Gerade praktizierende Analytiker, deren Lehranalyse und Selbsterfahrungsgmppe schon einige Zeit zurückliegen, äußem häuf...
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Gerade praktizierende Analytiker, deren Lehranalyse und Selbsterfahrungsgmppe schon einige Zeit zurückliegen, äußem häufIg das Bedürfnis, ihre Selbstanalyse weiter voranzutreiben, besonders unter dem Eindruck ihrer aktuellen analytischen Erfahrungen. In diesem Buch wird beschrieben, welche Hindernisse der Selbstanalyse entgegenstehen und wie man dennoch seine Selbstanalyse weiterentwickeln kann. Daneben gibt es dem Psychotherapeuten Hinweise darauf, was er tun kann, um die selbstanalytische Kompetenz seiner Patienten zu fördem.
KarlKößig_
Hinweise und Hilfen
ISBN 3-525-45779-0
Vandenhoeck &Ruprecht
Inhalt
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
König, Karl: Selbstanalyse: Hinweise und Hilfen / Kar! König. - Göttingen; Zürich: Vandenhoeck und Ruprecht, 1994 ISBN 3-525-45779-0 © 1994 Vandenhoeck & Ruprecht in Göttingen. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Hubert & Co., Göttingen Printed in Germany
Vorwort
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7
Zur Analyse von Charakter und Übertr~gungGrundlagen, auf denen dieses Buch baSIert
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11
Die Arbeitsbeziehung in der Selbstanalyse
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16
Selbstanalyse von Übertragung und Charakter
..
19
Zum Problem der Ich-Syntonizität
.
23
Private und berufliche Selbstanalyse
.
24
Schwellensituationen
.
25
Selbstanalyse in Paarbeziehungen
.
28
Selbstanalyse und Kinder
..
33
Zur Technik der Selbstanalyse
.
35
Die freie Assoziation in der Selbstanalyse
..
47
Feedback
.
49
Selbstanalyse und projektive Identifizierung
.
55
Abstinenzverletzungen und agierendes Reinszenieren und die Selbstanalyse
.
57
Toleranz und Takt im Umgang mit sich selbst
..
61
5
Durcharbeiten - das Mißverständnis Automatik
.
65
Fixierung auf die Genese als Widerstand .......................
68
Identitätswiderstände ........................................................
70
Träume in der Selbstanalyse
.
72
~~ fallen de~ Therapeuten Träume ein,
die sIch auf Patienten beziehen? ...................................... Sexualität
77
.............................................................................
79
Macht und sadomasochistische Beziehungsformen ...... Die Eignung verschiedener Persönlichkeitsstrukturen zur Selbstanalyse
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Erg~ze~des zur Selbstanalyse in der ArbeIt ffilt Patienten ........................................................... Selbstanalyse während und nach einer Selbsterfahrungsgruppe
.
Zu den Grenzen einer Selbstanalyse
..
~aben neuere Erkenntnisse in der eigenen bIpersonalen Analyse eine Rolle gespielt?
..
Die Selbstanalyse und das Institut Literatur
...................................
...............................................................................
Register ................................................................................
6
83 87
93
95 99
101 102 109 113
______Vorwort
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Wohl alle Psychoanalytiker und viele Psychotherapeuten sind sich darin einig, daß die Selbsterfahrung, mit der in der eigenen Psychoanalyse oder einer psychoanalytischen Gruppe begonnen wurde, in einer Selbstanalyse fortgesetzt werden sollte. FREUD (1937) sprach von unendlicher Analyse. Selbstanalytische Fähigkeiten sind im Privatleben nützlich; für die psychotherapeutische Tätigkeit sind sie unentbehrlich, wenn der Therapeut Gegenübertragungsanalyse betreiben will. In meinen bisherigen Büchern habe ich schon einige Hinweise zur Selbstanalyse gegeben. Es fehlt aber ein Buch, das systematischer und ausführlicher auf die Technik und die häufigsten Gegenstände der Selbstanalyse eingeht und die Möglichkeiten der Selbstanalyse von denen der »bipersonalen« Analyse und der Selbsterfahrungsgruppe abgrenzt. Ein solches Buch lege ich hier vor. Wer es erlebt hat, wie sich seine inneren Konflikte im interpersonalen Beziehungsfeld einer Analyse darstellten, wie intensiv die Gefühle waren, die dabei auftraten und wie erleichternd Deutungen wirkten, die das Erlebte neu ordneten und verständlich machten, wie es zustande kam, könnte demgegenüber ein Sich-selbst-Analysieren, das im eigenen Kopf und nicht in einem Beziehungsfeld stattfindet, für ganz und gar unzureichend halten. In jeder Analyse gibt es aber auch Phasen des Durcharbeitens, in denen der Analysand Erkenntnisse, die er in der Beziehung zum Analytiker gewonnen hat, auf die Beziehungen zu anderen Personen anwendet. Ein großer Teil der Beziehungswünsche und Beziehungsbefürchtungen tritt überhaupt zuerst in den Beziehungen zu anderen Personen als dem Therapeuten auf und manifestiert sich erst später in der Beziehung zu ihm. Auch gibt es in jeder Analyse Phasen, in denen Analysand und Analytiker gemeinsam die Beziehungen zu Personen außer7
ha~b der Analyse betrachten. In diesen Zeiten ist der Analytiker Lehrer und Helfer. Obwohl es auch dann Übertra~~gen au! ihn gibt, haben sie doch meist eine geringe IntensItat.und smd nicht unmittelbar Gegenstand des Gesprächs. DIesen Phasen der Analyse gleicht eine Selbstanalyse am e~esten~.nur~aß dabei der Analytiker als Lehrer und Helfer rucht prasent 1st - man kann sich aber an ihn erinnern, er hat dem Analysanden gezeigt, wie es gemacht wird. Der Analysand hat von ihm gelernt und kann das Gelernte wenigstens ~um Te~ selbständig anwenden. Andererseits fehlt die objektivere SIch~ de~ AI:alytikers. Sie kann objektiver sein, weil d~r ~alytiker m dIe Beziehungen des Analysanden nicht so ~.~kt m.vol~iert ist wie der Analysand selbst. Mehr Objektiv~tat er?Ibt s~ch auch ~araus, daß Analysand und Analytiker ~cht .~Ie g~eIchen »blinden Flecken« aufweisen. Der Analytiker ubersIeht andere Dinge als der Analysand, und umgekehrt. Oft wird davon ausgegangen, daß der Analytiker ins~es~t w,eniger blinde ~ecken hat als der Analysand. Das IS! rucht emmal notwendig, oft genügt schon der Arbeitsvorte~ der Dyade. ~dererseitskann es sein, daß der Analytiker seme falsche SIcht der Dinge durchsetzt, weil ihm sein Ex~~.rtenstatusund bestimmte Formen der Übertragung Autontat geben. A~ eine bipersonale Analyse mit verteilten, sich unterscheIdenden Rollen, deren Unterschiedlichkeit auch das Erleben früherer Beziehungsformen begünstigt, muß der Selbst~alys~d ver~ichten. Er kann aber neue Anwendungsber~Ich~ für das m der Analyse bereits Erkannte finden und v~~I~eIcht Anschlußentdeckungen machen, die zwar nicht volli~ Neues bringen, den Bereich des Erkannten aber in BereIche des Unerkannten hinein erweitern. . ~anC~al wird man al~ Analytiker von Laien gefragt, ob sI.e SIch rucht selbst analySIeren könnten, wenn sie nur über dIe entsprechenden theoretischen Kenntnisse verfügten. FREUD habe das ja auch getan. . Nun. War FREUD von einem Forscherdrang getrieben, der SIch semem Symptomleidensdruck hinzugesellte und der ~ohl nur Er~t~ntdeckern in einem neuen Wissensgebiet in dieser Intensltat zur Verfügung steht. An anderer Stelle wer8
de ich noch darauf eingehen, daß FREUDS Freund FLIESS bei dieser Selbstanalyse eine besondere Rolle spielte. . Außerdem sammelte FREUD praktische Erfahrungen rucht in einer Analyse bei einem anderen Analytik~r, wohl ab~r in der Arbeit mit seinen Patienten. Jeder Analytiker, der semen Patienten mit einer Intervention erreichen will, sollte sich ein Stück weit mit dem Patienten identifizieren; unter anderem deshalb, weil er dessen Toleranzgrenze einschätzen mu~, um sie nicht zu überschreiten oder von ihr weiter fernzubleIben als nötig. 'Ein Analytiker gewinnt also ~rfahr~gen ~uf dem Wege der Identifizierung, eines ~ontrolli.ert~nSIch-Hineinversetzens in Patienten, das mit direkter EInfühlung, aber auch mit den vorangegangenen Erfahrungen zu tun hat, die er im Umgang mit anderen Patienten s~elte. Manches, was man an Patienten sieht, kennt man von SIch selbst, oder man entdeckt es bei sich neu. Insofern kann eine Analyse eines Patienten in die eigene Analyse eingebaut werden, und zwar in eine Analyse im bipersonalen Setting, aber auch in eine Selbstanalyse. Diese Selbstanalyse auf dem ymweg über die Analyse des Patienten stand FREUD al~ Mittel ~er Selbsterkenntnis zur Verfügung. Psychoanalytische LaIen haben diese Möglichkeit nicht. Obwohl dieses Buch vielleicht auch Menschen Nutzen bringen kann, die selbst nie analysi~rt worde~ sind und selbst nie jemanden analysiert haben, 1St es doch Im wesen!lichen für ehemalige Analysanden gedacht. Aber auch P~ti enten und Lehranalysanden, die sich noch in ~alyse be~ den kann es vielleicht helfen, den selbstanalytischen Anteil ihr:r Analyse besser zu bewältigen, nämlich die analytische Arbeit zwischen den Sitzungen. Indirekt gibt das Buch de~ Therapeuten auch Hinweise darauf, wie er di~ selbst~alyti schen Fähigkeiten seiner Patientinnen und Patienten fordern kann, mit denen er arbeitet. . . Wieder danke ich den Kolleginnen und Kollegen, die SIch mir in Selbsterfahrung und Supervision anvertra.ut habe~, und natürlich auch meinen Patientinnen und Patienten fur das was ich von ihnen lernen konnte. Besonders danke ich wi:der meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der vergangenen zwölf Jahre in der Abteilung für klinische Grup9
~enpsychotherapie an der Georg August Universität in Göt-
~gen und .~en Kolleginnen und Kollegen, die ich schon in
frühere~ Buc~ern g~nannt habe, für viele interessante und ~~~tive DISkusslOnen über psychotherapeutische Techke ich ;:;~o.ZIMAL~E und ~rau ELIsABETH WILDHAGEN dan-
.. c eIbarbeIten, die rasch und zuverlässig aush d geführt wurden, Frau SUSAN LATHE für' da läßli h s rasc e un ~e~ Lc e Suchen von Literatur. Frau WILDHAGEN fungierte esen der, Fahnenkorrekturen bezüglich des Inhalts es~~ Buches, WIe auch schon bei früheren Büchern als eine ~er~rpMex:mg von Normalität und gesundem Mens~enver san. emer Frau GISELA danke ich fü'r Am e' th . egungen aus I?ene~ erapeutischer Praxis und meinem Sohn PETER für HinweIse aus der jüngeren Generation von Medizinern di auch an Psychotherapie Interesse haben, ' e
Zur Analyse von Charakter und Übertragung - Grundlagen, auf denen dieses - - - - - Buch basiert _
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....
Unsere Charakterhaltungen sind mit spezifischen Befürchtungen verbunden, von denen viele nicht direkt auf Kindheitserlebnisse zurückgeführt werden können. Das liegt daran, daß die Erinnerungen an die Kindheitserlebnisse unter Einsatz von Abwehrmechanismen umgeformt worden sind. Es besteht nicht in jedem Falle eine direkte Analogie zwischen den Kindheitserlebnissen und den aktuellen Befürchtungen. Viele Kindheitserinnerungen bleiben auch für immer verloren, besonders solche aus den ersten drei Lebensjahren. Bei manchen »Kindheitserinnerungen« handelt es sich um sogenannte Deckerinnerungen, Sie hängen mit Kindheitserlebnissen zusammen, sind aber selbst keine. WIr erinnern nicht immer das, was am häufigsten war. Manche Kindheitserinnerungen beziehen sich gerade auf Ausnahmen; nicht auf das Häufige oder Charakteristische. Im Laufe langer Psychoanalysen dringt man in manchen Fällen vielleicht - sicher kann da keiner sein - bis zu den Ursprüngen vor. In einer Selbstanalyse hingegen gelingt gerade das so gut wie nie. Oft genügt es aber, gegenwärtige Befürchtungen mit den realen Verhältnissen zu konfrontieren und zu vergleichen. Ein sehr mißtrauischer Mensch kann sich fragen, wie oft seine Erwartungen sich bestätigt haben. Ebenso kann sich ein vertrauensseliger Mensch fragen, wie oft er mit seiner Vertrauensseligkeit schlechte Erfahrungen gemacht hat. Diese Methode des Vergleichs unserer negativen und positiven Erwartungen mit der erfahrenen Realität hat allerdings ihre Grenzen darin, daß wir projektiv identifizieren. Ich halte die projektive Identifizierung mit SANDLER (z.B. 1976) und im Unterschied zu KERNBERG (1988) für ein ubiqui11
,I '" 1•
t~es Phänomen. Wir sind beunruhigt, wenn die Dinge sich rocht S? entwickeln, wie wir es erwarten, und beruhigt, wenn SIe das tun. Deswegen versuchen wir unbewußt, die Menschen, mit denen wir zusammentreffen, so zu beeinflussen, daß sie unsere Erwartungen erfüllen. Ein mißtrauischer Mensch wird sich vielleicht so verhalten, daß ihn andere, die ihn zunächst sympathisch fanden, schließlich ablehnen so daß ~eine Erwartung, hinter Freundlichkeit könne sich AggreSSIOn verbergen, sich scheinbar erfüllt. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um Aggression, die von vornherein vorhanden war, sondern um eine, die als Reaktion auf das Verhalten des mißtrauischen Menschen aufgetreten ist. Ganz entsprechend kann es passieren, daß vertrauensselige Menschen, die von allen Personen, mit denen sie zusammenkommen, nur das Beste erwarten, in dem Vertrauensvorschuß bestätigt werden, den sie den anderen Menschen so freizü~g eingeräumt ~aben. Viele Menschen finden es ja s~pathisch, wenn man ihnen Vertrauen entgegenbringt. SIeht man genauer nach, läßt sich aber meist feststellen daß e~ vertrauensseliges Verhalten auch nachteilig ist. S~ kann eme Frau denken, ihr Mann werde sie sicher nicht verlassen, und dann aus allen Wolken fallen, wenn er es doch tut. Hinweise darauf, daß ihnen jemand böse ist oder Böses will, sehen vertrauensselige Menschen oft nicht. Das kann ihnen so ausgelegt werden, daß sie den Ärger anderer nicht ernst nehmen. Im ganzen kann man sagen, daß alle Charakterhaltungen nebe~ Nachteilen auch Vorteile haben und daß es gilt, diese Vorteile zu nutzen und die Nachteile zu verringern. Ein mißtrauischer Mensch wird selten auf Menschen, die ihn täuschen wollen, hereinfallen, aber wenig Freunde haben. Ein vertrauensseliger Mensch wird häufiger hereinfallen, vielleicht werden ihn aber viele Menschen sympathisch finden. Wir alle neigen nun dazu, zu generalisieren. Das heißt, wenn wir eine Erfahrung machen, erwarten wir, daß wir künftig in ähnlichen Situationen vergleichbare Erfahrungen machen werden. Wer einmal an eine heiße Herdplatte gefaßt hat, wird künftig nicht mehr unbekümmert hinfassen, sondern sich erst davon überzeugen, ob die Herdplatte ein- oder
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ausgeschaltet ist - ein zweckmäßig~s Verhal~en: Wü~~e er aber erwarten, daß die Herdplatte lmmer heIß ,1St, ware ~r nicht imstande, einen Herd zu reinigen. Wenn eme Frau mit einem Mann oder ein Mann mit einer Frau schlechte Erfahrungen gemacht hat, kann das die Einstellung ~u Männem oder Frauen nachhaltig beeinflussen, so daß dIe Frau oder der Mann sich von Männern oder Frauen künftig fernhalten, weil sie erwarten, alle Männer oder alle Frauen seien schlecht. Umgekehrt kann die Erwartung, alle ~e~sch~n seien ebenso großzügig, liebenswürdig ~der zuverlass1g WIe ein bestimmter'Mensch, mit dem man dIese guten Erfahrungen gemacht hat, zu Schwierigkeiten im Umgang mit Leuten führen, die es nicht sind. . , Andererseits könnten wir nicht lernen, wenn WIr rocht generalisieren würden. Zwischen eine~ unzweckmäßige~, weil wenig differenzierten und zu we1tgehen~en Generalisieren und der Einstellung, jeder Mensch seI anders und deshalb sei es verkehrt, Erfahrungen mit Menschen auf anderen Menschen zu übertragen, die man neu kennenlernt, erstreckt sich ein Kontinuum. Auf diesem Kontinuum bewegen sich die meisten Menschen, a~h~gig von der Situa,tion, in der sie sich befinden, und abhang1g von dem, was SIe an Neuem oder Vertrautem an anderen Menschen wahmeh~~
d Der Charakter eines Menschen kann dadurch entstan en sein, daß er bestimmte Erfahrungen häufig, immer wieder, gemacht hat, oder dadurch, daß singuläre Erfahrung~n so traumatisch waren, daß sie die Wahrnehmung und dIe ~r wartungen in allen Situationen prägen, die auch n~ eme gewisse Ähnlichkeit mit der ursprünglichen traumatischen Situation haben. Nicht alle Erfahrungen, die wir mit Me~schen ~achen, sind umgeformt. In unserer inneren Welt befinden SIch, au~h direkte Erinnerungsspuren an Menschen, mit dene~ WIr v!el umgegangen sind oder die uns ~ic~tig ~~ren. DIese Ermnerungsspuren wirken sich nicht mduekt uber den Charak. ter aus, sondern direkt. Auch Erinnerungsspuren, die unbewußt. geworden smd, können wirksam sein. Manche Menschen, dIe etwa schlechte
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~~f~gen mit der Mutter oder dem Vater gemacht haben, führen ihre negativen Erwartungen an Männer oder Frauen mit Recht <.iarauf zurück. Andere erinnern nur die guten Erfahrungen und wissen nicht, daß und wie weit die schlechten ihre Sichtweise beeinflussen und ihr Verhalten weitge~end bestimmen. Im Laufe einer Therapie können verschiedene Aspekte der Erinnerungsspuren an eine Person übertragen werden, bewußte und unbewußte. Sehr unterschiedliche Aspekte können aus der gleichen' Zeit stammen oder aus verschiedenen Zeiten, zum Beispiel aus der Adoleszenz, aus der Kleinkind- oder der Vorschulkindzeit. Da die meisten Menschen es schwer aushalten können, wenn se~ positive und sehr negative Aspekte einer wichtigen Bezl~hun?spe~songl~ichzeitigin der Wahrnehmung und im Gedachtnis prasent srnd, kommt es oft zu selektiven Erinnerungen. Wie weit die sogenannte Kindheitsamnesie überhaupt aufgehoben werden kann, ist noch kontrovers. Daß man ~offen ka~, der An~lysand erinnere aus der Kindheit objektive Realitat, .»so WIe es wirklich gewesen ist«, behauptet heute wohl ruemand mehr. Auch Erwachsene nehmen einander nicht objektiv wahr, und die Sicht eines Kindes von einem Erwachsenen ist vermutlich weniger differenziert und auch selektiver als die Wahrnehmung eines Erwachsenen von einem anderen. Die Unterschiede zwischen Kind und Erwachsenem bewirken aber auch, daß wahrscheinlich kein Erwachsener das Kindheitserleben in allem so reproduzieren kann, wie es w~. i\ucI: ein Erwachsener, der sich in der Regression teil~eIse rn ern Stadium zurückbegibt, wo er in manchem ähnhch erlebt wie früher als Kind, bleibt doch immer ein Erwachsener, der über die sprachlichen und die intellektuellen Möglichkeiten eines Erwachsenen zumindest teilweise noch verfügt, der das Körperschema eines Erwachsenen hat und der weiß, wie alt er ist. Entsprechend wird ein regressives Erwachsenenverhalten anderen Menschen gegenüber niemals nur kindlich sein. Bestimmte Aspekte des Verhaltens können aber in der Regression kindähnlich werden. Manche Verhaltensweisen 14
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sind auch kindlich geblieben. Gelegentlich bezeichnet man sie dann als kindisch. So kann ein Erwachsener nicht gelernt haben, einen anderen um etwas zu bitten; vielleicht weil er als Kind mit Bitten abgewiesen wurde. Wenn er dann als Erwachsener bittet, nimmt seine Stimme vielleicht einen quengelnden Tonfall an, so wie ein Kind spricht, das ein Eis haben möchte. Andere haben es nicht gelernt, sich auf erwachsene Weise durchzusetzen. Sie haben deshalb nur die Wahl, überspitzt ausgedrückt, einen anderen Erwachsenen körperlich-aggressiv anzufallen, wie auf dem Schulhof, was bekanntermaßen unter Erwachsenen vom Gesetz nicht toleriert wird, oder von vornherein darauf zu verzichten, einen Durchsetzungsversuch zu machen. Zu den ungelösten Rätseln der Psychologie gehört bis heute, wie sich unbewußte Inhalte unseres Gedächtnisses in unserem bewußten Erleben auswirken können, wie sie unsere Wahrnehmung beeinflussen und unser Handeln mitbestimmen. In einem Computermodell unserer Psyche läßt sich das leicht simulieren. Man kann als Modell sogar Computer nehmen, wie sie überall im Einsatz sind. Schon ein einfacher Personalcomputer mit einem Drucker ist ein gutes Modell. Auf dem Bildschirm erscheint ein Schriftstück. Dieses Schriftstück wird ausgedruckt. Auf welchem Wege es zum Drucker gelangt und über welche Zwischenschritte läßt sich aber aus dem, was auf dem Schirm zu sehen ist, nicht ableiten. Ein Computer kann auch Aufgaben erledigen, die mit dem, was auf dem Schirm sichtbar ist, überhaupt nichts zu tun haben. So kann man zum Beispiel schreiben, während der Computer über einen Drucker ein anderes Schriftstück ausdruckt. Der Bildschirm, vergleichbar mit unserem Bewußtsein, enthält nur unvollständige Hinweise auf die Vorgänge im Computer, und der Computer kann Dinge tun, von denen auf dem Bildschirm gar nichts sichtbar wird. Der Computer kann auch arbeiten, wenn der-Bildschirm ausgeschaltet ist. Entspechend können in unserer Psyche viele Vorgänge ablaufen, über die unser Bewußtsein nur sehr unvollständige oder gar keine Informationen liefert. Wenn wir mehr Informationen auf dem Bildschirm haben wollen, um unser
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Handeln zu kontrollieren, müssen wir den Bildschirm mit Bereiche~ d~s Computer~ verbinden, in denen Vorgänge ablaufen, die sIch auf den Bl1dschirm nicht auswirken. Dazu ist es o~ n~tig, eine~ bestimmten Code einzugeben. Vergleichbar 1St die BearbeItung von Abwehrmechanismen.
Die Arbeitsbeziehung - - - in der Selbstanalyse
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Daß ~s in der.~lbstanalyseeine Arbeitsbeziehung geben könnte, klingt zunachst ungewohnt und sogar paradox, weil der Begriff Arbeitsbeziehung bisher nur in dyadischen und in Mehrpersonensituationen verwandt worden ist. Bei näherem Na0denken wird aber klar, daß man auch eine Beziehung zu SIch s~~bst habe~ kann. Man mag sich mehr oder weniger - das varllert auch 1m Verlauf der Zeit -, man »läßt sich etwas ~urchgehen~( oder ist »streng mit sich«. Ein Chirurg kann an SIch selbst emen Furunkel aufschneiden, manche sollen sich sogar in Lokalanästhesie den Blinddarm herausgenommen haben. Man behandelt seine Grippe mit Medikamenten, »packt« sich ins Bett. Andererseits kann man sich nicht an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen, es muß ein Punkt vorhanden sein, an dem man sich festhalten kann. Eine ganze Reihe von Analytikern hat neben der übertra~~gsbeziehung eine therapeutische Beziehung konzeptualis~ert. Am bekanntesten geworden ist wohl die working allIance von GREENSON (1967), die er in seinem Lehrbuch ausführlich und an vielen Fallbeispielen darstellt. Ich selbst habe dieses Konzept auf die Mehrpersonen-Situation in der Gruppenpsychotherapie angewandt (KÖNIG 1974, 1979). ~.as Konzept der »working alliance« war Gegenstand von Kritik (z.B. BRENNER 1977; KÖRNER 1989). In Wahrheit lassen sich Arbeitsbeziehung und Übertragungsbeziehung nicht trennen. Beide scheinen auf einem Kontinuum zu liegen. Das Arbeitsbündnis nach GREENSON besteht darin, daß sich das vernünftige Ich des Patienten mit dem analysierenden 16
Ich des Analytikers verbündet und die Dinge zu ver~tehen sucht, die das erlebende Ich (experiencing ego) des Patienten erlebt. Im Grunde ist in dem Konzept des Arbeitsbündnisses nach GREENSON (ich selbst spreche lieber von Arbeitsbeziehung) die Möglichkeit einer Selbstanalyse schon vorhanden, ja sie stellt vielleicht die Essenz des. Konzepte~ dar. ~uf der Ebene der Arbeitsbeziehung akzeptiert der Patient rocht nur Interventionen des Analytikers oder weist sie zurück, wenn sie ihn nicht überzeugen. Weil er sich mit dem analysierenden Ich des Analytikers verbündet hat, beginnt er auch, sich selbst zu analysieren, zum Beispiel von sich zu sag~n, daß er im Augenblick vielleicht vor etwas davonlaufen w~l. GREENSON nimmt diesen Ansatz von Selbstanalyse als ZeIchen dafür, daß eine Arbeitsbeziehung zustandegekommen ist oder sich entwickelt. In der Selbstanalyse, nach einer bipersonalen Analys~, bleibt der Patient mit dem analysierenden Ich des Analytikers identifiziert. Sein Selbst bleibt mit seinem inneren Bild vom Analytiker verbündet. Er wertet d~s, . as. er an s~ch beobachtet (an seinem erlebenden Ich), m ~cher Welse aus wie während der Analyse. Es fehlt aber die Uberprüfung seiner Hypothesen durch den Analytiker. Er muß sie in dem Verlauf der Selbstanalyse so gut es geht validieren, ähnlich wie der Analytiker das mit seinen Hypothesen auch tut. Da vom Analytiker keine Impulse mehr ausgehen, kommt es stärker auf die Motivation zur Analyse an. Bestehen Symptome, wirken sie motivationsförd~rnd. ~uc~ Schwierigkeiten mit einem Patienten können die Motivation zur Selbstanalyse fördern. Das Interesse des Analysanden an sich selbst motiviert ebenfalls. Wer sich uninteressant und unwichtig findet, wie viele depressiv Strukturierte, wird mit einer Selbstanalyse seine Schwierigkeiten haben. Auf jeden Fall fehlt der Analytiker in seinen Funktionen. Der Analytiker mit blinden Flecken, die. sich von ~en~n des Analysanden unterscheiden, der Analytiker~ der eme ~alt liche Hypothese entwickelt hat, sie dem Patient~n aber rocht mitteilt sondern zuerst einen Widerstand bearbeItet, der Analytiker,' der einen Widerstand überhaupt ~rst sieht, ~en der Patient nicht sieht, weil er für ihn noch Ich-synton 1St. Der
.w
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Ana.lytiker in einer bipersonalen Analyse erläutert seine Inte~tionen dem Patienten nicht. Er sagt nicht, daß er eine bestimmte Deutung beabsichtigt, sie aber zunächst noch zurückste~t; eine solche Mitteilung wäre ja unsinnig, wenn er dem Patienten den Inhalt der Deutung mitteilt und nicht nur andeutet, daß er eine Hypothese hat, die er zunächst bei sich behält. Oe: Selbst.~alysandmuß die Dosierung den eigenen Widerstanden u?erlassen. Er kann sich in der 'Analyse Ziele setzen, ab~r dl~ Wege, auf denen er zu diesen Zielen gelangt, k~ er mcht un voraus sehen, wie der Analytiker in einer blpersonalen Analyse das oft kann. Er weiß weniger als der Anal~tik~.r in einer bipersonalen Analyse, was vermutlich um dle nachste Ecke liegt. Wenn man das analysierende Ich des Selbstanalysanden und das erlebende Ich des Selbstanalysanden mit zwei Schachspielern vergleicht, wird deutlich, daß d~r S.elbstanalysand ähnliche Probleme hat wie jemand, der ffilt slch selbst Schach spielt. Wer mit sich selbst Schach spielt, wird anders spielen als wenn er es mit einem anderen zu tun hätte. Man kann vor sich selbst keine Informationen ~urüc~al.~en: Das wäre nur im Falle einer multiplen Persönlichkeit moghch. Auch der Borderline-Patient, der sein Selbst spaltet, weiß im Grunde, was in allen Anteilen seines Selbst vor si~~ ~egangen ist; es hat nur im Augenblick keine Bedeutung für ihn. Der Borderline-Patient befindet sich nacheinand~r in verschiedenen Ich-Zuständen, oder, wenn man es sich bildhaft vorstellen möchte, in verschiedenen Bereichen seines Selbst. Nun ist die Spaltung ja ein pathologischer Vorgang. STERBA (1934) ha~ aber von the:apeutischer Ich-Spaltung gesprochen und daffilt wohl gememt, daß das Ich eines Patienten sich in verschiedenen Zuständen befinden kann: in einem erlebenden und in einem analysierenden Ich-Zustand; heute würde man vo~ Zuständen des Selbst sprechen. Teile des eigenen Selbst konnen aber den Analytiker als getrennte Person nicht ersetzen. In einer bipersonalen Analyse erinnert der Patient während der Stunde oft etwas, was sich außerhalb der Stunde abgespielt hat, ohne daß er immer und in jedem Falle daran
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dachte, daß es ihm in der Stunde einfallen könnte. Natürlich gibt es Patienten, die dauernd von dem Gedanken verfolgt werden, daß sie über alles, was sie außerhalb der Stunde tun, in der Stunde sprechen müssen, oder daß es ~en j~denfalls einfallen könnte. Daß jemand überhaupt »me verglßt«, d~ er in Analyse ist, scheint aber eher die .Ausnahme zu ~e~. Nicht selten leugnen Analysanden vor slch selbst, daß Sle m Analyse sind. Sie tun das meist, u~ sich. freier ~nd unbekümmerter verhalten zu können. Sle befinden slch dann im Zustand des erlebenden Ich und leugnen, daß sie mit dem analysierenden Ich des Analytikers verbunden sind.. Bei einer bipersonalen Analyse wird nicht nur Matenal von außerhalb der Stunden bearbeitet, sondern auch und gerade das, was innerhalb der Stunden p~ssiert, in ~er Beziehung zum Analytiker. Hierin liegt noch el~ w~sentli~herU.nterschied. In der bipersonalen Analyse Wlrd uber dle Bezlehung zum Analytiker und über Außenobjekte gesproch~n, außerdem über die Beziehung des Analysanden zu slch selbst. In der Selbstanalyse während einer bipersonalen Analyse oder danach sind die Beziehungen zu d~n Außenobjekten und zu sich selbst Gegenstand der Arbeit d~s Analysanden. Dennoch kann es natürlich manchm~ sem, d~ß die Beziehung zu seinem Analytiker, die er als mneres Bild mit sich trägt und an den er sich erinnert, auf dem Umwege über Erfahrungen mit Außenobjekten für einen Selbstanalysanden in ein anderes Licht gerückt wird. Die Selbstanalyse nach einer bipersonalen Analyse kann also in begrenztem Umfang die Arbeit an der Übertragung auf den Analytiker fortsetzen.
Selbstanalyse von Übertragung und Charakter - - - Übertragung wiederholt vergangene Beziehungsformen zu vergangenen Objekten in der Gegen~art. In ~en .Charakter gehen zentrale Beziehungswünsche em, auf die em Mensch 19
im Lau.fe seiner Entwicklungfixiert worden ist. Gleichzeitig
gehen m den Charakter aber auch Einstellungen und Verhaltensweisen ein, zum Beispiel der Einsätz bestimmter Abwehrmechanismen, deren sich die betreffende Person jetzt habituell bedient, und zwar auch dann, wenn ein Triebwunsch, der dazu geführt hat, daß diese Abwehrmechanismen eingesetzt wurden, jetzt nicht mehr gefährlich ist oder nur. noch eine untergeordnete Rolle spielt. MiiID sagt, daß Erlebens- und Verhaltensweisen »eingeschliffen« worden sind. Daß sie von aktuellen Triebwünschen relativ unabhängig sind, ist ein wesentliches Merkmal charakterbedingter Erlebens- und Verhaltensweisen. Es gibt allerdings kaum Erleben und Verhalten, das von den Triebwünschen ganz unabhängig ist. Die konfliktfreie Ich-Sphäre von HARTMANN (1964/65) ist wohl eine Fiktion. Im Charakter kommt es zu weitgehenden Generalisierungen. Eine Person, die ein charakterbedingtes Erleben oder Verhalten auslöst, braucht nur wenig optische oder Verhaltens-Merkmale mit den Personen der Primärfamilie zu teilen, die für eine Charakterentwicklung wichtig waren. .Auf je~en Fall gibt es zwischen einem Übertragungs- und trlebbedmgten Verh~~ten und einem charakterbedingten Verhalten fließende Ubergänge. Es handelt sich um zwei Pole eines Kontinuums. Für eine Therapie heißt dies, daß charakterbedingtes Erleben und Verhalten entweder in Regression bearbeitet werden muß, oder man betrachtet Erleben und Verhalten unter dem Zweckmäßigkeitsaspekt und nicht unter dem Aspekt der Entstehung. Hierher gehört der Umgang von KERNBERG (KERNBERG et al. 1989) mit schweren Persönlichkeitsstörungen und ihren Abwehrmechanismen ebenso wie bestimmte Erscheinungsformen der Neopsychoanalyse (SCHULTZ-HENCKE 1973; DüHRSsEN 1972, 1988), aber auch sogenannte kognitive Formen der Verhaltenstherapie. Dabei wird Erleben und Verhalten vorwiegend danach eingeschätzt, ob es »normal« ist oder ob jemand unter seinem Verhalten oder dem Erleben leidet oder nicht und ob die Umwelt darunter leidet. Man kümmert sich nur am Rande darum, wie das Verhalten entstanden ist, man leitet Urnlernprozesse ein.
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Natürlich sind hier der Subjektivität Tür und Tor geöffnet. Zum Beispiel wird es wichtig, ob ein Therapeut Selbstverwirklichung höher schätzt als Beziehungen zu den Objekten oder umgekehrt. Dieses Problem läßt sich nicht einfach dadurch lösen, daß man sagt, das Beste wäre, sich in Beziehungen zu verwirklichen, denn gerade bei Ne.u.erungen ~er Wissenschaft oder bei Reformen in der Politik zum BeIspIel kann es notwendig sein, Beziehungen aufs Spiel zu setzen, weil sich die Menschen, mit denen man Umgang hat, gegen das Neue wehren. Im Rahmen einer Symptomatik, die lange besteht, können Ich-Funktionen atrophiert sein. Ungünstige Umweltbedingungen können dazu führen, daß sie gar nicht erst entwikkelt werden. Man hat es dann mit Defiziten im Bereich der Realitätsprüfung, des Urteilens, der Introspek~on und .so weiter zu tun. Ob und wie weit Ich-Funktionen rocht entwikkelt wurden, weil die entsprechenden Umweltvoraussetzungen nicht gegeben waren und Ko~~e ~ine Lä~ung und spätere Atrophie verursacht haben, 1St m Jedem Emzelf~ll zu überlegen und zu prüfen. Hier spielen, ähnlich wie.bel der Anlage-Umwelt-Debatte, subjektive Einstellungen e~e große Rolle. Entwicklungsstörungen werden oft negativer bewertet als konfliktbedingte Störungen. Wenn jemand eine entwicklungsbedingte Störung nicht negativ bewertet, kann ihm eine solche Bewertung doch von jemandem zugeschrieben werden, der das selbst tun würde oder tut. Wahrscheinlich ist es so, daß man für die Behandlung von Entwicklungsstörungen im Durchschnitt läng~r brau~~t ~nd daß manche Defizite in der Entwicklung roe vollstandlg aufgeholt werden können, eine Position, die zum Beispiel ANNA FREuD (1954, 1965, 1974, 1979a) vertreten hat. Analytiker aus der MELANIE KLEINschen Schule dagegen gehen davon aus, daß Konflikte eigentlich immer beteiligt sind und man ~ich vorwiegend mit ihnen beschäftigen sollte; was ~n EntwIcklung nachgeholt werden müsse, gesche~e gleIchSam von selbst. Eine optimistische Position vertrItt auch DUHRSSEN (1972, 1988), die auf das Ungelernte beim Entstehe~ einer neurotischen und auch einer Frühstörungssymptomatik großen Wert legt, aber der Meinung ist, daß Lerndefizite im
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weitesten Sinne ausgeglichen werden können, wenn der Therapeut seine Interventionen auf sie konzentriert und den Patienten beim Nachholen anleitet und berät; das gilt für die sogenannte dyn~sche Psychoth~rapie, die ganz überwiegend auf der BaSIS einer positiven Ubertragung geführt wird und auf die Bearbei~.gvon Widerständen gegen das Manifestwerden negativer Ubertragungen weitgehend verzichtet (KÖNIG 1993a). Es liegt in der Natur einer Selbstanalyse, daß kein Therapeut da ist, ~~ den übertragen werden kann; dagegen kommt es zu Ubertragungen auf andere Personen, wie das auch schon ~~hrend der bipersonalen Analyse der Fall war. J~ mehr die Ubertrag~gen auf Außenpersonen (in TherapIe~pp.en auch di~ Ubertragungen auf die übrigen Gruppe~~gli~derund die Gesamtgruppe) in die analytische ArbeIt mIt embezogen wurden, desto leichter wird es in der Selbstanalyse fallen, sie zu analysieren, wenn alle anderen Faktoren gleich sind. Wer seinen Charakter in einer bipersonalen Analyse oder in einer Selbsterfahrungsgruppe kennengelernt hat, wird auch schon e~al umgelernt haben, um »eingeschliffene« VerhaltensweIsen zu verändern. Man weiß auch etwas darüber, welche Abwehrmechanismen man habituell einsetzt und was man damit zu verbergen oder selber nicht wahrzunehmen sucht. Während der Selbstanalyse kann es nun vorkommen, daß man mit seinem Charakter in Situationen gerät, in denen sich der habituelle Einsatz bestimmter Abwehrmechanismen unangenehm bemerkbar macht oder in denen einem Ich-Funktionen nicht hinreichend zur Verfügung s~e~~n, die sich aus Umweltgründen oder wegen einer per definitionem lange bestehenden Charaktersymptomatik atrophiert sind. Hier muß dann weiter hinterfragt und umgelernt werden.
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Zum Problem der _ _ _ _ Ich-Syntonizität Als ich-synton werden psychische Reaktionen bezeichnet, die der Betreffende als normal empfindet im Sinne des Allgemein-Menschlichen, unter Berücksichtigung des Alters (»Im Alter achtet man mehr auf Sicherheit, weil man weniger Kräfte hat, sich aus einer gefährlichen Situation zu befreien«), berufsspezifisch (»Ein Buchhalter muß genau arbeiten«), geschlechtsspezifisch (»Als Frau habe ich kein Interesse an Technik, deshalb lerne ich nicht, an meinem Auto ein Rad zu wechseln«). Dabei hat jede dieser Begründungen vielleicht einen wahren Kern. Es handelt sich im Falle von Charaktersymptomen aber um etwas anderes als das so Begründete; um Übervorsicht, Übergenauigkeit, phobis0e Unselbständigkeit. Diese Begründungen jedoch smd Rationalisierungen, die außer acht lassen, daß andere im gleichen Alter nicht so übervorsichtig sind, nicht jeder Buchhalter so übergenau, nicht jede Frau so unselbständig. Konflikte, zum Beispiel der Konflikt zwischen einem Wunsch nach Selbstverwirklichung und der Verantwortung für die Familie werden dadurch gelöst, daß das eine oder andere als normal bezeichnet wird: bei einseitigem und rücksichtslosem beruflichen Ehrgeiz: »Es ist doch normal, daß man sich selbst verwirklichen will« oder wenn man durch eine depressive Überverantwortlichkeit für die Familie davon abgehalten wird, die beruflichen Aufgaben zu erfüllen: »Es ist doch normal, daß man sich um seine Familie kümmert«. Die eigene Rücksichtslosigkeit oder die Unfähigkeit, Aufgaben, die etwas mit der Betreuung und Erziehung von Kindern zu tun haben, zu delegieren (»Der Kindergarten ist nicht gut genug« oder: »Ich will mein Kind keiner Tagesmutter überlassen, auch nicht stundenweise«).
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Private und berufliche - - - - - Selbstanalyse
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Der Psychotherapeut setzt sich in seiner Arbeit als Person ein, .wie auch andere, zum Beispiel Allgemeinärzte oder Interrusten ~as ~. Vom Einfluß deren Persönlichkeit hängt es oft ab, ob arztliche Anordnungen befolgt werden oder nicht. D~r Ps~chotherape.u~. setzt seine Person aber auch diagnostisch em. Allgememarzte lernen psychosomatische Grundvers?rgung. In.. B~tgruppen erfahren sie, wie wichtig ein vertieftes Verstandnis der Arzt-Patient-Beziehung sein kann, und daß Störun~en in der Beziehung diagnostisch ausgewert~t ~erden ko~en. Das lenkt sie auf die Bedeutung ihrer personlichen Reaktionen für die Diagnose der Arzt-PatientBeziehung hin. Dennoch kann man sagen, daß ein Arzt oder ein Psychologe, der therapeutisch tätig ist, sich selbst als Mittel der Diagnostik und Therapie kontinuierlicher einsetzt als die Angehörigen anderer helfender Berufe. Um das tun zu könn:n, uß er sich selbst sehr gut kennen. Das ermöglicht ihm eme ~lgene Anal~se oder eine Gruppenselbsterfahrung. Private, Innere und mterpersonelle Konflikte, die ihn belasten s~änke~ seine Möglichkeiten ein, sich in einer Therapie al~ Dlagnostikum und als Therapeutikum einzusetzen. Deshalb wirkt auch eine Selbstanalyse im Anschluß an die Einzeloder Gruppenselbsterfahrung, die sich mit privaten Problemen befaßt, in die tägliche Arbeit hinein und wirkt sich auf sie aus. Umgekehrt bleibt es nicht ohne Einfluß auf das P~v~tleben, ob ~~ seine Arbeit gut oder weniger gut bewältigt: o~ man m ihr erfolgreich oder weniger erfolgreich ist und wIevIel Kraft sie für das private Leben übrigläßt. Viele Psych0t:h~rapeuten betreiben Selbstanalyse in Zusammen~ang nut.ihren Therapien, nicht aber in Zusammenhang mit ihrem Pnva~leben,. da ihnen »für die Bearbeitung privater Probleme keme Zelt bleibt«. Die müßten sie ohne Selbstanalyse be~ältigen. Die.gegenseitige Beeinflussung von Berufsund Pn.vatleben - rocht nur in der Psychotherapie, aber besonders m der Psychotherapie - beachten sie nicht. Vor allem
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die depressiv strukturierten Therapeuten neigen dazu, sich mit den Patienten zu befassen, d~e Ansprüche an sie stellen. Die eigenen Ansprüche müßten diese Therapeuten selbst stellen. Das unterlassen sie aber. Die Patienten gehen, so meinen sie, vor. Daß sie den Patienten schaden, wenn sie infolge privater Probleme ihre Arbeit nicht gut tun können, blenden sie aus. Viele depressive Therapeuten, und auch andere, nehmen eher noch Patienten hinzu, um sich von den privaten Problemen abzulenken; denn dann haben sie noch weniger Zeit, sich mit denjenigen (Partnern oder Kindern) zu beschäftigen, mit denen sie ihre privaten Probleme haben. Das kann dazu führen, daß die privaten Probleme schlimmer werden und nicht mehr ignoriert werden können, so daß sie sich massiv auf die Arbeit auswirken. Die Arbeit fällt schwerer und ist weniger erfolgreich. Deshalb bleibt noch weniger Kraft für die Bewältigung der privaten Pro~leme. Im privaten Bereich kommt es oft zu Trennungen, m der beruflichen Arbeit zum sogenannten Bum-out. Nun ist Selbstanalyse hiergegen kein Allheilmittel. Sie kann aber dazu beitragen, den Teufelskreis zu unterbrechen, der zu den privaten Katastrophen und zum beruflichen Burn-out führt.
_ _ _ Schwellensituationen
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Therapeuten werden, wie jeder andere Mensch auch, durch Schwellensituationen in ihrem Leben belastet, die Adaptationsleistungen erfordern. Solche Schwellensituationen können Trennungen sein, zum Beispiel von einem Partner o~er von den Kindern, wenn sie aus dem Haus gehen. Auch eme 'frennung von der Institution, in der man gearbeitet hat, von den Kolleginnen und Kollegen, vom Chef und von nachgeordneten Mitarbeitern, Therapeuten, aber ~uch Krank~n schwestern, Pflegern, dem Küchenpersonal m der Kantine und vom Verwaltungspersonal, kann Trauerarbeit erfordern; mehr oder weniger, je nach der Beziehung, die man zu den
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Einzelnen hatte. Außerdem wirkt die Institution als Globalobjekt, das meist als mütterlich erlebt wird; der Chef gehört zum Mutterobjekt oder nahm in der Übertragung eine Vaterposition ein und schützte den Bestand des Mutterobjekts. In ~deren Büchern (KÖNIG 1993a, KÖNIG U.l
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Psychotherapeuten erklären, die sonst nur Beziehungen zum Partner und zu ihren Patienten hätten. Für solche Psychotherapeuten scheint es charakteristisch zu sein, daß sie es mit der Abstinenz in der Beziehung zu Lehranalysanden »nicht so genau nehmen« und bestrebt sind, die Lehranalysanden zu Gefolgsleuten am Institut zu machen. In den Supervisionen, die nicht unter einem ebenso strengen Abstinenzgebot stehen wie die Lehranalysen, tobt sieh der Beziehungshunger oft so richtig aus. In der Selbstanalyse einer solchen Problematik gibt es zwei wesentliche Hindernisse. Zum einen wird ein Mißbrauch der Ausbildungskandidaten meist rationalisiert, er bleibt deshalb ich-synton; zum anderen ist es oft schwer, Erkanntes und in seinen Entstehungsbedingungen Verstandenes in Verhaltensänderungen umzusetzen, weil es für den Betreffenden keinen »vollwertigen« Ersatz für die Beziehungen zu den Ausbildungskandidaten gibt, oder er erst durch die Entwicklung und Pflege von Beziehungen in anderen Lebensbereichen mühsam geschaffen werden müßte. Man hat es hier mit einer ähnlichen Schwierigkeit zu tun wie bei der Therapie von Perversionen, die auch deshalb so schwer zu therapieren sind, weil viele Menschen mit einer Perversion an ihr nicht leiden und sie sich befriedigende Beziehungen außerhalb perverser Interaktionen zunächst nicht vorstellen können. Auf das Mehr an Verantwortung in einer Praxis reagieren Therapeuten entsprechend ihrer Kompetenz und ihrer Persänlichkeitsstruktur. Narzißtische Therapeuten erscheinen oft wenig belastet; sie sind gewohnt, das meiste von sich selbst zu erwarten. Schizoide Therapeuten, die in ihrer Differentialindikation besonders häufig danebentreffen, weil sie wichtige Realitäten des Patienten außer acht lassen, sehen zunächst wenig Schwierigkeiten, scheitern aber, wenn sich die unzweckmäßig gestellten Indikationen auswirken. Oft sehnen sie sich dann an eine Institution zurück, oder sie versuchen, an eine Institution zurückzukehren, wo ihre Lükken in der Realitätswahrnehmung durch Vorgesetzte und Mitarbeiter ausgeglichen werden, oder sie engen ihre Indikationen stark ein, was gutgehen kann, wenn sie sich in 27
einem unterversorgten Gebiet befinden, wo sie auch bei enger Indikationsstellung genug Patienten finden. Depressive Therapeuten, die leichter als andere in einen Zustand des Beziehungshungers geraten, fühlen sich durch Veran~ortu~g erdrückt, auch weil sie sich als wenig kompetent emschatzen. Zwanghafte Therapeuten ritualisieren Indikationsstellung und Therapie, phobische Therapeuten nehmen besonders selbstbewußte Patienten, die ihnen die illusion ~erschaffen k~nnen, sie würden schon ihren eigenen Weg finden. Hystensche Therapeuten leiden darunter, bei einer ambul~ten Therapie die Verantwortung von Anfang bis Ende allem tragen zu müssen. In einer Klinik haben sie die Patienten meist nur anbehandelt. Dagegen fühlen sich depressive Therapeuten oft in der Praxis wohler als in der Klinik weil sie sich nicht von den Patienten trennen wollen und ~ie in d:r Prax~s lange behalten können. Zwanghafte Therapeuten konnen SIch aufgrund ihres Perfektionismus nicht von der Arbeit trennen, die ein Patient für sie darstellt. Verantwortlichkeit definieren sie dysfunktional: sie fühlen sich so lange verantwortlich, bis der Patient »durchanalysiert« ist, was ja ~rak~sch ~e ein~itt, selbst bei sehr langen Analysen nähert s~ch em Patient dIesem Zustand nur asymptotisch. Sie fühlen SIch auch für den gesamten therapeutischen Prozeß in der Stunde und außerhalb verantwortlich. Einerseits sind sie erleichtert, daß sie die Verantwortung in einer Praxis mit niemandem teilen müssen; andererseits ermöglichte ihnen das Personal in einer Klinik, vor allem wenn sie als Oberarzt tätig waren, eine Rundumkontrolle der Patienten wie sie in einer Praxis nicht möglich ist. '
Paarbeziehungen von Psychotherapeuten sind, wie die anderer Menschen auch, mannigfachen Gefährdungen ausgesetzt. Erwartungen, die aus der Beziehung zum Elternpaar
stammen, werden auf den Partner gerichtet. So sollen Vater oder Mutter oder beide Elternteile, möglichst in ihren Vorzügen, nicht aber in ihren Nachteilen, ersetzt werden; Normen und Werte der verschiedenen Familien werden an den Partner herangetragen. Das ist schon dann der Fall, wenn die Partner aus der gleichen Sozialschicht stammen; stammen sie aus unterschiedlichen Sozialschichten, ist das Problem noch größer. Die Partnerin eines Ausbildungskandidaten muß während seiner Ausbildung emotional und materiell zurückstekken. Sie hofft auf Veränderung nach Abschluß der Ausbildung ihres Mannes. Ausbildungskandidatinnen warten häufig damit, Kinder zu bekommen, oder sie müssen ihre Ausbildung, einen Teil der Kinderbetreuung und oft auch eine halbe oder ganze Stelle an einer Klinik miteinander vereinbaren. Es gibt Auseinandersetzungen bezüglich der Verteilung von Hausarbeit und Kinderbetreuung. Diese Probleme bestehen nach dem Examen weiter, obwohl die zeitliche Belastung durch den Fortfall der Seminare und der Supervisionssitzungen sowohl der eigenen Lehranalyse abnimmt; dafür behandelt der Analytiker oder die Analytikerin meist mehr Patienten. Für Mediziner (nicht therapeutisch tätige Psychologen sind im Durchschnitt ja schlechter bezahlt) bedeutet die Entscheidung für eine psychoanalytische Ausbildung auch, daß sie ein geringeres Einkommen akzeptieren, im Vergleich zu anderen medizinischen Fächern. Andererseits kostet die Einrichtung einer Praxis viel weniger, was die Kosten der Ausbildung in Lehranalyse und Supervisionen aufwiegt. Die meisten Analytiker sind mit ihrer Berufswahl zufrieden, auch in ökonomischer Hinsicht. Sie sind jedoch nicht immer in der Lage, diese Zufriedenheit ihren Frauen zu vermitteln, die mit den ökonomischen Einschränkungen oft unmittelbarer konfrontiert sind und häufig nicht wissen, welche Nachteile die Frauen von Ärzten in anderen medizinischen Fächern in Kauf nehmen müssen (unregelmäßige Arbeitszeiten, Nachtbesuche, Schwierigkeiten mit dem Hilfspersonal). Für die Ehemänner von Analytikerinnen gilt Entsprechendes, vor allem dann, wenn sie in einem anderen Beruf
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Selbstanalyse in - - - _ Paarbeziehungen
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r viel Geld verdienen und es vorziehen würden, daß die Frau zu Hause bleibt und sich ganztägig um Kinder und Haushalt kümmert. Im ganzen unterscheiden sich Psychoanalytikerin und Psychoanalytiker bezüglich der Probleme, die der Beruf in die Beziehung einbringt, von den Angehörigen anderer Berufe qualitativ, aber nicht so sehr quantitativ; andere Berufe haben andere Probleme. Was Psychoanalytiker von Angehörigen anderer Berufe unterscheidet, ist die Möglichkeit, daß Konflikte, die ein Patient im Analytiker mobilisiert, in die Paarbeziehung hineingetragen werden. Natürlich kommt es auch in anderen Berufen vor, daß man sich im Büro oder im Betrieb ärgert und den Ärger zu Hause ablädt. Derlei Vorgänge sind aber relativ durchsichtig. Dagegen ist es oft schwerer zu erkennen, ob ein Konflikt, der sich im Psychotherapeutenpaar manifestiert, seine Ursachen in der Beziehung selbst hat oder in der Beziehung zu einem Patienten oder einer Patientin. Hier kann Selbstanalyse, rechtzeitig eingesetzt, sicher helfen, und wenn beide Partner Psychotherapeuten sind, können sie über diese Möglichkeit meist gut miteinander reden. Solche Gespräche unterscheiden sich von den frustranen »Beziehungskistengesprächen«, wie sie heutzutage sehr verbreitet sind, dadurch, daß nicht nur über die Beziehung gesprochen wird, sondern auch über spezifische Einflüsse auf die Beziehung, die von außen kommen. Manchmal kann das allerdings dazu führen, daß ein Konflikt zwischen den Partnern verharmlost wird, indem man die Ursachen auf einen Patienten schiebt, obwohl sie mit ihm nichts oder nur wenig zu tun haben. Das kann dazu führen, daß der Konflikt sich am Ende chronifiziert. Meist werden Konflikte im Paar durch Patienten auf dem Wege über einen der beiden Partner erzeugt. In diesem war der entsprechende Konflikt latent meist schon vorhanden. Er geriet in Resonanz mit dem Konflikt des Patienten. Führt ein Therapeutenpaar Therapien gemeinsam durch, kann ein latenter Paarkonflikt unmittelbar aktiviert werden. Die Mobilisierung eines Konflikts in einem Partner wirkt sich sekundär auf die Paarbeziehung aus, weil die Mobilisierung des Konflikts in einem der Partner sein Verhalten
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gegenüber dem anderen Partner verändert. Der Partner kann auch zum Objekt projektiver Identifizierungen gemacht werden, um die eigene innere Welt zu entlasten, auf ihn kann verschoben werden, Übertragungen auf den Patienten können mobilisiert und auf den Partner verschoben werden. Natürlich können Konflikte in einer Paarbeziehung umgekehrt auch die Therapien beeinflussen (KÖNIG 1993b). Werden in einem der Partner ödipale Konflikte mobilisiert, kann der Konflikt sich über die Paarbeziehung hinaus in der Beziehung der Partner zu den eigenen Eltern und zu den Schwiegereltern manifestieren. Der Mann kann plötzlich auf den Vater der Frau eifersüchtig werden, die Frau auf die Mutter des Mannes. Im günstigen Falle spielen sich die Konflikte vielleicht nur in den Tagesphantasien ab. Zum Beispiel phantasiert der Mann, in einem Hotel abzusteigen, wo er vom Portier unfreundlich behandelt wird. Da er in Wirklichkeit ein reicher Mann ist, kauft er das Hotel und entläßt den Portier. Das Hotel steht hier für die Frau, der Portier für deren Vater. Der Mann phantasiert sich als jemand, der über mehr Kräfte verfügt, als man ihm zunächst ansieht, auch eine häufige Phantasie des ödipalen Kindes. Auch die Phantasie, mit einem kleinen Auto, das in Wirklichkeit aber sehr stark ist, weil es einen besonderen Motor hat, große Autos auf der Autobahn zu überholen, hat ödipalen Charakter. Überhaupt scheinen mir Tagesphantasien in Paarkonflikt~n eine große Rolle zu spielen. Sie sind diagnostisch sehr ergtebig. Daß Tagesphantasien in Paarkonflikten häufig vorkommen, hat wahrscheinlich etwas damit zu tun, daß ein manifester interpersoneller Konflikt mit einem Menschen, mit dem man täglich umgeht und auf den man in vielerlei Hinsicht angewiesen ist, so lange wie möglich vermieden werden soll. Manchmal gelingt es, in Selbstanalyse einen Konflikt auf der Ebene der Tagesphantasien zu erkennen und ihn zu lösen, ehe er sich wesentlich auf die Paarbeziehung auswirkt. Eine Steigerung der Phantasietätigkeit im Wachzustand kann aber auch darauf zurückzuführen sein, daß ein Kon31
flikt besteht, der zu einer Distanzierung der Partner geführt hat. Was sonst mit dem Partner besprochen würde, erscheint in verdeckter Form in Tagesphantasien. Die Selbstanalyse hat in Paarkonflikten gegenüber einer Paartherapie den Vorteil, daß es hier weniger um »recht haben« oder »unrecht haben« geht als in verbalen Auseinandersetzungen mit dem Partner. Man kann vor sich selbst leichter etwas einräumen als mit Wissen des Partners, wo es bedeuten. kann, daß man eine Position im Stellungskrieg der Paarausemandersetzung aufgibt. .Weil interpersonelle Konflikte in Paarbeziehungen schwerwIegende Folgen haben können und auf jeden Fall zeitraubend.und anstre~gend sind, tun die Partner überhaupt viel, um SIe zu vermelden; natürlich besonders dann, wenn der Beruf einen Großteil ihrer Kräfte bindet und viel Zeit erfordert, wenn man mit den Patienten gut arbeiten und sich außerdem fortbilden will. Um Konflikte zu vermeiden oder z~ vern:rndern, werden bevorzugt Leugnen und Bagatelli: sl~ren emgesetzt, gelegentlich auch Verschiebung, zum BeispIel auf. Pa~enten. Durch projektive Identifizierung vom kommunikativen Typ versucht man, Gemeinsamkeiten herzustellen, die spontan nicht vorhanden sind. Vielleicht ist aber die Distanzierung vom Partner das Mittel, das am häufigsten eingesetzt wird. . WIrd die Distanzierung nicht ertragen - sie hat oft auch die Fo.lge, daß der Therapeut seine emotionalen Bedürfnisse zu sehr auf die Patienten richtet -, kommt es nach dem Motto: »Besser Streit als nichts« oft zu Auseinandersetzungen, die sich ~er wieder um das gleiche Thema drehen. ~egense~tig~r Arger wird dabei abgeladen, es passiert aber ruchts WIrklich Schlimmes, weil man in der Auseinandersetz~g mit diese~ ~e~a Erfahrung hat. Solche Streitigkeiten konnen d~ WIe re1illgende Gewitter wirken, die eine Spannung ausgleIchen und auch deshalb immer wieder auftreten. In den Paarbeziehungen von Therapeuten, in die ich Einblick bekommen habe, spielen, wie auch sonst in Paarbeziehungen, Statusprobleme oft eine große Rolle. Therapeutenpaare, wo beide gleichviel arbeiten und die Kinder zu 32
gleichen Teilen versorgen, sind selten. Am ehesten geht das noch, wenn die beiden sich durch Hilfe von außen entlasten lassen: durch bezahlte Hilfspersonen, durch Verwandte oder durch Kindergruppen, wobei die bezahlten Hilfspersonen noch die wenigsten Probleme zu machen scheinen. Ist die Berufsarbeit bei einem Paar verschieden verteilt, hat das über kurz oder lang Auswirkungen auf den Status der beiden Partner. Die Aufmerksamkeit des Partners mit dem niedrigeren Status konzentriert sich dann auf Statusfragen. Daraus resultieren oft destruktive Auseinandersetzungen, wenn der Partner mit dem niedrigeren Status den Status des anderen »herunterzureden« versucht, um ein Gleichgewicht herzustellen. Auf diesen Aspekt von Paarbeziehungen wird in dem Buch: Psychotherapeuten und Paare (KÖNIG u. KREISCHE 1991) ausführlicher eingegangen. Dort finden sich auch noch weitere Hinweise auf Probleme in Paarbeziehungen.
_ _ Selbstanalyse und Kinder _ _ Psychotherapeuten betrachten sich oft als Experten dafür, wie man so mit Kindern umgehen sollte, daß sie gut gedeihen. Entsprechend kränkt es sie, wenn die Kinder nicht so gedeihen, wie sie sollten. Deshalb tun sich manche Psychotherapeuten schwer, Kinder überhaupt in die Weit zu setzen: Sie fürchten die Schwere der Aufgabe und die Kränkungen, wenn sie mißlingt. Für die Ehepaare, die in die Göttinger Abteilung für Gruppenpsychotherapie kommen, spielen Streitigkeiten um die Kinderbetreuung und Kindererziehung eine große Rolle. Hier prallen die unterschiedlichen Norm- und Wertvorstellungen aus den Primärfarnilien oder aus unterschiedlichen Peer-Bezugsgruppen von Mann und Frau oft aufeinander. Das gilt nicht nur für die Ziele, etwa Solidarität versus Selbstverwirklichung. Auch der Umgangsstil mit den Kindern ist oft kontrovers. »Man muß sich kümmern« steht gegen »Hilfe zur Selbsthilfe«. Neben den 33
Norm- und Wertvorstellungen aus den Prirnärfarnilien und den Berufsgruppen spielen hier natürlich auch die Persönlichkeitsstrukturen eine große Rolle. Depressive wollen viel Beziehung zu den Kindern haben, Narzißtische weniger; Zwanghafte und Phobische fürchten, die Kinder könnten etwas anstellen oder es könnte ihnen etwas zustoßen. Hysterische schüren die ödipalen Konflikte. Schizoide sehen mehr das »Kind an sich« als das Individuum. Die Vorstellung, man müsse den Kindern »etwas bieten«, ist heute sehr verbreitet. Die Eltern überlasten sich oft im emotionalen oder auch im materiellen Bereich. Sie stellen ihre eigenen Interessen in einern Maße zurück, das latente Aggressionen verursacht, die sie den Kindern nicht zeigen dürfen. »Explodieren« sie einmal, versuchen sie das durch verstärkten Einsatz wieder gutzumachen, wobei die latente Aggression über das vorher erreichte Maß anwächst. In seltenen Fällen kann es dann zu Kindesrnißhandlungen kommen, häufiger sind aber Depressionen oder psychosomatische Symptome. Selbst Fremdgehen scheint manchmal auf die Einstellung: »Man muß den Kindern etwas bieten« zurückzuführen zu sein. Das Zuhause wird durch Überlastungen unattraktiv, und damit oft auch die Partnerin oder der Partner, mit der oder dem man zusammenlebt und Kinder hat. Die Selbstanalyse sollte sich hier zunächst auf die Herkunft der Ideologien konzentrieren, dann aber auch auf Aspekte der eigenen Persönlichkeitsstruktur und schließlich auf die Normen und Werte und die Beziehungen in der eigenen Primärfarnilie. Manches Elternverhalten ist schlicht darauf zurückzuführen, daß man es besser machen will als die eigenen Eltern, oft gerade umgekehrt aber ähnlich extrem. In vielen Fällen ist der Umgang mit den Kindern nur ein Bereich, wo es, wie in vielen anderen Bereichen, darum geht, wer sich durchsetzt und bestimmt. Die Ansichten über Kinderbetreuung und Kindererziehung unterscheiden sich dann wenig. Man spricht ja vorn »Narzißmus der kleinen Difjf;renzen« und meint damit, daß sich das Selbstwertgefühl daran festmacht, ob man seine gering abweichende Meinung »durchbringt«. Im Sport entscheiden auch oft nur
Hundertstelsekunden über den Sieg. Wer eine vorwiegend narzißtische Struktur hat, macht sein Selbstwertgefühl von einern »Sieg« abhängig. Zwanghafte fühlen sich entmachtet, wenn sie nicht recht behalten. Nach meinen Erfahrungen sind Konflikte, die auf realen, erheblichen Unterschieden in den wechselseitigen Positionen bestehen, oft leichter beizulegen. Ein Komprorniß erscheint dort vernünftig, wo es klar ist, daß die Streitpartner unterschiedliche Positionen haben, und es ihnen um die Inhalte geht, vor allem auch im Interesse der Kinder. Dagegen ist es viel schwerer, einen Komprorniß zu finden, wenn die hartnäckig vertretenen unterschiedlichen Positionen sich inhaltlich wenig unterscheiden. Entsteht ein heftiger Streit um kleine Unterschiede, ist das regelhaft ein Zeichen dafür, daß es nicht um die Inhalte geht, sondern darum, wer »siegt« oder sich durchsetzt. Für eine Selbstanalyse ist die Bearbeitung der dahinterliegenden Motive eine schwere Aufgabe. Fast immer geht es um ich-syntone Charakterhaltungen.
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Zur Technik der _____ Selbstanalyse - - - - Die erste Selbstanalyse hat FREUD (1900) gemacht. FREUD hat sich bei seiner Selbstanalyse an einen Partner, FuESS, gewandt und sich ihn vielleicht während der Selbstanalyse vorgestellt; jedenfalls hat er immer von ihm gewußt. So etwas könnte ein Selbstanalysand heute auch tun. Vielleicht war es wichtig, daß beide nicht in der gleichen Stadt wohnten. Sie hätten sich sonst wohl noch früher zerstritten. Es ist nicht ohne Risiko, einen anderen, mit dem man keinen professionellen Kontrakt geschlossen hat, zum Mitwisser intimer Dinge zu machen. Im Abschnitt über den Traum werde ich auf die Schwierigkeiten und Möglichkeiten der Traumanalyse noch näher eingehen. Der »Königsweg« der Traumanalyse ist nur unter bestimmten Bedingungen gangbar. FREUD war im übrigen auch durch einen Forscherdrang
motiviert, der ihm sicher half, Intimes mitzuteilen. Sein Wissenschaftsverständnis war objektivistisch. Man denke an die Spiegelmetapher. Die heutige Wissenschaftstheorie kannte er nicht. »Erkenntnis und Interesse« von HABERMAS (1975) war noch nicht geschrieben. Heute sind wir bezüglich der Motive eines Forschers skeptischer. Mit der Annahme einer rein sachlichen Einstellung machen wir es uns nicht mehr so leicht. Daß viele Analytiker dem Beispiel FREuDs folgen möchten, weil er es eben geschafft habe, führt zu Mißerfolgen und zu Resignation. Man geht von falschen Voraussetzungen aus: sowohl was die Art und Weise der Selbstanalyse FREUDS angeht, als auch was die persönlichen Voraussetzungen betrifft. Dagegen ist der Weg über Mikrosymptome gut zugänglich, wie ihn zum Beispiel CALDER (1980) beschreibt. Er bringt die Mikrosymptome mit ihrer auslösenden Situation in Verbindung. Unter Mikrosymptomen versteht er unter anderem: Fehlhandlungen wie momentanes Vergessen, situationsinadäquat erscheinende Emotionen und Stirrunungen. LuaORSKY (1988) versteht unter Mikrosymptomen unter anderem: momentanes Vergessen, Kopfschmerzen, Magenschmerzen, depressive Zustände. Man kann auch einfach nur den zeitlichen Zusammenhang feststellen. Wird ein bestirrunter zeitlicher Zusammenhang mehrmals festgestellt, spricht das für einen kausalen Zusammenhang, ohne ihn natürlich zu beweisen. Im deduktiven Schließen ist der Schluß: »Post hoc, ergo propter hoc«, (»danach, also deshalb«) unzulässig. Ganz anders beim induktiven Schließen. Da wird ein kausaler Zusammenhang vermutet, wenn ein zeitlicher Zusammenhang häufig festgestellt worden ist. Die Statistik gestattet es festzustellen, ob Zusammenhänge rein durch Zufall erklärbar sind. Ist ein Zusammenhang nicht signifikant, schließt das eine kausale Verbindung nicht aus. Die Statistik kann nur sagen, ob aus einer bestirrunten Untersuchung ein kausaler Zusammenhang wahrscheinlich gemacht werden kann. (Es bleibt dann allerdings immer noch die Möglichkeit, daß kein kausaler Zusammenhang besteht. Die Wahrscheinlichkeit, daß das so ist, wird durch das Signifikanzniveau ausgedrückt.)
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Treten unangenehme Erscheinungen im zeitlichen Zusammenhang mit bestirrunten Situationen auf, ist es naheliegend, diese Situationen zu meiden. Tatsächlich tun das die meisten Menschen auch. Verdirbt man sich an bestirrunten Speisen den Magen, wird man sie meiden; oft auch dann, wenn die Speise selbst nicht die Ursache ist, sondern Bakterien, die sich in der Speise vermehrt haben, weil diese zu lange aufbewahrt wurde. Der Schluß, die Speise sei nur verdorben gewesen und nicht die Speise an sich sei die Ursache eines Brechdurchfalls, erfordert komplexeres Vorwissen und sorgfältigere Beobachtung. Die Konsequenzen sind andere: Man wird die entsprechende Speise nicht meiden, sondern vermeiden, daß sie verdirbt. Das Verhalten ist bei psychischen Symptomen ähnlich. Man kann die Situation meiden, in der psychische Symptome auftreten, zum Beispiel meidet ein Agoraphober die Straße. Der Agoraphobe kann aber beobachten, daß die Angst geringer ist und gar nicht auftritt, wenn er sich in Begleitung befindet, obwohl er nicht sagen kann, vor welchen Gefahren ihn der Begleiter wirklich schützen soll; er wird die Straße in Begleitung dennoch eher betreten als ohne. Macht der Agoraphobe aber eine Analyse, wird er erfahren, daß es sich hierbei um die Gefahr einer sexuellen oder aggressiven Versuchungssituation (KÖNIG 1981) handelt. Es reicht nicht, um ein therapeutisches Ergebnis zu erzielen, wenn man dem Patienten sagt, daß es sich um eine solche Versuchungssituation handelt und wie sie das Symptom hervorruft. Der Patient muß das erst in sich selbst entdecken, sonst wird er eine solche Deutung zurückweisen oder sie nur aufgrund der Autorität des Therapeuten glauben, ohne selbst davon überzeugt zu sein. Hier wie fast überall sonst, ist das Wissen durch Bekannt- oder Vertraut-Sein und Wissen auf dem Umweg über eine Beschreibung etwas sehr verschiedenes (RussELL 1952). In einer Selbstanalyse ist es nun ebenso wie in einer analytischen Psychotherapie mit einem anderen Menschen, dem Therapeuten, entscheidend wichtig, ob ein solches Wissen erreicht wird. Ein »knowledge by description« bezeichnet man im alltäglichen Sprachgebrauch oft als »theoretisch«. Dieses 37 '
»theoretische Wissen« kann man oft nicht praktisch anwenden. Es bleibt dann ohne Einfluß. Das Wissen um die innere Dynamik, die hinter einem Symptom steht, und das Wissen darum, wie sie sich mit einer bekannten auslösenden Situation verbindet, und zwar in der Form des »knowledge by acquaintance« im Sinne von RussELL wird man in einer Selbstanalyse oft nicht erreichen. Hier kann man aber sogenanntes theoretisches Wissen hinzunehmen, um die zunächst fehlenden Verbindungen herzustellen. Oft ist es auch möglich, an Erfahrungen in der Analyse anzuknüpfen. Das theoretische Wissen schafft eine Verbindung zwischen zwei zunächst getrennten Bereichen, so, wie das bei einem Knochenbruch eine Metallplatte bewirken kann, mit der man beide Fragmente verbindet. Eine Stabilität wie vorher wird dabei nicht erreicht, man schafft aber die Voraussetzungen dafür, daß die Fragmente zusammenwachsen. In einer Analyse bei einem Therapeuten werden solche Verbindungen durch Interventionen hergestellt, zum Beispiel gibt der Therapeut eine Deutung. Stabilität kann meist erst im Durcharbeiten über eine längere Zeit erreicht werden. Analog wird man bei der Selbstanalyse theoretisches Wissen, von dem man..meint, daß es paßt, daß es also eine gewisse Prima-Vista-Uberzeugungskraft (eng!. »face validity«) hat, immer wieder heranziehen, um in neuen auslösenden Situationen zu überprüfen, ob dieses Wissen anwendbar ist und ob es an den Folgen der Situation etwas ändert. So kann eine bewußte Überzeugung von einem Zusammenhang entstehen. Diese Überzeugung bewirkt, daß die Situation anders wahrgenommen wird, und das wiederum bewirkt, daß ihre Folgen von vornherein andere sind. Gleichzeitig macht die Kenntnis des dynamischen Zusammenhanges deutlich, welche Kompetenzen etwa fehlen, um mit einem Triebwunsch, der Angst auslöst, umzugehen. Zum Beispiel kann eine Frau entdecken, daß sich mangelnde Übung im Umgang mit Männern negativ auswirkt, wenn es darum geht, einen Mann zurückzuweisen, der die Frau anspricht, ohne daß negative Folgen für die Frau entstehen; zum Beispiel wenn der Mann gekränkt ist und sie mit ihm
täglich umgeht oder sie ihm jedenfalls wiederbegegnen kann, oder weil sie einfach Schuldgefühle entwickelt, den Mann verletzt zu haben. Sie kann Situationen phantasieren, in denen es notwendig wird, Männer zurückzuweisen, und sich Lösungen überlegen. Diese Lösungen kann sie wieder aus Beschreibungen, zum Beispiel aus Romanen, beziehen oder aus entsprechenden Episoden in Kino- oder Fernsehfilmen. Sie wird sich vielleicht in Situationen begeben, wo sie ein entsprechendes Sozialverhalten (vielleicht nicht nur das Zurückweisen von Männern, sondern überhaupt den Umgang mit Männern) lernt, zum Beispiel in einem Verein oder bei bestimmten Aktivitäten während eines Urlaubs. Auf die Wichtigkeit des sozialen Lernens in der Psychotherapie hat zum Beispiel DÜHRSSEN (z.B. 1972, 1988) früh und immer wieder hingewiesen. In einer Selbstanalyse, die den Charakter mit einbezieht, ist es wichtig, welchen Normalitätsbegriff man anwendet. Meiner Ansicht nach (z.B. KÖNIG 1992, KÖNIG u. LINDNER 1992) gibt es kein ideales menschliches Verhalten. Ein Verhalten, das als ideal bezeichnet wird, ist abhängig von der gesellschaftlichen Umgebung, insqesondere auch von der sozialen Schicht, in der man sich befindet, aus der man kommt und von der Schicht, in die man vielleicht strebt; aber auch von dem Beruf, dem man angehört, von den Kolleginnen und Kollegen. So erfordern zum Beispiel verschiedene Berufe der oberen Mittelschicht sehr unterschiedliche Kompetenzen und auch Interessen, aus denen sich unterschiedliche Normen und Werte ergeben. Eine arbeitsteilige Gesellschaft ist ohne unterschiedliche Interessen nicht denkbar. Die Interessen hängen wieder von der Persönlichkeitsstruktur ab. Normalität ist also vielfältig. Normalität ist vom Nichtnormalen nur unscharf abgegrenzt, der Übergang ist fließend. Die Einschätzung von Normalität hängt also davon ab, welcher Gesellschaftsschicht man angehört, welchen Beruf man hat, oder, was auch eine Rolle spielt, ob man verheiratet ist oder nicht. Ob man etwas für normal oder nicht normal hält, hängt außerdem noch davon ab, ob man das entsprechende Verhalten' selbst aufweist. Die meisten Menschen haben ein Inter-
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esse daran, das eigene Verhalten als normal zu sehen. Es besteht kein Interesse, etwas an seinem Verhalten zu änderIf, wenn man annimmt, daß ein bestimmtes Erleben oder Verhalten normal ist oder gar zur menschlichen Existenz gehört. Wer unter einem bestimmten Erleben oder Verhalten leidet, hat ein größeres Interesse daran, etwas zu ändern, als wenn darunter nur andere leiden und ihn das Leiden der anderen wenig betrifft. Die Befürchtung, eine Veränderung könnte mißlingen oder ihre Folgen könnten nicht nur angenehm sein, sondern vielleicht andere mühselige oder gefährlich erscheinende oder tatsächlich gefährliche Veränderungen mit sich ziehen, beziehungsweise notwendig machen, kann die Motivation verringern, eine Veränderung zu versuchen. Das verstärkt die Tendenz, eigenes Verhalten als normal zu sehen. Damit entfällt zwar nicht die Möglichkeit etwas zu verändern, wenn man annimmt, daß es Normalitätsbereiche und verschiedene alternative Formen von Normalität gibt. Man könnte ja von einer Normalität in eine andere gelangen, unter der man weniger leidet. Die Notwendigkeit, etwas zu verändern, wird dann aber nur noch vom eigenen Leidensdruck bestimmt, nicht mehr von dem Wunsch, normal zu sein. Umgekehrt ist es nicht immer leicht, anzuerkennen, daß man in bestimmten Bereichen normal ist. Das gilt vor allem für den Leistungsbereich. So kann es kränkend sein, festzustellen, daß die eigene Begabung normal, aber eben nur durchschnittlich ist. Es kann auch kränkend sein, daß man selbst bei hoher Begabung arbeiten muß, um etwas zu erreichen, daß man einen schwierigen Text mehrmals lesen und daß der Entwurf eines Textes überarbeitet werden muß. Vorstellungen von Normalität lassen sich bezüglich der Möglichkeiten und Grenzen, im qualitativen wie im quantitativen Sinne, betrachten. Es kann Aufgabe einer Therapie sein, die Möglichkeiten die man hat, auszuschöpfen, die eigenen Grenzen zu sehen und sich mit ihnen auszusöhnen. Die meisten Menschen sind eher bereit, ihre Persönlichkeitsstruktur zu betrachten und in Teilbereichen in Frage zu stellen, wenn sie sich klarmachen, daß jede Persönlichkeitsstruktur ihre Vorzüge und Nachteile hat, und wo die liegen. 40
Manchmal kann es schon genügen, wenn man sich in Beschreibungen von Persönlichkeitsstrukturen wiedererkennt. Kolleginnen und Kollegen, die ihre bipersonale Analyse längst abgeschlossen hatten, haben mir mitgeteilt, daß sie die Beschreibungen in meinem Buch »Kleine psychoanalytische Charakterkunde« (KÖNIG 1992) hilfreich fanden. Zwar war ihnen vieles, was dort geschrieben wird, schon bekannt, oder sie hatten es gelesen oder in Vorlesungen gehört, aber ohne es sich auf Dauer zu merken, weil es sie in der damaligen Zeit nicht persönlich betraf. Natürlich wird einem Therapeuten immer wieder durch seine Patienten ein Spiegel vorgehalten. Das kann zu selbstanalytischen Bemühungen anregen. Ein gutes Beispiel für die Untersuchung von Beziehungswünschen im Rahmen von Normalität ist die des Unterschiedes zwischen Macht und Einfluß. Strebt jemand Macht an, möchte er selbst entscheiden. Strebt jemand Einfluß an, möchte er Einfluß auf die Entscheidungen anderer haben. Er wünscht sich keine totale Kontrolle, sondern Einfluß in dem Sinne, daß seine eigenen Ansichten und Wünsche Berücksichtigung finden sollen. Die meisten Menschen wünschen sich Einfluß in Beziehungen: Sie wünschen sich, daß ihre Vorstellungen Berücksichtigung finden, ohne daß sie erwarten würden, diese würden in toto umgesetzt. Wer sich dagegen Macht wünscht, möchte in einer Position sein, die es ihm gestattet zu entscheiden, was getan wird. Dazu gehört nicht in jedem Falle eine völlige Umsetzung eigener Vorstellungen. Die Vorstellungen anderer können mit herangezogen und integriert werden. Die Entscheidung, was geschieht, bleibt aber beim Mächtigen. Der Mächtige übt Kontrolle aus, und zwar im angelsächsischen Sinne: er beherrscht die Situation. _ Wer aber eine ·Situation kontrolliert, hat nicht nur die Verantwortung für alles, was geschieht. Die Position des Kontrollierenden ist auch gefährdeter als die Position eines Menschen, der nur Einfluß haben möchte. Verhalten sich Menschen, die ein anderer kontrollieren möchte, aus dem eigenen Verständnis der Situation und aus eigenen Konzepten heraus, stellen sie die Position des Kontrollierenden un-
mittelbar in Frage. Die Position dessen, der Einfluß haben möchte, wird dadurch noch nicht gefährdet. Sein Einfluß kann graduell vermindert werden, ohne daß er aufgehoben würde. Dagegen muß einer, der wünscht, eine Situation zu kontrollieren, jedes selbständige Handeln als gegen sich gerichtet erleben, als revolutionär. Wird das Handeln tatsächlich umgesetzt und bleibt das für den Handelnden ohne nachteilige Folgen, fühlt sich der bisher Kontrollierende aus der Position des Kontrollierenden entfernt, er ist gleichsam abgesetzt. Deshalb müssen Menschen, die eine kontrollierende Position anstreben, vor jedem spontanen Handeln der Menschen, die sie kontrollieren möchten, viel mehr Angst haben als jemand, der lediglich Einfluß haben möchte. Wohl jeder Analysierende kann davon berichten, daß er in seiner bipersonalen Analyse mit Hilfe seines Analytikers immer ~ieder ein Verhalten entdeckt und aufgeklärt hat, bei dem Ubertragungsverkennungen im Spiel waren und er auf eine Person im aktuellen Beziehungsfeld ähnlich reagierte wie auf eine Person in seiner Vergangenheit. Zwischen der aktuellen Beziehungsperson und der Person in der Vergangenheit bestand eine gewisse Ähnlichkeit im Verhalten oder in der sozialen Stellung, es wurde aber mehr Ähnlichkeit wahrgenommen, als vorhanden war. Erst die Bearbeitung der Frage, ob es sich nicht um Übertragung handeln könnte, deckte den Verkennungsanteil auf, ermöglichte so eine realistischere Sicht und machte es dem Analysanden möglich, Nachteile zu vermeiden, die sich für ihn aus der Verkennung ergeben oder ergeben konnten. Diese Nachteile können groß sein, zum Beispiel dann, wenn der Analysand sich in eine Frau oder die Analysandin sich in einen Mann verliebt, die nicht wegen ihrer realen Eigenschaften attraktiv erscheinen, sondern aus Gründen, die mit ihnen selbst wenig zu tun haben. Es kommt dann zu ganz unzweckmäßigen Partnerwahlen, die zu Partnerschaften mit schlechter Prognose führen, eine bestehende Partnerschaft gefährden oder Tatsachen schaffen, die problematisch werden könnten, zum l}eispiel durch eine Schwangerschaft. Übertragungen können dazu führen, daß jemand ohne vernünftigen Grund einen Arbeitsplatz aufgibt, weil er es dort mit jemandem, auf 42
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den er überträgt, nicht aushält, oder sich um eine Stelle bewirbt, die für ihn ganz ungeeignet ist, weil er auf Personen überträgt, die mit der Stelle verbunden sind, zum Beispiel auf den Chef. Er kann auch eine ganze Institution unbewußt einer früheren wichtigen Person gleichsetzen, oft "dem Vater oder der Mutter. Es kann jemand auch aus Gründen der Übertragung an einer Stelle festhalten, die ihm viel weniger Entwicklungsmöglichkeiten bietet als eine andere, und sich dadurch schaden. Die Regression in einer bipersonalen Analyse disponiert natürlich zur Übertragung infantiler Objekte im aktuellen Beziehungsfeld, weil sie zwischen den Sitzungen zu einem großen Teil bestehenbleibt; wie ich schon anderswo (KÖNIG 1976, KÖNIG U. LINDNER 1992) dargelegt habe, ist das bei Gruppentherapien weniger der Fall. Auch ohne Regression wird Infantiles übertragen. Der Verdacht, daß es sich bei einem Verhalten, das durch starke Gefühle motiviert wird, um ein infantil mitbedingtes Verhalten handeln könnte, ergibt sich oft aus einer starken Intensität der Gefühle, die dem Analysanden aber nicht als persönlichkeitsfremd erscheinen. In einer bipersonalen Analyse ist es dann die Aufgabe des Analytikers, die Frage zu stellen, ob es sich hier nicht um Gefühle handeln könnte, die ganz oder zum Teil einer früheren Beziehungsperson gelten und die auf die aktuelle Person verschoben sind. In einer Selbstanalyse ist niemand da, dem man den Auftrag gegeben hätte, auf diese Möglichkeit aufmerksam zu machen. Tut es ein Freund oder etwa die Partnerin unaufgefordert, wird das meist ärgerlich zurückgewiesen. Sind die Gefühle sehr stark, kann es auch in einer Analyse schwer sein, einen solchen im Rahmen des therapeutischen Kontraktes g.egebenen Hinweis in Erwägung zu ziehen. Auch wenn eine gute Arbeitsbeziehung besteht, kann sie durch Übertragung verdeckt werden, wenn der Analytiker selbst die Person ist, auf die der Analysand überträgt. Aber auch bei Übertragungen auf Außenobjekte können die rationalen Funktionen des Ich durch intensive Gefühle außer Funktion gesetzt sein, etwa durch eine intensive, rasch eingetretene Verliebtheit. ~
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In einer Selbstanalyse bewährt es sich, grundsätzlich alle intensiven Gefühle zum Anlaß von Überlegungen zu machen. Natürlich gibt es intensive Gefühle, die sich genau auf die Person beziehen, um die es aktuell geht; der infantile Anteil fehlt oder ist zumindest so gering, daß man ihn vernachlässigen kann. Das weiß man aber nicht, ehe man die Möglichkeit einer Übertragung geprüft hat. Eine solche Einstellung hat aber auch ihre Nachteile. Sie bringt Rationalität in Beziehungen, die sie vielle1cht schlecht vertragen, und engt das spontane Fühlen ein. Andererseits kann sie verhindern, daß man zum eigenen Schaden und vielleicht auch zum Schaden anderer aus dem Gefühl heraus Entscheidungen trifft, die sich später als schädlich herausstellen. Wir bewegen uns hier auf einem Kontinuum. Auf einem Pol des Kontinuums befindet sich der »Mensch im Futteral«, wie TSCHECHOW ihn beschrieben hat, der sich für nichts engagiert, weil er nie weiß, was sich alles daraus entwickeln könnte; ain anderen Pol vielleicht Anna Karenina, jemand, der spontan, aber selbstschädigend handelt. Natürlich werden nicht nur ganze Personen übertragen, sondern oft nur bestimmte Aspekte,. und zwar auch dann, wenn diese Aspekte verdrängt worden sind. Sie wirken aus dem Unbewußten heraus. Der einfache Hinweis, den man sich selbst gibt, es könne sich um eine Übertragung einer wichtigen früheren Bezi~hungspersonhandeln, findet dann keine leichte Bestätigung. Wohl aber können Erinnerungen reaktiviert werden, die schon einmal, nämlich während der bipersonalen Analyse, in das Bewußtsein getreten und später wieder »vergessen« worden sind. Auch Idealobjekte können natürlich übertragen werden. Sie haben oft Eigenschaftgn, die denen realer Beziehungspersonen entgegengesetzt sind, zum Beispiel der Warmherzigkeit im Gegensatz zur Eigenschaft der Kühle einer realen Mutter oder eines realen Vaters. Nun rufen nicht alle Übertragungen auffallend intensive Gefühle hervor, die das Denken behindern~ Es gibt übertragungsbedingtes Verhalten, das nicht dutch intensive Gefühle erzwungen wird, sondern sich aus der Verkennung ~ines Objekts ergibt, ohne daß das Objekt intensive Gefühle
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hervorruft. Wenn jemand seinen Chef mit seinem Vater »verwechselt« und deshalb glaubt, daß der Chef ihn niemals entlassen wird, auch wenn es diesem Chef erhebliche finanzielle Nachteile bringt, wird er vielleicht aus allen Wolken fallen, wenn er in einer Wirtschaftskrise doch entlassen wird. Seinen Sohn hätte der Chef wahrscheinlich nicht entlassen, er hätte ihn irgendwie weiterbeschäftigt, wenn er ihm keine andere bezahlte Stelle verschaffen könnte; den Angestellten entläßt er, auch wenn es ihm schwerfällt. Der Betreffende bereitet sich nicht auf eine mögliche Entlassung vor. Hier handelt es sich um ein Handeln durch Unterlassung aufgrund einer übertragungsbedingten Verkennung. Differentialdiagnostisch wäre an ein schizoid-vertrauensseliges, also charakterbedingtes Verhalten zu denken. Im Grunde ist ein solches Verhalten ähnlich realitätsinadäquat wie eine aggressive Auseinandersetzung mit einem Chef, auf den jemand den autoritären Vater überträgt. Mangelnde Impulskontrolle kann dazu führen, daß Impulse, die sich bei jedem Menschen in Reaktion auf andere bemerkbar machen, zu impulsivem Handeln führen, statt innerpsychisch zu bleiben. Dieses impulsive Handeln ist dann oft sozialinadäquat. Menschen mit grob mangelnder Impulskontrolle wird man unter psychoanalytischen Therapeuten kaum antreffen. In Einzelfällen kann sie bei organisch bedingter Hirnleistungsschwäche vorkommen. :ein Handeln aufgrund mangelnder Impulskontrolle ist auf den ersten Blick, iJ? Querschnitt, von einem infantil mitbedingten, auf einer Ubertragungsverkennung beruhenden Verhalten oft schwer zu unterscheiden. Übertragungsbedingtes Agieren, aber auch charakterbedingtes Agieren sind oft ideologisiert. Charakterbedingtes Agieren kommt bei Menschen mit Charaktersymptomen vor. Sie werden ich-synton ausgelebt. Der Betreffende meint, sein Verhalten sei normal und berechtigt. Auch wenn er das eigene Verhalten lediglich als eine von mehreren möglichen Verhaltensweisen deklariert, die im Rahmen der Normalität liegen, ist der Betreffende oft insgeheim der Meinung, er sei etwas normaler und mehr im Recht als andere Menschen. Ideologie ermöglicht es, ein 'Von den sozialen Normen ab-
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weichendes Verhalten als wünschenswert zu vertreten. Alle Menschen müßten so offen sein oder so kämpferisch im Durchsetzen dessen, was sie für richtig halten. Dem Betreffenden fällt nicht auf, daß in der Ideologie, die er verwendet, um sein Verhalten zu rechtfertigen, unter Offenheit oder einem kämpferischen Verhalten quantitativ und oft sogar qualitativ etwas anderes gemeint ist als das, was er tut, zum Beispiel nicht Rücksichtslosigkeit oder Streitsucht. Derlei kann man auch an psychoanalytischen Institufen beobachten. Die Auseinandersetzungen über Verhaltensstile werden meist auf ideologischer Ebene geführt. Solche Auseinandersetzungen ändern nicht viel, weil sie in schwer entscheidbare Kontroversen über Normalität führen. Da es mit Recht als unzulässig gilt, in Auseinandersetzungen das Verhalten von Kolleginnen und Kollegen zu deuten, kann nicht diskutiert werden, worum es eigentlich geht. Für die Selbstanalyse eines solchen Verhaltens gilt, was ich bereits über ich-syntone Charakterhaltungen gesagt habe: Man tut sich schwer damit. Zum Schluß dieses Kapitels noch ein technischer Hinweis. Um eigenes übertragungsbedingtes Verhalten zu erkennen, auf das man bisher nicht aufmerksam geworden ist, kann es zweckmäßig sein, die Personen im aktuellen Beziehungsnetz mit den Personen in der Primärfamilie zu vergleichen. Mit diese!. systematischen Vorgehensweise entdeckt man dann den Ubertragungsbezug von Erwartungen und Frustrationen oder Befriedigungen in einer Beziehung und deren Einfluß auf das eigene Handeln leichter, als wenn man unsystematisch vorgehen würde. Überhaupt gilt für die Selbstanalyse allgemein, daß es sich als vorteilhaft erweist, die sonst vom Analytiker gesetzten Grenzen des Settings durch ein Stück eigener Systematik zu ersetzen. Der Umgang mit dieser Systematik ist dann oft aufschlußreich. Man kann Personen vergessen oder auf Namen nicht kommen, nach denen zu suchen einem sonst nicht eingefallen wäre. Das gibt Hinweise, daß da ein Widerstand am Werk ist, den man nur erkennen kann, wenn man ihn aktiviert. Der Widerstand weist dann auf einen wichtigen Inhalt hin.
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Die freie Assoziation in der Selbstanalyse
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Die meisten Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich im Verlauf der Jahre über ihre Selbstanalyse gesprochen habe, legen sich nicht regelmäßig auf die Couch, um dort frei zu assozüeren, wie man das in einer analytischen Stunde tut. Wer das tat, suchte sich doch immer wieder auch etwas, zu dem er oder sie assozüert: einen Patienten, einen Angehörigen, einen Traum, eine Begebenheit, ein Gefühl (Affekt, Stimmung oder Körpergefühl). CALDER (1980) scheint ebenso vorzugehen, wobei er das Assozüeren zu Träumen wenig nützlich gefunden hat. Dagegen fand er es sehr nützlich, Mikrosymptome als Ausgangspunkt zu nehmen. Mikrosymptome sind solche, die nicht nur von mäßiger Intensität sind, sondern auch von begrenzter Dauer. Sie treten in bestimmten Situationen auf und verschwinden in der Regel spontan. Assoziert werden kann zum Symptom, aber auch zu der Situation, in der das Symptom aufgetreten ist. Eine schwere Symptomatik (beispielsweise im Falle von JUNKER [1993], dem Autor eines Buches über Reanalyse, unter anderem ein Bronchialasthma mit wohl partiell psychogener Verursachung) eignet sich kaum dazu, mit Selbstanalyse angegangen zu werden, wenn das die einzige Therapie bleiben soll; obwohl es natürlich einen Sinn macht, sich in Selbstanalyse schon einmal die Situationen anzusehen, in denen das Asthma verstärkt auftritt. Eine Selbstanalyse bei körperlichen Symptomen sollte nicht begonnen werden, ohne daß die somatische Seite abgeklärt ist, das gilt auch sonst für Therapien. Eine Selbstanalyse kann zum Widerstand dagegen werden, eine Krankheit somatisch abklären zu lassen, weil man das Ergebnis fürchtet. Ebenso kann sie zum Widerstand dagegen werden, die Hilfe eines Kollegen in Anspruch zu nehmen, wenn das angezeigt wäre. Die Begrenztheit einer Selbstanalyse zeigt sich oft darin, daß ein Stocken im Assoziationsverlauf schwerer überwunden werden kann als in einer bipersonalen Analyse. Dort kann der Analytiker seine Ve!mutungen, warum es zu dem
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Stocken kommt, einbringen, während der frei Assoziierende durch den Gedankenblock in seinen mentalen Fuktionen eingeschränkt ist. Aber auch kurze Assoziationsketten können einen weiterbringen, wenn man zum Beispiel an verschiedenen Aspekten einer auslösenden Situation ansetzt und das Problem so gleichsam einkreist. Ähnlich wie auch sonst in einer Analyse kann der Verlauf der Assoziationskette Widerstandscharakter haben. Zum Beispiel fallen einem zu einer Person, auf die man aggressive Gefühle verschiebt, die aber einer anderen wichtigen Beziehungsperson gelten, Beziehungspersonen aus früherer Zeit ein, mit denen man jetzt nichts zu tun hat oder die schon gestorben sind. So läßt sich nicht herausfinden, von wem aus die Aggression aktuell verschoben worden ist. Die Aggression kann sich entwickelt haben, weil der Betreffende einen an die frühere Beziehungsperson erinnerte, die einem jetzt einfällt, in der Assoziationskette wird er aber »ausgelassen«. Die Assoziation aus der Genese ist zwar nicht falsch, sie führt aber in die Irre. Immerhin kann eine solche Assoziation die Aggression gegenüber der Person, um die es eigentlich geht, vermindern und so einen gewissen positiven Effekt haben. Hier fehlt auch wieder der Analytiker, der in einer bipersonalen Analyse auf mögliche Auslassungen hinweist. Wie auch in bipersonalen Analysen kann eine dauernde Beschäftigung mit Personen aus der Vergangenheit eine anstehende Auseinandersetzung mit einer Person aus der Gegenwart behindern. Manchmal führen die Assoziationen zu einem Patienten zu einem selbst. Man erkennt, daß man mit dem gegenwärti. gen Patienten identifiziert ist oder ihn so erlebt, wie man als Kind war, oder mit dem Patienten wie ein besserer Vater oder eine bessere Mutter umgehen möchte und dadurch vielleicht die professionelle Einstellung vernachlässigt, die im Umgang mit dem Patienten mehr Objektivität und damit treffendere Interventionen ermöglichen würde (vgl. auch KÖNIG 1993a, 1993b).
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Feedback
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Feedback ist die Mitteilung eigener Reaktionen auf andere. Sie kann verbal oder nonverbal erfolgen, beabsichtigt oder unbeabsichtigt. Hier soll es um die beabsichtigte Form gehen. Gegen Feedbacks wird häufig der Abwehrmechanismus des Rationalisierens eingesetzt. Man sagt: »Das sagt er ja nur, weil ...«. Rationalisieren im engeren Sinne heißt, daß der Rationalisierende sich sein eigenes Verhalten »vernünftig« erklärt und irrationale Motive nicht zur Kenntnis nimmt und nicht nach ihnen sucht, obwohl sie ihm, zumindest ein Stück weit, zugänglich wären. Wird der Begriff auf andere Personen angewendet, so zunächst in dem Sinne, daß der andere in sich selbst etwas wahrnimmt, beziehungsweise das Wahrgenommene so und nicht anders verarbeitet, weil er Gründe hat, nicht objektiv zu sein. Man sagt, der andere hätte schon seine Gründe, warum er das so sieht oder einem das so sagt, zum Beispiel, warum er gerade nur Negatives sieht oder von dem Gesehenen Negatives mitteilt. Natürlich kann auch ein positives Feedback abgelehnt werden. Depressive, die eine negative Selbsteinschätzung haben, akzeptieren ein positives Feedback nicht, wenn es von diesem Selbstbild zu weit abweicht, und sagen dann ebenfalls: »Das sagt er doch nur ...«, zum Beispiel: »Das sagt er doch nur, weil er mich braucht, weil er etwas von mir will, weil er freundlich sein möchte.« Ein negatives Feedback wird mit der Begründung abgelehnt, der andere sei neidisch, er befände sich mit einem selbst in Konkurrenz oder er sehe bei allen Menschen wohl nur das Negative und nicht auch das Positive. Ein Depressiver wehrt positives Feedback ab, um Widersprüche in Form von kognitiven Dissonanzen aufgrund einer Diskrepanz von Selbst- und Fremdeinschätzung zu vermeiden, während er negatives Feedback als Bestätigung seiner Selbsteinschätzung nimmt. Ist das negative Feedback von der Selbsteinschätzung allerdings zur negativen Seite hin zu weit entfernt, wird auch der Depressive sich dagegen wehren. Das kann die ~cheinbar paradoxe Auswirkung ha-
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... ben, daß ein Depressiver, dem man zuviel Negatives unterstellt, sich zu wehren beginnt und seine Selbsteinschätzung in Kontrast zum negativen Feedback im positiven Sinne verändert. Depressive fürchten ein positives Feedback auch deshalb, weil sie es als Anforderung empfinden, diesem Feedback künftig immer zu entsprechen. So erleben sie ein mit gutem Ergebnis bestandenes Examen als Anforderung, nun immer gute Examina zu machen oder im Beruf immer gute Leistungen zu erbringen. Das, so meinen sie, kann ihnen aber nicht gelingen. Die Folge ist, daß ein gutes Feedback scheinbar paradoxerweise die depressive negative Einstellung zu sich selbst verstärkt. Der Depressive denkt: »Eigentlich hätte ich das Examen gar nicht bestehen dürfen, ich weiß ja fast nichts, der Prüfer hat sich getäuscht, oder ich war ihm einfach nur sympathisch etc. Jedenfalls kann ich allenfalls mit enormen zusätzlichen Anstrengungen der guten Meinung entsprechen, die der Prüfer von mir hat.« Narzißtisch Strukturierte nehmen ein positives Feedback als Bestätigung ihrer Selbsteinschätzung. Oft ist es ihnen noch zu wenig positiv. Sie denken dann: »Mit seinem Lob ist der andere doch nur so zurückhaltend, weil ...«. Aber auch narzißtisch strukturierten Menschen kann ein hohes Lob zu viel sein, weil sie dann in einen narzißtischen Erregungszustand geraten, der im Extremfall unangenehm ist. Es wird ihnen dann doch »zu viel« mit dem positiven Feedback. Ein negatives Feedback kommt bei manchen narzißtisch strukturierten Menschen nicht an, es wird durch Rationalisierung (»Das sagt er doch nur, weil ...«) abgewehrt. Wenn die eigene positive Selbsteinschätzung aber grundsätzlich sehr labil ist oder sie vor kurzer Zeit mit dem Real-Selbst konfrontiert und dadurch labilisiert wurde, führt ein negatives Feedback zur Kränkung. Die kränkende Wirkung geht dann sowohl über das, was andere, weniger narzißtisch strukturierte Menschen empfänden, hinaus als auch über das, was derjenige intendiert hat, der das Feedback gab; es sei denn, er kannte die Kränkbarkeit des narzißtisch Strukturierten und wpllte ihn kränken. So etwas kommt nicht selten in schon länger dauernden Paarbeziehungen vor. Feedback gibt es natürlich nicht nur in Therapien, beson-
ders in Gruppentherapien, sondern auch im Alltagsleben. Dort hat es, außer bei Therapeuten, die sich in Alltagsbeziehungen mißbräuchlich therapeutisch verhalten, das heißt, ohne einen entsprechenden Kontrakt, und die dann meist auch aversive Reaktionen ernten, keine therapeutische Intention. Wohl aber ist mit einem Feedback die Absicht verknüpft, daß der andere sich ändern soll. Im Alltagsleben geben die meisten Menschen eher ein negatives Feedback als ein positives, es sei denn, sie sind in die Person, die das Feedback erreichen soll, verliebt. Ein solches Feedback aus einer Verliebtheit heraus wirkt für den Außenstehenden meist übertrieben und wird auf das zurückgeführt, was FREUD (1921) als »Sexualüberschätzung« bezeichnet hat. Umgekehrt bedingt Haß oft ein für Außenstehende erkennbar verzerrtes negatives Feedback. Ein positives Feedback wird leichter gegeben, wenn der Feedback-Geber sich in einer überlegenen Position fühlt, zum Beispiel gegenüber einem Dienstleistenden in einem Restaurant; das geschieht interessanterweise aber selten bezüglich der Bedienung, sondern bezüglich der Qualität des Essens. Es handelt sich um ein Feedback, das eigentlich an den Koch gerichtet ist und nur indirekt an die Kellnerin oder an den Kellner; nämlich insoweit, als der Bedienende glücklicherweise in einem Betrieb angestellt ist, wo man gut kocht. Ein positives Feedback wird auch durch ein Trinkgeld symbolisiert. Der Trinkgeldgeber ist wieder in einer überlegenen Position gegenüber dem, der das Trinkgeld empfängt. Mehr als zum Beispiel in therapeutischen Gruppen, in denen das in Frage gestellt werden kann, wird im Alltagsleben ein positives Feedback eingesetzt, um den anderen zu manipulieren. Man gibt zum Beispiel ein positives Feedback, um das nächste Mal gut bedient zu werden. Ein Motiv, positives Feedback zu geben, kann auch sein, daß der FeedbackGeber sich an der Freude des Feedback-Empfängers über das Feedback mitfreut. Das tun vor allem solche Menschen, die zur altruistischen Abtretung neigen. Sie können Freude direkt nur schwer empfinden. Es gelingt ihnen leichter auf dem Umweg über gas Miterleben der Freude anderer.
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Positives Feedback kann auch den Zweck haben, eine Beziehung zu verbessern oder die eigene Überlegenheit zu betonen, indem man sich in eine Position bringt, von der aus man den anderen beurteilt. Insgesamt sind die Feedbacks im Alltagsleben wohl weniger objektiv als in einer Gruppentherapie, wo man sich implizit zu einem Bemühen um Objektivität verpflichtet und auch weiß, daß die anderen Gruppenmitglieder zusammen mit dem Therapeuten darauf achten werden, ob man dem anderen eine möglichst objektive Mitteilung zukommen lassen will oder ob man damit für sich selbst etwas erreichen möchte. Aber auch im Alltagsleben kann man sich bemühen, objektiv zu sein. Man hat dann das Motiv, dem anderen mit dem Feedback einen Gefallen zu tun. Dieses Motiv kann in seinem Stellenwert natürlich überschätzt werden. In Therapiegruppen wird ein positives Feedback meist weniger in Frage gestellt als ein negatives. Das hängt wahrscheinlich mit der impliziten Vereinbarung zusammen, einander zu fördern, wozu auch gehört, daß man einander Mut macht und das Selbstwertgefühl des anderen stützt. Oft wirkt sich das dann antitherapeutisch aus. So können Gruppenmitglieder die illusion einer Frau bestätigen, sie hätte noch viel Zeit, sich einen Partner zu suchen, weil sie sehr attraktiv sei. Frauen in den Fünfzigern werden von Männern in einer therapeutischen Gruppe oft so »behandelt«, als seien sie viel jünger. Prinzipiell kann jedes Feedback verzerrt sein - durch Idealisierung oder Entwertung, durch Liebe oder Haß. In Therapiegruppen wie im Alltagsleben können sich Menschen gegen eine Person oder eine Untergruppe zusammenschließen und in ihr das bekämpfen, womit sie selbst Probleme haben. Ein Feedback kann auf einer Projektion basieren, aber auch auf einer Introjektion: ist das Objekt, mit dem man umgeht, gleichzeitig introjiziert, betrifft das, was man dem Objekt sagt, auch immer einen selbst. Das gilt jedenfalls für reifere Formen der Internalisierung, zum Beispiel für die Identifizierung mit einer Leitperson in einer Gruppe, besonders natürlich mit dem Therapeuten. Negatives Feedback kann etwas im anderen bewirken
wollen, eine Verhaltensänderung oder etwas Emotionales, zum Beispiel Freude oder aber Kränkung. Ein negatives Feedback kann verwendet werden, um Machtverhältnisse zu verändern; zum Beispiel dann, wenn der andere durch das Feedback »am Boden zerstört« ist. Negatives Feedback kann aber auch Ausdruck eines eigenen Gefühlszustandes sein. Man will sich von Ärger entlasten, indem man sagt, worüber man sich ärgert, so wie man mitteilen möchte, über was man sich am anderen freut, weil man »vor Freude überläuft«. Das Letztere kommt häufig im Zustand der Verliebtheit vor, aber auch dann, wenn einem jemand eine große Freude bereitet hat. Insgesamt läßt sich sagen, daß man einem Feedback gegenüber kritisch sein muß: die Motivationslage des Feedback-Gebers kann die Objektivität des Feedbacks beeinträchtigen. Selbst wenn das Feedback der Realität entspricht, kann es doch wichtig sein zu überlegen, warum der andere es einem gibt. Andererseits bringt eine überkritische Einstellung gegenüber einem Feedback auch Nachteile. Man freut sich über ein positives Feedback weniger, als man sich freuen könnte, und nutzt ein negatives Feedback weniger zur Optimierung des eigenen Verhaltens, als es möglich wäre. Außerdem kann man natürlich eigene Gründe haben, ein Feedback zurückzuweisen, die sich bei näherer Betrachtung als Rationalisierung herausstellen. Rationalisierung kann dabei nicht nur in der oben dargestellten Weise eingesetzt werden, nämlich zum falschen Erklären der Motive anderer. Auch die eigenen Motive, ein Feedback anzunehmen oder zurückzuweisen, müssen der Realität nicht entsprechen. Motive, wie sie oben für das Zurückweisen eines Feedbacks dargestellt wurden, können eine Rolle spielen. Diese Motive werden dann oft nicht wahrgenommen, sondern durch Argumente vom Typ: »Das tut er doch nur, weil ...« ersetzt, aber auch durch Argumente wie: »Ich weise positives Feedback zurück, weil ich selbstkritisch bin« oder: »Ich kenne mich selbst am besten, deshalb ist die Meinung anderer über mich irrelevant«. Ein Feedback kann in der Regel dann am leichtesten angenommen werden, wenn es nur Beobachtungen und Reaktio-
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nen enthält, nicht auch Interpretationen. »Ich bin nicht deine Mutter« enthält eine Interpretation. Das Verhalten dessen, der angesprochen wird, sei dem Verhalten einer Mutter gegenüber ähnlich. »Du läßt mich das machen, als ob du es nicht selbst machen könntest« ist eine Beschreibung. »Ich ärgere mich, weil ...« beschreibt ein Gefühl, das durch ein bestimmtes Verhalten ausgelöst wird. Wird eine Interpretation gegeben, heißt das unter anderem auch: »Ich weiß mehr als du«. Ein reines Feedback enthält meist eine Aufforderung, ein Verhalten zu ändern, aber nicht die Anweisung, wie das geschehen soll. Das »Feedback« »Ich bin nicht deine Mutter« enthält die Anweisung: »Erkenne, daß du dich mir gegenüber so verhältst, als sei ich deine Mutter, und verhalte dich mir gegenüber so wie gegenüber der, die ich wirklich bin«. Lebt die Frau, die das sagt, mit ihrem Mann und der Schwiegermutter im gleichen Haushalt oder kommt die Schwiegermutter öfter zu Besuch und macht dann bestimmte Dinge für den Mann, ist der Interpretationsgehalt gering. Die Äußerung: »Ich bin nicht deine Mutter« kann hier lediglich heißen, daß die Mutter so dumm ist, bestimmte Dinge zu tun, und die Frau nicht. Der Interpretationsgehalt ist höher, wenn die Mutter schon verstorben ist, denn hier wird gesagt, daß die Frau den Mann wie ein Kind und sich wie eine Erwachsene erlebt. Hat die Frau gar psychoanalytische Kenntnisse, kann das Feedback: »Ich bin nicht deine Mutter« heißen, daß der Mann zu einer reifen Beziehung nicht fähig, sondern in seiner Entwicklung steckengeblieben ist und deshalb ein infantiles Verhalten an den Tag legt, das er schleunigst verändern soll. In diesem Fall wird der Mann wohl am ehesten widerwillig reagieren; jedenfalls dann, wenn er ebenfalls psychoanalytische Kenntnisse hat und seine Frau so versteht, wie oben beschrieben. Er wird dann vielleicht sagen: »Du sollst nicht immer an mir herumdeuten«, statt das Feedback in seiner Selbstanalyse auszuwerten.
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Selbstanalyse und projektive Identifizierung Jemand, der ein Objekt überträgt oder einen Selbstanteil externalisiert, beeinflußt die Person, auf die er ein Objekt überträgt oder einen Selbstanteil externalisiert, durch ein unbewußt motiviertes Verhalten oft so, daß sie sich verhält, wie er erwartet. Übertragung oder Externalisierung werden so wahr gemacht. Die Motive sind verschieden. Ist der Wunsch maßgebend, Vertrautes (»Familiarität«) in der anderen Person wil:;derzufinden, nenne ich das projektive Identifizierung vom Ubertragungstyp. Ist eine innere Konfliktentlastung das Ziel (ein innerer Konflikt wird in einen äußeren umgewandelt), nenne ich das projektive Identifizierung vom KonJliktentlastungstyp. Besteht das Ziel darin, den anderen das erleben zu lassen, was der projektiv Identifizierende selbst erlebt, um Verstehen zu fördern, nenne ich das projektive Identifizierung vom kommunikativen Typ. Ferner gibt es noch eine projektive Identifizierung vom Abgrenzungstyp. Wer davor Angst hat, vom anderen zu gut verstanden zu werden, weil das Verschmelzungsängste wachruft, kann den anderen mit unempathischen oder als sehr verschieden erlebten Objekten projektiv identifizieren. Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß Identifizieren hier nicht Erkennen bedeutet, wie im allgemeinen Sprachgebrauch (»Der Täter wurde identifiziert«), und auch nicht ein Sich-in-den-anderen-Hineinversetzen (»Ich identifiziere mich mit dem Patienten, versetze mich in ihn hinein«) oder ein Sich-Gleichmachen (»Ich identifiziere mich mit dem Cowboy in einem Film und nehme seinen Gang an, während ich das Kino verlasse«). Identifizieren bedeutet hier, daß ein anderer bestimmten Objekten oder Selbstanteilen in der eigenen inneren Welt gleichgemacht wird. In einer Selbstanalyse ist es wichtig, darauf zu achten, ob man projektiv identifiziert wird oder ob man selbst einen anderen projektiv identifiziert. Das Erstere ist meist leichter zu erkennen; vor allem dann, wenn das Objekt oder der Selbstanteil, mit denen man projektiv identifiziert wird, aus 55
frühen Entwicklungsstadien stammen und deshalb archaische Qualitäten haben. Daß man selbst projektiv identifiziert, ist schwerer und ohne Hilfe fast nie zu erkennen. Die projektive Identifizierung ist ja ein Abwehrmechanismus, der ähnlich wie die Leugnung eine Selbsttäuschung bewirken soll. In einer bipersonalen Analyse kann hier der Analytiker weiterhelfen. In einer Selbstanalyse wird es darauf ankommen, wie man mit etwaigen Feedbacks umgeht, die von den projektiv Identifizierten oder von beobachtenden Dritten kommen und den interpersonellen Anteil der projektiven Identifizierung aufzeigen. Ehemalige Teilnehmer an Selbsterfahrungsgruppen sind dabei im Vorteil, weil sie das Auswerten von Feedbacks dort geübt haben. Hat man sich die Interaktionspartner von vornherein wegen ihrer psychischen Ähnlichkeit zu eigenen inneren Objekten oder Selbstanteilen ausgesucht, kann die Notwendigkeit entfallen, projektiv zu identifizieren. Meist kommt man hinter die Motivation solcher »Partnerwahlen« (die übrigens auch Partnerwahlen im üblichen Sinn sein können, Wahlen eines Sexual- oder prospektiven Lebenspartners) erst dann, wenn sie sich wiederholen. Projektive Identifizierung tritt oft noch nicht auf, wenn man vorn anderen wenig weiß. Sie setzt erst ein, wenn das reale So-Sein des anderen in Widerspruch zu den Erwartungen gerät. Besondere diagnostische Schwierigkeiten ergeben sich, wenn man Menschen mit einer hysterischen Struktur projektiv identifiziert. Wegen ihrer Neigung zur Rollenübernahrne (»Ich bin so, wie du mich haben willst«) bedarf es bei ihnen oft nur minimaler Signale, um ein erwartetes Verhalten hervorzurufen. Allerdings halten hysterisch strukturierte Menschen ihre Rollen meist nicht lange durch - oft allerdings lange genug, um zum Beispiel eine Schwangerschaft herbeizuführen oder eine Heirat zu bewirken.
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Abstinenzverletzungen und agierendes Reinszenieren - - - und die Selbstanalyse _ In der bipersonalen Analyse ist »Abstinenz« für Analytiker und Analysand unterschiedlich definiert. Der Analytiker soll Triebbedürfnisse des Patienten wie seine eigenen nicht befriedigen. Andernorts (KÖNIG u. LINDNER 1992) habe ich darauf hingeWiesen, daß dies für verschiedene Triebbedürfnisse in unterschiedlichem Maß gilt. Die Definition von Abstinenz in der Psychoanalyse legt heute immer noch die ödipale Phase der EntWicklung als maßgebend zugrunde. Entsprechend sind sexuelle Handlungen zwischen Patientin oder Patient und Analytiker oder Analytikerin tabu; in der Über~agun~ würden sie das Inzesttabu verletzen. Überhaupt srnd kerne körperlichen Berührungen erlaubt, weil sie von einer Patientin oder einem Patienten immer auf der sexuel~en ~bene e:le~t und interpretiert werden könnten. Dagegen 1st dIe Befnedigung narzißtischer Triebbedürfnisse erlaubt: Der Analytiker darf seinem Patienten aufmerksam zuhören und sich während der Stunde allein auf ihn konzentrieren. Das bringt dem Patienten narzißtische Zufuhr. Die Befriedigung oraler Bedürfnisse ist symbolisch erlaubt: Der Therapeut darf mit Worten in relativ engen Grenzen füttern. Daß FREuD mindestens einern seiner Patienten zu essen gegeben hat (CREMERIUS 1981), wird man unter die Ausnahmen rechnen müssen. Der Therapeut sollte keine narzißtische Zufuhr anstreben und sich nicht mit Worten füttern lassen. Er sollte es den Patienten auch nicht merken lassen, wenn er selbst anerkennungsbedürftig oder hungrig nach Material ist. Die Abstinenz des Patienten ist etwas anderer Art. Er darf Triebwünsche äußern, auch im sexuellen Bereich. Er darf aber nur darüber sprechen. Im narzißtischen Bereich dürfen Patienten indirekte Befriedigung erwarten, im oralen Bereich symbolische, im sexuellen Bereich keine, die über das Sprechen hinausgeht - immerhin eine Teilbefriedigung, wie sie im vergangenen Jahrhundert bei Verlobten unter Umstän-
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den monate- bis jahrelang üblich war. Daß ein Patient seine sexuellen Bedürfnisse auf die Analytikerin richtet, ist eher selten; meist erwartet er präödipale Befriedigung, und die erhält er in engen Grenzen, meist möchte er erheblich mehr. Bei der Selbstanalyse ist kein Analytiker und keine Analytikerin zugegen. Wie soll Abstinenz hier definiert werden? Da kein Analytiker zugegen ist, sollte es keine Abstinenzverletzungen geben können. Die Wünsche des Selbstanalysanden können sich nur an Außenobjekte richten. Bezüglich der Außenobjekte gibt es aber eine (verhüllte) Abstinenzforderung. In der bipersonalen Analyse wird vom Patienten verlangt, daß er außerhalb der Sitzung keine wichtigen Lebensentscheidungen trifft, ohne sie in der Analyse besprochen und bearbeitet zu haben. Entsprechend könnte man fordern, daß der Selbstanalysand keine lebenswichtigen Entscheidungen trifft, ohne sie in seiner Selbstanalyse bearbeitet zu haben. Was man allerdings unter Lebensentscheidungen verstehen soll, darüber besteht unter Analytikern keine Einigkeit. Ich habe manchmal den Eindruck, daß die alte Regel, man solle keine wichtigen Lebensentscheidungen treffen (später dann: nicht, ohne sie in der Analyse besprochen zu haben), aus einer Zeit stammt, in der Entscheidungen, die heute in einem rechtsfreien Raum getroffen werden, eine Rechtsform hatten. Zum Beispiel schlief man in der oberen Mittelschicht in der Regel nicht miteinander, ehe man verheiratet oder zumindest verlobt war. Ehebruch war (und ist) keine offizielle »Entscheidung«, zumindest in Deutschland, weil er fürs erste in einem rechtsfreien Raum stattfindet. Vor gar nicht langer Zeit, als Ehen nach dem Schuldprinzip geschieden wurden, konnte er Rechtsfolgen haben. Vor längerer Zeit, aber noch in diesem Jahrhundert, konnte er ein Duell nach sich ziehen, mit allen gesundheitlichen und rechtlichen Folgen. In Berichten von Analysen, die heutzutage publiziert werden, findet man oft Hinweise darauf, daß ein Patient mit einer Frau geschlafen hat, mit der er nicht verheiratet war, anscheinend ohne daß der Analytiker auf den Gedanken kam, anzumerken, daß der Patient damit eine Entscheidung getroffen hatte, die sich als lebenswichtig erweisen könnte. 58
Unter lebenswichtigen Entscheidungen versteht man heute anscheinend nur solche, deren Lebenswichtigkeit der Patient von vornherein absehen kann. Das sind wohl meist Entscheidungen mit unmittelbaren Rechtsfolgen. Die Abgrenzung einer lebenswichtigen Entscheidung von einer, die es nicht ist, wird auch dadurch erschwert, daß man manchmal eine Entscheidung trifft, wenn man nichts tut. Und wer mit einer Frau nicht schläft, entscheidet sich dagegen, mit ihr zu schlafen. Wer mit ihr schläft, entscheidet sich dagegen, mit ihr nicht zu schlafen. Man kann sich nicht nicht entscheiden. Auch Vermeidungen können sich als Entscheidungen auswirken. Treibt man die Injunktion, der Patient dürfe nichts Lebenswichtiges entscheiden, ohne es in der Therapie besprochen zu haben, auf die Spitze, gerät man ins Absurde. Der Patient darf weder mit einer Frau schlafen noch mit ihr nicht schlafen, ohne das vorher besprochen zu haben. Die Abstinenz in einer Selbstanalyse könnte aber so aussehen, daß der Selbstanalysand bei Entscheidungen, die er für wichtig (oder lebenswichtig) hält, dann ein Stück Selbstanalyse einlegt, wenn die Umstände das gestatten. Wenn eine Selbstanalysandin einen Mann trifft, den sie sonst nie wiedersehen würde, und sich entscheiden muß, ob sie mit ihm in eine nähere Beziehung tritt oder nicht, wird sie das aufgrund der im Augenblick vorliegenden Informationen entscheiden müssen. Viele Entscheidungen können aber aufgeschoben werden. Die Abstinenz in der Selbstanalyse könnte also im Aufschieben von Entscheidungen bestehen. Allerdings kann diese Form der Abstinenz - wie alles - in den Dienst des Widerstandes gestellt werden und der Vermeidung dienen. Wenn jemand vor der Entscheidung steht, eine Beziehung einzugehen, die ihm Erfahrungen ermöglichen würden, die er bis jetzt noch nicht hatte, vor denen er sich aber fürchtet, kann der Betreffende darin steckenbleiben, das Für und Wider zu analysieren und schließlich gar nichts tun, wie der berühmte »Mensch im Futteral« von TSCHECHow.
Der Selbstanalysand sollte wissen, ob er eher dazu neigt, Entscheidungen aufzuschieben und alles Greifbare in den Dienst des Aufschubs zu stellen oder ob er zu »spontanen«,
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schlecht überlegten und selbstschädigenden Handlungen neigt. Entsprechend könnte er sich gegensteuernd verhalten. In den Kapiteln über Agieren gehe ich auch auf die Form des Agierens ein, die man als Reinszenierung von Vergangenem bezeichnet (ARGELANDER 1967, s.a. SANDLER 1976, KÖNIG 1982, 1993b). Hier geht es um ein Handeln, dessen Motivation nicht bewußt ist. Oft ist sich der Handelnde nicht einmal dessen bewußt, daß er handelt. Handeln ist aber oft eine notwendige Vorstufe zum Erinnern. Das heißt nun nicht, daß man davon absehen sollte, die reinszenierende Form des Handelns in Frage zu stellen. Wenn ein Selbstanalysand erlebt, daß er immer wieder in bestimmte Formen von Beziehungen gerät, sollte er sich fragen, was er handelnd dazu beiträgt. In der Regel wird er in seiner bipersonalen Analyse einige Formen seines Reinszenierens kennengelernt haben. Mit Lebensverhältnissen, die sich ändern, und mit fortschreitendem Alter treten aber neue Inszenierungen auf, die es als solche zu erkennen gilt. Neue Inszenierungen kann man aber schwer erkennen, weil ja das Merkmal »Wiederholung« fehlt. Man muß andere Kriterien heranziehen. Dazu gehören Gefühle der Beunruhigung, wenn die Inszenierung sich ändert; wenn ein Partner in der Inszenierung andere Verhaltensweisen an den Tag zu legen beginnt als die erwarteten; oft, aber nicht immer intensive Gefühle in der Beziehung zu ihm. Diese Kriterien sind eindeutig, sie sind sogar wenig spezifisch und können deshalb einen Hinweis darauf geben, daß es sich um eine Reinszenierung handeln könnte, die dem Reinszenierungspartner Gewalt antut. Natürlich reinszenieren wir dauernd Vergangenes. Wir suchen uns die Partner so aus, daß sie passen. Jede Partnerwahl hat etwas davon. Reinszenierungen sind aber ungünstig, wenn von seiten des Reinszenierenden viel Energie aufgewendet werden muß, um den Reinszenierungspartner in seiner Rolle zu halten, und wenn sich der Reinszenierungspartner Gewalt antun muß, um in der Rolle zu bleiben. Reinszenierungen sind auch dann ungünstig, wenn sie die Aufmerksamkeit von anderen wichtigen Vorgängen im Beziehungsnetz ablenken. Es gibt Inszenierungen, die den Inszenierenden davon abhalten, Ge-
Wer eine bipersonale Analyse gemacht hat, ist jemandem gegenüber, der keine gemacht hat, auch deshalb im Vorteil, weil er in der Zusammenarbeit mit dem Analytiker eine größere Toleranz im Umgang mit seinen Es-Impulsen erreicht hat. Er ist mit einigen seiner Es-Impulse vertraut geworden, was es ihm erleichtert, sich mit weiteren, ähnlichen Es-Impulsen vertraut zu machen. In der Analyse ist er auch mit einern Stück Theorie vertraut geworden, das in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle spielt, mit der prinzipiellen Annahme nämlich, daß jeder Mensch Es-Impulse hat, von denen er nichts weiß, von denen er in seinem Erleben und Handeln aber dennoch beeinflußt werden kann. Nicht alle Menschen haben die gleichen Es-Impulse und es gibt Impulse, die überall, selbst unter Schwerkrirninellen, verurteilt werden, zum Beispiel Perversionen vorn pädophilen oder lustrnörderischen Typ. Die sind allerdings selten. Aber schon die Entdeckung einer latenten homosexuellen Neigung kann angst machen.
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fahren für seine Arbeitsstelle zu erkennen. Die Reinszenierung soll dann unter Umständen nicht nur Vertrautes wiederholen, sie soll auch Konfrontation mit Unangenehmem vermeiden. So kann jemand, der in seiner Arbeitsstelle SchWierigkeiten hat, einen Menschen suchen, dem er bei SchWierigkeiten im Examen hilft. Damit kann er etwas aus der Beziehung zu seiner jüngeren Schwester oder seinem jüngeren Bruder reaktivieren, gleichzeitig kann er sich von der unangenehmen Beschäftigung mit seiner eigenen Situation ablenken. Menschen in schwierigen Lebenssituationen gehen auch oft ins Kino, um sich abzulenken. Der Reinszenierende macht sein eigenes »Kino«. Er spielt aber mit, ist nicht nur passiver Zuschauer. Seinen realen dringlichen Problemen gegenüber bleibt er oft passiv.
Toleranz und Takt im Umgang - - - - mit sich selbst _
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Die Möglichkeit, allgemein abgelehnte Impulse selbst bei sich zu entdecken, kann einer der Gründe für Widerstand sein, obwohl hier wieder im Vorteil ist, wer eine bipersonale Analyse gemacht hat. Hat er die entsprechenden Bereiche, zum Beispiel den einer eventuell vorhandenen über die allgemeine Bisexualität hinausgehenden latenten homosexuellen Disposition bearbeitet, kann er hoffen, daß im Labyrinth seiner Psyche hier kein unbekannter Minotaurus sitzt. Gleichzeitig weiß er aber, daß in einer Analyse (siehe z.B. FREUD 1937) nicht alles bearbeitet werden kann und daß irgendwo Minotauri sitzen können, die vielleicht erst durch äußere Lebensereignisse oder einfach durch das zunehmende Alter mit seinen inneren und äußeren Veränderungen aktiviert werden. Man schämt sich aber nicht nur mancher Es-Impulse. Man schämt sich auch, wenn das Ich über Funktionen nicht verfügt, mit denen das Ich anderer Menschen ausgestattet ist. Man entdeckt zum Beispiel, daß einem bestimmte Geschicklichkeiten und Talente fehlen, die andere haben; und schämt sich besonders dann, wenn man selbst bisher der Meinung war, sie zu haben. Besonders schmerzlich ist es natürlich, wenn diese Geschicklichkeiten und Talente eine Voraussetzung dafür sind, daß man in seinem Beruf das Gewünschte erreicht. Nicht jeder ist für den Beruf geschaffen, der sein Interesse findet. Das gilt auch für die Psychotherapie. Es genügt nicht, neurotisch zu sein, um Psychotherapeut zu werden. Man braucht auch Begabungen (vgl. z.B. KÖNIG 1993b). Therapeuten mit geringen differentialdiagnostischen und differentialindikatorischen Fähigkeiten (dazu gehören viele schizoide Therapeuten), die durch die Oberfläche ihrer Patienten gleichsam hindurchsehen und deren diagnostische Wahrnehmungen stark durch Projektionen verzerrt sind, entdecken diesen Mangel erst dann, wenn ihn niemand mehr kompensieren kann, wenn sie also zum Beispiel nicht mehr in einer Klinik arbeiten und keinen Vorgesetzten mehr haben oder die Ausbildung beendet und folglich keinen Supervisor mehr haben. Damit, daß er seinen Mangel ahnt oder zu sehen beginnt, karm der Therapeut nun per Rationalisierung umgehen. Das kann er gut, weil er die Situation in
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der Praxis noch nicht genügend kennt. Wie das bei Rationalisierungen so ist: ein Teil Wahrheit kann in ihnen stekken, sie werden aber verwendet, um das gesamte Phänomen vollständig zu erklären. Würde der Therapeut seine Rationalisierungen in Frage stellen, käme er vielleicht zu der unangenehmen bis existenzbedrohenden Erkenntnis, daß er allein in einer Praxis keine gute Arbeit machen kann. Generell gilt, daß Rationalisierungen zu Widerständen gehören, d!l:-besonders schwer in Selbstanalyse in Frage zu stellen sind. Man schämt sich auch gewisser Charaktereigenschaften. So haben stärker ausgeprägte zwanghafte Charakteranteile gerade unter psychotherapeutischen Kollegen meist eine besonders schlechte Presse; vielleicht deshalb, weil man sich als Psychotherapeut über die Umständlichkeit und Rigidität mancher Zwanghafter ärgert und sich mit solchen Patienten sehr mühen muß. Zwanghafte Charaktereigenschaften lassen sich wiederum besonders gut rationalisieren, mit dem Hinweis auf Vorsichtigkeit und Charakterfestigkeit; Eigenschaften, die ja in bestimmten Situationen nützlich sind. Eine Charaktereigenschaft, die in der einen oder anderen Weise fast überall auf der Welt verachtet wird, ist die Feigheit, ob es sich nun um einen Mangel an Zivilcourage handelt oder um Feigheit in einem Krieg. Menschen müssen schon besonders gute sonstige Eigenschaften haben, wenn sie akzeptiert werden wollen, obwohl der Verdacht nicht ausgeräumt werden kann, sie seien feige oder hätten sich früher einmal feige gezeigt. In die Forderung nach Mut spielen viele Faktoren hinein, an die man nicht in jedem Falle sofort denkt: zum Beispiel Altruismus, wenn es um die Verteidigung von Menschen im eigenen Land oder gar unmittelbar um die Verteidigung von Angehörigen geht, die von einem Mörder bedroht werden. Solche Beispiele wurden bekanntlich auch Wehrdienstverweigerern gerne vorgehalten. Nun gibt es aber auch Entscheidungen im täglichen Leben, die Mut erfordern, zum Beispiel ein Stellenwechsel in einer schwer erträglichen Arbeitssituation (wenn er unterlassen wird, erfordert er keinen Mut). Wenn es darum geht, sich von einem Partner zu trennen,
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spielen auch oft Rationalisierungen eine Rolle. Eine Trennung kann unterlassen oder hinausgeschoben werden, wenn man sich scheut, dem anderen wehzutun, oder man kann sich trennen, ohne die Interessen des Partners zu berücksichtigen. Für das eine und das andere Vorgehen wird man gute Gründe finden. Allgemein gültige Wertvorstellungen gibt es hier bekanntlich nicht; die Rationalisierungen werden aber eingesetzt, um mit den eigenen Wertvorstellungen ins reine zu kommen oder sich anderen gegenüber zu verteidigen, die andere Wertvorstellungen haben. Allgemein gilt, daß man um so mehr rationalisieren muß, je weniger Toleranz man gegenüber eigenen Schwächen aufbringt und je mehr man sich vor dem Urteil anderer fürchtet. Takt ist ein interpersonelles Phänomen. Auf den ersten Blick ist schwer vorstellbar, wie Takt im Umgang mit einem selbst aussehen könnte. Man kann beobachten, daß Menschen, die über Takt verfügen, mit sich selbst ausgesprochen »ruppig« umgehen. Das ist meist ein narzißtisches Phänomen. Solche Menschen halten sich für besser als die meisten anderen Menschen und fordern deshalb mehr von sich selbst als von anderen. Erreichen sie ihre Ideale nicht, nehmen sie sich das übel und gehen so mit sich um, als ob sie Rücksichtnahme nicht verdienen würden. Es handelt sich hier um narzißtische Wut, gegen das Selbst gerichtet. Narzißtische Wut hat immer etwas Totales. Sie läßt Abstufungen, die der Takt erfordert, ihrem Wesen nach nicht zu. Die Neigung, narzißtische Wut gegen sich selbst zu richten, erschwert Selbstanalyse ungemein. Soll Selbstanalyse stattfinden, ist dieses Problem als erstes anzugehen. Wer eine bipersonale Analyse gemacht hat, wird es kennen, auch wenn es noch nicht ausreichend vermindert worden ist. Betrachtet man taktvolles Verhalten genauer, kommt man darauf, daß niemand sich selbst gegenüber in der gleichen Weise taktvoll sein kann wie gegenüber einem anderen. Taktvolles Verhalten besteht ja darin, daß man einem anderen etwas, das man weiß, entweder nicht mitteilt, weil es ihn kränken könnte, oder es ihm nur teilweise oder schonend verpackt mitteilt. In einer Selbstanalyse kann man nicht etwas wissen und es sich nur teilweise oder schonend ver64
packt mitteilen. Takt, ein Hilfsmittel der bipersonalen Analyse, steht in der Selbstanalyse nicht zur Verfügung. Es bleibt nur die Möglichkeit, die Erkenntnis langsam und schrittweise zu gewinnen, ohne sich ein Stück weit voraus zu sein, wie der Analytiker in einer bipersonalen Analyse dem Analysanden im Erkennen voraus sein kann. Das ist ein grundsätzlicher Nachteil der Selbstanalyse. Takt im Dosieren kann in der Selbstanalyse nur durch dosiertes Vorgehen im Erkennen ersetzt werden.
Durcharbeiten - das Mißverständnis Automatik _
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L~est man in den Fachzeitschriften Berichte von Analysen, dIe Jahre gedauert haben, entnimmt man aus ihnen viele Informationen darüber, was zwischen Patient und Analytiker geschehen ist und welchen Einfluß die Außenbezie~ungen des Patienten auf die Analyse hatten. Demgegenuber kommt das Durcharbeiten im Bericht meist zu kurz und man muß sich fragen, ob der Analytiker das Durchar~ beiten als wichtig angesehen hat - im Bericht, aber auch in der Therapie. Die Vorstellung, Veränderungen würden sich aus dem therapeutischen Prozeß von selbst ergeben, scheint verbreitet zu sein. Ich halte das für eine Omnipotenzkollusion zwischen Therapeut und Patient, manchmal ist es vielleicht auch eine gemeinsame Übertragung idealer Objekte auf »die Analyse«. Erkenntnisse werden nicht immer von allein wirksam, sie müssen oft mühselig umgesetzt werden. Ähnlich wie Anhänger der sogenannten Junktim-Forderung FREuDs im wörtlich genommenen Sinne davon auszugehen scheinen, daß Forschung sich aus der Therapie von selbst ergibt und umgekehrt Therapie von selbst aus der Forschung, scheinen manche Therapeuten zu glauben, daß Einsicht Veränderungen auf eine magis~he Art und Weise bewirkt. Sicher gibt es Erfahrungen in der Ubertragungsbeziehung, die so eindrück-
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... lich sind, daß sich aus ihnen eine Veränderung der Sichtweise des Analysierenden ohne weiteres Zutun ergibt. Die Regel ist das nicht. Manche Einsichten gleichen der Morgendämrnerung, aus der kein Tag würde, wenn die Rotation der Himmelskörper aufhörte. Von einer Einsicht aus muß es weitergehen. Manche Einsichten erhellen die interpersonelle Szene ebenso schwach wie die Morgendämrnerung das tut: nur Umrisse sind erkennbar, es fehlen die Details, und auch die Farben sind schwach oder fehlen. Viele Patienten lernen schnell, Einsichten auf eine Abstraktionsebene zu bringen, auf die sie möglicherweise klarer, sicher aber weniger wirksam sind. Die Verbindung zum interpersonellen Detail und zu den Details der inneren Konflikte geht verloren. Skizzen sind noch keine Bilder, sind unfertig. Manche Skizzen werden zu Karikaturen, geben die Realität angedeutet oder verzerrt wieder. Subjektivität hat in Karikaturen viel Platz, Objektivität wird nicht erwartet. Alles, was ich bisher gesagt habe, plädiert für ein Ausarbeiten der Erkenntnis und für ihre sorgfältige Anwendung unter der Beachtung der inneren Realität, wie sie bis zur Anwendung der Erkenntnisse bestanden hat und wie sie sich während der Anwendung der Erkenntnisse oder Einsichten verändert. Durcharbeiten beschränkt sich nicht auf das Bearbeiten von Widerständen. Ein Widerstand, der sich dem Umlernen immer dann entgegenstellt, wenn die Neugier nicht überwiegt, ist der Wunsch, Vertrautes beizubehalten, der Wunsch nach Familiarität (KÖNIG 1982, 1991, 1992). Wenn eine Einsicht umgesetzt werden soll, erfordert das ein Umlernen, das selbst dann Mühe und Zeit kosten würde, wenn sich ihm keinerlei Widerstand entgegenstellte. Daß bisherige Verhaltensweisen auch deshalb ungern aufgegeben werden, weil Umlernen Mühe und Zeit kostet, selbst wenn Motive dafür vorhanden. sind und keine entgegenwirken, gilt für alles, was man gelernt hat; ob es sich um eine bestimmte Technik beim Spielen eines Musikinstrumentes, beim Tennisspielen oder beim Skilaufen handelt oder um die Anwendung eines bestimmten Textverarbeitungsprogramrnes, das durch ein moderneres ersetzt werden soll.
Dabei ist zu beachten, daß es oft leichter ist, sich völlig anders zu verhalten als bisher, als ein bisheriges Verhalten nur in manchen Aspekten zu modifizieren. So ist es oft nicht leicht, eine Sprache zu lernen, die einer anderen ähnlich ist, die man schon spricht, zum Beispiel Italienisch nach Spanisch, weil man die beiden Sprachen durcheinanderbringt. Durchsetzungsvermögen, das jemand mit Hilfe einer Psychotherapie erwerben will, weil er erkannt hat, daß er bisher Angst hatte, sich durchzusetzen und ihm das Nachteile brachte, liegt zwischen dem Vermeiden von Auseinandersetzungen bis zur Unterwerfung auf der einen Seite und blinder Aggression auf der anderen Seite. Jemandem, der sich bisher unterwarf, fällt es oft viel leichter, blind aggressiv zu sein, als sich durchzusetzen. Sich durchzusetzen muß erlernt werden, es erfordert den Erwerb komplexer sozialer Techniken, den in relativ kurzer Zeit nachzuholen dem Erwachsenen oft gar nicht leicht fällt. Die Vorstellung, es würde genügen, Widerstände zu bearbeiten (BRENNER 1987), um komplexe Verhaltensänderungen zu bewirken, muß voraussetzen, daß die sozialen Kompetenzen vorhanden sind und lediglich nicht eingesetzt werden. Wenn sie vorhanden waren und erst mit dem Ausbruch einer psychischen Erkrankung nicht mehr zur Verfügung stehen (weil sie etwa durch Konflikte gelähmt sind oder der Patient Angst hat, sie einzusetzen), atrophieren sie bei längerem Nichtgebrauch. Eine sehr akzentuierende Position bezüglich dessen, was gelernt werden muß, nimmt DÜHRSSEN (1988) ein. Liest man ihr Buch über dynamische Psychotherapie, hat man an vielen Stellen den Eindruck, Umlernen allein genüge. Einsicht und Widerstandsbearbeitung spielen für sie eine untergeordnete Rolle. Das ist auch eine einseitige Sichtweise, die der BRENNERS gerade entgegengesetzt ist.
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In einem Buch über Selbstanalyse erscheint es mir wichtig, auf dieses Thema einzugehen, weil in vielen Analysen Analysand und Analytiker auch heute noch eine Widerstandskollusion bezüglich des Stellenwertes der Genese eingehen. Das kann sich bei einer nachfolgenden Selbstanalyse weiter auswirken. Von der Fixierung auf die Genese als Widerstand ist eine Fixierung auf die Genese zu unterscheiden, die dadurch zustande kommt, daß ein Analysand deshalb an die Eltern fixiert blieb, weil er während der Adoleszenz, also zu einer Zeit, wo im Laufe der normalen Entwicklung eine Distanzierung von den Eltern erfolgt, das Elternhaus abrupt in einem interpersonellen Konflikt verlassen hat, so daß ein Ablösungsprozeß nicht stattfinden konnte. Adoleszente, die aus äußeren Gründen von den Familien getrennt werden, bleiben an die Eltern meist weniger fixiert als Adoleszente, die sich im Konflikt vom Elternhaus trennen. Werden Adoleszente aus äußeren Gründen von den Eltern getrennt, setzen sie eine Ablösung von den Eltern oft in der Weise fort, daß sie ihre Eltemimagines auf geeignete Personen ihrer Umgebung projizieren, eine ambivalente Beziehung zu diesen Personen entwickeln und sich dann unter ähnlichen inneren und äußeren Konflikten von diesen Personen lösen. Gleichzeitig wird, ähnlich wie im Rahmen einer ungestörten Entwicklung, die Gruppe der Gleichaltrigen immer wichtiger. Es kommt zu einer Verlagerung der Triebund Bindungswünsche auf Freunde und Freundinnen. Hat die Trennung dagegen im Konflikt stattgefunden, bleiben die Eltern innerpsychisch und interpersonell von großer ambivalenter Bedeutung, wobei die positive Seite der Ambivalenz oft unter der an der Oberfläche liegenden negativen Seite verborgen ist; das kann so weit gehen, daß diese positive Seite nie oder erst beim Tod der Eltern bewußt wird. Mit einer solchen Fixierung muß man in der bipersonalen Analyse anders umgehen, .9ls wenn ein Analysand sich mit
der Genese innerhalb und außerhalb der Therapie beschäftigt, um sich nicht der anstehenden Bewältigung von Gegenwartsproblemen zuwenden zu müssen. Dabei ist es prognostisch natürlich günstiger, wenn die Beschäftigung mit der Vergangenheit nur in der Analyse auftritt, als wenn der Betreffende auch sonst dauernd unproduktiv über seine Genese nachdenkt. Die einseitige Beschäftigung mit der Genese in der Analyse kann man so ähnlich bewerten wie Einseitigkeiten auch sonst, als einen Widerstand unter vielen mögli-, chen. Bleibt der Analysand aber auch außerhalb der Analyse in seinem Denken und Fühlen der Genese verhaftet, kann es sein, daß er mit der Genese angstfreier umgehen kann als mit Problemen in aktuellen Beziehungen und ganz allgemein mit der Bewältigung von Lebensaufgaben. Man sagt dann oft, daß der Betreffende seine Analyse zum Selbstzweck macht und daß ihm das schadet. Bei manchen Analysanden ist eine intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit nötig, ehe die aktuellen Lebensaufgaben bewältigt werden können. Davon ist aber eine wiederkäuende Beschäftigung mit der Vergangenheit zu unterscheiden, die das Ziel hat, zu verhindern, daß sich in der Gegenwart etwas ändert. Nur bei traumatischen Neurosen ist eine solche Beschäftigung mit der Vergangenheit nicht als Widerstand, sondern als der Versuch zu bewerten, das Vergangene im Nachhinein zu bewältigen. Ohne therapeutische Hilfe von außen gelingt eine solche Bewältigung aber selten. Andere haben sich auch vor der Analyse viel mit ihrer Vergangenheit beschäftigt, weil sie sich aufdrängte, ohne daß man ven einer traumatischen Neurose sprechen könnte. In der Analyse möchten sie die Vergangenheit »loswerden«. Dann hat man es oft mit einer Fixierung an die Ursprungsfamilie als Folge einer nicht durchgestandenen Adoleszenzkrise zu tun; sei es, daß die Interaktionen mit den Eltern durch einen vorzeitigen Auszug aus dem Elternhaus unterbrochen worden sind, sei es, daß eine »innere Emigration« erfolgte; sei es, daß die Eltern sich dem Kind anpaßten und so als Konfliktpartner nicht zur Verfügung standen oder schließlich auch im Falle eines inneren Rückzugs der Eltern,
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Fixierung auf die Genese ____ als Widerstand - - - -
der sich nach außen hin in einem resignierten »Laissez-faireVerhalten« zeigte. Diese Probleme müssen durchgearbeitet werden; wenn nicht während der bipersonalen Analyse, dann danach. Hier kann es auch helfen, sich mit den Eltern auseinanderzusetzen, wenn diese dazu motivierbar sind. Familientherapeutische Sitzungen, von denen oft nur wenige erforderlich sind, können bei einer Fixierung an die Adoleszenz hilfreich sein. Nicht von ungefähr stellen ja Probleme in der Adoleszenz eine der Indikationen dar, die das Abflauen der Begeisterung für die Familientherapie (siehe z.B. STIERLIN 1993) zu überdauern scheinen. Für eine Selbstanalyse hat das Auswirkungen. Haben Analytiker und Patient sich in einer Widerstandskollusion in dysfunktionaler Weise einseitig mit der Vergangenheit viel und mit den aktuellen Objektbeziehungen wenig beschäftigt allenfalls mit der zum Analytiker -, sind viele aktuelle.era: bleme unbearbeitet geblieben. Immerhin verfügt der Selbstanalysand jetzt aber über eine genaue Kenntnis der Objekte in seiner Primärfamilie. Die kann er nutzen, um sie mit den Objekten, die ihn aktuell beschäftigen, zu vergleichen. Dabei ist das LUBoRSKy-Schema (z.B. LUBORSKY 1988) hilfreich, weil es die Aufmerksamkeit auf die aktuellen Objektbeziehungen lenkt und dazu anregt, von der Oberfläche in die Tiefe zu gehen. So kann manchmal doch noch eine Verbindung zwischen den aktuellen Objektbeziehungen und der Vergangenheit hergestellt werden.
Identitätswiderstände In heutiger Zeit verändern sich Werte und Normen rasch.
Die Rollenauffassungen von Männern und Frauen haben sich in den letzten Jahrzehnten besonders stark verändert. Das hat auch damit zu tun, daß Frauen sich immer häufiger in Berufen ausbilden lassen, die früher den Märu;tern vorbehalten waren. Sie verlangen das Recht, in ihren Berufen zu arbeiten, nicht nur von der Gesellschaft im allgemeinen, son70
dern auch von ihren Partnern, die sich an der Arbeit im Haushalt und vor allem auch an der Arbeit mit den Kindern mehr beteiligen sollen als früher. Sie beanspruchen auch mehr sexuelle Freiheiten als früher, was unter anderem da~t zusammenhängt, daß es ein sicheres Verhütungsmittel gIbt, auch wenn es nicht immer angewandt wird, und daß ein Schwangerschaftsabbruch nicht mehr so traumatisch ist wie früher. Für eine Vereinbarkeit der Rollen Hausfrau und Mutter einerseits, berufstätige Frau andererseits haben die meisten Akademikerinnen von heute in ihren Müttern kein Vorbild. Ebenso haben die Männer in ihren Vätern kein Vorbild für den Umgang mit einer außer Haus berufstätigen Frau. Die aus IdentifiZierungen in der Primärfamilie stammenden Identitäten stehen so in Konflikt mit den Identitäten, die aus den Peergruppen übernommen wurden. Hinzu kommt, daß die meisten heutigen Akademiker Eltern haben, die nicht Akademiker sind, weil die Studentenzahlen etwa seit den fünfziger Jahren prozentual stark zugenommen haben. Auch die schichtbezogene Identität der Peergruppe stimmt mit der schichtbezogenen Identität der Herkunftsfamilie nicht überein. Daß meine Mutter Tochter eines Arztes und als Ärztin berufstätig war, hat mir viele Konflikte erspart, mit denen ich mich heute in der Arbeit mit meinen Analysanden auseinandersetzen muß. Ist ein GleichgeWicht der Identitäten gefunden oder hat die eine Identität »gesiegt«, um den Preis der Unterdrükkung der anderen, wird ein so erreichter Zustand relativer Stabilität nur sehr ungern verändert (ERlKSON 1970). Haben . die Identitätsfragen in der bipersonalen Analyse nur eine geringe Rolle gespielt, vielleicht deshalb, weil der Analytiker mit ihnen selbst nicht zurecht gekommen war, machen sich die verbliebenen manifesten oder latenten Konflikte oft später bemerkbar. Bleiben sie latent, stören sie die Selbstanalyse, weil ja jeder selbstanalytische Weg zu ihnen führen könnte. Die Situation ähnelt dann der, in der der Analysand ein Geheimnis hat, das er seinem Analytiker um keinen Preis mitteilen möchte. Wie ich an anderen Orten (KÖNIG 1993a, 1993b) schon ausgeführt habe, steht ein Schichtenkonflikt oft 71
auch für eine ödipalen Konflikt. Ein ödipaler Konflikt kann aber auch für einen Schichtenkonflikt stehen, beide können einander symbolisieren, ein ungelöster Schichtenkonflikt kann also die Bearbeitung eines ödipalen Konflikts behindern und umgekehrt. Das erschwert die Selbstanalyse zum Beispiel dann, wenn es in der ödipalen Phase der eigenen Kinder zu einer ödipalen Auseinandersetzung kommt oder, meist brisanter, wenn die eigenen Kinder in der Adoleszenz die Neuauflage der ödipalen Auseinandersetzung austragen. Auch die Schichtenproblematik kann im Umgang mit den Kindern eine Rolle spielen, die sich vielleicht ihrer Großeltern schämen. Wie ERNST KRETscHMER in einer Vorlesung sagte, fühlt man sich in einer Sozialschicht erst in der dritten Generation wirklich zu Hause. Manchmal dauert es noch länger.
__ Träume in der Selbstanalyse _ Ob und in welchem Umfang man in der Selbstanalyse auf Träume zurückgreift, hängt zunächst einmal davon ab, welche Rolle sie in der bipersonalen Analyse gespielt haben. In Selbsterfahrungsgruppen wird meist wenig mit Träumen gearbeitet; von daher ist zu erwarten, daß sie auch in einer parallelen oder nachfolgenden Selbstanalyse kaum Verwendung finden. Nicht nur Erkenntnisse aus der Selbsterfahrung bestimmen den Arbeitsstil in der Selbstanalyse, sondern auch die Interessen des Analysanden. Der Analytiker bestimmt mit. Wenn er beispielsweise ein großes Interesse an Träumen zeigt wie FREUD (1900) und zum Beispiel auch GREENSON (1967) das getan haben, wird der Analysand mehr Träume in die Analyse bringen, als wenn er den Eindruck hat, für den Analytiker seien Träume nur ein Material unter anderem. Werden viele Träume in der Analyse bearbeitet, stärkt das natürlich auch die selbstanalytische Kompetenz auf diesem Gebiet. Es kann nun aber sein, daß der Analysand ein viel stärke72
res Interesse an Träumen hat als sein Lehranalytiker und diesem Interesse in der Selbstanalyse stärker nachgeht, als er das in der bipersonalen Analyse oder in seiner Selbsterfahrungsgruppe getan hat. Ich selbst versuche, in Lehranalysen die Interessen und Fähigkeiten des Lehranalysanden zu berücksichtigen. Manche können mit Träumen sehr gut arbeiten, andere weniger. Allerdings spreche ich es als Widerstand an, wenn der Analysand überhaupt keine Träume bringt, wie ich das mit jeder Stereotypie im Verhalten eines Analysanden tue. Eine Selbstanalyse von Träumen stößt auf Schwierigkeiten, von denen auch FREUD nicht verschont geblieben ist, als er seine eigenen Träume analysierte. Diese Schwierigkeiten schränken die Effizienz der Traumanalyse ein. Dennoch kann sich die Traumanalyse in der Selbstanalyse lohnen. Auf einige Aspekte der Traumanalyse, die in einer Selbstanalyse wi~?tig sind, möchte ich im folgenden eingehen. Uber die Symbole allein hat der Träumer meist keinen Zugang zu den latenten Traumgedanken; darauf hat FREUD (1900) schon hingewiesen. Wenn ein latenter Traurninhalt verschleiert werden soll, wählt der »Zensor« Symbole aus, die man als Träumer nicht verstehen soll. Der Weg zum latenten Traurninhalt führt meist nur über Assoziationen. Assoziationen können aber in die Irre führen, wofür GRINSTEIN (1992) ein gutes Beispiel gibt. Ein jüdischer Analysand bei einem jüdischen Analytiker träumte von einer nackten Frau, die an einer Kette etwas um den Hals trägt. Er assoziierte: »Frau mit Penis«. Erst dann fiel ihm ein, daß er einmal von einer jüdischen Prostituierten, die eine Halskette mit einem Davidstern trug, eine Reduktion des »Honorars« verlangt hatte, weil er und sie ja beide Juden seien. So kam er dann darauf, daß er das Honorar des Analytikers gerne reduzieren wollte. Sehr naheliegende Assoziationen können verworfen werden, eben weil sie so nahe liegen. Sie können aber dennoch zutreffen. Dann verfährt die Traumzensur so, wie es in »The purloined letter« von EDGAR ALLEN POE beschrieben ist: der Brief liegt für alle sichtbar da und wird gerade deshalb nicht gefunden. Entsprechend liegt die Assoziation oder liegt eine 73
Symboldeutung offen da und wird gerade deshalb nicht für zutreffend gehalten. Nicht alle Wünsche in einem Traum müssen erschlossen werden. Der manifeste Trauminhalt enthält oft schon Wünsche, die tagsüber nicht erlebt werden konnten, weil das nicht »in Sicherheit« (WEISS u. SAMPSaN 1986) möglich war. Die Sicherheit des Traumes (es besteht für die Wünsche kein unmittelbarer Zugang zu koordinierter Motorik) ermöglicht es dem Wunsch, im manifesten Traum aufzutauchen. Der Wunsch wäre sonst vielleicht in einer ruhigen Stunde tagsüber bewußt geworden, etwa während die Person, der jener Wunsch galt, nicht anwesend war; diese Zeit stand aber nicht zur Verfügung. So kann ein Distanzierungswunsch nach einem Koitus ausbleiben, weil der Betreffende in Gegenwart der Partnerin einschläft, oder es können aggressive Gefühle, die durch eine »Versöhnung im Bett« überdeckt wurden, in Gegenwart des Partners unterdrückt bleiben, sich im Traum aber wieder bemerkbar machen. Schon FREUD (1912, S. 370) hat geschrieben, es sei schwer, demjenigen Gefühle mitzuteilen, dem sie gelten. »Eine Etage tiefer« ist es manchmal schwer, Gefühle in der Gegenwart dessen zu erleben, dem sie gelten. Der Traum isoliert den Träumenden von seinen Beziehungspersonen, wenn ein Distanzierungsbedürfnis besteht, und dann können Gefühle auftreten, die in der Gegenwart des anderen nicht auftreten durften. Daß sie nicht auftreten durften, kann die verschiedensten Gründe haben. Es kann sich um Realangst (die aus den Gefühlen entspringenden Handlungsimpulse können gefürchtet werden) oder um Gewissensangst handeln. Schon die mit dem Gefühl verbundenen Gedanken sind oft verboten und verursachen Schuldgefühle. Es kann sich um Schamangst handeln; zum Beispiel dann, wenn Aggressionen leicht erkennbar ein Zeichen von Schwäche sind, oder wenn aggressive Gedanken schon als Kontrollverlust erlebt werden. Es kann sich um die Angst vor einem totalen Verlust der Ich-Kontrolle handeln. Diese Angst ist von Realangst zu unterscheiden. Auch bei der Realangst wird gefürchtet, daß sich Impulse als beziehungsschädlich oder, allgemeiner gefaßt, als sozialschädlich erweisen, wenn sie ausgeführt wer-
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weil ein Gefühlszustand das imperativ verlangt. Die Uberflutung des Ich durch Es-Impulse bedeutet aber noch mehr: sie bedeutet eine Regression in einen Zustand, in dem die Ich-Kontrolle noch nicht entwickelt war, in den Zustand etwa des wild strampelnden Säuglings, dem ein wild um sich schlagender Erwachsener entsprechen würde. Der Erwachsene muß dann nicht nur die destruktiven Folgen des Um-sich-Schlagens fürchten, sondern auch Hilflosigkeit: Wer wild um sich schlägt, kann nicht gezielt angreifen und sich auch nicht gezielt verteidigen. Ich habe oft den Eindruck, daß der manifeste Trauminhalt heutzutage auch deshalb mehr über die Impulse eines Menschen aussagt als zu FREUDS Zeiten, weil wir in Gedanken mehr Triebimpulse zulassen, als seinerzeit üblich war. Das gilt natürlich für sexuelle Phantasien, die zu FREUDS Zeiten vielen Menschen verboten waren, wegen der doppelten Moral vor allem den Frauen der Mittel- und Oberschicht. Solche Verbote wurden verinnerlicht, so daß sie vom Ich aus auf die Zensur zwischen Bewußt und Unbewußt einwirken konnten, ohne durch das bewußte Ich in Frage gestellt zu werden. Es gilt aber auch für aggressive Impulse, die nur dann zugelassen wurden, wenn sie »gerechtfertigt« waren, zum Beispiel, weil man sich in seiner Ehre verletzt fühlte und den Mann, der einen verletzt hatte, zum Duell fordern wollte und sogar mußte; in Notwehr, auch in einem »gerechten Krieg«. Der eigene Krieg wurde meist als gerecht eingestuft. Weil nun sexuelle wie aggressive Impulse und deren Derivate nicht erlebt werden durften, mußten sie aus dem Bewußtsein ferngehalten werden. Sie erschienen deshalb auch wenig im manifesten Trauminhalt. Heute dagegen gestatten wir uns, mehr Sexuelles und Aggressives zu erleben. Die Gründe, warum wir so etwas im Einzelfall doch nicht erleben dürfen, sind spezifischer geworden. Bei vielen Gedanken ist nur deren Ausführung, oft auch nur in bezug auf ganz bestimmte Personen, etwas, das vermieden werden muß. Häufig jedoch nicht aus Gewissensgründen, sondern deshalb, weil es die Beziehungen belastet, beendet oder zu Schwierigkeiten mit der Justiz führen würde. Die Abwehr75
formationen zwischen dem deskriptiven Unbewußten (das Gegenwartsbewußtes und infantiles Unbewußtes umfaßt, SANDLER U. SANDLER 1983, 1985) und dem Bewußten sind in ihrer Einstellung gleichsam pragmatischer geworden. Der Traumzensor ist nun aber nichts prinzipiell anderes als die Ich- und Über-Ich-gesteuerte Abwehr des Wachzustandes. Sie verhält sich im Traum lediglich »toleranter« als im Wachzustand. Auch geht sie unter dem Einfluß des im Traum aktivierten Primärprozesses mit den abzuwehrenden Inhalten anders um. Es werden Abwehrmechanismen aktiviert, die im Wachzustand fast gar nicht eingesetzt werden, wie die Verdichtung oder die Darstellung durch das Gegenteil. So wie das Gegenwartsunbewußte im Wachzustand aber mit dem Bewußten und den in ihm enthaltenen Informationen über das soziale Feld, in dem der Betreffende lebt, in Verbindung steht, hat es auch im Traum wohl auf irgendeine Weise Kenntnis davon und richtet sich danach. Das Gegenwartsunbewußte »weiß« gleichzeitig, daß der Träumende eben träumt, daß er in seiner Motorik eingeschränkt ist und mit seinen Beziehungspersonen in keiner unmittelbaren Verbindung steht, auch wenn eine wichtige Beziehungsperson im gleichen Bett schläft. Manchmal verschätzt es sich vielleicht, zum Beispiel wenn es den Ehemann im Schlaf den Namen seiner Freundin aussprechen läßt, aber als Analytiker weiß man, daß so etwas entgegen der Legende nur ganz selten passiert. Aus dem über den manifesten Trauminhalt Gesagten folgt nun, daß der manifeste Trauminhalt heutzutage mehr enthalten kann als zu FREuDs Zeiten. Aus diesem Grund macht es bei einer Selbstanalyse mehr Sinn, sich mit ihm zu beschäftigen. Zur Technik der Selbstanalyse von Träumen werden verschiedene konkrete Empfehlungen tradiert. Eine Empfehlung ist, die Assoziationen zum Traum aufzuschreiben. Ob man das machen soll, hängt wohl wieder von persönlichen Vorlieben ab. Ich selbst schreibe sonst wenig auf, zum Beispiel machte ich mir während des Studiums und während der psychoanalytischen Ausbildung in den Vorlesungen keine Notizen; ich versuchte, mir das Wesentliche be-
SIch em Traum bezieht, wird er einem seltener einfallen wenn alle anderen Faktoren gleich sind. Es kommt auch vo;' daß einem ein Traum, der sich auf einen Patienten bezieht ~ähren~. einer Stunde mit ihm einfällt. Das wird dann pas~ SIeren konnen, wenn sich der Therapeut in der Stunde in seiner Rolle sicher fühlt, zumindest was die Kontrolle des eigenen manifesten Verhaltens angeht. Mir ist einmal ein solcher Traum eingefallen, als ich mich in der Stunde desorientiert fühlte, das erkannte und mich entschloß, in dieser Stunde nicht mehr zu intervenieren, sondern mich auf das Zuhören und Beobachten zu beschränken. Das schaffte anscheinend einen Sicherheitsraum, in dem mir der Traum einfallen konnte. Für die meisten Therapeuten ist es ein Alarmsignal, wenn
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reits während der Vorlesung zu merken. Auch während der Interviews und der Therapie mache ich mir keine Notizen (sondern jeweils danach). Wenn ich beim Assozüeren zu einem Traum nicht weiterkomme, kann das nun aber damit zusammenhängen, daß ich schon beim Assozüeren nach dem»Wesentlichen« suche. Dann verwende ich manchmal ~e Methode des Aufschreibens, wobei ich versuche, möglichst .m~chanisch »~tzuschreiben«. Das Gleiche gilt für ASSOZIationen zu emer auslösenden Situation. In einem zweiten Schritt versuche ich dann, das Geschriebene auszuwerter:. CALDER (1980) empfiehlt das als regelmäßiges Vorgehen mIt der Begründung, beim Schreiben werde deutlicher, was man »wirklich« meint. Unangenehme Assoziationen können nicht so leicht unter den TIsch fallen.
Wann fallen dem Therapeuten Träume ein, die sich - _ auf Patienten beziehen? _ _ Am häufigsten wohl, wenn man nach einer Stunde über den ~atien~en nachdenkt. In Gegenwart eines Objekts, auf den
sie sich an einen Traum erinnern, in dem ein Patient unverstellt vorkommt. Diese Träume sind offenbar häufiger als allgemein angenommen - darauf weist eine in Kanada durchgeführte Untersuchung (LESTER et al. 1989) hin -, aber sie sind nicht alltäglich. Deshalb wird man meist an den Traum denken, wenn der Therapeut das nächste Mal kommt und den Patienten, wie vor allem auch sich selbst, unter dem Aspekt des Traumes beobachten. Meist hat man auch schon erste Hypothesen über den Bezug des Traumes zur Therapie gebildet und möchte versuchen, sie zu überprüfen. Es kann aber auch sein, daß einem nach, vor oder sogar während einer Stunde ein Traum einfällt, dessen Bezug zu dem Patienten und seiner Therapie einem zunächst nicht klar war, weil der Patient verstellt darin vorkommt. Solche Einfälle bringen dann im besten Falle eine blitzartige Erhellung des therapeutsichen Prozesses, besonders natürlich in bezug auf die Gegenübertragung. Im ungünstigen Falle lenken sie vom Patienten ab. Eine klare Verbindung zu ihm stellt sich nicht her. Man denkt »an etwas anderes«. Man sollte sich dann in jedem Fall die Frage stellen, was der Traum mit dem Patienten zu tun haben könnte. Möglicherweise hat er nicht direkt etwas mit ihm zu tun, sondern mit einer Person, auf die man seine Gegenübertragung verschoben hat. Es kann auch sein, daß sich der Traum auf eine andere Person bezieht und primär nichts mit dem Patienten zu tun hat. Dann kann es sein, daß in der Beziehung zu dem Außenobjekt wie in der Beziehung zum Patienten ein eigener blinder Fleck einen daran hindert, einen bestimmten Aspekt in der Beziehung bewußt zu sehen, der sich in der Beziehung zu der Außenperson aktualisiert hat aber auch in der Beziehung zum Patienten eine Rolle spielt, zumindest potentiell.
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- - -_ _ Sexualität
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Die mir bekannt gewordenen Berichte über sexuellen Mißb~auch ~on Patientinnen durch Psychotherapeuten differenZIeren rocht nach der Ausbildung jener Psychotherapeuten. Obwohl sexueller Mißbrauch von Patientinnen ohne Zweifel auch bei Analytikern vorkommt, scheint er doch seltener zu sein als im Durchschnitt der Psychotherapeuten. Ich vermute, daß das mit der gründlichen Ausbildung zu tun hat, die ein Analytiker durchläuft und die seine berufliche Identität festigt. Seine Ausbildung gibt ihm auch gute Möglichkeiten zu erkennen, daß eine Frau, die sich in ihn verliebt, nicht immer ihn meint. Liebe hat bekanntlich nicht nur mit Sexualität zu tun. Sie gibt auch narzißtische Zufuhr. Schon FREuD (1915) hat in seiner Arbeit über die Liebesübertragung angedeutet, den Anträgen einer Frau, die sich sonst nicht jedem an den Hals werfen würde, sei schwer zu widerstehen. Die Selektivität der Frau ist also wichtig. Es bedeutet eine narzißtische Zufuhr, wenn man von einer Frau geliebt wird, die selektiv ist. Bei Therapeuten jeden Alters können ödipale Phantasien eine Rolle spielen. Der Therapeut ist in seiner Phantasie der bessere Partner im Vergleich zu jedem Partner, den die Patientin gehabt hat oder hat. Auch ödipale Retterphantasien können eine Rolle spielen. Der Therapeut rettet die Patientin aus einer Beziehung, in der sie schlecht behandelt wird. Durch die Asymmetrie der therapeutischen Beziehung kommt der Therapeut seiner Patientin gegenüber in eine privilegierte Position. Diese Position gibt ihm das Attribut »stark«, was einen Therapeuten attraktiv machen kann, den die Patientin sonst nicht attraktiv fände. Er wendet sich der Patientin auch in einer Ausschließlichkeit zu, wie sie im Alltagsleben selten ist und dort eigentlich nur bei frisch Verliebten vorkommt. Verglichen mit dem Verhalten des Therapeuten scheint der reale Partner die Patientin zu vernachlässigen. Er trägt mit ihr vielleicht auch Interessenkonflikte aus; der Analytiker stellt seine Interessen in den Hinter-
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grund. So kann der Analytiker leicht als ein besserer Partner gesehen werden (s.a. ROHDE-DAcHsER 1981). Käme es aber zu einer realen Verbindung, fielen alle diese Verhaltensweisen des Analytikers fort. Sie sind im Alltag einer Beziehung gar nicht durchzuhalten. Die ~~tientin verliebt sich in eine Fiktion, die nicht nur durch Ubertragung entstanden ist, sondern auch durch die Merkmale der therapeutischen Rolle. Diese Merkmale der therapeutischen Rolle verwechselt die Patientin mit Persönlichkeitsmerkmalen. Übertragungs- und Gegenübertragungsanalyse sollten versuchen zu klären, weshalb eine Patientin sich in den Analytiker verliebt hat und der Analytiker auf sie anspricht. Sicher bleibt dann oft noch ein unanalysierbarer Rest. Die Übertragung spielt in fast allen Partnerwahlen eine Rolle, ihr Anteil ist im Alltag aber in der Regel geringer. Vielleicht wäre es zu einer Verbindung gekommen, wenn Patientin und Analytiker sich unter anderen Lebensumständen getroffen hätten, und vielleicht hätte die Verbindung sogar eine gute Prognose gehabt. Eine Verliebtheit, die unter den Umständen einer Analyse entstanden ist, läßt sich aber nur schwer in Liebe im Alltagsleben umwandeln. Eine Verbindung hätte eine schlechte Prognose. Auch die Erwartungen des Analytikers würden nicht erfüllt, weil die bewundernde Verliebtheit seiner Patientin im Alltagsleben verfliegen müßte. Aber selbst wenn all dieses nicht so wäre, müßte der Analytiker mit Rücksicht auf die Patientinnen verzichten, die bei ihm und bei anderen Analytikern künftig in Therapie kommen. Eine Analyse kann nur gelingen, wenn der durch die Abstinenz von Analytiker und Therapeut gegebene Rahmen sicher ist. Aus der Vergangenheit stammende wichtige sexuelle Wünsche würden in den Analysen bei vielen Patientinnen gar nicht bewußt werden und würden sich so der Bearbeitung entziehen, wenn die Patientinnen nicht sicher sein könnten, daß sie zu keinem sexuellen Handeln führen (KÖNIG 1993b). Sexuelle Kontakte zwischen Therapeutinnen und Patienten sind erheblich seltener als zwischen Therapeuten und Patientinnen. Das hängt unter anderem auch damit zusammen, daß männliche Patienten seltener Liebesübertragungen
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auf Therapeutinnen entwickeln. In einem anderen Buch (KöNIG 1993b) bin ich auf das Warum näher eingegangen. Des~en ungeachtet kann eine Therapeutin einen Mann, der bei ihr in Therapie ist, attraktiv finden. Wenn sie merkt, daß der Mann sie als Partnerin nicht in Erwägung zieht, kann sie das krän~en. Die R?lle der ~ütterlichen Frau wird weniger attraktiv, wenn dIe Frau SIch darauf beschränkt fühlt, Mutter _ präö~pale Mutter - zu sein; nicht wenige Frauen fürchten, daß SIe auf diese Rolle eingegrenzt werden, wenn ein kleines Kind da ist; andere streben diese Eingrenzung aber von sich aus an. Entsprechend kann eine Analytikerin sich nicht dagegen wehren, auf das Präödipale eingegrenzt zu werden, sondern es mit ihrer präödipal-mütterlichen Auffassung von der therapeutischen Rolle für unvereinbar halten, für den Patienten ein »Objekt der Begierde« zu sein. Sie wird dann sexuelle Wünsche des Patienten vielleicht als Widerstand gegen Präödipales auffassen und sie auf einen »präödipalen Kern« zurückführen wollen. Auch wenn ein solcher präödipaler Kern vorhanden ist, sagt das aber noch nicht, daß sex.ue~e Wünsche schon deshalb wegzuanalysieren sind, weil SIe auch Präödipales transportieren. Männer wie Frauen erhalten narzißtische Zufuhr wenn sie geliebt werden; auch wenn sie wissen, daß sie ~ur zu einem kl~inen Teil oder gar nicht selbst gemeint sind. Sie werden SIch das oft erst in einem zweiten Schritt klarmachen. Therapeuten werden von ihren Patientinnen präödipal, aber oft eben auch ödipal geliebt. Sie haben das Problem sich innerlich gegen sexuelle Beziehungswünsche abzugren~ zen und äußerlich die Grenzen des analytischen Settings und ihrer Rolle einzuhalten. Von Männern wollen sie oft wegen ihrer »väterlichen« Kompetenz und wegen einer realen oder vom Patienten imaginierten väterlichen Güte bewundert und geliebt werden. Homosexuelle Latenzen haben sie in ihrer bipersonalen Analyse meist bei sich kennengelernt. Wie es sein wird, wenn manifest homosexuelle Männer als Analytiker zugelassen werden, bleibt abzuwarten. Bei Therapeutinnen habe ich (vgl. KÖNIG 1993a) immer wieder festgestellt, daß sie homosexuelle Beziehungswün81
... sehe ihrer Patientinnen spät bemerken. Ich frage mich, ob das auch damit zusammenhängt, daß diese in ihren Analysen eine geringe Rolle gespielt haben oder daß es nur als Widerstand interpretiert wurde, wenn sie bei einer Frau in Analyse waren und solche Wünsche auftauchten; in der Analyse bei einem Mann wurden sie nicht direkt manifest. Vielleicht wird nicht nur die als aggressiv phantasierte und oft ja tatsächlich aggressivere Sexualität der Männer, sondern auch die Sexualität zwischen Frauen als· eine Verletzung der Intimsphäre phantasiert, die eine Frau auch dann fürchtet nicht abwehren zu können, wenn Gewaltanwendung unwahrscheinlich ist. Immerhin wäre sie in den meisten Fällen denkbar. Bei der Zulassung homosexueller Frauen scheinen einige Institute auch heute schon toleranter zu sein als bei der Zulassung homosexueller Männer, es handelt sich aber zur Zeit nur um Einzelfälle. In manchen Kulturen - im vorigen Jahrhundert war es teilweise auch bei uns so - führt der Weg aus der Welt der Frauen in die Welt der Männer für Frauen über die sexuelle Beziehung zu einem Mann, während die Männer über Initiationsriten dorthin gelangen. Da Traditionen in der Phantasie lange lebendig erhalten werden, auch wenn sie real nicht mehr praktiziert werden, kann eine Patientin, die vom »Vater« anerkannt werden will, den Weg über eine sexuelle Beziehung suchen. Der sexuelle Wunsch transportiert dann einen narzißtischen Wunsch besonderer Art. Darin liegt aber auch eine narzißtische Gratifikation für den männlichen Therapeuten: die Patientin findet seine »Welt« attraktiv. Insgesamt meine ich, daß im Umgang mit der Sexualität in Therapien alle Möglichkeiten des Verstehens genutzt wer'den sollten. Das ermöglicht am ehesten, mit den Versuchungen der Sexualität im Sinne der Therapie gut umzugehen und sie weder zu meiden noch ihnen zu erliegen. Dabei erscheint es mir besonders wichtig, die Verbindungen zwischen Sexualität und Narzißmus zu kennen und zu berücksichtigen. Weitere Informationen über Sexualität im Rahmen von Zweierbeziehungen finden sich in KÖNIG und KREISCHE (1991).
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Macht und sadomasochistische Beziehungsformen Uns Analytikern wird häufig vorgeworfen, daß wir in den Analysen eine stärker asymmetrische Beziehung herstellen, als das in anderen Therapien üblich ist. Der Analytiker hat alle Macht, der Patient keine. So einseitig ist es natürlich nicht (über die Freiräume des Patienten vgl. z.B, KÖNIG 1991), das Arrangement einer Analyse gibt dem Therapeuten aber Mittel in die Hand, Kontrolle auszuüben, und Analytiker mit stärkeren zwanghaften Persönlichkeitsanteilen machen davon Gebrauch. Der Helfende befindet sich primär schon in einer starken Position, das gilt im Privatleben, aber auch für die Angehörigen der helfenden Berufe. Manche Menschen streben gerade aus diesem Grund einen helfenden Beruf an. Es fällt auf, daß die sogenannte Helferhaltung, eine Disposition, in Beziehungen stereotyp eine helfende Position anzustreben, die auf einer zwanghaften Struktur basiert, von vielen psychoanalYliisch ausgebildeten Helfern der depressiven Persönlichkeitsstruktur zugeordnet wird, die eine bessere Presse hat als die zwanghafte. Zur depressiven Struktur gehört die Opferhaltung; man opfert sich für seine Patienten oder Klientel auf. Bei vielen Bewerbern um eine psychoanalytische Ausbildung kann man, in den letzten zehn Jahren allerdings seltener, eine rudimentäre saöomasochistische Beziehungsdisposition beobachten, die in der Lehranalyse aufgelöst oder zumindest unter Kontrolle gebracht werden muß, was meist, aber nicht immer gelingt; jedenfalls nicht immer vollständig. Ich füge den Abschnitt über Macht und Sadomasochismus hier ein, weil Machtstreben und Ansätze von Sadomasochismus häufig entweder manifest, und dann auch ich-synton, oder aber abgewehrt sind. In Therapien machen sie sich dann störend bemerkbar, gerade auch in abgewehrter Form: So kann eine Reaktionsbildung gegen sadistische Strebungen einen Therapeuten davon abhalten, seine Patienten zu konfrontieren, wo es nötig wäre. Manifestes sadomasochi83
.. stisches Verhalten wird rationalisiert, ideologisiert oder auf andere, zum Beispiel auch den Patienten, projiziert. Wünscht man sich Macht, was oft in Tagesphantasien zum Ausdruck kommt, wäre zunächst zu untersuchen, ob Macht als Mittel zu einem Zweck oder Macht an sich gewünscht wird. Macht als Mittel zum Zweck wird zum Beispiel dann gesucht, wenn man sich gefährdet fühlt. Mehr Macht bedeutet dann mehr Sicherheit. Ein Staat kann eine Armee unterhalten, um zu verhindern, daß er angegriffen wird, und um die Möglichkeit zu haben, sich im Falle eines Angriffes zu verteidigen. Analoges gibt es auch im Leben des Einzelnen. Macht kann gesucht werden, um etwas zu bewirken, um seine Lebensverhältnisse und die Lebensverhältnisse anderer zu verändern. Das drückt der feministische Spruch aus: »Auf die Dauer hilft nur Power«, Politische Ideen bleiben wirkungslos, wenn man keine Möglichkeit hat, sie durchzusetzen und umzusetzen. Macht kann aber auch um ihrer selbst willen angestrebt werden. Menschen, die nach Macht um ihrer selbst willen streben, fühlen sich zufriedener, wenn sie Macht haben und Macht ausüben können, ohne daß sie mit ihrer Macht etwas Spezifisches erreichen wollen. Es gibt Menschen, die Macht anhäufen wie andere Geld. Es genügt ihnen, sie einsetzen zu können, wenn sie wollen. Menschen, die auf eine sadomasochistische Beziehungsform fixiert sind, das heißt, daß sie sich in Beziehungen am wohlsten und sichersten fühlen, in denen sie entweder gequält werden oder den anderen quälen können (vgl. KÖNIG 1981 zur phobischen Form), streben Macht an, um die sadistische Position einnehmen zu können. Sadismus und Masochismus müssen nicht im Zufügen oder Erdulden körperlicher Schmerzen bestehen. Zu den sadomasochistischen Ritualen gehört häufig die Demütigung. Demütigung gibt es auch ohne Sexualität; sowohl das Demütigen wie das Gedemütigtwerden. Allerdings suchen Menschen mit einem sadomasochistischen Charakter vom masochistischen Typ Demütigung oft nicht im täglichen Leben, sondern mit Prostituierten, wo sie die Bezahlenden und damit letztlich doch die Mächtigeren
sind. Analog kann ein Mensch, der im allgemeinen masochistische Positionen anstrebt, in seinen Beziehungen bewirken, daß er in die leidende Position kommt, sich aber insgeheim über den anderen erheben, weil er ja »weiß«, daß er die ganze Inszenierung bewirkt hat. Häufig wird das Gefühl angestrebt, als der Gedemütigte moralisch besser zu sein. Der Gedemütigte erhebt sich so über den Demütiger (masochistischer Triumph, KAREN HORNEY 1936). Daß Menschen, die Beziehungen vom sadomasochistischen Typ anstreben, auf solche Beziehungen dann auch meist beschränkt sind, kann einen Leidensdruck erzeugen. Solche Menschen können diesen Leidensdruck vermindern, indem sie entweder andere Beziehungsformen kennenlernen und ausprobierenmanchmal finden sie dann doch Gefallen daran - oder indem sie sich bewußt für die sadomasochistische Beziehungsform entscheiden. Die Entscheidung, für das Ausleben sadomasochistischer Wünsche einen Raum zu schaffen, der das sadomasochistische Verhalten vom Alltagsleben trennt, scheint häufig vorzukommen. Wer sadomasochistische Inszenierungen veranstaltet, sucht wohl meist nach Gründen dafür, daß sie moralisch vertretbar sind. Ein sadistisches Verhalten außerhalb sadomasochistischer Inszenierungen wird meist ideologisch gerechtfertigt, man denke an das Wachpersonal in Konzentrationslagern. Im übrigen werden auch die inszenierten sadomasochistischen Rituale oft in einen moralisch zu rechtfertigenden Begründungszusammenhang gebracht, zum Beispiel als »strenge Erziehung«. Entsprechend begründen sadistische Lehrer oder Vorgesetzte ihr Verhalten wohl fast immer so, daß es moralisch gerechtfertigt erscheint. Da die sadomasochistische Inszenierung sadomasochistische Wünsche befriedigt und so den sadomasochistischen uiebdruck vermindert, wird das sadomasochistische Ausagieren im Alltag weniger. Von daher kann eine Entscheidung, den eigenen Sadismus in den inszenierten Ritualen zu leben, ethisch zu rechtfertigen sein. Das gilt eigentlich auch für den sadomasochistisch strukturierten Menschen vom masochistischen Typ - und viele Masochisten quälen ja di~ Umwelt durch ihren Masochismus, zum Beispiel, indem sie
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Menschen dazu bringen, sie schlecht zu behandeln, etwa durch Provokationen. Das durch Provokationen hervorgerufene scheinsadistische Verhalten machen die Menschen, die in ein solches Verhalten hineinmanipuliert worden sind, sich zum Vorwurf. Sie leiden dann unter den Selbstvorwürfen. Der sogenannte moralische Masochismus ist wohl am ehesten der depressiven Struktur zuzuordnen. Der Betreffende macht sich im Sinne einer Wendung gegen das Selbst moralische Vorwürfe, die eigentlich einem anderen gelten. Diese Form des »Masochismus« ist von einem Masochismus zu unterscheiden, der Leiden oder Demütigung genießt. Vieles, was man leichthin als Masochismus bezeichnet, ist die Reinszenierung von Objektbeziehungen, unter denen der Betreffende früher einmal gelitten hat, mit deren Form er aber vertraut ist, was ihn zur Reinszenierung motiviert; das gibt ihm ein Gefühl der Vertrautheit und Sicherheit. SANDLER (1992) hat kürzlich darauf hingewiesen, daß es sich hier eben nicht um Masochismus im eigentlichen Sinne handelt, zu dem gehört, daß Leiden oder Demütigung genossen werden. Solche Differenzierungen, wie überhaupt eine genaue Kenntnis der sadomasochistischen Phänomene und ihrer Dynamik und ihre Abgrenzung von anderen, ähnlich aussehenden Phänomenen, wie etwa das aggressive Reagieren auf eine Provokation, sind für die Selbstanalyse wichtig, weil mit der Diagnose sadomasochistischer Tendenzen starke Wertungen verbunden sind, die den Blick trüben können. Es ist zum Beispiel auch wichtig, sich klarzumachen, daß ein masochistischer Patient einen Therapeuten zu aggressivem Handeln provozieren kann, das er dann als sadistisch erlebt, obwohl es nicht aus einem Sadismus der Therapeuten heraus motiviert ist. Umgekehrt kann eine sadomasochistische Kollusion zwischen Patient und Therapeut von seiten des Therapeuten damit rationalisiert werden, daß der Patient den Therapeuten provoziert, während der Patient die Kollusion damit begründet, daß der Therapeut zu seinem, des Patienten, Besten streng mit ihm sein muß.
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Die Eignung verschiedener Persönlichkeitsstrukturen ____ zur Selbstanalyse
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In diesem Buch wird an verschiedenen Stellen auf die Persönlichkeitsstruktur Bezug genommen. Hier möchte ich eine ergänzende Zusammenfassung geben. ~al.ysie~te mit einer - mäßig ausgeprägten - narzißtischen Personlzchkeztsstruktur scheinen sich für eine Selbstanalyse beso~ders gut zu eignen, weil sie schon die eigene Analyse zu emem großen Teil in eigener Regie durchgeführt haben. Der Analytiker als Extension ihres Selbst oder, in der Terminologie von KOHUT (1971), als Selbstobjekt ist durch andere Objekte ersetzbar, die ähnlich zurückhaltend sind wie ein ~urückhaltend analysier~nder Therapeut. Hat der narzißtisch Strukturierte den Ubergang zu Ganzobjektbeziehunge~ geschafft, bleibt ihm doch die quasi regressive MöglichkeIt, zum Zwecke analytischer Arbeit Objekte zu einer Art Analytiker umzufunktionieren; zum Beispiel dadurch, daß ~r zu .einer anderen Person, an deren Meinung ihm eigentlich ruchts gelegen ist, über sich spricht und seine Reaktion auf diese P~rson.beobachtet. Hier findet dann Selbstanalyse statt und rucht blpersonale Analyse; der andere wird nur in seinen Reaktionen wahrgenommen, nicht eigentlich als Person. Auch ein vertrautes Zimmer kann als Partner fungieren. Es reagiert zwar nicht, bietet aber einen bergenden Rahmen, ähnlich wie der Analytiker mit seinem Zimmer als bergendes Objekt wahrgenommen wurde. Für d.en narzißtisch Strukturierten, der den Übergang zur Ganzob]ektbeziehung beWältigt hat, bleiben Ganzobjektbeziehungen labil. Selbsterkenntnisse, die Beziehungen gefährden können, wehrt ein narzißtisch Strukturierter ähnlich stark ab wie ein Depressiver. Überhaupt ist das Ergebnis der ~alyse~ines narziß~schStrukturierten oft der Übergang zu emer labilen depresslven Struktur. Der Betreffende muß sich dann in einer Selbstanalyse mit zweierlei Gefahren auseinandersetzen: mit einem Rückzug auf die narzißtischen Bezie87
hungsfonnen, wenn die Ganzobjektbeziehungen ihn enttäuschen oder kränken, und mit der Gefahr des Verlustes eines Objekts - eines Objekts, das für ihn ja einen besonderen Wert hat, weil zu ihm eine Beziehung möglich ist, die es früher für ihn nicht gegeben hat. Der schizoid Strukturierte neigt dazu, psychodynamische Hypothesen aufzustellen, die nicht so sehr auf ein Individuum passen als vielmehr auf Menschen im allgemeinen oder, wenn es hochkommt, auf Männer oder Frauen im allgemeinen. Das zeigt sich im Umgang des schizoid Strukturierten mit seinen Patienten ebenso wie im Umgang mit sich selbst. Dadurch wird die WIrksamkeit der Selbstanalyse, die immer auch das Spezielle, ja Individuelle berücksichtigen muß, um Veränderungen zu erreichen, erheblich eingeschränkt. Schizoide finden den Umgang mit der Realität und ihren Details oft mühsam. Sie ziehen sich lieber in abstraktes Denken und abstrakt-bildhaftes Phantasieren zurück. Es fällt ihnen deshalb schwer, aus den Reaktionen anderer auf sie selbst wie auch aus ihren eigenen Reaktionen auf andere Anregungen für die Selbstanalyse abzuleiten. Wenn sie am besten mit Menschen umgehen können, die genau die gleiche Wellenlänge haben wie sie, mit Menschen, die so denken und fühlen wie sie selbst - KOHUT (1971) nannte das Zwillingsbeziehung -, müssen sie von der Individualität des anderen abstrahieren, um ihn gut zu verstehen und interpersonelle Probleme zu vermeiden, wenn sie nicht zufällig auf jemanden stoßen, der ihnen sehr ähnlich ist. Befinden sie sich in einer unterversorgten Gegend, können sie sich auf Patienten beschränken, die ihnen wirklich ähnlich sind; ist die Auswahl nicht so groß, setzen sie Leugnungsmechanismen ein, um die Patienten »passend« zu machen. Entsprechend selegieren sie bei der Selbstanalyse das Feedback. Wie aus dem privaten Umgang mit Berufskollegen, Freunden und Bekannten entnehmen sie auch aus ihren Therapien wenig Anregungen. Sie neigen dazu, Ideologien zu bilden oder zu übernehmen, die rechtfertigen, daß sie mit einem großen Teil der Menschheit als Individuen nichts zu ~ haben wollen, sondern nur mit wenigen Menschen und rmt der von ihnen phantasierten »Menschheit an sich«.
Depressiv Strukturierte sind oft im Innersten der Meinung, daß die therapeutische Beziehung heilt, auch wenn sie Theorien übernommen haben und vertreten, die etwas anderes aussagen. Da sie bei einer Selbstanalyse keinen Analysepartner zur Verfügung haben und auch nicht in der Lage sind, Menschen in der gleichen Weise zu funktionalisieren wie narzißtisch Strukturierte, suchen sie oft nach einem Gesprächspartner, zu dem sie eine Beziehung aufbauen können, die der Beziehung zum Analytiker entspricht. Damit überfordern sie diese Menschen; vor allem, wenn es sich um Personen handelt, die eng mit ihnen zusammenleben. Gibt es zwischen den »Analysanden« und dem »Analysenpartner« Interessenkonflikte, kann es sein, daß der »Analysenpartner« für seine Zwecke nutzt, was der depressive »Analysand« ihm anvertraut hat. Das führt zu schweren Enttäuschungen und zu Aggressionen, die der Depressive oft gegen sich selbst richtet. Er macht sich Vorwürfe, dem anderen vertraut zu haben. Der phobische Selbstanalysand vermißt den Analytiker als steuerndes Objekt. Ohne ihn wagt er sich zum Beispiel in den Assoziationen zu einem Traum wenig über die Traumdetails hinaus, statt dessen fallen ihm eher weitere Einzelheiten aus dem Traum ein, ähnlich wie das wahrscheinlich schon während der bipersonalen Analyse der Fall war (KöNIG 1981). Hat der phobische Selbstanalysand das steuernde Objekt wenigstens zu einem Teil in sich aufbauen können, gelingt es ihm, sich nicht nur im Rahmen dessen zu bewegen, was die bipersonale Analyse inhaltlich abgesteckt hat, sondern auch in Nachbargebieten, ohne sich aber von den Grenzen des Abgesteckten allzu weit zu entfernen. Der phobische Selbstanalysand ist nicht so wie der depressive davon überzeugt, daß Beziehung heilt. Er hat in der Analyse erkannt, daß es um Funktionen geht, die andere bei ihm substituieren, die er aber auch selbst entwickeln könnte. Deshalb stellt er an andere meist gezielte Fragen, wenn er Material für seine Selbstanalyse braucht, zum Beispiel: »Habe ich in diesem Vortrag zu viel Material gebracht, zu leise gesprochen, wo war ich nicht klar genug?« Er ist meist lernwillig und in den Grenzen seiner Struktur auch lernfä-
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hig. Sucht er in seiner Umgebung steuernde Objekte, wird der analysierte Phobiker meist bestrebt sein, von ihnen zu lernen, was diese zunächst substituieren, um die eigenen steuernden Funktionen zu verbessern. Der zwanghafte Selbstanalysand neigt dazu, seine Selbstanalyse zu ritualisieren. Häufiger als andere schafft er sich für seine Selbstanalyse ein regelmäßiges Setting, zum Beispiel sitzt er eine gewisse Zeit in einem Sessel oder liegt eine gewisse Zeit auf der Couch. Bei der Selbstanalyse geht er gerne systematisch vor, indem er zum Beispiel bei einem Mikrosymptom, das in der Interaktion mit anderen Menschen aufgetreten ist, alle ihm bekannten Verstehensmöglichkeiten durchprobiert. Hat er eine plausible Erklärung gefunden, verbeißt er sich oft in die Klärung gerade dieses Mikrosymptoms und vernachlässigt dabei die Klärung anderer Probleme. Allerdings findet er seine Erklärung meist auf die Weise, daß er von den ihm bereits bekannten Erklärungsmustern eines zum Prokrustesbett macht, in das er sein Problem einpaßt. Wenn er gar keine Erklärung findet, beunruhigt ihn das sehr. Bei einer bipersonalen Analyse ist immer noch der Analytiker da, von dem der zwanghafte Analysand phantasieren kann, daß er weiß, was los ist, auch wenn er es zunächst nicht sagt. Der zwanghafte Selbstanalysand verstärkt dann oft seine Sicherheitsmaßnahrnen. Er kommt im ganzen oft erheblich langsamer voran als während der bipersonalen Analyse zwischen den Stunden, wo er damit rechnen konnte, in der nächsten Stunde wieder in Gegenwart des auch aufpassenden Analytikers zu sein. War der Analytiker sehr aktiv und mobilisierte er viel Triebhaftes, hat der zwanghafte Analysand vielleicht schon während der bipersonalen Analyse mehr Kontrollfunktionen übernommen und so erfahren, daß er selbst verhindern kann, daß sein inneres Chaos ihn überschwemmt. Er wird sich dann auch in einer Selbstanalyse freier bewegen können. Das ist übrigens einer der Gründe dafür, warum es sich bei zwanghaften Analysanden empfiehlt, die Widerstände aktiv anzugehen. Nicht nur die Ergebnisse der bipersonalen Analyse werden besser, sondern auch die Ergebnisse einer eventuell sich anschließenden Selbstanalyse - und da die Verände-
rungen bei der Zwangsstruktur auch im günstigsten Fall recht langsam vor sich gehen, wäre es beim Zwanghaften besonders wichtig, daß er im Anschluß an die bipersonale Analyse noch Selbstanalyse betreibt. Der hysterische Selbstanalysand konnte sich während der bipersonalen Analyse als starker Mann zeigen, nachdem er seine passiv-femininen Wünsche bearbeitet hatte, und mit dem Analytiker rivalisieren. In einer Selbstanalyse ist der Analytiker aus der bipersonalen Analyse immer noch präsent, der hysterische Selbstanalysand möchte es besser machen als dieser. Das kann zu einer fruchtbaren imaginierten Konkurrenz führen. Wie schon in der bipersonalen Analyse hat der hysterische Selbstanalysand Probleme mit dem Durcharbeiten, das ihm mühselig vorkommt. Immer noch sucht er meist nach rasch und wie von selbst wirkender Erkenntnis. Das zentrale Problem der hysterischen Struktur beim Mann, die durch phallisches Gebaren überkompensierten passiv-femininen Wünsche und die Erwartung, es genüge doch schon, Frauen für sich zu mobilisieren, um im Leben Erfolg zu haben, werden meist auch in der Selbstanalyse nur begrenzt verändert, Fortschritte sind aber möglich, wozu die besondere Situation einer imaginierten Konkurrenz mit dem Analytiker der bipersonalen Analyse beizutragen vermag. Sie ist ungefährlicher als in der bipersonalen Analyse, weil der Selbstanalysand seinem (nicht persönlich anwesenden) Konkurrenten ja nichts über die eigenen Schwächen sagen muß. War der Analytiker der bipersonalen Analyse eine Frau, hat der hysterische Selbstanalysand im günstigsten Falle gelernt, eine Frau durch Arbeit und nicht nur durch Charme für sich einzunehmen. Er setzt die Arbeit in der Selbstanalyse fort, wobei es dann inhaltlich oft um reale Rivalitäten mit Männern geht. Die eigenen passiv-femininen Wünsche sind durch ein Stück Identifizierung mit der Analytikerin vertrauter und damit ungefährlicher geworden. Die Auseinandersetzung mit dem Vater kann während der bipersonalen Analyse im Umgang mit Außenobjekten stattgefunden haben oder nicht. Ich halte es für günstiger, wenn sie die ödipale Vaterübertragung nicht an die Analyti-
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... was ein Mann einer Frau realistischerweise bieten kann und will, und was nicht, wozu Schwierigkeiten in Beziehungen zu Männern oft Anlaß geben. Männliche wie weibliche hysterische Selbstanalysanden betonen in ihren Analysen ihrer Struktur entsprechend die Mann/Frau-Probleme. Soweit das in der bipersonalen Analyse noch nicht geschehen ist, wird es für Selbstanalysandinnen fruchtbar sein, die präödipale Enttäuschung an der Mutter und die Angst vor ihr zu bearbeiten; für Selbstanalysanden die Enttäuschung am Vater und die Angst vor ihm, und zwar im ödipalen wie im präödipalen Bereich. Hier wie auch sonst gilt, daß es in den meisten Therapien, und letztlich ja auch in der Selbstanalyse, auf eine Betrachtung von präödipaler und ödipaler Dynamik ganz wesentlich ankommt.
kerin heftet, sondern an ein Objekt außerhalb der Analyse, und der Patient die Analytikerin als jemand phantasieren kann, die seinen Kampf mit den männlichen Rivalen anerkennt, zumindest eine Zeitlang. Die hysterische Selbstanalysandin hat, wenn sie bei einem Mann in Analyse war, ihre Beziehung zum Vater durchgearbeitet. Dabei wurde ihre Identifikation mit einem Mann unter Umständen verstärkt. Ihre Enttäuschung an Frauen hat sie mit dem »Vater« besprochen. Sie hat gelernt, Frauen etwas positiver zu sehen. Sie konnte sich auch als Partnerin eines starken Vaters phantasieren. Die Art des psychoanalytischen Settings erleichtert das, weil der Analytiker ja immer in der stärkeren Position bleibt, solange die Analyse dauert. Was die meisten hysterischen Selbstanalysandinnen nicht erfahren konnten, war eine Beziehung zu einem schwachen Mann. Solche Beziehungen gibt es bei hysterischen Frauen in der Regel außerhalb der Analyse. Während der Selbstanalyse im Anschluß an eine bipersonale Analyse setzt sich das fort. Die Selbstanalysandin hat den Analytiker aus der bipersonalen Analyse als starkes inneres Objekt behalten, nach dem sie andere Männer beurteilt. Diesem Vergleich halten wenige Männer stand, zumal der Analytiker in den Stunden Verhaltensweisen zeigt, die eine Idealisierung fördern, zum Beispiel die ausschließliche Zuwendung zur Analysandin. ROHDE-DAcHsER (1981) hat das plastisch beschrieben. War der Partner in der bipersonalen Analyse eine Frau, konnte die Enttäuschung an der Mutter meist bearbeitet werden, die bei vielen Frauen ein Motiv ist, sich dem Vater mit hohen emotionalen präödipalen Erwartungen als einer »zweiten Chance« zuzuwenden. Die Identifizierung mit einer starken Frau konnte erfolgen. Die Ansprüche an Männer sind aber gerade deshalb oft hoch. Die Analysandin meint, sich einen starken Mann »leisten« zu können oder aber einen Mann, der das tut, was sie will, und der sie in allem unterstützt. Besonders schwierig kann es werden, wenn sie von einem Mann beides erwartet. Bezüglich der Probleme, die sich aus der hysterischen Struktur einer Frau ergeben, ist die Selbstanalyse wohl dann am erfolgreichsten, wenn sie sich damit auseinandersetzt,
Es gibt Therapien, die keine auffälligen Schwierigkeiten machen, bei denen Selbstanalyse dennoch nützlich wäre. GREENSON (1967) hat darauf hingewiesen, daß jedes stereotype Verhalten eines Patienten einen Hinweis auf einen möglichen Widerstand darstellt. Entsprechend kann ein GegenübertragungSWiderstand im Spiel sein, wenn man als Therapeut mit einem Patienten oder einer Patientin lange Zeit in gleicher Weise umgeht. In verschiedenen Phasen des analytischen Prozesses ist ein unterschiedliches Therapeutenverhalten angezeigt. Meist adaptiert sich der Therapeut ~pontan an die Veränderungen im therapeutischen Prozeß. Andert sich sein Verhalten nicht, kann das darauf zurückzuführen sein, daß der therapeutische Prozeß stagniert oder der Therapeut Veränderungen im therapeutischen Prozeß nicht wahrhaben möchte. Man kann sich dann fragen, warum der therapeutische Prozeß keine Fortschritte macht und was der eigene Anteil daran sein könnte oder welchen
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Ergänzendes zur Selbstanalyse in _ _ der Arbeit mit Patienten _ _
Grund man haben könnte, Veränderungen nicht zu sehen. Diese Veränderungen können Fortschritte darstellen, man kann zum Beispiel fürchten, daß der Patient zu stark für einen wird. Die Veränderungen können aber auch eine Verschlechterung signalisieren, mit der man sich nicht konfrontieren möchte. Das war in einer von mir supervidierten Behandlung der Fall, in der ein beginnender Alkoholabusus vom Kandidaten nicht gesehen wurde, obwohl sich das Befinden des Patienten veränderte. Die erhöhte Reizbarkeit des Patienten führte der Kandidat auf eine wünschenswerte Freisetzung vorher blockierter aggressiver Impulse zurück. Tatsächlich handelte es sich um eine der wohlbekannten Folgen des Trinkens. Jeder Therapeut, der das in seiner bipersonalen Analyse noch nicht behandelt hat, sollte sich fragen, was es für ihn bedeutet, wenn es einem Patienten schlechter geht oder sich herausstellt, daß er einem Patienten nicht oder nur wenig helfen kann. Viele Statistiken zeigen, daß man einem Drittel der Patienten wenig oder gar nicht helfen kann, bei sehr sorgfältiger Indikationsstellung sind es immer noch um die zwanzig Prozent. Die relative oder totale Erfolglosigkeit einiger Behandlungen gehört zum Los eines Therapeuten. Dennoch wird man es oft erleben, daß Therapeuten, die man nach der Effektivität ihrer Arbeit fragt, die Erfolgsrate viel höher einschätzen. Sind Therapeuten offensichtlich gescheitert, werden alle möglichen Gründe gesucht, um das zu erklären; vorzugsweise solche, die sich erst im Laufe des therapeutischen Prozesses herausgestellt haben und mit der äußeren Lebenssituation des Patienten zusammenhängen. Depressive Therapeuten schätzen ihren Erfolg zu gering ein und machen sich selbst regelmäßig für schlechte Therapieausgänge verantwortlich, auch dann, wenn es dem äußeren Betrachter daran zu liegen scheint, daß sie damit nichts zu tun haben. Ein Therapeut sollte wissen, wie er seine Behandlungserfolge habituell einschätzt und wen er in der Regel dafür verantwortlich macht, damit er bei so entdeckten Einseitigkeiten gegensteuern kann.
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Selbstanalyse während und nach einer _ _ Selbsterfahrungsgruppe _ _ Auch in einer Selbsterfahrungsgruppe wird Selbstanalyse gelehrt und gelernt. Die psychoanalytische Sichtweise wird der Gruppe durch den Gruppenleiter vermittelt. Sie geht in die therapeutische Kultur der Gruppe ein. In einer Gruppe analysieren die Teilnehmer sich selbst wie in einer Einzelanalyse. Sie analysieren sich aber auch gegenseitig. Das ist ein Unterschied zur Einzelanalyse, wo außer dem Patienten nur der Therapeut anwesend ist. Der läßt sich in der Reg~l nicht analysieren. Die Gruppenteilnehmer lernen also die transitive und die reflexive Form des Analysierens. In einer Einzelanalyse sind sie auf ihre Partner, Arbeitskollegen, Freunde und Bekannte angewiesen, wenn sie die transitive Form des Analysierens üben wollen, ehe man sie zur Behandlung von Patienten zuläßt. Das führt zu Schwierigkeiten in den Beziehungen, weil Partner, Arbeitskollegen, Freunde und Bekannte in der Regel keinen Auftrag geben, daß man sie analysieren soll. Auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Gruppe können im Selbsterfahrungssetting nicht beliebig transitiv analysieren, weil es ihnen als Widerstand ausgelegt wird, wenn sie darüber das reflexive, also das Sich-selbst-Analysieren und den Umgang mit den Interpretationen der übrigen Gruppenmitglieder und des Gruppenleiters vernachlässigen. So werden sie auf das reflexive Analysieren zurückverwiesen. In Gruppen lernt man nicht nur, sich selbst zu analysieren und mit den Deutungen anderer umzugehen, sondern auch Feedbacks zu nutzen. Feedbacks sind nicht immer förderlich. Sie können verzerrt sein, durch Über~agungen, Externalisierungen von Selbstanteilen und schlicht durch Empathiemängel. In einer Gruppe lernt man, zwischen nützlichem und schädlichem, zutreffendem und unzutreffendem Feedback zu differenzieren. Das ist in der Selbstanalyse wichtig, wenn es darum geht, ein Feedback kritisch zu beurteilen, das einem ein Partner oder ein Arbeitskollege gegeben hat. 95
... In einer Gruppe erlebt man im Hier und Jetzt, wie sich projektive Identifizierungen als solche herausstellen und woran man sie erkennen kann. Man lernt, im interpersonellen Umgang Positionen zu verteidigen, aber auch Positionen aufzugeben, die sich als irrational erweisen. Man lernt Kränkungen zu verarbeiten, die entstehen, wenn man eine Position nicht nur dem Therapeuten gegenüber aufgeben muß, der Experte ist, und dessen Besserwissen deshalb weniger kränkt, sondern auch einem einfachen Gruppenmitglied gegenüber. So könnte man meinen, daß eine Selbsterfahrungsgruppe eine gute Vorbereitung für eine Selbstanalyse nach Beendigung der Selbsterfahrung darstellt. In vielerlei Hinsicht ist das auch der Fall. Man darf aber nicht aus den Augen verlieren, daß die Gruppenselbsterfahrung sich sehr wesentlich auf etwas stützt, das einem nach der Gruppenselbsterfahrung so nicht mehr zur Verfügung stehen wird: auf das um Fairness bemühte Feedback auf der Basis von therapeutischen ArbeitsbeZiehungen. Es ist sehr viel leichter, ein faires Feedback zu geben, wenn man mit dem, an den es sich richtet, nicht zusammenlebt und keine Interessenkonflikte mit ihm hat. Ein Feedback in einer Gruppe kann immer auch durch die übrigen Gruppenmitglieder und den Therapeuten korrigiert werden. All das fällt bei einem Feedback weg, das man außerhalb einer therapeutischen Gruppe von Einzelpersonen erhält. In dem Abschnitt über »Feedback« bin ich zum Beispiel auf die Problematik der Feedbacks in einer Paarbeziehung eingegangen. Selbsterfahrungsgruppen finden in Doppelstunden statt. Daraus ergibt sich, daß die Abstände zwischen den Sitzungen länger sind als bei einer Einzelselbsterfahrung, die in Einzelstunden stattfindet, meist in mehreren pro Woche. Das regt an, sich mit persönlichen Schwierigkeiten, die zwischen den Sitzungen auftreten, in Selbstanalyse auseinanderzusetzen. Es kommt noch hinzu, daß die Mitglieder einer Gruppe weniger Zeit haben als in einer Einzelselbsterfahrung, im Selbsterfahrungssetting über Probleme zu berichten, die in Außenbeziehungen auftreten. In Selbsterfahrungsgruppen geht es ebenso wie in einer
Einzelanalyse ganz wesentlich um das Hier und Jetzt. Man kann sich leicht ausrechnen, daß pro Zeiteinheit weniger Sprechzeit für den einzelnen zur Verfügung steht als bei gleicher Kontaktzeit zwischen Patient und Therapeut in einer Einzelanalyse. Jedes Gruppenmitglied nimmt am Gruppenprozeß in irgendeiner Form teil, auch wenn andere sprechen. Was dabei herauskommt, muß ein Gruppenmitglied, das nicht unmittelbar beteiligt war, auf sich beziehen und für sich auswerten. Auch das fördert die Motivation zur Selbstanalyse und die selbstanalytische Kompetenz. Findet die Gruppenselbsterfahrung fraktioniert an Wochenenden mit jeweils mehreren Sitzungen statt, sind die Zwischenzeiten noch länger als bei wöchentlich ein- oder zweimal stattfindenden Gruppensitzungen. Dann ist das einzelne Gruppenmitglied über noch längere Zeitabschnitte auf sich gestellt, was wieder dazu motiviert, eine selbstanalytische Kompetenz zu entwickeln und zu trainieren. Ein solches Setting eignet sich allerdings nicht so gut für Teilnehmer mit starkem Symptomleidensdruck, weshalb es bei Patienten selten angewandt wird. Bei einer Selbstanalyse nach einer Gruppenselbsterfahrung ist darauf zu achten, daß man das Hauptgewicht vom Auswerten der Feedbacks, die einem so nicht mehr zur Verfügung stehen, auf jene Bereiche hin verlagert, die ich für die Selbstanalyse nach einer Einzelselbsterfahrung beschrieben habe. In der Beurteilung der selteneren Feedbacks, die man im täglichen Leben erhält, bringt die Teilnahme an einer Selbsterfahrungsgruppe aber einen Vorteil. Weil Selbsterfahrungsgruppen auch ein soziales Übungsfeld darstellen, hat der ehemalige Teilnehmer an einer Selbsterfahrungsgruppe oft auch Kompetenz darin erworben, Erkenntnisse auf Beziehungen anzuwenden. In einer Gruppe erfolgt das allerdings in einem geschützten und durch den Therapeuten kontrollierten Rahmen. Das ist zu berücksichtigen. Die meisten Teilnehmer an Selbsterfahrungsgruppen lernen aber, ihre Erkenntnisse auch außerhalb der Gruppe anzuwenden und zwischen der relativ geschützten Gruppensituation auf der einen Seite und der ungeschützteren Alltagssituation auf der anderen Seite zu unterscheiden.
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... Der Gruppenleiter kann die Entwicklung selbstanalytischer Fähigkeiten in der Gruppe fördern oder behindern; aus Motiven die denen verwandt sind, aus denen ein Einzeltherapeut das tut. Zum Beispiel legen zwanghafte Therapeuten wenig Wert darauf, daß außerhalb der Sitzungen viel geschieht, über das sie keine Kontrolle haben. Sie ermutigen nicht zum Ausprobieren. Hysterische Therapeuten werden durch Erzählungen, die sich auf Vorgänge außerhalb der Gruppe beziehen, oft gelangweilt. Sie wollen lieber dabeisein und mitmachen, es soll immer um das gehen, was sich unter ihren Augen abspielen kann. Was außerhalb der Gruppe läuft, interessiert sie wenig. Eine solche Einstellung hindert die Gruppenmitglieder daran, über ihre Erfolge und Mißerfolge bei der Anwendung dessen, was sie in der Gruppe erlebt und erkannt haben, zu berichten und die Schwierigkeiten zu bearbeiten, die dabei auftreten. Schizoide Therapeuten stimmen die Gruppe auf sich ein. In der Gruppe versteht man sich, außerhalb der Gruppe spielen sich Vorgänge ab, die jenseits des mühelosen Verständnisses liegen und vor denen man am bequemsten die Augen verschließt. Auch eine solche Einstellung kann das Durcharbeiten im Sinne eines Transfers aus der Gruppe in das Alltagsleben behindern. Depressive Therapeuten suchen in der Gruppe ein heilendes Sich-Lieben zu fördern; Konflikte werden wenig ausgetragen. Draußen ist die feindliche Welt, wo man sich nicht liebt. Die Gruppe wird zu dem, was BATIEGAY einen »Emotionsklub« genannt hat. Auch das fördert den Transfer nicht. Narzißtische Therapeuten machen die Gruppe mit ihren Mitgliedern zu einer Extension ihrer selbst. Eigentlich müßten die Gruppenmitglieder in ihren Fortschritten großartig sein, auch außerhalb der Sitzungen. Davon, daß sie es nicht sind, sondern außerhalb der Gruppe ihre Schwierigkeiten haben, möchte er am liebsten nichts wissen. Natürlich behindert das Gespräche über SchWierigkeiten beim Transfer. Phobische Therapeuten schließlich haben Angst, daß die Gruppenmitglieder draußen nicht zurechtkommen. Sie lassen sich ängstlich berichten und mindern durch ihre Ängstlichkeit das Selbstvertrauen der Gruppenmitglieder. Kontra-
phobische Therapeuten erwarten mehr Mut von den Gruppenmitgliedern im Ausprobieren neuer Verhaltensweisen, überfordern sie und schädigen dadurch ihr Selbstvertrauen. Zusammenfassend kann man sagen, daß jede Persönlichkeitsstruktur sich im Sinne einer Behinderung des Transfers auswirken kann, so daß dann nicht nur die therapeutische Effektivität der Gruppe, sondern auch der Erwerb selbstanalytischer Fähigkeiten behindert wird. Bei einigen Gruppenleitern findet man eine Einstellung, die früher Göttinger Studenten zugeschrieben wurde: »Extra Gottingam non est vita. Si est vita, non est ita« (»Außerhalb Göttingens gibt es kein Leben; und wenn, dann kein solches«). Man braucht nur das Wort »Göttingen« durch das Wort »Gruppe« zu ersetzen. Aufgabe des Gruppenleiters ist es, zu überlegen, wie er mit dem Transfer umgeht und wie und warum er ihn vielleicht behindert. Für alle Strukturen gilt wohl mehr oder weniger, daß Menschen in komplexen Situationen nach Vereinfachung streben, um die Übersicht zu behalten. Eine Gruppe ist schon etwas sehr Komplexes, auch wenn man versucht, ihre Beziehungen zur Außenwelt zu ignorieren. Daß Einzeltherapeuten dazu neigen können, die bipersonale Dyade von der Außenwelt zu isolieren, obwohl sie weniger komplex ist als eine Gruppe - aus den hier beschriebenen und ähnlichen Gründen - sei hier nur am Rande erwähnt.
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Zu den Grenzen einer ___-.,__ Selbstanalyse Die Grenzen einer Selbstanalyse liegen in ihrem begrenzten Erkenntnisbereich: Bei der Selbstanalyse übersieht man leicht eigene Widerstände. Schon deshalb kommt eine Selbstanalyse meisynicht so weit wie eine bipersonale Analyse. Auch die Umsetzung von Einsicht in Verhaltensänderung geht leichter, wenn man jemanden hat, der einem dabei hilft: durch Konfrontation der dabei auftretenden Wider-
stände, die man vielleicht selbst gar nicht sieht oder für ~)berechtigt« hält. Die Grenzen der Selbstanalyse liegen auch ~ begrenzten Erfahrungsbereich: die Erfahrungen einer bipersonalen therapeutischen Beziehung fallen fort. Die Selbstanalyse teilt mit der bipersonalen Analyse das Problem der Unüberwindbarkeit mancher Grenzen in der Realität. Bei einer Selbstanalyse im fortgeschrittenen Alter scheint es, als ob sie nicht erfolgreich sei, weil es »nur« eine Selbstanalyse ist. Tatsächlich behindert aber das fortgeschrittene Alter die Veränderungen und würde dies auch bei einer bipersonalen Analyse tun. Ein fortgeschrittenes Alter wirkt sich auf die Motivation zur Veränderung allerdings nicht nur mindernd aus. Ein älterer oder alter Mensch weiß, daß ihm nicht viel Zeit bleibt si~ zu verändern, er kann Veränderungen nicht so unbe~ ~~ert aufschie.ben wie ein junger Mensch. Auch bringt es für vI~le m~hr Freiheit, wenn die Kinder unabhängig geworden smd. Jungere Menschen trauern gegen Ende einer Analyse oft um die Zeit, die ihnen durch neurotische Behinderu~gen und Einschr~ungenverloren gegangen ist. Ihnen bleIbt aber noch Zelt, anders zu leben, so daß sie hoffen können, das Versäumte wenn nicht nachzuholen, so doch ein Stück weit zu kompensieren. Dabei überschätzen sie oft die Z~it, die ihn~n dafür noch bleibt. Alte Menschen dagegen WIssen, daß ihnen nur noch wenig Zeit bleibt. Sie fürchten, die Selbstanalyse könnte sie dazu bringen, einsehen zu müssen, daß sie ihr ganzes Leben »verpfuscht« haben. Diese Befürchtung ist so wohl in den meisten Fällen unbegründet. Selbstanalyse bringt selten umwälzende Erkenntnisse. Meist erweitert sie das in einer bipersonalen Analyse Er::' kannte. Konfrontationen mit einem »verpfuschten« Leben kommen meist von außen: etwa wenn einem das, von dem man glaubte, es rechtfertige die eigene Existenz, zerstöit wird: wenn Kinder sterben oder ein Betrieb, den man aufgebaut hat, bankrott geht oder sich bei einem Forscher die Entdeckungen, die er gemacht hat, als Scheinfortschritte herausstellen. Aber selbst da wird sich die Selbstanalyse meist günstig auswirken. Sie mag dazu helfen, daß jemand, der glaubt, sein Leben »verpfuscht« zu haben, doch viel Gutes
bewirkt hat: an seinen Kindern und indirekt an denen, die mit ihnen umgingen, vielleicht an den Mitarbeitern im Betrieb. Eine Entdeckung, deren Ergebnisse später nicht mehr angewandt werden, kann sich segensreich ausgewirkt haben, solange noch nichts Besseres da war.
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Haben neuere Erkenntnisse in der eigenen bipersonalen Analyse _ _ _ eine Rolle gespielt? - - Wer eine bipersonale Analyse gemacht hat, sollte darüber nachdenken, welche neuen Entwicklungen der eigene Analytiker vermutlich noch nicht gekannt hat und welcher Mode er vermutlich gefolgt ist. In den siebziger und achtziger Jahren wurden ödipale Konflikte von vielen Analytikern zugunsten der sogenannten Frühstörungsanteile vernachlässigt. Das begann sich erst Mitte der achtziger Jahre auszugleichen. Die Bedeutung der Adoleszenz in den Erwachsenenanalysen wurde auch erst in den letzten zehn Jahren bekannt (ERDHEIM z.B. 1983, 1984, 1988, 1993, KÖNIG 1991, 1992, 1993a, 1993b). Erst jetzt, in den neunziger Jahren, beschäftigt man sich mehr und mehr mit den Folgen der Fixierung auf eine dyadische Beziehungsform, die oft mit einer Frühstörung einhergeht, aber auch bei sogenannten reiferen Pathologien vorkommen kann, wenn der triangulierende Dritte fehlte. Insgesamt kann es sinnvoll sein, sich zu üb~rlegen, ob manche wichtige Bereiche in der eigenen Selbsterfahrung bearbeitet wurden, und wenn nicht, ob das damit zusammenhing, daß sie bei einem selbst keine wesentliche Rolle spielten oder ob der Analytiker von der Problematik noch nichts wußte oder mit ihr noch nicht ausreichend vertraut war.
Die meisten Psychoanalytiker werden nach ihrem Examen Mitglieder eines psychoanalytischen Instituts. Entsprechendes gilt für viele Kolleginnen und Kollegen, die den Psychotherapie-Zusatztitel erwerben. Auch sie werden oft Mitglieder einer psychotherapeutischen Vereinigung am Ort. Obwohl die Aufgaben eines Instituts in seiner Satzung meist breiter definiert sind und oft die Weiterentwicklung therapeutischer Verfahren mit einschließen, beschäftigen sich die Institute zur Zeit ganz überwiegend mit Weiterbildung und Fortbildung. Die Mitglieder eines Instituts entscheiden in der Mitgliederversammlung oder mit der Wahl eines Vorstandes, der dann meist die Entscheidung darüber trifft, wer sich als Dozent, Lehranalytiker oder Kontrollanalytiker (Lehr- und Kontrollanalytiker ist man in der Regel in Personalunion) an der Weiterbildung beteiligen kann. Die Ernennung zum Dozenten oder zum Lehr- und Kontrollanalytiker bringt Prestige und ermöglicht Einkünfte ohne das Schreiben von Kassenanträgen. Die sonstige Lehrtätigkeit ist in der Regel unterbezahlt, die Arbeit in den Vorständen und Ausschüssen ist ehrenamtlich. Die Kriterien für die Ernennung zum Lehr- und Kontrollanalytiker an den einzelnen Instituten sind meist wenig transparent. Psychoanalytische Kompetenz (Was ist das?) und Lehrbefähigung werden meist vorausgesetzt. Die zentral organisierte Deutsche Psychoanalytische Vereinigung beauftragt od~.r ernennt ihre Lehr- und Kontrollanalytiker überregional. Ahnlich wie beim französischen Zentralabitur bringt das eine Vereinheitlichung der Kriterien. Weil sie in der Vereinigung diskutiert werden, sind sie etwas transparenter als in der dezentral organisierten Deutschen Psychoanalytischen Gesellschaft (DPG) oder in den Instituten, die keiner der beiden Fachgesellschaften angehören. An der Patientenversorgung auf letztlich psychoanalytischer Basis beteiligen sich neben den freudianisch orientierten Mitgliedern der Deutschen Psychoanalytischen Gesell-
schaft und der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung die an JUNG orientierten analytischen Psychologen und die an ADLER orientierten Individualpsychologen. Sie haben ihre eigenen, meist dezentralen Organisationsformen. Eine zentralistische Organisation engt die Einflüsse lokaler Cliquen ein, regt aber zum überregionalen Politikmachen an. Wer neu in ein psychoanalytisches Institut oder in eine psychoanalytische Fachgesellschaft aufgenommen wird, lernt die Dozenten, Lehr- und Kontrollanalytiker des Instituts von einer anderen Seite her kennen. Viele Lehr- und Kontrollanalytiker sind sich dessen sehr bewußt, daß ihre Lehranalysanden sich dafür interessieren, wie sie sich außerhalb der analytischen Stunden verhalten. Das beeinflußt ihr Verhalten in den Vorlesungen, Übungen und Seminaren, ob sie es wollen oder nicht. In einer Mitgliederversammlung geben sie sich meist freier, weil nur wenige Mitglieder ihre Lehranalyse über das Examen hinaus fortführen und deshalb noch in Lehranalyse sind, wenn sie Mitglieder eines Instituts oder einer Fachgesellschaft werden. In der Mitgliederversammlung vertreten sie ihre Interessen oder das, was sie dafür halten, streiten sich, oft um Kleinigkeiten, und zeigen es, wenn sie gekränkt sind. Mitgliederversammlungen mit über fünfzehn Teilnehmern kann man nach gruppendynamischen Kriterien als mittelgroße, solche mit über dreißig Teilnehmern als Großgruppen bezeichnen. Wird eine Mitgliederversammlung nicht stark strukturierend geführt, kann es zu regressiven Prozessen kommen, zu deren Bewältigung die verschiedensten Abwehrmechanismen eingesetzt werden, zum Beispiel die Verschiebung auf das Kleinste. So kann es passieren, daß sich die Mitglieder einer Fachgesellschaft stundenlang über eine geringe Erhöhung des Mitgliedsbeitrages streiten, sagen wir um eine Erhöhung um zwanzig Mark, während sie für ihre Arbeit sonst etwa hundert Mark in einer Stunde einnehmen. Den neu hinzugekommenen Mitgliedern kommt so etwas irrational vor, was es auch ist. ManchejKolleginnen und Kollegen haben die Erfahrung gemacht, daß die erste Teilnahme an einer Mitgliederversammlung für sie ein Schock war. Dieser Schock wird dadurch hervorgerufen, daß die Psychoanalyse und ihre
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Die Selbstanalyse und - - - - - das Institut
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Vertreter von vielen jungen Kolleginnen und Kollegen idealisiert werden. Die Konfrontation mit der Realität nimmt dann traumatische Dimensionen an. Warum Lehranalytiker häufig idealisiert werden, ist viel diskutiert worden. GREENSON (1967) war der Meinung, daß die aggressiven Seiten einer Ambivalenz häufig auf andere Personen am Institut, zum Beispiel einen Supervisor oder einen Dozenten, verschoben werden. Die technischen Vorschläge von KOHUT (1971) haben dazu geführt, daß die aggressive Seite der Ambivalenzen oft nicht aufgegriffen wurde. Der therapeutische Prozeß sollte über eine Idealisierung laufen, die durch unvermeidliche Empathiefehler allmählich aufgelöst würde. Das sollte einen positiven Einfluß auf das ideale Selbst und die idealen Objekte haben, die sich entsprechend dem Desillusionierungsprozeß in der Analyse dem realistischen Menschenmöglichen annähern sollten. In vielen Analysen ist das offensichtlich nicht passiert. Zu den Zeiten der KOHUT-Welle wurden sicher auch viele im Kern ödipale Neurosen bei den Ausbildungskandidaten als narzißtische Neurosen diagnostiziert. Die Schriften und später auch die Vorträge von KERNBERG (z.B: 1978, 1988) haben das Interesse an einer narzißtischen Charakterpathologie weiter gestärkt. Seine Empfehlung, die unter Idealisierungen verborgenen aggressiven Phantasien und Impulse bald anzusprechen, haben das Verschieben aggressiver Ubertragungen anscheinend vermindert. Die durch die KERNBERGWelle geförderte Neigung, mehr auf eine narzißtische Charakterpathologie zu achten als auf eine ödipale Pathologie, beginnt erst in den letzten Jahren langsam und immer mehr abzunehmen. Das hängt wohl eher mit unserer veränderten diagnostischen Erwartungshaltung zusammen als damit, daß die narzißtischen Neurosen wieder abnehmen; etwa, weil die Verunsicherung im Umgang mit den Kindern durch den »Demokratie-Schock« nach 1945 einer festeren und sichereren Einstellung gegenüber den Kindern gewichen ist, so daß die Eltern sich wieder mehr in Interaktionen mit den Kindern einlassen; heutzutage wohl häufig in einer überprotektiven, die Interessen der Eltern hintanstellenden Weise. Verschiebungen aggressiver Impulse gegenüber dem Lehr104
analytiker auf andere Personen außerhalb der Lehranalyse kann man immer noch beobachten, die scheint es immer gegeben zu haben, auch vor der KOHUT-Welle. Sie sind vermutlich an denjenigen Instituten am häufigsten, in denen der Lehranalytiker bei den Entscheidungen über die einzelnen Karriereschritte seiner Lehranalysanden mitspricht, und geringer an den Instituten, wo der Lehranalytiker das nicht tut. Untersuchungen darüber sind mir nicht bekannt. Hier ist man wie in fast allen Bereichen der Ausbildung zum Psychoanalytiker oder Psychotherapeuten auf Eindrücke und Vermutungen angewiesen. Obwohl alle Mitglieder eines Instituts im Prinzip die gleichen Rechte haben, bewirken unterschiedliche Interessen und Kompetenzen, daß sich im Institut eine Hierarchie herausbildet. Wie in jedem Verein gibt es in einem Institut eine hierarchische Abstufung zwischen dem gewählten Vorstand und den Mitgliedern. Wichtiger noch ist aber die Abstufung zwischen den an der Weiterbildung beteiligten Mitgliedern und denen, die daran nicht beteiligt sind. Dieses Problem stellt sich an kleinen Instituten nicht, weil dort in der Regel jeder gebraucht wird, um die Lehraufgaben zu erfüllen. Mit der Zeit kommen aber immer mehr Mitglieder hinzu, und schließlich ist der Bedarf an Dozenten und Lehr- und Kontrollanalytikern gedeckt. Mitglieder, die an der Lehre weniger interessiert sind, streben keine Lehraufgaben an und werden auch nicht unter Druck gesetzt, Lehraufgaben zu übernehmen, weil genug Leute da sind. Sie vermissen aber doch das Prestige, das mit den Lehraufgaben verbunden ist. Mitglieder, die gern an der Lehre teilnehmen möchten, müssen warten, oder die Lehre wird auf so viele Leute verteilt, daß niemand mehr ausreichende Lehrerfahrungen in einer vernünftigen Zeit sammeln kann. Nach den Richt~en der DGPT muß man Lehrerfahrungen in Vorlesungen, Ubungen und Seminaren haben, wenn man Lehr- und Kontrollanalytiker werden will. Die Nichtinteressierten und die Wartenden befinden sich gegenüber denen, die an der Lehre teilnehmen, in einer Position, die sie als nachgeordnet empfinden und die von den Ausbildungskandidaten am Institut oft auch als nachgeord105
net gesehen wird. Es kommt zu Konkurrenzkämpfen und Kränkungen, die an einzelnen Instituten schon zu Spaltungen und zu Neugründungen eines Instituts geführt haben. Besonders problematisch wird es natürlich, wenn an sich genug Ausbildungskandidaten da sind, um alle Institutsmitg~ed~r in der Lehre zu beschäftigen, die alteingesessenen Mitglieder, die zunächst ja noch in der Mehrheit sind, neu Hinzugekommene aber nicht an die Lehre heranlassen wollen, obwohl sie daran interessiert sind und dazu fähig wären. An Orten, wo es viele Ausbildungskandidaten gibt, zum Beispiel ~ se~ großen Städten, wird durch die Spaltung oft eme SItuation hergestellt, in der in beiden Instituten, im alten und im neuen, genug Bedarf an Lehre vorhanden ist, um alle Institutsmitglieder, die daran interessiert sind, zu beschäftigen. Die weniger Interessierten ziehen sich meist aus den Institutsversarnm1ungen zurück. Welchen Einfluß haben diese Verhältnisse nun auf eine Selbstanalyse? Eine Selbstanalyse kann sicher helfen, die ~esillusionierungen zu verkraften und zu verarbeiten, die SIch aus dem Kontakt mit den bisher idealisierten Lehrenden ergeben. Gleichzeitig wird die Selbstanalyse aber erschwert, wenn das irmere Bild vom eigenen Lehranalytiker durch r~ale Ko~takte mit ihm stark verändert wird. Im Kapitel über die ~rbeI~~beziehungen habe ich ja darauf hingeWiesen, daß es emen Ubergang von einer bipersonalen Analyse in eine Selbstanalyse erleichtert, wenn der Selbstanalysand den inneren Dialog mit dem Analytiker fortsetzt, den er zwischen den Stunden zu führen gewohnt war: viele Analysanden führen ja solche irmeren Dialoge oder sie überlegen sich zumindest, was ihr Lehranalytiker zu einem bestimmten Problem meinen könnte. Ist die menschliche Autorität des Lehranalytikers erschüttert, können solche Dialoge nicht einfach fortgesetzt werden, als sei nichts geschehen. Das kann dazu führen, daß die Selbstan~.lyse abgebrochen wird und dies gerade zu einer Zeit des Ubergangs, wo die junge Kollegin oder der junge Kollege sie gut gebrauchen könnte. Oft hilft es da, sich mit Kollegirmen und Kollegen aus der etwa gleichaltrigen Peer-Gruppe über die neugewonnenen Ein-
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drücke auszutauschen. Dann dürfte sich nämlich herausstellen, daß die Desillusionierung bei verschiedenen Kollegirmen und Kollegen verschiedene Aspekte betrifft und verschiedene Ausmaße hat. Ein solcher Austausch relativiert die Auswirkungen der eigenen Desillusionierung. Vielleicht stellt es sich dann heraus, daß der Lehranalytiker, dessen Bild Flecken und Risse bekommen hat, auf der anderen Seite auch ganz sympathische Seiten zeigt, die dem Analysanden in dessen Rolle als Lehranalytiker und Dozent verborgen geblieben sind. Es ist auch nicht so, daß die Sicht des Lehranalysanden von seinem Lehranalytiker in jedem Fall von einer subjektiven zu einer objektiveren wird, wenn er den Lehranalytiker in einem anderen Setting erlebt. Ein Teil der Übertragungen besteht ja weiter. Das bedingt eine Selektivität der Aufmerksamkeit. Verschiedene Lehranalysanden nehmen auch Informationen über einen Lehranalytiker, die am Institut kursieren, verschieden auf; meist so, daß sie zu ihrer Übertragung passen. Entsprechend selektiv ist dann die Wahrnehmung des Analytikers in der neuen Rolle als gleichgeordnetes Mitglied in einer Mitgliederversammlung. Man ist heute längst nicht mehr der Meinung, daß die Übertragungen mit dem Ende einer Analyse aufgelöst sein können (dazu z.B. KÖNIG 1993b). Manchmal bringt die direkte Beobachtung des Analytikers, in einer eher »privaten« als beruflich orientierten Rolle während der Mitgliederversammlung, eine Korrektur negativer Informationen. An Instituten wird viel getratscht, wobei Informationen die Köpfe mehrerer Leute passieren und auf diesem Wege oft verzerrt und vergröbert werden. Wenn jemand sich an einer Ecke des Instituts räuspert, kann es an der anderen Ecke heißen, er habe den Keuchhusten. Schließlich kann die Beobachtung von Schwächen und Fehlern bei Lehranalytikern auch noch dazu führen, daß der junge Kollege oder die junge Kollegin die Ansprüche an sich selbst ermäßigt. Im Zusammenhang mit dem Abfassen dieses Kapitels habe ich mich gefragt, warum wir Lehranalytiker uns auf den Mitgliederversammlungen oft so relativ unbekümmert verhalten, obwohl wir wissen, daß junge Kollegirmen und
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Kollegen da sind, die das vielleicht schockieren könnte. Eine Erklärung hierfür kann sein, daß Lehranalytiker der Meinung sind, ihre Lehranalysanden müßten in der Lehranalyse so reif geworden sein, daß sie ihre Lehranalytiker auch in einer anderen Rolle vertragen können. Andere wiederum sind sich dessen vielleicht bewußt, daß ihr Verhalten desillusionierend wirken könnte, halten diese Desillusionierung aber für das positive Ergebnis eines Initiationsritus: der Teilnahme an der ersten Mitgliederversammlung. Andere wieder halten es für wichtiger, ihre eigenen Interessen zu vertreten als darauf zu achten, wie das auf die jungen Mitglieder wirken könnte. Ich habe den Eindruck, daß vor allem solche Kolleginnen und Kollegen schockiert sind, die Schwierigkeiten mit Aggressionen haben und für die es zum idealen Menschen gehört, daß er über allem steht, was ihn aggressiv machen könnte. Im ganzen wird der Übergang vom Ausbildungskandidaten zum Mitglied aber am Ende gut verkraftet und verarbeitet, was aber nicht ausschließt, daß die in diesem Zusammenhang gemachten Erfahrungen sich zunächst negativ auf eine Selbstanalyse auswirken können. Es kommt vielleicht auch hinzu, daß die neuen Mitglieder sich eben jetzt wie »Erwachsene« fühlen, die nicht mehr an den Weihnachtsmann glauben. Viele, zu denen ich übrigens auch gehöre, glaubten schon vorher nicht mehr daran, und waren durch die Beobachtungen in der ersten Mitgliederversammlung im Institut und in der Fachgesellschaft deshalb nicht sehr überrascht.
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Register - - - - - -
Abstinenz 57ff, 80 Abwehrmechanismen 11, 16, 20, 22,49,56, 75f, 103 Adoleszenz 68f Ähnlichkeit mit Vergangenem 42 Affekte 47 Aggression 43, 48, 74f Agieren 45,60 Akademiker 71 Alkoholabusus 94 Alltagsleben 51, 80 Altruismus 63 Analyse bipersonale 8f, 18f, 22, 42f, 47f, 56ff, 61, 64f, 70f, 73, 94, 99f u. Gruppe 95ff unendliche 7 Analytikerin und sexuelle Bedürfnisse vom Patienten 58 Analytische Psychologie 103 Anna Karenina 44 Arbeitsbeziehung 16ff Arzt/Patient-Beziehung 24 Assoziation, freie 47f Assoziationskette 48 Assoziationsverlauf, stockend 47f Aufschieben 59f Auftrag zu analysieren 95 Ausbildungskandidaten, ihre Partner 29 Auslösende Situation 37f, 48 Außenobjekte 19,58 Bagatellisieren 32 Balintgruppen 24
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Begabung, durchschnittliche 40, 62 Berührungen 57 Beruf, Geschicklichkeiten und Talente 62 Beziehung asymmetrische 83 zu Objekten 21 Beziehungshunger 26f Beziehungskistengespräche 30 Beziehungsnetz 46 Beziehungspersonen, aktuelle 26f,43 Beziehungswünsche, zentrale 19f Blinde Flecken 8 Bronchialasthma 47 Burnout 25 Charakter 13, 19ff -eigenschaften 63 -haltungen 12, 35 -symptomatik 22 Chef als Mutterobjekt 26 Computermodell15f Depressionen 36 Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft 102f Deutsche Psychoanalytische Vereinigung 103 Distanzierung vom Partner 32 Distanzierungswunsch 74 Durcharbeiten 7, 38, 65ff Durchsetzungsvermögen 67 Ehebruch 58
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.. Einfluß 41 Einkommen, geringeres 29 Einsicht 66 Eltern 31 Entscheidungen mit Rechtsfolgen 59 Entscheidungen, lebenswichtige 58f Entwicklungsstörungen 21 Erfolglosigkeit von Behandlungen 94 Erinnerung 64 Erkenntnisse, neuere 101 Erlebensweisen, eingeschliffene 20 Es-Impulse 61, 75
Gewitter, reinigende 32 Globalobjekt 26 Großgruppenphänomene in Mitgliederversammlungen 103 Gruppe 73, 51f, 56 als soziales Übungsfeld 97 Gruppenselbsterfahrung, fraktionierte 97 Haß 51 Hausarbeit 29 Hausfrauenrolle 71 Helfende in starker Position 83 Helferhaltung 83 Hier und Jetzt 97 Hilfe zur Selbsthilfe 33 Hilfspersonen, bezahlte, 32 Homosexuelle Neigung 61f
Face Validity 38 Fähigkeiten, selbstanalytische 9 Familiarität 66 Feedback 49ff, 95ff Fehlhandlungen 36 Feigheit 63 Frau berufstätig 71 Männer zurückweisend 38f Frauenrolle 70f Fremdgehen 34 Freude 53 Gedankenblock 48 Gefühle 47 Gegenübertragung 78 Gegenübertragungsanalyse 7, 80 Gegenübertragungsverstrickungen, deletäre 26 Gegenübertragungswiderstand 93 Gegenwartsprobleme, Vermeidung 69 Gegenwartsunbewußtes 76 Generalisieren 12f, 20 Genese 48, 68f als Widerstand 68ff Geschicklichkeiten 62
Ich-Funktionen 21f, 62 Ich-Sphäre, konfliktfreie 20 Ich-Syntonizität 23 Ideale 64 Idealisierung der Analyse 65, 103f Idealobjekte 44f Identifizierung 11f projektive 31 Identitätswiderstände 70ff Ideologie 46 Impulse, sexuelle 75 Impulskontrolle 45 Individualpsychologie 103 Infantiles 43f Initiationsriten 82 Institute 26 Lehrende 105f Vorstand 105 Inszenieren 26, 57ff, 60f, Interessenkonflikte 79 Interpretationen im Feedback 53f Intervention, treffende 48 Intimsphäre 82 Introjektion 52
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Introspektion 21 Inzesttabu 57 Junktimforderung 65 Kinder 33ff, 71f Kinderbetreuung 29, 33 Kindern etwas bieten 34 Kindesmißhandlungen 34 Kindheitsamnesie 14 Kindheitserinnerungen 11 Knowledge by acquaintance 38 Knowledge by description 37f Körpergefühle 47 Kognitive Dissonanzen 49 Kompetenz im Beruf 39 Konfliktbedingte Störungen 21f Konflikte innere 24 interpersonelle 24 ödipale 31 i. d. Paarbeziehung induzierte 30f Konkurrenz 49 Kontrolle einer Situation 41f Kontrollverlust 74 Kopfschmerzen 36 Kränkung 53, 96 Kümmern 33 Lebensaufgaben, aktuelle 69 Lebensentscheidungen 58 Lehranalysanden 26f Leistungsbereich 40 Lernen, soziales 39 Leugnen 32 Liebe 79f Liebesübertragungen 80f Luborsky-Schema 70 Macht 41 Machtstreben 83 Männerrolle 70f Magenschmerzen 36
Masochistischer Triumph 85 Mensch im Futteral 44, 59 Mikrosymptome 36f, 47 Mut 63 Mutterrolle 71 Narzißtische Wut 64 Neopsychoanalyse 20 Normalität 39ff, 46 Normen 33f, 70 Objekte, ideale 65 Ödipale Entwicklungsphase 57 Ödipale Pathologie 104 Ödipale Phantasien 31, 79 Ödipaler Konflikt 72 Omnipotenzkollusion 65 Opferhaltung 83 Paarbeziehungen 28ff Partnerwahlen 42, 56 Patienten in Träumen 77f Patienten zu Kindern gemacht 26 Persönlichkeit, multiple 18 Persönlichkeitsstrukturen und Selbstanalyse 87ff Perversionen 27 Phantasien ödipale 31, 79 sexuelle 75 Primärfamilie 46, 70 Projektion 52 Projektive Identifizierung 32, 55f, 96 Psychotherapeutenpaar 30 Psychotherapie, dynamische 22, 67 Rationalisieren 49, 53, 62ff, 83f Rationalität in Beziehungen 44 Reaktionsbildung 83 Realangst 74f Realitätsprüfung 21 Reanalyse 47
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Rechtsfreier Raum 58f Reflexiv analysieren 95 Regression 14f, 75 Reinszenierungen 60f Rigidität 63 Rollenübernahme 56 Rücksichtlosigkeit 23, 46 RundumkontrollederPatienren 28 Sadomasochistische Beziehungsformen 83ft Schachspiel 18 Scham, Angst davor 74 Schuldgefühle 74 Schuldprinzip bei Ehescheidungen 58 Schwangerschaft 56 Abbruch 71 Schwellensituation 25 Schwiegereltern 31 Selbstanalyse u. Alter 100 u. Arbeit mit Patienten 93ft u. Desillusionierung am Lehranalytiker 106ft FREUD 8f, 36 Grenzen 99ft Selbstverwirklichung 21, 33 Selbstwertgefühl 34 Sexualität 79ft u. narzißtische Zufuhr 79ft Sexualüberschätzung 51 Sexuelle Freiheiten 71 Sexueller Mißbrauch 79 Solidarität 33 Soziale Techniken 67 Sozialschichten 29 Sozialverhalten 39 Spaltung 18 Spiegelmetapher 36 Statusprobleme 32f Stimmungen 47 Streitsucht 46
Struktur 62 depressive 25, 28, 34, 89, 94, 98 hysterische 28, 34, 56, 91ft, 96, 98 narzißtische 27, 34f, 87f, 98, 104 phobische 89f, 98f schizoide 27f, 62f, 88, 98 zwanghafte 28, 35, 90f, 98 Supervision 27 Symbole in Träumen 73 Symptome, körperliche 47 Systematik der Selbstanalyse 46 Tagesmutter 23 Tagesphantasien 84 i. Paarkonflikten 31 Takt 61ff Talente 62 Technik der Selbstanalyse 35ft Therapeut als Fiktion 80 homosexueller 82 Vaterübertragung 81 Therapeutin u. homosexuelle Übertragung 81f als mütterliche Frau 81 Therapeutische Beziehung 16f Therapeutische Rolle 80 Toleranz 61ff Transfer 98 Behinderung 99 Transitiv analysieren 95 Traum 35, 72ft, 76f Triebbedürfnisse narzißtische 57 orale 57 Triebimpulse 75 Triebwunsch 20 Trinkgeld 51
Umständlichkeit 63 Umweltdebatte 21 Unbewußtes deskriptives 76 infantiles 76 Untergruppen 33 Urteilen 21 Vergessen 36 Verhalten charakterbedingtes 20f ideales 39 realitätsinadäquates 44 stereotypes 93 übertragungsbedingtes 46 Verhaltensänderung 53
Verhaltenstherapie 20 Verhaltensweisen, eingeschliffene 20, 22 Verhütungsmitteln Verliebtheit 43, 51,53,80 Verschiebungen 104f Versuchungssituation 37 Vertrauensseligkeit 11 Werte 29, 33f, 64, 70 Widerstand 46, 48, 59, 66f Wissen, theoretisches 38 Wissenschaftstheorie 36 Working Alliance 16f Zivilcourage 63
Übertragung 14, 16, 19ft, 42f, 65f Umlernen 20, 66f
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