7 | 11 41. Jahrgang Deutschland EUR 8,00
WAZ-Gruppe Hauen und Stechen im Medienclan Ökowahn Die Angst um den Industriestandort
Business Hall of Fame: DIE LAUREATEN
2011
APPLE DIE ARROGANZ DER MACHT
Österreich EUR 8,50 • Schweiz sfr 14,50 • Benelux EUR 8,80 • Frankreich, Italien, Portugal, Spanien EUR 9,50
Powerfrauen Was machen eigentlich die Ehemänner?
Champions
EDITORIAL
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Standort im Stresstest Schulden, Euro Krise und jetzt noch die Energiewende. Wer soll das bezahlen? ARNO BALZER, CHEFREDAKTEUR
SELTEN WAREN die Rahmenbedingungen so wacklig wie derzeit. Beiderseits des Atlantiks braut sich ein perfekter Sturm zusammen: Die Schuldenkrise im Euro-Land und in den USA droht fundamentale ökonomische Gewissheiten zu zerstören. Bemerkenswert, dass die Bundesregierung ausgerechnet jetzt dem Land eine überstürzte und kostspielige Energiewende verordnet. Wie reagieren die Unternehmen? Droht gar eine De-Industrialisierung? Die mm-Redakteure Michael Kröher und Dietmar Student reisten quer durchs Land, sprachen mit großen Energieverbrauchern wie BASF und HeidelbergCement. Ihr Fazit: Schon jetzt leiden die Unternehmen unter gestiegenen Energiekosten und Netzschwankungen – und das ist erst der Anfang. Als Kröher und Student Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) trafen, erlebten sie einen Mann, der von der Richtigkeit des Kurses restlos überzeugt zu sein scheint: „Wir haben ein einzigartiges Zukunftsprojekt auf den Weg gebracht.“ Die positive Grundstimmung verflog allerdings schnell, als die mmRedakteure Röttgen mit der Kritik aus der Wirtschaft konfrontierten, wo man eine Abwanderung der Industrie befürchtet. Da hatte er keine große Lust mehr, das Gespräch fortzusetzen, keilte dann aber doch entsprechend zurück („Angst- und Panikmache“, „Horrorszenarien“). Den Artikel und das Interview lesen Sie ab Seite 90.
Die Wettbewerbsposition verbessern, Kosten senken, gebundenes Kapital reduzieren, zusätzliche Mengen- und Preispotenziale erschließen – das ist Wertschöpfung at it‘s best. Unsere Berater machen Ihre Value Chain immer noch ein Stück besser – und Ihr Unternehmen ein ganzes Stück wertvoller. Wir nennen diesen Ansatz „Value Oriented Consulting“. Dieser wertorientierte Beratungsansatz bringt unseren Klienten einen hohen Return-on-Consulting und macht uns erfolgreich.
SO WEIT VERBREITET die Produkte mit dem angebissenen Apfel als Markenzeichen auch sind – Apple selbst gilt als einer der verschlossensten Konzerne der Welt. Jahrelang drang kaum etwas aus der Firmenzentrale in Cupertino/Kalifornien, selbst Geschäftspartner und ehemalige Apple-Manager schwiegen aus Angst vor AppleGründer und -Herrscher Steve Jobs. Doch diese Zeiten sind vorbei, wie die manager-magazin-Redakteure Astrid Maier und Christian Rickens bei ihren Recherchen zu unserer Titelgeschichte feststellten. Sie trafen auf IT-Vorstände, die berichteten, wie Jobs ultimativ innerhalb von 24 Stunden ihren besten Entwickler verlangt habe; ansonsten gebe es keinen Deal. Sie sprachen mit Spitzenmanagern, die von Jobs beschimpft wurden („Ihr Typen, ihr seid furchtbar“). Sie tranken Kaffee mit einem Vorstandschef, den Jobs in seinem Haus in Kalifornien empfing (eine geschmackvolle Villa im normannischen Landhausstil), bevor er ihm seine Geschäftsbedingungen diktierte. Sie fanden frühere Apple-Größen, die von Kontrollwahn, Perfektionismus und Herablassung erzählten, kurz: von einer „Arroganz der Macht“. Das mm-Autorenduo sieht erste, ganz konkrete Folgen dieses rüden Geschäftsgebarens: „Viele Apple-Partner suchen nach Alternativen, die Konkurrenz gewinnt an Boden, der Kultkonzern hat seinen Zenit überschritten“ (Seite 36).
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So erfolgreich, dass wir uns als „Beste Managementberatung für Supply Chain Prozesse“ inzwischen auch Champions nennen dürfen. Wollen Sie mehr über Value Oriented Consulting und Value Chain Champions erfahren? www.jnm.com
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INHALT
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TITEL 36 Apple Die rüden Methoden des FOTO: JIM WILSON / THE NEW YORK TIMES / REDUX
Kultkonzerns verärgern zunehmend Geschäftspartner und Wettbewerber. Hat die weltweit erfolgreichste Firma der letzten Jahre ihren Zenit überschritten? 39 Springer-Chef Döpfner über seine
Hassliebe zu Apple. 42 Die Warnzeichen für Apples
Abstieg. 36 Vorbeter: Apple-Boss Steve Jobs – genial, arrogant, machtversessen
heimdarlehen im Medienkonzern.
12 Ergo Konzernchef Oletzky patzt
im Umgang mit der Rotlichtaffäre. 14 Lufthansa Unmut über Schweizer
eine Ära. Die Japaner sind nicht mehr die Besten. Hat Konzernchef Akio Toyoda den Kampf um die Weltspitze aufgegeben?
16 Deka Der Chef hat Geldprobleme. 20 UBS Der deutschen Nieder-
lassung laufen die Banker davon.
66 Reeder Die Schifffahrtsbranche
20 Ferrero Die Nachfolge beim
fährt in ihre nächste Krise, und keine Nation hat so viele neue Frachter im Bau wie die deutsche. Ein gewagtes Spiel, bei dem einige Reeder untergehen könnten.
Süßwarenriesen ist geregelt. 22 Audi Der vertrauliche
Strategieplan der Edelmarke. 25 Drahtzieher Ex-Metro-Primus
Körber greift bei Esprit durch.
72 Mode Mit Marken wie Zara ist der
spanische Inditex-Konzern zum größten Bekleidungshaus der Welt aufgestiegen. Nun tritt der Firmenpatriarch ab – ein Inside-Report.
26 Commerzbank Blessing bekommt
die Eurohypo nicht in den Griff. 30 Deutsche Annington Das Geld
31 PwC Wirtschaftsprüfer im Verdacht. 32 IBM Aderlass in Deutschland. 32 Metro Warum Kaufhof-Vize
Pütmann ging. 34 Umfrage Kein Vertrauen in die FDP. 34 Konjunkturindikator Wachstum
bei fast 4 Prozent. 4
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im Wohnungskonzern wird knapp.
31 In Berlin Schäuble allein zu Hause.
90 Energie Spezial I Die
Planwirtschaft lässt grüßen: Die abrupte Abkehr von der Atomkraft bringt die deutsche Industrie in Bedrängnis – durch massiv steigende Kosten und rigide staatliche Eingriffe in die Stromversorgung.
56 Toyota In der Autoindustrie endet
Mandate von Flugkapitän Franz.
Chemie- und Pharmafirmen sehen.
46 WestLB Sie ist die erste
Landesbank, die abgewickelt werden muss. Die Schlussbilanz zeigt: Schuld am Fall des einst mächtigen Geldhauses tragen vor allem die selbstsüchtigen Eigentümer.
11 VW Winterkorn plant Billigauto.
30 Studie Wie Manager deutsche
TRENDS ▼
8 WAZ Gesellschafterkrach um Ge-
UNTERNEHMEN
78 Hall of Fame manager magazin
hat zwei neue Mitglieder in die Ruhmeshalle der deutschen Wirtschaft aufgenommen. 80 Gerd Krick – der Manager, der
Fresenius zum Weltkonzern formte. 84 Günther Fielmann – der Unter-
nehmer baute ein Imperium auf, das sich sehen lassen kann.
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NAMEN + NACHRICHTEN
100 Energie Spezial II „Kein Pappen-
stiel“: Umweltminister Norbert Röttgen über die Energiewende in Deutschland und den Dumpingstrom aus Frankreich. 104 Arabien Revolutionen und
Bürgerkriege verändern die Region rapide. Als Geschäftspartner werden die Länder immer interessanter – und risikoreicher. 110 Technologie Der Widerstand
gegen Innovation und Technik wächst. Wie sollten Unternehmen und Forschungsinstitute den verbreiteten Ängsten begegnen? 112 Interview: Stuttgart-21-Schlichter
Heiner Geißler über Wege aus der Tech-Blockade. 114 Kommentar Warum der Euro
ökonomisch keine gute Idee war.
FOTO: BÄRBEL MIEBACH FÜR MANAGER MAGAZIN
FOTOS: WOLFGANG WILDE UND THOMAS DASHUBER FÜR MANAGER MAGAZIN
78 Vorbilder: Laureaten Fielmann und Krick
140 Mannsbilder: Gatten der Karrierefrauen
KARRIERE
RUBRIKEN
116 St. Gallen Die Kaderschmiede
für Topmanager profitiert von den Schwächen vieler deutscher Universitäten. Was machen die Schweizer besser? 128 Kolumne Peter Rölz über die
Risiken der neuen Bonusregeln für Bankmanager.
DUOMÈTRE À QUANTIÈME LUNAIRE
3 Editorial 124 Bücher 150 Briefe 151 Impressum 152 Firmen- und Personenregister 154 Was macht eigentlich ... ▼
Bob Lutz?
PRIVATE BANKING
Titelthemen
130 Geldkrise Sparer im Stresstest:
Anleger fürchten sich vor Staatsbankrott und Inflation. Wohin jetzt mit dem Geld? Ein Leidfaden. 138 Steuern Künftig bittet der
deutsche Fiskus auch in der Schweiz zur Kasse.
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MANAGER PRIVAT 140 Partnerschaft manager magazin
hat sich auf die Suche nach einer noch raren Spezies gemacht: dem Ehemann der erfolgreichen Karrierefrau. Einige Exemplare wurden gesichtet. HABEN SIE JEMALS EINE RICHTIGE UHR GETRAGEN?
146 manager unterwegs
„Villa Abion“, Berlin. 148 Autotest BMW 640i.
manager magazin 7/2011
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NAMEN + NACHRICHTEN
Wie geschmiert WAZ-GRUPPE Geheimverträge, 85 Millionen Euro und ein anonymer
Eines Morgens im Wonnemonat Mai der Funke Familiengesellschaft (FFG) migkeitsprinzip gelte (worauf die Grotsteckte in den Briefkästen der Familien gebrochen, sondern sich obendrein noch kamps bestehen) oder nicht (wie die Schubries und Grotkamp, die beide am dem Verdacht ausgesetzt, sich ihr Wohl- anderen behaupten). Essener Zeitungskonzern WAZ beteiligt verhalten bezahlen zu lassen, kurz: Im Leitstand des Zeitungsriesen sind, etwas Anstößiges, Empörendes, ja geschmiert worden zu sein. Holthoff- herrscht Alarmbereitschaft: Ohnehin Schockierendes: In einem Umschlag Pförtner widerspricht energisch: Die nicht die besten Freunde, werden Chrisohne Absender klemmte ein Konvolut Vorwürfe seien unberechtigt, träfen ihn tian Nienhaus (51), Vertreter der Funkevon Papieren, 55 Seiten dick, Verträge aber sozusagen ins Mark, „weil Loyalität Fraktion, früher Generalsekretär von offenkundig, 3 an der Zahl. Schon nach für mich ein hoher Anspruch ist, an dem Springers Straßenkreuzer „Bild“, und Bodo Hombach (58), einst SPD-Kanzlerwenigen Zeilen sprang den Empfängern ich mich auch messe“. der Verdacht entgegen: Verrat! Verrat! Man ist einigen Zoff gewöhnt aus dem amtsminister, EU-Balkan-Beauftragter Einer der Uns’rigen hat uns verraten. Hause WAZ, seit Jahrzehnten wogt es und heute das Kraftwerk der Brosts, auf Renate Schubries (74) und Petra hin und wider. Giftig und scheelsüchtig Geschäftsreisen auch in Zukunft keine Grotkamp (67), Töchter des verstorbewachen die Familien über Parität und Doppelzimmer buchen. In der Essener nen WAZ-Mitgründers Jakob Funke, tei- Gleichgewicht und dass kein Gramm Friedrichstraße 34–38 regiert Managelen sich die Hälfte des Medienkonzerns verrückt würde. Mit Adoption und Ein- ment by Misstrauen. mit ihrer Schwester Gisela Holthoff (83). heirat wurde schon gearbeitet. Durch die jetzt aufgeflogenen HoltDoch die hatte mit einem ihrer Söhne, In den Gesellschafterverträgen wird hoff-Verträge drohen weitere Verzögedem Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner besonderes Gewicht darauf gelegt, dass rungen bei der Strapaze, dem nur schwer (63), ein geheimes Abkommen mit der nichts durcheinandergerate, damit die fassbaren Familienbetrieb ein zeitgemäFamilie Brost getroffen, der ßes Gefüge zu verleihen. Die die andere Hälfte des UnterBörseneinführung von 49 ProPari-pari in Essen nehmens gehört. zent der Anteile, internen Wem gehört die WAZ, und wer hat das Sagen? Das Bündnis wurde in eiPapieren zufolge bis 2016 als nem Pakt besiegelt, der das Option ins Auge gefasst, geGisela Petra Renate Drei Enkel des Datum vom 12. November rät in Verzug. Die EntrümHolthoff Grotkamp Schubries Mitgründers Erich Brost 2008 trägt. Und dieser Pakt pelung der Firma mit ihren 100 % 33,3 % 33,3 % 33,3 % steckte nun eines Maienungezählten Unter-GmbHs morgens im Briefkasten. muss aus Steuergründen bis Brost Holding Funke Familiengesellschaft Aus den Schriftstücken 2012 vollendet sein. Sonst ging hervor, dass sich wird es teuer. Auch ein CFO 50 % 50 % Holthoff-Pförtner, in akuwird gesucht. ter Geldnot befindlich, 85 Doch die Funke-Seite hat WAZ Mediengruppe Millionen Euro von der (im alle Gespräche mit der WirtGeschäftsführer (Brost Holding) Geschäftsführer (Funke Gruppe) vergangenen September verschaftskanzlei Linklaters abBodo Hombach Christian Nienhaus storbenen) Gründerwitwe gesagt, die an der neuen Grafik: manager magazin Quelle: mm-Recherche Anneliese Brost geliehen, ihr Unternehmensverfassung ardafür seine Kooperationsbeitet: Der Umbau von einer bereitschaft zugesagt und als Sicherheit 50-Prozent-Anteile einheitlich verwaltet GmbH & Co. KG in eine KGaA ist nur bei eine Option auf die Hälfte der Holthoff werden. Es herrscht strenges Vorkaufs- klaren Eigentümerverhältnissen akzepzugehörigen Beteiligung an der WAZ in recht innerhalb jeder Gruppierung. Ent- tabel. Pessimisten im Hause sprechen Höhe von 8,3 Prozent hinterlegt hatte. scheidungen im Hause WAZ fallen ent- von einem „Desasterszenario“, OptimisNach einhelliger Meinung ihrer weder einstimmig – oder gar nicht. ten von einer „totalen Blockade“. Schwestern und Schwager beziehungsDie Verträge, die Gisela Holthoff und Hinter dem aktuellen Eklat treten weise seiner Tanten und Onkel hatten selbst die Händel zurück, die die Funke- ihr Adoptivsohn Stephan Holthoff-Pförtsich Gisela Holthoff und ihr Filius nicht Geschwister untereinander ausfechten: ner heimlich mit Anneliese Brost genur in die Hände der Gegenseite begeben So liegt beim BGH in Kürze ein Fall zur schlossen haben, weisen in der Tat alle und geltendes Satzungsrecht innerhalb Klärung vor, ob in der FFG das Einstim- Ingredienzen einer Verschwörung auf. 8
manager magazin 7/2011
FOTOS: TORSTEN SILZ / DAPD / DDP IMAGES, VOLKER HARTMANN / DAPD / DDP IMAGES
Verräter: Beim Essener Medienkonzern ist mal wieder der Teufel los.
Stephan Holthoff-Pförtner („SHP“) lieh sich Geld von der Mitgesellschafterin Anneliese Brost („AB“) und steht bei WAZChef Hombach nun mit 85 Millionen Euro in der Kreide
Kraftwerk und Stratege Bodo Hombach
FOTO: MARC DARCHINGER
FOTO: ANDREAS TEICHMANN / LAIF
Das Abkommen besteht aus drei geschickt ineinandergreifenden Teilen: Der Darlehensvertrag regelt die Bedingungen, zu denen Holthoff-Pförtner sein Geld erhielt, das er vollständig am 15. Januar 2017 zurückzahlen muss: „Herr SHP (Stephan Holthoff-Pförtner) ist verpflichtet, auf entsprechendes Verlangen von Frau AB (Anneliese Brost) jederzeit Auskünfte über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen.“ Als Sicherheit wurde ein Optionsvertrag (24 Seiten) aufgesetzt, der Anneliese Brost eine Kaufoption über „50 Prozent der Beteiligungen der Frau GH (Gisela Holthoff) an den WAZ-Gesellschaften“ einräumt: „Der Kaufpreis“, heißt es in Punkt 7.1.2., „beträgt mindestens 85 Millionen Euro zuzüglich auf Veräußererseite ausgelöster Steuer.“ Der Fiskus dürfte sich mit rund 40 Millionen Euro an dem Geschäft beteiligen und den Preis für die infrage stehenden 8,33 Prozent auf 125 Millionen Euro treiben. Anneliese Brost hatte sich mehr als großzügig gezeigt und einen Firmenwert von 1,5 Milliarden Euro veranschlagt. Aber auch Holthoff-Pförtner zeigte Entgegenkommen und akzeptierte einen Kooperationsvertrag, der auf 21 Seiten unter anderem festlegte, dass „Frau GH und Herr SHP ... Frau AB laufend über alle die GH-Beteiligungen betreffenden Umstände und dabei insbesondere die Ge-
FOTO: HENNING KAISER / DDP IMAGES
Namen + Nachrichten
Anneliese Brost steckte dem klammen Anwalt Geld zu
schäftslage der WAZ-Mediengruppe unterrichtet halten“. Und unter Punkt III. 2.4. gaben die Holthoffs die Hoheit über ihre WAZ-Beteiligung praktisch auf: „Alle Verfügungen über die GH-Beteiligungen bedürfen der Zustimmung von AB.“ Alle Mitteilungen und Benachrichtigungen, heißt es weiter, „sind an Frau AB zu Händen von Bodo Hombach zu richten“, und zwar an seine Privatadresse in Mülheim an der Ruhr, Mendener Straße. Was hat den Advokaten Stephan Holthoff-Pförtner, der einst Altkanzler Helmut Kohl in der Spendenaffäre vertreten hat, dazu veranlasst, seine Mitgesellschafter zu hintergehen? Wofür brauchte er das Geld? Und hat er sich im Gegenzug gefügig gezeigt? Er habe die Summe beschaffen müssen, sagt er, um seinen Bruder Frank Holthoff (56) auszubezahlen. Der war entschlossen gewesen, seinen Anteil zu verkaufen, notfalls auch an die Grotkamps. Dies aber wollte Holthoff-Pförtner verhindern, angeblich weil er die
Günther Grotkamp will Holthoff-Pförtner feuern
Vorherrschaft der Grotkamps fürchtete, namentlich ihres Matadors Günther Grotkamp (84), der jahrzehntelang die WAZ gemeinsam mit dem 2007 verstorbenen Erich Schumann geführt hatte und kein Kind von Traurigkeit ist. Ende 2008 war es freilich schwierig, so viel Geld von einer Bank zu bekommen. Deshalb hatte sich Holthoff-Pförtner zunächst an den Zweig der Brosts in München gewandt, wo die Enkel des Gründers leben. Doch die Bayern zeigten an dem windigen Geschäft kein Interesse. Als Anneliese Brost erfuhr, dass der klamme Rechtsvertreter aus dem gegnerischen Lager in München vorstellig geworden war, soll sie die Initiative ergriffen und ihm angeboten haben, ihm mit Geld aus ihrem Privatvermögen aus der Klemme zu helfen. Doch warum unterschrieb HolthoffPförtner noch zusätzlich einen Kooperationsvertrag? „Im Gesellschafterkreis der WAZ“, sagt Holthoff-Pförtner, „wuchs seit Jahren die Erkenntnis, dass im Inter-
Abstiegssorgen beim Europa-Meister Die WAZ-Gruppe zieht sich aus dem Balkan zurück Die WAZ-Gruppe ist mit einem Umsatz von rund 1,1 (Vorjahr: 1,29) Milliarden Euro einer der größten Regionalzeitungsverlage Europas. Sie gehört zu gleichen Teilen den Nachfahren der Gründer Erich Brost und Jakob Funke. Neben der namensgebenden „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ verlegen die Essener die „Neue Ruhr Zeitung/Neue Rhein Zeitung“, die „Westfälische Rundschau“ und 24 weitere Tages- sowie 13 Wochenzeitungen, dazu 99 Anzeigenblätter und 400 Kundenzeitschriften. Auch der Gong-Verlag („Bild + Funk“) in Ismaning befindet sich im Besitz der WAZ. In Österreich und Osteuropa verfügen die Westdeutschen über eine prägnante 10
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Stellung, bauen auf dem Balkan ihre Engagements aber bereits wieder ab. Die Verlage in Rumänien und Bulgarien wurden verkauft, auch aus Ungarn, wo Pressefreiheit wenig zählt, will man sich verabschieden. Serbien (Hombach: „Politische Zusagen sind nichts wert“) und Mazedonien bereiten seit Jahren Verdruss. Die WAZ gehörte jahrzehntelang zu den bestverdienenden Verlagshäusern des Kontinents. Doch die Strukturkrise der Branche hat das verschachtelte und aufgrund der paritätischen Besitzverhältnisse schwer zu führende Unternehmen in Mitleidenschaft gezogen. Hunderte von Stellen wurden abgebaut, weitere „Umstrukturierungen“ stehen bevor. Intern gilt die Umsatzrendite der
„Braunschweiger Zeitung“ in Höhe von 20 Prozent als Richtgröße. Die „Thüringer Allgemeine“ kommt dem Anspruch mit 18 Prozent nahe, im Kernland NRW dagegen quälten sich die WAZ-Titel zuletzt auf enttäuschende 8 Prozent.
Die größten Verlagshäuser Rang/Verlag
Umsatz 2010 (in Mrd. Euro)
1. Axel Springer Verlag
2,9
2. Gruner + Jahr
2,6
3. Verlagsgr. Georg von Holtzbrinck
2,2
4. Bauer Media Group
2,0
5. Hubert Burda Media
1,7
6. WAZ Mediengruppe
1,1
Quelle: Unternehmensangaben
Namen + Nachrichten
esse der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens die strenge Trennung nach den beiden Gesellschaftergruppen gelockert werden soll. Diesem Ziel dient der Kooperationsvertrag. Daher haben ihn beide Seiten gewollt.“ Einen Vorteil bot er nur den Brosts, in Sonderheit ihrem Vertreter in der Führung, Bodo Hombach, damals Bevollmächtigter Anneliese Brosts und heute ihr Testamentsvollstrecker. Selbst im eigenen Lager heißt es: „Die wollten Holthoff-Pförtner kaufen, ganz klar.“ Gegen die Unterstellung, „abhängig zu sein“, wehrt sich Holthoff-Pförtner vehement: „Keine einzige Entscheidung wäre ohne die Verträge anders ausgefallen.“ 144 Beschlüsse, rechnet er vor, seien seit der Vertragsunterzeichnung 2008 gefasst worden, jeder einzelne einstimmig. Im Dezember 2010 indes sprach er sich, zum Erstaunen der eigenen Fraktion, dafür aus, dass die WAZ-Doppelspitze aufgelöst und der gewiefte Bodo Hombach zum Sprecher der Geschäftsführung befördert werden solle. Nienhaus, der sich wiederholt über „die Kungelei der Brosts mit HolthoffPförtner“ beschwert hatte, wie ein Gewährsmann behauptet, stand vor der Entmachtung und vor der Rückkehr zum Springer-Verlag, der ihm damals ein Angebot unterbreitet hatte. Holthoff-Pförtner weist jeden Verdacht der Kungelei von sich: „Herr Hombach ist seit Jahren faktisch Sprecher der Geschäftsführung. Ich würde mich heute wieder für ihn aussprechen – vorausgesetzt, dass Christian Nienhaus weitere eigenständige Zuständigkeiten erhielte.“ Als sich am 10. Juni die Funke-Gesellschafter zur Krisensitzung versammelten, beklagte der amtierende FFG-Geschäftsführer Klaus Schubries (69) den „erheblichen Vertrauensschaden“, der angerichtet worden sei. Holthoff-Pförtner entschuldigte sich bei der Familie Schubries – nicht aber bei den Grotkamps, denn die möchten ihn am liebsten aus dem WAZ-Gesellschafterkreis schmeißen. Günther Grotkamp, ein Mann, mit dem nicht gut Kirschen essen ist, prüft eine Klage auf Ausschluss: Alle Voraussetzungen dafür lägen vor. HolthoffPförtner bestreitet dies: „Es ist zu keinem Zeitpunkt gegen Vertragsrechte der Funke-Gruppe verstoßen worden. Es ist auch kein Schaden entstanden. Unser Ziel war und ist der wirtschaftliche und
publizistische Erfolg der WAZ-Gruppe.“ Dennoch sind Anwälte nun damit beauftragt, sowohl den Kooperations- als auch den Optionsvertrag wieder aufzuheben. Hombach, einer der großen deutschen Netzwerker, ist einverstanden. Laut Protokoll der Funke-Gesellschafterversammlung wollen die Grotkamps nun abwarten, welche Wendung die Affäre nimmt und ob das umfangreiche Vertragswerk, das Holthoff-Pförtner an die Brosts kettet, ohne Weiteres aufgelöst werden kann. Entscheidend sei, ob die WAZ-Beteiligungen als Sicherheiten für das Darlehen herhalten müssten. Denn Hombach – als Testamentsvollstrecker Anneliese Brosts nun Gläubiger seines Gesellschafters Holthoff-Pförtner – hat einen Außenstand von 85 Millionen Euro, der eingetrieben sein will. Schließlich hatte Anneliese Brost in zwei letztwilligen Verfügungen, so in ihrem Testament vom 1. Juli 2010, bestimmt, dass der zurückgezahlte Kredit beziehungsweise der möglicherweise zu übernehmende WAZ-Anteil der Holthoffs der Brost Holding zufließen und „im wirtschaftlichen Interesse der WAZ Mediengruppe eingesetzt“ werden solle. Doch Hombach stünde ohne Sicherheit da, wenn Holthoff-Pförtner der Möglichkeit beraubt ist, den Betrag über einen Anteilsverkauf zu beschaffen: Die Geschäfte seiner Hopf-Holding, die in Immobilien investiert, laufen zwar nicht schlecht, aber auch nicht so gut, dass er bis 2017 die Summe ohne Weiteres aufbringen könnte. Sein Kölner Luxushotel im Wasserturm hat er kürzlich verkauft. Aber nicht nur Anwälte bekommen viel zu tun: Die Auswirkungen des Gesellschafterstreits reichen weit in das Unternehmen hinein. Seit Jahren wird daran gearbeitet, die gegenseitigen Blockaden zu lösen und einen Aufsichtsrat zu installieren mit verbrieften Informationsund Mitwirkungsrechten. Man präferiert ein ähnliches Firmenmodell wie Henkel – börsennotiert und doch unter der Kontrolle der Familie. Aber wieder stocken alle Modernisierungsprozesse. Die WAZ läuft Gefahr, den Anschluss zu verlieren. Wer der Anonymus war, der eines Tages im Mai zur Post gelaufen war und die Verträge verschickt hatte, will HolthoffPförtner eigentlich gar nicht wissen. „Ich habe die Suche nach dem anonymen Sender nie betrieben, weil so etwas schlimmstenfalls alles vergiftet.“ Klaus Boldt
VOLKSWAGEN Winterkorn
plant Billigauto.
Up-Date Eine alte Idee bewegt aktuell die Strategen des Automobilbauers Volkswagen: Ein Kleinwagen speziell für die Wachstumsmärkte müsste her. Ein Auto, mit dem man preislich auch gegen chinesische Billiganbieter bestehen könnte – und das den Wolfsburgern Millionen mögliche neue Kunden bringen würde. Der frühere VW-Markenchef Wolfgang Bernhard (50) trieb das Projekt „3K“ voran, er wollte ein Auto für 3000 Euro anbieten. Die Entwickler scheiterten an dem aggressiven Kostenziel. Sechs Jahre später denkt die Konzernspitze unter Martin Winterkorn (64) wieder über ein Billigmodell nach. Und viele Regionen, allen voran Lateinamerika, gieren nach dem für sie konzipierten Kleinwagen. Ursprünglich wollte der Vorstandschef den neuen Mini gemeinsam mit der in Indien überaus erfolgreichen VWBeteiligung Suzuki entwickeln. Doch die Japaner verweigern sich. Also soll VW-Entwicklungschef Ulrich Hackenberg (61) die Dinge in die Hand nehmen. Die Voraussetzungen sind ungleich besser als 2005. Erstens soll das Vehikel für Märkte wie Lateinamerika und Indien nicht ganz so billig werden. Die Strategen denken über einen Zielpreis von rund 6000 Euro nach. Zweitens gibt es bereits ein Kleinwagenprojekt im Konzern: den Up, ein Minimobil für den europäischen Markt, ab 2013 geplant als VW-Einsteigermodell für Preise ab 10 000 Euro und in billigeren Versionen für die Töchter Škoda und Seat. Drittens forciert Winterkorn derzeit die Arbeit an einem neuen Baukasten auf Basis des Up. Schon 2012 soll diese Kleinversion des für Millionen Fahrzeuge von Polo bis Passat gedachten Querbaukastens fertig sein. Die Baukästen sollen Entwicklung, Einkauf und Produktion rund 20 Prozent billiger machen. Werden die Entwickler rechtzeitig fertig, könnte VW auf die neue Architektur auch die Up-Leger für die Wachstumsmärkte aufsetzen. Michael Freitag manager magazin 7/2011
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ILLUSTRATION: FRANK HOPPMANN FÜR MANAGER MAGAZIN
Kehraus: Ergo-Primus Oletzky und Aufsichtsratschef von Bomhard
ERGO Konzernchef Oletzky patzt bei der Bewältigung
von Rotlichtaffäre und Riester-Skandal.
„Party total“ Mehr als dreieinhalb Stunden dauerte der außerplanmäßige Termin, zu dem sich der Aufsichtsrat des Düsseldorfer Ergo-Konzerns am Mittag des 8. Juni zusammengefunden hatte. Die Kontrolleure versuchten sich unter anderem über die Folgen eines überschäumenden Betriebsausfluges ihrer Vertreter nach Ungarn klar zu werden. Die Diskussion kreiste um weiße Himmelbetten, die Manager des Versicherungsunternehmens im Budapester Gellert-Bad hatten aufstellen lassen. Es ging um Rechnungen für Hostessen und Prostituierte, die zur Entspannung der ErgoVerkäufer engagiert worden waren und die der Konzern anschließend bezahlt hatte. Man debattierte darüber, warum die Damen nach jeder Serviceeinheit einen Stempel verpasst bekamen und ob es 12
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nötig war, die für Vorstände und TopVerkäufer reservierten Hostessen mit weißen Armbändchen zu kennzeichnen. Vor allem aber wollten die Kontrolleure wissen, ob denn noch weitere böse Überraschungen drohen. Aufsichtsratschef Nikolaus von Bomhard (54) und Konzernlenker Torsten Oletzky (44) gaben die Aufklärer, zerstreuten Bedenken und wiegelten ab. Etwa als Vorwürfe zur Sprache kamen, dass der Lebensversicherungsarm einem Teil seiner RiesterKunden überhöhte Gebühren in Rechnung gestellt habe. Der Eindruck eines funktionierenden Krisenmanagements hielt gerade mal 24 Stunden. Schon am darauffolgenden Nachmittag musste Oletzky einräumen, dass tatsächlich rund 14 000 Riester-Verträge falsch policiert worden waren. Den
einstelligen Millionenbetrag, den dieser Fehler nach internen Berechnungen kosten dürfte, wird Oletzky leichter verkraften als den fatalen Eindruck, den das Debakel hinterlässt: Ganz offensichtlich hat der Ergo-Chef sein Unternehmen nicht im Griff. Die schlechten Nachrichten kommen allesamt aus der Tochterfirma, in der der einstige McKinsey-Berater seine Konzernkarriere startete und die er heute noch als Aufsichtsratschef kontrolliert: der früheren Hamburg-Mannheimer und heutigen Ergo-Lebensversicherung. Genau dem Geschäftsbereich also, der ohnehin Oletzkys Problemfall schlechthin ist – schwindende Prämien, hohe Kostenquoten und bescheidene Gewinne. Und noch ist völlig unklar, ob es bei der Lustreise nach Budapest und den falschen Riester-Policen bleibt oder ob nicht noch weitere Pannen mit Schlagzeilenpotenzial nach außen dringen. So erscheint es zumindest zweifelhaft, dass die Party in Budapest wirklich die einzige ihrer Art war. Schließlich waren Reise und Festivität der Hauptgewinn eines Verkaufswettbewerbs, der in dieser
IWC Pilot. Engineered for Aviators.
Bitte nachmessen.
Grosse Fliegeruhr. Ref. 5004: Befördern Sie Ihr Handgelenk zum Copiloten. Die legendärste der IWC Fliegeruhren begeistert durch den imposanten Gehäusedurchmesser von 46,2 mm. Noch beeindrucken der aber ist die Technik darin: Das grösste automatische Manufaktur werk von IWC ist dank des Innengehäuses aus Weicheisen in grosser Höhe vor starken Magnetfeldern geschützt. Bleibt zu hoffen, dass Ihr echter Copilot genauso zuverlässig ist. IWC. Engineered for men.
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Namen + Nachrichten
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LUFTHANSA Konzernchef Franz festigt sein Schweizer
Netzwerk – mit ungewissem Nutzen für die Airline.
Alpen-Connection Christoph Franz (51) ging schon immer
eigene Wege. Als junger Manager verließ er entgegen allen Gepflogenheiten die Lufthansa, um bei der Bahn voranzukommen. Als erfolgreicher Chef der Lufthansa-Tochter Swiss zögerte er seine Berufung in den Konzernvorstand hinaus – andere hätten wohl gedrängt. Jetzt folgt seine Karriere erneut einem individuellen Muster. Franz, seit Jahresbeginn Konzernchef, hat zwei Verwaltungsratsposten in der Schweiz angenommen: beim Pharmariesen Roche und bald auch beim Bahnhersteller Stadler Rail. Und wieder wundern sich nicht wenige Lufthanseaten, darunter auch Aufsichtsratsmitglieder; das Gremium nickte die Nebentätigkeit trotzdem ab. Sein Vorgänger, Wolfgang Mayrhuber (64), hatte nur wenige Aufseherposten außerhalb der Lufthansa. Dessen Vorgänger, Jürgen Weber (69), nahm zwar diverse Mandate an, folgte aber eindeutig dem Kalkül des Nutzens für seinen Arbeitgeber. So wachte Weber über die Deutsche Bank oder die Deutsche Post. Was aber will Franz in der Schweiz? Nachvollziehbar erscheint am ehesten noch der Posten bei Roche. Er bietet dem Lufthansa-Chef die Gelegenheit, einen
Großkunden zu pflegen und Bande zu internationalen Top-CEOs zu knüpfen, wie Nestlé-Vormann Paul Bulcke (56) oder Shell-Chef Peter Voser (52). Der Aufwand ist indes erheblich. So tagen die Roche-Räte sechsmal jährlich, hinzu kommen eine dreitägige Reise zu einer Tochterfirma und ungezählte Stunden des Aktenbrütens. Das Salär, voraussichtlich 330 000 Franken, kann sich aber sehen lassen. Lufthansa-Räte kassieren weniger als die Hälfte. Bei Stadler indes, einem Hersteller von Regional- und Straßenbahnen, wirkt Franz eher im Mittelstand. Allein ein Argument sticht: die persönliche Verankerung in der Schweiz, in der Franz wohnt. Stadler-Chef und -eigner Peter Spuhler (52) mischt einflussreich in der nationalkonservativen Schweizer Volkspartei (SVP) mit. Er pflegt ein dichtes Netzwerk, zu dem zahlreiche Deutsche zählen, etwa der frühere CDU-Politiker Friedrich Merz (55) und Ex-Evonik-Lenker Werner Müller (65), beide Mitglieder seines Verwaltungsrats, sowie Roland-Berger-Chef Martin Wittig (47). Franz und Spuhler kennen einander privat, seit Franz zur Rettung der Swiss antrat – und mental nie mehr abtrat. Michael Machatschke
Christoph Franz pflegt innige Bande zur Schweiz – als sei er noch Swiss-Chef
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Form auch 2008 stattfand, ein Jahr nach der Orgie in Ungarn. Mit dem Unterschied, dass die Gewinner dieses Mal zwischen einer „Party total“ auf der Sonneninsel Ibiza und einem Apple-Notebook auswählen konnten. Die internen Ermittlungen über den Verlauf dieser Feierlichkeiten sind noch nicht abgeschlossen. Oletzky muss sich vor allem ankreiden lassen, dass er eine Auseinandersetzung mit ehemaligen Vertretern seines Lebensversicherers eskalieren ließ. Seit Jahren streitet er sich mit mehreren Dutzend hochrangiger Ex-Mitarbeiter des konzerneigenen Strukturvertriebs HMI um Abfindungen in Millionenhöhe. Aber statt die Sache diskret beizulegen, ließ er sich auf eine Abnutzungsschlacht ein. Auf der Hauptversammlung der Munich Re im April dieses Jahres holten die einstigen HMI-Leute zum Gegenschlag aus. Am Tag des Aktionärstreffens wurden in einer ganzseitigen Anzeige im Handelsblatt erstmals Vorwürfe ausgebreitet, die Ergo habe ihren Riesterkunden zu hohe Kosten berechnet. In der Hauptversammlung selbst tauchten gezielte Fragen nach der Rotlichtparty im Budapester Gellert-Bad auf. Die Warnschüsse verhallten anscheinend ungehört. Das Mitte Mai einsetzende mediale Trommelfeuer traf Oletzky augenscheinlich völlig unvorbereitet. Auch sein Aufsichtsratschef Nikolaus von Bomhard machte sich mit seiner Replik auf die Rotlichtvorwürfe auf der Hauptversammlung angreifbar. Er gestand zwar mögliche Exzesse auf dem Budapest-Trip ein, gab aber gleichzeitig zu verstehen, dass die für die Sause verantwortlichen Manager das Unternehmen längst verlassen hätten. Womöglich hat er da nicht genau hingeschaut. Denn eine Führungskraft, die 2007 federführend an der Organisation der Party im Gellert-Bad beteiligt war, stand noch bis Mitte Juni 2011 auf der Payroll der Ergo. Der Ergo gilt der Mann zwar nur als ausführendes Organ, diese Behauptung aber wird streitlustige Aktionäre kaum davon abhalten, gegen den Munich-ReChef wegen Verletzung von Paragraf 400 des deutschen Aktiengesetzes vorzugehen. Der bedroht falsche und verschleiernde Aussagen auf einer Hauptversammlung mit bis zu drei Jahren Haft. Dietmar Palan
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Streitbare Geister: Deka-Chef Waas hält seine Bezahlung für unangemessen; sein scheidender Vorstandskollege Groll ist erbost über die Beendigung seines Vertrags
DEKA Das affärengeplagte Fondshaus kommt nicht zur
Ruhe. Jetzt gehen zwei Vorstände auf die Barrikaden.
Die Anklagebank Franz Waas (50), Vorstandschef der Frankfurter Dekabank und passionierter Marathonläufer, ist bekannt für seine Ausdauer. Wenn sich der gebürtige Bayer mit US-amerikanischem Pass einmal ein Ziel gesetzt hat, lässt er sich durch nichts beirren. Diese Erfahrung macht derzeit auch der Verwaltungsrat des Fondsdienstleisters. Dessen Vorsitzender Heinrich Haasis (66), zugleich Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), erhielt vor einigen Wochen Post von Waas. In dem Schreiben forderte der Deka-Chef in freundlichem, aber bestimmtem Ton die ihm seiner Meinung nach zustehende Tantieme ein. Hintergrund des Schriftstücks ist ein äußerst großzügig ausgestatteter Anstellungsvertrag, den Waas noch mit Haasis Vorgänger Dietrich Hoppenstedt (70) ausgehandelt hatte. Demnach standen dem Deka-Frontmann bis zum vergangenen Jahr 0,35 Prozent des jährlichen Ergebnisses als variable Entlohnung zu. Für das Jahr 2010, in dem das Fondshaus satte 925 Millionen Euro verdiente, hätte Waas demnach mehr als 3 Millionen Euro an Tantieme erhal16
manager magazin 7/2011
ten, zusätzlich zum Fixgehalt von rund 600 000 Euro. Das war den von Haasis angeführten Verwaltungsräten der Deka wohl zu viel. Auf ihrer Sitzung im April dieses Jahres beschlossen sie, das der Berechnung der Tantieme zugrundeliegende Ergebnis zu kürzen. Der Rekordprofit, argumentierten sie, sei auch dadurch entstanden, dass sich der Wert des Deka-Portfolios nach der Finanzkrise erholt habe – also ohne Zutun des Vorstands. Das wiederum will Waas nicht gelten lassen. Schließlich habe der Verwaltungsrat auch nicht lange gezögert, die Tantiemen der Vorstände in den Jahren zuvor zu kürzen, als die Anlagebestände der Deka infolge der Krise an Wert verloren. Notfalls, das machte Waas intern klar, könne er die Tantieme auch auf dem Klageweg einfordern. Damit erreichen die Auseinandersetzungen im affärengeplagten Fondshaus einen neuen Höhepunkt. Denn der Streit um die Tantieme könnte für den DekaPrimus erhebliche Folgen haben. Sollte Waas tatsächlich so weit gehen, sein eigenes Institut zu verklagen, dürfte er wohl nicht mehr lange Vorstandschef
in Frankfurt bleiben. So viel hat der Verwaltungsrat intern bereits durchblicken lassen Das könnte die Sparkassen, die die Deka erst kürzlich vollständig übernommen haben, allerdings teuer zu stehen kommen. Waas erhielt erst vor einem knappen Jahr einen neuen Fünfjahresvertrag – wenn auch nicht mehr zu ganz so üppigen Konditionen. Das Verhältnis zwischen dem DekaChef und seinem obersten Aufseher ist in jüngster Zeit indes merklich abgekühlt. Haasis, berichten Vertraute, arbeite insgeheim an einer Fusion der Deka mit der Landesbank Berlin (LBB). Der Sparkassen-Chef will aus den beiden Geldhäusern eine Art Spitzeninstitut des öffentlich-rechtlichen Finanzsektors machen, das nach dem Vorbild der genossenschaftlichen DZ Bank zentrale Funktionen wie Handel, Großkreditgeschäft und Wertpapierabwicklung übernimmt. Waas wiederum soll sich für diese Pläne nicht recht erwärmen können. Der Deka-Primus ist nicht der einzige Vorstand, der sich ungerecht behandelt fühlt. Auch der scheidende Kapitalmarktchef Walter Groll (50) verkündete bereits in kleinem Kreis, über eine Klage nachzudenken. Nachdem die von Groll geleitete Handelsabteilung der Deka wiederholt mit dubiosen Deals aufgefallen war, hatte der Verwaltungsrat seinen zur Jahresmitte auslaufenden Vertrag nicht verlängert. Groll hadert seitdem insbesondere mit PwC. Die Wirtschaftsprüfer hatten bei Aktiengeschäften der Deka Bedenken angemeldet, seither verweigern die Finanzbehörden die steuerliche Anerkennung der Transaktionen (siehe manager magazin 4/2011). Groll, der darin einen Hauptgrund für seinen Rauswurf sieht, soll Insidern zufolge nun überlegen, Schadensersatz von PwC zu verlangen. Ulric Papendick
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Offizielle Lieferantin der Aviatik wird man nicht aus Zufall. Erfinderin des modernen Chronografen Seit ihrer Gründung 1884 ist Breitling Spezialistin für Chronografen und spielte bei der Entwicklung dieses Instrumententyps eine tragende Rolle. 1915 erfindet die Wegbereiterin für Armbandchronografen den ersten unabhängigen Drücker. 1923 trennt sie die Funktionen Start/Stopp und Nullstellung – dadurch lassen sich mehrere aufeinanderfolgende Zeitmessungen addieren. 1934 kreiert Breitling den zweiten unabhängigen Drücker und verleiht dem Chronografen sein modernes Gesicht. Diese entscheidende Innovation wird von der Konkurrenz umgehend übernommen. 1969 bringt die Marke den ersten Chronografen mit Automatikaufzug auf den Markt.
Wahre Partnerin der Aeronautik Breitling erlebte alle Highlights bei der Eroberung der Lüfte hautnah mit. Im Zweiten Weltkrieg rüstet sie Jäger mit ihren berühmten Bordchronografen aus, später Linienflugzeuge bedeutendster Konstrukteure und Airlines. Sie wird zur offiziellen Lieferantin der Aviatik weltweit. 1952 entsteht die berühmte Navitimer mit dem Rechenschieber für die Luftfahrtnavigation. 1962 begleitet eine Navitimer Scott Carpenter auf seinem Orbitalflug – die Weltallpremiere eines Armbandchronografen. Heute pflegt Breitling weiterhin ihre authentische und privilegierte Beziehung zur Fliegerei, arbeitet mit Elitepiloten zusammen, leitet mehrere Ausnahmeformationen und nimmt an den grössten Flugmeetings der Welt aktiv teil.
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Katalog und Info unter Tel. 0721 98 48 30
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UBS Der Aderlass
FERRERO Nach dem Tod seines Bruders soll Giovanni
in Deutschland hält an.
Ferrero das Nutella-Imperium auf Dauer allein führen.
Gerade mal ein halbes Jahr ist Axel Hörger (44) Deutschland-Chef der Schweizer Großbank UBS. Eigentlich zu kurz, um ihn für strategische Verfehlungen zur Rechenschaft zu ziehen. Doch der Druck auf den Ex-Goldman-SachsBanker wächst. Grund: Um das deutsche Geschäft mit vermögenden Privatkunden steht es bei dem eidgenössischen Geldhaus eher schlecht. Insider berichten, seit dem aufsehenerregenden Weggang von 21 Mitarbeitern, die sich Ende Axel Hörger März zum Vermögensverwalter Harald Quandt Trust verabschiedet hatten, gebe es weitere Abgänge – darunter Lars Ellermeier, der bisher die Hamburger Niederlassung der Bank geleitet hat, den mit rund 110 Mitarbeitern nach Frankfurt zweitgrößten deutschen Standort. In den vergangenen Monaten wechselten zudem etliche Kundenberater zu Konkurrenten wie der Deutschen Bank, aber auch zu kleineren Häusern wie Berenberg. Die Unzufriedenen beklagten vor allem fehlende Freiheiten bei der Beratung und in der Investmentstrategie. Dabei wird auch Kritik an Hörger laut, dem es nicht gelinge, die Reichenbetreuer zu führen und zu motivieren. Etliche Fehler wurden allerdings bereits in der Vor-Hörger-Ära gemacht. So hat die Bank offensichtlich die kulturellen Probleme bei der Integration von zugekauften Teams wie dem Vermögensverwalter Sauerborn unterschätzt. Die meisten, die jetzt zum Harald Quandt Trust wechselten, stammen von dort. Zudem, so Insider, habe die Bank bei teuer zugekauften Beratern überschätzt, wie viele ihrer bisherigen Kunden diese zur UBS ziehen würden. Ein Trost bleibt für Hörger: Die UBS hat mit ihren Privatkunden in Deutschland ohnehin nur zweimal Geld verdient – 2006 und 2007. Mark Böschen/Thomas Katzensteiner 20
manager magazin 7/2011
Michele Ferrero (86), Patriarch des gleichnamigen italienischen Süßwarenkonzerns, handelte besonnen und zügig. Der Tod seines Sohnes und Juniorchefs Pietro Ferrero (47), der im April bei einer Radtour in Südafrika verunglückte, sollte das Unternehmen nicht lähmen. Umgehend ließ Michele Briefe an die Mitarbeiter verteilen. Trotz des tragischen Verlusts, so die Botschaft, müsse man nach vorn blicken. Als Nachfolger präsentierte er seinen zweiten Sohn: Giovanni Ferrero (46), bislang Co-CEO neben Pietro, übernimmt die alleinige Führung. Viele vermissen bei Giovanni jedoch unternehmerisches Geschick und halten den Schöngeist und Buchautor („Der Gesang der Schmetterlinge“, „Das Chamäleon“) nur für eine Übergangslösung. Analysten mutmaßen sogar, die Familie könnte die Firma verkaufen. Doch nichts dergleichen ist derzeit geplant. Ferrero solle als Familienunternehmen fortgeführt werden, erklärt Michele in seinem Brief. Spekulationen über eine Ablösung Giovannis tritt das ansonsten schweigsame Unternehmen ungewohnt deutlich entgegen: „Giovanni Ferrero macht weiter und stellt die stabile Führung der Gruppe langfristig sicher.“ Der verbliebene Ferrero-Erbe ist die letzte Hoffnung des streng römischkatholischen Familienimperiums, das mit Produkten wie Nutella, Hanuta oder
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Kulturkampf Der kleine Prinz Tic Tac knapp sieben Milliarden Euro Umsatz erzielt. Ferrero kann nur unabhängig bleiben, wenn Giovanni die Rolle des Alleinherrschers kompetent erfüllt – und starke Manager neben sich etabliert. Die erste Herausforderung steht unmittelbar bevor: Künftig solle sich Giovanni, bislang Vertriebs- und Marketingmanager, direkt um die Produktentwicklung in Alba kümmern, verlautet es aus dem Umfeld des Unternehmens. Das Forschungszentrum namens Soremartec war bislang Pietro unterstellt und gilt als Herz des Unternehmens. Zur Entlastung Giovannis könnte ein familienfremder „Supermanager“ benannt werden, der Marketing und Vertrieb in den einzelnen Ferrero-Regionen lenkt. Dieser Manager, so heißt es, solle aus dem eigenen Unternehmen kommen und an Giovanni Ferrero berichten. Die Konzentration auf einen einzigen Vorstandschef könnte die Abläufe künftig beschleunigen. Früher führte jeder der Söhne sein eigenes kleines Imperium. Als Mitarbeiter gehörte man entweder zu Pietro oder Giovanni, die sich nicht immer einig waren. „Das Unternehmen“, berichtet ein langjähriger Ferrero-Manager, „war in zwei Lager aufgespalten.“ Über allem thronte Michele Ferrero, der seinen Söhnen, die er als angestellte CEOs beschäftigte, nur begrenzten Spielraum gab. An diesem Führungsverhalten wird sich wenig ändern. Als das Unternehmen vor wenigen Jahren die Pralinenserie Ferrero Garden einführte, ließ Michele kurzfristig die Verpackung ändern. Die losen Aluminiumhüllen um die süßen Kugeln müssten verklebt werden, damit der Geschmack hinreichend konserviert würde, befand der Patriarch. Das Ferrero-Werk im hessischen Stadtallendorf musste daraufhin seine Maschinen umrüsten. Kostenpunkt: rund acht Millionen Euro. Simon Hage
Der Tradition verpflichtet: Giovanni Ferrero soll die Unabhängigkeit des Schokoladenkonzerns verteidigen
Kann man den Verbrauch von Trucks um 25 % reduzieren? MAN kann. Ein Lkw, der schon heute eine Transportlösung für morgen ist: der Concept S Truck von MAN. Mit seiner radikalen Stromlinienform haben MAN-Ingenieure etwas Revolutionäres möglich gemacht: einen Lkw mit dem Luftwiderstand eines Pkw. So reduziert allein das Design den Kraftstoffverbrauch und die CO2 -Emission um bis zu 25 %. Bei gleicher Ladekapazität. Was MAN in Zukunft sonst noch vorhat: www.man-kann.eu
Engineering the Future – since 1758. MAN Gruppe
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Raus aus Winterkorns Schatten: Audi-Chef Rupert Stadler
AUDI Rupert Stadlers geheime Strategie für 2020: Die Marke
soll Nummer eins unter den Premiumanbietern werden.
Rings of Fire Was haben sie Audi-Chef Rupert Stadler (48) nicht alles vorgeworfen, die Kritiker im Volkswagen-Konzern: Er entwickele das Design der Marke nicht weiter, Audis Hybridmodelle kämen zu spät, er sei zu sehr Kaufmann und zu wenig Techniker. Kurz: Stadler verwalte nur das Erbe seines Vorgängers und heutigen Konzernchefs Martin Winterkorn (64). Jetzt gibt Stadler seinen Gegnern eine deutliche Antwort: Er legt eine Strategie bis 2020 vor, die Audi als Nummer eins unter den Herstellern von Premiumautos etablieren soll. Am 30. Juni und 1. Juli will er seine Vorstellungen vor 2000 seiner Topmanager in der Münchener Messe erstmals präsentieren. In den vergangenen fast zehn Jahren hatten sich die Führungskräfte stets in Salzburg zu diesem Spitzentreffen versammelt. Der Ortswechsel hat Symbolcharakter: Salzburg atmet den Geist Winterkorns. Stadler aber will endgültig aus dem Schatten seines Vorgängers treten. Der nach außen so unauffällig wirkende Manager will Audi in beinahe jeder Hinsicht zum weltweit führenden Hersteller formen. Innovationen, Quali22
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tät, Kundenservice – überall soll die Marke mit den vier Ringen die Konkurrenz abhängen, wie Informationen des manager magazins belegen. Gemeinsam mit seinem Vorstand hat Stadler über Monate an dem neuen Fundament gefeilt, mal abends in Ingolstadt, mal auf Wochenendklausuren im Altmühltal. Audi, so der Anspruch der Runde, soll bis 2020 weltweit begehrtester Arbeitgeber der Branche werden. Die Modelle sollen leichter sein als die der Konkurrenz; sie sollen die sparsamsten Motoren bekommen, Elektromobile möglichst emissionsfrei befeuert von selbst produziertem Ökostrom. Und, das erscheint angesichts der Mercedes-Preise besonders ambitioniert, die Kunden sollen für Audi-Karossen im Schnitt mehr bezahlen als für Konkurrenzmodelle. Das Ergebnis wäre ein fulminantes Zahlenwerk: 21 Prozent Kapitalrendite will Stadler Jahr für Jahr abliefern, die operative Marge im Schnitt bei 8 bis 10 Prozent halten, die Modellrendite auf 11 Prozent erhöhen. Den Absatz will der Audi-Chef bis 2020 auf 2 Millionen Autos steigern, von 1,124 Millionen 2010. Es ist
eine der wenigen Kategorien, in der Stadler von seinem Nummer-eins-Anspruch ablässt. BMW-Chef Norbert Reithofer (55) erwartet, die 2 Millionen bereits 2016 zu erreichen (siehe Kasten Seite 24). Dabei wächst auch Audi rapide. Die Marke wird 2011 wohl erstmals mehr Fahrzeuge absetzen als der Rivale Mercedes. Die ursprünglich erst für 2015 anvisierten 1,5 Millionen verkauften Autos prognostizieren die Unternehmensplaner inzwischen für spätestens 2014, eventuell aber auch schon für 2013. Die Umsatzmarge lag zuletzt bei 9,4 Prozent. Audi ist damit so etwas wie der Volkswagen-Finanzier. Die Ingolstädter steuerten 2010 nicht weniger als 3,34 Milliarden Euro zu den von VW ausgewiesenen 7,1 Milliarden Euro operativen Gewinns bei. Stadler hat die neue Mission geschickt terminiert. Nicht nur Audi, sondern alle deutschen Hersteller sind glänzend aus der Krise emporgestiegen. Gerät die Weltwirtschaft nicht außer Tritt, könnte der Branche ein Jahrzehnt der Deutschen bevorstehen. In dem Moment, in dem die Menschen wieder Geld für neue Autos haben, bieten die deutschen Hersteller die wohl attraktivste Modellpalette. Das Ergebnis sind goldgeränderte Bilanzen. Und Fabriken, die die gewaltige Nachfrage kaum bewältigen können. Stadler beschleunigt deshalb seine Investitionspläne. Audi baut das Werk im ungarischen Györ aus; zunächst auf eine
Sollten wir nicht? Wie können wir? Was wäre, wenn? Jede Frage steht für eine Möglichkeit, die noch nicht Wirklichkeit geworden ist. Fragen haben die Macht, Veränderungen in Gang zu bringen, Grenzen zu über winden und uns zu völlig neuartigen Gedanken zu inspirieren. Sollten wir nicht den Finger direkt am wechselhaften Puls unserer Kunden haben? Wie können wir Millionen Beteiligte rund um den Globus miteinander vernetzen? Was wäre, wenn wir gigantische Datenmengen im Handumdrehen verstehen könnten? Nur wer Fragen stellt, kann Neues entdecken. Mög lichkeiten, die eben noch unerreichbar schienen, sind plötzlich zum Greifen nah. Ideen nehmen Gestalt an. Und ein revolutionärer Wandel wird Wirklichkeit. Denn wenn Sie schneller als je zuvor Antworten auf jedes „Was wäre, wenn“ bekommen, verwandeln sich theoretische Möglichkeiten in handfeste Vorteile. SAP In-Memory Computing. Was möglich ist, erfahren Sie unter sap.de/InMemory
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Jahreskapazität von 150 000 Autos. Später, so wird in Ingolstadt spekuliert, seien sogar 300 000 Fahrzeuge möglich. Die Kapazität in China soll mittelfristig auf 500 000 Fahrzeuge steigen, und auch die lange umstrittene Fabrik in Nord- oder Mittelamerika wird gebaut. Die endgültige Entscheidung darüber soll in Kürze fallen. 150 000 Autos will die Audi-Spitze dort pro Jahr bauen; wahrscheinlich werden größere Limousinen oder Geländewagen vom Band laufen. Dazu könnte mittelfristig ein Motorenwerk kommen. Auch der Modellplan für die Vision 2020 steht weitgehend. Der Audi-Chef will die Palette insbesondere oberhalb der Mittelklassewagen A4, A5 und Q5 ausbauen. So denken die Ingolstädter über einen A9 nach, ein zweitüriges Coupé des bisherigen Flaggschiffs A8. Dazu soll es neue, sportliche Varianten des A6 geben. Stadlers Ziel ist eine Verschiebung im Modellmix. Bislang kommen auf jeden Audi der renditeträchti-
Problemchen: Daimler-Chef Dieter Zetsche fällt trotz guter Zahlen leicht zurück
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Höhenflieger: BMW-Chef Norbert Reithofer glänzt mit zweistelligen Renditen
Reithofers Kleinwagen-Attacke Auch BMW geht in die Vollen: mit einer Flut neuer Modelle und Werke Die Strategie: BMW-Lenker Norbert
Reithofer überarbeitet mit seinen Vorstandskollegen gerade die auf 2012 ausgerichtete Strategie „Number One“. Die Leitlinien sind bereits klar: Der Absatz soll massiv wachsen. Schon 2016, zum hundertjährigen BMW-Jubiläum, will Reithofer die Zwei-Millionen-Marke knacken. 2020 wollen die Bayern 2,5 oder sogar 2,6 Millionen Autos verkaufen. Dem für 2013 geplanten Elektromobil i3 trauen die Münchener viel zu, erwarten einen Absatz von mindestens 30 000 Stück pro Jahr. Reithofer setzt weiter harte Sparziele, die Fixkosten sollen anders als in früheren Boomphasen unterproportional wachsen. Die Modelle: Mit einer Flut neuer Mo-
delle will Reithofer diese Ziele erreichen. Insbesondere mit Kleinwagen drängt der Konzern auf den Markt. Basis des Strategieschwenks ist eine neue Fahrzeugarchitektur. Sie ermöglicht es, den Mini, die 1er-Reihe und eine neue Baureihe unterhalb des 1ers auf eine gemeinsame Basis zu setzen. Gleich sieben bis neun Modelle plant Reithofer auf dieser 24
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Grundlage, unter anderem einen Van vergleichbar mit VWs Touran. Die Strategie birgt indes Risiken: Schon jetzt tun sich die Münchener schwer, mit dem 1er und dem Mini Geld zu verdienen. Bei kleineren Modellen ist der Preiskampf in der Branche noch härter. Aber Reithofer fühlt sich gewappnet: Die hohen Volumina sollen die Durchschnittskosten senken. Die Werke: Gleich mehrere neue und der
Ausbau bestehender Werke sind vorgesehen. So wird die Fabrik in Leipzig für die i3-Produktion vergrößert, und auch die Fertigung in Südafrika soll ausgebaut werden. Ein neues Werk – Größe noch nicht klar – wünscht sich die Konzernspitze in Brasilien. Dazukommen soll eine Fabrik mit bis zu 250 000 Autos Jahreskapazität, alternativ in Osteuropa, Mexiko oder im Süden der USA. Auch China steht auf der Liste möglicher Großinvestitionen. Der Ausbau der Kapazität dort auf 300 000 Autos ist längst noch nicht abgeschlossen, da liebäugeln einige Konzernmächtige bereits mit 500 000. Aber Reithofer bremst: die Abhängigkeit von China soll nicht zu groß werden.
gen Oberklasse zwei Mittelklasseautos. Künftig soll das Verhältnis bei 1:1 liegen. Das wird nur funktionieren, wenn Audi auch in den großen Klassen deutlich umweltbewusstere Modelle auf den Markt bringt. Bisher, bemängeln Kritiker, sei davon wenig zu sehen. Insbesondere BMW und Toyotas Luxusmarke Lexus seien weit voraus. Stadler antwortet mit einem ganzheitlichen Ansatz. Audis Fabriken sollen möglichst klimaneutral produzieren, also ohne Kohlendioxidemissionen. Elektroautos sollen – zumindest rechnerisch – mit hausgemachtem Ökostrom laufen. Derzeit hat Stadler, ein Anfang, in vier Windräder in der Nordsee investiert. Für die Zukunft erwägt er eine Beteiligung an einem Stromproduzenten. Als eine Möglichkeit wird die Übernahme von Lichtblick gehandelt. Der Ökostromanbieter hat mit VW kleine Blockheizkraftwerke entwickelt, die in Privathaushalten installiert werden und auch Strom ins öffentliche Netz einspeisen. Die Sache hat allerdings einen Haken. Kaum erfuhren die Wolfsburger Konzernstrategen von Stadlers Plänen, erhoben sie selbst Ansprüche. Wann aber kommen die Elektromodelle? 2014 will Stadler Plug-in-Hybride des Q7 und A4 an den Start bringen, also Autos, deren Batterien sich an der Steckdose aufladen lassen. Danach sollen zügig weitere Hybridbaureihen folgen. Ende 2013 oder Anfang 2014 soll eine Elektroversion des Klein-Audis A1 an den Start gehen. Nur die Technik ist noch umstritten. Die Audi-Entwickler wollen die Reichweite des Modells mit einem Wankelmotor verlängern. Die VW-Kollegen indes lehnen diese Variante ab. Den Ausschlag geben wird wohl Ferdinand Piëch (74) persönlich. Der Aufsichtsratschef befand nach einer Probefahrt mit dem Audi-Wankel vor einigen Monaten lediglich: „Gebt’s dem mehr Power!“ Die Entscheidung ist aufgeschoben. Gleiches gilt für eine Frage, in der für den Audi-Chef auch persönlich viel auf dem Spiel steht. Spätestens 2017 steht ein Wechsel an der Konzernspitze an. Martin Winterkorn wechselt dann an die Spitze des Aufsichtsrats. Zu den Favoriten auf seine Nachfolge zählen nicht nur Škoda-Chef Winfried Vahland (54) und China-Statthalter Karl-Thomas Neumann (50). Sondern auch Rupert Stadler. Michael Freitag
DRAHTZIEHER
Bewährungsprobe HANS-JOACHIM KÖRBER
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Der neue Chairman des Ratinger Modehauses Esprit übernimmt einen Problemfall. Der Turnaround soll in gut einem Jahr gelingen.
Es ist erst drei Jahre her, dass Hans(64) über sich selbst sagte: „Ich muss mir nichts mehr beweisen.“ Er hatte Ende Oktober 2007 den Vorstandsvorsitz der Metro abgegeben, kassierte noch 19,3 Millionen Euro und beschied sich fürderhin mit einigen Aufsichtsratsmandaten. Jetzt aber will Körber es noch einmal wissen. Anfang 2011 übernahm er die Leitung der Boards zweier Konzerne, die mit Problemen kämpfen – die verlustreiche Air Berlin und das Ratinger Bekleidungshaus Esprit, dessen Umsatz, Rendite und Aktienkurs nur eine Richtung kennen: nach unten. Esprit war über Jahre rasant gewachsen – dank Heinz Krogner (70). Der Ex-Firmenchef bewies ein feines Gespür für den Geschmack der Kunden. Doch seit Mitte der 2000er Jahre kümmerte er sich immer weniger um das Geschäft auf der Fläche, und die Marke Esprit verlor ihre Einzigartigkeit. Im November 2009 übertrug Krogner seinen CEO-Posten Ronald van der Vis (43). Als Chairman blieb er aber im Amt und nutzte seine Position, um dem jungen Niederländer immer wieder ungebeten Ratschläge zu geben. Die Situation eskalierte bald. Van der Vis wehrte sich gegen die Einmischung, Krogner wiederum ließ durchblicken, dass er den falschen Nachfolger ausersehen hatte. Der Board musste sich zwischen den beiden entscheiden. Krogner unterlag und verließ im Februar 2011 den Aufsichtsrat. Körber, der seit Mai 2008 dem Gremium angehört, übernahm die Regie. Joachim Körber
Nun also führen zwei Manager eine Modefirma, die beide keine Ahnung von Mode haben: Körber, der analytische Controller, und van der Vis, ein akribisch rechnender Händler, der vom Brillenfilialisten Pearle kommt. Kann dieses Duo der Marke Esprit wieder zu alter Strahlkraft verhelfen? Immerhin: Die beiden Männer verstehen sich gut und arbeiten eng zusammen. Körber hat sein Büro in Düsseldorf, der Weg ins angrenzende Ratingen ist nicht weit. Er hält sich zwar aus dem Operativen heraus, verlangt aber detaillierte Strategiepläne. Van der Vis hat bereits einiges unternommen, um die Wende herbeizuführen: Er schloss unrentable Filialen, beendete die Esprit-Präsenz in mehreren Ländern und baute die Organisation um. Parallel dazu erneuerte er das Management auf der ersten und zweiten Ebene. Einige Spitzenkräfte drängte van der Vis aus dem Konzern. Andere gingen, weil sie mit dem CEO nicht zurechtkamen: Sein Führungsstil ist nicht gerade von sozialer Kompetenz geprägt; er gilt ebenso wie Körber als kühler Zahlenfresser. Die neue Mannschaft kommt größtenteils aus dem Modebusiness (H&M, C&A) und soll van der Vis’ fehlendes Gespür für Fashion-Trends kompensieren. Noch aber ist ihre Handschrift nicht zu sehen, weder in den Läden noch in den Bilanzen. Im Geschäftsjahr 2010/11 wird Esprit eine Umsatzrendite vor Zinsen und Steuern von rund 12 Prozent erwirtschaften; sie lag einmal bei 21 Prozent. Der Umsatz dürfte auf drei Milliarden Euro fallen. Noch gefährden die schwachen Zahlen nicht van der Vis’ Job. Sein Mentor Körber verschafft ihm Rückhalt im Board, und er akzeptiert, dass der CEO für den Turnaround noch mindestens ein Jahr veranschlagt. Eine Bewährungsprobe für van der Vis – und damit auch für Körber. Ursula Schwarzer
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COMMERZBANK Das Geldhaus findet keine Lösung für
den maroden Immobilienfinanzierer Eurohypo.
Apollo 13 Codenamen dienen gemeinhin dem Zweck, ein im Verborgenen verfolgtes Projekt für Eingeweihte kenntlich zu machen. Doch der Deckname „Apollo“, den die Commerzbank für den Verkauf ihrer Immobilientochter Eurohypo gewählt hat, erweist sich als problematisch, ja unglücklich. In der Bank hat sich schnell die Bezeichnung „Apollo 13“ durchgesetzt, in Anlehnung an die missglückte US-Mondmission aus dem Jahr 1970. Der Vergleich ist nicht unpassend: Der Verkauf des Immobilienfinanzierers, den die EU-Kommission der Commerzbank als Ausgleich für die massiven Staatshilfen bis 2014 aufgegeben hat, gleicht einem Himmelfahrtskommando. Vom Börsengang bis zur Veräußerung der Tochter an einen Finanzinvestor oder
ein anderes Geldhaus haben Commerzbank-Chef Martin Blessing (47) und sein zuständiger Vorstand Jochen Klösges (46) alle Optionen durchgespielt – nur um sie anschließend wieder zu verwerfen.
Schwer verdaulich Finanzierungsvolumen deutscher Immobilienbanken1, in Milliarden Euro 72
Eurohypo Deutsche Pfandbriefbank2 Aareal Bank WestImmo
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Kreditbestand im Immobiliengeschäft 2 Nach Auslagerung von Beständen in Abwicklungsanstalt FMS Wertmanagement. Quelle: Unternehmen, Ende 2010 Grafik: manager magazin
Dass sich partout kein Interessent finden mag, liegt teilweise daran, dass die Eurohypo in ihrer jetzigen Verfassung allein schon deshalb kaum verkäuflich ist, weil sämtliche Zentralfunktionen – von der Personal- und Rechtsabteilung über das Treasury bis zur IT – mittlerweile bei der Commerzbank liegen. Vor allem aber ist es für die Immobilienbank nahezu unmöglich, sich ohne die Hilfe der Mutter am Kapitalmarkt zu refinanzieren. Deshalb bleibt Blessing wohl nur die Wahl, die Eurohypo mit ihrem Kreditvolumen von mehr als 180 Milliarden Euro so weit wie möglich zu schrumpfen und anschließend entweder auf die eigenen Bücher zu nehmen oder abzuwickeln. Im Kerngeschäft der Eurohypo, der gewerblichen Immobilienfinanzierung, erweist sich das Herunterfahren des Darlehensbestands indes als mühselig. Das Kreditvolumen sank in den letzten zwei Jahren um nicht einmal 9 Prozent. Entsprechend hilflos gehen die Geldmanager mit ihrem Portfolio um: Mal werden die Darlehen nach Ländern sortiert, dann nach der Qualität des Schuldners.
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D ie g a n ze Welt der Politik!
Sorglos: Eurohypo-Primus Pörschke ging trotz Krise für zwei Monate nach Harvard
Ratlos: Commerzbank-Chef Blessing muss die Immobilientochter bis 2014 verkaufen
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Die Vorstände in Eschborn, dem Sitz der Eurohypo, scheinen das Thema ohnehin recht gelassen anzugehen. Institutsleiter Frank Pörschke (46) ging trotz der andauernden Misere in diesem Frühjahr für zwei Monate an die Eliteuniversität Harvard, zwecks Weiterbildung. Dann könne er wenigstens kein Neugeschäft machen, kommentierte Konzernchef Blessing bissig. Bezahlt werden die Eurohypo-Chefs trotzdem recht ordentlich. Gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen Thomas Bley (49) und Thomas Köntgen (44) verdiente Pörschke vergangenes Jahr fast 2,5 Millionen Euro. Ein Spitzensalär in dem vom Staat geretteten Konzern, in dem zuletzt noch eine Gehaltsgrenze von einer halben Million Euro galt. Spötter witzeln bereits, einer derart gut bezahlten und frisch nachgeschulten Vorstandscrew müsse doch wohl etwas einfallen, um die Bank, wie von Brüssel gefordert, bis 2014 loszuwerden. Immerhin seien die Astronauten von Apollo 13 am Ende ja auch zur Erde zurückgekehrt. Ulric Papendick
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EXKLUSIV-STUDIE Das Toppersonal in der Pharma-
Kapitalverlust droht.
industrie könnte Stimmungsaufheller vertragen.
Solibeitrag
Schlechte Noten für Bayer
Guy Hands (51), einst als Superstar der Private-Equity-Szene gefeiert, holen die Sünden seiner Vergangenheit in Deutschland ein. Es geht um die Deutsche Annington in Bochum, die seiner Fondsgesellschaft Terra Firma Capital gehört. Das größte heimische Wohnungsunternehmen (220 000 Wohnungen) muss binnen zwei Jahren 4,8 Milliarden Euro Schulden ablösen. Nach Meinung von Restrukturierungsprofis ist das eine Aufgabe, bei der sich Hands und seine Anleger zumindest Guy Hands einige Blessuren einfangen werden. 2005 hatte der umtriebige Brite die Wohnungen des Energiekonzerns Eon für überteuerte sieben Milliarden Euro übernommen. Den Kaufpreis finanzierte er fast ausschließlich mit Krediten. Banken verpackten diese in Wertpapiere, besicherten sie mit Erträgen aus den Immobilien und platzierten sie bei Investoren. Inzwischen aber gelten diese Verbriefungen als Giftmüll. Deshalb lassen sie sich in vollem Umfang kaum verlängern. Annington-Finanzchef Stefan Kirsten (50), früher bei Metro und ThyssenKrupp, versucht nun, zusätzlich einen großen Bankkredit aufzutreiben oder Pfandbriefe auszugeben. Doch er dürfte neue wie alte Gläubiger voraussichtlich nur mit höheren Zinsen zum Mitmachen bewegen. Manch ein Spekulant, der jetzt bei den Schuldtiteln einsteigt, mag obendrein eine satte Gebühr verlangen. Die Ansprüche könnten die Wohnungsgesellschaft, die als solide geführt gilt, in finanzielle Bedrängnis bringen. Notverkäufe von Wohnungen könnten helfen, würden aber zu Abschreibungen führen. Deshalb rechnen viele Experten mit einem Finanzierungsbeitrag von Guy Hands und seinen Anlegern. Ein Experte: „Die Gesellschaft wird auf das Eigenkapital zurückgreifen müssen.“ Thomas Werres
Bayer-Chef Marijn Dekkers (53) pflegt die Attitüde des Aufräumers. Zu Jahresbeginn besetzte der Niederländer etliche Spitzenpositionen beim Pharma- und Chemiekonzern neu. Dann dachte er laut über eine Fusion mit einer internationalen Pharmagröße nach. Auf der Hauptversammlung zeigte er sich enttäuscht über zwei der drei Konzerndivisionen. Dekkers ist mit vielem in Leverkusen nicht einverstanden. Allerdings sind etliche seiner Führungskräfte nicht minder unzufrieden. Dies belegt die diesjährige Befindlichkeitsumfrage des Verbandes angestellter Akademiker und leitender Angestellter der Chemischen Industrie (VAA). Laut der Studie, deren Ergebnisse manager magazin exklusiv veröffentlicht, begleiten die Bayer-Mitarbeiter die Konzernstrategie mit einigem Argwohn. Für die große Linie gibt es als Note nur eine Drei minus (3,45). Auch in anderen Kategorien (Kultur, Arbeitsbedingungen, persönliche Befindlichkeit) lässt die Bewertung zu wünschen übrig. Im Gesamtranking belegt Bayer deshalb nur den 16. von 25 Rängen. Bayer-Gewächse fühlen sich häufig wohler, wenn sie nicht mehr zur Konzernfamilie gehören. Die Ableger und heutigen M-Dax-Konzerne Symrise (Duft- und Aromastoffe) und Lanxess (Spezialchemie) liefern den Beweis. Symrise verbesserte sich zum Vorjahr um eine halbe Note (2,9 statt 3,4). Offenbar ein Verdienst des seit Mitte 2009 amtierenden Vormanns Heinz-Jürgen Bertram (52). Lanxess liegt in der Gesamtplatzierung sogar noch weiter vorn, auf Platz vier (Note 2,8). Keine Frage, in den deutschen Chemiefirmen ist der Aufschwung auch stimmungstechnisch angekommen. Ob bei Gesamtsieger Wacker Chemie, dem Zweitplatzierten BASF, Schott, Evonik oder Dupont Deutschland – das Führungspersonal erkennt jetzt an, dass die Vorstände in der Krise Entscheidungen getroffen haben, die den Erfolg sichern. Einzig Süd-Chemie fällt aus dem Rah-
FOTO: BULLS PRESS
DEUTSCHE ANNINGTON
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manager magazin 7/2011
men; die Belegschaft ist offenbar durch einen Eigentümerwechsel verunsichert. Dagegen ist die Gemütslage der Topmitarbeiter in der Pharmabranche eher gedrückt. So stürzte etwa der Daxkonzern Merck um drei, Vorjahressieger Roche Diagnostics gar um sieben Ränge ab. Thomas Werres
Gemischtes Bild Die Firmenbewertung der Topkräfte Rang 2011 2010 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25
5 3 4 7 2 10 17 1 12 8 6 21 9 11 13 14 23 19 18 15 22 20 25 24 26
Unternehmen1
Note2
Wacker Chemie BASF Boehringer Ingelheim Lanxess Merck Schott Symrise Roche Diagnostics Evonik B. Braun Melsungen Beiersdorf Dupont Deutschland Heraeus Shell Deutschland Oil Solvay Bayer Clariant Daiichi Sankyo Henkel Sanofi-Aventis Nycomed Süd-Chemie H. C. Starck Lyondell Basell Celanese Mittelwert
2,77 2,78 2,79 2,81 2,81 2,90 2,91 2,92 2,92 2,95 2,99 3,07 3,11 3,25 3,29 3,31 3,42 3,43 3,58 3,62 3,86 3,93 4,03 4,15 4,36 3,28
1 Bei ausländischen Unternehmen deutsche Niederlassung; 2 gerundeter Durchschnittswert
ONLINE Detaillierte Untersuchungsergebnisse und ein Interview mit dem VAA-Vorsitzenden Thomas Fischer unter: www.manager-magazin.de/chemie
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IN BERLIN FINANZMINISTERIUM Wolfgang Schäuble hat
Schwierigkeiten, wichtige Posten zu besetzen.
Einsam auf der Brücke Weiche Typen sind als Finanzminister unbrauchbar, zumal in harten Zeiten. Insofern gilt Wolfgang Schäuble (68, CDU) vielen als Idealbesetzung: Seine Unnachgiebigkeit wird gefürchtet, seine Erfahrung gerühmt, seine Selbstdisziplin bewundert. Wer sonst, wenn nicht er, hat das Zeug, die Regierungskoalition durchs Zentrum der großen Schuldenkrise zu navigieren. Doch ausgerechnet jetzt, auf dem Höhepunkt des Kampfes um den Euro, verliert Schäuble wichtige Leute, ohne dass adäquater Ersatz in Sicht wäre: Rolf Wenzel (56), Leiter der Abteilung Finanzmarktpolitik und geschätzter Ansprechpartner deutscher Banker, wechselt als Chef zur Entwicklungsbank des Europarates nach Paris. Schäubles langjähriger Weggefährte Markus Kerber (47), der bislang die wichtige Grundsatzabteilung führte, wird BDI-Hauptgeschäftsführer. Und Jochen Sanio (64), Vormann der dem Ministerium unterstellten Finanzaufsicht Bafin, zieht es in den Ruhestand. Was ist eigentlich los in Schäubles Haus? Warum gelingt es dem Minister nicht mehr, wichtige Leute an sich zu binden? Fragen, die derzeit so manchen Insider umtreiben. Sicher, Schäuble gilt als schwieriger Chef. Worauf Mitarbeiter gefasst sein müssen, konnte die Öffentlichkeit miterleben, als der Minister seinen damaligen Sprecher Michael Offer (51) vor laufenden TV-Kameras vorführte. Solche Konflikte auszuhalten gehört allerdings in jedem Ministerium zum Los des Beamten. Was schwerer wiegt,
sind die mangelnden Aufstiegsperspektiven im eigenen Haus. So wäre Markus Kerber wohl gern Staatssekretär geworden, doch Schäuble sagte Nein – woraufhin Kerber dem Ruf der Headhunter von Egon Zehnder zum BDI folgte. Auch Wenzel sah nach vielen Jahren im Ministerium offenbar keine Weiterentwicklungschance. Die zentralen Figuren im Hause sind nach wie vor die Staatssekretäre Jörg Asmussen (44) und Werner Gatzer (52). Beide gelten als Topkräfte, doch sie dienten schon Peer Steinbrück (64) und sind SPDMitglieder – was innerhalb der Unionsgruppe im Ministerium für Unmut sorgt. Auch dass Schäuble drei Referate aus Kerbers Grundsatzabteilung ans Arbeitsministerium abgetreten hat, geht manchem gegen den Strich. Wie dünn die Personaldecke ist, zeigt die quälend lange Suche nach einem neuen Bafin-Chef. Viele halten Thomas Steffen (48) für eine Idealbesetzung; schließlich saß der bereits als Versicherungsaufseher im BafinDirektorium. Doch nun leitet er die Europa-Abteilung im Ministerium und ist dort kaum zu ersetzen. So kommen immer neue Bafin-Kandidaten ins Spiel, darunter die Finanzmanager Hans Jörg Schüttler (55; IKB) und Günther Bräunig (55; KfW) sowie Erich Loeper (55), Zentralbereichsleiter bei der Bundesbank. Eine Lösung gibt es bislang nicht. Das Personalvakuum, so sieht es aus, wird noch länger bestehen. Henrik Müller/Christian Rickens
PwC-Zentrale: Es droht Besuch vom Staatsanwalt
PWC SachsenLB sorgt
für neuen Ärger.
Lightgeprüft Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers (PwC) geraten ins Visier der Staatsanwaltschaft: Die Wirtschaftsprüferkammer hat entschieden, ein berufsgerichtliches Verfahren gegen die PwCPrüfer der SachsenLB bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin einzuleiten. Erste Gespräche dazu hätten bereits stattgefunden, teilte ein Sprecher der Berliner Generalstaatsanwaltschaft mit. In den kommenden Wochen will die Kammer die Unterlagen an die Staatsanwaltschaft übergeben, die daraufhin ermitteln muss. PwC wollte die Informationen nicht kommentieren. Das Verfahren richtet sich gegen Mitarbeiter von PwC, die die Abschlussberichte der SachsenLB für die Jahre 2005 und 2006 testiert haben. Ihnen drohen Geldstrafen von bis zu 100 000 Euro oder gar Berufsverbot. Nach Meinung der Kammer haben die PwC-Mitarbeiter die Liquiditäts- und Verlustrisiken aus US-Immobiliengeschäften in den Jahresabschlüssen der Landesbank nicht ausreichend dargestellt. Um Auseinandersetzungen vor Gericht zu verhindern, hatte PwC bereits im Januar 2011 mit Sachsens Landesregierung einen Vergleich geschlossen und – ohne Anerkenntnis einer Schuld – 40 Millionen Euro an das Land gezahlt. Wegen ihres toxischen Wertpapierbestands musste die Bank 2007 von der Sparkassengruppe gestützt werden. Das Land Sachsen musste bisher 132 Millionen Euro überweisen, bürgt aber weiterhin für Verluste in Höhe von bis zu 2,75 Milliarden Euro. Mark Böschen manager magazin 7/2011
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METRO Warum der Konzern den Vize- und
die Manager von Bord.
Einkaufschef der Tochter Galeria Kaufhof ziehen ließ.
Flüchtig
Reizfigur
Der Wechsel an der Spitze von IBM in Deutschland, über den manager magazin Anfang April online exklusiv berichtet hatte, brachte gleich zwei in der deutschen Wirtschaft seltene Spezies hervor: Mit Martina Koederitz (47) stieg erstmals eine Frau zur Chefin des amerikanischen IT-Konzerns hierzulande auf. Koederitz gehört damit zu dem erlesenen Kreis von Managerinnen in Topführungspositionen. Auch Martin Jetter (51), ihr Vorgänger auf dem Posten und nun Strategiechef in der USZentrale, wurde Teil einer exklusiven Runde – deutsche Manager, die in den USA Karriere machen. Zwei Monate nach dem Machtwechsel zeigt sich nun, dass der Umbau bei IBM tiefer Martina Koederitz geht als erwartet. Auch IBM-Vorstand Michael Diemer (48), verantwortlich für das Geschäft mit technologischem Service in Deutschland, ist auf dem Sprung in die US-Zentrale von Big Blue, berichten Insider. Diemer gilt als Jetter-Vertrauter. Einen Nachfolger gibt es offenbar noch nicht. Die Suche nach externen Kandidaten laufe, heißt es. IBM selbst wollte den anstehenden Wechsel nicht kommentieren. Diemer, ein erfahrener Manager, wird nicht leicht zu ersetzen sein, zumal Koederitz wegen der schwachen Geschäftslage weitere Manager davonlaufen. So hat zuletzt Hans-Jürgen Walter, in der IBM-Consulting-Einheit für das Geschäft mit Banken verantwortlich, das Unternehmen verlassen. Immerhin, einen Lichtblick hat die neue Chefin für sich ausgemacht: Sie werde den anhaltenden konjunkturellen Aufschwung für sich nutzen, ließ sie schon einmal die Öffentlichkeit wissen. Wie, darüber schweigt sich Koederitz allerdings noch aus. Astrid Maier
Ralf Pütmann (46) ist ein überaus kommunikativer Mensch. Der bis vor Kurzem amtierende Vizechef der Metro-Tochter Galeria Kaufhof redet gern, und das zuweilen unabhängig von der Substanz. Nach einem halbstündigen internen Vortrag Pütmanns fragte ihn Konzernchef Eckhard Cordes (60) einmal gereizt, was er denn nun eigentlich gesagt habe. Einen Moment war Pütmann sprachlos. Ende Mai schied er Knall auf Fall bei Kaufhof aus – ziemlich überraschend für einen Manager, der lange als Anwärter auf den Chefposten gehandelt wurde. Zwei Jahrzehnte war er bei Kaufhof, seit 2002 im Führungsgremium und die letzten drei Jahre Stellvertreter von Warenhauschef Lovro Mandac (61). Über die Gründe für seinen Weggang mag Pütmann keine Auskunft geben, und einen neuen Arbeitgeber hat er wohl auch noch nicht. Vieles spricht dafür, dass er bei Kaufhof keine Perspektive mehr für sich sah. Sein Ziel war es, Mandac abzulösen, der immer mal auf der Liste gefährdeter Topmanager stand. Doch derzeit geht es dem Kaufhof gut, der vor Jahren anvisierte Verkauf der Metro-Tochter steht kurzfristig nicht an, und Mandac sitzt auf seinem Stuhl so sicher wie lange nicht mehr.
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Ergreift das Wort und lässt es nicht los: Ausgeschiedener Kaufhof-Vize Pütmann
FOTO: PR
FOTO: PR
IBM Chefin Koederitz gehen
Keine Chance also für den ehrgeizigen Pütmann. Schon gar nicht, seitdem im vergangenen Herbst Metro-Finanzvorstand Olaf Koch (41) den Aufsichtsratsvorsitz bei Galeria Kaufhof übernahm. Der kahlköpfige Controller ist einer, der, mehr noch als Konzernchef Cordes, allergisch auf Geschwätz reagiert. Pütmann und Koch: Das passte gar nicht. Mitte April, bei einer Vorstandsklausur der Metro AG mit den Chefs der Tochterfirmen, nahm sich Koch den für den Einkauf zuständigen Pütmann vor. Warum es ihm nicht gelinge, mehr Topmarken in die Regale zu bringen – und zwar nicht nur in die Premiumhäuser, sondern auch in die Masse der 124 deutschen Filialen? Pütmanns Rechtfertigung, die Edelmarkenhersteller wollten ihre Waren nur in teuer modernisierten Geschäften angeboten sehen und für eine breite Restaurierung reiche das Investitionsbudget nicht aus, befriedigte Koch nicht; als früherer Aufsichtsrat bei Hugo Boss kennt er die andere Seite aus eigener Praxis. Mitte Mai kamen die beiden überein, dass man sich trennen würde. Der Abgänger wurde sofort freigestellt. Dabei mag auch eine Rolle gespielt haben, dass Pütmann seinen Geschäftsführungskollegen zunehmend auf die Nerven ging. Das Verhältnis zu Mandac ist seit Langem angespannt – nicht zuletzt durch das Drängeln des Youngsters an die Spitze. Zudem mokierten sich Personalleiter Ulrich Köster (49) und Marketingchefin Claudia Reinery (44) über die Besserwisserei Pütmanns. Der 2008 zum Vizechef beförderte Pütmann hatte es nie verwunden, dass er sein geliebtes Marketingressort abgeben musste. Das übernahm 2009 zunächst Mandac, dann die von Karstadt abgeworbene Reinery. Spekulationen, wonach Pütmann zum Wettbewerber Karstadt wechseln werde, dürften sich, wenigstens vorerst, nicht bewahrheiten. Er musste im Aufhebungsvertrag ein Konkurrenzverbot akzeptieren. Sören Jensen
MANAGER DIREKT MM-PANEL Führungskräfte zweifeln am Neustart der FDP.
Der Doktor und das liebe Tief Die FDP steht an einem Scheideweg. Unter der Führung des neuen Parteivorsitzenden Philipp Rösler muss sie sich eigentlich von der CDU emanzipieren – und Profil für die Bundestagswahl in zwei Jahren zeigen. Doch kann Rösler, der neue Milde, es überhaupt schaffen, für die Liberalen in der Koalition Stellung zu beziehen? Das Urteil der Entscheider über die Durchsetzungskraft des promovierten Mediziners und neuen Wirtschaftsministers könnte eindeutiger kaum ausfallen.
83 Prozent trauen ihm nicht zu, sich gegen Angela Merkel zu behaupten. Entsprechend skeptisch fällt das Votum der von manager magazin exklusiv befragten Führungskräfte darüber aus, ob die FDP überhaupt im nächsten Bundestag vertreten sein wird. In einem sind sich die Befragten aber wieder einig: Ex-Parteichef Guido Westerwelle sollte auch sein Amt als Außenminister zur Verfügung stellen. Mehr zur Methode: www.manager-magazin.de/entscheiderpanel
Zu weich
Zu klein
Zu unbeliebt
Glauben Sie, dass sich Philipp Rösler gegen Angela Merkel in der Koalition durchsetzen kann?*
Wird es die FDP schaffen, bei der Bundestagswahl 2013 die Fünf-ProzentHürde zu nehmen?*
Sollte Guido Westerwelle als Außenminister zurücktreten?*
Ja
Ja
42
10
Nein
Nein
47
83
Ja
78 Nein
17 7 Weiß nicht
11 Weiß nicht Grafik: manager magazin
*Angaben in Prozent, 368 Befragte.
mm-Konjunktur-Indikator mm-Prognose des BIP-Wachstums für 2011
3,1
2,7
3,2
Nov.
2010
Dez.
3,6
3,4
OECD Fünf Weise
Okt.
3,7
3,5
Gemeinschafts diagnose* Bundesbank
Jan.
3,7
3,9 %
IfW OECD Dekabank
Deutsche EU Kommission Bank
Feb.
März
April
Mai
Juni
Juli
2011
(Beginn der Prognose)
Grafik: manager magazin *Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute. Quelle: IfW, Kiel Economics, Gemeinschaftsdiagnose der Wirtschaftsforschungsinstitute, Sachverständigenrat Wirtschaft (Fünf Weise), OECD, Deutsche Bank, Bundesbank, EU-Kommission, Dekabank
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5 Weiß nicht
manager magazin 7/2011
Quelle: manager-magazin-Entscheiderpanel
Unbeeindruckt von all den Krisensymptomen, die die Weltwirtschaft derzeit plagen, bleibt die deutsche Wirtschaft auf der Überholspur. Zur Jahresmitte zeigt der mm-Konjunktur-Indikator ein BIP-Wachstum von stolzen 3,9 Prozent für 2011 an. Auch andere Prognosen pendeln sich um die 3,5 Prozent ein (siehe Grafik). Wie lange wird das so weitergehen? „Nächstes Jahr wird die Wachstumsrate deutlich niedriger ausfallen“, erwartet Carsten-Patrick Meier von Kiel Economics, der den Indikator berechnet. Außerdem kann die Schuldenkrise schwer vorhersehbare Kollateralschäden verursachen. Bislang allerdings lassen sich die Manager nicht verängstigen. Mehr zum Thema: www. manager-magazin.de/mm-indikator
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Unternehmen Apple
E
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manager magazin 7/2011
revolutionären Elektrokleingeräten wie iPhone oder iPad beglücken wird. Noch nicht einmal die labile Gesundheit des Firmengründers kann die Börse nachhaltig schrecken. Steve Jobs hat bereits eine Bauchspeicheldrüsenkrebs-Erkrankung und eine Lebertransplantation überstanden und musste im Januar 2011 aus gesundheitlichen Gründen die Führung der Firma schon zum dritten Mal in die Hände von Timothy Cook legen, seinem langjährigen Chief Operating Officer. Niemand weiß, ob Jobs je an die Konzernspitze zurückkehren wird. Zu den wenigen, die nicht an ein Happy End im „Book of Jobs“ glauben, zählt Tim O’Reilly. „Über kurz oder lang wird Apple in die Rolle eines Nischenanbieters zurückkehren“, sagt der kalifornische Verleger, der sich als Internetprophet einen Namen gemacht hat. Es spricht in der Tat manches dafür, dass Apples Höhenflug seinem Ende entgegengeht. Mehr noch: dass ausgerechnet jene Faktoren, die in der Vergangenheit Apples Erfolg ausmachten, allmählich zur Belastung werden: ■ Das rasante Umsatzwachstum der vergangenen Jahre bewirkt, dass Produkte wie das iPhone nicht mehr als Luxus-, sondern als Massenware wahr-
genommen werden. Will Apple im bisherigen Tempo weiter wachsen, kann der Konzern neue Kunden nur durch niedrigere Preise locken. ■ Durch seine Größe und Marktmacht gerät Apple immer häufiger ins Visier von Kartellbehörden, Politikern und kritischer Öffentlichkeit: Apple droht das neue Microsoft zu werden. ■ Der Erfolg hat bei Apple zu einer selbstgerechten Unternehmenskultur geführt. Kunden werden bevormundet. Echte, gleichberechtigte Geschäftspartnerschaften kennt Apple nicht. Jetzt regt sich erstmals Widerstand. Was es bedeutet, mit Apple Geschäfte zu machen, erfuhren früh die großen, ehemals ruhmreichen Konzerne der Musikindustrie wie EMI, Universal, Sony und Bertelsmann. Als Steve Jobs anbot, sie mit seiner Plattform iTunes vom Übel des kostenlosen Downloadens zu befreien, richteten sie sich auf Verhandlungen unter Gleichen ein. Sie würden Jobs die Musik für seine iPods besorgen und er ihnen Einnahmen verschaffen: ein fairer Deal. Doch sie irrten. Als die Größen der Musikindustrie etwa unterschiedliche Preise für unterschiedliche Songs nehmen wollten (viel Geld für Superstars wie Madonna, wenig
DAS ENDE DES APPSOLUTISMUS APPLE Die rüden Methoden des Kultkonzerns
verärgern zunehmend Geschäftspartner und Wettbewerber. Die erfolgreichste Firma der letzten Jahre hat ihren Zenit überschritten.
3D-ILLUSTRATION: ANDRÉ KUTSCHERAUER FÜR MANAGER MAGAZIN
s war Herbst, als Joel Podolny verschwand. Am 1. November 2008 legte der Dekan der betriebswirtschaftlichen Fakultät der Yale University überraschend seinen Posten nieder. Seitdem: keine wissenschaftlichen Veröffentlichungen mehr, keine Kongressauftritte, keine Interviews. Podolny war in den Orden des Apfels eingetreten. Zunächst hieß es, der Spitzenforscher solle eine Apple University aufbauen, eine interne Fortbildungsstätte des Computerkonzerns. Inzwischen findet Podolny sich im AppleOrganigramm als Vice President Human Resources wieder. Doch seine wahre Aufgabe, berichten Insider, sei die eines Evangelisten: Gemeinsam mit einem Team weiterer Wissenschaftler fasst Podolny das geschäftliche Vermächtnis des schwer kranken Gründers Steve Jobs (56) in einer Serie von Fallstudien zusammen: warum Jobs die gesamte Fertigung des iPhones an einen einzigen Hersteller in China vergab. Wie Jobs beschloss, eigene Apple-Stores zu eröffnen – und was die Nachwelt daraus lernen kann. Gleichnis für Gleichnis entstehe da ein gewaltiges „Book of Jobs“, witzeln Apple-Beobachter. Book of Job, so heißt auf Englisch das biblische Buch Hiob. Und in der Tat, es muss schon die Bibel herhalten, will man Vergleichbares finden zu jenem Epos, das uns Steve Jobs in den vergangenen 35 Jahren beschert hat. Alles steckt drin in der Geschichte vom wertvollsten Computerkonzern der Welt und seinem Gründer: Vertreibung aus dem gelobten Land und Rückkehr dorthin, Aufstieg und Fall und erneuter Aufstieg, Loyalität und Verrat und viele ergebene Jünger. Doch anders als in der Bibel sind die letzten Kapitel des „Book of Jobs“ noch nicht geschrieben: Wie geht es weiter mit dem – nach dem Ölgiganten Exxon – zweitwertvollsten Konzern der Welt? Das Votum der Analysten in den letzten zwölf Monaten fällt eindeutig aus: 48 von 53 Apple-Analysten raten zum Kauf, die übrigen 5 immerhin zum Halten. All diese Experten glauben daran, dass Apple weiterhin die Massen mit
FOTO: LEA SUZUKI / POLARIS / STUDIO X
Unternehmen Apple
Seit 35 Jahren inszeniert sich Steve Jobs – hier bei einer Präsentation im Juni – als König des Silicon Valleys. Mit Erfolg: Die Kunden reißen sich um Apple-Produkte. Doch die Alleinstellung wankt.
für unbekannte Bands), sagte Jobs schlicht Nein. „Wir zeigten ihm Marktforschungsstudien, wir argumentierten, aber das interessierte ihn alles nicht“, sagt ein Topmanager, der häufig direkt mit ihm verhandelte. „Es ist ihm egal, ob sein Gesprächspartner mit dem Ergebnis klarkommt. Leben und leben lassen gibt es für ihn nicht.“ Ähnliche Erfahrungen machte die Deutsche Telekom, Apples Exklusivpartner bei der Einführung des iPhones hierzulande. 1000 fast mannshohe Ständer in Form eines iPhones wollte Jobs eigens aus Cupertino nach Bonn schicken. Sie sollten 2007 in den Schaufenstern der T-Shops gut sichtbar Kunden für das neue Internethandy anlocken. iPhoneAttrappen herstellen, das können wir doch auch, dachte man sich im Vorstand der Telekom. Und schickte ein selbst gestaltetes Riesen-iPhone zur Begutachtung nach Kalifornien. „This is not approved“: Jobs verweigerte die Genehmigung persönlich. Er störte sich an einer Einkerbung unten, die die pragmatischen Deutschen eingebaut hatten, damit man unter dem Ständer bei Nässe und Schnee ordentlich hätte putzen können. Erst nachdem die Bonner das Loch mit einer abnehmbaren Aluminiumplatte verdeckt hatten, erhielten sie schließlich die Erlaubnis, 38
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selbst iPhone-Attrappen zu bauen – für ihre eigenen Telekom-Läden, wohlgemerkt. „Er zögert nicht, dich wissen zu lassen, dass du dämlich bist“, lautet nach der Erfahrung das Fazit bei der Telekom. Über ein Jahr lang musste die Telekom bei Jobs um die exklusive Vermarktung des iPhones in Deutschland buhlen – ohne dass auch nur ein deutscher Manager einen Prototyp des Geräts zu Gesicht bekommen hätte. Erst wenige Wochen bevor das erste Apple-Telefon in den USA auf den Markt kam, zog Jobs bei einer Besprechung mit einem TelekomVorstand ein iPhone aus der Hosentasche. Die Vertragsbedingungen diktierte allein Jobs: 30 Prozent vom gesamten Mobilfunkumsatz der iPhone-Kunden für Apple, die Werbung fürs iPhone habe die Deutsche Telekom zu zahlen. Ferner solle die Telekom doch bitte ihre T-Shops auf Vordermann bringen. Am letzten Punkt wäre der Deal fast noch gescheitert: Nach dem Besuch eines T-Shops in London war Jobs nicht mehr zu halten: „Ihr Typen, ihr seid furchtbar. Ihr habt mich angelogen“, beschimpfte er den Telekom-Vorstand angesichts der vielen Handyattrappen und Geräte mit leerer Batterie, die den Laden füllten. Die Bonner gelobten, nur echte, startbereite iPhones zu führen. Gewissheit, ob Apple tatsächlich die
Telekom zum Zug kommen lassen würde, erhielten sie trotz allem nicht: Selbst drei Wochen vor der großen iPhone-Launch-Party der Telekom hatte Jobs noch kein definitives Go gegeben. Immerhin, der Telekom erging es nicht ganz so schlimm wie Samsung. Den Koreanern half es nicht, dass sie einer der wichtigsten Chiplieferanten von Apple sind. Jobs verklagte sie wegen angeblicher Patentverletzungen beim SamsungRechner Galaxy. KONTROLLWAHN, Perfektionismus, Herablassung – all das gehört zu Jobs wie der angebissene Apfel auf den Mac-Computern. Bereits in der zehnten Klasse soll er seiner damaligen Freundin erzählt haben, er würde mal Millionär. Mit 23 Jahren ist er es tatsächlich. Jobs hatte 1976 zusammen mit seinem Weggefährten Steve Wozniak in der Garage von Jobs’ Adoptiveltern den ersten PC für den Massenmarkt entwickelt. Wozniak, der eigentliche Erfinder, blieb im Hintergrund. Jobs, der Verkäufer, stieg auf zum ersten Rockstar der IT-Welt. Dreieinhalb Dekaden später surrt Apple-Mitgründer Wozniak auf einem Segway-Roller durch die Lobby des Frankfurter „Marriott“-Hotels und lässt dann seine beachtliche Leibesfülle in einen der Lobbysessel plumpsen. Wozniak
Unternehmen Apple
„Unser Verhältnis ist eine Hassliebe“ Mathias Döpfner, Vorstandschef der Axel Springer AG, über die schwierige Zusammenarbeit mit Apple Herr Döpfner, im vergangenen Jahr haben Sie im US-Fernsehen vorgeschlagen, dass jeder Verleger einmal täglich beten und Steve Jobs dafür danken solle, dass er mit dem iPad die Verlagsindustrie rette. Das war nicht Ihr Ernst, oder?
DÖPFNER Ich würde es heute wieder sagen – mit der gleichen Portion Begeisterung und Ironie, die schon damals in der Bemerkung steckte. Und wiederholen, was ich auch damals in der Charlie-Rose-Sendung gesagt habe: Nachdem wir unser Dankesgebet gesprochen haben, sollten wir mit Apple hart verhandeln, denn die Konditionen gegenüber den Verlagen sind inakzeptabel. Wenn das Überleben der Presse ausgerechnet von einem so undurchsichtigen Unternehmen wie Apple abhängt, das die Pressefreiheit nicht achtet, Zensur ausübt und die Regeln der Zusammenarbeit nach Belieben diktiert – dann gnade ihr Gott.
DÖPFNER Erstens: Unser Überleben hängt davon ab, ob wir Journalismus bieten, den die Menschen brauchen und wollen. Das ist in erster Linie eine Frage der Inhalte. Apple hat lediglich ein Gefäß dafür geliefert. Zweitens: Unser Verhältnis zu Apple könnte man als Hassliebe charakterisieren: Wir finden die Produkte großartig, das iPad ist das erste massenmarktfähige Tablet, und es erhöht unsere Chancen, zahlende Kunden für Verlagsangebote zu finden. Aber natürlich sind wir hochgradig unzufrieden darüber, dass 30 Prozent vom Umsatz, den unsere Apps erzielen, von Apple einbehalten werden. Die hohe Provision ist es nicht allein, die Widerspruchsgeist weckt.
DÖPFNER Apple definiert die Preispunkte für unsere Angebote und erlaubt uns keinen direkten Zugriff auf die Kundendaten – das finden wir ebenso inakzeptabel wir die Tendenz, auf Inhalte Einfluss zu nehmen. Bislang ist nicht erkennbar, dass Apple die Angebote des Springer-Verlages braucht, um erfolgreich zu sein. Haben Sie überhaupt die Möglichkeit, Druck auszuüben?
Millionen sein. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die alle von Apple kommen. Sobald aber andere Anbieter wie etwa Samsung, HP, RIM oder Motorola stark genug sind, werden sich die Geschäftsbedingungen ändern, und zwar zum Vorteil der Verlage und Inhalteanbieter. Die Presse gerät bei Apple regelmäßig aus dem Häuschen: Wenn Steve Jobs ein neues Produkt vorstellt, macht sich die anwesende Journaille klein, indem sie aufsteht und ihm Ovationen zollt. Von kritischer Distanz kann kaum die Rede sein.
DÖPFNER Apple hat das DDR-Marketing in genialer Weise reetabliert: Es gilt das Prinzip der Verknappung, wer etwas haben will, muss sich hinten anstellen. Apple biedert sich nicht an, sondern entzieht sich seinen Kunden. Und wirkt dadurch besonders begehrenswert. Der Trick ist einfach und verdammt clever. Ein Beispiel: Als ich in Amerika im Laden noch ein drittes iPad kaufen wollte, um es einem deutschen Kollegen mitzubringen, sagte mir der Kassierer, nachdem er meine Kreditkarte eingelesen hatte: Tut mir leid, Sie besitzen schon zwei, mehr dürfen wir an eine Person nicht verkaufen. In der DDR nannte man das Bückware. Googles Betriebssystem Android kommt den Verlagen mit seinem Bezahlsystem One Pass entgegen: Die Provision beträgt nur 10 Prozent, und die Verlage kontrollieren Inhalte, Preissetzung, Vermarktung und Kundendaten.
DÖPFNER In Amerika bietet Google mit Android bereits eine quantitativ größere Plattform als Apple. Der Druck der Verhältnisse wird dazu führen, dass man sich einander nähert. Hat Jobs eigentlich auf Ihren verbalen Kniefall reagiert?
DÖPFNER Ich bitte Sie – was jemand aus dem kleinen Deutschland sagt, liegt doch weit unter dem Wahrnehmungshorizont eines Steve Jobs. ◆
DÖPFNER Mit der Aufhebung der Preisvorgabe für EPaper-Abos ist Apple jetzt auf eine Forderung der Verlage eingegangen, und bei „Bild“ zum Beispiel konnten wir uns gegen inhaltliche Auflagen erfolgreich wehren ...
DÖPFNER Mit Erotik fängt es an, und wo hört es auf? Aber ich bin da optimistisch. Die Forderungen der Verlage werden sich durchsetzen, wenn möglichst bald möglichst viele Anbieter mit vergleichbaren Tablets reüssieren. Die Positionen von Apple werden durch den Druck des wachsenden Wettbewerbs nicht aufrechtzuerhalten sein: Heute gibt es in Deutschland rund eine MillionTablets, die meisten davon iPads. In drei Jahren sollen es bis zu zehn
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... weibliche Brustwarzen müssen nicht mehr retuschiert werden.
Kritischer Großverleger: Springer-Chef Döpfner
Das Interview führte mm-Redakteur Klaus Boldt.
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Wirtschaftsleben wohl beispiellosen Zentralismus: Sofern er nicht gerade eine krankheitsbedingte Auszeit nimmt, entscheidet Jobs bei Apple buchstäblich über alles, angefangen beim tofulastigen Kantinenspeiseplan bis hin zum richtigen Grauton der Toilettentüren in den Apple-Stores. „Apple ist ein totalitäres System, eine Diktatur“, sagt etwa Andrew Borovsky, ein ehemaliger AppleDesigner, der heute mit seiner Agentur 80/20 viele Apple-Rivalen berät. Zur Jobs-Diktatur gehört, dass Manager mit Verantwortung für übergreifende Geschäftsbereiche nicht erwünscht sind. So hat etwa die für den Online-Handel zuständige Jennifer Bailey keine Kontrolle über die Fotos auf der Apple-Internetseite – diese Verantwortung obliegt allein der Grafikabteilung. Zentrales Führungsinstrument bei Apple ist das Montagsmeeting, in dem sich Jobs und seine 15 engsten Mitarbeiter über den Status jedes einzelnen Projekts im Konzern informieren lassen. Rund 30-mal, schätzt ein Ehemaliger, mussten Designer mit Entwürfen vor Jobs antreten, bis endlich über das neue Bildschirmsymbol für die Präsentationssoftware Keynote entschieden wurde. Präsentationen, in denen rund hundert Logovarianten durchgespielt wurden: Ein Rednerpult aus Glas? Eines aus Alu-
Leben und leben lassen, dieser Grundsatz galt im Geschäftsleben von
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1978 waren Apple-Co-Gründer Steve Wozniak (l.) und Jobs noch Vertraute. Davon ist nichts mehr übrig – auch weil Jobs einst nicht gerecht mit „Woz“ teilte. 40
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JOBS’ WILLE ZUM DETAIL, seine straffe Kontrolle des fast 50 000 Mitarbeiter zählenden Apple-Imperiums haben sich zweifelsohne geschäftlich ausgezahlt: Erst iMac, dann iPod, schließlich iPhone und zuletzt iPad haben ihre jeweiligen Branchen komplett umgewälzt. Auch deshalb, weil die von Jobs geknuteten Entwickler bei diesen Produkten niemals den erstbesten Weg genommen haben, sondern an jedem Detail bis zur Perfektion feilen mussten. Qualität kommt bei Apple tatsächlich von Qual. „Jobs ist ein typischer charismatischer Führer“, sagt Wolfgang Jenewein, Managementprofessor an der Universität St. Gallen. „Er lenkt Menschen, indem er sie für seine Sache begeistert.“ Doch anders als die meisten charismatischen
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Weg mit den Weggefährten
minium, aus Holz, mit einem weißen Blatt Papier darauf, mit einem karierten Blatt Papier, mit mehreren weißen Papieren? Am Ende wählte Jobs ein hölzernes Pult mit einem Stativ aus Metall. Jedes Meeting bietet selbst nachgeordneten Apple-Managern Gelegenheit für eine Gratisfahrt auf der „Helden-Arschloch-Achterbahn“, wie sie Jobs’ Führungsstil im Silicon Valley nennen: Man könne von Jobs heute zum Genie emporgehoben und morgen als „bozo“, als Volltrottel, vom Hof gejagt werden.
Microsoft-Chef Bill Gates (o.) sicherte Apple 1997 mit einer Finanzspritze das Überleben. Als Apple gesundete, stempelte Jobs Microsoft wieder als Feind ab.
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sagt noch immer „wir“, wenn er von jenem Unternehmen spricht, aus dem er bereits 1985 ausschied. Kurz nachdem er erfahren hatte, dass Jobs für das erste gemeinsame Projekt der beiden, ein Spiel für das Computerunternehmen Atari, 5000 Dollar erhalten hatte. Jobs hatte Wozniak von 700 Dollar erzählt, die er scheinbar fair mit seinem Freund teilte. Gelegentlich telefonieren die beiden Steves noch miteinander. Doch von der Freundschaft ist nicht viel geblieben. Ein Apple-Entwickler, der Wozniak einen iPad-Computer noch vor dem Marktstart gezeigt hatte, wurde anschließend entlassen. „Ich habe mit den Fingern zwei Minuten über das Gerät gestrichen. Das ist es nicht wert, jemanden zu feuern“, befindet Wozniak. Auch Steve Jobs musste sein Unternehmen schon einmal verlassen. Er hatte den Pepsi-Manager John Sculley als CoChef nach Cupertino gelockt. 1985 entmachtete Sculley Jobs. Erst 1997, als Apple vor der Pleite stand, kehrte Jobs zurück. „Seit dieser Erfahrung ist Steve Jobs erwachsen geworden. Er hat jetzt die komplette Kontrolle“, sagt Jay Elliot, einst Jobs’ Stellvertreter im Vorstand. Die zweite Erfolgsgeschichte von Steve Jobs, der Wiederaufstieg des Apfels vom Verliererlogo zur wertvollsten Marke der Welt, fußt auf einem im globalen
Jobs holte Google-Chef Eric Schmidt (o.) 2006 wegen dessen Online-Expertise in den Verwaltungsrat. Mit Googles Einstieg ins Handygeschäft flog Schmidt raus.
Unternehmen Apple
Führer komme bei Jobs auch noch die Fähigkeit hinzu, in klaren Strukturen zu denken und zu handeln. Jenewein ordnet Apple als „High Contrast Culture“ ein. Sondereinsatzkommandos wie die GSG 9 funktionieren nach diesem Muster. Typisches Merkmal: „Ein hohes Maß an emotionaler Bindung innerhalb des Unternehmens geht einher mit straffer Führung und strikter Durchsetzung von Regeln.“ Wer Fehler macht, fliegt raus. Oder er geht selbst. Tatsächlich erlebt Apple derzeit einen Talenteschwund, wie es ihn wohl seit der Beinahepleite Mitte der 90er Jahre nicht mehr gegeben hat. Die rasante Entwicklung der Aktie hat unzählige Ingenieure wohlhabend gemacht, ermöglicht ihnen jetzt die Gründung eines eigenen Unternehmens. Zugleich verliert Apple als Arbeitgeber bei High Potentials an Attraktivität: „Meine Studenten lieben Apple-Produkte, aber dort arbeiten will kaum jemand“, sagt Konstantin Guericke, Gründer des Online-Netzwerks LinkedIn und Mentor an der Eliteuniversität Stanford. Die derzeit begehrtesten Arbeitgeber seiner Studenten seien eindeutig soziale Netzwerke wie Facebook. „Apple gilt bei ihnen als zu sehr topdown“, sagt Guericke. Auch bei Geschäftspartnern stößt Jobs’ Brachialstil zunehmend auf Wider-
Mail eine Standardabsage des „App Review Team“: Die Playboy-App enthalte Inhalte, die „nach Auffassung des AppleTeams umstritten“ seien. Wobei umstritten bei Apple definiert sei als „obszön, pornografisch oder verleumderisch“. Inzwischen steht der Playboy für eine ganze Reihe von Medienprodukten, die per Standard-Mail aus dem Apple-Store verbannt wurden. Im Februar 2011 zog Apple die Daumenschrauben noch weiter an. Aus einer Pressemitteilung erfuhren die Verlage, dass ab 30. Juni geänderte Bedingungen gelten sollten: Von da an wollte Apple den Verlagen verbieten, digitale Abonnements auf anderen Websites billiger anzubieten als bei Apple. Außerdem sollten die Abonnements für das iPad nur noch über das Apple-Zahlungssystem abgewickelt werden dürfen – selbst wenn der Kunde das Abonnement zum Beispiel direkt auf der Website des Verlags erwirbt. Das hätte zur Folge, dass die Kundendaten für nahezu alle neu abgeschlossenen digitalen Zeitschriftenabonnements künftig bei Apple lägen. Die Medienhäuser wären auf Gedeih und Verderb an Apple gefesselt. Doch wie wehrt man sich gegen einen Quasimonopolisten (Apple hält immerhin noch 80 Prozent Marktanteil am Tablet-Geschäft), der erst kühl seine
stand. Nach Telekommunikation und Musikgeschäft versuchte Jobs in den vergangenen Monaten die Verlagsbranche in seinen Herrschaftsbereich einzubringen – und ist vorerst gescheitert. nach einem glatten Durchmarsch aus: Der 2010 gelaunchte Tablet-Rechner iPad bietet mit dem dazugehörigen App-Store Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen erstmals die Möglichkeit, im Internet nennenswerte Vertriebserlöse für ihre Inhalte zu erzielen. Kein Wunder, dass Verlagsmanager wie Mathias Döpfner, Vorstandschef von Axel Springer, begeistert auf Apples neue Plattform aufsprangen. Inzwischen sieht Döpfner die Sache freilich differenzierter (siehe Interview Seite 39). Denn es zeigte sich: Jobs möchte nicht nur mitverdienen am Online-Geschäft mit Medieninhalten, er möchte es kontrollieren. Als einer der Ersten bekam der BurdaVerlag diesen Machtanspruch zu spüren, Herausgeber der deutschen Ausgabe des „Playboy“. Burda schickte am 24. März 2010 eine App nach Cupertino, um sie in den Apple-Store einstellen zu lassen. Es handelte sich um einen interaktiven Videoclip, in dem ein für Playboy-Verhältnisse durchaus züchtig bekleidetes Model den Zuschauer durch ihre Wohnung führt. Doch am 12. April erhielt Burda per
DABEI SAH ALLES
Adobe liefert seit Jahrzehnten wichtige Macintosh-Programme. Vom iPad etwa wurde der Flash-Player von Adobe-Boss Shantanu Narayen (o.) jetzt aber verbannt.
In Deutschland durfte Telekom-Chef René Obermann (l.) das iPhone 2007 gemeinsam mit Jobs vorstellen. Die Bedingungen hierfür diktierte aber allein Jobs.
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Steve Jobs noch nie. Zahlreiche Konzerngrößen mussten das erfahren.
Samsung-CEO Yoon-Woo Lee (o.) half es nicht, einer von Apples größten Chiplieferanten zu sein: 2011 verklagte Apple Samsung wegen angeblicher Patentverletzungen.
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Bedingungen diktiert und sich dann jeder Auseinandersetzung entzieht? Man schreibt am besten einen Brief. Am 24. Februar schickte Wolfgang Fürstner, Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), das erste Protestschreiben nach Cupertino, Adressat: Eddy Cue, Apples Abteilungsleiter für Internetdienste. Reaktion: keine. Dann versuchte sich Bernd Buchholz, Vorstandschef von Gruner + Jahr („I am writiting to you as the CEO of Gruner + Jahr, one of Europe’s largest magazine publishers“). Reaktion: keine. In einer Telefonkonferenz deutscher Verlagsmanager Ende Mai wurde bereits als Erfolg gefeiert, dass es Springer-Chef Mathias Döpfner tatsächlich geschafft habe, in den USA „am Rande einer Veranstaltung“ mit Eddy Cue zu sprechen. Ergebnis, man ahnt es: keines. Doch gleichzeitig lief ein globales Ausweichmanöver an: Ebenso energiegeladen, wie sich die Verlage auf den vermeintlichen Rettungsring iPad gestürzt hatten, hielten sie nun Ausschau nach Alternativen. Apples großer Konkurrent heißt hier Google. Es kommen immer mehr Tablet-Rechner auf den Markt, die auf dem googleeigenen Betriebssystem Android basieren. Zugleich umgarnt Google die Medienhäuser mit Vorzugsbedingungen: Vertriebsprovision ab 10 Prozent, keinerlei inhaltliche Kontrolle. Mit HTML5, einer Neuauflage der gängigen Internet-Programmiersprache HTML, können Verlage zudem inzwischen Medien-Apps programmieren, die auf jeder Plattform funktionieren und sich von den Tablet-Herstellern nicht aussperren lassen: Sie werden wie normale Internetseiten in einem Browserfenster aufgerufen. Der US-„Playboy“ hat bereits mit einer HTML5-App die AppleZensoren umgangen. Schwerer wog indes, dass Anfang Juni die britische „Financial Times“ mit einer HTML5-App auf den Markt kam. Auch die großen deutschen Verlagshäuser arbeiten außer an Android- inzwischen auch an HTML5Varianten ihrer Produkte. Für Apple sind das keine guten Nachrichten: Schließlich gibt es bereits mehr Android-Handys als iPhones. Eine ähnliche Entwicklung erwarten Analysten auch für den Tablet-Markt (siehe die beiden unteren Grafiken rechts). Apples Dominanz bröckelt gewaltig. 42
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Abstiegsszenario Apple investiert vom Umsatz einen schrumpfenden Prozentsatz in die Forschung 7 6 5 4 3 Quelle: Bloomberg
2 2002
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Die Aktie scheint ihren Höhepunkt überschritten zu haben, in US-Dollar 340 320 300 280 260 240 220 200
Quelle: Thomson Reuters Datastream
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Android-Smartphones verkaufen sich inzwischen besser (in Prozent der Smartphone-Verkäufe insgesamt) iOS (Apple) Android 1. Quartal 2010 1. Quartal 2011
15,3 9,6 16,8 36,0 Quelle: Gartner (Mai 2011)
Die Marktherrschaft bei Tablets dürfte auch bald vorbei sein (Marktanteile in Prozent) Andere 2 Android 14 2010 Apple 84
Andere 14 47 Apple 2015* Android 39 Grafik: manager magazin
*Prognose Quelle: Gartner (April 2011)
Anfang Juni, wenige Tage vor Fristende, knickte Cupertino plötzlich in entscheidenden Punkten ein: Die Verlage dürfen nun die Preise für Abonnements weitgehend frei wählen. Und für Abonnements, die nicht über die Apple-Site abgeschlossen werden, dürfen sie weiterhin eigene Zahlsysteme nutzen; so behalten sie den Zugriff auf die Kundendaten. Sicher, Apples Zensuranspruch bleibt bestehen. Und doch dürfte die Pokerpartie als Wendepunkt in Apples Firmengeschichte eingehen: Zum ersten Mal konnte Apple einer Branche, die von der digitalen Revolution überrollt zu werden drohte, nicht nach Belieben die Geschäftsbedingungen diktieren. LETZTLICH GEHT ES in der Auseinandersetzung zwischen Apple und dem Rest der Welt um zwei konträre Internetphilosophien: Apple möchte den Nutzer in seinem eigenen, geschlossenen Kosmos halten, möchte ihm erst iPhone, dann iPad verkaufen und schließlich im AppleShop die von Apple abgesegnete digitale Dienstleistung dazu. Dem Kunden bietet sich so eine optimale Nutzererfahrung, Hard- und Software greifen reibungslos ineinander – und Jobs kassiert. Doch zugleich wird der Nutzer von Jobs entmündigt, technisch wie inhaltlich. Apples Hauptkonkurrent Google steht hingegen für ein anarchisches, offenes Netz. Hält Jobs zu lange an seiner lukrativen und schön designten geschlossenen Welt fest und bemerkt nicht, dass die Alternativen jenseits des Zauns für Nutzer immer verlockender werden? Am 6. Juni sah es im Moscone-Konferenzzentrum in San Francisco ganz danach aus. „I feel good“: Der James-Brown-Hit, dröhnt über die Köpfe der 5000 angereisten Entwickler hinweg. Ein sichtlich abgemagerter Steve Jobs betritt die Bühne der diesjährigen Apple-Entwicklerkonferenz. „We love you“, brüllt einer der Apple-Jünger dem Meister entgegen. Die große Steve-Jobs-Show funktioniert noch. Doch inhaltlich war der Auftritt nach dem Urteil der Branchenexperten eine Enttäuschung. Apple tut sich schwer mit dem neuesten IT-Trend: der Verlagerung der privaten Festplatte in die Cloud, die virtuelle Datenwolke, aus der heraus sich Lieder, Dokumente oder Bilder von jedem Gerät aus reibungslos abrufen lassen sollen. Der sonst für seine Vorreiterrolle bekannte Konzern ist mit
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Unternehmen Apple
Vorsicht, giftig: Apple steht wegen verheerender Arbeitsbedingungen bei Fertigern in China in der Kritik. Hier machen Studenten in Hongkong auf die Missstände aufmerksam.
dem von Jobs verkündeten iCloudDienst nur Nachzügler, so richtig reibungslos funktioniert der Dienst auch nur auf Apple-Geräten. Jobs will mit besserer Bedienbarkeit, vor allem aber mit Kostenlos- und Kampfpreisangeboten gegen die Vorreiter Amazon und Google punkten. Billigheimer Apple – das gab es in der Firmengeschichte noch nie. Auch einen Streaming-Dienst, bei dem der Nutzer Lieder gar nicht selbst besitzen oder herunterladen muss, sondern lediglich etwa per Flatrate mietet, konnte der Apple-Chef nicht anbieten. Ausgerechnet Facebook, Investorenliebling und die neue Macht im Silicon Valley, ist dabei, dieses Territorium zu erobern. Die Branche erwartet, dass Gründer Mark Zuckerberg für seine 700 Millionen Nutzer demnächst eine Kooperation mit Spotify, dem aufstrebenden Streaming-Dienst, eingeht. In vielen Märkten, in denen Spotify bereits verfügbar ist, hat das Start-up iTunes hinter sich gelassen. Den Großteil der Präsentation überließ Jobs diesmal Marketingleiter Phil Schiller und Softwarechef Scott Forstall. Die Botschaft: Apple ist auch für die Zeit ohne Jobs an der Spitze gewappnet. Größte Chancen auf den CEO-Posten werden Chief Operating Officer Timothy Cook eingeräumt. Wer immer Jobs nachfolgt, er wird ein problematisches Erbe antreten – trotz milliardenschwerer Barreserven in der Kriegskasse. 44
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Seit Jahren gehen die Investitionen in Forschung und Entwicklung in Relation zum Umsatz zurück (siehe obere Grafik Seite 44). Der Konzern spart an seiner Zukunftsfähigkeit. Das bisherige Wachstum wird sich so nicht fortführen lassen. Bereits jetzt stößt Apple mit seinen Geräten in den Massenmarkt vor. „Die Mehrheit wird langfristig angesichts der erstarkenden Konkurrenz nicht bereit sein, nur für einzigartiges Design und einfache Nutzung einen signifikanten Preisaufschlag zu bezahlen“, urteilt Ekkehard Stadie, Partner bei der Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners. Apples Preispremium von bis zu 100 Prozent sei „nicht haltbar“. Zumal die Kunden kritischer werden. Apples Image vom umbeschwerten Lifestyle-
„Heute ist Apple obenauf, aber in ein paar Jahren kann das ganz anders sein.“ Léo Apotheker, CEO von Hewlett-Packard
Konzern ist befleckt, seit bekannt wurde, dass die Firma Bewegungsprofile ihrer Nutzer aufgezeichnet hat. Und die verheerenden Arbeitsbedingungen bei Foxconn, Apples wichtigstem Fertiger in China, haben Apples Ruf nicht nur bei Globalisierungskritikern ruiniert. Dazu passt, dass Jobs mit einer USTradition bricht: Wer hat, der gibt. Ausgerechnet der wertvollste Informationstechnik-Konzern hält sich aber in Sachen Wohltätigkeit zurück. „Das hat etwas mit Steve Jobs’ Persönlichkeit zu tun. Er glaubt, der Gesellschaft bereits mit seinen Produkten etwas zurückzugeben“, kritisiert der ehemalige AppleVorstand Jay Elliot. Apples Marktmacht ruft in den USA zudem immer häufiger die Wettbewerbsbehörden auf den Plan. Je größer Apple wird, desto schwerer fällt es dem Konzern im Hinblick auf das Kartellrecht, seine Nutzer in einer geschlossenen Welt einzusperren. APPLE DÜRFTE das ganz normale Schicksal der meisten Konzerne bevorstehen, die einst als Nabel der Tech-Welt galten: Sie erleben ein, zwei großartige Dekaden, die meist mit dem Wirken einer charismatischen Führungsfigur zusammenfallen. Doch auf Technologieführerschaft, rasantes Wachstum folgen Arroganz und Überheblichkeit – und schließlich Jahre der Agonie. Umsätze und Gewinne mögen in dieser Phase noch immer stabil sein, doch wegen der Wachstumsaussichten kauft heute niemand mehr die Aktien von Microsoft oder Dell, die einst in ihrer Branche als unbesiegbar galten. Allenfalls lockt noch die Dividendenrendite. „Innerhalb der IT-Branche können sich die Dinge sehr schnell ändern. Es wird keine Monopole geben, und schon gar nicht solche von Dauer“, sagt Léo Apotheker, Chef des weltweit größten IT-Konzerns, Hewlett-Packard. Und setzt nach: „Heute ist Apple obenauf, aber in ein paar Jahren kann das ganz anders sein.“ Falls Apple-Chronist Joel Podolny also noch nach einem abgewandelten Bibelwort für sein neues „Book of Jobs“ suchen sollte, wie wäre es mit diesem: „Die Blüte unseres Unternehmens währet 10 Jahre und wenn es hochkommt, so sind’s 20 Jahre; und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Innovation und Wachstum gewesen.“ Astrid Maier/Christian Rickens
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1981 1968
Friedel Neuber macht die WestLB zur mächtigsten deutschen Landesbank – und schafft ihr zahlreiche Feinde.
Ludwig Poullain schmiedet aus Landesbank Westfalen und Rheinischer Girozentrale die Westdeutsche Landesbank.
2001 Jürgen Sengera führt die WestLB ins internationale Investmentbanking – und scheitert grandios.
er 2. Mai 2008 sollte für Heinz Hilgert (57) ein großer Tag werden. Nach langem Zögern hatte sich der frühere Vize der Frankfurter DZ Bank entschlossen, als Chef der Düsseldorfer WestLB anzutreten. Hilgert hatte hart gepokert. Unterschrieben hatte er erst, nachdem sich die Eigner der Bank verpflichtet hatten, den Konzern mit umfangreichen Garantien vor den verheerenden Folgen der Finanzkrise abzuschirmen. An seinem ersten Arbeitstag erwartete den neuen Chef trotzdem eine Überraschung. Auf Hilgerts Schreibtisch lag ein detailliertes fertiges Konzept zur Übernahme der Düsseldorfer IKB-Bank – jenes Geldhauses, das die Finanzkrise im Jahr davor als weltweit erstes an den Rand des Ruins getrieben hatte. Das vom früheren WestLB-Strategiechef Matthias Wargers (44) verfasste Papier sah vor, aus WestLB und IKB einen neuen Finanzchampion zu formen, der sein Geld mit der Fi-
MENSCHLICHES D VERSAGEN WESTLB Sie war die mächtigste unter
den Landesbanken. Und ist die erste, die abgewickelt werden muss. Selbstsüchtige Eigentümer trieben das Geldhaus in den Ruin.
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2004 Thomas Fischer soll ein neues Geschäftsmodell für die Bank finden – und verzockt sich am Aktienmarkt.
2008 Heinz Hilgert versucht die WestLB zu retten. Er zerstreitet sich mit den Sparkassenfürsten und verlässt die Bank.
2009 Dietrich Voigtländer wickelt die Bank geordnet ab – mangels Alternativen. Die Eigner haben das Geldhaus aufgegeben.
nanzierung des Mittelstands verdienen sollte. Hilgert prüfte den Vorschlag, holte sich Rückendeckung beim damaligen Finanzminister Peer Steinbrück (64). Am Ende rief er in der Düsseldorfer Staatskanzlei an und ließ sich zu Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (59) durchstellen, der das Papier bestellt hatte. Die WestLB könne eine solche Übernahme niemals stemmen, stellte der neue Bankchef klar. Die Risiken seien absurd. Die Reaktion in der Staatskanzlei, berichten Zeugen, war ein 30 endlose Sekunden anhaltendes Schweigen. Kurz darauf war das Gespräch beendet, das Projekt beerdigt. Der Geheimplan zur Verschmelzung von WestLB und IKB war der wohl letzte Versuch, die Düsseldorfer Landesbank zurück zu alter Größe und Macht zu führen. Dass die WestLB zu dieser Zeit längst nicht mehr in der Lage war, ohne fremde Hilfe zu überleben, war ihren Eigentümern offenkundig egal – der Zu-
stand der Bank hatte sie ohnehin nie sonderlich interessiert. Es ist kein Zufall, dass die einst größte öffentlich-rechtliche Bank der Republik zum ersten Abwicklungsfall im Landesbankenlager wird. Nirgendwo sonst zeigt sich so deutlich, dass Sparkassenfürsten und Landespolitiker die denkbar schlechtesten Eigentümer einer Großbank sind. Die WestLB ist keineswegs allein an Größenwahn und Hilflosigkeit einer Handvoll Topmanager gescheitert, die am Ende als Sündenböcke vorgeführt wurden. Die Geschichte des Geldhauses ist vor allem ein Paradebeispiel für eine völlig missratene Governance und einen Wettstreit untereinander verfeindeter Eigentümer. Sowohl Landesregierung als auch Sparkassen waren stets nur darauf aus, ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Den Niedergang der Bank nahmen sie dabei offenkundig billigend in Kauf. In einer Mischung aus Selbstsucht und Ignoranz schufen Politiker und Sparkas-
senmanager ein Monstrum, für dessen Milliardenverluste am Ende der Steuerzahler aufkommen muss. Der Mann, mit dem alles anfing, heißt Ludwig Poullain und ist heute 91 Jahre alt. Zu seiner Zeit war er der glamouröseste Bankier der Republik, gehörte zum engsten Kreis des sozialdemokratischen Wirtschaftsministers Karl Schiller und führte ein Geldhaus, dessen Bilanzsumme für kurze Zeit größer war als die der Deutschen Bank. Poullains Aufstieg zum Finanzstar begann im Frühjahr 1968 mit einem Angebot, das er nicht ablehnen konnte. Zusätzlich zu seinem Job als Generaldirektor der Landesbank Westfalen sollte er auch den Chefposten der Rheinischen Girozentrale in Düsseldorf übernehmen. Der damals 49-Jährige nutzte die Chance und schloss die beiden Landesbanken Nordrhein-Westfalens zur Westdeutschen Landesbank Girozentrale, kurz WestLB, zusammen. manager magazin 7/2011
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Unternehmen WestLB
Fast 40 Milliarden Euro versenkt Die größten Skandale der deutschen Landesbanken (seit 2001) Jahr
Schaden (in Mio. Euro)
2001/ 2002
Verlustreiche Fonds- und Immobiliendeals der Bankgesellschaft Berlin
3000*
2002
Milliardenkredite der BayernLB unter anderem an Medienpleitier Leo Kirch sorgen für hohe Verluste
2500**
Risiken im Portfolio, unter anderem die Insolvenz des BabcockKonzerns, verursachen Milliardenverluste bei der WestLB
1700
2002
Zusammenbruch der US-Konzerne Worldcom und Enron verursacht Verluste bei WestLB und BayernLB 2003
WestLB muss erneut Milliardenkredite abschreiben, darunter das Engagement beim TV-Verleiher Boxclever
2007
Aktienhändler der WestLB verspekulieren sich mit riskanten Wetten auf Vorzugsaktien
2007 bis 2009
Die weltweite Finanzkrise verursacht bei allen Landesbanken hohe Abschreibungen
2009
BayernLB gibt Skandaltochter Hypo Alpe Adria an das Land Österreich ab
SUMME *Geschätzt;
1900
600 BayernLB LBBW HSH Nordbank WestLB Helaba Nord/LB Landesbank Berlin
13 400 5600 2900 2700 500 400 300 3700
39 400
**Risikovorsorge 2002.
Das Ziel war von Anfang an klar: Auf Augenhöhe mit der Deutschen Bank wollte er spielen. Poullain ließ seine Leute ausschwärmen. Er gründete Niederlassungen in Luxemburg, London, Paris, New York und Tokio. Er beteiligte sich an Banken in Südamerika und in Hongkong. Er brach in das Großkreditgeschäft mit Giganten wie Mannesmann oder Krupp ein, das Deutsche, Dresdner und Commerzbank unter sich aufgeteilt hatten. Und er baute sich sein eigenes Beteiligungsnetz auf, kaufte sich beim Maschinenbauer Gildemeister, dem Bauriesen Philip Holzmann und dem Stahlkocher Preussag ein. Der erste Rückschlag kam im Oktober 1973, nur vier Jahre nach der Gründung. Die Devisenhändler verzockten sich mit ihren Dollar-Positionen und verspielten nahezu den kompletten Jahresgewinn von damals 300 Millionen Mark. Und 48
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Poullain? Er kaschierte das Desaster mit der Auflösung von stillen Reserven. Zu dieser Zeit begann sich auch die Landesregierung, damals mit einem Drittel der Anteile größter Eigentümer, stärker in die Geschäfte einzumischen. Der Geldkonzern agierte dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten Heinz Kühn zu unabhängig, zudem rieb sich der parteilose Poullain in großflächigen Interviews an der Wirtschaftspolitik von Kanzler Helmut Schmidt (92). Kühn bestellte Poullain in die Staatskanzlei, das Gespräch endete im Zerwürfnis. Am 22. Dezember trat Poullain als Bankchef zurück und wurde später fristlos gefeuert. Der Kampf um die Unabhängigkeit der Bank war verloren. Als Ministerpräsident Johannes Rau seinen Parteifreund Friedel Neuber 1981 an die Spitze der WestLB setzte, wusste er genau, was er tat. Neuber, einst jüngs-
ter Abgeordneter im Düsseldorfer Landtag, zählte eine Zeitlang zur engeren Führungsreserve der Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr. Mit ihm als WestLBChef würde es keinen Ärger geben wie einst mit dem widerspenstigen Poullain. Dieser Erwartungshaltung wurde Neuber mehr als gerecht. 20 Jahre lang herrschte er, war der rote Hai im Gewässer der Frankfurter Großbanken. In seiner Glanzzeit betrieb er Struktur- und Industriepolitik auf eigene Faust und agierte als der eigentliche Wirtschaftsund Finanzminister des industriereichsten deutschen Bundeslandes. Neubers Anfangsjahre fielen in die Ära der großen Stahlkrise, eine Zeit, in der das Ruhrgebiet von seinen schwerindustriellen Wurzeln gelöst und in eine postindustrielle Dienstleistungsgesellschaft transformiert werden sollte. Der neue Mann an der Spitze der WestLB nutzte die politischen Visionen für seine ganz eigenen Zwecke. Gerissen spielte er den Wettbewerbsvorteil aus, den die Landesbanken traditionell gegenüber den übrigen Geldkonzernen hatten: die sogenannte Gewährträgerhaftung. Durch die Garantie der Landesregierung, notfalls für ihre Bank geradezustehen, konnte sich die WestLB jederzeit nahezu unbegrenzt billiges Geld an den Kapitalmärkten besorgen. Neuber kaufte in wenigen Jahren ein riesiges Industrieimperium zusammen. Er stieg bei der Infusionsfirma Fresenius ein und beim Anlagenbauer Babcock. Er griff zu, als der Düsseldorfer Ferienflieger LTU verkauft werden und nach München abwandern sollte. Später erwarb er Anteile an Hapag-Lloyd, Thomas Cook und Tui. Sein Büroleiter Michael Frenzel (64), mit dem er schon im Duisburger Stadtrat gesessen hatte, sollte daraus einen globalen Touristikkonzern bauen. Das größte Kapital des WestLB-Chefs war sein dicht geflochtenes Beziehungsnetz. Und das bestand bei Weitem nicht nur aus Sozialdemokraten. Dem damaligen Metro-Chef Erwin Conradi (76), mit dem er eng befreundet war, half er dabei, die Horten-Kaufhäuser mit dem zum Metro-Verbund gehörenden KaufhofKonzern zu verschweißen. Und als Berthold Beitz (97) Ende der 80er Jahre Unterstützung von Gewerkschaften und Landespolitik im Streit um die Stilllegung des Stahlwerks in Rheinhausen
„Heute ist die Idee bei mir. Morgen geht sie in Serie.“
Unsere Mitarbeiter glauben an Ideen. Ideen, die so gut sind, dass unsere Spezialisten sie mit dem größtmöglichen Engagement umsetzen. Das macht uns zum europäischen Top 3 Lieferanten von Karosserieteilen, lasergeschweißten Platinen und Rohrkompo nenten. Denn es sind unsere Mitarbeiter und ihre Ideen, die den Unterschied machen und dafür sorgen, dass wir auch in Zukunft einen Schritt voraus sind.
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Unternehmen WestLB
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Eigner ohne Plan
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Die Fehler der Aufsichtsräte
Abgetrennt: Peer Steinbrück
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entfernte das Fördergeschäft aus der Bank – und nahm ihr die stabile Grundlage
Angespornt: Sparkassenfürst
Rolf Gerlach erhöhte den Renditedruck – und trieb die Bank in dubiose Investments
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benötigte, bediente er sich der Vermittlung des roten Barons bei der WestLB. Im Zentrum von Neubers Netzwerk stand der IC 72. Ein Investmentklub, den Neuber 1972 in seiner Zeit als Präsident des Rheinischen Sparkassenverbandes gegründet hatte und zu dessen Mitgliedern der damalige NRW-Wissenschaftsminister Rau, dessen späterer Finanzminister Heinz Schleußer und irgendwann auch der Ministerpräsident und spätere Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (70) gehörten. Zweck des Sparvereins, dem auch einflussreiche CDU-Leute und ausgewählte Journalisten angehörten, war offenkundig nicht die Mehrung des Vermögens seiner Mitglieder, sondern die politische Landschaftspflege. In den Sitzungen des Klubs, die häufig im Schulungszentrum der Bank im niederrheinischen Wasserschloss Krickenbeck stattfanden, wurden Deals geplant und Posten verschoben. Mit Neubers Schlossgemächern verhielt es sich ähnlich wie mit der Flugbereitschaft der WestLB. Beide wurden häufig und gern von Mitgliedern der Landesregierung genutzt. Rau soll bisweilen privat in Krickenbeck gewesen sein und dem Zwischenbericht des einschlägigen Landtags-Untersuchungsausschusses zufolge mehr als 40-mal den Flugservice der Bank genutzt haben. Auch Schleußer und Clement waren wenig zurückhaltend. Als der Filz zwischen Bank und Staatskanzlei publik wurde, war das System Neuber längst an seine Grenzen gestoßen. Die Bank hatte während der AsienKrise und nach dem Zusammenbruch des LTCM-Hedgefonds horrende Summen verloren. Staatsanwälte durchsuchten die Bank und ermittelten – wenngleich ergebnislos – gegen Neuber, weil die WestLB ihren Kunden bei der Kapitalflucht nach Luxemburg geholfen hatte. Und in Brüssel hatte EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti (68) den Landesbanken den Krieg erklärt. Dies war die Folge eines nur anfänglich ganz gewöhnlichen Meetings Anfang der 90er Jahre. Auf dem Tisch standen Buletten und Bier, vor Neuber lagen Feuerzeug und eine Schachtel HB. Die Besprechung lief weiter, als eine Sekretärin den Bankchef für ein Telefonat aus der Sitzung bat. Als Neuber ein paar Minuten später wieder erschien, ließ er Buletten und Bier abräumen und eine Magnumflasche
Ignoriert: Landesvater Jürgen
Rüttgers wollte seinen Finanzplatz stärken – und ignorierte die Schwächen der WestLB
Champagner auffahren. „Habe soeben erfahren“, verkündete er der Runde, „dass wir 4 Milliarden Mark Kapital umsonst bekommen.“ Der Anlass für die spontanen Feierlichkeiten war ein Coup, den der West-LBFürst mit seinem Spezi und NRW-Finanzminister Heinz Schleußer ausgeheckt hatte. Weil die Bank frisches Eigenkapital brauchte, das Land aber knapp bei Kasse war, sollte die landeseigene Wohnbauförderungsanstalt als Sacheinlage in die Bank eingebracht werden. die Kapitalspritze eine enorme Ausweitung seiner geschäfts- und machtpolitischen Möglichkeiten. Und weil das Land nur eine Verzinsung von 0,6 Prozent forderte, kostete sie ihn tatsächlich fast nichts. Die Granden der Frankfurter Großbanken schäumten. Commerzbank-Chef Martin Kohlhaussen (75), der einst die WestLB-Filialen in New York und Tokio geleitet hatte, führte als Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken den Feldzug an. Er nutzte den Anlass, um in Brüssel gegen die Privilegien der Landesbanken zu klagen. Die Staatsgarantien seien nichts anderes als verbotene Subventionen und müssten abgeschafft werden. Kohlhaussen verschaffte sich bei der EU-Kommission Gehör, und Neuber begann den Widerstand zu organisieren. Dass er den Kampf verlieren könnte, daran hat Neuber nie wirklich geglaubt. Als ihn sein Vorgänger Poullain fragte, wie die Bank denn nach einem Wegfall der Gewährträgerhaftung aussehen könnte, antwortete er ihm: „Ich brauche keine Alternativen, weil die Haftung der Länder nicht fallen wird.“ Als Neuber dann den Kürzeren zog, stand die Bank ohne Geschäftsmodell da. In dieser kritischen Phase leisteten sich Landesregierung und Sparkassen ihrerseits einen schweren strategischen Fehler. Die beiden Haupteigentümer zerlegten die Bank, um Brüssel zu besänftigen, schwächten dabei aber die wirtschaftliche Substanz entscheidend. Im August 2002 spaltete der damalige Landes- und spätere Bundesfinanzminister Peer Steinbrück die Förderbankaktivitäten ab und verlagerte sie in die heute komplett landeseigene NRW Bank. Der WestLB gingen dadurch rund 100 000 weitgehend sichere und margenstabile Kreditverbindungen verloren.
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Die Sparkassen nutzten die Gelegenheit und lösten die Landesbausparkasse, die Beteiligungen an der Rheinischen und der Westfälischen Provinzialversicherung sowie die Wertpapierservice Bank aus der WestLB heraus. Damit verlor die Bank auf einen Schlag nahezu ihr komplettes Kundengeschäft, das ihr zuvor stabile Erträge beschert hatte. Von diesem Schlag, das zeigte sich ein paar Jahre später, sollte sich die WestLB nie wieder erholen. Der Widerstand gegen die schamlose Selbstbedienung der Eigentümer hielt sich in Grenzen. Neuer Vorstandschef war vom September 2001 an Jürgen Sengera (68), ein ehemaliger Handballnationaltorwart und glühender Anhänger des internationalen Kapitalmarktgeschäfts. Sengera hatte das Geschäft mit weltweiten Projektfinanzierungen aufgebaut. Seine Vision eines Bankhauses, das sein Geld ausschließlich im Investmentbanking verdient, präsentierte er gern in London. Dort hatte Sengera auch eine blonde Dame namens Robin Saunders (49) angeheuert, die mit einer Entourage von 30 Leuten von der Deutschen Bank zur WestLB gezogen war. Die ausgebildete Balletttänzerin finanzierte den Neubau des Wembley-Stadions; sie half Formel-1-Impresario Bernie Ecclestone (80) mit Krediten aus der Klemme und kam schließlich auf die verwegene Idee, das Geld der Landesbank bei einer britischen Firma mit Namen Boxclever unterzubringen. Einer Kette, die Fernsehgeräte vermietete – zu einer Zeit, als nahezu jeder Brite bereits eine eigene Mattscheibe besaß. Boxclever geriet zum Desaster. Am Ende produzierten Saunders und Sengera ein Minus von fast zwei Milliarden Euro. Sengera verließ die Bank 2003; später musste er sich wegen des Debakels sogar vor Gericht verantworten. ANFANG 2004 trat dann ein Banker in Düsseldorf an, dessen Ruf kaum schillernder sein konnte: Thomas R. Fischer (63), einst Risikochef der Deutschen Bank, Hobbyboxer, ein Mann mit einem Faible für breite Hosenträger und noch breitere Krawatten. Fast ein Dreivierteljahr hatten NRWFinanzminister Jochen Dieckmann (63, SPD) und Ministerpräsident Peer Steinbrück den kapriziösen Fischer umworben, der ihnen von Bankenaufseher
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„Ich brauche keine Alternativen, weil die Haftung der Länder nicht fallen wird.“ Friedel Neuber auf die Frage, was er beim Wegfall der Gewährträgerhaftung tun wolle
Jochen Sanio (64) wärmstens empfohlen worden war. Das Ergebnis war ein äußerst großzügiger Vertrag, der dem Wahlberliner neben einem Jahresgehalt von deutlich mehr als drei Millionen Euro und einer stattlichen Altersvorsorge das Recht zusicherte, nicht mehr als zwei Arbeitstage pro Woche in Düsseldorf zubringen zu müssen. Mit Fischer kehrte zum letzten Mal so etwas wie Zuversicht in die bereits mächtig angeschlagene Bank zurück. Fischer verständigte sich mit den Sparkassenverbänden auf ein neues Geschäftsmodell: Fortan sollte wieder das Kundengeschäft im Fokus stehen. Die Sparkassen schossen noch einmal neues Kapital ein und übernahmen die Mehrheit. Am Ende aber war der Pakt das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben war. Der WestLB blieb der Zugang zu den Sparkassenkunden verwehrt. Vor allem die Chefs der rheinischen Großsparkassen blockierten, wo sie nur konnten. In der Folge begann sich Fischer nach potenziellen WestLB-Käufern umzusehen. Er verhandelte mit der Commerzbank und der niederländischen Rabobank. Zugleich begann er, das Tafelsilber der WestLB zu Geld zu machen. Fischer stieß das Aktienpaket der Bank am Touristikriesen Tui ab, reichte die Beteiligung an der Landesbank Rheinland-Pfalz an die LBBW weiter und verkaufte schließlich die WestLB-Anteile an der Hamburger HSH Nordbank an den US-Finanzinvestor JC Flowers. Ein Jahr nach Fischers Amtsantritt wurde die Gewährträgerhaftung endgültig gestrichen. Von nun an mussten die Landesbanken zeigen, dass sie auch ohne Staatsknete überlebensfähig sein würden. Für WestLB & Co. war es der Anlass, sich noch einmal mit billigem, staatlich garantiertem Kapital aufzupumpen.
Allein Fischer hatte im Juli 2005 rund 25 Milliarden Euro Spielgeld in der Kasse. Nur – wohin damit? Kundengeschäft, in das er hätte investieren können, hatte die Bank kaum. Zudem hatten die großen Ratingagenturen bereits signalisiert, dass sie die Bonität der Landesbanken nach dem Wegfall der Staatsgarantie kräftig herabstufen würden. Am Ende verfiel Fischer, wie andere Landesbank-Chefs auch, auf die fatale Idee, einen erheblichen Teil der frischen Mittel in „strukturierten“ US-Immobilienkrediten anzulegen, etliches davon in Papieren zweitrangiger Qualität („Subprime“). Den Tipp dazu hatten ausgerechnet die Ratingagenturen gegeben; immerhin bewerteten Moody’s & Co. die Papiere trotz des schlechten Leumunds vieler Schuldner oft mit Bestnoten. Sparkassenfürsten und Landespolitiker ließen die WestLB-Oberen nicht nur gewähren. Die Anteilseigner erhöhten vielmehr noch den Druck, endlich vernünftige Rendite zu liefern. Als Fischer und sein von der Deutschen Bank importierter Kapitalmarktvorstand Bob Stein (50) versuchten, die Profite mit riskanten Aktienzockereien zu hebeln, brach das nächste Unheil herein. Schon unter Sengera hatten WestLBHändler begonnen, Aktiendeals mit dem Kapital der Bank zu forcieren. Besonders eifrig setzten die Finanzjongleure auf eine sehr spezielle Wette: die Kursangleichung von Stamm- und Vorzugsaktien deutscher Konzerne. Über mehrere Jahre baute die WestLB Positionen mit Vorzugsaktien von VW, Metro und BMW auf. Als die Strategie im April 2007 durch eine gezielte Indiskretion aus der Bank aufflog, war der Schaden unabwendbar. Der gesamte Markt spekulierte ungeniert gegen die Düsseldorfer, die in den folgenden Wochen 600 Millionen Euro verloren. Fischer wehrte sich verzweifelt. Mit Strafanzeigen und internen Ermittlungen suchte er nach den Verrätern, die er in der Chefetage selbst vermutete. Die Abwehrschlacht lief ins Leere. Die Finanzaufsicht verdächtigte den WestLB-Vorstand, seinen Aufsichtsrat nicht korrekt über die Deals informiert zu haben. Bafin-Chef Sanio zeigte die Manager daraufhin bei der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft an – und drängte auf die Ablösung des Vorstands. Das Verfahren gegen Fischer wurde zwar später eingestellt. Doch seinen Job
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Unternehmen WestLB
Angeklagt: Im Prozess
FOTO: DAVID EBENER / PA / DPA
gegen Ex-Bankchef Sengera sagte auch Starbankerin Robin Saunders (M.) aus. Sengera wurde freigesprochen, das Verfahren wird aber neu aufgerollt.
war er los. Eilig rekrutierte der westfälische Sparkassenpräsident und WestLBAufsichtsratschef Rolf Gerlach (57) den früheren HSH-Nordbank-Lenker Alexander Stuhlmann (63) als Interimschef. Vier Tage nach Stuhlmanns Start brach mit dem Kollaps der Düsseldorfer Mittelstandsbank IKB die Subprimekrise los – und die WestLB geriet unter Wasser. Der Auftrag von Sparkassenmann Gerlach war klar: Stuhlmann sollte die WestLB mit der Landesbank BadenWürttemberg (LBBW) fusionieren. Als Stuhlmann vier Wochen nach seinem Antritt erstmals in der Düsseldorfer Staatskanzlei vorstellig wurde, machte ihm jedoch Ministerpräsident Rüttgers schnell klar, was er von einem Verkauf hielt: ganz und gar nichts. Den Verlust dieses Leuchtturms werde er nicht zulassen, beschied Rüttgers den Banker. Stattdessen erschien der CDU-Politiker wenige Monate später auf einer Sitzung der WestLB-Führungsgremien mit dem Plan, WestLB und IKB zu einer neuen Großbank zusammenzuschließen – ebenjener Plan, den Stuhlmanns Nachfolger Hilgert schließlich beerdigte. Auch mit einem anderen Vorstoß fing sich Rüttgers bei Hilgert eine Abfuhr ein. Gerade sei Thomas Middelhoff (58) bei ihm gewesen, ließ er Hilgert Ende 2008 wissen. Der (damalige) Arcandor-Chef habe ihm berichtet, wie schändlich die Banken mit dem Warenhauskonzern umgingen. Ob sich die WestLB nicht dieses Themas annehmen könne? Hilgert lehnte ein Engagement ab. 54
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„Es gab den Konsens, dass die Bank nicht überlebens fähig war.“ Ein Aufsichtsrat der WestLB über die Haltung der Eigentümer im Jahr 2008
In einer anderen Frage gab sich Rüttgers deutlich zugeknöpfter. Als 2008 klar wurde, dass die WestLB wegen der Finanzkrise abermals Hilfen ihrer Eigentümer benötigen würde, weigerte sich der Ministerpräsident. Während LBBW, BayernLB und HSH Nordbank mit Milliardenhilfen ihrer Eigner gepolstert wurden, ließ sich Rüttgers lediglich zu einer Garantiezusage für den Fall herab, dass es im Wertpapierportfolio zu Ausfällen kommen sollte. Spätestens jetzt hatten sich Sparkassen und Landesregierung von der WestLB verabschiedet. „Es gab den Konsens, dass die Bank in ihrer damaligen Aufstellung nicht überlebensfähig war“, sagt ein Aufsichtsrat heute. Von nun an ging es nur noch darum, wer am Ende für das Desaster bezahlen muss. Die Eigner ließen den früheren Fraktionschef der CDU und heutigen Rechtsanwalt Friedrich Merz (55) nach Käufern fahnden. Lediglich zwei US-Finanzinves-
toren signalisierten Interesse – aber auch nur, um bei einer anschließenden Zerschlagung einen schnellen Gewinn einzustreichen. Das wiederum wollten die Sparkassen, noch immer der größte Gläubiger ihrer Landesbank, verhindern. Der Vertrag mit Merz läuft zur Jahresmitte aus – mit dem Schicksal der WestLB hat er nichts mehr zu tun. und der Düsseldorfer Landesregierung wird wohl kaum eine andere Wahl bleiben, als EU-Kommissar Joaquín Almunia (63) Ende Juni ein Papier zu überreichen, mit dem das endgültige Aus der Bank zementiert wird. Seit Jahren fordern die Wettbewerbswächter eine drastische Verkleinerung der mit Milliardenhilfen alimentierten Bank. Der Plan der WestLB-Eigner geht nun sogar noch weiter: Demnach werden Teile der Bank verkauft; andere wandern in die Ende 2009 gegründete „Erste Abwicklungsanstalt“, die den von Fischer & Co. erworbenen Giftmüll so schonend wie möglich entsorgen soll. Lediglich das Verbundgeschäft mit den Sparkassen könnte in einer Art Mini-WestLB weitergeführt werden. Insider rechnen allerdings eher damit, dass sich andere Landesbanken das Geschäft sichern werden. Ein ähnliches Schicksal droht der Münchener BayernLB, ebenso der HSH Nordbank. Damit kommt der WestLB am Ende wieder die Rolle zu, die sie immer hatte: Sie gibt die Blaupause für die Zukunft aller anderen Landesbanken. Dietmar Palan/Ulric Papendick DEN SPARKASSEN
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ILLUSTRATION: FLORIAN RENNER FÜR MANAGER MAGAZIN
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DENKMALSTURZ TOYOTA In der Autoindustrie endet eine Ära. Die Japaner sind nicht mehr
die größten und auch nicht mehr die besten der Branche. Hat Konzernchef Akio Toyoda den Kampf um die Weltspitze schon aufgegeben?
er 9. März 2011 sollte Akio ToyoVor allem zwei Aussagen stehen exem- Jahre in Folge lag die Marge bis 2007 kondas (55) großer Tag werden. Seit plarisch für Toyotas Niedergang, eine stant über 8,5 Prozent, der Gewinn vor 21 Monaten stand er bereits eher beiläufig wirkende und eine zahlen- Steuern erreichte stets deutlich mehr als an der Spitze des Autokonzerns Toyota, lastige. Unauffällig schien, zumindest für zehn Milliarden Euro – ein Wert, den des Unternehmens, das sein Großvater deutsche Ohren, der Satz: „Wir sind ein Volkswagen nicht einmal in einem ReKiichiro 1937 gegründet und sein Vater japanisches Unternehmen, und das wol- kordjahr wie 2010 erreicht hat, dem sich Shoichiro groß gemacht hatte. Nun end- len wir auch bleiben“. Doch der Konzern- die Wolfsburger Steuermänner Martin lich wollte er der Welt sein Programm für chef sagte „kaisha“, und dieses kleine ja- Winterkorn (64) und Ferdinand Piëch eine große Zukunft vorstellen, seine panische Wörtchen steht für mehr als die (74) aber langfristig verschrieben haben. „Global Vision“. deutschen Übersetzungen „UnternehGanz im Gegensatz zum bescheidenen Toyoda sprach darüber, dass er ein men“ oder „Konzern“. Es steht für eine Herrn Toyoda. Der Konzernchef schraubt Lächeln auf die Gesichter von Kunden, ganze Philosophie, für die urjapanische auch seine Absatzambitionen deutlich Geschäftspartnern und Mitarbeitern Tradition der Firma als große Familie. zurück. Zehn Millionen Autos will er zaubern und dass er Toyota zu einem Toyoda will zurück zu den Wurzeln 2015 verkaufen. Toyodas Vorgänger hatBaum machen wolle mit „starken Wur- des Konzerns. Er orientiert sich nicht an ten sich die 10 Millionen schon für 2009 zeln“ und „schmackhaften Früchten“, den Wünschen internationaler Anleger, vorgenommen. Volkswagens interne um „zu nähren ganze Städte“. sondern daran, was in Japan als sozial- Planung sieht vor, die Marke ebenfalls bis Als er seinen wolkig-visionären Meta- verträglich gilt. Das wiederum entspricht 2015 zu knacken – und dann sogar schon phernmix beendet hatte, hinterließ er in- in etwa jener Ziffer, die der Toyota-Chef ein gutes Stück voraus zu sein. tern wie extern viele enttäuschte Augen- seinen Leuten als Zielvorgabe für die ZuDie Ära, in der Toyota den Weltmarkt und Ohrenzeugen. Wenig Strategisches kunft auftrug: 5 Prozent operative Um- praktisch nach Belieben dominierte, ist entdeckten die Beobachter. Stattdessen satzrendite. Geschichte. Nach dreieinhalb Jahren, in drängte sich ein ganz anderer Eindruck 5 Prozent Rendite, das mag für man- denen immer neue Krisen – darunter auf: Beim größten und über lange Jahre chen Konkurrenten eine hohe Hürde spektakuläre Rückrufaktionen wie in profitabelsten Automobilhersteller hat sein. Toyota aber ist kein gewöhnlicher den USA – die Toyota-Karosserie durcheine neue Zeitrechnung begonnen. Ein Konzern. Der Autohersteller war lange rüttelten, schickt Akio Toyoda den Denkmal akzeptiert seinen Sturz. eine gigantische Gewinnmaschine. Fünf Konzern zur Generalinspektion. „Unser Akio Toyoda verabschieFundament hat Risse bedete sich an jenem 9. März kommen“, diagnostiziert Neue Macht VW aus dem Kampf um die Toyotas Europa-Chef DiWeltspitze. Er gab den Weg dier Leroy (53). Weltweite Absatzzahlen Toyotas und seiner Konkurrenten frei für den Verfolger VolksDie traditionellen Stär11,0 VW wagen und vielleicht sogar ken der japanischen ErToyota für den aus der Insolvenz folgsmaschine funktionieGM auferstandenen US-Konren nicht mehr wie geFord 8,25 Hyundai zern General Motors. Und wohnt, haben sich zum Teil das unabhängig von dem sogar in Schwächen ververheerenden Erdbeben wandelt: Das geschlossene, 5,5 und dem folgenden Tsusehr japanische Toyotanami, die zwei Tage später System garantierte einst 2,75 Japan erschütterten und Effizienz, schnelle Entwickauch Toyotas Produktion lungszeiten und hohe Qua2006 2011 2015 Grafik: manager magazin Quelle: Bis 2012: IHS Automotive (ab 2011 Prognose), 2015: mm-Recherche. für Monate lähmen sollten. lität. Inzwischen ist daraus
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DREIKAMPF:
ein bürokratischer Moloch geworden, der im Zeitalter der Globalisierung zu langsam ist, dem das Verständnis für viele Auslandsmärkte fehlt und dessen früher als unzerstörbar bewunderte Automobile fast schon zum Durchschnittsprodukt geworden sind. „Die Qualitätsprobleme haben sich so im Bewusstsein der Öffentlichkeit festgesetzt, dass bestimmt noch für 24 Monate jeder kleine Rückruf internationale Schlagzeilen produzieren wird“, sagt ein Vertrauter der Konzernspitze. So gefährlich ist die Situation, dass der ToyotaChef seinen Entwicklern künftig vor der Marktreife jedes Modells einige Monate extra verordnet. Zusätzliche Kontrollen sollen mögliche Pannenquellen ausmerzen. Dabei war Toyota noch bis vor Kurzem der Maßstab für eine ganze Industrie. Je näher sich die Konkurrenten die Nummer eins anschauten, desto unheimlicher wurde ihnen der verschwiegene Riese. Toyota produzierte seine Modelle zeitweise doppelt so schnell wie Volkswagen – und dabei auch noch mehrere tausend Dollar billiger. Toyota-Fahrzeuge hatten die wenigsten Pannen, die zufriedensten Kunden – und seit 2006 verkaufen die Japaner auch die meisten Fahrzeuge. Deutsche Konzernlenker reisten nach Japan, versuchten das berühmte Produk58
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FOTO: RAMIN TALAIE / CORBIS
FOTO: SHIZUO KAMBAYASHI / AP
FOTO: DANIEL MAURER / DAPD / DDP IMAGES
Angreifer Martin Winterkorn (r.) führt VW als Ingenieur, Absteiger Akio Toyoda (u.) hat auch der Name geholfen, Aufsteiger Dan Akerson (r. u.) lenkt GM als Finanzmann
tionssystem der Japaner zu kopieren. Sie ließen sich schulen in „Lean Production“ und „Kaizen“, dem Streben nach ständiger Verbesserung. An den Hochschulen versuchten Forscher, dem Mythos Toyota mit wissenschaftlichen Methoden auf die Schliche zu kommen. Bald allerdings könnte eine andere Frage die Akademiker beschäftigen: Wie konnte Toyota so schnell nachlassen? BEI DER PROFITABILITÄT rangieren die Japaner nur noch im hinteren Mittelfeld. Beim Absatz wird Toyota 2011 wahrscheinlich hinter GM und Volkswagen auf Platz drei zurückfallen. Schuld daran ist nicht allein das Erdbeben vom März. Auch das Management trug mit gravierenden Fehlern zum Niedergang bei. Die Pannenserie begann damit, dass die Toyota-Spitze unter dem 2005 gekürten Präsidenten Katsuaki Watanabe (69) ein gefährlich hohes Wachstumstempo anschlug. Neue Mitarbeiter wurden nicht mehr ausreichend geschult, vor allem in US-Werken schlichen sich ab 2006 Qualitätsprobleme ein.
2007 brachte Toyota in den USA einen Riesentruck namens Tundra auf den Markt, baute sogar eigens ein neues Werk – eine fatale Fehlkalkulation. Der Benzinpreis stieg rapide; die Amerikaner wechselten massenhaft von großen Spritschluckern auf kleinere Modelle; der Tundra entpuppte sich als Ladenhüter. Auch andere große Modelle verkauften sich plötzlich schlecht. Toyota konnte gleich mehrere Fabriken nicht mehr auslasten. Es folgten die Finanzkrise und die weltweite Rezession. Als deren Folgen halbwegs überstanden schienen, ereilte die Japaner der bis dahin wohl härteste Schlag: In den USA verbreiteten sich Horrorgeschichten von unkontrolliert beschleunigenden Toyotas. Angeblich verursachten klemmende Gaspedale die Unfälle. Vorsichtig geworden, rief der Konzern Millionen Fahrzeuge zurück, immer wieder aufs Neue schrieben die Japaner Negativschlagzeilen, mal wegen kaputter Antiblockiersysteme, mal wegen undichter Kraftstoffleitungen oder unzuverlässiger Lenkungen.
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In den USA stellte sich zwar im Nachhinein heraus, dass Toyota für die tödlichen Unfälle keine Verantwortung trug. Doch der Imageschaden war da – und ist bis heute geblieben. Seit einiger Zeit schauen die Japaner deshalb sogar verstärkt darauf, wie Konkurrenten all die Probleme lösen, mit denen sie selbst nicht mehr klarkommen. Sie suchen Rat bei Consultants und sogar Zulieferern. Die ehemalige Benchmark für eine ganze Branche ist wieder zurück auf der Stufe des Kopierens. Für die einstige Vorzeigefirma der Nippon Inc. ist das der Gipfel der Demütigung. Viele Toyota-Topleute halten sich weiter für die Besten der Welt. Fragte man sie vor drei oder vier Jahren, mit welchem Ziel ihre Chefs sie nach der Übernahme der Weltspitze noch motivierten, dann lächelten die Japaner schon mal breit und antworteten: „Beat Toyota!“ Sie sollten sich noch einmal selbst übertreffen. Von anderen zu lernen, das hatte diese Organisation nicht mehr nötig. Wenn ausgerechnet jetzt aber die Selbstheilungskräfte nicht mehr wirken, braucht der Konzern umso dringender eine starke Führungsfigur. Dass ausgerechnet Akio Toyoda diese Rolle aus füllen kann, bezweifeln indes viele innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Aufgefallen war der Gründerenkel vor der Übernahme des Vorstandsvorsitzes unter anderem als wenig erfolgreicher China-Chef des Konzerns und dadurch, dass er eine Internet-Plattform für gebrauchte Toyotas aufbaute. Und natürlich als Rennfahrer. Zweimal startete Toyoda ziemlich erfolglos beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring, auf der Starterliste anonymisiert als „Morizo“ – der Name eines Maskottchens der Weltausstellung 2005 in Toyotas Heimatregion Aichi. Zum Chef machte Toyoda Anfang 2009 ein seniorer Machtzirkel ehemaliger Vorsitzender, angeführt von Akios Vater Shoichiro (86). Die Toyoda-Familie hält zwar nur noch rund 1 Prozent der Konzernanteile, und als Manager hatte Akio auch noch nicht wirklich beeindruckt; aber immerhin stand sein Name für alten Glanz und für Tradition. Diese Verbindung zu den Wurzeln war es wohl, die ihn in der Krise an die Spitze brachte. Die Konzernmächtigen vollzogen mit ihrer Auswahl eine 180-Grad-Wende. Akio Toyoda verglichen mit Vorgänger 60
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Toyotas Abstieg Hyundai mit der besten Rendite1 Hyundai VW/Ford2 GM
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Toyota3 0 5 10 20,1 2005
2010
Ford mit den wenigsten Problemen4 2010 Ford Hyundai Chevrolet (GM) Toyota Volkswagen
2005
93 127 102 110 111 127 117 105 135 147
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Umsatzrendite, operat. Gewinn vor Steuern, in Prozent. Ergebnis vor Steuern. Jeweils Ergebnis zum 31.3. des Folgejahres. 4 Probleme je 100 Fahrzeuge in den ersten 90 Tagen nach Kauf, nur US-Markt. Quelle: JD Power, Unternehmen, Bloomberg Grafik: manager magazin 2
lerweile sehr viele auf sich allein gestellt und verunsichert“, sagt ein Kritiker. Die Schar der Akio-Gegner warte sehnlichst darauf, dass sein Vater und großer Förderer Shoichiro die schützende Hand über ihm wegziehe. Die japanische Öffentlichkeit sieht ihn bereits als tragischen Helden, der trotz einer gewissen Größe zum Scheitern verurteilt ist. Allzu oft hat Toyoda schließlich die Erwartungen enttäuscht. Zu defensiv sei er aufgetreten, hieß es, als er nach der amerikanischen Unfallserie vor den US-Kongress zitiert wurde. Als zu wenig intellektuell gelten seine Reden, die viele an Lokalpolitiker erinnern. Toyoda zieht sich in den Konzern zurück – fast als wisse er um seine limitierten Fähigkeiten. Ein enger japanischer Toyota-Begleiter kommt zu einem vernichtenden Urteil: „Der Konzern hat Probleme allerorten – aber einen Vorstandschef, der weder Führungsqualitäten noch Einsicht in die wahren Schwächen hat.“ In der Tat, Akio Toyoda arbeitet den Berg an Problemen nicht ab, sondern schiebt ihn vor sich her. Und ständig tauchen neue Schwachstellen auf.
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Katsuaki Watanabe, das heißt passionierter Entwickler versus gelernter Einkäufer, Auto-Aficionado versus Zahlenfetischist, Traditionalist versus Wachstumsgläubiger. Ähnlich sind sich die beiden Führungsfiguren wohl nur in einer Hinsicht: ihrer Pechsträhne. Kaum hatte Toyoda die Konzernspitze übernommen, da traf ihn die volle Wucht der verhängnisvollen Unfallserie in den USA. Beeindruckt hat Toyoda bislang die wenigsten. Humorvoll sei er, berichten Kollegen, doch er führe das Unternehmen äußerst autoritär. „Wo früher viel diskutiert und der Konsens gesucht wurde, duldet Toyoda keinen Widerspruch und vertraut stattdessen auf den Rat der Beratungsfirma Sparks“, erzählt ein Mitglied der engeren Konzernspitze. Toyoda fehlt bei alldem eine klare Linie. Mal will er emotionalere Autos, mal geht es darum, Toyotas DNA in die Fahrzeuge zu bringen. „Hier fühlen sich mitt-
FAST ÜBERALL AUF DER WELT bröckelt Toyotas Dominanz. Ausgerechnet in Japan und den USA, den beiden für den Konzern wichtigsten Märkten, ist die Nachfrage seit Jahren flau. Großes Wachstum ist für die Zukunft so gut wie ausgeschlossen. Erschwert wird die Situation speziell in den USA durch die aggressiven Konkurrenten. Die beiden US-Hersteller General Motors und Ford ziehen Toyota auf ihrem Heimatmarkt immer weiter davon. Gleichzeitig macht der koreanische Hyundai-Konzern den Japanern den Status als erfolgreichste Importmarke streitig (siehe Kasten Seite 64). In Europa ist Toyota mittlerweile eine kleine Marke unter vielen. Von einst soliden 5,7 Prozent Marktanteil sind nur noch rund 4 Prozent übrig (siehe Kasten Seite 62). Die 10 Prozent, von denen die Japaner vor wenigen Jahren träumten, haben sich als Illusion erwiesen. Selbst in den Schwellenländern China und Indien fällt Toyota zurück. In China scheffeln Volkswagen und GM Milliarden und verweisen die Japaner in die zweite Liga. In Indien dominiert der japanische Konkurrent Suzuki den Markt,
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Schadensfall in Europa
volatilen Märkten als zu starr. Bei niedriger Auslastung sorgt es schnell für Verluste. So sind die für das Geschäftsjahr 2010/11 ausgewiesenen vier Milliarden Euro operativer Gewinn vor Steuern im Wesentlichen der Finanztochter geschuldet. Die eigentliche Autoproduktion steckt tief in den roten Zahlen. Wohin eine solche Entwicklung führen kann, zeigt das Beispiel GM. Die Amerikaner stützten sich etliche Jahre nur auf die Gewinne ihrer Finanztochter GMAC. Bis die Finanzkrise kam. In der Folge stürzte GMAC in eine schwere Krise – und der ganze Konzern in die Insolvenz.
Wie Toyota die Wende in der Alten Welt gelingen soll Der Niedergang: Die Pannenserie
begann Ende 2007. Toyota, damals noch das Idol der Branche, funktionierte in Europa nach langer Rekordfahrt plötzlich nicht mehr. Rückrufe kratzten am Image, der Verkauf sackte ab, und „plötzlich befanden wir uns in einer Abwärtsspirale“, erinnert sich EuropaChef Didier Leroy. Die Motivation war dahin, die Händler saßen auf hohen Fehlinvestitionen, der Absatz schnurrte auf rund 800 000 Autos zusammen, statt auf die angepeilten 1,6 Millionen zu klettern. Für 2010 rechneten die Planer gar nur noch mit gut 700 000 verkauften Autos. Die Hoffnung auf Gewinn schrieben sie gleich bis 2014 ab. Der Wiederaufbau: Als Leroy im
Denn Konzernchef Akio Toyoda richtet das Unternehmen in seiner Strategie „Global Vision“ stärker auf Wachstumsmärkte wie China, Indien oder Südostasien aus. Europa, bei der Zuteilung neuer Modelle zuletzt schon sehr kurz gekommen, wird in der Prioritätenliste weiter nach hinten rücken. Didier Leroy gibt allerdings nicht auf: Er will es Ford und Hyundai gleichtun, die sich mit europäischen Ideen und Entwicklungen konzernweit durchgesetzt haben. Das Geld dafür muss er allerdings selbst erwirtschaften: „Je profitabler wir in Europa werden, desto mehr Einfluss werden wir auch auf die Autos hier nehmen können – und desto eher können wir eigene Derivate entwickeln.“ Die dazu notwendige Umsatzrendite hat Leroy schon vorgegeben: 5 Prozent vor Steuern.
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Sommer 2010 die Spitze in der Brüsseler Europa-Zentrale übernahm, stemmte er sich gegen den Trend: Der Absatz dürfe nicht unter 800 000 fallen, gab er vor, und spätestens im Geschäftsjahr 2011/12 (zum 31. März) müsse Europa wieder profitabel sein. Der effizienzverliebte Leroy strich rund 10 Prozent der Stellen und fand überall Einsparpotenzial. Der Erfolg gibt ihm recht. Leroy hielt den Absatz 2010 knapp über 800 000 und überraschte schon Ende März 2011 mit schwarzen Zahlen.
KRISENMANAGER: Konzernchef Die Ziele: Toyotas Zukunftsaussichten
in Europa bleiben allerdings bescheiden.
mit einigem Abstand gefolgt von Hyundai. Toyota hat noch keine Erfolg versprechende Strategie für den Subkontinent gefunden. Lediglich in Südamerika und Afrika dominiert Toyota mit seinen günstigen und robusten Pickups das Straßenbild. Die zunehmende Stärke der Konkurrenten offenbart das strategische Dilemma eines Unternehmens, das sich seit Jahrzehnten über „Made in Japan“ definiert und immer noch etwa die Hälfte aller Fahrzeuge im Heimatland baut. Inzwischen wird die Fixierung auf die „Japaneseness“ zur Last. Der einst günstige Yen, der Japan als Exportbasis über Jahre so attraktiv ge62
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Toyoda und Europalenker Leroy (links) äußern sich 2010 zum Stand der Qualität
macht hat, ist stark gestiegen und schlägt gnadenlos auf die Bilanz durch. Zudem rächt sich, dass der Konzern seinen ausländischen Satelliten keinen stärkeren Einfluss auf die Strategie eingeräumt hat – und viele Markttrends in Europa, China und Indien nicht ausreichend versteht. „Da steht Toyota Pars pro Toto für viele japanische Unternehmen“, sagt Stefan Lippert, Ökonomieprofessor an der Kenichi-Ohmae-Business-School in Tokio. „Globalisierung verlangt, dass sie ihre traditionelle Kernstärke, die Japaneseness, neuen Einflüssen öffnen müssen.“ Selbst das legendäre Produktionssystem hat Schwächen. Es erweist sich in
NATÜRLICH GIBT ES SIE NOCH, die traditionellen Toyota-Stärken. Aber sie garantieren den Erfolg nicht mehr. Über exzellente Produktionssysteme verfügen inzwischen auch andere Hersteller. „Qualität als Verkaufsargument zu etablieren, wird Toyota in absehbarer Zeit kaum noch gelingen“, sagt ein ToyotaPartner, „selbst dann nicht, wenn sie sich wieder einen kleinen Vorsprung vor der Konkurrenz erarbeiten sollten.“ Auch andere Vorteile verlieren an Bedeutung. Grüne Autos etwa bieten inzwischen auch andere an: Der Hybridantrieb, mit dem die Japaner schon über drei Millionen Fahrzeuge verkauft haben und mit dem sie künftig einen Großteil ihrer Flotte ausrüsten wollen, wird längst auch von Wettbewerbern offeriert. Spätestens ab 2013 verlören Toyotas Hybride wahrscheinlich vollends ihr Alleinstellungsmerkmal, prognostizieren Branchenexperten. Die Konkurrenz werde dann mit eigenen teil- und vollelektrischen Mobilen immer mehr überzeugende Alternativen bieten. Was aber bleibt dem einstigen ÖkoDominator Toyota dann noch an Wettbewerbsvorteilen? Hat Akio Toyoda mehr zu bieten als das Beschwören der alten Stärken? Immerhin, der Konzernchef hat in seine Global Vision einige Rezepte für eine baldige Genesung eingewebt. Doch es sind nur wenige Maßnahmen, und auch die erscheinen eher defensiv. So gibt Toyoda den Zentralen der wichtigsten Regionen mehr Macht; er hat in Japan tief in die Managementstrukturen geschnitten, um den Konzern schneller zu machen, und er fokussiert Toyota auf die Schwerpunkte Wachstumsmärkte und Hybrid.
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Unternehmen Toyota
Korea schlägt Japan
Im Topmanagement jedoch stößt Toyodas Entschlackungstherapie auf zum Teil heftigen Unmut. Die meisten Opfer seiner Reform sind noch im Konzern und – so befürchten es Insider – ein Herd für Widerstand und Blockaden. Auch die Fokussierung auf Hybrid und Wachstumsmärkte wie Südostasien, Indien und China, in denen Toyoda schon 2015 die Hälfte seines Absatzes erzielen will, strapaziert die Organisation. Denn die Folge ist ein extremer Zielgruppenspagat zwischen billig und Hightech. Und wo Volkswagen-Chef Winterkorn weltweit zwischen sieben Pkw-Marken differenzieren kann, um die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse abzudecken, hat Toyoda nur Toyota, die lediglich in den USA erfolgreiche Nobelmarke Lexus und das auf ganz kleine und billige Modelle spezialisierte Daihatsu.
Wie Hyundai der beste Autokonzern Asiens werden will Reif für die große Bühne: Dass sie
Hyundai ernst nehmen müssen, schwante den Managern von Toyota, General Motors und Volkswagen schon länger. Wie ernst, begriffen viele aber erst auf der Detroit-Autoshow Anfang vergangenen Jahres. Da stellten die Koreaner die Neuauflage der Mittelklasselimousine Sonata vor. Galt Hyundai zuvor vor allem als Hersteller, der robust und billig kann, stand hier ein schickes, hochwertiges Fahrzeug mit neuester Technologie. „Das Auto war ein Schock für alle“, erinnert sich ein Topmanager der Konkurrenz.
und zogen ein europäisches Entwicklungszentrum in Rüsselsheim hoch, das, wie Insider berichten, tatsächlich Mitspracherechte bei der Konzernplanung hat. Experten wie August Joas, Deutschland-Chef der Beratung Oliver Wyman, sehen in Hyundai einen der bedeutendsten ToyotaGegner neben Volkswagen: „Hyundai hat es verstanden, die Toyota-Tugenden aufzunehmen, ohne dabei die Schwächen zu kopieren.“
Besser als die Blaupause: In Sachen Marketing und Design könnte Toyota inzwischen sogar von Hyundai lernen. So sponsern die Koreaner Top-Events wie die Fußball-WM, warben den früheren Audi-Designchef Peter Schreyer ab
Die Stärkung der Regionen ist in der Tat dringend erforderlich. Toyota alt, das bedeutet mit wenigen Ausnahmen, dass die Zentrale in Toyota City entscheidet und die Statthalter die Befehle umsetzen. Die Kontrolle ging so weit, dass die Regionalchefs einen Schattenregenten auf gleicher Ebene in Japan neben sich hatten. Die Doppelstruktur hat Akio Toyoda jetzt aufgelöst. Den Europäern etwa verspricht der Chef den Aufstieg zum globalen Entwicklungszentrum für Kleinwagen. Für den Rest der Modellpalette bleibt es bei Kosmetik, wie ein Brüsseler Entwickler erläutert: „Europa-Chef Leroy darf vielleicht über die Stärke des Stoßdämpfers entscheiden. Doch schon 64
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FOTO: GETTY IMAGES
Der alte Toyota-Weg: Der koreanische Konzern, der sich mit seinen Marken Hyundai und Kia auf Rang fünf der weltgrößten Autokonzerne vorgearbeitet hat, wird zu Recht oft mit Toyota verglichen . So profitierte Hyundai nicht nur genau wie Toyota über Jahre von einer dominanten Position auf dem Heimatmarkt und einer schwachen Währung, die den Export beflügelte. Die Manager installierten auch ein effizientes Produktionssystem, das auf Augenhöhe mit dem Vorbild Toyota ist.
ANGRIFFSMODUS: HyundaiChef Seung Suk Yang attackiert mit Modellen wie dem Sonata
bei der Lenkung ist Schluss. Es wäre zu teuer, die eigens für Europa neu abzustimmen.“ Auch die Straffung im Spitzenmanagement scheint der richtige Ansatz zu sein – und birgt doch Gefahren. Toyoda verkleinert den Vorstand von 27 auf 11 Mitglieder, er hat im Topmanagement eine Hierarchieebene beseitigt, alles soll schneller gehen. Schließlich hatte Toyota international häufig das Nachsehen, wenn zügiges Handeln gefragt war. Europäische Manager berichten, wie sie für größere Projekte bis zu 20 Einzelpräsentationen in Toyota City halten mussten – und doch keinen Erfolg hatten.
TOYOTA-INSIDER REDEN bereits davon, die Strategie der Japaner bedeute ein Friedensangebot an die Konkurrenz. Schließlich schalte Toyoda speziell in den USA und Europa ein bis zwei Gänge herunter und erleichtere es damit Rivalen wie Volkswagen, Hyundai und GM, Marktanteile zu gewinnen. Volkswagen-Chef Martin Winterkorn und GM-Lenker Dan Akerson (62) dürfte gefallen, was sie derzeit beobachten. Unterschätzen werden sie Toyota indes nicht. Zu sehr hallt der vergangene Ruhm nach. Und es gibt sie noch, die Momente, die an die alte Stärke des Konzerns erinnern. Zum Beispiel die Bewältigung der Tsunami-Krise. Noch im April prognostizierte die Toyota-Spitze, die Werke in Japan würden wegen häufiger Stromausfälle und vor allem wegen zerstörter Zuliefererwerke erst im Juli nach und nach wieder hochgefahren. Doch dann ging es deutlich schneller. Die europäischen Fabriken laufen schon seit Anfang Juni wieder im Normalbetrieb. Aktuell hat Toyota bereits 90 Prozent seiner Produktionskapazität wiederhergestellt. Die Bewältigung der Naturkatastrophe könnte ein Sinnbild für die Zukunft von Toyota überhaupt sein. Akio Toyoda würde vielleicht sagen: Die Wurzeln des Baumes sind noch fest, aber die Früchte schmecken nicht mehr. Und sie werden ihre alte Süße vielleicht nie wieder erlangen. Michael Freitag/Thomas Katzensteiner
erstaunlich
Terra Xpress mit Dirk Steffens Alltägliches verblüffend sonntags, 18.30 Uhr
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Unternehmen Reeder
Volle Kraft zurück REEDER Die Jahrhundertkrise der Schifffahrt schien ausgestanden.
Doch jetzt zeigt sich die wahre Not – gerade für die Deutschen. ein Erfolg erregte Bewunderung, sein Gebaren zuweilen Befremden. Niels Stolberg (50) war der König von Bremen. Seine Reederei Beluga stieg in wenigen Jahren zu einer Weltgröße des Schwerguttransports auf. Da wollte er sich auch manches Spielzeug leisten, etwa ein eigenes Spitzenrestaurant, gleich eine Etage über der Firmenzentrale. Der beste Tisch des Hauses, mit Traumblick auf die Weser, war
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allerdings nie zu bekommen. Den hielt der Hausherr allein für sich reserviert. Die Schifffahrtskrise von 2009 – die schwerste seit Generationen – schien Stolberg nichts anhaben zu können. Unbeirrt stockte er seine Flotte auf. Ende vergangenen Jahres ging ihm dann doch das Geld aus. Er musste einen amerikanischen Finanzinvestor an Bord nehmen. Im März brach Beluga zusammen, die Reederei meldete Insolvenz an, im April
folgte Stolbergs private Insolvenz. Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn – er hat offenbar über lange Zeit Bilanzen gefälscht. Der Fall Beluga wirft ein Schlaglicht auf eine ganze Branche. Die griff, gerade in Deutschland, mit gehöriger Hybris immer weiter aus, durchstand die große Krise scheinbar unbeschadet und blickt jetzt, mitten im globalen Aufschwung, in ein grausig tiefes Loch:
Bernhard Seibold, Senior Engineer
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Claus-Peter Offen hat besonders üppig bestellt – zu üppig?
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Niels Stolberg war der neue Reederkönig – bis zur Insolvenz
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Jochen Döhle profitiert womöglich von der Beluga-Pleite
◼ Die Preise für Schiffsfracht, die sogenannten Frachtraten, sinken wieder. ◼ Den Hauptfinanzierern von Schiffen, Banken und Fondsanlegern, drohen Milliardenverluste. „Die Krise ist noch lange nicht vorbei“, warnt Burkhard Tesdorpf vom maritimen Investmenthaus Hanse Capital, „die Krise geht erst richtig los.“ Vor allem mittelständische Reeder geraten zunehmend in Schwierigkeiten. Aber auch für Branchengrößen wird es eng. Wie ein Mene68
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tekel wirkt da der unlängst abgesagte Börsengang von Hapag-Lloyd. Angesichts der düsteren Aussichten hätten sich die Aktien wohl nur verramschen lassen. Dabei schien es eben noch, als könne die Seefahrt dem allgemeinen Aufschwung nach der Finanzkrise folgen. Tatsächlich fuhren die bekannten Containerlinien – mittendrin die deutschen Vertreter Hapag-Lloyd und Hamburg Süd – im vergangenen Jahr Rekordgewinne ein. 2009 hatten sie noch Verluste hinnehmen müssen. Doch die Erholung ist schon wieder vorbei. Jetzt brechen die Erträge weg. Die einschlägigen Portale von Schiffsmaklern starren vor roten, abwärtsgerichteten Pfeilen. Eine 20-FußBox von Hamburg nach Rio schippern, dafür konnten die Linienreeder vor einem halben Jahr noch gut 900 Dollar verlangen, plus Nebenkosten. Jetzt liegt der Grundpreis bei 200 Dollar. Was die Containerschipper hinunterreißt, ist ein „hartes Gerangel um internationale Marktanteile“, wie Max Falckenberg vom Beratungshaus Roland Berger registriert. Vor allem die Nummer zwei der Rangliste will es wissen: Gianluigi Aponte (70), Gründer und Alleineigner der in Genf ansässigen MSC (Mediterranean Shipping Company). Aponte, in ärmlichen Verhältnissen in der Nähe Neapels aufgewachsen, scheint nur noch von einem Ziel beseelt: den dänischen Marktführer Maersk zu entthronen. Weichen will jedoch niemand, weder Maersk noch eine der anderen Linien. „Die Branche hat aus der Krise nichts gelernt“, schimpft Ottmar Gast, Chef der Hamburg Süd. Sobald die Auslastung der Schiffe nur ein wenig zurückgehe, würden die Reeder nervös und senkten gleich die Preise. Das setze dann eine Rabattrunde in Gang, die keinem wirklich mehr Ladung bringe, allen aber deutlich weniger Gewinn. In den übrigen Segmenten der Schifffahrt, vom Tanker bis zum Erzfrachter, sieht es nicht besser aus. Überall herrschen Hyperkonkurrenz und ein wachsendes Überangebot. Im maritimen Boom zu Anfang des Jahrzehnts verfielen die Reeder in einen regelrechten Bestellwahn. Jetzt flutet eine Unzahl Neubauten den Markt. In den Orderbüchern stehen derzeit rund 7300 Schiffe, die bis Ende nächsten Jahres ausgeliefert werden sollen. Ihr Wert: mindestens 300 Milliarden Dollar. Eine
derartige Armada kann der Markt keinesfalls verkraften, selbst bei noch so frohwüchsigem Welthandel. „Die Erholungsphase war zu kurz, um die Rückschläge der Krise wettzumachen“, urteilt Wolfgang Driese, Chef der auf Verkehr spezialisierten DVB Bank. Der neue Tauchgang schädigt vor allem eine Schifffahrtsnation: die Deutschen. In keinem anderen Land hat das nautische Gewerbe in den guten Zeiten einen derartigen Aufschwung genommen. Nirgendwo sonst muss es nun so radikal um seine Zukunft bangen. Der deutsche Aufstieg war einem eigentümlichen System geschuldet. Spezialisierte Fondshäuser lotsten massenhaft Privatanleger in Schiffsbeteiligungen. Willige Geldhäuser, allen voran Landesbanken wie die HSH Nordbank, unterstützten schier jedes Projekt. Der Staat begönnerte die Branche, stellte die Gewinne fast steuerfrei. DAS SYSTEM WAR EFFEKTIV. Deutschland stellt – nach Besitzern gerechnet – die drittgrößte Handelsflotte der Welt. Bei Containerschiffen führen die Deutschen sogar. Reichlich 400 Reeder zählt das Land, vom kleinen Ein-Kahn-Betrieb bis zu Großreedern wie Claus-Peter Offen (67), Erck Rickmers (47, E.R. Schiffahrt) oder Jochen Döhle (55, Peter Döhle Schiffahrt), die jeweils mehr als 100 Schiffe kontrollieren. So zersplittert die deutsche Reederschaft ist – eine Eigenheit eint sie: Nur wenige bieten selbst regelmäßige Schiffsverbindungen an, wie Hapag-Lloyd oder Hamburg Süd. Das Gros hingegen verchartert seine Schiffe an Linienreeder, kümmert sich nur um die Beschaffung von Schiffen, um den laufenden Betrieb, die Wartung und die Crew. Die Flaute der Linienreeder in aller Welt ist darum immer auch die Flaute der Deutschen, deren Schiffe sie fahren. Das rückläufige Geschäft setzt die Charterraten unter Druck, also die Mieteinnahmen der Eigentümer. Schon in der ersten Krise wurden allenthalben Charterverträge gekündigt und nachverhandelt, immer nur mit einem Ziel: die Charter zu drücken. „2010 war ein gutes Jahr für die Linienreeder“, konstatiert Experte Tesdorpf, „aber die Eigentümer der Schiffe hatten wenig davon.“ Die Charterraten zogen kaum an. Nun könnten sie sogar wieder sinken.
Unternehmen Reeder
Für Preisdruck dürfte schon die Welle der neuen Schiffe sorgen. Und wieder sind die Deutschen ganz vorn dabei. Mit rund 800 ausstehenden Schiffen im Gesamtwert von schätzungsweise 40 Milliarden Dollar sind sie die Topbesteller der Welt (siehe Tabelle rechts außen). Wie die heimischen Reeder all dies finanzieren wollen, ist freilich völlig unklar. Bestellt wurde im Hype, als Fonds bereitwillig das Eigenkapital für neue Schiffe stellten, etwa ein Drittel der Kaufsumme, und Banken jederzeit den Rest als Darlehen beisteuerten. Mit der Krise von 2009 ist jedoch der Markt für Schiffsbeteiligungen zusammengebrochen. Die Zahnärzte und Apotheker des Landes, so scheint es, sind vom Schiffsfieber kuriert. Die meisten Reeder haben gegenüber den Banken Garantien abgegeben, für die nötigen Eigenmittel zu sorgen. Nähme man sie jetzt beim Wort, wäre ein Großteil der Zunft bankrott. Von den Profiten der guten Jahre ist – bei allem privaten Reichtum – in den offiziellen Kassen wenig übrig geblieben. Trotzdem laborieren sie weiter, als wäre nichts. So sicherte sich die Reederei Döhle jetzt 20 Schiffe, die zuvor für Beluga fuhren und ihr nun vom Fondshaus HCI zur Betreuung überlassen wurden. Viele Reeder können den Schein wahren, weil sie ihre Hauptrisiken weitergereicht haben. Für die notleidenden, unrentabel vercharterten Schiffe treten nicht sie ein, sondern die eigentlichen Eigentümer, die Fondsanleger. Rund 2900 Schiffe, die Fonds gehören,
Schon wieder abwärts Schiffsfrachtpreise für Massengüter (Baltic Dry Index, in Tausend) 12 10 8 6 4 2 0 Juni 2006
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Grafik: manager magazin
Quelle: Bloomberg
hat Fachautor Jürgen Dobert in seiner Datenbank. Lediglich ein Viertel kam unbeschadet durch die Krise. Bei den anderen mussten die Anleger Geld nachschießen, Ausschüttungen zurückzahlen oder sogar Totalverluste hinnehmen. FÜR DIE AUSSTEHENDEN SCHIFFE wiederum nehmen die Reeder ihre alten Gönner in die Pflicht: die Banken, besonders die HSH Nordbank und die Commerzbank mit ihrer Tochter Deutsche Schiffsbank. Statt der üblichen 60 bis 70 Prozent stellen manche Banken sogar die gesamte Summe. „Reederfinanzierung“ heißen die Totaldarlehen im Bankenjargon, was vor allem kosmetische Gründe hat; der Reeder selbst hat an der Finanzierung praktisch keinen Anteil. Was die – selbst notleidenden – Banken treibt, ist Hilflosigkeit. Sie haben sich
in der Schiffsfinanzierung viel zu weit vorgewagt. So gilt Claus-Peter Offen als einer der größten Kreditnehmer der Commerzbank. Würden die Schiffsbanker jetzt ihre Topkunden in die Pleite schicken, drohte ihrem gesamten Kreditportfolio eine dramatische Entwertung. Obendrein haben die Banken selbst gegenüber den Werften in Fernost Bürgschaften abgegeben und Anzahlungen geleistet. Milliardenbeträge gingen ihnen verloren, stoppten sie den Bauwahn. Die Bankiers hoffen, dass sich das Problem von selbst auswachsen und die Schifffahrtsmärkte mittelfristig zum Gleichgewicht zurückfinden werden. Dabei ist die Schieflage offenbar weit dramatischer als offiziell eingeräumt. Die Schiffe, für die die Banken nun allein einstehen, sind ihren Preis bei Weitem nicht wert. Bestellt wurden die neuen Frachter im Boom, zu Spitzenpreisen. Inzwischen sind die meisten Neubauten 15 bis 20 Prozent billiger zu haben. Die Lücke zum aktuellen Marktwert dürfte allerdings noch weitaus größer sein. Denn Brancheninsider glauben, dass nicht wenige Reeder massiv an geheimen Kick-backs verdient haben. So gibt es im Fall Beluga Berichte, dass auf die tatsächlichen Baukosten 10 Prozent aufgeschlagen wurden, die dann Stolberg direkt zuflossen. Stolberg und sein Anwalt wollen dazu keine Stellung nehmen. Kenner halten den 10-ProzentAufschlag sogar für untertrieben. Nicht unüblich gewesen seien 30 Prozent sogenannter Adresskommissionen, die die
Unternehmen Reeder
Im großen Stil: Schiffbau auf einer südkoreanischen Werft
Schiffe im Überfluss Bestellte Neubauten nach Nationen Land
FOTO: EPA YNA / PA / DPA
Deutschland Griechenland China Japan Südkorea
Order in Stück 797 772 747 562 306
Quelle: mm-Recherche
Werften diskret auf Reederkonten in Steueroasen überwiesen. Bewahrheitet sich diese Darstellung, dann sitzen Schiffsbanken auf Forderungen, denen nicht annähernd entsprechende Werte gegenüberstehen. Am US-Immobilienmarkt wurde ein vergleichbares Phänomen als „Subprime“ bekannt – eine Überbewertungskrise mit verheerenden Folgen. Auflösen ließe sich das Trugbild wohl nur mit einem „Haircut“, wie es im Finanzjargon heißt – mit massiven Abschreibungen und einem Verkauf von Schiffen unter dem Buchwert. Dafür fehlen den Bankern bislang allerdings der Mut und die Mittel. Nur zögernd gehen sie daran, ihre Forderungen durchzusetzen. Immerhin: Einigen kleineren Reedern wurden Kredite gekündigt, einzelne Schiffe verkauft.
Bei den Großen begnügen sich die Finanzhäuser mit Gesten des guten Willens. So trennte sich Claus-Peter Offen von zehn Containerschiffen, in denen auch sein eigenes Geld steckte. Üblich sind zudem stille Vereinbarungen, alte Expansionspläne fallen zu lassen und schleichend Tonnage abzubauen. mit ihren Stammbanken haben die deutschen Reeder wohl trotzdem nicht. Im März 2013 endet ein Moratorium der Schiffsfinanzierer und der Bankenaufsicht Bafin, die nur so lange auf eine strenge Einhaltung der Kreditregeln verzichten will. An nennenswertes Neugeschäft ist nicht zu denken. Die Landesbanken fallen auf Dauer als Schiffsfinanzierer aus, weil sie wegen ihres schlechten Ratings nur zu miserablen Konditionen an Dollar
EINE GEMEINSAME ZUKUNFT
kommen, die Leitwährung der Branche. Ohne willige Schiffsbanken und Fondszeichner ist der Weg vorgegeben: Das deutsche Wunder geht zu Ende, die Vormachtstellung in der Containerschifffahrt dürfte bald der Vergangenheit angehören. „Ich bin fest davon überzeugt“, urteilt ein ehemaliger Manager der HSH Nordbank, „dass andere Nationen uns den Rang ablaufen werden.“ Der Abstieg Deutschlands als Seefahrtsmacht – auf einer Branchentagung beschworen kürzlich die Reeder dieses Schreckensszenario, weil die Bundesregierung 30 Millionen Euro Subventionen streichen will. Die Anklage hätte sich bei genauer Sicht der Dinge wohl besser an die eigene Berufsgruppe gerichtet. Deren Maßlosigkeit hat augenscheinlich einen ganzen Wirtschaftszweig zerrüttet. Michael Machatschke
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Neue Kleiderordnung: Pablo Isla (links) folgt auf Gründer Amancio Ortega
DER ALDI DER MODE INDITEX Amancio Ortega hat mit Zara das
größte Bekleidungshaus der Welt geschaffen. Wie geht es weiter, wenn er im Juli abdankt? 72
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arcelona: Parallel zur berühmten Flanier- und Abzockermeile Ramblas verläuft die Fußgängerzone Avenida Portal de L’Angel. Auf den ersten Blick eine eher langweilige Einkaufsstraße wie so viele andere in den Metropolen dieser Welt. Modeshop reiht sich an Modeshop. Auf der einen Seite heißen diese Pull & Bear, Zara, Stradivarius und Massimo Dutti, auf der anderen Bershka, Oysho, Uterqüe und noch einmal Zara. Doch diese Straße ist weltweit einmalig: Alle acht genannten Läden gehören
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Unternehmen Inditex
einem Mann – Amancio Ortega. Unter Insidern heißt die Straße deshalb zu Recht Avenida del Amancio. Diese acht Shops sind nur ein winzig kleiner Teil eines riesigen Imperiums, das Ortega in rund 35 Jahren geschaffen hat. Über 5000 Läden in rund 80 Ländern besitzt der Inditex-Konzern und ist damit der größte Textilhändler der Welt – noch vor H&M. Kein Unternehmen setzt modische Trends schneller in erschwingliche Klamotten um, keiner wächst so schnell auf so hohem Niveau. Trotzdem kennt kaum jemand Inditex, genauso wenig wie seinen Haupteigentümer Amancio Ortega. Der Konzern hat eine einzigartige Kultur, die gegen viele Branchenregeln verstößt, gängige Managementpraktiken ignoriert und von Ortega erfunden und vorgelebt wurde. 75 Jahre alt ist er Ende März geworden. Er ist fast so scheu wie die AlbrechtBrüder – und ebenso erfolgreich. Mit einem geschätzten Vermögen von über 20 Milliarden Euro gilt er als reichster Spanier, und trotzdem ist er bescheiden geblieben. Lange Zeit fuhr er selbst in einem Golf zur Arbeit, bis vor Kurzem wohnte er standeswidrig in einer Etagenwohnung im Zentrum der galizischen Stadt La Coruña. Öffentliche Auftritte mag er nicht. Selbst den Ministerpräsidenten ließ er abblitzen, als dieser die wichtigsten Manager und Unternehmer des Landes zu einem Krisen-Round-Table bat. Nun, auf der Hauptversammlung der Inditex S. A. im Juli, tritt Ortega als Chairman ab und übergibt an Pablo Isla (47), der bereits seit 2005 im Unternehmen ist. Insider sagen, der Übergang sei nicht ganz freiwillig erfolgt. Isla, der exzellente Kontakte zum Telefónica-Chef César Alierta (66) hat, soll gedroht haben, als Nachfolger Aliertas zu Telefónica zu wechseln. Ortega wollte den geschätzten Isla nicht verlieren und stimmte deshalb seinem eigenen Abdanken als Zar von Zara zu. Was bedeutet der Abgang der Übervaterfigur Ortega, der bisher jede Kollektion, jeden Standort und jede neue Schaufensterdekoration begutachtete und absegnete? Wie geht es nun weiter mit Inditex? Kann der Konzern in diesem Tempo – jedes Jahr 400 bis 500 neue Shops – problemlos weiter wachsen? Oder platzt Inditex irgendwann aus allen
Zara und die sieben Zwerge Die acht Marken des Inditex-Konzerns und ihre Bedeutung Umsatzanteil in Prozent*
Marken Zara Kleidung für alle Altersgruppen, ob Mann, Frau oder Kind Bershka Modisches für junge Leute (13 bis 23), bald auch in Berlin Massimo Dutti Elegantere Kleidung für Männer und Frauen über 25 Jahre Pull & Bear Casual und sportive Mode für Männer und Frauen (14 bis 28) Stradivarius Urbane Mode für die Frau zwischen 15 und 25 Oysho Wäsche für Frauen und Mädchen Zara Home Heimtextilien; bereits in Frankfurt, bald in Hamburg Uterqüe Höherwertige Accessoires (Taschen, Gürtel, Schuhe) *Bezogen auf den Umsatz im Geschäftsjahr 2010; **Stand: 31. Januar 2011.
Nähten, weil es – wie so viele gigantisch wachsende Ketten (etwa Starbucks) – an Hypertrophie leidet? Das sind Fragen, die man in Arteixo, rund 20 Autominuten von La Coruña entfernt, nicht so richtig versteht. Denn in der Zentrale des Konzerns geht man davon aus, dass – im doppelten Sinne – alles beim Alten bleibt. Ein Mann wie Ortega hört nie auf, auch wenn er keinen Titel mehr hat. Er und seine Familie besitzen ja immerhin noch rund 60 Prozent des Inditex-Kapitals. ORTSBESUCH: Vorbei an den Sicherheitsbeamten in ihren braunen Uniformen, hinunter in die Tiefgarage, direkt hoch mit dem Fahrstuhl in die zweite Etage zum avisierten Gesprächspartner. Eine Lobby gibt es nicht, keine pompöse Halle, keine Empfangsdamen mit perfekt manikürten Fingernägeln. Kein Protz, kein Auftrumpfen. Die Inditex S. A. ist anders als andere Großkonzerne. Das hat viel mit der Herkunft zu tun. Galizien in der Nordwestecke Spaniens ist ein armer Landstrich. Hier lernt man zu kämpfen, um zu überleben. Hier muss man stets besser und auch cleverer sein als die im fernen Madrid oder noch ferneren Barcelona. Ortega, der als Laufbursche in einem Modegeschäft in La Coruña anfing, ist ein typischer Galizier. Und viele seiner Mitstreiter auf den oberen Ebenen sind das auch. Einige von ihnen sind Verwandte des zum zweiten Mal verheirateten Ortega, darunter auch seine jüngste Tochter Marta (27). Der global orientierte Konzern Inditex ist ein durch und
64,6 10,0 7,2 6,8 6,2 2,4 2,3 0,5
Anzahl Shops** 1723 720 530 682 593 432 284 80 Quelle: Inditex
durch galizisches Familienunternehmen, trotz der 40 Prozent, die an der Börse gehandelt werden. „Humilde“, so heißt der spanische Begriff, den Inditex-Deutschland-Chef Matthias Alipass (40) immer wieder bei seinen Arteixo-Besuchen hört und der mit „Bescheidenheit“ übersetzt werden kann. Hier in Galizien redet man nicht viel, und vor allem nicht über sich selbst. Der öffentlichen Schweigepflicht ordnet sich auch der Madrilene Pablo Isla, der eigentlich das Rampenlicht nicht scheut, unter. Bei den eher seltenen großen Zara-Eröffnungsshows – wie jüngst in Rom und Sydney – war er nicht zu sehen. Einzig Jesús Echevarría (49), ein treuer Weggefährte Islas, darf von den Geschäftsführern nach außen auftreten. Er tut das sehr eloquent in fast fehlerfreiem Englisch. Der Konzern gibt ansonsten wenig auf Kommunikation. Selbst Produktwerbung spielt keine große Rolle. Während der große Konkurrent H&M seine Mode multimedial und permanent mit Stars und Sternchen präsentiert, tritt Zara nur zweimal, im Januar und August, mit ein paar Anzeigen an die Öffentlichkeit. „Im Vergleich zu H&M spart Inditex jedes Jahr rund 500 Millionen Euro an Marketingkosten“, rechnet José Luis Nueno, Professor an der IESE Business School in Barcelona, vor. Das Ersparte investieren die Inditex-Manager lieber in die Läden. „Das sind unsere Aushängeschilder“, sagt Jesús Echevarría. Geld spielt dabei (fast) keine Rolle. Soeben blätterte Zara für den ehemaligen NBA-Store an New Yorks Fifth Avenue manager magazin 7/2011
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FOTO: MARIO FOURMY / REA / LAIF
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Unternehmen Inditex
Zaras perfekte Modewelt: Hunderte von Designern entwerfen neue Kleidung (oben), die zum großen Teil in Spanien und Portugal produziert wird, ehe sie vom gigantischen Warenlager aus in die Welt verschickt werden
knapp 325 Millionen Dollar hin. Egal ob New York, Paris, Peking oder Berlin – in allen Metropolen muss mindestens ein Flagshipstore an der Prachtstraße sein. Ebenso wichtig wie die Location ist für Zara die Warenpräsentation. Die Schaufenster sind oft so edel wie die der benachbarten Escada- oder GucciShops. Ihr Aussehen wird in Arteixo akribisch vorbereitet, genauer: auf der Ebene null in einem fensterlosen etwa 50 mal 50 Meter großen Raum. Hier präpariert und drapiert das zehnköpfige „WindowsTeam“ derzeit verschiedene Schaufenster für die kommende Wintersaison, aber auch die permanenten Adaptionen der aktuellen Präsentation. Denn im Schnitt werden bei Zara alle zwei Wochen die Schaufenster umdekoriert, um dem Kunden zu zeigen, dass es hier ständig etwas Neues gibt. DAS IST TEIL DER ERFOLGSMASCHE: permanent Nachfrage durch neue Hosen, Kleidchen und Tops zu schaffen. Jeder Store ordert zweimal pro Woche neue Ware und bekommt sie zweimal geliefert. In Deutschland immer dienstags und donnerstags, was die treue Zara-Kundin weiß.
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Unmittelbar neben dem Raum fürs Window Dressing ist auf derselben Ebene ein 1500 Quadratmeter großer Zara-Store, ein sogenannter Pilotladen. Ihn haben die Innenarchitekten von Zara eingerichtet. Er ist das große Vorbild für Filialen in aller Welt. Die Store-Manager erhalten via Intranet Dutzende von Fotos aus dem Pilotladen, damit die Merchandiser vor Ort wissen, wie sie die Waren zu präsentieren haben. Viel Spielraum haben die Ladenhüter nicht. Denn alles für das Innenleben ei-
Süd schlägt Nord Entwicklung der Aktienkurse von Inditex und H&M, in Punkten Inditex 350 300 H&M
250 200 150 100 1/2004 Grafik: manager magazin
6/2011 Quelle: Thomson Reuters Datastream
nes Stores wird von Arteixo vorgegeben: das Holz, die Regale, das Licht und die Farbe des Fußbodens. Geliefert wird die Einrichtung komplett und direkt aus Spanien. Ja sogar die Hintergrundmusik und die Kleiderordnung des Personals (alle einheitlich in Zara!) befehlen die Allmächtigen in Arteixo. Zara war und ist ein zentralistischer Konzern, was nicht allen Länderchefs behagt. Gleich drei von ihnen – die langgedienten Country-Manager aus Deutschland, Österreich/Ungarn und Russland – haben in den vergangenen Monaten gekündigt. An der zaristischen Struktur wird sich auch unter Pablo Isla nichts ändern. „Diese Zentralität ist die DNA des Konzerns“, sagt Frederic Sabrià, Professor an der IESE. Arteixo bleibt der Dreh- und Angelpunkt des Unternehmens. Hier werden alle Teile entworfen, oft auch hergestellt und versandt. Die Geburt eines Kleidungsstücks beginnt immer an drei unendlich langen Tischreihen, jeweils eine für Frauen-, Männer- und Kindermode. An ihnen sitzen 360 Designer und Produktmanager. Es sind keine Lagerfelds oder Tom Fords, sondern begnadete Kopierer; sie adaptie-
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ren umstandslos elegante Haute Couture aus den Modemetropolen Paris und Mailand oder auch trendige Streetwear aus London und Tokio. Auf den Tischen liegen Mode- und Lifestylemagazine aus aller Welt. Weitere Infos liefern die Modelblogs im Internet, angestellte Trendscouts oder auch aufmerksame Store-Manager. All diese Informationen verarbeitet die Multikultitruppe an ihren stets aufgeklappten Laptops permanent zu neuen Kleidungsstücken. Kein Konkurrent setzt Trends fixer um. „Sie sind die schnellsten Zweiten“, sagt Professor Sabrià, „das ist ihr großer Wettbewerbsvorteil.“ MÖGLICH WIRD diese Geschwindigkeit durch ein nahezu einmaliges Produktionssystem. Während H&M einen Großteil im Fernen Osten produzieren lässt, setzt Zara auf die nahe Heimat. Fast alle Teile werden in Arteixo von Hunderten von robotergleichen Maschinen zugeschnitten, in durchsichtige Plastiksäcke verpackt und an die rund 400 Zulieferer geschickt, die das personalintensive Zusammennähen übernehmen. Rund die Hälfte der Zulieferer, die Inditex, ganz wie der deutsche Einzelhandelspionier Aldi, drückt und knebelt, ihnen aber bei Wohlverhalten fast ewige Treue schwört, sitzen in Galizien, Nordportugal und Marokko. „Proximity“ heißt intern diese Ländergruppe. In dieser „unmittelbaren Nähe“ werden die modischen Teile, die keine langen Transportzeiten vertragen, gefertigt. Modisch zeitlose Basics wie einfarbige T-Shirts oder graue Anzüge werden dagegen in Fernost genäht und Wochen später per Schiff geliefert. Bei diesen Produktionsverhältnissen – 50 Prozent in der Nähe, 50 Prozent in der Ferne – soll es auch künftig bleiben, versichert Jesús Echevarría. Alle Kleidungsstücke landen, egal wo in der Welt sie zusammengenäht wurden, wieder in Spanien, nämlich in den beiden großen Warenlagern in Saragossa und Arteixo. Das eine Warenlager liegt direkt unter der Konzernzentrale wie ein gigantisches Labyrinth. Es ist mit seinen rund 500 000 Quadratmetern so weitläufig, dass die Arbeiter mit Fahrrädern zu ihren Einsatzorten fahren. Kleidungsstücke aller Art gleiten hier an kilometerlangen blauen Hängeschienen durch diese Unterwelt, ehe sie –
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gesteuert von einem allwissenden Computer – irgendwann in einem Karton landen, der für den jeweiligen Laden irgendwo auf der Welt bestimmt ist. Draußen an den Rampen wartet auf die Kartons eine Armada von firmenfremden Lkw, die entweder direkt die Läden in Europa ansteuern oder die beiden nahen Flughäfen in Porto und Santiago de Compostela und vor allem
Saragossa, von wo aus die Kartons in Frachtmaschinen von KLM oder Emirates nach Übersee geflogen werden. Die Zeche für diese aufwendige Logistik zahlt der Kunde, denn je weiter er von Spanien entfernt ist, desto teurer sind die Zara-Produkte. In der restlichen Euro-Zone liegt das Preisniveau rund 20 Prozent über dem Spaniens, im fernen Japan sogar rund 100 Prozent. Die Unter-
Das Leben ist voller Höhen und Tiefen.
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nehmensgewinne tangiert dieser scheinbare Wettbewerbsnachteil nicht; mit einer Umsatzrendite von 14 Prozent liegt Zara gut im Rennen (H&M: 17 Prozent). Der ganze Prozess – von der Idee bis in den Laden – dauert zwischen zwei und sechs Wochen. Das schafft keiner in der Branche. „Zara funktioniert inzwischen wie eine Maschine“, sagt IESE-Professor Nueno, der einen guten Draht zu
Ortega hat. Schwierig sei es gewesen, von 300 auf 1000 Läden zu kommen. „In dieser Phase hat man die größten Wachstumsprobleme“, doziert Nueno. Stimmt, pflichtet Inditex-Manager Echevarría bei: „Nach 5000 Shops hat Inditex nun die kritische Masse und das Know-how, um zügig mit dem weiteren Ausbau des Ladennetzes voranschreiten zu können.“ Er sieht noch viel Potenzial in den
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Schwellenländern – von Brasilien bis China. Denn noch ist Inditex mit einem Umsatzanteil von 73 Prozent sehr europalastig. SOLLTE FREILICH DIE MASCHINE einmal stottern oder Zara gar Wachstumsprobleme bekommen, hat der Konzern einige hausinterne Alternativen. Denn in den vergangenen Jahren hat das Unternehmen – auch dies Ortegas geniale Idee – sukzessive mehrere neue Handelsformate kreiert, die zum Teil preislich über oder unter Zara liegen, zum Teil aber auch Zara attackieren. Ortega ist der Meinung, dass hausinterner Wettbewerb nicht schaden kann. Vor allem die drei Ketten Bershka, Pull & Bear sowie Stradivarius buhlen heftig um die gleiche Klientel – die Teenies und jungen Erwachsenen. Daneben gibt es noch Massimo Dutti für die Kunden mittleren Alters und Uterqüe für die anspruchsvolle Frau. Dazu kommen Oysho (Unterwäsche) und Zara Home mit Heimtextilien und anderem Schnickschnack für die eigenen vier Wände. Und demnächst – so wird gemunkelt – will Inditex auch noch ins Schuhgeschäft einsteigen. Jede Kette hat ihr eigenes, unabhängiges Management, das meist nicht in Arteixo, sondern in anderen spanischen Städten sitzt. Alle übernehmen jedoch das von Zara perfektionierte System. Diese vielen kleinen Zaras, die unterschiedlich erfolgreich sind, machen inzwischen schon mehr als ein Drittel des Inditex-Umsatzes von 12,5 Milliarden Euro aus (siehe Tabelle Seite 73). Tendenz: weiter steigend. Auch hier ist Inditex dem Konkurrenten H&M weit voraus. Die Schweden haben es bislang nur auf einen Ableger – die höherwertige COS-Kette – gebracht. Bald soll die Vielfalt des Inditex-Konzerns auch in Deutschland zu sehen sein. Bislang gab es hierzulande nur Filialen von Zara (65), Massimo Dutti (8) und Zara Home (1). „Wir wollen mittelfristig mit allen Formaten hier vertreten sein“, kündigt Deutschland-Chef Matthias Alipass an. Im Herbst startet Bershka mit einem Shop in Berlin die geplante Deutschland-Offensive. Die Avenida Portal del Amancio in Barcelona soll nicht einzigartig bleiben. Sie ist viel mehr: ein Exportmodell für die Einkaufsstraßen der Welt. Wolfgang Hirn
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links: Wulf von Schimmelmann (Postbank), Michael Behrendt (Hapag-Lloyd), Bernd Wieczorek (Egon Zehnder), Roland Koch (Bilfinger Berger) oben: Ulf Schneider (Fresenius), Hans-Otto Schrader (Otto)
ganz oben: Heiner Geißler oben: Frank Appel (Post), Paul Achleitner (Allianz) unten: Gerhard Cromme, Maria-Elisabeth Schaeffler
oben: Laureat Gerd Krick unten: Manfred Schneider (Bayer), Herbert Henzler (Credit Suisse), Wulf Bernotat (Telekom)
unten: Gerd Krick (Fresenius), Josef Ackermann (Deutsche Bank), Arno Balzer (manager magazin) rechts: Laureat Günther Fielmann
links: Hermann Scholl (Bosch), Hans Peter Stihl rechts: Alexander Dibelius (Goldman Sachs)
Unternehmen Hall of Fame
STUNDE DER PIONIERE HALL OF FAME Günther Fielmann und Gerd
Krick haben ganze Branchen umgewälzt. manager magazin erweist ihnen nun die Ehre.
LAUREATEN 2011 GERD KRICK Porträt Seite 80
GÜNTHER FIELMANN Porträt Seite 84
DIE JURY GERHARD CROMME Multiaufsichtsrat
HERBERT HENZLER
FOTOS: BERT BOSTELMANN (7) UND WOLFGANG VON BRAUCHITSCH (5) FÜR MANAGER MAGAZIN
Credit Suisse
MANFRED SCHNEIDER Multiaufsichtsrat
LAUDATOREN JOSEF ACKERMANN HEINER GEISSLER Seite 88
ONLINE Mehr zur Hall of Fame und zu früheren Preisträgern finden Sie unter: www.manager-magazin.de/ thema/business hall of fame
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leich zweifach müsse er das manager magazin korrigieren, fand Günther Fielmann (71) im Anschluss an eine Lobrede auf ihn. Da sei mal geschrieben worden, nur seine Büroleiterin halte seine Ausbrüche aus. Inzwischen aber, strich er hervor, arbeite sie mehr als drei Jahrzehnte für ihn, „so schlimm kann es also nicht gewesen sein“. Außerdem habe es geheißen, die treue Mitarbeiterin besitze einen Mercedes-Sportwagen. Auch das sei überholt: „Heute fährt sie Porsche.“ Das Publikum lachte herzhaft – und verstand die Botschaft: Bei Fielmann geht es beharrlich zu, zum Wohle aller. Rund 120 Spitzenkräfte der deutschen Wirtschaft feierten am 9. Juni im „Schlosshotel Kronberg“ zwei Neuaufnahmen in die „Business Hall of Fame“ des manager magazins: Günther Fielmann und Gerd Krick (72), langjähriger Chef und heutiger Aufsichtsratsvorsitzender des Gesundheitskonzerns Fresenius. Beide haben Pioniergeist in ihrem Lebenswerk bewiesen, aus kleinen Anfängen phänomenale Erfolge entwickelt. Günther Fielmann sei zum „Vorbild für das moderne Unternehmertum“ geworden, sagte der frühere Bundesminister Heiner Geißler (81) in seiner Laudatio. Geißler erinnerte an Fielmanns Pioniertat, Anfang der 70er Jahre das stille Kartell der Augenoptiker aufzubrechen und die weniger Betuchten nicht länger mit ein paar hässlichen Kassenbrillen abzuspeisen. Er bot der Kund-
schaft stattdessen 90 attraktive Gestelle in 640 Varianten ohne Zuzahlung. Damit habe er Millionen Menschen eine Stigmatisierung erspart. Mit seiner Kundenorientierung sei Fielmann zum erfolgreichsten Optiker Europas aufgestiegen. Dabei, so der Laudator, engagiere sich der Unternehmer beispielgebend, etwa im Naturschutz oder der medizinischen Forschung. Fielmann, resümierte Geißler, sei „ein Hoffnungsträger für eine neue humane Wirtschaftsordnung“. Gerd Krick zähle zu den „erfolgreichsten Führungspersönlichkeiten der jüngeren deutschen Wirtschaftsgeschichte“, lobte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank, Josef Ackermann (63). Krick habe maßgeblichen Anteil daran, dass das einst mittelständische Pharmaunternehmen Fresenius zu einem Weltkonzern der Gesundheitsbranche aufgestiegen sei. Als Krick dort 1975 als junger Ingenieur anfing, habe Fresenius nur rund 1000 Mitarbeiter gehabt, die meisten in Deutschland. Heute beschäftige der Konzern 140 000 Menschen in aller Welt. Mutig habe Krick Fresenius gleich nach seinem Amtsantritt neu geordnet und mit der Aufteilung in 17 weitgehend selbstständige Sparten gewaltige unternehmerische Kräfte geweckt. Mit „visionärer Kraft und Leidenschaft“, so Ackermann, habe Krick den Vorstoß an die Weltspitze der Dialysemedizin betrieben, für die das Tochterunternehmen Fresenius Medical Care steht. Beide Firmen sind heute im Dax notiert. Michael Machatschke manager magazin 7/2011
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EIN SOLITÄR PORTRÄT Mit technischem Spürsinn und
kaufmännischer Weitsicht baute Gerd Krick Fresenius zum Weltkonzern auf. Die Geschichte eines deutschen Ingenieurkunstwerks.
FOTO: THOMAS DASHUBER FÜR MANAGER MAGAZIN
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er Weg zu Gerd Krick ist ein wenig kompliziert. Vom Flughafen in Graz geht es zunächst zu einer OMV-Tankstelle kurz vor der slowenischen Grenze. Dort folgen Instruktionen über das Mobiltelefon. Von nun an schlängelt sich die Straße bergauf durch dichten Wald und an Weinbergen entlang auf den Kamm des Höhenzugs. Wenig später endet die Fahrt an einer steil abfallenden Schotterpiste. Erst als der Wagen vor der Einfahrt hält, lässt der Hausherr sein Telefon in der Tasche seiner hellen Breitcordhose verschwinden. Hierher also hat sich einer der verschwiegensten und zugleich erfolgreichsten deutschen Konzernlenker zurückgezogen, in die Steiermark, auf die sonnige Südseite der Alpen, wo das Gebirge in sanften Wellen ausläuft. Auch mit 72 ist der Mann noch immer eine beeindruckend sportliche Erscheinung. Hinter den mächtigen Brauen verbergen sich dunkle, aufmerksame Augen. Die Begrüßung ist herzlich, der Händedruck kernig. Er bittet auf die Terrasse, die eine herrliche Aussicht auf die östlichen Skigebiete Kärntens eröffnet. Rund 800 Kilometer von der Zentrale in Bad Homburg entfernt wacht Gerd Krick als Aufsichtsratschef über eine Weltfirma, die ohne ihn schlicht nicht vorstellbar wäre, den Medizin- und Gesundheitskonzern Fresenius. 150 Millionen Mark erlöste die Firma, als der Ingenieur 1975 als Entwicklungschef im Taunus anfing. Das Geld wurde
mit Infusionen und exotischen Gesundmachern wie Ginseng-Säften verdient. Nebenbei versuchte sich Fresenius als Zwischenhändler für Blutwäschegeräte und Dialysefilter – die Grundausstattung für die Behandlung Nierenkranker. Ein solides Geschäft, aber nichts, was wirklich Großes vermuten ließ. Umso imposanter, was Krick in den vergangenen 36 Jahren daraus gemacht hat. Heute zählt Fresenius zu den großen Krankenhausbetreibern der Republik, beherrscht den Weltmarkt für Infusionsmedikamente und ist mit zuletzt 90 Millionen verkauften Dialysefiltern und über 215 000 behandelten Blutwäschepatienten die globale Nummer eins. Das Unternehmen ist mit der Konzernmutter und der Dialysetochter Fresenius Medical Care (FMC) gleich zweimal im Dax vertreten. Zusammengerechnet bilanzierten sie 2010 Umsätze von 16 Milliarden Euro und präsentierten Gewinne von 660 Millionen Euro. Der Kern dieser Erfolgsgeschichte ist ein durchsichtiger und genau 25 Zentimeter langer, mit weißen Kunststofffasern ausgestopfter Zylinder aus Polycarbonat. Erst vor ein paar Wochen fiel Krick dieses Relikt beim Aufräumen wieder in die Hände: ein Prototyp des ersten unter seiner Leitung entwickelten Dialysefilters. Die Nachfolger des Diakap FD 1,4 sind heute Industriestandard, 930 Millionen Stück wird Fresenius bis Ende 2011 produziert und verkauft haben.
Anfang der 80er Jahre waren die Zylinder nichts weniger als eine Revolution. Die Polysulfonfasern, die Krick entdeckt und weiterentwickelt hatte, sind ähnlich leistungsfähig wie die menschliche Niere und waren damit den bis dahin verwendeten Modellen weit überlegen. Fresenius begann den Markt aufzurollen und die Konkurrenz zu überrollen. Bis zu seinem Wechsel in den Aufsichtsrat kaufte der zwischenzeitlich zum Konzernchef aufgestiegene Krick insgesamt 25 Dialysefirmen in über 10 Ländern auf.
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um entscheidenden Schlag setzte er im Februar 1996 an. Rund 3,1 Milliarden Dollar gab er für den US-Dialysespezialisten National Medical Care (NMC) aus. Ein Unternehmen mit einem um 50 Prozent höheren Umsatz und mehr als doppelt so vielen Mitarbeitern. Von nun an produzierte Fresenius nicht nur das technische Equipment, sondern hatte direkten Zugang zu den Patienten. Spätestens in diesem Moment war der Aufstieg vom Nischenplayer zum weltweit dominierenden Akteur vollzogen. Eine Geschichte wie diese hat es in der deutschen Industrie lange nicht mehr gegeben. Vielleicht muss man dafür bis ins späte 19. Jahrhundert zurückblättern. In eine Zeit, in der gleichermaßen technikversessene Gründer wie Werner von Siemens oder Robert Bosch ihre Firmen zur Weltgeltung führten. „Was Gerd Krick aufgebaut hat, ist aber mehr als ein klassisches deutsches Ingenieurskunstmanager magazin 7/2011
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GERD KRICK Stationen eines Lebens BERUF: 1975 begann er als Entwicklungschef beim Mittelständler Fresenius, der sein Geld mit Infusionslösungen verdiente. Er globalisierte das Stammgeschäft und baute die Dialysemedizin aus. Als Vorstands- und Aufsichtsratschef führte er die Firma mit Übernahmen an die Weltspitze der Gesundheitsbranche. Dank seiner Arbeit ist der Konzern heute gleich zweifach im Dax vertreten, mit der Muttergesellschaft sowie der Dialysetochter Fresenius Medical Care. PRIVAT: Der promovierte Ingenieur ist in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder. Er lebt im Südosten Österreichs und ist begeisterter Rad- und Skifahrer.
werk“, sagt Beraterlegende und Fresenius-Aufseher Roland Berger, „es ist die seltene Kombination aus technischem Gespür und kaufmännischer Weitsicht.“ Bei allem Erfolg blieb der FreseniusPatriarch einer der großen Einzelgänger der deutschen Wirtschaft. Die Machtzirkel der Topmanager hat er gemieden. Ämter in Verbänden und Kammern haben ihn nie interessiert. Die Zahl seiner Interviews lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen. „Seit ich ihn kenne, war er stets mehr Unternehmer als angestellter Manager“, sagt Wirtschaftsanwalt Dieter Schenk, der den NMC-Kauf begleitete und heute Vize-Aufsichtsratschef bei Fresenius ist. Für seine Ideen ging Krick oft an die Grenzen und manchmal auch darüber hinaus. Die Kosten für die Entwicklung des Prototyps portionierte er so, dass sie unter der Warnschwelle der Buchhalter blieben. „Wenn wir damals ein Controlling gehabt hätten“, sagt der heutige Aufsichtsratschef im Rückblick, „wäre nie etwas Vorzeigbares herausgekommen.“ Es gab durchaus Leute, die mit Kricks Plänen nicht einverstanden waren. Der Betriebsrat meuterte. Und die WestLB, 82
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in den 80er Jahren Großaktionär, forderte seinen Kopf und den Verkauf der kompletten Blutwäschesparte. Am Ende gewann Krick nur, weil der zuständige WestLB-Vorstand wegen einer von ihm verschuldeten Schieflage in Asien selbst gefeuert wurde. Einstecken und Durchhalten hat Krick früh lernen müssen. Als er 1944 in Nordböhmen eingeschult werden sollte, gab es dort schon längst keine Schulen mehr. Stattdessen musste der Sechsjährige bei der Kartoffelernte helfen. Ständiger Begleiter war die Angst vor russischen Tieffliegern, die mit ihren Maschinengewehren Jagd auf die Feldarbeiter machten. Als der Krieg vorbei war, wurde er samt Mutter und Bruder mit Hunderten anderer Sudetendeutscher in Viehwaggons gepfercht und nach Prag in ein Arbeitslager transportiert. Von Wanzen zerbissen und völlig entkräftet kam er dort an. Überlebt hat er nur, weil sich eine russische Ärztin um ihn kümmerte und ihn mit Infusionen wieder aufpäppelte. Auch in Deutschland gab es zunächst Wichtigeres als Lehrer und Klassenzimmer. Auf Brücken saß er damals und lauerte auf die langsam heranrollenden Güterzüge. Im passenden Moment sprang er auf und räumte so viele Braunkohlebriketts ab, wie er nur kriegen konnte.
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rst mit zehn fing dann tatsächlich auch für ihn die Schule an. Weil er aber fast nur tschechisch sprach, galt er den Lehrern schnell als beschränkt, faul und aufsässig. Der erste Versuch auf dem Gymnasium endete mit dem Rauswurf. Das Abitur machte er schließlich in einem Internat in Detmold. Sechs Tage Schule und am Samstagnachmittag 80 Kilometer auf dem Fahrrad nach Hause. Besser lief es für ihn erst in den 60er Jahren. Da hat er in München Maschinenbau studiert und für den Reifenkonzern Continental geforscht. Sein Professor war so angesehen, dass sich der Doktorand Krick für die Nasa Gedanken machen durfte, ob das Mondfahrzeug besser mit Stahlgürtel- oder Vollgummireifen ausgestattet werden sollte. Seine Versuchsreihen verschafften ihm auch seinen ersten Job – bei Conti in Hannover als Assistent des Entwicklungschefs. Nach sechs Monaten warf er hin. Die Behäbigkeit der großen Konzerne, das war nicht seine Welt.
Deshalb hat er, als er 1992 bei Fresenius zur Nummer eins aufstieg, die Firma in 17 Einzelteile zerlegt. Deren Chefs agieren seither weitgehend selbstständig. „Ein Unternehmen wächst nur dann, wenn die verantwortlichen Manager die Freiheit haben, ihr Geschäft mit ihren eigenen Ideen auszubauen“, glaubt er noch heute. „Wenn die Zentrale alles besser weiß und alles kontrollieren will, stirbt irgendwann jede Eigeninitiative ab.“
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as Risiko allen echten Unternehmertums gehört zur DNA, die der langjährige Konzernchef Fresenius eingepflanzt hat. Selbst beim Kauf des Dialysedienstleisters NMC war der Erfolg alles andere als sicher. Schadenersatzzahlungen von bis zu einer Milliarde Dollar drohten, weil das damalige Management der Amerikaner Behandlungen falsch abgerechnet hatte. Über Monate hinweg lag die Geschichte wie Blei auf der Aktie. Erst als sich die US-Behörden auf einen Vergleich über 452 Millionen Dollar einließen und sämtliche Privatklagen abgewehrt waren, erholte sich der Kurs. Den Nervenkitzel, den Krick im Wirtschaftsleben fand, suchte er auch im Privaten. Wenn er zum Skifahren loszog, ließ er sich mit dem Helikopter auf Berge hinauffliegen, wo es noch nicht einmal mehr schwarze Pisten gibt. Und bevor ihn ein schwerer Unfall stoppte, testete er häufig und gern die Grenzen seines BMW-Motorrads. Die Entscheidung für seinen Nachfolger traf er so, wie er auch sonst agiert – schnell, entschlossen und eigenwillig. Als Ulf M. Schneider im März 2003 Konzernchef wurde, war der gerade 37 und noch keine zwei Jahre im Unternehmen. Gegen die Berufskrankheit erfolgreicher Unternehmer, die ihre Nachfolger gern erdrücken, hat Krick sich erfolgreich immunisiert. Er macht einfach wieder sein eigenes Ding. Besucher führt er deshalb bisweilen an den Rand seines Gartens. Dort beginnt ein Steilhang, auf dem fein säuberlich 2000 Rebstöcke aneinandergereiht sind, Weißburgunder, Merlot und Cabernet Sauvignon. Er sitzt auf dem Traktor, beschneidet die Stöcke, spritzt Schädlingsgift und erntet die Trauben. „Das ist etwas, was ich schon immer machen wollte“, sagt er und sieht sehr zufrieden dabei aus, „meinen eigenen Wein.“ Dietmar Palan
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DER SEHER PORTRÄT Günther Fielmann hat eine ganze
Branche umgewälzt. Jetzt will er wieder den Blick schärfen – für die Schätze der Natur.
FOTO: WOLFGANG WILDE FÜR MANAGER MAGAZIN
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raußen gleißt die „gestaltete Feldflur“, wie Fielmann, der Kenner, die parkähnliche Landschaft rund um sein Anwesen nennt. Drinnen thront der Hausherr auf einem barocken Sessel, lässt den Besucher in edle Polster plumpsen, auf erlesene Antiquitäten blicken – und verstehen. Günther Fielmann (71), der einst zum Feindbild einer ganzen Branche wurde, als er aus dem stillen Kartell der Augenoptiker ausbrach, dessen Untergang man prophezeite, hat es geschafft. Nirgends kann er das besser zeigen als auf Gut Schierensee, einem Herrensitz unweit von Kiel, den er der Verlegerwitwe Friede Springer abgekauft hat. Edelleute von Dänemark bis Russland haben hier einst geweilt, sich an Kunstschätzen und der Schönheit der holsteinischen Schweiz delektiert. Jetzt tritt Günther Fielmann, der Brillenkönig, ihr Erbe an. Tatsächlich hat dieser drahtige, nicht allzu große Herr etwas Aristokratisches ausgebildet. Zurückhaltend der Habitus, gewählt die Rede („Ich fand es überzogen, um es mal so zu formulieren“). Dazu ein selbstgewisser Zug um den Mund. Sobald aber das Gespräch aufs Geschäftliche kommt, fällt das höfische Korsett. Dann wird er lebhaft, spricht schnell, auch mal flapsig („So sieht das aus“), gestikuliert in weiten Bahnen. Fielmann, der Pionier, ist noch längst nicht reif für den Lehnstuhl. Und führt Gäste deshalb auch bald dorthin, wo er die neueste Seite seines Tatendrangs auslebt: auf die Wiesen und in die Stal-
lungen. Am Schierensee wie auf zwei weiteren Gütern betreibt der Optiker der Nation ökologischen Landbau, züchtet außerdem besondere Haustiere. Stolz schreitet er durch die Reihen seiner Limousin-Kühe, einer robusten, raren Rasse; preist fachkundig deren „Leichtkalbigkeit“, verteilt Komplimente („die hat 'nen schönen geraden Rücken“). Und weil Fielmann eben Fielmann ist, geht es nicht nur um die Ehre, sondern um den Sieg. Auf seinen Höfen versammelt er Spitzenkräfte ihrer Art – Zuchtbullen mit Meistertitel, prämierte Stuten, gekörte Hengste. „Sein Vater war Olympiateilnehmer“, preist er Quintus, das Springpferd, dessen Stirn er segnend streichelt. Aus der Öko-Landwirtschaft will er nicht nur Freude ziehen. Sie soll rentabel sein und ein Beispiel geben. Wissenschaftler erforschen auf seinen Höfen – großzügig gesponsert –, wie sich die Umstellung von konventionellem auf biologischen Landbau auf die Natur auswirkt. Auf dass andere daraus lernen mögen. Besessenheit, ein bisschen Sendungsbewusstsein und in allem ein erstaunlicher Erfolg – durch Fielmanns Leben weht unbändiger Unternehmergeist. Schon als Kind verdiente er sich manche Mark mit einer kleinen Fischzucht. Sein Gesellenstück, eine prämierte Brille, verkaufte er gleich einem Kollegen. Schon als junger Mann fuhr er schicke Cabrios, weil er selbst mit Cabrios handelte. Gern schritt er voran – und fand
stets Gefolgsleute. „Fielmann hatte immer die Gabe, Menschen für seine Sache zu begeistern“, erinnert sich DesignProfessor Peter Zec, lange Jahre einer seiner Berater. Dabei hatte er zunächst wenig Gelegenheit, seine Talente auszuleben. Sein Vater – Beamter, Besserwisser und Berufsschulleiter – verlangte volle Konzentration auf die Schule; die Fischzucht unterband er bald. Der Junge sollte auch keine Gedanken an schöne Dinge verschwenden. Nicht jeder könne sich Schlittschuhe oder ein Fahrrad leisten, argumentierte der gestrenge Mann, also durfte Günther auch keine haben. Wie zum Trotz sammelt er heute alles Mögliche, ob historische Brillen, wilden Rhododendron, Kunst oder schnelle Autos, darunter diverse Ferraris, die er, der Ökobewegte, nur mit der Widersprüchlichkeit des Menschen erklären kann.
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ielmann, kurz nach Kriegsbeginn geboren, wuchs im 300-SeelenDorf Stafstedt in Holstein auf, „in so einem Frauenhaushalt“, wie er sagt, bei Mutter und Großmutter. Nicht zu vergessen sein Vetter, der noch heute dort lebt und einen kleinen Supermarkt betreibt. Es muss eine rechte BullerbüJugend gewesen sein, jedenfalls soweit der Vater nicht da war. Hier entstand seine tiefe Liebe zur norddeutschen Heimat, zum Landleben und zur Natur. Gemeinsam zogen Günther Fielmann und seine Mutter mit der Botanisiertrommel manager magazin 7/2011
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GÜNTHER FIELMANN Stationen eines Lebens BERUF: Der gelernte Augenoptikermeister eröffnete 1972 sein erstes Geschäft und brach aus dem stillen Kartell der Branche aus. Er unterbot die Richtpreise und führte zudem eine Vielzahl attraktiver Gestelle auf Rezept; bei den Konkurrenten gab es ohne Aufpreis nur ein paar klobige Kassenbrillen. Heute ist Fielmann mit 655 Filialen europäischer Marktführer; das Unternehmen setzt rund 1,1 Milliarden Euro um. PRIVAT: Geboren am 17. September 1939, aufgewachsen im holsteinischen Dörfchen Stafstedt. Heute lebt er meist auf einem Bauernhof vor den Toren Hamburgs. Er hat zwei Kinder.
los, pressten und ordneten die schönsten Stücke. Weggefährten behaupten, Fielmann kenne mehrere Hundert Blumen beim Namen. Fotograf wäre er gern geworden. Sein Vater aber drängte ihn, doch besser das Optikerhandwerk zu lernen. Letztlich die richtige Wahl, wie Fielmann heute meint. Ohnehin hat er vom Vater und dessen preußischer Wucht wohl mehr übernommen, als er eingestehen mag. Die Lehre und sogar die Meisterschule in Berlin fielen ihm leicht. Er lebte flott, lernte neue Welten kennen, zumal er eine Freundin in Ost-Berlin fand. Marx sprach ihn durchaus an. Die Forderung nach materiellem Segen für alle schien ihm, dem in der Jugend Kurzgehaltenen, nur gerecht. Was er aber als sozialistische Praxis in der DDR erlebte, stieß ihn ab. Widrigkeiten tauchten auf. Eine Kommilitonin seiner Freundin setzte sich in den Westen ab, da geriet ihre ganze Gruppe unter Druck. Fielmann bekam an der Grenze Schwierigkeiten, weniger mit der Stasi als mit dem Zoll, weil der junge Mann verbotene Mitbringsel kutschierte. Der Mauerbau von 1961 gab der Liaison den Rest. 86
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Der junge Meister wollte nicht als angestellter Optiker versauern. Er wurde Handelsvertreter, vertrieb von Hamburg aus die Produkte großer Optikhersteller. Der alerte Verkäufer erzielte beste Umsätze und wurde trotzdem nicht glücklich. Immer bremste man seine Kreativität aus. Zuweilen versuchte er es mit Überrumpelung. So sammelte er, wie ein Freund erzählt, einmal bewusst Bestellungen für eine Fassung in modischen Farben. Allein – die Farben standen gar nicht im Katalog. Fielmann beharrte: Er habe die Aufträge beschafft, jetzt müsse auch produziert werden.
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edanken an eine Selbstständigkeit reiften. Er wusste, wie günstig Fassungen und Gläser im Großhandel waren. Und wie dreist die Optiker in stiller Abrede mehrere Hundert Prozent aufschlugen. Wenn er es billiger machte, sollte es ihm an Kundschaft nicht mangeln. 1972 eröffnete er seinen ersten Laden in Cuxhaven. Die Kunden kamen reichlich. Die Branche aber bekämpfte ihn wie einen gemeingefährlichen Bazillus. Fensterscheiben gingen zu Bruch, Container brannten, Türen waren zugeklebt. Man schmähte seine Brillen als Ramsch, drohte seinen Mitarbeitern, lancierte Lieferboykotte. Fielmann überstand alle Attacken, nicht leichthin, aber letztlich sicher. Nachschub fand er im Ausland. Eine eilig gegründete Einkaufsgemeinschaft stärkte seine Bestellermacht. Finanzklemmen überwand er mit Nebengeschäften wie dem Re-Import von Medikamenten. Seine vermeintlich brüchigen Fassungen unterzog er in Talkshows lächelnd harten Belastungsproben. Und gegen einen Verleumder fuhr er ein ganzes Geschwader eigener Detektive auf. Er kämpfte, wie er fand, für ein gutes Werk. Denn er speiste die weniger betuchten Fehlsichtigen nicht mit den üblichen, prohibitiv hässlichen Kassengestellen ab, sondern bot ihnen eine Vielzahl ansprechender Modelle ohne Zuzahlung. Er befreite sie gewissermaßen vom Stigma der Sozialprothese. Der heftige Widerstand spornte ihn nur weiter an. „Wenn die Branche mich in den Anfangsjahren nicht so hart angegangen wäre“, mutmaßt er, „dann wäre ich vielleicht so ein Optiker mit fünf, sechs Filialen geworden.“
Heute zählt sein Reich 655 Geschäfte, in Fielmanns Diktion zu „Niederlassungen“ geadelt. Sein Name steht als Synonym für eine ganze Produktgattung, fast jede zweite in Deutschland gehandelte Brille verkauft er. An die Spitze stieß der Aufrührer vor, weil er immer wieder Umbrüche meisterte. Sein größter Trumpf, die Brille zum Nulltarif, fiel diversen Gesundheitsreformen zum Opfer. Fielmann führt trotzdem subventionierte Basismodelle ab 17,50 Euro und profitiert ansonsten vom angestammten Discountimage. Zugleich gelang ihm der Wandel vom Einzelunternehmer zum Konzern. Spätestens zum Börsengang 1994 musste er ein klar gegliedertes Management etablieren. Zugleich beteiligte er seine Mitarbeiter am Unternehmen, das stärkt den Zusammenhalt. Die Mehrheit der Aktien allerdings behielt er für sich und erst recht die Oberhand. Welche Fassungen in die Läden kommen, bestimmt bis heute am Ende Günther Fielmann.
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ass er es richtig gemacht hat, bekam der Entrepreneur eben wieder bestätigt. Beim „Corporate Excellence Award 2011“, einer renommierten Schweizer Studie über den Erfolg europäischer Börsenwerte, wurde er deutscher Meister. „Wenn du dein Leben noch einmal leben könntest – würdest du alles noch mal genauso machen?“, lautet die magische Frage in einem seiner bekannten Werbespots. „Nicht ganz“, sagt die Werbefigur, die ihre Brillen von Anfang an bei Fielmann kaufen würde. „Nicht ganz“, gestand Günther Fielmann anlässlich seines 70. Geburtstags. Er hätte seine Kinder früher bekommen. Erst mit 48 heiratete er. Aus der Ehe – nach zwölf Jahren geschieden – gingen seine Tochter Sophie-Luise (16) und sein Sohn Marc (21) hervor. Gern würde der Patron sein Lebenswerk an die nächste Generation weiterreichen. Der Sohn gilt als fleißig und talentiert, ist aber zu jung. Der Senior muss noch einige Jahre ausharren. Entspannte Tage auf dem Land bleiben die Ausnahme. Meist sitzt er doch in der Hamburger Zentrale, und dann wenigstens bis abends um zehn. Damit wahr bleibt, was sein berühmter Slogan – selbst ausgedacht, versteht sich – predigt: „Brille: Fielmann“. Michael Machatschke
FOTO: BERT BOSTELMANN FÜR MANAGER MAGAZIN
FOTO: WOLFGANG VON BRAUCHITSCH FÜR MANAGER MAGAZIN
Unternehmen Hall of Fame
LAUDATOR JOSEF ACKERMANN
LAUDATOR HEINER GEISSLER
Aus der Lobrede des Deutsche-Bank-Chefs
Aus der Lobrede des Altpolitikers
„Am Anfang eines großen Erfolges steht immer eine Vision. So auch hier. Gerd Kricks Vision war es, aus Fresenius, das damals vor allem medizintechnische Produkte anderer Hersteller verkaufte, selbst einen führenden Produzenten zu machen. Und diese Vision hat er mit Konsequenz und Leidenschaft verfolgt.
„Günther Fielmann ist zum Vorbild für das moderne Unternehmertum geworden, zum Prototyp realisierter sozialer und ökologischer Marktwirtschaft. Er hat Kartelle gesprengt. Ludwig Erhard hätte seine Freude an ihm. Aus einem kleinen Optikergeschäft entwickelte er den Marktführer, mit weitem Abstand. 23 Millionen Menschen tragen seine Brillen.
Als zwei seiner Kollegen ihm in den 80er Jahren anhand einer Leistungsvergleichskurve eine deutliche Weiterentwicklung seiner Dialysefilter zeigten, war er, so wird berichtet, wie elektrisiert, ja schäumte vor Begeisterung angeblich geradezu über. Damals entstand bei Fresenius – von skeptischen Mitarbeitern geprägt – der Begriff der ‚krickschen Euphorie-Kurve‘. Wie auch immer es war, Tatsache ist: Gerd Krick hat damals eine Chance gesehen, seine Vision zu verwirklichen, und er hat sie ergriffen. Ungeachtet aller Zweifler ließ er Dialysegeräte mit den neuen, überlegenen Filtern herstellen und reiste anschließend zusammen mit Ben Lipps, der heute Fresenius Medical Care leitet, durch die USA, um das Produkt anzubieten. Der Großkonzern Baxter wimmelte beide ab – er hielt die Innovation für unbrauchbar. Schließlich gelang es den beiden Handlungsreisenden doch, 27 Geräte an ein anderes US-Unternehmen zu verkaufen. Gerd Krick und Fresenius geben ein Paradebeispiel dafür ab, wie stark ein einzelner Manager oder Unternehmer an der Spitze eines guten Teams ein Unternehmen prägen kann und was er zu leisten imstande ist. Sie bestätigen im Übrigen auch die These meines Landsmannes Max Frisch, wonach der Erfolg den Menschen nicht ändere, sondern entlarve. Der Erfolg hat Gerd Krick als den bescheidenen, zurückhaltenden, liebenswürdigen Mann entlarvt, der er immer gewesen ist.“ 88
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Dabei macht er fast alles anders, als die dominierende ökonomische Lehre meint. Er bietet Brillenschick zum Nulltarif, Zufriedenheitsgarantie, die Anerkennung jeglicher Reklamation, die Geld-zurück-Garantie und die Nulltarif-Versicherung. Viele haben ihn für verrückt erklärt. Aber es klappt. Die Menschen machen mit, sie missbrauchen sein Vertrauen nicht. 80 Prozent der Mitarbeiter sind Miteigentümer, 50 Prozent der Tantiemen gibt es für Kundenzufriedenheit. Die Löhne liegen 20 Prozent über Tarif, keine Leih- und Zeitarbeit, keine befristeten Arbeitsverträge. Eigene Lehrlingsausbildung im Schloss Plön, bei der landesweiten Gehilfenprüfung stellen die Plöner Lehrlinge 70 Prozent der Landessieger. Hinzu kommen unglaubliche Investitionen in die Ökologie. Für jeden Mitarbeiter wird jedes Jahr ein Baum gepflanzt, inzwischen gibt es eine Million Fielmann-Bäume. Von Mecklenburg bis zum Wienerwald, von der Schweiz bis Israel Finanzierung ökologischer Projekte; auf drei Höfen Entwicklung und Forschung beispielhafter Pflanzung und Tierhaltung. Denkmalpflege, Monitoringprogramme am Deutschen Herzzentrum Berlin und der UniversitätsAugenklinik Rostock. Die Aufzählung ist noch nicht am Ende. Günther Fielmann ist Hoffnungsträger für eine neue humane Wirtschaftsordnung. Ich gratuliere Ihnen herzlich zu dieser Auszeichnung.“
Hermann Josef Abs Deutsche Bank
Andreas von Bechtols Berthold Beitz heim Sun Microsystems Krupp
Heinz Horst Deichmann Ludwig Erhard Deichmann Schuhe Bundeskanzler
Günther Fielmann Fielmann
Roland Berger Rudolf von Bennigsen Hans Böckler Roland Berger & Partner Foerder Veba DGB
Birgit Breuel Treuhand
Hubert Burda Hubert Burda Media
Hans Gerling Gerling
Konrad Henkel Henkel Gruppe
Jürgen Heraeus Heraeus
Gerd Krick Fresenius
Eberhard von Kuenheim BMW
Max Grundig Grundig
Ulrich Hartmann Eon
ALLE PREISTRÄGER SEIT 1992 Von der Bankierslegende Hermann Josef Abs bis zum Medienmagnaten Reinhard Mohn, vom weitblickenden Ökonomen und Wirtschaftsminister Karl Schiller bis zum Softwarepionier Hasso Plattner Alfred Herrhausen Deutsche Bank
Dietmar Hopp SAP
Kurt A. Körber Körber
Otto Graf Lambsdorff Bundesminister
Hans Joachim Langmann
Berthold Leibinger Merck Trumpf
Josef Neckermann Neckermann
Heinz Nixdorf Nixdorf
Karl Otto Pöhl Deutsche Bundesbank
Hans Peter Stihl Stihl
Helmut O. Maucher Nestlé
Hans L. Merkle Bosch Gruppe
Rudolf Miele Miele
Reinhard Mohn Bertelsmann
Tyll Necker Hako Gruppe
Elisabeth Noelle Institut Allensbach
Heinrich Nordhoff Volkswagen
Werner Otto Otto Gruppe
Ferdinand Piëch Volkswagen
Heinrich von Pierer Siemens
Hasso Plattner SAP
Hermann Rappe IG Chemie
Detlev Rohwedder Hoesch, Treuhand
Karl Schiller Bundesfinanzminister
Hermann Scholl Bosch Gruppe
Klaus Schwab Helmut Sihler World Economic Forum Henkel, Telekom
Axel Springer Axel Springer Verlag
Jürgen Strube BASF
Günter Vogelsang ThyssenKrupp
Giuseppe Vita Schering
Jürgen Weber Lufthansa
Wendelin Wiedeking Porsche
Peter Zinkann Miele
Reinhold Würth Würth Gruppe
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TRENDS
WIND OF CHANGE ut, es gibt edlere und beeindruckendere Geschäf adressen. Manhattan zum Beispiel, Paris-La Défen ein Postfach im schweizerischen Steuertraumort Z oder auch Stuttgart-Zuffenhausen. Aber hier und heu wollen wir einmal die Niederungen der deutschen Unt nehmerprovinz ausleuchten: in Hofolpe, Gemeinde Kirc hundem, Kreis Olpe. Manche behaupten, dort befinde sich d Herzkammer des Sauerlandes, andere verorten jenen Welte teil viel weiter unten und hinten in der menschlichen Ph siognomie. Wie auch immer. Das Dorf beherbergt die Grünewa Papierfabrik, und das nun schon seit 1896. Eine Dampfwo steigt auf in den regenverhangenen Himmel, zwei große L parken vor der Fabrikhalle. Gegenüber, im Gasthof „Zu d Linden“, darf geheiratet werden; das lokale Standesa kommt dort seinen hoheitlichen Aufgaben nach. Ein Wohlfühlumfeld, in dem Harmonie zum wichtigst Bestandteil des Daseins zu gehören scheint. Es sei denn, geht um so profane Dinge wie die Energieversorgung. Dann erweist sich die Idylle als Hort des Zorns. „Unse Branche leidet massiv unter den dramatisch gestiegen Rohstoffkosten“, klagt Christopher W. Grünewald (48), g schäftsführender Gesellschafter der Traditionsfirma, „we der Atomausstieg zu noch höheren Energiekosten Deutschland führt, werden wir im internationalen We bewerb weiter zurückfallen.“ Grünewald braucht nicht nur viel Strom (28 Millionen Ki wattstunden pro Jahr – damit könnte man 7000 Mehrpers
G
Teurer Ausstieg Eine Roland-Berger-Studie prognostiziert drastisch steigende Stromkosten, ausgewählte Industrien*, in Milliarden Euro Verarbeitung von Erden und Steinen
Grundstoff chemie 3,9
Metall erzeugung
Papier und Pappe herstellung
2,6 1,8 0,5
1,2
0,8
2011 2050
2011 2050
*Bei einem Wachstum von einem Prozent pro Jahr. Quelle: Roland Berger Strategy Consultants
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2011 2050
1,5
1,8
2011 2050 Grafik: manager magazin
SPEZIAL ENERGIE I Die merkelsche Energiewende kostet die
Industrie Milliarden. Wichtige Branchen fürchten um ihre Wettbewerbsfähigkeit, trotz aller politischen Zugeständnisse.
nenhaushalte versorgen), sondern auch viel Wärme für die aufwendige Zellstofftrocknung in der einzigen, riesigen Papiermaschine der Familienfirma. 4,7 Millionen Euro zahlte Grünewald für Elektrizität und Gas im vergangenen Jahr, bei einem Umsatz von nur 36 Millionen. Viel Geld – zumal Papierhersteller zu den margenärmsten Unternehmen in Deutschland gehören. Nicht von ungefähr leitet Grünewald den Energieausschuss des BDI. Grünewald ist ein dynamischer, schlanker, unkomplizierter Mann mit Stirnglatze und Monogramm auf dem gestreiften Markenhemd. Sachlich referiert der Unternehmer Wattzahlen und Wärmebilanzen, prüft mit dem Taschenrechner zur Sicherheit noch einmal nach. Gelegentlich entfährt ihm zur Bekräftigung ein trotziges „Wahnsinn“. Etwa, wenn er schildert, wie er, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel im März zum ersten Mal von einem AKWMoratorium gesprochen hatte, tags darauf seinen gesamten Strombedarf bis 2014 eingekauft hat. Ein bisschen zu spät, denn der Preis war schon um fünf Euro pro Megawattstunde gestiegen. Mehrkosten: 140 000 Euro pro Jahr. VERGLEICHBARE ERFAHRUNGEN und Sorgen können derzeit weite Teile der deutschen Industrie beisteuern. Je höher der Energieverbrauch eines Unternehmens, umso lauter das Ach und Weh. Denn die Energiewende der Bundesregierung ist eine ernstzunehmende Bedrohung für die sogenannten energieintensiven Branchen, die ein Fünftel des deutschen Stroms verbrauchen. Also für Metallerzeuger und die Grundstoffchemie, für Zementhersteller und eben für die Papierindustrie.
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PAPIER UND PAPPE: + 20 PROZENT STROMKOSTEN ■ Die Ausgangslage: Die Industrie ist mittelständisch geprägt und gewinnschwach.
Im vergangenen Jahr erzielten die Betriebe mit rund 41 000 Beschäftigten 14 Milliarden Euro Umsatz. Die Branche kauft der Berger-Studie zufolge jährlich Strom für rund 1,5 Milliarden Euro ein. Nicht nur die steigenden Energiekosten drücken, auch die Rohstoffpreise (Altpapier, Zellstoff) sind zuletzt drastisch gestiegen. ■ Die Kostenklemme: Der Atomausstieg lässt die Stromkosten bis 2030 auf
1,9 Milliarden Euro steigen. Werden die Energiesparpotenziale konsequent genutzt, könnte die Belastung bis 2050 leicht auf 1,8 Milliarden Euro sinken.
Allein der übereilte Atomausstieg kostet zig Milliarden. Die 17 nach und nach ausgeknipsten Atomkraftwerke müssen abgerissen, ihre Gesamtleistung von rund 20 000 Megawatt muss durch neue, möglichst klimaschonende Anlagen ersetzt werden; der radioaktive Müll – Zigtausend Tonnen Beton, stählerne Reaktordruckgefäße, schier endlose Rohrleitungen – entsorgt werden. All das wird den Strompreis treiben. Hinzu kommt der Aufwand für den Übergang in ein neues Energiezeitalter: ■ Der Ausbau der Stromnetze, die für erneuerbare Energiequellen benötigt werden, verschlingt zwischen 10 und 50 Milliarden Euro, je nach Ausführung. Diese Ausgaben werden über Netzentgelte umgelegt auf alle Stromverbraucher, also auch auf die Industrie. ■ Die gesetzliche Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien (EEG), derzeit
FOTO: ANDRÉ ZELCK FÜR MANAGER MAGAZIN
ILLUSTRATION: MARKUS SPANG FÜR MANAGER MAGAZIN
Trends Spezial Energie I
„Hätten wir uns in den letzten Jahren nicht konsequent ums Energiesparen gekümmert, gäbe es uns heute nicht mehr.“ Christopher Grünewald, Papierunternehmer
3,5 Cent je verbrauchte Kilowattstunde, belastet die Unternehmen. Sie wird zumindest bis 2015 weiter steigen. ■ Ab 2013 fallen deutlich höhere Kosten für CO2-Zertifikate an, die vor allem Stromproduzenten kaufen müssen, für Klimagas, das sie in die Atmosphäre emittieren. Der Preis, der über eine Börse ermittelt wird, stieg nach Fukushima kräftig. Wird künftig mehr Kohlestrom verwendet, erklimmt er neue Höhen. Den Mehraufwand werden die Energieversorger ihren Kunden in Rechnung stellen. Eine Exklusivstudie der Unternehmensberatung Roland Berger für manager magazin zur Entwicklung der Stromkosten in der Industrie belegt den Trend. Die Consultants sagen bis 2050 für vier besonders energieintensive Branchen ein Plus von 20 bis 60 Prozent voraus (siehe Kästen ab dieser Seite). Nicht nur die Kosten drücken, auch die Zweifel an der Versorgungssicherheit wachsen. Seitdem die Kanzlerin im März schlagartig sieben AKW abschalten ließ, mussten die Netzbetreiber auf Geheiß der Bundesnetzagentur mehr als 500-mal ins Zusammenspiel der Stromeinspeiser eingreifen, um Frequenzschwankungen oder gar einen Totalzusammenbruch der Versorgung („Blackout“) abzuwenden. Kleine Ursache, große Wirkung: Fällt die Spannung für den Bruchteil einer Sekunde ab, fährt die Elektronik die grünewaldsche Papiermaschine sofort herunter. Erst nach einer Stunde kann die Fertigung wieder aufgenommen werden. „Bereits bei zwei bis drei Produktionsstillständen am Tag ist unsere Maschine nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben“, sagt Firmenchef Grünewald. Kommt es gar zu einer Überlastung des Strom-
netzes, müssten Großverbraucher in den sensiblen Regionen ihre Anlagen stilllegen, als „Ultima Ratio“, so Matthias Kurth, Präsident der Bundesnetzagentur. Das ohnehin schon hohe Kostenniveau steigt weiter und gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit, immer mehr staatliche Eingriffe führen in den Unternehmen zu Planungsunsicherheit. Ist der Energiestandort Deutschland noch zu retten? Droht im Gefolge der merkelschen AKW-Wende der Exodus der deutschen Industrie? MANCHER KONZERN werde sich gut über-
legen, ob er in Deutschland noch gut aufgehoben sei, unkt RWE-Chef Jürgen Großmann in der „Süddeutschen Zeitung“. „De-Industrialisierung geht schnell“, meckert Kurt Lauk, Präsident des CDUWirtschaftsrates, „aber Re-Industrialisierung ist ein langer, steiniger Weg.“ Einige sind längst verschwunden. Für die Dattelner Ruhr-Zink war Ende 2008 Schluss, weil der Strom damals schon zu teuer war, um rentabel wirtschaften zu können. Andere fahren ihre Anlagen nur noch auf Minimalbetrieb, wie die Neusser Aluminiumhütte des norwegischen Norsk-Hydro-Konzerns. Es geht um nicht weniger als den Kern der deutschen Wirtschaft. Die energieintensiven Branchen erzielen jährlich 300 Milliarden Euro Umsatz und beschäftigen 875 000 Mitarbeiter. Viele Betriebe waren die Garanten dafür, dass Deutschland so gut durch die vergangene Krise gekommen ist – Unternehmen wie HeidelbergCement, BASF, Aurubis oder ThyssenKrupp. Beim Gedanken an die Folgen, die der schnelle Atomausstieg für HeidelbergCement haben könnte, zeigt sich
ZEMENT, ERDEN, STEINE : +60 PROZENT STROMKOSTEN ■ Die Ausgangslage: Die deutschen Zementhersteller beschäftigen rund 7400
Mitarbeiter in 56 Werken. Die Branche setzt 2,2 Milliarden Euro um. Elektrizität ist nach den Personalkosten der größte Ausgabenposten: Derzeit zahlen die Verarbeiter von Steinen und Erden jährlich 500 Millionen Euro für Strom. ■ Die Kostenfalle: Bei einem durchschnittlichen Branchenwachstum von einem
Prozent pro anno werden die Stromkosten der deutschen Zementhersteller bis zum Jahr 2030 auf 750 Millionen Euro steigen – trotz höchst effizienter Öfen. Bis zum Jahr 2050 wird diese Zahl dann sogar auf 800 Millionen anschwellen.
Vorstandschef Bernd Scheifele (53) „skeptisch und besorgt“. Der Konzern, weltweit die Nummer drei der Zementhersteller, ist im vergangenen Jahr in den Dax aufgestiegen. Nun verhageln dramatisch gestiegene Stromkosten die Bilanz. Nach dem Atommoratorium hat der Preis, den HeidelbergCement für seinen Elektrizitätsbedarf hierzulande entrichten muss, zwischenzeitlich um 20 Prozent zugelegt; der Strom ist nach dem Personal der zweitgrößte Posten in der Kostenaufstellung. „Natürlich bedroht das unsere Wettbewerbsfähigkeit“, zürnt Scheifele, ein ebenso hagerer wie sparsamer Manager, schon lange im Ruf eines erfolgreichen Pfennigfuchsers. „Wir haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten beim Energiesparen praktisch alles umgesetzt, was uns die Technologen als machbar aufgezeigt haben“, sagt er. Zum Beispiel das Trockenbrenn-
FOTO: SEPP SPIEGL
ILLUSTRATION: MARKUS SPANG FÜR MANAGER MAGAZIN
Trends Spezial Energie I
„Wir haben bei der Energieeffizienz alles technisch Machbare umgesetzt.“ Bernd Scheifele, Vorstandsvorsitzender HeidelbergCement
verfahren: Die Rohstoffe aus Kalkstein, Ton oder Mergel werden nicht mehr wie früher in Wasser aufgelöst in die Brennöfen geblasen, sondern ultrafein gemahlen und mit Abwärme erhitzt. Die Herstellung einer Tonne Zement benötigt in Deutschland nur noch 96 Kilowattstunden; in den USA, wo sich die Idee der Energieeffizienz erst langsam durchsetzt, sind es noch 160. Die Heidelberger betreiben weltweit 100 Zement- und Mahlwerke. Jede Produktionsstätte beliefert ausschließlich regionale Märkte. Das schafft Flexibilität bei der Standortplanung. Zumal, wenn der Strom jenseits der Landesgrenze weiterhin billig aus Atomkraft produziert wird. Das Management diskutiert deshalb bereits, ob künftige Investitionen statt in Deutschland nicht besser ins benachbarte Ausland fließen sollten. Diese Überlegungen will Scheifele „nicht als Drohung gegen die Belegschaft, gegen die Politik oder gegen wen auch immer“ verstanden wissen, „sondern als nüchterne betriebswirtschaftliche Erwägung“. In wenigen Jahren sind die Rohstoffreserven für das Zementwerk im niederländischen Maastricht erschöpft. Ersatz soll in der Region geschaffen werden, zu der auch Nordrhein-Westfalen gehört – mit Investitionen im dreistelligen Millionenbereich. Weil der Strom „schon heute in Deutschland am meisten kostet“, wie Scheifele sagt, könnte die Standortwahl auf Belgien oder die Niederlande fallen. Die Unternehmen der Grundstoffchemie, wo die Energie bei manchen Produkten 60 Prozent der Herstellungskosten ausmacht, stehen vor größeren Problemen: Sie können nicht weg. Ihre Produktionsanlagen, meist verwoben zu manager magazin 7/2011
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komplexen Verbünden, lassen sich nicht einfach von A nach B verfrachten. BASF zum Beispiel synthetisiert pro Jahr acht Millionen Tonnen Chemikalien auf dem Verbundgelände in Ludwigshafen. Dafür benötigt das Unternehmen 6,5 Millionen Megawattstunden Elektrizität – fast so viel wie alle Haushalte in der größten deutschen Stadt, Berlin. Der Konzern versorgt sich in Ludwigshafen fast komplett selbst mit Energie. „Wir betreiben auf dem Gelände einen optimalen Mix von Produktionsprozessen: Manche erzeugen Energie, die andere dann verbrauchen“, sagt Harald Schwager (51), ehemals Standortleiter in Ludwigshafen und heute im BASF-Vorstand zuständig unter anderem für das Europa-Geschäft. Viele Hundert Kilometer Dampfleitungen durchziehen das zehn Quadratkilometer große Gelände, transportieren Energie von einer Produktionsstätte zur nächsten. Drei energieeffiziente Kraftwerke treiben Stromgeneratoren für die Chemikalienproduktion an. Mit solchen und vielen anderen Maßnahmen hat BASF in den vergangenen neun Jahren den Energieaufwand um ein Viertel reduziert – ein Ziel, das ursprünglich erst im Jahr 2020 erreicht sein sollte. Die Eigenstromfertigung birgt allerdings ein beträchtliches Risiko, gerade in der aktuell angespannten Netzsituation. Bei erwartbarem Spannungsabfall darf die Bundesnetzagentur schon heute den Strom aus den E-Werken der Industriefirmen zwangsweise abzweigen ins öffentliche Netz. Zugleich ergeht dann die Anordnung an das Unternehmen, die größten Stromfresser abzuschalten. Bei der BASF wären dies die ChloralkaliElektrolysen, die „unerlässliche Rohstoffe für den Chemieverbund liefern“, 94
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GRUNDSTOFFCHEMIE: + 50 PROZENT STROMKOSTEN ■ Die Ausgangslage: Insgesamt beschäftigt die chemische Industrie in Deutsch-
land fast 400 000 Menschen. Der Jahresumsatz beträgt rund 140 Milliarden Euro. Die Herstellung von Grundstoffen, aus denen dann komplizierte Verbindungen synthetisiert werden, verbraucht am meisten Energie. Der hierfür benötigte Strom, so die Berger-Studie, kostet 2,6 Milliarden Euro pro Jahr. ■ Die Kostenfalle: Bei einem Branchenwachstum von einem Prozent
per annum werden die deutschen Hersteller im Jahr 2030 rund 3,7 Milliarden Euro für ihren Strom zahlen, im Jahr 2050 sogar 3,9 Milliarden Euro.
wie Schwager erläutert. Mit fatalen Konsequenzen: Ein großer Teil der Produktion stünde dann still. Noch ist ein solcher Fall nicht vorgekommen. Umso dringender fordert Vorstand Schwager, „dass die Politik einen schnellen Ausbau der Stromnetze möglich macht“. Doch das kostet viel – und wird in ein paar Monaten nicht zu machen sein. Schon im nächsten Winter könnten einem Szenario der Bundesnetzagentur zufolge dem deutschen Stromnetz 1000 Megawatt Leistung fehlen. AUCH BEI AURUBIS, Europas größtem Kupferhersteller, plagt sich das Management mit der Frage, ob auch künftig immer genug Spannung anliegt an den riesigen Elektroden der Schmelzöfen. Bernd Drouven (55) sitzt seit 2008 dem Vorstand vor. Von seinem Büro in den grau patinierten Backsteingebäuden
FOTO: PR
ILLUSTRATION: MARKUS SPANG FÜR MANAGER MAGAZIN
Trends Spezial Energie I
„Künftig müssen wir bei Netzschwankungen Strom abgeben und Produktionsanlagen abschalten.“ Harald Schwager, Vorstand BASF
der Unternehmenszentrale blickt er in den wolkenverhangenen Himmel über dem Hamburger Industriegebiet Peute. „Keine Sonne“, sinniert der Manager, „bedeutet: kein Solarstrom.“ Stimmt. Aber so richtig schlimm wird es für Aurubis in Zukunft, wenn auch noch Flaute herrscht und sich kein Windrad dreht. „Ohne absolute Versorgungssicherheit lässt sich unsere Produktion nicht planen“, sagt der Metallurge mit Doktorgrad. „Ein wirtschaftlicher Betrieb ist dann nicht mehr möglich.“ Drouven, ein Mann, den sonst nichts schreckt, hat Angst vor dem Blackout. Aurubis besitzt keine eigenen Notstromaggregate. Bei einem Zusammenbruch der Stromversorgung verbacken in den Kupferschmelzen Erz, Elektroden und Ofenwände zu einem unauflöslichen Schrottkonglomerat – ein Schaden von vielen Dutzend Millionen Euro. Die beste Vorsorge gegen solche Stromausfälle, das wissen die Technologen in allen energieintensiven Branchen, ist Energiesparen, mithin eine höhere Energieeffizienz. Tatsächlich hat die deutsche Industrie den Energieaufwand je Euro Wertschöpfung seit 1980 nahezu halbiert. Auch Aurubis hat den Stromverbrauch massiv gedrosselt, in den vergangenen 20 Jahren um rund 30 Prozent. Mit der eingesparten Menge könnten 100 000 Haushalte versorgt werden. Eine verbesserte Energieeffizienz vollzieht sich allerdings nicht stetig, wie viele Politiker glauben, sondern meist sprunghaft. Oder, wie es der Essener ThyssenKrupp-Konzern formuliert, „im Zuge großer Generalumbauten“. Die Stahlkocher haben seit 2009 mit diversen Programmen ihre Energiekos-
Stellen Sie sich vor, ein Solarunternehmen könnte seinen Kunden mehr geben, als sie bezahlen. Suntech kann das.
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SPARZWÄNGE Ein geringerer Energieverbrauch kostet viel Geld Eine höhere Energieeffizienz ist das Zaubermittel im Regierungskonzept zur Energiewende. Sie soll Deutschland technologisch weiter nach vorn bringen, den Energieverbrauch knapp halten und Kosten sparen helfen – durch mehr Wertschöpfung je eingesetzte Kilowattstunde oder je verbrannte Tonne Gas. Doch das Potenzial ist bei vielen Großunternehmen begrenzt. Schuld daran
Investitionskosten zur Steigerung der Energieeffizienz bis 2050, in Milliarden Euro Grundstoffchemie
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Papier und Pappeherstellung
7
Metallerzeugung
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Verarbeitung von Erden und Steinen
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Quelle: Roland Berger Strategy Consultants Grafik: manager magazin
sind die Erfolge der Vergangenheit. Seit 1980 hat sich der Energieaufwand in der Industrie halbiert. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland im Spitzenfeld; heimische Firmen sind zum Beispiel fast doppelt so sparsam wie amerikanische. Noch besser werden können viele Unternehmen oft nur noch dann, wenn sie komplette Produktionskapazitäten ersetzen; die Neuanschaffung benötigt dann in der Regel weniger Energie als die Altanlage. Die Unternehmensberatung Roland Berger hält Effizienzsteigerungen in den energieintensiven Branchen durchaus für möglich. Die brauchen allerdings Zeit. Und: Es muss massiv in die Forschung und Entwicklung neuer Spartechnologien investiert werden (siehe Grafik links). So könnte der durch die Energiewende ausgelöste Strompreisanstieg ein wenig abgefedert werden.
ten um knapp 45 Millionen Euro gesenkt. Jetzt kommt der nächste große Schritt. So will der Konzern seine Warmbandwerke in Duisburg und Bochum in den kommenden zwei Jahren mit rund 300 Millionen Euro grundlegend modernisieren; 50 Millionen davon entfallen auf Maßnahmen zu einer höheren Energieeffizienz: wie etwa eine elektronische Drehzahlregelung von Antrieben, eine höhere Vorwärmung der Brennluft oder eine bessere Kraftübertragung beim Walzen. Die Spielräume werden immer enger, vor allem am Beginn der Wertschöpfungskette. Die Erzeugung von Roheisen, warnt ThyssenKrupp, bewege sich „nahe am theoretischen Limit“. Will heißen: Weiteres Energiesparpotenzial ist kaum noch drin. Die Bundesregierung hat derlei Probleme durchaus erkannt. „Die Frage der Wettbewerbsfähigkeit nehmen wir sehr ernst“, sagt Umweltminister Norbert Röttgen im Interview (siehe Seite 100). In den Regierungsplänen zur Energiewende werden bisherige Härtefallklau-
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ILLUSTRATION: MARKUS SPANG FÜR MANAGER MAGAZIN
Trends Spezial Energie I
seln für die energieintensive Industrie fortgeführt und weitere Entlastungen angekündigt. So sollen künftig auch mittelständische Betriebe vom EEG-Rabatt profitieren. Für Großunternehmen soll es einen Ausgleich für steigende Strompreise durch die ab 2013 fällige teure Auktion von CO2-Lizenzen geben. Angestrebtes Volumen: 1,2 Milliarden Euro. Klingt im ersten Moment nicht schlecht. Aber die Energiewende birgt eine Fülle von Ungereimtheiten. Handwerkliche Fehler bleiben kaum aus, schließlich wurden acht umfangreiche Einzelnovellen auf den Weg gebracht, vom AtG (Atomgesetz) über das Nabeg (Netzausbaubeschleunigungsgesetz) bis zu einer Reform des Baugesetzbuches. Und zwar im Schnellverfahren: Das jährliche Monitoring hat deshalb vor allem den Zweck, die übereilten Gesetzeswerke nachzujustieren. stellt ein erhebliches Risiko dar. Es ist fraglich, ob die nationalen Stromentlastungen mit dem strengen EU-Beihilferecht vereinbar sind. Schon 2009 hatte die Bundesregierung als Notfallmaßnahme den deutschen AluHütten 40 Millionen Euro zukommen lassen wollen. Weil Brüssel Bedenken hat, durfte das Geld bisher nicht ausgezahlt werden – bis zum Jahresende soll nun endlich eine Entscheidung fallen. Trotz aller politischen Zugeständnisse: Die deutsche Industrie sieht sich im internationalen Wettbewerb benachteiligt, auch weil andere Länder die Unternehmen massiver subventionieren. Ihre Forderungen gehen weit über die merkelschen Wohltaten hinaus. So soll die EEG-Umlage auf zwei Cent pro Kilowattstunde sinken. Über einen günstigen Industriestromtarif (den es in Frank-
METALLE: +50 PROZENT STROMKOSTEN ■ Die Ausgangslage: Die Hersteller von Stahl, Aluminium, Kupfer und anderen
Metallen beschäftigen in Deutschland 200 000 Menschen, die Branche setzt etwa 66 Milliarden Euro jährlich um. Die Stromkosten für das Verhütten von Metallerzen belaufen sich derzeit auf 1,2 Milliarden Euro pro Jahr, wie die Roland-Berger-Studie vorrechnet. ■ Die Kostenfalle: Wächst die Produktion um durchschnittlich ein Prozent pro
Jahr, dann müssen die Metallhersteller bis zum Jahr 2030 mit Stromkosten von 1,7 Milliarden Euro rechnen. Im Jahr 2050 sogar mit 1,8 Milliarden Euro.
reich längst gibt) müsse man nachdenken, verlangen Wirtschaftsvertreter. Und wenn flexible Großverbraucher ihre Anlagen zur Sicherung der Netzstabilität hoch- und herunterfahren, müsste ihnen diese Sonderleistung honoriert werden. Der IGBCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis hat beim Kanzlergipfel am 18. Mai gar eine neue Vorfahrtsregel vorgeschlagen. Bislang wird der unregelmäßig anfallende grüne Strom (Wind, Sonne) vorrangig ins Netz eingespeist. Große sogenannte Schattenkraftwerke (Kohle, Gas) sichern die Versorgung auch bei Flaute oder bei Nacht ab. Vassiliadis will künftig den billigeren und sicheren Kraftwerkstrom als ersten ins Netz lassen; jedenfalls so lange, bis ausreichende Speicher für erneuerbare Energien gebaut sein werden. Die nächsten Jahre, so viel ist sicher, werden hart für die deutschen Indust-
FOTO: OLAF BALLNUS / AGENTUR FOCUS
AUCH DIE EU
„Ohne Stromversorgungssicherheit können wir eine Kupferhütte nicht wirtschaftlich betreiben.“ Bernd Drouven, Vorstandsvorsitzender der Hamburger Aurubis
rieunternehmen. Der Atomausstieg führt in ein Dickicht von Gesetzen, Verordnungen und Ausgleichsmechanismen, das kaum noch einer durchblickt. Jeder neue staatliche Eingriff provoziert den nächsten; der Weg in die Planwirtschaft ist nicht weit. Energieautarke Betriebe verlieren die Souveränität über ihre eigenen Anlagen, unternehmerische Planung wird auf diese Weise zum Hasardspiel. Die Versorgungslage bleibt angespannt, die Gefahr eines Blackouts besteht weiterhin. Die E-Misere strahlt längst auch auf die Nachbarländer ab, die den deutschen Alleingang zunehmend missbilligen. Zumindest bei den Energiekosten gibt es Hoffnung. Voraussetzung ist allerdings ein Kraftakt bei Forschung und Entwicklung. Alles in allem, so haben die Roland-Berger-Experten errechnet, werden für zusätzliche Energieeffizienzmaßnahmen in den analysierten vier Branchen bis zum Jahr 2050 Investitionen in Höhe von 23 Milliarden Euro fällig (siehe Kasten links). „Das ist viel Geld“, räumt Torsten Henzelmann ein, Berger-Partner und verantwortlicher Autor der Stromstudie. Doch er ist sicher: „Langfristig wird sich der Einsatz lohnen.“ Die deutschen Papierhersteller könnten der Berger-Prognose zufolge im Jahr 2050 sogar weniger für ihren Strom zahlen als 2030. In Hofolpe, Gemeinde Kirchhundem, Kreis Olpe, würde man sich über eine solche Trendwende fraglos freuen – „falls es uns dann noch gibt“, sagt Christopher Grünewald. Nimmt den Schirm und stapft energisch hinaus in den Sauerland-Regen. Michael O. R. Kröher/ Dietmar Student manager magazin 7/2011
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Trends Spezial Energie II
„Das ist kein Pappenstiel“
Herr Minister, nach Fukushima hat die Regierung die Energiewende eingeläutet. Die Industrie fürchtet steigende Strompreise und sieht ihre Wettbewerbsfähigkeit bedroht. Haben Sie etwas falsch gemacht?
INTERVIEW Umweltminister Norbert Röttgen (45)
über die Folgen des Atomausstiegs für die Wirtschaft und den EU-Problemfall Frankreich.
RÖTTGEN Nein. Ziel unserer Energiepolitik ist es, Deutschland als Industrieland nicht nur zu erhalten, sondern zu modernisieren und damit zu stärken. Deutschland ist Weltmarktführer im Bereich der erneuerbaren Energien und der Effizienztechnologien. Wenn wir diese Stellung ausbauen, dient das der Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie und unseres Landes … Auf Kosten der großen Stromverbraucher.
RÖTTGEN Natürlich müssen wir auf die energieintensiven Unternehmen besondere Rücksicht nehmen. Das tun wir auch durch Ausnahmen im CO2-Handel, bei der Ökosteuer, dem Kraft-WärmeKopplungsgesetz oder im ErneuerbareEnergien-Gesetz, die sogar erweitert wurden. Ich denke, wir haben ein einzigartiges Zukunftsprojekt auf den Weg gebracht … … das im Schnellverfahren durch die politischen Instanzen gepeitscht wird.
RÖTTGEN Noch nie wurde in Deutschland über Energiepolitik so systematisch nachgedacht und so konsequent entschieden. Weder in Konzepten, geschweige denn in Gesetzen. Und es geht ja nicht nur um den Ausstieg aus der Atomwirtschaft, sondern um den konsequenten Einstieg in eine saubere, sichere und bezahlbare Energieversorgung, durch die wir Wachstum und Beschäftigung in Deutschland sichern wollen.
FOTO: THOMAS MEYER FÜR MANAGER MAGAZIN
Ihre Kritiker prophezeien eine De-Industrialisierung Deutschlands. Nehmen Sie diese Argumente ernst?
100
manager magazin 7/2011
RÖTTGEN Es haben einige Interessenvertreter versucht, mit Angst- und Panikmache den Kurs zu torpedieren und Horrorszenarien an die Wand zu malen, die einfach nicht stimmen. Deutschland wird führendes Industrieland bleiben und durch technologische Modernisierung und Effizienzsteigerung seine Stellung eher noch verbessern. In der Summe
Kurzschluss: Atomaussteiger Röttgen rechtfertigt den deutschen Sonderweg
Trends Spezial Energie II
werden wir gewinnen. Im Übrigen weise ich darauf hin, dass der Preisanstieg an den Strombörsen selbst unmittelbar nach einem so verunsichernden Ereignis wie Fukushima sehr überschaubar war. Zweitens bewegt sich der Anstieg durch den nun in der Koalition vereinbarten Atomausstieg im Bereich zwischen 0,1 und 0,8 Cent pro Kilowattstunde. Uns liegen Berechnungen vor, die für die energieintensiven Branchen bis 2050 von einem drastischen Strompreisanstieg um 20 bis 60 Prozent ausgehen.
RÖTTGEN Die Berechnungen der Bundesregierung ergeben Erhöhungen von weniger als einem Cent pro Kilowattstunde. Unsere Gutachter, die im vergangenen Jahr die Vorarbeiten für das Energiekonzept geleistet haben, kommen zu einem Anstieg des Industriestrompreises von weniger als 10 Prozent. Damit läge er noch immer deutlich unter dem, den die Industrie im Jahr 2008 gezahlt hat. Energieintensive Unternehmen wie Aluminiumhütten investieren längst nicht mehr in Deutschland, sondern dort, wo die Energie billig ist, wie etwa am Persischen Golf. Macht Ihnen das keine Sorgen?
RÖTTGEN Diese Herausforderung ist ja nicht neu. Die Frage der Wettbewerbsfähigkeit bei hohen Energiekosten nehmen wir sehr ernst. Wir wollen diese Industrien in Deutschland halten. Deshalb gibt es zum Beispiel bei der Ökosteuer, dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz, der Konzessionsabgabe oder der EEG-Umlage Befreiungen für die energieintensiven Branchen. Insgesamt im Volumen von mehr als sechs Milliarden Euro, das ist also kein Pappenstiel. Wenn nun, um die AKW-Kapazitäten auszugleichen, verstärkt Gas- oder Kohlekraftwerke gebaut werden, dann steigen doch noch mal die Klimaschutzkosten.
RÖTTGEN Wir werden stromintensive Unternehmen auf der Basis der EUEmissionshandelsrichtlinie für die durch den Emissionshandel verursachten Strommehrkosten ab 2013 kompensieren. Aber ich glaube nicht, dass die Preise für Emissionszertifikate stark steigen werden. Weil wir deutliche Fortschritte bei der Energieeffizienz machen. Wir erzeugen mehr Strom aus weniger fossilen Energieträgern. Zum Beispiel durch die neuen Gas- und Dampfkraftwerke. Die 102
manager magazin 7/2011
haben sehr viel höhere Wirkungsgrade als die Kohleanlagen, die sie ersetzen. Das senkt die Emissionen. So wird Klimaschutz richtig umgesetzt. In der Industrie ist nicht mehr viel zu holen, viele Betriebe sind längst höchst effizient, aus Kostengründen.
RÖTTGEN Aber bei der Gebäudesanierung können wir viel erreichen. Ein Förder-Euro bringt dort mindestens acht Euro Investition. Prinzipiell stimme ich zu, dass die deutsche Industrie bereits auf einem hohen Effizienzniveau
„Einige Industrievertreter haben versucht, Horrorszenarien an die Wand zu malen.“ ist. Aber selbst in Großunternehmen sind noch viele Potenziale ungenutzt. In weiten Teilen der Wirtschaft, das belegen Untersuchungen, wartet häufig noch ein mitunter überraschend großes Potenzial darauf, entdeckt und erschlossen zu werden. Bayer hat etwa ein Verfahren entwickelt, mit dem in der Chlorchemie ein Drittel Stromkosten gespart werden können. Trotzdem lässt sich diese Technologie schwer verkaufen, weil sich die Investition erst in sieben Jahren amortisiert. Technisch ist also einiges möglich. Ob es wirtschaftlich realisiert werden kann, ist die zweite Frage. Sollte der Staat Investitionshilfen geben?
RÖTTGEN Man kann nicht jedes Verhalten steuerlich oder durch Zuschüsse fördern. Aber wenn man aus sieben Jahren Amortisationszeit fünf machen könnte, wäre das sicherlich sinnvoll. Der Ausbau der Stromnetze verschlingt Milliarden. Wer soll das bezahlen?
RÖTTGEN Das zahlt der Verbraucher über die Netzentgelte, die Teil des Strompreises sind. Wie notwendig ein solcher Ausbau ist, zeigt sich derzeit in Frankreich. Die Franzosen haben lange nicht mehr in den Netzausbau investiert. Die
Energienetze sind aber die Lebensadern einer Industriegesellschaft. Wer diese Adern nicht fit hält, bekommt Probleme. Die Franzosen sorgen sich, dass sie künftig nicht mehr genügend Strom aus Deutschland bekommen, wenn sie ihre AKW bei niedrigen Wasserständen in den Flüssen abschalten müssen. Da ist man vom deutschen Alleingang nicht amüsiert.
RÖTTGEN Ich bin ein großer Verfechter des europäischen Energiebinnenmarktes – mit deutlich mehr Wettbewerb als derzeit. Aber es ist eben nicht verträglich mit einem solchen Konzept, wenn ein großes Land wie Frankreich in die Stromerzeugung und die Netzinfrastruktur nicht mehr investiert und so einseitige Abhängigkeiten schafft. Stattdessen wird dort Industriestrom subventioniert – ein massiver Wettbewerbsnachteil für die deutsche Wirtschaft und ein Verstoß gegen das EU-Beihilferecht.
RÖTTGEN Klar ist das aus der Sicht eines fairen Wettbewerbs ein Ärgernis und ein Beihilfethema. Das ist inzwischen auch in der Europäischen Kommission angekommen. Ich finde, man hätte hier früher eingreifen können und müssen. Falls sich daran nichts ändert, sollte man dann nicht darüber nachdenken, auch in Deutschland einen staatlich geförderten günstigen Industriestromtarif anzubieten?
RÖTTGEN Ich halte subventionierten Strom nicht für die richtige Methode, in Europa vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und Europa insgesamt wettbewerbsfähig zu halten. Das geht nur durch moderne Technologien. Die Bundesnetzagentur warnt vor Überlastungen des deutschen Stromnetzes. Kommt es im Winter zu Blackouts?
RÖTTGEN Dazu darf es nicht kommen. Wir stellen uns auf die ungünstigsten Bedingungen ein, die gleichzeitig eintreten können, wie ein kalter Winter, der Ausfall einer großen Stromtrasse, wenig Wind- und Sonnenenergie. Die Bundesnetzagentur prüft nun, welche Vorsorgemaßnahmen nötig sind, um Netzstabilität und Versorgungssicherheit selbst unter diesen extremen Bedingungen zu ◆ gewährleisten. Das Interview führten die mm-Redakteure Michael O. R. Kröher und Dietmar Student.
Michael Renz, Leiter Vertrieb Deutschland AUDI AG
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Trends Arabien
Nervöse Zeiten: Die Proteste auf Kairos Tahrir-Platz flammen auch nach dem Sturz des Mubarak-Regimes immer wieder auf
AUF DER KIPPE 104
manager magazin 7/2011
Trends Arabien
Hoffnungsträger Arabien 2010 stieg der Handel zwischen Deutschland und den Staaten der Arabischen Liga um 16% Syrien 1162 657
Kuwait 60 1196
Tunesien 1382 1605
Bahrain 57 367
Jordanien 26 761 Marokko 599 1372
Katar 117 1549 Algerien 693 1426
Libyen 3103 997
Importe aus Deutschland* Exporte nach Deutschland* *2010, in Millionen Euro. Quelle: Statistisches Bundesamt
eit dem 25. Januar – dem Tag, an dem die Menschen zum ersten Mal auf dem Tahrir-Platz in Kairo protestierten – kommt Olaf Hoffmann nicht mehr zur Ruhe. Immer wieder telefoniert der Geschäftsführer der Offenbacher DorschGruppe mit den Leitern seiner 20 arabischen Niederlassungen und erkundigt sich, ob sie noch in Sicherheit arbeiten können. Viermal ist die Situation schon so brenzlig geworden, dass er Evakuierungen anordnen musste: zuerst in Ägypten, später in Libyen, kürzlich auch in Syrien und im Jemen. Mehr als 1000 Menschen beschäftigt die Dorsch-Gruppe im Norden Afrikas und in den Golfstaaten. Sie planen Eisenbahnen, Wasseraufbereitungsanlagen und ganze Städte. In den meisten Ländern laufen die Projekte noch normal. In Libyen hingegen, so Hoffmann, „geht gar nichts mehr; in Syrien und im Jemen gibt es Verzögerungen“. Nach Ägypten, dem Zentrum der arabischen Rebellionen, die von Tunesien ausgingen und inzwischen die gesamte Region ergriffen haben, sind die Dorsch-Leute mittlerweile wieder zurückgekehrt. Die Lage hat sich zumindest so weit beruhigt, dass keine marodierenden Banden mehr durch die Straßen ziehen. Der Verwaltungsapparat aber ist in Schockstarre versunken. Kaum ein Behördenleiter wagt bis zu den geplanten Wahlen im September eine Entscheidung von Belang zu treffen. Es werden nicht einmal alle Rechnungen von Hoffmann bezahlt, er muss
FOTO: L. MOSCIA / ARCHIVOLATINO / LAIF
S
Ägypten 955 2982 Saudi Arabien 638 5770 Jemen 4 184
VAE 519 7582 Oman 18 546 Grafik: manager magazin
seine Infrastrukturvorhaben derzeit teilweise aus der Firmenkasse vorfinanzieren. Es funktioniert momentan nicht viel in Ägypten, dem bevölkerungsreichsten Land der arabischen Welt. Mit verheerenden Folgen für die Unternehmen: „Die ägyptische Wirtschaft wurde um zehn Jahre zurückgeworfen“, sagt ein in Kairo ansässiger deutscher Manager. Und auch Nachbarn wie Tunesien, Marokko, Syrien, Libyen und Jordanien leiden unter der lähmenden Ungewissheit über die weitere politische Entwicklung. Überall schrumpfen die Wachstumsraten oder drehen ins Minus. Einzig in den ölexportierenden Staaten am Persischen Golf floriert die Wirtschaft. Aber was geschieht, wenn sich der Flächenbrand, der sogar das reiche Bahrain erfasst hat, auch auf Saudi-Arabien, Katar, Kuwait, Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate ausdehnt? Die Gefahr ist real. Genauso wie in Nordafrika, wo eine perspektivlose Jugend die Revolte lostrat, sind auch am Golf viele Menschen verbittert. Sie beklagen die hohe Arbeitslosigkeit, die materiellen Unterschiede, die grassierende Korruption und die erniedrigenden Schikanen der Machthaber. Sie fordern Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand – doch sie riskieren Chaos. Die Verwerfungen reichen in ihrer Bedeutung längst über einen Regionalkonflikt hinaus. Sie betreffen die globale Wirtschaft. Nicht nur weil der Ölpreis weiter empfind-
ARABIEN Deutsche Firmen haben auf Milliardengeschäfte am Golf und in
Nordafrika gehofft. Doch die Unruhen bringen ihre Projekte in Gefahr.
FOTO: FRANK OSSENBRINK
Trends Arabien
FOTO: P.S.I. BONN / ULLSTEIN
PRODUKTION IN DEN STAATEN AM MITTELMEERRAND
Van-Laack-Tunesien-Geschäftsführer Ferdinand Terburg will zusätzliche Näherinnen einstellen
lich zu steigen droht. Gerade auch für deutsche Unternehmen steht viel auf dem Spiel: Die gigantischen, teilweise noch in der Planungsphase steckenden Infrastruktur- und Industrialisierungsprojekte, mit denen sich die Golf-Staaten für die Nach-Öl-Zeit rüsten wollen, könnten Milliarden in die Kassen hiesiger Maschinen- und Anlagenbauer spülen. Allein Katar, der weltgrößte Exporteur von Flüssiggas, will in den kommenden vier Jahren 100 Milliarden Dollar in Brücken, Wasseraufbereitungsanlagen oder Fabriken stecken. Für die Katarer konzipiert die Deutsche Bahn ein 25 Milliarden Dollar teures Verkehrssystem, zu dem auch eine Metro mit 98 Stationen gehört. Hochtief erstellt in Doha mit 9000 Bauarbeitern ein mehr als acht Kilometer langes Einkaufszentrum. Siemens baut in ganz Arabien Kraftwerke, stattet Krankenhäuser aus, liefert Antriebstechnik für Zementwerke und Gepäckförderanlagen für Flughäfen. Egal ob Konzerne wie Siemens oder Mittelständler wie die Dorsch-Gruppe, 106
manager magazin 7/2011
Das kleine Tunesien hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Produktionsstandort für deutsche Unternehmen entwickelt. Die Löhne sind dort zwar nicht so niedrig wie in China oder Indien, doch es locken Steuervergünstigungen für ausländische Hersteller. Rund 280 deutsche Firmen lassen ihre Waren in Tunesien fertigen, darunter der Automobilzulieferer Dräxlmaier und das Modehaus Van Laack, das seine Nähereien in der Hafenstadt Bizerte angesiedelt hat (Foto oben). Im Nachbarstaat Algerien will sich Daimler am Aufbau von Montagewerken für Lastkraftwagen und Busse beteiligen. Auch in Marokko und im bevölkerungsreichen Ägypten stehen Fabriken deutscher Unternehmen, die beiden Länder sind aber vor allem wegen des Ausbaus der Infrastruktur und der geplanten Vorhaben zur Nutzung erneuerbarer Energien interessant, wie zum Beispiel das Großprojekt Desertec.
Bevölkerung in Millionen*
Pro Kopf Einkommen in US Dollar*
Ägypten
83,0
2270
Algerien
34,9
4028
Jordanien
5,9
4217
Marokko
32,0
2856
Tunesien
10,4
3409
*Stand 2009. Grafik: manager magazin
Quelle: Unctad
sie alle haben in den vergangenen Jahren ihre Aktivitäten am Golf und am südlichen Mittelmeerrand deutlich ausgeweitet. 2010 ist das Handelsvolumen zwischen den 22 Staaten der Arabischen Liga und Deutschland um gut 16 Prozent auf 57 Milliarden Dollar gestiegen. Überallhin werden Produkte made in Germany geliefert, Porsche, BMW oder Mercedes verkaufen sich so gut wie nie, vielerorts stehen deutsche Fabriken. Der Automobilzulieferer Leoni beschäftigt in Nordafrika 24 500 Menschen. ThyssenKrupp führt in Ägypten mehr als 1800 Mitarbeiter auf der Lohnliste, Metro ist dort ebenso vertreten wie Henkel. Staatsfonds aus der Region wiederum haben Milliarden in deutsche Konzerne investiert. Die Katarer sind an Hochtief (10 Prozent), Volkswagen (17 Prozent) und Porsche (10 Prozent) beteiligt. Daimler gehört zu 16 Prozent Kuwait und Abu Dhabi, Ferrostaal liegt zu 70 Prozent in der Hand der Emire. Käme es auch am Golf zu Umstürzen, könnten die Fonds womöglich ihre Gelder abziehen. Dabei setzt die deutsche Industrie so große Hoffnungen in die Region. Etwa was die Nutzung erneuerbarer Energien angeht. Zu den ersten Referenzprojekten zählt die Solaranlage in Kuraymat südlich von Kairo. Errichtet hat sie eine Tochter von Solar Millennium. Die Erlanger rechnen mit weiteren Aufträgen, möglicherweise im Rahmen des „Plan Solaire Marocain“. Das Vorhaben, das der marokkanische König Mohammed angeschoben hat, soll neun Milliarden Dollar kosten und könnte Teil von Desertec werden – der Idee von einem riesigen Wüstenkraftwerk, das einmal maßgeblich zur europäischen Energieversorgung beitragen soll. Doch all die schönen Projekte sind heute unsicherer denn je. Wie schnell die Träume vom großen Geld in der arabischen Welt platzen können, zeigt der Zerfall Libyens. Der Gaddafi-Staat war wegen seiner Rohstoffreserven über Jahrzehnte ein geschätzter Geschäftspartner deutscher Unternehmen. Am meisten investierte die BASF-Tochter Wintershall – seit 1958 mehr als zwei Milliarden Dollar. Mit der Förderung von Öl in Libyen erzielte der Konzern 2010 immerhin rund 16 Prozent seiner Gesamtumsätze. Nun liegen die Anlagen brach. Ob sie den Bürgerkrieg unbeschadet überstehen werden, ist nicht absehbar.
Trends Arabien
Der Gehirnflüsterer verrät uns die simplen Techniken der Beeinflussung
FOTO: PR
Eine Reise an die Grenzen unseres Willens
Wintershall-Vorstandsvorsitzender Rainer Seele musste die Ölproduktion in Libyen stoppen
Angst um seine Fabriken und Mitarbeiter hatte während der Unruhen auch Ferdinand Terburg, der Leiter der Hemdenherstellung von Van Laack in Tunesien. „Die Wut der Demonstranten richtete sich zwar vornehmlich gegen Betriebe des Ben-Ali-Clans“, sagt Terburg, „aber auch ein paar ausländische Firmen erlebten Plünderungen und Brandanschläge.“ Auf dem Höhepunkt der Ausschreitungen legte Terburg für zwei Tage die Produktion still; er fürchtete Übergriffe auf seine Leute. Einige Mitarbeiter kamen dennoch, um die Nähereien zu bewachen. Sie hatten Glück: Die Fabriken blieben unbeschädigt. Seit dem Ausbruch der Krawalle ist aus Tunesien und Ägypten viel ausländisches Kapital abgeflossen, so manches Investitionsvorhaben wurde gestoppt. Dennoch glaubt Terburg, dass Tunesien mittelfristig auf einem guten Weg ist. Er will in diesem Jahr sogar die Belegschaft von 700 auf 800 Mitarbeiter aufstocken. Gleiches gilt für die Hamburger RWE Dea, die in Ägypten Öl und Erdgas för-
Der vom Machtkampf rivalisierender Stämme zerrüttete Jemen gilt als Armenhaus Arabiens und ist für die deutsche Industrie von untergeordneter Bedeutung. Auch in Syrien, wo die Proteste der Regierungsgegner derzeit blutig niedergeschlagen werden, haben sich hiesige Firmen bislang nicht intensiv engagiert. Die deutschen Ausfuhren nach Syrien betrugen 2010 gerade mal 657 Millionen Euro. Geliefert wurden vor allem Autos, Maschinen und chemische Produkte. Anders stellt sich die Lage im rohstoffreichen Libyen dar. Das Land ist Deutschlands drittwichtigster Erdöllieferant. Die BASF-Tochter Wintershall betreibt dort mehrere Ölförderanlagen (Foto oben). Auch RWE Dea besitzt seit Jahren Lizenzen für die Exploration von Öl und Erdgas. Seit Ausbruch der Kämpfe zwischen Machthaber Muammar al-Gaddafi und den Aufständischen ruhen alle Projekte. Deutsche Unternehmen haben ihre Expatriates nach Hause geholt.
Bevölkerung in Millionen*
Pro Kopf Einkommen in US Dollar*
Jemen
23,6
1118
Libyen
6,4
9713
Syrien
21,1
2474
*Stand 2009. Grafik: manager magazin
Quelle: Unctad
manager magazin 7/2011 107
© Suzy Stöck
FOTO: UWE ZUCCHI / PA / DPA
STILLSTAND IN LIBYEN, SYRIEN UND IM JEMEN
Aus dem Englischen von Klaus Binder und Bernd Leineweber Deutsche Erstausgabe 352 Seiten ¤ 14,90 ISBN 978-3-423-24869-3 Auch als eBook erhältlich
www.gehirnfluesterer.de
FOTO: CHRISTOPH SCHROLL FOTO: SEBASTIAN LÖGERING
Hochtief-Chef Frank Stieler baut in Doha ein Einkaufszentrum und hofft auf weitere Großaufträge
INFRASTRUKTURPROJEKTE FÜR DIE STAATEN AM PERSISCHEN GOLF
Die Länder der arabischen Halbinsel diversifizieren ihre Volkswirtschaften für die Zeit nach dem Öl. Sie planen Eisenbahn- und Stromnetze, errichten Aluminiumfabriken oder Phosphatwerke. In die gigantischen Projekte sind viele deutsche Unternehmen eingebunden, wie der Hochtief-Konzern, der in Katar eine acht Kilometer lange Einkaufsmeile baut (Foto oben). Politisch sind die Golfstaaten noch einigermaßen stabil – die Scheichs, Sultane und Emire stellen ihre Bevölkerungen mit großzügigen Geldgeschenken und vagen Reformversprechen ruhig.
dert. „Bei uns lief die Produktion auch während der Unruhen unvermindert weiter“, erzählt erleichtert Christoph Schlichter, der das Nordafrika-Geschäft von RWE Dea leitet. In den kommenden Jahren will der Konzern 3,6 Milliarden Dollar in das Geschäft in Ägypten stecken – die größte Investition in der Geschichte von RWE Dea. 108
manager magazin 7/2011
Bevölkerung in Millionen*
Pro Kopf Einkommen in US Dollar*
Bahrain
0,8
26063
Katar
1,4
69723
Kuwait
2,8
53054
Oman Saudi Arabien Vereinigte Arabische Emirate *Stand 2009. Grafik: manager magazin
2,9
16179
25,4
14794
4,6
50054
Quelle: Unctad
Zuversicht und Bangen, Risiken und Chancen – Arabien steht an einem Scheideweg. Keiner mag ausschließen, dass die gesamte Region implodiert. Genauso gut aber ist möglich, dass in einigen Staaten die friedliche Revolution gelingt – und dass die Befreiung der Gesellschaft auch eine Befreiung der Wirtschaft nach sich zieht.
In jedem Falle steht den Ländern ein langer und schwieriger Übergang bevor – und deutsche Unternehmen müssen lernen, sich neuen Spielregeln und neuen Machtverhältnissen anzupassen. Bislang hatten sie feste Ansprechpartner in den Institutionen und Firmen. Jetzt weiß in Umsturzländern und in den vom Bürgerkrieg zerrütteten Staaten wie Libyen, Syrien und Jemen niemand so recht, wie er sich zu verhalten hat und mit wem er in den Behörden reden soll. Beispiel Ägypten: Dort flackern auch nach dem Sturz von Hosni Mubarak immer wieder Proteste auf dem TahrirPlatz auf. Die Demonstranten schäumen vor Wut über die Mubarak-Sippe, die zusammen mit einer mafiosen Clique, so der Ökonom Abdel Khalek Farouk, „dem Land innerhalb von 30 Jahren rund 700 Milliarden Dollar gestohlen hat“. In ihrer Empörung zeigen die Gegner des alten Regimes jeden an, von dem sie glauben, dass er zur Entourage Mubaraks gehört hat. Und die Staatsanwaltschaften setzen reihenweise hohe Beamte, Unternehmer und Manager fest. Auch deutsche Firmen sind vor der „Hetzjagd“, so ein Kairoer Anwalt, nicht gefeit. Kürzlich trafen die Korruptionsvorwürfe den Siegener Nummernschildhersteller Utsch, der Kfz-Kennzeichen zu überhöhten Preisen geliefert haben soll – zugunsten ehemaliger Regierungsmitglieder. Utsch bestreitet die Vorwürfe. Die Länder Arabiens bleiben ein unruhiges Terrain. Für ausländische Unternehmen bedeutet das: permanentes Krisenmanagement. So wurde das LeoniWerk in der tunesischen Stadt Sousse kürzlich bestreikt. Die Betriebsleitung ließ sich auf einen Kompromiss ein: Kräftige Lohnerhöhungen gibt es nicht, aber wer schon seit mindestens sechs Jahren bei Leoni arbeitet, bekommt einen unbefristeten Vertrag. Ursula Schwarzer
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Anwohner in Hannover konnten den Bau eines Instituts zur Erforschung neuer Tierimpfstoffe jahrelang verzögern
BLOSS KEINE EXPERIMENTE Ob Nanolabor, Genpflanze oder Pharmaforschung – vehement wie nie wehren sich Bürger gegen Innovationen.
TECHNOLOGIE
110
manager magazin 7/2011
FOTO: PAUL LANGROCK / ZENIT / LAIF
Gentechnikgegner wollen den Freilandanbau manipulierter Pflanzen verhindern; 91 Felder haben sie seit 2005 zerstört
FOTO: MICHAEL LÖWA / PA / DPA
Naturfreunde demonstrieren in Erfurt gegen den Bau einer Stromtrasse entlang des Rennsteigs durch den Thüringer Wald
FOTO: BILD13 / IMAGO
Tierschützer agieren am radikalsten gegen Wissenschaftler – wie hier in Frankfurt; 690 Sachbeschädigungen gehen auf ihr Konto
FOTO: BERND KAMMERER / AP IMAGES
Trends Technologie
Trends Technologie
in massiver Zaun, gut zwei Meter hoch, umgibt das Gelände über dem Zürichsee. Die Eingänge sind mit doppelten Stahltoren gesichert, Kameras beobachten die Umgebung. Die Gebäude betritt der Besucher durch eine mit Panzerglas gesicherte Schleuse. Doch bei den nüchternen Betonquadern handelt es sich mitnichten um eine Hochsicherheitsanlage. Die Maßnahmen schützen das im Mai eröffnete Forschungszentrum für Nanotechnologie, das IBM mit der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich betreibt. Auf den Neubau war im Frühjahr letzten Jahres ein Bombenattentat versucht worden. Nur drei Kilometer von der Baustelle entfernt hatte die Polizei ein mit Sprengstoff beladenes Auto gestoppt. Darin ein Schreiben, in dem sich die Ökoterrorgruppe Earth Liberation Front zu einem Anschlag auf das Labor bekannte. Ein Extremfall gewiss – aber doch symptomatisch. Seit Jahren wächst der Widerstand gegen technische Neuerungen in den reichen Industriestaaten. Egal ob Kernkraft oder Gentechnik, ob Geothermiebohrungen oder Höchstspannungsleitungen – gerade in Deutschland wehren sich immer mehr Menschen gegen Innovationen und technische Großprojekte. Mit allen Mitteln und oft durchschlagendem Erfolg, wie der Kampf um das Bahnprojekt Stuttgart 21 gezeigt hat. Die Blockadehaltung ist ein ernstes Problem in einem Land, das wie kaum ein anderes auf Innovationen angewiesen ist. Hans-Jörg Bullinger, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, fordert Forschung, Politik und Firmen auf, sich mehr um die Akzeptanz neuer Technologien zu kümmern. „Wir müssen den Konsens mit den Bürgern schaffen. Das ist eine riesige gesellschaftliche Aufgabe.“ Doch wie kann es gelingen, die widerstreitenden Interessen auszugleichen? Wie lassen sich manchmal irrationale Vorbehalte mit vermeintlich kühler wissenschaftlicher Analyse vereinen? Die Fronten sind verhärtet. Die Betreiber von Windparks, Genforschungsfeldern oder Biogasanlagen diffamieren ihre Widersacher gern als notorische Neinsager und Technikfeinde. Sie spielen ihren Einfluss in Lobbyzirkeln aus und beharren auf herkömmlichen Genehmigungsverfahren. Die Protestierer unterstellen ihnen im Gegenzug rücksichtsloses Machtgeba-
E
ren und blanke Profitgier. Gegen diese „Von-oben-Politik“ wehren sie sich mit einem immer professionelleren und wirksameren Arsenal – von emotionalen PR-Kampagnen bis hin zu ausgefeilten juristischen Manövern. So darf etwa Bayer eine bereits durch das Rheinland verlegte Kohlenmonoxidleitung nicht in Betrieb nehmen, weil Anwohner gegen Formfehler klagten. Gentechnisch veränderte Pflanzen können hierzulande praktisch nicht angebaut werden. Nicht nur weil Aktivisten Felder zertrampeln oder transgene Apfelbäume absägen, sondern auch weil Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner mit dem Verbot der Monsanto-Maissorte Mon 810 ein politisches Signal gesetzt hat. Den Bau eines Forschungszentrums für Tierimpfstoffe des Pharmakonzerns
Aktive Bevölkerung Die Anzahl der Bürgerbegehren in Deutschland hat sich verzehnfacht 400 300 200 100
1956
’70
Grafik: manager magazin
’80
’90
’00
2010
Quelle: Philipps-Universität Marburg
Boehringer in Hannover verzögerten Anwohner jahrelang. In Brandenburg opponieren gut zwei Dutzend Bürgerinitiativen gegen Windkraftwerke. Gleichzeitig schlagen sich die Stromnetzbetreiber mit Protesten gegen neue Hochspannungsleitungen herum. Ob das Pumpspeicherkraftwerk Atdorf im Schwarzwald jemals Ökostrom vorhalten wird, scheint fraglich. Längst hat sich der Widerstand gegen neue Technologien und Infrastrukturprojekte zu einem handfesten Problem für Forscher und Firmen ausgewachsen. So hat sich die Zahl der Bürgerbegehren in den vergangenen beiden Dekaden gegenüber der Nachkriegszeit verzehn-
facht (siehe Grafik unten). „Der Umgang mit Protest in jeder Form gehört deshalb mittlerweile zum Risikomanagement der meisten großen Unternehmen“, konstatiert Walfried Sauer, Gründer der Sicherheitsberatung Result Group. Dabei müssen sich Wissenschaftler und Manager nicht nur auf Flugblätter, Demonstrationen und Gerichtsverfahren einstellen, sondern auch auf die kriminelle Energie radikalisierter Aktivisten. Das Bedrohungsszenario reicht von Beleidigung und Körperverletzung über Hausfriedensbruch und Brandstiftung bis hin zu Mordversuchen. So platzte vor einiger Zeit der angeritzte Reifen einer Vorstandslimousine – bei Tempo 150 auf der Autobahn. Das Bundeskriminalamt zählte im Zeitraum 2005 bis 2010 allein in Verbindung mit Tierschutz 1053 Delikte, davon 690 Sachbeschädigungen. Die politisch motivierte Kriminalität im Zusammenhang mit Gentechnik schlug mit 210 Straftaten zu Buche. Eine bedrohliche Entwicklung, wie Wissenschaftler und Unternehmenschefs klagen. Schließlich seien die großen Herausforderungen unserer Zeit, von der Energiewende bis zum demografischen Wandel, nur mit Innovationen zu bewältigen. „Doch durch die immer wieder vorgebrachte Skepsis gegen neue Technologien verlieren wir viel Zeit“, moniert etwa Marijn Dekkers, Vorstandschef von Bayer. „Umso schwieriger wird es, die Versäumnisse später wieder aufzuholen.“ Manchmal ist das sogar unmöglich, der Pharmakonzern hat es erlebt. In den 90er Jahren wollte Bayer in Wuppertal für 100 Millionen Euro eine Produktionsstätte für den gentechnisch erzeugten Blutgerinnungsfaktor VIII bauen. Das Projekt scheiterte angesichts von Protesten gegen die rote Biotechnologie am Risiko einer zu langen Genehmigungsdauer und am unsicheren Ausgang. Bayer realisierte das Vorhaben dann in den USA, was der damalige Bereichsleiter Peter Stadler bis heute bedauert: „Wir haben in Deutschland eine große Chance verpasst.“ Der Professor für Biotechnologie, der inzwischen Regierungsstellen berät, warnt vor einer Lähmung des Forschungsstandorts Deutschland durch die Dagegen-Bewegung: „Ich halte es für absolut besorgniserregend, dass sich der Widerstand gegen Technik in Deutschmanager magazin 7/2011
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FOTO: IBM RESEARCH ZÜRICH
Trends Technologie
Ökoterroristen versuchten ein Bombenattentat auf das neue Nanotechnologiezentrum von IBM im schweizerischen Rüschlikon
land als institutionalisierter gesellschaftlicher Prozess etabliert hat.“ Was tun? Hinter hohen Mauern jammernd die eigene Position zu verteidigen, führt nicht weiter. Zäune und Kameras helfen allenfalls gegen vereinzelte Aktivisten mit Farbbeuteln und Brandsätzen. Skepsis und Widerstand einer breiten Masse können Institute und Firmen nur mit mehr Offenheit begegnen. Davon ist auch IBM-Spitzenforscherin Heike Riel überzeugt. Bei den Führungen und öffentlichen Veranstaltungen, die der IT-Konzern regelmäßig veranstaltet, erklärt die Leiterin der Gruppe Nanoelektronik, wie die Wissenschaftler in den perfekt von Störungen abgeschirmten „Noise-free“-Laboren und dem Reinraum im neuen Forschungszentrum immer leistungsfähigere und energieeffizientere Computerchips konstruieren. Und dass sie dabei längst auf der Ebene einzelner Atome arbeiten; schließlich haben ihre Kollegen Gerd Binnig und Heinrich Rohrer hier das Rastertunnelmikroskop entwickelt und damit die Basis für die Nanotechnologie gelegt. Die anschauliche Beschreibung der Anlage, in der Riel Nanodrähte mit nur wenigen Atomen Durchmesser wachsen lässt, begeistert auch Laien. Die Physikerin preist aber nicht nur ihre dreidimensionalen Transistoren, die nur ein Zehntel des Stroms verbrauchen sollen, den heutige Modelle benötigen. Sie weist auch auf die Risiken der Nanotechnologie hin und erklärt die Sicherheitsmaßnahmen. Aus dem absoluten Vakuum ihres Experiments könne kein einziges Atom entwischen, beruhigt 112
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sie Ängstliche. „Ich will ja selbst nicht krank werden.“ FAKTEN AUF DEN TISCH legen, Vor- und Nachteile erklären, auf Ängste und Vorbehalte eingehen, den Gesprächspartner ernst nehmen, zuhören, Fragen beantworten – es ist ein aufwendiger Prozess, der technikskeptischen Bürgern ihre Ängste nehmen soll. Vor allem komme es auf die Haltung an, erklärt Hans-Peter Meister, der mit seiner Beratungsfirma IFOK seit 15 Jahren als neutraler Vermittler bei Protesten agiert. „Wer als Vorstandschef oder Spitzenpolitiker mit der Attitüde ,Ich weiß alles besser‘ auftritt, der hat schon verloren.“ Deshalb führten auch die unzähligen Informationskampagnen, die nur Vorteile und Nutzen einer Technologie loben, zu nichts. „Die Menschen sind heute besser informiert denn je. Sie lassen sich nichts vormachen, sondern fühlen sich von den Hochglanzbroschüren veralbert“, kritisiert der professionelle Mediator. Viele PR-Feldzüge, mit denen Unternehmen und öffentliche Stellen immer noch für ihre Projekte werben, schadeten eher den Zielen ihrer Auftraggeber. Bei Eon hat sich diese Einsicht – nach jahrzehntelangen Auseinandersetzungen um Atom- und Kohlestrom – offenbar durchgesetzt. Vorstandschef Johannes Teyssen erklärt nicht nur öffentlichkeitswirksam: „Wir können und wollen nichts gegen den breiten Willen der Gesellschaft durchsetzen.“ Der Energiekonzern bemüht sich seit 2007 tatsächlich um einen Dialog mit den Bürgern, die im Umfeld von Eon-Vorhaben wohnen.
Überall dort, wo sich Widerstand gegen Projekte formiert – vor der Baustelle des neuen Kraftwerksblocks in Datteln oder während der Hauptversammlung vor der Grugahalle in Essen –, stellen Eon-Leute rote Infoboxen auf, in die sie zum Gespräch einladen. Bürgergruppen oder Schulklassen, Politiker und Aktionäre werden zu Diskussionsrunden gebeten, um kontrovers über die Energiezukunft und deren Auswirkungen auf Umwelt und Menschen zu debattieren. Manchmal allerdings nur mit relativem Erfolg: Trotz der demonstrativen Offenheit verzögerte sich der Neubau des Kraftwerks in Datteln, weil Bürger dagegen klagten. Es geht voraussichtlich erst 2012 statt wie geplant 2010 in Betrieb. „Aber wir kommen schrittweise voran“, sagt Eons Public Affairs Manager Guido Knott. Diskussionen und gutes Zureden allein genügen nicht, solange die Bürger das Gefühl haben, doch nur vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden – dann bleibt ihnen quasi nichts anderes übrig als die
„Auf Augenhöhe“ Herr Geißler, warum wächst der Widerstand gegen neue Technologien?
GEISSLER Die Menschen haben das Vertrauen verloren. Zu oft haben sie erlebt, welchen Schaden technische Großprojekte anrichten können. Ölplattformen explodieren, Bergwerke stürzen ein. Bei der Atomkraft gab es schon zweimal einen Super-GAU. Deshalb glauben sie – manchmal zu Recht, manchmal zu Unrecht –, dass Technologien nicht dem Wohl der Menschen, sondern dem Profit von Unternehmen und dem Profil von Politikern dienen. Lässt sich dieses verlorene Vertrauen denn wiederherstellen?
GEISSLER Ja, indem Politik und Wirtschaft nicht par ordre du mufti mit der Methode „Basta!“ über neue Technologien entscheiden. Die Bürger müssen von Anfang an beteiligt werden. Wie soll das funktionieren?
GEISSLER Zuerst muss die Idee für das Projekt in der Öffentlichkeit vor-
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juristische Verzögerungstaktik. Statt langwieriger und bürokratischer Planfeststellungsverfahren müsse ein neuer Genehmigungsprozess her, fordert CDUPolitiker und Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler (siehe Interview unten). Eine Gebrauchsanleitung für ein besseres Zulassungsverfahren legte die Akademie der Technikwissenschaften (Acatech) im Mai im Kanzleramt vor. Wichtigster Grundsatz: „Die Bürger müssen viel früher beteiligt werden als derzeit vorgesehen“, so Koautor Ortwin Renn, Techniksoziologe an der Uni Stuttgart. Lange bevor Projekte geplant würden, müssten die Menschen den Nutzen einer Innovation verstehen. Und das dürfe nicht nur das abstrakte Gemeinwohl – Klimaschutz, Arbeitsplätze, Innovation – sein. „Wir müssen auf die Bedürfnisse vor Ort eingehen“, sagt Renn. „Wenn jemand den Lärm eines Rotors beklagt, dann verringert der ja seine Lebensqualität wirklich, und er motzt nicht nur einfach irrational dagegen.“ Mindern könne man solche Konflikte etwa, indem
Anwohner über Betreibermodelle von den Erträgen einer Anlage profitierten. Dass konkrete Probleme besser im Vorfeld gelöst werden, lässt sich auch am Großprojekt Stuttgart 21 studieren. Seit vergangenem Herbst bemüht sich Projektsprecher Wolfgang Dietrich um Schadensbegrenzung. So baut sein Team derzeit das Web-Portal „direktzustuttgart21“ aus. In einem neuen Tool kann jeder Stuttgarter seine Adresse eingeben. Automatisch zeigt ihm das Programm, ob sein Haus in der Nähe eines der neuen Tunnel liegt. Befürchtet er Probleme, kann er mit einem Fachmann sprechen. Mit Behinderten, die zu steile Rampen auf die Bahnsteige als gefährlich ansahen, arbeitet das Büro von Architekt Christoph Ingenhoven an Alternativlösungen. Und 16 von Abholzung bedrohte Bäume im Schlosspark wurden erfolgreich umgepflanzt statt gefällt. Die Proteste hatten sich im Frühjahr merklich verringert. „In Zukunft“, prophezeit Heiner Geißler, „geht es nur mit echter Bürgerbeteiligung – oder überhaupt nicht.“ Eva Müller
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Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler fordert neue Abstimmungsverfahren für Technikprojekte 2010 Silvaner Kabinett trocken
gestellt und debattiert werden. Dann gibt es eine Volksabstimmung. Wollen die Bürger das Vorhaben im Grundsatz, müssen als Nächstes alternative Pläne für die Umsetzung diskutiert werden. Gebaut wird die Variante, für die sich die Mehrheit ausspricht. Das klingt furchtbar aufwendig. Dauert ein solches Verfahren nicht viel zu lange?
GEISSLER Das Gegenteil ist richtig. Ohne transparente demokratische Billigung dauert es noch viel länger. Die ewigen Proteste und politischen Verwerfungen zögern die Projekte doch viel weiter hinaus. Das haben wir gerade bei Stuttgart 21 erlebt. Da wird seit mehr als 15 Jahren geplant und geredet. Welche Lehre ziehen Sie daraus?
GEISSLER Man kann den Bürgern so ein Projekt nicht einfach vor die Nase setzen. Sie müssen auf Augenhöhe mit Vorstandschefs und Ministerpräsidenten über die Entscheidungen reden können. Das muss in einem geordneten
Verfahren aus Faktencheck, Diskussion, Grundsatzentscheid und schließlich Abstimmung über die verschiedenen Alternativen geschehen. Ein solches Verfahren sehen die Gesetze in Bund und Ländern derzeit aber nicht vor.
GEISSLER Deshalb müssen bundesweit Baugesetze und Verfassungen geändert werden, um Volksbegehren und -abstimmungen besser zu ermöglichen. Besteht nicht die Gefahr, dass die Bürger immer die teuerste Variante wählen – unterirdische Kabel statt Hochspannungsmasten –, zumal wenn sie die höheren Kosten selbst nicht tragen müssen?
GEISSLER Auch wenn die Projekte durch die Wünsche der Betroffenen teurer werden – sie werden wenigstens realisiert. Anders werden Entscheidungen in der Mediendemokratie nicht funktionieren. In Zukunft geht es nur mit echter Bürgerbeteiligung – oder eben überhaupt nicht. ◆ Das Interview führte mm-Redakteurin Eva Müller.
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KOMMENTAR
FOTO: CHRISTIAN O. BRUCH FÜR MM
In der Euro-Falle Europa blockiert sich selbst. War die Währungsunion ein historischer Fehler? VON HENRIK MÜLLER
Großbritannien zu. Beide Länder haben eine ähnliche Ausgangslage: Sie sind hochverschuldet, beide hatten Baubooms und chronische Leistungsbilanzdefizite. Beide Regierungen mussten auf einen drakonischen Sparkurs einschwenken. Doch während Spanien weiterhin am Rande der Zahlungsunfähigkeit steht, ist Großbritannien längst nicht mehr vom Staatsbankrott bedroht. Dort hat eine realwirtschaftliche Erholung eingesetzt (die „Output-Lücke“ schließt sich allmählich), Spanien jedoch dümpelt weiter bei hoher Arbeitslosigkeit vor sich hin (obere Grafik). Nationales versus supranationales Geld – den großen Unterschied macht die Währungsordnung. Die Bank of England hat freigebig flüssige Mittel in die Wirtschaft gepumpt, sodass die langfristigen Realzinsen immer weiter gesunken sind und das Pfund spürbar abgewertet hat, was der Wettbewerbsfähigkeit hilft (aber zugegebenermaßen mit dauerhaften Inflationsgefahren erkauft wird). Spanien hingegen muss in der Krise mit steigenden Zinsen (untere Grafik) und einem starken Euro zurechtkommen, weil die Europäische Zentralbank nicht allein für die Krisenländer Geldpolitik machen kann. Schlechte Bedingungen für einen iberischen Aufschwung.
VIELLEICHT WAR DER EURO doch keine so gute Idee. Vielleicht schadet die Währungsunion eher der großen Idee, eine „immer engere Union der Völker Europas“ (Maastricht-Vertrag) zu entwickeln. Vielleicht sind Ökonomie und Politik des gemeinsamen Geldes einfach nicht kompatibel. Fast drei Jahre Krise haben die Schwächen der Euro-Konstruktion schonungslos offengelegt. Statt einer Lösung näher zu kommen, sind die Probleme in Schüben immer größer geworden. Statt sicheren Boden zu erreichen kursieren immer monströsere Katastrophenszenarien – bis hin zur weltwirtschaftlichen Kernschmelze. Beginnen wir mit den ökonomischen Schwächen. Vor dem Start des Euro hatte wohl niemand vorhergesehen, wie groß HIER KOMMEN die politischen Schwächen ins Spiel. Damit der die Kapitalströme innerhalb eines einheitlichen Währungsrau- Euro funktionieren kann, müsste Europa auch politisch und mes werden können. Tatsächlich aber wurden die Peripherie- kulturell enger zusammenrücken. Um die geringere monetäre länder im vergangenen Jahrzehnt förmlich mit Kapital zu- Flexibilität zu kompensieren, müsste neben der Währungsgeschüttet, gerade auch aus Deutschland. Diese Geldströme, auch eine Fiskalunion entstehen – etwa mit einer eurolandvon Marktmechanismen und Regulierungen kaum gebremst, weiten Arbeitslosenversicherung und einer gemeinsamen waren die Nährlösung für die Ungleichgewichte innerhalb des Schuldenaufnahme („Euro-Bonds“). Nur so ließe sich der Euro Euro-Lands: für Schuldenmacherei und Bauboom in der Peri- krisenfest machen. Länder in strukturellen Schwierigkeiten würden dann automatisch stabilisiert pherie einerseits, für gigantische Export(durch Nettoüberweisungen aus den Geüberschüsse Deutschlands andererseits. National vs. europäisch meinschaftskassen), und sie wären nicht Es sind diese Exzesse, die letztlich in die Zwei Geldsysteme im Crashtest – mehr Freiwild auf den Kapitalmärkten. derzeitige Malaise geführt haben. Großbritannien und Spanien Eine Explosion der Euro-Zone zu unkalArbeitslosenquoten BOOM, CRASH und dann eine Dauerkrise kulierbaren Kosten ließe sich vermeiden. Spanien mit Verschlimmerungstendenz – an 20 Leider hat ein solcher Kurs absehbar Spanien lässt sich ablesen, woran die 15 keine Chance. Denn politisch wird die Euro-Ökonomie krankt. Anders als Grieökonomisch gebotene Fortentwicklung Groß chenland (das nur durch Betrug die Auf- 10 des Euro-Arrangements nicht durchsetzbritannien nahme schaffte) oder Irland (das ohne bar sein. Seit Jahren ist eine Renationali5 Rücksicht auf Verluste seine Banken päpsierung zu beobachten, gerade in früheren 2002 2005 2008 2011 pelte) galt Spanien lange als mustergültiPro-Europa-Nationen wie den Niederlanger Euro-Partner. Das Land genoss stabi- Zinsen (real)* den oder Finnland (oder bei Teilen der les Wachstum, solide Staatsfinanzen und 4 deutschen FDP). Wie gesagt: Ökonomie eine relativ strikte Bankenregulierung. 3 und Politik der Währungsunion sind Spanien Doch dann blähte sich eine schulden- 2 kaum noch kompatibel. getriebene Immobilienblase auf, die die 1 Darin liegt die Tragik des Euro: Von Wirtschaftsstrukturen verzerrte. Seit die 0 jeher war die Gemeinschaftswährung Groß britannien Blase geplatzt ist, sitzt Iberien in der Falle. 1 weniger ein wirtschaftliches als ein poliOhne den Euro dürfte es Spanien derzeit tisches Projekt, das das Zusammenwach2002 2005 2008 2011 besser gehen. Diesen Schluss lässt ein *Verzinsung von langfristigen Staatsanleihen abzgl. Inflationsrate. sen Europas befördern sollte. Doch die ◆ Quelle: OECD Vergleich mit dem Nicht-Euro-Mitglied Grafik: manager magazin Politik hat nichts daraus gemacht.
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DER HERR DER DINGE Thomas Bieger, Rektor der Uni St. Gallen, ist Professor für Tourismus-
wirtschaft – und weiß, wie wichtig blühende Landschaften für geistige Höchstleistungen sind
DIE LEITGENOSSEN HOCHSCHULEN Vom ramponierten Image einiger deutscher Unis könnte
St. Gallen am stärksten profitieren. Beharrlich bauen die Schweizer ihren Ruf als Kaderschmiede für Manager aus.
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KARRIERE ie Herren lassen auf sich warten, schließlich sind sie heute Rockstars. Rote Deckenkugeln blitzen, in der Enge des „Backstage“-Clubs neben dem Bahnhof steht die Hitze. Trotzdem tragen viele Fans Jacketts, dazu Pikeeshirts mit Krokodil oder Polospieler, an der Bar werden komplizierte Drinks mit Red Bull und Cranberrysaft geordert. Irgendwann betreten fünf Männer in den besten Jahren die Bühne, „Good Evening, St. Gallen!“, Showtime. Das Schlagzeug pumpt, Gitarren-Riffs treiben, das E-Piano fällt ein, „No Business“ is back. White Stripes, Deep Purple, Billy Idol, Mando Diao – die Professorenband der Uni St. Gallen hält sich nicht mit Besinnlichkeiten auf. „Wir wollen Party machen und spielen Songs, mit denen wir groß geworden sind“, sagt Torsten Tomczak später, Gitarrist und Prorektor für Forschung. Morgen früh geht es wieder in die Hörsäle, Asset Backed Securities, Change of Control, Basel III. Aber hier und jetzt herrscht König Rhythmus, Musik zum Füßewippen und Fäusterecken. Voll bunter Holzläden, gefegter Straßen und verzierter Erker, mit denen die Textilmagnaten im 19. Jahrhundert ihren frisch zusammengestickten Reichtum zur Schau stellten, steht draußen wie gemalt die Stadt. Gegenüber vom „Backstage“ residiert die Filiale von Julius Bär, keine zwei Kilometer weiter glotzen Kühe in die Nacht. Auf der Bühne liefern fünf akademische Hochkaräter eine Rockshow wie auf dem Feuerwehrfest in Pinneberg ab, sie schwitzen und haben Spaß und nach jedem Song einen Spruch parat („The more you drink, the better we sound“). Unten steht die Zukunft des Managements in Gestalt von 150 Studierenden. Sie jubeln, als träten Lady Gaga und Robbie Williams zugleich auf, und wenn die Arme hochfliegen, sind ziemlich viele dicke Uhren zu sehen, wobei unklar bleibt, ob dies dem Land geschuldet ist (Schweiz) oder dem im Publikum dominierenden Studienfach (BWL). Studenten spielen gut situierte Manager, ihre Profs geben die Rocker: Üblicherweise läuft das umgekehrt, aber womöglich funktioniert das Modell St. Gallen deshalb so gut, weil sie hier gerade nicht das Übliche tun. 1898 als Handelsakademie in dem beschaulichen Bergstädtchen gegründet, gilt die staatliche „Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften“ (HSG) zahlreichen Uni-Experten wie Klaus Landfried schlicht als „Traum“. „In den Wirtschaftswissenschaften spielen die meisten
FOTO: DAN CERMAK FÜR MANAGER MAGAZIN
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deutschen Hochschulen national, St. Gallen aber gehört bei der Ausbildung zur Weltklasse“, sagt der ehemalige Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Dem auf der Homepage breitbrüstig vorgestellten Anspruch, die beste betriebswirtschaftliche Ausbildung im deutschsprachigen Raum zu bieten, kommt die Realität schon ziemlich nahe. Im „Financial Times“(FT)-Ranking der besten europäischen Business Schools rangiert die HSG auf einem stolzen 16. Platz – weit vor allen deutschen Konkurrenten wie der WHU (Platz 29) oder der Uni Mannheim (Platz 32). Ihr „Master in Strategy and International Management“ schafft es als einziges Angebot im deutschsprachigen Raum unter die Top Ten in der FT-Liste, auf Platz vier. Das HSG-Alumniverzeichnis strotzt vor Vorzeige-Ehemaligen wie Deutsche-BankChef Josef Ackermann oder Ulf Schneider, Vorstandsvorsitzender von Fresenius. Und kaum ein Bericht über St. Gallen kommt ohne den Zusatz „Eliteuni“ aus. Um viele deutsche Ausbildungsstätten für Betriebswirte ist es dagegen derzeit nicht zum Besten bestellt. Einige wie die Uni Bayreuth kämpfen plagiatsbedingt um ihren Ruf, Köln hat viel vom einstigen Glanz eingebüßt, die European Business School versucht verzweifelt, den Skandal um ihren Ex-Präsidenten zu überleben (siehe Kasten Seite 119). Von den germanischen Kalamitäten könnte die HSG am stärksten profitieren. Seit Jahrzehnten schon bastelt sie mit dem unbeirrten Eifer eines Schweizer Uhrwerks an ihrem Ruf als Topadresse im deutschsprachigen Raum. Künftig wird das Geschäft der Hochschulen noch professioneller werden, der Wettbewerb internationaler und härter. Traditionell in der Pionierrolle, ist St. Gallen mit dem Konzept einer praxisnahen, innovativen und dabei forschungsstarken Uni für Betriebswirte besser aufgestellt als die meisten deutschen Konkurrenten. Wie stellen die gemütlichen Schweizer das an? Welche Faktoren sind entscheidend für den Erfolg? Wie wird aus Vorlesungen und Drittmitteln ein Mythos? „Wir wollen Menschen zum Denken in Zusammenhängen animieren, anstatt sie nur auf einen Job vorzubereiten“, sagt Kuno Schedler, der, wenn er nicht gerade wie gestern Abend für „No Business“ singt, an der School of Management lehrt, also für die betriebswirtschaftliche Basisausbildung zuständig ist. Der Blick aus seinem Büro geht auf Kuhweiden und Schrebergärten, im Hinmanager magazin 7/2011
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BEGEHRTE PLÄTZE: DIE UNI ST. GALLEN AUSWAHL: Schweizer dürfen die Uni frei wählen. Alle anderen (An-
teil höchstens 25 Prozent) müssen an der Hochschule St. Gallen (HSG) einen sprachlich-analytischen Aufnahmetest machen, den nur 15 bis 20 Prozent bestehen. 91 Prozent der deutschen Studenten haben einen Abiturschnitt von 1,75 oder besser. AUSGABEN: Die HSG ist eine staatliche Uni. Die Studiengebüh-
ren für Bachelor und Master betragen derzeit pro Semester 1020 Franken für Schweizer, 1170 Franken für Nicht-Schweizer.
FOTO: DAN CERMAK FÜR MANAGER MAGAZIN
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AUSKOMMEN: Das Gehalt der HSG-Absolventen nach ihrem Examen liegt im Schnitt bei 83 000 Franken (Bachelor) beziehungsweise 99 200 Franken (Master).
tergrund der Hausberg Säntis, es ist ein guter Ort, um in Kontexten zu denken. Die ganzheitliche Perspektive, die auch im „St. Galler Management-Modell“ zutage tritt, bildet die geistige Landkarte der Uni, an der sie über alle Moden und Reformen hinweg festhält. Umgang mit Komplexität, kritisches Denken, kulturelle Geländegängigkeit statt nur Bilanzen, Leverage-Analysen und ähnlich einengender Spezialisierungen: „Künftige Führungskräfte müssen eine Vorstellung von ihrer Rolle in der Gesellschaft haben“, sagt Schedler. Ein Denken in Systemen, nicht in Funktionen. „Als 20-Jähriger weiß man da manchmal nicht, wo einem der Kopf steht – und wofür man das alles später braucht“, erinnert sich Peer Schatz, HSG-Alumnus und heute Qiagen-Chef, an seine Erfahrungen mit dem ganzheitlichen Ansatz. „Doch später weiß man den
LEHRER DER MANAGER VON MORGEN Omid Aschari und Günter Müller-Stewens vom Institut für Betriebswirtschaft
AKADEMISCH UND DYNAMISCH
Kuno Schedler, Vize-Dekan der School of Management, und Torsten Tomczak, Prorektor für Forschung
Karriere Hochschulen
holistischen Ansatz, das Integrative, umso mehr zu schätzen – schließlich entstehen Innovation und neue Strategien vor allem an den Schnittstellen verschiedener Unternehmensbereiche.“ Sicher, andere Hochschulen propagieren mittlerweile Ähnliches, doch St. Gallen hat den integrativen Ansatz nicht nur als erste Hochschule ein-, sondern auch am konsequentesten umgesetzt. Heute gliedert sich das Studium in drei Säulen: das Kernfach, wiederum unterteilt in klassische Lehrveranstaltungen und eigenständig zu zimmerndes Selbststudium. Dazu kommt, mit einem 25-Prozent-Anteil, die Absage an den ökonomischen Fachidioten: das Kontextstudium. Es vermittelt Reflexionskompetenz (via Sozialwissenschaften), kulturelle Kompetenz (via Kunst, Literatur, Philosophie) und Handlungskompetenz (Teamführung, Präsentation oder Motivation). Außerdem ist der Nachweis von zwei Fremdsprachen zum Examen Pflicht. Der ganzheitliche Ansatz hat an der HSG Tradition; seine heutige Form erhielt er während des großen Umbaus zu Bachelor und Master Anfang des neuen Jahrtausends. Getrieben vom markig vorgetragenen Anspruch des damaligen Rektors Peter Gomez, die Uni müsse sich fest in der internationalen Topliga verankern, setzte die HSG die sogenannte Bologna-Reform nicht nur als Erste und in Rekordzeit um – sie umschiffte mit dem Kontextstudium gleichzeitig das größte Problem der neuen Abschlüsse, unter dem zahlreiche deutsche Hochschulen heute ächzen: die Verschulung zur Engstirnigkeit. „Wir haben Bologna bewusst nicht als Strafe oder lästige Bürokratie interpretiert, sondern als Chance, die Uni aus einer guten in eine sehr gute Position im Wettbewerb zu bringen“, sagt Sascha Spoun, der die Reformideen damals in St. Gallen entwickelte und heute Präsident der Leuphana Universität Lüneburg ist. „Der Wille, die Uni als Ganzes zu begreifen und Studiengänge konzeptionell zu durchdenken und zu vernetzen, ist in St. Gallen viel ausgeprägter als an den meisten deutschen Hochschulen, wo oft jeder Fachbereich und jeder Lehrstuhl eifersüchtig seinen Vorgarten pflegt“, sagt der Bildungsexperte und frühere Chief Learning Officer der Deutschen Bank, Martin Möhrle.
Die Angeschlagenen Wie EBS und Bayreuth in die Reputationsfalle tappten Das Plagiatsproblem: Es fing mit dem
Freiherrn an und wuchs sich zum Lauffeuer aus: Die Affären um zum Teil abgekupferte Doktorarbeiten von KarlTheodor zu Guttenberg (Uni Bayreuth), Silvana Koch-Mehrin (Uni Heidelberg) und Stoiber-Tochter Veronica Saß (Uni Konstanz) offenbarten neben allzu freihändigem Arbeitsethos der Beschuldigten auch einen recht nonchalanten Umgang der jeweiligen Hochschule mit wissenschaftlichen Standards. Jetzt wollen die Vorzeige-Unis mit harter Aufklärung ihr Image aufpolieren. Das Präsidentenproblem: Am mas-
sivsten beschädigt präsentiert sich die Möchtegern-Kaderschmiede European Business School (EBS). Ihr Ex-Präsident Christopher Jahns soll 180 000 Euro an Unigeldern an seine eigene Firma geschleust haben, was er bestreitet. Er wurde vorübergehend festgenommen, und ihm wurde gekündigt. Jetzt soll es sein Nachfolger Rolf Cremer richten; ursprünglich sollte der Ex-Dekan der Business School CEIBS mit Jahns eine Doppelspitze bilden. Noch immer fehlt der EBS die wichtige Akkreditierung durch den Verband EQUIS, das Land Hessen setzte die Zahlung von Fördergeldern aus, und der Kündigungsstreit mit Jahns droht zur Schlammschlacht zu werden. Die Folgen des Skandals sind bereits zu besichtigen: Kunden der ManagerweiterbildungsProgramme sind abgesprungen, und EBS-Absolventen werden in vielen Unternehmen schon skeptisch beäugt. „Natürlich sagt das keiner offen, aber ein Pluspunkt ist ein Abschluss dort sicher nicht“, meint ein Personaler.
Im sehr aufgeräumten Büro von Rektor Thomas Bieger, gleich über der Tiefgarage, wird rasch deutlich, was das Geheimnis hinter dieser Veränderungskultur ist: ein gelassener Pragmatismus, der mit den Grabenkämpfen deutscher Professoren so viel zu tun hat wie die zweckmäßigen Sichtbetonbauten der Uni auf dem Berg mit dem verspielten Stilmix
aus Barock und Jugendstil des Städtchens unten im Tal. Als staatliche Hochschule muss sich die HSG nach dem Kanton richten: „Diese Eigentümerstrategie hat uns vor falschem Ehrgeiz bewahrt und zwingt uns zu konsequent guter Qualität“, sagt Bieger, der Dreitagebart trägt, gern leise spricht und entfernt an Mr. Bean erinnert. Biegers Aufgabe wird es sein, für seine rasant wachsende Uni die Attraktivität zu erhalten, die sie nicht zuletzt der familiären Campus-Atmosphäre verdankt. In diesem Jahr wird die 83 Millionen Franken teure Sanierung und Erweiterung diverser Gebäude abgeschlossen, eine neue Sportanlage wurde eingeweiht, die Fakultäten wurden in fünf „Schools“ (Management, Finance, Volkswirtschaft und Politik, Recht sowie Geistes- und Sozialwissenschaften) umgewidmet – all das, um der Flut der derzeit fast 7000 Studierenden gerecht zu werden. 2005 waren es noch 4500. beschert der HSG bei solchen Projekten Unabhängigkeit von privaten Geldgebern – und lässt doch die Zügel ausreichend locker. Bestes Beispiel: die 30 Institute und Forschungsstellen der Uni, die stolz auf ihre äußerst praxisnahe Forschung sind. Ihre Projekte, meist in Kooperation mit Unternehmen, finanzieren mehr als 50 Prozent des HSG-Budgets von gut 190 Millionen Franken im Jahr. Die Professoren verstehen sich als Unternehmer, doch anders als an vielen deutschen Universitäten wirtschaften sie nicht vor allem für den eigenen Geldbeutel: Der Erlös geht zurück ans Institut – abzüglich eines Bonus, der bei 25 Prozent des Jahreseinkommens gedeckelt ist. Dieses beträgt auf der höchsten Gehaltsstufe 225 000 Franken. Es ist nicht verhandelbar. „Wir machen keine Deals, es gibt keine Sonderbehandlung für Stars“, sagt Bieger. Die viel gerühmte Praxisnähe der Professoren hat jedoch auch ihre akademische Schattenseite. Zwar rangiert die HSG im Forschungsranking für Betriebswirtschaft des „Handelsblatts“ auf Platz zwei hinter der Universität Wien – was aber vor allem der Größe der Fakultät geschuldet ist. Zählt man die Forschungsleistung pro Kopf, rutscht St. Gallen deutlich ab. Auch in den wissenschaftlich angesehensten Publikationen, den „A+-Journals“, ist die HSG bislang eher DIE KANTONALE AUFSICHT
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Karriere Hochschulen
Angesichts des durchschnittlichen Einstiegsgehalts von knapp 100 000 Franken für HSG-Master-Absolventen mag das kokett klingen. Falsch ist es nicht. Nicht-Schweizer, deren Anteil auf 25 Prozent gedeckelt ist und unter denen die Deutschen die mit Abstand größte Gruppe stellen, müssen ein forderndes analytisch-sprachliches Auswahlverfahren durchlaufen, das jedes Jahr nur 15 bis 20 Prozent der Bewerber bestehen. Es folgt ein hochkompetitives AssessmentJahr, das die Fachrichtungen gemeinsam absolvieren und an dessen Ende nochmals zwischen 30 und 40 Prozent die Uni verlassen. Heraus kommt, was der vielleicht wichtigste Erfolgsfaktor der HSG ist: eine Positivselektion engagierter, zielstrebiger und selbstständiger Lernwilliger. „Das ist kein Tümpel von Karrieristen, die nur die Netzwerke der Uni hebeln wollen. Nach St. Gallen geht,
relevant und wissenschaftlich tiefschürfend sein – ein HSG-charakteristisch hochgestecktes Ziel. FÜR DIE AKTUELLEN STUDIERENDEN sind derlei Pläne eher akademischer Natur. Es ist die letzte Semesterwoche, überall, auf den Campuswiesen, vor der Cafeteria, in der Bibliothek mit der charakteristischen Glaspyramide, sitzen Grüppchen vor ihren Laptops und Mitschriften. Die Sonne scheint auf die bunkerähnlichen Unigebäude, von denen der Blick hinuntergeht zur Stadt, die längst gelernt hat, „die auf dem Berg“ stolz als Wirtschafts- und Prestigefaktor zu akzeptieren. Auch weil herumbrausende BMWCabrios seltener geworden sind. „Wir ziehen Studenten an, die am Fach interessiert sind und nicht nur an Jobs“, sagt Günter Müller-Stewens, Direktor des Instituts für Betriebswirtschaft.
WAHLSCHWEIZER UND SPASS DARAN Die Studenten Violette
Yi Qin und Garry Spanz unter der Pyramide der Unibibliothek
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unterrepräsentiert – würden nur sie berücksichtigt, käme St. Gallen lediglich auf Platz sieben und die Uni Mannheim auf Platz eins. Natürlich gibt es in St. Gallen akademische Schwergewichte wie den Marketingexperten Andreas Herrmann oder Oliver Gassmann, Professor für Innovationsmanagement, doch es sind zu wenige. „Da haben wir sicherlich noch Verbesserungspotenzial“, räumt Forschungsprorektor Tomczak ein. Deshalb soll jetzt der einige Millionen Franken schwere Fördertopf für Grundlagenforschung massiv aufgestockt werden, die Rede ist von mindestens einer Verdoppelung. Die Kriterien der Förderung wurden verschärft und orientieren sich stärker als bisher an den Ansprüchen der A+-Journals. „Die Nähe zur Praxis ist unsere Tradition, davon rücken wir kein Jota ab“, betont Tomczak. Aber künftig soll die Forschung gleichzeitig
wer etwas bewegen will – und genau deswegen macht er dann später Karriere“, sagt Ann-Kristin Achleitner, HSG-Alumna und Professorin an der TU München. St. Gallen war eine der ersten Hochschulen mit aktivem Markenmanagement, heute gibt es im Uni-Shop HilfigerShirts im HSG-Look. Das schafft Identifizierung, und so fangen die Studenten mit dem „Dingebewegen“ meist gleich auf dem Campus an; mit gleichberechtigter Stimme sitzen sie in allen relevanten Hochschulgremien. Bereits der Umbau des zuvor stark verschulten Curriculums im Zuge der Bologna-Reform basierte maßgeblich auch auf Wünschen der Studentenschaft. Und im Streit darum, wer die ebenso lukrative wie renommierte jährliche Recruiting-Veranstaltung „HSG Talents Conference“ organisieren darf, duckten sich die Studenten nicht weg, sondern erzwangen einen Kompromiss. Rund hundert studentische Vereine und Initiativen, von der Pfeifenraucherversammlung bis zum renommierten St. Gallen Symposium, gibt es an der Uni. Die enklavenhafte Atmosphäre, die internationale Mischung und die weitgehende Nicht-Existenz üblicher studen-
Karriere Hochschulen
tenstädtchentypischer Zerstreuungsangebote kitzeln das Unternehmerische in den Studierenden zusätzlich wach. Nicht wenige kümmern sich lieber um die eigene Firma oder ein spannendes Projekt, als regelmäßig die Lehrveranstaltungen zu besuchen. Garry Spanz (21) war zuletzt vor zwei Jahren in einer Vorlesung. Der Deutsche, schwarze Locken, Polohemd, EinserAbiturschnitt, war als Leiter des Organisationskomitees damit beschäftigt, das 41. Symposium zu organisieren. Eine Mammutveranstaltung für Topentscheider, zu der in diesem Jahr unter anderen McKinsey-Weltchef Dominic Barton, UBS-Primus Oswald Grübel und SiemensVorstandsfrau Barbara Kux kamen, um über Macht und Verantwortung zu diskutieren. Spanz hat sein Abitur am hessischen Hochbegabteninternat Schloss Hansenberg gemacht, er hatte für sein Studium die freie Auswahl, doch er wählte das etwas abgeschiedene Schweizer Städtchen. „Am wichtigsten war mir, dass es nicht zu abgehoben ist.“ Während der Vorbereitung für das Symposium hat er zwar noch einige Prüfungen absolviert; doch vorrangig war Spanz damit beschäftigt, in China Kontakte zu pflegen, den Präsidenten der polnischen Nationalbank persönlich zur Teilnahme am Symposium zu überreden; und er hat gelernt, wie man die französische Finanzministerin Christine Lagarde als Chairwoman gewinnt (indem man ihrer Assistentin zum Valentinstag Blumen schickt). „Die Selbstverantwortung im Studium ist das Schönste an St. Gallen – und die Profs wissen, dass man bei einem solchen Projekt im Zweifel mindestens genauso viel lernt.“ Vielleicht schafft dieser Gedanke erst die besondere, zwischen Selbstbewusstsein und Ernsthaftigkeit changierende Campus-Atmosphäre. „Die Studenten sollen Unternehmensführung aus der Helikopterperspektive lernen. Doch der Helikopter darf nicht oben bleiben: Die Leute müssen sich im Alltag dreckig machen“, sagt Omid Aschari, Managing Director des Masterprogramms „Strategy and International Management“ (SIM). Das SIM ist das Flaggschiff der HSG, es bringt Renommee, es zieht die begehrten internationalen Studenten an. Studierende wie Violette Yi Qin (25) aus China, die in St. Gallen und an der London School of Economics einen Doppel-
An den Schalthebeln Berühmte Alumni der Universität St. Gallen (HSG) Ann-Kristin Achleitner, Professorin
TU München, HSG-Promotionen 1991 (BWL) und 1992 (Jura) Paul Achleitner, Vorstand Allianz, HSG-Promotion 1985 Josef Ackermann, Vorstandsvorsitzen-
der Deutsche Bank, HSG-Abschluss 1973 und HSG-Promotion 1977 Martin Blessing, Vorstandsvorsitzender Commerzbank, HSG-Abschluss 1987 Karl-Erivan Haub, Geschäftsführender
Gesellschafter TengelmannGruppe, HSG-Abschluss 1993 Peer Schatz, Vorstandsvorsitzender
Qiagen, HSG-Abschluss 1989 Ulf Schneider, Vorstandsvorsitzender Fresenius SE, HSG-Abschluss 1988 und HSG-Promotion 1992 Antonio Schulthess, Managing
Director External Affairs & IT bei Swiss, HSG-Abschluss 2002 Eric Strutz, Finanzvorstand
Commerzbank, HSG-Abschluss 1989 und HSG-Promotion 1993 Dorothee Wieandt, Partnerin Goldman Sachs Deutschland, HSG-Abschluss 1991
abschluss macht. Qin mag die weltläufige Atmosphäre in ihrem Studiengang und die Nähe zur Praxis: „In China ist das Studium sehr theoretisch, hier haben wir für Henkel gleich ein Projekt über Markenführung gemacht.“ Auf dem SIM-Lehrplan stehen die Klassiker: Marketing and Consumer Behaviour, Financial Management, M&A. Für Omid Aschari wie für die meisten seiner Schützlinge aber steht etwas anderes im Vordergrund: der Platz der Führungskraft in der Welt, der sich nur schlecht in Excel-Tabellen abbilden lässt, sondern den man erfahren und ausloten muss. Qin schreibt ihre Master-Arbeit über Wirtschaftsethik in China, später würde sie gern etwa in einer Vermögensverwaltung arbeiten, die ihre Fonds nach moralischen Kriterien auswählt. „Hier lerne
ich, dass Wirtschaft komplexer ist als eine Bilanz. Es kommt auf die Schattierungen an, die Probleme im Graubereich.“ Die Zahlen zeigen, dass diese spezielle Art zu denken in den Unternehmen ziemlich gefragt ist: 80 Prozent der Master-Absolventen können aus durchschnittlich 2,2 guten Jobangeboten wählen und haben vor dem Examen bereits eine feste Stelle. REKTOR BIEGER und seine Mannschaft müssen das Erfolgsmodell St. Gallen jetzt zukunftsfest machen. Auf dem Plan steht eine verbesserte Prüfungsqualität (weniger Wissensabfrage, mehr Problemlösung), außerdem der Ausbau des Geschäfts mit der Managerausbildung an der Executive School sowie das Ziel, endlich in den Top 100 der globalen MBA-Rankings mitzumischen. „Zuletzt haben wir bei Diversity und Career Services schlecht abgeschnitten. Diese Punkte haben wir nun verbessert“, meint Bieger. Wie schon seine Vorgänger setzt Thomas Bieger bei strategischen Weichenstellungen auf Konsens – und auf den Rat der Alumni. „Die Diskussionen mit den Ehemaligen sind keine Alibiveranstaltungen. St. Gallen versucht, mit behutsamen, aber permanenten Umbauprogrammen cutting edge zu bleiben“, sagt Ann-Kristin Achleitner, die in einem früheren Alumni-Board über Reformen diskutierte. Der nächste Board ist stärker international besetzt. Denn im globalen Wettbewerb wird letztlich eines den Ausschlag geben: der Grad der Internationalisierung. Nun soll es ab 2013 einen englischsprachigen Bachelor-Studiengang geben, dazu intensivere Kooperationen mit anderen Unis und einen Ausbau der HSG-Dependancen in Singapur und São Paulo. Denn in der letzten Akkreditierungsrunde für die begehrten Prüfsiegel EQUIS und AACSB offenbarte die HSG, dass es in puncto Internationalisierung durchaus noch Luft nach oben gibt. Im pragmatischen Umgang mit der Kritik der EQUIS-Prüfer zeigt sich der Geist von St. Gallen womöglich am besten. Vielen deutschen Unis gelten die Akkreditierungsprozesse als langwierig, teuer und lästig. Die HSG sieht darin eine Gelegenheit, sich selbst zu überprüfen. „Eine Beratungsfirma würde viel mehr Geld kosten“, lächelt Bieger. Klaus Werle
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(–) Inside Steuerfahndung Frank Wehrheim, Michael Gösele Riva, 19,99 Euro Frank Wehrheim, ehemaliger Abteilungsleiter der Frankfurter Steuerfahndung, recherchierte unter anderem in der CDU Schwarzgeld affäre bis er abserviert wurde. Sein Buch ist eine fulminante Abrechnung mit der hessischen Finanzverwaltung und ein packender Insiderbericht.
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Mit Charisma zurück an der Spitze: Starbucks-Gründer Schultz
Das doppelte Lattchen STARBUCKS Erst hat Howard Schultz die globale
Kaffeehauskette gegründet – und nun hat er sie gerettet.
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ERKENNTNISWERT: Titel werden bei Star-
bucks kleingeschrieben – auch der des CEOs. Das Headquarter in Seattle heißt „support center“, und die Mitarbeiter werden Partner genannt. Die Kaffeehauskette ist eben ein besonderes Unternehmen. Und ihr Chef und Gründer Howard Schultz (57) ein besonderer Unternehmer. Der begnadete Entrepreneur aus Brooklyn machte Starbucks in den 90er Jahren zu einem erfolgreichen globalen Kaffeekonzern – und Hunderttausende Kunden zu Beinahesüchtigen. Im Jahr 2000 stieg er – nach 15 Jahren an der Spitze – ermattet aus. Doch Anfang 2008, als Starbucks schlingernd den Wachstumspfad verließ, stieg er notgedrungen als CEO wieder ein. Mit neuen Ideen, Leuten und Produkten rund um Latte und Mokka brachte er Starbucks erneut auf Kurs. Von diesem Turnaround mitten in der globalen Finanzkrise handelt dieses Buch. STIL: So sollten Storys aus dem Innenleben eines Unternehmens sein: offen, detailliert und anekdotenreich. Die ehemalige „Forbes“-Journalistin Joanne Gordon hat spannend und lebendig aufgeschrieben, was ihr Schultz erzählt hat. Der Leser Exzellent ■■■■
hat stets das Gefühl, mit am Frühstücksoder Verhandlungstisch von Schultz oder Starbucks zu sitzen. Dennoch ist das Werk keine Jubelarie über Schultz. Selbstkritisch schreibt er auch über Ängste, die ihn plagen – etwa vor den gefürchteten Analystenkonferenzen in New York oder der Leadership Conference vor 10 000 Partnern in New Orleans. NUTZWERT: Dieses Buch ist ein Lehrstück, wie man ein Unternehmen verändern kann – in guten wie in schlechten Zeiten. Auch wenn die Quintessenz letztlich banal scheint: Entscheidend ist das Charisma der Person, die an der Spitze steht. Und das hat Schultz ohne Zweifel. Dazu aber gibt dieses Buch interessante Einblicke, wie eine der erfolgreichsten Marketingmaschinen der Welt tickt. Wolfgang Hirn
Howard Schultz:
„Onward“; Rodale, 350 Seiten, 16,95 Euro. mm-Bewertung:
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Bücher
Kartell aus der Hölle WIRTSCHAFTSGESCHICHTE Gründlich recherchiert und
beklemmend: Aufstieg, Schuld und Fall der IG Farben. ERKENNTNISWERT: Diese Männer, donnert General Telford Taylor und deutet auf 23 Führungskräfte der chemischen Industrie, seien „die Zauberkünstler, die die Fantasien von ,Mein Kampf‘ wahr machten“. Es ist der 27. August 1947 in Nürnberg, und der Chefankläger im „IG-Farben-Prozess“ macht sich daran, eines der mächtigsten Kartelle der deutschen Wirtschaftsgeschichte juristisch fachgerecht zu sezieren. Eine gigantische Aufgabe, hat doch kaum ein Industriezweig die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland so geprägt wie dieser Zusammenschluss führender Chemie-Unternehmen, darunter Bayer, BASF und Hoechst. Wie eng die Verflechtung zwischen der „Interessengemeinschaft“ und insbesondere dem nationalsozialistischen Regime tatsächlich war, das hat der britische Journalist Diarmuid Jeffreys jetzt in einem faktensatten Buch nachgezeichnet: Der Konzern unterstützte nicht nur Hitler mit immensen Summen, sondern produzierte auch den syntheti-
schen Treibstoff und das synthetische Gummi, welche die Wehrmacht für ihre Feldzüge brauchte; er setzte Zwangsarbeiter ein und lieferte Zyklon B an Konzentrationslager. Bei Auschwitz baute die IG Farben gar eine Gummifabrik, die täglich mehr Strom verbrauchte als ganz Berlin. Jeffreys, der mit Sachbüchern über das FBI bekannt wurde, analysiert anschaulich, wie wissenschaftlicher Ehrgeiz und Patriotismus in einem Konzern, der einst so bekannt war wie heute Apple, nach und nach umschlugen in Profitgier und bereitwillige Hilfsdienste für eine wahnhafte Rassenideologie: ein wahres „Kartell aus der Hölle“, so der Titel der englischen Originalausgabe. STIL: Trotz komplexer Thematik schreibt Jeffreys lebendig und eindringlich, mit zahlreichen nacherzählten Szenen. Seine Fakten sind gründlich recherchiert, seine Kernthesen gut belegt, wenn auch bisweilen mit recht viel Freude am Grusel-
Entspannte Heuschrecke YOGA Einfache, aber effektive Turnübungen, die
verkrampfte Entscheider lockern – selbst im Sitzen. ERKENNTNISWERT: Dass gekonntes Verbiegen der Gliedmaßen im klassisch asiatischen Stil allerlei gesundheitsfördernde Effekte hat, ist in Alternativzirkeln lange bekannt. Inzwischen schwören auch immer mehr überarbeitete Businessmenschen auf Yoga, die sanfte indische Bewegungskunst. Für sie haben der Journalist Eric Czotscher und die Yoga-Lehrerin Danja Hetjens eine Turnfibel verfasst. Sie stellt rund 30 „Asanas“ genannte Übungen vor, die Schlafmangel, Konzentrationsschwierigkeiten oder Verspannungen abhelfen, aber auch
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Kreativität und Wohlgefühl steigern sollen. STIL: Mit knappen, klaren Anleitungen sowie sachlichen Erläuterungen der körperlichen und seelischen Wirkung jeder Übung trifft das Buch das Informationsbedürfnis skeptischer Entscheider, die sich von fernöstlicher Weisheit bisher vielleicht eher ferngehalten haben. NUTZWERT: Übungen wie „Heuschrecke“, „Kobra“ oder „KrieExzellent ■■■■
faktor ausgeführt. Lediglich an der einen oder anderen Stelle hätte dem Buch etwas mehr Einordnung gut getan, um dem Leser die Orientierung in der Materie zu erleichtern. NUTZWERT: Die IG Farben wurde 1945 faktisch aufgelöst. Doch ihre Geschichte zeigt, in welch destruktivem Sog die Verbindung von Wirtschaft und totalitärem Regime enden kann. Schließlich, das ist die verstörendste Erkenntnis des Buches, verkörperten die Vorgängerunternehmen des Kartells Eigenschaften, die auch heute noch für jeden Konzern als erfolgskritisch gelten: Forschergeist, Innovationsstärke, Marktverständnis. Die Wissenschaftler, die für die IG Farben arbeiteten, gewannen Nobelpreise, die Manager agierten geschickt, indem sie mehrere Firmen vereinten, um auf dem Weltmarkt zu bestehen. Nur eines fehlte: der moralische Kompass. Klaus Werle
Diarmuid Jeffreys:
„Weltkonzern und Kriegskartell“; Blessing, 688 Seiten, 34,95 Euro. mm-Bewertung:
Erkenntniswert: Stil: Nutzwert:
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ger“ lassen sich ohne Vorkenntnisse ausführen, zum Teil sogar auf dem Bürostuhl. Dehnen, strecken, drehen, atmen – alle Anwendungen muten simpel an, trotzdem spürt man unmittelbar, wie es im Körper arbeitet, kribbelt und knackt und verrutschte Wirbel wieder in Position rücken. Eine gelungene Yoga-Einführung also, die zudem in jedes Reisegepäck passt. Eva Buchhorn Eric Czotscher, Danja Hetjens:
„Yoga-Tools für Supermanager“; Frankfurter Allgemeine Buch, 182 Seiten, 17,90 Euro. mm-Bewertung:
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KOLUMNE
Bonusbanker am Ende? Das Gesetz stellt Ansprüche ins Risiko, die der Mit arbeiter längst verdient hat. VON PETER RÖLZ
deren Nachbeben noch immer die südeuropäischen Volkswirtschaften erschüttern, stehen Banker unter Generalverdacht. Als „Bonusbanker“ oder gar „Gierbanker“ geschmäht, gelten Finanzprofis weiten Teilen der Bevölkerung als Mitauslöser der Krise. Vor allem die Art und Weise ihrer Bezahlung wird kritisch beäugt. Auch die Politik wollte sich der Stimmungsmache gegen die Bankerkaste nicht verschließen. Die eigenständige Eindämmung übersteigerter Bonuszahlungen traut der Staat den Bankeigentümern und Aufsichtsräten offensichtlich nicht zu, Gesetze mussten her. Das Ziel: Variable Vergütungen sollen nicht länger an kurzfristigen Gewinnen, sondern an einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung ausgerichtet werden. Fehlanreize und die Ermunterung zu übermäßigen Risiken sollen vermieden werden. Einen ersten Schritt in diese Richtung stellte das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) im Jahr 2009 dar. Ein weiterer Eingriff in die Regelungsautonomie der Bankenwelt erfolgte dann durch die Instituts-Vergütungsverordnung (InstitutsVergV): Seit Oktober 2010 müssen Kreditund Finanzdienstleistungsinstitute neue aufsichtsrechtliche Anforderungen an ihre Vergütungssysteme beachten.
SEIT DER LETZTEN GROSSEN FINANZKRISE,
DIE INSTITUTS-VERGÜTUNGSVERORDNUNG nimmt die Geschäfts-
leitung in die Pflicht. Das Topmanagement höchstpersönlich muss sich nun um eine angemessene Ausgestaltung der Vergütungssysteme kümmern. Das klingt machbar – wenn nur die Verordnung klar zum Ausdruck brächte, was unter einer „angemessenen“ Vergütung zu verstehen ist. Genau das lässt die Regelung aber vermissen. In Paragraf 3 Abs. 3 heißt es stattdessen recht allgemein, Vergütungssysteme seien „angemessen“ gestaltet, wenn Anreize „zur Eingehung unverhältnismäßig hoher Risiken vermieden“ werden und „die Vergütungssysteme nicht der Überwachungsfunktion der Kontrolleinheiten zuwiderlaufen“. In Abs. 4 heißt es, Anreize zur Eingehung unverhältnismäßig hoher Risiken seien insbesondere gegeben, wenn eine „signifikante Abhängigkeit“ des Geschäftsleiters oder Mitarbeiters von der variablen Gehaltszahlung bestehe. Oder wenn die Zahlung selbst bei Beendigung der Tätigkeit im Unternehmen in voller Höhe beansprucht werden könne, trotz „individueller negativer Erfolgsbeiträge“. 128
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Geht es verwaschener? Wohl kaum. So bewirkt die Verordnung vor allem eines: Sie hat eine neue Spielwiese für Berater eröffnet, Rechtssicherheit sieht anders aus. Noch strengere Sonderregeln gelten für Mitarbeiter, die Einfluss auf das Gesamtrisikoprofil der Bank haben und bei sogenannten „bedeutenden“ Instituten beschäftigt sind. Als bedeutend gelten jene Kreditinstitute, deren durchschnittliche Bilanzsumme in den letzten drei Geschäftsjahren bei mindestens zehn Milliarden Euro lag. Diesen Mitarbeitern – ihre Risikorelevanz muss die jeweilige Bank zunächst selbst feststellen – regiert die neue Verordnung en détail in ihre Vergütungsabrede hinein. Das Verhältnis von kurzfristigen zu langfristigen Boni wird explizit vorgegeben. Je nach individuellem Aufgaben- und Risikoprofil müssen mindestens 40 Prozent der Bonussumme über einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren gestreckt werden. Bei Geschäftsleitern sind es sogar mindestens 60 Prozent. Die Regelungen schränken die Liquidität der betroffenen Manager ein und bringen Zinsnachteile. Das mag man für verkraftbar halten. Zu bedenken ist aber auch ein anderer Effekt, der dem fundamentalen Vergütungsprinzip „Geld gegen Leistung“ widerspricht: Durch die Verlagerung der Bonuszahlungen in die Zukunft wird der Manager quasi abhängig von der Performance seiner Nachfolger. Denn auch die von ihnen verantwortete weitere Geschäftsentwicklung fließt wegen des langen Auszahlungszeitraums in die Bonusberechnung mit ein. Das Gesetz stellt somit Ansprüche ins Risiko, die der Mitarbeiter eigentlich schon längst verdient hat. ETLICHE UNTERNEHMEN nutzen die neue Verordnung, um ihre Mitarbeiter zur Unterschrift unter restriktivere Vergütungsmodelle zu drängen. Dabei wird suggeriert, das neue Gesetz erlaube die Beihaltung der bisherigen Vergütungsregelung nicht. Dies ist falsch! Der Grundsatz, dass Verträge einzuhalten sind, ist weiter gültig. Das steht sogar ausdrücklich in der Verordnung. Nach Paragraf 10 soll die Bank lediglich auf eine Anpassung der Verträge „hinwirken“. Verweigert der Manager die Unterschrift unter die Vertragsänderung, wird dem Institut in vielen Fällen nur die Möglichkeit bleiben, eine einseitige Änderungskündigung auszusprechen. Dieser Weg ist steinig. Wohl dem Institut, das in den bislang geltenden Vergütungsregelungen vorgebaut hat. Zum Beispiel, in dem es sich einschlägige Widerrufsgründe vorbehalten hat oder die Zahlung einer variablen Vergütung sogar unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt hat. Ohne diese wirksamen rechtlichen Tricks wird der Versuch, einseitig in die vertragliche Bonusregelung des Managers einzugreifen, regelmäßig zum Scheitern verurteilt sein. ◆
Peter Rölz ist Geschäftsführender Partner der auf Arbeitsrecht spezialisierten Anwaltskanzlei Ulrich Weber & Partner in Frankfurt.
Norman Bücher, Motivationsexperte und Extremläufer, zu Gast in der manager-lounge Break your limits bedeutet, seine persönlichen Grenzen zu entdecken, diese zu überschreiten und neu zu definieren. Nicht nur im Extremsport – auch im Berufs- und Alltagsleben kommt es auf Eigenschaften wie Mut, Begeisterung, Ausdauer und Leistungsfähigkeit an. Einer der Topexperten auf diesem Gebiet ist Norman Bücher. Er ist DiplomsportmarketingManager, Unternehmensberater, Diplombetriebswirt sowie Sportund Fitnesstrainer.
„Break your limits – was das Business vom Extremsport lernen kann“
Aber in erster Linie ist Norman Bücher Abenteurer und Extremläufer. Er stellt sich waghalsigen sportlichen Herausforderungen und bestreitet die schwierigsten Marathons und Ultramarathons der Welt.
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ANGST VOR DEM CRASH M
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nialstil herrscht Hochbetrieb, obwohl ein Rinderfilet schon mal 35 Euro kostet. Doch das schreckt hier niemanden ab, denn das Lokal liegt direkt neben den Doppeltürmen der Deutschen Bank, und die Bonuszahlungen fließen wieder. Der Dax hat seinen Stand seit dem Krisentief vom März 2009 fast verdoppelt und thront über der 7000-Punkte-Marke.
STIEG DER GOLDPREIS SEIT ENDE JULI 2010 (IN DOLLAR)
KRISENWÄHRUNG Der Preisrutsch bei vielen anderen Rohstoffen Anfang Mai ging an dem Edelmetall fast spurlos vorüber. Gold bleibt begehrt als Währungsersatz, auch an der Warenterminbörse CME in Chicago.
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Von Hochstimmung an den Tischen ist hier jedoch keine Spur. „Wir wissen doch alle, dass unser System auf Dauer so nicht funktionieren kann“, sagt von Issendorff, Gründer von Tungsten Capital Management. Die Schulden, die Währungsturbulenzen, die Finanzspritzen der Zentralbanken. „Den Geist bekommen wir nicht mehr zurück in
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artin Lechner (42) und sein Geschäftspartner, der Hedgefonds-Manager Henning von Issendorff (44), bestellen CampariOrange. Dann ordert der Vermögensverwalter Steaks, denn für die ist der „Ivory Club“ bekannt. Im Frankfurter Restaurant mit dem dunklen Speisesaal im britischen Kolo-
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die Flasche, zumindest nicht ohne Verwerfungen.“ Der Aufschwung mit seinen Kursgewinnen und Bonuszahlungen wirkt genauso trügerisch wie der „Ivory Club“ selbst, wo die Elefantenstoßzähne in der Nische des Bibliothekszimmers aus Plastik sind und die Bücher in den Regalen ungelesen. Das Lokal ist die disneyhafte
Kopie einer untergegangenen kolonialen Ära, in der Europäer die Welt beherrschten. Das passt zur Stimmung der Banker und Fondsmanager hier, die eine bedrückende Ahnung plagt, dass auch ihre Welt da draußen bald ebenso unwiederbringlich vergangen sein könnte. Lechner wird sich tatsächlich schon bald aus der Ferne an Europa erinnern.
Der Managing Partner des Multi Family Offices Corecam ist dabei, mit seiner Familie nach Singapur zu ziehen. Er folgt dem Geschäft, denn selbst in der Schweiz, wo Lechner derzeit seiner Arbeit nachgeht, wollen die Kunden nicht mehr ihr gesamtes Vermögen haben. Die Angst vor dem großen Crash treibt die Vermögenden und ihre Berater um.
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KURSABSCHLAG FÜR GRIECHEN-ANLEIHEN
EUROKRISE Athener Anleihen mit zwei Jahren Laufzeit werden für 80 Prozent des Nennwerts angeboten. Falls sie doch voll zurückgezahlt würden, betrüge die Rendite 25 Prozent. Kaum jemand glaubt daran.
Ein Bankrott Griechenlands würde einen ähnlichen Schock an den Märkten auslösen wie die Pleite des Geldhauses Lehman Brothers, warnt der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark (63). Banken halten noch immer viele Staatsanleihen, weil die nach den Bilanzierungsregeln als risikolos gelten und kein Eigenkapital für mögliche Verluste zurückgelegt werden muss. Dabei brauche es nicht einmal Staatspleiten, um das Finanzsystem ins Wanken zu bringen, sagt Mark Mobius (74), der für den Anbieter Franklin Templeton einen der größten Fonds für Aktien aus Wachstumsmärkten verwaltet. „Es kommt definitiv eine weitere Finanzkrise hinter der nächsten Ecke, weil wir keines der Probleme gelöst haben, die zur vorigen Finanzkrise geführt haben“, prophezeit Mobius, der seit Jahrzehnten Südamerika und Asien bereist und daher mehr Finanzkrisen aus nächster Nähe erlebt hat als die meisten Zeitgenossen. GELDENTWERTUNG: Hohe Schulden der Industrienationen machen eine schleichende Entwertung des Geldes und damit auch der Schulden für Regierungen immer wahrscheinlicher. Warum, das zeigt die US-Ökonomin Carmen Reinhart (55) in einer neuen Studie: Von 1945 bis 1980 waren die realen Zinsen, also die Nominalsätze bereinigt um die Teuerungsrate, in den Industrienationen in rund 17 Jahren negativ – Anleger in den USA und Großbritannien verloren dann Geld mit Staatsanleihen, und zwar im Durchschnitt 3 bis 4 Prozent pro Jahr. In Australien und Italien schrumpfte das Vermögen in solchen Jahren wegen der dort höheren Inflation sogar um 5 Prozent. Deutschland mit seiner strengen Bundesbank war dagegen ein Hort der Stabilität – bis der Euro und die Finanzkrise kamen. In Zukunft kann auch Deutschland diesen strengen Kurs nicht fortsetzen, schon weil die Europäische Zentralbank den weichen Kurs vorgibt. Reinhart, die das Standardwerk über Finanzkrisen („Dieses Mal ist alles anders“) geschrieben hat, nennt diese Strategie der Schuldenstaaten finanzielle Repression. Der Ausweg bestehe in einer stillen Form der Umschuldung, ohne laute Debatten. „Um den aktuellen Schuldenüberhang in den Griff zu beBANKPLEITEN:
SPEKULATION Konflikte in Nordafrika trieben den Ölpreis hoch,
doch dann wurde das wichtige Gut binnen Tagen 12 Prozent billiger. Aufseher nennen die Spekulation als Grund.
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RÜCKSCHLAGSGEFAHR Dem zeitweise auf 7500 Zähler
gestiegenen Index drohe nun ein Absturz bis auf 6000 Punkte, sagt Feri-Chefstratege Heinz-Werner Rapp.
Wer viel Geld hat, der möchte es schon gar nicht in Dollar, Yen oder Euro aufbewahren, aus Angst vor Geldentwertung, Staatsbankrotten und Systemkollaps. Tief sitzt das Misstrauen gegen Politiker, die versuchen, die Schuldenkrise durch noch mehr Schulden zu bekämpfen. manager magazin nennt die größten Crash-Risiken und sagt, wie Anleger ihr Geld davor sichern können. STAATSPLEITEN: Die Umschuldung Griechenlands gilt Investoren mittlerweile als unvermeidlich. Denn ein Land mit so geringer Wettbewerbsfähigkeit kann keinen Schuldenberg abtragen, der auf 132
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mehr als das Anderthalbfache der jährlichen Wirtschaftsleistung angewachsen ist. Auch Irland und Portugal drohen Zahlungsausfälle. Die Finanzgemeinde hofft, dass wenigstens das weit größere Spanien sich aus der Schuldenfalle befreien kann. Finanzguru Jim Rogers (68) glaubt aber nicht mehr an eine glorreiche Zukunft für die Einheitswährung. „In 15 Jahren gibt es den Euro nicht mehr“, sagt der Hedgefonds-Manager. Selbst wenn Europa den Amerikaner Lügen strafen sollte, wäre die Rettung teuer und höchst turbulent.
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PREISRUTSCH BEI ERDÖL
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Private Banking Anlagestrategien
RAUS AUS DEN SCHULDENWÄHRUNGEN:
„Die wichtigste Frage ist heute: In welcher Währung und in welchem Edelmetall bewahre ich mein Vermögen auf?“, lautet der Fundamentalbefund von Finanzprofi Lechner. Als Fluchtziele nennt er asiatische Währungen und Devisen von Staaten mit großen Rohstoffvorkommen, so wie Norwegen und Kanada. Eine wenig bekannte Möglichkeit, in einer starken Währung anzulegen, sind kanadische Investmenttrusts. Diese Finanzvehikel finanzieren unter anderem Ölfelder, Minen, Gasthäuser, Flugzeuge oder Geldautomaten. „Investment Trusts haben minimale Kosten und hohe Dividenden“, sagt Hendrik Leber (54), Gründer und Chef des Fondsanbieters Acatis. Neuerdings werden immer mehr Trusts an die Börse gebracht – und Leber möchte 40 Prozent seines Fonds Wallberg Acatis Value Inside damit bestücken. „Die Dividendenrendite liegt meist zwischen 7 und 8, manchmal auch bei 10 Prozent“, so der Fondsmanager. Durchaus interessant erscheint eine weitere Strategie, mit der man auf starke Rohstoffwährungen setzen kann: russische Aktien. Die kosten im Durchschnitt nur das Siebenfache des Vorjahresgewinns – damit bieten sie einen ausreichenden Risikoabschlag, etwa für politische Risiken. Ölkonzerne wie Lukoil und Gazprom seien nach Kursverlusten von rund 20 Prozent im April und Mai attraktiv, sagt Lechner. Die Schwellenländer-Experten der USFondsgesellschaft Batterymarch sehen in Russland ebenfalls „ausgezeichnete Einstiegsmöglichkeiten für langfristige Investoren“, auch weil die Wirtschaft vom staatlichen Ausbau der Telekommunikations- und Transportnetze profitiert. Die Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr werde dagegen nur geringe Auswirkungen auf die Börse haben. Eine bei Dollar-Flüchtlingen besonders angesagte Währung ist der chinesische Renminbi, in den Großanleger wie Lechner über Konten in Singapur und Hongkong investieren. Der Anteil des Renminbi an den Einlagen der Sonder-
verwaltungszone ist seit Anfang 2010 von einem auf fast 8 Prozent explodiert. Für Euro-Anleger sind reine Währungswetten auf den Renminbi riskant, weil der an den schwächelnden Dollar gekoppelt ist. Sinnvoller ist es, mittels chinesischer Aktien auf den Wachstumsmarkt zu setzen. Der Zeitpunkt für den Einstieg ist günstig: Die Titel an der Schanghaier Börse kosten im Durchschnitt nur das 15,3-Fache der Vorjahresgewinne, sind also günstiger zu erwerben als bei den Börsentiefständen der vergangenen Jahre – das spricht für eine baldige Kehrtwende nach oben. Auch die stark in Asien präsente Investmentbank Macquarie blickt zuversichtlich auf die Wirtschaftsmacht in Fernost. „In China erwarten wir, dass sich die Inflation im zweiten Halbjahr abschwächt, sodass dann die Notenbank nicht weiter bremsen muss. Dies ist für mich der größte Positivfaktor im globalen Gesamtbild“, sagt Macquarie-Stratege Matthias Jörss (50). RAUS AUS STAATSANLEIHEN: Früher hatten Vermögensverwalter ein geregeltes Leben: Bundesanleihen und US-Treasuries ordern, dazu ein paar Pfandbriefe ins Kundendepot legen und früh Feierabend machen. Die Zeiten sind vorbei. „Wer heute noch glaubt, ein risikoarmes Portfolio besteht zu 80 Prozent aus Staatsanleihen, der muss umdenken“, sagt Heinz-Werner Rapp (49), der für die Anlagestrategie des Vermögensverwalters Feri verantwortlich ist. Er empfiehlt, nur einen kleinen Rest von 10 Prozent in Anleihen zu stecken. Stattdessen rät er langfristig zu einem Aktienanteil von rund 40 Prozent. Denn Aktien sind Sachwerte – sie stellen Anteile an Fabriken und Dienstleistern dar.
„Papiergeld ist heikel“ Thorsten Polleit, Chefvolkswirt Deutschland von Barclays Capital Herr Polleit, die Schuldenkrise sorgt für Unruhe an den Märkten. Wo können Anleger jetzt noch beruhigt investieren?
POLLEIT Die Verfassung des Papiergeldsystems ist tatsächlich heikel. Wer Inflation fürchtet, kann in Sachwerte investieren. Heißt das: Gold kaufen?
POLLEIT Ja, denn Gold ist und bleibt das ultimative Zahlungsmittel. Ist das Edelmetall mit mehr als 1500 Dollar pro Feinunze nicht schon zu teuer?
POLLEIT Wenn die Staatsschulden wachsen, dürfte der Goldpreis in Euro und Dollar noch sehr viel höher steigen. Sind Aktien als Sachwerte trotz der Krisengefahr empfehlenswert?
POLLEIT Durchaus, denn Aktien sind Anteile an Unternehmen, und die sind das Herzstück unseres Wohlstands. Wer Aktien hält, dürfte bei Währungsturbulenzen besser fahren als der Anleihebesitzer. Läuft die Aktienrallye noch zwei, drei Jahre – oder war der Rückgang der Rohstoffpreise Vorbote eines Crashs?
POLLEIT Die Märkte schwanken immer stärker und reagieren erratischer, zuletzt auf enttäuschende Konjunkturnachrichten. Aber der Entwicklungspfad der Aktienkurse und Rohstoffpreise dürfte weiter nach oben zeigen.
NACH RÜCKSCHLÄGEN AKTIEN KAUFEN:
Die Schuldenkrise in Europa, Japan und den USA sorgt dafür, dass uns die Wackelbörse erhalten bleibt. „Anleger sollten daher aktuell nicht stärker in den Markt einsteigen, wenn der Dax bei mehr als 7000 Punkten steht, sondern lieber Geld auf dem Konto halten, um nach Rückschlägen von 10 oder 20 Prozent Aktien zu kaufen“, rät Rapp. Der Dax könne in den kommenden zwölf Monaten durchaus auf 6000 Punkte fallen. Wer Aktien hält, muss deshalb aber nicht verkaufen. „Jetzt braucht man Investments, mit denen man Kursrückschläge überstehen kann“, sagt Boris Boehm (46), Co-Gründer der Fondsge-
Also rein in den Dax, selbst wenn er schon bei mehr als 7000 Punkten steht?
POLLEIT Die deutsche Wirtschaft läuft auch dank der niedrigen Zinsen erstaunlich gut. Doch statt einen Index zu wählen, würde ich lieber einzelne, attraktiv bewertete Unternehmen mit stabilem Geschäft suchen – auch in rohstoffreichen Märkten wie Russland, Australien oder Kanada. ◆ FOTO: TIM WEGNER / LAIF
kommen, könnte eine ähnliche Politik wiederkehren“, sagt die Ökonomin. Kein Wunder, dass Groß- und Kleinanleger sich um den Wert ihres Ersparten sorgen. Aber wie lässt sich das Vermögen vor Staatskrisen und Geldentwertung schützen?
Notenbankkritiker Polleit setzt seit 2004 auf stabiles Gold
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Private Banking Anlagestrategien
FOTO: LINKEDIN / DPA
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KURSPLUS BEIM BÖRSENGANG
INTERNETBOOM LinkedIn-Chef Jeff Weiner verdoppelte den Wert seines Unternehmens am ersten Handelstag. Nun planen Zynga und Groupon ihre Debüts.
EINBRUCH BEIM SILBERPREIS IM MAI
FOTO: ULRICH ZILLMANN
30 %
ROHSTOFFCRASH Der Preis pro Feinunze Silber kollabierte, nachdem die Terminbörse Chicago höhere Sicherheiten von Spekulanten forderte und die massenhaft verkauften.
sellschaft Aramea Asset Management in Hamburg. „Daher sind Discountzertifikate auf deutsche oder europäische Aktienindizes sinnvoll.“ Die bieten einen Schutz gegen Kursverluste und dennoch häufig eine attraktive Rendite. Der Preis für die Absicherung richtet sich nach der Schwankungsstärke der Aktienmärkte. Allerdings müssen Anleger auf die Finanzkraft der Bank achten, die ein Zertifikat herausgibt. „Für eine gewisse Zeit ist das Risiko verkraftbar“, urteilt Boehm. GOLD ALS ABSICHERUNG: Wer den Papierwährungen misstraut, hat in Gold eine Alternative, sagt Feri-Stratege Rapp: „Gold sollten Anleger als Absicherung im Depot haben“ – und natürlich als
Risikovorsorge gegen einen Systemabsturz. Derzeit empfiehlt Rapp einen Goldanteil von 5 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es noch 10 bis 15 Prozent, bis der Goldpreis auf mehr als 1500 Dollar pro Feinunze stieg und Feri dazu riet, Gewinne mitzunehmen. Große Sprünge erwartet Rapp vom Goldpreis 2011 nicht mehr, hält das Edelmetall langfristig aber für unverzichtbar zur Risikoreduzierung im Depot. „Es kann sein, dass man eines Tages 25 Prozent Gold im Depot haben muss“, sagt er. Wer, so wie viele Anleger, noch kein Gold hat, sollte schon jetzt langsam einen Anteil aufbauen, indem er Münzen oder Barren kauft. Auch Gold-
Stabile Werte für turbulente Zeiten Aktien von Unternehmen mit krisenfestem Geschäftsmodell Wert
ISIN
Barrick Gold Carlsberg (Bier) China Yurun Food Christian Dior CNOOC (Öl) Gazprom (Öl) Lukoil (Öl) Pernod-Ricard Xstrata (Rohstoffe) Yara (Düngemittel) AG Growth Int. (Agrartechn.) DirectCash Payments Legacy Reserves (Öl/Gas)
CA0679011084 DK0010181759 BMG211591018 FR0000130403 HK0883013259 US3682872078 RU0009024277 FR0000120693 GB0031411001 NO0010208051 CA0011811068 CA25456A1030 US5247073043
Kurs-Gewinn-Verhältnis* Dividendenrendite* 10,0 14,3 15,8 15,0 10,3 4,5 5,2 16,2 8,0 10,2 17,4 15,2 20,0
*Durchschnitt der Analystenschätzungen für das Jahr 2011, Dividendenrendite in Prozent; Quelle: manager magazin, Bloomberg
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1,1 1,1 1,7 2,2 3,6 1,5 3,2 2,1 1,4 1,9 5,0 6,3 7,7
minenaktien wie die von Barrick Gold sind nach der Kurskorrektur von fast 20 Prozent wieder interessant. SPEKULATIONSBLASEN MEIDEN: Die Sonderstellung von Gold als Ersatzwährung zeigte sich beim jüngsten Preisrückgang anderer Rohstoffe: Während der Silberpreis im Mai um 30 Prozent einbrach, gab Gold nur um 5 Prozent nach. Aber auch bei Industriemetallen, Öl oder Agrargütern kommt es immer wieder zu gefährlichen Spekulationsblasen. „Die Rohstoffpreise schwankten in den vergangenen Monaten stärker als die Aktienkurse, weil so viele Finanzinvestoren in den zum Teil kleinen Märkten aktiv sind“, sagt Henning Beck (38), der bei Lupus alpha Rohstoff-Fonds verwaltet. Die Folge: Wenn es an der Börse abwärts geht, verkaufen Spekulanten nicht nur ihre Aktien, sondern auch Öl, Kupfer und Weizen. Rohstoffanlagen bieten deshalb seit dem massenhaften Einstieg von Spekulanten vor wenigen Jahren keine Absicherung gegen Aktienkursverluste mehr, stellten Ökonomen der Universität Princeton in einer Studie fest. SACHWERTE KAUFEN: Wer sein Geld vor der Inflation sichern und auf Sachwerte setzen möchte, kauft Aktien von Firmen mit stabilem, nachhaltigem Geschäftsmodell (siehe Tabelle). Manche Agrarwerte an der Börse seien ebenfalls attraktiv, sagt Rohstoff-Fondsmanager Beck. Sinnvoll ist auch der Kauf einer selbst genutzten Immobilie. Allerdings sind die Preise in Städten wie Hamburg und München in den vergangenen drei Jahren bereits um mehr als 10 Prozent gestiegen. Lupus-alpha-Manager Beck sucht seit einem halben Jahr ein Haus im Raum Frankfurt, bisher waren ihm alle Angebote zu teuer. Feri-Stratege Rapp hält es dennoch für möglich, mit Immobilieninvestments auch in Deutschland 5 bis 6 Prozent Jahresrendite zu erzielen. Die Angst vor der Inflation und die niedrigen Euro-Zinsen dürften die Preise weiter in die Höhe treiben, prophezeit er. Derweil ist Vermögensverwalter Lechner bereits in Asien auf Wohnungssuche. Dort sind Mieten und Preise zwar ungeheuerlich hoch, aber dafür die Steuern niedrig. Außerdem gibt es Bars im echten, alten Kolonialstil. Und die Steaks sollen in Singapur auch nicht schlechter sein als in Frankfurt. Mark Böschen
Täglich mehr als eine Antwort .
Private Banking Schweiz
Das verlorene Paradies SCHWEIZ Die geplante Abgeltungssteuer
versetzt Steuersparer in Unruhe. m Sommer ist Schluss: Dann endet der Status der Schweiz als Paradies für deutsche Steuerflüchtlinge. In wenigen Wochen wird die Berner Regierung das Steuerabkommen mit Berlin unterzeichnen und auf Kapitalerträge der deutschen Steuerpflichtigen dort eine Abgeltungssteuer von 26 Prozent erheben. Kehrt jetzt endlich Ruhe an der Steuerfront ein? „Im Gegenteil, es herrscht gewaltige Unruhe“, sagt ein Anlageberater, der überwiegend deutsche Klienten betreut. Er werde laufend von Kunden angerufen, die ihr Geld außer Landes bringen wollten, bevor die neue Steuer sie treffe, klagt der Berater. Fest steht: Schweizer Vermögensverwalter verlieren einen ihrer größten Vorzüge gegenüber der internationalen Konkurrenz. „Mit Steuervorteilen werden die Geldhäuser in Zukunft nicht mehr werben können“, sagt der MitFOTO: [M] MAX LAUTENSCHLAEGER / VISUM, C. SCHMIDT / PLAINPICTURE
I
arbeiter einer Genfer Privatbank. In den kurz vor dem Abschluss stehenden Verhandlungen versuchen die Eidgenossen jetzt noch zu erreichen, dass sie so wenige Informationen wie möglich über die Kundschaft weitergeben müssen. Ein ähnliches Abkommen handeln die Schweizer derzeit mit den Briten aus. AUF DEM SPIEL STEHEN enorme Beträge: In den Geldschränken des kleinen Landes lagerten Ende 2010 rund 2100 Milliarden Dollar an großteils unversteuertem Auslandsvermögen, schätzen die Unternehmensberater der Boston Consulting Group. Selbst wenn die eidgenössischen Bankiers nur 0,5 Prozent Verwaltungsgebühr daran verdienen würden, wären das elf Milliarden Dollar pro Jahr. Deutschland ist das größte Herkunftsland von schwarzen Geldern in der Schweiz. Rund 10 Prozent der Offshore-
Vermögen, so die Schätzung der Berater, stammen von hier (siehe Grafik). Allerdings könnte diese Spitzenposition bald Geschichte sein – falls die deutschen Vermögenden ähnlich drastisch reagieren wie die Amerikaner, die 2006 noch die größte Gruppe der Steuerflüchtlinge stellten. Doch seit die amerikanische Administration mit der vollen Härte des Gesetzes gegen windige Steuersparmodelle der Schweizer Großbank UBS vorgegangen ist, hat sich das geändert. Der Anteil von US-Kapital an den gesamten Auslandsgeldern in der Alpenfestung sank innerhalb von vier Jahren von 18 auf rund 5 Prozent Ende 2010, so Boston Consulting. „Die Zahlen spiegeln den Rückzug einiger Schweizer Banken aus dem US-Geschäft wider“, sagt ein Brancheninsider in Basel. „Das Risiko, erhebliche Probleme mit den amerikanischen Behörden zu bekommen, ist einfach zu groß.“ Deutsche Steuerhinterzieher haben den Vorteil, dass Berlin von den Eidgenossen weiterhin keine Namen erhält. Die USA werden dagegen ab 2013 von Banken Informationen über Kunden mit US-Steuerpflicht oder auch nur USVermögenswerten einfordern. Die Schweizer verteidigen ihr Bankgeheimnis gegenüber Berlin wie ein Menschenrecht, als Wert an sich. Bald werden sie feststellen, welchen Wert die deutschen Kunden diesem Privileg beimessen – wenn sich damit kaum noch Steuern sparen lassen. Mark Böschen
Grenzgänger Woher stammen die Schweizer Offshore-Gelder in Höhe von 2100 Milliarden Dollar (in Prozent)? 1 Deutschland 2 Italien 3 Saudi Arabien 4 USA 5 Frankreich 0
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Grafik: manager magazin Quelle: The Boston Consulting Group
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Gemischtes Doppel POWERFRAUEN Immer mehr Männer sind offen
für Veränderung und lassen ihren Partnerinnen den Vortritt in der Karriere. Kommt die Revolution aus der Mitte des Establishments? VON GISELA MARIA FREISINGER
och nie haben Karl und Till Kolmsee den Anschluss verpasst. Es ist halb acht Uhr morgens in der Tutzinger Idylle am Starnberger See, weiß-blau wie im Königsmärchen leuchtet der Himmel über Bayern, und pünktlich schert der Bus zum Kindergarten ein. Der Karrierezug des Vaters allerdings, in dem er vor sechs Jahren, kurz vor Tills Geburt, saß, ist längst abgefahren. Mit 39 Jahren gehörte Karl Kolmsee damals dem Führungszirkel des Energieunternehmens Eon an, war als Vertriebschef zuständig für Europa und für 800 Millionen Euro Umsatz. Die Herren des Vertriebs zählen gemeinhin nicht zur Spezies der Softies. „Vertrieb bedeutet, du bist die Rampensau“, sagt Kolmsee. Die Rampensau kündigt natürlich nicht gleich, wenn die Frau ihr erstes Kind erwartet. Das Ehepaar Kolmsee hatte nur zwei ungewöhnliche Entscheidungen getroffen: ◼ Sie sollte nach der Geburt die Möglichkeit haben, ihre Karriere uneingeschränkt weiterzuführen. Anders wäre es auch gar nicht gegangen, denn Ines Kolmsee ist nicht irgendwer, sie ist die einzige deutsche Vorstandsvorsitzende eines in einem Daxsegment notierten Unterneh-
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mens, der SKW Metallurgie. Ingenieurin, Mathematikerin, Vorzeigesuperfrau und nun auch noch im Mutterglück! ◼ Er würde seine Führungsaufgabe in Teilzeit wahrnehmen, um die Familie vorrangig managen zu können. Doch Eon, ein Unternehmen, das sich gern als vorbildlich loben lässt, wenn es um Frauenförderung oder um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, konnte sich mit seinem Topmann nicht auf ein von der Norm abweichendes Arbeitsmodell einigen. Der Fall machte Furore, und Kolmsee ging. Eine Begebenheit wie diese löst heute noch Staunen aus. Nicht ob des Skandals, dass hier einer Topkraft die Möglichkeit verwehrt wurde, Führungsposten und Vaterglück zu verbinden. Die Verwunderung des Publikums gilt mehr der Tatsache, dass ein Mann auf die Bremse tritt, um seiner Frau die Vorfahrt an der Karrierekreuzung zu lassen. Hätten wir Zeit und Ort nicht längst verraten, spätestens jetzt wüssten wir – wir sind in Deutschland. Wo in den Chefetagen fast zu 100 Prozent die Männerquote gilt. In den 500 umsatzstärksten Unternehmen Deutschlands haben es gerade einmal 49 Frauen in die Topeta-
gen geschafft. Unter ihnen Cornelia Hulla, Vorstandsfrau bei Coca-Cola. Ohne die Unterstützung ihres Mannes wäre sie nicht dort angekommen. „Er hat sich stark in der Erziehung unserer Tochter engagiert, das hat mir geholfen.“ Bernhard Hulla selbst bedauert eher, in der Entwicklung der Tochter trotz alledem „auch einiges verpasst“ zu haben. Denn zeitgleich mit ihrem Heranwachsen baute er sein Consulting-Unternehmen Human Dynamics auf. Es gehört mittlerweile zu den größten seiner Art und managt in 50 Ländern Reformprojekte öffentlicher Verwaltungen. Veränderung ist sein Lebensthema. Wir besuchen den Ehemann in der Wiener Zentrale, einer noblen Jugendstiletage am Stadtpark. Von den 45 Mitarbeitern sind fast die Hälfte Frauen, auf der Topebene immerhin noch ein knappes Viertel. Zwischen all der Kunst in seinem Büro sticht ein selbst gemaltes Bild ins Auge: PAPA in großen Lettern und mit satten Farbkreisen umrandet. Ein junger Mann bietet Espresso an. Wenn es um Führung geht, hat Hulla seine Erfahrungen gemacht. „Für Frauen bedeutet Macht tatsächlich Verantwortung.“ Männer hingegen wollten auch die dazugehörigen Äußerlichkeiten, die Rituale, die Hackordnung, die Kumpanei des Inner Circle. „Frauen kommen in diesem Spiel nicht vor.“ In München erläutert uns Wirtschaftspsychologe Dieter Frey die Machtfrage etwas näher. „Männer sind es gewohnt, mit ihresgleichen zu agieren, und leben so in einer vertrauten Welt. In dem Augenblick, in dem das Gegenüber eine Frau auf gleicher Hierarchieebene ist, kommt es zu einem Kontrollverlust, einhergehend mit extremer Angst.“ Diese Situation empfinde ein Führungsmann als äußerst aggressiv. In den Dax-Vorständen hat sich neben fast 200 Herren die Zahl der Frauen neuerdings auf sechs erhöht: Barbara Kux und Brigitte Ederer bei Siemens; Angelika Dammann im Hause SAP; Christine Hohmann-Dennhardt bei Daimler; Regine Stachelhaus bei Eon; Margret Suckale bei BASF.
FOTO: BAERBEL MIEBACH FÜR MANAGER MAGAZIN
MANAGER PRIVAT
Manager privat Powerfrauen
Ines und Karl Kolmsee. Er gab seine Konzernkarriere bei Eon auf, um ihr den Rücken freizuhalten.
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Manager privat Powerfrauen
Energien für Entwicklungsländer will er Großes leisten. In dieser Mission reist er einmal im Monat nach Lateinamerika. Bei Kolmsees wird also viel organisiert; auch die Kinderfrau und das Au pair müssen flexibel sein. Und selbstredend vermisst er an schlechten Tagen die Machtinsignien des Konzerns, „das Dr.Wichtig-Gefühl“, erst recht die Millionen für neue Projekte. Wenn im Freundeskreis der Satz fällt, „die Ines ist eine tolle Frau, aber ich könnte mit so einer nicht leben“, überhört er es. Mit so einer, die der Boss ist, heißt der Gedanke zu Ende gebracht. Ihr Modell des Zusammenlebens, mittlerweile mit drei kleinen Kindern, ist aus den Anforderungen der jeweiligen Situation heraus gewachsen. Und er hätte von seiner Frau genauso erwartet, ihm den Rücken freizuhalten, wäre er vor ihr Vorstandsvorsitzender gewesen. Es sei der einzige Posten, den man nicht in Teilzeit machen könne, findet er. den Status quo infrage zu stellen. Ich bin eine kleine Rebellin“, triumphiert Angelika Dammann in die SAP-Kameras. Dass sie sich die Erziehungszeit des Sohnes mit dem Mann ge-
„ICH LIEBE ES,
teilt hat, ist selbstverständlich. Ein paar Türen weiter sitzt die Beraterin des Vorstandssprechers, Barbara Schaedler. Sie hat keine Kinder. Dennoch beschlossen sie und ihr Mann Hermann Venghaus, dass er seine Konzernkarriere beendet. Er war Anfang 50 und „hatte kein Problem, ein Modell anzunehmen, in dem meine Frau im Wesentlichen das Geld nach Hause bringt“, sagt der ehemalige Unternehmenssprecher. Jahrelang sind sie aneinander vorbeigejettet, nun sorgt er für Nestwärme, kocht, wäscht, hält das Haus in Ordnung und begleitet seine Frau gelegentlich auf Geschäftstermine. So ungewöhnlich der Rollentausch heute noch ist, so brüskierend empfand ihn die Welt in den 80er Jahren im Württembergischen, als Regine Stachelhaus und ihr Mann Willi sich dafür entschieden. Als Sohn Moritz zur Welt kam, war sie bereits auf der Karriereleiter bei Hewlett-Packard, ihr Mann schwankte noch zwischen Musik und Maschinenbau. Mit dem Kind kam die Entscheidung: Stachelhaus fand Selbstverwirklichung als Hausmann und Musiker. Anlässlich ihres Dienstantritts als Stellvertreterin des Präsidenten bei der
Nina von Stebut und Hubert Wiest mit ihren drei Kindern in Hongkong. Er folgte ihr ins Ausland.
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FOTO: MICHAEL WOLF FÜR MANAGER MAGAZIN
81 Prozent aller Chefinnen, so hat eine Studie von Odgers Berndtson ergeben, sind verheiratet oder leben in einer festen Partnerschaft. Weniger als die Hälfte (44 Prozent) hat Kinder, die Mehrheit (56 Prozent) also nicht. Die naheliegende Schlussfolgerung, Kinder und Topkarriere seien halt nicht vereinbar und Karrierekiller Nummer eins, stimmt aber gerade für diese Führungsfrauen nicht. Erstaunlicherweise benannte keine einzige von ihnen den Nachwuchs als Problem für den beruflichen Aufstieg. Fast die Hälfte (47 Prozent) aller, die bis zum Chefposten durchmarschieren, beschwerten sich hingegen über Vorurteile gegenüber Frauen sowie über mangelnde Chancengleichheit. Karl Kolmsee klagt nicht. Das Zusammenleben mit seiner Frau beruht trotz ihrer CEO-Position und der „Vorfahrtsregeln“ für berufliche Termine auf dem Anspruch der Gleichberechtigung. Auch einen klassischen Rollentausch gab es bei den Kolmsees nicht. Schon bald nach seinem Abschied von Eon wurde er Vorstand eines Biogas-Unternehmens und wagte dann mit den Unternehmen Smart Utilities und Smart Hydro Power den Sprung in die Selbstständigkeit. Mit alternativen
DER SCHRIFTSTELLER Ralf Bönt veröffentlichte jüngst in der „Süddeutschen Zeitung“ ein „Männer-Manifest“. Postwendend war das Fernsehen zur Stelle und mit ihm die Botschaft an die Massen: Er wolle sich nicht jeden Tag behaupten müssen und permanent in Konkurrenz stehen mit anderen, trotzt Bönt. „Ich möchte zu Hause sein und mehr Zeit mit meinen Kindern verbringen, das ist für mich das größte Glück, das ich bisher erlebt habe.“ Wohin nur geht die Reise des Mannes? Frauen und Männer sollten gemeinsam die klassische Rolle „untergraben und auseinandernehmen und daraus was Neues basteln“. Also sprach Bönt. Also neue Männer, wieder einmal? 30 Jahre, nachdem Ina Deter röhrte: „Ich sprüh’s auf jede Häuserwand, neue Männer braucht das Land.“ Und im Jahre drei, nachdem die Prinzen konterten: „Frauen sind die neuen Männer, ich kenne kaum noch einen Unterschied. Ich frage mich, warum es uns noch gibt?“ Ausdruck von Frust und Zorn über die Entwicklung der Frauenwelt? Beim NTT-Gründer Willi Neuhaus aus dem oberbayerischen Holzkirchen durchaus. „Die Frauen machen heute den gleichen Bockmist, wie ihn die Männer mittlerweile satthaben, und opfern alles für die Karriere“, empört er sich. Dass Neuhaus’ Partnerschaft mit der Scheidungsanwältin Jutta Schneider seit bald 30 Jahren gut läuft, ist allerdings auch der Tatsache geschuldet, dass er sich im selben Maße um die vier Kinder kümmert wie sie. Trotz aller Veränderungen: Wer verunsicherte Männer finden will im Land, kann lange suchen. Auf Frauen blicken
FOTO: BAERBEL MIEBACH FÜR MANAGER MAGAZIN
Bundesbank wurde Sabine Lautenschläger vor Kurzem gefragt, wie sie ihre immense Gehaltserhöhung empfinde. Ein bisschen unbeholfen erwiderte sie, sie könne sie gut gebrauchen, schließlich sei sie es, die die Familie ernähre. Niemals würde ein Mann so argumentieren, seine Versorgerrolle wird schließlich als selbstverständlich vorausgesetzt. En passant erfuhr das Land, dass die erste Frau an der Spitze der Bundesbank auch privat die Konventionen sprengt. Verändert sich mit dem Aufstieg der Frauen jetzt die Welt der Männer und sie sich gleich mit? Kommt die große Umwälzung des 21. Jahrhunderts mitten aus dem Establishment?
Elke und Achim Benning-Rohnke am Ammersee. Der Headhunter fragte ihn, ob sie Vorstand sein darf.
sie manchmal fassungslos. Gleich mehrere Führungskräfte berichten aus ihrer alltäglichen Arbeitswelt beinahe gleichlautend – Frauen machen alles 150-prozentig und verlangen nicht einmal eine Gehaltserhöhung oder eine Beförderung. Rufen wir dort an, wo wir Frust vermuten, in Hongkong, bei Hubert Wiest. Er ist im Gefolge seiner Frau Nina von Stebut dorthin gezogen. Sie will hochkommen bei der Münchener Rück, da ist ein Auslandseinsatz angebracht. Die drei Kinder, 10, 13 und 15, haben zuerst geweint und protestiert und sich dann doch sehr schnell an die neue Welt gewöhnt. Auch Wiest hat sich ruck, zuck organisiert, hat eine Haushälterin gefunden und sein Home-Office installiert. Nun arbeitet er entlang der Zeitverschiebung; nachmittags mit seinem Münchener Arbeitgeber, während er den Vormittag für seinen Roboterheld Lomoco nutzt und Kurzgeschichten für Kinder schreibt, die er über Podcasts und Hörbücher vertreibt. Dass seine Frau die Rolle der Versorgerin innehat, findet er nur gerecht. Schließ-
lich war es zu Zeiten, als sie promovierte und die Kinder klein waren, auch schon andersherum. Von seinem einstigen Job als Marketingleiter der Knauf-Werke ist das nun alles weit entfernt. Aber Wiest ist sich sicher, dass er ohnehin nur künftige Arbeitsmodelle vorwegnimmt, dass klassische Berufsbiografien immer weiter aufbrechen, Selbstständigkeit und Angestelltenverhältnisse sich abwechseln. „Es ist einfach mehr Fantasie gefragt.“ Wo also sind die todunglücklichen Ehemänner, von denen uns eine Verlagsfrau erzählte, die in Chefsphären aufstieg, und bewundert wurde für Kinder und Karriere. Ging sie mit ihrem Mann aus, kam stets die unvermeidliche Frage an den Gatten: „Und was machen Sie?“ Der aber konnte nichts vorweisen, was die Gesellschaft zu Ah- und Oh-Rufen stimuliert, ein bisschen Hausmanndasein, ein paar freiberufliche Projekte, und fertig war der Dauerfrust. Was Wunder, dass er den öffentlichen Auftritt an der Seite der Frau irgendwann verweigerte. Eine Ausnahme, oder rumoren viele manager magazin 7/2011
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Manager privat Powerfrauen
solcher Geschichten in familiären Dunkelzonen? Am Cuxhavener Nordseestrand ist heller Sonnenschein. Paul Lange und Simone Siebeke genießen ihren letzten Urlaubstag. Seit 25 Jahren leben sie zusammen und befeuern gegenseitig ihre Karrieren. Beide haben es weit gebracht. Er ist als Anwalt heute eine internationale Kapazität für Markenrecht. Sie hat bei Henkel den Aufstieg bewältigt, trägt den Titel Corporate Vice President Human Resources und ist für den Unternehmensbereich Kosmetik zuständig, weltweit. Umsatzvolumen: drei Milliarden Euro. Simone Siebeke ist auch ungeschminkt eine schöne Frau. Paul Lange wollte immer schon Kinder haben, aber für sie ging der Beruf vor. Bis kurz vor ihrem 40. Geburtstag der erste Sohn kam. „Das war halt das Opfer, dass die Wartezeit auf die Kinder sehr lang war“, sagt er. Die beiden Söhne, 8 und 6, quietschen derweil vor Vergnügen und batzen Matschsand für den Burgbau mit Papa. Angst vor Frauen in den Führungsetagen ist Lange fremd. „Eine erfolgreiche Frau ist eine Bereicherung, man kann auf der gleichen Ebene miteinander reden, das ist wichtig.“ Dass die Kinder mit Unterstützung einer Nanny aufwachsen würden, war von Anfang an klar, weil selbst an gewöhnlichen Arbeitstagen keiner der beiden vor 20 Uhr zu Hause ist. Auch Siebekes Eltern waren schon beide berufstätig. „Das Bewusstsein, dass ich als Kind nicht darunter gelitten habe, dass meine Eltern wenig Zeit für uns hatten, das hilft mir heute sehr.“ Und auch die Erfahrung, dass Leistung und Wertesystem durchaus unter einen Hut zu bekommen sind. „Meine Damen, suchen Sie sich Männer, deren Mütter berufstätig waren, denn die werden Sie unterstützen“, riet sie jüngst karrierewilligen jungen Frauen. IN AMERIKANISCHEN UNTERNEHMEN sind Aufstiegschancen für Frauen schon lange selbstverständlich. Gabriele Zedlmayer ist bei Hewlett-Packard durchmarschiert und als Vice President weltweit zuständig für Global Citizenship und Social Innovation. Ihr Name findet sich auf der „Newsweek“-Liste der 150 außergewöhnlichsten Frauen. Sie glorifiziert nichts, die Topkarriere hat
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Kinder und Karriere Frauen in Führungspositionen*,… … die verheiratet sind oder in fester Lebens gemeinschaft leben
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… die Kinder haben
Sie sind angetrieben durch*… … Begeisterung für die Aufgabe
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… Ehrgeiz
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… Macht … Geld und Status
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Elternzeit nahmen*… 2008 18
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Mütter
*Angaben in Prozent. Grafik: manager magazin Quelle: Odgers Berndtson und Statistisches Bundesamt
ihren Preis (siehe Interview rechts). „Dass sie die Fähigkeiten hat, die Familie zu ernähren, stand nie infrage“, sagt ihr Mann Stephan Zedlmayer. Gemeinsam haben sie entschieden, dass die Kinder im elterlichen Anwesen in Prien aufwachsen und dass er seine Stelle bei KPMG aufgibt. Dass es Söhne sind, hat ihm die schwere Entscheidung etwas leichter gemacht. Und doch: „Die gesellschaftliche Anerkennung ist nicht dieselbe, die man im Beruf erfährt.“ Aber er sieht immer mehr Väter, die in der Karriere zurückstecken oder längere Erziehungszeiten nehmen. Das gilt auch für Männer in Toppositionen. Jörg Erlebach etwa, Bereichsvorstand der Commerzbank im Risikomanagement, nahm zwei Vätermonate und machte eine erstaunliche Entdeckung: „Sie sind plötzlich kein fremder Mann mehr, wenn Sie nach Hause kommen.“ Als er in die Bank zurückkehrte, ging er zu seinem Vorstandschef Martin Blessing – Gatte einer höchst erfolgreichen Frau und Vater von drei Töchtern – und teilte ihm seine Entscheidung mit. Ganz Mann des Risikos, kündigte er, um sich
ab September ein Jahr freizunehmen. Und Blessing zeigte: Verständnis! Was ist los im Karrierekosmos der Wirtschaftshelden? Bekommen sie den Blues des Literaten Bönt, der manifestiert: „Ich habe es satt, immer nur nach Karriere und Erfolg beurteilt zu werden!“ Wie anders waren doch noch die Verhältnisse, als Achim Rohnke 1986 seiner künftigen Frau Elke Benning-Rohnke den Heiratsantrag machte. Da ging er zunächst zum General Manager bei Procter & Gamble, wo beide ihre Karriere starteten. Als das erste Kind zur Welt kam, waren sie in Toronto und machten eine erstaunliche Entdeckung: Mütter gingen selbstverständlich arbeiten; die „Canadian Mothercraft Society“ bot liebevolle Betreuung an. Zurück in Deutschland, gaben sie umgehend eine Anzeige auf: „Max (1) mit Kindermädchen Cindy sucht Spielgefährten.“ Cindy hatten sie vorsichtshalber mitgebracht, eine Kindergruppe kam schnell zusammen, und Benning-Rohnkes waren schon geübt in der gemeinsamen Organisation von Familie und Karriere. „In der Rolle des Alleinversorgers hätte ich mich unwohl gefühlt“, sagt er. Später erklärten die Eltern ihren beiden kleinen Söhnen, sie war mittlerweile bei Jacobs Suchard, die einzige Bereichsleiterin neben 79 Männern, er bei der WDR Mediagroup: „Mama arbeitet bei Milka, und Papa arbeitet bei der Maus.“ Wir treffen Achim Rohnke, Geschäftsführer der Bavaria Film Gruppe, zwischen einer Installation von Nam June Paik und anderen Skulpturen. Dass er Hollywood-Komödiant Steve Martin frappierend ähnlich sieht, passt zur Anekdote, die er über die Karriere seiner Frau erzählt, die 1996 in den Vorstand bei Wella berufen wurde. Der Headhunter rief zunächst bei ihm an, um sein Einverständnis zu erfragen. Zweimal wurde Achim Rohnke ins Bundeskanzleramt gebeten, und jedes Mal gehörte er zum kleinen Kreis der Nominierten, deren Unternehmen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stand. Auch bei der Bavaria besetzte er gleich den ersten freiwerdenden Geschäftsführerposten mit einer Frau. Warum? „Jede weibliche Führungskraft bringt neues Denken, neue Perspektiven, weniger Epauletten, mehr Konstruktives. Als Erstes ändert sich der Ton, er wird leistungsorientierter.“ ◆
Manager privat Powerfrauen
„Wir haben uns nie einschränken lassen“
Essenziell – ohne meinen Mann könnte ich diesen Beruf nicht ausüben. Mein Mann hält die Woche über die Stellung, während ich meistens nur am Wochenende zu Hause bin.
sehr gut zurechtkommen. Mein Mann ist auch praktisch begabt und fühlt sich in der Vaterrolle wohl. Wir haben uns nie von den gesellschaftlichen Konventionen einschränken lassen, obwohl man sich damals schon des Öfteren gängige Sprüche hat anhören müssen.
Wie kam es zu der Entscheidung, Frau macht Karriere, Mann bleibt zu Hause?
Wie reagieren Ihre Kinder auf die „Karrieremutter“?
Die IT-Branche war Anfang der 90er Jahre um einiges prosperierender und vielversprechender als die AuditingBranche, in der mein Mann beschäftigt war. Nach der Geburt der Kinder war ich zunächst zu Hause. Mein Mann hat sich trotzdem von Anfang an sehr engagiert um die Erziehung der Kinder gekümmert. Nach der Geburt unseres jüngeren Sohnes mussten wir eine Entscheidung fällen – damals gab es noch nicht die Möglichkeit, so mobil und flexibel wie heute zu arbeiten. Beide Jobs waren in München, und wir wollten, dass die Kinder am Chiemsee aufwachsen. Also entschieden wir uns für eine damals relativ ungewöhnliche Lösung – die Frau geht zurück in den Job, und der Mann bleibt daheim und kümmert sich um die Buben.
Früher eher neutral beziehungsweise negativ. Der jüngere Sohn ist oft demonstrativ von mir weggelaufen, wenn ich von einer Geschäftsreise nach Hause kam; der ältere hat sich im Gegensatz dazu immer gefreut. Ich denke, heute sind die beiden stolz auf ihre Mutter.
Wie wichtig war und ist die Unterstützung Ihres Mannes für Ihre Karriere?
Sind Sie manchmal neidisch auf Ihren Mann oder traurig darüber, dass Sie viel weniger mit den Kindern zusammen sind?
Eher traurig, man zahlt einen hohen Preis. Einmal saßen wir im Restaurant, die Kinder waren noch klein, und einer meiner Söhne hatte sich verletzt. Er lief heulend auf seinen Vater zu – ich saß daneben wie die neue Freundin meines Mannes. Das Kind beachtete mich überhaupt nicht. Letztes Jahr war ich einmal knapp zwei Monate am Stück in den USA und habe meinen jüngeren Sohn mitgenommen, er ging währenddessen auf eine US-Highschool. So lange waren wir seit seiner Geburt nicht mehr zusammen, das war ein tolles Erlebnis für uns beide. Was ist das Geheimnis Ihres funktionierenden Familienmodells?
Gegenseitiger Respekt und die Tatsache, dass wir beide mit unseren Rollen
Was glauben Sie, wie künftige Familienkonstellationen aussehen werden?
Hoffentlich ausgeglichener. Wenn Frauen und Männer durch die neuen technologischen Entwicklungen flexibler und mobiler sind und auch zunehmend von zu Hause aus arbeiten können, müsste es möglich sein, sich die Arbeit gerechter aufzuteilen. Das setzt voraus, dass Frauen genauso viel verdienen wie Männer, es gibt also noch einiges zu tun für die Gleichstellung der Frauen. Wie sehr erleichtern die neuen Kommunikationsmittel den Familienzusammenhalt?
Das hilft sehr. Wir skypen regelmäßig, wenn ich unterwegs bin, es ist schön, die Familie daheim zu sehen, der Kater marschiert dann auch schon mal durchs Bild. Entspricht es Ihrer Beobachtung, dass es tatsächlich eine wie auch immer geartete Angst der Männer vor dem Machtverlust gibt?
Nein, das kann ich so nicht nachvollziehen. Es kann aber noch kommen, wenn die Frauen ihre Möglichkeiten besser nutzen. Im Moment haben wir immer noch sehr wenige Frauen in wirklichen Führungspositionen. Wenn man bedenkt, dass 1934 die erste Frau in einen Aufsichtsrat bestellt wurde, haben wir in den vergangenen 80 Jahren relativ geringe Fortschritte gemacht. Ich bin allerdings
FOTO: PR
Gabriele Zedlmayer hat mit ihrem Mann den Rollenwechsel vollzogen. Sie macht Karriere, er hat den Beruf aufgegeben und ist Hausmann.
Gabriele Zedlmayer (51) ist Vice President bei Hewlett-Packard und engagiert sich für sozialen Fortschritt weltweit.
überzeugt, dass sich die Situation nicht linear weiterentwickelt, im Gegenteil, die Millennials-Generation wird das schlagartig ändern. Die jungen Leute sind selbstbewusster, sie sind viel besser im Multitasking, sie sind sehr gut ausgebildet, können sich auch ständig durch OnlinePlattformen weiterbilden, und sie fordern ihre Rechte forscher ein, als die Boomer oder die Generation X das getan haben. Was raten Sie jungen Partnern, wie diese Liebe, Karriere und Familie unter einen Hut bekommen können?
Es ist wichtig, dass sich junge Leute mit den neuen Technologien und den Webplattformen auskennen. Die Geschäftsmodelle verändern sich rasend schnell, und wer zukünftig erfolgreich sein will im Beruf, muss diese Veränderungen verstehen und sie zu seinem Vorteil nutzen. Dadurch bieten sich neue Möglichkeiten für Familien, durch flexibleres Schaffen Kinder und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können. Es ist nicht einfach in einem Land, in dem die Kinderversorgung noch sehr verbesserungsbedürftig ist, wie in Deutschland. Auch die Firmen müssen viel flexiblere Arbeitsmodelle anbieten, wenn sie den Wettkampf um die jungen Talente gewinnen wollen. Bei HP sind wir schon ganz gut unterwegs, Mitarbeiter können von zu Hause aus arbeiten oder mobil. Wenn die Millennials von den Firmen unterstützt werden, bekommen die das unter einen Hut – da bin ich ganz zuversichtlich. Aber Männer und Frauen sollten sich in die Erziehung der Kinder einbringen, auch wenn es eine einfache Lösung nicht geben wird! ◆ manager magazin 7/2011
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MANAGER UNTERWEGS VON SIBYLLE ZEHLE
Am Spreebogen anlegen DIESE VILLA IST EIN JUWEL. Sie liegt mitten im Herzen von Berlin,
aber in den Schlaf wiegt einen das Rauschen vorbeiziehender Schiffe. Sie verfügt gerade über 19 Suiten und Zimmer, aber bietet Service und Komfort eines Luxushotels. Und all den großen Häusern mit den bekannten Namen hat sie sogar noch etwas voraus: Die „Villa Abion“ am Spreebogen ist vermutlich die sicherste und diskreteste Unterkunft der ganzen Stadt. Die Tiefgarage mit direktem Hotelzugang benutzt die kleine Stadtresidenz zusammen mit den Mietern des gläsernen Bürokomplexes „Spree-Bogen“, also dem Bundesinnenministerium und den Unternehmensberatern von Roland Berger. Mithin ein perfekter Platz für Firmen, die ungestört im engsten Führungskreis tagen möchten – sie mieten das ganze Haus. Die Villa mit ihrer historischen Fassade, die zum benachbarten „Abion Hotel“ gehört, ist aber auch für hotelmüde Individualisten ein wunderbares „home away from home“ – mit eigener Sauna plus Fitness im Untergeschoss und herrlicher Joggingstrecke an der Spree. So nah fließt die Spree an den hohen Panoramafenstern der Villa vorbei, dass man sich fühlt wie auf einem Hausboot. Frühmorgens spiegeln sich die stolzen weißen Bürgerhäuser von gegenüber auf dem Wasser, nimmt tutend der Raddampfer „Europa“ seine Arbeit auf, und dann rauschen die Berliner Freizeitkapitäne auf ihren stolzen Jachten vorbei, als kämen sie nicht aus Kladow, sondern geradewegs vom Cap d’Antibes. Ein bisschen Ferienluft weht hier immer. Die Ausstattung ist modern, gediegen, viel edle Hölzer, schöne Lampen, mit maritimen Überraschungen und kolonia-
lem Charme. Die Bäder sind perfekt, man vermisst nur Petitessen wie Bettvorleger oder Bettwäsche besserer Qualität. Aber wir sind guten Mutes, seit ein paar Monaten erst gehört die Villa zur Ameron-Edition, der Boutiqueabteilung der AmeronBusiness-Hotels, und diese wiederum sind Teil der renommierten Althoff-Gruppe. Die gibt dem Villenjuwel garantiert den letzten Schliff. SO SITZEN WIR ENTSPANNT auf der kleinen Lounge-Terrasse und fragen uns, welche Magie diesem Spreebogen wohl innewohnt, dass er immer wieder Unternehmer inspiriert. Auf diesem Gelände wurde einst das schumannsche Porzellan produziert, hat der legendäre C. Bolle die Berliner mit Milch, frisch vom BolleWagen, versorgt, dann die Chiemgauer Familie Freiberger ihr EFA-Eis angerührt und schließlich Ernst Freiberger, der Sohn, mit der Übernahme einer maroden Pizzabäckerei genau hier 1976 sein Unternehmen begründet (heute Kliniken, Hotels, Immobilien). Ihm ist die gesamte Spreebogen-Bebauung zu danken, seiner Stiftung zudem die dortige „Straße der Erinnerung“. Jetzt geht man auf dem Weg zur Villa am Bronzekopf großer Deutscher wie Konrad Zuse vorbei, dem Erfinder des Computers. Warum haben die hässlichen Biergartentische (gehören zur „Lanninger Bar“ im „Abion“-Hotel) zwischen den Köpfen der Edlen nicht wenigstens alle Tischdecken? „Sind inner Wäsche. Ham keen Ersatz.“ Auch das ist Berlin. ◆ Sibylle Zehle bereist seit 25 Jahren die Welt auf der Suche nach dem perfekten Hotel und hat mehrere Bücher zum Thema veröffentlicht.
Ferien in der Stadt: Die „Aida“ vor der „Villa Abion“
Wie auf einem Hausboot: Eine „Waterside Suite“
Kontakt: „Abion Hotel Berlin“ Alt Moabit 99, 10559 Berlin Tel.: 0 30/39 92 03 99. Executive Zimmer ab 140 Euro www.abion villa.de
Pro: Die Lage im Herzen Berlins. Die diskrete Fürsorge der Residenz managerin Claudia Knoke. Die private Atmosphäre. Die moderaten Preise: Die Villa komplett 4520 Euro.
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Der besondere Tipp: Für maritime Ausflüge auf Berlins Wasserstraßen steht die traumschöne „Aida“ bereit. Baujahr: 1930 in Stockholm.18,4 m lang, 3,20 m breit, max. 20 Personen.
Kontra: Die Fliegengitter in den Fenstern lassen sich nicht öffnen. Das „Lanninger“, gut für Drinks und Lunch, müsste gepflegter sein, von der Terrasse bis hin zur Küche.
Unternehmer mit Führung qualität gehen neue Wege ehmen Herausfor erungen an und setzen ihre isione konsequent um Wir la en Preisverleihung mit ho h karätigen Persönli h eiten aus olitik und Wirts haft Höhe unkt ist die hrung er Entrepreneure un Finalisten des Wett e erbs. Im stimmu ollen m iente er lten er Fran furt er t ie herausragen en eistu Mut, Begeisterung, Verantwortungsbewußtsein und gesellschaftliches Engagement einzigartige Qualitäten, die erfolgreiche Unternehmer auszeichnen.
Erleben Sie die Auszeichnung visionärer Denker und tatkräftiger Unternehmer bei der Preisverleihung Entrepreneur des Jahres 2011 am 23. September 2011 in der Alten Oper Frankfurt.
Programm
Ehrung der Finalisten 2011
Prof. h. c. Lothar Späth, Ministerpräsident a. D.
Begrüßung
Georg Graf Waldersee, Vorsitzender der Geschäftsführung Ernst & Young GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Gefühle, Geld, Geist und Gehirn Neurowissenschaft für Unternehmer
Prof. Dr. med. Dr. phil. Manfred Spitzer
Preisverleihung Entrepreneur des Jahres 2011
Laudationes: Dr. Arno Balzer, Chefredakteur, manager magazin Hans-Theo Macke, Mitglied des Vorstands, DZ BANK AG Holger Steltzner, Herausgeber, Frankfurter Allgemeine Zeitung
Moderation
Wolfgang Glauner, Mitglied des Vorstands Entrepreneur des Jahres e. V.
Reservieren Sie bereits heute unter
[email protected] Weitere Informationen nden Sie unter www.entrepreneur-des-jahres.de
Eine Initiative von
Die Partner des Wettbewerbs
manager magazin
AUTOTEST
ONLINE Schwerpunktthemen im Internetangebot von manager magazin
Apple | Die Methode Steve Ergänzend zur Titelgeschichte über die globale Wirtschaftsgroßmacht Apple in diesem Heft (Seite 36) blickt mm online auf die verrücktesten Episoden der Karriere von Steve Jobs (Foto) zurück. Was verrät die Persönlichkeit des Gründers über die Kultfirma? Ab 24. Juni unter
FOTO: PAUL SAKUMA / AP / DDP IMAGES
www.manager-magazin.de/apple
Toyota | Baustelle D Der angeschlagene Autobauer kämpft um die Rückkehr an die Weltspitze (Seite 56). In seiner Online-Ausgabe rückt manager magazin den deutschen Markt in den Fokus und zeigt, wie Toyota hierzulande punkten will. Informationen und Analysen finden Sie unter
German Open BMW 640i Dem Tester gefielen vor allem die
Flanierqualitäten des Cabrios.
www.manager-magazin.de/toyota
Der überstürzte Ausstieg aus der Atomkraft stellt vor allem die deutsche Industrie vor enorme Probleme (Seite 90). Online finden Sie weitere Ergebnisse einer Exklusivstudie der Strategieberatung Roland Berger sowie ein Interview mit dem Berger-Partner Torsten Henzelmann. Unter www.manager-magazin.de/energie
Geld | Angst vor dem Crash Die Krise verunsichert die Anleger (Seite 130). Wie soll man jetzt investieren? Ein Interview mit BantleonChefvolkswirt Harald Preißler unter www.manager-magazin.de/crash
manager-magazin.de: Täglich Wirtschaft aus erster Hand 148
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it den 6er-Modellen von BMW kennt sich Nils-Holger Henning aus: Als Dienstwagen fährt der Vorstand des deutschen Browserspiel-Marktführers Bigpoint einen X6, das SUV-Coupé der Reihe. Folglich findet er am Testwagen sogar den gut getarnten Hebel zum Öffnen des Kofferraums: Das BMW-Emblem am Heck des Cabriolets lässt sich kippen. Im Cockpit irritiert Henning weder das berüchtigte iDrive-Element auf der Mittelkonsole, noch verwirren ihn die vielen anderen Knöpfe und Schalter, die über die Lenkradspeichen, die Bedienhebel links und rechts der Lenksäule und übers Armaturenbrett verteilt sind. Den asymmetrisch geformten Schalthebel der Automatik bedient der Computerspielspezialist wie einen Joystick. Ehrensache. Über die Motorisierung, die Antriebstechnik und andere Auto-Hardware des
M
neuen Gran Turismo macht sich Henning kaum Gedanken. Nach vielen Jahren Erfahrung mit BMW-Modellen weiß der IT-Manager, dass „die Marke ihre Autos grundsätzlich mit genug PS, Drehmoment und was man sonst noch so braucht“ ausrüstet. Außerdem mit „einem Höchstmaß an Solidität und Zuverlässigkeit“. So prügelt der 33-Jährige das 6er-Cabrio dann auch nicht über die FOTOS: CHRISTIAN O. BRUCH FÜR MANAGER MAGAZIN
Energie | Das wird teuer
Kultiviert und leise: der Reihen-6-Zylinder
Manager privat Autotest
Ab 28. 6. im Handel.
Steckbrief mm-Kritik: Mit seiner fast schon
straßenkreuzerhaft langgestreckten Karosserie sieht das neue 6er-Cabrio viel besser aus als sein Vorgänger, das noch unter dem plumpen Heck des „Bangle-Bürzels“ litt. Das Stoffdach sitzt perfekt, die Plätze im Fond sind überraschend bequem. Nur der Einstieg nach hinten ist mühsam. Technik (640i): Reihen-Sechszylinder
mit 320 PS/235 kW; Spitze: 250 km/h; CO2-Ausstoß 185 g/km. Nils-Holger Henning und der BMW 640i
SCHWERPUNKT:
Preis: ab 83 300 Euro.
PRODUKTIVER ARBEITEN Überholspur der Autobahn oder durch schnelle Slalomkurven auf Landstraßen, sondern nutzt den Gran Turismo, wozu er am besten taugt: zum Flanieren. Hierfür bietet Hamburg mannigfaltige Kulissen: entlang der Alster und am Jungfernstieg, in den Großen Bleichen und auf der Reeperbahn, an der Großen Elbstraße und schließlich entlang der Elbchaussee bis hinaus nach Blankenese. Unterwegs freut sich Henning an den Hightech-Neuerungen des 640ers: Eine Start-Stopp-Automatik und eine Rückgewinnung der Bremsenergie helfen beim Spritsparen. Ein raffiniertes Kamerasystem an allen Fahrzeugseiten warnt vor ungewollten Fahrspurwechseln und projiziert die Tempolimitschilder ins Head-up-Display. Fasziniert fährt NilsHolger Henning mit den Fingerkuppen über die hochglanzpolierten schwarzen Hölzer im eleganten Innenraum, über die präzisen Nähte des genarbten Leders, über den Breitwandbildschirm des Navigationssystems. „Das Format“, schätzt der Tester, „dürfte den aktuellen Größenrekord für Displays aufstellen.“ Am Elbstrand in Blankenese erprobt der Computerspielmanager dann, was ihn am meisten interessiert: die digitalen Kommunikations- und Unterhaltungssysteme des neuen 6ers. Die USB-
Schnittstelle liegt leicht erreichbar in der Mittelkonsole. Von dort aus lässt sich unter vielem anderen auch Hennings iPhone mühelos mit dem Musikspeicher der Hi-Fi-Anlage synchronisieren. Noch raffinierter sind die „BMWDienste“: fest installierte mobile Internetservices, die zum Beispiel nicht nur alle Parkhäuser in der Nähe eines Standorts anzeigen, sondern auch die Zahl der jeweils freien Stellplätze. Oder alle Restaurants, sortiert nach Kategorien von Fast Food bis Gourmet. Ein Nachrichten-Browser bringt Politik, Sport, Börsenkurse und Klatsch sauber gegliedert auf den Bildschirm. Selbst der frei (mit dem iDrive-Knopf) bedienbare Teil des Internetzugangs funktioniert für die kritischen Maßstäbe des Online-Profis „hinreichend schnell und einfach“. Insgesamt gefällt Nils-Holger Henning der neue 640er so gut, dass er sich kaum vom Fahrersitz trennen mag. Er kommt sogar zu spät zu seinem Notartermin, der sich ans Ende der Testfahrt anschließen sollte. „Wenn BMW nun noch seine Diebstahlschutzsysteme verbessert“ – dann könnte er sich „gut vorstellen, demnächst eines dieser neuen Cabrios zu kaufen“. Hennings X6 wurde unlängst gestohlen und gelangte nur zufällig zurück zu seinem Besitzer. Michael O. R. Kröher manager magazin 7/2011
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Teams motivieren, sich selbst organisieren, Stress minimieren – der Harvard-Ratgeber für Manager und Mitarbeiter WEITERE THEMEN: ■ PERSONAL Wann Weiterbildung die Rendite erhöht ■ ETHIK Wie Glaube und Gewinn zusammenpassen ■ E-COMMERCE Warum der Einzelhandel auf Online-Vertrieb setzen sollte www.harvardbusinessmanager.de
FOTO: [M] GAEL TURINE / REDUX / LAIF
LESERFORUM „Die Kommission schlägt zwar Verordnungen und Richtlinien vor, es sind aber die nationalen Regierungen und die direkt gewählten EuropaAbgeordneten, die sie beschließen.“ Pia Ahrenkilde Hansen, Sprecherin der Europäischen Kommission, Brüssel, zur mm-Geschichte über die Brüsseler EU-Bürokratie
nähe und Realisierbarkeit sicherzustellen. Dass dabei auch Experten aus anderen EU-Staaten als Deutschland zum Zuge kommen, ist selbstverständlich. Sie erwecken den Eindruck, dass ein Behördenapparat in Brüssel europäisches Recht schreibt. Dabei dürften Sie wissen, dass die Kommission zwar Verordnungen und Richtlinien vorschlägt, es aber die nationalen Regierungen und die direkt gewählten Europa-Abgeordneten sind, die sie beschließen. Zu Recht beschreiben Sie die wichtige Rolle, die der Europäische Rat der Staatsund Regierungschefs spielt. Doch Sie verschweigen, dass gerade von diesen Tagungen wesentliche Impulse für die Arbeit der Kommission ausgehen. Und dass umgekehrt Entscheidungen des Europäischen Rats oft auf Vorschlägen der Kommission beruhen. Pia Ahrenkilde Hansen,
Sprecherin der Europäischen Kommission, Brüssel
EU-Kommissionspräsident Barroso
Wenig Sachverstand HANIEL Dem Familienkonzern droht der Niedergang (mm 6/2011) Wer auch immer bei Haniel auf die Idee gekommen ist – es war sicher nicht nur das „Clan-Oberhaupt“, sondern auch der „kleine Kreis“ –, den ja nicht als Unternehmer, sondern nur als Berater tätigen Herrn Kluge als Unternehmenschef einzustellen, hat wohl selbst wenig unternehmerischen Sachverstand. Jetzt auch noch einigen der wenigen richtigen Unternehmer, den Vorstandsvorsitzenden der Haniel-Tochter Celesio, Fritz Oesterle, hinauszuwerfen, ist der Gipfel des Versagens. Horst G. F. Kramer, Lohr
Unermüdlicher Einsatz EUROPA Die Regulierungswut der Europäischen Kommission zu Lasten der Wirtschaft (mm 6/2011) In Ihrem Beitrag setzten Sie sich auf immerhin sechs Seiten mit der Politik der Europäischen Kommission auseinander. 150
manager magazin 7/2011
Allein die Kommission kommt selbst nicht zu Wort. Da ist es kein Wunder, dass der Text an der Wirklichkeit in entscheidenden Punkten vorbeigeht. Einige zentrale Beispiele: Ihre Kernthese, die Kommission suche sich aus Langeweile Themen zum Regulieren, weil sie in den wirklich wichtigen Fragen nichts zu sagen habe, ist abstrus. Die Antworten der Europäischen Union auf die Wirtschafts-, Finanz- und Schuldenkrise gehen maßgeblich auf Vorschläge der Kommission zurück. Kommissionspräsident Barroso hat unermüdlichen persönlichen Einsatz dabei gezeigt, die notwendigen Antworten auf aktuelle europäische und globale Herausforderungen zu finden. Das Beispiel Öko-Design-Richtlinie taugt in keinster Weise zum Beleg vermeintlicher Regulierungswut der Kommission: Abgesehen davon, dass die Entscheidung klima- und energiepolitisch richtig ist, waren es die Staats- und Regierungschefs unter deutschem Vorsitz, die 2007 den Grundsatzbeschluss darüber gefasst haben. Wir legen großen Wert darauf, dass unsere Vorschläge auf Grundlage von internem und externem Sachverstand sowie breiter öffentlicher Konsultationen zustande kommen, um ihre Realitäts-
Gefährliche Verlockung KOLUMNE Hermann Simon über Inflation und Preispolitik (mm 6/2011) Herr Simon hängt wohl dem Glauben an, dass eine Inflation die Schulden senkt oder gar total tilgt; dies war noch nie der Fall. Bei einer Hyperinflation wie in den 20er Jahren sanken die Schulden nicht, sondern stiegen in extreme Höhen. Dies gilt auch heute, der amerikanische Dollar verliert seit den 50er Jahren 80 Prozent seines Werts, die Schulden sinken nicht, sondern sind so hoch wie nie. Herbert Hagendorn, Reichartshausen
Preise, die der Markt hergibt, sind eine gefährliche Verlockung. Damit schlittern wir in eine unkalkulierbare Inflation. Die Manager müssen eine solche vermeiden, beherrscht und beherrschend – in ihrem eigenen langfristigen Interesse. Norbert Eichenseher, Tübingen
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Asien: Mezzomedia Ltd., Hongkong, Fax: (852) 25 81 22 39. Benelux: IMS, Gjalt Dijkstra, Fax: (35) 5 42-15 93. Frankreich/Monaco: Leadermedia France, Pierre-André Obé, Paris, Fax: (01) 53576915. Großbritannien: International Graphic Press Ltd., London, Fax: (20) 74 03 45 90. Italien: Mediart, Anke Brockmeyer, Porto San Giorgio, Fax: (07) 34 67 68 19. Österreich: SPIEGEL QC, Julia Meschede, Fax (089) 41 80 04-36. Schweiz: manager magazin, Georg von Bassewitz, Fax: (0 89) 41 80 04-36. Französischsprachige Schweiz: Publicitas International AG, Nadja Burri, Fax (61) 2 75 47 30. Skandinavien: SPIEGEL QC, Miriam Weißenborn, Fax (040) 30 07-27 16. Spanien: Heinrich Bauer Ediciones, Stefanie Franck, Fax: (91) 5 42 61 96. Türkei: Titajans Dis Tanitim Ltd. Sti., Hilmi Z. Erdem, Istanbul, Fax: (212) 2 87 00 99USA: World Media, Conover Brown, New York, Fax: (212) 2 44 53 21.
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REGISTER FIRMEN A Acatis......................133 Air Berlin ...................25 Aldi............................76 Allianz .......................31 Althoff .....................146 Amazon.....................44 Ameron ...................146 Apple.................36, 126 Aramea Asset Management...........134 Arcandor ...................54 Audi ..........................24 Aurubis .....................93 Axel Springer.......11, 41
Dorsch-Gruppe.......105 Dräxlmaier ..............106 Dresdner Bank ..........48 Dupont ......................30 DVB Bank .................68 DZ Bank ..............16, 46
IKB ......................31, 46 Inditex .......................73
Jacobs Suchard......144 JC Flowers ................52
Q
E
K
R
E.R. Schiffahrt...........68 Emi............................36 Emirates....................76 Eon ............30, 111, 140 Escada......................74 Esprit ........................25 Eurohypo ..................26 Evonik ................14, 30 Exxon........................36
Karstadt ....................32 Kaufhof ...............32, 48 KLM ..........................76 Knauf-Werke...........143 KPMG .....................144 Krupp ................48, 106
Result Group...........111 Roland Berger ...........14, 68, 92 Ruhr-Zink..................93 RWE Dea.................107 RWE..........................93
B
F
Babcock ...................48 Barclays Capital......133 Barrick Gold............134 BASF ..........30, 93, 107, ........................126, 140 Batterymarch ..........133 Bavaria Film ...........144 Baxter .......................88 Bayer ..30, 102, 111, 126 BayernLB ..................54 Beluga.......................66 Berenberg .................20 Bertelsmann .............36 Bigpoint ..................148 BMW ..................24, 52, ................106, 148, 154 Boehringer ..............111 Bosch .......................81 Boston Consulting Group......................138 Boxclever..................52
Facebook..................41 Ferrero ......................20 Ferrostaal................106 Fielmann ...................79 Ford ........................154 Franklin Templeton ..132 Fresenius Medical Care ....................81, 88 Fresenius............48, 79, ..........................88, 117
C C&A...........................25 Celesio....................150 Chrysler ..................154 Commerzbank....48, 70, ..........................144, 26 Continental ...............82 Corecam .................131
D Daimler ......24, 106, 140 Dekabank..................16 Dell............................44 Deutsche Bank...14, 47, ............79, 88, 117, 119 Deutsche Post ..........14 Deutsche Schiffsbank................70 Deutsche Telekom ....38
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J
L Landesbank Berlin ....16 Lanxess ....................30 LBBW .......................54 Lehman Brothers ....132 LinkedIn ....................41 Linklaters ....................8 Lotus.......................154 LTCM ........................50 LTU ...........................48 Lufthansa ..................14 Lukoil ......................133 Lupus Alpha............134
M G Gazprom .................133 General Motors .......154 Gildemeister .............48 Google ......................42 Gruner + Jahr ............42 Grünewald ................90 Gucci ........................74
Macquarie...............133 Mannesmann ............48 Metro.............25, 48, 52 Microsoft...................44 Monsanto................111 Moody’s....................52 MSC..........................68 Münchener Rück.....143
H
N
H&M ....................25, 73 Hamburg Süd ...........68 Haniel......................150 Hanse Capital ...........68 Hapag-Lloyd .......48, 68 HCI............................70 HeidelbergCement....93 Henkel.............106, 144 Hewlett-Packard..44, 142 Hochtief ..................106 Hoechst ..................126 Horten.......................48 Hugo Boss ................32 HSH Nordbank....52, 68 Human Dynamics ...140 Hyundai ....................57
National Medical Care ..........................81 Nestlé........................14 Norsk Hydro..............93 NRW Bank ................50 NTT .........................143
I IBM ...................32, 111 IG Farben ................126
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Procter & Gamble ...144 PricewaterhouseCoopers ....................16
Qiagen ....................118
S Samsung...................38 SAP.........................140 Schott .......................30 Shell ..........................14 Siemens ..................140 SKW Metallurgie .....140 Smart Hydro Power ..142 Smart Utilities .........142 Solar Millennium .....106 Sony..........................36 Stadler Rail ...............14 Starbucks ...............124 Suzuki .......................57 Swiss ........................14 Symrise.....................30
T Telefónica .................73 Terra Firma Capital ...30 Thomas Cook ...........48 ThyssenKrupp ..........93 Toyota.......................57 Tui .............................48 Tungsten Capital Management...........130
U UBS...................20, 138 Universal ...................36 Utsch ......................108
O Odgers Berndtson ..142 Oliver Wyman............64 Opel ........................154
P Pearle........................25 PepsiCo ....................40 Peter Döhle Schiffahrt ..................68 Philip Holzmann ........48 Porsche.............24, 106 Preussag...................48
V Van Laack ...............106 Volkswagen........24, 52, ..........................57,106
W Wacker Chemie ........30 WAZ ............................8 WDR .......................144 Wella .......................144 WestLB ...............46, 82 Wintershall ..............106
PERSONEN A Achleitner, Ann-Kristin ..............120 Ackermann, Josef ...........79, 88, 117 Aigner, Ilse ..............111 Akerson, Dan ............64 Akhavan, Hamid........38 al-Gaddafi, Muammar ...............107 Alierta, César ............73 Alipass, Matthias ......73 Almunía, Joaquin ......54 Aponte, Gianluigi ......68 Apotheker, Léo .........44 Aschari, Omid .........121 Asmussen, Jörg ........31
B Bailey, Jennifer .........40 Barroso, José Manuel ...........150 Barton, Dominic ......121 Beck, Henning ........134 Beitz, Berthold ..........48 Benning-Rohnke, Elke .........................144 Berger, Roland..........82 Bertram, Heinz-Jürgen ............30 Bieger, Thomas.......119 Binning, Gerd..........111 Blessing, Martin..26, 144 Bley, Thomas ............27 Boehm, Boris ..........133 Bönt, Ralf ................143 Borovsky, Andrew.....40 Bräuning, Günther ....31 Brost, Anneliese..........8 Buchholz, Bernd .......42 Bulcke, Paul ..............14 Bullinger, Hans-Jörg...............111
C Clement, Wolfgang ...50 Conradi, Erwin ..........48 Cook, Timothy ..........36 Czotscher, Eric .......126
D Dammann, Angelika ..................140 Dekkers, Marijn ...30, 111 Deter, Ina ................143
Register
Dieckmann, Jochen ..52 Diemer, Michael ........32 Dietrich, Wolfgang ..113 Dobert, Jürgen ..........70 Döhle, Jochen...........68 Donkers, Wijnand......30 Döpfner, Mathias ......41 Driese, Wolfgang ......68 Drouven, Bernd.........94
E Eaton, Robert..........154 Ecclestone, Bernie ....52 Echevarría, Jesús......73 Ederer, Brigitte........140 Erhard, Ludwig..........88 Ellermeier, Lars .........20 Elliot, Jay...................40 Erlebach, Jörg.........144
F Faber, Joachim .........31 Falckenberg, Max .....68 Farouk, Abdel Khalek...........108 Ferrero, Giovanni ......20 Ferrero, Michele........20 Ferrero, Pietro ...........20 Fielmann, Marc .........86 Fielmann, Günther ...............79, 85 Fielmann, Sophie-Louise ..........86 Fischer, Thomas .......52 Ford, Tom .................74 Forstall, Scott............44 Franz, Christoph .......14 Franz, Klaus ............154 Frenzel, Michael........48 Frey, Dieter .............140 Frisch, Max ...............88 Fürstner, Wolfgang ..42 Funke, Jakob ..............8
G Gassmann, Oliver ...120 Gast, Ottmar .............68 Gatzer, Werner..........31 Geißler, Heiner..........79, 88, 113 Gerlach, Rolf .............54 Gomez, Peter ..........119 Gordon, Joanne ......124 Groll, Walter .............16 Großmann, Jürgen ....93 Grotkamp, Günther...11 Grotkamp, Petra .........8 Grübel, Oswald .......121
Grünewald, Christopher W...........90 Guericke, Konstantin 41
Kühn, Heinz ..............48 Kurt, Mathias ............93 Kux, Barbara ...........121
H
L
Haasis, Heinrich........16 Hands, Guy ...............30 Henning, Nils-Holger..............148 Henzelmann,Torsten ..97 Henzler, Herbert........79 Herrmann, Andreas.120 Hetjens, Danja.........126 Hilgert, Heinz ............46 Hoffmann, Olaf........105 Hohmann-Dennhardt, Christine .................140 Holthoff, Gisela ...........8 Holthoff-Pförtner, Stephan ......................8 Hombach, Bodo .........8 Hoppenstedt, Dietrich .....................16 Hörger, Axel ..............20 Hulla, Bernhard .......140 Hulla, Cornelia ........140
Lagarde, Christine ..121 Lagerfeld, Karl...........74 Landfried, Klaus......117 Lange, Paul .............144 Lauk, Kurt .................93 Lautenschläger, Sabine.....................143 Leber, Hendrik ........133 Lechner, Martin.......130 Leroy, Didier..............57 Lippert, Stefan .............. Lipps, Ben.................88 Loeper, Erich.............31 Lutz, Bob ................154
M
Ingenhoven, Christoph ................113 Isla, Pablo .................73 Issendorff, Henning von............130
Mayrhuber,Wolfgang ..14 Mandac, Lovro..........32 Martin, Steve...........144 Merkel, Angela ..........92 Merz, Friedrich ....14, 54 Middelhoff, Thomas ..54 Mobius, Mark ..........132 Möhrle, Martin.........119 Monti, Mario..............50 Mubarak, Hosni ......108 Müller, Werner ..........14 Müller-Stewens, Günter.....................120
J
N
Jenewein, Wolfgang .40 Jetter, Martin.............32 Joas, August .............64 Jobs, Steve ...............36 Jörss, Matthias .......133
Nam June Paik........144 Neuber, Friedel .........48 Neuhaus, Willi .........143 Nienhaus, Christian.....8 Nueno, José Luis ......73
I
K Kerber, Markus .........31 Kirsten, Stefan...........30 Klitzing, Vernon von ..41 Klösges, Jochen .......26 Knoke, Claudia .......146 Knott, Guido ...........111 Koch, Olaf .................32 Kohlhaussen, Martin .50 Kolmsee, Ines .........140 Kolmsee, Karl..........140 Kolmsee, Till ...........140 Köntgen, Thomas .....27 Körber, Hans-Joachim ..........25 Köster, Ulrich ............32 Krick, Gerd................79 Krogner, Heinz ..........25
O O’Reilly, Tim..............36 Oesterle, Fritz..........150 Offer, Michael ...........31 Offen, Claus-Peter ....68 Ortega, Amancio.......73 Ortega, Marta............73
P Piëch, Ferdinand.......57 Podolny, Joel ............36 Polleit, Thorsten ......133 Pörschke, Frank........27 Pütmann, Ralf ..........32
R Rapp, Heinz-Werner..........133 Rau, Johannes ..........48
Reinery, Claudia........32 Reinhart, Carmen....132 Reithofer, Norbert .....24 Renn, Ortwin ...........113 Rickmers, Erck..........68 Riel, Heike...............111 Röttgen, Norbert .....100 Rogers, Jim.............132 Rohnke, Achim .......144 Rohrer, Heinrich......111 Rösler, Philipp...........34 Rüttgers, Jürgen .......47
S Sabrià, Frederic ........74 Sanio, Jochen .....31, 52 Sauer, Walfried .......111 Sauerborn, Jochen ...20 Saunders, Robin .......52 Schaedler, Barbara ..142 Schatz, Peer ...........118 Schäuble, Wolfgang ..................31 Schedler, Kuno .......117 Scheifele, Bernd .......93 Schenk, Dieter ..........82 Schiller, Karl..............47 Schiller, Phil ..............44 Schleußer, Heinz.......50 Schlichter, Christoph ................108 Schneider, Jutta......143 Schneider, Manfred ..79 Schneider, Ulf ........117 Schreyer, Peter .........64 Schubries, Klaus .......11 Schubries, Renate ......8 Schultz, Howard .....124 Schumann, Erich.......10 Schüttler, Hans Jörg .31 Schwager, Harald .....94 Sculley, John ............40 Sengera, Jürgen .......52 Siebeke, Simone.....144 Siemens, Werner von..81 Spanz, Garry ...........121 Spoun, Sascha .......119 Springer, Friede ........85 Spuhler, Peter ...........14 Stachelhaus, Regine ......................140 Stachelhaus, Willi....142 Stadie, Ekkehard.......44 Stadler, Peter ..........111 Stark, Jürgen ..........132 Stebut, Nina von .....143 Steffen, Thomas........31 Stein, Bob .................52 Steinbrück, Peer ..31, 47
Stolberg, Niels ..........66 Stracke, Karl-Friedrich ..........154 Stuhlmann, Alexander..................54 Suckale, Margret.....140
T Taylor, Telford.........126 Terburg, Ferdinand ..107 Tesdorpf, Burkhard...68 Teyssen, Johannes..111 Tomczak,Torsten ...120 Toyoda, Akio.............57 Vassiliadis, Michael...97
V Van der Vis, Ronald...25 Voser, Peter ..............14 Waas, Franz ..............16 Wargers, Matthias.....46 Watanabe, Katsuaki..57 Weber, Jürgen ..........14 Westerwelle, Guido...34 Wiest, Hubert ..........143 Winterkorn, Martin ....57 Wittig, Martin ............14 Wozniak, Steve .........38
Y Yi Qin, Violette ........121
Z Zec, Peter .................85 Zedlmayer, Gabriele ..................144 Zedlmayer, Stephan144 Zuckerberg, Mark .....44
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FOTO: PETER
FOTO: ANDREAS LINDLAHR / AUTO BILD
IS YATES / CORB
WAS MACHT EIGENTLICH ...
Robert A. Lutz (rechts: mit seinem privaten Kampfjet, oben: 1995 auf einer Autoshow mit dem damaligen Chrysler-Chef Robert Eaton) gehört bis heute zu den schillerndsten Figuren der US-Autoindustrie. Der Sohn eines Schweizer Bankiers zog als Kind mit seiner Familie in die USA. Dort war er zunächst Pilot bei den USMarines, ehe er 1963 seine Karriere bei General Motors begann. Es folgten weitere Stationen bei BMW, Ford, Chrysler und einem Batteriekonzern, bevor Lutz 2001 erneut zu General Motors gerufen wurde. Den Niedergang des Konzerns konnte aber auch er nicht stoppen. Inzwischen ist GM aus der Insolvenz zurückgekehrt.
Bob Lutz? Nun ist er also doch noch in Rente gegangen. Mancher bei General Motors hatte ja bereits befürchtet, Bob Lutz werde noch bis zu seinem 100. Geburtstag in seinem Büro in Dearborn sitzen. Doch der heute 79-jährige ehemalige GMVize und -Entwicklungschef präsentiert sich ein gutes Jahr nach seinem Ausscheiden aufgeräumt und bester Stimmung. „Ich vermisse manche Aspekte meiner früheren Tätigkeit, aber ich bin froh, dass ich nicht mehr ständig um fünf Uhr aufstehen muss.“ Aber was heißt auch schon „Ruhestand“ bei einem wie Lutz? Der gebürtige Schweizer hat heute nicht mehr nur einen, er hat mehrere Jobs. Lutz ist Aufsichtsrat der britischen Sportwagenmarke Lotus und nimmt das Mandat sehr aktiv wahr, wie man hört. Er berät einen Militärflugzeughersteller und eine kalifornische Firma, die eine neue Einspritztechnik für Pkw-Motoren entwickelt. Zwischendurch hält er noch Vorträge („Erstaunlich lukrativ!“). Als Ausgleich leistet sich Lutz ein paar Hobbys, die überwiegend mit Krach und Tempo zu tun haben. Seinen tschechischen Kampfjet vom Typ L-39 fliegt er weiter regelmäßig, ebenso seinen Hubschrauber – wenn er nicht gerade eines sei-
ner rund drei Dutzend Autos und Motorräder bewegt, die in der Garage seiner 40 Hektar großen Farm in Ann Arbor, Michigan, stehen. Gerade hat Lutz sein zweites Buch veröffentlicht. „Car Guys vs. Bean Counters“ (etwas frei übersetzt „Autofreaks gegen Erbsenzähler“) heißt das Werk, in dem er den Niedergang der US-Autoindustrie erklärt. Zusammengefasst sieht er die Dinge in etwa so: Schuld sind die Business-School-Jüngelchen, die zwar Kosten senken, aber keine Kunden begeistern können. Dabei stand Lutz nicht selten selbst in der Kritik. Zu den bekennenden Lutz-Hassern gehört Opel-Betriebsratschef Klaus Franz (59). Er setzte sich persönlich dafür ein, dass Lutz 2010 nicht mehr in den Opel-Aufsichtsrat kam. Schuld daran war auch dessen allzu ehrlicher Satz, beim Anblick des Opel Vectra springe einem „nicht gerade das Portemonnaie aus der Tasche“. Lutz spricht heute versöhnlich über Opel, lobt den neuen Chef Karl-Friedrich Stracke (54) und die aktuellen Modelle der Rüsselsheimer. Und die Sache mit Klaus Franz? „Sagen wir so: Er kommt in meinem Buch nicht besonders gut weg. Ich erwarte eine Reaktion.“ Thomas Katzensteiner
Das nächste manager magazin erscheint am 22. Juli 2011. Bis dahin täglich: www.manager-magazin.de
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„Mit Werten Hoffnung gestalten.“ Michael Stich, Unternehmer und Gründer der Michael Stich Stiftung
Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt. Wir machen den Weg frei. Michael Stich setzt sich mit seiner Stiftung seit 1994 für HIV-infizierte Kinder ein, um ihnen Mut, Lebensfreude und Hoffnung zu schenken. VR-PrivateBanking ist für Menschen wie Michael Stich, die mehr aus ihrem Geld machen wollen, um mit Werten zu gestalten. Es kombiniert genossenschaftliche Sicherheit mit den Leistungen einer Privatbank. Mehr Informationen erhalten Sie bei den Volksbanken Raiffeisenbanken oder unter www.vr-privatebanking.de
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Innovation ist optional erhältlich.
Kraftstoffverbrauch innerorts 17,1 7,8 l/100 km, außerorts 8,0 4,8 l/100 km, kombiniert 11,3 5,9 l/100 km; CO2-Emission kombiniert 265 156 g/km (gemäß VO (EG) Nr. 715/2007).