Landung um keinen Preis KURT BRAND Im leichten Grünton schimmerte der Himmel. Dunkel, an vielen Schattenstellen fast sc...
177 downloads
680 Views
1MB Size
Report
This content was uploaded by our users and we assume good faith they have the permission to share this book. If you own the copyright to this book and it is wrongfully on our website, we offer a simple DMCA procedure to remove your content from our site. Start by pressing the button below!
Report copyright / DMCA form
Landung um keinen Preis KURT BRAND Im leichten Grünton schimmerte der Himmel. Dunkel, an vielen Schattenstellen fast schwarz, ragte ein gewaltiges Gebirge empor, das sich im weiten Halbbogen herumschwang. In seinem Schutz ein Raumhafen, teilweise verweht, teilweise frei von jeder Staubschicht. Kein einziges Schiff befand sich auf diesem Hafen. Aber Menschen. Sie standen vor den würfelförmigen Bauten und starrten zum grünlichen Himmel hinauf. Sie warteten auf ein bestimmtes Ereignis. Sie warteten neben schweren, beweglichen Schockergeräten. Vom Gebirge her fegte ein kalter Wind über den Hafen. Niemand beachtete ihn. Kein Mensch fror. Sie hatten keine Zeit dazu. Einer sah auf sein Chrono. Noch wenige Minuten, dachte er. Sein Nebenmann stieß ihn an. „Sie kommt”, sagte er und deutete zum grünlichen Himmel hinauf. Ein Raumschiff kam. Ein Raumer auf Landekurs. Titanische A-Gravkräfte ließen die gewaltige Kugel, die noch wie ein Punkt aussah, langsam tiefer gleiten. Wie in einem unsichtbaren Liftschacht. Der Wind verfing sich in einer Plastikplane
und legte ein schweres Schockeraggregat frei. Hastig wurde es wieder zugedeckt, und die Spannklammern, die sich gelöst hatten, neu angebracht. „Das fehlt uns gerade noch”, sagte der Mann, der noch einmal die Plane kontrollierte. Der Punkt am klaren Himmel war in der Zwischenzeit größer geworden. „Ist sie es auch?” Aus einem der würfelförmigen Bauten war ein weiterer Mann unbemerkt zu der Gruppe getreten. Er hatte die letzte Frage gehört. „Sie ist es. Sie hat sich vor wenigen Minuten gemeldet. Szardak selbst! Er bringt uns die HOPE!” Ein paar Mann grinsten sich zufrieden an. „Dieser Szardak hat ein schönes Tempo drauf«, sagte ein Mann, der das tieferkommende Schiff nicht aus den Augen ließ. „Der versteht sein Handwerk. Das ist ja ein Jongleur!” Ein großes Lob. Die ehrliche Meinung eines Mannes, der selber Raumer flog. Das Schiff fuhr mit Hilfe seiner Teleskopstützen die beiden geschlossenen Landeringe aus. Das letzte große Manöver vor der Landung.
Janos Szardak kam, um den Robonen auf Hidplace seine HOPE auszuliefern! * Szardak, von dem man behauptete, er habe ein Pokergesicht und zeige nur selten, was hinter seiner Stirn vor sich ginge, nahm mit undurchdringlicher Miene die Meldung entgegen: „Landeringe ausgefahren. Teleskopstützen okay.” Er überflog die Armaturen, kontrollierte die wichtigsten Instrumente, warf dem Bildschirm einen fast gleichgültigen Blick zu und drehte sich dann mit seinem Schwenksessel zu seinem Ersten Offizier um. „Prallschirm aus?” Der andere beobachtete die Höhenanzei-ge. „Bei 1 500 Meter, noch hundert Meter." „Ach, ausschalten. Wir machen doch keine militärische Übung!“ unterbrach, ihn Colonel Szardak. Im nächsten Moment besaß der 400 Meterraumer HOPE keinen energetischen Schutzschirm mehr. Wozu auch? Sie flog ja einen vertrauten Hafen an. Höhe noch 500 Meter. Auf dem Hafen waren Einzelheiten schon gut zu erkennen. Die A-Gravkräfie der HOPE blieben konstant. Das Schiff sank mit gleichbleibender Geschwindigkeit. Szardak rief die Funkzentrale an: „Rufen Sie durch, daß wir in drei Minuten aufsetzen. Bestätigung nicht erforderlich. Ist ja doch kein Kahn auf dem Hafen.' „Okay, Bestätigung nicht erforderlich.“ Die Funk-Zentrale hatte wieder abgeschaltet.
Die 100-Meter-Höhenmarke wurde unterschritten. „Colonel ...« „Ja?” Szardak sah seinem Ersten fragend ins Gesicht und richtete sich im gleichen Moment ruckartig auf. Er hatte den Eindruck, daß ein dichter Schleier, der ihm eine Fata Morgana vorgegaukelt hatte, vor seinen Augen plötzlich zerrissen wäre. Dieser Hafen! Er kannte ihn nicht! Er hatte diese hohen, zerrissenen Berge noch nie gesehen! Und wieso war der Himmel grün und nicht blau? Und die würfelförmigen Bauten? Großer Gott, wo sind wir? dachte er entsetzt. Janos Szardak erlebte einen der furchtbarsten Augenblicke seines Lebens. Er verstand nicht, wie seine HOPE über diesen fremden Hafen kam. Eine Piste von diesem Aussehen gab es doch im Sonnen-System nicht! „Wo sind wir?” fragte er seinen Ersten verwirrt und blickte ihn hilfesuchend an. „Wo schon, Colonel? Zu Hause!” Zu Hause? Sein Erster behauptete es? Und die anderen in der Zentrale vielleicht auch? Er riß den Kopf herum, sah sie an. Bei keinem Erstaunen im Gesicht, weder Verwundern noch Bestürzung. Für alle flog die HOPE einen heimatlichen Hafen an. Wie hoch war der Raumer noch? Was machte sein Erster? Warum mißtraute er ihm plötzlich? Was war überhaupt mit ihm los? Er reagierte, ohne sich Rechenschaft abzulegen, was er tat. Alles passierte jetzt innerhalb we-
Ren Dhark und seine Welt
Im Jahre 2050 ist die politische Lage auf der Erde ausgeglichen, jedoch die Erde ist übervöl kert. Da startet der erste Kolonistenraumer „Galaxis” mit 50000 Kolonisten an Bord zur Fahrt in den Weltraum, um neue Siedlungsräume zu suchen. Durch einen Defekt im Antrieb gera ten die Kolonisten in einen unbekannten Teil der Milchstrafye und wissen nicht mehr, wo sich die Erde befindet. Sie gelangen zu einem bewohnbaren Planeten, den sie „Hope“ nennen, gründen hier die Stadt „Cattan“' und entdecken auf einer grofyen Insel Spuren einer hochent wickelten Kultur. Die Insel wird „Deluge“ genannt. Ren Dhark, den man zum Stadtpräsidenten gewählt hat, findet in einer riesigen Höhle auf De luge ein Raumschiff der Ureinwohner, das von ihm den Namen „Point Of” erhält. Es gelingt Ren Dhark, die Point Of startklar zu machen, und er bricht auf, um die Erde wiederzufinden. Die Suche führt schließlich zum Erfolg. Jedoch die Menschen auf der Erde sind von einer In vasorenrasse, den „Giants“, überfallen und geistig versklavt worden. Ren Dhark versucht, sie zu befreien. Es gelingt ihm, nach einem mentalen Kampf die Führungsspitze der Eindringe finge, „Cal“ genannt, festzunehmen. Sie wird wieder freigelassen, nachdem sie das Geheim nis verraten hat, wie man die Menschen wieder zu normalen Erdbewohnern machen kann. Es geschieht mit Hilfe eines Gehirnwellensenders durch Bestrahlung. Die Menschen wachen aus ihrem Trancezustand auf, und die Giants verschwinden von der Erde. Im Brana-Tal befindet sich die „Cyborg“-Station. Dort sind die Wissenschaftler unermüdlich am Werk. Man unternimmt interessante Experimente auf dem Gebiet der „Cyborg“. For schung. Die ersten Cyborgs hoben bereits ihre Feuerprobe bestanden. Doch schon zieht eine neue Gefahr für die Bewohner Terras herauf. Die von den Giants nach dem Planeten „Robon“' verschleppten Menschen, die nicht mehr wissen, daß sie Kinder Terras sind und in den Giants ihre Freunde, in den Erdbewohnern aber ihre Feinde sehen, wollen Terra erobern. In der Galaxis treibt das unheimliche Nor-Ex, das Raumer und sogar ganze Städte verschwin den lassen kann, sein Unwesen. Die Terraner kommen mit fremden Rassen in Berührung, von denen sie noch nicht wissen, ob sie ihnen freundlich oder feindlich gesinnt sind. Ren Dhark sitzt nach seiner Befreiung vom neuen Robonen-Planeten Hidplace endlich wieder in dem Pilotensessel seiner POINT OF und geht jetzt zum Angriff über, um die Robonenge fahr ein für allemal von der Erde abzuwenden. niger Sekunden. As-Onentriebwerke ein! A-Grav weg! Impulse an den Kommandogeber für den Prallschirm! Seine HOPE war doch ohne energetischen Schutz jedem Strahlangriff gnadenlos ausgeliefert. Im Innenwulst der HOPE, auf gleicher Höhe, auf der auch die Kommando-Zentrale lag, brüllten die As-Onentriebwerke auf. Aber nur ein Teil. Be wußt hatte Szardak sie verstellt. Sein Schiff mußte so schnell wie möglich vom Hafen verschwinden. Was zeigte der Bildschirm? Seine HOPE jagte auf die würfelförmigen Bau ten zu, stieg aber kaum. Und die Menschen davor warfen sich zu Boden, als wollten sie in die Erde hineinkriechen. Höhe der beiden Auflageringe über dem Belag des Hafens knapp zwanzig Meter! „Colonel, was tun Sie?” Sein Erster brüllte ihn an, als sei er der Kommandant. „Schnauze!” schrie Szardak noch lauter.
Da kam über die Bordverständigung der nächste Zwischenfall: „Colonel, ich schalte die Triebwerke ab, wenn Sie es nicht tun!” Sein leitender Ingenieur wollte ihn erpressen. Die sind noch verrückt - die sind noch so verrückt, wie ich selber es auch war! dachte er. Ein Schlag ging durch die HOPE. Mit ihren aber tausend Tonnen schweren Landeringen war das Schiff gegen die würfelförmigen Bauten am Rand des Hafens gestoßen und ließ sie als Trümmer hinter sich zurück. Blitzschnell hatte Szardak reagiert. Notschaltung! Er mußte seinem Leitenden Ingenieur zuvorkommen, sonst krachte sein 400 Meter-Raumer zu Boden. Erledigt! Gegenkontrolle! Da sauste neben ihm ein Schatten hoch. Sein Erster Offizier sprang ihn an. Er hatte Pech. Er lief in Szardaks Faust hinein,
hatte nicht mehr die Kraft zu einem Schrei und sackte lautlos zu Boden As-Onentriebwerke auf volle Kraft! „Verdammt, was ist mit dem Schutzschirm?” Er existierte nicht. Er kam nicht. Sein Leiten der Ingenieur hatte ihm in diesem Punkt einen bös artigen Streich gespielt. Zur Hölle, über welchem Planeten befand er sich bloß? „Colonel, kehren Sie um!« War denn jeder in seiner Zentrale verrückt geworden? Steigkurs der HOPE. Sie mußte jetzt ohne Pilot fliegen. Er wirbelte mit seinem Schwenk sessel herum, in jeder Hand einen Schocker. Dienstwaffen, die zur Ausrüstung gehörten und laut Reglement getragen werden mußten. Von beiden machte er Gebrauch. Einstellung: Fächerstrahl! Wie die Fliegen fielen seine Offiziere um und rührten sich nicht mehr. Mit einem Satz war Szar dak am Schott und verriegelte es mechanisch magnetisch von innen. Die Andruckausgleicher waren über Maximum belastet, sämtliche As-Onentriebwerke liefen mit Vollschub. Der Kugelraumer beschleunigte trotz der dichten Luftschichten unwahrscheinlich gut. Doch das Schiff besaß nach wie vor keinen energetischen Schirm. Da kam der erste Strahlangriff vom Boden her! Auch das noch, dachte Janos Szardak ver zweifelt! Das bei knapp 20 Kilometer Höhe. Er mußte jetzt alles auf eine Karte setzen! Und wenn die HOPE dabei in ihren Verstrebungen auseinanderriß und die Zelle wie ein zu unsanft behandeltes Ei aufplatzte. Kurswechsel! Hoffentlich hielten die Bet tungen der Triebwerke bei dieser Radikalbe lastung. Das Strahlfeuer vom Boden wurde immer intensiver. Die Burschen an den Geschützen schossen sich regelrecht auf die HOPE ein. Janos Szardak brachte nicht einmal mehr einen Fluch über die Lippen. Verzweifelt suchte er nach einer Möglichkeit, das energetische Feld um sein Schiff wieder aufzubauen, obwohl der Leitende Ingenieur in seinem Bereich alles blockiert hatte. Etwas anderes schoß ihm durch den Kopf. Die Landeringe seines Schiffes mit all ihren Teleskopbeinen waren ausgefahren. Ein Treffer in dieses komplizierte und empfindliche System konnte das Schicksal seines Kreuzers entscheiden. Einfahren! Er kümmerte sich nicht darum, ob
eine bestimmte Grün-Kontrolle den Vollzug meldete. Er hätte tausend Hände und zwanzig Köpfe haben müssen, um jetzt alles gleichzeitig zu tun und zu überlegen. Da klatschte er die Hand vor seine Stirn. Es gab doch eine Möglichkeit den Prallschirm zu erstellen, auch wenn im Triebwerks-Zentrum alles blockiert war! Die Umwegschaltung! Dafür mußte er in den Sitz des Kopiloten. Grün! Grün! Und noch einmal grün! Das Prallfeld wurde entwickelt. Keine Sekunde zu früh. Am Boden hatten sich die Mannschaften der Strahlgeschütze eingeschossen! 100 Kilometer Höhe und noch immer über diesem verdammten Planeten mit seinem grünen Himmel! Da kamen die anderen mit Raptorstrahlen! Sie wollten die Energie seines Schutzschirmes absau gen! Raptor? Szardak traute seinen Augen nicht. Die Gedankenassoziation ließ ihn Giants sehen, aber auf dem fremden Raumhafen hatte er nicht die Raubtierköpfe bemerkt, sondern Menschen! Menschen oder Robonen? In diesem Moment fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Auch er war beeinflußt worden! Er und die ganze Mannschaft der HOPE. Und unter diesem Einfluß hatten sie ihr Schiff zu einem Versteck der Robonen-Piraten geflogen! Er hatte Angst, verrückt zu werden. Er hatte Angst, sich umzudrehen! Und er hatte Angst, wenn er an sein Schiff dachte. Seine HOPE, dieser Koloß konnte nicht von einem Mann allein geflogen werden! Das war unmöglich. Er aber mußte das Unmögliche möglich machen! Und wie die Schufte vom Planeten her sein Schiff unter Feuer nahmen! Wieder war der Schutzschirm drauf und dran, zusammenzubrechen. Gleich fünf Raptorstrahlen hatten nach ihm gegriffen und saugten wie Parasiten seine energetischen Kräfte ab. Janos Szardaks ohnmächtiger Zorn war so groß, daß er nicht einmal mehr fluchen konnte. Sein Leitender Ingenieur hatte inzwi-schen festgestellt, daß er von der Kommando-Zentrale aus übertölpelt worden war. „Ich lasse die HOPE hochgehen, wenn Sie nicht sofort den Planeten wieder anfliegen,
Colonel.” Szardak gab dem Tobenden keine Antwort, Auch dieses Risiko mußte er eingehen. Höhe 245 Kilometer. Die Lufthülle lag hinter ihnen. Die HOPE beschleunigte besser. Immer häufiger spielte Szardak mit dem Gedanken einer Not-Blindtransition! Da spielte jemand Schicksal. Dieser Offizier, der so schnell wieder zu sich gekommen war, weil ihn der paralysierende Fä cherstrahl kaum gestreift hatte, stand am Bordge hirn und löschte im Speicherteil alle Daten, die seit dem Start von Cent Field automatisch aufgenom men worden waren. Teuflischer Triumph leuchtete aus den Augen des Mannes, als er die Löschung bewerkstelligt hatte und dann seinen Schocker zog, um den Kommandanten auszuschalten. Er kam nicht mehr zum Schuß. Wie ein Ertrinkender sich an den Strohhalm klammert, so sah Janos Szardak die Rettung der HOPE in einer Not-Blindtransition. Er drückte den Transitionshebel! Er drückte ihn in dem Moment, als hinter sei nem Rücken der Offizier den Zeigefinger krümmen wollte, um an seiner Strahlwaffe den Kontakt zu schließen! Szardak hörte sich schreien. Dieser Sprung aus viel zu geringer Fahrt war in seinen Nebenwir kungen auch für einen energischen und beherr schten Menschen nicht mehr zu ertragen. Die Angst war furchtbarer denn je, und zu der Angst kamen Schmerzen. Mit den letzten Willensreserven riß er sich zusammen. Wieder hörte er sich stöhnen. Die Sehschwierigkeiten vergingen, der Schmerz ließ nach, und denn klangen die letzten Auswirkungen des Schocks ab. Wie aus einem schweren Traum erwachte er. Sein Blick brannte sich am Bildschirm fest. In einer müden Geste wischte er sich über die Augen. In diesen Sekunden besaß er kein Pokergesicht. Er lachte stolz, nur das Funkeln seiner Augen wurden von den organischen Haftschalen zurückgehalten. „Geschafft!” flüsterte er leise. „Geschafft' Er hatte ein Wunder vollbracht. Er war als einziger klarer Mann im Schiff mit der HOPE gesprungen. Der Kugelraumer stand irgendwo zwischen den Sternen. Die HOPE konnte zeitweilig ohne Kontrolle durch einen Piloten im freien Fall bleiben. Colonel Szardak verließ seinen Sessel. Nacheinander ent
waffnete er seine Offiziere. Er hatte keine Lust, sich gleich noch einmal mit ihnen herumzu schlagen, Sein Erster Offizier tat ihm leid, der sei nen Schwinger mit der Kinnspitze aufgefangen hatte. Es war nicht zu ändern gewesen. Dann nahm für ihn das Warten seinen Anfang. Er bereitete sich auf Stunden und sogar Tage vor. Ihm machte nur Sorge, daß er sich ohne Trink wasser in der Kommando-Zentrale aufhielt. * Henner Trawisheim, Ren Dharks Stellvertreter auf der Erde, benötigte keinen Terminkalender. Er vergaß nichts, und übersah auch nichts, wo andere nicht einmal Spuren von Zusammenhängen er kannten. Die wichtigsten Termine wurden nicht mehr eingehalten. Die Robonen waren auf dem Vor marsch. Es sah nach einer lautlosen Eroberung der Erde durch diese Gruppe aus. Auf Eylers und die GSO war kein Verlaß mehr. Hunderte in wichtigen Schlüsselpositionen mußten beeinflußt sein, Hun derte, die nach den Direktiven der Robonen han delten. Und wie sah es in der terranischen Regierung aus? Trawisheim konnte selbst seinen nächsten Mit ar-beitern nicht mehr trauen. Wie war es bei ihm? War auf ihn noch Verlaß? Plötzlich glaubte er Echri Ezbals ausdrucks volles Gesicht zu sehen. Ezbal konnte ihm viel leicht helfen. Über die Direkt-Phase rief er ihn im Brana-Tal an. Er brauchte nicht lange auf ihn zu warten. „Ja?” hörte er die sonore Stimme des Ge netikers und Biochemikers. Von blauen Augen, in denen die Abgeklärtheit eines vollen Menschen lebens stand, wurde Trawisheim angesehen. „Ich mache mir Sorgen, Ezbal. Ich weiß nicht, ob ich auch beeinflußt worden bin. Können Sie mich testen, Sie oder einer Ihrer Experten?” „Ich hoffe es, aber versprechen kann ich es Ih nen nicht. Unsere Erfahrungen auf diesem Gebiet sind noch nicht groß. Halten Sie sich in einer hal ben Stunde bereit. Ich melde mich wieder.” Die Verbindung mit dem fernen Brana-Tal war unterbrochen. Trawisheim gab durch, daß er nicht gestört zu werden wünschte. Aber die Störung kam doch. Ein Vipho-Gespräch ohne Bild. Ein eigenartiges Ge spräch.
Acht Wölfe gefangen. Ankunft unbestimmt! Damit war die Störung zu Ende. Acht! dachte Trawisheim und schüttelte den Kopf. Da waren sie also auch schon. Hoffentlich blieb es bei diesen acht, hoffentnicht viel mehr. Er blickte zum Fenster hinaus über Alamo Gordo, aber seine Sinne nahmen nichts auf. Acht Wölfe! Es ging ihm nicht aus dem Sinn. War die halbe Stunde immer noch nicht vor bei? Er warf einen Blick aufs Chrono. Vor zehn Minuten hatte er mit Echri Ezbal gesprochen. Um sich abzulenken, dachte er an einige wichtige, ge platzte Termine. Die Vorbereitungen für die Plane ten Dolmin, Ega und Laxer waren hoffnungslos ins Stocken gekommen. Neun Milliarden Menschen sollten innerhalb von ein paar Jahren nach diesen erdähnlichen Planeten ausgesiedelt werden. Die Erde mußte Luft bekommen. Was ihre Menschen massen anging, sie platzte buchstäblich aus den Nähten. Es schien, als wolle die Natur mit allen Mitteln den Substanzverlust so schnell wie mög lich wieder aufholen, den die Menschheit durch die Invasion der Giants erlitten hatte. Viele Mittel, die vor ein paar Jahren noch die Bevölkerungsexplosion gesteuert hat ten, versagten plötzlich. Neue verloren nach kurzer Zeit ihre Wir kung. Der Bedarf an Lebensmittel und Konsumgü tern war viel schneller gestiegen, als selbst von den leistungsfähigsten Suprasensoren errechnet worden war. Dolmin, im System Formalhaut, lag vor der Haustür Terras, nur 25 Lichtjahre entfernt. Diese Welt war schöner als die Erde, und dennoch hatten die Planetologen bisher gezögert, den Planeten für die Besiedlung freizugeben. „Wir haben noch viele Reihentests zu machen.” Immer wieder verschanzten sie sich da hinter, wenn die Regierung auf Freigabe drängte. „Wir können es noch nicht verantworten.” Auf Dolmin befand sich zur Zeit kein Terraner. Auf den Welten Ega und Laxer sah es nicht viel besser aus. Dort warteten Forschungsteams auf Nachschub und der blieb aus. Bei uns geht wieder einmal alles drunter und drüber, dachte Henner Trawisheim und hütete sich, einen Blick aufs Chrono zu werfen. Aber er war nicht mutlos. Er sah die Gefahr durch die Ro bonen wohl von allen Seiten herankommen, doch noch gehörte ihnen Terra nicht! So leicht war die Erde nicht zu erobern, auch wenn man auf roboni scher Seite mit dieser teuflischen Beeinflussung ar beitete. „Trawisheim!”
Er zuckte zusammen. Daß er über Vipho ver langt wurde, hatte er übersehen. Ezbal im BranaTal hatte alles für einen Test vorbereitet. „Es dauert nicht lange, Trawisheim. Der Test besteht aus einer Reihe von Fragen, und wie Sie darauf reagieren. Hier ist alles vorbereitet. Sie brauchen nur zuzuhören und zu antworten.” Er hörte zu. Er beantwortete Fragen. Er schuf zu Begriffen Gegenbegriffe. Ihm kam dieser Test primitiv, einfältig vor. Nach wenigen Minuten war alles schon zu Ende. „Wir sind fertig. Der Suprasensor wertet die Resultate schon aus. Sie haben doch Zeit, Trawis heim?” Er hatte immer Zeit. Niemand wußte, wie er es so einrichten konnte. Jeder in der Regierung stöhn te unter der Arbeitslast. Henner Trawisheim, mit seinem phantastisch hohen I. Q., auch eine Schöp fung Ezbals, sprach nie von Arbeitslast. Er hatte, obwohl Stellvertreter Dharks, ein Privatleben. Dann lief das Resultat aus dem Suprasensor im Brana-Tal. „Trawisheim, Sie sind nicht beeinflußt, eigent lich erstaunlich.” „Danke”, sagte der Mann in seinem Büro in Alamo Gordo. „Das läßt mich die nächsten Stun den etwas ruhiger sein. Aber um das Brana-Tal bin ich besorgt. Die Robonen werden wissen, was dort geschieht.“ „Wir haben den Energieschirm auf höchste Kapazität geschaltet!” warf Ezbal ein. Trawisheim schüttelte den Kopf. „Das ist mir nicht sicher genug. Ich werde eigenhändig die Transmitter-Verbindung unterbrechen. Veranlas sen Sie es auf Ihrer Seite auch, Ezbal. Tun Sie es bald. Hoffentlich ist es nicht zu spät.” Wenige Minuten später war die TransmitterVerbindung von Alamo Gordo nach dem BranaTal unterbrochen. Als Trawisheim diesen Raum verließ, war er sich seiner Sache nicht sicher. Als er erneut sein Büro betrat, schoß ihm wieder die Meldung durch den Kopf, die er über Vipho ohne Bild erhalten hatte: Acht Wölfe gefangen! Ankunft unbestimmt! Dreimal hatte Jimmy sein Können gezeigt. Dreimal hatte der dicke Shanton vor Stolz genuß süchtig gegrinst. „Ist uns auch keiner durch die Maschen geschlüpft?” fragte Ren Dhark, als der achte Mann, der beeinflußt war, sich in sicherem Gewahrsam befand. „Wir könnten die Kontrolle noch mal vornehmen”, machte Chris Shanton den Vorschlag. „Jimmy hält durch, nicht wahr, mein Bester?”
Und Jimmy wackelte wie ein echter Scotch terrier mit dem Schwanz. Arc Doorn sprach von Zeitverschwendung. „Zur Not können ein paar Mann die POINT OF fliegen, und wenn jeder von uns die Augen aufhält, kann nichts passieren.” Der Optimist Ren Dhark zeigte sich von einer anderen Seite. Böse Erfahrungen hatten ihn mißtrauisch werden lassen. „Wir glauben, daß sich keins dieser Geräte an Bord befindet, mit denen man uns beeinflußt. Wenn wir aber dennoch eins übersehen haben, wo werden wir dann ankommen? Bei Allon Sawall auf dem Planeten Hidplace?“ Sie hielten sich in der Zentrale auf. Einige der Männer, die man sonst hier immer antreffen konn te, wenn wichtige Dinge besprochen wurden, fehl ten: Miles Congollon, Glenn Morris, Pal Hertog, Tino Grappa, Jens Lionel und Dao By. Sie hatten Urlaub gehabt, als die Robonen ihren tückischen Angriff auf Ren Dharks engste Mitarbeiter gestartet hatten. Auch der einzige Freund des Commanders, Dan Riker, befand sich nicht an Bord. Und sie, die im Kreis herumstanden, sie ver mißten die bekannten Gesichter. Keiner war glück lich, acht beeinflußte Besatzungsmitglieder ent deckt zu haben. Diese Entdeckung ging allein auf Jimmys Konto, oder genauer gesagt auf das von Chris Shanton, der seinen Robothund auf diese neuen unheimlichen Tatsachen programmiert hatte. Jimmy war auf diesem Gebiet zu einem Spürer geworden. Mit lautem Knall sprang das Schott zur Zentrale auf. Ein Offizier der Konverter-Kontrolle trat ein. Nur Jos Aachten van Haag drehte sich nach dem Eintretenden um. Offiziere der POINT OF hatten Erlaubnis, die Zentrale zu betreten, auch wenn darin eine Konferenz abgehalten wurde. „Wir vergeuden nur Zeit!” Arc Doorn blieb auf seinem Standpunkt. „Wir müssen das Heft in Alamo Gordo wieder in die Hand bekommen, so schnell wie ...” Schneller als jeder andere war Jimmy! Un heimliche Kräfte steckten in dem Robothund! Commander Ren Dhark flog zur Seite und kam zu Fall. Aus dem Maul des robotischen Hundes zischte ein Strahl. Der Offizier von der KonverterKontrolle kam nicht dazu, seinen tödlichen Blaster in Schußposition zu bringen. Wie ein gefällter Baum krachte der Mann zu Boden. Und dann sagte in der Zentrale der POINT OF kein Mensch ein Wort. Jos Aachten van Haag betrachtete kopf schüttelnd seine rechte Hand. Sie lag auf dem Blasterkolben, aber er war nicht dazu gekommen,
seine Strahlwaffe zu ziehen. Er hätte Ren Dharks Leben nicht schützen können! Das hatte eine Robotkonstruktion auf vier Bei nen getan. Sie hatte sogar noch Zeit gefunden, den Commander aus der Schußlinie zu schleudern und dann erst zum Angriff vorzugehen. „Herrliche Milchstraße!” stöhnte der Cyborg Bram Sass. „Warum hatte ich nicht auf mein zweites System geschaltet, dann hätte Jimmy nicht einzugreifen brauchen?” Es war verständlich, daß sich der Cyborg Vorwürfe machte. Das Attentat auf den Com mander hätte Erfolg gehabt, wenn Jimmy nicht bei ihnen gewesen wäre. Chris Shanton kniete vor dem bewußtlosen Mann. Seine Hände tasteten ihn ab, leerten seine Taschen. Der Mann mußte seine Uniform aus ziehen. Jedes Teil wurde untersucht, aber das handliche Gerät, mit dem man Menschen beeinflussen konnte, fand man bei ihm nicht. „Ein neunter Wolf!” knurrte der Dicke. „Wir haben unsere Meldung an Trawisheim zu früh abgestrahlt. Verflixt, jetzt müssen wir die gesamte Untersuchungsprozedur noch einmal vornehmen!” „Noch ein paarmal, mein Lieber”, warf Ren Dhark ein, „wenn wir noch mehrere beeinflußte Männer aufspüren. Dann muß sich nämlich so ein Gerät an Bord befinden. Und ich starte erst, wenn wir es entdeckt haben.” „Ich sage ja gar nichts!” verteidigte sich Arc Doorn, als er von drei Seiten vielsagend angesehen wurde. „Ich werde mich hüten, noch einmal von Zeitverschwendung zu sprechen.” „Damit sind Sie wieder an der Reihe!” Damit gab der Commander dem dicken Mann, dem die Technik der solaren Forts unterstand, das Zeichen, die Untersuchung aller Bordangehörigen noch ein mal vorzunehmen. Niemand durfte sich davon ausschließen, we der der Commander, noch Jimmys Kontrukteur, Chris Shanton. Die Zeit verging. Ein Mann nach dem anderen wurde von Jimmy getestet. Ein Okay folgte dem anderen. Plötzlich kam über die Bordverständi gung ein alarmierender Anruf durch. „Dhark, der erste Mann der festgesetzten Männer reagiert wie der normal. Keine Spur von einer Beeinflussung mehr." Das wollte sich der Commander in der Medo station selbst ansehen. Er duldete aber nicht, daß ihm ein Mann folgte. Maitskill empfing ihn. Der Arzt strahlte. „In Abteilung drei, Commander.” In Abteilung drei lag einer der beeinflußten
Männer auf dem freischwebenden Untersuchungs tisch. Er konnte sich nicht rühren. Dafür sorgten harmlose, aber wirkungsvolle energetische Fessel bahnen. „Der Zustand hat sich schlagartig verändert, Dhark”, erklärte Maitskill und forderte dann seinen Patienten auf, sich zu äußern. Der schüttelte erst einmal den Kopf. „Ich kann nicht viel sagen, weil ich einfach nichts weiß. Die letzten Stunden fehlen mir in meiner Erinnerung. Ich habe ein Loch darin, ein regelrechtes Loch.” Schauspielerte der Mann, als er krampfhaft die Augen schloß und sein Gesicht zeigte, wie ange strengt er überlegte? Bevor diese Frage gestellt werden konnte, meldete sich die interne Verständigung der MedoStation. Maitskill wurde gebeten, sofort zu kom men. Nach vier, das war nebenan. Der Arzt machte mit dem Kopf eine stumme Bewegung. Für den Commander die Aufforderung, ihm zu folgen. In vier lag auch ein Mann bewe gungsunfähig auf einem Untersuchungstisch. Ne ben ihm ein Arzt, der nur zur Aushilfe auf der POINT OF Dienst machte. Beide Mediziner spra chen leise miteinander, dann flüsterte Maitskill dem Commander ins Ohr: „Bei diesem Mann der gleiche Fall. Er weiß nicht, was er in den letzten Stunden getan hat. Er spricht von einem Loch in seiner Erinnerung. Er ist sich keiner Handlung bewußt. Das kann doch keine vorher getroffene Vereinbarung sein?” Ren Dhark lächelte dünn. „Inzwischen glaube ich, daß selbst das Un glaublichste möglich ist. Werden die übrigen sechs ebenfalls so intensiv beobachtet?” »Natürlich", beeilte sich Maitskill zu sagen. „Gut, dann rufen Sie mich, wenn der nächste Mann wieder normal geworden ist, aber sorgen Sie unter allen Umständen dafür, daß keiner die Mög lichkeit hat, sich mit einem anderen zu verstän digen. Übrigens, sind alle durchleuchtet worden?” „Ja, die Durchleuchtung hat keinen Befund erbracht.” Ren Dhark ging wieder zur KommandoZentrale zurück. Er wußte nicht, welche Entschei dung er treffen sollte. Vor dem Schott zum Leitstand zögerte er, verhielt den Schritt. Die Hände in den Taschen, den Kopf gesenkt, ratlos, wirkte er keineswegs wie jener Commander der Planeten, den Terras Bevölkerung vorn Bildschirm her kannte. *
Allon Sawall beherrschte die Kunst des Wartens. Über die modernste terranische ViphoAnlage war ihm die Ankunft der HOPE mitgeteilt worden. Ein großer Teil der auf Terra unrecht mäßig erworbenen Industriegüter waren auf Hid place inzwischen installiert oder benutzt worden. Es hatte sich ausgezahlt, bei den ersten heimlichen Robonen-Transporten von Terra nach Dg-45 nur erstklassige Spitzenkräfte zuzulassen. Das Reser voir an Experten war im Verhältnis zur Gesamtbe völkerung so groß, daß nicht einmal die Erde damit konkurrieren konnte. Nur Männer mit politischem Instinkt fehlten! Und mehr als einmal hatte Allon Sawall, dessen Stellung weder durch Gesetze noch Erlasse gefes tigt war, diese Tatsache bedauert. Er dachte daran, als er in seinem Arbeits zimmer seine Ratgeber betrachtete. Alle sahen nur das Heute, keiner hatte jenen undefinierbaren Blick für die Entwicklung von morgen. Sawall konnte das Geschwätz seiner Ratgeber nicht länger ertragen. Barsch fiel er Salmoni, der für die Erbeutung der HOPE alle Vorbereitungen getroffen hatte, ins Wort. „Noch haben wir die HOPE nicht, noch weniger Terra. Die Verdammten sind nicht so dumm, wie Sie, Salmoni, meinen. Und daß dieser Szardak den 400-Meter-Raumer fliegt, mag Ihnen wohl gefallen, aber es gefällt mir nicht. Sie hätten besser getan, die Köpfe um Dhark aufmerksamer zu studieren." „Was kann schon passieren?” wurde der Ein wurf gemacht. Auf dem Bildschirm um den sie he rumsaßen, war das Landemanöver der HOPE deut lich zu verfolgen. Die Vergrößerung war so erst klassig, daß man die mehr als hundert Meter großen Buchstaben des Namens HOPE lesen konnte. Jetzt pendelte sie leicht um ihre senkrechte Achse, ging aber dabei unaufhaltsam tiefer. Keiner der nicht umgeschalteten Robonen fühlte Skrupel wegen des Mordbefehls Sawalls, die Besatzung der HOPE nach der Landung nieder zumachen. Mitleid in irgendeiner Form gegenüber den Verdammten kannten sie nicht. Plötzlich richteten sich alle kerzengerade auf. Ihre Augen weiteten sich. Die HOPE beschleunigte in Richtung auf die würfelförmigen Gebäude am Rande des Hafens. Unaufhaltsam raste die Riesen kugel darauf zu. Staubwolken stießen wild wir belnd in den Himmel und nach allen Seiten. Der Kugelraumer begann zu steigen! Das Schiff versuchte Hidplace zu verlassen! Allon Sawall riß sich zu seiner Vipho-Anlage herum. „Abschießen! Abschießen!” brüllte er, und seine Augen glühten vor Zorn.
Seine Wut konnte die Flucht der HOPE nicht aufhalten. Als ihm auch noch die Transition des Schiffes gemeldet wurde, versank der Mulatte in dumpfes Brüten. Er beachtete seine Ratgeber nicht mehr. Einer nach dem anderen verließ sein Büro. Als auch Salmoni gehen wollte, wachte Sawall aus seinem Grübeln auf. „Wie haben Sie das machen lassen? Wen hatten Sie auf Terra auf die Besatzung der HOPE angesetzt? Wen?” Das letzte Wort hatte er wieder gebrüllt. „Ich habe unsere besten Männer darauf angesetzt.” „Stümper!” fiel ihm Sawall schneidend ins Wort. „Solche Stümper wie Sie einer sind. Ihre ganze Arbeit war bisher nichts anderes als eine einzige Stümperei. Welche Fehlschläge dürfen wir von Ihnen noch erwarten?” Allon Sawalls Zynismus war ohne Beispiel. Offen zeigte er dem anderen seine Verachtung. Salmoni setzte zu seiner Verteidigung an, aber mit einer herrischen Geste nahm der Mulatte ihm das Wort. Und dann deutete er auf die Tür. Kein Wort sagte er dazu. Er schaltete die Vipho-Anlage ab. Er griff in ein Fach und holte einen Blaster hervor. Die Strahlwaffe war nicht besonders groß und ver schwand unsichtbar in seiner Tasche. Als er sich erhob, war sein Gesicht aus druckslos. Langsam verließ er sein Büro. Salmoni würde den Abend nicht mehr erleben. Eben hatte er über ihn das Todesurteil gesprochen. Es war nicht der erste Mord, der auf sein Konto ging. Allon Sawall betrachtete diese Kleinigkeiten als die Stufen, die zur Macht führten. Die Flucht der HOPE hatte sich blitzschnell in Anon herumgesprochen. Wo Sawall auf kleine oder größere Gruppen traf, man sprach über nichts anderes. Er mußte sich konzentrieren, um sein Mißtrau en nicht zu zeigen. Auch unter seinen Leuten hatte er Feinde, und nicht aus Spielerei hielt er jetzt einen Blaster schußklar in der Tasche. Es geschah nichts. Man warf ihm nicht einmal abfällige Blicke zu. Zu bekannt war es in Anon, daß er Wochen und Monate gearbeitet und geplant hatte, um den vernichtenden Schlag gegen die Verdammten führen zu können. Und bis auf die Panne mit dem Kugelraumer HOPE verliefen alle Aktionen wie vorgesehen. Kurz vor seinem Büro änderte Sawall seinen Entschluß. Er machte kehrt und betrat am anderen Ende des Ganges einen Raum. Wortlos schloß er hinter sich die Tür. Ihm gegenüber standen acht Giants, die ihn aus ihren großen Augen unver
wandt betrachteten. Er wußte, daß sie jetzt seine Gedanken lasen. Und er wollte, daß sie es taten. Sie sollten wissen, daß er ihnen seit Dharks Flucht aus Anon mißtrau te. Er wollte jetzt klargestellt haben, warum sie auf Para-Basis keine Warnung gegeben hatten. Schlangenzischen klang auf - die Sprache der Giants. Der größte von ihnen sprach Allon Sawall an. Und er, der nicht umgeschaltete Robone, ver stand nicht nur das Zischen, er konnte auch in ihrer Sprache flüssig antworten. Er und seine fana tischen Freunde hatten es seinerzeit auf dem Pla neten Robon gelernt, als die Giants noch Herren Terras waren und aber Milliarden Menschen zu Halbidioten gemacht hatten. „Ich soll mich ...?” Noch lauteres Zischen unterbrach ihn. „Knie nieder, wenn du zu den All-Hütern kommst, Sawall!” Das hatten sie noch nie von ihm verlangt. Sein Mißtrauen wurde von Staunen und Fassungslosig keit verdrängt. „Warum? Warum diese Zeremo nie?” „Knie nieder vor den All-Hütern!« Der Befehl dröhnte in seinem Ohr. Grau wurde sein Gesicht. Schmutziggrau. Er ballte die Hände. Er sah von einem Giant zum anderen, aber er entdeckte in ihren Augen überall den gleichen ausdruckslosen Blick. Knie nieder, Sawall! Auf Para-Basis war ihm nun zusätzlich der Be fehl zugestrahlt worden. Langsam ließ Sawall sich auf die Knie nieder. Sein Zorn, sein Mißtrauen waren verraucht. „Ja?” fragte er und wartete ihre Befehle ab. In seinen Augen waren sie keine Ungeheuer, in seinen Augen waren sie ihre besten Freunde, ihre Ratgeber und Beschützer. „Sawall, stelle alle Aktionen gegen die Verdammten und ihre Welt ein!” „Nein!” schrie er in der Sprache, die er als kleines Kind auf der Erde gelernt hatte. „Nein!” wiederholte er auf die gleiche Art. „Das werde ich nie tun! Nie! Hört ihr? Nie werde ich es tun!” Sein Schreien hallte im kahlen Raum wider. Stelle alle Aktionen gegen die Verdammten und ihre Welt ein! Der telepathische Befehl erschütterte ihn so stark, daß er seine Beherrschung und devote Ach tung vor den Giants verlor. Er sprang auf. Er fuchtelte mit den Armen he rum. Er sollte aufgeben, was sein Lebensziel war?
Er sollte alle Robonen, die auf Hidplace eine Zu flucht gefunden hatten, hoffnungslos enttäuschen? Sawall, du gibst auf! Wir, die All-Hüter, befeh len es! Ein diabolisches Grinsen flog über sein Ge sicht. Seine rechte Hand stieß in die Tasche, dann hielt er seinen Blaster auf die Giants gerichtet. „Ich werde nie aufgeben, aber ihr.” Und nicht mehr Herr seiner Sinne, drückte er den Kontakt. Der Blasterstrahl zischte. Keiner der acht Gi ants machte eine Bewegung. Einer nach dem ande ren verging. Und dann befand sich Allon Sawall plötzlich allein in dem kahlen Raum. Wie aus einem schweren Traum wurde er wach. „Ihr habt mich dazu gezwungen”, murmelte er, drehte sich auf der Stelle um und verließ den Raum. Unbeobachtet erreichte er sein Büro. Der Blaster verschwand wieder in der Ablage. Über Vi pho stellte er eine Verbindung zum HyperfunkSender her. „Verschlüsselt, gerafft und zerhackt das Stich wort 'Melun' nach Terra abstrahlen!” Das war sein Befehl, die stille Übernahme der Erde beschleunigt zu beenden, mit allen verfügba ren Mitteln Terra in Besitz zu nehmen. Der Robone, der seine Order erhalten hatte, wiederholte die Anordnung. „Vollzug melden!” verlangte Allon Sawall als letztes, dann schaltete er ab. Gelassen lehnte er sich zurück. Die Übernahme der Erde durch Robonen war jetzt nicht mehr auf zuhalten. Keiner wird mich daran hindern können! Niemand! Keine Macht! Wir brauchen bloß noch zuzugreifen. Voller Triumph dachte er es. Dann veränderte sich sein Gesicht. Auch der Ausdruck seiner Augen. Züge und Augen spiegel ten Schrecken wider. Allon Sawall erinnerte sich der Vision, die er und seine Männer im Jett gehabt hatten, als Ren Dhark und seine kleine Gruppe ver folgt wurde. Diese Vision: Den Cal als Einheit, nicht als Fünfergruppe! Das grauenverzerrte Gesicht, schrecklicher als das der Medusa - unbeschreiblich in seinem Aussehen, und so furchtbar in einer Wir kung, daß auch der stärkste und furchtloseste Mann aufgeschrien hätte. Vor mehr als einem Monat hatte der Cal aus unbekannter Distanz verhindert, daß fünf Robotku geln, in denen Ren Dhark und seine Freunde flo gen, von ihnen vernichtet werden konnten. Er selbst, Allon Sawall, hatte den Befehl erteilt, den Angriff einzustellen! Er - Allon Sawall! Und eben er hatte nicht nur dem Befehl seiner acht All-Hüter widersprochen, sondern sie mit sei
nem Blaster vernichtet, als sie Gehorsam verlang ten! Den Kopf in beide Hände gestützt, die Augen geschlossen, hockte Sawall hinter seinem Schreib tisch. Er war verloren! Der Cal würde sein Verbre chen nicht ungestraft hinnehmen! Ich muß mich beruhigen, versuchte er sich ein zureden. Ich selbst bin es, der sich die Nerven zer rüttet. Ich .. . Er ließ den Arzt kommen. Der staunte. „Was, Sie wollen ein stark wir kendes Sedativum, Sawall? Ist das ein Witz?” »Untersuchen Sie mich!" herrschte der Mulatte ihn an, und der Mediziner enthielt sich jeder weite ren Bemerkung. Sawall erhielt ein Beruhigungsmittel. Ein schnellwirkendes und starkes. Der Arzt war be stürzt über den hochgradig erregten Zustand seines Patienten, aber er wagte nicht, ihn nach den Ursa chen zu fragen. „Lassen Sie mich allein!” verlangte Sawall, als er die Wirkung der Injektion zu fühlen begann. »Wenn ich Sie nötig habe, rufe ich Sie wieder." Da meldete die Hyperfunkstation den Vollzug des chiffrierten, gerafften und zerhackten Kurz spruches nach Terra: „Terra hat ihn bestätigt.” Allon Sawall nickte nur. Seine Gedanken kreisten um den Cal und um sein Verbrechen, das er an acht All-Hütern begangen hatte. Eine neue Frage tauchte in ihm auf: Was würde geschehen, wenn das Verschwinden der acht Gi ants auf Hidplace bekannt wurde? Warum habe ich das getan, hämmerten dann wieder anklagend seine Gedanken. Warum habe ich das getan? Warum? Er konnte sich selbst da rauf .keine Antwort geben. * Holger Alsop und Jan Burton waren in ihrem Flash dem Anti-Materie-Sonnensystem im weiten Bogen aus dem Weg gegangen. Von unschätzba rem Wert waren die Erfahrungen, die Janos Szar dak mit der POINT OF bei seinem vierundzwan zigstündigen Aufenthalt von der Ballung Dg-45 gemacht hatte. Ohne diese Informationen, wenn gleich sie auch unvollständig waren, hätten sie sich längst in diesem Sternhaufen verirrt oder wären in einem der Sektoren den unwahrscheinlich starken Magnetfeldern zum Opfer gefallen. Sie hatten sich inzwischen daran gewöhnt, daß ihr Intervall fast bis zum Maximum belastet war und achteten kaum noch auf die Instrumentenan
zeige. Der Flash arbeitete mit Vollast-Sle und näherte sich mehr und mehr der Transitionsgeschwin digkeit. Ihr nächstes Ziel war nur 0,5 Lichtjahre entfernt und mußte nach den nicht ganz sicheren Ortungsangaben fünf Planeten haben. Rücken an Rücken saßen die beiden Cy-borgs. Bequem fanden sie ihren Flash nicht. Jan Burton konnte sich nicht damit abfinden, daß sich der Bildschirm über seinem Kopf befand, und gerade knurrte er wieder über diese Tatsache. „Die Mysterious haben ein Auge im Schädel dach gehabt!” entgegnete Alsop auf das Murren seines Kollegen. „Damit muß man sich eben abfin den, ansonsten ist dieser Blitz doch das kleinste und raumtüchtigste Fahrzeug, das ich mir vorstel len kann.” „Wie Sie meinen.” Jan Burton, zweiund zwanzig Jahre alt, der Logistiker unter den Cy borgs, war kein Freund von Streitgesprächen. Er setzte sich zurecht und paßte auf, mit dem Kopf nicht gegen die Bildprojektion zu stoßen. Kaum fingerbreit war dort oben Platz. »Wir sind sprungklar!" sagte ihm Holger Al sop. »Achtung, ich schalte das Intervall ab und gehe auf Sternensog!" Der Kurs lag an. Der Sprung, der sie in Null zeit die kleine Distanz von einem halben Lichtjahr zurücklegen ließ, erfolgte. Die beiden Männer sa hen über ihren Bildschirm, daß sich die Konstella tion der Sterne etwas verändert hatte. Von einem Transitionsschock war in den Flash wie auch in der POINT OF - im Gegensatz zu den Kugelraumern nichts festzustellen. „Der reinste Irrgarten, diese Ballung Dg-45”, stellte Holger Alsop nüchtern fest. Burton schwieg. Er hatte die gleichen In strumente vor sich wie sein Cyborgkollege Alsop. Eins hatte ihn aufmerken lassen. Die Massen-Or tung schien sich einen eklatanten Fehlgriff geleistet zu haben. Nicht daß ihre Plus-Minus-Abweichun gen unverändert hoch waren — nach Burtons Ge fühl stimmte die gesamte Massenangabe des Sys tems nicht. „Ich schalte auf mein zweites System um, Al sop!” unterrichtete er seinen Partner Der dachte sich nichts dabei. Knapp 120 Mil lionen Kilometer vor dem äußersten fünften Plane ten hatten sie ihr Ziel erreicht. Wenn sie Glück hat ten, dann war durch die relativ schwache EnergieAbgabe beim Sprung ihre Struktur-Erschütterung so schwach gewesen, daß sie im magnetischen Durcheinander einfach untergegangen war. Nachtschwarz der Weltraum, Punktquellen die nahen und fernen Sonnen, zwischen den Lücken
schimmerte aus Ewigkeiten das Band der Milch straße. Tödliche Leere um den Flash. Nur leise summten im Blitz die beiden Antriebe. Das Inter vall, der eigene Mini-Weltraum, umgab den plum pen, tankförmigen Körper, der Funk schwieg auf allen Frequenzen, so wie es mit den anderen Flash vereinbart worden war. Holger Alsop hatte die Fin gerkuppen auf den Steuerschaltern liegen. Niemals hatte er sich vorstellen können, wie leicht es war, einen Blitz durch den Raum zu jagen, mit ihm zu transistieren und von System zu System zu fliegen. "Burton, auch hier ist nichts zu holen. Hoffent lich jagen wir nicht einem Schemen nach." Jan Burtons Stimme klang kaum verändert, als er über sein zweites System antwortete: "Ich glau be nicht, daß unser Commander phantasiert hat, und wenn mich nicht alles täuscht, dann hat dieses System keine fünf Planeten, sondern sechs!" Holger Alsop kontrollierte erst noch einmal die Anzeigen der verschiedenen Ortungen, dann zog ein leichtes Schmunzeln über sein Gesicht. Jan Burton schien weiße Mäuse zu sehen. Das System hatte fünf Planeten. Das stand einwandfrei fest. „Burton, sollen wir zur anderen Seite hinüber springen? Von dort aus müßten wir den sechsten Umläufer sehen können, wenn er sich gerade hinter der Sonne verstecken sollte." "Nicht nötig. Ich brauche noch ein paar Minu ten, um alles durchzurechnen, dann sage ich Ihnen, ob ich mich getäuscht habe, oder ob es diesen sechsten Planeten doch gibt." "Aber die Massen-Ortung ..." "Stimmt nicht! Deswegen bin ich über den Fall gestolpert. Die Relation ist falsch. Muß falsch sein, oder wir können uns nicht mehr auf die OrtungsResultate verlassen. Bitte. lassen Sie mir ein paar Minuten Zeit, Alsop." Holger Alsop legte die Hände nicht in den Schoß. Er schaltete auf Fein-Ortung um. Er wollte seinem Kollegen beweisen, daß dieser unrecht hat te. Kurz darauf lachte er unterdrückt, aber Burton meldete sich nicht. Alsop war sich seiner Sache si cher, wenngleich eine erstaunliche Mißwertung vorlag, aber die konnte oder mußte sogar ihre Ur sache in dem starken Magnetfeld haben, das diese Ballung so gefährlich machte. Unterdessen verarbeitete Jan Burton mit sei nem Spezial-Programmgehirn alle Daten, die ihm die Ortungen geliefert hatten. Zusätzlich stellte er weitere Berechnungen an über Bahnkurven, Ab stand der einzelnen Planeten zueinander, Massen verhältnisse, Umlaufzeiten und andere mehr. Er war zu einem hochwertigen Suprasensor geworden und hatte nicht einmal Holger Alsops unter
drücktes Lachen gehört. Noch nie hatte er sich an eine Aufgabe heran gewagt, die so kompliziert war wie diese, aber er gab auch nach Fehlberechnungen nicht auf, er faß te die Aufgaben von einer anderen Seite an und vergaß ebensowenig die Resultate der einzelnen Berechnungen. Unvergänglich wurde jeder Vor gang in seinem Programm-Gehirn festgehalten, und als er wieder auf sein normales System zurück schaltete, konnte er alle Resultate über die schwa che Rückschaltungs-Phase abrufen. "Was?" staunte Alsop. "Der sechste Planet ist nicht zu sehen? Er ist unsichtbar?" Wieder lachte er. Sein astronomisches Wissen war nicht klein, aber darin gab es keinen einzigen Hinweis, daß in nerhalb der Milchstraße unsichtbare Planeten exis tierten. Schlimm genug waren schon die nicht sichtba ren Radiosterne! "Nicht der sechste ist unsichtbar", verbesserte ihn Jan Burton, "sondern der vierte von sechs Um läufern. Und die Koordinaten lauten...« "Langsam", bremste ihn Alsop ab. »Nicht erforderlich. Ich habe sie schon alle an die Gedankensteuerung abgegeben. Sie legt unse ren neuen Kurs an." „Da bin ich gespannt”, erwiderte Alsop, der immer noch nicht bereit war zu glauben, was sein Kollege behauptete. Der Kurs kam. Alsop kniff die Augen zusam men. Er, der bereit gewesen war, auf die Fehlerlo sigkeit der Mysterious-Ortungen zu schwören, mußte plötzlich umdenken. Wenn es tatsächlich in diesem System einen unsichtbaren Planeten gab, warum hatte dann die Energie-Ortung nicht ein deutig darauf angesprochen? „Dennoch glaube ich nur die Hälfte.” Er zeigte sich von der sturen Seite, die man an dem jungen Mathematiker und Evolutionstheoretiker nicht ge wohnt war. "Der Commander hat von einem un sichtbaren Planeten kein Wort gesprochen." Schallend lachte Jan Burton. „Alsop, wenn Sie einmal auf der Flucht sein sollten, nur mit einer Strahlwaffe bewaffnet, dann werden Sie auch keine astronomischen Beobachtungen machen können.” "Aber Dhark hat doch auch Sterne gesehen. Er hat von einem ihm unbekannten Sternenhimmel gesprochen. Und Sie werden es dem Commander doch wohl abnehmen, daß er sich in Konstellatio nen auskennt. Wie verträgt sich das ... Oh, Donner wetter!" Holger Alsop hatte sich derart in seine Überlegungen verrannt, daß er einfach von der An nahme ausgegangen war, der vierte, unsichtbare Planet des vor ihm liegenden Systems müsse Hid place sein.
"Nun", fragte Burton, "nehmen wir Kurs auf dieses interessante Phänomen, Alsop?" Wenn sie nicht Stunden vertrödeln wollten, lohnte es sich zu transistieren. Blitzschnell schalte te Alsop die Rückschaltungs-Phase zu seinem Pro gramm-Gehirn ein und rief alle erforderlichen Da ten an. Seine Befürchtungen wurden bestätigt: Struktur-Erschütterungen innerhalb eines SonnenSystems ließen sich leicht und exakt anmessen. Dennoch war die Besprechung mit seinem Kolle gen nur kurz. Einstimmiger Beschluß, in einem Sprung das vor ihnen liegende Ziel zu erreichen. Der Flash beschleunigte, näherte sich der Tran sitionsgeschwindigkeit, und in diesem Fall hatte es Holger Alsop der Gedankensteuerung überlassen, die Energie-Abgabe beim Sprung so gering wie möglich zuhalten. Zwei Planetenbahnen hatten sie übersprungen. Sie befanden sich in Nullzeit wieder im RaumZeit-Kontinuum. Im Flash summten nur die Trieb werke, die den ellipsoid angeordneten Flächenpro jektoren die erforderlichen Energiemengen zuführ ten. "Na?" Alsops Frage blieb im Raum hängen. Jan Burton beschäftigte sich mit der Funk-Or tung. Sie tastete alle Frequenzen ab. Aber bis auf eindeutige Störungen war es überall still. „Wie schnell sind wir?” fragte der Logistiker. "Geschwindigkeit fallend. Rund 0,3." Das Wort blieb ihm im Mund stecken. Unter ihnen drehte sich ein Planet! Das System hatte tatsächlich sechs Umläufer! Und einer davon, der vierte, rotierte und umlief seine Sonne unter einem Energieschirm, der ihn unsichtbar machte! Da schrie Burton auf, der seine Bildprojektion auf maximale Vergrößerung geschaltet hatte. "Das ist er! Das ist Hidplace! Holger, wir haben das Versteck der Robonen gefunden! Sehen Sie das au gedehnte, riesengroße Gebirge?" Alsop hatte andere Sorgen. »Hoffentlich hat man uns nicht geortet, und wenn, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als schleunigst zu verschwinden. Burton, wie sieht es mit den Positionsangaben aus? Liegen die Bezugs punkte zu einer bekannten Sonne exakt fest?« Der andere stöhnte. "Hier? In diesem magneti schen Wirrwarr? Sie verlangen ein bißchen viel, aber zur Not müßten wir dieses System wiederfin den können. Große Milchstraße, sind Sie auf Ge genkurs gegangen?" Holger Alsop hatte den Flash aus dem Kurs ge nommen und war an einer anderen Stelle wieder
durch den Schirm in den Raum geflogen. Hidplace - war er es wirklich? - war nicht mehr zu sehen. Erstaunlicherweise zeigte die Energieor tung keine besonderen Werte an, ebenso Distanzund Massen-Ortung. „Die Robonen müssen ein System entwickelt haben, bei dem die Mysterious-Ortungen versa gen«, stellte Holger bedauernd fest.. Hinter ihm, Rücken an Rücken, erklärte Jan Burton begeistert. „Wir müssen die COL benach richtigen und ein oder zwei Flash nach hier beor dern. Ich schlage vor, daß wir uns mit dieser Ver stärkung Hidplace etwas genauer ansehen.” Über der Nasenwurzel des schlanken, grauhaa rigen jungen Mannes standen wieder zwei tiefe Furchen, tief waren auch die beiden rechts und links von den Nasenflügeln verlaufenden Kerben, die Schatten warfen. Dazu war sein leicht vorsprin gendes Kinn auffallend. Jedem Betrachter drängte sich der Eindruck auf, Holger Alsop sei ein Drauf gänger. Aber er war noch nie ein Draufgänger gewe sen, er haßte Risiken, weil jedes Risiko eine unbe kannte Größe war, die sich nicht berechnen ließ. Als der geborene Mathematiker konnte er sich gar nicht anders verhalten. „Wir rufen zuerst über To-Funk die COL an. Larsen soll entscheiden, wie wir uns verhalten sol len.” „Schade”, murmelte Jan Burton, der ent täuscht war. Als Logistiker unter den Cyborgs war er eine einmalige Größe, wenn er sein zweites Sys tem benutzte, sonst nichts anderes als ein netter, zuverlässiger Partner ohne besondere Eigenschaf ten, hin und wieder war er in seinen Handlungen sogar fahrlässig. Alsop als Pilot des Flash und damit Kom mandant des tankförmigen Raumfahrzeuges, ver suchte über To-Funk die COL zu erreichen. Woher sollten die beiden Männer auch wissen, daß sich der Kreuzer längst nicht mehr am Rand der Ballung Dg-45 befand, sondern einen aussicht losen Kampf gegen eine Riesensonne führte, die Schiff und Besatzung zu verschlingen drohte? Die COL meldete sich nicht, auch nicht, als Alsop mit größter Sende-Energie funkte. „Keine Verbindung! Dann muß ich es eben bei den anderen Blitzen versuchen.” »Kein To-Funk?« fragte Burton besorgt. Nur To-Funksendungen waren nicht abzuhören, son dern konnten nur in der Richtung empfangen wer den, in die der gebündelte und verstärkte Strahl raste. »Kein To-Funk. Wir wissen ja nicht, wo die
anderen Flash sich herumtreiben. Unsere einzige Chance liegt bei einem schwachen Peil-Impuls." »Und wenn man den auf Hidplace ortet, Alsop?" „Ich hoffe, daß der Deflektorschirm, der um den Planeten liegt, den Peil-Impuls ablenkt - so ab lenkt, wie unsere Ortungsstrahlen. Noch Beden ken, Burton?” „Keine.” Fünf Sekunden lang strahlte der Flash den Im puls ab, danach lief der Empfang auf allen Wellen. Die Automatik sorgte dafür, sofort die Frequenz festzuhalten, auf der gesendet wurde. Da stieß Alsop aus: „Empfang.” Die beiden Sniedes, die zusammen in ei-nem Flash flogen, meldeten sich. Sie gaben ihre Koor dinaten durch, die leider nicht genau waren. Drei mal wurde alles wiederholt. Alsop strahlte ihnen sein Erkennungs-Code zu, dann schaltete er wieder auf To-Funk um, hatte Glück und kam mit seinem Spruch durch. „Wir kommen!” Mehr hatten die Snides nicht zu melden. „Wir haben genau die richtigen erwischt”, stellte Burton fest. „Die Zwillinge mit ihrem un glaublichen Fernsichtvermögen sind gut für vier andere Cyborgs. Aber warum sagen Sie nichts, Al sop? Gefällt Ihnen die bevorstehende Expedition nicht?” »Wie bitte?" Alsops Gedanken hatten sich in eine andere Richtung bewegt. Ihm war es ein Rät sel, warum er die COL per To-Funk nicht hatte er reichen können. »Ob mir die Expedition behagt? Haben wir uns als Cyborgs diese Frage zu stellen? Mir macht die COL Sorge. Warum hat sie auf un sere Anrufe keine Antwort gegeben?" „Sie machen sich wegen eines Brockens von 400 Meter Durchmesser Sorgen? Haben Sie vergessen, wer Kommandant der COL ist? Ralf Larsen kommt mit seinem Schiff sogar aus der Hölle heil zurück. An die COL verschwende ich keine Gedanken. Hoffentlich sind die Zwillinge bald da. Ich fiebere darauf, diese Robonenwelt kennen-zulernen.” Holger Alsops Verlangen war nicht so groß. * Arc Doorn musterte Ren Dhark so ein-dring lich, daß der Commander stutzig wur-de. Was geht hinter der Stirn des Rotkopfes vor? fragte er sich in Gedanken und blieb neben ihm stehen. Leicht legte er ihm die Hand auf die Schul
ter. „Na, Doorn, was haben Sie auf dem Herzen?” Der junge Mann mit der zu breit geratenen Nase lachte, aber in seinen Augen blitzte es auf. Seitdem er Doris Eyck, die reizende Kranken schwester, geheiratet hatte, war auch ein Teil sei nes unfreundlichen Benehmens verschwunden, nur besonders redeselig war er auch jetzt noch nicht. „Einen Plan! Einen erstklassigen! Einen Plan mit der ARCTUR, mit unseren Flash und den Cy borgs. Nur nichts für Sie, Dhark.” Seit ihrer Deportation nach Deluge, wohin sie Stadtpräsident Rocco hatte schaffen lassen, waren Ren Dhark und Doorn zusammen gewesen. Sie hatten Gefahren, Niederlagen, Entbehrungen und Triumphe gemeinsam erlebt, aber dennoch war es ein starkes Stück, dem Commander der Planeten vor seinen Offizieren zu sagen: Ich habe einen Plan, aber der ist nichts für Sie! „Wie bitte?” Dharks Stimme klirrte. In seinen braunen Augen blitzte es auf. Arger stand auf sei nem Gesicht. Seine Hand lag nicht mehr auf der Schulter des anderen. „Ja! Wir haben genug Flash verfügbar. Wir ha ben vierzehn Cyborgs einsatzbereit. Ich habe einen Plan, und wenn die ARCTUR noch in Cent Field liegt, dann machen wir mit dem Kahn rein Schiff!” Damit glaubte er alles gesagt zu haben. Da schob sich Chris Shanton mit seinem Jimmy heran. Der Dicke spielte mit seinem Backenbart, und er grinste breit. „Ein guter Plan!” dröhnte seine Stim me. „Wirklich nichts für Sie, Dhark.” Der bereute in dieser Minute, daß er auf seiner POINT OF keinen militärischen Drill eingeführt hatte. Es behagte ihm jetzt nicht, einfach mit Na men angesprochen zu werden, und es behagte ihm noch weniger, Arc Doorns Plan nicht zu kennen. Hatten sich Shanton und der rothaarige Bur sche vorher untereinander abgesprochen? „Was soll hier gespielt werden?« Beide hatte er gefragt. Beide zeigten sich nicht beeindruckt. Bram Sass verschwand hinter dem Checkmaster der POINT OF, und die beiden Offiziere, die oben auf der Galerie Dienst machten, sorgten dafür, daß sie aus Sichtweite kamen. Sie konnten sich nicht erin nern, daß man jemals mit dem Commander in die ser Form und in diesem Ton gesprochen hatte. „Ein höllisches Spiel, Dhark”, sagte Shanton und begann seinen Jimmy zu streicheln. „Eine tolle Idee von Doorn. Wir fliegen in die ARCTUR ein. Doorn und ...” Er verstummte, beugte sich zu Ren Dhark vor und flüsterte ihm ins Ohr. Eine halbe Minute später erhielt seine Stimme wieder ihre normale Stärke. »Nun, was halten Sie davon?” Ren Dhark, der kein nachtragender Mann war, hatte seinen Ärger schon wieder vergessen. „Ein
guter Plan. Tatsächlich eine tolle Idee. Wir fliegen in zwei Gruppen nach Cent Field ...” »Sie nicht! Sie bleiben auf der POINT OF!" unterbrach ihn der Dicke mit unwahrscheinlicher Ruhe. »Wir haben Sie nämlich später nötig, und dann erwarten wir, daß Sie mit dem Ringraumer angerauscht kommen." Jetzt wurde es Dhark doch zu dumm. „Shanton, in aller Freundschaft, Sie scheinen vergessen zu haben, welche Position ich bekleide « »Gerade deswegen, Dhark - oh, pardon, Com mander. Der Plan ist auf die Cyborgs und Doorn abgestellt. Wenn wir Pech haben, wird es auf Cent Field höllisch rundgehen und man wird Doorn er neut beeinflussen. Aber das ist zu ertragen, wenn man ihn in diesem beeinflußten Zustand nicht auf die Ast-Stationen läßt. Sich vorzustellen, daß man Sie auch beeinflußt hat, du großer Himmel, diese Katastrophe ist doch nicht auszudenken." Chris Shanton konnte mit Engelszungen reden, aber seine Worte überzeugten nicht. Dazu hatte er sich auch ungewollt im Ton vergriffen. Er hatte wie ein erfahrener Va-ter zu seinem noch nicht volljährigen Sohn gesprochen. „Ich leite eine Gruppe und Doorn die andere!” bestimmte Dhark energisch, daß normaler Weise kein Widerspruch aufkommen konnte. Es kam aber Widerspruch auf. Widerspruch von Arc Doorn. „Dann haben die Cyborgs Ladehemmung beim Umschalten auf ihr zweites System.” Ren Dhark trat bis zum Pilotensitz zurück, sein Gesicht war weiß, seine Augen glühten und die Muskeln in seinem Gesicht zuckten. Was man ihm gerade vorexerziert hatte, war Erpressung, war Meuterei! Man versuchte seine Befehle zu ignorieren. „Doorn, wenn Sie es gewagt haben, die Cy borgs zur Meuterei zu bewegen ...” Der bullige Mann war noch nie vor einer Ge fahr geflüchtet. Er hielt jetzt Dharks Blick stand. „Meuterei?” sagte er gedehnt. „Meuterei, wenn wir es darauf angelegt haben, daß Ihnen nichts pas siert? Daß man Sie nicht beeinflussen kann? Com mander der Planeten, ich frage Sie jetzt: Sind Sie aus Feigheit in die Rocky Mountains geflüchtet, als Sie in Alamo Gordo feststellen mußten, daß Ihre engsten Mitarbeiter beeinflußt waren?” In der Kommando-Zentrale des Ringraumers konnte man die berühmte Stecknadel fallen hören. Wie zwei Kämpfer, die sich aufeinanderstürzen wollten, standen sich Dhark und Doorn gegenüber. Der interessierteste Beobachter war Chris Shanton, der unentwegt seine schwarzfellige Robotkonstruk
tion streichelte. „Nun, Commander der Planeten, sind Sie aus Feigheit oder aus Verantwortungsbewußtsein in die Rockies geflüchtet?” Wie ein Richter, der einen Angeklagten verhört, hatte Doorn seine Frage wie derholt und sie leicht verändert. Ren Dharks verkrampfte Haltung lockerte sich. Ein nachdenklicher Zug tauchte auf seinem Ge sicht auf. Kaum merklich war sein Nicken. Dann wanderte sein Blick. zu seinem technischen Chef der solaren Verteidigung, der mit der einen Hand seinen Hund streichelte, und mit der anderen durch den Backenbart fuhr. Shantons Gesicht war ebenso zur Maske er starrt wie das von Arc Doorn. Diese beiden Män ner warteten auf seine Entscheidung. „Gut!” Dieses eine Wort zerriß die kaum noch zu er tragende Spannung in der Kommando-Zentrale. Es fegte Herzklopfen hinweg und stellte Schweißaus brüche ein. Die Offiziere auf der Galerie waren wieder zu sehen. Broms Sass kam hinter dem Checkmaster hervor. Hier und da stahl sich ein ers tes Schmunzeln hervor, aber auch bewundernde Blicke trafen den bulligen Rotkopf. „Gut, ich bleibe an Bord. Manu Tschobe wird mit Ihnen fliegen, Doorn.” Unbestimmbar war jetzt der Blick, mit dem Dhark den anderen ansah. Und der hatte den Kopf leicht hochgenommen und wartete erneut ab. „Doorn, hatten Sie sich das vorher zurecht gelegt, das von meinem Verschwinden aus Alamo Gordo?” „Nein, das fiel mir ein, als Sie den Sturen ab gaben, Dhark.” Man nannte ihn nicht mehr Commander der Planeten. Für jeden war er wieder Dhark, und Ren Dhark begriff, daß er Freunde um sich hatte, die sich nicht scheuten, ihm einmal offen und drastisch die Meinung zu sagen. „Danke, Doorn. Wann startet die Aktion?” Ein Schmunzeln stahl sich über Doorns grob poriges Gesicht. „Wenn Sie den Befehl dazu ge ben. Denn Sie sind der Commander.” „Mit Ausnahmen. Wie eben!« Gelächter brandete durch die Zentrale des Rin graumers, und es machte Chris Shantons Murmeln unverständlich, der zu seinem Jimmy gesagt hatte: „Uff, das waren harte Minuten gewesen. Komm, alter Knabe, laß uns mal schnell nach einer Flasche Kognak sehen, bevor Dhark selbst auf den Gedanken kommt, auf den Schreck, den wir ihm verpaßt haben, einen zu heben.”
Unauffällig stahlen sich beide aus der Zentrale. Niemand achtete auf das Donnern des Schotts. Als Chris Shanton vermißt wurde, hatte er im Kasino seinen Alkoholbedarf schon gestillt. Jimmy hockte neben ihm an der Bar, hielt den Kopf schief und sah ihn mit sprechenden Blicken an, als wollte er sagen: Du alter Genießer! * Der Raum-Controller des Flash zeigte in nächster Nähe eine schwache Struktur-Erschüt terung an. Obwohl Holger Alsop alle Waffen sei nes kleinen Blitzes auf Gedankensteuerung ge schaltet hatte und er sich absolut darauf verlassen konnte, zuckte er zusammen. Umschalten auf das zweite System! Im gleichen Moment hatte Jan Burton auch in dieser Form reagiert, und da sagte der Logistiker schon, der die Daten der Ortungen schneller als je der andere Mensch auswerten konnte: „Die Zwil linge sind da. " Holger schaltete den Funk auf UKW, die Ge fahr , dadurch abgehört zu werden, war äußerst ge ring. Gespräche über Vipho waren gefährlicher. »Hallo, ihr beiden”, Charly Snide meldete sich, „welcher Planet ist es denn? Und warum steht ihr zwischen zwei Planetbahnen?” Die beiden eidetischen Zwillinge, die bis vor wenigen Wochen Vollidioten gewesen waren, hat ten also auch nicht bemerkt, daß sie mit ihrem Flash dicht über einem Planeten standen, der von einem Schirm umgeben war, der ihn unsichtbar malte. George Snide benutzte einen unfeinen Aus druck, als man ihn zwingen wollte an die Existenz dieses unsichtbaren Planeten zu glauben. „Das gibt es nicht! Unsere Ortungen arbeiten einwandfrei. Du großer Himmel, welche Energien benötigt man, um ein Prallfeld um einen ganzen Planeten zu errichten? Die lahmste Energie-Ortung schlägt doch in solch einem Fall durch! Und dazu arbeitet unsere auf überlichtschneller Basis.« Aber sie mußten es glauben, als sie durch den Deflektorschirm flogen und unter sich einen unbe kannten Planeten kreisen sahen. War es wirklich Hidplace? Der Planet hatte sich in der Zwischenzeit so weit auf seiner Rotationsbahn gedreht, daß er ih nen die Nachtseite zeigte. Eine bessere Einladung konnten sie nicht, er halten. Vom Commander her war ihnen bekannt, daß das Versteck der Robonen nur von einigen Hunderttausend Robonen bewohnt war. Wenn sie
Glück hatten, dann befanden sich auf dieser Welt kaum Ortungsstationen. Holger Alsop stellte fest, daß es eine sehr gro ße Unterstützung war, die Snides in ihrem zweiten Flash in der Nähe zu wissen. „Nichts auszumachen”, gab Charly Snide durch. „Weder noch! Ich glaube, wir können ...” Zwei Blitze stießen auf einen unbekannten Pla neten herab. Die Sicht war auf Infrarot geschaltet. Die Projektion der Bildschirme war so gut, als läge die Welt unter ihnen im Licht ihrer Sonne. Das gewaltige Gebirgsmassiv, von dem Ren Dhark gesprochen hatte, war nicht zu sehen. Der riesige Kontinent zu ihren Füßen trug nur mittel große Bergzüge. Nach wie vor waren alle Waffen der Flash auf Gedankensteuerung geschaltet, aber als sie in die dichteren Luftschichten einbrachen und die Analy se eine Atmosphäre ergab, die der der Erde ähnel te, übernahmen Holger Alsop und Charly Snide die Kommandoführung über Dust-, Strichpunkt- und Nadel-Strahlantennen. „Tiefflug!” befahl Alsop über UKW. Sie machten sich keine Sorge, bei ihrer hohen Fahrt mit einem Berg zusammenzustoßen. Wenn es zu solch einer Kollosion kommen sollte, dann schützte sie ihr Intervall, der Mini-Weltraum, der jeden Flash normalerweise einhüllte. Der Berg wurde dann einfach durchflogen. Nur der Brenn kreis, durch den Sle erzeugt, hinterließ als einziges Merkmal eine glasige Spur. Nach einer halben Stunde fluchte Jan Burton, der den Kopf weit in den Nacken gelegt hatte, um die Wiedergabe der Bildproduktion zu verfolgen. „Ich könnte diese Mysterious mit ihrem dritten Auge oben im Kopf umbringen! Meine Nackenwir bel schmerzen, als ob man mich eben erst gehenkt hätte.” Das erinnerte Alsop daran, daß sie beim An flug auf die Nachtseite dieses Planeten wieder auf normal geschaltet hatten. Sie mußten sich trotz des erstklassigen Trainings im Brana-Tal doch noch daran gewöhnen, viel öfter ihr zweites, bedeutend leistungsfähigeres System zu benutzen. „Umschalten auf zweites!” befahl Alsop über UKW. Es war lebensnotwendig, denn alle Robonen besaßen die unerklärliche Fähigkeit, Terraner auf den ersten Blick zu erkennen. Bis zum Tag hatten sich die Wissenschaftler der Erde an diesem Phä nomen die Zähne ausgebissen. Es gab nicht den kleinsten Hinweis, der ein wenig Licht in diese un klare Angelegenheit gebracht hätte. Die Massen-Ortung kündigte ein hohes Gebir
ge an. Die Flash schossen auf 10 000 Meter Höhe. Plötzlich sprach auch ihre Energie-Ortung an! Un ter ihnen mußten sich hochwertige, leistungsstarke Kraftwerke befinden. „Fremdortung!” brüllte Charly Snide über Funk. Die gleiche Feststellung hatten Alsop und Burton auch gemacht. Erfolgte in den nächsten Sekunden ein Strah langriff auf sie? Nichts passierte. Auch die FremdOrtung verschwand. »Haben die ein Kindergemüt", brummte George Snide und hatte vergessen, daß UKW alles übertrug. Zweimal noch erlebten sie das gleiche. Jedes mal verschwand die Fremd-Ortung nach wenigen Sekunden. Alsop hatte den Verdacht, daß sie regel recht weitergereicht wurden. Dann war das Gebirge zu Ende. Die bei-den Flash stießen an den letzten Bergflanken tiefer. Auf ihrem Flug hatten sie die Nachtseite des Plane ten durchquert und die Zwielichtzone erreicht. „Eine Stadt?” fragte Jan Burton, der von seinen schmerzenden Nackenwirbeln nichts mehr fest stellte, weil er auf sein zweites System geschaltet hatte. Dann stand endgültig fest, daß sie sich auf Hid place, dem Versteck der Robonen befanden. Vor ihnen lag Anon, die Hauptstadt dieser Welt, Allon Sawalls Machtzentrum! Die sechs Ausleger der Flash wurden ausgefah ren. Weich setzten die Blitze auf. Im gleichen Mo ment arbeitete der Sle nicht mehr. Nacheinander wurden die Ausstiege aufgestoßen. Tief atmete je der die würzige Luft, um Sekunden später zu er schauern. Eiskalter Wind kam vom Gebirge herüber, ein Wind, der ihnen unter die Haut, ging, obwohl sie Raumanzüge trugen, nur hatten sie die Helme nicht geschlossen. Nacheinander stiegen sie aus. Damit gingen sie kein Risiko ein. Ihre Ortungen hatten ihnen gemel det, daß keine fremden Strahlen nach ihnen such ten Die Nacht holte sie ein. Sie mußten sich beei len, um für beide Flash ein Versteck zu finden, das ihre kleinen Raumboote gut verbarg, das sie selbst aber im Notfall schnell und leicht erreichen konn ten. Plötzlich griff Alsop nach Burtons Arm. „Ich weiß jetzt, was uns beim Flug über das Gebirge ge ortet hat, Burton!” »So?" Burton war nicht dabeigewesen, als Ren Dhark in einem kurzen Vortrag über seine Erfah rungen und Erlebnisse auf Hidplace berichtet hatte,
und Jan Burtons Programm-Gehirn war mit den neusten Daten auf diesem Gebiet nicht versorgt worden. Darum konnte er auf Alsops Behauptung nur mit einer Frage antworten. „Auf dieser Welt leben schwarze Weiße, aber schwarze Weiße, die in Wirklichkeit Roboter sind.” „Ja, und?” „Im Gebirge, das wir überflogen haben, gibt es kleine Städte. Zwei hat der Commander zu sehen bekommen. In jeder sollen sich nach seinen Be richten unterirdische Kraftanlagen befinden. Und diese Anlagen haben uns geortet!” „Hm”, machte Burton, ließ eine Pause folgen und sagte dann weiter: „Schade, daß mein Pro gramm darüber nicht versorgt worden ist. So klingt diese Geschichte unglaubwürdig. Roboter sollen uns geortet haben? Na schön, vielleicht gibt es so etwas tatsächlich, aber wie haben sie uns dann er kannt? Warum hat man nicht versucht, uns herun terzuholen? Nein, Alsop, innerhalb Ihres zweiten Systems sind Sie alles andere als ein Logistiker. Ihre Version ist falsch. Sie muß falsch sein, weil sie der Logistik widerspricht” „Hören Sie doch auf damit. Alles ist mit Logis tik nicht zu erfassen!” Selbst der Cyborg Jan Burton ahnte nicht, was alles mit der Logistik zu erfassen und zu bewerten war. Sie mußten ihre Raumanzüge schließen. Der Wind war zu eisig geworden. Er drang mit seiner Kälte in alle Poren. Charly Snide war in seinen Flash zurückgeklettert. Die Sicht hatte er auf Infra rot geschaltet. So war er in der Lage, das Versteck, das sie sich ausgesucht hatten, zu bewerten, als ob es heller Tag sei. Dennoch fühlten sich die vier Cy borgs, als sie über die schwache RückschaltungsPhase ihr Normal-Gehirn befragten, nicht wohl in ihrer Haut. Dreißig Kilometer entfernt lag Anon, die Stadt der Robonen auf Hidplace. Für normale Menschen war es unmöglich, diese Strecke in einer einzigen Nacht zurückzulegen, aber Cyborgs waren keine normalen Menschen. Auch ihr zweites Augensystem war auf Infrarot geschaltet. Sie nutzten die unterschiedlichen Wär meausstrahlungen aus, um so deutlich zu sehen, als ob sie durch den hellen Tag liefen. Sie spurteten Anon entgegen. Sie hatten keinen Plan. Noch war der Logisti ker unter ihnen nicht befragt worden. Das hatte Zeit, bis sie die Stadt erreichten, die vor langer Zeit von einer unbekannten, aber wahrscheinlich humanoiden Rasse bewohnt worden war. Dann näherten sie sich dem Meer aus würfel
förmigen Häusern, die für die Hochstraßen, die da rüber liefen, die Stützpfeiler bildeten, obwohl die ebenerdigen Straßen breit genug waren, auch dem gewaltigsten Verkehrsansturm standhalten zu kön nen. Holger Alsop gab das Zeichen zum Hal-ten. „Dhark und auch Jos Aachten van Haag haben von einem Gebäude gesprochen, das alle anderen Häuser in Anon überragt. Ich schlage vor, daß wir uns dieses Gebäude einmal ansehen, bevor wir uns um den Deflektorschirm kümmern, der Hidplace in der Ballung unsichtbar macht. Burton, haben Sie Gegenargumente?” Der Logistiker sagte nein, nur schlug er vor, erst einmal nicht umgeschaltete Robonen zu beob achten, um zu wissen, welche Kleidung sie trugen. Heftig wurde ihm widersprochen, aber Burton ließ ihre Argumente nicht gelten. Dicht zusammen gedrängt, den Raumhelm zurückgenommen, stan den sie in der Nacht am Rand der Stadt zusammen. Der Wind war in der letzten Stunde noch eisiger geworden. Sie bekamen es zu spüren. Er holte ih nen die letzten Wärmereserven aus dem Körper. Ihr zweites System warnte vor Unterkühlung. „Wir können nicht auf Funk schalten”, stellte Alsop fest, der in die Rolle eines Truppführers wie von selbst hineingewachsen war. »Wir müssen so gar die Raumanzüge ausziehen, wenn wir uns in der Stadt bewegen. Wahrscheinlich sind Wind und Kälte zwischen den Häusern weniger zu spüren als hier. " „Und wir haben darauf zu achten”, warf aber mals der Logistiker ein, „ob die nicht umgeschalte ten Robonen besondere Erkennungszeichen an ih rer Kleidung tragen. Ren Dhark wird, als er auf diesem Planeten von Sawall gejagt wurde, kaum Gelegenheit gehabt haben, diese Beobachtungen zu machen!" Dagegen gab es keinen Widerspruch. Alsop gab das Zeichen zum Weitermarsch. Vorsichtig näherten sie sich den ersten wür felförmigen Häusern. Sie waren unbewohnt, vielleicht schon seit Jahrtausenden. Wind und Wetter hatten die Ein gänge verweht. Nirgendwo deutete et-was darauf hin, daß hier in letzter Zeit ein Versuch gemacht worden war, die angewehten Erdmassen fortzu schaffen. Sie blickten die gradlinig verlaufende Straße entlang, sie war breit und menschenleer. In der Ferne waren Beleuchtungskörper zu sehen, die an aufgereihte Perlen erinnerten. Nur einmal trug ih nen der Wind die typischen Schwebergeräusche zu. „Nichts”, sagte jemand aus der kleinen Gruppe.
Die würfelförmigen Häuser wirkten in der dunklen Nacht wie eine stumme Drohung. „Sterne!” stellte Burton lakonisch fest. Der De flektorschirm, der den Planeten Hidplace umgab, besaß Einweg-Charakter. Der Ausblick in den frei en Raum war möglich, wer aber aus dem freien Raum kam, konnte den vierten Planeten des Na bob-Systems nicht sehen. Eine physikalische Großleistung, die den vier Cyborgs die Robonen noch unheimlicher machten. Wer hatte ihnen dieses technische Wissen vermit telt? Vielleicht die Giants? Je weiter sie in das menschenleere Rand-gebiet von Anon eindrangen - über ihnen das Gewirr von Hochstraßen, deren Zweck immer noch unklar war, um so weniger war von dem eiskalten Wind aus dem Gebirge zu bemerken. In einem kaum verweh ten Hauseingang zogen sie ihre Raumanzüge aus, hielten aber weiterhin ihr zweites System einge schaltet. Es war kein Problem, die filmdünnen Anzüge trotz ihrer technischen Zusatzeinrichtungen unter der normalen Kleidung zu verstauen. Charly Snide, der während dieses Vorganges aufpaßte, damit sie nicht überrascht wurden, machte die Feststellung, daß dieser Teil von Anon zur Nachtzeit ausge storben war. Nach einem Marsch von einer halben Stunde näherten sie sich dem Zentrum. Hier herrschte Le ben auf den Straßen. Robonen kamen ihnen entge gen oder überholten sie. Sie alle trugen die gleiche Kleidung wie die Menschen auf der Erde. Niemand nahm von ihnen Notiz. Niemand konnte sie als Terraner erkennen, weil sie auf ihr zweites System umgeschaltet hatten und ihre normalen Körper funktionen bis auf die schwache RückschaltungsPhase zum Gehirn still lagen. „Da ist der Bau!” sagte George Snide, der den Kopf gesenkt hielt, um ahnungslosen Robonen nicht die verblüffende Ähnlichkeit mit seinem Zwillingsbruder Charly zu demonstrieren. Vor ihnen ragte das höchste Bauwerk Anons in den nächtlichen Himmel. Viele Fenster, die mit Plastikscheiben versehen waren, strahlten Licht aus. Schweber mit ihren blinkenden Positions leuchten landeten und starteten auf dem großräu migen Flachdach. Der Passantenverkehr war in der Nähe dieses Hauses erstaunlich stark. Turbo-Fahr zeuge aus den letzten dreißiger Jahren waren nir gendwo zu sehen. Auf einmal war Charly Snide verschwunden. Sein Fernsicht-Vermögen wirkte auch auf nahe Distanz ausgezeichnet. George vermißte seinen Bruder nach einigen Sekunden.
„Charly ist nicht mehr da!” flüsterte er den an deren zu. Schneller, als es je ein Mensch tun konnte, flo gen die Hände der Cyborgs zu ihren Strahlwaffen, bereit, sie blitzschnell zu ziehen und von ihnen Ge brauch zu machen. Unmerklich verringerten sie ihr Schrittempo. Charly hatte sich wortlos entfernt. Er war über zeugt, daß seine Kollegen schnell seine Abwesen heit bemerken würden. Er verschwand nach rechts, drehte sich nach wenigen Schritten um und ging auf einen freigeleg ten Hauseinang zu. Er kam wie ein Robone heran, der ein bestimmtes Haus sucht und sich seiner Sa che nicht sicher ist. Ohne Zögern betrat er das Haus, dessen Plas tiktür offenstand. „Bitte?” hörte er aus dem Dun keln eine scharfe Stimme sagen. Er hatte den anderen längst gesehen. Er sah al les, was der andere machte. Charly Snide tat, als ob er den Anruf nicht gehört hätte. „Hallo?” rief er nicht besonders laut. „Hallo, Mervin? Mervin, ich habe Sie doch gesehen? Mel den Sie sich bitte?” Der andere stand in einer Ecke, in der Hand schußbereit einen Blaster, die tödlich wirkende Handstrahlwaffe. Deutlich mußte er Charly Snides Umrisse sehen, denn draußen war die Straße fast taghell erleuchtet. „Mervin.” Weiter kam der Cyborg Charly nicht. „Bleiben Sie stehen!” zischte ihm die Stimme des Unbekannten entgegen! „Keinen Schritt weiter oder ich zerstrahle Sie!” Charly Snide sah über Infrarot das zu allem entschlossene Gesicht eines Robonen. Er mußte seine Taktik ändern, wenn er Erfolg haben wollte. „Mervin, sind Sie von Sinnen?” fragte er und rührte sich nicht mehr von der Stelle. Im Haus wa ren Stimmen zu hören. Sie kamen aus dem ersten Stockwerk. Demnach schienen die Gebäude um das Zentrum herum dicht bewohnt zu sein. „Wer sind Sie? Ich habe Sie unter den letzten Ankömmlingen nicht gesehen? Weisen Sie sich aus.” Charly Snides Programm-Gehirn arbeitete so zuverlässig wie ein Suprasensor, aber es konnte ihm keine Auskunft darüber geben, wieso ihn der Fremde als Eindringling auf Hidplace erkannt hat te. „Bitte”, sagte Charly Snide und machte mit dem rechten Arm eine Bewegung, die harmlos wir ken mußte.
Aber sie war alles andere als harmlos. Der Cy borg reagierte noch zehnmal schneller als ein Ro bone mit bestem Reaktionsvermögen. Sein Schockerstrahl zischte. Der Robone kam nicht mehr zum Schuß. Lautlos brach er zusam men, nur krachte er nicht auf den Boden, denn der Cyborg war da schon neben ihm und fing ihn auf. Dieser Zwischenfall war nicht geplant ge wesen. Über die Rückschaltungs-Phase befragte er sein Normalgehirn. Es gab alle Überlegungen an das des zweiten Systems ab. Warten, hieß die Entscheidung, warten, bis der Robone wieder bei Bewußtsein ist. Das konnte nicht lange dauern. Er hatte mit geringster Dosie rung aus seinem Schocker geschossen. Snide entwaffnete ihn, drehte ihm die Arme auf den Rücken, zog ihn zu sich hoch und stellte ihn mit starkem Händedruck gegen die Wand. In diesem Augenblick hörte er Schritte, die aus der ersten Etage kamen. Hatte Ren Dhark nicht von Rampen ge sprochen, die die einzelnen Stockwerke im hohen Gebäude Anons miteinander verbunden hatten? Zwei Personen kamen die Rampe herunter. Sie mußten an Snide und dem Geschockten vorbei kommen. Da flammte auch die Beleuchtung auf. Und von der Straße her betraten zwei weitere Per sonen das Haus. Panik kannte Charly Snide nicht in seinem zweiten System. Sein Programmgehirn verwarf sei ne Überlegung, ob er phanten solle oder nicht. Er mußte den geschockten Robonen festhalten, dessen Beine völlig kraftlos waren. Im nächsten Augenblick änderte sich die Situa tion mit rasender Schnelligkeit. Holger Alsop und Jan Burton waren die beiden, die den Hauseinang betreten hatten. Über die Rampe kamen zwei Ro bonen ahnungslos heran. Sie sahen Charly Snide in der Ecke stehen. Sie sahen, daß ein weiterer Mann gegen die Wand gelehnt stand, und dann hatten sie keine Chance mehr. Nicht einmal mehr zu einem Schrei. Zwei Strahlen zischten. Alsop und Burton hat ten von ihren Waffen Gebrauch gemacht und die beiden ahnungslosen Robonen geschockt. „Was soll dieser Blödsinn?” herrschte Burton seinen Kollegen Charly an. „Wol-len Sie unsere gesamte Aktion gefährden?” Der Vorwurf konnte Snide nicht erschüttern. „Sehen Sie, er kommt zu sich. Er hat mich als je mand erkannt, der nicht mit einem Transport von Terra gekommen ist. Er hat uns vier über die Stra ße gehen sehen und sich, im gleichen Moment fluchtartig in diesen Hauseingang zurückgezogen. Was anderes konnte ich denn tun, als ihm nachzu
gehen?” „Aufgrund dieser Beobachtungen haben Sie gehandelt?” Burton zischte, seine Cyborgstimme klang jetzt nicht anders als die eines maßlos erreg ten Menschen. Es war ja der Ehrgeiz von Echri Ez bal und seinen Mitarbeitern gewesen, Cyborgs zu entwikkein, die auf ihrem zweiten System von ei nem normalen Menschen nicht zu unterscheiden waren. Aus diesem Gründ hatte er der Stimme alle Nuancen mitgegeben, über die jeder Mensch ver fügt. In Wirklichkeit rührte sich innerhalb des zweiten Systems des Logistikers keine seelische Regung. Leise, aber unterdrückt, erwiderte Charly Sni de: „Gut, daß ich so gehandelt habe. Dieser Robo ne wäre eine Gefahr für uns.” Er hatte bemerkt, daß der Geschockte wieder bei Besinnung war. Die Beleuchtung im Hauseingang war immer noch in Tätigkeit. Von der Straße her konnten sie beobach tet werden. Snides Programm-Gehirn hatte ent schieden, schnell zu handeln. „Verdammter!” schleuderte ihm der nicht um geschaltete Robone entgegen und gurgelte. Snide hatte ihm die Hand um den Hals gelegt, um ihn da ran zu hindern, nach Hilfe zu rufen. Sie waren als Terraner erkannt worden. Holger Alsop und Jan Burton warfen sich einen Blick zu. In dieser Zeit ließ Charly Snide seine angedrohte Versprechung los. Der wahre Cyborg kam zum Durchbruch, das biologisch-sensorisch-technische Wesen, bar jeder menschlichen Ethik. Nur die schwache Rückschaltungs-Phase und die Si cherung in seinem Programm-Gehirn sorgten da für, daß eine bestimmte, scharf gezogene Grenze nicht überschritten werden konnte. „Mit deinem Blaster zerstrahlen wir dich, und nicht einmal Asche bleibt von dir übrig. Wo kön nen wir Sawall finden! Wage nicht zu lügen! Wenngleich ich auch keine Gedanken lesen kann; aber ich kann jede Lüge feststellen!” Das klang so wahr, so furchtbar, und Charly Snides Augen sahen so schrecklich aus, weil er nicht nur über sein zweites System sah, sondern darüber hinaus ein stechend scharfes Leuchten in seinem Augen-System hatte aufkommen lassen. Einen Verdammten mit diesen Eigenschaften hatte der nicht umgeschaltete Robone noch nie er lebt. Er unterlag seinem Schock, und völlig ener gielos machte er seine Angaben. In der Zwischenzeit hatten Holger Alsop und Burton nicht untätig herumgestanden. Jede Sekun de war jetzt kostbar. Dieser Zwischenfall mußte sie in Zeitnot bringen, wenn sie nicht Vorsorge trafen. Alsop jagte die Rampe zum Kellergeschoß hi nunter. Noch schneller kam er wieder zurück. Er
warf sich einen geschockten Robonen über die Schulter, Burton transportierte den zweiten, der am Fuß der Rampe Iag, auf die gleiche Weise. Als er kaum die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatte, folgte ihnen Charly Snide mit seinem nicht umge schalteten Robonen, den er ein zweites Mal paraly siert hatte. In einer dunklen Ecke wurden alle drei nieder gelegt. Vielleicht vermißte man sie in den nächsten Stunden nicht. „Wie stehen unsere Chancen?” fragte Alsop den Logistiker. „40:60, also schlecht, wenn nicht ein Wunder geschieht, und Wunder sind auch mit tels der Logik nicht zu berechnen.” Sie sprachen kein Wort mehr. Unbeeindruckt, was gerade,geschehen war, gingen sie die Rampe hinauf, durch den Hauseingang und betraten die Straße. An der nächsten rechtwinkligen Kreuzung wartete George Snide auf sie. Als Cyborg kannte er keine Ungeduld. Als er die Dreiergruppe kommen sah, ging er zur anderen Seite hinüber. Er mußte sich von ihnen trennen. Die verblüffende Ähnlich keit mit seinem Zwillingbruder zeigte sich bei die sem lebhaften Personenverkehr zur nächtlichen Zeit als großes Handicap. Anon, das Versteck der nicht umgeschalteten Robonen, war ein Provisorium, aber dieses Provi sorium bewies ihnen auch, wie sicher sich die Ro bonen hier fühlten. Als sie das Gebäude betraten, in dem sie Allon Sawall zu finden hofften, hielt sie weder eine Sensorsperre auf, noch eine andere Kontrolle. Ungehindert erreichten sie die erste Rampe, und wie die übrigen Passanten, die irgend etwas in diesem Gebäude zu erledigen hatten, lie ßen sie sich im Strom treiben. Mit einigen Schritten Abstand, den Kopf leicht gesenkt, folgte ihnen George Snide. Nicht einmal Jan Burtons Spezial-Programm konnte voraussa gen, was sie erwartete. * Acht Flash waren bemannt und einsatzbereit. Vierzehn Cyborgs, Manu Tschobe und Arc Doorn warteten auf den Startbefehl aus der Zentra le der POINT OF, die von A-Gravkräften gehalten, bewegungslos über einem Tal der wilden Rocky Mountains schwebte. Vom Flash-Depot war die letzte Klarmeldung gekommen. Ren Dhark stand vor der Bildkugel und betrachtete die faszinierende Gebirgsland schaft. - Auf fünfzig Kilometer im Umkreis gab es nicht die kleinste menschliche Siedlung. Der Stütz punkt, der in die Felsen gesprengt worden war, hatte aufgrund taktischer Überlegungen hier seinen
Standort erhalten. Die mehrere tausend Meter ho hen Gebirgszüge mußten allein mit ihrer Masse wie ein Abschirmfeld wirken. Und Ren Dhark rechnete fest damit, daß die über Nordamerika ver streut liegenden Ortungs-Stationen die A-Grav kräfte seines Flaggschiffes nicht anmaßen. Schwie rigkeiten konnte er höchstens von den erdnahen Ast-Stationen bekommen, wenn deren Besatzun gen auch schon beeinflußt worden wa ren. „Keine Ortungsresultate?” fragte er und wun derte sich, Tino Grappa nicht zu sehen, bis ihm einfiel, daß dieser ja auch Urlaub hatte und sich nicht an Bord befand. „Nichts zu melden. Dhark." „Okay!" Neben sich hörte er einen Offizier la chen. Fragend blickte er ihn an. Dessen Lachen verwandelte sich in Schmunzeln, als er den Blick des Commanders bemerkte. „Das sind Kerle”, sagte der Leutnant unaufge fordert, ohne sich näher darüber auszulassen, wen er damit meinte. »Die reinsten Topper!" Ren Dhark staunte. „Topper?” „Ja, diese Cyborgs, Commander. Sie haben mit keiner Wimper gezuckt, als der Afrikaner ihnen den Einsatzbefehl gab. Nur einer, ich glaube, es war Bram Sass, der sagte: Wir werden es ihnen ge ben!” „Und mir haben es Shanton und Doorn gege ben, Leutnant, ich weiß, mein Lieber, ich weiß”, er schmunzelte jetzt auch, „Sie wollen es nicht einge stehen, aber Sie waren doch dabei, als man mich vor die Alternative stellte. Und manchmal hat man sich ei-nem kategorischen Entweder-Oder zu beu gen, auch ...”, und das sagte er auffallend leise, „auch wenn man Commander der Planeten ist.” Der junge, etwas hagere Leutnant straffte sich. „Commander, ich hätte wahrscheinlich anders rea giert. Ich hätte ...” Dhark legte ihm die Hand auf die Schul-ter. „Dann hätten Sie einen Fehler gemacht, mein Bes ter. Shanton und Doorn sind auf Hope für uns alle durch dick und dünn gegangen. Aus Verantwor tungsbewußtsein haben sie mich gebremst. Leider mußte ich es einsehen. Aber wie kommen Sie dazu, unsere Cyborgs Topper zu nennen?” „Im Schiff nennt man sie so. Die Prachtkerle die Topper. Ob sie auf Cent Field und in Alamo Gordo Ordnung schaffen werden? Diese Handvoll Leute gegen rabiate Robonen und beeinflußte Ter raner?” „Lassen Sie sich überraschen”, tat Ren Dhark geheimnisvoll, während er in Wirklichkeit ge spannt war, ob Arc Doorns phantastischer Plan Er folg hatte. Im gleichen Moment erinnerte er sich, daß acht Flash, jeder mit zwei Mann besetzt, auf
seinen Einsatzbefehl warteten. Er trat an die Bordverständigung, konzentrierte seine Gedanken, und die Verbindung zu den Blit zen stand. Auf dem Bildschirm tauchte das Gesicht des afrikanischen Arztes und Funkspezialisten auf. Seine Zähne blitzten, als er Ren Dhark zulachte. Manu Tschobe war sicher, daß ihr Plan Erfolg ha ben würde. „Tschobe, Sie können starten, aber riskieren Sie mit den Toppern nicht das Letzte.« »Mit wem, Dhark?” fragte der Schwarze voll Erstaunen zurück. „Was heißt den Toppern?” »So nennt man im Schiff neuerdings die Cyborgs. Ich habe diesen treffenden Spitznamen gerade erst selbst gehört. Hals und Beinbruch, Tschobe." „Okay!” Der zeigte keine Unruhe. »Wir melden uns vom Raumhafen Cent Field, wenn wir die Burschen zur Ordnung gerufen haben. Ende, Dhark." Die Männer in den Flash hatten mitgehört. Vierzehn Cyborgs wußten nun, daß man sie an Bord der POINT OF Topper nannte. Niemandem stieg diese Anerkennung, die in dem Beinamen lag, zu Kopf. Sie hatten keine Zeit, darüber nachzuden ken. Einzig und allein beherrschte sie der verwe gene Plan Arc Doorns. Und sie wollten Erfolg haben. Sie vertrauten dem Können von Echri Ezbal und seinen Medizinern im Brana-Tal, die aus ihnen Cyborgs gemacht hatten - oder Topper! Manu Tschobe meldete sich. „Funkstille! Nur in Notfällen Funk erlaubt. Plan und Einsatzziel bekannt. Hinter der POINT OF auf Vollast-Sle schalten. Gedankensteuerung benutzen. Noch Fragen?« In der Verständigung blieb es still. Der Afrikaner wartete eine halbe Minute. Als sich nach dieser Zeit niemand gemeldet hat-te, kam sein Startbefehl. Mit eingeschaltetem Intervall durchflogen die Blitze die starke Unitallwandung des Ringraumers, ohne Spuren zu hinterlassen, die bei jedem anderen Durchflug durch Materie vom Brennkreis des Sle verursacht wurden. In der Kommando-Zentrale des Flaggschiffes der TF stand Ren Dhark wieder vor der Bildkugel. Auf maximale Vergrößerung geschaltet, sah er den acht Flash nach, die mit steigender Beschleunigung in Richtung Alamo Gordo über die bizarren, zerrissenen Gipfel der Rocky Mountains davonjagten. Manu Tschobe und Arc Doorn saßen zu sammen in der 004. Alle Ortungen liefen mit größter Leistung. Die beiden Antriebe waren auf Vollast geschaltet. Das Gebirgspanorama raste
unter ihnen davon. Der Checkmaster der POINT OF hatte ausgerechnet, daß sie weniger als dreißig Minuten benötigten, um ihr Ziel zu erreichen. »Hoffentlich liegt die ARCTUR noch auf dem Hafen.« Das waren Tschobes erste Worte nach dem Start, der Arc Doorn ohne Widerspruch die Rolle des Flash-Piloten überlassen hatte. »Wenn nicht, nehmen wir den ersten besten anderen Kahn.” Doorns Ruhe war nicht zu erschüttern. Sie fiel Tschobe auf, und in Gedanken fragte er sich, ob es Doris, Doorns Frau, jemals geschafft hatte, ihren Mann aus der Ruhe zu bringen. Die Rockies waren hinter dem Pulk aus acht Flash zurückgeblieben. Die Landschaft ging mehr und mehr in eine Ebene über. Das Bordchrono war auf den Zeitplan eingestellt. „Noch fünf Minuten”, gab Tsehobe seinem Partner durch. Der bullige Doorn mit dem Stiernacken nickte leicht. Sehen konnten die beiden sich nicht, denn sie saßen Rücken an Rücken. Wenn sie über den Bildschirm einen Blick nach draußen werfen wollten, mußten sie den Kopf so weit in den Nacken legen, daß ihnen nach kurzer Zeit die Halswirbel schmerzten. Wie befohlen blieb es im Funk still. Nur Erdstationen waren zu hören. Die große Anlage in Cent Field befand sich aber nicht darunter. Ein beunruhigendes Zeichen. Die Gedankensteuerung, die jeden Blitz genau auf Kurs hielt, arbeitete besser als der beste Pilot. Exakt wurde die Anweisung befolgt, keine grö ßeren Siedlungen zu überfliegen, weil die Gefahr bestand, geortet zu werden. Und dann bedurfte es nur eines kurzen Viphogesprächs, um die Schiffe auf dem Raumhafen Cent Field zu informieren oder die Robonen! Es war nicht leicht, über dem dichtbesiedelten Gebiet größeren Orten auszuweichen, dennoch schaffte es die Gedankensteuerung. Die Silhouette von Alamo Gordo kam in Sicht. Einzelheiten wurden schnell deutlicher. Wieder wechselte der Pulk den Kurs. Die Piloten hatten immer noch die Hände im Schoß liegen. „Verdammt, Ortung!” stieß Arc Doorn zwischen den Zähnen aus. Aber seine Stimme klang nicht erregt. „Der Hafen hat uns erfaßt.” »Noch knapp eine Minute, dann haben wir unser Ziel erreicht, Doorn", stellte Manu Tschobe ebenso gelassen fest. Er streckte die Hand zum Funk aus, drehte einen Schalter in eine andere Position und automatisch wurde das mit den übrigen Flash vereinbarte Zeichen abgestrahlt. Klarsichthelm des Raumanzuges schließen. Da scherte die 004 mit Tschobe und Doorn aus
dem Verband aus. Das Ziel dieses Flash lag woanders. Zwei Menschen trennten sich von den Toppern. Doch die Aufgabe der vierzehn Cyborgs war nicht weniger gefährlich als die der beiden Männer. Alamo Gordo wurde mit wahnsinnig hoher Geschwindigkeit umflogen. Nach wie vor hielt Fremd-Ortung die 004 fest. Wartet nur, Freunde, dachte Doorn entschlos sen, euch bringen wir es diesmal bei, aufzugeben! Zwischen zwei Stielbauten, die über tausend Meter hoch ragten und in dieser Höhe erst ihre gigantischen Wohnkugeln trugen, raste die 004 hindurch. Der Raumhafen tauchte auf, wurde schnell größer. Einige Schiffe lagen darauf. Der Himmel über dem Otero Basin war klar und ohne Wolken. Deutlich war der Name eines Kugelraumers zu lesen. Mehr als einhundert Meter jeder einzelne Buchstabe groß: ARCTUR! »Wenn jetzt die Strahlgeschütz-Stellungen ..." „Zu spät! Wir fliegen ein!” rief Arc Doorn dazwischen, der an einem Instrument erkannt hatte, daß ihre 004 auf maximale Negativ-Beschleuni gung gegangen war. Die hinter der Unitallverkleidung liegenden beiden Andruck-Ausgleicher heulten kurz auf, wurden schnell wieder leiser, und dann jagte die 004 wie ein plumpes Geschoß in rund dreihundert Meter Höhe auf die Kugelwandung der ARCTUR zu! Einflug durch die stabile Metallhülle mit Hilfe des Intervalls! Der Sle hinterließ eine deutliche Schmelzspur. Weder Tschobe noch Doorn nahmen darauf Rücksicht. Durchflug durch die Decks! Brand- und Schmelzspuren hinter ihnen! Eine kleine Kurskorrektur. Kurswechsel auf Grün um 8,3 Grad. Wieder eine Deckwandung. Wieder hin durch. Nur fußbreit die Schmelzspur. Unverwandt beobachteten Tschobe und Doorn über ihre Bild projektion. Sie verspürten weder Schmerzen in den Nackenwirbeln, noch hatten sie Zeit, in einem einzigen Gedanken die Mysterious zu verwün schen, die diese Anlage so unpraktisch angebracht hatten. Sie sahen Bordangehörige, und ihr Flash wur de von ihnen gesehen. Panisch das Entsetzen auf den Gesichtern der Männer. Überall der Versuch, vor dem durch Wände und Decken durchfliegen den Flash zu fliehen. Wenn sie den ersten Flucht schritt tun wollten, befand sich der Blitz jedesmal schon in einer anderen Abteilung. Nur beizender Rauch verriet, daß er gerade durchgeflogen war. „Achtung!” rief Doorn in der kleinen Kabine, die normalerweise nur zwei ausgewachsenen Men
schen Platz bot, zur Not aber schon vier Personen aufgenommen hatte. Ihr Flash landete vor einem mächtigen Schott, fuhr dabei jedoch nicht seine sechs spindeldünnen Ausleger aus. Sle und Intervall wurden gleichzeitig von der Gedankensteuerung ausgeschaltet. Etwas hart setzte der Blitz auf. Alle Strahlantennen waren feuerbereit, aber im Moment zeigte sich noch kein Mann der ARCTUR-Besatzung. „'raus!” sagte Doorn. Er stieß den Ausstieg auf, in einer Hand den Blaster, in der anderen den Schocker. Leichtfüßig folgte ihm Tschobe. Er sicherte nach der anderen Seite. Die Sperren ihres Ausstieges rasteten ein. Nach wie vor arbeitete die Gedankensteuerung. Sie sorg te dafür, daß kein Unbefugter die 004 benutzen konnte. Die Konstruktion der ARCTUR unter schied sich nicht von anderen Kugelraumern. Manu Tschobe und Arc Doorn fühlten sich hier wie zu Hause. Der kleine Rotkopf stand schon am Schalter. Tschobe beobachtete das menschenleere Deck. Kein Wunder bei der kleinen Besatzung, die über das ganze Schiff verstreut war. Alarm klang auf. Die Kommando-Zentrale der ARCTUR hatte demnach erst jetzt erfahren, daß ein Flash eingeflogen war. Tschobe erwiderte den Alarm mit einem bösen Grinsen. Unwillkürlich legte er dabei seine Zähne frei, die im starken Kontrast zu seiner schwarzen Haut standen. Donnernd sprang ein Schott auf. Auf der Stelle wirbelte der Afrikaner herum, sah Doorn im Nebenraum verschwinden und folgte ihm. Die Schott-Trennlinie übersprang. Darauf hatte der junge Mann mit dem grobporigen Gesicht gewartet. Ein Schalter sprang in eine andere Stellung, das Sicherheitsschott krachte mit den beiden Stoßkanten gegeneinander, und dann wa ren die beiden Männer dabei, es von innen her zusätzlich mechanisch-magnetisch zu sichern. Sie sprachen dabei kein Wort. Sie hatten auch keine Zeit dazu. Nur zweimal hatte Tschobe seinem Spezial-Vipho einen kurzen forschenden Blick zugeworfen, aber die kleine Bildscheibe war nach wie vor grau. Noch immer fiel kein Wort, als sie dem Schott den Rücken zukehrten. Sie gingen auf ein großes Aggregat zu, das mitten im unverkleideten Raum stand. Arc Doorn hielt sich vor den Kontrollen auf, Manu Tschobe an der eleganten Schalttafel, die eindeutig ein Erzeugnis der terranischen Industrie war. „Wenn die uns den Saft abschneiden?” Tschobe kam nicht dazu, seine Frage vollständig
an den Mann zu bringen. „Können die nicht mehr!” Das war Arc Doorns Erklärung. Ein großer Redner war er noch nie gewesen. Er war, was Reden anbetraf, ein ausge sprochener Geizhals. Er hatte gehandelt. Der Notkonverter in diesem Raum war neu beschickt worden. Er gab für dreimal vierundzwanzig Stunden die Energien ab, die sie benötigten. Auf die Versorgung der ARCTUR konnten sie großzügig verzichten. „Ich lasse anfahren, Tschobe.” Brummen von der anderen Seite. Der Afrikaner beobachtete einige Dutzend Instrumente, blinkende Kontrollampen und sich drehende Skalenscheiben. „Kommt, Arc!” Der ersparte sich sogar ein Brummen. Im Raum, der mehr als zehn Meter lang, fünf Meter hoch und acht Meter breit war, stand nur dieses eine verkleidete Aggregat. Lauter und lauter wurde ein Summen, das aus der Maschine kam. Reihenweise flammten GrünKontrollen auf und blieben mit ihrem Leuchten konstant. Ein Zeiger stand zitternd über dem Wert 100, ein anderer an der Grenze zwischen einem Grün- und Rot-Feld. „Los, Arc!” Manu Tschobe mußte schreien. »Justierung einwandfrei?" brüllte Doorn von der anderen Seite. Sie konnten sich nicht sehen. Der Maschinenmammut stand zwischen ihnen. „Alles okay”, der Arzt und Funkspezialist drängte. „Wir haben noch keinen Vipho-Spruch 'reinbekommen!” Daran hatte Tschobe auch gedacht. Aber sie konnten nicht länger warten. In ihrem Plan hieß die große Unbekannte: Wie lange konnten sie in diesem Raum aktiv bleiben, bis man sie mit Gewalt und geschockt her ausholte? Die Kommando-Zentrale mußte längst Alarm geschlagen haben, und die Offiziere der ARCTUR wußten bestimmt, was hier gespielt wurde. »Ob Durchsage oder nicht, Doorn, lassen Sie die Sperre hochfliegen! Die Topper halten das hei ße Spielchen gut durch.« „Nettes Spielchen”, brummte der Rotkopf, um im gleichen Moment die letzte Sperre aufzuheben. Kurz brüllte es hinter der glatten formschönen Verkleidung auf. Terranische Ingenieure und Kon strukteure hatten sich alle Mühe gegeben, ein formschönes Aggregat zu schaffen. Psychologen hatten ihnen dazu geraten, denn die Besatzungen, die auf erbeuteten giantischen Raumern Dienst machten, hatten Klage geführt, daß sie diese häß lichen, geradezu widerlich geformten giantischen
Geräte kaum noch ansehen könnten. „Klar!” schrie Manu Tschobe begeistert, als ihm die Instrumente verrieten, daß Arc Doorn die letzte Sperre ausgeschaltet hatte. „Euch Brüdern zeigen wir es jetzt!” Mit diesen Worten machte er seinem Herzen Luft, und in seiner Phantasie stellte er sich vor, was sich nun an anderer Stelle ereignete. Es war kein nettes Spielchen. Es war grausiger Ernst, der aus der Notwehr geboren wurde. * Die tiefgelb leuchtende Riesensonne war in der letzten Stunde merklich größer geworden. über die Schirmanlage glühte das tückische Sternenauge in die Zentrale der COL hinein. Colonel Ralf Larsen konnte darauf verzichten, bei den Bordastronomen nachzufragen. Mit bloßen Augen war fest-zustel len, daß sein Kreuzer sich in den letzten Stunden noch schneller auf diesen alles verschlingenden Hochofen zubewegt hatte. Im Innenwulstring der COL liefen die AsOnentriebwerke nach wie vor mit maximaler Leistung, aber gegen den Schwerkraftsog dieses gi gantischen Sternes kam das Schiff nicht mehr an. Und eine Transition war unmöglich geworden. Die Triebwerke schafften es nicht mehr. Zu nah an dieser Sonne war der Kreuzer aus dem Sprung ins normale Kontinuum zurückgekehrt. So nah, daß es für Schiff und Besatzung keine Hoffnung mehr gab. Und dennoch dachte Larsen nicht daran, aufzugeben. Ein Wunder mußte ge schehen. Er wollte es erzwingen. Wieder schaltete er zur Funk-Z durch. Auf der Scheibe tauchte das von Erschöpfung gezeichnete Gesicht des Funkoffiziers auf. „Colonel?” fragte er, und seine Geste mit der linken Hand drückte Hoffnungslosigkeit aus. Das wollte Larsen nicht wahrhaben. „Ich rufe anschließend zur Maschinenzentrale durch. Man soll Ihnen noch mehr Energie zur Verfügung stellen. Funken Sie dann mit höchster Leistung, wenn dabei auch der Sender zum Teufel geht. Wir müssen mit unserem Spruch durchkommen. Es ist unsere allerletzte Chance! Unsere allerletzte.” Der Funkoffizier fiel ihm ins Wort. Er mußte bei dem Höllenlärm im Schiff ebenso schreien wie der Kommandant. Eine normale Verständigung war unmöglich. „Colonel, wir können die Hyper funk-Anlage nicht noch stärker belasten. Wir ar beiten nur noch mit vier Kreisen. Kreis drei ist vor zehn Minuten ausgefallen. Ersatz haben wir nicht mehr. Der Kreis ist irreparabel.”
Larsen schlug mit der Faust auf seinen Kommandotisch. „Ich will nicht wissen, was wir nicht können. Ich verlange, daß Sie noch einmal alles auf eine Karte setzen und wenn darüber Ihr Laden hochgeht! Haben wir uns verstanden? Mann, wir haben doch nur noch diese winzige Chance! Wir müssen über alle Sicherheits vorschriften hinweg versuchen, das letzte zu tun.” „Okay, Colonel, lassen Sie den Saft kommen. Hier wird alles getan. Darauf können Sie sich verlassen. Soll der Wortlaut des Notrufes verändert werden?” „Nein!” entschied Larsen. »Nicht nötig. Ich schalte jetzt zur Maschinenzentrale um. Ende." Der Leitende Ingenieur machte ein be denkliches Gesicht, als er hörte, daß er größere Energiemengen der Funk-Z zur Verfügung stellen sollte. Seine Vorbehalte fegte Larsen wie eine beschmierte Folie zur Seite. „Colonel, die Funk-Z wird sofort mit mehr Energie beschickt " Larsen lehnte sich im Steuersitz zurück. Er versuchte das glühende Auge auf der Schirmanlage nicht zu sehen. Warum hat mich Szardak angegriffen, fragte er sich zum hundertstenmal, warum Janos Szardak? Er konnte es nicht verstehen. Er wollte es nicht verstehen. Er und Janos Szardak hatten sich doch im Laufe vieler Jahre gemeinsamer Raumfahrt zu sammengerauft, und plötzlich war der eine des anderen Todfeind geworden? Er wurde über die Bordverständigung verlangt. Die Bordastronomen wollten ihn sprechen. Er ließ sie nicht zu Wort kommen. Was sie ihm zu sagen hatten, konnte er aus ihren Gesichtern lesen. „Ich weiß, daß wir auf diese verdammte Sonne stürzen, aber ich will nicht wissen, wann wir auf knallen. Und wenn das geschieht, lebt an Bord der COL kein Mensch mehr. Danke! Rufen Sie mich nicht mehr an, außer Sie hätten von einem Wunder zu berichten.« Er tastete aus. Neben ihm saß der Kopilot, un beweglich. Der Mann starrte wie ein Vollidiot die Instrumente an. Seit Stunden schon. „He!” Larsen stieß ihn an. Der andere schreckte auf, drehte den Kopf und zeigte in seinen Augen die grenzenlose Hoffnungslosigkeit. Das machte Larsen wütend. Er beugte sich zu ihm hin über und schrie ihm ins Ohr: „Mann, reißen Sie sich zusammen. Noch leben wir! Und wir kommen von hier weg. Dieser Hochofen kriegt uns nicht zu schlucken, kapiert?” Der andere nickte schwach. Sein Blick war klar geworden, abschätzend. Und dann erwiderte er: „Colonel, ich bin gern unter Ihrem Kommando
geflogen, aber Wunder können Sie auch nicht fertigbringen!” Er zog die Zigarettenpackung aus der Tasche, bot dem Kommandanten eine an, steckte sich selbst eine andere zwischen die Lippen, und dann rauchten die beiden Männer über die BildschirmAnlage starrte das glühende Auge einer Riesen sonne vom Typ K in die Zentrale. Im Schiff brüll ten und donnerten die Konverter, Speicherbänke und As-Onentriebwerke. Das Vibrieren in der COL hatte sich seit Stunden nicht mehr verändert. Was sich verändert hatte, war die Ab sturzgeschwindigkeit des Kreuzers. Er raste immer schneller auf die Sonne zu! Es gab nichts, was diesen Absturz noch aufhalten konnte. * Nach wie vor befand sich die HOPE zwischen den Sternen im freien Fall. In irgendeine Richtung trieb der 400-Meter-Raumer dahin. Kein As-Onen triebwerk gab der gigantischen Kugel Schub. Auf Befehl des Leitenden Ingenieurs waren alle abge schaltet worden. Colonel Janos Szardak, einge schlossen in seiner Kommando Zentrale, hatte es nicht verhindern können. Er hatte das Unglaubliche fertiggebracht, allein mit der HOPE zu transistieren - etwas, das prak tisch nicht möglich war. Er hatte diesen nicht um geschalteten Robonen in buchstäblich letzter Se kunde einen Streich gespielt, den sie so schnell nicht vergessen würden. Aber wo war das gewesen, fragte Szardak sich und trat ans Bordgehirn. Er aktivierte die Speiche rung, programmierte seine Anforderung und trat wie von einem Schlag gegen die Brust getroffen, einen Schritt zurück. Keine Auskunft möglich, bedeutete das Signal, das aufgeflammt war und sein Leuchten konstant beibehielt. Ich muß falsch programmiert haben, sagte er sich in Gedanken, obwohl ihm dieser Fall unglaublich erschien. Er wiederholte seine Anforderung, paßte genau auf, wie er sie hineingab, und das Signal erlosch, um sofort erneut aufzuflammen.. Keine Auskunft möglich! „Hier hat's doch nicht gespukt”, knurrte er, löschte seine Programmierung, überlegte kurz und verlangte von der Speicherung alle Kursdaten seit dem Start von Cent Field. Keine Auskunft möglich! Er preßte die Hände gegen seine Schläfen. Er konnte das alles doch. nicht geträumt haben. Auf
dem Boden lagen seine Offiziere, von ihm geschockt. Er hatte seinen Kreuzer den Robonen in die Hände spielen wollen. Im Landemanöver war ihm klargeworden, daß er mit seinem Schiff über einem fremden Planeten stand und im Begriff war, zur Landung anzusetzen. Das war ihm klar. Alles andere ... das Loch in seiner Erinnerung war geblieben. Ein längerer Zeitablauf fehlte. Doch das Bordgehirn war nicht mit dem eines Menschen zu vergleichen. Es konnte nicht beeinflußt werden. Da lief ihm ein Schauer über den Rücken. Es gab eine Möglichkeit. Blitzschnell löschte er seine Programmierung, schaltete auf Null und begann erneut. Er ahnte, welche Auskunft er erhalten würde. Und sie kam! Der Start von Cent Field war nicht ge speichert! Und dann nichts! Nichts und wieder nichts! Selbst seine Flucht von einem fremden Planeten fehlte. Keine Aufzeichnung über Strahl beschuß. Keine Daten über diesen unbekannten Planeten, auf dem es würfelförmige Bauwerke gab! War er über Hidplace gewesen? Janos Szardak atmete schwer. Absichtlich mußte dieser Teil in der Speicherung gelöscht worden sein. Er sollte weder erfahren, über wel chem Planeten er sich befunden hatte, noch wissen, wo in der Milchstraße dieser Planet lag. Sein Gesicht war wie versteinert, als er zum Pilotensitz zurückging. Doch neue Ereignisse hin derten ihn daran, Platz zu nehmen. Was er hörte, hatte er schon seit geraumer Zeit erwartet. Man versuchte vom Deck her gewaltsam in die Kommando-Zentrale zu kommen! Man wollte sie aufbrechen, aufsprengen oder aufbrennen. Alle drei Verfahren waren möglich. Gefährlich für die Existenz des Schiffes war allein die Sprengtechnik. Dabei konnte seine HOPE solche Schäden bekommen, daß sie dann nur noch ein Wrack war. Er schaltete die Verständigung auf Sicht. Das Zentraldeck war zu sehen. Acht Mann unter Leitung eines Offiziers, und viel Gerät. „Sie wollen das Schott aufbrennen”, murmelte Szardak, der gelassen verfolgte, wie man an drei Stellen dem schweren, massiven Schott zu Leibe ging. „Na, ein paar Stunden werden sie benötigen.“ Er wußte nicht, daß er zum Kettenraucher ge worden war. Gegen den Pilotensitz gelehnt, leger stehend, verfolgte er die Arbeit der Gruppe. Hin und wieder las er von den Lippen der verbissen arbeitenden Männer einen Fluch ab. Das Material machte ihnen zu schaffen. Nur millimeterweise kamen sie mit ihren leistungsfähigen Brennern tie fer. Es half ihnen auch nichts, daß sie mit maxima ler Energie vorgingen.
Plötzlich steigerte sich Janos Szardaks Inte resse. Schnell schaltete er den Ton ein. Der Offi zier schnauzte zwei Mann seiner Gruppe an. Szardak lauschte mit angehaltenem Atem. »Sie weigern sich? Ich werde Sie vor Gericht stellen lassen!” tobte der Leutnant. Die beiden Männer waren nicht zu beeindru cken. Beide Sergeanten forderten eine Erklärung. »Warum sollen wir das Schott zur Zentrale aufbrechen? Es ist doch von beiden Seiten her me chanisch zu öffnen, wenn die Energiezufuhr ausge fallen ist. Aber sie ist ja gar nicht ausgefallen. Das Kontrollinstrument zeigt es doch an. Leutnant, wa rum sollen wir hier mit Gewaltmitteln vorgehen? Geschieht das auf Befehl des Colonels?« Janos Szardak hatte begriffen, was auf der an deren Seite des Sperrschotts geschehen war: Diese beiden Sergeanten standen nicht mehr unter Beein flussung. Sie waren wieder zu normalen Menschen geworden. Vielleicht war die Besatzung der Funk-Z wie der normal? Er schaltete die Sichtsprech-Anlage um. „Hallo, Funk-Zentrale, hier Kommandant...« Jedes weitere Wort war Verschwendung. Die Mannschaft, die Funkdienst hatte, war mitsamt dern verantwortlichen Offizier nach wie vor be einflußt. Man drohte dem Kommandanten Hilfe anzufordern, die die HOPE aufbringen würde. Er tastete aus. Ratlos schüttelte er den Kopf. Er wunderte sich, daß der Funkoffizier seine Drohung nicht längst wahr gemacht hatte. Und eigenartigerweise glaubte er jetzt nicht mehr daran, daß man sie wahr machen würde. Man hat uns alle miserabel beeinflußt, dachte er. Die andere Seite muß sich wenig Zeit gelassen haben, oder sie hat unter Zeitdruck gestanden. Wie nah er der Wahrheit kam, ahnte Colonel Janos Szardak nicht. Die Beeinflussungs-Order hatte gelautet: Die HOPE nach Hidplace zu fliegen, und dort zu landen! Einen Notruf nach Dg-45 abzustrahlen, falls die Landung nicht erfolgen würde, war nicht Inhalt des Befehls gewesen. Dennoch hatte der Colonel gegen eine in nerliche Unruhe zu kämpfen. Er war sich nicht klar, woher sie kam. Seine eigene Lage betrachtete er gelassen. Wenn seine Beobachtung richtig war, dann hielt die FremdBeeinflussung nur eine gewisse Zeit an. Diese Ent wicklung glaubte er in Ruhe abwarten zu können. Aber warum war er dann so unruhig? Er beobachtete noch einmal das Kommando auf der anderen Seite seines Schotts. Die beiden
Sergeanten waren nicht mehr zu sehen. Wahr scheinlich hatte der Leutnant sie abführen lassen. Szardak hörte nur das durchdringende, hoch tönende Zischen der energetischen. Brenner, sah die unbeweglich stehenden Männer und das ver schlossene Gesicht des jungen Leutnants. „Wir werden noch Stunden brauchen, bis wir durch sind”, hörte er einen Mann unzufrieden sagen. „Warum benutzen wir keine radikaleren Mittel?” Scharf fiel ihm der Leutnant ins Wort. „Weil wir keinen Schrotthaufen abzuliefern haben, sondern ein intaktes Schiff Ersparen Sie sich Ihre Bemerkungen und arbeiten Sie weiter!” Grimmig nickte der Colonel. Die Männer auf der anderen Seite konnten ihn nicht sehen. Er hatte den Phasen der Bordverständigung Einweg-Cha rakter gegeben. Stunden mußte es noch dauern, bis sie durch waren. Damit hatte er auch gerechnet, denn nur die wichtigsten Schotts der Kugelraumer hatten eine ungewöhnlich starke Wandung aufzuweisen. Und ihnen mit energetischen Brennern zu Leibe zu gehen, war ein mühseliges Unterfangen. Bedrückt schüttelte Szardak den Kopf. Die Unruhe wich nicht. Er sah sich um. Da lagen seine Offiziere, alle paralysiert. Arme Teufel, dachte er. Ihnen war keine Schuld zuzuschreiben. Er selber machte sich auch keine Vorwürfe, aber unentwegt fragte er sich, was seit dem Start von Cent Field alles passiert war. Würde er bald darauf eine Antwort erhalten? * Alle vier hatten auf ihr Cyborg-System umgeschaltet, es war die einzige, bisher un erklärbare Möglichkeit, von Robonen nicht als Terraner erkannt zu werden. Eine Rampe nach der anderen schritten sie hinauf. Der Passantenverkehr wurde schwächer. George Snide war zurückgeblieben. Wahr scheinlich gab es auf Hidplace keine Zwillinge, die sich so frappierend ähnelten wie diese beiden Cy borgs. Jan Burton ging voran. Dicht hinter ihm folgte Holger Alsop. Charly bildete den Schluß der Dreier-Gruppe. Trotz der vorgeschrittenen Nachtstunde war der Publikumsverkehr in diesem Verwaltungsgebäude erstaunlich. Sie hatten keine Vorstellung darüber, daß auf Hidplace, und ganz besonders in Anon Tag und Nacht gearbeitet wurde, um auf allen Gebieten der Technik so schnell wie möglich einsatzbereit zu sein. Wie ein Gespenst, das mit seinem tödlichen Griff zufassen
kann, glaubten alle Robonen von einem fernen Planet bedroht zu werden, der Terra hieß. Jan Burtons Programm-Gehirn nahm eine Sonderstellung unter den Cyborgs ein. Er benutzte kaum die Rückschaltungs-Phase zu seinem natürlichen Gehirn. Er verließ sich mehr auf die logistische Berechnung der gegebenen Möglich keiten, und die hatte ihm im Endwert gesagt, daß sie sich in diesem Gebäude Anons in größtmög licher Sicherheit befinden würden. Achtzehnte Etage. Die Beschriftungen waren in terranischer Sprache gehalten. Wegweiser, von innen her beleuchtet, wiesen ihnen den Weg. Neid los erkannten sie an, daß die nicht umgeschalteten Robonen über ausgezeichnete Organisatoren ver fügten. Die einzelnen Ressorts waren so unterge bracht, daß auch unerfahrene Besucher ohne langes Fragen schnell die gewünschte Stelle erreichten. Allon Sawall - ein großes Transparent wies nach oben. Also weiter die Rampen hinauf. Immer schwächer wurde der Betrieb. Hin und wieder sah man sie neugierig an. Die Cyborgs verzogen das Gesicht nicht. Im Schutz des zweiten Systems fühlten sie sich sicher. Sie bogen auf die nächste Rampe ein. Nur noch ein Stockwerk trennte sie von Allon Sawalls Büro. Holger Alsop sah drei Robonen herun terkommen. Sein Gesicht lag voll im Licht. Er sah keinen Grund, es zu verstecken. Auch in dem Moment nicht, als er unter den drei Robonen Jes Kolladan erkannte! Mit Jes Kolladan hatte er an der Brain-Universität studiert! Mit Jes Kolladan war er ins Examen gegangen! Er zuckte nicht einmal zusammen. Sein zweites System erlaubte diese Reflexe nicht. Aber er sah auch keine Möglichkeit, seine Begleiter zu informieren. Jes Kolladan hatte ihn auf den ersten Blick erkannt! Die Hand des Robonen flog zum Blaster In seinen Augen glühte der Haß! Haß gegen die Menschen, gegen alle Menschen, auch gegen Holger Alsop! Aber der Robone hatte die Reaktionsfähigkeit des Cyborgs unterschätzt. Alsop war schneller als der andere, nur verzichtete er darauf, seinen Blaster zu benutzen. Jedem Cyborg war im Brana-Tal mitgegeben wor den, nur in Notfällen von tödlichen Strahlwaffen Gebrauch zu machen. Nichts stand in ihrem Pro gramm höher als das Leben! Sie waren nicht ge schaffen worden, um zu vernichten, sondern um Leben zu schützen oder zu retten! Aus Alsops Schocker zischte der Strahl. Er
konnte keine Rücksicht darauf nehmen, daß ihnen weitere Robonen auf der Rampe folgten. Was sich aus dieser Situation ergab, stand in den Sternen! Jes Kolladan brach zusammen. Er bekam nicht einmal mehr Gelegenheit, einen Schrei auszustoßen. Nicht anders erging es seinen beiden Begleitern. Dumpf krachten sie auf die Rampe. Für einen vollen Tag waren sie bewußtlos. Da hatten die drei anderen Cyborgs die Situation erfaßt. Charly Snide wirbelte herum, benutzte seine paralysierende Strahlwaffe und sah Robonen zusammenbrechen. Aber zwei, die gerade die Rampe betretet., wollten, hatten sich blitzschnell zurückgeworfen und sich aus dem Bereich der Strahlwaffe gebracht. Sie brüllten, daß es im Rampenhaus wi derhallte! Den Begriff Panik kannten die Cyborgs nicht. Er war nicht in ihrem Programm enthalten. Dennoch starrten sie jetzt Jan Burton an. Er war der einzige, der ihnen jetzt ihre größte Chance zeigen konnte. Altmodische Sirenen klangen auf. Vibra tionsalarm kam dazu. Der riß auch den letzten Robonen aus tiefstem Büroschlaf. Innerhalb weni ger Sekunden hatte sich das Verwaltungsgebäude in einen Hexenkessel verwandelt. Es schien in Anon einmalig zu sein, daß man im Verwaltungs gebäude Alarm geben mußte. Jan Burton hatte sein logistisches Gehirn befragt Er benutzte die Rückschaltungs-Phase, um das Resultat seinem normalen Gehirn mitzuteilen, und als er es erfuhr, erschrak er auf diesem Sektor. Als Mensch! Flucht nur an der Außenfront möglich! Er teilte es Alsop und George Snide mit. Die beiden nickten. Charly kam die Rampe herauf gerast und sprang über die am Boden liegenden Robonen hinweg und mußte wieder umkehren. Aus der obersten Etage des Gebäudes, in dem Allon Sawalls Büro lag, näherten sich viele schnelle Schritte. Vier Cyborgs starteten wie Supersprinter, Blaster und Schocker in den Händen. Der einzige Fluchtweg lag eine Etage tiefer. Fünf oder sechs Robonen tauchten am Ende des Ganges auf. Sie verrechneten sich. Sie sahen in den Flüchtenden ihre Artgenossen. Noch war keiner von ihnen auf den Gedanken gekommen, daß sie Terraner vor sich hatten. Sie kamen nicht dazu, ihre Waffen einzusetzen. Die beiden fernsichtigen eidetischen Zwillinge bewiesen, daß sie nicht nur gut sahen, sondern auch erstklassige Schützen waren.
Dann schossen auch Alsop und Burton, wäh rend sie den Gang entlang zum Fenster rasten. Im Kampf Mann gegen Mann legten sie als Cyborgs ihre Feuerprobe ab. Aber sie empfanden als Sieger kein Triumphgefühl. Gefühle zu haben, ließ ihr zweites System nicht zu! Echri Ezbal hatte die Gefahr erkannt, die in dieser Methode lag und deshalb das äußerst schwierige Problem bewältigen müssen, eine Ver bindung zwischen dem normalen und dem Pro gramm-Gehirn in Form der Rückschaltungs-Phase zu schaffen. Sie war die Sicherung, die einen Cyborg daran hinderte, fern jeder menschlichen Ethik zu han deln, so zu handeln, wie es das auf logistischer Ba sis arbeitende Zweitgehirn befahl. Holger Alsop besaß Riesenkräfte. Ein Robone, der aus einem der Büros her ausstürzte, wurde zurückgeschleudert, Die anderen waifen nicht einmal einen Blick in den Raum. Charly Snide erreichte das Plastikfenster. Alle anderen sicherten hinter ihnen den Gang. Burton mußte seinen Schocker wieder einsetzen. Ein Kopf, der aus einem Büro gelugt hatte, verschwand blitzschnell. „'runter! Schnell!” drängte Charly, der das Plastikfenster geöffnet hatte. Er schwang sich hinaus. Die gähnende Tiefe störte ihn nicht. Angst war ihm als Cyborg ein unbekannter Begriff. Er dachte in seinem zweiten System nicht einmal daran, bei diesem wahn sinnigen Abstieg abstürzen zu können. Er erinnerte sich auch nicht daran, was Echri Ezbal ihnen gesagt hatte, bevor er und seine medi zinisches Team Cyborgs aus ihnen machte: Als Cyborg ist Ihr Körper nur noch Hülle. Aber nicht nur Ihr Knochengerüst wird verändert und mit der Umschaltung verstärkt, auch alle Muskeln erleben eine Verstärkung, die Sie zu Leistungen befähigt, die ein normaler Mensch nur kurzfristig aufbringen kann, und das auch nur dann, wenn er sich auf ein bestimmtes Gebiet spezialisiert hat! Die Außenfront des würfelförmigen Ver waltungsgebäudes war nicht glatt. Jahrtausende hatten an dem synthetischen Material genagt und Risse und Sprünge erzeugt. Risse, die gerade so breit waren, daß Fingerspitzen hineingreifen konnten. Charly schwang sich hinaus. Er wurde sich als Cyborg gar nicht klar darüber, daß er sein Leben aufs Spiel setzte. Mit nachtwandlerischer Sicher heit krallten sieh seine Finger um das Sims. Gleichzeitig hangelte er zur linken Seite. Weder Alsop, noch Burton oder sein Zwillingsbruder
drängten ihn, sich zu beeilen. Er beeilte sich! Er war nur noch Cyborg. Die Rückschaltungs-Phase zu seinem normalen Gehirn wurde nicht beansprucht Sie hätte ihn mit ihrer gesamten Gefühls-Skala nur behindert. Er sah im Dunkeln! Über Infrarot! Seine Fingerspitzen waren wie stählerne Greifwerkzeuge. Sie krallten sich in die Rillen und Risse. Nur von den Fingerspitzen wurde sein Körper gehalten. Unter ihm gähnte der Abgrund. Er fragte nicht, ob die anderen ihm folgten. Als Cyborg hatte er keinen Zwillingsbruder. Er hatte auch keine Freunde. Nicht einmal Partner. Er war ganz auf sich allein gestellt, und er wurde sich nicht bewußt, welch einem unmenschlichen Zwang sein Handeln unterlag. Die Mediziner, Biologen, Genetiker und BioIngenieure hatten gewußt, welch eine komplizierte, aber dennoch anomale Konstruktion der Cyborg im Menschen war! Eine glatte Hausfront, nur vom Zahn der Zeit angenagt, und daran vier Männer über einem Abgrund. Nacht dazu! Und über ihnen die Robonen, die sie suchten! Scheinwerfer flammten auf. Lichtstrahlen, die grell leuchtend in die Tiefe schossen und die Straße taghell erleuchteten. Robonen, die nach den zerschmetterten Kör pern derjenigen suchten, die in einem Anfall von Geistesgestörtheit auf andere mit ihren Strahlwaf fen geschossen hatten. Noch war keinem der Ver dacht gekommen, daß man es mit Terranern zu tun hatte. Charlys Fingerspitzen wurden nicht naß. Seine Arme begannen nicht zu zittern. Die Muskeln wollten ihm nicht den Dienst aufsagen. Er sah, wie die glatte Hausfront in seinem Sehbereich beschaf fen war. Sein Programm-Gehirn hatte notiert, wel che Umwege er gemacht hatte, um einige Meter tiefer zu kommen. Wer über ihm an diesem Ab grund hing, berührte ihn nicht. Innerhalb seines zweiten Systems gab es die primäre Order, gesund nach unten zu kommen. Grelle Strahlen rissen die dunkle Nacht über Anon auf. Im spitzen Winkel leuchteten sie die Nacht aus, aber nicht die Hauswand des Verwaltungsgebäudes. Auch Robonen waren Menschen, ob umge schaltet oder nicht. Auch sie dachten in be-stimm ten Bahnen wie Menschen. Und niemand konnte sich vorstellen, daß es vier Männer gab, die sich ü ber die dünnen Risse an der Synthetikfront des Gebäudes siebzehn Stockwerke nach unten hangel ten. CYBORGS!
Sie bewiesen, was sie waren. Sie bewiesen, daß sie als die Prototypen einer neuen künstlichen Gattung Mensch die Erwartungen der Futuristen des ausgehenden 20. Jahrhunderts übertroffen hatten. Muskeln, die erschlafften? Fingerspitzen, die keine Kraft mehr hatten, achtzig und mehr Kilo vor dem Absturz zu bewahren? Gliedmaßen, die zitterten? Das alles kannten sie nicht. Und dazu ihr Programm-Gehirn! Stahlpakete ihre Muskeln. Hochwertige Leiter die Nervenbahn zum zweiten Gehirn. Bar jeder menschlichen Ethik. Roboter in Menschenleibern, und dennoch keine Roboter, wie man es sich einmal vorgestellt hatte. Roboter mit einer präzise arbeitenden Si cherung, die verhinderte, daß sie tatsächlich wie seelenlose Maschinenmenschen handeln konnten! Alsop blickte nach unten. Über Infrarot. Unter sich sah er zuerst Jan Burton, noch tiefer Charly Snide. Ihm selbst folgte nun George Snide. Hoch über ihnen die erregten Stimmen der Robonen. Der Alarm im Verwaltungsgebäude war ausgelaufen. Sie hatten keinen Grund zu triumphieren. Triumph-Gefühl, was war das? Sie hatten ein Programm zu erfüllen. Nichts anderes. Und sie wußten nichts anderes. Sie waren doch nur Cyborgs! Charly erreichte als erster den Boden. Niemand sah ihn. Die Menschenmassen, die sich vor dem Verwaltungsgebäude versammelt hatten, starrten auf das große und weite Portal. Niemand dachte daran, daß sich die vier gesuchten Attentäter an der glatten Hausfront nach unten bewegt haben könnten. An der äußersten linken Seite des Gebäudes erwartete Charly den Logistiker. Als er Boden unter den Füßen hatte, traf kurz darauf Holger Alsop ein. Sein Gesicht war von keiner Strapaze gezeichnet. Und als George Snide seine Fingerspitzen aus der letzten Fuge löste, verspürte er in seinem zweiten System nicht einmal eine Anstrengung. Seine Knie zitterten auch nicht. Gelassen sah er sich um. Die unterschiedlichen Wärmeausstrahlungen in Anon ließen ihn weit in die Straße sehen, die gradlinig verlief. Holger Alsop aktivierte die RückschaltungsPhase zu seinem normalen Gehirn. Nur bestimmte Sektoren arbeiteten im gleichen Moment. Ein logistisches Warngefühl hinderte ihn daran, alles einzuschalten. Nach war unerklärlich, wieso Robo nen ersten Blick Terraner erkennen. Er sah in die Runde. Sie standen außerhalb der Menschenmenge, die genauso sensationslüstern war wie Terraner auf
der Erde. Niemand sah zu ihnen herüber. Sie standen wie teilnahmslose Robonen zusammen, die ihren Blick schweifen ließen. Es kostete Alsop keine Anstrengung, sein Spezial-Vipho einzuschal ten und zu lauschen. Die gleichen Geräte benutzten die Robonen auf ihrem Versteck-Planeten. Gelassen teilte er seinen Partnern mit, was er hörte. Man suchte sie in der gesamten Stadt. Allon Sawalls Polizei erhielt gerade den Auftrag, auch die noch nicht bewohnten Außenbezirke Anons zu durchsuchen. Da meldete sich Jan Burton. „Am sichersten sind wir im Verwaltungs gebäude! Wenn es uns gelingt, durchs Portal zu kommen, sind wir in Sicherheit! Dort sucht uns kein Mensch mehr, oder jede Logistik ist damit ad absurdum geführt worden.” Nach wie vor hatten sie ihr zweites System eingeschaltet. Sie verarbeiteten Jan Burtons Vor schlag. Jeder normale Mensch hätte diesen Rat strikt abgelehnt. Die drei Cyborgs lehnten ihn nicht ab. „Okay”, sagte Holger Alsop. „Okay”, sagte George Snide. Charly nickte nur. Alle waren mit Burtons Vorschlag einverstanden. Vier Cyborgs gingen wieder auf das Ver waltungsgebäude zu, daß sie auf abenteuerliche Weise verlassen hatten. * Gerade hatte Manu Tschobe geschrien: „Euch Brüdern zeigen wir es!”, als es auch über die Menschen am Rand des Raumhafens Cent Field kam! Der Afrikaner hatte eine der Gravita tionsschleudern der ARCTUR auf den Stab der TF, die Hyperfunkstation wie auf die DefensivZentrale justiert. Drei Gravos überfielen die Menschen, die sich darin aufhielten. Drei Gravos rissen jeden Menschen zu Boden. Es gab kein Mittel, sich gegen diese un sichtbare, erbarmungslose Macht zu schützen. Im Stab der TF, in der Hyperfunkstation, in der Defensiv-Zentrale gab es nur noch Angst, Grauen und Furcht. Von allen Seiten kamen die Gewalten! Dreifache Schwerkraft! Das Atmen wurde zur Qual. Unmöglich, ein Glied zu rühren! Hinlegen! Hinlegen! Nur dieser Gedanke häm merte noch in den Gehirnen der Menschen! Flach auf den Boden legen! Sich nicht rühren! Atmen!
Atmen, und sonst gar nichts tun! Hier und da stöhnte jemand. Niemand antwortete ihm. Jeder hatte mit sich selbst zu tun. Sie glaubten in der Hölle zu sein. Es gab keine Be fehle mehr, denen sie gehorchen mußten. Ein Notruf der COL kam durch! Wen kümmerte es noch? Niemand hörte ihn! Cent Field war die Hölle! Eine Hölle, die überall war! Sie war wie ein Blitz aufgetaucht und geblieben. Wer hundert Kilo gewogen hatte, der besaß jetzt ein Körpergewicht von dreihundert Kilo. Und darauf war der Körper nicht vorbereitet. Das Atmen wurde zur Qual! Das Atmen war die Hölle. Bram Sass hatte diese Gewalten auch zu spüren bekommen, doch nichts hinderte ihn daran, auf sein zweites System umzuschalten. Im gleichen Moment schienen die Kräfte nicht mehr zu existieren. Die Wirkung der Gravitationsschleuder der ARCTUR war eliminiert worden. Über Vipho auf der UKW-Frequenz gab er sei ne Order. Hinter ihnen lagen die Flash, mit denen sie nach Cent Field gerast waren. Niemand konnte sich der Blitze bemächtigen. Dafür sorgte die Ge dankensteuerung, die jeden Flash geschlossen hielt und nur auf die Impulse seiner Piloten reagierte. Terra verpaßte eine Sensation, als vierzehn Cyborgs trotz drei Gravos wie HochleistungsSprinter auf die Gebäude am Rand des Hafens zuliefen. Es gab niemanden, der diese Szene unter diesen Bedingungen filmte. „Vier zur Defensiv-Zentrale! Vier zum Funk! Der Rest folgt mir!" Mehr hatte Bräm Sass nicht zu sagen. Er hatte einen organischen Fehler, dieser zi geunerhaft wirkende Ladiner aus den Dolomiten, der viel älter aussah, als er tatsächlich war. Bram Sass' Hormonspiegel im Blut veränderte sich auch in den gefährlichsten Situationen nicht! Auch als Mensch kannte er keine Furcht, und als Cyborg war sie in seinem Programm nicht enthalten. Sensorik-Kontrolle am Eingang zum Stab der TF! Er riß seinen Blaster hoch, zielte auf die Stelle, an der sich hinter einer Wand das Aggregat befand, und sah gelassen zu, wie alles zerstört wurde. „Folgen!” Seine Stimme klang kaum ver ändert. Die Topper, die ihn begleiteten, achteten nicht darauf. „Nur Schocker benutzen.” Dieser Befehl brannte sich im Programm der anderen ein. Es durfte in den Gebäuden am Rand des Raumhafens keine Toten geben! Ren Dhark hatte seine Cyborgs nicht eingesetzt, um ein Blut
bad zu veranstalten, sondern um wieder normale Verhältnisse zu schaffen! Sie hatten leichtes Arbeiten. Niemand leistete ihnen Widerstand. Sie rasten durch die umfangreichen Trakte. Ihre Schocker waren fast ununterbrochen in Tätigkeit. Rapid sank die Kapazitätsangabe der Strahlwaffen. Sie nahmen es zur Notiz, aber es be unruhigte sie nicht. Sie wußten, daß sie mit der Energie, die sich in ihren Waffen befand, auska men, um jeden Mann im Stab der TF, des Hyper funks oder der Defensiv-Zentrale für Stunden aus zuschalten. Drei Gravos fesselten die Menschen am Boden, und diese drei Gravos fragten nicht danach, ob beeinflußte oder normale Menschen davon überfallen wurden. Und die Schocker der Cyborgs auch nicht. Bram Sass sah sich drei Männern gegenüber, die schweratmend am Boden lagen, ein gewohntes Bild, seitdem sie den Stab der TF betreten hatten. Dennoch war irgend etwas anders. Und Sass sah es. Ein Blaster war auf ihn gerichtet! Ein Offizier im Generalsrang versuchte ihn ins jenseits zu schicken. Bram Sass hatte weder als Mensch noch als Cyborg Angst. Als Cyborg war er nur in seiner Reaktion bedeutend schneller als jeder Robone. Der Abstrahlpol seines Schockers jagte zischend den Strahl los. Ein Blasterstrahl jagte zur Decke und brannte ein Loch hinein. Dann hatte die paralysierende, humane Wirkung seiner Waffe einen Robonen in einen Zwangsschlaf versetzt, den er ohne Schaden zu nehmen überstehen würde Sass war nicht allein. Er hatte Unterstützung, aber er benötigte sie nicht. Auch der zweite und dritte Offizier wurden geschockt. Sie waren für einen längeren Zeitraum nicht mehr handlungsfä hig. „Sass, Manu Tschobe ruft durch. Er verlangt einen Lagebericht!” wurde er angesprochen, als sie auf das nächste Büro im Stab zuliefen. Bram Sass' Gesicht veränderte sich nicht als er sagte: „Geben Sie durch: im Stab alles okay! Vorher fragen sie aber nach, wie es beim Hyper funk und in der Defensiv-Zentrale aussieht.” Der angesprochene Cyborg blieb zurück. Über Vipho bekam er sofort Verbindung. Sein Pro gramm-Gehirn nahm es zur Kenntnis, und an schließend ging die Durchsage an Manu Tschobe in der ARCTUR ab. Arc Doorn hatte über sein Gerät mitgehört. Er stand neben dem Afrikaner. Fiir ihn gab es an den Kontrollen nichts mehr
zu tun. Eine der vielen nachträglichen in der ARCTUR eingebauten Gravitationsschleudern ar beitete, nachdem sie in Tätigkeit war, automatisch. Ein Notkonverter versorgte sie für drei Tage mit Energie. Tschobe legte seine blendend weißen Zähne frei, als er die Erfolgsmeldung der Topper ver nahm, stutzte aber, als er Arc Doorns ausdrucks loses Gesicht bemerkte. „Was ist los?” Der bullige Rotkopf deutete mit lässiger Handbewegung zum Trennschott. Tschobe strengte sich an, als er lauschte. „Verdammt”, mur melte er, als er die Geräusche erkannt hatte. »Sie sind ja fast durch." Doorn war der gleichen Meinung. Das Trenn schott zum Aggregatstand der Gravitationsschleu der besaß keine besonders starke Wandung. Mit jedem energetischen Brenner war es leicht aufzu brechen, und auf der anderen Seite war man schon seit einiger Zeit dabei. „Aber noch nicht ganz!” widersprach Arc Doorn, nahm sein Spezial-Vipho hoch und rief Bram Sass im Stab der TF an. „Sass, wie sieht es bei lhnen aus? Können Sie über die HyperfunkStation einen Befehl an die Terranische Flotte 'rausjagen?” „Ist möglich!” kam die Antwort. „Okay! Die drei Schiffe, die Terra am nächsten sind, haben sofort auf Cent Field zu landen. Klasse der Raumer spielt keine Rolle. Dann weiter: Acht bis zehn Kugelraumer auf die BERNHARDT STAR und die HOPE ansetzen! Die beiden Schiffe müssen gefunden werden. Melden Sie uns, wenn ein Kahn auf dem Hafen landet, aber wenn Sie vorher 'rauskriegen sollten, daß die Besatzung nicht beeinflußt ist, dann tun Sie uns einen besonders großen Gefallen.” Selbst Bram Sass' Programm-Gehirn konnte diese Bemerkung nicht verstehen. „Doorn, was wollen Sie damit erreichen?” Der Rotkopf war nicht aufgelegt, Reden zu halten. „Melden Sie uns, wenn ein Schiff Ihrer Order gehorcht. Alles andere werden Sie dann miterle ben. Daß es uns hier unter den Fingernägeln brennt, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen, wie?” „Augenblick, Doorn!” Bram Sass schien eine bedeutsame Entdeckung gemacht zu haben. Im Raum der Gravitationsschleuder warteten zwei Männer. Hinter ihrem Rücken dröhnte das Trennschott. Mit aller Energie wurde versucht, zu ihnen hereinzukommen. „Was soll das mit dem Befehl, die der Erde nächsten Raumer hätten sofort zu landen?” fragte Manu Tschobe und betrachtete seine Handstrahl
waffen, mit denen er gleich gegen die Besatzung der ARCTUR zu kämpfen hatte. Arc Doorn erhielt keine Gelegenheit, seinem Partner eine Erklärung abzugeben. Bram Sass meldete sich vom Rand des Raumhafens. „Sternschnuppe MONTEZ ist soeben ge landet. Kommandant F. G. Maissel. Der Kahn hat vor Pluto Patrouille geflogen. Maissel schwört darauf, daß keiner von seiner Mannschaft beeinflußt ist.” Doorn warf dem Trennschott einen Blick zu. Es handelte sich nur noch um Minuten, und die Besatzung brach die Sperre auf. Hastig fiel er dem Topper ins Wort: „Geben Sie mir Maissel. Egal, wer mithört.” Sass nannte die Phase der Vipho-Verbindung zur MONTEZ. Arc Doorn schaltete an seinem Sicht-Sprechgerät. Auf dem kleinen Bildschirm tauchte das runde Gesicht des gar nicht mehr jungen Kommandanten der Sternschnuppe auf. „Maissel, wir stecken in der Patsche! Setzen Sie drei Garvitationsschleudern auf die ARCTUR ein. Wert: 3,5, aber unter keinen Umständen mehr. Tschobe und ich befinden uns auf dem Kahn.” Maissels Erschrecken war deutlich zu sehen. „Doorn, Sie spielen mit Ihrem Leben und das der anderen. 3,5 ...” Da brüllte der Rotkopf los. „Setzen Sie die Schleudern ein! Zum Teufel, hier geht's um Sekun den. Sofort einsetzen, Maissel, oder der Comman der stellt Sie vor das Gericht der TF. Geben Sie den Befehl.” Das zog. Arc Doorn und Tschobe hörten mit, wie Major Maissel die Einsatzorder gab. Dreimal wies er darauf hin, den Wert 3,5 nicht zu überschreiten. Aber kamen diese Maßnahmen nicht zu spät? Das Schott brach in seinen mechanisch -magnetischen Sperren auf. An den zerfressenen Metallrändern tropfte das Material zu Boden. Eine Hitzewelle jagte in den Raum der Gravitations schleuder. Doorn und Manu Tschobe hatten hinter dem großen Aggregat Deckung genommen. Sie waren bereit, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. In Gedanken verwünschte der Rotkopf Major Meissel, der unersetzliche Se-kunden damit vertrödelt hatte, daß er seine Bedenken vorgebracht hatte. „Sie kommen”, stieß Manu Tschobe aus. Doorn nickte. Er kniete dicht vor der Ecke, den Schocker auf Fächerstrahl gestellt, um beim ersten Treffer eine möglichst gute Breitenwirkung zu erzielen. Da riß ihn eine unsichtbare Titanenfaust zu Boden Die MONTEZ hatte ihre Gravitations
schleudern auf die ARCTUR eingesetzt und plötzlich herrschten in diesem 400-Meter-Raumer 3,5 Gravos! Dauerbelastung durch 3,5! Die Männer in der ARCTUR waren nicht einmal mehr in der Lage zu schreien. Die Schwerkraft hatte auch den stabilsten Mann von den Beinen gerissen, und jeder hatte nur den einen Wunsch, daß diese Tortur so schnell wie möglich ein Ende nahm. Nur zwei bildeten die rühmliche Ausnahme: Arc Doorn und Mann Tschobe! Der Afrikaner war mit letzter Kraft zu seinem Partner gekrochen. Fragend sah er ihn an. Zum Sprechen reichte es nicht mehr. Seine Lungen waren kaum in der Lage, die erforderliche Luft hereinzuholen. Einen Angriff durch die ARCTURBesatzung hatten sie unter diesen physikalischen Verhältnissen nicht mehr zu befürchten. Keiner konnte mehr seinen Arm heben. Es war eine physi sche Wunderleistung des Afrikaners, zu Doorn zu kriechen. „Durchhalten ...”, Doorns Aufforderung war kaum verständlich. Durchhalten, dachte Manu Tschobe und glaubte, die Augen würden ihm aus dem Kopf fallen. Dreieinhalbfache Schwerkraft, Dauerzustand, das war mehr, als ein darauf trainierter Mensch lange Zeit durchhalten konnte. Arc Doorns Befehl an Major Maissel, die ARCTUR mit 3,5 Gravos zu belasten, grenzte fast an Selbstmord. Normale Menschen, die sich niemals diesem Schwerkraft training unterzogen hatten, hätten nach kurzer Zeit schwere körperliche Schäden davongetragen. Durchhalten, dachte auch Arc Doorn, der auf dem Bauch lag, nichts mehr sah und hörte, und sich nur immer wieder einhämmerte: Durchhalten! Die Cyborgs im Stab der TF, in der Hyperfunkstation und in der Defensiv-Zentrale müssen genügend Zeit haben, um mit allen Männern darin fertig zu werden. Ein Cyborg konnte eine Dauerbelastung von 10 g aushalten und dabei noch aktiv sein. Aber Tschobe und Doorn waren keine Cyborgs, sondern ganz normale Menschen. In der Sternschnuppe MONTEZ, einem 50 Meter-Raumer, jagte die Spannung dem Siede punkt zu. Die beiden Ärzte der Medostation hatten gegen Major Maissels Befehl protestiert, waren aber mit ihrem Protest nicht durchgekommen. Der Major wußte aus Erfahrung, daß sich in der ARCTUR keine Hand mehr rühren konnte, aber er hatte keine Ahnung, warum Arc Doorn ihm diesen Befehl gegeben hatte. Bram Sass hatte mit einem anderen Cyborg den Stab der TF mit der Hyperfunkstation gewechselt.
Dem zigeunerhaften Mann aus den ladinischen Dolomiten kam über sein zweites System nicht zum Bewußtsein, daß sie diesen am Boden liegenden Menschen wie Gespenster erscheinen mußten. Sie handelten nach Order! »Wir sind über den Zeitplan!" trieb Sass seine Kollegen an. Er stürmte in die Empfangs-Zentrale. „Wie sieht es bei der Flotte aus? Wie reagieren die Kommandanten? Welche Schiffe suchen die BERNHARDS STAR und die HOPE? Welche befinden sich auf Landekurs?” Folien wurden ihm zugeschoben. Er überflog sie. Drei Raumer standen dicht über Cent Field. Aber die anderen? Er stutzte. Er mußte Arc Doorn oder Manu Tschobe benachrichtigen. Diese drei Raumer, die so dicht über dem Raumhafen stan den, hatten per Funk gedroht, ihre Waffen gegen den Hafen und Alamo Gordo einzusetzen, wenn die Aktion auf dem Hafen nicht binnen 30 Minuten Normzeit eingestellt worden sei! Tschobe und Doorn auf der ARCTUR hörten die Durchsage aus der Hyperfunkstation. Dreieinhalbfache Schwerkraft preßte sie an den Boden, dreieinhalbfache Schwerkraft ließ sie kaum noch zum Denken kommen. Aber eine Entschei dung mußte getroffen werden, und so schnell wie möglich! Doorn stöhnte, als er sich zentimeterweise mit seiner Hand dem Spezial-Vipho näherte. Ren Dhark mußte unterrichtet werden. Er hatte mit der POINT OF einzugreifen. Er mußte diese drei Schiffe, deren Besatzungen unter Einfluß standen, außer Gefecht setzen, sonst stand ein Blutbad von unvorstellbaren Ausmaßen bevor. Seine Finger schraubten sich um das Gerät. Er glaubte, es habe Stunden gedauert, bis die Einstellung zur POINT OF stand. Und dann kam die unmenschlichste Aufgabe: Den Commander benachrichten! „Dhark”, Doorn kannte seine eigene Stimme nicht mehr wieder. „Dhark, drei Schiffe.” Er sah nicht auf die Bildscheibe. Er hatte die Kraft nicht mehr dazu, aber er hörte die Stimme des Commanders. „Doorn, es ist gut. Wir haben die Funksprüche auch empfangen. Immer noch 3,5 Gravos in der ARCTUR?” „Ja”, keuchte der Rotkopf, während Manu Tschobe scheinbar besinnungslos neben ihm lag. „Halten Sie noch ein paar Minuten durch, Doorn. Werden Sie es schaffen?” Ren Dhark hatte seine Fragen so formuliert, daß Doorn entweder ja oder nein sagen mußte. „Ja - aber nicht mehr lange.” Blei rann durch
ihre Adern, kein Blut. Die Lungen schmerzten, das Atmen war zur Qual geworden. Die kleinste Bewegung eine kaum vorstellbare Anstrengung! Dreieinhalbfache Schwerkraft als Dauer belastung! Das war die Grenze, die man dem menschlichen Körper zumuten konnte. War es eigentlich in der ARCTUR totenstill, wenn sie davon absahen, daß die Gra vitationsschleuder nach wie vor arbeitete? Doorn wollte lauschen, aber er brachte die Kraft nicht mehr dazu auf. Maissel, stell deine drei Schleudern ab! Laß uns lieber mit der Besatzung kämpfen! Stell sie ab, aber das hier ist zu viel, das ist grausam! Wunschgedanken, die nicht zur Ausführung kamen. Dazwischen ein Befehl, den Arc Doorn sich selbst gab: Durchhalten! Durchhalten! Noch ein paar Minuten! Wir dürfen den Plan nicht mit unserer Schwäche sabotieren. Wir dürfen nicht! * Die vier Cyborgs auf dem Planeten Hidplace in der Sternballung Dg-45 hatten Glück. Anders konnte man es nicht bezeichnen. Sie selbst dachten nicht darüber nach. Eiskalt, wie es ihnen ihr Programm aufzwang, mischten sie sich unter eine Gruppe Robonen, die eilig das Verwaltungsge bäude betrat. Wieder blieb einer der beiden Zwil linge zurück. Diesmal war der Abstand zu den an deren so groß, daß er sie nicht mehr sehen konnte, wenn er die nächste Rampe erreichte. Die Aufregung im Gebäude hatte sich merklich gelegt. Aus Gesprächsfetzen hörten die Terraner, daß man der robonischen Polizei zutraute, die Ban diten bald gefaßt zu haben. Die Cyborgs nahmen es zur Kenntnis. Gleichmütig verfolgten sie ihren Weg. Etage auf Etage legten sie ohne Zwischenfall zurück. Jeder normale Mensch wäre darüber vielleicht beunruhigt gewesen Sie kannten keine Unruhe! Sie kannten nur ein Ziel: Allon Sawall zu treffen, ihn unschädlich zu machen, und damit den Motor der Robonen aus zuschalten. Wie sie ihr Ziel erreichen konnten, überließen sie der Situation, die sie antrafen, und dem logistischen Ergebnis Jan Burtons. Das oberste Stockwerk war menschenleer. Ein von innen leuchtendes Transparent zeigte ihnen Sawalls Büro an. Holger Alsop sah hinter sich. Nüchtern stellte er fest, daß George Snide als letzter herankam. Charly stieß die Tür auf. Zwei junge Roboninnen sahen sie fragend an. Holger Alsop schob sich vor. Hier herrschte
der gleiche Bürobetrieb wie auf Terra. Allon Sa wall verfügte über zwei Vorzimmerdamen, die ihm unliebsame Besucher fernhielten. Nein, sie wünschten nichts! Aber sie traten nicht so dreist auf, daß sie damit Verdacht auslös ten. Charly lächelte eins der hübschen Mädchen an. Eiskalt blieben ihre Augen. „Sie wünschen?” erklang die stereotype Frage ein zweites Mal. Da hatte Jan Burton seine Berechnungen durchgeführt. Unauffällig sah er George Snide an, der jetzt erst das Vorzimmer betrat. Er stellte sich abseits und dokumentierte damit, nicht zu den drei Mann zu gehören. „Bitte?” Die zweite Robonin ließ sich ab lenken. Fragend sah sie George an. „Ich möchte ...” Mehr brauchte er nicht zu sagen. Die anderen hatten ihre Chance erkannt, als sich die schwere Tür öffnete und der Mann heraustrat, der nach Ren Dharks Beschreibung Allon Sawall sein mußte. Vier Schocker zeigten auf die beiden Ro honinnen und Allon Sawall. Holger Alsop und Jan Burton drängten ihn in sein Büro zurück. Die beiden Snides sorgten dafür, daß die Mädchen keinen. Alarm auslösen konnten. Burton schloß hinter sich die Tür. Holger Alsop stand seitwärts des Schwebeschreibtisches und ließ den Robonen nicht aus den Augen. Der Mulatte blickte lauernd von einem zum anderen. Wahrscheinlich konnte er gar nicht be greifen, was hier gespielt wurde. Unmerklich ver suchte er seinem Schreibtisch näher zu kommen. Wenn auch überall in Anon der Aufbau erst begon nen hatte, er selbst verfügte über die modernste und narrensicherste Alarmanlage, die man jemals auf Terra gebaut hatte. „Nicht bewegen, Sawall!” warnte Burton, während sich Holger Alsop zwischen den Robonen und den Schreibtisch stellte. „Es hat keinen Sinn, einen Trick zu versuchen. Sie heben nicht die kleinste Chance zu entkommen. Sawall, Sie werden Terra wiedersehen. Bewußt hatte der Logistiker sich und seine Partner zu erkennen gegeben. Die Auswertung aller Möglichkeiten hatte ihm gesagt, daß Sawall so energisch und vital er als nicht umgeschalteter Robone war, sich in seinem Unterbewußtsein vor den Terranern fürchtete. Und den Mulatten traf Burtons Eröffnung wie ein Schock. „Verdammte”, stieß er aus, und sein Gesicht wurde grau. „Verdammte in Anon?” Hinter seinem Rücken erwiderte Alsop lässig: „Verdammte, die Sie nach Terra schaffen werden, Sawall!” Der große Mann brachte ein hämisches Lachen
zustande. „Was erhoffen Sie sich davon? Auch ohne mich läuft alles so weiter, wie es geplant ist! Ich bin kein unersetzlicher Mann. Okay, schaffen Sie mich zum Planeten der Verdammten, aber ich bin neugierig, wie Sie das bewerkstelligen wollen. Noch bin ich auf Hidplace, und Sie auch. Noch steht das Spiel Null zu Null.” Er sprach nicht hastig. Im Gegenteil, gelassen wie ein Mann, der sich seiner Sache sicher ist. Burton beobachtete ihn schärfer denn je. Sein logistisches Gehirn warnte ihn, aber es war nicht in der Lage, ihm zu sagen, welchen tückischen Plan Sawall vorhatte auszuführen. Auch Holger Alsops Mißtrauen war größer geworden. „Sawall, nehmen Sie die Hände hoch!” Er konnte das Grinsen des anderen nicht sehen, aber Burton stellte es fest und sein logistisches Programm begann diese neue Tatsache mit den vielen anderen zu verarbeiten. Plötzlich stand ein Strahl in dem Raum. Er traf Burton mit voller Wucht. Der Cyborg schwankte nicht einmal, obwohl ihn die maximale Dosis aus einem Schocker getroffen hatte. Langsam, wie im Zeitlupentempo, senkte er seine angeschlagene Strahlwaffe, und zu Allon Sawalls Entsetzen sagte er gelassen: »Das zieht nicht, Robone! Aber mein Schocker wird Sie ...” Er glaubte, daß Holger Alsop von seiner Waffe Gebrauch gemacht hatte, denn eine andere Erklä rung gab ihm sein Programm nicht, und dennoch reagierte der Mulatte anders als bei einer Para lysierung. Sawall schwankte. Burton zögerte zu schießen. Holger Alsop hatte nur den Finger auf dem Kontakt liegen. Der Abstrahlpol seiner Waffe war noch nicht aktiv. Das Schwanken des Robonen ließ nach. Ruckartig streckte er die Arme nach vorn. Deutlich war das Keuchen zu hören, wie jemand, der vor dem Ersticken steht. „Ich - ich ...” Die Laute gurgelten tief in seiner Kehle. Die beiden Worte waren kaum zu verste hen. Aus seinem linken Ärmel rutschte eine kleine Strahlwaffe, mit der er versucht hatte, Jan Burton auszuschalten. „Ich ...” Das Wort kam nicht vollständig aus seinem Mund. Allon Sawall verdrehte die Augen, ließ den Kopf sinken und fiel dann nach vorn in Jan Burtons Arme. „Sie haben geschossen?” Er reagierte auf Alsops Frage nicht. Mit seinen starken Cyborg-Kräften trug er Sawall zum Schreibtisch, legte ihn darauf und beugte sich zu ihm herunter. „Der ist doch tot!" stellte Holger Alsop fest.
Den gleichen Eindruck hatte der Logistiker auch, aber er wollte sich durch eine intensive Untersuchung restlose Sicherheit verschaffen. Er machte die Brust frei, legte sein Ohr an und lauschte auf Herzschlag. Allon Sawalls Herz schlug nicht mehr. „Infarkt?" Burton zweifelte an seiner Diag nose. Der Herzinfarkt gehörte zu jenen Krankhei ten, an denen auf Terra längst kein Mensch mehr starb. „Tot?” erklang die sachliche Frage, wie sie nur ein Cyborg stellen konnte. Menschliches Bedauern schwang in der leicht fremd klingenden Stimme nicht mit. „Ja! Aber kein normaler Tod, Alsop. Ein Tod...” Die Tür flog auf. Charly Snide stand vor ihnen. „Unsere beiden Roboninnen spielen verrückt. Sind ohne äußeren Anlaß zusammengeklappt.” Da sah er Allon Sawall auf dem Schwebetisch liegen. Langsam setzte sich Snide in Bewegung und betrachtete das leblose Gesicht. „Wann ist es passiert?” „Vor einer Minute”, versetzte Alsop. „Sawall stammelte dreimal das Wort ich, machte dazu unerklärliche Armbewegungen, fiel um und war tot.« „Und die beiden Roboninnen fielen vor einer Minute in Ohnmacht, nachdem sie sich sekunden lang so angestellt hatten, als ob sie ein Gespenst gesehen hätten.” Der Logistiker hakte ein. „Ein Gespenst, Charly?” Der winkte ab. „Ich habe meine Rück schaltungs-Phase betätigt. Mein Verstand sagt mir, daß ich ...” „Seit wann kommt Menschenverstand gegen logistische Berechnungen an?” fragte Burton ohne jede Spur menschlicher Erregung. „Stoppen wir die Zeiten, wann Sawall ge storben ist und unsere Roboninnen zusammen brachen!" Streitgespräche unter Cyborgs waren unmöglich. Über allem stand ihre Aufgabe, die sie sich zum Teil selbst gestellt hatten. Ihr Gehirn-Pro gramm war so eingerichtet, daß sie Zeitabläufe genau festlegen konnten. Dann stand unveränderlich fest, daß Sawall zu der gleichen Zeit zusammengebrochen war wie die beiden Roboninnen. Alsop und Charly Snide sahen Jan Burton an. Ihr Blick war ausdruckslos. Neugier und Ungeduld suchte man darin vergebens. Burton schüttelte den Kopf. „Ich erhalte kein Resultat. Darauf ist mein Programm nicht einge richtet. Was haben wir hier noch zu suchen? Un sere Erfolgschancen sinken um so schneller, je länger wir uns hier noch aufhalten. Sawalls Tod
wird aller Wahrscheinlichkeit nach großen Einfluß auf die Aktion der Robonen auf Terra haben.” Sie nahmen es zur Kenntnis. Als normale Men schen hätten sie wahrscheinlich einige Dutzend Fragen gestellt. Zu dritt wollten sie Sawalls Arbeitsraum verlassen. Da stellte Charly Snide fest, daß es diesem Mulatten möglich war, seinem Büro den Rücken zu kehren, ohne das Vorzimmer zu passieren. Er wollte diese zweite Tür öffnen, jedoch Burton riet ab. Als sie das Vorzimmer betraten, kniete George Snide neben den beiden bewußtlosen Roboninnen. Er lauschte, hob einen Artet und verlangte nach Ruhe. Dazwischen klang das Wecken eines Viphos. Da diese Anlagen von der Erde gestohlen waren, brauchten die Cyborgs nicht herumzu rätseln, ob der Anruf dringend war. Mit höchster Dringlichkeitsstufe wurde durchgerufen. Holger Alsop drückte den Kontakt. Auf der Bildscheibe tauchte das scharfkantige Gesicht eines Mannes auf, der das achtzigste Le bensjahr schon hinter sich hatte, aber noch im Vollbesitz seiner geistigen und physischen Kräfte war. „Ich muß Sawall sofort sprechen! Ich habe eine Meldung von größter Wichtigkeit zu machen!” Alsop hatte den Platz einer der beiden Sekretärinnen eingenommen. „Sawall darf unter keinen Umständen gestört werden. Wichtige Konferenz! Meine beiden Kolleginnen sind hinzu gezogen worden. Bitte, was haben Sie zu melden?” „Sie scheinen mich nicht zu kennen?” Of fensichtlich war der Robone mißtrauisch ge worden. Starr und nachdenklich blickte er Holger an. Dessen Gesicht zeigte keine Unsicherheit. „Ich bin erst seit einer Stunde Allon Sawall zugeteilt worden und kann Sie daher nicht kennen, weil ich bis vor einem Tag noch an einem gehei men Projekt beschäftigt war. Bitte, geben Sie so fort die Phase frei oder teilen Sie mir mit, was Sie zu melden haben.« Er sah, daß Jan Burton auf sein Chrono deutete. Nach Meinung des Logistikers hielten sie sich schon zu lange im obersten Stockwerk des Verwaltungsgebäudes auf. Aber er mußte die Nachricht des ihm unbekannten Robonen noch entgegennehmen. „Teilen Sie Sawall mit, daß unsere StrukturOrtung den Einflug von unbekannten Raumern festgestellt hat.” „Ihr Name!” bellte Alsop. „Geonasdi, zweiter Chef der Struktur-Ortung.” „Zeit des Einfluges? Alle anderen Daten! Darf
ich bitten?” Wie Alsop hörten die drei anderen Cy borgs zu. Burton rechnete schon wieder. Kaum merklich nickte er. Die Struktur-Ortung des Planeten Hidplace hatte gut, nur etwas lang weilig gearbeitet. Der letzte Sprung ihrer Flash war erfaßt und fixiert worden. Nach den durchge gebenen Daten wär es für jeden Experten eine Kleinigkeit, mittels der Wahrscheinlichkeits rechnung den Kurs der unbekannten Raumer fest zulegen. Und Geonasdi nannte. den nachberechneten Kurs: „Alle unsere Ortungen arbeiten mit größter Leistung. Wir können keine unbekannten Raumer feststellen. Demnach müssen sie schon auf dem Planeten gelandet sein. Kann ich erwarten, daß sich Sawall mit der Struktur-Ortung in Verbindung setzt?” Auch als Cyborg trat Holger Alsop den richtigen Ton: „Das müssen Sie Sawall über lassen. Ich werde ihm so schnell wie möglich von Ihrer Nachricht Mitteilung machen. Danke, Ende!” Er tastete aus. »Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren”, drängte Burton. Auch die beiden Snides waren der Meinung, sich lange genug hier aufgehalten zu haben. »Wie stehen unsere Chancen?" fragte Alsop. „Noch gut.” Ein weiterer Zwischenfall hielt sie im Vorzimmer Sawalls fest. Eine der beiden Robo ninnen kam zu sich. Aber sie schien die ihr fremden Männer nicht zu erkennen. Sie sprach vom Cal! Von der ockerfarbenen Fünfergruppe der Giants, die gleichzeitig Legisla tive und Exikutive darstellten, von der Zentralfigur der Raubtierköpfe, die den Terranern nach wie vor ein Rätsel war. „Der Cal, der Cal! Wo sind unsere AllHüter? Wo sind sie? Warum sehen wir sie nicht mehr? Der Cal ...” Und dann nahm die Besinnungslosigkeit sie erneut in die Arme. Jan Burton konnte mit diesen Satzfetzen nichts anfangen, auch sein Programm-Gehirn nicht. Er gab den Befehl zum Aufbruch. „Noch haben wir die Möglichkeit, wieder herauszukommen.” Er ahnte nicht, daß er selbst es war, der ihr Un ternehmen zum Scheitern brachte. Sie kamen her aus! Sie betraten die Straße, und niemand hielt sie auf. Holger Alsop und die Zwillinge waren ah nungslos, sie konnten sich nicht vorstellen, daß Jan Burtons Leichtsinn ihnen die Freiheit rauben würde. Der Verkehr auf der Straße vor dem großen
Gebäude hatte merklich nachgelassen. Schemen haft waren die breiten Hochstraßen zu erkennen, die die würfelförmigen Bauten als Stützpfeiler be nutzten. Die Cyborgs achteten nur darauf, was in nächster Nähe geschah. An die geschockten Ro bonen in einem Keller dachten sie auch mit ihrem Programm-Gehirn nicht. Jan Burton wich einem Robonen aus, der in Gedanken versunken war und ihn nicht gesehen hatte. Dieser winzige Zwischenfall ließ ihn seine Vorsicht vergessen. Er benutzte die Rückschal tungs-Phase und schaltete vom zweiten System auf sein normales um. Keiner der vier Terraner sah, wie der Robone, mit dem Burton um ein Haar zusammengestoßen war, stoppte, sich drehte und ihnen mit entsetztem Blick nachsah. Aber als der Schrei durch die nächtliche Straße von Anon gellte: „Verdammte sind hier! Da laufen Verdammte! Da rennt ein Verdammter .. . Da rennen sie alle”, wußten die Cyborgs, daß sie keine Chance mehr hatten, trotz ihres Logistikers! Und da hörte Holger Alsop neben sich stöhnen. „Mein Gott, ich habe ja auf normal ge schaltet!” Im gleichen Moment erkannte Alsop die rie sengroße Gefahr. Unter keinen Umständen durften sie als Cyborgs erkannt werden. Während sie im Tempo normaler Menschen davonjagten, rief er seinen Begleitern zu. „Umschalten auf normal. Noch nicht das Phant-Steuergerät fortwerfen! Vielleicht wird es noch unsere einzige Chance sein. Verstanden?” Da gab es nicht viel zu verstehen. Sie nahmen die Hände hoch. Sie blieben ste hen, und durch die Menge, die sie eingeschlossen hatte, drängten sich Beamte der robonischen Polizei. Ihre Aktion auf Hidplace hatte vorläufig ihren Abschluß gefunden. * „Start!” hatte Ren Dhark befohlen, kaum daß Arc Doorns Viphogespräch zu Ende war. Alle Vorbereitungen zum Eingreifen waren ge troffen. Ein vom Checkmaster ausgearbeiteter Plan begann abzulaufen. Wie immer bei gewagten Einsätzen, flog der Commander selbst seinen Ringraumer, das Flaggschiff der Terranischen Flotte. Während die Flächenprojektoren mit maximaler Leistung arbei teten und den Brennkreis erzeugten, begannen die Ortungen in der POINT OF die ersten Daten anzugeben.
Drei Schiffe der TF bedrohten Cent Field und die Millionenstadt Alamo Gordo. Auf eine halbe Stunde war das Ultimatum begrenzt. Kurze dreißig Minuten! Und in diesen dreißig Minuten mußten alle drei Schiffe, deren Besatzungen beeinflußt waren, aktionsunfähig gemacht werden. Merklich angespannt saß Ren Dhark im Pilotensitz. Er hatte nicht vergessen, daß er von Arc Doorn und Chris Shanton scharfen Wider spruch gehört hatte, als er sich an dem Einsatz auf dem Raumhafen beteiligen wollte. Und er hatte nicht vergessen, daß diese Männer mit ihrer Meinung recht gehabt hatten. Aber jetzt befanden sich Doorn und Manu Tschobe in einer Lage, die sein sofortiges Handeln erforderte. „Funk-Z, geben Sie mir Bram Sass, aher sofort.” Der Maschinenraum gab Klarmeldung durch. Der Ringraumer jagte in senkrechtem Start in den Himmel hinein. Die gewaltigen Rocky Mountains unter ihm verloren schnell viel von ihrer majestäti schen Größe. Die Erde wurde zur Kugel. Der Welt raum färbte sich mehr und mehr schwarz. Unauf haltsam stieg die Geschwindigkeit des Schiffes. „Commander, Bram Sass.” Die Bildscheibe neben Ren Dhark flammte auf. Das zigeunerhafte Gesicht des Toppers war zu sehen. Er wollte eine Frage anbringen, kam aber nicht dazu. „Sass, holen Sie Tschobe und Doorn aus der ARCTUR! Setzen Sie dafür Cyborgs ein. Vollzug melden. Ende!” Die Verbindung bestand nicht mehr. Die FunkZ hatte sie getrennt. „Eines der drei Schiffe ruft POINT OF, verlangt Commander Dhark zu sprechen.” „Können Sie haben”, erwiderte Dhark ge lassen. „Geben Sie die Verbindung herein!” In der Zentrale wurde nicht mehr gesprochen. Niemand achtete auf die Bildkugel über dem Instrumentenpult, die den Erdmond größer und größer werden ließ. Mit Spannung wartete man darauf, was ein Raumschiffkommandant dem Regierungschef Terras zu sagen hatte. Kein Bild kam. Kein Erkennungskode! Nur der Ton war da! „Gehen Sie sofort auf Gegenkurs, oder wir halten uns nicht mehr an unser Ultima tum, Dhark.” „Was heißt das?” fragte der Commander mit auffälliger Schärfe in der Stimme. „Wir werden in ein paar Minuten Alamo Gordo in einen Hochofen verwandeln, wenn Sie nicht auf Gegenkurs gehen! Ist das verständlich, Dhark?”
„Verständlich.” Dhark schaltete selbst ab. Er legte keinen Wert darauf, sich mit einem Menschen zu unterhalten, der sich nicht klar war, was er tat. Er machte diesem Kommandanten, der bereit war, aber Millionen Menschen den Tod zu bringen, nicht einmal einen Vorwurf. An seinem besten Freund Dan Riker hatte er erlebt, daß der Mensch gegenüber diesen teuflischen Geräten machtlos war, mit denen die Robonen gesunde, verantwortungsbewußte Menschen beeinflußten. Einen Blick auf die Geschwindigkeitsanzeige! Einen Blick auf das Chrono! Das nächste feind liche Schiff war 112 Millionen Kilometer entfernt, ein Raumer der 200-Meter-Klasse. Die beiden anderen, die ebenfalls Alamo Gordo und Cent Field zerstören wollten, standen tiefer im Raum. Auf ihren Positionen konnten sie wohl gefährlich werden, aber sie stellten dennoch nicht diese Bedrohung dar wie jenes Schiff, das er bei unverändertem Kurs anflog. Er verzichtete darauf im Ringraumer die Transition anzukündigen. Intervalle weg! Von Sle auf den überlichtschnellen Sternensog schalten! Jetzt konnte ihm bei diesem gewagten Manöver nur die Gedankensteuerung einen Strich durch die Rechnung machen. Der Sprung erfolgte. Eine Kurztransition. Die Daten hatte ihm dier Checkmaster geliefert. Der Mond war in Nullzeit zu einem winzigen Punkt geworden, und Terra hatte alles von seiner Größe verloren, Terra war nichts anderes als eine Planetenkugel unter vielen. Blitzschnell hatte Dhark auf negative Be schleunigung geschaltet. Titanenkräfte begannen die POINT OF abzubremsen. Zuruf von der Or tung: »Distanz zum anderen Schiff, 2,2 Millionen Kilometer.« Dhark las die Instrumente ab. Diese Aktion wollte er nicht dem Checkmaster überlassen. Diese Aktion mußte er in eigener Regie führen. Er wollte sich selbst wieder einmal beweisen. Sein Selbst bewußtsein hatte durch den unnachgiebigen Wi derstand von Doorn und Shanton einen leichten Knacks bekommen. Der Sle bremste die POINT OF mit 83 Prozent. Da waren alle Steuerschalter blockiert! Hatte die Gedankensteuerung doch eingegriffen? Die POINT OF ging aus dem Kurs. Keine Sekunde zu früh. Ein halbes Dutzend Strahlbahnen rissen die Nachtschwärze des Weltraums auf und zischten um Tausende Kilometer vom Ringraumer entfernt ins grenzenlose All hinein, ohne Schaden anrichten zu können. „Commander, die Intervalle stehen nicht!« rief ihm ein Offizier von der Galerie zu.
Er drehte sich nicht einmal um. Das Schiff ge horchte seinen Steuerimpulsen wieder. Nur kurz fristig hatte die Gedankensteuerung eingegriffen, und Dhark hatte begriffen, warum sie aktiv ge worden war. Eine POINT OF, die nicht im Schutz ihrer Intervalle flog, war ebenso gefährdet wie jeder Kugelraumer, der keinen Schutzschirm mehr besaß. „Commander, Distanz zwei Millionen Kilometer.« Über die Koordinate Rot ging der Ringraumer erneut auf Anflugkurs. Da heulten im Schiff die Schwerkraftausgleicher auf! Der ange flogene 200-Meter-Raumer hatte seine Gravita tionsschleudern eingesetzt. Der Alarm brüllte durch die POINT OF Das war zugleich der Befehl für jeden Mann, den Klarsichthelm seines Raumanzuges zu schließen: Die Flächenprojektoren auf Sektor drei wur den abgeschaltet. Dhark blockierte die Sicherheits sperre und führte den Sektoren 1, 2 und 4 zwei hundertzehn Prozent mehr Energie zu, als sie sonst maximal erhielten. Über Grün drehte der Ringraumer eine Kurve, die beinahe den physikalischen Gesetzen Hohn ge sprochen hätte. Gleichzeitig ließ das infernalische Heulen der Schwerkraftausgleicher etwas nach. Aber nach wie vor lag das Schiff im Bereich der Gravitationsschleudern. Aus der WS-West kam die kurze Anfrage: „Strahlantennen einsetzen?” „Unter keinen Umständen!” brüllte Ren Dhark den Offizier an. „Ich habe keine Feuerfreigabe erteilt! Ende!” Er hatte die Beherrschung verloren. Er kochte vor Zorn. War dieser Kerl mit seiner Anfrage ver rückt geworden? Hatte es innerhalb der TF nicht schon genug Verluste gegeben? Die von der Bandstraße laufenden Neubauten waren kaum in der Lage, die Verluste der TF auszugleichen. Da schlugen Pressorstrahlen bei der POINT OF ein! Auf der Galerie wurde ein Offizier hyste risch. Er brüllte seinem Kommandanten zu: „Dhark, warum schalten Sie nicht die Intervalle ein! Sie fliegen uns ja in die Hölle.” Er hörte nicht darauf. Dreihundert Prozent Energie über Maximum auf den Sektor vier der Flächenprojektoren! Dhark vertraute blindlings der Technik der Mysterious. Die Projektoren würden bestimmt nicht schmelzen. Wurde da die POINT OF auf den Kopf gestellt? In der Bildkugel schien der gesamte Weltraum eine blitzschnelle Drehung um hundertachtzig Grad zu machen. Was gerade noch oben gewesen
war, befand sich jetzt unten und beide Seiten waren vertauscht. Fremdartig sah das strahlende Band der Galaxis aus. Dhark schenkte der Bildkugel keinen Blick. Ihn interessierten nur die Instrumente und daß sein Schiff nicht mehr im Feuer des 200-Meter-Rau mers lag. „Wie ist die Distanz zum anderen Schiff?" schrie er zu den Ortungen. Dann erst kam ihm zum Bewußtsein, wie sehr ihm Grappa fehlte, und sein Freund Dan. „1350 000 Kilometer.« Das reichte. Das war die Distanz, die er einnehmen mußte, um seinen Plan durchführen zu können. Der Checkmaster mußte ihm dabei Hilfe leisten. Weder ein normaler Mensch noch ein Cy borg konnten in dieser kurzen Zeit das schwierige Problem meistern: Kurz-Transition! Seine Fingerspitzen spielten mit den Steu erschaltern. Die Aufgabe, die Kommando-Impulse abzustrahlen, waren dem Bordgehirn der POINT OF übertragen worden. Für ein oder zwei Sekun den wurden die fußballgroßen Flächenprojektoren auf der inneren Außenseite der Unitallhülle gleich mäßig mit Energie beschickt. Obwohl die Ge schwindigkeit des Ringraumers relativ niedrig war, und er mit knapp 0,3 das andere Schiff in fünfzehn Sekunden eingeholt hätte, war eine Kurztransition unbedingt erforderlich. Der Commander wollte keinen weiteren Treffer an seinem ungeschützten Schiff wagen. Die Beschleunigung des Ringraumers stieg gerade an, als mit Umschalten auf Sternensog auch schon die Transition erfolgte. Blitzartig erlosch die Wiedergabe der Bildkugel, dann war sie wieder da, aber kein Offizier in der Zentrale hatte Zeit einen Blick darauf zu werfen. Der Ringraumer stand dreißig Meter über dem anderen Schiff, seine Geschwindigkeit stimmte mit der der MARCELLO überein Deutlich war in der Bildkugel zu sehen, wie die Polantennen der MARCELLO auf den Ringraumer ausgerichtet wurden. Auf diese Distanz mußte jeder Strahlschuß fürchterliche Auswirkungen haben. Ren Dhark hielt nicht einmal den Atem an. Er vertraute den Berechnungen und Impuls-Abgaben des Checkmasters. Er hatte das Bild in der Kugel noch nicht vollständig aufgenommen, als die POINT OF ihre beiden Intervalle wieder besaß und mit größtem Brennkreis-Schub über die Koordinate Rot :05,07 davonraste. Mit der MARCELLO im unteren Intervall als abgeschlepptem Raumer! Brüllende Aggregate in der POINT OF! Alle M-Konverter waren automatisch angefahren
worden. Die Energie-Tastung erbrachte erstaun liche Werte aus der MARCELLO! In der MAR CELLO hatte sich nichts verändert! Dort schien sich keine Hand mehr zu rühren. Aber in der Zentrale der POINT OF wurde es laut. Dharks Offiziere, an manches verwegene Ma növer ihres Kommandanten gewöhnt, hatten nicht begriffen, was vor ihren Augen geschehen war. Mit aufkommender Beschleunigung des Ring raumers war das andere Schiff regelrecht abge sackt, bis es auf die Grenzschicht des unteren In tervalls traf. Hier gab es kein Weiterkommen. Der Mini-Weltraum ließ die MARCELLO nicht mehr ins Normalgefüge zurückkehren. Solange das Intervall bestand, war das Schiff darin gefangen. Ren Dhark achtete nicht darauf. Ihn be anspruchte ein einziges Instrument auf sei-nem Pult. Ein Gerät, das ihm verriet, wie groß die Andruckskräfte im anderen Schiff waren! Gerade noch hatte die Besatzung der MAR CELLO geglaubt, den verhaßten Ringraumer vernichten zu können, als die Schwerkraftaus gleicher ansprangen, stoßartig maximale Leistung abgeben mußten und dann nicht mehr in der Lage waren, alle Andruckkräfte zu eliminieren. 9,67 Gravos herrschten kurzfristig im Schiff. Rund zehn Gravos überfielen die Besatzung. Auch die Männer, die in ihren Kommandositzen saßen, brachen unter dieser Gewalt zusammen. Viele stürzten bewußtlos zur Erde, andere bluteten aus Nase und Mund. Es gab keinen Mann mehr, der auch nur noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Sie begriffen nicht, daß ihr Schiff im unteren Intervall der POINT OF gefangen war und in rasender Fahrt nach Terra, zum Raumhafen Cent Field gebracht wurde. An Bord der POINT OF befand sich kein Cy borg mehr. Dhark konnte daher keinen Flash ein setzen, um in die Kommando-Zentrale der MAR CELLO einzufliegen. Es blieb ihm nichts anders übrig als das Schiff zur Erde zu bringen. Innerhalb des Ultimatums eine kaum zu verantwortende Zeitvergeudung. Chris Shanton betrat den Leitstand, wie gewohnt von seinem Robothund, begleitet. Ren Dhark bemerkte ihn erst, als sich die schwere Pran ke des dicken Mannes auf seine Schulter legte. Verärgert über die Störung drehte sich der Commander um, erkannte den anderen und fragte immer noch ungehalten: „Was gibt es, Shanton?” Dessen Stimme orgelte, aber in seinen Augen funkelte das Vergnügen. „Ich habe eine Idee, Dhark. Schaffen Sie mich mit Jimmy zur MARCELLO! Sorgen Sie aber dafür, daß in dem Kahn wieder normale Schwerkraftverhältnisse
herrschen, wenn ich mit einem Flash einfliege. Mitten in der Kommando-Zentrale muß ich ankommen, und dann sollen diese Burschen auch was von meinem Spaß haben, wenn sie ihr Bewußtsein wiedererlangt haben. Dann gehört die MARCELLO mir ganz allein, mir und Jimmy. Was meinst du, du Strolch?« und er kraulte seinen Robot-Hund. Ren Dharks Arger über die Störung durch Shanton war verschwunden. „Große Milchstraße, manchmal sieht man vor lauter Sternen die Galaxis nicht mehr. Shanton, Ihr Tip ist nicht zu bezahlen. Das ist die Lösung! Mit welchem Flash-Piloten wollen Sie in die MARCELLO einfliegen?” „Mit dem besten, den wir haben. Dhark, sagen Sie dem Mann Bescheid. Wie ich mich freue, mal Chef eines Raumkahns zu sein! Boliden und Aste roiden, werden die dumme Gesichter machen!« Dhark konnte dem dicken Mann, der eilig den Leitstand verließ, nichts mehr nachrufen. Von den Ortungen kam die Meldung: „POINT OF liegt in Fremd-Ortung und...« Die Funk-Z schaltete sich ein. „Com-mander, letztes Ultimatum an den Stab der TF! In zehn Minuten greifen die ARGOS und VINTA Cent Field und Alamo Gordo an. Nach entschlüsselten Funksprüchen zwischen den beiden Schiffen hat man unser Manöver mit der MARCELLO beobachtet.” Dhark drückte die Taste für RundsprechVerbindung. Jetzt ging es um Sekunden. Shanton mußte so schnell wie möglich mit einem Flash die POINT OF verlassen und zur MARCELLO unterwegs sein. „Okay”, klang es von einer Stelle im Ringraumer zurück. „Wir sind in zehn Sekunden draußen. Erreiche gerade das Flash-Depot.” Die Rundsprech-Verbindung bestand nun nicht mehr. Kurz drehte sich Dhark im Pilotensessel um. »Welche Schiffe befinden sich in der Nähe der VINTA und ARGOS?” Der zweite Offizier auf der Galerie rief ihm drei Schiffsnamen zu. »Ortung: Distanz der Schiffe zur ARGOS und VINTA!” Aber der junge Leutnant, der an Stelle von Tino Grappa hinter den Ortungen saß, verfügte längst nicht über dessen Qualitäten. Doch der Commander zeigte, daß er ein erstklassiger Men schenführer war. Obwohl er mit jeder Sekunde gei zen mußte, bewahrte er Geduld, bis er die gewün schten Angaben erhielt. Blitzschnell überschlug er die Situation, nahm erneut Verbindung mit der Funk-Z auf und ordnete an: "Sollen sofort die VINTA anfliegen, und wenn
erforderlich, angreifen. Aber keine Volltreffer anbringen! Sagen Sie den Kommandanten, daß ich in den Erfolgsmeldungen zu hören wünsche, daß man der VINTA sämtliche Strahlantennen wegge schossen hat! Meldung an die Schiffe über Vipho. Keinen To-Funk benutzen. Wie Sie es schaffen, ist mir egal, aber schaffen Sie einwandfreien Kontakt. Vollzug sofort." Die Ereignisse überstürzten sich. Zwei Mann zeigten sich vom Wettlauf gegen die Zeit äußerlich unbeeindruckt: Commander Ren Dhark und der zwei Zentner schwere Chris Shanton, der in einem Flash saß, Jimmy auf seinem Schoß liegen hatte und gerade in die MARCELLO einflog. Daß der Brennkreis eine fußbreite Schmelzspur in der Au ßenhülle des Raumers hinterließ, war nicht zu ver meiden. Der dadurch entstehende Luftdruckabfall in der dahinter liegenden Kabine konnte keinen Schaden anrichten, weil sie und ein großer Teil des Decks in Gefechtssituation unbesetzt waren. Der Flash-Pilot verstand sein Handwerk. Kaum eingeflogen, schaltete er den Sle ab und ließ nur das Intervall um seinen Blitz stehen. Wider standslos drang er durch Decken, Streben und Wände und hinterließ jetzt keine Spur mehr. Das schwere Schott zur Zentrale schien nicht mehr zu existieren. „Stopp!” rief Shanton ihm zu. „Passen Sie mir auf die Männer auf.” Für eine Sekunde kam der Brennkreis noch einmal. Negative Beschleunigung! Fast auf der Stelle stoppte der Flash ab. Die Ausleger wurden nicht ausgefahren. Das Intervall bestand nicht mehr. Shanton drückte den Ausstieg auf, Jimmy war mit einem Satz von seinem Schoß und sauste als Schocker auf vier Beinen schon von Mann zu Mann. Wo sie gestanden hatten, als der Andruck sie überfallen hatte, lagen sie. Nicht einer hob den Kopf, als Shanton aus dem Flash sprang. Und dann hatte der Mann mit dem Backenbart kaum noch et was zu tun. Jimmy hatte ihm den größten Teil der Arbeit abgenommen und fast alle Offiziere der Zentrale der MARCELLO paralysiert. Shantons Spezial-Vipho meldete sich. Er blickte auf die kleine Bildscheibe und sah Dhark an. „Alles klar hier. Jimmy hat mal wieder rein Schiff gemacht. Die MARCELLO macht uns keinen Kummer ...” Das letzte Wort konnte er sich ersparen. Dhark hatte die Verbindung gelöscht. Die POINT OF jagte der ARGOS entgegen, um die beeinflußte Schiffsbesatzung daran zu hindern, Alamo Gordo und Cent Field in eine Gluthölle zu verwandeln.
* Zwei Topper holten Manu Tschobe und Arc Doorn mit einem Flash aus der ARCTUR heraus. Im Kreuzer herrschten immer noch 3,5 Gravos, die den beiden Cyborgs nicht das geringste aus machten. Obwohl der Afrikaner und der Rotkopf das dreieinhalbfache ihres Normalgewichts wogen, wurden sie von den Toppem wie Federgewichte in die Sitze des Flash gestopft. „Wir haben auf Gedankensteuerung ge schaltet”, sagte ihnen ein Cyborg. „Wenn wir den Einstieg zuklappen, geht es ab.” Tschobe und Doorn konnten nicht einmal nicken. Dann flogen sie aus. Die Hülle der ARCTUR bekam mal wieder ein Loch. Ein Schaden, der später schnell zu beheben war. Ihr Flash zog in schneller Fahrt über den Raumhafen mit Kurs auf Alamo Gordo. Schlag artig war die Schwerkraftbelastung auf ein Gravo zurückgegangen als sich automatisch das Intervall um ihren Blitz gelegt hatte. „Mein Gott”, stöhnte Tschobe und dachte nicht daran, ein Glied zu rühren, „wie schwer ist es doch manchmal, den Helden zu spielen.” „Diese Bande”, murmelte Arc Doorn, der nicht vergessen konnte, wem sie diesen Ein-satz zu verdanken hatten. „Aber Dhark hat wieder einmal Wort gehalten. Er hat uns durch Topper herausgeholt und ablösen lassen. Im Augenblick beneide ich jeden Cyborg.” „Lieber nicht, Arc. Mir sind diese Konstruk tionen als Arzt nach wie vor unheimlich. Ob wir der Menschheit damit einen Gefallen ... erwie sen ... haben ...” Manu Tschobes Stimme war immer leiser geworden. Plötzlich hatte er zu stottern begonnen, und dann antwortete er nicht einmal mehr auf Doorns Anfrage. Manu Tschobe war zusammengebrochen. In dem Einsatz unter 3,5 Gravos hatte er sich voll kommen verausgabt. Doorn fühlte sich auch unbeschreiblich müde, aber ihm war auch klar, daß er aktionsfähig bleiben mußte. Der Flash ging auf Gegenkurs. Doorn drosselte das Tempo. Er wollte nicht in den Schwer kraftbereich hineinfliegen, der den Robonen einen sauber eingefädelten Plan zunichte gemacht hatte. Plötzlich lachte er, aber es war kein fröhliches Lachen. Drei Jetts versuchten den Raumhafen an zufliegen. Die Menschen darin schienen nicht zu wissen, was sich zur Zeit im Stab der TF, in der Defensiv-Sektion und der Hyperfunk-Zentrale
abspielte. Alle drei Jetts torkelten. Schnell verloren sie an Höhe. Einer versuchte auf Gegenkurs zu gehen, schaffte es nur noch halb und landete als letzter auch nicht gerade sanft. Niemand verließ die Jetts. Kein Wunder, stellte Doorn in Gedanken fest, denn sie werden immer noch im überhöhten Schwerkraftbereich liegen. Als er dann mehr als hundert Jetts verstreut auf den riesigen Landefeldern liegen sah, murmelte er erschrocken: „Große Milchstraße, was wird das einen Skandal geben, wenn diese Aktion zu Ende ist.” Doorn verließ seinen Blitz nicht, obwohl er den Ausstieg geöffnet hatte. Die Verbindung mit Bram Sass kam schnell zustande. Der Topper winkte ihm zu. „Hier klären sich so langsam die Verhältnisse, aber passen Sie auf, daß man Sie nicht erneut beeinflußt.” „Verdammt!” fluchte der Rotkopf. „Daran habe ich nicht mehr gedacht. Nimmt denn dieser Spuk niemals ein Ende?” „Sie Optimist”, erwiderte der Topper, „uns wäre es lieber, endlich diese teuflischen Robonen zu erwischen, die mit ihren Höllengeräten unsere besten Männer beeinflussen. Doorn, wenn Sie wüßten, was hier los gewesen ist. Unser Einsatz kam wirklich in letzter Sekunde.” „Wunderbare Aussichten”, knurrte Are. „Haben Sie Nachricht von Dhark?” „Ja”, Bram Sass wollte nicht mit der Sprache heraus. „Gute?” „Teils, teils! Die MARCELLO, ARGOS und VINTA hatten dem Commander ein Ultimatum gestellt: Entweder den Einsatz hier sofort abbre chen, oder die drei Raumer würden eine halbe Stunde später Alamo Gordo und Cent Field ver nichten. Doch diese Gefahr besteht nicht mehr. Der Com-mander hat die ARGOS und MARCELLO außer Gefecht gesetzt! Wie? Das weiß hier kein Mensch. Nur was mit der VINTA passiert ist, haben wir erfahren. Man hat ihr die Strahlantennen weggeschossen!" Das beeindruckte Doorn nicht. „Hat die Be satzung aufgegeben?” »Nein! Im Augenblick versucht sie sich mit ihren Gravitationsschleudern die drei anderen Schiffe vom Leib zu halten. Der Kampf mit diesen Mitteln ist noch im vollen Gang, während der Commander die ARGOS im Intervall zur Erde schleppt." »Danke! Ich ...` Arc Doorn verstummte. „Was ist?” fragte der Topper über sein Spezial-
Vipho. „Nichts Besonderes”, erwiderte Doorn bissig. »Wirklich nichts Besonderes! Was sollte auch schon Besonderes daran sein, einen Bert Stranger dort zu sehen, wo man ihn nicht zu sehen wünscht? Warum ist dieser verfluchte Kerl mit seinem Jett nicht auch in den Schwerkraftbereich geflogen wie die anderen? Heiliger Strohsack, jetzt hat er auch noch unseren Flash gesehen und kommt auf uns zu. Na, dem werde ich einen Empfang geben. Der bekommt kein Wort aus mir heraus. Sass, ich muß abschalten. Rufen Sie mich an, wenn Sie neue Nechrichten haben. Ende." Man konnte Arc Doorn nicht den Vorwurf ma chen, jemals feige gewesen zu sein, aber vor dem Reporter Bert Stranger, dem Mann mit den un schuldigen Baby-Augen, ergriff er die Flucht. Da zu war ihm Bram Sass' Warnung eingefallen, sich in acht zu nehmen, um nicht erneut durch Robonen beeinflußt zu werden. Sein Flash schloß sich und mit schwach arbeitendem Sle hob der Blitz ab, zog am südlichen Rand des Raumhafens vorbei und setzte dann am entgegengesetzten Ende auf seinen sechs langen, spinndünnen Auslegern auf. Hier beschloß Arc Doorn, die Entwicklung der nächsten Stunde erst einmal abzuwarten, und er war der Meinung, daß er auch etwas Entspannung verdient hatte. Bevor er begriff, wie erschöpft er war, hatte ihn der Schlaf übermannt, und er schlief so fest, daß er das Wecken seines Spezial-Viphos nicht hörte. Bram Sass hatte ihm eine beunruhigend wichtige Mitteilung zu machen! * Janos Szardak schleuderte die gerade an gerauchte Zigarette mit einer Verwünschung zu Boden. Noch wütender zertrat er sie. Dabei hatte er allen Grund, die Entwicklung in Ruhe abzuwarten. In der HOPE gab es in sämt lichen Abteilungen den herrlichsten Krach. Ein Teil der Besatzung war wieder normal und wollte wissen, wieso man sich nicht mehr im Sonnen-System befand, während der noch größere beeinflußte Teil der Mannschaft darauf drängte, daß ihr Kugelraumer sein Ziel anflog. „Welches Ziel denn, Sie Vollidiot?” brüllte ein Sergeant seinen Kollegen aus dem Materialdepot an. „Von welchem Ziel schwafeln Sie eigentlich? Wir hatten Order, im Sol-System Patrouille zu fliegen. Und wo stecken wir jetzt? Irgendwo in diesem verfluchten Sternendschungel!”
Nacheinander hatte Szardak die einzelnen Abteilungen abgehört und diese Entwicklung mit Befriedigung festgestellt. Sein Verdacht war damit bestätigt worden, daß die Beeinflussung nicht auf unbegrenzte Zeit wirksam war, sondern relativ schnell wieder abklang, wenngleich nicht bei allen Männern im selben Zeitraum. Er hätte damit zufrieden sein können - auch deswegen, weil es kein Kommando mehr gab, das mit Gewalt in seinen Leitstand einbrechen wollte aber die Unruhe in ihm wurde größer und größer, je länger er sich unfreiwillig in der Zentrale seines Schiffes aufhalten mußte. Er starrte den kaum erkennbaren Zigarettenrest am Boden an. Er klaubte sich eine neue Zigarette aus der Packung, schob sie zwischen die Lippen, drehte sie und tat den ersten Zug. „Ich habe Halluzinationen”, brummte er, als er dem blauen Dunst nachblickte. „Ich bin überreizt, weil ich nicht weiß, wie wir in diesen Teil der Galaxis gekommen sind.” „Colonel.” Er ließ sich in den Pilotensitz fal len. Die Funkzentrale hatte sich gemeldet.. Der diensttuende Offizier schien auch wieder normal zu sein. „Ja?« fragte Szardak. „Colonel, wir haben gerade einen SOS-Ruf der COL aufgefangen.« »Einen Notruf der COL?” rief Szardak dazwischen, der im gleichen Moment begriffen hatte, warum er so unruhig war. Intuitiv hatte er gefühlt, daß sich sein Freund Ralf Larsen in höchster Not befand, leider nur nicht die wahre Ursache seiner Unruhe erkannte. „Kein To-Funk, Colonel. Ein schwacher Hyperfunkruf, teilweise verstümmelt und auch...« ,Mann, reden Sie nicht so umständlich. Den Text, bitte.« „Text kommt: SOS - COL - Schiff in tief gelbe K-Sonne, Riese, unaufhaltsam, Koordinaten Rot 34:67,27, Grün - SOS - Absturz in ... SOS. Colonel, das war der verstümmelte Text. Nur der Wert einer Koordinate liegt fest und...« „Mann, reden Sie nicht so viel. Moment, bleiben Sie in der Verbindung.« Er stellte eine zweite zur astronomischen Abteilung her, rief durch und schaltete sofort wieder ab. Seine Bord astronomen und Astrophysiker waren noch beein flußt. Mit ihnen konnte er nichts anfangen. Sie hat ten wüste Drohungen ausgestoßen und kategorisch gefordert, das bestimmte Ziel anzufliegen! Er wandte sich wieder an den Funk-Offizier. „Wie steht es mit den Peilresultaten, Leutnant?” Der Mann wurde verlegen wie ein Schuljunge,
den man bei einem Streich ertappt hat. „Colonel, Colonel, ich habe ... ich weiß selbst nicht ... Ich habe wirklich keine Ahnung, wann dieser Notruf aufgefangen worden ist. Ich kann mich ... Ich weiß mich an nichts zu erinnern und ...” „Schon gut”, unterbrach Szardak. »Schalten Sie auf das Bordgehirn. Rufen Sie die Daten ab und versuchen Sie darüber die Richtung festzu stellen aus der der Hyperfunkspruch eingefallen ist. Ich warte.« Warum sollte er dem Mann einen Vorwurf ma chen? Keinem Menschen an Bord konnten Vorhal tungen gemacht werden. Sie alle waren das Opfer einer heimtückischen Beeinflussung geworden. Aber dieses Problem berührte ihn kaum noch. Un heilvoller war der Notruf der COL. Eindeutig war trotz der Verstümmelung aus dem Spruch her auszulesen, daß die COL auf eine Sonne abstürzte. Und die Lage des Schiffes mußte hoffnungslos sein. Wieder setzte er sich mit seiner Funk-Z in Verbindung. „Versuchen Sie die Station in Cent Field zu erreichen. Geben Sie Alarm! Teilen Sie den Text des Notrufes mit, und dann sollen die Etappenhengste sich mal ein bißchen schneller als sonst bewegen. Die müssen mit ihren leistungsstar ken Empfängern den SOS-Ruf doch auch aufgefangen haben. Vollzug, aber schnellstens!” Er wartete. Er wartete fünf Minuten! Er wartete acht Minuten, dann verlor er die Geduld. Er fauch te den jungen Leutnant in der Funk-Z an. „Colonel”, verteidigte sich dieser nur schwach, „Cent Field antwortet nicht. Ich kann selbst nicht die Zeitwelle empfangen. Sie liegt still.« »Sie...« Sie spinnen, wollte Szardak sagen, be herrschte sich im letzten Moment. Cent Field strahlte die Zeitwelle nicht mehr aus? Nur in Notfällen verstummte sie. Nur dann,` wenn ein Angriff auf das Sol-System befürchtet wurde. Die Zeitwelle über Hyperfunk gab allen Raumerz} die, genaue Normzeit durch, und die Steuerung der Chronos in sämtlichen Leitständen regulierten nach diesen Impulsen den Lauf der Borduhren. „Colonel, was soll ich tun?” Plötzlich hatte Szardak Mitleid mit dem jungen Offizier, der offensichtlich darunter litt, nicht zu wissen, was in den letzten Tagen oder Stunden vor sich gegangen war. „Mein Lieber, strahlen Sie einen Dauerruf nach Cent Field ab. Einmal müssen die sich melden. Aber wie sieht es mit dem Peilresultat aus? Aus welcher Richtung ist dieser Notruf gekommen?” „Colonel.” Der Funkoffizier schüttelte in
einem fort den Kopf. „Colonel, ich verstehe es nicht. Das Bordgehirn war mit dem Empfang nicht mehr gekoppelt. Die Verbindung dazu war ...” „Schon gut”, erwiderte Szardak dumpf. Auch das war ihm nichts Neues mehr. In seiner Zentrale gab es ein Rätsel ähnlicher Art. In der Speicherung des Bordgehirns fehlten alle Daten seit dem Start von Cent Field. „Machen Sie sich keine Sorgen, junger Freund, Hauptsache, Cent Field meldet sich.” „Aber die COL, Colonel - und Colonel Larsen ist doch Ihr Freund.« „Wem erzählen Sie das, Leutnant? Wenn Sie wüßten, welches Schindluder man mit uns getrieben hat. Ich kann mir vorstellen, was Sie jetzt denken. Sie fragen sich, warum ich unsere Bord astronomen nicht zu Rate ziehe. Leider kann ich es nicht. Sie sind noch beeinflußt.” „Beeinflußt, Colonel. Großer Himmel, jetzt begreife ich, warum ich die beiden Sergeanten eben schocken mußte, als sie mir in den Arm fallen wollten!” »Schon gut! Hier sieht es nicht anders aus. Seit Stunden bin ich in der Zentrale der einzige, der handeln kann, und seit Stunden konnte ich nichts tun, als die HOPE im freien Fall zu belassen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als darauf zu warten, daß Cent Field endlich antwortet. Aber was zum Kuckuck ist denn mit den Raumern? Irgendein Kahn muß doch unseren Ruf empfangen. Los, gehen Sie über alle Frequenzen. Rufen Sie mit größter Intensität. Dauerruf, und wenn wir damit die halbe Galaxis einschließlich der robonischen Piraten und verräterischen Giants auf unsere Spur locken! Leutnant, wir müssen mit einem Schiff Verbindung bekommen!" Plötzlich knackte es in der Verständigung. „Colonel, ich habe Verbindung mit einigen Schiffen. Ich schalte durch.« Er hörte mit. Er sah das Gesicht des KreuzerKommandanten Ferguss. Der riß die Augen weit auf, als er Szardak erkannte. Ferguss verstummte im gleichen Moment. „Captain Ferguss, sprechen Sie ruhig weiter. Ich bin kein Gespenst!” forderte er ihn auf. „Colonel, Ihr Schiff, Sie werden gesucht! Sie haben ohne Befehl das Sol-System verlassen und ...” Der weißhaarige Captain fühlte sich in seiner Haut nicht wohl. Es paßte ihm auch gar nicht, einem der Vertrauten des Commanders mit Vorwürfen oder Beschuldigungen zu kommen. „Ich muß verschiedenes getan haben, Captain, aber reden wir im Moment nicht darüber. Hier geht es um die COL. Wir haben einen SOS-Ruf aufge fangen, leider verstümmelt. Dennoch war daraus
zu lesen, daß die COL auf eine K-Sonne, Rie sentyp, abzustürzen droht. Warum ist mit Cent Field keine Verbindung zu bekommen? Können Sie mir das mal erklären, Captain?" „Das wissen Sie nicht.“ Szardak hatte keine Lust Rätsel zu lösen, und die Angst um seinen Freund Ralf Larsen saß ihm wie ein Gespenst im Nacken. Darum unterbrach er den andern auch so grob: „Was ich weiß, hat Sie herzlich wenig zu kümmern, Captain. Ich habe ge fragt. Antworten Sie.« Die Züge des anderen verfinsterten sich. „Okay, Colonel.” Und dann gab er einen Kurz bericht der Lage von Cent Field und Alamo Gordo. Szardaks Kommentar blieb aus. Mochte dieser Ferguss von ihm denken, was er wollte. In erster Linie mußte alles getan werden, die COL aufzu finden, um sie vor dem Absturz auf eine Rie sensonne zu retten. »Bleiben Sie in Verbindung, Captain. Ich versuche selbst, unsere Position zu bestimmen. Nein, ich leide nicht unter Idiotie, aber haben Sie. schon einmal eine Ortsbestimmung im Raum gemacht, wenn Ihnen das Bordgehirn keine Daten liefern kann? Warten Sie gefälligst.« Als er den Pilotensessel verließ, murmelte er wütend: ,Sturer Komißkopf! Improvisieren lernt der nie." Und er mußte an jenen aufregenden Flug der POINT OF denken, als sie von Hope aus ge startet waren, um die verlorengegangene Erde wie derzufinden! Damals war der gesamte Flug eine einzige Improvisation gewesen, jedoch mit dem Resultat, daß sie das Sol-System fanden. Über zehn Minuten mußte sich Ferguss gedul den. In dieser Zeit kam Colonel Szardak ins Schwitzen. Aber auch zu einer wichtigen Er kenntnis... Auch er hatte sich in den letzten Jahren viel zu sehr auf die fast pannenlose Automatik der Raumer und ihrer Einrichtungen verlassen. Jetzt, da immer noch ein wichtiger Teil der Besatzung ausgefallen war, erlebte er es am eigenen Leib, wie nötig es war, solche Katastrophen-Situationen durchzu spielen, damit jeder Mann mit einem Minimum an Hilfsmitteln in der Lage war, seinen Aufgaben trotzdem gerecht zu werden. Die dritte Sternengruppe hatte er erst nach acht Minuten erkannt. Sein Brummen: „Bin ich denn ein Astronom?" konnte ihn über die eigene Unzufriedenheit nicht hinwegtäuschen. Er fühlte sich gar nicht großartig, als er Captain Ferguss die ungefähre Position seines Kreuzers mitteilte. »Rechnen Sie aber damit, daß Sie mich suchen müssen. Wir lassen den Peilstrahl laufen. Und jetzt
spitzen Sie mal Ihre Astronomen an, Captain: Ich suche eine Sonne. vom Typ K. Sie kennen meine ungefähre Position. Sie wissen, daß die COL die Rot-Koordinate mit 34:67,27 angegeben hat. Ich möchte die Positionen aller K-Sonnen bis auf eine Distanz von 100 Lichtjahren haben. Aber das darf keine Ewigkeit dauern. Ferguss, es geht um die COL! Sie stürzt auf eine Sonne ab. Vielleicht kommen unsere gesamten Aktionen zu spät. Also, setzen Sie Ihre Astronomen unter Druck. Mit meinen kann ich noch nichts anfangen. Die sind immer noch beeinflußt." Das war für den Captain das Stichwort: „Sie und Ihre Besatzung waren auch beeinflußt?” stieß er überrascht aus. Gelassen erwiderte Szardak: „Was hatten Sie denn geglaubt? Oder haben Sie an Bord Ihres Schiffes soviel harte Sachen, um die gesamte Besatzung für Stunden oder Tage unter Alkohol zu setzen? Ferguss, ich warte auf die Nachricht Ihrer Astronomen. Setzen Sie Druck dahinter! Und wann transistieren Sie?« „Colonel, wir sind,in etwa dreißig Minuten bei Ihnen! Vorher aber haben Sie die angeforderten Angaben über K-Sonnen." „Danke! Ich warte darauf. Funkverbindung bleibt bestehen. Ende!” * „Aus!” sagte Ralf Larsen, als er die letzten Berechnungen der Astronomen entgegengenom men und gelesen hatte. „Wir brauchen uns nichts mehr vorzumachen, meine Herren. Dieser Hochofen wird uns verschlingen. Wie hoch sind die r-Werte im Schiff?” So konnte nur ein Mann sprechen, der mit dem Leben abgeschlossen hatte. Und er allein nahm nicht diesen Standpunkt ein. Seine Offiziere im Leitstand wußten, daß es keine Rettung mehr gab. Kein einziges Schiff konnte sie aus der Nähe dieser tiefgelb leuchtenden Riesensonne fortholen. Jeder Raumer würde bei einem Rettungsversuch selbst diesem Moloch zum Opfer fallen. „Sollten wir nicht einmal an Mira Ceti und Colonel Huxley denken?” spielte der jüngste Leutnant in der Zentrale auf ein Ereignis an, das sich vor nicht allzulanger Zeit im Mira CetySystem abgespielt hatte. Larsen konnte den jungen Mann verstehen. Der hatte das volle Leben noch vor sich. Er klam merte sich an die geringste Hoffnung. Er wollte ein Wunder erzwingen - hier, wo es keine Wunder gab. In drei Tagen raste die COL in die Strahlen
korona dieses tiefgelben Riesen und löste sich darin auf. Da gellte ein Schrei durch die Zentrale: „Colo nel, wir haben Empfang! Wir haben Empfang!” Der Funker brüllte es aus seiner Zentrale über die Bordverständigung. „Wir haben die HOPE im Empfang! Die HOPE kommt! Sie kommt mit drei weiteren Schiffen und wird uns ..." Da brüllte Larsen dazwischen: „Sie werden nicht! Sie werden nicht! Sie dürfen nicht! Funker, rufen Sie sofort zurück, sofort, oder ich lasse Sie an die Wand stellen. Die Schiffe dürfen nicht kommen! Sollen sie denn auch verbrennen! Haben Sie verstanden, was Sie sofort tun müssen?” Totenstille in der Zentrale. Männer, die ihren Kommandanten verzweifelt anstarrten. Was hatte er befohlen? Er verbat sich Hilfe? Er wollte die allerletzte Chance nicht nutzen, und sie sollten beim Absturz auf diese Sonne krepieren? Larsen erhob sich aus dem Pilotensitz, den er seit vielen vielen Stunden nicht mehr verlassen hatte. Sein Gesicht war hohlwangig, die Augen leicht entzündet. Ärztliche Hilfe hatte er abgelehnt. Stimulantia ebenfalls. Sein Blick ging von einem zum andern. Er schien jedem Offizier bis ins Herz sehen zu wollen - und er sah so tief. Seine Stimme hatte beschwörenden Klang, als er die Frage an alle richtete: „Bin ich denn nur von Egoisten umgeben? Denkt niemand an die Männer auf den anderen Schiffen?” Wieder kreiste sein Blick, doch als er den jüngsten Leutnant ansah - ganze einundzwanzig Jahre jung - ging er auf ihn zu, legte ihm wie ein Vater beide Hände auf die Schultern und sagte, obwohl er glaubte, die Kehle sei ihm zugeschnürt: „Kopf hoch, mein Junge, hoffentlich geht es schnell! Ich danke Ihnen und allen anderen. Leider kann ich Ihnen nicht mehr als meinen Dank geben.” Er sah dem schlanken Leutnant noch einmal in die Augen. Der streckte sich, mußte dreimal ansetzen, bevor er sprechen konnte und stieß dann kaum verständlich heraus: „Colonel, wir haben Ihnen zu danken. Wir Ihnen.” Larsen wandte sich ab. Die Ergriffenheit droh te ihn zu übermannen. Es war auch für ihn nicht leicht, dem Tod furchtlos in die Augen zu sehen. Mit einem Griff tastete er die Bordverständigung ein. Das Kasino meldete sich. „Verteilen Sie pro Kopf einen Viertel Liter Kognak.” Hinter seinem Rücken sagte jemand: „Der Schirlingsbecher”, aber die anderen nahmen keine Notiz davon.
Dann warteten sie auf das Getränk, mit dem sie vom Leben Abschied nehmen wollten. Es hatte keinen Sinn mehr, auf die letzten Minuten zu warten. Ihr Leben ging dem Ende entgegen. Da meldete sich wieder die Funk-Z! „Colonel, der Kommandant der HOPE besteht darauf, eine Rettung zu versuchen.” Schneidend fiel ihm Larsen ins Wort: „Bestellen Sie Janos Szardak, daß ich ihm in der Hölle den Hals rumdrehe, wenn er das wagt und ich ihm dort unten begegne! Bestellen Sie ihm, daß er kein Recht hat, über Leben und Tod seiner Besatzung zu entscheiden! Bestellen Sie ihm, wie nah wir schon der Sonne sind und welchen Durch messer dieser wunderbare Hochofen hat! Geben Sie alle Daten sofort durch! Und dann möchte ich die Vollzugsmeldung haben, verstanden?” Er suchte in den Taschen seiner Uniform nach Zigaretten und fand keine. »Wer hat eine Zigarette für mich?” Von drei Seiten wurden sie ihm angeboten. Hinter seinem Rücken öffnete sich das Schott. Das Kasino lieferte den Kognak. Auf Gläser verzichtete man. Man war unter sich. In der Zentrale gab es nichts mehr zu tun. Ob man hunderttausend Kilo meter südlich oder nördlich des Sonnen-Äquators aufschlug, war nebensächlich. „Prost!” sagte Ralf Larsen und blickte in die Runde. Einigen seiner Offiziere fiel es schwer, ihre Gefühle nicht zu zeigen. Am liebsten hätten sie unter Fluchen die Kognakflasche gegen die Wand geschleudert. Aber das änderte auch nichts an ihrer aussichtslosen Lage. Sie tranken. Der Alkohol zeigte keine Wirkung. Ralf Larsen spülte nur seinen Mund durch. „Wollen Sie?” fragte er und bot dem Zweiten Offizier seinen Anteil an. „Danke - Kognak hat mir noch nie so mise rabel geschmeckt wie jetzt.” Noch einmal kam der Funk über die Bord verständigung. „Colonel, Kommandant Szardak läßt Ihnen ausrichten, daß er Sie und Ihre Leute sogar aus der Hölle herausholen würde. Er...” Da schrie Larsen: „Ich komme selbst in die Funk-Z! Halten Sie Verbindung mit diesem ver dammten Dickschädel; diesen sturen Vollidioten!” Er jagte zur Funk-Zentrale und blieb wie ange wurzelt stehen, als er das infernalische Krachen und Knacken aus dem Empfang hörte. Wie konnte man dabei nur ein einziges Wort verstehen? „Wir schalten Siebe davor, wenn gesprochen wird, Colonel”, erklärte der Funk-Offizier. „Nur ein klares Bild ist nicht mehr zu bekommen.
Unsere liebe K-Sonne schlägt dazwischen.« „Danke.” Hastig nahm er Platz. »Hallo, Szardak, hier Larsen! Können Sie mich ver stehen?” „Ich verstehe, wenn auch schlecht. Larsen, lassen Sie den Peilstrahl laufen. Die HOPE transistiert.” „Die HOPE wird nicht transistieren, Janos!” Larsens Stimme bekam einen beschwörenden Klang. „Janos, denken Sie an Ihre Besatzung. Denken Sie daran, daß ...” Er wurde unterbrochen. »Aber gerade meine Besatzung will Kopf und Kragen riskieren, nachdem der letzte Mann auch wieder normal ist und nicht mehr unter Beeinflussung steht!" Krachen und Knacken im Empfang, eher die Siebe machten es möglich, daß man sich verstehen konnte. „Janos, Sie waren beeinflußt? Mein Gott, jetzt verstehe ich, wieso Sie die COL angreifen konnten.“ „Was haben wir getan? Was sollen wir getan haben? Larsen, spinnen Sie? Sind Sie überge schnappt? Wir ... ich ... Die HOPE soll Ihr Schiff angegriffen haben?“ „Ja”, mußte Larsen sagen, nachdem er nun alles verstand. Aber er sagte dem Freund nicht, daß er durch diesen Angriff zu einer Nottransition gezwungen worden war und als letzte Folge nun auf diese tiefgelbe Sonne abstürzte. „Ja, Janos, Sie haben ...” Sein Funk-Offizier stieß ihn an. „Colonel, wir haben Verbindung mit der Erde! Cent Field ruft!” „Lassen Sie sie rufen!” wehrte Larsen müde ab. Alles war doch sinnlos. Aber der Leutnant gab keine Ruhe. »Colonel, der Commander will Sie sprechen.« „So? Geben Sie her!” Und dann meldete er sich. An der Gegenstation war tatsächlich Ren Dhark. „Larsen, bereiten Sie alles vor! Ich komme mit der POINT OF! Ich hole Sie und Ihre Männer heraus. Bereiten Sie alles vor. Ende!” Und Larsen konnte kein Wort mehr sagen. - ENDE