Nr. 434
Impulse des Verderbens Ein Abenteuer des Kosmischen Kundschafters von H.G. Ewers
Nachdem Atlantis-Pthor, der ...
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Nr. 434
Impulse des Verderbens Ein Abenteuer des Kosmischen Kundschafters von H.G. Ewers
Nachdem Atlantis-Pthor, der Dimensionsfahrstuhl, in der Peripherie der Schwarzen Galaxis zum Stillstand gekommen ist, hat Atlan die Flucht nach vorn ergriffen. Nicht gewillt, untätig auf die Dinge zu warten, die nun zwangsläufig auf Pthor zu kommen werden, fliegt er zusammen mit Thalia, der Odinstochter, die Randbezirke der Schwarzen Galaxis an und erreicht das sogenannte Marantroner-Revier, das von Chirmor Flog, einem Neffen des Dunklen Oheims, beherrscht wird. Dort, von Planet zu Planet eilend und die Geheimnisse der Schwarzen Galaxis ausspähend, haben Atlan und seine Gefährtin schon so manche tödliche Gefahr ge meinsam bestanden – bis der Planet Dykoor zu Thalias Grab wurde. Doch auch nach Thalias Tod geht für den Arkoniden die kosmische Odyssee wei ter, wobei Atlans Situation immer verzweifelter wird, da er zum einen mit dem System eines Organschiffs verbunden ist und zum anderen seinen Extrasinn verloren hat. Doch Atlan hat unerwartete Helfer. Da ist Leenia, das Wesen aus den Höheren Welten, das sich um den verschollenen Extrasinn kümmert, und da ist Algonkin-Yat ta, der kosmische Kundschafter. Er verfolgt Atlans Spur durch Zeit und Raum und or tet schließlich die IMPULSE DES VERDERBENS …
Impulse des Verderbens
3
Die Hautpersonen des Romans:
Algonkin-Yatta - Der kosmische Kundschafter beginnt zu resignieren.
Anlytha - Algonkin-Yattas exotische Gefährtin.
Der Molg - Träger von Atlans Extrasinn.
Tindrän - Ein Scuddamore unter dem Einfluß des Molgs.
Kormy - Ein Kärnsizer.
tungsvollste in deinem gesamten Leben, denn hier werden wir Atlan finden, den sa 1. genumwobenen Kristallprinzen von Arkon, Das Kundschafterschiff war soeben nach hinter dem du durch alle möglichen Zeiten langem Interdimensionalflug in den Normal und Räume hergejagt bist!« raum zurückgefallen, da empfing Algonkin-Yat Der Kundschafter schüttelte müde lä ta ein Geruchssignal, das ihn auf eine unge chelnd den Kopf. »Ich bin nicht verbohrt ge wöhnliche Ortung hinwies. Da das Ortungs nug, um nicht zu erkennen, daß ich mich ergebnis außerdem auf den betreffenden In zum Narren mache, wenn ich eine Suche bis strumenten abzulesen war, erhielt auch An in alle Ewigkeit fortsetze. Bisher glaubte ich lytha, die langjährige Begleiterin des Kund fest daran, daß ich von den Schicksalsmäch schafters, die gleiche Information. Der klei ten dazu ausersehen sei, im Zusammenhang ne weiße Federkamm auf ihrem Kopf richte mit Atlan eine entscheidende Rolle zu spie te sich auf – und nach einem erregten Zwit len und daß zwischen mir und Atlan eine un schern rief sie: erklärliche Affinität bestünde. Dieser Glau »Asteroid voraus, Yatta! He, warum rea be ist erschüttert worden, seit ich erkannte, gierst du nicht?« daß alle meine Bemühungen genauso nutz Der Kundschafter wandte den Kopf und los bleiben werden, als wollte ich das Perpe blickte seine Gefährtin müde an. tuum mobile erfinden.« »Was soll's, Lytha«, erwiderte er. »Die »Aber Yatta!« rief Anlytha erschrocken. Psiotronik hat bereits einen Ausweichkurs Sie erkannte plötzlich, daß Algonkin-Yattas eingeleitet. Es kommt also zu keiner Kollisi ungewöhnliches Verhalten durch tiefe De on mit dem Felsbrocken.« pressionen verursacht wurde. »Du willst dei Erneut gab Anlytha ein helles Zwitschern nen Lebenstraum aufgeben! Damit würdest von sich. du dich selbst aufgeben, Yatta!« »Aber der Felsbrocken emittiert nach Der Kundschafter schloß die Augen. Aussage der Ortung eine starke psionische »Ich will zurück nach Ruoryc und zu Strahlung. Wir sollten ihn untersuchen!« MYOTEX, Anlytha. Nur dort kann ich Ruhe Algonkin-Yatta verzog das blauschwarze und Geborgenheit finden und brauche nicht Gesicht zu einer verdrießlichen Miene. mitanzusehen, wie sich intelligente Wesen »Warum, Lytha? Was interessiert es uns, gegenseitig zerfleischen, anstatt sich zu hel ob ein Asteroid in einer Galaxis, die fast un fen.« endlich weit von unserer Heimatgalaxis ent Verzweifelt dachte Anlytha darüber nach, fernt ist, psionische Strahlung emittiert? wie sie ihren Gefährten aus seinem seeli Kein anderes Kundschafterschiff wird je schen Tief reißen konnte. Sie erinnerte sich mals von MYOTEX in die Schwarze Gala daran, wie er sie einst aus einem treibenden xis geschickt werden – und auch wir werden Raumschiffswrack gerettet hatte, nach ei nie hierher zurückkehren.« nem Unglück, an das sie sich so wenig erin Diesmal kreischte Anlytha vor Empörung. nern konnte wie an ihre Herkunft und ihr »Wie kannst du nur so reden, Algonkin-Yat Leben, bevor Algonkin-Yatta sie rettete. ta! Die Schwarze Galaxis ist das Bedeu Anlytha beschloß, an die Hilfsbereitschaft
4 des Kosmischen Kundschafters zu appellie ren. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen und schluchzte leise. Sekunden später öffnete Algonkin-Yatta die Augen und sah seine Gefährtin verwun dert an. »Was hast du für Kummer, Lytha?« fragte er mitleidig. »Kann ich dir irgendwie hel fen?« Anlytha schluchzte noch ein paarmal, dann sagte sie leise: »Du kannst mir nicht helfen, denn du wirst nach Ruoryc zurückkehren – und ich werde niemals erfahren, woher ich kam und was ich eigentlich bin. Du gibst mir ja nicht einmal Gelegenheit, diesen seltsamen Aste roiden zu untersuchen, obwohl seine psioni sche Strahlung mich vielleicht von meiner Amnesie heilen könnte, wenn ich nahe ge nug heranginge. Warum schaltest du nicht endlich wieder auf Interdimensionsantrieb und kehrst nach Ruoryc zurück! Was aus mir wird, ist dir doch egal.« Algonkin-Yattas Gesicht verriet tiefe Be stürzung, dann straffte sich seine Gestalt. »Psiotronik!« befahl er dem halborgani schen, psionisch begabten Bordgehirn des Kundschafterschiffs. »Verzögern und Bei drehen! Wir sehen uns den psionisch strah lenden Felsbrocken aus der Nähe an!« »Endlich reagierst du wieder normal«, be merkte die Psiotronik. Der Kundschafter stand von seinem Sitz auf, ging zu Anlytha hinüber und legte den Arm um ihre schmalen Schultern. Er ging dabei sehr behutsam vor, denn seine nur 1,33 Meter große Gefährtin mit der porzellanartig glatten fliederfarbenen Haut war gegenüber seiner körperlichen Konstitu tion, die sich trotz seiner Körpergröße von nur 1,59 Metern mit der eines terranischen Elefantenbullen vergleichen ließ, direkt zer brechlich. »Es tut mir leid, Lytha«, sagte er. »Entschuldige bitte mein rücksichtsloses Verhalten! Ich hätte daran denken müssen, daß die psionische Ausstrahlung des Aste roiden dir vielleicht helfen könnte, deine
H.G. Ewers Amnesie zu überwinden.« Vorsichtshalber schluchzte Anlytha noch einmal, dann nahm sie die Hände vom Ge sicht und barg ihren Kopf in Algonkin-Yat tas Armbeuge, damit er ihre tränenlosen Au gen nicht sah. »Ich verzeihe dir, Yatta«, erwiderte sie.
* Die Psiotronik steuerte das Kundschafter schiff an den Asteroiden heran und übermit telte dabei dem Kundschafter die Meßdaten. »Er ist annähernd würfelförmig, aller dings ohne glatte Kanten oder Flächen, son dern eher zerfressen«, teilte sie ihm über die Kommunikationsanlage mit. »Sein größter Durchmesser beträgt achthundertneunzig Meter, drei Zentimeter und fünf Millimeter. Er besteht, soweit das sich feststellen läßt, aus festem Felsgestein, das von zahlreichen Adern aus purem Gold durchzogen ist.« »Gold!« rief Anlytha aus. Ihre Augen fun kelten gierig. »Yattalein, das müssen wir uns holen!« »Das Fassungsvermögen des Kundschaf terschiffs dürfte nicht ausreichen, um alles Gold dieses Asteroiden an Bord zu neh men«, warf die Psiotronik ein. »Außerdem scheint dieses Gold ausnahmslos magisch aufgeladene Atomkerne zu besitzen, und es läßt sich nicht vorausberechnen, was einige Tonnen dieses Elements mit den empfindli chen Teilen unserer Zeitversetzungsanlagen anstellen würden.« Anlytha verdrehte seufzend die Augen. »Gold mit magisch aufgeladenen Atom kernen!« stieß sie hervor. »Yatta, diesen Schatz wolltest du dir entgehen lassen! Kannst du dich daran erinnern, daß wir auf der Erde der alten Römer dreihundert Kilo gramm chemisch hundertprozentigen reinen Goldes benötigten, um im Psifilterverfahren dreißig Gramm Goldatome mit magisch auf geladenen Kernen auszusortieren, damit wir die zerschmolzenen Überzüge auf den Be schleunigerspulen und Kontaktstäben der Zeitkapsel erneuern konnten?«
Impulse des Verderbens Algonkin-Yatta kehrte an seinen Platz vor den Kontrollen zurück, setzte sich und schloß die Augen. »Und wie gut ich mich daran erinnere!« sagte er mit dumpfer Stimme. »Wenn Dor stellarain nicht gewesen wäre, hätten wir das benötigte Gold nie zusammenbekommen.« »Der Pthorer war schon ein Phänomen«, meinte Anlytha sinnend. »Mutig und ver schlagen zugleich und außerdem außeror dentlich tüchtig. Wenn ich bedenke, daß er es war, der den römischen Kaiser Marcus Aurelius erst befähigte, seine großen Taten zu vollbringen, und daß er ihm seine philo sophischen Sprüche eingeflüstert hatte, die später als Selbstbetrachtungen Marc Aurels veröffentlicht wurden …!« »Ich gebe zu bedenken, daß die Erinne rungen euch nicht bei der Bewältigung der gegenwärtig anstehenden Probleme helfen können«, warf die Psiotronik ein. »Die psio nische Ausstrahlung des Asteroiden könnte zu einer Gefahr für die Elemente der Zeit versetzungsanlagen von Schiff und Zeitkap sel werden, wenn wir uns zu lange in seiner unmittelbaren Nähe aufhalten.« Das brachte Algonkin-Yatta in die Wirk lichkeit zurück. »Halte das Schiff auf Distanz!« befahl er der Psiotronik. »Ich werde allein hinüber fliegen und den Asteroiden untersuchen.« Er beobachtete auf dem Hauptbildschirm, wie die Masse aus golddurchsetztem Felsge stein wieder etwas zurückwich. »Du allein!« zeterte Anlytha, und ihr Fe derkamm sträubte sich. »Das hast du dir so gedacht, alter Gauner!« »Deine Ausdrucksweise hat unter dem Aufenthalt auf der Erde stark gelitten, Ly tha!« wies der Kundschafter sie zurecht. »Wenn du möchtest, kannst du mich beglei ten. Aber beschwere dich hinterher nicht bei mir, falls dir die psionische Ausstrahlung schaden sollte!« »Pah!« machte Anlytha abfällig und stieg in ihren schweren Raumschutzanzug. »Paß du lieber auf, damit dir das magische Gold nicht das Gehirn angreift!«
5 Algonkin-Yatta verzichtete darauf, sich in einen Streit mit Anlytha einzulassen. Er stieg statt dessen ebenfalls in einen Raum schutzanzug und überprüfte die Funktionen. Anschließend wartete er, bis Anlytha ebenfalls fertig war, dann begab er sich mit ihr in den Hangar, in dem seine Pfadfinder kapsel stand. Die Pfadfinderkapsel, ein offener ovaler Antigravgleiter von fünf Metern Länge, war mit allem ausgerüstet, was ein Kundschafter von Ruoryc für Expeditionen auf fremden Welten benötigte. Sie verfügte außerdem über einen Schirmfeldprojektor, der eine Energieblase um sie herum aufbauen konnte, deren Struktur den jeweiligen Umweltver hältnissen angepaßt wurde. Nachdem Algonkin-Yatta und seine Ge fährtin eingestiegen waren und die Ener gieblase sich um die Kapsel geschlossen hat te, aktivierte Algonkin-Yatta das Auschleu sungsprogramm. Wenig später glitt die Pfadfinderkapsel aus dem Schleusenhangar in den Weltraum und schwebte auf den Asteroiden zu. Der Kundschafter beobachtete die Anzei gen der Ortung – und nachdem die Kapsel den Asteroiden zur Hälfte umrundet hatte, entdeckte er das, worauf er im Stillen ge hofft hatte. »Eine Öffnung«, teilte er Anlytha mit. »Leider nicht groß genug, um die Pfadfin derkapsel durchzulassen. Wir werden also zu Fuß einsteigen müssen.« »Zu Fuß!« jammerte Anlytha. »Soll ich mir etwa Blasen an den Füßen laufen, du Ungeheuer?« »Ist dir dieser Preis etwa neuerdings zu hoch für die Entdeckung sagenhafter Schät ze, die der Asteroid bergen könnte?« erkun digte sich Algonkin-Yatta. »Außerdem er hoffst du dir von ihm doch Heilung von dei ner Amnesie.« »Ich weiß nicht einmal, ob ich von meiner Amnesie geheilt werden möchte!« entgegne te Anlytha heftig. »Wer weiß, wie die Erin nerungen aussehen, die mir mein Unterbe wußtsein vorenthält! Ich könnte einen
6 Schock erleiden.« »Aber ich habe doch nur angehalten, weil du behauptet hast, der Asteroid beziehungs weise seine psionische Ausstrahlung könnte dir eventuell helfen!« Anlytha erschrak, weil sie sich bei ihrer Lüge ertappt fühlte, aber sie war schlagfertig genug, um das abzubiegen. »Ich leide eben unter dem Widerstreit ver schiedener Gefühle, Yatta«, klagte sie. »Kannst du dich denn nicht in meine ver zweifelte Lage versetzen?« »Entschuldige, bitte. Übrigens können wir innerhalb des Asteroiden ja die Flugaggre gate unserer Raumanzüge benutzen – und dabei holst du dir gewiß keine Blasen an den Füßen.« Anlytha zwitscherte erfreut. »Du bist manchmal direkt intelligent, Yat ta!« Algonkin-Yatta steuerte die Pfadfinder kapsel zu der etwa zwei Meter durchmessenden, kreisrunden Öffnung im Fels, schaltete einen drehbaren Scheinwerfer an und ließ den Lichtfleck in den hinter der Öffnung be findlichen röhrenförmigen Stollen wandern. »Es sieht so aus, als wäre der Stollen mit Hilfe einer mechanisch wirkenden Fräse an gelegt worden, also mit einem relativ primi tiven Hilfsmittel«, meinte er nachdenklich. »Das widerspricht dem logischen Schluß, daß die Intelligenzen, die ihn anlegten, den Asteroiden nur mit Hilfe eines überlicht schnellen Raumschiffs erreichen konnten – und eine entsprechende Technologie dürfte eigentlich derart primitive Fräsen gar nicht mehr kennen.« »Der Kosmos ist voller Rätsel und Wider sprüche – und voller ungehobener Schätze«, erklärte Anlytha. »Schalte endlich den däm lichen Schutzschirm aus, damit wir deine Pfadka verlassen können!« Der Kundschafter rümpfte die Nase über die Abkürzung, die seine Gefährtin für die Pfadfinderkapsel gewählt hatte, aber er sagte nichts. Statt dessen schaltete er einen Feldanker, der die Kapsel neben der Öffnung im Fels
H.G. Ewers verankern würde, dann desaktivierte er den Feldschirm, nahm einige Ausrüstungsgegen stände an sich und folgte Anlytha, die be reits im Stollen untergetaucht war. »Wenn Schätze winken, kennt sie keine Vorsicht«, sagte er zu sich selbst.
* Das stimmte diesmal nur teilweise, denn stärker als Anlythas Hunger nach neuen Schätzen war ein anderes Motiv: das Motiv, Algonkin-Yatta zu helfen. Während ihres Beisammenseins hatte sie den Mathoner so gut kennengelernt, als wäre sie von klein an mit ihm aufgewachsen. Sie wußte, daß er im Gegensatz zu seiner kör perlichen Robustheit psychisch sehr sensibel war. Wenn er tatsächlich seinen Traum auf gab, Atlan zu finden, dann mußte das eine seelische Wunde verursachen, die nie wieder heilen würde. Deshalb grübelte sie darüber nach, wie sie ihm dauerhaft über seine schwere Krise hin weghelfen könnte. Fürs erste war es ihr zwar gelungen, ihn aus seiner Lethargie zu reißen, indem sie an seine Hilfsbereitschaft und an sein Mitgefühl appelliert hatte, aber das würde nicht anhalten. Auch dann nicht, wenn sich ihre Hoff nung erfüllte, der Asteroid möchte zahllose Gefahren bergen, bei deren Überwindung Algonkin-Yatta alle seine körperlichen und geistigen Kräfte mobilisieren mußte. Sobald das Geheimnis des Asteroiden entschleiert war, würde der Kundschafter erneut in dumpfe Resignation verfallen. Das schlimmste war, daß er sich, ohne es selbst zu bemerken, als Versager einstufte und sich deshalb unbewußt davor fürchtete, Atlan doch noch zu begegnen. Er glaubte, dem bewunderten Arkoniden nicht in die Augen sehen zu können, wenn er ihn nicht durch eine systematische Suche, sondern vielleicht durch einen puren Zufall fand – oder, was noch schlimmer wäre, wenn nicht er Atlan, sondern Atlan ihn fände. Sie stoppte kurz, als sie eine Stelle im
Impulse des Verderbens Stollen erreichte, an der drei weitere Stollen abzweigten, dann flog sie aufs Geratewohl in die zweite Abzweigung hinein und be schleunigte abermals. Ungefähr zwei Minuten flog sie so, dann weitete sich der Stollen von ihr zu einer Hal le – und mitten in der etwa zwanzig Meter hohen Halle schwebte unbeweglich ein Ge spinst aus dünnen goldenen Fäden, kugelför mig und zirka drei Meter durchmessend. Abermals stoppte Anlytha. Der Anblick des goldenen Gespinst ver wirrte ihre Sinne. Langsam ließ sie sich zu Boden sinken, dann ging sie dichter an die Stelle heran, über der das Gespinst in etwa fünf Metern Höhe schwebte. Einen Schritt davor blieb sie stehen. Ihr Federkamm sträubte sich, als sie sich dessen bewußt wurde, daß sie beinahe auf die kreis förmige Fläche unter dem goldenen Ge spinst getreten wäre, obwohl das Licht ihres Helmscheinwerfers die Finsternis darüber nicht durchdrang. Erschrocken wich sie zwei Schritte zu rück, dann sah sie sich in der Halle um. Sie entdeckte zuerst eine Maschine, aus deren Aussehen sie sogleich darauf schloß, daß es sich bei ihr um die von Algonkin-Yat ta erwähnte primitive Tunnelfräse handelte. Das Gerät war allerdings auf einer Antigrav plattform montiert. Das nächste, was ihr Helmscheinwerfer erhellte, war ein elektronisch gesteuerter atomarer Schmelzofen, an den ein Gerät mit zahllosen feinen Düsen angeschlossen war. Zweifellos war die Kombination der beiden Geräte zum Schmelzen von Gold und zur Herstellung des Goldfadengespinsts benutzt worden. Abermals blickte Anlytha zu dem Ge spinst hinauf – und wieder fühlte sie sich verwirrt durch die psionische Ausstrahlung des Gespinsts. Sie ertappte sich dabei, wie sie wieder einen Schritt auf den von Finster nis verhüllten Fleck unter dem Gespinst zutat. Erneut wich sie erschrocken zurück – und dabei drehte sie den Kopf so, daß das Licht
7 des Helmscheinwerfers auf einen tonnenför migen, etwa zwei Meter hohen Gegenstand fiel, der sich im oberen Drittel konisch ver jüngte. Der Gegenstand sah seltsam aus, nicht wegen seiner Form, sondern deswegen, weil er in der unteren Hälfte lichtundurchlässig war, in der oberen jedoch nicht. Dort schien er aus einem Material zu bestehen, das sich mit Milchglas vergleichen ließ. Das Schein werferlicht enthüllte ganz oben die stark lichtreflektierenden Konturen eines Gegen stands, der Anlytha an die Annäherungszün der von Raumtorpedos erinnerte. Hastig aktivierte sie ihr Helmfunkgerät, das sie bisher nicht eingeschaltet hatte. »Yatta?« fragte sie zaghaft. »Na, endlich!« kam die sonore Stimme des Kundschafters an ihr Ohr. »Wovor fürchtest du dich und wo bist du?« »Ich fürchte mich doch nicht!« protestier te Anlytha. »Kannst du mich nicht anpeilen, Yatta? Aber, mach schnell, ja?« »Ich versuche, dich anzupeilen, Lytha«, gab der Kundschafter zurück. »Aber es scheint nicht möglich zu sein. Du mußt eine andere Abzweigung genommen haben als ich, und die psionische Ausstrahlung zer streut die Funkwellen. Tut mir leid, aber du mußt schon allein zurechtkommen.« »Du gefühlloser Rohling!« zeterte Anly tha. »Ich könnte umgebracht werden, und du würdest keinen Finger rühren! Ich könnte … Ah!« Sie vollführte einen Luftsprung, als sich irgend etwas gegen ihren Rücken preßte. Dann wirbelte sie entsetzt herum – und blickte in Algonkin-Yatta gutmütiges Ge sicht. Der Kundschafter hob die Hand mit dem gestreckten Zeigefinger, den er Anlytha ge gen den Rücken gedrückt hatte. »Ist das etwa kein Finger, Lytha?« spotte te er. »Und habe ich ihn etwa nicht gerührt, um mich dir bemerkbar zu machen?« »Um mich zu erschrecken!« schimpfte Anlytha. »Wie hast du mich eigentlich so schnell gefunden?«
8 »Selbstverständlich habe ich deine Spur mit einem Ortungsgerät aufgenommen, das auf Schwerefeldschwankungen anspricht – und ein arbeitendes Flugaggregat erzeugt mit seinem Antigravprojektor unweigerlich Schwerefeldschwankungen. Ich kam hier an, als du soeben dein Helmfunkgerät aktiviert hattest.« »Deshalb war der Empfang so klar!« rief Anlytha. »Du bist ein ganz gemeiner Schuft, Algonkin-Yatta! Ha, und du hast einmal be hauptet, du könntest nicht lügen!« »Inzwischen habe ich es von dir gelernt«, erklärte Algonkin-Yatta. Er ging zu dem bombenähnlichen Gegenstand, musterte ihn genau und untersuchte ihn schließlich mit ei nem Detektorgerät. »Vorsicht!« flüsterte Anlytha. »Du weißt nicht, auf was der Zünder anspricht!« »Was für ein Zünder?« fragte der Kund schafter, ohne seine Untersuchungen abzu brechen. »Das da oben«, antwortete Anlytha und tippte sich erläuternd mit dem Zeigefinger auf ihren Federkamm. »Oh, und ich dachte immer, das sei ein Federbusch«, erwiderte der Kundschafter. »Es ist also ein Zünder, soso!« »Du weißt genau, was ich meine!« fauch te Anlytha ihn an. »Du meinst das da«, sagte Algonkin-Yatta und schlug mit der flachen Hand leicht auf das, was Anlytha für einen Zünder hielt. Prompt hielt sich Anlytha die Ohren zu. Algonkin-Yatta lächelte. »Du brauchst nicht um dein Trommelfell zu fürchten, denn das, was du für einen Zün der hältst, ist ein Bündel hochempfindlicher Sensoren, die offenkundig dazu dienen, ein komplexes hochwertiges elektronisches Sy stem mit Informationen über die Umgebung zu versorgen. Kurz gesagt, die Tonne mit dem Sensorkopf ist ein Roboter.« »Was?« rief Anlytha überrascht. »Ein Ro boter? Yatta, sieh dich vor! Du stehst direkt neben ihm. Wenn er will, kann er dich um bringen.« »Keine Sorge«, erwiderte der Kundschaf-
H.G. Ewers ter. »Er ist desaktiviert. Wahrscheinlich wollte sein Besitzer nicht, daß er Unsinn an stellt, während er … Hm!« »Was heißt hm?« fragte Anlytha. »Was ist deiner Meinung nach mit seinem Besit zer?« Aber sie beantwortete ihre Frage selbst, indem sie zu dem Dunkelfeld unter dem gol denen Gespinst blickte. »So wird es sein«, meinte der Kundschaf ter nachdenklich. »Der Besitzer des Robo ters hat aus Gold, dessen Atomkerne ma gisch aufgeladen sind, dieses Gespinst her gestellt, um ein Experiment damit durchzu führen. Zweifellos hat das Dunkelfeld ihn geschluckt. Wir wissen nicht, ob das beab sichtigt war und wo er sich jetzt befindet – oder wann er sich befindet.« »Du nimmst an, er hat mit der Zeit experi mentiert?« fragte Anlytha. »Das ist naheliegend«, erwiderte Algon kin-Yatta. »Die Zeitversetzer des Kund schafterschiffs und der Zeitkapsel funktio nieren ebenfalls mit Hilfe von Gold, deren Atomkerne magisch aufgeladen sind. Ich würde mich wirklich nicht wundern, wenn ich erführe, daß das goldene Gespinst eben falls zeitversetzend funktioniert.« »Werden wir es benutzen?« »Nein, Lytha!« erklärte der Kundschafter entschieden. »Wir können seine Funktionen nicht kontrollieren. Außerdem braucht das Wesen, das es benutzt, es vielleicht wieder, um zurückzukehren, falls es nicht längst tot ist. Deshalb rühren wir hier überhaupt nichts an, sondern kehren ins Kundschafterschiff zurück!« »Aber wir könnten an einer anderen Stelle ein paar Zentner Gold schürfen!« entgegnete Anlytha schmollend. »Wir können doch nicht wieder gehen, ohne wenigstens etwas davon geborgen zu haben!« Während sie sprach, bewegte sie sich un auffällig in die Nähe des Schmelzofens. Sie hatte dort etwas glitzern sehen – und tat sächlich entdeckte sie aus der Nähe eine kleine Rolle dünnen Golddrahts. Ohne daß der Kundschafter etwas davon merkte, hob
Impulse des Verderbens sie die Rolle auf und ließ sie in einer ihrer Gürteltaschen verschwinden.
2. Das Abbild des Asteroiden im Zielverfol gungsschirm wurde zu einem Punkt und ver schwand schließlich ganz. Nur die Ortungs geräte hielten das rätselhafte Objekt weiter hin fest, bis die Psiotronik das Interdimensi onstriebwerk aktivierte und das Kundschaf terschiff aus dem Normalraum verschwand. Fast im selben Augenblick schlug AlgonkinYattas Stimmung wieder um. Sein Blick wurde stumpf und geistesabwesend. Unbe weglich hockte er auf seinem Platz vor den Kontrollen. Anlytha bemerkte es voller Sor ge und Angst. In ihrer Verzweiflung setzte sie ihre psionische Fähigkeit ein, anderen Lebewesen etwas vorzugaukeln. Sie ver wandelte sich für Algonkin-Yattas Augen in einen grimassenschneidenden Zwerg, der um ihn herumtanzte. Doch der Kundschafter reagierte nicht darauf. Niedergeschlagen zog sich Anlytha in die Wohnzelle des Kundschafterschiffs zurück. Sie hoffte, daß ihre Stimmung sich beim An blick der Souvenirs heben würde, erinnerten sie doch daran, wie erfolgreich sie beim Sammeln von Kostbarkeiten gewesen war. Aber nicht einmal der Anblick des Schachcomputers, den Anlytha einem weib lichen Oberst der Solaren Abwehr entwen det hatte, vermochte sie aufzuheitern. Trüb selig »schwamm« sie in der auf Nullschwer kraft gesetzten kugelförmigen Wohnzelle herum. Nachdem sie alle denkbaren Möglichkei ten, ihrem Gefährten zu helfen, durchdacht hatte, ohne zu einem positiven Ergebnis zu kommen, rief sie zornig: »Wenn ich nur Atlan über Funk erreichen könnte, dann würde ich ihm sagen, er soll uns ein Zeichen geben!« Aber sie wußte, daß das reines Wunsch denken war. Außerdem befand sich Atlan im Kampf gegen die Mächtigen der Schwarzen Galaxis – oder er war in ihre Gewalt geraten
9 oder sogar längst tot. Auf jeden Fall hatte sie keine Möglichkeit, ihn herbeizuzaubern. Plötzlich stutzte sie. Es gab für sie zwar keine Möglichkeit, Atlan herbeizuzaubern, aber um dem Ge fährten bei der Überwindung seines seeli schen Tiefs zu helfen, genügte es vielleicht schon, wenn er Atlans »Seelenschlag« zu hören bekam. Algonkin-Yatta hatte bei ihrem Aufent halt auf Pthor einen kleinen Speicher erhal ten, auf dem Atlans individuelle Hirn schwingungsimpulse festgehalten waren. Mit Hilfe dieser Impulse war es nicht schwer für ihn gewesen, einen der Hyper sensoren des Schiffes so zu modifizieren, daß er auf die Hirnschwingungsimpulse des Arkoniden ansprach, sobald Atlan nicht wei ter als achtundzwanzig Lichtjahre entfernt war. Diese Hirnschwingungsimpulse hatte Algonkin-Yatta als Atlans »Seelenschlag« bezeichnet – und er war anfangs sehr hoff nungsfroh gewesen. Nach rund neun Tagen vergeblicher Su che innerhalb der Schwarzen Galaxis war diese Hoffnung zusammengebrochen – und das hatte offenbar zu der schweren psychi schen Krise des Kundschafters geführt. Anlytha kam zu dem Schluß, daß diese Krise nur dann überwunden werden konnte, wenn Algonkin-Yatta Atlans »Seelenschlag« hörte. Sie traute sich zu, den betreffenden Hypersensor so zu program mieren, daß er die Ortung einer Quelle von Hirnwellenimpulsen vortäuschte, die mit de nen Atlans identisch waren. Das eigentliche Problem dabei war nur, wie sie das anstellen sollte, ohne daß die Psiotronik das bemerkte. Die Psiotronik kontrollierte praktisch jeden Kubikmeter des Kundschafterschiffs. Allerdings achtete sie die Intimsphäre des Kundschafters und An lythas. So waren beispielsweise die Wohn kabinen einschließlich der Hygienezellen von der Kontrolle ausgenommen, aber die Psiotronik würde ihre Sensoren auch woan ders abschalten, wenn sie annehmen mußte, daß dort Intimhandlungen ablaufen würden.
10 Anlytha lächelte plötzlich wieder. Sie wußte, wie sie verhindern konnte, daß die Psiotronik ihre Manipulation bemerkte und den Kundschafter informierte. Nachdem sie einige Vorbereitungen ge troffen hatte, kehrte sie in die Zentrale zu rück, setzte sich auf ihren Platz und wartete geduldig. Wie sie erhofft hatte, verließ der Kund schafter die Zentrale nach einiger Zeit. An lytha ließ noch einige Minuten verstreichen, dann stöhnte sie und veränderte ständig ihre Sitzhaltung. Es dauerte nicht lange, dann fragte die Psiotronik: »Hast du irgendwelche Beschwerden, An lytha?« »Kümmere dich nicht um mich, Psiotro nik!« erwiderte Anlytha heftig. Aber sie stöhnte weiter, bis die Psiotronik sich abermals meldete und fragte: »Sage mir, wie ich dir helfen kann, Anly tha! Ich registriere, daß du Schmerzen hast. Vielleicht solltest du die Medozelle konsul tieren.« »Nein, ich gehe hier nicht weg, solange sich Algonkin-Yatta in seiner depressiven Phase befindet!« erwiderte Anlytha. »Aber wahrscheinlich wäre es angebracht, ein mo biles Medosystem in die Zentrale zu schicken. Es könnte mich behandeln, ohne daß ich meine Wache unterbrechen muß.« »Ich treffe sofort entsprechende Anwei sungen«, versprach die Psiotronik. »Nein, das geht doch nicht«, meinte Anlytha. »Meine Schmerzen kommen von einer War ze am Gesäß – und ich kann mir doch nicht dabei zusehen lassen, wie ich einen derart intimen Körperteil entblöße.« »Die Medosysteme des Kundschafter schiffs sind in dieser Beziehung absolut neu tral programmiert«, erklärte die Psiotronik. »Sie haben keine Möglichkeit, zwischen in timen und weniger intimen Körperteilen zu unterscheiden.« »Das ist mir bekannt«, erwiderte Anlytha ärgerlich. »Systeme ohne Persönlichkeit ru fen bei mir kein Schamgefühl hervor. Aber
H.G. Ewers du besitzt eine Persönlichkeit. Ich könnte mich niemals entblößen, wenn ich wüßte, daß du mir zusiehst.« »Ich bitte um Verzeihung, daß ich dein Problem nicht sofort erkannt habe, Anly tha«, erklärte die Psiotronik. »Ich erkannte es deshalb nicht, weil es für mich ganz selbstverständlich ist, daß ich alle meine Sensoren in dem Raum desaktivierte, in dem du dich einer Behandlung unterziehst. So bald ich ein Medosystem alarmiert habe, ziehe ich mich zurück. Einverstanden?« Anlytha atmete erleichtert auf. »Einverstanden, Psiotronik.« Anlytha sah, wie das rötliche Glühen im Teleauge der Psiotronik erlosch. Hastig ent fernte sie die Abdeckplatte, aus der der An zeigeschirm und der Geruchssignalgeber je nes Hypersensors ragten, der von Algonkin-Yat ta auf die Hirnschwingungsimpulse Atlans eingestellt worden war. Darunter kam die Programmierungstastatur zum Vorschein. Während Anlytha noch darüber nachdach te, welche Schaltschritte in welcher Reihen folge zweckmäßigerweise erfolgen mußten, öffnete sich das Schott – und ein mobiles Medosystem schwebte in die Zentrale. »Zu Diensten!« meldete es sich. »Ich bin über deinen körperlichen Defekt informiert und bitte dich, dich vollständig zu entklei den und in den Behandlungsraum zu legen.« Anlytha blickte sich um und sah, daß die Psiotronik ein Medosystem des mathoni schen SARTyps geschickt hatte, das einen großen Hohlraum besaß, in den der Patient sich legen mußte, wenn er behandelt werden sollte. »Warte einige Zeit!« erwiderte sie. »Ich habe vorher noch einige dringende Arbeiten zu erledigen.« »Verstanden«, sagte das Medosystem. Anlytha wandte sich wieder der Program mierungstastatur zu. Als sie sicher war, die richtige Program mierung durchgeführt zu haben, befestigte sie die Abdeckplatte wieder. Wenn sie kei nen Fehler begangen hatte, würde der Hy persensor in drei Stunden und zweiundvier
Impulse des Verderbens zig Minuten so reagieren, als hätte er Atlans »Seelenschlag« angemessen. Nach kurzem Zögern entkleidete sie sich und legte sich in die auf ihre Körpertempe ratur erwärmte Mulde, die sich im Medosy stem geöffnet hatte. Die Öffnung schloß sich über ihr wieder, dann summte es leise. Einige Minuten später bildete sich die Öffnung erneut, und das Medosystem sagte: »Deine Selbstdiagnose war unzutreffend. Es handelt sich nicht um eine Warze am Ge säß, sondern wahrscheinlich um einen durch körperliche Fehlhaltung verursachten Druck auf einen Nerv und eine von da ausgehende Schmerzausstrahlung, die zu einer falschen Lokalisierung und entsprechenden Fehldia gnose führte.« Anlytha hätte beinahe laut gelacht, doch sie stieg nur aus dem Medosystem und frag te, während sie sich wieder ankleidete: »Wie konntest du mich mit positivem Er gebnis behandeln, wenn du die Ursache der Schmerzen nicht exakt herausgefunden hast,sondern nur vermutest?« »Um die Belastungen durch intensive Un tersuchungen zu vermeiden, wurde der ge samte in Frage kommende körperliche Be reich mit schwach dosierten Mikrowellen zellulär durchmassiert«, antwortete das Me dosystem. »Erfahrungsgemäß wird dadurch ein infolge Fehlhaltung eingeklemmter Nerv befreit, wodurch der Druck und damit auch die Schmerzausstrahlung entfallen. Du bist beschwerdefrei?« Anlytha lächelte. »Ich fühle mich prächtig.«
* Ihre zweite Hoffnung, daß nämlich Al gonkinYatta in die Zentrale zurückkehren würde, bevor der manipulierte Hypersensor ansprach, erfüllte sich ebenfalls. Der Kundschafter begab sich mit hängen den Schultern zu seinem Platz, starrte einige Minuten lang auf die Kontrollen und wandte sich dann an Anlytha. »Ich habe mich entschlossen, die Schwar
11 ze Galaxis zu verlassen und nach Ruoryc zu rückzukehren«, sagte er kaum hörbar. »Möchtest du mitkommen oder unterwegs irgendwo abgesetzt werden?« »Ich komme nicht mit nach Ruoryc«, er klärte Anlytha. »Siehst du da vorn den Sternhaufen? Wenn du mich auf einem be wohnbaren Planeten irgendeiner Sonne die ses Sternhaufens absetzen könntest, wäre ich dir sehr dankbar.« Algonkin-Yatta blickte seine Gefährtin überrascht an, dann verriet seine Miene Be sorgnis. »Du solltest nicht in der Schwarzen Gala xis zurückbleiben, Anlytha. Hier herrschen die Mächte der Finsternis. Sie werden Un heil über jeden Planeten ihres Herrschaftsbe reichs bringen und damit auch über dich.« Anlytha sah verstohlen zum Chronogra phen. Noch knapp eine halbe Stunde! »Willst du über mich bestimmen, Algon kin-Yatta?« empörte sie sich. Der Kundschafter lächelte schmerzlich. »Dazu habe ich kein Recht, Lytha. Ich wollte dich nur warnen. Aber wenn du dar auf bestehst …« Er musterte den Kontrollschirm der Psio tronik, dann schaute er zum Teleauge. Anlytha erschrak. Sie hatte vergessen, die Psiotronik davon zu unterrichten, daß ihre »Behandlung« abgeschlossen war. Jetzt mußte ihr Gefährte natürlich Verdacht schöpfen. »Psiotronik!« rief Algonkin-Yatta laut. »Ich hatte mich für kurze Zeit zurückge zogen«, sagte die Psiotronik. »Dadurch bin ich natürlich nicht darüber informiert, ob meine ›Anwesenheit‹ in der Zentrale inzwi schen nicht als Verletzung einer Intimsphäre angesehen würde und stelle hiermit eine ent sprechende Frage, die ich zu beantworten bitte.« Anlytha atmete erleichtert auf. Die Psio tronik respektierte also ihre Intimsphäre so sehr, daß sie keine darunter fallenden Infor mationen weitergab. »Du kannst kommen!« erklärte Algonkin-Yat
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sprach. Er schaute Anlytha an. Noch sieben Minuten! »Die Psiotronik wird allmählich komisch, Schlagartig erloschen die wesenlosen wie?« grauen Nebel. Auf allen Bildschirmen fun Das Teleauge glühte rötlich auf, dann sag kelten Sterne. Es waren hauptsächlich die te die Psiotronik: Sterne des dichten Haufens, den die Psiotro »Zentrale wieder in Sensorerfassung, nik angesteuert hatte. Kundschafter. Liegt etwas an?« Eine Minute später hob Algonkin-Yatta »Nimm im Interdimensionsflug Kurs auf den Kopf, sah Anlytha aus getrübten Augen an und sagte: den Sternhaufen, den du auf dem Front schirm abbildest!« befahl der Kundschafter. »Du hast deinen Entschluß nicht geän »Sobald wir dort angekommen sind, suchst dert?« Ein schmerzliches Lächeln huschte du ortungstechnisch nach einer Sonne mit über sein Gesicht, als er die freudige Erwar einem Planeten, auf dem für Anlytha günsti tung in Anlythas Gesicht registrierte. »Du ge Lebensbedingungen herrschen.« bist froh darüber, dich von mir trennen zu »Was bedeutet das?« fragte die Psiotro können? Das hatte ich eigentlich nicht er nik. »Du willst doch Anlytha nicht etwa aus wartet.« setzen?« Anlytha erwiderte nichts darauf, sondern Grimmig erwiderte Algonkin-Yatta: blickte zu Boden. »Du bist zwar nicht berechtigt, mir derar Einige Minuten später sagte die Psiotro tige Fragen zu stellen, aber ich verrate dir, nik: daß Anlytha es wünscht, ihren Lebensabend »Von den insgesamt siebenhundert auf einem Planeten dieses Sternhaufens zu achtundfünfzig Sonnen dieses Sternenhau verbringen, weil sie nämlich nicht mit mir fens verfügen dreiundzwanzig über Plane nach Ruoryc zurückkehren möchte. So, und ten, die in die engere Wahl kommen. Sie nun erwarte ich sofortigen Vollzug!« müßten systematisch aus der Nähe unter »Verstanden, Kundschafter«, erwiderte sucht werden, um den für Anlytha erforder die Psiotronik. lichen Überlebensfaktor zu bestimmen.« Doch Algonkin-Yatta hörte gar nicht »Erledige das, Psiotronik!« sagte Algon mehr hin. Er starrte in sich gekehrt auf die kin-Yatta. Kontrollen, ohne sie zu sehen. Im nächsten Moment erstarrte er. Seine Noch dreiundzwanzig Minuten! Wenn die Miene verriet Fassungslosigkeit, als er zum Psiotronik sich nicht beeilt, wird der Hyper Geruchssignalgeber des von Anlytha mani sensor während des Fluges zwischen den pulierten Hypersensors sah. Dann blickte er Dimensionen ansprechen, obwohl er von auf den Anzeigeschirm. In seinen Augen dort aus gar nicht in den Normalraum hin leuchtete es auf. einorten kann. »Atlans Seelenschlag!« schrie er und Auf den Bildschirmen löschten wesenlose sprang auf. »Wir haben Atlans Seelenschlag graue Nebel die Abbildungen der Sterne und geortet!« Materiewolken des Normalraums. Das Er sprang zu Anlytha hinüber, hob sie Kundschafterschiff befand sich zwischen mühelos aus ihrem Sessel, schwang sie her den Dimensionen. um, während ihm Tränen übers Gesicht lie Anlytha zitterte innerlich vor nervlicher fen. Dann setzte er sie behutsam wieder ab. Anspannung. Sie hoffte, den Hypersensor »Anlytha!« sagte er erschüttert. »Wir ha richtig geschaltet zu haben – und sie hoffte, ben ihn gefunden! Endlich ist meine Suche daß das Schiff zwischen den Sonnen des durch Zeit und Raum von Erfolg gekrönt Sternenhaufens in den Normalraum zurück worden! Bald werde ich dem Kristallprinzen gefallen sein würde, wenn der Sensor angegenüberstehen!«
Impulse des Verderbens Anlytha sagte nichts darauf. Sie spürte nur, wie sich eisige Kälte in ihrem Körper ausbreitete. Es war die Kälte des Entsetzens, denn in diesen Sekunden wurde ihr klar, was sie angerichtet hatte. Sie hatte eine Hoffnung in Algonkin-Yat ta geweckt, die sich niemals erfüllen konnte. Wenn nicht ein echtes Wunder geschah und sie nicht in absehbarer Zeit eine echte Spur fand, die zu Atlan führte, würde der Kund schafter vom Höhepunkt seiner Erwartungen noch tiefer stürzen als zuvor.
3. Entgegen seiner Gepflogenheit ließ Al gonkin-Yatta die Feinbestimmungen dies mal nicht von der Psiotronik durchführen, sondern führte sie selbst durch. Er war völlig verwandelt. Seine Augen strahlten freudige Erwartung aus, und er scherzte mit Anlytha. Plötzlich stutzte er. »Du siehst so bedrückt aus«, stellte er fest. »Du wirst doch jetzt nicht mehr auf ei nem Planeten dieses Sternhaufens bleiben wollen, da wir Atlan endlich gefunden ha ben. Das würde mich wirklich sehr enttäu schen, Schatz. Gemeinsam mit Atlan können wir die Herrschaft der dunklen Mächte die ser Galaxis brechen und ihren Völkern eine Chance geben, sich eine Zukunft in freier Selbstbestimmung aufzubauen.« »Du brauchst mich jetzt, wo du Atlan ge funden hast, doch nicht mehr, Yatta«, erwi derte Anlytha. »Unsinn!« widersprach der Kundschafter. »Wir beide gehören zusammen. Wo wolltest du auch neue Schätze hernehmen, wenn du nicht mehr mit mir durch Räume und Zei tenreist …« Er hatte seine Berechnungen abgeschlos sen und schaltete den Kartentank ein. Mit Hilfe des elektronischen Einweisers mar kierte er das System einer Doppelsonne, ei nes großen blauen und eines kleinen roten Sterns. »Das System hat achtzehn Planeten«, er
13 klärte er. »Atlan muß sich auf einem der fünf inneren Planeten befinden, deren Bah nen einigermaßen stabil sind. Leider arbeitet der modifizierte Hypersensor nicht so genau, wie ich es erwartet hatte. Deshalb kann ich nicht erkennen, auf welchem der fünf Plane ten sich Atlan aufhält. Möglicherweise be findet er sich auch nicht auf einem dieser Planeten, sondern in einem Raumschiff, das sich langsam zwischen ihnen bewegt.« Anlytha erhob sich und trat neben den Kartentank. Sie nahm sich vor, die Suche des Kundschafters so lange wie möglich zu verzögern. »Hast du schon daran gedacht, daß sich auf einigen Planeten der Doppelsonne Stütz punkte der Mächtigen der Schwarzen Gala xis befinden könnten? Und daß wir uns plötzlich einigen hundert Raumschiffen ge genübersehen würden, wenn wir einfach ins System einflögen?« »Ich fürchte mich nicht vor den Söldnern der finsteren Mächte!« gab Algonkin-Yatta ärgerlich zurück. »Wenn Atlan sich dort be findet, werde ich nicht zögern, ihm zu Hilfe zu eilen.« »Mut ist oft nur Dummheit, Yatta!« er klärte Anlytha in gespieltem Zorn. »Weißt du denn, welche List sich Atlan ausgedacht hat und unter welcher Maske er in dieses Sy stem geflogen ist, um ungehindert die Ver hältnisse dort auszuspionieren? Und du willst dennoch dort einfliegen und blindlings wüten – und damit alle seine Pläne zunichte machen!« Das ernüchterte den Kundschafter. Er holte tief Luft und sagte: »Darüber hatte ich tatsächlich nicht nach gedacht, Lytha. Bisher hatte die direkte Tak tik auch immer Erfolg, denn mit ihr bluffte ich meine Gegner. Allerdings sehe ich ein, daß ich sie diesmal nicht anwenden kann, da ich, wie du richtig bemerktest, auf Atlans Pläne Rücksicht nehmen muß. Ich werde deshalb so vorgehen, daß ich zuerst mit Hil fe der Zeitkapsel Erkundung fliege – und zwar in so naher Vergangenheit, daß ich tat sächlich alle feindlichen Stützpunkte schon
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vorfinde und weit genug zurück, daß ich Anlytha und lief durch die Schleuse in den nicht gleichzeitig mit Atlan ankomme.« Hangar der Zeitkapsel, bevor Algonkin-Yat Anlytha atmete auf. Sie hatte eine Verzö ta weiterfragen konnte. Anlytha hatte in gerung erreicht, die zumindest den Zusam Wirklichkeit nichts vergessen. Sie wollte nur menbruch von Algonkin-Yattas Hoffnung die Aktionen des Kundschafters verzögern hinausschieben würde, denn wenn er mit der und dadurch den Zeitpunkt hinausschieben, Zeitkapsel vor Atlans Ankunft im System an dem die Wahrheit herauskommen mußte. der Doppelsonne ankam, konnte er selbst In ihrer Verzweiflung bedachte sie gar nicht, verständlich nicht nach Atlan suchen. daß das ein sinnloses Unterfangen war, denn Und wenn es mir während seiner Abwe Algonkin-Yattas Erkundung mit der Zeit senheit gelingt, die Psiotronik in meinem kapsel ließ sich nicht verzögern, da der Sinn zu beeinflussen, werde ich mit dem Kundschafter einfach die Zeitspanne, die Kundschafterschiff ebenfalls in die Vergan Anlytha ihn aufhielt, weiter in die Vergan genheit gehen und auf eigene Faust in der genheit zurückgehen konnte. Sie eilte in ihre Schwarzen Galaxis nach Atlan suchen. Viel Kabine, suchte herum, denn sie wollte ihrem leicht finde ich ihn, dann kann ich mit ihm in Gefährten etwas vorzeigen, das sie geholt eine Gegenwart zurückkehren, die nur weni hatte, und nahm schließlich einen Taschen ge Minuten nach meinem Abflug liegt, so rechner an sich, den sie entgegen ihrer Ge daß Yatta gar nicht erst lange nach mir zu wohnheit beim letzten Aufenthalt auf Terra suchen braucht. nicht gestohlen, sondern gekauft hatte. Ihr Sturz aus dieser Illusion in die Realität Als sie in die Zeitkapsel zurückkehrte, war schmerzhaft, als der Kundschafter sagte: zeigte sie dem Kundschafter wortlos den su »Du wirst mich selbstverständlich beglei perflachen Taschenrechner, dann schob sie ten, Anlytha, denn du hast mir eben bewie ihn in eine ihrer zahlreichen Gürteltaschen. sen, daß ich dich dringender als je zuvor Dabei berührten ihre Finger etwas Glattes, brauche, um den Erfolg meiner langen Su Rundes. che nicht selbst noch in Frage zu stellen.« Anlytha stutzte, dann erinnerte sie sich »Aber …!« wollte sie protestieren. daran, daß sie in der Halle des Asteroiden »Nicht so bescheiden, Lytha!« schnitt ihr eine kleine Golddrahtrolle an sich genom Algonkin-Yatta das Wort ab. »Wir beide ha men und in einer ihrer Gürteltaschen ver ben so lange gemeinsam nach Atlan gesucht, staut hatte. Ursprünglich hatte sie die Rolle daß wir die letzte Phase unserer Suche eben nach der Rückkehr auf das Kundschafter falls gemeinsam durchstehen müssen – und schiff in ihrer Kabine verstecken wollen, es gemeinsam unseren größten Triumph feiern jedoch dann vergessen. werden!« »Du wirst hoffentlich nicht noch deinen Schminkkoffer holen wollen!« sagte Algon kin-Yatta ironisch und drückte auf den * Schalter für die Schleusen-Ver Algonkin-Yatta wollte gerade die Schleu schluß-Automatik. »Immerhin hättest du ihn se der Zeitkapsel schließen, da sagte Anly wirklich gebrauchen können, was auf den tha: Taschenrechner nicht zutrifft, denn für Be »Warte, Yatta! Ich muß noch einmal in rechnungen haben wir den Ableger der meine Kabine zurück!« Bordpsiotronik in der Zeitkapsel.« Unwillig ließ der Kundschafter seine »Der kann ja einmal versagen«, erwiderte Hand über dem Schalter schweben, mit dem Anlytha. »Und der terranische Taschenrech die Schleusenschotte bedient wurden. ner ist wirklich prima. Mit ihm lassen sich »Warum?« sogar Navigationswerte für Zeitreisen er »Weil ich etwas vergessen habe«, erklärte rechnen.«
Impulse des Verderbens »So etwas macht man im Kopf«, erklärte der Kundschafter. »Aber du kannst ja die Werte speichern, mit denen ich die Zeitkap sel jetzt programmiere. Wir brauchen sie, wenn wir in die Gegenwart zurückkehren wollen.« Er fuhr mit dem Zeigefinger über die far bigen Linien an der Innenwandung der Zeit kapsel und programmierte damit die Zeitver setzung. Die Teile der Linien, die er berühr te, leuchteten unmittelbar danach auf. Mit schadenfrohem Lächeln sah der Kundschafter zu, wie Anlytha den Taschen rechner hervorzog und danach auf die leuch tenden Linien blickte. Sie sagten ihr nichts, was sie begreifen konnte. Folglich erfuhr sie von ihnen auch keine speicherfähigen Daten. Algonkin-Yatta war allerdings darauf nicht angewiesen, denn er gab die Zeitdaten über die Schaltung unter seiner Schädeldecke im Klartext an die kleine Psiotronik der Zeit kapsel weiter, die sie abrufbereit speicherte. Als er seine Programmierung beendet hat te, blitzten an der Innenwandung der Kapsel zahlreiche goldfarbene Lichtblitze auf. Dumpf hallende Schläge ertönten. Anschlie ßend legte sich ein nebelhafter Schleier um die Zeitkapsel – und durch den Schleier konnte der Kundschafter schattenhafte Be wegungen erkennen. Nur Sekunden später erloschen die gold farbenen Lichtpunkte wieder. Der Schleier rings um die Kapsel lichtete sich und löste sich schließlich auf. Anlytha musterte die Bildschirme, dann blickte sie den Kundschafter verwundert an. »Warum hast du uns so weit zurückver setzt, Yatta?« fragte sie. Algonkin-Yatta musterte die auf den Bild schirmen sichtbaren Konstellationen der Sterne des Sternhaufens, in dem sie sich be fanden. »Das ist nicht möglich!« rief er verblüfft. »Ich kenne den Zeitpunkt, zu dem Atlan At lantis verließ, und habe die Kapsel so pro grammiert, daß wir genau zu diesem Zeit punkt ankommen, denn da konnte Atlan noch nicht hier sein. Aber in Wirklichkeit
15 müssen wir viele Jahrtausende in die Ver gangenheit zurückgestürzt sein. Ein derart schwerer Programmierungsfehler kann mir unmöglich unterlaufen sein.« Anlytha dachte an die Golddrahtrolle in ihrer Gürteltasche und fragte sich, ob die magisch aufgeladenen Kerne der Goldatome die Zeitversetzung beeinflußt haben könn ten. Immerhin funktionierte die Zeitkapsel nur als Zeitversetzungsgerät, weil die Be schleunigerspulen und Kontaktstäbe mit Gold überzogen waren, dessen Atomkerne sämtlich magisch aufgeladen waren. »Wenn du einfach wieder auf Rückkehr zum Zeit ausgangspunkt schaltest?« meinte sie, und sie fragte sich, ob das funktionieren konnte oder ob die Spule diese Zeitversetzung eben falls verstärken würde, so daß sie weit in der Zukunft herauskämen. Sie war gewillt, dieses Risiko einzugehen, denn dadurch war Algonkin-Yatta abermals beschäftigt und würde Subjektivzeit verlie ren. »Etwas hat die Zeitversetzungswirkung verstärkt«, erwiderte Algonkin-Yatta und zerstörte damit Anlythas Hoffnung auf eine weitere Verzögerung. »Ich muß damit rech nen,daß es auch die umgekehrte Program mierung verstärken wird. Folglich darf ich die Zeitkapsel nicht auf Rückkehr zum Aus gangspunkt programmieren, sondern nur auf eine Rückversetzung um den Zeitwert, den ich für die erste Programmierung verwende te.« Er rief durch Gedankenbefehl die entspre chenden Daten von der kleinen Psiotronik ab und fuhr danach mit dem Finger die der ge wünschten Programmierung entsprechenden Linien ab. Wieder leuchteten die berührten Linien auf, auch die Lichtblitze an der In nenwandung erschienen ganz normal, eben so die hallenden »Gongschläge«. »Es ist keinerlei Beeinflussung zu erken nen«, sagte Algonkin-Yatta, als die Schleier sich um die Kapsel legten und hinter ihnen die schattenhaften Bewegungen abliefen. »Aber vorhin auch nicht.« Die schattenhaften Bewegungen ver
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schwanden, die Lichtpunkte an der Innen Anlytha hatte das Gefühl, als bliebe ihr wand erloschen, und die Schleier lösten sich Herz stehen. Sie wußte ja, daß die Ortung ei auf. ner zweiten Quelle, von der Atlans Indivi »Wir haben genau den Zeitausgangspunkt dualimpulse ausgingen, nur eines bedeuten konnte: daß sich Atlan tatsächlich dort be erreicht«, stellte der Kundschafter nach ei nem Blick auf die Bildschirme fest. fand. »Atlan muß seine Position gewechselt ha »Jedenfalls kann ich keine Veränderung der Sternkonstellationen erkennen.« ben«, stotterte sie und wurde sich gleich dar auf klar darüber, wie unlogisch ihre Erklä Psiotronik? rung klingen mußte. Ich auch nicht, Kundschafter! gab die kleine Psiotronik der Zeitkapsel zurück. »Dann würden seine Impulse nicht mehr Psiotronik ruft Kundschafter! hallte es in von der ersten Position kommen«, erwiderte Algonkin-Yattas Bewußtsein. der Kundschafter denn auch verärgert. Wir stehen doch in Kontakt! dachte er »Aber wenn er in einem Schiff mit Über verwundert. lichtgeschwindigkeit geflogen ist und sich Du meinst meinen Ableger in der Zeit nunmehr bei der zweiten Position im Nor kapsel. Aber hier spricht die Psiotronik des malraum befindet und wenn seine Impulse Kundschafterschiffs. teilweise nur normal lichtschnell sind, dann Algonkin-Yatta begriff. Selbstverständ wäreder Empfang von zwei auseinanderlie lich mußte die Zeitkapsel, wenn sie genau genden Positionen möglich, oder?« zum Zeitausgangspunkt zurückgekehrt war, »Wenn es so wäre, aber es ist nicht so!« auch den gleichen Raum einnehmen wie vor erklärte Algonkin-Yatta. »Du weißt genau, dem Zeitmanöver, nämlich im Hangar des daß der Hypersensor ausschließlich auf At Kundschafterschiffs. lans sechsdimensionalen Hirnwellenimpulse Was gibt es, Psiotronik? geeicht ist – und die breiten sich ohne Zeit Hypersensor zeigt eine zweite Quelle von verlust aus. Die normalen Hirnströme eines Atlans Seelenschlag an. Lebewesens lassen sich ja schon aus weni Eine zweite Quelle? Atlan kann doch gen Metern Entfernung nicht mehr orten. nicht an zwei Stellen zugleich sein. Es muß Die sechsdimensionalen Hirnwellenimpulse sich um eine Fehlauswertung handeln. müßten theoretisch sogar ohne Zeitverlust das gesamte Universum durchdringen. Das Alle Möglichkeiten wurden dahingehend überprüft, Kundschafter. Es liegt einwand funktioniert nur deshalb nicht, weil sie bei frei die Ortung einer zweiten Quelle von At der Ausbreitung mehr und mehr von anderen lans Seelenschlag vor. Sie ist dreiundzwan sechsdimensionalen Impulsen überlagert zig Lichtjahre von der zuerst und noch im und verschluckt werden.« mer georteten Quelle entfernt und befindet »Dann besitzt Atlan vielleicht einen Dop sich im System eines durchschnittlich pelgänger«, meinte Anlytha ohne Überzeu großen hellgrün leuchtenden Sterns. gungskraft. »Was ist los, Yatta?« fragte Anlytha, »Ich werde ihn fragen«, sagte der Kund durch Algonkin-Yatta Gesichtsausdruck be schafter, öffnete die Schleuse der Zeitkapsel unruhigt. und eilte in die Zentrale seines Schiffes. Der Kundschafter berichtete, dann meinte er: * »Stell dir das vor, Lytha! Zwei dreiund Anlytha hastete hinterher, um nicht zu zwanzig Lichtjahre voneinander entfernte versäumen, welche Maßnahmen Algonkin-Yat Positionen – und von beiden geht gleichzei ta traf. tig Atlans ›Seelenschlag‹ aus! Was hältst du In ihr tobte ein wahrer Orkan sich wider davon?«
Impulse des Verderbens sprechender Gefühle. Einerseits wollte sie unbedingt vermeiden, daß Algonkin-Yatta von ihrer Manipulation und damit ihrem Be trug erfuhr, denn dann, so fürchtete sie, wür de er ihr nie wieder vertrauen – und anderer seits drängte ihr Gewissen sie, dem Kund schafter die Wahrheit zu sagen. Als sie die Zentrale erreichte, stand Al gonkin-Yatta vor dem Kontrollschirm der Psiotronik und beobachtete die sinnverwir renden Lichtblitze und Zeichen, die für ihn durchaus klar verständliche Aussagen wa ren. »Was hast du vor?« rief Anlytha ihm zu. Mit einer Handbewegung bat der Kund schafter sie, etwas zu warten. Er beendete seine Kommunikation mit der Bordpsiotro nik, die von ihm über die Schaltung unter seiner Schädeldecke geführt wurde, dann wandte er sich an Anlytha. »Ich habe mich dazu entschlossen, der er sten Spur zu folgen, Lytha. Allerdings stim me ich mit der Psiotronik darin überein, daß die letzte Entwicklung mich in Zeitnot ver setzt. Ich werde deshalb keine langwierigen Erkundungen durchführen, sondern direkt ins System der blauroten Doppelsonne flie gen. Um Atlans Pläne nicht zu gefährden, werde ich mich allerdings auf keinen offe nen Kampf einlassen, sondern mich für das ausgeben, was ich bin: für einen Kosmi schen Kundschafter. Nur verrate ich nicht, daß ich Atlan suche, sondern erkläre eventu ellen Neugierigen, ich wäre durch Zufall in diese Galaxis geraten und suchte Kontakt zu hochentwickelten Zivilisationen.« »Aber warum willst du der ersten Spur folgen?« rief Anlytha verzweifelt. »Die zweite Spur ist doch frischer!« Algonkin-Yatta nickte. »Das hat nichts zu bedeuten, Schatz. Im Grunde genommen ist es doch egal, welche Quelle der georteten Impulse wir zuerst an fliegen. Deshalb habe ich die Psiotronik würfeln lassen – natürlich nicht mit materi ellen Würfeln, und die erste Spur hat die höchste Punktzahl erhalten.« Anlytha zwitscherte kläglich, dann sagte
17 sie leise: »Die Würfel haben nicht die Wahrheit ge sagt, Yatta. Sie haben gelogen, so wie ich gelogen habe.« Sie schluchzte auf. »Die er ste Spur ist falsch, Yatta!« stieß sie hervor. »Ich habe sie gelegt, indem ich den Hyper sensor manipulierte! Bitte, glaube mir, daß ich das nur getan habe, um dich aus deinem seelischen Tief zu reißen!« Algonkin-Yattas blauschwarzes Gesicht wurde grau. Fassungslos blickte er seine Ge fährtin an. »Du hast mich getäuscht, Anlytha? Das glaube ich nicht. So etwas würdest du nie mals tun. Sag, daß es nicht wahr ist!« Anlytha senkte den Kopf. »Es ist leider wahr, Yatta. Ich habe den Hypersensor so programmiert, daß er den Empfang von Atlans Hirnwellenimpulsen vortäuschte. Natürlich hoffte ich, daß wir Atlan wirklich finden würden, bevor du den Betrug durchschauen konntest.« Sie hob den Kopf und blickte dem Kund schafter in die Augen. »Und nun haben wir ihn ja gefunden, Yat ta! Du magst mich verdammen, aber die Hauptsache ist, daß wir Atlan tatsächlich ge funden haben. Nur darfst du nicht der ersten Spur folgen, sondern der zweiten, damit At lan nicht wieder verschwindet, während du einer falschen Spur nachgehst.« Algonkin-Yatta seufzte. »Du hast mein Vertrauen mißbraucht, An lytha, aber ich verstehe, daß die Motivierung unwiderstehlich sein mußte.« Plötzlich lä chelte er. »Du bist eine Hexe, aber eine gute Hexe. Aber ich begreife nicht, wie du die Psiotronik bewegen konntest, ihre Überwa chung der Zentrale zu desaktivieren. Es stimmt doch, daß du das getan hast, um den Hypersensor zu manipulieren?« »Ja, es stimmt«, sagte Anlytha. Ihr Ge sicht lief dunkelblau an. »Ich habe der Psio tronik weisgemacht, sie müsse die Zentrale vorübergehend als meine Intimsphäre ein stufen.« »Wie hast du das begründet?« Anlytha druckste herum. Sie wollte den
18 Kundschafter nicht schon wieder anlügen, aber sie brachte es auch nicht fertig, ihm ge genüber, den sie glühend verehrte, ohne daß sie es jemals zugeben würde, von einer War ze am Gesäß zu sprechen. Ein weiteres Ereignis enthob sie einer schwierigen Entscheidung. Algonkin-Yatta zuckte heftig zusammen, während seine Nasenflügel sich blähten und sein Blick zum Geruchssignalgeber des ma nipulierten Hypersensors wanderte. Dann stürzte er zum Anzeigeschirm des Geräts und schien ihn mit den Augen verschlingen zu wollen. »Was ist jetzt passiert, Yatta?« fragte An lytha ahnungslos. Der Kundschafter richtete sich auf und blickte sie aus zornfunkelnden Augen an. »Der Sensor zeigt die Ortung einer dritten Quelle von Atlans Hirnwellenimpulsen an – das ist los!« fuhr er sie an. »Du hast gelo gen, du Hexe!« Er holte tief Luft, schüttelte den Kopf und fuhr mit ruhigerer Stimme fort: »Jetzt ist mir natürlich völlig klar, daß du nur gelogen hast, um mich vor einem neuen seelischen Tief zu bewahren. In Wirklichkeit hast du den Hypersensor gar nicht manipu liert. Jemand, der über erstaunliche techni sche Möglichkeiten verfügt, steckt hinter al lem. Dieser Jemand hat, wie auch immer, er fahren, daß ich hinter Atlan her bin und einen Hypersensor auf seinen ›Seelenschlag‹ programmiert habe. Er muß etwas dagegen haben, daß ich Atlan finde. Deshalb legte er Spuren, die mich in die Irre führen sollen. Zwei Impulsquellen, das hätte ich noch für ein Phänomen gehalten, das auf natürliche Weise zustande gekommen war, aber drei Impulsquellen lassen sich nicht so harmlos erklären.« »Aber die erste Impulsquelle wurde von mir vorgetäuscht, Yatta!« beteuerte Anlytha. Es half ihr nichts. »Du brauchst nicht zu versuchen, mich vor einem seelischen Tief zu bewahren, Ly tha!« erklärte der Kundschafter. »Oh, ja, ich
H.G. Ewers war entschlossen gewesen, die Suche nach Atlan aufzugeben, weil ich sie für vergeb lich hielt! Aber jetzt, da jemand mich massiv daran zu hindern versucht, weiter nach ihm zu suchen, bin ich fest entschlossen, allen Tricks zum Trotz weiter nach Atlan zu su chen – und ihn zu finden!« Anlytha atmete auf. Sie hatte einen Zu sammenbruch befürchtet, aber das Auftau chen eines sicher nur eingebildeten Feindes, der etwas gegen Algonkin-Yattas Mission zu haben schien, hatte den Kundschafter so aufgebracht, daß er seine alte Tatkraft zu rückgewonnen hatte. Er würde nicht eher ru hen, als bis er Atlan gefunden hatte. Allerdings würde er viel Zeit verlieren, wenn er die erste Impulswelle anflöge. »Wohin fliegen wir?« fragte sie. »Wir würfeln wieder«, erklärte der Kund schafter. »Psiotronik!« »Impulsquelle drei«, sagte die Psiotronik nach kurzer Zeit. »Es handelt sich um das System eines neun Lichtjahre von hier ent fernten blauen Sternenriesen.« Da atmete Anlytha endgültig auf – und für den Bruchteil einer Sekunde war ihr, als hätte die Psiotronik ihr mit ihrem Teleauge zugeblinzelt.
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Immer mehr verlor er die Erinnerungen daran, daß er eigentlich zwei Wesenheiten war, die einst voneinander getrennt existiert hatten. Mehr und mehr fühlte er sich als Un navo-Län. Der Begriff stammte logischer weise aus dem Garva-Guva, der im Maran troner-Revier gesprochenen Sprache, denn es war die Sprache, die das Wesen seit sei ner Entstehung überwiegend gehört und all mählich auch verstanden hatte. Es bedeutete soviel wie Einsauszwei. Irgendwo im Unter bewußtsein ruhte zwarnoch die Erinnerung an jene Sprache, die die geistige Komponen te des Unnavo-Län früher gekannt hatte, aber er wurde sich dessen nicht bewußt. Mit dieser Sprache hätte er in seiner Umgebung allerdings auch nichts anfangen können.
Impulse des Verderbens Seine Gedanken wechselten zu einem an deren Thema. Nachdem es ihm auf Bordin feel gelungen war, ein Wesen namens Lee nia so zu beeinflussen, daß es in seinem Sinn handelte, war er nach Olmerstolm ge bracht und an Bord des Organschiffs FRAULPIEN abgesetzt worden. Da er sich dort nicht sicher vor Nachstellungen gefühlt hatte, war es ihm durch Beeinflussung von raumfahrenden Wesen gelungen, von der FRAULPIEN auf das Organschiff KANIER überzuwechseln. Dort hatte er, wieder mit Hilfe des von seinem Körper erzeugten willenslähmenden Staubes, einen Scuddamoren namens Tin drän unter seinen Willen gezwungen und mittels telepathischer Befehlsübermittlung zu seinem Sklaven gemacht. Von Tindrän, der ihn seltsamerweise Molg nannte, hatte er erfahren, daß die KA NIER dazu ausersehen war, zum Planeten Depot-Largan zu fliegen, damit einige Repa raturen ausgeführt werden konnten. In einer der Werften von Depot-Largan verließ Tindrän seine Kabine, in der er den Unnavo-Län versteckt hielt. Das war inzwi schen einige Stunden her, und allmählich wurde Unnavo-Län ungeduldig. Er fühlte sich nicht wohl auf einem Plane ten. Es war nicht einmal notwendig, daß er seine weitere Umgebung sah, um zu wissen, ob er sich auf einem Planeten oder im Welt raum befand. Ein vererbter Sinn sagte ihm, wo er war und sorgte auch für seine Sehn sucht, die schon fast Besessenheit war, nach dem Weltraum. Die Ungeduld erzeugte einen wahren Sturm von Emotionen – und dadurch ent stand vor dem geistigen Auge des UnnavoLän eine plastische Vorstellung der Entste hungsgeschichte eines der beiden Wesenhei ten, aus denen er bestand. Zuerst war ein Organschiff gewesen, er füllt von den Vibrationen zahlloser Aggre gate und dem Pulsieren der organischen Komponente des Schiffes. Der Lebensraum eines Organschiffs war das All, waren die unergründlichen Weiten
19 zwischen den Sternen. Dort und nur dort wurden seine instinkthaften Bedürfnisse er füllt. Dort fühlte es sich seiner Bestimmung am nächsten. Das alles war natürlich weder einem Or ganschiff noch einem Molg bewußt, denn beide Wesenheiten waren rein instinktmäßig fühlende Wesenheiten ohne die Fähigkeit des Denkens und demnach auch ohne Be wußtsein. Erst im Denken des Unnavo-Län konnte sich aus den gefühlsmäßigen Erinne rungen eine bildhafte Vorstellung formen, die das wirkliche vergangene Geschehen mehr oder weniger eigenmächtig interpre tiert rekonstruierte. Nur deshalb war Unnavo-Län fähig, sich an die Existenzen vor seiner Entstehung zu erinnern. Lange Zeit war das Organschiff in seinem Element gewesen, hatte zwischen den Ster nen gekreuzt. Wie lange, ließ sich aus den gefühlsmäßigen Prä-Erinnerungen nicht ent nehmen, aber es mußte sehr lange gewesen sein. Dann war es plötzlich zu einer Katastro phe gekommen. Etwas hatte versagt, als das Organschiff sich innerhalb der aufgewühlten Methan-Wasserstoff-Atmosphäre eines Pla netenriesen befand. Das Schiff war abge stürzt und gestorben. Die abgestorbene organische Masse des Schiffes zersetzte sich in der aggressiven At mosphäre, wurde von ätzenden Regenfällen auseinander geschwemmt und aufgelöst, so daß die Überreste im Boden versickern konnten. Ihre Atome aber blieben größten teils unversehrt, und durch unbekannte Ein wirkungen erhielten sie den Drang aufge prägt, sich wieder zu vereinigen und den ur sprünglichen Zustand wiederherzustellen. Das erwies sich jedoch infolge der Umwelt bedingungen als unmöglich. Statt dessen wurden die Atome der früheren organischen Masse in einen symbiotischen Prozeß ge zwungen, aus dem etwas hervorging, das weder rein tierisch noch rein pflanzlich war. Das waren die Molgs! wurde dem UnnavoLän plötzlich klar. Vom Aussehen her waren
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die Molgs runde, schwammähnliche Gebil de, die nach einiger Zeit an der Absturzstelle des Organschiffs aus dem Boden wuchsen. Und von einer solchen Stelle auf dem Pla netenriesen Cändero-Spell hatte das Wesen namens Leenia jenen Molg geholt, der dann mit einer zweiten Wesenheit verschmolzen war und dadurch allmählich zum UnnavoLän geworden war, einem bewußt denken den Wesen mit einer eigenen Persönlichkeit. Aber in dieser Persönlichkeit war etwas auf unerklärliche Weise geblieben, das nur ein Erbe des Organschiffs sein konnte, das auf Cändero-Spell abgestürzt war: die Sehn sucht nach dem Weltraum, die schon fast ei ne Sucht war. Diese Sehnsucht ließ es dem Unnavo-Län unerträglich erscheinen, noch viel länger auf Depot-Largan zu verweilen – und weil er sich nicht eigenständig fortbewegen konnte, wartete er voller Ungeduld auf die Rückkehr Tindräns …
* Tindrän wartete gemeinsam mit anderen Scuddamoren aus der Besatzung der KA NIER auf den Werftmeister, der vor drei Stunden mit der Untersuchung des Organ schiffs angefangen hatte. Von der Start und Landeplattform für Gleiter, die am Rand des Werftgeländes auf drei stelzenartigen Säulen ruhte, beobachte ten die Scuddamoren das ständige Kommen und Gehen aller denkbaren Typen von Or ganschiffen mit allen nur vorstellbaren Gali onsfiguren. Depot-Largan war eine Basiswelt für Or ganschiffe des Neffen Chirmor Flog. Hier wurden in erster Linie Organschiffe repariert oder umgerüstet und mit Vorräten und Er satz für ausgefallene Besatzungsmitglieder versorgt. So war es kein Wunder, daß es auf diesem Planeten von Angehörigen aller Intelligen zen wimmelte, die in der Raumfahrt des Ma rantroner-Reviers eine Rolle spielten. Selbstverständlich dominierten die Scudda-
moren, denn sie waren die verläßlichsten Raumfahrer und Soldaten des Neffen Chirmor Flog. Nach ihnen kamen Noots, Camaguren, Tamater, Havaren, Helfuten, Hinagger und Walkonen – und Angehörige einiger hundert anderer Völker. »Ich verstehe nicht, warum der Werftmei ster so lange für die Untersuchung braucht!« sagte Tindrän verärgert. Die anderen Scuddamoren warfen ihm verständnislose Blicke zu, und der Kom mandant der KANIER, ein Scuddamore na mens Sirnax, sagte hinter seinem Schatten schild hervor: »Warum bist du so ungeduldig, Tindrän? Es ist doch gleichgültig, ob wir drei oder sechs Stunden warten. Der Werftmeister wird in jedem Fall so lange für die Untersu chung eines Organschiffs brauchen, wie er forderlich, nicht mehr und nicht weniger.« Tindrän erwiderte nichts darauf. Er wun derte sich selbst über seine Ungeduld. Wenige Minuten später wich die Unge duld von selbst, als der Werftmeister, ein kugelrunder Walkone, mit seinem Werks gleiter neben den Scuddamoren der KA NIER landete. »Schlimm, sehr schlimm«, sagte er auf Garva-Guva mit seiner Reibeisenstimme. »Die KANIER befindet sich in einem unge wöhnlich schlechten Zustand.« »Aber wir haben sie immer gut gepflegt«, erwiderte Sirnax. »Ich sagte nicht, daß ihr daran schuld wä ret«, erklärte der Werftmeister. »Dennoch sind die Schäden in der KANIER so schwer, daß das Schiff mindestens sechs Wochen auf Depot-Largan bleiben muß.« »Kann denn nicht sofort mit der Reparatur begonnen werden?« fragte Kommandant Sirnax. »Es wird sofort mit den Reparaturarbeiten begonnen«, erwiderte der Werftmeister. »Und es wird sechs Wochen lang in zwei Schichten täglich am und im Schiff gearbei tet werden müssen, damit ihr es nach sechs Wochen wieder mitnehmen könnt. Ist das verstanden worden?«
Impulse des Verderbens »Ich habe es verstanden«, sagte Sirnax mißmutig. »Es hatte nicht in meiner Absicht gelegen, dich zu beleidigen, Werftmeister. Wir werden uns also ein Quartier suchen und in sechs Wochen wieder hier erschei nen, um die KANIER in Empfang zu neh men.« »So Chirmor Flog es will!« sagte der Walkone, startete seinen Gleiter und ver schwand wieder. »Ihr habt es gehört!« wandte sich Sirnax an seine Untergebenen. »Holt eure persönli che Habe aus den Kabinen und kommt hier her zurück! Ich sorge inzwischen dafür, daß wir abgeholt und in ein Quartier gebracht werden.« Eine seltsame Unrast trieb Tindrän dazu, die anderen Besatzungsmitglieder der KA NIER zu überholen, um als erster ins Schiff zurückzukehren. Als er seine Kabine betrat und das fuß ballgroße Gebilde aus schwammiger gelb grüner Substanz hinter dem Vorhang der Naßzelle liegen sah, wußte er, warum er sich so beeilt hatte. Der Molg hatte es so gewollt. Doch obwohl Tindrän sich nicht damit ab finden wollte, nach dem Willen eines nicht dazu autorisierten Wesens zu handeln, konn te er nichts dagegen ausrichten. In verkrampfter Haltung stand er da und spürte, wie etwas in seinem Bewußtsein wühlte und ihm Informationen entnahm. Zuletzt befahl ihm eine »innere Stimme«, er solle stillstehen. Untätig sah der Scuddamore zu, wie der schwammige Ball sich aufblähte, wieder zu sammenzog und wieder aufblähte – und plötzlich eine Wolke blauen Staubes aus stieß, die ihn, Tindrän, einhüllte. Er merkte, wie der letzte Rest seines Widerstandswil lens unter der Wirkung des Staubes schwand und wie er die Fähigkeit verlor, an Aufleh nung auch nur zu denken. Bringe mich zu einem Treffpunkt für Raumfahrer auf diesem Planeten! hallte ein Befehl des Molgs durch sein Bewußtsein – und da er keinen eigenen Willen mehr be
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saß, wurde der Befehl zu seinem Willen. Dort führst du mich herum, bis ich ein ge eignetes Subjekt gefunden habe, das mich übernimmt und an Bord eines Raumschiffs bringt, dessen Start bald erfolgt! Tindrän ging zu seinem Spind, nahm eine große Tasche heraus, die mit einem breiten Gurt über der Schulter getragen werden konnte und verstaute den Molg darin. Dabei bemerkte er, daß das Wesen nicht mehr völ lig kugelförmig war, sondern oval und daß das auf einen Wachstumsprozeß zurückzu führen war. Zum erstenmal kam ihm der Gedanke, daß das Wesen, das bisher genau wie ein Molg ausgesehen hatte, vielleicht gar kein richtiger Molg war, sondern etwas anderes, Unbekanntes. Da seine Überlegungen aber nicht seinen Willen beeinflußten, der in Wirklichkeit der Wille des Unnavo-Län war, blieben sie ohne Auswirkungen auf sein Handeln. Nachdem er die Tasche mit einiger Mühe verschlossen hatte, packte er einen kleinen Plastikkoffer mit einigen seiner persönlichen Habseligkeiten, dann nahm er Tasche und Koffer und verließ das Schiff. Aber er kehrte nicht zur Start und Lande plattform für Gleiter zurück, sondern stellte sich neben die Zufahrt einer Straße für bo dengebundene Gleiter und wartete darauf, daß jemand anhielt und ihn zu einem Treff punkt für Raumfahrer mitnahm.
* Tindrän mußte lange warten, obwohl stän dig Gleiter an ihm vorbeischwebten. Aber keiner wurde von einem Scuddamoren ge steuert – und die meisten anderen Intelligen zen des Marantroner-Reviers scheuten den Kontakt zu Scuddamoren wegen ihrer Schat tenschilde, deren düstere Ausstrahlung sie fürchteten oder als bedrückend empfanden. Als schließlich doch ein Gleiter neben Tindrän hielt, war es ein Kärnsizer, der ihn steuerte. Man konnte die Kärnsizer durchaus als humanoid von der Gestalt her bezeich
22 nen, denn sie besaßen zwei Beine und zwei Arme, einen Rumpf, einen Hals und einen Kopf. Aber ihre Körper waren von einer der art zundertrockenen hornighaarigen Be schaffenheit, daß im Marantroner-Revier das Gerücht kursierte, Kärnsizer müßten sich von offenem Feuer entfernt halten, da sie schon bei bloßer Annäherung zu lodernden Fackeln würden. Tindrän wußte allerdings, daß das Gerücht nicht der Wahrheit ent sprach. Im Gegenteil, die Körper Substanz der Kärnsizer war unbrennbar – beziehungs weise entflammte sie erst bei viel höheren Temperaturen als die anderer Intelligenzen, denn bei entsprechender Hitze brannte na turgemäß alles. In den Flotten des Neffen Chirmor Flog wurden zirka zweihundert Kärnsizer als Scouts verwendet, denn beim Aufspüren von Fahndungszielen, die sich auf unwegsamen Planeten verkrochen hat ten, waren sie unübertrefflich. Der Kärnsizer raschelte mit seinen kno chentrockenen Gliedmaßen, dann fragte er in seiner Raspelsprache, die durch das Auf einanderreiben der hornigen Mundränder er zeugt wurde: »Kann ich etwas für dich tun, Miststück?« Tindrän war keineswegs beleidigt, son dern fühlte sich geschmeichelt, denn die Be zeichnung »Miststück« war auf Varponder ein hohes Kompliment, da auf dieser Ödwelt im wahren Sinne des Wortes ein Stück Mist mehr wert war als die gleiche Menge Gold. »Ich bitte dich, mich zu einem Treffpunkt für Raumfahrer zu bringen, falls du dich auf Depot-Largan auskennst, doppeltes Mist stück«, antwortete er. »Oh, ja, ich kann dich zum Raumfahrer treff des Alten Kais mitnehmen«, erklärte der Kärnsizer. »Bist du zum ersten Mal auf Depot-Largan ?« Er deutete auf den Platz neben sich. Tindrän schwang sich in den Gleiter, der im nächsten Moment startete und mit wahn witziger Beschleunigung die Zufahrt hinauf raste. »Ja«, beantwortete er die Frage des Kärn sizers, nachdem er wieder Luft bekam. »Ich
H.G. Ewers bin mit der KANIER gekommen. Das Schiff muß sechs Wochen in der Werft bleiben. Ich heiße übrigens Tindrän.« »Und ich bin Chattach Nat vom Chron räch-Clan«, sagte der Kärnsizer. »Es genügt mir aber, wenn du mich Kormy nennst, denn das ist mein Dienstname auf der TREIMD.« »Danke!« sagte Tindrän erleichtert, denn es wäre ihm wirklich sehr schwergefallen, den echten Namen des Kärnsizers genauso auszusprechen, wie sein Träger es getan hat te. Während der weiteren Fahrt führten die beiden unterschiedlichen Wesen eine mehr oder weniger bedeutungslose Konversation. Die zahlreichen Geheimhaltungsvorschriften für Schiffsbesatzungen machten es fast un möglich für Mitglieder verschiedener Besat zungen, sinnvolle Gespräche zu führen. Tindrän staunte über die Größe des Stütz punkt-Areals auf Depot-Largan. Es gab Hunderte riesiger Werfthallen, in denen je weils Hunderte von Organschiffen Platz fan den, ebensoviele Lagerhallen, etwa zwanzig Verwaltungsgebäude, fünf Kliniken und un gefähr drei Dutzend Wohngebiete, von de nen keines dem anderen glich, außer daß sie alle von großen freien Flächen umgeben wa ren. Nach ungefähr anderthalb Stunden rasen der Fahrt stoppte Kormy den Gleiter am Rand einer Ansammlung ineinander ver schachtelter Gebäude, die Tindrän zuerst für ein weiteres Wohngebiet hielt, bis der Kärn sizer ihn eines anderen belehrte. »Das ist der Alte Kai«, erklärte er. »Einst war es eine Anhäufung von Ruinen, wahr scheinlich von einer Stadt, die längst verges sen ist. Die ersten Arbeitskommandos, die nach Depot-Largan geschickt wurden, um mit den Arbeiten am Stützpunkt zu begin nen, richteten sich in den Ruinen ein. Später besserten sie sie aus, und seit einigen Jahren haben sich die Iffzalter hier niedergelassen, alles restauriert und zu Vergnügungsetablis sements gemacht.« »Das sieht phantastisch aus!« rief Tindrän beeindruckt. Er musterte den Alten Kai, der
Impulse des Verderbens zwar nur wenige Hektar Fläche beanspruch te, aber mit ineinander verschachtelten Ge bäuden aller Größenordnungen und Formen soviel umbauten Raum besaß, daß man si cher Tage brauchte, um sie alle zu durch wandern. »Es ist eine Stätte der Ausschweifungen«, raspelte Kormy – und Tindrän mußte sich erst darauf besinnen, daß für einen Kärnsizer schon das schnelle Austrinken eines Bechers Wasser eine sündhafte Ausschweifung dar stellte, um zu wissen, wie Kormy seine Be merkung gemeint hatte. Sie stiegen aus, ließen den Gleiter stehen und gingen auf ein schmales Tor in einer Mauer zu, hinter der eine Gasse zu sehen war. »Nimm dich vor den Gorben in acht, Miststück!« warnte der Kärnsizer. »Eigentlich sollte man sie hier nicht dulden, denn sie sind hinterhältige Mörder. Nie mand, der sich allein durch dunkle Gassen wagt, ist im Alten Kai seines Lebens si cher.« »Ich danke für die Warnung, doppeltes Miststück«, erwiderte Tindrän. »Aber mein Schattenschild wird mich vor allen Anschlä gen schützen.« Der Kärnsizer blieb stehen. Sie befanden sich etwa fünfzehn Meter tief in dem Gäß chen, und links und rechts von ihnen ragten verschachtelt aufeinandergetürmte kleine Bauwerke auf, zwischen denen schmale Rampen und Treppchen verliefen. »Hier trennen sich unsere Wege«, sagte Kormy. »Aber auch ein Schattenschild schützt nicht vor allen Gefahren.« Raschelnd, knisternd und schleifend ent fernte er sich von Tindrän und stieg eine ge wundene Treppe hinauf. In etwa dreißig Me tern Höhe öffnete er eine in Scharnieren hängende Tür, trat durch die Öffnung und zog die Tür hinter sich zu. Tindrän blickte sich kurz um, dann ging er geradeaus weiter, in der Hoffnung, bald eine Ansammlung von Raumfahrern zu fin den und seine Absicht zu verwirklichen – von der er nicht ahnte, daß es gar nicht seine
23 eigene Absicht war …
5. Der Kundschafter steuerte sein Schiff in den Ortungsschutz der blauen Riesensonne, schickte mehrere Sonden an die Grenze des von der Sonnenkorona erzeugten Störfelds und ließ sie die sieben Planeten der blauen Sonne untersuchen. »Hier wimmelt es von Raumschiffen wie von Bienen bei einem Bienenstock«, meinte Anlytha, als sie die übermittelten Ortungsda ten auf den Anzeigeschirmen sah. »Bienen?« fragte Algonkin-Yatta. »Ich habe nie etwas von einem Volk gehört, das sich Bienen nennt.« »Sie nennen sich auch nicht Bienen, son dern werden von den Terranern so genannt«, erklärte seine Gefährtin. »Es handelt sich auch nicht um Intelligenzen, sondern um kleine staatenbildende Insekten, die aus Blü tenstaub und Nektar eine zähflüssige süße Substanz herstellen, die die Menschen Ho nig nennen und sich aufs Brot schmieren.« »Und was erhalten die Bienen dafür?« wollte der Kundschafter wissen. »Zuckerwasser«, antwortete Anlytha. »Damit kommen sie über den Winter, hat mir Fangaloa Eneiki erklärt.« »So!« meinte Algonkin-Yatta. Aber er hörte schon gar nicht mehr zu, sondern kon zentrierte sich auf die nächsten hereinkom menden Ortungsdaten. »Planet Nummer sie ben, der äußerste, ist es, Lytha. Dort steht der Impulssender, mit dem man uns zu täu schen versucht. Übrigens scheint er auch der einzige Planet dieses blauen Riesen zu sein, auf dem gute Lebensbedingungen für hoch organisierte Daseinsformen herrschen.« »Außerdem konzentrieren die Organschif fe sich auf diesen Planeten«, warf Anlytha ein. »Es herrscht ein ununterbrochenes Kommen und Gehen, Yatta. Pro Minute lan den und starten durchschnittlich fünf Schif fe. Das deutet auf einen echten Flottenstütz punkt hin.« »Was willst du damit sagen, daß du ihn
24 einen echten Flottenstützpunkt nennst?« fragte Algonkin-Yatta verwundert. »Ich will damit sagen, daß Nummer sie ben nicht nur ein öder Planet ist, auf dem der Feind eine Falle für uns aufgebaut hat, in die er uns mit imitierten Atlan'schen Hirnwel lenimpulsen zu locken versucht«, erklärte Anlytha. »Nein, es handelt sich um einen stark frequentierten Flottenstützpunkt, des sen Organisation hochkompliziert sein muß – und die deshalb entsprechend anfällig für Störungen ist. Yatta, würdest du, wenn das dein Stützpunkt wäre, einen Feind ausge rechnet dorthin locken?« »Ich verstehe, was du damit sagen willst, Lytha«, erwiderte Algonkin-Yatta. »Nummer sieben wäre wirklich der letzte Planet, den ich mir aussuchen würde, um ei nem Feind eine Falle zu stellen. Die gering ste Störung würde die Organisation zusam menbrechen lassen und ein Chaos herbeifüh ren. Natürlich schließt du daraus, daß es dort keinen Impulssender gibt, der Atlans Hirn wellenimpulse imitiert und abstrahlt, son dern daß sich Atlan persönlich auf dieser Welt befindet.« »Allerdings!« erwiderte Anlytha. »Unsinn!« erklärte der Kundschafter. »Die Tatsache, daß drei Sender Atlans ›Seelenschlag‹ ausstrahlen, beweist mir, daß es sich um den Versuch absichtlicher Irre führung handelt.« »Es gibt nicht drei, sondern nur zwei Im pulsquellen, glaub mir doch endlich«, rief Anlytha erregt. »Die erste Impulsquelle habe ich durch Manipulierung des Hypersensors vorgetäuscht.« Algonkin-Yatta lächelte. »Du meinst es gut, Lytha, aber es nützt dir nichts. Wir werden noch einige Zeit beob achten, um möglichst herauszufinden, wie die Falle funktionieren soll, die für uns auf gebaut wurde. Danach wird mir schon etwas einfallen. Schade, daß wir nicht ein kurzes Stück in die Vergangenheit gehen können, denn dann würden wir wahrscheinlich Au genzeugen des Aufbaus der Falle werden.« »Du vermutest, auch mit dem Zeitaggre-
H.G. Ewers gat des Kundschafterschiffs würden wir nicht in die nahe Vergangenheit kommen, sondern zu tief hinab geschleudert werden?« erkundigte sich Anlytha, um herauszufinden, ob der Kundschafter schon eine bestimmte Vorstellung davon hatte, warum die Zeitkap sel nicht wie gewünscht funktioniert hatte. »Das halte ich für sehr wahrscheinlich«, antwortete der Kundschafter. »Es muß in nerhalb des Sternhaufens, zu dem der blaue Riese gehört, etwas geben, das Zeitaggrega te beeinflußt. Anders läßt sich die Verstär kung der Wirkung der Zeitkapsel nicht er klären.« Anlytha überlegte, ob sie ihm von der Golddrahtrolle berichten sollte. Aber sie ent schied, daß sein Vertrauen in sie ohnehin stark erschüttert war, so daß die Aufdeckung einer weiteren Lüge es ganz zum Einsturz bringen mochte. Folglich verriet sie nichts.
* Als Tindrän lautes Stimmengewirr hörte und feststellte, daß es aus einem breiten Spalt zwischen zwei Torflügeln drang, ent schloß er sich dazu, ihm nachzugehen. Er trat vor das Tor und wartete darauf, daß die aus unbekanntem Material bestehenden Hälften auseinanderglitten. Als das ausblieb, suchte er nach einem Griff, wie er ihn an der Tür gesehen hatte, durch die der Kärnsizer verschwunden war. Auch das blieb erfolg los. Während der Scuddamore noch un schlüssig zögerte, wurden die Torflügel von innen einfach aufgestoßen. Einer schlug ge gen den Schattenschild, prallte zurück und knallte an die Fühler eines Uktabars. Der drei Meter große Insektenabkömmling voll führte vor Schmerz einen Luftsprung. Sein großer Dreiecksmund bewegte sich, aber da sein Translator offenbar nicht eingeschaltet war, vermochte Tindrän die Ultraschall schreie des Uktabars nicht zu hören. Aber er sah die drei großen Facettenaugen haßerfüllt glitzern. Der Scuddamore war nicht gewillt, sich von dem Insektenabkömmling anfallen zu
Impulse des Verderbens lassen. Deshalb zog er seine Strahlwaffe, stieß sie durch den Schattenschild weit ge nug durch, daß der Uktabar die Mündung se hen konnte und ging an ihm vorbei. Er stieß seinerseits die Torflügel auf und sah sich im nächsten Augenblick in einem grottenähnli chen Saal, der von grünlich flackernden, an die Decke geketteten Fluriweibchen in unge wisses Dämmerlicht gehüllt wurde. An zahl reichen Tischen saßen Vertreter von minde stens zwanzig verschiedenen Völkern. Lang sam ging Tindrän zwischen den Tischen hin durch. Der Geruch von Euphornebel, exoti schen Ausdünstungen und dem Dunst von zahlreichen alkoholischen Getränken ver wirrte seine Sinne. Er mußte sich dazu zwin gen, nicht einfach kehrtzumachen, sondern weiterzugehen, bis er vor einer Art Theke stand, die er zuerst für eine Bartheke hielt. Er erkannte seinen Irrtum jedoch sofort, als er die Sensonetze sah, die hauchdünn, schwarz und rätselhaft schimmernd in fla chen Vertiefungen der Thekenplatte lagen. Tindrän wußte, daß die Sensonetze an Traummaschinen angeschlossen waren, die sich innerhalb der Theke befanden. Wer im mer einen irgendwie gearteten Traum erle ben wollte, brauchte sich ein solches Netz nur über den Kopf zu ziehen. Er würde den gewünschten Traum geliefert bekommen und mit der Übernahme eines zweiten Trau mes bezahlen, der ihn durch grauenhafte Schrecken führte – wobei die in ihm erzeug ten Emotionen gespeichert wurden, um in anderen Träumen verwendet zu werden. Es war ein System, das sich scheinbar nicht amortisierte, aber wie viele Scuddamo ren kannte auch Tindrän den eigentlichen Zweck dieser Traumzapfstellen. Sie dienten der Sammlung von Daten über die unterbe wußten Reaktionen der verschiedensten In telligenzen – und diese Daten wiederum dienten der Vorbereitung des »Allumfassenden Traumes«, mit dessen Hil fe Chirmor Flog hoffte, eines Tages alle be wohnten Welten im MarantronerRevier als zentraler Meisterträumer lenken und steuern zu können.
25 »Warum träumst du noch nicht?« sagte ei ne seelenlose Translatorstimme hinter ihm. Er fuhr herum und erkannte den Insek tenabkömmling, dem der Torflügel gegen die Fühler geprallt war. Diesmal hatte das Wesen seinen Translator aktiviert, der den Ultraschall in für Scuddamoren und andere Intelligenzen hörbaren Schall umwandelte. »Was geht es dich an, Uktabar!« gab er zurück. »Falls du Streit suchst, können wir eine Duellarena aufsuchen, wenn es im Alten Kai welche gibt.« »Du hast mich verletzt, SichVerbergender.« »Es war weder meine Absicht noch meine Schuld«, erklärte Tindrän friedfertig, denn er hatte ein wichtiges Ziel vor sich. »Du hät test nicht so vehement durch die Tür rennen dürfen, wenn du so empfindlich bist.« »Vielleicht hast du recht, Scuddamore«, gab der Uktabar einlenkend zu. »Nehmen wir zur Versöhnung einen gemeinsamen Traum?« »Ich habe keine Zeit, Uktabar«, erwiderte Tindrän. »Ich suche einen Raumfahrer, des sen Schiff in Kürze startet. Ein Traum würde mich zu lange aufhalten.« Er wunderte sich, als der Uktabar sich daraufhin brüsk umwandte und den Saal ver ließ. Wahrscheinlich hatte er ihn mit seiner Ablehnung gekränkt, doch er hatte nicht an ders handeln können, ohne seine Pflicht zu verletzen. Langsam drehte er sich um und musterte die Versammlung sonderbarer Gestalten. »Kaufe mich!« flüsterte es über ihm. Er blickte nach oben und sah direkt über sich eines der viertelmeterlangen geflügelten Fluriweibchen, aus dessen Unterleib das grünliche flackernde Leuchten kam. »Du kannst sprechen?« fragte er verblüfft, denn er hatte die Fluris bisher für Tiere ge halten, die auf einem ihm unbekannten Pla neten eingefangen und in Etablissements wie diesem zur Beleuchtung verwendet wur den. »Wir Fluriweibchen sind intelligent«, flü sterte es. »Wenn du mich kaufst und da
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durch aus meiner grauenhaften Lage erlöst, tauchen. Er ahnte, daß der Insektenabkömm kann ich dir auf vielfältige Weise dienen. ling etwas gesehen hatte, was er nicht hätte Zum Beispiel vermag ich verborgene Schät sehen dürfen, weil er auf Rache sann und ze aufzuspüren. Oder ich kann wirksame schon bald die schlimmsten Verleumdungen Verwünschungen aussprechen, wenn die über ihn verbreiten würde. Deshalb ließ er Welt, auf der ich mich gerade befinde, von Tasche und Koffer fallen und eilte dem Uk einem Tachyonensturm getroffen wird.« tabar nach. »Ich brauche keinen Schatzsucher und Doch als er die andere Seite des Turmes keine Verwünscherin«, entgegnete Tindrän erreichte, sah er den Uktabar etwa zwanzig schroff. »Laß mich in Ruhe!« Meter tiefer von einer Stahlleiter, an der er Als das Fluriweibchen daraufhin leise vor wohl hinabgeglitten war, durch eine Öff nung in einem Gebäude springen. sich hin weinte, verließ er fluchtartig den Grottensaal. Und in seinem Bewußtsein brannte plötz Draußen stieg er die nächste Treppe hin lich die Warnung, daß sein Gepäck sich in Gefahr befand, von mehreren Gorben ge auf, bis er sich in einer Höhe von ungefähr dreihundert Metern befand. Rings um ihn raubt zu werden … ragten dünne Türme mit zahllosen unter schiedlichen Öffnungen auf, in denen sich * der Wind fing und eine klagende Melodie Die drei Gorben, die sich über Tindräns erzeugte. Gepäck gebeugt hatten, richteten sich auf, Öffne die Tasche! als sie die Schritte des heranstürmenden Ohne sich darüber zu wundern, warum er Scuddamoren hörten. plötzlich die Absicht hatte, seine Tasche zu Aber sie trafen keine Anstalten zu fliehen, öffnen, befolgte er den Befehl, den er nicht sondern verharrten in leicht vorgebeugter als fremde Beeinflussung erkannte. Haltung, die raubvogelartigen Köpfe mit den Kaum hatte er den Magnetsaum der Ta riesigen Krummschnäbeln vorgestreckt, je sche aufgerissen, als sich der schwammige weils in den linken Krallenhänden Licht gelb grüne Körper des Molg herausdrängte. strahlmesser mit den dünnen vergifteten Das heißt, er drängte sich zu etwa einem Klingen und in den rechten Krallenhänden Drittel seiner gesamten Körpergröße heraus. jeweils zirka sechs kirschgroße Flurimänn Tindrän war auch diesmal nicht fähig, chenblasen, prall gefüllt mit Panikstaub. sich über das Wachstum des Molgs zu wun Gorben waren berüchtigt dafür, daß sie so dern. Er stellte lediglich fest, daß er sich um wohl mit den Lichtstrahlmessern als auch mindestens dreißig Prozent vergrößert hatte mit den Panikstaubblasen blitzschnell und und seine Oberfläche die Andeutung der zielsicher umgehen konnten. Körperform eines Humanoiden zeigte. Das Selbstverständlich war es ihnen nur er war alles. laubt, ihre Waffen und Fähigkeiten im Es wird Zeit, daß ich an einen Raumfah Kampf gegen die Feinde des Neffen Chirm rer weitergegeben werde, dessen Schiff or Flog einzusetzen. Aber hier im Alten Kai schon bald startet! dachte es in seinem Be waren sie anscheinend noch nicht bei der il wußtsein. Auch äußerlich habe ich bald legalen Verwendung ertappt worden, es sei nichts mehr mit einem Molg gemeinsam. denn von ihren Opfern, die jedoch keine An Das wird Argwohn erregen, wenn zu viele zeige mehr erstatten konnten. Intelligenzen mich sehen. Tindrän wußte, daß die Messer ihm nicht Plötzlich hatte Tindrän das Gefühl, von gefährlich wurden. Gegen sie schützte ihn hinten beobachtet zu werden – und als er sein Schattenschild. Aber der Panikstaub herumfuhr, sah er die riesige Gestalt eines würde durch den Schild dringen und ihn Uktabars blitzschnell hinter einen der Türme
Impulse des Verderbens wahrscheinlich schnell wehrlos machen. Er entschloß sich, zu verhandeln, denn ei ne Flucht war für ihn undenkbar. Indem er sich an die Wand eines zwi schen den Türmen aufragenden Gebäudes lehnte, schützte er sich vor Angriffen von hinten. Danach schob er die Mündung seiner Strahlwaffe wieder durch den Schatten schild. »Zwei von euch werden mindestens ster ben, wenn ihr es wagt, mich anzugreifen!« drohte er. »Oder auch, wenn ich euch an greife!« »Das riskierst du nicht, Scuddamore!« entgegnete einer der Gorben. »Du würdest ganz bestimmt dabei sterben, denn wir sind schneller als du.« »Ich bin bereit, es auf einen Versuch an kommen zu lassen«, erklärte Tindrän, ob wohl er wußte, daß die Worte des Gorben keine leere Drohung gewesen war. Aber et was, das er für seinen eigenen Willen hielt, zwang ihn dazu, sein Hab und Gut notfalls unter Einsatz seines Lebens zu verteidigen. »Du bist ein Narr!« rief der Gorbe. »Laß uns dein Gepäck, und du bleibst am Leben! Das ist ein fairer Vorschlag, Scuddamore.« Die Aufmerksamkeit aller drei Gorben konzentrierte sich voll auf den widerspensti gen Scuddamoren, der es anscheinend auf einen Kampf ankommen lassen wollte. Nur deshalb achteten sie nicht weiter auf die rät selhafte Masse, die aus der Tasche ihres Op fers ragte. Das war ihr Verderben, denn darauf hatte der Unnavo-Län nur gewartet. Vorher durfte er nichts unternehmen, da die schnell reagie renden Gorben ihm beim geringsten Anzei chen von Widerstand auf jeden Fall zuvor gekommen wären. So jedoch pumpte er in der Art eines Bla sebalgs eine mächtige Wolke blauen Staubes aus seinem Körper. Die Wolke hüllte die drei Gorben sofort ein und machte sie wil lenlos. Tindrän sah nur, daß sie die Krallenhände mit den Waffen sinken ließen – und er rea gierte, wie jeder andere Scuddamore gegen
27 über Brechern der Gesetze Chirmor Flogs auch reagiert hätte. Er tötete die Gorben mit drei Schüssen aus seiner Strahlwaffe. Dann aber reagierte er unlogisch – jedenfalls aus der Sicht eines Scuddamoren. Er hörte von weiter unten Stimmen, die sich offenbar nä herten, packte die Tasche und eilte über eine der nächsten Treppen davon. Den Koffer ließ er liegen.
6. Tindrän verließ die Leiter an einem run den Platz, der rund hundert Meter unter den höchsten Schachtelbauten des Alten Kais lag und von dem siebzehn schmale Gassen aus in das Gewirr weiterer Bauten führten. In dem Augenblick, in dem er den Plattenbelag des Platzes betrat, drängten sich zahllose Raumfahrer aus den Gassenmündungen und formierten sich zu einem Kreis, in dessen Mittelpunkt der Scuddamore stand. Tindrän erblickte für den Bruchteil einer Sekunde die riesige Gestalt des Uktabars, dann duckte sich der Insektenabkömmling, so daß er für den Scuddamoren nicht mehr zu sehen war. Tindrän zweifelte nicht daran, daß der rachsüchtige Uktabar die anderen Raumfah rer gegen ihn aufgewiegelt hatte. Er bedau erte, daß er den Molg nicht hinter seinem Schattenschild verborgen hatte, denn so konnten alle Raumfahrer ihn aus der Tasche ragen sehen – und, was das Schlimmste war, er sah einem Molg kaum noch ähnlich. »Was wollt ihr von mir?« rief er, als die Raumfahrer näher rückten. Verstohlen schaute er nach einer schwachen Stelle im Ring aus, aber er fand keine. »Was hast du da?« rief ein Tamater und deutete auf den Molg. »Das ist ein Molg«, antwortete der Scud damore. Allgemeines Gelächter brandete auf. Als es verstummte, rief ein pferdegesich tiger Hinagger: »Wenn das ein Molg ist, dann bin ich ein Floriweibchen. Seht euch doch das Ding an!
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Sieht so ein Molg aus?« daran, daß sie nach ihrem eigenen Willen »Ich sage, es ist ein Spion des Neffen Du handelten. uhl Larx aus dem Rghul-Revier!« kreischte Sekunden später hatten die Beeinflußten die Stimme eines Uktabars aus dem Hinter sich umgedreht und gingen mit Fäusten, grund. Tentakeln, Hörnern, Klauen, Krallen und »Das ist gelogen!« schrie Tindrän. »Der Schlagwaffen gegen die anderen Raumfah rer vor. Da diese völlig überrascht wurden Uktabar will sich nur an mir rächen, weil ich nicht mit ihm zusammen träumen wollte!« und auch nicht nach einem einheitlichen Willen handelten, waren sie trotz zahlenmä »Aber es ist zweifellos kein Molg«, er ßiger Überlegenheit von vornherein im klärte ein Havare. »Wenn du uns nicht sagen willst, was es wirklich ist, sollten wir es auf Nachteil. Sie wichen entweder aus oder wur den niedergeschlagen und überrannt. Tin schneiden und untersuchen, Scuddamore.« Zustimmende Rufe wurden laut. drän hielt die Tasche fest, damit sie ihm nicht im Getümmel entrissen wurde. Er war »Schneidet den Scuddamoren gleich mit allerdings ständig von seinen neuen Bundes auf!« kreischte der Uktabar. »Er ist ein falscher Scuddamore, der seinen Schatten genossen umgeben, so daß er keinen Angriff auf sich selbst befürchten mußte. Während schild zu Unrecht trägt!« er mit der Schutztruppe des Unnavo-Län den Tindrän nahm sich vor, den Uktabar für diese ungeheuerliche Beleidigung zu töten. letzten, lockeren Wall von Raumfahrern Aber vorerst würde er nicht dazu kommen, durchbrach und auf die Einmündung einer sondern Mühe haben, selbst am Leben zu Gasse zustürmte, blickte er sich nach dem bleiben. Uktabar um. Doch das Insektenwesen hatte Vielleicht sollte ich mir eine Gasse schie wohl begriffen, daß das Blatt sich zugunsten ßen! seines Feindes gewendet hatte, und war ver Dann tötet man uns beide! Laß sie ganz schwunden. Die ungefähr sechzig Raumfah nahe herankommen! rer zählende Schutztruppe stürmte weiter Tindrän gehorchte der »inneren Stimme«. durch die Gasse, über Treppen und Leitern Als die vordersten Raumfahrer nur noch und Rampen. Dannerreichte sie eine Ebene anderthalb Meter von Tindrän entfernt wa vom Alten Kai, auf der sich starke Säulen ren, pumpte der Molg in rascher Folge meh auf den flachen Dächern der unter ihr be rere Wolken blauen Staubes aus seinem findlichen Häuser erhoben und die Boden Körper. Es war mehr, als er jemals kurz hin platten der nächsthöheren und weiter oben tereinander versprüht hatte, denn mit wach liegenden Häuser stützten. sendem Körpervolumen hatte auch die Pro Dadurch war ein zwar freies, aber optisch duktion des willenslähmenden Staubes zuge wegen der zahlreichen Säulen nicht über nommen. schaubares Terrain entstanden, das außer Ungefähr ein Drittel der Raumfahrer auf dem kein einheitliches Niveau besaß. dem Platz befanden sich im Wirkungsbe Und in diesem Gelände drängten sich reich des Staubes. Viele von ihnen hätten mindestens dreihundert Raumfahrer an meh sich dem Staub zwar noch entziehen kön reren Stellen zusammen. Sie waren offenbar mit Hilfe von Kommunikationssystemen nen, aber von hinten drängten zu viele Raumfahrer nach, die noch nicht mitbekom von ihren unterlegenen »Kollegen« alarmiert men hatten, was eigentlich geschehen war. worden und hatten sich hier versammelt, um Der telepathische Befehl, den Unnavodem Spion des feindlichen Neffen und den Län um jeden Preis zu schützen und in Si ihn beschützenden Verrätern eine Niederla cherheit zu bringen, wurde von allen Beein ge beizubringen. flußten verstanden und ohne Zögern befolgt, In kurzer Zeit entbrannte ein erbitterter denn sie zweifelten keinen Augenblick lang Kampf, der diesmal nicht nur mit Gliedma
Impulse des Verderbens ßen und Schlagwaffen geführt wurde, son dern auch mit Lähmstrahlern – und hier und da auch mit tödlichen Energiewaffen. Das Ende der kleinen Schutztruppe und des Unnavo-Län schien gekommen …
* »Wenigstens sprechen sie Garva-Guva, so daß wir uns nicht noch auf eine weitere neue Sprache umstellen müssen«, meinte Algon kin-Yatta, nachdem er zahlreiche Funksprü che abgehört hatte, die zwischen Organ schiffen im Raum und dem Tower des Stütz punkts auf Depot-Largan ausgetauscht wur den. Den Namen des siebten Planeten der blau en Riesensonne kannten der Kundschafter und seine Gefährtin ebenfalls aus den Funk sprüchen – und mit dem Garva-Guva waren sie vertraut, weil sie seit dem Aufbruch von Pthor und der weiteren Suche nach Atlan mehrere »Abhöraktionen« durchgeführt hat ten, um mehr über die Verhältnisse und Machtkonstellationen innerhalb der Schwar zen Galaxis zu erfahren. Inzwischen hing das Kundschafterschiff an der Depot-Largan abgewandten Seite ei ner großen, uralten und offensichtlich seit vielen hundert Jahren nicht mehr benutzten Raumstation, die in rund vierzigtausend Ki lometern von der Planetenoberfläche im so genannten stabilen Orbit aufgehängt worden war. Verwundert verfolgte Algonkin-Yatta das Funkgespräch zwischen dem Kommandan ten eines Organschiffs und einem Leitcom puter des Towers auf Depot-Largan . Aus dem Dialog ging hervor, daß nicht nur dem einen Organschiff, sondern praktisch allen, die um Depot-Largan kreisten, die Landege nehmigung verweigert wurde. »Der Computer spricht von Überlastung der Raumhäfen«, meinte der Kundschafter. »Die Ortung zeigt aber seit dreieinhalb Mi nuten weder einen Start noch eine Landung dort unten an – und auch keine leerlaufen den Raumschiffstriebwerke. Es scheint, als
29 hätte der Computer gelogen.« »Computer lügen nicht, Kundschafter«, warf die Psiotronik des Kundschafterschiffs ein. »Wie nennst du es dann, wenn ein Com puter bewußt die Unwahrheit sagt?« fragte Algonkin-Yatta. »Vielleicht stellt er nur eine Schutzbe hauptung auf«, sagte Anlytha. »Das wäre möglich«, erwiderte der Kund schafter nachdenklich. »Beispielsweise dann, wenn man auf Depot-Largan schon weiß, daß wir in der Nähe sind und mög lichst keine eigenen Schiffe gefährden will, wenn wir landen und man die Falle zu schnappen läßt. In dem Fall wäre eine be wußt falsche Aussage keine Lüge, sondern soll die Pläne der Feinde nur davor schützen, von uns durchschaut zu werden, denn man rechnet natürlich damit, daß wir alle Funk sprüche abhören.« »So meinte ich es aber nicht«, wider sprach Anlytha und gab ein erregtes Krei schen von sich. »Ich dachte an eine Rebelli on, die in der Basis auf Depot-Largan ausge brochen sein könnte. Die Aktionen zur Nie derschlagung der Rebellion würden sicher landende und startende Raumschiffe gefähr den. Es wäre also logisch, wenn man des halb keine Landegenehmigung mehr erteilt – und es wäre auch logisch, wenn das Personal des Stützpunktsdie eigenen Schwierigkeiten verschleiern möchte, denn der Neffe des Dunklen Oheims, der in diesem Revier herrscht, würde ihnen die Vorgänge be stimmt als Versagen ankreiden. Und wir wissen inzwischen, wie brutal dieser Bur sche das Versagen eigener Leute bestraft.« »Du redest wie ein Wasserfall, Lytha«, gab Algonkin-Yatta zurück. »Aber deine Hypothese klingt viel zu weit hergeholt, als daß ich sie akzeptieren könnte.« »Es ist keine Hypothese, weil ich weiß, daß die Hirnwellenimpulse nicht als Falle für uns gedacht sind!« begehrte Anlytha auf. »Weißt du was, du verstockter Weltraum schnüffler?« »Nein, Schatz«, erklärte Algonkin-Yatta
30 ironisch lächelnd. »Wir wetten!« erklärte Anlytha. »Ich sa ge, die Hirnwellenimpulse sind keine Falle – und du behauptest, sie wären doch eine. Wer recht behält, hat die Wette gewonnen. Ein verstanden?« »Hm!« machte der Kundschafter. »Grundsätzlich schon, schöne Vogelkönigin. Aber um was wetten wir?« Anlytha dachte nach, dann zwitscherte sie belustigt. »Wir machen es einmal ganz anders. Wer gewinnt, hat einen Wunsch frei – und der Verlierer muß ihm den Wunsch erfüllen.« »Nenne mir deinen Wunsch!« sagte der Kundschafter skeptisch. »Ha!« machte Anlytha. »Das könnte dir so passen. Nein, jeder soll seinen Wunsch auf einen Streifen Schreibfolie schreiben und in einer verschlossenen und versiegelten Nachrichtenkapsel dem anderen übergeben. Beide Kapseln werden geöffnet, sobald der Sieger feststeht.« »Das wiederum könnte dir so passen, Ly tha«, meinte Algonkin-Yatta spöttisch. »Vielleicht verlangst du von mir, ich sollte das Ende des Universums mit Leuchtfarbe streichen – oder etwas ähnlich Verrücktes.« Er lächelte verschmitzt. »Aber ich könnte beispielsweise von dir verlangen, daß du alle deine Schätze in den Konverter wirfst, damit sie zu Antriebsmaterie umgeformt werden.« »Du Unhold!« kreischte Anlytha mit ge sträubtem Federschopf. »Lieber würde ich in den Konverter springen!« »Dann erbte ich deine Schätze. Wie gefie le dir das?« Anlytha stampfte mit den zierlichen Fü ßen auf, bis sie genug »Dampf« abgelassen hatte, dann sagte sie: »Jeder Wunsch muß so sein, daß der Ver lierer ihn erfüllen kann, ohne seine Würde und das, was ihm am wichtigsten erscheint, zu verlieren.« »Ich denke, das geht in Ordnung so«, meinte Algonkin-Yatta. Sie nahmen jedes einen Streifen Schreib folie, legten mit den Laserschreibstiften ihre
H.G. Ewers Wünsche nieder, schoben die zusammenge rollten Streifen in fingerlange Nachrichten kapseln, verschlossen sie durch Drehen der Thermoverschlüsse und stellten die Öff nungsautomatik auf ihre Zellschwingungs muster ein. Danach überreichten sie sich ge genseitig die Kapseln – nicht ohne feierliche Gesichter. Anschließend wandte sich der Kundschaf ter wieder den Funkgeräten zu, um diesmal die Impulstasterantennen genau auf den Stützpunkt von Depot-Largan zu richten. Nur Sekunden später ertönte ein Gewirr zahlreicher unterschiedlicher Stimmen aus den mit den Abhörgeräten gekoppelten Translatoren. Algonkin-Yatta grenzte mit Hilfe von Kopfhörern die Gespräche ein, so daß er immer nur zwei Gesprächspartner hörte. »Komisch«, sagte er nach einer Weile zu Anlytha. »Die Sprüche hören sich an, als wäre auf dem Stützpunktgelände Auseinan dersetzungen zwischen bestimmten Gruppen von Raumsoldaten im Gange. Die eine Seite der feindlichen Parteien beschuldigt die an dere, einen feindlichen Spion zu beschützen, während die andere Seite offenbar der Über zeugung ist, gegen Verbrecher zu kämpfen.« »Das ist Atlan!« schrie Anlytha. »Begreifst du nicht, Yatta, daß mit dem ›feindlichen Spion‹ nur Atlan gemeint sein kann!« »Es wäre möglich«, erwiderte der Kund schafter zögernd. »Es wäre aber auch mög lich, daß die ganze Geschichte inszeniert wurde, um uns herabzulocken.« Er holte tief Luft. »Dennoch werden wir auf Depot-Lar gan landen – und falls Atlan wirklich dort unten verfolgt werden sollte, werden seine Häscher etwas erleben!«
* Tindrän warf sich über die Tasche mit dem Molg. Links und rechts neben ihm bra chen zwei Hinagger tot zusammen. Die glei ßenden Lichtspeere von Laserstrahlen zuck ten kreuz und quer durch die Ebene der Säu
Impulse des Verderbens len, entluden sich krachend und brachten die Luft zum Knistern. Von überall her ertönten Schreie. Der Scuddamore hob seine Strahlwaffe und feuerte auf eine Gruppe feindlicher Raumfahrer, die sich mit kurzen, schnellen Sprüngen an ihn heranarbeiteten. Er erzielte zwei Treffer, dann wurde er durch massier tes feindliches Feuer gezwungen, sich hinter eine geborstene, nachglühende Säule zu rückzuziehen. Doch von der anderen Seite drangen die feindlichen Raumfahrer eben falls weiter vor. Die eigene Truppe wurde durch Ausfälle immer mehr geschwächt. Wer das Besatzungsmitglied eines Schiffes angreift, begeht damit eine kriegerische Handlung gegen das gesamte Schiff! ver nahm Tindrän wieder die »innere Stimme«. Angegriffene, ruft die Besatzungen eurer Schiffe zu Hilfe! Tindrän schaltete sein tragbares Funkgerät ein, stellte die Verbindungsfrequenz zwi schen den Scuddamoren der KANIER ein und sagte: »An alle Scuddamoren der KANIER! Hier ruft Tindrän. Rebellierende Raumfahrer anderer Schiffe, die uns Scuddamoren has sen, haben mich in der Säulenebene des Alten Kais umzingelt und wollen mich töten. Ich verteidige mich verzweifelt, aber wenn ihr mir nicht helft, bin ich verloren, und die Ehre der KANIER-Besatzung wird auf ewig verloren sein!« Während er auf eine Antwort wartete, sah er, daß die mit ihm verbündeten Raumfahrer ebenfalls in ihre Funkgeräte sprachen, dann meldete sich Sirnax, der Kommandant der KANIER. »Tindrän, hier spricht Sirnax. Ich sammle unsere Leute und führe sie sofort zum Alten Kai. Halte aus! Wir werden die Ehre der KANIER-Besatzung retten!« Tindrän wußte, daß das keine leeren Wor te waren, aber er sah auch, wie sich die An greifer erneut zu einem Angriff sammelten – und er wußte, daß die KANIER-Besatzung nicht rechtzeitig eintreffen würde, denn sie konnte ja nicht ihr Schiff nehmen, sondern
31 mußte sich erst Gleiter beschaffen. Er und seine Verbündeten zogen sich in ein Gebiet der Ebene der Säulen zurück, in dem drei quadratische Vertiefungen von zwei bis fünf Metern Tiefe einen gewissen Schutz boten. Doch keiner von ihnen schien noch an eine Rettung zu glauben. Dann eröffneten die Angreifer erneut das Feuer. Sie zerschossen systematisch die Säu len im Gebiet der letzten Stellung der Ver teidiger. Zwar stürzten dadurch die Boden platten der darüber »hängenden« Gebäude nicht ein, sondern knisterten und knackten nur bedrohlich, aber die bei jedem Treffer aus den Säulen gelösten glühenden Splitter hagelten so dicht auf die Verteidiger herun ter, daß schon in den ersten Minuten viele von ihnen getroffen wurden. Plötzlich erscholl ein schrilles Heulen, das mehr und mehr anschwoll und bald zum ohrenbetäubenden Tosen und Grollen wurde. Dann krachten und knatterten unaufhörlich Serien von Energieentladungen. Die Angreifer stellten verwirrt ihren Be schuß ein. Kurz darauf brachen an drei Stel len hinter ihnen drei Gruppen schwerbe waffneter Raumfahrer in die Ebene der Säu len ein: Hinagger, Tamater und Ikturen. Sie wüteten fürchterlich unter den Angreifern, die viel schwächer bewaffnet waren, und be siegten sieinnerhalb von sechs Minuten. Liegenbleiben! Tindrän, von einem glühenden Splitter leicht verletzt, gehorchte der »inneren Stim me« nur zu gern. Er rollte nur so weit zur Seite, daß er nicht mehr auf der Tasche mit dem Molg lag, der weiter gewachsen war und nunmehr ganz deutlich die Ansätze zu humanoiden Körperformen aufwies. Die Be freier stürmten dorthin, wo sich die letzten Verteidiger befanden. Aus ihren Zurufen hörte Tindrän heraus, daß sie drei komplette Schiffsmannschaften waren, die auf die Hil ferufe von Besatzungsmitgliedern gleich mit ihren startklaren Schiffen zum Alten Kai ge kommen waren. Er hörte aber auch ihre Verwunderung darüber heraus, daß es zu so einem erbitter
32 ten Kampfe hatte kommen können. Aller dings hielt diese Verwunderung nur solange an, bis sie dichtgedrängt um Tindrän stan den, um das »seltsame Ding«, das der Scud damore in seiner Tasche trug, zu sehen. Eine Wolke blauen Staubes hüllte sie ein, eine weitere Wolke folgte und dehnte sich über alle drei Schiffsmannschaften aus. Der Unnavo-Län schien jedoch nicht be griffen zu haben, daß die Befreier nicht von einem Schiff, sondern von drei Schiffen ge kommen waren. Anders war sein telepathischer Befehl nicht zu erklären, der lautete: Bringt mich in euer Schiff und startet in den Raum! Sekunden später rissen sich Hinagger, Tamater und Ikturen um das monströse Ge bilde, denn jede Mannschaft wollte es in ihr Schiff bringen – und sie hätten den UnnavoLän im wahrsten Sinne des Wortes zerbis sen, wenn er nicht im letzten Augenblick be griffen hätte, daß sein Fehler an dem Deba kel schuld war. Bringt mich ins Schiff der Ikturen! Sofort kehrte Einmütigkeit unter den drei Schiffsbesatzungen ein. Hinagger, Tamater und Ikturen trugen beziehungsweise beglei teten den Unnavo-Län, um ihn gemeinsam ins Schiff der Ikturen zu befördern. Doch der Zeitverlust, der durch das an fängliche Gerangel entstanden war, ließ sich nicht aufholen. Die Raumfahrer hatten die Ebene der Säulen noch nicht verlassen, als hintereinander drei mächtige Explosionen den Alten Kai so schwer erschütterten, daß viele Decken und Bodenplatten barsten. Tindrän hastete zwischen herabstürzenden Trümmern und Staubfahnen hinter den an deren Raumfahrern her. Er konnte sich die drei Explosionen nur so erklären, daß die be siegten Angreifer ebenfalls über Funk Ver stärkung herbeigerufen hatten. Offenbar wa ren auch davon einige Besatzungen mit ih ren Raumschiffen gekommen – und ihnen durfte es nicht schwergefallen sein, die drei verlassen vor dem Alten Kai geparkten Or ganschiffe zu vernichten.
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Eine weitere Explosion und danach das schmetternde Krachen vieler in kurzen Ab ständen erfolgenden Entladungen von Strahlkanonenschüssen verrieten dem Scud damoren, daß auch für die Verteidiger wie der Verstärkung eingetroffen war. Der Unnavo-Län begriff das ebenfalls – und er begriff sogar, daß unter diesen Um ständen die Verantwortlichen von DepotLargan Maßnahmen ergreifen würden, um jeden Raumschiffsstart zu verhindern. Sie würden nach Beendigung der Auseinander setzungen die Rädelsführer ermitteln und aburteilen wollen, denn konnten sie das nicht, würden sie von Chirmor Flog abgeur teilt werden. Es wäre also einem Selbstmord gleichge kommen, unter diesen Umständen DepotLargan verlassen zu wollen. Nutzt die Kampfhandlungen dazu aus, mich, den Kleinen Gott, heimlich in ein Ver steck zu bringen, aber beteiligt euch mög lichst nicht an Schießereien! befahl er des halb.
7. »Landegenehmigung verweigert!« sagte der Computer des Towers von Depot-Largan . »Brich den Landeanflug sofort ab und keh re auf eine Kreisbahn mit folgenden Werten zurück …!« »Ich kann nicht länger warten«, gab Al gonkin-Yatta zurück. »Als Kommandant ei nes Spezialschiffs zum Transport schwer Hirnverletzter kann ich es nicht verantwor ten, daß ich die Landung verzögere. Die Verwundetenliegen in Emulsionstanks mit geschlossenen Versorgungskreisläufen, de ren Regeneratoren die Belastung nicht mehr länger als vier Stunden aushalten. Deshalb muß ich die Verwundeten schnellstens in ei ne Spezialklinik einliefern.« »Name des Schiffes und Name des Kom mandanten!« forderte der Computer. »Schiffsname Maua Quita«, log Algon kin-Yatta ungerührt. »Name des Komman danten Pincenez.«
Impulse des Verderbens Er wußte selbst nicht, warum er ausge rechnet auf den Namen des Barden und Freundes Rhodans verfallen war, den er schon zweimal auf Terra getroffen hatte. »Warte, Pincenez!« erwiderte der Compu ter. »Das ist ja ein böses Durcheinander dort«, sagte Algonkin-Yatta zu Anlytha und deute te auf den Bildschirm, der einen Ausschnitt des ausgedehnten Stützpunkts zeigte. So eben explodierten kurz hintereinander zwei Organschiffe. »Das ist furchtbar!« stieß Anlytha hervor. »Aber die Feinde Atlans werden bestimmt nicht ihre eigenen Organschiffe vernichten, nur um eine Falle besser zu tarnen.« Der Kundschafter legte den Zeigefinger an die Lippen, als sein Funkbildschirm flackerte. Gleich darauf tauchte ein mannshoher dunkler Schatten auf dem Bildschirm auf: ein Scuddamore im Schutz seines Schatten schilds. »Wer hat dir erlaubt, mit deinem Schiff zum Landeanflug überzugehen, Pincenez?« fragte er dumpf und mit dem harten Akzent, mit dem alle Scuddamoren das Garva-Guva sprachen. »Die dringende Notwendigkeit dieser Maßnahme«, antwortete Algonkin-Yatta. »Was dringend notwendig ist und was nicht, entscheide ich allein«, erwiderte der Scuddamore. »Ist es von dir als notwendig eingestuft worden, daß Raumfahrer sich auf DepotLargan bekämpfen?« fragte Algonkin-Yatta scharf. »Es handelt sich um ein Mißverständnis, das bald geklärt sein wird«, sagte der Scud damore. »Du hast das Durcheinander also nicht be fohlen«, entgegnete der Kundschafter. »Dennoch ist es vorhanden. Wieso willst du es dann zum Anlaß nehmen, meine Schwer verwundeten sterben zu lassen, indem du mich an der Landung hinderst? Noch dazu, wo es hochgestellte Diener des Neffen Chirmor Flog sind, an deren Rettung er
33 selbst sehr interessiert ist?« Er hatte damit dem Scuddamoren das Stichwort zugespielt, das es ihm ermöglichte nachzugeben, ohne sein Gesicht zu verlie ren. »Das ist etwas völlig anderes«, sagte der Scuddamore denn auch prompt. »Pincenez, ich befehle dir, dein Raumschiff unverzüg lich am Rand des Stützpunktgeländes zu lan den und die Verwundeten zur Spezialklinik zu schaffen!« »Ich gehorche!« erwiderte Algonkin-Yat ta, schaltete ab und grinste Anlytha an. »Wie war ich, Schatz?« »Du bist zum Lügner geboren, Yatta«, sagte seine Gefährtin. »Ich begreife gar nicht, daß du, als wir uns kennenlernten, be hauptet hattest, du wüßtest nicht einmal, was eine Lüge sei.« »Da wußte ich es wirklich noch nicht«, beteuerte der Kundschafter, während er das Schiff stärker abbremste und in Richtung ei nes Randsektors steuerte, in dem keine Kämpfe tobten. »Psiotronik, führe bitte eine Feinpeilung der Quelle von Atlans ›Seelenschlag‹ durch. Das müßte inzwischen möglich sein.« »Ich habe es bereits versucht, Kundschaf ter«, erwiderte die Psiotronik. »Bisher war es noch nicht möglich, denn die Quelle der Impulse bewegt sich relativ schnell und be findet sich außerdem zur Zeit tief unter der Oberfläche des Stützpunkts.« »Es bewegt sich!« rief Anlytha. »Dann ist es tatsächlich Atlan!« »Wir werden es feststellen«, sagte der Kundschafter. »Inzwischen glaube ich auch nicht mehr an eine Falle, denn der Versuch, uns an der Landung zu hindern, paßt nicht dazu. Vielleicht warst du tatsächlich so raffi niert und geschickt, völlig unbemerkt eine Manipulierung des betreffenden Hypersen sors vorzunehmen.« Er landete das Schiff sanft neben einem aus zahlreichen Türmen bestehenden Wohn gebiet, das genau am Rand des Stützpunkt geländes stand. »Ich begreife nur nicht, warum keinem
34 der Verantwortlichen von Depot-Largan auf gefallen ist, daß mein Kundschafterschiff keine Galionsfigur besitzt, wo doch anschei nend alle Raumschiffe des Neffen mit Gali onsfiguren ausgestattet sind.« »Daran wird die allgemeine Verwirrung schuld sein«, meinte Anlytha. »Wer nicht selbst kämpft, beobachtet sicher neugierig die Auseinandersetzungen. In der Beziehung scheinen sich alle Intelligenzen des Univer sums zu gleichen.« Sie deutete auf die Dächer der Wohntür me. Als Algonkin-Yatta ebenfalls hinsah, ent deckte er auf den Dächern zahlreiche Intelli genzen in dunklen Monturen. Doch keines dieser Wesen blickte dorthin, wo das Kund schafterschiff dicht über dem Boden schwebte. Alle hatten sie die Gesichter dem Stützpunktgelände zugewandt, auf dem die Kämpfe hin und her wogten. »Ich denke, heute werde ich den Kungärt einsetzen«, erklärte er nachdenklich. »Was ist das: der Kungärt?« fragte Anly tha verblüfft, denn sie hatte noch nie etwas davon gehört oder gesehen. Aber der Kundschafter antwortete nicht.
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lichen Schulterumhang, den sie nie zuvor gesehen hatte. »Ich dachte nicht, daß wir zu einem Ko stümfest gehen wollten«, sagte sie spöttisch. »Ich auch nicht«, gab Algonkin-Yatta zu rück. »Das, was ich mir umgehängt habe, ist übrigens der Kungärt.« »Ha!« machte Anlytha. »Und wozu dient das bunte Flatterding noch, außer dazu, die Aufmerksamkeit der Feinde auf dich zu zie hen?« »Vielleicht erlebst du es«, erwiderte der Kundschafter rätselhaft und stieg in die Pfadfinderkapsel. Anlytha blieb gar nichts anderes übrig, als ihm zu folgen, wenn sie nicht im Schiff blei ben wollte – und das lag nicht in ihrer Ab sicht. Algonkin-Yatta startete die Pfadfinder kapsel, steuerte sie durch die Schleuse und flog anschließend ins Gebiet des Stützpunkts ein. Über die Schaltung unter seiner Schä deldecke stand er in permanenter Verbin dung mit der Psiotronik des Kundschafter schiffs. Das war in diesem Fall besonders wichtig, denn nur die Psiotronik konnte die Anzeigen des Hypersensors auswerten und die Ergeb nisse an den Kundschafter weitergeben, da * mit er ständig über die Positionsänderungen Algonkin-Yatta hatte seiner Gefährtin ge der Impulsquelle informiert war. sagt, er müßte noch etwas erledigen, bevor Es bereitete ihm keine große Mühe, sich sie das Schiff verließen, und sie würden sich aus den Kampfhandlungen herauszuhalten, im Hangar der Pfadfinderkapsel treffen. denn das Stützpunktgelände war dermaßen Aber als sie dort eintraf, war von Algonkin-Yat groß, daß zwischen den kämpfenden Grup ta noch nichts zu sehen. Ungeduldig wartete pen meist viele Quadratkilometer lagen, in sie. Sie trug einen leichten Raumanzug, der denen es ruhig war. allerdings einen hochwertigeren Schutz Außerdem wurde längst nicht mehr so er schirmprojektor besaß als die schweren bittert gekämpft wie zu dem Zeitpunkt, zu Raumanzüge, war mit je einem Detonator dem das Kundschafterschiff noch von der alund einem Lähmstrahler bewaffnet und hatte ten Raumstation aus erkundet hatte. sich für den Fall aller Fälle noch mit einem »Viele Gruppen scheinen nicht mehr zu großen leeren Plastiksack gerüstet. wissen, wofür sie überhaupt kämpfen sol Als Algonkin-Yatta nach ungefähr einer len«, bemerkte Anlytha dazu. halben Stunde den Hangar betrat, weiteten »Kein Wunder, denn die Impulsquelle ist sich ihre Augen, denn der Kundschafter trug offenbar mit dem ›Spion‹ identisch, um den einen in allen Farben schillernden und sich der Streit entbrannt war – und der scheint in beständiger fließender Bewegung befindsich tief unter der Oberfläche versteckt zu
Impulse des Verderbens haben«, erwiderte der Kundschafter. Er ließ sich von der Psiotronik zu der Stelle des Stützpunktgeländes dirigieren, un ter der der Hypersensor die Impulsquelle or tete. Doch plötzlich meldete die Psiotronik, die Impulsquelle hätte sich abermals in Be wegung gesetzt und bewege sich mit hoher Geschwindigkeit genau in die Richtung, in der das Kundschafterschiff lag. »Es muß ein subplanetarisches Verkehrs mittel benutzen«, sagte Algonkin-Yatta und wendete die Pfadfinderkapsel, um in Rich tung Schiff zu fliegen. Nach einiger Zeit bemerkte er, daß sich mehrere Organschiffe in die gleiche Rich tung bewegten, dazu noch ungefähr fünfhun dert Gleiter. Als die Psiotronik starke Ener gieentladungen unter der Oberfläche des Stützpunkts meldete, konnte sich der Kund schafter denken, was geschehen war. Die Impulsquelle – Atlan oder etwas Unerklärli ches – war von ihren Feinden entdeckt wor den. Sie hatten versucht, sie zu vernichten und waren im subplanetarischen Verkehrsla byrinth auf Beschützer der Impulsquelle ge stoßen. Nunmehr zogen die beiden feindli chen Parteien ihre Streitkräfte über der Stel le zusammen, wo die Kämpfe tobten. Sie würden versuchen, soviel Kämpfer wie möglich hinab zu schicken. Er teilte seine Überlegungen Anlytha mit und sagte: »Ich muß ebenfalls hinunter und Atlan, wenn es Atlan ist, herausholen. Du bleibst zurück, denn es wäre viel zu gefährlich für dich, in diese Hölle zu gehen, in der sich schon bald auf engem Raum Tausende von Raumfahrern mit Energiewaffen gegenseitig bekämpfen werden.« »Ich bleibe nicht zurück!« widersprach Anlytha. »Oder ist es für dich etwa nicht ge fährlich, dort hinabzugehen? Außerdem kann nur ich allein dir helfen, denn ich ver mag die Fremden mit meiner psionischen Fähigkeit zu verwirren.« Der Kundschafter zögerte. Da beobachte te er, daß sich zwei starke feindliche Grup pen direkt bei der Wohnsiedlung, hinter der
35 sein Schiff lag, ein erbittertes Gefecht liefer ten. Dort würde Anlytha niemals lebend durchkommen. Das gab den Ausschlag. Er startete die Pfadfinderkapsel erneut, beschleunigte und forderte die Psiotronik auf, mit den Ortungsgeräten des Schiffes einen Zugang zur Unterwelt von DepotLargan zu finden, der noch nicht umkämpft wurde. Knapp eine Minute später erhielt er die geforderte Auskunft. Allerdings befand sich der Zugang zu dem betreffenden Schacht ausgerechnet innerhalb der riesigen Stahl plastikkuppel, in der der Tower des Stütz punkts untergebracht war – und rings um den Tower waren starke Kampfverbände zu sammengezogen worden, anscheinend Trup pen, die sich aus den Kämpfen heraushiel ten. »Wir müssen trotzdem da hindurch!« er klärte Algonkin-Yatta und forderte die Psio tronik auf, durch weiteres Abhören des Funkverkehrs zu ermitteln, wie der Kom mandant von Depot-Largan hieß. Anschlie ßend nahm er Kurs auf die Kuppel. Er hatte sich dem Tower bis auf zirka drei Kilometer genähert, da berichtete ihm die Psiotronik, daß der Kommandant von De pot-Largan ein Scuddamore mit dem Namen Vargäll sei und daß aus zahlreichen Funk meldungen entnommen werden müsse, daß Vargäll seinen um den Tower versammelten Eliteeinheiten befohlen habe, in die Unter welt von Depot-Largan vorzustoßen und die sich bekämpfenden Schiffsbesatzungen ent weder zu trennen oder sie zu vernichten. »Das wird kritisch«, sagte der Kundschaf ter zu seiner Gefährtin. »Wir müssen das Eingreifen von Vargälls Truppen unbedingt verhindern.«
* Zwei Schwebepanzer stellten sich der Pfadfinderkapsel in den Weg. Hinter ihnen ragte die Tower-Kuppel zirka dreihundert Meter hoch in den Himmel, an dem die blaue Sonne strahlte.
36 »Kurier für Vargäll!« schrie Algonkin-Yat ta – und sein Translator übersetzte es in Garva-Guva. »Von wem?« erwiderte ein Scuddamore, der aus dem offenen Turmluk des einen Schwebepanzers ragte. »Von Kulfär, einem Beauftragten des Neffen Chirmor Flog!« antwortete der Kundschafter. »Kulfär kann nicht persönlich kommen, da er bei einem Angriff der Rebel len auf sein Schiff schwer verwundet wur de.« »Wartet!« gab der Scuddamore zurück und tauchte im Schwebepanzer unter. »Garantiert fragt er bei Vargäll nach, obihm ein Beauftragter namens Kulfär be kannt ist – und du hast den Namen bestimmt frei erfunden.« »Genau«, gab Algonkin-Yatta zurück. »Es wäre schlecht, wenn Vargäll den Namen kennen würde, denn dann könnte er rückfra gen, ob ich wirklich als Kurier zu ihm ge schickt wurde.« »Du spielst aber ein sehr gewagtes Spiel«, meinte Anlytha. Der Scuddamore tauchte wieder aus dem Turmluk auf. »Vargäll kennt keinen Kulfär!« schrie er. »Natürlich nicht!« schrie Algonkin-Yatta noch lauter zurück. »Kulfär wurde als Geheimbeauftragter des Neffen Chirmor Flog nach Depot-Lar gan geschickt. Er sollte Gerüchte nachprü fen, denen zufolge Depot-Largan ein Sam melplatz aufrührerischer Elemente sein. Das hat sich ja auch bestätigt. Chirmor Flog wird alle Verantwortlichen streng bestrafen – und er wird auch denKommandanten bestrafen, wenn er dem Beauftragten Chirmor Flogs den Gehorsam verweigert!« »Wartet!« sagte der Scuddamore zum zweitenmal und verschwand wieder im Turmluk. Diesmal aber tauchte er gleich danach wieder auf. »Ich soll euch zu Vargäll bringen!« rief er, schwang sich ganz aus dem Luk und glitt an der Außenwand des Schwebepanzers zu Boden.
H.G. Ewers Er stieg in die Pfadfinderkapsel und sagte: »Geradeaus!« Während er steuerte, musterte Algonkin-Yat ta den Scuddamoren von der Seite. Wieder einmal fragte er sich, wie diese Wesen aus sehen mochten. Ihre Schattenschilde ver deckten ihre Körper so vollkommen, daß sich die Konturen nicht einmal erahnen lie ßen. Zugleich strahlten die Schattenschilde die gleiche Düsternis aus, die auch von der Schwarzen Galaxis als Gesamtheit ausging, wenn auch stärker. Es war keine sichtbare Düsternis, sondern etwas, das sich auf die Seele legte. Der Scuddamore dirigierte den Kund schafter mit knappen Zurufen durch die Gas sen zwischen den mit Schwebepanzern an getretenen Elitetruppen, wahrscheinlich den ständig auf Depot-Largan stationierten Streitkräften. Sie bestanden nur teilweise aus Scuddamoren, aber die Düsteren schienen bei allen Einheiten die führenden Positionen einzunehmen. Endlich erreichten sie die Towerkuppel. Durch ein Tor steuerte der Kundschafter die Pfadfinderkapsel ins Innere und schließlich in eine große Halle, in der sich der Zugang zu einem zirka fünfzehn Meter durchmes senden Schacht befand, der in die Tiefe des Planeten führte. Dort trat dem Kundschafter und seiner Gefährtin ein weiterer Scuddamore entge gen. Ihr Führer schwang sich aus der Pfad finderkapsel und erstattete dem anderen Scuddamoren Meldung. Aus seinen Worten ging hervor, daß es sich dabei um Vargäll handelte. Algonkin-Yatta stieg ebenfalls aus, trat vor Vargäll und sagte: »Kulfär entbietet dir durch mich Grüße und fordert dich auf, nicht durch ein verfrüh tes Eingreifen deiner Truppen die Verwir rung auf Depot-Largan zu vergrößern.« »Es ist meine Pflicht, auf Depot-Largan Ruhe und Ordnung wiederherzustellen«, er widerte Vargäll. »So, wie die Lage aussieht, läßt sich das nur durch den massiven Einsatz meiner Truppen verwirklichen. Ich stelle au
Impulse des Verderbens ßerdem fest, daß die Aufrührer sich aus schließlich aus den Besatzungen von Organ schiffen rekrutieren, die nicht auf DepotLargan stationiert sind, sondern die Anlagen des Stützpunkts nur vorübergehend benutzen sollen. Kulfär kann mir also die Schuld für die Ereignisse nicht anlasten. Deshalb werde ich nicht stillhalten, sondern nach eigenem Ermessen handeln, um meine Pflicht zu er füllen.« »Ein massiver Truppeneinsatz ist nicht nötig, Vargäll«, erklärte der Kundschafter. »Meine Begleiterin und ich können die Lage allein bereinigen.« Es war des Schattenschilds wegen nicht zu erkennen, ob Vargäll den Kundschafter und Anlytha kritisch musterte, aber daraus, daß er nicht gleich antwortete, ließ sich das schließen. Nach fast einer Minute sagte er: »Das bezweifle ich, Kurier. Außerdem habt ihr euch nicht legitimiert. Woher soll ich wissen, ob ihr wirklich von Kulfär ge schickt wurdet. Hat er euch etwas mitgege ben, was dich als seinen Kurier kennzeich net?« »Seinen Umhang«, antworte Algonkin-Yat ta. Wieder schwieg Vargäll eine Weile, dann entgegnete er: »Wie kann ein Umhang jemanden als Ku rier eines Geheimbeauftragten des Neffen Chirmor Flog kennzeichnen?« »Lege ihn dir um, dann wirst du es erken nen!« forderte der Kundschafter. »Das geht nicht, denn dazu müßte ich meinen Schat tenschild abschalten«, erklärte Vargäll. »Das ist dazu nicht nötig«, erwiderte der Kund schafter. Mit einer ruckartigen Bewegung riß er sich den Kungärt von den Schultern und warf ihn Vargäll zu. Der Scuddamore stieß einen erstickten Schrei aus, als der schillernde Umhang den Schattenschild mühelos durchdrang und hin ter ihm der verschwand. Im nächsten Augenblick war Vargäll ver schwunden – und mit ihm der Kungärt.
37 »Ein Attentat!« schrie der Scuddamore, der den Kundschafter und Anlytha in die Towerkuppel geführt hatte. »Urteile nicht voreilig!« sagte Algonkin-Yat ta. »Vargäll kehrt gleich zurück.« Im nächsten Augenblick war Vargäll wie der da. Der Kungärt schwebte aus dem Schattenschild heraus und legte sich wieder um Algonkin-Yattas Schultern. »Glaubst du mir jetzt, Vargäll?« fragte der Kundschafter, während Anlytha ihn fas sungslos anstarrte. »Das war Magie der Obersten Stufe«, sagte Vargäll – und seine Stimme klang völ lig verändert. »Ich unterstelle mich deinem Befehl.« »Dann halte deine Truppen weiter in Be reitschaft«, sagte der Kundschafter. »Ich werde den Kämpfen in der Tiefe ein Ende setzen. Sobald ich dir ein Zeichen gebe, kannst du deine Truppen zur Entwaffnung der Aufrührer einsetzen.« Er drehte sich um, kehrte in die Pfadfin derkapsel zurück und startete. Langsam schwebte die Kapsel auf den Schacht zu und versank darin. Anlytha rückte ein Stück von Algonkin-Yat ta ab und musterte den Kungärt mißtrauisch. »Was ist das für ein Ding – und was hat es mit Vargäll gemacht?« flüsterte sie. »Ich weiß kaum mehr über den Kungärt als du«, erwiderte Algonkin-Yatta. »Es han delt sich um eine Hinterlassenschaft jener Intelligenzen, die MYOTEX schufen, und MYOTEX gab ihn mir bei unserem letzten Besuch mit – nebst einigen Instruktionen, wie ich ihn handhaben solle. Das ist alles.« »Das ist alles!« wiederholte Anlytha. »Aber warum hast du den Kungärt nicht schon früher benutzt? Wir waren doch schon mehrmals in fast ausweglosen Situationen.« »Sobald der Kungärt aktiviert ist, ver braucht er sich schnell«, antwortete der Kundschafter ernst. »Deshalb hob ich ihn für den Fall auf, daß es mir endlich gelingen sollte, Atlan zu finden und daß ich gezwun gen wäre, ihn aus einer gefährlichen Situati on zu befreien.«
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»Dann glaubst du endlich, daß Atlan auf Depot-Largan ist!« rief Anlytha. »Ich hoffe es, Lytha«, sagte Algonkin-Yat ta. »Aber noch gibt mir die andere Impuls quelle Rätsel auf. Deshalb bin ich mir mei ner Sache nicht völlig sicher. Dennoch habe ich den Kungärt aktiviert, denn falls Atlan wirklich auf Depot-Largan sein sollte und ich nicht alles tun würde, um ihm zu helfen und er käme deshalb um, würde ich es mir nie verzeihen.« Anlytha sagte nichts dazu, denn sie wußte nicht, was sie dem Kundschafter hätte sagen sollen. Sie hoffte nur, daß sie Atlan dieses mal wirklich finden würden.
8. Tindrän war seiner »inneren Stimme« ge folgt, als er sich mit dem Molg aus dem Kampfgebiet fortgeschlichen hatte. Tief unter der Oberfläche von DepotLargan schufen die beiden kämpfenden Par teien in Tunnels, Gängen und Schächten ei ne wahre Hölle, denn die bei den Energie entladungen der Strahlwaffen freiwerdende Hitze konnte sich in keiner offenen Atmo sphäre verteilen. Sie staute sich und brachte Teile der stählernen Tunnelwandungen zum Glühen oder sogar zum Schmelzen. Tindrän hatte sich abgesetzt, als er einen alten, schon lange stillgelegten Klimaschacht entdeckte, der vom Kampfgebiet wegführte. Natürlich konnte der Scuddamore nicht wissen, wohin der Klimaschacht letzten Endes führen wür de, aber er hielt es für besser, ihm zu folgen, als abzuwarten, bis die selbstmörderischen Schießereien sämtliche Tunnel, Gänge und Schächte zum Einsturz bringen würden. Kriechend und die Tasche mit dem Molg hinter sich her ziehend, hatte er eine Strecke von ungefähr zwei Kilometern zurückgelegt, als er plötzlich in ein System von Tunnels, Gängen und Schächten geriet, das offenbar ebenso lange nicht mehr benutzt wurde wie der Klimaschacht. Möglicherweise hatten jene Unbekannten, die den ersten Alten Kai bauten, sich diese
Anlagen geschaffen. Dafür sprach der Quer schnitt der Tunnels, Gänge und Schächte, der erheblich kleiner war als der der benutz ten Anlagen. Die im Marantroner-Revier be nutzten standardisierten Installationen, Gleis und Zugsysteme sowie Gleiter und Trans portbänder paßten hier nicht, weshalb die Planer des Stützpunkts wohl auch auf die Verwendung der alten Anlagen verzichtet und statt dessen neue Verkehrssysteme ein geplant hatten. Für Tindrän bedeutete das, daß er schnel ler vorankam, als er hatte hoffen können. Allerdings fragte er sich, wann und wo er dieses System wieder verlassen könnte, denn hier unten würde er letzten Endes verhun gern müssen. Der Unnavo-Län bemerkte diese selbstän digen Überlegungen seines Sklaven sofort und korrigierte diesen Fehler durch eine neue Dosis willenslähmenden Staubes. Er machte sich keine Sorgen darüber, daß Tin drän und er zu lange in den alten Anlagen umherirren könnten, denn er hatte das siche re Gefühl, daß er in Kürze jemanden treffen würde, der ihn herausholte und mit in den Weltraum nahm. Er wußte, daß er diese besondere Fähig keit einer der beiden Wesenheiten verdank te, die im Unnavo-Län miteinander zu einer neuen Persönlichkeit verschmolzen waren – und mit einem Anflug von Unbehagen drang ihm eine Erinnerung dieser Wesenheit ins Bewußtsein, die besagte, daß sie eigentlich zu einer anderen Wesenheit gehörte. Er ver drängte diese Erinnerung, da sie sonst seine Persönlichkeit gefährdet hätte. Tindrän irrte unterdessen weiter durch Tunnels und Gänge. Seine Lampe erhellte die Umgebung nur ungenügend, und immer wieder stolperte er über Trümmer, die von der rissigen Decke gefallen waren, oder blieb an durchhängenden Kabeln hängen. Allmählich spürte er auch die Strapazen der letzten Stunden. Aber seine Erschöpfung war wie wegge blasen, als er durch ein quadratisches Tor wankte und sich plötzlich am Boden eines
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riesigen Schachtes und vor der offenen Bo gewachsen, denn es paßt nicht mehr in deine Tasche.« denschleuse eines Raumschiffs wiederfand. Es konnte nur ein Raumschiff sein, das »Kormy?« fragte Tindrän. den ersten Erbauern des Alten Kais gehört »Ja, ich bin Kormy. Was ist dieses hatte. Fremdartige, Miststück?« Tindrän versuchte, mit seiner Lampe an Der Unnavo-Län entschied, daß er lange der Außenhülle hinaufzuleuchten, aber der genug gewartet hatte. Er pumpte eine große dünne Lichtstrahl reichte höchstens zehn Wolke seines blauen Staubes in Richtung Meter weit. Das Raumschiff aber mußte viel des Kärnsizers. größer sein, denn allein die Fugen, aus de Kormy bewegte seine Gliedmaßen so, daß nen nach dem Verlassen des Startschachts ihr Gegeneinanderreiben wie Kichern klang. »Das wirkt bei mir nicht, denn ich habe die Stabilisierungsflossen ausgefahren wer den konnten, gingen höher, als der Licht Kannell eingenommen. Ich konnte mir schließlich denken, daß so viele Raumfahrer strahl reichte. Für einen kurzen Moment überlegte Tin sich nicht auf einen mörderischen Kampf einlassen würden, um etwas zu beschützen, drän, ob er mit diesem Schiff starten könnte, denn er würde auf Depot-Largan nie mehr das sie gar nicht kennen, wenn sie nicht be einflußt worden wären. Die Untersuchung seines Lebens sicher sein. Wenn die Raum der Trockensubstanz des Gehirns eines toten fahrer aufhören sollten, um den Molg zu kämpfen, dann würden die Truppen des Hinaggers führte zur Entdeckung und Ana lysierung der willenslähmenden Droge. Da Stützpunktes Jagd auf ihn machen – und letzten Endes würde er als Verursacher der durch war ich in der Lage, ein Gegenmittel einzunehmen.« Kämpfe verurteilt werden. Aber dann bedachte er das wahrscheinli Töte ihn! che Alter dieser Anlagen und damit auch des Tindrän hatte keine Möglichkeit, sich ge Schiffes – sicherlich mehr als zehntausend gen den Befehl seiner »inneren Stimme« zu sträuben. Er zog seine Strahlwaffe, schob Jahre – und ahnte, daß das Schiff wohl kaum noch raumtüchtig sein konnte. Da die Bo die Mündung durch den Schattenschild und denschleuse offenstand, hatten der Luftsau schoß. erstoff und wahrscheinlich auch Mikrobio Aber der Energiestrahl traf nur den brü systeme an einigen Teilen des Schiffes zu chigen Boden des Ganges, in dem der Kärn sizer eben noch gestanden hatte. Korrosionen und Zersetzungen geführt. Ein Startversuch bedeutete deshalb eine fast si Im nächsten Augenblick prallte ein Gift chere Selbstmordmethode. pfeil vom Schattenschild ab und flog gegen »Es hat keinen Sinn, es zu versuchen, die Raumschiffswandung. Er hatte dem Miststück«, sagte eine raspelnde Stimme. Molg gegolten und ihn nur verfehlt, weil der Tindrän zuckte zusammen, fuhr herum Scuddamore einen Sekundenbruchteil vor und sah im schwachen Schein seiner Lampe her einen Schritt zur Seite getan und die Ta die mumienhafte trockene Gestalt eines sche mit dem Molg dabei gedeckt hatte. Kärnsizers wenige Meter vor sich stehen. Bring mich in Sicherheit! Tindrän feuerte wahllos in den Gang, Man hat ihn dazu eingesetzt, mich aufzuspü ren! »Wer hat dich mir nachgeschickt?« dann wirbelte er herum und stürmte durch fragte er. »Niemand«, erklärte der Kärnsizer. die Bodenschleuse ins Innere des Raum »Ich war nur neugierig, denn ich hatte schon schiffs. Dort sah er sich nach einer Schal bei unserer ersten Begegnung gespürt, daß tung um, mit der sich die Schotte der du etwas unheimlich Fremdartiges bei dir Schleuse schließen ließen. Als er nichts der trägst.« Er raschelte mit den knochen gleichen entdeckte, lief er die Rampe hinauf, trockenen Gliedmaßen. »Es ist inzwischen die sich mit ziemlicher Steigung um den
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Achsschacht wand, der früher sicher als An tigravlift gedient hatte. »Ich finde dich überall!« rief die Raspel stimme des Kärnsizers ihm nach. »Und ich werde das Unheimliche töten!«
* Algonkin-Yatta und Anlytha schwebten in der Pfadfinderkapsel bis zum etwa zwei Ki lometer tiefen Grund des Schachtes. Dort gab es eine Verteilerhalle, aus der fünfzehn Tunnels in verschiedene Richtungen führten. Der Kundschafter steuerte in die Richtung, die die Psiotronik seines Schiffs ihm angab. Einige Kilometer lang schwebte die Pfad finderkapsel unbehelligt durch einen schnur gerade verlaufenden Tunnel, doch dann hör ten der Kundschafter und seine Gefährtin weit vor sich die krachenden und donnernden Entladungen von Energiewaffen. Ein Stück weiter sahen sie es vor sich weiß auf glühen. Wir müssen die Stelle umgehen! teilte Al gonkin-Yatta der Schiffspsiotronik mit. Vor uns ist alles zusammengeschmolzen. Du mußt sowieso die Richtung ändern! er widerte die Psiotronik. Die Impulsquelle hat sich nach Westen vom Kampfplatz entfernt. An ihren Bewegungen läßt sich erkennen, daß sie durch ein vielfach verzweigtes Gangsystem irrt. Aber sie befindet sich nicht mehr in der Kampfzone; das ist gut! gab der Kundschaf ter zurück. Er steuerte die Pfadfinderkapsel den Tun nel zurück bis zur Verteilerhalle und ließ sich von der Psiotronik in einen anderen Tunnel einweisen. Zehn Minuten später war die Fahrt zu Ende. Der Tunnel endete in ei ner Station, von der nur ein Antigravschacht nach oben führte. Auf seine Rückfrage teilte die Psiotronik dem Kundschafter mit, daß die Impulsquelle sich weder in seiner Nähe befand noch im Antigravschacht nach oben geschwebt sei. Ihre Position befand sich anderthalb Kilo meter nordwestlich von ihm. Daraufhin flog
der Kundschafter die Wände der Station ab und suchte mit einem Hohlraumresonator nach benachbarten Gängen oder Tunnels, die ein Weiterkommen in nordwestlicher Richtung erlaubten. Er entdeckte schließlich einen teilweise zusammengebrochenen Tun nel mit einem Querschnitt, der erheblich kleiner war als die Querschnitte aller bisher durchflogener Tunnels. Ein Gang konnte es auch nicht sein, denn alle Gänge der subpla netarischen Anlagen von Depot-Largan wa ren genormt und hatten kleinere Querschnit te als der halbverschüttete Tunnel. »Dafür gibt es nur eine Erklärung«, sagte Algonkin-Yatta. »Nordwestlich des zu De pot-Largan gehörenden Verbindungssystems existiert ein anderes, anscheinend nicht be nutztes System, das wahrscheinlich viel frü her als das hier gebaut wurde, in dem wir uns befinden.« »Und Atlan hat sich in dieses System zu rückgezogen«, warf Anlytha ein. »Die Impulsquelle«, korrigierte der Kund schafter, denn er wollte nicht fest daran glauben, Atlan diesmal wirklich zu finden, weil er eine weitere Enttäuschung fürchtete. »Der alte Tunnel führt nur bis auf acht Me ter heran, bevor er scharf nach Nordwesten abknickt. Wir müßten uns zu ihm durch brennen und dann zu Fuß weitergehen. Das gefällt mir nicht, denn zu Fuß kommen wir mit der Impulsquelle nicht zum Schiff zu rück.« »Mit der Impulsquelle!« entrüstete sich Anlytha. »Wie das klingt!« »Wir fliegen noch einmal zur Verteiler halle zurück und nehmen den weiter west lich verlaufenden Tunnel«, erklärte der Kundschafter. »Von dort aus suchen wir weiter und entdecken vielleicht eine Mög lichkeit, mit der Pfadfinderkapsel in die alte Anlage zu kommen.« Gesagt, getan. Er steuerte die Pfadfinderkapsel zurück und dann in den weiter westlich führenden Tunnel hinein. Diesmal setzte er den Hohl raumresonator sofort ein – und schon bald ortete er einen intakten Tunnel, der annä
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hernd parallel in elf Metern Entfernung ver Halfter zurück, startete die Pfadfinderkapsel lief und ebenfalls einen kleineren Quer und beschleunigte mit Höchstwerten. schnitt besaß. Stimmt die Richtung, Psiotronik? »Dort kommen wir mit der Pfadfinder Fast genau, Kundschafter! Beeile dich! Schneller geht es nicht! gab der Kund kapsel durch, Lytha«, erklärte er. Aber du mußt dich beeilen! übermittelte schafter zurück. »Hoffentlich kommen wir nicht zu spät!« ihm die Schiffspsiotronik. Die Ortung hat in der Nähe der Impulsquelle Energieentladun sagte er gepreßt. gen angemessen, allerdings nur wenige. Algonkin-Yatta drehte die Pfadfinderkap * sel mit dem Bug zur Tunnelwand, dann fuhr Tindrän blickte erschrocken auf die spie er den Bugdesintegrator aus, schaltete ihn gelnde Fläche einer Metallwand. Das war auf volle Leistung und aktivierte ihn. doch unmöglich! Das durfte es nicht geben! Der breitgefächerte, schwach leuchtende Aber das grünhäutige fünfbeinige Wesen Energiestrahl traf auf die Wand. Auf einer mit der borkenhaft rissigen Haut und den fa Fläche von drei Metern Durchmesser wur dendünnen Auswüchsen am Oberteil des den die desintegrierten und mit zusätzlicher baumstammförmigen Körpers verschwand kinetischer Energie aufgeheizten Moleküle nicht. Es bewegte sich allerdings auch nicht, als grünlich flimmernde Schwaden davonge bis auf die Auswüchse, die hin und her we wirbelt. delten, als wollten sie ihm winken. Algonkin-Yatta aktivierte die Energiebla Fort hier! befahl seine »innere Stimme«. se der Pfadfinderkapsel, damit er und Anly Das ist kein Geist, sondern eine Fernprojek tha die Gasschwaden nicht einatmen muß tion des Kärnsizers! ten. Tindrän stürmte aus der kabinenartigen Solange der Desintegrator gegen Metall Kammer, in der er die Erscheinung gesehen plastik ankämpfte, löste er pro Sekunde nur hatte und schleifte dabei die Tragetasche mit wenige Millimeter tief das Material auf, aber dem Molg hinter sich her. als er die Wandung durchstoßen hatte und Draußen auf dem staubigen Korridor des auf Felsgestein stieß, erhöhte sich die Lei Raumschiffs blickte er wachsam nach bei stung auf fünf Zentimeter Tiefe pro Sekun den Seiten. Aber von seinem Verfolger war de. nichts zu sehen. Allerdings nahm der Scud In wenigen Minuten brach der Desinte damore inzwischen an, daß der Kärnsizer gratorstrahl durch die Wandverkleidung des sich unsichtbar machen konnte, denn drei anderen Tunnels. Algonkin-Yatta stellte den mal hatte er mit Giftpfeilen auf den Molg Desintegrator ab, steuerte die Pfadfinderkap geschossen, obwohl er nicht zu sehen gewe sel in den anderen Tunnel und musterte ihn sen war. aufmerksam im Schein der Bugscheinwer Als er ein kicherndes Rascheln und Kni fer. An den zahlreichen Rissen und Trüm stern hörte, schoß er mit seiner Strahlwaffe mern war das höhere Alter dieses Tunnels in die Richtung, aus der das Geräusch ge im Vergleich zu den anderen deutlich zu er kommen zu sein schien. Doch der Strahl traf kennen. nur den mit Erosionsstaub bedeckten Boden Der Kundschafter zog seinen Detonator, und brannte ein Stück aus ihm heraus. zielte auf das Ende des vom Desintegrator Tindrän wandte sich nach rechts, dann lief geschaffenen Stollens und drückte ab. Don er eine weitere Wendelrampe hinauf. Unter nernd flog das Felsgestein auseinander und dessen befand er sich schon im oberen Drit verschüttete den Stollen auf etwa vier Me tel des Schiffes und fragte sich, was er ma tern Länge. chen sollte, wenn er ganz oben war und Kor Algonkin-Yatta schob den Detonator ins
42 my immer noch nicht ausgeschaltet hatte. Er gelangte in einen weiteren Korridor, lief ihn hinab und kurbelte an dem Handrad der Notmechanik, die, wie er herausgefun den hatte, bei allen Schotten des Schiffes gleich funktionierte. Das Schott glitt langsam auf. Tindrän sprang durch die Öffnung und schloß das Schott hinter sich auf die gleiche Weise. Er hoffte, daß der Kärnsizer ihn diesmal nicht beobachtet hatte und folglich auch nicht wußte, wo er war. Als er sich von dem geschlossenen Schott abwandte, bemerkte er erst, daß es ein zwei tes Schott gab. Er öffnete es ebenfalls – und schloß schleunigst seinen Druckhelm, denn die Luft in der Schleusenkammer entwich schlagartig, kaum das sich das zweite Schott einen Spalt breit geöffnet hatte. Weiter! befahl seine »innere Stimme«. Dem Unnavo-Län machte das Beinahe-Va kuum ebensowenig aus wie die Umstellung von einer Methan-Wasserstoff-Atmosphäre mit hohen Temperaturen und Drücken auf eine Niederdruck-Sauerstoffatmosphäre. Tindrän öffnete das zweite Schott ganz. Als er durch die Öffnung trat, erblickte er ei ne Stahlkammer und darin auf mehreren seltsam geformten Gestellen mumifizierte Gestalten mit grüner, borkenhaft rissiger Haut, fünf Beinen und baumstammförmigen Körpern. Sie sind echt! sagte ihm seine »innere Stimme«, als er fliehen wollte, weil er die Gestalten wieder für Fernprojektionen des Kärnsizers hielt. Der Scuddamore blieb stehen und be trachtete die mumifizierten Toten. Das also waren die Intelligenzen, die den ersten Alten Kai, die erste subplanetarische Anlage und dieses Schiff erbaut hatten. Sie wirkten un glaublich fremdartig, mehr wie die sterbli chen Überreste von pflanzlichen als von tie rischen Lebewesen. Eine Explosion schleuderte Tindrän und den Molg quer durch die Vakuumkammer, riß die Decke auf und führte zu einem stür mischen Einbruch der Schiffsatmosphäre.
H.G. Ewers Das konnte nur Kormys Werk sein, des halb rappelte sich der Scuddamore schnell wieder auf, zerschoß die beiden Schotte, durch die er gekommen war und flüchtete erneut. Draußen im Korridor rannte er im Zick zack. Nur dadurch entging der Molg den beiden Giftpfeilen, die wie aus dem Nichts angesurrt kamen. Tindrän lief zur Rampe zurück und weiter nach oben. Zweimal blieb er stehen und feu erte nach unten, aber nichts verriet ihm, ob er den Kärnsizer getroffen hatte. Und dann ging es nicht weiter. Der Scuddamore blickte durch ein offenes Schott nach oben und sah, daß er sich vor der Steuerzentrale des Schiffes befand. Er leuchtete mit seiner Lampe senkrecht nach oben, und so schwach der Lichtstrahl war, er erhellte genug von der transparenten »Decke« der Steuerzentrale, um den Scud damoren erkennen zu lassen, daß sie sich am Bug des Schiffes befand und daß darüber nichts als die Leere des Startschachtes war. Tindrän zögerte, denn wenn er die Steuer zentrale betrat, saß er in der Falle. Dann konnte er vor seinem unbarmherzigen Ver folger nicht mehr ausweichen. Aber als von weiter unten wieder das kichernde Schaben ertönte, sprang er in die Zentrale, suchte das Handrad und fand es. Hastig kurbelte er das Schott zu. Als er es geschafft hatte, drehte er sich um – und erstarrte. Vor ihm stand der Kärnsizer! Im nächsten Augenblick schoß Tindrän. Doch der Energiestrahl ging durch den Kärnsizer hindurch. Es handelte sich also um eine Fernprojektion. Gleich darauf erlosch die Projektion wie der, aber als der Scuddamore sich an die Un tersuchung der Schaltpulte machen wollte, tauchte sie überraschend wieder von ihm auf und sagte: »Öffne das Schott, Tindrän! Fremde nä hern sich dem Schiff!« »Wie funktioniert das?« fragte Tindrän und meinte die Tatsache, daß eine Projekti
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on sprach. »Ich verspreche es dir, Tindrän.« »Das ist doch jetzt egal«, erwiderte Kor Tindrän kurbelte das Schott auf. Der my. »Wir müssen uns gegen die Fremden Kärnsizer bewegte sich mit raschelnden verbünden.« Gliedmaßen in die Steuerzentrale, beugte »Auf diesen Trick falle ich nicht herein«, sich über die Schaltungen und untersuchte sie gründlich. erwiderte der Scuddamore. »Wenn ich das Schott öffne, tötest du den Molg.« »Schaffst du es?« fragte Tindrän. »Das Ding ist doch gar kein Molg«, sagte »Ich durchschaue die Funktionsprinzipi Kormy. »Du kannst den Unterschied nur en, Tindrän«, erklärte Kormy. »Aber einer nicht erkennen, weil du von ihm beeinflußt allein kann die für den Start notwendigen wirst. Es ist fremdartig und unheimlich und Kontrollen nicht bedienen. Es müssen min bringt nur Unglück. Zerstrahle es!« destens zwei Personen zusammenarbeiten. Er lügt! Ich werde dir erklären, was du zu tun hast.« Tindrän glaubte seiner »inneren Stimme«. Dränge ihn zur Eile! sagte Tindräns Aber die Behauptung, daß sich Fremde dem »innere Stimme«. Schiff näherten, schien zu stimmen. Der Scuddamore spürte unter den Füßen eine 9. Reihe schwacher Erschütterungen, die wahr Algonkin-Yatta hielt die Pfadfinderkapsel scheinlich von weiter entfernten Explosio an, als der Geruchssignalgeber des Biosen nen herrührten. Da er bisher nichts von dem sors ihn alarmierte. Kämpfen bemerkt hatte, seit er das Schiff »Es sind Lebewesen in der Nähe«, sagte fand, mußte er annehmen, daß sich die er und musterte die Anzeigen des Biosen Kämpfenden seiner Position näherten. sors. »Mindestens zwanzig große Lebewe Starte das Schiff! Es muß einfach noch sen nähern sich unserem Tunnel von schräg intakt sein, denn es gibt keine Beschädigun vorn.« gen! Er beschleunigte wieder, und kurz darauf Tindrän eilte zu den Schaltpulten und stoppte er neben der Öffnung eines engen überprüfte sie. Bei einigen erkannte er ge Klimaschachts, dessen herausgebrochenes wisse Ähnlichkeiten mit den Schaltungen Gitter auf dem Boden des Tunnels lag. Krat bekannter Raumschiffe. Aber sie konnten zende, knirschende, schabende und keuchen bei diesem Schiff nicht genauso funktionie de Geräusche drangen aus dem Klima ren, da es keine Galionsfigur besaß. schacht. »Das sind wahrscheinlich Raum Abermals spürte er einige Erschütterun fahrer, die die Impulsquelle verfolgen«, gen. Diesmal waren sie schon stärker. meinte der Kundschafter. »Sie muß durch »Ich könnte dir helfen, denn ich kenne diesen Klimaschacht in die alte Anlage ge mich mit den Schaltungen von Raumschif kommen sein.« Er forderte eine neue Positi fen aus, die keine Galionsfigur besitzen«, er onsangabe der Impulsquelle von der Psiotro klärte die Projektion des Kärnsizers. »Wenn nik an und erfuhr, daß sie nur zweidreivier du willst, lasse ich den Molg zufrieden, Tin tel Kilometer von ihm entfernt war. drän.« »Wir müssen die Raumfahrer aufhalten«, Geh darauf ein, denn es gibt keine ande sagte er, zog seinen Detonator und brachte re Möglichkeit, in den Weltraum zu gelan den Klimaschacht auf zehn Metern Länge gen! zum Einsturz. Auch diesmal hörte der Scuddamore auf Anschließend beschleunigte er wieder, seine »innere Stimme«. flog aber nicht in die Richtung, in der sich »Wenn du versprichst, daß du dem Molg die Impulsquelle befand. Er steuerte die nichts tust, sondern ihn gegen Gefahren be Pfadfinderkapsel vielmehr kreuz und quer schützt, bin ich einverstanden, Kormy.«
44 durch zahlreiche Tunnels, programmierte das Minenabwurfgerät auf den Ausstoß von sechzig tischtennisballgroßen Zeitzündermi nen, die in Abständen von jeweils einer hal ben Minute detonieren sollten. »Das wird sie ablenken«, sagte er nach Beendigung dieser Aktion, ließ sich erneut die Position der Impulsquelle durchgeben und suchte sich durch das Gewirr der Tun nels einen Weg zu ihr. Das erwies sich als schwieriger, als der Kundschafter angenommen hatte. Ausge rechnet auf der Linie, die zu der Impulsquel le führte, waren viele Tunnels verschüttet, so daß sich Algonkin-Yatta immer wieder Aus weichtunnels suchen mußte, die natürlich Umwege bedeuteten. Als Erschütterungen in Abständen von je weils einer halben Minute die Explosion der Minen anzeigten, war die Impulsquelle im mer noch gut einen Kilometer entfernt. Al lerdings veränderte sie ihre Position nicht mehr. »Es wäre schlimm, wenn sie uns plötzlich davonliefe«, meinte der Kundschafter und steuerte die Pfadfinderkapsel über eine Tun nelkreuzung. Mit einemmal befand sich das Fahrzeug im Schnittpunkt von mindestens fünf Ener giebahnen. Die auftreffende Energie wurde von der Energieblase der Kapsel in den Hyperraum transferiert, aber die Tatsache al lein, daß es ihm trotz aller Bemühungen nicht gelungen war, die Gegner abzuhängen, beunruhigte den Kundschafter. Er und Anly tha wurden durch die Energieblase gegen die Einwirkung von Handstrahlwaffen hinrei chend geschützt, aber es erschien ihm frag lich, ob auch die Impulsquelle, hinter der er Atlan vermutete, entsprechend geschützt war. Er hielt die Pfadfinderkapsel hinter der Kreuzung an und drehte sie um, so daß der Desintegrator am Bug auf die Kreuzung zeigte. Als wenig später aus den Tunnels links und rechts zwei starke Gruppen bewaffneter Raumfahrer auf die Kreuzung stürmten, lös-
H.G. Ewers te er den Desintegrator aus. Anschließend beförderte er eine Mikro-H-Bombe auf die Kreuzung und zündete sie. Doch obwohl die Kreuzung und die um liegenden Tunnels dadurch wirksam gesperrt waren, wurde die Pfadfinderkapsel nach we nigen hundert Metern aus einer Stollenmün dung zur Linken beschossen. Der Kundschafter setzte sich zur Wehr, aber wenige Minuten später erkannte er, daß er den Feind nicht aufhalten konnte. Die Or tungsgeräte der Pfadfinderkapsel verzeich neten hundertfünfzig Schwebepanzer, die sich durch den umkämpften Tunnel seiner Position näherten. »Vargäll hat es sich also anders überlegt«, meinte Algonkin-Yatta. »Er läßt seine Trup pen eingreifen, ohne mein Zeichen abgewar tet zu haben.« »Wahrscheinlich hat er beim Neffen Chirmor Flog rückgefragt, dann ist dein Schwindel aufgeflogen«, sagte Anlytha. »Kannst du sie aufhalten?« »Nur für wenige Minuten, indem ich die Tunnelmündung sprenge«, erwiderte Algon kin-Yatta. »Die Desintegratoren der Schwe bepanzer werden mit jedem Hindernis fer tig.« Abermals zündete er eine MikroH-Bombe, dann steuerte er weiter in Rich tung auf die Impulsquelle. Zehn Minuten später stachen die Lichtke gel der Bugscheinwerfer durch ein Tor und beleuchteten einen Ausschnitt des Heckteils eines Raumschiffs – und im selben Augen blick dröhnten im Schiff starke Aggrega teund ließen es vibrieren. Algonkin-Yatta schaltete die Energieblase ab und sprang aus der Pfadfinderkapsel. »Es will starten!« schrie er. »Es will star ten – und es wird ihn wieder entführen!« Er lief auf das Tor zu. »Aber dein Fahrzeug!« rief Anlytha ihm nach. »Darauf kann ich verzichten, aber auf ihn nicht!« gab Algonkin-Yatta zurück. »Komm, wenn du nicht hierbleiben willst!« »Das könnte dir so passen, mich hier zu
Impulse des Verderbens rückzulassen und dir alle Schätze, die du in dem Schiff findest, selber unter den Nagel zu reißen!« zeterte Anlytha, schaltete ihr Flugaggregat ein und holte dadurch schnell auf. Der Kundschafter drehte sich am Fuß ei ner spiralförmigen Rampe zu ihr um. »Das ist ein uraltes Schiff«, erklärte er. »Sieh dich genau um, dann siehst du es. Und es steht in einem uralten Startschacht. Wer weiß, vielleicht explodiert es beim Start, und wenn nicht, dann kommt er vielleicht mit den fremden Schaltungen nicht zurecht. Ich muß die Zentrale erreichen, bevor er startet. Bleibe hinter mir und decke mir den Rücken – für den Fall, daß andere Personen im Schiff sind!« Er schaltete ebenfalls sein Flugaggregat ein und schwebte in spiralförmigen Flug nach oben. »Er sagt schon nicht mehr Impulsquelle, sondern ›er‹«, sagte Anlytha zu sich selbst. »Ich werde die Wette gewinnen.« Ein urweltlich klingendes Röhren, Tosen und Dröhnen erfüllte den Schiffsrumpf und erschütterte ihn so stark, daß Anlythas Zäh ne klapperten. Hastig schaltete sie ihr Flugaggregat hoch und folgte dem Kundschafter.
* Niemand hielt Algonkin-Yatta auf. Als er oben ankam, konnte er durch das offene Tor einen Ausschnitt der Steuerzentrale sehen, aber er sah nichts von Atlan, sondern er blickte lediglich einen Scuddamoren, der ei ne schwere Tasche mit sich herumschleppte. Mit einem Satz sprang der Mathoner durch die Öffnung, richtete seinen Lähm strahler auf den Scuddamoren und seinen Detonator auf die knochentrockene Gestalt, die er erst jetzt zu sehen bekam, und rief: »Ich bin nicht euer Feind, es sei denn, ihr wärt Atlans Feinde! Verhaltet euch ruhig und beantwortet mir einige Fragen!« Die humanoide, aber völlig vertrocknet wirkende Gestalt bewegte ihre Gliedmaßen
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und erzeugte dabei ein Rascheln. »Ich kenne keinen Atlan. Du vielleicht, Tindrän?« »Ich auch nicht«, sagte der Scuddamore hinter seinem Schattenschild hervor. »Und wir haben keine Zeit für eine Fragestunde, Fremder. Die Aufrührer nähern sich uns. Wir müssen starten, bevor sie den Start schacht erreichen.« »Einige Minuten haben wir noch Zeit«, erwiderte Algonkin-Yatta. »Ich habe sie durch eine Sprengung aufgehalten.« »Wer bist du?« fragte der Knochen trockene. »Ich heiße Kormy und bin ein Kärnsizer, und der Scuddamore heißt Tin drän.« »Ich heiße Algonkin-Yatta und bin ein Kosmischer Kundschafter und Freund At lans«, erklärte der Kundschafter. Wo befindet sich die Impulsquelle, Psio tronik? Nur wenige Meter von dir entfernt, Kund schafter. Kannst du sie nicht sehen? Nein. Ich werde mich in eine Richtung bewegen – und du wirst mir sagen, ob ich mich dabei der Impulsquelle nähere oder mich von ihr entferne! Er ging auf den Kärnsizer zu. Falsch! übermittelte die Psiotronik. Im rechten Winkel nach rechts abbiegen! »Aber da steht der Scuddamore!« rief der Kundschafter, unwillkürlich laut, als er sich in die angegebene Richtung gedreht hatte. »Du, bist du etwa Atlan unter einem Schat tenschild?« »Ich bin der Scuddamore Tindrän«, erwi derte der Scuddamore. »Wie soll denn dieser Atlan aussehen?« Der Kundschafter ging langsam auf den Scuddamoren zu. Du näherst dich der Impulsquelle! über mittelte die Psiotronik. »Erinnere dich!« sagte Algonkin-Yatta beschwörend. »Du bist Atlan, ehemaliger Kristallprinz von Arkon aus dem Geschlecht derer von Gonozal! Ich hörte von dir wäh rend des Methankriegs. Seitdem irre ich durch Raum und Zeit und suche dich. Jetzt
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habe ich dich gefunden, aber du hast deine helm und schaltete die Außenlautsprecher Erinnerung verloren. Doch du wirst sie wie und Außenmikrophone an. »Vielleicht ist es derfinden, denn du besitzt einen Extrasinn! mit Atlans ›Seelenschlag‹ programmiert, Konzentriere dich, Atlan!« Unmittelbar vor aber Atlan ist das nicht! Es ist doch eine Fal dem Schattenschild blieb er stehen. Mit Hil le, Yatta!« fe des Kungärt hätte er schnell herausbe Das Ding blies blauen Staub auf sie, aber kommen können, ob sich innerhalb des er wirkte nicht, da er den geschlossenen Schattenschilds tatsächlich ein Scuddamore Raumanzug nicht durchdringen konnte. oder Atlan verbarg. Aber falls es Atlan war Die Außenmikrophone übermittelten An und er seine Erinnerungen verloren hatte, lytha ein kicherndes Schaben und Kratzen, konnte er unter der Einwirkung des Kungärt dann sagte eine raspelnde Stimme: »Du warst klüger als dein Gefährte, aber auch noch den Verstand verlieren. Ich stehe unmittelbar vor ihm. Ist das irgendwann wirst du deinen Raumanzug ein mal öffnen müssen. Wenn du Kannell ver richtig, Psiotronik? Es ist falsch, Kundschafter. Die Impuls trägst, werde ich dir helfen können. Andern falls wirst du genauso ein Sklave dieses Un quelle befindet sich zirka anderthalb Meter rechts von dir. heimlichen wie dein Gefährte und Tindrän. Jetzt aber müssen wir starten, sonst sind wir Algonkin-Yatta fuhr herum. Er zuckte zu verloren, was wir vielleicht auch sind, wenn sammen, als sein Blick auf das gelbgrüne, schwach pulsierende Gebilde fiel, dessen wir starten.« Er hob seine Stimme und rief: Konturen eine gewisse Ähnlichkeit mit den »Algonkin-Yatta, bleib den Schaltungen Konturen eines terranischen Kleinkinds hat fern! Tindrän und ich haben sie untersucht ten und das etwa die Größe eines dreijähri und die Kontrollen unter uns aufgeteilt. Du gen Terraners besaß. Der Kundschafter schluckte trocken. würdest unser Zusammenspiel nur behin Das ist Atlan! dachte er verzweifelt. Man dern, wenn du dich einmischtest.« hat seine Entwicklung zurückgeschraubt und Es klingt logisch! vernahm der Kund ihn zu einem Etwas gemacht, das bestenfalls schafter seine neue »innere Stimme«. Er trat von den Kontrollen zurück. die grausige Karikatur eines Kleinkinds ist! »Atlan?« fragte er mit tonloser Stimme. »Lordadmiral Atlan?« * Das Ding pulsierte stärker, dann bildeten Das Schiff schüttelte sich, als der Kärnsi sich an seiner Körperoberfläche plötzlich zer und der Scuddamore die Kraftwerke zahllose kleine Öffnungen, aus denen blauer hochschalteten. Aber das Dröhnen und To Staub schoß und den Kundschafter einhüllte. sen war leiser geworden, ein Zeichen dafür, Du bist jetzt mein Beschützer! vernahm daß die Simultanregler – welcher Konstruk Algonkin-Yatta eine »innere Stimme«. Du tion sie auch immer waren – die Aggregate bist stärker und klüger als die anderen. Star allmählich zu einem gleichmäßigen Lauf te das Schiff und bringe mich in den Welt bringen würden. raum! »Ich schließe die Bodenschleuse!« rief Mit ausdruckslosem Blick wandte sich der Kärnsizer. »Tindrän, schalte die Anti Algonkin-Yatta von dem Ding ab und ging gravprojektoren dazu! Ich sehe auf den zum nächsten Schaltpult. Schirmen der Außenbeobachtung Schwebe In diesem Augenblick stürmte Anlytha, panzer, die sich dem Zugang zum Start die alles von draußen beobachtet hatte, in schacht nähern!« die Steuerzentrale. Tindrän schaltete an zwei Pulten zugleich. »Das Ding ist nicht Atlan, ich spüre es!« Kormy bediente sogar drei Schaltpulte rief sie. Sie schloß im Laufen ihren Druck-
Impulse des Verderbens gleichzeitig und lief ständig mit raschelnden Gliedmaßen zwischen ihnen hin und her. Algonkin stand mit gespreizten Beinen leicht schwankend in der Zentrale und beob achtete die blinkenden Kontrollampen, die symbolhaften Anzeigen der Kontrollschirme und die Anzeigen für die Antriebssysteme. Noch einmal toste ohrenbetäubender Lärm durch das Schiff, als die aktivierten Felddü sen im Heck hochkonzentrierte Photonen säulen ausstießen. Da das Schiff durch die Antigravprojektoren gewichtslos geworden war, brauchten die Triebwerke nur erst ein mal die Massenträgheit zu überwinden. Da nach schoß es schneller als ein Magnetschie nenzug durch den Startschacht. Hinter ihm blieb nur geschmolzenes oder verdampftes Material zurück. Algonkin-Yattas Blick konzentrierte sichauf eine Reihe von sechs Anzeigeschirmen, auf denen farbige Symbo le sich in rascher Folge abwechselten. Zwar hatten die Symbole nichts mit dem GarvaGuva zu tun, aber der Kundschafter be schrieb sie mit Hilfe der KOM-Schaltung unter seiner Schädeldecke der Psiotronik, bis sie ihre jeweilige Bedeutung ermittelt hatte und ihn entsprechend informieren konnte. Plötzlich weiteten sich Algonkin-Yattas Augen. »Drei Synchronregler sind ausgefallen!« rief er entsetzt. »Es wird das Schiff zerrei ßen!« Gleich darauf setzte ein heftiges Rütteln ein, dann erfolgten stetig anschwellende Vi brationen. Anlytha, die begriffen hatte, was der Kundschafter meinte, stand starr vor Todes angst. Sie wußte, wie sich der Ausfall der Hälfte aller Synchronregler auswirken muß te. Drei der sechs Reaktionskammern für Protonen und Antiprotonen würden ihre Lei stung immer mehr erhöhen und ihre Trieb werke immer mehr Photonen durch die Dü senfelder pressen. Da sich Reaktion und Gegenreaktion stets die Waage hielten, würde eine Hälfte des Schiffsrumpfes immer stärker belastet wer den als die andere, bis der Rumpf schließlich
47 unter den extrem unterschiedlichen Bela stungen zerbrach. »Abschalten!« schrie Tindrän dem Kärn sizer zu, als auch er begriff, welche Gefahr dem Schiff drohte. Kormy schaltete fieberhaft, dann richtete er sich wieder auf. »Es geht nicht. Die Protonen und Antipro tonenausstoßer reagieren nicht mehr auf Schaltimpulse. Es ist eben ein uraltes Schiff.« Sie flogen durch die Steuerzentrale, als der Bug des Schiffes einen aus Felstrüm mern und Erde bestehenden, etwa dreihun dert Meter langen Pfropfen durchstieß, der sich im Lauf vieler Jahrtausende am oberen Ende des Startschachts gebildet hatte. Dann war das Schiff frei. Sein Bug richte te sich steil auf und zeigte in den blauen Himmel; die Stabilisierungsflächen glitten nach draußen und stabilisierten den Aufstieg durch die Atmosphäre zusätzlich. »Yatta!« schrie Anlytha. »Hilf uns! Wir dürfen nicht sterben – noch nicht. Atlan braucht uns! Ich spüre es!« Der Kundschafter erwachte aus seiner Er starrung. Er blickte sich um, dann nahm er die Tasche mit dem Ding an sich. »Komm zu mir, Lytha!« rief er. »Tindrän und Kormy, es tut mir sehr leid, daß ich nicht auch euch helfen kann. Aber vielleicht sterben wir ja auch: Anlytha, mein Schütz ling und ich.« Die Vibrationen des Schiffes wurden fast unerträglich. Anlytha hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten und zu Algonkin-Yatta zu wanken. Der Kundschafter legte seinen freien Arm um sie. Plötzlich löste sich der Kungärt von seinen Schultern, schwebte schwingend über seinem Kopf, dehnte sich, wurde dabei fast durchsichtig – und hüllte schließlich Algon kin-Yatta, Anlytha und das Ding ein. »Viel Glück, ihr Miststücke!« rief der Kärnsizer mit seiner Raspelstimme. Der Kungärt schloß den Kundschafter, Anlytha und das Ding hermetisch von der Außenwelt ab, dehnte sich noch einmal und
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füllte sich dann mit einem schillernden Gas. führe nur meine Befehle aus, ohne Fragen zu Von irgendwo drang ein Kreischen und stellen oder Einwände zu erheben!« Bersten herein, dann herrschte Stille. »Aber …!« Was ist los? vernahm Algonkin-Yatta die »Kode Danakul!« wiederholte der Kund lautlose Stimme der Psiotronik in seinem schafter. Gehirn. Ihr seid mit einem Schiff gestartet, Das rötliche Leuten des Teleauges er das im nahen Weltraum barst – und doch losch. messe ich eure Impulse an. »Algonkin-Yatta!« begehrte Anlytha auf. Gefällt es dir nicht, daß wir noch leben? »Besinne dich darauf, wer du bist! Wirf die dachte der Kundschafter zurück. Beeinflussung dieses Dinges da …«, sie In deiner Lage solltest du mich nicht ver deutete auf das Ding, »… ab! Es wirkt sich negativ aus!« ärgern, Kundschafter! erwiderte die Psiotro nik. Außer mir kann euch nämlich niemand »An meinen Befehlen darf nicht gezwei helfen. felt werden!« erklärte der Kundschafter mo Du entwickelst dich ja immer negativer! noton. »Anlytha, mische dich niemals in Jetzt fängst du sogar schon mit Erpressungs meine Angelegenheiten. Sonst müßte ich versuchen an. Aber du hast zu gehorchen dich von einem Medosystem ruhigstellen und keine Bedingungen zu stellen. Starte so lassen!« »Ruhigstellen!« kreischte Anlytha em fort und fische uns auf. Wir müssen durch pört. »Du bist ein Ungeheuer geworden, Al den Weltraum fliegen. gonkin-Yatta! Was hast du überhaupt vor?« Was sonst, Kundschafter? Ich bin außer dem längst gestartet, solange es noch mög »Ich sage es dir, obwohl ich keine Infor lich war. Inzwischen scheint sich das Chaos mationspflicht dir gegenüber habe«, erklärte der Kundschafter. »Wir werden durch die auf Depot-Largan zu beruhigen, und ich käme jetzt nur sehr schwer hoch. Schwarze Galaxis kreuzen, Jahrtausend um Beeile dich! Der Kungärt kann uns nicht Jahrtausend!« lange schützen! Er trat vor die Kontrollen und schaltete. Wenige Minuten später öffnete sich der Auf den Schirmen sah Anlytha, daß das Kungärt. Doch da befanden sich die Schiff Kundschafterschiff mit Maximalwerten be brüchigen bereits an Bord des Kundschafter schleunigte und Kurs auf das Zentrum der schiffs. Mobile Medosysteme untersuchten Schwarzen Galaxis nahm. sie und transportierten sie in die Zentrale, als Und sie konnte nichts dagegen tun. sie keine Schäden feststellten. »Nun bist du doch in eine Falle geraten, »Das also strahlt Atlans Hirnwellenimpul armer Yatta«, flüsterte sie. »Wie der fliegen se aus!« sagte die Psiotronik, nachdem sie de Holländer der terranischen Sage wirst du das Ding lange genug beobachtet hatte. zwischen den Sternen kreuzen, bis wir alle »Was ist es?« zu Staub zerfallen sind. Eine wirksamere Du hast die Befehlsgewalt! Zwinge das Falle hätte sich nicht einmal der Neffe Gehirn, dir zu gehorchen und keine Fragen Chirmor Flog ausdenken können.« mehr zu stellen! Verhindere, daß das Wesen Nachdenklich musterte sie das seltsame Anlytha sich in unsere Angelegenheiten ein Gebilde, das jetzt noch stärker einem terra mischt! Fliege durch die Schwarze Galaxis; nischen Kleinkind ähnelte als zuvor in dem meide die Planeten! Fliege durch das All, uralten Raumschiff. Jahrtausend um Jahrtausend! »Wenn ich nicht ahnte, daß du irgendwie Algonkin-Yatta blickte in das Teleauge sehr wichtig für Atlan bist, würde ich dich der Psiotronik. umbringen!« flüsterte sie noch leiser. »Aber »Kode Danakul!« sagte er eindringlich. dennoch werde ich nicht zulassen, daß du Yatta als deinen Sklaven hältst. Mir wird »Ziehe dich aus der Zentrale zurück und
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schon etwas einfallen. Schließlich kenne ich eine Menge Tricks, von denen du noch nie gehört hast.« Sie setzte sich in einen Kontursessel und blickte auf den Frontschirm, der den Welt raum mit seinen zahllosen Sternen abbildete. Das Kundschafterschiff raste mit ungeheurer Geschwindigkeit in sie hinein – und mit ei-
nemmal kamen Anlytha Zweifel, ob es ihr gelingen würde, Algonkin-Yatta aus der Ge walt dieses Unheimlichen zu befreien, das Atlans »Seelenschlag« aussandte …
ENDE
Weiter geht es in Band 435 von König von Atlantis mit:
Begegnung in der Schwarzen Galaxis
von H. G. Ewers