizierbare, systematische Risiko.23 Der Klimawandel ist aus Investorensicht also nichts Sachfremdes, sondern ein zusätzlicher Risikoparameter, der seiner wirtschaftlichen Bedeutung entsprechend berücksichtigt werden sollte. Die Hauptschwierigkeit für den Investor besteht darin, diese zusätzlichen Klimarisiken überhaupt zu erkennen und zu bewerten, da nur dann eine Risikosteuerung möglich ist. Es handelt sich hierbei weniger um ein methodisches Problem, als um eine Frage des Zeithorizonts, der bei Investoren immer kürzer wird: Die durchschnittliche Haltezeit von Aktien liegt heute vielfach nur bei weniger als zwölf Monaten. Die Auswirkungen des Klimawandels auf die Geschäftspolitik und -entwicklung setzt jedoch eine mittel- bis langfristige Perspektive voraus – zwar nicht in der Haltezeit von Assets, jedoch in der Bewertung. 23
Vgl. Jeucken (2001).
91
Mathias Onischka/Thomas Orbach
Abbildung 10:
Einfluss von CO2-Regulierung auf Pkw-Hersteller
Quelle:SAM (2004)
Voraussetzung für eine adäquate Behandlung des Klimawandels durch Investoren ist aber in jedem Fall eine transparente Berichterstattung durch die Unternehmen. Bislang hat der Klimawandel gerade einmal im Rahmen der Berichterstattung von kapitalmarktorientierten Unternehmen bei außerfinanziellen Leistungsindikatoren Eingang gefunden. Oftmals sind die Angaben freiwillig, recht unspezifisch und für eine weitere Analyse kaum brauchbar. Verpflichtende Standards in der Unternehmensberichterstattung werden wohl noch einige Jahre auf sich warten lassen. Hierauf wollen namhafte institutionelle Investoren, die sich im Carbon Disclosure Project organisiert haben, nicht warten. Es handelt sich hierbei um einen internationalen Verbund von inzwischen 225 institutionellen Investoren mit Assets im Wert von mehr als 40000 Milliarden US-Dollar. Die Investoren befragen daher jährlich die 2400 größten internationalen Unternehmen nach ihren unternehmensbezogenen Emissionen und Strategien zur Emissionsvermeidung und werten die Antworten der Unternehmen aus.24 Antwortet 24
92
Vgl. www.cdproject.net
Klima und Finanzmarkt
das Unternehmen nicht, oder bleiben die Aktivitäten des Unternehmens hinter den Branchenbenchmarks zurück, besteht die Gefahr von dieser potenten Investorengruppe gemieden zu werden. Der Druck auf die Unternehmen von Seiten des Kapitalmarktes wird daher künftig weiter steigen. Neben diesem Trend zeichnen sich bezogen auf die Kapitalmarktakteure für die kommenden Jahre noch weitere Handlungsfelder ab, bei denen klimabedingt die „Musik spielen“ wird: y Banken und Versicherungen: Bei der Vergabe von Krediten halten Klimarisiken zunehmend Einzug in die Kreditratings. Im Zuge dessen werden auch Steuerungsgrößen, wie Branchenlimits bzw. Kreditkonditionen, individuell angepasst. Bei Versicherungen wird die Messung des bio-physikalischen Risikos für eine risikoadäquate Prämienberechnung wichtiger, für manche Regionen und Unternehmen stellt sich die Frage, ob sie überhaupt noch versichert werden können.25 Dazu der Londoner Versicherer Lloyds: „We expect climate change not only to produce extreme capital damaging events, but also to increase uncertainty around corporate business plans and potentially reduce asset values. This makes it even more important for the industry to price risk according to exposure and to underwrite for profit.“26 y Vermögensverwalter: Hier wird zunächst die wachsende Sensibilisierung zum Thema Klimawandel im Vordergrund stehen. Momentan sind die hier diskutierten Zusammenhänge zwischen Unternehmensentwicklung und Klimawandel im Mainstream nicht präsent. Die Relevanz liegt darin, frühzeitig die Gewinner des Klimawandels zu erkennen und bei deren Outperformance zu partizipieren. Zudem dürfte auch verstärkt die treuhänderische Sorgfaltspflicht von den Investoren eingefordert werden – ggf. auch gerichtlich in Form von Regresszahlungen –, falls Klimarisiken nicht adäquat gemanagt wurden. Erste juristische Studien zeigen, dass die bestehende Rechtslage Erfolgschancen für entsprechende Klagen einräumt.27 y Investmentbanken/Research: In den vergangenen Jahren gab es bereits erste Finanzanlageprodukte, die sich speziell mit dem Thema Klimawandel beschäftigten (zum Beispiel Emissionshandel, Wetterderivate, Klimaschutzfonds, Klimazertifikate oder Grüne Hypotheken). In naher Zukunft werden die Zahl und die Volumina dieser Produkte zunächst steigen, bevor das Thema vom Mainstream absorbiert wird. Auch beim Management anderer Assetkategorien wird der Klimawandel an Bedeutung gewinnen. Bei festverzinslichen Wertpapieren sind Veränderungen im Rating, sowohl auf nationaler als auch auf unternehmensbezogener Ebene, in Abhängigkeit vom Klimaexposure zu erwarten. Dies wird insbesondere emissionsintensive Unternehmen sowie sehr niedrig gelegene Länder, Inseln, aber auch Küstenregionen betreffen. Die Wahrscheinlichkeit von Wetterextrema sowie signifikante regionale Klimaveränderun-
25 26 27
Vgl. Busch (2003). Vgl. Lloyds Ltd. (2006). Vgl. UNEP FI (2005).
93
Mathias Onischka/Thomas Orbach
gen (zum Beispiel Auftauen von Permafrostböden) werden auch bei der Lage und Bewertung von Immobilien wichtiger. Darüber hinaus werden Aspekte wie Energieeffizienz und Heiz- bzw. Klimatisierungskosten die Höhe der Mieten und damit den Immobilienwert zukünftig stärker beeinflussen. Aufgrund der Langfristigkeit solcher Investments ist eine frühzeitige Auseinandersetzung mit den Themen Klimawandel, Emissionsreduzierung und Energieeffizienz erforderlich. Im Bereich des Private Equity wird vor allem die Chancenorientierung im Mittelpunkt stehen. Sobald auch in der Öffentlichkeit das Thema Klimawandel stärker durchgedrungen ist, werden Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaften versuchen, mögliche Technologiegewinner noch stärker und noch frühzeitiger aufzuspüren, um an ihren potenziellen Gewinnen zu partizipieren.28
5
Fazit
Die Finanzmärkte sind momentan noch in einer Phase, in der es darum geht, den Klimawandel an sich und dessen Relevanz auf die Investmententscheidungen zu erkennen. Insbesondere bei dem Wirkungszusammenhang zwischen Klimarisiken und -chancen sowie Unternehmenserfolg wird es wahrscheinlich noch einige Jahre dauern, bis auch der Mainstream deren Bedeutung erfasst hat. Bis dahin werden auf methodischer Ebene die erforderlichen Instrumente und Tools zur Bewertung und zum Management von Klimarisiken und -chancen in der Unternehmensbewertung und im Risikomanagement weiterentwickelt und erprobt sein.29 Banken und Versicherungen sind momentan die ersten Akteure, die entsprechend reagieren, da das Management von Kredit-, Unternehmens- und Naturrisiken zu ihrem Kerngeschäft gehört. Bis allerdings signifikante Änderungen in der Kreditvergabe, im Asset Management und in der Assekuranz greifen, werden noch einige Jahre ins Land gehen. Die Unternehmen werden sich auf Druck von Konsumenten, Politik und Investoren stärker mit dem Thema auseinandersetzen, wobei die diskutierten Risikobereiche in Abhängigkeit von Branche und Produktportfolio stark differieren. Unternehmen, die sich frühzeitig bei ihren Produkten und Produktionstechnologien positionieren, haben eine bessere Chance als Overperformer und Gewinner aus dem Klimawandel hervorzugehen.
28 29
94
Vgl. Carbon Trust (2005c). www.climate-mainstreaming.org
Klima und Finanzmarkt
Literaturhinweise BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT [BMU] (2007a): Erneuerbare Energien in Zahlen – Nationale und internationale Entwicklung – Stand Januar 2007, Berlin 2007. BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATURSCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (BMU) (2007b): Regierungserklärung des Ministers vom 26. 04. 2007, http://www.bmu.de/reden/ bundesumweltminister_sigmar_gabriel/doc/39239.php BUSCH, T. (2003): Nachhaltigkeit in Banken und Versicherungen, Umweltwirtschaftsforum, 11. Jg, Heft 4/2003. CARBON TRUST (2005a): A Climate for change – A trustee’s guide to understanding and addressing climate risk, London 2005. CARBON TRUST (2005b): Climate change and shareholder value, London 2005. CARBON TRUST (2005c): The Climate Change Challage – Scientific evidence and implications, London 2005. CDP – Carbon Disclosure Project. www.cdproject.net CITIGROUP GLOBAL MARKETS (2007): Climatic Consequences, New York 2007. DIW (2007): Klimawandel kostet die deutsche Volkswirtschaft Milliarden. Wochenbericht Nr. 11/2007, Berlin 2007. IPCC (2007): Climate Change 2007: The Physical Science Basis. Summary for Policymakers. Geneva 2007. JEUCKEN, M. (2001): Sustainable Banking, Sheffield 2001. LATIF, M. (2007): Bringen wir das Klima aus dem Takt?, Frankfurt am Main 2007. LLYODS LTD. (2006): Climate Change Report – 360 risk project, London 2006. MAINSTREAMING VON KLIMARISIKEN UND -CHANCEN IM FINANZSEKTOR. www.climate-mainstreaming.net MCKINSEY COMPANY (2006): McKinsey Survey of Business Executives, Selected McKindey Survey results, McKinsey Quarterly, 01/2006, Stockholm 2006. MUNICH RE (2007): Naturkatastrophen 2006, München 2007, http://www.munichre.com/publications/302–05216_de.pdf PORTER M./VAN DER LINDE C. (1995): Toward a New Conception of the EnvironmentCompetitiveness Relationship. Journal of Economic Perspective, Vol. 9 No. 4, Fall 1995. RAPPAPORT, A. (1999): Shareholder Value, Stuttgart 1999. SAM & WWF (2006): Asessing Corporate Value at Risk from Carbon – Carbonizing Valuation. SAM-Study, Zürich 2006. SAM (2004): Changing Drivers – The Impact of Climate Change on Competitiveness and Value Creation in the Automotive Industry, Zürich 2004. STERN, N (2007): The Economics of Climate Change. The Stern Review. Cambridge 2007. SWISS RE (2002): Chancen und Risiken der Klimaänderung, Zürich 2002. THE TREASURY OF UNITED KINGDOM (2006): Comments on the Stern Review by leading economicst. London 2006. http://www.hm-treasury.gov.uk/media/9F3/38/20061028_Quotes-7.pdf 95
Mathias Onischka/Thomas Orbach
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Teil II: So investiert die Welt – Porträts ausgewählter Großanleger
Ulrich Stockheim
Der norwegische Ölfonds – der „Statens Pensjonsfonds“ – eine Erfolgsgeschichte
1
Der „Statens Pensjonsfonds“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1.1 Öl für Generationen: Aus dem Armenhaus Europas wird ein reiches Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1.2 Ein Fonds regiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101
2
Richtlinien für den Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2.1 Reglement zur Vermögenssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2.2 Ethisch einwandfreies Portfolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
3
Geballtes Wissen in einem starken Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.1 Internes Können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3.2 Externer Sachverstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
4
Aus Ölreichtum wird Geldsegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.1 Die Erfolgsstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.2 Das Geld sprudelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
5
Die Zukunft glänzt golden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_7, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
99
Der norwegische Ölfonds – der „Statens Pensjonsfonds“
1
Der „Statens Pensjonsfonds“
1.1
Öl für Generationen: Aus dem Armenhaus Europas wird ein reiches Land
Vor elf Jahren, 1996, begann Norwegen mit einer Investition in die Zukunft, die sich lohnen sollte. Die Regierung überwies die ersten zwei Millionen Kronen in einen Fonds, der seither wächst und gedeiht; und heute stolze 221 Milliarden Euro schwer ist: den sogenannten Statens Pensjonsfonds. In den vergangenen 40 bis 50 Jahren ist das früher von manchen als „Armenhaus Europas“ geschmähte skandinavische Land reich geworden. Und diesen Reichtum verdankt es dem Öl. Nachdem im Dezember 1969 die ersten Vorkommen in der Nordsee entdeckt worden waren, begann Norwegen seine Förderung 1973; rechtzeitig zum ersten Ölpreisschock. Seit 1975 wird das schwarze Gold exportiert und 1990 richtete die Regierung einen Ölfonds namens „Statens Petroleumfond“ ein. In ihn flossen die immensen Erträge aus der hauptsächlich staatlich kontrollierten Öl- und Gasförderung. Als der Staatshaushalt 1996 erstmals einen Überschuss aufwies, fing die Regierung im Mai desselben Jahres an, Gelder an den Fonds zu überweisen. Seitdem trägt Norwegens Regierung dafür Sorge, das Vermögen des Fonds beständig zu vermehren. Nach Saudi-Arabien und Russland hat sich Norwegen inzwischen zum drittgrößten Ölexporteur der Welt entwickelt und zur siebtgrößten ölproduzierenden Nation. Tagtäglich fördert das Land drei Millionen Barrel Rohöl. Daneben verfügt Norwegen über nicht zu verachtende Gasvorkommen, die es zur bedeutendsten Erdgasquelle Westeuropas machen. Die Milliardeneinnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft in Nordsee, Nordatlantik und bald auch Barentssee strömen jährlich in die Kasse – von einem Staatshaushalt wie dem norwegischen können andere europäische Länder nur träumen. Experten schätzen, dass die Ölreserven noch bis etwa zum Jahre 2057 reichen, die Gasreserven sogar noch etwa 100 Jahre, bevor sie endgültig versiegen. Der Wunsch, diesen Reichtum nicht nur für die heute 4,6 Millionen Landsleute, sondern auch für zukünftige Generationen langfristig zu sichern, war der eigentliche Antrieb, den ursprünglichen „Statens Petroleumfond“ zu gründen, aus dem zum Januar 2006 der „Statens Pensjonsfonds“ wurde – pädagogisch geschickt, da sich der Zweck des Fonds seitdem im Namen widerspiegelt.
1.2
Ein Fonds regiert
Mitten im Herzen von Oslo, am Bankplassen Nr. 2, befindet sich die norwegische Zentralbank, die Norges Bank. Sie ist nicht nur für die Geldpolitik des mit Öl gesegneten Landes verantwortlich, sondern auch für das Wachstum des Pensjonsfonds. Genauer gesagt fällt diese Aufgabe dem Investmentbereich der Norges Bank (NBIM) zu, welche 101
Ulrich Stockheim
im Auftrag des Norwegischen Finanzministeriums handelt, und noch genauer Knut Kjaer. Kjaer ist Leiter der Vermögensverwaltung der norwegischen Zentralbank und damit Manager des Fonds. Ihm zur Seite stehen bei seiner verantwortungsvollen Aufgabe gut 130 Mitarbeiter sowie einige externe Manager. Mit den rund 211 Milliarden Euro, die Kjaer aktuell betreut, ist er einer der mächtigsten Fondsverwalter der Welt. Mittels seiner klugen und weitsichtigen Investitionsstrategie ist es dem Pensjonsfonds nicht nur gelungen, zu einem der stattlichsten Fonds seiner Art in Europa anzuwachsen – mit ABP, dem bislang größten europäischen Rentenfonds der Niederlande ist er inzwischen beinahe gleichauf –, sondern mittlerweile auch zum drittgrößten Pensionsfonds der Welt. Seit gut zehn Jahren vermehrt sich der Gewinn nach Abzug von Inflation und Verwaltungskosten im Schnitt um jährlich 4,6 Prozent. Der Fonds hält gut 0,4 Prozent aller weltweit ausgegebenen Aktien und gut 0,3 Prozent des gesamten Weltmarktkapitals, er hat Papiere von rund 4000 internationalen Gesellschaften im Portfolio und agiert auf 42 Märkten; er gehört, kurz gesagt, zu den Giganten der Branche. An allen global agierenden, bedeutenden Unternehmen wie zum Beispiel der Allianz, Apple, Bayer, DaimlerChrysler, Volkswagen oder auch Zürich Financial ist der Ölfonds beteiligt. Allein in Deutschland sind es mehr als 50 Unternehmen, neben der Allianz etwa auch die Deutsche Telekom und Siemens. Aufgrund seiner enormen Gewinne konnte der Fonds bereits 2005 mit „CalPERS“, dem legendären „California Public Employees’ Retirement System“, dem Pensionsfonds der Beamten Kaliforniens, gleichziehen. Schon bis Februar 2005 war jeder der 4,6 Millionen Norweger durch den Fonds um gut 26 000 Euro reicher geworden und „besitzt“ inzwischen ein Fondsvermögen von mehr als 45 000 Euro, dies entspricht einem durchschnittlichen norwegischen Jahreseinkommen.
2
Richtlinien für den Erfolg
2.1
Reglement zur Vermögenssicherung
Bei seinen Investitionen ist der Pensjonsfonds an Regierungsrichtlinien gebunden, die essenzielle Grundregeln für seine Aktivitäten vorgeben. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um die ausschließliche Investition in Auslandsmärkte sowie das Verhältnis von Anleihen und Aktien. Daneben trägt ein Ethikrat dafür Sorge, dass der Fonds nicht in moralisch inakzeptable Unternehmen investiert, wie etwa in Kernwaffenproduzenten oder Gesellschaften, die Kinderarbeit einsetzen. Schon wegen des Ethikausschusses ist das Fondsportfolio transparent. Das bereits 2001 von der Regierung entwickelte weitsichtige Regelwerk hat sich bewährt. Die nur im Ausland mögliche Anlage der Öl- und Gaseinnahmen verhindert die 102
Der norwegische Ölfonds – der „Statens Pensjonsfonds“
Überhitzung der einheimischen Wirtschaft. Der Einstieg bei norwegischen Unternehmen würde die ohnehin schon sehr hohe Beteiligungsquote des Staates noch weiter ausdehnen. Den Vorgaben entsprechend legt der Fonds 60 Prozent seiner Gelder in Anleihen und 40 Prozent in Aktien an. Erst seit 2002 darf in staatlich nicht garantierte Rentenpapiere investiert werden. Auch die Anlage in Aktien war nicht von Anfang an möglich, sondern wurde erst 1998 erlaubt. Dabei beschränkt sich der Fonds auf kleine Anteile, sodass er als Minderheitsaktionär keine aktive Rolle ausüben muss. Den bis dato gültigen maximalen Anteil von drei Prozent hob das Finanzministerium mit Etablierung des Pensjonsfonds zum Januar 2006 allerdings auf fünf Prozent an. Gleichzeitig lockerte der Fiskus auch die Auflagen für Unternehmensanleihen. Die zuvor äußerst strengen Kriterien verlangten zumindest die mittlere Qualität im Investment-Ranking, ein „BBB Investment Grade“, eine Anforderung, die nun fallen gelassen wurde. Es ist wenig verwunderlich, dass das Vermögen des Pensjonsfonds ein allseits heißbegehrtes Gut ist. Nicht nur die Bevölkerung des skandinavischen Landes fordert von Zeit zu Zeit, das erwirtschaftete Geld sogleich für dieses oder jenes auszugeben. Vor allem in Wahlkampfzeiten ist es für Politiker aller Parteien äußerst verlockend, den freien Zugang zum Fonds als „Volksvermögen“ zu fordern, erhoffen sie sich doch damit, in der Beliebtheitsskala des Volkes zu steigen. Besonders gern bedienen sich die Rechtspopulisten dieser Argumentation. Da aber der Pensjonsfonds seinem Zweck nach eine Investition in die Zukunft ist, wurde solchen Begehrlichkeiten rechtzeitig ein Riegel vorgeschoben. Dieser Riegel erlaubt es der Regierung, sich den jährlichen Nettoanlageertrag des Fonds – rund vier Prozent des Vermögens – für den Staatshaushalt abzuzweigen. Ein höherer Betrag ist per Gesetz verboten, damit die Substanz des Fonds unangetastet bleibt. Aber auch die nur scheinbar mageren vier Prozent ergeben schon ein hübsches Sümmchen: Im Staatshaushalt 2005 entsprachen sie nämlich fast neun Prozent der staatlichen Ausgaben und in den Haushalt 2006 wurden knapp neun Milliarden Euro Ölertrag eingeplant.
2.2
Ethisch einwandfreies Portfolio
Das Interesse der Regierung beschränkt sich jedoch lobenswerter Weise nicht nur darauf, das Vermögen des Pensjonsfonds um jeden Preis zu vermehren. Zwar soll der Fonds möglichst großen Profit abwerfen, denn er ist als Reserve für die „Zeit nach dem Öl“ gedacht, dies jedoch nicht durch Unterstützung unethischen Handelns. Auch die Aktivitäten des Staatsfonds müssen dem Selbstverständnis Norwegens als Land des Friedensnobelpreises gerecht werden. 2004 hat die Regierung daher strenge ethische Regeln für die Investitionen definiert, die von den Vereinten Nationen als vorbildlich honoriert wurden. Das Modell eines nach ethischen Maßstäben investierenden Staatsfonds ist nicht einzigartig. Weltweit, besonders in den USA und Großbritannien, gibt es Pensionsfonds, die ebenfalls solchen Grundsätzen folgen. Dennoch sind die einzelnen Reglements un103
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terschiedlich. Im Gegensatz zu Norwegen, das seinen Fokus auf Themen wie Menschenrechte, Naturschutz oder eben die Ablehnung bestimmter Waffentypen richtet, betreffen die Richtlinien in den USA eher Alkohol, Tabak oder Pornografie. Vorsitzende des ethischen Gremiums im Norden Europas ist Gro Nystuen. Mit ihrem Team gibt sie die ethischen Investitionsempfehlungen ab, auf deren Basis das Finanzministerium bzw. die Regierung entscheidet. Die Empfehlungen des Ethikrates werden in Norwegen mit großer öffentlicher Aufmerksamkeit verfolgt. Bislang hat noch jede Regierung seine Vorschläge umgesetzt – was nicht weiter verwunderlich ist, denn es wäre auch politisch äußerst unklug, die Vorschläge des Rates zu ignorieren. Die Bürger sehen sich nun einmal als Eigentümer des Geldes und sind daher hochinteressiert, was mit ihm geschieht. Konkret untersagen die ethischen Grundsätze vor allem einen Einstieg bei Rüstungskonzernen. So trennte sich die Norwegische Bank als verantwortliches Institut Mitte 2005 auf Empfehlung des Ethikrates hin von ihren Aktienengagements an EADS, Lockheed Martin und Raytheon. Im Jahr 2006 Jahr stieß sie ihre kompletten Bestände an sieben bedeutenden Rüstungsfirmen ab. Sie verkaufte die gesamten Boeing- und Honeywell-Titel und trennte sich von den Papieren von Northrop Grumman, United Technologies, Finmeccanica, BAE Systems sowie Safran. Damit wurden 415 Millionen Euro umgeschichtet. Als Begründung für den Verkauf der Aktienpakete gab Norwegen an, sich nicht an der Produktion von Kernwaffen beteiligen zu wollen. Auch die anderen drängenden ethischen Aspekte verloren Gro Nystuen und ihr Team nicht aus den Augen: Zum 31. Mai 2006 trennte sich der Fonds auf Empfehlung des Ethikrates von seiner Beteiligung an Wal-Mart und dem US-Rohstoffkonzern Freeport McMoran. Gegen das Investment an der Supermarktkette sprach die menschenunwürdige Personalpolitik des Konzerns. Freeport McMoran hingegen wurde aus Umweltschutz-Gründen abgelehnt.
3
Geballtes Wissen in einem starken Team
3.1
Internes Können
Im Gebäude der norwegischen Zentralbank hat Knut Kjaer, der Chef des Pensjonsfonds, 130 hervorragende Mitarbeiter um sich versammelt, die ihn mit Analysen versorgen und bei seiner Aufgabe unterstützen, die bestmögliche Fondsrendite zu erzielen. Wie Kjaer stets gern betont: Große Organisationen mit umfassenden Ressourcen wären nichts ohne ihre hoch spezialisierten und qualifizierten Mitarbeiter. Kjaer selbst, der – wie jährliche Rankings immer wieder zeigen – zu den einflussreichsten Norwegern zählt, ist nicht nur ein äußerst erfahrener, sondern auch ein sympathischer und gewissenhafter Manager der Zukunft Norwegens. Geboren wurde er in Tronsberg, 104
Der norwegische Ölfonds – der „Statens Pensjonsfonds“
südwestlich von Oslo. Sein Vater hatte sich gewünscht, dass er die im Familienbesitz befindliche Fladenbrotfabrik übernehmen würde. Kjaer jedoch hatte schon frühzeitig andere Vorstellungen von seiner Zukunft. Ihn zog es nach Oslo, wo er Sozialökonomie studierte. Bereits seine erste Anstellung fand er bei der Zentralbank, wechselte später in das Statistische Zentralbüro und managt nun – zurückgekehrt zur Zentralbank – seit 1997 mit dem Pensjonsfonds einen der größten Fonds der Welt. Seine Mitarbeiter, etwa die Hälfe von ihnen Manager, lässt Kjaer den Fonds aus unterschiedlichen Ländern verwalten. Aus Oslo, London, New York oder bald Shanghai kümmern sie sich um etwa 80 Prozent des Fondsvermögens und tragen dabei eine immense Verantwortung, da Kjaer Einzelentscheidungen delegiert und erfolgsabhängig honoriert. Um die restlichen 20 Prozent des Fondsvermögens sorgen sich externe Investmentspezialisten.
3.2
Externer Sachverstand
Seit gut neun Jahren nimmt das Investmentmanagement der Norges Bank auch externen Sachverstand in Anspruch. Vor allem in den Anfangsjahren der Fondsverwaltung waren Kjaer bzw. das NBIM bemüht, sich mit internationalen Experten auszutauschen, um eine optimale Investitionsstrategie zu implementieren. Die dahinter stehende Überzeugung, nur in der Zusammenarbeit mit Externen den größtmöglichen Gewinn erzielen zu können, war offensichtlich richtig. Das Konzept geht auf, der Pensjonsfonds erzielt kontinuierlich Gewinne. Bei der Auswahl der externen Analysten und Portfoliomanager gehen die Verantwortlichen allerdings auch keinesfalls zu risikofreudig vor. Sie orientieren sich vielmehr an Kriterien wie einer ausgezeichneten Informationslage, der Zusammensetzung ihres Portfolios und dessen Umsetzung. Die ersten externen Manager heuerte NBIM im Dezember 1998 an, als der Pensjonsfonds mit seinen Aktieninvestitionen begann. Im Anleihengeschäft verfolgt der Fonds diese Strategie seit April 2000. Seit fast zehn Jahren also wird regelmäßig Know-how von außen mit eingesetzt. Zum Ende des Jahres 2006 beschäftigte das Fondsmanagement 28 Externe für den Aktienbereich mit 45 Mandaten, die Aktiva im Wert von 33,28 Milliarden Euro betreuen sowie 22 Externe für das Anleihengeschäft, die 35 Mandate und ein Gesamtvolumen von 15,47 Milliarden Euro managen. Insgesamt sind allein in 2006 vier neue Aktienmandate und drei neue Anleihenmandate hinzugekommen. Die Liste der für den Pensjonsfonds tätigen Manager liest sich wie das Who-is-Who der internationalen Investmentbranche. So greift man am Bankplassen Nr. 2 auf die Expertise von „Stars“ wie Alliance Bernstein LP, Fidelity Pensions Management, Gartmore Investment Management PLC oder Schroder Investment Management zurück. Auch das Aufgebot im Anleihengeschäft kann sich sehen lassen. Hier finden sich Namen wie Barclays Global Investors N. A., Lehman Brothers Asset Management LLC, Morgan Stanley Investment Management und State Street Global Advisors. 105
Ulrich Stockheim
Da Stillstand in der Vorstellungswelt von Knut Kjaer nicht vorgesehen ist, bleibt nicht nur im Fonds selbst, sondern auch in dessen Management alles in Bewegung. Mit Beginn des Jahres 2007 nahm NBIM zwei neue externe Berater in den Investmentbeirat auf. Jean Frijns, ein ehemaliges Vorstandsmitglied von ABP Investments, und Tony Watson, der zuvor bei Hermes im Vorstand saß. Die beiden stoßen zu den anderen zwei externen Mitgliedern des Beirats, Alan Hodson, der früher die globalen Aktieninvestments der UBS Investment Bank leitete, sowie Kenneth G. Lay, Vizepräsident und Finanzdirektor der Weltbank. Das Portfoliomanagement des Pensjonsfonds ist jedoch nicht die einzige Herausforderung für Knut Kjaer und sein Team. Auf der Tagesordnung der kommenden Jahrestreffen steht die Frage zukünftiger Investitionen in Immobilien ganz oben.
4
Aus Ölreichtum wird Geldsegen
4.1
Die Erfolgsstrategie
Der „Statens Pensjonsfonds“ genießt hohes Ansehen. Von den Experten der OECD wird er als Musterbeispiel für einen klugen Umgang mit Bodenschätzen gepriesen. Das globale Interesse an seiner Arbeit ist groß. Delegationen aus aller Welt lassen sich vor Ort von der Norwegischen Zentralbank über die Strategien und Methoden des Fonds informieren. Mehr Bestätigung ist kaum möglich. Die Zahlen des letzten Geschäftsberichts sprechen eine ebenso positive Sprache. Mit Abschluss des dritten Quartals 2006 weist der Pensjonsfonds ein Volumen von 211 Milliarden Euro auf. Auf die letzten zwölf Monate bezogen ergibt sich ein Gesamtwachstum von 53 Milliarden Euro. Hinter diesen Erfolgsmeldungen steht eine weitsichtige und kluge, vorsichtige, doch niemals im Stillstand verharrende Anlagestrategie. Halten wir uns noch einmal vor Augen: Der Fonds soll langfristig Vermögen aufbauen, um auch den Wohlstand künftiger Generationen zu sichern. Sein Handeln muss daher vor allem eines sein – nachhaltig. Was die Investitionsstrategie des Pensjonsfonds angeht, bestand von Beginn an ein breiter Konsens. Mit dem Ziel eines hohen Gewinnes sollte das Management den Fonds dennoch möglichst risikoarm ausrichten, um seinem Auftrag der Zukunftssicherung gerecht zu werden. Aber welcher konkreten Strategie sollte der Fonds bei seinen Investitionen folgen? Eine Antwort auf diese Frage zu finden, war Aufgabe des Finanzministeriums. Beschlossen wurde zum einen die Streuung von Investitionen über verschiedene Anlageklassen – wie etwa Anleihen und Aktien – und zum andern die Aufteilung des Fondsvermögens auf verschiedene Länder. Der Erfolg des Fonds spiegelt sich in einem Vergleichsindex wider. An ihm gemessen soll die Nationalbank den höchstmöglichen Gewinn erwirtschaften. Durch diesen In106
Der norwegische Ölfonds – der „Statens Pensjonsfonds“
dex gibt es konkrete Grenzen, in denen der erwartete Fondsgewinn abweichen darf. Der sogenannte „Tracking Error“ wurde durch das Finanzministerium mit 1,5 Prozentpunkten festgelegt. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Fonds in zwei von drei Jahren einen Gewinn erzielen wird, der von der Rendite des Vergleichsindex nicht mehr als plus/minus 1,5 Prozentpunkte abweicht. Mit Hilfe dieser Konstruktion managt das Finanzministerium die Marktrisiken für den Fonds. Das Norwegische Finanzministerium hat den Referenzindex zuletzt im Rahmen des Haushaltsplans 2006 aktualisiert. Danach sollen nun 50 Prozent der Aktien aus Europa stammen, 35 Prozent aus Amerika und Afrika sowie 15 Prozent aus Asien und Ozeanien. Das Vergleichsportfolio für Anleihen setzt sich aus 60 Prozent Europa, 35 Prozent Amerika und fünf Prozent Asien und Ozeanien zusammen. Anlagen in Osteuropa hat der Ölfonds als vorsichtiger Investor bislang vermieden. Um die Währungsgewichtung im Portfolio des Pensjonsfonds immer dem Vergleichsindex entsprechend ausrichten zu können, muss der Investmentbereich der Zentralbank außerdem jeden Monat Anpassungen über den Devisenmarkt vornehmen. Doch auch dann, wenn die Einnahmen aus den Ölgeschäften und dem Kapitalertrag breit gestreut werden, sich die Aktien- und Anleihenauswahl stark an Indexwerten orientiert und ausschließlich in Ländern erfolgt, die über eine gewachsene Unternehmensstruktur, einen soliden Aktienmarkt sowie eine stabile politische Lage verfügen, lässt sich ein Risiko nicht vollständig ausschließen. Investmentchef Knut Kjaer ist klar, dass sich die Entwicklung seines Fonds nicht einmal annähernd hundertprozentig berechnen lässt. Jahre mit Verlusten müsse man aushalten können. Der schlimmste Fehler sei jedoch, in Krisenzeiten nichts zu tun. Gemäß seinem eigenen Diktum schwamm er mit seinem Pensjonsfonds während der letzten größeren Börsenkrise im Jahr 2002 gegen den Strom, kaufte zu und hielt den als Richtwert angestrebten Aktienanteil am Fondsvermögen. Kjaer lag richtig, die Verluste waren überschaubar und der Weg frei für beeindruckend hohe Gewinne in den darauf folgenden Jahren.
4.2
Das Geld sprudelt
Die außergewöhnliche Performance des Pensjonsfonds beruht auf der viel gerühmten Anlagestrategie, auf den bemerkenswerten Fähigkeiten des Investmentteams und lässt sich durch nichts deutlicher demonstrieren als durch die eindrucksvollen Geschäftszahlen: Im Januar 2006 betrug das Fondsvolumen noch142 Milliarden Euro, um bis September 2006 auf 221 Milliarden Euro weiter zu klettern. Im dritten Quartal 2006 erzielte der Pensjonsfonds mit einem Anstieg von 25 Milliarden Euro das höchste Quartalswachstum seiner Geschichte. Allein durch die Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung wuchs der Fonds zwischen Juli und September um gut zehn Milliarden Euro. 107
Ulrich Stockheim
Die Rendite betrug im Gesamtjahr 2006 rund acht Prozent und war somit niedriger als die elf Prozent des Vorjahres, nichtsdestotrotz aber lag sie dennoch über dem vom Norwegischen Finanzministerium für 2006 gesetzten Vergleichsindex. Damit war das vergangene Jahr das beeindruckende neunte in Folge, in dem es dem Fonds gelang, die für ihn gesetzte Benchmark zu schlagen. Nur eine kleine Minderheit an Fondsmanagern schafft solch kontinuierliche Outperformance. Der gesamte Gewinn des Pensjonsfonds, also von den ersten Kapitalinvestitionen am 1. Januar 1998 an bis zum Ende des dritten Quartals 2006, beläuft sich auf sage und schreibe 39,42 Milliarden Euro, das sind rund 67 Prozent. Das Vergleichsindexportfolio legte im gleichen Zeitraum um 60 Prozent zu. Trotz aller Erfolgsmeldungen werden im Investmentbereich der Norges Bank die eigenen Konzepte regelmäßig überprüft, jedoch ohne sie vorschnell in Frage zu stellen. So folgte die Fondsleitung auch im vergangenen Jahr ihrer Strategie, auf externen Sachverstand zu setzen und fuhr das interne Beratungsmanagement von 91 auf 78 Prozent zurück, obwohl sich dieses Konzept im Jahr 2006 nicht ausgezahlt hatte – ein kleiner Misserfolg, mit dem die Verantwortlichen gleichwohl offen umgehen. Entsprechend wurde im letzten Geschäftsbericht darauf hingewiesen, dass das interne Aktien- und Anleihenmanagement merklich mehr zum Gewinn beigetragen habe als das externe. Dessen Aktienportfoliogewinn habe nur 0,05 Prozentpunkte unter dem Vergleichsindex gelegen. Insgesamt hätten die externen Aktienmanager – gemessen am Vergleichsindex – 750 Millionen Euro verloren. Allerdings zog das NBIM aus diesem Ergebnis keine unmittelbaren Konsequenzen, sondern erklärte vielmehr, dass Verluste dieser Größenordnung in gelegentlich ungünstigen Jahren einkalkuliert werden müssten und eine Managerleistung über einen wesentlich längeren Zeitraum evaluiert werde.
5
Die Zukunft glänzt golden
Seit 1998 hat sich der Weltmarktpreis für Öl mehr als versechsfacht. Angesichts der allgemeinen Weltmarktlage ist somit zu vermuten, dass der Pensjonsfonds einer rosigen – oder sollte man sagen goldenen – Zukunft entgegenblickt. Nach Schätzungen des NBIM müsste das Fondsvolumen inklusive Zuflüsse aus dem Ölverkauf im Jahre 2010 auf rund 315 Milliarden Euro angewachsen sein. Hierbei dürfte es sich allerdings um den „Worst Case“ handeln, da diesen Berechnungen ein Ölpreis von durchschnittlich 25 US-Dollar je Barrel (159 Liter) zugrunde liegt. Bereits bei einem Preis von 40 US-Dollar je Fass und einer Rendite von vier Prozent p. a. würde der Fonds ab dem Jahr 2010 sagenhafte 20 Milliarden Euro pro Jahr an Zinserträgen abwerfen. Und schon jetzt bewegt sich der Preis für das schwarze Gold auf die 70 Dollar zu. Absolute Sicherheit kann es nicht geben, auch nicht für den so erfolgreich agierenden Ölfonds. Im November 2006 führte Knut Kjaer in einem Vortrag vor der Norwegischen 108
Der norwegische Ölfonds – der „Statens Pensjonsfonds“
Polytechnischen Gesellschaft aus, dass die Frage danach, welches Risiko eine Regierung im Rahmen des Fondsmanagements in Kauf nehmen sollte, die schwierigste und zugleich wichtigste sei. Eine definitive Antwort darauf könne es nicht geben. In demselben Vortrag bekräftigte er die Idee des Ölfonds nachdrücklich. Womöglich seien in der Vergangenheit die Prämien auf Aktien höher gewesen als es in den kommenden 100 Jahren der Fall sein werde und womöglich werde es zu größeren Ölengpässen kommen als man sie bislang erfahren hätte. Nichtsdestotrotz sei er fest davon überzeugt, dass ein wesentlich größerer Teil des Vermögens in Aktien als in Öl gehalten werden sollte. Die Zeit wird zeigen, ob der Pensjonsfonds auch in Zukunft klug und erfolgreich gelenkt wird. Bislang freilich hat der Fondschef mit seinen Einschätzungen noch immer richtig gelegen. Der „Statens Penjonsfonds“, einer der größten globalen Fonds mit dem weitesten Investmenthorizont, wird bei Kjaer auch weiterhin in den besten Händen sein. Denn, wie der Manager selbst erklärt, sei es eine kaum zu übertreffende Inspirationsquelle, den vorhandenen Ölwohlstand zugunsten unzähliger kommender Generationen in eine nicht versiegende Geldquelle umzuwandeln. Dabei bleibt Kjaer gewohnt bescheiden und verrät sein Erfolgsrezept: „Respekt vor dem Markt ist immer ein guter Ansatzpunkt.“
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Prinz Alwaleed bin Talal – der Anleger-Prinz
Den saudischen Prinz und Investor Alwaleed bin Talal bin Abdul Aziz Alsaud treibt ein besonderer Wunsch um. „Ich will, dass meine Stimme gehört wird“, vertraute er einmal der Wirtschaftszeitschrift „Forbes“ an. Alwaleed muss sich deswegen nicht sorgen. Sein Wunsch wird ihm in der Regel selbst von mächtigen Personen erfüllt. Einer derjenigen, der jüngst auf Alwaleeds Stimme hörte, war Charles Prince, der Vorstandschef der New Yorker Citigroup. Alwaleed hatte Mitte des vergangenen Jahres wegen der ausufernden Kosten beim weltgrößten Finanzdienstleister „drakonische Maßnahmen“ zur Kostenkürzung gefordert. Prince nahm sich den Ratschlag des saudischen Prinzen zu Herzen und setzte im vergangenen April die Entlassung von 17000 Mitarbeitern im Rahmen eines weitreichenden Sparprogramms durch. Der Einfluss von Alwaleed hat einen einfachen Grund. Der Prinz ist der größte Einzelaktionär der Citigroup und hält Aktien im Wert von rund zehn Milliarden US-Dollar. Alwaleed ist eigentlich nicht für öffentliche Druckmethoden bekannt. Aber bei der Citigroup, deren Aktienkurs in den vergangenen drei Jahren hinter der Konkurrenz zurückgeblieben war, verlor er offensichtlich die Geduld. Er wolle keine Entschuldigungen mehr hören, hatte der Prinz ein Jahr vor der Ankündigung des Sparprogramms geschimpft. Die Gnadenfrist für den seit 2003 amtierenden Vorstandschef Prince sei vorbei. Dass Alwaleed bei der Citigroup ungeduldiger wurde als bei anderen Aktiengesellschaften, ist ebenfalls verständlich. Denn rund die Hälfte seines Vermögens besteht aus Aktien des Finanzgiganten. Die Citigroup ist nicht das einzige amerikanische Unternehmen, in das Alwaleed bedeutende Summen investiert hat. Alwaleed, der auch eine immens wichtige Rolle in der arabischen Geschäftswelt spielt, gilt als der größte internationale Einzelinvestor in den Vereinigten Staaten, dem größten Kapitalmarkt der Welt. Die Liste seiner amerikanischen Anlagen liest sich wie eine Liste weltbekannter Marken – bei denen Alwaleed bevorzugt zugreift, wenn sich die Aktienkurse der Unternehmen an der Börse unter Druck befinden. Zu seinen amerikanischen Beteiligungen gehört der Computerhersteller Apple, der Autohersteller Ford Motor, der Fotografiekonzern Eastman Kodak, der Computerriese Hewlett-Packard, der Mobiltelefonhersteller Motorola, der Getränkeproduzent Pepsico, der Unterhaltungsgigant Walt Disney und starke Internetnamen wie Ebay und Amazon. D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_8, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Der 52 Jahre alte Alwaleed ist der Neffe des saudischen Königs Abdullah und der reichste Araber. Auf der jüngsten Liste der reichsten Menschen der Welt, die „Forbes“ jährlich erstellt, bekleidet er mit einem geschätzten Vermögen von 20,3 Milliarden USDollar Rang 13. Normalerweise bringt man reiche Araber mit Erdöl in Verbindung. Alwaleed ist die große Ausnahme. Der Investor besitzt keine Ölbeteiligungen und gilt als klassischer Self-Made-Man, obwohl er als Mitglied der saudischen Königsfamilie auch ohne geschäftlichen Erfolg bestimmt keine Not gelitten hätte. Trotz seines Einflusses als Investor gehört Alwaleed nicht zu den Machthabern im Hause Saud und hat sich aus der Politik zumeist herausgehalten. In Interviews und Presseerklärungen erregt er aber dennoch mit politischen Meinungen Aufsehen. Seine Ansichten gelten als kritisch gegenüber den traditionellen Wertvorstellungen in SaudiArabien. Alwaleed schlägt Wahlreformen vor und setzt sich offen für die in Saudi-Arabien vernachlässigten Rechte der Frauen ein. So machte Alwaleed Schlagzeilen, weil er für seine Flotte von Privatflugzeugen die erste Pilotin in Saudi-Arabien eingestellt hat. Der Prinz ist zudem stark in der Wohltätigkeit engagiert. Es wird geschätzt, dass er pro Jahr 100 Millionen US-Dollar für wohltätige Zwecke im Nahen Osten, in Asien und in Afrika spendet. Der Amerika-Kenner gilt als Mittler zwischen der westlichen und der arabischen Kultur. Er hat beispielsweise zehn Millionen US-Dollar für Amerika-Studienprogramme an der American University in der ägyptischen Hauptstadt Kairo gespendet. Umgekehrt überwies er jeweils 20 Millionen US-Dollar an die Universität Harvard in Boston und die Washingtoner Georgetown Universität, um dort Islamstudien zu finanzieren Sein Geld ist nicht immer willkommen. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 offerierte er der Stadt New York eine Spende von zehn Millionen US-Dollar für Hilfsaktionen. Der damalige Bürgermeister Rudolph Giuliani lehnte das ab, weil Alwaleed gesagt hatte, dass die Vereinigten Staaten „ihre Politik im Nahen Osten überprüfen und einen ausgewogeneren Standpunkt für die Sache Palästinas annehmen“ sollten. Giuliani interpretierte das als eine Art Rechtfertigung für die Anschläge, was Alwaleed aber scharf zurückwies. Ein Jahr später gab Alwaleed 500000 US-Dollar an einen Stipendienfonds des früheren Präsidenten George Bush, der das Geld gern annahm. Im gleichen Jahr spendete er 27 Millionen US-Dollar bei einer Hilfsaktion des saudischen Fernsehens für Palästinenser. Alwaleed zweigte auch für den Louvre in Paris 20 Millionen US-Dollar ab, damit das Museum einen neuen Flügel für seine Sammlung islamischer Kunst bauen kann. Das war die bislang größte Einzelspende für das Museum. Der als pro-amerikanisch geltende Alwaleed wurde wie viele Sprösslinge vermögender Familien in den Vereinigten Staaten ausgebildet. Er ging jedoch nicht auf eine der renommierten Eliteuniversitäten an der Ostküste, sondern machte seinen BachelorAbschluss in Betriebswirtschaft 1979 am eher unbekannten Menlo College in Kalifornien. Sechs Jahre später erwarb er einen Magister-Grad in Sozialwissenschaften von der Syracuse University im Bundesstaat New York. 112
Prinz Alwaleed bin Talal – der Anleger-Prinz
Alwaleeds Start im Geschäftsleben wurde ihm mit einem Kredit von 30000 US-Dollar von seinem Vater Prinz Talal erleichtert, dem Sohn des verstorbenen saudischen Königs Abdul Aziz Alsaud. Alwaleed investierte in eine kleine Baufirma, aber das Geld war schnell ausgegeben. Sein Vater, so heißt es, wollte ihm danach kein Geld mehr leihen. Also nahm Alwaleed eine Hypothek von 300000 US-Dollar auf sein Haus auf, das er ebenfalls von seinem Vater erhalten hatte. Die Hypothek erhielt er von der damaligen Saudi American Bank, die unter der Leitung der amerikanischen Citibank stand. Ein Jahr später hatte Alwaleed dann seinen ersten großen Erfolg, als er zusammen mit zwei kleineren Unternehmen den Auftrag für den Bau einer Militärakademie erhielt. Es folgten weitere Geschäfte im Bau- und Immobilienbereich. In den Achtzigerjahren investierte Alwaleed auch in die saudi-arabische Bankenbranche, die damals unterbewertet schien. Dafür gründete er 1980 seine bis heute bestehende Anlagegesellschaft, die Kingdom Holding Company. Analog zu den Geschichten von großen Technologieunternehmen, die ihre Wurzeln in den Garagen ihrer Gründer hatten, betont auch Alwaleed bescheidene Anfänge. Die Gesellschaft sei in einem „kleinen Fertighausbüro“ in Riad gegründet worden, heißt es auf der Internetseite der Kingdom Holding. Mittlerweile ist die Hauptverwaltung in palastähnlichen Räumlichkeiten untergebracht. Internationale Prominenz als Anleger erhielt Alwaleed in den Neunzigerjahren mit einer Investition, die ihm heute die ungeteilte Aufmerksamkeit von Citigroup-Chef Prince garantiert. Alwaleed half der amerikanischen Großbank Citicorp 1991 mit einer Finanzspritze von 550 Millionen US-Dollar aus. Der Konzern war zuvor wegen notleidender Immobilienkredite in den Vereinigten Staaten sowie Schwäche im Lateinamerika-Geschäft in Schwierigkeiten geraten. Davon ermutigt, folgten andere Investoren Alwaleeds Beispiel und die Citigroup erholte sich wieder. Ende der Neunzigerjahre fusionierte die Citicorp dann mit dem Finanzdienstleister Travelers, der vom legendären Wall-Street-Banker Sanford Weill geführt wurde. Damit entstand ein gigantischer Finanzsupermarkt mit globaler Ausdehnung. Die damals gewagte Investition in die Citicorp zementierte Alwaleeds Ruf als genialen Anleger. Das amerikanische Nachrichtenmagazin „Time“ bezeichnete ihn gar als „arabischen Warren Buffett“ – in Anlehnung an den Investor aus Omaha im Bundesstaat Nebraska, den laut „Forbes“ zweitreichsten Mann der Welt. Buffett zeichnet sich wie Alwaleed durch Anlagen in vermeintlich unterbewertete Aktien aus und ist ebenfalls ein langfristig orientierter Investor. Damit hören die Parallelen aber auch schon auf. Während Buffett bescheiden in einem vergleichsweise einfachen Haus lebt und kürzlich fast sein gesamtes Vermögen für wohltätige Zwecke gespendet hat, besitzt Alwaleed eine große Yacht und reist in eigenen Flugzeugen. Der 76 Jahre alte Buffett hat zudem eine erklärte Aversion gegen Technologieaktien und kauft nur Unternehmen aus traditionellen Industrien. Alwaleed investierte dagegen große Summen in Unternehmen aus der Informationstechnologie sowie in Internetunternehmen der ersten Stunde. Buffett, dem während der Hausse der Technologieaktien Ende der Neunzigerjahre vorgeworfen worden war, nicht mehr auf der Höhe 113
Norbert Kuls
der Zeit zu sein, wurde durch den dramatischen Einbruch der Technologiewerte in den ersten Jahren dieses Jahrzehnts rehabilitiert. Alwaleeds Portfolio litt dagegen zeitweise unter dem Kursverfall, auch wenn er nach dem Höhepunkt der Hausse massiv in Internetwerte investierte, weil er bei fallenden Kursen gute Gelegenheiten witterte. Aber trotz dieser Rückschläge hat sich Prinz Alwaleed als erfolgreicher Anleger etabliert. Die Citigroup ist zwar die größte Position der Kingdom Holding, aber bei weitem nicht die einzige Beteiligung an Finanzdienstleistern. Der nächste Finanzriese auf der Liste von Alwaleed ist die Samba Financial Group. Die frühere Saudi American Bank ist eine der größten Finanzinstitute im Nahen Osten. Der Anteil der Kingdom Holding ist eine Folge von deren Fusion mit der United Saudi Bank, bei der Alwaleed Mehrheitsaktionär war. Im Oktober 2003 beendete Samba einen zwei Jahrzehnte dauernden Führungsvertrag mit der Citibank, der Bank-Tochtergesellschaft der Citigroup. Samba wird mittlerweile von lokalen Managern geführt. Samba gilt als profitabelste Bank im privaten Sektor in Saudi-Arabien und als eine der stärksten Marken in der Golfregion. Alwaleed hatte seit Ende der Achtzigerjahre kontinuierlich sein Portfolio der Finanzdienstleister in der Region ausgebaut und die Branche aktiv mit Fusionen verändert. So erwarb er 1988 eine Kontrollmehrheit an der United Saudi Commercial Bank (USCB). Neun Jahre später kaufte die Kingdom Holding die Saudi Cairo Bank und fusionierte sie mit der USCB zur United Saudi Bank, die sich dann 1999 mit der Saudi American Bank zusammenschloss. Kingdom Holding besitzt zudem eine Mehrheitsbeteiligung am Vermögensverwalter Al-Azizia Commercial Investment Company, die die Gesellschaft 1996 gegründet hatte. Ursprünglich investierte Al-Azizia ausschließlich im saudischen Aktienmarkt. Mittlerweile legt die Anlagegesellschaft aber weltweit sowohl an Börsen als auch an in außerbörslichen Beteiligungen an. Die Kingdom Holding verfolgt das Ziel, einige der internationalen Anlageerfolge für die wirtschaftliche Entwicklung in der heimischen Region zu nutzen. Alwaleed hat deswegen eine Beteiligung am Kuwaiter Finanzhaus International Financial Advisors erworben. Über den Vermögensverwalter Al-Azizia ist Kingdom Holding auch an MedGulf beteiligt, eine der größten Versicherungen in der Region. Die zweitgrößte Gruppe im Portfolio von Kingdom Holding sind Aktiengesellschaften aus dem Bereich Medien und Unterhaltung. Alwaleed begann 1993 mit dem Kauf von arabischen Medienunternehmen und wurde nach eigenen Angaben schließlich ein dominierender Investor in diesem Segment. Zu den internationalen Engagements gehören Beteiligungen an der vom Medienmogul Rupert Murdoch geführten News Corporation, am amerikanischen Medienriesen Time Warner sowie an Walt Disney. In die News Corp. hatte Alwaleed erstmals 1997 investiert. Zu dem Unternehmen gehören unter anderem der amerikanische Fernsehsender Fox und die Zeitungen „New York Post“ sowie die Londoner „Times“. 114
Prinz Alwaleed bin Talal – der Anleger-Prinz
An Time Warner ist Alwaleed wegen seines frühen Investments am Internetunternehmen Netscape beteiligt. Netscape war von AOL übernommen worden, die schließlich mit Time Warner fusionierten. Zu Time Warner gehören der Kabelfernsehsender CNN, das Filmstudio Warner Bros. und Magazine wie „Time“ oder „Fortune“. Allerdings geriet der Aktienkurs von Time Warner wegen der desaströsen Fusion mit AOL nach der Jahrtausendwende schwer unter Druck und stagniert nach einer leichten Erholung bereits seit mehreren Jahren. Schlagzeilen machte 1994 auch Alwaleeds Engagement in den europäischen Ableger der Disneyland-Vergnügungsparks. Als Euro Disney 1992 außerhalb von Paris einen Park eröffnete, zog die Attraktion zunächst nicht die erwarteten Massen an. „Als die Aktienkurse auf ein attraktives Niveau gefallen waren, trat Prinz Alwaleed als Retter auf“, heißt es auf der Internetseite der Kingdom Holding. Alwaleed ist seither auch ein großer Anteilseigner bei Walt Disney geworden, deren Markennamen er einen „bleibenden Zauber“ bescheinigt. Kingdom Holding hält auch substanzielle Anteile an der Restaurantkette Planet Hollywood, die nach eigener Einschätzung zu den bekanntesten Restaurantmarken der Welt gehört. Die Akquisitionen im Mediensegment hatte Alwaleed in seinem eigenen Hinterhof begonnen, weil ihm klar war, dass es im Nahen Osten und in Nordafrika ein durch die gemeinsame Sprache Arabisch verbundenes Publikum von 350 Millionen Menschen gibt. Alwaleed hält große Anteile an führenden Medienunternehmen in der arabischen Welt, zu denen etwa der Unterhaltungsriese Rotana und der Fernsehsender LBC Sat gehören. Rotana hat die größten Namen der arabischen Musik und Unterhaltung unter Vertrag und ist ein Unternehmen, das man mit amerikanischen Konkurrenten wie Time Warner oder Viacom vergleichen kann. Das Unternehmen produziert und vermarktet Unterhaltungsinhalte und hat jüngst einen Musiksender im Stil eines arabischen MTV gestartet sowie eine Cafékette und ein Magazin gegründet. Das Rotana Magazin ist nicht das erste Engagement Alwaleeds im Verlagswesen. Seine Anlagegesellschaft hält Anteile an verschiedenen arabischen Zeitungen, beispielsweise an An-Nahar und Al-Diyar, zwei der führenden Tageszeitungen im Libanon. Zum Libanon hat Alwaleed ohnehin eine besondere Beziehung. Alwaleeds Mutter ist Prinzessin Mona El-Solh, die Tochter des ersten libanesischen Premierministers. Alwaleed ist im Libanon aufgewachsen. Das Wirtschaftsmagazin „Fortune“ hat Alwaleed einst den am „besten vernetzten Investor der Welt“ und „Technologie-Prinz“ genannt. Der Prinz legt größten Wert darauf, Aktien zu jeder Tag- und Nachtzeit handeln zu können – egal ob er sich „in der Wüste befindet oder 40000 Fuß in der Luft in seinem Privatjet“, wie es auf der Internetseite der Kingdom Holding heißt. Alwaleeds Team von rund 20 professionellen Vermögensverwaltern für verschiedene Anlagedisziplinen sei gemeinsam rund um die Uhr präsent. Es ist daher kein Wunder, dass Alwaleed ein persönliches Interesse am Segment Informationstechnologie entwickelt hat. 115
Norbert Kuls
Bekannt wurde Alwaleed mit einer Beteiligung am Computerhersteller Apple im Jahr 1997. Das war ein Zeitpunkt, an dem die meisten Investoren das Unternehmen abgeschrieben hatten. In den vergangenen Jahren ist Apple aber nicht zuletzt durch den Erfolg des Musikspielers I-pod wieder zu einem Börsenliebling geworden. Daneben hält Alwaleed Beteiligungen am Computer- und Druckerhersteller HewlettPackard, der vor einigen Jahren den Konkurrenten Compaq übernommen hatte. Alwaleed war zuvor an Compaq beteiligt gewesen und hatte sich öffentlich für die Fusion ausgesprochen. Alwaleed leistete sich aber auch Fehlgriffe. So geriet er während der schweren Baisse nach der Jahrtausendwende in den Strudel der großen Bilanzskandale, die die amerikanischen Börsen damals erschütterten. Im Februar 2002, drei Monate nach der Insolvenz des wegen Bilanzfälschung kollabierten Energiehändlers Enron, wurde Alwaleed im Fernsehsender CNBC gefragt, ob er die Bilanzen der Unternehmen verstehe, in die er investiert. Alwaleed erwiderte, dass er sie zwar nicht alle im Detail kenne, aber sehr wohl ein generelles Verständnis für die Geschäftsmodelle der Unternehmen habe. Für den Rest verlasse er sich auf die Unterstützung seiner Assistenten. Alwaleed war damals schon klar, dass einige weitere Unternehmen zusammenbrechen würden. „Aber ich glaube, dass Motorola und Worldcom, in die ich investiert bin, zu den Gewinnern gehören werden“, sagte Alwaleed. Er sollte nicht Recht behalten. Der Telekommunikationskonzern Worldcom meldete schon wenige Monate nach diesem Interview wegen massiver Bilanzfälschungen Konkurs an. Auch der Aktienkurs von Motorola ist im Vergleich zum Jahr 2000 kaum gestiegen. Als langfristig orientierter Investor übt sich Alwaleed aber in Geduld. „Wenn ich ein Händler wäre, der den Markt mit einem Horizont von höchstens einem Jahr betrachtet, wäre ich jetzt sehr besorgt“, sagte er damals im CNBC-Interview. „Aber ich bin ein langfristiger Anleger, der den Markt mit einem Horizont von zehn Jahren und länger betrachtet. Am Ende werden sich alle diese Unternehmen erholen, weil wir unsere Hausaufgaben gemacht haben“, sagte Alwaleed. Er hatte auch den Mut, sich an Internetunternehmen zu beteiligen, als die meisten Investoren sich gerade abwendeten. Im Mai 2000, als sich die amerikanischen Aktienmärkte nach ihren Rekordständen vom März auf eine mehrjährige Talfahrt begaben, begann Kingdom Holding mit einer amerikanischen Einkaufstour von 1,2 Milliarden US-Dollar, um Aktien der bekanntesten Internetmarken zu kaufen. Dazu gehörten AOL, der Online-Einzelhändler Amazon.com, das Online-Auktionshaus Ebay und der Dienstleister Priceline.com. Alwaleed hat zudem eingeräumt, nach den Anschlägen vom 11. September, die die Aktienmärkte zusätzlich belasteten, seine Position bei Priceline aufgestockt zu haben, um seine Einstiegskurse zu senken. Aus dem gleichen Grund kaufte er mehrere Monate nach den Anschlägen auch Citigroup-Aktien. Alwaleed musste aber zunächst eine Durststrecke aushalten. Denn die Kurse an den amerikanischen Aktienmärkten begannen sich erst 2003 wieder zu erholen. Aus Alwa116
Prinz Alwaleed bin Talal – der Anleger-Prinz
leeds Sicht hat sich Kingdom Holding mit der Einkaufstour für das digitale Zeitalter jetzt gut positioniert. „Kingdom Holding will einer der Spielmacher und Antriebsmotoren dieses Zeitalters sein“, sagt Alwaleed. Alwaleed hat nicht nur Interesse an Technologie- und Internetunternehmen, sondern diversifiziert seine Anlagen auch in traditionellen Industrien. So spielt die Autoindustrie eine wichtige Rolle im weltweiten Portfolio von Kingdom Holding. Alwaleeds Interesse an dieser Branche begann, als die asiatischen Autohersteller 1997 unter einer Wirtschaftskrise in dieser Region litten. Als deren Aktienkurse fielen und große Industriekonzerne am Rande des Zusammenbruchs schienen, sah Alwaleed günstige Einstiegskurse bei den koreanischen Autoherstellern Hyundai und Daewoo. Im Jahr 2000 kaufte Alwaleed dann Aktien des ebenfalls unter Druck geratenen zweitgrößten amerikanischen Autoherstellers Ford Motor. Alwaleed bezeichnete die damaligen Schwierigkeiten von Ford als „momentanen Schluckauf“, eine Formulierung, die er gern benutzt. Sieben Jahre später befinden sich die amerikanischen Autohersteller aber immer noch in Krisenstimmung. Die Ford-Aktien sind seither deutlich gefallen. Das Interesse Alwaleeds am produzierenden Gewerbe geht weiter zurück als seine Anlagen in der Automobilindustrie. Das Unternehmen hält Anteile an einer Reihe von Industrieunternehmen über eine Beteiligung am saudi-arabischen Mischkonzern National Industrialization Company. Alwaleed führte ein Konsortium von Investoren an, die 1995 die Kontrolle über den Konzern übernahmen. Eine weitere Branche, die Alwaleed seit Jahren beobachtet, ist die Hotel- und Freizeitindustrie. Seine Anlagen in dieser Branche sind hauptsächlich in drei Unternehmen konzentriert, die eine Reihe von Luxushotels und Freizeitanlagen betreiben: Four Seasons, Mövenpick und Fairmont. Einige Hotels sind zu 100 Prozent im Besitz von Kingdom Hotel Investments, über die Alwaleed seine Anlagen in dieser Branche kontrolliert. Dazu gehört das berühmte Georges V Hotel in Paris. Kingdom Hotel Investments besteht aus einem kleinen Team von Beratern mit Sitz in New York und Riad, die nach Hotels suchen, die zu den drei Ketten passen könnten. Das George V gehört beispielsweise zur im kanadischen Toronto beheimateten FourSeasons-Gruppe. Alwaleed hatte schon 1994 erstmals in die die Hotelkette investiert, die ihren Schwerpunkt bis dahin hauptsächlich auf Nordamerika gelegt hatte. Alwaleed spielt als Investor aber eine aktive Rolle und hat mit dazu beigetragen, dass sich die internationale Präsenz der Kette seit seinem Einstieg um ein Drittel erhöht hat. Im Februar dieses Jahres übernahm Alwaleed die Muttergesellschaft Four Seasons Hotels Inc. gemeinsam mit dem Mitgründer des Softwareriesen Microsoft, Bill Gates, für insgesamt 3,4 Milliarden US-Dollar. Alwaleed erwarb 1997 auch eine Kontrollmehrheit an der Schweizer Mövenpick Hotels and Resorts AG. Seither ist Mövenpick mit neuen Hotels in Saudi-Arabien und anderen arabischen Ländern deutlich stärker präsent. Alwadeed hält zudem Anteile an verschiedenen prominenten Bauentwicklungen, zu denen die Londoner Canary Wharf und der 300 Meter hohe Wolkenkratzer Kingdom Centre in Riad gehören, wo seine Anlagegesellschaft untergebracht ist. 117
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Als großer Immobilieninvestor hält Kingdom Holding auch große Anteile an Bauunternehmen wie der holländischen Ballast Nedam, einer der größten europäischen Vertreter der Branche. Prinz Alwaleed investiert zudem stark in Konsumgüter und auch dort in bekannte Marken. 1993 stieg er in einer Schwächephase bei der noblen amerikanischen Warenhauskette Saks ein. Während der Aktienschwäche im Jahr 2000 kaufte Alwaleed Titel des großen amerikanischen Konsumgüterherstellers Procter & Gamble und des Getränkeherstellers Pepsico. Auch damit unterscheidet sich Alwaleed von Warren Buffett. Buffett besitzt nämlich seit Jahren einen großen Anteil an Coca-Cola, dem größten Konkurrenten von Pepsico. Alwaleed bewies einen besseren Geschmack als Buffett. Der Aktienkurs von Pepsico hat sich seit dem Einstieg Alwaleeds nämlich deutlich besser entwickelt als der von Coca-Cola.
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Der niederländische Riese: ABP
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Reale Erträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
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Langfristig agieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
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Offen für Neues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
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Aktiv und global . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_9, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Der niederländische Riese: ABP
Stichting Pensioenfonds ABP ist der Pensionsfonds für die Beamten und die Angestellten des Öffentlichen Dienstes und des Bildungswesens in den Niederlanden. Zusammen mit CalPers und dem norwegischen Statens Pensjonsfonds gehört ABP zu den drei größten Pensionsfonds der Welt. Über eine Million berufstätige Mitglieder und 4300 Arbeitgeber zahlen Beiträge ein, zugleich erhalten knapp 700000 Pensionäre ihre Altersbezüge von ABP. „Wir sichern die finanzielle Zukunft von einem Drittel der niederländischen Familien“, erklärt Roderick Munsters, der als Chief Investment Officer bei der Asset-Management-Tochter ABP Investments für die Verwaltung der Assets von über 200 Milliarden Euro verantwortlich ist. Seit seiner Gründung 1922 hat sich viel bei ABP verändert. Das einschneidendste Ereignis war die Privatisierung 1996. „Bis dahin waren wir eine typische Behörde und entsprechend bürokratisch, unbeweglich und ineffizient“, erinnert sich Munsters. Heute ist der Fonds in Form einer Stiftung organisiert und kann ohne direkten Eingriff durch Behörden am Markt agieren. Allerdings wachen Kontrollgremien mit Vertretern der Regierung, der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber darüber, dass die Mittel satzungsgemäß „im besten Interesse der Mitglieder“ verwaltet, angelegt und ausgeschüttet werden. ABP ist straff organisiert und zählt zu den rentabelsten Pensionsfonds der Welt. Das Maß dafür ist die CEM-Benchmark, eine Art Ratingsystem für Pensionsfonds, von dem sich die meisten großen Player messen lassen. Mit jährlichen Verwaltungskosten von nur 63 Euro je Mitglied ist ABP im Spitzenfeld. Seit Anfang 2007 bildet das Finanzregulierungsgesetz FTK den regulatorischen Rahmen für die Arbeit von ABP. Eines der wichtigsten Instrumente ist die Cover Ratio, die sich aus dem Verhältnis von Erträgen zu Pensionsverpflichtungen errechnet. Laut Vorschrift muss sie mindestens 105 Prozent betragen, zuzüglich eines Puffers, der sich nach aktuellen Investitionsrisiken richtet. Beim Marktcrash 2002 hatte auch ABP schmerzhafte Verluste erlitten, und die Cover Ratio war auf 100 Prozent gefallen. Seitdem hat ABP kontinuierlich seine Kosten- und Ertragsstruktur verbessert. Mit dem Jahresabschluss 2006 konnte der Pensionsfonds eine Ratio von 133 Prozent melden und sich formell für „out of recovery“ erklären.
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Reale Erträge
Die Prämien, die zu zwei Dritteln die Arbeitnehmer und zu einem Drittel die Arbeitgeber einzahlen, machen nur ein Fünftel der Summe aus, die als Pension ausgezahlt wird. Die übrigen vier Fünftel sind das Ergebnis der Verwaltung während der Ansparzeit. Deswegen – und weil sie die finanzielle Existenz der Rentner bestimmt – kommt der klugen Verwaltung der Mittel eine enorme Bedeutung zu. Sie muss einerseits genügend hohe Erträge sicherstellen, um ein attraktives Rentenniveau bieten zu können. Andererseits muss sie Risiken vermeiden, die den Kapitalstock dauerhaft schädigen könnten. 121
Ulrich Stockheim
Vor der Privatisierung waren die Anlagemöglichkeiten für ABP – vorsichtig ausgedrückt – sehr begrenzt: Die Mittel wurden fast ausschließlich in niederländischen Staatsanleihen angelegt. Die Absicht dieser Vorschrift war, die Beiträge der Mitglieder möglichst mündelsicher anzulegen. „Tatsache ist aber, dass wir nie ein so risikoreiches Portfolio hatten wie damals, weil es so konzentriert war“, erklärt Munsters. „Außerdem ist heute jedem klar, dass wir mit niederländischen Staatsanleihen allein nicht ausreichende Erträge erzielen können, um die Pensionen langfristig zu sichern.“ Heute gibt es keine konkreten Vorschriften zur Asset Allocation mehr. Ende 2006 lagen die Assets von ABP zu 41,8 Prozent in festverzinslichen Anlageformen, der Block „Shares and property“, der neben Aktien auch Immobilienanlagen, Private Equity und Commodities umfasst, hatte einen Anteil von 54,4 und Hedgefonds und andere Investments von 3,8 Prozent. Abbildung 1:
Asset Allocation
Quelle: ABP (Stand: Ende 2006)
„Je älter Ihre Mitglieder sind, umso konservativer müssen Sie anlegen“, erklärt Roderick Munsters. Mit einem Fixed-Income-Anteil von ungefähr 40 Prozent trägt er der Tatsache Rechnung, dass Pensionsfonds naturgemäß verhältnismäßig alte Mitglieder haben. „Allerdings müssen wir zugleich sicherstellen, dass wir langfristig Pensionen anbieten, die auch nach Inflation attraktiv sind. Darum orientieren wir uns nicht so sehr an Benchmarks, sondern streben möglichst hohes reales Wachstum an.“ Das geht nicht mit Zinsprodukten, sondern nur mit Investitionen in die Realwirtschaft, wozu Munsters neben Aktien auch Immobilien, Private Equity oder Commodities zählt. Die verschiedenen Anlageklassen erfüllen also ganz verschiedene Funktionen im Portfolio, weil sie unterschiedliche Risiko-Ertrags-Verhältnisse aufweisen. Während Bonds planbare Erträge liefern, dienen Aktien, Private Equity, Immobilien und Hedgefonds dazu, die Rendite zu verbessern. Der Trend geht bei ABP dahin, den Anteil der Anlagen in die „reale Wirtschaft“ weiter zu erhöhen. Dass diese risikoreicher sind als Bonds, macht Roderick Munsters keine Sorgen: „Risiko sehen wir nicht als Ärgernis, sondern als Ertragsquelle. Risiko darf 122
Der niederländische Riese: ABP
man nicht vermeiden, man muss es managen.“ Er betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung einer breiten Streuung: ABP investiert weltweit und in alle Assetklassen. Bei allen ist zu beachten, wie sie sich in bestimmten Marktphasen verhalten. Das setzt ein hohes Maß an Wissen und Erfahrung voraus. Das Portfolio ist so zu strukturieren, dass Risiken sich nicht kumulieren, sondern gegenseitig ausgleichen. Commodities zum Beispiel sind nicht der Rendite wegen im ABP-Portfolio, sondern wegen ihrer negativen Korrelation zu den meisten anderen Anlageklassen.
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Langfristig agieren
Als Pensionsfonds kann es sich ABP leisten, langfristig zu agieren und eine einmal festgelegte Anlagephilosophie auf Dauer durchzuhalten. „Man muss seine Ziele definieren, seine Philosophie festlegen, das richtige Risiko-Ertrags-Profil finden und dann dabei bleiben, egal was kommt“, erklärt der CIO. Damit lassen sich auch schwache Marktphasen besser überstehen. In der Crashphase ab 2000 hätten viele Investoren billig verkauft, was sie vorher teuer gekauft hatten, entweder, weil sie die Nerven verloren haben, oder weil Vorschriften sie dazu zwangen. Mit dem eigenen Regulierer ist Munsters in dieser Hinsicht sehr zufrieden: „Wir hatten nach dem Crash mehrere Jahre Zeit, die vorgeschriebene Cover Ratio wieder zu erreichen und sind nicht gezwungen worden, massiv in risikoärmere Anlagen umzuschichten. Diese Konstanz hat sich gelohnt.“ Die Zahlen geben den Niederländern und ihrer Investmentstrategie Recht. Der Ertrag (Return on Investment) lag im Jahr 2006 bei 9,5 Prozent, anderthalb Prozentpunkte davon sind das Resultat der aktiven Anlagepolitik. Den Löwenanteil zum Erfolg trugen die Aktienanlagen bei, die 13,5 Prozent an Wert gewannen, während der Fixed-Income-Bereich nur ein geringes Plus verzeichnete. Ein Verlustgeschäft waren vor allem die Anlagen in Commodities mit einem Minus von 18,5 Prozent. Am besten liefen die illiquiden Anlagen wie Private Equity und Immobilien, die je nach Anlageklasse zwischen knapp 30 und über 40 Prozent zulegten. Dass dies nicht nur der Erfolg eines guten Anlagejahres ist, beweist die längerfristige Betrachtung. Der ABP-Ertrag liegt im Durchschnitt der letzten drei Jahre bei 11,2 Prozent, seit 1993 bei jährlich 8,2 Prozent. Die kumulierte Betrachtung zeigt, dass sich das Kapital des Pensionsfonds – trotz des Marktcrashs zwischen 2000 und 2002 – seit 1993 mehr als verdreifacht hat. Real – nach Abzug der Inflation – bleibt mehr als eine Verdoppelung.
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Abbildung 2:
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Kapital des Pensionsfonds ABP in der Entwicklung von 1992 bis 2006
Offen für Neues
Alle drei Jahre erfolgt eine Anpassung der Asset Allocation an neue Marktgegebenheiten in Form eines strategischen Investment-Plans. Der Plan für 2007 bis 2009 sieht unter anderem vor, stärker in weniger liquide Anlageformen zu investieren. Dazu gehören Private Equity und Hedgefonds – oder auch Infrastrukturinvestments, die ABP als eigene Assetklasse definiert. Munsters sieht auf diesen illiquiden Märkten hohe Potenziale, aber er nennt auch die Anforderungen: „Wenn man hier mitspielen will, muss man einen langfristigen Horizont und eine gewisse Größe haben und die nötige fachliche Qualifikation mitbringen.“ Demgegenüber sollen die Aktien- und Bondsanteile am Portfolio leicht zurückgehen. Innerhalb des Aktienblocks sollte der Anteil europäischer und Emerging-MarketsWerte zu Lasten US-amerikanischer Papiere steigen, was im Vorgriff auf den neuen Investmentplan bereits im vierten Quartal 2006 geschehen ist. Im Fixed-Income-Bereich wird der Anteil von Staats- und Unternehmensanleihen zurückgehen – zugunsten langfristiger indexierter Zinsprodukte. Mit dem neuen Investmentplan hat ABP auch ein sogenanntes Innovation Committee eingerichtet, um neue und vielversprechende Investmentideen zu entwickeln. Für entsprechende Investments ist in den nächsten drei Jahren ein Budget von zwei Prozent der gesamten Investitionssumme – rund vier Milliarden Euro – vorgesehen. „Wir stel124
Der niederländische Riese: ABP
len damit sicher, dass wir neue Chancen nicht verpassen, bloß weil sie nicht in die herkömmlichen Kategorien passen“, erklärt Munsters. „Das kann zum Beispiel Agrarland sein oder Intellectual Property – oder Dinge, von denen wir heute noch gar keinen Begriff haben.“ Das Weiteren hat ABP sogenannte ESG(Ecological, Social, Governance)-Kriterien in den Investmentprozess eingeführt. Damit werden bei Anlageentscheidungen explizit auch nicht-finanzielle, nämlich ökologische, soziale und Governance-Kriterien berücksichtigt. Das Ziel ist nicht in erster Linie die Ächtung bestimmter Praktiken, sondern vor allem die Vermeidung von Risiken, die etwa durch schlechte Unternehmensführung entstehen. Munsters: „Es gibt einige wenige absolute No-go-Areas wie zum Beispiel Firmen, die Menschenrechte verletzen. In aller Regel aber werden wir, wenn wir Probleme feststellen, mit den betreffenden Unternehmen Kontakt aufnehmen und versuchen, Verbesserungen herbeizuführen. Als einer der größten Pensionsfonds der Welt haben wir das nötige Gewicht dazu.“
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Aktiv und global
80 Prozent seiner Assets verwaltet ABP selbst. Außerdem ist der Fonds ein starker Verfechter des aktiven Managements. Munsters: „Wir beweisen Jahr für Jahr, dass sich dieser Aufwand lohnt und dass wir Benchmarks outperformen können. Unser eigentliches Ziel ist es aber, in allen Marktphasen gute reale Erträge sicherzustellen, und das geht nicht, wenn man nur Indizes abbildet.“ Dafür leistet sich ABP ein Asset Management-Team von über 400 Leuten, die meisten davon in den Büros am Flughafen Schiphol bei Amsterdam, weitere in der ABP-Zentrale in Heerlen nahe der deutschen Grenze und in den eigenen Büros in New York und Hongkong. In den Finanzzentren der wichtigsten Anlageregionen vor Ort zu sein ist ABP wichtig. Als großer Bondsinvestor hat ABP in den letzten Jahren den Fokus von Staats- auf Unternehmensanleihen verlagert. Wichtig sind auch Immobilien- und Hedgefonds-Investments in den USA. „Ein amerikanisches Aktienportfolio von Holland aus zu steuern, wäre kein Problem“, sagt Munsters. „Aber bei diesen Assetklassen muss man unbedingt vor Ort sein, den Markt durch die amerikanische Brille sehen und die Leute, mit denen man Geschäfte macht, persönlich kennen.“ Das ABP-Büro in Hongkong dient ebenfalls der Marktnähe, doch die Herausforderungen sind andere. ABP sieht enorme Marktchancen sowohl in den entwickelten als auch in den aufstrebenden Märkten in Asien. Vor allem in letzteren lauern aber auch besondere Risiken, zum Beispiel durch nicht-konvertible Währungen, politische und rechtliche Risiken oder Korruption. Sehr international ist auch das Team in den Niederlanden. So arbeiten allein im Büro in Schiphol Mitarbeiter aus 13 Nationen. „Gerade wenn man aus einem kleinen Land kommt, darf man in Anlagedingen nicht zu heimatfixiert sein. Wir vermeiden jeden 125
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‚Home Country Bias‘ und sehen uns als wirklich weltweit agierenden Investor“, sagt Roderick Munsters. Neben der Organisation nach Assetklassen hat ABP auch eine Struktur nach „Skills“ eingeführt: So gibt es Expertenteams für einzelne geografische Märkte, ein Team für quantitative Modelle, ein Bottom-up- und ein Top-down- oder Macro-Team und eines mit Experten für das Outsourcing von Managementmandaten. Munsters: „Wir müssen sicherstellen, dass unser Wissen optimal genutzt wird. Es wäre Verschwendung, wenn sich jemand exzellent in Lateinamerika auskennt und dieses Wissen nur für Aktien und nicht auch für den Fixed-Income-Bereich nutzt.“ Die anspruchsvolle Arbeit erfordert erstklassige Mitarbeiter, die ABP in der ganzen Welt akquiriert. Doch was reizt die besten Manager an ABP? „Das Gehalt kommt sicher nicht an erster Stelle, denn obwohl wir nicht schlecht zahlen, sind unsere Gehälter auch nicht auf City-Niveau“, erklärt Munsters. „Es sind eher die Gestaltungsmöglichkeiten, die man bei ABP hat, dass man sich hier auf die eigentliche Arbeit konzentrieren kann und nicht so viel Marketing machen muss.“ Hinzu kommen sehr flexible Arbeitszeitmodelle, die ABP auch für junge Eltern attraktiv machen, und die internationale Atmosphäre. Auf die Bitte zusammenzufassen, was ABP vor anderen Pensionsfonds in der Welt auszeichnet, betont Roderick Munsters jedoch weder die breite Anlagekompetenz noch die vorbildliche Organisation, sondern den traditionellen Wert „Vertrauen“: „Ein holländisches Sprichwort lautet: ‚Vertrouwen komt te voet en vertrekt te paard‘. Sinngemäß heißt das, dass man Vertrauen schwer erwirbt und schnell wieder verliert. Wir glauben, dass es sich in unserem Geschäft lohnt, in gute Beziehungen zu investieren und sie zu pflegen – auch und gerade, wenn diese Tugend im globalen Geschäft zu verschwinden droht.“
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Bill & Melinda Gates Foundation – der konservative Gigant
Es gibt keine private Stiftung, die in den vergangenen Jahren mehr Aufsehen erregt hat als die von Bill Gates und seiner Frau Melinda. Das liegt zum einen daran, dass das Vermögen des reichsten Manns der Welt dahintersteht – das des Mitgründers des Softwareriesen Microsoft, William H. Gates III, genannt Bill. Die jüngste Liste der Superreichen, die jährlich vom Wirtschaftsmagazin „Forbes“ erstellt wird, beziffert das Gesamtvermögen des 51 Jahre alten Gates auf 56 Milliarden US-Dollar. Zum zweiten machte die Stiftung weltweit Schlagzeilen, weil der zweitreichste Mann der Welt, der legendäre amerikanische Investor Warren Buffett, versprochen hat, ihr in den kommenden Jahren einen Großteil seines Vermögens zu schenken. Das macht die „Bill & Melinda Gates Foundation“, die schon jetzt die größte private Stiftung der Welt ist, endgültig und auf lange Zeit zu einem einzigartigen Giganten der Philanthropie. „Forbes“ bezifferte das Vermögen des 76 Jahre alten Buffett auf 52 Milliarden US-Dollar. Die Gates-Stiftung wird davon nun knapp 31 Milliarden US-Dollar in Form von Aktien seiner Anlage- und Holdinggesellschaft Berkshire Hathaway erhalten. Damit wird sich das aktuelle Vermögen der Stiftung verdoppeln. Gates will bis zum Ende seines Lebens auch den größten Teil seines eigenen Vermögens in die Stiftung stecken. Aber die Stiftung macht nicht nur wegen dieser gigantischen Summen von sich reden. Das Ehepaar Gates hat auch große Pläne: Die Stiftung attackiert mit ihrem Geld die größten Plagen der Menschheit – Hunger, Armut und Krankheiten wie Aids oder Malaria. „Wir im reichen Teil der Welt haben die Chance, das Leben von Milliarden von Menschen rund um die Welt zu verbessern. Ich kann mir nichts anderes vorstellen, das unserer Zeit und Anstrengung mehr wert wäre“, sagt Gates. Das gemeinnützige Engagement hat das Image von Gates in der Öffentlichkeit dramatisch verändert. Gates war in seinen Anfängen eher als Tüftler bekannt, den Computerprogramme mehr interessierten als die Probleme Afrikas. Später, als Microsoft zum Weltkonzern aufgestiegen war, galt Gates nicht als Wohltäter, sondern als ruppiger Unternehmer, der Wettbewerber eiskalt an die Wand drückt. Die Vorbehalte gegen Gates waren so groß, dass auch sein karitatives Engagement zunächst auf Misstrauen stieß. Das unterscheidet Gates nicht von amerikanischen Industriellen wie Andrew Carnegie und John Rockefeller, in deren Fußstapfen er tritt. Auch der Stahlmagnat Carnegie und der Ölunternehmer Rockefeller waren im 19. Jahrhundert zunächst wegen ihrer rauD. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_10, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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hen Geschäftsmethoden verschrien gewesen. Sie galten als skrupellose Kapitalisten. Man nannte sie „Räuberbarone“. Mit zunehmendem Alter profilierten sich Carnegie und Rockefeller aber als Wohltäter. Carnegie schrieb 1889 in einem Aufsatz den Satz, der alle seine Nachfolger motivieren sollte. „Wer reich stirbt, stirbt in Schande“. Die von Carnegie und Rockefeller ins Leben gerufenen Stiftungen gibt es bis heute. Gates hat die meisten seiner Kritiker mittlerweile überzeugt. Dazu trug auch das hohe Profil bei, das die Stiftung im vergangenen Jahr erhielt. Erst wählte das amerikanische Nachrichtenmagazin „Time“ Bill und Melinda Gates zusammen mit dem Rocksänger Bono wegen ihres humanitären Engagements zu den „Menschen des Jahres“. Dann folgte Gates’ Ankündigung, sich ab 2008 von Microsoft zurückziehen und sich voll auf die Stiftung konzentrieren zu wollen. Noch ist Gates Vorsitzender des Verwaltungsrats sowie Chefentwickler für Software bei Microsoft. Nur Wochen nach dem avisierten Rückzug von Gates gab dann Buffett seine Spende bekannt. Das gestiegene Profil der Stiftung brachte auch die zuvor eher im Hintergrund agierende Melinda Gates stärker ins Rampenlicht. Das bedeutet aber nicht, dass es ihr vorher an Einfluss gefehlt hatte. Für die Tageszeitung „Wall Street Journal“ ist die als Melinda Ann French geborene Texanerin mittlerweile die mächtigste Frau der Welt. Die 42 Jahre alte ehemalige Microsoft-Managerin, die Hochschulabschlüsse in Computerund Wirtschaftswissenschaften besitzt, hatte ihren Mann 1987 auf einer Presseveranstaltung des Unternehmens in New York kennengelernt. Geheiratet haben die beiden 1994. Im gleichen Jahr gründete Bill Gates auch seine erste Stiftung. Die damalige „William H. Gates Foundation“ wurde von seinem Vater, William H. Gates Sr., geführt. Im Jahr 1999 entstand daraus dann die „Bill & Melinda Gates Foundation“. In den Neunzigerjahren wuchs auch die Freundschaft zwischen Gates und Buffett, die sich 1991 kennengelernt hatten. Die beiden spielen gemeinsam Bridge und schätzen den Rat des anderen in geschäftlichen und persönlichen Fragen. Gates übernahm nach dem Tod von Buffetts Frau vor zwei Jahren ihren Sitz im Verwaltungsrat von Berkshire Hathaway und besitzt auch Aktien dieser Gesellschaft. Buffett, der während der Hausse der Technologieaktien in den Neunzigerjahren für seine Aversion gegen Anlagen in dieser Branche bekannt war, macht wegen Bill Gates eine Ausnahme. Berkshire ist an Microsoft beteiligt. Nach den Worten von Gates hat ihm Buffett den Anstoß gegeben, über gesellschaftliches Engagement nachzudenken. Buffett hält es für keine gute Idee, Kindern große Reichtümer zu vererben und Gates, der selbst drei Kinder hat, ist der gleichen Meinung. Das über die Jahre gewachsene Vertrauen zwischen den beiden Männern ist offenbar einer der Gründe für die Spende von Buffett. „Wenn man sein Geld vermehren will, ist es normal, es einem Anlagemanager anzuvertrauen, der darin besser ist als andere. Für viele war ich das. Jetzt will ich, dass mein Geld ausgegeben wird und darum vertraue ich es jenen an, von denen ich glaube, dass sie es besser ausgeben können als ich“, sagte Buffett. Bill und Melinda Gates gelten als wegweisend im Stiftungswesen. Denn sie stellen nicht nur Geld zur Verfügung, sondern sind auch eng in die Projekte ihrer Organisa128
Bill & Melinda Gates Foundation – der konservative Gigant
tion eingebunden. Sie setzen strategische Ziele und verfolgen sie aufmerksam. Zudem legen sie sich nur auf einige wenige Schwerpunkte fest. Die Stiftung konzentriert sich auf drei Bereiche, denen sie Gelder zu Verfügung stellt. Es gibt ein globales Gesundheitsprogramm, ein Programm für die Vereinigten Staaten und ein globales Programm für Entwicklungshilfe. In das globale Gesundheitsprogramm floß mit bisher 7,8 Milliarden US-Dollar das meiste Geld. Der Bereich hat sich den Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids, Malaria sowie gegen Tuberkulose und andere ansteckende Krankheiten auf die Fahnen geschrieben. Zudem investiert der Bereich in reproduktive Gesundheit, also das Wohlbefinden im Hinblick auf die Fortpflanzung. Das Gesundheitsprogramm kümmert sich auch um die Eindämmung von Plagen, die angesichts der Dominanz des Themas Aids in Vergessenheit geraten waren. Dazu zählen tropische Krankheiten wie Lepra und Elephantasis. Der Kampf gegen Aids hatte bisher oberste Priorität. Mehr als zwei Milliarden US-Dollar sind seit Gründung der Stiftung in Aids-Projekte geflossen. Die Projekte beinhalten nicht nur den Aufbau von Präventionszentren, sondern auch die ambitionierte Suche nach einem Impfstoff. Das Programm für die Vereinigten Staaten hat seit der Gründung 4,6 Milliarden USDollar erhalten. Schwerpunkt ist die Verbesserung der Schulausbildung und die Unterstützung der öffentlichen Bibliotheken mit Technologie. Dazu unterstützt die Stiftung Wohlfahrtsprojekte im Nordwesten der Vereinigten Staaten. Das ist die Region, in der sowohl Microsoft als auch die Gates-Stiftung ihren Hauptsitz haben. Das globale Entwicklungshilfe-Programm hat in den vergangenen sechs Jahren 492 Millionen US-Dollar bekommen. Darunter fallen Landwirtschaftsprojekte, die Verbesserung von Finanzdienstleistungen, etwa durch die Vergabe von Krediten an Kleinstunternehmen, der Kampf gegen extreme Armut und verbesserter Zugang zur Technologie in Bibliotheken. Geführt wird die Stiftung wie ein Unternehmen. Das wird eine vertrauensbildende Maßnahme für Buffett gewesen sein, der zahlreiche Unternehmen für Berkshire gekauft hat und dem ein Gespür für die Auswahl guter Manager nachgesagt wird. Gates vergleicht die Führung einer Stiftung durchaus mit der Leitung eines erfolgreichen Konzerns. „Es nimmt einige der gleichen Fähigkeiten in Anspruch“, sagt Gates. An den Entscheidungshebeln der Gates-Stiftung sitzen daher ehemalige Manager. Als Vorstandschefin der Stiftung fungiert Patty Stonesifer, eine ehemalige Managerin von Microsoft. Die Aktienoptionen von Microsoft haben sie so wohlhabend gemacht, dass sie auf ein Gehalt verzichtet. Das Gesundheitsprogramm wird von Dr. Tadataka „Tachi“ Yamada geleitet. Yamada war zunächst Internist und danach Forschungschef beim Pharmakonzern GlaxoSmithKline, bevor er zur Gates-Stiftung wechselte. Ashok Alexander, der für die Stiftung in Indien ein Netzwerk von Aids-Präventionszentren knüpft, kam von der Unternehmensberatung McKinsey. Dort hatte er das Indien-Geschäft aufgebaut. 129
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Die Strukturen sind schlank – auch das eine Folge effizienter Führung. Selbst das höchste Aufsichtsgremium der Stiftung, das Board of Trustees, besteht nur aus Gates, seiner Frau und seinem Vater. Für die Gates-Stiftung arbeiten derzeit rund 350 Mitarbeiter. Die zweitgrößte Privatstiftung nach Gates, die Ford-Foundation, bewilligt nur rund ein Drittel soviel Mittel, beschäftigt aber fast doppelt soviel Personal. Bei der Gates-Stiftung werden zudem alle Projekte an Partnerorganisationen vergeben. Im Unternehmensjargon würde man von Outsourcing, der Ausgliederung von Betriebsfunktionen, reden. Aber auch die Mitarbeiterzahl der Gates-Stiftung wird in den kommenden Jahren wachsen. Den Vorgaben zufolge muss die Stiftung ab 2009 in einem Jahr das ganze im Vorjahr von Buffett gespendete Geld ausgeben. Damit werden sich die Zuwendungen auf drei Milliarden US-Dollar pro Jahr belaufen, rund doppelt soviel wie bisher. Bis dahin will die Stiftung das Personal verdoppeln und ein neues Hauptquartier in Seattle bauen. Zum Vergleich: Eine Summe von drei Milliarden US-Dollar übertrifft den Jahresetat der Weltgesundheitsorganisation. In der Welt der gemeinnützigen Stiftungen ist die Gates-Stiftung schon jetzt eine Ausnahmeerscheinung. Das Stiftungsvermögen belief sich Ende 2006 auf 33 Milliarden US-Dollar – inklusive der ersten Rate der Buffett-Spende vom August 2006. Die GatesFoundation besitzt damit fast dreimal soviel Geld wie die Ford-Stiftung, die Anlagen im Wert von zwölf Milliarden US-Dollar aufweist. Da die Stiftung professionell geführt wird, wird auch das Vermögen von Profis verwaltet. Mit der Aufgabe betraut ist ein von der Stiftung unabhängiges Investmentteam mit dem Namen BGI. Die Buchstaben stehen für „Bill Gates Investments“. Das gleiche Team verwaltet auch das persönliche Vermögen von Bill Gates. „Bill und die Stiftung sind die einzigen Kunden von BGI“, erläutert Stiftungs-Chefin Stonesifer. Geführt wird die Gruppe von Michael Larson, der – wie bei großen Portfolios üblich – externe Investmentmanager anheuert, um einzelne Teile des Vermögens zu verwalten. Der 46 Jahre alte und öffentlichkeitsscheue Larson ist als Sohn eines Ingenieurs im Bundesstaat North Dakota und New Mexico aufgewachsen. Als er 21 Jahre alt war, besaß er bereits ein Diplom in Volkswirtschaft vom Claremont McKenna College in Kalifornien und einen MBA-Abschluss von der Universität Chicago. Seine Karriere begann er zunächst beim Ölkonzern Arco in der Abteilung für Fusionen und Übernahmen. Danach wechselte er zur Fondsgesellschaft Putnam Investments in Boston. Dort spezialisierte er sich auf Fonds, die in festverzinsliche Wertpapiere investieren. Zwei Jahre später gründete er seine eigene Firma. Bevor er richtig in die Gänge kam, rief ihn jedoch ein Personalberater an, der im Auftrag von Bill Gates nach einem Anlageprofi suchte, um sein Vermögen zu verwalten. Das Ziel war, Gates’ Vermögen angesichts des starken Anteils von Microsoft-Aktien zu diversifizieren. Von seinem früheren Vermögensverwalter Andrew Evans hatte sich Gates getrennt, nachdem durch einen Zeitungsbericht bekannt wurde, dass Evans und seine Frau einst im Zusammenhang mit Bankbetrug verurteilt worden waren. Evans war ein alter Freund von Gates und er wollte ihm mit der Anstellung wohl helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Nach dem Erscheinen des Artikels war Evans aber nicht mehr zu halten. 130
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Gates hielt also nach einem vertrauenswürdigeren Vermögensverwalter Ausschau. „Da mein Hauptaugenmerk auf Microsoft liegt, suchte ich jemand, der selbstständig agieren konnte“, sagte Gates damals. „Ich suchte zudem jemanden mit einer konservativen Investmentphilosophie“. Der Personalberater machte seine Arbeit gründlicher als das FBI. Er rief alle 13 Referenzen an, die ihm Larson genannt hatte und gab schließlich grünes Licht für ein Treffen mit Gates. Offenbar hatte Larson noch nicht einmal einen ausstehenden Strafzettel wegen Falschparkens in seinem Lebenslauf. Gates und Larson verstanden sich auf Anhieb. Sie sprachen über Albuquerque, wo Larson als Jugendlicher gelebt hatte und wo Microsoft in seinen Anfängen den Hauptsitz hatte. Larson bekam den Job und gründete das Unternehmen Cascade als Vehikel für die Anlagen von Gates. Der Anlagemanager scheut die Öffentlichkeit. Das einzige von ihm in den Medien erschienene Porträt stammt aus dem Jahr 1999. Auf seinen Visitenkarten steht kein Unternehmensname und in Gesprächen mit Investoren an der Wall Street lässt er den Namen seines Chefs auch nur äußerst selten fallen. Das ist auch nicht notwendig, denn mittlerweile weiß an der Wall Street jeder, wer Larson ist und für wen er arbeitet. Gates und Larson haben häufigen Kontakt, aber Larson kann die Portfolios weitgehend nach eigenem Gutdünken verwalten. Larsons Anlagepolitik für das Stiftungsgeld ist ebenfalls überwiegend konservativ. „Unsere Anlagen sollen sicherstellen, dass die Stiftung eine stabile Finanzbasis hat, um Gelder bewilligen zu können und die Mission langfristig zu verfolgen“, gibt Vorstandschefin Stonesifer im jüngsten Jahresbericht die Marschrichtung vor. Um ihren steuerfreien Status zu erhalten, müssen Stiftungen im Laufe eines Jahres mindestens fünf Prozent der durchschnittlichen Vermögenssumme ausgeben. Im Jahr 2005 zahlte die Gates-Stiftung 1,6 Milliarden US-Dollar aus. Nach Ansicht von Bill und Melinda Gates muss das Stiftungsvermögen nicht aggressiv durch Anlagen wachsen, weil sie im Laufe der Zeit weiteres Geld aus ihrem Vermögen an die Stiftung spenden wollen. „Deswegen haben sie BGI angewiesen, das Vermögen ziemlich konservativ zu verwalten“, erläutert Stonesifer. Das Renditeziel: fünf Prozent im Jahr. Seit Gründung der Stiftung im Jahr 1999 hat das Portfolio dieses Ziel mit einer durchschnittlichen Rendite von 8,53 Prozent allerdings übertroffen (Stand: Ende 2005). Der amerikanische Aktienindex S&P 500, in dem drei Viertel des amerikanischen Aktienmarktes repräsentiert sind, ist im gleichen Zeitraum wegen einer mehrjährigen Baissephase allerdings um weniger als zwei Prozent pro Jahr gestiegen. Ohnehin soll es die Gates-Foundation nicht bis in alle Ewigkeit geben. Ende des vergangenen Jahres kündigte die Stiftung an, dass das gesamte Vermögen 50 Jahre nach dem Tod des letzten Überlebenden der Gründer ausgegeben sein soll. Man wolle die Arbeit auf das einundzwanzigste Jahrhundert konzentrieren, hieß es. Bei näherer Betrachtung bestätigt sich die konservative Ausrichtung des Stiftungsfonds. Von den knapp 34 Milliarden US-Dollar, die im Jahresabschluss 2005 als Anla131
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gevolumen ausgewiesen waren, steckten 58,5 Prozent in festverzinslichen Papieren mit längerer Laufzeit. Dazu gehörten amerikanische Staatsanleihen, verbriefte Hypothekentitel, Unternehmensanleihen mit guter Bonität sowie internationale Staats- und Unternehmensanleihen. 13,5 Prozent waren in kurzfristige Anleihen investiert, die hauptsächlich auf amerikanische Staatstitel und Unternehmenspapiere mit guter Bonität entfielen. Der Anteil amerikanischer und internationaler Aktien betrug dagegen nur 28 Prozent. Die Gates-Stiftung investiert auch in Fonds von Beteiligungsgesellschaften (Private Equity), die in der Regel als renditestark gelten. Der Anteil von Private Equity am Gesamtvermögen macht jedoch weniger als drei Prozent aus. Um die Rendite zu steigern, leihen Larson und sein Team 12,8 Prozent der Wertpapiere im Portfolio gegen eine Gebühr aus. Genaue Angaben über aktuelle Anlagestrategien und die einzelnen Papiere im Portfolio macht BGI nicht. Einige der großen Aktienpositionen der Stiftung werden nach einer gewissen Zeit aber durch Pflichtmitteilungen bei der amerikanischen Börsenaufsicht SEC sowie durch die Steuererklärung öffentlich. Die Stiftung meldete zum Ende des Jahres 2006 insgesamt 44 größere Aktienpositionen an die SEC. Neun der Aktien sind Komponenten des insgesamt 30 Standardwerte umfassenden amerikanischen Marktbarometers Dow Jones Industrial Average. Das sind keine Risikoengagements, sondern solide, auf langfristige Gewinnsteigerung zielende Aktienanlagen. Zu den Dow-Werten im Stiftungsportfolio gehörten der Baugerätehersteller Caterpillar, der Getränkeproduzent Coca-Cola und der Unterhaltungskonzern Walt Disney. Der weltgrößte Ölproduzent Exxon Mobil, die Baumarktkette Home Depot und die Pharmakonzerne Johnson & Johnson, Merck & Co. sowie Pfizer standen ebenfalls auf der Liste. Die neunte Dow-Aktie war der weltgrößte Einzelhändler Wal-Mart Stores. Larson investiert für die Stiftung auch in internationale Aktien wie den mexikanischen Fernsehsender Grupo Televisa, den kanadischen Eisenbahnbetreiber Canadian National Railway sowie den britischen Ölkonzern British Petroleum. Die Stiftung besaß zudem Aktien des deutsch-amerikanischen Autoherstellers Daimler-Chrysler. Die größte Position bestand aber aus Aktien von Buffetts Berkshire Hathaway, deren Wert sich auf 1,83 Milliarden US-Dollar belief. Das reflektierte den Anstieg des Aktienkurses nach der Überschreibung. Im August davor waren die Titel nur 1,6 Milliarden US-Dollar wert gewesen. Die Anlagepolitik einer derart großen Stiftung stößt an der Wall Street verständlicherweise auf starkes Interesse. Als die Stiftung im vergangenen Jahr damit begann, wegen der Flaute in der Immobilienbranche unter Druck geratene Hausbaukonzerne zu kaufen, galt das als Signal für einen Aufschwung der Branche. Auch bei Kritikern stieß die Aktienauswahl auf Interesse, weil manche Aktien nach deren Ansicht dem gemeinnützigen Anspruch der Stiftung widersprechen. In einer Serie von Artikeln hat die Zeitung „Los Angeles Times“ die Investitionen der Gates-Stiftung 132
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in Unternehmen angeprangert, die die Standards sozialer Verantwortung nicht erfüllen. Der Artikel nannte Aktiengesellschaften im Gates-Portfolio, die die Umwelt zerstören, Angestellte diskriminieren oder Rechte von Arbeitnehmern verletzen. Das Beispiel Nigeria: Die Gates-Stiftung betreibt im ölreichen afrikanischen Staat ein Impfprogramm gegen Kinderlähmung und Masern. Gleichzeitig besitzt die Stiftung aber Anteile am italienischen Ölkonzern Eni, der, wie viele Ölkonzerne dort, überschüssiges Gas in einer riesigen Flamme abfackelt. Auf diese Weise regnen 250 giftige Substanzen auf Mensch und Umwelt. Für Kinder, denen Gates zwar mit den Impfungen hilft, seien Asthma und unscharfes Sehvermögen die Konsequenz. Ein lokaler Arzt sprach von einer Epidemie. Zudem schwächen die giftigen Substanzen die Abwehrkräfte der Kinder, was sie wiederum anfälliger für Kinderlähmung und Masern mache. Viele der giftigen Chemikalien werden mit Atemwegserkrankungen und Krebs in Verbindung gebracht. Die Unternehmen dementieren, dass das Abfackeln der Flammen Krankheiten verursacht. Die Stiftung hatte oder hat dreistellige Millionenbeträge in Ölgiganten wie Eni, die britsche Royal Dutch Shell, die amerikanischen Chevron und Exxon Mobil oder die französische Total investiert – Unternehmen, deren Flammen die Ölregionen von Nigeria so stark verseuchen, wie es „in Amerika oder Europa niemals geduldet würde“, hieß es in dem Bericht. Die Arbeiter der Ölfirmen und die Soldaten, die sie beschützen, seien zudem ein Magnet für Prostitution. Das trägt zur Verbreitung von Aids und erhöhten Schwangerschaften von Teenagern bei, beides Dinge, die die Gates-Foundation verhindern will. Eine weiterer Vorwurf: Obwohl sie Milliarden für den Kampf gegen Aids ausgegeben hat, verdient die Stiftung ein Vermögen mit Aktien von Pharmakonzernen, die ihre Medikamente gegen Aids so teuer verkaufen, dass sie für Patienten in Entwicklungsländern unerschwinglich sind. Für eine Stiftung, die sich soziale Verantwortung auf die Fahnen geschrieben hat, ist das ein heikles Thema. Die Gates-Foundation steht nicht allein am Pranger. Paul Hawken, der Direktor der auf Fragen ethischer Geldanlage spezialisierten Analysegesellschaft Natural Capital Institute, bezeichnete diese Anlagepolitik als das „schmutzige Geheimnis“ vieler gemeinnütziger Stiftungen. Die Gates-Stiftung lässt sich nicht auf diese Debatte ein. Sie hat eine strikte Trennung zwischen der programmatischen Arbeit und der Vermögensverwaltung vereinbart. BGI ist nicht an Entscheidungen über Zuwendungen beteiligt und die Mitarbeiter der Programmabteilung halten sich aus den Anlageentscheidungen heraus. Um diese Trennung zu zementieren, wurde das Stiftungsvermögen in eine separate Organisation ausgelagert, den „Bill & Melinda Gates Foundation Trust“. Bill und Melinda Gates, die die Aufsicht über den Stiftungsfonds führen, haben sich dafür entschieden, die Bewertung von Unternehmen auf Basis von Faktoren wie Umweltschutz oder ethischem Verhalten außen vor zu lassen. Es gebe Dutzende komplexer Faktoren, die bei einer solchen Rangliste erwogen werden könnten, die aber fast alle nicht in die Expertise der Stiftung fallen, hieß es in einer Antwort auf die Vorwürfe. 133
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Selbst die Bewertung von Unternehmen wie dem Autohersteller Ford Motor, dem Nahrungsmittelhersteller Kraft oder dem Mischkonzern General Electric, die im Artikel der Los Angeles Times genannt wurden, sei umstritten. „Die machen eine Menge Arbeit, die manche Leute mögen und Arbeit, die einige Leute nicht mögen“, sagt die Nummer zwei der Gates-Stiftung, Cheryl Scott. Es gebe viel Platz für Irrtümer und Konfusion bei derartigen Urteilen. Der Verkauf von Aktien kritisierter Unternehmen hätte zudem keinen Effekt, der im rechten Verhältnis zum Aufwand stünde, den die Stiftung für eine Prüfung der Unternehmen leisten müsse. Die Stiftung versteht sich zudem nicht als Aktionärsaktivist, sondern als passiver Investor. Als verantwortliche Aktionäre stimmen die Anlagemanager zwar bei Hauptversammlungen ab. Sie haben auch schon gegen die Empfehlung der Geschäftsführung gestimmt, wenn es den Prinzipien guter Unternehmensführung widersprochen hatte. Aber auf die Barrikaden werden die Verwalter des Stiftungsvermögens nicht gehen. Das Ehepaar Gates habe der Programmarbeit der Stiftung Priorität über die Bewertung der Unternehmen gegeben, weil das die größten Auswirkungen auf die meisten bedürftigen Leute habe. Zwei Gründe gibt es dennoch, bei denen das Ehepaar Gates eine Beteiligung an einem Unternehmen ablehnt. Nicht investiert wird, wenn das Geschäftsmodell eines Unternehmens auf einer Aktivität beruht, die sie „ungeheuerlich finden“. „Deswegen besitzt die Stiftung keine Aktien von Tabakherstellern“, heißt es bei der Gates-Foundation. Es sei allerdings unwahrscheinlich, dass diese Entscheidung die Aktivitäten dieser Unternehmen beeinflusst habe. Als zweiter Grund für die Entscheidung gegen eine Beteiligung wurde ein potenzieller Interessenkonflikt für das Ehepaar Gates genannt. Mit dem Geld und dem Vermögensverwalter Larson im Rücken, konzentrieren sich Bill und Melinda Gates also voll auf die Punkte, in denen sie die Welt verbessern wollen. „Über 90 Prozent der Gelder für gesundheitliche Forschung wird für die ausgegeben, die schon am gesündesten sind. Rund eine Milliarde US-Dollar wird jedes Jahr aufgewandt, um Haarausfall zu bekämpfen. Das ist zwar großartig für einige Leute, aber wenn wir Prioritäten setzen, sollte Haarausfall hinter Malaria rangieren“, regte sich Gates in einem Aufsatz auf. Sein Fazit: „Menschenliebe kann einschreiten, wenn Marktkräfte den Job nicht erledigen.“
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California Public Employees’ Retirement System (CalPERS) – die Aktivisten
In den Vereinigten Staaten gibt es eine Liste, auf der kein Unternehmen stehen will. Es ist die jährlich publizierte „Focus List“ des mächtigen kalifornischen Pensionsfonds CalPERS, eine Art schwarze Liste für Unternehmen mit unterdurchschnittlichen Leistungen. Die kritischen Blicke von CalPERS ziehen Unternehmen auf sich, wenn deren langfristige Aktienkursentwicklung mindestens 20 Prozent hinter der vergleichbarer Konzerne hinterherhinkt und sie ihre Aktionäre weitgehend ignorieren. In diesem Jahr standen deswegen elf Unternehmen am Pranger. Darunter waren so bekannte Adressen wie der große Pharmakonzern Eli Lilly, der größte amerikanische Versicherungsmakler Marsh & McLennan, der Softwarehersteller EMC und der Papierriese International Paper. „Das sind Aushängeschilder für schlechte Wertentwicklung und schlechte Unternehmensführung“, sagte Rob Feckner, der Präsident des Verwaltungsrats von CalPERS. Mit solchen Listen ist CalPERS in seinem Element. Der Pensionsfonds gilt als gefürchtetster Vertreter von Aktionärsinteressen in den Vereinigten Staaten. CalPERS steht für California Public Employees’ Retirement System und ist die Renten- und Krankenkasse für 1,5 Millionen pensionierte und berufstätige Mitarbeiter im öffentlichen Dienst von Kalifornien. Mit einem verwalteten Vermögen von 232,5 Milliarden USDollar (Stand: Ende Januar 2007) ist CalPERS der größte Fonds seiner Art. Die Stimme von CalPERS hat entsprechendes Gewicht und kann für Veränderungen sorgen. Die Vermögensverwaltung Wilshire Associates hat die Kursentwicklung von 113 Unternehmen untersucht, die CalPERS zwischen 1987 und 2003 wegen mangelhafter Unternehmensführung auf seiner Focus-Liste angegriffen hatte. In den fünf Jahren, bevor CalPERS sie öffentlich zur Schau stellte, hatte deren Aktienkursentwicklung um durchschnittlich 97,7 Prozent unter dem breiten Marktindex S&P 500 gelegen. In den fünf Jahren nach der Intervention von CalPERS haben sich die Kurse dagegen um 8,1 Prozent besser entwickelt. Man spricht dabei vom „CalPERS-Effekt“. Fachleute für Corporate Governance halten diese Entwicklung nicht für eine Überraschung. „Das sind die Aktivisten unter den Investoren. Aktivismus führt zu besseren Ergebnissen“, sagt Charles Elson, der Direktor des Weinberg Center for Corporate Governance an der Universität Delaware über CalPERS.
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_11, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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CalPERS hat ein großes Eigeninteresse an guter Kursentwicklung von Aktiengesellschaften, denn Aktien dominieren die Anlagen des Fonds. Insgesamt bestehen fast zwei Drittel des Portfolios von CalPERS aus Aktien. Der starke Aktienschwerpunkt ist eine relativ neue Entwicklung bei dem schon 1932 gegründeten Giganten. Zunächst durfte der Fonds gar nicht in Aktien investieren, was unter dem frischen Eindruck des Börsenkrachs von 1929 verständlich war. Erst Ende der Sechzigerjahre ratifizierte der damalige kalifornische Gouverneur Ronald Reagan ein Gesetz, das es dem Pensionsfonds erlaubte, Aktien zu erwerben. Mitte der Achtzigerjahre, als Ronald Reagan bereits Präsident der Vereinigten Staaten war, votierten die kalifornischen Wähler dann für einen Antrag, der es dem Pensionssystem erlaubte, erstmals mehr als 25 Prozent des Portfolios in Aktien anzulegen. Parallel dazu initiierte der Fonds ein Programm, das für hohe Standards der Unternehmensführung sorgen sollte. Seither ist der Fonds einer der einflussreichsten Verfechter dieser Standards geworden. So kämpft CalPERS gegen die überhöhte Bezahlung von Managern und tritt für stärkere Unabhängigkeit der Verwaltungsräte von Unternehmen ein. Verwaltungsräte sind Kontrollgremien, die den deutschen Aufsichtsräten vergleichbar sind. In jüngster Zeit kritisierte CalPERS zudem fragwürdige Methoden bei der Vergabe von Aktienoptionen. Zahlreiche Unternehmen hatten nachträglich den Termin für die Ausgabe von Optionen an Manager verändert, um deren Gewinn bei der Ausübung zu steigern. Die Börsenaufsicht SEC ermittelt deswegen in über hundert Fällen. CalPERS schreckt auch nicht vor juristischen Schritten zurück und hat die große Krankenversicherung United Health in Zusammenhang mit dem Optionsskandal verklagt. Verantwortung für die Anlagepolitik von CalPERS tragen die 13 Personen in dessen Verwaltungsrat, dem „Board of Administration“. Vier Mitglieder des Verwaltungsrats haben Kraft ihres Amtes Sitz und Stimme in diesem Gremium. Dazu gehört zum Beispiel der jeweilige Schatzmeister des Bundesstaates Kalifornien. Zwei weitere Mitglieder werden vom Gouverneur und eines vom kalifornischen Senat ernannt. Die restlichen sechs werden von den Mitgliedern des Pensionsplans gewählt. Entschieden wird über die Anlagepolitik auf regelmäßigen Treffen des Anlageausschusses des CalPERS-Verwaltungsrats. Der Anlageausschuss berät den Verwaltungsrat gemeinsam mit der Geschäftsführung von CalPERS sowie den gut 180 Mitarbeitern der Anlageabteilung (Investment Office), die die täglichen Geschäfte führen. CalPERS ist auch für politisch motivierte Anlageentscheidungen bekannt. So entschied sich der Fonds gemeinsam mit anderen Pensionskassen in Kalifornien Ende der Achtzigerjahre für den Verkauf der Aktien von Unternehmen, die trotz des Apartheid-Regimes in Südafrika Geschäfte machten. Der Bundesstaat Kalifornien setzt seine Pensionsfonds ebenfalls ein, um politischen Druck auszuüben. Seit Anfang 2007 dürfen kalifornische Pensionskassen keine Anteile an Unternehmen halten, die im Sudan aktiv sind. Das amerikanische Außenministerium wirft der Regierung des Sudan Genozid vor. CalPERS hat deswegen 27 Unternehmen im Portfolio identifiziert, deren Aktien verkauft werden, wenn sie weiter Geschäfte mit dem Sudan machen. 136
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Aktuell erwägt Kalifornien ein Gesetz, das Aktiengesellschaften, die Geschäftsbeziehungen in den Iran unterhalten, aus den staatlichen Pensionsfonds verbannen könnte. Der Iran gilt laut Außenministerium als Unterstützer terroristischer Aktivitäten. Amerikanischen Unternehmen ist der Handel mit dem Iran deswegen ohnehin schon untersagt. Ein solches Gesetz würde daher ausländische Unternehmen treffen, in die CalPERS investiert ist. Auch Umweltschutz steht auf der Agenda von CalPERS. Der Fonds stellte 800 Millionen US-Dollar bereit, um speziell in grüne Technologien in aufstrebenden Ländern in Osteuropa, Lateinamerika und Asien zu investieren. Als kalifornischer Pensionsfonds unterstützt CalPERS zudem lokale Unternehmen und Gemeinden. Rund elf Prozent des Portfolios sind in kalifornische Aktiengesellschaften, Anleihen sowie Immobilien investiert. CalPERS hilft in Kalifornien dabei, erschwingliche Privatwohnungen oder Geschäftsgebäude in vernachlässigten ländlichen oder städtischen Regionen zu bauen. CalPERS macht sich mit seinen Methoden verständlicherweise nicht immer Freunde. Während der Zeit der großen Bilanzskandale Anfang des Jahrzehnts besaß CalPERS eine einflussreiche Stimme für Reformen nach den Exzessen der großen Börsenhausse. Massive Bilanzfälschungen bei großen Konzernen wie dem Energiehändler Enron und der Telefongesellschaft Worldcom, in die CalPERS auch investiert war, hatten das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte erschüttert. CalPERS zog gemeinsam mit anderen Pensionskassen in Kalifornien als erster gegen Worldcom vor Gericht. Parallel dazu verabschiedete der Kongress 2002 das Sarbanes-Oxley-Reformgesetz, das unter anderem vorschreibt, dass der Vorstands- und Finanzchef eines Unternehmens persönlich für die Bilanz bürgen müssen. Die Börsenaufsicht SEC griff ebenfalls schärfer durch. Da die Verwaltungsräte der Skandalunternehmen keine gute Figur als Kontrolleure gemacht hatten, wurde die Unabhängigkeit der Verwaltungsräte, für die sich CalPERS stark machte, ein wichtiger Punkt bei der Debatte um die Verbesserung der Unternehmensführung. Nachdem sich die Wogen etwas gelegt hatten, schlugen die Unternehmen gegen die schärfer gewordenen Regularien zurück. Unternehmensvertreter warfen damals dem mittlerweile abgelösten SEC-Chef William Donaldson, der auf dem Höhepunkt der Bilanzskandale die Führung der Behörde übernommen hatte, „schießwütiges“ Verhalten vor. Sie sprachen von Hysterie und beschuldigten die gewerkschaftlich dominierten Pensionsfonds, dieses Klima mit anzuheizen. Vor diesem Hintergrund wurden die Hauptversammlungen des Jahres 2004 schlagzeilenträchtige Veranstaltungen und CalPERS mischte dabei stark mit. Die Kritik von CalPERS an der Geschäftsentwicklung des kalifornischen Unterhaltungskonzern Walt Disney trug mit dazu bei, dass dem damaligen Disney-Vorstandschef Michael Eisner bei der Wahl zum Verwaltungsratsvorsitzenden 43 Prozent der Stimmen verweigert wurden. Er gab den Posten danach auf. Die Abstimmung über die Verwaltungsräte bei Hauptversammlungen ist eine der wichtigsten Waffen im Arsenal der großen Pensionsfonds, da sie das Votum als Großaktionär beeinflussen können. 137
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CalPERS verweigerte damals wegen vermeintlicher Interessenkonflikte auch acht Verwaltungsratsmitgliedern des größten amerikanischen Finanzdienstleisters Citigroup, darunter dem damaligen Vorsitzenden Sanford Weill bei der Hauptversammlung die Stimme zur Wiederwahl. CalPERS machte Weill, dem Architekten der durch eine Reihe von Fusionen entstandenen Citigroup, für einen Skandal um geschönte Aktienempfehlungen an der Wall Street verantwortlich. Deswegen, so die Argumentation von CalPERS, wäre der Citigroup mit einer unabhängigeren Person besser gedient. Die Citigroup und andere Wall Street-Banken hatten Vorwürfe unlauterer Methoden bei der Aktienanalyse zuvor mit einem Milliardenvergleich beigelegt. Neben Weill nahm CalPERS gleich auch seinen Nachfolger als Vorstandschef der Citigroup, Charles Prince, unter Beschuss. CalPERS bemängelte, dass dessen Frau Partnerin bei einer Anwaltskanzlei ist, die im Auftrag der Citigroup arbeitet. Noch nicht mal vor dem legendären Investor Warren Buffett machte CalPERS halt, obwohl der ebenfalls als Verfechter guter Unternehmensführung gilt. CalPERS wollte Buffett mit der Hälfte der Verwaltungsräte beim Getränkehersteller Coca-Cola auswechseln. Die Kritik an Buffett machte sich daran fest, dass er als Verwaltungsrat eine Entscheidung mitgetragen hatte, die dem Wirtschaftsprüfer von Coca-Cola auch andere Dienstleistungen gestattete. Die Doppelrolle von Wirtschaftsprüfern ist Aktionärsaktivisten ein Dorn im Auge, weil das zu Interessenkonflikten führen kann. Zudem wurden Buffett Interessenkonflikte unterstellt, weil Tochterunternehmen seiner Holding-Gesellschaft Berkshire Hathaway mit Coca-Cola Geschäfte machen. CalPERS schien den Bogen überspannt zu haben. Die Verwaltungsräte der Citigroup und von Coca-Cola wurden schließlich mit großer Mehrheit bestätigt. Selbst langjährige Mitstreiter von CalPERS begannen, die radikale Haltung der Pensionskasse zu kritisieren. Der Pensionsfonds des Bundesstaates New Jersey unterstellte CalPERS im Fall von Weill sogar eine Hexenjagd. Ein ehemaliger Syndikus von CalPERS, Richard Koppes, warf dem Fonds vor, zu politisch zu agieren und der Bewegung für bessere Unternehmensführung zu schaden. Bei CalPERS gab es danach Veränderungen. Der Gewerkschaftsfunktionär Sean Harrigan, der Board-Präsident von CalPERS während dieser Periode, wurde nicht wieder in den Verwaltungsrat gewählt. Harrigan hatte selbst den Anschein von Interessenkonflikten erweckt, weil CalPERS sich bei einem Arbeitskampf bei der Supermarktkette Safeway auf die Seite der streikenden Mitarbeiter gestellt hatte. Harrigan hatte Safeway vor dem Hintergrund des Streiks als „schlechte Anlage“ bezeichnet und den Rücktritt des Safeway-Vorstandschefs verlangt. Die Streikenden gehörten der Gewerkschaft United Food and Commercial Workers (UFCW) an – und Harrigan war deren Vorsitzender in Kalifornien. Rob Feckner, Harrigans Nachfolger als Präsident des Verwaltungsrats, ist ebenfalls Gewerkschaftsfunktionär. Er ist Präsident der Gewerkschaft für die Arbeiter an kalifornischen Schulen und bekleidet auch einen hochrangigen Posten im kalifornischen Gewerkschaftsbund California Labor Federation. Die generell starke Präsenz von Gewerkschaftern bei Pensionsfonds hängt damit zusammen, dass die Fonds Renten von 138
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oft gewerkschaftlich organisierten Berufsgruppen verwalten, seien es Lehrer oder die Angestellten im öffentlichen Dienst. Unter Feckner hat sich die Lage allerdings wieder etwas beruhigt. Öffentliche Schlagabtäusche bei Hauptversammlungen hat CalPERS weitgehend vermieden. „Wir waren nicht mehr draußen in der Öffentlichkeit, haben weder Pressekonferenzen gegeben noch sind wir im Land herumgereist“, sagte Feckner ein halbes Jahr, nachdem er Harrigan abgelöst hatte. „Aber wir waren fokussiert, haben die Größe des Fonds gesteigert und machen weiter die Dinge, die wir für richtig halten.“ Der Stil hat sich geändert, nicht aber die Politik. Die Anlage des Geldes spielt eine zentrale Rolle für den Fonds. Im Jahr 2006 trug das Anlageeinkommen des Fonds mit fast 21 Milliarden US-Dollar den Löwenanteil zu den Gesamteinkünften der Pensionskasse bei. Die Beitragszahlungen der Mitglieder beliefen sich auf rund drei Milliarden US-Dollar und die der Arbeitgeber auf rund sechs Milliarden US-Dollar. Auch für die Steuerzahler von Kalifornien hat das Konsequenzen. Kann CalPERS die Rentenzahlungen nicht aus Einzahlungen und Fondsrenditen erwirtschaften, muss der Bundesstaat für die Differenz aufkommen. Das Ziel bei der Aufteilung der Anlagen von CalPERS ist die Maximierung der Rendite bei einem „bedachten“ Risikoniveau. Der Fonds beschreibt das als einen sich immer wandelnden Balanceakt zwischen den Marktschwankungen und den langfristigen Zielen. Innerhalb dieser vagen Vorgaben ist das Portfolio in mehrere Anlageklassen diversifiziert. Damit sollen langfristig eventuelle Schwächen in einem Bereich von Gewinnen in einem anderen Segment ausgeglichen werden. Der Verwaltungsrat segnet vom Anlageausschuss empfohlene Zielgrößen für den Prozentsatz der Anlagen ab, die in die jeweiligen Anlageklassen investiert werden sollen. Diese Ziele werden typischerweise über einen Zeitraum von mehreren Jahren umgesetzt, wenn rückläufige Märkte Chancen bieten. Derzeit sind 63,1 Prozent des CalPERS-Portfolios in börsennotierten Aktien angelegt (Stand: Ende Januar 2007). Davon entfallen 40,3 Prozent auf amerikanische und 22,8 Prozent auf internationale Aktien. Damit liegt der Fonds etwas über seiner Zielgröße von 60 Prozent, was auf die stark gestiegenen Kurse im vergangenen Jahr zurückzuführen ist. Die Aktien werden in einer Kombination aus aktiven und passiven Strategien gemanagt. Unter aktivem Management versteht man die Auswahl und den Kauf oder Verkauf bestimmter Aktien, um eine möglichst gute Wertentwicklung zu erzielen. Passive Strategien setzen dagegen auf Fonds oder eine Aktienauswahl, die sich an Marktindizes orientieren. Bei amerikanischen Aktien werden rund drei Viertel des Portfolios passiv gemanagt. Bei internationalen Titeln ist es knapp über die Hälfte. Etwa die Hälfte des Aktienportfolios gibt CalPERS an externe Fondsmanager ab, die einen Bereich im Auftrag des Pensionsfonds verwalten. 139
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Der Anteil der festverzinslichen Papiere am CalPERS-Portfolio liegt aktuell mit 22,8 Prozent etwas unter der Zielgröße von 26 Prozent. Drei Prozent entfallen dabei auf internationale Rentenpapiere. In Baranlagen, also sehr kurzfristigen Rentenpapieren, hat CalPERS rund 0,7 Prozent angelegt. In Immobilien hat CalPERS 7,9 Prozent investiert und liegt damit knapp im Plan. CalPERS unterscheidet bei Immobilienanlagen in einen Kernbereich und Spezialgebiete. Zu den Kerninvestitionen gehören Wohnungen, Industriegebäude, Bürohäuser und Gebäude für den Einzelhandel. Zu den Spezialanlagen gehören internationale Anlagen, Einfamilienhäuser, Altersheime sowie Nutzholz und Landwirtschaftsflächen. Auf alternative Anlagen, also Investitionen in außerbörsliche Unternehmensbeteiligungen (Private Equity) oder Hedgefonds entfallen 5,6 Prozent. CalPERS war einer der ersten amerikanischen Pensionsfonds, die Gelder in Hedgefonds anlegten. Diese Anlagevehikel für reiche Privatanleger und Institutionen wie Versicherungen oder Stiftungsvermögen von Universitäten versprechen positive Renditen unabhängig von der Entwicklung des Aktienmarktes. Tritt das ein, können große Fonds damit ihre Risiken minimieren. Hedgefonds sind allerdings auch wegen ihrer hohen Gebühren in die Kritik geraten. CalPERS hat derzeit zwei Prozent seiner Anlagen in Hedgefonds investiert. Dieser Anteil soll nach den Worten von Russell Read, dem Chef-Anleger (Chief Investment Officer) von CalPERS, in den kommenden drei Jahren auf drei Prozent angehoben werden. Read hat nichts gegen hohe Gebühren von Hedgefonds, solange die Rendite und das Risikoprofil stimmen. Viele Hedgefonds verlangen aber hohe Gebühren, selbst wenn sie nicht mehr Gewinn erzielen als Fonds, die einen Aktienindex abbilden. Im Jahr 2006 erwirtschafteten Hedgefonds im Durchschnitt nur eine Rendite von durchschnittlich 13 Prozent. Damit haben sie sich schlechter entwickelt als der S&P 500. „Wir hassen es, eine Gebühr für etwas zu zahlen, das wir sehr billig bekommen können“, sagte Read. CalPERS zahlte im Jahr 2006 rund 500 Millionen US-Dollar Gebühren für externes Portfoliomanagement. Sollte der Pensionsfonds eine klare Position bei Hedgefondsgebühren beziehen, könnte das ernsthafte Auswirkungen auf die Hedgefondsbranche haben. Gebühren schlagen sich in Rekordvergütungen für die Manager von Hedgefonds nieder. Nach Schätzungen des Branchenmagazins Alpha haben die bestbezahlten amerikanischen Hedgefondsmanager im Jahr 2005 im Durchschnitt 363 Millionen US-Dollar verdient. Bis jetzt hält sich CalPERS aber zurück und warnt, dass eine radikale Änderung der Gebührenstruktur auch gefährlich sein könnte. Der Pensionsfonds fürchtet, dass die besten Hedgefondsmanager sich andere Investoren suchen würden, wenn CalPERS an der Gebührenstruktur rütteln würde. In der Regel verlangen Hedgefonds eine Grundgebühr von zwei Prozent auf das verwaltete Vermögen sowie 20 Prozent Beteiligung am Gewinn. Viele institutionelle Investoren wie CalPERS investieren in Hedgefonds zudem über sogenannte Dachfonds (Fund of Funds), die in mehrere Hedgefonds investieren und so das Risiko nochmals streuen. Diese Fonds erhöhen die zugrunde liegenden Gebühren für Hedgefonds in der Regel um weitere 50 Prozent. 140
California Public Employees’ Retirement System (CalPERS)
Insgesamt zahlt sich die Anlagepolitik von CalPERS für die Pensionäre aus. Der Fonds hat 2006 zum vierten Jahr in Folge einen zweistelligen Gewinnzuwachs erzielt. Der Fonds wies eine Rendite von 15,4 Prozent aus – vor Gebühren für das Anlagemanagement. Damit entwickelte sich CalPERS besser als der Aktienindex S&P 500, der um 13,6 Prozent zugelegt hatte. CalPERS schlug damit auch die meisten anderen großen Pensionsfonds. Der Median der Renditen von Fonds, die über eine Milliarde US-Dollar verwalten, lag im vergangenen Jahr bei 14,3 Prozent. Das bedeutet, dass die Hälfte der Fonds eine bessere Rendite, und die andere Hälfte eine schlechtere Rendite erwirtschaftet hat. Insgesamt hat CalPERS in den vergangenen drei Jahren einen Gewinnzuwachs von durchschnittlich 13 Prozent erwirtschaftet. Für die vergangenen fünf Jahre wies CalPERS einen durchschnittlichen Gewinn von zehn Prozent und über zehn Jahre von 9,3 Prozent aus. Auch mit diesen Resultaten lag der Pensionsriese besser als der S&P 500. Der größte Gewinner im Portfolio von CalPERS waren im vergangenen Jahr die Anlagen in Immobilien. Dieser Bereich gewann 27,6 Prozent an Wert und lag damit deutlich über dem gewählten Vergleichsmaßstab des Fonds, der um 17,6 Prozent zugelegt hatte. Vor dem Hintergrund eines weltweit starken Börsenaufschwungs stiegen die Kurse der internationalen Aktien bei CalPERS um 25,2 Prozent. Amerikanische Aktien kletterten um 15 Prozent und die alternativen Anlagen stiegen um 20,9 Prozent. Schlusslicht waren festverzinsliche Papiere mit einem Plus von fünf Prozent. Die schiere Größe macht es für CalPERS allerdings schwieriger, Jahr um Jahr ähnlich gute Ergebnisse zu erzielen. „Der Druck ist immer da. Wir werden uns neue Dinge ansehen müssen“, sagte Verwaltungsratspräsident Feckner. CalPERS will daher in den kommenden Jahren den Anteil von Anlagen in Schwellenländern vervierfachen. Derzeit investiert CalPERS in diesen Regionen weniger als fünf Prozent. „Ich wäre nicht überrascht, wenn diese Zahl in den kommenden fünf bis zehn Jahren auf bis zu 20 Prozent steigen würde“, sagt Anlage-Chef Read. Der Anteil asiatischer Länder werde möglicherweise die Hälfte dieses Anteils einnehmen. „Es gibt enorme Chancen in Asien, aufgrund des starken Kapitalbedarfs in den aufstrebenden Märkten dort“, meint Read. CalPERS wolle die Chancen nutzen, die sich beim Vertrieb von Energie und Grundstoffen auftun. China brauche dafür im Laufe der kommenden 25 Jahre bis zu vier Billionen US-Dollar. Das öffne Chancen für Investoren in den Bereichen Immobilien, Private Equity und bei Anleihen. Investitionen in China hätten auch Implikationen für bestimmte afrikanische Länder, mit denen China historische Verbindungen habe. „China und Afrika haben eine lange gemeinsame Geschichte, die sich auf die Sicherung von Energiequellen und Grundstoffen konzentriert. China wird ein stabilisierender wirtschaftlicher Faktor für viele afrikanische Länder sein“, prognostizierte Read. CalPERS glaubt daher auch an zukünftige Chancen in Afrika. „Wir schätzen die langfristigen Aussichten vieler afrikanischer Volkswirtschaften positiver ein als seit Jahren“, sagt Read. Auf der aktuellen Prioritätenliste stehe aber Asien ganz oben.
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Norbert Kuls
Mit der Forcierung von Anlagen in Schwellenländern steht CalPERS vor neuen Herausforderungen. Denn CalPERS erstellt bisher jedes Jahr eine Liste von Schwellenländern, in denen der Fonds nicht investieren darf. In die Bewertung der Länder fließen zahlreiche Faktoren ein, die von Rechten für Arbeitnehmer bis zur Abwicklung von Wertpapiergeschäften reichen. Ohne diesen Schutz würde CalPERS nach Ansicht des Verwaltungsrats zu großen finanziellen Risiken ausgesetzt. Auf der schwarzen Liste der Länder, in denen CalPERS keine Aktien kaufen darf, standen im Jahr 2006 Ägypten, Kolumbien, Marokko, Pakistan, Russland, Sri Lanka, Venezuela – und China, also das Land, in dem Chefanleger Read die großen Chancen sieht. Vor diesem Hintergrund hat CalPERS eine etwas flexiblere Anlagepolitik bei Schwellenländern angenommen. CalPERS darf demnach in Unternehmen aus Schwellenländern investieren, wenn sie ausgezeichnetes soziales und wirtschaftliches Verhalten nachweisen können – selbst wenn ihre Heimatländer den geforderten Standards nicht entsprechen. Die externen Fondsmanager für Schwellenländer müssen diese Investitionen dokumentieren und sicherstellen, dass die Unternehmen internationale Standards für Arbeits- und Aktienrecht einhalten. CalPERS hatte im Jahr 2006 aufgrund seiner restriktiven Anlagepolitik in diesem Segment einige Chancen verpasst. Die Schwellenländeranlagen von CalPERS warfen im vergangenen Jahr 27,4 Prozent Rendite ab. Ein Vergleichsindex aller Schwellenländer, der Standard FTSE All Emerging Markets Index rentierte dagegen mit 33,1 Prozent. Kürzlich reservierte CalPERS 500 Millionen US-Dollar für ein neues Corporate Governance Anlageprogramm für Schwellenländer. Chefanleger Read, der von der amerikanischen Vermögensverwaltungssparte der Deutschen Bank kam, teilte dem CalPERSVerwaltungsrat mit, dass die schwarze Liste der Schwellenländer bei diesen Anlagen nicht mehr relevant sei, weil der Governance-Fonds die Aktiengesellschaften ohnehin zur Verbesserung ihrer Unternehmensführung drängt. CalPERS prüft derzeit allgemein, ob die Liste der Schwellenländer noch zeitgemäß ist. „Wir fordern diese Unternehmen und Länder lieber zur Veränderung und Verbesserung auf, anstatt ihnen auszuweichen“, sagte Charles Valdes, der Vorsitzende des Anlageausschusses. Typisch CalPERS eben.
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Ulrich Stockheim
Förderer der Wissenschaften in Deutschland: die VolkswagenStiftung
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Ziele und Förderprofil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
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Anlagepolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_12, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Förderer der Wissenschaften in Deutschland: die VolkswagenStiftung
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Ziele und Förderprofil
Die VolkswagenStiftung nimmt in der deutschen Wissenschaftslandschaft eine herausragende Stellung ein. Ihr Stiftungsziel, die Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre, verfolgt sie mit der Ausschüttung von 100 bis 110 Millionen Euro jährlich. Gemessen an der Ausschüttungssumme ist die VolkswagenStiftung die größte unter den privaten wissenschaftsfördernden Stiftungen in Deutschland, klar vor der Robert Bosch Stiftung und der Landesstiftung Baden-Württemberg. Mit ihrem Vermögen von 2,4 Milliarden Euro rangiert sie auf Platz drei hinter den beiden genannten Institutionen, vor allem der Robert Bosch Stiftung, die mit fünf Milliarden Euro über ein weitaus größeres Stiftungskapital verfügt. Der Vergleich anhand der Kapitalsumme sagt allerdings wenig über die Gestaltungsmöglichkeiten aus. Unternehmensverbundene Stiftungen wie die Robert Bosch Stiftung halten oftmals nur mittelbar den überwiegenden Teil der Anteile an einem Unternehmen und sind in ihren Entscheidungen über das Ausschüttungsvolumen nicht frei von deren Einfluss. Anders als ihr Name vermuten lässt, ist die VolkswagenStiftung keine Unternehmensstiftung. Generalsekretär Dr. Wilhelm Krull: „Als privatrechtliche Stiftung mit eigenem Vermögen sind wir sehr unabhängig in unseren Entscheidungen und können unsere Ziele frei vom Einfluss Dritter konsequent verfolgen.“ Die Beziehung zur Volkswagen AG ist vor allem historischer Natur. So war nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit unklar, wer Eigentümer der damaligen Volkswagenwerk GmbH war. Nicht nur die Bundesrepublik Deutschland und das Land Niedersachsen, sondern auch die Gewerkschaften meldeten Ansprüche an. Außerdem viele Tausend „VW-Sparer“, die in den Dreißigerjahren die Errichtung des Volkswagenwerks jeweils mit tausend Reichsmark unterstützt hatten – sie hatten damit den Anspruch auf einen VW „Käfer“ erworben, der nie eingelöst wurde, weil das VW-Werk bald auf Kriegsproduktion umgestellt wurde. Lange Zeit schien dieser Konflikt unauflöslich, bis Ende der Fünfzigerjahre mehrere Faktoren die Wende brachten und 1961 zur Gründung der VolkswagenStiftung mit Sitz in Hannover führten. Zum einen hatte der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard große Sympathie für „Volksaktien“ und propagierte die weitgehende Privatisierung von VW mit Beteiligung möglichst weiter Bevölkerungskreise. Bund und Länder behielten jeweils 20 Prozent der VW-Anteile, der Privatisierungserlös der übrigen 60 Prozent bildete das Startkapital der VolkswagenStiftung von rund einer Milliarde DM. Außerdem erhielt die Stiftung Anspruch auf die Dividenden aus den VW-Beteiligungen des Bundes und des Landes Niedersachsen. Die Dividenden aus dem Anteil Niedersachsens plus zehn Prozent der ordentlichen Erträge aus der Vermögensbewirtschaftung bilden auch heute noch das „Niedersächsische Vorab“, das satzungsgemäß für Projekte in Niedersachsen zu verwenden ist. Die Festlegung des Stiftungszwecks „Förderung von Wissenschaft und Technik in Forschung und Lehre“ erklärt sich aus dem damals wie heute starken Bewusstsein für deren Bedeutung im internationalen Wettbewerb. Der „Sputnik-Schock“ hatte einen 145
Ulrich Stockheim
Abbildung 1:
Deutsche Stiftungen nach Fördersummen 2005
Quelle: VolkswagenStiftung
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Förderer der Wissenschaften in Deutschland: die VolkswagenStiftung
Wettlauf zwischen den politischen Systemen um die technologische Vorherrschaft in der Welt eingeläutet. Auch Deutschland beteiligte sich. Krull: „Ende der Fünfzigerjahre stellte der Wissenschaftsrat in einem Gutachten fest, dass man Universitäten und Forschungseinrichtungen ausbauen müsse, um die eigene Zukunftsfähigkeit zu sichern. Damals wie heute ging es um ein gezieltes ‚Investment in Köpfe‘.“ In den 45 Jahren ihres Bestehens hat die VolkswagenStiftung mehr als 28000 Projekte mit insgesamt über drei Milliarden Euro gefördert. Das in ihrer Satzung unspezifisch festgelegte Ziel der Wissenschaftsförderung hat sie im Lauf der Jahre konkretisiert. So unterstützt die Stiftung vor allem Projekte, die weder vom Staat noch von anderen Institutionen Förderung erfahren. Eine Fokussierung auf bestimmte Disziplinen gibt es nicht, wohl aber eine Präferenz für interdisziplinäre Projekte. So sollen Mitnahmeeffekte vermieden und eine maximale Effizienz der Fördermittel sichergestellt werden. „Wie bei der Vermögensanlage geht es auch bei der Wissenschaftsförderung darum, mit seinen Investments langfristig maximale Erträge zu erzielen und dabei das Risiko von Fehlentscheidungen einzugrenzen“, erläutert der Generalsekretär. Darum fördert die VolkswagenStiftung viele Projekte in verschiedenen Disziplinen und konzentriert sich auf solche, bei denen eine größtmögliche Wirkung zu erwarten ist. Idealerweise verfolgt sie dabei mehrere Ziele zugleich, indem sie zum Beispiel ein zu Unrecht vernachlässigtes Forschungsgebiet fördert und gleichzeitig zu Strukturveränderungen im Wissenschaftsbetrieb beiträgt. Mit dem Ziel der „strukturverändernden Förderung“ mischt sich die VolkswagenStiftung bewusst in die Diskussion um Qualität und Effizienz des deutschen Hochschulwesens ein. „Wir können durchaus zur Veränderung des Systems beitragen, indem wir ‚Inseln des Gelingens‘ schaffen, die der Politik und den Institutionen als Beispiel für Reformprozesse dienen“, erklärt Krull. So geht die Einführung von Juniorprofessuren in Deutschland auf das Nachwuchsgruppenprogramm der VolkswagenStiftung zurück. „Hier ging es darum, die Hochschulen zu aktiver Nachwuchsförderung anzuregen. Strategisch ausgerichtete Präsidenten und Rektoren haben den Nutzen sofort erkannt und unser Förderangebot stark in Anspruch genommen.“ Der Veränderung von Strukturen diente auch das Programm „Leistungsfähigkeit durch Eigenverantwortung“. Damit sollten moderne Managementprozesse in den Unis etabliert und neue Governance-Strukturen geschaffen werden. Solche Projekte hat die VolkswagenStiftung beispielhaft an zehn deutschen Universitäten gefördert. Wichtig war dabei, dass jede Hochschule ihren eigenen Weg gehen konnte, da ein erfolgreiches Steuerungssystem für eine Großuni wie die FU Berlin zwangsläufig anders aussehen muss als für eine kleine Hochschule wie etwa die Technische Universität Clausthal. „Die Exzellenzinitiative der Bundesregierung räumt mit Lebenslügen auf, vor allem mit der irrigen Annahme, alle Hochschulen seien gleich“, erklärt der Generalsekretär, der selbst als hochschulpolitischer Berater für Bundes- und Landesregierungen tätig ist. Gegen gleichmacherische Tendenzen wendet sich die VolkswagenStiftung unter anderem mit der „personenbezogenen Förderung“. Krull: „Jeder Wissenschaftsstandort lebt von seinen besten Köpfen. Man darf sich nicht darauf beschränken, Wissenschaftlern eine gute Ausbildung zu ermöglichen, man muss die besten auch auf Dauer 147
Ulrich Stockheim
halten können.“ Keine leichte Aufgabe angesichts der ausgezeichneten Arbeitsbedingungen, die herausragende Wissenschaftler zum Beispiel im angelsächsischen Raum vorfinden. Förderprogramme der VolkswagenStiftung können solchen Wissenschaftlern über mehrere Jahre die eigene Stelle und bis zu zwei Mitarbeiterstellen finanzieren. „Hervorragende deutsche Nachwuchsforscher im Ausland, zum Beispiel aus den Labors des Wellcome Trust in Großbritannien oder des Nobelpreisträgers Günther Blobel in New York bestätigen uns, dass unser Programm das einzige ist, das für sie eine Rückkehr nach Deutschland attraktiv gemacht hat“, so der Generalsekretär. Daneben dient die personenbezogene Förderung auch der Qualifizierung herausragenden wissenschaftlichen Nachwuchses. Vor allem Wissenschaftler mit nicht-geradlinigem Werdegang sollen dadurch entscheidende Impulse für ihre spätere Karriere erhalten. So förderte die VolkswagenStiftung in den Siebzigerjahren interdisziplinäre Ausbildung durch die Finanzierung von Zweitstudien. Stipendiaten dieses Programms waren unter anderem der heutige Vizepräsident der Max Planck-Gesellschaft Jürgen Baumert oder der ehemalige Vorstandsvorsitzende der Schering AG Hubertus Erlen. Im Bereich der Forschungsförderung versteht sich die VolkswagenStiftung als „Anstifter“, der sich nach erfolgreicher Anschubfinanzierung aus den Projekten zurückzieht, um sich anderen Aufgaben zu widmen. Beispiele für Institutionen, die auf Initialförderungen der VolkswagenStiftung zurückgehen, sind das Radioteleskop in Effelsberg, das heutige Deutsche Krebsforschungszentrum Heidelberg oder die Gesellschaft für biotechnologische Forschung, heute Helmholtzzentrum für Infektionsbiologie in Braunschweig. Bevorzugt fördert die VolkswagenStiftung Projekte, die eine internationale Zusammenarbeit implizieren, auch und gerade dort, wo staatliche Stellen (noch) nicht handeln. So stieß die VolkswagenStiftung bereits vor der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen die wissenschaftliche Kooperation mit Israel an. In den Achtzigerjahren war China ein Förderschwerpunkt, in den Neunzigern Mittel- und Osteuropa, heute sind es Mittelasien/Kaukasus und das subsaharische Afrika. Und welches sind die wichtigsten Themen für die VolkswagenStiftung in der Zukunft? „Für Außenstehende ist manchmal überraschend, welche Themen wir als wichtig und erfolgversprechend identifizieren“, sagt Wilhelm Krull und nennt Beispiele: „Ein Schwerpunkt unserer Arbeit in den kommenden Jahren wird die Förderung der Geisteswissenschaften sein. Denn in einer Epoche der Globalisierung und des Entstehens neuer politischer und wirtschaftlicher Beziehungen sind sie entscheidend für das, was wir Fernkompetenz nennen: den angemessenen Umgang miteinander auf Basis der Kenntnis der historischen und politischen Umstände und der kulturellen Unterschiede.“ Und in was für Programmen schlagen sich diese Ziele nieder? „In Zusammenarbeit mit der italienischen Stiftung Compagnia di San Paolo und der schwedischen Reichsbankstiftung fördern wir zum Beispiel jährlich 20 bis 25 Fellowships zum Thema ‚Gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik‘. Wir erwarten von diesem Programm nicht nur einen bedeutenden Output an wissenschaftlichen Arbeiten. Wir wollen auch dafür sorgen, dass ein Netzwerk von rund hundert jungen Wissenschaftlern entsteht, die eine gemeinsame europäische Politik denken und in Zukunft mitgestalten.“ 148
Förderer der Wissenschaften in Deutschland: die VolkswagenStiftung
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Anlagepolitik
Damit die VolkswagenStiftung ihrem satzungsmäßigen Ziel, der Förderung von Wissenschaft und Technik, auf Dauer nachkommen kann, muss sie einerseits das ihr zur Verfügung stehende Kapital auf Dauer erhalten und andererseits ausreichende Erträge für die Finanzierung von Projekten erzielen. Damit kommt der Vermögensverwaltung eine zentrale Aufgabe zu. Stiftungen in Deutschland haben in Bezug auf ihre Anlagepolitik andere Voraussetzungen als andere institutionelle Investoren oder Stiftungen im angelsächsischen Raum. Eine davon stellt das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht dar. Dieter Lehmann, Leiter der Vermögensverwaltung bei der VolkswagenStiftung: „Als gemeinnützige Stiftung müssen wir auf unsere Erträge keine Steuern zahlen. Allerdings müssen wir auch einiges dafür tun, um diesen Status zu behalten.“ Die wichtigste Einschränkung ist das Verbot gewerblicher Tätigkeiten, denn es impliziert einen Verzicht auf Anlagen, deren Erträge als gewerblich klassifiziert sind. Das betrifft bestimmte Beteiligungserträge, aber auch Beteiligungen selbst, wenn sie so groß sind, dass ein unternehmerischer Einfluss möglich ist. Eine weitere wichtige Besonderheit, der deutsche gemeinnützige Stiftungen unterliegen, ist das Gebot der realen Kapitalerhaltung. Demnach dürfen sie Ausschüttungen nur aus ordentlichen Gewinnen wie Zinsen, Dividenden oder Mieten finanzieren. Umschichtungsgewinne, etwa aus dem Verkauf von Aktien, gelten als außerordentliche Gewinne und müssen dem Stiftungskapital zufließen, solange der Istwert des Vermögens nicht den Zielwert der realen Kapitalerhaltung nachhaltig übersteigt. Denn eine Ausschüttung von Fördermitteln unter Zugriff auf das Kapital selbst ist untersagt, wenn es sich um Stiftungen handelt, die auf Dauer errichtet wurden. Daraus erklärt sich der im internationalen Vergleich hohe Anteil von Anlagen mit ordentlichen Erträgen, vor allem Rentenpapieren, in den Portfolien deutscher Stiftungen. In den USA, wo Stiftungen wie der Yale Endowment Fund in den letzten Jahren spektakuläre Renditen mit hohen Alternative-Investment-Anteilen erzielt haben, sieht die Welt ganz anders aus. Hier sind die Stiftungen verpflichtet, jährlich fünf Prozent ihres Kapitalwerts auszuschütten, unabhängig vom Ursprung der Erträge. Die amerikanischen Manager streben daher in erster Linie Anlagen mit hohen Performancegewinnen an. Anders als in den USA gibt es dagegen in Deutschland keine Verpflichtung hinsichtlich der Höhe der Ausschüttung. Die VolkswagenStiftung hat sich aber eine Selbstverpflichtung auferlegt, jährlich 50 bis 60 Millionen Euro für allgemeine Förderzwecke auszugeben, die sich mit den für niedersächsische Projekte reservierten Mitteln aus den Dividenden der VW-Aktien des Landes auf 100 bis 110 Millionen Euro summieren. Mit Blick auf die Kapitalerhaltung ist ein weiterer Aspekt von Bedeutung: Gemäß § 58 Nr. 7a der in Deutschland geltenden Abgabenordnung kann die Stiftung maximal ein Drittel der ordentlichen Erträge dem Stiftungskapital zuführen, um dieses in seinem realen Wert zu erhalten. 149
Ulrich Stockheim
In Zeiten niedriger und weiter sinkender Zinsen wird es jedoch immer schwieriger, mit einem rentendominierten Portfolio Kapitalerhaltung, laufende Kosten und hohe Ausschüttungen sicherzustellen. Die VolkswagenStiftung geht daher in der Asset Allocation andere Wege als die meisten deutschen Stiftungen. Während der durchschnittliche Aktienanteil in den Portfolien der Stiftungen bei 16 Prozent liegt, lag er 2006 bei der VolkswagenStiftung bei 30 Prozent. Eine Ausnahmeerscheinung in der Stiftungslandschaft ist die VolkswagenStiftung aber mit ihren Investments in alternative Anlagen, die sieben Prozent des Vermögens ausmachen. 15 Prozent sind in Immobilien investiert, der Rest von 48 Prozent in Rentenpapiere. Zum Vergleich: Im Durchschnitt liegt der Rentenanteil bei über 60 Prozent. „Mit den Kursgewinnen aus unseren Aktien und Alternative Investments können wir unsere ordentlichen Erträge entlasten“, sagt Dieter Lehmann. „Damit wir diese Strategie fahren können, müssen wir aber dem Finanzamt gegenüber schlüssig darlegen, dass sie dem Interesse der Stiftung dient und mit geltendem Recht vereinbar ist.“ Tatsächlich fordert das Gesetz weder, das Stiftungsvermögen überwiegend in Bonds anzulegen, noch verbietet es explizit Alternative Investments. Lehmann: „Mit dem Finanzamt haben wir vereinbart, dass wir maximal zehn Prozent in Alternative Investments anlegen, ohne als ‚gewerblich‘ eingestuft zu werden.“
Abbildung 2:
Asset Allocation 2006
Quelle: VolkswagenStiftung
Der verhältnismäßig hohe Aktien- und Alternative-Investments-Anteil widerspricht nach Lehmanns Meinung nicht dem Gebot der realen Kapitalerhaltung. Im Gegenteil: „Wenn die Rendite von Bonds noch weiter fällt, ist die Kapitalerhaltung eher gefährdet, wenn man auf Aktien und alternative Anlagen verzichtet“, meint der Investmentchef. Und auch das Argument des höheren Risikos lässt er nicht gelten: „Risikoreicher sind Aktien und Alternative Investments nur in der Einzelbetrachtung. Investiert man aber wie wir unter Berücksichtigung der Korrelation mit den übrigen Assetklassen, 150
Förderer der Wissenschaften in Deutschland: die VolkswagenStiftung
verringern sie das Risiko des Gesamtportfolios.“ Darum führt Lehmanns Team vor jedem Investment intensive Korrelationsanalysen durch. „Dabei setzen wir auch geografische Kriterien an, weil das im Rentenbereich besser funktioniert“, erklärt Lehmann. „Wenn wir einen aussagekräftigen regionalen Index gefunden haben, versuchen wir, diesen passiv abzubilden.“ Passives Management gehört zur Investmentphilosophie der VolkswagenStiftung. „Unser Ziel ist Verstetigung der Erträge und Risikostreuung, nicht der Extraprofit durch aktives Management“, sagt Lehmann und bekennt: „Ich glaube nicht an die Überlegenheit der aktiven Manager, denn die Mehrheit von ihnen verfehlt ihre Benchmark. Die Management- und Researchkosten, die wir sparen, setzen wir gerne anders ein.“ Die VolkswagenStiftung leistet sich ein für deutsche Verhältnisse vergleichsweise großes Investmentteam. Die sieben Mitarbeiter verwalten 60 Prozent der Assets von 2,4 Milliarden Euro, für die übrigen 40 Prozent werden externe Mandate vergeben. Das Kriterium: Aktien- und Rentenanlagen, die auf Euro lauten, verwaltet Lehmanns Team selbst. Sobald es eine Fremdwährungskomponente gibt, oder wenn es um alternative Anlagen oder Immobilien geht, werden Externe engagiert. „Wenn wir ein externes Mandat vergeben, dann führen wir einen Wettbewerb durch. Den Zuschlag bekommt, wer uns nicht nur fachlich überzeugt, sondern auch versteht, dass er ein Mosaikstein in unserer Gesamtstrategie ist.“ Dabei sind die externen Mandate durchaus anspruchsvoll. Lehmann: „Um nicht als gewerblich eingestuft zu werden, mussten wir um unsere Private-Equity-Investments herum eine ‚Hülle‘ in Form eines Zertifikats legen. Und um trotz des Kaskadenverbots in Hedgefonds investieren zu können, haben wir einen Spezialfonds aufgelegt, der in Single-Hedgefonds investiert. Ein Spezialfonds, der zum Dachfonds wird – das ist eine echte Innovation.“ Der Erfolg der Mühen: Eine Rendite von etwa 5,8 Prozent im Jahr 2006. Lehmann ist damit sehr zufrieden: „Damit können wir unsere anspruchsvollen Förderziele erfüllen und unsere Kapitalbasis stärken, trotz der schwierigen Lage auf den Bondmärkten.“ Einen Vergleich mit den Top-Performern unter den amerikanischen Endowments hält er für verfehlt, nicht nur wegen der unterschiedlichen Regularien: „Hier sollte man sachlich bleiben. Erstens sind nicht alle so erfolgreich wie Harvard oder Yale. Zweitens müssen auch diese noch beweisen, dass ihre Strategie nachhaltig ist. Die wirklich imposanten Renditen gibt es erst seit wenigen Jahren. Ich fürchte, dass sich die Euphorie über alternative Anlagen eines Tages als zu einseitig erweisen könnte.“ Mittelfristig erwartet Dieter Lehmann weiter gut laufende Aktienmärkte, niedrige Zinsen und ein Anziehen der Immobilienmärkte. Für wichtiger allerdings hält er langfristige Trends wie die niedrigen Zinsen: „Ich glaube nicht, dass wir in absehbarer Zeit wieder Zinsniveaus von acht oder zehn Prozent haben werden. Das ist eine qualitativ andere Lage als früher, und darauf muss sich die Anlagepolitik einstellen.“ Der Schlüssel zum Erfolg ist seiner Meinung nach eine vernünftige Risikostreuung auf Basis intensiver Korrelationsanalysen: „Damit sind wir zwar nie absoluter Gewinner, aber auch nicht Verlierer. Wir sind in der Mitte, und diese Mitte ist so zu konstruieren, dass wir unsere Ziele erreichen.“ 151
Norbert Kuls
Der Stiftungsfonds der Universität Yale – Rendite für Studenten
Warren Buffett, den berühmten Investor aus Omaha in Nebraska, der es zum mehrfachen Milliardär und zum zweitreichsten Mann der Welt gebracht hat, kennen selbst Menschen, die sich nur am Rande mit Geldanlage beschäftigen. David Swensen ist dagegen deutlich weniger Leuten ein Begriff, obwohl dessen Renditen denen von Buffett nicht nachstehen. Swensen ist der langjährige Chief Investment Officer, also der Geldanlage-Chef, des Stiftungsfonds der amerikanischen Elite-Universität Yale. Die mangelnde Prominenz von Swensen gilt allerdings nur außerhalb seiner Branche. Unter institutionellen Investoren besitzt Swensen einen ähnlichen Guru-Status wie Buffett. Der Grund: Swensen hat bei Yale die Anlagepolitik des Stiftungsfonds revolutioniert, und wegen seines Erfolgs sind auch viele Konkurrenten seinem Beispiel gefolgt. Seither fällt der Anteil von Aktien oder Anleihen in den Portfolios der Universitätsfonds. Dagegen wächst der Anteil alternativer Anlagen, zu denen Hedgefonds, außerbörsliches Beteiligungskapital (Private Equity) oder Immobilien zählen. Auf Yale wird zudem besonders geachtet, weil der Fonds mit einem verwalteten Vermögen von 20 Milliarden US-Dollar der zweitgrößte Universitätsfonds in den Vereinigten Staaten ist. Nur das Stiftungsvermögen der Universität Harvard übertrifft Yale mit einem Volumen von 29 Milliarden US-Dollar. An der Yale-Universität, deren Reichtum er maßgeblich mitbestimmt hat, wird Swensen entsprechend verehrt. Das wurde 2005 auf dem Empfang deutlich, mit dem seine zwanzigjährige Betriebszugehörigkeit gefeiert wurde. Dort wurde auch den finanzkräftigen Gönnern von Yale gedacht, deren Namen verschiedene Gebäude auf dem Uni-Campus tragen. Dazu gehört der vor einigen Jahren verstorbene Finanzierssohn Paul Mellon, der als größter Einzelspender insgesamt 379 Millionen US-Dollar an seine Alma Mater überwiesen hatte. Ein dreistelliger Millionenbetrag ist eine stolze Summe. Die Summe wirkt aber verschwindend gering im Vergleich zum Beitrag von Swensen, auch wenn nach ihm kein Gebäude benannt ist – zumindest noch nicht. Swensen wurde für die gigantisch anmutende Summe von 7,8 Milliarden US-Dollar geehrt. Das war nach Berechnungen von Yale die Differenz zwischen der Wertentwicklung des Yale-Fonds unter Swensens Führung und dem durchschnittlichen Wachstum aller anderen Universitätsfonds. Swensen hat in den vergangenen 21 Jahren im DurchD. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_13, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Norbert Kuls
schnitt über 16,3 Prozent Gewinn erwirtschaftet – mehr als seine Konkurrenten an anderen Universitäten. Die Stiftungsfonds spielen im amerikanischen Universitätswesen eine wichtige Rolle. Ein Teil der Gelder fließt in die Unterstützung von Studenten aus finanzschwachen Familien. Zudem nutzen die Unis die Mittel für den Einkauf teurer Spitzenprofessoren oder die Wartung der Gebäude. Ursprünglich stammen die Gelder für die Stiftungsfonds aus Spenden vermögender Absolventen oder anderer Mäzene. Der Verwaltung des Geldes kommt aber mittlerweile die größte Bedeutung zu. „Der Gewinn von Stiftungsfonds ist eine wichtige Finanzierungsquelle sowohl für private als auch staatliche Institutionen“, erläutert James Morley, Präsident des Branchenverbandes National Association of College and University Business Officers, kurz NACUBO. Der Rest der Universitätsbudgets stammt gemeinhin aus Studiengebühren und staatlichen Zuwendungen. Bei Yale trug der Stiftungsfonds im vergangenen akademischen Jahr 32 Prozent oder 616 Millionen US-Dollar zu den Gesamterträgen bei, die die Universität für ihren Betrieb nutzte. Damit ist der Fonds der größte Block vor der nächstgrößten Einkunftsquelle, Gelder aus meist staatlichen Zuschüssen. Innerhalb von zehn Jahren ist die Bedeutung der Stiftung damit immens gestiegen. Vor zehn Jahren hatte der Fonds nur 14 Prozent oder 170 Millionen US-Dollar zu den Einkünften beigesteuert. Die Bedeutung der Stiftung nimmt weiter zu. Im kommenden Jahr soll der Fonds 676 Millionen US-Dollar oder rund ein Drittel der Betriebserträge stellen. „Es ist keine Frage, dass die Stiftung Yale zu einer der großen Forschungsuniversitäten der Welt gemacht hat“, hieß es im jüngsten Jahresbericht der Universität. Sie habe das Wachstum angetrieben, war eine wichtige Unterstützung für die Studenten und hat es der Universität ermöglicht, weltweit renommierte Wissenschaftler und Gelehrte zu berufen. Für Swensen hat besonders die finanzielle Unterstützung von Studenten einen hohen Stellenwert. „Eines der für mich wichtigsten Dinge ist, dass es sich jeder, der sich für die Aufnahme qualifiziert, auch leisten kann, in Yale zu studieren“, sagt Swensen. Finanzielle Unterstützung sei ein „riesiger Teil“ der Aufgabe der Stiftung. Der Jahresbericht der Universität unterstreicht, was Swensen meint. Im vergangenen Jahr erhielten 2267 bedürftige College-Studenten am Yale College finanzielle Unterstützung. Das entspricht rund zwei Fünftel aller Studenten, die in einem vierjährigen Studium einen ersten Abschluss, den Bachelor-Grad, erwerben. Inklusive der in Aufbaustudien eingeschriebenen Studenten erhielten sogar über zwei Drittel der Yale-Studenten irgendeine Form von Finanzspritze. Die Summen dafür sind angesichts der generell hohen Studiengebühren von Privatuniversitäten wie Yale erklecklich. Im Durchschnitt subventionierte die Universität jeden Studenten am Yale College mit rund 26000 US-Dollar im Jahr. Eltern, deren Haushaltseinkommen unter 45000 US-Dollar liegt, wird seit zwei Jahren zudem eine bis dahin geforderte Zuzahlung zu den Ausbildungskosten ihrer Kinder erlassen. Ohne finanzielle Hilfe wäre ein Studium an einer Eliteuniversität für Sprösslinge aus diesen 154
Der Stiftungsfonds der Universität Yale – Rendite für Studenten
Familien völlig unerschwinglich. Die Kosten für Studiengebühren und Wohnheim würden das Einkommen der Eltern nahezu auffressen. Yale verlangte für diese Dienstleistungen im vergangenen Jahr 41000 US-Dollar. Die hohen Renditen des Stiftungsfonds haben also messbar positive Konsequenzen. Sie sind aber auch gut für das Image der Universität. Denn mit den Renditen hat Yale den ärgsten Konkurrenten geschlagen – die Universität Harvard. In den vergangenen zehn Jahren steigerte der Yale-Fonds seine Rendite um durchschnittlich 17,2 Prozent pro Jahr. Harvard erwirtschaftete im gleichen Zeitraum 15 Prozent per annum. Beide Ergebnisse lagen deutlich über der durchschnittlichen Gewinnentwicklung amerikanischer Aktien. Der Aktienindex S&P 500 war im gleichen Zeitraum jährlich um nur 8,3 Prozent geklettert. Auch im vergangenen Jahr schlug Yale den Harvard-Fonds. Yale hat im akademischen Jahr 2006 eine Rendite von 23 Prozent erzielt, während Harvard 17 Prozent erreichte. „Ich denke, David ist der beste in unserem Geschäft“, lobte Jack Meyer Swensen. Meyer war lange Chefanleger des Harvard-Stiftungsfonds, bevor er die Uni vor anderthalb Jahren verließ, um einen Hedgefonds zu gründen. „Er hat ein gutes Auge für Anlagetalente und jedes Jahr, in dem wir nahe an Yale herankommen, sind wir glücklich“, sagte Meyer, als er noch den Harvard-Fonds leitete. Ein Lob aus Harvard ist für Yale schon etwas Besonderes. Denn Yale und Harvard pflegen die Konkurrenz. Immerhin ist die jährlich ausgetragene Ruderregatta zwischen Harvard und Yale der älteste sportliche Wettkampf zwischen Universitäten in den Vereinigten Staaten. Die beiden Unis konkurrieren aber nicht nur um den schnellsten Studenten-Achter, sondern auch um die besten Studenten und Professoren. Das alles kostet Geld, aber Harvard und Yale sind unter amerikanischen Universitäten glücklicherweise die Sieger im finanziellen Wettbewerb. Hinter den großen Fonds der beiden Ostküsten-Institute folgt an dritter Stelle die ebenfalls private Universität Stanford in Kalifornien mit rund 14 Milliarden US-Dollar verwaltetem Vermögen. Größe hilft bei der Rendite. In den vergangenen Jahren ist deutlich geworden, dass die Universitäten mit dem meisten Geld auch die größten Renditen erwirtschaften. Nach Angaben des Verbandes NACUBO haben die amerikanischen Stiftungsfonds im Jahr 2006 durchschnittlich eine Rendite von 10,7 Prozent erzielt. Damit lagen sie insgesamt besser als der Aktienmarktindex S&P 500, der in diesem Zeitraum nur um 8,6 Prozent gestiegen war. Größere Fonds mit einem Volumen über einer Milliarde US-Dollar schnitten aber im Durchschnitt besser ab. Sie legten um 15,2 Prozent zu. Umgekehrt gilt: Je kleiner das Fondsvolumen, desto kleiner die Rendite. Stiftungsvermögen mit einem Volumen von 50 Millionen bis 100 Millionen US-Dollar schafften im vergangen Jahr nur einen durchschnittlichen Gewinn von zehn Prozent. Auch bei der Betrachtung längerer Zeiträume bestätigt sich dieser Trend. Große Fonds übertrumpfen im Durchschnitt die Kleinen und damit die Mehrheit. Die meisten Stiftungsvermögen amerikanischer Universitäten sind nicht größer als 100 Millionen US-Dollar. 155
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Der Grund für die überragenden Renditen der großen Fonds: Die Giganten müssen sich nicht mit der Anlage in Aktien und Anleihen bescheiden. Sie können einen größeren Teil ihrer Anlagen in alternative Anlageklassen wie Private Equity oder Hedgefonds stecken, die in den vergangenen Jahren hohe Renditen abwarfen. Der überwiegende Anteil der Stiftungsvermögen amerikanischer Universitäten ist aber weiter in Aktien und Anleihen angelegt. Nach Angaben von NACUBO fielen im vergangenen Jahr rund vier Fünftel aller Anlagen in diese Kategorien. Kontinuierlich geht der Trend in den vergangenen zehn Jahren jedoch zu alternativen Anlageklassen. So legten Stiftungsfonds im akademischen Jahr 2006 knapp ein Zehntel ihres Volumens in Hedgefonds an. Immobilienanlagen folgten mit knapp vier Prozent noch vor Private Equity, Rohstoffen oder Risikokapital. Der Anteil der traditionellen Anlageklassen ist in den vergangenen zehn Jahren jedes Jahr um ein bis zwei Prozentpunkte gefallen. Dagegen hat sich der Anteil der alternativen Anlageklassen fast verdreifacht und liegt mittlerweile bei über 17 Prozent. Die Renditen von Yale waren nicht immer so hoch. Als der jetzt 53 Jahre alte Swensen vor über 30 Jahren als Doktorand nach Yale kam, ging der Beitrag des Stiftungsfonds zum Betriebsertrag der Universität gerade zurück. Damals waren drei Viertel von dessen Anlagen noch in amerikanischen Aktien oder Anleihen investiert. Aufgrund dieser Portfoliostrukturierung belastete die Baisse am amerikanischen Aktienmarkt in den Siebzigerjahren die Wertentwicklung des Yale-Fonds schwer. Dessen Volumen fiel zwischen 1970 und 1978 um 45 Prozent und die Universität musste zeitweise ihre Ausgaben einfrieren. Als der Aktienmarkt sich Anfang der Achtzigerjahre wieder erholte, ging es zwar auch mit dem Fonds wieder bergauf. Aber der damalige Dekan und Wirtschaftsprofessor Bill Brainard wollte die Anlagefehler des vorhergegangenen Jahrzehnts nicht wiederholen – und empfahl gemeinsam mit Wirtschaftsnobelpreisträger James Tobin die Einstellung von Swensen. Der hatte zwar keine Erfahrung als Fondsmanager, war den beiden aber als hochintelligenter Student aufgefallen. Nach dem Erwerb seines Doktortitels war Swensen zunächst an die Wall Street gegangen und hatte Karriere bei den Investmentbanken Lehman Brothers und Salomon Brothers gemacht. Nach sechs Jahren folgte er aber dem Ruf seiner Alma Mater und heuerte 1985 als Chief Investment Officer des Stiftungsfonds an – obwohl er dabei vier Fünftel weniger verdiente als an der Wall Street. Tobin, der ein Mentor von Swensen geworden war, hatte die Theorie aufgestellt, dass die Streuung über verschiedene Anlageklassen die Rendite steigern kann. Swensen machte sich daran, diese Theorien nach und nach umzusetzen. Obwohl das heute als Binsenweisheit gilt und viele Fonds diesen Vorgaben folgen, war es vor 20 Jahren ein Novum. Swensen kreierte auf Basis dieser Theorien das sogenannte Yale-Modell. Dieses Anlageprinzip besteht darin, ein Portfolio in fünf oder sechs Teile zu trennen und jeden Teil in eine unterschiedliche Anlageklasse zu investieren, die so wenig wie möglich mit den anderen korreliert. Konkret bedeutete das, dass Swensen Baranlagen und amerikanische Wertpapiere in reale Vermögenswerte wie Immobilien, Treibstoff und Nutzholz umschichtete. Swen156
Der Stiftungsfonds der Universität Yale – Rendite für Studenten
sen investierte in Waldflächen in den Bundesstaaten Maine und Idaho und beteiligte den Fonds an Büroimmobilien in Chicago. Auch in einem Ferienzentrum in Tucson legte er Stiftungsgelder an – mit dem Nebeneffekt, dass die Damengolf-Mannschaft von Yale dort ein Jahr kostenlos trainieren durfte. Er investierte zudem in Beteiligungsgesellschaften und fügte eine Anlageklasse mit dem Namen „Absolute Return“ hinzu. Das ist eine Umschreibung für Hedgefonds. Hedgefonds versuchen mit verschiedenen Strategien unabhängig vom Trend des Aktienmarkts eine hohe Rendite zu erzielen. Innerhalb eines Jahrzehnts hatte das Portfolio von Yale seine heutige Form angenommen. Amerikanische Aktien und Anleihen machen nur noch knapp ein Fünftel des Gesamtportfolios aus. Am geringsten ist mit knapp vier Prozent der Anteil der festverzinslichen Wertpapiere. Das liegt an der grundsätzlich auf hohe Renditen ausgerichteten Anlagepolitik des Stiftungsfonds, der sowohl die Kaufkraft der Anlagen erhalten als auch Geld für den Betrieb abwerfen muss. Deswegen hat der Fonds Eigenkapitalanlagen generell stärker gewichtet. Über 90 Prozent des Stiftungsvermögens sind in einer Form von Eigenkapital investiert, seien es börsennotierte Aktien oder Direktbeteiligungen an nicht börsennotierten Unternehmen. Den starken Anteil alternativer Anlageklassen begründet Swensen mit der „Kraft der Diversifizierung“, die sie dem Portfolio verleihen. Alternative Anlagen tendieren zudem dazu, nicht so effiziente Preise zu haben wie traditionelle Wertpapiere, heißt es im Jahresbericht der Universität. Das biete Gelegenheiten, durch aktive Verwaltung diese Ineffizienzen des Marktes auszunutzen. Das heutige Yale-Portfolio habe im Vergleich zu dem vor 20 Jahren eine viel höhere Renditeerwartung, aber dennoch niedrigere Schwankungen. Zum Ende des akademischen Jahres 2006 waren nur noch knapp zwölf Prozent des YalePortfolios in amerikanischen Aktien investiert. In ausländische Aktien hat Yale mehr Geld angelegt als in heimische Titel. Insgesamt entfielen fast 15 Prozent des Portfolios auf dieses Segment. Private-Equity-Anlagen machten mehr als 16 Prozent, und die Kategorie Absolute Return mehr als 23 Prozent aus. Der größte Einzelblock mit knapp 28 Prozent entfällt auf reale Vermögenswerte wie Holz, Rohstoffe oder Immobilien. Der Baranteil betrug fast drei Prozent, obwohl Swensen als Ziel formuliert, voll investiert zu sein. Mehr Details über die Anlagen gibt Swensen nicht preis. Einzelne Aktienpositionen muss das Yale University Investments Office, wie andere Vermögensverwalter auch, quartalsweise bei der Börsenaufsicht SEC melden. Zudem müssen Aktienpositionen veröffentlicht werden, wenn sie einen Anteil von fünf Prozent am jeweiligen Unternehmen übertreffen. In jüngsten Meldungen an die SEC wies Yale größere Positionen beim auf Einkaufszentren spezialisierten Immobilienunternehmen Acadia Realty aus. Zudem hielt der Fonds Aktien an Douglas Emmett, einem weiteren Immobilienunternehmen, das Büround Mehrfamilienhäuser in der Region Los Angeles und Honolulu besitzt. Eine weitere große Position hält der Fonds an der First Data Corp., die Zahlungsverkehr von Banken abwickelt. 157
Norbert Kuls
Die notorische Geheimhaltung über die aktuellen Anlagen hat Kritiker auf den Plan gerufen, die eine stärkere Offenlegung fordern. Manche Kritiker sorgen sich um die Risiken, die betrügerische Hedgefonds für das Stiftungsvermögen bedeuten könnten. Aktivisten innerhalb der Studentenschaft sind dagegen eher an ethischen Fragen der Anlagen interessiert. Kritische Studenten haben Swensen und den Fonds in der Vergangenheit aufgefordert, sich von kontroversen Anlagen zu trennen. Zeitweise standen Ölkonzerne in der Kritik, denen eine unverantwortliche Umweltpolitik vorgeworfen wurde. Yale verfügt über einen achtköpfigen Beirat für verantwortliche Anlage (Advisory Committee on Investor Responsibility oder ACIR), der aus Studenten, Absolventen, Lehrkräften und Universitätsmitarbeitern besteht. Dieser Beirat gibt jedoch nur Empfehlungen ab und kennt die genauen Anlagen auch nicht. Während der Apartheid in Südafrika hatte Yale ein Rahmenwerk verabschiedet, das die Trennung von zahlreichen Unternehmen vorgeschrieben hat, die in Südafrika Geschäfte machten. In den vergangenen Jahren hat der Beirat auch Resolutionen verabschiedet, dass Yale Druck auf Zigarettenhersteller ausüben soll. Der Grund: die teilweise auf Minderjährige gerichteten Marketingmethoden der Branche. Richard Levin, der Präsident von Yale, schätzt nach eigenen Worten die Empfehlungen der ACIR, spricht sich aber gegen die detaillierte Offenlegung von Anlagen aus, weil das die Investmentstrategie von Yale beeinträchtigen würde. Yale lagert wie die meisten großen Universitäten die eigentliche Verwaltung der verschiedenen Portfolioteile an über 100 externe Fondsmanager aus. Das unterscheidet Yale stark von Harvard, die einen Teil ihres Portfolios selbst verwalten. Auch die Auswahl fähiger Fondsmanager ist eine Kunst. Der Harvard-Wirtschaftsprofessor Josh Lerner kam 2003 in einer Studie zum Schluss, dass die überragenden Renditen von Yale in den fünf Jahren davor vor allem eine Konsequenz der guten Auswahl externer Fondsmanager waren. In seinem vor zwei Jahren veröffentlichten Buch „Unconventional Success“ beschreibt Swensen, wie das große Stiftungsvermögen von Yale der Universität Zugang zu den besten Vermögensverwaltern der Welt geöffnet hat. Privatanleger sollten nach Ansicht von Svensen daher gar nicht erst versuchen, ihm nachzueifern. Sie hätten keine Chance, den Markt zu schlagen, weil sie kein aktiv gemanagtes Depot zusammenstellen können wie Yale. Die beste Strategie für Privatanleger sei es daher in Anlageklassen zu investieren, für die es Indexfonds gibt. Das verminderte die Kosten, die bei aktiv gemanagten Fonds einen Teil der Rendite auffressen. Swensen ist ein scharfer Kritiker der Fondsbranche, der er hohe Gebühren und niedrige Renditen vorwirft. Auch den Hedgefonds wirft er zu hohe Gebühren vor. Die wenig regulierten Fonds, die sich an reiche Privatanleger und Institutionen wie Yale wenden, kassieren in der Regel zwei Prozent Gebühren für das Management und 20 Prozent Beteiligung an den Überschüssen. Zudem sind viele Hedgefonds für Geheimniskrämerei bekannt. Swensen lässt sich darauf nicht ein. Er gilt als harter Verhandler, wenn es um die besten Kon158
Der Stiftungsfonds der Universität Yale – Rendite für Studenten
ditionen für Yale geht. Vermögensverwalter haben in der Regel ein Interesse daran, für Yale zu arbeiten, weil das in der Branche als Gütezeichen gilt. Nicht immer kommen sie mit Swensen ins Geschäft. Der hatte einst erwogen, in den Hedgefonds ESL Partners zu investieren, der vom prominenten Investor Edward Lampert geleitet wird. Lampert soll sich aber geweigert haben, über die konkreten Aktien im Portfolio von ESL Auskunft zu geben. Die Folge: Swensen investierte nicht. „Wie können Sie in meiner Position verantwortungsvoll Geld an einen Fonds geben, der Ihnen nicht sagen will, in was er investiert ist? Wenn ich meinem Anlageausschuss berichten würde, dass wir in diesem Fonds investiert sind, aber nicht wissen, welche Positionen er hält, sollten die mich entlassen“, sagt Swensen. Der zwölfköpfige Anlageausschuss ist das Aufsichtsgremium für den Stiftungsfonds. Einer der bekanntesten Hedgefonds, der von Steven Cohen geführte Zwölf-Milliarden-US-Dollar-Riese SAC Capital, verlangt sogar 50 Prozent der Gewinne als Gebühr. Der Fonds hat seit 1992 einen Gewinn von 43 Prozent im Jahr erwirtschaftet. Swensen würde wegen der Kosten aber noch nicht einmal ein Treffen mit Cohen in Erwägung ziehen. „Es gibt genügend Leute, die faire Vereinbarungen machen“, sagt Swensen. Hedgefonds sind durch einige spektakuläre Schieflagen ins Gerede gekommen und es gibt in den Vereinigten Staaten eine Debatte um eine stärkere Regulierung dieser Anlagevehikel. Um die Anlage in einen zu risikoreichen oder betrügerischen Fonds zu vermeiden, vertraut Swensen auf seine eigenen Prüfungen. „Ich würde nicht sagen, dass ich per se Vertrauen in Hedgefonds habe, aber ich habe ein begründetes Vertrauen in unsere Fähigkeiten, Partner mit hoher Qualität auszuwählen“, sagt Swensen. Für das Anlageteam selbst arbeiten daher nur 20 Personen, die die großen Anlagestrategien festlegen und die externen Portfoliomanager überprüfen. Viele der Mitarbeiter sind Absolventen von Yale, denen die Universität am Herzen liegt. Swensen, der selbst eher einem Professor ähnelt als einem Wall-Street-Banker, leitet ein Seminar an der Universität, wo er seine jungen Talente manchmal findet. Das Yale University Investments Office fungiert mittlerweile auch als Talentschmiede für andere Stiftungsfonds. Fünf seiner ehemaligen Mitarbeiter leiten mittlerweile selbst bedeutende Fonds. Dazu gehören Andrew Golden von der Universität Princeton, der einst als Praktikant bei Swensen angefangen hatte. Princeton besitzt den fünftgrößten Stiftungsfonds einer amerikanischen Universität mit einem Anlagevermögen von zuletzt 13 Milliarden US-Dollar. Darauf folgt der Fonds des Massachusetts Institute of Technology mit acht Milliarden US-Dollar. Dessen Anlagechef Seth Alexander ist ebenfalls bei Swensen in die Lehre gegangen und verfolgt eine ähnliche Investmentphilosophie. Wer für die Yale-Stiftung arbeitet, muss wie Swensen aber ein besonderes Faible für diese Arbeit mitbringen. Denn mit Vermögensverwaltung ist andernorts mehr Geld zu verdienen. Swensen verdient im Jahr 1,3 Millionen US-Dollar. Das ist beileibe kein schlechtes Gehalt, aber kein Branchendurchschnitt für einen Mann seiner Statur und Erfolgsgeschichte. Hätte er in den vergangenen 20 Jahren seinen eigenen Hedgefonds geleitet, wäre Swensen mittlerweile sicherlich Milliardär. Selbst der langjährige Har159
Norbert Kuls
vard-Chefanleger Jack Meyer, der schließlich mit einigen Mitstreitern aus Zeiten von Harvard einen Hedgefonds gründete, verdiente zum Schluss sechs Millionen US-Dollar im Jahr. Zwei Fondsmanager von Harvard verdienten sogar jeweils 17 Millionen und 18 Millionen US-Dollar. An der Wall Street würden diese Summen nicht mal zu den Spitzenverdiensten zählen. In der Welt der Universitäten führten sie jedoch zu harscher Kritik. Im Gegensatz zu Yale wird der Harvard-Stiftungfonds von einer eigenen Tochtergesellschaft, der Harvard Management Corporation verwaltet. Das gibt der Gesellschaft die Möglichkeit, eigene Gehälter festzulegen. Die Vermögensverwalter von Yale müssen ihre Gehälter von der Universität genehmigen lassen. Swensen zählt zu den Kritikern hoher Vergütungen bei Universitätsfonds. „Man kann Managern keine astronomischen Summen zahlen, weil das das Gewebe der Universität zerreißt“, meint Swensen. Er hält die Vermögensverwalter von Harvard für überbezahlt. Geld spielt für Swensen trotz seiner Anlageerfolge keine alles entscheidende Rolle. „Was wir brauchen sind Leute, die Erfolg als großartige Renditen definieren und nicht als möglichst hohes Gehalt“, sagt Swensen über sich selbst und über die Leute, die für Yale Geld anlegen. Swensen ist enttäuscht, wenn Kollegen eine Stiftung verlassen, um anderswo mit der gleichen Arbeit mehr Geld zu verdienen. In gewisser Weise ist er ein Missionar mit einer Berufung, die trotz seiner Tätigkeit weit über Geld hinausgeht. „Hier unterstütze ich eine der großartigen Institutionen der Welt“, sagt Swensen, dessen Vater und Großvater Chemieprofessoren an der Universität von Wisconsin in River Falls waren. Swensen denkt in diesen Dingen ebenso konträr wie bei seinen Anlageentscheidungen – auch wenn an der Wall Street kaum jemand nachvollziehen kann, dass sich ein Mann seines Kalibers mit einer Million US-Dollar im Jahr bescheidet. Vor ein paar Jahren stellte David Williams, der Betreiber eines Handelshauses für Hedgefonds, Swensen auf einer Veranstaltung für Yale-Absolventen die Frage, die an der Wall Street alle umtreibt: „Was ist nur los mit Dir?“ Swensens Antwort: „Es ist ein genetischer Defekt.“ Für die Studenten von Yale hat sich dieser Defekt ausgezahlt.
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Torsten Riecke
KKR – die Könige der Private-Equity-Branche
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Pioniere des „leveraged buyout“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
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Comeback mit neuer Philospophie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
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Das Ende des Booms naht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_14, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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KKR – die Könige der Private-Equity-Branche
Weit oben in der 42. Etage eines gläsernen Wolkenkratzers in Manhattan hängt ein Stück Wirtschaftsgeschichte. Dort, unweit der Fith Avenue, findet sich eingerahmt unter Glas jener legendäre Scheck über 10000 US-Dollar, mit dem Henry Kravis, Jerome Kohlberg und George Roberts Anfang Mai 1976 ihr erstes Konto bei der Chemical Bank in New York eröffneten. Das war der finanzielle Grundstein für die inzwischen legendäre Private-Equity-Firma Kohlberg Kravis Roberts & Co. – kurz KKR genannt. Der Besucher sieht heute auf den ersten Blick, was aus dem Unternehmen der drei Gründer geworden ist. Neben dem gelben Bankbeleg befinden sich die Logos zahlreicher Firmen, die KKR im Laufe der vergangenen gut 30 Jahre gekauft hat. Darunter sind so bekannte Markennamen wie Safeway, RJR Nabisco, ProSiebenSat1 und das Duale System in Deutschland. Mehr als 145 Transaktionen im Wert von über 274 Milliarden US-Dollar hat der private Finanzinvestor abgewickelt. Im Moment gehören weltweit 35 Unternehmen mit mehr als 540000 Mitarbeitern zum Firmenimperium der New Yorker Gruppe. Doch das ändert sich fast täglich. Gerade erst legte KKR zusammen mit anderen Finanzinvestoren rund 32 Milliarden US-Dollar für den texanischen Energieversorger Texas Utilities auf den Tisch. Dazu kommen noch 13 Milliarden US-Dollar Schulden. Unterm Strich ist es das bislang größte Buyout-Geschäft überhaupt. Kurz danach übernahmen die Amerikaner für etwa 27 Milliarden US-Dollar den IT-Dienstleister First Data. Das Besondere daran: KKR brauchte für den finanziellen Kraftakt nicht die Hilfe anderer Beteiligungsgesellschaften. Die Buyout-Firma lud einfach ihre Großinvestoren ein, sich direkt an der Transaktion zu beteiligen. In Großbritannien kämpft KKR zeitgleich um die Drogeriekette Alliance Boots. Einer der Konkurrenten ist die deutsche Pharmagruppe Celesio, ein Unternehmen, das zur Haniel-Gruppe gehört. Mit einem Angebot von mehr als zehn Milliarden britischen Pfund und dem Alliance-Topmanager und Großaktionär Stefano Pessina als Partner haben die Amerikaner auch dort die Nase vorn. „Die Finanzierung der Übernahmen ist heute das geringste Problem“, sagt KKR-Partner Marc Lipschultz. Dank der weltweiten Liquiditätsschwemme sind private Finanzinvestoren wie KKR die neuen Könige der Wirtschaft. Sie sammeln bei vermögenden Investoren riesige Summen ein. Der letzte KKR-Fonds hatte ein Volumen von rund 15,7 Milliarden US-Dollar. Zu den Geldgebern gehören vor allem institutionelle Anleger wie Pensionsfonds, Versicherungen und private Stiftungen. Aber auch reiche Privatleute legen einen Teil ihres Vermögens in den Fonds der privaten Beteiligungsgesellschaften an. Sie alle fungieren als sogenannte „limited Partners“ der Private-Equity-Firmen. Pikanterweise kommt das Geld für die Übernahmen häufig von jenen Pensionsfonds, die als Aktionäre zugleich Industriekonzerne dazu drängen, sich von renditeschwachen Tochterfirmen zu trennen. So berichtet Christóbal Conde, Chef des von KKR und anderen Finanzinvestoren aufgekauften US-Softwarehauses Sungard, dass sein Unternehmen nach dem „Going Private“ heute den gleichen Pensionsfonds gehört wie vorher. Wie das? Erst bieten die institutionellen Anleger ihre Anteile an einem Unternehmen zum Verkauf. Danach stecken sie das Geld in einen Private-Equity-Fonds, der damit die gleiche Firma zurückkauft. 163
Torsten Riecke
Ein besonders groteskes Beispiel dafür lieferte kürzlich die Bieterschlacht um die amerikanische Immobiliengesellschaft Equity Office Property (EOP). Der Pensionsfonds der Lehrer in Pennsylvania war sowohl bei EOP mit 48 Millionen US-Dollar beteiligt, hatte aber zugleich auch bis zu 200 Millionen US-Dollar in einen Fonds des privaten Finanzinvestors Blackstone investiert. Blackstone setzte sich am Ende durch. Aber erst, nachdem die Firma den Kaufpreis mehrmals auf zuletzt 23 Milliarden US-Dollar erhöht hatte. Die pensionierten Lehrer konnten sich zwar als EOP-Aktionäre die Hände reiben, zahlten jedoch als Blackstone-Investoren kräftig drauf. Zusätzlich müssen sie jetzt noch an den Finanzinvestor die üblichen Managementgebühren und 20 Prozent des künftigen Gewinns abführen. Entweder handelt es sich hier um ein bizarres Nullsummenspiel oder die Anleger trauen den privaten Firmenjägern eher zu, die Gewinne zu steigern. Eine riskante Wette. So ist KKR inzwischen in neun sehr unterschiedlichen Branchen aktiv. Die Palette reicht von der Chemieindustrie über die Finanzbranche bis hin zu Medienunternehmen. Das geht nicht nur an die Grenzen der Managementkapazitäten eines Teams von knapp 100 Führungskräften. Damit gleicht die Gruppe auch immer mehr jenen Konglomeraten, die von Investoren unter Druck gesetzt werden, Firmenteile abzustoßen. George Baker von der Harvard Business School und George David Smith von der Stern School of Business an der New York University machen jedoch auf einen wichtigen Unterschied zwischen Private-Equity-Firmen und den üblichen Mischkonzernen aufmerksam: „Mit der Kontrolle der aufgekauften Unternehmen haben KKR und andere Beteiligungsgesellschaften eine neue Betriebsorganisation entwickelt“, schreiben die beiden Wirtschaftsprofessoren. Obwohl der Verbund von Portfoliounternehmen einem Konglomerat ähnlich sehe, handele es sich jedoch nicht um eine klassische Holding. Vielmehr sei es ein lockerer Verbund von Partnerschaften – die Autoren sprechen von einer „LBO association“ – mit hoher Eigenständigkeit. Das Geld ihrer Anleger dient Finanzinvestoren wie KKR nur als Grundstock für ihre Firmenkäufe. Den weitaus größten Teil leihen sie sich bei Banken oder in Form von Kreditanleihen auf den Kapitalmärkten. So bleibt der Eigenkapitalanteil gering und die Rendite hoch. KKR hat seit seiner Gründung mit einem Kapitaleinsatz von 27 Milliarden US-Dollar einen Vermögenswert von 70 Milliarden US-Dollar für sich und seine Investoren geschaffen. An der Wall Street nennt man diese Finanzakrobatik nüchtern „leveraged buyout“. Die Private-Equity-Gesellschaften sind damit in der Lage, selbst Übernahmepreise in zweistelliger Milliardenhöhe zu bezahlen. Aufgekauft wurden früher meist an der Börse unterbewertete Unternehmen, die oftmals in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckten. Heute übernehmen die Finanzinvestoren jedoch auch völlig gesunde Firmen, wenn deren Finanzkraft ausreicht, um die Schuldenlast zu stemmen. Zusammen mit dem Management werden die Unternehmen auf Vordermann gebracht. Oft bedeutet das schmerzhafte Restrukturierungsmaßnahmen, die auch den Abbau von vielen Arbeitsplätzen beinhalten. Um die Firmenmanager zu Höchstleistungen anzuspornen, werden sie meist direkt an dem Unternehmen beteiligt. Die Finanzinvestoren selbst sehen sich eher als strenge Kontrolleure der vorab vereinbarten Zielvorgaben. 164
KKR – die Könige der Private-Equity-Branche
Damit die Rendite ihrer Anleger stimmt, bürden die Beteiligungsgesellschaften den Firmen die für die Übernahme aufgenommenen Kredite auf. Das sorgt zugleich für Disziplin im Management, müssen die Zins- und Tilgungszahlungen doch aus dem laufenden Cashflow finanziert werden. Geht die Rechnung auf, können die PrivateEquity-Firmen ihre sanierten Unternehmen nach ein paar Jahren zu einem deutlich höheren Preis wieder verkaufen. KKR hält seine Firmen im Durchschnitt sechs bis sieben Jahre, bevor sie die Unternehmen entweder an die Börse bringt oder an einen anderen Investor weiterverkauft. Renditen von 30 Prozent und mehr sind keine Seltenheit. Ein gutes Beispiel für diese Finanztechnik ist der Münchner Triebwerkbauer MTU. KKR übernahm das Unternehmen 2003 für 1,45 Milliarden Euro in einer wirtschaftlich schwierigen Lage. Zwar kürzten die Amerikaner erst einmal 15 Prozent der damals 8000 Mitarbeiter starken Belegschaft, zugleich erhöhten sie jedoch kräftig die Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete MTU einen Jahresüberschuss von 90 Millionen Euro und stellte erstmals neue Mitarbeiter ein. KKR verkaufte das Unternehmen nach zweieinhalb Jahren mit einem Gewinn von angeblich einer halben Milliarde Euro. Die privaten Finanzinvestoren verdienen aber nicht nur durch ihre Investitionsgewinne. Sie kassieren darüber hinaus eine jährliche Managementgebühr von 1,5 Prozent auf das verwaltete Anlagevermögen. Außerdem lassen sie sich von den aufgekauften Firmen ihre Dienste bei der Finanzierung und Restrukturierung bezahlen – oft in Form von sogenannten Sonderdividenden. KKR legt jedoch Wert darauf, dass die Gesellschaft anders als viele Konkurrenten die Finanzkraft ihrer Firmen nicht durch Sonderdividenden schwächt. Wenn die Unternehmen schließlich nach einigen Jahren wieder verkauft werden, erhalten die Buyout-Gesellschaften 20 Prozent des dabei erzielten Verkaufsgewinns. Im Fachjargon spricht man dabei von „Carried Interest“.
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Pioniere des „leveraged buyout“
Kohlberg, Kravis und Roberts gelten als die Erfinder dieser Finanztechnik. Die drei trafen sich Mitte der Sechzigerjahren bei der Investmentbank Bear Stearns in New York und begannen mit wenig Eigenkapital kleinere Firmen aufzukaufen. Der ältere Kohlberg nannte das „bootstrapping“ und überredete Kravis und dessen Cousin Roberts, die Buyouts auf eigene Faust zu versuchen. So entstand am 1. Mai 1976 die Gesellschaft KKR. Ein Jahr später kauften die Partner ihr erstes Unternehmen: das Industriekonglomerat A. J. Industries. Die Transaktion im Wert von 94 Millionen US-Dollar wurde zu zwei Dritteln mit Krediten finanziert. Der Durchbruch gelang dem Trio 1979 mit der 355 Millionen US-Dollar teuren Übernahme des US-Maschinenbauers Houdaille Industries. Es war der erste „leveraged buyout“ eines börsennotierten Unternehmens und sorgte an der Wall Street für Schlagzeilen. Danach hatte KKR keine Mühe mehr, Geldgeber zu finden. 1987 betrug das Fondsvolumen mehr als sechs Milliarden US-Dollar. Im gleichen Jahr zog sich Jerome 165
Torsten Riecke
Kohlberg aus dem Unternehmen zurück. Seitdem steuert Henry Kravis von New York aus die Geschäfte des Firmenimperiums. Der ein Jahr ältere George Roberts hat als Copilot seinen Sitz im kalifornischen Menlo Park. Über die wichtigsten Transaktionen sprechen die beiden am Telefon. Streit zwischen den zwei Cousins hat es angeblich nur einmal gegeben – um ein neues Fahrrad während ihrer Kindheit. Zu den Erfolgsgeschichten aus Sicht von KKR zählt zweifellos die Übernahme des amerikanischen Konzerns Beatrice 1986. Mit einem Eigenkapitalanteil von rund 400 Millionen US-Dollar kaufte der Finanzinvestor den Mischkonzern für den damals riesigen Betrag von 8,7 Milliarden US-Dollar. Es war der erste feindliche „leveraged buyout“ überhaupt. Innerhalb von vier Jahren trimmte KKR das Unternehmen mit einer Rosskur auf seine Kernkompetenzen und verkaufte Firmenteile im Wert von mehr als zwei Milliarden US-Dollar. Die Investoren erzielten eine Rendite von 43 Prozent. Ein noch größeres Kunststück gelang der Private-Equity-Gesellschaft im gleichen Jahr mit dem Erwerb der US-Supermarktkette Safeway. KKR zahlte 4,3 Milliarden US-Dollar, steuerte selbst aber nur Eigenkapital in Höhe von 132 Millionen US-Dollar oder drei Prozent des Kaufpreises bei. 17 Jahre lang hielt die Beteiligungsgesellschaft an ihrem Safeway-Anteil fest – und realisierte dadurch einen Gewinn von 7,4 Milliarden US-Dollar. Einer breiteren Öffentlichkeit ist KKR seit der legendären Übernahme des amerikanischen Tabak- und Lebensmittelkonzerns RJR Nabisco 1989 bekannt. Damals gab es in den USA einen Aufschrei gegen die rüden Geschäftsmethoden der sogenannten „Raider“, die den Regisseur Oliver Stone später dazu inspirierten, den Hollywood-Streifen „Wall Street“ zu drehen. Finanziert mit den hochverzinslichen, aber riskanten Kreditanleihen des Junk Bond-Königs Michal Milken plünderten Finanzinvestoren zahlreiche US-Konzerne, zerschlugen sie und verkauften die Einzelteile mit hohen Gewinnen. Die düstere Epoche der Habgier erreichte ihren Höhepunkt mit dem Übernahmekampf um RJR Nabisco, die KKR nach wochenlangem Ringen für einen Preis von 25 Milliarden US-Dollar gewann. Die Schlacht lieferte auch den Stoff für den Bestseller „Barbarians at the Gate“ der beiden „Wall-Street-Journal“-Reporter Bryan Burrough und John Helyar. Für den früheren Ringer und Football-Spieler Kravis war es der härteste Kampf seines Lebens, der ihn nicht nur viel Geld, sondern auch vier Kilo seines Gewichts gekostet hat. Finanziell hat sich der Deal jedoch nie ausgezahlt. Die jährliche Rendite lag unter einem Prozent. „Das Barbaren-Image verblasst langsam“, sagt KKR-Partner Lipschultz, „die Leute merken, dass wir kenntnisreiche und langfristig denkende Investoren sind.“ Sein Chef Kravis betont heute denn auch: „Wir bei KKR glauben fest daran, dass man bei einer Übernahme auf die Interessen aller Beteiligten wie Mitarbeiter, Kunden, Aktionäre und Nachbarn achten muss.“ Trotz dieser Beteuerungen werden KKR und anderen Finanzinvestoren in Europa noch immer misstrauisch beäugt. Zuerst in Deutschland, als der frühere SPD-Chef Franz Müntefering die Branche als „Heuschrecken“ titulierte. Seit kurzem regt sich aber auch 166
KKR – die Könige der Private-Equity-Branche
in Großbritannien der Widerstand gegen den Verkauf von Traditionsunternehmen wie der Supermarktkette J Sainsbury an Finanzinvestoren. „Der Aufschrei der Gewerkschaften (…) erinnert mich daran, was wir in Amerika in den Achtzigerjahren erlebt haben“, sagt Kravis. „Die Kritiker übersehen, dass sich viele Unternehmen ohne eine Restrukturierung in noch größeren Schwierigkeiten befinden würden und noch mehr Arbeitsplätze bedroht wären“, hält er den Heuschrecken-Häschern in Deutschland entgegen. Penibel zählt der KKR-Chef auf, dass sein Gewerbe in vier Jahren 420000 neue Jobs in Europa geschaffen habe. Dem öffentlichen Image hat das bislang wenig geholfen. Das liegt auch daran, dass die Private-Equity-Gesellschaften meist im Verborgenen wirken und das Licht der Öffentlichkeit scheuen. „Wale, die auftauchen und aufspritzen, werden harpuniert“, begründete Kravis einmal die Geheimniskrämerei in seinem Gewerbe. Seitdem die Finanzinvestoren jedoch große Konzerne mit Zehntausenden Mitarbeitern kaufen, wächst der öffentliche Druck, mehr über die mächtige Branche zu erfahren. Zudem werden die so sehr auf das Private bedachten Finanzjongleure den öffentlich an der Börse notierten Investmentbanken immer ähnlicher. Nicht nur weil sie inzwischen mit ganzen Heerscharen von Bankern und Beratern um den Globus ziehen. KKR hat im Jahr 2006 erstmals einen seiner milliardenschweren Beteiligungsfonds am Aktienmarkt in Amsterdam notieren lassen. Damit können jetzt auch Kleinanleger an dem Private-Equity-Boom teilhaben. Mit fünf Milliarden US-Dollar war die Börsenplatzierung allerdings so groß, dass der Markt abgegrast war und andere Finanzinvestoren ähnliche Pläne begraben mussten. Inzwischen plant der Erzrivale Blackstone den Börsengang seiner bislang als Partnerschaft geführten Managementgesellschaft. Volumen: vier Milliarden US-Dollar. Damit können die Anleger sich direkt an den hohen Gebühreneinnahmen und Gewinnen beteiligen. Auch KKR denke über einen Börsengang nach, wird an der Wall Street kolportiert. Anders als der Rivale Blackstone, der neben dem Beteiligungsgeschäft noch eine ganze Palette weiterer Finanzdienstleistungen anbietet, sind Kravis und Roberts jedoch viel stärker auf die Private-Equity-Branche spezialisiert. Das macht das Unternehmen empfindlicher und für die Anleger riskanter, wenn der Buyout-Boom einmal abebben sollte.
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Comeback mit neuer Philospophie
In der oft anonymen und kalt erscheinenden Welt der Finanzinvestoren wirkt Kravis wie die Ikone einer wieder auferstandenen Epoche. Nicht nur, weil er seit drei Jahrzehnten Firmen aufkauft, saniert und mit Gewinn wieder abstößt. Der nur 1,65 Meter große Mann passt so gar nicht zum Klischee der gesichtslosen Finanzmanager von heute. Kravis gilt als aufgeschlossen und gesellig. Er verehrt Churchill und Napoleon, mit denen er nicht nur seine Statur, sondern auch eine kantige Persönlichkeit gemein hat. „Ein echter Entrepreneur arbeitet ohne Sicherheitsnetz“, gehört zu seinen Lieblingssprüchen. 167
Torsten Riecke
Auch Lipschultz passt nicht so recht in die Fabelwelt von Heuschrecken und Barbaren. Ein freundliches rundes Gesicht, ein in diesen Kreisen ungewohntes Mitteilungsbedürfnis und der Verzicht auf jegliche Arroganz machen ihn zum idealen Werbeträger für eine verrufene Branche. Der ehemalige Goldman-Sachs-Banker gehört zum engsten Führungskreis der Firma und leitet die Aktivitäten im Energiesektor. Dort hat er zuletzt die Übernahme von Texas Utilities mit eingefädelt. „Wir unterscheiden uns von vielen Konkurrenten vor allem dadurch, dass wir uns sehr stark auf das operative Geschäft konzentrieren“, erzählt Lipschultz. So gingen dem Kauf einer Firma oft jahrelange Recherchen in der Branche voraus. Nur wenn KKR zu dem Schluss komme, den Wert des Unternehmens zu einem akzeptablen Preis steigern zu können, greife die Gesellschaft zu. Zu diesem Zeitpunkt habe man bereits mit dem Management der Firma einen Aktionsplan für die ersten 100 Tage verabredet und die hauseigenen Unternehmensberater von Capstone eingeschaltet. Wenn Kravis also betont, dass jeder Dummkopf heute ein Unternehmen kaufen könne und die harte Arbeit erst nach der Übernahme beginne, stimmt das nur zum Teil. Haben seine Mitarbeiter doch bereits zuvor Schwerstarbeit geleistet, um die anvisierten Unternehmen und ihre Branchen unter die Lupe zu nehmen. Dennoch hat der KKRChef Recht. Bemisst sich doch der Erfolg seiner Gesellschaft vor allem daran, ob sie den Wert des gekauften Unternehmens so weit steigert, dass sie die Firma nach ein paar Jahren mit einem deutlichen Gewinn wieder abstoßen kann. Das Beispiel RJR Nabisco zeigt, dass dieses Kunststück nicht immer gelingt. In gewisser Weise markierte der legendäre Deal sogar einen Wendepunkt für KKR. In den folgenden Jahren ging es abwärts. „Wir wurden arrogant und machten ein Reihe schrecklicher Fehler“, räumte Kravis in einem Interview mit dem US-Wirtschaftsmagazin „Fortune“ ein. Zu einem regelrechten Debakel wurde die Übernahme der amerikanischen Kinokette Regel Cinemas 1996. Kravis und Roberts ließen sich von der Expansionslust im Kinogewerbe mitreißen und verloren zusammen mit ihrem Partner Hicks Muse eine Milliarde US-Dollar. Regal Cinema musste am Ende Konkurs anmelden. Nicht viel besser erging es dem Sportartikelhersteller Spalding, den KKR 1996 für rund eine Milliarde US-Dollar erwarb. Zwei Jahre später konnte die Firma kaum mehr ihre Schulden bedienen. „Wir haben das Unternehmen aus den Augen gelassen“, gestand Kravis später. Solche Fehler rächten sich. Die Renditen der KKR-Fonds gerieten unter Druck und sanken deutlich unter die 20-Prozent-Marke. Zu wenig für das hohe Risiko eines Buyouts. So bezeichnete der staatliche Pensionsfonds des US-Bundesstaates Oregon in seinem Jahresbericht 1996 die Verzinsung des größten Teils seiner 2,1 Milliarden US-Dollar Investments in verschiedene KKR-Fonds als enttäuschend. Die staatlichen Anleger aus Oregon und dem Nachbarstaat Washington gehören zu den größten Geldgebern der Private-Equity-Gesellschaft. Auf Druck der großen Pensionsfonds musste KKR nach der bitteren Erfahrung mit RJR Nabisco eine weitere, schmerzhafte Konzession machen. Künftig wurde der Finanzinvestor nicht nur an den Gewinnen seiner Transaktionen beteiligt, sondern musste auch die Verluste mit übernehmen. 168
KKR – die Könige der Private-Equity-Branche
Für Kravis und Roberts war der Niedergang Anlass, in sich zu gehen, und ihre Firma von Grund auf zu erneuern. Von den Chefs potenzieller Übernahmekandidaten bekamen sie immer häufiger zu hören, dass KKR sich nicht mehr von den anderen BuyoutFirmen unterscheiden würde. „Jeder kann heute eine kreditfinanzierte Firmenübernahme auf die Beine stellen“, sagte Kravis im vergangenen Jahr in einer Rede auf dem Branchenkongress „Super Return“ in Frankfurt. Umso mehr komme es darauf an, dass sich KKR von der Konkurrenz abhebe. Ende der Neunzigerjahre rissen die beiden Cousins deshalb das Ruder herum und legten den Grundstein für den Wiederaufstieg von KKR in die absolute Spitze der PrivateEquity-Branche. „Unser neuer Fokus auf eine industrielle Spezialisierung und operationale Verbesserungen hatten weitreichende Folgen für KKR und unsere Investoren“, berichtet Kravis. Die Konzentration auf die detaillierten Geschäftsabläufe einer Branche sei weitaus wichtiger als das sogenannte „financial engineering“ – also die Finanzierung einer Firmenübernahme. Erleichtert wird dieser Systemwechsel durch den momentanen Überfluss an billiger Liquidität. Kravis und Roberts schicken ihre Mitarbeiter nicht zu Powerpoint-Präsentationen, sondern zum Beispiel auf Industriemessen, um dort die Märkte, Produkte und Unternehmen von Morgen aufzuspüren. In einer wöchentlichen Videokonferenz werden die Investmentideen zwischen den KKR-Partnern diskutiert. Nach einer rigorosen Unternehmensprüfung wird die Übernahme dem Investmentkomitee der Private-EquityGesellschaft präsentiert. Dieser interne Führungskreis trifft sich jeden Montag. Verspricht die Transaktion unter den ausgetüftelten Finanzierungsbedingungen eine ausreichende Rendite abzuwerfen, wird ein offizielles Kaufangebot unterbreitet. Zu den Eckpfeilern der neuen Unternehmensphilosophie gehört der „100-Tage-Plan“. Noch bevor ein Unternehmen übernommen wird, vereinbart KKR mit dem dortigen Management einen strikten Fahrplan, welche Maßnahmen in den ersten 100 Tagen nach der Übernahme getroffen werden, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. „Diese Vorgaben werden sehr strikt eingehalten“, sagt Lipschultz. So stehen die Mitarbeiter des Finanzinvestors oft täglich mit dem Management in Kontakt, um operative Entscheidungen zu diskutieren. Detaillierte Monatsberichte des Managements bilden dafür die Grundlage. Hinzu kommt die Kontrolle in den Aufsichtsgremien, wo die einzelnen Schritte zur Ergebnisverbesserung akribisch beobachtet werden. Darüber hinaus setzt KKR auf die Expertise seiner internen Unternehmensberatung Capstone. Das Team besteht aus 18 Mitarbeitern und ist auf die Standorte New York, Menlo Park und London verteilt. Capstone konzentriert sich auf operationale Fragen, die einen direkten Effekt auf das Ergebnis haben können. In fast allen Bereichen des Betriebsablaufs wird nach Verbesserungspotenzial geforscht – vom Einkauf über die Produktion bis hin zum Marketing und Verkauf. „Weil wir in vielen verschiedenen Branchen aktiv sind, können wir Erkenntnisse von einem Industriezweig auf einen anderen übertragen“, sagt Lipschultz. Durch seine weltweite Präsenz kann KKR seinen Portfoliounternehmen außerdem helfen, auf ausländischen Märkten besser Fuß zu fassen. Dabei greift die Gesellschaft nicht nur auf ihr 169
Torsten Riecke
eigenes Wissen zurück, sondern auch auf ihre langjährigen Verbindungen zu Anwaltskanzleien, Wirtschaftsprüfern, Investmentbanken und Unternehmensberatern. Unterstützt wird KKR außerdem von ehemaligen Top-Managern. Darunter befinden sich nicht nur frühere Unternehmensführer wie Sir John Bond, ehemals Chairman bei der britischen Großbank HSBC und beim Mobilfunkkonzern Vodafone, sondern mit John M. Keane auch ein pensionierter General der US-Armee.
3
Das Ende des Booms naht
Mit ihrem Erfolg sind Private-Equity-Gesellschaften wie KKR auch stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit gerückt. Sie müssen sich nicht nur der Kritik von Gewerkschaften und Politikern stellen, sondern werden auch von der Finanzaufsicht in vielen Ländern unter die Lupe genommen. So hat das Justizministerium in den USA mehrere Beteiligungsfirmen aufgefordert, die Details über sogenannte „Club Deals“ offen zu legen. Gemeint sind damit jene Fälle, bei denen sich Private-Equity-Gesellschaften zu einem Bieterkonsortium zusammengeschlossen haben, um die Risiken bei Milliardenübernahmen besser zu verteilen. Die US-Kartellwächter mutmaßen jedoch, dass es sich dabei um kartellähnliche Absprachen handeln und der Wettbewerb auf der Strecke bleiben könnte. Aber auch einige Investoren der Buyout-Unternehmen betrachten die „Club Deals“ mit Sorge. Schließen sich die Beteiligungsgesellschaften immer häufiger zu Konsortien zusammen, heben sie damit die Risikostreuung jener Geldgeber wieder auf, die ganz bewusst in unterschiedliche Buyout-Fonds investiert haben. Gegenwind bekommen die Finanzinvestoren aber auch aus der Wirtschaft. So haben sich die Großaktionäre des amerikanischen Radiobetreibers Clear Channel geweigert, ihre Anteile an Private-Equity-Unternehmen wie KKR zu verkaufen. Stattdessen forderten sie das Management des Unternehmens auf, die von den Finanzinvestoren geplanten Restrukturierungen ohne deren Hilfe selbst durchzuführen. Auf diese Weise könne man sich die teuren Managementgebühren von KKR & Co sparen, sagen institutionelle Anleger. Die größte Gefahr droht Firmen wie KKR jedoch durch das absehbare Ende des Buyout-Booms. Noch ist die Liquidität auf den internationalen Kreditmärkten im Überfluss vorhanden. Die Zahlungskrise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt ist jedoch bereits ein Warnsignal. Wenn Investoren und Banken aus riskanten Anlageformen flüchten, könnte die Liquiditätsquelle für die Private-Equity-Branche schnell versiegen. Dass Branchengrößen wie Blackstone jetzt an die Börse drängen, wird an der Wall Street bereits als Zeichen dafür gesehen, dass der Boom seinen Höhepunkt erreicht hat. Auch für Kravis und Roberts stellt sich daher die Frage, wie sie KKR auf eine dauerhafte finanzielle Grundlage stellen wollen. Die Zeit drängt noch aus einem anderen Grund: Mit 63 bzw. 64 Jahren sind die beiden Firmengründer in einem Alter, in dem sie sich über eine Nachfolgeregelung an der Spitze von KKR Gedanken machen müssen. 170
Teil III: Vermögensanlage – Strategien und deren Umsetzung
Christopher Freiherr von Oppenheim
Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
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Typisierung von Family Offices 2.1 Single Family Office . . . 2.2 Multi Family Office . . . 2.3 Corporate Family Office .
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Erfolgsfaktoren von Corporate Family Offices. 3.1 Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Know-how . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Technologie . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Talentsicherung . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Aufsichtsbehörden & Kontrollgremien . 3.6 Checks and Balances . . . . . . . . . . . .
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Strategische Vermögensallokation als Basis einer ganzheitlichen Investmentstrategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187
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Vermögensverwalter- und Asset Manager Selektion . . . . . . . . . . . . . . . 190
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Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
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D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_15, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
1
Einleitung „Plan for the future, because that is where you are going to spend the rest of your life.“ (Mark Twain)
Der Entstehung großer Vermögen in Familienhand gehen oftmals einschneidende Wendepunkte im Rahmen einer zumeist langjährigen unternehmerischen Tätigkeit voraus. Vor dem Hintergrund günstiger Rahmenbedingungen entscheiden sich Familien für den Verkauf ihrer Firmenbeteiligungen und verzichten damit in der Regel auf eine auch zukünftig aktive Rolle in ihren früheren Unternehmen. Mit dem Unternehmensverkauf selbst geht in der Regel ein Liquiditätszufluss einher, der gemäß den verschiedenen Interessen der beteiligten Familienmitglieder risikoadjustiert strukturiert, angelegt und kontinuierlich angepasst werden muss. Aufgrund der außerordentlich hohen Komplexität der in sich sehr unterschiedlichen Aufgabenstellungen – Unternehmensverkauf einerseits und Anlage der Liquiditätszuflüsse andererseits – bedürfen derartige Familien der Unterstützung professioneller Partner. Weitere Wendepunkte im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit können Todes- und Erbfälle, Nachfolgethemen, Konjunkturprobleme oder auch ganze Branchenzusammenschlüsse darstellen. Studien belegen, dass der von sehr vermögenden Familien immer wieder genannte Hauptgrund für den Aufbau eines eigenen Family Office als Plattform für die Verwaltung der Liquiditätszuflüsse der Wunsch nach „gefühlter“ Kontrolle ist. Dieser Mythos der Kontrolle kann jedoch auch in die Irre führen, denn mit dem Aufbau eines eigenen Family Office ist auch zwangsläufig die Verantwortung für den Aufbau und das Management eines sehr anspruchsvollen und zumeist unbekannten neuen Geschäftes verbunden. Die Umsetzung der notwendigen rechtlichen Struktur ist ein erster und vergleichsweise einfacher Schritt, bevor die eigentliche Arbeit beginnt. Die Notwendigkeit des Aufbaus eines eigenen Family Office erkannten auch die Inhaberfamilien des Bankhauses Oppenheim, als durch den Verkauf der Mehrheit der Anteile an der Colonia Versicherung im Jahre 1990 wesentliche Liquiditätszuflüsse neu organisiert werden mussten. Für diese Aufgabe wurde die Oppenheim Vermögenstreuhand GmbH (OVT) als eine der ersten wirklichen Family-Office-Gesellschaften in Deutschland gegründet. Die OVT vereinigt die Vorteile eines unabhängigen Family Office mit der Möglichkeit des Zugriffs auf die Expertise der Oppenheim-Gruppe. Dabei genießt die Wahrung der Diskretion sowohl für die Familie Oppenheim als auch für alle weiteren Mandanten nach wie vor höchste Priorität. Seit der Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit ist es die Aufgabe der OVT, die für die Durchführung der Vermögensverwaltung am besten geeigneten Vermögensverwalter und Asset Manager zu suchen und zu kontrollieren, nicht aber selbst die Disposition vorzunehmen.
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Christopher Freiherr von Oppenheim
Ein Family Office dieser Art beschränkt sich in seinen Leistungen nicht auf das bloße Reporting und Controlling von Vermögenswerten, sondern unterstützt seine Mandanten aktiv bei der Entwicklung und Umsetzung einer Gesamtvermögensstrategie. Unter Umständen wird hierbei bereits auf die Belange der nachrückenden Generation Rücksicht genommen. Grundsätzlich hat für die OVT der langfristige Vermögenserhalt nach Steuern und Inflation – verbunden mit einer aktiven Risikosteuerung – eine größere Bedeutung als die Maximierung der jährlichen Renditen. Die nun folgenden und allgemein gültigen Ausführungen richten sich an vermögende Familien, Privatpersonen und Stiftungen, die sich intensiv mit der Optimierung ihrer Vermögenswerte in quantitativer und qualitativer Hinsicht sowie mit den notwendigen Strukturen zur Erreichung dieser Zielsetzungen beschäftigen.
2
Typisierung von Family Offices
Um das Vermögen von Henry Phipps, eines engen Geschäftspartners des Stahlmagnaten Andrew Carnegie, zu betreuen, wurde 1907 der „Bessemer Trust“ gegründet. Diese Pioniertat, die noch heute Modellcharakter besitzt, hat dazu geführt, dass mittlerweile weltweit weit über 2000 Family Offices unterschiedlichster Ausprägung existieren. 1974, also fast 70 Jahre nach seiner Gründung, entschied der Bessemer Trust, seine Dienstleistungen auch anderen Familien zur Verfügung zu stellen und wurde damit zu einem sogenannten Multi Family Office. In der geschichtlichen Entwicklung haben sich seit 1907 verschiedene Family-Office-Typologien herauskristallisiert, die wie folgt unterschieden werden können:
2.1
Single Family Office (SFO)
Bei dieser klassischen Form des Family Office liegt der Aufbau, das Eigentum und die Verantwortung in den Händen einer einzigen Familie. Die typischen Charakteristika eines SFOs sind: Private Belange stehen im Vordergrund dieses „Familienbüros“ Abhängigkeit von den Vorstellungen der Eigentümerfamilie „Clearing-Funktion“ für alle familiären Angelegenheiten und Vermögensfragen Reporting der Vermögensbestände als vornehmlich nachgefragte Dienstleistung Nicht in vollem Umfang in Breite und Tiefe vorgehaltene Kompetenz, sondern lediglich in denjenigen Themengebieten, auf die die Familie ihre Interessenschwerpunkte legt y Begrenztes Netzwerk an Experten wird in den Interessenschwerpunkten der Familie aufgebaut y y y y y
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Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
y Relativ hohe Kostenbelastung im Verhältnis zu den Vermögenswerten y Aufgrund der Ausrichtung eines SFO ist dessen langfristige Überlebensfähigkeit nicht gesichert – vielmehr ist im Zeitablauf eine Zusammenarbeit mit einem Multi Family bzw. mit einem Corporate Family Office sinnvoll
2.2
Multi Family Office (MFO)
Durch diese im Vergleich zum SFO bereits fortschrittlichere Form eines Family Office werden die Bedürfnisse einer begrenzten Anzahl an Familien mit ähnlich gearteten Investmentstrategien erfüllt. Die typischen Charakteristika eines MFOs sind: y Vorrangiges Ziel ist es, durch die Bündelung von Ressourcen Effizienzsteigerungen (economies of scale and scope) zu erzielen y Fungiert als zentrale Anlaufstelle für Fragen in Bezug auf Planung und Umsetzung der jeweiligen Vermögenssituationen y In begrenztem Umfang wird ein Kompetenzaufbau in ausgewählten Teilbereichen vorgenommen y Erhöhter Abstimmungsaufwand zwischen den das MFO gemeinsam tragenden Familien y Reporting und Controlling als primär nachgefragte Dienstleistungen y Es ist eine punktuelle Zusammenarbeit mit Corporate Family Offices festzustellen, da y sich die verschiedenen Familien in Bezug auf die perspektivische Ressourcenplanung des MFOs oftmals nicht verständigen können y dies die Möglichkeit bietet, schnell Kompetenz durch Einkauf aufzubauen y hierdurch der Prozess der diversen divergierenden Investmentthemen besser gesteuert werden kann
2.3
Corporate Family Office (CFO)
Mit den Bereichen Reporting, Controlling und Consulting decken CFOs die gesamte Bandbreite an Family-Office-Dienstleistungen für eine große Anzahl von Familien respektive SFOs und MFOs entweder vollumfänglich oder in modularer Form ab. Die typischen Charakteristika eines CFO sind: y Entwicklung und Umsetzung von individuell konzipierten Vermögens- und Investmentstrategien y Ein CFO muss sich als unternehmerisch geführte und im Wettbewerb stehende Gesellschaft am Markt beweisen 177
Christopher Freiherr von Oppenheim
y Im Vergleich zum MFO deutlich größere Anzahl an vermögenden Mandanten y Keinerlei Abhängigkeiten zwischen den Familien, die die Dienstleistungen in Anspruch nehmen y Proprietäre Eigentümerstruktur in Form einer Familie bzw. einer Institution y Positionierung als „Vollserviceanbieter“, da in umfassendem Maße Kompetenz sowie ein umfangreiches Netzwerk an externen Know-how Trägern aufgebaut wird y Ziel ist die langfristig über Generationen hinweg praktizierte optimale Bewirtschaftung der privaten und unternehmerischen Vermögenswerte und Verpflichtungen des Kunden Abbildung 1:
Schematische Darstellung Family-Office-Typologien
Die OVT hat sich aufgrund der im Zeitablauf gewachsenen inhaltlichen Anforderungen der Familie Oppenheim an das Management des eigenen Vermögens sowie der von Beginn an praktizierten Öffnung des Know-hows der OVT für weitere Familien und Stiftungen, sukzessive von einem MFO, bestehend aus verschiedenen Familienstämmen, zu einem CFO mit einem damit einhergehenden Dienstleistungsangebot weiterentwickelt. Die persönlichen Erfahrungen der Familie Oppenheim in Kombination mit der konsequent vorangetriebenen Diversifikation der Vermögenswerte im Verlauf der letzten 17 Jahre, führten zu einer schrittweisen Professionalisierung des Dienstleistungsspektrums. Heute stellt die OVT ein umfangreiches Serviceangebot zur Verfügung, dass sich auf die Bereiche Reporting, Controlling und Consulting erstreckt. Abbildung 2 stellt den Aufbau des Dienstleistungsprofils dar: 178
Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
Abbildung 2:
Reporting, Controlling, Consulting – modulare Verfügbarkeit der Dienstleistungen
In der Erbringung der umfangreichen Dienstleistungen ist die OVT absolut authentisch, was ein sehr hohes Maß an Individualität in der Betreuung potenzieller Kunden nach sich zieht. Standardlösungen waren und werden niemals die ultima Ratio für die OVT in der Mandantenbetreuung darstellen. Vielmehr legt die Gesellschaft ein großes Augenmerk auf den langfristigen individuellen Diskurs mit dem Kunden zur Erreichung der gemeinsam fixierten langfristigen Zielsetzungen. Die OVT verfügt aufgrund der modularen Bereitstellung der diversen Dienstleistungsangebote in den Bereichen Reporting, Controlling und Consulting sowie der Nutzung der Infrastruktur des Bankhauses, über eine breite Kompetenz für die Bearbeitung im179
Christopher Freiherr von Oppenheim
mer anspruchsvoller werdender Vermögen. Insbesondere vor dem Hintergrund einer immer enger werdenden Vernetzung der internationalen Kapitalmärkte sowie einer schier endlosen Flut neuer Anlagemöglichkeiten gilt es, den Mehrwert eines jederzeit möglichen Rückgriffs auf die Fähigkeiten von Sal. Oppenheim jr. & Cie. KGaA, einer der ältesten und größten Privatbanken Europas, zu betonen. Durch die in Abbildung 3 skizzierte Struktur der Zusammenarbeit zwischen der OVT und dem Bankhaus wird sichergestellt, dass bei Bedarf neben der Familie Oppenheim auch alle anderen Kunden diskret das umfangreiche Dienstleistungsangebot des Bankhauses nutzen können. In Anbetracht einer weiter voranschreitenden Globalisierung sehen wir in dieser organisatorischen Aufstellung einen signifikanten Mehrwert für die Mandanten der OVT, da hierdurch bei Bedarf die eingangs erwähnten Wendepunkte bei Unternehmerfamilien begleitet werden können.
Abbildung 3:
Struktur der Zusammenarbeit zwischen der OVT und dem Bankhaus Sal. Oppenheim
Die Struktur der zu entrichtenden Gebühren für die Einschaltung eines CFO hat sich im Zeitablauf deutlich verändert. Heute orientieren sich die von einem Mandanten eines CFO zu tragenden Aufwendungen in der Regel an der Komplexität der Aufgabenstellungen und nicht mehr an dem Volumen der Vermögenswerte. 180
Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
Darüber hinaus zeigen Erfahrungswerte, dass die Kosten-/Nutzenrelation – selbst bei nur partieller Nutzung des Dienstleistungsumfangs – im Falle eines CFOs günstiger ist als bei SFOs und MFOs. Dem Honoraraufwand für die Dienstleistungen eines CFOs wie der OVT stehen konkrete Verbesserungen bei der Erhaltung der Vermögenssubstanz und Stärkung der Ertragskraft gegenüber. Zudem kann ein etabliertes CFO wie die OVT aufgrund seiner bedeutenden Marktstellung für seine Mandanten oftmals deutlich attraktivere Gebührenkonditionen vereinbaren als dies individuell realisierbar wäre.
3
Erfolgsfaktoren von Corporate Family Offices
Für das Outsourcing von Teilaufgaben und/oder Vermögenswerten auf professionelle CFO-Anbieter lassen sich einige profunde Gründe benennen:
3.1
Verantwortung
Die Ernennung eines Familienmitglieds zum Hauptverantwortlichen für ein SFO oder MFO kann weitere Herausforderungen nach sich ziehen, wenn sich zwischen den verschiedenen Familienzweigen eine divergierende Risiko- und Renditeneigung herauskristallisiert. Man stelle sich ein Familienmitglied vor, das sich entscheidet, zugleich Ratgeber und Schlichter für alle Familienmitglieder zu sein. Kann man mit einem derartigen Aufgabenprofil auch noch die Rolle des Hauptverantwortlichen für das Family Office übernehmen? Man muss kein Prophet sein, um diverse potenzielle Konfliktherde erkennen zu können. Diese Konfliktherde lassen sich auch nicht dadurch vermeiden, dass man entscheidet, den Sohn oder die Tochter und damit die nachrückende Generation mit der Verantwortung für das Family Office zu betrauen. Zu viele Hüte aufzuhaben, erhöht das Risiko, dass zu einem a priori nicht bestimmbaren Zeitpunkt eine oder mehrere Personen in der Familie verärgert sein können. Dies kann jedoch zweifelsohne auch negative Auswirkungen auf die Mitarbeiter eines SFOs oder MFOs haben. Ein SFO oder MFO beinhaltet daher durchaus auch das Risiko, zu einem Familiendrama zu werden. Durch ein Outsourcing an ein CFO von innerhalb der Familie(n) häufig kritisch diskutierter Teilaufgaben eines SFOs oder MFOs kann der Familienfrieden hingegen nachhaltig bewahrt werden. Hierdurch werden Konfliktpotenziale ganz bewusst von den Familien ferngehalten und somit „entpersonalisiert“. Aufgrund ihrer Positionierung als CFO fungiert die OVT als beauftragter Dienstleister für die unterschiedlichen Belange der von ihr betreuten Familien. Durch die jederzeitige Gewähr einer vollumfänglichen Unabhängigkeit sieht sich die Gesellschaft in der komfortablen Situation, ihren Aufgaben mit einer gewissen Distanz und Ruhe nachzugehen. 181
Christopher Freiherr von Oppenheim
Im Gegensatz dazu dürften sich die Manager von SFOs und MFOs in einer gewissen Abhängigkeitsposition gegenüber den sie tragenden Familien befinden, dem sogenannten „Principal-Agent“-Dilemma. Hierunter ist zu verstehen, dass zur Sicherung der eigenen Position und Karriere nicht immer allen objektiven Kriterien gerecht werdende Entscheidungen getroffen werden dürften. Es ist davon auszugehen, dass derartige Manager vielleicht nicht in der Lage sind, wichtige Sachargumente mit der gebotenen Deutlichkeit vorzutragen. Gemäß ihrem Credo sieht sich die OVT hingegen dem „Best Advice“ verpflichtet – ungeachtet bestimmter Ist-Vermögensbestände oder -strukturen.
3.2
Know-how
Das Outsourcing von Dienstleistungen eines SFOs oder MFOs an ein CFO, welches für eine große Anzahl an unterschiedlich strukturierten Familien Dienstleistungen erbringt, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass für spezifische Aufgabenstellungen einer Familie auf eine Vielzahl von Experten zurückgegriffen werden kann. Hinzu kommt der nicht zu unterschätzende Vorteil, dass die Experten eines CFOs auch auf Erfahrungswerte aus anderen Kundenbeziehungen verweisen können, was in Anbetracht der eingeschränkten Klientenbasis bei SFOs und MFOs nicht möglich ist. Als Beispiel sei erwähnt, dass sich eine Familie für eine Beteiligung in Indien oder einem anderen Wachstumsmarkt interessiert. Es ist unwahrscheinlich, dass ein SFO oder MFO ohne den entsprechenden Erfahrungsschatz, personellen und fachlichen Unterbau bzw. den Rückgriff auf spezialisierte Berater in der Lage wäre, ein derartiges Investitionsvorhaben professionell zu begleiten. Auf der anderen Seite kann ein CFO, welches eine Vielzahl ähnlich gelagerter Anfragen erhält, den notwendigen Talentpool vorhalten oder aufbauen, um die entsprechenden professionellen Ratschläge erteilen zu können. Im Fall der OVT kommt hinzu, dass wie zuvor ausgeführt bei Bedarf auf die Expertise und das umfassende Netzwerk der Oppenheim-Gruppe zurückgegriffen werden kann. Somit ist die OVT in der Lage, ihren Kunden in allen Vermögensfragen erstklassige und individuelle Lösungen anzubieten. Die Tradition des Hauses, die Erfahrung der Eigentümerfamilien und die Expertise der Mitarbeiter und Spezialisten helfen, Vermögen über Generationen hinweg zu gestalten, real zu erhalten und zu vermehren. Dabei stehen den Kunden der OVT das betriebswirtschaftliche und juristische Knowhow des Bankhauses, dessen Kapitalmarktexpertise, aber auch die Kompetenz und das Netzwerk der vielfältigen Geschäftspartner jederzeit zur Verfügung.
3.3
Technologie
Die Notwendigkeit, die richtige Technologie zur Untermauerung von komplexen Finanzstrukturen für vermögende Familien vorzuhalten, ist eine weitere ernsthafte Herausforderung. Heute gilt mehr als jemals zuvor, dass es nicht ausreicht, eine marktüb182
Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
liche Software für Family-Office-Themen zu erwerben, die vollumfänglich den komplexen Anforderungen eines generationenübergreifenden Anlageportfolios mittels eines einfachen Spreadsheets gerecht wird. Die Information Technology ist insbesondere für die Themenbereiche Reporting, Controlling, Vermögensallokation, Vermögensverwalterselektion sowie Steuern erforderlich, da hier aufgrund der zunehmenden Komplexität der inhaltlichen und gesetzlichen Anforderungen eine manuelle Abarbeitung nicht mehr erbracht werden kann. Hinzu kommen die Herausforderungen in Bezug auf große Datenmengen, die im Zusammenhang mit Simulationen jedweder Form verarbeitet werden müssen. Vermögende Multigenerationen-Familien verfügen oft über 30 und mehr Investmentbeziehungen zu unterschiedlichen Marktteilnehmern in den unterschiedlichsten Anlageklassen. Im Rahmen derartiger Investmentbeziehungen ist es wichtig sicherzustellen, wie sich jedes einzelne Mandat sowohl absolut als auch relativ zum vorgegebenen Planziel entwickelt. So ist es beispielsweise wichtig zu analysieren, ob sich die Anlagestile verschiedener Vermögensverwalter ergänzen, substituieren oder duplizieren. Auch muss sichergestellt werden, dass das Reporting den Anforderungen der jeweiligen Anlageklassen gerecht wird und dass man alle relevanten Informationen auf Knopfdruck abrufen kann. All dies gilt stets unter der Vorgabe, dass eine Vielzahl von Depots für verschiedene Rechtsträger und vermögensverwaltende Familiengesellschaften und Stiftungen mit ihren spezifischen Wünschen in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht abgestimmt werden muss. Um bedarfsgerechte Anlageempfehlungen auszusprechen, bedarf es zunächst einer ganzheitlichen Analyse der Vermögenssituation, da erst im Anschluss produktive Diskussionen mit Vermögensverwaltern und anderen Spezialisten über die passenden Strategien geführt werden können. Nicht jedes SFO und MFO kann es sich jedoch leisten, Investitionen für die notwendige Technologie bis in den siebenstelligen Bereich hinein sowie das dazugehörige Personal aufzubringen. Aufgrund des Umstandes, dass die Familie Oppenheim selbst als bedeutender Kunde in die OVT eingebunden ist, wird auch zukünftig stets die notwendige Investitionsbereitschaft für neueste Technologien und finanzmarkttheoretische Entwicklungen gewährleistet sein. Die Gesellschaft kann daher im Interesse aller Mandanten auf ein umfangreiches Rüstzeug in den Bereichen Reporting, Controlling und Consulting zurückgreifen.
3.4
Talentsicherung
CFOs stellen gemeinhin umfangreiche Dienstleistungen für Familienvermögen zur Verfügung. Diese reichen von der steuerlichen Planung über Anlageberatung, Kostenmanagement, Liegenschafts- und Stiftungsservices, Risikomanagement, philantrophische Beratung bis hin zu persönlichen Dienstleistungen. Die hochqualifizierten Talente in jeder einzelnen der genannten Disziplinen ziehen es in der Regel vor, sich mit einer Vielzahl an Kundenthemen zu beschäftigen und in 183
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einem Netzwerk von Gleichgesinnten zu arbeiten, die ihre Passion für ihr jeweiliges Spezialgebiet teilen. Als Ergebnis sind SFOs und MFOs meist nicht im unmittelbaren Fokus potenzieller Bewerber, weil sich die Investmentstrategie des SFOs oder MFOs aufgrund bestimmter Bedürfnisse einer oder nur weniger Familien verändern können und somit die individuelle Spezialistenthematik überflüssig werden kann. Mit umfangreichem Spezialwissen ausgestattete Talente sind daher besser bei CFOs aufgehoben, die aufgrund ihrer Themenbreite und vergleichsweise hohen Kundenzahl eindeutig als Talentschmiede fungieren. SFOs und MFOs sehen sich daher am Arbeitsmarkt einem sehr harten Wettbewerb mit größeren Unternehmen und CFOs um solche Fachleute ausgesetzt. Es kann somit zu einem teuren und zeitintensiven Unterfangen werden, das notwendige Know-how zu rekrutieren, da die Abhängigkeit von einer oder nur einer begrenzten Anzahl von Familien ein nur geringes Entwicklungspotenzial und damit auch nur begrenzte Karriereperspektiven bietet. Ein eventuell späterer Wechsel zu einem anderen Finanzdienstleistungsunternehmen ist zudem erheblich erschwert. Vor diesem Hintergrund ist auch die Entstehung von CFOs zu verstehen, bei denen die Kosten für den Aufbau des personellen Unterbaus und des Know-hows über viele Familien hinweg gestreut werden können. Die OVT hat sich seit ihrer Gründung im Jahr 1990 kontinuierlich durch konsequente Talentauswahl und Talentförderung sowie durch erhebliche Investitionen in Technologie und Prozesse verstärkt. Heute beschäftigt die Gesellschaft mehr als 40 Mitarbeiter, die sich auf die Geschäftsbereiche Reporting, Controlling und Consulting verteilen. Mit der aktiven Mandantenbetreuung sind derzeit 15 Mitarbeiter betraut, die sich in Tandems um die spezifischen Bedürfnisse der OVT-Mandanten bemühen.
3.5
Aufsichtsbehörden & Kontrollgremien
Die Sicherstellung einer gesetzeskonformen Erbringung der üblicherweise sehr umfangreichen Dienstleistungen eines Family Office stellt ein zentrales Thema dar. Sowohl der nationale Gesetzgeber als auch die Europäische Union haben in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen, um im Sinne des Anlegerschutzes auch zukünftig eine professionelle Beratung der Bürger sicherzustellen. Die verabschiedeten Gesetze sollen ein in Art und Umfang möglichst hohes Maß an Expertise in Bezug auf die Erbringung von Finanzdienstleistungen gewährleisten. Im Rahmen der neuen gesetzlichen Bestimmungen wird die Abgabe von persönlichen Empfehlungen an Kunden oder deren Vertreter, die sich auf Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als geeignet dargestellt wird, nunmehr als Anlageberatung definiert. Zukünftig besteht daher die Notwendigkeit für den Erwerb einer Lizenz als Finanzdienstleistungsinstitut für diejenigen Family Offices, die beabsichtigen, Anlage und/ oder Vermögensverwaltungsdienstleistungen für Dritte zu erbringen. In diesem Fall 184
Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
unterwirft sich das Family Office allen aufsichtsrechtlichen Regulierungen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Nach enger Auslegung des Gesetzeswerks unterliegen selbst SFOs einer Lizenzpflicht, da sie ihrem Vermögensinhaber eindeutige und für dessen persönliche Situation geeignete Empfehlungen aussprechen, wodurch sie sich zwangsläufig in die Nähe der Anlageberatung begeben. Auch wenn die Beantragung einer Lizenz als Finanzdienstleistungsinstitut für ein Family Office mit erheblichem Aufwand verbunden ist, so gilt es doch die positiven Aspekte herauszustellen. Einerseits steht schließlich die finanzielle Situation von einer größeren Anzahl an Familien zur Disposition, und andererseits muss ein Family Office in Anbetracht der signifikanten Vermögenswerte ganz grundsätzlich nach professionellen Maßstäben geführt werden. Was die Eigentümerfamilie(n) eines bisher unregulierten Family Offices daher vielmehr bewegen sollte, ist das Risiko einer zukünftig nicht gesetzeskonformen Arbeitsweise ihres Family Offices, das üblicherweise durch ein oder mehrere Familienvertreter bzw. einen Fremdmanager vertreten wird. Ein nicht ausreichend qualifiziertes Management kann in negativer Publizität bis hin zu Klagen vor Gericht resultieren, zum Beispiel wegen Fehlberatung. Gravierende Haftungsfragen können die Folge sein. Insofern stellt die Übertragung von Dienstleistungen oder Vermögenswerten von einem SFO und/oder MFO auf ein CFO auch eine Gewähr für die Professionalität im Umgang mit den in der Regel erheblichen Vermögenswerten dar. Daneben werden durch ein Outsourcing die zum Teil erheblichen Haftungsrisiken für die das SFO und/oder MFO tragenden Familien begrenzt, da diese vom CFO übernommen werden. Als Ergebnis können sich die SFOs und MFOs sehr flexibel auf die für sie wichtigen Themen konzentrieren, ohne sich dem Damoklesschwert einer etwaigen Fehlberatung auszusetzen. Der Erwerb einer Lizenz als Finanzdienstleistungsinstitut stellt für Family Offices nur einen, wenn auch signifikanten, ersten Schritt zu einer weiteren Professionalisierung dar. Von größerer Bedeutung ist vielmehr, dass die gesamte Organisation die gesetzlichen Vorgaben auch konsequent mit Leben füllt, was zwangsläufig einen gewissen institutionellen Unterbau für die Abarbeitung der mannigfaltigen Aufgaben erforderlich macht. Aufgrund ihrer langen Historie, ihres zukunftsweisenden Geschäftsmodells und ihrer Größe wird die OVT hierbei sämtlichen Ansprüchen vollumfänglich gerecht. SFOs und MFOs dürften hingegen zumindest punktuell nicht in der Lage sein, einen dauerhaft hohen Qualitätsanspruch zu gewährleisten.
3.6
Checks and Balances
Die Aufgabe von CFOs mit einer Vielzahl an Kundenbeziehungen ist es, Vermögen dauerhaft zu erhalten und zu mehren und die Kunden mittels detaillierter Berichte laufend zu informieren. Die Struktur eines CFOs als eigenständiges Unternehmen mit der dazugehörigen Corporate Governance, den Jahresabschlüssen und Gewinn- und Verlustrechnungen, wird dabei deutlich höheren Ansprüchen gerecht als dies bei SFOs oder 185
Christopher Freiherr von Oppenheim
MFOs der Fall ist. Die Qualität der Dienstleistungen eines CFOs wird auch dadurch garantiert, dass regelmäßige Kontrollen durchgeführt werden. Exemplarisch erwähnt seien in diesem Zusammenhang regulatorische Prüfungen, Finanzprüfungen, interne Revisionen, Prozessprüfungen sowie Risikokontrollen. All diese Prüfungen stellen zusätzliche Belastungen für das Personal dar, jedoch stellen sie letztendlich ein hohes Maß an Qualität für die Kunden sicher. Neben diesen „Checks and Balances“ sorgen CFOs für den entscheidenden Vorteil einer vollkommen transparenten Gebührenstruktur. Die Höhe der Gebühren richtet sich grundsätzlich nach dem vom Mandanten in Art und Umfang in Anspruch genommenen modularen Dienstleistungsspektrum. Alle Verträge und Vereinbarungen sind modular strukturiert und sie werden gewöhnlich für eine mehrjährige Laufzeit geschlossen. Die Entrichtung der Gebühren erfolgt in der Regel pro rata temporis auf Quartalsbasis. Darüber hinaus verzichten diese Family Offices zur Vermeidung von Interessenkonflikten auf jegliche Rückvergütungen dritter Vermögensverwalter und leiten diese unmittelbar durch die eigene Organisation an ihre Mandanten weiter. Bei CFOs können die Kunden bei Unzufriedenheit ihre Mandate kündigen, das Vermögen abziehen und auf einen anderen Dritten übertragen. Im Gegensatz dazu sollte erwähnt werden, dass es auf der anderen Seite fast unmöglich sein dürfte, ein SFO oder MFO binnen kurzer Zeit aufzulösen. Wichtig zu betonen ist, dass das Geschäftsmodell der OVT sehr stabil ist und damit ein Verlust von Kundengeldern dahingehend verkraftet werden könnte, was wie im Fall von SFO und MFO nicht die Existenz der Gesellschaft per se in Frage stellt.
Zwischenfazit Im Zusammenhang mit dem Outsourcing von Dienstleistungen von SFOs und MFOs ist es wichtig zu betonen, dass sich viele Familien lediglich für das Outsourcing von Schlüsselfunktionen wie zum Beispiel die Anlageberatung oder die steuerliche Planung und Berichterstattung entscheiden, während andere Funktionen weiter im eigenen Family Office abgebildet werden. Diese modulare Vorgehensweise mag die richtige Lösung für bestimmte Familien darstellen und sie kann mit einem CFO auch umgesetzt werden. Vor dem Hintergrund der oben genannten Aspekte ist es jedoch nicht verwunderlich, wenn das Outsourcing an ein CFO vielen Familien ein höheres Maß an Kontrolle über die angebotenen Dienstleistungen bietet als dies im Rahmen eines SFOs oder MFOs der Fall wäre. Aufgrund ihrer modular strukturierten Dienstleistungsangebote bieten CFOs im Gegensatz zu SFOs und MFOs den nicht zu unterschätzenden Mehrwert einer klaren Trennung des operativen Tagesgeschäftes von der Privatsphäre der Mandanten. Daneben bieten sie ein Höchstmaß an individueller Betreuung sowie einen erstklassigen Zugang zu professionellen Vermögensverwaltern und Asset Managern. 186
Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
4
Strategische Vermögensallokation als Basis einer ganzheitlichen Investmentstrategie
Als CFO legt die OVT großen Wert auf eine ganzheitliche Betrachtungsweise von Vermögen und berücksichtigt daher stets das effektive Zusammenwirken verschiedener Anlageklassen. Grundlage des Beratungsansatzes der OVT ist das Konzept einer wissenschaftlich fundierten, dynamischen Asset Allocation, das in seiner Umsetzung ausschließlich auf Produkte ausgewählter Vermögensverwalter setzt. Sowohl die historisch ermittelten Renditen als auch die Renditeprognosen werden von unabhängiger Seite zugeliefert und einer kritischen Würdigung unterzogen. Neben ihrem Kapitalmarkt-Know-how definiert sich die OVT vor allem über ihre umfassende Beratungskompetenz in den Bereichen Vermögenszusammensetzung und Implementierung (Asset Allocation), Steuerung von Wertpapierportfolios, Nachfolgeplanung, Bewertung von unternehmerischen Beteiligungen bis hin zu Private Equity, Immobilien, Stiftungen, Recht, Versicherungen und Finanzierungen. Mit ihrem umfassenden Controlling- und Reportingsystem werden alle Anlagen eines Gesamtvermögens einheitlich und systematisch erfasst. Daneben unterstützt die OVT ihre Kunden auch bei der Entwicklung und Definition der Familien-Anlage-Charta und den dazugehörigen Anlagerichtlinien als deren Ausführungsbestimmungen. Als CFO gibt die OVT neutrale, unabhängige und auf die individuelle Situation der Kunden abgestimmte Empfehlungen ab. Die Unabhängigkeit und Kompetenz der OVT wird auch über den Austausch und die nationale wie internationale Zusammenarbeit mit über 50 Banken, Vermögensverwaltern und Wirtschaftsprüfern gestärkt. Mit dem Erwerb der international operierenden Family Office Organisation „Services Généraux de Gestion S.A“. (SGG) in Luxemburg durch Sal. Oppenheim jr. & Cie. KGaA kann die OVT zukünftig bei Bedarf auf deren umfangreiches Service- und Produktangebot zurückgreifen und dadurch ihren eigenen Dienstleistungsumfang für die Beratung und Betreuung internationaler Familien nachhaltig erfolgreich erweitern. Dieses seit Jahrzehnten am Markt erfolgreiche Family Office bietet Inhabern großer Vermögen Hilfe bei der Organisation und Optimierung ihrer internationalen Aktivitäten an. Hierbei fungiert die Gesellschaft für den internationalen Kunden als unabhängiger, neutraler Betreuer und Berater mit über 110 Mitarbeitern in Luxemburg und Genf. Die SGG S. A. fokussiert sich dabei in erster Linie auf europäische Familienstrukturen im Benelux-Raum, in Deutschland, der Schweiz sowie in Südeuropa. Darüber hinaus baut die Familie Oppenheim ihr Auslandsnetzwerk nach und nach weiter aus. Bereits heute ist das Bankhaus mit Tochtergesellschaften in Luxemburg, der Schweiz und Österreich sowie einer Repräsentanz in Prag in wichtigen Märkten aktiv. Des Weiteren wird in Kürze ein weiterer Standort in Hongkong eröffnet, um die Kunden des Hauses noch besser bei Investments im asiatischen Raum begleiten zu können. 187
Christopher Freiherr von Oppenheim
Im Bereich der Produktinnovationen bietet die OVT die gesamte Bandbreite an liquiden und illiquiden Kapitalanlagen an, wobei sie sich durchaus auch unorthodoxer Strategien fernab vom allgemein Üblichen bedient. So bietet die OVT bereits intensiv neue Formen von unternehmerischen Investitionen wie Mezzanine, fungiblen PrivateEquity-Anlagen oder Bausteinen für Asien-Engagements von ausgewählten Vermögensverwaltern an. Ferner offeriert die Gesellschaft innovative Vermögensverwaltungskonzepte, Anlageformen mit asymmetrischen Renditeverteilungen und liquide beziehungsweise auch langfristig gebundene Immobilien- und Schiffsinvestments dritter Anbieter. Die strategische Vermögensallokation bleibt auch zukünftig der entscheidende Werttreiber für die weitere Entwicklung eines jeden Vermögens. Elementarer Bestandsteil im Rahmen der Auswahl eines geeigneten CFO-Dienstleistungsunternehmens für komplexe Vermögen sollten daher dessen Grundüberzeugungen im Bereich Consulting sein, anhand derer der gesamte Betreuungs- und Investmentansatz des Anbieters erfolgt. Diese Analyse erscheint aus Kundenperspektive schon allein deshalb notwendig, da viele SFO- und MFO-Wettbewerber aus Gründen mangelnder Kapazitäten, Investitionen und Erfahrungen keine fundamentalen Grundüberzeugungen in der Herleitung ihrer Anlageempfehlungen entwickelt haben, die einer detaillierten und eher institutionell getriebenen Überprüfung standhalten würden. Das Resultat solcher Entwicklungen können zum Beispiel, neben einer ineffizienten Aufbau- und Ablauforganisation, nicht stringente Investmentprozesse oder eine nicht existierende Systemwelt zur Untermauerung von Anlageempfehlungen sein, woraus Einzelentscheidungen ohne nachvollziehbare Validierung resultieren. Hinzu kommt der nicht zu unterschätzende Umstand, dass die OVT Teil der Oppenheim-Gruppe ist, die auf ein haftendes Eigenkapital von derzeit mehr als zwei Milliarden Euro verweisen kann. SFOs und MFOs sind in der Regel mit nur vergleichsweise wenig Kapital ausgestattet, was deren Handlungsspielräume für Investitionen in den Bereichen Information Technology sowie Humankapital entsprechend einengt. Für den dauerhaften Erfolg des Vermögensmanagements von Family Offices sind derartige Investitionen jedoch über viele Jahre hinweg erforderlich. Zur Rechtfertigung derartiger Ausgaben bedarf es daher neben dem notwendigen Willen der beteiligten Parteien auch signifikanter Vermögenswerte im mittleren dreistelligen Millionenbereich, um die Kosten/Nutzenrelation für die Vermögensinhaber noch akzeptabel gestalten zu können. Die jährliche Kostenbelastung eines SFOs und/oder MFOs kann sich leicht im siebenstelligen Bereich bewegen, sodass – in Abhängigkeit des Volumens der Vermögenswerte – zwischen 200 und 300 Basispunkten allein für die Fixkosten einzuplanen sind. Diese Kostenbelastung muss natürlich aus den Erträgen der investierten Anlagen beglichen werden, wodurch sich die für die Mandanten erzielbaren Renditen nachhaltig schmälern. Ein Verzicht auf derartige signifikante Investitionen kann zu suboptimalen Ergebnissen führen, sei es im Hinblick auf das vom Kunden zu tragende Risiko oder die erziel188
Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
baren Renditen. Nachvollziehbare und klar dokumentierte Prozesse und Strukturen sollten aufgrund des institutionellen oder semi-institutionellen Charakters vieler Kundenvermögen stets dem „guten Bauchgefühl“ eines Einzelnen vorgezogen werden, da die Negativfolgen im Einzelfall verheerend sein können. Im Folgenden soll daher die elementare Betreuungsphilosophie der OVT kurz skizziert werden, die unser Tun im Interesse der Kunden kennzeichnet. 1. Eine kohärente, klar dokumentierte und auf drei bis fünf Jahre ausgerichtete Investmentstrategie für sämtliche fungiblen und illiquiden Anlageklassen ist die Basis eines professionell strukturierten Investmentprozesses, wobei sich die OVT der modernen Portfoliotheorie verschrieben hat. Diese wird durch präzise definierte empirische Fakten unabhängiger dritter Anbieter untermauert. Im Interesse ihrer Kunden ist die OVT konsistent, systematisch und transparent in ihren Analysen und Entscheidungsprinzipien. Grundsätzlich vermeidet die OVT, von der jeweiligen Ist-Situation der ihr zur Prüfung vorgelegten bzw. der ihr anvertrauten Vermögen beeinflusst zu werden. 2. Risiken müssen zunächst verstanden werden, um Überschussrenditen zu erzielen. Das kundenseitige Risikobudget ist normalerweise begrenzt, sodass man dieses korrekt messen und dann sorgfältig beachten muss. Aus dieser Haltung heraus wollen wir Überraschungen vermeiden und akzeptieren Risiken nur für den Fall, dass sich die prognostizierten Zielrenditen auch tatsächlich einstellen. Grundsätzlich stellen wir eine ausreichende Diversifikation der Risiken sicher. Ziel ist die Definition der langfristigen strategischen Asset Allokation jeweils unter der Maßgabe des vom Kunden genehmigten Risikobudgets, wobei wir stets versuchen, mindestens das Marktrisiko-Premium (Beta) zu verdienen. 3. Grundsätzlich sind wir von der Existenz funktionierender Kapitalmärkte überzeugt. Marktkräfte existieren, um etwaige Abweichungen vom Gleichgewicht zu bereinigen. Öffentliche Informationen führen im Zeitablauf zu einer Anpassung der Preise und Erwartungen. Daher verwenden wir das Modell effizienter Kapitalmärkte als unsere Referenz. Grundlage der Betreuungsphilosophie sind daher von der OVT verifizierte realistische Renditeprognosen. Ein CFO wie die OVT unterstützt seine Mandanten aktiv bei der Entwicklung und Umsetzung einer generationenübergreifenden Gesamtvermögensstrategie. 4. Ziel unseres Handelns ist die Nutzung der langfristigen ökonomischen Renditepotenziale sämtlicher Anlageklassen im Interesse unserer Mandanten, wobei wir auf Basis regelmäßiger Überprüfungen Anpassungsnotwendigkeiten aufzeigen. Vor diesem Hintergrund strebt die OVT als CFO langfristige Wertsteigerungen an und minimiert kurzfristigen Aktionismus. Trotz unseres konservativen Vorgehens verhalten wir uns im Bedarfsfall auch bewusst antizyklisch. 5. Liquide und illiquide Anlageklassen weisen zum Teil erhebliche Verwerfungen in ihren Gebührenstrukturen auf. Gebühren sind oft nicht transparent, aber sie können signifikant sein und zu niedrigeren Renditen führen. Leistungen der Produzenten müssen angemessen honoriert werden, dennoch ist es im Interesse unserer Kunden selbstverständlich, dass wir eine Ausführungskompetenz zu vernünftigen Konditionen auf Seiten der Vermögensverwalter und Asset Manager erwarten. In 189
Christopher Freiherr von Oppenheim
Bezug auf die Bewertung der Transaktions- und Verwaltungsgebühren sind wir daher geduldig und sehr genau, wobei wir regelmäßige Marktabgleiche vornehmen. Die Gesamtvermögensstrategie beinhaltet eine detaillierte Analyse der vermögensbezogenen Ertrags- und Risikopotenziale, welche mit der Renditeerwartung abgeglichen werden muss und anschließend zur Festlegung eines individuellen Risikobudgets führt. Die sich daraus ergebenden Empfehlungen zur Diversifizierung des Vermögens können dann neben den gängigen fungiblen Kapitalmarktanlagen zum Beispiel auch zu Investments in Immobilien, Private Equity oder Hedgefonds führen. Auch die Überprüfung bestehender Finanzierungsstrukturen und mögliche Optimierungsansätze werden regelmäßig durchgeführt.
5
Vermögensverwalter- und Asset-Manager-Selektion
Nachdem die OVT die risikoadjustierte strategische Vermögensallokation gemeinsam mit dem Mandanten fixiert hat, erfolgt als weiteres elementares Kernstück ihres Aufgabenspektrums die Vermögensverwalter- und Asset-Manager-Selektion für die identifizierten Anlageklassen. Hierbei bewegt sich die OVT oftmals ganz bewusst gegen den Trend, in dem sie versucht, unorthodoxe Talente ausfindig zu machen, die noch nicht über einen großen Markennamen verfügen. Von ihrem Verständnis her betrachtet sich die OVT vielmehr als ein Informationsmanager, der die verschiedenen Partner sowie die Anlagestile der angebotenen Anlageprodukte einer Analyse innerhalb ihres Netzwerkes unterzieht und einer Bewertung zuführt. Aufgrund der sich beschleunigenden Globalisierung sehen sich sehr vermögende Privatkunden und Familien einer wachsenden Komplexität in Bezug auf die Anzahl der investierbaren Anlageklassen als auch im Hinblick auf die Anbieteranzahl gegenüber. Vor diesem Hintergrund ist es die vornehmste Aufgabe eines CFOs wie der OVT, „Licht in das Dunkel“ zu bringen. Die Aufgabe eines jeden CFOs ist es daher, die für die Durchführung der Vermögensverwaltung am besten geeigneten Manager zu suchen und zu kontrollieren, nicht aber selbst die Disposition vorzunehmen. Zu den Kerndienstleistungen eines CFOs wie der OVT gehört es zunächst, auf Basis langjähriger Erfahrungen der mit dieser Aufgabe betrauten Mitarbeiter die in der jeweils zur Disposition stehenden Anlageklasse besten Vermögensverwalter und Asset Manager auszuwählen. Danach werden diese dann zum Nutzen des Mandanten in eine unter Performance- und Risikogesichtspunkten zu beobachtende Wettbewerbssituation versetzt. Gegenwärtig steht die OVT mit weltweit mehr als 300 Vermögensverwaltern und Asset Managern in einem engen Austausch, der sich entweder in Besuchen bei der OVT oder aber am Sitz der Anlageexperten widerspiegelt. Im Rahmen von mindestens zweimal pro Jahr stattfindenden Treffen mit den Vermögensverwaltern 190
Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
Abbildung 4:
Selektionsprozess für Vermögensverwalter und Asset Manager
191
Christopher Freiherr von Oppenheim
und Asset Managern überprüft die OVT die Auswahlkriterien im Detail. Im Fall von signifikanten und dauerhaften Abweichungen wird die OVT den Kunden empfehlen, den oder die betroffenen Partner auszutauschen. Die OVT verfügt über eine kontinuierlich aktualisierte Datenbank der präferierten Marktteilnehmer pro Anlageklasse, sodass ein Austausch jederzeit vorgenommen werden kann. Bei der Definition der Gesamtheit aller Vermögensverwalter und Asset Manager in einer Anlageklasse nutzt die OVT externe Unterstützung, um so jederzeit auf einen aktualisierten Pool an Anbietern zugreifen zu können. Aufgrund der strengen Auswahlkriterien der OVT verkleinert sich das pro Anlageklasse in der Regel recht umfangreiche Investmentuniversum an Vermögensverwaltern recht zügig. Als conditio sine qua non haben die Vermögensverwalter hierbei strenge Kriterien zu erfüllen, um im Interesse der OVT-Kunden einen reibungslosen Investment- und Transaktionsprozess zu gewährleisten. Neben der obligatorischen und durch einen mindestens dreijährigen „Track Record“ nachzuweisenden Qualifikation muss der Vermögensverwalter oder Asset Manager auch die Fähigkeit entwickeln, sich den OVT-Bedürfnissen in Bezug auf Prozesse und Strukturen anzupassen. Beispielhaft sei erwähnt, dass potenzielle Vermögensverwalter nicht nur die engen Mandatskriterien zu erfüllen haben, sondern auch über ein erstklassiges Reporting verfügen müssen. Dass sich die Vermögensverwalter ebenfalls zu einer „Best Execution“ Handelspolitik verpflichten müssen, versteht sich von selbst. Die OVT erwartet nichts anderes als einen regelmäßigen Informationsfluss, der Renditetreiber, Handelsberichte sowie Steuerberichte umfasst. In vielen Fällen ziehen derartige OVT-Vorgaben Investitionen auf Seiten der Vermögensverwalter und Asset Manager nach sich.
6
Fazit
Diejenigen Familien, die sich für den Aufbau eines eigenen Family Office entschieden haben, müssen im Zeitablauf feststellen, dass ihr SFO die Familie kontrolliert und nicht umgekehrt. Familienmitglieder können sich gezwungen fühlen, die Dienstleistungen ihres Family Office in Anspruch zu nehmen, wodurch sie ausgerechnet die Freiheitsgrade verlieren, die ansonsten üblicherweise unabhängigen Kunden in einem freien Marktumfeld eingeräumt werden. Vor diesem Hintergrund wird es verständlicher, warum sich vermögende Familien zunehmend mit dem „Outsourcing“ von im Zusammenhang mit der Vermögensverwaltung stehenden Aufgaben beschäftigen. Die auch zukünftig wachsende Komplexität von Familienvermögen einerseits sowie der Kapitalmärkte und Kapitalmarktprodukte andererseits führt zwangsläufig zu einer stärkeren Nutzung von CFO-Dienstleistungen. Alternativ bleibt einem SFO bzw. einem MFO nur die Möglichkeit, sich selbst in ein CFO umzuwandeln oder aber Aufgaben komplett oder zu großen Teilen auf ein am Markt etabliertes und renommiertes CFO zu übertragen. 192
Family Office: Wendepunkte in der Verwaltung von Familienvermögen
Auch zukünftig bleibt das Family-Office-Geschäft stark geprägt von spezifischen individuellen Dienstleistungen. Dies impliziert, dass es qua definitionem keine Standardlösungen für die Mandanten geben kann. Selbst ein CFO, welches aufgrund der in der Regel deutlich größeren Anzahl an sehr unterschiedlich strukturierten Familien auf entsprechende Erfahrungswerte zurückgreifen kann, ist immer wieder von Neuem gefordert, maßgeschneiderte Lösungen für seine Mandanten zu entwickeln. Dennoch ist die Möglichkeit eines jederzeitigen Rückgriffs auf einen wie im Fall der OVT über viele Jahre hinweg aufgebauten umfangreichen Erfahrungsschatz stets von großem Nutzen für die Mandanten. Die Entwicklung des Family Office-Geschäftes in den letzten Jahren hat gezeigt, dass es auch zukünftig aufgrund der sehr hohen Eintrittsbarrieren nur einer Hand voll SFOs und MFOs gelingen wird, sich an den richtigen Wendepunkten zu einem bedeutsamen CFO-Anbieter zu wandeln. Die hierfür benötigten Investitionen lassen sich lediglich durch einen substanziellen und nachhaltigen Ausbau der Assets under Administration rechtfertigen. Nur so können akzeptable interne Kostenstrukturen und damit korrespondierende wettbewerbsfähige Gebührenbelastungen für die Mandanten erreicht werden. Heutzutage erscheint dieses Unterfangen noch schwieriger, da SFOs und MFOs die notwendige Historie sowie die immer komplexer werdende Kompetenzbreite und -tiefe, die eine gewisse institutionelle Größe zwangsweise erforderlich macht, nicht mehr replizieren können. Im Verlauf der letzten 17 Jahre hat sich die OVT hingegen kontinuierlich von einem MFO zu einem CFO gewandelt. Ihr Geschäftsmodell hat Bestand und hat sich am Markt bewährt. Als langfristiger und international aufgestellter Begleiter von Familienvermögen, Stiftungen, SFOs und MFOs steht die OVT auch zukünftig für die Beantwortung immer komplexer werdender Fragestellungen mit der gebotenen Flexibilität und Individualität zur Verfügung.
193
Emanuel Arbib
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
1
Steigende Bedeutung von Hedgefonds-Anlagen für die Portfoliostreuung. . . 197 1.1 Eigenschaften und Strategien von Hedgefonds . . . . . . . . . . . . . . . 198
2
Anlagenstreuung durch Hedgefonds . . . . . . . . . . . . 2.1 Institutionelle Anleger ändern Hedgefonds-Arena . . 2.2 Entscheidung über die Anlage des Fondsvermögens 2.3 Falsche Mythen und hilfreiche Daten aus der Zuweisung an Hedgefonds . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . 200 . . . . . . . . . . . 202 . . . . . . . . . . . 203 . . . . . . . . . . . 204
3
Kultur und Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207
4
Neues Gesicht der Hedgefonds-Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Vertrieb zu einem Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Mehr Tools für Einzelpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Beteiligung durch ETFs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Entstehung während der geplatzten Blase . . . . . . . . . . . 4.5 „Alpha“ zur Mischung hinzufügen . . . . . . . . . . . . . . . 4.6 Einzel-Hedgefonds – Dachfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.7 Risiken für das Branchenwachstum – Risiken für die Anleger
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
. . . . . . . .
207 208 210 212 212 212 214 215
Literaturhinweise und Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_16, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
195
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
1
Steigende Bedeutung von Hedgefonds-Anlagen für die Portfoliostreuung
Der wichtigste Faktor für die Veränderung, die in den letzten Jahren in der Asset-Management-Branche stattgefunden hat, ist zweifellos die Verbreitung und Zunahme der sogenannten Hedgefonds. Es ist schwierig, den Begriff „Hedgefonds“ genau zu definieren, nicht nur aufgrund einer fehlenden präskriptiven Definition, sondern auch, weil die Beschreibung einer solch komplexen und vielfältigen Struktur schwierig erscheint. In der Finanzliteratur wurden verschiedene Versuche unternommen, dieses neue Phänomen zu definieren, und jeder dieser Versuche hat zweifellos erheblich dazu beigetragen, Aufschluss über einige wichtige Eigenschaften zu geben. Einige Leute haben Hedgefonds als „einen geschlossenen Investmentfonds, der Leverage und bestimmte Techniken zur Kurssicherung anwendet“ (George Soros) beschrieben. Ein anderer Versuch hat die Tatsache betont, dass wir es hier mit einem „Investmentfonds, bei dem der Manager je nach Performance des Fonds bezahlt wird“ (Michael Steinhardt) zu tun haben, und eine weitere Meinung beschreibt ihn als „einen Fonds, an dem der Manager selbst umfangreiche Beteiligungen hält, und dessen Ausgleich es ihm ermöglicht, Long- und Short-Positionen zu erwerben …“ (Republic New York Securities Fund selection and evaluation group). Wenn man aufgefordert wird, die Herkunft des Konzepts von Hedgefonds zu erläutern, so muss man zweifellos einige Zeit zurückgehen, zum Vorgänger einer Anlageklasse, die höchstwahrscheinlich zum Ausdruck höchster Entwicklung im Hinblick auf Finanzmanagement wurde: Im Jahre 1949 gründete Alfred Winslow Jones das, was später als erster Hedgefonds der Geschichte galt. Die Hauptidee von Jones’ Fonds war relativ einfach: die Verbindung eines konservativen Investmentansatzes mit Leerverkäufen (Short-Selling) und Hebelwirkung durch Fremdfinanzierung (Leverage), was zu dieser Zeit ausschließlich für spekulative Zwecke angewendet wurde. Die beiden Techniken zusammen dienten dann einem doppelten Zweck: Short-Selling wurde dazu genutzt, auf bestimmte Chancen zu spekulieren, die der Markt bot, wohingegen Leverage dazu diente, höhere Gewinne zu erzielen, indem man sich vorübergehend einem höheren Risiko aussetzte, das investierte Kapital zu verlieren. Mit dieser Vorgehensweise war Jones der erste, der das Konzept der Absicherung (Hedging) einführte, bzw. der Einbehaltung eines Prozentsatzes des Portfolios für Short-Selling, um sich gegen das Risiko fallender Kurse abzusichern. Seine Strategie bestand daher darin, Aktien mit hohem Wachstumspotenzial im Markt zu erwerben und Aktien mit entgegengesetzter Tendenz kontextabhängig leer zu verkaufen (zur Absicherung gegen Marktschwankungen). Jones’ Voraussicht bescherte ihm ein großes 197
Emanuel Arbib
Vermögen, und sein Fonds erreichte verblüffende Ergebnisse: Im Zeitraum von 1960 bis 1965 verzeichnete er Zuwächse von 325 Prozent, verglichen mit den 225 Prozent, die der geschlossene Fonds mit der besten Performance erzielte, und mit den 83 Prozent des S&P500. Wenn man die gesamte Dekade von 1955 bis 1965 als Zeitbogen betrachtet, legte Jones’ Fonds um 670 Prozent zu, verglichen mit den 358 Prozent des geschlossenen Fonds mit der besten Performance sowie mit den 225 Prozent des S&P 500.
1.1
Eigenschaften und Strategien von Hedgefonds
Man könnte sagen, dass sich seit der Zeit von Alfred Jones auf den Aktienmärkten eine Menge geändert hat, besonders im Bereich der Hedgefonds. Der heutige HedgefondsSektor wird durch eine große Vielzahl an Strategien und Investmentphilosophien gekennzeichnet, die sich ständig weiterentwickeln. Darüber hinaus existieren auch komplexe rechtliche Bedingungen, die bei der Umsetzung eines Investmentfonds, der als Hedgefonds klassifiziert wird, gewählt werden. Trotzdem verkörpert Jones’ Urform auch heute noch alle Haupteigenschaften, die einen echten Hedgefonds ausmachen: y Rechtsform der verschiedenen Fonds (Private Investment Partnership oder OffShore Investment Corporation sind zwei mögliche Arten). y Anwendung verschiedener Managementmethoden und Finanzinstrumente (ShortSelling, Derivate, Leverage usw.). y Hedgefonds-Manager beteiligen sich normalerweise mit ihrem eigenen Kapital am Fonds. y Die Vergütung des Hedgefonds-Managers ist nach Performance-Anreizen gewichtet. y Die Anleger sind hauptsächlich Einzelpersonen mit umfangreichem Eigenkapital oder institutionelle Anleger (Pensionsfonds, Stiftungen, Versicherungsunternehmen, Privatbanken. y Es bestehen hohe Eintrittsbarrieren. Ein wichtiger Unterschied bei der Verwaltung eines Hedgefonds und eines klassischen Investmentfonds (nur Long-Positionen) besteht in der Vielzahl unterschiedlicher Strategien, die von Hedgefonds angewendet werden. Diese Strategien können in vier große Bereiche eingeordnet werden: directional (direktional), market neutral (marktneutral), event-driven (ereignisgetrieben) und fund of hedge funds (Dachhedgefonds). Ohne bei der Analyse der einzelnen Unterstrategien zu sehr ins Detail zu gehen, wird nachfolgend ein Überblick über die vier Hauptbereiche gegeben: y Hedgefonds, die direktionale Strategien anwenden, bieten ein größeres Maß an Freiheit als traditionelle Fonds, in dem Sinne, dass sie finanzielle Hilfsmittel wie Leverage und Short-Selling anwenden können. Die erwartete Performance und das Risikoprofil bei der Anwendung dieser Strategien sind proportional (bei Leverage) und symmetrisch (bei Short-Selling) zur Performance und dem historischen Risiko der Aktie/des Marktes, in die/den man investiert. 198
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
Abbildung 1:
Hedgefonds-Arten
y Hedgefonds, die Arbitragestrategien anwenden (marktneutral), zielen darauf ab, Marktschwächen zu nutzen, bei denen sich Unstimmigkeiten zwischen den „relativen Preisen“ ergeben. Risikoprofil und Performance sind in diesem kurzen Zeitraum sehr stabil, und die erwarteten Gewinne stellen sich eventuell. als gering jedoch leicht vorhersehbar heraus. Daher besteht die Möglichkeit, Leverage anzuwenden. y Bei ereignisgetriebenen Strategien wird Leverage auf gemäßigte Weise angewendet, und es wird eine zurückhaltende Volatilität vermittelt. Die Möglichkeiten, die sich diese Strategien zunutze machen, sind solche sogenannter besonderer Situationen, oder vielmehr solche, mit denen sich Unternehmen in besonderen Situationen ihres Geschäftslebens konfrontiert sehen. Das könnten zum Beispiel Fusionen und Übernahmen, Umstrukturierungen oder Konkurse sein. Merger-Arbitragefonds funktionieren normalerweise durch Erwerb von Anteilen an Unternehmen, die übernommen werden, und durch gleichzeitigen Verkauf von Anteilen der möglichen Käufer selbst. Fonds, die unter der Bezeichnung Distressed Securities (gefallene Wertpapiere) laufen, trachten danach, nur mit der Art von Aktien zu arbeiten, deren genauer Wert schwer auszudrücken ist, und an denen sich viele institutionelle Anleger nicht beteiligen dürfen. y Multistrategiefonds zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, Kapital auf dynamische Weise zwischen verschiedenen Strategien aufzuteilen. Die Nutzung verschiedener Strategien und die Fähigkeit, als Reaktion auf wechselnde Marktbedingungen Kapital zwischen diesen umzuverteilen, bedeutet, dass diese Fonds nicht einfach mit einer eindeutigen Strategie in Zusammenhang gebracht werden können. Manchmal werden Fonds, die keiner der vorgenannten Kategorien zugeordnet werden können, als Multistrategiefonds definiert. 199
Emanuel Arbib
y Dachhedgefonds sind Gesellschaften, die im eigenen Namen in eine Reihe variabler und möglicherweise diversifizierter Hedgefonds-Strategien investieren. Auf diese Weise können sie eine geringe Volatilität und eine interessante risikobereinigte Performance vorweisen und von einer größeren Risikostreuung profitieren.
2
Anlagenstreuung durch Hedgefonds
Im Großen und Ganzen nehmen Hedgefonds im Vergleich mit anderen Bereichen der Finanzmärkte in den USA immer noch nur einen geringfügigen Teil des GesamtFondsvolumens ein. Ende 1998 verfügten die Banken zum Beispiel über ein Fondsvolumen von 4,1 Billionen US-Dollar, Investmentfonds fünf Billionen und Versicherungsunternehmen 3,7 Billionen US-Dollar. Nach zehn Jahren hat sich die globale Branche für alternative Anlagen grundlegend gewandelt, sowohl was ihre Größe, ihre Anlagearten sowie die Lage der freien Investment-Trusts betrifft. Auf globaler Ebene hat sich die Anzahl der Hedgefonds von 2000 Fonds im Jahr 1990 auf mehr als 9000 Ende 2006 erhöht. Während dieses Zeitraums sind die durch Hedgefonds verwalteten Anlagenwerte explodiert, mit einem Anstieg von 50 Milliarden auf 1,4 Billionen US-Dollar Ende 2006. Es ist offensichtlich, dass Statistiken dieser Größenordnung nicht nur das Ergebnis eines vorübergehenden Trends oder einer kurzzeitigen Anlagemode sein können. In Wahrheit hat das bloße Konzept der Hedgefonds und ihre Fähigkeit, auf eine Weise zu arbeiten, die mit der Richtung der Finanzmärkte nicht korreliert, zu einem Erfolg geführt, der bis heute anhält. In einem System, das durch niedrige Zinssätze und Geldmarkterträge gekennzeichnet ist, sind die Anleger ständig auf der Suche nach neuen alternativen Mitteln zur Verbesserung der risikobereinigten Performance ihres Portfolios. In dieser Hinsicht stellen Hedgefonds eine ideale Möglichkeit dar, und sämtliche Statistiken weisen auf ein starke erwartete Wachstumsrate für diese Anzahl an Fonds und Fondsvolumina hin. Hedgefonds sind sicherlich kein Patentrezept, und können nach einem Markteinbruch genauso „leiden“ wie herkömmliche Fonds. Es hat sich jedoch eindeutig gezeigt, dass sie in der Lage sind, sich in den folgenden Korrekturphasen wieder zu erholen und ihr Portfolio zu schützen (siehe Abbildung 2 zur Portfoliostrukturierung). Wir können dieses Phänomen erklären, da die Korrelation zwischen Hedgefonds und den Finanzmärkten bei einer sogenannten Hausse (Bull Market) stärker ist, wohingegen die Korrelation bei einer Baisse (Bear Market) sinkt. Um dieses Verhalten zu erklären, müssen wir die klassische Portfoliotheorie nachvollziehen, laut der die Performance für das anhängige Risiko relevant ist. Daher wird der kluge Anleger versuchen, das Risiko zu verringern und die Einnahmen zu erhöhen. Um dies zu erreichen, und in Ermangelung einer eindeutigen Vorstellung von der Zukunft, kann dieses Ziel nur durch eine Anlagenstreuung erreicht werden, das heißt durch die Mischung verschiedener Anlageklassen, um die gewünschten stabilen risikobereinigten Renditen zu erreichen, mit dem Ziel, die Risiko/Rendite-Schranke in 200
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
Abbildung 2:
Portfoliostrukturierung
der Kurve zu durchbrechen, und so eine Erhöhung der risikobereinigten Renditen zu erreichen. Die „Mischung“ von Hedgefonds mit anderen herkömmlichen Anlageklassen führt zu einem erheblichen Anstieg der Risiko/Rendite-Schranke. Wenn die Zuteilung von Hedgefonds in einem Portfolio weiter erhöht wird, wird auch die Schranke weiter nach oben versetzt und erhöht damit die erwartete Rendite für jede Risikoeinheit, bzw. verringert das Risiko für die erwartete Renditehöhe. Die Nichtzuweisung von Mitteln an Hedgefonds stellt damit ein Risiko für die Beständigkeit des Portfolios dar. Angesichts dieser Ergebnisse hat eine zunehmende Anzahl von Institutionen bereits ab Ende der Neunzigerjahre damit begonnen, einen Teil ihres Portfolios in Hedgefonds anzulegen. Hedgefonds sind Finanzmittel, die heutzutage weltweit anerkannt sind, und zwar nicht als Synonym für Risiko und Spekulation, sondern als ein Hilfsmittel, das in der Lage ist, die Portfolioperformance zu stabilisieren und gleichzeitig zu einer beständigen und dauerhaften Wachstumsrate der investierten Anlagen unter unterschiedlichen Marktbedingungen beizutragen.
201
Emanuel Arbib
Abbildung 3:
2.1
Risiko/Rendite-Schranken
Institutionelle Anleger ändern Hedgefonds-Arena
In den Neunzigerjahren waren die meisten Hedgefonds-Anleger Personen mit hohem Eigenkapital (High Net Worth Individuals; ein Fachbegriff, der zur Beschreibung all jener Privatpersonen mit einem Privatvermögen von mehr als einer Millionen US-Dollar an Finanzanlagevermögen verwendet wird). In den letzten zehn Jahren kam es jedoch verstärkt zu Zuflüssen in Hedgefonds durch institutionelle Anleger, wie zum Beispiel Pensionsfonds, Universitäten, Stiftungen und Wohltätigkeitsorganisationen. Diese Anleger, die in den Achtziger- und Neunzigerjahren mit ihren traditionellen Portfolios ordentliche Erträge erzielen konnten (60 Prozent in Aktien investiert und 40 Prozent in Obligationen), haben erkannt, dass sie zur Beibehaltung desselben Performancegrads auf grundlegend andere Weise „handeln“ müssen. Ende 2005 verkörperte diese Anlegerklasse 26 Prozent der Investitionen in Single-Manager-Fonds, und damit mehr als die Quote von 22 Prozent im Jahre 1996 und 19 Prozent im Jahre 1992. Auch Investitionen in Dachfonds stiegen im selben Zeitraum von 16 Prozent auf 30 Prozent an. Gleichzeitig fiel die Zuflussquote von Privatpersonen stark ab, von 63 Prozent im Jahr 1996 auf 44 Prozent im Jahr 2005. Der Wunsch nach einer Investition in Hedgefonds ist keinesfalls bei allen institutionellen Anlegern gleich stark: Pensionsfonds und Stiftungen zeigen zum Beispiel größeres Interesse in alternative Anlagen, wohingegen ein solches Interesse unter Versi202
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
cherungsgesellschaften viel weniger verbreitet zu sein scheint, zumindest in Europa. Europäische Versicherungsgesellschaften verteilen nur ungefähr ein bis zwei Prozent ihres Anlagevermögens an Hedgefonds, auch wenn diese Quote derzeit revidiert wird und den Erwartungen zufolge in den nächsten Jahren ansteigen dürfte. Der neue Anstieg an institutionellen Anlagen wird noch offensichtlicher, wenn man die neusten Felddaten analysiert, die zeigen, dass 2004 in den USA 28 Prozent der Gesamtinvestitionen in Hedgefonds auf Institutionen zurückzuführen waren, ein Anstieg von zwei Prozent im Vergleich mit den Zahlen von 2000. Diese Quote dürfte aller Voraussicht nach noch weiter steigen und bis 2008 eine Zahl von 50 Prozent erreichen. Laut Untersuchungen durch JP Morgan Fleming Asset Management haben zwölf Prozent der britischen Pensionsfonds 4,8 Prozent ihres Anlagenbestandes Hedgefonds zugewiesen. Eine weitere Studie betont jedoch, dass, auch wenn immer mehr Hedgefonds Teil von institutionellen Portfolios werden, Hedgefonds immer noch nur zwei Prozent der 14 Billionen US-Dollar an institutionellem Fondsvolumen darstellen, eine Quote, die in den nächsten Jahren jedoch höchstwahrscheinlich stark ansteigen dürfte.
2.2
Entscheidung über die Anlage des Fondsvermögens
Typischerweise wenden Institutionen bei Investitionen einen eindeutigen Ansatz zur Anlage des Fondsvermögens an, oft als Funktion einer wohlüberlegten Asset-Liability Management (ALM)-Analyse. Bei einem solchen Ansatz werden Anlageklassen festgelegt und danach auf Grundlage ihrer bisherigen Renditen- und Risikomerkmale eine Ziel-Anlagestrategie. Eine Institution mit umfangreichen langfristigen Verbindlichkeiten, wie zum Beispiel aus einem Portfolio von Lebensversicherungspolicen oder von berenteten Pensionären, könnte vielleicht eine Strategie anwenden, die im Vergleich mit Wertpapieren stark auf festes Anlagevermögen gewichtet ist, das heißt 80/20 oder mehr. Eine Institution, die weniger an eine Verbindlichkeitsstruktur gebunden ist oder höhere Renditen benötigt, könnte vielleicht eine aggressivere Strategie anwenden, sagen wir 40/60 feststehende Einkünfte im Vergleich zu Wertpapieren. Neben Wertpapieren und festem Anlagevermögen spielen auch Immobilien eine wichtige Rolle in vielen institutionellen Portfolios, die die Merkmale sowohl von Wertpapieren als auch Obligationen haben, was zum größten Teil davon abhängt, wie sie strukturiert sind. Ein Bestand an Handelshypotheken kann zwar ein sehr guter Ersatz für einen erstklassigen Rentenbestand sein, ein Bestand an Erschließungsgrundstücken jedoch bringt das gesamte Risiko eines Wertpapierbestandes zusammen mit einer bei weitem geringeren Liquidität mit sich. Diese drei groben Kategorien umfassen ein breites Spektrum an möglichen Risiken. Obligationen reichen von staatlichen Garantien bis unterhalb der Investitionsempfeh203
Emanuel Arbib
lung und Effekten von erstklassigen Effekten mit umfangreicher Aktivierung bis hin zu Wertpapieren in Schwellenmärkten. Über diese großen Kategorien hinaus haben sich viele Institutionen jedoch auch erfolgreich an sogenannten Alternative Investments beteiligt. Dazu zählen Bereiche wie zum Beispiel Risikokapital, Private Equity sowie das Thema dieses kurzen Kapitels, nämlich Hedgefonds. Im Allgemeinen gibt es zwei Beweggründe für eine Ausweitung der möglichen Investitionsbereiche. Erstens ist man stets auf der Suche nach höheren Renditen, angetrieben durch die zunehmende Integration und das Wachstum der flüssigen Kapitalmärkte. Mit zunehmender Entwicklung dieser Märkte gibt es die Ansicht, dass die Chancen auf eine zusätzliche Rendite darüber hinaus durch das einfache Tragen des zusätzlichen Risiko, das heißt durch das Hinzufügen von ‚Alpha‘, kleiner werden müssen. Einfach gesagt werden die Märkte leistungsfähiger. Zweitens ist die Erkenntnis weit verbreitet, dass die preiswerteste Art, höhere Renditen zu erzielen und gleichzeitig kein höheres Risiko einzugehen, die Streuung ist. Soweit alternative Anlageklassen verhältnismäßig wenig mit den herkömmlichen Klassen korrelieren, senkt ihre Aufnahme in ein Portfolio das Gesamtrisiko.
2.3
Falsche Mythen und hilfreiche Daten aus der Zuweisung an Hedgefonds
Hedgefonds sind die natürliche Entwicklung aus dem Bemühen, Mehrwert zu erzielen. Paradoxerweise sind sie jedoch aufgrund einer Reihe von Faktoren erst kürzlich für Institutionen interessant geworden. Die Legenden dieser Geschichte, Soros, Tiger und Paxton, um nur ein paar zu nennen, und natürlich erst kürzlich Long Term Capital Management (LTCM), setzten den Mythos in die Welt, dass es sich bei Hedgefonds um risikoreiche und renditestarke Anlagen handelt, die sich nur für diejenigen eignen, die das Kreuz haben, diese zu tolerieren. Diese bedauernswerte Auffassung geht vollkommen am Kern der Sache vorbei. Die oben genannten Fonds waren tatsächlich risikoreiche Fonds. Es handelte sich bei ihnen entweder um makro-direktionale Fonds, die Renditen erzielten, indem sie bedeutende Positionen aufgrund bestimmter Ansichten, wie sich die Weltwirtschaft ändern würde, investierten oder um Fonds, die ein ungewöhnlich hohes Maß an Leverage anwendeten. Bei Währungen setzten diese Fonds darauf, ob das Pfund gegenüber dem Dollar steigen oder fallen würde, oder ob die Mark gegenüber dem Yen steigen würde. Als weiteres Beispiel investierten diese Fonds vielleicht eine erhebliche Position auf den Verlauf der deutschen Zinsertragskurve und setzten darauf, dass diese Kurve steiler wird oder dass die mittelfristigen Sätze im Vergleich zu den lang- und kurzfristigen Sätzen fallen werden. Diese Konzentration auf die taktischen Unterschiede zwischen den Arten von Hedgefonds verschleiert die Tatsache, dass es eine wichtigere, zugrunde liegende Einheitlichkeit ihrer Ansätze gibt. 204
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
Tabelle 1:
Assets under Management: 1990 und 2005
AUM 1990 Merger Arbitrage Relative Value Arbitrage
AUM 2005 0.60 % 10.08 %
Merger Arbitrage Relative Value Arbitrage
1.40 % y 11.80 % y
Sector (Total)
0.24 %
Sector (Total)
4.77 % y
Short Selling
0.12 %
Short Selling
0.30 % y
Convertible Arbitrage
0.48 %
Convertible Arbitrage
3.32 % y
Distressed Securities
2.40 %
Distressed Securities
4.70 % y
Emerging Markets
0.36 %
Emerging Markets
4.03 % y
Equity Hedge
5.28 %
Equity Hedge
Equity Market Neutral
1.68 %
Equity Market Neutral
Equity Non Hedge
0.60 %
Equity Non Hedge
Event Driven
3.84 %
Event Driven
13.77 % y
Fixed Income
3.24 %
Fixed Income
7.85 % y
Global Macro
71.07 %
Global Macro
10.68 % x
Market Timing
0.37 % y
Regulation D
0.24 % y
30.02 % y 2.23 % x 4.51 % y
Source: HFR Industry Report End 2005
Als erstes muss man sich klarmachen, dass Hedgefonds keine „Anlageklassen“ sind und daher Parallelen mit herkömmlichen Anlageklassen schwer möglich sind. In ihrer reinsten Form grenzen Hedgefonds Investitionsstrategien ab. Das Kapital in einem Hedgefonds ist nur die Sicherheit, die es dem Manager ermöglicht, eine Strategie umzusetzen. Dies unterscheidet sich stark von einer Investition in einer Anlageklasse wie zum Beispiel Wertpapiere oder Obligationen. Ein Long/Short-Manager wird zum Beispiel das Kapital im Fonds dazu verwenden, dem Fonds eine Investition sowohl in Long- als auch Short-Positionen bei Wertpapieren zu ermöglichen, ohne unbedingt in den Wertpapiermärkten gegenüber Net Long oder Short voreingenommen zu sein. Die Renditen des Fonds sollten dann absichtlich nicht von der Richtung des Marktes beeinflusst werden. Die Bemühungen des Long/ Short-Managers richten sich darauf, Wertpapiergruppen zu finden, die sich gegeneinander bewegen. Bei fallenden Kursen, solange die Short-Papiere stärker fallen als die Long-Positionen, gewinnt die Portfoliostrategie dann an Wert. Leverage ist ein natürliches Nebenprodukt dieses Ansatzes, und kein Ziel in sich selbst. Nur durch Leverage können die Risiken bei der Position von den Bewegungen des Gesamtmarktes isoliert werden, und der Fokus auf die Fähigkeit gerichtet sein, schlechte gegenüber guten Effekten zu ermitteln. Die besten Fonds erkennen die Gefahren der Leverage und be205
Emanuel Arbib
schränken sowohl den Umfang ihrer Leverage als auch den Umfang ihrer Belastung durch Marktbewegungen. Ein Manager kann zum Beispiel glauben, dass eine Stromaktie besser abschneidet als eine Autoaktie, ein einfacher Kauf der Stromaktie und Verkauf der Autoaktie ergibt für die Renditen sämtliche Möglichkeiten für beide Sektoren sowie die Möglichkeit, dass die Kurse steigen und die Autoaktie stärker zulegt als die Stromaktie. Ein guter Manager kontrolliert diese Risiken, indem er vergleichbare Ausgleichspositionen ermittelt und ihren Anlagenbestand streut. Durch ständige Kontrolle und Begrenzung ihrer Risiken sind ihre Portfolios reine Positionen in den Strategien und strategischen Fähigkeiten der Manager. Betrachten wir im Gegensatz dazu einen herkömmlichen Manager eines Long-Only-Aktienfonds. Ein solcher Manager sieht es als seine Aufgabe an, „gute“ Wertpapiere zu finden. Das sind vielleicht unterbewertete Papiere oder Papiere mit überdurchschnittlichen Wachstumschancen. Hedgefonds-Manager dagegen sehen ihre Aufgabe darin, sowohl gute als auch schlechte Papiere zu finden. Die Struktur des Hedgefonds grenzt ihre Fähigkeiten ein und zwingt sie, den Papieren mit fallenden Werten und unterdurchschnittlicher Performance genauso viel Aufmerksamkeit zu widmen wie den Outperformern. Der herkömmliche Manager hat keine Möglichkeit, Papiere zu nutzen, deren Wert sinkt, außer sie einfach zu vermeiden. Zusätzlich dazu beschäftigen sich herkömmliche Long-OnlyManager normalerweise weitaus weniger mit dem Thema Risikokontrolle als Hedgefonds-Manager. Wenn wir über Streuung und Vorteile sprechen, die sich aus einer Beteiligung an Hedgefonds ergeben, müssen wir stets daran denken, wie der Umfang der Beteiligung für den Nutzen relevant ist. Eine von Stephen A. Ross und Franco Modigliani, beide Professoren für Finanzwesen und Volkswirtschaftslehre am MIT in Boston, durchgeführte Studie hilft bei der Veranschaulichung dieses Falles. Ihre Untersuchungen ergaben, dass ein Portfolio mit breiter Anlagenstreuung, darunter auch Hedgefonds, eine weniger risikoreiche Alternative für Anleihenbeteiligungen in einem institutionellen Portfolio darstellt. Die Vorteile hinsichtlich des Risikos sind sogar noch offensichtlicher, was Aktien – im Gegensatz zu Anleihenbeteiligungen betrifft. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die Performances von Hedgefonds nur wenig mit der Performance anderer Anlageklassen korrelieren. Eine Arbeit von Bill Fung und David Hseih im August 1999 zeigte: Wenn man R-Quadrat von Investmentfonds und Hedgefonds mit acht standardmäßigen Anlagenmärkten vergleicht (Zinssätze für kurzfristige Anleihen, US-Staatsanleihen, Nicht-US-Staatsanleihen, Schwellenmarktpapiere, USRentenpapiere, Nicht-US-Rentenpapiere, Gold und handelsgewichteter US-Dollar), so hatten alle Investmentfonds R-Quadrate von mehr als 75 Prozent, während mehr als 48 Prozent der Hedgefonds R-Quadrate von unter 25 Prozent hatten. All dies zusammen mit einem vernünftigen Zuteilungslevel (10 Prozent oder darunter) bietet eine bessere Risiko/Nutzen-Alternative zu klassischen Aktien, und eine weitere Unterstützung der Anleihenkomponente ohne wesentliche Erhöhung des allgemeinen Portfoliorisikos.
206
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
3
Kultur und Institutionen
Die Bedeutung von Institutionen für Hedgefonds scheint auch Einfluss auf die Fonds selbst zu haben. Institutionelle Anleger sind in der Tat viel anspruchsvoller als Privatpersonen, wenn es um die Forderung nach konkreten Geschäftsmodellen und niedrigeren Risikolevels geht. Um die Anforderungen und Ziele vieler institutioneller Anleger anzusprechen, mussten die Manager von Hedgefonds den Mythos enthüllen und einen Teil ihrer typischen „Geheimhaltung“ beiseite räumen und genauere Informationen über die Leistungsfähigkeit und das Anlagerisiko des Fonds zur Verfügung stellen. Letzten Endes sind die Manager von Rentenfonds, gemeinnützigen Stiftungen und Stiftungen für eine große Anzahl an Angestellten verantwortlich, die ihnen ihre Ersparnisse anvertrauen, und aus diesem Grund müssen sie jede Art von Fehler vermeiden, und angemessene Sorgfalt wird bei der Auswahl und Beschreibung der Fonds, die Teil des Anlagenbestandes werden, genauso wichtig oder sogar noch wichtiger als die Performance. Im Einzelnen heißt das, wenn Stiftungen und gemeinnützige Stiftungen sich in großem Umfang an Hedgefonds beteiligen, dann wird erwartet, dass Pensionspläne in den nächsten vier bis fünf Jahren den größten Kapitalbetrag einbringen, nämlich ungefähr 65 Prozent an neuem Kapital. Es wird erwartet, dass Dachfonds weiterhin das ideale Mittel für institutionelle Anleger darstellen, Zugang zu Hedgefonds zu erlangen, und eine Quote von bis zu 50 Prozent aller künftiger Anlagewerte ausmachen. Sie bieten Erfahrungen bei sorgfältiger Prüfung, Portfolioaufbau und tragen durch Übersetzung der komplexen zugrunde liegenden Managerstrategien in verständliche Risiko/Renditeberichte zur Transparenz bei. Dies wird eventuell sogar noch an Bedeutung gewinnen, da die Institutionalisierung der Hedgefonds-Branche genau von den Marktregulierern beobachtet wird und dies zu einer Zunahme der Transparenzvorgaben führen könnte.
4
Neues Gesicht der Hedgefonds-Anleger
Bevor Hedgefonds für ein breiteres Publikum sichtbarer wurden, befand sich die Branche jahrzehntelang am Rande der Finanzwelt. Alfred Jones’ Hedgefonds blieb ein Geheimnis, bis 1966 ein Artikel in der Zeitschrift Fortune seine Outperformance im Vergleich mit Investmentfonds hervorhob, was zu Interesse sowohl durch private als auch institutionelle Anleger führte, das wiederum zu einer schnellen Vergrößerung der Branche von 1967 auf 1968 beitrug. Danach erlebten Hedgefonds einen Rückschlag, der zu erheblichen Rückzügen in den Baissen von 1969 bis 1970 und 1973 bis 1974 führte. Erst 1986 sorgten Hedgefonds wieder für Schlagzeilen, als die Zeitschrift Institutional Investor die Performance von Julian Robertsons Tiger Fund veröffentlichte, mit einer zusammengesetzten Jahresrendite von 43 Prozent in seinen ersten sechs Jahren. Dies 207
Emanuel Arbib
fachte erneut das Interesse an Hedgefonds an. Manche Marktbeobachter glauben, die wahrscheinlich einfachste Erklärung sei, dass mit zunehmender Liquidität in den Achtziger- und Neunzigerjahren sowie leistungsstarken Aktienmärkten die Anleger einfach nach neuen Investitionsmöglichkeiten Ausschau hielten. Unter Anwendung moderner Portfoliotheoriekonzepte sahen die institutionellen Anleger Hedgefonds als die dringend benötigte Möglichkeit, ihre Portfolios zu streuen. Dies galt besonders während der Zeit der fallenden Aktienmärkte von 2000 bis 2003, als der Wert von Aktienportfolios steil nach unten ging, während die Renditen von Hedgefonds sich über Wasser hielten. Zu dieser Zeit wurde für viele große Unternehmen die Renten-Zeitbombe zunehmend offensichtlich. Empfehlungen wie die im Myners-Report, einem im März 2001 herausgegebenen freiwilligen Leitfaden für die Verwalter britischer Pensionsfonds, legitimierte und unterstützte die Suche nach alternativen Einkommensquellen. In den letzten zehn Jahren sind Institutionen zu wichtigen Anlegern in Hedgefonds geworden. Erst kürzlich konnten auch Massen wohlhabender Privatanleger, die weniger als eine Million US-Dollar besitzen, Zugang zu dieser Branchentransformation erhalten. Die Mehrzahl der Länder erlaubte bis vor kurzem keinen Vertrieb von Hedefonds an Einzelanleger. In den meisten Fällen wurde dies durch spezielle Gesetze erreicht, die verhindern, dass unerlaubte Fonds auf nicht-privater Basis vertrieben werden, und oft nur an Anleger, die bestimmte finanzielle Investitionsgrenzen erfüllen oder als Fach-Anleger klassifiziert werden. Inzwischen finden auch Massen wohlhabender Privatanleger Zugang durch die neu eröffneten Onshore-Märkte infolge niedriger Eintrittsbarrieren. Die Nachfrage durch diese Anleger wird zunehmen, wahrscheinlich durch aggressive Marketingstrategien befriedigt, auch wenn es sich nicht um das hyper-dynamische Hedgefonds-Produkt handelt, das manche erwarten.
4.1
Vertrieb zu einem Preis
Die Barrieren für einen Vertrieb auf Ebene der Massen wohlhabender Privatanleger sind erheblich. Insbesondere das europäische Umfeld ist komplex und wird noch komplexer, da nationale Regulatoren verschiedene Ansätze verwenden. Die britische FSA ließ verlauten, dass sie die Regulierung von Hedgefonds in Betracht zieht, nachdem in einigen anderen europäischen Staaten Schritte unternommen wurden, diesbezügliche Gesetze freizugeben. In Deutschland wurde im letzten Jahr besonders häufig über Fortschritte in der Gesetzgebung berichtet, wodurch Anleger die Möglichkeit bekommen, Zugang zu dieser Anlageklasse zu erhalten. Es ist wahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren noch weitere sichtbare Entwicklungen stattfinden werden, wobei in Frankreich, Spanien, Schweden und Holland bemerkenswerte Fortschritte im Gange sind, da diese Länder versuchen, die aktuelle Gesetzgebung fein abzustimmen. Darüber hinaus besteht unter den Gesetzgebern auf Ebene der Europäischen Union Konsens darüber, einen gemeinsamen Marketingpass für Hedgefonds zu schaffen, ähnlich 208
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
der UCITS-Richtlinie für Investmentfonds, die den Vertrieb von Investmentfonds in den Mitgliedsstaaten erleichtert. Dieser Vorschlag wird sich wahrscheinlich über längere Zeit entwickeln als die Vorschläge der einzelnen Länder, es ist jedoch von Bedeutung, dass die Entscheidungsträger auf dieser Ebene signalisiert haben, dass sie willens sind, eine Angleichungsregelung zu entwickeln. Distributoren müssen daher aktiv viele kulturelle Unterschiede angehen, wie zum Beispiel Einstellungen zu Rücklagen, Steuergesetzen und Disparitäten in der nationalen Gesetzgebung zum Verbraucherschutz. Die bedeutendsten Organisationen, die innerhalb dieses Bereichs für Fonds werben, sind normalerweise diejenigen, die in der Lage sind, Kapital aufzubringen und dieses an die einzelnen Manager weiter zu verteilen, anstatt an die zugrunde liegenden Hedgefonds-Manager selbst. Dies erklärt zum Teil die Entstehung von Dachhedgefonds als zunehmend wichtige Teilnehmer in der Wertkette der Branche. Sie bringen des Weiteren auch Diversifizierungsvorteile, zusammen mit Erfahrungen bei der sorgfältigen Prüfung der Hedgefonds-Manager. Eine große Anzahl unterschiedlicher Arten von Organisationen hat in den letzten Jahren Einsatzmöglichkeiten von Hedgefonds mit einem Einzelmanager entwickelt, wie zum Beispiel Investmentbanken, herkömmliche Asset Manager und Privatbanken. Derzeit erlangen die Distributoren auf vielfältige Weise Zugang zu den nationalen Märkten. Normalerweise haben Banken mit einem bestehenden Netzwerk in den Zielländern ihre eigenen Büros, die meist mit kleinen Teams besetzt sind. Andere Organisationen, die über keine bereits bestehenden Regelungen verfügen, schließen normalerweise lokale Partnerschaftsvereinbarungen mit Fachvertriebsunternehmen. Oft gibt es eine Hauptvertriebsfirma mit Subdistributoren. Partnerschaften werden im Allgemeinen auf nicht-exklusiver Grundlage gebildet, auch wenn es manchmal Exklusivregelungen gibt. Exklusivregelungen haben üblicherweise einen zielgerichteten Kundenfokus, und Organisationen, die solche Regelungen nutzen, sind meist Nischenteilnehmer in einem bestimmten Marktsegment. Eine offene Architektur, der Vertrieb von Produkten anderer Unternehmen auf Plattformen (zum Beispiel Fonds-Supermärkte), ist ein weiterer Kanal für den Verkauf von Fonds. Eine offene Architektur, die beim herkömmlichen Anlagenvertrieb vorherrschend ist, öffnet Binnenmärkte gegenüber ausländischen Fonds. Sowohl ausländische als auch inländische führende Fonds sind ein unerlässliches Element für Drittbankdistributoren, wenn Universalbanken die Kundennachfrage befriedigen wollen. Die Hauptgewinner könnten dabei ausländische Teilnehmer mit etablierten Marken von hoher Qualität sein. Ein allgemeiner Nachteil dieser Mechanismen ist jedoch, dass Fonds dabei zum größten Teil nicht sichtbar sind, und in Wahrheit verkauft werden müssen. Dies wird zweifellos die Aufgabe des Distributors bleiben, der sowohl die Eigentümer dieser Plattformen als auch ihre Nutzer, wie zum Beispiel unabhängige Finanzberater, aufklären muss.
209
Emanuel Arbib
4.2
Mehr Tools für Einzelpersonen
Hedgefonds sind bestimmt für Millionäre, Milliardäre und die weltgrößten institutionellen Anleger. Falls ein Anleger nicht eine Million US-Dollar erübrigen kann, bleibt der Traum von einer Investition in einen tollen Hedgefonds genau das: ein Traum. Für Anleger mit fünfstelligen Gehältern und Portfolioguthaben in den Zehntausenden, die sich am Hedgefonds-Spiel beteiligen möchten, besteht jedoch Hoffnung. Hedgefonds-Strategien sind für jeden erschwinglich geworden. Nachahmer-Investmentfonds, welche die alternativen Investmentstrategien von Hedgefonds imitieren, werden aufgelegt, um die 401(k)-Masse anzuziehen. Die Mindestinvestitionen beginnen bereits bei 500 US-Dollar. Inzwischen gibt es für Kleinanleger viel mehr Möglichkeiten, in Marktbereiche vorzudringen, die in der Vergangenheit als nur für Eingeweihte oder zu risikoreich galten. Seit Anfang 2003 hat sich die Zahl der Investmentfonds, die Hedgefonds-Strategien anwenden, mehr als verdoppelt. Und die meisten dieser Fonds (als „aktienmarktneutral“ und „Long/Short-Equity“ bezeichnet) wurden erst in den vergangenen Jahren aufgelegt, ein Sprung von 32 Prozent seit 2005. Anleger sollten jedoch auf der Hut sein, da viele dieser Fonds eventuell durch Manager verwaltet werden, die nicht gerade zu den besten gehören, im Gegensatz zu den Voraussetzungen eines Hedgefonds-Managers. Die Zunahmen von hedgefondsähnlichen Produkten für die Massen ist Teil eines größeren Trends. Es scheint zu einer Annäherung zu kommen zwischen dem, was früher als nicht-traditionelle Anlage angesehen wurde, und der traditionelleren Strategie des Kaufs von Aktien, die der Meinung nach ansteigen werden. Hedgefonds-ähnliche Fonds stellen eine Möglichkeit für Kleinanleger dar, sich an den Arten von Investitionen zu beteiligen, die früher den sehr Reichen oder den großen professionellen Anlegern vorbehalten waren. Sie sind jedoch nicht wirklich für Hobbyanleger vorgesehen. Ähnlich wie Hedgefonds wenden sie exotische und geheimnisvolle Strategien an, die mit Risiken verbunden sind. Fonds, die Shorting-Strategien anwenden, profitieren zum Beispiel nur, wenn die Aktienpreise nach unten gehen, was das Verlustrisiko erhöht, sobald der Aktienmarkt boomt, wie es in den letzten drei Jahren meist der Fall war. Solche Fonds hängen weiterhin stark von der Fähigkeit der Fondsmanager ab, regelrecht auszuwählen, welche Aktien wahrscheinlich fallen werden. Bei Hedging-Strategien werden auch spekulativere Taktiken angewendet, wie zum Beispiel Leverage, sowie die Verwendung von Optionen, Termingeschäften und Derivaten, was die Geschwindigkeit möglicher Verlust erhöhen kann, gemäß der Risikobetrachtung durch einen Fonds. Kleinanleger sollten sich nicht ohne Finanzberatung an diesen Fonds beteiligen. Abgesehen von diesen Vorbehalten entsprechen die neuen Pseudo-Hedgefonds auch einer wachsenden Bewegung an der Wall Street, die eine breiter gefächerte Mischung an alternativen Anlagewerten und Anlagemodellen im „Werkzeugkasten“ von Kleinanlegern befürwortet.
210
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
Das Ziel: Kleinanleger dabei zu unterstützen, Portfolios aufzubauen, die sich in rückläufigen Märkten besser halten und gleichmäßigere Erträge bringen, wie die breiter gefächerten Portfolios erfahrener institutioneller Anleger. Stiftungsfonds an Universitäten wie zum Beispiel Harvard und Yale, verbuchen Jahr für Jahr gleichmäßige marktbeste Renditen, indem sie in eine breit gefächerte Reihe an Anlagewerten investieren, darunter große Positionen an alternativen Anlagen wie Hedgefonds, privates Beteiligungskapital, Immobilien und „Hard Assets“ wie Öl und sogar Holz. Tatsächlich scheint sich die Anzahl an Zutaten, die für die ordentliche Streuung eines Portfolios nötig sind, zu vergrößern. Früher reichte es aus, ein gesundes Maß an Wertpapieren, eine Prise Anleihen und eine Messerspitze Barmittel zu erwerben. Diese Denkweise wird jedoch zunehmend als altmodisch angesehen. In dem Versuch, die Renditen auszugleichen und das Risiko zu verringern, gibt es heutzutage den Drang, weitere Anlageklassen dazuzumischen, die nicht im Gleichschritt mit dem Aktienmarkt steigen und fallen. Aus der Marktperspektive verfügen die Fondsunternehmen über ein verführerisches Verkaufsargument: Es wird erwartet, dass der Fonds gut abschneidet, wenn der Aktienmarkt nach oben strebt, und keine großen Verluste erleidet, wenn er fällt. Hedgefonds-Strategien zielen darauf ab, in allen Marktumgebungen gleichmäßige, positive Jahreserträge zu erzielen. Wichtiger noch, diese Erträge hängen nicht davon ab, wie die Aktien- und die Wertpapiermärkte abschneiden. Theoretisch fördert die Fähigkeit gesicherter Portfolios, in eine Richtung zu gehen, wenn der Rest des Marktes in die andere Richtung läuft, die Streuung und verringert das Risiko. Der Grund für den Erfolg von Hedgefonds ist, dass sie flexibler sind. Ein Hauptgrund für eine Investition in Hedgefonds sind ihre Streuungseigenschaften. Und dies ist etwas, das diese (hedge-ähnlichen) Strategien dem Einzelanleger zu bieten versuchen. Die wichtigste Hedging-Taktik, die diese neuen Fonds von den echten Hedgefonds imitieren, sind Leerverkäufe (Short Sales), wobei es sich im Grunde genommen um eine Wette handelt, dass die Aktienpreise sinken werden. Bei einem Leerverkauf leiht ein Vermögensverwalter Aktien und verkauft sie anschließend in der Hoffnung, sie später zu einem geringeren Preis zurückkaufen zu können und dadurch einen Gewinn zu erzielen. Die Außerkraftsetzung einer IRS-Vorschrift im Jahre 1997 gab herkömmlichen Investmentfonds die Möglichkeit, Leerverkaufsstrategien anzuwenden. Jedoch wenden praktisch alle Investmentfonds, die heute Kleinanlegern angeboten werden, immer noch eine sogenannte Long-Strategie an. Long-Investmentfonds kaufen Aktien aus Beständen, deren Preis ihrer Meinung nach ansteigen wird, und haben nur wenig Schutz gegen Kursrückgänge.
211
Emanuel Arbib
4.3
Beteiligung durch ETFs
Für Anleger, die nicht so viel Geld anlegen wollen, oder die die Kapitalrichtlinien nicht erfüllen, gibt es börsengehandelte Fonds (ETFs), die Hedgefonds-Strategien nutzen (wie zum Beispiel Short-Selling), wie den Schwab Hedged Equity Fund oder den TFS Market Neutral Fund. Es ist jedoch fraglich, ob diese dieselbe Menge an Alpha erzielen können, die durch Hedgefonds-Manager der höchsten Qualität generiert werden. Im Februar 2007 erlebten die US-Märkte eine seltene Novität, als die Fortress Investment Group in einem IPO Aktien an die Öffentlichkeit verkaufte und damit der erste rein spekulative alternative Investmentmanager war, der dies tat. Europäischen Anlegern stehen mehrere andere notierte Möglichkeiten zur Verfügung, wobei zum Beispiel in London gelistete Fonds oder Dachfonds in geringer Größenordnung erworben werden können.
4.4
Entstehung während der geplatzten Blase
Die Entstehung des Pseudo-Hedgefonds-Trends reicht zurück bis zur Baisse von 2000 bis 2002. Zu dieser Zeit stieg die Popularität von Hedgefonds sprunghaft an, und zwar aufgrund ihrer Fähigkeit, positive Erträge zu verzeichnen, während der übrige Aktienmarkt sich im freien Fall befand. Da viele der hedge-ähnlichen Fonds recht neu sind, ist ihre Performance in rückläufigen Märkten noch unbewiesen. Und nicht alle hedgeähnlichen Investmentfonds konnten bisher bei der 2003 begonnenen Hausse Spitzenrenditen verzeichnen.
4.5
„Alpha“ zur Mischung hinzufügen
Wie bei den meisten Investitionen ist der Schlüssel zum Erfolg ein Portfoliomanager, der Alpha hinzufügen kann, das heißt Renditen, die über dem liegen, was der Markt einem bietet. Es ist für Hedgefonds-ähnliche Fonds angesichts ihrer Hedging-Strategien nicht ungewöhnlich, geringere Renditen als der breite Markt zu verzeichnen, wenn die Aktien sich erholen. Ihr Ziel besteht darin, Kapital zu schonen und einen stetigen Strom an Erträgen zu erzeugen, der nicht dem Markt folgt. Sie werden beliebter, wenn der Markt unverändert bleibt oder sich nach unten bewegt. Im Allgemeinen versucht man mit Hedging-Strategien, Erträge von, sagen wir drei bis fünf Prozentpunkten über einer risikofreien Rendite zu erzeugen, wie dem Gewinn des dreimonatigen Schatzwechsels. Diese Fonds versuchen also nicht, den S&P 500 zu übertreffen, sie versuchen, Barmittel zu übertreffen. Zur Verringerung der Volatilität und Beseitigung des Marktrisikos investiert der Fonds ungefähr die Hälfte seines Anlagevermögens in den Kauf von Wertpapieren mit guten Aussichten; die andere Hälfte dient dem Leerverkauf der Papiere mit schlechten Aussichten. 212
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
Zur Verringerung des Risikos investieren Hedgefonds-ähnliche Fonds in eine große Anzahl von Investmentmanagern, die unterschiedliche Investmentstrategien anwenden. Dies ähnelt den beliebten Angeboten von Dachhedgefonds, jedoch mit Verringerung von potenziellem Manager-Alpha aufgrund ihrer Überdiversifizierung. Während diese neuen Fonds in der Gestalt von Investmentfonds verkauft werden, bedeutet das noch lange nicht, dass die Investmentstrategien, die sie anwenden, weniger verwirrend sind als die eines Hedgefonds. Daher fordern praktisch alle Unternehmen, die solche Fonds anbieten, ihre Anleger auf, die Beratung eines Finanzplaners oder eines anderen Dritten in Anspruch zu nehmen, um zu ermitteln, ob sich die Fonds für sie eignen, und falls ja, welche Fonds sie auswählen sollten und wie viel ihres Gesamtportfolios für diese Art von alternativen Anlagen verwendet werden sollte. Welcher Anteil des Portfolios eines Anlegers sollte in alternative Anlagen investiert werden? Darauf gibt es keine eindeutige Antwort, und viel hängt von der Risikofreude des Anlegers ab, aber im Allgemeinen wird eine Zahl von 5 bis 15 Prozent eines Portfolios als angemessen angegeben. Die Frage ist nicht, ob jemand wohlhabend ist oder nicht. Der Zweck von alternativen Anlagen in einem Portfolio ist stets derselbe: Streuung des Risikos, Senkung der Volatilität und Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für Gewinne und gleichmäßige Renditen.
Abbildung 16-4: Erträge im Hedgefonds-Bereich
213
Emanuel Arbib
4.6
Einzel-Hedgefonds –– Dachfonds
Als relativ neue Erscheinung gibt es noch nicht so viele Dachfondsvehikel auf dem Markt, diese haben jedoch in einem begrenzten Zeitraum bereits enorm zugenommen. Im April 2005 machten sie Angaben des IFSL zufolge fast 30 Prozent des gesamten Hedgefonds-Anlagevermögens aus. Im Rahmen der Dachfondsstruktur registriert sich ein Einzel-Hedgefonds selbst bei der Securities and Exchange Commission (SEC) gemäß dem Investment Company Act. Anschließend beschaffen die Manager Geldmittel und investieren in zehn bis 40 zugrunde liegende Hedgefonds, von denen die meisten standardmäßige, nicht eingetragene Fonds sind, und von denen viele mehrere Jahre lang für Neuanleger geschlossen waren. Die meisten der neuen Dachfonds, die auf den Markt kommen, werden durch größere institutionelle Manager angesammelt und vermarktet, die dann danach streben, Aktien im geschlossenen Dachfonds an Kleinanleger zu verkaufen. Abbildung 16-5: Hedgefonds-Strategien
214
Die Rolle von Hedgefonds in einer umfassenden Portfoliostrategie
4.7
Risiken für das Branchenwachstum –– Risiken für die Anleger
Mit dem Wachstum der Hedgefonds-Branche nimmt auch die Herausforderung zu, durch flexible Strategien eine breite Streuung zu bewahren, da die zugrunde liegenden Hedgefonds einen zunehmend größeren Teil der Volumina in allen Anlageklassen ausmachen. Dies wiederum scheint Anleger zu Dachfonds hinzuziehen, die eine Streuung aus einer Anlageklasse, dem Stil des Managers und dem Instrumentenlevel auswerten können. Liquidität und Entnahmen sind im alternativen Anlagenuniversum sehr beschränkt. Bei den großen Pensionsfonds ist die Liquidität meist ein geringeres Problem, dies gilt jedoch nicht für den einzelnen Anleger. Der größte Teil des institutionellen Kapitals hat den Vorteil, bei seinen Investitionen geringe Anforderungen an die Liquidität zu stellen. Ein Einzelanleger hingegen wäre wahrscheinlich weniger geneigt, solch eine illiquide Anlage zu akzeptieren. Um sich für Einzelanleger besser marktfähig zu machen, besitzen die neuen Dachfonds, die auf den Markt kommen, beschränkte Liquiditätsmerkmale, wie zum Beispiel vierteljährliche Entnahmeoptionen. Dies ist jedoch immer noch eine angemessene Abweichung von der täglichen Liquidität eines Investmentfonds oder von Aktienpositionen, mit denen Kleinanleger vertraut sind. Die Mindestanlagebeträge sind noch sehr hoch, obgleich die Einzelfonds, die auf den Markt kommen, viel weniger verlangen als den Durchschnitt von 200000 US-Dollar bei den herkömmlichen Hedgefonds. Die meisten der neuen Dachfonds, die auf den Markt kommen, fordern eine Mindestinvestition von 20000 bis 30000 US-Dollar für Anleger, welche die anspruchsvollen Anlegervoraussetzungen erfüllen.
Literaturhinweise und Danksagungen 1. Der Autor dankt Mark Chambers und Paul Mohan. 2. „INSTITUTIONAL DEMAND FOR HEDGE FUNDS: New Opportunities and New Standards“ – The Bank of New York and Casey, Quirk & Acito LLC, September 2004 3. HEDGE FUND RESEARCH Q1 2005 Industry Report 4. INTERNATIONAL FINANCIAL SERVICES, London, April 2007
215
Wolfhard Leichnitz
Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt
1
Boom an den Immobilien-Investmentmärkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219
2
Immobilien als Assetklasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
3
Auswahlkriterien für Immobilieninvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
4
Typische Anlagestrategien am Immobilienmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
5
Direkte versus indirekte Immobilienanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224
6
Formen der indirekten Immobilienanlage . . . . . 6.1 Immobilienaktien und REITs . . . . . . . . . 6.2 Offene Immobilien-Publikumsfonds . . . . . 6.3 Immobilien-Spezialfonds . . . . . . . . . . . 6.4 Geschlossene Immobilienfonds . . . . . . . . 6.5 Sonstige strukturierte Anlagen und Derivate
7
Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
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224 225 226 229 230 231
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_17, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt
1
Boom an den ImmobilienInvestmentmärkten
Anfang März 2007 veröffentlichte das internationale Immobilienmakler- und Beratungsunternehmen Jones Lang LaSalle eine Studie, in der die weltweiten Direktinvestitionen in Gewerbeimmobilien im Jahr 2006 mit dem Rekordwert von 682 Milliarden. US-Dollar beziffert wurden. Das waren 38 Prozent mehr als im Jahr zuvor und fast das Doppelte dessen, was im Jahr 2003 in Gewerbeimmobilien investiert worden war. Deutlicher Gewinner dieser Situation war der Immobilienstandort Deutschland, der 2006 knapp vor Japan weltweit auf Platz drei der Investitions-Zielländer vorrückte (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1:
Deutlicher Anstieg der globalen Immobilienkapitalströme
Der Grund hierfür liegt insbesondere in den finanzwirtschaftlichen Fundamentaldaten. In allen wesentlichen Immobilienländern mit Ausnahme von Deutschland und Japan waren in den letzten Jahren die Immobilienpreise deutlich gestiegen und damit die Anfangsrenditen (Yield) entsprechend gesunken (sogenannte „Yield Compression“). Nur in Deutschland und Japan war 2006 eine spürbar positive Differenz (Yield Gap) zwischen der Rendite erstklassiger Immobilien (Prime Yield) und dem allgemeinen Zinsniveau (zehnjährige Staatsanleihen) zu erzielen. Gerade aus dem anglo-amerika219
Wolfhard Leichnitz
nischen Raum, in dem die Yield Gap Null oder sogar negativ war, flossen daher erhebliche Immobilien-Kapitalien nach Deutschland und Japan. Abbildung 2 zeigt die finanzwirtschaftlichen Fundamentaldaten für 2006 in der Zusammenschau.
Abbildung 2:
Rückgang der Anfangsrenditen (= Anstieg der Immobilienpreise)
Mit der starken Ausweitung der Investitionsvolumina ging an nahezu allen Immobilienmärkten eine deutliche Verschärfung des Wettbewerbs um die verfügbaren Investitionsobjekte einher. Zudem ist eine starke Zunahme grenzüberschreitender Transaktionen zu beobachten. Die Daten vermitteln eine Vorstellung davon, welche Bedeutung Immobilieninvestitionen mittlerweile weltweit zukommt, und wie dynamisch sich dieser Markt entwickelt hat und weiter entwickelt.
2
Immobilien als Assetklasse
Sowohl bei institutionellen Investoren als auch bei privaten Anlegern spielen Immobilien seit jeher eine wichtige Rolle in der Asset Allokation. Allerdings haben sich in den vergangenen Jahren sowohl die Anforderungen der Investoren als auch das Spektrum der verfügbaren Anlageprodukte grundlegend gewandelt. Verglichen mit anderen As220
Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt
setklassen wie Aktien, Renten oder Geldmarktanlagen zeichnen sich Immobilien als Sachwerte durch eine relativ hohe Sicherheit und eine vergleichsweise hohe Rendite aus. Die Liquidität von Direktanlagen in dieser Anlageklasse ist zunächst als eher gering zu bezeichnen. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass Direktanlagen in Immobilien aufgrund der zunehmenden Professionalisierung und der höheren Liquidität der Immobilienmärkte tendenziell leichter veräußerbar wurden als früher. Vor allem erlaubt aber das Spektrum der heute zur Verfügung stehenden Formen indirekter Immobilienanlage eine höhere Liquidität. Die Auffächerung in verschiedene Rendite-Risiko-Profile bietet zudem auch Möglichkeiten, den Immobilienanteil im Portfolio zielgenauer zu strukturieren.
3
Auswahlkriterien für Immobilieninvestitionen
Bei der Entscheidung für eine bestimmte Form der Immobilienanlage und bei der Auswahl des Investitionsobjekts sind mehrere Kriterien zu berücksichtigen, deren Gewichtung in Abhängigkeit von den individuellen Anlagezielen und der sich daraus ergebenden Anlagestrategie von Fall zu Fall variiert. Die erzielbare Rendite und die spezifischen Risiken, die der Investor dabei eingeht, hängen bei Direktanlagen in Immobilien vor allem vom Einstandspreis, vom jeweiligen Makro- und Mikrostandort, von der Mieterstruktur und -bonität, der Entwicklung der Mieten, der Verkaufspreise am Markt und von der Flexibilität des Investitionsobjekts im Hinblick auf unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten ab. All diese Aspekte spielen auf mittelbare Weise auch bei der indirekten Immobilienanlage eine Rolle, jedoch obliegt hier die Entscheidung darüber in der Regel nicht unmittelbar dem Investor, sondern wird an das Management des jeweiligen Anlagemediums delegiert. Qualität und Leistungsfähigkeit des Managements werden somit zu übergeordneten zentralen Erfolgsfaktoren und Auswahlkriterien für den Investor in indirekte Immobilienanlagen. Das Identifizieren geeigneter Investitions- und Desinvestitionszeitpunkte (Timing) ist sowohl bei der direkten als auch bei der indirekten Immobilienanlage ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dabei gilt es, neben den relevanten Immobilienmarktentwicklungen auch die Entwicklungen in anderen Segmenten des Finanzmarktes zu analysieren, um Alternativen abwägen und wechselseitige Beeinflussungen berücksichtigen zu können. So hängt beispielsweise der Erfolg einer Investition in Immobilienaktien nicht nur von der Entwicklung der Immobilienmärkte maßgeblich ab, sondern auch von allgemeinen Börsentrends; und der Erfolg einer Immobilieninvestition, die mit beträchtlichem Fremdkapitaleinsatz realisiert wurde, wird in entscheidendem Maße von der Zinsentwicklung beeinflusst.
221
Wolfhard Leichnitz
4
Typische Anlagestrategien am Immobilienmarkt
Hinsichtlich der Anlagestrategien von Immobilieninvestoren gibt es vier Grundmuster. Den konservativsten Anlagestil pflegen Core-Investoren. Sie erwerben gut vermietete bzw. vermietbare Objekte in sehr guten Lagen mit dem Ziel, sie langfristig im Portfolio zu halten und mit den Mieterträgen stabile Cashflows zu erzielen. Ihre Risikoakzeptanz ist relativ gering, und die Kontinuität der jährlich erzielbaren Renditen ist ihnen in der Regel wichtiger als deren absolute Höhe. Eine spätere gewinnbringende Veräußerung der betreffenden Immobilie ist beabsichtigt, steht jedoch nicht im Zentrum dieser Anlagestrategie. Typische Core-Investoren waren in der Vergangenheit vor allem Versicherungen und Pensionskassen, aber auch private Anleger, die beispielsweise vermietete Eigentumswohnungen mit dem Ziel erwarben, sich ein zusätzliches Einkommen aus Mieterträgen langfristig zu sichern (sogenanntes „Zinshaus“). Werden etwas höhere Renditeanforderungen gestellt und im Gegenzug auch entsprechend höhere Risiken akzeptiert, so spricht man von Core-Plus-Investments; ist das Chancen-Risiken-Profil noch stärker ausgeprägt, so werden die betreffenden Engagements als Value-Added-Investments bezeichnet. Eine solche stärkere Ausprägung des Chancen-Risiken-Profils kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass Objekte mit höherem Leerstand oder noch ungenutzten Baurechten erworben werden, die neben den Mietzahlungen der Bestandsmieter weiteres Potenzial für Erträge bzw. Wertsteigerungen bieten. Auf der Ebene eines größeren Immobilienportfolios ließe sich eine Core Plus- bzw. eine Value-Added-Strategie auch umsetzen, indem einer Mehrheit von Core-Objekten ein kleinerer Anteil an Projektentwicklungen oder Objekten mit Revitalisierungs- und Repositionierungspotenzial beigemischt wird. Die höchsten Renditeanforderungen stellen opportunistische Investoren. Sie sind auch bereit, im Vergleich zu den drei vorgenannten Investmentformen die höchsten Risiken einzugehen. Im Unterschied zu Core-Investments steht bei opportunistischen Investments die Realisierung von Wertsteigerungen nach relativ kurzer Haltedauer im Vordergrund. Dies kann beispielsweise durch Projektentwicklungen von Neubauten oder im Bestand, insbesondere aber durch spekulative An- und Verkäufe in Abhängigkeit von den jeweiligen Marktzyklusphasen geschehen. Typischerweise werden opportunistische Investments mit relativ hohem Fremdkapitaleinsatz realisiert, da die angestrebte hohe Eigenkapitalrentabilität selten auf laufenden Ausschüttungen beruht. Opportunistische Investments werden in der Regel einem Basisportfolio beigemischt. Abbildung 3 zeigt idealtypisch Immobilien-Investitionsmöglichkeiten in den Clustern von Core bis Opportunistic.
222
Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt
Abbildung 3:
Rendite/Risiko-Spektrum der Immobilienanlage
223
Wolfhard Leichnitz
5
Direkte versus indirekte Immobilienanlage
Für Investitionen in die Assetklasse Immobilien stehen grundsätzlich zwei unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung: Investoren müssen sich entscheiden, ob sie bestimmte Immobilien direkt erwerben oder stattdessen in indirekte Immobilienanlagen investieren wollen. Der direkte Kauf einer Immobilie ist mit dem vollständigen Erwerb des rechtlichen und wirtschaftlichen Eigentums verbunden. Der Investor profitiert in diesem Fall unmittelbar von allen erzielten Überschüssen und eintretenden Wertsteigerungen, muss jedoch vergleichsweise hohe Transaktionskosten und den Verwaltungsaufwand in Kauf nehmen. Zudem erfordern Direkterwerbe in der Regel einen hohen Kapitaleinsatz, sodass durchschnittliche private Anleger diese Möglichkeit allenfalls bei Eigentumswohnungen oder Eigenheimen in Betracht ziehen, während Direktinvestments in Gewerbeimmobilien aufgrund des erforderlichen Kapitaleinsatzes nur in Ausnahmefällen in Frage kommen. Doch auch für vermögende Privatanleger oder institutionelle Investoren, die durchaus in der Lage wären, das benötigte Investitionskapital aufzubringen, ist ein Direktinvestment nicht zwangsläufig das Verfahren der ersten Wahl. Denn aus der hohen Kapitalbindung in einzelnen Objekten ergibt sich eine entsprechend hohe Risikokonzentration. Alternativen bieten die verschiedenen Formen der indirekten Immobilienanlage, die sich im Vergleich zur Direktanlage in Immobilien generell durch niedrigere Transaktionskosten sowie – in Abhängigkeit von der jeweiligen Anlageform – durch Risikodiversifikation und höhere Fungibilität auszeichnen. Sie verlangen vom Investor einen geringeren Kapitaleinsatz und beinhalten in der Regel auch die Delegation der Managementtätigkeiten an eine Kapitalanlagegesellschaft, einen Fondsinitiator oder das Management einer Immobilienaktiengesellschaft.
6
Formen der indirekten Immobilienanlage
Unter den in Deutschland zur Verfügung stehenden Formen der indirekten Immobilienanlage sind vor allem Immobilienaktien bzw. Real Estate Investment Trusts (REITs), Offene Immobilien-Publikumsfonds, Immobilien-Spezialfonds und Geschlossene Fonds zu nennen. Hinzu kommt eine wachsende Zahl von strukturierten Produkten und Derivaten.
224
Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt
6.1
Immobilienaktien und REITs
Die international wohl bedeutendste Form der indirekten Immobilienanlage stellt der Erwerb von Immobilienaktien dar. Dabei handelt es sich um Anteile an Aktiengesellschaften, die ihre Erträge primär aus dem Immobiliengeschäft erzielen. Eine steuerliche Sonderform bilden die sogenannten REITs bzw. vergleichbare Konstrukte, die sich vor allem in den USA, inzwischen aber auch in mehr als 20 anderen Ländern, vor allem in Europa und Asien, erfolgreich etablieren konnten. REITs sind Immobilienaktiengesellschaften, die eine Reihe von gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen – vor allem im Hinblick auf die Quellen ihrer Erträge und die hohe Gewinnausschüttung – zu erfüllen haben und nicht auf Unternehmens- sondern auf Anlegerebene besteuert werden. Bei vielen institutionellen und privaten Investoren erfreut sich dieses Anlagemedium großer Beliebtheit, nicht zuletzt wegen der im Vergleich zu anderen Aktieninvestments geringeren Volatilität und der relativ hohen Dividendenrendite. Die Bedeutung von Immobilienunternehmen als Teil des Aktienmarktes wird unter anderem auch daran ablesbar, dass heute weltweit eine beachtliche Zahl entsprechender Branchenindizes berechnet wird, auf denen wiederum abgeleitete Produkte wie beispielsweise Zertifikate aufsetzen. Wie jedes Börseninvestment sind auch Immobilien- und REIT-Aktien sehr liquide Anlageformen. Im Unterschied zu anderen Immobilienanlagen sind sie tendenziell mit höherer Volatilität behaftet. Allerdings zeigen die Erfahrungen beispielsweise aus den USA, dass die Volatilität dieses Marktsegments in der Regel deutlich niedriger ist als die des Aktienmarktes insgesamt. Vorteile von Immobilienaktien im Vergleich zu anderen Anlagen sind neben der hohen Fungibilität die geringe Mindestinvestitionssumme und die relativ geringen Transaktionskosten. Hinzu kommt ein hohes Maß an Transparenz, das sich aus den bestehenden Publizitätsverpflichtungen für börsennotierte Unternehmen ergibt und vor allem von den Kapitalmärkten täglich eingefordert wird. Eine Möglichkeit, die unsystematischen Risiken von Immobilienaktien- und REIT-Investments auf Anlegerebene zu reduzieren, bietet die Beteiligung an Immobilienaktien- bzw. REIT-Fonds. Verglichen mit anderen Ländern haben Immobilienaktien in Deutschland über viele Jahre hinweg zunächst nur eine geringe Rolle gespielt. Dies lag zum einen daran, dass mit den Offenen Immobilienfonds eine relativ fungible Anlageform zur Verfügung stand, die außerhalb Deutschlands aber relativ unbekannt ist. Zum anderen gab es über lange Zeit hinweg nur wenige Immobilienaktiengesellschaften, deren Bedeutung und Marktkapitalisierung sie für größere Investorenkreise in Frage kommen ließen. Es gab in Deutschland eine Vielzahl von Immobilienaktiengesellschaften, die sehr heterogene, zum Teil wenig fokussierte Geschäftsmodelle aufwiesen, sodass sie nicht selbstverständlich als ein einheitlicher Sektor wahrgenommen wurden. Hinzu kam häufig ein geringer Streubesitzanteil und – daraus resultierend – eine relativ geringe Liquidität der betreffenden Aktien. In der jüngsten Vergangenheit setzte jedoch ein Wandel ein. Immer häufiger nutzen Immobilienunternehmen den Kapitalmarkt zur Eigenkapitalfinanzierung in Form von Börsengängen und Kapitalerhöhungen. 225
Wolfhard Leichnitz
Hier war 2006 eine spürbare Zunahme der Aktivitäten zu verzeichnen. Darüber hinaus ist der Immobilienaktien-Sektor auf europäischer Ebene ein etablierter Sektor, was sich zum Beispiel durch die börsentägliche Berechnung des EPRA/NAREIT-Indexes der European Public Real Estate Association (EPRA) zusammen mit der amerikanischen National Association of Real Estate Investment Trusts (NAREIT) zeigt. Der vom Bankhaus Ellwanger & Geiger berechnete deutsche Immobilienaktien-Index Dimax umfasste zum Jahreswechsel 2006/2007 insgesamt 66 Titel mit einer Marktkapitalisierung von insgesamt knapp 20 Milliarden Euro. Verglichen mit den USA, wo der REIT-Markt inzwischen ein Volumen von mehreren Hundert Milliarden US-Dollar erreicht hat, mag dies noch gering anmuten. Doch erwarten nicht wenige Experten für die nächsten Jahre auch in Deutschland ein deutliches Wachstum des Immobilienaktien-Marktes. Denn mit der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes Ende März 2007 wurden auch in Deutschland rückwirkend zum 1. Januar 2007 REITs möglich. REITs zeichnen sich typischerweise durch eine klare Fokussierung auf Immobilien einer bestimmten Nutzungsart oder bestimmte Investitionsstandorte bzw. -regionen aus. Es darf durchaus vermutet werden, dass der Wettbewerbsdruck am Kapitalmarkt nach Einführung der REITs dafür sorgen wird, dass auch die übrigen Immobilienaktiengesellschaften in Deutschland sich stärker fokussieren und ihre Geschäftsmodelle klarer definieren als das bisher manchmal der Fall war. Weltweit sind von den etwa 22 Billionen US-Dollar Marktwert der investmentfähigen Immobilien derzeit circa 1,5 Billionen US-Dollar börsennotiert, also von börsennotierten Immobilien-AGs oder börsennotierten REITs gehalten. Von den wesentlichen Immobilienmärkten der Welt verfügt Australien über die höchste Quote börsennotierter Immobilien im Verhältnis zum gesamten investmentfähigen Immobilienbestand. Abbildung 4 gibt einen groben Überblick über die Bestandsdimensionen des globalen Immobilienmarktes (eine valide Schätzung über den Wert aller Immobilien auf der Welt – also inklusive staatlichem Immobilienbesitz und inklusive Immobilien unterhalb der Investmentstufe – existiert nicht). Bei den Immobilienaktien/REITs haben in den letzten fünf Jahren insbesondere die europäischen Titel gut abgeschnitten. Ihre Performance (Kursgewinn + Dividende) liegt deutlich über dem weltweiten Durchschnitt der Immobilienaktien und weit über der Performance der Nicht-Immobilienaktien und Anleihen (vgl. Abbildung 5).
6.2
Offene Immobilien-Publikumsfonds
Eine weitere Möglichkeit, bereits mit relativ niedriger Einmalanlage oder auch im Rahmen von Sparplänen in ein breit diversifiziertes Immobilienportfolio zu investieren, bieten Anteile an Immobilien-Sondervermögen nach dem Investmentgesetz, die allgemein auch als Offene Immobilienfonds bezeichnet werden. Diese Form der indirekten Immobilienanlage eignet sich daher auch für weniger vermögende Privatanleger, wird aber auch von institutionellen Investoren genutzt, die zum Teil beträchtliche Beträge in 226
Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt
Abbildung 4:
Immobilien weltweit: drei Betrachtungsebenen
Offene Immobilienfonds investieren. Die zentralen Argumente, die aus Anlegersicht für Offene Immobilienfonds sprechen, sind eine breite Risikostreuung und eine geringe Volatilität dieser Anlageform. Zudem verfügen sie über eine grundsätzlich hohe Liquidität. Von der gesetzlich vorgesehenen Option, die börsentäglich mögliche Rückgabe von Fondsanteilen an die Fondsgesellschaft vorübergehend auszusetzen, ist in der Geschichte der Offenen Immobilienfonds kaum Gebrauch gemacht worden. Zum Jahresende 2006 belief sich das von Offenen Immobilienfonds verwaltete Vermögen nach Angaben des Bundesverbandes Investment und Asset Management (BVI) insgesamt auf 75,5 Milliarden Euro und lag damit um 7,4 Milliarden Euro niedriger als ein Jahr zuvor. Bedingt war dies im Wesentlichen durch die hohen Nettomittelabflüsse zu Jahresbeginn 2006. Diese standen in engem Zusammenhang mit einer Vertrauenskrise, die durch anhaltende Diskussionen um die angemessene Bewertung der Fondsimmobilien, unbefriedigende Wertentwicklung, Abwertungsbedarf und Liquiditätsprobleme bei einigen Fonds, vor allem aber durch die vorübergehende Schließung von drei Fonds im Dezember 2005 bzw. im Januar 2006 ausgelöst worden war. Seither 227
Wolfhard Leichnitz
Abbildung 5:
Durchschnittliche Gesamt-Rendite p.a. 2002–2006
konnte verloren gegangenes Anlegervertrauen teilweise zurück gewonnen werden. Dies belegt die Entwicklung der Nettomittelzuflüsse, die im letzten Quartal 2006 und vor allem in den ersten Wochen des Jahres 2007 wieder angestiegen sind. Vor dem Hintergrund der positiven Immobilienmarktentwicklung konnten die Offenen Immobilienfonds 2006 wieder bessere Wertentwicklungen ausweisen als in den vorangegangenen Jahren. Dies dürfte – ebenso wie das vom BVI im Januar 2006 vorgestellte Maßnahmepaket zur Reform der Offenen Immobilienfonds – maßgeblich zur Überwindung der Vertrauenskrise beigetragen haben. Bemerkenswert ist jedoch, dass keineswegs alle Fonds gleichmäßig von Zuflüssen profitieren können. Vielmehr haben die Anleger in jüngster Zeit begonnen, stärker zwischen den einzelnen Angeboten zu differenzieren. Gefragt sind insbesondere jüngere, global anlegende Fonds. Sie sind zum einen weitgehend frei von Altlasten und zum anderen nutzen sie am konsequentesten die gesetzlichen Handlungsspielräume für Investitionen im Ausland, sodass eine breite geografische Diversifikation der Anlage erreicht wird.
228
Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt
6.3
Immobilien-Spezialfonds
Immobilien-Spezialfonds sind ebenfalls nach dem Investmentgesetz geregelt. Im Unterschied zu den Immobilien-Publikumsfonds richten sie sich jedoch nicht an Privatanleger, sondern stehen ausschließlich juristischen Personen offen. Die Zahl der Anleger in einen Fonds ist auf maximal 30 begrenzt. Aufgrund der Tatsache, dass Anlegerschutzaspekte wegen des professionellen Charakters des zulässigen Anlegerkreises weniger im Vordergrund stehen, sind die für Spezialfonds geltenden Vorschriften in einigen Punkten weniger streng als für die Offenen Immobilien-Publikumsfonds. So bedürfen ihre Vertragsbedingungen oder deren Änderungen beispielsweise nicht der Genehmigung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Je nach Zusammensetzung des Anlegerkreises unterscheidet man zwischen Gemeinschaftsfonds (Poolfonds), in denen das Kapital mehrerer Investoren zusammengeführt wird, und Individualfonds, die für einen einzigen Anleger aufgelegt und verwaltet werden. Es gibt Fonds, in die Anleger bereits vorhandene Immobilienbestände einbringen, die bislang von ihnen direkt gehalten worden sind und nun – häufig aus bilanziellen Gründen – in eine indirekte Anlageform überführt werden sollen. Und es gibt sogenannte „Fresh-Money“-Fonds, die mit dem von den Investoren bereit gestellten Kapital Immobilieninvestitionen entsprechend einer vorab definierten Anlagestrategie tätigen. In den zurück liegenden Jahren tendierten zahlreiche institutionelle Investoren – beispielsweise Versicherungen oder Pensionskassen – dazu, direkt gehaltene Immobilienbestände zu veräußern und stattdessen ihre Immobilieninvestitionen auf indirektem Wege umzusetzen. Dieser Trend kam insbesondere auch den Immobilien-Spezialfonds zugute. So war das Jahr 2005 bislang das zweitbeste für diese Anlageform. Insgesamt verzeichneten Immobilien-Spezialfonds in diesem Jahr Mittelzuflüsse in Höhe von mehr als 2,3 Milliarden Euro – ungeachtet der hohen Mittelabflüsse, die im selben Zeitraum bei den Offenen Immobilien-Publikumsfonds hinzunehmen waren. Das Gesamtvolumen der Immobilien-Spezialfonds hatte zum Jahresende 16,8 Millarden Euro erreicht, und während es 1998 erst 21 Immobilien-Spezialfonds gab, hatte sich deren Zahl bis Ende 2005 nahezu verfünffacht. Insgesamt wurden zu diesem Zeitpunkt 101 Immobilien-Spezialfonds von 24 unterschiedlichen Kapitalanlagegesellschaften gemanagt. Im internationalen Vergleich stellen Immobilien-Spezialfonds eine deutsche Besonderheit dar, was sich auch in ihrer Anlegerstruktur widerspiegelt. Deutsche Anleger stellen hier mit mehr als 95 Prozent die übergroße Mehrheit, während ausländische Investoren sich nur in Ausnahmefällen dieses Investmentvehikels bedienen, das ihnen aus ihren Heimatmärkten nicht bekannt ist. Zu 63,6 Prozent handelte es sich 2005 bei den Investoren der Immobilien-Spezialfonds um Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und berufsständische Versorgungswerke, weitere 17,2 Prozent entfielen auf Altersvorsorgeeinrichtungen. Indirekte Berechnungen, die allerdings mit einer gewissen Unsicherheit behaftet sind, ergaben für 2005 für Immobilien-Spezialfonds eine Performance von vier Prozent. Ge229
Wolfhard Leichnitz
nerell ist davon auszugehen, dass Immobilien-Spezialfonds vor allem von solchen Investoren genutzt werden, bei denen die Erzielung kontinuierlicher Erträge und eine langfristig stabile Wertentwicklung des Vermögens stärker im Vordergrund stehen als die Chance auf kurzfristige Wertsteigerungen, für die entsprechend höhere Risiken in Kauf zu nehmen wären.1
6.4
Geschlossene Immobilienfonds
Eine der bedeutendsten Formen der indirekten Immobilienanlage für private Anleger in Deutschland sind Geschlossene Immobilienfonds. Nach Angaben der von Stefan Loipfinger herausgegebenen „Marktanalyse der Beteiligungsmodelle 2007“ belief sich das gesamte von Geschlossenen Immobilienfonds per 21. 12. 2006 realisierte Investitionsvolumen auf knapp 191 Milliarden Euro. Dass die 200-Milliarden-Grenze im Laufe des Jahres 2007 überschritten wird, gilt als sehr wahrscheinlich. Bei Geschlossenen Immobilienfonds handelt es sich um unternehmerische Beteiligungen an Personengesellschaften, typischerweise in Form einer GmbH & Co. KG oder auch einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese Gesellschaften investieren das bei den Anlegern eingeworbene Eigenkapital und ggf. auch durch die Fondsgesellschaft aufgenommenes Fremdkapital in ein oder mehrere vorab bestimmte Investitionsobjekte. Der Investitionsvorschlag liegt damit in allen Details vor der Anlageentscheidung auf dem Tisch. Diese Transparenz ist zweifellos eine Stärke dieser Investitionsform. Seit dem 1. Juli 2005 sind die Initiatoren Geschlossener Fonds verpflichtet, den Anlageprospekt durch die BaFin genehmigen zu lassen. Allerdings beschränkt sich die BaFin im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ausschließlich auf eine Prüfung des Prospekts nach bestimmten formalen Kriterien wie Gliederung, Mindestinhalte etc. Eine qualitative Beurteilung des Investitionsvorschlags findet nicht statt. Die Fungibilität Geschlossener Immobilienfonds ist – da es sich um eine Unternehmensbeteiligung handelt – naturgemäß grundsätzlich gering. Sie hat sich jedoch in den zurückliegenden Jahren durch von Initiatoren angebotene Zweitmarktplattformen, vor allem aber durch die Etablierung eines Börsenhandels mit Zweitmarktanteilen, erhöht. Die Notiz am börslichen Zweitmarkt bietet darüber hinaus ein marktbasiertes Indiz für die Qualität von Initiatoren. Einige Initiatoren bieten zudem Rückgabeoptionen für die Fondszeichner in bestimmten, vorab definierten persönlichen Notlagen. Während noch bis Ende der Neunzigerjahre die Reduzierung der Einkommensteuerbelastung durch Zuweisung ausgleichsfähiger Verluste eines der zentralen Anlagemotive von Zeichnern Geschlossener Fonds war, so hat sich dies seither grundlegend gewandelt. Die sukzessive Veränderung der steuerlichen Rahmenbedingungen, zuletzt Ende 2005 mit der Aufnahme des Paragrafen 15 b in das Einkommensteuergesetz, hat dazu geführt, dass Verluste aus Beteiligungen an Geschlossenen Fonds heute im 1
230
Vgl. Entzian (2006), S. 530–542.
Immobilien: ein klassisches Investment – innovativ gemanagt
Vergleich zu früher nicht mehr in nennenswerten Größenordnungen mit anderen Einkünften ausgeglichen werden dürfen. Dies und nicht zuletzt auch die schlechten Erfahrungen vieler Anleger mit Fondsbeteiligungen, die ausschließlich unter steuerlichen Aspekten und ohne hinreichende Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit der zugrunde liegenden Immobilieninvestitionen eingegangen worden waren, führte zu einem Paradigmenwechsel von den „Steuersparmodellen“ hin zu renditeorientierten Fondskonzepten. Unter steuerlichen Gesichtspunkten sind heute vor allem im Ausland investierende Geschlossene Immobilienfonds attraktiv, vorausgesetzt, ein bestehendes Doppelbesteuerungsabkommen ermöglicht es deutschen Anlegern, von niedrigeren Steuersätzen oder Freibeträgen in dem betreffenden Investitionszielland zu profitieren. Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass durch die Fondsinitiatoren neue Zielländer für Investitionen erschlossen werden. Loipfinger nennt in seiner Marktanalyse 2007 neben den bekannten Märkten Deutschland, USA, Großbritannien, Niederlande und Österreich 13 weitere Länder, in denen deutsche Anleger bislang durch Beteiligung an Geschlossenen Immobilienfonds investieren können. Da Geschlossene Immobilienfonds nur in eines oder wenige Objekte investieren, bieten sie naturgemäß allein keine nennenswerten Diversifikationseffekte. Als Ergänzung eines Portfolios von weiteren Immobilienanlagen sind sie jedoch gut geeignet, um gezielt in bestimmte Nutzungsarten oder Regionen zu investieren und dadurch bestehende Einseitigkeiten der Portfoliostruktur abzubauen. Dies gilt insbesondere für den recht häufig anzutreffenden Fall, dass sich Privatanleger bei ihren Immobilienanlagen weitgehend oder ausschließlich auf selbst genutzte und vermietete Eigentumswohnungen am eigenen Wohnort konzentriert haben.
6.5
Sonstige strukturierte Anlagen und Derivate
Ein Zeichen für die zunehmende Reife des Marktes für Immobilienanlagen ist die wachsende Zahl sonstiger strukturierter Anlagen und Derivate. So nutzen institutionelle Anleger heute unterschiedliche Möglichkeiten für frei strukturierte Fondslösungen über im Ausland ansässige Gesellschaften. Ebenfalls zu nennen sind hier Dachfondskonstruktionen. Private Anleger können inzwischen mit Hilfe von Zertifikaten gezielt an der Entwicklung einzelner Immobilienmärkte bzw. von Immobilienaktien und REITs partizipieren. Es ist davon auszugehen, dass sich die Angebote in diesen Bereichen in den kommenden Jahren weiter ausdifferenzieren werden.
231
Wolfhard Leichnitz
7
Ausblick
Es besteht kein Zweifel, dass der „Klassiker“ Immobilie auch in Zukunft einen festen Platz innerhalb jeder professionellen Asset Allokation haben wird – egal ob es sich um private oder institutionelle Investoren handelt. Doch statt der früher vorherrschenden, auf Direktinvestments fokussierten Buy-and-Hold-Strategie erfolgen Immobilieninvestitionen heute auf unterschiedlichste Weise und unter Einsatz moderner Instrumente eines anspruchsvollen Portfoliomanagements. Die Vielfalt der verfügbaren Anlageformen – insbesondere der indirekten Immobilieninvestitionen – ermöglicht innovative Investitionsstrategien, die detailliert auf die Bedürfnisse und Anforderungen des jeweiligen Investors abgestimmt werden können. Ein Endpunkt dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen, vielmehr dürfte das Spektrum der verfügbaren Produkte und Anlagemöglichkeiten in Zukunft noch erweitert werden. Mit den indirekten Anlageformen sind Immobilien nach mehrtausendjähriger Geschichte heute fast ebenso „mobil“ wie Investitionen in Aktien und Anleihen. Immobilien sind als eine der letzten Branchen nunmehr endgültig in der Globalisierung angekommen. Das sich daraus ergebende enorme Potenzial sollte in der Praxis in vollem Umfang genutzt werden, wo immer der Anspruch erhoben wird, ein umfassendes, professionelles Portfoliomanagement zu betreiben.
Literaturhinweise BUNDESVERBAND INVESTMENT UND ASSET MANAGEMENT (BVI): www.bvi.de ENTZIAN, TILL: Neue Rekorde ohne die alte Rasanz, in: Immobilien & Finanzierung, Jg. 57 (2006), Heft 16 (August), S. 530–542. EUROPEAN PUBLIC REAL ESTATE ASSOCIATION (EPRA): www.epra.com JONES LANG LASALLE: www.jll.com REBITZER, DIETER: Anlageformen, generelle Aspekte der Immobilieninvestition sowie Immobilieninvestoren, in: Schäfer, Jürgen und Georg Conzen (Hrsg.), Praxishandbuch der Immobilien-Investitionen, München 2005, S. 1–36, hier: Abbildung S. 22. LOIPFINGER, STEFAN: Marktanalyse der Beteiligungsmodelle 2007, Rosenheim 2007.
232
Christof J. Kessler
Rentenmanagement – Strategien für jedes Zinsszenario
1
Marktumfeld für Zinsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
2
Internationalisierung der Zinsmärkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
3
Engagements im Multizinsportofolio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
4
Konvergenz als globaler Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238
5
Erweiterung der Anleihetypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
6
Liquiditäts- und Innovationsprämien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
7
Herausforderungen für das Rentenmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_18, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
233
Rentenmanagement – Strategien für jedes Zinsszenario
1
Marktumfeld für Zinsen
Wenn Anleger über Anleihen nachdenken, tauchen Begriffe wie „sicher“, „verlässlich“ und „langweilig“ auf. Die dauerhaft sorgenfreien Zinszahlungen aus einem Rentenportfolio sind gerade durch den Börsencrash der Jahre 2000 bis 2002 für viele Investoren zur Trauminsel geworden, auf der man getrost Zuflucht vor den Untiefen des verlustreichen Aktienmarktes suchen kann. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Unpassend eingesetzt, können auch Anleihen die finanzielle Lebensplanung ins Chaos stürzen. Richtig angewandt, gehören die Zinspapiere jedoch zu den wichtigsten Elementen, die im Portfoliobaukasten für den Privatanleger zu finden sind. Eine Zinsanlage sollte für die Anleger mehr sein als Sparbuch und Bundesanleihe. Einfach ist es nicht, hierfür eine Strategie zu entwickeln. Denn der Markt ist größer, internationaler und komplexer geworden. Mehr denn je sind professionelle Rentenmanager gefordert, die weltweit Märkte analysieren und innovative Finanzinstrumente beurteilen können. Moderne Rentenportfolios verfolgen einen Multizinsansatz und suchen nach Opportunitäten, also der Gelegenheit für Extrarenditen in diversen Zinsmärkten und Zinszyklen. Die neuen Opportunity-Fonds des Rentenmarktes agieren ohne eindeutige Benchmark und werden vom Anleger zu Recht an ihren absoluten Erträgen im Verhältnis zum risikolosen Geldmarkt oder etwa zur Rendite von Bundeswertpapieren gemessen. Der Multizinsansatz dieser neuen Generation von Rentenfonds ist nämlich nur dann gerechtfertigt, wenn die kaum begrenzte Handlungsfreiheit ihrer Manager positive Mehrerträge im Vergleich zu den traditionellen Anlageformen abliefert. Der Umfang der insgesamt weltweit vorhandenen Anleihen sowie sonstiger festverzinslicher Wertpapiere lag im Jahr 2005 bei etwa 58 Billionen US-Dollar, zum Vergleich stieg der Wert sämtlicher börsengehandelten Aktien erstmals Anfang 2007 über die Marke von 50 Billionen US-Dollar. Nahezu die Hälfte der weltweiten Anleihen sind kurz- und mittelfristige Wertpapiere, mit denen Finanzinstitutionen sich untereinander refinanzieren. Weitere rund 40 Prozent entfallen auf Staatsanleihen und die restlichen etwas über zehn Prozent resultieren aus der Verschuldung von Unternehmen über Anleihen oder sonstige festverzinsliche Wertpapiere. Dies ist das Spielfeld aller Rentenmanager (Quelle: World Federation of Exchanges; Bank for International Settlements). Die heimischen Zinsmärkte, sei es die Euro-Zone oder die USA, büßen für die Investoren der jeweiligen Regionen nach und nach ihre dominante Rolle ein. Längst hat sich der Anlagehorizont erweitert. Vor allem institutionelle Investoren haben weitere entwickelte Volkswirtschaften, wie etwa Neuseeland oder Australien oder Konvergenzländer, beispielsweise die jüngsten EU-Beitrittsstaaten oder auch Mexiko und Taiwan, in das Anlagespektrum ihrer Vermögensverwaltungsmandate mit einbezogen. Und das nicht, weil sie ihr Risiko zugunsten der Rendite erhöhen wollen (was mitunter der Fall sein kann), sondern weil sie dadurch die Möglichkeit besitzen, ihr Risiko zu minimieren (reduzieren) und ihre Rendite zu erhöhen.
235
Christof J. Kessler
2
Internationalisierung der Zinsmärkte
Die Erweiterung des Anlagehorizonts spiegelt aber auch die Internationalisierung an den Kapitalmärkten wider. Waren 1994 noch über 90 Prozent aller Anleihen nationale Anleihen, die im Land und der Währung des Schuldners ausgegeben wurden, sind mittlerweile rund ein Viertel aller Anleihen internationale Anleihen, die außerhalb des Landes und/oder der Währung des Schuldners ausgegeben wurden. Für das aktive Rentenmanagement wird es deswegen entscheidend sein, Chancen für Extrarenditen, also die sogenannte „Alpha-Generierung“, über eine Vielzahl von Zinsmärkten weltweit wahrzunehmen. Einige Investoren suchen nach dem passenden Zeitpunkt für ihr Investment, andere wiederum richten sich einfach nach Renditen der jüngsten Vergangenheit. Beide Ansätze bergen unnötige Gefahren. Studien aus dem Bereich der Behavioral Finance zeigen, dass Privatanleger mit einem sehr aktiven Portfoliomanagement schlechter abschneiden als der Markt. Terrence Odean und sein Kollege Brad Barber von der Universität Berkeley untersuchten etwa über die Jahre 1991 bis 1996 das Anlageverhalten von rund 66000 Privathaushalten in den USA. Aktive Privatanleger schnitten dabei nicht vor allem deswegen schlechter ab, weil sie mehr Kosten durch ihre laufenden Transaktionen anhäuften, sondern weil sie fehlerhafte Investmententscheidungen trafen. Gerade Selbstüberschätzung und der Hang, junge Trends überzubewerten, kosteten die Hobby-Börsianer Rendite. Sinnvoller ist es, von einer Portfoliostruktur auszugehen, die von der individuellen Risikoneigung und dem Anlagehorizont ausgeht. Der dabei für die Zinsanlage bestimmte Teil der Anlage braucht kein Timing, sondern einen Rahmen – sei es als Mandat oder Fonds – der weit genug ist für ein modernes Portfoliomanagement. Der Zeitpunkt der Geldanlage ist dann nur von geringerer Bedeutung. Die klassischen Euro-Rentenfonds mit kurzer, mittlerer und langer Laufzeit werden von Oppenheim als Bausteine für Vermögensverwalter bereitgestellt. Jedoch ist hier auf Seiten der Fondsmanager die Möglichkeit zur Alpha-Generierung stark eingeschränkt. Die Verantwortung obliegt nun eher dem jeweiligen Anleger oder Vermögensverwalter mittels der Durationssteuerung durch Kaufen und Verkaufen von Fondsanteilen einen Zusatzertrag zu erwirtschaften. Wenn der Zeitpunkt für die erfolgreiche Rentenanlage an Bedeutung verliert, soll das nicht heißen, dass etwa die Bedeutung der Geldpolitik abgenommen habe. Fallende Leitzinsen der Notenbanken bleiben auch in Zukunft ein gutes Umfeld für Anleihen, während auf der anderen Seite steigende Zinsen Kursverluste am Rentenmarkt nach sich ziehen. Der Grund hierfür liegt darin, dass der Kurs ausstehender Schuldtitel sich im Verhältnis zum eigenen Kupon an die von den Notenbanken vorgegebene Marschrichtung anpasst. Die jüngste Vergangenheit hat dies an den Rentenmärkten der EuroZone oder der USA eindrücklich illustriert. Als die Spekulationsblase am Aktienmarkt zu Beginn des Jahrtausends platzte, reagierten die Notenbanken mit kräftigen Zinssenkungen, um die Wirtschaft zu stimulieren und eine Rezession zu verhindern. Die USNotenbank etwa senkte ihren Zinssatz von 6,5 Prozent im März 2000 schrittweise auf 236
Rentenmanagement – Strategien für jedes Zinsszenario
ein historisches Zinstief von einem Prozent im Juni 2003. Der Leitzins für die EuroZone wurde von der Europäischen Zentralbank (EZB) im selben Zeitraum von 4,75 auf zwei Prozent herabgesetzt. Während es günstiger wird, sich Geld für neue Investitionen zu besorgen, reagieren auch die im Markt ausstehenden Schuldtitel. Wenn diese eine feste nominale Zinszahlung beinhalten, steigt der Marktpreis der Anleihe, sodass die Rendite dementsprechend sinkt und sich der aktuellen Marktrendite anpasst. Im Ergebnis konnte sich das Gros der Anleihebesitzer nicht nur darüber erleichtert zeigen, dass sie vom Kursabsturz des Aktienmarktes nicht betroffen waren, sondern sie profitierten von der Reaktion der Zentralbanken, von der Politik des sogenannten „billigen Geldes“. Eine entscheidende Komponente bisheriger und auch künftiger Outperformance von Rentenfonds wird eine gute Prognose der Leitzinsentwicklung in den für das Rentenmanagement relevanten Währungsmärkten sein. Die Zuflüsse oder Umschichtungen der Anleger verlaufen leider oft prozyklisch und allein auf ihren jeweiligen Heimatmarkt ausgerichtet. Im schlimmsten Fall schichteten Anleger am Ende des Börsencrashs in Anleihen um, verpassten die besten Anleihejahre zuvor und danach die Erholung am Aktienmarkt. Der Deutsche Rentenindex REXP stieg im Spitzenjahr 2002 um rund neun Prozent an, Rentenfonds verzeichneten jedoch laut Investmentverband BVI leichte Nettomittelabflüsse. In den drei Folgejahren sammelten Rentenfonds in Deutschland über 50 Milliarden Euro ein, in den USA gab es ebenfalls einen Nettomittelzufluss von insgesamt 181 Milliarden US-Dollar, berichtet der dortige Fondsverband ICI (ICI Fact Book 2007, S. 25). Die Geldpolitik von EZB und US-Notenbank wurde in dieser Zeit wieder restriktiver, die Zinskurve verflachte und die Renditen sanken. 2006 zogen die deutschen Anleger wieder Gelder aus den Rentenfonds ab. Prozyklik und fehlende Diversifikation bleiben Schwachpunkte vieler Portfolios. Die Internationalisierung des Anleihemarktes und die damit einhergehenden erweiterten Anlagemöglichkeiten werden zu wenig wahrgenommen.
3
Engagements im Multizinsportfolio
Die Beschränkung etwa allein auf Bundesanleihen oder sogar Euro-Staatsanleihen ist keineswegs ein konservativer, sondern ein veralteter Ansatz. Die Welt der Zinsmärkte hat mehr zu bieten, als normalerweise genutzt wird. Ein auf die Euro-Zone begrenztes Mandat oder ein Fonds hat bei einer flachen Zinskurve im Euro-Raum wenig Spielraum für den aktiven Rentenmanager. Es gibt wenige Abweichungen von der Erwartungshaltung, die die EZB generiert. Zinserwartungen und Zinspolitik stimmen weitgehend überein. Anleger, die nicht den kurzfristigen Geldmarkt, sondern ein Engagement im Rentenbereich suchen, sollten ein Multizinsportfolio wählen. Ein solches Portfolio kann die Zinsrisiken über diverse Länder streuen und dabei von den unterschiedlichen Zinszyklen der Volkswirtschaften profitieren. Es bietet auch dem Rentenmanager genügend Opportunitäten Extra-Renditen zu erzielen. 237
Christof J. Kessler
Zinsstrukturkurven sind weltweit keineswegs einheitlich flach wie derzeit in der Euro-Zone. Man entdeckt immer Notenbanken, deren Geldpolitik sich in gegenläufigen Bewegungen befindet. Hierin liegt gerade die Chance, Zinszyklen zu finden, die wenig Korrelation aufweisen. Nimmt man etwa Neuseeland, Mexiko und Ungarn, hat man gegenwärtig drei völlig unkorrellierte Hochzinsländer. Noch dazu Hochzinsländer, die etablierte Kapitalmärkte und ein Investmentgrade-Rating vorweisen können. Dagegen ließen sich etwa Japan, die Schweiz und Tschechien mit ihrer jeweiligen Niedrigzinsphase aufzählen, deren Zinsmärkte ebenso wenig voneinander abhängen. Japan wiederum weist eine der steilsten Zinsstrukturkurven der entwickelten Märkte auf, was wiederum die Vielfältigkeit der Anleihemärkte illustriert. Es gilt nun, über die Wirtschaftszyklen und die sie begleitenden Zinsbewegungen richtig das Rentenportfolio zu diversifizieren und die sich ergebenden Chancen zu nutzen.
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Konvergenz als globaler Prozess
Neben der Diversifikation in globalen Anleihemärkten können zudem in einigen Bereichen Konvergenzprozesse genutzt werden. Konvergenz steht dabei nicht allein für neue EU-Beitrittsländer, deren Volkswirtschaften, Anleiherenditen und Zinskurven mit der Euro-Zone konvergieren. Einen ähnlichen Prozess durchläuft etwa Mexiko im Verhältnis zu den USA. Mögliche Kandidaten wären auch Taiwan und Südkorea im Verhältnis zu Japan. Konvergenzländer sind jedoch deutlich zu trennen von Investments im Emerging-Market-Bereich. Die Konvergenzländer durchlaufen positive Annäherungsprozesse an die großen Volkswirtschaften, und anders als bei Ecuador- oder Argentinien-Anleihen müssen Anleger nicht rätseln, zu welchen Kursen die Papiere am Ende der Laufzeit zurückgezahlt werden. Das entscheidende Abgrenzungskriterium ist es, Länder auszuschließen, die in Zahlungsverzug geraten könnten. Neben gewissen Basiskriterien, wie einem Mindestrating, keinen Zahlungsausfällen in den letzten fünf Jahren und einer ausreichenden Datenqualität, hat sich vor allem der Saldo von Leistungsbilanz und Schuldendienst als ein entscheidender Indikator erwiesen. Wenn ein Land langfristig mit seinen Exportüberschüssen mehr verdient als es an Schuldendienst ans Ausland zu leisten hat, hat auch die Regierung einen Anreiz, die Auslandsverbindlichkeiten zu bedienen. Wenn des Weiteren Wohlstands- und Wachstumsindikatoren sowie die politische Stabilität positiv ausfallen, dann gehört das Land ins potenzielle Anlageuniversum. Der Konvergenzprozess ist entgegen manchen Unkenrufen längst nicht vorbei. Die gesunkenen Renditeaufschläge der Konvergenzländer zu den benachbarten entwickelten Zinsmärkten sollten nicht mit dem Maßstab vergangener Bewertungen gemessen werden. Vielmehr sollte im Vordergrund stehen, dass für ein Investment in stabile Länder mit einem laufenden Annäherungsprozess an führende Industrieländer und damit sinkendem Risiko eine Extrarendite erwirtschaft werden kann. Und die muss auch heute nicht unbedingt klein ausfallen, wenn man Konvergenz als einen globalen Prozess wahrnimmt. Sollte etwa Taiwan mit Japans Niedrigzinsniveau korrelieren, gäbe es noch deutlichen Spielraum für Zinssenkungen. 238
Rentenmanagement – Strategien für jedes Zinsszenario
Für die deutliche Mehrzahl der Anleger ist es jedoch weder möglich, diese Märkte zu analysieren, noch in sie direkt zu investieren. Mit der Internationalisierung gehen aber auch Risiken von Währungsschwankungen einher. Institutionelle Anleger entscheiden sich bei einer Mandatsvergabe, welches Fremdwährungsrisiko sie zu tragen bereit sind oder ob es eine komplette Währungsabsicherung bzw. Beschränkung auf in Euro denominierte Anleihen gibt. Privatanleger sollten sich an den Maximalquoten für Fremdwährungsanleihen in den jeweiligen Fonds orientieren. Internationale Anleihen oder Derivate ermöglichen es mittlerweile bequem, Währungsrisiken auszuschließen oder zu minimieren. Nicht zuletzt hat der Gesetzgeber gerade beim Einsatz derivativer Finanzinstrumente viel mehr Freiräume geschaffen, sodass für diese modernen Anleihefonds, die einen Multizinsansatz verfolgen, ganz neue Möglichkeiten offen stehen. Derivate können dabei in vielfältiger Weise zur Steuerung von Währungs- oder etwa Zinsrisiken dienen. Ein Beispiel im Derivatebereich sind Zinsswaps, die früher oft eingesetzt wurden, um eine bestehende Position gegen ein Zinsänderungsrisiko abzusichern. Dabei tauschen zwei Parteien meist feste und variable Zinsverpflichtungen auf zwei nominelle Kapitalbeträge für einen bestimmten Zeitraum. Eine Anleihe mit ihrer jeweiligen Laufzeit konnte also um einen sogenannten „Payer Swap“ ergänzt werden, der die gleiche Laufzeit mit negativem Vorzeichen auswies und somit synthetisch eine variable Anleihe erzeugt, die kein Kursrisiko mehr ausweist. Mittlerweile sind Gegenpositionen für Swapgeschäfte gesetzlich nicht mehr nötig. Als Konsequenz daraus kann ein Portfoliomanager den „Payer Swap“ einsetzen, um sich in einen Markt mit inverser Zinsstrukturkurve, der also höhere Zinsen am kurzen als am langen Ende der Laufzeit aufweist, mit einer negativen Duration aufzustellen. Ein Multizinsansatz verfolgt nicht nur die Zinsstrukturkurven in verschiedenen Ländern weltweit, sondern nutzt zudem Derivate, um sich mit Long- und Short-Positionen an den jeweiligen Zinsmärkten entsprechend der eigenen Einschätzung zu positionieren.
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Erweiterung der Anleihetypen
Neben der Internationalisierung des Anleihemarktes hat sich ebenfalls das Spektrum der Anleiheformen erweitert. In den letzten Jahren haben etwa Asset-Backed-Securities, kurz ABS-Anleihen, das Spektrum der Anleihetypen vielfältiger werden lassen. Grob gesagt, verpacken hiermit Kreditinstitute beispielsweise Zahlungsansprüche aus Hypotheken- und Konsumentenkrediten in handelbare Wertpapiere. Entwickelt wurden die ABS-Papiere bereits in den Siebzigerjahren in den USA, in Europa entwickelte sich erst in den letzten sechs Jahren ein für breite Anlegerkreise relevantes Marktvolumen. Insbesondere in den Portfolios vieler Geldmarktfonds, wie dem OP Cash Euro Plus, haben ABS-Anleihen inzwischen Eingang gefunden. Dabei handelt es sich dann um ABS-Anleihen mit bester Qualität, damit sie dem Risikoprofil des Fonds entsprechen. Der Vorteil besteht für Anleger vor allem in einem Renditeaufschlag, sodass 239
Christof J. Kessler
selbst bei kürzeren Investmentzeiträumen attraktive Gewinne realisiert werden können. Fonds, die sich auf ABS-Papiere fokussieren und höhere Kreditrisiken eingehen, indem sie etwa Ratingklassen aus dem unteren Investmentgrade-Bereich, also „A“ oder „BBB“ bewertete Anleihen stärker in ihrem Portfolio berücksichtigen, werden in der Regel dann auch als ABS-Fonds ausgewiesen. Neben Geldmarktfonds und reinen ABS Fonds finden diese gebündelten Forderungspapiere aber auch Eingang in die breiter aufgestellten modernen Rentenfonds, wie etwa den OP Bond Global Opportunities. Zusätzliche Investments werden auch durch das vielfältige Engagement der Bank am Finanzmarkt ermöglicht. So hat das Bankhaus Oppenheim in Luxemburg Mikrodarlehen in Höhe von 200 Millionen Euro in den Staaten des früheren Jugoslawien verbrieft und in Form einer Anleihe gebündelt, die wiederum Eingang in die Rentenfonds des Hauses gefunden hat. Dadurch wird Anlegern die Möglichkeit geboten, sich an einer Anlageform zu beteiligen, zu der sie ansonsten keinen Zugang hätten. Diese Anleihe wird zu 1,5 Prozent über dem Londoner Interbankensatz Libor verzinst. Ein weiteres Ergebnis der verstärkten Einsatzmöglichkeiten von derivativen Finanzinstrumenten sind Währungsfonds als ein weiterer Baustein im Rentenportfolio. Der Handel in Währungen ist keineswegs ein Nullsummenspiel. Basis des Fonds sind Euroland-Anleihen und Festgeld, über Devisentermingeschäfte und Devisenoptionen wird der Fonds dann in seinem Kernbereich positioniert. Anleger können durch den Derivateeinsatz sowohl von fallenden als auch von steigenden Kursen profitieren. Währungen sind nicht effizient bepreist, weil die Notenbanken hier eine entscheidende Rolle einnehmen. Zudem tätigen Unternehmen oder Touristen Devisengeschäfte als Mittel zum Zweck, ohne dass eine Gewinnerzielung dabei im Vordergrund stünde. Notenbanken versuchen jedoch politisch in den Märkten zu agieren, zum Beispiel, wenn die USA meinen, der Yen müsse zum Dollar aufwerten, oder in Europa gefordert wird, der Euro dürfe nicht auf Dauer so teuer bleiben. Diese doch eher normative Politik ermöglicht, Gewinne aus den zu erwartenden Kursschwankungen zu ziehen.
6
Liquiditäts und Innovationsprämien
Zusatzerträge können auch auf der Kreditseite gefunden werden. Dies begründet sich meist entweder auf einer Liquiditätsprämie oder einer Innovationsprämie. Im ersten Fall rentiert ein Papier aufgrund seiner geringen Liquidität über dem Markt. Im zweiten Fall erfordern innovative Anleihen einen teils hohen Analyseaufwand. Als Oppenheim 1997 erstmals ein Investment in eine „AAA“ geratete ABS-Kreditkartenanleihe der Citibank investierte, rentierte dieses 40 Basispunkte über Libor. Kaum jemand wusste diese ABS-Papiere einzuschätzen. Heute würde ein vergleichbares Papier knapp unter Libor rentieren. Nun gibt es andere Neuerungen, doch das Prinzip bleibt dasselbe. Bonitätsmäßig gut unterlegte Papiere rentieren aufgrund ihrer hohen Komplexität deutlich über ihrem eigentlichen Risikowert. Liquiditätsprämien, die früher bei vielen Unternehmensanleihen üblich waren, sind heute oft nicht mehr vorhanden. 240
Rentenmanagement – Strategien für jedes Zinsszenario
Schuldtitel der Allianz oder der Deutschen Telekom haben heute ebenfalls ein Milliardenvolumen. Anders sieht es dagegen schon im Bereich der Nachranganleihen aus. Diese Mischform aus Eigen- und Fremdkapital wird im Falle eines Konkurses nachrangig bedient und beinhaltet, je nach Ausgestaltung, die Möglichkeit, dass Zinszahlungen ausfallen – was meist an das operative Ergebnis des Unternehmens gekoppelt ist – oder ein einseitiges Kündigungsrecht seitens des Schuldners nach einer gewissen Laufzeit. Aufgrund der Komplexität und der Neuartigkeit dieser Instrumente sind sowohl die Geld-Brief-Spannen als auch die angebotenen Renditeaufschläge relativ hoch. Sogenannte Covenants von Anleihen führen zu unterschiedlichen Bewertungen der Ausfallrisiken und deren Schwere. Es ist die Aufgabe von Corporate Bond Managern diese Unterschiede herauszuarbeiten und zu nutzen, um für die Kunden Mehrwert zu generieren. Die Liquiditätsprämie begrenzt auf der anderen Seite die Skalierbarkeit der Anlageprodukte. Während etwa ein Devisenfonds ohne Weiteres Anlagevolumen aufnehmen kann, sind bestimmte ABS-Strukturen nicht unbegrenzt am Markt verfügbar. Institutionelle Mandate zu innovativen Anlageprodukten können im extremen Fall dazu führen, dass man selbst solche Anleihen im Markt auflegen lässt. Hierzu kooperieren die Rentenmanager von Oppenheim mit großen Investmentbanken und generieren so ein Angebot, das einem Einzelinvestor nicht zugänglich ist. Mit aktiven Mandaten oder Fonds lassen sich dann optimierte Allokationen der diversen Anleiheformen in einem Portfolio abbilden. So hat etwa der Oppenheim Bond Active eine klare Ausrichtung auf den Euro-Raum, kann aber neben Staatsanleihen auch ABS-Papiere oder Nachranganleihen sowie Unternehmensanleihen in die Anlage einbeziehen.
7
Herausforderungen für das Rentenmanagement
Der Markt entwickelt sich aber selbst über diese aktiven Ansätze hinaus. Anleger interessieren sich immer weniger für die relative Performance zu einer Benchmark, sondern messen ihre Anlagen an den absoluten Erträgen. Verlockende Tagesgeldsätze, die vielen interessierten Investoren heute sehr präsent sind, sollten als Herausforderung für das Rentenmanagement begriffen werden. Opportunity-Fonds lassen sich am Drei-Monats-Liborsatz messen, der Ende Mai 2007 knapp über vier Prozent liegt und damit deutlich über den meisten beworbenen Tagesgeldsätzen. Der Oppenheim Global Opportunity Bonds Fonds hat den Anspruch 200 Basispunkte über dem Drei-Monats-Liborsatz nach Kosten zu erwirtschaften, also grob sechs Prozent Rendite. Dieses Ziel hat er in seinem bisherigen Verlauf erfüllt. Diese absolute Rendite wird mehr und mehr zum entscheidenden Argument gegen241
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über dem Anleger. Eine Prognose, dass auch ein aktiver Euro-Rentenfonds mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Dauer den Tagesgeldsatz einer Direktbank schlagen wird, erweist sich immer öfter als zu langatmig und nicht absatzfähig. Den Kunden abholen dort, wo er ist, heißt in diesem Fall, sich an den Tagesgeldsätzen messen zu lassen, die dem Anleger präsent sind. Gleichzeitig stellen Opportunity-Fonds das gesamte Spektrum der Anleihenwelt zur Verfügung, also von Staatsanleihen diverser Investmentgrade-Bereiche über ABS-Strukturen, bis hin zu Währungen und Long-Short-Strategien. Dem Rentenmanager stehen neben seinen zahlreichen Möglichkeiten zur Portfolioallokation alle Alpha-Strategien zur Verfügung. Die Win-win-Situation dieser Anlageform resultiert daraus, dass die Benchmark des Drei-Monats-Libors plus zwei Prozentpunkte am ehesten den heutigen Kundenerwartungen einer Rentenanlage entspricht und gleichzeitig am besten das gebündelte Know-how eines erfahrenen Rententeams in einem Produkt zusammenfasst.
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Wolfgang Leoni
Dynamische Asset Allocation – ein ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz
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Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
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Das Drei-Stufen-Konzept der Dynamischen Asset Allocation . 2.1 Erste Stufe: Dynamische strategische Asset Allocation . 2.1.1 Beratungsprozess in der Praxis . . . . . . . . . . . 2.1.2 Implementierungsstrategien . . . . . . . . . . . . . 2.2 Zweite Stufe: Taktische Asset Allocation . . . . . . . . . 2.3 Dritte Stufe: Selektion der Portfoliobausteine . . . . . . .
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Dynamische Asset Allocation: ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz . . . . . . . . . . . . . . . 255
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D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_19, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
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Dynamische Asset Allocation – ein ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz
1
Einführung
Der in der Investmentpraxis gängige Begriff Asset Allocation hat in den letzten Jahren eine inflationäre und selten eindeutige Verwendung erfahren. Das Hinzufügen des Adjektivs von der Dynamik macht die Sache nicht zwingend klarer, da allein mit der Abgrenzung zu etwas statischem wenig gewonnen ist. Um unser Verständnis der Dynamischen Asset Allocation als ganzheitlichem Beratungs- und Managementansatz zu erläutern, ist es daher unumgänglich, eine klare Begriffsbestimmung voranzustellen. Der Begriff Asset Allocation bezeichnet den strukturierten Prozess der Aufteilung eines gegebenen Anlagebetrages auf eine Gruppe von Anlageobjekten beispielsweise Aktien, Renten oder Geldmarktpapieren, unter Berücksichtung der präzisen Zielsetzung, des Anlagehorizonts und der Risikopräferenz des Anlegers. Im Gegensatz zur traditionellen Vorgehensweise der Portfoliokonstruktion, die sich eher als intuitiv und einzelwertorientiert charakterisieren lässt, handelt es sich bei der Asset Allocation um einen stark objektivierten und in der Regel quantitativ unterstützten Prozess. Dieser Prozess lässt sich anhand der Kriterien Entscheidungsgrundlage, Ziel und Instrumentarium in die strategische und die taktische Asset Allocation unterteilen. Die strategische Asset Allocation beinhaltet als Entscheidungsgrundlage die sorgfältige Erfassung der Anlegerziele und -präferenzen. Darauf aufbauend erfolgt eine Formulierung der dynamischen, mehrperiodischen Anlagestrategie, die eine anlegerspezifische Aufteilung des Vermögens in risikobehaftete und risikoarme Anlagebausteine zum Inhalt hat. Als Ergebnis aus der strategischen Asset Allocation erhält man einen – aus Sicht des Anlegers – nutzenoptimalen Anlagenmix, der dem Portfoliomanager als Auftrag und Richtschnur für die Umsetzung der Anlagepolitik dient. Die strategische Asset Allocation hat also das Ziel, die sich aus den Anlegerpräferenzen ergebenden Vorgaben einzuhalten und das dynamische Risikobudget im Zeitablauf optimal auszunutzen. Sie zielt darauf ab, die großen anlagepolitischen Fehler zu vermeiden. Konkret bedeutet dies, dass die Anlagestrategie so gesteuert wird, dass auch bei unvorhergesehenen Kapitalmarktereignissen weder die Anlageziele noch die Toleranzvorgaben für einen Vermögensverlust verletzt werden. Aus diesem Verständnis heraus wird bereits evident, dass für die Prognosefähigkeit, das heißt begründete aktive Marktmeinung oder gar Intuition des Portfoliomanagers in diesem Zusammenhang wenig Platz ist, zumal extreme Aktien- oder Rentenmarktentwicklungen, „Börsencrashs“ in Ausmaß und Dauer schlichtweg nicht prognostizierbar sind. Deshalb kann eine Anlagestrategie, die insbesondere auch die Risikopräferenz des Anlegers zu berücksichtigen hat und für große private und institutionelle Vermögen zielführend sein soll, ihren Erfolg nicht allein von der Intuition des Portfoliomanagements abhängig machen.
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Wolfgang Leoni
Während die strategische Asset Allocation also von aktuellen Markteinschätzungen weitgehend unabhängig ist, steht bei der taktischen Asset Allocation die Meinung bzw. Erwartungshaltung des Portfoliomanagers im Vordergrund. Basierend auf einem strukturierten Prognoseprozess versucht der Portfoliomanager, über temporäre Abweichungen von der strategischen Profilvorgabe, Zusatzerträge zu erzielen. Das Ziel besteht hier in der Nutzung vieler kleiner Chancen, die sich an den Kapitalmärkten zweifelsohne bieten und durch aktives Portfoliomanagement heben lassen.
2
Das Drei-Stufen-Konzept der Dynamischen Asset Allocation
Das in der Oppenheim KAG entwickelte und in vielen Portfolien erfolgreich umgesetzte Konzept der Dynamischen Asset Allocation beruht auf drei Stufen. Aufbauend auf dem Grundgerüst der dynamischen strategischen Asset Allocation (erste Stufe) umfasst es in der zweiten Stufe taktische Allokationsentscheidungen zur Erzielung Beta-getriebener, also marktrichtungsabhängiger Zusatzerträge. Die dritte Stufe der dynamischen Asset Allocation beschreibt die Auswahl der Anlagebausteine, mit deren Hilfe „Alphas“ als Quelle für marktrichtungsunabhängige Zusatzerträge erschlossen werden.
2.1
Erste Stufe: Dynamische strategische Asset Allocation
Die Güte einer strategischen Asset Allocation und somit der dynamischen Handelsregel einer Anlagestrategie zur Assetklassensteuerung wird durch drei zentrale Erfolgsfaktoren bestimmt: 1) Die Realitätsnähe (Verzerrungsarmut) der Risikomodellierung der hinterlegten stochastischen Renditeprozesse. 2) Die Abbildungsgüte (Detaillierungsgrad) der Handelsalgorithmen zur Assetklassensteuerung. 3) Die Präzision des Abgriffs der individuellen Risikopräferenzen des Anlegers, die im Mittelpunkt des umfassenden Beratungsprozesses steht und zu einem möglichst klar und konsistent formuliertem Optimierungskalkül zur Positionierung im unvermeidbaren Rendite/Risiko-Trade-off führen soll. Im eng verzahnten Zusammenspiel dieser drei Erfolgsfaktoren wird marktphasenabhängig eine optimierte, dynamische Strategieanpassung im Zeitablauf bestimmt, die im Wesentlichen durch strikte Regelgebundenheit und weitgehende Prognosefreiheit gekennzeichnet ist. Die strategisch motivierten Umschichtungen zwischen den Asset246
Dynamische Asset Allocation – ein ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz
klassen werden nach fest definierten Regeln durchgeführt, die nicht durch Marktprognosen, sondern vielmehr durch individuelle Anlegerpräferenzen vorgegeben werden. Das Ergebnis ist ein dynamisches, strategisches „Neutral- bzw. Normalportfolio“, das dem Portfoliomanager als Referenzindex (dynamische Benchmark) für die Umsetzung der taktischen Anlagepolitik dient. Die explizite Modellierung einer anlegerspezifischen, „präferenzgetriebenen“ Rendite/Risiko-Profilvorgabe ermöglicht die Vermeidung der schwerwiegendsten Fehler einer Anlagestrategie: die Fehleinschätzung von Eintrittswahrscheinlichkeiten extremer Marktbewegungen und die damit verbundene unzureichende Abstimmung der Gewichte der drei Haupt-Assetklassen auf die Risikopräferenz. Die genaue Vorgehensweise des Beratungsprozess wird im Folgenden genauer beschrieben.
2.1.1
Beratungsprozess in der Praxis
Der Beratungsprozess besteht aus vier Elementen, die eng miteinander verknüpft sind: Monte-Carlo-Simulationen stellen das Fundament des Beratungsprozesses in der Praxis dar. Mit ihrer Hilfe können Eintrittswahrscheinlichkeiten der Assetklassen- und Strategierenditen akkurat modelliert werden. Im Gegensatz zur Verankerung in historischen Daten, die nur ein einziges, keineswegs repräsentatives Szenario eines komplexen Prozesses in einer stets unsicheren Umwelt abbilden, bieten Monte-Carlo-Simulationen ein umfassendes Abbild des Marktgeschehens auf der Basis vernünftiger ökonomischer Strukturannahmen. Die durch die Monte-Carlo-Simulation gewonnenen Eintrittswahrscheinlichkeiten der Renditen und deren Verlaufsmuster für die einzelnen Assetklassen werden dann mit Hilfe einer Allokationsregel in Eintrittswahrscheinlichkeiten und Verlaufsmuster für die Ergebnisse einer Anlagestrategie transformiert. Die Simulation objektiviert also die Wahrscheinlichkeitsausbildung zu einer realitätsnahen Abbildung. Aufbauend auf diesen Ergebnissen erlaubt das Risk Framing als zweites Element des Beratungsprozesses recht anschaulich und intuitiv die Risikopräferenz des Anlegers abzugreifen. Mit Hilfe einer umfassenden Analyse der Verteilungsparameter einer Anlagestrategie (Renditeerwartungswert, Standardabweichung, Schiefe und Wölbung) wird – unter Einbeziehung unterschiedlicher Zeithorizonte – die Risikopräferenz des Anlegers abgebildet. In einem weiteren Schritt erfolgt mit Hilfe einer intuitiven Bewertung der Ergebnisse der Monte-Carlo-Simulation durch den Anleger und Oppenheim eine Überprüfung des avisierten Strategieprofils bezüglich seiner anlegerspezifischen Eignung. Ein besonderer Fokus liegt hierbei auf den Kennzahlen Value at risk (VaR) und Conditional VaR (CVaR). Die so gewonnenen Informationen werden im dritten Schritt auf eine anlegerspezifische Risikonutzenfunktion verdichtet. Mit ihrer Hilfe erfolgt dann eine ganzheitliche 247
Wolfgang Leoni
Bewertung der Risikopräferenz des Anlegers. Hierzu zählt auch, eine möglichst präzise Vorstellung über den Trade-off zwischen den Renditen auf der Downside und den Renditen auf der Upside zu entwickeln. Unter Einbeziehung einer Risikonutzenanalyse kann somit bereits ex ante bewertet werden, ob die individuelle dynamisch-strategische Asset Allocation die individuelle Risiko/Rendite-Präferenz umfassend, das heißt über die Up- als auch über die Downside abbildet. Ergebnis dieser Bewertung ist der Erwartungsnutzen einer individuellen Strategie, der die Risk Framing Informationen des Strategieprofils und die Risikonutzenfunktion zu einer einzigen Kennzahl verdichtet. Die präferenzadäquate dynamische Anlagestrategie lässt sich in einem letzten Schritt aus den Grundtypen der Risikonutzenfunktionen und den grundlegenden Anlagestrategien ableiten. In Abhängigkeit von der kundenspezifischen Risikopräferenz und der zugehörigen Risikonutzenfunktion, erfolgt schließlich die Wahl der jeweiligen Implementierungsstrategie: Besitzt der Anleger eine von der Entwicklung des Vermögens unabhängige konstante relative Risikoaversion ist die Constant-Mix-Strategie die optimale Anlagestrategie. Bei einer nicht konstanten Risikoaversion, die beispielsweise mit abnehmendem Wert des Vermögens ansteigt, ist eine Wertsicherung/WertsteigerungStrategie nutzenoptimal, da hier ein vorab definierter Mindestwert des Vermögens auch bei extremen Marktbewegungen nicht unterschritten wird. Eine dritte Variante, eine konkave und anschließend, auf höherem Renditeniveau zur Upside hin flacherer konvexer Risikonutzenverlauf kann durch eine sogenannte „konvex-konkave“ Implementierungsstrategie abgebildet werden. Diese Variante kann durch Einführen einer weichen Wertobergrenze, einem sogenannten (Soft-)Cap, erreicht werden. Dadurch erfolgt im Ergebnis einerseits eine Verringerung der Volatilität und somit auch der Chance auf positive Abweichungen, andererseits allerdings auch eine erhebliche Verbesserung der Wahrscheinlichkeitsmasse der mittleren positiven Renditen einer Strategie. Die beiden Grundformen einer Implementierung der strategischen Asset Allocation, Constant-Mix-(CM) und Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie (WS/WSt) werden im Folgenden beispielhaft erläutert.
2.1.2
Implementierungsstrategien
Die Constant-Mix-Strategie ist eine antizyklische Anlagestrategie. Wie ihr Name bereits vermuten lässt, ist diese Strategie durch weitgehend konstante Portfolioanteile der verschiedenen Assetklassen im Zeitablauf gekennzeichnet, je nach Marktentwicklung erfordert auch die „einfachste“ und altbekannte Form der strategischen Asset Allocation eine fortlaufende Anpassung. Charakteristisch für die Constant-Mix-Strategie sind der konkave Ertragskurvenverlauf und die symmetrische Renditeverteilung. Ersterer bildet die Renditeentwicklung der Strategie in Abhängigkeit von der Aktienmarktentwicklung ab. Der konkave Ver248
Dynamische Asset Allocation – ein ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz
Abbildung 1:
Constant-Mix-Strategie: konkaver Ertragskurvenverlauf und symmetrische Renditeverteilung
lauf der Strategierendite in Abhängigkeit von der Aktienmarktentwicklung verdeutlicht, dass eine Constant-Mix-Strategie einer einfachen Buy & Hold Strategie sowohl in stark steigenden, als auch in stark fallenden Aktienmärkten deutlich unterlegen ist. Die symmetrische Renditeverteilung der Constant-Mix-Strategie besitzt eine relativ hohe Eintrittswahrscheinlichkeit für negative Strategierenditen, die dem asymmetrischen Risikoprofil vieler Anleger nicht gerecht wird. Vor allem aber können durch die Implementierung dieser Strategie zwischenzeitliche „Stresssituationen“ auftreten, in denen die Wertverluste die Toleranzschwelle des Anlegers unterschreiten und somit die langfristig richtige strategische Asset Allocation den kurzfristigen Sicherheitsbedürfnissen des Anlegers nicht mehr entspricht. Gerade in solchen Stresssituationen kommt es dann häufig zu Fehlentscheidungen durch diskretionäre Eingriffe in die Strategie, wie zum Beispiel der Reduktion der Aktienquote nahe den Tiefständen im Frühjahr 2003. Um die unangenehmen Konsequenzen derartiger Stresssituationen zu vermeiden, stehen dem Anleger drei Möglichkeiten offen: Zum einen die Wahl einer risikoärmeren Portfoliostruktur mit einem höheren Rentenanteil, um seine geringere Risikotragfähigkeit besser abzubilden. Der Nachteil dieser Vorgehensweise liegt allerdings darin, dass mit dieser risikoreduzierten Portfoliostruktur das vom Anleger mittel- bis langfristig angestrebte Renditeziel kaum zu erreichen sein dürfte. Als zweite Möglichkeit ist der Versuch einer möglichst genauen Prognose der zukünftigen Wertentwicklung der Assetklassen denkbar, um durch eine entsprechende rechtzeitige Ausrichtung des Portfolios extreme Wertverluste zu vermeiden und ebenso 249
Wolfgang Leoni
rechtzeitig bei den großen Aufschwüngen dabei zu sein. Wie eingangs erwähnt, postuliert diese „Strategie“ eine extrem hohe, in der Praxis nicht systematisch nachweisbare Prognosefähigkeit des Asset Managers und besitzt daher allenfalls theoretischen Charme. Die dritte, unseres Erachtens erfolgreichste Vorgehensweise besteht in der Umsetzung der strategischen Asset Allocation mit Hilfe einer prognoseunabhängigen, präferenzgetriebenen Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie. Diese bietet im Gegensatz zu der Constant-Mix-Strategie die Möglichkeit langfristige Anlageziele mit dem kurzfristigen Sicherheitsbedürfnis in Einklang zu bringen. Das Ziel der Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie besteht darin, das Portfolio im Zeitablauf so dynamisch zu steuern, dass sichergestellt werden kann, dass ein vorher vereinbarter Mindestwert mit ausreichender bzw. beliebig hoher Wahrscheinlichkeit nicht unterschritten wird und gleichzeitig an einer positiven Marktentwicklung partizipiert werden kann. Zur Erreichung dieses Ziels wird eine regelgebundene prozyklische Anlagestrategie implementiert, in deren Mittelpunkt die dynamisch-effiziente Ausnutzung des Risikobudgets steht. Die Aktien-, Renten- und Kassequoten der Portfoliostruktur sind somit im Zeitablauf variabel und führen zu einer Dynamisierung der strategischen Asset Allocation. Das Risikomanagement der Anlagestruktur erfolgt hier – im Gegensatz zu geläufiger Anwendung in der Praxis – nicht auf taktischer (Segmentsteuerung), sondern seiner originären Zielsetzung entsprechend, auf strategischer Ebene (Assetklassensteuerung). Durch die Dynamisierung der strategischen Asset Allocation kann also dem kurzfristigen Sicherheitsbedürfnis der Anleger Rechung getragen werden, da bei Anwendung der Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie die vom Anleger festgelegten Verlustobergrenzen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem Zeitpunkt unterschritten werden. Durch die kontinuierliche Umschichtung zwischen der risikobehafteten und der risikolosen Assetklasse wird im Rahmen der Dynamischen Asset Allocation bzw. der Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie ein konvexes Pay-off-Profil erreicht (Abbildung 2). In einem fallenden Markt nimmt die Steigung der Ertragskurve ab und erreicht ab einem bestimmten Indexstand den Wert Null, sodass ab diesem Marktniveau keine weiteren Wertverluste eintreten. Umgekehrt nimmt die Steigung der Ertragskurve bei aufwärts gerichteter Marktbewegung zu. Das bei positiver Marktentwicklung steigende Risikobudget wird im Rahmen der dynamischen Strategie zur Erhöhung der Aktienquote eingesetzt und erlaubt somit eine stärkere Partizipation an Aufwärtsbewegungen als mit einer Constant-Mix-Strategie. Gleichwohl ist sichergestellt, dass die vereinbarte Wertuntergrenze auch bei extremen Übernachtbewegungen der Märkte nicht verletzt wird. Dieser konvexe Ertragskurvenverlauf steht in Einklang mit der Verlustaversion vieler Anleger und impliziert eine asymmetrische, rechtsschiefe Renditeverteilung. Durch die Einführung einer Wertuntergrenze wird der linke Ast der Verteilungskurve an der 250
Dynamische Asset Allocation – ein ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz
Abbildung 2:
Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie: konvexer Ertragskurvenverlauf und asymmetrische Renditeverteilung
vom Anleger gewünschten Stelle „abgeschnitten“. Diese Dynamisierung der strategischen Asset Allocation ermöglicht somit eine adäquate Berücksichtigung der individuellen Risikoaversion der Anleger. Im Vergleich zu Ergebnissen der Constant-Mix-Strategie erzielt die Wertsicherung/ Wertsteigerung-Strategie in bestimmten Marktphasen eine geringere Rendite, die als eine Art Versicherungsprämie zu interpretieren ist. Im Unterschied zu statischen, optionsbasierten Sicherungskonzepten, ist a priori allerdings nicht bekannt, ob und in welcher Höhe diese Versicherungsprämie anfällt. Charakteristisch für die Ergebnisse der Constant-Mix- und der Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie sind die im Folgenden vorgestellten prototypischen Kennzahlen, die im Einzelnen allerdings von der jeweiligen Parametrisierung abhängen. Die Ergebnisse stammen auch hier wieder aus Monte-Carlo-Simulationen und erlauben somit objektive Wahrscheinlichkeitsaussagen über die unterschiedlichsten Kapitalmarktszenarien. Anhand eines Praxisbeispiels wird im Folgenden die Vorgehensweise der dynamischen Asset Allocation-Beratung verdeutlicht und das Rendite/Risikoprofil des Wertsicherung/Wertsteigerung-Konzeptes und der Constant-Mix-Strategie aufgezeigt. Die folgenden Kundenvorgaben sind für die Realisierung der optimalen Anlagestrategie zu berücksichtigen: Eine Anfangsallokation von 30 Prozent Aktien (DJ STOXX 600) und 70 Prozent Renten (REXP sieben Jahre), sowie einem Value-at-Risk in Höhe von fünf Prozent p. a. auf 99-prozentiger Konfidenz für die Strategiedauer von fünf Jahren als risikotechnische Vorgabe. Diese Vorgabe wird in eine steuerungstechnische Wertuntergrenze von 94 Prozent des Startvermögens übersetzt. Das maximale Übernachtrisiko am Aktienmarkt wird in beiden Alternativen mit 20 Prozent angenommen. 251
Wolfgang Leoni
Tabelle 1:
Praxisbeispiel – Kennzahlen Constant-Mix- und Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie Constant-Mix-Strategie
Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie
65 Tage 1 Jahr 2 Jahre 5 Jahre 65 Tage 1 Jahr 2 Jahre 5 Jahre Renditeerwartungswert
1.24%
5.02% 10.24% 27.68%
1.24%
5.32% 11.53% 34.81%
Volatilität
2.53%
4.72%
6.56%
11.45%
2.66%
6.45% 11.83% 29.58%
Schiefe
-0.43
-0.26
-0.13
0.05
0.51
Wölbung Value-at-Risk Relative Erwartungsnutzensteigerung*
1.29
1.36
1.06
1.70
1.01
0.53
0.14
1.70
3.08
2.64
1.22
4.73%
7.60%
5.14%
-2.06%
4.00%
4.69%
4.60%
4.00%
0%
0%
0%
0%
24%
36%
52%
60%
* Basis: Individuelle HARA-Risikonutzenfunktion
Tabelle 1 stellt die aus Monte-Carlo-Simulationen gewonnenen Rendite/Risikoprofile der beiden Strategien anhand verschiedener Kennzahlen und Zeithorizonte in vergleichender Betrachtung dar. Im Kriterium Renditeerwartungswert weist die Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie gegenüber der Constant-Mix-Strategie eine zunächst geringe, im Zeitablauf jedoch steigende Überlegenheit aus. Dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis ist auf das prozyklische Element der Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie zurückzuführen: Bei einer im Trend positiven Aktienmarktentwicklung steigt das Risikobudget im Zeitablauf an und erlaubt einen dynamischen Aufbau der Aktienquote. Die Constant-Mix-Strategie geht von einem konstanten, statischen Risikobudget aus und führt daher zu einer antizyklischen Steuerung der Aktienquote. In steigenden Märkten werden Aktien verkauft und in fallenden Märkten gekauft. Da jedoch der Renditeerwartungswert (je nach Parametrisierung und Zeithorizont) oftmals nur geringe Differenzen zwischen den Strategien aufweist und Risikokennzahlen unberücksichtigt lässt, ist eine Bewertung unterschiedlicher Strategien auf dieser Basis völlig unzureichend. Eine zusätzliche Analyse der Kennzahlen Volatilität, Schiefe, Wölbung und Value-at-Risk ist deshalb unbedingt notwendig. Wie in Tabelle 1 ersichtlich, führt die Constant-Mix-Strategie zu einer im Vergleich zur Wertsicherungs/Wertsteigerung-Strategie geringeren Volatilität, was zunächst positiv zu bewerten ist. Die relativ hohe Standardabweichung der Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie sollte allerdings nicht ausschließlich negativ interpretiert werden oder sogar als Knock-out-Kriterium dienen. Die höhere Volatilität der prozyklischen Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie erklärt sich – intuitiv plausibel – durch die dynamische Partizipation an den Aufwärtsbewegungen des Marktes. In Verbindung mit der dritten Kennzahl – der Schiefe (auch Kurtosis) – relativiert sich die Volatilitätsbewertung beider Strategien zudem erheblich. Der Vorzeichenwechsel 252
Dynamische Asset Allocation – ein ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz
von negativ zu positiv bedeutet grafisch, dass die Linksschiefe der Constant-Mix-Strategie durch Einsatz der Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie in eine Rechtsschiefe transformiert werden kann. Diese Rechtsschiefe impliziert, dass trotz der erhöhten Volatilität der Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie extrem negative Renditen auch über kurze Zeithorizonte hinweg vermieden werden können. Bei der Constant-MixStrategie wächst die Schiefe nur langsam über den Zeitverlauf an. Die vierte Verteilungskennzahl Wölbung liefert ein Maß für die Wahrscheinlichkeit extremer Renditerealisationen. Der Vergleich der beiden Strategien zeigt kurzfristig, etwa bis zum 65-Tageshorizont, keinen Unterschied und lässt die Wertsicherung/ Wertsteigerung-Strategie zumindest mittelfristig hinten anstehen. Aufgrund der gesicherten Wertuntergrenze letzterer Strategie sind ihre – für konvexe Strategien typischen – hohen Renditewahrscheinlichkeiten in den schwach negativen und stark positiven Randbereichen allerdings ohne weiteres akzeptabel. Der für viele charakteristische Anlegerpräferenzen wichtige Value-at-Risk ist nur bei der Wertsicherung/Wertsteigerung-Strategie über alle Zeithorizonte hinweg weitgehend konstant. Dieses Ergebnis wird durch das Einziehen einer Wertuntergrenze erzielt. Im Gegensatz dazu besitzt die Constant-Mix-Strategie für den kurz- bis mittelfristigen Zeithorizont eine offene Downside, die mit dem regulatorischen Umfeld oder der „gefühlten“ Risikoaversion vieler Anleger schlichtweg unvereinbar ist. Abschließend kann mit Hilfe der Monte-Carlo-Simulation der tatsächlich erwartete Nutzengewinn ganzheitlich über alle denkbaren Risikokennzahlen und den Renditeerwartungswert bestimmt werden. Bei angenommener „typischer“ Risikonutzenfunktion zeigen die Ergebnisse eine klare Überlegenheit der Wertsicherung/WertsteigerungStrategie. Die Ergebnisse verdeutlichen zum einen den Erkenntnisgewinn der verwendeten Analyseinstrumente und zeigen zum anderen die Bedeutung und Überlegenheit unseres Ansatz der Dynamischen Asset Allocation: Eine individuelle, maßgeschneiderte Anpassung der Anlagestrategie an die Anlegerpräferenzen bildet das Grundgerüst für den langfristigen Anlageerfolg. Nachdem die erste Stufe der Dynamischen Asset Allocation, abgeschlossen ist, können nun auf der zweiten- und dritten Stufe zusätzliche Ertragsquellen in die Anlagestrategie implementiert werden.
2.2
Zweite Stufe: Taktische Asset Allocation
Taktische Asset Allocation hat zum Ziel, durch kontrollierte Abweichungen von der dynamischen Normalallokation Zusatzerträge zu erzielen, ohne aber die grundlegende Profilvorgabe der ersten Stufe nennenswert zu verzerren. Dieser Prozess ist nicht mehr präferenz-, sondern prognosegetrieben und findet in einem klar festgelegten Korridor statt. 253
Wolfgang Leoni
Auf der Basis eines klar definierten, strukturierten Research- und Investmentprozesses werden durch aktive taktische Asset-Allocation-Entscheidungen Marktineffizienzen genutzt, um risikokontrolliert Mehrerträge im Vergleich zur strategischen Normalallokation zu erwirtschaften. Im Ergebnis führt dies zur einer Rechtsverschiebung der Renditeverteilung unter gleichzeitiger Beibehaltung des avisierten „strategischen“ Risikoniveaus (Abbildung 3). Abbildung 3:
Rechtsverschiebung der Renditeverteilung durch aktive taktische Asset-Allocation-Entscheidungen
Gegenstand der taktischen Asset-Allocation-Entscheidungen sind dabei zum einen Benchmarkabweichungen in der Assetklassen-Allocation zwischen Aktien, Renten und Geldmarktanlage, zum anderen aktive taktische Positionierungen auf Ebene der Regionen- bzw. Länderallokation (Assetklassen-Befüllung durch Segmentauswahl). Zusätzlich kann auch die Steuerung der Duration des Rententeilportfolios im Rahmen des taktischen Overlays eingesetzt werden, um Zusatzerträge zu erzielen. Die Performance eines taktischen Overlays lässt sich aufgrund der Benchmarkvorgabe durch die dynamische Normalstrategie anhand der risikoadjustierten aktiven Rendite messen. Wie auch in der klassischen Alpha-Welt bietet sich das Information Ratio als Quotient aus der aktiven Rendite und dem Tracking Error als Performancemaß an. In Analogie zum „fundamental law of active management“ lässt sich auch hier schlussfolgern, dass das Informationratio bei konstant angenommener Prognosequalität mit der Anzahl unabhängiger Wetten steigt.
254
Dynamische Asset Allocation – ein ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz
2.3
Dritte Stufe: Selektion der Portfoliobausteine
Die Dritte Stufe steht für die Auswahl der passenden Anlagebausteine für die einzelnen Assetklassen und deren Segmente. Hierbei sind die folgenden Entscheidungen zu treffen: (1) Zunächst ist zu entscheiden, welche Anlagebausteine aktiv gemanagt und welche passiv verwaltet werden sollen. (2) Im nächsten Schritt wird über den Einsatz der jeweiligen Anlagevehikel zur Abbildung der aktiven Anlagestrategie entschieden. (3) Im dritten Schritt erfolgt anhand von quantitativen und qualitativen Kriterien eine Selektion eines geeigneten Managers, der die Fähigkeit besitzt, durch aktives Management ein erwünschtes Alpha innerhalb eines Segmentbausteins zu erzielen. Dabei stehen bei der Wahl des Managers Sal. Oppenheim selbst, seine Kooperationspartner bzw. Drittmanager, externe Berater sowie Fremdfonds zur Verfügung. (4) Abschließend wird ggf. über den Einsatz von alternativen Investments entschieden. Hedgefonds und vor allem Portable Alpha-Strategien lassen sich aufgrund ihrer anlagepolitischen Konzeption hervorragend in die Struktur eines Dynamischen Asset Allocation Fonds integrieren.
3
Dynamische Asset Allocation: ganzheitlicher Beratungs- und Managementansatz
Die Diversifikationsvorteile über die Assetklassen und das Spektrum ihrer Anlagesegmente hinweg, die Nutzung von möglichst vielen Alpha- und Beta-bezogenen Zusatzertragsquellen sowie last but not least eine übergeordnete dynamische Risikosteuerung sind aus unserer Sicht die entscheidenden Faktoren für den langfristigen Anlageerfolg. Die Ausführungen haben gezeigt, dass die maßgenaue Anpassung der dynamischen strategischen Asset Allocation an die Zielfunktion des Anlegers ein durchaus anspruchsvolles, aber immens lohnendes Unterfangen ist. Erst der hierdurch erreichte präventive Schutz vor den großen anlagepolitischen Fehlern legt den sicheren Grundstein für die Erwirtschaftung attraktiver Kapitalmarktrenditen. Statische Benchmarkkonzepte mit rein passiv gemanagten Anlagebausteinen auf der Aktien- wie auf der Rentenseite sind für die große Mehrheit von Anlegern unseres Erachtens nicht geeignet, die langfristigen Ziele der Vermögensanlage zu erreichen. Aktives Management im Sinne des hier vorgestellten Konzepts der Dynamischen Asset Allocation schafft Mehrwert. Ich danke Herrn Dr. Markus Küppers und Herrn Dr. Norbert Tolksdorf für ihre Mitarbeit.
255
Robert Lloyd George
Asien und die Emerging Markets: verbesserte Anlageperformance in den Märkten der Entwicklungsländer
Ein Anleger, der die heutige Welt betrachtet, sieht viele kurzfristige Änderungen; es gibt jedoch auch eine große, langfristige Veränderung, und zwar die Verlagerung von Kapital, Produktion und Ressourcen zurück in Richtung Osten, vor allem nach China und Indien. Vor 200 Jahren zählten Indien und China zu den reichsten und am weitesten entwickelten Ländern auf der Welt. Besonders China war dem Westen viele Jahrhunderte lang in Wissenschaft und Technik weit voraus. Nachdem der Kaiser von China im 15. Jahrhundert eine Verfügung erließ, die sämtlichen Fernreisen und dem Handel mit dem Ausland ein Ende setzte, begann für China dann ein langer, langsamer Niedergang, der seinen Höhepunkt fand, als Großbritannien, Deutschland, Frankreich und andere Mächte, darunter auch Japan und Russland, die Kontrolle über die „Vertragshäfen“ um die chinesische Küste herum übernahmen, sowie während der chaotischen Zeit der Bandenchefs zwischen der Revolution 1911 und der Kommunistischen Revolution im Jahre 1949. Inzwischen hat China sich wieder vereint und sich seit 1980 dem Kapitalismus und den freien Märkten zugewandt. 25 Jahre später können wir die Auswirkungen davon in der ganzen Welt spüren, und zwar durch die Verlagerung von Fabriken nach China, die wachsende Nachfrage nach Öl, Mineralien und sämtlichen Bodenschätzen durch China, und durch Chinas rasanten Aufstieg als wirtschaftliche und geopolitische Macht. Indien liegt ungefähr 15 Jahre zurück und holt schnell auf, obgleich es als Demokratie länger für Entscheidungen benötigt als die Diktatur in Peking. Indiens Bevölkerung wird die von China jedoch in den nächsten 20 Jahren überholen, und ihr Bedarf an globalen Ressourcen dürfte genauso hoch, wenn nicht noch höher sein. Zu den wichtigsten Faktoren hinter dem rasanten Aufstieg dieser asiatischen Mächte zählen die Arbeitsmoral, die hohen Sparquoten, die Familienstruktur sowie die wachsenden Devisenreserven, die den neuen Reichtum der Chinesen sichtbar machen, und zwar nicht nur in China, sondern auch in Hongkong, Singapur und Taiwan sowie in den verstreuten chinesischen Gemeinschaften in ganz Asien. Für einen Anleger ist dies möglicherweise die wirkliche Reflektion dieser enormen Verlagerung in der Welt, was unserer Ansicht nach bedeutet, dass die Renditen, die der asiatische Aktienmarkt abwirft, auch in den nächsten 20 Jahren noch überdurchschnittlich hoch sein werden. Ein zusätzlicher wichtiger Faktor ist die stetige Aufwertung asiatischer Währungen gegenD. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_20, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
257
Robert Lloyd George
Abbildung 1:
258
Ost-West-Index
Asien und die Emerging Markets: verbesserte Anlageperformance
über dem US-Dollar und sogar gegenüber dem Euro, was im Laufe der Zeit ihren neuen Wohlstand, ihre politische Stabilität und Finanzkraft widerspiegelt. Und ständig entwickeln sich neue Märkte. Einer der neusten Aktienmärkte, der in der Investmentszene auftauchte, ist der von Vietnam, der sich im Gefolge von Thailand, Malaysia und Indonesien mit einer Bevölkerung von 80 Millionen Einwohnern und zunehmenden Produktionskapazitäten zu einer neuen Wirtschaftsmacht in der ASEAN entwickelt. Ein Hauptthema bei unseren Investitionen in Asien ist der asiatische Verbraucher (und dabei insbesondere der chinesische Verbraucher), und was dieser heutzutage kaufen möchte. Ähnlich wie im Europa der Fünfzigerjahre ist das zuerst ein Motorrad, dann ein Auto, ein Haus, eine Waschmaschine, ein Kühlschrank, ein Hypothekendarlehen, und vielleicht ein Interesse am Kauf von Aktien und anderen Sparprodukten. Zusätzlich unternehmen inzwischen mehr als 100 Millionen Chinesen jedes Jahr Reisen, und ungefähr zehn bis 15 Millionen davon reisen ins Ausland. Viele der kulturellen Trends, die wir vor einer Generation in Japan beobachten konnten, wiederholen sich heute in China in zehnfachem Ausmaß. Wir gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2015 120 Millionen Chinesen ins Ausland reisen werden, zuerst nach Hongkong, dann nach Thailand, Singapur und Australien, und anschließend nach Europa und in die Vereinigten Staaten. Fluglinien, Hotels und Reisebüros werden zu den Hauptnutznießern dieses gewaltigen Verbrauchertrends gehören, der Einfluss auf die ganze Welt haben wird, und auch viele der führenden westlichen Unternehmen, die sich für den chinesischen Markt bereit gemacht haben: Autohersteller, Kosmetikunternehmen, Hersteller von Antriebsturbinen, Bau- und Maschinenbauunternehmen. Diese Gesellschaften werden zu den Hauptnutznießern der gewaltigen neuen Nachfrage aus China und schließlich auch aus Indien gehören. Daher dürfen Anleger sich nicht nur auf die Schwellenmärkte in Asien konzentrieren, sondern müssen auch die besten Unternehmen in den entwickelten Märkten im Auge behalten, die sich in dieser neuen Verbraucherwelt in Asien engagieren. In den letzten zehn Jahren hat sich in der Welt der Schwellenmärkte viel verändert. Auch das Tempo der Veränderungen hat sich beschleunigt, was teilweise auf das Internet zurückzuführen ist, das erst in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre Einfluss auf das Geschäft nahm. Viele Schwellenmärkte haben die Industriestaaten in Bezug auf die Technik einfach überholt oder „übersprungen“. Dies gilt zum Beispiel für den hohen Verbreitungsgrad von Mobiltelefonen in vielen asiatischen und Schwellenländern, wo feste Telefonnetze nie dasselbe Ausmaß der Verbreitung wie in Europa und in den Vereinigten Staaten erreicht haben, und sogar in Afrika, wo Mobiltelefone direkt eingeführt wurden. Ebenso gilt es für das Internet und Breitband, besonders in Ländern wie Südkorea, wo ein höherer Verbreitungsgrad vorherrscht als in den Industrieländern. In Bereichen wie dem Bankenwesen sind bestimmte Länder direkt zum elektronischen Geldverkehr übergegangen, wie zum Beispiel Estland, das gar nicht erst Schecks eingeführt hatte.
259
Robert Lloyd George
Abbildung 2:
Verbreitung der Internetnutzung
Die Größe und Liquidität dieser Schwellenmärkte ist bei weitem schneller gewachsen als wir noch vor zwölf Jahren erwartet hätten. Zu Beginn der Neunzigerjahre gab es zwar mehr als 10000 börsennotierte Unternehmen im globalen Schwellenmarktbereich, darunter fielen jedoch circa 7000 börsennotierte Unternehmen in Indien, und die Liquidität war bei allen außer 100 dieser indischen Aktien außerordentlich gering. Nach der Asienkrise 1997/1998 schrumpfte der Schwellenmarktbereich in gewisser Hinsicht zusammen, in anderer Hinsicht jedoch wurde er in den Märkten, die überlebten und weiterwuchsen, zu einer gesünderen und liquiden Anlagenklasse. Insbesondere China konnte ein rasantes Wachstum verzeichnen, nicht allein bei der Anzahl der börsennotierten Unternehmen, sondern auch was die Größe und Liquidität dieser Gesellschaften anging. Im November 2006 waren wir Zeuge der gleichzeitigen Notierung der größten chinesischen Bank, ICBC, in Hongkong und Shanghai, wobei beim Börsengang ein Gesamtkapital von 22 Milliarden US-Dollar beschafft wurde, davon 19 Milliarden US-Dollar in Hongkong (und die Emission war mehr als zwanzigfach überzeichnet). Der Betrag an Geldern, der den globalen Schwellenmärkten als Anlageklasse zugeteilt wurde, hat sich demnach außerordentlich erhöht. Alle wichtigen Staatspapiere, Pensi260
Asien und die Emerging Markets: verbesserte Anlageperformance
Tabelle 1:
Realvermögen der Wachstumswirtschaften Bevölkerung (Millionen)
BIP (US$ Mrd.)
Marktkapitalisierung (US$ Mrd.)
Marktkapitalisierung (% des BIP)
China
1313
2229
78078
35 %
Indien
1095
785
55272
70 %
Russland
141
763
54806
72 %
Brasilien
188
794
47457
60 %
Mexiko
107
768
23900
31 %
Türkei
73
363
16139
44 %
Polen
38
299
9383
31 %
Indonesien
221
287
8136
28 %
Islam. Rep. Iran
68
196
3865
20 %
Argentinen
39
183
6138
34 %
Thailand
64
176
12311
70 %
Venezuela, RB
27
138
6135
44 %
Quelle: Daten der Weltbankgruppe, 2005
onsfonds und Stiftungen haben ihre Zuweisung auf fünf bis zehn Prozent der Gesamtsumme erhöht, und die Verfügbarkeit und Liquidität der Anlagen hat entsprechend zugenommen. Viele Länder, die noch vor zehn Jahren strenge Regeln für ausländische Anleger hatten, haben diese Beschränkungen inzwischen gelockert, insbesondere nach der Asienkrise. Südkorea hatte zum Beispiel 1994 eine Grenze von zehn Prozent für ausländische Investitionen, ist jedoch inzwischen ein offener Markt mit sehr wenigen Beschränkungen. 1995 besaß Russland praktisch keinen Aktienmarkt, heute hingegen hat es einen Markt von 550 Milliarden US-Dollar, obgleich dieser natürlich stark auf die drei Hauptunternehmen konzentriert ist. Darüber hinaus hat sich die Grundstabilität der Kapitalmärkte in den Entwicklungsländern seit der Krise 1997 enorm verbessert, auf die Niedergänge folgten wie zum Beispiel 1998 in Russland, in Argentinien, das zahlungsunfähig wurde, sowie Brasilien, das 2000 der Zahlungsunfähigkeit sehr nahe kam. Die Asienkrise führte zu einer grundlegenden Umstrukturierung der Bilanzen, sowohl bei den Regierungen als auch bei den Unternehmen. Die Abwertung der Währungen, besonders in Asien, führte zu einem Exportboom und einem großen Handelsüberschuss, sowie zum Aufbau beträchtlicher Devisenreserven. Viele Länder konnten so ihre Schulden vollständig an den IWF zurückzahlen, wie zum Beispiel Indonesien und Brasilien. Seit der Zahlungsunfähigkeit Russlands im Jahre 1998 hat sich das Land inzwischen aufgrund des stabilen Ölpreises der letzten drei Jahre zu einer der größten Gläubigernationen entwickelt, die mehr als 200 Milliarden US-Dollar Devisenreserven besitzt. 261
Robert Lloyd George
Abbildung 3:
BIP der wichtigsten Weltwirtschaften
Dies hatte auch geopolitische Folgen: Schwellenmärkte, besonders in Lateinamerika, sind nicht länger „Kundenstaaten“ der USA, sondern sind wirtschaftlich unabhängiger. Sogar Südkorea hat sich mit seiner „vorsichtigeren Annäherung“ an Nordkorea von den USA distanziert. Die größte Sache jedoch ist der Aufstieg Chinas. In den letzten fünf Jahren, seit China der Welthandelsorganisation beitrat, hat sich die Wirtschaft des Landes auf mehr als 2000 Milliarden US-Dollar verdoppelt, wobei der Außenhandel fast 63 Prozent des BIP ausmachte. China ist nach den USA und Japan zum weltweit drittgrößten Exporteur geworden, und besitzt inzwischen nach den USA das zweitgrößte Staatsbudget für Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung. China ist auch ein wichtiger Importeur, der einen zunehmenden wirtschaftlichen Einfluss auf seine asiatischen Nachbarn – darunter Japan, Taiwan, Hongkong, Südkorea und Australien – wie auch auf weitere Länder ausübt, da das Land große Mengen an Rohstoffen einkauft, nicht nur Öl und Gas, sondern auch Metalle und Lebensmittel, wodurch Entwicklungsländer in Afrika, aber auch Brasilien und Argentinien gefördert werden. 262
Asien und die Emerging Markets: verbesserte Anlageperformance
Abbildung 4:
Weltbevölkerung 2005
Unter der Führung Chinas hat sich die Gesamtbedeutung der Schwellenwirtschaften in der Weltwirtschaft in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt. Die Marktkapitalisierung der Schwellenmärkte holt mit dieser wirtschaftlichen Verlagerung langsam auf. Wenn wir jedoch die Weltbevölkerung betrachten (vgl. Abbildung 4), dann liegen die Märkte und Wirtschaften immer noch stark hinter der Gewichtung von 80 Prozent aller Menschen zurück, die in Asien, Afrika und Lateinamerika leben. Ungeachtet politischer Erschütterungen und Überraschungen gehen wir davon aus, dass sich das Gleichgewicht von Wirtschaftskraft und Marktgröße in den nächsten 20 Jahren weiterhin unaufhaltsam in Richtung der Entwicklungsländer verlagern wird.
Abbildung 5:
Schwellenmärkte als Prozent der Gesamtwelt, 2005
263
Robert Lloyd George
Abbildung 6:
Aktienkapital: Schwellenmärkte vs. entwickelte Märkte und Aufschlüsselung nach Regionen Aktien der Schwellenmärkte = 2,1 Billionen US-Dollar Marktkapitalisierung vs. 25,8 Billionen US-Dollar bei den entwickelten Märkten.
Ein weiterer wichtiger Faktor, der die Anleger ermutigt, sind die Änderungen, die in den Devisenmärkten stattgefunden haben. Noch vor zehn Jahren gab es in den meisten asiatischen Ländern feste Währungen, die, wie wir 1998 feststellen mussten, anfällig für plötzliche Abwertungen waren, die in Thailand und Malaysia begannen und sich in der ganzen Region ausbreiteten. Noch im Jahr 2003 halbierte sich der Wert des argentinischen Pesos gegenüber dem US-Dollar innerhalb eines Monats. Dies waren Beispiele für eine Volatilität, die viele langfristige Anleger abschreckte. Heute sieht die Welt ganz anders aus. Im Allgemeinen haben wir flüssige Währungen, was für eine größere wirtschaftliche Flexibilität und weniger Krisen sorgt. Viele der größeren Staaten wie China und Indien verwalten ihre Währungen immer noch sehr streng, sodass es wenig Chancen auf umfangreiche Kapitalbewegungen oder sogar Hedgefonds-Spekulationen gibt, welche die Stabilität ihrer Devisenmärkte stören könnten. Darüber hinaus finden beträchtliche Veränderungen weg von dem exportbasierten Modell statt, das nach dem Zweiten Weltkrieg von Japan und danach von Taiwan, Korea, Hongkong und Singapur favorisiert wurde. Dieses erfolgreiche Wirtschaftsmodell wurde anfangs auch von China genutzt, mit einer wachsenden Mittelklasse von unge264
Asien und die Emerging Markets: verbesserte Anlageperformance
Abbildung 7:
Schwellenmärkte – Aufschlüsselung nach Sektoren
fähr 400 Millionen Menschen wendet sich China jedoch inzwischen der Inlandsnachfrage durch seine Verbraucher zu, um damit sein Wirtschaftswachstum von zehn Prozent pro Jahr fortzusetzen. Mit mehr als neun Prozent im dritten Quartal 2006 hat Indien inzwischen eine ähnliche Wachstumsrate erreicht, und obwohl seine Wirtschaftsleistung erst mehr als zehn Jahre nach China begann, hat auch Indien die zunehmende Wirkung der wachsenden Mittelklasse erkannt, die in beiden Ländern inzwischen eine größere Auswahl bei Häusern, Autos, Reisen und Dienstleistungen erwartet. Der wichtigste Punkt dabei ist, dass nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 und dem Zusammenbruch des Kommunismus in Russland zwei Jahre später all diese Länder auf die eine oder andere Art eine Kehrtwendung von zentraler Planung und staatlich gesteuerten Wirtschaften hin zu Marktwirtschaft und Kapitalismus machen mussten. Dies bleibt auch weiterhin ein wichtiges Thema in den Schwellenmärkten. Privatisierungen, mit denen Anfang der Achtzigerjahre durch Margaret Thatcher in Großbritannien begonnen wurde, haben sich inzwischen über die ganze Welt ausgebreitet und sind auch weiterhin eine wichtige Strategie und ein Mittel, um Regierungen mit Geldern zu versorgen. Der Zusammenbruch des Kommunismus setzte eine gewaltige wirtschaftliche Nachfrage frei, wie zum Beispiel in Osteuropa, wo es in Bezug auf Infrastruktur und Lebensstandard zu einer schnellen Angleichung an Westeuropa gekommen ist, und im Laufe der Integration dieser Länder in die Europäische Union bieten diese Staaten auch weiterhin viele Investitionschancen. 265
Robert Lloyd George
Tabelle 2:
Vitalzeichen China
Bevölkerung (in Millionen) 2005 Bevölkerungswachstumsrate
1313 0,6 %
Indien 1081 1,4 %
Vereinigte Staaten 300 0,9 %
Alphabetisierungsrate
91 %
60 %
99 %
Kindersterblichkeit pro 1000
23,1
54,6
6,4
1
0,6
2,5
Arzt pro 1000 Personen Nutzer von Mobiltelefonen pro 1000 Personen
27
45
621
Computer pro 1000 Personen
41
12
762
464
351
996
1809
3851
64076
TV pro 1000 Personen Modernes Straßennetz ('000 km) Quelle The Economist 2006
Risiken und politische Überraschungen gibt es immer. In Lateinamerika zum Beispiel gibt es einen Trend hin zum Populismus, der sich in Venezuela, Bolivien und Ecuador abzeichnet und bei dem die Tendenz besteht, Wohlstand unter den Armen zu verteilen und ausländische Gesellschaften, besonders in der Erdölbranche, zu enteignen. Erwartungen auf bessere Lebensstandards werden aufgebaut, und wenn diese enttäuscht werden, besteht das Risiko der Instabilität. An anderer Stelle lebt Südafrika inzwischen seit mehr als zwölf Jahren unter einer schwarzen Mehrheitsherrschaft, und es ist zur erfolgreichen Übertragung von Verantwortung an Schwarze gekommen, die viele börsennotierte Unternehmen in Johannesburg betraf, und trotzdem hat dies kaum zu Veränderungen bei den Lebensstandards der meisten schwarzen Südafrikaner geführt. Dies könnte in der Zukunft noch zu politischen Spannungen führen. Die Wirkung der Technik auf die Entwicklung dieser Wirtschaften kann kaum überschätzt werden. Eines der bemerkenswertesten Beispiele dafür ist die indische Softwarebranche, die erst 1993 nach dem Börsengang von Infosys an der Börse von Bombay für die Anleger sichtbar wurde. Inzwischen zählt sie mit mehr als 50 Milliarden US-Dollar Exporten zu den erfolgreichsten Sektoren der indischen Wirtschaft – und zwar ohne jegliche staatliche Planung oder Bürokratie. Die Call Center in Indien, auf den Philippinen und in anderen Ländern haben sich ebenfalls als erfolgreicher Wachstumsbereich herausgestellt. Mit zunehmender Verbreitung des Internets und fortgesetzter Globalisierung erwarten wir auch in vielen anderen Ländern eine Zunahme dieser Art des Wachstums im Dienstleistungssektor. Die englische Sprache wird dabei ein Schlüsselfaktor für den Erfolg der Länder sein, die sich an diesem Trend beteiligen wollen. Eines der Hauptthemen bei einer Investition in Schwellmärkten in den vergangenen zwei Jahren waren Bodenschätze oder Rohstoffe, die das Kapitalwachstum in vielen Märkten vorangetrieben haben, besonders in Russland, Brasilien, Chile und in der 266
Asien und die Emerging Markets: verbesserte Anlageperformance
Goldabbaubranche in Südafrika. Falls wir uns aufgrund der zugrunde liegenden Nachfrage aus China und Indien gerade in einer 20 Jahre dauernden Hausse für Rohstoffe befinden, wie manche Beobachter glauben, so dürfte dies tatsächlich auch weiterhin zur Veränderung des verhältnismäßigen Profils von wichtigen Märkten wie Russland führen. Schließlich kann gerechterweise gesagt werden, dass wir als Anleger in Schwellenmärkten derzeit einen umfangreichen säkularen Wandel durchmachen, der bereits damit begonnen hat, das Machtgleichgewicht in der Welt zu verändern. In meinem Buch The East-West Pendulum habe ich mich vor allem auf China und dessen Aufschwung von einem geringen Grad an wirtschaftlicher Aktivität im Jahr 1950 hin zu einem Grad, der eher seiner historischen Größe entspricht, konzentriert. Dies gilt gleichermaßen für Indien und andere Schwellenmärkte, die früher einen viel größeren Anteil am globalen BIP hatten. Abbildung 8 zeigt, dass wir uns immer noch unterhalb des Niveaus bewegen, auf dem sich diese Schwellenmärkte bereits vor 200 Jahren befanden. Abbildung 8:
Erstarkende wirtschaftliche Dominanz
267
Rolf Wickenkamp/Marco Yanar
Private Equity als globale Assetklasse – vom Nischenmarkt zum bedeutenden Investitionsansatz
1
Definition und Begriffsabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271
2
Entwicklung des globalen Private-Equity-Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . 272
3
Aufbau und Management eines Private-Equity-Portfolios . . . . . . . . . . . 277
4
Status quo – Die Rolle von Private Equity bei unterschiedlichen Investoren . 283
5
Erhebliches Entwicklungspotenzial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285
Literaturhinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_21, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
269
Private Equity als globale Assetklasse
1
Definition und Begriffsabgrenzung
Private Equity stellt heute für Investoren eine bedeutende Komponente im Rahmen Alternativer Kapitalanlagestrategien dar. Es lässt sich allerdings keine allgemeingültige Begriffsabgrenzung für Private Equity in der Literatur finden. Den meisten Definitionen gemein sind jedoch die Faktoren „Investition in Eigenkapital bzw. eigenkapitalähnliche Instrumente auf Einzeltransaktionsbasis ohne Einschaltung öffentlicher Kapitalmärkte“, eine nur „eingeschränkte Liquidität“ sowie die Anwendung „aktiver, wertsteigernder Investmentstrategien“.1 Private Equity beschreibt dabei Beteiligungsformen, die über den gesamten Lebenszyklus von Unternehmen reichen. Im Wesentlichen sind vier Finanzierungsphasen bzw. Investitionsmotive zu unterscheiden2, die jeweils unterschiedliche Fähigkeiten und Kenntnisse bei der Dealgenerierung, der unternehmerischen Begleitung sowie der Veräußerung, dem Exit erfordern: Venture Capital wird in Unternehmen investiert, die sich entweder noch mit der Konzeptentwicklung beschäftigen (sogenannte Seed Investments) oder die Kapital für eine Produktentwicklung oder erste Marketingmaßnahmen benötigen und sich noch in oder kurz nach der Gründungsphase befinden (sogenannte Start-up- bzw. Early-StageInvestments). Werden bereits Umsätze oder gar erste Gewinne erzielt oder zusätzliches Kapital für weiteres Wachstum benötigt, spricht man von Expansions- oder Later-Stage-Investitionen. Buy-out-Finanzierungen betreffen etablierte und häufig marktführende Unternehmen, wobei sich verschiedene Spielarten unterscheiden lassen, je nach dem, ob das bestehende Management das Unternehmen übernimmt (Management-Buy-out – MBO), oder von außen eintritt (Management-Buy-in – MBI). Da in der Regel ein Großteil der Übernahme fremdfinanziert wird, spricht man von Leveraged-Buy-outs (LBO). Mezzanine-Finanzierungen stellen ein Hybrid aus Eigen- und Fremdkapitalfinanzierung dar. In der Regel wird Mezzaninekapital im Rahmen eines Leveraged-Buy-out zur Verfügung gestellt, um die Lücke zwischen Fremdkapital- und Eigenkapitalfinanzierung zu schließen. Dabei wird typischerweise eine unbesicherte, nachrangige Anleihe kombiniert mit einer Option oder einem Eigenkapitalanteil der emittierenden Gesellschaft (Equity Kicker). Finanzierungen in Spezialsituationen umfassen beispielsweise Investitionen in Distressed- oder Turnaround-Situationen, wobei die Initialinvestition zunächst auch in Fremdkapital erfolgen kann, mit dem Ziel, durch einen Debt-to-Equity-Swap im Verlauf der Halteperiode die Kontrolle über die Gesellschaft zu erhalten und diese dann aktiv zu restrukturieren. Weitere Bereiche sind Real Estate Opportunities, Infrastrukturinvestitionen oder sogenannte Royalties.
1 2
Vgl. Bance (2004). Vgl. Anson (2002).
271
Rolf Wickenkamp/Marco Yanar
Im Folgenden soll der Entwicklungspfad der Assetklasse Private Equity seit ihrer Entstehung vor etwa 50 Jahren dargestellt werden.
2
Entwicklung des globalen Private-Equity-Marktes
Entwicklungsstufen: Obwohl der Begriff „Private Equity“ erst gegen Ende der Achtzigerjahre in die Öffentlichkeit rückte, gehen die Anfänge dieser Investitionsform bis in die Vierzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts zurück,3 als erstmals Gesellschaften mit dem Zweck der langfristigen Bereitstellung von Kapital an kleinere Unternehmen gegründet wurden (Charterhouse, 3i, American Research Development). Der Förderung junger Unternehmen wurde in den USA 1958 durch die Verabschiedung des „Small Business Investment Act“ neuer Antrieb verliehen. Dieses Gesetz ermöglichte lizensierten, privaten Gesellschaften (den SBICs) unter Inanspruchnahme von Steuervorteilen die Bereitstellung von Eigenkapital an junge, noch nicht profitable Unternehmen. In den Sechzigerjahren erfolgte die Gründung mehrerer, heute noch aktiver Managementgesellschaften wie beispielsweise der Sprout Group innerhalb der Investment Bank Donaldson, Lufkin and Jenrette (DLJ), Greylock (1965) Warburg Pincus (1966) oder TA Associates (1969). Eine wesentliche Neuerung bestand in der Investmentstruktur vieler dieser Gesellschaften: der Limited Partnership. Diese erlaubte eine performanceorientierte Vergütung des Managements, die bei den bisherigen Investitionsvehikeln unüblich war und zog so talentierte Manager wie auch neue Investorenschichten an. 1969 markierte mit einem Gesamtvolumen von 171 Millionen US-Dollar Kapitalzusagen ein Rekordjahr der noch jungen Venture-Capital-Industrie. Es dauerte ein weiteres Jahrzehnt, bis sich Venture-Capital-Investments endgültig durchsetzten. Dies lag einerseits an dem sich, insbesondere für kleinere Gesellschaften Mitte der Siebzigerjahre drastisch verschlechternden IPO-Umfeld und der in Folge der Rezession abnehmenden M&A-Tätigkeit: Nur wenige Portfoliogesellschaften konnten einen Exit realisieren. Andererseits mangelte es anfangs an qualifizierten Unternehmern in der Führung der neu gegründeten Gesellschaften. Gleichzeitig wurden in diesem Zeitraum nur wenige Neufinanzierungen durchgeführt, die allerdings sehr gute Ergebnisse erwirtschafteten und so den Weg bereiteten für das explosive Wachstum der Branche in den Achtzigerjahren. Der entscheidende Durchbruch erfolgte mit dem Beschluss zur „Prudent Man Rule“ für staatlich regulierte Pensionsfonds. Das Labor Department entschied 1978, dass Investitionen in kleine und neu gegründete Unternehmen sowie in Venture Capital Funds nicht im Gegensatz zur Prudent-Man-Regel4 stehen und legte so die Basis für Investi3 4
272
Vgl. Bance (2004). Die Prudent Man Rule besagt, dass ein Treuhänder nur in ein Wertpapier investieren darf,
Private Equity als globale Assetklasse
tionen in Private Equity der öffentlichen Pensionsfonds. Gleichzeitig wurde eine Reihe regulatorischer Vereinfachungen (Ausnahme vom Investment Advisors Act) und fiskalischer Erleichterungen für Venture-Capital-Gesellschaften umgesetzt (Senkung der Steuer auf Kapitalgewinne von 49,5 Prozent auf 20 Prozent im Jahr 1981), die Investitionen weiteren Antrieb gaben. Zu Beginn der Achtzigerjahre erfolgte ein Großteil der Mittelzuflüsse in nicht börsennotierte Unternehmen im Bereich Venture Capital. Die Ursache des starken Anstiegs lag nicht zuletzt im Erfolg zahlreicher, in den Siebzigerjahren gegründeter, technologieorientierter Gesellschaften. Durch erfolgreiche Finanzierungen von Unternehmen wie Apple, Intel oder Federal Express konnten für Venture-Capital-Fonds Renditen über 20 Prozent p. a. ausgewiesen werden, welche die Aufmerksamkeit einer Reihe von institutionellen Investoren, wie Pensionskassen oder Universitätsstiftungen, auf sich zogen. Mitte der Achtzigerjahre änderte sich das Bild und 1987 setzten Non-Venture-Partnerships mit einem Fundraisingvolumen von über 14 Milliarden US-Dollar eine neue Rekordmarke. Zu berücksichtigen ist dabei allerdings, dass Kohlberg, Kravis, Roberts (KKR) in diesem Jahr allein über 5,6 Milliarden US-Dollar für Unternehmensübernahmen einwarben, eine Summe, die fast zweimal so hoch war wie das gesamte Venture-Capital-Volumen in dem betreffenden Jahr. Im Zuge immer größerer Investitionsvolumina bildeten sich auch spezialisierte Investmentpraktiken heraus und dezidierte Mezzanine Fonds oder Distressed Fonds wurden ins Leben gerufen. Investoren entwickelten neben den bekannten Leveraged-Buyout-Strategien auch sogenannte Buy-and-Build-Strategien, die gezielt auf Konsolidierungszwänge in einigen Industrien im Zuge der Anfang der Neunzigerjahre einsetzenden Rezession abstellten. Mitte der Neunzigerjahre wurden dann die ersten sektorfokussierten Fonds aufgelegt, die sich auf Investitionen in einzelne Industrien wie die Versicherungs- oder Telekommunikationsbranche konzentrierten.5 Abbildung 1 zeigt eindrucksvoll den Anstieg der Fundraising-Volumina in den Achtzigerjahren sowie den Anfang der Neunzigerjahre folgenden Einbruch aufgrund der einsetzenden Rezession. Bis 1989 fanden Unternehmensübernahmen zu immer höheren Erwerbsmultiples statt. Mit Ausbleiben der erwarteten operativen Performance dieser Unternehmen sahen sich viele institutionelle Investoren einem Portfolio von stark fremdfinanzierten Unternehmensbeteiligungen gegenüber. Diese Verschlechterung in der Qualität der Kapitalanlagen rief auch staatliche Regulierungsbehörden auf den Plan, die für diese Transaktionen entsprechende Eigenkapitalunterlegungen forderten. Die Folge war ein anschließender Credit Crunch und eine Flucht in Qualitätstitel. Die Bereitschaft von Investoren, in Private Equity zu investieren nahm ab und führte zu einem deutlichen Rückgang im Fundraising der Folgejahre.6
5 6
welches auch von einem verständigen, klugen Investor, der auf Kapitalsicherung und einen angemessenen Ertrag bedacht ist, ausgewählt wurde. Vgl. Fenn/Liang/Prowse (1995). Vgl. Kahn/Wilson (2000).
273
Rolf Wickenkamp/Marco Yanar
Abbildung 1:
Commitments zu US Private Equity Partnerships 1978 – 1993 7
Nach Überwindung der Rezessionsphase Anfang der Neunzigerjahre legten die Mittelzuflüsse primär in Fonds zur Übernahme bzw. Finanzierung etablierter Unternehmen deutlich zu. Daneben führten Technologieentwicklungen im Mobilfunkbereich sowie der Ausbau des Internets in Kombination mit den dadurch erzielten Erfolgen bestehender Venture-Capital-Fonds in den Augen vieler Investoren zu einer zunehmenden Attraktivität von Frühphaseninvestments. Dies hatte zur Folge, dass im Jahr 2000 zum ersten Mal seit Mitte der Achtzigerjahre mehr Kapital für Venture-Capital-Fonds bereitgestellt wurde, als für Buy-out-Fonds. Nachdem die Börsenbewertungen im März 2000 erneut einen zyklischen Höhepunkt erreichten und sich das Wirtschaftsumfeld und die Risikosituation vieler Unternehmen deutlich verschlechterte, schwand – analog zur Situation zwölf Jahre zuvor – auch die Bereitschaft zur Finanzierung neuer Venture-Capital- und Buy-out-Fonds. Ein neuer Zyklus entwickelte sich erst wieder in der Folge der sich erholenden Wirtschaft ab 2003. Im Fokus steht seitdem primär das Buy-out-Segment. Durch ein historisch niedriges Zinsniveau einerseits und ein günstiges makroökonomisches Umfeld andererseits ergeben sich attraktive Investitions- und Finanzierungsmöglichkeiten mit entsprechenden Ertragserwartungen für die zumeist institutionellen Investoren. 7 Regionale Aspekte: Der US-Markt stellt nach wie vor mit circa 60 Prozent aller Kapitalzusagen den wichtigsten Private-Equity-Teilmarkt dar. Festzustellen ist jedoch 7
274
Thomson Financial, VentureXpert database, Fund Commitment Report USA, eigene Berechnungen.
Private Equity als globale Assetklasse
Abbildung 2:
Commitments zu US Private Equity Partnerships 1990 – 2005 8
die steigende Bedeutung von Commitments in Fonds außerhalb der USA (vgl. Abbildung 3). So sind für die Periode 1990 bis 2005 die höchsten Zuwächse bei Buy-outFonds außerhalb der USA und Europas zu verzeichnen, gefolgt von europäischen Buy-out-Fonds, US-Buy-out-Fonds und US-Venture-Capital-Fonds. Angemerkt werden muss hier allerdings, dass eine Reihe von US-basierten Fonds international anlegen kann – und dies auch tut – und so die Aussagefähigkeit dieses Aspektes eingeschränkt wird. 8 Marktteilnehmer: Die weit überwiegende Form der Investition in nicht börsennotierte Unternehmen – sei es in junge, technologieorientierte Unternehmen oder bei der Übernahme etablierter Firmen mittels Eigen- und Fremdkapital – erfolgt durch Beteiligung an Anlageprogrammen in der Rechtsform geschlossener Fonds (Limited Partnerships). Die Investoren sind neben klassischen Kapitalsammelstellen wie Versicherungen, Banken, Pensionskassen und Stiftungen vor allem auch private Investoren und Family Offices. Private-Equity-Anlagen sind aufgrund eingeschränkter Liquidität insbesondere für Investoren mit langem Anlagehorizont interessant. Investiert wird entweder, indem die oben genannten „Institutionellen“ zu Limited Partnern eines aufgelegten Private-Equity-Anlageprogramms werden oder aber, indem sie die Leistung von Intermediären in Anspruch nehmen. 8
Thomson Financial, VentureXpert database, Fund Commitment Report USA, eigene Berechnungen.
275
Rolf Wickenkamp/Marco Yanar
Abbildung 3:
Anteile am globalen Fundsraising 9 – eigene Berechnungen
Als Intermediäre agieren in erster Linie die zumeist wiederum in Form einer Partnerschaft geführten Private-Equity-Funds-of-Funds (Dachfonds), gelegentlich auch in der Form börsennotierter Investmentgesellschaften. Diese Intermediäre übernehmen für den Endinvestor die Identifizierung geeigneter Fonds, führen die notwendige Due Diligence durch, ermöglichen den Zugang zu häufig stark überzeichneten Private-Equity-Fonds oder Fonds mit erheblichen Mindestzeichnungsvolumina, insbesondere bei großen Buy-out-Fonds. Darüber hinaus übernehmen sie die gesamte Administration (Cash Management) sowie das Fondsmonitoring und -reporting. 9 Ein weiterer, nicht unerheblicher Vorzug der Investition in Private Equity über einen Fund-of-Funds ist die – ceteris paribus – höhere Diversifikation und das damit verbundene günstigere Risiko- und Ertragsprofil. Die niedrigste Verlustwahrscheinlichkeit können Investoren über eine Investition in Fund-of-Funds erzielen.10 Zusammenfassend kann man sagen, dass sich Private Equity, unter zyklischen Schwankungen, seit Anfang der Achtzigerjahre von einem Nischenmarkt zu einer bedeutenden Finanzierungsquelle für Unternehmen und eine wichtige Vermögenskategorie ins9
Thomson Financial, VentureXpert database, Commitments and Private Equity Partnerships, eigene Berechnung. 10 Vgl. Weidig/Mathonet (2004).
276
Private Equity als globale Assetklasse
Abbildung 4:
Marktteilnehmer
besondere für institutionelle Investoren entwickelt hat. Als Haupteinflussfaktoren auf den Mittelzufluss in diese Assetklasse können regulatorische Veränderungen, Effekte aus fiskalischen und politischen Entscheidungen sowie Veränderungen im Wirtschafts- und Kapitalmarktumfeld identifiziert werden.11 Investoren sollten auf Basis ihrer Marktkenntnisse, ihrer Risikoneigung und der verfügbaren Kapazitäten direkt oder indirekt in die Assetklasse Private Equity investieren.
3
Aufbau und Management eines Private-Equity-Portfolios
Institutionelle Investoren gründen ihre Allokationsentscheidungen in der Regel auf das Konzept der modernen Portfoliotheorie. Zusammengefasst besagt diese, dass es durch Mischung von Kapitalanlagen mit unterschiedlichen Risiko- und Ertragsparametern möglich ist, optimale, das heißt risikominimale Portfolios zu generieren. Diese optimalen Portfolios maximieren den Ertrag bei einem gegebenen Risikoniveau bzw. 11
Vgl. Gompers/Lerner (1997).
277
Rolf Wickenkamp/Marco Yanar
minimieren das Risiko bei einem gegebenen Ertragsniveau und bilden dabei eine Reihe effizienter Portfolios, die sogenannte Efficient Frontier. Der Korrelation der Renditen der einzelnen Assetklassen kommt dabei eine zentrale Bedeutung zu.12 Private Equity weist durch seine Besonderheiten in Struktur und Bewertung Eigenschaften auf, die zur Portfoliooptimierung beitragen können, wie später noch dargestellt wird. Beim Aufbau eines Private-Equity-Portfolios ist im Vergleich zu „traditionellen“ Assetklassen zudem eine Reihe spezifischer Faktoren und Besonderheiten zu berücksichtigen: Managerselektion: Argumentiert man im Bereich des Aktien- und Rentenmanagements, dass es nur wenigen Managern gelingt, über mehrere Perioden hinweg einen zugewiesenen Benchmarkindex zu schlagen und daher eine Managerselektion kaum sinnvoll ist, so ergibt sich in der deutlich intransparenteren Assetklasse Private Equity ein vollkommen anderes Bild. Transaktionen werden in der Regel exklusiv verhandelt, Informationen über den Gesamtmarkt sowie zu einzelnen Unternehmenskäufen und -verkäufen sind üblicherweise nicht allgemein zugänglich (wie dies bei börsennotierten Gesellschaften der Fall ist). Die Transaktionskosten sind hoch und die für Private Equity typischen Marktineffizienzen führen zu einer hohen Dispersion bei den Erträgen der einzelnen Manager bzw. ihrer Fonds (vgl. Abbildung 5). Das wiederum macht eine Selektion attraktiv. Analysiert man die Ertragsdaten von Private-Equity-Fonds über einen langen Zeitraum, ist zudem zu erkennen, dass diese weit davon entfernt sind, normal verteilt zu sein. Typisch sind vielmehr sogenannte Fat Tails (das heißt Häufungen sehr positiver und sehr negativer Ergebnisse), die wiederum auf die Möglichkeit positiver Selektionsbeiträge hinweisen. Fazit: Anders als bei traditionellen Kapitalanlagen ist bei Private Equity die Spreizung zwischen durchschnittlichen Ergebnissen (Pooled Returns, Average Returns) und der Performance im Top Quarter oder Top Decile ungleich größer. Die Anlage in Private Equity ist somit umso attraktiver, je größer der Anteil ist, der in Fonds allokiert werden kann, die Ergebnisse oberhalb des Top Quartiles erzielen. Diversifikation: Bei Private-Equity-Investitionen sind verschiedene Diversifikationselemente, relevant, die bei einem Portfolioaufbau berücksichtigt werden sollten. Hierzu zählen vor allem die Diversifikation über verschiedene Auflegungsjahre (Vintage Years), Branchen- und Industriesegmente, geografische Regionen, Wertschöpfungskonzepte des General Partner (GP) sowie die unterschiedlichen Private-Equity-Segmente (Venture Capital, Buy-out, Mezzanine etc.)13. y Auflegungsjahre: Durch das hauptsächlich bei Private Equity gewählte Format laufzeitbegrenzter Fonds exponiert sich der Investor den jeweiligen Investitionsbedingungen und -möglichkeiten während der Investitionsperiode des Fonds, die in der Regel drei bis fünf Jahre beträgt, sowie in der darauf folgenden Exitperiode, die in der Regel drei bis sieben Jahre später zu erwarten ist. Ein Portfolioaufbau unter 12 13
278
Vgl. Markowitz (1952). Vgl. Gompers/Lerner (2003a).
Private Equity als globale Assetklasse
Abbildung 5:
Dispersion von Top- und Bottom Quartile Private-Equity-Fonds 14
Einbeziehung von Fonds verschiedener Auflegungsjahre hat einen positiven Diversifikationseffekt auf das Gesamtportfolio. 14 y Branchen und Subsegmente: Die Performance von Fonds der Segmente Venture Capital, Buy-out, Mezzanine und Spezialsituationen kann in unterschiedlichen Perioden erheblich voneinander abweichen. Gleiches gilt für Investitionen in eine Vielzahl von Zielbranchen, die zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich attraktiv sein können. Eine Mischung hat daher ebenfalls einen risikoreduzierenden Effekt auf das Gesamtportfolio. y Regionen: Lerner und Gompers kommen zu dem Schluss, dass eine geografische Diversifikation, zum Beispiel durch Zugang zu und Nutzung von Technologien in verschiedenen Regionen, einen positiven Effekt auf die Portfoliokonstruktion eines Investors hat. Daneben können regionale Zielmärkte makroökonomisch differieren oder sich in unterschiedlichen Private-Equity-Lebenszyklen befinden. Fazit: Eine Diversifikation der Private-Equity-Anlagen nach Auflegungsjahren, Branchen, Regionen und über verschiedene Subsegmente hinweg spielt eine entscheidende Rolle für den Gesamterfolg eines Private-Equity-Portfolios. Rendite/Risikoaspekte: Investoren beginnen den Entscheidungsprozess darüber, wie viel Private Equity sie in eine Assetklasse allokieren möchten, in der Regel mit der 14
Thomson Financial, VentureXpert database, 10 Year Investment Horizon Returns per 31. 12. 2006, eigene Berechnungen.
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Rolf Wickenkamp/Marco Yanar
Analyse, welches Risiko sie bereit sind zu übernehmen. Dabei werden Portfolios als risikoreicher betrachtet, die eine höhere Volatilität der Erträge erwarten lassen. Daneben werden aber weitere Faktoren eine Allokationsentscheidung beeinflussen, wie Liquiditätsanforderungen und Investitionshorizont, Steuern und rechtliche, regulatorische Gesichtspunkte.15 y Vergleichbarkeit (Performancemessung): Rational handelnde Anleger werden in Private Equity investieren, wenn der zu erwartende Ertrag aus dem Investment risikoadjustiert über dem anderer Kapitalanlagen liegt. Daher müssen potenzielle Risiken eines Private-Equity-Investments, wie zum Beispiel Liquiditätsrisiko, Leveragerisiko oder operatives Risiko, bei Frühphaseninvestments zusätzlich Technologierisiko, Timingrisiko, Refinanzierungsrisiko sowie das Risiko mangelnder Managementqualität, identifiziert und über einen Risikozuschlag kompensiert werden.16 Doch wie ist dieser Mehrertrag in der Realität messbar? Aufgrund der zeitlichen Begrenzung der Investitionen lassen sich die Ergebnisse verschiedener Investitionen, sowohl im Direktbereich als auch bei Funds- und Fund-of-Funds nur schwer vergleichen. Zur Ergebnismessung wird meist zurückgegriffen auf die Cashflows der Investitionen (Cash-outs und Cash-ins), auf deren Basis dann zwei Vergleichsgrößen ermittelt werden: der Multiple und der interne Zinsfuß (IRR). Für noch unrealisierte Anteile eines Portfolios stößt man auf das Problem der Ermittlung des jeweiligen Zeitwertes. In der Praxis wird der im Zeitpunkt der Analyse vorliegende Net Asset Value (NAV) als theoretischer Rückflusswert angenommen, der jedoch mehr oder weniger durch (vermutete) stille Reserven verzerrt sein kann. Der Ansatz des Beteiligungswertes im Rahmen der üblichen Quartalsberichterstattung erfolgt in der Regel auf der Basis der Empfehlungen der Private-Equity-Verbände (EVCA, NVCA, BVK und andere). Gleichwohl ermöglichen diese einen gewissen Ermessensspielraum und unterscheiden sich grundsätzlich hinsichtlich des Finanzierungssegmentes. So kann bei Unternehmen, die von Venture-CapitalFonds finanziert werden, der Zeitwert weniger durch quantitative Parameter wie Price/Earnings-Ratios oder Discounted Cashflows ermittelt werden, sondern mehr durch qualitative und damit eher subjektiv zugängliche Faktoren, wie die Bewertung der eingesetzten Technologien, des Managements oder zu erwartender Marktchancen. Weiterhin ist im Falle einer Einzelfonds- oder Fund-of-Funds-Analyse zu hinterfragen, ob die Daten vor oder nach Kosten und Gewinnbeteiligung des Managements (Carried Interest) dargestellt werden. Der Multiple gibt das Verhältnis von zurückgezahltem Kapital in Bezug auf die Summe aller Einzahlungen wieder. Ist die Investition noch nicht realisiert, so setzt man die Summe der Rückzahlungen zzgl. des aktuellen NAV ins Verhältnis zum eingezahlten Kapital – man spricht dann auch vom TVPI-Ratio.17 15 16 17
280
Vgl. Gompers/Lerner (2003b). Vgl. Grabenwarter/Weidig (2005). TVPI = Total Value to Paid In Ratio, das den Gesamtwert des Programms ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital setzt.
Private Equity als globale Assetklasse
Der interne Zinsfuß ist das meistgebrauchte Performancemaß und stellt aus mathematischer Sicht den Diskontsatz dar, zu dem die Summe aller diskontierten Cashflows „Null“ ergibt. Er ist somit kein Maß dafür, wie viel Ertrag mit einem Investment erzielt wird, sondern wie zeiteffizient investiert wurde. Allerdings handelt es sich bei der IRR nicht um ein gebräuchliches Performancemaß im Bereich traditioneller Kapitalanlagen, bei denen man in der Regel auf zeitgewichtete Daten zurückgreift. Eine Zeitgewichtung ist aufgrund fehlender Marktpreise für die unrealisierten Portfolioanteile nicht möglich. y Volatilität: Ähnliche Schwierigkeiten wie im Bereich der Performancevergleiche mit traditionellen Kapitalanlagen gibt es auch bei Betrachtung der Risikomaße. Im Allgemeinen findet hier die Sharpe Ratio Anwendung, die ein Maß für den Ertrag pro Risikoeinheit innerhalb einer bestimmten Periode wiedergibt. Dabei wird die Risikoeinheit durch die Volatilität angegeben, das heißt durch die Standardabweichung einer Reihe von Marktpreisen. Da Marktpreise jedoch nicht zur Verfügung stehen und die Bewertungen nur selten angepasst werden, kann somit nicht der tatsächliche Wert zu einem gegebenen Zeitpunkt ausgewiesen werden. Die so dargestellte Volatilität für Private-Equity-Investments ist daher geringer als bei Aktienanlagen. y Korrelation: Die Betrachtung der Korrelation von Private Equity zu anderen Kapitalanlagen spielt aufgrund des Diversifikationseffektes eine entscheidende Rolle bei der Asset Allokation und Portfoliooptimierung. Zu diesem Thema wurden zahlreiche Studien18 erstellt, die, je nach Ausgangsbasis, zu divergierenden Aussagen hinsichtlich der Korrelationseigenschaften von Private Equity kommen. Die meisten Studien gehen von einer niedrigen bis moderaten Korrelation zu traditionellen Anlagen, insbesondere Aktienanlagen, aus. Diese Studien verwenden als Basis hauptsächlich die in der Industrie gebräuchlichen Indizes privater Datenanbieter wie Cambridge Associates oder Thomson Financial. Aufgrund der oben beschriebenen Faktoren ist die so ermittelte Korrelation jedoch künstlich gering und unterschätzt die tatsächlichen Verhaltensweisen.19 Auf diesen Erkenntnissen aufbauend wurden alternative Methoden entwickelt, um den als „Stale Pricing“ bezeichneten Effekt (das heißt die Fortschreibung einer Beteiligungsbewertung über einen längeren Zeitraum, bis eine Neubewertung stattfindet) zu eliminieren20 und so zu besseren Ergebnissen hinsichtlich der tatsächlichen Korrelationseigenschaften von Private Equity zu kommen. Als Ergebnis dieser Analysen lässt sich festhalten, dass eine reduzierte Korrelation von Private Equity gegenüber anderen Assetklassen besteht und dass ein nach Risikoaspekten optimal strukturiertes Portfolio einen signifikanten Private-Equity-Anteil in Höhe von fünf bis zehn Prozent der Gesamtallokation beinhaltet.
18 19 20
Vgl. Wahrenburg/Schmidt/Reinhard (2003); Artus/Teiletche/Kaserer/Diller (2004). Vgl. Grabenwarter/Weidig (2005). Vgl. Artus/Teiletche/Kaserer/Diller (2004).
281
Rolf Wickenkamp/Marco Yanar
Die Renditen von Private-Equity-Investitionen sind nur eingeschränkt mit denen traditioneller Assetklassen vergleichbar. Die Resultate diverser Untersuchungen kommen allerdings zu dem Schluss, dass Private Equity risikoadjustiert einen positiven Performancebeitrag liefert21 und insofern einen relevanten Stellenwert in der strategischen Asset Allokation von Investoren haben sollte. Liquidität: Bei Private Equity handelt es sich um eine nur eingeschränkt liquide Anlageklasse. Durch diese relativ hohe Illiquidität ist es Investoren nicht ohne weiteres möglich, ihr Portfolio dynamisch zu adjustieren.22 Mit Anstieg der Investitionsvolumina hat sich allerdings in verstärktem Maße ein Sekundärmarkt entwickelt, auf dem eine zunehmende Anzahl spezialisierter Managementgesellschaften sowie einzelne fokussierte Investorengruppen agieren, die Anteile an Private-Equity-Fonds zurückliegender Auflegungsjahre erwerben. Insbesondere die Restrukturierungserfordernisse vieler Investoren nach dem Platzen der Internetblase haben zu einem Anstieg der Marktteilnehmer im Sekundärmarkt geführt. Investoren sollten sich der langfristigen Natur eine Private-Equity-Anlage bewusst sein und diese nicht unter taktischen Investitionsaspekten sehen. Administration: Neben den genannten Punkten, die primär die Einbindung von Private Equity in den Portfoliokontext betreffen, sollten auch Besonderheiten beim Dayto-day-Management von Private-Equity-Portfolios beachtet werden. Private-EquityInvestitionen erfolgen auf einzelvertraglicher Basis, das heißt, es ist eine umfangreiche vorherige Vertragsprüfung notwendig. Obwohl sich einige Industriestandards herausgebildet haben, können Unterschiede in einzelnen Klauseln deutliche Auswirkungen auf den Nettoerfolg haben. Durch zahlreiche länderübergreifende Transaktionen sind auch steuerrechtliche Implikationen detailliert zu prüfen. Weiterhin sind die unterschiedlichen Informationen einzelner Fonds oder Fund-of-Funds zu aggregieren und in ein aussagekräftiges Reporting für den Gesamtbestand zu überführen. Aufgrund der Unsicherheiten bei den Zahlungsströmen ist weiterhin ein optimiertes Cashmanagement eine Nebenbedingung für ein erfolgreiches Investment in diese Klasse. Dies alles führt zu einem erhöhten Managementaufwand verglichen mit traditionellen Assetklassen. Investoren müssen mit einem vergleichsweise hohen administrativen Aufwand bei Private-Equity-Investitionen rechnen, insbesondere wenn sie sich entscheiden, ein Portfolio aufzubauen, das aus einer größeren Anzahl von Fonds-Commitments besteht. Selbstverständlich reduziert die Zusammenarbeit mit professionellen Fund-ofFunds-Managern den Verwaltungsaufwand ganz erheblich.
21 22
282
Vgl. Groh/Gottschalg (2006). Vgl. Meredith/de Brito/de Figueiredo (2006).
Private Equity als globale Assetklasse
4
Status quo –– Die Rolle von Private Equity bei unterschiedlichen Investoren
Private Equity spielt bei US-Investoren seit Anfang der Achtzigerjahre zunehmend eine bedeutende Rolle als selbstverständlicher Portfoliobestandteil. So stieg der Anteil von Private Equity innerhalb der Asset Allokation großer US-amerikanischer Universitätsstiftungen23 von 2,75 Prozent im Jahr 1985 auf 11,1 Prozent im Jahr 1999.24 In den Post-Bubble-Jahren erhöhte sich dieser Anteil weiter auf circa 14 Prozent,25 womit dieser Investorenkreis eine deutlich höhere Allokation aufweist als andere institutionelle Marktteilnehmer. Vereinzelt liegen die Private-Equity-Anteile sogar noch über diesem Wert. So investierte das Yale Endowment in 2006 16 Prozent seines Kapitals in Private Equity und erzielte über die letzten zehn Jahre mit dieser Anlageform eine Rendite von 34,9 Prozent).26 Abbildung 6:
Strategische Asset Allokation steuerbefreiter Investoren in Private Equity
23
Definiert als Endowments mit >1 Milliarde US-Dollar Asset under Management in 1998 und 1999, >400 Millionen US-Dollar zwischen 1988 und 1997 sowie >200 Millionen US-Dollar zwischen 1985 und 1987. 24 Vgl. Harvard Business School (2000). 25 Vgl. Russell Investment Group (2006). 26 Yale Endowment (2006).
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Rolf Wickenkamp/Marco Yanar
Wie Abbildung 6 zeigt, investierten steuerbefreite nordamerikanische Investoren seit 1999 zwischen sieben und acht Prozent ihrer strategischen Asset Allokation in Private Equity. Während der Private-Equity-Anteil bei US-Investoren somit bereits ein konstant hohes Niveau erreicht hat, gewinnt diese Vermögenskategorie für europäische Investoren erst in den letzten Jahren an Attraktivität. Ähnliches gilt für Investoren in Asien, wenngleich das Allokationsniveau noch deutlich unter dem der USA liegt. Die Investitionsstrategie deutscher institutioneller Investoren ist ebenfalls im Rahmen diverser Studien analysiert worden,27 gemäß den Umfrageergebnissen liegen die Ist-Allokationen hier noch bei circa zwei Prozent der Gesamt-Assets. Allerdings wird zukünftig auch von deutschen Vermögensverwaltern tendenziell eine Erhöhung der Private-Equity-Anteile angestrebt. Das Entwicklungspotenzial der Assetklasse wird auch bei einem Vergleich der Anteile von Private-Equity-Investitionen am Gross Domestic Product (GDP) unterschiedlicher Staaten deutlich (vgl. Abbildung 7). Während in den nordischen Ländern und Großbritannien im Vergleich zum EU-Durchschnitt die höchsten Werte zu verzeichnen sind, ergeben sich für Deutschland und Italien, aber auch für viele asiatische Länder deutlich unterdurchschnittliche Werte. Volkswirtschaftliche und politische Bedeutung: Neben der Bedeutung als Kapitalanlageform, kommt Private Equity aber auch volkswirtschaftlich wichtige Funktionen zu: y Schaffung neuer Arbeitsplätze: Mit Private Equity finanzierte Gesellschaften haben in Europa zwischen 2000 und 2004 über eine Million neue Arbeitsplätze geschaffen. Das entspricht einer Zunahme der Beschäftigungsrate von 5,4 Prozent pro Jahr gegenüber einer europaweiten Abnahme der Beschäftigungsrate von 0,7 Prozent.28 y Produktivitätssteigerung: Diverse Studien zeigen, dass die Produktivität von Unternehmen mit Private-Equity-Beteiligungen innerhalb von vier Jahren verdoppelt werden konnte. y Produktinnovationen: Mit Venture Capital finanzierte Unternehmen sind ein starker Motor für die Erforschung und Entwicklung neuer Produkte. Damit sind sie ein unentbehrlicher Faktor für das Wachstum und die Innovationskraft ganzer Volkswirtschaften. y Unternehmensnachfolge: Private Equity erleichtert darüber hinaus einen reibungslosen Generationenwechsel in familiengeführten Firmen. In Europa haben Familienunternehmen einen Anteil von 55 Prozent bis 65 Prozent am GDP und stellen circa 70 Prozent der Arbeitsplätze. In einer Umfrage hat sich die Mehrheit der von dieser Problematik betroffenen Unternehmer für eine Veräußerung unter Einbeziehung von Private-Equity-Investoren ausgesprochen. Somit leistet Private Equity einen wichtigen Beitrag zum notwendigen industriellen Strukturwandel in Europa. 27
Vgl. CAM Private Equity/Ernst&Young/Finance (2006); Fachhochschule Wiesbaden/Adveq (2006). 28 Vgl. EVCA (2005).
284
Private Equity als globale Assetklasse
Abbildung 7:
Private-Equity-Investitionen in % des GDP 29
Die volkswirtschaftliche Relevanz von Private Equity ist mittlerweile auch von der Politik wahrgenommen worden. Im Vordergrund politischer Diskussionen stehen dabei in Europa eine generelle Verbesserung des Umfeldes für Unternehmensgründer, die Umsetzung der „Prudent Man Rule“ auch für europäische Pensionskassen, die Einführung steuereffizienter Aktienoptionsprogramme für Unternehmensgründer und die Implementierung steuereffizienter Fondsstrukturen.29
5
Erhebliches Entwicklungspotenzial
Private Equity hat sich in den vergangenen 30 Jahren von einem Nischenmarkt zu einer bedeutenden Assetklasse für Investoren mit einem langfristig orientierten Investitionsansatz entwickelt. Die Hauptmotive, sich in privatem Beteiligungskapital zu engagieren, sind die im Vergleich zu traditionellen Anlagen superioren Performanceaussichten sowie im Portfoliokontext risikomindernde Effekte.
29
Vgl. EVCA (2006); Price Waterhouse Coopers (2005), eigene Darstellung.
285
Rolf Wickenkamp/Marco Yanar
Aufgrund der Besonderheiten dieser Assetklasse – hohe Intransparenzen und Mindestzeichnungsvolumina, schwieriger oder unmöglicher Zugang zu den führenden Fonds, hoher administrativer Aufwand während der etwa zwölfjährigen Fondslaufzeiten – ist für viele Anleger die Einbindung von Intermediären wie Fund-of-FundsManagern sinnvoll oder gar unerlässlich. Während sich Private-Equity-Anlagen in den USA sowohl aus Anlegersicht als auch unter Kapitalmarktgesichtspunkten bereits in einem sehr reifen Stadium befinden, bieten andere Regionen wie Europa und Asien noch erhebliches Entwicklungspotenzial. Diese These wird sowohl durch geringere Anteile an der strategischen Allokation von Investoren wie auch durch geringere GDP-Anteile in diesen Regionen belegt. Notwendige Voraussetzungen für ein weiteres Marktwachstum werden dabei in erster Linie eine weitere Institutionalisierung der Marktteilnehmer sowie die Verbesserung entsprechender steuerlicher und regulatorischer Rahmenbedingungen30 sein.
Literaturhinweise ANSON, M. (2002): Private Equity, in: Fabozzi, F. J. (Hrsg.): The Handbook of Financial Instruments, 2002. ARTUS, P./TEILETCHE, J./KASERER, C./DILLER, C. (2004): Performance Measurement and Asset Allocation for European Private Equity Funds, EVCA, 2004. BANCE, A. (2004): Why and How to Invest in Private Equity – EVCA Special Paper, 2004. CAM Private Equity/Ernst&Young/Finance (2006): Anlagestrategien deutscher institutioneller Investoren. Warum deutsche Versicherungsunternehmen, Pensionskassen und Versorgungswerke wie investieren, Oktober 2006. EVCA (2005): Employment Constribution of Private Equity and Venture Capital in Europe, November 2005. EVCA (2006): EVCA Yearbook 2006. Annual Survey of Pan-European Private Equity & Venture Capital Activity, June 2006. FACHHOCHSCHULE WIESBADEN/ADVEQ (2006): Private Equity – die Rolle nicht Börsennotierter Beteiligungen der deutschen institutionellen Investoren. Deutschlandstudie 2006. FENN, G. W./LIANG, N./PROWSE, S. (1995): The Economics of the Private Equity Market, Washington D. C. 1995. GOMPERS, P./LERNER, J. (1997): What drives Venture Capital Fundraising, 1997. GOMPERS, P./LERNER, J. (2003a): Risk, Diversification and Private Equity Investments, Citigroup Alternative Investments 2003. GOMPERS, P./LERNER, J. (2003b): Private Equity and Asset Allocation: Clues to a puzzle, Citigroup Alternative Investments 2003. 30
286
Vgl. Gompers/Lerner (1997).
Private Equity als globale Assetklasse
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287
Alexander Kempf
Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?
1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
2
Anlageprozess bei ethischen Investments 2.1 Screening-Ansätze . . . . . . . . . . 2.1.1 Negative Screening . . . . . . 2.1.2 Positive Screening . . . . . . . 2.1.3 Best-in-Class-Screening . . . . 2.2 Portfolioauswahl . . . . . . . . . . .
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292 293 293 293 294 294
3
Performance von ethischen Investments . . . . . . . . . 3.1 Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Empirie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Ethikfonds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.2 Ethikindizes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Aktienportfolios auf Basis von Ethikratings
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296 296 297 297 299 302
4
Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
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Literaturhinweise und Danksagung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7_22, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
289
Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?
1
Einleitung
Sprichworte sind oft voll tiefer Weisheit, und wir alle sind seit unserer Kindheit geprägt von ihnen. Wer würde sich nicht prinzipiell dem Satz „Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen“ anschließen und Geschäfte vermeiden, die das eigene Gewissen belasten? Doch entgehen uns dadurch nicht besonders lukrative Geschäfte? Auf welche Gewinne müssen wir verzichten, um ein reines Gewissen zu behalten? Diese Frage steht im Zentrum der vorliegenden Arbeit – aufgrund der Thematik des Buches nicht in ihrer ganzen Allgemeinheit, sondern fokussiert auf Anlageentscheidungen von Investoren. Anlageentscheidungen, bei denen auch moralische Überlegungen Berücksichtigung finden, werden als ethische Investments bezeichnet, im angelsächsischen Sprachraum als SRI Investments (Social Responsible Investments). Diese Anlagen sind von ganz unterschiedlichen Motiven der Investoren getrieben, die meist religiöser, sozialer oder ökologischer Art sind. Die Ursprünge des ethischen Investments sind religiöser Natur. So findet sich schon im Buch Levitikus des Alten Testaments in Kapitel 25, Vers 35 ff, das Gebot, dem Bedürftigen Kredit zu geben, ohne hierfür Zinsen zu verlangen. Es handelt sich hierbei also um eine extreme Form des ethischen Investments, nämlich den zinslosen Geldverleih, der in der heutigen Zeit in Deutschland nur ein Schattendasein führt. Weit stärkeren Einfluss auf die heutigen ethischen Investments besitzen die Grundsätze, welche die Quäker im 18. Jahrhundert für ihre Geldanlagen aufstellten. Sie verboten hierin als ihrer Religion widersprechend Investitionen in Unternehmen bestimmter Branchen: Alkohol, Tabak, Waffen, Glückspiel und Sklavenhandel. Die Quäker erstellten somit erstmals Negativlisten, wie sie auch heute noch im Rahmen des Negative Screenings üblich sind.1 Den nächsten Meilenstein in der Entwicklung der ethischen Investments stellt die Auflage des ersten Ethikfonds dar. Dieser sich ebenfalls an Negativlisten orientierende Fonds wurde im Jahr 1928 von Methodisten in den USA aufgelegt. Ihm folgten bis Ende 2006 über 200 weitere ethisch orientierte Fonds allein in den USA. Eine größere Ausbreitung fand der Gedanke ethisch motivierter Geldanlagen ab den Siebzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Vietnamkrieg und Apartheidpolitik in Südafrika riefen Investoren auf die Barrikaden. Viele ethisch motivierte Anleger weigerten sich in Unternehmen zu investieren, die durch Geschäfte mit dem Krieg oder dem Apartheidsystem Gewinne erzielten. Auf diese Weise versuchten sie, die Aktienkurse dieser Unternehmen zu drücken, um so deren Finanzierungsmöglichkeiten zu erschweren und ihnen einen Anreiz zu geben, die Firmenpolitik zu ändern. Andere ethisch motivierte Anleger engagierten sich dagegen besonders in den umstrittenen Unternehmen, um Druck auf das Management der Unternehmen ausüben zu können, ihre Geschäftspolitik zu ändern.2 Während der erste Weg heute von den meisten ethisch orientierten Investmentfonds in Deutschland verfolgt wird, versuchen Ethik1 2
Vgl. Kapitel 2.1 zu den verschiedenen Screening-Verfahren. Zur ethischen Fundierung verschiedener ethischer Anlagestile vgl. Galbas/Ruenzi (2007).
291
Alexander Kempf
fonds in Großbritannien in großem Umfang direkt Einfluss auf die Unternehmensführung zu nehmen.3 Diese als „Shareholder Advocacy“ bezeichnete Strategie ist auch in den USA weit verbreitet.4 Den nächsten Schub erlebte die ethische Geldanlage in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts, als im Rahmen der ökologischen Bewegung verstärkt in „Grünes Geld“ investiert wurde. Hierunter versteht man verschiedene Anlageformen, deren Ziel die Förderung umweltfreundlicher Unternehmen und Technologien ist. Derzeit beobachten wir einen Umbruch bei den ethischen Anlagen. Sie entwickeln sich weg von einem Markt, auf dem primär ausgewählte Anlegergruppen (Kirchen, Stiftungen, Pensionskassen, Privatanleger) tätig sind, hin zu einem Markt für die Allgemeinheit. Angesichts des drohenden Klimawandels wird „Umwelt“ zu einem vorherrschenden Anlagethema. So titelt die FAZ am 16. März 2007 beispielsweise „Geld verdienen mit dem Klimawandel“ und berichtet, dass sich das Anlagevolumen in Ethikfonds allein im Jahr 2006 gegenüber dem Vorjahr fast verdoppelt hat. Auch wenn solche Abschätzungen des Marktes angesichts der großen Vielfalt von moralisch getriebenen Anlageformen und der damit einhergehenden Abgrenzungsprobleme schwierig sind und oft widersprüchliche Zahlen kursieren, ist jedoch unstrittig, dass die Bedeutung von ethischen Anlagen weltweit stark zunimmt. Das Social Investment Forum berichtet, dass in den USA bereits nahezu jeder zehnte professionell verwaltete Dollar entsprechend ethischer Kriterien verwaltet wird.5 Wenngleich die Zahlen laut European Social Investment Forum (2006) in Europa (und vor allem in Deutschland) noch deutlich niedriger sind, so ist auch hier eine große Wachstumsdynamik zu beobachten. Nach dieser kurzen Einführung in die Geschichte des ethischen Investments werden wir nun in Abschnitt 2 den Anlageprozess bei ethischen Investments skizzieren. In Abschnitt 3 bieten wir dann Antworten auf die zentrale Frage der vorliegenden Arbeit, nämlich: Was kostet ein gutes Gewissen? Die wesentlichen Erkenntnisse der Arbeit werden in Abschnitt 4 nochmals kurz zusammengefasst.
2
Anlageprozess bei ethischen Investments
Der Anlageprozess bei ethischen Investments umfasst im Vergleich zum Anlageprozess bei konventionellen Anlagen einen zusätzlichen Schritt, nämlich die Beurteilung der Anlageformen bezüglich ihres Ethikgehaltes. Die hierbei üblichen Screening-Ansätze werden in Abschnitt 2.1 beschrieben, bevor in Abschnitt 2.2 dargelegt wird, wie 3 4 5
292
Vgl. Ruenzi (2005). Vgl. http://www.socialinvest.org/areas/sriguide/mfsc.cfm zu einer Beschreibung der Strategien der verschiedenen Ethikfonds in den USA. Vgl. Social Investment Forum (2005).
Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?
die so gewonnenen Informationen im Rahmen der Portfoliozusammensetzung berücksichtigt werden können.
2.1
Screening-Ansätze
Bei der Beurteilung des Ethikgehaltes von Unternehmen finden sich im Wesentlichen drei Screening-Ansätze: Negative Screening, Positive Screening und Best-In-ClassScreening. Solche Screenings können Anleger selbst erstellen oder von Ratingagenturen beziehen, die Unternehmen bezüglich ihres Ethikgehaltes beurteilen.6
2.1.1
Negative Screening
Das Negative Screening ist der älteste und einfachste Ansatz zur Beurteilung des Ethikgehaltes von Unternehmen. Hierbei werden Kriterien festgelegt, bei deren Vorliegen ein Unternehmen als unethisch eingestuft wird – unabhängig von seinen sonstigen Charakteristika. So werden beispielsweise Unternehmen, in denen Kinderarbeit vorkommt, regelmäßig als unethisch eingestuft. Ähnliches gilt für Unternehmen, die Gentechnik einsetzen. Schließlich werden viele Unternehmen allein aufgrund ihrer Branchenzugehörigkeit als unethisch eingestuft. Typische, als unethisch eingestufte Branchen sind Rüstung, Tabak, Alkohol, Glücksspiel, Pornografie und Kernenergie. So werden beispielsweise alle Unternehmen, die in der Rüstungsindustrie tätig sind, als unethisch eingestuft. Manche Investoren gehen sogar noch einen Schritt weiter und beurteilen auch solche Unternehmen als unethisch, die eine Beteiligung an Unternehmen der Rüstungsbranche halten oder auch nur an einer Stelle der Wertschöpfungskette beteiligt sind, beispielsweise als Verkäufer von Waffen.
2.1.2
Positive Screening
Beim Positive Screening wird der Ethikgehalt eines Unternehmens detaillierter erfasst als beim Negative Screening. Unternehmen werden nicht mehr als ethisch oder unethisch eingestuft, sondern es wird die Stärke der Ethikorientierung erfasst. Hierzu wird eine Reihe von Kriterien aufgestellt, anhand derer die Ethikorientierung ermittelt wird. Häufig angewandte Kriterien sind Umweltverträglichkeit der Produktion, Güte der Arbeitsbedingungen, Gleichberechtigung, Förderung von Minderheiten etc.7 Für jedes Kriterium kann dann ermittelt werden, inwieweit ein Unternehmen dieses Kriterium erfüllt, und so eine Ethikkennzahl für das Unternehmen errechnet werden. 6 7
Einen Überblick zu den Ratingagenturen liefert Schäfer/Hauser-Ditz/Preller (2004). Vgl. http://www.kld.com/research/stats/indicators.html für einen Überblick zu den von KLD verwendeten Kriterien.
293
Alexander Kempf
2.1.3
Best-in-Class-Screening
Wenn ein ethisch orientierter Anleger beschließt, nur in ethische Unternehmen (gemäß des Negative Screenings) oder in Unternehmen mit hohem Ethikrating (gemäß des Positive Screenings) zu investieren, kann es vorkommen, dass bestimmte Branchen in seinem Portfolio nicht vertreten sind. Für manche Anleger mag dies zwar aufgrund ihrer hohen ethischen Vorgaben wünschenswert sein, für viele Anleger dürfte dies aufgrund der sich dadurch verschlechterten Risikostreuungsmöglichkeiten aber problematisch sein. Für solche Anleger bietet sich das Best-in-Class-Screening an, das eine Weiterentwicklung des Positive Screenings darstellt. Hierbei kommen dieselben Kriterien zur Anwendung wie beim Positive Screening. Es werden aber nur Unternehmen innerhalb einer einzelnen Branche bezüglich ihres Ethikgehaltes miteinander verglichen, nicht mehr (wie beim Positive Screening) alle Unternehmen des Anlageuniversums miteinander. Auf diese Weise wird verhindert, dass einzelne Branchen systematisch bezüglich des Ethikgehaltes besser eingestuft werden als andere Branchen und so ggf. das Anlageportfolio dominieren. Von der Zielsetzung eines Investors und dessen ethischen Vorstellungen hängt es ab, welche Sreening-Methode er wählt und welche Kriterien er hierbei anwendet. Er ist dabei nicht auf eine einzelne Methode beschränkt, sondern kann mehrere kombinieren. Viele Ethikfonds schließen beispielsweise bestimmte Branchen kategorisch aus (Negative Screening) und verfolgen innerhalb des verbleibenden Anlageuniversums den Best-in-Class-Ansatz.
2.2
Portfolioauswahl
Ziel der Portfolioauswahl ist die Zusammenstellung eines geeigneten Portfolios unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Screening-Prozesses. Wie in der Einleitung kurz skizziert, kann das Ziel eines Investors dabei darin bestehen, ethische Unternehmen durch sein Investment zu unterstützen oder in unethische Unternehmen zu investieren, um deren Verhalten zu ändern („Shareholder Advocacy“). Bei der folgenden Analyse gehen wir immer davon aus, dass der Anleger den ersten Weg beschreitet und in ethische Unternehmen investiert. Der Fall eines Anlegers, der Shareholder advocacy betreibt, kann analog untersucht werden. Betrachten wir zunächst einen Anleger, der ein Negative Screening durchgeführt hat. Hierdurch hat er bestimmte Unternehmen aus seinem Anlageuniversum ausgeschlossen, das sich hierdurch entsprechend verkleinert hat.8 Aus den im Universum verbleibenden Unternehmen kann er dann entsprechend finanzieller Kriterien (zum Beispiel 8
294
Ähnlich verhält es sich, wenn der Anleger durch ein Positive Screening (Best-in-Class-Screening) das Anlageuniversum einschränkt, indem er beispielsweise nur solche Aktien in Betracht zieht, die gemäß Ethikrating zu den Top 25 Prozent des Universums (jeder Branche) gehören.
Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?
erwartete Rendite, Risiko) sein Portfolio zusammenstellen. Ethische Kriterien gehen hierbei nur ein, um das Anlageuniversum einzuschränken. Komplexer wird das Problem, wenn ethische Überlegungen auch bei der anschließenden Portfoliozusammenstellung eingehen sollen. Betrachten wir hierzu einen Anleger, der die erwartete Rendite P und das Risiko (Volatilität) P seines Portfolios als finanzielle Kriterien verwendet. Außerdem berücksichtigt er das Ethikrating seines Portfolios P , das er vorab mittels Positive Screening ermittelt hat. Sein Optimierungskalkül lautet: f (P , P ) (1) max w unter den üblichen Nebenbedingungen:9 N
(2) P = è wi i i=1
(3) P = (4)
öè èw w
N N ÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖÖ
i=1 j=1
i
j
ij
N
è wi = 1 i=1
Gemäß der ersten Nebenbedingung ergibt sich die erwartete Rendite des Portfolios als die mit den wertmäßigen Anteilen wi gewichtete Summe der erwarteten Renditen i der darin enthaltenen Wertpapiere i = 1, …, N. Die Volatilität des Portfolios ergibt sich entsprechend (3) aus den Kovarianzen ij der Renditen der Wertpapiere i und j. Die letzte Nebenbedingung stellt die Budgetrestriktion dar. Bisher sind in diesem Kalkül ethische Überlegungen nur insoweit enthalten, als diese möglicherweise das Anlageuniversum bestimmt haben. Die konkrete Zusammensetzung des Portfolios erfolgt allein gemäß finanzieller Kriterien (erwartete Rendite, Risiko). Um ethische Kriterien bei der Portfoliozusammenstellung zu berücksichtigen, führen wir eine zusätzliche Nebenbedingung ein:10 N
(5) P = è wi i ‰ i=1
Diese Nebenbedingung besagt, dass das zu wählende Portfolio eine vom Anleger vorgegebene Mindestgüte bezüglich des Ethikgehaltes erreichen muss. Durch Vorgabe von steuert der Anleger, wie stark ethische Kriterien bei seiner Portfoliozusammensetzung berücksichtigt werden. Stark ethisch orientierte Anleger werden ein großes wählen, wodurch bestimmte, ansonsten mögliche Portfoliozusammensetzungen nicht mehr zulässig sind. Vergleicht man die beiden beschriebenen Ansätze, so erkennt man, dass in beiden Fällen aufgrund ethischer Überlegungen Einschränkungen vorgenommen werden. Im Die Zielfunktion f (P , P) wird dabei häufig formuliert als P –P2 , wobei die Risikoaversion des Anlegers charakterisiert. Für die folgenden Überlegungen ist die konkrete Form der Zielfunktion ohne Bedeutung. 10 Bollen (2006) schlägt alternativ vor, ethische Kriterien direkt in die Zielfunktion zu integrieren. Beispielsweise könnte man als Zielfunktion P –P2 +P wählen. gibt hierbei an, wie stark die Präferenz des Anlegers für ethische Anlagen ist. 9
295
Alexander Kempf
ersten Fall betrifft die Einschränkung die Wertpapiere, in die investiert werden darf, das Anlageuniversum wird also eingeschränkt. Im zweiten Fall betrifft die Einschränkung die Handelsstrategien, da diese eine zusätzliche Nebenbedingung erfüllen müssen. Ceteris paribus führen beide Einschränkungen zu einer geringeren finanziellen Performance f(P , P). Ein gutes Gewissen kostet Geld.
3
Performance von ethischen Investments
3.1
Theorie
Wie im vorangegangen Abschnitt erläutert, führt eine Einschränkung von Anlagemöglichkeiten zu einer Reduzierung der Performance. Vorhandene Risikostreuungspotenziale können aufgrund der Beschränkungen nicht genutzt werden, und der Anleger hält diversifizierbares Risiko.11 Diese Sichtweise wird häufig als Einwand gegen ethische Investments vorgetragen. Moskowitz (1972) weist allerdings erstmals darauf hin, dass ethische Unternehmen im Mittel möglicherweise eine höhere Rendite erzielen als die übrigen Unternehmen. Wenn dies zutrifft, könnte ein ethisches Investment trotz des Diversifikationsnachteils eine höhere Performance erzielen als ein konventionelles Investment. Dieser Fall kann auftreten, wenn das Ethikrating eines Unternehmens ein positives Signal bezüglich der Qualität des Unternehmens ist, das von der Mehrheit der Anleger bisher noch nicht berücksichtigt wird. Dann spiegelt sich dieses Signal noch nicht in den Marktpreisen wider und ein Anleger kann es gewinnbringend ausnutzen. Einige gelegentlich vorgebrachte Argumente, warum ethisch orientierte Unternehmen einen größeren Erfolg erzielen sollten als die übrigen Unternehmen, lauten:12 Die Berücksichtigung von ethischen Aspekten ist Zeichen eines weitsichtigen Managements. Ethische Unternehmen investieren in umweltbewusste Technologien und sichern sich so einen Technologievorsprung, der in der Zukunft an Bedeutung gewinnen wird. Nur erfolgreiche Unternehmen können sich die Berücksichtigung ethischer Aspekte leisten. Unabhängig davon, welche Plausibilität man diesen Argumenten beimisst, bleibt festzuhalten, dass ex ante nicht klar ist, dass ethische Investments aufgrund des Diversifikationseffektes eine schlechtere Performance aufweisen als konventionelle Investments. Ob dies der Fall ist, müssen empirische Untersuchungen zeigen.
11 12
296
Vgl. zum Beispiel Grossman/Sharpe (1986) zu einer empirischen Abschätzung des Effekts. Vgl. auch Kurtz (1997).
Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?
3.2
Empirie
In den folgenden Abschnitten untersuchen wir den finanziellen Erfolg von ethischen Investments im Vergleich zu konventionellen Investments. Es werden hierbei die Ergebnisse eigener empirischer Untersuchungen präsentiert und diese in die Literatur eingeordnet.
3.2.1 Ethikfonds Ethikfonds grenzen sich von sonstigen Investmentfonds dadurch ab, dass sie neben finanziellen Zielen auch ethische Kriterien bei ihrer Anlage berücksichtigen. Sie bieten einem Anleger eine einfache Möglichkeit, Geld nach ethischen Kriterien anzulegen.13 Um den Erfolg von Ethikfonds relativ zu sonstigen Investmentfonds zu überprüfen, untersuchen wir eine Stichprobe von Aktienfonds in den USA für den Zeitraum von 1992 bis 2004. Die Einteilung in Ethikfonds und Standardfonds erfolgt anhand der Datenbank von Morningstar. Als Standardfonds wählen wir alle Fonds der Segmente Growth, Aggressive Growth und Growth & Income. Zunächst ermitteln wir die monatlichen Renditen eines gleichgewichteten Portfolios der Ethikfonds, anschließend eine Renditezeitreihe für das gleichgewichtete Portfolio der Standardfonds. In Abbildung 1 sind die kumulierten Renditen der beiden Portfolios im Zeitablauf abgetragen. Man erkennt, dass die Standardfonds im Untersuchungszeitraum eine höhere Rendite erwirtschaftet haben als die Ethikfonds. Allerdings ist zu bedenken, dass dieser Renditeunterschied nicht zwingend eine Outperformance von Standardfonds nachweist. Der Renditeunterschied könnte beispielsweise darauf zurückzuführen sein, dass Standardfonds in größerem Ausmaß systematisches Risiko eingegangen sind. Um für Risikounterschiede und die bekannten Size-, Value- und Momentum-Effekte zu kontrollieren, ermitteln wir die Performances der beiden Portfolios mittels des Ansatzes von Carhart (1997). Als Marktportfolio verwenden wir das CRSP-Portfolio, in dem alle an den amerikanischen Börsen NYSE, AMEX and NASDAQ gehandelten Aktien wertgewichtet enthalten sind. Die Faktoren für die Size- und Value-Effekte entstammen der Datenbank von Kenneth French, der Momentum-Faktor wurde uns auf Anfrage von Mark Carhart zur Verfügung gestellt.14 Unter Verwendung dieser Daten schätzen wir für beide Renditezeitreihen die folgende Regression: M
S
V
MOM
(6) R1 = + 1Rt + 2Rt + 3Rt + 4Rt
+ t
13
Kempf/Osthoff (2007) zeigen, dass die Portfolios von Ethikfonds tatsächlich Unternehmen mit höheren Ethikratings enthalten. 14 Auf der Seite http://mba.tuck.dartmouth.edu/pages/faculty/ken.french/data_libr ary.html finden sich die Daten von Kenneth French.
297
Alexander Kempf
Kumulierte Renditen von Fondsportfolios im Zeitablauf
Abbildung 1:
Rt bezeichnet hierbei die Überschussrendite des Portfolios über den risikolosen Zinssatz in der Periode t und RMt diejenige des Marktportfolios. RSt ist die Rendite des Size-Portfolios, mit dem für den Size-Effekt korrigiert wird. Diese ergibt sich als Differenz zwischen der Rendite eines Portfolios kleiner Unternehmen und derjenigen eines Portfolios großer Unternehmen. Entsprechend bezeichnen RVt die Rendite des ValuePortfolios (Rendite von Value-Aktien abzüglich Rendite von Growth-Aktien) und RMOMt diejenige des Momentum-Portfolios (Rendite von Winner-Aktien abzüglich Rendite von Loser-Aktien). Das sogenannte 4-Faktor-Alpha () gibt die Outperformance an. Die Ergebnisse der Schätzung finden sich in Tabelle 1. Tabelle 1:
Performance von Ethikfonds und Standardfonds Alpha ()
Marktrisiko (1)
Size (2)
Value (3)
Momentum (4)
R2
Ethikfonds
-1,38**
0,92***
0,08***
0,01**
0,00
0,98
Standardfonds
-1,41**
0,99***
0,07***
0,03**
0,00
0,99
*** gibt eine Signifikanz auf dem 1 %-Niveau an, ** eine Signifikanz auf dem 5 %-Niveau und * eine Signifikanz auf dem 10 %-Niveau.
298
Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?
Man erkennt zunächst an den Bestimmtheitsmaßen R2 der Regressionen, dass das Modell sehr gut in der Lage ist, die Renditen der Fondsportfolios zu erklären. Der Unterschied in 1 zeigt, dass Standardfonds tatsächlich ein höheres systematisches Risiko eingegangen sind als Ethikfonds. Nennenswerte Unterschiede bezüglich der übrigen Effekte (2, 3, 4) sind dagegen nicht zu beobachten. Die zentrale Größe in der Tabelle ist das Alpha. Es ist für beide Portfolios negativ. Weder Ethikfonds noch Standardfonds sind in der Lage, eine Outperformance zu erzielen. Ihre Underperformance in Höhe von –1,38 Prozent bzw. –1,41 Prozent entspricht etwa der durchschnittlichen Total Expense Ratio der Ethikfonds (1,41 Prozent) bzw. der Standardfonds (1,35 Prozent). Das bedeutet, dass die Fonds im Mittel (!) vor Kosten etwa die Marktperformance erzielen und nach Kosten eine entsprechende Underperformance.15 Zwischen dem Portfolio von Ethikfonds und dem Portfolio von Standardfonds besteht kein signifikanter Unterschied bezüglich der Performance. Die zentrale Botschaft lautet somit: Durch eine Investition in Ethikfonds stellt sich der Anleger nicht schlechter als durch eine Investition in Standardfonds. Unser zentrales Ergebnis ist kompatibel mit einer Reihe von empirischen Studien in der Literatur, die eine ähnliche Frage für andere Märkte und Zeiträume und mit teilweise anderen Methoden untersucht haben. So finden Hamilton/Jo/Statman (1993), Goldreyer/Diltz (1999), Statman (2000), Bello (2005), Bauer/Koedijk/Otten (2005) für den amerikanischen Markt keine signifikanten Performanceunterschiede zwischen Standard- und Ethikfonds. In einer Analyse für den deutschen und schweizerischen Markt findet Schröder (2004) keinen klaren Performancenachteil für Ethikfonds gegenüber den Standardfonds. Genauso finden Gregory/Luther/Matatko (1997) für den englischen Markt keine Outperformance der Standardfonds gegenüber den Ethikfonds. Ähnliches berichten Kreander et al. (2005) für weitere europäische Märkte. Die vorgestellten Untersuchungen geben Auskunft darüber, welchen Erfolg ein Anleger durch gleichmäßiges Anlegen in verschiedene Ethikfonds (Standardfonds) erzielen konnte. Dieser Erfolg hängt aber in hohem Maße von der Qualität der Fondsmanager ab. So messen diese Studien letztlich Effekte simultan: Bieten ethische Anlagen ein Potenzial für Outperformance und war die Strategie der Fondsmanager geeignet, dieses Potenzial zu heben? Das Performancepotenzial von ethischen Investments zu separieren ist Ziel der folgenden Abschnitte. Hierzu gilt es, den Erfolg regelgebundener Anlagestrategien zu untersuchen, die dem Fondsmanager per Konstruktion keinen Entscheidungsspielraum bei der Umsetzung der Strategie belassen.
3.2.2
Ethikindizes
Ein sehr einfacher regelgebundener Ansatz besteht darin, sein Vermögen entsprechend eines Index zu investieren. Den Erfolg solcher Investitionsstrategien in einen Ethikindex bzw. einen Standardindex untersuchen wir in diesem Kapitel.
15
Selbstverständlich ist damit nicht ausgeschlossen, dass einzelne Fonds dauerhaft eine Outperformance erzielen, während andere Fonds underperformen.
299
Alexander Kempf
Der erste und wohl bekannteste Ethikindex ist der von KLD Research & Analytics seit Mai 1990 berechnete Domini 400 Social Index (DS 400). Der DS 400 besteht aus 400 Aktien, wobei 250 dieser Aktien auch im S&P 500 vorkommen. Als Standardindex wählen wir den S&P 500. Abbildung 2 zeigt die Entwicklung der kumulierten Renditen beider Indizes im Zeitraum von 1992 bis 2004. Abbildung 2:
Kumulierte Renditen von DS 400 und S&P 500 im Zeitablauf
Man erkennt an der Grafik unmittelbar die höhere Rendite des DS 400 im Untersuchungszeitraum. Die durchschnittliche jährliche Rendite beträgt 12,06 Prozent für den DS 400 im Vergleich zu 11,23 Prozent für den S&P 500. Wie bei der Fondsuntersuchung in Kapitel 3.2.1 ermitteln wir auch hier die Performance des DS 400 und des S&P 500 mittels des Modells (6). Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 dargestellt.
300
Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?
Tabelle 2:
Performance von DS 400 und S&P 500 Alpha ()
Marktrisiko (1)
Size (2)
Value (3)
Momentum (4)
R2
DS 400
2,28**
0,98***
-0,20***
-0,07**
-0,03***
0,95
S&P 500
0,89**
0,98***
-0,21***
--0,01***
-0,03***
0,99
*** gibt eine Signifikanz auf dem 1 %-Niveau an, ** eine Signifikanz auf dem 5 %-Niveau und * eine Signifikanz auf dem 10 %-Niveau.
Man erkennt keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Indizes bezüglich der Parameter 1, 2 und 4. Lediglich im Value-Faktor zeigen sich Unterschiede: Im DS 400 sind Value-Aktien weniger stark vertreten als im S&P 500. Beide Indizes weisen im Untersuchungszeitraum eine Outperformance relativ zum CRSP-Index auf. Das Alpha für den DS 400 liegt mit 2,28 Prozent aber signifikant höher als das Alpha des S&P 500. Dies bedeutet, dass der Ethikindex eine bessere Performance erwirtschaftet hat als der Standardindex. Ein ähnliches Ergebnis berichten Kurtz/DiBartolomeo (1996), Sauer (1997), Statman (2006) und Schröder (2007). Bei der Interpretation der Ergebnisse von Tabelle 2 ist zu beachten, dass ein Anleger die Renditen eines Index nicht exakt durch Investitionen in das zugrunde liegende Aktienportfolio erreichen kann. Indexanpassungen erzeugen beim Investor Transaktionskosten, die bei der Berechnung des Index nicht berücksichtigt werden. Deshalb soll im Folgenden eine Strategie untersucht werden, die von einem Anleger problemlos verfolgt werden kann, nämlich die Investition in einen Indexfonds. Während für den S&P 500 eine reiche Auswahl von Indexfonds zur Verfügung steht (wir wählen den Vanguard 500 Index Fund in unserer Untersuchung), wird der DS 400 nur von sehr wenigen Fonds nachgebildet. Wir wählen beispielhaft den Domini Social Equity Fund, der die längste Historie aufweist.16 Da der Vanguard 500 Index Fund eine deutlich niedrigere Total Expense Ratio aufweist als der Domini Social Equity Fund (0,18 Prozent vs. 0,92 Prozent), ist zu erwarten, dass sich der Performancevorsprung des ethischen Investments im Untersuchungszeitraum von 1992 bis 2004 verringert. Diese Vermutung wird durch Tabelle 3 gestützt.
16
Der Domini Social Equity Fund ist seit dem 1. Dezember 2006 kein Indexfonds mehr. Zu einer Übersicht über Indexfonds auf den DS 400 vgl. http://www.kld.com/indexes/faq.html.
301
Alexander Kempf
Tabelle 3:
Performance von DS 400 und S&P 500 Indexfonds Alpha ()
Marktrisiko (1)
Size (2)
Value (3)
Momentum (4)
R2
DS 400 Indexfonds
1,17**
0,97***
-0,21***
-0,07***
-0,03***
0,95
S&P 500 Indexfonds
0,81**
0,98***
-0,21***
--0,01***
-0,03***
0,99
*** gibt eine Signifikanz auf dem 1 %-Niveau an, ** eine Signifikanz auf dem 5 %-Niveau und * eine Signifikanz auf dem 10 %-Niveau.
Die Faktorsensitivitäten 1 bis 4 sind im Vergleich zu Tabelle 2 nahezu unverändert, nur das Alpha ist bei beiden Fonds geringer als bei dem zugehörigen Index. Wir finden jetzt auch keinen signifikanten Unterschied mehr zwischen den Alphas der beiden Fonds, sodass wir zu demselben zentralen Ergebnis wie in Abschnitt 3.2.1 gelangen: Durch eine Investition in Ethikfonds stellt sich der Anleger nicht schlechter (aber auch nicht signifikant besser) als durch eine Investition in Standardfonds.
3.2.3
Aktienportfolios auf Basis von Ethikratings
Bei der regelgebundenen Anlagestrategie des vorhergehenden Abschnittes war nur entscheidend, ob eine Aktie im DS 400 oder im S&P 500 Index enthalten war. Indexzugehörigkeit diente als Anlagekriterium. Es ist aber leicht vorstellbar, dass sich auch die Aktien innerhalb eines Indexes noch bezüglich ihres Ethikgehaltes unterscheiden. Ziel dieses Abschnittes ist es, eine regelgebundene Strategie zu implementieren, bei der in die Aktien mit dem höchstem Ethikrating investiert wird. Als Vergleichsstrategie wählen wir ein Portfolio aus den Aktien mit den niedrigsten Ethikratings. Durch den Vergleich dieser beiden Portfolios kann man das Performancepotenzial einer auf Ethikratings basierten Anlagestrategie ermitteln. Im Folgenden berichten wir nur die Ergebnisse eines Vergleichs des Top10-Prozent-Portfolios mit dem Bottom10-ProzentPortfolio, wobei die Ethikratings auf Basis des Best-in-Class-Ansatzes ermittelt sind. Eine ausführliche Analyse weiterer Portfolios und anderer Screening-Ansätze findet sich in Kempf/Osthoff (2006), wo auch die Details der Untersuchung ausgeführt sind. Die Anlagestrategie sieht wie folgt aus: In jedem Jahr ermitteln wir im Rahmen eines Best-in-Class-Ansatzes für jede Aktie unseres Anlageuniversums ein aggregiertes Ethikrating auf Basis der KLD-Kriterien Community, Diversity, Employee Relations, Environment, Human Rights und Product.17 Entsprechend dieses Ratings legen wir im Folgejahr an. Hierzu bilden wir zu Beginn des Jahres zwei wertgewichtete Portfolios. Das Top10-Prozent-Portfolio umfasst die Aktien, die gemäß Ethikrating zu den besten 10-Prozent jeder Branche zählen. Das Bottom10-Prozent-Portfolio umfasst entspre-
17
302
Vgl. http://www.kld.com/research/stats/indicators.html zu den verwendeten Kriterien und den sich dahinter verbergenden Sub-Kriterien.
Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?
chend die gemäß Ethikrating schlechtesten Aktien. Die so zu Jahresbeginn gebildeten Portfolios werden bis zum Jahresende gehalten. Dann erfolgt ggf. eine Umschichtung entsprechend der dann neu ermittelten Ethikratings. Das Anlageuniversum umfasst alle Aktien des S&P 500 und des DS 400, der Anlagezeitraum wiederum die Jahre 1992 bis 2004. Zunächst zeigen wir in Abbildung 3 die kumulierten Renditen der beiden Strategien. Abbildung 3:
Kumulierte Renditen von Top10 %- und Bottom10 %-Portfolio im Zeitablauf
Man erkennt deutlich, dass das Top10-Prozent-Portfolio eine höhere Rendite aufweist als das Bottom10-Prozent-Portfolio. Die durchschnittliche Rendite für ersteres beträgt 12,49 Prozent und für letzteres 9,47 Prozent. Um die Überlegenheit des Top10-ProzentPortfolios weiter zu untersuchen, ermitteln wir wiederum das 4-Faktor-Alpha gemäß (6). Die Ergebnisse hierzu finden sich in Tabelle 4.
303
Alexander Kempf
Tabelle 4:
Top10 %
Performance von Top10 %- und Bottom10 %-Portfolio Alpha ()
Marktrisiko (1)
Size (2)
Value (3)
Momentum (4)
R2
-2,88**
0,92***
-0,17***
0,01
-0,07***
0,90
1,10***
-0,20***
0,18***
-0,14***
0,89
Bottom10 % -2,01
Man erkennt an den Faktorsensitivitäten 1 bis 4 zunächst, dass sich die beiden Portfolios deutlich unterscheiden. Die wesentlichen Unterschiede betreffen das systematische Risiko und den Value-Faktor. Das Bottom10-Prozent-Portfolio weist ein höheres systematisches Risiko auf und beinhaltet in stärkerem Maße Value-Aktien. Entscheidend für unsere Analyse sind wiederum die Alphas. Hier findet man ein deutliches Ergebnis: Das Top10-Prozent-Portfolio weist ein positives Alpha von fast drei Prozent auf, während das Bottom10-Prozent-Portfolio ein negatives Alpha von zwei Prozent aufweist. Der Unterschied zwischen beiden ist statistisch hoch signifikant. Eine Strategie, bei der man „long“ im Top10-Prozent- und „short“ im Bottom10-Prozent-Portfolio ist, erbringt damit ein Alpha von fast fünf Prozent – ein Beleg für das hohe Prognosepotenzial der Ethikratings. Es ist überraschend, mit welch einfacher Strategie im Untersuchungszeitraum eine Outperformance erzielt werden konnte. Zur Implementierung der Strategie wurde nur auf öffentlich verfügbare Informationen über das Ethikrating zurückgegriffen. Es ist allerdings zu beachten, dass bei der Ermittlung der in Tabelle 4 berichteten Alphas keine Transaktionskosten berücksichtigt wurden. Angesichts der Tatsache, dass bei der Untersuchung eine Strategie unterstellt wurde, bei der während des Jahres keine Portfolioanpassungen stattfinden, dürften die Transaktionskosten so gering sein, dass auch unter deren Berücksichtigung eine Outperformance durch Berücksichtigung von Ethikratings erzielt werden kann. Die Ergebnisse unserer Untersuchung passen zu den Ergebnissen anderer Studien in der Literatur. Diese verwenden allerdings meist nur das Kriterium Umweltverträglichkeit zur Bildung der Aktienportfolios. Während Yamashita/Sen/Roberts (1999) und Derwall et al. (2005) eine Outperformance der Unternehmen mit einem hohen Umweltrating gegenüber den Unternehmen mit einem niedrigen Umweltrating finden, ergeben sich in Cohen/Fenn/Konar (1997) keine Performanceunterschiede. Ähnlich wie wir verwenden Diltz (1995) und Guerard (1997) mehrere Ethikkriterien. Ihre Ergebnisse sind nicht einheitlich. Diltz (1995) findet eine Outperformance des ethischen Portfolios, wenn dieses auf Basis der Kriterien Rüstungsindustrie, Kernkraft, Spenden und Umwelt gebildet wird. Auf Basis des Kriteriums Familienfreundlichkeit findet er dagegen eine Underperformance. Guerard (1997) dagegen findet dagegen keine Performanceunterschiede zwischen den ethischen und unethischen Aktienportfolios.
304
Ethisches Investment: Was kostet ein gutes Gewissen?
4
Zusammenfassung
Ethische Investments sind ein Wachstumsmarkt, der gerade in jüngster Vergangenheit eine immense Dynamik zeigt. In dieser Arbeit sind wir der Frage nachgegangen, ob ein Anleger durch ethische Investments Performance einbüßt. Die sich aus unseren Untersuchungen ergebende Antwort ist eindeutig: Nein. Vielmehr konnten wir sogar mittels einer auf Ethikratings basierenden Anlagestrategie eine signifikante Outperformance generieren. Ein gutes Gewissen und eine gute Performance – Anlegerherz, was begehrst Du mehr?
Literaturhinweise und Danksagung Ich danke Peer Osthoff für seine wertvolle Unterstützung bei der Erstellung dieses Aufsatzes. BAUER, R./KOEDIJK, K./OTTEN, R. (2005): International evidence on ethical mutual fund performance and investment style, in: Journal of Banking and Finance, Vol. 29, S. 1751–1767. BELLO, Z. Y. (2005): Socially responsible investing and portfolio diversification, in: The Journal of Financial Research, Vol. 28, S. 41–57. BOLLEN, N. P. B. (2007): Mutual fund attributes and investor behavior, erscheint in: Journal of Financial and Quantitative Analysis. CARHART, M. M. (1997): On persistence in mutual fund performance, in: Journal of Finance, Vol. 52, S. 57–82. COHEN, M. A./FENN, S. A./KONAR, S. (1997): Environmental and financial performance: Are they related?, Working Paper. DERWALL, J./GÜNSTER, N./BAUER, R./KOEDIJK, K. (2005): The ecoefficiency premium puzzle, in: Financial Analysts Journal, Vol. 61, S. 51–63. DILTZ, J. D. (1995): Does social screening affect portfolio performance?, in: The Journal of Investing, Vol. 4, S. 64–69. EUROPEAN SOCIAL INVESTMENT FORUM (2006): European SRI Study 2006. GALBAS, F./RUENZI, S. (2007): Anlagestrategien von Ethikfonds und ihre ethische Fundierung, CFR Working Paper. GOLDREYER, E. F./DILTZ, J. D. (1999): The performance of socially responsible mutual funds: Incorporating sociopolitical information in portfolio selection, in: Managerial Finance, Vol. 25, S. 23–36. GREGORY, A./MATATKO, J./LUTHER, R. (1997): Ethical unit trust financial performance: Small company effects and fund size effects, in: Journal of Business Finance & Accounting, Vol. 24, S. 705–724. GROSSMAN, B. R./SHARPE, W. F. (1986): Financial implications of South African divestment, in: Financial Analysts Journal, Vol. 42, S. 15–29. 305
Alexander Kempf
GUERARD, J. B. (1997): Is there a cost of being socially responsible in investing?, in: The Journal of Investing, Vol. 6, S. 11–18. HAMILTON, S./JO, H.; STATMAN, M. (1993): Doing well while doing good? The investment performance of socially responsible mutual funds, in: Financial Analysts Journal, Vol. 49, S. 62–66. KEMPF, A./OSTHOFF, P. (2006): The effect of socially responsible investing on stock market performance, CFR Working Paper. KEMPF, A./OSTHOFF, P. (2007): Socially responsible mutual funds – better than their reputation?, CFR Working Paper. KREANDER, N./GRAY, R. H.; POWER, D. M.; SINCLAIR, C. D. (2005): Evaluating the performance of ethical and non-ethical funds: A matched pair analysis, in: Journal of Business Finance and Accounting, Vol. 32, S. 1465–1493. KURTZ, L./DIBARTOLOMEO, D. (1996): Socially screened portfolios: an attribution analysis of relative performance, in: The Journal of Investing, Vol. 5, S. 35–41. KURTZ, L. (1997): No effect, or no net effect? Studies on socially responsible investing, in: The Journal of Investing, Vol. 7, S. 37–49. MOSKOWITZ, M. R. (1972): Choosing socially responsible stocks, in: Business and Society Review, Vol. 1, S. 71–75. RUENZI, S. (2005): Ethikfonds, in: Die Betriebswirtschaft, Vol. 65, S. 101–104. SAUER, D. A. (1997): The impact of social-responsibility screens on investment performance: Evidence from the Domini 400 Social Index and Domini Equity Mutual Fund, in: Review of Financial Economics, Vol. 6, S. 137–149. SCHÄFER, H./HAUSER-DITZ, A./PRELLER, E. C. (2004): Transparenzstudie zur Beschreibung ausgewählter international verbreiteter Rating-Systeme zur Erfassung von Corporate Social Responsibility, BertelsmannStiftung. SCHRÖDER, M. (2004): The performance of socially responsible investments: Investment funds and indices, in: Financial Markets and Portfolio Management, Vol. 18, S. 122–142. SCHRÖDER, M. (2007): Is there a difference? The performance characteristics of SRI equity indices, in: Journal of Business Finance and Accounting, Vol. 34, S. 331–348. SOCIAL INVESTMENT FORUM (2005): 2005 report on socially responsible investing trends in the United States, SIF Industry Research Program. STATMAN, M. (2000): Socially responsible mutual funds, in: Financial Analysts Journal, Vol. 56, S. 30–39. STATMAN, M. (2006): Socially responsible indexes: Composition, performance and tracking error, in: The Journal of Portfolio Management, Vol. 32, S. 100–109. YAMASHITA, M./SEN, S./ROBERTS, M. C. (1999): The rewards for environmental conscientiousness in the U.S. capital markets, in: Journal of Financial and Strategic Decisions, Vol. 12, S. 73–82.
306
Anhang
Anhang Autorenverzeichnis
Emanuel Arbib ist Chief Executive Officer von Integrated Asset Management, London, einem führenden Anbieter von Dach-Hedgefonds in Europa. Von 1993 bis 2000 fungierte er als Director von Capital Management Ltd mit Schwerpunkt auf Alternative Investments und Fixed Income. Von 1997 bis 2004 war Arbib Director bei der Trident Rowan Group Inc., einem Nasdaq-Unternehmen, zu dem unter anderem der italienische Motorradhersteller Moto Guzzi SpA gehört. Professor Dr. Klaus Peter Berger ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches und Internationales Handels-, Wirtschafts- und Bankrecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung an der Universität zu Köln. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld und der University of Virginia folgte im Jahre 1996 die Habilitation an der Universität zu Köln. Von 1996 bis 2002 war Professor Dr. Berger Lehrstuhlinhaber an der juristischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms Universität Münster. Seit 2005 hat er eine Gastprofessur am Centre for Energy, Petroleum and Mineral Law & Policy der University of Dundee, Schottland, inne. Seine Forschungsschwerpunkte sind Deutsches und Internationales Vertragsrecht, Bank- und Finanzrecht, Recht der Außenhandelsfinanzierung und Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit. Detlef Bierbaum ist persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie S. C. A. Nach Banklehre und Betriebswirtschaftsstudium in Köln und München begann er seine Karriere 1969 bei der Bayerischen Vereinsbank, bevor er im Jahre 1970 zur Allgemeine Deutsche Investment Gesellschaft (ADIG) wechselte, zu deren Geschäftsführer er im Jahre 1974 ernannt wurde. Von 1982 bis 1991 war er Vorstandsmitglied der Nordstern Versicherungen Köln. Seit 1991 ist Detlef Bierbaum Partner des Bankhauses Sal. Oppenheim. Darüber hinaus ist er seit 2002 Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes deutscher Banken. Dr. Manuel Frondel ist Forschungskoordinator und Leiter des Bereiches Umwelt und Ressourcen am Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), Essen. Zuvor war er im Bereich Umwelt- und Ressourcenökonomik am Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim beschäftigt und hatte eine Vertretungsprofessur für Quantitative Methoden an der Fachhochschule Heilbronn inne. Dr. Frondel hat in renommierten internationalen Fachzeitschriften wie dem Review of Economics and Statistics publiziert. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der empirischen Wirtschaftsforschung, vor allem der Anwendung statistisch-ökonometrischer Methoden auf umwelt-, ressourcen- und energieökonomische Fragestellungen. D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
307
Anhang
Professor Dr. Thomas Hartmann-Wendels ist Professor für Betriebswirtschaftslehre, Direktor des Seminars für Allgemeine BWL und Bankbetriebslehre sowie Direktor des Instituts für Bankwirtschaft und Bankrecht an der Universität zu Köln. Nach Studium und wissenschaftlicher Tätigkeit an der Universität zu Köln war er von 1990 bis 1998 Professor für Betriebswirtschaftslehre an der RWTH Aachen. Seit 2001 ist Professor Dr. Hartmann-Wendels Präsident der Deutschen Gesellschaft für Finanzwirtschaft. Professor Dr. Michael Hüther ist Direktor und Mitglied des Präsidiums des Instituts der Deutschen Wirtschaft, Köln. Nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften und Geschichte an der Universität Gießen, während dessen er Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes war, folgten Stationen als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Gießen und im Stab des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Von 1999 bis 2004 war Professor Dr. Hüther Chefvolkswirt und Bereichsleiter Volkswirtschaft und Kommunikation der DekaBank, Frankfurt am Main. Seit 2001 ist er Honorarprofessor an der European Business School Oestrich-Winkel. Professor Dr. Alexander Kempf ist seit 1999 Professor für Betriebswirtschaftslehre und Direktor des Seminars für allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzierung an der Universität zu Köln. Als Stipendiat der Landesgraduiertenförderung BadenWürttemberg promovierte er im Jahre 1995 an der Universität Mannheim, bevor im Jahre 1999 seine Habilitation an gleicher Stelle erfolgte. Professor Dr. Kempf ist Herausgeber der Zeitschrift „Die Betriebswirtschaft“ sowie geschäftsführender Direktor des Centre for Financial Research. Christof J. Kessler ist Mitglied der Geschäftsführung der Oppenheim Kapitalanlagegesellschaft. Dort ist er zuständig für das Renten- und Währungsmanagement. Seine berufliche Laufbahn im Portfoliomanagement begann 1989 in Zürich, wo er für die Interallianz Bank Zürich arbeitete. Im Anschluss daran war er Leiter der zentralen Vermögensbetreuung der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank AG, München. Matthias Graf von Krockow ist seit 1998 Sprecher der persönlich haftenden Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie S. C. A., der größten PrivatbankenGruppe Europas. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium an der Universität zu Köln begann seine berufliche Laufbahn bei der Chase Bank AG in Frankfurt. Es folgten Stationen bei der Chase Manhattan Bank N. A. und der Citibank N. A. in New York, bevor Graf Krockow im Jahre 1984 in das Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie eintrat. Im Januar 1986 erfolgte die Ernennung zum persönlich haftenden Gesellschafter. Norbert Kuls ist als Finanzmarktkorrespondent für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ in New York tätig. Er ist Absolvent der Georg-von-Holtzbrinck-Schule für Wirtschaftsjournalisten in Düsseldorf und berichtet seit 1998 aus der amerikanischen Finanzmetropole, zunächst für das „Handelsblatt“ und seit 2001 für die „F.A.Z.“. Nach Abschluss seines Studiums war Kuls zunächst als Berater für vermögende Privatkunden bei der Deutschen Bank tätig. Zuvor hat Kuls Amerikanistik in Frankfurt am Main und, mit einem DAAD-Stipendium, in Austin/Texas studiert. 308
Anhang
Dr. Wolfhard Leichnitz ist Vorsitzender des Vorstands der IVG Immobilien AG in Bonn, einem der größten Investmenthäuser für Immobilien in Europa. Dort verantwortet er den operativen Zentralbereich Asset Management sowie die Zentralbereiche Kommunikation/Marketing/Research und Personal. Von 1992 bis 2000 war er Mitglied des Vorstands der Hochtief AG, von 2001 bis 2005 Vorstandsvorsitzender der Viterra AG. Dr. Wolfgang Leoni ist seit 2007 Mitglied der Geschäftsführung der Oppenheim Kapitalanlagegesellschaft. Zuvor war er Mitglied der Geschäftsführung der Deka Investment GmbH. Dr. Leoni verfügt insgesamt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im Portfoliomanagement. Zu seinen beruflichen Stationen zählen das Bankhaus Metzler, die Bank in Liechtenstein sowie die Asset-Management-Gesellschaft Lupus Alpha. Robert Lloyd George ist Gründer, Chairman und CEO von Lloyd George Management, London. Der Oxford-Absolvent Lloyd George startete seine Investmentkarriere in London im Jahre 1974. Anschließend arbeitete er unter anderem an der Pariser Börse und beim UN Pensionsfonds in New York. Von 1984 bis 1991 war er Managing Director von Indosuez Asia Investment Services in Hong Kong, bevor er 1991 Lloyd George Management gründete. Robert Lloyd George ist Buchautor mehrerer Bücher, darunter „The East West Pendulum“. Mathias Onischka ist seit 2007 Mitarbeiter beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem Sustainable Finance und Einfluss des Klimawandels auf die Finanzmärkte. Sein beruflicher Werdegang begann 1998 nach dem Volks- und Betriebswirtschaftsstudium an den Universitäten Adelaide, Jerusalem und Chemnitz als freier Wirtschaftsjournalist, bevor er von 2003 bis 2007 als selbstständiger Finanzanalyst für Equities und Devisen arbeitete. Christopher Freiherr von Oppenheim ist persönlich haftender Gesellschafter des Bankhauses Sal. Oppenheim jr. & Cie. S. C. A. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann und Managementstudium in Zürich begann er seine berufliche Laufbahn bei der Citicorp New York. 1993 trat er ins Bankhaus Oppenheim ein, er vertritt die siebte Generation der Familie. Im Jahre 2000 wurde Baron Oppenheim persönlich haftender Gesellschafter, zuerst zuständig für das Risikomanagement, seit Beginn 2004 zuständig für den Gesamtbereich Private Banking. Thomas Orbach ist Leiter der wissenschaftlichen Dienste und Organisation beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Seit seinem Studienabschluss im Jahre 1996 arbeitet der gelernte Bankkaufmann beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie. Zunächst freier Mitarbeiter, wurde Orbach 1999 Projektleiter, bevor er im Jahre 2003 seinen aktuellen Posten übernahm. Seine Arbeitsschwerpunkte sind unter anderem Ressourceneffizienz in Unternehmen und ethisch-ökologisches Investment. Torsten Riecke leitet seit 2001 von New York aus die US-Büros des Handelsblatts. Schwerpunkt seiner Arbeit sind Finanzthemen. Er absolvierte die Georg-von-Holtzbrink-Schule für Wirtschaftsjournalisten, bevor er in Frankfurt und Düsseldorf für die 309
Anhang
Wirtschaftszeitung arbeitete. Seine erste Auslandsstation brachte ihn nach London, wo er von 1997 bis 1999 für das Handelsblatt als Korrespondent über Unternehmen und Politik berichtete. Riecke gehörte als Ressortleiter Unternehmen zur Gründungsmannschaft der Financial Times Deutschland in Hamburg. Ulrich Stockheim ist Managing Partner von Stockheim Media, Köln/Frankfurt, einer Kommunikations-Beratungsgesellschaft mit Schwerpunkt auf Kommunikation in der Finanzwirtschaft. Der Diplom-Volkswirt und gelernte Journalist startete seine Karriere 1993 als Redakteur der Zeitschrift „Wertpapier“, bevor er Ende 1994 zum Wirtschaftsmagazin „Capital“ wechselte. Dort spezialisierte er sich auf Fonds und internationale Geldanlage und berichtete in den Jahren 1998 und 1999 als erster Korrespondent für Capital von der Wall Street. Ulrich Stockheim war 2000 und 2001 mit einer eigenen Rubrik im WDR-Fernsehen präsent und ist Autor der Bücher „Inside Wall Street“ und „Mr. Daks – Aktienstrategien für alle“. Professor Dr. Axel A. Weber ist Präsident der Deutschen Bundesbank und Mitglied im Rat der Europäischen Zentralbank. Dort ist er für die Bereiche Kommunikation, Volkswirtschaft und das Forschungszentrum zuständig. Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Konstanz und der Promotion an der Universität Siegen folgte seine Habilitation in Volkswirtschaftslehre ebd. Stationen seiner akademischen Karriere waren die Universitäten Bonn, Frankfurt und Köln, an denen Professor Dr. Weber Professuren für Wirtschaftstheorie, Monetäre Ökonomik und Internationale Ökonomie innehatte. Dr. Rolf Wickenkamp ist Executive Partner von CAM Private Equity in Köln, einem der größten Manager von Private-Equity-Dachfonds in Deutschland. Nach wissenschaftlicher Tätigkeit an der Universität zu Köln hat Dr. Wickenkamp von 1983 bis 1995 als institutioneller Asset Manager gearbeitet, zuletzt als Vorstand des Versicherungskonzerns Colonia/Nordstern (heute AXA). Seine praktischen Erfahrungen mit Private Equity reichen bis 1987 zurück. Zwischen 1996 und 1998 war er CFO und Mitglied des Verwaltungsrates der internationalen Asset Management- und Privatbankengruppe Liechtenstein Global Trust (LGT). Marco Yanar ist seit Januar 2007 neuer Partner von CAM Private Equity. Nach Bankausbildung und Studium der Betriebswirtschaftslehre begann er 1994 seine berufliche Laufbahn im Bereich Kapitalanlage der Hannover Rückversicherung AG und war dort zuletzt als Head of Private Equity zuständig für die Private Equity Engagements und Finanzbeteiligungen der Hannover Rück Gruppe. Seit 2002 verantwortete Herr Yanar die gesamten Kapitalanlageaktivitäten in Alternative Investments für die Ampega Asset Management.
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Stichwortverzeichnis
ABP 121, 123, 124, 125, 126 Absolute Return 157 Administration 282 Aids 127, 129 Aktienoptionen 136 Alpha 212, 304 alpha 255 Alpha-Generierung 236 Alternative Investments 150 Alwaleed 111, 112, 114, 115, 116, 117, 118 Anlagenstreuung 200 Anleihen 239 Apartheid 158 Apartheidsystem 291 Arbeitskosten 53 Arbeitsplätze 284 Arbitragestrategien 199 ASEAN 259 Asien 261 Asset Allocation 187, 245 Asset-Backed-Securities 239 Asset-Liability Management 203 Asset-Manager-Selektion 190 Auslandsforderungen 26 Auslandsinvestitionen 25
Baker, George 164 Bank für Internationalen Zahlungsausgleich 38 Banken 93 Bankenregulierung 28 Bankensektor 57 Bankenübernahmen 24 Basel II 44, 57 Bear Market 200 Bear Stearns 165 Benchmarkkonzepte 255
Beratungsprozess 247 Berichterstattung 92 Berkshire Hathaway 128, 132 Bessemer Trust 176 Best-in-Class-Screening 294 Blackstone 164, 167 Bodenschätze 266 Börsencrash 235 Buffett, Warren 113, 118, 127, 128, 129, 138, 153 Bull Market 200 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht 184, 229 Bundesverband Investment und Asset Management 227 Buy-and-Hold-Strategie 232 Buy-out-Finanzierungen 271
CalPERS 135, 136, 137, 138, 139, 140, 141, 142 Capstone 169 Carbon Disclosure Project 92 Carried Interest 165, 280 Cash Management 276 Checks and Balances 186 China 257, 259, 260, 262, 264 Citigroup 111, 113, 114, 138 Club Deals 170 Club of Rome 64, 65 Coca-Cola 132, 138 Codes of Best Practice 40 Codes of Conduct 40 Common Law 41 Constant-Mix-Strategie 248, 249, 250, 251, 252, 253 Consulting 179 Controlling 179
D. Bierbaum (Hrsg.), So investiert die Welt, DOI 10.1007/978-3-8349-8969-7, © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008
311
Stichwortverzeichnis
Core-Investoren 222 Core-Plus-Investments 222 Corporate Family Offices 177 Corporate Governance 40, 135, 185 Covenants 241 CRSP-Portfolio 297
Euro-Staatsanleihen 237 Evans, Andrew 130 Existenzgründung 56 Explorationstechniken 67 Exportentwicklung 7 Exzellenzinitiative 147
Dachfonds 207, 214, 276 Dachhedgefonds 198, 200, 209, 213 Derivate 231, 239 Devisenfonds 241 Devisenmärkte 264 Dienstleistungssektor 50 Direktinvestitionen 7, 8, 9, 10, 20, 22, 23, 24, 29, 30 Distressed Fonds 273 Diversifikation 189, 278 Donaldson, William 137 Doppelbesteuerungsabkommen 231 Duration 254
Familienvermögen 192 Family Office 175, 176 Feckner, Rob 135, 138, 139, 141 Finanzierungsformen 57 Finanzinvestoren 164 Finanzmarktordnung 30 Finanzmarktstabilität 30 Forschungsförderung 148 Fremdkapitalkosten 87 Fremdmanager 185 Fresh-Money-Fonds 229 Fusionen 12, 27
Edelmetalle 65 Efficient Frontier 278 Einkommensteuergesetz 230 Emerging Markets 142 Emissionsrechte 87 Energiebedarf 82 Enron 137 Erdatmosphäre 79 Erderwärmung 80, 81 Erdgas 65, 67 Erdkruste 68 Erdöl 65, 67 Erneuerbare-Energien-Gesetz 87 Ertragskurvenverlauf 250 Ethikfonds 291, 297, 299, 302 Ethikgehalt 293, 295, 302 Ethikindex 299, 300, 301 Ethikorientierung 293 Ethikrating 294, 296, 302, 303, 304 European Public Real Estate Association 226 Euro-Rentenfonds 236, 242 312
Gates, Bill 127, 128, 130 Gates, Melinda 127, 128 Gebühren 189 Geldmarktfonds 239 Geschlossene Immobilienfonds 230, 231 Gesundheitsprogramm 129 Gewerbeimmobilien 219, 224 Giuliani, Rudolph 112 Globalisierung 5, 7, 28 Going Private 163 Grenzen des Wachstums 67 Gross Domestic Product 284 Grünes Geld 292
Harrigan, Sean 138 Harvard 160 Hebelwirkung 197 Hedgefonds 23, 30, 140, 156, 158, 159, 197 Hedging-Strategien 210 Heuschrecken 166, 168
Stichwortverzeichnis
High Net Worth Individuals 202 Humankapital 56 Hypothekenmarkt 170
IAS/IFRS-Bilanzierung 28 Immobilien 140, 141 Immobilienaktien 225 Immobilienaktiengesellschaften 224, 225 Immobilienfonds 227, 228 Immobilien-Spezialfonds 229 Immobilienstandort Deutschland 219 Implementierungsstrategien 248 INCOTERMS 39 Indexfonds 301 Indien 260, 264, 266 Industriepolitik 55 Industrieproduktion 51 Information Ratio 254 Innenfinanzierung 56, 58 internationale Arbeitsteilung 49 Internationale Handelskammer 38 interner Zinsfuß 280
Korrelation 281 Kostenwettbewerb 54, 55 Kraftwerkstechnologien 87 Kravis, Henry 163, 166, 168, 169, 170 Kreditrisiko 13 Krull, Wilhelm 145, 147, 148 Kurtosis 252
Jones, Alfred 197, 207 Juniorprofessuren 147
Larson, Michael 130 Lateinamerika 262, 266 LBO-Transaktionen 11, 12, 13, 14 Lebensversicherungspolicen 203 Leerverkäufe 211 Legal Transplants 41, 42 Lehmann, Dieter 150, 151 Leistungsbilanz 19 Lerner, Josh 158 Leverage 197, 199, 205 Leveraged-Buy-outs 11 Levin, Richard 158 Limited Partnership 272, 275 Limits to Growth 64 Liquidität 282 Long Term Capital Management 204 Long-Only-Aktienfonds 206 LTCM-Krise 30
Kapitalerhaltung 149, 150 Kapitalexport 19 Kapitalimport 19, 20, 21 Kapitalverkehrsbilanz 19 Kartellrecht 44 Kinderarbeit 293 Kingdom Holding Company 113 Kjaer, Knut 104, 106, 107 KKR 163 Klimarisiken 85, 90 Klimaschäden 85 Klimaschutz 82 Klimawandel 79, 83, 84, 85, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 292 Kohlberg, Jerome 163, 165 Kommunikationskosten 56
Managerselektion 278 Markets in Financial Instruments Directive (MIFID) 44 Marktordnungsrecht 37, 44 Mergers & Acquisitions 23 Meyer, Jack 155, 160 Mezzanine-Finanzierungen 271 Mezzanine-Fonds 273 Microsoft 131 Mikrodarlehen 240 Milken, Michal 166 Modigliani-Miller-Theorem 12 Monte-Carlo-Simulationen 247, 251, 252, 253 Morley, James 154 Mövenpick Hotels and Resorts AG 117 313
Stichwortverzeichnis
Multi Family Office 177 Multigenerationen-Familien 183 Multistrategiefonds 199 Munsters, Roderick 122, 123, 125 Müntefering, Franz 166
Nachranganleihen 241 National Association of Real Estate Investment Trusts 226 Net Asset Value 280 Neue Wachstumstheorie 52, 54, 55 New-Economy-Blase 8 Nicht-Regierungsorganisationen 38 Niedersachsen 145 Nigeria 133 Norges Bank 108 Norwegen 101 Nystuen, Gro 104
Offene Immobilien-Publikumsfonds 226 Offenheitsgrad 5, 6 Off-Shore Investment Corporation 198 Öl- und Gasgeschäft 101 Ölpreiskrise 73 Ölreserven 66 Oppenheim KAG 246 Oppenheim Vermögenstreuhand GmbH 175 opportunistische Investoren 222 Opportunity-Fonds 235, 241, 242 Osteuropa 265 Outsourcing 182, 186
Payer Swap 239 Pensionsfonds 103, 121, 123, 135, 136, 140, 163, 164, 202, 215, 272 Pensionskassen 222 Pepsico 118 Performancemessung 280 Philanthropie 127 Poolfonds 229 Portable Alpha-Strategien 255 314
Portfoliotheorie 189, 277 Preiswettbewerb 54 Price/Earnings-Ratios 280 Prime Yield 219 Principal-Agent-Dilemma 181 Private Equity 11, 156, 271 Private Governance 39, 40, 43, 45 Private Investment Partnership 198 Privatisierungen 265 Privatrecht 42 Privatrechtsvereinheitlichung 37 Produktinnovationen 284 Produktionsverlagerung 7 Produktivitätssteigerung 284 Prudent Man Rule 272, 285
Qualitätswettbewerb 54
Read, Russell 140, 141, 142 Reagan, Ronald 136 Real Estate Investment Trusts (REITS) 224, 225, 226 Rechtsordnungen 36, 40 Rechtsquellenlehre 41 Rechtsvereinheitlichung 36 Recycling 70 Recyclingpotenzial 69 Regierungsorganisationen 38 Regionalpolitik 55 Rentenfonds 207, 235, 240 Rentenmanagement 233, 241 Reporting 179 Ressourcenökonomik 65 Risikokapital 58 Risikonutzenfunktion 247, 248 Risk Framing 247 RJR Nabisco 166, 168 Roberts, George 163, 169, 170 Rohstoffe 63, 64, 266 Rohstoffpreise 66, 67, 70, 72 Royal Dutch Shell 133 Russland 261 Rüstungsbranche 293
Stichwortverzeichnis
Sarbanes-Oxley-Reformgesetz 137 Schuld- und Sachenrecht 43 Schwellenmärkte 259, 260, 262, 263 Screening 293, 294, 295 Securities and Exchange Commission 214 Shareholder Advocacy 292, 294 Shareholder Value 88 Sharpe Ratio 281 Short-Selling 197, 198 Single Family Office 176 Single-Manager-Fonds 202 Social Responsible Investments 291 Soft Law 39, 40 Solarunternehmen 87 Soros, George 197 Spekulationsblase 236 Standortbedingungen 56 Standortpolitik 55 Standortwettbewerb 54, 56 Statens Pensjonsfonds 101 Statens Petroleumfond 101 statische Reichweite 65 Stiftungen 207 Stiftungsfonds 155, 157, 159, 211 Stone, Oliver 166 Stonesifer, Patty 129 strategische Asset Allocation 245, 246, 248 Stresssituationen 249 strukturierte Anlagen 231 Strukturwandel 49, 52, 53 Studiengebühren 56 Südafrika 158, 266, 291 Swensen, David 153, 154, 155, 156, 157, 158, 159, 160
taktische Asset Allocation 245, 246, 253 Talentförderung 184 Tobin, James 156 Total Expense Ratio 301 Transaktionskosten 56, 224, 278, 301, 304 Treibhauseffekt 79
Treibhausgase 80 Treibhausgasemissionen 81, 82 TVPI-Ratio 280
Übernahmen 10, 12, 27, 163 UCITS-Richtlinie 209 Umweltschutz 87, 137 Umweltverträglichkeit 293, 304 Universitätsfonds 160 Unternehmensanleihen 241 Unternehmensfinanzierung 12, 57, 58 Unternehmensnachfolge 284 Unternehmenswert 89 Unternehmenszusammenschlüsse 13
Valdes, Charles 142 Value-Added-Investments 222 Value-at-Risk 247, 253 Venture Capital 271, 273, 274, 279 Vermögensallokation 188 Vermögensverwalter 93, 190, 192 Verschuldungsgrad 14 Versicherungen 93 Versicherungsgesellschaften 203 Vertragsrecht 42 Volatilität 281 Volatilitätsbewertung 252 VolkswagenStiftung 145, 147
Währungsfonds 240 Währungsrisiken 239 Walt Disney 115, 132, 137 Weill, Sanford 138 Weltbevölkerung 263 Weltsozialprodukt 5 Wertsicherung/WertsteigerungStrategie 248, 250, 252, 253 Wettbewerbsvorteile 54 Wetteranomalien 84 Wirtschaftspolitik 52 Wissenschaftsförderung 147 Wohltätigkeit 112 315
Stichwortverzeichnis
Wohltätigkeitsorganisationen 202 Wohlverhaltensregeln 40 Worldcom 137
Yale-Universität 153 Yield Compression 219 Yield Gap 220
316
Zertifikate 225 Zinsentwicklung 221 Zinshaus 222 Zinsstrukturkurven 238 Zinsswaps 239 Zinszyklen 237