Frank Callahan
Rote Späher im Niemandsland Apache Cochise Band Nr. 33
Prolog Ihr Land war es, in das Mexikaner und A...
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Frank Callahan
Rote Späher im Niemandsland Apache Cochise Band Nr. 33
Prolog Ihr Land war es, in das Mexikaner und Amerikaner eindrangen. Das Land ihrer Väter. Karstig und elend, wasserarm und unfruchtbar schmorte es unter heißer Arizonasonne. Wüste, bizarre Klippen, himmelansteigende Berge und Giftschlangen. Trotzdem verteidigten sie es mit der Stärke ihrer Seele und dem wilden Schlag ihrer Herzen. Zu diesem Zeitpunkt waren sie längst keine Athapasken mehr, sondern deren Nachfahren: Apachen. Sie selbst nannten sich T'Inde – Volk, auch Naizhan – Unsere Rasse. Und sie besiedelten ein Land so groß wie Deutschland und Frankreich zusammen. In diesen ihren Jagdgründen leisteten sie Eindringlingen Widerstand und verteidigten jeden Fußbreit Boden mit ihrem Herzblut. Zur Zeit der Handlung unserer Geschichte APACHE COCHISE lebten 6000-7000 Apachen, die in Arizona und Neumexiko Angst und Schrecken verbreiteten, besonders im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet und weit in Sonora, bis hinunter zur Sierra Maare Occidental. Ihren Haß gegen die Nachjahren der Spanier und den Erzfeind, die Comanchen, übertrugen sie auf ihre neuen Unterdrücker. Von ihnen ist die Rede in unserer Serie. Sie ist die historiengetreue Basis der Thematik APACHE COCHISE.
*** Die ersten Lichter im Osten stachen wie goldene Finger in das Grau des Himmels hinein. Es konnte nicht lange dauern, bis die Sonne hinter den Pedrogosa Mountains in feuriger Pracht auftauchte. Eine Overland-Kutsche, von sechs Pferden gezogen, rumpelte über den holprigen Wagenweg. US-Cavalry stand auf der Coach. Die beiden Kutscher trugen Uniformen der Armee. Vor und hinter der Stage ritten je sechs Blauröcke als Begleitschutz. Eine große Staubwolke hüllte Kutsche und Reiter ein. Bodennebel waberte um die Hufe der Pferde. Die Tiere glänzten schweißig, obwohl es angenehm kühl war. Müde ließen sie die Köpfe hängen, denn hinter ihnen lagen viele Meilen. Die Kutsche ächzte und quietschte. Die beiden Passagiere wurden immer wieder kräftig durchgeschüttelt und hatten während der vergangenen Stunden keinen Schlaf finden können. Es handelte sich um zwei Frauen, die in der Stagecoach saßen und manchmal ins Freie schauten. Sie sahen ödes, unfruchtbares Land. Hin und wieder erkannten sie Kakteen und Mesquitesträucher, die aus dem sandigen und steinigen Boden ragten. Delia Samson, eine Frau von vierzig Jahren, strich sich eine Strähne ihres dunkelblonden Haares aus der Stirn. Sie fühlte Staub auf ihrer Haut. Die vollen Lippen preßten sich aufeinander, während Mrs. Samson ihre hellblauen Augen auf Priscilla, ihre Tochter, richtete. »Das ist erst der Anfang gewesen, Kleines«, murmelte sie. »Vor uns liegen noch etliche Meilen, ehe wir Fort Bowie erreichen. Es wird sehr hart für uns.«
Priscilla Samson nickte. Ihr langes Haar, das in sanften Wellen auf ihre Schultern fiel, war heller als das der Mutter. Die Augen aber waren von dem gleichen intensiven Blau. »Wir haben gewußt, daß uns eine anstrengende Reise erwartet, Mutter«, antwortete Priscilla tröstend. »Dafür werden wir Vater endlich wiedersehen. Seitdem er nach Fort Bowie versetzt wurde, und das ist schon länger als ein halbes Jahr her, konnten wir ihn nicht sehen. Ich finde, die Strapazen der langen Reise lohnen sich.« Nun lächelte auch Delia Samson. Sie griff nach der Hand ihrer Tochter und drückte sie zärtlich. »Gewiß, Kind, wir beide freuen uns sehr, endlich wieder mit Vater vereint zu sein. Er hat uns sehr gefehlt, obwohl er dagegen war, daß wir diese Fahrt antraten. Sie führt durch gefährliches Niemandsland. Hier leben nur Klapperschlangen, Wölfe und Kojoten. Und natürlich auch Indianer, die den Weißen nicht wohlgesinnt sind.« Angst funkelte in Delia Samsons Augen. »Wir werden gut beschützt, Mutter. Es sind tapfere Soldaten, die uns bis zur letzten Patrone verteidigen, sollten wir wirklich angegriffen werden. Ich glaube nicht an einen Überfall. Bei uns gibt es nichts Lohnendes für die Apachen zu holen. Sie überfallen lieber Frachtzüge und Maultierkarawanen.« In diesem Moment peitschten die ersten Schüsse auf. Ein gellender Aufschrei vom Kutschbock übertönte sogar das Hämmern der Hufschläge. Mutter und Tochter zuckten zusammen. Entsetzen lag in ihren sich weitenden Augen. Die hämmernden Schüsse rissen nicht ab. Die beiden Frauen starrten durch die staubverschmutzten Fenster ins Freie. Sie sahen gedrungene Gestalten mit nackten Oberkörpern, die überall aus dem Boden zu wachsen schienen. Kugeln klatschten gegen das Holz der Stagecoach. Federnd blieb ein Pfeil stecken. Klirrend zerbrach eine Scheibe.
Glassplitter regneten auf die beiden schreienden Frauen. Sie sahen einen leblosen Körper dicht neben der Kutsche liegen, die zum Stehen kam. Das gellende Kriegsgeschrei der angreifenden Apachen hallte schaurig in den Ohren der Frauen, die sich hilfesuchend umklammerten. Natürlich wehrten sich die zwölf Langmesser, wie die Soldaten wegen ihrer Säbel von den Rothäuten genannt wurden, tapfer. Sie hatten aber keine Chance, denn der Überfall der Indianer überraschte die Blauröcke zu sehr. Obwohl sie verzweifelt kämpften, standen die Soldaten auf verlorenen Posten. Die Angreifer waren plötzlich überall. Innerhalb weniger Sekunden wurde auch der letzte Soldat niedergekämpft. Ströme von Blut flössen. Skalps wurden von den siegestrunkenen Kriegern geschwungen, die nun die Kutsche umringten, nachdem auch der letzte Soldat sein Leben ausgehaucht hatte. Unter den Angreifern gab es kaum Verletzte. Der Freudentaumel der Indianer legte sich. Der Stimmenlärm erstarb, als sich ein großgewachsener, breitschultriger Indianer eine Gasse durch die Krieger bahnte. Sein breitflächiges Gesicht mit den leicht schrägstehenden Augen war mit grellen Farben bemalt. Bunter Zierat funkelte unter den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne. Running Bull hob seine Hand. Schweigen breitete sich aus. Er sagte mit guttural klingender Stimme: »Wir haben gesiegt, meine tapferen Krieger, so wie ich es euch versprochen habe. Wir haben die Blaubäuche in den Staub getreten. Das ist erst der Anfang. Wir werden einen heldenhaften Kampf gegen die weißen Eindringlinge führen und sie immer und überall vernichten, wo wir sie in unserem Land antreffen. Running Bull wird euch ein großer Chief sein. Sein Ruhm und der seiner tapferen Krieger wird wachsen. Wir befreien unser Land von den weißhäutigen Bastarden, damit es wieder so wird, wie es vor vielen Sommern war.«
Running Bull, der junge Krieger, der sich selbst zum Häupting ernannt hatte, sah sich stolz um. Und er erkannte nur bewundernde Blicke seiner Krieger. »Das war erst der Anfang. Wir werden von Sieg zu Sieg eilen. Bald schließen sich uns immer mehr Krieger an, die so denken und fühlen wie wir. Die Zeit des Kriechens vor den Bleichgesichtern ist vorbei. Wir kämpfen um unser Land und unsere Freiheit.« Die zwanzig Apachen, die sich um Running Bull scharten, stimmten begeistert zu. Sie glaubten den Worten ihres neuen Häuptlings. * Delia und Priscilla Samson kauerten eng umschlungen im Innern der Kutsche. Bleich schimmerten ihre Gesichter. Panische Angst stand in den weit aufgerissenen Augen. Delia Samson zitterte am ganzen Körper. Sie stöhnte auf und schien sich dessen überhaupt nicht bewußt zu sein. Priscilla erging es nicht anders. Sie starrte auf die Indianer vor der Kutsche, die einer Ansprache eines großgewachsenen jungen Apachen lauschten. Natürlich verstanden die beiden Frauen kein Wort dieser Rede. Priscilla tätschelte die eiskalten Hände ihrer Mutter und versuchte, die vor Angst zitternde Frau zu beruhigen. »Sie werden über uns herfallen, Kind«, stöhnte Mrs. Samson. »Es wäre besser, vorher zu sterben. Wir werden Vater niemals wiedersehen. Diese Rothäute sind Teufel.« Auch Priscilla hatte die schlimmsten Geschichten über weiße Frauen gehört, die den Indianern in die Hände gefallen waren. Ihre Angst vergrößerte sich. Die Tür der Stagecoach wurde aufgerissen. Zwei mit Farben bemalte Gesichter waren zu erkennen. Die Lippen der Krieger öffneten sich zu einem triumphierenden, und gleichzeitig
grausamen Lächeln. Ein barsches Kommando ertönte. Die Indianer wichen sofort zurück. Running Bull trat zur Tür der Stagecoach. Starr blickte er in die angstverzogenen Gesichter der beiden Frauen, ehe sich ein grausames Lächeln um seine Mundwinkel legte. »Rauskommen«, befahl Running Bull auf Englisch, »sonst meine Krieger holen euch!« Die beiden Frauen umklammerten sich noch fester. Blaß, wie frischgefallener Schnee, wirkten die verzerrten Gesichter der Frauen. Die roten Lippen klafften wie Wunden. Running Bull trat zurück, nachdem er einsah, daß die beiden weißen Squaws seinen Befehl nicht befolgten Ein kurzes Kommando erklang. Zwei Apachen kletterten ins Innere der Stagecoach. Und sie gingen nicht gerade zimperlich mit Delia und Priscilla Samson um, die schrien, um sich traten, kratzten und bissen, aber gegen die brutale Stärke der Rothäute nicht die geringste Chance besaßen. Die Apachen pflückten sie wie reife Früchte, zerrten sie aus der Kutsche und stießen die Frauen zu Boden. Priscilla half ihrer Mutter auf die Beine. Zitternd lehnten sich die beiden Frauen aneinander, erinnerten an verängstigte Schafe, die von einem Wolfsrudel umringt wurden. Die Krieger weideten sich an den Ängsten ihrer Gefangenen. Sie zogen Grimassen, tanzten und ließen erst ab, als Running Bulls harte Stimme dazwischenfuhr. Er gab Befehle, die sofort von seinen Kriegern ausgeführt wurden. Sie spannten die Pferde an der Kutsche aus und fingen die Tiere der toten Soldaten ein. Der Jefe musterte abschätzend die beiden Frauen, die nun regungslos und wie versteinert vor ihm standen. »Ihr kommen mit uns«, radebrechte er. »Ihr Gefangene von Running Bull und tapferes Krieger.« Delia und Priscilla schienen wie aus Trance zu erwachen. Sie
schrien beide fast gleichzeitig los. Es dauerte nicht lange, dann rannen die Tränen über ihre bleichen Wangen. Running Bull lächelte grausam. Der junge Krieger hatte sein erstes Ziel erreicht. Es sollte nur der Anfang zu einer blutigen Auseinandersetzung sein, dort im Niemandsland, dicht an der Grenze des Südwest-Territoriums nach Mexiko. Einige Minuten später ritten die Apachen los. Die Frauen saßen auf sattellosen Mustangs. Ihre Hände waren auf den Rücken gebunden. Und sie wünschten sich schon jetzt, tot zu sein. So ritten sie einem Ungewissen Schicksal entgegen. * »Sei mir gegrüßt, Falke«, sagte Cochise und reichte John Haggerty nach Art der Weißen die Hand. Freude lag in seiner Stimme. Es kam selten vor, bei dem großgewachsenen Apachen-Chief Gefühlsregungen zu sehen. »Auch ich freue mich sehr, wieder bei dir zu sein, Cochise«, erwiderte der frühere Chief Scout von General Howard, der nun die Aufgabe hatte, zwischen Weiß und Rot zu vermitteln und möglichst größere Auseinandersetzungen zwischen den Apachen und den Weißen zu verhindern. Nach seinem Abenteuer in Tres Alamos, wo John Haggerty für einige Zeit seinen Freund Nat Baxter als Sheriff vertrat und großes Unheil von der Stadt abhalten konnte, führte ihn sein Weg in die Apacheria des legendären Apachen-Häuptlings Cochise. John Haggerty, der von den Apachen Falke genannt wurde, sah rauchende Kochfeuer und die Wicki-ups der Apachen, in denen sie lebten. Naiche, Cochises Sohn, trat zögernd näher und neigte den Kopf. Dann reichte er dem Falken die Hand. John wußte diese
Auszeichnung zu schätzen. Naiche gab sich oft verschlossen. Sein Haß auf die Bleichgesichter war groß, doch in den letzten Monaten hatte sich seine Einstellung Haggerty gegenüber geändert. »Schön dich zu sehen, Naiche«, sagte John lächelnd. Der Häuptlingssohn erwiderte scheu das Lächeln und zog sich wieder zurück. John Haggerty sah sich um und erkannte, wie sich die Mundwinkel des Häuptlings der Chiricahua-Apachen verzogen. »Gleich wird mein weißer Bruder nach Tla-ina, meiner Schwester, fragen.« »Ich bewundere die Klugheit des großen Häuptlings«, scherzte John Haggerty. »Ist Sanfter Wind vor dem Bleichgesicht geflohen?« »Vielleicht wäre es besser, wenn meine Schwester vor der Liebe des weißen Mannes fliehen würde«, antwortete Cochise nachdenklich. Dann schüttelte er den Kopf, als wolle er seine eigenen düsteren Gedanken verdrängen. Er legte John Haggerty eine Hand auf die Schulter und flüsterte ihm zu: »Tla-ina ist bei der Quelle, um Beeren zu pflücken. Cochise weiß aber, daß dies nur ein Vorwand ist. Du kannst sie nachher besuchen. Meine Schwester möchte mit dir allein sein. Zuvor aber sollten wir meine anderen Krieger begrüßen. Sicher hast du Hunger und Durst nach dem langen Ritt. Außerdem möchte Cochise gern erfahren, was im Land vor sich geht.« John legte den Kopf leicht schief und blickte den Apachen-King nachdenklich an. »Cochise hat ausgezeichnete Späher und Kundschafter. Er weiß besser als alle anderen, was in seinem Land vor sich geht. Gut, laß uns deine Krieger begrüßen, dann aber möchte ich zur Quelle. Sei mir nicht böse, Cochise, doch ich trage seit vielen Wochen Tla-inas Bild immer stärker in meinem Herzen. Und ich habe mich so sehr auf das Wiedersehen gefreut.«
Cochise lächelte sanft, als er den harten Kämpfer so sprechen hörte. »Schon gut, mein Freund. Cochise wird dich nicht lange aufhalten. Du sollst dem Ruf deines Herzens folgen.« * John Haggerty blieb lauschend stehen. Er hatte die Apacheria vor einigen Minuten verlassen und war zwischen aufragenden Felsschroffen verschwunden. Er vernahm das Raunen eines kleinen Baches und wußte, daß er dem Ziel nahe war. Hinter einigen von Wind und Wetter wie poliert schimmernden Felskugeln öffnete sich ein malerischer Ort. Büsche und Bäume umsäumten einen kleinen See, der von einem Creek gespeist wurde, dessen Quelle eine Steinwurfweite entfernt aus einer Felswand hervorsickerte. John sah sich um, konnte aber nirgends Sanfter Wind entdecken. Ein leises Plätschern lockte Haggerty noch näher an den Weiher heran. Er sah Tla-ina, die einige Yards entfernt in den kühlen Ruten schwamm und seine Ankunft noch nicht bemerkt hafte. John Haggerty starrte wie gebannt auf den schlanken Körper der schwarzhaarigen Indianerin, die gekonnt durch das Wasser glitt, nun untertauchte und prustend wieder die Oberfläche erreichte. Dann schwamm Tla-ina langsam auf das Ufer zu und kam aus dem Wasser. Tropfen perlten von ihrem nackten Körper. Die junge Indianerin hielt ihr Gesicht der Sonne entgegen und strich sich dann mit den gespreizten Fingern durch das nasse Haar. Sie wandte sich um und sah John Haggerty zwischen den Büschen stehen. Für einen Moment zuckte das schlanke Mädchen zusammen, ehe sich ein freudiger Ausdruck auf seinem Gesicht ausbreitete. Ungeachtet ihrer Nacktheit huschte sie wie ein scheues Reh auf
den früheren Armee-Scout zu. Sanfter Wind warf sich in seine Arme. Ihre vollen Lippen suchten seinen Mund, und er spürte ihren weichen, nassen Körper, der sich fest gegen den seinen preßte. John Haggerty schob Tla-ina, oder Sanfter Wind in der Sprache der Weißen, ein wenig zurück, griff unter ihr Kinn und hob den Kopf an. Er blickte in zwei leuchtende Augen. »Ich freue mich, dich zu sehen, Sanfter Wind«, flüsterte John Haggerty zärtlich. »Wir waren sehr lange getrennt.« »Auch Tla-ina hat die Tage und die Stunden gezählt, seit der Falke das Lager der Apachen verlassen hat«, hauchte das Apachenmädchen. Sie preßte sich erneut gegen den Weißen, der leicht schwankte, zurückwich und über einen kopfgroßen Stein stolperte. Die beiden stürzten ins Gras, ohne sich zu verletzen. Wieder fanden sich ihre Lippen zu einem langen Kuß. Und dann vergaßen die jungen Menschen alles um sich herum, gaben sich ihrer Liebe hin, auf die sie so lange hatten verzichten müssen. * Delia und Priscilla Samson saßen zusammengekrümmt auf den Rücken der Mustangs. Die Gesichter der Gefangenen waren von einer schmierigen Schicht aus Staub und Schweiß überzogen. Durst brannte in ihren Kehlen, und Hunger nagte in ihren Eingeweiden. Schon seit über fünf Stunden befanden sie sich in der Gewalt der Indianer, deren Trail immer tiefer in die unwegsame Bergwildnis der Pedrogosa Mountains hineinführte. Beide Frauen waren noch nie gute Reiterinnen gewesen, und ohne Sattel quälten sich Delia und Priscilla entsetzlich. Außerdem wurde die furchtbare Angst vor den Rothäuten immer größer. Die beiden Frauen waren unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Mrs. Samson stöhnte hin und wieder. Sie konnte sich kaum noch auf dem Rücken des Mustangs halten. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis sie vom Pferd stürzte. Manchmal versuchte Priscilla, ihrer Mutter Mut zuzusprechen, doch ihre Worte klangen wenig überzeugend. Aus der jungen Frau sprach selbst eine erbärmliche Angst, einem gnadenlosen und grausamen Schicksal entgegenzureiten. Die Indianer kümmerten sich kaum um die weißen Squaws, achteten nur darauf, daß sie inmitten des Reitertrupps blieben. Nur Running Bull starrte manchmal Priscilla lauernd an. Es hatte ganz den Anschein, als gefiel ihm die weiße blonde Frau. Irgendwann öffnete sich vor den Reitern der dunkel gähnende Rachen eines Canyons. Zwischen den Felsbrocken, die wie von der Hand eines Riesens verteilt herumlagen, tauchten Indianer auf. Sie verständigten sich durch Zurufe mit den Näherkommenden und verschwanden gleich darauf wieder hinter ihren Deckungen. Der Canyon nahm die Reiter auf. Ein sanftes Halbdunkel brachte Linderung vor den glühenden Sonnenstrahlen, die den Frauen in den vergangenen Stunden so sehr zugesetzt hatten. Es dauerte nicht lange, dann verbreiterte sich der Canyon zu einem Kessel, der noch zwei weitere Ausgänge besaß. Steil stiegen die Hänge in den blauen Himmel. Im Tal standen über drei Dutzend Wicki-ups. Busch- und Waldinseln zogen sich durch das Valley. Ein kleiner Bach schlängelte sich silbern durch die grünen Wiesen. Nicht weit von den Jacales entfernt weideten Mustangs. Sie hoben die Köpfe und nahmen die Witterung ihrer Artgenossen auf. Priscilla und Delia sahen die Behausungen der Rothäute und ahnten, daß sie am Ziel ihres Trails angelangt waren. Mrs. Samson nahm nochmals alle ihre Kräfte zusammen, um nicht vom Pferderücken zu fallen. Zwischen den Wicki-ups zügelten die Indianer ihre Pferde und sprangen zu Boden. Zwei Krieger zogen die verängstigten
Frauen von den Rücken der Mustangs und stießen sie in eine der Hütten. »Ich möchte sterben«, stöhnte Delia Samson. »Wir sind verloren, mein Kind. Nichts auf der Welt kann uns retten. Die blutrünstigen Bestien werden schon bald wie wilde Tiere über uns herfallen.« Priscilla rutschte zu ihrer Mutter und hätte gern ihre Arme tröstend um sie gelegt, doch die gefesselten Hände ließen es nicht zu. So lehnte sie sich nur gegen die schluchzende Frau, die den Kopf gesenkt hatte. »Vielleicht lassen sie uns am Leben, Mutter«, flüsterte das Mädchen. »Sie hätten uns doch sonst nicht so viele Meilen mit in die Wildnis geschleppt.« Delia hob den Kopf. Traurig sah sie ihre Tochter an. »Ach, was weißt du schon, Kind«, murmelte sie. »Auch Apachen sind Männer. Du hast ebensowenig wie ich Frauen in ihrem Lager gesehen. Das ist ein Kriegstrupp. Und diese Bastarde versprechen sich einige Abwechslung mit uns. So sehe ich es. Vielleicht wäre es besser, wenn wir sterben.« Priscilla, die Tochter von Colonel Stuart B. Samson in Fort Bowie, schüttelte hartnäckig den Kopf. »Wir wollen leben, Mutter, was auch kommen mag. Wir erhalten Hilfe. Man wird die Kutsche vermissen und Nachforschungen anstellen. Außerdem wollte Vater uns eine Patrouille entgegenschicken. Die Rothäute haben Spuren hinterlassen. Vater wird alles in die Wege leiten, damit man uns findet und befreit.« »Bis dahin wird es für uns zu spät sein, Kind. Entweder sind wir tot, oder wahnsinnig geworden.« Delia Samson schluchzte stärker. Sie war am Ende ihrer Nervenstärke angelangt. Priscilla, die den starken Willen ihres Vaters geerbt hatte, schaute um sich. Dämmerlicht herrschte im Wicki-up. Felle lagen am Boden. Das Mädchen suchte einen scharfkantigen Gegenstand und fand auch bald einen scharfen Stein. Sie kroch
hin und schabte mit dem Strick an ihrem Handgelenk so lange über den scharfen Stein, bis die Fessel barst. Schnell befreite Priscilla auch ihre Mutter. Die lächelte kläglich. »Das nützt uns nichts, Kind«, sagte sie leise. »Dort draußen lauern mehr als dreißig Krieger. Außerdem müßten wir Pferde haben, um aus dieser Wildnis herauszufinden. Und dann glaube ich nicht einmal, daß wir es schaffen würden. Wir haben längst die Orientierung verloren. Es ist sinnlos.« Priscilla streichelte sanft über das strähnig gewordene Haar ihrer Mutter und trocknete ihre tränenfeuchten Wangen mit einem Zipfel ihrer Bluse. Schritte klangen auf. Die Körper der beiden Frauen verkrampften sich. Angst loderte in ihren Augen. Der breitschultrige Running Bull trat in das Wicki-up. In der Hand hielt er ein Gewehr, dessen Mündung auf Delia und ihre Tochter gerichtet war. * Running Bull sagte nichts, als er sah, daß die beiden Frauen sich der Fessel entledigt hatten. Er hockte sich im Schneidersitz ihnen gegenüber und musterte die beiden weißen Squaws sehr lange und eindringlich. »Ich sein Running Bull«, sagte er dann. »Ihr Gefangene von mir. Kein Haar wir krümmen euch. Ihr dürfen nicht fliehen, sonst Krieger böse sein. Ihr verstehen mich?« Priscilla nickte. Sie blickte den großgewachsenen Apachen ein wenig erstaunt an. Das Mädchen hatte nicht mit diesen Worten gerechnet, sondern gedacht, daß Running Bull wie ein wildes Tier über sie herfallen würde. Priscilla sah einen Hoffnungsschimmer in den Augen ihrer Mutter aufleuchten. Und das gab ihr noch mehr Kraft, um das
Palaver mit dem Indianer fortzusetzen. »Warum habt ihr uns gefangengenommen?« fragte Priscilla Samson mit zitternder Stimme. Running Bull suchte nach Worten. »Ihr sein Geisel für Running Bull und Krieger. Wir stellen Bedingungen an Bleichgesichter und Blaubäuche. Sie suchen weiße Squaws. Wir wollen Gewehre und kleine Dinger zu schießen. Viele, viele. Du haben verstanden?« Priscilla konnte es sich zusammenreimen. Running Bull hatte die beiden Frauen gekidnappt und wollte sie so lange gefangen halten, bis die Weißen oder die Soldaten viele Gewehre und die dazu benötigte Munition lieferten. Dagegen wollte er die beiden Frauen austauschen. »Ihr bleiben hier. Nicht fliehen, sonst Krieger böse. Sehr böse«, radebrechte der selbsternannte Häuptling, der mehr als fünfzig Apachen um sich geschart hatte, um die weißen Eindringlinge zu bekämpfen. Running Bull erhob sich. »Ihr essen und trinken. Krieger bringen. Nicht fliehen«, sagte er nochmals, ehe er das Wicki-up verließ. Priscilla rückte näher zu ihrer Mutter und legte ihr einen Arm um die Schultern. »Sie tun uns nichts, Mutter, wollen uns nur als Druckmittel gegen die Soldaten benutzen. Ich bin sicher, daß Vater auf die Bedingungen eingehen wird. Ihm bedeutet unser Leben mehr, als ein paar Gewehre und Patronen. Es wird alles gut, Ma. Wir dürfen nur nicht die Nerven verlieren und durchdrehen. Vielleicht gelingt es uns sogar, zu fliehen. Wir müssen nur vorerst klein beigeben, um die Rothäute zu täuschen.« So sprach Priscilla ihrer Mutter Mut zu. Delia Samson beruhigte sich ein wenig, da die unmittelbare Gefahr gebannt war. »Ach, Kind«, flüsterte sie einige Zeit später, »wer weiß, was in den Köpfen dieser Bestien vor sich geht. Hast du nicht
gesehen, wie dich diese Rothaut gierig und lauernd angesehen hat?« »Das haben auch schon weiße Männer getan«, entgegnete Priscilla lächelnd, obwohl ihr gar nicht danach zumute war. »Mutter, so lange noch ein Funken Hoffnung besteht, den Indianern entkommen zu können, dürfen wir nicht aufgeben. Das mußt du mir versprechen.« Delia Samson nickte langsam. »Sicher, Tochter. Es tut mir leid, daß ich die Beherrschung verloren habe. Wir schaffen es schon.« * Eng umschlungen näherten sich Sanfter Wind und John Haggerty der Apacheria des legendären Häuptlings Cochise. Tla-ina blickte John liebevoll an, der zärtlich lächelte und an die zurückliegenden Stunden dachte, die noch schöner gewesen waren, als er sich in seinen kühnsten Träumen vorgestellt hatte. Tla-ina blieb plötzlich stehen, löste sich von John Haggerty und deutete mit der Hand auf die Apacheria, die unterhalb ihres Standortes lag. Auch John Haggerty sah, daß etwas geschehen sein mußte. Im Lager der Apachen war alles auf den Beinen. Menschen quirlten durcheinander. John erkannte Cochise, der von seinen Kriegern umringt wurde und mit ihnen diskutierte. »Was ist geschehen?« fragte der frühere Chief Scout. »Erwartet Cochise unangenehme Nachrichten? Mir erzählte er nichts davon.« Sanfter Wind zuckte mit den Achseln. »Etwas muß geschehen sein, womit Cochise nicht rechnete«, sagte Tla-ina leise. »Laß uns weitergehen. Du wirst es bald erfahren. Mein Bruder hat keine Geheimnisse vor dem Falken.« Die beiden schritten auf die Apacheria zu. Tla-ina
verabschiedete sich mit einem zärtlichen Händedruck und lief zu einigen Squaws, die sofort auf sie einredeten. John Haggerty setzte sich auf einen Felsbrocken und blickte zu Cochise und den Apachen-Kriegern hinüber, die sich noch immer lautstark unterhielten. Als Cochise seinen weißhäutigen Freund sah, verließ er die Männer und trat und mit ernstem Gesicht zu dem Falken. John erhob sich. »Ärger?« fragte er. »Wenn ich dir helfen kann, mein Bruder, dann kämpft der Falke für dich.« »Cochise dankt dir für diese Worte. Es ist etwas geschehen, das einen großen Streit, wenn nicht sogar einen neuen Krieg zwischen den Bleichgesichtern und den Apachen, heraufbeschwören kann«, antwortete der Häuptling der Chiricahuas. »Ich will mit dem Falken beraten. Cochise weiß noch nicht, wie er sich verhalten soll.« »Nur zu, Jefe«, erwiderte John Haggerty. »Berichte mir alles. Ich will dir zur Seite stehen. Du weißt, daß auch ich jeden Konflikt zwischen dem roten und dem weißen Mann verhindern möchte. Das ist meine Aufgabe, die mir der einarmige General, den wir Howard nennen, gegeben hat. Niemand weiß davon, nur wir beide. Und so soll es auch bleiben. Sprich, mein Bruder.« Cochise setzte sich neben John Haggerty auf den Felsbrocken. Der Häuptling blickte über das weite und wilde Land. In der Ferne verschwammen die Berggipfel in flirrendem Dunst. Blutigrot leuchtete die Sonne. Ein Adler schraubte sich in die Lüfte, wurde rasch kleiner und war bald nicht mehr zu sehen. Der Apachen-Chief räusperte sich. »Cochise muß ein wenig weiter ausholen, Freund Falke. Es gibt einen Krieger der Mimbrenjos. Sein Name ist Running Bull. Er wollte sich nicht unterordnen, träumt davon, ein großer Häuptling zu werden und verließ vor Wochen seinen Stamm. Victorio, der Chief der Mimbrenjos, ließ ihn gewähren, denn er
nahm an, daß Running Bull schon bald wieder reumütig zu seinem Volk zurückfinden würde.« Cochise nickte und blickt zu einer Gruppe von Squaws hinüber, die miteinander schwatzten. John sah Sanfter Wind, die zwischen ihnen stand, aber hin und wieder herübersah. Cochise begann erneut zu sprechen. »Dieser Running Bull scharte mehrere Krieger um sich. Sie überfielen einige Weiße und auch eine Maultierkarawane. So gab es die ersten Toten. Die Überfälle waren siegreich für Running Bull. Es gelang ihm, noch mehr Krieger um sich zu sammeln. Es sind auch Chiricahuas, Tontos und Männer anderer Apachenstämme darunter. Heute besteht seine Streitmacht aus mehr als fünfzig zu allem entschlossenen Männern. Tagtäglich stoßen neue Krieger zu Running Bull, der im Niemandsland, nahe der Grenze zu den Gelbhäutigen, die du Mexikaner nennst, einen Überfall nach dem anderen ausführt. Und immer ist das Glück auf seiner Seite. Ich habe Running Bull warnen lassen. Und auch Victorio will das alles nicht mehr länger hinnehmen.« John Haggerty nickte mehrmals. Bisher hatte er alles verstanden. Es war schon öfter geschehen, daß sich ein Krieger von seinem Stamm löste und ein großer Chief werden wollte. Bisher waren diese Abtrünnigen aber immer schon nach kurzer Zeit kläglich gescheitert und irgendwo verschwunden. »Was ist geschehen?« fragte Haggerty. Er wollte, daß der Häuptling der Apachen zum Kernpunkt seiner Rede kam. »Running Bull hat eine Kutsche der Blauröcke überfallen, vierzehn Langmesser getötet und zwei Frauen in seine Gewalt gebracht.« Nun erschrak auch John Haggerty. Er konnte sich gut vorstellen, daß die Armee nach diesem Vorfall nicht untätig blieb. Der Überfall wirbelte sicher eine ganze Menge Staub auf. »Was ist mit den Frauen?« »Vor drei Tagen schlug Running Bull zu, Falke. Die Frauen leben. Es handelt sich um die Squaw und die Tochter des
Blaurocks, den die Bleichgesichter Colonel Samson nennen. Er ist in Fort Bowie. Die Frauen waren auf dem Weg zu ihm.« John Haggerty seufzte. Nun wurde alles noch komplizierter. Und der frühere Armee-Scout, der die Armee verdammt genau kannte, wußte auch, wie dieser Colonel Samson reagieren würde. »Sind die Blauröcke schon unterwegs, um Running Bull und seine Krieger zu bestrafen?« »Eine Schwadron ist auf dem Weg zu den Pedrogosa Mountains. Dort sind die Gefangenen. Viel Blut wird fließen, denn Running Bulls Macht ist nach diesem Überfall gewachsen. Mehr als hundert Krieger sehen in ihm nun einen großen Häuptling. Er hat sich geweigert, die Frauen freizulassen, obwohl Victorio darauf bestand. Er schickte mir einen Boten, um sich mit mir zu beraten.« »Die Frauen leben noch?« Cochise neigte den Kopf. »Sie leben, denn Running Bull braucht sie. Er will von den Blauröcken hundert moderne Gewehre und tausend Patronen dazu. Erst wenn diese Bedingung erfüllt ist, will er die Gefangenen freilassen.« Nun wußte Haggerty Bescheid. Mit sorgenschwerem Blick sah er den Apachen-King an. »Was wird Cochise tun?« fragte John Haggerty, obwohl er die Antwort bereits ahnte. »Cochise bittet seinen weißen Bruder, mit ihm zu reiten. Er muß mit dem Langmesser Samson sprechen. Die Pedrogosa Mountains sind sehr unübersichtlich und wild zerklüftet. Sogar für die Krieger der Apachen ist es schwer, sich dort zurechtzufinden. Die Blauröcke haben kaum eine Chance. Sie werden bis auf den letzten Mann vernichtet, wenn sie in die Berge eindringen.« »Laß uns reiten, Cochise.« John Haggerty warf einen verlangenden Blick zu Tla-ina hinüber die wohl ahnte, daß der
Falke sie schon wieder verlassen mußte. Ihr Lächeln wirkte traurig, als sie John Haggerty ansah. Sie wußte aber auch, daß sich der Falke seiner Aufgabe, viele Menschenleben zu retten, nicht entziehen konnte. * Priscilla Samson trat vor das Wicki-up. Sie war in Rehlederkleidung wie eine Apachen-Squaw gekleidet. Nur das blonde, lange Haar paßte nicht zu ihrer neuen Aufmachung. Nur wenige Krieger hielten sich im Talkessel auf. Running Bull war mit der Mehrzahl seiner Leute vor einem Tag davongeritten und bis jetzt noch nicht zurückgekehrt. Zwei Apachen standen auf und näherten sich langsam mit drohenden Gesichtern. Sie hielten Kriegslanzen in den Händen, die sie auf das blonde Mädchen richteten. Priscilla verstand nicht die Worte der Apachen. Furchtlos blieb sie stehen. »Ich will mich waschen«, rief sie und deutete mit lebhaften Gesten an, was sie wollte. Die beiden Krieger schüttelten die Köpfe, traten noch einige Schritte näher. Die Spitzen der Speere waren nur noch wenige Inches von dem schlanken Körper der jungen Frau entfernt. Zuerst sah es aus, als wollte Priscilla zurückweichen, dann aber straffte sich ihr schlanker Körper. Furchtlos griff sie zu und wischte die Lanzenspitzen zur Seite. Die beiden Indianer standen fassungslos da und blickten auch nicht begeisterter, als Priscilla losmarschierte und auf den Bach zuhielt, der einige Yards entfernt murmelnd seinen Weg zog. Die Apachen folgten der weißen Squaw. Sie schrien wütend. Einer warf seine Kriegslanze, die sich vor der jungen Frau in den Boden bohrte und wippend steckenblieb. Priscilla Samson lief um das Hindernis herum und erreichte unangefochten den Bach. Die Indianer blieben stehen. Zu gut
wußten sie, daß sie den beiden weißen Squaws kein Haar krümmen durften. Und darauf hatte Priscilla spekuliert. Sie trat hinter einige Salbeibüsche und Saquaro-Kakteen, streifte ihre Kleidung ab und begann sich zu waschen. Es tat ihr gut, sich vom Tagealten Schmutz und Schweiß endlich zu befreien. Die beiden Krieger kamen nicht näher, obwohl sie die Köpfe reckten, aber kaum etwas sehen konnten, denn die Büsche und Kakteen verdeckten die weiße Gefangene fast völlig. Einige Minuten später betrat Priscilla wieder das Wicki-up und blickte Delia lächelnd an. »Nun bist du an der Reihe, Mutter. Die Indianer verhalten sich friedlich. Ich begleite dich. Du wirst dich wohler fühlen. Und heute nacht versuchen wir zu fliehen. Es wird uns gelingen, denn die roten Kerle haben die Anweisung, uns gut zu behandeln. Wir sind sehr wichtig für diesen Running Bull. Hundert moderne Winchestergewehre bedeuten ihm zu unserem Glück nun einmal mehr.« Delia blickte ihre so tatkräftige Tochter zweifelnd an. Priscilla half ihr auf die Beine. »Komm mit«, sagte sie. »Du darfst vor allem diesen Halunken keine Angst zeigen.« »Ich will es versuchen«, erwiderte Delia Samson. Man sah ihr aber an, daß sie sich nicht wohl in ihrer Haut fühlte. Sie erschauerte, als sie die beiden bewaffneten Krieger sah. Auch andere Apachen starrten herüber. Es mochten sich ungefähr zehn Indianer im Tal befinden. Zögernd setzte Delia Fuß vor Fuß. Ihre Schritte wurden länger und sicherer, als sie sah, daß die Apachen nicht eingriffen. Priscilla lächelte zufrieden. Und heute nacht wollte sie die Flucht zusammen mit ihrer Mutter wagen. Die junge Frau hatte die Tatkraft und Entschlossenheit ihres Vaters geerbt, der ein Mann war, der auch niemals aufgab.
* Colonel Stuart B. Samson hob die rechte Hand und zügelte sein Pferd. Die hinter ihm reitenden Soldaten, dreißig an der Zahl, folgten seinem Beispiel. »Lassen Sie absitzen, Lieutenant«, dröhnte Samsons befehlsgewohnte Stimme. »Wir legen eine Pause von einer Stunde ein, um die Pferde zu schonen. Außerdem benötigen auch die Soldaten eine Verschnaufpause. Der Ritt war lang und hart.« Lieutenant Mark Wolter gab den Befehl an Sergeant Hasting weiter, der gleich darauf die Soldaten aus den Sätteln scheuchte. Samson und Wolter saßen ebenfalls ab. Der Colonel sah sich um. Die Sonne verglühte hinter den Bergen. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sich die dunklen Schatten der Nacht über das wüstenähnliche Land senkten. »Wie weit mögen wir noch vom Ort des Überfalls entfernt sein, Lieutenant?« fragte Colonel Samson ruhig, als frage er nach dem Wetter. Niemand sah seinem braungebrannten Gesicht an, wie sehr er sich um Frau und Tochter sorgte. »Höchstens noch fünf Meilen, Sir«, antwortete der junge Lieutenant. »Wenn Sie mir einen Vorschlag erlauben, sollten wir höchstens eine halbe Stunde Rast einlegen, sonst ist es dunkel bis wir unser Ziel erreichen.« Der Offizier blickte nachdenklich zu seinen Soldaten hinüber, die sich um die Pferde kümmerten. »Einverstanden«, murmelte er. Und nun glaubte Lieutenant Wolter eine tiefe Sorgenfalte auf der Stirn des Colonels zu erkennen, die aber innerhalb von Sekundenbruchteilen wieder verschwand. Eine halbe Stunde später setzte die Abteilung den Ritt fort. Als sie die Postkutsche sahen, war die Nacht trotzdem bereits hereingebrochen.
Kalt funkelten die fernen Sterne in majestätischer Pracht und erinnerten an Diamanten auf schwarzem Samt. Colonel Samson ließ absitzen, winkte seinen Scout herbei und gab ihm den Befehl, die Spuren der Indianerbande zu finden. »Erhöhte Alarmbereitschaft«, verkündete Samson. »Geben Sie den Befehl weiter, Lieutenant.« Wolter salutierte und riß die Haken schneidig zusammen, ehe er davonstiefelte. Wächter patrouillierten um den Ort des Überfalls. Der Scout trat schon nach wenigen Minuten vor den Colonel. »Ich habe die Fährte gefunden, Sir. Es handelte sich um mehr als dreißig Indianer. Es ist so, wie man uns berichtet hat. Soll ich einen Erkundigungsritt wagen?« Samson zögerte. Dann sagte er: »Einverstanden, Mr. Pearson. Achten Sie aber auf Ihren Skalp. Diese zusammengewürfelte Bande von roten Bestien kennt keine Gnade, wie Sie bereits bemerkt haben.« Sergeant Hastings schob sich näher. Er grüßte ein wenig zu lässig für den Geschmack des Offiziers, doch der Colonel ließ es durchgehen. Er hatte weiß Gott andere Sorgen. »Es ist alles ruhig im weiten Rund, Sir. Trotzdem …« »Juckt ihr Hühnerauge, Sergeant?« fragte der Colonel. »Man hat mir erzählt, daß dies immer ein Zeichen von Gefahr sein soll, wenn es sich bei Ihnen bemerkbar macht.« Hasting staunte und wirkte einen Moment verlegen. »Nun schließen Sie wieder den Mund, Sergeant. Auch ich habe das instinktive Gefühl einer drohenden Gefahr.« Hasting nickte nun eifrig. Beinahe fiel ihm sein Käppi vom quadratischen Schädel. »Ich habe den Soldaten schon äußerste Wachsamkeit befohlen, Sir. Es könnte sein, daß einige der roten Halunken durch die Gegend schleichen.« Unwillkürlich sah sich der Offizier um. Natürlich war außer einigen Büschen, verkrüppelten Bäumen und Felsbrocken nichts
zu sehen. Wie leicht konnte es aber sein, daß hinter diesen Deckungen bereits Indianer lauerten, um über die Patrouille herzufallen. Colonel Samson mußte zugeben, daß sie sich eine ungünstige Zeit für ihre Ankunft ausgesucht hatten. Etwas sirrte am Kopf des Colonels vorbei und bohrte sich schmatzend in den Stamm eines Cottonwoods. Samson zuckte zusammen, warf sich zu Boden, wo der Sergeant bereits lag. Im Stamm des Baums wippte ein Pfeil. Hastings gellender Alarmschrei warnte die Soldaten. Schüsse ertönten. Vermutlich hatten einige Soldaten die Nerven verloren und auf irgendwelche Schatten gefeuert, die sie für angreifende Apachen hielten. »Feuer einstellen«, schrie der Colonel. Sekunden später schallte eine kehlige Stimme durch die nächtliche Stille. »Hier sprechen Running Bull. Er will reden mit großem Blaurock. Kein Kampf, nur reden. Running Bull sagen Bedingung, damit freikommen weiße Squaws. Wenn nicht reden, dann sterben Squaws!« Die Stimme verstummte. Colonel Samson erhob sich. Er blickte auf den aus dem Baum ragenden Pfeil. »Wenn dieser Halunke mich vor wenigen Minuten hätte treffen wollen, dann hätte er auch getroffen«, murmelte der Offizier. »Es war nichts anderes als ein Warnschuß.« Hastings nickte. »Das glaube ich auch, Sir. Wollen Sie sich wirklich der Gefahr aussetzen, mit diesem Kerl zu sprechen?« »Bleibt mir eine andere Wahl, Sergeant?« »Ich werde sie begleiten, Sir, Ihre Zustimmung vorausgesetzt. Es wäre schlimm, wenn auch Sie noch der roten Bande in die Hände fallen würden.« Colonel Samson zerquetschte einen Fluch zwischen den
Lippen. Er dachte an Frau und Tochter, die seit Tagen in der Gewalt dieser roten Brut waren. Und er fragte sich vergebens, ob Delia und Priscilla noch lebten. * »Ich habe Angst«, flüsterte Delia Samson. »Wenn uns die Indianer schnappen, dann – dann …« Priscilla lächelte, obwohl ihr nicht danach zumute war. Sie legte einen Arm um die Hüfte ihrer Mutter. »Uns wird nichts geschehen, auch wenn sie uns wieder einfangen«, sagte das Mädchen. »Sie brauchen uns lebend. Vergiß das nicht. Wir sind hundert Gewehre und tausend Schuß Munition wert. Vielleicht fesseln sie uns dann nur. Wir riskieren es, Mutter.« Die beiden Frauen verließen durch eine Öffnung das Wicki-up. Dunkelheit hüllte die beiden Frauen ein. Einige Yards entfernt erkannten sie die rote Glut eines niedergebrannten Lagerfeuers, das wie das glühende Auge eines Zyklopen leuchtete. Zwei Apachen saßen zusammengesunken am Feuer und schienen zu schlafen. Irgendwo wieherte ein Pferd. Ein Käuzchen schrie klagend in die nächtliche Stille hinein. Priscilla hielt einen Steinbrocken in der Hand. Eine andere Waffe hatte sie nicht finden können. Das Mädchen übernahm die Führung. Ihr schlug das Herz plötzlich hoch bis zum Hals. Priscilla fragte sich, ob ihr Unternehmen wirklich einen Sinn hatte. Ohne Pferde konnte sie den Apachen nicht entkommen. Ihr Plan war es, den Pferdewächter niederzuschlagen, Mustangs zu stehlen und die Flucht zu ergreifen. Priscilla gab sich einen Ruck. Sie faßte nach der Hand ihrer Mutter, die eiskalt war und zitterte. So schlichen sie vorwärts, umgingen das Lagerfeuer in einem großen Bogen, wie auch die anderen Wicki-ups, in dem einige
der zurückgebliebenen Apachen schliefen. Bisher war alles gutgegangen. Langsam näherten sie sich der kleinen Pferdeherde der Indianer. Die Tiere nahmen zwar die Witterung der beiden weißen Frauen auf, doch sie reagierten nicht. Delia und Priscilla rochen nach Indianer, da sie seit Tagen mit ihnen zusammenleben mußten. Sie kauerten sich beide hinter einen Salbeibusch. Priscilla sah sich um und entdeckte die Silhouette eines Mannes, die sich deutlich gegen das hellere Firmament abhob. Er hielt ein Gewehr in den Händen und setzte sich nun langsam in Bewegung. Der Apache umkreiste die Herde, blieb hin und wieder stehen und sah sich um. Der Indianer glaubte an keine Gefahr, so dachte Priscilla. Sie nickte ihrer Mutter beruhigend zu, ließ ihre Hand los und schlich vorsichtig an den Krieger heran. Es kam der jungen Frau zugute, daß sie früher viel mit den Jungs in den einzelnen Forts gespielt hatte. Und sie beherrschte die Kunst, sich geräuschlos anzuschleichen. Bald hatte sie sich dem Wächter bis auf wenige Schritte genähert, der nach wie vor ahnungslos war und ihr den Rücken zuwandte. Noch näher glitt Priscilla heran, dann schlug sie den Indianer mit dem Steinbrocken nieder. Der Apache brach zusammen, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Die junge Frau stand neben dem Bewußtlosen und wunderte sich selbst, daß alles so leicht und glatt gegangen war. Ihr Herz hämmerte hart gegen die Rippen. Schweißperlen rannen ihr über das verzerrte Gesicht. Priscilla ließ den Stein fallen, eilte zur Mutter zurück und näherte sich mit ihr den Mustangs. Unruhe brach unter den Pferden aus. Delia tastete über ihren verlängerten Rücken und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Voller Grauen dachte sie daran, sich wieder auf den Rücken eines Pferdes setzen zu müssen.
Alles kam anders. Vier Apachen tauchten plötzlich aus dem Gras hoch. Sie richteten ihre Waffen auf die beiden Frauen, die erschrocken stehenblieben und wußten, daß ihre Flucht mißglückt war. Priscilla senkte enttäuscht die Schultern und war den Tränen nahe. Alles war umsonst gewesen. Beide Frauen ergaben sich in ihr Schicksal und ließen sich von den Apachen in das Wicki-up zurückbringen. Die Indianer grinsten. Einige schienen den Mut der weißen Squaws zu bewundern. »Nicht fliehen, sonst Krieger böse«, sagte einer der Rothäute, ehe er das Wicki-up verließ. * Colonel Stuart B. Samson verhandelte nicht zum erstenmal mit einem Indianer. Furchtlos blieb sein Gesichtsausdruck. Nur das Kinn wurde um eine Spur härter und kantiger, als er Running Bull gegenübertrat, der von einem seiner Krieger begleitet wurde. Sergeant Hasting stand hinter dem Offizier und wirkte bissig, wie selten zuvor in seinem Leben. Ein kleines Lagerfeuer brannte und warf bizarre Schatten, die über die vier Männer geisterten. Samson wußte seine Soldaten nur eine Steinwurfweite hinter sich. Und auch Running Bulls Krieger befanden sich in der Nähe des Lagerfeuers. Es war vereinbart worden, während der Verhandlung alle kriegerischen Auseinandersetzungen zu unterlassen. Running Bull und sein Begleiter setzten sich. Der Apache deutete dem Offizier an, seinem Beispiel zu folgen. Colonel Samson zögerte, sah seinen erfahrenen Sergeanten nicken und setzte sich ebenfalls ins Gras. Running Bull ergriff das Wort.
»Weiße Frauen in Gewalt. Running Bull nur geben frei, wenn hundert gute Gewehre und zehnmal hundert Schuß für Feuerrohre. Dann Frau gehen können wohin wollen. Running Bull geben zehnmal hell und dunkel Zeit. Er euch sagen, wo Donnerrohre übergeben. Frauen gehen gut. Krieger der Apachen nicht angerührt.« Colonel Samson hatte aufmerksam zugehört, obwohl das Englisch des Häuptlings katastrophal war. Er sah den forschenden Blick des Apachen und räusperte sich. Der Offizier hatte das Gefühl, eine unsichtbare Schlinge zöge sich um seinen Hals zusammen. »Wir wollen erst die Frauen sehen. Ich muß sichergehen, daß sie noch leben und daß ihnen kein Haar gekrümmt wurde. Ihr erhaltet die Gewehre. Der Transport ist bereits unterwegs«, bluffte der Offizier. »Die Übergabe kann in spätestens zehn Tagen sein. Du wirst uns sagen müssen, wo unsere Zusammenkunft stattfindet.« Es dauerte lange, ehe Running Bull antwortete. Anscheinend sprach er nicht nur schlecht die Sprache der Weißen, sondern verstand sie auch nicht besonders gut. »Gut«, stieß Running Bull hervor. »Ihr sehen Frauen. Morgen wenn Sonne bezieht Himmelsgewölbe. Nur aus Entfernung, Langmesser.« Colonel Samson schüttelte den Kopf. »Ich will mit den beiden Frauen sprechen. Das ist meine Bedingung. Dann nimmt alles seinen Lauf.« Running Bull überlegte sehr lange. Er warf seinem Begleiter einen Blick zu, dessen Gesicht aber unbewegt blieb. »Gut, du und bullige Pferdesoldat. Sonst niemand sprechen weiße Squaw. Reden fertig.« Der selbsternannte Apachen-Chief und sein Gefährte erhoben sich. Ohne den beiden Soldaten noch einen Blick zu gönnen, gingen sie in die Nacht hinein und waren bald darauf verschwunden.
Auch der Offizier und sein Sergeant standen auf. Sie marschierten zu ihren Leuten zurück. Der junge Lieutenant atmete auf, als er den Oberst und den Unteroffizier herankommen sah. »Was haben Sie vor, Colonel?« fragte Sergeant Hasting, obwohl es ihm nicht zustand, seinem Vorgesetzten diese Frage zu stellen. Besorgnis sprach aus seiner Stimme. »Wir müssen abwarten. Ich will erst einmal sehen, ob meine Frau und meine Tochter überhaupt noch leben. Es fällt mir schwer, diesem verschlagenen Halunken zu glauben.« Der Colonel wandte sich ab. Niemand sollte die Angst um Frau und Kind in seinen Augen sehen. »Haltet die Augen und die Ohren offen, Jungs«, rief der Sergeant den Soldaten zu. »Auch ich traue diesem neuen roten Messias nicht. Vielleicht fehlen dem Hundesohn noch einige Skalps, damit ihm noch mehr Rothäute zulaufen.« * Bodennebel waberte. Tautropfen funkelten im ersten Licht des beginnenden Tages. Nach wie vor herrschte höchste Alarmbereitschaft im Camp der Blauröcke. Colonel Samson hatte keinen Schlaf gefunden. Tiefe Falten furchten sein Gesicht, das grau und müde wirkte. Der Sergeant und auch der Lieutenant gingen ihrem Vorgesetzten aus dem Weg. In spätestens einer Stunde würde die Sonne ihre strahlende Bahn beziehen. Hufschläge näherten sich. Die wachhabenden Soldaten griffen ihre Gewehre fester und starrten in die Richtung, aus der die Pferde kommen mußten. Hinter einem Hügel tauchten zwei Reiter auf. Es handelte sich um einen Weißen, der wie ein Scout gekleidet war und einen großgewachsenen Indianer, der stolz und kerzengerade auf dem
Rücken seines Mustangs saß. »Nicht schießen«, befahl Sergeant Hasting, als einer der Soldaten sein Gewehr fest gegen Schulter und Kinn preßte und die Näherkommenden ins Visier nahm. Der Soldat senkte den Lauf des Karabiners. Die Reiter jagten heran, denn sie hatten das Lager der Blauröcke entdeckt. Der Indianer und der Weiße sprangen von den Pferden, sahen sich kurz um und schritten auf den Offizier zu. Sie ignorierten die auf sie gerichteten Waffen. »Ich bin John Haggerty, Sir. Mein Begleiter ist Cochise, der Häuptling der Apachen.« Für einen Moment herrschte Schweigen. Samson blickte Cochise überrascht an. »Festnehmen!« befahl er dann. »Sie handeln zu voreilig, Sir. Wir sind freiwillig zu Ihnen geritten, um Ihnen unsere Hilfe anzubieten. Cochise und die tapferen Krieger der Chiricahuas haben mit dieser Geschichte nichts zu tun. Cochise verurteilt das alles. Er hat keinerlei Einfluß auf Running Bull, der sich vom Stamm der Apachen losgesagt hat. Auch die anderen Indianer, die sich ihm angeschlossen haben, gehören nicht mehr zur Gemeinschaft der Apachen.« Colonel Samson hob die Hand und schickte die beiden Soldaten wieder weg, die Cochise festnehmen wollten. »Sie sind Haggerty«, sagte er dann. »Sind Sie nicht General Howards Chief Scout gewesen?« »Richtig, Sir.« Das Mißtrauen Samsons schwand von einer Sekunde zur anderen. Er blickte Cochise voll an. »Es tut mir leid, Häuptling«, sagte Samson. »Ich habe überstürzt gehandelt. Ich bin Colonel Stuart Samson. Woher wissen Sie, was geschehen ist?« Cochises Körper entspannte sich. »Der Häuptling der Chiricahuas weiß alles, was sich in seinem
Land abspielt«, sagte er in gut verständlichem Englisch. »Er hat davon erfahren, was geschehen ist. Aus diesem Grund ist er hier, um selbst mit Running Bull zu sprechen. Cochise will keinen Krieg mit den Blauröcken. Er hat einen Vertrag mit dem einarmigen General abgeschlossen, den er einhalten wird.« John Haggerty wandte sich an den Offizier. »Zwei Frauen sollen sich in der Gewalt der aufständischen Krieger befinden. Es müssen Ihre Frau und ihre Tochter sein, Sir, wenn ich richtig informiert wurde.« »Sie wissen sehr gut Bescheid, Haggerty«, erwiderte Samson. Für einen Moment wurde sein Blick mißtrauisch. »Ich weiß es von Cochise. Er bat mich, mit zu Ihnen zu reiten. Es hat sich längst unter den Apachen herumgesprochen, was sich hier ereignete. Und Cochises Spähern entgeht nichts.« »Meine Frau und meine Tochter befinden sich in der Gewalt dieser Mörderbande«, sagte Samson schwer atmend. Er berichtete von seiner Unterredung in der vergangenen Nacht mit Running Bull. John Haggerty warf einen kurzen Blick zum Himmel. Die ersten Lichtexplosionen röteten den Horizont im Osten. »Wenn Running Bull sein Wort hält, müßte er bald mit den Frauen auftauchen«, sagte Cochise ernst. »Der Häuptling der Apachen wird mit dem Abtrünnigen sprechen.« Colonel Samson war sich nicht schlüssig, ob er das Angebot des Apachenhäuptlings annehmen sollte. »Hören Sie, Cochise. Ich möchte unter allen Umständen meine Frau und meine Tochter wieder gesund in die Arme schließen. Vielleicht erschrickt dieser Running Bull so sehr, daß es zu einer Kurzschlußhandlung kommt, wenn er seinen obersten Häuptling sieht und …« Cochise winkte ab. Er sagte: »Ich spreche mit Running Bull. Auch Cochise will wissen, woran er ist.«
* Noch war die Sonne nicht hinter den Gipfeln der Pedrogosa Mountains emporgekrochen. Von Running Bull, den gefangenen Frauen und seinen Kriegern war nichts zu sehen. Plötzlich erklangen Hufschläge. Cochise, Haggerty und Colonel Samson, die dicht beieinander standen und leise diskutierten, sahen einen Reiter hinter einer Waldinsel auftauchen. Der Offizier winkte ab, als Lieutenant Wolter Meldung erstatten wollte. Der Reiter näherte sich. Sein Oberkörper schwankte im Sattel, als wäre der Mann betrunken. »Das ist mein Scout«, sagte Stuart B. Samson ernst. »Er hatte den Auftrag, sich ein wenig in der näheren Umgebung umzusehen.« »Er ist tot«, erklang Cochises Stimme. »Man hat den Scout nur auf dem Pferderücken festgebunden.« John Haggerty, Samson und auch die übrigen Soldaten erkannten rasch, daß der Jefe der Chiricahuas die Wahrheit gesprochen hatte. Der Scout war übel zugerichtet. Die Mörder hatten den Bergläufer skalpiert. Er mußte den Kriegern von Running Bull chancenlos in die Falle gelaufen sein. Der Colonel dachte in diesen Sekunden an Delia und Priscilla, die sich in den Händen dieser wilden Bestien befanden und ihnen auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert waren. Sergeant Hasting nahm sich des Toten an. Er rief einige seiner Leute herbei, und sie begruben den Scout. »Dort oben auf dem Hügel sind sie«, stieß Cochise plötzlich hervor. »Das ist Running Bull. Ich kann auch die beiden weißen Squaws erkennen.« Samson zuckte zusammen. Er blickte zu einem Hügel, der ungefähr zweihundert Yards entfernt aufragte. Die abtrünnigen
Rothäute wirkten kriegerisch und wild, wie sie auf ihren zottigen Mustangs saßen. Bunter Zierat flatterte im leichten Wind. Wie auf einer Perlenschnur aufgereiht, verhielten die Krieger dicht nebeneinander. Deutlich erkannten die Weißen und der Jefe die beiden blonden Frauen, zwischen denen Running Bull seinen Mustang gezügelt hatte. Der Chief trieb sein Pferd an. Ihm folgten fünf Krieger. Sie näherten sich dem Lager der Soldaten bis auf hundert Yards. Stuart B. Samson zog sich in den Sattel, rückte Revolvertasche und Säbel zurecht und trieb sein Pferd an. Cochise und John Haggerty folgten dem Offizier. Sie holten ihn schnell ein und näherten sich gemeinsam den Kriegern, die auf tänzelnden Pferden saßen und den drei Reitern mit wie versteinert wirkenden Gesichtern entgegenblickten. Running Bull behielt die Kontrolle über sich, als er Cochise erkannte. Noch stolzer richtete sich sein gedrungen wirkender Körper auf. Starr blickte er den Chief der Apachen an. »Du haben gesehen Gefangene, Pferdesoldat«, rief Running Bull. »Sie leben. Ich halten Wort. Bringen mir Waffen, du Squaws erhalten!« Running Bull wollte seinen Mustang zur Seite ziehen, um mit seinen Kriegern davon zureiten, doch Cochises Stimme hielt den selbsternannten Häuptling zurück. »Cochise will mit dir sprechen«, stieß der Chief hervor. »Running Bull wird zuhören.« »Die Bleichgesichter sollen reiten«, verlangte Rennender Büffel. »Auch meine Krieger reiten. Cochise soll unter vier Augen mit Running Bull reden.« »Wir reiten«, sagte John Haggerty. »Ich schätze aber, daß auch Colonel Samson noch etwas zu sagen hat.« Der Offizier blickte den Indianer durchdringend an. Nur mit Mühe konnte er seinen aufflammenden Haß verbergen.
»In zehn Tagen erhältst du die Waffen und auch die Munition. Dafür möchte ich die beiden Frauen lebend zurück. Sollte ihnen nur ein Haar gekrümmt worden sein, wird aus unserem Geschäft nichts. Ist das klar?« Running Bull lächelte spöttisch. »Es wird sein wie sagen Running Bull. Wenn Pferdesoldat spielen falsch, sterben müssen Squaws.« Colonel Samson spürte seine Hilflosigkeit so deutlich wie selten zuvor. Er blickte zu Frau und Tochter hinüber, deren Gesichter er aber nur verschwommen erkennen konnte. Dann zog er sein Pferd herum und ritt zum Camp seiner Soldaten zurück. John Haggerty folgte dem Oberst, während auch die Begleiter von Running Bull ihre Mustangs antrieben und davonritten. Cochise und Running Bull waren allein. Der Häuptling der Apachen befahl: »Laß die Gefangenen frei. Wie kann sich ein stolzer und tapferer Krieger hinter den Röcken von Squaws verkriechen? Es ist eines Apachen nicht würdig.« Running Bulls breitflächiges Gesicht erstarrte. Die wulstigen Lippen preßten sich hart aufeinander. »Running Bull sieht nur diese Möglichkeit, um an Donnerrohre zu gelangen. Er braucht sie für seine Krieger, die in immer größeren Scharen zu ihm kommen. Es sind nun schon mehr als zehnmal zehn.« Er hob beide Hände, um seine Worte zu unterstreichen. »Running Bull wird gegen die weißen Eindringlinge kämpfen, die den Apachen das Erbe ihrer Väter wegnehmen wollen. Er kennt keine Gnade und tritt diese weißen Hundesöhne in den Boden. Noch mehr tapfere Krieger kämpfen schon bald an seiner Seite. Auch Cochise kann das nicht ändern. Viele seiner Krieger sind von dem Chiricahua-Chief enttäuscht. Er hält nur große Reden und läßt die Weißhäutigen gewähren.« Running Bull hatte sich in Eifer geredet. In seinen Augen blitzte es immer wieder auf.
Cochise hob die Hand. »Mein Vetter befindet sich auf einem schlechten Weg«, sagte der Apachen-King ernst. »Er wird gegen die Bleichgesichter und gegen die Pferdesoldaten nicht gewinnen können. Sie sind so zahlreich wie es einst die Büffel waren, die unsere Prärien bevölkerten. Cochise ist kein Feigling. Niemand darf das behaupten, ohne ihm Genugtuung geben zu müssen. Cochise aber hat längst erkannt, daß die Apachen und auch unsere anderen Blutsbrüder diesen Kampf nicht gewinnen können. So suchte er Frieden mit den Bleichgesichtern und hofft auf ein nebeneinander, obwohl auch er ahnt, daß dies nicht von langer Dauer sein wird.« Running Bull nickte und rief: »Dann sollten alle Apachen gemeinsam in den Kampf ziehen, Running Bull wird als Beispiel vorangehen. Tod den Bleichgesichtern!« Cochise schüttelte ernst den Kopf. »Running Bull ist verblendet. Er wird einige Erfolge erzielen und dann vernichtet werden.« »Nicht wenn Cochise und seine tapferen Krieger ebenfalls zu den Waffen greifen. Dann wird ihm Victorio mit seinen Mimbrenjos folgen. Und auch die anderen Stämme der ruhmreichen Apachen greifen in diesen Kampf ein. Wir werden die Bleichgesichter aus unserem Land hinausfegen. Es wird wieder den roten Männern gehören.« Cochise sah die Begeisterung in Running Bulls Augen, der von seinen eigenen Worten felsenfest überzeugt schien. Der Chiricahua-Chief aber wußte längst, daß Begeisterung und der Wille zum Kampf nicht genügten, um die weißen Eindringlinge zu besiegen. Zu lange hatte Cochise gegen die Bleichgesichter gekämpft und war zum Schrecken des Südwest-Territoriums geworden. Das lag nun schon einige Zeit zurück. Natürlich hatte er den Bleichgesichtern und auch den Blauröcken große Niederlagen zugefügt. Doch tausende
Weißhäutige drängten nach. Jeder tote Apache aber hinterließ eine nicht mehr zu schließende Lücke. Aus diesem Grund hatte Cochise auch den Waffenstillstand mit General Howard vereinbart, der nun gefährdet war »Running Bull ist auf dem falschen Weg«, sagte Cochise. »Er soll die beiden weißen Squaws freilassen. Dann kann er gegen die Langmesser kämpfen.« »Running Bull verweigert Cochise diese Bitte. Er und seine Krieger kämpfen. Und Cochise wird erkennen, daß Running Bull recht hat.« Der junge Apache zog seinen Mustang zur Seite und ritt los. Schnell näherte er sich seinen Kriegern. Es waren mehr als fünfzig Indianer, die auf die Rückkehr ihres Anführers warteten. Cochise blieb nichts anderes übrig, als zum Camp der Soldaten zurückzureiten. * Colonel Samson, Cochise und John Haggerty saßen sich gegenüber. Die Indianer waren längst mit ihren Gefangenen verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. »Cochise wird Running Bull folgen und ihn töten«, sagte der Jefe plötzlich. »Es gibt keine andere Möglichkeit, um diesen Krieg zu verhindern. Viele meiner Vettern und auch viele Bleichgesichter werden sonst sterben. Dieses Land wird in Flammen stehen. Alle Apachen müssen ihre Heimat verlassen oder werden wie Tiere in eine Reservation gesperrt.« Cochise erhob sich. Er schüttelte den Kopf, als er den fragenden Blick des Falken sah. »Cochise reitet allein. Er kennt die vielen geheimen Wege der Apachen und findet das Versteck. Vielleicht gelingt es ihm, die weißen Squaws zu befreien. Zehn Tage sind eine lange Zeitspanne.« Colonel Samson nickte nur, während Cochise davonschritt,
auf den Rücken seines Pintos sprang und schnell davonritt. John Haggerty blickte seinem roten Bruder mit gemischten Gefühlen nach. »Was haben Sie vor, Colonel?« fragte der ehemalige Chief Scout von General Howard. »Sie wissen genau, daß es Ihnen niemals gestattet wird, Waffen und Munition an die aufständischen Indianer zu liefern.« Stuart B. Samson sah John Haggerty mit bleichem Gesicht an. Fahrig wischte er sich über die Stirn, auf der Schweißperlen glänzten, obwohl die Tageshitze noch nicht eingesetzt hatte. »Das ist mir bekannt, Mr. Haggerty. Mir blieb aber keine andere Wahl, als auf das Ultimatum des roten Bastards einzugehen. Er würde sonst meine Frau und meine Tochter gnadenlos umbringen und mir ihre Skalps schicken.« »Ich verstehe Ihre Zwangslage, Sir. Mich würde aber interessieren, ob sie auch so handeln würden, wenn es sich bei den beiden Gefangenen nicht ausgerechnet um ihre Frau und ihre Tochter handelte?« Der Offizier hob den Kopf. Trauer, Angst und Sorgen funkelten in seinen tief in den Höhlen liegenden Augen. John bedauerte bereits diese Frage, die den Offizier in noch größere Gewissenskonflikte bringen mußte. »Ich weiß es nicht, Mr. Haggerty. Es ist nun einmal meine Familie, die sich in den Händen dieser roten Bestien befindet. Ich will Delia und Priscilla retten. Würden Sie an meiner Stelle anders handeln? Ich glaube kaum.« John Haggerty nickte. »Hören Sie zu, Colonel, ich habe mir etwas ausgedacht, was Ihre Lage erleichtern wird. Dazu benötige ich Ihr Einverständnis.« Samson sah den Scout hoffnungsvoll an. »Ich greife nach jedem Strohhalm, Haggerty. Sagen Sie mir, was Sie vorschlagen wollen.« »Ich reite nach Sand Springs, Colonel. Dort packe ich einen
Conestoga voll mit leeren Kisten und traile hierher. So wird Running Bull glauben, daß Sie Ihr Wort halten. Er nimmt an, die Gewehre sind unterwegs. Seine Wachsamkeit läßt nach. So erhält Cochise die Chance, auf die er wartet. Vielleicht gelingt es ihm wirklich, Running Bull zu töten und die anderen Krieger zur Vernunft zu bringen. Cochise wird alles tun, um eine größere Auseinandersetzung zu verhindern. Vielleicht verstehen Sie nicht, Sir, warum sich der Jefe gegen seine eigenen Vettern stellt. Cochise besitzt aber so viel Weitsicht, daß er sich nicht von einigen kleinen Siegen blenden läßt.« Colonel Stuart B. Samson blickte zu Boden und sah einen großen schwarzen Käfer, der hurtig das Weite suchte. »Einverstanden, Haggerty«, sagte er dann. »Kurbeln Sie das in Sand Springs an. Vielleicht läßt sich Running Bull täuschen. Ich bleibe mit meinen Leuten hier.« John Haggerty erhob sich. »Senden Sie keine Patrouillen aus, Sir, denn sonst gibt es Tote. Das ist nur ein gutgemeinter Rat. Mir ist klar, daß ich nicht in Ihre Pläne hineinreden kann. Ich kenne aber Land und Leute. Das Camp wird stetig beobachtet. Running Bull ist über alles informiert. Auch mir folgen Krieger, um herauszufinden, was ich vor habe.« John Haggerty trat zu seinem Rapphengst und zog sich in den Sattel. Ohne sich nochmals umzublicken, ritt der großgewachsene Mann davon. Träge senkte sich der von den Hufen aufgewirbelte Staub wieder zu Boden. Stuart Samson sah nachdenklich hinter Haggerty her. Und er wünschte ihm alles Glück dieser Welt. * Cochise ritt nicht weit und zügelte seinen Pinto hinter einem Dickicht, das ihm gute Deckung bot. Der Apachen-Chief glitt
kurze Zeit darauf hinter einen Felsen und wartete geduldig. Er täuschte sich nicht. Es dauerte nur wenige Minuten, ehe er Hufschläge vernahm. Ein Krieger folgte der Fährte seines Mustangs. Er mußte den Auftrag haben, herauszufinden, was der Häuptling der Chiricahuas in den Pedrogosa Mountains suchte. Cochise ließ Running Bulls Krieger herankommen und trat hinter seiner Deckung hervor. Der Mimbrenjo erschrak und blieb regungslos auf dem Pferderücken sitzen, als Cochise den Gewehrlauf auf ihn richtete. »Du wirst Cochise zu den weißen Squaws bringen oder sterben«, sagte Cochise kalt. »Du weißt, wer zu dir spricht?« Der abtrünnige Indianer nickte zögernd. Angst konnte Cochise keine in seinen Augen feststellen. Der Mimbrenjo schämte sich nur, seinem Gegner wie ein Anfänger in die Falle gegangen zu sein. »Du mußt Roten Speer töten. Er wird seinen Häuptling Running Bull nicht verraten!« Cochise lächelte sanft, ehe sein Gesicht wieder flintsteinhart wirkte und seine Augen jede Freundlichkeit verloren. »Das ehrt dich, Roter Speer. Cochise ist aber dein oberster Jefe. Du mußt ihm gehorchen. Cochise will nur mit Running Bull nochmals sprechen. Es ist sehr wichtig. Auch dein Chief würde damit einverstanden sein.« So lockte Cochise und sah, daß seine Worte Eindruck bei Roter Speer hinterließen. Cochise senkte sogar den Lauf seines Gewehres, um den Krieger noch mehr von seinen Worten zu überzeugen. Roter Speer wirkte noch immer unschlüssig. »Dein Chief ist noch nicht weit geritten, Roter Speer. Er befindet sich ganz in der Nähe, um die Pferdesoldaten zu beobachten. Führ mich zu ihm. Er wird mich zu den weißen Squaws bringen, denn ich habe ihnen etwas von den Langmesser auszurichten.«
»Ist der große Häuptling der Apachen nun zum Boten für die Pferdesoldaten geworden?« fragte Roter Speer mißmutig. Cochise beherrschte sich, obwohl ihn der Krieger mit diesen Worten beleidigt hatte. »Laß uns reiten, Roter Speer. Ich will mit Running Bull reden.« Der Mimbrenjo nickte. Cochise holte seinen Mustang. Gemeinsam setzten die beiden Apachen den Ritt fort. Nach einer halben Stunde wichen die Felsen zurück. Vor den Reitern lag eine Waldinsel. Nichts deutete darauf hin, daß sich Running Bull mit einigen seiner Krieger hier verborgen halten sollte. Es war aber so. Cochise und Roter Speer wurden plötzlich von über einem Dutzend finster blickender Apachen umringt. Der Chiricahua ließ sich durch die drohenden Waffen nicht beeindrucken, sondern glitt vom Rücken seines gefleckten Pferdes. Er trat auf Running Bull zu, der ihn mit erstauntem Gesichtsausdruck erwartete. »Hat der große Häuptling der Apachen seine Meinung geändert? Wird er nun Seite an Seite mit Running Bull gegen die Weißhäutigen kämpfen?« fragte er. »Nein, Running Bull, ich bin gekommen, die weißen Squaws zu holen.« Der Chief der abtrünnigen Apachen starrte Cochise staunend an, als wäre diesem ein zweiter Kopf gewachsen. »Running Bulls Antwort lautet: nein. Cochise hätte sich den Ritt sparen können.« Der Chiricahua hatte mit keiner anderen Antwort gerechnet. »Dann wird Cochise einen Zweikampf auf Leben und Tod mit Running Bull austragen. Der Sieger erhält oder behält die weißen Squaws. Cochise weiß, daß sein Gegner einem Kampf nicht ausweichen wird.« Diese Worte mußte der abtrünnige Krieger erst einmal verdauen. Fassungslos blickte er Cochise an.
* John Haggerty war erfahren genug, um schon bald zu bemerken, daß er verfolgt wurde. Es waren zwei Krieger, die ihm in sicherer Entfernung folgten und auch nicht aufholten, als es der frühere Armee-Scout für einige Meilen langsamer angehen ließ. Der Falke kümmerte sich schließlich nicht mehr um die Verfolger und ritt zügig weiter. Sein Trail führte ihn in Richtung Sand Springs, einem kleinen Dorf dicht an der mexikanischen Grenze. Dort hoffte Haggerty, einen Wagen zu erhalten. Wie er es anstellen sollte, daß ihm die Apachen die Sache mit den Gewehren und der Munition abnahmen, wußte er noch nicht. Kommt Zeit, kommt Rat, dachte John Haggerty und trieb sein Pferd noch mehr an. Er hoffte, bis zum Sonnenuntergang Sand Springs zu erreichen. Manchmal wartete er und überzeugte sich davon, daß die Verfolger noch immer hinter ihm ritten. Running Bulls Krieger ließen nicht locker. John Haggerty zügelte seinen Rapphengst, als er den klirrenden Trab von Soldaten vernahm, die kurze Zeit darauf hinter einem Hügel hervorritten. Die Blauröcke waren nicht minder überrascht, als John Haggerty. Ein Lieutenant ließ anhalten. Es waren mehr als dreißig Pferdesoldaten, die den ehemaligen Chief Scout neugierig musterten. Haggerty ritt zu ihnen hinüber und hob grüßend eine Hand. Er nickte dem Lieutenant zu, der ihn forschend musterte. »Mein Name ist John Haggerty, Lieutenant«, sagte der einstige Armee-Scout. »John Harris«, sagte der junge Offizier. »Ich kenne Sie von General Howard, Mr. Haggerty.« Die beiden Männer unterhielten sich noch eine Weile. Und es stellte sich heraus, daß der Lieutenant mit den Soldaten zu
Colonel Samson unterwegs war. Er sollte dessen Leute verstärken. John nickte mehrmals. Er wußte, daß sich die Seiten verhärteten. Nun standen ungefähr fünfzig bestens ausgerüstete Soldaten einer Streitmacht von rund hundert Indianern gegenüber. Nur hielten die Apachen einen riesigen Trumpf in den Händen, die beiden gefangenen Frauen. Einige Minuten später ritt John Haggerty weiter, nachdem er dem Lieutenant beschrieben hatte, wo er Colonel Samsons Lager finden würde. Als John wieder einmal nach seinen Verfolgern Ausschau hielt, mußte er feststellen, daß nur noch ein Krieger auf seiner Fährte ritt. Anscheinend war der andere Apache zu Running Bull unterwegs, um die Ankunft weiterer Pferdesoldaten zu melden. * »Running Bull wird nicht mit Cochise kämpfen. Es ziemt sich für ihn nicht, gegen einen solch mächtigen und berühmten Gegner anzutreten. Erst wenn sein eigener Name so groß ist, wie der Name von Cochise, wird dieser Kampf stattfinden.« Der Chiricahua verzog das Gesicht. Besser hätte sich Running Bull nicht aus der Affäre ziehen können, um sein Gesicht vor den Kriegern zu wahren. »Cochise will aber den Kampf«, beharrte der Häuptling der Chiricahuas. »Vielleicht ist Running Bull zu feige, um gegen den Jefe der Apachen anzutreten.« Diese Beleidigung konnte der abtrünnige Krieger nicht so ohne weiteres wegstecken. Der selbsternannte Häuptling, der ein ganz großer und berühmter Kämpfer werden wollte, legte den Kopf schief und sah Cochise funkelnd an. »Running Bull ist sicher, den Kampf zu gewinnen«, stieß er zornig hervor. »Dann aber werden die Chiricahuas und auch die
anderen Stämme das Kriegsbeil gegen Running Bull ausgraben. Apachen kämpfen gegen Apachen. Das wird Running Bull nicht zulassen. Es steht zuviel auf dem Spiel. Die Bleichgesichter sollen vernichtet werden und nicht die lachenden Sieger sein.« Wieder verhielt sich der junge Krieger geschickt. Cochise mußte es neidlos eingestehen. So viel Intelligenz hatte er Running Bull nicht zugetraut. »Cochise besteht auf einen Kampf. Er versichert, daß seine Chiricahuas keine Rache üben, sollte Running Bull gewinnen.« »Cochise will also den Frieden mit den Bleichgesichtern und den Pferdesoldaten«, stellte Running Bull fest. »Er verrät die eigene Rasse, nur um vor den Weißhäutigen zu kuschen. Cochise ist ein feiger Verräter. Running Bull kämpft nicht mit ihm, denn er braucht seine ganze Kraft, um das Volk der Apachen wieder mächtig werden zu lassen.« Der Häuptling nickte einigen seiner Krieger kurz zu, die sich auf Cochise stürzten, dem keine Chance in diesem ungleichen Kampf blieb. Es dauerte nicht lange dann stand der Chiricahua mit gefesselten Händen vor dem aufständischen Apachen-Chief. »Einige meiner Leute bringen dich zu unserem Lager, Cochise. Du wirst dort bleiben, bis mein Geschäft mit den Blauröcken abgeschlossen ist. Wenn Running Bull erst über die Donnerrohre verfügt, wird er den großen Kampf beginnen und zuerst alle Pferdesoldaten töten. Viele hundert Krieger werden ihm zulaufen und gemeinsam an seiner Seite kämpfen. Cochise wird dann einsehen, daß er Unrecht hatte.« Der Häuptling der Apachen sah ein, daß er Running Bull gewaltig unterschätzt hatte. Der fanatische junge Krieger war wirklich entschlossen, die Bleichgesichter zu verjagen. Cochise saß wenige Minuten später gefesselt auf dem Rücken seines Pintos. Der junge Chief würdigte ihn keines Blickes mehr. Drei Indianer ritten mit Cochise los. Dem Apachen-King gefiel das alles nicht besonders. Er hoffte aber, eine Chance zur Flucht zu erhalten. Wenigstens würde er
bald wissen, wo die beiden weißen Squaws gefangen gehalten wurden. * Friedlich und verlassen lag der Talkessel vor Priscillas Blicken, die vor das Wicki-up getreten war. Delia kauerte im Innern auf einem Fell. Sie war erschöpft. Priscilla dachte an ihren Vater, den sie vor einigen Stunden nur kurz gesehen hatte, als er mit dem Anführer der Indianerbande verhandelte. Und sie konnte sich gut vorstellen, wie es in ihm aussah. Sie wußte genau, wie sehr er seine Frau und seine einzige Tochter liebte. Wie wird das alles nur enden? fragte sich das junge Mädchen. Angst stieg in ihr auf, obwohl sie sich in den letzten Tagen und Stunden so tapfer in der Gewalt gehabt hatte. Tränen rannen über ihre bleichen Wangen. Zwei Apachen sahen zu ihr herüber und wandten dann die Blicke ab. Die Dämmerung legte ihre dunklen Schleier über das Tal. Die Konturen verwischten. Einige Mustangs wieherten, denn irgendwo heulte ein Wolf schaurig. Bei den Pferden hielten sich zwei Krieger auf. Andere hatten sich in die Wicki-ups zurückgezogen. Hufschläge ertönten. Vier Reiter näherten sich und hielten eine halbe Steinwurfweite entfernt die Mustangs an. Priscilla erkannte, daß einem Apachen die Hände auf dem Rücken gefesselt waren. Der Gefangene wurde in ein Wicki-up gebracht. Zwei Wächter bezogen Posten davor. Einer der Neuankömmlinge blickte zu Priscilla hinüber, ehe er sich dem Lagerfeuer näherte, dessen Lichtschein über sein verwegenes Gesicht zuckte. Priscilla Samson trat zu dem Krieger. »Wer ist der Gefangene?« fragte sie. Zuerst sah es aus, als wolle der Krieger nicht antworten. Dann
stieß er nur ein Wort hervor: »Cochise!« Priscilla verstand nicht so richtig. Natürlich wußte sie, daß Cochise der Häuptling der Apachen war. Warum hatte man den Apachen-King gefangen? Warum hielt man ihn hier fest? Auf ihre Fragen antwortete der Krieger nicht. Das junge blonde Mädchen kehrte ins Wicki-up zurück, um ihrer Mutter von der Neuigkeit zu berichten. * »Lassen Sie absitzen, Lieutenant. Ich freue mich, daß Sie mit Ihren Leuten das Camp gefunden haben. Ich kann Verstärkung brauchen, denn mittlerweile sind es bereits über hundert rote Teufel, die uns an den Kragen wollen. Und ich nehme an, daß täglich Dutzende von Apachen zu den Aufständischen stoßen.« Colonel Stuart B. Samson schwieg und lächelte ernst. Der Lieutenant grüßte und marschierte zu seinen Leuten zurück, um sie absitzen zu lassen. Sergeant Hasting trat zu seinem Vorgesetzten. »Was gibt es, Sergeant?« fragte der Offizier. »Es geht um die Verpflegung, Sir. Unser Proviant reicht nicht mehr lange. Bald sind unsere Rationen aufgebraucht. Wenn ich mich recht entsinne, dann soll der Tausch der Gewehre gegen die Frauen erst in acht Tagen stattfinden. Solange können wir nicht von Wurzeln und Beeren leben.« »Gut, daß Sie mich daran erinnern. Daran habe ich auch schon gedacht. Niemand konnte wissen, daß wir uns so lange hier aufhalten müssen. Lassen Sie drei Jagdkommandos bilden. Die Manner dürfen sich aber nicht zu weit vom Lager entfernen. Außerdem sollten sie die Rothäute in Frieden lassen und sich nur wehren, wenn sie angegriffen werden. Ist das klar?« »Jawohl, Sir!« Hasting stampfte davon. Gleich darauf donnerte seine Stimme los. Einige Männer sprangen auf. Sie sollten auf die Jagd gehen.
Lieutenant John Harris und Lieutenant Mark Wolter traten zu dem Offizier, der ihnen düster entgegenblickte. »Schon gut, Männer«, murmelte Samson, als die beiden Offiziere grüßen wollten. »Was kann ich für Sie beide tun?« John Harris ergriff das Wort. »Lieutenant Wolter hat mich ausreichend informiert und mir auch von Haggerty erzählt. Ich habe den Scout unterwegs getroffen. Er ist auf dem Weg nach Sand Springs, Sir. Vielleicht gelingt sein Bluff. Ich habe mir aber folgendes überlegt: Wir dürfen diesen Running Bull nicht unterschätzen. Haggerty braucht Hilfe und zwar von uns. Dieser Häuptling wird bestimmt den Conestoga schon in der Nähe von Sand Springs überfallen, um die Gewehre an sich zu bringen. Wenn der Apache den Bluff merkt, kommt es niemals zu einem Tausch. Wenn wir aber den Wagen mit dreißig oder mehr Soldaten begleiten lassen, wird Running Bull vielleicht vor einem Angriff zurückschrecken.« Colonel Samson nickte dem jungen Lieutenant anerkennend zu. »Sie denken mit, Mr. Harris«, sagte er dann. »Das findet man selten in der Armee. Ich danke Ihnen für den Vorschlag und werde Ihnen bald meine Entscheidung mitteilen.« * Zwei Tage waren vergangen. John Haggerty hatte Sand Springs erreicht und kaufte einen Conestoga-Wagen und acht Pferde, obwohl diese Art von Transportwagen meistens von Ochsengespannen gezogen wurden. Da der Trail aber ziemlich flach war und John auch genügend Wasserstellen kannte, wollte er den Pferden den Vorzug geben. Er ließ den Wagen mit Holzkisten beladen, kaufte einige Fäßchen Pulver und auch zwei Kisten Dynamitpatronen, die er
oben auf die Kisten packte, in denen sich angeblich die hundert Gewehre befinden sollten. John betrachtete grinsend sein Werk. Der Store-Besitzer, ein kleiner, rundlicher Mann, rieb sich die Hände. Er war von dem ehemaligen Armee-Scout eingeweiht worden, was sich dort draußen im Niemandsland tat. »Hoffentlich gelingt Ihr Plan, Mr. Haggerty«, sagte der Store-Besitzer, der auf den wundersamen Namen Herakiel Wonderstone hörte. »Wenn Sie die aufständischen Indianer nicht zur Räson bringen, ist auch Sand Springs bedroht. Gegen einige hundert Apachen können wir uns nicht lange halten. Die metzeln uns gnadenlos nieder.« John Haggerty lächelte. »Wir geben alles, was in unseren Kräften steht, um mit diesem Running Bull und seiner wilden Schar fertig zu werden. Sollten mich die Kerle unterwegs angreifen, dann genügt schon eine Kugel, um den Conestoga in die Luft zu jagen. Natürlich muß ich aufpassen, nicht ebenfalls die Himmelfahrt anzutreten. Vielleicht gelingt es Cochise in der Zwischenzeit, die beiden Frauen zu befreien.« John Haggerty konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, daß der Jefe der Chiricahuas gefangen war. »Ich drücke Ihnen sämtliche Daumen, Haggerty. Es wäre nicht auszudenken, wenn sich dieser Running Bull durchsetzt. Auf jeden Fall informiere ich den Stadtrat und alle wehrfähigen Männer, wenn Sie die Stadt wieder verlassen haben. Wir müssen uns auf einen Angriff vorbereiten.« »Tun Sie das«, erwiderte John Haggerty. Er holte seinen Rappen und band das Tier hinten am Conestoga fest, ehe er sich auf den Kutschbock schwang und nach der Peitsche griff. »Vorwärts, ihr alten, müden Tanten«, rief John Haggerty. Er knallte mit der Peitsche. Die Pferde, die schon öfter im Gespann gegangen waren, zogen gleichmäßig an. Ehe John das Ende der staubigen Main Street erreichte, hatte er die acht Pferde bereits
voll unter Kontrolle. Sand Springs blieb hinter Haggerty zurück. Vor ihm lag schon bald wieder das öde und unfruchtbare Niemandsland, in dem sich nur Klapperschlangen, Wölfe und Eidechsen gute Nacht sagten. Die Sonne stand wie ein gefräßiges Ungeheuer am Himmel und sandte ihre glühenden Strahlen hernieder, die von Mensch und Tier alles abverlangten. Neben John lag die Winchester griffbereit. Er hielt Ausschau nach dem Krieger, der ihm bis zur Stadt gefolgt war, doch er konnte ihn nicht entdecken. Bestimmt war der Indianer bereits auf dem Weg zu Running Bull, um ihm zu melden, daß der Waffentransport rollte. Stunden vergingen. Die größte Mittagshitze wartete John unter dem Laubdach eines Baumes ab, um sich und die Pferde zu schonen. Dann setzte er seinen Trail fort. Noch immer war kein menschliches Wesen zu sehen. John Haggerty konnte das öde Gelände gut überblicken, denn noch war der Trail sehr eben. Rechts von ihm erhoben sich die ersten Ausläufer der Pedrogosa Mountains in den blauen und wolkenlosen Himmel. John erkannte plötzlich eine kleine Staubfahne in der Ferne und griff nach seinem Gewehr. Es konnten aber höchstens zwei oder drei Reiter sein. Einige Minuten später erkannte der frühere Armee-Scout von General Howard, daß es nur ein Reiter war, der sich langsam näherte. Sein Tier mußte sehr erschöpft sein. Es handelte sich um einen Apachen, der auf den Conestoga zuhielt. Zuerst glaubte John, es wäre Cochise, dann aber wußte er, daß er sich getäuscht hatte. Der junge Krieger zügelte seinen erschöpften Mustang, der mit einem zähen Brei aus Staub und Schweiß überzogen war. Auch der Apache wies alle Merkmale auf, daß hinter ihm ein
Höllenritt lag. John Haggerty senkte den Lauf seines Gewehrs, denn der Apache schien keine feindlichen Absichten zu hegen. So war es auch. Irgendwie glaubte der Scout, den Indianer früher schon einmal gesehen zu haben, wußte aber nicht wo, so sehr er auch sein Gedächtnis strapazierte. »Mein Name ist Gelbe Feder, Falke«, sagte der Indianer. »Ich bin ein Chiricahua, habe mich aber bereits vor Wochen Running Bull angeschlossen. Nun sehe ich ein, daß es ein Fehler war. Running Bull hat Cochise gefangennehmen lassen. Cochise wollte einen Zweikampf mit dem Jefe. Cochise befindet sich in dem Tal, in dem die Frauen gefangengehalten werden.« John zeigte seine Überraschung nicht. Forschend blickte er den jungen Krieger an. »Gelbe Feder spricht die Wahrheit«, sagte der Apache ernst. »Er will diese Nachricht dem Falken überbringen, damit sein roter Bruder Cochise nicht sterben muß.« »Ich danke dir für diese Nachricht.« John saß regungslos. Diese Neuigkeit brachte seine ganzen Pläne ins Wanken. Er mußte Cochise und die Frauen befreien, sonst würde der Bluff mit den Gewehren nicht ziehen. »Wirst du mir den Weg zu dem Tal beschreiben, in dem Cochise gefangengehalten wird?« fragte Haggerty. Gelbe Feder nickte sofort. Er beschrieb den Weg zu dem Talkessel, so gut es ihm möglich war und wollte danach zur Apacheria reiten, um seine ehemaligen Stammesbrüder zu informieren. Der Chiricahua ritt bald weiter. Ihm würde nichts anderes übrigbleiben, als eine Pause einzulegen, sonst überlebte sein Mustang die weitere Strecke nicht. John Haggerty trieb das Achtergespann an. Die Pferde stemmten sich willig ins Geschirr. Johns Gedanken überschlugen sich, suchten nach einer Lösung, wie er alle seine
Probleme unter einen Hut bringen konnte. Vor allem mußte er Cochise und die Frauen befreien. * Mitternacht mochte vorüber sein, als sich Priscilla Samson von dem Lager aus Fellen erhob. Ihre Mutter schlief unruhig, wälzte sich schon seit geraumer Zeit von einer Seite auf die andere. Priscilla selbst hatte keinen Schlaf finden können. Der gefangene Apache ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Sie wollte ihn unbedingt sprechen. Vielleicht konnte er ihr und der Mutter die Rettung bringen und für ihre Befreiung sorgen. Die junge Frau wußte natürlich längst, daß ihr Wicki-up seit ihrem letzten Fluchtversuch bewacht wurde. Die Indianer wollten kein neues Risiko mehr eingehen. Priscilla lauschte, konnte aber von außerhalb keine verdächtigen Geräusche vernehmen. Sie spähte durch eine Ritze hinaus und sah das niedergebrannte Lagerfeuer. Vorsichtig kroch Priscilla ins Freie. Sie blieb regungslos liegen, als sie zwei Apachen erkannte, die in der Nähe eines Baums standen und sich unterhielten. Es mußten die beiden Posten sein, deren Aufgabe es war, ihr Wicki-up zu bewachen. Priscilla kroch weiter auf die Unterkunft zu, in der sich der gefangene Indianer aufhielt. Die junge Frau fühlte ihr Herz schneller schlagen, als die beiden Wächter plötzlich ihre Unterhaltung beendeten und ihren Rundgang fortsetzten. Einer der Wachposten marschierte so nahe an Priscilla vorbei, daß er ihr beinahe auf den Fuß trat. Die junge Frau hielt den Atem an und schickte ein Dankgebet zum Himmel, als sich die Schritte des Apachen endlich entfernten. Sie kroch weiter, blieb in einer Bodenmulde liegen und sah sich um. Niemand schien ihre Flucht entdeckt zu haben, denn im Lager blieb alles ruhig.
Einige Minuten später erreichte sie das Wicki-up des Gefangenen. Vor dem Eingang saß ein Apache, dessen Kopf auf die Brust gesunken war. Es dauerte einige Zeit, bis Priscilla eine Öffnung fand, durch die sie in das Jacale kriechen konnte. Sie blieb am Boden liegen. Es war zu dunkel, um im ersten Moment etwas erkennen zu können. Nur langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Durch einige Ritzen fiel Mond- und Sternenlicht herein. Sie vernahm Geräusche und den Atem eines Menschen. »Hallo«, rief Priscilla unsicher. »Cochise?« »Wer bist du?« flüsterte eine Stimme. »Der Häuptling der Apachen liegt hier gefesselt.« Die blondhaarige Frau kniete sich neben Cochise, der an Händen und Füßen verschnürt war. Der Jefe wuchtete seinen Oberkörper in die Höhe. »Du bist Priscilla Samson«, sagte Cochise. »Der Apache ist dein Freund. Er ist gekommen, um euch zu helfen.« »In Fesseln?« fragte die junge Frau. »Will so der Häuptling der Apachen die weißen Squaws befreien?« Nun lächelte Cochise. »Er wird es dir später erklären, Squaw. Schleich in dein Wicki-up zurück. In wenigen Minuten wird ein Wächter nach Cochises Fesseln sehen. Komm in einer Stunde wieder. Dann fliehen Cochise und die beiden Squaws.« Priscilla Samson nickte und blickte den großen Chiricahua lange an. Sie hoffte, diesem Mann, der gefesselt vor ihr saß, vertrauen zu können. »Ich komme wieder, Cochise«, flüsterte die junge Frau, ehe sie das Wicki-up verließ und zurückschlich, ohne gesehen zu werden. Delia schlief noch immer unruhig. Priscilla legte sich auf das Lager aus weichen Fellen. Hin und wieder vernahm sie die leisen Schritte der Wächter, die ihre Runden drehten.
Es wird alles gut werden, dachte Priscilla. Cochise hilft uns, wenn ich ihn befreie. Er ist erfahren genug, um uns von hier fortzubringen. Es gibt so viele Legenden um den mutigen und tapferen Häuptling der Apachen. Er wird das schaffen, was mir vor zwei Tagen nicht gelungen ist. * John Haggerty saß mit verkniffenem Gesicht auf dem Kutschbock des Conestogas. Die Pferde zeigten erste Ermüdungserscheinungen und taten sich schwer, den Wagen zu ziehen. Außerdem stieg der Trail leicht an, führte nun in die Pedrogosa Mountains hinein. Längst war John klargeworden, daß ihm ein Fehler in seinen Plänen unterlaufen war. Sein Bluff konnte ganz leicht platzen, sollte er von den aufständischen Apachen überfallen werden. Und allein blieb ihm kaum eine Chance, einen Ansturm von dreißig oder gar vierzig Indianern abzuwehren. So fiel auch dem einstigen Armee-Scout ein riesiger Felsbrocken von der Seele, als er plötzlich einen Zug Soldaten zwischen zwei Hügeln hervorreiten sah. Die Blauröcke hielten auf den Conestoga zu. Mondlicht spiegelte sich auf den Waffen der Soldaten, deren Pferde sich im typisch klirrenden Trab der Kavallerie näherten. John Haggerty zügelte das Gespann und lehnte sich erleichtert zurück. Dann sprang er vom Kutschbock und trat auf Lieutenant Harris zu, der aus dem Sattel glitt und John entgegenstiefelte. »Hallo, Haggerty. Es war nicht einfach, Sie zu finden. Wir haben schon geglaubt, daß Sie von den Apachen einkassiert worden wären.« John Haggerty reichte dem schnauzbärtigen Lieutenant die Hand, der die Erleichterung seines Gegenübers deutlich erkannte. »Ich habe mit einem Angriff der Apachen gerechnet, Harris«,
erwiderte der Scout. »Das ist der schwache Punkt in meinem Plan, an den ich nicht dachte. Nun weiß ich aber auch, warum Running Bull nicht angreifen ließ, obwohl er und seine Krieger bestimmt irgendwo in der Nähe lauern. Er muß erfahren haben, daß Sie mit den Soldaten auf dem Weg zu mir sind. Das ließ ihn vorsichtig werden. Ich freue mich, daß Sie und Ihre Leute hier sind. Nun kann wenigstens vorläufig nichts mehr schiefgehen.« John Harris nickte zufrieden. »Wer ist auf die Idee gekommen, mir entgegen zu reiten?« »Es war mein Einfall, Haggerty, und ich machte den Colonel darauf aufmerksam. Er stimmte zu, und nun bin ich hier.« »Befindet sich unter Ihren Leuten ein tüchtiger Bursche, der den Wagen fahren kann, Lieutenant? Ich muß fort, denn ich habe erfahren, daß Cochise gefangengenommen wurde. Es wird ihm kaum gelingen, die beiden Frauen zu befreien. Auch das Leben des Chiefs schwebt in großer Gefahr. Wenn dieser Running Bull irgendwann durchdreht, weil nicht alles nach seinen Plänen läuft, könnte er sich an Cochise rächen. Ich muß meinem roten Bruder helfen. Sie verstehen das doch, Lieutenant?« John Harris nickte und zupfte am Oberlippenbart, der seinem Gesicht einen verwegenen Ausdruck verlieh. »Wir kommen mit dem Conestoga schon klar, Mr. Haggerty. Ich drücke Ihnen die Daumen bei Ihren Ausflug. Meine Leute werden hier bis zum Morgengrauen campieren.« Der junge Lieutenant blickte auf den Wagen, von dessen Fracht nichts zu sehen war, denn die Plane verdeckte alles. »Was haben Sie nun wirklich auf dem Wagen geladen?« fragte Harris. »Keine Gewehre, wenn Sie das meinen. Ich kenne die Spielregeln, Lieutenant. Waffen für die Indianer, das ist wohl zur Zeit eines der schwersten Verbrechen, die es gibt. Ein paar Fäßchen mit Pulver und einige Dutzend Dynamitpatronen liegen auf leeren Kisten. Es ist also eine hochbrisante Fracht. Ein
einziger Treffer genügt, um alles explodieren zu lassen. Es sollte für die Rothäute eine Überraschung sein, falls sie mir zu dicht auf den Pelz gerückt wären.« John Harris schmunzelte. »Ihnen fällt wohl immer etwas ein, Haggerty«, sagte er. »Ich nehme aber an, daß die aufständischen Apachen nicht angreifen, wenn wir den Wagen begleiten.« Harris wischte sich über Kinn. »Haben Sie Ersatzkleidung in den Satteltaschen?« Haggerty verstand sofort, worauf der Lieutenant hinauswollte und nickte. »Okay, ich gebe sie Ihnen. Dann wird man den Kutscher, der meine Klamotten anzieht, für mich halten und nicht ahnen, daß ich inzwischen schon lange unterwegs bin. Das ist eine ausgezeichnete Idee, Mr. Harris.« »Wann wollen Sie los?« »Sofort, denn es gilt, keine Zeit zu verlieren. Sie und Ihre Leute sollten sich nicht allzusehr beeilen. Die Frauen und auch Cochise müssen erst frei sein. Mit den Geiseln hält dieser rote Halunke alle Trümpfe in den Händen.« Lieutenant Harris trat zu seinen Leuten und gab einige Befehle. John Haggerty holte inzwischen seine Reservekleidung aus den Satteltaschen hervor. Er reichte sie einem Korporal, der an seiner Stelle den Conestoga kutschieren sollte. Der Soldat hatte ungefähr Johns Figur. Er zog sich im Wagen um und kroch wieder unter der Plane hervor. »Es paßt einigermaßen, Sir«, sagte er. »Nun sollten Sie mir aber noch Ihren Stetson geben, damit auch alles so echt wie nur möglich aussieht.« »Okay.« John Haggerty stülpte dem Korporal den Hut auf den Schädel. Er schwang sich in den Sattel, nickte den beiden Männern grüßend zu und ritt los. Der Scout nützte alle Deckungsmöglichkeiten und verhielt auf einem Hügel, um das Gelände vor sich zu beobachten. Ein
Fernglas, das auch bei Nacht ausgezeichnete Dienste tat, half dem großgewachsenen Mann sehr. Es dauerte nicht lange, bis er den Apachentrupp entdeckte. Die Krieger lauerten auf einem anderen Hügel und beobachteten von dort aus den Conestoga und die Soldaten. John Haggerty konnte sich nicht vorstellen, daß die Indianer angriffen. Das Risiko mußte ihnen gegen diese Anzahl Pferdesoldaten zu groß sein. Haggerty ritt weiter. Er mußte das Tal finden, in dem die Frauen und Cochise gefangengehalten wurden. John rief sich die Beschreibung von Gelbe Feder ins Gedächtnis zurück. Es war ein langer Trail bis zu diesem Talkessel. Und John wußte, daß in der Zwischenzeit viel geschehen konnte. Haggerty aber war ein Mann, der niemals aufgab, solange es noch einen Funken Hoffnung gab. In dieser Beziehung ähnelte er Cochise sehr. * Priscilla Samson war wie in Schweiß gebadet, als sie eine Stunde später erneut das Wicki-up erreichte, in dem der Häuptling der Apachen gefangen gehalten wurde. Sie kroch zu Cochise, der aufgerichtet am Boden saß und wohl schon auf die junge Frau gewartet hatte. »Du mußt meine Fesseln lösen, Squaw«, sagte der Chief leise. »Hast du ein Messer?« Priscilla schüttelte den Kopf. Ihre langen Haare wirbelten ihr nur so um die Ohren. »Es wird auch so gehen«, flüsterte sie. Einige Minuten später fielen die Handfesseln. Cochise löste selbst die Rohlederriemen, die seine Beine zusammenhielten. »Wie soll es weitergehen?« fragte Priscilla mit vibrierender Stimme, in der Angst lag. »Wir müssen Mutter holen. Sie schläft und weiß nichts von allem.«
»Du wartest hier, Squaw. Cochise schaltet die Wächter aus. Dann holen wir die andere weiße Frau.« Ehe Priscilla nicken konnte, hatte Cochise auch schon das Jacale verlassen. Er orientierte sich kurz und schlich los. Er sah einen Wächter einige Schritte entfernt im Gras sitzen. Cochise ließ dem Krieger keine Chance, sondern hieb ihm die Faust mit solcher Wucht in den Nacken, daß der Indianer bewußtlos zu Boden sank. Mit dem anderen Wachposten verfuhr Cochise ähnlich. Er schlich zum Wicki-up der weißen Gefangenen. Auch dort schaltete er die Wächter aus. Auch dem Posten am fast niedergebrannten Lagerfeuer ließ der Häuptling der Apachen keine Chance. Um die anderen Krieger, die in den Wicki-ups schliefen, kümmerte sich Cochise nicht. Er holte Priscilla, die einige Mühe hatte, ihrer aus dem Schlaf hochschreckenden Mutter zu erklären, was geschehen war. Delias Gesicht verzerrte sich vor Angst. Auch schien ihr Cochise nicht ganz geheuer zu sein. Die drei Menschen verließen das Wicki-up und kauerten hinter einem Dickicht nieder. Die Mustangs der aufständischen Indianer standen nur eine Steinwurfweite entfernt. Nur ein Krieger bewachte die Tiere. »Cochise wird ihn ausschalten und den dreimaligen Ruf eines Käuzchens ausstoßen. Ihr solltet dann zu ihm eilen.« Der Häuptling verschwand in der Dunkelheit. Priscilla legte einen Arm um die Schultern ihrer Mutter. Delia zitterte am ganzen Körper. Sie war einfach den Aufregungen der letzten Tage und Stunden nicht mehr gewachsen. »Cochise ist ein großer Krieger, Mutter«, hauchte Priscilla. »Er hat alle Wächter ausgeschaltet und wird auch noch den Wachposten dort drüben bei den Pferden niederschlagen.« So geschah es auch. Die beiden Frauen liefen zu den Pferden hinüber, nachdem der dreimalige Schrei eines Käuzchens die
nächtliche Stille durchschnitten hatte. Cochise nickte zufrieden. Er deutete auf drei Mustangs, die dicht neben ihm standen. »Reitet los und haltet nicht an. Cochise folgt euch in wenigen Minuten. Er wird sich bewaffnen und dann die Mustangs davonjagen, damit die Krieger nicht sofort die Verfolgung aufnehmen können.« Delia erschauerte, als sie auf das Pferd blickte. Cochise griff zu und hob die sich sträubende Frau auf den Rücken des Pferdes. Priscilla kletterte ohne Hilfe auf das Pony. Cochise legte einen Finger auf den Mund, um anzudeuten, daß die weißen Squaws nur im Schritt reiten sollten. Priscilla nickte dem Chief zu. Die unbeschlagenen Hufe der Indianermustangs verursachten kaum Geräusche auf dem Grasteppich. Priscilla und Delia verschwanden Sekunden später in der Dunkelheit. Cochise lauschte. Er huschte zu den niedergeschlagenen Wächtern und bewaffnete sich. In den Wicki-ups regte sich nichts. Der Chiricahua glitt zu den Pferden zurück, näherte sich dem Pinto, der seinen Herrn witterte und leise schnaubte. Cochise zog sich auf den Pferderücken. Es gelang ihm, die Mustangs davon zutreiben. Als er dann auch noch wie ein hungriger Wolf aufheulte, sausten die Tiere ganz davon. Dumpf dröhnten die Hufschläge durch den Talkessel. In den Wicki-ups wurde es lebendig. Apachen stürmten heraus und sahen sich verwirrt um. Sie erkannten die niedergeschlagenen Wächter und wußten sofort, was geschehen war. Ein Schuß peitschte auf, der jedoch keinen Schaden anrichtete, sondern auch den letzten Krieger hochscheuchte. Wütendes Geheul schallte hinter dem Häuptling der Apachen her, auf dessen Gesicht aber nur die Andeutung eines Lächelns erschien. *
Der Morgen graute. Der Conestoga-Wagen rumorte eine Anhöhe hoch, flankiert von den Blauröcken, die ihre Gewehre bereithielten und in das Ungewisse Licht des beginnenden Tages starrten. Lieutenant John Harris ritt an der Spitze seiner Soldaten. Er wirkte nervös, dachte immer wieder an die Last der Verantwortung, die auf seinen Schultern ruhte. Plötzlich waren sie da. Mehr als fünfzig Apachen tauchten hinter allen nur möglichen Deckungen auf. Waffen richteten sich auf die Soldaten, die ihre Pferde zügelten. »Nur ruhig Blut, Jungs«, rief der Lieutenant lässig, dessen Nervosität von einer Sekunde zur anderen schwand. »Die roten Halunken greifen nicht an. Wenigstens vorerst noch nicht. Die wollen erst mal herausfinden, wie wir reagieren.« So war es auch. »Absitzen!« befahl John Harris. »Geschossen wird nur, wenn ich es befehle!« Ein Reiter tauchte hinter einem Felsbrocken auf. Er ritt auf den Wagen und die Soldaten zu, verhielt dann eine Steinwurfweite entfernt und hob eine Hand. John Harris' Gesicht verzog sich, ehe ein Ruck durch seinen schlanken Körper ging. Er zog sich in den Sattel. »Sergeant Hull, Sie übernehmen das Kommando. Ich will mit dem Indianer sprechen!« Cris Hull nickte. Er war ein erfahrener Unteroffizier, der Land und Leute kannte und dem die Soldaten blind vertrauten. Harris ritt los und zügelte sein Pferd wenige Yards vor dem breitschultrigen Apachen, der ihn mit unbewegtem Gesicht ansah. »Ich sein Running Bull«, sagte der Chief. »Ich kommen und holen Waffen. Du kriegen Squaws.« »Lieutenant John Harris«, sagte der Offizier. »Ich bedaure, dir die Waffen nicht übergeben zu können. Das wird Colonel
Samson übernehmen und zwar an dem Ort, wo er es vereinbart hat.« Running Bull starrte den Lieutenant feindselig an. In seinem breitflächigen Gesicht arbeitete es. »Running Bull haben Waffen jetzt«, radebrechte der selbsternannte Häuptling der aufständischen Apachen. »Blaurock kriegen Squaws hier. Egal wo. Du wollen, daß Apachen angreifen?« John Harris schüttelte bestimmt den Kopf. Diese Bewegung hatte etwas endgültiges an sich. »Wir sollten uns an die Vereinbarungen halten, Häuptling. Wenn deine Krieger angreifen, gibt es ein Blutbad. Meine Soldaten kämpfen bis zur letzten Patrone.« Running Bull knirschte mit den Zähnen. Er sah seine Felle davonschwimmen und bedauerte wohl in diesen Sekunden, nicht ohne Warnung angegriffen zu haben. Die beiden Männer sahen sich stumm an. John Harris hielt dem funkelnden Blick von Running Bull stand, der schließlich den Kopf senkte, den Mustang herumzog und zu seinen Kriegern zurückritt. Auch Harris beeilte sich, zu seinen Soldaten zurückzureiten. Dort sprang er aus dem Sattel. »Alarmstufe eins, Leute«, rief der Lieutenant. »Vielleicht greifen die roten Bastarde an. Sie wollen die Gewehre. Und wenn die Apachen angreifen, dann müssen wir um etwas kämpfen, das es überhaupt nicht gibt. Es muß sein, sonst ist unser Bluff gescheitert.« Die Soldaten nickten, gingen in Deckung, igelten sich ein und warteten auf den Angriff der Indianer. Nichts geschah. Die Apachen ritten davon. Bald lag das Gelände leblos vor den Blauröcken. Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne legten sich golden über das zerklüftete Bergland der Pedrogosa Mountains.
Lieutenant Harris fuhr sich übers Kinn. Er blickte Cris Hull, den Sergeant, ein wenig ratlos an. »Wir sollten eine halbe Stunde warten, ehe wir den Trail fortsetzen, Sir. Wenn Sie dann einverstanden sind, erkunde ich mit drei unserer Leute das Terrain.« »Einverstanden, Sergeant«, antwortete John Harris. »Wir müssen verdammt aufpassen, damit wir nicht unsere Skalps verlieren. Dieser Running Bull spielt mit gezinkten Karten. Er glaubt, uns übertölpeln zu können.« Der bärtige Sergeant lächelte verhalten. »Das schafft dieser Bursche nie, Sir«, antwortete er. »Er hätte nur eine Chance gehabt, wenn er aus dem Hinterhalt über uns hergefallen wäre.« Cris Hull blickte zum Wagen. »Eine Kugel genügt, um den Conestoga in die Luft zu jagen. Wir sitzen auf einem Pulverfaß.« Lieutenant Harris nickte ernst. »Solange Running Bull aber die Waffen und die Munition im Wagen vermutet, wird er nicht auf den Conestoga schießen lassen. Das ist unsere Chance.« * »Ich kann nicht mehr«, stöhnte Delia Samson, die mit beiden Armen den Pferdehals umklammerte und trotzdem langsam vom Rücken des Mustangs rutschte. Cochise sprang vom Pferderücken und fing die weiße Squaw in letzter Sekunde auf. Er ließ Delia zu Boden gleiten. Colonel Samsons Frau blieb jammernd sitzen. Priscilla trat zu ihrer Mutter und kniete sich neben die stöhnende Frau. Sie legte einen Arm um ihre Schulter, während sie mit der anderen Hand über Delias schweißglänzendes Gesicht wischte und ihr aufmunternd zuredete. Cochise blickte nachdenklich auf die beiden Squaws, die ihn
in den letzten zwei Stunden daran gehindert hatten, die Flucht schneller fortzusetzen. Der Häuptling der Apachen wußte, daß er verfolgt wurde. Es waren zwar nur wenige Krieger, die den Fährten folgten, doch Cochise ahnte, daß längst ein Bote unterwegs zu Running Bull war. Und da er sich mit den beiden Frauen noch immer in den Bergen aufhielt und noch viele Meilen bis zum Camp der Blauröcke vor ihnen lagen, bestand die Gefahr, von den aufständischen Apachen den Weg verlegt zu bekommen. »Wir müssen weiterreiten«, rief Cochise. »Die weißen Squaws sind noch lange nicht in Sicherheit.« Delia hob den Kopf. Wie ein gepeinigtes Tier sah sie den Häuptling der Chiricahuas an. Priscilla half ihrer Mutter auf die Beine. Delia rieb sich verstohlen über ihren verlängerten Rücken. Sie hatte sich wundgeritten. Cochise kannte kein Erbarmen, wußte er doch, daß ihr aller Leben davon abhing, nicht wieder den aufständischen Apachen in die Hände zu fallen. Sie mußten den Ritt fortsetzen. Der Chief wollte einen Kampf vermeiden. Wie leicht konnten die Frauen von einer Kugel oder einem Pfeil getroffen werden. »Es geht nicht anders, Mutter«, flüsterte Priscilla. »Bald sind wir bei Vater. Das allein zählt. Dieser tapfere Mann hat uns aus den Händen der Indianer befreit. Soll denn alles umsonst gewesen sein? Auch mir geht es nicht besonders gut, Ma, und ich sehne das Ende des Rittes herbei.« Cochise kletterte einen Hügel empor, von dessen Kuppe aus er sich eine gute Sicht versprach. Er blinzelte, als Sonnenstrahlen sein Gesicht trafen und legte eine Hand schützend an die Stirn. Er sah die Verfolger. Drei Krieger blieben hartnäckig auf seiner Fährte. Cochise lächelte grimmig. Mit diesen drei Verfolgern würde er schon fertig werden. Mehr Sorgen bereitete ihm Running Bull. Sollte der Chief erfahren, daß Cochise und den beiden
Squaws die Flucht geglückt war, stand der selbsternannte Häuptling ohne seine Trümpfe da. Sein rauhes Spiel war verloren, noch ehe es in die Endphase getreten war. Cochise eilte zu den Frauen zurück, die inzwischen stöhnend auf die Pferderücken geklettert waren. »Tapfere Squaws«, sagte Cochise lobend. Er übernahm die Führung. Hin und wieder sah er sich nach den Verfolgern um, die aufholten, denn Delia und Priscilla behinderten die Flucht noch immer. Schließlich sah Cochise ein, daß er mit den drei Kriegern kämpfen mußte, ehe sie vollends herangekommen waren. Er zügelte seinen Pinto zwischen einigen Felsschroffen. Delia Samson rutschte aus dem Sattel und lehnte sich zitternd gegen den Pferdeleib. »Cochise muß mit den Verfolgern kämpfen, denn sie sind schon sehr nahe«, erklärte der Häuptling der Chiricahuas. »Die weißen Squaws bleiben hier zurück.« Priscilla antwortete: »Wir verstecken uns, Cochise, und wünschen dir alles Glück dieser Welt für den bevorstehenden Kampf.« Cochise nickte nur. Auch er verbarg seinen Mustang zwischen den Felsen, ehe er den Verfolgern entgegenschlich. Die drei Apachen hielten Gewehre in den Händen und saßen wachsam auf den Pferderücken. Cochise senkte seine Winchester. Es widerstrebte ihm auf seine eigenen Artgenossen zu schießen. Außerdem war der Jefe kein Mann, der heimtückisch aus dem Hinterhalt tötete. Das Gesicht des Chiricahuas verfinsterte sich, während er auf die drei Krieger blickte, die langsam näherritten, plötzlich ihre Mustangs zügelten, als spürten sie instinktiv die Gefahr, die auf sie lauerte. Cochise mußte handeln. Er schlich los, näherte sich schnell den Apachen, die noch
immer unentschlossen auf den Rücken ihrer Mustangs saßen und in die Stille lauschten. Der Apachen-King gelangte bis auf wenige Schritte an die Krieger heran. Dann setzte er alles auf eine Karte. Er trat hinter dem Felsbrocken hervor und richtete den Lauf seines Gewehres auf seine Landsleute. »Cochise wird schießen, wenn die Krieger von Running Bull nicht aufgeben!« rief er mit donnernder Stimme. Die Indianer erschraken, gaben aber nicht auf. Einer riß sein Gewehr hoch und legte auf Cochise an, dem nichts anderes übrigblieb, als zu schießen. Der Indianer stürzte aufschreiend vom Pferderücken. Die beiden anderen Krieger trieben ihre Mustangs an, um den Häuptling der Apachen niederzureiten. Cochise steppte blitzschnell zur Seite und wich den Mustangs aus. Die Indianer warfen sich auf Cochise, verfehlten den Chief, der nochmals zur Seite sprang. Einem der Angreifer donnerte Cochise den Gewehrlauf an den Kopf. Der Apache brach lautlos zusammen und blieb liegen. Und dem anderen Kämpfer, der inzwischen wieder hochgeschnellt war und wie ein tollwütiger Puma anstürmte, rammte Cochise den Lauf des Gewehres in den Magen. Der Indianer taumelte zurück und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Cochise schlug nochmals zu. Auch der letzte Apache stürzte zu Boden. Cochise lächelte zufrieden. Er kniete sich neben dem Indianer nieder, dem er in den Arm geschossen hatte. Blut rann aus der Einschußöffnung und sickerte den Arm entlang. »Cochise hat dein Leben geschont, denn er will nicht, daß seine Vettern durch die Hand des Jefes sterben. Deine beiden Gefährten sind im Land der Träume. Sie kümmern sich um deine Verwundung, sobald sie wieder aufwachen. Cochise nimmt eure Mustangs mit, damit ihr ihm und den Frauen nicht
folgen könnt.« Cochise trieb die Pferde davon und warf keinen Blick mehr auf die Stätte seines Sieges. Bald erreichte er die Frauen. Gemeinsam setzten sie die Flucht fort. * John Haggerty war die ganze Nacht durchgeritten und hatte weder sich, noch seinen Rapphengst geschont. Mehr als einmal mußte er Indianertrupps ausweichen, die er zum Glück immer rechtzeitig entdeckte. Es gelang ihm, sich vor neugierien Blicken zu verbergen. Sein Pferd zeigte Ermüdungserscheinungen, als die Sonne hinter einem Gipfel hochkroch. John legte eine Pause ein, aß von seinem kalten Proviant und teilte den Inhalt der Wasserflasche mit dem Rapphengst. Der Falke gönnte sich und seinem Pferd eine Stunde Rast und wollte gerade seinen Ritt fortsetzen, als er Hufschläge vernahm. John Haggerty spähte zwischen den Zweigen eines Salbeibusches hervor und sah mehr als zwanzig Reiter, die ungefähr hundert Yards entfernt vorbeijagten. Sie ritten in die Richtung des Tales, in dem die Frauen und Cochise gefangen gehalten wurden. John konnte zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, daß dem legendären Häuptling der Apachen inzwischen die Flucht geglückt war. Haggerty wartete noch einige Minuten, bis auch die Nachhut der Krieger auftauchte und folgte dann den Fährten der Apachen. Zwei Stunden vergingen. Der Falke blieb immer in Sichtweite der Rothäute, ohne von ihnen gesehen zu werden. Noch immer ritten die Apachen wie die Teufel, als gelte es, ein Rennen zu gewinnen. John zuckte zusammen, als er plötzlich aufpeitschende Schüsse vernahm, deren Echos dumpf von den kahlen Berggipfeln zurückgeworfen wurden.
Haggerty sprang aus dem Sattel, kletterte einen Hügel hoch und erkannte auch bald das Angriffsziel der Indianer. Er sah Cochise und die beiden weißen Frauen, die sich zwischen einigen Felsen verschanzt hatten. Der Chiricahua feuerte auf seine ehemaligen Stammesbrüder, die längst die Pferderücken verlassen hatten und sich anschlichen. »Verdammt«, fluchte der Falke, als er sah, daß Cochises Chancen verschwindend klein waren. Er würde dem Ansturm der Indianer nicht lange standhalten können. Ich muß mich in das Spiel einkaufen, dachte der ehemalige Armee-Scout. Cochise ist ein Teufelskerl. Es ist ihm gelungen, die Frauen zu befreien. Nun aber sitzt er bis über beide Ohren in der Klemme. Gegen die Übermacht kann auch er sich nicht behaupten. John Haggerty lief zu seinem Pferd, zog sein Gewehr aus dem Scabbard, überprüfte es und suchte eine gute Position, nachdem er bis auf Schußweite an die Angreifer herangeschlichen war. Cochise feuerte noch immer. Die Frage war, wie lange er sich noch wehren konnte, denn die ersten Krieger hatten sich schon bedenklich nahe an die Felsen herangeschlichen. Einige Krieger lagen regungslos am Boden, andere krochen davon, verwundet durch heißes Blei, denn der Häuptling der Chiricahuas war ein treffsicherer Schütze, der keine Munition vergeudete. Nun griff John Haggerty ein. Er verwundete zwei Apachen mit schnellen Schüssen, denn die Überraschung war eindeutig auf seiner Seite. Die Krieger von Running Bull zogen sich zurück. Natürlich behagte es ihnen nicht, ins Kreuzfeuer genommen zu werden. Bald klatschten die ersten Geschosse gegen Johns Deckung, der sofort seine Position veränderte und erneut feuerte. Dadurch erhielt Cochise ein wenig Luft. Der erfahrene Chief nützte dies sofort aus, denn er flüchtete in Johns Richtung weiter, war von Felsbrocken und Sträuchern gut
gedeckt und näherte sich schnell dem Falken. Wutgeheul schallte zu John Haggerty, der von seiner erhöhten Position aus die Angreifer mit einer heißen Bleisaat eindeckte. Einige Minuten später schob sich Cochise neben seinen weißen Freund und nickte ihm dankbar zu. »Das war Rettung in letzter Sekunde, Falke«, murmelte der Apachen-Häuptling. »Cochise dankt dir.« John winkte ab, ehe er sein Gewehr wieder hochriß und einen blitzschnellen Schnappschuß abfeuerte. Die Kugel traf einen Krieger in den rechten Oberschenkel. Der Apache schlug hart zu Boden und blieb liegen. Auch Cochise schoß erneute. Während John das Magazin seines Gewehres auflud, blickte er auf die beiden Frauen, die unterhalb des Hügels kauerten und angstvoll zu ihm hochspähten. Die drei Mustangs weideten ganz in der Nähe von Johns Rapphengst. Die Indianer zogen sich plötzlich zurück, nahmen Verwundete und Tote mit und waren von einer Minute zur anderen verschwunden. John senkte sein Gewehr. Er blickte Cochise fragend an, über dessen ebenmäßiges Gesicht die Andeutung eines Lächelns huschte. »Running Bull unterlief ein großer Fehler, als er Cochise gefangen nahm«, sagte der Chiricahua. »Es gelang dem Jefe, die beiden Squaws zu befreien. Der Sieg steht aber erst fest, wenn wir das Lager der Blauröcke lebend erreichen.« »Wir schaffen es, Cochise«, antwortete der Falke entschlossen. »Running Bull wird keinen Trumpf mehr in den Händen halten, um den Chief der Langmesser erpressen zu können.« * »Sie sind noch immer hinter uns her«, sagte John Haggerty eine
Stunde später zu Cochise, der nur nickte. John blickte auf die beiden Frauen, die den Ritt kaum noch verkraften konnten. Besonders Delia Samson hielt sich nur noch mit letzter Kraft auf dem Rücken des Mustangs. Priscilla sprach ihr immer wieder Mut zu, doch es nützte nicht viel. Die Frau konnte einfach nicht mehr. Jede Bewegung des Pferdes bedeutete neue Qualen für sie. Cochise sah Johns Blick und zügelte seinen Mustang. »Der Jefe der Apachen wird die Verfolger aufhalten«, stieß Cochise kehlig hervor. »Der Falke reitet weiter und bringt die Squaws zu den Blauröcken. Er soll aber darauf achten, daß er Running Bulls anderen Kriegern nicht in die Hände reitet.« Darüber hatte John Haggerty auch schon nachgedacht. Es schien so sicher wie das Amen in der Kirche, daß ein Reiter längst zu dem selbsternannten Chief unterwegs war, um ihm von den Ereignissen zu berichten. »Warum zögert der Falke?« fragte Cochise. »Vielleicht sollte ich die Verfolger aufhalten«, erwiderte John Haggerty. »Ich weiß, wie es Cochise widerstrebt, auf seine eigenen Vettern schießen zu müssen.« Cochise senkte für einen Moment den Kopf. »Die Krieger von Running Bull sind verblendet. Sie wissen nicht, was sie tun. Sie glauben an einen großen Sieg gegen die Bleichgesichter, den es nicht geben wird. Cochise bedauert sehr, gegen seine eigenen Vettern kämpfen zu müssen. Er sieht aber keine andere Wahl, um einen großen Krieg zu verhindern.« John Haggerty legte seinem indianischen Freund eine Hand auf den Arm. »Schon gut, Cochise«, sagte er leise. »Ich hoffe, es läßt sich alles wieder einrenken. Auch die meisten von Running Bulls Anhängern werden wieder zu ihren Stämmen zurückfinden. Ich spreche später mit Colonel Samson. Auch er will keinen Krieg. Wenn er erst Frau und Tochter in seine Arme schließen kann, sieht alles anders aus. Vielleicht gelingt es uns, Running Bull zu
fassen. Die Armee wird darauf bestehen, ihn als Schuldigen zu bestrafen.« Der Jefe blickte den Falken ungeduldig an. »Reite los, Freund, denn jede Minute ist kostbar. Cochise wird euch bald folgen.« John Haggerty wandte sich an Delia Samson, die kläglich auf dem Rücken des Mustangs saß und leise wimmerte. »Es tut mir leid, Ma'am, doch ich kann Ihnen die Fortsetzung des Rittes nicht ersparen. Beißen Sie die Zähne zusammen, denn es geht um unser aller Leben.« Delia nickte und wischte sich eine Strähne ihres dunkelblonden Haares aus der Stirn. »Ich schaffe es schon, Mr. Haggerty. Nehmen Sie auf mich keine Rücksicht.« Ihre schmerzgeweiteten Augen straften ihre Worte Lügen. Sie preßte die Lippen fest aufeinander, die in diesem Moment an eine schlecht verheilte Narbe erinnerten. Priscilla griff nach den Zügeln des Mustangs. Die Tiere trabten an. John Haggerty winkte dem Häuptling der Apachen kurz zu. »Viel Glück, Cochise«, rief er. »Und riskier nicht zuviel. Wenn ich das Camp erreiche, reite ich mit einigen Blauröcken zurück, um dir zu helfen.« John Haggerty folgte den beiden Frauen und übernahm kurze Zeit darauf die Führung. Cochise blieb zurück. Er kauerte hinter dem Stamm einer verkrüppelten Kiefer und lauerte geduldig auf das Erscheinen der Verfolger. Er brauchte nicht lange zu warten, dann erkannte er die ersten Indianer, die den Fährten folgten. Cochise feuerte. Ein Mustang brach zusammen und schleuderte seinen Reiter in einen Dornenbusch. Die anderen Krieger sprangen von den Pferderücken und verschwanden im unwegsamen Gelände. Der Chiricahua wußte, wie gut sich die Apachen anzuschleichen verstanden. Aus diesem Grund zog er sich
zurück. Wieder lauerte er auf die Verfolger. Ihm kam es nur darauf an, daß der Falke genügend Zeit erhielt, um mit den Squaws das Biwak der Langmesser zu erreichen. Noch mehrmals feuerte Cochise auf seine Vettern und hielt sie auf Distanz. Er schonte ihre Leben und fragte sich, ob die Gegner das begriffen. Eine Stunde später mußte Cochise fliehen, denn der Ring der Verfolger zog sich immer enger zusammen. Sein Mustang trug Cochise davon. Es dauerte aber nicht lange, dann sah er die ersten Krieger von Running Bull wieder hinter sich auftauchen. Der Häuptling der Chiricahuas stellte aber zufrieden fest, daß die Anzahl der Verfolger kleiner geworden war. * »Wie weit mag es noch sein?« erklang Priscillas klagende Stimme, als John Haggerty seinen Rapphengst zwischen einigen Felsschroffen zügelte. Die junge Frau hatte längst die Orientierung verloren und das Gefühl, ständig im Kreis zu reiten, wurde immer größer in ihr. »Vielleicht noch vier oder fünf Meilen, Priscilla«, erwiderte John Haggerty. »So genau kann ich es auch nicht sagen. Ihr müßt tapfer sein. Lieber noch diese Strapazen auf sich nehmen, als zu sterben.« Priscilla schob das Kinn nach vorn. »Ist es Vater gelungen, die Gewehre aufzutreiben?« fragte sie naiv. John Haggerty lächelte ernst. »Es wäre wohl das schlimmste Verbrechen, den aufständischen Apachen Waffen und Munition zu liefern. Dazu erhält auch dein Vater keine Genehmigung. Mir ist es zwar gelungen, Running Bull hinzuhalten. Es kann aber nicht mehr lange dauern, bis er meinen Bluff durchschaut. Running Bull
saust bestimmt schon lange wie ein wütender Büffel durch die Gegend, um uns einzufangen.« Delia Samson saß apathisch am Boden und beteiligte sich nicht am Gespräch. »Sie werden Hilfe im Lager erhalten, Mrs. Samson«, sagte der ehemalige Chief Scout tröstend. »Ein Sanitäter wird sich um Sie kümmern. In wenigen Tagen wird das alles vergessen sein.« Delia Samson hob den Blick. »Ich schäme mich so sehr«, hauchte sie kaum verständlich. »Und ich werde …« Priscilla unterbrach ihre Mutter. »Das kann jedem passieren, der nicht oft auf dem Rücken eines Pferdes sitzt, Mutter«, sagte sie. »Wir sind schließlich keine Cowboys oder Soldaten.« »Ich erkunde das vor uns liegende Terrain«, sagte John. »Rührt euch nicht von der Stelle. Ich bin in wenigen Minuten wieder zurück.« Der Falke schlich los und näherte sich einem Hügel, von dem aus er auf das umliegende Gelände Ausschau halten wollte. Sein bartloses Gesicht verzog sich unwillig, als er einen Reitertrupp erkannte, der genau in die Richtung ritt, in dem sich die beiden Squaws befanden. Es waren zehn Apachen, die wachsam nach allen Seiten Ausschau hielten. Die Rothäute ahnen, daß wir irgendwo in der näheren Umgebung stecken, dachte Haggerty. Bestimmt wimmelt es zwischen dem Lager der Soldaten und uns nur so von Running Bulls Leuten. Der Falke eilte zu den beiden Frauen zurück, die ihn fragend ansahen. »Vor uns sind Indianer«, erklärte John Haggerty. »Ein Durchbruch mit Waffengewalt ist zu riskant, denn eine der Ladies könnte getroffen werden. Wir verstecken uns dort drüben zwischen den Felsen. Es gibt genügend Büsche, die uns
schützen. Vielleicht reiten die Apachen vorbei.« Einige Minuten später kauerten die drei Menschen hinter den Felsen und verhielten sich vollkommen ruhig. Der erfahrene Westmann stand bei den Indianermustangs und legte die Hände über die Nüstern der Tiere, damit diese das Versteck nicht durch ein Wiehern oder lautes Schnauben verrieten. Hufschläge erklangen. Delia und Priscilla standen dicht beeinander und hielten sich an den Händen. Es wirkte schon rührend, wie sich Priscilla um ihre Mutter sorgte. John Haggerty spähte zwischen den Felsschroffen hervor und sah den Apachentrupp, der eine Steinwurfweite entfernt vorbeiritt. Ein Krieger spähte herüber, als ahne er, daß sich die gesuchten Gegner an dieser Stelle verborgen hielten. Der Apache parierte sein geflecktes Pferd, das auf den Hufen tänzelte. Dann stieß der Apache ein lautes Wiehern aus. Haggerty kannte diesen Trick. Damit wollte der Indianer etwaige versteckte Pferde zu einer Antwort herausfordern. Die beiden Mustangs, vor denen Haggerty stand, schnaubten zwar leise, erwiderten das Wiehern aber nicht. Johns Rapphengst reagierte nicht. Er blickte seinen Herrn nur aus großen Augen an und stellte die Ohren hoch. »Sei nur friedlich, Alter«, flüsterte der Scout. »Wenn du mich verrätst, wird es auch dir an den Kragen gehen.« Der Hengst hob und senkte den Kopf, als bejahe er John Haggertys Worte. Der Apache wieherte nochmals herausfordernd, ehe er weiterritt und seinen Gefährten folgte. Delia und Priscilla Samson atmeten hörbar auf. John warf ihnen einen beruhigenden Blick zu. »Wir müssen noch abwarten, Ladies«, sagte er leise. »Es könnte sein, daß einer der roten Jungs umkehrt, oder daß dem Trupp noch eine Nachhut folgt.« Die Minuten vergingen endlos langsam. Die beiden Frauen setzten sich auf den harten Felsboden. Delia stöhnte dabei. Haggerty öffnete eine Satteltasche und suchte etwas. Er zog eine kleine Dose hervor, die er Delia reichte.
»Wundsalbe, Mrs. Samson«, sagte er. »Reiben Sie sich damit ein. Vielleicht hilft es ein wenig.« Delia sah den großgewachsenen Mann dankbar, aber auch ein wenig verlegen an, ehe sie ihren Rock hochzustreifen begann. »Ich sehe mal nach den Indianern«, sagte John Haggerty und schlich auch schon los. Er entdeckte den Reitertrupp in der Ferne. Die Gefahr schien vorüber zu sein. Der erfahrene Westmann wußte aber, daß sie ihr Ziel noch lange nicht erreicht hatten. * Cochises Gewehr spuckte Feuer und Blei. Ein Mustang jagte davon, als hätte man ihm den Schweif angesenkt. Die Kugel des Chiefs hatte sein Fell gestreift. Der Reiter wurde vom Pferderücken geschleudert und landete unsanft in einem Dornbusch. Die fünf anderen Running Bull-Krieger warfen sich von den Tieren und gingen in Deckung. Sie wußten inzwischen, wie präzise der Jefe der Apachen schießen konnte. Cochise hielt sich nicht länger auf, sondern setzte seinen Ritt fort. Und dann wurde es hart für ihn. Er sah die zehn Krieger erst vor sich, als ein Ausweichen nicht mehr möglich war. Auch die aufständischen Apachen erkannten den Häuptling der Chiricahuas. Eine heiße Bleisaat sirrte wie ein wütender Hornissenschwarm zu ihm herüber. Cochise trieb seinen Pinto an, der sich gewaltig streckte und davonjagte. Nur durch viel Glück wurde Cochise nicht verwundet. Hinter einigen Felsen zügelte er sein Pferd. Nun mußte er kämpfen, um selbst am Leben zu bleiben. Die zehn Krieger griffen an. Wie lautlose Schemen huschten sie näher, schossen nicht, um
ihre Positionen nicht zu verraten. Cochise gelang es, zwei der Angreifer zu verwunden. Die Indianer blieben liegen, konnten nicht mehr in den Kampf eingreifen. Cochise feuerte immer wieder, bis er einsah, daß es in wenigen Sekunden zum Kampf Mann gegen Mann kommen mußte. Dem Chiricahua-Chief blieb nichts anderes übrig, als die Flucht zu ergreifen. Er schwang sich auf den Rücken seines Pintos und jagte los. Er überraschte Running Bulls Männer, die mit einer derartigen Attacke nicht gerechnet hatten. Cochise gelang die Flucht. Das wütende Gebrüll der Gegner übertönte sogar die hämmernden Hufschläge. Der Jefe sah sich im Sattel um und lächelte, als er seine einstigen Stammesfreunde wild mit den Gewehren oder anderen Waffen fuchteln sah. Noch stärker trieb er den Mustang an. Der Vorsprung wurde rasch größer. Die Krieger von Running Bull würden ihm folgen. Sie wollten ihn und vor allem die beiden weißen Squaws wieder in ihre Gewalt bekommen. Cochise blinzelte in die Sonne, als er plötzlich drei Reiter vor sich sah. Es handelte sich um den Falken und die weißen Frauen, die langsam ritten. John Haggerty senkte seine Winchester, als er den Freund erkannte, der heranjagte. Cochise blickte die beiden Frauen prüfend an. Priscilla nickte ihm freundlich zu. Delia saß zusammengekrümmt auf dem Rücken des Mustangs. Ihr Körper richtete sich auf. »Galten dir die Schüsse?« fragte Haggerty. »Ich habe schon befürchtet, daß du dem Indianertrupp in die Hände reiten würdest, vor dem wir uns versteckt hatten.« Cochise nickte. »Wir müssen fort«, sagte er kehlig. »Die Verfolger lassen nicht mehr lange auf sich warten.« Der Falke deutete auf einen Hügel, wo Rauchzeichen in den
blauen Himmel stiegen. »Nun wird es brenzlig«, murmelte der einstige Armee-Scout. »Alle Indianer im Umkreis wissen in wenigen Minuten, wo wir uns aufhalten. Dann beginnt die Hetzjagd auf uns erst richtig.« Cochise trieb seinen Mustang an. Die beiden Frauen und John Haggerty folgten ihm. Es gab nichts mehr zu sagen. Nun half nur noch eine rasche Flucht. Running Bull würde sämtliche Krieger aufbieten, um das entflohene Wild wieder einzufangen. Dann aber war das rauhe Spiel verloren. * Eine Stunde später gab es für Cochise, Haggerty und Delia und Priscilla Samson kein Vorwärtskommen mehr. Sie waren von Running Bulls Kriegern umzingelt. Von allen Seiten näherten sich die Indianer. Und ein Durchbruch mit Waffengewalt war unmöglich, weil sonst das Leben der Frauen gefährdet werden könnte. Cochise und seine Freunde verschanzten sich zwischen Felsen und warteten auf den Angriff. John Haggerty sagte: »Wir können auch aufgeben, Ladies. Die Gefahr, von einer verirrten Kugel getroffen zu werden, ist groß. Wir sitzen in der Falle. Ich weiß nicht, wie lange wir uns halten können, denn auch unsere Munition wird langsam knapp.« »Cochise wird kämpfen«, sagte der Chief bestimmt. »Die weißen Squaws sollen sich noch mehr zurückziehen. Dort zwischen den Felsen befindet sich eine Höhle.« Damit war die Entscheidung gefallen. Cochise und John Haggerty wollten Seite an Seite dem Ansturm der aufständischen Apachen trotzen. Running Bulls Krieger huschten näher. Sie wagten keinen Frontalangriff, um nicht dem präzisen Feuer der Donnerbüchsen
ihrer Gegner ausgesetzt zu sein. John Haggerty lächelte grimmig, während das Gesicht des Häuptlings der Apachen unbewegt blieb. Die beiden Freunde eröffneten das Feuer auf die anschleichenden Indianer, deren Angriff ins Stocken geriet. Zwei von ihnen blieben regungslos liegen. Trotzdem wußten Cochise und John Haggerty, daß die Übermacht zu groß war. Und noch immer sahen sie Indianerrudel, die sich auf schnellen Mustangs näherten. Der Jefe und der Falke standen einem so zahlreich überlegenen Gegner gegenüber, daß ihre Chancen verschwindend klein waren, diesen Kampf zu gewinnen. Immer wieder peitschten Schüsse auf. Cochise und Haggerty mußten mehr als einmal die Köpfe einziehen, wenn der Bleihagel zu schlimm wurde. Aber sie gaben nicht auf. Running Bulls Krieger rückten unaufhaltsam näher. Diesmal hatten sie den Gegner in die Enge getrieben. Es konnte für das Bleichgesicht und dem Jefe kein Entkommen geben. John blutete an der Wange. Ein verirrter Steinsplitter hatte ihn getroffen. Haggerty achtete nicht darauf. Er tauchte hinter dem Felsen hervor und feuerte auf einen Angreifer, der von einem Mesquitebusch zum anderen huschte. Der Apache blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand gelaufen und drehte sich um die eigene Achse, ehe er lautlos zur Seite kippte. Eine Feuerpause trat ein. Running Bulls Krieger bereiteten sich auf den letzten Angriff vor, bei dem sie die Gegner einfach überrennen und im Zweikampf niedermachen wollten. John Haggertys Augen weiteten sich plötzlich. »Nun ist es endgültig aus und vorbei«, stöhnte der Falke. »Dort drüben tauchen mehr als vierzig weitere Krieger auf.« Auch Cochise erkannte die Reiter, die zwischen den Hügeln hervorgeritten kamen und auf den Ort des Kampfgeschehens
zuhielten. Der Häuptling der Chiricahuas schüttelte plötzlich den Kopf. Ein sanftes Lächeln legte sich auf seine Lippen. John sah den Jefe verblüfft an. »Du scheinst dich noch zu freuen, Cochise«, stieß er hervor. »Viel Feind, viel Ehr. Darauf kann ich aber verzichten.« »Das ist Naiche, mein Sohn, mit meinen Chiricahuas«, sagte Cochise. Stolz klang in seiner Stimme auf. »Sie werden Running Bulls Krieger zum Laufen bringen.« So war es auch. Innerhalb weniger Minuten war der Spuk vorbei. Die aufständischen Indianer flohen, denn sie rechneten sich gegen die Chiricahuas keine Chance aus. John Haggerty fuhr sich übers Gesicht und merkte erst jetzt, daß es schweißüberströmt war. Cochise legte dem weißen Bruder eine Hand auf die Schulter. Dann sagte der Häuptling der Apachen: »Der Falke hat gut und tapfer gekämpft. Er soll sich nicht grämen, daß die Krieger der Chiricahuas uns zu Hilfe kommen.« John Haggerty grinste. »Grämen?« fragte er. »Ich denke nicht im Traum daran, Cochise. Ich bin heilfroh, daß wir Hilfe erhalten haben.« Delia und Priscilla traten zu den beiden Männern. Zuerst erschraken sie, als sie den großen Reitertrupp sahen. John klärte die beiden Frauen rasch auf. Und er sah die Erleichterung in den Augen der beiden Frauen, die sich umarmten. * John Haggerty bedankte sich bei Naiche. Der Häuptlingssohn antwortete stolz: »Der Falke hat mir erst vor einiger Zeit das Leben gerettet. Ich freue mich, einen Teil meiner Schuld abtragen zu können. Die tapferen Krieger der Chiricahuas
werden für den Falken und die weißen Squaws kämpfen.« Naiche senkte den Kopf. Cochise nickte seinem Sohn zu. »Der Falke, die Squaws und auch Cochise reiten zum Lager der Blauröcke, um die Squaws hinzubringen. Es ist Naiches Aufgabe, die Männer Running Bulls fernzuhalten.« Der Häuptlingssohn senkte erneut den Kopf. »Mein Vater kann beruhigt reiten. Naiche und die Krieger wachen über ihn und seine Freunde.« Schon bald ritten Cochise, Haggerty und die Frauen davon. Von den aufständischen Apachen war nichts mehr zu sehen. Running Bull mußte eingesehen haben, daß es für ihn nichts mehr zu holen gab. Er hatte das Spiel verloren. Zwei Stunden später sah John Haggerty eine Armeepatrouille zwischen den Hügeln herausreiten. Es handelte sich um zehn Soldaten, die von Lieutenant Wolter angeführt wurden. Die Erleichterung stand dem Offizier im Gesicht geschrieben, als er Frau und Tochter seines Vorgesetzten unverletzt vor sich sah. Er ließ anhalten und die Leute einen Ring um den Reitertrupp bilden, ehe er aus dem Sattel glitt und zu den beiden Männern und den Frauen trat. Mark Wolter grüßte militärisch. Er nickte dem Falken und auch dem Häuptling der Chiricahuas zu. Dann wandte er sich an die beiden Frauen, die lächelten und sich nichts von den Strapazen des Höllentrails anmerken lassen wollten. »Herzlich willkommen, Ladies«, sagte der Lieutenant. »Colonel Samson wird außer sich vor Freude sein. Wenn Sie mir bitte ins Camp folgen würden?« »Danke, Lieutenant«, antwortete Mrs. Samson, nachdem sie sich geräuspert hatte. Bald setzte sich der Reitertrupp in Bewegung. Priscilla warf hin und wieder einen Blick zurück, als könne sie es noch immer
nicht fassen, einem grausamen Schicksal entronnen zu sein. Die Freude von Stuart B. Samson war unmilitärisch groß. Er ließ es sich nicht nehmen, Frau und Tochter in seine Arme zu schließen. Delia weinte, und auch Priscilla war den Tränen nahe. Der Colonel redete den beiden Frauen gut zu und führte sie zu seinem Zelt, wo sich bald ein Arzt um Delia kümmerte. Samson trat schon bald zu seinen Leuten und ordnete erhöhte Alarmbereitschaft an. Dann ging er auf Cochise und John Haggerty zu. Er schüttelte beiden die Hände. »Ich weiß nicht, wie ich Ihnen beiden danken kann«, sagte der Offizier zu Haggerty. »Ich habe schon mit dem Schlimmsten gerechnet. Nun wird aber alles gut werden.« »Cochise ist es gewesen, der die beiden Frauen befreite«, sagte John Haggerty. »Ihm gebührt der Dank, Colonel. Und ich wüßte schon, wie Sie ihm ein wenig Dankbarkeit zeigen könnten.« Stuart B. Samson blickte den Häuptling der Chiricahuas mit schiefgelegtem Kopf an. »Was haben Sie auf dem Herzen, Häuptling?« »Was wird nun geschehen, nachdem die Squaws frei sind?« stellte Cochise eine Gegenfrage. Der Colonel zupfte an seinem Kinnbart, der an einigen Stellen grau schimmerte. »Ich muß für Ruhe und Ordnung sorgen, Chief. Mit anderen Worten: ich muß diesen Running Bull fassen und den Aufstand niederschlagen. So lautet mein Befehl.« Cochise nickte leicht, während er den ehemaligen Chief Scout von General Howard lange ansah. »Cochise will den Frieden. Er wird Running Bull fassen und nach den Gesetzen der Apachen bestrafen.« Der Offizier wiegte den Kopf. »Sie wollen, daß es keine Strafexpedition gegen die aufständischen Indianer gibt, Chief. Glauben Sie, mit Running
Bull und seinen Kriegern fertig zu werden?« Cochise nickte entschlossen. »Der Häuptling der Apachen verspricht, daß er das Problem auf seine Weise lösen wird. Er will nicht, daß weiße und rote Männer sterben, denn sonst war sein Einsatz sinnlos.« Stuart B. Samson atmete tief durch. Er sah John Haggerty ernst nicken. »So einfach ist es nicht, Cochise. Sie wissen das genau. Ich nehme an, daß dieser Running Bull als nächstes den Waffentransport überfallen wird. Nur so glaubt er, noch an die Gewehre zu gelangen. Meine Leute wehren sich natürlich. Ich habe dem Conestoga Verstärkung entgegengeschickt.« John Haggerty schaltete sich in das Gespräch ein. »Cochise und ich reiten zu Lieutenant John Harris und dem Wagen. Wir stellen Running Bull eine Falle. Die Niederlage wird ihn sehr treffen, und die Krieger werden ihn im Stich lassen und zu ihren Stämmen zurückkehren. Running Bull wird niemals der große Chief werden, so wie er es sich erträumte.« »Einverstanden«, sagte der Colonel. »Ich gebe Ihnen einen Vorsprung von zwölf Stunden, ehe ich Ihnen folge. Dann gibt es keine Gnade für die Apachen, wenn sie sich nicht ergeben. Mehr kann ich nicht tun, Gents. Ich hoffe, Sie sehen das ein?« »Cochise ist einverstanden«, antwortete der Häuptling der Chiricahuas. »Er bittet um Pferde für sich und den Falken, um schnell das rollende Wicki-up zu erreichen, das die Bleichgesichter Conestoga nennen.« »Das wird geschehen, Chief. Um es nochmals klipp und klar zu sagen, Leute: in zwölf Stunden breche ich auf. Dann wird es keinen Aufschub mehr geben.« Colonel Stuart B. Samson salutierte und ging zu seinen Männern zurück. Sergeant Hasting führte einige Minuten später zwei erstklassige Pferde heran. »Cochise kann auch in einem Sattel der Blauröcke reiten«, erklärte der Jefe, als er den fragenden Blick des Sergeant sah.
John Haggerty erbat sich noch Munition für die Gewehre, ehe er und Cochise davonritten. Ihr Weg führte ins Niemandsland hinein, in die Pedrogosa Mountains in der Nähe der mexikanischen Grenze. * Ein harter Ritt lag hinter Cochise und John Haggerty. Der Chiricahua hatte die Führung übernommen. Er kannte viele Abkürzungen und Schleichwege, die den beiden Männern viele Stunden harten Ritts ersparten. Der Abend dämmerte bereits, als sie sich dem Zielgebiet näherten, in dem sich der Conestoga mit der angeblichen Waffenlieferung befinden mußte. Cochise zügelte das Armeepferd hinter einem Dickicht. Auch John Haggertys Pferd war mit einer dampfenden Schicht aus Staub und Schweiß bedeckt. »Wenn die Angaben des Falken stimmen, müssen er und Cochise in der Nähe des Wagens sein«, sagte der Indianer-Chief. »Seine Sorgen gelten Running Bull. Es ist möglich, daß er mit seinen Kriegern schon in der Nähe lauert. Bei Sonnenuntergang wird er angreifen. Das möchte Cochise verhindern.« »Hast du schon einen Plan?« fragte der Falke. »Cochise wird Running Bull zur Aufgabe auffordern«, stieß der Jefe hart hervor. »Wenn er nicht zustimmt, muß er sterben. Der Plan des Falken ist gut, den Wagen ›in die Luft zu jagen‹, wie er es ausdrückte.« »Das glaube ich auch, Cochise. Wenn die Krieger anstürmen, lassen wir die Pulverfässer und die Dynamitpatronen explodieren. Vom Conestoga bleibt nicht mehr viel übrig. Vielleicht verscheucht der Schrecken die Krieger. Auch Running Bull muß annehmen, daß alle Gewehre vernichtet worden sind. Nun sollten wir erst einmal zum Wagen reiten.
Lieutenant John Harris muß erfahren, was in den letzten Stunden geschehen ist. Bestimmt rechnet er mit keinem Überfall.« Cochise und der Falke ritten los. In spätestens zwei Stunden würde die Sonne hinter einem Gipfel der Pedrogosa Mountains untergehen. Bis dahin mußte alles vorbereitet sein, um den aufständischen Indianern eine Niederlage beizubringen. Die beiden Reiter ritten vorsichtiger, hielten immer wieder an und sahen sich um. Es bestand die Gefahr, daß sie von Running Bulls Leuten entdeckt wurden. Nichts rührte sich im weiten Rund. Cochise nickte öfter zufrieden. Endlich entdeckten sie den Conestoga mitten in einem Tal. Das Gefährt zuckelte dahin, von dem müden Achtergespann gezogen und den Soldaten flankiert. Lieutenant John Harris freute sich, die beiden Männer zu sehen. Er begrüßte sie sehr herzlich. Haggerty berichtete ausführlich und sprach am Ende von der Gefahr eines bevorstehenden Überfalls. John Harris' Gesicht wurde um einige Nuancen finsterer. Er blickte auf seine Leute. Es waren ungefähr dreißig Soldaten, die den Conestoga umgaben und neugierig auf Cochise und den Scout blickten. »Wie viele Krieger wird Running Bull noch haben?« fragte der Offizier. »Vielleicht fünfzig oder auch mehr. Cochise und ich haben den aufständischen Apachen große Verluste zugefügt. Viele Krieger sind verwundet. Running Bull wird aber nochmals alles daransetzen, um in den Besitz der Gewehre zu gelangen, die er im Wagen vermutet.« John Harris lächelte düster. »Wie wäre es, wenn wir dem größenwahnsinnigen Indianer-King die Wahrheit sagen?« fragte der Lieutenant. »Wenn er erst selbst sieht, daß es keine Gewehre gibt, muß er
sich geschlagen geben.« Cochise schüttelte sofort den Kopf. »Running Bull wird es nicht glauben. Er nimmt dann an, daß die Blauröcke die Waffen irgendwo unterwegs versteckt haben. Es wird viel Blut fließen. Cochise spricht mit Running Bull.« »Ich erkläre Ihnen meinen Plan, Lieutenant«, sagte John Haggerty. »Mit ein wenig Glück klappt die Falle zu. Dann wird Running Bull erledigt sein. Er hat viel Unruhe und Unfrieden unter seine Stammesbrüder gebracht.« John Harris lächelte schwach. »Wir werden sehen, Mr. Haggerty. So richtig wohl fühle ich mich nicht in meiner Haut.« Nun grinste auch der Falke. »Wenigstens in diesem Punkt sind wir einer Meinung, Lieutenant«, antwortete der Scout. * Die Abenddämmerung senkte sich rasch über die rauhe Bergwildnis. Die Konturen aller Gegenstände verblaßten immer mehr, schien von den dunklen Schatten der Nacht aufgefressen zu werden. »Indianer!« Der Warnschrei eines Soldaten gellte durch die abendliche Stille und brachte die Männer, die keine Wache hatten, auf die Beine. Cochise und John Haggerty standen dicht beeinander. Auch sie starrten auf die Apachen, die in das Tal hineinritten. Der Strom aus Mustangleiber schien nicht abreißen zu wollen. »Das sind mehr als fünfzig Krieger«, sagte der Falke dumpf. »Running Bull bietet nochmals seine gesamte Kriegsmacht auf, um uns alle zu erschrecken. Ich hatte angenommen, daß er aus dem Hinterhalt zuschlagen würde.« Cochise antwortete: »Running Bull möchte keine großen
Verluste. Er will mit dieser Machtdemonstration die Blauröcke einschüchtern, damit sie ihm den Wagen mit den Waffen freiwillig übergeben. Das würde sein Ansehen steigern. Wir lassen es nicht zu«, fügte er hinzu und trat zu seinem Pferd. »Cochise spricht mit Running Bull.« »Ich werde dich begleiten«, antwortete John Haggerty. »Cochise reitet allein. Es ist seine Aufgabe, denn er ist der Häuptling der Apachen.« John Haggerty zuckte mit den Achseln und blickte dem Apachen-King nach, der das Lager verließ. John Harris schob sich neben den Falken. »Vielleicht kann er diesen wildgewordenen Indianer zur Räson bringen«, sagte er hoffnungsvoll. »Wenn nicht, läuft alles nach Plan. Meine Soldaten sind eingeweiht, Haggerty.« John nickte. Noch immer blickte er auf Cochise, der Running Bulls Krieger entgegenritt. Der Reiterpulk zügelte plötzlich die Pferde. Nur ein einziger Indianer ritt dem Apachen-Chief entgegen. Cochise erkannte schon bald Running Bull, der mit finsterem Gesicht heranritt. Wenige Schritte vor dem Chiricahua zügelte er seinen drahtigen Mustang. Seine Zähne mahlten. Cochise erkannte den flammenden Zorn in den dunklen Augen seines Gegners. »Running Bull wird nie ein großer Häuptling sein«, rief Cochise. »Er führt seine Leute schlecht und mußte eine Niederlage nach der anderen hinnehmen. Nun sucht er wieder den Kampf, um viele seiner Krieger in den Tod zu führen. Cochise spricht zu ihm als Freund und nicht als Gegner; denn er möchte das Leben vieler junger Apachen retten, die sich Running Bull voller Begeisterung angeschlossen haben.« Running Bull lächelte verächtlich. »Cochise ist ein Verräter, der sich gegen seine eigenen Brüder wendet und ihnen großen Schaden zufügt. Sein Name soll verflucht sein. Die Krieger der Apachen werden ihn verachten
und aus ihren Herzen streichen.« »Du sprichst wie ein Narr, Running Bull«, erwiderte Cochise, ohne die Ruhe zu verlieren. »Cochise ist nicht so blind, wie sein Gegenüber, der einem Maulwurf gleicht. Er kennt die Bleigesichter genau und weiß, daß der rote Mann nur eine Chance hat, in Frieden mit den Weißhäutigen zusammenzuleben. Wir sind nur noch wenige tapfere Krieger, während die Bleichgesichter viele Tausende und abermals Tausende sind. Sie sind wie eine Flut, gegen die es kein Bollwerk gibt. Cochise fordert dich zur Aufgabe auf. Im rollenden Wicki-up sind keine Gewehre. Running Bull ist auf einen Bluff hereingefallen. Es wartet nur der Tod auf ihn und seine Krieger. Die Blauröcke werden kämpfen und gewinnen. Das weißt du längst, Running Bull. Cochise fordert dich nochmals zum Zweikampf heraus. Wenn er dich besiegt, werden ihm die abtrünnigen Krieger wieder gehorchen.« Running Bull lachte meckernd und schüttelte wild den Kopf. Seine langen schwarzen Haare, die durch ein Stirnband gehalten wurden, wirbelten nur so um seine Schultern. »Ist das alles, was Cochise zu sagen hat?« fragte er spöttisch. »Es klingt wie das Gezanke eines alten Weibes. Running Bull will den Jefe der Blauröcke sprechen.« Die beiden Männer maßen sich mit harten Blicken. Dann zog Cochise sein Pferd herum und ritt zum Conestoga zurück. Seine Mission war gescheitert. Der Kampf war nicht mehr zu verhindern, obwohl der Häuptling der Chiricahuas nochmals versucht hatte, das bevorstehende Blutbad zu verhindern. * »Es ist alles klar, Mr. Haggerty«, sagte Lieutenant Harris. »Meine Leute ziehen sich nun zurück, bevor die Apachen angreifen. Wir igeln uns dort drüben in der Bodenmulde ein. Es
gibt genügend Büsche, die uns außerdem noch Deckung bieten. Die Pferde sind von einigen meiner Soldaten bereits hingebracht worden.« Haggerty nickte und blickte Cochise an, der mit ernstem Blick zum Taleingang blickte, wo sich Running Bull und seine Krieger noch immer aufhielten. Mondlicht lag wie ein silberner Hauch über dem Tal. Cochise sah die Mustangs seiner roten Brüder, die von wenigen Kriegern bewacht wurden. Die anderen Indianer konnte er nicht entdecken. Cochise brauchte kein großer Prophet zu sein, um zu wissen, daß sie sich anschlichen, um den Conestoga-Schoner im ersten Handstreich zu nehmen. »In wenigen Minuten ist es soweit«, flüsterte John Haggerty. »Ich jage den, Conestoga in die Luft. Dann ist die Hölle los. Cochise sollte sich mit den Blauröcken zurückziehen.« Es schien, als sträube sich der Chiricahua. Dann nickte er langsam und trat zu dem Lieutenant und den Soldaten, die in die Dunkelheit starrten, aber keine huschenden Gestalten erkennen konnten. »Zieht euch zurück, Jungs«, rief Haggerty den Soldaten zu. »Es geht gleich los. Und feuert nur nicht auf mich, wenn ich wie ein geölter Blitz angesaust komme.« Die Blauröcke grinsten und krochen davon. Schnell erreichten sie die Bodenmulde, in der sie verschwanden. Der frühere Armee-Scout kauerte sich hinter einen Busch. Schußbereit hielt er seine Winchester in den Händen. Der Conestoga stand eine halbe Steinwurfweite entfernt neben einigen Büschen, die sich im sanften Wind wiegten. Haggerty lauschte. Der Ruf eines jagenden Nachtfalken ertönte durch die nächtliche Stille. John konnte nicht unterscheiden, ob wirklich ein Raubvogel diesen Schrei ausgestoßen hatte, oder ob sich anschleichende Indianer untereinander verständigten.
Noch immer konnte er keinen von Running Bulls Kriegern erkennen. Es gab aber keine Zweifel, daß sie näherschlichen, um über die Blaubäuche herzufallen und den Conestoea zu erobern. Einige dunkle Gestalten schienen in der Nähe des Wagens zu kauern. Es handelte sich um ausgestopfte Decken, die aus einiger Entfernung wie Menschen aussahen, die auf den Angriff der Rothäute warteten. John hoffte, daß die aufständischen Apachen auf diesen Bluff hereinfallen würden. Dann war es soweit. Running Bull und seine Krieger griffen an. Sie wuchsen überall aus dem Boden. Ihr gellendes »Zastee – tötet« ertönte. Und diese Schreie konnten unerfahrenen Bleichgesichtern schon das Blut in den Adern gefrieren lassen. John Haggerty kannte keine Schrecksekunde. Er feuerte sofort, denn er wollte die Apachen nicht zu nahe an den Wagen herankommen lassen. Die Indianer sollten einen höllischen Schrecken kriegen, wenn der Conestoga in die Luft flog. So war es auch. Der Wagen entwickelte sich innerhalb von Sekundenbruchteilen zu einem feuerspeienden Vulkan. Der Explosionsdonner schallte hallend durch das Valley. Brennende Holzstücke wirbelten durch die Luft. Rauch und eine Staubwolke breiteten sich aus, die sowohl John Haggerty als auch den angreifenden Indianern die Sicht nahmen. Die Apachen standen zum Teil erschrocken im lodernden Feuerschein des brennenden Conestoga, von dem nicht viel übriggeblieben war. Auf viele Yards verteilt, fielen die brennenden Holzteile zu Boden. Einige Apachen stürzten, blieben liegen, andere krochen schreiend davon und wieder andere liefen, als wäre ihnen ein böser Geist persönlich erschienen. Innerhalb weniger Minuten war der Spuk vorbei. Von der
Bodenmulde klangen vereinzelte Schüsse. Die Soldaten schossen auf Indianer, die von dieser Seite angreifen wollten. John Haggerty erhob sich aus dem Gras und schlich zu den Blaubäuchen hinüber. Der Feuerschein reichte aus, daß die Soldaten ihn erkannten. Der erfahrene Scout kniete sich neben John Harris, der ihn lächelnd ansah. »Das war's wohl vorerst gewesen, nicht wahr, Haggerty?« fragte der Lieutenant. »Ihr Plan war große Klasse. Die Routhäute haben bestimmt erst einmal die Nase voll und greifen nicht so schnell wieder an.« John Haggerty nickte erleichtert. Er hoffte, daß Running Bull und seine Krieger endlich aufgaben. Und nach dieser Niederlage würde der selbsternannte Chief ausgespielt haben. Auch die fanatischsten seiner Krieger mußten erkennen, daß er alles andere als ein großer Führer oder sogar ein neuer Messias war, der die Apachen von Sieg zu Sieg rühren konnte. John sah sich um. »Wo ist Cochise?« fragte er den Lieutenant, der seinen Blicken gefolgt war. »Cochise ist gleich nach der Explosion davongeschlichen«, erklärte Lieutenant John Harris. »Er will sich Running Bull holen, damit das alles ein Ende hat«, sagte John Haggerty nicht gerade begeistert. »Das ist gefährlich. Wir können aber für den Jefe nichts tun.« »Er wird es schaffen«, sagte der Offizier bestimmt. »Cochise ist ein großer Krieger, und ich bin froh, daß er nicht auf der anderen Seite steht.« »Das können Sie laut sagen, Lieutenant«, stimmte der frühere Armee-Scout zu. »Cochise wird irgendwann in die Geschichte eingehen, wenn es nicht bereits schon geschehen ist. Sein Ruf ist schon heute legendär. Er ist ein großer Krieger und ein noch größerer Häuptling. Ohne ihn wären die Apachen längst verloren und von den Bleichgesichtern bis auf den letzten Mann
niedergekämpft worden.« Lieutenant John Harris nickte nur. »Das klingt ja fast wie ein Nachruf, Haggerty«, antwortete er mit verkniffenem Gesicht. »Drücken wir ihm die Daumen, damit er Running Bull einfängt.« Nun nickte auch der Falke. »Yeah, Lieutenant, das sollten wir tun.« * Nachdem die Explosion den Conestoga-Schoner zerrissen hatte, setzte sich Cochise wie ein lautloses Phantom in Bewegung. Er schlich auf die Pferderemuda der abtrünnigen Krieger zu. Hin und wieder duckte sich der Chief, wenn huschende Schatten in seiner Nähe auftauchten, die voller Panik in Richtung der Mustangs eilten. Cochise lächelte düster. Er gönnte den Kriegern die Abfuhr, hoffte aber, daß nicht zu viele von ihnen verletzt oder sogar getötet worden waren. Noch immer stritten zwei Seelen in seiner Brust. Es widerstrebte ihm, gegen seine eigenen Landsleute zu kämpfen, obwohl er wußte, daß es nur diese eine Möglichkeit gab, den Frieden wieder herzustellen. Cochise kauerte sich hinter einen Busch und starrte auf die Mustangs, die nervös tänzelten, wieherten und prustend schnaubten. Die Explosion hatte die Pferde nervös gemacht. Immer mehr Krieger sammelten sich in der Nähe der Mustangs. In einigen Gesichtern erkannte Cochise den heillosen Schrecken, den der explodierende Conestoga verursacht hatte. So sehr seine Blicke auch suchten, Cochise konnte Running Bull nirgends erkennen. Das gefiel dem Häuptling der Chiricahuas nicht. Er schlich weiter, näherte sich noch mehr den Kriegern, ohne aber von diesen entdeckt zu werden.
Die meisten abtrünnigen Apachen saßen nun am Boden, waren voller Resignation, daß ihr Angriff so kläglich gescheitert war. Ihre Siegeszuversicht hatte sich in Nichts aufgelöst. Cochise wußte, daß bei einem Angriff der Blauröcke die Krieger kaum eine Chance hatten, dem Tod zu entgehen. Der Häuptling der Apachen wußte aber auch, daß die Soldaten nicht angreifen würden. So hatte er es mit dem Anführer der Blauröcke vereinbart. Der Jefe schlich weiter. Noch immer näherten sich vereinzelte Krieger den Mustangs. Manch einer von ihnen schleppte einen verwundeten Gefährten mit. Running Bull befand sich nicht unter ihnen. Minuten vergingen, die Cochise endlos erschienen. Noch immer schlich er durch das Tal auf der Suche nach dem Chief der aufständischen Indianer. Plötzlich entdeckte er Running Bull, der im tiefen Schatten eines Cottonwoods stand und mit verzerrtem Gesicht zu den Soldaten hinüberstarrte. Noch immer erhellte flackernder Feuerschein an vereinzelten Stellen das Valley, dort, wo der Conestoga in die Luft geflogen war. Cochise nickte zufrieden und schlich vorsichtig auf Running Bull zu, dem nichts mehr von seiner Überheblichkeit geblieben war. Bald hatte sich der Chiricahua bis auf wenige Schritte an den Gegner herangeschlichen. Er erhob sich. Dunkel und wie eine finstere Bedrohung stand der Apachen-King hinter Running Bull, »Wenn du Cochise suchst, er steht hinter dir!« Running Bull bewegte sich zuerst nicht, dann versteifte sich sein gedrungen wirkender Körper. Er atmete tief durch und wandte sich Cochise zu. Der Häuptling der Chiricahuas richtete den Lauf seines Gewehres auf die Brust seines Gegenübers. Running Bull starrte
den Chief der Apachen finster an. Auch er hielt ein Gewehr in den Händen, dessen Lauf aber zu Boden zeigte. »Running Bull hat verloren und zwar so, wie ich es ihm gesagt habe. In dem rollenden Wicki-up befanden sich keine Gewehre, sondern nur Pulver und die kleinen Stäbchen, die von den Bleichgesichtern Dynamitpatronen genannt werden. Running Bull ist auf den Trick der Weißhäutigen hereingefallen. Zum Glück wurden nur wenige seiner Krieger getötet oder verwundet. Running Bull ist der Gefangene von Cochise, der bald das Urteil über ihn fällen wird!« Running Bull lachte heiser. Sein Gesicht verzerrte sich immer mehr. Bleiches Mondlicht spiegelte sich in seinen haßerfüllt funkelnden Augen. Die wulstigen Lippen zuckten. »Running Bull ergibt sich nicht, Cochise«, stieß er heiser hervor. »Der Chiricahua muß ihn besiegen. Freiwillig wird er Cochise auf keinen Fall folgen.« Das hatte sich der Häuptling der Apachen schon gedacht. Nach wie vor zielte er mit dem Gewehr auf den Besiegten, der die Winchester aber einfach ignorierte. »Dann wird Cochise seinen Gegner töten.« Running Bull lächelte nun spöttisch. Er ließ sein Gewehr einfach fallen und reckte dem Jefe seine nackte Brust entgegen. »Töte mich, Cochise«, stieß er hervor. * Cochise hatte noch niemals in seinem Leben auf einen waffenlosen und wehrlosen Menschen geschossen, mochte er es auch hundertmal verdient haben. Der Chief näherte sich langsam Running Bull, dessen Körper sich wie zum Sprung duckte.
Dann schnellte der Apache auch schon wie ein wütender Puma auf Cochise zu, der sein Gewehr fallen ließ und zur Seite steppte. Running Bull sauste an ihm vorbei, wirbelte wie ein tollwütiger Büffel herum und warf sich erneut nach vorn. Der Jefe kannte keine Gnade. Er schlug zu. Unter den schmetternden Hieben brach Running Bull zusammen. Es blieb ihm keine Abwehr. Zu unerfahren war der selbsternannte Chief im Faustkampf, in dem Cochise von seinem weißen Bruder John Haggerty unterrichtet worden war. Cochise blieb vor dem Besiegten stehen, nachdem er sein Gewehr aufgehoben hatte. Huschende Gestalten näherten sich. Es handelte sich um Running Bulls Krieger, die sich wie eine Mauer vor dem Chiricahua aufbauten. Gewehre und auch Pfeile waren auf Cochise gerichtet, der darauf aber nicht reagierte. Der besiegte Running Bull quälte sich auf die Knie und stöhnte leicht. »Es ist vorbei, meine roten Brüder«, ergriff der Häuptling der Apachen das Wort. »Running Bull kniet besiegt zu meinen Füßen. Er war euch kein guter Jefe. Er brachte euch nur Unglück. Viele eurer Brüder mußten sterben oder wurden verwundet. Running Bull wird einer gerechten Strafe nicht entgehen. Ihr solltet heimkehren zu euren Sippen und Stämmen. Der Krieg gegen die Bleichgesichter und die Blauröcke ist vorüber. Cochise verzeiht euch. Er läßt euch gehen. Mehr hat euch der Häuptling der Apachen nicht zu sagen.« Cochises Worte verhalten. Stolz stand er vor den Kriegern und reckte ihnen herausfordernd das Kinn entgegen. Die meisten Apachen blickten zu Boden. Einige wandten sich ab, liefen auf die Mustangs zu, andere folgten schnell. Ein großer Teil aber blieb. Running Bull erhob sich. Sein Blick flackerte wie eine fast niedergebrannte Kerze. Das Kinn schwoll an, wo ihn Cochises Fäuste hart getroffen hatten. »Running Bull wird dem Chief zu den Blauröcken folgen!«
Der Apache zögerte, nickte aber, als Cochise ihm drohend eine Faust vor die Nase hielt. Einige Minuten später erreichten die beiden Indianer die Soldaten. John Haggerty und Lieutenant Harris traten ihnen entgegen. Der Falke atmete auf, als er sah, daß sein roter Bruder unverletzt war. Der Offizier bedachte Running Bull mit wenig freundlichen Blicken. Er rief: »Legt den roten Bastard in Ketten, Männer!« Cochise schüttelte den Kopf. »Running Bull ist Cochises Gefangener. Nur er bestimmt, was mit ihm geschehen soll.« Der junge Lieutenant schluckte und blickte Cochise überrascht an, der erneut den Kopf schüttelte. »Cochise hat recht«, sagte John Haggerty. »Der Indianer ist sein Gefangener. Daran führt kein Weg vorbei, Harris. Sie sollten sich fügen.« Zwei Korporale blieben stehen. Die Handschellen in ihren Händen klirrten leise. »Okay«, knurrte Harris. »Das soll Colonel Samson entscheiden. Es kann nicht mehr lange dauern, bis er mit dem Rest unserer Leute eintrifft.« Damit war die Sache für den Offizier erledigt. Er trat zu seinen Leuten. Bestimmt gibt er nun Befehle, gut auf den Gefangenen zu achten, dachte der Falke. Cochise fesselte inzwischen den besiegten Running Bull an einen Baumstamm, ehe er zu John Haggerty zurückkehrte. »Was hast du vor?« fragte der Falke. Cochise gab keine Antwort. * Ein neuer Morgen graute. Die restliche Nacht war ruhig verlaufen, obwohl Running
Bulls besiegte Krieger das Tal noch nicht verlassen hatten. Der Gefangene hing in seinen Fesseln am Stamm des Cottonwoods und bot einen kläglichen Anblick. Nur wenige Schritte entfernt kauerten vier Soldaten, die ihn bewachten. Hufschläge näherten sich vom Taleingang. Der klirrende Trab einer Kavallerieabteilung war weit zu hören. Dann tauchten auch schon die ersten Blauröcke auf. An der Spitze ritt Colonel Stuart B. Samson. Zwischen den Soldaten die beiden Frauen. Running Bulls Krieger zogen sich bis zum gegenüberliegenden Talhang zurück. Sie unterließen alles, was auf Feindseligkeiten hindeuten konnte. Gegen die geballte Streitmacht der Blaubäuche hatten die Indianer auch nicht den leisesten Hauch einer Chance. Lieutenant John Harris erstattete seinem Vorgesetzten Meldung, der zufrieden nickte und anerkennende Blicke in Richtung Cochise und Haggerty schickte. »Herzlichen Glückwunsch«, sagte der Offizier wenige Minuten später, nachdem er die beiden Männer begrüßt hatte. »Es ist also geschafft, Häuptling. Running Bull ist nun endgültig besiegt. Ich nehme ihn mit nach Fort Bowie, wo er vor ein Kriegsgericht gestellt wird.« Cochises Gesicht verhärtete sich. Colonel Stuart B. Samson sah es mit Verwunderung. »Sind Sie anderer Meinung, Cochise?« »So ist es«, antwortete der Chiricahua ruhig. »Running Bull gehört Cochise. Er hat ihn gefangen. Cochise bestraft seinen Gefangenen selbst. Er braucht dazu nicht die Hilfe des weißen Mannes.« Samson kaute auf seiner Unterlippe. Die Worte des großen Apachen gefielen ihm nicht. »Ich habe meine Vorschriften und Befehle, Chief«, entgegnete er. »Mir bleibt keine andere Wahl, als den Gefangenen nach Fort Bowie zu überstellen. Bitte sehen Sie das
ein, Cochise. Ich… « Erneut erklangen Hufschläge vom Taleingang auf. Es waren mehr als hundert Indianer, die auf schnellen Mustangs in das Tal jagten. Die Soldaten erschraken und griffen zu den Waffen. »Nicht schießen, Sir«, rief John Haggerty. »Das ist Naiche mit den Chiricahuas. Und ich erkenne auch Victorio, den Häuptling der Mimbrenjos, mit seinen Kriegern. Ein einziger unbedachter Schuß kann ein Blutbad auslösen.« Colonel Samson gab die entsprechenden Befehle. Die Apachen zügelten ihre Pferde und formierten sich dann zu einer Schützenkette. Ihre Waffen funkelten in den Strahlen der aufgehenden Sonne. Es war ein Anblick voll heidnischer Pracht, den die Apachenkrieger boten. Manch einer der Soldaten schluckte. Andere bekreuzigten sich. Colonel Samson sah Cochise von der Seite an. »Das haben Sie gut geplant, Cochise«, sagte er leise. »Wollen Sie mit den Kriegern Ihrer Forderung Nachdruck verleihen?« »Cochise wußte nichts von den Kriegern«, bekannte der Chief. »Sie sind ohne mein Wissen hier.« Colonel Samson schien den Worten des Apachen-King nicht so richtig zu trauen. »Auf jeden Fall sind Ihre Krieger genau zum richtigen Zeitpunkt aufgetaucht.« »Das stimmt, Colonel, hat aber nichts damit zu tun, daß Running Bull der Gefangene von Cochise ist.« »Was haben Sie mit ihm vor?« Der großgewachsene Körper des Apachen-Häuptlings straffte sich. Sein breiter Brustkasten hob sich mehrmals, als Cochise tief durchatmete. »Der Jefe der Apachen wird mit Running Bull kämpfen und ihn entgültig besiegen. Dann hat er das Gesicht vor allen seinen Anhängern endgültig verloren.« »Ein Zweikampf?« fragte Haggerty interessiert.
Cochise blickte den Falken an, der aber nur mit den Achseln zuckte. Colonel Stuart B. Samson nagte erneut an seiner Unterlippe. Anscheinend überlegte er, ob er das alles mit seinen Vorschriften in Einklang bringen konnte. »Ich kann es wohl nicht verhindern«, sagte er ausweichend. »Sie haben nun einmal die besseren Karten, Cochise. Außerdem haben wir Ihnen viel, sehr viel zu verdanken.« Der Colonel blickte zu Delia und Priscilla hinüber, die im Schatten eines Baumes lagen und sich noch immer nicht ganz von den Strapazen des Ritts erholt hatten. »Wann soll der Kampf stattfinden?« fragte Haggerty. Er zeigte seine Besorgnis nicht, daß Cochise gegen den gefangenen Running Bull zum Zweikampf antreten wollte. »Sobald ich mit Naiche und Victorio gesprochen habe«, sagte der Häuptling der Chiricahuas. Langsam ging er auf die Phalanx der Apachenkrieger zu, die noch immer wild und verwegen auf ihren Mustangs saßen. Naiche und Victorio sprangen von den Pferderücken und liefen dem Häuptling der Apachen entgegen. Cochises Sohn und der Häuptling der Mimbrenjo-Apachen verneigten sich leicht, um dem Jefe ihre Ehrerbietung auszudrücken. »Braucht mein Vater Hilfe von den tapferen Kriegern der Chiricahuas und der Mimbrenjos?« fragte Naiche. Auch Victorio sah Cochise fest an. Etwas Lauerndes lag in seinem Blick. Er mochte die Bleichgesichter nicht und hatte schon öfter alles darangesetzt, den Frieden mit den Blauröcken zu brechen. Der Häuptling der Apachen verneinte und erklärte mit wenigen Worten, was geschehen war. Er sprach auch von dem bevorstehenden Zweikampf mit Running Bull. Naiches Augen blitzten auf. »Laß mich kämpfen, Vater!« rief er. Cochise schüttelte den Kopf.
»Das ist Cochises Aufgabe. Er ist der Jefe, und es ist sein Kampf, den er nicht seinem Sohn überlassen kann.« Victorio nickte stumm. Auch er wäre sofort bereit, gegen Running Bull zu kämpfen. Der Häuptling wußte das. »Schick einen Boten zu Running Bulls Männern hinüber. Sie sollen dem Kampf beiwohnen, wie auch die Krieger der Chiricahuas und der Mimbrenjos.« Naiche sah seinen Vater fest an. »Werden die Langmesser Frieden halten?« »Bestimmt, mein Sohn. Es gibt keine Feindschaft zwischen den Blauröcken und den Apachen.« Cochise ging zum Camp der Soldaten zurück, wo sich inzwischen herumgesprochen hatte, was der Chiricahua beabsichtigte. Und die Soldaten wetteten bereits, wer diesen Kampf gewinnen würde. Die Chancen lagen eindeutig auf Cochises Seite. Er hatte den Blaubäuchen in den letzten Tagen sehr imponiert. Cochise trat zu Running Bull, der noch immer gefesselt war und dem Jefe aus wachen Augen entgegenblickte. »Diesmal wird Running Bull um sein Leben gegen Cochise kämpfen müssen. Wenn er ihn besiegt, ist Running Bull frei und kann reiten wohin er will.« Running Bull mußte diese Worte erst einmal verdauen, die ganz neue Möglichkeiten für ihn brachten. »Running Bull vertraut den Worten Cochises, daß er reiten darf, wenn er den Kampf gewinnt. Was aber sagen die Blauröcke dazu? Lassen auch Sie Running Bull reiten?« »So ist es.« John Haggerty, der einige Brocken des Gesprächs verstanden hatte, konnte sich nicht vorstellen, daß Colonel Samson den Gefangenen reiten lassen würde, sollte dieser wirklich den Häuptling der Apachen besiegen. *
Über hundert Apachen und ungefähr fünfzig Soldaten umringten die beiden Kämpfer in einem großen Kreis. Langsam legte sich das Stimmengemurmel. Alle Augen richteten sich auf Cochise und Running Bull, die sich gegenüberstanden. Heiß brannte die Sonne nieder und trieb, den Zuschauern Schweißperlen auf die Gesichter. Der Chiricahua und auch der Chief der aufständischen Indianer hielten schwere Büffelmesser in den Fäusten. Ihre nackten Oberkörper schimmerten wie mit Öl eingerieben. Noch war der Zweikampf auf Leben und Tod nicht eröffnet. John Haggerty hatte die Rolle des Schiedsrichters übernommen und stand zwischen den beiden Kämpfern. Cochise wandte sich nochmals an Colonel Samson und Naiche, die dicht nebeneinander standen. »Sollte Running Bull den Kampf gewinnen, dann kann er reiten, wohin er will. Er darf nicht verfolgt werden. So will es Cochise, der Häuptling der Apachen!« Colonel Stuart B. Samson schluckte und äußerte sich nicht. Naiche nickte sofort seinem Vater zu. Für ihn war es selbstverständlich, daß Running Bull die Freiheit erhielt, sollte er diesen Zweikampf zu seinen Gunsten entscheiden. Der Offizier wußte aber, daß er den Wunsch des Chiricahuas nicht abschlagen konnte, schon in Anbetracht der hundert Apachen, die dem letzten Wunsch ihres Häuptlings bedingungslos erfüllen würden. So nickte schließlich auch Colonel Samson. John Haggerty atmete auf. Er blickte Cochise an, lächelte, als wolle er ihm Mut zusprechen. Haggerty verließ seinen Platz zwischen den beiden Kämpfern und trat zu Samson und Naiche. Victorio stand einige Schritte daneben. Sein Gesicht blieb unbewegt. »Der Kampf kann beginnen«, rief der Falke. »Der Bessere soll gewinnen. Möge der Zweikampf fair sein!«
Cochise und Running Bull duckten sich nun leicht und begannen, sich zu umkreisen. Wieder schimmerten ihre Oberkörper schweißig, wo dicke Muskelstränge zu sehen waren. Es war Running Bull, der den ersten Angriff wagte. Er sprang mit einem Panthersatz nach vorn. Dabei reckte er seine messerbewehrte Hand wie eine Lanze nach vorn. Cochise wich geschickt zur Seite. Seine Klinge zuckte nach vorn. Nur in letzter Sekunde konnte Running Bull ausweichen. Trotzdem ritzte das Büffelmesser seine Schulter. Blut sickerte über seinen Rücken. Ein Aufschrei ging durch die zahlreichen Zuschauer, die wie gebannt den Kampf verfolgten. Delia und Priscilla Samson standen abseits. Sie wollten diesem wilden und heidnischen Schauspiel nicht zusehen. Priscilla legte ihren Arm um die Schultern ihrer Mutter und drückte sie leicht. »Ich wünsche mir nur eines, und zwar so schnell wie möglich im Fort zu sein«, sagte Delia. Ein Aufschrei, der durch die Zuschauer ging, ließ sie zusammenzucken. * Der Kampf auf Leben und Tod ging weiter. Noch immer war es mehr ein Abtasten zwischen Cochise und Running Bull. Keiner von ihnen ließ sich aus seiner Reserve locken. Wieder umkreisten sich die beiden. Diesmal war es Cochise, der sich plötzlich nach vorn warf und zustieß. Die Messerklinge ritzte den Apachen erneut. Kehlig aufschreiend wich Running Bull zurück. Cochise setzte nach. Es schien, als wolle er nun den Kampf innerhalb kürzester Zeit für sich entscheiden. Running Bull ließ es nicht zu. Er entwickelte plötzlich ungeahnte Kräfte und Fähigkeiten, die sogar den erfahrenen
Apachen-Chief in Schwierigkeiten brachten. Cochise mußte nun zurückweichen. Stille herrschte im weiten Kreis der Zuschauer. Die Gesichter der Apachen blieben unbewegt, während die Soldaten mit blitzenden Augen den Kampf verfolgten. Naiches Gesicht verzog sich, als er seinen Vater zurückweichen sah. Auch John Haggerty lächelte verstohlen. Er kannte den alten, listigen Fuchs Cochise zu genau, um nicht zu wissen, daß dies nichts anderes als eine Finte war, um Running Bull noch stürmischer angreifen zu lassen. Er griff auch wie ein Berserker an. Der Häuptling der Chiricahuas wich immer wieder geschickt aus. Er geriet trotzdem nochmals in starke Bedrängnis, als Running Bull einen Trick anwandte. Wieder hielt er seine Hand mit dem Büffelmesser wie eine Lanze nach vorn gereckt. Dann wechselte er aber plötzlich das Messer von der rechten in die linke Hand. Damit konnte Cochise nicht rechnen. So reichte sein Sprung nicht ganz aus, um der vorschnellenden Klinge auszuweichen. Sie traf ihn an der Hüfte, doch sie streifte den Apachen-King nur, der zurücktaumelte. Blut rann aus der Wunde und färbte die Hose dunkel. Running Bull stieß einen zufriedenen Schrei aus und stürmte erneut auf Cochise zu, der sich aber noch längst nicht geschlagen gab und den Angriff abwehren konnte. Die beiden Kämpfer prallten wenige Sekunden später hart aufeinander. Jeder von ihnen umklammerte die Messerhand des Gegners. Running Bull stellte Cochise ein Bein. Beide Männer stürzten und rollten eng umschlungen über den sandigen Boden. Der abtrünnige Apache kam auf Cochise zu liegen. Seine Hand mit dem Büffelmesser näherte sich immer mehr der Kehle des Häuptlings der Apachen. Nun wandte Cochise einen Trick an. Er lockerte seinen Griff um Running Bulls Messerhand
plötzlich und rollte sich gleichzeitig zur Seite. Dicht neben seinem Kopf bohrte sich das Messer in die Erde. Cochise bäumte sich wie ein wilder Mustang auf und schüttelte den überraschten Gegner ab, der schon an seinen Sieg geglaubt hatte. Beide Kämpfer sprangen fast gleichzeitig auf die Beine. Der Apachen-King war ein wenig schneller. Sein Fuß schnellte nach vorn, traf Running Bulls Hand und trat ihm das Messer aus den Fingern. Der breitschultrige Apache schrie auf. Federnd blieb das Büffelmesser im Boden stecken. Running Bull überwand den Schock schnell. Er hechtete auf die Stelle zu, wo das Messer lag, doch der Apachen-Chief war schneller. Noch vor Running Bull erreichte er die Waffe, packte sie und schleuderte sie einige Yards fort. Der abtrünnige Apache lag am Boden und erinnerte für einige Sekundenbruchteile an einen Käfer, der sich tot stellt. Cochise stand breitbeinig vor ihm. Die Messerklinge richtete sich auf Running Bull, der den tödlichen Stoß erwartete. Ein Geraune ging durch die Menschenmenge. Naiches Gesicht drückte unsagbaren Stolz aus. »Zastee!« schrie er. »Töte, Cochise!« Der Häuptling der Chiricahuas stand noch immer regungslos und sah zu, wie sich sein Gegner langsam aufrichtete. Running Bull schielte zu seinem Messer, sah aber ein, daß er es nicht erreichen konnte, ohne vorher mit der blitzenden Klinge des Apachen-Chiefs Bekanntschaft zu machen. Cochise starrte seinen Gegner hart an. Dann schleuderte er sein Messer hinter sich. Ein Aufschrei ging durch die Soldaten. Die Apachen-Krieger sahen sich verblüfft an. Niemand hatte mit dieser überraschenden Wendung gerechnet. *
»Wehr dich, Running Bull!« Der aufständische Apache blickte Cochise staunend an. Er, der schon mit seinem Leben abgeschlossen hatte, sah nun auf einmal noch eine winzige Chance, das Kampfgeschehen wenden zu können. Er stürmte los. Und dann erhielt Running Bull die fürchterlichste Tracht Prügel seines Lebens. Cochise zerschlug ihn gnadenlos mit seinen schnellen Fäusten. Schon bald mußte Running Bull zu Boden. Er blutete aus der Nase. Das rechte Auge schloß sich langsam. Große Schmerzen pulsierten durch seinen Körper. Nochmals erhob er sich, stand krumm und bucklig vor dem Apachen-Chief. »Wenn du genug hast, Running Bull, dann solltest du es mir sagen«, rief Cochise. Running Bull senkte nur den Kopf und wankte auf den Chiricahua zu, der zur Seite wich und eine gestochene Gerade gegen den Kopf seines Gegners schmetterte. Das war entschieden zuviel für Running Bull. Er blieb ächzend stehen, taumelte dann zurück, fiel auf den Rücken und blieb liegen. Die Soldaten schrien Beifall, einige klatschten. Das Geraune der Mimbrenjos, der Chiricahuas und auch der Anhänger von Running Bull wurde lauter. »Töte ihn!« schrie Naiche. Victorio stimmte in den Ruf mit ein. Bald forderten alle Apachen den Tod des aufständischen Chiefs. Cochise hob beide Hände, als er sah, daß Running Bull seinen Oberkörper hochwuchtete, aber nicht die Kraft hatte, sich zu erheben. »Cochise schenkt Running Bull sein Leben«, rief der Chiricahua. »Er kann reiten, wohin er will. Cochise schließt ihn aus der Gemeinschaft der Apachen aus. Die tapferen Krieger der
Apachen-Nation werden Running Bull töten, sollte er nicht das Land der Apachen verlassen. Cochise hat gesprochen!« Running Bull saß nun regungslos am Boden. In seinem Schädel mußte durch die schmetternden Schläge des Chiefs einiges in Unordnung sein. Trotzdem kapierte er, daß ihm der Häuptling der Apachen sein Leben schenkte. Nochmals raffte Running Bull all seine Kräfte zusammen. Er wankte wie ein Grashalm im Wind, als er endlich auf den Füßen stand. Er räusperte sich. Kehlig klang seine Stimme, als er mühsam sagte: »Running Bull will nicht durch Cochises Gnade leben. Er hat den Zweikampf verloren und den Tod verdient. Er bittet Cochise, ihn zu töten!« Der Jefe schüttelte den Kopf. »Cochise hat seinen Worten nichts mehr hinzuzufügen. Running Bull soll seines Weges reiten und das Land verlassen.« Der Häuptling der Apachen wandte sich den Anhängern von Running Bull zu. Die Krieger senkten die Köpfe. Längst war ihnen klargeworden, daß sie einem unwürdigen Chief ihr Vertrauen geschenkt hatten. »Euch allen verzeiht der Jefe der Apachen. Reitet zu euren Stämmen und Sippen. Kehrt heim und fügt euch den Befehlen Cochises!« Der Chiricahua schritt auf Colonel Samson zu, der den stolzen Apachen staunend anstarrte. John Haggerty trat schnell zu dem Offizier. »Tun Sie nichts unüberlegtes, Sir«, flüsterte Haggerty. »Cochise handelte richtig und sehr weise. Für Running Bull bedeutet diese Niederlage das Ende. Es ist für ihn schlimmer, als der Tod, ausgestoßen zu werden. Gratulieren sie dem Chief zu seinem Sieg und reiten Sie mit ihren Soldaten weiter. General Howard wird das alles verstehen und Ihre Handlungsweise akzeptieren. Das ist nur ein wohlgemeinter Rat, Sir. Sie müssen
eine eigene Entscheidung fällen.« Cochise tat so, als habe er die geflüsterten Worte des Falken nicht verstanden. Er blieb vor Colonel Stuart B. Samson stehen, in dessen Gesicht es arbeitete. Impulsiv streckte der Offizier dem Apachen-Häuptling die Hand entgegen, die dieser ergriff. »Meinen Glückwunsch, Cochise. Sie sind ein noch größerer und tapferer Krieger, als ich ahnen konnte. Durch Sie kehrt nun wieder Frieden ein. Das Land hat Ihnen sehr viel zu verdanken.« Cochise lächelte sanft. »Der Häuptling der Apachen tat nur seine Pflicht«, antwortete der Chief. »Er will den großen Krieg zwischen der roten und der weißen Nation verhindern. Und er hofft, daß nun viele Bleichgesichter davon überzeugt sind, daß es Cochise ehrlich meint.« Colonel Samson legte seine Hand an seinen Hut und stand stramm vor Cochise. Dann wandte er sich ab, winkte seine Lieutenants herbei und gab den Befehl zum Aufbruch. Delia und Priscilla traten zu Cochise und Haggerty. Sie bedankten sich bei den beiden sehr herzlich. Und Cochise geriet aus der Fassung, als sich Priscilla plötzlich nach vorn beugte, sich auf die Zehnenspitzen stellte und dem Indianer-Chief einen Kuß auf die Wange hauchte. Dann folgte sie schnell ihrer Mutter, die zu ihrem Mann ging, der auf Frau und Tochter wartete. »Cochise hat die Herzen der beiden Frauen im Sturm erobert«, sagte der Falke lächelnd. »Hoffentlich haben deine Krieger nicht gesehen, daß Cochise von einer weißen Squaw geküßt wurde.« »Es wäre viel besser für alle Menschen auf dieser Welt, wenn Liebe statt Haß triumphieren würde«, erwiderte Cochise. »Laß uns reiten, mein Bruder.« John Haggerty stimmte zu. Naiche und Victorio ritten bereits mit den Kriegern davon. Nur Running Bull kauerte noch am Boden. Er wirkte verloren
und starrte düster in die Ferne. Cochise und Haggerty zogen sich auf die Pferderücken. Ohne dem geschlagenen Running Bull noch einen Blick zu gönnen, ritten sie davon. * »Tla-ina wird sich freuen, den Falken wiederzusehen«, sagte Cochise, als sie sich der Apacheria näherten. »Auch ich freue mich sehr«, antwortete John Haggerty geradeheraus. »Deine Schwester ist ein liebenswertes Mädchen. Und ich…« »Der Falke soll nicht weiterreden«, rief Cochise. »Keiner von uns weiß, was die Zukunft bringt. Wir Apachen kämpfen ums nackte Überleben. Die Bleichgesichter wollen uns eines Tages aus unserem Land vertreiben und vernichten.« John Haggerty preßte die Lippen hart aufeinander. Er wußte zu gut, wie recht der Chiricahua mit seinen Worten hatte. »Der Falke wird Cochise helfen, die Probleme zu meistern«, sagte Haggerty. »Cochise hat viele Freunde, auch unter den Bleichgesichtern. Er ist ein großer und gerechter Häuptling, der sein Volk gut führt.« »Dort wartet Tla-ina«, wich Cochise weiteren Worten aus. Er deutete zu einem Felsen hinüber, wo Sanfter Wind stand und freudig den Reitern zuwinkte. Ihr langes Haar wehte im Wind. John Haggerty warf Cochise einen kurzen Seitenblick zu und sah den Chief lächeln. Er trieb seinen Rapphengst an, der sich streckte und auf die Felsen zugaloppierte, auf denen Sanfter Wind wartete. Sie turnte über die Felsbrocken, eilte auf den Falken zu, der aus dem Sattel sprang und dem jungen Apachenmädchen entgegeneilte. Tla-ina flog in Hagertys Arme. Die beiden jungen Menschen umarmten sich lange, ehe sie in den Schatten eines Cottonwoods schlenderten und sich dort ins
Gras setzten. Cochise blickte nachdenklich zu ihnen hinüber. Dann trieb er lächelnd seinen Pinto an und verdrängte die düsteren Gedanken vor der Zukunft. Solange es Liebe und Glück auf dieser Welt gab, durfte man nie die Hoffnung aufgeben.
ENDE