Klaus Mollenhauer · Helmut Tschöke Handbuch Dieselmotoren
Klaus Mollenhauer · Helmut Tschöke
Handbuch Dieselmotoren 3., neubearbeitete Auflage Mit 580 zum Teil farbigen Abbildungen und 84 Tabellen
123
Professor Dr.-Ing. Klaus Mollenhauer Orber Straße 25 14193 Berlin
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Professor Dr.-Ing. Helmut Tschöke Otto-von-Guericke-Universität Institut für Mobile Systeme Universitätsplatz 2 39106 Magdeburg
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Herausgeber und Verlag danken der Robert Bosch GmbH, Stuttgart, für die Unterstützung bei der Veröffentlichung des Werkes.
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ISBN 978-3-540-72164-2 Springer Berlin Heidelberg New York ISBN 978-3-540-41239-7 2. Auflage Springer Berlin Heidelberg New York Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepublik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Springer ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media springer.de © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1997, 2002, 2007 Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Text und Abbildungen wurden mit größter Sorgfalt erarbeitet. Verlag und Autor können jedoch für eventuell verbliebene fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Sollte in diesem Werk direkt oder indirekt auf Gesetze, Vorschriften oder Richtlinien (z. B. DIN, VDI, VDE) Bezug genommen oder aus ihnen zitiert worden sein, so kann der Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität übernehmen. Es empfiehlt sich, gegebenenfalls für die eigenen Arbeiten die vollständigen Vorschriften oder Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung hinzuzuziehen. Satz: Fotosatz-Service Köhler GmbH, Würzburg Herstellung: LE-TEX Jelonek, Schmidt & Vöckler GbR, Leipzig Einbandgestaltung: WMX Design, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem Papier
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Vorwort zur 3. Auflage
Schon mit der 1. Auflage des Standardwerkes „Handbuch Dieselmotoren“ war beabsichtigt, den aktuellen Stand und künftige Entwicklungen der Dieselmotorentechnik zu ver mitteln. Seit dem Erscheinen der 2. Auflage des Handbuches im Jahr 2002 hat sich der Dieselmotor mit großer Dynamik als energiesparender, sauberer, leistungsstarker und komfor tabler Antrieb für den mobilen und stationären Einsatz weiterentwickelt. Nach wie vor stehen angesichts beschränk ter Erdölvorräte und der Diskussion um die prognostizierte Klimaveränderung die Reduzierung des Verbrauchs und der Einsatz alternativer Kraftstoffe bei größtmöglicher Abgas reinheit, weiter steigender Leistungsdichte sowie verbes sertem Betriebsverhalten des Dieselmotors im Fokus der Entwicklung. Diese orientiert sich auch an den gesetzlichen Rahmenbedingungen, den Kundenanforderungen und nicht zuletzt am Wettbewerb mit dem Ottomotor als dem nach wie vor als Benchmark geltenden Pkw-Antrieb. Vor diesem Hintergrund wurden die behandelten The men neu gewichtet: Neben den innermotorischen Maß nahmen zur Abgasemissionsminderung mit Hilfe neuer Brennverfahren und neuer Kraftstoffe ist vor allem der Abschnitt Abgasnachbehandlung stark erweitert worden. Der im Pkw-Bereich Ende der neunziger Jahre serienmäßig eingeführte Oxydationskatalysator genügte bald nicht mehr den gestiegenen Anforderungen an die Lufthygiene: Parti kelfilter und Systeme zur Stickoxidreduzierung, z. B. SCRund Speicherkatalysatoren, erhielten deshalb mehr Gewicht. Die neuen Brennverfahren mit einem gegenüber der nor malen Diffusionsverbrennung gesteigerten Anteil an vorge mischter, homogener Verbrennung gehören ebenso zum Inhalt des Handbuches wie die Entwicklung der Aufladung zur Steigerung der Leistungsausbeute, wobei mit erhöhtem effektiven Mitteldruck auch der Zylinderspitzendruck und damit die Grenze der Belastung zunimmt. Zeichnete sich Ende der neunziger Jahre mit dem Umstieg von der indi rekten zur direkten Einspritzung im Pkw-Bereich das Com mon-Rail-System als das kommende Einspritzverfahren ab,
so galt es zu Beginn des neuen Jahrtausends als bei PkwMotoren etabliert und wurde – zunächst noch versuchswei se – auch bei größeren Dieselmotoren eingesetzt. Heute findet man das Common-Rail-System serienmäßig bei nahezu allen Baugrößen der Dieselmotoren. Folglich wer den die verschiedenen Ausführungsformen, z. B. mit magnetventilgesteuerten oder piezoaktuierten Injektoren, entsprechend der aktuellen, jedoch noch nicht abgeschlosse nen Entwicklung ausführlich behandelt. Dementsprechend wird auch der Elektronik mit ihren vielfältigen Möglich keiten zur Steuerung und Regelung von Prozessabläufen im Motor breiter Raum eingeräumt. Herausgeber und Verlag wollen mit dieser dritten, in wei ten Bereichen völlig neu bearbeiteten Auflage dem Anspruch gerecht werden, dem Leser den Dieselmotor und sein großes Anwendungsspektrum wissenschaftlich und praxisnah vor zustellen. Das Handbuch wendet sich sowohl an den Exper ten als auch an den technisch interessierten Nichtfachmann und den Ingenieurstudenten. Zur Aufbereitung des Fach wissens trugen über 50 Autoren – alles exzellente Diesel fachleute – sowie das kompetente Fachlektorat des SpringerVerlags wesentlich bei. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Zum neuen Inhalt des Buches gesellt sich das ange passte, zweispaltige Layout und die nun fortlaufend in die Kapitel eingefügten farbigen Darstellungen der Bilder und Diagramme. Von den Helferinnen und Helfern im Hinter grund, die zum Gelingen des Buches beigetragen haben, soll stellvertretend Frau Monika Schmidt vom Institut für Mobi le Systeme der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg, zuständig für die nicht ganz einfache Aufbereitung des Textund Bildmaterials, dankend erwähnt werden. Ganz besonderer Dank gilt der Robert Bosch GmbH, Geschäftsbereich Diesel Systems, für die fachliche und finanzielle Unterstützung, die erst ermöglicht hat, dieses umfangreiche Werk fertigzustellen. Den Herausgebern hat die Zusammenarbeit mit den Autoren, dem Verlag und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern trotz mancher Hektik und erheblicher Zusatzbelastung viel Freude gemacht.
Berlin und Magdeburg, im Sommer 2007
Klaus Mollenhauer Helmut Tschöke
Vorwort zur 1. Auflage
„Mein Motor macht immer noch große Fort schritte …“ 1 (Rudolf Diesel, 1895)
Diesen Fortschritten nachzugehen, den heute erreichten Stand der Dieselmotorentechnik zu dokumentieren, ist das Anliegen dieses Buches. Den Anstoß zur Herausgabe eines VDI-Handbuches Dieselmotoren gab das Gedenken an die vor rund hundert Jahren vollzogene Umsetzung der Idee Rudolf Diesels von einem rationellen Wärmemotor in die Realität. Nach der Patentanmeldung im Jahre 1892 und der Aufnahme der Arbeiten an seinem Motor im darauffolgen den Jahr dauerte es weitere vier Jahre, bis der Verein Deut scher Ingenieure mit der VDI-Tagung in Kassel Rudolf Diesel das Podium bot, von dem aus er am 16. Juni 1897 der Öffentlichkeit seinen Motor vorstellte, der bald darauf den Namen seines genialen Erfinders trug. Das Handbuch ist weniger für den engen Kreis der DieselExperten gedacht als vielmehr für den ingenieurmäßig vorgebildeten oder zumindest technisch versierten „DieselLaien“, der – möglicherweise angeregt durch die Diskussion um das Drei-Liter-Auto – einen umfassenden, fundierten Überblick über die Dieselmotorentechnik und ihren Ent wicklungsstand gewinnen will, möglichst aus erster Hand. Aber auch dem Motorenfachmann soll das Buch im Sinne einer Gesamtschau helfen, seine Kenntnisse abseits der eige nen, oft sehr speziellen Erfahrungen zu ergänzen oder auf zufrischen. Dieser Zielsetzung entspricht die Gliederung des Buches in fünf Hauptteile. Zunächst wird dem Leser nach einem kurzen Abriss der Geschichte des Dieselmotors Grundlagen wissen vermittelt, das u.a. auch die Aufladetechnik und die dieselmotorische Verbrennung bis hin zu den Kraftstoffen umfasst. In den folgenden drei Teilen werden Fragen zur Beanspruchung und konstruktiven Gestaltung ausgewählter 1
Das Zitat entstammt einem Brief Diesels vom 3. Juli 1895 an seine Frau, nachdem zuvor am 26. Juni erstmals ein Nutzwirkungs grad von über 16% ermittelt worden war [E. Diesel: Diesel, der Mensch, das Werk, das Schicksal. Stuttgart: Reclam 1953, a.a.O., S. 194/195].
Bauteile, zum Betrieb von Dieselmotoren und die dadurch verursachte Umweltbelastung einschließlich von Maßnah men zu deren Verminderung behandelt. Im fünften Teil wird die gesamte Motorenpalette vom Einzylinder-Klein dieselmotor bis zum großen, langsamlaufenden ZweitaktDieselmotor vorgestellt. Den Abschluss bildet ein Exkurs zur weiteren Entwicklung der dieselmotorischen Verbren nung, der auch die Anfänge unter Rudolf Diesel einer neuen Wertung unterzieht. Ein Anhang enthält auch eine Zusammenstellung der für Dieselmotoren wichtigsten Nor men und Regeln. Wegen der Allgemeingültigkeit werden mathematische Zusammenhänge als Größengleichungen dargestellt. Für Zahlenwerte werden die SI-Einheiten verwendet bei Angabe von Drücken in Bar (bar, mbar). Auf eine Zusammenstel lung der Formelzeichen wurde verzichtet, da sie jeweils im Text erläutert werden und eine durchgängig einheitliche Bezeichnung angestrebt wurde. Nur bei der Kenngröße für die Arbeitsausbeute eines Motors, der spezifischen Nutz arbeit we bzw. dem mittleren effektivem Druck pe konnte dies nicht erreicht werden, worauf im Text näher eingegan gen wird. Um den mit einem Handbuch Dieselmotoren verbunde nen Erwartungen und Ansprüchen entsprechen zu können, war ich auf die Mitarbeit von hervorragenden Ingenieuren aus der Motorenindustrie ebenso angewiesen, wie auf die von Professoren an den Technischen Hochschulen und Universitäten. Besteht doch seit den Tagen Diesels, dessen Erfindung auf dem Ingenieurwissen seiner Zeit fußte, in der Motorenforschung eine besonders enge Verbindung zwischen Theorie und Praxis, zwischen Hochschule und Industrie. Hier ist die durch die Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V. (FVV), Frankfurt a. M., initiierte und betreute Gemeinschaftsforschung hervorzu heben. Allen Autoren möchte ich für ihre Mitarbeit, das bereit willige Eingehen auf meine Vorstellungen und die vielen fruchtbaren Diskussionen danken. Das gilt für die in der Industrie Tätigen, wo heutzutage oftmals das Äußerste an Einsatz abverlangt wird, ebenso wie für meine Kollegen an den Hochschulen, wo die Zeiten schöpferischer Muße längst der Vergangenheit angehören. Für jeden Autor ging die zu
Vorwort zur 1. Auflage VII sätzlich übernommene Arbeit zu Lasten der schon mageren Freizeit. Deshalb möchte ich in meinen Dank auch die jeweiligen Lebenspartner und engeren Familienangehörigen einbezie hen. Ihr Verständnis unter Zurückstellen eigener Wünsche und Ansprüche – hier spreche ich aus eigener Erfahrung – hat letztlich mit zum Entstehen des gemeinsamen Werkes beigetragen. Zu danken ist auch den Firmen, die ihren Mitarbeitern die Nebentätigkeit gestatteten, das Erstellen von Text und Bildvorlagen unterstützten sowie bereitwillig Unterlagen zur Verfügung stellten. Anerkennung gebührt auch den vielen Helfern in den Betrieben und Instituten für ihre Zuarbeit, ohne die ein derart umfangreiches Buchmanuskript nicht hätte entstehen können. Mein Dank gilt auch den beteiligten Verlagen: Dem VDIVerlag bzw. seinem Fachlektorat, das die Idee zu diesem Buch hatte, bei der Verlagsleitung durchsetzte und zunächst verfolgte, insbesondere jedoch dem Springer-Verlag und Berlin, im Frühjahr 1997
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Diesel, R.: Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärme motors zum Ersatz der Dampfmaschinen und der heute bekann ten Verbrennungsmotoren. Berlin: Springer-Verlag 1893.
seiner Produktion, die das ins Stocken geratene Projekt auf griffen und tatkräftig vorantrieben, um es noch im Jubi läumsjahr des 100. Geburtstages des Dieselmotors auf den Markt zu bringen, um somit, wie schon einmal vor über 100 Jahren 2, dazu beizutragen, die Idee Rudolf Diesels vom „rationellen Wärmemotor“ zu verbreiten. Dass der Dieselmotor bis heute die wirtschaftlichste Wärmekraftmaschine ist und sich zu dem heutigen Stand eines High-Tech-Produktes entwickelte, ist der Arbeit vieler Generationen von Werkern, Ingenieuren, Wissenschaftlern und Professoren zu danken. Ich widme daher dieses Buch dem Andenken meiner akademischen Lehrer an der Tech nischen Universität Berlin, meiner langjährigen Wirkungs stätte, deren Namen mit der Entwicklung des Dieselmotors in besonderem Maße verbunden sind: Walter Pflaum (1896 bis 1989), Friedrich Sass (1883 bis 1968) und Heinrich Triebnigg (1896 bis 1969). Klaus Mollenhauer
Inhaltsverzeichnis
Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI
Teil I Der Arbeitsprozess des Dieselmotors 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors . . . . 1.1 Historie des Dieselmotors (Klaus Mollenhauer) . . . . . . . . . . . . 1.2 Motortechnische Grundlagen (Klaus Mollenhauer) . . . . . . . . . . . . 1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses (Klaus Schreiner) . . . . . . . . . . . . . .
. . . 3 . . . 3 . . . 9 . . . 20
Ladungswechsel und Aufladung (Helmut Pucher) . . . . 2.1 Ladungswechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Aufladung von Dieselmotoren . . . . . . . . . 2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung
34 34 42 63
3 Dieselmotorische Verbrennung (Klaus B. Binder) . . . 3.1 Gemischbildung und Verbrennung . . . . . . 3.2 Konstruktive Merkmale . . . . . . . . . . . . 3.3 Alternative Verbrennungsverfahren . . . . . 3.4 Prozesssimulation von Einspritzverlauf und Brennverlauf . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 78 82
2
84
4 Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 4.1 Dieselkraftstoff für Fahrzeugmotoren (Gerd Hagenow, Klaus Reders) . . . . . . . . . 86 4.2 Alternative Kraftstoffe (Hanns-Erhard Heinze, Wolfgang Steiger) . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren (Detlef Zigan) . . . . . . . . 118 4.4 Brenngase und Gasmotoren (Dirk Mooser) . 129 5 Kraftstoffeinspritztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . 143 5.1 Einspritzhydraulik (Walter Egler) . . . . . . . 143 5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter (Rolf Jürgen Giersch) . . . . . . . . . . . . . . 146
5.3 5.4
Einspritzsysteme (Friedrich Boecking, Jürgen Hammer, Jaroslav Hlousek, Patrick Mattes, Ulrich Projahn, Winfried Urner) . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 Messtechnik für Einspritzsysteme (Björn Janetzky) . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme . 6.1 Mechanische Regelung (Ulrich Projahn) . . . 6.2 Elektronische Regelung (Helmut Randoll) . . 6.3 Sensoren (Erich Biermann, Jörg Brückner, Karsten Funk, Thomas Küttner) . . . . . . . . 6.4 Diagnose (Walter Lehle) . . . . . . . . . . . . 6.5 Applikation (Joachim Zuern) . . . . . . . . . .
198 198 198 208 211 214
Teil II Zur Konstruktion von Dieselmotoren 7 Belastung von Motorbauteilen . . . . . . . . . . . . . . 219 7.1 Mechanische und thermische Bauteil belastung (Dietmar Pinkernell) . . . . . . . . 219 7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor (Michael Bargende) . . . . . . . . . 228 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks 247 8.1 Bauformen und mechanische Eigenschaften des Triebwerks (Eduard Köhler) . . . . . . . . 247 8.2 Beanspruchung des Triebwerks (Eduard Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 8.3 Massenausgleich des Triebwerks (Eduard Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 8.4 Drehschwingungen des Triebwerks (Eduard Köhler) . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 8.5 Lager und Lagerwerkstoffe (Eckhart Schopf) 288 8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen (Uwe Mohr) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
Inhaltsverzeichnis IX 9 Motorkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 9.1 Interne Motorkühlung (Klaus Mollenhauer) . 324 9.2 Externe Motorkühlsysteme (Jochen Eitel) . . . 345 10 Werkstoffe und ihre Auswahl (Johannes Betz) . . . . . . 10.1 Bedeutung der Werkstoffe für den Dieselmotor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile . . . 10.3 Faktoren für die Werkstoffauswahl . . . . . . 10.4 Lebensdauerkonzepte und Werkstoffdaten . . 10.5 Verfahren zur Lebensdauersteigerung . . . . 10.6 Entwicklungstendenzen . . . . . . . . . . . .
378 378 379 388 388 390 392
Teil III Betrieb von Dieselmotoren 11 Schmierstoffe und Schmiersystem (Hubert Schwarze) . 399 11.1 Schmierstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 11.2 Schmiersystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 12 Start- und Zündhilfesysteme (Wolfgang Dressler, Stephan Ernst) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12.1 Bedingungen zur Kraftstoffselbstzündung . . 12.2 Kraftstoffzündung mit Hilfsmitteln . . . . . . 12.3 Start- und Zündhilfesysteme . . . . . . . . . . 12.4 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren . . . . .
418 418 418 419 420
13 Ansaug- und Abgasanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 429 13.1 Luftfilter (Oswald Parr) . . . . . . . . . . . . . 429 13.2 Abgasanlagen (Leonhard Vilser) . . . . . . . . 436 14 Abwärmeverwertung (Franz Hirschbichler) . . . . . . 444 14.1 Grundlagen der Abwärmenutzung . . . . . . 444 14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung . . . . . 446
Teil IV Umweltbelastung durch Dieselmotoren 15 Abgasemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . 15.1 Allgemeine Zusammenhänge (Helmut Tschöke) . . . . . . . . . . . . . . . . 15.2 Abgasgesetzgebung (Andreas Graf, Jürgen Stein) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung (Michael Krüger, Johannes Schaller) . . . . . . 15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion (Michael Krüger, Johannes Schaller) . . . . . . 15.5 Abgasnachbehandlung (Michael Krüger, Norbert Breuer) . . . . . . .
461 461 471 488 495 502
15.6 Abgasmessverfahren (Kurt Engeljehringer, Wolfgang Schindler) . . . . . . . . . . . . . . . 518 16 Geräuschemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . 16.1 Grundlagen der Akustik (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 16.2 Entwicklung der Motorgeräuschemission (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 16.3 Motoroberflächengeräusch (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 16.4 Aerodynamische Motorgeräusche (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . . 16.5 Geräuschreduktion durch Kapselung (Hans A. Kochanowski) . . . . . . . . . . . . . 16.6 Geräteseitige Motorgeräuschdämmung (Bruno M. Spessert) . . . . . . . . . . . . . . .
537 537 537 539 550 551 555
Teil V Ausgeführte Dieselmotoren 17 Fahrzeugdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen (Fritz Steinparzer) . . . . . . . . . . . . . . . . 17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge (Klaus Blumensaat, Georg Paehr) . . . . . . . 17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse (Wolfgang Held) . . . . . . . . . . . 17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdiesel motoren (Christoph Teetz) . . . . . . . . . . . 18 Industrie- und Schiffsmotoren . . . . . . . . . . . . . . 18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren (Günter Kampichler) . . . . . . . . . . . . . . 18.2 Einbau- und Industriemotoren (Heiner Bülte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt Dieselmotoren (Franz Koch) . . . . . . . . . . 18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren (Klaus Heim) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
561 561 578 585 604 619 619 630 642 658
Normen und Richtlinien für Verbrennungsmotoren * . . . . . 675 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 685 Inserentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 703
* Die Zusammenstellung der Normen und Richtlinien wurde uns dankenswerterweise vom VDMA, Fachverband Power Systems, Frankfurt/M., zur Verfügung gestellt.
Autorenverzeichnis
Bargende, Michael, Prof. Dr.-Ing., IVK-Universität Stuttgart: Abschn. 7.2 Betz, Johannes, Langenargen: Kap. 10 Biermann, Erich, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.3 Binder, Klaus B., Prof. Dr.-Ing., Deizisau: Kap. 3 Blumensaat, Klaus, Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn. 17.2 Boecking, Friedrich, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 Breuer, Norbert, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 15.5 Brückner, Jörg, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.3 Bülte, Heiner, Dr.-Ing., Deutz AG, Köln: Abschn. 18.2 Dressler, Wolfgang, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Kap. 12 Egler, Walter, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.1 Eitel, Jochen, Behr GmbH & Co. KG, Stuttgart: Abschn. 9.2 Engeljehringer, Kurt, AVL List GmbH, Graz: Abschn. 15.6 Ernst, Stephan, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Kap. 12 Funk, Karsten, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.3 Giersch, Rolf Jürgen, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.2 Graf, Andreas, Dipl.-Ing., DaimlerChrysler AG, Sindelfingen: Abschn. 15.2 Hagenow, Gerd, Dr., Shell Global Solutions (Deutschland) GmbH, Hamburg: Abschn. 4.1 Hammer, Jürgen, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 Heim, Klaus, Wärtsilä NSD Schweiz AG, Winterthur/ Schweiz: Abschn. 18.4 Heinze, Hanns-Erhard, Dr.-Ing., Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg: Abschn. 4.2 Held, Wolfgang, Dr.-Ing., MAN Nutzfahrzeuge AG, Nürnberg: Abschn. 17.3
Hirschbichler, Franz, Dr., MDE Dezentrale Energiesysteme GmbH, Augsburg: Kap. 14 Hlousek, Jaroslav, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, Hallein/Österreich: Abschn. 5.3 Janetzky, Björn, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.4 Kampichler, Günter, Dipl.-Ing., Ruhstorf/Rott: Abschn. 18.1 Koch, Franz, Dr.-Ing., MAN B&W Diesel Ltd., Stockport/ England: Abschn. 18.3 Kochanowski, Hans A., Dr.-Ing., Hatz GmbH & Co. KG, Ruhstorf/Rott: Abschn. 16.5 Köhler, Eduard, Dr.-Ing. habil., Heilbronn: Abschn. 8.1 bis 8.4 Krüger, Michael, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 15.3 bis 15.5 Küttner, Thomas, Dipl.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.3 Lehle, Walter, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.4 Mattes, Patrick, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 Mohr, Uwe, Dr., Stuttgart: Abschn. 8.6 Mollenhauer, Klaus, Prof. Dr.-Ing., Berlin: Abschn. 1.1, 1.2 und 9.1 Mooser, Dirk, Dr.-Ing., Caterpillar Motoren GmbH & Co. KG, Kiel: Abschn. 4.4 Paehr, Georg, Dr., Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn. 17.2 Parr, Oswald, Dr.-Ing., Ludwigsburg: Abschn. 13.1 Pinkernell, Dietmar, MAN Diesel SE, Augsburg: Abschn. 7.1 Projahn, Ulrich, Dr.-Ing., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 und 6.1 Pucher, Helmut, Prof. Dr.-Ing., Technische Universität Berlin: Kap. 2 Randoll, Helmut, Dr. rer. nat., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.2
XII Inhaltsverzeichnis Reders, Klaus, Dipl.-Ing., Shell Global Solutions (Deutsch land) GmbH, Hamburg: Abschn. 4.1 Schaller, Johannes, Dr., Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 15.3 und 15.4 Schindler, Wolfgang, Dr., AVL List GmbH, Graz: Abschn. 15.6 Schopf, Eckhart, Dr.-Ing., Federal Mogul Wiesbaden GmbH, Wiesbaden: Abschn. 8.5 Schreiner, Klaus, Prof. Dr.-Ing., Bermatingen: Abschn. 1.3 Schwarze, Hubert, Prof. Dr.-Ing., TU Clausthal, ClausthalZellerfeld: Kap. 11 Spessert, Bruno M., Prof. Dr.-Ing., Fachhochschule Jena: Abschn. 16.1 bis 16.4 und 16.6 Steiger, Wolfgang, Dr.-Ing., Volkswagen AG, Wolfsburg: Abschn. 4.2
Autorenverzeichnis XII Stein, Jürgen, DaimlerChrysler AG, Stuttgart: Abschn. 15.2 Steinparzer, Fritz, Ing., BMW Motoren GmbH, Steyr/ Österreich: Abschn. 17.1 Teetz, Christoph, Dr.-Ing., MTU Friedrichshafen: Abschn. 17.4 Tschöke, Helmut, Prof. Dr.-Ing., Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg: Abschn. 15.1 Urner, Winfried, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 5.3 Vilser, Leonhard, Dr.-Ing., Fa. Eberspächer, Esslingen: Abschn. 13.2 Zigan, Detlef, Dr.-Ing., Kiel: Abschn. 4.3 Zuern, Joachim, Robert Bosch GmbH, Stuttgart: Abschn. 6.5
Teil I
Der Arbeitsprozess des Dieselmotors
1
Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors . . . . . .
3
2
Ladungswechsel und Aufladung . . . . . . . . . . . . . . . 34
3
Dieselmotorische Verbrennung . . . . . . . . . . . . . . . . 68
4
Kraftstoffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
5
Kraftstoffeinspritztechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143
6
Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
1
Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
1.1
Historie des Dieselmotors
Am 27. Februar 1892 meldet der Ingenieur Rudolf Diesel beim Kaiserlichen Patentamt zu Berlin ein Patent auf „Neue rationelle Wärmekraftmaschinen“ an, worauf ihm am 23. Feb ruar 1893 das DRP 67207 über „Arbeitsverfahren und Aus führungsart für Verbrennungskraftmaschinen“, datiert auf den 28. Februar 1892, erteilt wird: Ein wichtiger, erster Schritt auf dem Weg zu dem selbst gesetzten Ziel, das Diesel seit sei ner Studienzeit beschäftigt, wie seiner Biographie zu entneh men ist: Geboren am 18. März 1858 in Paris als Sohn deutscher Eltern verschlägt es ihn, noch ein Schuljunge, mit Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71 über London nach Augsburg, wo er bei Pflegeeltern aufwächst. Ohne familiären und finanziellen Rückhalt ist der junge Rudolf Diesel gezwungen, sein Leben selbst zu organisieren und u.a. durc h Nachhilfeunterricht zum Unterhalt beizutragen. Stipendien ermöglichen ihm schließlich ein Studium am Polytechnikum München, der späteren Technischen Hoch schule, das er 1880 als bester aller bis dahin Examinierten verlässt. Dort, in den Vorlesungen von Professor Linde über die „Theorie der Calorischen Maschinen“, wird dem Studenten Diesel klar, welche enorme Energieverschwendung die Dampfmaschine, die dominierende Wärmekraftmaschine jener Zeit, betreibt, wenn man sie an dem von Carnot 1824 formulierten Idealprozess der Energiewandlung misst, s. Abschn. 1.2. Bei Wirkungsgraden von ca. 3% wird außer dem durch die lästige Rauchentwicklung damaliger Kessel feuerungen die Luft erheblich verschmutzt! Erhaltene Kolleghefte bezeugen, dass sich schon der Stu dent Diesel Gedanken über eine Realisierung des CarnotProzesses machte, möglichst durch unmittelbare Nutzung der in der Steinkohle enthaltenen Energie ohne Dampf als Zwischenmedium. Auch während seiner Tätigkeit für Lindes Eismaschinen, die ihn über Paris nach Berlin führt, verfolgt
er ehrgeizig die Idee eines rationellen Motors, von dessen Erfindung er sich wirtschaftliche Unabhängigkeit verbun den mit sozialem Aufstieg verspricht. Schließlich kommt es zur bereits erwähnten Anmeldung und Erteilung des Patents [1-1] mit folgendem Anspruch 1: „Arbeitsverfahren für Verbrennungskraftmaschinen, gekennzeichnet dadurch, dass in einem Zylinder vom Arbeitskolben reine Luft oder anderes indifferentes Gas (bzw. Dampf) mit reiner Luft so stark verdichtet wird, dass die hierdurch entstandene Temperatur weit über der Ent zündungstemperatur des zu benutzenden Brennstoffes liegt (Curve 1-2 des Diagramms Fig. 2), worauf die Brenn stoffzufuhr vom toten Punkt ab so allmählich stattfindet, dass die Verbrennung wegen des ausschiebenden Kolbens und der dadurch bewirkten Expansion der verdichteten Luft (bzw. des Gases) ohne wesentliche Druck- und Temperatur erhöhung erfolgt (Curve 2-3 des Diagramms Fig. 2), worauf nach Abschluss der Brennstoffzufuhr die weitere Expansion der im Arbeitszylinder befindlichen Gasmasse stattfindet (Curve 3-4 des Diagramms Fig. 2)“. Nach der Entspannung auf den Ausgangsdruck erfolgt längs der Isobaren 4-1 (Bild 1-1) die Wärmeabfuhr und somit das Schließen des Prozesses. Ein 2. Anspruch erhebt Patentschutz auf eine mehrstufige Kompression und Expansion, wozu Diesel einen dreizylind rigen Compoundmotor vorschlägt (Bild 1-2). In zwei, um 180° versetzt laufenden Hochdruckzylindern 2, 3 erfolgt die adiabate Kompression sowie die Selbstzündung des im obe ren Totpunkt über den Trichter B so zugeführten Brenn stoffs (Diesel spricht zunächst von Kohlenstaub), dass eine isotherme Verbrennung und Expansion erfolgt, die nach Brennschluss in eine adiabate übergeht. Nach Überschieben des Verbrennungsgases in den doppeltwirkenden, mittleren Zylinder 1 findet dort die Restexpansion auf Umgebungs druck und nach Bewegungsumkehr das Ausschieben statt, gleichzeitig mit der isothermen Vorverdichtung unter Was sereinspritzen bzw. dem vorhergegangenen Ansaugen der Frischladung für den parallel dazu ablaufenden zweiten
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1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-1 Arbeitsprozess des idealen Dieselmotors (1-2-3-4) nach Fig. 2 in [11], ergänzt durch geänderte„Admissionsperioden“ (1-2-3’-4’bzw. 1-2-3’’-4’’) gemäß Brief Diesels vom 16.10.1893 an Krupp [1-2, S. 404]
Arbeitsprozess, sodass pro Umdrehung ein Arbeitsspiel erfolgt. Diesel greift also zur Realisierung des Carnot-Prozesses auf das seit Nikolaus Otto zum „Stand der Technik“ gehörende Viertakt-Verfahren zurück. Er glaubt, durch die isotherme Verbrennung bei maximal 800 °C die Temperaturbelastung im Motor so gering halten zu können, dass er ohne Kühlung auskommt. Diese Grenztemperatur bedingt Kompressionsdrücke von ca. 250 at, womit sich Diesel weit über den geltenden „Stand der Technik“ erhebt: Das verleiht dem „Seiteneinsteiger“ Diesel einerseits die notwendige Unbedarftheit zur Durchsetzung seiner Idee, andererseits schrecken im Motorenbau erfahrene Firmen, wie die Gasmotoren-Fabrik Deutz, vor dem Diesel-Projekt zurück. Sich bewusst, dass „eine Erfindung aus zwei Teilen besteht: der Idee und ihrer Ausführung“ [1-3], hatte Diesel dazu eine Druckschrift „Theorie und Konstruktion eines rationellen Wärmemotors“ [1-4] verfasst, die er zum Jahreswechsel 1892/93 an Professoren und Industrielle, also auch nach Deutz, verschickte, um seine Ideen zu propagieren und die Industrie für sich zu gewinnen: Bei einem Carnot-Wirkungsgrad von ca. 73% bei 800 °C erwartet er im praktischen Betrieb Verluste von maximal 30 bis 40%, was einem Nutzwirkungsgrad von ca. 50% entspräche [1-4, S. 51]. Endlich kommt es nach fast einjährigem Bemühen und Taktieren im Frühjahr 1893 zum Vertrag zwischen Diesel und der renommierten, von Heinrich Buz geleiteten Maschinenfabrik Augsburg AG, die u.a. führend im Bau von
Dampfmaschinen ist. Der Vertrag enthält Konzessionen Diesels an den Idealmotor: Der Höchstdruck wird von 250 at auf 90 at, später auf 30 at gesenkt, die 3-zylindrige Verbundmaschine auf einen Hochdruckzylinder reduziert sowie Kohlenstaub als Kraftstoff verworfen. Dem für Diesel lukrativen Vertrag treten mit Krupp und bald danach Sulzer zwei weitere Firmen des Schwermaschinenbaus bei. Im Frühsommer 1893 beginnt man in Augsburg mit dem Bau des ersten, ungekühlten Versuchsmotors mit einem Hub von 400 mm bei 150 mm Bohrung. Als Kraftstoff ist zwar Petroleum vorgesehen, doch wird am 10. August 1893 bei geschlepptem Motor zunächst Benzin eingespritzt, in der irrigen Annahme, dass es leichter zündet: Das Prinzip der Selbstzündung erfährt zwar seine Bestätigung, wenn auch bei Drücken von über 80 bar der Indikator platzt! Die weitere Entwicklung kann man anhand ausgewählter Indikatordiagramme verfolgen (Bild 1-3): Nach Umbau des 1. Motors, der später eine Wasserkühlung erhält, zeigt sich, dass der Kraftstoff nicht direkt, sondern nur mit Hilfe von Druckluft eingespritzt, zerstäubt und verbrannt werden kann. Mit dem 1. Leerlauf des bisher geschleppten Motors wird der Motor am 17. Februar 1894 selbstständig. Schließlich erfolgt am 26. Juni 1895 ein erster Bremsversuch: Mit Petroleum als Kraftstoff und fremderzeugter Einblaseluft wird bei einem Verbrauch von 382 g/PSh ein indizierter Wirkungsgrad von Ki = 30,8% und ein Nutzwirkungsgrad von Ke = 16,6% ermittelt. Doch erst mit einer Neukonstruktion, dem mit einer einstufigen Luftpumpe versehenen 3. Versuchsmotor [1-2], gelingt der Durchbruch: Am 17. Februar 1897 führt Professor Moritz Schröter von der Technischen Hochschule München Abnahmeversuche durch, deren Ergebnisse er gemeinsam mit Diesel und Buz am 16. Juni 1897 auf einer VDIHauptversammlung in Kassel vorstellt, damit die erste Wärmekraftmaschine mit einem seinerzeit sensationellen Wirkungsgrad von 26,2% präsentierend [1-5]! Dazu musste die im Grundpatent beanspruchte isotherme Wärmezufuhr aufgegeben werden: Spätestens beim Auftragen der theoretischen Indikatordiagramme (Bild 1-4), muss auch Diesel klar geworden sein, dass angesichts der schmalen Diagrammfläche, die der indizierten Arbeit proportional ist, und der infolge der hohen Drücke zu erwartenden Reibungsverluste der Motor keine Nutzarbeit leisten würde. Bemüht, das Grundpatent nicht zu gefährden, stellt er frühzeitig Überlegungen zur Verlängerung der „Admissionsperiode“ an, womit ein Anheben der Linie der isothermen Wärmezufuhr im p, V-Diagramm gemeint ist (Bild 11). Eine zweite Patentanmeldung vom 29. November 1893 (DRP 82168) führt auch den Gleichdruckprozess auf, der wegen „nicht wesentlicher Druckerhöhung“ in Übereinstimmung mit dem Grundpatent gesehen wird. Mit der
1.1 Historie des Dieselmotors
Patenterteilung wird übersehen, dass entgegen dem Grundpatent sowohl die Brennstoffmasse als auch die maximale Temperatur zunehmen! So ist es nicht verwunderlich, dass Diesel und das DieselKonsortium bald nach Kassel in Patentstreitigkeiten verwickelt sind. Diesels Motor, so der Vorwurf, realisiert keinen seiner Patentansprüche: Weder kommt der Motor ohne Kühlung aus, noch erfolgt die Expansion ohne wesentliche Druck- und Temperaturerhöhung gegenüber der Kompression. Nur die im Anspruch 1 erwähnte Selbstzündung erfolgt. Doch ebenso wie Diesel nie zugibt, dass sein Motor
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keine Phase des Carnot-Prozesses realisiert, so vehement bestreitet er bis zuletzt, dass die Selbstzündung ein Wesensmerkmal seiner Erfindung sei [1-2, S. 406]. Leichter wiegt der Vorwurf, auch keinen Kohlenstaub zu verwenden [1-5; 1-6]: Diesel, ein Ingenieur des 19. Jahrhunderts, konnte zunächst nicht an der Kohle, der Hauptenergiequelle seiner Zeit, vorbeigehen, zumal sein Motor die Dampfmaschine ersetzen sollte. Damit schloss er aber andere Kraftstoffe nicht aus, wie spätere Versuche, u.a. auch mit Pflanzenölen, belegen [1-3]. Gemessen am damaligen „Stand der Technik“ konnte niemand, auch nicht Diesel,
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1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-3 Indikatordiagramme zur Entstehung des Dieselmotors nach [1-3]. Die vom Druckverlauf über dem Zylindervolumen eingeschlossene Fläche entspricht der inneren Arbeit des Motors, s. Abschn. 1.2
wissen, welcher Kraftstoff sich am besten für den Dieselmotor eignet. Umso mehr ist sein durch viele konstruktive Vorschläge belegtes, geniales Einfühlungsvermögen in ihm weithin unbekannte Vorgänge der dieselmotorischen Verbrennung zu bewundern (Bild 1-5), denen wir oft erst heute unter Einsatz modernster Mess- und Rechentechnik auf die Spur kommen (s. Abschn. 3). Abgesehen von den erfolgreich bestandenen Patenstreitigkeiten ist der weitere Weg des Dieselmotors überschattet von Auseinandersetzungen zwischen dem Erfinder und dem Diesel-Konsortium: Letzteres ist daran interessiert, den als Ersatz für stationäre und Schiffs-Dampfmaschinen gedachten Motor möglichst bald gewinnbringend zu „vermarkten“ [1-7]. Dazu muss zunächst die in Kassel voreilig konstatierte Marktreife hergestellt werden, was vor allem dem Geschick und dem zähen Einsatz von Immanuel Lauster in Augsburg zu verdanken ist. Damit ist jedoch auch die
Entwicklungslinie „leistungsstarker Dieselmotor“ vorgezeichnet, Tabelle 1-1. Rudolf Diesel dagegen, vornehmlich an einer dezentralisierten Energieerzeugung interessiert [1-4, S. 89ff.], damit die Blockheizkraftwerk-Technik sowie heutige Entwicklungen in der Bahntechnik [1-8] mit der durchaus realistischen Vision von über Satellit ferngesteuerten, fahrerlosen Güterwagen vorwegnehmend [1-4], sah in dem schweren Versuchsmotor mit dem samt Kreuzkopftriebwerk vom Dampfmaschinenbau entlehnten A-Gestell nur die Vorstufe auf dem Weg zu einem leichten, „kompressorlosen“ Dieselmotor. Mit dem widerwillig zugestandenen Bau eines Compoundmotors, der die in ihn gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen konnte, und einigen Tastversuchen mit Kohlenstaub und anderen, alternativen Kraftstoffen, endete die Entwicklungstätigkeit Diesels bei der Maschinenfabrik Augsburg.
1.1 Historie des Dieselmotors Ein späterer Versuch Diesels, zusammen mit der kleinen Firma Safir der Entwicklungslinie „Fahrzeug-Dieselmotor“ zum Durchbruch zu verhelfen, scheitert u.a. an der unzureichenden Kraftstoffdosierung. Ein Problem, das erst durch das Diesel-Einspritzsystem der Firma Bosch gelöst wird [1-9]. Das Schicksal Rudolf Diesels erfüllt sich während einer Überfahrt von Antwerpen nach Harwich vom 29. zum 30. September 1913, nur wenige Wochen nach Erscheinen seines Buches: „Die Entstehung des Dieselmotors“! Nach den jahrelangen Kämpfen und Anstrengungen, die seine geis-
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tigen und körperlichen Kräfte auf das Äußerste beanspruchten, droht der finanzielle Zusammenbruch, trotz der enormen, millionenschweren Einkünfte aus seiner Erfindung: Zu stolz, Fehlspekulationen und Irrtümer einzugestehen oder Hilfe anzunehmen, sieht Diesel, wie sein Sohn und Biograph darlegt, nur im Freitod einen Ausweg [1-10]. Geblieben ist sein Lebenswerk, der aus der Theorie der Wärmekraftmaschinen hervorgegangene Hochdruckmotor, der seinen Namen trägt und nach 100 Jahren noch das ist, was sein genialer Schöpfer Rudolf Diesel zum Ziel hatte: Die rationellste Wärmekraftmaschine ihrer und auch noch unserer Zeit (Bild 1-6): Gegenüber 1897 hat sich der Wirkungsgrad etwa verdoppelt und entspricht der von Diesel geschätzten Annäherung an den Carnot-Wirkungsgrad. Der maximale Zylinderdruck pZmax hat sich mehr als verfünffacht und erreicht bei heutigen Hochleistungs-Dieselmotoren (MTU 8000, s. Abschn. 17.4) mit 230 bar nahezu den von Diesel für den Carnot-Prozess vorgeschlagenen Höchstwert bei mehr als zehnfacher Leistungsdichte PA heutiger Dieselmotoren. Gemessen am „ökologischen Imperativ“ schont der Dieselmotor durch seinen hohen Wirkungsgrad und die Vielstofffähigkeit unsere begrenzten Ressourcen und mindert die Belastung der Umwelt mit dem Treibhausgas Kohlendioxid. Doch nur eine konsequent betriebene Entwicklung zur weiteren Verringerung der Abgas- und Geräuschemission über das Erreichte hinaus, sichert auch künftig die Akzeptanz des Dieselmotors. Gleichzeitig könnte sich dann auch die Vision Diesels erfüllen [1-10]: „dass die Abgase meines Motors rauch- und geruchlos sind“.
Bild 1-4 Theoretisches Indikatordiagramm des Carnot-Prozesses nach [1-4]
Bild 1-5 Vorschläge Diesels zum Verbrennungssystem. a Kolben mit Kolbenmulde (1892); b Nebenbrennraum (1893); c Pumpe-Düse-Aggregat (1905), s. Abschn. 5.3
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Tabelle 1-1 Wegmarken zur Entwicklung des Dieselmotors Entwicklungslinie „leistungsstarker Großdieselmotor” 1897 Erster Lauf eines Dieselmotors mit einem Wirkungsgrad von ηc = 26,2% bei der Maschinenfabrik Augsburg 1898 Auslieferung des ersten Zweizylinder-Dieselmotors mit 2 × 30 PS bei 180 min–1 an die Vereinigten Zündholzfabriken AG in Kempten 1899 Erster Zweitakt-Dieselmotor der MAN von Hugo Güldner (nicht marktfähig) 1899 Erster kreuzkopfloser Dieselmotor, Typ W, der Gasmotorenfabrik Deutz 1901 Erster MAN-Tauchkolben-Dieselmotor von Imanuel Lauster (Typ DM 70) 1903 Erster Einbau eines Zweizylinder-Viertakt-Gegenkolben-Dieselmotors mit 25 PS in ein Schiff (Kanalboot Petit Pierre) durch die Firma Dyckhoff, Bar Le Duc 1904 Erster MAN-Dieselkraftwerk mit 4 × 400 PS geht in Kiew in Betrieb 1905 Alfred Büchi schlägt die Nutzung der Abgasenergie zur Aufladung vor 1906 Erster umsteuerbarer Zweitaktmotor der Gebr. Sulzer, Winterthur, für den Schiffsantrieb mit 100 PS/Zyl. (s/D = 250/155) vorgestellt 1912 Erstes seegehendes Schiff, MS Selandia, mit zwei umsteuerbaren Viertakt-Dieselmotoren der Firma Burmeister & Wain mit je 1088 PS in Dienst gestellt 1914 Erster Probelauf eines doppelwirkenden Sechszylinder-Zweitaktmotors mit 2000 PS/Zyl. der MAN Nürnberg (s/D = 1050/850) 1951 Erster MAN-Viertakt-Dieselmotor (Typ 6KV30/45) mit Hochaufladung: ηe = 44,5% bei we max = 2,05 kJ/l, pZ max = 142 bar und PA = 3,1 W/mm2 1972 Bisher größter Zweitakt-Dieselmotor (s/D = 1800/1050, 40000 PS) geht in Betrieb 1982 Markteinführung von Superlongstroke-Zweitaktmotoren mit s/D ≈ 3 (Sulzer, B & W) 1984 MAN B & W erzielt Verbrauch von 167,3 g/kWh (ηe = 50,4%) 1987 Größte dieselelektrische Antriebsanlage mit neun MAN-B & W-Viertakt-Dieselmotoren und einer Gesamtleistung von 95600 kW zum Antrieb der „Queen Elizabeth 2” wird in Dienst gestellt 1991/92 Zweitakt- und Viertakt-Experimentiermotoren von Sulzer (RTX54 mit pZ max = 180 bar, PA = 8,5 W/mm2) und MAN B & W (4T50MX mit pZ max = 180 bar, PA = 9,45 W/mm2) 1997 Sulzer12RTA96C (s/D = 2500/960: 2T-Dieselmotor, Pe = 65880 kW bei n = 100 min–1 geht in Betrieb 1998 Sulzer-Forschungsmotor RTX-3 zu Erprobung der Common-Rail-Technik bei 2T-Großdieselmotoren 2000/01 MAN B & W 12K98MC-C (s/D = 2400/980): derzeit leistungsstärkster 2T-Dieselmotor mit Pe = 68520 kW bei n = 104 min–1 2004 Erster 4T-MSL-Dieselmotor MAN B & W 32/40, Pe = 3080 kW, Common-Rail(CR)-Einspritzung im praktischen Einsatz auf einem Container-Schiff 2006 Mit einem Verbrauch von be = 177 g/kWh ist der MaK M43C führend bei 4T-MSL-Marinemotoren mit einer Zylinderleistung von 1000 kW (s/D = 610/430, we = 2,71 kJ/dm3, cm = 10,2 m/s) 2006 Wärtsilä stellt den weltweit ersten 14-Zylinder-Zweitaktmotor und damit leistungsstärksten Dieselmotor in Dienst: Wärtsilä RTA-flex96C, CR-Einspritzung, Pe = 80080 kW, s/D = 2500/900, cm = 8,5 m/s, we = 1,86 kJ/dm3 (pe = 18,6 bar) Entwicklungslinie „schnelllaufender Fahrzeug-Dieselmotor” 1898 Erster Lauf eines Zweizylinder-Viertakt-Gegenkolbenmotors („5-PS-Kutschenwagen-Motor”) von Lucian Vogel bei MAN Nürnberg (Versuchsmotor, nicht marktfähig) 1905 Versuchsmotor von Rudolf Diesel auf der Basis eines Vierzylinder-Saurer-Ottomotors mit Luftkompressor und direkter Einspritzung (nicht marktfähig) 1906 DRP 196514 für die Firma Deutz auf Einspritzung in Nebenkammer 1909 Grundpatent DRP 230517 von L’Orange auf Vorkammer 1910 Brit. Patent 1059 von McKenchie auf direkte Hochdruckeinspritzung 1912 Erster kompressorloser Deutz-Dieselmotor, Typ MKV, geht in Serie 1913 Erste Diesel-Lokomotive mit Vierzylinder-Zweitakt-V-Motor der Gebr. Sulzer vorgestellt (Leistung 1000 PS) 1914 Erster diesel-elektrische Triebwagen mit Sulzer-Motoren bei den Preußischen und Sächsischen Staatsbahnen 1924 Erste Nutzfahrzeug-Dieselmotoren der MAN Nürnberg (direkte Einspritzung) bzw. der Daimler Benz AG (indirekte Einspritzung in Vorkammer) vorgestellt 1927 Beginn der Serienfertigung von Diesel-Einspritzanlagen bei Bosch 1931 Musterprüfung des Sechszylinder-Zweitakt-Gegenkolben-Flugdieselmotors JUMO 204 der Junkers-Motorenbau GmbH: Leistung 530 kW (750 PS), Leistungsmasse 1,0 kg/PS 1934 V8-Viertakt-Dieselmotoren mit Vorkammer der Daimler-Benz AG für LZ 129 Hindenburg mit 1200 PS bei 1650 min–1 (Leistungsmasse: 1,6 kg/PS einschl. Getriebe) 1936 Erste Pkw-Dieselmotoren mit Vorkammer der Daimler-Benz AG (Pkw Typ 260 D) und Hanomag in Serie 1953 Erster Pkw-Dieselmotor mit Wirbelkammer von Borgward bzw. Fiat 1978 Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung in Serie (Daimler-Benz AG) 1983 Erster schelllaufender Hochleistungsdieselmotor der MTU mit Doppelaufladung in Serie: wemax = 2,94 kJ/l bei pZmax = 180 bar, Kolbenflächenleis tung PA = 8,3 W/mm2 1986/87 Erstmalig elektronisches Motormanagement (ECD) bei Fahrzeug-Dieselmotoren eingesetzt (BMW: Pkw, Daimler-Benz: Nfz)
1.2 Motortechnische Grundlagen
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Tabelle 1-1 (Fortsetzung) 1988 1989 1996 1997 1998 1999 2000 2004 2006
Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung in Serie (Fiat) Erster Pkw-Dieselmotor mit Abgasturboaufladung und direkter Einspritzung bei Audi in Serie (Pkw Audi 100 DI) Erster Pkw-Dieselmotor mit direkter Einspritzung und Vierventilbrennraum (Opel-Ecotec-Dieselmotor) Erster aufgeladener Pkw-Dieselmotor mit direkter Common-Rail-Hochdruckeinspritzung und variabler Turbinengeometrie (Fiat, Mercedes-Benz) Erster V8-Pkw-Dieselmotor: BMW 3,9 l DE-Turbodiesel, Pe = 180 kW bei 4000 min–1, Mmax = 560 Nm (1750…2500 min–1) „Smart-cdi”, 0,8 dm3 Hubraum, derzeit kleinster Pkw-Turbo-Dieselmotor mit LLK und Common-Rail-Hochdruckeinspritzung: Pe = 30 kW bei 4200 min–1, mit 3,4 l/100 km erstes„3-Liter-Auto”der Fa. DaimlerChrysler Erste Pkw-Dieselmotoren mit Partikelfilter in Serie (Fa. Peugeot) OPEL stellt eine alltagstaugliche Studie„Vectra OPC”mit einem 1,9-Liter-CDTI-Twinturbo-Aggregat mit einer Literleistung von PV = 82 kW/dm3 vor Beim 74. 24-Stunden-Rennen von Le Mans siegt erstmals ein AUDI R10 TDI mt einem V12-Dieselmotor (Pe > 476 kW bei n = 5000 l/min, VH = 5,5 dm3, we = kJ/dm3 bei einem Bi-Turbo-Ladedruck von pL = 2,94 bar)
Bild 1-6 Bestwerte von effektivem Wirkungsgrad Ke, maximalem Zylinderdruck pZmax und Kolbenflächenleistung PA für Serienmotoren ca. 100 Jahre nach Vorstellung des ersten Dieselmotors (s. auch Bild 1-13 bzw. Tabelle 1-3)
1.2
Motortechnische Grundlagen
1.2.1
Einleitung
Dieselmotor wie Ottomotor sind prinzipiell Energiewandler, die im Kraftstoff chemisch gebundene Energie in mechanische Energie (Nutzarbeit) wandeln, indem sie die im Motor durch Verbrennung freigesetzte Wärme einem thermodynamischen Kreisprozess zuführen und als Druck-Volumen-Arbeit nutzen.
Die Energiebilanz über die Systemgrenzen des als „BlackBox“ dargestellten Wandlers (Bild 1-7) lautet: . Ist die auf den Umgebungszustand bezogene Energie der Verbrennungsluft EL = 0, so ist die mit dem Kraftstoff mB zugeführte Energie gleich der Nutzarbeit We und der Summe aller Energieverluste ∑EV. Das technische System „Dieselmotor“ ist auch Teil eines vielfach vernetzten globalen Systems, das durch die Begriffe
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1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-7 Der Dieselmotor als Energiewandler
„Ressourcen“ und „Umweltbelastung“ umrissen wird. Eine nur energetische, ökonomische Sicht mit dem Ziel, die Verluste ∑EV zu minimieren, genügt nicht heutigen, durch den ökologischen Imperativ beschriebenen Ansprüchen, wonach jede Wandlung von Energie und Materie mit maximalem Wirkungsgrad bei minimaler Umweltbelastung zu erfolgen hat. Das Ergebnis der angesichts dieser Forderung notwendigen, aufwendigen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten ist der Dieselmotor unserer Tage, der sich vom einfachen Motor zu einem komplexen, aus mehreren Teilsystemen bestehendem Motorsystem entwickelt hat (Bild 1-8). Charakteristisch für diese Entwicklung sind das verstärkte Einbinden elektrischer und elektronischer Bauelemente sowie der Übergang von offenen Steuerungen zu geschlossenen Regelkreisen. Zudem zwingt der internationale Wettbewerb zu minimalem Fertigungsaufwand und Materialeinsatz, was u.a. beanspruchungsgerechte Konstruktionen zur optimalen Bauteilnutzung bedingt.
1.2.2
Konstruktive Grunddaten
Geometrie und Kinematik jeder Kolbenmaschine werden durch folgende geometrischen Kenngrößen eindeutig beschrieben: – Hub/Bohrungsverhältnis ] = s/D, – Pleuelstangenverhältnis OPl = r/l, – Verdichtungsverhältnis H = Vmax/Vmin = (Vc + Vh)/Vc. Dabei entspricht Vmin dem Kompressionsvolumen Vc und das max. Zylindervolumen Vmax der Summe aus Vc und Hub-
Bild 1-9 Konstruktive Grunddaten des Tauchkolbentriebwerks
volumen Vh, für das mit der Zylinderbohrung D und dem Kolbenhub s gilt . Entsprechend ist VH = z ·Vh das Hubvolumen eines Motors mit z Zylindern. Durchgesetzt hat sich das Tauchkolbentriebwerk (Bild 1-9). Nur Zweitakt-Großmotoren (s. Abschn. 18.4) besitzen ein Kreuzkopftriebwerk zur Entlastung des Kolbens von den Seitenführungskräften (s. Abschn. 8.1). Beide Bauarten werden nur noch mit einseitig beaufschlagten Kolben eingesetzt. Zwischen dem Kurbeldrehwinkel M als normierte Zeitgröße und der Drehgeschwindigkeit Z besteht der Zusammenhang . Wird die Drehzahl n nicht als Drehzahlfrequenz (s–1) sondern, wie im Motorenbau üblich, in Umdrehungen pro Minute (min–1) angegeben, so ist Z = S · n/30. Der Arbeitsprozess eines Verbrennungsmotors spielt sich in dem möglichst dichten Zylinderraum Vz ab, der sich mit der Kolbenbewegung zK innerhalb der Grenzen Vmax und Vmin periodisch ändert: . Für den Kolbenweg gilt mit dem Kurbelradius r abhängig von der momentanen Kurbelstellung M in Grad Kurbelwinkel (°KW) ausgehend vom oberen Totpunkt OT (M = 0) , wobei meist folgende Näherungsfunktion verwendet wird:
1.2 Motortechnische Grundlagen
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Bild 1-8 Der moderne Dieselmotor als ein Komplex von Teilsystemen
. Für die momentane Kolbengeschwindigkeit cK und -beschleunigung aK folgen daraus:
mit niedrigen Drehzahlen, bzw. ist ein Schnellläufer ein Motor mit kleinen Abmessungen. Für Dieselmotoren mit einem Bohrungsdurchmesser von 0,1 m < D < 1 m besteht näherungsweise folgende Korrelation zur Motorgröße: .
(1-2)
. Die aus Kolbenhub s in m und Drehzahlfrequenz n in s–1 folgende mittlere Kolbengeschwindigkeit (1-1) ist eine wichtige Kenngröße für das kinematische und dynamische Motorverhalten, mit deren Zunahme auch Massenkräfte (~ c 2m), Reibung und Verschleiß steigen, sodass cm nur begrenzt steigerbar ist. Infolgedessen läuft ein Großmotor
1.2.3
Die motorische Verbrennung
1.2.3.1
Grundlagen der Verbrennungsrechnung
Die Verbrennung ist chemisch betrachtet eine Oxidation der Kraftstoffmoleküle mit dem Luftsauerstoff als Oxidationsmittel. Damit ist die maximal umsetzbare Kraftstoffmasse mB durch die im Motorzylinder befindliche Luftmasse beschränkt. Mit der kraftstoffspezifischen Mindestluftmasse
12 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors Lmin (kg Luft/kg Kraftstoff) zur vollständigen und vollkom menen Verbrennung des Kraftstoffes beschreibt das Luftver hältnis λV das Verhältnis von „Angebot zu Nachfrage“ bei der Verbrennung: .
(1-3)
Für das „Angebot“ der im gesamten Motor enthaltenen Luft masse mLZ aller Zylinder (VZ = z · Vz) gilt: .
(1-4)
Bei meist unbekannter Dichte ρZ der Zylinderladung weicht man i. Allg. auf die Definition des Liefergrades λl (s. Abschn. 2.1) und die Dichte ρL der Frischladung unmittelbar am Ein tritt in den Zylinderkopf aus: .
(1-5)
Der Luftbedarf folgt aus der Kraftstoff-Elementaranalyse: Dieselkraftstoff (DK) ist als Erdölderivat ein Konglomerat von Kohlenwasserstoffen und besteht hauptsächlich aus Kohlenstoff C, Wasserstoff H, Schwefel S bei meist vernach lässigbaren Anteilen an Sauerstoff O und Stickstoff N. Somit folgt aus der Bilanzgleichung zur vollkommenen Oxidation eines allgemeinen Kraftstoffmoleküls CxHySz zu Kohlendio xid CO2, Wasser H2O und Schwefeldioxid SO2:
der minimale Luftbedarf Lmin entsprechend dem Sauerstoff gehalt der Luft und den jeweiligen Molzahlen zu: [kg/kg] (c, h, s, o: Masseanteil an 1 kg Kraftstoff gem. Elementarana lyse. Anhaltswert für DK: Lmin = 14,5 kg/kg). Die bei der Verbrennung freigesetzte Wärme Qex ent spricht dem kraftstoffspezifischen Heizwert Hu, der sich ebenfalls aus der Elementaranalyse zu: [MJ/kg] berechnen lässt [1-11]. Auf die Kraftstoffdichte ρB bei 15°C stützt sich folgende Näherungsbeziehung: [MJ/kg]. Damit gilt für die durch „innere Verbrennung“ dem Arbeits prozess zugeführte Wärme: .
1.2.3.2 Vergleich motorischer Verbrennungsverfahren Der Verbrennung voraus geht das Aufbereiten des meist flüs sigen Kraftstoffes, um ein zündfähiges Gemisch aus gasför migem Kraftstoffdampf und Luft zu erhalten. Ein Vorgang, der bei Diesel- und Ottomotor unterschiedlich verläuft (Ta belle 1-2). Beim Dieselmotor (s. Kap. 3) setzt die innere Gemischbildung mit dem Einspritzen des Kraftstoffes in die hoch ver dichtete und erwärmte Luft kurz vor OT ein, wogegen die äußere Gemischbildung beim klassischen Ottomotor außer halb des Arbeitsraumes mittels Vergaser oder durch Ein spritzen in das Saugrohr erfolgt und sich oft über Ansaugund Verdichtungstakt erstreckt. Im Gegensatz zum homogenen Kraftstoff-Luft-Gemisch eines Ottomotors weist der Dieselmotor vor der Entzündung ein heterogenes Gemisch auf, bestehend aus über den Brenn raum verteilten Kraftstofftröpfchen von wenigen Tausends tel Millimeter Durchmesser, die teils flüssig, teils von einem Kraftstoffdampf-Luft-Gemisch umgeben sind. Beim Ottomotor wird die Verbrennung über eine gesteu erte Fremdzündung durch Auslösen einer elektrischen Ent ladung an einer Zündkerze eingeleitet, vorausgesetzt das Luftverhältnis des homogenen Gemisches liegt innerhalb der Zündgrenzen. Beim Dieselmotor erfolgt an bereits auf bereiteten, d.h. von einem zündfähigen Gemisch umge benen Tröpfchen eine Selbstentzündung, wobei nur für das Mikro-Gemisch im Bereich des Kraftstofftröpfchens Zünd grenzen im Bereich des stöchiometrischen Gemisches (λV = 1) bestehen (s. Kap. 3). Der Dieselmotor benötigt für eine normale Verbrennung einen Luftüberschuss: lV ≥ lmin > 1. Folglich erfolgt das Anpassen der Energiezufuhr an die Motorbelastung beim Dieselmotor über das Luftverhältnis, also die Gemischqualität (Qualitätssteuerung), beim Ottomotor wegen der Zünd grenzen über die Gemischquantität (Quantitätssteuerung) durch verlustreiches Drosseln beim Ansaugen der Frischla dung. Art der Zündung und Gemischbildung bestimmen die Anforderungen an den Kraftstoff: Dieselkraftstoff muss zündwillig sein, ausgedruckt durch die Cetan-Zahl, Benzin für Ottomotoren zündunwillig, d.h. hohe Oktanzahlen aufwei sen, um keine unkontrollierte Verbrennung durch ungesteu erte Selbstzündungen auszulösen. Letzteres wird durch leichtsiedende, kurzkettige, somit thermisch stabile Kohlen wasserstoffe (C5 bis C10) erfüllt. Dieselkraftstoff besteht dagegen aus schwersiedenden, langkettigen Kohlenwasser stoffen (C9 bis C30), die eher zerfallen und dabei die Selbst zündung begünstigende freie Radikale bilden (s. Kap. 3).
1.2 Motortechnische Grundlagen 13
Tabelle 1-2 Vergleich von Merkmalen der motorischen Verbrennung Merkmale
Dieselmotor
Ottomotor
Gemischbildung
innerhalb Vz
außerhalb Vz
Gemischart
heterogen
homogen
Zündung
Selbstzündung bei Luftüberschuss
Fremdzündung innerhalb Zündgrenzen
Luftverhältnis
λV ≥ λmin > 1
0,6 < λV < 1,3
Verbrennung
Diffusions-Flamme
Vormisch-Flamme
Drehmoment-Änderung durch Kraftstoff
Änderung von lV (Qualitätsänderung) zündwillig
Gemischdrosselung (Quantitätsänderung) zündunwillig
1.2.4
Thermodynamische Grundlagen
1.2.4.2 Idealer Kreisprozess und Vergleichsprozess
1.2.4.1
Ideale Zustandsänderungen von Gasen
Bei einem idealen Kreisprozess erfährt das Gas eine in sich geschlossene Zustandsänderung, sodass es nach Durchlau fen des Prozesses wieder den Anfangszustand erreicht. Somit gilt für die innere Energie U = U(T):
Der Zustand einer Gasmasse m ist durch zwei thermische Zustandsgrößen über die allgemeine Zustandsgleichung für ideale Gase bestimmbar: p·V=m·R·T (p absoluter Druck in Pa, T Temperatur in K, V Volumen in m3, R spezifische Gaskonstante, z.B. für Luft RL = 287,04 J/kg · K). Ideale Gase zeichnen sich durch einen von Druck, Tem peratur und Gaszusammensetzung unabhängigen, konstan ten Isentropenexponente κ aus (Luft: k = 1,4; Abgas: k ≈ 1,36). Der Zustand eines Gases lässt sich somit mit dem Werte paar (p, V) in einem p, V-Diagramm darstellen und verfol gen, wobei sich Zustandsänderungen durch Konstantsetzen einer Zustandsgröße einfach berechnen lassen, in dem für Isobaren (p = konst.), Isothermen (T = konst.) und Isocho ren (V = konst.) einfache, geschlossene Gleichungen existie ren [1-12]. Ein Sonderfall ist die adiabate Zustandsände rung: p ∙ Vk = konst., bei der kein Wärmeaustausch zwischen Gas und Umgebung erfolgt. Ist dieser Vorgang reversibel, so spricht man von isentroper Zustandsänderung, was in der Realität nie zutrifft, ebenso wie der reale Isentropenexponent von Gaszustand und -zusammensetzung abhängt [1-13].
. Aus dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik, der die Erhal tung der Energie in geschlossenen Systemen beschreibt, , folgt damit, dass die im Verlauf des Kreisprozesses umge setzte Wärme Q als mechanische Arbeit anfällt: , d.h. die Druck-Volumen-Änderung entspricht der theore tisch nutzbaren Arbeit Wth des idealen Prozesses. Ein idealer Kreisprozess wird zum Vergleichsprozess für eine thermische Maschine, wenn man ihn den Realitäten anpasst. Für den Hubkolbenmotor bedeutet dies, dass sich Ideal-Prozess und realer Arbeitsprozess gleichermaßen zwi schen zwei Volumen- bzw. Druckgrenzen abspielen, gege ben durch Vmax und Vmin bzw. pmax und pmin. Die obere Druckgrenze pmax entspricht dem aus Festigkeitsgründen zulässigen maximalen Zylinderdruck pZmax und pmin dem Druck pL vor Einlass in den Motor (Bild 1-10a). Als weitere Vorgaben müssen Verdichtungsverhältnis ε und die zuge führte Wärme Qzu bzw. QB übereinstimmen: . Dabei wird die Kraftstoffmasse mB bei gegebener Masse der Frischladung mLZ (Gl. (1-4)), durch das Luftverhältnis λV
14
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
bzw. den Gemischheizwert hu beschränkt: . Angelehnt an den Arbeitsprozess des Dieselmotors bei Annahme eines verlustlosen Ladungswechsels längs der Isobaren pmin (s. Abschn. 2.1) beginnt der Vergleichsprozess in 1 mit einer adiabatischen Verdichtung auf p2 = pc = p1 · HN(Bild 1-10a). Anschließend erfolgt die Wärmezufuhr: Zunächst isochor bis zum Erreichen des Grenzdruckes pmax in 3’, darauf isobar bis 3. Die dann folgende adiabatische Expansion endet in 4. Mit der danach einsetzenden Wärmeabfuhr längs der Isochoren Vmax schließt sich der Kreisprozess. Die Fläche 1-2-3’-3-4-1 entspricht der theoretischen Arbeit: , wobei sich für den thermischen Wirkungsgrad Kth des hier beschriebenen Seiliger-Prozesses ein geschlossener Ausdruck angeben lässt (N = konst. vorausgesetzt), , unter Verwendung des Füllungsverhältnisses G = V3/V2 bzw. des Druckverhältnisses \ = p3/p2. Im Temperatur-Entropie(T, s-)Diagramm (Bild 1-10b), kann der Energieumsatz des Seiliger-Prozesses verfolgt werden: Da die Flächen smin-1-23’-3-4-smax und smin-1-4-smax der zugeführten Qzu bzw. abgeführten Wärme Qab entsprechen, entspricht die Differenz der theoretischen Nutzarbeit, sodass für den thermischen Wirkungsgrad gilt: .
a
(1-6)
b
Die durch die Grenzwerte in beiden Diagrammen gebildeten Rechtecke entsprechen den jeweils maximal nutzbaren Arbeiten, jedoch mit unterschiedlichen Wirkungsgraden: Dem Volllastdiagramm einer idealen Kolbendampfmaschine im p, V-Diagramm mit bescheidenem Wirkungsgrad steht der Carnot-Wirkungsgrad mit einer real nicht nutzbaren Arbeit gegenüber (s. Abschn. 1.1). Für den Wirkungsgrad Kc des Carnot-Prozesses ist das Temperaturgefälle Tmax – Tmin bestimmend: . Aus dem T, s-Diagramm ist ersichtlich, dass auch während des realen Arbeitsprozesses hohe Temperaturen (bis zu 2500 K) auftreten (s. Abschn. 1.3). Dank des intermittierenden Arbeitsprozesses unterschreiten bei entsprechender Konstruktion die Motorbauteile die für sie kritischen Temperaturen (s. Abschn. 9.1) wozu auch eine möglichst niedrige Temperatur Tmin ≤ TL beiträgt. Der Seiliger-Prozess entspricht dem allgemeinsten Fall eines Vergleichsprozesses, da er dem realen Motorprozess angepasst werden kann. Er umfasst auch die Grenzfälle Gleichraum-Prozess (G o 1) und Gleichdruck-Prozess (\ o 1), die oft als idealer Ottomotor- bzw. Dieselmotor-Prozess bezeichnet werden, obwohl weder beim Ottomotor die Verbrennung momentan mit unendlich großer Brenngeschwindigkeit erfolgt, noch beim Dieselmotor eine isobare Verbrennung vorliegt (Bild 1-11). Der Einfluss des Verdichtungsverhältnisses auf den thermischen Wirkungsgrad K*th mit Berücksichtigung des Realgasverhaltens, d.h. N ≠ konst., ist aus Bild 1-12 für ein Druck-
Bild 1-10 Der Seiliger-Prozess als Vergleichsprozess für Verbrennungsmotoren im p, V-Diagramm (a) und T, s-Diagramm (b)
1.2 Motortechnische Grundlagen
15
Bild 1-11 Idealer Kreisprozess als Vergleichsprozess: Seiliger-Prozess (pZmax = 150 bar), Gleichdruck- und Gleichraum-Prozess für p1 = 2,5 bar, T1 = 40°C, e = 16, λv = 2 und Hu = 43 MJ/kg
verhältnis pmax/pmin = 60 ersichtlich: Bei einem Luftverhältnis von OV = 2wird beim Gleichraum-Prozess bereits für H ≈ 9 der zulässige Maximaldruck überschritten, wobei ein Seiliger-Prozess höhere Verdichtungsverhältnisse zulässt, jedoch für H ≈ 19,7 in den Gleichdruck-Prozess übergeht. Die reale Prozessberechnung (Abschn. 1.3) hat den idealisierten Vergleichsprozess in der praktischen Arbeit verdrängt, dennoch behält er seinen Wert für das schnelle Abschätzen nach „oben“, z.B. bei Variation der Motorprozessführung.
Bild 1-12 Thermischer Wirkungsgrad K*th mit Berücksichtigung des Realgasverhaltens (nach [1-13])
1.2.5
Der reale Arbeitsprozess des Dieselmotors
1.2.5.1
Zweitakt- und Viertakt-Verfahren
Geht man beim idealisierten Arbeitsprozess von äußerer Wärmezufuhr aus, so erfordert die innere Verbrennung den Austausch der Ladung nach jedem Arbeitsspiel durch einen Ladungswechsel (s. Abschn. 2.1). Hierfür benötigt der Viertaktmotor zwei zusätzliche Hübe oder Takte, wie die Bewegung von einer Totlage zur anderen bezeichnet wird. Das gesamte Arbeitsspiel umfasst daher zwei Umdrehungen oder 720 °KW, indem nach den Arbeitstakten (Kompression sowie Verbrennung und Expansion) das Ausschieben des Abgases und Ansaugen der Frischladung erfolgt. Somit besteht
16 1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors zwischen Drehzahl und Arbeitsspielfrequenz na ein Fre quenzverhältnis: a = n/na ,
(1-7)
das oft auch als „Taktzahl“ bezeichnet wird, ohne mit a = 2 (Viertaktverfahren) bzw. a = 1 (Zweitaktverfahren) die tat sächliche Anzahl der Takte anzugeben.
1.2.5.2
Wirkungsgrade des realen Motors
Neben dem thermischen Wirkungsgrad, der eine Abschät zung nach oben ermöglicht, interessiert in erster Linie der effektive Wirkungsgrad: ,
(1-8)
der sich auch als Produkt aus dem thermischen Wirkungs grad und den Vergleichsgrößen zur Beschreibung der Verlust anteile angeben lässt. Verluste durch unvollständige Verbren nung erfasst der Umsetzungsgrad: .
(1-9)
Bezieht man We auf das Hubvolumen VH, so bezeichnet die spezifische Arbeit we in kJ/dm3 die aus einem Liter Hubraum gewonnene Nutzarbeit. Sie ist damit neben der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm, Gl. (1-1), die wichtigste Motorkenn größe zur Charakterisierung des „Standes der Technik“. Traditionsbewusste Motorenfirmen verwenden oft noch die Größe pe, den „Mitteldruck“ oder „mittleren effektiven Druck“, der jedoch trotz Angabe in „bar“ keinem messbaren Druck entspricht, sondern aus der Historie des Maschinen baus herrührt1. Für Umrechnungen gilt: 1 bar „mittl. effektiver Druck“ = 0,1 kJ/dm3. Der mitunter bei Fahrzeugmotoren verwendete Begriff eines volumenspezifischen Drehmoments M/VH in Nm/dm3 ent spricht nach Gl. (1-9) mit M/VH = we/(2 · p · a) ebenfalls der spezifischen Nutzarbeit, wobei für Viertaktmotoren we ≈ 0,0125 · (M/VH) ist.
Hauptgleichung des Dieselmotors
Der Gütegrad beschreibt Abweichungen des realen vom idealen Prozess durch – Verwenden eines realen statt idealen Arbeitsgases, – Wandwärmeverluste statt adiabater Zustandsänderung, – reale Verbrennung statt idealisierter Wärmezufuhr, – Ladungswechsel (Drossel-, Aufheiz- und Spülverlust). Der mechanische Wirkungsgrad umfasst nach DIN 1940 die Reibungsverluste am Kolben und in den Lagern, die Verlustarbeit aller für den Motorbetrieb erforderlichen Aggregate und die aerodynamischen bzw. hy draulischen Verluste am Triebwerk. Durch das als Indizieren bezeichnete Messen des Zylin derdruckverlaufs ist die am Kolben anstehende, indizierte Arbeit Wi (schraffierte Fläche in Bild 1-10a) ermittelbar und damit der innere (indizierte) Wirkungsgrad .
1.2.5.3
.
Mit dem effektiven Wirkungsgrad ηe und mit dem Luftver hältnis lV, Gln. (1-8), (1-3), folgt für die Nutzarbeit: .
(1-10)
Die Frischluftmasse mLZ im Motor, Gl. (1-4), ist durch Liefer grad λl und Ladungsdichte ρL, Gl. (1-5), festgelegt, sodass für die spez. Nutzarbeit folgt: (1-11) . Sieht man die kraftstoffspezifischen Größen ebenso wie den direkt nicht zu beeinflussenden Wirkungsgrad als gegeben an, so verbleibt nur die Steigerung des Druckes pL durch Ver dichtung, z.B. durch Abgasturboaufladung mit Ladeluftküh lung (s. Abschn. 2.2) als frei wählbare Option, die Nutzarbeit zu steigern, da sowohl für den Liefergrad mit (l1)max → e/(e – 1) als auch für das Luftverhältnis lV → lmin > 1 Gren zen bestehen.
Motorleistung Aus Arbeitsspielfrequenz na und spez. Nutzarbeit we, Gln. (17), (1-9), folgt für die Nutzleistung: ,
Motorbetrieb und Motorkenngrößen
(1-12)
Nutzarbeit und Drehmoment 1
Die Nutzarbeit We folgt aus dem an der Abtriebswelle des Motors messbaren Drehmoment M und der „Taktzahl“ a:
Bei der Vielzahl der Autoren aus Industrie und Hochschulen war kein Konsens zu erzielen, sodass der Leser gebeten wird, dies bei den einzelnen Abschn. zu beachten, insbesondere bei Zahlenangaben.
1.2 Motortechnische Grundlagen 17 bzw. mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm, Gl. (1-1): (C0 = p/(8 · a) ≈ 0,2 bzw. 0,4 bei Vier- bzw. Zweitakt).
(1-13)
Die zweite Form der Leistungsgleichung mit ihrer quadra tischen Abhängigkeit vom Bohrungsdurchmesser D weist auf den Großmotor als weitere Möglichkeit zur Leistungs steigerung hin, wobei gleichzeitig das Motormoment (Gl. (19)), zunimmt:
nach Verwendung des Motors die nicht überschreitbare blockierte ISO-Nutzleistung oder die überschreitbare ISO-Standardleistung mit definierter Größe und Dauer der Überleis tung angegeben [1-14]. Sie entspricht bei 10%iger Überlast der „continuous brake power“ der CIMAC-Empfehlung für Schiffsmotoren.
Leistungsbezogene Motorkenngrößen Die bei Fahrzeugmotoren häufig verwendete Literleistung
. Entsprechend ist bei Beibehalten der Zylindermaße eine ver gleichbare Motorleistung allein über die spezifische Arbeit we nur durch Höchstaufladung zu erreichen (vgl. Abschn. 17.4). Für praktische Berechnungen bei Angabe der Drehzahl in min–1, des Hubraumes in dm3 und der spezifischen Arbeit in kJ/dm3 erhält man bzw. mit dem mittleren effektiven Druck pe in bar jeweils in kW. Aus der Dieselmotor-Hauptgleichung, Gl. (1-11), ist ersichtlich, dass die Motorleistung vom Umgebungszustand abhängt: Ein in 1000 m Höhe betriebener Dieselmotor kann nicht die gleiche Leistung wie auf Meereshöhe erbringen. Daher hat man für Leistungsvergleiche und Abnahmeunter suchungen auf die spezifischen Belange der Anwender abgestimmte Bezugszustände (x) definiert2, um die gemes sene Leistung P auf die bei Bezugszustand geltende Leistung Px umrechnen zu können. Allgemein gilt: . Einflussgrößen für α und β sind neben Luftdruck und -tem peratur auch relative Luftfeuchte, Kühlwassereintrittstempe ratur am Ladeluftkühler sowie mechanischer Wirkungsgrad (hm = 0,8 falls nicht bekannt). Da es sich gezeigt hat, dass oftmals die Gefahr einer Überkompensation besteht, sind einige Hersteller von Fahrzeugmotoren dazu übergegangen, die Leistungsmessungen in klimatisierten Prüfständen bei normgerechten Umweltbedingungen durchzuführen. We gen der geringen Überlastbarkeit des Dieselmotors wird je
.
ist drehzahlabhängig und damit auch abhängig von der Mo torgröße. Dagegen ist die spezifische Kolbenflächenleistung: ,
Gebräuchliche Normen sind z.B. DIN ISO 3046, Teil 1, speziell für Fahrzeugmotoren die DIN 70020 (11/76) und für „Verbrennungsmotoren für land- und forstwirtschaftliche Zugmaschinen und mobile Maschinen und Geräte, die nicht für den Straßenverkehr bestimmt sind” die ECE-Regelung Nr. 120.
(1-15)
kJ/dm3,
cm in m/s folgt mit 2 · a = 4 für Viertakt (mit we in bzw. 2 · a = 2 für Zweitakt, PA in W/mm2) unabhängig von der Motorgröße, wenn man von der Korrelation n. Gl. (1-2) ein mal absieht. Das Produkt aus mechanischer und thermischer (we) sowie dynamischer Belastung (cm) kennzeichnet den „Stand der Technik“ für Zwei- oder Viertaktmotor, Großoder Fahrzeugmotor gleichermaßen, wie das folgende Bei spiel verdeutlicht: Beim Vergleich zweier Serienmotoren, des langsam lau fenden Zweitakt-Dieselmotors Wärtsilä RT96C [1-15] mit einer MCR-Zylinderleistung von 5720 kW, einer spezi fischen Nutzarbeit we = 1,86 kJ/dm3 und einer mittleren Kolbengeschwindigkeit cm = 8,5 m/s mit dem z. Zt. leis tungsstärksten BMW-Pkw-Dieselmotor (BMW 306 D4: we = 1,91 kJ/dm3, cm = 13,2 m/s [1-16]) folgt für die Kolbenflä chen- bzw. Literleistung: – Wärtsilä PA = 7,91 W/mm2 bzw. PV = 3,16 kW/dm3, – BMW PA = 6,31 W/mm2 bzw. PV = 70,2 kW/dm3. Der Vergleich der Kolbenflächenleistungen zeigt deutlich, dass auch der mitunter abschätzig als „Dinosaurier“ bezeich nete Zweitakt-Langsamläufer ein „High-Tech“-Produkt ist, der dem BMW 306 D4, einem „Kraftprotz“ mit einer Nenn leistung von 210 kW, sogar den Rang abläuft.3 Nicht unerwähnt sollte dabei bleiben, dass der Pkw-Die selmotor seine Volllastleistung nur höchst selten auf die Straße bringen wird, wogegen ein Schiffsdieselmotor – von einigen Manövern abgesehen – stets unter Volllast läuft, nicht selten bis zu 8.000 h im Jahr. 3
2
(1-14)
Die mitunter verwendete Größe „pe • cm“ [1-17] ergibt vergleichsweise für den Langsamläufer 158 bzw. für den BMW 252 (bar · m/s). Da die unterschiedlichen Arbeitsverfahren nicht berücksichtigt werden, ist das Produkt „pe • cm“ keine echte Kenngröße. Außerdem entzieht sich die Angabe in (bar · m/s) jeder vernünftigen Deutung.
18
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-13 Entwicklung der Kolbenflächenleistung PA von Großdieselmotoren; Höchstwerte von Zweitakt (Sulzer RTX54) – und Viertakt (MAN B&W 4T 50MX) – Experimentiermotoren und eines Serienmotors (MTU 595)
Die in Bild 1-13 dargestellte Entwicklung der Größe PA lässt erkennen, dass anscheinend das Entwicklungspotenzial der Dieselmotoren noch nicht ausgeschöpft ist! Die heutigen Entwicklungsschwerpunkte sind jedoch weniger auf Steigerung der Leistung als – in Hinblick auf steigende Kraftstoffpreise – auf die Verringerung des Kraftstoffverbrauchs und eine Verbesserung der Abgasemission hin ausgerichtet.
Spezifischer Kraftstoffdurchsatz oder -verbrauch · folgt der leistungsbezoMit dem Kraftstoffmassenstrom m B gene spezifische Kraftstoffdurchsatz oder Kraftstoffverbrauch: . Vergleichende Betrachtungen bedingen danach gleichen Heizwert bzw. Kraftstoff. Von Verbrauchsangaben beim Einsatz alternativer Kraftstoffe (s. Abschn. 4.2) kann also nicht auf die Güte der Energieumsetzung geschlossen werden, sodass grundsätzlich die Angabe des effektiven Wirkungsgrades vorzuziehen ist. ISO-Normverbräuche beziehen sich auf einen Kraftstoff (DK) mit Hu = 42 MJ/kg, was folgende Umrechnung bei Verbrauchsangaben in g/kWh erlaubt: .
Spezifischer Luftdurchsatz oder Luftverbrauch · , Analog zum spezifischen Kraftstoffdurchsatz folgt mit m L dem Gesamt-Luftdurchsatz (s. Abschn. 2.1.1): , der spezifische Luftdurchsatz bzw. -verbrauch eines Motors (s. Tabelle 1-3). Damit gilt für das Gesamt-Luftverhältnis: .
Liefer- und Bedarfskennung Der Einsatz des Motors zum Antrieb von Aggregaten oder Fahrzeugen erfordert i. d. R. ein Anpassen der Lieferkennung, wie der Verlauf des Drehmomentes M über der Drehzahl bezeichnet wird: Mit Annäherung an das Volllastdrehmoment sinkt das Luftverhältnis OV, sodass mit OV o Omin die Rauchgrenze erreicht wird, die einer noch als zulässig angesehenen Abgasschwärzung entspricht. Mit zunehmender Spreizung der Drehzahlgrenzen nA und nN (Anfahrund Nenndrehzahl) besteht bei Fahrzeugmotoren eine Überhöhung im mittleren Drehzahlbereich, die dem Motor eine größere Elastizität im Fahrverhalten verleiht (Bild 1-14). Derartige Motorkennfelder enthalten neben der Rauchgrenze und den Leistungshyperbeln (Kurven konstanter
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses
Tabelle 1-3 Betriebswerte von Dieselmotoren bei Nennlast Motorenart
spez. Kraftstoffdurchsatz be (g/kWh)
spez. Luftdurchsatz le (kg/kWh)
Luftverhältnis λV (–)
spez. Ölverbrauch bÖ (g/kWh)
Abgastemperatur TA nach ATL °C
Pkw-Dieselmotoren o. Aufladung: m. ATL:
265 260
4,8 5,4
1,2 1,4
<0,6 <0,6
710 650
Nfz-Dieselmotor* m. ATL u. LLK
205
5,0
1,6
<0,2
550
Hochleistungsdieselmotoren mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren
195
5,9
1,8
<0,5
450
180
7,2
2,2
0,6
320
langsamlaufende ZweitaktDieselmotoren
170
8,0
2,1
1,1
275
* für schwere Nutzfahrzeuge und Omnibusse. Anmerkung: Während der spezifische Luftdurchsatz le neben der Verbrennungsluft auch die Spülluft erfasst, berücksichtigt OV, das Verbrennungsluftverhältnis, nur die Masse der Verbrennungsluft. Die angegebenen Mittelwerte umfassen einen Bereich von ca. ± 5%.
Bild 1-14 Kennfelddarstellung des Motordrehmoments M mit Linien Pe = konst. bzw. Ke = konst. sowie Angabe ausgewählter Bedarfskennungen. 1 Drehzahldrücken, 2 Generatorbetrieb und 3 Propellerkurve
19
20
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Leistung) oft noch Kurven konstanten Wirkungsgrades bzw. Kraftstoffverbrauchs oder anderer Motorparameter. Spezielle Bedarfskennungen sind u.a.: 1. Drehzahldrücken: M = konst. und n = variabel, 2. Generatorbetrieb: M = variabel und n = konst., 3. Propellerbetrieb: M ~ n2. Beim Fahrzeugantrieb kann je nach Fahrwiderstand der gesamte Kennfeldbereich erfasst werden, einschließlich des Schleppbetriebes mit dem Schleppmoment Ms. „Drehzahldrücken“ ist bei aufgeladenen Motoren zu meiden, da es infolge abnehmenden Luftverhältnisses bei grenzbelasteten Motoren zu thermischer Überlastung kommen kann (s. Abschn. 2.2). Der Fahrzeugantrieb erfordert entsprechend der durch die Fahrwiderstandskurven gegebenen Bedarfskennung ein Anpassen der Lieferkennung durch eine Momentenwandlung mittels eines Getriebes (Bild 1-15). Das am Rad maximal übertragbare Moment MRmax („Rutschgrenze“), die maximale Motor- bzw. Raddrehzahl nR sowie der als „ideale Zugkrafthyperbel“ bezeichnete Momentenverlauf für Pmax = konst. begrenzen das Diagramm, wobei für das am Rad wirkende Moment MR unter Berücksichtigung der Untersetzung iges (Getriebestufe, Achsgetriebe, Differential) sowie aller mechanischen Verluste mit Kges gilt: .
Bei der Fahrgeschwindigkeit cF = 2 · S · R · nR gilt für die Fahrleistung zur Überwindung aller Fahrwiderstände ΣFW : . Durch eine mit dem Verbrauchskennfeld (Bild 1-14), abgestimmte Getriebeauslegung kann man günstige Kraftstoffverbräuche bei gutem Fahrkomfort erzielen (s. Abschn. 17.1).
1.3
Berechnung des realen Arbeitsprozesses
1.3.1
Einleitung
Die Vorgänge im Zylinder des Dieselmotors verlaufen stark instationär, da in Sekundenbruchteilen die Arbeitstakte Verdichtung, Verbrennung, Expansion und Ladungswechsel aufeinander folgen. Aus diesem Grund kann man den Dieselmotor nicht mit den einfachen Mitteln des idealen Vergleichsprozesses in einer für die Motorenentwicklung ausreichenden Genauigkeit berechnen. Vielmehr muss man die Differenzialgleichungen der Massen- und Energieerhaltung unter Berücksichtigung der thermischen und kalorischen Zustandsgleichungen mit numerischen Methoden lösen. Die rasche Entwicklung der Datenverarbeitung ermöglichte in den sechziger Jahren erstmals die numerische Lösung dieser Differenzialgleichungen [1-63]. Die ersten Untersuchungen wurden in der Großmotorenindustrie
Bild 1-15 Liefer- und Bedarfskennung beim Fahrzeugantrieb mit Vierganggetriebe
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 21 durchgeführt, da dort durch die hohen Prüfstandskosten der numerische Aufwand am ehesten gerechtfertigt war. Mittlerweile ist die Berechnung des realen Arbeitspro zesses zu einem Standardwerkzeug in der Motorenentwick lung geworden und wird in der Zukunft noch an Bedeutung gewinnen [1-65]. Dabei reichen die Anwendungen von ein fachen Beschreibungen des Prozesses im Zylinder bis hin zu den komplexen, transienten Vorgängen bei der instatio nären Lastaufschaltung an Dieselmotoren mit zweistufiger Registeraufladung unter Berücksichtigung des dynamischen Verhaltens des Verbrauchers [1-20; 1-48; 1-68]. Stand der Technik ist heute im Versuchsbetrieb die ther modynamische Analyse des gemessenen Zylinderdruckver laufs (DVA), die dank moderner Rechner in Echtzeit neben dem momentanen Brennverlauf weitere Betriebsgrößen, wie z.B. den Restgasgehalt im Zylinder, ermittelt [1-29]. Für den Serieneinsatz lässt sich darauf eine zylinderdruckbasierte Regelung für neue Brennverfahren wie das HCCI-Verfahren aufbauen, vorausgesetzt es stehen genaue und standfeste Drucksensoren zur Verfügung. Im Rahmen einer Einführung in die Berechnung des Realprozesses können natürlich nicht alle thermodyna misch interessanten Baugruppen des Motors wie Zylinder, Abgasturbolader oder Luft- und Abgasleitungssystem berücksichtigt werden. Daher werden in den folgenden Abschn. nur die Grundlagen der Realprozessrechnung anhand der Modellierung der thermodynamischen Vor gänge in einem Zylinder ohne unterteiltem Brennraum exemplarisch erläutert. Für weitergehendes Interesse wird auf die in den einzelnen Abschn. angegebene, vertiefende Literatur verwiesen.
1.3.2 Thermodynamische Grundlagen der Realprozessrechnung 1.3.2.1
Allgemeine Annahmen
Thermodynamisches Modell des Zylinders Um mit der Realprozessrechnung die Zustandsänderung der Zylinderladung (Druck, Temperatur, Masse, Zusammenset zung etc.) während eines Arbeitsspiels zu berechnen, können die in Abschn. 1.2 bei der Betrachtung des idealen Arbeits prozesses getroffenen Voraussetzungen nicht mehr beibehal ten werden. Es müssen geeignete thermodynamische Mo delle definiert werden, sowohl für den einzelnen Zylinder als auch für die Prozess-Randbedingungen, wie Energiefreiset zung durch Verbrennung, Wandwärmeverluste, Zustand vor und nach Zylinder (Tabelle 1-4). Für den Arbeitsraum des Zylinders werden Systemgren zen festgelegt (Bild 1-16). Dazu wird i. Allg. angenommen, dass Druck, Temperatur und Zusammensetzung der Gase im Zylinder sich in Abhängigkeit von der Zeit und damit dem Kurbelwinkel ändern können, sie aber unabhängig vom Ort im Zylinder sind. Die Zylinderladung wird somit als homogen angesehen, was man als Einzonenmodell bezeichnet. Diese Voraussetzung stimmt mit den tatsäch lichen Vorgängen im Zylinder des Dieselmotors natürlich nicht überein; sie führt aber trotzdem zu Rechenergebnis sen, die für die meisten Entwicklungsaufgaben genau genug sind, solange man beispielsweise keine Berechnung der Schadstoffkonzentrationen vornehmen möchte. Die Bil dungsmechanismen für Schadstoffe, insbesondere für Stick oxide, sind stark temperaturabhängig und benötigen als Eingabegröße die Temperatur im verbrannten Gemisch (post-flame-Bereich), die deutlich höher ist als die energe
Tabelle 1-4 Unterschiede verschiedener Teilmodelle im Ideal- und Realprozess Teilmodell
Idealprozess
Realprozess
Stoffwerte
ideales Gas cp, cv, k = konstant
reales Gas; Zusammensetzung ändert sich während des Prozesses Stoffwerte abhängig von Druck, Temperatur und Zusammensetzung
Ladungswechsel
Ladungswechsel als Wärmeabfuhr
Massenaustausch durch die Ventile, Restgas bleibt im Zylinder
Verbrennung
vollständige Verbrennung nach gegebener, idealisierter Gesetzmäßigkeit
unterschiedliche Brennverläufe sind möglich je nach Gemischbildung und Verbrennungsverfahren; Kraftstoff verbrennt teilweise nur unvollständig
Wandwärmeverluste
Wandwärmeverluste werden vernachlässigt
Wandwärmeverluste werden berücksichtigt
Undichtigkeiten Undichtigkeiten werden vernachlässigt
Undichtigkeiten werden teilweise berücksichtigt, in der vorliegenden Einführung aber vernachlässigt
22
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
(1-17) Betrachtet man die Zylinderladung als reales Gas, so muss man Gl. (1-16) durch eine der vielen in der Literatur bekannten Zustandsgleichungen für reale Gase ersetzen (z.B. Justi [1-37], Zacharias [1-67]). Aus den Zustandsgrößen p und T folgt mit Hilfe der kalorischen Zustandsgleichung die spezifische innere Energie ui für jede Komponente i. Im Falle des idealen Gases lautet sie (1-18) mit der spezifischen isochoren Wärmekapazität cv. cv ist i. Allg. temperaturabhängig. Im Falle von realen Gasen ist cv und damit u von Temperatur und Druck abhängig und kann beispielsweise entsprechenden Tabellenwerken entnommen oder berechnet werden [1-32; 1-42; 1-45; 1-47; 1-67].
Gesetze von der Erhaltung der Masse und der Energie
Bild 1-16 Thermodynamisches Modell für den Zylinder
tisch gemittelte Temperatur des Einzonenmodells. In diesem Fall teilt man die Zylinderladung in zwei Zonen auf (Zweizonenmodell [1-35; 1-40; 1-41; 1-47]). Eine Zone enthält die unverbrannten Komponenten Frischluft, Kraftstoff und Restgas (relativ niedrige Temperatur), die andere Zone die Reaktionsprodukte Abgas und unverbrauchte Luft (hohe Temperatur). Beide Zonen sind durch eine infinitesimal kleine Flammenfront getrennt, in der die (primäre) Kraftstoffoxidation erfolgt. Bild 1-17 zeigt für den Hochdruckprozess eines Dieselmotors sowohl die mittlere Temperatur des Einzonenmodells als auch die Temperaturen der beiden Zonen des Zweizonenmodells. Man kann deutlich erkennen, dass das Temperaturniveau in der Zone des Verbrannten deutlich höher liegt als beim Einzonenmodel. Zur Einführung in die Methoden der Berechnung des Realprozesses wird jedoch nur das Einzonenmodell betrachtet.
Thermische und kalorische Zustandsgleichungen Der Zustand der Ladung im Zylinder wird durch Druck p, Temperatur T, Volumen V und Zusammensetzung (Massen mi der Komponenten i) beschrieben. Zwischen diesen Größen besteht ein physikalischer Zusammenhang, die thermische Zustandsgleichung. Im Falle des idealen Gases lautet sie: (1-16) mit der Gaskonstanten R und der Gesamtmasse m als Summe der Teilmassen der einzelnen Komponenten:
Im Zylinder befindet sich eine Ladungsmasse m mit bestimmter Zusammensetzung. Die Masse kann sich dadurch ändern, dass Masse über das Einlassventil dmE, das Auslassventil dmA oder das Einspritzventil dmB zu- oder abgeführt wird. (Gasverluste durch Undichtigkeiten werden hier vernachlässigt.) Aus dem Massenerhaltungssatz ergibt sich die folgende Gleichung: (1-19) Dabei werden die einströmenden Massen positiv und die ausströmenden Massen negativ in Gl. (1-19) eingesetzt. Der 1. Hauptsatz der Thermodynamik beschreibt die Erhaltung der Energie. Danach kann sich die innere Energie im Zylinder U nur ändern, wenn über die Systemgrenze Enthalpie dH im Zusammenhang mit einer Masse dm, Wärme dQW oder Arbeit (dW = – p · dV) zu- oder abgeführt wird. Die durch die Verbrennung des eingespritzten Kraftstoffes freigesetzte Energie wird als innere Wärmezufuhr dQB angesehen. Der Zusammenhang zwischen den einzelnen Energieformen wird durch das Gesetz der Energieerhaltung, dem 1. Hauptsatz der Thermodynamik, beschrieben: (1-20) Sind die einzelnen Terme dieser Differenzialgleichung bekannt, so kann sie mit entsprechenden mathematischen Methoden gelöst werden. Meist verwendet man dazu das Verfahren nach Runge-Kutta (vgl. z. B. [1-19]) oder daraus abgeleitete Algorithmen. Dabei wird zunächst der Anfangszustand im Zylinder bei „Einlass schließt“ geschätzt und danach Gl. (1-20) in kleinen Kurbelwinkelschritten über ein Arbeitsspiel hinweg mit dem ausgewählten Algorithmus aufin-
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses
23
Bild 1-17 Temperaturverläufe beim Einzonen- und Zweizonenmodell
tegriert. Am Ende des Arbeitsspiels wird kontrolliert, ob sich bei „Einlass schließt“ der geschätzte Anfangszustand ergibt. Wenn dies nicht der Fall ist, werden mit verbesserten Schätzwerten so lange Arbeitsspiele berechnet, bis diese Schätzwerte mit genügender Genauigkeit reproduziert werden.
chung stammt von Woschni [1-64] (s. Abschn. 7.2 sowie [1-41; 1-46; 1-47]).
Ladungswechsel Die Enthalpien der über die Ein- und Auslassventile ein- und ausströmenden Massen ergeben sich aus dem Produkt von spezifischer Enthalpie h und Massenänderung dm:
Wandwärmeverluste Die Wandwärmeverluste werden nach der Beziehung
(1-22) (1-21) mit der Winkelgeschwindigkeit Z = 2 · S · n, dem mittleren Wärmeübergangskoeffizienten D, der Wärme übertragenden Fläche A und der Wandtemperatur TW berechnet. Die Wärme übertragende Fläche besteht aus den Flächen des Zylinderkopfs, des Kolbenbodens und der zum jeweiligen Kurbelwinkel freigegebenen Laufbuchsenfläche. Für jede Teilfläche benötigt man eine mittlere Wandtemperatur, die entweder aus Messungen bekannt ist oder geschätzt wird. Da die Temperatur der Auslassventile deutlich über der des Zylinderkopfes liegt, unterteilt man gewöhnlich die Zylinderkopffläche in Auslassventilfläche und Restfläche. Schon vor Beginn der Realprozessrechnung beschäftigen sich viele Autoren mit der Berechnung des Wärmeübergangskoeffizienten. Die heute am meisten verwendete Glei-
Die spezifischen Enthalpien werden mit der jeweiligen Temperatur vor, im oder nach dem Zylinder berechnet. Die über die Systemgrenze tretenden Massenelemente ergeben sich aus folgender Gleichung [1-41; 1-47]:
(1-23) Die Zustände „v“ bzw. „n“ beziehen sich jeweils auf die Bedingungen vor bzw. nach dem betrachteten Ventil (beim Einlassventil und normaler Einströmung, also ohne Rückströmung, beispielsweise auf den Zustand der Ladeluft und den Zustand im Zylinder).
24
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Gl. (1-23) liegt die Durchflussgleichung für die isentrope (reibungsfreie und adiabate) Kanalströmung idealer Gase zugrunde [1-41; 1-47]. Die Fläche A bezeichnet den momentan vom Ventil freigegebenen geometrischen Durchströmquerschnitt (s. Abschn. 2.1). Im realen Motorbetrieb führen Reibungsverluste und Strahlkontraktion zu einem gegenüber dem idealen Wert reduzierten Massenstrom, was durch am Blasprüfstand experimentell ermittelte Durchflusszahlen P unter Definition eines Bezugsquerschnittes berücksichtigt wird [1-28]. Deswegen müssen beim Vergleich von Durchflusszahlen (auch mit P, V oder D bezeichnet) immer die zugehörigen Bezugsflächen bekannt sein (s. Abschn. 2.1). Zur Berechnung des Ladungsdurchsatzes nach Gl. (1-23) werden die Drücke vor dem Einlassventil und nach dem Auslassventil benötigt. Im Fall des abgasturboaufgeladenen Motors ergeben sie sich als Ladedruck und Abgasdruck vor der Turbine aus einer ATL-Bilanz mit Hilfe gemessener Kennfelder von Verdichter und Turbine, vgl. Abschn.1.3.2.
Brennverlauf
Bild 1-18 Förderverlauf, Einspritzverlauf und Brennverlauf
Für die Modellierung des Zylinders benötigt man über die bisher behandelten physikalischen Modelle hinaus die Beschreibung der Verbrennung. Die durch die Verbrennung freigesetzte Energie ergibt sich aus dem spezifischen Heizwert Hu und der verbrannten Kraftstoffmasse dmB: (1-24) unter Vernachlässigung der Enthalpie des eingespritzten Kraftstoffes dHB. Der zeitliche oder kurbelwinkelabhängige Verlauf der durch die Verbrennung freigesetzten Energie (Brennverlauf dQB/dM) ist eine der wichtigsten Vorgabegrößen für die Durchführung der Realprozessrechnung. Im Gegensatz zu den Idealprozessen (Abschn. 1.2), bei denen sich der Brennverlauf aus dem gewünschten Druckverlauf direkt ergibt (z.B. Gleichdruck- oder Gleichraumprozess), ist der Brennverlauf beim realen Motor von vielen Parametern anhängig. Optimal wäre eine Vorgehensweise gemäß Bild 1-18: Einzige Vorgabegröße ist der Förderverlauf der Einspritzpumpe. Mit geeigneten Modellen wird dann das Einspritzsystem (Einspritzpumpe, -leitung und -düse) simuliert, um aus dem Förderverlauf den Einspritzverlauf zu berechnen. Bei ausreichender Kenntnis der physikalischen Vorgänge bei Strahlauflösung, Verdampfung und Gemischbildung könnten mit entsprechenden Rechenmodellen der Zündverzug und die Verbrennung (Brennverlauf) ermittelt werden [1-25; 1-27]. Nach heutigem Kenntnisstand sind die bislang entwickelten Modelle und Methoden allerdings noch nicht in der
Lage, die dieselmotorische Verbrennung mit der für die Berechnung des Realprozesses gewünschten Genauigkeit vorauszubestimmen. Die Kenntnisse über die Verbrennungsvorgänge in Verbrennungsmotoren stammen meist aus der Zylinderdruckindizierung. Diese Messung liefert Aufschluss über die Vorgänge im Inneren des Zylinders, wobei bei hoher zeitlicher Auflösung, beispielsweise alle 0,5 °KW oder weniger, überwiegend piezoelektrische Druckaufnehmer verwendet werden [1-34; 1-43; 1-58]. Ist der Zylinderdruckverlauf bekannt, so kann in Umkehrung von Gl. (1-18) daraus der Brennverlauf bestimmt werden (Druckverlaufsanalyse DVA) und man erhält somit Kenntnisse über den Energieumsatz im Motor. Für die Realprozessrechnung verwendet man üblicherweise nicht den aus der Druckverlaufsanalyse ermittelten Brennverlauf, sondern eine einfache mathematische Funktion, den Ersatzbrennverlauf. Die Parameter dieser Funktion können mittels Optimierungsverfahren so gewählt werden, dass der aus der Druckverlaufsanalyse bekannte Brennverlauf möglichst gut wiedergegeben wird. Falls keine Zylinderdruckindizierung vorliegt, simuliert man auf dem Prüfstand vermessene Motoren mit Hilfe der Realprozessrechnung und schätzt einen gewählten Ersatzbrennverlauf so, dass gemessene und berechnete Kenngrößen übereinstimmen. Der am meisten verwendete Ersatzbrennverlauf geht auf Arbeiten von Vibe [1-59] zurück. Vibe beschreibt das Inte-
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses gral des Ersatzbrennverlaufs (Summenbrennverlauf oder Durchbrennfunktion QB(M)) mit Hilfe einer Exponentialfunktion: (1-25)
MVB: Verbrennungsbeginn MVE: Verbrennungsende QB,0: bei Verbrennungsende insgesamt freigesetzte Energie QB(MVE) m: Formfaktor. Der Faktor -6,908 ergibt sich aus der Kalibrierung der asymptotisch gegen Null gehenden Exponentialfunktion auf einen Zahlenwert von 0,001 beim Verbrennungsende. Den Ersatzbrennverlauf dQB/dM erhält man als Ableitung der Gl. (1-25):
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Die als Vibe-Funktion bezeichnete Gleichung beschreibt die Verbrennung mit drei Parametern: Verbrennungsbeginn MVB, Verbrennungsdauer 'MBD = MVE – MVB und Formfaktor m. Der Formfaktor legt dabei die relative Lage des Maximums der Vibe-Funktion fest, wie man dem Bild 1-19 entnehmen kann. Eine wichtige Aufgabe der Realprozessrechnung besteht in der Ermittlung des Einflusses veränderter Randbedingungen, wie z.B. des Umgebungszustandes, auf den Arbeitsprozess im Rahmen von Parameterstudien (Abschn. 1.3.3.3 und 1.3.3.4). Voraussetzung für eine derartige Rechnung ist, dass der Einfluss wesentlicher Motorparameter als Randbedingung auf den Ersatzbrennverlauf bekannt ist. Für die Vibe-Funktion haben Woschni/Anisits [1-66] folgende Abhängigkeiten vom Luftverhältnis O, dem Umsetzungsgrad Ku, der Drehzahl n und dem Zustand bei „Einlass schließt“ (Index Es) ermittelt:
(1-27)
(1-26)
(1-28)
Bild 1-19 Vibe-Funktion bei verschiedenen Formfaktoren (m)
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1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Der Index 0 bezieht sich auf den bekannten Ausgangsbetriebspunkt. Der Verbrennungsbeginn ergibt sich aus dem Förderbeginn MFB, dem Einspritzverzug 'MEV und dem Zündverzug 'MZV: (1-29)
(1-30)
pZV: Druck in der Zündverzugsphase TZV: Temperatur in der Zündverzugsphase b, c: aus Messungen zu bestimmende Parameter der Gleichung. Weitere Ansätze für den Zündverzug finden sich in [1-31; 1-56; 1-62]. Da die Vibe-Funktion wegen ihrer einfachen mathematischen Form die Brennverläufe insbesondere bei schnell
laufenden Dieselmotoren mit Direkteinspritzung nicht in ausreichender Genauigkeit wiedergeben kann, verwendet man zuweilen die Überlagerung zweier Vibe-Funktionen zu einer „Doppel-Vibe-Funktion“ [1-44]. Bild 1-20 zeigt die Wiedergabe eines Betriebspunktes bei einem schnell laufenden Hochleistungsdieselmotor durch die Vibe-Funktion und die Doppel-Vibe-Funktion. Man kann erkennen, dass die einfache Vibe-Funktion (Gl. (1-29)) nicht in der Lage ist, den raschen Anstieg des Brennverlaufs zu Beginn der Verbrennung („Premixed-Peak“) zu beschreiben.
1.3.2.2
Indizierte und effektive Arbeit
Die Lösung der Differenzialgleichung Gl. (1-20) für den 1. Hauptsatz der Thermodynamik liefert den Druckverlauf im Zylinder und damit die indizierte Arbeit Wi, woraus man den mittleren indizierten Druck pi bzw. die spezifische indizierte Arbeit wi als Kenngrößen des Motors herleiten kann, vgl. Abschn. 1.2. Jedoch interessiert i. Allg. meist der sog. mittlere effektive Druck pe bzw. die spezifische Nutzarbeit we. Im Rahmen der Realprozessrechnung verwendet man daher Modellansätze für die Berechnung der Reibungsverluste, ausgedrückt durch den mittleren Reibdruck pr als Dif-
Bild 1-20 Approximation eines Brennverlaufs durch die Doppel-VibeFunktion
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 27 ferenz von pi und pe (pr = pi – pe), falls dieser nicht aus Mes sungen bekannt ist. In der Literatur finden sich unterschiedliche Vorschläge zur Berechnung der Reibarbeit [1-27; 1-50; 1-57], die je nach Verfasser abhängig von Drehzahl, Last, Motorgeome trie, Ladedruck sowie Wasser- und Öltemperaturen sein können. Ausgehend von dem in einem Auslegungspunkt bestimmten Reibdruck (Index 0 in Gl. (1-31)) gilt beispiels weise nach [1-27] pr – pr, 0 n – n0 pi – pi, 0 = 0,7 · 0 + 0,3 · 02 02 pr, 0 n0 pi, 0
(1-31)
wonach nur Drehzahl und mittlerer indizierter Druck gege ben sein müssen.
1.3.2.3
Modellierung des gesamten Motors
In den Abschn. 1.3.2.1 und 1.3.2.2 wurde exemplarisch der Zylinder modelliert. Natürlich muss man für eine Gesamtsi mulation des Motors alle wesentlichen Motorbauteile mo dellieren. Für alle Strömungsvorgänge außerhalb des Zylin ders in den Motorbauteilen wie Saug- und Abgasleitungen, Ladeluftkühler, Katalysator oder Abgasturbolader müssen ebenfalls die physikalischen Grundgleichungen der Erhal tung von Masse (Kontinuitätsgleichung), Impuls (Impulser haltung) und Energie (1. Hauptsatz der Thermodynamik) sowie der 2. Hauptsatz der Thermodynamik gelöst werden. Die ersten Berechnungen dieser Art wurden mit dem Pro grammsystem PROMO durchgeführt [1-52; 1-53]. Heute verwendet man i. Allg. kommerzielle Programme wie bei spielsweise GT-Power (Bestandteil der GT-Suite [1-55]) oder Boost (Fa. AVL [1-54]). Für die Berechnung der Luft- und Abgasleitungen bieten sich verschiedene Methoden an, die mit zunehmender Komplexität die realen Verhältnisse auch genauer beschrei ben. Im einfachsten Fall geht man von konstanten Drücken in den Ladeluft- bzw. Abgasleitungen (d.h. unendlich große Behälter) aus (sog. nulldimensionale Modelle). Bei der sog. Füll- und Entleermethode modelliert man die Leitungen als Behälter endlichen Volumens, die diskontinuierlich von den Zylindern und kontinuierlich vom Lader bzw. der Turbine befüllt bzw. entleert werden. Bei dieser Methode variiert der Druck zeitlich, aber nicht örtlich (d.h. unendliche große Schallgeschwindigkeit) in den Leitungen. Bei Verwendung der Gleichungen für die instationäre, eindimensionale und kompressible Rohrströmung erfasst man die Zustandsänderungen im Einlass- und Auslasssys tem mit den Methoden der instationären Gasdynamik (Charakteristiken-Verfahren oder vereinfachendes akus tisches Verfahren [1-51]). Dieses eindimensionale Verfah
ren kann auch örtliche Druckunterschiede und Rohrver zweigungen berechnen, wobei der numerische Aufwand gegenüber der Füll- und Entleermethode wesentlich größer ist. In jüngerer Zeit wurden quasidimensionale Modelle ent wickelt, bei denen lokale Phänomene durch orts- und zeit abhängige Variablen berücksichtigt werden. Beispiele hier für sind Strömungsvorgänge, Verbrennungs- und Wärme übertragungsmodelle [1-47]. Bild 1-21 zeigt beispielsweise das Modell für einen abgas turboaufgeladenen 6-Zylinder-Dieselmotor, der mit dem Programm Boost [1-54] berechnet wird. Es berücksichtigt alle wesentlichen Anbauteile des Motors, angefangen vom Luftfilter über den Abgasturbolader bis hin zum Katalysator und Abgasschalldämpfer. Hinzu kommt die Modellierung einer Motorelektronik (ECU1), die die Einspritzung und das Wastegate des Turboladers ansteuert. Um den Umfang der vorliegenden Einführung in die Realprozessrechnung nicht auszudehnen, wird auf weiter führende Literatur (z.B. [1-41; 1-47] oder [1-33; 1-18]) und auf den Abschn. 2.2 verwiesen.
1.3.3 Typische Beispiele für die Anwendung der Realprozessrechnung 1.3.3.1
Einleitung
Es lassen sich grundsätzlich zwei Arten der Anwendung un terscheiden: 1. Für den zu berechnenden Motorbetriebspunkt liegen bereits Messergebnisse vor. In diesem Fall werden mit der Realprozessrechnung Größen bestimmt, die aus der Messung bereits bekannt sind. Durch Vergleich von Rechen- und Messergebnissen können beispielsweise die Messwerte auf Plausibilität überprüft oder die Kalibrierung der physikalischen Teilmodelle der Prozessrechnung (z.B. Ersatzbrennverlauf, Wandwärmeübergang, Reibmitteldruck) vorgenommen werden. 2. Für den zu berechnenden Motorbetriebspunkt liegen noch keine Messwerte vor. In diesem Fall handelt es sich bei der Realprozessrechnung um die Vorausberechnung eines noch nicht bekannten Betriebspunktes. Die Parameter der physikalischen Teilmodelle müssen zunächst geschätzt werden, d.h. man übernimmt sie von einem ähnlichen Betriebspunkt und korrigiert sie gegebenenfalls mit den in den Abschn. 1.3.2.2 und 1.3.2.3 angegebenen Umrechnungsgleichungen. Die Ergebnisse dieser Prozessrechnungen können natürlich nur so genau sein wie die zur Umrechnung verwendeten Beziehungen. Deswegen überprüft und kalibriert man sie
28
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-21 Berechnungsmodell für einen aufgeladenen V6-Dieselmotor: (CL1) Luftfilter, (TC1) Abgasturbolader, (CO1) Ladeluftkühler, (CAT1) Katalysator, (PL1) Schalldämpfer, (PL2, PL3) Saugrohre des V-Motors, (C1 bis C6) Motorzylinder, (J) Verbindungen und Abzweigungen, (ECU1) Motorelektronik zur Steuerung von Einspritzung und Wastegate des Turboladers [1-34]
in der Praxis für die jeweiligen Motoren, indem man möglichst viele vermessene Betriebspunkte mit der Realprozessrechnung nachrechnet und deren Ergebnisse mit den Messwerten vergleicht. Somit besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen einer Prozessrechnung zur Auslegung neuer Motoren und einer Nachrechnung bereits vermessener Motoren.
1.3.3.2
Ergebnisse der Realprozessrechnung
Typische Eingabegrößen für die Realprozessrechnung nach Abschn. 1.3.2 sind: Motorgeometrie, Ventilhubverlauf, Durchströmbeiwerte der Ventile, Drehzahl, Motorleistung, mechanischer Wirkungsgrad, Ersatzbrennverlauf, Koeffizienten für Wärmeübergangsgleichung, Bauteilwandtemperaturen, Druck und Temperatur der Ladeluft vor Zylinder, Druck nach Zylinder.
Typische Ergebnisse sind: Druckverlauf, Temperaturverlauf, Wandwärmeverluste, effektiver Kraftstoffverbrauch, effektiver Wirkungsgrad, innerer Wirkungsgrad, Verbrennungshöchstdruck, Kompressionsenddruck, max. Druckanstiegsgeschwindigkeit, max. Prozesstemperatur (energetischer Mittelwert), Temperatur vor der Abgasturbine, Ladungswechselverluste, Ladungsdurchsatz, Luftverhältnis. Kann man zusätzlich zum Zylinder auch noch den Abgasturbolader beispielsweise unter Verwendung entsprechender Verdichter- und Turbinenkennfelder thermodynamisch beschreiben, so berechnet die Realprozessrechnung den Druck vor und nach dem Zylinder. Als Eingabegröße gilt dann der Umgebungszustand. Modelliert man im weiteren Verlauf der Prozessrechnung den eventuell vorhandenen Ladeluftkühler mit, dann ist auch die Ladelufttemperatur ein Ergebnis der Realprozessrechnung bei Vorgabe der
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses Umgebungstemperatur, zusätzlich zu der Wassertemperatur bei Wasserkühlung der Ladeluft. Bild 1-22 zeigt exemplarisch für einen Motor mit einem Zylinderhubvolumen von 4 dm3 und einem we von 2 kJ/dm3 die Ergebnisse der Realprozessrechnung für den Betriebspunkt n = 1500/min. Dargestellt sind Druck, Temperatur, Brennverlauf, Massendurchsatz im Zylinder und an den Ventilen sowie Wandwärmeverluste in Abhängigkeit vom Kurbelwinkel. Die Übereinstimmung zwischen der Realprozessrechnung und der Realität überprüft man, indem man Globalwerte wie Abgastemperatur, Ladungsdurchsatz oder Ladedruck mit Messwerten vergleicht. Wenn diese übereinstimmen, so nimmt man an, dass auch die nicht überprüfbaren Werte wie beispielsweise Temperatur- oder Massenverlauf richtig berechnet wurden.
1.3.3.3
Parameterstudien
Ein wesentliches Anwendungsgebiet der Realprozessrechnung ist die Durchführung von Parameterstudien, um den Einfluss von Randbedingungen auf den Arbeitsprozess detailliert untersuchen zu können. Diese Ergebnisse werden in der Auslegungsphase neuer Motoren oder zur Optimierung bzw. Leistungssteigerung bereits vorhandener Motoren be-
29
nötigt. Zielgrößen der Parameterstudien können beispielsweise optimale Werte von Kraftstoffverbrauch, Leistung und Drehmoment sein. Die Optimierungen führt man so durch, dass konstruktive oder durch die Gesetzgebung festgelegte Grenzwerte für beispielsweise den Verbrennungshöchstdruck, die maximale Druckanstiegsgeschwindigkeit, die Abgastemperatur oder die Schadstoffemissionen nicht überschritten werden. Im Folgenden wird das Ergebnis einer typischen Parameterstudie gezeigt. Da der durch die Konstruktion limitierte Verbrennungshöchstdruck einen großen Einfluss auf den effektiven Wirkungsgrad des Prozesses und damit auf den Kraftstoffverbrauch hat, dient eine der wichtigsten Parameterstudien der Bestimmung der Abhängigkeit des effektiven Wirkungsgrades Ke vom Verbrennungshöchstdruck pZmax. Der Verbrennungshöchstdruck wird bei gegebenem Brennverlauf durch die Größen Förderbeginn (und damit Verbrennungsbeginn) und Kompressionsenddruck festgelegt. Letzterer hängt wiederum in erster Linie vom Verdichtungsverhältnis und dem Ladedruck ab. Der Ladedruck selbst wird im Wesentlichen durch den ATL-Wirkungsgrad und das gewünschte Luftverhältnis festgelegt. Bild 1-23 zeigt den effektiven Wirkungsgrad Ke in Abhängigkeit vom Verdichtungsverhältnis H für verschiedene Verbrennungshöchstdrü-
Bild 1-22 Ergebnisse der Realprozessrechnung
30
1 Geschichte und Grundlagen des Dieselmotors
Bild 1-23 Abhängigkeit des effektiven Wirkungsgrades Ke vom Verdichtungsverhältnis H und dem Verbrennungshöchstdruck pZmax
cke bei konstanten Zahlenwerten für den ATL-Wirkungsgrad KTL und das Luftverhältnis O. Den gepunkteten Linien kann man die Lage des Verbrennungsbeginns entnehmen. Man kann erkennen, dass zu jedem Verbrennungshöchstdruck ein optimales Verdichtungsverhältnis mit einem maximalen Wirkungsgrad Ke existiert. (Im Gegensatz dazu sagen theoretische Vergleichsprozesse, dass der maximale effektive Wirkungsgrad bei maximalem Verdichtungsverhältnis erreicht wird.)
1.3.3.4
Weitere Anwendungsbeispiele
Die Realprozessrechnung dient neben den eben erwähnten Parameterstudien auch vielen weiteren Zwecken. – Wärmebilanz, Verlustanalyse: Ermittlung von Wärmebilanzen und Verlustanalysen zur Beurteilung von Motoren (Entwicklungspotenzial, Optimierung, Kühlsystemauslegung)
– Auslegung von ATL-Gruppen: Berechnung des für die Aufladung verfügbaren Energieangebotes (Abgasmassenstrom und -temperatur) sowie des Bedarfs an Ladedruck und Luftdurchsatz [130] – Optimierung von Ventilhub und Ventilsteuerzeiten: Berechnung des Ladungswechsels mit dem Ziel von geringen Ladungswechselverlusten und großen Liefergraden – Temperaturfeldberechnung: Berechnung der Wärmebilanz von Motoren und Ermittlung der thermischen Belastung (Eingabegröße für die Berechnung der Temperaturfelder in Zylinder, Laufbuchse, Kolben und Ventilen), s. Abschn. 7.1 – Gasdruckverläufe für weitergehende Untersuchungen: Berechnung der Gasdruckverläufe als Eingabegröße für weitergehende Untersuchungen wie Festigkeitsberechnung, Drehschwingungsuntersuchung, Simulation der Kolbenringbewegung
1.3 Berechnung des realen Arbeitsprozesses 31 – Nasskorrosion: Untersuchung der Gefahr von Nasskorrosion (Unter schreitung der Taupunkttemperatur des Abgases) – Stickoxidemissionen: Verwendung eines Verbrennungsmodells (z.B. Zweizonen modell) zur Untersuchung der Stickoxidemissionen [1-35; 1-40; 1-41; 1-47] – Umgebungsbedingungen: Bestimmung der Betriebswerte von Motoren bei veränder ten Umgebungsbedingungen (Druck und Temperatur), – Plausibilitätsüberprüfung: Überprüfung der Plausibilität von Messwerten oder von Hypothesen bei der Schadensanalyse – Übertragung von Einzylinder-Versuchsergebnissen auf Mehrzylindermotoren: Umrechnung der an Einzylinder-Versuchsmotoren gemes senen Betriebswerte auf die Bedingungen bei Mehrzylin dermotoren.
derartigen Berechnungen kann man beispielsweise die S trömungsverhältnisse in Zylinderköpfen optimieren. Strö mungsfeldberechnungen kann man auch zur Untersuchung der Gemischbildung und teilweise schon zur Berechnung der Verbrennungsvorgänge verwenden [1-41; 1-47]. Hinsichtlich der Ermittlung des Brennverlaufs wird daran gearbeitet, den Brennverlauf direkt aus den Einspritzdaten zu berechnen [1-21], [1-24], [1-25], [1-27] [1-35], [1-61]. Zum anderen müssen die Modelle für den Ersatzbrennver lauf und seine Umrechnung im Kennfeld verbessert werden [1-49], um bei der Berechnung von Stickoxidemissionen die Verbrennung mit besserer Genauigkeit beschreiben zu kön nen [1-35]. Auf dem Gebiet der Umrechnung des Reibmitteldrucks im Kennfeld werden ebenfalls weitere Untersuchungen durchgeführt mit dem Ziel, den Beitrag der einzelnen Bau gruppen auf die gesamten Reibungsverluste zu ermitteln [1-50].
1.3.4 Zukünftige Arbeiten auf dem Gebiet der Realprozessrechnung
Literatur
Die Realprozessrechnung ist ein sehr geeignetes Instrument für Relativaussagen (z.B. Parameterstudien). Hierbei sind die Genauigkeitsansprüche an die Teilmodelle weniger hoch. Bei Absolutaussagen (z.B. Auslegung von Aufladung oder Kühl systemen, Vergleich verschiedener Motoren miteinander) müssen die Teilmodelle viel genauer sein. Deswegen werden vielfältige Anstrengungen zur weiteren Verbesserung der Modelle unternommen. Die Anhebung der Verbrennungshöchstdrücke auf über 200 bar führt dazu, dass die Zylinderladung nicht mehr als ideales Gas betrachtet werden darf und die Realgaseigen schaften der beteiligten Komponenten berücksichtigt wer den müssen [1-67]. Die bisherigen Wärmeübergangsmodelle berechnen im Teillastgebiet zu kleine Wandwärmeverluste. Weiterhin berücksichtigen sie die Wärmeverluste, die durch Strahlung der Rußteilchen bei der Verbrennung entstehen, nur unge nau oder überhaupt nicht. Dies hat zur Folge, dass insbeson dere bei schlechten Verbrennungen die Verluste zu klein berechnet werden. Bei der Druckverlaufsanalyse ergeben sich in der Kompressionsphase scheinbare Energieverluste, die eventuell durch Ungenauigkeiten in der Kurbelwin kelabhängigkeit der verwendeten Wandwärmemodelle begründet sind. Neue Wärmeübergangsmodelle finden sich beispielsweise in [1-22], [1-23], [1-36], [1-38], [1-39], [1-60]. Die Berechnung des Ladungsdurchsatzes kann durch die Verwendung von sehr rechenzeitintensiven dreidimensio nalen Strömungsfeldrechnungen verbessert werden. Mit
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2
Ladungswechsel und Aufladung
2.1
Ladungswechsel
2.1.1
Allgemeines
Mit Abschluss des Expansionshubes setzt der Ladungswechsel ein. Dieser übernimmt im Grunde zwei Aufgaben, nämlich: – den Austausch der verbrauchten Zylinderladung (Abgas) gegen Frischgas (Luft beim Dieselmotor) als eine Grundvoraussetzung für einen Motor mit innerer Verbrennung sowie – die zum Schließen des thermodynamischen Kreisprozesses erforderliche Wärmeabfuhr. Der Ladungswechsel kann nach dem Viertakt- oder nach dem Zweitaktverfahren erfolgen. Unabhängig davon lässt sich das Ladungswechselergebnis durch eine Reihe dimen sionsloser Kenngrößen charakterisieren und bewerten. Dazu sei zunächst vereinbart: mZ gesamte Masse des Arbeitsgases im Zylinder bei Ladungswechselnde, mL gesamte durch das Einlassorgan in den Zylinder ein geströmte Luftmasse, mLZ Masse der Frischluft im Zylinder bei Ladungswech selnde, mRG Masse des Restgases im Zylinder bei Ladungswech selnde, ρL Dichte der Luft vor den Einlassorganen mLtheor theoretische Luftmasse. Die theoretische Luftmasse (2-1) entspricht der in den Zylinder einzubringenden Masse an Luft mit der Dichte ρL, um exakt das Zylinderhubvolumen Vh damit zu füllen.
Der Luftaufwand (2-2) ist ein Maß dafür, wie viel Luft relativ zur theoretischen Luftmasse während des Ladungswechsels insgesamt in den Zylinder eingeströmt ist. Er entspricht für einen stationären Motorbetriebspunkt dem gemessenen Luftdurchsatz. Der Liefergrad (2-3) gibt an, wie viel relativ zur theoretischen Luftmasse an eingeströmter Luftmasse im Zylinder verbleibt. Entsprechend ist der Fanggrad definiert: .
(2-4)
Besonders für Zweitaktmotoren spielen noch der Ladegrad und der Spülgrad eine Rolle. Der Ladegrad (2-5) gibt an, wie viel Arbeitsgasmasse sich relativ zur theoretischen Luftmasse am Ende des Ladungswechsels im Zylinder befindet. Zu welchem Anteil die Arbeitsgasmasse mZ aus Frischluft mLZ besteht, kommt im Spülgrad (2-6) zum Ausdruck. Bezüglich des Restgases mRG, also des aus dem vorhergehenden Arbeitsspiel im Zylinder verbliebenen Arbeitsgasrestes, gilt: .
(2-7)
2.1 Ladungswechsel
2.1.2
Viertaktverfahren
2.1.2.1
Steuerorgane
Der Ladungswechsel von Viertakt-Hubkolbenmotoren wird heute nahezu ausschließlich über Ventile gesteuert. Die bei Fahrzeug-Ottomotoren früher auch eingesetzte Schiebersteuerung [2-1] hat sich wegen der Dichtprobleme infolge unterschiedlichen Kalt- und Warmspiels und des, ebenfalls thermisch bedingten, Verziehens schon bei Ottomotoren nicht durchsetzen können und kommt deshalb beim Dieselmotor erst recht nicht in Frage, zumal dieser höhere Zylinder-Innendrücke aufweist. Demgegenüber bietet die heute allgemein übliche Ventilform mit ihrem kegeligen Sitz (Bild 18-31) eine perfekte Abdichtung des Zylinderraums bis zu höchsten Zylinder-Innendrücken, da ein erhöhter Innendruck unmittelbar auch eine erhöhte Anpresskraft und damit Dichtwirkung im Ventilsitz bewirkt. Bei den nach wie vor praktisch ausschließlich verwendeten nockengesteuerten Ventilantrieben wird der vom Nocken bewirkte Hub – bei untenliegender Nockenwelle über Stößel, Stoßstange und Kipphebel – bei obenliegender Nockenwelle über Kipphebel oder Schlepphebel oder auch über Tassenstößel auf das Ventil übertragen und dieses gegen die Kraft der Ventilfeder angehoben.
Bild 2-1 Ventilhubkurven des Viertaktmotors
35
Großdieselmotoren bis einschließlich Nutzfahrzeugmotoren werden wegen der Verwendung von Einzelzylinderköpfen mit untenliegenden Nockenwellen ausgerüstet. Bei den PkwDieselmotoren (Blockzylinderkopf) finden sich heute überwiegend obenliegende Nockenwellen, weil sich dadurch die zu bewegenden Massen des Ventiltriebs verringern lassen.
2.1.2.2
Ventilhubkurven und Steuerzeiten
Der Viertaktmotor benötigt für den Ladungswechsel theoretisch eine ganze Kurbelwellenumdrehung. Entsprechend den Annahmen des theoretischen Motorprozesses müssten die Gaswechselorgane (Ventile) exakt in den Totpunkten geöffnet und geschlossen werden und eine Rechteck-Hubcharakteristik aufweisen, Bild 2-1. Abweichend davon können beim realen Motor wegen der zu beherrschenden Beschleunigungen im Ventiltrieb die Ventile nur allmählich geöffnet und geschlossen werden. Weil aber außer den Massen des Ventiltriebs auch die am Zylinder ein- und ausströmenden Gassäulen jeweils erst zu beschleunigen sind und das Strömen auch zunächst noch anhält, wenn der Kolben in die Gegenrichtung umkehrt, wird der Öffnungszeitpunkt vor und der Schließzeitpunkt hinter den jeweiligen Totpunkt gelegt. Im Einzelnen werden die sog. Steuerzeiten wie folgt festgelegt:
36
2 Ladungswechsel und Aufladung
Auslass öffnet (Aö) Beim Öffnen des Auslassventils besteht zwischen dem Druck im Zylinder und dem Druck in der Auslassleitung normalerweise ein überkritisches Druckverhältnis, so dass das Abgas durch den engsten Querschnitt (am Ventilsitz) zunächst mit Schallgeschwindigkeit ausströmt. Dadurch baut sich der Druck im Zylinder relativ rasch ab, so dass die beim anschließenden Aufwärtshub des Kolbens von diesem aufzubringende Ausschiebearbeit nicht allzu groß wird. Würde man zur Minimierung dieser Ausschiebearbeit die Steuerzeit „Aö“ jedoch sehr früh legen, würde entsprechend die während des Expansionstaktes vom Arbeitsgas auf den Kolben übertragbare Expansionsarbeit verringert. „Aö“ liegt demnach dann optimal, wenn die Summe der Verlustarbeiten (Verlust an Expansionsarbeit, Ausschiebearbeit) ein Minimum bzw. die innere (= indizierte) Arbeit ein Maximum wird. Dieses Optimum ist relativ „flach“ und liegt im Bereich von 40 bis 60 °KW vor UT.
Ventilüberschneidung Da das Auslassventil erst nach, das Einlassventil aber bereits vor dem oberen Totpunkt (LOT in Bild 2-1) öffnet, ergibt sich die sog. Ventilüberschneidung. Ohne jegliche Ventilüberschneidung würde der in Bild 2-2a schematisch dargestellte Fall auftreten. Beim Schließen
Bild 2-2 Einfluss der Ventilüberschneidung 'φ auf die Restgasausspülung
des Auslassventils in OT wäre das Kompressionsvolumen Vc noch mit Abgas gefüllt, welches im nachfolgenden Arbeitsspiel als Restgas auftritt. In der Nähe des oberen Totpunkts bewegt sich der Kolben mit sehr geringer Geschwindigkeit, so dass er während dieser Phase praktisch keine Ausschub- oder Ansaugwirkung auf das Arbeitsmedium ausüben kann. Wenn nun aber das Einlassventil bereits vor dem oberen Totpunkt öffnet und das Auslassventil auch noch über den oberen Totpunkt hinaus offen bleibt, übt die abströmende Abgassäule eine Sogwirkung auf den Zylinder und den damit verbundenen Einlasskanal aus, so dass Frischgas (Luft) in den Zylinder strömt und das Restgas ausgespült wird, Bild 2-2b. Bei einem Saugmotor kann allerdings nur eine Ventilüberschneidung bis etwa 40 bis 60 °KW realisiert werden, was jedoch für eine weitgehende Restgasausspülung ausreicht. Würde sie, im Wesentlichen symmetrisch zu LOT, wesentlich größer gewählt, würde beim Ausschubhub Abgas auch in die Einlassleitung geschoben und beim anschließenden Saughub Abgas aus der Abgasleitung angesaugt werden. Bei hochaufgeladenen Dieselmotoren (s. Abschn. 2.2), bei denen der mittlere Druck vor Einlass über dem mittleren Druck in der Abgasleitung liegt, kann die Ventilüberschneidung deutlich länger gewählt werden (bis zu 120 °KW), was dazu genutzt wird, über die Restgasausspülung hinaus Frischluft durch den Zylinder zu spülen, Bild 2-2c. Dadurch wird zum einen eine thermische Entlastung der brennraumbe-
37
2.1 Ladungswechsel grenzenden Bauteile erreicht, zum anderen lässt sich damit die Abgastemperatur vor der Turboladerturbine nach oben begrenzen, was insbesondere für den Schwerölbetrieb von Großdieselmotoren von Bedeutung ist (s. Abschn. 3.3).
Einlass schließt (Es) Einlass schließt ist so zu legen, dass die Füllung mit Frischluft, d.h. der Liefergrad Ol, ein Maximum wird, da sie für ein bestimmtes Luftverhältnis die fahrbare Motorlast bestimmt. Somit kommt der Festlegung von „Es“ eine ganz besondere Bedeutung zu. „Es“ wird normalerweise nach UT gelegt (s. Bild 2-1), weil das Einströmen in den Zylinder wegen der Trägheit der einströmenden Luft auch dann noch anhält, wenn der Kolben mit Erreichen der UT-Nähe praktisch keine Saugwirkung mehr ausübt. Wird „Es“ allerdings zu weit nach UT gelegt, kommt es zu einem unerwünschten Zurückschieben von bereits eingeströmter Luft in die Einlassleitung. Übliche Werte liegen bei „Es“ = 20 bis 60 °KW nach UT. Der optimale Wert für „Es“ ist so wie der Liefergrad vor allem drehzahlabhängig. Bei einem festen Wert für „Es“ nimmt der Liefergrad über der Drehzahl einen wie in Bild 2-3 (durchgezogene Linie) gezeigten Verlauf an. Der Abfall dieser Kurve links bzw. rechts des Scheitelpunkts hängt vor allem damit zusammen, dass im zugehörigen Drehzahlbereich „Es“ zu spät bzw. zu früh liegt. Sollte der betreffende Motor beispielsweise künftig hauptsächlich im oberen Drehzahlbereich betrieben werden, dann wäre es sinnvoll, „Es“ entsprechend später zu legen (gestrichelte Kurve in Bild 2-3).
2.1.2.3
Ventilquerschnitt und Durchflussbeiwert
Bei festliegender Konstruktion von Ventil und Ventilkanal hängt die während der Öffnungsdauer durchgeströmte Gasmasse außer vom anliegenden Druckverhältnis vor allem
Bild 2-3 Liefergrad als Funktion der Drehzahl
vom Verlauf des Ventilhubs ab. Dieser beeinflusst unmittelbar den freien Strömungsquerschnitt. Der vom Ventil bei einem bestimmten Hub hV(M) freigegebene geometrische Ventilquerschnitt AV(M) berechnet sich mit dem inneren Ventilsitzdurchmesser di und dem Ventilsitzwinkel β gemäß Bild 2-4 nach: .
(2-8)
Der der Strömung bei einem bestimmten hV(M) tatsächlich zur Verfügung stehende effektive Ventilquerschnitt AVeff(M) ist i. d. R. kleiner als AV(M). Er entspricht demjenigen Querschnitt, welcher in die Saint-Venantsche Durchflussgleichung, Gl. (2-9), einzusetzen ist, um bei gegebenen Werten für den Ruhezustand des Gases auf der Anströmseite (p01, T01) und den statischen Druck p2 auf der Abströmseite den tatsächlichen Massendurchsatz m ˙ zu erhalten: .
(2-9)
Zur experimentellen Bestimmung von AVeff(M) auf einem stationären Durchflussprüfstand wird gemäß Bild 2-5 der zu untersuchende Zylinderkopf auf ein Rohr mit einem Innendurchmesser gleich dem Zylinderdurchmesser D gesetzt und an das äußere Kanalende des zu untersuchenden Ventils ein Rohr mit einem Innenquerschnitt entsprechend einer Fortführung des Ventilkanalquerschnittes AK angeschlossen. Der Ventilkanal kann nun hinsichtlich seines effektiven Querschnitts AVeff abhängig vom Ventilhub für beide möglichen Strömungsrichtungen untersucht werden. Dazu misst man zu diskreten Ventilhüben über den gesamten Ventilhubbereich jeweils – den Ruhezustand an der Stelle 1 (p01, T01), – den statischen Druck an der Stelle 2 (p2), – den Massendurchsatz m ˙. In AVeff sind definitionsgemäß alle Strömungsverluste berücksichtigt, die zwischen den Kontrollstellen 1 und 2 auftreten. AVeff wird daher i. d. R. immer kleiner als der zugehörige geometrische Kanalquerschnitt AK (Bild 2-4a) sein. Solche stationären Durchflussmessungen liefern zum einen die entsprechenden Randbedingungen für die reale Motorprozessrechnung (s. Abschn.1.3), zum anderen aber auch unmittelbar eine Aussage über die strömungstechnische Qualität einer gegebenen Ventil- bzw. Ventilkanalkonstruktion. Bei einem AVeff -Verlauf, wie in Bild 2-4a gestrichelt eingezeichnet, der vor Erreichen des maximalen Ventilhubs waagerecht
38
2 Ladungswechsel und Aufladung
verläuft, ist ein zu großer Hub gewählt worden, sofern der Liefergrad zufrieden stellend ist. Ist der Liefergrad dabei nicht ausreichend hoch, liegt ein im Vergleich zum maximalen Ventilhub zu enger Ventilkanal vor. Die Ventil- und die Ventilkanalgeometrie sowie der maximale Ventilhub sind so aufeinander abzustimmen, dass für den gesamten Ventilhubbereich der engste Strömungsquerschnitt immer im Ventilsitz liegt. In der Praxis werden die Ventildurchflusseigenschaften meist nicht über den effektiven Ventilquerschnitt AVeff (hV) dargestellt, sondern über einen Ventildurchflussbeiwert μ (hV), welcher nach (2-10) gleich dem auf einen Bezugsquerschnitt Abez bezogenen effektiven Ventilquerschnitt ist. Für den Bezugsquerschnitt werden in der Praxis vor allem 2 Versionen angewendet: Version 1: Abez = AK Mit dem konstanten Kanalquerschnitt AK (s. Bild 2-4) als Bezugsquerschnitt ergibt sich ein Durchflussbeiwert P1, der für den gesamten Ventilhubbereich im Bereich 0 ≤ P1 ≤ 1 liegt, Bild 2-4b.
Version 2: Abez = AV(hV) Der auf diese Weise definierte Durchflussbeiwert P2 (hV) ist für hV = 0 undefiniert und kann für kleine hV-Werte auch Werte größer als 1 annehmen, Bild 2-4c.
2.1.2.4
Einlassdrall
Schnelllaufende direkteinspritzende Dieselmotoren sind für eine zufrieden stellende Gemischbildung und Verbrennung i. d. R. auf einen Einlassdrall angewiesen. Darunter versteht man die meist durch einen Drallkanal erzeugte Drehbewegung der einströmenden Luft im Zylinder um die Zylinderachse, die durch die Kompression meist noch intensiviert wird (s. auch Abschn. 3.1). Da für ein gegebenes Verbrennungssystem sowohl ein zu geringer als auch ein zu intensiver Drall nachteilig sein kann, besteht Bedarf für eine objektive Angabe der Drallintensität (Drallzahl). Dazu wird der stationäre Durchflussprüfstand (Bild 2-5) mit einem Flügelradanemometer mit definierten Abmessungen und in definierter Einbaulage ausgerüstet. Zur Kennzeichnung des Dralls wird die Flügelraddrehzahl nD ins Verhältnis zu einer gedachten Motordrehzahl n gesetzt, die man erhält, wenn man die gemessene mittlere axiale Strömungsgeschwindigkeit ca mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm gleichsetzt, also (2-11)
Bild 2-4 Effektiver Ventilquerschnitt AVeff (M) und Ventildurchflussbeiwerte
39
2.1 Ladungswechsel
Bild 2-5 Messung der Ventildurchflussbeiwerte und der Drallzahl im stationären Strömungsversuch
und damit .
(2-12)
den akustischen Theorie läuft diese Saugwelle mit der Schallgeschwindigkeit a0, die gemäß (2-14)
Das Verhältnis nD/n verändert sich mit dem Ventilhub und muss in geeigneter Weise über diesen gemittelt werden, wenn der für einen bestimmten Ventilkanal repräsentative mittlere Drall (Drallzahl D) gesucht ist [2-2]: .
(2-13)
In Gl. (2-13) bedeutet cK die der jeweiligen Kurbelstellung zugeordnete momentane Kolbengeschwindigkeit bei der Drehzahl n, die nach Gl. (2-12) berechnet wird.
2.1.2.5
Einfluss der Einlassleitung
Der in Gl. (2-3) definierte Liefergrad Ol hängt außer von der Geometrie und der strömungsgünstigen Gestaltung des Einlasstraktes innerhalb des Zylinderkopfes (Ventil, Einlasskanal) in besonderer Weise auch noch von der Geometrie der angeschlossenen Einlassleitung ab. Man stelle sich dazu, wie in Bild 2-6 schematisch dargestellt, einen Viertakt-Einzylindermotor mit einem auf der Einlassseite angeschlossenen glatten Rohr vor. Das Rohr habe die (gestreckte) Länge L und verfüge am dem Zylinder abgewandten Ende über ein „offenes Rohrende“. Unmittelbar vor Eö herrsche im Inneren des Rohres ein Druck p gleich dem Außendruck p0 (p/p0 = 1). Beim Öffnen des Einlassventils bewirkt der infolge des Saughubes im Zylinder sich einstellende Unterdruck, dass sich eine Saugwelle (p/ p0 < 1) vom Einlassventil in Richtung offenes Rohrende ausbreitet (t1). Nach der dieser Überlegung zugrunde liegen-
unmittelbar von der Gastemperatur T0 im Rohr abhängt, die hier als konstant angenommen sei. Nach der Zeit t = L/a0 trifft die Saugwelle am offenen Rohrende ein und wird dort als Druckwelle (p > p0) reflektiert (t2), die nun ihrerseits mit der Geschwindigkeit a0 zum Einlassventil zurückläuft (t3). Ist beim Eintreffen der Druckwelle das Einlassventil noch geöffnet, so kann diese den Liefergrad steigern. Dazu muss die gesamte Wellenlaufzeit 't = 2L/ a0 kürzer sein als die zeitliche Ventilöffnungsdauer 'tEö – Es . Daraus lässt sich die Bedingung (2-15) formulieren. Diese macht deutlich, dass bei gegebenen Einlasssteuerzeiten und damit auch gegebener Einlassventilöffnungsdauer ΔφEö – Es bei einer bestimmten Drehzahl n eine bestimmte Einlassrohrlänge L vorliegen muss, um einen maximalen Liefergrad zu erzielen. Für die Praxis wichtiger ist jedoch der Umkehrschluss, nämlich, dass bei gegebenen Steuerzeiten eine gegebene Saugrohrlänge L nur bei einer bestimmten Drehzahl zum maximalen Liefergrad und meist nur innerhalb einer relativ engen Drehzahlspanne zu relativ hohen Liefergradwerten führt. Dieser am Beispiel des Einzylindermotors erläuterte grundsätzliche Einfluss der Einlassleitung auf den Liefergrad ist sinngemäß auf Mehrzylindermotoren zu übertragen und kann gezielt dazu eingesetzt werden, die maximale Zylinderfüllung auf einen ganz bestimmten Drehzahlbereich zu legen (Saugrohrabstimmung, Schaltsaugrohr).
40
2 Ladungswechsel und Aufladung
Mischform. Im Falle der Schlitzsteuerung (Schlitze in der Zylinderlauffläche) übernimmt der Kolben auch die Funktion eines Steuerschiebers.
2.1.3.2
Bild 2-6 Wellenlaufvorgang im Ansaugrohr nach der akustischen Theorie
2.1.3
Zweitaktverfahren
2.1.3.1
Besonderheiten des Zweitaktladungswechsels gegenüber dem Viertaktladungswechsel
Das Zweitakt-Arbeitsspiel entspricht zwei Kolbenhüben bzw. einer Kurbelwellenumdrehung (= 360 °KW). Der Ladungswechsel hat in zeitlicher Umgebung des unteren Totpunkts (UT) zu erfolgen. Daraus leiten sich unmittelbar zwei Konsequenzen ab: – Dadurch, dass der Ladungswechsel bereits vor UT einsetzt bzw. erst nach UT endet, ist ein Teil des Expansions- bzw. des Kompressionshubes nicht nutzbar. – Die momentane Kolbengeschwindigkeit ist während der gesamten Ladungswechselphase so gering, dass der Kolben praktisch keine Ansaug- oder Ausschubwirkung auf die Zylinderladung ausüben kann. Der Ladungswechsel kann daher nur bei Vorhandensein eines positiven Spülgefälles, d.h. eines Überdrucks von der Einlass- zur Auslassseite, erfolgen, wozu Zweitaktmotoren grundsätzlich mit einem Spülgebläse (auch Spülpumpe genannt) ausgerüstet sein müssen. Als Gaswechselorgane kommen sowohl Ventile als auch Schlitze zur Anwendung und zwar sowohl rein als auch in
Spülverfahren
Alle bislang ausgeführten Zweitakt-Spülverfahren lassen sich in die zwei Grundkategorien – Schleifenspülung, – Gleichstromspülung einordnen. Für Großdieselmotoren im Zweitaktverfahren (mit D = 250 bis 900 mm) war bis zu Beginn der achtziger Jahre die MAN-Umkehrspülung, eine Schleifenspülung, von Bedeutung. Das Hub/Bohrungs-Verhältnis lag bei knapp oberhalb s/D = 2. Bild 2-7a zeigt schematisch die Anordnung der Aus- und Einlassschlitze sowie das zugehörige Steuerdiagramm. Wenn der sich abwärts bewegende Kolben die Auslassschlitze freigibt, beginnt die Vorauslassphase (von „Aö“ bis „Eö“).Während dieser soll sich der zum Zeitpunkt „Aö“ noch relativ hohe Druck im Zylinder durch Ausströmen eines Teils der Zylinderladung soweit abbauen, dass er beim nachfolgenden Öffnen der Einlassschlitze bereits niedriger als der anstehende Spüldruck ist. Nur dann kann bereits ab „Eö“ Frischluft in den Zylinder einströmen, die im Zylinder im Zusammenwirken mit dem noch ausströmenden Zylindergas eine Schleifenströmung ausbilden soll, wie in Bild 27a angedeutet. Nach der Umkehr des Kolbens in UT schließt dieser beim Aufwärtshub zunächst die Einlassschlitze und schiebt ab „Es“ einen Teil der Zylinderladung durch die Auslassschlitze wieder aus. Dieser mit dem sog. Nachauslass verbundene Frischgasverlust ist ein wesentlicher Nachteil aller Schleifenspülverfahren und hat im (zu UT) symmetrischen Steuerdiagramm seine Ursache. Für Zweitakt-Großdieselmotoren hat sich seit Beginn der achtziger Jahre die Gleichstromspülung gegenüber der Umkehrspülung durchgesetzt, was vor allem durch den Zwang zu größeren Hub/Bohrungs-Verhältnissen (s/D bis > 4) bedingt ist (s. Abschn. 18.4). Die Gleichstromspülung wird allgemein über Einlassschlitze und ein einzelnes, zentral im Zylinderkopf angeordnetes Auslassventil realisiert, s. Bilder 18-36 und 18-43. Durch die damit mögliche freie Wahl der Auslasssteuerzeiten werden ein unsymmetrisches Steuerdiagramm (s. Bild 2-7b) möglich und ein Nachauslass vermieden. Durch ein entsprechendes Anschrägen der Einlassschlitzkanten kann der von unten nach oben verlaufenden Längsspülrichtung ein Drall überlagert werden, wodurch die Spülung zusätzlich stabilisiert wird und auch Einfluss auf Gemischbildung und Verbrennung genommen werden kann. Wesentlich ist dabei, die hohe thermische
2.1 Ladungswechsel
Bild 2-7 Schematische Darstellung von Spülströmung und Steuerdiagramm für zwei wesentliche Spülverfahren von Zweitakt-Großdieselmotoren
Belastung des Auslassventils zu beherrschen (s. Abschn. 6.1). Mit den in Abschn. 2.1.1 definierten Kenngrößen kann man den in Bild 2-8 dargestellten Zusammenhang herleiten, um Zweitakt-Spülverfahren beurteilen zu können. Der bestmögliche Spülverlauf, nämlich die reine Verdrängungsspülung, liegt dann vor, wenn der Luftaufwand Oa nur entsprechend dem Volumen Vh + Vc oder Oa = H/(H – 1) getrieben werden muss, um den Spülgrad Os = 1,0, d.h. vollkommene Ausspülung zu erreichen. Die Gerade Os = 0 entspricht der Kurzschlussströmung, d.h. bei noch so großem Luftaufwand Oa wird keine Spülwirkung erreicht. Die als totale Mischung gekennzeichnete Kurve entspricht einer Spülung, bei der jedes in den Zylinder eintretende Frischladungs-Massenelement sich mit der momentan insgesamt im Zylinder befindlichen Zylinderladungsmasse vollkommen vermischt und über den Auslass nur Massenelemente aus der momentanen Mischladung abströmen. Es ist sicherlich leicht nachzuvollziehen, dass die Gleichstromspülung unter allen Spülverfahren der reinen Verdrängungsspülung am nächsten kommt.
Bild 2-8 Spülgrad als Funktion des Luftaufwandes für idealisierte Spülabläufe
41
42 2 Ladungswechsel und Aufladung
2.2
Aufladung von Dieselmotoren
2.2.1
Allgemeines
2.2.1.1
Definition und Ziele der Aufladung
Die Aufladung des Verbrennungsmotors stellt primär ein Verfahren zur Steigerung seiner Leistungsdichte dar, wie die folgende Überlegung verdeutlichen soll: Die effektive Motorleistung nimmt gemäß der Definition des effektiven Wirkungsgrades, Gl. (1-8), mit der in der Zeiteinheit umgesetzten Kraftstoffmasse m ˙B zu. Zu deren Verbrennung ist je nach Verbrennungsverfahren ein bestimmter Luftmassenstrom m ˙LZ erforderlich. Unter Verwendung des Verbrennungsluftverhältnisses λV und des Mindestluftbedarfs Lmin sowie des Liefergrades λl folgt die Bestimmungsgleichung für Pe in der Form
(2-16)
mit a = 2 für Viertakt, a = 1 für Zweitakt (vgl. Abschn. 1.2). Diese besagt, dass die effektive Leistung eines bestimmten Motors (VH, a) unter Verwendung eines bestimmten Kraftstoffes (Hu, Lmin) und eines bestimmten Brennverfahrens (λV) bei einer bestimmten Drehzahl nM (→ λl = konst.) abgesehen vom effektiven Wirkungsgrad ηe nur noch von der Dichte ρL der Luft vor Motoreinlass abhängt. Wird dem Motor die Luft vor Einlass mit einer Dichte höher als die der Umgebungsluft angeboten, liegt Aufladung vor. Da nach der thermischen Gaszustandsgleichung (2-17) die Dichte ρL vom Druck pL und der Temperatur TL bestimmt wird, und TL im Normalfall nicht unter die Umgebungstemperatur abgesenkt werden kann, versteht sich die Aufladung in erster Linie als eine Anhebung des Drucks vor Einlass auf einen Wert oberhalb des Umgebungsdrucks, den sog. Ladedruck pL. Das dazu eingesetzte Aggregat wird als Lader bezeichnet. Die Möglichkeiten zur Aufladung sind nach DIN 6262 festgelegt.
2.2.1.2
Vergleich von Abgasturboaufladung und mechanischer Aufladung
Da Abgasturboaufladung und mechanische Aufladung die größte praktische Bedeutung erlangt haben, soll deren unterschiedliches Zusammenwirken mit dem Basismotor anhand
idealisierter Kreisprozesse veranschaulicht werden, Bild 2-9. Im Falle der mechanischen Aufladung liefert der vom Motor angetriebene Lader den Zylindern Luft vom Druck p2 = pL, mit dem während des Saughubes der Zylinderdruck identisch ist, so dass die Verdichtung bei einem gegenüber dem Saugmotor erhöhten Druck einsetzt (1Z). Nach Abschluss des Expansionshubes (5Z) öffnet das Auslassventil, und die Zylinderladung wird gegen den Umgebungsdruck (p1) ausgeschoben. Dadurch ergibt sich eine, im Sinne einer vom Motor abgegebenen Arbeit, positive Ladungswechselarbeit WLDW (Fläche 1Z, 6Z, 7Z, 8Z, 1Z). Die vom Motor aufzubringende (isentrope) Laderarbeit WL ist allerdings größer als seine Ladungswechselarbeit. Die senkrecht schraffierte Fläche entspricht dem Arbeitsverlust, der dadurch entsteht, dass die Zylinderladung vom Zustand 5Z auf den Druck p1 (nach Auslassventil) gedrosselt und nicht auf diesen isentrop entspannt wird (Verlust durch unvollkommene Dehnung). Im Falle der Abgasturboaufladung ist bei gleichem Ladedruck p2 und gleicher Hochdruckphase des Motorprozesses wie bei der mechanischen Aufladung auch die gleich große Laderarbeit WL aufzubringen. Ferner liegt auch der gleiche Zylinderzustand bei Expansionsende (5Z) vor. Die Laderarbeit WL wird nunmehr jedoch nicht von der Kurbelwellenarbeit abgezweigt, sondern von der (flächengleichen) Turbinenarbeit WT abgedeckt, die aus der Abgasenergie entnommen wird. Da die Abgastemperatur T3 vor Turbine höher ist als T2, liegt unter der Bedingung WT = WL der Abgasdruck p3 vor Turbine niedriger als p2, so dass sich auch hier eine positive Ladungswechselarbeit WLDW einstellt. Darüber hinaus ist wegen des höheren Gegendrucks am Auslass der Arbeitsverlust infolge unvollkommener Dehnung der Zylinderladung (senkrecht schraffierte Fläche) geringer als im Falle der mechanischen Aufladung. Dass ein Teil dieses zylinderseitigen Arbeitsverlustes von der Abgasturbine sogar zurückgewonnen wird, kommt darin zum Ausdruck, dass die Temperatur im Punkte 3 größer ist als die bei 3ʹ, welche sich bei isentroper Expansion der Zylinderladung auf den Abgasdruck p3 einstellen würde. Auch wenn Bild 2-9 nur idealisierten Zustandsänderungen entspricht, so deutet sich doch bereits an, dass bezüglich des Motorgesamtwirkungsgrads die Abgasturboaufladung wohl günstigere Voraussetzungen bietet als die mechanische Aufladung.
2.2.2
Zusammenwirken von Motor und Lader
2.2.2.1
Laderbauarten und ihre Kennfelder
Vom Wirkungsprinzip her lassen sich alle bekannten Laderbauarten in zwei Gruppen einteilen, nämlich in: – Verdrängerlader und – Strömungslader.
2.2 Aufladung von Dieselmotoren
Bild 2-9 Die Aufladung bei idealisierter Prozessführung
Entsprechend existieren auch zwei Grundformen des Laderkennfeldes. Unter Laderkennfeld wird die Darstellung des Laderdruckverhältnisses SL = p2/p1 über dem auf einen definierten Bezugszustand (p1, T1) bezogenen Fördervolumenstrom V˙1 verstanden, mit Linienscharen konstanter Laderdrehzahl nL (Laderkennlinie) und konstanten isentropen Laderwirkungsgraden ηsL, Bilder 2-10 und 2-11.
Verdrängerlader Zu den Verdrängerladern zählen neben dem Hubkolbenverdichter, der außer als Kolbenunterseitenverdichter nicht als Aufladeaggregat eingesetzt wird, insbesondere das Rootsgebläse, die verschiedenen Dreh- und Kreiskolbenverdichter (Ro-Lader, Flügelzellenlader), der Spirallader (G-Lader) und auch der Schraubenlader, Bild 2-10. Entsprechend dem Verdrängerprinzip verlaufen die Laderkennlinien (nL = konst.) relativ steil. Beim verlustfreien Lader würden sie sogar exakt senkrecht verlaufen, womit der Durchsatz nur von der Drehzahl und nicht vom Druckverhältnis abhängt. Im realen Verdrängerlader nehmen mit dem Druckverhältnis, je nach Bauart, die Spaltverluste oder die Verluste durch Rückexpansion des verdichteten Mediums im Schadraum zu und (bei nL = konst.) der Fördervolumenstrom entsprechend ab. Daraus folgt: – Das erreichbare Druckverhältnis ist unabhängig von der Drehzahl, so dass auch bei kleinen Drehzahlen und damit
Bild 2-10 Kennfeld des Verdrängerladers (schematisch)
43
44
2 Ladungswechsel und Aufladung
kleinen Volumenströmen hohe Druckverhältnisse möglich sind. – Der Fördervolumenstrom V˙1 hängt praktisch nur von der Drehzahl ab. – Das Kennfeld ist im gesamten Bereich stabil und dementsprechend für die Aufladung nutzbar.
Strömungslader Dazu zählen Axial- und Radialverdichter. Weil der Radialverdichter, anders als der Axialverdichter, bereits in einstufiger Ausführung ein hohes Druckverhältnis liefern kann, kommt er für Aufladezwecke praktisch ausschließlich zum Einsatz. Bild 2-11 zeigt schematisch das Kennfeld des Radialladers. Der Fördervolumenstrom V˙1 nimmt in etwa proportional, das Druckverhältnis SL in etwa quadratisch mit der Laderdrehzahl nL zu. Die Laderkennlinien erreichen mit abnehmendem Volumenstrom in der Nähe ihres jeweiligen Scheitels die Pumpgrenze, die das Laderkennfeld in einen stabilen (rechts) und einen instabilen (links) Kennfeldbereich teilt. Ein Lader ist immer so an den Motor anzupassen, dass der zu erwartende Betriebsbereich rechts der Pumpgrenze zu liegen kommt [2-3]. Dadurch wird das Pumpen vermieden, das sich in einem Pulsieren von Druck und Fördervolumenstrom äußert, wodurch – abgesehen von der diskontinuierlichen Förderung – Schaufelschwingungen des Laders angeregt werden, die zu seiner Beschädigung führen können. Zusammenfassend lässt sich feststellen: – Das erreichbare Druckverhältnis ist drehzahlabhängig; bei kleinen Drehzahlen und damit kleinen Volumenströmen sind keine hohen Druckverhältnisse zu erreichen.
– Der Fördervolumenstrom hängt von der Drehzahl und dem Druckverhältnis ab. – Der Kennfeldbereich links der Pumpgrenze ist ein instabiler Bereich.
2.2.2.2
Motorschlucklinie
Zur Veranschaulichung des Zusammenwirkens von Motor und Lader ist es zweckmäßig, den Motor als „Verbraucher“ im Laderkennfeld darzustellen. Diese Verbrauchercharakteristik wird als Motorschlucklinie bezeichnet und verläuft für Viertakt- und Zweitaktmotor grundsätzlich unterschiedlich.
Viertaktmotor Unter der Annahme vernachlässigbar kleiner Spülverluste gilt für den vom Motor „geschluckten“ Volumenstrom V˙1 bezogen auf Ansaugzustand (p1, T1) (2-18) Unter sinngemäßer Verwendung von Gl. (2-18) lässt sich Gl. (2-19) für einen bestimmten Motor (VH = konst.) in die Form (2-19) bringen, die besagt, dass bei einer bestimmten Motordrehzahl nM und damit auch gegebenem Liefergrad Ol für eine
Bild 2-11 Kennfeld des Strömungsladers (schematisch)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren bestimmte Ladelufttemperatur TL Ladedruckverhältnis SL und durchgesetzter Volumenstrom V˙1 direkt proportional sind, was in Bild 2-12 einer Geraden durch den Ursprung entspricht. Für eine höhere Drehzahl (nM2 > nM1) weist die entsprechende Gerade einen geringeren Anstieg auf. Praktischen Sinn besitzt diese Geradenschar allerdings nur für Druckverhältniswerte SL ≥ 1, wobei SL = 1,0 dem Saugmotor entspricht. Soll berücksichtigt werden, dass TL mit SL ansteigt, ergibt sich für SL ≥ 1 die dick gezeichnete Linienschar. Wird am betrachteten Motor zusätzlich eine Ventilüberschneidung (VÜ) realisiert, so nehmen die Schlucklinien die gestrichelt eingetragenen Verläufe an. Dabei ist unterstellt, dass auf der Auslassseite der Druck p1 anliegt.
Zweitaktmotor Der Ladungswechsel des Zweitaktzylinders erfordert zwingend ein Druckgefälle von der Einlass- zur Auslassseite. Einlass- und Auslassöffnungen des Zweitaktzylinders wirken, unabhängig von der Motordrehzahl, wie zwei hintereinander geschaltete Drosseln, die sich zu einer Ersatzdrossel für den gesamten Motor zusammenfassen lassen, an der das Druckverhältnis pL/pA anliegt. Entsprechend nimmt die Schlucklinie in Bild 2-13 die Form einer Drosselkennlinie an, bei der das Druckverhältnis πL in etwa quadratisch mit dem Durchsatz V˙1 zunimmt, mit dem Druck pA nach Auslass als Parameter.
2.2.2.3
45
Motorbetriebslinien
Jeder Motorbetriebspunkt eines aufgeladenen Motors erscheint im Laderkennfeld als der Schnittpunkt zwischen zugehöriger Motorschlucklinie und zugehöriger Laderkennlinie. Die Verbindung aller bei einer bestimmten Motorbetriebsart möglichen Schnittpunkte ergibt die Motorbetriebslinie. Nachfolgend wird die Motorbetriebslinie für einige praktisch wichtige Aufladeverfahren schematisch dargestellt.
Mechanische Aufladung Bei mechanischer Aufladung eines Viertaktmotors mit einem Verdrängerlader stellt sich für ein konstantes Übersetzungsverhältnis ü zwischen Motordrehzahl nM und Laderdrehzahl nL eine mit der Motordrehzahl nur leicht abfallende Motorbetriebslinie im Laderkennfeld ein, so dass auch im unteren Drehzahlbereich noch ein relativ hoher Ladedruck zur Verfügung steht, was z.B. einem Pkw-Motor ein gutes Beschleunigungsverhalten ermöglicht. Über ein Vergrößern des Übersetzungsverhältnisses ü kann das Ladedruckniveau insgesamt angehoben und im umgekehrten Falle abgesenkt werden, Bild 2-14 oben. Völlig anders verhält sich hingegen der Strömungslader bei mechanischer Aufladung. Bei gleichem Ladedruck für Nenndrehzahl wie beim Verdrängerlader fällt mit sinkender Motordrehzahl der Ladedruck stärker ab, Bild 2-14 unten. Wenn dennoch heute Entwicklungsbemühungen unter-
Bild 2-12 Motorschlucklinien des Viertaktmotors (schematisch). TL Ladelufttemperatur, VÜ Ventilüberschneidung
46
2 Ladungswechsel und Aufladung
Motordrehzahl jeweils verfügbare Ladedruck, zumindest im Stationärbetrieb, normalerweise ausreichend hoch. Beim abgasturboaufgeladenen Zweitaktdieselmotor ergibt sich für alle drei berücksichtigten Betriebsweisen nur eine einzige Motorbetriebslinie, wobei mit zunehmendem Durchsatz (V˙1) der Abgasgegendruck pA nach den Zylindern bzw. vor der ATL-Turbine ansteigt. Es liegen zwar alle möglichen Motorbetriebspunkte auf dieser Motorbetriebslinie, jedoch fallen die Betriebspunkte von z.B. 50% Leistung im Propellerbetrieb und 50% Generatorleistung nicht auf denselben Punkt.
2.2.3.1 Bild 2-13 Motorschlucklinie des Zweitaktmotors bei unterschiedlichem Abgasgegendruck
nommen werden, auch den Strömungslader wegen seines hohen Wirkungsgrades zur mechanischen Aufladung einzusetzen, so ist dabei immer ein variables Übersetzungsverhältnis wesentliches Konzeptmerkmal.
2.2.3
Turboladerhauptgleichungen, Turboladerwirkungsgrad
Bei der Abgasturboaufladung besteht bei stationärem Betrieb prinzipbedingt immer Leistungsgleichheit zwischen Lader und Turbine: (2-20) Dabei gilt unter der heute noch allgemein üblichen Annahme, dass Lader und Turbine adiabate Maschinen seien (adiabat = wärmedicht), für die Laderleistung (s. Bild 2-16) (2-21)
Abgasturboaufladung
Bei der Abgasturboaufladung wird die Laderdrehzahl nicht wie bei der mechanischen Aufladung direkt von der Motordrehzahl bestimmt, sondern vom momentanen Abgasenergieangebot (Abgasleistung) des Motors an den Abgasturbolader. Bild 2-15 zeigt im oberen Teil einen Auslegungsfall, bei dem für einen Viertaktdieselmotor im Nennleistungspunkt der gewünschte Ladedruck erreicht wird. Davon ausgehend verschiebt sich der Betriebspunkt im Laderkennfeld je nach Belastungskennung (s. Abschn. 1.2). Bei Generatorbetrieb (nM = nNenn = konst.) verschiebt sich mit abnehmender Motorleistung wegen der damit auch abnehmenden Abgasleistung der Betriebspunkt entlang der Motorschlucklinie nach unten. Dieser Ladedruckabfall ist, zumindest im stationären Betrieb, unproblematisch, weil für eine niedrigere Motorlast auch nur ein geringerer Ladedruck erforderlich ist. Wird die Motorleistung unter der Bedingung M= konst. (Drehzahldrückung) zurückgenommen, so muss auch dabei wegen der abnehmenden Abgasleistung ein Ladedruckabfall hingenommen werden, auch wenn für M = konst. an sich ein gleich bleibender Ladedruck wünschenswert wäre. Zudem gelangt der Betriebspunkt relativ bald an die Pumpgrenze. Im Falle des Propellerbetriebes, für einen Festpropeller gilt dabei der Zusammenhang M ~ nM2, liegt der bei reduzierter
mit der isentropen Enthalpiedifferenz 'hsL des Laders (2-22)
und analog für die Turbinenleistung (2-23)
(2-24) Damit lässt sich Gl. (2-20) in der Form
(2-25)
schreiben. Da Turbine und Lader eine gemeinsame Welle besitzen, sind die zugehörigen mechanischen Verluste im mecha-
47
2.2 Aufladung von Dieselmotoren
Bild 2-14 Motorbetriebslinie eines mechanisch aufgeladenen Viertaktmotors im Laderkennfeld
nischen Wirkungsgrad ηmTL des Turboladers zusammenzufassen: .
(2-26)
In der Praxis werden die mechanischen Verluste des (gesamten) Turboladers dem isentropen Turbinenwirkungsgrad ηsT zugeschlagen, so dass dieser übergeht in den Turbinenwirkungsgrad ηT: .
(2-27)
Die gesamte Wirkungsgrad-Produktkette in Gl. (2-25) wird als Turboladerwirkungsgrad ηTL bezeichnet:
.
(2-28)
Unter Verwendung von Gl. (2-28) lässt sich Gl. (2-25) umstellen in die I. Turbolader-Hauptgleichung:
. (2-29) Abgesehen davon, dass das Ladedruckverhältnis danach mit Zunahme von Abgasdruck und -temperatur sowie des Turboladerwirkungsgrades KTL steigt, folgt ferner, dass bei
48
2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-16 Spezifische Arbeiten von Lader und Turbine
Bild 2-15 Motorbetriebslinien bei ATL-Aufladung im Laderkennfeld
Übergang zu einem Turbolader mit höherem Wirkungsgrad KTL für einen angestrebten Ladedruck p2 ein nur geringeres Aufstauen der Abgase vor der Turbine (kleinere Werte für p3, T3) erforderlich ist, worauf der Motor mit einer besseren Restgasausspülung und, wegen der nun geringeren Ausschiebearbeit, mit einem niedrigeren Kraftstoffverbrauch reagiert. Gleichung (2-29) lässt sich zudem umformen in die Bestimmungsgleichung für den Turboladerwirkungsgrad:
.
(2-30)
allgemein auf Aufladesysteme mit Abgasenergienutzung anwendbar. Das Aufladesystem wird dabei als eine „black box“ betrachtet, der Abgas mit dem Zustand p3, T3 zugeführt wird, das darin auf den Gegendruck p4 entspannt wird, und die im Gegenzug Luft vom Ansaugzustand p1, T1 auf den Ladedruck p2 verdichtet. Diese „black box“ kann außer für einen (einstufigen) Abgasturbolader auch für einen Druckwellenlader (COMPREX, s. Abschn. 2.2.5) oder ein zweistufiges Turboladeraggregat samt Zwischenkühler stehen. Bei der Übernahme konkreter Zahlenwerte für KTL in eigene Überlegungen ist immer darauf zu achten, über welche Bestimmungsgleichungen diese zustandegekommen sind, insbesondere ob die Zustandsgrößen (p, T) für die Zustände 1 bis 4 als statische Größen oder als Gesamtzustandsgrößen berücksichtigt worden sind. Aus der Tatsache, dass bei stationärem Betrieb der Abgasmassenstrom des Motors dem der Turbine zugeführten entspricht, folgt die II. Turbolader-Hauptgleichung:
. (2-31)
Sie stellt gleichzeitig auch die Bestimmungsgleichung für den sog. Aufladewirkungsgrad dar. Dieser Begriff ist ganz
Sie entspricht der Durchflussgleichung für eine Drosselstelle mit dem effektiven Querschnitt gleich dem effektiven Turbi-
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 49 nenquerschnitt ATeff, der außer von der Geometrie von Leitund Laufrad insbesondere vom Turbinendruckverhältnis p03/p4 abhängt. Je größer dieses wird, umso größer wird ATeff. So gilt für Turbolader-Axialturbinen für ATeff der empirische Zusammenhang:
(2-32)
Für die Turbinen von Fahrzeugturboladern, die praktisch immer Radialturbinen sind, wird meist im Turbinenkennfeld neben dem Turbinenwirkungsgrad ηT der Turbinendurchsatz als reduzierter Massenstrom m ˙Tred
(2-33) über dem Turbinendruckverhältnis p3/p04 aufgetragen (s. Bild 2-17). Wird ausgehend von einem bis dahin stationären Betriebs punkt des Motors und damit auch des Turboladers ((PT, PL, nTL)=konst.) das Abgasenergieangebot an den Turbolader verändert, so steigt bzw. fällt die Turbinenleistung PT gegenüber der momentanen Laderleistung PL, wodurch sich die
Turboladerdrehzahl nTL entsprechend dem Drallsatz (Gl. (2-34)) ändert. .
(2-34)
Je kleiner dabei das Massenträgheitsmoment ΘTL des Turboladerrotors ist, umso größer fällt diese Drehzahländerung aus, was vor allem für ein gutes Beschleunigungsvermögen (Ansprechverhalten) des Turboladers wichtig ist.
2.2.3.2
Stoß- und Stauaufladung
Einfluss der Abgasleitung Bei der Abgasturboaufladung kommt der Abgasleitung eine ganz besondere Bedeutung zu. Sie soll so gestaltet sein, dass – die angeschlossenen Zylinder sich nicht gegenseitig beim Auslassvorgang behindern, – die technisch nutzbare Abgasenergie möglichst verlustarm vom Zylinder zur Turbine transportiert wird, – die Abgasenergie der Turbine in einem zeitlichen Verlauf angeboten wird, der eine möglichst effiziente Umsetzung in Turbinenarbeit gewährleistet. Es ist zwischen zwei wesentlichen Grundformen zu unterscheiden, der Stoßaufladung und der Stauaufladung.
Bild 2-17 Turbinenkennfeld eines Fahrzeug- Turboladers
50
2 Ladungswechsel und Aufladung
Stoßaufladung Die Stoßaufladung geht auf das Büchi-Patent von 1925 zum sog. Druckwellen-Verfahren zurück [2-4]. Danach sollen in Rohrleitungen mit einem Strömungsquerschnitt gleich dem Zylinderkopfaustrittsquerschnitt die Abgase von jeweils nur solchen Zylindern einer Zylinderreihe zu einem gemeinsamen Abgasleitungsteilstrang zusammengefasst und auf einen separaten Turbineneintritt geleitet werden, die im Zündabstand so weit auseinander liegen, dass sie sich nicht gegenseitig während des Ladungswechsels behindern. Der Zündabstand zweier aufeinander folgend ausschiebender Zylinder eines Teilstrangs sollte aber wiederum auch nicht so groß sein, dass der Abgasdruck im zugehörigen Abgasleitungsteilstrang zwischen zwei Auspuffstößen bis auf den Turbinengegendruck abfällt. Diese Forderungen werden am besten von der DreierstoßAufladung erfüllt, die bei Viertakt einen Zündabstand von 3 × 240 °KW aufweist, bei Zweitakt einen von 3 × 120 °KW.
Wie Bild 2-18 verdeutlicht, wird bei Stoßaufladung ein Unterschwingen des Abgasdrucks pA unter den Ladedruck pL während der Ventilüberschneidungsphase erreicht, wodurch selbst dann noch eine Spülung des Zylinders stattfindet, wenn der mittlere Abgasdruck gleich hoch oder gar höher liegt als der Ladedruck: Allerdings ist die als ideal anzusehende Dreierstoß-Aufladung nur bei Zylinderzahlen von z = 3n (n = 1, 2,… N) je Zylinderreihe realisierbar. Für andere Zylinderzahlen, sofern sie ganzzahlig durch zwei teilbar sind, kommt die symmetrische Zweierstoß-Aufladung in Betracht. Da der Zündabstand (beim Viertaktmotor) nunmehr 2 × 360 °KW beträgt, fällt der Abgasdruck nach jedem Auspuffstoß bis auf den Turbinengegendruck ab. Andererseits baut sich der einzelne „Abgasdruckberg“ aber langsamer ab als beim Dreierstoß, weil der jedem Abgasleitungsteilstrang zugeordnete Turbinenteilquerschnitt das Abgas von nur zwei Zylindern aufzunehmen hat und dementsprechend kleiner ist als im Falle des Dreierstoßes, s. Bild 2-19. Eine spülungsbehindernde Auswirkung der letzt-
Bild 2-18 Abgasdruckverläufe und Abgasleitungsführung bei einem Sechszylindermotor mit Stoßaufladung nach [2-5]
2.2 Aufladung von Dieselmotoren
Bild 2-19 Ladungswechseldruckverläufe eines Mittelschnellläufers bei Dreierstoß- und symmetrischer Zweierstoßaufladung
genannten Erscheinung kann durch ein Späterlegen der Ventilüberschneidung weitestgehend ausgeschaltet werden. Für Motoren mit 5 oder 7 Zylindern je Zylinderreihe kann die Stoßaufladung nur durch eine Kombination aus zweibzw. dreifachem unsymmetrischen Zweierstoß und jeweils einem Einerstoß realisiert werden, wobei die für den sym-
51
metrischen Zweierstoß genannten Nachteile gegenüber dem Dreierstoß nunmehr verstärkt auftreten. Bei einem Fünfzylindermotor weisen die Zylinder jeder der beiden ZweierZusammenfassungen die Zündabstände 288 °KW und 432 °KW auf, beim Einerstoß beträgt der Zündabstand 720 °KW, Bild 2-20. Für Zylinderzahlen je Zylinderreihe, die ganzzahlig durch vier teilbar sind, kommt außer dem symmetrischen Zweierstoß auch der Viererstoß als Stoßaufladungsvariante in Frage, wobei der Zündabstand dann 4 × 180 °KW beträgt. Da demzufolge der Auspuffstoß des nachfolgend ausschiebenden Zylinders bereits während der Spülphase des betrachteten Zylinders an dessen Auslassventil eintrifft, müsste allein aufgrund der bisherigen Ausführungen der Viererstoß als besonders nachteilig angesehen werden, was bis vor vielleicht 25 Jahren auch zutraf. Bei den heutigen, enorm gesteigerten Turboladerwirkungsgraden reicht für einen angestrebten Ladedruck bereits ein so niedriges Abgasdruckniveau aus, dass beim Viererstoß noch auftretende Abgasdruckpulsationen während der Ventilüberschneidungsphase nicht mehr bis an den Ladedruck heranreichen und damit während der gesamten Spülphase ein positives Spülgefälle zur Verfügung steht. Wegen des kurzen Zündabstandes und des relativ großen Turbineneintrittsquerschnitts je Abgasleitungsteilstrang weist der Abgasdruckverlauf bei Viererstoß-Aufladung nur noch relativ geringe Amplituden auf und liefert der Turbine ein zeitlich weitgehend vergleichmäßigtes Abgasenergieangebot.
Bild 2-20 Stoßaufladung eines mittelschnelllaufenden V-10-Motors
52
2 Ladungswechsel und Aufladung
Stauaufladung Bei Stauaufladung sind alle Zylinder einer Zylinderreihe abgasseitig mit relativ kurzen Verbindungsrohren an einem Sammelleitungsrohr angeschlossen, das entlang der Zylinderreihe geführt wird und an einem Ende mit der Turboladerturbine verbunden ist. Der Innenquerschnitt des Sammelleitungsrohres wird meist etwas größer als der Zylinderquerschnitt gewählt, s. Bild 19-35. Über dieses relativ große Abgasleitungsvolumen wird erreicht, dass trotz der intermittierenden Beaufschlagung durch die Zylinder ein weitgehend gleichmäßiger Abgasenergiestrom an der Turbine ansteht. Weil dabei auch der Abgasdruck vor Turbine nur noch geringfügig schwankt, ist dieses Aufladeverfahren auch als Gleichdruckaufladung bekannt. Dementsprechend spielt bei einem stauaufgeladenen Motor die Zylinderzahl keine nennenswerte Rolle mehr, d.h. ein Fünfzylinder-Reihenmotor unterscheidet sich aufladetechnisch nicht mehr von einem Sechszylinder. Auch ergibt sich der konstruktive Vorteil, dass die Abgassammelleitung für unterschiedliche Zylinderzahlen aus entsprechend vielen gleichen Teilabschnitten zusammengesetzt werden kann, was unter anderem die Ersatzteillagerhaltung vereinfacht und insgesamt als ein wesentliches Kostenargument für die Stauaufladung zu sehen ist. Aus thermodynamischer Sicht steht bei Stauaufladung dem Vorteil der weitgehend kontinuierlichen Beaufschlagung der Turbine der Nachteil gegenüber, dass beim Ausströmen aus dem Zylinder größere Drosselverluste als bei Stoßaufladung auftreten, weil der Abgasdruck in der Sammelleitung auf seinem zeitlich nahezu konstanten Niveau verbleibt, während bei Stoßaufladung aufgrund der engeren Abgasleitung nach Öffnen des Auslassventils der vom Zylin-
der „verspürte“ Abgasgegendruck schnell nahezu bis auf das momentane Zylinderdruckniveau ansteigt. Zur Frage des vorteilhafteren Einsatzes von Stau- oder Stoßaufladung bei stationär betriebenen mittelschnelllaufenden Dieselmotoren abhängig vom Aufladegrad gilt heute allgemein, dass ab mittleren effektiven Drücken von pe ≈ 18 bar bzw. einer spezifischen Arbeit we ≈ 1,8 kJ/dm3 die Stauaufladung von Vorteil ist, was etwa Ladedrücken von ca. 3,4 bar entspricht [2-6]. Bezüglich Teillast- und Beschleunigungsverhalten schneidet die Stoßaufladung grundsätzlich immer günstiger ab als die Stauaufladung. Bei niedriger Motorleistung und dementsprechend geringem Abgasenergieangebot der Motorzylinder arbeitet die Turbine nämlich in beiden Fällen mit einem sehr niedrigen Wirkungsgrad. Die Stoßaufladung liefert wegen der geringeren Drosselverluste am Zylinder jedoch etwas mehr nutzbare Abgasenergie an die Turbine. Zudem ermöglicht das bei Stoßaufladung prinzipbedingte „Unterschwingen“ des Abgasdrucks unter den Ladedruck während der Ventilüberschneidung eine verbesserte Restgasausspülung und damit einen größeren Sauerstoffgehalt im Zylinder bei Ladungswechselnde. Dessen Höhe ist aber entscheidend dafür, wie viel der bei Einleitung des Beschleunigungsvorgangs erhöhten Kraftstoffrate auch wirklich in Beschleunigungsleistung umgesetzt werden kann. Da bei Fahrzeugmotoren ein gutes Beschleunigungsverhalten besonders wichtig ist, sollten deren Abgasleitungen weitgehend nach den Forderungen der Stoßaufladung gestaltet werden. Für alle übrigen Motorenkategorien sollten, einmal abgesehen von etwaigen Firmentraditionen, außer dem Aufladegrad vor allem die überwiegende Einsatzart
Bild 2-21 Abgasleitung des Motors MWM TBD 604 BV 16 (D = 170 mm, s = 195 mm)
53
2.2 Aufladung von Dieselmotoren eines Motortyps die Entscheidung für die Stoßaufladung oder die Stauaufladung bestimmen. Die Tatsache, dass in den letzten Jahren die Turboladerwirkungsgrade generell enorm gesteigert werden konnten, entschärfte den genannten Zielkonflikt und ermöglichte Abgasleitungsausführungen, die als Mischformen und jeweils optimaler Kompromiss aus Stoß- und Stauaufladung anzusehen sind (s. dazu Bild 2-21).
2.2.3.3
Ladeluftkühlung
Bei der Verdichtung der Luft in einem Lader vom Zustand 1 auf den Druck p2 steigt mit dem Druck auch die Temperatur, die am Laderaustritt (T2) normalerweise höher liegt als die entsprechende Temperatur T2S bei isentroper Verdichtung. Ist der isentrope Laderwirkungsgrad KsL bekannt, der nach (2-35) im Versuch zu bestimmen bzw. dem Laderkennfeld zu entnehmen ist, lässt sich die Temperatur T2 berechnen: (2-36)
vgl. Bild 14-3. Durch eine isobare Rückkühlung (bei p2 = konst.), also durch Ladeluftkühlung in einem Ladeluftkühler, lässt sich der motortechnisch unerwünschte Temperaturanstieg im Lader teilweise zurücknehmen. Die mögliche Temperaturabsenkung im Ladeluftkühler LLK (s. Bild 2-22) wird außer vom Temperaturniveau des verfügbaren Kühlmediums (Kühlmitteleintrittstemperatur TKe) von der Wirksamkeit des Ladeluftkühlers bestimmt, die
Bild 2-22 Temperaturerhöhung im Lader und Ladeluftkühlung
im Rekuperationsgrad ηLLK, auch Ladeluftkühlerwirkungsgrad genannt, zum Ausdruck kommt: (2-37) Die Ladeluftkühler von Großmotoren, die nach dem Gegenstromprinzip arbeiten, erreichen die höchsten KLLK-Werte (> 0,90), s. Abschn. 14.3. Abgesehen vom gerätetechnischen Aufwand bringt die Ladeluftkühlung nur Vorteile, nämlich – geringere thermische Belastung des Motors, – geringere mechanische Belastung des Motors, weil bei Ladeluftkühlung ein angestrebter Wert der Zylinderladungsdichte bei einem niedrigeren Ladedruck erreicht wird, – geringere NOx-Emission.
2.2.3.4
Stationäres und dynamisches Motorbetriebsverhalten bei Abgasturboaufladung
Ladedruckregelung Wie alle Strömungsmaschinen sind auch der Verdichter (Lader) und die Turbine des Abgasturboladers jeweils für einen bestimmten Betriebspunkt ausgelegt (Auslegungspunkt), bei dem sie unter jeweils optimalen Bedingungen arbeiten. Die Anpassung des Turboladers an einen bestimmten Betriebspunkt des Motors ist dann erreicht, wenn mit dem in diesem Betriebspunkt vom Motor gelieferten Abgasenergiestrom vom Turbolader der gewünschte Ladedruck bereitgestellt wird, s. Punkt A in Bild 2-23. Jeder Betriebspunkt im Motorkennfeld, der unterhalb der Zugkrafthyperbel (Linie konstanter Nennleistung) liegt, entspricht einer Motorleistung kleiner als die Nennleistung. Da er dementsprechend auch nur eine kleinere Abgasleistung an den Turbolader liefert, liegt auch der zugehörige Ladedruck niedriger als im Punkt A. Für die drei ausgezeichneten Betriebsarten – Generatorbetrieb (nM = konst.) – Propellerbetrieb (M ~ nM2) – Drehzahldrückung (M = konst.) sind die Betriebslinien im Motorkennfeld (Bild 2-23, links) und (für einen Viertaktmotor) im Laderkennfeld (Bild 2-23, rechts) eingetragen, vgl. auch Bild 2-15. Vorausgesetzt, die Motorbetriebspunkte gehen quasistatisch ineinander über (stationäres Betriebsverhalten), so ist, wie unter 2.2.2.3 ausgeführt, der Ladedruckabfall bei Generator- und Propellerbetrieb unproblematisch. Dagegen ist Drehzahldrückung nur durch ein abfallendes Verbren-
54
2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-23 Motorbetriebslinien in Motorkennfeld (links) und Laderkennfeld (rechts) bei abnehmender Motorleistung; Viertaktdieselmotor mit ungeregeltem Abgasturbolader (ATL)
nungsluftverhältnis realisierbar, wobei außer mit einer erhöhten Abgasschwärzung mit einer Zunahme der thermischen Belastung der Brennraumbauteile zu rechnen ist. Die Drehzahldrückung birgt in sich zudem die Gefahr einer zu starken Annäherung oder gar Überschreitung der Pumpgrenze, Bild 2-23, rechts. Da aber für Fahrzeugmotoren, ausgehend vom Nennleistungspunkt, mit fallender Drehzahl nicht nur eine waagerechte, sondern sogar eine ansteigende Volllastlinie verlangt wird, ist eine andere Turboladeranpassung als bei Großmotoren erforderlich. Dabei ist zwischen Turboladern mit fixer und solchen mit variabler Turbinengeometrie zu unterscheiden. Ein Turbolader mit fixer Turbinengeometrie (Bild 224) wird so ausgewählt, dass er den für das maximale Motordrehmoment Mmax erforderlichen Ladedruck bereits bei der zugehörigen Motorteildrehzahl n2 bringt. Diese wird für Nutzfahrzeugmotoren auf etwa 60% und für PkwMotoren auf etwa 40% der Motornenndrehzahl n3 gelegt. Für davon ausgehend kleinere Motordrehzahlen (n < n2) nehmen aus den vorgenannten Gründen der Ladedruck und das zugehörige Volllastmoment wiederum ab, relativ zu Mmax stärker als beim Saugmotor, der naturgemäß bei allen Drehzahlen über den maximalen „Ladedruck“ verfügt. Für Motordrehzahlen zunehmend größer als diejenige beim maximalen Motordrehmoment (n > n2) steigt ohne jeden Regeleingriff in den Turbolader der Volllast-Ladedruck immer weiter an. Wegen der grundsätzlich robusteren Bauweise von Nutzfahrzeugmotoren kann bei dieser Motorenkategorie dieser Volllast-Ladedruckanstieg meist noch
akzeptiert werden und wird wegen der zur Nenndrehzahl hin abfallenden Volllastmomentenkurve zur Darstellung eines entsprechend großen Verbrennungsluftverhältnisses genutzt. Aufgrund der größeren insgesamt zu überdeckenden Drehzahlspanne und n2 ≈ 0,40 · n3 würde beim Pkw-Motor der Volllast-Ladedruck für Drehzahlen n > n2 besonders hoch ansteigen, was wegen der damit verbundenen hohen mechanischen Belastung des Triebwerks nicht akzeptabel ist; schon wegen des bei Pkw-Dieselmotoren erforderlichen hohen Verdichtungsverhältnisses. Abgasturboaufgeladene Pkw-Motoren benötigen daher unbedingt eine Ladedruckregelung, zumindest eine Ladedruckbegrenzung durch ein ungeregeltes Waste-Gate (Bild 2-25). Dabei wird das Waste-Gate-Ventil über eine ladedruckbeaufschlagte Membran gegen eine Feder geöffnet und Abgas um die Turbine herumgeleitet, wenn der Ladedruck die zulässige Obergrenze erreicht hat. Ausgelöst durch die diesbezüglich besonderen Anforderungen des Ottomotors (Quantitätsregelung) findet sich heute in Ottound Dieselmotoren überwiegend eine elektronische Ladedruckregelung. Dabei vergleicht ein Regler den LadedruckIstwert mit dem im Motor-Steuergerät abgelegten betriebspunktabhängigen Sollwert und regelt diesen, im vorliegenden Fall über eine elektropneumatische Ansteuerung des Waste-Gate (geregeltes Waste-Gate), ein. Je kleiner der bei Teillast einzustellende Ladedruck gegenüber dem VolllastLadedruck ist, umso kleiner ist dabei auch der Abgasdruck vor der Turbine, was sich nicht zuletzt in einem entspre-
2.2 Aufladung von Dieselmotoren
Bild 2-24 Volllast-Motorbetriebslinie im ATL-Laderkennfeld für Nutzfahrzeug (Nfz)- und Pkw-Motor
chend geringeren Kraftstoffverbrauch des Motors niederschlägt. Eine Annäherung des Luftangebotes des Turboladers an den betriebspunktabhängigen Luftbedarf des Motors, die bei Verwendung eines ungeregelten Turboladers insbesondere mit abnehmender Motordrehzahl immer weiter auseinanderklafft, kann auch über eine sog. variable Turbinengeometrie (VTG) erreicht werden. Dabei wird die Turboladerturbine in ihrem Querschnitt so (groß) gewählt, dass im Nennleistungspunkt des Motors der gewünschte Ladedruck erreicht wird. Mit abnehmender Motordrehzahl wird einem Ladedruckabfall über das Verengen des Zuströmquerschnitts zum Turbinenlaufrad entgegengewirkt, bevorzugt über verstellbare Turbinenleitschaufeln (Bild 2-26). Dies
Bild 2-26 Fahrzeug-Turbolader mit variabler Turbinengeometrie (verstellbare Leitschaufeln) (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
Bild 2-25 Ladedruckbegrenzung mit Waste-Gate [2-5]
55
56
2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-27 Variable-Schieber-Turbine (VST) für Fahrzeug-Turbolader (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
führt zu einem erhöhten Aufstauen des Abgases vor der Turbine – höhere Werte für p3 und T3 in Gl. (2-29) – und damit zu einem höheren Ladedruck. Es ist allerdings dafür zu sorgen, dass mit der Verringerung des Querschnitts des Turbinenleitapparates die Strömungsbedingungen im Laufrad nicht zu sehr verschlechtert werden, weil ansonsten über eine zu starke Abnahme von KT und weiter von KTL (s. Gln. (2-28 und 2-29)) das erhöhte Abgasenergieangebot zu wenig zur Ladedrucksteigerung genutzt werden kann. Die mechanisch robustere Lösung, mit einer in Rotorachsrichtung verschiebbaren Hülse den Zuströmquerschnitt des Turbinenlaufrads teilweise abzudecken (s. Bild 2-27), ist wirkungsgradmäßig als ungünstiger einzustufen, weil das Verringern des Turbinenquerschnitts mit einer Teilbeaufschlagung des Turbinenlaufrads verbunden ist. Für Großdieselmotoren waren bereits in den siebziger Jahren Turbolader mit verstellbarem Turbinenleitapparat entwickelt worden [2-7], die eine Verstellung des Turbinenquerschnitts im Bereich zwischen 100% und ca. 70% des vollen Querschnitts zuließen. Auf einen Serieneinsatz wird bei dieser Motorenkategorie heutzutage aber verzichtet, weil bei dem inzwischen erreichten generell hohen Niveau der
Turboladerwirkungsgrade bei Großdieselmotoren andere Lösungen bevorzugt werden [2-8]. Hingegen werden Fahrzeugdieselmotoren inzwischen überwiegend mit VTG-Turboladern ausgerüstet. Neben den anfänglich allein üblichen pneumatischen Stellern werden jetzt – wegen der um den Faktor 10 [2-9] höheren Verstellgeschwindigkeit und der deutlich verbesserten Regelcharakteristik – zunehmend elektrische Steller eingesetzt. Eine andere Lösung, den Turbolader-Turbinenquerschnitt an den Bedarf des Motors anzupassen, bietet die Registeraufladung [2-10]. Dazu ist ein Motor mit mehreren parallel geschalteten Turboladern ausgestattet, von denen jeder über luft- und abgasseitige Klappen zu- oder abgeschaltet werden kann, so dass dem Motor betriebspunktabhängig der jeweils „richtige“ Turbinenquerschnitt zur Verfügung steht. Da somit jeder einzelne im Betrieb befindliche Turbolader relativ nahe an seinem Bestpunkt betrieben werden kann, ergibt sich ein relativ günstiger Aufladewirkungsgrad des Motors auch in den Betriebsbereichen (niedrige Last und niedrige Drehzahl), in denen ein einziger großer Turbolader weit ab von seinem Bestpunkt läuft. Die Vorteile der Registeraufladung werden insbesondere bei der Motorbeschleunigung deutlich. Zu Beginn der
2.2 Aufladung von Dieselmotoren Beschleunigungsphase wird die gesamte verfügbare Abgasenergie nur einem einzigen der z.B. insgesamt vier Turbolader zugeführt. Dieser läuft damit sehr schnell in seiner Drehzahl hoch, nicht zuletzt auch deshalb, weil sein Laufzeug ein geringeres Massenträgheitsmoment aufweist als das eines einzigen großen Turboladers. Der damit verbundene schnellere Ladedruckaufbau erlaubt eine schnellere Kraftstoff-Füllungsfreigabe. Der Motor läuft in seiner Drehzahl schneller hoch, liefert eine erhöhte Abgasenergierate, so dass nacheinander die weiteren Turbolader zugeschaltet werden können. Auf diese Weise wird insgesamt schneller der angestrebte, auf höherem Leistungsniveau befindliche Betriebspunkt erreicht als bei Verwendung eines einzigen (großen) Turboladers. Wesentlicher Nachteil der Registeraufladung ist der komplexere Aufbau des Aufladesystems (mehrere Turbolader, Luft- und Abgasklappen und deren Ansteuerung) und der damit verbundene erhöhte Investitionsaufwand. Die Registeraufladung wird seit vielen Jahren erfolgreich bei schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren mit zweistufiger Aufladung eingesetzt, s. Abschn. 18.4. Sie findet inzwischen aber auch bei Fahrzeugmotoren Anwendung, wenngleich hier meist nur mit zwei Turboladern [2-11]. Dabei können bei Verwendung von zwei unterschiedlich großen Turboladern durch ihre Zu- bzw. Abschaltung dem Motor insgesamt drei unterschiedlich große Turbinengesamtquerschnitte angeboten werden. Einen interessanten anderen Weg, einen variablen Turbinenquerschnitt darzustellen, bietet das VMP (VariableMulti-Pulse)-Verfahren der Firma MaK (heute Caterpillar Motoren) für mittelschnelllaufende Motoren im Schiffsbetrieb, welches im aktuellen Motorenprogramm allerdings nicht mehr eingesetzt wird. [2-12]. Im Leistungsbereich unter 75% der Nennleistung verschließt ein Variator genannter Schieber einen Teil des
Bild 2-28 Verstellen des ATL-Turbinenquerschnitts nach dem VMP (VariableMulti-Pulse)-Verfahren der MaK
57
Düsenringquerschnittes der Axialturbine, so dass die Turbine höher aufstaut und folglich für den Motor ein höherer Ladeluftdruck verfügbar ist [2-12]. Nach Herstellerangaben lassen sich dadurch Kraftstoffverbrauchseinsparungen um bis zu 10 g/kWh erzielen.
2.2.3.5
Downsizing
Von Downsizing spricht man bei Konzepten, bei denen eine gewünschte Motornennleistung über einen kleineren Motor (kleineres Gesamthubvolumen, eventuell zusätzlich kleinere Zylinderzahl) dargestellt werden soll, der dementsprechend hoch aufgeladen wird. Durch die geringere Reibung des kleineren Motors steigt dessen mechanischer und damit auch sein effektiver Wirkungsgrad. Zudem ergibt sich ein geringeres Motorgewicht, weshalb Downsizing vor allem für die Entwicklung von Fahrzeugmotoren zu einem wichtigen Konzeptionsmerkmal geworden ist.
2.2.4
Sonderformen der Abgasturboaufladung
2.2.4.1
Zweistufige Aufladung
Unter zweistufiger Aufladung wird die Reihenschaltung zweier freilaufender Abgasturbolader verstanden, wovon der eine als Niederdruck-, der andere als Hochdruck-Turbolader bezeichnet wird. Es ist zwischen den beiden Varianten – ungeregelte zweistufige Aufladung und – geregelte zweistufige Aufladung zu unterscheiden.
Ungeregelte zweistufige Aufladung Eine wesentliche Forderung für eine ungeregelte zweistufige Aufladung sind Ladedruckverhältnisse bis zu sechs und darüber, wenn mittlere effektive Drücke im Bereich von pe = 30 bar und größer darzustellen sind [2-10]. Schaltet man zwei Lader (Verdichter) hintereinander, von denen beispielsweise jeder ein Druckverhältnis von SL = 2,5 bei einem isentropen Laderwirkungsgrad von KsL = 80% aufbaut, so wird damit ein Gesamt-Ladedruckverhältnis von SLges = 6,25 mit einem isentropen Wirkungsgrad über beide Laderstufen von immerhin noch 77,5% erreicht. Ein Ladedruckverhältnis von 6,25 ließe sich zwar unter Umständen auch noch über eine einzige Radialverdichterstufe verwirklichen, jedoch nur mit einem deutlich niedrigeren Wirkungsgrad. Dieser Vorteil der zweistufigen Verdichtung wird noch verstärkt durch die Einbindung eines Zwischenkühlers. Dieser verringert die Temperatur der Luft vor Eintritt in den Hochdrucklader und damit gemäß Gl. (2-22) die
58 2 Ladungswechsel und Aufladung für das gewünschte Druckverhältnis aufzubringende Verdichterleistung. Jeder der beiden genannten Effekte wirkt sich positiv auf den Aufladewirkungsgrad und damit auf den spezifischen Kraftstoffverbrauch des Motors aus. Die positive Wirkung der Zwischenkühlung auf den Aufladewirkungsgrad und damit mittelbar auf den Motorgesamtwirkungsgrad wird umso kleiner, je mehr der momentane Ladedruck (bei Teilleistung) vom maximalen Ladedruck (bei Nennleistung) abweicht, weil es dann auch entsprechend weniger zu kühlen gibt. Um bei derart hohen Aufladegraden, wie sie die zweistufige Aufladung ermöglicht, die mechanische Belastung des Motors durch den maximalen Zylinderdruck (Zünddruck) beherrschbar zu halten – es werden dabei ohnehin bereits Werte bis pZmax ≈ 200 bar [2-13] gefahren – wird das Verdichtungsverhältnis ε gegenüber den bei einstufiger Aufladung üblichen Werten deutlich abgesenkt. Eine ε-Absenkung stellt als Einzeleinfluss aber immer eine Wirkungsgradverschlechterung dar, ein wesentlicher Grund für die grundsätzlich höheren spezifischen Kraftstoffverbräuche der zweistufig aufgeladenen Hochleistungs-Schnellläufer (mit pe ≈ 30 bar) im Vergleich zu den einstufig aufgeladenen Mittelschnellläufern (mit pe ≈ 21…24 bar). So hat sich bei den Mittelschnellläufern die zweistufige Aufladung – es gab prototypische Anwendungen in den
siebziger Jahren – nicht durchsetzen können. Demgegen über werden höchste Werte bezüglich der Leistungsdichte, wie sie von zweistufig aufgeladenen Schnellläufern erbracht werden, z.B. für Schnellbootantriebe, mit erster Priorität und ein niedriger spezifischer Kraftstoffverbrauch erst mit zweiter Priorität gefordert.
Geregelte zweistufige Aufladung Bei Nutzfahrzeug- wie bei Pkw-Dieselmotoren findet inzwischen die sog. geregelte zweistufige Aufladung Anwendung, nicht unbedingt zum Zweck, einen besonders hohen Ladedruck darstellen zu können, sondern als Alternative zur Zwei-Turbolader-Registeraufladung. Wesentlicher Unterschied zur ungeregelten zweistufigen Aufladung ist je ein steuerbarer Bypass um die Hochdruckturbine und den Hochdrucklader (s. Bild 2-29), bei der Pkw-Anwendung zusätzlich noch ein Waste-Gate an der ND-Turbine. Von Fahrzeugmotoren wird für ein hohes Beschleunigungsvermögen auch schon im unteren Motordrehzahlbereich ein möglichst hoher Ladedruck benötigt, was mit einfacher Abgasturboaufladung (ohne Ladedruckregelung) nicht zu realisieren ist, weil der Abgasmassenstrom des Motors entsprechend niedrig ist. In dieser Betriebs phase werden bei geregelter zweistufiger Aufladung beide
Bild 2-29 Geregelte zweistufige Aufladung, Schaltschema (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren 59 Bypassventile geschlossen gehalten. Dies bewirkt, dass der gesamte Abgasmassenstrom bzw. der gesamte Abgasenergiestrom auf die (kleinere) HD-Turbine geleitet wird, welche ähnlich einer eng gestellten VTG-Turbine dadurch sehr schnell dreht, so dass im HD-Lader der gewünschte hohe Ladedruck erzeugt wird. Für die nachgeschaltete ND-Turbine bleibt in dieser Motorbetriebsphase nur noch ein kleiner Rest nutzbarer Abgasenergie. Sie dreht entsprechend langsam, so dass der ND-Lader, der zwar den gesamten Luftmassenstrom durchsetzt, auch nur ein sehr kleines Druckverhältnis aufbaut. Wenn mit zunehmender Motordrehzahl und steigender Last der Abgasmassenstrom durch den Motor und der Abgasenergiestrom aus dem Motor anwachsen, werden die beiden Bypassventile immer weiter geöffnet, bis HD- und ND-Turbolader in einer Art Mischform aus Reihen- und Parallelschaltung arbeiten. Motoren, welche mit solch einem Aufladesystem ausgerüstet sind, zeigen ein enorm gutes Ansprechverhalten [2-14].
2.2.4.2
Miller-Verfahren
Voraussetzung für die Darstellung des Miller-Verfahrens [231] ist ein Viertaktmotor mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung, bei dem im Betrieb die Steuerzeit „Einlass schließt“ (Es) verstellt werden kann. Ziel ist, bei einem gewünschten Zylinderdruck zu Verdichtungsbeginn eine niedrigere Zylindertemperatur einzustellen, als sie über den gegebenen Ladeluftkühler im Normalfall erreichbar ist. Dazu ist der Turbolader so abzustimmen, dass er entsprechend dem früheren Schließen des Einlassventils (noch vor UT) und der danach fortgesetzten Expansion der Zylinderladung einen so stark erhöhten Ladedruck liefert, dass der für den Normalfall vorgesehene Verdichtungsanfangsdruck dennoch erreicht wird. Durch die gleichzeitig eintretende Expansionskühlung des Zylindergases sinkt dessen Temperatur im UT auf Werte unterhalb der Temperatur, die im Normalfall, also bei späterem „Einlass schließt“ (Es), herrschen würde. Bei aufgeladenen Ottomotoren lässt sich auf diese Weise die Klopfgrenze zu höheren Motorlasten verschieben. Durch die heute bei Ottomotoren, mit und ohne Auf ladung, schon angewandten Methoden „Frühes-EinlassSchließen“ (FES) oder „Spätes-Einlass-Schließen“ (SES) kann die Drosselklappe weitgehend „arbeitslos“ gemacht werden, was als Entdrosselung des Ottomotors bezeichnet wird. Beim Dieselmotor kann die über das Miller-Verfahren bei gleichem Zylinderdruck erreichbare größere Zylinderfüllung (gegenüber dem Normalverfahren) bei Verdichtungsbeginn entweder zur Leistungssteigerung oder zu einem Betrieb bei größerem Verbrennungsluftverhältnis führen.
Wegen des dabei auch geringeren Zylinderdruckniveaus kann diese auch zur Absenkung der NOx-Emission genutzt werden. Bei der Bewertung des Miller-Verfahrens in seiner reinen Form darf allerdings nicht außer Acht gelassen werden, dass der gegenüber dem Normalverfahren vom Lader zu erzeugende, höhere Ladedruck vom Motor mit einer erhöhten Ausschiebearbeit erkauft werden muss. Dies hat einen negativen Einzeleinfluss hinsichtlich des Motorwirkungsgrades zur Folge. Das Miller-Verfahren könnte auch die Möglichkeit der Ladedrucksteuerung bei einem Fixgeometrie-Turbolader eröffnen. Dazu ist der Turbolader, insbesondere hinsichtlich seiner Turbine, so an den Motor anzupassen (turbocharger matching), dass er schon im unteren Motordrehzahl-Bereich den für den gewünschten Volllastverlauf erforderlichen Ladedruck bringt, wobei der Motor hier mit normalem „Es“ (nach UT) betrieben wird. Damit bei dieser TurboladerAuslegung im oberen Motordrehzahl-Bereich und damit hohen Durchsätzen der Ladedruck und in der Folge das Zylinderdruck-Niveau nicht zu hoch werden, wird das Einlassventil entsprechend früher (vor UT) geschlossen, mit dem positiven Zusatzeffekt der zylinderinternen Expan sionskühlung.
2.2.4.3
Elektrisch unterstützte Aufladung
Um bei abgasturboaufgeladenen Fahrzeugmotoren den für ein besseres Beschleunigungsverhalten erforderlichen schnelleren Ladedruckaufbau zu erzielen, als ihn der Turbolader alleine zu erbringen vermag, kann auch kurzzeitig elektrische Energie aus dem Bordnetz des Fahrzeugs genutzt werden. Dieses ist bislang über zwei Wege prototypisch realisiert worden, nämlich über eBooster und elektrisch unterstützte Abgasturbolader (euATL).
eBooster Zum Verdichter des Abgasturboladers wird ein elektrisch angetriebener Strömungslader (Radialverdichter) in Reihe geschaltet, meist vor dem Turboladerverdichter angeordnet. Dieser elektrisch angetriebene Zusatzverdichter wird allerdings nur zu Beginn einer Motorbeschleunigungsphase aktiviert. In der übrigen Zeit bleibt er elektrisch abgeschaltet und die Ansaugluft wird in einem Bypass um den Zusatzverdichter direkt dem Turbolader-Verdichter zugeführt (s. Bild 2-30). Die Grenzen für dieses Verfahren bestehen in der bei einem 12 V-Bordnetz maximal möglichen Antriebsleistung sowie in der bei gegebener Batteriekapazität je Beschleunigungsvorgang maximal entnehmbaren elektrischen Energie.
60
2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-30 Abgasturboaufladung mit eBooster, nach [2-28] (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
euATL Ein Ladedruckdefizit im unteren Motordrehzahlbereich kann auch dadurch verringert werden, dass der Turboladerrotor über einen elektrischen Fremdantrieb auf eine höhere Drehzahl gebracht wird, als es allein über den momentanen Abgasenergiestrom vom Motor möglich ist. Dazu wird der Läufer der elektrischen Maschine zusätzlich zum jeweiligen Laufrad von Verdichter und Turbine in den Turboladerrotor integriert (s. Bild 2-31). Dieses Verfahren ist aber erst möglich geworden, seit Elektromotoren verfügbar sind, deren Drehzahlbereich in denjenigen von Fahrzeugmotoren-Turboladern hineinreicht, also mindestens bis 100 000 min–1. Für den euATL gelten die gleichen, durch das elektrische Bordnetz gegebenen Leistungsobergrenzen wie für den eBooster. Der euATL weist aber einen entscheidenden Nachteil gegenüber dem eBooster dadurch auf, dass er das Massenträgheitsmoment des Turboladerrotors vergrößert. Könnte nämlich in einer bestimmten Betriebssituation des Motors der Basis-Turbolader (ohne elektrische Maschine auf dem Rotor) allein über den Abgasenergiestrom gerade noch zufrieden stellend beschleunigt werden, so könnte er es (ohne elektrische Unterstützung) nicht mehr, wenn zusätzlich der Läufer der elektrischen Maschine auf dem Rotor vorhanden wäre (s. Einfluss von 4 in Gl. (2-34)).
Bild 2-31 Elektrisch unterstützter Abgasturbolader (euATL) (Quelle: BorgWarner Turbo Systems)
2.2 Aufladung von Dieselmotoren Die in den Turboladerrotor integrierte elektrische Maschine ließe sich dann aber auch als Generator nutzen, wenn es darum gehen soll, einen etwaigen Abgasenergieüberschuss, der aufladetechnisch nicht benötigt wird, in elektrische Energie zu wandeln und diese ins Bordnetz zurückzuspeisen (s. Abschn. 2.2.4.4 und [2-15]).
2.2.4.4
Turbocompounding
Man spricht von Verbundverfahren oder Turbocompounding, wenn ein Verbrennungsmotor mit einer oder mehreren Gasturbinen zusammenarbeitet und dabei nicht nur vom Motor, sondern auch von mindestens einer der Turbinen Nutzleistung abgenommen wird. Von den in Bild 2-32 dargestellten Schaltungsarten [2-16] haben inzwischen die Variante 4 für Großdieselmotoren und die Variante 1 für Nutzfahrzeugdieselmotoren praktische Bedeutung erlangt. In beiden Fällen bildet der abgasturboaufgeladene Motor die Ausgangsversion. Dass diese seit Jahrzehnten bekannten Verfahren [2-5], [2-17] erst seit einigen Jahren Eingang in die Praxis gefunden haben, hängt einmal mehr mit den in den vergangenen Jahren enorm gesteigerten Turboladerwir-
Bild 2-32 Schaltungsarten für Verbundbetrieb [2-16]
61
kungsgraden zusammen, eine unbedingte Voraussetzung des Turbocompoundings. Nach [2-16] lässt sich bei einem Nutzfahrzeugmotor durch eine nachgeschaltete Nutzturbine (Variante 1 in Bild 2-32) mit festem Übersetzungsverhältnis eine Kraftstoffverbrauchseinsparung bis zu 5% erreichen. Gleichzeitig vergrößern sich zu niedriger Last und Drehzahl hin der Ladedruck und damit das Luftverhältnis gegenüber dem Basismotor. Da der Motor bei kleiner Drehzahl und Volllast an sich bei einem relativ kleinen Luftverhältnis arbeitet, ist dies eine positive Nebenwirkung des Turbocompoundings. Unterhalb von 5 bar mittleren effektiven Drucks erhöht sich allerdings infolge der Nutzturbine der spezifische Kraftstoffverbrauch, weil diese – verstärkt durch das feste Übersetzungsverhältnis – weitab von ihrem Auslegungspunkt läuft und ihr Wirkungsgrad entsprechend niedrig liegt. Streckenverbrauchsrechnungen von [2-16] haben allerdings gezeigt, dass die über ein Abschalten der Nutzturbine im unteren Lastbereich erreichbare Verbesserung den Aufwand nicht lohnt. Als ein weiterer positiver Effekt der nachgeschalteten Nutzturbine ergibt sich ein verbessertes Beschleunigungs-
62 2 Ladungswechsel und Aufladung verhalten infolge der engeren Turboladerturbine gegenüber der des Basismotors. Beim Turbocompounding mit Viertakt- wie ZweitaktGroßdieselmotoren (Bild 2-32, Variante 4) werden in der parallel geschalteten, entsprechend kleineren Nutzturbine bis zu 12,5% des Abgasstromes verarbeitet. (Wegen der Größenabhängigkeit des Turboladerwirkungsgrades ist Variante 4 indiskutabel für Nfz-Motoren.) Damit lässt sich bei stauaufgeladenen mittelschnelllaufenden Dieselmotoren eine zusätzliche Nutzleistung von ca. 4% bei Minderung des Verbrauchs um 4,5 g/kWh erzielen, die bei 40% Propellerleistung etwa noch 2,5 g/kWh beträgt [2-18]. Eine noch deutlichere Kraftstoffverbrauchseinsparung lässt sich erzielen, wenn im (Propeller-)Leistungsbereich kleiner 75% die Nutzturbine abgeschaltet wird, weil dann der gesamte vom Motor gelieferte Abgasenergiestrom der Turboladerturbine zugeführt und dementsprechend ein höherer Ladedruck aufgebaut wird, zumal die Turboladerturbine des Turbocompoundmotors generell enger ausgelegt sein muss als diejenige des Basismotors (ohne Turbocompounding). Unterhalb von 40% Motorleistung sollte die Nutzturbine grundsätzlich abgeschaltet bleiben. Vergleichbare Ergebnisse werden mit langsamlaufenden Zweitaktdieselmotoren erzielt [2-19]. Wesentliche Voraussetzung für eine nennenswerte Anhebung des Gesamtwirkungsgrades durch Turbocompounding ist ein hoher Turboladerwirkungsgrad. So können heute Turbolader von Großdieselmotoren Werte von mehr als 70% erreichen [220], [2-21].
2.2.4.5
Turbobrake
Unter Turbobrake ist nicht ein Aufladeverfahren im engeren Sinn zu verstehen, sondern eine zusätzliche Nutzung des VTG-Turboladers eines Nutzfahrzeug-Motors zur Erhöhung der Motorbremsleistung. Mercedes-Benz und Iveco haben als erste Nutzfahrzeug-Hersteller dieses System für schwere Nutzfahrzeuge in Serie gebracht [2-22]. Bevorzugt wird dieses Verfahren auf der Basis von Turboladern realisiert, deren Turbine über ein zweiflutiges Zuströmgehäuse verfügt. Über einen in Rotorachsrichtung verschiebbaren Schieber kann maximal eine der beiden Fluten am Eintritt zum Turbinenlaufrad verschlossen werden (s. Bild 2-27). Soll die Bremswirkung aktiviert werden – der Motor läuft dabei im Schiebebetrieb und ohne Verbrennung – wird über den Schieber eine der beiden Turbinenfluten verschlossen. Die nun engere Turbine bewirkt bei dem relativ hohen Massenstrom aus dem Motor eine hohe Turboladerdrehzahl und einen entsprechend hohen Ladedruck. Dieser fordert dem Motor beim Kompressionshub eine entsprechend hohe Verdichtungsleistung ab, die als
Bremsleistung wirkt. Bereits am Ende des Kompressionshubs wird nun das Auslassventil geöffnet, damit das verdichtete Zylindergas nicht in vollem Maß (positive) Expansionsarbeit an den Kolben abgeben und damit der Bremswirkung entgegenwirken kann. Es ergibt sich dadurch eine negative Hochdruckschleife im Indikatordiagramm des Motors. Mit einer Abblasevorrichtung vor der Turbine, also einem Waste-Gate, wird dafür gesorgt, dass der Motor weder beim Bremsen noch im gefeuerten Betrieb infolge zu hohen Ladedrucks überbeansprucht wird. Mit einer Turbobrake lassen sich Motor-Bremsleistungen realisieren, welche deutlich über der jeweiligen Motornennleistung liegen.
2.2.5
Druckwellenaufladung (COMPREX)
Der unter seiner eingetragenen Schutzmarke COMPREX bekannte Druckwellenlader nutzt – wie der Abgasturbolader auch – die vom Motor gelieferte Abgasenergie zur Ladedruck erzeugung, jedoch im Gegensatz zum Abgasturbolader durch direkte Energieübertragung vom Abgas auf die zu verdich tende Luft. Aufbauend auf Patenten von Burghard (1912) und Seippel (1940) und grundlegenden Arbeiten von Berchtold [2-23] wurde dieses vor allem für Fahrzeugdieselmotoren konzipierte und wegen seines Wirkprinzips faszinierende Aufladeaggregat in den sechziger und siebziger Jahren bei BBC (heute ABB) zur Serienreife entwickelt. Die besondere Stärke des Druckwellenladers besteht im prinzipbedingten Vermögen, eine vom Motor sprunghaft erhöhte Abgasenergierate verzögerungsfrei in einen erhöhten Ladedruck umzuwandeln, während beim Turbolader in diesem Fall zunächst die Massenträgheit des Turboladerlaufzeugs überwunden werden muss („Turboloch“). Diese Eigenschaft ließ den Druckwellenlader gerade für Fahrzeugmotoren und für Motoren, denen hohe Lastsprünge aufgeprägt werden, prädestiniert erscheinen [2-24]. Inzwischen konnten Turbolader bezüglich Beschleunigungsverhalten allerdings mit dem Comprex mindestens gleichziehen, bieten gegenüber diesem jedoch geringere Herstellkosten, geringeres Gewicht und größere Freiheit beim Anbau an den Motor, so dass derzeit der Comprex nicht mehr serienmäßig eingebaut wird.
2.2.6
Mechanische Aufladung
Wie unter Abschn. 2.2.2 ausgeführt, steht bei üblicher mechanischer Aufladung schon im unteren Drehzahlbereich ein relativ hoher Ladedruck an, wodurch sich im Vergleich zum Basissaugmotor das Volllastmoment etwa parallel zu höheren Werten verschiebt, Bild 2-33. Durch die Kopplung Ladedruck – Motordrehzahl erfolgt dies nicht nur im statio-
2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung
63
Bild 2-33 Volllast-Drehmoment des aufgeladenen Fahrzeug-Dieselmotors
nären, sondern auch im dynamischen Betrieb (Beschleunigen). So sehr dieses Argument für die Anwendung der mechanischen Aufladung auch im Pkw-Dieselmotor spricht, so sehr spricht der gegenüber der Abgasturboaufladung höhere spezifische Kraftstoffverbrauch dagegen. Zur Minimierung dieses Nachteils ist unbedingt eine Ladedrucksteuerung vorzusehen, d.h. es ist dafür zu sorgen, dass der Lader jeweils nur so viel Ladedruck erzeugt und entsprechend Antriebsleistung aufnimmt, wie der Motor betriebspunktabhängig tatsächlich benötigt. Dieses ist außer über ein variables Übersetzungsverhältnis des Laderantriebs auch durch einen steuerbaren Bypass am Lader realisierbar. Über eine Magnetkupplung ließe sich erreichen, dass der Lader immer erst dann zugeschaltet wird, wenn das „Saugmotor-Luftangebot“ an den Motor ausgeschöpft ist. Eine sinnvolle Anwendung der mechanischen Aufladung für Dieselmotoren könnte in einem mechanisch angetriebenen Verdrängerlader bestehen, der im Luftpfad eines Nutzfahrzeugmotors vor dem Turboladerverdichter angeordnet jeweils nur in Beschleunigungsphasen über eine (magnetische) Kupplung zugeschaltet wird, was der zum eBooster geschilderten Wirkung (s. Abschn. 2.2.4.3) entspricht.
2.3
Programmierte Ladungswechselberechnung
Neben der Berechnung der zylinderinternen Zustandsänderungen bildet die Berechnung der Zustandsänderungen in den Ein- und Auslassleitungen, die sog. Ladungswechselrechnung, den Kern der Motorprozesssimulation (s. Abschn. 1.3). Abgesehen von Rechenverfahren, die von der stark vereinfachenden Annahme eines zeitlich und örtlich konstanten Gaszustandes in der Einlass- und Auslassleitung ausgehen, lassen sich die in Anwendung befindlichen Rechenprogramme in zwei Gruppen einteilen. Programme, die auf dem quasi-stationären Verfahren der Füll- und Entleermethode basieren, berechnen nur einen zeitlichen Verlauf der Zustandsänderungen in den Gaswechselleitungen und gelten daher auch als nulldimensionale Verfahren. Dazu wird z.B. die Abgasleitung eines abgasturboaufgeladenen Mehrzylindermotors als ein Behälter konstanten Volumens betrachtet, der entsprechend der Zündfolge der angeschlossenen Zylinder intermittierend mit Abgas gefüllt und über die Abgasturbine kontinuierlich entleert wird. Im Wesentlichen unter Ansatz der Glei-
64
2 Ladungswechsel und Aufladung
Bild 2-34 Rechnungs-Messungsvergleich zur Füllund Entleermethode für einen Mittelschnellläufer [2-27]
Bild 2-35 Quasistationäre und instationäre Ladungswechselrechnung im Vergleich zur Messung
65
Ladedruck in mbar, Motordrehzahl in min–1
2.3 Programmierte Ladungswechselberechnung
Bild 2-36 Pkw-Dieselmotor mit geregelter zweistufiger Aufladung, Ladedruck- und Drehzahlaufbau bei Volllastbeschleunigung von 0 auf 100 km/h, simuliert mit THEMOS®
chungen für die Massen- und Energiebilanz und der Gaszustandsgleichung für dieses Kontrollvolumen lassen sich für dieses die Verläufe von Druck und Temperatur und damit unter anderem auch das Abgasenergieangebot an der Turboladerturbine berechnen. Turbine und Verdichter des Turboladers gehen über ihre Kennfelder als Randbedingungen in die Berechnung ein. Dass sich damit durchaus realitätsnahe Ergebnisse erzielen lassen, bestätigt Bild 2-34 mit einem Rechnungs-Messungsvergleich. Die Grundvoraussetzungen der Füll- und Entleermethode sind umso weniger erfüllt, je höher das Drehzahlniveau und je länger und schlanker die Gaswechselleitungen des zu berechnenden Motors sind. Dann muss auch die Ortsabhängigkeit der Zustandsgrößen in den Gaswechselleitungen berücksichtigt werden, wozu ein entsprechend instationär arbeitendes Rechenverfahren, wie das Charakteristikenverfahren, heranzuziehen ist. Die Strömung in den Gaswechselleitungen wird dabei als eindimensionale instationäre Rohrströmung behandelt [2-25], [2-26]. In [2-27] werden die quasistationäre Füll- und Entleermethode und das Charakteristikenverfahren in der Anwen-
dung auf unterschiedliche Viertaktdieselmotoren miteinander verglichen, Bild 2-35: Der für einen schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotor mit symmetrischer Zweierstoßaufladung stark gasdynamisch geprägte Abgasdruckverlauf kann vom Charakteristikenverfahren ziemlich gut, von der Füll- und Entleermethode jedoch nur noch in der groben Tendenz nachgebildet werden. Die Motorprozesssimulation ist seit ihren Anfängen in den sechziger Jahren zeitgleich mit der rasanten Entwicklung der Rechnertechnik zu einem unverzichtbaren Werkzeug der Motorentwicklung geworden. Sie kann zusätzlich zu den Berechnungen der Zustandsänderungen in den Zylindern und in den Gaswechselleitungen auch die Modellierung des angetriebenen Fahrzeugs (Fahrzeuglängsdynamik) sowie des Fahrers mit einschließen. Damit lassen sich beispielsweise Betriebsstrategien für einen Fahrzeugmotor mit geregelter zweistufiger Aufladung für den Einsatz in einem ganz bestimmten Fahrzeugtyp entwickeln [2-29]. Bild 2-36 zeigt dazu für einen zweistufig aufgeladenen Pkw-Dieselmotor die Verläufe von Motordrehzahl und Ladedruck bei Volllastbeschleunigung von 0 auf 100 km/h. Besonders am Drehzahl-
66 2 Ladungswechsel und Aufladung verlauf sind die Zeitpunkte des jeweiligen Gangwechsels zu erkennen, der mit einem steilen Drehzahlabfall einhergeht. Die inzwischen erlangte Echtzeitfähigkeit der Motorprozesssimulation [2-30] erlaubt unter anderem ihre HIL(=Hardware in the loop)-Anwendung.
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Tagungsband der 9. Aufladetechnischen Konferenz Dresden 2004, S. 211–228 2-15 Hopmann, U.: Ein elektrisches Turbocompound Konzept für NFZ Dieselmotoren. Tagungsband der 9. Aufladetechnischen Konferenz Dresden 2004, S. 77–87 2-16 Woschni, G.; Bergbauer, F.: Verbesserung von Kraftstoffverbrauch und Betriebsverhalten von Verbrennungsmotoren durch Turbocompounding. MTZ 51 (1990) 3, S. 108–116 2-17 Khanna,Y.K.: Untersuchung der Verbund- und Treibgasanlagen mit hochaufgeladenen Viertaktdieselmotoren. MTZ 21 (1960) 1, S. 8–16 u. 3, S. 73–80 2-18 Pucher, H.: Analyse und Grenzen der Kraftstoffverbrauchsverbesserung bei Schiffsdieselmotoren im Turbocompoundbetrieb. Jahrbuch der Schiffbautechnischen Gesellschaft Bd. 82. Berlin/Heidelberg/New York/London: Springer 1988 2-19 Meier, E.: Turbocharging Large Diesel Engines – State of the Art and Future Trends. Broschüre der ABB Turbo Systems Ltd. Baden (Schweiz) 1994 2-20 Appel, M.: MAN B&W Abgasturbolader und Nutzturbinen mit hohen Wirkungsgraden. MTZ 50 (1989) 11, S. 510–517 2-21 Nissen, M.; Rupp, M.; Widenhorn, M.: Energienutzung von Dieselabgasen zur Erzeugung elektrischer Bordnetzenergie mit einer Nutzturbinen-GeneratorEinheit. HANSA Schiffahrt – Schiffbau – Hafen 129 (1992) 11, S. 1282–1287 2-22 Flotho, A.; Zima, R.; Schmidt, E.: Moderne Motorbremssysteme für Nutzfahrzeuge. Tagungsband 8. Aachener Kolloquium 4.-06.10.1999, S. 321–336 2-23 Berchtold, M.: Druckwellenaufladung für kleine Fahrzeug-Dieselmotoren. Schweizerische Bauzeitung 79 (1961) 46, S. 801–809 2-24 BBC Brown Boveri, Baden (Schweiz): Erdbewegungsmaschinen mit Comprex-Druckwellenlader. Comprex bulletin 7 (1980) 1 2-25 Seifert, H.: 20 Jahre erfolgreiche Entwicklung des Programmsystems PROMO. MTZ 51 (1990) 11, S. 478– 488 2-26 N.N.: GT-Power – User’s Manual and Tutorial, GTSuite TM Version 6.1, Gamma Technologies Inc. Westmont IL 2004 2-27 Pucher, H.: Ein Rechenprogramm zum instationären Ladungswechsel von Dieselmotoren. MTZ 38 (1977) 7/8, S. 333–335 2-28 Münz, S.; Schier, M.; Schmalzl, H.-P.; Bertolini, T.: Der eBooster – Konzeption und Leistungsvermögen eines fortgeschrittenen elektrischen Aufladesystems. Firmenschrift der 3K-Warner Turbosystems GmbH (2002) 9
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3
Die dieselmotorische Verbrennung
3.1
Gemischbildung und Verbrennung
3.1.1
Verfahrensmerkmale
Die im Kraftfahrzeug bevorzugt eingesetzten Antriebsmaschinen basieren auf Verbrennungskraftmaschinen. Bei diesen wird die in dem überwiegend aus Kohlenwasserstoffen bestehendem Kraftstoff gebundene chemische Energie durch Oxidation mit dem in der Verbrennungsluft befindlichen Sauerstoff in Wärme umgewandelt, diese wird wiederum an das Arbeitsmedium der Maschine übertragen. Der Druck im Arbeitsmedium steigt an und kann unter Ausnutzung der Expansion in eine Kolbenbewegung und damit in mechanische Arbeit umgewandelt werden. Da das auch als Arbeitsgas bezeichnete Arbeitsmedium nach der Expansion ausgetauscht wird und die Verbrennung innerhalb des Arbeitsraumes der Verbrennungskraftmaschine stattfindet, spricht man von einer „offenen Prozessführung mit innerer Verbrennung“ [3-1]. Dies gilt sowohl für den Ottomotor als auch für den Dieselmotor. Im Gegensatz hierzu beschreibt man z. B. den Stirlingmotor als eine Maschine mit einer geschlossenen Prozessführung und äußeren Verbrennung. Beim konventionellen Ottomotor wird das Kraftstoff/ Luft-Gemisch im Saugrohr gebildet. Während des Ansaugund Kompressionstaktes bildet sich ein überwiegend homogenes Gemisch, das durch eine Zündkerze entflammt wird. Dieses Brennverfahren ist also gekennzeichnet durch „äußere Gemischbildung“, homogenes Gemisch und Fremdzündung. Die Energiefreisetzung erfolgt, beginnend an der Zündkerze, mit der Ausbreitung der Flamme und ist deshalb proportional zur Oberfläche der Flammfront. Die Flammgeschwindigkeit hängt vom Kraftstoff, der Gemischtemperatur und dem Luft/Kraftstoffverhältnis ab. Die Brenngeschwindigkeit wird zusätzlich von der Oberfläche der Flammfont beeinflusst. Diese nimmt infolge der durch Turbulenzen im Gemisch bedingten „Flammfaltung“ mit der Drehzahl des Motors zu. Wesentlicher Einflussfaktor auf die
Flammfaltung sind Strömungen des Gemisches, die durch den Einlassvorgang und die Kompression, aber auch durch die Verbrennung selbst, verursacht werden. Um Selbst- oder Frühzündung zu vermeiden, muss der Kraftstoff zündunwillig (klopffest) sein und das Verdichtungsverhältnis wird durch „klopfende“ Verbrennung oder Frühzündung begrenzt. Bei klopfender Verbrennung werden im gesamten, von der Flamme noch nicht erreichten Gemisch, dem sog. „Endgas“, die Zündbedingungen erreicht. Das hoch komprimierte und deshalb energiereiche Gemisch verbrennt ohne kontrollierte Flammausbreitung nahezu zeitgleich. Dies führt zu steilen Druckgradienten mit den charakteristischen Druckschwingungen und bedingt lokal eine sehr hohe thermische und mechanische Belastung der Bauteile. Längerer Betrieb bei klopfender Verbrennung führt zum Totalausfall des Motors und muss deshalb unbedingt vermieden werden. Begrenzte Verdichtung, erforderliches Lastregelverfahren (Quantitäts- oder Drosselregelung) sowie begrenzte Aufladefähigkeit beeinträchtigen den Wirkungsgrad des Prozesses mit äußerer Gemischbildung und Fremdzündung. Da aber im Brennraum aufgrund des homogenen Betriebes bei λ = 1 keine Bereiche mit fettem Gemisch auftreten, hat dieses Verfahren keine kraftstoffbedingte Rußemission. Moderne Ottomotoren arbeiten auch mit direkter Kraftstoffeinspritzung und können, je nach Einspritzzeitpunkt, ein homogenes oder inhomogenes Gemisch bilden. In diesen Fällen spricht man von „innerer Gemischbildung“, wie sie beim Dieselmotor Anwendung findet. Beim Dieselmotor wird kein Gemisch, sondern Luft verdichtet. Der Kraftstoff wird kurz vor dem oberen Totpunkt in diese hoch verdichtete und damit heiße Verbrennungsluft eingespritzt. Die Gemischbildung läuft also in extrem kurzer Zeit im Brennraum des Motors ab und die Zündung erfolgt, ohne fremde Zündquelle, ausschließlich durch Übertragung der Wärme von der komprimierten Luft an den Kraftstoff. Der Dieselmotor ist deshalb ein Motor mit „innerer Gemischbildung“ und „Selbstzündung“. Zur Sicherstellung der Zündeinleitung müssen zündwillige Kraftstoffe verwen-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 69 det und die erforderlichen Temperaturen garantiert werden. Letzteres erfolgt durch eine hohe Verdichtung (Verdichtungsverhältnis 12 < ε < 21) und ggf. durch eine zusätzliche Lufterwärmung (z. B. Glühkerze). Zündprobleme können insbesondere beim Start des Motors auftreten. Infolge der niedrigen Startdrehzahl kommt es zu keinen Nachladeeffekten im Saugsystem. Der sich in der Kompressionsphase befindende Kolben schiebt deshalb bereits angesaugte Luft wieder in das Saugrohr zurück. Dieser Vorgang wird erst mit dem Schließen der Einlassventile beendet. Die Verdichtung kann also erst zu diesem späten Zeitpunkt beginnen, wodurch das effektive Verdichtungsverhältnis und damit die Kompressionstemperatur stark abgesenkt werden. Beim Kaltstart verstärkt sich das Startproblem durch einen erhöhten Wärmeabfluss vom Arbeitsgas Luft an die kalten Brennraumwände. Beim Dieselmotor wird die Energieumsetzung durch die Einspritzrate und die Geschwindigkeit der Gemischbildung beeinflusst. Aufgrund der heterogenen Gemischbildung gibt es keine typische Flammausbreitung wie beim Ottomotor. Die Gefahr einer „klopfenden Verbrennung“ ist somit nicht gegeben. Deshalb können beim Dieselmotor hohe Verdichtungsverhältnisse und Ladedrücke dargestellt werden. Beides kommt dem Wirkungsgrad, aber auch dem Drehmomentverlauf des Motors zugute. Die Grenze von Verdichtung und Ladedruck ist also nicht – wie beim Ottomotor – durch „klopfende Verbrennung“, sondern durch den maximal zulässigen Zylinderdruck vorgegeben. Moderne Dieselmotoren arbeiten deshalb in Bereichen von etwa 160 bis 180 bar bei Pkw- und 210 bis 230 bar bei Nfz-Motoren. Der oben angegebene, niedere Bereich des Verdichtungsverhältnisses trifft für hoch aufgeladene Großdieselmotoren zu. Aufgrund der inneren Gemischbildung wird die Drehzahl des Dieselmotors durch die zur Verdampfung des Kraftstoffes und zur Gemischbildung erforderliche Zeit begrenzt. Selbst schnelllaufende Pkw Dieselmotoren arbeiten deshalb selten mit Drehzahlen über 4800 min-1. Dadurch bedingte Nachteile in der Leistungsdichte können durch die besondere Eignung zur Aufladung kompensiert werden. Wird der Kraftstoff in eine als „Wirbelkammer“ oder „Vorkammer“ bezeichnete Nebenkammer des Hauptbrennraumes – eingespritzt, spricht man von einer „indirekten Kraftstoffeinspritzung“. Diese wurde früher zur besseren Gemischbildung und Erfassung der Brennraumluft im Hauptraum sowie zur Beherrschung des Verbrennungsgeräusches eingesetzt. Bei modernen Diesel-Brennverfahren, den sog. Direkteinspritzern, wird der Kraftstoff direkt in den Hauptbrennraum eingespritzt. Die innere Gemischbildung und die damit verbundene späte Einspritzung des Kraftstoffes in den Brennraum führen zu einem deutlichen Luft/Kraftstoff-Gradienten
(λ‑Gradienten) im Verbrennungsraum. Während im Kern des Kraftstoffstrahls nahezu kein Sauerstoff (λ ≈ 0) vorliegt, gibt es im Brennraum auch Bereiche mit reiner Luft (λ = ∞). Während der Einspritzung liegen im Brennraum eines Dieselmotors, mehr oder weniger ausgeprägt, sämtliche Bereiche zwischen ∞ > λ > 0 vor. Eine völlige Luftausnutzung ist bei heterogener Gemischbildung nahezu unmöglich. Die Zeit für die Herstellung eines homogenen Gemisches und für eine vollständige Oxidation ist hierfür viel zu kurz. Dieselmotoren arbeiten deshalb auch bei Volllast mit Luftüberschuss von 5 bis 15 %. Langsam laufende Großdieselmotoren müssen aus Gründen der thermischen Bauteilbelas tung mit noch größerem Luftüberschuss betrieben werden. Dies hat Auswirkungen auf evtl. erforderliche Abgasnachbehandlungssysteme. Da im Abgas stets eine „oxidierende“ Atmosphäre vorliegt, kann der beim Ottomotor homogen, bei λ = 1,0 betriebene, erfolgreiche TWC (Three Way Catalyst) nicht eingesetzt werden. Der Luft/Kraftstoff-Gradient ist neben den Unterschieden in der Gemischqualität auch für lokale Temperaturunterschiede im Brennraum verantwortlich. Die höchsten Temperaturen treten außerhalb des Kraftstoffstrahles in Bereichen ∞ > λ, die niedrigsten im Strahlkern λ ≈ 0 auf. Wie Bild 3-1 zeigt, entstehen in Bereichen mit Luftüberschuss und hohen Temperaturen Stickstoffoxide. In der mageren Flammaußenzone sind die Verbrennungstemperaturen so niedrig, dass keine vollständige Oxidation des
Bild 3-1 Entstehungsbereiche der Schadstoffe im Brennraum bei hetero‑ genem Gemisch
70
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Kraftstoffes stattfinden kann. Hier ist die Quelle für unverbrannte Kohlenwasserstoffe. In Luftmangelbereichen im Strahlkern werden Rußpartikel, und als deren Vorläufer Kohlenmonoxid, gebildet. Da sich beim heterogenen Gemisch die Rußbildung infolge fetter Gemischbereiche nicht vermeiden lässt, zielen moderne Dieselverfahren auf die innermotorische Partikeloxidation. Diese kann durch Erhaltung bzw. Erzeugung hoher Turbulenz während des Expansionstaktes wesentlich verbessert werden. Bei modernen Dieselverfahren werden deshalb bis zu 95% der entstandenen Partikel innermotorisch wieder verbrannt. Die innere Gemischbildung, verbunden mit der hohen Verdichtung und dem Lastregelverfahren (Qualitätsregelung), sind Grundlage für den sehr guten Gesamtwirkungsgrad des Dieselmotors.
3.1.2
Gemischbildung
Haupteinflussgrößen Neben der durch die Brennraumauslegung und die Einlasskanalgestaltung formbaren Luftbewegung im Brennraum (squish oder Quetschströmung und Luftdrall), wird die Gemischbildung bei direkter Einbringung wesentlich von der Einspritzung dominiert. Das Einspritzsystem hat dabei die folgenden Aufgaben zu erfüllen: Erzeugung des erforderlichen Einspritzdruckes, Darstellung der Kraftstoffdosierung [3-2], Sicherstellung der Strahlausbreitung, Garantie eines schnellen Strahlzerfalles, der Tropfenbildung sowie der Vermischung des Kraftstoffes mit der Verbrennungsluft, siehe auch Kapitel 5.
nung ergibt allerdings sehr hohe Füllungsverluste, führt zu einem überproportionalen Drallanstieg über der Motordrehzahl und ist extrem kritisch gegenüber Fertigungstoleranzen. Diesbezüglich besser geeignet sind Spiralkanäle, bei denen die Luft bereits im Kanal in eine Spiralbewegung versetzt wird (Bild 3-2). Dadurch ist eine nahezu lineare Steigerung des Drallniveaus über der Motordrehzahl und damit ein konstantes Verhältnis Dralldrehzahl / Motordrehzahl (nDrall /nMot) möglich sowie ein guter Kompromiss zwischen erforderlichem Drallniveau und akzeptablem Liefergradverlust darstellbar. Durch eine einseitige Anfasung des Ventilsitzringes kann der Luftaustritt in Drallrichtung begünstigt und eine Drallanhebung im unteren Ventilhubbereich erzielt werden. Diese Maßnahme kann in Kombination mit den Ventilsteuerzeiten auch geschickt zu einer Drallabsenkung über der Motordrehzahl genutzt werden. Schirmventile – eine weitere Methode zur Drallerzeugung – müssen fixiert eingebaut werden und sind somit aus Verschleißgründen keine serientaugliche Methode zu Drallerzeugung, eignen sich aber bestens für grundsätzliche Untersuchungen. Da ein mittels der Kanalgeometrie erzeugter Luftdrall mit steigender Motordrehzahl schneller dreht, werden auch die pro Grad Kurbelwinkel überwehten Luftsegmente größer. Dieser selbst regelnde Effekt, der mit der Drehzahl die Gemischbildung schneller macht, kann allerdings nur dann genutzt werden, wenn sich auch die Spritzdauer in gleicher
Luftdrall Der Luftdrall ist eine im Wesentlichen um die Zylinderachse „rotierende Festkörperströmung“, deren Drehgeschwindigkeit durch die Einlasskanalauslegung geformt werden kann und die aufgrund der zunehmenden Kolbengeschwindigkeit mit der Motordrehzahl ansteigt. Eine wesentliche Aufgabe des Luftdralls ist es, den kompakten Kraftstoffstrahl aufzureißen und die zwischen den Kraftstoffstrahlen liegenden Luftsektoren mit dem Kraftstoff zu vermischen. Damit wird schon deutlich, dass der Drallbedarf mit zunehmender Düsenlochzahl abnimmt. Dies ist von Vorteil, weil ansteigendes Drallniveau zu erhöhten Wandwärmeverlusten führt und die Drallerzeugung mit Füllungsverlusten erkauft werden muss. Füllungsverluste können zwar durch die Aufladung kompensiert werden, die negativen Auswirkungen der Drallerzeugung auf den Gaswechselwirkungsgrad und damit auf den Kraftstoffverbrauch bleiben allerdings bestehen. Recht einfach kann der Drall durch tangentiales Einströmen der Luft in den Zylinder erzeugt werden. Diese Anord-
Bild 3-2 Drallgestaltung mittels eines als Spiralkanal ausgeführten Einlasskanals
3.1 Gemischbildung und Verbrennung Weise verhält. Ist die in ° KW definierte Spritzdauer (z. B. bei Volllast) über der Drehzahl konstant, ist eine optimale Abstimmung von Drall und Spritzdauer im gesamten Drehzahlbereich des Motors möglich. Nimmt allerdings die Spritzdauer (in ° KW) über der Drehzahl zu, ist der Drall im unteren Drehzahlbereich zu niedrig und die Luftausnutzung unbefriedigend oder er ist im oberen Drehzahlbereich zu hoch und es kommt zu Überwehungen der einzelnen Strahlbereiche. Beides reduziert den erreichbaren Mitteldruck und führt zu erhöhten Emissionen. Bei allen Einspritzsystemen, die mit konstantem Düsenlochdurchmesser arbeiten – und das sind heute alle serienmäßigen Systeme – tritt dieses Problem auf. Ein hohes Drehzahlverhältnis (nmax/nmin) und/oder ein großes Mengenverhältnis Volllastmenge zu Leerlaufmenge erschweren die Motorauslegung. Mit einem im Kennfeld variablen Einspritzdruck oder durch Einsatz sog. Registerdüsen versucht man diese Problematik zu lösen. Obwohl die Drehzahl des Dralles über der Motordrehzahl genau das Richtige tut und zumindest beim Spiralkanal das Drehzahlverhältnis Drall/Motor konstant ist, versucht man mangels geeigneter Ansatzpunkte beim Einspritzsystem, den Drall zu verstimmen und auf das „Fehlverhalten“ des Einspritzsystems anzupassen. Bei Motoren mit zwei oder mehr Einlassventilen kann durch Abschalten eines Einlass-
71
ventils (Einlasskanalabschaltung EKAS) im unteren Drehzahlbereich der Drall angehoben und damit auf die in diesem Bereich üblicherweise kurze Spritzdauer angepasst werden. Eine stufenlose Klappenverstellung erlaubt sogar das Drallniveau in Abhängigkeit vom Öffnungswinkel für jeden Kennfeldpunkt anzupassen (Bild 3-3). Optimal ist dies allerdings nicht, weil die Gemischbildung im unteren Drehzahlbereich beschleunigt und im oberen Drehzahlbereich des Motors verlangsamt wird. Flexible Einspritzsysteme können dem Zielkonflikt Drall/ Spritzdauer auch nur begrenzt über eine Anpassung des Einspritzdruckes begegnen. Diese Maßnahme würde eine Absenkung des Druckes im unteren Drehzahlbereich bedingen. Die optimale Lösung wäre eine Düse mit variablem, mit der Drehzahl ansteigendem Durchflussquerschnitt.
Quetschströmung Während des Kompressionshubes wird die Luft zunehmend in die Kolbenmulde gequetscht wodurch der Luftdrall erhöht wird. Je kleiner die Kolbenmulde desto höher wird der Drall. Der beschriebene, durch die Einlassströmung in den Zylinder bzw. in die Brennraummulde erzeugte Luftdrall wird mit Annäherung des Kolbens an den oberen Totpunkt zunehmend von einer Quetschströmung überlagert. Diese entsteht dadurch, dass die zwischen Kolbenboden und Zylinderkopf befindliche Luft in die Kolbenmulde verdrängt wird (Bild 3-4). Diese Quetschströmung wirkt der Ausbreitung des Kraftstoffstrahles entgegen und unterstützt somit den für die Gemischbildung wichtigen Impulsaustausch zwischen Brennraumluft und Einspritzstrahl. Mit Beginn des Expansionstaktes dreht sich die Strömungsrichtung um. Durch entsprechende Gestaltung der Muldengeometrie, insbesondere des Muldenrandes, lässt sich eine hochturbulente Strömung im Kolbenspalt erzeugen, welche die Gemischbildung unterstützt und die Verbrennung beschleunigt.
Kinetische Energie des Kraftstoffstrahls
Bild 3-3 Drallniveau als Funktion der Stellung der Einlasskanalklappe [3-3]
Der dominierende Parameter bei der Gemischbildung ist die kinetische Energie des Kraftstoffstrahles. Sie hängt neben der Kraftstoffmasse im Einspritzstrahl auch vom Druckgefälle an der Einspritzdüse ab und bestimmt zusammen mit dem Strahlkegelwinkel den Impulsaustausch zwischen Brennraumluft und Kraftstoffstrahl sowie das Größenspektrum der Tröpfchendurchmesser. Der Strahlkegelwinkel hängt vor allem von der Düseninnenströmung und damit von der Düsengestaltung und dem anliegenden Druck, aber auch von
72
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Bild 3-4 Überlagerte Strömungsvorgänge im Brennraum eines Motors beeinflussen die Ausbreitung des Kraftstoffstrahles und die Gemischbildung
der Luftdichte ab. Mit zunehmender Kavitation im Spritzloch wird der Strahlkegelwinkel größer und der Impulsaustausch mit der Luft wird intensiviert. Die Strahlenergie ist bei Nocken getriebenen Einspritzsystemen durch die Förderrate der Einspritzpumpe und die Durchflussquerschnitte an der Einspritzdüse beeinflussbar. Bei Speichereinspritzsystemen ist der Raildruck die entscheidende Größe. Durch den Einspritzstrahl wird der Kraftstoff in die äußeren Bereiche des Brennraumes transportiert. Dies ist eine bei der hoch verdichteten, heißen und damit hochviskosen Luft nicht zu unterschätzende Aufgabe. Dabei kommt dem Druckverlauf am Spritzloch entscheidende Bedeutung zu. Ansteigender oder zumindest konstanter Druck über der Einspritzdauer ist von Vorteil [3-4]. Ein während der Einspritzung abfallender Druck ermöglicht keine Interaktion der einzelnen Kraftstoffbereiche im Strahl und ist deshalb möglichst zu vermeiden. Die Erfassung der äußeren Brennraumbereiche ist Voraussetzung für eine gute Nutzung der Brennraumluft und somit für eine hohe Leistungsdichte des Motors. Bei begrenztem Einspritzdruck gelingt dies nur durch eine gleichzeitige Begrenzung der Düsenlochzahl und damit einer hohen Kraftstoffmasse im Strahl. Mit steigendem Einspritzdruck kann die Anzahl der Einspritzstrahlen erhöht und damit die Kraftstoffverteilung im Brennraum verbessert werden, ohne dass die Strahlausbreitung beeinträchtigt wird. Dies wird durch den Zusammenhang von Strahleindringtiefe, dem Einspritzdruck bzw. dem Druckgefälle am Düsenaustritt und Lochdurchmesser deutlich. Danach ist die Strahleindringtiefe eine Funktion des am Spritzloch anliegenden Druckes, des Durchmessers eines Spritzloches, der Kraftstoffdichte, des Reziprokwertes der Luftdichte und der Zeit nach Spritzbeginn [3-5]. Vorausge-
setzt bei ungefähr gleicher Spritzdauer wird mit zunehmender Düsenlochzahl der Durchmesser des einzelnen Loches und damit die Kraftstoffmasse im einzelnen Strahl verringert. Der für die Strahlausbreitung maßgebende Strahlimpuls muss also durch eine entsprechende Erhöhung des Druckes wieder ausgeglichen werden. Mit steigendem Einspritzdruck wird zudem der Lufteintritt in den Strahl (air entrainment) verstärkt und damit das lokale O im Strahl erhöht. Nach Wakuri [3-5] wird das lokale Luft/Kraftstoffverhältnis allein schon durch die größere Strahleindringtiefe mit steigendem Einspritzdruck erhöht. Die Bedeutung von Drall und Quetschströmung nimmt mit zunehmendem Einspritzdruck ab. Moderne Nfz-Brennverfahren arbeiten bei Einspritzdrücken von über 2000 bar in Verbindung mit 8- bis 10-Lochdüsen und sind nahezu drall- und sqishfrei. Bei den höher drehenden Pkw-Motoren nutzt man die sehr stabile Drallströmung zur Rußoxidation während der Expansionsphase. Ferner bedingt hier die größere Drehzahlspanne eine relativ tiefe und damit enge Mulde, was zwangsläufig eine Quetschströmung ergibt.
Strahlzerfall Bei direkter Einspritzung müssen Verdampfung und Gemischbildung in wenigen Millisekunden abgeschlossen sein. Dazu ist es erforderlich, dass der kompakte Strahl sehr schnell zerfällt und sich viele kleine Tropfen mit einer großen Oberfläche bilden. Zwei Mechanismen sorgen für diesen raschen Zerfall des Kraftstoffstrahles und die Schaffung einer großen Kraftstoffoberfläche: der durch turbulente Strömungen und Kavitation in der Düse bedingte „Primärzerfall“ im Düsennahbereich sowie der „Sekundärzerfall“ infolge aerodynamischer Kräfte im Fernfeld der Düse.
Primärzerfall Der Primärzerfall von einem in hoch verdichtete, hochviskose Brennraumluft eingespritzten Kraftstoffstrahl wird durch die Umverteilung des Geschwindigkeitsprofils im Inneren des Strahles (Interaktion unterschiedlicher Segmente im Strahl), die Oberflächenspannung, die aerodynamischen Kräfte (Impulsaustausch zwischen bewegtem Strahl und „ruhender“ Luft), die Turbulenz (maßgeblich durch den Strahlimpuls induziert) und die Kavitation beeinflusst [3-6]. Kavitation entsteht durch die Bewegung des turbulent in der Düse strömenden Kraftstoffes, wobei starke Umlenkungen, beeinflussbar durch das Radienverhältnis der Düsenrundungen zum Lochradius, die hydrodynamischen Einströmeffekte sowie Lochform und Lochkonizität eine wichtige Rolle spielen. Mit Kenntnis sowohl der Geschwindigkeits- und Turbulenzgrö-
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 73
Bild 3-5 Strahlzerfall und Strahlaufbruch in Düsennähe [3‑7]
ßen als auch des Volumenanteils von Dampf und Gas lassen sich Größe und Anzahl der Kavitationsblasen ermitteln. Kavitationsblasen im Spritzloch der Düse beeinflussen sowohl den Strahlzerfall, die Strahlausbreitung und die Tropfenbildung wie auch die Belagsbildung im Loch und die Haltbarkeit der Düse. Die Aufbrechphänomene des Einspritzstrahles in Düsennähe sind in Bild 3-5 dargestellt. Kraftstofftemperatur und -zusammensetzung bestimmen die Eigenschaft Flüchtigkeit und spielen eine zentrale Rolle beim Strahlzerfall, da die Bildung von Kavitationskeimen durch Ausgasen der im Kraftstoff gelösten Gase infolge lokaler Unterschreitung des Sättigungsdampfdruckes beeinflusst wird [3-7]. Im Nahbereich der Düse beobachtet man zunächst einen kompakten, flüssigen Strahlkern. Bereits in einer Entfernung des 5- bis 10-fachen des Düsenlochdurchmessers vom Düsenaustritt ist er jedoch einem starken Zerfall durch Luftund Kraftstoffdampfblasen unterworfen. Tropfengröße und Tropfenverteilung werden durch das Verhältnis der aerodynamischen Kräfte zu den Oberflächenkräften, also durch die Weberzahl beschrieben. Dabei bedeuten ρK die Kraftstoffdichte, νinj die Strahlgeschwindigkeit am Düsenloch, d Düsenlochdurchmesser und σ die Oberflächenspannung. Die Weberzahl kennzeichnet das Verhältnis der pro Zeiteinheit aus dem Düsenloch austretenden kinetischen Energie der kontinuierli-
chen Strahlsäule und der pro Zeiteinheit gebildeten Energie der freien Oberfläche.
Sekundärzerfall Durch den Sekundärzerfall erfolgt die eigentliche „Atomisierung“ des Einspritzstrahles aus den groben Ligamenten über Zerwellung in mittelfeine Tropfen sowie Zerstäubung zu mik rofeinen Tröpfchen. Das Entstehen letzterer ist zur schnellen Aufheizung und Verdampfung – und damit zur Verkürzung des physikalischen Zündverzuges – erforderlich. Bei der Sekundärzerstäubung spielen die aerodynamischen Kräfte die entscheidende Rolle. Einspritzdruck, Einspritzdruckverlauf, Strahlkegelwinkel und Luftdichte sind dabei wesentliche Einflussparameter. Beim Sekundärzerfall hat man zwei gleichzeitig ablaufende Effekte zu beachten: a) die Verformung der durch die Reibungskräfte abgebrems– ten Primärtropfen infolge der höheren Trägheit des Strahlkerns gegenüber dem Strahlrand und b) das Abscheren von Tröpfchen im μm‑Bereich infolge des an den Flanken zerwellenden Strahlrandes. Auch hier ist die oben definierte Kenngröße, die Weberzahl, eine charakteristische Größe, die mit der Dichte der den Strahl umgebenden Luft ermittelt wird. Ein über der Einspritzdauer ansteigender Druck am Düsenloch begünstigt den Impulsaustausch zwischen
74
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Brennraumluft und Kraftstoffstrahl und ist deshalb für einen raschen Zerfall des Strahles förderlich. Mit steigendem Einspritzdruck gelangt nicht nur mehr Luft in den Strahl, sondern die Tropfendurchmesser werden auch kleiner. Der statistische mittlere Tropfendurchmesser d32 nach Sauter (Sauter Mean Diameter) ist eine Funktion der oben beschriebenen Weberzahl, der Reynoldszahl und des Düsenlochdurchmessers bzw. des Druckgefälles am Düsenaustritt 'p, der Kraftstoffdichte UK, der Luftdichte UL sowie der Kraftstoffviskosität νK.
Hülle der Tropfenoberfläche, dem Oberflächenfilm, Temperaturen erreicht, die zu einer merklichen Verdampfung führen. In der auf diese Weise entstehenden Diffusionsbzw. Reaktionszone ist das Luft/Kraftstoff-Gemisch zündfähig, sobald das Luftverhältnis O in einem Bereich zwischen 0,3 < O < 1,5 liegt (Bild 3-7).
3.1.3
Zündung und Zündverzug
Damit in dem so gebildeten heterogenen Gemisch aus Luft und flüssigen Kraftstofftröpfchen unterschiedlicher Größe und Verteilung chemische Reaktionen ablaufen können, muss der Kraftstoff in Dampfform vorliegen. Dem Wärmetransport der durch die Kompression erhitzten Luft zum flüssigen Kraftstoff kommt dabei eine entscheidende Bedeutung zu. Dieser Prozess wird wesentlich durch die kinetische Energie des Kraftstoffstrahles – und damit wiederum durch den Einspritzdruck – beeinflusst (Bild 3-6). Sowohl die Schaffung freier Tropfenoberflächen als auch Stofftransport und Wärmeübergang werden durch eine hohe Relativgeschwindigkeit zwischen Tropfen und Umgebung begünstigt. Je feiner die Zerstäubung der Tropfen und je höher die Relativgeschwindigkeit der dispersen Kraftstoffphase und der kontinuierlichen Phase der Brennraumladung ist, um so eher werden in der äußeren
Das Zündverhalten des in die komprimierte und deshalb heiße Brennraumluft eingespritzten Kraftstoffes hängt von der Reaktionsgeschwindigkeit zur Bildung von Zündradikalen infolge thermischer Anregung der Moleküle ab. Die Selbstzündungsbedingungen werden sowohl durch die thermodynamischen Zustände im Brennraum, also Druck und lokale Temperaturen, als auch durch die lokale Dampfkonzentration, die abhängig von den zuvor beschriebenen Aufheizungs- und Diffusionsprozessen im Anschluss an den Sekundärzerfall ist, bestimmt. Eine wichtige Rolle spielt natürlich der Kraftstoff selbst. Mit der Cetanzahl CZ wird die Zündwilligkeit desselben beschrieben. Dem sehr zündwilligen n-Hexadekan (Cetan) wird dabei die Kennzahl 100, dem zündträgen Methylnaphthalin die Kennzahl 0 zugeordnet. Je höher die Cetanzahl, umso zündwilliger verhält sich der Kraftstoff. Zur Einhaltung der sehr strengen Abgas- und Geräuschvorschriften sind Cetanzahlen CZ > 50 wünschenswert (s. Kap. 4). Hinsichtlich des Wirkungsgrades, der Schadstoffemission, des Verbrennungsgeräusches und der Bauteilbelastung kommt dem zeitlichen Abstand zwischen Einspritzbeginn und Zündbeginn entscheidende Bedeutung zu. Der Zeitraum zwischen diesen beiden Ereignissen, üblicherwei-
Bild 3-6 Aufbereitung eines Kraftstofftropfens bei niedriger (links) und hoher (rechts) Anströmgeschwindigkeit
Bild 3-7 Schematische Darstellung des Luft/Kraftstoff-Verhältnisses in Abhängigkeit von der Entfernung zum Kraftstofftropfen
Kraftstoffverdampfung
3.1 Gemischbildung und Verbrennung se aus Düsennadelhub und Brennraumdruckindizierung ermittelt, wird als Zündverzug bezeichnet und ist ein wesentliches Merkmal der dieselmotorischen Verbrennung (Bild 3-8). Beim Zündverzug wird zwischen einem physikalisch und einem chemisch bedingten Anteil unterschieden. Der physikalische Zündverzug umfasst die oben beschriebenen Vorgänge des primären und sekundären Strahlzerfalls, die Verdampfung des Kraftstoffes sowie die Abläufe zur Erzeugung eines reaktionsfähigen Luft/Kraftstoffgemisches. Der chemische Zündverzug beschreibt jene Zeitspanne, in der sich in einer Vorreaktion die Zündradikale (z. B. OH) bilden. Moderne, hoch aufgeladene Dieselmotoren, die mit Einspritzdrücken bis 2000 bar arbeiten, weisen Zündverzüge zwischen 0,3 und 0,8 Millisekunden auf. Bei Saugmotoren mit entsprechend niedrigeren Einspritzdrücken liegt er zwischen 1 und 1,5 Millisekunden. In die komplexe Berechnung des Zündverzuges gehen neben der Cetanzahl auch Größen ein, welche die Temperatur bei Spritzbeginn (Verdichtungsverhältnis, Ansauglufttemperatur, Einspritzeitpunkt) sowie den Zustand der Luft im Zylinder (Ladedruck, Luftdrall, Quetschströmung, Kolbengeschwindigkeit) beschreiben. Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche empirische Formeln zur Beschreibung des Zündverzuges entwickelt [3-8 bis 3-10]. Das erste Zünden des aufbereiteten Kraftstoffes ereignet sich üblicherweise am Strahlrand im Lee (niedriger Luftein-
75
trag) des Einspritzstrahles. In diesem Bereich der Diffusionszone treten deutlich geringere O-Gradienten, d. h. geringere Inhomogenitäten der Gemischzusammensetzung als auf der Luv-Seite oder an der Strahlspitze auf. Dadurch sind hier auch höhere Temperaturen als in Zonen mit hohem O-Gradienten möglich. Eine Zündung im Nahbereich der Einspritzdüse ist deshalb nicht möglich, weil hier, wie oben beschrieben, ein kompakter Kraftstoffstrahl vorherrscht.
3.1.4
Verbrennung und Brennverlauf
Ein wesentliches Merkmal des Dieselmotors besteht darin, dass die Verbrennung und damit die Energieumsetzung durch den Zeitpunkt und die Art der Kraftstoffeinbringung in den Brennraum (rate shaping) gesteuert werden kann. Dies wirkt sich vorteilhaft auf den Wirkungsgrad aus, ist aber auch für den Zielkonflikt zwischen Partikelemission (Particulate Matter PM) und Stickstoffoxid (NOX) einerseits sowie Kraftstoffverbrauch und NOX andererseits, verantwortlich. Der Brennverlauf kann um so mehr durch die Einspritzrate geformt werden, je weniger Kraftstoff in flüssiger Form auf die Brennraumwände gelangt und je besser es gelingt, den flüssigen Kraftstoff in der Verbrennungsluft zu halten und entsprechend schnell zu verdampfen. Dabei spielen Strahleindringgeschwindigkeit und Verdampfungsgeschwindigkeit eine wichtige Rolle. Mit elektronisch betätigten Steuerelementen evtl. noch kombiniert mit Speichereinspritzsystemen
Bild 3-8 Zündverzug bei einem Dieselmotor mit Direkteinspritzung. 1 Förderbeginn, 2 Einspritzbeginn, 3 Zündbeginn, 4 Einspritzende, 5 Zündverzug
76 3 Die dieselmotorische Verbrennung
Bild 3-9 Schematische Darstellung möglicher Einspritzverläufe bei Mehr‑ facheinspritzung [3‑11]
(Common Rail Systeme mit Last- und Drehzahl abhängigem Einspritzdruck) lassen sich Einspritzverlaufsformung, Mehrfachvoreinspritzungen und/oder der Mehrfachnacheinspritzungen realisieren (Bild 3-9). Die Weiterentwicklung vom Elektromagnetventil zum Piezo-Injektor bietet neben einer erhöhten Schaltfrequenz grundsätzlich die Möglichkeit einer
definierten Wegvorgabe des Schaltelementes (variable Drossel). Dabei ist allerdings darauf zu achten, dass eine Drosselung im Nadelsitz vermieden wird, da die Gemischbildung von einem hohen Druck im Spritzloch profitiert (s. Kap. 5). Wie oben gezeigt, weisen moderne Dieselmotoren mit direkter Einspritzung einen sehr kurzen Zündverzug im Bereich von 0,3 bis 0,5 ms bei Volllast und 0,6 bis 0,8 ms bei niedriger Teillast auf. Da die Spritzdauer also in einem weiten Lastbereich länger als der Zündverzug ist, wird nur ein kleiner Teil des Kraftstoffes vor Zündbeginn eingespritzt. Dieser Kraftstoffanteil ist sehr gut mit der Verbrennungsluft vermischt und weist hohe λ‑Werte sowie einen niedrigen λ-Gradienten auf. Dadurch wird in diesen Gemischbereichen zwar die Bildung von Rußpartikeln vermieden, aber es entsteht in dieser Phase der Verbrennung, der sog. „vorgemischten Flamme“, ein wesentlicher Teil der innermotorisch nicht mehr abzusenkenden Stickstoffoxide. Außerdem werden durch den Anteil der „vorgemischten Flamme“ das Verbrennungsgeräusch und der Kraftstoffverbrauch beeinflusst. Ein großer Anteil an „vorgemischter Flamme“ (Gleichraumverbrennung) erhöht das Geräusch, kommt aber dem Verbrauch zugute (Bild 3-10). Der überwiegende Teil des Kraftstoffes wird während der bereits laufenden Verbrennung eingespritzt. In dieser sog.
Bild 3-10 Brennverlauf und Verbren‑ nungsgeräusch mit und ohne Voreinspritzung [3‑12]
3.1 Gemischbildung und Verbrennung 77 „Diffusionsflamme“ (Gleichdruckverbrennung) wird aufgrund der lokal niedrigen λ-Werte wenig NOX aber viel Ruß gebildet. Ein Schwerpunkt moderner Dieselmotorentechnik gilt somit der innermotorischen Rußoxidation. Es herrschen gute Randbedingungen für diese Oxidation, da bei ausreichend hohen Temperaturen kleine, noch nicht koagulierte Partikel mit großer Oberfläche vorliegen. Die notwendige Turbulenz kann z. B. durch eine hohe Strahlkinetik aufgrund hoher Einspritzdrücke bereitgestellt werden. Ferner sind „Nacheinspritzungen“ (Post Injection) ein geeignetes Mittel zur Temperatur- und Turbulenzsteigerung und damit zur Rußabsenkung durch innermotorische Oxidation. Zur Vermeidung unerwünschter Wärmeverluste sollte die Energieumsetzung zu einem frühen Zeitpunkt abgeschlossen sein. Die zur Erfüllung künftiger Abgasstandards verstärkt erforderlichen Abgasnachbehandlungssysteme stellen aber besondere Anforderungen an Abgastemperatur und Abgaszusammensetzung. Somit kommt der Betrachtung des Gesamtsystems Motor/Nachbehandlung immer mehr Bedeutung zu. Die Motorkomponenten werden zunehmend mit immer mehr variablen Bestandteilen versehen. Prinzipiell sind durch voll flexible Einspritzsysteme, variable Ventilsteuerzeiten, variabler Drall, variable Turbinengeometrie, variable Verdichtung und/oder Steuerung der Kühlmitteltemperatur viele Parameter zur Optimierung des Verbrennungsablaufes an unterschiedliche Anforderungen gegeben. Der Sensorik und Aktorik, dem Motormanagement kommt dabei immer mehr Bedeutung zu. Bezieht man die Nachbehandlungssysteme in die Betrachtung ein, sind im Instationärbetrieb des Motors selbst geregelte Systeme meist zu langsam. „Model Based Closed Loop Control Strategies“ werden mehr und mehr notwendig und sind zielführend.
3.1.5
Schadstoffbildung
Grundsätzlich kann das Luft/Kraftstoffgemisch in einem relativ weiten Lambda-Bereich von 1,5 > λ > 0,5 entflammt werden. Die günstigsten Zündbedingungen sind allerdings am Strahlrand vorhanden. Während die Temperatur im Strahlkern niedrig ist (Kraftstofftemperatur), herrschen am Strahlrand nahezu die Temperaturen der komprimierten Luft. Das Gemisch beginnt somit am Strahlrand im eher mageren Bereich zu entflammen. In Zonen um λ = 1,1 entwickeln sich die höchsten Verbrennungstemperaturen (s. Bild 3-1). Da neben Sauerstoff auch Stickstoff vorhanden ist, sind dies die bevorzugten Bereiche der Stickstoffoxidbildung. Bild 3-11 verdeutlicht, dass Stickstoffoxide im mageren Gemischbereichen bei Temperaturen über 2000 K gebildet werden. Die Bildung des von Zeldovich beschriebenen ther-
Bild 3-11 Lambda- und Temperaturbereiche der NOX- und Rußentstehung (φ = 1/λ)
mischen Stickstoffmonoxides hängt neben dem lokalen Luftverhältnis auch von der Verweilzeit ab und steigt expotentiell mit der lokalen Temperatur. Entlang des sich nach außen ausdünnenden Gemisches gibt es derart magere Bereiche, in denen das Gemisch trotz steigender Temperatur infolge der Verbrennung nicht entflammt werden kann. In dieser sog. „mageren Flammaußenzone“ entstehen die unverbrannten Kohlenwasserstoffe. Die Rußpartikel entstehen in fetten Gemischzonen und Temperaturen über 1600 K. Diese hohen Temperaturen treten erst nach Zündeinleitung auf. Die fetten Bereiche finden sich vorzugsweise im Strahlkern oder im Staubereich des Kraftstoffstrahles im Bereich der Muldenwand. Damit allerdings überhaupt Ruß entstehen kann, muss der Kraftstoff in Dampfform vorliegen. Die Größe der Kraftstofftropfen hat somit keinen direkten Einfluss auf die Größenverteilung der emittierten Partikel. In der Zündverzugsphase hat der Strahl Zeit, sich bei Temperaturen unter der Rußbildungstemperatur auszubreiten, auszudünnen und die fetten Bereiche zu vermindern. Ein langer Zündverzug ist also prinzipiell günstig für eine niedrige Rußbildungsrate. Durch das beschriebene Ausdünnen des Gemisches entstehen aber auch große λ-Bereiche in denen Stickstoffmonoxid gebildet wird (vorgemischte Flamme). Auch werden die mageren Flammaußenbereiche vergrößert, in denen unverbrannte Kohlenwasserstoffe entstehen. Da der Kraftstoff in einer vorgemischten Flamme sehr
78
3 Die dieselmotorische Verbrennung
erforderlichen Verweilzeit müssen nun die Partikel in einem Filter, dem sog. DPF (Diesel Partikel Filter) zurückgehalten werden. Da trotzdem in weiten Betriebsbereichen des Dieselmotors keine ausreichende Temperatur garantiert werden kann, sind Zusatzmaßnahmen zur Erzielung der Entflammungstemperatur der Rußpartikel im DPF notwendig.
Bild 3-12 NOX- und Rußkonzentrationen im Brennraum als Funktion der Kolbenstellung in °KW
schnell verbrennt, wird durch einen langen Zündverzug auch das Verbrennungsgeräusch negativ beeinflusst. Bei modernen Brennverfahren wird deshalb eher ein kurzer Zündverzug angestrebt. In Bild 3-12 ist schematisch der Einspritzvorgang über der Zeit als Rechteck dargestellt. Nach dem Zündverzug beginnt die Wärmefreisetzung mit einem durch die vorgemischte Flamme bestimmten, mehr oder weniger steilen Gradienten. Die zweite Phase der Energieumsetzung erfolgt, durch die Diffusionsverbrennung gesteuert, wesentlich langsamer. Es ist zu erkennen, dass die Stickstoffoxide in der ersten Phase der Verbrennung entstehen und über der Zeit nur eine vernachlässigbar geringe Reduktion durch kurzzeitig vorhandenen Wasserstoff oder durch Kohlenmonoxid auftritt. Auch die Bildung der Rußpartikel beginnt erst mit der Energieumsetzung, da das fette Gemisch entsprechend hohen Temperaturen ausgesetzt werden muss. Allerdings fällt auf, dass während der fortschreitenden Verbrennung die Rußkonzentration im Brennraum deutlich abnimmt. Bis zu ca. 95% des im Brennraum gebildeten Rußes werden in der Expansionsphase wieder oxidiert. Hohe Temperaturen und Turbulenzen unterstützen die Rußoxidation. Es wirkt sich zudem günstig aus, dass die Partikel noch klein sind, da sie erst mit der Zeit zu größeren Partikeln koagulieren. Mit fortschreitender Expansion werden die Bedingungen für die Rußoxidation ungünstiger, weil der Druck, die Temperatur, die Turbulenz sowie die Partikeloberfläche (infolge der Koagulation) abnehmen. Die zur Partikeloxidation erforderliche Zeit nimmt deshalb mit der Expansion zu. Im Auspuff sind die Oxidationsbedingungen so ungünstig geworden, dass keine nennenswerte Rußoxidation erfolgt. Zur Schaffung der
3.2
Konstruktive Merkmale
3.2.1
Gestaltung des Brennraumes
Hinsichtlich der konstruktiven Gestaltung des Brennraumes unterscheidet man zwischen Motoren mit nicht unterteiltem Brennraum, bei denen der Kraftstoff direkt in den Hauptbrennraum eingespritzt wird (direkte Einspritzung) und Motoren, die einen unterteilten Brennraum haben. Bei letzteren wird der Kraftstoff in eine Nebenkammer (Vorkammer oder Wirbelkammer) eingespritzt. Man spricht deshalb von „indirekter“ Einspritzung. Ein Teil des Kraftstoffes wird in der Nebenkammer verbrannt. Durch die Drucksteigerung werden verdampfter Kraftstoff und/oder teilweise oxidierte Kraftstoffbestandteile in den Hauptraum geblasen und mit der dort vorhandenen Luft weiter verbrannt. Die zur Erfassung des Hauptraumes erforderliche Energie wird also durch eine Teilverbrennung des Kraftstoffes erzeugt. Diese zweistufige Verbrennung bringt Vorteile im Verbrennungsgeräusch, hat aber aufgrund der langen Brenndauer und der erhöhten Wandwärmeverluste Nachteile im Kraftstoffverbrauch. Besonders im unteren Drehzahlbereich wird das Ausströmen der Gase aus der Nebenkammer durch die zwischenzeitlich im Hauptraum stattfindende Verbrennung und der damit hier verbundenen Drucksteigerung verlängert. Im oberen Drehzahlbereich wird die Brenndauer durch die Übertrittsquerschnitte von der Nebenkammer zum Hauptraum bestimmt. Hier ist ein Kompromiss zwischen dem zur Erfassung der Hauptraumluft erforderlichen Druck in der Kammer und der Brenndauer zu finden. Mit der Weiterentwicklung der Einspritztechnik zu höheren Einspritzdrücken, der Möglichkeit der Voreinspritzung und der Einspritzverlaufsformung wurden die Nebenkammermotoren zunehmend von dem verbrauchsgünstigeren Direkteinspritzer vom Markt verdrängt, weshalb auf Nebenkammer-Merkmale nicht mehr näher eingegangen wird. Das zur Verdampfung und Zündung des Kraftstoffes erforderliche hohe Verdichtungsverhältnis der Dieselmotoren (15 < H < 20; Großmotoren 12 < H < 16) ist nur mit einem kompakten und damit gleichzeitig hinsichtlich der Wandwärmeverluste günstigen Brennraum darstellbar. Dieselmotoren haben deshalb meist einen flachen Zylinderkopf mit parallel hängenden und zurückgesetzten Ven-
3.2 Konstruktive Merkmale tilen. Da der Spalt zwischen Zylinderkopf und Kolben möglichst klein gehalten wird (< 1 mm), wird der Brennraum von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung nahezu ausschließlich durch eine im Kolben befindliche Mulde gestaltet. Die der Kraftstoffverbrennung zur Verfügung stehende Luft ist also im Bereich des oberen Totpunktes überwiegend (80 bis 85%) in der Kolbenmulde konzentriert. Während der Kompression entsteht eine gerichtete Quetschströmung in die Mulde sowie nach Zündeinleitung und während der Expansion eine turbulente Strömung zurück in den Kolbenspalt. Beide Strömungen können durch Ausgestaltung der Kolbenmulde, insbesondere des Muldenrandes, beeinflusst werden. Sie unterstützen die Vermischung von Luft und Kraftstoff wesentlich. Mit „eingezogenen“ Mulden kann der Effekt verstärkt werden. Die Ränder dieser Kolbenmulden sind aber mechanisch und thermisch sehr hoch belastet. Eine weitere Möglichkeit die Gemischbildung zu unterstützen, ist durch den sog. Luftdrall gegeben. Diese überwiegend um die Zylinderachse drehende, als Festkörperrotation der Verbrennungsluft zu beschreibende Strömung, wird durch die Einlasskanalgestaltung, den Muldendurchmesser und den Hub des Motors beeinflusst und dient zur Erfassung der zwischen den Einspritzstrahlen liegenden Luftsektoren. Mit zunehmender Düsenlochzahl kann damit das erforderliche Drallniveau abgesenkt werden. Langhubige Motoren arbeiten mit höherer Kolbengeschwindigkeit, damit mit höherer Einströmgeschwindigkeit und kommen deshalb mit einem niedrigeren Drallniveau der Einlasskanäle aus. Mulden mit kleinem Durchmesser erhöhen den durch die Kanäle erzeugten Drall ebenso. Die Drall erzeugenden Einlasskanäle von Direkteinspritzern sind als Spiralkanäle oder Tangentenkanäle ausgeführt. Bei der Vierventiltechnik können beide Varianten
Bild 3-13 Brennraummulden von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung
79
eingesetzt oder auch mit einem Füllungskanal kombiniert werden. Die Gestaltung der Kolbenmulde ist immer in Kombination mit der Auslegung der Einspritzdüse sowie der Drehzahlspanne des Motors zu sehen. Dabei ist zu vermeiden, dass flüssiger Kraftstoff auf den Boden der Mulde gelangt. Motoren mit einer großen Drehzahlspanne arbeiten deshalb eher mit engen und tiefen Kolbenmulden (b bis d in Bild 3-13). Mit einer sehr stark eingezogenen Mulde wird eine hoch turbulente Strömung im Kolbenspalt erzeugt. Dadurch wird die Diffusionsverbrennung beschleunigt und die Brenndauer verkürzt. Die thermisch-mechanische Belastung des Muldenrandes setzt dieser Maßnahme Grenzen. Drallarme Nfz-Motoren weisen meist weite und flache Kolbenmulden auf (a in Bild 3-13).
3.2.2
Anordnung der Einspritzdüse
Die Einspritzdüse hat wesentlichen Einfluss auf Strahlzerfall, Tropfenbildung und Erfassung der Verbrennungsluft durch den Einspritzstrahl. Die Zweiventiltechnik bedingt durch die Anordnung der Gaswechselventile eine bzgl. des Zylinders und der Kolbenmulde außermittige Lage der Einspritzdüse. Im Hinblick auf eine optimale Lufterfassung sollten die exzentrisch angeordneten Düsen mit unterschiedlichen Lochdurchmessern und am Umfang unsymmetrischer Lochverteilung ausgeführt werden. Aus Kosten- und Fertigungsgründen wird darauf allerdings üblicherweise verzichtet. Da die Kraftstoffstrahlen ferner in gleicher Höhe auf die Muldenwand auftreffen sollen, sind die Löcher in einem bzgl. Düsenachse unterschiedlichen Winkel anzuordnen, d. h. die Lochkegelachse weicht von der Düsenachse ab. Dadurch werden die Strömungsverhältnisse in der Düse enorm beeinträchtigt und trotz großer Anstrengungen im Bereich
80
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Düsenauslegung und Düsenfertigung sind die Eigenschaften der einzelnen Strahlen sehr unterschiedlich. Der Einsatz der Vierventiltechnik ermöglicht eine bzgl. des Zylinders mittige Anordnung der Düse und damit symmetrische Verhältnisse für die Kraftstoffstrahlen, was der Gemischbildung und damit den charakteristischen Motorkennwerten Verbrauch, Verbrennungsgeräusch und Emissionen zugute kommt und eine Optimierung der teilweise gegenläufigen Einflüsse erleichtert. Düsenüberstand und Lochkegelwinkel bestimmen zusammen mit dem Einspritzzeitpunkt und der Strahlgeschwindigkeit den Auftreffpunkt der Kraftstoffstrahlen auf den Muldenrand (Bild 3-14). Dieser Auftreffpunkt sollte möglichst hoch liegen. Bei der Auslegung ist darauf zu achten, dass eine evtl. vorliegende Quetschströmung den Auftreffpunkt drehzahlabhängig beeinflusst und dass die zunehmende Luftdichte die Strahlausbreitung behindert. Bild 3-15 zeigt die Möglichkeit einer zentralen Düsenanordnung bei 4-Ventiltechnik, sowie die Anordnung einer als Kaltstarthilfe erforderlichen Glühkerze.
3.2.3
stoffoxide zu vermeiden, können sie wirkungsvoll erst durch eine Abgasnachbehandlung reduziert werden. Dabei ist zu beachten, dass aufgrund des stets herrschenden Luftüberschusses die vom Ottomotor bekannte und bewährte Technologie des Dreiwege-Katalysators nicht einsetzbar ist. Da das nach dem Zeldovich-Mechanismus – auch thermischer NO-Mechanismus genannt – entstehende Stickstoffmonoxid sehr schnell gebildet wird („Prompt NO“) und bei heterogener Gemischbildung die für eine NO-Bildung günstigen, lokal vorherrschenden O-Zonen nicht vermieden werden können, bietet die Absenkung der Verbrennungstemperatur einen technisch wirkungsvollen Lösungsansatz zur Verringerung der NO-Bildung. Die bekannteste Methode zur Temperaturabsenkung ist die beim Pkw-Dieselmotor seit längerem eingesetzte Abgasrückführung (AGR). Im Wesentlichen wirkt sich dabei die erhöhte Wärmekapazität der inerten Verbrennungsprodukte Wasserdampf und Kohlendioxid auf die lokale Temperatur aus. Die gekühlte AGR ist besonders effektiv und vermindert die negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch, belastet aber den Wärmehaushalt des Fahrzeugküh-
Abgasrückführung, Verbrennungstemperatursenkung
Wie in Abschn. 3.1.1.5 gezeigt, wird das erst einmal gebildete, sehr reaktionsträge Stickstoffmonoxid in der Expansionsphase kaum rückgebildet. Auch das zusätzliche Einbringen von Wasserstoff, Kohlenmonoxid oder Kohlenwasserstoffen ist wenig effektiv. Gelingt es nicht, die Entstehung der Stick-
Bild 3-14 Strahlausbreitung und deren Einflussfaktoren [3-13]
Bild 3-15 Anordnung einer zentralen Einspritzdüse bei 4-Ventiltechnik
3.2 Konstruktive Merkmale 81 lers. In manchen Lastbereichen kann deshalb die mögliche AGR-Rate durch die Kühlleistung des Fahrzeugkühlers begrenzt werden. Die Kühler sind aufgrund der aggressiven Abgase aus Edelstahl auszuführen. Aufgeladene Dieselmotoren bieten sich für die AGR besonders an, da der Abgastransport vom Abgasstrang in den Ansaugtrakt erleichtert wird. Wird das Abgas vor der Turbine entnommen und nach Ladeluftkühler der Luft zugeführt, spricht man von einer „hochdruckseitigen AGR“ (short way EGR). Bei der „niederdruckseitigen AGR“ wird das Abgas nach der Turbine bzw. nach dem Dieselpartikelfilter (DPF) entnommen und vor dem Verdichter der Ansaugluft zugeführt (long way EGR). Diese Anordnung belastet Verdichter und Ladeluftkühler, ist hinsichtlich des Wirkungsgrades ungünstiger, hat aber Vorteile bezüglich der Vermischung des Abgases mit der Verbrennungsluft sowie hinsichtlich der Gleichverteilung auf die Zylinder. In allen Fällen wird die Rückführrate über ein pneumatisch, hydraulisch oder elektromagnetisch betätigtes AGR-Ventil geregelt. Da durch das zugeführte Abgas üblicherweise Anteile der Verbrennungsluft ersetzt werden, spricht man von einer „replaced EGR“. Bei dieser Art der AGR wird also das Luft/Kraftstoffverhältnis verringert. Soll trotz AGR das Luft/Kraftstoffverhältnis konstant gehalten werden, bedingt dies einen erhöhten Ladedruck. In diesem Fall spricht man von einer „additional EGR“. Turbolader mit einer variablen Turbinengeometrie eignen sich besonders für die AGR, da in weiten Lastbereichen das zum Abgastransport erforderliche Druckgefälle eingestellt werden kann und sogar eine „additional EGR“ möglich ist. Für den AGR-Transport ist es notwendig erheblich aufzustauen, womit der Druck in der Turbine häufig nicht mehr völlig abgebaut werden kann. Das verbleibende Restdruckgefälle kann dann über eine nachgeschaltete zweite Turbine genutzt werden. Diese ist entweder mit einem zweiten Verdichter (zweistufige Aufladung) verbunden, oder sie gibt ihre Energie an die Kurbelwelle (Turbo Compound, TC) ab. Eine weitere Möglichkeit des Abgastransportes ist durch die Nutzung der Auslassdruckspitzen gegeben. Die Druckspitzen überdrücken ein Rückschlagventil (Reed Valve) wodurch kurzzeitig eine Verbindung zwischen Abgaskrümmer und Saugrohr frei gegeben wird. Eine einfache Methode die Verbrennungstemperatur abzusenken, ist durch die Wahl eines späten Einspritzbeginnes gegeben, da die durch die Verbrennung bedingte Druck- und damit Temperatursteigerung einer Druckminderung durch die Expansion entgegensteht. Dieser Effekt wirkt sich allerdings negativ auf die Rußoxidation und den Wirkungsgrad des Motors aus. Die Verbrennungstemperatur kann auch durch den sog. Miller-Cycle abgesenkt werden. Durch frühen „Einlass-
Schluss“ wird ein Teil des Ansaugtaktes zur Expansion der angesaugten Luft verwendet, wodurch deren Temperatur abgesenkt wird und die Verbrennung auf niedrigerem Temperaturniveau abläuft. Diese Technik wird vor allem für den Einsatz bei Großdieselmotoren untersucht. Im Teillastbereich ist diese Technologie durchaus zielführend, zumal auch noch das λ abgesenkt wird. Ein Nachteil dieses Konzeptes ist, dass durch den frühen „Einlass-Schluss“ der Liefergrad und damit die Leistung beeinträchtigt wird. Dies muss dann durch laderseitige Maßnahmen kompensiert werden. Die Einspritzung von Wasser ist ebenso ein Mittel zur Absenkung der Verbrennungstemperatur. Dabei zeigt die Wassereinbringung in das Saugrohr den geringsten Effekt und hat außerdem den Nachteil einer Ölverdünnung. Besser geeignet ist die Wassereinspritzung in den Brennraum über eine separate Düse, wobei deren Kühlung nicht unproblematisch ist. Die effektivste, aber auch aufwendigste Methode ist mit einer „Zweistoffdüse“ gegeben. Hier wird während der Spritzpause über eine Dosierpumpe Wasser in die Einspritzdüse eingelagert. Dabei wird das Wasser so platziert, dass zunächst Dieselkraftstoff, dann Wasser und schließlich wieder Diesel in den Brennraum eingebracht werden kann. Dies hat den großen Vorteil, dass Zündverzug und Brenn ende nicht verlängert werden und das Wasser zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle zur Temperaturabsenkung zur Verfügung steht. In dieser Hinsicht weniger geeignet ist die Wassereinbringung in Form einer Diesel-/Wasseremulsion. In allen Fällen ist jedoch die Bereitstellung des Wassers problematisch.
3.2.4
Auswirkung der Aufladung
Wie in Bild 3-16 gezeigt, kann mit einer Abgasrückführung die Stickstoffoxidemission deutlich reduziert werden. Mit der sog. „replaced EGR“ sinkt allerdings das Luftverhältnis λ deutlich ab. Auf Grund der schlechteren Oxidationsbedingungen für den Ruß hat dies einen Anstieg der Partikel zur Folge. Bei identischem Luftverhältnis λ, also mit der sog. „additional EGR“ können die ursprünglichen Partikelwerte nahezu erreicht werden. Bei gleichem Spritzbeginn betrachtet, wird dabei die NOX-Emission nur geringfügig erhöht. Die „additional EGR“ stellt allerdings hohe Anforderungen an Aufladetechnik, Wärmehaushalt und zulässigen Spitzendruck des Motors. Da der Luftdurchsatz des Hubkolbenmotors und der Strömungsmaschine Turbolader über der Drehzahl unterschiedliche Schluckliniencharakteristika aufweisen, sind die Turbinenquerschnitte entweder im unteren Drehzahlbereich zu groß oder im oberen zu klein dimensioniert. Ein schnelles Ansprechverhalten des Laders erfordert ein auf niedrige
82
3 Die dieselmotorische Verbrennung
Bild 3-16 Einfluss der AGR-Rate und des Luft/Kraftstoff- Verhältnisses auf die NOX- und Rußemission eines direkt einspritzenden Dieselmotors
Massenströme ausgelegte Turbine, wodurch sie im oberen Drehzahlbereich verstopft, was den Gaswechselwirkungsgrad verschlechtert und die innere Abgasrückführung erhöht. Dieses Problem kann durch ein druckgeregeltes Abblasventil zu Lasten einer optimalen Abgasenergienutzung gelöst werden. Eine Turbine mit „variabler Turbinengeometrie“ oder eine Registeraufladung sind diesbezüglich die besseren Alternativen [3-14]. Die Aufladung hilft aber nicht nur den Zielkonflikt NOX/ PM zu entspannen, sie ist auch zur Erhöhung der Leistungsdichte und zur Anpassung des Drehmomentverhaltens eines Motors von enormer Bedeutung. Moderne Dieselmotorenkonzepte in Europa beinhalten deshalb bereits die zweistufige Aufladung mit Zwischenkühlung der Ladeluft.
3.3
Alternative Verbrennungsverfahren
Wie oben beschrieben, ist der Zielkonflikt zwischen PM und NOX, aber auch zwischen NOX und Verbrauch durch die heterogene Gemischbildung des Dieselmotors bedingt. Es wird auch gezeigt, dass im heterogenen Gemisch eines konventionellen Dieselmotors immer Temperatur- und O-Bereiche vorliegen, in denen sowohl Stickstoffoxide als auch Partikel entstehen können. Da im Gegensatz zu den im Brennraum entstandenen Partikeln die einmal gebildeten Stickstoffoxide innermotorisch nicht mehr verringert werden können, zielen moderne Verbrennungsverfahren darauf ab, Stickstoffoxide erst gar nicht entstehen zu lassen, indem die Temperatur abgesenkt wird (später Spritzbeginn, AGR, Miller, Wassereinspritzung). Geht die jeweilige Maßnahme zu Lasten der Rußbildung, müssen verstärkt Methoden zur Rußoxidation (hoher Einspitzdruck, Nacheinspritzung, Aufladung) angewandt werden.
Ein guter Ansatz ist auch durch den eingesetzten Kraftstoff selbst gegeben. Da Aromaten die ringförmige Grundstruktur der Rußpartikel aufweisen und damit als deren Vorläufer zu betrachten sind, tragen aromatenfreie Kraftstoffe zur Entspannung des Zielkonfliktes NOX/PM bei. Die mittels Fischer-Tropsch aus Methan (Erdgas) hergestellten GtLKraftstoffe (Gas to Liquid) bestehen ausschließlich aus Paraffinen und sind somit ideale Dieselkraftstoffe, s. Kapitel 4. Sauerstoffhaltige Kraftstoffe wie Methanol oder Dimethylether (DME) bilden auf Grund der in ihren Molekülen vorhandenen Sauerstoffatome keinen Ruß, sind aber wegen ihrer geringen Zündneigung (Methanol) oder ihres Dampfdruckes (DME) weniger für konventionelle Dieseleinspritzung geeignet. Rapsöl-Methylester (RME) wird von den Motorenherstellern bedingt zugelassen, wobei die Ölwechselintervalle deutlich kürzer sind. Aufgrund der am Markt sehr unterschiedlichen Qualität des RME ergeben sich auch Unterschiede in der die Gemischbildung beeinflussenden Viskosität. Deshalb befürworten die meisten Motorhersteller eher eine unproblematische Zumischung von RME bis zu 5% zum konventionellen Dieselkraftstoff. Gepresstes Rapsöl (ohne Umwandlung zu Methylester) wird von den Motorherstellern sehr kritisch gesehen, da es zu Problemen im Einspritzsystem führt und als Folge Motorschäden auftreten können. Da bei RME nur die Frucht der Pflanze genutzt wird, zielen neueste Ansätze bei der Nutzung von Biomasse auf die Verwertung der kompletten Pflanzen. Dabei wird die Biomasse vergast. Das Gas kann vorzugsweise in stationären Anlagen genutzt, oder für den mobilen Einsatz (wie oben am Beispiel GTL gezeigt) in einem weiteren Schritt verflüssigt werden. Bei alternativen Brennverfahren wird versucht die Verbrennungstemperatur abzusenken und die kritischen OBereiche um 1,3 > O > 1,1 (NOX-Bildung) oder 0 < O < 0,5 (Rußbildung) völlig zu vermeiden. Ziel ist, den Motor wesentlich magerer, homogen und bei niedrigen Temperaturen zu betreiben. Die für eine ausreichende Homogenisierung stets erforderliche Zeit soll bei den meisten Ansätzen durch eine Verlängerung der Zündverzugsphase erreicht werden. Der konventionellen Dieselgemischbildung am nächsten kommt dabei das HCLI-System (Homogeneous Charge Late Injection). Das Verfahren arbeitet mit einem etwas früheren Einspritzzeitpunkt als konventionelle Dieselmotoren und damit einem längeren Zündverzug. Dadurch soll die Zeit zur Verringerung der fetten Bereiche verlängert und der Anteil der mageren Gemischbereiche vergrößert werden. Zur Vermeidung von Frühzündungen benötigt das Verfahren sehr hohe AGR-Raten in der Größenordnung von 50 bis
3.3 Alternative Verbrennungsverfahren 83 80% und ist deshalb wohl nur im Teillastbereich anwendbar. Ebenfalls mit einem langen Zündverzug, allerdings moderaten Abgasrückführraten, arbeitet das HPLI-Verfahren (Highly Premixed Late Injection). Wie der Name schon sagt, wird der lange Zündverzug durch eine extrem späte, deutlich nach OT liegende Einspritzung, erreicht. Das Verfahren hat Verbrauchsnachteile und der fahrbare Kennfeldbereich ist durch die Abgastemperatur begrenzt. Bei dem „Dilution Controlled Combustion System“ (DCCS) soll bei konventionellen Einspritzzeitpunkten mittels AGR-Raten > 80% die Temperatur unter die NOX- und Rußbildungstemperatur abgesenkt werden. Beim klassischen HCCI-System (Homogeneous Charge Compression Ignition) wird der Homogenisierung entscheidende Bedeutung zur Absenkung von NOX und Ruß beigemessen. Man gibt dem Gemisch sehr viel Zeit für die Homogenisierung und spritzt deshalb sehr früh im Verdichtungstakt ein (90° bis 140 ° KW vor OT), oder man arbeitet sogar mit äußerer Gemischbildung. Dabei können Probleme durch Schmierölverdünnung infolge schlecht verdampften Dieselkraftstoffs entstehen. Die Verbrennung wird eingeleitet, wenn durch die Kompression des Gemisches die erforderliche Zündtemperatur erreicht wird. Der Beherrschung des thermodynamisch richtigen Zündzeitpunktes sowie des Verbrennungsablaufes unter den unterschiedlichen Randbedingungen kommt diesem, dem konventionellen Ottoprinzip nah verwandten, Konzept eine wesentliche Bedeutung zu. Das Verfahren erfordert zur Vermeidung von Frühzündungen eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses auf 12:1 < ε < 14:1 und die Verwendung hoher AGR-Raten (40 bis 80%). Die hohen Abgasrückführraten werden teilweise durch Einsatz eines Ventiltriebs mit variablen Ventilsteuerzeiten dargestellt. Mit diesen Ventiltrieben ist auch das Millerverfahren möglich, mit dem, wie oben gezeigt, die Gemischtemperatur abgesenkt werden kann. Trotzdem ist der Grat zwischen klopfender Verbrennung, Frühzündung und Zündaussetzern sehr schmal. Letzteres erfordert bei extremer Teillast zusätzlich zur AGR eine Drosselung der Ansaugluft. Auch dieses Verfahren ist wegen dieser Einschränkungen nur im unteren und mittleren Lastbereich möglich. Die bei den oben vorgestellten Verfahren bevorzugten bzw. angestrebten Lambda- und Temperaturbereiche sind in Bild 3-17 dargestellt. Den größten fahrbaren λ-Bereich und die niedrigsten Temperaturen werden mit dem DCCS-Verfahren erreicht. Den kleinsten fahrbaren λ-Bereich bietet das HCCI-Konzept. Im untersten Lastbereich ist zusätzlich zur AGR eine Drosselung der Ansaugluft erforderlich. Ob sich eines dieser Verfahren durchsetzen kann, wird neben dem fahrbaren Lastbereich und dem erforderlichen Airma-
Bild 3-17 Betriebsbereiche konkret ausgeführter alternativer Brennver fahren
nagement auch davon abhängen, wie der Kompromiss der Motorkennwerte bei Volllast und Teillast gelingen wird. Handelt man sich bei diesen vorwiegend auf den Teillast bereich ausgelegten Verfahren zu große Nachteile im Volllastbereich ein, werden die Chancen für eine Umsetzung geringer. Die Hoffnung, durch Anpassung des Kraftstoffes an die geänderten Randbedingungen eine bessere Homogenisierung und eine exaktere Beherrschung des Zündzeitpunktes zu erreichen, dürfte nur schwer zu erfüllen sein. Vielstoffmotoren stellen hinsichtlich Klopffestigkeit (Oktanzahl OZ) oder Zündwilligkeit (Cetanzahl CZ) keinerlei Anforderungen an den Kraftstoff und sollen deshalb Benzin (Ottokraftstoff) und Dieselkraftstoff gleichermaßen vertragen. Wie in Abschn. 3.1.1 gezeigt, benötigen zündunwillige Ottokraftstoffe eine externe Zündquelle in Form einer Zündkerze. Zündwillige Kraftstoffe kommen zwar ohne fremde Zündquelle aus, dürfen aber, um Frühzündungen zu vermeiden, erst sehr spät in den Brennraum eingebracht werden. Sie benötigen also eine späte innere Gemischbildung. Auf diese könnte wiederum eine lediglich mit Benzin betriebene Maschine verzichten. Sollen also beide Kraftstoffarten in einem Motor, dem sog. Vielstoffmotor, gefahren werden können, ist eine innere Gemisch bildung mit später Einspritzung und zusätzlicher Fremdzündung erforderlich. Die Anwendung solcher Verfahren beschränkt sich meist auf Nischenprodukte (z. B. militärische Fahrzeuge).
84 3 Die dieselmotorische Verbrennung
3.4 Prozesssimulation von Einspritzverlauf und Brennverlauf Berechnungsprogramme zur Simulation der Prozessführung in Verbrennungsmotoren sind inzwischen neben dem Experiment unverzichtbare Werkzeuge bei der Optimierung der häufig gegenläufigen Motorkenngrößen geworden [3-15]. Mit Einsatz der Prozesssimulation lassen sich die Entwicklungszeiten deutlich verringern und die Versuchsläufe auf die Feinoptimierung der Prozesse reduzieren. Mit den heute bereitstehenden Werkzeugen lassen sich aber nicht nur Sensitivitätsstudien mit Trendaussagen durchführen, sondern in Teilbereichen sind auch detaillierte quantitative Aussagen möglich. Dabei sind phänomenologische Ansätze gleichermaßen hilfreich wie die 3D‑Simulation. Dazu ist es erforderlich, den gesamten Prozess der motorischen Verbrennung von der Einlassströmung und Einspritzung über Verdampfung, Gemischbildung und Verbrennung bis zur Bildung und Emission der Schadstoffe zu beschreiben. Das äußerst komplexe thermodynamische System der heterogenen (dieselmotorischen) Verbrennung lässt sich dabei nur durch Aufteilung in Teilprozesse beherrschen. Für die Modellierung stehen verschiedene Simulationsplattformen zur Verfügung, die als kommerzielle CFD-Software (Computational Fluid Dynamics) angeboten werden. Bekannte Programme sind u. a. „FLUENT“, „STAR CD“, oder „FIRE“. Für die Ladungswechselberechnung wird auch das Programmsystem „PROMO“ eingesetzt. Für Parameterstudien finden häufig sog. „nulldimensionale phänomenologische Modelle“ Anwendung. Als Basis der 3D-Modellierung zur Optimierung von Brennverfahren dienen interaktive Berechnungsnetze, die sich an den konkreten Geometrien der Kanäle und des Brennraumes orientieren. Die numerische Lösung der Grundgleichungen für die Strömungsprozesse erfolgt mit Hilfe mathematischer Verfahren und ermöglicht eine detailgetreue Darstellung der Ansaug- und Verdichtungsphase unter Berücksichtigung der Kolben- und Ventilbewegung. Grundlage für die Beschreibung des Verbrennungsprozesses ist die CFD-Modellierung der Kraftstoffstrahlausbreitung, des Strahlzerfalles und der Tropfenbildung, der Tropfenverdampfung, der Vermischung des Dampfes mit der Verbrennungsluft, der Zündeinleitung und Verbrennung sowie der Schadstoffbildung und deren innermotorische Verringerung. Das heute allgemein übliche Verfahren zur Beschreibung von Einspritzstrahlen basiert auf der statistischen Mechanik, dem sog. „Diskrete-Tropfen-Modell“, das auch in die oben erwähnte Software integriert ist. Dabei wird die Dynamik der Wahrscheinlichkeitsverteilung eines Vielteilchensystems beschrieben, bei dem jedes Teilchen einem kontinuierlichen Veränderungsprozess (bei Tropfen z. B. Verdampfung und
Abbremsung, aber auch Stöße oder Zerfalls- und Koagula tionsvorgänge) unterworfen ist. Für die Beschreibung der Selbstzündungsreaktionen in der Gasphase kommt ein einfacher chemischer Reaktionsmechanismus zur Anwendung, bei dem chemische Spezies, die gleiches oder ähnliches Verhalten aufweisen, zu sog. „generischen Spezies“ zusammengefasst werden [3-16]. Dadurch lässt sich die Zahl der erforderlichen Berechnungsschritte im mehrdimensionalen Rechenprogramm deutlich reduzieren. Die Simulation des Verbrennungsprozesses baut auf den Modellrechnungen für die Gemischbildung auf, da diese die Verbrennung und die Schadstoffbildung wesentlich beeinflussen. Numerische Modellrechnungen bergen aber die Gefahr, dass die Modellparameter mit der Numerik interagieren und somit falsche Ergebnisse entstehen können. Diese Erfahrung machte man z. B. mit den Strahlmodellen und deren Einsatz bei Einspritzsystemen, die einen immer höheren Einspritzdruck ermöglichten. Die CFD-Software abstrahiert die reale Geometrie als Netzstruktur, wobei die 3D-Rechnung oft nicht in der Lage ist, Mikrogeometrien, wie sie beispielsweise in Düsenlöcher auftreten, mit ausreichender Auflösung dieser Netzstruktur zu beschreiben bzw. die relevanten Zahlgrößen mit Netzstellen entsprechend darzustellen [3-17]. Allerdings ist es aus verschiedenen Gründen nicht möglich, die Netzstruktur an der Düse beliebig zu verfeinern. Es besteht daher noch immer Bedarf, die Ergebnisse aus der Modellrechnung abzugleichen und anhand belastbarer Messergebnisse zu überprüfen. Für die Hochtemperaturphase der Verbrennung, in der der Kraftstoff mit dem Sauerstoff der Verbrennungsluft zu Kohlendioxid und Wasser oxidiert, bedient man sich des Modells der „einstufigen Globalreaktion“, wobei man von der Annahme ausgeht, dass dieser Oxidationsprozess wesentlich schneller als der Gemischbildungsprozess zwischen Luft und verdampftem Kraftstoff abläuft. Auch für die Rußbildung bestehen Modelle, bei denen die Teilprozesse der Keimbildung, der Koagulation, aber auch der Oxidation berücksichtigt werden. Die Stickstoffoxidbildung wird mit Hilfe des Zeldovich-Mechanismus beschrieben. Da die thermische NO-Bildung wesentlich langsamer als die Oxidationsreaktionen in der Flamme abläuft, kann sie losgelöst von den eigentlichen Verbrennungsreaktionen betrachtet werden.
3 Literatur 85
Literatur 3-1 Schmidt, E.: Thermodynamische und versuchsmäßige Grundlagen der Verbrennungsmotoren, Gasturbinen, Strahlantriebe und Raketen. Berlin/Heidelberg/New York: Springer 1967 3-2 Krieger, K.: Dieseleinspritztechnik für PKW-Motoren. MTZ 60 (1999) 5, 308 3-3 Naber, D. et al.: Die neuen Common-Rail-Dieselmotoren mit Direkteinspritzung in der modellgepflegten E-Klasse. Teil 2: MTZ 60 (1999) 9 3-4 Binder, K.: Einfluss des Einspritzdruckes auf Strahlausbreitung, Gemischbildung und Motorkennwerte eines direkteinspritzenden Dieselmotors. Diss. TU München 1992 3-5 Wakuri et al.: Studies on the Fuel Spray Combustion Characteristics in a Diesel Engine by Aid of Photographic Visualisation. ASME ICE-Vol. 10 Fuel Injection and Combustion. Book-No. G00505 (1990) 3-6 Leipertz, A.: Primärzerfall FVV. 730 (2002) 3-7 Ruiz, E.: The Mechanics of High Speed Atomisation. 3. Internat. Conference on Liquid Atomisation and Spray Systems London 1985 3-8 Hardenberg, H. et al.: An empirical Formular for Computing the Pressure Rise Delay of a Fuel from its Cetane Number and from the Relevant Parameter of Direct Injection Diesel Engines. SAE 7900493 (1979) 3-9 Heywood, J.B.: Internal Engines Fundamentals. Mc Graw-Hill Book Company
3-10 Hiroyasu, H. et al.: Spontaneous Ignition Delay of Fuel Sprays in High Pressure Gaseous Environments. Trans. Japan Soc. Mech. Engrs. Vol. 41, 40345, S. 24–31 3-11 Chmela, F. et al.: Emissionsverbesserung an Dieselmotoren mit Direkteinspritzung mittels Einspritzverlaufsformung. MTZ 60 (1999) 9 3-12 Kollmann, K.: DI-Diesel or DI-Gasoline Engines – What is the future of Combustion Engines. 4. Conference on Present and Future Engines for Automobiles Orvieto 1999 3-13 Wagner, E. et al.: Optimierungspotential der Common Rail Einspritzung für emissions- und verbrauchsarme Dieselmotoren. Tagungsbericht AVL-Tagung Motor und Umwelt Graz 1999 3-14 Zellbeck, H. et al.: Neue Aufladekonzepte zur Verbesserung des Beschleunigungsverhaltens von Verbrennungsmotoren. Bd. 1 des 7. Aachener Kolloquiums Fahrzeug und Motorentechnik 1998 3-15 Chmela, F. et al.: Die Vorausberechnung des Brennverlaufes von Dieselmotoren mit direkter Einspritzung auf Basis des Einspritzverlaufes. MTZ 59 (1998) 7/8 3-16 Winklhofer, E. et al.: Motorische Verbrennung – Modellierung und Modelverifizierung. Bd. 1 des 7. Aachener Kolloquiums Fahrzeug und Motorentechnik 1998 3-17 Krüger, C. et al.: Probleme und Lösungsansätze bei der Simulation der dieselmotorischen Einspritzung. Messund Versuchstechnik für die Entwicklung von Verbrennungsmotoren. Essen: Haus der Technik (2000) 9
4
Kraftstoffe
4.1
Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren
4.1.1
Einführung
Als Rudolf Diesel Ende des 19. Jahrhunderts den ersten Verbrennungsmotor mit Selbstzündung entwickelte, stellte er fest, dass Benzin mit seiner Sicherheit gegen Selbstzündung als Kraftstoff ungeeignet war. Nach umfangreichen Versuchen mit verschiedenen Kraftstoffen ergab sich, dass sog. Mitteldestillate deutlich besser geeignet waren. Dies waren Komponenten, die bei der Destillation von Rohöl bei höheren Temperaturen als Benzin anfielen und für die es bis dahin nur begrenzte Verwendungsmöglichkeiten gab. Typische Anwendungsgebiete waren damals Lampenpetroleum und der Zusatz zum Stadtgas. Daher rührt auch die heute noch gebräuchliche und beim Zoll übliche Bezeichnung „Gasöl“ für Mitteldestillate her. Der bessere Wirkungsgrad des Dieselmotors und die zunächst niedrigen Herstellungskosten von Dieselkraftstoff haben trotz vieler anfänglicher technischer Probleme zum kommerziellen Erfolg des Dieselmotors geführt. Dabei war der Dieselkraftstoff noch lange Zeit ein Nebenprodukt bei der Benzinherstellung. Grundsätzlich können bei der motorischen Verbrennung mit Selbstzündung sehr unterschiedliche Kraftstoffe verwendet werden, vorausgesetzt, dass sie genügend zündwillig sind und Motoren und Kraftstoffe aneinander angepasst sind (Dieselkraftstoffe für den Straßenverkehr und Rückstandsöle für Schiffsmotoren). Für den Straßenverkehr haben u. a. steigende Anforderungen an Betriebssicherheit, Abgas- und Geräuschemissionen zu zusätzlichen Qualitätsaspekten von Dieselkraftstoffen geführt, z. B. – Sauberkeit, – Oxidationsstabilität, – Fließfähigkeit bei niedrigen Temperaturen, – Schmiersicherheit und – niedriger Schwefelgehalt.
Heutige Dieselkraftstoffe sind genauso präzise und eng spezifiziert wie Ottokraftstoffe. Dabei erfordern die teilweise gegenläufigen Anforderungen, wie z. B. Zündwilligkeit und Wintertauglichkeit oder Schmierfähigkeit und niedriger Schwefelgehalt, vermehrt den Einsatz von Additiven. Für die verschiedenen Einsatzgebiete von Motoren mit Selbstzündung im Straßenverkehr, für Lokomotiven oder für Schiffe werden im Wesentlichen aus wirtschaftlichen Gründen deutlich unterschiedliche Kraftstoffe verwendet. Durch konstruktive Maßnahmen können die jeweiligen Motoren an die unterschiedlichen Kraftstoffe angepasst werden. Der weltweite Markt für Diesel Fahrzeuge (Pkw und Nfz) lässt zunehmend einen Trend zu einem möglichst einheitlichen Kraftstoff erkennen. Tatsächlich bestehen aber weltweit zum Teil erhebliche Unterschiede. So sind die USA weiterhin deutlich von Ottomotoren und Benzin geprägt. In jüngster Zeit ist aber auch in den USA ein Trend hin zu fortschrittlichen Diesel-Pkw und entsprechend angepassten Dieselkraftstoffen zu erkennen. Für den Straßenverkehr war bisher, anders als bei Ottokraftstoffen, üblicherweise nur eine Qualität verfügbar. Erst in letzter Zeit sind in einigen Ländern mit großer Popula tion von Dieselfahrzeugen auch Dieselkraftstoffe mit unterschiedlicher Qualität im Angebot, wie z. B. sog. Truck Diesel oder Premium Diesel. Dieselkraftstoff wird auch heute noch überwiegend aus Erdöl hergestellt. Qualitativ hochwertige Komponenten (mit hoher Zündwilligkeit) werden neuerdings aber auch aus Erdgas hergestellt. In Deutschland wird ab 2004 eine Beimischung von Komponenten aus nachwachsenden Rohstoffen (Biokraftstoff-Komponenten) in niedriger Konzentration zum Dieselkraftstoff vorgenommen (DIN EN 590 [4-1]), die ab 1.1.2007 als Zwangsbeimischung gesetzlich vorgeschrieben ist.
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren 87
4.1.2
Verfügbarkeit
Dieselkraftstoff, wie er heute weltweit verwendet wird, gewinnt man fast ausschließlich aus Rohöl/Erdöl. Die gewinnbaren Erdölreserven betragen z. Z. etwa 150 Milliarden Tonnen. Diese Größe ist allerdings abhängig von der verfügbaren Technik, die dramatisch weiterentwickelt wurde, und vom Kapital, das für Exploration und Förderung verfügbar ist. Je teurer das Rohöl auf den internationalen Märkten ist, desto mehr Kapital kann für Erkundung, Erschließung, Förderung und Transport aufgebracht werden. Gleichzeitig steigen damit auch die Chancen alternativer und bisher unwirtschaftlicher Rohstoffe und Herstellungsverfahren. Eine wesentliche Größe zur Beurteilung der Verfügbarkeit ist das Verhältnis zwischen jährlicher Förderung und sicher gewinnbaren Reserven. Zurzeit geht man davon aus, dass die Reserven etwa 40 Jahre reichen werden. Vorkommen und Verbrauch von Rohöl sind weltweit sehr ungleichmäßig verteilt. Die meisten Reserven liegen im Nahen Osten. Entsprechend der derzeitigen Szenarien kann man davon ausgehen, dass die Förderung von Erdöl im 21. Jahrhundert ihren Höhepunkt erreichen wird. Abhängig vom jeweiligen Szenario sind lediglich Zeitpunkt und maximale Fördermenge strittig [4-2]. Bei der Nutzung alternativer Kraftstoffe (s. Abschn. 4.2 und 4.4) ist besonders die Kraftstoffsynthese aus Erdgas und aus nachwachsenden Rohstoffen von großem Interesse.
Bild 4-1 Vereinfachtes Schema einer Destillationsanlage
Weltweit wird der Verbrauch von Mineralölprodukten einschließlich Dieselkraftstoff zunächst weiterhin ansteigen, wogegen in den klassischen Industrieländern der Verbrauch durch intelligentere Nutzung abnehmen wird. Der jeweils aktuelle Dieselkraftstoffverbrauch in Deutschland kann dem Jahresbericht des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV, Hamburg) entnommen werden. Im Jahr 2006 betrug er etwa 29 Millionen Tonnen.
4.1.3
Herstellung
Bei der klassischen Herstellung von Dieselkraftstoff durch Destillation von Rohöl (Bild 4‑1) ist die Ausbeute unterschiedlich, je nachdem welches Rohöl (leicht, niedrigviskos oder schwer, hochviskos) eingesetzt wird (Tabelle 4‑1). Dieselkraftstoff wird aus den sog. Mitteldestillaten hergestellt. Neben der einfachen atmosphärischen und der Vakuum-Destillation gibt es eine ganze Reihe weiterer Verfahren (thermisches oder katalytisches Cracken, Hydrocracken), die sowohl die Ausbeute aus dem Rohöl und/oder auch die Qualität der hergestellten Dieselkraftstoffkomponenten erhöhen, Bild 4‑2. Bei allen der genannten Crackverfahren werden schwer siedende Rohölfraktionen aufgebrochen und zu leichter siedenden Kohlenwasserstoffen umgewandelt. Beim thermischen Cracken (Visbreaker, Coker) geschieht dies alleine durch hohen Druck und hohe Temperatur. Beim kataly-
88 4 Kraftstoffe
Tabelle 4-1 Prozentuale Ausbeute durch Destillation verschiedener Rohöle Rohöltyp
Mittel-Ost Arabien light
Afrika Nigeria
Nordsee Brent
Südamerika Maya
Flüssiggas Naphta (Benzine) Mitteldestillat Rückstandsöle
<1 18 33 48
<1 13 47 39
2 18 35 45
1 12 23 64
Bild 4-2 Vereinfachtes Schema einer Mineralölraffinerie
tischen Cracken ist zusätzlich ein Katalysator vorhanden. Dadurch lässt sich die Zusammensetzung (Molekülstruktur) des Fertigproduktes besser steuern und es entstehen weniger instabile Kohlenwasserstoffe. Die größte Flexibilität hinsichtlich der Ausbeutestruktur (Benzin oder Mitteldestillat) erlaubt das Hydrocracken. Bei diesem Verfahren wird dem aus der Destillation gewonnenem Einsatzprodukt unter hohem Druck und hoher Temperatur Wasserstoff (gewonnen aus dem katalytischen Reformer der Benzin-Herstellung) zugeführt. Dieser Prozess sorgt dafür, dass die für Dieselkraftstoffe weniger geeigneten Kohlenwasserstoffe mit Doppelbindungen, wie Olefine und Aromaten, deutlich reduziert werden. Ein weiterer wichtiger Prozess ist die Entschwefelung. Abhängig von der Herkunft des Rohöls enthält dieses unterschiedliche Mengen an chemisch gebundenem Schwefel. Typisch sind Konzentrationen zwischen 0,1 und 3% (Tabelle 4‑2).
Um die für Dieselkraftstoff geforderten niedrigen Schwefelgehalte zu erreichen (in der EU sind beispielsweise nur noch sog. schwefelfreie Kraftstoffe zulässig, wobei der tatsächliche Grenzwert bei max. 10 ppm Schwefel liegt), ist eine äußerst wirksame Entschwefelung nötig. Hierzu wird dem Einsatzprodukt, z. B. aus der Rohöl-Destillation, wasserstoffreiches Gas aus dem katalytischen Reformer zugeführt und nach Erhitzung über einen Katalysator geleitet (Bild 4‑3). Neben der entschwefelten Flüssigphase (Dieselkraftstoff-Komponente) entsteht als Zwischenprodukt Schwefelwasserstoff, aus dem in einer nachgeschalteten Anlage elementarer Schwefel hergestellt wird (Claus-Prozess). Je nach verwendetem Rohöl und den verfügbaren Anlagen einer Raffinerie wird Dieselkraftstoff aus verschiedenen Komponenten hergestellt, so dass entsprechend der in Normen festgelegten Qualitätsanforderungen für Sommer- und Winterkraftstoffe ein hochwertiger und für den Motor
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren 89
Tabelle 4-2 Typische Schwefelgehalte einiger Rohöle Herkunft
Bezeichnung
Schwefelgehalt Gew.-%
Nordsee Mittlerer Osten
Brent Iran schwer Arabien leicht Arabien schwer Libyen leicht Nigeria Venezuela
0,4 1,7 1,9 2,9 0,4 0,1 – 0,3 2,9 1,5 0,6 – 2,2
Afrika Südamerika Rußland Norddeutschland
gleich bleibender Kraftstoff entsteht. Übliche Komponenten aus der atmosphärischen und der Vakuum-Destillation sind: – Kerosin, – leichtes Gasöl, – schweres Gasöl und – Vakuum-Gasöl (im Wesentlichen als Einsatzprodukt für nachgeschaltete Crack-Prozesse). Weiterhin werden auch Komponenten mit Bezeichnungen entsprechend dem verwendetem Herstellungsverfahren verwendet. Während Komponenten aus der Destillation unter-
schiedliche Zusammensetzungen je nach dem verwendeten Rohöl haben, ist die Zusammensetzung der Komponenten aus den Crack-Verfahren weitgehend verfahrensabhängig (Tabelle 4‑3). Leichtsiedende Komponenten und solche mit höherem Aromatengehalt (z. B. Kerosin) zeichnen sich meist durch gute Filtrierbarkeit bei niedrigen Temperaturen aus. Demzufolge wird deren Konzentration im Winter erhöht. Sie haben aber eine niedrigere Zündwilligkeit. Schwersiedende Komponenten mit niedrigem Aromatengehalt (z. B. schwerere Gasöle) haben eine höhere Zündwilligkeit aber weniger gute Filtrierbarkeit im Winter. Deshalb muss deren Verwendung im Winter reduziert werden. Der mögliche Verlust an Zündwilligkeit von Winterkraftstoffen kann gegebenenfalls durch Zündbeschleuniger ausgeglichen werden (s. Abschn. 4.1.5). Nach Aufmischung der Kraftstoffe aus den Grundkomponenten werden in speziellen Dosieranlagen Additive zugesetzt, teilweise um das genormte Qualitätsniveau (Kälteverhalten, Zündwilligkeit, Verschleißschutz) oder um markenspezifische Eigenschaften (Einspritzdüsensauberkeit, Schaumdämpfung) zu erreichen. Kraftstoffe mit deutlich höherem als dem genormten Qualitätsniveau werden durch besondere Auswahl der Komponenten hergestellt, neuerdings auch unter Verwendung synthetischer Komponenten wie GTL (Gas-to-Liquid) aus dem SMDS-Prozess (Shell Middle Distillate Synthesis). In diesem Verfahren wird aus Erdgas eine Dieselkraftstoff-
Bild 4-3 Vereinfachtes Prozessschema der Dieselkraftstoff-Entschwefelung
90 4 Kraftstoffe
Tabelle 4-3 Zusammensetzung von Dieselkraftstoff-Komponenten aus verschiedenen Herstellungsverfahren Dieselkraftstoff-Komponente
Paraffine
Olefine
Aromaten
„Straight run“-Gasöl aus Destillation Thermisch gecracktes Gasöl mit Wasserstoff-Nachbehandlung Katalytisch gecracktes Gasöl Hydrocracker Gasöl Synthetisches Gasöl (SMDS-Prozess)
variabel: mittel bis hoch hoch niedrig sehr hoch sehr hoch
variabel: niedrig bis sehr niedrig sehr niedrig keine keine keine
variabel: mittel bis niedrig niedrig hoch sehr niedrig sehr niedrig bis keine
Komponente mit sehr hoher Zündwilligkeit (Cetanzahl CZ ca. 80) synthetisiert. Synthetische Dieselkraftstoffe sind bereits aus früherer Zeit bekannt. Im zweiten Weltkrieg wurde Dieselkraftstoff aus Kohle mit Hilfe des Fischer-Tropsch-Verfahrens hergestellt. Durch die über viele Jahre niedrigen Rohölpreise war dieses Verfahren jedoch unwirtschaftlich geworden. Größere Aussichten auf kommerziellen Erfolg haben derzeit Entwicklungen zur synthetischen Herstellung von Kraftstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen. Bei diesen können im Gegensatz zum momentan verwendeten „Biodiesel“ (Fatty Acid Methyl Ester – FAME) aus Pflanzensaat zukünftig die gesamte Pflanze oder auch organische Reststoffe verwendet werden.
4.1.4
Zusammensetzung
Wie bereits in Abschn. 4.1.3 erwähnt sind Erdöle und die daraus gewonnenen Kraftstoffe ein Gemisch unterschiedlicher Kohlenwasserstoff-Verbindungen, grob eingeteilt in Paraffine, Naphthene, Aromaten und Olefine. Andere Elemente, z. B. Schwefel, sind in sehr geringen Konzentrationen vorhanden und müssen bei der Herstellung der Kraftstoffe weitestgehend entfernt werden. Mit steigendem Siedebereich erhöht sich die mögliche Variationsbreite der einzelnen Kohlenwasserstoffe. Während Erdgas als leichtester Energieträger nur aus sehr wenigen und genau definierten Kohlenwasserstoffen besteht, im wesentlichen Methan, enthält Benzin bereits mehr als 200 verschiedenartige Kohlenwasserstoffe und Dieselkraftstoffe noch deutlich mehr. Dies ist auch durch die häufig vorkommende und im folgendem beschriebene Kombination der Kohlenwasserstoff-Typen erklärbar. Zum Beispiel besitzen Aromaten die unterschiedlichsten paraffinischen oder olefinischen Seitenketten. Auf Grund des genormten Siedebereichs von Dieselkraftstoffen sind in diesem Kohlenwasser stoffe mit etwa 10 bis 20 Kohlenstoffatomen vorhanden. Im Gegensatz zum fremdgezündeten Ottomotor benötigt der Dieselmotor Kohlenwasserstoffe, die gute Selbstzündung bei hohem Druck und hoher Temperaturen ermöglichen. Dies sind in erster Linie Normalparaffine.
Normalparaffine sind kettenförmige Kohlenwasserstoffe mit einfacher Kohlenstoffbindung. Sie stellen eine Untergruppe der gesättigten Kohlenwasserstoffe (Alkane) dar. Die Bezeichnung gesättigt bezieht sich auf die chemische Bindung von Wasserstoff. Die einfache Kohlenstoffbindung innerhalb des Paraffinmoleküls führt zu maximal möglichem (gesättigtem) Wasserstoffgehalt. Normalparaffine sind im Rohöl meist in hoher Konzentration vorhanden. Nachteilig für den Fahrzeugbetrieb ist jedoch ihr schlechtes Fließverhalten bei Kälte (Paraffinausscheidung). Dies kann in modernen Kraftstoffen durch Fließverbesserer (s. Abschn. 4.1.5) ausgeglichen werden. Als Beispiel ist Cetan C16H34 dargestellt (Bild 4‑4). Im Gegensatz zu den Normalparaffinen sind verzweigte Isoparaffine mit gleicher Summenformel für den Dieselmotor ungeeignet, weil sie einen hohen Widerstand gegen Selbstzündung aufweisen (z. B. Iso-Cetan mit einer Cetanzahl 15, s. Bild 4‑4). Mit zunehmender Kettenlänge (Molekülgröße) werden die Moleküle instabiler und damit steigt ihre Zündwilligkeit (Bild 4‑5). Naphthene (Bild 4‑6) sind ringförmige gesättigte Kohlenwasserstoffe (einfache Bindung zwischen den Kohlenstoff
Bild 4-4 Beispiele für Paraffine
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren 91
Bild 4-5 Cetanzahlen steigen mit zunehmender Molekülgröße
atomen im Molekül). Naphthene sind in unterschiedlicher Menge im Rohöl vorhanden, entstehen aber auch durch Hydrierung (Wasserstoffbehandlung) aromatischer Mitteldestillate. Naphthene im Dieselkraftstoff führen zu gutem Kälteverhalten aber nur zu mittlerer Cetanzahl (jedoch höherer als durch aromatische Kohlenwasserstoffe).
Bild 4-6 Beispiele für Naphtene im Dieselkraftstoff
Olefine (Alkene) sind einfach oder mehrfach ungesättigte, kettenförmige oder verzweigtkettige Kohlenwasserstoffe. Sie haben im Vergleich zu n-Paraffinen zwar niedrigere aber immer noch recht hohe Cetanzahlen. Zum Beispiel hat das n‑Paraffin Cetan C16H34 die Cetanzahl 100; jedoch das einfach ungesättigte Olefin mit gleicher Anzahl an Kohlenstoffatomen, 1‑Ceten C16H32, die Cetanzahl 84,2. Im Vergleich zu den kurzkettigen Olefinen, die im Ottokraftstoff zur Anwendung kommen, hat die einfache Doppelbindung in den langkettigen Dieselkraftstoff-Olefinen nur geringen Einfluss auf die physikalischen Eigenschaften und das Brennverhalten. Aromaten sind ringförmige Kohlenwasserstoffverbindungen, bei denen die Kohlenstoffatome wechselweise durch Doppelbindungen miteinander verbunden sind, wie z. B. Benzol, eine Verbindung, die auf Grund ihres Siedepunkts von 80 °C allerdings nicht im Dieselkraftstoff vorkommt. Man unterscheidet generell nach der Anzahl der aromatischen Ringsysteme zwischen Mono-, Di-, Tri-, und Tri+Aromaten. Bild 4‑7 zeigt einige für Dieselkraftstoff relevante Beispiele. Im Dieselkraftstoff kann auf Grund des Siedebereiches von ca. 180 bis 370 °C eine Vielzahl unterschiedlichster aromatischer Verbindungen vorhanden sein. Überwiegend sind in konventionellen Dieselkraftstoffen Mono aromaten mit verschieden angeordneten Seitenketten vorhanden (etwa 15–25 Gew.-%). Di-Aromaten machen unter ca. 5 Gew.-% und die Summe aus überwiegend Tri-Aromaten und höheren Polyaromaten meist weniger als 1 Gew.-% aus.
92 4 Kraftstoffe
4.1.5
Bild 4-7 Beispiele für Aromaten im Dieselkraftstoff
Die Eigenschaften der Monoaromaten mit paraffinischen Seitenketten sind unterschiedlich. Während bei Molekülen mit relativ kurzen Seitenketten aromatische Eigenschaften (z. B. hohe Löslichkeit anderer Produkte und niedrige Cetanzahl) dominieren, verhalten sich Moleküle mit langen Seitenketten in ihren Eigenschaften eher wie Paraffine. Mehrkernige Aromaten und deren Derivate, s. Bild 4‑7, sind in Dieselkraftstoffen wegen ihrer niedrigen Zündwilligkeit unerwünscht. Sie führen auch zu erhöhter Partikelemission und sind deshalb in der seit 2004 geltenden Europäischen Norm EN 590 auf max. 11% begrenzt. Tatsächlich vorhandene Konzentrationen sind meist deutlich geringer, unter anderem aufgrund der genormten Bestimmungsmethode (Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatographie – HPLC). Diese Methode erfasst das gesamte Molekül einschließlich der paraffinischen Seitenketten, so dass der tatsächliche Gehalt an aromatischen Ringen deutlich niedriger ist.
Dieselkraftstoff-Additive
Wie bereits erwähnt, sind moderne, normgerechte Dieselkraftstoffe kaum noch ohne Additive herstellbar. Die teils gegenläufigen Eigenschaften der einzelnen Komponenten (Molekülgruppen) müssen vielfach durch Additive ausgeglichen werden, wenn die hohen Anforderungen an die Betriebssicherheit, den Brennverlauf und die Abgasemission über die gesamte Lebensdauer des Motors gewährleistet werden sollen. In dieser Hinsicht hat sich in den letzten Jahren ein eindeutiger Wandel vollzogen. Dieselkraftstoffe sind sowohl in der Vielfalt als auch in der Menge i.d.R. höher additiviert als Ottokraftstoffe. Mit Ausnahme des Schaumdämpfers bestehen alle Additive aus rein organischen Verbindungen. Die wichtigsten Additivgruppen, die nachfolgend näher beschrieben werden, sind: – Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Additive zur Verbesserung der Wintertauglichkeit, – Zündbeschleuniger zur Verkürzung des Zündverzuges und Verbesserung des Brennverhaltens, – Verschleißschutz-Additive zum Schutz der Einspritzdüsen und Pumpen; – Schaumdämpfer zur Verhinderung von Schaumbildung und Überschwappen beim Tanken, – Detergentien zum Sauberhalten der Einspritzdüsen und des Kraftstoffsystems, – Korrosionsschutz-Additive zum Schutz des Kraftstoff systems, – Antioxidantien, Dehazer und Metalldeaktivatoren zur Verbesserung der Lagerstabilität der Kraftstoffe. Vereinzelt wurden auch sog. Geruchsmaskierer verwendet. Teilweise werden in der Produktion und in der nachfolgenden Weiterverteilung (Logistik) Antistatic-Additive zur Verminderung elektrostatischer Aufladung bei hohen Pumpgeschwin digkeiten eingesetzt, soweit dies erforderlich ist. Auf die Verwendung von Bioziden zur Vermeidung von Pilzbefall in der Wasser-/Kraftstoff-Phase an Tankböden kann bei regelmäßiger Pflege des Kraftstoff-Verteilungssystems verzichtet werden.
4.1.5.1 Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Additive (WASA) Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Additive machen im Winter den Einsatz paraffinischer Komponenten mit hoher Cetanzahl und dabei aber einem begrenzten Kälteverhalten möglich. Fließverbesserer können die Bildung der Paraffinkristalle zwar nicht verhindern, deren Größe aber reduzieren und ein Zusammenwachsen vermeiden. Typische Produkte sind Ethyl-Vinyl-Acetate (EVA). Absenkungen des CFPP (Cold Filter Plugging Point) um
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren 93 mehr als 10 °C unter den Cloudpoint sind alleine durch Fließverbesserer möglich. Eine weitere Absenkung des CFPP ist durch die zusätzliche Verwendung von WASA möglich. Damit wird gleichzeitig die Sedimentation von Paraffinkristallen bei der Langzeitlagerung unterhalb des Kraftstoff-Cloudpoints vermindert (Bilder 4-8 bis 4-10 a: Ausbildung der Paraffinkristalle im Kraftstoff, b: Kraftstoffprobe im Glaskolben). Diese Kälteschutz-Additive müssen sorgfältig (meist vorverdünnt) in den noch warmen Kraftstoff in der Raffinerie eingearbeitet werden. Eine nachträgliche Zumischung in den kalten Kraftstoff im Fahrzeugtank ist meist wirkungslos.
4.1.5.2
Zündbeschleuniger
Zündbeschleuniger ermöglichen eine wirtschaftliche Anhebung der Cetanzahl mit entsprechend positivem Einfluss auf die Verbrennung und die Abgasemission. Wirkstoffe sind organische Nitrate. Insbesondere hat sich in der kommer ziellen Anwendung Ethyl-Hexyl-Nitrat als Zündbeschleuniger bewährt.
4.1.5.3
a
b
Bild 4-9 Dieselkraftstoff ausschließlich mit Fließverbesserer bei –22 °C: Sedimente von Paraffinkristallen
Verschleißschutz-Additive
Diese auch unter der Bezeichnung „Lubricity Additive“ bekannten Produkte wurden mit Einführung schwefelarmer und schwefelfreier Dieselkraftstoffe erforderlich. Durch die Hydrierung zur Entfernung der Schwefelverbindungen verlieren die Dieselkraftstoffe ihre natürlichen Schmiereigenschaften. Typische Produkte, die bereits früher auch in Flugturbinenkraftstoffen verwendet wurden, sind Derivate von Fettsäuren.
a
b
Bild 4-10 Dieselkraftstoff mit Fließverbesserer und Wax-Anti-Settling-Additiv bei –22 °C: keine Sedimentation von Paraffinkristallen
4.1.5.4
a
b
Bild 4-8 Dieselkraftstoff ohne Fließverbesserer bei –10 °C: fest, nicht pumpfähig (Glaskolben steht auf dem Kopf)
Schaumdämpfer
Schaumdämpfer sorgen nicht nur für bequemes Auftanken bis zum automatischen Abschalten des Zapfventils an der Tankstelle, sondern verhindern auch das früher häufig beob achtete Überschwappen, und leisten damit einen Beitrag zu geringerer Umweltbelastung an der Tankstelle. Verwendet werden Silikonöle in äußerst geringer Konzentration. Diese werden auch in Motorenölen zur Verhinderung der Schaumbildung im Kurbelgehäuse angewendet (Bild 4-11).
94 4 Kraftstoffe
Bild 4-12 Wirkung von Korrosionsschutzadditiven im Labortest
4.1.5.7 Antioxidantien, Dehazer und Metalldeaktivatoren Bild 4-11 Weniger Schaum beim Tanken mit Schaumdämpfer
4.1.5.5
Detergentien
Dieselkraftstoffe können in den Einspritzdüsen koksartige Ablagerungen bilden und damit die Einspritzcharakteristik verändern mit negativem Einfluss auf den Verbrennungsablauf und die Abgasemission. Eine ganze Reihe komplexer organischer Verbindungen eignet sich zur Verhinderung der Düsenverkokung. Dabei ist eine kontinuierliche Anpassung der Wirkstoffe an die Einspritztechnologie erforderlich. Entsprechende Entwicklungen neuer Additive erfordern zwingend aufwändige Untersuchungen in Vollmotoren, möglichst unter realistischen Betriebsbedingungen. Geeignete Detergentien stammen z. B. aus den Gruppen der Amine, Amide, Succinimide und Polyetheramine. Insbesondere mit der Weiterentwicklung des Dieselmotors zu immer höheren Einspritzdrücken mit immer kleineren Düsenspritzlöchern steigen die Anforderungen an die „Sauberkeit“ und Reinigungswirkung des Dieselkraftstoffes.
4.1.5.6
Korrosionsschutz
Korrosionsschutz-Additive sind besonders erforderlich, wenn geringe Mengen von Wasser in den Kraftstoff eingedrungen sind, z. B. Kondenswasser bei längeren Stillstandszeiten (Bild 4‑12). Polare Molekülgruppen von Estern oder alkenischen Succinimid-Säuren können eine monomolekulare Schutzschicht auf der Metalloberfläche aufbauen und den direkten Kontakt mit Wasser und Säuren verhindern (Bild 4‑13).
Dies sind Additive, die primär für die Verbesserung der Kraftstoff-Lagerstabilität verwendet werden. Sie haben zunächst keinen direkten Einfluss auf das motorische Verhalten des Kraftstoffs, verhindern aber über lange Zeit die Kraftstoffalterung und sorgen somit auch nach längeren Stillstandszeiten des Fahrzeugs für gute Filtergängigkeit des Kraftstoffs und für minimale Ablagerungen. Sie waren besonders in Kraftstoffkomponenten aus thermischen und katalytischen Crackanlagen erforderlich, weil aus diesen Anlagen höhere Gehalte instabiler Kohlenwasserstoffe anfielen. Antioxidantien verhindern Oxidation und Polymerisation. Dehazer sind teils erforderlich um ein schnelles Absetzen von fein gelösten Wasserpartikeln zu ermöglichen. Metalldeaktivatoren unterbinden katalytische Effekte von Metallen auf die Kraftstoffalterung. Durch die zwischenzeitlich ausgeprägtere Wasserstoffbehandlung des Dieselkraftstoffs (Hydrocracker, Entschwefelung, Begrenzung der mehrkernigen Aromaten) haben diese Additivtypen an Bedeutung verloren.
4.1.6
Qualitätsanforderungen
Der Dieselmotor an sich stellt zwar scheinbar vergleichsweise geringe Ansprüche an die Kraftstoffqualität und lässt anders als fremdgezündete Motoren einen Betrieb auch mit Kraftstoffen zu, die sehr weit variierende Eigenschaften aufweisen. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung von Rückstandsölen in langsam laufenden Schiffsdieselmotoren. Anders als im Pkw und Lkw wird der Kraftstoff an Bord jedoch vor der Zuführung zum Motor gereinigt und aufgeheizt. Häufig steht auch ein qualitativ besserer Kraftstoff für den Start der Maschine und für den Betrieb in Gebieten höherer UmweltSensibilität zur Verfügung.
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren 95
Bild 4-13 Wirkungsweise von Korrosionsschutzadditiven (monomolekulare Schutzschicht)
In Straßenfahrzeugen ist die Kraftstoffaufbereitung, abgesehen von einer Filterung für sporadisch mögliche Verschmutzungen, nicht praktikabel. Außerdem müssen Kraftstoffsystem und Motor von Straßenfahrzeugen unter sehr variablen Bedingungen arbeiten, so dass alleine deshalb höhere Anforderungen an die Kraftstoffqualität nötig sind. Im Gegensatz zum Ottomotor, der bei nicht ausreichender Klopffestigkeit des Kraftstoffs einen Totalschaden erleiden kann, läuft der Dieselmotor auch mit Kraftstoffen niedrigerer Zündwilligkeit, wenn auch nicht gut. Vom Dieselmotor wird erwartet, dass er bezüglich Leistung, Verbrauch, Geräusch, Abgasemission usw. unter allen Bedingungen optimale Ergebnisse zeigt. Die Optimierung eines Motors gelingt jedoch nur mit dem sorgfältig abgestimmten Zusammenwirken von Kraftstoff- und Verbrennungssystem und mit relativ eng spezifiziertem Kraftstoff. Jede Abweichung einer diese Optimierung beeinflussenden Kraftstoffeigenschaft wird daher immer zu mehr oder weniger großen Nachteilen im Motorverhalten führen. Deshalb hat für den Dieselmotor die Konstanz der Kraftstoffeigenschaften und ihre möglichst enge Tolerierung eine ähnliche Bedeutung wie die absoluten Werte und die Eigenschaften des Kraftstoffs. Während man der Qualität des Ottokraftstoffs schon immer große Bedeutung beimaß, war dies beim Dieselkraftstoff lange Zeit nicht der Fall. Die Cetanzahl galt nur für den Kaltstart als wichtig. Die unzureichenden Kältefließeigen-
schaften machten den Dieselbetrieb an kalten Tagen zum Problem. Das Siedeverhalten wurde kaum begrenzt. Der Schwefelgehalt war hoch. Additive waren unbekannt. Die Reinheit war nicht besonders hoch. Heute, da man um den Einfluss der Dieselkraftstoff-Qualität auf Abgas, Geräusch, Fahrbarkeit und Lebensdauer des Motors weiß, hat die Dieselkraftstoff-Qualität in großen Teilen der Welt die erforderliche Aufmerksamkeit erreicht. Weltweit gab es in der Vergangenheit erhebliche Qualitätsunterschiede. Selbst in einem hoch industrialisierten Land, wie den USA, waren der Dieselkraftstoff und das Tankstellennetz für den Pkw weitgehend ungeeignet, so dass der Diesel-Pkw vom Verbraucher zunächst nicht akzeptiert wurde. Historisch betrachtet war die Qualität des Dieselkraftstoffs zunächst weitgehend vom verarbeiteten Rohöl abhängig, da praktisch nur Destillate verfügbar waren. Entsprechend variabel war auch die Qualität. Mit der Zunahme von Crackanlagen zur Benzinherstellung gab es dann auch einen Zeitraum, etwa ab 1970, in dem aus diesen Anlagen vermehrt Komponenten anfielen, die wegen ihres höheren Siedebereichs für Ottokraftstoffe nicht geeignet waren. Es gab seinerzeit Überlegungen der Mineralölindustrie, diese Komponenten vermehrt in den Dieselkraftstoff einzumischen, da eine intensive Wasserstoff-Behandlung noch nicht verfügbar war. Die aromatischen und olefinischen Bestandteile dieser Komponenten hätten jedoch zu einer
96 4 Kraftstoffe Verschlechterung der Dieselkraftstoff-Qualität geführt. Wegen des Widerstands der Motorenindustrie und wegen den steigenden Qualitätsanforderungen infolge Begrenzung der Schadstoffemissionen wurden derartige Überlegungen jedoch nicht weiter verfolgt. Im Gegenteil, Dieselkraftstoffe wurden gegen Ablagerungen, Schäumen und teilweise sogar zur Geruchsverbesserung additiviert. Zündbeschleuniger wurden eingesetzt und vor allem wurde im Winter die Kaltfahrbarkeit bis –22 °C garantiert. Inzwischen gibt es in vielen Ländern eine zusätzliche Dieselkraftstoffsorte mit deutlich verbesserten Eigenschaften, die unter anderem auch zu geringerer Rohemission führt. Beispiel und Trendsetter ist das „City Fuel“ in Schweden. Während früher vom Gesetzgeber nur der maximale Schwefelgehalt reglementiert war, gelten jetzt in der Europäischen Union Regelungen, die denen bei Ottokraftstoffen entsprechen. Darüber hinaus gibt es die Verordnung über brennbare Flüssigkeiten (Flammpunkt), den Zolltarif und die Heizöl-Kennzeichnung.
4.1.7
Kraftstoffnormen
Um eine Verständigung zwischen Motoren- und Kraftstoffherstellern, Handel und Verbrauchern zu ermöglichen sind Normen, die die Mindestanforderungen regeln, unabdingbar. Auch hier hat sich hinsichtlich Eignung und Umweltverträglichkeit vieles zum Positiven gewandelt. Während früher jedes Land eine eigene Spezifikation hatte, gibt es seit 1993 die europaweit geltende Norm EN 590 [4‑1]. Diese Norm gilt in allen in der europäischen Normen-Organisation CEN (Comité Européen de Normalisation) vertretenen Ländern. Jedes Land kann jedoch in einem nationalen Anhang (zusätzliche) individuelle Regelungen treffen. Für die arktischen Länder wurden besondere Klassen mit entsprechend niedrigem CFPP (Cold Filter Plugging Point) und CP (Cloud Point), die das Fließverhalten bei Kälte beschreiben, eingeführt. In der EN 590 sind inzwischen weitgehend alle relevanten Kraftstoffkennwerte auf relativ hohem Qualitäts niveau festgelegt. Die letzte Fassung stammt aus dem Jahr 2004 (Tabelle 4‑4). Die einzelnen Kennwerte werden im Abschn. 4.1.8 erläutert. Eine regelmäßige Überarbeitung der Normen und auch der anzuwendenden Prüfmethoden sorgt dafür, dass neue oder geänderte Anforderungskriterien eingearbeitet werden. So sind beispielsweise in den letzten Jahren der Verschleißschutz (Lubricity) und die Begrenzung von Polyaromaten neu aufgenommen worden. Die in der Norm und für die laufende Qualitätskontrolle angewendeten Prüfmethoden basieren ebenfalls auf genormten Laborverfahren. Durch umfangreiche Versuche, u. a. an Vollmotoren, wird von Arbeitskreisen aus der
Motoren- und Mineralölindustrie sowie aus unabhängigen Instituten gewährleistet, dass die genormten Methoden für die Anwendung des Kraftstoffs im Fahrzeug relevant sind. Die EN 590 beinhaltet die gesetzlichen Regelungen der EU-Direktiven und die zwischen Automobil- und Mineralölindustrie in der CEN-Arbeitsgruppe TC19/WG24 ausgehandelten Kompromisse. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat weiterhin die „Kraftstoffqualitätsverordnung“ [4-3] und die dazu gehörenden Durchführungsbestimmungen [4-4] erlassen. Behörden der Landesregierungen können und müssen die im öffentlichen Verkauf angebotenen Kraftstoffe auf ihre Konformität mit der Norm prüfen. Ziel dieser Bemühungen ist sicherzustellen, dass der Kunde, der einen mit EN 590 ausgezeichneten Kraftstoff kauft, sicher sein kann, dass dieser Kraftstoff für seinen Motor geeignet und umweltverträglich ist.
4.1.7.1
World-Wide Fuel Charter
Alle Hersteller von Dieselmotoren waren Anfang der 90er Jahre mit den spezifizierten Mindestanforderungen an Dieselkraftstoff, dem zu langsamen Fortschritt der internationalen Normung und der Zersplitterung durch nationale Qualitätsunterschiede unzufrieden. So hatten Peugeot und Renault ein „Cahier des Charges“ erstellt, in dem neben der höheren Qualität des Dieselkraftstoffs, beschrieben durch Laborwerte, auch ein Prüfverfahren für die Sauberkeit der Einspritzdüsen (Additivierung) enthalten war. Die Automobilverbände in Europa, USA und Japan hatten Lastenhefte für „gute“ Diesel-Qualitäten erstellt. Im Rahmen der Globalisierung war es eine logische Folge, dass die Automobilverbände der Welt ein „Worldwide Fuel Charter“ erstellten, dessen vierte Ausgabe aus dem Jahr 2006 stammt [4-5]. Es gilt sowohl für Otto- als auch für Dieselkraftstoffe und enthält vier Kategorien für unterschiedlich entwickelte Märkte, wobei diese insbesondere durch die Anforderungen der Abgasgesetzgebung definiert sind. In diesem Fuel Charter sind Labormethoden und motorische Prüfverfahren mit den dazu gehörenden Grenzwerten aufgeführt. Kategorie 4 verlangt schwefelfreien Kraftstoff, d.h. einen maximalen Schwefelgehalt von 5–10 ppm. Eine ganze Reihe der geforderten Qualitätskriterien werden zwischenzeitlich von handelsüblichen Dieselkraftstoffen erfüllt.
4.1.7.2
Referenzkraftstoffe
Für Vergleichsmessungen, gesetzliche Zulassungen, Moto renentwicklungen, Motorölerprobungen usw. braucht man definierte Referenzkraftstoffe, die natürlich nur in Zusammenarbeit aller Beteiligter definiert werden können. Zustän-
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren 97
Tabelle 4-4 Qualität von Dieselkraftstoffen: Mindestanforderungen entsprechend DIN EN 590:2004-03
Dichte bei 15 °C
Einheit
Mindestanforderungen
Prüfverfahren
kg/m3
820 bis 845
EN ISO 3675 EN ISO 12185
min. 51
EN ISO 5165
Cetanzahl Cetanindex
min. 46
EN ISO 4264
Destillation: insgesamt aufgefangene Menge bis 250 °C bis 350 °C 95 % Punkt
Vol.-% Vol.-% °C
max. 65 min. 85 max. 360
Flammpunkt
°C
min. 55
EN ISO 2719
2.00 bis 4,50
EN ISO 3104
EN ISO 3405
2/s
Viskosität bei 40 °C
mm
Filtrierbarkeit/CFPP gemäßigtes Klima Klasse A Klasse B Klasse C Klasse D Klasse E Klasse F
°C °C °C °C °C °C
Schwefelgehalt
mg/kg
max. 50 oder max. 10
EN ISO 20846 EN ISO 20847 EN ISO 20884
Koksrückstand
Gew.-%
max. 0,30
EN ISO 10370
Aschegehalt Cu-Korrosion Oxidationsstabilität Gesamtverschmutzung Wassergehalt Lubricity HFRR Polyaromaten Fettsäuremethylestergehalt (FAME)
Gew.-% Korrosionsgrad g/m3 mg/kg mg/kg µm Gew.-% Vol.-%
max. 0,01 Klasse 1 max. 25 max. 24 max. 200 max. 460 max. 11 max. 5
EN ISO 6245 EN ISO 2160 EN ISO 12205 EN 12662 EN ISO 12937 ISO 12156-1 EN 12916 EN 14078
dig ist national der DKA (Deutscher Koordinierungsausschuss) und europaweit der Coordinating European Council (CEC) zur Entwicklung von Testmethoden für die Evaluation und Entwicklung von Flüssigkeiten für Verbrennungsmotoren. Für die Abgasprüfung von Dieselmotoren ist ein CEC-Referenzkraftstoff gesetzlich vorgeschrieben. Defini tionsgemäß stellt er einen gewichteten Mittelwert der europäischen Handelsware dar. Bei der Motorenölerprobung für Dieselmotoren geht es vor allem um Kolbensauberkeit, Schlammbildung und Verschleiß. Auch darauf hat der Kraftstoff Einfluss. Deshalb wird in den meisten Dieselmotoren auch bei Öltests ein CEC-Referenzkraftstoff verwendet.
EN 116 max. +5 max. 0 max. –5 max. –10 max. –15 max. –20
4.1.8
Wesentliche Kennwerte und Prüfverfahren
4.1.8.1
Zündwilligkeit (Cetanzahl, Cetanindex)
Es ist selbstverständlich, dass beim selbstzündenden Motor die Zündwilligkeit des Kraftstoffs eine herausragende Rolle spielt. Nach allen bisherigen Erfahrungen kann diese allerdings nicht ausreichend genau in einem Laborgerät, sondern nur in einem Motor, möglichst in einem modernen Mehrzylindermotor, zuverlässig bestimmt werden. Aus Gründen der Standardisierung erfolgt die Bestimmung der Zündwilligkeit jedoch in genormten Einzylinder-Motoren, wobei weltweit der CFR-Motor entsprechend EN ISO 5165 verwendet wird.
98 4 Kraftstoffe
Bild 4-14 Bezugskraftstoffe für die Cetanzahl-Messung
In Deutschland ist auch der sog. BASF-Motor verwendet worden. Die Zündwilligkeit wird durch die Cetanzahl beschrieben. Sie wird abhängig vom Kraftstoff durch Veränderung des Verdichtungsverhältnisses für konstanten Zündverzug ermittelt (eine hohe Kraftstoff-Zündwilligkeit erfordert eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses und umgekehrt). Als Vergleichskraftstoffe werden Cetan und α‑MethylNaphthalin mit den definierten Cetanzahlen 100 bzw. 0 verwendet (Bild 4‑14). Ein Kraftstoff, der im Prüfmotor die gleiche Motoreinstellung wie beispielsweise eine Mischung
aus 52% Cetan und 48% α‑Methyl-Naphtalin (Volumen-%) ergibt, hat dann definitionsgemäß eine Cetanzahl von 52. Kraftstoffe mit nicht ausreichender Zündwilligkeit führen zu höherem Zündverzug, was schlechten Kaltstart, hohe Druckspitzen und damit höhere Abgas- und Geräuschemission zur Folge hat. Paraffine haben hohe Cetanzahlen, während Kohlenwasserstoffe mit Doppelbindungen, insbesondere Aromaten, eine niedrige Zündwilligkeit aufweisen. Mit zunehmender Kettenlänge der Paraffine, d.h. mit höherem Molekulargewicht und Siedepunkt, steigt deren Cetanzahl an (Bilder 4‑5 und 4‑15). In der EN 590 ist eine Mindest-Cetanzahl von 51 vorgeschrieben. Deutsche Dieselkraftstoffe haben etwa eine Cetanzahl von 52 mit der Tendenz zu höheren Werten in Sommerkraftstoffen und zu niedrigeren Werten bei Winterkraftstoffen (wegen des teilweisen Verzichts auf schwersiedende Paraffine zur Sicherstellung ausreichender Kälte eigenschaften). Die Zündwilligkeit von konventionellen Dieselkraftstoffen wird ausreichend durch die Cetanzahl charakterisiert. Das gilt auch für Kraftstoffe, deren Zündwilligkeit durch Zündverbesserer angehoben ist. Demgegenüber verhalten sich Alkoholkraftstoffe, die mit hohen Gehalten von Zündbeschleunigern versehen sind, im Vollmotor anders als die gemessene Cetanzahl erwarten lässt. Mit zunehmender Cetanzahl verbessern sich bei den Dieselmotoren das Start- und Geräuschverhalten sowie insbe-
Bild 4-15 Cetanzahl typischer Dieselkraftstoff-Frak tionen steigt mit der Siedetemperatur
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren 99 sondere die gasförmigen Abgasemissionen von HC und CO, aber auch von NOX. Eine Anhebung der Cetanzahl von Raffineriekomponenten ist durch Wasserstoffbehandlung bei hohem Druck und hoher Temperatur möglich. Die Raffinerieverfahren Hydrocracken und Entschwefelung gehen ansatzweise in diese Richtung. Wirtschaftlich sind inzwischen Anlagen zur Herstellung synthetischer Dieselkraftstoffkomponenten (z. B. aus Erdgas) für Premium-Kraftstoffe geworden. Die mengenmäßige Verfügbarkeit derartiger Komponenten ist jedoch noch begrenzt. Zur Beurteilung der Zündwilligkeit von konventionellen Dieselkraftstoffen ohne Messung der Cetanzahl kann ersatzweise der Cetanindex entsprechend EN ISO 4264 aus Kraftstoffdichte und Siedeverhalten berechnet werden. Die für markttypische Kraftstoffe entwickelte empirische Gleichung basiert auf der Auswertung von ca. 1200 Dieselkraftstoffen. Primärer Ansatz mit einer Reihe von Korrekturen ist, dass mit steigender Dichte (zunehmender Anteil von Crackprodukten mit Doppelbindungen oder Aromaten) die Cetanzahl sinkt und mit Zunahme der schwersiedenden Komponenten (größere Kettenlänge der Moleküle) die Cetanzahl steigt. Entsprechend den längerfristigen Änderungen bei den Raffineriestrukturen und den Dieselkraftstoffkomponenten ist bereits mehrfach eine Änderung der Berechnungsformel erfolgt. Für einzelne Kraftstoffkomponenten ist sie nur bedingt geeignet. Ebenso kann sie die Cetanzahl von Kraftstoffen, die mit Zündbeschleunigern versehen wurden, nicht darstellen. Die Abweichungen zwischen gemessener Cetanzahl und errechnetem Cetanindex können bis zu 3 Einheiten betragen und ergeben sich sowohl aus der Ungenauigkeit der empirischen Formel (insbesondere durch das Nichterfassen von Kraftstoffen, die Zündbeschleuniger enthalten) als auch aus dem relativ breiten Streuband bei der Cetanzahlmessung.
4.1.8.2
Siedeverhalten
Dieselkraftstoffe bestehen aus Kohlenwasserstoffgemischen, die etwa im Bereich von 170 °C bis etwa 380 °C sieden. Siedeapparatur und Destillationsbedingungen (u. a. variable Energiezufuhr für eine konstante Destillationsgeschwindigkeit von 4-5 ml/min) sind in EN ISO 3405 festgelegt. Die Methode gibt keinen physikalisch exakten Siedebereich an, sondern ein an die praktischen Bedingungen einer schnellen Verdampfung angenähertes Siedeverhalten. Dabei werden bei steigender Temperatur des Produktgemisches leichtflüchtige Komponenten zum Teil zurückgehalten und andererseits schwersiedende Komponenten schon mitgerissen.
Der physikalisch exakte Siedebeginn bzw. das Siedeende liegen deshalb niedriger bzw. höher als angegeben. Für die Beurteilung von Dieselkraftstoffen ist die genormte Methode jedoch gut geeignet. Für die dieselmotorische Verbrennung sind prinzipiell auch Kohlenwasserstoffe außerhalb des üblichen Siedebereichs geeignet, z. B. laufen Schiffsmaschinen mit erheblich schwerer siedenden Kraftstoffen. Für den Fahrzeugbetrieb und die Auslegung der Kraftstoffsysteme ist der zulässige Siedebereich der Kraftstoffe durch eine Reihe anderer Randbedingungen (z. B. Viskosität, Fließfähigkeit bei niedrigen Temperaturen, Dichte, Zündwilligkeit, Flammpunkt) begrenzt. In der EN 590 sind deshalb nur 3 Punkte festgelegt, die den Kraftstoff im Bereich der Siedemitte bis in den Bereich des Siedeendes definieren (Bild 4‑16). Das Siedeende von Dieselkraftstoffen ist jedoch teilweise nicht exakt zu bestimmen, weil in der Siedeapparatur bei Temperaturen über 350 °C beim Verdampfen der letzten Kraftstoffanteile bereits Crackprozesse einsetzen können. Wegen dieser Unsicherheit ist das Siedeende in der EN 590 auch nicht explizit festgelegt. Wie bereits angeführt reagiert der Dieselmotor weniger kritisch auf den Siedeverlauf des Kraftstoffs. Es hat sich jedoch gezeigt, dass in schnelllaufenden Dieselmotoren eine Absenkung des Siedeendes das Brennverhalten verbessert und die Schadstoffemissionen vermindert. Bei der letzten Überarbeitung der EN 590 wurde deshalb die Temperatur für 95% verdampften Anteil von 370 °C auf 360 °C gesenkt.
4.1.8.3
Schwefelgehalt
Schwefel ist in unterschiedlichen Mengen bereits im Rohöl enthalten. Wegen der SO2-Bildung bei der Verbrennung, der Versäuerung des Motorenöls, der Sulfatemission, der erhöhten Partikelemission und der Schädigung der Abgas-Nachbehandlungssysteme (Katalysatoren) muss der Dieselkraftstoff entschwefelt werden. Der direkte Beitrag des Straßenverkehrs zur Schwefeldioxidbelastung ist zwar gering, jedoch erfordern die Abgas-Nachbehandlungssysteme schwefelfreien Kraftstoff (S < 10 ppm). Der Schwefelgehalt kann mit unterschiedlichen Methoden ermittelt werden, z. B. über Verbrennung oder mit Röntgenfluoreszenz. Für Dieselkraftstoffe sind die entsprechenden Methoden in EN 24260, EN ISO 8745 und EN ISO 14596 beschrieben. Die Grenzwerte für den maximal zulässigen Schwefelgehalt wurden in der Vergangenheit kontinuierlich abgesenkt. Der frühere höhere Schwefelgehalt des Dieselkraftstoffes hatte auch auf die Lebensdauer der Motoren einen gravierenden Einfluss. Die bei der Verbrennung entstandenen sauren Produkte konnten zu korrosivem Verschleiß, vor allem an den Zylinderlauf-
100 4 Kraftstoffe
Bild 4-16 Siedeverlauf eines typischen Dieselkraftstoffs
bahnen und im Kolbenringbereich, führen. Dies wiederrum kann zu erhöhtem Ölverbrauch und Leistungsverlust führen. Erhöhter Zylinderverschleiß tritt besonders beim “Stop-andGo-Betrieb” auf. Es ist jedoch festzustellen, dass mit besonders hochalkalischen Motorenölen die anfallenden sauren Verbrennungsprodukte neutralisiert werden können. Außerdem bestand die Möglichkeit bei erhöhtem Schwefelgehalt die Ölwechselabstände zu reduzieren. Seit 2005 ist der maximale Schwefelgehalt in der EU auf 50 ppm begrenzt. Gleichzeitig muss schwefelfreier Kraftstoff (max. 10 ppm Schwefel) flächendeckend verfügbar sein. Auf Grund eines steuerlichen Anreizes liegt der Schwefelgehalt deutscher Dieselkraftstoffe seit 2003 praktisch ohne Ausnahme unter 10 mg/kg (schwefelfrei). Ab 2009 soll in der EU ausschließlich schwefelfreier Kraftstoff verfügbar sein.
4.1.8.4
Tieftemperatur-Fließfähigkeit
Die für den Betrieb im Dieselmotor generell gesehen güns tigen Kohlenwasserstoffe, die Paraffine, fallen leider häufig bereits bei geringen Minusgraden als Paraffinkristalle aus. Diese koagulieren und verstopfen Kraftstofffilter, Leitungen und Einspritzsystem und verhindern damit den Betrieb des Motors. Häufig ist zwar noch ein Starten möglich, der Motor bleibt dann aber durch Kraftstoffmangel stehen, ohne Schaden zu nehmen.
Gemessen wird die Tieftemperatur-Fließfähigkeit von Dieselkraftstoffen mit der Cold Filter Plugging Point Methode (CFPP). Ermittelt wird hierbei die niedrigste Temperatur, bei der ein Dieselkraftstoff noch störungsfrei fließt und filtergängig ist. Das wird entsprechend EN 116 mit einem Sieb von 45 µm Maschenweite bei einer Drahtstärke von 32 µm und einer Abkühlrate von ca. 1 °C/min gemessen. Bei Kraftstoffen ohne Kälteschutzadditive liegt der CFPP nur wenig unter dem Cloudpoint, das heißt der beginnenden Paraffinausscheidung. Kälteschutzadditive verkleinern die Paraffinkristalle derart, dass die CFPP-Werte je nach Art und Menge der Additive um mehr als 20 °C unter den Cloudpoint abgesenkt werden können. Beim Cloudpoint (CP) wird die Temperatur gemessen, bei der eine Trübung des Kraftstoffes durch erste auskristallisierende Paraffine auftritt. Er ist für die Filtergängigkeit eines Dieselkraftstoffs in modernen Fahrzeugen nicht relevant und deshalb auch nicht in der DIN EN 590 spezifiziert. CFPPWerte bis zu etwa 15 °C unterhalb des Cloudpoints können alleine durch Fließverbesserer erreicht werden. Weitergehende Absenkungen sind durch die Kombination von Fließverbesserern und Wax-Anti-Settling-Additiven möglich. Die EN 590 verlangt entsprechend den Umgebungstemperaturen unterschiedliche Kältefestigkeiten, ausgedrückt durch den CFPP. Für Deutschland wurden daraus die in Tabelle 4‑5 dargestellten Werte ausgewählt.
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren 101
Tabelle 4-5 Kältefestigkeiten von Dieselkraftstoffen gemäß EN 590 im Verlauf eines Jahres in Deutschland Winter Frühjahr Sommer Herbst
16.11. bis 28.02. 01.03. bis 14.04. 15.04. bis 30.09. 01.10. bis 15.11.
max. –20 °C max. –10 °C max. +/–0 °C max. –10 °C
Die Betriebssicherheit der Fahrzeuge wird annähernd durch den CFPP beschrieben. Da der Kraftstoff unterhalb des Cloudpoints und im Bereich des CFPP kleine Paraffinkristalle enthält, ist eine Anbringung von Filtern im Kraftstoffsystem nur dort vorzusehen, wo durch Motorwärme oder andere Maßnahmen eine Filterheizung nach dem Start des Motors erfolgt. Fahrzeuge mit aktiv geheizten Filtern erlauben einen sicheren Betrieb auch bei niedrigeren als den durch den CFPP angegebenen Temperaturen. Bei Fahrzeugen mit Filtern, die von der Motorwärme aufgewärmt werden, ist die betriebssichere Außentemperatur etwa entsprechend dem CFPP des Kraftstoffs.
4.1.8.5
Dichte
Die Dichte ist die Masse eines bestimmten Kraftstoffvolumens und wird in kg/m³ bei 15 °C angegeben (EN ISO 3675, EN ISO 12185). Gemessen wird die Dichte von Kraftstoffen traditionell mit Senkspindeln (Aräometern) oder neuerdings nach dem Biegeschwingerprinzip. Hierbei wird eine kleine Menge des zu prüfenden Kraftstoffs in ein U-förmig gebogenes Rohr gefüllt. Das Rohr wird zu Schwingungen angeregt, die resultierende Schwingfrequenz gemessen und in einen Dichtewert umgerechnet. Mit steigendem Kohlenstoffgehalt des Dieselkraftstoffes, d.h. mit zunehmender Kettenlänge der paraffinischen Moleküle und zunehmendem Anteil von Doppelbindungen (Aromaten, Olefine), nimmt die Dichte zu. Entsprechend verringert steigender Wasserstoffanteil im Dieselkraftstoff dessen Dichte. Mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt eines Kraftstoffs steigt auch dessen volumetrischer Heizwert, d.h. ansteigende Dichte ist ein Indiz für einen höheren Heizwert. Mit steigender Kraftstoffdichte und bei konstantem Einspritzvolumen steigt daher die dem Motor zugeführte Energie. Weil die Einspritzmenge von serienmäßigen FahrzeugDieselmotoren zur Zeit noch nicht kraftstoffabhängig geregelt wird, kann deshalb im Volllastbereich hohe Kraftstoffdichte zu höherer Motorleistung und gleichzeitig zu erhöhter Partikel- bzw. Rauchemission führen, dies gilt insbesondere bei volumenzumessenden Einspritzsystemen. Hingegen sinkt bei gleicher abgegebener Leistung mit steigender Dichte der volumetrische Kraftstoffverbrauch. Sinkende Dichte
hat den gegenteiligen Effekt, d. h. höheren volumetrischen Verbrauch und bei Volllast weniger Partikelemission mit möglichem Leistungsverlust. Bei der letzten Überarbeitung der EN 590 ist die maximale Dichte von 860 auf 845 kg/m³ gesenkt worden mit dem Ziel der Verminderung der Partikelemissionen im vorhandenen Fahrzeugpark. Die dargestellten Abhängigkeiten gelten jedoch nur, wenn das Brennverhalten der Kraftstoffe etwa gleich bleibt. Bezogen auf den gravimetrischen Heizwert macht sich der höhere Wasserstoff- und damit Energiegehalt von synthetischem Kraftstoff (Gas-to-Liquid) positiv gegenüber konventionellem Dieselkraftstoff bemerkbar.
4.1.8.6
Viskosität
Die Viskosität (Zähigkeit) ist die Eigenschaft eines fließfähigen Stoffsystems bei einer Verformung eine Spannung aufzunehmen, die nur von der Verformungsgeschwindigkeit abhängig ist (s. DIN 1342). Die Kraftstoffviskosität beeinflusst das Kraftstoff-Förderverhalten in Förder- und Einspritzpumpe sowie die Zerstäubung des Kraftstoffs durch die Einspritzdüse. Es wird unterschieden zwischen dynamischer Viskosität η in Pa ⋅ s und kinematischer Viskosität ν. Letztere ist der Quotient aus dynamischer Viskosität und Dichte und wird in m²/s bzw. in mm2/s angegeben. Für Dieselkraftstoffe wird die kinematische Viskosität mit dem Ubbelohde-Kapillar-Viskosimeter (EN ISO 3104) gemessen. Dabei wird bei einer Temperatur von 40 °C die Zeit gemessen, die eine Probemenge von 15 ml benötigt, um durch eine definierte Kapillare zu fließen. In der EN 590 wird für Dieselkraftstoffe ein Viskositätsbereich von 2,0 bis 4,5 mm2/s verlangt. Für arktische Kraftstoffe gelten niedrigere Minimalwerte bis hinunter zu 1,2 mm2/s. Handelsübliche Kraftstoffe liegen bei der festgelegten Temperatur von 40 °C etwa im Bereich 2,0 bis 3,6 mm2/s. Die Viskosität ist üblicherweise kein primäres Kriterium bei der Kraftstoffherstellung, sondern ergibt sich aus den übrigen Kraftstoffparametern. Mit abnehmender Temperatur und zunehmendem Druck steigt die Viskosität an. Beispielsweise verdoppelt sich die Viskosität von Dieselkraftstoffen bei einer Temperaturabsenkung von 40 °C auf 20 °C (Bild 4‑17) oder bei einer Druckerhöhung auf etwa 600 bar. Die Viskosität beeinflusst das Fließ- und Pumpverhalten des Kraftstoffs im Kraftstoff system sowie die durch die Einspritzdüse geformte Ausbildung des Einspritzstrahls im Verbrennungsraum. Zu hohe Viskosität behindert die Pumpfähigkeit bei niedrigen Temperaturen und führt zu Kaltstartproblemen, während zu niedrige Viskosität den Heißstart erschwert und zu Leistungsverlusten bei hohen Temperaturen sowie zu Pumpenverschleiß führt.
102 4 Kraftstoffe
Bild 4-17 Viskositäts-Temperatur-Diagramm von Dieselkraftstoffen
4.1.8.7
Flammpunkt
Der Flammpunkt einer Flüssigkeit ist die niedrigste Temperatur bei Normaldruck, bei der sich in einem geschlossenen Gefäß Dämpfe in solcher Menge entwickeln können, dass ein durch Fremdzündung entflammbares Dampf-Luft-Gemisch entsteht (Bestimmung nach EN 22719, ISO 2719). Der Flammpunkt ist eine sicherheitstechnische Kenngröße. Für die Verbrennung im Motor ist er unwichtig. In der bis 2004 gültigen Verordnung über Lagerung und Transport brennbarer Flüssigkeiten (VBF) gehörte Dieselkraftstoff zur Gefahrenklasse A3 mit Flammpunkten > 55 °C (Ottokraftstoffe mit Flammpunkten < 2 °C fielen in die Gefahrenklasse A1). Weiterhin gültig sind die „Technischen Regeln über brennbare Flüssigkeiten“ (TRbF) mit gleicher Einteilung der Gefahrenklassen und Grenzwerte. Sie regeln die Gestaltung von Tanklagern (TRbF 20), Abfüllstellen und Tankstellen (TRbF 40). Neu eingeführt wurden die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). In diesen Verordnungen fällt Dieselkraftstoff in die Gruppe der nicht wasserlöslichen entzündlichen Produkte. Bereits geringe Mengen Ottokraftstoff, die z. B. bei wechselweisem Transport in gleichen Tankkammern in den Dieselkraftstoff gelangen, können die Unterschreitung des Flammpunktes unter den 55 °C-Grenzwert zur Folge haben und ein Sicherheitsrisiko darstellen.
Bei der Herstellung von Dieselkraftstoff begrenzt der Flammpunkt die Verwendung leichtflüchtiger Komponenten. Die Begrenzung des Flammpunktes ist einer der Gründe, weshalb der Siedebeginn von Dieselkraftstoff nicht spezifiziert werden muss.
4.1.8.8
Aromaten
Aromaten mit ringförmiger und mit Doppelbindungen versehener Molekülstruktur sind wegen der schlechten Zündwilligkeit für die dieselmotorische Verbrennung ungeeignet (s. Abschn. 4.1.4). In Dieselkraftstoffen kommen einkernige Aromaten nur mit längeren Seitenketten vor und haben dann auch ähnliche Eigenschaften wie langkettige Paraffine. Benzol (ohne Seitenkette), Toluol und Xylol (Benzolring mit kurzen Seitenketten) haben zu niedrige Siedepunkte für Dieselkraftstoff und sind deshalb darin nicht enthalten. Mehrkernige Aromaten, z. B. Naphtalin (2-Ring) oder Anthracen (3-Ring), können wegen des höheren Siedepunktes auch ohne „abmildernde“ Seitenketten vorhanden sein. 4-RingAromaten sieden über 380 °C, also oberhalb des Siedebereichs von Dieselkraftstoff und können deshalb nur in Spuren vorhanden sein. Problematisch war es, eine für die laufende Qualitätskon trolle geeignete Methode zu finden, mit der die Aromaten im Dieselkraftstoff bestimmt werden konnten. Seit einigen Jahren wird entsprechend EN 12916 die Summe der Poly
4.1 Dieselkraftstoffe für Fahrzeugmotoren 103 aromaten mit Hochdruck-Flüssigkeits-Chromatografie und Brechungsindexdetektor gemessen. Dabei wird die Masse polyaromatischer Ringstrukturen einschließlich der Seitenketten bestimmt, d. h. der tatsächlich vorhandene Gehalt an aromatischen Ringstrukturen ist niedriger als angegeben. In marktüblichen Dieselkraftstoffen sinkt der Gehalt an mehrkernigen Aromaten mit zunehmender Anzahl der Ringe. Inzwischen weiß man, dass sich einkernige Aromaten mit langen Seitenketten auch hinsichtlich Abgasemission und insbesondere Partikelbildung ähnlich wie Paraffine verhalten. Nachteilig wirken sich mehrkernige Aromaten aus. Sie sind deshalb in der EN 590 auf max. 11 Gew.-% begrenzt.
4.1.8.9
Reinheit
Hierunter fallen die genormten Kriterien Koksrückstand, Aschegehalt, Gesamtverschmutzung und Wassergehalt. Da Dieselkraftstoff eine hochwertige Ressource ist und seine Anwendung im Dieselmotor hohe Anforderungen stellt, ist es an sich selbstverständlich, dass er, wenn er in den Tank des Fahrzeugs gefüllt wird, sauber und rein sein sollte. Er muss frei von Säuren und festen Fremdstoffen sowie bei Raumtemperatur klar sein. Der Koksrückstand (nach Conradsen) ist im Zusammenhang mit anderen Kriterien ein wesentliches Indiz für die Bildung von Ablagerungen im Einspritzsystem und Verbrennungsraum. Dieser Rückstand wird daher ebenfalls begrenzt. Gemessen wird der Koksrückstand durch Verschwelen der letzten 10% aus der Siedeanalyse entsprechend EN ISO 10370. Maximal dürfen 0,3% vorhanden sein. In handelsüblichen Kraftstoffen wird etwa 0,03% gefunden. Da einige Dieselkraftstoff-Additive (z. B. Zündbeschleuniger) den Koksrückstand anheben, sollte die Bestimmung nur von nicht additivierten Kraftstoffen erfolgen. Der Aschegehalt beschreibt den Gehalt an anorganischen Fremdstoffen im Kraftstoff. Er wird durch Verbrennung/ Veraschung einer Kraftstoffprobe entsprechend EN ISO 6245 ermittelt und darf nicht höher als 0,01 Gew.-% sein. In markttypischen Kraftstoffen liegt er meist unter der Nachweisgrenze. Die Gesamtverschmutzung gibt die Summe der ungelös ten Fremdstoffe (Sand, Rost etc.) im Kraftstoff entsprechend EN 12662 an. Die Messung erfolgt durch Filtrierung und nach Waschung mit n-Heptan durch Wägung. Maximal zulässig sind 24 mg/kg. Üblich sind Werte meist unter 10 mg/kg. Höhere Werte können besonders im Winter zu Problemen führen, wenn durch Fremdstoffe teilweise zugesetzte Filter zusätzlich durch Paraffinkristalle beaufschlagt werden. Wasser ist bereits im Rohöl vorhanden und gelangt auch während einiger Raffinerieverfahren in den Kraftstoff.
Daher wird der Kraftstoff anschließend getrocknet. Die Menge des gelösten Wassers sinkt mit abnehmender Temperatur und abnehmendem Aromatengehalt. Sie ist deutlich niedriger als bei Ottokraftstoffen und liegt bei 20 °C etwa zwischen 50 und 100 mg/kg. Zulässig sind max. 200 mg/kg. Gemessen wird der Wassergehalt durch Titrieren nach der Karl-Fischer-Methode entsprechend EN ISO 12937. Insbesondere im Winter sollte jedes Eindringen von Wasser in den Dieselkraftstoff verhindert werden, weil Eiskris talle in Verbindung mit Paraffinkristallen schnell zu Filterverstopfung führen können. Zum erforderlichen sorgfältigen Umgang mit Dieselkraftstoff gehört aber auch dafür zu sorgen, dass sich keine Algen, Bakterien und Pilze bilden können. Dies kann meist alleine durch Reinigung und regelmäßige Entwässerung der Lagertanks im Verteilungssystem erreicht werden.
4.1.8.10
Schmierfähigkeit
Es hat sich gezeigt, dass Dieselkraftstoffe mit sehr niedrigem Schwefelgehalt bei kraftstoffgeschmierten Einspritzpumpen zu hohem Verschleiß führen können. Hierfür ist jedoch nicht der fehlende Schwefel als solcher verantwortlich, sondern verschleißmindernde polare Substanzen, die bei der Entschwefelung mit entfernt werden. Die erforderliche Schmiersicherheit wird aber durch nachträglich zugefügte Additive wieder gewährleistet. Sie kann durch einen mechanischen Kurztest mit dem High Frequency Reciprocating Rig (HFRR) entsprechend EN ISO 12156-1 ermittelt werden. Der HFRRTest simuliert den Gleitverschleiß in der Einspritzpumpe, indem eine Kugel (Durchmesser 6 mm) mit konstanter Anpresskraft bei 60 °C Testtemperatur auf einer polierten Stahlplatte unter Flüssigkeit gerieben wird (Bild 4-18). Die nach 75 min entstandene Abplattung der Kugel wird als Versuchsresultat vermessen (mittlerer Verschleißdurchmesser in µm). Die EN 590 erlaubt einen maximalen Verschleißdurchmesser von 460 µm.
4.1.8.11
Heizwert
Es wird unterschieden zwischen dem oberen Heizwert Ho und dem unteren Heizwert Hu (heute nur Heizwert H). Der obere Heizwert Ho, oder Brennwert, wird im Kalorimeter (Verbrennungsbombe) bei 30 bar Sauerstoffatmosphäre durch vollständige Verbrennung ermittelt. Kohlendioxid und eventuell vorhandenes Schwefeldioxid liegt nach der Verbrennung gasförmig vor, während der entstandene Wasserdampf kondensiert ist. Da die Kondensation des Wasserdampfes bei motorischer Verbrennung nicht stattfindet, ist der Brennwert für die praktische Bewertung von Kraftstoffen unrealistisch hoch. Deshalb bestimmt man den Wasserstoff-
104 4 Kraftstoffe
Bild 4-18 Schema des Laborgerätes zur Bestimmung der Kraftstoff Lubricity (HFRR Lubricity Test)
gehalt in einer Elementaranalyse, errechnet damit die Kondensationswärme des Wasserdampfes und subtrahiert diese vom Brennwert, um schließlich den Heizwert zu erhalten (DIN 51900). Bei der Kraftstoffherstellung ist der Heizwert eine aus Dichte, Siedeverhalten und Kraftstoffzusammensetzung resultierende Größe, die für die Zwecke der Qualitätskont rolle nicht gemessen wird. Die Messung ist nur für Kraftstoffe, die für bestimmte Forschungs- und Entwicklungsarbeiten verwendet werden, erforderlich. Werte einiger typischer Dieselkraftstoffe zeigt Tabelle 4‑6. Dieselkraftstoffe haben wegen der höheren Dichte (höherer Kohlenstoffanteil) einen um etwa 15% höheren volumetrischen Heizwert als Ottokraftstoffe.
4.1.8.12
Korrosionswirkung auf Metalle
Dieselkraftstoff kommt beim Transport, der Lagerung und der Anwendung im Fahrzeug zwangsläufig mit Luftfeuchtig-
keit und Sauerstoff in Kontakt. Daher kann es, z. B. bei Temperaturwechsel und resultierender Bildung von Kondenswasser, zu Korrosion an Leitungen und Behältern kommen. Die gebildeten Korrosionsprodukte können Schäden in der Verteilerkette und im Kraftstoffsystem der Fahrzeuge bis hin zu den empfindlichen Einspritzdüsen verursachen. Das Korrosionsverhalten für Stahl wird gemäß DIN 51585 geprüft. Dabei wird ein Rundstab aus Stahl 24 Stunden lang bei 60 °C in ein 10:1-Gemisch aus Kraftstoff und destilliertem Wasser (Variante A) oder künstlichem Meerwasser (Variante B) eingebracht. Nach Abschluss der Untersuchung wird die Rostbildung visuell bewertet. Die Methode wird z. B. zur Prüfung der Wirksamkeit von Korrosionsschutz-Additiven verwendet (s. Bild 4‑12). Die Korrosion kupferhaltiger Materialien, die mit Kraftstoff in Kontakt kommen (z. B. Bauteile der Zapfsäulen) ist aus zwei Gründen problematisch. Zum einen werden die Bauteile geschädigt, zum anderen ist das gelöste Kupfer katalytisch aktiv und führt zur Bildung hochmolekularer Verunreinigungen im Kraftstoff. Die Korrosivität eines Kraftstoffs hängt im Wesentlichen vom Wassergehalt, von sauerstoffhaltigen Verbindungen, von Art und Menge von Schwefelverbindungen und natürlich vom verwendeten Korrosionsschutzadditiv ab. Zur Prüfung des in der EN 590 festgelegten Korrosionsgrenzwertes wird ein geschliffener Kupferstreifen bei 50 °C über 3 Stunden mit Dieselkraftstoff in Berührung gebracht (EN ISO 2160). Additive sorgen auch unter erschwerten Bedingungen weitgehend für einen Schutz aller mit dem Kraftstoff in Berührung kommenden Metalle.
4.1.8.13
Oxidationsstabilität
Kraftstoffe können bei Langzeitlagerung (Lagerzeit > 1 Jahr, z. B. bei strategischen Beständen/Erdölbevorratung) teilweise oxidieren und polymerisieren, was zur Bildung unlöslicher Bestandteile und damit anschließend im Fahrzeug zur Filterverstopfung führen kann. Chemischer Mechanismus ist die
Tabelle 4-6 Heizwerte und Elementaranalysen handelsüblicher Dieselkraftstoffe (Quelle: DGMK, Hamburg) Dieselkraftstoff
A B C Mittelwert
Dichte bei 15 °C (kg/m3)
Elementaranalyse C Gew.-%
H
O
829,8 837,1 828,3 831,7
86,32 85,59 86,05 85,99
13,18 12,7 13,7 13,19
– – – –
Ho MJ/kg
Hu MJ/kg
Hu MJ/l
45,74 45,64 46,11 45,84
42,87 42,9 43,12 42,96
35,57 35,91 35,72 35,73
4.2 Alternative Kraftstoffe 105 Abspaltung von Wasserstoff und Anlagerung von Sauerstoff vorzugsweise an ungesättigte olefinische Kraftstoffmoleküle. Der durch die Bildung von „freien Radikalen“ als Zwischenprodukt ablaufende Prozess der Oxidation und Polymerisation kann durch die Verwendung von Antioxidantien (Additiven) verhindert bzw. wirksam unterbrochen werden. Für die Messung der Oxidationsstabilität im Labor wird der Kraftstoff 16 Stunden bei einer Temperatur von 95 °C in einem offenen Gefäß mit Durchlüftung von reinem Sauerstoff (3 l/h) beschleunigt gealtert (EN ISO 12205). Dabei dürfen nicht mehr als 25 g/m³ lösliche und unlösliche Harzstoffe entstehen. Die Menge der in handelsüblichen Dieselkraftstoffen nach dieser Methode gemessenen Harzstoffe ist wesentlich niedriger, i. Allg. unter 1 g/m³. Die Methode ist aus Sicherheitsgründen wegen der Sauerstoffzugabe nur bedingt anwendbar. Alternative Labortests mit Luft als Oxidationsmedium und praxisnahen Temperaturen nehmen mehrere Wochen in Anspruch und sind deshalb für die Qualitätskontrolle von Kraftstoffen nicht geeignet.
4.1.9
Zukunftsaussichten
Der hohe Wirkungsgrad des Dieselmotors, der einen sparsamen Umgang mit dem Kraftstoff ermöglicht, und die im Vergleich zu Ottokraftstoff immer noch konkurrenzfähigen Herstellungskosten von Dieselkraftstoff werden dem Dieselmotor noch für lange Zeit einen hohen Anteil am Markt der Antriebssysteme für Straßenfahrzeuge sichern. Steigende Akzeptanz durch wirkungsvolle Abgasnachbehandlungssys teme sowie gute Fahrbarkeit, hohe Leistung und reduzierte Geräuschemissionen werden diesen Trend unterstützen und dem Ottomotor weitere Marktanteile abnehmen. So haben gerade kürzliche Erfolge im Motorsport diese Entwicklung eindeutig dokumentiert. Pflanzenöle sind ohne chemische Aufarbeitung für heutige und zukünftige Motoren ungeeignet. Durch Umwandlung sind jedoch Produkte herstellbar, die in Form von Pflanzenölmethylester bzw. Fettsäuremethylester (FAME) als Kraftstoff brauchbar sind, wenn sie den Anforderungen entsprechen, die in der Arbeitsgruppe TC19/WG24 erarbeitet wurden (s. Abschn. 4.2). Diese Produkte können dem mineralölbasierten Dieselkraftstoff zugemischt werden. Die EN 590 erlaubt eine maximale Beimischung von 5% FAME (welches wiederum den Anforderungen der EN 14214 [4-6] entsprechen muss). Grundlage hierfür ist die EU-Biokraftstoff-Richtlinie 2003/30/EG [4-7]. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit handelt es sich jedoch zunächst nur um kleine Mengen. In der Vergangenheit war Biodiesel nur mit steuerlichen Vergünstigungen wettbewerbsfähig. Infolge der deutlich gestiegenen Rohölpreise liegen die Herstellungspreise für Biodiesel jedoch nun in ähnlichen Grö-
ßenordnungen wie diejenigen, konventioneller Dieselkraftstoffe. Qualitätsanforderungen und Qualitätsüberwachung sind beim Biodiesel noch wichtiger, weil Naturprodukte größere Qualitätsabweichungen aufweisen können. Während mittelund langfristig die Verwendung von Biomasse zur Kraftstoff herstellung Erfolg versprechend ist, ist die kurzfristige Entwicklung unübersichtlich. Auslaufende Steuerpräferenzen und Zumischungszwang zu konventionellem Dieselkraftstoff lassen erwarten, dass „Biodiesel“ als getrennte, reine Sorte nur einen geringen Marktanteil behalten wird, zumal die Anwendung in Verbindung mit modernen Abgasnachbehandlungssystemen nicht unproblematisch ist. Sowohl Motoren als auch Kraftstoffe werden weiterentwickelt. Dies wird im Bereich der Kraftstoffe besonders für synthetische Komponenten und für Additive gelten. In diesen Bereich fallen auch aussichtsreiche Entwicklungen zur Herstellung von Kraftstoffkomponenten aus nachwachsenden Rohstoffen. Bei diesen können jedoch, anders als zurzeit bei Rapsölmethylester, die gesamte Pflanze oder auch Reststoffe als Rohstoff verwertet werden, wie beispielsweise beim BtL-Verfahren der Firma Choren (s. Abschn. 4.2.2.4). Derartige Entwicklungen werden auch die längerfristige Verknappung von konventionellem Dieselkraftstoff weiter hinausschieben. Der in der jüngsten Zeit beobachtete deutliche Preisanstieg von Rohöl und Mineralölprodukten wird solche Entwicklungen beschleunigen.
4.2
Alternative Kraftstoffe
4.2.1
Einführung
Der weltweit steigende Energieverbrauch, die damit verbundenen Emissionen klimarelevanter Gase, die prognostizier te Verknappung fossiler Primärenergiequellen (s. Abschn. 4.1.2), die unsichere politische Situation in wichtigen Förderländern von Erdöl und Erdgas und die steigenden Energiepreise führen zu einer verstärkten Suche nach möglichen Alternativen für die herkömmlichen, aus Mineralöl hergestellten Diesel- und Ottokraftstoffe und nach Lösungen für eine zukunftsträchtige und nachhaltige Kraftstoffversorgung. Als Ziel der Nachhaltigkeit wurde in [4-8] die Forderung formuliert: „Die verkehrsbedingten Treibhausgasemissionen sind auf ein nachhaltiges Niveau zu reduzieren, d. h. das Transportwesen ist als wesentliche Quelle von Schadstoffen und Treibhausgasemissionen vollständig auszuschließen. Dies erfordert voraussichtlich die Entwicklung von Wasserstoff als Hauptenergieträger sowie die Entwicklung von modernen Biokraftstoffen“. Nachhaltigkeit erfordert jedoch auch eine Balance aus Ökologie und Ökonomie unter Berücksichtigung soziologischer Aspekte.
106
4 Kraftstoffe
Einen Überblick über die möglichen Kraftstoffpfade gibt Bild 4-19. Im Wesentlichen sieht man zwei Hauptgruppen an Treibstoffalternativen [4-9]: – konventionelle, auf fossilen Energieträgern beruhende Kraftstoffe, auch synthetische Kraftstoffe und Wasserstoff, – regenerative Alternativen u. a. aus biogener Energie, Wasserkraft oder Fotovoltaik. Der Beitrag des Kraftstoffes zur Erfüllung des oben genannten Zieles kann auf zwei Bereiche aufgeteilt werden: 1. direkt (im/am Motor): – verbesserte Energiewandlung bei konventionellen Brennverfahren, – Vermeidung von Schadstoffentstehung, – neue, alternative Brennverfahren und Abgasnachbehandlungsverfahren. 2. indirekt: – geschlossener CO2-Kreislauf bei Bio-Kraftstoffen, – Verringerung des C/H-Verhältnisses der Kraftstoffe bis hin zu H2.
Bild 4-19 Mögliche Kraftstoffpfade [4-8], Quelle: WBCSD, Mobility 2030, 2004
Kurz- bis mittelfristig ergeben sich daraus drei Gruppen an alternativen Kraftstoffen: – synthetische Kraftstoffe aus fossilen Quellen (GTL), – biogene Kraftstoffe der 1. und 2. Generation, – kohlenstoffarme bis -freie Kraftstoffe (CNG bis zu reinem Wasserstoff). Das höchste Wirkungsgradpotential als Einzelaggregat zum Antrieb eines Fahrzeugs hat aus heutiger Sicht die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle. Voraussetzung ist allerdings die Verfügbarkeit von regenativem Wasserstoff, denn Wasserstoff kann nur dann zur Reduzierung der CO2-Emissionen beitragen, wenn er auch aus einer CO2-freien Primärenergie hergestellt wird. Dem stehen jedoch drei kritische Technologiebarrieren entgegen: – das Fehlen eines für Kunden akzeptablen Speichers für die mobile Anwendung, – die fehlende Infrastruktur und – das Fehlen einer ökonomisch tragbaren Technologie für die regenerative Herstellung von Wasserstoff. Da bisher für keine der drei Barrieren ein technologischer Lösungsansatz verfügbar ist, kann Wasserstoff und damit
4.2 Alternative Kraftstoffe 107 verbunden auch der Brennstoffzellenantrieb nur eine langfristige Lösung darstellen. Wenn also Wasserstoff nur langfristig zur Verfügung steht, stellt sich die Frage nach einer kurz- bis mittelfristigen Lösung, die aber auch langfristig eine reelle Chance haben muss. Die vier wesentlichen Anforderungen an einen zukünftigen Kraftstoff für Straßenfahrzeuge (im weiteren Sinne auch für Schiffe, Schienenfahrzeuge und Flugzeuge) sind: – eine hohe Energiedichte, – eine sichere Versorgung, – die gesamtwirtschaftliche Tragfähigkeit und – die Berücksichtigung der Umwelt- und Klimaschutzanfor derungen. Diese kann jedoch kein heute verfügbarer Energieträger, auch nicht Wasserstoff, erfüllen. In der Vergangenheit sind eine Vielzahl von Varianten diskutiert und teilweise auch untersucht worden [4-10]. Heute deutet sich ein Trend zu einer verstärkten Diversifikation der Kraftstoffe an. Bild 4-20 zeigt eine Übersicht über die am häufigsten diskutierten Varianten. Man kann die alternativen Kraftstoffe nach ihrer Primärenergie, der Herstellungsart und ihren Eigenschaften klassieren. So kann man Gruppen von flüssigen Kraftstoffen aus Pflanzenölen und Fetten und von mittels Fermentation
erzeugten Alkoholkraftstoffen sowie von gasförmigen Kraftstoffen definieren. Alternative flüssige Kraftstoffe, gewonnen aus landwirtschaftlichen Produkten werden als Biokraftstoffe der 1. Generation bezeichnet. Ihr Einsatz ist wegen der Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion umstritten. Wachsende Bedeutung erhalten die flüssigen synthetischen Kraftstoffe, deren Eigenschaften über das Herstellungsverfahren beeinflusst werden können. Synthetische Kraftstoffe aus regenerativer Biomasse (Ganzpflanzennutzung) sind Biokraftstoffe der 2. Generation.
4.2.2
Flüssige Kraftstoffe
4.2.2.1
Kraftstoffe aus Pflanzenölen und Fetten
Pflanzenöle werden aus ölhaltigen Früchten gepresst. Schon Rudolf Diesel erkannte ihre Einsatzfähigkeit in einem Dieselmotor. Vorteilhaft ist ihr hoher Energiegehalt, der dem von Dieselkraftstoff nahe kommt. Von großem Nachteil sind jedoch ihre unzureichenden physikalischen Merkmale wie hohe Viskosität und hohe Siedetemperatur, die eine schlechte Verbrennung zur Folge haben. Darüber hinaus führen sie zu einem unbefriedigenden Kaltstartverhalten und sind nur zeitlich begrenzt lagerstabil. In Tabelle 4-8 sind einige Kennwerte von Pflanzenölen im Vergleich zum Dieselkraftstoff zusammengestellt.
Bild 4-20 Übersicht alternativer Kraftstoffe
108 4 Kraftstoffe
Tabelle 4-7 Kraftstoffspezifikationen von Pflanzenölen im Vergleich zu Dieselkraftstoff (DK) Kennwort Dichte Viskosität (20 °C) Heizwerta Cetanzal Flammpunkt
Einheit 3
g/cm mm2/s MJ/kg – °C
Diesel
Rapsöl
Sonnenblumenöl
Leinöl
Sojaöl
Olivenöl
Palmöl
0,83 ≈2 43 50 55
0,915 74 35,2 40 317
0,925 65,8 36,2 35,5 316
0,933 51 37,0 52,5 320
0,93 63,5 39,4 38,5 330
0,92 83,8 (40,0) 39 325
0,92 39,6 35 42 267
4.2.2.1.1 Reine Pflanzenöle Die Kraftstoffeigenschaften von Pflanzenölen erfordern angepasste Motoren. Begrenzte Bedeutung könnte Rapsöl zum Antrieb landwirtschaftlicher Maschinen und Traktoren erreichen [4-11]. Wesentlich ist dabei die Einhaltung der Kraftstoffnorm [4-12]. Von der Automobilindustrie wird der Einsatz reiner Pflanzenöle, wie auch ihre Beimischung zum Dieselkraftstoff, infolge der schlechten Kraftstoffeigenschaften abgelehnt. Eine andere Möglichkeit zur Nutzung von Pflanzen ölen zur Kraftstoffherstellung könnte jedoch ihre Zugabe zum Raffinerieprozess sein, mit dem Ergebnis eines Dieselkraftstoffs hoher Qualität, der zum Teil biomassestämmig ist [4-13].
4.2.2.1.2 Biodiesel Unter dem Begriff Biodiesel (auch BTL 1. Generation genannt) wurde ursprünglich ein verestertes Rapsöl (RapsölMethyl-Ester – RME) verstanden, dessen Eigenschaften durch die Veresterung des Pflanzenöls grundsätzlich deutlich verbessert worden sind. Inzwischen ist der Begriff Biodiesel aber erweitert worden und umfasst veresterte Fettsäuren (Pflanzenöle, Tierfette, gebrauchte Speiseöle). Akzeptiert wird heute die Zumischung von bis zu 5 Vol.-% Biodiesel (B5) zu Dieselkraftstoff nach EN 590, der der europäischen Norm EN 14214 für Fatty Acid Methyl Ester (FAME) entspricht [4-1, 4-6]. Bei flächendeckender Versorgung des Marktes (z. B. EU 25) mit einem 5%-Blend ist eine Steigerung des Biodieselgehaltes auf zunächst bis zu 10 Vol.% (B10), später auch bis zu 20 Vol.-% (B20) denkbar, unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden Verträglichkeitstests erfolgreich abgeschlossen werden. Gerade mit der neuesten Dieselmotorentechnik und mit Partikelfiltersystemen kann es durchaus zu Problemen kommen. Falls eine Akzeptanz dennoch möglich ist, muss rechtzeitig eine Anpassung der EN 590 erfolgen. Bei reinem Biodiesel (B100) sind z. B. aus Emissionsgründen für die Zukunft keine weiteren Freigaben für PkwMotoren zu erwarten.
4.2.2.2
Alkohole
Alkohole besitzen zwar gute Verbrennungseigenschaften, weisen jedoch deutliche Nachteile bezüglich ihrer Energiedichte (Reichweite der Fahrzeuge), ihres Kaltstartverhaltens und ihres Korrosionsverhaltens gegenüber Metallen und Elastomeren auf (Tabelle 4-8). Größere Alkoholanteile (> 15 Vol.-%) erfordern daher die Entwicklung spezieller Motoren.
4.2.2.2.1 Methanol Zur Herstellung von Methanol wird überwiegend fossile Primärenergie (Erdgas, Kohle) eingesetzt, aber auch regenerative Quellen (Biomasse) sind möglich. In erster Priorität wird Methanol in Form von MTBE (Methyl-Tertiär-Butyl-Ether) dem Ottokraftstoff als Klopfverbesserer zugefügt. Hierbei sind nach EN 228 bis zu 15% MTBE zugelassen. In zweiter Priorität kann Methanol auch direkt bis zu 3% zugegeben werden. Auf größere Anteile von Methanol sollte aus Toxizitätsgründen verzichtet werden.
4.2.2.2.2 Ethanol Ethanol wird mittels Fermentation direkt aus zucker- oder stärkehaltigen Rohstoffen (Getreidekörner, Zuckerrübe, Zuckerrohr etc) hergestellt. Wird ein enzymatischer Aufschluss von Lignocellulose (z. B. Stroh) vorgesetzt, so ist auch die Verwendung von Holz und halmartige Einsatzstoffe möglich. Ein solches Verfahren wurde von der kanadischen Firma IOGEN [4-14] entwickelt und befindet sich in der großtechnischen Umsetzung (Bild 4-21). Ethanol eignet sich für Ottomotoren. Mit erster Priorität kann ein Einsatz von bis zu 15 Vol.-% ETBE (Ethyl-TertiärButyl-Ether) (Ethanolgehalt: 47%) nach EN 228 [4-15]erfolgen. In zweiter Priorität erlaubt die EN 228 einen direkten Einsatz von bis zu 5 Vol.-% Ethanol (E5) [4-16]. Zurzeit ist eine flächendeckende Versorgung in Europa aufgrund zu geringer Verfügbarkeit nicht möglich. Sollte dies in Zukunft bedingt durch die schnell wachsenden Kapazitäten möglich
4.2 Alternative Kraftstoffe 109
Tabelle 4-8 Kraftstoffspezifikationen von Alkoholen Kennwert
Einheit
Benzin
Diesel
Methanol
Ethanol
Heizwert Heizwert stöch. Luftbedarf Gemischheizwert Dichte Siedetemperaturen Verdampfungswärme Dampfdruck Zündgrenzen bei lV Cetanzahl Oktanzahl ROZ MOZ Sensitivity MOZ – ROZ
MJ/kg MJ/dm3 kg/kg kJ/kg kg/m3 °C kJ/kg bar
≈ 42 ≈ 32 14 bis 14,7 ≈ 2740 730 bis 780 30 bis 190 419 0,45 bis 0,90 0,4 bis 1,4 – 98 bis 92 88 bis 82 ≈ 10
42 bis 43 36 14,5 2750 810 bis 855 170 bis 360 544 bis 785 – 0,48 bis 1,40 45 bis 55
19,7 15,5 6,46 2660 795 65 1119 0,37 0,34 bis 2,00 – 114,4 94,6 ≈ 20
26,8 21,2 9,0 2680 789 78 904 0,21
–
– 114,4 94,0 ≈ 17
Bild 4-21 Das IOGEN-Verfahren zur Herstellung von Ethanol
sein, kann eine Erhöhung auf zunächst bis zu 10 Vol.-% (E10) später auch bis zu 15 Vol.-% (E15) erfolgen. So sind z. B. heute bereits viele neu auf den Markt kommenden Ottomotoren für eine 10%ige Beimischung ausgelegt. Eine rechtzeitige Anpassung der EN 228 ist jedoch auch hier erforderlich. E85 und FFV (flexible fuel vehicles) sind nur bei sehr großen Anteilen von Ethanol am Gesamtkraftstoffmarkt (z. B. in Brasilien) gerechtfertigt.
Eine Zumischung von Ethanol zum Dieselkraftstoff wird für Pkw aufgrund mangelhafter Mischungsstabilität und weiterer Probleme weitgehend abgelehnt, hat jedoch für Nkw im Flotteneinsatz lokale Bedeutung (USA, Brasilien) [4-17].
4.2.3
Gasförmige Kraftstoffe
Diese Kraftstoffe (s. Abschn. 4.4) sind unter Umgebungsbedingungen gasförmig. Sie besitzen daher eine sehr geringe
110 4 Kraftstoffe Energiedichte (volumenbezogen) und können nur unter zum Teil erheblichem technologischen Aufwand an Bord eines Fahrzeugs gespeichert werden.
4.2.3.1
Erdgas
Erdgas (vorwiegend Methan) ist ein fossiles Naturprodukt, zu dessen Aufbereitung lediglich eine Reinigung und Abtrennung von Schwefel und anderen störenden Komponenten erforderlich ist. Es wird in Zukunft zunehmend im sta tionären Bereich (Kraftwerke, BHKW) eingesetzt. Als nachhaltige Alternative mit nicht zu vernachlässigendem Potential ist die Aufbereitung von Biogas zu einem Brenngas mit Erdgasqualität zu erwähnen [4-18]. Erdgas kann zur Gewährleistung akzeptabler Reichweiten technisch nur sehr aufwendig an Bord eines Pkw gespeichert werden: – entweder verflüssigt bei –167 °C (Liquefied Natural Gas – LNG), verbunden mit hohen Abdampfverlusten bei längeren Stillstandszeiten des Fahrzeugs, was sich für den Fahrzeugeinsatz nicht durchgesetzt hat, oder – gasförmig bei ca. 200–250 bar (Compressed Natural Gas – CNG) in großen, gewichtsoptimierten Druckspeichern. Erdgas besitzt eine hohe Klopffestigkeit und eignet sich daher besonders für Ottomotoren. In den nächsten Jahren wird ein zunehmender Einsatz von Erdgas erfolgen, hervorgerufen z. B. durch die deutliche Steuerermäßigung in Deutschland. Erdgas kann und wird direkt zum Fahrzeugantrieb genutzt werden. Allerdings ist wegen der bekannten Nachteile bezüglich Reichweite und Platzbedarf für den Tank, die für alle gasförmigen Kraftstoffe gelten, und des zunehmenden Aufwandes für die Abgasnachbehandlung zur Erfüllung strenger Abgasgrenzwerte kein Ersatz der heutigen Kraftstoffe durch Erdgas zu erwarten, sondern nur eine begrenzte Ergänzung. Erdgas hat auf einigen Märkten, wie z. B. Italien, Argentinien und Russland, eine gewisse Bedeutung im Straßenverkehr erlangt (weltweit: ca. 4 Mio. Fahrzeuge). In Europa kann bis 2020 mit einem Marktanteil von ca. 5% gerechnet werden.
4.2.3.2
Flüssiggas
Flüssiggas oder Autogas (Liquefied Petroleum Gas – LPG), ein Butan-Propan-Gemisch, ist ein Begleitprodukt bei der Mineralölförderung und -verarbeitung und damit fossilen Ursprungs. Sein Absatzvolumen ist begrenzt, so dass sich nur ein Nischenmarkt bilden kann. Es kann bei einem Druck von ca. 5 bis 10 bar flüssig an Bord eines Fahrzeugs gespeichert werden. LPG wird praktisch nur in Verbindung mit Fremdzündung eingesetzt.
Flüssiggas hat insbesondere in Italien, Niederlande und Osteuropa eine gewisse Bedeutung im Straßenverkehr erlangt (weltweit ca. 9 Mio. Fahrzeuge). LPG-Fahrzeugangebote erfolgen im Wesentlichen nur durch Nachrüster.
4.2.3.3
Dimethylether (DME)
DME kann aus Erdgas oder Biomasse hergestellt werden. Es kann – wie LPG – bei einem Druck von ca. 5 bis 10 bar flüssig an Bord eines Fahrzeugs gespeichert werden. DME eignet sich als Kraftstoff für Dieselmotoren. Sehr guten Verbrennungseigenschaften (russfrei, geringe NOxEmissionen) stehen als Nachteile seine geringe Schmierwirkung, seine geringere Viskosität, sein niedriger Energieinhalt (Halbierung der Reichweite) und seine Korrosivität gegenüber. Da der Kraftstoff im Tank unter Druck steht, müsste das Einspritzsystem entsprechend weiterentwickelt werden, was in Anbetracht der hohen Kosten und der geringen Stückzahlen nicht als nachhaltig gelten kann.
4.2.3.4
Wasserstoff
Regenerativ erzeugter Wasserstoff kann deutlich zur Umweltentlastung beitragen. Dagegen macht der Einsatz von fossilem Wasserstoff im Verkehrsbereich infolge der hohen CO2-Emissionen keinen Sinn, wie eine well-to-wheel-Betrachtung zeigt. Wasserstoff kann zur Gewährleistung akzeptabler Reichweiten technisch nur sehr aufwändig an Bord eines PKW gespeichert werden: – entweder flüssig bei –253 °C, verbunden mit hohen Abdampfverlusten bei längeren Stillstandszeiten des Fahrzeugs, – gasförmig bei ca. 700 bar oder – in großen, schweren Metallhydridspeichern. Eine unter Großseriengesichtspunkten kostengünstige Speicherform ist derzeit nicht in Sicht. Das Fehlen der kostengünstigen Erzeugung regenerativen Wasserstoffs, der äußerst kapitalintensiven Infrastruktur zur seiner Herstellung und seiner Verteilung im Markt lassen nicht damit rechnen, dass sowohl die Wasserstoff- als auch die Brennstoffzellentechnologie innerhalb der kommenden zwei Jahrzehnte die notwendige Marktreife und Wettbewerbsfähigkeit für eine Großserienproduktion erreichen.
4.2.4
Synthetische Kraftstoffe
Das parallele Angebot aller Kraftstoffe im Markt, wie Diesel, Ottokraftstoff, Methanol, Ethanol, Erdgas und anderer Kraft-
4.2 Alternative Kraftstoffe 111 stoffe, kann aber keine wirtschaftliche Lösung darstellen, da für jeden dieser Kraftstoffe nicht nur ein eigenständiger Antrieb, sondern auch eine eigenständige Verteilungsinfrastruktur entwickelt werden müsste. Wesentlich sinnvoller ist es daher innerhalb akzeptabler Obergrenzen den Standardkraftstoffen alternative Kraftstoffe beizumischen. Für diese sog. Blends ist dann der Absatz und die Anwendung flächendeckend gewährleistet. Um weitere alternative Energien in den Handel zu bringen, muss daher nach einer Möglichkeit geforscht werden, die Primärenergien zu diversifizieren und dabei gleichzeitig die zum Einsatz kommenden Energieträger für den mobilen Einsatz auf möglichst wenige Varianten zu konzentrieren. Diese Chance bieten synthetische Kraftstoffe wie GTL (Gasto-Liquid) und BTL (Biomass-to-Liquid).
4.2.4.1
Fossile Quellen (GTL)
Aus Erdgas können mit bekannten und großtechnisch erprobten Verfahren, wie der Shell-Mittel-Destillat-Synthese (SMDS), andere Sekundärenergieträger hergestellt werden. Diese Gas-to-Liquid-Technologien sind beim heutigen Rohölpreis-Niveau in vielen Regionen der Erde, in denen kostengünstig Erdgas oder Erdölbegleitgas anfällt, höchst wirtschaftlich. Firmen, wie Shell, Sasol, ConocoPhilips und Chevron, haben mit der erhebliche Ausweitung der Produktionskapazitäten begonnen. Dennoch werden, bedingt durch die notwendigen Investitionen und den Bau der Syntheseanlagen, bis zu einer stabilen Versorgung mit diesen synthetischen Kraftstoffen sicherlich noch 5 bis 8 Jahre vergehen, so dass dies nur eine kurz- bis mittelfristige Lösung darstellt. Die synthetischen Kraftstoffe besitzen ein hohes Potential zur Verbesserung der motorischen Brennverfahren. Die
Spezifikation eines synthetischen Dieselkraftstoffs besticht vor allem durch die hohe Cetanzahl und die Aromaten- und Schwefelfreiheit. Als Beispiel sind in Bild 4-22 die Emissionsverbesserungen durch den synthetischen Kraftstoff Shell-GTL im Vergleich zu einem handelsüblichen schwefelfreien Dieselkraftstoff dargestellt. Es zeigt sich, dass selbst auf der Basis neuester Technologie – die Golf TDI Fahrzeuge erfüllten auch mit Dieselkraftstoff die Euro 4-Grenzwerte – noch substanzielle Verbesserungen erzielt werden können. Teilweise konnte aber auch bei älteren Konzepten, die nur die Euro 3-Abgasgesetzgebung erfüllen, ohne Änderung der Kalibrierung und ohne weitere Maßnahmen eine Reduzierung der Partikelemis sionen um mehr als 50% gemessen und dadurch auch bei diesen Fahrzeugen die Euro 4-Partikelgrenzwerte unterschritten werden [4-19].
4.2.4.2
Regenerative Quellen (BTL)
Der Herstellungsprozess synthetischer Kraftstoffe ermöglicht bei entsprechend modifizierten Eingangsstufen die Verwendung unterschiedlichster Primärenergieträger, so zum Beispiel auch regenerative Energieträger, wie Restholz, Reststroh, Energiepflanzen oder Biomüll. Aus bisher weitgehend nicht beachteten Abfällen werden dabei höchst interessante Reststoffe, die einer weiteren stofflichen und anschließend energetischen Verwendung zugeführt werden können. Entscheidender Vorteil dabei ist, dass die Qualität des Endproduktes nicht von der Beschaffenheit der eingesetzten Primärenergie abhängig ist. Die im jährlichen Pflanzenwachstum auf der Erde gespeicherte Energie entspricht etwa dem fünfzigfachen Energieverbrauch der Menschheit, d. h. es existiert
Bild 4-22 Emissionen bei synthetischem Kraftstoff (GTL) im Vergleich zu Dieselkraftstoff (Flottenversuch 2003 in Berlin mit 25 VW Golf 1.9 l TDI)
112 4 Kraftstoffe
Bild 4-23 CO2-Kreislauf mit BTL (SunFuel)
ein enormes Ersatzpotential. Auch aus politischer Sicht ergibt sich durch den Einsatz von Biomasse eine Entspannung auf dem Versorgungssektor, da gegenüber den fossilen Energieträgern die Biomasse relativ gleichmäßig über die Erde verteilt ist. Die CO2-Emission wird damit lokal nicht zu Null, aber es wird ein nahezu CO2-neutraler Kreislauf geschaffen, dessen Antriebsenergie die Sonne liefert, siehe Bild 4-23. Damit wird der Kraftstoffzyklus in den natürlichen CO2-Kreislauf integriert, in dem ca. 98% der gesamten CO2-Emissionen geführt werden.
Bild 4-24 Nutzbare Energiepflanzen zur Herstellung von SunFuel
Die zur Verfügung stehende Biomasse verteilt sich im Wesentlichen auf Reststoffe und den Anbau von Energiepflanzen. Bezüglich des daraus resultieren Potentials zur Substitution bestehender Kraftstoffe existieren sehr unterschiedliche Ansichten. Die Literaturquellen, in denen in Europa von einem Potential von 10% bis 15% gesprochen wird, gehen von der heutigen Ist-Situation aus. Insbesondere die Landwirtschaft kann aber massive Mengensteigerungen erzielen, sobald das Züchtungs- und Produktionsziel nicht die qualitativ hochwertige Nahrungspflanze ist, sondern eine rein massebezogene Optimierung angestrebt wird. Unter Berücksichtigung solcher Aspekte kann davon ausgegangen werden, dass ein Substitutionspotenzial von ca. 25% im Jahre 2030 erreicht werden kann [4-20]. Neben der Bewertung eines Energiepflanzenanbaus aus unterschiedlichen, schnellwachsenden Hölzern und spe ziellen Energiepflanzen (siehe Bild 4-24) muss aber auch das Gebiet der Reststoffe, insbesondere das Potential von industriellen und kommunalen Bioabfällen und sonstigen Abfällen, eingehend untersucht werden. So können in Zukunft alle Biomüllsammlungen statt der Kompostierung der Herstellung hochwertiger Kraftstoffe zugeführt werden. Bild 4-25 beschreibt schematisch eine Anlage zur Erzeugung von SunFuels nach dem BTL-Verfahren. Dabei wird die Biomasse in einem ersten Schritt mit einer Pyrolyse je nach Verfahren in gasförmige, flüssige und feste Bestandteile umgewandelt. Bei dem Pyrolyseverfahren der Firma CHOREN [4-21] entstehen ein Pyrolysegas und Biokoks.
4.2 Alternative Kraftstoffe 113
Bild 4-25 Verfahrensschema der BTL-Herstellung [4-21]
Nach anderen Verfahren von kanadischen und amerikanischen Firmen entstehen als Pyrolyseprodukt hauptsächlich feste bzw. flüssige Substanzen, die als Biocrude bezeichnet werden. Dieses pumpfähige Primärprodukt ist dem Rohöl ähnlich und besonders geeignet, um in kleineren Einheiten dezentral eine Vorverdichtung der Biomasse für den Transport zu einer zentralen Großanlage darzustellen. Damit kann die Effizienz der eigentlichen zentralen Produktionsanlage erheblich gesteigert werden, ohne dass der Biomassentransport die Effizienz der gesamten Produktkette zunichte macht. Derartige Pyrolyseanlagen bleiben in einem finanziell überschaubaren Rahmen und könnten als Ersatz der bisherigen Kompostierungsanlagen auch von Kommunen oder landwirtschaftlichen Maschinenringen betrieben werden. Ein weiterer Vorteil ist dabei die Verwertbarkeit sowohl feuchter als auch trockener Eingangsstoffe, sowie die Möglichkeit, die mineralischen Bestandteile abzutrennen und als Düngemittel wieder dem Boden zurückzuführen. In einer zweiten Stufe, der eigentlichen Vergasung, wird dann ein Synthesegas erzeugt. Das Synthesegas wird nach einer geeigneten Reinigung in einer Fischer-Tropsch-Synthese (FT-Synthese) mit nachfolgender Wasserstoff-Nachbehandlung und anschließender Destillation in hochwertigen Kraftstoff und Wachse umgewandelt. Die Wachse bieten eine Grundlage für die Herstellung synthetischer Öle, wie sie heute überwiegend aus Erdöl und Erdgas erzeugt werden. Dieser Lösungsansatz eines aus Biomasse hergestellten Kraftstoffes (auch BTL 2. Generation genannt) kann als
mittelfristig bezeichnet werden, da er heute noch nicht wirtschaftlich tragbar ist. Im Vergleich zum Kraftstoff aus fossilen Quellen (Herstellungskosten ca. 35 Cent/Liter bei einem Rohölpreis von 50 $/barrel) ergibt sich ein Kostennachteil von ca. 20 bis 30 Cent/Liter in den reinen Herstellungskosten ohne Steuern (bezogen auf eine Größe der Produktionsanlage von 200 MWth). Jedoch liegen die Herstellungskosten deutlich unterhalb heutiger Tankstellenpreise, so dass es in der Hand der Politik liegt, durch entsprechende Steuergesetzgebung die Verfahrensentwicklung und eine erste Einführung dieser Kraftstoffe zu fördern, bis die wirtschaftliche Machbarkeit dargestellt werden kann. Die derzeit für Deutschland beschlossene Steuerbefreiung von BTL-Kraftstoffen bis 2015 wird alleine nicht ausreichen, um dies zu gewährleisten. Die nahezu unbegrenzten Absatzmöglichkeiten dieses Kraftstoffs ergeben zudem eine enorme Chance für die Beschäftigungssicherung in der Landwirtschaft. Besonders vor dem Hintergrund der Neustrukturierung der Förderrichtlinien der EU kann durch die Bereitstellung von Energiepflanzen auch langfristig eine Stabilisierung der Einkommen erzielt werden. Aber auch für die Industrie bietet sich durch die Entwicklung und den Bau der Produktionsanlagen eine neue Einnahmequelle. Sobald kostengünstiger, regenerativ erzeugter Wasserstoff zur Verfügung steht, könnte dieser auch dem SunFuelHerstellungsprozess zugefügt werden. Hierdurch ließe sich dessen Ausbeute an Kraftstoff nahezu verdoppeln. Dies bedeutet auch, dass die Implementierung einer Wasserstoffwirtschaft nicht zwangsläufig die Nutzung von Wasserstoff
114 4 Kraftstoffe in der Mobilitätswirtschaft zur Folge hat. Gerade im Sinne einer Nachhaltigkeit könnten sich synthetische Kraftstoffe auf Basis von Biomasse unter ganzheitlicher Betrachtung als sinnvoller erweisen. Mit der Annäherung an die technische Fördergrenze für Erdöl und den steigenden Weltenergiebedarf werden alternative Energieträger in Zukunft schnell an Bedeutung gewinnen müssen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die konventionellen Kraftstoffe bezüglich deren Qualität und Reinheit. Die damit verbundenen Kostensteigerungen begünstigen die Einführung von i.d.R. teureren Alternativen. So sieht z. B. die Volkswagen AG in den kommenden Jahren eine Kraftstoffevolution, die von den konventionellen erdölgebundenen Kraftstoffen über synthetisch aus Erdgas erzeugte SynFuels hin zu biomassebasiertem SunFuel führt. Erst in ferner Zukunft, wenn alle Technologiebarrieren überwunden sind, kann sich Wasserstoff als Energieträger in der mobilen Anwendung einbringen. Bild 4-26 beschreibt ein solches Szenario. Erwähnt werden soll noch die NExBTL genannte Zwischenstufe zwischen den Biokraftstoffen 1. und 2. Genera tion [4-13]. Das ist ein BTL-Kraftstoff, der mittels FT-Synthese aus Pflanzenölen und Tierfetten gewonnen wird und wie GTL als Blend-Komponente für konventionellen Diesel
Bild 4-26 Szenario Kraftstoffverteilung in Europa
verwendet werden kann. Tabelle 4-9 zeigt die wichtigsten Eigenschaften im Vergleich. Unter der Randbedingung des heutigen Wissens um die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen und die Effizienz der Verfahren erscheint eine Substitution von 15% bis 20% des EU-Kraftstoffbedarfs durch SunFuels möglich. Durch Verbesserungen in der Biomassenproduktion, der Verfahren und Logistik erscheinen auch noch höhere Werte realisierbar. Voraussetzung sind allerdings auch stabile Rahmenbedingungen, wie ein nachhaltiges Bekenntnis der Politik für biogene Kraftstoffe. Die Biokraftstoffrichtlinie der EU zur Förderung der Verwendung von Biokraftstoffen oder anderen erneuerbaren Kraftstoffen im Verkehrssektor [4-7] legt dazu als Bezugswerte Biokraftstoffanteile, bezogen auf den Energiegehalt, von 2% im Jahr 2005 und 5,75% im Jahr 2010 fest. Bis Mitte des Jahres 2007 soll die Biokraftstoffrichtlinie der EU überarbeitet werden. Dabei sollen u. a. Fragen der Kostenwirksamkeit und der Umweltwirkungen von Biokraftstoffen berücksichtigt werden sowie Zielvorgaben für die Zeit nach 2010 aufgestellt werden. Ebenso ist es erforderlich, die Rahmenbedingungen für höhere Beimischungsquoten zu herkömmlichen Kraftstoffen zu verbessern.
4.2 Alternative Kraftstoffe 115
Tabelle 4-9 Eigenschaften alternativer Kraftstoffe [4-13]
Dichte bei +15 °C (kg/m3) Viskosität bei +40 °C (mm2/s) Cetanzahl Destillation 90 Vol-% (°C) Cloudpoint (°C) Heizwert (MJ/kg) Heizwert (MJ/l) Aromaten gesamt (Gew.-%) Polyaromaten (Gew.-%) Sauerstoffgehalt (Gew.-%) Schwefelgehalt (mg/kg) Lubricity HFRR bei +60 °C (μm)
NExBTL
GTL
FAME (RME)
Swedish Class 1 Diesel
Sommer-DK (EN 590)
775 ... 785 2,9 ... 3,5 ≈ 80 ... 99 295 ... 300 ≈ -5 ... -25 ≈ 44,0 ≈ 34,4 0 0 0 < 10 * < 460 **
770 ... 785 3,2 ... 4,5 ≈ 73 ... 81 325 ... 330 ≈ 0 ... -25 ≈ 43 ≈ 34 0 0 0 < 10 < 460 **
≈ 885 ≈ 4,5 ≈ 51 ≈ 355 ≈ -5 ≈ 37,5 ≈ 33,2 0 0 ≈ 11 < 10 < 460
≈ 815 ≈ 1,8 ≈ 53 ≈280 ≈ -30 ≈ 43 ≈ 35 ≈4 0 0 < 10 < 460 **
≈ 835 ≈ 3,5 ≈ 53 ≈ 350 ≈ -5 ≈ 42,7 ≈ 35,7 ≈ 30 ≈4 0 < 10 < 460 **
GTL = Gas to Liquid ; *) Schwefelgehalt: typ. < 1 mg/kg; **) mit üblichen Verschleißschutz-Additiven
4.2.5
Ökobilanzen
Bei der Entwicklung zukünftiger, umweltfreundlicher Antriebs- und Kraftstoffkonzepte ist die Betrachtung aller Lebenszyklusphasen von besonderer Bedeutung. Die Optimierung nur eines Lebensabschnitts, wie beispielsweise der Nutzungsphase eines Pkw und der damit verbundenen Emis sionen, führt – bei Betrachtung des gesamten Lebenszyklus – nicht immer zum ökologischen Optimum. Aus diesem Grunde wird das Instrument der Ökobilanz (Life-Cycle-Assessment) benutzt, um das Umweltprofil der Produkte über den gesamten Lebenszyklus zu analysieren. Ökobilanzen zeigen auf, wann und in welcher Form die Lösung eines ökologischen Problems zu Lasten eines anderen erfolgt. Problemverschiebungen werden erkennbar und Umweltstrategien damit zuverlässiger gestaltbar. Zur Beurteilung des Umweltprofils von BTL-Kraftstoffen über den gesamten Lebenszyklus wurde in einem Gemeinschaftsprojekt von DaimlerChrysler und Volkswagen eine vergleichende Umweltbilanz von SunDiesel und konventionellem Diesel erstellt. Dabei wurden der Biomasse-Anbau, die Kraftstoffsynthese aus Biomasse sowie die Nutzung der Kraftstoffe im Fahrzeug betrachtet. Der untersuchte BTLKraftstoff wurde dabei nach dem Choren-Verfahren aus Holz hergestellt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis (Bild4-27), dass SunDiesel im Vergleich zu konventionellem Diesel über den gesamten Lebenszyklus zwischen 61% und 91% der Treib hausgase einsparen kann. Diese Einsparungen beruhen in erster Linie darauf, dass die CO2-Emissionen im Fahrbetrieb wieder von den Pflan-
zen im Wachstum aufgenommen werden und somit CO2 im Kreislauf geführt werden kann. Darüber hinaus können durch die Verwendung von SunDiesel im Vergleich zu konventionellem Diesel auch die zum Sommersmog beitragenden Kohlenwasserstoff-Emissionen um etwa 90% gesenkt werden. Hierfür verantwortlich sind die geringeren HC-Emissionen im Fahrbetrieb sowie die vermiedenen HC-Emissionen bei der Rohölförderung und Raffination im Falle des konventionellen Diesels. Die Betrachtung des gesamten Lebenszyklus führt zu einer ganzheitlichen ökologischen Produktentwicklung. Pauschale Vermutungen lassen sich somit durch präzise Analysen ersetzen. Denken in Lebenszyklen zeigt auf, unter welchen konkreten Rahmenbedingungen bestimmte Antriebs- oder Kraftstoffstrategien umweltverträglich gestaltet werden können. Der nach einem BTL-Verfahren aus Holz erzeugte Dieselkraftstoff ist nahezu CO2-neutral und kann nach dieser Analyse aus gutem Grund als „SunFuel“ bezeichnet werden.
4.2.6
Neue Verbrennungsverfahren
Diese Überlegungen zeigen, dass auch in den nächsten 30 Jahren von der Verfügbarkeit und Dominanz flüssiger Kohlenwasserstoffe als Kraftstoff ausgegangen werden kann. Gleichzeitig bieten die synthetisch hergestellten Kraftstoffe die Möglichkeit einer optimalen Anpassung der Kraft stoffeigenschaften an die Verbrennung. Denkt man an die weitere Absenkung der Schadstoffemissionen oder an eine Reduzierung des beträchtlichen Aufwandes der Abgasnach-
116 4 Kraftstoffe
Bild 4-27 Ergebnisse der Ökobilanz von SunDiesel
behandlung, so wird beides nur dann zu erfüllen sein, wenn vor allem die NOX-Rohemissionen der geschichteten Brennverfahren herabgesetzt werden können. Das heißt, eine NOX-Produktion muss während der Verbrennung unter drückt werden, ohne die Effizienz der Motoren zu verschlechtern, wozu die Qualitätsregelung der Direkteinspritzung beibehalten werden muss. Es gilt daher, die jeweiligen Vorteile von Otto- und Dieselmotor in einem neuen Verfahren zu vereinen (s. Abschn. 3.3). Mit der Einführung der Direkteinspritzung auch bei den Ottomotoren näherten sich die Brennverfahren beider
Motorkonzepte bereits deutlich an. Die nächsten Stufen der Brennverfahrensentwicklung verstärken diesen Trend, siehe Bild 4-28. Die Entwicklung einer „teilhomogenisierten Dieselverbrennung“ und die in den Forschungs- und Entwicklungslabors ebenfalls aktuelle Entwicklungsstufe „selbstzündender Ottomotor“ basieren bereits auf einer im Kern vergleichbaren Hardware. So ist es nur konsequent, über die Entwicklung eines neuen kombinierten Verbrennungsverfahrens nachzudenken, das die wesentlichen Merkmale beider Verfahren zusammenfasst. Dieses Verfahren wird bei Volkswa-
Bild 4-28 Entwicklung motorischer Brennverfahren
4.2 Alternative Kraftstoffe 117 gen CCS (Combined Combustion System) genannt. Grundlage dieses Verfahrens ist ein neuer synthetischer Kraftstoff mit veränderten spezifischen Eigenschaften [4-22, 4-23]. Zur Realisierung des CCS-Verfahrens sind noch zahlreiche Hürden zu überwältigen. Mit einer Markteinführung ist daher in diesem Jahrzehnt nicht mehr zu rechnen.
4.2.7
Zusammenfassung
Bild 4-29 stellt ein mögliches Gesamtszenario der Entwicklung zukünftiger Antriebe und der dazugehörigen Kraftstoffe dar [4-24]. Mit heutigen Kraftstoffen aus Mineralöl und konventionellen Antriebsaggregaten werden sich die spezifischen CO2-Emissionen entsprechend der Selbstverpflichtung der Automobilindustrie und dem technischen Fortschritt weiter verringern. Dabei werden Motoren mit direkter Kraftstoff einspritzung eine Schlüsselrolle spielen. Zusätzlich zu den mineralölstämmigen Kraftstoffen, werden in diesem Jahrzehnt synthetische konventionelle Kraftstoffe auf den Markt kommen, vornehmlich auf Basis Erdgas. Für den Fahrzeugnutzer ändert sich durch die Einführung synthetischer Kraftstoffe nichts, da alle Nutzungs eigenschaften und die Verteilungsinfrastruktur erhalten bleiben. Die synthetischen Kraftstoffe sind frei von Schwefel und Aromaten und können in ihren Eigenschaften enger toleriert werden als heutige Kraftstoffe. Diese vorteilhaften
Bild 4-29 Die Kraftstoff- und Antriebsstrategie der Volkswagen AG
Eigenschaften ermöglichen dem Automobilhersteller eine Weiterentwicklung seiner Produkte zu verringertem Verbrauch und, insbesondere bei Dieselmotoren, zu weiter verbesserten Emissionen. Wird Synthesegas nicht aus fossiler Primärenergie hergestellt, sondern auf Basis CO2-freier oder CO2-neutraler Energie, dann verringern sich die spezifischen CO2-Emis sionen des Fahrzeugbetriebs auch bei unverändertem Verbrauch. Dies gilt unabhängig von der Art des Kraftstoffs, also auch für synthetischen Kraftstoff aus nachwachsenden Rohstoffen („SunFuel“). Der große Vorteil dieser Route liegt darin, dass auch in dieser Phase die heutige KraftstoffInfrastruktur erhalten bleiben kann. Wie bereits dargestellt, werden mittelfristig neuartige motorische Brennverfahren zum Einsatz kommen, die die Verbrauchsvorteile heutiger Dieselmotoren mit dem Emis sionspotential von Ottomotoren und deren Abgasnachbehandlung verbinden. Für diese hybriden Brennverfahren müssen auch die passenden Kraftstoffe zugeschnitten werden. Synthetische Kraftstoffe (SynFuel, später SunFuel) bieten hierfür die besten Voraussetzungen. Langfristig wird vor allem im Elektromotor der optimale Antrieb für eine nachhaltige Mobilität gesehen. Ob es sich dabei allerdings um Fahrzeuge mit weiterentwickelter Batterietechnik oder mit Wasserstoff als Energieträger und Brennstoffzelle als dazugehörigem Energiewandelsystem handeln wird, kann aus heutiger Sicht noch nicht beurteilt
118 4 Kraftstoffe werden. Zumindest in den nächsten 20 Jahren ist damit nicht zu rechnen. Welches System sich später auch durch setzen wird: Ein unbestrittener Vorteil besteht darin, dass Strom und Wasserstoff aus regenerativen Energien wie Wind, Wasser oder Sonne erzeugt werden können. Und ebenfalls vorteilhaft ist die Tatsache, dass der Elektroantrieb keine lokalen Emissionen verursacht wie ein Verbrennungsmotor.
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren 4.3.1
Was ist Schweröl?
Schweröl ist eine Mischung aus Rückstandsölen, die bei der Verarbeitung von Erdöl (Rohöl) durch fraktionierte Destillation anfallen. Ihre Hauptbestandteile sind Kohlenwasserstoffverbindungen, die als hochsiedende Fraktionen nach der Destillation von Rohöl zurückbleiben. Da Rückstandsöle erheblich preisgünstiger als Destillate sind, wie z. B. Benzine oder leichtes Heizöl, ergibt sich ein wirtschaftlicher Anreiz zur Verwendung dieser Komponenten als Brennstoff. In den meisten Fällen sind den Rückstandsölen Destillate beigemischt, um bestimmte Produkteigenschaften sicherzustellen, insbesondere um eine vorgegebene Viskositätsobergrenze einzuhalten. Schweröle weisen Viskositäten zwischen 4,5 und 55 mm2/ s (cSt) bezogen auf 100 °C auf und sind in der Norm ISO 8217 spezifiziert. Auf der Basis dieser ISO-Norm hat die CIMAC (CIMAC = Conseil International des Machines a Combustion) eine Einteilung der Schweröle in Abhängigkeit der physikalischchemischen Daten mit noch weitergehenden Anforderungen vorgenommen. Diese „Requirements for residual fuels for diesel engines“ sind Bestandteil von Betriebsvorschriften aller Hersteller schwerölfähiger Dieselmotoren, s. Bild 4-30. Die Eigenschaften bzw. die Zusammensetzung von Schwerölen variieren in weiten Grenzen je nach Herkunft (Provenience) der Rohöle sowie in Abhängigkeit der unterschiedlichen Verfahrensprozesse in den Raffinerien, s. auch [4-26]. Abgesehen von wesentlich höheren Viskositäten sind Schweröle im Vergleich zu Destillaten gekennzeichnet durch hohe Dichten, hohe Schwefelgehalte und hohe Verkokungsneigung. Der Gehalt an Unverbrennbarem (Asche) ist um zwei Zehnerpotenzen höher, die Zünd- und Durchbrenn eigenschaften sind durch höhere Aromaten- bzw. Asphaltgehalte schlechter, außerdem können nennenswerte Mengen von Wasser und festen verschleißfördernden Verunreinigungen vorhanden sein. Die gegenüber Gasöl (entspricht DK) größere Dichte des Schweröls weist auf Zunahme des Massenverhältnisses C/H
von Kohlenstoff zu Wasserstoff hin. Daraus ergibt sich abhängig vom Schwefelgehalt eine Verringerung des Heizwertes Hu, Bild 4-31. Eine ständige Tendenz der Qualitätsminderung bei Schwerölen resultiert aus der zunehmenden Verbreitung von Konversionsverfahren wie katalytisches und thermi sches Kracken in modernen Raffinerien zur besseren Ausnutzung der Rohöle (Rückstandsanteil bei der klassischen atmosphärischen Destillation 32 bis 57%, bei der Konver sionsraffinerie 12 bis 25%). Der damit verbundene höhere Gehalt an Aromaten verringert zum einen die Zündwilligkeit (vgl. Abschn. 4.3.4.1), der erhöhte Anteil an Asphaltenen die Stabilität, wodurch infolge verstärkter Schlammund Harzbildung Störungen bei der Kraftstoffaufbereitung verursacht werden können. Weitere negative Einflüsse ergeben sich aus einem verstärkten Trend zur Entsorgung gebrauchter Schmieröle, organischer Lösungsmittel oder Chemieabfälle in die Rückstandsöle. Um unter diesen Voraussetzungen einen wirtschaftlichen störungsfreien Schweröleinsatz in Dieselmotoren zu ermöglichen, kommen zum einen der Anpassung der Dieselmotoren an gegebene Verhältnisse zum anderen der Qualitätssicherung der Schweröle durch Normen (ISO, CIMAC, Bild 4-30) und insbesondere einer optimalen Schwerölaufbereitung besondere Bedeutung zu.
4.3.2
Schwerölaufbereitung
Die Aufbereitung des Schweröls ist unerlässliche Voraussetzung für den Einsatz als Brennstoff im Dieselmotor. Sie sorgt für eine Beseitigung oder weitgehende Reduzierung von unerwünschten Begleitstoffen wie Wasser, mit den darin ggf. gelösten korrosiv wirkenden Substanzen, ferner festen Verunreinigungen wie z. B. Koks, Sand, Rost, Katalysatorrückständen aus der Raffinerie und schlammartigen Bestandteilen wie agglomerierte Asphaltene. Ohne eine Entfernung dieser schädlichen Beimengungen müsste mit kurzfristigen Korrosions- und/oder Verschleißschäden im Einspritzsystem (z. B. Pumpen, Düsen) und im Motor selbst (z. B. an Zylinderbuchsen, Kolben, Kolbenringen) mit allen daraus resultierenden unangenehmen Folgen gerechnet werden. Eine weitere Aufgabe der Aufbereitung ist es, die für den optimalen Motorbetrieb notwendige Einspritzviskosität des Schweröls bereitzustellen. Dies erfordert je nach Ausgangsviskosität Vorwärmtemperaturen zwischen 90 und 160 (170) °C, s. Bild 4-32. Die nach derzeitigem Stand der Technik verwendeten Komponenten eines optimalen Schwerölaufbereitungssys tems zeigt Bild 4-33.
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren 119
Bild 4-30 Einteilung verfügbarer Schweröle in Klassen gemäß CIMAC/ISO, Originalauszug
120
4 Kraftstoffe
Bild 4-31 Einfluss des Kohlenstoff-Wasserstoffverhältnisses C/H auf die Dichte U und den Heizwert Hu von Schwerölen, in Abhängigkeit vom Schwefelgehalt
Aus den Vorratstanks gelangt das Schweröl in die Setztanks. Eine 24-stündige Verweilzeit bei Temperaturen um 70 °C soll eine Vorreinigung ermöglichen. Nächste Station sind Zentrifugalseparatoren, denen im Aufbereitungssystem eine zentrale Rolle zukommt. In Reihe oder parallel geschaltet scheiden sie – je nach Einstellung – als Trennstufe, auch Purifikator genannt Wasser und Fremdstoffe ab oder als Klärstufe (Clarifikator) nur Fremdstoffe. Hierzu wird das Schweröl auf ca. 95 °C vorgewärmt, um niedrige Viskositäten und hohe Dichtedifferenzen für hohe Reinigungseffizienz zu erzielen. Moderne Separatoren passen sich selbsttätig veränderten Kennwerten des Schweröles, wie Dichte, Viskosität und Wassergehalt an, und sind auch selbstentleerend. Über den Tagestank, ausgelegt als Puffer für mindestens 8 Stunden Volllastbetrieb, wird das Schweröl dem Boostersystem zugeführt. Hier erfolgt die Vorwärmung auf die erforderliche Einspritzviskosität, geregelt von einer Viskositätsregeleinrichtung. Der Systemdruck liegt über dem Verdampfungsdruck von Wasser, um Dampf- bzw. Gasbildung zu vermeiden. Ein automatisches Rückspülfilter mit sehr feiner Maschenweite (10 Pm) sorgt für eine Nachreinigung des Brennstoffs
Bild 4-32 Viskositäts/Temperatur-Abhängigkeit von Schifffahrtskraftstoffen. RMA: Residuale Marine, Klasse A, gemäß Bild 4-30
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren
Bild 4-33 Schwerölaufbereitungssystem, schematisch
121
122 4 Kraftstoffe und stellt anhand seiner Rückspülhäufigkeit einen nützlichen Indikator über die Wirksamkeit der vorgeschalteten Aufbereitungsorgane dar.
4.3.3
Besonderheiten von Schwerölmotoren
4.3.3.1
Schwerölmotoren und ihre Probleme
Die im vorigen Abschn. dargestellte Schwerölaufbereitung erfordert sowohl erhebliche Investitionen als auch einen entsprechenden Einbauraum. Daher ist heute der Schwerölbetrieb hauptsächlich an Bord von Schiffen und bei großen Stationärmotoren anzutreffen. Nur lange Betriebszeiten mit entsprechend hohem Kraftstoffverbrauch in Verbindung mit dem gegenüber DK um ca. 35% geringeren Schwerölpreis rechtfertigen die hohen Anlagekosten und die spezifischen Besonderheiten der Schwerölmotoren, auf die im Folgenden eingegangen wird. Somit sind indirekt bereits die beiden Motorengattungen genannt, die für Schwerölbetrieb in Frage kommen: – mittelschnelllaufende Viertaktmotoren mit einem Kolben durchmesser von ca. 200 bis 600 mm und einer Drehzahl von 1000 bis ca. 400 min–1, Leistung von 500 kW bis ca. 18000 kW je Motor, – langsamlaufende Zweitaktmotoren mit einem Kolben durchmesser von ca. 250 bis 900 mm und einer Drehzahl von ca. 250 bis 80 min–1, Leistung von 1500 bis ca. 70000 kW je Motor. Abgesehen von der für den sicheren Schwerölbetrieb unumgänglichen Schwerölaufbereitung (s. Abschn. 4.3.2) verbleiben gegenüber dem Gasölbetrieb einige Besonderheiten: – Gefahr der Hochtemperaturkorrosion der den Brennraum umgebenden Bauteile aufgrund von Vanadium- und Natriumgehalt des Kraftstoffes, – Gefahr der Niedertemperaturkorrosion bei Taupunkt unterschreitung aufgrund des Schwefelgehalts des Kraftstoffes und des Wassergehaltes des Verbrennungs gases, – Gefahr des erhöhten Verschleißes durch Abrasion aufgrund des im Kraftstoff verbliebenen festen Rückstände an Koks, Sand, Rost und Katalysatorrückständen sowie Asphaltenen und Wasser, – Gefahr unzulässiger Ablagerungen von Verbrennungs rückständen an Bauteilen des Brennraumes sowie in den Abgasleitungen und der Abgasturbine, – Gefahr des Verklebens, Verlackens, Einfrierens von Kraft stoff an Bauteilen des Einspritzsystems, – Gefahr der Schmierölverschmutzung durch Kraftstoffleckagen an Einspritzpumpen, Düsen und Düsen haltern,
– Gefahr der Schmierölverschmutzung aufgrund ungenü gender Verbrennungsqualität mit der Folge unzumutbar kurzer Filterstandzeiten, – Gefahr von Korrosion der Grund- und Pleuellager infolge von Rückwirkungen des Kraftstoffes auf das Schmieröl, – Gefahr von Belagbildung in den mit Schmieröl beaufschlag ten Kühlräumen und der dadurch verringerten Wärme abfuhr, ebenfalls infolge der Rückwirkung des Kraftstoffs (Asphaltgehalt) auf das Schmieröl.
4.3.3.2
Auswirkungen auf Motorkomponenten
Einspritzausrüstung Schwerölmotoren werden mit Einzel-Einspritzpumpen ausgerüstet, Schweröl-Common-Rail-Systeme sind in der Einführungsphase (s. Abschn. 18.3). Die Einspritzausrüstung kommt direkt mit dem vorgewärmten Schweröl in Berührung. Je nach Viskositätsklasse des verwendeten Schweröls beträgt die Vorwärmtemperatur gemäß Bild 4-32 bis zu 160 °C, um die gewünschte Einspritzviskosität von 12 cSt sicherzustellen. Allein dieses relativ hohe Temperaturniveau fordert die Lösung einiger Probleme. Genannt seien geeignete Dichtelemente wie ORinge, die geeignete Spielauslegung von Plunger und Pumpenzylinder, um einerseits unter hoher Temperatur fresssicher zu fahren und andererseits bei Umschalten auf kaltes Gasöl noch zulässige Leckmengen sicherzustellen. Weiterhin sind für die Einspritzelemente Werkstoffe mit spezieller Wärmebehandlung zu verwenden, um unzulässige Gefügeumwandlung infolge der erhöhten Kraftstofftemperatur einzugrenzen und Pumpenfressern vorzubeugen. Weitere Besonderheiten der Einspritzpumpen sind Maßnahmen, um das Verkleben und Verlacken zu vermeiden, z. B.: – Regelstangenschmierung: Durch eine separate Schmierung werden Regelstange und Regelhülse vor dem Eindringen von Kraftstoff geschützt, sauber und leichtgängig ge halten. – Leckkraftstoffabführung in den Saugraum: Eine umlaufende Nut in der Kolbenführung sowie eine Verbin dung zum Saugraum sorgen für die Abfuhr von Leckkraft stoff in den Kraftstoffkreislauf. – Leckkraftstoffabführung aus der Pumpe: Eine weitere Nut in der Kolbenführung sammelt den restlichen Leckkraft stoff, der über einen zusätzlichen Anschluss an der Pumpe in den Leckkraftstofftank geleitet wird. Darüber hinaus muss verhindert werden, dass Lecköl und Leckkraftstoff über den Pumpenantrieb in den Triebraum
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren
123
des Motors gelangen. Deshalb werden diese Leckmengen gesondert aufgefangen und über eine Leckölleitung ebenfalls in den Leckkraftstofftank zurückgeleitet. Eine weitere Besonderheit des Schwerölbetriebs ist die Kühlung der Einspritzdüsen, um „Trompetenbildung“, d. h. Koksablagerungen an den Spritzlöchern, zu vermeiden. Hierzu wird ein gesonderter Kühlkreislauf vorgesehen. Zuund Abfuhr erfolgt über den Düsenhalter. Als Kühlmedium wird Schmieröl, Gasöl oder Wasser verwendet. Für einen störungsfreien Betrieb ist sicher zu stellen, dass bei Motorstillstand im Einspritzsystem vorhandenes Schweröl nicht erkalten und so z. B. die Einspritzpumpe blockieren kann. Bei kurzzeitigem Stillstand zirkuliert daher weiterhin aufgeheiztes Schweröl durch den Motor. Damit ein kalter Motor problemlos startet, wird vor dem Abstellen auf Gasöl umgeschaltet und der Motor „sauber“ gefahren. Bild 4-34 zeigt das Beispiel einer Einspritzpumpe für den Schwerölbetrieb. Für eine möglichst gute Verteilung des Kraftstoffs im Brennraum sowie für ein gutes Zündverhalten des Schweröls gilt es, den Kraftstoff mit sehr hohem Druck einzuspritzen und über viele Spritzlöcher kleinen Durchmessers fein zu zerstäuben. Als Beispiel seien für einen Mittelschnellläufer folgende Daten genannt: – mittlerer effektiver Druck pe = 27 bar (bzw. we = 2,7 kJ/ dm3), – Einspritzdruck pE = 1800 bar, – Lochzahl z = 10 bis 14.
Aufladung Bei der Aufladung schwerölbetriebener Motoren sind einige besondere Gesichtspunkte zu beachten: Generell werden die Motoren mit einem hohen Luftüberschuss betrieben, so dass das Luftverhältnis in allen Betriebszuständen OV > 2 ist, um Hochtemperaturkorrosion zu vermeiden: Durch den hohen Luftdurchsatz, hauptsächlich bedingt durch einen entsprechend hohen Ladeluftdruck, sinkt die Temperatur bei der Verbrennung und folglich auch an den den Brennraum umgebenden Bauteilen. Das verhindert die Ablagerung von Natrium-Vanadiumverbindungen in Form flüssiger Asche, die die Ursache für die Hochtemperaturkorrosion ist. Bei Ventilsitzen beträgt die kritische Temperatur, oberhalb der sich Asche ablagert, ca. 450 °C. Es gilt also, hierzu einen genügenden Sicherheitsabstand einzuhalten. Neben den Korrosionsschäden am Ventilsitz, die im letzten Stadium zum Bruch des Ventiltellers führen, müssen auch Korrosionsschäden an der Ventilunterseite durch genügend niedrige Bauteiltemperaturen vermieden werden. Großer Luftdurchsatz ist auch günstig für die Abgastemperatur am Turbineneintritt: Bei Temperaturen von deutlich
Bild 4-34 Schweröl-Einspritzpumpe mit Regelstangenschmierung und Leckkraftstoffabführung; Sackloch-Element für hohen Einspritzdruck (L’Orange). a nur eine Hochdruckdichtfläche; b steifes Monoelement für hohe Drücke im Schwerölbetrieb; c spezielle Dichtelemente für alle Schwerölsorten; d Zentralstößel mit Hydraulikdichtung zum Schutz des Motorschmieröls gegen Kraftstoffverunreinigung; e Spülanschluss für den Regulierbereich; f doppelte Drainage für gute Abdichtung gegen Schweröl; g großer Saugraum – niedrige Druckamplituden zum Schutz der Schweröleinrichtungen auf der Niederdruckseite
unter 550 °C vermeidet man Ablagerungen von Verbrennungsrückständen in der Turbine, damit den Abfall des Turbinenwirkungsgrades und folglich auch des Ladedruckes und des Luftdurchsatzes. In der Folge würden die Brennraumtemperatur und damit die Gefahr der Hochtemperaturkorrosion und wiederum von Ablagerungen in der Turbine zunehmen. Dieser Selbstverstärkungseffekt mit seinen nachteiligen Wirkungen muss unbedingt vermieden werden. Deshalb ist es auch notwendig, sowohl den Verdichter als auch die Tur-
124 4 Kraftstoffe bine in regelmäßigen Abständen zu waschen. Dazu wird bei reduzierter Leistung mit einer speziellen Vorrichtung Wasser in den Turbineneintritt gespritzt, so dass die Beläge von Düsenring und Laufrad abplatzen. An schwerölbetriebene Dieselmotoren werden besondere Maßstäbe bezüglich des Kraftstoffverbrauchs gelegt. Daher dürfen der geforderte Ladedruck und der Luftdurchsatz nicht durch erhöhte Ladungswechselverluste (Kolbenarbeit) erkauft werden. Dies bedeutet, dass vom Abgasturbolader ein möglichst hoher Wirkungsgrad gefordert wird. Nur so ist es möglich, bei niedrigem Abgasgegendruck (vor Turbine) einen hohen Ladedruck zu erzeugen. Gleichzeitig ergibt sich ein günstiges Spülgefälle während der Ventilüberschneidung, eine Voraussetzung für niedrige Bauteiltemperaturen und verschmutzungsfreien Betrieb der Gaswechselorgane. Durch die Aufladung wird u. a. auch die Fähigkeit zum Schweröl-Teillastbetrieb bestimmt, auf den in [4-25] detailliert eingegangen wird (s. Abschn. 2.2.3.4).
Thermischer Wirkungsgrad, Kraftstoffverbrauch Die Gestaltung des Brennraumes ist mitbestimmend über die Gemischbildung und Verbrennung und entscheidet letztlich über die Fähigkeit des Motors, Schweröl im Dauerbetrieb betriebssicher zu verbrennen. Ein hoher Wirkungsgrad erfordert ein schnelles Durchbrennen des aufbereiteten Gemisches, somit einen kompakten, unzerklüfteten Brennraum mit einem hohen Verdichtungsverhältnis, s. Bild 4-35. Es ist erforderlich, den Kraftstoff gleichmäßig über den gesamten Brennraum zu verteilen. Dies wird durch eine möglichst hohe Anzahl von Kraftstoffstrahlen erreicht, die weit nach außen gerichtet sind (Viertaktmotoren). Bei Zweitaktmotoren werden auch mehrere Einspritzdüsen am
Umfang verteilt. Die Kraftstofftröpfchen sollen möglichst fein sein, was durch hohen Einspritzdruck und kleine Düsenbohrungen erreicht wird.
Hochtemperaturkorrosion Die Hochtemperaturkorrosion an den den Brennraum umgebenden Bauteilen wird durch niedrige Verbrennungstemperaturen und intensive, dauerhafte Kühlung der Bauteile verhindert. Darüber hinaus wird die Temperatur der Auslassventile u. a. durch die Kolbenbodenform, die Spritzrichtung sowie die Anzahl der Spritzstrahlen und der Art der Luftbewegung (Einlasskanal) beeinflusst.
Niedertemperaturkorrosion Hiervon können im Wesentlichen die Zylinderbuchse, die Kolbenringe und die Ringnuten im Kolben betroffen sein. Zur Vermeidung dieser Korrosion können ein weicher Verbrennungsdruckverlauf sowie genügend hohe Bauteiltemperaturen an den betreffenden Stellen hilfreich sein. Daher kommt einem entsprechenden Temperaturprofil der Laufbuchse besondere Bedeutung zu.
Zylinderbuchsenverschleiß, Ölverbrauch Um den Zylinderbuchsenverschleiß im Zwickelbereich niedrig zu halten und somit einen niedrigen Schmierölverbrauch über lange Zeit sicherzustellen, gilt es, die Ablagerung von hartem, verschleißfördernden Ölkoks an der Kolbenkrone zu vermeiden. Hierzu ist die Kolbenkrone gut zu kühlen und das Kronenspiel einzugrenzen. Weiterhin wird der Kolbenrand schützend vor der Zylinderwand hochgezogen, so dass
Bild 4-35 Brennraum eines Schwerölmotors
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren 125 die Kraftstoffstrahlen nicht auf die Zylinderlauffläche auftreffen. Dies begrenzt ggf. die Spritzrichtung. Ein weiteres Mittel zur Verschleißreduzierung sind Flamm- oder auch Kalibrierringe, die im oberen Bereich der Zylinderbuchse angeordnet sind. Aufgrund eines in diesem Bereich kleineren Durchmessers von Kalibrierring und Kolben soll verhindert werden, dass am Feuersteg abgelagerter Koks beim Abwärtshub des Kolbens auf der Lauffläche der Zylinderbuchse scheuert, s. Bild 4-35. Das Verschleißverhalten der Zylinderbuchse wird darüber hinaus maßgeblich durch die Werkstoffpaarung von Buchse und Kolbenringen bestimmt. Stichwortartig seien hier gehärtete Buchsenoberflächen (Nitrieren, Induktionshärtung, Laserhärtung) und Beschichten der Kolbenringe, z. B. mit Chrom, Chromkeramik sowie Plasmabeschichtung genannt. Gleichbleibender Ölverbrauch setzt voraus, dass die Ringnuten der Kolben über lange Zeit die ursprüngliche Geometrie behalten. Schwerölkolben zeichnen sich daher dadurch aus, dass die Nuten der Verdichtungsringe im Stahloberteil des gebauten Kolbens angeordnet und gehärtet sind.
Verdichtungsverhältnis Das Zündverhalten der mitunter zündunwilligen Schweröle kann zum einen einspritzseitig durch feine Kraftstofftröpfchen, zum anderen durch eine möglichst hohe Verdichtungsendtemperatur bei entsprechend hohem Verdichtungsenddruck positiv beeinflusst werden. Für den Brennraum bedeutet dies, ein hohes Verdichtungsverhältnis zu wählen. Für Mittelschnellläufer sind mit zunehmendem Hub-BohrungsVerhältnis ε-Werte von ca. 13 bis 16 üblich, für ZweitaktLangsamläufer Werte von 11 bis 14. Da mit zunehmendem Verdichtungsverhältnis die Luftdichte im Brennraum bei Zündeinsatz zunimmt, werden die Temperaturspitzen des Brenngases an den Zündherden abgesenkt. Weiterhin können mit zunehmendem Verdichtungsverhältnis der Druck- und Brennverlauf weicher gestaltet werden. Im Ergebnis wird dadurch die StickoxidEmission vermindert, sodass ein hohes Verdichtungsverhältnis auch für das Emissionsverhalten vorteilhaft ist. Die hier hauptsächlich am Beispiel eines Viertaktmotors dargestellten Gesichtspunkte zur Brennraumauslegung erfordern verschiedene Kompromisse, die am leichtesten zu erfüllen sind, je größer das Hub-Bohrungsverhältnis des Motors ist: Neuzeitliche Viertakt-Mittelschnellläufer weisen daher relativ große Hub-Bohrungs-Verhältnisse bis zu s/D = 1,5 auf, s. Bild 18-35. Die extreme Langhubigkeit heutiger Zweitakt-Langsamläufer (s/D ≈ 4) ist weniger in der Schweröltauglichkeit begründet, als in dem Bestreben, bei gleicher mittlerer Kolbengeschwindigkeit eine möglichst niedrige Motordrehzahl
bzw. Propellerdrehzahl fahren zu können. Dies ermöglicht einen maximalen Propellerdurchmesser und somit maximalen Wirkungsgrad.
4.3.4
Betriebsverhalten von Schwerölmotoren
4.3.4.1
Zünd- und Brennverhalten
Das Zünd- und Brennverhalten von Dieselmotoren im Schwerölbetrieb war und ist Gegenstand zahlreicher Forschungsarbeiten, die zum großen Teil in [4-26] aufgeführt werden. Es hat sich herausgestellt, dass insbesondere solche Kraftstoffe Zündschwierigkeiten verursachen können, die einen hohen Aromatenanteil aufweisen. Verglichen mit Paraffinen, Olefinen und Naphtenen setzen Aromaten aufgrund ihrer molekularen Struktur der thermischen Auf spaltung im Dieselmotor den größten Widerstand ent gegen. Werden motorseitig keine besonderen Maßnahmen ergriffen, so treten bei der Verbrennung aromatenhaltiger Kraftstoffe große Zündverzüge auf. Die Folge sind hohe Gradienten im Zylinderdruckverlauf. Im Extremfall kann „klopfende“ Verbrennung mit mechanischer und thermischer Überlastung beobachtet werden [4-27, 4-28]. Es gilt also, zur Vermeidung von Motorschäden Problemkraftstoffe zu identifizieren. Hierzu kann die Eigenschaft von Aromaten, eine hohe Dichte bei niedriger Viskosität aufzuweisen, herangezogen werden. Aufgrund von Erfahrungswerten entstand Bild 4-36, das in Abhängigkeit von Dichte und Viskosität Aussagen über die Zulässigkeit eines Kraftstoffes macht. Als nützlicher Indikator zur Abschätzung des Zündverhaltens eignet sich der sog. CCAI (Calculated carbon aromaticity index), der aus der Dichte ρ (in kg/m3 bei 15 °C) und der Viskosität ν (in mm2/s bei 50 °C) nach folgender empirischen Beziehung ermittelt wird: CCAI = ρ – 141 loglog (n + 0,85) – 81. Grundsätzlich gilt: Je höher der CCAI ist, umso ungünstiger ist das zu erwartende Zündverhalten. In den weitaus meisten Fällen bereitet die Verbrennung handelsüblicher Schweröle jedoch keine Probleme. So zeigt der Zylinderdruckverlauf für einen modernen Mittelschnellläufer bei Gasöl- und Schwerölverbrennung nur geringe Unterschiede. In der Tendenz ist der Zündverzug bei Schwerölbetrieb geringfügig größer und der maximale Druck etwas niedriger. Auch der Brennverlauf (Bild 4-37) zeigt nur geringe Unterschiede: ein etwas verspäteter Brennbeginn und ein
126
4 Kraftstoffe
Bild 4-36 Zulässigkeit von Kraftstoffen in Abhängigkeit von Dichte und Viskosität (gemäß Bedienungsanleitung MaK)
innerhalb der Auswertegenauigkeit gleiches Brennende. Selbst die maximalen Brenngeschwindigkeiten unterscheiden sich kaum.
4.3.4.2
Emissionsverhalten
Schwerölmotoren werden im Wesentlichen als Schiffshauptund Hilfsantrieb eingesetzt sowie als stationärer Antrieb zur Stromerzeugung in Ländern mit schwach ausgeprägter In-
frastruktur. Dementsprechend sind die Emissionsvorschriften gemäß IMO (International Marine Organisation) bzw. der Weltbank, die häufig stationäre Dieselkraftwerke finanziert, zu beachten. Der IMO-Grenzwert bezüglich der Stickoxidemission lautet: in g/kWh, wobei n die Motordrehzahl in min–1 bedeutet.
4.3 Schwerölbetrieb von Schiffs- und Stationärmotoren
Bild 4-37 Brennverlauf und Durchbrennfunktion im Gasöl- und im Schwerölbetrieb
Im Drehzahlbereich unter 130 min–1 (2-Taktmotoren) ist der Grenzwert konstant. Der Emissionswert ergibt sich durch Gewichtung von Messungen in 4 Leistungspunkten entsprechend ISO 8178-4. Eine Verschärfung der Vorschrift ist in Vorbereitung, die voraussichtlich den Grenzwert um 30% absenkt. Einen Grenzwert bezüglich der Partikelemission nennt die IMO nicht. Es besteht jedoch die Forderung der Schiffsbetreiber nach unsichtbarer Rauchemission, was einer Schwärzungszahl nach Bosch von SZ < 0,5 entspricht. Der Weltbank-Grenzwert bezüglich Stickoxidemission lautet: NOx = 940 ppm bei 15% Sauerstoff im Abgas. Auch hier ist eine Absenkung vorgesehen (NOx = 710 ppm). Der Weltbank-Grenzwert bezüglich der Partikelemission beträgt: PM = 50 mg/m3 Innermotorische Maßnahmen zur Verminderung der Stickoxidemission zwecks Einhaltung obiger Grenzwerte zielen überwiegend darauf ab, das Temperaturniveau des Verbrennungsgases während der NOx-Bildung zu vermindern. Genannt seien beispielhaft hoher Ladedruck, später Förderbeginn, hohes Verdichtungsverhältnis, geformte und ggf. unterteilte Einspritzung sowie Ventilsteuerzeiten zur Anwendung des Miller-Prozesses. Demgegenüber erfordert die Verminderung von sichtbarem Rauch bzw. von Partikeln eine Erhöhung der Brenngastemperatur im kritischen Betriebsbereich.
127
Je schärfer die Emissionsanforderungen werden, umso schwieriger ist der Konflikt zwischen NOx-Emission einerseits und Partikel-Emission andererseits aufzulösen. Die Motorenhersteller führen daher auch für den Schwerölbetrieb geeignete variable Einspritzsysteme wie z. B. das Common-Rail-System sowie variable Ventilsteuerzeiten ein. Weitere, sehr wirkungsvolle Maßnahmen zur Verminderung der Partikelemission sind die Absenkung des Schmierölverbrauches sowie die Verwendung von Schweröl mit geringerem Schwefelgehalt. An dieser Stelle sei noch auf eine Besonderheit der Schwerölverbrennung hinsichtlich Abgastrübung und Partikelemission (Ruß) hingewiesen: Die Bestimmung der Abgastrübung nach der für kleine Fahrzeugmotoren entwickelten Filterpapier-Methode nach BOSCH (s. Abschn. 15.6.2.4) ergibt bei großen Dieselmotoren meist einen sehr geringen Wert von weit unter 1 und führt zu der Annahme, dass die Rußproduktion entsprechend gering ist. Im Auftrag der FVV (Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e.V., Frankfurt/M.) durchgeführte Messungen ergaben, dass die daraus gefolgerte, geringe Rußemission nur für den Betrieb mit normalem Gasöl gilt. Für den Schwerölbetrieb ist die Schwärzungszahl SZ nach BOSCH ohne Aussagekraft, s. Bild 4-38. Danach ist auch die Staubemission nach VDI 2066 um ein Vielfaches größer als die rechnerisch aus der Schwärzungszahl SZ mittels einer Korrelation ermittelte „Rußemission“. Die immissionsnah gemessene Partikelemission gemäß ISO 8178 weist auf eine entsprechend hohe Luftbelastung hin. Ein überragender Einfluss kommt dabei dem Schwefelgehalt des Kraftstoffes zu, weil mit dem Schwefeldurchsatz am Motor die Partikelemission annähernd linear steigt. Somit ist es nahe liegend, neben einer verbesserten Verbrennung auch für Schweröl, wie beim Dieselkraftstoff DK, den Schwefelgehalt zu limitieren (s. Abschn. 4.1). Weltweit wurde durch die IMO in einem ersten Schritt der Schwefelanteil auf 4,5% begrenzt, für die Ost- und Nordsee sowie den Ärmelkanal auf 1,5%. Ab 2010 dürfen in Häfen die Hilfsdieselmotoren für die Bordversorgung auf den Schiffen nur noch mit Kraftstoffen betrieben werden, deren Schwefelanteil maximal 0,1 % beträgt.
4.3.5
Schmieröl für Schwerölmotoren
Die Verwendung von Schweröl als Brennstoff im Dieselmotor erfordert zwingend den Einsatz speziell hierfür entwickelter Motorenschmieröle. Bei der Definition der Anforderungen an diese Öle muss zwischen zwei grundsätzlich unterschiedlichen Motorbauarten unterschieden werden:
128
4 Kraftstoffe
Bild 4-38 Schwärzungszahl SZ bzw. daraus rechnerisch ermittelte Rußemission, nach TA-Luft gemessene Staubemission und EPA-konform gemessene Partikelemission eines Mittelschnellläufers (s/D = 320/240 mm/mm) bei Volllast für Gasöl (DK) und Schweröl IF 380 (HF) im Vergleich zu den Volllastwerten eines Nfz-Dieselmotors älterer Bauart
Zweitakt-Kreuzkopfmotoren verfügen über getrennte Schmiersysteme für den Zylinderbereich und den Triebraum aufgrund der vorhandenen Abdichtung durch die Kolbenstangenstopfbuchse: bei Tauchkolbenmotoren dagegen stehen Zylinder- und Triebraum in Verbindung miteinander. Die separate Zylinderschmierung der Kreuzkopfmotoren ist eine reine Verlustschmierung, d. h., die verbrauchte Ölmenge wird ständig über die Zylinderschmierung ergänzt. Folgende wichtige Aufgaben hat das Zylinderöl zu erfüllen bzw. zu unterstützen: – gleichmäßige Verteilung auf der Zylinderfläche durch gutes Verteilungs- und Benetzungsvermögen, – Vermeidung von Korrosion infolge hohen Schwefelgehaltes im Kraftstoff durch hohes Neutralisationsvermögen, – Verhinderung der Ablagerung von Verbrennungsrückständen durch hohes Reinigungsvermögen (Detergentwirkung), – Vermeidung von Schmierölzersetzungsprodukten mit entsprechenden Ablagerungen durch hohe Oxidationsund Thermostabilität, – Verhinderung von hohem Verschleiß und Fressgefahr durch hohes Lasttragevermögen. Als Maß für die Neutralisationsfähigkeit eines Schmieröls gilt die sog. Total Base Number (TBN), gemessen in Milligramm Kalilauge pro Gramm Schmieröl (mgKOH/g).
Typische Zylinderöle für Kreuzkopfmotoren weisen Viskositäten von SAE 50 und TBN-Werte von 70 bis 90 auf. Als Triebwerksöle für Kreuzkopfmotoren dienen verhältnismäßig niedrig legierte Öle der Viskositätsklasse SAE 30 mit einer TBN von ca. 6 mgKOH/g. Viertakt-Tauchkolbenmotoren haben im Gegensatz zu Kreuzkopfmotoren keine Trennung zwischen Zylinder- und Triebraum; das Schmieröl im Tauchkolbenmotor wird daher ständig durch aggressive Verbrennungsgase beansprucht. Saure, koks- und asphaltartige Rückstände in Verbindung mit abrasiven Feststoffen aus der Schwerölverbrennung belasten das Schmieröl, insbesondere bei geringen spezifischen (d. h. auf die Leistung bezogen) Ölumlaufmengen und niedrigen Schmierölverbräuchen (geringe Nachfüllmenge). Von entscheidendem Einfluss auf die Schmierölbelastung sind neben der Kraftstoffqualität die Betriebsbedingungen, zu denen auch die Wartung des Motors, die Abdichtwirkung der Kolbenringe sowie die Schmierölaufbereitung ihren Beitrag liefern. Hinzu kommt, dass die Ölfüllung i.d.R. nicht gewechselt wird, also über viele tausend Betriebsstunden ihre Aufgabe erfüllen muss. Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an ein „schwerölfähiges“ Tauchkolbenmotorenöl: – hohe Oxidations- und thermische Stabilität zur Verhinderung ölbedingter, lack- und koksartiger Ablagerungen,
4.4 Brenngase und Gasmotoren 129 – hohes Neutralisationsvermögen für saure Verbrennungs rückstände zur Vermeidung von Korrosion, – besonders gutes Reinigungs- und Schmutztragevermögen (Detergent/Dispersant-Wirkung), um die vermehrt gebil deten koks- und asphaltartigen Verbrennungsrückstände unschädlich zu machen, – besonders sorgfältige Abstimmung der Detergent/Dis persant-Additive, um die erforderliche Schmierölreinigung in Separatoren und Filtern wirksam vornehmen zu können, – geringe Emulgierneigung und geringe Empfindlichkeit der eingesetzten Wirkstoffe gegenüber Wasser zur Aufrecht erhaltung einer wirkungsvollen Ölpflege und Verhinderung von vorzeitigen Additivverlusten.
tor aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit, der nur noch in geringem Umfang als stationärer Antrieb, z. B. in Hüttenwerken zur Nutzung von Gichtgasen, verwendet wurde. Rudolf Diesel [1-4] sieht anfänglich für seinen neuen rationellen Wärmemotor auch noch den Gasbetrieb vor, was daraufhin die Firma KRUPP veranlasste, sich neben der MAN am Bau eines Versuchsmotors finanziell zu beteiligten. Durch neuere Untersuchungen zum Einsatz von Wasserstoff in Groß-Dieselmotoren hat diese Idee Diesels an Aktualität gewonnen. Erst durch Ausschöpfen des mit der Magermisch-Verbrennung verbundenen Potenzials zur Reduktion der Abgasschadstoffe konnte der Gasmotor gegenüber dem Dieselmotor, speziell bei der Stromerzeugung in Blockheizkraftwerken (BHKW, s. Abschn. 14.2), aufholen.
Darüber hinaus werden auch hohe Anforderungen an gutes Lasttragevermögen, günstiges Schaumverhalten und geringe Verdampfungsneigung gestellt. Typische Schmieröle für schwerölbetriebene Tauchkolbenmotoren weisen Viskositäten von SAE 40 und TBNWerte von 30 bis 40 auf.
4.4.2
Brenngase, Kenngrößen
4.4.2.1
Brenngase für Gasmotoren
4.4
Brenngase und Gasmotoren
4.4.1
Historischer Rückblick
Die ersten Verbrennungsmotoren, die Vorgänger heutiger Ottomotoren, waren Gasmotoren mit Fremdzündung, die als Brenngas ein aus Kohle oder Holz gewonnenes Generatorgas oder Leuchtgas verwendeten. Die seinerzeit erreichten mittleren effektiven Drücke und Wirkungsgrade waren bescheiden. Erst später wurde mit der beginnenden FahrzeugMotorisierung ein leichter zu speichernder flüssiger Kraftstoff, das Benzin, eingesetzt. Damit verschwand der Gasmo-
In Tabelle 4-10 sind die für den Einsatz in Gasmotoren wichtigsten Brenngase mit ihren brenntechnischen Kennwerten enthalten, wobei die aufgeführten Reingase lediglich in Gasmischungen, wie den Erdgasen, auftreten. Lediglich Wasserstoff H2 kann, sofern er zur Verfügung steht, als Reingas eingesetzt werden. Deponie- und Klärgas gelten als regenerative Brenngase, die bei der Zersetzung von Biomasse – Fäkalien, Gartenabfälle oder Stroh – entstehen, wobei die Umwelt doppelt entlastet wird: Ihre Freisetzung wird vermieden und ihre Nutzung entlastet die fossilen Ressourcen. Die wesentlichen Bestandteile sind Methan und Kohlendioxid, jeweils 40 bis 60%. Daneben können sie aber auch Schadstoffe, wie Chlor-, Fluor und Schwefelwasserstoffe enthalten, die damit auch der Umwelt als Gefahrstoff der Umwelt entzogen werden. Für eine Verbrennungsrechnung mit Gasen gelten prinzipiell
Tabelle 4-10 Kenngrößen der wichtigsten Brenngase, bezogen auf das Gasvolumen im Normzustand (Tabelle 3-5, 2. Aufl.) Gasart
Heizwert Hu kWh/m3n
Minimaler Luftbedarf Lmin m3/m3
Gemischheizwert hu kWh/m3n
Methanzahl MZ –
Methan Erdgas L Erdgas H Propan n-Butan Deponiegas Klärgas Kokereigas Kohlenmonoxid Wasserstoff
9,97 9,03 11,04 25,89 34,39 4,98 6,07 4,648 3,51 2,996
9,54 8,62 9,89 23,8 30,94 4,73 5,80 4,08 2,381 2,38
0,95 0,93 0,96 1,03 1,03 0,86 0,89 0,91 1,038 0,89
100 88 70 34 10 >130 130 36 75 0
130 4 Kraftstoffe
Tabelle 4-11 Einfluss der Isomerie auf die brenntechnischen Kenndaten von Butan (Tabelle 3-6, 2. Aufl.) C4H10
λu Gas in Luft Vol.-%
λo Gas in Luft Vol.-%
Selbstentzündungstemperatur K
molare Masse kg/kmol
Dichte kg/m3n
Siedepunkt bei 101,325 kPa K
Iso-Butan n-Butan
1,8 1,9
8,4 8,5
733 678
58,123 58,123
2,689 2,701
261,43 272,65
die gleichen brenntechnischen Kennzahlen wie bei flüssigen Kraftstoffen, s. Abschn. 1.2.3.1, jedoch wird als Bezugsgröße oft das Gasvolumen in m3n bei Normzustand gewählt. Die im Erdgas enthaltenen Kohlenwasserstoffe sind hauptsächlich Paraffine (Alliphaten) mit kettenförmiger Anordnung der C- und H-Atome und der Strukturformel CnH2n+2. Auf Methan CH4, den einfachsten Kohlenwasserstoff, folgen Ethan C2H6, Propan C3H8 und Butan C4H10, die wie Methan bei Normzustand gasförmig sind. Schon beim Butan tritt die als Isomerie bezeichnete Änderung der kettenförmigen Struktur im Aufbau der Moleküle auf, sodass sich beim Iso-Butan gegenüber der Normalform (n-Butan) bei gleicher molarer Masse die physikalischen Eigenschaften ändern (s. Tabelle 4-11). Auf diese Gegebenheiten muss besonders bei der Verwertung von Chemieabfallgasen in Gasmotoren Rücksicht genommen werden.
4.4.2.2
Brenntechnische Kenngrößen
Heizwert und Gemischheizwert Den höchsten Heizwert der in Gasmotoren genutzten Brenngase (s. Tabelle 4-10) hat Butan mit Hu = 34,4 kWh/m3n , den niedrigsten Heizwert als Einzelgas hat Wasserstoff mit 2,99 kWh/m3n. Der Unterschied im Heizwert dieser Einzelgase entspricht einem Faktor von mehr als 11. Durch Mischung mit Inertgasen, wie Kohlendioxid CO2 oder Stickstoff N2, wird diese Differenz noch vergrößert. Die „schwächsten“ von Gasmotoren noch verwertbaren Gasgemische geringen Energiegehalts haben bei ausreichendem H2-Anteil Heizwerte um 0,5 kWh/m3n , d. h., das Verhältnis der Heizwerte von „Schwach- zu Starkgas“ kann bis 1:60 betragen. Diese Heizwertunterschiede ergeben sich aus den differierenden C- und H2-Anteilen, die sich auch in den Unterschieden beim minimalen Luftbedarf Lmin für die stöchiometrische Verbrennung auswirken. Dagegen zeigt sich bei den Gemischheizwerten hu = Hu/(1 + λv Lmin), die bestimmend für die Energieausbeute sind, durch die Paarung von Hu und Lmin ein eher gleichmäßiges Bild der Werte mit nur geringen Unterschieden.
Methanzahl MZ Die Methanzahl MZ wird definiert durch das volumetrische Mischungsverhältnis von Methan (MZ = 100) sowie Wasserstoff (MZ = 0) und gibt damit direkt Aufschluss über die Klopffestigkeit des Gasgemisches. Eine Methanzahl nahe 100 bedeutet hohe bzw. eine Methanzahl nahe Null eine niedrige Klopffestigkeit. Ein Gemisch aus 20% Wasserstoff H2 und 80% Methan CH4 hat demnach eine Methanzahl von 80. Zu beachten ist dabei, dass diese Definition von Cartellieri und Pfeifer bei einem Luftverhältnis λ = 1 festgelegt wurde, die gleichzeitig auch die Methanzahl anderer Gase und Gasgemische versuchstechnisch an einem CFR-Einzylinder-Prüfmotor ermittelten [4‑29]. Bei Gasgemischen aus drei Komponenten kann die Methanzahl mit Hilfe von Dreiecksdiagrammen bestimmt werden, die zu den Linien konstanten Gasanteils auch Parameterlinien konstanter Methanzahlen enthalten. Das Lesen derartiger Diagramme ist in Bild 4-39 erläutert: Der Punkt P im linken Diagramm repräsentiert das Gemisch aus den prozentualen Anteilen a, b, c der drei Komponenten A, B, C. Das rechte Diagramm enthält zusätzlich die durch P führende Linie konstanter Klopffestigkeit bzw. Methanzahl. Bild 4-40 zeigt das Dreiecksdiagramm für die Zusammensetzung von Klärgasen aus den drei Hauptkomponenten Methan, Kohlendioxid und Stickstoff mit den daraus resultierenden Methanzahlen. Am Markt werden für die Methanzahlberechnung Berechnungsprogramme verschiedener Softwarehersteller angeboten. In Europa wird hauptsächlich das von der AVL entwickelte Programm eingesetzt [4-30]. Für die Anwendung bei Gasmischungen mit Wasserstoff ist zu beachten, dass abhängig vom H2-Gehalt der Betriebspunkt zur „mageren“ Seite hin verschoben werden kann. Da sich die Rechnung jedoch, wie oben ausgeführt, auf ein Luftverhältnis λ = 1 bezieht, gibt sie das Klopfverhalten nicht korrekt an.
4.4 Brenngase und Gasmotoren
131
Bild 4-39 Aufbau eines Dreiecksdiagramms zur Ermittlung der Methanzahl für ein Gemisch aus drei Gasen [4-30]
Bild 4-40 Dreiecksdiagramm für Klärgas aus Methan, Kohlendioxid und Stickstoff [4-30]
132 4 Kraftstoffe
Bild 4-41 Einfluss des Luftverhältnisses λ auf die laminare Flammengeschwindigkeit in cm/s
Laminare Flammengeschwindigkeit Die laminare Flammengeschwindigkeit gibt an, mit welcher Geschwindigkeit sich die Flamme bei laminaren Strömungsverhältnissen ausbreitet. Im Bereich der stöchiometrischen Verhältnisse ist sie am größten und nimmt mit zunehmender Abmagerung ab, ebenso beim Anfetten des Gemisches (λ < 1), wobei sich die einzelnen Brenngase unterschiedlich verhalten (s. Bild 4-41).
Zündgrenzen Die Gemischbildung der Brenngase wird von den Zündgrenzen der Einzelgase stark beeinflusst (Bild 4-42). Sie geben an, bei welchen unter- oder überstöchiometrischen Luftverhältnissen noch eine Zündung erfolgen kann. Wasserstoff hat die weitesten Zündgrenzen, Methan einen relativ kleinen Zündbereich. Für die Entflammung im Brennraum ist es daher wesentlich, die Vorgänge bei der Gemischbildung genau zu verstehen, um entsprechende Maßnahmen setzen zu können. Wird Wasserstoff als Brennstoff benutzt, sind die Anforderungen an die Gemischbildung bzw. die gemischbildende Einrichtung eher bescheiden. Bei Erdgas werden besonders hohe Anforderungen an die Homogenität des Gemisches gestellt, vor allem bei extremem Magerbetrieb.
4.4.2.3
Beurteilung der Gasqualität
Die Beurteilung der Gasqualität für den Einsatz in Gasmotoren erfolgt vorrangig anhand des Gemischheizwertes und der Methanzahl. Während durch den Gemischheizwert die
Auslegung des Gassystems (Gasdruck, Gasventilöffnungdauer) festgelegt wird, bestimmt die Methanzahl die Klopfgrenze und damit die maximal fahrbare Leistung. Um eine sichere Gaslieferung zu gewährleisten werden Gase aus unterschiedlichen Quellen zusammengemischt. Dabei erfolgt die Zumischung zum Grundgas Erdgas entsprechend der zulässigen Grenzen der Gasfamilie. In der Regel erfolgen Zumischungen (meist Propan/Butan-Gasgemische) derart, dass entweder der Gemischheizwert oder die Wobbe‑Zahl (Kennwert für die Wärmebelastung von Gasbrennern) konstant ist. Die Folge ist eine deutliche Änderung der Methanzahl auch bei konstantem Gemischheizwert. Ein störungsfreier Motorbetrieb ohne klopfende Verbrennung und daraus resultierende Motorschäden setzt voraus, dass ein ausreichend großer Abstand zur Klopfgrenze eingehalten wird. Die dadurch bedingten Verluste an Wirkungsgrad und Leistung vermeidet eine aktive Klopfregelung, womit der Motor bei optimalen Bedingungen und maximalem Motorwirkungsgrad an der Klopfgrenze betrieben werden kann.
4.4.3
Definition und Beschreibung von Gasmotoren
4.4.3.1
Klassifizierung der Verbrennungsverfahren
Die bei Gasmotoren eingesetzten Verbrennungsverfahren ergeben sich aus der Art der Gaszumischung und der Art der Zündung des Gas-Luft-Gemisches. Gemäß der allgemein gültigen Definition von Verbrennungsverfahren ergibt sich somit die Unterteilung in Otto-Gasmotoren, Diesel-Gasmotoren und Gas-Dieselmotoren (Bild 4-43).
4.4 Brenngase und Gasmotoren
133
Bild 4-42 Zündgrenzen der Reingase Wasserstoff H2, Methan CH4, Kohlenmonoxid CO und Propan C3H8
Bild 4-43 Definition von Brennverfahren bei Gasmotoren
Sowohl Otto- als auch Diesel-Gasmotoren arbeiten nach dem ottomotorischen Verfahren und unterscheiden sich nur durch die Art der Zündung. Im Gegensatz hierzu wird das heterogene Gemisch beim Gas-Dieselmotor durch die Selbstzündung des Brenngases, unterstützt durch eine geringe Menge Dieselkraftstoff (Zündöl), gezündet und entspricht so dem dieselmotorischen Verfahren.
Otto-Gasmotor Otto-Gasmotoren sind gemäß dem ottomotorischen Verfahren grundsätzlich fremdgezündet, wobei das homogene GasLuft-Gemisch außerhalb des Brennraumes erzeugt wird [431]. Dabei kann die Gemischbildung zentral am Motorlufteinlass bzw. bei aufgeladenen Motoren auch nach Verdichter
134 4 Kraftstoffe oder vor jedem Einlassventil erfolgen. Der erforderliche Gasdruck muss somit über dem Ansaugluftdruck bzw. dem Ladeluftdruck liegen. Die Zündung wird elektrisch durch eine Zündkerze eingeleitet. Für Vorkammermotoren ist auch eine Zündung durch eine Glühkerze denkbar, erfordert dann aber eine gesteuerte Gaszufuhr in das verdichtete Gemisch in der Vorkammer, um so die Zündung auszulösen [4-32]. Die Motorleistung ist durch die zugeführte Gas-Luft-Gemischmasse bestimmt und somit quantitätsgeregelt. Das Verdichtungsverhältnis ist bei der üblichen Verwendung von Serien-Dieselmotoren als Otto-Gasmotoren der Klopffestigkeit (Methan-Zahl) des zur Verfügung stehenden Brenngases so anzupassen, dass keine Selbstzündung des Gas-Luft-Gemisches eintreten kann, was zu einer Leistungsreduktion von ca. 20% gegenüber dem Dieselverfahren führt.
Gas-Dieselmotor
Diesel-Gasmotor
Es werden zwei grundsätzlich verschiedene Zündungskonzepte unterschieden, Direktzündung und Vorkammerzündung. Bei den schnelllaufenden Motoren (n ≥ 1500 min–1) mit bis zu 170 mm Bohrungsdurchmesser wird, bis auf wenige Ausnahmen, die in Bild 4-44a dargestellte Direktzündung verwendet und entspricht im Wesentlichen den bei Pkw-Otto-Motoren eingesetzten Zündungskonzepten. Bei kleinerer Drehzahl (n = 800–1200 min–1) und fetterer Verbrennung (λ = 1) ist die Flammengeschwindigkeit im Brennraum groß genug, um auch dieses Konzept bis zu einem Bohrungsdurchmesser von 250 mm einzusetzen. Für Magermotoren (λ ≥ 1,7) mit Bohrungsdurchmessern von 200 mm und größer wird eine Vorkammerzündung erforderlich (Bild 444b), wozu der Brennraum in Haupt- und Nebenbrennraum, Vorkammer genannt, unterteilt wird. Das Vorkammervolumen beträgt zwischen 1% und 5% vom Kompressionsvolumen. Die Vorkammer ist mit einer eigenen Gaszufuhr versehen, die das Gemisch in der Kammer bis zu einem Luftverhältnis im Bereich λ ≈ 1 anfettet, um eine Zündung sicherzustellen. Das fette Gemisch aus der Vorkammer erlaubt so auch die sichere Entzündung extrem magerer Gemische (λ ≥ 2,2). So können bei mittelschnelllaufenden Otto-Gasmotoren NOXEmissionen nach TA-Luft im Bereich von 250 mg/m3n bis 500 mg/m3n mit effektiven Wirkungsgraden von über 45% realisiert werden. Bei Magermotoren mit Bohrungsdurchmessern unter 200 mm werden auch ungespülte Vorkammern eingesetzt, um die Entflammungsbedingungen an der Zündkerze zu verbessern, s. Abschn. 4.4.4.3.
Bezüglich Zündungsart und Gemischbildung gleichen Diesel- und Otto-Gasmotor sich und arbeiten somit nach dem ottomotorischen Verfahren, wobei der wesentliche Unterschied in der Art der Zündquelle besteht. Im Gegensatz zur elektrischen Zündung beim Otto-Gasmotor wird beim Diesel-Gasmotor die Zündung durch das Einspritzen von Dieselkraftstoff, dem sog. Zündöl, eingeleitet [4-33, 4-34]. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit die Zündölmenge auf 100% zu steigern, um so den Motor auch im reinen Dieselbetrieb zu betreiben (Dual-Fuel-Motoren). Wird der Zündölanteil nur zum Starten des Motors im Dieselbetrieb sowie auf die erforderliche Zündölmenge, etwa 10% bis 15% der Einspritzmenge bei Volllast, begrenzt, spricht man von MicroPilot-Motoren. Da Gemischaufbereitung und -zufuhr der des Otto-Gasmotors gleichen, wird auch bei diesem Verbrennungsverfahren die Motorleistung durch die zugeführte Gas-Luft-Gemischmasse bestimmt und ist somit quantitätsgeregelt. Bei Diesel-Gasmotoren ist die erforderliche Reduktion des Verdichtungsverhälnisses geringer als beim Otto-Gasmotor, da einerseits die Selbstzündung des Zündöles gegeben sein muss, andererseits darf das homogene Gas-LuftGemisch, das die Hauptenergie für den Motorbetrieb liefert, nicht zum Klopfen neigen, muss also eine genügend hohe Methan-Zahl haben. Bei der Applikation von Serien-Dieselmotoren ist es dagegen für Diesel-Gasmotoren nicht notwendig, die Einspritzausrüstung gegen Zündverteiler (Einspritzpumpe) und Zündkerze (Einspritzdüse) auszutauschen wie bei Otto-Gasmotoren.
Die Gas-Dieselmotoren sind gemäß dem dieselmotorischen Verfahren grundsätzlich selbstzündend, wobei die Erzeugung des Gemisches durch Einspritzen des Gases in die verdichtete Verbrennungsluft erfolgt. Somit liegt zum Zeitpunkt der Zündung ein inhomogenes Gemisch im Brennraum vor [4‑35]. Die Zündung erfolgt dann durch Einspritzen einer zusätzlichen Menge Dieselkraftstoff. Die Motorleistung ist nur durch die zugeführte Gasmasse bestimmt und ist somit qualitätsgeregelt. Eine wesentliche Anpassung des Verdichtungsverhältnisses ist nicht erforderlich um die Zündung des Zündöls zu gewährleisten. Somit ist die gleiche Motorleistung wie beim Dieselverfahren darstellbar.
4.4.3.2
Otto-Gasmotoren
4.4 Brenngase und Gasmotoren 135
Bild 4-44 Direkte Zündung (a) und Vorkammerzündung (b) bei Gas-Ottomotoren
4.4.3.3
Diesel-Gasmotoren
Die Fremdzündung des Gasgemisches wird durch die Selbstzündung des eingespritzten Dieselkraftstoffes, des sog. Zündöls, eingeleitet. Dieses Verfahren hat bereits Rudolf Diesel vorgeschlagen, um schwer entzündbare Kraftstoffe, wie z. B. Kohle, verbrennen zu können. Das NOx-Emissionsniveau von Diesel-Gasmotoren wird im Wesentlichen von der Zündölmenge beeinflusst. Bei Zündölmengen größer 5% (Dual-Fuel-Motoren) sind derzeit die NOx-Grenzwerte nur mit SCR-Katalysatoren zu erreichen, da der Verbrennungsablauf des über die Einspritzstrahlen zündenden Gemisches mehr als doppelt so hohe NOx-Werte ergibt (1500 bis 2000 mg NOx/m3n). Wird die Zündölmenge auf etwa 0,5% der Vollastmenge (energetisch) reduziert (Micro-Pilot-Motoren) können auch ohne Abgasnachbehandlung NOx-Werte von 500 mg/m3n (TA Luft-Grenzwert) eingehalten werden. Das Konzept der Dual-Fuel-Motoren hat den Vorteil, dass bei Ausfall des Gases der Motor auch als Dieselmotor (vor allem für Notstromanwendungen wichtig) betrieben werden kann. Der Motor wird als Dieselmotor gestartet, um dann in Folge dem Luftstrom Gas als primären Energieträger zuzumischen. Das Haupteinsatzgebiet dieser Moto rentype ist dort, wo große Gasmengen mit geringen Heizwerten und schwerer Entflammbarkeit vorhanden sind. Als Beispiel sind hier Gase mit hohen Inertgasanteilen zu nennen. Nachteilig ist der relativ hohe Methanzahlbedarf, da ein für die Selbstzündung des Dieselkraftstoffes beim Startvorgang ausreichendes Verdichtungsverhältnis gewählt werden muss. Bei methanzahlarmen Gasen oder Gasgemischen
muss dann mit Gegenmaßnahmen, wie z. B. Lastreduktion oder „Abmagern“ durch Verschieben des Brenngas energieanteiles zu größeren Zündstrahlmengen, der klopffreie Betrieb sichergestellt werden. Insbesondere ist das bei wasserstoffreichen Synthesegasen problematisch, da entweder nur bescheidene Mitteldrücke (Saugmotorniveau) oder hohe Dieselverbrauchsanteile in Kauf genommen werden müssen.
4.4.3.4
Gas-Dieselmotoren
Dieses Motorenkonzept wird durch die Gemischbildung im Brennraum gekennzeichnet, wobei das HochdruckBrenngas dem Zündstrahl vorgelagert wird, um anschließend durch den Dieselstrahl gezündet zu werden [4‑36]. Die Zündwilligkeit des Gases ist so von untergeordneter Bedeutung, so dass mit diesem Verfahren auch methanzahl arme Gase ohne besondere Maßnahmen eingesetzt werden können. Diese Entwicklung basiert auf dem Vorhandensein von Hochdruckgas (ca. 200 bar), wie es beispielsweise auf CNG-Tankern als „Nebenprodukt“ anfällt oder in der Petroleumindustrie auf Bohrinseln bzw. in Pumpstationen verfügbar ist. Da der erforderliche Gasdruck über dem Verdichtungsenddruck liegen muss, werden erhöhte Anforderungen an das Gassystem (Druckfestigkeit und Sicherheit) gestellt. Bei diesem Konzept sind die Wirkungsgrade praktisch genauso hoch wie bei den Dieselmotoren. Die NOx-Emis sionen der nach dem Zündstrahlkonzept arbeitenden Motoren erfordert aber in jedem Fall eine Abgasnachbehandlung mittels eines Denox-Katalysators.
136 4 Kraftstoffe
4.4.3.5
Wasserstoffbetrieb von Gas-Dieselmotoren
In dem Bemühen um die Nutzung alternativer Kraftstoffe und die Minderung der Umweltbelastung durch Motorabgase ist in der Zukunft dem Wasserstoff große Bedeutung zuzumessen [4‑37]. Voraussetzung ist jedoch, dass keine mit fossilen Kraftstoffen erzeugte elektrische Energie zu seiner Gewinnung durch Elektrolyse eingesetzt wird. Um später einmal Wasserstoff auch in Großdieselmotoren einsetzen zu können, wurden entsprechende Untersuchungen an einem Einzylinder-Dieselmotor mit 240 mm Kolbendurchmesser durchgeführt [4‑38]. In der jetzigen Entwicklungsstufe wird auf 300 bar verdichteter Wasserstoff dem Motor über ein Einblaseventil mit mehreren Blaslöchern, das die zentral angeordnete Einspritzdüse ersetzt, kurz vor dem oberen Totpunkt zugeführt, worauf es zu einer Selbstzündung des Wasserstoff-Luft-Gemisches kommt. Das Verdichtungsverhältnis wurde dazu im Laufe der Versuche von ursprünglich ε = 13,7 in der Dieselversion auf 16,8 bis 17,6 erhöht. Der große Zündbereich des Wasserstoff-Luftgemisches erlaubt weitgehend eine sog. Qualitätsregelung, vergleichbar der üblichen Lastanpassung bei Dieselmotoren. Die im Versuchsbetrieb des aufgeladenen Motors erreichten mittleren effektiven Drücke von ca. 19 bar, entsprechend einer spezifischen Arbeit we = 1,9 kJ/dm3, lassen für die weitere Entwicklung zukünftig ca. 25 bar erwarten, vergleichbar mit dem Leis tungsniveau heutiger Schiffsdieselmotoren. Die Verbrennung verläuft rußfrei, das „Treibhausgas“ Kohlendioxid CO2 sowie Kohlenmonoxid CO und Kohlenwasserstoffverbindungen HC treten nur in vernachlässigbar kleinen Konzentrationen auf. Die einzigen quantitativ relevanten Komponenten sind die Stickoxide, deren Konzentration das Emissionsniveau schadstoffoptimierter Dieselmotoren übertrifft. Die Ursache hierfür ist in den starken Inhomogenitäten des Gas-Luft-Gemisches und in der sehr kurzen Brenndauer mit großen Umsatzraten zu sehen, die örtlich hohe Temperaturen im Brennraum bedingen und den damit verbundenen Anstieg der NO-Bildung. Hier wird noch weitere Entwicklungsarbeit erforderlich. Eventuell notwendig werdende Nachbehandlungssysteme zur NOx-Minderung können jedoch wegen der Reinheit des Abgases sehr wirksam arbeiten. Ist der mit Wasserstoff betriebene Dieselmotor aus heutiger Sicht noch eine Option auf die Zukunft, so erfüllt er doch bereits zwei Visionen Rudolf Diesels, nämlich die vom rauchfreien Betrieb seines rationellen Wärmemotors sowie die der Eignung auch für Brenngase!
4.4.3.6
Gasmotoren als Fahrzeugantrieb
Aus Dieselmotoren abgeleitete Otto-Gasmotoren nach dem λ = 1-Konzept werden als Antriebe in kommunalen Fahr-
zeugen, im Zubringerverkehr und im öffentlichen Personennahverkehr eingesetzt. Zum Einsatz kommt hierbei CNG (compressed natural gas), welches bis auf 200 bar komprimiert in den Dachtanks der Fahrzeuge mitgeführt wird. Die Modifikation ist leicht zu realisieren und das Fahrverhalten entspricht der Fahrzeugausführung mit Dieselmotor. Die gezielte Entwicklung zu Magermotoren (λ ≥ 1,7) eröffnet wesentlich erweiterte Möglichkeiten mit verbesserten Leistungen, Wirkungsgraden und Reichweiten [439]. Aus der Forderung nach hoher Leistung bei niedrigem Verbrauch und niedrigsten Emissionen ergeben sich zahlreiche Änderungen am Basis-Dieselmotor wie Brennraumform, Kolbenausführung, intensive Kühlung von Zylinderkopf und Laufbuchse, Schmierölverbrauch, Gassystem und Motorsteuerung, so dass Fahrzeug-Gasmotoren heute selbstständige Entwicklungen darstellen [4-40]. Bahnantriebe mit Gasmotoren in Industrielokomotiven sind eher als Ausnahme anzusehen. Sie können aber für Operationsbereiche mit besonderen Umweltvorschriften vereinzelt notwendig sein.
4.4.4
Gemischbildung und Zündung
4.4.4.1
Möglichkeiten der Gemischbildung
Vergleichbar mit den Pkw-Ottomotoren kann bei Gasmotoren ebenfalls unterschieden werden zwischen einer – zentralen Gemischbildung mittels gemischbildender Einrichtung, dem Gasmischer (entspricht einer „SinglePoint-Injection“), und einer – Einzel-Gemischbildung vor Einlass in den Brennraum oder im Brennraum des Motors (entspricht den Möglichkeiten der „Multi-Point-Injection“). Bei aufgeladenen Gasmotoren kann der zentrale Gasmischer vor oder nach dem Verdichter der Aufladegruppe angeordnet werden. Die Anordnung auf der Saugseite hat den Vorteil, dass nur ein geringer Gas-Vordruck anstehen muss, wie es z. B. bei Klär- oder Deponiegas (30–100 mbar) der Fall ist. Ein weiterer Nutzen entsteht durch die Homogenisierung des Gemisches im Verdichter, so dass bei V-Motoren jede Reihe ein exakt gleiches Lambda erhält. Wird der Gasmischer auf der Druckseite (p2) angeordnet, ist ein entsprechend höherer Gasvordruck notwendig, der fallweise über einen eigenen Gasverdichter erzeugt werden muss. Außerdem ist die Gefahr eines durchschlagenden fetten Strömungsfadens immer gegeben, und es ist dann zweckmäßig, eine homogenisierende Einheit dem Gasmischer nachzuschalten. Einzel-Gemischbildung ist bei größeren Motoren (D > 140 mm) zu finden. Sofern es sich nicht um Saugmotoren handelt, ist das Gasdruckniveau entsprechend dem
4.4 Brenngase und Gasmotoren 137 Ladeluftdruck anzuheben. Erforderlich sind in beiden Fällen zusätzliche Gaseinlassventile, was konstruktive Eingriffe am Zylinderkopf erfordert. Bei Drosselung der Luftzufuhr mittels Drosselklappe zur Änderung des Drehmoments ist der Ventilquerschnitt am Gasventil so anzupassen, dass das Gemisch weiterhin zündfähig ist. Bei aufgeladenen Motoren wird der erforderliche Luftmassenstrom durch die Regelung des Ladedruckes mittels Abgas-Bypass (Waste Gate), Kompressor-Bypass oder variabler Turbinengeometrie (VTG) eingestellt, wobei die Änderung des Drehmomentes entweder mittels lastabhängiger Gasdruckregelung oder Gaseinlassventilen mit variabler Öffnungsdauer erfolgt.
4.4.4.2
Gasmischer
Die meisten Gasmischer arbeiten nach dem Venturi-Prinzip: Durch eine im Ansaug-Luftstrom angeordnete Venturidüse sinkt der stationäre Druck im engsten Querschnitt, wo sich die über einen Ringkanal miteinander verbundenen Bohrungen für den Gaszutritt befinden (Bild 4-45). Mit Erhöhen der Zylinderladung, z. B. bei Drehzahlzunahme steigt auch der Differenzdruck am Gaszutritt und damit die einströmende Gasmasse. Wegen der sich dabei gleichzeitig ändernden Dichten von Gas und Luft sind zusätzliche Regel eingriffe erforderlich, um das gewünschte Luftverhältnis einzuhalten. Bei Motoren mit geringen Emissionsanforderungen wird häufig der „variable restriction“ Gasmischer (IMPCO) verwendet. Das Funktionsprinzip ist in Bild 4-46 dargestellt. Die Besonderheit dieses Typs ist das „gas metering valve“, dessen äußere Form einen massenstromabhängigen Lambdaverlauf relativ einfach erreichen lässt. Wird eine andere Charakteristik gewünscht, so wird die Form des Steuerventils dem gewünschten Mischungsverhältnis angepasst. Eine weitere Eingriffsmöglichkeit ist durch die Festlegung der in
der Unterdruckkammer befindlichen Feder gegeben. Dieser Gasmischertyp kann auf der Saugseite oder der Druckseite eingesetzt werden. Als wesentlicher Vorteil dieses Typs ist die einfache Mechanik zu nennen, da kein elektronisches Stellglied vorhanden ist. Der Nachteil ist jedoch eine entsprechend der Geometrie fixierte Einstellung und damit ein bestimmtes Lambda während des Einstellvorganges. Mit diesem Konzept ist kein Regeleingriff zur Kompensation variabler Heizwerte bzw. zu sich verändernden Umgebungsbedingungen (Ansaugtemperatur und Luftdruck) möglich. Für aufgeladene Gasmotoren hoher spezifischer Leistung ist dieser Mischertyp wegen seiner hohen Strömungsverluste und den damit verbundenen Füllungsverlusten nicht geeignet. Ein ebenfalls verbreitetes Grundkonzept stellt das Mischungsverhältnis über das Flächenverhältnis von Luftund Gasquerschnitt ein. Die bereits relativ alte Grundidee – sie entspricht der eines Gleichdruckvergasers – wurde von der Ruhrgas AG Mitte der 80er-Jahre aufgegriffen und auf den heutigen Stand gebracht (Markenname HOMIX). Für Magermotoren hat dieses Konzept den Vorteil, dass mit relativ einfachem Aufwand das Flächenverhältnis Luft/ Gas im Betrieb nachgestellt werden kann. Dieser Gasmischertyp erfordert immer einen Druckregler (Nulldruckregler), der die Druckverhältnisse in der Gaszuführung dem Druck im Saugrohr vor dem Verdichter anpasst. Um das in den Gasnetzen vorhandene Druckniveau an die bei dem Gasmotor vorgesehene Gemischbildung anzupassen, ist eine sog. Gasregelstrecke erforderlich. Neben der Druckanpassung werden in diese Gasregelstrecke, auch „Gasstraße“ genannt, meist die vorgeschriebenen Sicherheitseinrichtungen integriert [4-41].
Bild 4-45 Venturi-Mischer
138 4 Kraftstoffe Hauptbrennraum verbunden ist. So werden konstante Zündbedingungen für die Zündkerze geschaffen, die die Entflammungsbedingungen und so die Zündkerzenlebensdauer verbessern [4‑42]. Im Vergleich zum ungeteilten Brennraum kann das Gemisch abgemagert und so niedrigere NOx-Emissionen dargestellt werden.
Laserzündung
Bild 4-46 Gasmischer: Variable Restriction Carburettor, Fa. IMPCO
4.4.4.3
Elektrische Zündeinrichtungen
Zündkerze
Bei Otto-Gasmotoren erfolgt die Zündung des Gas-Luft-Gemisches wie bei Pkw-Ottomotoren mit Hilfe einer Zündkerze. Die bis Anfang der 90er-Jahre verwendeten, mechanisch angetriebenen Zündgeneratoren (z. B. Fa. Altronic) wurden zugunsten einer elektronischen Zündung, bei der ein Thyristor die Entladung eines Kondensators steuert, aufgegeben, um damit den Zündzeitpunkt z. B. bei Gefahr einer klopfenden Verbrennung, problemlos variieren zu können. Wichtig ist, zwischen der maximal möglichen Zündspannung (Zündspannungsangebot) und der zur Funkenbildung erforderlichen Spannung (Zündspannungsbedarf) zu unterscheiden. Deren Höhe wird primär durch das Spaltmaß zwischen Mittel- und Massenelektrode bestimmt. Auch steigt der Zündspannungsbedarf mit der Ladungsdichte zum Zündzeitpunkt, somit also mit der spezifischen Arbeit we (bzw. dem mittleren effektivem Druck pe). Um die Lebensdauer der Zündkerzen in Stationärmotoren zu steigern, werden mit Edelmetallen (Platin, Iridium oder Rhodium) armierte Elektroden auf dem Markt angeboten, wie z. B. Champion RB 77WPC und Denso 3-1, wobei einige Motorenhersteller auch auf Eigenentwicklungen setzen.
Ungespülte Vorkammer, Vorkammerzündkerze Magermotoren stellen besondere Anforderungen an die Zündeinrichtung, da die Zündbedingungen von den Bedingungen im Brennraum, wie Ladungsbewegung und Gemisch-Inhomogenitäten, stark abhängig sind. Eine Maßnahme ist der Einsatz von Vorkammerzündkerzen (ungespülte Vorkammer ohne eigene Gaszufuhr), bei der die Zündkerze von einer Kammer umgeben ist, die mit relativ kleinen Schusskanälen (Übertrittsbohrungen) mit dem
Als Alternative zur elektronischen Zündanlage mit Zündkerze werden Konzepte entwickelt, die das Gemisch im Brennraum mittels eines Pulslasers entzünden [4‑43]. Mittels Lichtleiterkabel wird das Licht einer Laserquelle über einen optischen Zugang zum Brennraum an einem beliebigen Ort im Brennraum derart fokussiert, dass dort die Zündung des Gemisches eingeleitet wird. Der Vorteil ist darin zu sehen, dass prinzipbedingt kein Verschleiß wie bei Zündkerzen auftreten kann. Ferner können mehrere Zündquellen im Brennraum realisiert werden und so eine sehr schnelle Gemischumsetzung dargestellt werden. Gegenstand der Entwicklung ist die dauerhafte optische Zugänglichkeit in den Brennraum, die Minimierung der Leistungsverluste zwischen Laserquelle und Brennraum sowie die Reduzierung der Kosten des Gesamtsystems. Vor allem Letztere erlauben heute noch keinen Serieneinsatz solcher Systeme. Die für Otto-Gasmotoren zukünftig angestrebten mittleren effektiven Drücke von bis zu 30 bar, entsprechend einer spezifischen Arbeit we = 3,0 kJ/dm3, erscheinen zurzeit nur mittels Laserzündung darstellbar.
4.4.5
Abgasemission von Gasmotoren
4.4.5.1
Verbrennung homogener Gasgemische
Für die Verbrennung eines homogenen Kraftstoff-Luft-Gemisches ist der in Bild 4-47 dargestellte Verlauf typisch für die Emission der reglementierten Abgas-Schadstoffe Kohlenmonoxid CO, Gesamt-Kohlenwasserstoffe HC und Stickoxide NOx in Abhängigkeit vom Luftverhältnis λ. Während CO und HC nach der stöchiometrischen Verbrennung mit zunehmendem Luftüberschuss (λ > 1) stark abnehmen, erreicht die NOx-Emission erst bei λ ≈ 1,1 ihr Maximum, für das die immer noch sehr hohen Temperaturen im Brennraum verbunden mit dem Sauerstoffangebot bei λ > 1 die Ursachen sind. Erst danach sinken die Emissionswerte, um dann bei λ ≈ 1,6 im extrem mageren Bereich ein für die Abgasgesetzgebung nach TA Luft akzeptables Niveau zu erreichen. Die im Bild enthaltenen Grenzen weisen auf die beiden Betriebsarten für einen schadstoffoptimierten Gasmotor hin: Verbrennung eines stöchiometrischen (λ = 1) bzw. eines mageren Gas-Luft-Gemisches mit λ ≥ 1,6.
4.4 Brenngase und Gasmotoren 139
Bild 4-47 Luftverhältnis und Abgasemission, Konzeptgrenzen für die NOx-Reduktion
Die Abgasgesetzgebung in Europa orientiert sich im Wesentlichen an der deutschen TA Luft (s. Abschn. 15.2) mit der Besonderheit, dass die Grenzwerte nicht, wie oft üblich, auf die Leistung, sondern auf den Ladungsdurchsatz in m3n bei einem O2-Gehalt des Abgases von 5% bezogen werden. Damit ist es ohne Belang, ob wenig oder viel Strom aus der gleichen Menge an Brenngas erzeugt wird, da der Nutzwirkungsgrad nicht in die ermittelten Emissionswerte eingeht. Deshalb berücksichtigen einzelne Länder, wie z. B. Dänemark für die unverbrannten Kohlenwasserstoffe, den effektiven Wirkungsgrad bei der Festsetzung ihrer Limits. Außer für NOx , CO und HC bestehen Emissionslimits auch für NMHC (Non Methane Hydrocarbons: Kohlenwasserstoffe mit Ausnahme von Methan), für die Staub- oder Partikelemission (abhängig vom vorgeschriebenen Messverfahren, s. Abschn. 15.6) sowie für C-Verbindungen geordnet nach C1, C2, C3 etc., ferner für Dioxine und Furane.
4.4.5.2
Gasmotoren mit stöchiometrischem Gemisch
Vergleichbar den Pkw-Ottomotoren ist ein stöchiomet risches Gas-Luft-Gemisch Voraussetzung für den Einsatz des Drei-Wege-Katalysators, der gleichzeitig die Emission von CO, HC und NOx durch Nachoxidation bzw. Reduktion senkt. Voraussetzung ist eine Regelung des Gas-Luft-Gemisches mittels einer Lambdasonde, die die Funktion des Katalysators innerhalb der sehr engen Grenzen des „LambdaFensters“ von 0,980–0,991 sicherstellt. Nur bei unterstöchiometrischer Verbrennung (λ ≈ 0,997) ist eine wirkungsvolle Reduktion von NOx zu erreichen.
Durch hohe thermische Belastung, verbunden mit Einflüssen durch Ölaschen und im Brenngas enthaltene Pro blemgase, sinkt der Katalysator-Wirkungsgrad. Daher sind die Service- und Wartungskosten relativ hoch, was den Einsatz des Drei-Wege-Katalysators auf Motoren geringer Leis tung, vorwiegend Saugmotoren, beschränkt (pme ≤ 8 bar bzw. we ≤ 0,8 kJ/dm3). Durch die Kombination der Abgasturboaufladung mit einer Abgasdrückführung ist es jedoch möglich, die thermische Belastung und gleichzeitig die NOx-Rohemission und damit die Kosten zu senken.
4.4.5.3
Mager-Gemisch-Motoren
Gemischreglung mittels Mager-Sonde Der sog. Magerbetrieb zur Einhaltung der Grenzwerte der TA Luft erfordert die Mager-Gemisch-Aufladung, um durch Aufladung die mit einer „mageren“ Verbrennung verbundenen Verluste an Nutzarbeit kompensieren zu können. Dabei hat sich gezeigt, dass sich das vorgemischte Gas-Luft-Gemisch problemlos im Verdichter des Abgasturboladers mit Vorteil für die Gemisch-Homogenisierung vorverdichten lässt, s. Abschn. 4.4.4.1. Für mit Schadstoffen, wie Chlor-, Fluor-, Siliziumverbindungen und Schwefelwasserstoff H2S, beladene Biogase können nur Mager-Gemisch-Motoren eingesetzt werden, da diese „Katalysatorgifte“ einen Drei-WegeKatalysator in kürzester Zeit außer Funktion setzen würden. Die notwendige Konstanz des Luftverhältnisses des mageren Gas-Luft-Gemisches kann (vergleichbar mit einem „Lambda 1-Betrieb“) durch einen geschlossenen Regelkreis aufrechterhalten werden. Die dazu verwendeten „Mager-
140 4 Kraftstoffe Sonden“ liefern erst bei einem Luftverhältnis λ > 1,6 ein für die Regelung verwendbares elektrisches Signal. Da die Lebensdauer dieser Sonden beschränkt ist, insbesondere beim Einsatz von Biogasen mit ihren schädigenden Inhaltsstoffen (Cl, F, S etc.), ist dieses Konzept bei einer MotorBetriebszeit von 8000 h/a sehr kostenintensiv, so dass alternative Konzepte zur Steuerung der Gemischzusammensetzung entwickelt wurden.
Alternative Konzepte für Mager-Gemisch-Motoren Messung der Brennraumtemperatur (TEM) Das Konzept der Firma Deutz [4-44] sieht die Messung einer repräsentativen Temperatur in einem Volumenelement des Brennraumes vor, um daraus auf das Luftverhältnis schließen zu können. Dabei erfasst der träge Sensor (Thermoelement) keineswegs die wahre Temperatur im Volumenelement, einer Ausnehmung im Zylinderkopfboden, sondern eine sich während des Arbeitsspiels einstellende Mitteltemperatur, der dann die bei einem Betriebspunkt gemessene und in der Regeleinheit (TEM) abgespeicherte mittlere NOxEmission zugeordnet wird. Nachteilig wirkt sich die nachlassende Empfindlichkeit des Sensors infolge isolierender Ablagerungen aus, da bei vorgetäuschter zu niedriger Mitteltemperatur das Gemisch angefettet wird. Andererseits führt ein Betrieb im klopfnahen Bereich zu einem besseren Wärmeübergang an der Sonde, sodass der Regler, wie gewünscht, in Richtung „mager“ verstellt und so Klopfen vermeidet.
ordnet. Bei sehr magerer Verbrennung (λ > 2,5) ist das von der Sonde gelieferte Signal relativ unscharf, sodass die Regelung nicht mehr präzise genug arbeitet. Messung der Lichtemission Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Flammenstrahlung im Bereich des OH-Bandes bei 310 nm der NOx-Emission so zuordnen lässt, dass eine eindeutige Korrelation besteht. Für den realen Motorbetrieb ist die mit zunehmender Laufzeit eintretende Verschmutzung der Brennraumfenster problematisch. Das notwendige häufige Nachjustieren ist kos tenintensiv, beschränkt die Genauigkeit des Verfahrens und damit auch seine Anwendung. Zylinderdruckmessung Eine sehr elegante Möglichkeit bietet eine zylinderselektive Druckmessung und die damit im On-line-Betrieb durchführbare thermodynamische Auswertung. Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass weitere relevante Kenngrößen, wie mittlerer indizierter Druck pi, maximaler Zylinderdruck, Zündzeitpunkt, Brenndauer sowie auch Klopferscheinungen für die Regelung und Überwachung verwendet werden können. Bei großen Schiffsdieselmotoren wird dieses (derzeit noch sehr kostspielige) Konzept eines Motor-Managements eingesetzt [4-46]. Neue Sensoren bzw. Wege zur Druckmessung [4-47] in Verbindung mit kostengünstigen, leistungsstarken Rechnern könnten den Einsatz dieses Konzeptes zukünftig auch für Gasmotoren ermöglichen [4-48].
Abgasnachbehandlung
Leanox-Verfahren Das von der Firma Jenbacher [4-45] entwickelte und patentierte Konzept verwendet die nach der Drosselklappe gemessenen Werte von Druck und Temperatur, die bei gegebener Motoreinstellung der Energiezufuhr entsprechen. In Verbindung mit den zugehörigen NOX-Werten besteht eine Korrelation zwischen dem Luftverhältnis und der NOX-Emission. Der Vorteil dieses Konzeptes ist seine Unabhängigkeit von der Betriebsdauer des Motors, die ohne Einfluss auf die Messung ist. Sie gleicht auch eine Abnahme des Heizwertes aus, indem der Regler dies als Abweichen in Richtung „mager“ deutet, was zum gewünschten Anfetten des Gemisches führt.
Oxidationskatalysator Für Gasmotoren ist nach TA Luft die CO-Emission auf ≤ 650 mg/m3n begrenzt. Die Rohemission von wirkungsgradoptimierten Gasmotoren liegt gemäß dem Stand der Technik bei ca. 800 bis 1100 mg CO/m3n. Primär wird das CO durch nicht vollständige Reaktionen bei der Verbrennung verursacht. Bei Formaldehyd liegt ein Zwischenprodukt der Oxidation von Methan vor. Beide Emissions komponenten sowie auch höhere Kohlenwasserstoffe können bei ausreichender Dimensionierung (Raumgeschwindigkeit und Edelmetallgehalt) des Oxidationskatalysators stark reduziert werden.
Ionenstromsensor Die Fa. Caterpillar verwendet für ihre große Baureihe 3600 bzw. G-CM34 eine Ionenstromsonde. Das Grundprinzip beruht auf die Erfassung der Geschwindigkeit der Flammenfront von der Zündkerze zu der in Büchsenbundnähe angeordneten Ionenstromsonde. Die Geschwindigkeit der Flam me wird bei der „Einmessung“ einer NOX-Emission zuge-
Thermische Nachoxidation Sie wird bei Biogasen mit dem bereits erwähnten Gehalt von Problemgasen, die als „Katalysatorgift“ die Wirkung von Oxidationskatalysatoren in kürzester Zeit außer Kraft setzen, eingesetzt, um teil- oder unverbrannte Komponenten im Abgas wirkungsgradoptimierter Gasmotoren zu reduzieren. Je nach Verbrennungskonzept befindet sich ausreichend Sauer-
4 Literatur 141 stoff O2 im Abgas, das jedoch auf die erforderliche Oxida tionstemperatur von > 760 °C gebracht werden muss. Um den energetischen Aufwand zu reduzieren, werden rekuperative oder regenerative Wärmeübertrager eingesetzt. Bei Deponiegasanlagen hat sich derzeit das System CL.AIR der Firma GE Jenbacher durchgesetzt.
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5
Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Das vorliegende Kap. behandelt die Grundlagen, Wirkungs weise und technische Ausführung von Dieseleinspritzsyste men. Dabei beschränken sich die Ausführungen zunächst auf die Komponenten und Teilsysteme, welche direkt in Kon takt mit dem Dieselkraftstoff sind und diesen in Form eines Fluidsprays in den Brennraum einspritzen und zumessen. Das elektronische System, wie Sensorik, Regelstrukturen und Bedatung des elektrischen Steuergeräts, beschreibt Kap. 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsys teme. Die Anforderungen an die Kraftstoffzumessung leitet Kap. 3 aus der dieselmotorischen Verbrennung und den Ziel größen Verbrauch, Schadstoffemissionen, Komfort und Leis tung ab. Das daraus resultierende Lastenheft an die Einsprit zung legt fest, wie der Kraftstoff zeitlich und örtlich in den Brennraum eingebracht werden muss, um die geforderten motorischen Ziele zu erreichen. Makroskopisch ist dabei die Einspritzung durch die Größen Einspritzmasse, Einspritzbe ginn, Einspritzdruck und Einspritzverlauf1 definiert, wäh rend mikroskopisch der Einspritzstrahl selbst durch seine strömungsmechanischen und geometrischen Funktionen zeitlich und örtlich die Kraftstoffverteilung in den Brenn raum beschreibt. Abschn. 5.1 geht auf die Grundlagen der Einspritzhydraulik ein und zeigt Wege zur Modellierung und Auslegung der Einspritzhydraulik auf. Die Schnittstelle zwischen Kraftstoffzumessung und Brennraum bildet die Einspritzdüse. Abschn. 5.2 erläutert Funktion und Bauarten, vertieft den Einfluss der Düsenpa rameter auf die Gemischbildung und beschreibt die tech nische Ausführung der Düsen für unterschiedliche Ein spritzsysteme. Mit den Wirkprinzipien und Bauarten von Einspritzsyste men bildet Abschn. 5.3 den Kern dieses Kapitels. Die Schlüsselkomponenten wie Pumpen und Injektoren sowie Regelventile werden ausführlich beschrieben. Die Hydraulik
1
früher „Einspritzgesetz“, beschreibt den zugemessenen Kraftstoffstrom als Funktion der Zeit
zur Einspritzung größerer Kraftstoffmassen für Großdiesel aggregate findet besondere Beachtung. Bei der Entwicklung und Fertigung von hydraulischen Einspritzsystemen spielt die präzise Messung von Kraftstoffmassen und -drücken eine entscheidende Rolle. Grundlegende Aspekte dieser Messtechnik zur hydraulischen Funktionsprüfung des Ein spritzsystems fasst Abschn. 5.4 zusammen.
5.1
Einspritzhydraulik
Die Beschreibung der Vorgänge in Einspritzsystemen erfor dert die interdisziplinären Anwendungen von Methoden der Strömungsmechanik, Technischen Mechanik, Thermodyna mik, Elektrotechnik und Regelungstechnik. Beträchtliche Anforderungen an Modellqualität und numerische Verfah ren entstehen aus den sehr hohen Drücken und einer gefor derten Kleinstmengenfähigkeit bei Voreinspritzungen von ca. 1,5 mm3 je Einspritzung mit ± 0.5 mm3 Zumessgenauig keit in flexibel wählbaren Abständen von der Haupteinsprit zung. Zudem ist zu beachten, dass es sich um hochgradig instationäre Vorgänge im kompressiblen Fluid handelt, in folge derer Komponenten durch Kavitationsschäden gefähr det und zu Schwingungen mit hohen mechanischen Belas tungen angeregt werden können. Auch die beträchtliche Erwärmung des Kraftstoffes durch Drossel- und Reibungs verluste mit ihrem erheblichen Einfluss auf Kraftstoffeigen schaften und Lager- bzw. Kolben/Buchse -Spiele in den Pum pen muss quantifizierbar sein.
5.1.1
Zustandsverhalten von Kraftstoffen
Kenntnisse der Stoffeigenschaften sind Voraussetzungen für das Verständnis und eine Modellierung des hydraulischen Verhaltens. Das kompressible Verhalten von Kraftstoff und Prüföl wird mit der Dichte ρ bzw. dem spezifischen Volu men v = 1/ρ beschrieben. In der Literatur existieren eine Reihe von Ansätzen, mit denen die von Druck p und Tempe ratur T abhängigen Dichten bzw. spezifische Volumina von
144 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik Flüssigkeiten aufgrund von gezielten Messungen in Hoch drucklabors approximiert werden können [5-1]. Hier wird nur die modifizierte Tait-Gleichung
(5-1)
wiedergegeben, die sich bei Dieselkraftstoffen und Prüfölen mit p0 als Umgebungsdruck durchweg bewährt. Zustandsänderungen während einer Einspritzung laufen so schnell ab, dass sie als adiabat angesehen werden können. Kompressions- und Expansionsvorgänge mit vernachlässig baren Reibungs- und Stoßverlusten können zusätzlich als reversibel und damit als isentrop angesehen werden. Da für die Schallgeschwindigkeit a(p, T) mit der spezifischen Entropie s (5-2) gilt, kennzeichnet sie sowohl die Ausbreitungsgeschwindig keit von Druckwellen in Leitungen als auch lokale isentrope Druckänderungen. Zudem sind nach [5-2] isentrope Zu standsänderungen mit der Temperaturänderung (5-3) verbunden. Die spezifische Wärmekapazität cp hängt mit der Schallgeschwindigkeit bei bekannter Dichte ρ(p, T) über
(5-4)
zusammen. Mit bekannten Abhängigkeiten ρ(p, T) bzw. v(p, T) und a(p, T) oder cp(p, T) liegt damit theoretisch eine vollständige Beschreibung des Zustandsverhaltens vor. Die partiellen Ableitungen machen die Ausdrücke jedoch sehr fehlerempfindlich, so dass eine in sich konsistente, genaue Beschreibung aus empirischen Zustandsgleichungen mit be grenztem Messaufwand schwierig ist. Ist die Schallgeschwin digkeit im gesamten interessierenden Zustandsgebiet be kannt, kann v(p, T) nach Davis und Gordon [5-3] aus der Maxwellgleichung (5-5a) und der aus Gl. (5-4) abgeleiteten Gleichung (5-5b)
für diskrete Stellen durch numerische Integration berechnet werden. Bei der von Jungemann [5-4] vorgeschlagenen Wei terentwicklung werden die Koeffizienten der gewählten Zu standgleichung im Rahmen eines Minimierungsproblems so ermittelt, dass die damit bestimmten Stoffgrößen das Diffe rentialgleichungssystem (5-5) möglichst gut erfüllen und Schallgeschwindigkeit sowie spezifische Wärme optimal wiedergegeben werden. Mit dieser Methode wurde z. B. für ein gebräuchliches Prüföl nach ISO 4113 die empirische Zu standsgleichung auf der Basis von Gl. (5-1) bestimmt. Grund lage waren Messwerte der Schallgeschwindigkeit im gesam ten Zustandsgebiet und Messwerte des spezifischen Volu mens und der spezifischen Wärmekapazität entlang der Iso baren bei Umgebungsdruck. Bild 5-1 zeigt so ermittelte Stoffeigenschaften.
5.1.2
Modellierung, Simulation und Auslegung
Die Entwicklung und Auslegung von Dieseleinspritzsyste men erfolgt heute maßgeblich mit Hilfe der numerischen Simulation. Sie basiert auf mathematischer Modellierung, also einer Beschreibung der Realität mit mathematischen Gleichungen. Dabei wird eine korrekte zeitabhängige Be schreibung von Massenströmen, Druckschwingungen und Druckverlusten erwartet. Zielgrößen wie z. B. der Einspritz mengenverlauf hängen vom komplexen Zusammenspiel ver schiedener Systemkomponenten ab und erfordern sowohl eine Betrachtung des Gesamtsystems mit angemessener Be rücksichtigung lokaler Einflüsse wie auch Einzelbetrach tungen mit lokal sehr hoher Auflösung. Zur detaillierten Untersuchung lokaler dreidimensionaler Strömungen kann die Methodik der Computational Fluid Dynamics (CFD) eingesetzt werden, auf die in Abschn. 5.2 eingegangen wird. Heutige Werkzeuge für Systemsimulationen (siehe z. B. [5-5 bis 5-7]) erlauben es, aus einem Baukasten parametri sierbare Modellelemente auszuwählen und meist durch grafische Oberflächen unterstützt zu einem Gesamtmodell zusammen zu fügen. Für die Modellierung der hydrau lischen Bereiche wird unter geeigneter Einbeziehung aller relevanten 3D-Effekte die Stromfadentheorie verwendet; so entsteht ein „hydraulisches Netzwerkmodell“. Die wich tigsten Modellelemente werden im Folgenden umrissen. Behälter. Dieses Modellelement hat als Knoten im Netzwerk elementare Bedeutung. Behälter stehen z. B. für die kraft stoffgefüllten Teile von Injektoren und Hochdruckpumpen zylindern. Örtliche Änderungen des Druckes und der Tem peratur werden per Definition vernachlässigt. Über die Be grenzungsflächen des zugeordneten Kontrollraums können Massenströme als Folge von bewegten Wänden (sog. „kör pergebundene Flächen“) und aus der Durchströmung freier
5.1 Einspritzhydraulik 145 Flächen A mit dem Geschwindigkeitsvektor v→ transportiert werden. Mit einer Massenbilanz folgt unter Berücksichti gung der Kompressibilität mit Gl. (5‑2)
(5-6)
für Druckänderungen.
a
Leitungen. Bei stark instationären Vorgängen spielt die Wel lenausbreitung in Leitungen, z. B. zwischen der Pumpe und dem Hochdruckspeicher oder zwischen dem Hochdruck speicher und den Injektoren, eine wesentliche Rolle. Die der Gl. (5‑6) entsprechende differenzielle Bilanz längs einer Stromröhre mit der Koordinate x und der Geschwindigkeit w lautet
b
(5-7)
Die um einen Reibungsansatz erweiterte Eulersche Bewe gungsgleichung (5-8)
berücksichtigt als Impulsbilanz die Trägheit des Kraftstoffs. Das aus den Gl. (5‑7) und (5‑8) bestehende partielle Diffe rentialgleichungssystem wird sehr genauen Berechnungen mit dem Modellelement Leitung zugrunde gelegt.
c
d Bild 5-1 Stoffeigenschaften von Prüföl nach ISO 4113. a Dichte ρ nach Glei‑ chung (5‑1); b Schallgeschwindigkeit a nach Gleichung (5‑4); c Spezifische Wärmekapazität cp nach Gleichung (5‑5a); d Isentrope Temperaturänderung nach Gleichung (5‑3)
Kurzes Rohr. Bei relativ kurzen Abschnitten, wie z. B. Kraft stoffbohrungen im Düsenbereich des Injektors, spielt die Trägheit des Kraftstoffes eine wesentliche Rolle, nicht aber die Druckwellenausbreitung. Daher wird beim Modell des kurzen Rohres auf Gl. (5‑7) verzichtet. Druckverluste der Strömung und die Trägheit des Fluids werden mit Gl. (5‑8) berücksichtigt. Das kurze Rohr benötigt im Vergleich mit der Leitung deutlich weniger Rechenzeit. Auch Strömungen in längeren Bohrungen oder Leitungen können in guter Nähe rung durch Hintereinanderschaltung von kurzen Rohren und Behältern beschrieben werden. Drosseln und Ventile. Der Volumenstrom in Drosseln und Ventilsitzen hängt von der anliegenden Druckdifferenz und einer effektiven Querschnittsfläche ab, die durch die geome trischen Verhältnisse bestimmt ist. Als mathematisches Mo dell eignet sich die um die Reibung erweiterte Bernoullische Energiegleichung:
(5-9)
146 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik Sie entsteht durch Integration der Gl. (5‑8) zwischen den Querschnitten „1“ und „2“. In r fließen phänomenologische Ansätze für Druckverluste durch Wandreibung und Unste tigkeitsstellen ein. Wegen der sehr kleinen Länge der be trachteten Abschn. kann die Trägheit und damit der erste Term meist vernachlässigt werden. Spaltströmungen. Leckagen, z. B. in Kolbenführungen von Hochdruckpumpen oder Injektoren, können als ebene Strö mung mittels der Reynoldschen Schmiermittelgleichung [5‑8] berechnet werden. In vielen Fällen müssen darüber hinaus zu sätzliche Einflüsse wie die Spaltaufweitung bei hohem Drücken und exzentrische Kolbenlagen berücksichtigt werden. Auch ist nicht immer gewährleistet, dass die Strömung laminar bleibt, was dann weitere korrigierende Eingriffe erfordert. Druckkräfte. Druckkräfte spielen bei beweglichen Bautei len, wie z. B. Druckventilen oder Düsennadeln, eine ent scheidende Rolle. Die Modellierung dieser Kopplung von Hydraulik und Mechanik basiert auf dem Ansatz
(5-10) Ist die Druckverteilung auf der Oberfläche O aus einer paral lel gekoppelten 3D‑Strömungssimulation bekannt, würde Gl. (5‑10) die exakte Kraft liefern. Dieser Aufwand kann in den meisten Fällen vermieden werden: Die Berechnung der Kraft wird mit
(5-11)
auf die angrenzenden Behälterdrücke pi und zugeordnete ef fektive Druckflächen AF,i zurückgeführt. Lokalen Abwei chungen vom Behälterdruck wird mit druck- und hubabhän gigen Kennfeldern der effektiven Druckflächen Rechnung getragen. Kavitation. Wenn der Druck lokal den Dampfdruck erreicht, bilden sich Dampfblasen, d. h. es entsteht Kavitation. In In jektoren wird z. B. eine Drossel vor dem Magnetventil gezielt so ausgelegt, dass während der Einspritzung Kavitation ein tritt. Damit ist der Durchfluss unabhängig vom Gegendruck und vom Magnetventilhub mit großen Vorteilen für die Mengenkonstanz. Schmitt [5‑9] hat bereits 1966 einen Weg aufgezeigt, wie relativ einfache Hypothesen mit der Energie gleichung (5‑8) verknüpft werden können, um auch bei Ka vitation den Durchfluss in Drosseln berechnen zu können. Die Qualität von Bauteil-Schadensvorhersagen erfordert da rüber hinaus große Anstrengungen bei der Entwicklung von Kavitationsmodellen und deren Integration in die dreidimen sionale CFD [5-10].
Parametrierung. Die Modelle werden mit den bekannten Dimensionen des Einspritzsystems, wie z. B. der Masse der Düsennadel, der Länge und dem Durchmesser der Leitungen und den Totvolumina des Injektors und des Rails para metriert. Die effektiven Querschnittsflächen der Ventile und die effektiven Ventildruckflächen werden mittels eines hubund druckabhängigen Kennfelds vorgegeben. Diese Kenn felder werden mit 3D‑CFD oder detaillierten Stromfaden modellen [5‑4] berechnet und in geeigneter Form in die Modelle eingebracht. Aufgrund der hohen Systemdrücke können Bauteilverfor mungen zur Änderung der hydraulischen Funktion führen. Einflüsse aus Elastizitäten werden mit Hilfe von Finiten Elemente Methode (FEM) bestimmt und in die Modelle integriert. Aktoren. Ebenfalls eine sehr große Rolle bei der genauen Zu messung der Einspritzmenge spielt die präzise Abbildung der Stellelemente wie z. B. des Magnetventils oder Piezostellers. Für die Berechnung des zeitlichen Auf- und Abbaus der Stell kraft kommen elektromagnetische Modelle zum Einsatz, die direkt mit den hydraulischen und mechanischen Modellen gekoppelt werden können. Bild 5‑2 zeigt am Beispiel eines piezogesteuerten Systems typische Simulationsergebnisse bei fünffacher Einspritzung.
5.2
Einspritzdüsen und Düsenhalter
Einspritzdüsen bilden die Schnittstelle zwischen Einspritzsys tem und Brennraum und beeinflussen maßgeblich Leistung, Abgas-Emissionen und Geräusch des Motors und dichten das Einspritzsystem zwischen den Einspritzungen zum Brennraum ab. Sie werden in Düsenhalterkombinationen (DHK), Unit- (UI) und Common Rail-Injektoren (CRI) ein gebaut und mit diesen als Funktionseinheit, räumlich sehr genau positioniert zum Brennraum, im Zylinderkopf ange baut, (Bild 5‑3). UI- und Common Rail-Injektoren werden in den betref fenden Teilkapiteln des Abschn. 5.3 erläutert. Für die Ansteuerung der Düsennadel gelten folgende Funktionsprinzipien: Nadelschließen/Abdichten des Einspritzsystems zum Brennraum. Die Düsennadel wird durch eine auf das Na delende wirkende, mechanisch oder hydraulisch erzeugte Schließkraft in den Düsensitz gepresst. Nadelöffnen: Die Düsennadel öffnet zu Beginn der Einspritz phase sobald die „hydraulische“ Kraft FD (Einspritzdruck wirkt auf die Kreisringfläche zwischen Nadelführung und Dü sensitz) auf der Sitzseite größer wird als die Schließkraft FS.
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter 147
a
b
c
d
Bild 5-2 Simulationsergebnisse eines piezogesteuerten Pkw Common Rail Injektors. a Schaltventilhub; b Druck an der Einspritzdüse; c Düsennadelhub; d Einspritzverlauf
DHK und UI gehören zu nockengetriebenen Einspritzsys temen mit druckgesteuerter Düsennadel, CRI gehören zu Druckspeicher-Einspritzsystemen mit hubgesteuerter Düsennadel, d. h. eine „hydraulische“ Schließkraft ist in Abhängigkeit zum kennfeldabhängigen Systemdruck modu lierbar und damit ist der Nadelhub steuerbar (s. a. Ab schn. 5.3.1.1, Bild 5‑14).
5.2.1
Einspritzdüsen
Düsen nehmen entscheidenden Einfluss auf die Gemischbil dung durch gezielte Verteilung und optimale Zerstäubung des Kraftstoffs im Brennraum und sie beeinflussen den Ein spritzverlauf.
Aufbau, Bauarten Eine Standarddüse besteht aus einem Düsenkörper mit Hochdruckzulauf, Nadelführungs-, Sitz- und Spritzlochbe reich und einer nach innen öffnenden Nadel. Abhängig vom
Brennverfahren und der Nadelansteuerung sind drei grund sätzliche Düsenbauarten gängig (Bild 5‑4): – Drosselzapfendüsen für DHK-Anwendungen in IDI‑Motoren, sie haben heute in der Motorenentwicklung keine Bedeu tung mehr, – Lochdüsen für DHK‑,UI‑ und CRI‑Anwendungen in DI‑Motoren, – Düsenmodule, d. h. Lochdüsen mit integriertem hydrau lischem Steuerraum für CRI‑Anwendungen in DI‑Moto ren. Die Druckmodulation im Steuerraum erfolgt über Zulauf- und gesteuerte Ablaufdrosseln im Injektor. Das Steuerraumvolumen ist für eine gute Kleinstmengen fähigkeit hydraulisch steif, d. h. klein ausgelegt. Die Baugröße der Düsen richtet sich nach der Motorzylin dergröße und der Einspritzmenge. Des Weiteren werden Lochdüsen und Düsenmodule nach Sitzloch- und Sackloch ausführung unterschieden Bild 5‑5.
148 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-3 Düsenhalter, Injektoren. 1 Hochdruckzulauf; 2 Kraftstoffrücklauf; 3 Haltekörper; 4 Düsenspannmutter; 5 Düsenkörper; 6 Düsennadel; 7 Druckbolzen; 8 Druckfe‑ der; 9 Einstellscheibe; 10 Pumpenkolben; 11 Drucksteuer-Magnetventil; 12 Magnetspule; 13 Ventilanker; 14 Druckstange;15 Rückstellfeder; 16 Steuerraum; 17 Piezostel‑ ler; 18 hydraulischer Koppler, 19 Steuerventil, 20 Steuerraumhülse
Auslegung: Lochdüsen und Düsenmodule werden in allen aktuellen DI‑Motorkonzepten appliziert. Ziel der Düsenaus legung ist die wirkungsgradoptimierte Umsetzung der Druck energie in kinetische Energie, d. h. in Einspritzstrahlen, de ren Eindring-, Aufbruch- und Zerstäubungsverhalten auf das Brennverfahren, die Brennraumgeometrie, die Einspritz menge, das Luftmanagement des Motors und das last- und drehzahlabhängige Einspritzmuster optimal abgestimmt sind. Sitzgeometrie. Die Sitzauslegung berücksichtigt die Dicht funktion und bestimmt über den Sitzdurchmesser den Öff nungsdruck. Bei kleinen Hüben wirkt der Sitzspalt als Strö mungsdrossel, beeinflusst die Anströmung der Spritzlöcher und damit die Strahlaufbereitung und durch die strömungs
bedingten Druckfelder im Spalt die Nadeldynamik. Die Aus legung der Nadelsitz- und Nadelspitzenkegel bzgl. Länge und Winkeldifferenzen zum Körper erfolgt systemabhängig und ist ein Kompromiss aus Nadeldynamik (Einspritzmenge und -verlauf) und Langzeitstabilität (Geometrieangleich und da raus resultierende Einspritzmengendrift). Nadelführung: Die Nadelführung im Düsenkörper zentriert die Nadel zum Körpersitz während der Hubbewegung und dient der Trennung von Hochdruck- und Niederdruckbe reich (letzteres gilt nicht für Düsenmodul). Führungsspiele liegen im Bereich 1–5 µm, je höher der Einspritz- bzw. Sys temdruck, desto kleiner das Führungsspiel, um die Leckage verluste zu minimieren. Sitzlochdüsen weisen oft eine zweite Führung im Düsenschaft auf, um die Nadelzentrierung zum
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter 149
Bild 5-4 Düsenbauarten. 1 Hochdruckzulauf; 2 Düsenkörper; 3 Düsennadel; 4 Druckzapfen; 5 Nadelführung, 6 Nadelsitz (-Ø); 7 Spritzloch; 8 Drosselzapfen; 9 Spritzzap‑ fen; 10 Sackloch; 11 Steuerraumhülse; 12 Steuerraum; 13 Zulaufdrossel, 14 gesteuerte Abströmdrossel; 15 Rückstellfeder; 16 Federteller; Drosselplatte (Injektor)
Bild 5-5 Sitzloch-, Sacklochausführungen
Sitz und damit die Mengenverteilung auf die Spritzlöcher und die Nadeldynamik zu verbessern. Sacklochdüsen sind diesbezüglich robuster, da die Strömung im Sitz die Verhält nisse am Spritzloch im Sackloch nicht direkt beeinflussen. Nadelhub. Die hydraulische Auslegung führt bei Vollhub zu vernachlässigbaren Drosselverlusten am Sitz. Der Nadelhub
ist entweder ballistisch oder durch einen Festanschlag begrenzt ausgeführt. Der ballistische Hub hat den Vorteil eines nahezu linearen (knickfreien) Mengenverlaufs über der Spritzdauer, ist jedoch nur in Verbindung mit Common Rail Injektoren sinnvoll, die den Öffnungs- und Schließzeit punkt gegenüber anderen Systemen sehr präzise steuern können.
150 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik Sitzloch-, Sacklochausführung, Schadvolumen (Bild 5‑5). Bei Sitz- und Sacklochdüsen ist das emissionsrelevante Merkmal die Größe des unter der Sitzkante nach dem Nadelschließen verbleibende sog. Schadvolumen, dessen Kraftstoffinhalt ausgast nicht optimal verbrennt und die HC‑Emissionen erhöht. Das kleinste Schadvolumen hat die Sitzlochdüse, gefolgt von konischen und zylindrischen Sacklochdüsenausführungen. Bei Sitzlochdüsen werden die Spritzlöcher ein- oder mehrreihig im Sitzkegel unterhalb des Nadelsitzes angeordnet, wobei wegen der Anströmung der Spritzlöcher und aus Festigkeitsgründen Mindestab stände einzuhalten sind. Bei Sacklochdüsen sind die erfor derlichen Mindestabstände zwischen den Spritzlöchern wesentlich kleiner. Spritzlochlänge (Bild 5‑6). Aktuelle Spritzlochlängen lie gen zwischen 0,7 und 1 mm. Sie beeinflussen den Strahl und auch die Kuppenfestigkeit, insbesondere bei Sitzlochdüsen
wegen der Nähe der Spritzlöcher zur Krafteinleitung im Sitz. Spritzgeometrie und Strahl. Ziel ist es, eine optimale Kraftstoffverteilung, ‑zerstäubung und Gemischaufberei tung im Brennraum zu erzeugen. Ausgelegt werden zu nächst Anzahl der Spritzlöcher, Strahlrichtung, jeweils mit räumlicher Zuordnung zu Zylinderkopf, Glühstift und Brennraummulde. Der Spritzlochquerschnitt wird durch die maximale Ein spritzmenge, den zugehörigen Einspritzdruck und die zuläs sige Spritzdauer festgelegt. Die Anzahl der Spritzlöcher richtet sich nach dem Brenn verfahren und dem Luftmanagement (u. a. Drall). Die Strahlen dürfen nicht ineinander verwehen. Derzeit werden bei Pkw 7–9 Spritzlöcher mit Durchmes sern von 105–135 µm und bei Nkw 6–8 Spritzlöcher mit Durchmessern von 150–190 µm appliziert.
Bild 5-6 Spritzlochgeometrie.1 Spritzlochdurchmesser; 2 Spritzlochlänge; 3 Einlauf hydroerosiv gerundet; 4 Spritzloch-Konizität
Tabelle 5-1 Übersicht Spritzlochauslegung Parameter
Auslegungshinweise
Lochanzahl
Möglichst hoch, jedoch Verwehen der Strahlen ineinander kritisch
Lochquerschnitt
Kleinstmöglich für optimale Zerstäubung und Gemischbildung
Hydroerosive Verrundung (Einlaufkante)
Verschleißvorwegnahme und je nach Grad der Verrundung eine Beeinflussung der Spritzlochinnenströmung (mit/ohne Kavita‑ tion) Bild 5-6, Bild 5-7
Konizität
In Verbindung mit hydroerosiver Verrundung und Lochlänge werden der Wirkungsgrad der Druckumsetzung und der Strahlauf‑ bruch beeinflusst
Lochlänge
Je kürzer umso kleiner die Strahleindringtiefe (bei gleichgestelltem Wirkungsgrad)
5.2 Einspritzdüsen und Düsenhalter 151
Bild 5-7 Strömungssimulation: Vergleich Spritzloch, Einlauf nicht gerundet/gerundet
Strahlauslegung: Für die optimale Spritzlochauslegung ei ner Düse stehen folgende Parameter zur Verfügung: Bei Auslegungen mit wirkungsgradoptimierten, nahezu kavitationsfreien Spritzlochströmungen, muss deren höhere Verkokungsempfindlichkeit durch geeignete Parameterwahl berücksichtigt werden. Lochselektive Spritzlochauslegungen, d. h. jedes Spritzloch ist individuell ausgelegt, Doppelloch anordnungen bis hin zu Lochnestern oder Kombinationen aus Sitzloch- und Sacklochausführungen mit parallelen, divergierenden oder sich kreuzenden Strahlen werden auf ihr Potenzial untersucht. Dies erfordert kleinere Spritzloch durchmesser und eine dafür entwickelte Erodier- oder Laserbohrfertigungstechnik.
Bild 5-8 Strahlbildanalyse
Strahl- und Sprayanalyse, Simulation: Strahlbildanalyse. Strahlbilder mit einer Hochgeschwindig keitskamera aufgenommen liefern schnell Aufschluss über Strahlform, Strahlbildsymmetrie, Strahlentwicklung zu Spritzbeginn und Spritzende und Hub/Hub-Streuungen durch Strahlkonturenvergleich (Bild 5‑8). Die Strahlkraftanalyse liefert genaue Informationen über Wirkungsgrad, Symmetrie, Strahlaufbruch und -struktur. Ein Drucksensor fährt in verschiedenen Abständen zur Düse den Einspritzstrahl ab und nimmt das Rohsignal und die Strahlstruktur auf (Bild 5‑9). Um weitere Informationen über das Spray, wie z. B. Strahlzerfall, Tröpfchengröße, Verdampfung, Luftentrain
152 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-9 Strahlkraftanalyse
ment, Gemischbildung und Verbrennung zu erhalten, wer den bestehende Verfahren laufend weiterentwickelt bzw. neue Techniken erprobt (Bild 5‑10). Die Kenntnis dieser Größen ist Voraussetzung für die Simulation einer Wirkkette von der Düseninnenströmung bis zur Verbrennung und Emissionsberechnung (Bild 5‑11). In allen Bereichen dieser Wirkkette wird intensiv entwickelt und geforscht. Für die Einspritzsysteme existieren bereits heute sehr gute Modelle, die sogar die hydraulische Wirkung von Bauteilveränderungen über der Lebensdauer abbilden. Werkstoffe, Kuppentemperatur. Bei Common Rail Syste men führen die ständigen Druckschwingungen im System zu Relativbewegungen im Sitz zwischen Nadel und Körper. Zur Verschleißreduzierung werden Gleitschichten aufge bracht. Düsenkuppen sind thermisch hoch belastet (Pkw bis ca. 300 °C, Nkw > 300 °C), entsprechend werden für hohe Temperaturen warmfeste Werkstoffe ausgewählt oder alter nativ Wärmeleithülsen eingesetzt. Bei dauerhaft niedrigen Betriebs- bzw. Kuppentempera turen (< ca. 120 °C) besteht die Gefahr der Korrosion im
gesamten Sitz-/Spritzlochbereich (kondensiertes Wasser und Abgase verbinden sich zu Schwefelsäurederivaten).
5.2.2
Düsenhalter/Düsenhalterkombinationen
Einspritzdüsen sind als Funktionseinheit mit 1‑Feder- und 2‑Feder‑Düsenhaltern (Bild 5‑12) als sog. Düsenhalterkom binationen in nockengesteuerten Einspritzsystemen in Ver wendung: 1‑Federhalter (1FH) in Nkw, 2‑Federhalter (2FH) in Pkw, da mit der angelagerten Voreinspritzung ein gerin geres Verbrennungsgeräusch erreichbar ist. Funktion 1FH: siehe Einführung Abschn. 5.2 (Nadelschlie ßen, ‑öffnen). Die Nadelschließkraft wird durch die Vor spannung der Druckfeder erzeugt. Funktion 2FH: Die Düsennadel öffnet zunächst gegen die Kraft der Druckfeder 1 (15, Hub h1, Voreinspritzphase), die über eine Druckstange auf die Nadel wirkt. Für die Hauptein spritzung (Hub h2) muss die über eine Hubeinstellhülse zu sätzlich auf die Nadel wirkende Kraft der Druckfeder 2 (18) durch die hochdruckseitigen Kräfte überwunden werden.
5.3 Einspritzsysteme 153
Bild 5-10 Spray-, Verbrennungs-, Emissionsanalysetools
Bild 5-11 Simulationswirkkette
Bei hohen Drehzahlen wird die erste Stufe schnell durch fahren. Die Schließkräfte bzw. die Öffnungsdrücke werden durch Vorspannen der Druckfedern mittels Ausgleichscheiben eingestellt. Für elektronisch geregelte Einspritzsysteme sind Düsen halter mit einem Nadelbewegungssensor im Einsatz. Ein mit dem Druckbolzen verbundener Stift taucht in eine Indukti onsspule im Düsenhalter ein und liefert Signale zu Spritzbe ginn, ‑ende und zur Einspritzfrequenz.
5.3
Einspritzsysteme
5.3.1
Grundfunktionen
Die Grundfunktionen von Dieseleinspritzsystemen lassen sich in vier Teilfunktionen untergliedern: – Kraftstoff fördern (Niederdruckseite) vom Tank über das Kraftstofffilter zur Hochdruckerzeugung. Diese Aufgabe übernimmt das Teilsystem „Niederdruckkreislauf “, welches im Allg. mit den Komponenten Vorfilter, Hauptfilter (ggf. beheizt), Förderpumpe und Regelventilen ausgestattet ist. Der Niederdruckkreis verbindet durch Leitungen den Fahrzeugtank über die genannten Nieder druckkomponenten den Zu‑ und Rücklauf des Hochdruck
154 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-12 Düsenhalterkombination. 1 Haltekörper; 2 Stabfilter; 3 Hochdruckzulauf; 4 Zwischenscheibe; 5 Düsenspannmutter; 6 Düsenkörper; 7 Düsennadel; 8 Fixierstift; 9 Druckbolzen; 10 Druckfeder; 11 Ausgleichsscheibe; 12 Kraftstoffrücklauf; 13 Druckstift; 14 Führungsscheibe, 15 Druckfeder 1; 16 Hubeinstellhülse; 17 Federteller; 18 Druckfeder 2
systems. Dabei sind funktionsbestimmende Druck- und Durchflussspezifikationen der angeschlossenen Hochund Niederdruckkomponenten einzuhalten. – Hochdruck erzeugen und Kraftstoff fördern (Hochdruckseite) mit hohem Wirkungsgrad bei der Verdichtung zur Zumessstelle oder in einen Speicher. Dabei ist der motorbetriebspunktabhängige, optimale Einspritzdruck sowohl stationär als auch dynamisch bereit zu stellen. Die geforderte Einspritzmenge sowie systemabhängige Steuerund Leckagemengen sind zu fördern. Diese Aufgabe übernimmt die Hochdruckpumpe und systembedingt ein Speicher. Zur Steuerung der Massenströme und Drücke
sind im Hochdruckkreis Ventile verbaut, die in modernen Einspritzsystemen elektrisch angesteuert werden. – Kraftstoff zumessen in Form einer präzisen Dosierung der Kraftstoffmasse in den Brennraum als Funktion der Drehzahl und Motorlast sowie der Unterstützung von Abgasnachbehandlungssystemen. Bei modernen Einspritz systemen erfolgt die Kraftstoffzumessung mit Hilfe von elektrisch angesteuerten Magnet- oder Piezoventilen, die an den Hochdruckpumpen oder direkt an den Einspritz injektoren angebracht sind. – Kraftstoff aufbereiten durch optimale Nutzung der Druckenergie zur primären Gemischbildung im Sinne
5.3 Einspritzsysteme 155
Bild 5-13 Einspritzsysteme heutiger Bauart und deren Anwendungen
eines Fluidsprays, das zeitlich und örtlich optimal im Brennraum verteilt wird. Der Kraftstoff wird in der Ein spritzdüse aufbereitet, dabei ist das Zusammenspiel der Zumessventile zur Düsennadelsteuerung und die Strö mungsführung vom Düsenzulauf bis zum Austritt an den Düsenlöchern von zentraler Bedeutung.
5.3.1.1
Bauarten
Übersicht Die zuvor beschriebenen Grundfunktionen sind je nach Bauart der Einspritzsysteme unterschiedlich umgesetzt. In den folgenden Abschn. werden die Bauarten beschrieben und deren Funktion erklärt. Bild 5‑13 zeigt eine Übersicht der heute am Markt befindlichen Einspritzsysteme und ty pische Einsatzgebiete. In der Gesamtheit der Bauformen wird zunächst nach Systemen der konventionellen Bauart und jenen mit Hoch druckspeicher unterschieden. Die Einspritzsysteme ohne Speicher verfügen stets über Hochdruckpumpenkolben, die unmittelbar von einem Nocken angetrieben werden und so eine Druckwelle im Hochdrucksystem erzeugen, die direkt dazu genutzt wird, um die Einspritzdüse zu öffnen und den Kraftstoff zylinderselektiv entsprechend der Zündfolge ein zuspritzen. Die nächste Gliederungsebene unterscheidet nach Syste men mit „zentraler Einspritzpumpe“, die alle Motorzylinder
bedient und die Aufgaben Kraftstoff fördern und zumessen bewerkstelligt. Typische Vertreter sind hier die Reihenpum pen, sowie die Verteilerpumpen mit axialen und radialen Pumpenelementen. Die andere Bauweise ist durch „aufgelös te Einspritzpumpen je Motorzylinder“ gekennzeichnet, bei denen für jeden Zylinder des Verbrennungsmotors eine diskrete Druckerzeugereinheit angeordnet ist, die von der Motornockenwelle angetrieben wird. Die Zumessung des Kraftstoffs erfolgt über schnell schaltende Magnetventile, die in die Pumpeneinheit integriert sind. Ein bekanntes Beispiel für diese Einspritzsystembauart ist die „PumpeDüse“ (Unit Injector). Die Speichersysteme hingegen verfügen über eine zentra le Hochdruckpumpe, die ihrerseits den Kraftstoff verdichtet und unter Hochdruck in einen Speicher fördert. Der Druck in diesem Speicher kann über niederdruck- und hochdruck seitige Ventile geregelt werden. Aus dem Speicher erfolgt die Kraftstoffzumessung über sog. Einspritzinjektoren, die wie derum von Magnet- oder Piezoventilen gesteuert werden. Die Namensgebung der Common Rail Systeme rühren vom „gemeinsamen Speicher/Verteiler“ her. Man unterscheidet je nach Aktortyp an den Injektoren zwischen „Magnetven til-Common Rail“ Systemen und „Piezo-Common Rail“ Systemen sowie nach Sonderbauarten. Hub-/Druck-Steuerung der Düsennadel. Die Kraftstoff aufbereitung erfolgt bei allen Einspritzsystemen unabhängig von der Bauart an der Einspritzdüse, die entweder über eine
156 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-14 Vergleich druck- und hubgesteuerte Düse
Hochdruckleitung mit der Pumpeneinheit verbunden oder direkt in das Gehäuse der Pumpeneinheit bzw. in den Injek tor integriert ist. Ein Hauptunterscheidungsmerkmal zwi schen konventionellen und Common Rail Einspritzsystemen ist die Art der Düsennadelsteuerung. Während bei nocken getriebenen Einspritzsystemen die Düsennadel „druckge steuert“ ist, findet das Öffnen und Schließen bei Common Rail Injektoren „hubgesteuert“ statt. Bild 5‑14 stellt die bei den Steuerungsarten der Düsennadel gegenüber und fasst die Hauptmerkmale zusammen. Es sei an dieser Stelle vorweggenommen, dass die Com mon Rail Systeme zukünftig bei nahezu allen Motoren ein gesetzt werden und bei Pkw bereits die Hauptanwendungen
sind. Grund dafür ist die Flexibilität dieser Einspritsysteme gegenüber derer konventioneller Bauart. Die Fähigkeit, den Druck und die Anzahl der Einspritzungen pro Arbeitszyklus frei als Funktion von Drehzahl und Last des Motors sowie weiterer Parameter wählen zu können, ist zur Erreichung der motorischen Zielgrößen unabdingbar. Weiterhin bietet der Speicher die Möglichkeit, bezogen auf den Motorkurbel winkel, sehr späte Einspritzungen zur Steuerung der Abgas nachbehandlung abzusetzen, was zur Erreichung künftiger Emissionsstandards zwingend erforderlich ist. Obwohl die druckgesteuerte Düsennadel auch Vorteile bzgl. der Emis sionen aufweist, verzichtet man zu Gunsten der flexiblen Mehrfacheinspritzung auf diese und setzt auf die Hubsteue
5.3 Einspritzsysteme 157 rung der Düsennadel in Common Rail Injektoren. In der Gesamtsystembetrachtung überwiegen die Vorteile der hub gesteuerten Kraftstoffzumessung hinsichtlich Präzision, Kleinstmengenfähigkeit und minimaler Spritzabstände gegenüber den konventionellen Systemen mit druckgesteu erter Nadel.
Bauart „Reihenpumpe“ (Bild 5‑15) Hauptmerkmale: – je ein Pumpenelement pro Motorzylinder, Anordnung der Elemente in Reihe, – Antrieb der Kolben über Pumpennockenwelle, Rückstel lung über Kolbenfeder; der Kolbenhub ist konstant, – Förderbeginn bei Verschließen der Steuerbohrungen durch den Kolben, – der Kolben verdichtet in Aufwärtsbewegung und fördert Kraftstoff zur Düse – Düse arbeitet druckgesteuert, – die schräge Steuerkante gibt die Verbindung zur Steuer bohrung wieder frei und entlastet so den Hochdruckraum; dadurch schließt die Düse, – der Nutzhub ist der Kolbenweg nach Verschließen des Hochdruckraums bis zur Absteuerung; durch Verdrehen des Kolbens über die Regelstange ist der Nutzhub und damit auch die Einspritzmenge veränderlich.
Bauart „Verteilerpumpe – axial“ (Bild 5‑16) Hauptmerkmale: – ein axiales Pumpenelement für alle Motorzylinder, – Hubscheibe von Motornockenwelle angetrieben, Anzahl Nocken = Anzahl Motorzylinder (≤ 6), – Nockenerhebungen wälzen sich auf dem Rollenring ab, dadurch entsteht: – Dreh- und Längsbewegung des Verteilerkolbens, – zentraler Verteilerkolben öffnet und schließt Steuerschlitze und Bohrungen, – Verteilung des Kraftstoffflusses auf Auslässe zu den Motor zylindern, – Kolben verdichtet in Axialrichtung und fördert zur druck gesteuerten Düse, – Regelschieber verändert Nutzhub und somit die Einspritz menge, – der Förderbeginn wird über Spritzversteller verändert, dieser verdreht den Rollenring relativ zur Hubscheibe.
Bauart „Verteilerpumpe – radial“ (Bild 5‑17) Hauptmerkmale: – Hochdruckerzeugung mittels Radialkolben, ein oder zwei Paare oder 3 Einzelkolben, – Anzahl der Nockenerhebungen auf Nockenring = Motor zylinderzahl (≤ 6), – vom Motor angetriebene Verteilerwelle trägt Rollen stößel,
Bild 5-15 Bauart und Funktionsprinzip „Reihen‑ pumpe“
158 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-16 Bauart und Funktionsprinzip „Vertei‑ lerpumpe – axial“
Bild 5-17 Bauart und Funktionsprinzip „Vertei‑ lerpumpe – radial“
– Rollenstößel wälzen auf Nockenring ab und erzeugen Pumpbewegung, – Kolbenpaare verdichten zur Mitte und fördern zur druck gesteuerten Düse, – zentrale Verteilerwelle öffnet und schließt Steuerschlitze und Bohrungen, – Verteilung des Kraftstoffflusses auf Auslässe zu den Motor zylindern, – Magnetventil steuert Einspritzmenge (und Förderbeginn), – bei geschlossenem Magnetventil wird Hochdruck aufge baut, – der Förderbeginn wird über magnetgesteuerten Spritzver steller verändert, dieser verdreht den Rollenring relativ zur Verteilerwelle.
Bauart „Pumpe-Düse“ (Unit Injector) (Bild 5-18) Hauptmerkmale: – pro Motorzylinder eine Pumpe-Düse-Einheit im Zylinder kopf des Motors integriert, – Antrieb über Motornockenwelle mittels Einspritznocken und Stößel oder Kipphebel, – Hochdruckerzeugung mittels Pumpenkolben, Rückstel lung über Feder, – lokale Druckerzeugung unmittelbar vor Düse, daher keine Hochdruckleitung, – Düse arbeitet druckgesteuert, – Magnetventil steuert Einspritzmenge und Spritzbeginn, – bei geschlossenem Magnetventil wird Hochdruck aufge baut,
5.3 Einspritzsysteme 159 – je Motorzylinder eine Einspritzeinheit (Pumpe, Leitung und Düsenhalterkombination), – Antrieb über unten liegende Motornockenwelle (Nutzfahr zeuge); – Düse arbeitet druckgesteuert, – Einspritzmenge und Spritzbeginn wird über Hochdruck magnetventil gesteuert.
Bauart „Common Rail System“ (Bild 5‑20)
Bild 5-18 Bauart und Funktionsprinzip „Pumpe-Düse“
– Einspritzvorgang wird vom Steuergerät berechnet und geregelt.
Bauart „Pumpe-Leitung-Düse“ (Unit-Pump) (Bild 5‑19) Hauptmerkmale: – Prinzip vergleichbar zum Unit-Injector System, – jedoch Düse in Düsenhalter mit der Pumpe über kurze Hochdruckleitung verbunden,
Hauptmerkmale: – Speichereinspritzsystem, – Entkopplung von Hochdruckerzeugung und Einsprit zung, – zentrale Hochdruckpumpe erzeugt Druck im Speicher der im gesamten Kennfeld unabhängig von Drehzahl und Last des Motors eingestellt werden kann, – mehrfache Kraftstoffentnahme aus dem Rail pro Arbeits spiel des Motors erlaubt hohe Flexibilität bei Lage, Anzahl und Größe der Einspritzungen, – pro Motorzylinder ist ein Einspritzinjektor angebaut (Kör per mit Düse und Steuerventil (Magnet- oder Piezoaktor), – Düse arbeitet hubgesteuert, – Injektor arbeitet zeitgesteuert, Einspritzmenge hängt von Raildruck und Ansteuerdauer ab, – Anzahl, Lage und Einspritzmenge werden vom Steuergerät geregelt.
Bild 5-19 Bauart und Funktionsprinzip „Pum‑ pe-Leitung-Düse“
160 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-20 Bauart und Funktionsprinzip „Com‑ mon Rail System“
5.3.2
Reihenpumpe
5.3.2.1
Aufbau und Arbeitsweise
In der Reihenpumpe (Bild 5‑21) sind die Pumpenelemente, bestehend aus Pumpenzylinder und Pumpenkolben, ent sprechend der Anzahl der vorhandenen Motorzylinder in einem eigenen Gehäuse zusammengefasst. Die Pumpenkol ben werden durch eine pumpeneigene Nockenwelle bewegt, die ihrerseits durch den Steuerrädertrieb des Motors ange trieben wird. Die Mengenzumessung erfolgt ausschließlich über Kantensteuerung durch Verdrehen der Pumpenkolben. Jeder Pumpenkolben hat eine schräge Steuerkante, so dass in Verbindung mit der zylinderseitigen, ortsfesten Steuerboh rung, abhängig von der Winkelposition des Pumpenkolbens, ein unterschiedlicher Förderhub und damit eine unter schiedliche Einspritzmenge gefördert bzw. eingestellt werden kann. Der Gesamtkolbenhub ist dabei jeweils konstant und entspricht der Nockenerhebung. Am Hochdruckausgang der Reihenpumpe trennt ein Druckventil den Hochdruckbereich in der Pumpe von der Einspritzleitung und dem Düsenhal ter, sodass nach der Einspritzung im System Leitung – Düse der dort befindliche Kraftstoff vorgespannt bleibt, d. h. ein gewisser Standdruck vorhanden ist. Oft ist in dieses Druck ventil eine Rückströmdrossel integriert, die dafür sorgt, dass es zu keinem Nachspritzer mit nur geringem Einspritzdruck kommt. Die Verdrehung des Kolbens erfolgt bei allen Zylin dern gleichzeitig über eine Regelhülse, die mit einer längsbe weglichen Regelstange formschlüssig verbunden ist. Die Fördermenge kann damit zwischen Nullförderung und ma
ximaler Menge reguliert werden. Die Regelstange selbst wird durch den mit der Einspritzpumpe verbundenen Regler be wegt. Der Regler kann entweder ein mechanischer Fliehkraft regler sein, der die Regelstange drehzahlabhängig verschiebt und damit insbesondere die Endabregelung realisiert oder ein elektronischer Regler, der über ein elektromagnetisches Stellwerk auf die Regelstange wirkt. Zur Anpassung der Einspritzmenge an die unterschiedlichsten Betriebsbedin gungen sind bei mechanisch geregelten Pumpen Aufschalt gruppen wie z. B. ein ladedruckabhängiger Volllastanschlag notwendig. Zur sicheren Versorgung der Pumpenelemente mit Kraft stoff ist eine Niederdruckförderpumpe an der Reihenpumpe angebaut, die durch einen speziellen Nocken auf der pum peneigenen Nockenwelle betätigt wird. Diese Förderpumpe versorgt den Saugraum der Reihenpumpe mit Kraftstoff unter einem Druck bis ca. 3 bar.
Baureihen, Varianten Den entsprechenden Motorleistungen angepasst gibt es Rei henpumpen in verschiedenen Größen. Die Einspritzdrücke liegen bei heutigen Reihenpumpen zwischen 400 und 1150 bar pumpenseitig, je nach Verwendung für Kammer- oder Direkteinspritzmotoren. Typische Baureihen der Fa. Bosch sind die A‑ und die P‑Pumpe. Innerhalb der Baureihe P gibt es verschiedene Varianten, die je nach Einspritzdruck, Einspritzmenge und Einspritzdauer eingesetzt werden. Für Nutzfahrzeugmotoren
5.3 Einspritzsysteme
161
Bild 5-21 Reihenpumpe, Bauart P. 1 Druckventilhalter; 2 Füllstück; 3 Druckventilfeder; 4 Pumpenzylinder; 5 Druckventil; 6 Saug- und Steuerbohrung; 7 Steuerkante; 8 Pumpenkolben; 9 Regelhülse; 10 Kolbenfahne; 11 Kolbenfeder; 12 Federteller; 13 Rollenstößel; 14 Nockenwelle; 15 Regelstange
kommt auch die sog. Hubschieberpumpe mit variabler Förderbeginneinstellung zum Einsatz.
5.3.3
Verteilereinspritzpumpen
Die Verteilereinspritzpumpe [5-11 bis 5-15] ist eine kompakte, kostengünstige Pumpenbauart, deren Einsatzbereiche hauptsächlich Pkw-Direkteinspritzmotoren (früher auch IDI-Motoren), aber auch Nkw-Motoren bis ca. 45 kW/Zylinder sind. Üblicherweise besteht die Verteilerpumpe aus folgenden Baugruppen: – Hochdruckpumpe mit Verteiler, – Drehzahl/Mengen-Regler, – Spritzversteller, – Niederdruck-Förderpumpe, – elektrische Abstellvorrichtung (Pumpen mit Regelschieber) und – Funktionsaufschaltgruppen (mechanisch geregelte Pumpen). Als Bauformen gibt es die Axialkolben-Pumpe mit Druckerzeugung bis 1550 bar und die Radialkolben-Pumpe mit Druckerzeugung bis 2000 bar an der Einspritzdüse, siehe Bild 5-22 bzw. 5-23. Die bedienbare Motorzylinderanzahl ist bei beiden Typen auf sechs begrenzt. Zur Beschreibung der grundsätzlichen Arbeitsweise siehe Abschn. 5.3.1.
Verstellung des Einspritzbeginns Die last- und drehzahlabhängige Spritzbeginnanpassung übernimmt in der Verteilerpumpe ein sog. Spritzversteller, der den Rollenring bei der Axialkolbenpumpe bzw. den Nockenring bei der Radialkolbenpumpe bis zu ca. 20 Grad Nockenwinkel (von extremer Spät- bis zu extremer Frühlage) verdrehen kann. Das Verdrehen der Ringe erfolgt über Druckbeaufschlagung oder -entlastung des Spritzverstellerkolbens mit dem drehzahlproportionalen Druck, erzeugt von einer in der Hochdruckpumpe integrierten Flügelzellen-Vorförderpumpe. Der Druck auf diesem Kolben kann ggf. mit Hilfe eines pulsweitenmoduliert angesteuerten Magnetventils in Verbindung mit einem Spritzbeginnsensor genau eingestellt werden. Neben dieser einfachen Spritzverstellervariante gibt es auch einen sog. Nachlauf-Spritzversteller mit einem in den Verstellkolben integrierten Steuerkolben, was zu einer verbesserten Regeldynamik führt, da der Steuerkolben unabhängig von Reibungseinflüssen an Rollenring und Spritzverstellerkolben reagiert.
Varianten Mechanisch geregelte Verteilereinspritzpumpe. Die rein mechanisch geregelte Verteilerpumpe ist gekennzeichnet
162 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-22 Elektronisch geregelte Verteilerein‑ spritzpumpe in Axialkolbenbauart, Typ VE, Robert Bosch GmbH. 1 Vertei‑ lerkolben; 2 Magnetventil für Spritz‑ verstellung; 3 Regelschieber; 4 Spritz‑ versteller; 5 Hubscheibe; 6 Förder‑ pumpe; 7 elektrisches Mengenstellwerk mit Rückmeldesen‑ sor; 8 Stellwelle; 9 elektrische Abstell‑ vorrichtung; 10 Druckventilhalter; 11 Rollenring
durch verschiedene, individuell auslegbare Funktionsauf schaltungen wie z. B. zur Förderbeginnverstellung, zur Leer lauf- und Volllastregelung oder zur Verbesserung des Kalt startverhaltens. Die Drehzahlregelung der Pumpe erfolgt über einen Fliehkraftregler. Elektronisch geregelte Verteilereinspritzpumpe. Diese in Bild 5‑22 dargestellte Bauart benötigt keine separaten Funk tionsaufschaltungen, da sie über Sensoren und das Steuer gerät Menge und Förder- bzw. Spritzbeginn regeln kann. Das Mengenstellwerk ist ein Drehmagnetsteller mit einem Induk tivgeber, der eine sehr genaue Information über die Position des Regelschiebers an das Motorsteuergerät liefert. Dies er möglicht eine genaue und voll flexible Mengenzumessung. Magnetventilgesteuerte Verteilereinspritzpumpe. Bild 5‑23 zeigt eine magnetventilgesteuerte Radialkolben-Verteiler pumpe. Die besonderen Vorteile dieser Steuerungsart liegen in einer hohen Genauigkeit (Abgleichmöglichkeit durch Bau einheit von Steuergerät und Pumpe), einer hohen Mengendy namik (zylinderindividuelle Mengenzumessung) und einer Förderratenbeeinflussung durch variablen Förderbeginn. Der Schließzeitpunkt des 2/2‑Hochdruckmagnetventils bestimmt den Förderbeginn, sein Öffnungszeitpunkt legt
über den Kolbenhub die Fördermenge fest. Die Steuerung des Förderbeginns und des Förderendes (Förderdauer) erfolgt über die Verarbeitung von Winkel- und Drehzahlsig nalen pumpen- und motorinterner Sensoren im Pumpen steuergerät. Für eine Voreinspritzung steuert das Pumpen steuergerät das Magnetventil der Pumpe zweimal an – zunächst für die Voreinspritzmenge (typischerweise 1,5– 2 mm³/Einspritzung), danach für die Haupteinspritzmenge.
5.3.4
Einzelpumpen-Systeme
Dieser Abschn. behandelt nocken-zeitgesteuerte, zylindermo dulare Einzelpumpensysteme, die grundsätzlich in Unit Injec tor-Systeme für Pumpe-Düse-Einheit und Unit Pump-Sys teme für Steckpumpe oder Pumpe‑Leitung‑Düse unterschie den werden können und heute die dominierenden Einspritz systeme im Heavy Duty-Bereich darstellen [5‑16 bis 5‑21].
Aufbau und Arbeitsweise Unit Injector-System. Die druckerzeugende Pumpe und das Einspritzventil bilden hier eine Baueinheit, wodurch das Tot volumen im Einspritzsystem minimiert und sehr hohe Ein spritzdrücke (über 2000 bar bei Nennleistung) erreicht wer
5.3 Einspritzsysteme 163
Bild 5-23 Elektronisch geregelte Verteiler-Ein‑ spritzpumpe in Radialkolbenbauart mit Magnetventilsteuerung, Typ VP44, Robert Bosch GmbH. 1 Magnetventil; 2 Hochdruckanschluss; 3 Verteilerwel‑ le; 4 Spritzversteller; 5 Pumpenkol‑ ben; 6 Nockenring; 7 Flügelzellen‑ pumpe; 8 Antriebswelle; 9 Drehwin‑ kelsensor; 10 elektron. Pumpensteuergerät
den können. Je Motorzylinder ist im Zylinderkopf ein Unit Injector eingebaut, dessen integrierte Düse in den Verbren nungsraum hineinragt. Die Motornockenwelle besitzt für jeden Unit Injector einen Antriebsnocken, dessen Hub über einen Kipphebel auf den Pumpenkolben übertragen wird. Dieser bewegt sich dadurch mit Unterstützung der Rückstell feder auf und ab. Moderne Einzelpumpensysteme werden mit einem Hoch druckmagnetventil oder Piezoaktor gesteuert, wodurch die Verbindung zwischen dem Niederdruckkreislauf und dem Hochdruckraum der Pumpe geöffnet und geschlossen wird. Während des Saughubs (Pumpenkolben bewegt sich nach oben) fließt der im Niederdruckteil unter ständigem Über druck stehende Kraftstoff in den Hochdruckraum der Pumpe. Zu einem vom Steuergerät bestimmten Zeitpunkt wird das Hochdruckmagnetventil geschlossen. Durch Aus wertung des Stromverlaufs im Magnetventil wird der genaue Schließzeitpunkt („elektrischer Spritzbeginn“ oder Förder beginn) ermittelt und zur Spritzbeginnregelung und Kor rektur der Ansteuerimpulsdauer (Reduzierung der Mengen toleranzen) verwendet. Der Kraftstoff im Hochdruckraum wird durch den Pumpenkolben bis zum Erreichen des Düsenöffnungsdrucks („tatsächlicher Spritzbeginn“) kom primiert, die Düsennadel dadurch angehoben und der Kraftstoff in den Verbrennungsraum eingespritzt. Infolge der hohen Förderrate des Pumpenkolbens steigt der Druck während des gesamten Einspritzvorgangs weiter an. Der
maximale Spitzendruck wird kurz nach Abschalten des Elektromagneten erreicht, danach bricht der Druck sehr schnell zusammen. Die Dauer der Ansteuerung des Magnet ventils bestimmt die eingespritzte Kraftstoffmenge. Im Unit Injector für Pkw ist eine durch einen Speicherkol ben mechanisch-hydraulisch gesteuerte Voreinspritzung zur Geräusch- und Schadstoffverringerung integriert (Bild 5‑24), womit sich sehr kleine Voreinspritzmengen (ca. 1,5 mm³) realisieren lassen. Im Gegensatz zu Systemen mit mechanischer Zumessung über Steuerkanten gibt es bei magnetventilgesteuerten Syste men keine zwingende Kopplung zwischen Einspritzkolben lage und Förderhub. Die Winkellage der Nockenwelle wird durch Sensoren erfasst und der Förderhub im Steuergerät aus der Mengenvorgabe berechnet. Um die Toleranzen des Spritz beginns und der eingespritzten Menge zu minimieren, ist es notwendig, dass die Winkellage der Nockenwelle die geo metrische Hubposition des Pumpenkolbens über alle Zylin der hinweg exakt wiedergibt, was eine sehr steife Antriebs konstruktion von Motor und Unit Injector bedingt. Unit Pump-System. Dieses System besteht aus der Hoch druckpumpe mit integriertem Magnetventil ähnlich der des Unit Injectors, einer kurzen Einspritzleitung, Druckrohrstut zen und konventioneller Düsenhalterkombination, Bild 5‑25. Die Steuerung von Spritzbeginn und Menge erfolgt wie beim Unit Injector-System.
164
5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-24 Unit Injector für Pkw, Einbau im Zylinderkopf. 1 Kipphebel; 2 Nockenwelle; 3 Körper des Injektors; 4 Hochdruckraum; 5 Speicherkolben; 6 Düsenfeder; 7 Zylinderkopf; 8 Einspritzdüse; 9 Rückstellfeder; 10 Hochdruckmagnetventil; 11 Kraftstoffrücklauf; 12 Kraftstoffzulauf; 13 Dämpfungseinheit
Der modulare Aufbau (Pumpe, Hochdruckleitung, Düsenhalterkombination) ermöglicht es, die Unit Pump seitlich im Motor zu integrieren, wodurch eine Neukonstruktion des Zylinderkopfes vermieden und der Kundendienst vereinfacht wird. Die Pumpen werden über den im Pumpenkörper integrierten Flansch am Motorblock oberhalb der Nockenwelle befestigt. Die Verbindung zwischen Nockenwelle und Pumpenkolben erfolgt direkt über einen Rollenstößel. Unit Injector- und Unit Pump-Systeme haben einen dreieckförmigen Einspritzverlauf. Das Pkw-Unit Injector-System bietet zusätzlich die Möglichkeit einer abgesetzten Voreinspritzung. Neben den magnetventilgesteuerten Pumpe-LeitungDüse-Systemen sind vielfach auch noch mechanisch geregelte Steckpumpen (kantengesteuert) in kleinen und sehr großen Motoren im Einsatz. Ihre Grundfunktion entspricht der der mechanisch geregelten Reihenpumpe mit Regelstange.
5.3.5
Common Rail Systeme
5.3.5.1
Aufbau
Im Gegensatz zu nockengetriebenen Einspritzsystemen sind beim Common Rail System Druckerzeugung und Einspritzung entkoppelt. Die Druckerzeugung erfolgt unabhängig vom Einspritzzyklus durch eine Hochdruckpumpe, die den unter Einspritzdruck stehenden Kraftstoff in ein Speichervolumen („Rail“) fördert. Das Rail ist über kurze Hochdruckleitungen mit den Injektoren der einzelnen Motorzylinder verbunden. Die Injektoren werden über elektrisch angesteuerte Ventile betätigt und spritzen den Kraftstoff zum gewünschten Zeitpunkt in den Brennraum des Motors ein. Einspritzzeitpunkt und Einspritzmenge sind dabei nicht an die Förderphase der Hochdruckpumpe gekoppelt. Durch die Funktionstrennung von Druckerzeugung und Kraftstoffeinspritzung wird der Einspritzdruck drehzahl- und lastunabhängig. Gegenüber nockengetriebenen Systemen ergeben sich damit folgende Vorteile:
5.3 Einspritzsysteme 165
Bild 5-25 Unit Pump-System. 1 Einspritzdüsenhalter; 2 Druckstut‑ zen; 3 Hochdruckleitung; 4 Anschluss; 5 Hubanschlag; 6 Magnetventilnadel; 7 Platte; 8 Pumpengehäuse; 9 Hochdruckraum (Elementraum); 10 Pumpenkolben; 11 Motorblock; 12 Rollenstößelbolzen; 13 Nocken; 14 Fe‑ derteller; 15 Magnetventilfeder; 16 Ventilgehäuse mit Spule und Magnetkern; 17 Ankerplatte; 18 Zwischen‑ platte; 19 Dichtung; 20 Kraftstoffzulauf (Niederdruck); 21 Kraftstoffrücklauf; 22 Pumpenkolben-Rückhalteein‑ richtung; 23 Stößelfeder; 24 Stößelkörper; 25 Federtel‑ ler; 26 Rollenstößel; 27 Stößelrolle
– dauernd zur Verfügung stehender, drehzahl- und last unabhängiger Einspritzdruck; dies erlaubt flexible Wahl von Einspritzbeginn, ‑menge und -dauer, – hohe Einspritzdrücke und damit gute Gemischbildung auch bei niederen Drehzahlen und Lasten möglich, – hohe Flexibilität bezüglich Mehrfacheinspritzungen,
– einfacher Anbau an den Motor, – deutlich niedrigere Antriebs-Drehmomentspitzen. Common Rail Systeme werden in allen Applikationen von DI-Motoren für Pkw und Nfz (on‑ und off‑highway) einge setzt. Die maximalen Systemdrücke liegen heute bei 1800 bar,
166 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-26 Common Rail System: 1 Kraftstoff‑ tank; 2 Vorförderpumpe mit Siebfilter; 3 Kraftstofffilter; 4 Hochdruckpumpe mit Zumesseinheit; 5 Rail; 6 Druckre‑ gelventil; 7 Raildrucksensor; 8 Injek‑ tor; 9 Steuergerät mit Eingängen für die Sensoren und Ausgängen für die Aktoren
Systeme für Drücke > 2000 bar befinden sich in der Ent wicklung. Das Common Rail System lässt sich in folgende Teilsys teme aufteilen (Bild 5‑26): – Niederdrucksystem mit den Komponenten der Kraftstoff versorgung (Kraftstofftank, Kraftstofffilter, Vorförder pumpe, Kraftstoffleitungen), – Hochdrucksystem mit den Komponenten Hochdruck pumpe, Rail, Injektoren, Raildrucksensor, Druckregelventil oder Druckbegrenzungsventil, Hochdruckleitungen, – Elektronische Dieselregelung mit Steuergerät, Sensoren und Aktoren. Die vom Motor angetriebene, kontinuierlich arbeitende Hochdruckpumpe baut den gewünschten Systemdruck auf und hält ihn weitgehend unabhängig von Motordrehzahl und Einspritzmenge aufrecht. Aufgrund der nahezu gleich förmigen Förderung baut die Pumpe kleiner und weist, im Vergleich zu anderen Einspritzsystemen, ein geringeres Spit zenantriebsmoment auf. Die Hochdruckpumpe ist als Radialkolbenpumpe, für Nfz teilweise auch als Reihen- oder Einzelsteckpumpe (Antrieb über Motornockenwelle) ausgeführt. Zur Regelung des Rail drucks kommen verschiedene Verfahren zum Einsatz. Die Druckregelung kann hochdruckseitig über ein Druckregel ventil oder saugseitig durch eine in die Pumpe integrierte Zumesseinheit (bei Einzelsteckpumpen: in separatem Bauteil untergebracht) erfolgen. Zweistellersysteme kombinieren die
Vorteile beider Verfahren. Die Injektoren sind über kurze Hochdruckleitungen mit dem Rail verbunden. Über das Motorsteuergerät wird das im Injektor integrierte Schaltven til angesteuert, um die Einspritzdüse zu öffnen und wieder zu schließen. Öffnungsdauer und Systemdruck bestimmen die eingespritzte Kraftstoffmenge. Sie ist bei konstantem Druck proportional zur Einschaltzeit des Magnetventils und damit unabhängig von Motor- bzw. Pumpendrehzahl. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Systemen mit und ohne Druckübersetzung. Bei Systemen mit Drucküber setzung wird der von der Hochdruckpumpe erzeugte Druck über einen Stufenkolben im Injektor verstärkt. Lässt sich der Druckübersetzer über ein eigenes Steuerventil separat ansteuern, kann damit eine flexible Einspritzverlaufsfor mung realisiert werden. Die heute überwiegend eingesetz ten Systeme arbeiten ohne Druckübersetzung.
5.3.5.2
Niederdrucksystem
Im Niederdruckkreislauf ist die Kraftstoffversorgung der Hochdruckpumpe vom Tank und die Rückführung der Leck- und Überlaufmengen zum Tank zusammengefasst. Den prinzipiellen Aufbau zeigt Bild 5‑27, die wesentlichen Komponenten sind: – Kraftstoffbehälter, – Kraftstoffvorfilter mit Handpumpe (optional) und Kraft stoffhauptfilter, – Kühler für das Steuergerät (optional),
5.3 Einspritzsysteme 167
Bild 5-27 Niederdruckkreislauf für Pkw (links; saug- und hochdruckseitige Druckregelung) und Nfz (rechts; saugseitige Druckregelung). 1 Kraftstoffbehälter; 2 Vorfilter mit Wasserabscheider und Handpumpe; 3 Vorförderpumpe elektrisch /mechanisch; 4 Kraftstofffilter mit/ohne Wasserabscheider; 5 Zumesseinheit; 6 Überströmventil; 7 Nullförderdrossel; 8 Rail; 9 Injektorrücklauf; 10 Druckbegrenzungsventil; 11 Druckregelventil
– Vorförderpumpe, – Kraftstoffkühler (optional). Als Vorförderpumpen kommen Elektrokraftstoffpumpen (EKP, Bild 5‑28) oder Zahnradpumpen (ZP) zum Einsatz. Systeme mit EKP werden ausschließlich bei Pkw und leich ten Nfz verwendet. Die EKP wird meist im Kraftstofftank (Intank‑Pumpe), optional aber auch in der Zuleitung zur Hochdruckpumpe (Inline‑Pumpe) verbaut. Beginnend mit dem Startvorgang schaltet die EKP ein. Damit ist sicherge stellt, dass bei Motorstart der notwendige Druck im Nieder druckkreis vorhanden ist. Die Förderung des Kraftstoffs er folgt kontinuierlich und unabhängig von der Motordrehzahl,
überschüssiger Kraftstoff fließt über ein Überströmventil zum Tank zurück. Als Pumpenelement werden meist Rollen zellenpumpen (Schema s. Bild 5‑28) verwendet. Der Elektro motor wird durch den Kraftstoff gekühlt, womit sich eine hohe Motorleistungsdichte erreichen lässt. Im Anschlussde ckel ist ein Rückschlagventil integriert, das ein Leerlaufen der Kraftstoffleitungen nach dem Abschalten der Pumpe verhin dert. EKP haben gegenüber mechanisch angetriebenen Vor förderpumpen Vorteile hinsichtlich Startverhalten bei heißem Kraftstoff, beim Erststart und nach dem Motorser vice (z. B. Filterwechsel). ZP werden in Pkw- und Nfz-Systemen als Vorförderpum pe angewandt, für schwere Nfz kommen ausschließlich ZP
Bild 5-28 Einstufige Elektrokraftstoffpumpe (links) und schematische Darstellung der Rollenzellenpumpe (rechts). 1 Druckseite; 2 Rückschlagventil; 3 Mo‑ toranker; 4 Pumpenelement; 5 Druckbegren‑ zungsventil; 6 Saugseite; 7 Zulauf; 8 Nutscheibe; 9 Rolle; 10 Grundplatte; 11 Druckseite
168 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik zur Anwendung. Die ZP ist zumeist in die Hochdruckpum pe integriert und wird über deren Antriebswelle angetrie ben. Somit fördert die ZP erst beim Drehen des Motors, d. h. sie muss so ausgelegt sein, dass im Startfall ein genügend schneller Druckaufbau erfolgt. Für hohe Drehzahlen (För dermenge ist annähernd proportional zur Motordrehzahl) ist daher eine Mengenbegrenzung notwendig. Dies wird i. d. R. durch Drosselung auf der Saugseite der ZP realisiert. Zum Schutz des Einspritzsystems vor Verunreinigungen im Kraftstoff (Feststoffteilchen, Wasser) und damit zur Sicherstellung der geforderten Lebensdauer muss ein auf die jeweiligen Einsatzbedingungen abgestimmtes Kraftstofffil ter verwendet werden. Vorfilter mit integriertem Wasserab scheider werden vor allem für Nfz in Ländern mit schlechter Kraftstoffqualität und bei Industriemotorapplikationen ver wendet. Hinsichtlich ihrer Abscheidecharakteristik werden sie an den Hauptfilter angepasst. Der Hauptfilter ist i. d. R. druckseitig zwischen Vorförderpumpe und Hochdruck pumpe angeordnet. Im Niederdruckteil der Hochdruckpumpe befinden sich ein stufenlos regelbares Magnetventil, die Zumesseinheit (nur bei Systemen mit saugseitiger Mengenregelung) sowie das Überströmventil und die Nullförderdrossel. Die Zumess einheit passt die zur Hochdruckpumpe gelangende Menge so an, dass nur der hochdruckseitige Systemmengenbedarf auf den hohen Druck verdichtet wird. Die zuviel geförderte Kraftstoffmenge wird über das Überströmventil in den Tank bzw. vor die Vorförderpumpe geleitet. Bei kraftstoffge schmierten Pumpen dienen Drosseln im Überströmventil der Entlüftung bzw. garantieren eine ausreichende Schmier menge. Über die Nullförderdrossel werden die bei geschlos sener Zumesseinheit auftretenden Leckagemengen abge führt und damit ein ungewollter Raildruckanstieg verhin dert bzw. ein schneller Druckabbau sichergestellt.
5.3.5.3
Zeitpunkt der Einspritzung zu erreichen. Der von der Hoch druckpumpe verdichtete Kraftstoff wird über die Hochdruck leitung(en) in das Rail gefördert und von dort auf die ange schlossenen Injektoren verteilt. Das Rail hat neben der Spei cherfunktion auch die Aufgabe, die maximalen Druck schwingungen, die durch die pulsierende Pumpenförderung bzw. durch die Kraftstoffentnahme über die Injektoren ent stehen, zu begrenzen, um die Zumessgenauigkeit der Ein spritzung sicherzustellen. Einerseits sollte das Railvolumen möglichst groß sein, um dieser Anforderung gerecht zu wer den, andererseits muss es hinreichend klein sein, um einen schnellen Druckaufbau beim Start zu gewährleisten. Das Speichervolumen ist in der Auslegungsphase dahingehend zu optimieren. Als Eingangsgröße zur Druckregelung dient das Signal des Raildrucksensors, mit dem der aktuelle Kraftstoffdruck im Rail ermittelt wird. Zur Druckregelung kommen ver schiedene Verfahren zur Anwendung Bild 5‑29: Hochdruckseitige Regelung. Der gewünschte Raildruck wird über ein Druckregelventil (Proportional-Magnetventil, das über das Steuergerät angesteuert wird) hochdruckseitig geregelt. In diesem Fall fördert die Hochdruckpumpe unab
Hochdrucksystem
Der Hochdruckbereich des Common Rail Systems gliedert sich in die drei Bereiche Druckerzeugung, Druckspeicherung und Kraftstoffzumessung mit folgenden Komponenten: – Hochdruckpumpe, – Rail mit Drucksensor sowie Druckregel- oder Druckbe grenzungsventil, – Hochdruckleitungen, – Injektoren. Die Hochdruckpumpe wird vom Motor angetrieben. Das Übersetzungsverhältnis ist so zu wählen, dass die För dermenge ausreicht, um die Mengenbilanz des Systems zu erfüllen. Außerdem sollte die Förderung einspritzsynchron erfolgen um weitgehend gleiche Druckbedingungen zum
Bild 5-29 Hochdruckregelung von Common Rail Systemen. 1 Hochdruck‑ pumpe; 2 Kraftstoffzulauf; 3 Kraftstoffrücklauf; 4 Druckregelventil; 5 Rail; 6 Raildrucksensor; 7 Anschlüsse der Injektoren; 8 Anschluss Kraftstoffrücklauf; 9 Druckbegrenzungsventil; 10 Zumesseinheit; 11 Druckregelventil
5.3 Einspritzsysteme 169 hängig vom Kraftstoffbedarf die maximale Fördermenge. Der überschüssige Kraftstoff fließt über das Druckregelventil in den Niederdruckkreis zurück. Diese Regelung ermöglicht zwar eine schnelle Anpassung des Raildrucks bei Änderung des Betriebspunkts, die permanente Maximalförderung und das Abführen des unter Hochdruck stehenden Kraftstoffs sind energetisch betrachtet nachteilig. Wegen des ungüns tigen energetischen Verhaltens ist die Anwendung eines sol chen Systems auf niedrige Druckbereiche (max. 1400 bar) begrenzt. Diese Art der Regelung wurde bei den ersten Com mon Rail Systemen für Pkw angewandt. Das Druckregelven til ist meist am Rail, bei einzelnen Anwendungen auch an der Hochdruckpumpe angebaut. Saugseitige Regelung. Die Regelung des Raildrucks erfolgt bei diesem Verfahren niederdruckseitig über die an der Hochdruckpumpe angeflanschte Zumesseinheit. Durch die saugseitige Mengenregelung wird nur die Kraftstoffmenge in das Rail gefördert, mit welcher der geforderte Raildruck auf rechterhalten wird. Dadurch muss im Vergleich zur hoch druckseitigen Regelung weniger Kraftstoff auf Hochdruck verdichtet werden, die Leistungsaufnahme der Pumpe ist da mit geringer. Das wirkt sich einerseits positiv auf den Kraft stoffverbrauch aus, andererseits ist die Temperatur des in den Tank zurücklaufenden Kraftstoffs niedriger. Diese Art der Druckregelung wird bei allen Nfz-Systemen angewandt. Um im Fehlerfall (z. B. Ausfall der Zumesseinheit) einen unzulässigen Druckanstieg zu verhindern, ist am Rail ein Druckbegrenzungsventil angebaut. Übersteigt der Druck einen definierten Wert, dann wird über einen beweglichen Kolben eine Ablaufbohrung freigegeben. Diese ist so ausge legt, dass sich über alle Motordrehzahlen hinweg ein Rail druck einstellt, der deutlich unterhalb des maximalen Sys temdrucks liegt. Durch diese Notfahrfunktion (limp-homeFunktion) wird eine eingeschränkte Weiterfahrt zur nächsten Servicestation ermöglicht, eine Eigenschaft, die insbesondere im Transportgewerbe außerordentlich wichtig ist. Saug- und hochdruckseitige Regelung. Wenn der Druck nur auf der Niederdruckseite eingestellt werden kann, dauert der Druckabbau im Rail bei negativen Lastwechseln u. U. zu lange. Dies gilt insbesondere bei Verwendung von Injektoren mit geringer innerer Leckage, wie z. B. Piezoinjektoren. Um die Dynamik für die Druckanpassung an die veränderten Lastbedingungen zu beschleunigen, wird zusätzlich ein am Rail angebautes Druckregelventil verwendet. Mit diesem Zweistellersystem werden die Vorteile der niederdrucksei tigen Regelung mit dem günstigen dynamischen Verhalten der hochdruckseitigen Regelung kombiniert. Ein weiterer Vorteil gegenüber der ausschließlich nieder druckseitigen Regelung ergibt sich dadurch, dass bei kaltem
Motor nur hochdruckseitig geregelt werden kann. Die Hochdruckpumpe fördert somit mehr Kraftstoff als einge spritzt wird, der überschüssige Kraftstoff wird dadurch deutlich schneller erwärmt, wodurch auf eine separate Kraftstoffheizung verzichtet werden kann. Hochdruckpumpe und Injektoren sind mit dem Rail über Hochdruckleitungen verbunden. Diese müssen dem maxi malen Systemdruck und den zum Teil sehr hochfrequenten Druckschwankungen standhalten. Sie bestehen aus naht losen Präzisionsstahlrohren, die für sehr hohe Festigkeitsan sprüche auch autofrettiert werden können. Aufgrund von Drosselverlusten und Kompressionseffekten beeinflussen Querschnitt und Leitungslänge Einspritzdruck und ‑menge. Daher müssen die Leitungen zwischen Rail und Injektor gleich lang und so kurz wie möglich gehalten werden. Die durch die Einspritzung entstehenden Druckwellen breiten sich in den Leitungen mit Schallgeschwindigkeit aus und werden an den Enden reflektiert. Dadurch beeinflussen sich dicht aufeinander folgende Einspritzungen (z. B. Vor- und Haupteinspritzung) gegenseitig, was sich negativ auf die Zumessgenauigkeit auswirken kann. Weiterhin führen die Druckwellen zu einer erhöhten Injektorbelastung. Durch Einbau optimierter Drosseln in den Anschluss am Rail las sen sich diese Druckwellen deutlich reduzieren. Der Effekt auf die Zumessgenauigkeit wird bei Festlegung der Kenn felder oder durch eine entsprechende Software-Funktion (siehe Abschn. 5.3.5.7) ausgeglichen. Die Hochdruckleitungen werden mit Klemmstücken, die in definierten Abständen angebracht sind, am Motor fixiert. Schwingungen (Motorvibration, Förderimpuls) übertragen sich damit nicht oder nur gedämpft auf Hochdruckleitungen und angeschlossene Komponenten. Die Injektoren werden über Spannelemente im Zylinder kopf befestigt und durch Kupferdichtscheiben zum Brenn raum hin abgedichtet. Hinsichtlich der Verbindung des Injektors mit dem Rail bzw. dem Niederdruckkreis (Rück lauf) gibt es verschiedene, an das jeweilige Motorkonzept angepasste Bauarten (Bild 5‑30). Für Pkw und Light-DutyAnwendungen wird der Hochdruckanschluss über einen integrierten Druckrohrstutzen (Dichtkegel an Hochdruck leitung und Überwurfmutter) realisiert. Der Rücklauf erfolgt über eine Steckverbindung am Kopf des Injektors oder ebenfalls über einen Schraubanschluss. Bei Motoren für schwere Nutzfahrzeuge werden die ent sprechenden Verbindungen über interne Anschlüsse herge stellt. Für den Hochdruckanschluss wird als Verbindungs glied zwischen Hochdruckleitung und Injektor ein separater Druckrohrstutzen eingesetzt. Über eine Schraubverbindung im Motorblock wird der Druckrohrstutzen in die kegelför mige Zulaufbohrung des Injektors gedrückt. Die Abdich tung erfolgt durch den Dichtkegel an der Druckrohrspitze.
170 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-30 Bauarten Common Rail Injektoren (LD: Light Duty, MD: Medium Duty, HD: Heavy Duty). 1 elektr. Steckanschluss; 2 externer Rücklauf; 3 exter‑ ner Hochdruckanschluss; 4 elektr. Schraubanschluss; 5 interner Rücklauf; 6 in‑ terner Hochdruckanschluss
Am anderen Ende ist er über einen konventionellen Druck anschluss mit Dichtkegel und Überwurfmutter mit der Hochdruckleitung verbunden. Der im Druckrohrstutzen eingebaute wartungsfreie Stabfilter hält grobe Verunreini gungen im Kraftstoff zurück. Der elektrische Kontakt des Injektors wird über Steck- oder Schraubverbindung herge stellt. Einspritzzeitpunkt und Einspritzmenge werden über das Steuergerät vorgegeben. Die Menge wird über die Ansteuer dauer der im Injektor eingebauten Aktoren bestimmt, der Einspritzzeitpunkt wird über das Winkel-Zeit-System der elektronischen Dieselregelung (EDC, siehe Abschn. 6.2) gesteuert. Zur Anwendung kommen elektro-magnetische und piezo-elektrische Aktoren. Die Verwendung von Pie zostellern beschränkt sich heute ausschließlich auf Injek toren für Pkw-Anwendungen.
5.3.5.4
Hochdruckpumpen
Die Hochdruckpumpe ist die Schnittstelle zwischen dem Nieder- und Hochdruckteil des Common Rail Systems. Ihre Aufgabe besteht darin, die vom System benötigte Kraftstoff menge auf dem betriebspunktabhängig gewünschten Druck niveau bereit zu stellen. Diese umfasst nicht nur die aktuell vom Motor benötigte Einspritzmenge, sondern berücksich tigt darüber hinaus Mengenreserven für einen schnellen Startvorgang und einen raschen Druckanstieg im Rail, aber auch Leckage- und Steuermengen für andere Systemkompo nenten inkl. deren verschleißbedingte Drift über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs.
Bild 5-31 Common Rail-Radialkolben-Hochdruckpumpe (Schema, Radial‑ schnitt). 1 Exzenterwelle; 2 Polygon; 3 Pumpenkolben; 4 Ansaugkanal; 5 An‑ saug-Rückschlagventil; 6 Hochdruckkanal zum Rail; 7 Auslass-Rückschlagven‑ til; 8 Hochdruckzylinder; 9 Kolbenfußscheibe
Aufbau und Funktion Bei den Pkw Common Rail Systemen der ersten Generation kommen überwiegend Hochdruckpumpen mit Exzenter wellenantrieb und drei radial angeordneten Kolben zur An wendung, siehe Bild 5‑31. An dieser Bauart soll im Folgenden die Funktion einer Common Rail-Hochdruckpumpe bei spielhaft erläutert werden. Das zentrale Antriebsbauteil ist die Exzenterwelle (1). Radial zu dieser und um jeweils 120 Grad am Umfang der Pumpe versetzt befinden sich die Pumpenelemente, d. h. Funktionsgruppen aus Kolben (3), Zylinder (8), zugehö rigen Ventilen (5, 7) und Kraftstoffkanälen (4, 6). Über das sog. Polygon (2), ein auf den Exzenter der Exzenterwelle geschobenes 120 Grad‑Dreiflach, wird die Hubbewegung des Exzenters auf die Pumpenkolben übertragen, wobei die Fußscheibe des Kolbens (9) auf dem Polygon eine hin- und hergehende Gleitbewegung ausführt. Bei seiner durch Federkraft erzwungenen Abwärtsbewegung saugt der Kol ben über ein als Rückschlagventil ausgebildetes Saugven til (5) Kraftstoff aus dem Ansaugkanal (4) der Pumpe an. Die Förderung des Kraftstoffs vom Tank zur Pumpe und die Erzeugung eines Vordrucks im Ansaugkanal übernimmt dabei je nach Hochdruckpumpentyp eine mechanische, in die Pumpe integrierte, oder externe elektrische Vorförder pumpe. Kurz nach dem unteren Totpunkt der Kolbenbewe gung schließt das Saugventil, und bei der folgenden Auf
5.3 Einspritzsysteme 171 wärtsbewegung des Kolbens wird der Kraftstoff im Zylinder solange verdichtet, bis der Öffnungsdruck des ebenfalls als Rückschlagventil gestalteten Auslassventils (7) erreicht wird, welcher in etwa dem im Rail vorliegenden Druck entspricht. Nach dem Öffnen des Auslassventils strömt der Kraftstoff aus der Pumpe über die Hochdruckverbindungsleitung (6) zum Rail. Im oberen Totpunkt des Kolbens ist das Ende des Förderhubs erreicht und bei der folgenden Abwärtsbewe gung fällt der Druck im Zylinder wieder ab, wodurch das Auslassventil schließt. Der Befüllvorgang des Zylinders beginnt nun von neuem. Hochdruckpumpen werden vom Verbrennungsmotor mit einem festen Übersetzungsverhältnis angetrieben, wobei abhängig von der Zylinderzahl des Motors und der Pumpe nur bestimmte Werte sinnvoll sind. Übersetzungsverhält nisse von 1/2 und 2/3 bezogen auf die Motordrehzahl sind bei 4‑Zylinder-Motoren in Verbindung mit DreikolbenPumpen weit verbreitet. Bei kleineren Übersetzungsverhält nissen müsste zur Kompensation das geometrische Förder volumen der Pumpe unnötig groß ausgelegt werden, größe re Übersetzungsverhältnisse dagegen stellen höhere Anfor derungen an die Drehzahlfestigkeit der Pumpe. Die sog. einspritzsynchrone Förderung einer Pumpe dient zur Erzie lung konstanter Druckverhältnisse zum Einspritzzeitpunkt in Rail und Injektor. Dabei muss die Anzahl der Pumpen-Förderhübe pro Nockenwellenumdrehung der Zylinderzahl des Motors ent sprechen. Bei 4‑Zylinder-Motoren mit Dreikolben-Pumpen ist dies z. B. bei einer Übersetzung von 2/3 gegeben. Ist bei Einspritzsynchronität darüber hinaus jedem Einzelinjektor stets dasselbe Pumpenelement zugeordnet, so erreicht man den Idealzustand der sog. elementsynchronen Förderung. Diese kann für 4‑Zylinder-Motoren grundsätzlich nur mit Ein‑ oder Zweikolben-Pumpen und entsprechend ange passtem Übersetzungsverhältnis erreicht werden. Die beschriebene Kopplung zwischen Pumpenelement und Injektor ist für die sog. Mengenausgleichsregelung zur Reduzierung der Einspritzmengenunterschiede zwischen den Zylindern nötig und kann auch bei asynchroner Förde rung gegeben sein, falls die Phasenlage der Pumpenhübe relativ zum Einspritzzeitpunkt nach jeder NockenwellenUmdrehung erhalten bleibt. Die Einstellung eines exakten Werts für die Phasenlage der Pumpen-Förderhübe zu den Einspritzungen in Grad Nockenwinkel kann zur weiteren Steigerung der Genauigkeit der Einspritzmenge bei der Montage der Pumpe über eine definierte Zuordnung der Drehwinkel von Nockenwelle und Pumpenantriebswelle erfolgen. Hochdruckpumpen für druckübersetzte Common Rail Systeme müssen bei gleichem Einspritzmengenbedarf prin zipbedingt und wegen der größeren Steuermengen für den
Injektor eine höhere Fördermenge liefern als Pumpen für nichtübersetzte Systeme. Aufgrund der Druckerhöhung im Injektor kann die Pumpe allerdings auf einem niedrigeren Druckniveau fördern, wodurch die größere Bauteilbelastung durch die Fördermengenerhöhung teilweise kompensiert wird.
Mengensteuerung Aufgrund der eingangs genannten Auslegungskriterien för dert die Hochdruckpumpe üblicherweise wesentlich mehr Kraftstoff als von Motor bzw. System benötigt wird, insbeson dere im Teillastbetrieb des Motors. Dies führt ohne regelnde Maßnahmen zu unnötig hohem Leistungsaufwand bei der Hochdruckerzeugung. Dieser resultiert in einer Aufheizung des Kraftstoffsystems, welche u. a. schädlich wegen der nach lassenden Schmierwirkung des heißen Kraftstoffs ist. Zur Anpassung der Fördermenge an den Motorbedarf wird in modernen Hochdruckpumpen die sog. Saugdrossel regelung eingesetzt. Bei dieser wird in den Zulaufkanal der Pumpenelemente eine elektrisch verstellbare Drossel einge baut, die sog. Zumesseinheit, deren Aufbau im Bild 5‑32 dargestellt ist. Der Kolben eines Magnetventils (10) gibt abhängig von seiner Stellung einen Strömungsquerschnitt frei, wobei die Ansteuerung mittels eines pulsweiten modulierten elektrischen Signals erfolgt, dessen Tastverhält nis in einen entsprechenden Ansaugquerschnitt umgesetzt wird. Im Teillastbetrieb des Motors werden über den dann angedrosselten Zulaufkanal die Pumpenzylinder nicht voll ständig befüllt, wobei in letzteren in bestimmten Betriebszu ständen Kraftstoffdampf entsteht und die Förderleistung der Pumpe insgesamt abnimmt. Bei der Aufwärtsbewegung des Pumpenkolbens bricht zunächst die im Pumpenzylinder entstandene Dampfblase zusammen, bevor dann im Teilhub Druckaufbau und Kraftstoffförderung ins Rail beginnen. Der schlagartige Druckaufbau nach dem Zusammenfall der Dampfblase in den Pumpenzylindern bewirkt eine erhöhte Triebwerksbelastung gegenüber Pumpen ohne Saugdrossel regelung.
Hauptbauarten für Pkw Die für Pkw eingesetzten Radialkolben-Hochdruckpumpen sind ausnahmslos kraftstoffgeschmiert, was durch die gerin gere Schmierfähigkeit gegenüber Motoröl höchste Anforde rungen an die Oberflächenqualität der an der Hochdrucker zeugung beteiligten Bauelemente stellt. Die Kraftstoffschmie rung vermeidet sicher eine Fluidvermischung von Kraftstoff und Motoröl, die wegen der Gefahr der Ölverdünnung und Düsenverkokung durch Ölanteile im eingespritzten Kraft stoff unerwünscht ist.
172 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-33 Common Rail-Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe, Typ CP3, Robert Bosch GmbH. 1 Pumpenflansch; 2 Tassenstößel; 3 Exzenterwelle; 4 Po‑ lygon auf Exzenter; 5 Pumpenkolben; 6 Ansaug-Rückschlagventil; 7 Mono‑ block-Gehäuse; 8 Zahnrad-Vorförderpumpe; 9 Hochdruckanschluss zum Rail; 10 Hochdruck-Rückschlagventil; 11 Rücklaufanschluss zum Tank; 12 Zumess‑ einheit; 13 Niederdruckanschluss
Bild 5-32 Aufbau einer Zumesseinheit. 1 Stecker mit elektrischer Schnitt‑ stelle; 2 Magnetgehäuse; 3 Lager; 4 Anker mit Stößel; 5 Wicklung mit Spulen‑ körper; 6 Topf; 7 Restluftspaltscheibe; 8 Magnetkern; 9 O-Ring; 10 Kolben mit Steuerschlitzen; 11 Feder; 12 Sicherungselement
CommonRail-Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe. Die ses eingangs schon beschriebene Pumpenprinzip zeichnet sich durch eine sehr gleichmäßige Kraftstoffförderung mit drei um 120 Grad Exzenterwinkel versetzten, sinusartigen Fördervorgängen aus, die zu einem sehr konstanten Verlauf des Antriebsdrehmoments der Pumpe führt. Drehmoment spitzen bei Common Rail-Pumpen sind um den Faktor fünf bis acht niedriger als bei Verteilerpumpen oder Unit Injec toren mit ihrem stark schwellenden, impulsartigen Drehmo ment, wodurch der Pumpenantrieb kostengünstiger ausge legt werden kann. Die im Common Rail System nötigen Reserve-Fördermengen führen allerdings im Vergleich zu einem höheren mittleren Drehmoment. Bild 5‑33 zeigt mit dem Typ CP3 der Fa. Bosch eine cha rakteristische Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe mit Saugdrosselregelung (12) und direkt an das Pumpengehäu
se angeflanschter Außenzahnradpumpe (8) zur KraftstoffVorförderung. Im Gegensatz zum Typ CP1 (ohne Saugdros selreglung) wird die Bewegung des Polygons nicht direkt auf die Kolben übertragen, sondern auf dazwischen ange ordnete Tassenstößel (2), die die reibungsbedingten Quer kräfte von den Kolben (5) fernhalten und in das Pumpen gehäuse (7) ableiten. Dadurch können die Kolben höher belastet werden, so dass derart ausgestattete Pumpen für höhere Druckbereiche und größere Fördermengen geeignet sind. Beim Typ CP3 befinden sich die Niederdruckkanäle hauptsächlich in dem in Aluminium ausgeführten Pumpen flansch (1), der das kundenspezifische Schnittstellen-Bauteil zum Motor darstellt und verschraubt ist mit dem Schmie destahl-Gehäuse in Monoblock-Bauweise (7). Dieses erzielt eine hohe Druckfestigkeit bei allerdings großem Bearbei tungsaufwand für die langen Hochdruck-Bohrungen inner halb des sehr schwer zerspanbaren Gehäusewerkstoffs. Common Rail Ein- und Zweikolben-Radial-Hochdruckpumpe. Bei neuen Hochdruckpumpen-Entwicklungen, ins besondere für kleine und mittelgroße Pkw‑Motoren, wird zur Kostenoptimierung die Anzahl der Pumpenelemente auf zwei und sogar auf eins reduziert. Als Maßnahmen zur Kom
5.3 Einspritzsysteme 173 pensation der dadurch reduzierten Fördermenge kommen zur Anwendung (ggf. auch in Kombination): – vergrößerte Zylindervolumina (wodurch sich bei vergrö ßertem Kolbendurchmesser Wirkungsgradnachteile ergeben), – Drehzahlerhöhung (durch angepasstes Antriebsüberset zungsverhältnis), – Antriebswelle mit Doppelnocken statt Exzenterwelle mit Polygon (dadurch Verdoppelung der Kolbenhübe pro Antriebswellenumdrehung). Zur Erzielung eines gleichmäßigen Förderstroms weisen die Pumpenelemente von Zweikolben-Pumpen abhängig vom Antriebskonzept eine Kröpfung von 90 oder 180 Grad auf. Der Pumpentyp CP4 (Bild 5‑34) besitzt zwei Kolben in 90 Grad-Anordnung und eine Antriebswelle mit Doppel nocken. Zur Vermeidung von Punktkontakt zwischen Nocken (6) und Tassenstößel (8) muss zwischen diesen ein weiteres Übertragungsglied eingefügt werden, bei dieser Bauart eine im Stößel gelagerte, auf dem Nocken ablaufende Rolle (7).
Die dargestellte Pumpe wird auch als Einkolbenvariante hergestellt; diese kann vorteilhaft mit einem Übersetzungs verhältnis von 1 angetrieben werden, wodurch sich bei 4‑Zylinder-Motoren eine elementsynchrone Förderung ergibt und zudem die geringe Kolbenzahl hinsichtlich För dermenge gut kompensiert wird.
Hauptbauarten für Nkw Die bisher beschriebenen Pumpen kommen auch im Nutz fahrzeugbereich zum Einsatz, insbesondere im Light- und Medium Duty-Anwendungsbereich. Die im Heavy Duty-Be reich verwendeten Pumpen werden mit Rücksicht auf die großen Belastungen durch die hohen notwendigen Förder mengen und Lebensdauern oft ölgeschmiert ausgelegt. Dies ist möglich, weil sich eine eventuelle Düsenlochverkokung durch Ölanteile im Kraftstoff wegen der größeren Spritzloch durchmesser in geringerem Maße auswirkt. Common Rail Reihen-Hochdruckpumpe. Für sehr große Nutzfahrzeugmotoren, bei denen oft auch Einbaukompatibi lität mit konventionellen Reihenpumpen (s. Abschn. 5.3.2) gefordert wird, kommen Pumpen wie in Bild 5‑35 (Typ CP2, Fa. Bosch) zur Anwendung: es handelt sich um eine Zweikol benpumpe in Reihenbauart mit nebeneinander angeord neten Pumpenelementen. Die Fördermengenregelung über nimmt eine zwischen Vorförderpumpe (5) und Ansaug ventilen angeordnete Zumesseinheit (2) in der bereits oben beschrieben Weise. Der Kraftstoffzulauf zu den Verdich tungsräumen und die Weiterleitung des verdichteten Kraft stoffs ins Rail erfolgen bei dieser Pumpe über kombinierte Ein/Auslassventile (7).
5.3.5.5
Rail und Anbaukomponenten
Funktion Rail Speichereinspritzsysteme verfügen über einen Hochdruck speicher, auch (Common) „Rail“ genannt. Dem Rail kom men die Hauptfunktionen – Kraftstoff unter Hochdruck speichern und – Kraftstoff auf die Injektoren verteilen zu.
Bild 5-34 Common Rail-Zweikolben-Radial-Hochdruckpumpe, Typ CP4, Robert Bosch GmbH. 1 Zumesseinheit; 2 Zylinderkopf; 3 Pumpenflansch; 4 Antriebswelle; 5 Aluminium-Gehäuse; 6 Doppelnocken; 7 Rolle; 8 Tassen‑ stößel; 9 Pumpenkolben; 10 Hochdruckanschluss zum Rail; 11 HochdruckRückschlagventil; 12 Ansaug-Rückschlagventil
Dabei beinhalten diese beiden Hauptfunktionen auch die Dämpfung von Druckschwankungen bei der Befüllung und Entnahme von Kraftstoff aus dem Rail. Die zulässige Raildruckschwankung stellt ein Auslegungskriterium beim Rail dar. Überdies erfüllt das Rail auch die Nebenfunk tionen: – Anbauort von Sensoren und Aktoren im Hochdruck kreis
174 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-35 Common Rail-Zweikolben-Reihen-Hochdruck‑ pumpe für Nkw, Typ CP2, Robert Bosch GmbH. 1 Nullförderdrossel; 2 Zumesseinheit; 3 Hohlrad; 4 Ritzel; 5 Zahnrad-Vorförderpumpe; 6 Hoch‑ druckanschluss; 7 zweiteiliges Ein-/Auslassventil; 8 C‑beschichteter Kolben; 9 Kolbenfeder; 10 Ölzu‑ laufbohrung; 11 C‑beschichteter Rollenbolzen; 12 konkaver Nocken
– Drosselelementen zur Dämpfung von Leitungsdruck schwingungen zwischen Hochdruckpumpe und Rail sowie den Injektoren und Rail, – Verbindungselement der Komponenten im Hochdruckkreis des Common Rail Systems, wie Hochdruckpumpe, Injektoren über die Hochdruckleitungen. Der von der Hochdruckpumpe verdichtete Kraftstoff gelangt über eine Hochdruckleitung zum Rail, wird dort gespeichert und über weitere Hochdruckleitungen, die mit den Injek toren verbunden sind, auf diese verteilt. Durch das gespei cherte Volumen im Rail, in Verbindung mit der Kompressi bilität des Kraftstoffs, ist das Rail in der Lage Druckschwan kungen, die durch Entnahme und Zufluss zum Rail hervor gerufen werden, zu dämpfen. Der Druck im Rail hängt somit von den Verbrauchern und der Pumpe die ans Rail ange schlossen sind und dem Speicherverhalten des Rails selbst ab. Der aktuelle Druck im Rail wird vom Raildrucksensor gemessen, Stellgrößen zur Beeinflussung des Raildrucks sind neben der Pumpe und den Injektoren das Druckregelventil, welches am Rail selbst oder an der Hochdruckpumpe ange baut sein kann.
Auslegung Rail Die Auslegung des Rails folgt dem Zielkompromiss mög lichst große Speicherfähigkeit und damit Dämpfung über ein
großes Volumen darzustellen, um den Raildruck konstant zu halten und andererseits möglichst dynamisch auf Raildrucksollwertänderungen zu reagieren. Etwa beim Druck aufbau im Start oder dynamischen Lastwechseln des Motors, wobei hier große Druckaufbau‑ und Abbaugeschwindig keiten je nach Laständerung gefordert sein können. Hier wäre ein möglichst kleines Hochdruckvolumen optimal. Mit Hilfe von Simulationen des Gesamtsystems an repräsenta tiven Lastpunkten und Verifikation an hydraulischen Prüfständen wird das minimal erforderliche Railvolumen als Funktion der Haupteinspritzmenge, bei gegebener Motor konfiguration ermittelt. Tabelle 5‑2 zeigt typische Ausle gungen für das Railvolumen für Serienapplikationen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass etwa durch die Randbedingung gleicher Leitungslängen im Hochdrucksystem zur Vermei dung von Zyl./Zyl.-Streuungen, die Länge des Rails motor seitig vorgegeben sein kann. Weitere Aspekte stellen der fahrzeugseitig vorgegeben Bauraum und Fertigungsaspekte beim Rail dar. Somit liegt das tatsächlich gewählte Railvolu men oft über dem funktional vorgegebenen Minimalvolu men, ohne dabei die geforderten Dynamikanforderungen merklich zu unterschreiten. Die an den Railabgängen angebrachten Dämpfungsdros seln sind als Kompromiss zwischen kleinstmöglichem Druckabfall und größtmöglicher Dämpfung der Reflexions wellen zwischen Rail und dem Verbrauchern ausgelegt. Funktional dienen die Drosselelemente zur Belastungsredu
5.3 Einspritzsysteme 175
Tabelle 5-2 Serienauslegungen für typische Applikationen Pkw-Motor
QE, max. [mm3/H]
Drossel-Ø [mm]
V RAK [ccm]
VHD gesamt [ccm]
Anzahl Rail
Verbindungsrail/-leitung
R4 R6 V6 V8 Nkw-Motor R4 R6
~ 80 ~ 80 ~ 80 ~ 90
0,85 0,85 0,85 0,85
~ 25 ~ 35 ~ 20 ~ 25
~ 20 ~ 40 ~ 50 ~ 60
1 1 2 2
– – JA JA
~ 200 ~ 450
0,85 0,85…1,3
14…20 20…40
20…30 35…65
1 1
– –
zierung der Pumpe und der Injektoren, sowie der Dämp fung von Leitungsdruckschwankungen, die bei Mehr facheinspritzung die Zumessgüte vermindern können.
Bauarten Rail Die gewählte Bauform des Rails hängt maßgeblich von den Motorgegebenheiten und der Ausführung des Common Rail Systems selbst ab. Bild 5‑36 zeigt ein typisches 4‑Zylinder Rail für ein Pkw Common Rail System mit angebautem Druckregelventil und Raildrucksensor. Je nach Fertigungs konzept sind Rails aus Schmiedrohlingen oder Rohrhalbzeu gen ausgeführt. Die bei der Spanbearbeitung auftretenden Verschneidungen werden i. d. R. verrundet, um die gefor derte Festigkeit zu erreichen. Die eingangs erwähnten Dämp fungsdrosseln an den Hochdruckabgängen zu Injektor und Pumpe können gebohrt oder als separate Bauteile eingepresst werden. Bei Reihenmotoren wird im System ein Rail einge setzt, während bei V-Motoren üblicherweise pro Zylinder bank des Motors ein Rail zum Einsatz kommt. Die spezielle Ausführung ist wieder motorabhängig und kann Ausgleichs leitungen zwischen den Rails oder gar Verbindungsrails ent halten, die eine möglichst gleiche Druckverteilung zwischen den Motorbänken und -zylindern sicherstellt.
Bild 5-36 Typisches Rail mit Anbaukomponenten für eine Pkw 4‑Zyl. Applikation
Raildrucksensor Der Raildrucksensor dient zur Erfassung des aktuellen Rail drucks, der Sensor ist am Rail verbaut und elektrisch mit dem Steuergerät verbunden. Weitere Ausführungen sind in Abschn. 6.3 Sensoren zu finden.
Druckregelventil Das Druckregelventil hat die Aufgabe als hochdruckseitiger Steller im Hochdruckregelkreis den Raildruck einzustellen. Dies geschieht durch Veränderung eines Querschnitts im Druckregelventil, über den je nach anstehendem Druck und elektrischem Strom mehr oder weniger Kraftstoff von Hoch druck auf Niederdruck abgesteuert wird. Das Ventil ist vor zugsweise am Rail angebaut und speist seine Absteuermenge in den Niederdruckkreis des Common Rail Systems ein. Bild 5‑37 zeigt den Aufbau und die funktionsbestimmenden Bauteile. Der Ventilkörper beherbergt einen Ventilsitz, der über einem Drosselquerschnitt angeströmt wird. Die Ventilkugel steht im Kräftegleichgewicht der hydraulischen Kraft infolge der Anströmung, sowie der Federkraft und Magnetkraft, die über den Magnetventilbolzen auf die Kugel eingebracht
176 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-38 Schnitt durch ein Druckbegrenzungsventil mit Notlauffunktion
Bild 5-37 Schnitt durch ein Druckregelventil
werden. Erhöht sich die hydraulische Kraft infolge größerer Durchsätze über den Ventilquerschnitt, so lenkt diese die Kugel und damit den Magnetventilbolzen stärker aus, was zu einer Erhöhung der Federkraft und somit zu einer pro portionalen Gegenkopplung führt. Soll einem größeren mittleren Druck Stand gehalten werden, prägt das Steuerge rät durch Pulsweitenmodulation dem Magneten einen höheren mittleren Strom auf, was die Magnetkraft erhöht. Im regelungstechnischen Sinne handelt es sich bei dieser Ventilausführung um ein PI‑Glied, das über eine langsame integrative Führungsgröße und eine schnelle proportionale Störgrößenaufschaltung verfügt. Damit werden hochdyna mische Druckschwankungen proportional ausgeglichen und über den Integrator in der Regelkaskade die bleibende Regelabweichung zu null geführt. Um ungewünschte Hystereseeffekte auszuschließen, wird dem Stromsignal eine Dither-Frequenz überlagert, die den Magnetbolzen stets in Bewegung halten. Die Frequenz ist so gewählt, dass der aktuelle Raildruck davon nicht negativ beeinflusst wird. Bei typischen 4‑Zylinder Pkw-Applikationen liegen je nach Arbeitspunkt des Druckregelventils die Durchfluss werte zwischen 0 und 120 l/h und die mittleren elektrischen Strömen < 1,8 A bei Drücken zwischen 250 und 1800 bar.
Druckbegrenzungsventil Das Druckbegrenzungsventil (Bild 5‑38) kommt vorzugs weise bei Nutzfahrzeuganwendungen zum Einsatz, die zum einen über keinen hochdruckseitigen Steller im Druckregel kreis verfügen und zum anderen Notfahreigenschaften des Motors und damit eingeschränkte Betriebsarten des Ein
spritzsystems fordern. Daraus ergeben sich für das Druckbe grenzungsventil die Hauptfunktionen im Fehlerfall des Hochdruckregelkreises in – Systemdruck auf einen Maximalwert begrenzen und – gesteuerten Raildruck im eingeschränkten Bereich gewährleisten. Das Druckbegrenzungsventil ist am Rail eingeschraubt und steht mit einem federbelasteten Ventilbolzen über einen Dichtsitz mit dem hochverdichteten Kraftstoff in Kontakt. Auf der Rückseite des Dichtsitzes ist das Ventil über eine Leitung mit dem Niederdruckrücklauf des Common Rail Systems verbunden. Bewegt sich der Raildruck innerhalb des zulässigen Bereichs bleibt das Ventil durch die aufge prägte Federkraft verschlossen und ist gegenüber dem Rücklauf dicht. Tritt im Fehlerfall eine Überschreitung des max. zulässigen Railrucks auf, öffnet der Ventilbolzen, be grenzt den Systemdruck und regelt über die Arbeitsbewe gung eines zweiten Ventilkolbens den Hochdruck durch flussgängig. Die Druck-Durchflusskennlinie ergibt sich aus einer Kantensteuerung des koaxial zum Ventilkolben ange ordneten Steuerkolbens zur Niederdruckseite. Durch Feh lererkennung im Steuergerät kann die Fördermenge der Hochdruckpumpe über die Motordrehzahl so eingehalten werden, dass der Notlaufdruck im Rail der Durchflusskenn linie des Druckbegrenzungsventils folgt. Die Auslegung dieser Notlaufkennlinie erfolgt so, dass sich der Notlauf druck in motorisch sinnvollen Grenzen aufhält, um ein Nutzfahrzeug in einem eingeschränkten Lastbereich zu be treiben.
5.3.5.6
CR-Injektoren
Common Rail Injektoren werden für Pkw- und Nkw-Sys teme mit gleicher Grundfunktion eingesetzt. Der Injektor besteht primär aus Einspritzdüse (siehe Abschn. 5.2. Ein
5.3 Einspritzsysteme 177 spritzdüsen), Haltekörper, Steuerventil, Steuerraum. Der Steller des Steuerventils wird als Magnet- oder Piezoaktor ausgeführt. Beide Steller ermöglichen Mehrfacheinsprit zung. Der Vorteil des Piezoaktors mit seiner großen Schalt kraft und seiner kurzen Schaltzeit lassen sich nur nutzen, wenn das Injektordesign darauf optimiert wurde. Beim Common Rail Dieseleinspritzsystem sind die Injek toren über kurze Hochdruck-Kraftstoffleitungen mit dem Rail verbunden. Die Abdichtung der Injektoren zum Brenn raum erfolgt über eine Kupferdichtscheibe. Die Injektoren werden über Spannelemente im Zylinderkopf angebracht. Die Common Rail Injektoren sind je nach Ausführung der Einspritzdüsen für den Gerade- oder Schrägeinbau in Die selmotoren mit Direkteinspritzung geeignet. Die Charakteristik des Systems ist die Erzeugung von Ein spritzdruck, unabhängig von der Motordrehzahl und der Ein spritzmenge. Spritzbeginn und Einspritzmenge werden mit dem elektrisch ansteuerbaren Injektor gesteuert. Der Einspritz zeitpunkt wird über das Winkel-Zeit-System der Elektro nischen Dieselregelung (EDC) gesteuert. Hierzu sind an der Kurbelwelle und zur Zylindererkennung (Phasenerkennung) an der Nockenwelle zwei Sensoren notwendig. Derzeit sind verschiedene Injektortypen im Serienein satz: – Magnetventil(MV)-Injektor mit ein-, zweiteiligem Anker (Bosch), – Inline-MV Injektor (Delphi), – Piezo-Injektor Top Head (Siemens), – Piezo-Injektor Inline (Bosch, Denso).
Magnetventil-Injektor Aufbau Der Injektor kann in verschiedene Funktionsgruppen auf geteilt werden: – die Lochdüse (s. Abschn. 5.2), – das hydraulische Servosystem und – das Magnetventil. Der Kraftstoff wird vom Hochdruckanschluss (Bild 5‑39, Pos. 13) über einen Zulaufkanal zur Einspritzdüse sowie über die Zulaufdrossel (14) in den Ventilsteuerraum (6) ge führt. Der Ventilsteuerraum ist über die Ablaufdrossel (12), die durch ein Magnetventil geöffnet werden kann, mit dem Kraftstoffrücklauf (1) verbunden. Arbeitsweise Die Funktion des Injektors lässt sich in vier Betriebszustände bei laufendem Motor und fördernder Hochdruckpumpe un terteilen:
– Injektor geschlossen (mit anliegendem Hochdruck), – Injektor öffnet (Einspritzbeginn), – Injektor geöffnet und – Injektor schließt (Einspritzende). Diese Betriebszustände stellen sich durch die Kräftevertei lung an den Bauteilen des Injektors ein. Bei nicht laufendem Motor und fehlendem Druck im Rail schließt die Düsenfeder den Injektor. Injektor geschlossen (Ruhezustand). Der Injektor ist im Ruhezustand nicht angesteuert (Bild 5‑39a). Die Magnetven tilfeder (11) presst die Ventilkugel (5) in den Sitz der Ablauf drossel (12). Im Ventilsteuerraum baut sich der Hochdruck des Rail auf. Derselbe Druck steht auch im Kammervolu men (9) der Düse an. Die durch den Raildruck auf die Stirn flächen des Steuerkolbens (15) aufgebrachten Kräfte und die Kraft der Düsenfeder (7) halten die Düsennadel gegen die öffnende Kraft, die an deren Druckschulter (8) angreift, ge schlossen. Injektor öffnet (Einspritzbeginn). Der Injektor befindet sich in Ruhelage. Das Magnetventil wird mit dem ,,Anzugs strom“ angesteuert, was einem schnellen Öffnen des Magnet ventils dient (Bild 5‑39, b). Die erforderlichen kurzen Schalt zeiten lassen sich durch eine entsprechende Auslegung der Ansteuerung der Magnetventile im Steuergerät mit hohen Spannungen und Strömen erreichen. Die magnetische Kraft des nun angesteuerten Elektromag neten übersteigt die Federkraft der Ventilfeder. Der Anker hebt die Ventilkugel vom Ventilsitz und öffnet nun die Ablaufdrossel. Nach kurzer Zeit wird der erhöhte Anzugs strom auf einen geringeren Haltestrom des Elektromagneten reduziert. Mit dem Öffnen der Ablaufdrossel kann nun Kraftstoff aus dem Ventilsteuerraum in den darüber liegen den Hohlraum und über den Kraftstoffrücklauf zum Kraft stoffbehälter abfließen. Die Zulaufdrossel (14) verhindert einen vollständigen Druckausgleich, so dass der Druck im Ventilsteuerraum sinkt. Dies führt dazu, dass der Druck im Ventilsteuerraum kleiner ist als der Druck im Kammervolu men der Düse, der noch immer das Druckniveau des Rail hat. Der verringerte Druck im Ventilsteuerraum bewirkt eine verringerte Kraft auf den Steuerkolben und führt zum Öffnen der Düsennadel. Die Einspritzung beginnt. Injektor geöffnet. Die Öffnungsgeschwindigkeit der Dü sennadel wird vom Durchflussunterschied zwischen der Zu- und Ablaufdrossel bestimmt. Der Steuerkolben erreicht seine obere Position und verharrt dort auf einem Kraftstoff polster (hydraulischer Anschlag). Das Polster entsteht durch den Kraftstoffstrom, der sich zwischen der Zu- und Ablauf
178 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-39 Magnetventil-Injektor (Funktionsprinzip). a Ruhezustand; b Injektor öffnet; c Injektor schließt; 1 Kraftstoffrücklauf; 2 Magnetspule; 3 Überhubfeder; 4 Magnetanker; 5 Ventilkugel; 6 Ventilsteuerraum; 7 Düsenfeder; 8 Druckschulter der Düsennadel; 9 Kammervolumen; 10 Spritzloch; 11 Magnetventilfeder; 12 Ablauf‑ drossel; 13 Hochdruckanschluss; 14 Zulaufdrossel; 15 Ventilkolben (Steuerkolben); 16 Düsennadel
drossel einstellt. Die Injektordüse ist nun vollständig ge öffnet. Der Kraftstoff wird mit einem Druck, der annähernd dem Druck im Rail entspricht, in den Brennraum einge spritzt. Die eingespritzte Kraftstoffmenge ist bei gegebenem Druck proportional zur Einschaltzeit des Magnetventils und unab hängig von der Motor‑ bzw. Pumpendrehzahl (zeitgesteuerte Einspritzung). Injektor schließt (Einspritzende). Ist das Magnetventil stromlos, drückt die Ventilfeder den Anker nach unten, die Ventilkugel verschließt daraufhin die Ablaufdrossel (Bild 5‑39, c). Durch das Verschließen der Ablaufdrossel baut sich im Steuerraum über den Zufluss der Zulaufdrossel
wieder Raildruck auf. Dieser Druck übt eine erhöhte Kraft auf den Steuerkolben aus. Die Kraft aus dem Ventilsteuer raum und die Kraft der Düsenfeder überschreiten nun die von unten wirkende Kraft auf die Düsennadel und die Dü sennadel schließt. Der Durchfluss der Zulaufdrossel be stimmt die Schließgeschwindigkeit der Düsennadel. Die Einspritzung endet, wenn die Düsennadel den Düsenkör persitz wieder erreicht und somit die Spritzlöcher ver schließt. Diese indirekte Ansteuerung der Düsennadel über ein hydraulisches Kraftverstärkersystem wird eingesetzt, weil die zu einem schnellen Öffnen der Düsennadel benötigten Kräfte mit dem Magnetventil nicht direkt erzeugt werden können. Die dabei zusätzlich zur eingespritzten Kraftstoff
5.3 Einspritzsysteme 179 menge benötigte „Steuermenge“ gelangt über die Drosseln des Steuerraums in den Kraftstoffrücklauf. Zusätzlich zur Steuermenge gibt es Leckagemengen an der Düsennadelund der Ventilkolbenführung. Die Steuer- und die Leckage mengen werden über den Kraftstoffrücklauf mit einer Sammelleitung, an die auch Überströmventil, Hochdruck pumpe und Druckregelventil angeschlossen sind, wieder in den Kraftstoffbehälter zurückgeführt.
Piezo- Injektoren Bekannt sind zwei Typen von Piezoinjektoren – CR-Injektor Tophead (Siemens), – CR-Injektor Inline (Bosch, Denso). Die Funktion des CR-Injektors Tophead entspricht der Funk tion des CR-Injektors mit MV von Bosch. Beim CR-Injektor mit Piezoaktor muss der Temperaturgang des Aktors aus Ke ramik gegenüber dem Gehäuse ausgeglichen werden. Beim Tophead Injektor übernimmt diese Funktion das Aktorge häuse, beim Inline Piezo übernimmt das der hydraulische Koppler. Die folgenden Abschnitte beschreiben die Funktion des Inline Injektors im Detail. Aufbau und Funktion eines Piezo-Inline-Injektors Der Aufbau des Piezo-Inline-Injektors gliedert sich in die Baugruppen (siehe Bild 5‑40) – Aktormodul (3), – hydraulischer Koppler oder Übersetzer (4), – Steuer- oder Servoventil (5) und – Düsenmodul (6). Bei der Auslegung des Injektors wurde darauf geachtet, dass eine hohe Gesamtsteifigkeit innerhalb der Stellerkette aus Aktor, hydraulischem Koppler und Steuerventil erreicht wird. Eine weitere konstruktive Besonderheit ist die Vermei dung von mechanischen Kräften auf die Düsennadel, wie sie bei Tophead-Injektoren (Magnet oder Piezo) über eine Druckstange auftreten können. Insgesamt konnten die be wegten Massen und die Reibung stark reduziert und damit Stabilität und Drift des Injektors gegenüber anderen Syste men verbessert werden. Zusätzlich bietet das Einspritzsystem die Möglichkeit, sehr kurze Abstände zwischen den Einspritzungen zu realisieren. Die Anzahl und Ausgestaltung der Kraftstoffzumessung kann derzeit bis zu sieben Einspritzungen pro Einspritzzyk lus umfassen und somit den Erfordernissen an den Motor betriebspunkten angepasst werden. Durch die enge Kopplung des Servoventils (5) an die Düsennadel wird eine unmittelbare Reaktion der Nadel auf die Betätigung des Aktors erzielt. Die Verzugszeit zwischen
Bild 5-40 Konstruktive Ausführung des Piezo-Inline-Injektors, Bauart Bosch. 1 Kraftstoffrücklauf; 2 Hochdruckanschluss; 3 Piezo-Stellmodul; 4 hy‑ draulischer Koppler (Übersetzer); 5 Servoventil (Steuerventil); 6 Düsenmodul mit Düsennadel; 7 Spritzloch
dem elektrischen Ansteuerbeginn und der hydraulischen Reaktion der Düsennadel beträgt etwa 150 Mikro-Sekun den. Dadurch können die gegensätzlichen Anforderungen hohe Nadelgeschwindigkeiten mit gleichzeitiger Realisie rung kleinster reproduzierbarer Einspritzmengen erfüllt werden. Prinzipbedingt beinhaltet der Injektor darüber hinaus keine direkten Leckagestellen vom Hochdruckbereich in den Niederdruckkreis. Eine Steigerung des hydraulischen Wirkungsgrads des Gesamtsystems ist die Folge.
180 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik Ansteuerung des Piezo-Inline-Injektors Die Ansteuerung des Injektors erfolgt über ein Motorsteuer gerät, dessen Endstufe speziell für diese Injektoren entwickelt wurde. Abhängig vom Raildruck des eingestellten Betriebs punkts wird ein Sollwert für Spannung des Aktors vergeben. Die Bestromung erfolgt pulsförmig (Bild 5‑41) bis eine mini male Abweichung zwischen Soll- und Regelspannung erreicht wird. Der Spannungsanstieg wird proportional in den Hub des Piezoaktors umgesetzt. Über die hydraulische Überset zung erzeugt der Aktorhub einen Druckanstieg im Koppler, bis das Kraftgleichgewicht am Schaltventil überschritten wird und das Ventil öffnet. Sobald das Schaltventil seine Endposi tion erreicht hat, beginnt nun der Druck im Steuerraum über der Nadel zu sinken und die Einspritzung erfolgt.
Prinzipbedingte Vorteile des Piezo-Inline-Injektors gegenüber dem MV-Injektor sind: – Mehrfacheinspritzung mit flexiblem Einspritzbeginn und Abständen zwischen den Einzeleinspritzungen, – Darstellung sehr kleiner Einspritzmengen für die Vor einspritzung, – niedrige Baugröße und Gewicht des Injektors (270 g gegenüber 490 g).
Bild 5-41 Ansteuersequenzen des Piezo-Inline-Injektors für eine Einspritzung. a Strom- und Span‑ nungsverlauf bei Ansteuern des Injektors; b Verlauf des Ventilhubs und des Koppler‑ drucks; c Verlauf des Ventilhubs und der Ein‑ spritzrate
5.3 Einspritzsysteme 181
5.3.5.7
Zumessfunktionen
Definition und Zielsetzung Der Begriff Zumessfunktionen umfasst Steuer- und Regel strukturen im elektrischen Steuergerät, die in Verbindung eines monotonen Injektorverhaltens die geforderte Zumess genauigkeit bei der Einspritzung sicherstellen. Die Funk tionen nutzen ein gezielt entwickeltes Verhalten der Ein spritzhydraulik und verwenden zur präzisen Mengenzumes sung Signale vorhandener Sensoren als Hilfsgröße sowie modellbasierte Ansätze, die auf den physikalischen Erhal tungsgesetzen beruhen. Der Einsatz solcher Funktionen wird durch die zuneh mend schärfer formulierten Lastenhefte an die Kraftstoffzu messung getrieben, die wiederum aus den dieselmoto rischen Entwicklungszielen herrühren. Nämlich stets nied rigere Rohemissionen bei gleichzeitig höheren Komfortund Leistungsansprüchen mit konkurrenzlos niedrigem Verbrauch. Der Ansatz, die geforderten Genauigkeiten bei der Kraftstoffzumessung an die Hydraulikkomponenten selbst zu stellen und diese über die Lebensdauer einhalten zu wollen, hat sich als unwirtschaftlich erwiesen.
Bild 5-42 Zumessfunktionen für Pkw-Applikationen ab EU4
Übersicht Bild 5‑42 zeigt eine Übersicht der vier wichtigsten Zumess funktionen zur Erreichung der geforderten Zumesstole ranzen für EU4‑Applikationen sowie zukünftige Emissions standards weltweit. Während die Funktion Injektormengenabgleich – IMA die Fertigungstoleranzen der Einspritzinjektoren im Neuzu stand ausgleicht, korrigiert die Druckwellenkompensation – DWK modellbasiert den Mengeneinfluss von Druckwel len bei Mehrfacheinspritzung. Beide Funktionen arbeiten gesteuert und benötigen als Eingangsgrößen Ergebnisse aus Messungen am Hydrauliksystem. Die Nullmengenkalibrierung – NMK nutzt die Hilfsgrö ße Drehzahländerung, um die Kleinstmenge eines Injektors in situ über der Laufzeit zu lernen. Gestützt auf das λ‑Signal ermittelt die Mengenmittelwertadaption – MMA die nöti ge Luftmasse zur im Mittel eingespritzten Kraftstoffmenge. Beide letztgenannten Funktionen sind adaptive Mengenre gelfunktionen, die sich vorhandener Hilfsgrößen aus Sen sorsignalen bedienen.
182 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Injektormengenabgleich – IMA (Bild 5-43)
Druckwellenkorrektur – DWK (Bild 5-44)
Die Funktion verwendet Messergebnisse der Nassprüfung im Werk nach der Endmontage der Einspritzinjektoren. Hier wird jeder Injektor z. B. an vier Prüfpunkten (Ansteuerdauer, Druck) bezüglich seiner Einspritzmenge vermessen und das Ergebnis mit dem Sollwert am jeweiligen Messpunkt ver glichen. Diese Information wird gespeichert und in Form eines Data-Matrix Codes auf dem Injektor gespeichert. Kennt man die relative Abweichung des individuellen Injektors an seinen Prüfpunkten zum mittelwertigen Injektor, dessen Kennfeld im Steuergerät abgespeichert ist, so lässt sich auf Basis dieser Information der individuelle Injektor auf das Kennfeld des Mittleren korrigieren. Voraussetzung dafür ist, dass das individuelle Injektorverhalten auf Basis der vier Prüfpunkte, etwa über Korrelationsfaktoren, das gesamte Kennfeld ausreichend genau beschreibt. Diese Korrelations faktoren sind für alle Injektoren des gleichen Typs zusam men mit dem mittleren Mengenkennfeld im Steuergerät ab gelegt. Die individuelle Information über das Verhalten eines individuellen Injektors gelangt mittels Einlesen des DataMatrix Codes in den beschreibbaren Speicher des Steuerge räts. Dies erfolgt am Bandende in der Fahrzeugproduktion. Zusammenfassend stellt die IMA eine effiziente Methode zur Gleichstellung der Einspritzinjektoren hinsichtlich ihrer Einspritzmengen auf Basis deren Prüfwerte dar. Insgesamt erlaubt die Methode eine „Win‑Win“‑Strategie im Sinne der Erhöhung der Zumessgenauigkeit und höherer Fertigungs ausbringung bei erweiterten Einstelltoleranzen, was sich positiv auf die Kosten auswirkt.
Mehrfacheinspritzungen, mit variablen Positionen der je weiligen Einspritzereignisse sowie die Applikation dieser an unterschiedlichen Lastpunkten des Motors, was wiederum unterschiedliche Drücke und Einspritzmassen bedeutet, ist zur Erreichung der Emissions- und Komfortziele beim Die selmotor unabdingbar. Infolge der Kompressibilität des Die selkraftstoffs werden bei Einspritzungen im System stets Druckwellen ausgelöst, die wiederum Einfluss auf die Zu messung des Kraftstoffs in den Brennraum haben können, sobald mehrfach aufeinander folgende Einspritzungen abge setzt werden. Die so ausgelösten „Mengenwellen“ weiten die Toleranz für eine oder mehrere Einspritzungen auf. Dies ist unerwünscht und kann das Emissions- und Geräuschverhal ten stark negativ beeinflussen. Neben Dämpfungsmaß nahmen im Hydrauliksystem, vgl. Abschn. 5.3.5.4 und 5.3.5.5, lassen sich diese druckwellenbedingten Mengenein flüsse auf Basis physikalischer Modelle korrigieren, das ist die Aufgabe der DWK. Einflussgrößen auf die Mengenände rungen sind die Einspritzmengen der momentanen und vor herigen Einspritzung, der Druck und die Temperatur des Kraftstoffs, sowie die Spritzabstände. Auf Basis dieser Grö ßen und dem Übertragungsverhalten des Hydrauliksystems selbst, korrigiert die DWK diese Mengeneinflüsse wirkungs voll. Die DWK bietet die Möglichkeit hydraulisch optimale Spritzabstände bei der thermodynamischen Applikation des Motors zu berücksichtigen und auch bei konstanten Spritz abständen, den Einfluss der Kraftstofftemperatur auf die Mengenwellen auszugleichen. Da die DWK eine modellba
Bild 5-43 Prozesskette Injektormengenabgleich – IMA
5.3 Einspritzsysteme 183
Bild 5-44 Funktionsweise Druckwellenkorrektur – DWK
sierte Steuerung darstellt, ist von zentraler Bedeutung, dass die aufgeprägte Störung im Modell auch der Störung im Hy drauliksystem entspricht. Das heißt, die Abbildung der vor liegenden Hydraulikstrecke auf Basis von Messungen und die Verwendung des physikalisch korrekten Ansteuerkenn feldes der Injektoren sind für die Funktion der DWK von elementarer Bedeutung.
Nullmengenkalibrierung – NMK (Bild 5-45) Aus Motorsicht ist hier der Konflikt aufzulösen, die Vorein spritzung so zu applizieren, dass einerseits das Verbren nungsgeräusch sinkt, andererseits dabei die Partikelemission nur so wenig wie möglich ansteigt. Als adaptive Funktion hat die NMK daher die Aufgabe, kleinste Voreinspritzmengen stabil über der Laufzeit sicher zu stellen. Als Hilfsgröße nutzt die NMK ein hoch aufgelöstes Drehzahlsignal des Motors, dessen Ableitung Auskunft über zylinderselektive Momente
Bild 5-45 Funktionsweise Nullmengenkalibrie‑ rung – NMK
184 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik liefert, die bei der Verbrennung kleinster Mengen erzeugt werden. Um den Fahrbetrieb nicht zu stören arbeitet die Funktion im Schub. Durch Modulation der Ansteuerdauer eines jeden Injektors wird sukzessive über Auswertung des Drehzahlsignals erkannt, wann ein Injektor eine Kleinst menge, die sog. „Nullmenge“ eingespritzt hat. Diese Ansteuer dauer wird verwendet, um Änderungen im Hydrauliksystem über der Laufzeit zu erkennen und ggf. zu korrigieren. Das Übertragungsverhalten von eingespritzter Kleinstmenge und Drehzahlantwort ist abhängig vom Antriebsstrang des applizierten Fahrzeugs und muss daher spezifisch ermittelt werden. Bemerkenswert ist, dass die Funktion ohne zusätz liche Sensorik arbeitet und dabei in der Lage ist Kleinstmen gen mit einer Genauigkeit von kleiner als 0,4 mm3 sicher zu detektieren. Abhängig von der motorbedingten Brenngrenze sind damit Voreinspritzmengen kleiner als 1 mm3 im gesam ten Kennfeldbereich darstellbar.
Mengenmittelwertadaption – MMA (Bild 5-46) Zur sicheren Erreichung der Emissionsgrenzwerte in Parti kel und NOX über die zertifizierten Fahrzeuge muss gewähr leistet werden, dass über alle Toleranzen in Sensorik und Aktorik des Luft- und Einspritzsystems stets die richtige Luftmasse zur Verbrennung der zugeführten Kraftstoffmasse zur Verfügung steht. Dies geschieht über die Steuerung der Abgasrückführrate. Weicht nun etwa die tatsächlich einge spritzte Masse von der im Steuergerät angenommenen Masse
Bild 5-46 Struktur und Nutzen Mengenmittelwertadaption – MMA
ab, verschiebt sich die ursprüngliche Applikation entlang des Partikel-NOX-Trade Off der Abgasrückführrate. Wird etwa weniger Kraftstoff eingespritzt als das Steuergerät in einem spezifischen Lastpunkt annimmt, so wird zu wenig Abgasrückführung gestellt, um den vermeintlich höheren Sauer stoffbedarf bei der Verbrennung bereit zu stellen. Dies hat gegenüber der Nominalappliaktion einen Anstieg der NOXEmissionen zu Gunsten der Partikelemissionen zur Folge. Im Falle von Mehrmenge bei der Einspritzung ist das Ergebnis entsprechend des Ruß-NOX-Trade Off umgekehrt. Die Auf gabe der MMA ist es nun, auf Basis des λ-Signals die tatsäch lich umgesetzte Einspritzmasse zu ermitteln und den Luft massenstrom derart einzuregeln, dass der ursprüngliche Kompromiss in der Partikel-NOX-Auslegung erreicht wird. Erwünschter Nebeneffekt ist, dass die MMA nicht nur auf Einspritzmengenfehler reagiert sondern basierend auf dem λ‑Signal auch Fehler des Luftmassenmessers ausgleicht. Da mit können Toleranzen im Luftpfad und des Motors mit aus geglichen werden, was sich am Ende in einem beträchtlich kleineren Vorhalt bei der Applikation äußert, der als Sicher heitsabstand von den Emissionsgrenzen in Partikel und NOX einzuhalten hat. Legt man typische Toleranzverteilungen al ler beteiligten Komponenten auf das Emissionsergebnis zu grunde, so kann mit der MMA für eine Euro 4‑Applikation der Vorhalt gegenüber dem ursprünglichen Abstand zu den Emissionsgrenzwerten ohne MMA mindestens halbiert wer den.
5.3 Einspritzsysteme
5.3.6
185
Einspritzsysteme für Großdieselmotoren
Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich der Einspritzsysteme für Großdieselmotoren erstreckt sich – auf Zylinderleistungen von 70 bis 2000 kW (bei langsam laufenden Zweitakt-Großdieselmotoren bis 4500 kW), – auf Motordrehzahlen von 60 bis 1800 min–1, – auf Volllasteinspritzmengen von 180 bis 20000 mm3/ Einspritzung, – auf Motorzylinderzahlen von 1 bis 20 und – auf ein Kraftstoffspektrum von Normdieselkraftstoff bis zu Schweröl mit einer Viskosität bis 700 cSt bei 50 °C. Bei der Entwicklung, Konstruktion und Fertigung der Einspritzsysteme für Großdieselmotoren sind die wesentlichen Aspekte: – hohe Zuverlässigkeit und Lebensdauer, – hoher Anteil des Volllastbetriebs, – einfache Austauschbarkeit mit bestehenden Einspritzsystemen, – Anwendbarkeit für beliebige Zylinderkonfigurationen, – Servicefreundlichkeit, – Kraftstoffverträglichkeit, – marktgerechte Kosten bei geringen Fertigungsstückzahlen und – Steuerbarkeit aller Einspritzparameter zur Einhaltung der Emissionsforderungen.
Konventionelle Einspritzsysteme Bei Großmotoren mit Zylinderleistungen bis zu etwa 160 kW werden noch Reihenpumpen mit Pumpenkolbendurchmessern von bis zu 20 mm und Pumpenkolbenhüben bis zu 15 mm eingesetzt. Eine Anpassung an unterschiedliche Zylinderzahlen und die Verwirklichung von kurzen und einheitlich geformten Einspritzleitungen ist aber nur mit dem Konzept von Einzylinderpumpen erreichbar, die den Motorzylindern zugeordnet sind. Die Umsetzung der Rotation des auf der Motornockenwelle angeordneten Einspritznockens in die Hubbewegung des Pumpenkolbens erfolgt über einen pumpenseitig geführten Rollenstößel, s. Bild 5-47, eine motorseitige Schwinghebelkinematik mit Rolle oder über einen motoreigenen Rollenstößel. Die Anordnung der Einzylinderpumpen unmittelbar bei den zugeordneten Zylindern erlaubt sehr kurze Einspritzleitungen, was den Systemwirkungsgrad auf Grund geringerer hydraulischer Verluste verbessert. Die identischen Komponenten vereinfachen die Anpassung an
Bild 5-47 Einzylinderpumpe mit integriertem Rollenstößel (PFR1CY, Firma. Bosch). 1 Gleichdruckventil; 2 Zylinder; 3 Kolben; 4 Gehäuse; 5 Rollenstößel (= 4-35, 2. Auflage)
Motorbauform und Zylinderzahl sowie die Ersatzteilhaltung. Die in Bild 5-47 dargestellte Einzylinderpumpe verfügt über einen Pumpenzylinder in Sacklochausführung, der pumpenseitige Spitzendrücke bis 1500 bar ermöglicht. In den verformungsresistenten Flanschteil des Pumpenzylinders ist ein Gleichdruckventil eingebaut. Es verhindert ein Nachspritzen der Düse durch raschen Druckabbau nach Förderende und hält anderseits den Druck in der Einspritzleitung ausreichend hoch, um Kavitation im System vorzubeugen. Großflächige Hochdruckdichtstellen werden durch diese Bauweise vermieden.
186
5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bei Einzylinderpumpen für Schwerölbetrieb sind in den Pumpenzylinder meist drei Ringnuten unterhalb der Steuerbohrungen eingearbeitet, die folgende Aufgaben erfüllen: Die obere Nut dient – wie bei allen Dieselanwendungen – als Leckölrückführung in den Saugraum. Der untersten Nut wird über ein Feinfilter Schmieröl aus dem Motorölkreislauf zugeführt, welches als Sperröl wirkt und ein Verdünnen des Motoröls durch den Kraftstoff verhindert. Dazwischen ist eine Nut zur drucklosen Abführung von Mischöl, bestehend aus Kraftstoff und Schmieröl angeordnet. Die Antriebsnocken für die Einzylinderpumpen sind auf der gleichen Nockenwelle angeordnet, auf der sich auch die Nocken für die Ventilsteuerung des Motors befinden. Deshalb ist eine Spritzverstellung mittels einer relativen Verdrehung der gemeinsamen Nockenwelle gegenüber dem Antriebszahnrad nicht zulässig. Durch Verstellung eines Zwischengliedes, beispielsweise einer exzentrisch gelagerten Schwinge zwischen Nocken und Stößelrolle, kann ein Verstellwinkel von einigen Winkelgraden realisiert werden. Damit kann eine Verbrauchs- bzw. Emissionsoptimierung oder auch eine Anpassung an die unterschiedliche Zündwilligkeit verschiedener Kraftstoffarten vorgenommen werden. Der hohe konstruktive Aufwand dieser Lösung führte zur Entwicklung von Systemen mit Magnetventilsteuerung.
Magnetventilgesteuerte Pumpen Bild 5-48 zeigt eine magnetventilgesteuerte Einzylinderpumpe (Unit Pump), deren Pumpenkolben über einen Rollenstößel vom Einspritznocken auf der Motornockenwelle angetrieben wird. Eine kurze Hochdruckleitung stellt die Verbindung zur Düsenhalterkombination im Motorzylinder her. Diese Pumpen finden bei schnell laufenden und mittelschnell laufende Motoren (Nenndrehzahl < 1200 min–1) Anwendung und werden mit Pumpenkolbendurchmessern von 18 bis 22 mm und einem Kolbenhub zwischen 20 und 28 mm angeboten. Der Pumpenkolben weist weder Steuerkanten noch Nuten auf, beim Pumpenzylinder entfallen die Steuerbohrungen. An die Stelle des Druckventils tritt das Magnetventil mit dem Steuerkolben. Die Vorteile dieses Systems sind: – geringer Einbauraum, – gute Eignung für konventionelle Zylinderkopf-Konstruktionen, – steifer Antrieb, – schnelle Schaltzeiten und präzise Kraftstoffzumessung mit frei wählbarem Förderbeginn, – einfacher Austausch bei Reparatur und Service und – Möglichkeit zur Zylinderabschaltung im Teillastbetrieb.
Bild 5-48 Einzylinderpumpe mit Magnetventil (PFR1Z, Fa. Bosch). 1 Magnetventil; 2 Zylinder; 3 Kolben; 4 Rollenstößel; 5 Kraftstoffzulauf;6 Kraftstoffablauf (= 4–36, 2. Auflage)
Common Rail Systeme Bei schnell laufenden und mittelschnell laufenden Großmotoren war bis vor kurzem eine beliebige drehzahl- und lastabhängige Spritzverstellung nicht unbedingt erforderlich. Bei der Anwendung als Schiffsantrieb ist eine feste Zuordnung von Drehzahl und Last gegeben, bei Generatorantrieb ändert sich bei konstanter Drehzahl nur die Last. Somit erlauben beide Einsatzfälle die Anwendung einer oben liegenden Steuerkante am Pumpenkolben zur lastabhängigen Förderbeginnverstellung. Die verschärften Abgasemissionsbestimmungen, die teilweise bereits ab dem Jahr 2006 gelten, erfordern auch bei den Großdieselmotoren den Einsatz neuer Einspritzkonzepte. Das im Nutzfahrzeug-Bereich bewährte Common
5.3 Einspritzsysteme 187 Rail System besitzt Vorteile, auf welche auch im aktuellen Anwendungsbereich der Großdieselmotoren nicht verzich tet werden kann. Die im Folgenden zusammengestellten Anforderungen sind aber noch höher anzusetzen, als bei den Systemen für Fahrzeugmotoren: – drehzahlunabhängiger, frei steuerbarer Systemdruck bis 2000 bar, – hoher Wirkungsgrad, also geringe Antriebsleistung bei niedrigem Spitzendrehmoment, – hoher Druck vor dem Spritzloch durch geringe Drosselver luste in Hochdruckleitungen, Ventilen und in der Düse, – Möglichkeit der Mehrfacheinspritzung, – Einspritzverlaufsformung, – geringe Streuung von Injektor zu Injektor, geringe Mengen drift über der Laufzeit, – hohe Zuverlässigkeit und Lebensdauer bei hohem Volllast anteil, – Unempfindlichkeit gegen veränderliche Kraftstoffqualität und Verunreinigungen, – einfache Austauschbarkeit mit zu ersetzenden konventionel len Systemen an den besonders langlebigen Großmotoren, – einfaches Service und einfache Reparaturmöglichkeit sowie – besonders zuverlässige Elektronik mit Redundanz und Notlauffunktionen. Auf die Aspekte und Vorgehensweisen zur Erfüllung dieser Anforderungen wird nun näher eingegangen und die ent wickelten Common Rail Systeme vorgestellt. Der Systemdruck liegt bei aktuellen Anwendungen bei 1400 bis 1600 bar, für Sonderanwendungen wie Vergnü gungsschiffen bei 1800 bar. Maßnahmen zur Reduktion der Stickoxide wie Abgasrückführung oder Einspritzverlaufs formung erfordern hohe Einspritzdrücke zur Kompensation der Nachteile bei Partikelemission und Verbrauch. Die damit erzielte bessere Zerstäubung verringert in jedem Fall die Partikelemission. Mit der Druckerhöhung ist ein höherer Energieaufwand zum Antrieb der Hochdruckpumpe ver bunden, deren Wirkungsgrad hoch gesetzt werden muss. Leckverluste, Drosselverluste und Wärmeentwicklung müs sen also gering bleiben. Wenn dies nicht gelänge, würden die Verbrauchsvorteile aus der Optimierung der Verbrennung durch die höhere Antriebsenergie eliminiert werden. Eine Erhöhung des Systemdrucks bringt nur dann die angestrebten Vorteile, wenn er auch als hoher mittlerer Ein spritzdruck und hoher maximaler Einspritzdruck vor dem Spritzloch zur Wirkung kommt. Um dies zu erreichen sind die folgenden Aspekte zu beachten: – Der Injektor ist konstruktiv auf geringe Drosselwiderstände und Vermeidung von kritischen Bereichen hinsichtlich Kavitation zu optimieren.
– Im Gebiet des Düsensitzes ist die Drosselung durch langsames Öffnen und Schließen der Düsennadel gering zu halten. Das Kriterium eines hochwertigen Einspritzsystems ist also nicht ein möglichst hoher Nenndruck, den die Hochdruck pumpe in das Rail liefert, sondern ein gleichmäßiger und hoher Druck unmittelbar vor dem Spritzloch, der allein für die verbrennungsgerechte Zerstäubung des Kraftstoffs ver antwortlich ist. Ein wirksames Mittel zur Reduktion der Emissionen ist die Mehrfacheinspritzung. Durch Nacheinspritzung wird die Partikelemission verringert, durch Voreinspritzung wird ein moderater Zylinderdruckanstieg mit geringerer Ge räuschentwicklung erzielt. Injektoren mit Mehrfacheinsprit zeignung müssen stabil kleine Mengen einspritzen können ohne dabei Druckspitzen in das System zu bringen. Mit druckgesteuerten Injektoren ist lediglich eine sehr beschränkte Einspritzverlaufsformung durch Beeinflussung der Geschwindigkeit des Nadelöffnens erzielbar. Nachteilig ist die damit verbundene Absenkung des mittleren Ein spritzdrucks. Eine vom Einspritzdruck weitgehend unab hängige Formung des Einspritzverlaufs erfordert aufwän dige Mehr-Steller-Konstruktionen des Injektors. Auch bei Einspritzsystemen für Großdieselmotoren sind die Herstellkosten ein wesentliches Kriterium für die Kon zeptauswahl. Systeme, die ein Nachrüsten der besonders langlebigen Motoren zur Erfüllung von strengeren Emis sionsvorgaben erlauben, haben auf Grund der höheren Stückzahlen Kostenvorteile.
Common Rail Systeme für Dieselkraftstoff Bei schnell laufenden Großdieselmotoren mit Zylinderleis tungen bis 150 kW sind druckübersetzte Systeme mit einem oder zwei Stellern in Entwicklung. Sie weisen Vorteile hin sichtlich Einspritzverlaufsformung und Mehrfacheinsprit zung auf. Nachteile liegen bei der Streuung, der Mengendrift, dem Wirkungsgrad und insbesondere den Kosten. Mit zu nehmenden Motorabmessungen wirkt sich hier die steigende Druckleitungslänge vom Rail zum Injektor nachteilig aus. Dies ist der Grund für die Entwicklung des Konzeptes eines modularen Common Rail Systems, s. Bild 5‑49, mit einer In jektorkonstruktion nach Bild 5‑50. Eine Hochdruckpumpe in Mehrzylinderausführung wird vom Motor angetrieben und beinhaltet ein relativ kleines Speichervolumen, s. Bild 5‑51. Die Mengenregelung erfolgt über eine vom Steuergerät gesteuerte Zulaufdrossel. Ein Druckbegrenzungsventil und die Vorförderpumpe sind in die Hochdruckpumpe integriert. Vom Speicher der Hochdruckpumpe führt eine Hochdruck
188
5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-49 Modulares Common Rail System
Bild 5-50 Einspritzinjektor für ein modulares Common Rail System. 1 Düse; 2 Drosselplatte; 3 Magnetventil; 4 Injektorkörper mit Speicher; 5 Durchflussbegrenzer; 6 elektrischer Anschluss
5.3 Einspritzsysteme
189
Bild 5-51 Hochdruckpumpe für eine modulares Common Rail System. 1 Nockenwelle; 2 Pumpenelement; 3 Saugventil; 4 Druckventil; 5 Sammler; 6 Druckbegrenzungsventil; 7 Vorförderpumpe
leitung zu den einzelnen Injektoren, die je einen integrierten Speicherraum aufweisen. Die unmittelbare Nähe der Speicherräume zu den magnetventilgesteuerten Injektoren ermöglicht die Mehrfacheinspritzung von kleinsten Mengen. Eine robuste Konstruktion mit geringem Verschleiß an Magnetventil und Düsensitz verringert die Mengendrift über der Laufzeit. Große Dichtlängen an den Pumpenelementen und geringe Drosselverluste an den Ventilen ergeben einen hohen Wirkungsgrad bei der Druckerzeugung. Die Nachrüstung von Motoren ist problemlos durchführbar, da sowohl der Anbauort für die Hochdruckpumpe als auch der Einbauraum für die Injektoren unverändert genutzt werden können. Bei mittelschnell laufenden Motoren mit Zylinderleistungen bis 500 kW sind konventionelle Systeme zu ersetzen, die mit Einzelpumpen ausgerüstet sind. Hier kommt vorteilhaft und Kosten sparend ein modulares Common Rail System zum Einsatz, das in Bild 5-52 dargestellt ist. Die Hochdruckerzeugung erfolgt hier durch Einzelpumpen, die im freigewordenen Bauraum angeordnet sind. Die Druckspitzen aus der niederfrequenten Druckerzeugung werden in einem größeren Speicher gedämpft, der den Drucksensor und ein Druckbegrenzungsventil aufweist. Die Mengenregelung der Einzelpumpen erfolgt über ein gesteuertes gemeinsames Saugdrosselventil. Die in Serie geschalte-
ten Speichervolumina der einzelnen Injektoren ermöglichen auch einen Druckausgleich zwischen den Injektoren. Deutliche Verbesserungen von Partikel- und Lärmemissionen sind mit diesem System erzielbar. Die Kosten für das Umrüsten sind niedrig. Bei mittelschnell laufenden Motoren insbesondere für Schiffsantriebe ist die Anwendbarkeit eines breiten Kraftstoffspektrums, u. a. von Schweröl bis 700 cSt bei 50 °C zu beachten. Die Forderungen nach geringem Kraftstoffverbrauch, verminderten Abgasemissionen und verbesserter Laufkultur werden nicht nur von den Anwendern gestellt, sondern zeigen sich auch in gesetzlichen Festlegungen, die bereits gelten oder in nächster Zeit zu erwarten sind. Zusätzliche Forderungen zu den bereits angeführten sind die Verwendbarkeit von unterschiedlichen Kraftstoffqualitäten mit hohen Anteilen von Verunreinigungen und hoher Temperatur bis 180 °C, die Möglichkeit zur Zylinderabschaltung und die Anpassung an individuelle Unterschiede an den einzelnen Motorzylindern, wie Kraftstofftemperatur oder Abnutzungszustand des Injektors. Es war nahe liegend, dass diese Forderungen hervorragend mit einem Common Rail System für Schweröl zu erfüllen sind. Die problemlose Anpassung an unterschiedliche Motorgrößen, Zylinderzahlen und -anordnungen ist ein entscheidender Gesichtspunkt.
190 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
Bild 5-52 Modulares Common Rail System mit zwei Hochdruckpumpen
Bei der Entwicklung eines Speichereinspritzsystems für Schweröl ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Her stellern von Motor und Einspritzsystem unerlässlich. Nur auf diese Weise ist die Entwicklung eines erfolgreichen Kon zepts und die umfangreiche Erprobung möglich. Die hohen Kraftstofftemperaturen und Verunreinigungen bedingen neue Werkstoffe und Baukonzepte, mit welchen auch die geforderten hohen Standzeiten erreicht werden können. Bild 5-53 zeigt ein nachrüstbares modulares Common Rail System für Schweröl, dessen Besonderheiten im Fol genden beschrieben werden. Die Kraftstoffversorgungsan lage ist mit einer Heizung zur Vorwärmung des Kraftstoffs auf bis zu 160 °C versehen. Die Erstbefüllung des Einspritz systems am Motor erfolgt zur Gewährleistung einer voll ständigen Entlüftung mit Dieselkraftstoff. In weiterer Folge wird vor Inbetriebnahme des Motors die Kraftstoffversor gungsanlage über eine besondere Spüleinrichtung mit vor gewärmtem Schweröl befüllt. Die Hochdruckpumpen, Druckspeicher und Magnetven tile werden während des Betriebs und bei üblichen kur zen Motorstillsetzungen durch zirkulierendes, vorgewärm tes Schweröl dauernd beheizt. Wenn es allerdings zu einer
längeren Stillsetzung des Motors beispielsweise bei Service arbeiten kommt, so wird vorher für einen kurzen Zeitraum auf Dieselbetrieb umgeschaltet, wodurch das Schweröl im Einspritzsystem verbraucht wird und das System dann mit dünnflüssigem Dieselöl befüllt ist. Bei einem Not stop des Motors erfolgt anschließend eine Spülung des Einspritzsystems mit Dieselkraftstoff, wodurch lediglich die Hochdruckleitungen zu den Injektoren und die Injektoren selbst eine Schwerölfüllung beinhalten. Dieser Schweröl pfropfen kann beim späteren Motorstart durchgeblasen werden. Wegen der erheblichen Abmessungen eines Großdiesel motors ist die Anordnung eines einzigen Druckspeichers über der ganzen Länge des Motors problematisch. Es ist dann kaum möglich, für alle Motorzylinder gleiche Ein spritzverhältnisse zu erzielen. Das Auftreten von übermäßi gen Druckschwingungen im System ist damit nicht zu ver meiden. Auch führt bei einem überlangen Druckspeicher die Zuleitung von der Hochdruckpumpe an nur einer Stelle zu Ungleichmäßigkeiten in der Einspritzqualität. Es bietet sich also an, die Speichereinheit in mehrere Baueinheiten aufzuteilen, die ein geeignetes Speichervolumen aufweisen
5.3 Einspritzsysteme 191
Bild 5-53 Modulares Common Rail System für Schweröl
und die Versorgung auf mindestens zwei Hochdruckpum pen aufzuteilen. Ein Vorteil dieser Aufteilung ist auch die höhere Flexibili tät bei der Zusammenstellung der Komponenten der Ein spritzanlage in Abhängigkeit von der Motorzylinderzahl, was bei Nachrüstlösungen von Interesse ist. Mit den kom pakteren Baueinheiten kann auch der verfügbare Bauraum am Motor besser genutzt werden, und es ergeben sich Vor teile bei der Montage und Ersatzteilhaltung. Eine Niederdruck-Kraftstoffpumpe fördert den Kraftstoff über elektromagnetisch angesteuerte Drosselventile zu zwei Hochdruckpumpen, welche über Druckventile den Kraft stoff in den Pumpenspeicher drücken. Von dort wird der Kraftstoff zu den in Serie geschalteten Speichereinheiten geführt. Die Speichereinheiten bestehen aus einem massiven Rohrteil, auf welchem an beiden Stirnseiten jeweils ein Spei cherdeckel dichtend befestigt ist. Die Speicherdeckel enthal ten radiale Anschlüsse für die zu den Injektoren führenden Hochdruckleitungen sowie für die Verbindungsleitung zur nächsten Speichereinheit. Durch die Zwischenschaltung des Pumpenspeichers, der von zwei bis vier Hochdruckpumpen beliefert wird, können die dynamischen Druckschwingungen niedrig gehalten
werden. Die Fördermenge der Hochdruckpumpen wird unter Auswertung des vom Raildrucksensor gemeldeten Kraftstoffdruckes und dem jeweiligen Betriebszustand des Motors vom elektronischen Steuergerät berechnet. Das elek tromagnetisch angesteuerte Drosselventil in der Nieder druckleitung bemisst die den Hochdruckpumpen zugeführ te Kraftstoffmenge. Jeder Speicherdeckel enthält Komponenten und Anschlüs se, die zur Kraftstoffzuführung und -weiterleitung sowie zur Steuerung der Kraftstoffeinspritzung an den Injektoren die nen. Auf dem Weg aus dem Innenraum der Speichereinheit zum 3/2‑Wege‑Ventil und von dort zum Injektor wird der Kraftstoff durch einen Durchflussbegrenzer geleitet. Ein federbelasteter Kolben führt in dieser Komponente bei jeder Einspritzung einen der Einspritzmenge proportionalen Hub aus und kehrt in der Spritzpause in seine Ausgangslage zurück. Wenn jedoch die Einspritzmenge einen festgelegten Grenzwert überschreiten sollte, so wird der Kolben am Ende seines Hubes an einen Dichtsitz an der Auslassseite gedrückt und verhindert dadurch eine Dauereinspritzung am Injektor. Jeder Speicherdeckel enthält weiterhin ein 3/2‑Wege‑Ven til, welches über ein vom Steuergerät elektromagnetisch angesteuertes 2/2‑Wege‑Ventil betätigt wird und damit dem
192 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik Hochdruckkraftstoff den Weg aus der Speichereinheit über den Durchflussbegrenzer zum Injektor freigibt. Durch eine mehrmalige Betätigung des 3/2‑Wege-Ventils im Verlauf eines Einspritzvorganges kann eine Vor- und Nacheinsprit zung erzielt werden. Am Pumpenspeicher ist ein Druckbegrenzungsventil angeordnet, das bei Überschreiten eines festgelegten Dru ckes öffnet und damit das Hochdrucksystem vor Überlas tung schützt. Die Hochdruckleitungen und Speichereinheiten sind doppelwandig ausgeführt, so dass bei typischen Leckagen, Bruch oder Undichtwerden von Anschlüssen kein Kraftstoff nach außen gelangen kann. Durch Schwimmerschalter erfolgt in einem solchen Fall die Warnung an das Bedie nungspersonal. Die Kraftstoffversorgungsanlage ist mit einer Heizung zur Vorwärmung des Schweröls versehen. Zum Starten der kalten Verbrennungskraftmaschine mit Schweröl wird der Hochdruckteil der Einspritzanlage mit Hilfe von heißem zirkulierendem Schweröl erwärmt. Dazu wird das am Ende der letzten der in Serie geschalteten Speichereinheiten angeordnete Spülventil über eine pneumatische Betätigung geöffnet. Das Schweröl wird nun von der NiederdruckKraftstoffpumpe durch die Drosselventile und Saugven tile durch die Pumpenräume der Hochdruckpumpen über den Pumpenspeicher durch die Speichereinheiten und das geöffnete Spülventil zurück in den Kraftstofftank gepumpt. Nach ausreichender Erwärmung der Einspritz anlage wird das Spülventil geschlossen und der Motor gestartet. Das Spülventil dient auch zur Druckentlastung des Hoch druckteils der Einspritzanlage für den Fall von Wartungs‑ oder Reparaturarbeiten. Die Lieferung von Hochdruck kraftstoff in den Pumpenspeicher durch zwei Hochdruck pumpen bietet den Vorteil, dass bei Ausfall einer der beiden Pumpen noch immer ein Teillastbetrieb des Motors durch führbar ist. Durch die Anordnung des 3/2‑Wege‑Ventils im Speicher deckel und die Verwendung eines konventionellen Injektors wird die Nachrüstung eines bestehenden Motortyps wesent lich vereinfacht. Die Druckschwingungen, die bei anderen Common Rail Systemen in der Hochdruckleitung zwischen Rail und Injektor besonders bei Einspritzende auftreten, werden damit vermieden. Dies reduziert die Belastung der druckbeaufschlagten Bauteile. Die modulare Aufgliederung der Baueinheiten und Zuordnung zu den einzelnen Motorzy lindern verringert den Material- und Montage und Service aufwand und ermöglicht kurze Leitungslängen zu den Injektoren. Derzeit wird die Verwendung von mechanischen Injektoren von den Motorkunden besonders geschätzt. Es wird offenbar noch einige Jahre dauern bis die Schiffsinge
nieure und -mechaniker der Elektronik ihr volles Vertrauen schenken. Das kostengünstig nachrüstbare Schweröl-Common Rail Einspritzsystem für einen mittelschnell laufenden Großdie selmotor ist an einem Labormotor seit 2003 und an mehre ren Feldmotoren mit Laufzeiten von einigen tausend Stun den im Einsatz. Deutliche Verbesserungen im Vergleich zum mechanischen System wurden hinsichtlich Rauch und NOX‑Emissionen schon nach den ersten Optimierungs schritten erzielt.
5.4
Messtechnik für Einspritzsysteme
Zur Optimierung und Qualitätsbeurteilung moderner Ein spritzsysteme und Systemkomponenten ist eine entspre chend hoch entwickelte Mess- und Prüftechnik erforderlich. Die nachfolgende Übersicht beschreibt grundlegende Ge sichtspunkte der eingesetzten Technik bei der hydraulischen Funktionsprüfung des Einspritzsystems, wobei standardmä ßig Prüföl nach ISO 4113 verwendet wird.
5.4.1
Messprinzipien und deren Anwendung
Durchflussmessung. Zur kontinuierlichen Durchflussmes sung an Komponenten des Einspritzsystems sind Messgeräte verbreitet, die nach dem Zahnradprinzip in einem geschlos senen Leitungssystem arbeiten. Die Zahnraddrehzahl, die mittels einem mit dem Zahnradpaar gekoppeltem Signalge ber erfasst wird, korreliert dabei mit dem Volumenstrom des Fluids. Auf diese Weise kann beispielsweise die Rücklauf menge der Hochdruckpumpen im Niederdruckkreislauf, übliche Durchflussmengen sind 5 bis 150 l/h, bestimmt wer den. Ferner sind in der Praxis auch Geräteausführungen ver breitet, die ohne Druckdifferenz zwischen Zu- und Ablauf des Zahnradpaares arbeiten. Dazu werden die Zahnräder mit einem geregelten Servomotor angetrieben. Diese hoch genauen Geräteausführungen sind sowohl zur Detektion kleinster Leckage- und Durchflussmengen bis zu einem Mi nimalwert von 0,01 l/h anwendbar, als auch (in anderer Aus führung) für große Durchflussmengen von 350 l/h. Ein weiteres, angewendetes Durchflussmessverfahren basiert auf dem Coriolis-Prinzip. Ein mit dem Leitungssys tem des Prüfstands verbundenes Messrohr wird zu Schwin gungen in seiner Eigenfrequenz angeregt. Infolge der Wir kung der Corioliskraft auf das durchströmende Prüföl kommt es zu einer Phasenverschiebung der Schwingungen der beiden Rohrenden, welche ein Maß für den momen tanen Durchfluss darstellt. Dieses kontinuierlich arbeitende Messverfahren zeichnet sich durch einen besonders ein fachen und wenig störanfälligen Aufbau aus, die Messzeit liegt im Bereich von wenigen Sekunden. Das Coriolis-Mess
5.4 Messtechnik für Einspritzsysteme 193 verfahren findet seine Anwendung überwiegend in der ferti gungsbegleitenden Prüfung, beispielsweise bei der Bestim mung der Fördermenge der Hochdruckpumpen und des Durchflusses an den Einspritzdüsen. Die Messunsicherheit einzelner, am Markt verfügbarer Geräte basierend auf den vorgestellten Durchflussmessprinzipien ist mit ± 0,1% vom Messwert bereits sehr klein. Einspritzmengenmessung. Die wichtigste hydraulische Messgröße am Injektor ist die Einspritzmenge pro Einspritz zyklus. Da Ungenauigkeiten in der Einspritzmenge einen direkten Einfluss auf die abgegebene Motorleistung und die Abgasemission haben, müssen die Mengentoleranzen von Injektor zu Injektor sehr klein sein, bei Volllast beispielsweise kleiner ± 2,5%. Aus diesem Grund werden besonders hohe Anforderungen an die Absolutgenauigkeit und an die Auflö sung der verwendeten Messtechnik zur Einspritzmengen messung gestellt. In der Erzeugnisentwicklung und der Qua litätsprüfung haben sich zur Mengenmessung sog. Mengen indikatoren bewährt, deren Messprinzip aus einer Kammer mit verschiebbarem Kolben besteht, [5‑22]. Die Einspritz menge, die auf mehrere Teileinspritzungen pro Einspritzzyk lus verteilt sein kann, wird in die mit Prüföl gefüllte Mess kammer gespritzt und verdrängt einen beweglichen Kolben, dessen Hub mit einer induktiven Wegmesseinrichtung be stimmt wird, Bild 5-54. Zur Unterdrückung von Kolben schwingungen und zur Vermeidung von Luftausgasung wird die Messkammer mit einem definierten Gegendruck beauf schlagt. Zum Ende des Einspritzzyklus wird die Messkam mer mittels Ventil geleert. Die Einspritzmenge m(ρ,h) lässt sich einfach berechnen,
(5-12)
In (5-12) ist die Prüföldichte ρ(T,p) abhängig von der Kam mertemperatur T und dem Gegendruck p im Messvolumen, und h der Kolbenhub und AKolben die Kolbenfläche. Stand der Technik bei Messgeräten, die nach dem Kolben verschiebeprinzip arbeiten, ist eine Messunsicherheit von ± 0,1% vom Messwert. Der Messbereich dieser Geräte ist auf Pkw- und Nkw-Anwendung abgestimmt und liegt zwischen 0,2 bis 600 mm3/Einspritzung, bei einer Auflösung von 0,01 mm3. Der minimale zeitliche Spritzabstand, mit dem zwei aufeinander folgende Teileinspritzungen getrennt detektiert werden können, wird mit 0,25 ms angeben, die Anzahl messbarer Teileinspritzungen pro Einspritzzyklus kann bis zu 10 betragen. Einspritzverlaufsmessung. Durch Differentiation der Ein spritzmenge nach der Zeit während des Einspritzzyklus er hält man den Einspritzverlauf an der Injektordüse. Prinzipiell ist dies mit dem oben beschriebenen Einspritz-Mengen messverfahren möglich. Wegen der dynamischen Eigen schaften des schwingungsfähigen Kolbens ist dieses Verfah ren aber für zeitlich hoch aufgelöste Messungen des Ein spritzverlaufs nur begrenzt anwendbar. Ein besser geeignetes Messgerät zur Bestimmung des Einspritzverlaufs basiert auf dem Prinzip des Rohrindikators, [5‑23]. Die durch die Injek tordüse in ein Rohr eingespritzte zeitabhängige Prüfölmenge erzeugt eine Druckwelle, die sich mit Schallgeschwindigkeit im bereits gefüllten Rohr ausbreitet. Die dynamische Druck erhöhung p(t) im Rohr wird mit einem Drucksensor erfasst und der Einspritzverlauf dm/dt mit dem Rohrquerschnitts fläche ARohr und der temperatur- und druckabhängigen Schallgeschwindigkeit c im Prüföl berechnet:
(5-13)
Bild 5-54 a Skizze des Kolbenverschiebeprin‑ zips. 1 Einspritzsystem; 2 Spritzdämp‑ fer; 3 Messkammer; 4 Kolben; 5 Aus‑ lassventil; b Skizze des Kolbenhubsig nals während Vor- (VE), Haupt- (HE) und Nacheinspritzung (NE)
194 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik Durch Integration von (5‑13) wird die Einspritzmenge be rechnet. Bei aktuellen Geräteausführungen, die nach dem Prinzip des Rohrindikators arbeiten, wird ein Mengenmess bereich von nahezu 0 bis 150 mg/Einspritzung angegeben, mit einer Auflösung der Einspritzmenge von 0,01 mg/Ein spritzung. Bis zu 5 Teileinspritzungen sind standardmäßig detektierbar. Geräte, die nach dem Prinzip des Rohrindika tors funktionieren, kommen in der Injektorentwicklung zum Einsatz. Im Gegensatz zum Rohrindikator, bei dem zur Einspritz verlaufsmessung in eine lange Rohrschleife eingespritzt wird, beruht das Messprinzip beim hydraulischen Druck anstiegsverfahren auf dem Einspritzen in eine Kammer mit konstantem Messvolumen. Dadurch kommt es zu einem Druckanstieg in der Kammer, aus dessen zeitlicher Ände rung sich der Verlauf der Einspritzrate und die eingespritzte Menge berechnen lässt, [5‑22]. Bei aktuellen Geräteausfüh rungen ist die Messkammer mit Prüföl gefüllt und steht unter Druck, um Ausgasung von gelöster Luft und Kavita tion auszuschließen. Es wird der Einspritzverlauf dm/dt mit Hilfe des Kammervolumens VKammer , der Schallgeschwin digkeit c und der Änderung des Absolutdruckes in der Kammer dp/dt berechnet (5‑14):
(5-14) Die Druckmessung in der Kammer erfolgt mit einem hoch genauen Piezodrucksensor, der sich durch eine sehr kurze Ansprechzeit auszeichnet. Die Schallgeschwindigkeit wird mittels eines Ultraschallwandlers aus der Laufzeit eines Schallimpulses im Messvolumen berechnet. Das beschrie bene hydraulische Druckanstiegsverfahren wird in der Injek torentwicklung zur simultanen Einspritzverlaufs- und Men genmessung angewendet.
5.4.2
Anforderungen an die Messtechnik
Die Anforderungen an die Mess- und Prüftechnik für Ein spritzsysteme müssen für die beiden Anwendungsbereiche Entwicklung und Produktion getrennt betrachtet werden. In der Entwicklung werden i. d. R. hohe Anforderungen so wohl an die Auflösung der Messsignale, zeitlich und örtlich, als auch an den Umfang der Messergebnisse gestellt. Prüf bankversuche dienen hier dazu, die theoretischen Möglich keiten neuer Einspritzsysteme experimentell zu verifizieren. Zu diesem Zweck muss in der Entwicklung die verwendete Messeinrichtung möglichst flexibel und universell einsetz bar sein. Im Unterschied zum flexiblen Einsatz in der Ent wicklung wird bei der Prüftechnik in der Produktion ein hohes Maß an Automatisierung und Standardisierung so wohl bei den eingesetzten Messeinrichtungen als auch bei
den Messprozessen und Abläufen gefordert. Dies ist nötig, um eine kontinuierliche hohe Fertigungsqualität der Kom ponenten des Einspritzsystems sicherzustellen, siehe Ab schn. 5.4.3. Messprozessfähigkeit. Die regelmäßige Prüfung der Fähig keit und Überwachung der Stabilität des Messprozesses soll sicherstellen, dass die Messeinrichtung am Einsatzort das Er zeugnismerkmal, beispielsweise die Einspritzmenge, mit ausreichend kleiner Messwertstreuung bezogen auf die Merkmaltoleranz, auf lange Zeit stabil messen kann. Die Au tomobilindustrie hat dazu Kriterien formuliert [5‑24], mit deren Hilfe die Messprozessfähigkeit bewertet werden kann. Werden mehrere Messeinrichtungen zur Erzeugnisprüfung in der Serienfertigung eingesetzt, so ist unbedingt auf eine Vergleichbarkeit der Einrichtungen untereinander hinsicht lich des konstruktiven Aufbaus und des Prüfablaufs zu ach ten, damit auf allen Einrichtungen dieselben Prüfrandbedin gungen für das Erzeugnis sichergestellt sind.
5.4.3
Injektorprüfung
Messeinrichtung zur Injektorprüfung. Die geforderte, ge naue Einspritz- und Rücklaufmenge des komplett montierten Injektors wird auf speziellen Messeinrichtungen bei der In jektorfertigung überprüft. Solche Messeinrichtungen stellen in sich schon ein komplettes Common Rail System dar, um eine möglichst hohe Übertragbarkeit im Funktionsverhalten des Injektors im Prüfstand auf das spätere Verhalten im Mo tor zu gewährleisten. Im Unterschied zu der üblicherweise motorspezifischen Anpassung des Einspritzsystems sind die Common Rail Komponenten der Messeinrichtungen für eine Injektor-Generation stets die Gleichen, siehe Bild 5‑55. Ablauf einer Injektorprüfung. Die Funktionsprüfung der Injektoren hinsichtlich der zu erbringenden Einspritzmenge pro Betriebspunkt erfolgt nach einem festgelegten Prüfab lauf. Das dazu erforderliche mechanische und elektrische Kontaktieren des Injektors mit der Messeinrichtung erfolgt vollautomatisch, um stets die gleichen Einbaubedingungen zu garantieren und kurze Taktzeiten zu erreichen. Der daran anschließende Prüfablauf ist so zu optimieren, dass einerseits die spezifizierten Merkmale in kurzer Zeit mit ausreichender Genauigkeit gemessen werden und andererseits stabile Prüf randbedingungen sichergestellt sind. Üblicherweise wird die Messung von Einspritz- und Rücklaufmengen an mehreren charakteristischen Betriebspunkten des Injektors wie Leer lauf, Teillast, Volllast und Voreinspritzung durchgeführt. Im zu prüfenden Betriebspunkt sind Absolutdruck im Rail und elektrische Ansteuerdauer des Injektors auf den jeweiligen Motortyp abzustimmen.
5.4 Messtechnik für Einspritzsysteme
195
Bild 5-55 Messeinrichtung zur Injektorprüfung, schematisch. 1 Prüföltank mit Temperaturregelung; 2 Niederdruck-Versorgungspumpe; 3 Sensoren für Zulaufdruck und -temperatur; 4 CR-Hochdruckpumpe mit Antrieb und Synchronisations-Geber; 5 Flexible Hochdruckleitung zum Rail; 6 Rail mit Sensoren für Druck und Temperatur; 7 Druckregelventil mit Rücklauf-Leitung; 8 Hochdruckleitung zum Injektor; 9 Common Rail-Injektor (hier: Piezo-CRI); 10 Einspritzmengenmessgerät nach dem KolbenVerdrängungsprinzip; 11 Niederdruck-Rücklauf vom Injektor; 12 Sensoren für Rücklaufdruck und -temperatur; 13 Druckregler für Niederdruck-Rücklauf; 14 Durchflussmengenmesser nach dem Zahnradprinzip; 15 Rücklauf der eingespritzten Menge; 16 Prüfstandssteuerung; 17 Sensoren und Dateneingang; 18 Ansteuerung und Datenausgang
Zu Beginn des Prüfablaufs ist auf eine vollständige Entlüftung des Niederdruckkreislaufs im Injektor zu achten. Anschließend erfolgt das Warmlaufen des gesamten Systems bis ein stabiler Zustand erreicht wird. Die zeitliche Reihenfolge der anschließenden Messungen ist durch den Prüfablauf vorgegeben und für alle Injektoren gleich. In Abhängigkeit vom Betriebspunkt ist der thermische Energieeintrag in den Injektor und das Mengenmessgerät teilweise beträchtlich. Bei hohem Zulaufdrücken stellen sich Temperaturen innerhalb des Injektors und im Messgerät von bis zu 150 °C ein. Die erforderlichen Zeiten für das notwendige Ein-
schwingen der Temperaturen sind i. Allg. um ein vielfaches höher als die eigentliche Messzeit, die nur wenige Sekunden für jeden Betriebspunkt beträgt. Für eine genaue und reproduzierbare Einspritzmengenmessung am Injektor sind neben stabilen Temperaturrandbedingungen der Messeinrichtung auch stabile Druckbedingungen im Zulauf, d. h. im Rail, erforderlich. Die Regelung des Zulaufdrucks erfolgt mit Hilfe von hochgenauen Drucksensoren und Signalverstärkern die zusammen eine Genauigkeit von ± 1 bar bei einem Absolutdruck von 2000 bar erreichen.
196 5 Kraftstoffeinspritztechnik – Hydraulik
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6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme
6.1
Mechanische Regelung
6.1.1
Aufgaben des mechanischen Drehzahlreglers
Mechanische Regler finden auch heute noch wegen ihrer Ro‑ bustheit und Wartungsfreundlichkeit weltweiten Einsatz, insbesondere bei Off‑Highway-Anwendungen und Statio‑ närmotoren. Die Grundfunktionen der mechanischen Rege‑ lung werden am Beispiel der Reihenpumpe dargestellt. Kennzeichen einer Regelung ist ein geschlossener Wirk‑ kreis, bei dem eine „Stellgröße“, beispielsweise die über die Regelstangenstellung der Reihenpumpe als „Stellglied“ vor‑ gegebene Einspritzmenge, die Ausgangsgröße dieser Regel einrichtung ist. Wird die eingespritzte Kraftstoffmasse bei gleich bleibendem Belastungsmoment erhöht, würde dies zum Anstieg der Drehzahl als „Regelgröße“ führen, die wie‑ derum als Eingangsgröße der Regeleinrichtung, des eigent‑ lichen Reglers, diese zum Eingreifen veranlasst. Somit ergibt sich ein geschlossener Regelkreis. Jeder Regler hat als Grundaufgabe die Begrenzung der Enddrehzahl, damit der Dieselmotor die zulässige Höchstdrehzahl nicht überschrei‑ tet. Andere Aufgaben der mechanischen Drehzahlregler sind: – die Bereitstellung der Startmenge, – Leerlaufregelung, – Einhaltung einer vorgegebenen Drehzahl bei verschiedenen Motorbelastungen und – Anpassung an Drehmomentverlauf durch Angleichung oder Zusatzgruppen.
Proportionalitätsgrad (P‑Grad) Wird ein Dieselmotor bei unveränderter Fahrpedalstellung entlastet, darf die Drehzahl im Regelbereich nur um ein vom Motorhersteller zugelassenes Maß ansteigen. Der Drehzahl anstieg ist proportional zur Laständerung, d. h. die Dreh‑ zahländerung ist umso größer, je größer die Motorentlastung ist. Dies wird als Proportionalverhalten oder P‑Grad be‑
zeichnet. Der P‑Grad des Reglers wird ausgehend von der oberen Leerlauf‑(Nulllast-)‑Drehzahl nLo auf die obere Voll‑ lastdrehzahl nVo (Nenndrehzahl) bezogen:
Gebräuchliche P‑Grade sind: ca. 0 bis 5% für Aggregatemo‑ toren, ca. 6 bis 15% für Fahrzeugmotoren.
6.1.2 Aufbau und Wirkungsweise mechanischer Drehzahlregler Über eine gelenkige Gestängeverbindung wird eine Koppe‑ lung mit der Regelstange der Einspritzpumpe hergestellt. Bei den Reglern der Bauart RQ und RQV(K), Bild 6‑1, wirken die beiden Fliehgewichte direkt auf die im Messwerk einge‑ bauten Regelfedern, die für die gewünschte Nenndrehzahl, den P‑Grad und die Leerlaufdrehzahl ausgelegt sind. Den quadratisch mit der Drehzahl anwachsenden Zentrifugal‑ kräften rotierender Fliehmassen wirken Federkräfte von Re‑ gelfedern entgegen. Die Stellung der Regelstange entspricht dabei der jeweiligen Auslenkung der Fliehgewichte unter Vorspannen der Regelfeder infolge der Fliehkräfte.
Reglerausführungen Exemplarisch wird der Leerlauf-Enddrehzahlregler RQ be‑ schrieben. Bei Dieselmotoren für Fahrzeuganwendungen ist meist keine Regelung im Drehzahlbereich zwischen Leer‑ lauf- und Enddrehzahl erforderlich. In diesem Bereich steu‑ ert der Fahrer unmittelbar über das Fahrpedal das Gleichge‑ wicht zwischen dem Drehmoment entsprechend dem Fahr‑ zeugwiderstand und dem Kraftstoffbedarf. Der Regler über‑ nimmt die Leerlaufregelung und regelt die Enddrehzahl. Aus dem schematisch dargestellten Reglerkennfeld sind folgende Reglerfunktionen erkennbar, Bild 6‑2: – Gestartet wird der kalte Motor mit der Startmenge (A) bei ganz durchgetretenem Fahrpedal.
6.2 Elektronische Regelung 199
6.2
Elektronische Regelung
Seit 1986 werden Diesel-Einspritzsysteme zunehmend mit digitalen, elektronischen Regelungen ausgestattet. Anfangs wurden mechanisch geregelte Verteilerpumpen und ab 1987 auch Reihenpumpen mit elektronischen Reglern für die Abgasrückführung und die Mengenregelung eingesetzt1. Mit der Umstellung auf die modernen Direkteinspritzsysteme, Common Rail ab 1997 und Unit Injector ab 1998, liegen sämtliche regelungstechnischen Funktionen im elektro‑ nischen Steuergerät (Electronic Diesel Control, EDC). Wich‑ tigste Eigenschaften der elektronischen Motorsteuerung sind hohe Verfügbarkeit über das gesamte Fahrzeugleben, volle Funktionalität auch unter extremen Umweltbedingungen und Echtzeitbetrieb in allen Betriebszuständen und bei allen Motordrehzahlen.
6.2.1 Bild 6-1 Messwerk mit innen eingebauten Regelfedern 1 Einstellmutter; 2 Regelfeder; 3 Fliehgewicht; 4 Gelenkstück; 5 Nockenwelle; 6 Federspannbolzen; 7 Winkelhebel; 8 Schleppfeder; 9 Verstellbolzen; 10 Gleitstein; 11 Verstellhebel; 12 Kurvenplatte; 13 Lenkhebel; 14 Regelstange; 15 Regelhebel
– Nach dem Start und zurückgenommenem Fahrpedal pendelt sich die Drehzahl in der Leerlaufstellung (B) ein. – Ist der Motor warmgelaufen, stellt sich die Leerlaufdreh zahl (L) entlang der Leerlaufkurve ein. – Wird das Fahrpedal bei stehendem Fahrzeug, aber laufen dem Motor durchgetreten, erhöht sich die Fördermenge auf den Wert für Volllast und die Drehzahl von nLu auf n1. Dort setzt die Angleichung ein. Die Fördermenge wird geringfügig verringert, die Drehzahl steigt auf n2 , den Auslauf der Angleichung. Eine weitere Drehzahlsteigerung erfolgt, bis die obere Volllastdrehzahl nVo erreicht ist. Dann beginnt die Endabregelung entsprechend dem ausgelegten P‑Grad. Die Fördermenge wird reduziert bis zum Erreichen des oberen Leerlaufs nLo. – Im Fahrbetrieb steuert der Fahrer mit dem Fahrpedal den aktuellen Fahrzustand, indem er ein Gleichgewicht zwischen erforderlichem Motormoment und aktuellem Fahrwiderstand herstellt. Dabei wird über die Fahrpedal stellung und die angekoppelte Regelstange die jeweilig erforderliche Kraftstoffmenge von der Einspritzpumpe gefördert. Weitere Reglerausführungen und Zusatzgruppen/Anpass‑ vorrichtungen siehe [6‑1].
Systemübersicht Steuergerät
Die Direkteinspritzsysteme Unit Injector System und noch mehr das Common Rail System gestatten es, die Einspritzung bezüglich ihrer Aufteilung in mehrere Einzeleinspritzungen (Vor‑ Haupt‑, Nacheinspritzungen) und bei Common Rail auch bezüglich des Einspritzdrucks einzustellen. Dies ge‑ schieht im Steuergerät in Abhängigkeit von einer sehr großen Zahl an Motor- Fahrzeug- und Umgebungsparametern, so dass bei modernen Steuerungen bis zu 10.000 Parameter (also Kennwerte, Kenlinien oder Kennfelder) eingestellt wer‑ den müssen. Um dies zu ermöglichen, wuchs in den letzten zehn Jahren die Systemkomplexität bezüglich Rechenleis tung, Speicherplatz und Funktionen stark an (Bild 6‑3). Da‑ mit folgt die Motorsteuerung der in der Digitalelektronik bekannten Regel von Gordon Moore, wonach die Komplexi‑ tät der integrierten Schaltungen exponentiell wächst [6‑2].
6.2.1.1
Funktionale Systembeschreibung
Das elektronische Motorsteuerungssystem lässt sich in drei Blöcke gliedern: Die Eingangsbeschaltung, bestehend aus Sensoren und Sollwertgebern, das Steuergerät selbst und die Ausgangsbeschaltung, bestehend aus Aktoren und Anzeigen. Zusätzlich gibt es noch bidirektionale Kommunikations datenbusse, über die der Informationsaustausch zu anderen Steuergeräten erfolgt. Das Steuergerät selbst unterteilt sich entsprechend funktional in Eingangsschaltung (Signalaufbe‑ reitung), Rechnerkern und Endstufen mit der Leistungselek‑ tronik zur Ansteuerung der Aktoren (Bild 6-4).
1
Schon in den frühen 1980er Jahren gab es für die Spritzbeginn-/Förderbeginn regelung für Verteilerpumpen elektronische Regler.
200
6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme
Bild 6-2 Reglerkennfeld Leerlauf-Enddrehzahlregler mit positiver Angleichung; A Startregellage; B Leerlaufpunkt bei kaltem Motor; L Leerlaufpunkt bei warmem Motor; nLu untere Leerlaufdrehzahl; n1 Angleichbeginn; n2 Angleichende; nVo obere Volllastdrehzahl; nLo obere Leerlaufdrehzahl
Aus dem Fahrpedalsignal (Fahrerwunsch) ermittelt das Steuergerät unter Berücksichtigung einer Vielzahl weiterer Eingangssignale wie Motordrehzahl, Geschwindigkeit, Luftu. Motortemperatur, Luftmenge usw. das Fahrerwunschmoment. Diese Information wird mit anderen Drehmomentanforderungen abgeglichen, z. %. dem Zusatzmoment für den Generator oder dem Momentenwunsch durch das ESP-System (Elektronisches Stabilitätsprogramm). Das resultierende Moment wird unter Berücksichtigung der Momentenwirksamkeit in die verschiedenen Anteile der Einspritzung (Vor- Haupt-, Nacheinspritzung) umgerechnet und über die Endstufen an die Injektoren ausgegeben. Neben der eigentlichen Motorsteuerung wurden im Laufe der Zeit eine große Zahl an weiteren Funktionen integriert, beispielhaft seien hier nur elektronische Wegfahrsperre, Lichtmaschinenregelung oder Klimakompressorregelung für Pkw oder die Alldrehzahlregelung für Nkw genannt, bei der der Motor auch bei stehendem Fahrzeug zum Antrieb von Nebenaggregaten verwendet werden kann.
6.2.1.2
Systemanforderungen Umgebungsbedingungen
Elektronik im Kraftfahrzeug muss wegen der besonderen Einbau- und Einsatzbedingungen für besondere Belastungen ausgelegt werden. Prinzipiell wird die Elektronik für ein Fahrzeugleben ausgelegt, muss also bei Pkw typischerweise 10 Jahre und 250.000 km ihren Dienst versehen. Weitere typische Umgebungsbedingungen für den bei Pkw häufig anzutreffenden Einbau im Motorraum des Fahrzeugs sind in Tabelle 6-1 aufgeführt.
6.2.2
Aufbau- und Verbindungstechnik
Motorsteuergeräte werden typischerweise in Leiterplattentechnik unter Verwendung von Leiterplattenmaterial mit 4 bis 6 Lagen hergestellt. Das Gehäuse besteht aus einer Boden/Deckel-Kombination von Aluminium-Druckguss und tiefgezogenem Aluminiumblech, welche miteinander verschraubt und verklebt werden. Zum Druckausgleich wird
6.2 Elektronische Regelung 201
Bild 6-3 EDC Komplexitätswachstum (BOSCH)
Tabelle 6-1 Typische Umgebungsbedingungen für Motorraumeinbau im PKW Umgebungstemperatur Tropentauglichkeit Staubdichtigkeit Wasserdichtigkeit Korrosionsfestigkeit Chemikalienbeständigkeit Beschleunigungsfestigkeit
–40 °C – +85 °C 85 °C und 85% rel. Luftfeuchte IP 5k xx IP xx 9k Salzsprühnebel Kraftstoff, Motoröl, Kaltreiniger u. a. ~ 3g
eine wasserundurchlässige Membran vorgesehen. Dadurch kann im Steuergerät ein Atmosphärendruckfühler vorgese‑ hen werden, mit dem die Einspritzmengen auch luftdruckab‑ hängig, d. h. höhenabhängig korrigiert werden können. Eine marktgängige Steckverbindung hat 154 Kontakte aufgeteilt in 2 Kammern (Bild 6‑5).
6.2.3
Bei bewegter Umgebungsluft
In allen Raumachsen
Digitaler Rechnerkern
Zur Ausführung steht ein 32bit-Rechnerkern mit Taktfre‑ quenzen bis zu 150 MHz zur Verfügung. Der Programmum‑ fang incl. Applikationsparameter füllt einen 2 bis 4 MByte Flash-Speicher, dazu ist für den Programmablauf ein RAMSpeicher von 32 kByte verfügbar. Damit das Steuergerät im ausgeschalteten Zustand stromlos geschaltet werden kann, wird ein EEPROM-Speicher von 2 bis 8 kByte für berechnete
202 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme
Bild 6-4 Systemübersicht Steuergerät: Links: Signalaufbereitung; Mitte: Digitaler Rechnerkern; Rechts: Endstufen zur Ansteuerung der Aktoren (BOSCH)
6.2 Elektronische Regelung
203
Bild 6-5 Schnittmodell Motorsteuergerät (BOSCH)
Adaptionswerte, fahrzeugindividuelle Kennzahlen und den Fehlerspeicher vorgesehen. Eine Überwachungsschaltung prüft, ob der Rechner aktiv ist und mit der richtigen Taktfrequenz rechnet.
6.2.4
Eingangs- und Ausgangsschaltung
Die Eingangsbeschaltung wandelt die ankommenden Signale (Schaltpegel von Schaltern, Analogspannungen von Sensoren, Botschaften über serielle Schnittstellen wie CAN (Controler Area Network) in digitale Werte um und stellt sie dem Rechner aufbereitet zur Verfügung. Auf der Ausgangsseite werden aus den im Rechner ermittelten Werten Ansteuersignale für die Einspritzventile, Stellglieder oder Botschaften für serielle Schnittstellen zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus muss die Eingangs- und Ausgangsbeschaltung Schutz gegen elektromagnetische Einstrahlung bieten und umgekehrt störende Abstrahlung verhindern. Spezielle Überwachungsschaltungen an den Endstufen stellen Kurzschlüsse nach Masse, nach Batteriespannung und Kabelfehler fest. Auch auf der Eingangsseite werden die Sensoren so spezifiziert, dass Kurzschlüsse und Kabelfehler schon in der Schaltung zu Unplausibilitäten führen und erkannt werden.
6.2.5
Funktionen und Software
Üblicherweise arbeitet ein Steuergerät so im Verborgenen, dass das nur die Software für den Fahrzeugfahrer wahrnehmbar ist. Die Software wird in „C“ programmiert, zunehmend wird auch direkt aus der Systemspezifikation mittels Autocodegenerierung der ausführbare Code erzeugt. Ganz grob lässt sich die Funktionalität des Steuergeräts einteilen in Motorfunktionen und Fahrzeugfunktionen, die beide in einer gemeinsamen Architektur implementiert werden. Das Steuergerät steht über serielle Bussysteme mit anderen Steuergeräten im Fahrzeug in Verbindung. Üblich sind ein oder mehre CAN-Busse, in Zukunft werden schnellere Bussysteme mit definiertem Echtzeitverhalten, z. B. Flexray, hinzukommen. Die Getriebekommunikation z. B. regelt den optimalen Schaltpunkt einerseits und eine Motormomentenbegrenzung im Umschaltpunkt andererseits, so dass im Antriebsstrang keine Überlastung auftreten kann. Andere Beispiele für seriellen Datenaustausch sind die Kommunikation mit dem Glühsteuergerät, der Wegfahrsperre, der Lichtmaschine oder der Klimaanlage.
6.2.5.1
Software-Architektur
Die SW-Architektur stellt einen Ordnungsrahmen für das Zusammenspiel einer sehr großen Zahl unterschiedlichster
204 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme Funktionen dar. Dabei ist ein wichtiger Aspekt der Beherr‑ schung eines hochkomplexen Systems seine Modularität, d. h. die Unterteilung in beherrschbare Einzelfunktionen und die Wiederverwendbarkeit aus wirtschaftlichen Grün‑ den. In einer Motorsteuerung müssen die Schnittstellen der Funktionen zunächst nach einheitlichen Kriterien definiert werden, dabei haben sich physikalische Größen (z. B. Dreh‑ moment) gegenüber den früher verwendeten Messgrößen (z. B. Luftmenge) durchgesetzt. Die Architektur definiert auch die Kommunikation zwischen den Funktionen, z. B. wie Information bereitgestellt, angefordert und übertragen wird. Ebenso muss die Architektur das gewünschte Echtzeit‑ verhalten berücksichtigen: Manche Funktionen müssen syn‑ chron mit der Motordrehzahl berechnet werden (z. B. Ein‑ spritzsystem), andere wiederum laufen in festen Zeitrastern ab (z. B. Kommunikation mit anderen Steuergeräten im Fahrzeug). Eine dritte Kategorie von Software ist ereignisge‑ steuert, d. h. die Software reagiert auf ein von außen eintref‑ fendes Signal. Dies erfordert motorsteuerungstaugliche Echtzeitbetriebssysteme gemäß OSEK-Standard (open sys tems and the corresponding interfaces for automotive electro nics; www.osek.vdx.org). Da der Umfang der Software sehr stark ansteigt, wird in Zukunft die Software herstellerübergreifend in verschiedene Steuergeräte integriert werden müssen. Dazu wird als her‑ stellerübergreifende Architektur AUTOSAR standardisiert (www.autosar.org). Ziel ist, Modularität, Skalierbarkeit, Wie‑ derverwendbarkeit, Portabilität und Standardisierung von Schnittstellen zu erreichen, damit noch wesentlich komple‑ xere SW‑Systeme als heute zu vertretbaren Kosten beherrsch bar werden.
6.2.5.2
Digitale Regler
Die digitale Realisierung der Regler in einem Mikroprozessor system bringt gegenüber der analogen Darstellung eine Reihe von Besonderheiten mit sich. So lassen sich z. B. fast beliebig komplexe Regelalgorithmen darstellen. Die Regler unterlie‑ gen keinerlei Alterungseffekten und die Grenzwertüberwa‑ chung kann zur Systemdiagnose verwendet werden. Mitei‑ nander koppeln lassen sich Regler auf vielfältigste Weise, z. B. sind mehrere Regler zeitlich synchronisierbar und die Eingangsgrößen können zeitgleich vielen Reglern zu Verfü‑ gung stehen, auch wenn sich diese Regler in mehreren Steuer geräten befinden, die über ein Datennetzwerk miteinander in Verbindung stehen. Die Quantisierung der analogen Sensorsignale erfolgt üblicherweise mit 8‑bit Analog/Digital-Convertern (ADC), bei höheren Anforderungen an die Auflösung werden auch 10‑bit ADC verwendet. Damit lassen sich der Messbereich und die Genauigkeit der Sensoren im Rahmen ihrer physi‑
kalischen Auflösung ohne Informationsverlust abbilden. In einer digitalen Signalbehandlung wird das Signal gefiltert, um EMV-Einstrahlung, Mikrounterbrechungen und andere Störungen auszublenden. Ebenso wird das Signal entspre‑ chend der Kennlinie des Sensors linearisiert, so dass für die folgenden Regler der physikalische Wert der Messgröße zur Verfügung steht. Dieser physikalische Wert wird in heutigen Rechnersystemen als 32‑bit Zahlendarstellung weiterverar‑ beitet. Durch diese hohe Auflösung haben die Regelalgorith‑ men selbst keinen merkbaren Einfluss auf die Genauigkeit des Ergebnisses.
6.2.5.3
Motorfunktionen
Als Motorfunktionen bezeichnet man alle Funktionen, wel‑ che den Verbrennungsprozess regeln, von der Erfassung der Luftmenge bis zur Ansteuerung der Einspritzventile. Eine besondere Kategorie von Motorfunktionen stellen dabei die Abgasnachbehandlungsfunktionen dar, mit deren Hilfe Ver‑ brennung und Katalysatoren so geregelt werden, dass die Abgasqualität optimiert und die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschritten werden. Einen Überblick über die Motorfunktionen gibt Tabel‑ le 6‑2, wichtige Abgasfunktionen sind in Tabelle 6‑3 zusam‑ mengefasst.
Drehmoment Management Das Drehmoment ist die dominierende physikalische Erhal‑ tungsgröße innerhalb des Antriebsstrangs. Sie ist für Benzinund Dieselmotoren identisch, wodurch Funktionsstrukturen unabhängig von der Art des gewählten Verbrennungsmotors sind. Deshalb wird der Antriebsstrang über das Drehmo‑ ment koordiniert. Der Fahrer fordert mit Betätigung des Fahrpedals ein bestimmtes Drehmoment an den Rädern. Dieses wird zurückgerechnet über das Differenzial, das Ge‑ triebe (mit Getriebeverlusten) zum Drehmoment an der Kupplung. Da zu jedem Zeitpunkt verschiedene Hilfsaggre‑ gate (Klimakompressor, Lichtmaschine usw.) unterschied‑ liche Drehmomente für sich fordern, müssen diese bekannt sein und in das Motorausgangsmoment eingerechnet wer‑ den. Nach weiterer Berücksichtigung der Reibungsverluste des Motors selbst ergibt sich das innere Drehmoment des Motors, welches die Basis für die erforderliche Einspritz‑ menge ist. Allerdings wird in modernen Fahrzeugen der Fahrerwunsch nicht in dieser direkten Weise umgesetzt: Traktionskontrollsysteme, Fahrgeschwindigkeitsregelungen oder Bremsassistenten können zusätzlich das Radmoment beeinflussen. Vorteile des Drehmoment-Managements lie‑ gen insbesondere im Schutz der Komponenten des Antriebs strangs durch Drehmoment-Begrenzungen, im ruckfreien
6.2 Elektronische Regelung 205
Tabelle 6-2 Motorfunktionen – Glühkontrolle – Hauptrelaissteuerung – Startsystemsteuerung – Einspritzausgabesystem – Aufteilung in Vor-, Haupt-, Nacheinspritzung – Ausgabe motorsynchron in Echtzeit – Motorkoordinator – Motorstatus – Nachlaufsteuerung – Abschaltkoordinator – Motormomentberechnung – Drehmomentbegrenzung – Momentgradientenbegrenzung – Kraftstoffverbrauchsberechnung – Koordinator für Schubbetrieb – Leerlaufregler – Ruckeldämpfer – Lastschlagdämpfer – Einspritzregelung – Einspritzmengenkoordinator – Mengenbegrenzung – Umrechnung Moment → Menge – Rauchbegrenzungsmenge – Motordrehzahl- u. Winkelerfassung – Überdrehzahlschutz – Fehlzündungserkennung – Motorkühlung – Lüfterregelung – Wasser- u. Öltemperaturüberwachung – Luftsystem – Abgasrückführregelung – Ladedruckregelung – Steuerung der Drallklappe im Ansaugtrakt – Steuerung der Luftregelklappe – Luftmassenerfassung (per Heißfilmluftmassensensor) – Wegfahrsperre – Diagnose-System – Kommunikation über seriellen BUS (CAN)
Tabelle 6-3 Abgasfunktionen – Diesel Partikel Filter (DFP) – NOx Speicher Katalysator (NSC) – Lambda Regelung – Verbrennungserkennung über Zylinderdruck – Selektive katalytische Reduktion (SCR) – Abgastemperaturmodell
Gangwechsel bei Automatikgetrieben durch Gangschaltung bei konstantem Moment und der leichten Integration von zusätzlichen Hilfsabtrieben.
Modellbasiertes Luftmanagement Eine optimale Gemischbildung im Zylinder setzt voraus, dass die Luftmenge im Zylinder mit hoher Genauigkeit er‑ mittelt wird. Dazu werden mittels eines physikalischen Mo‑ dells der Luftbewegung im Ansaugtrakt und des zuge‑ mischten Abgases aus der Abgas-Rückführung mit hoher dynamischer Genauigkeit die Gasparameter direkt am Ein‑ lassventil berechnet (Bild 6-6). Mit Hilfe eines Behältermo‑ dells werden die geometrischen Verhältnisse im Ansaugtrakt modelliert und insbesondere Speicher‑ und Verzögerungsef‑ fekte bei hoher Dynamik eingerechnet. Das Drosselklappen‑ modell beinhaltet ein physikalisches Modell der Durchfluss‑ rate. Im Luftmischungsmodell wird der Mischvorgang von Frischluft und Abgas berechnet. Schließlich werden im Ver‑ brennungsmodell der Verbrennungsvorgang selbst und die Abgastemperatur berechnet. Die Vorteile dieses Verfahrens gegenüber Kennfeldbe‑ schreibungen der Ansaugluftmenge liegen im deutlich redu‑ zierten Applikationsaufwand, insbesondere bei verschie‑ denen Betriebsarten (Normalbetrieb, Regenerationsbetrieb für Abgasnachbehandlungssysteme). Ferner sind die Über‑ gänge zwischen den verschiedenen Betriebsarten infolge der schnellen Steuerung für den Fahrer nicht spürbar. Beson‑ ders wichtig ist, dass Luft und Abgasmenge immer gleichzei‑ tig geregelt werden, wodurch sich reduzierte Emissionstole‑ ranzen beim Betrieb mit Abgasrückführung auch im Nor‑ malbetrieb ergeben.
Modellbasiertes Abgasmanagement Weltweit werden die Abgasgesetze für Fahrzeuge immer strenger, z. B. werden die Abgasgrenzwerte in der EU ausge‑ hend von der Euro 4 (2005) in der Euro 5 (2008) für NOX um ca. 30% und für Dieselpartikel um 80% reduziert. Zur Einhaltung dieser Normen sind aufwändige Strategien erfor‑ derlich: Mit Hilfe des Abgastemperaturmodells kann die Tempe‑ ratur an jeder Stelle der Abgasanlage berechnet werden, was für die Strategien zur optimalen Nutzung der Katalysatoren wichtig ist. Damit können auch die Anzahl sonst notwen‑ diger Temperatursensoren reduziert und mittels Taupunkt analyse die Stellen in der Auspuffanlage ermittelt werden, an denen das Wasser aus der Verbrennungsreaktion konden‑ siert. Das Abgastemperaturmodell beinhaltet eine thermo dynamische Berechnung des Abgassystems. Wichtige Teil‑ modelle dazu sind die Geometrie und das thermodyna‑
206
6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme
Bild 6-6 Modellbasiertes Management der Verbrennungsluft im Dieselmotor
misches Modell der Auspuffanlage, ein thermodynamisches Modell des Turboladers sowie der Katalysatoren. Die Lambda Regelung erfasst mit Hilfe eines LambdaSensors im Auspuff den Sauerstoffgehalt der Verbrennungsabgase. Über ein regelungstechnisches Modell wird der Sauerstoffgehalt an der Position der Lambda-Sonde zunächst berechnet und mit dem gemessenen Wert verglichen. Die Differenz geht als Korrekturgröße in das Luftmodell ein und dient dort der Korrektur von Luftmenge, Kraftstoffmenge bzw. Abgasrückführrate. Damit kann das Abgas auch bei instationärem Betrieb innerhalb enger Toleranzen und trotz Altern der mechanischen Einspritzkomponenten konstant gehalten werden. Zur Reduktion von Dieselruß werden Dieselpartikelfilter eingesetzt. Auf ihrer reaktiven Oberfläche lagern sich die Russteilchen an, wodurch der Katalysator nach einiger Zeit verstopfen würde, weshalb der Ruß zyklisch im sog. Regenerationsbetrieb abgebrannt werden muss. Für die Regeneration gibt es verschiedene Maßnahmen zur Temperaturerhöhung, die wichtigsten sind die angela-
gerte und späte Nacheinspritzung mit Verbrennung im Oxidationskatalysator. Ziel ist eine Erhöhung der Temperatur auf 600 °C, bei der der Ruß verbrennt. Der Ladezustand des Filters wird einerseits über ein Beladungsmodell aus den Betriebsparametern des Motors und seiner Betriebsdauer errechnet, andererseits mittels Druckdifferenzsensor über dem Partikelfilter gemessen. Aus der Plausibilisierung der beiden Informationen kann das System Fehlfunktionen feststellen. Bei Erreichen eines entsprechenden Ladezustandes schaltet das Steuergerät in den Regenerationsbetrieb um. Dabei müssen sowohl der Regenerationsbetrieb selbst als auch die Übergänge zum und vom Regenerationsbetrieb drehmomentneutral ablaufen, so dass der Fahrer von allem nichts spürt. Da Dieselmotoren im Normalbetrieb mit Sauerstoffüberschuss betrieben werden, haben sie im Vergleich zu Ottomotoren eine erhöhte Emission an Stickoxiden. Sie wird derzeit mittels zweier alternativer Maßnahmen reduziert: Bei Pkw ist sowohl der NOX-Speicher-Katalysator NSC (NOX Storage Catalyst) als auch die selektive katalytische
6.2 Elektronische Regelung 207 Reduktion SCR (Selective Catalytic Reduction) einsetzbar, bei Nkw wird nur das SCR-Verfahren angewandt. Beim NSC-Verfahren werden im normalen Fahrbetrieb zunächst NOX und SO2 aus den Verbrennungsabgasen im Speicherkatalysator eingelagert. Ist der Katalysator voll, wird im Abgasgemisch mittels sehr später zusätzlicher Einsprit‑ zungen ein Kraftstoffüberschuss erzeugt, mit dessen Hilfe zunächst im Oxidations-Katalysator CO erzeugt wird, welches im NSC die NOX zu N2 reduziert. Schließlich wird bei etwa stöchiometrischem Luft-/Kraftstoffgemisch die Abgastemperatur im Katalysator auf über 650 °C erhöht, wodurch die Schwefelmoleküle, die sonst den Katalysator im Laufe der Zeit zusetzen würden, ausgebrannt werden. Das SCR Verfahren dagegen verwendet ein deutlich kos‑ tengünstigeres Katalysatormaterial in Verbindung mit der separaten Einspritzung einer wässrigen Harnstofflösung vor den SCR-Katalysator. Diese Lösung (Handelsname „AdBlue“) benötigt motorseitig keine Maßnahmen son‑ dern kann separat im Abgastrakt dazugebaut werden. Aller‑ dings ist nach mehreren tausend Kilometern neben Kraft‑ stoff auch „AdBlue“ nachzutanken.
Einspritzmanagement Das Einspritzmanagement berechnet aus der Drehmoment anforderung, den zusätzlichen Anforderungen aus der Ab‑ gasnachbehandlung und dem aktuellen Betriebspunkt den genauen Verlauf des Einspritzvorgangs. Ein Einspritzvor‑ gang in einem Common Rail System kann dabei aus mehre‑ ren Voreinspritzungen, einer oder mehreren Haupteinsprit‑ zungen sowie mehreren Nacheinspritzungen bestehen. Für jede Einzeleinspritzung muss bei jedem Einspritzvorgang der Spritzbeginn relativ zum oberen Totpunkt des Zylinders und die Einspritzdauer berechnet werden und außerdem ist festzulegen, welche Einzeleinspritzungen für den Einspritz vorgang erforderlich sind. Ein zusätzlicher Freiheitsgrad er‑ gibt sich daraus, dass der Einspritzdruck (Raildruck) betriebs punktabhängig ebenfalls vom Steuergerät geregelt werden kann. Die Einzeleinspritzungen haben sehr unterschiedliche Funktionen: Sehr frühe Voreinspritzungen dienen der Vor‑ konditionierung des Zylinders für den nachfolgenden Ver‑ brennungsvorgang, spätere Voreinspritzungen optimieren das Motorengeräusch, die Haupteinspritzungen dienen der Drehmomenterzeugung, frühe Nacheinspritzungen der Temperaturerhöhung des Abgases für die Abgasnachbe‑ handlung und späte Nacheinspritzungen liefern Kraftstoff z. B. als Reduktionsmittel im Abgasnachbehandlungssys tem. Darüber hinaus gibt es im Einspritzsystem vier Korrek‑ turfunktionen der Einspritzmenge (siehe auch Abschn. 5.3.5.7): Der Injektormengenabgleich (IMA) kompensiert
Exemplarstreuungen bei der Herstellung des Injektors und verbessert damit die Emissionen. Dazu wird der Injektor bei seiner Herstellung vermessen und mit seinen charakteris tischen Parametern beschriftet. Diese Daten werden in der Motoren‑ bzw. Fahrzeugfertigung auf das Steuergerät als betriebspunktabhängige Korrekturwerte übertragen. Die Mengenausgleichsregelung (MAR) ermittelt anhand der Ungleichförmigkeit der Kurbelwellendrehung Unter‑ schiede im Drehmomentbeitrag der einzelnen Zylinder und korrigiert diese. Damit ergibt sich eine verbesserte Laufruhe des ganzen Motors. Mit der Nullmengenkalibrierung (NMK) wird die Mengendrift der Voreinspritzungen kom‑ pensiert, was der Emissions- und Geräuschminderung dient. Dazu wird im Schubbetrieb die Ansteuerdauer vari‑ iert bis eine Veränderung der Motordrehzahl beobachtet werden kann. Dies ergibt die kleinste drehmomentwirksame Ansteuerdauer. Die Druckwellenkorrektur (DWK) schließlich berück‑ sichtigt, dass beim Öffnen des Einspritzventils der Kraftstoff druck nicht konstant bleibt sondern einbricht. Dadurch entstehen Druckwellen zwischen Injektor und Rail, welche die Einspritzmengen der nachfolgenden Einspritzungen beeinflussen. Mit Hilfe von betriebspunktabhängigen Kor rekturwerten wird dieser Effekt korrigiert, was bei Mehrfach einspritzungen die Mengentoleranzen einengt.
Überwachungskonzept Oberste Priorität bei der Auslegung des elektronischen Sys tems hat die Personensicherheit; bei einem Fahrzeug sind das vor allem die Fahrzeuginsassen. Deshalb befindet sich im Steuergerät ein Überwachungskonzept aus drei voneinander unabhängigen Ebenen, die auch im Fehlerfall ein sicheres Beherrschen des Fahrzeugs ermöglichen. Falls keine andere kontrollierbare Systemreaktion mehr möglich ist, wird der Motor abgestellt. Ebene 1 des Überwachungskonzepts sind die Fahrfunk tionen mit ihren Plausibilisierungen und die Überwachung der Eingangs- und Ausgangsschaltungen. Zu den Plausibili‑ sierungen gehört z. B. die gegenseitige Kontrolle, ob der Ladedruck am Ausgang des Turboladers und der Atmo sphärendruck beim Start den gleichen Wert haben. Bei den Eingangs- und Ausgangsschaltungen wird über spezielle Schaltungen ermöglicht, dass Kurzschlüsse oder Kabelfehler direkt erkannt, im Fehlerspeicher abgelegt und Ersatzreak tionen eingeleitet werden. Auf Ebene 2 des Überwachungskonzepts wird aus den Sensor-Rohsignalen unabhängig von der Fahrsoftware eine kontinuierliche Drehmomentenüberwachung berechnet. Dazu wird einerseits über eine redundante Signalauswer‑ tung das maximal zulässige Moment berechnet und ande‑
208 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme rerseits aus der gemessenen Ansteuerdauer der Einspritzend stufen das aktuelle Moment. Zusätzlich wird im Schubbe‑ trieb, d. h. wenn das Fahrzeug z. B. beim Bremsen Drehmo‑ ment abbaut, geprüft, ob in diesem Betriebszustand, in dem das Fahrpedal nicht betätigt ist, auch tatsächlich die an den Endstufen anliegende Ansteuerdauer der Einspritzventile Null ist. In der dritten Ebene des Überwachungskonzepts wird schließlich der Rechner selbst auf korrekte Funktion, sowohl bezüglich der Arithmetik als auch des Zeitverhaltens geprüft. Damit ist erkennbar, wenn der Rechner in eine Endlos-Pro‑ grammschleife geraten sollte. Dazu hat das Steuergerät eine zweite Schaltungseinheit, die ein eigener Rechner oder ein anwendungsspezifischer Schaltkreis (ASIC) sein kann, aus‑ gerüstet mit einer vom Rechner unabhängigen Zeitbasis (Schwingquarz).
6.3
Sensoren
Der Einsatz von Sensoren im Kraftfahrzeug erfordert in ho‑ hem Maße Unempfindlichkeit gegenüber mechanischen, klimatischen, chemischen und elektromagnetischen Einflüs‑ sen. Neben hoher Zuverlässigkeit und langer Lebensdauer wird eine hohe Genauigkeit verlangt. Nachfolgend werden die wichtigsten Sensoren und ihre Aufgaben für die Steuerung von Dieselmotoren beschrieben (Bild 6‑7). Das Fahrpedalmodul (FPM, Bild 6‑7, 7) erfasst den Fah‑ rerwunsch zur Fahrzeugbeschleunigung. Sein Signal dient als Eingangsgröße für die Berechnung der Einspritzmenge in der Motorsteuerung. Das Fahrpedalmodul besteht aus einem fahrzeugspezifischen Pedal, einem Lagerbock und einem Drehwinkelsensor. Der Sensor ist redundant als Füh‑ rung‑ und Überwachungssensor ausgeführt und enthält entweder ein Doppel-Potentiometer oder ein berührungs‑ loses Hall‑Elementepaar. Das Potentiometer wird in Sieb‑
Bild 6-7 Systemplan Sensoren am Dieselmotor 1 Luftmassenmesser; 2 Ladedruckfühler; 3 Regelklappe; 4 Abgasrückführungsventil; 5 Raildrucksensor; 6 Drehzahlgeber; 7 Fahrpedalmodul; 8 Abgastemperatursensor; 9 Lambdasensor; 10 Abgastemperatursensor; 11 Differenzdrucksensor
6.3 Sensoren 209 drucktechnik hergestellt. Die Hall‑Elemente sind in zwei voneinander unabhängigen Hall-ICs, die auch die Ansteuerund Auswerteelektronik beinhalten, integriert. Das Sensor‑ ausgangssignal ist proportional zur Pedalstellung. Temperaturfühler (TF) erfassen die Temperatur von Luft (LTF), Kühlwasser (WTF), Öl (OTF) und Kraft‑ stoff (KTF). Sie enthalten als Sensorelement i. d. R. einen NTC-Widerstand mit negativem Temperaturkoeffizienten, d. h. logarithmisch fallendem Widerstand bei steigender Temperatur. Die Zeitkonstante des TF ist abhängig vom Einbau des NTC im Sensor (Wärmespeicher), der Art des zu messenden Mediums (Wärmekapazität) und dessen Strömungsgeschwindigkeit (Menge der übertragenen Wärme). Beim Lufttemperaturfühler ist die Zeitkonstante aufgrund des meist verwendeten Kunststoffgehäuses sehr groß. Für hohe Dynamikanforderungen kann ein offen liegender NTC verwendet werden. Diese Variante wird auch in Heißfilmluftmassenmessern oder Ladedrucksensoren eingesetzt. Der Drehzahlgeber (DG, Bild 6‑7, 6) erfasst die Motor‑ drehzahl mit Hilfe eines mit der Kurbelwelle verbundenen und gezahnten Geberrads. Der induktive Sensor enthält einen von einer Spule umgebenen Weicheisenkern mit Dauer magnet und wird direkt gegenüber dem Geberrad positio‑ niert. Das Magnetfeld des Dauermagneten schließt sich über Weicheisenkern und Geberrad. Der magnetische Fluss durch die Spule hängt davon ab, ob dem Kern eine Geberrad-Lücke mit großem Luftspalt oder ein Zahn mit kleinem Luftspalt gegenübersteht. Ein drehender Motor führt durch die ZahnLücken-Wechsel zu sinusförmigen Flussänderungen, die eine sinusförmige Ausgangsspannung induzieren. Der Drehzahl‑ geber kann für den Einsatz kleinerer Geberräder mit Hall‑ICs mit digitalem Ausgangssignal realisiert werden. Der Drehzahlgeber ermöglicht über die reine Erfassung der Motordrehzahl hinaus die Realisierung von Motorfunk‑ tionen, bei denen z. B. auf Basis der Messung kleiner Dreh‑ zahländerungen zylinderbezogene Korrekturen der Ein spritzmenge vorgenommen werden können. So können kleinste Unterschiede in den jeweiligen Einspritzmengen der Einzelzylinder korrigiert (Mengenausgleichsregelung) oder Fahrzeug-Längsschwingungen unterbunden werden (aktive Ruckeldämpfung). Der Phasengeber (PG) erfasst die Position der Nocken‑ welle mit Hilfe eines mit der Welle verbundenen und gezahnten Geberrads. Aufgrund der geringen Geberrad durchmesser kann kein induktiver Drehzahlgeber eingesetzt werden. Der Phasengeber beinhaltet deshalb einen HallSensor, welcher ähnlich wie beim Drehzahlgeber über das Geberrad Magnetfeldänderungen erfasst und als aufberei‑ tetes, digitales Signal ausgibt. Aus Phasen- und Drehzahlge‑ ber-Signalen wird die absolute Winkelposition der Kurbel‑
welle zum oberen Totpunkt (OT) des ersten Motorzylinders berechnet. Damit können Emissionen reduziert und Kom‑ fortfunktionen wie z. B. Schnellstart realisiert werden. Bei Ausfall des Drehzahlgebers kann der Phasengeber dessen Funktion teilweise übernehmen. Die elektrische Regelklappe (RKL, Bild 6‑7, 3) wird auf der kalten Motorseite im Saugrohr in Strömungsrichtung vor der Abgasrückführeinleitung montiert. Sie ermöglicht es, im Teillastbereich den Ansaugquerschnitt zu reduzieren und damit das Druckniveau hinter der Klappe zu regeln. Durch Schließen der Klappe wird die Strömungsgeschwin‑ digkeit der Ansaugluft erhöht und folglich auch der Unter‑ druck hinter der Klappe. Die Unterdruckerhöhung bewirkt, dass die Abgasrückführrate bis zu 60% erhöht werden kann. Diese Abgasrückführraten ermöglichen eine erhebliche Emissionsreduzierung. Weitere Funktionen der Regelklappe sind: – Erhöhung der Abgastemperatur für die Regeneration des Partikelfilters durch Androsselung und Öffnen des Bypass zum Ladeluftkühler, – luftgeführte Regelung mit Lambda < 1 bei Regeneration des NOX‑Speicherkatalysators, – Sicherheits- und Komfortabschaltung, – Androsselung im Leerlauf zur Geräuschoptimierung durch Absenkung des Zylinderspitzendrucks. Der Heißfilmluftmassenmesser (HFM, Bild 6‑7, 1) erfasst die vom Motor angesaugte Luftmasse unabhängig von Tem‑ peratur und Dichte und somit den für die Verbrennung zur Verfügung stehenden Sauerstoff. Der Heißfilmluftmassen‑ messer wird zwischen Luftfilter und Verdichter eingesetzt. Zur Erfassung des Luftmassenstromes wird dieser über eine dünne und beheizte Membran aus Silizium geführt. Die Temperaturverteilung auf der Membran wird durch vier temperaturabhängige Widerstände erfasst. Der Luftmassen‑ strom verändert die Temperaturverteilung der Membran, was zu einer Widerstandsdifferenz zwischen den stromauf und stromabwärts liegenden Widerständen führt. Da die Widerstandsdifferenz richtungs‑ und betragsabhängig ist, kann der Heißfilmluftmassenmesser pulsierende Luft massenströmungen mit hoher Dynamik und richtigem Vor‑ zeichen erfassen. Dadurch wird die genaue Berechnung des Luftmassenmittelwerts in der Motorsteuerung ermöglicht. Optional kann im Heißfilmluftmassenmesser zusätzlich ein Temperaturfühler eingesetzt werden, um die Ansauglufttem‑ peratur zu erfassen. Da das erfasste Luftmassensignal als Istwert der Regelung der Abgasrückführung und der Begrenzung der KraftstoffEinspritzmenge (Rauchbegrenzung) dient, ist eine hohe Genauigkeit des Heißfilmluftmassenmessers zur Erreichung und Einhaltung der Emissionsgrenzen besonders wichtig.
210 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme Der Ladedruckfühler (LDF, Bild 6‑7, 2) misst den Druck der angesaugten Luft im Saugrohr, die vom Verdichter auf einen höheren Druck aufgeladen wird. Damit gelangt mehr Luftmasse in die einzelnen Zylinder. Der Ladedruck dient der Ladedruckregelung. Mit dem aktuellen Istdruck und mit der Motordrehzahl kann die eingebrachte Luftmasse berech‑ net werden. Die genaue Kenntnis der Luftmasse ist wichtig, damit dem Motor nicht zu viel Kraftstoff eingespritzt wird (Rauchbegrenzungsfunktion). Das Sensorelement des LDF besteht aus einem SiliziumChip, in dem durch Ätzen eine Membran erzeugt worden ist. Die Druckbeaufschlagung führt zu einer Durchbiegung der Sensormembran und zu einer Widerstandsänderung der auf der Membran befindlichen Messwiderstände. Der LDF ist als Absolutdrucksensor ausgeführt, d. h. auf der einen Membranseite wird der Messdruck angelegt, auf der ande‑ ren befindet sich ein kleines, isoliertes Referenzvakuum. Die Auswerteschaltung, die auf dem Chip integriert ist, verstärkt die Widerstandsänderungen und wandelt sie in ein Span‑ nungssignal um, das dem Steuergerät zugeführt wird. Die Aufgabe des Differenzdrucksensors (DDS, Bild 6‑7, 11) ist die Messung des Druckabfalls am Partikelfilter im Abgassystem. Aus diesem lässt sich der Beladungsgrad des Filters mit Ruß bestimmen. Bei entsprechender Beladung wird ein Regenerationszyklus eingeleitet. Das Sensorelement des Differenzdrucksensors besteht aus einem ähnlichen Silizium-Chip wie beim Ladedruckfühler, jedoch wirken die beiden Messdrücke – Druck vor und nach PDF – jeweils auf eine Druckmembranseite. Das Differenzdrucksignal wird gebildet durch den Messdruck der Membran-Vorderseite abzüglich des Messdrucks auf der Membran-Rückseite. Druckänderungen auf beiden Memb ranseiten führen zu einer geänderten Durchbiegung der Sensormembran und damit zu entsprechenden Widerstands änderungen der Messwiderstände. Die Auswerteschaltung auf dem Chip verstärkt und wandelt die Widerstandsände‑ rungen in ein Spannungssignal, das dem Steuergerät zuge‑ führt wird. Der Raildrucksensor (RDS, Bild 6‑7, 5) misst den Kraft‑ stoffdruck im Verteilerrohr (Rail) des Common Rail Ein‑ spritzsystems. Der aktuellen Raildruck bestimmt die einzu‑ spritzende Kraftstoffmenge und dient der Raildruckregelung als Istwert. Das Sensorelement des Raildrucksensors besteht aus einer Edelstahlmembran, auf der sich eine Widerstandsbrücke aus Dünnschichtwiderständen befindet. Die Membranauslen‑ kung bei maximalem Druck beträgt bei dieser Bauart nur ca. 1 µm. Dennoch liefert die Widerstandsbrücke ein zwar kleines (10 mV), aber über die Sensorlebensdauer sehr sta‑ biles und genaues Messsignal. Dieses wird in einer elektro‑ nischen Schaltung verstärkt und zum Steuergerät geführt.
Der Druckanschluss des Sensors dichtet den sehr hohen Raildruck (max. 180…200 MPa) mit einer sog. Beißkanten‑ dichtung (Metall auf Metall) sicher zum Rail ab. Der Lambdasensor (LS, Bild 6‑7, 9) ermöglicht die Mes‑ sung der O2‑Konzentration im Abgas, mit der das Luftverhältnis λ im gesamten Betriebsbereich des Motors bestimmt werden kann. Durch eine Diffusionsbarriere gelangt das Abgas in eine Messkammer, aus der der Sauer‑ stoff durch die Sensorkeramik hindurch wieder in das Aus‑ puffrohr zurückgepumpt werden kann. Eine Regelschaltung hält die O2‑Konzentration in der Kammer auf einem sehr niedrigen Wert (idealerweise auf null) konstant. Der Pump‑ strom, der hierbei fließt, ist ein Maß für die O2‑Konzentra‑ tion im Abgas. Das heute dominante Anwendungsgebiet des LS (in Ver‑ bindung mit dem Luftmassensignal des HFM) ist die Kor‑ rektur der Einspritzmenge zur Einhaltung der Abgasemis sionswerte des Fahrzeugs über dessen Lebenszeit. Neu hin‑ zukommen wird der Einsatz des LS zur Überwachung und Steuerung der Regeneration des NOX-Speicherkatalysators (NSC). Abgastemperatursensoren (ATS, Bild 6‑7, 8 und 10) haben die Aufgabe, die Abgastemperatur an verschiedenen Punkten im Abgasrohr zu messen. Dabei unterscheiden sich die Abgastemperatursensoren von anderen Temperatursen‑ soren im Wesentlichen im Messbereich und in der Dyna‑ mik. Wichtigste Einbaupositionen sind nach dem Oxida tionskatalysator (DOC – Diesel Oxydation Catalyst) sowie vor und hinter dem Dieselpartikelfilter (DPF). Der ATS dient dabei sowohl zur Überwachung und Steuerung des DPF als auch zum Bauteilschutz im Falle eines unkontrol‑ lierten Partikelabbrandes im Filter. Abgastemperatursensoren bestehen je nach Einsatzfall und Messbereich aus keramischen Materialien, die einen negativen Temperaturkoeffizienten aufweisen (NTC‑Kera‑ miken), aus Platin mit einem positiven Temperaturkoef fizienten (PTC) oder aus Thermoelementen. Das sind mechanisch verbundene, metallische Drähte, die – basie‑ rend auf dem Seebeck-Effekt – eine elektrische Spannung liefern, wenn sie einem Temperaturgradienten ausgesetzt werden. Der NOX-Sensor ist ein wichtiger Sensor für die Überwa‑ chung und Steuerung von NOX-Katalysatoren. Der NOXSensor ist prinzipbedingt in der Lage, neben der Stickoxid konzentration im Abgas auch den Lambdawert zu ermitteln. Er besteht aus einem Zwei-Kammer-Sensorelement. Das Abgas gelangt durch eine erste Diffusionsbarriere in die erste Kammer, in der vergleichbar zum Lambdasensor der Sauerstoffgehalt ermittelt wird. Dabei wird der Sauerstoffge‑ halt des in der Kammer befindlichen Abgases auf nahe null reduziert. Das so aufbereitete Abgas gelangt über eine zweite
6.4 Diagnose 211 Diffusionsbarriere in eine zweite Kammer, in der durch eine katalytische Reduktion dem Stickoxid der Sauerstoff entzo‑ gen und gemessen wird. Das Prinzip dieser Sauerstoffmes‑ sung entspricht ebenfalls dem des Lambdasensors. Mit diesem Sensor kann sowohl die Steuerung der NOXKatalysatoren (Regelung auf minimale NOX-Konzentration) als auch eine Überwachung der für die Einhaltung der Abgasemissionsgrenzwerte wichtigen Baugruppen (Schwell‑ wertüberwachung der NOX-Konzentration) realisiert wer‑ den. Für zukünftige Abgasnachbehandlungskonzepte, wie z. B. Partikelfilter und NOX-Katalysatoren werden weitere Sensoren erforderlich sein, die sowohl für den Betrieb als auch zur Überwachung der Systeme eingesetzt werden. Neben Abgastemperatur und Abgasdruck werden vor allem spezifische Schadstoffanteile im Abgasstrom, wie z. B. Koh‑ lenwasserstoffe, Stickoxide und Ruß von Bedeutung sein.
6.4
Diagnose
Die Diagnose des Dieselmotors ist auf Grund der immer hö‑ heren Anforderungen und der Zunahme der Komplexität der zum Betrieb verwendeten Systeme immer wichtiger ge‑
Bild 6-8 Diagnose und Überwachung im Fahrbetrieb und Diagnose in der Werkstatt
worden. Die Entwicklung der Diagnose ist heute integraler Bestandteil der Motor-, System- und Komponentenentwick‑ lung und berücksichtigt den gesamten Fahrzeuglebenszyklus von der Entwicklung über die Produktion bis hin zum Ser‑ vice. Im Fahrbetrieb sind die wesentlichen Aufgaben der Über‑ wachung und Diagnose die Sicherstellung der Zuverlässig‑ keit und die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen, wohingegen im Schadensfall die schnelle Lokalisierung des fehlerhaften Bauteils im Vordergrund steht (Bild 6‑8). Die Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb basiert auf einer kontinuierlichen Funktionsüberwachung im Motorsteuergerät und beinhaltet auch die gesetzlich vorge‑ schriebene On Bord Diagnostic (OBD) der emissionsrele‑ vanten Komponenten und Systeme. Zusätzlich zu den Ergebnissen der Diagnose im Fahrbe‑ trieb können in der Werkstatt spezielle Diagnosefunktionen aufgerufen werden, die entweder im Motorsteuergerät oder im Diagnosetester verfügbar sind. Darüber hinaus unter‑ stützen auch zusätzliche Prüf- und Messgeräte die geführte Fehlersuche im Schadensfall.
212 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme
6.4.1
Diagnose im Fahrbetrieb
Die Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb läuft ohne Zusatzgeräte ab und gehört zum Grundumfang elektro‑ nischer Motorsteuerungssysteme. Sie teilt sich auf in das vom Gesetzgeber vorgeschriebene OBD-System zur Überwachung von emissionsrelevanten Systemen und Komponenten und in weitere ggf. hersteller‑ spezifische Prüfungen von nicht emissionsrelevanten Grö‑ ßen. Beide Anteile nutzen hierzu die Selbstüberwachung des Steuergerätes, die Überwachung elektrischer Signale, Plausi‑ bilisierungen von Systemgrößen und die Prüfungen der Funktionalitäten des Systems und der Komponenten. Die dabei erkannten Fehler werden im Fehlerspeicher des Steuer gerätes abgespeichert und können über eine serielle Schnitt‑ stelle, i. Allg. herstellerspezifisch, ausgelesen werden. Teil der Überwachung und Diagnose im Fahrbetrieb ist die Sicherstellung eines beherrschbaren Systemzustands zur Vermeidung von Folgenschäden im erkannten Fehlerfall. Diese Fehlerersatzreaktionen steuern gegebenenfalls über Ersatzfunktionen/-werte einen Notlaufbetrieb oder in schwerwiegenden Fällen ein Abstellen des Motors. Zentrales Verwaltungselement der Diagnose im Fahrbe‑ trieb ist das Diagnose-System‑Management (DSM). Das DSM besteht aus der eigentlichen Fehlerabspeicherung, Algorithmen zur Fehlerentprellung und Fehlerheilung, der Überwachung der Prüfzyklen, einer Exklusivitätsmatrix zur Vermeidung von Folgefehlereinträgen und der Verwaltung der Fehlerersatzreaktionen.
6.4.2
OBD (On Board Diagnostic)
Die vom Gesetzgeber geforderte Überwachung aller emis sionsrelevanter Komponenten und Systeme muss im Fahrbe‑ trieb durch das Motorsteuergerät erfolgen. Die Überschrei‑ tung eines OBD‑Emissionsgrenzwertes wird dem Fahrer über die Fehlerlampe im Kombiinstrument (MIL, Malfunc‑ tion Indicator Lamp) angezeigt. Die Aktivierung der Diagnosefunktionen kann an bestimmte Einschaltbedingungen und Exklusivitätsbedin‑ gungen geknüpft sein. Eine Überwachung der Einsatzhäu‑ figkeit (IUMPR, In Use Monitor Performance Ratio bzw. Readiness) wird ebenfalls gefordert. Verschwindet ein Fehler wieder („Heilung“), so bleibt der Eintrag im Fehlerspeicher noch für i. Allg. 40 Fahrzyklen („warm up cycles“) eingetragen, wobei die MIL i. Allg. bereits nach drei fehlerfreien Fahrzyklen wieder aus geschaltet wird. Die OBD‑Gesetzgebung schreibt eine Normung sowohl der Fehlerspeicherinformation als auch des Zugriffs darauf (Stecker und Kommunikationsprotokoll) vor. Der Zugriff
auf die emissionsrelevanten Fehlerspeicherinformationen erfolgt über die in jedem Fahrzeug gut zugängliche Diagnose steckdose mit Hilfe eines geeigneten Scan-Tools, welches verschiedene Hersteller am Markt anbieten. Erfüllen Fahrzeuge die gesetzlichen OBD-Forderungen nicht, kann der Gesetzgeber auf Kosten des Fahrzeugher‑ stellers Rückrufaktionen anordnen. 1996 wurde für Dieselmotoren mit der OBD II (CARB) Gesetzgebung die zweite Stufe (erste Stufe 1988) in Kalifor‑ nien und vier weiteren US-Bundesstaaten eingeführt. Gefor‑ dert ist eine Überwachung aller emissionsrelevanten Syste‑ me und Komponenten, wobei eine für den jeweiligen Fahr‑ betrieb ausreichende Überwachungshäufigkeit (IUMPR) der Diagnosefunktionen für die Typzulassung nachgewie‑ sen werden muss. Die OBD II-Grenzwerte sind relativ zu den gesetzlichen Emissionsgrenzwerten definiert. In den übrigen US‑Bundesstaaten gelten seit 1994 die Gesetze der amerikanischen Bundesbehörde EPA (Environ‑ mental Protection Agency). Der aktuelle Umfang dieser Diagnose entspricht im Wesentlichen der CARB‑Gesetzge‑ bung (OBD II). Die auf europäische Verhältnisse angepasste OBD wird als EOBD bezeichnet und lehnt sich funktional an die EPA‑OBD an. Seit 2003 ist die EOBD für Pkw und leichte Nkw mit Die selmotoren verbindlich. In Europa gelten absolute EOBDEmissionsgrenzwerte.
6.4.3
Diagnose im Service (Werkstattdiagnose)
Aufgabe der Diagnose in der Werkstatt ist die schnelle und sichere Lokalisierung der kleinsten tauschbaren Einheit. Bei modernen Dieselmotoren ist der Einsatz eines i. Allg. PCbasierten Diagnosetesters unumgänglich. Die Diagnose in der Werkstatt nutzt hierbei die Ergeb‑ nisse der Diagnose im Fahrbetrieb (Fehlerspeichereinträge) und setzt spezielle Werkstattdiagnosefunktionen im Steuer‑ gerät oder Diagnosetester und zusätzliche Prüf- und Mess‑ geräte ein. Im Diagnosetester werden diese Diagnosemög‑ lichkeiten in der geführte Fehlersuche integriert.
Geführte Fehlersuche Wesentliches Element der Werkstattdiagnose ist die geführte Fehlersuche. Der Werkstattmitarbeiter wird ausgehend vom Symptom oder vom Fehlerspeichereintrag mit Hilfe eines er‑ gebnisgesteuerten Ablaufs durch die Fehlerdiagnose geführt. Die geführte Fehlersuche verknüpft hierbei alle Diagnose möglichkeiten: Symptomanalyse (Fehlerspeichereintrag oder/ und Fahrzeugsymptom), Werkstatt-Diagnosefunktionen im Motor-Steuergerät (MSG), Werkstatt-Diagnosefunktionen im Diagnosetester und in Zusatzprüfgeräten/-sensorik zu einem zielgerichteten Fehlersuchablauf (Bild 6‑9).
6.4 Diagnose 213
Bild 6-9 Diagnosevorgehen, Prinzip der geführten Fehlersuche
Symptomanalyse Ein fehlerhaftes Fahrzeugverhalten kann entweder direkt vom Fahrer wahrgenommen werden und/oder durch einen Fehlerspeichereintrag dokumentiert sein. Der Werkstattmit‑ arbeiter muss zu Beginn der Fehlerdiagnose das vorliegende Symptom als Startpunkt der geführten Fehlersuche identifi‑ zieren.
Auslesen und Löschen der Fehlerspeichereinträge Alle während des Fahrbetriebs auftretenden Fehler werden gemeinsam mit definierten, zum Zeitpunkt des Auftretens herrschenden Umgebungsbedingungen gespeichert und können über ein i. Allg. kundenspezifisches Schnittstellen protokoll ausgelesen werden. Der Fehlerspeicher kann mit dem Diagnosetester auch gelöscht werden.
Zusätzliche Prüfgeräte und Sensorik Die Diagnosemöglichkeiten in der Werkstatt werden durch Nutzung von Zusatzsensorik, Prüfgeräten und externen Aus‑ wertegeräten erweitert. Die Geräte werden im Fehlerfall in
der Werkstatt an das Fahrzeug adaptiert. Die Bewertung der Messergebnisse erfolgt i. Allg. im Diagnosetester.
Steuergerätbasierte Werkstattdiagnosefunktionen Diese im Steuergerät integrierten Diagnosefunktionen lau‑ fen nach dem Start durch den Diagnosetester vollständig autark im Steuergerät ab und melden nach Beendigung das Ergebnis an den Diagnosetester zurück. Eine Parametrie‑ rung der Diagnosefunktionen mit Hilfe des Diagnosetesters ist vorgesehen und bietet die Möglichkeit einer Diagnosean‑ passung auch nach der Markteinführung eines Fahrzeugs.
Diagnosetesterbasierte Werkstattdiagnosefunktionen Der funktionale Ablauf, die Auswertung und die Bewertung solcher Diagnosefunktionen erfolgen im Tester, wobei die zur Auswertung herangezogenen Messdaten über das MSG von im Fahrzeug vorhandenen Sensoren und/oder durch zu‑ sätzliche Prüfsensorik ermittelt werden. Ein Höchstmaß an Flexibilität bieten dynamische Test‑ module, deren Struktur über Vorgabewerte durch den Dia
214 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme gnosetester variabel einsetzbar ist. Die Koordination dieser Funktionalität erfolgt im MSG über den sog. Testkoordina‑ tor. Die Messergebnisse der unterschiedlichen Sensoren können entweder in Echtzeit oder zwischengespeichert an den Diagnosetester übertragen und dort bewertet werden. Alle Werkstattdiagnosefunktionen können nur bei ange‑ schlossenem Diagnosetester und i. Allg. nur bei stehendem Fahrzeug genutzt werden. Die Überwachung der Betriebs‑ bedingungen erfolgt im Steuergerät.
– mehrerer miteinander kommunizierender Steuergeräte im Fahrzeugverbund, – höherer Anzahl von Einspritzungen pro Arbeitstakt (Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung), – von Abgasnachbehandlungssystemen mit neuen Anforderungen an die motorische Basisabstimmung, – höherer Anforderung durch die Emissionsgesetzgebung, – gegenseitiger Beeinflussung der Applikationsdaten und – Erweiterungen der Diagnostizierbarkeit.
6.5
Applikation
Hierdurch steigt auch die Anzahl der zu applizierenden Kennwerte, Kennlinien und Kennfelder weiterhin an.
6.5.1
Bedeutung der Applikation
Wie in den vorigen Abschnitten bereits beschrieben wurde, ergeben sich durch die direkte Ansteuerung elektronischer Stellglieder über die elektronischen Motorsteuergeräte Chancen, die motorische Basisabstimmung, das Fahrverhal‑ ten und die Emissionsoptimierung an die jeweiligen Be‑ triebsbedingungen optimal anzupassen, wie zum Beispiel beim Kaltstart und Kaltlauf sowie bei extremer Hitze oder Höhe. Der Begriff Applikation oder Kalibrierung bezeichnet die Aufgabe (oder den Prozess), die im elektronischen Steuerge‑ rät programmierten Funktionalitäten an die individuelle Hardware, den gewünschten Vorgaben entsprechend, anzu‑ passen. Dies bedeutet letztendlich unter Verwendung von Sensoren und elektronischen bzw. elektromechanischen Stellern dem Fahrzeug mit seiner Motor-Getriebe-Kombi‑ nation das entsprechende Fahrverhalten (Motorleistung, Drehmomentcharakteristik, Verbrennungsgeräusch, Lauf ruhe, Ansprechverhalten) zu verleihen. Außerdem müssen die gesetzlich geforderten Emissionsgrenzen erfüllt und die Eigendiagnosefähigkeit des Systems in geeigneter Form sichergestellt werden. Um diese Ziele zu erreichen sind eine Vielzahl von Kenn‑ werten, Kennlinien, Kennfeldern, sog. Applikationsdaten, zu applizieren (kalibrieren). In modernen Motorsteuerungen werden hierbei über 10.000 verschiedene Applikationsdaten während des Anpas‑ sungsprozesses bearbeitet und stehen dem Ingenieur über das Applikationssystem (Kalibriersystem) frei parametrier‑ bar zur Verfügung. Die Applikation findet im Labor, an Motor- und auf Fahrzeugprüfständen sowie unter realen Umgebungsbedingungen auf Teststrecken statt. Nach Abschluss dieses Prozesses werden für den Serieneinsatz die ermittelten Daten umfangreich geprüft und in Festwertspei‑ cher wie EPROM oder Flash schreibgeschützt abgelegt. Das Verständnis der Zusammenhänge bei der Durchfüh‑ rung der Applikation wird immer anspruchsvoller. Die Ursa‑ che dafür ist die steigende Systemkomplexität aufgrund:
6.5.2
Applikationssysteme
Um die Applikationsaufgabe erfüllen zu können werden Sys teme eingesetzt, die es dem Applikationsingenieur ermögli‑ chen, über elektronische Schnittstellen zum Motorsteuerge‑ rät die internen Signale zu messen und gleichzeitig die freien Applikationsdaten zu verstellen. Die Benutzeroberflächen der Applikationssysteme erlauben mittels Beschreibungs‑ dateien die Messsignale und Applikationsdaten auf Imple‑ mentierungsebene, auf physikalischer Ebene oder auch in grafischer Form darzustellen und zu verändern. Weiterhin werden die vorhandenen internen Größen der Motorsteue‑ rung durch die Auswertung von Signalen über instrumen‑ tierte Zusatzmesstechnik ergänzt und zur Lösung der Applikationsaufgabe herangezogen. Bei der Arbeitsweise mit Kalibriersystemen kann generell zwischen Offline- und Online-Kalibrierung unterschieden werden. Bei der Offline-Kalibrierung wird die Ausführung der Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungsfunktionen des sog. Fahrprogramms während der Änderung oder Ver‑ stellung der Parameterwerte unterbrochen. Dies wirkt sich nachteilig auf den Kalibrierprozess insbesondere beim Ein‑ satz an Prüfständen oder in Fahrzeugversuchen aus, da diese dazu unterbrochen werden müssen. Bei der Online-Kalibrierung sind während des Kalibrier‑ prozesses die Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungs‑ funktionen aktiv. Somit können die Auswirkungen der vor‑ genommenen Veränderungen direkt im Fahrzustand beur‑ teilt und der Kalibrierprozess effektiver abgearbeitet werden. Die Online-Kalibrierung stellt jedoch höhere Anforde‑ rungen an das Kalibriersystem und die Stabilität der ver‑ wendeten Steuerungs-, Regelungs- und Überwachungs‑ funktionen, da das Fahrprogramm während des Verstellvor‑ ganges durch das Werkzeug auch für eventuell auftretende Ausnahmesituationen, z. B. verursacht durch Unstetigkeiten bei der Stützstellenverteilung, robuster ausgelegt sein muss.
6.5 Applikationen 215
6.5.3 Applikationsprozess und Methoden der Applikation Im Applikationsprozess müssen die unterschiedlichsten Auf‑ gaben gelöst werden. Die verwendeten Methoden und Hilfs‑ mittel richten sich nach der Art und der Komplexität der Aufgabe sowie der Häufigkeit der Anwendung während des Projektfortschrittes. Die erste Aufgabe besteht darin, die Sensoren und Steller so zu kalibrieren, dass die im Motorsteuergerät berechneten physikalischen Messgrößen bzw. die physikalischen Stell‑ größen möglichst genau mit den echten gemessenen Werten am Motor bzw. im Fahrzeug übereinstimmen. Hierbei wer‑ den die besonderen Eigenschaften der Sensoren und Steller, die Einflüsse durch die Einbauverhältnisse, die Auswerte‑ schaltung und die Abtastraten im elektronischen Steuergerät berücksichtigt. Validiert wird die Applikation durch Referenz messungen mit externer Sensorik. Regelungstechnische Funktionen bestehen aus der Soll‑ wertvorgabe, der Istwertermittlung, dem eigentlichen Regler und der Stellgliedansteuerung. Anwendungsbeispiele hier‑ für sind die Ladedruck-, Raildruck-, Fahrgeschwindigkeitsoder Leerlaufregelung. Die Sollwertvorgaben werden ent‑ sprechend dem jeweiligen Betriebszustand, z. B. kalter/ warmer Motor, den herrschenden Umgebungsbedingungen und dem Fahrerwunsch angepasst. Die Auslegung der Reg‑ ler erfolgt über die Streckenidentifikation (z. B. Ermittlung des Frequenzganges), Modellbildung der Regelstrecke und der Anwendung von Reglerentwurfsverfahren (z. B. Bode diagramm, Ziegler-Nichols, Polvorgabe). Eine anschlie‑ ßende Überprüfung der Stabilität und der Regelgüte des Regelkreises findet im Praxisbetrieb und unter Extrembe‑ dingungen statt. Der Stabilität ist im Hinblick auf Alterungs‑ prozesse der Regelstrecke eine ganz besondere Bedeutung zuzumessen. Die Simulation von Extremzuständen wird benutzt, um die Robustheit der bereits optimierten Systeme zu ermitteln bzw. zu verbessern. Für die motorische Basisabstimmung hat die statistische Versuchsplanung DOE (Design of Experiments) die kom‑ plette Rastervermessung ersetzt. Ursache hierfür ist die drastisch zunehmende Komplexität der Optimierungsauf‑ gaben aufgrund – der stetig zunehmenden Anzahl frei wählbarer Parameter (z. B. Zeitpunkte und Mengenzumessung der Vor-, Hauptund Nacheinspritzung, Raildruck, AGR-Rate, Ladedruck) und – der zunehmenden Anzahl vielschichtiger Optimierungs kriterien und Betriebszuständen des Motors (z. B. Fett betrieb, Magerbetrieb, Regeneration des Partikelfilters, Homogenbetrieb).
Das Ziel der statistischen Versuchsplanung ist es, die Anzahl der zu vermessenden Betriebspunkte massiv zu reduzieren und für repräsentative Betriebszustände die jeweiligen loka‑ len Modelle anhand möglichst weniger Parametervariationen zu bestimmen. In den repräsentativen Betriebspunkten wer‑ den die einflussreichsten Parameter variiert und deren Be‑ deutung auf Emissionen, Verbrauch, Leistung, Abgastempe‑ ratur, Geräusch, Verbrennungsdruckanstieg und Zylinder‑ druck gemessen. Wiederholungsmessungen und „Auffüllpunkte“ sowie Messpunkte im Grenzbereich dienen der Ermittlung der analytischen, lokalen Motormodelle, der Beurteilung der statistischen Aussagefähigkeit der Ergebnisse, der Beurtei‑ lung des Modellfehlers und einer größeren Sicherheit gegen‑ über Messfehlern. Entscheidend für die Qualität der Modelle sind auch die Reproduzierbarkeit der Messergebnisse sowie ein sicheres Erkennen von Ausreißern. Während des gesamten Messpro‑ zesses dürfen die durchgeführten Parametervariationen die motorischen und bauteilspezifischen Grenzen, wie zum Beispiel der zulässige Zylinderdruck oder die maximale Abgastemperatur, nicht überschritten werden. Anhand der ermittelten Modelle werden stationär die optimalen Parameter für die Kalibrierung der Kennfeld‑ strukturen im Motorsteuergerät ermittelt. Da die Daten nur in einem groben Raster anhand einiger ausgewählter Betriebspunkte ermittelt worden sind, müssen die notwen‑ digen Zwischenbereiche über Interpolationsroutinen berechnet werden. Die Kalibrierung erfolgt hier i. d. R. off‑ line. Das erzielte Ergebnis muss dann noch im stationären Betrieb am Motorprüfstand und im dynamischen Betrieb am Fahrzeug validiert und dokumentiert werden. Die bislang durchgeführten Applikationsaufgaben gehen von mittelwertig liegenden Komponenten aus. Um die ermittelten Daten für einen Serieneinsatz zu bestätigen, ist es zusätzlich erforderlich, den Einfluss von Exemplarstreu‑ ungen zu beurteilen. Dies kann entweder über ein Vertrim‑ men von Sensor- und Stellerkennlinien simuliert oder über entsprechend vorbereitete Versuchsmuster experimentell erprobt werden. Weiter besteht die Möglichkeit über intelli‑ gente Korrekturfunktionen Bauteiletoleranzen auszuglei‑ chen oder eine Drift zu korrigieren, so dass das applizierte System gegen Bauteilealterungen noch robuster wird, um negative Auswirkungen auf Fahrverhalten und Emissionen zu vermeiden. Ein Beispiel hierfür ist die zylinderspezifische Korrektur der Einspritzmenge um eine hohe Laufruhe des Motors zu erreichen. Motor- und Getriebeschutzfunktionen sorgen dafür, dass zum Beispiel das maximale Drehmoment und die maximal zulässige Motorbetriebstemperatur auch unter Extrembedingungen (Hitze, Kälte, Höhe, Hochlastbetrieb)
216 6 Regelung und Steuerung der Kraftstoffeinspritzsysteme nicht überschritten werden. Diese Funktionen werden auf Versuchsfahrten unter den o. g. Bedingungen oder klimati‑ sierten Fahrzeugprüfständen appliziert und validiert. Eine immer größere Bedeutung gewinnt die Applikation der Diagnoseumfänge der Motorsteuerung. Speziell ent‑ wickelte Funktionen ermöglichen es dem Service defekte Bauteile zu ermitteln und eine geführte Fehlersuche durch‑ zuführen. Für die Applikation dieser Umfänge wird der im gesamten Entwicklungsprozess gewonnene Erfahrungs‑ schatz herangezogen und fließt in die Kalibrierung ein. In der Diagnoseapplikation wird ebenfalls festgelegt, welche Ersatzreaktionen bei einem defekten Bauteil auszuführen sind. Auslegungskriterien sind hier Fahrzeugsicherheit, Schutz von Komponenten, Vermeidung von Folgefehlern oder unerwünschten Folgereaktionen. Aufgrund der hohen Anzahl von Applikationsdaten, der Aufgabenteilung zwischen den Fahrzeugherstellern, den Zulieferern und Applikationsdienstleistern, der hohen Anzahl von Datensatzvarianten (Fahrzeug-, Motor-, Getrie‑ be- und Emissionskombinationen) und des Simultaneous Engineering von Komponenten, Software-Funktionen und der Applikation selbst ist ein effizientes und wissensbasier‑ tes Datenmanagement zum Erreichen der definierten Ziele unbedingt erforderlich. Um dies effizient und unter den bestehenden Qualitätsanforderungen zu bewerkstelligen
unterstützen verschiedene Tools (Datenbanksysteme) den Applikationsingenieur. Aufgrund der zunehmend kürzer werdenden Entwick‑ lungszeiten und der steigenden Komplexität gewinnt die Entwicklung von verbesserten methodischen Ansätzen zur Applikation immer stärkere Bedeutung. Verfeinert werden beispielsweise die Methoden zur automatischen Kalibrie‑ rung von Systemen, der Einsatz von „Hardware in the LoopSystemen“ in der Applikation und die effizientere Ermitt‑ lung von Parametriermodellen unter Berücksichtigung von dynamischen Vorgängen.
Literatur 6-1 Robert Bosch GmbH: Gelbe Reihe. Technische Unter‑ richtung. Motorsteuerung für Dieselmotoren. 2. Aufl. S. 52–97 6-2 Moore, G. E.: Cramming more components onto inte‑ grated circuits. Electronics 38 (1965) 8
Weiterführende Literatur Robert Bosch GmbH: Dieselmotor-Management. 4. Aufl. Wiesbaden: Vieweg 2004
Teil II
Zur Konstruktion von Dieselmotoren
7 Belastung von Motorbauteilen . . . . . . . . . . . . . . . . 219 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 9 Motorkühlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 10 Werkstoffe und ihre Auswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . 376
7
Belastung von Motorbauteilen
7.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung 7.1.1
Mechanische Bauteilbelastung
Die Ermittlung der wirksamen Lasten im Dieselmotor ist für die Auslegung der einzelnen Motorkomponenten und Baugruppen von entscheidender Bedeutung. Die Bestimmung der Beanspruchung ist dabei eine wichtige Voraussetzung für die Dimensionierung der Bauteile. Sie bildet die Grundlage bei der Bestimmung der geometrischen Abmessungen, des zu verwendenden Werkstoffs oder auch des anzuwendenden Fertigungsverfahrens. Damit kommt der Belastungsanalyse im Entwicklungsprozess eine wichtige Rolle bei der Kostenund Kapazitätsabschätzung zu und bestimmt wesentlich die Zuverlässigkeit des Dieselmotors. Bei der Beanspruchungsanalyse muss zwischen unterschiedlichen Belastungsarten unterschieden werden, da diese in ihrer Auswirkung verschieden sind. Im Wesentlichen wird zwischen drei Belastungsarten unterschieden.
Statische Belastung Eine statische Vorbelastung in beachtenswerter Größe kommt bei Motoren durch Schraubenanzugskräfte zustande, da entsprechend dem konstruktiven Aufbau die einzelnen Baugruppen eines Dieselmotors in aller Regel durch Schraubenverbindungen zusammengefügt werden. Hiermit zusammenhängende Dimensionierungsfragen werden i. Allg. auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 2230 [7‑1] behandelt. Auch Presspassungen (z. B. bei thermisch oder hydraulisch gefügten Bauteilen) führen zu statischen Beanspruchungen. In manchen Beanspruchungskonzepten werden darüber hinaus auch Eigenspannungen als statische Belastung interpretiert. Diese können aus dem Herstellverfahren (z. B. Guss- oder Schmiedeverfahren, Schweißprozess, Bearbeitungsverfahren) entstehen, oder sie werden durch eine
gezielt angewendete mechanische oder chemo-thermische Oberflächenbehandlung wie Kugelstrahlen, Walzen, Nitrieren, Einsatzhärten o. ä. eingebracht. Die Ermittlung dieser Beanspruchungsgrößen ist jedoch schwierig und nicht immer machbar, zudem erschweren mögliche Spannungsumlagerungen im späteren Motorbetrieb die Bewertung im Hinblick auf die Bauteilsicherheit.
Thermische Belastung Die thermische Belastung ist relevant für Bauteile, die an den Brennraum angrenzen [7-2] sowie für diverse Verrohrungen und den Abgasstrang. Die Aufheizung dieser Bauteile erfolgt durch die während eines Arbeitsspieles stark schwankende Gastemperatur. Aus Bild 7‑1 geht hervor, dass bei Dieselmotoren kurzzeitig hohe Spitzentemperaturen erreicht werden. Diese Temperaturschwankung wird allerdings infolge der Trägheit des Wärmeübergangs an der Bauteiloberfläche praktisch nicht wirksam, wobei hier auch die isolierende Wirkung von Rußschichten eine große Rolle spielt. Die in Bauteilen auftretenden Temperaturfelder können demnach häufig als quasi-stationär betrachtet werden, d. h. bei unveränderter Motorbelastung ändern sich auch die Tempera turfelder nicht. Dies gilt ausdrücklich nicht bei thermischen Belastungen, die aus An- und Abstellvorgängen entstehen. In allen Brennraumbauteilen stellen sich wegen der Wärmeleitung Temperaturfelder ein, die von der beheizten Oberfläche in Richtung der gekühlten Oberfläche die größten Temperaturgradienten aufweisen. Die dadurch entstehenden Temperaturunterschiede erzeugen entsprechende Wärmedehnungen und damit auch Wärmespannungen. Die absolute Höhe der Temperatur hat dabei einen Einfluss auf die ertragbaren Spannungen (temperaturabhängige Werkstofffestigkeiten), aber auch auf die Höhe der auftretenden Spannungen. Die Bewertung der thermischen Beanspruchung kann zum einen durch eine Interpretation als quasi-statische Last erfolgen, sie findet dann häufig in der Mittelspannung ihre
220 7 Belastung von Motorbauteilen Berücksichtigung. In anderen Fällen kann es jedoch nötig werden, die thermische Belastung als zeitlich wechselnde Last zu bewerten. Dies gilt insbesondere dann, wenn in Bauteilen Spannungen auftreten, die infolge behinderter Ausdehnung zu einer bleibenden Verformung (örtliche Plastifizierung) führen. Hier müssen zur Bewertung entsprechende Low-Cycle-Konzepte herangezogen werden.
Dynamische Belastung Eine wesentliche Ursache für eine zeitlich wechselnde mechanische Belastung ist der veränderliche Gasdruck im Zylinder (Bild 7‑1), mit dem die Brennraumbauteile wie Kolben, Zylinderkopf oder Zylinderlaufbuchse unmittelbar beaufschlagt werden. Die eingeleiteten Gaskräfte werden über anschließende Bauteile weitergeleitet, so dass vom Gasdruck erzeugte Belastungen letztlich in allen Bauteilen eines Dieselmotors nachweisbar sind. Um die an einem diskreten Teil angreifenden Belastungen bestimmen zu können, ist es notwendig, Kraftfluss und Kräftegleichgewicht innerhalb des Motors zu betrachten. Aus dem maximalen Gasdruck (Zünddruck) folgt die maximale Gaskraft, die für viele Bauteile eine wesentliche Dimensionierungsgröße darstellt. Diese vereinfachende quasi-statische Betrachtungsweise ist dann nicht mehr zulässig, wenn die elastischen Bauteile zu Schwingungen angeregt werden. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn Bauteile Eigenfrequenzen aufweisen, die durch starke harmonische Anteile der Gaskräfte angeregt werden, d. h. wenn
ein Resonanzfall vorliegt. Beanspruchungsrelevante Resonanzzustände sind hauptsächlich bei Bauteilen mit niedrigen Eigenfrequenzen zu befürchten, da die schädigenden Resonanzamplituden zu höheren Eigenfrequenzen hin schnell abklingen. Betroffen sind häufig Anbauteile wie Verrohrungen oder Verschalungen, aber auch die Aufladegruppe oder Pumpen. Dabei spielt neben der Resonanzlage noch die jeweilige Eigendämpfung eine Rolle, die eine Größenordnung von 1 bis 10% annehmen kann. Weitere dynamische Bauteilbelastungen resultieren aus den Massenkräften infolge der Triebwerksdynamik [7-3]. Zu unterscheiden ist zwischen den rotierenden Massen, die rotatorische Massenkräfte (Fliehkräfte) hervorrufen, und den mit der Kolbenbewegung oszillierenden Massen, die oszillierende Massenkräfte erzeugen. Auch diese können schwingungsanregend wirken (s. Abschn. 8.2). Fliehkräfte ergeben bei konstanter Drehzahl für das Bauteil eine statische Belastung. In Bauteilen, die aus einer Fliehkraftbelas tung resultierende Reaktionskräfte aufnehmen müssen, können jedoch Schwingkräfte entstehen. Zum Beispiel induzieren Fliehkräfte in der Kurbelwelle durch Unwuchtwirkung und Strukturverformung eine Schwingbelastungen im Lager und damit im Motorgehäuse. Im Hinblick auf die Bauteilbeanspruchungen durch Massenkräfte gilt Ähnliches wie bei den Gaskräften, d. h. bei bestimmten Bauteilen ist eine quasi-statische Dimensionierung aufgrund maximaler Massenkräfte ausreichend, während bei anderen die zusätzliche Schwingungsanregung speziell auch für Resonanzfälle zu berücksichtigen ist.
Bild 7-1 Zeitlicher Verlauf des Gasdruckes (Kurve a) und der gemittelten Gastemperatur (Kurve b) bei einem mittelschnelllaufenden Viertaktmotor
7.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung 221 Abschließend sei noch kurz die Stoßdynamik erwähnt. Diese tritt z. B. beim Aufsetzen der Ventile auf den Ventilsitz oder beim Schließen der Einspritzdüsennadel auf und kann hohe Beanspruchungen mit stark schädigender Wirkung im Hinblick auf die Bauteilfestigkeit oder -verschleiß induzieren. Für die globale Schwingungsbeanspruchung ist neben der Gas- und Massenkraftverläufe der einzelnen Zylinder auch das Zusammenwirken der einzelnen Zylinder zu beachten. Dies führt zu einer von der Zündfolge abhängigen Phasen verschiebung innerhalb eines Arbeitsspieles mit entsprechenden Auswirkungen z. B. auf die Torsionsbeanspruchung der Kurbelwelle oder auf das Verhalten des Gesamtmotors.
7.1.2
Bauteilbeanspruchung
7.1.2.1
Allgemeine Zusammenhänge
Die Verfahren zur Ermittlung der Beanspruchung in einem Bauteil oder einer Baugruppe lassen sich prinzipiell in Berechnungsverfahren und Messverfahren unterteilen. Ein gebräuchliches Berechnungsverfahren zur Bestimmung von Spannungen ist die klassische Festigkeitstheorie für Wellen, Schrauben, Rohre usw. Mit diesen Methoden lassen sich mit relativ geringem Aufwand vielfach ausreichende Ergebnisse für den Festigkeitsnachweis erzielen. Generell ist der Einsatz analytischer und/oder empirischer Berechnungsmethoden im Bereich der Bauteilauslegung weit verbreitet und ist vor allem für erste Entwürfe, Varian tenrechnungen und Voroptimierungen gut geeignet. Die Ergebnisgrößen sowie deren Genauigkeit sind jedoch häufig eingeschränkt gültig, da sich wichtige Eingangsdaten wie Strukturelastizität, nichtlineares Material- und Kontaktver halten meistens nicht allgemein berücksichtigen lassen. Um die volle Komplexität der Randbedingungen und Bauteilgeometrien in die Beanspruchungsberechnungen zu integrieren, wird vor allem die Finite-Elemente-Methode (FEM) [7‑4] eingesetzt. Die damit gewonnenen Aussagen weisen ein Höchstmaß an Ergebnisgüte und -vielfalt auf. Die Anwendung dieses Verfahrens ist jedoch im Konstruktionsprozess vergleichsweise aufwändig und damit zeitintensiv. Um die Randbedingungen für diese Rechnungen adäquat erfassen zu können, finden immer häufiger Kopplungen zu Mehrkörpersimulationsprogrammen (MKS), Strömungsprogrammen (CFD) oder Lagerberechnungsprogrammen (HD‑/EHD) statt. Auf diese Weise kann eine gesamte Funktionsgruppe wie z. B. der Kurbeltrieb, Wellenstrang oder Brennraum simuliert werden. Am Ende dieser Entwicklung steht als Ziel die durchgängige Modellbildung des Gesamtsystems „Dieselmotor“.
Das wichtigste Messverfahren zur Spannungsanalyse ist im Motorenbau die Messung mit Dehnungsmessstreifen [7‑5]. Es werden dabei lokale, spannungsproportionale Bauteildehnungen erfasst, die durch die statische und dynamische Belastung des zu messenden Bauteiles entstehen. Durch die vielfach verwendete 3-Leiter-Messtechnik können sowohl die Dehnungsamplitude als auch Mitteldehnungen erfasst werden. Auf diese Weise können neben den dynamischen Anteilen auch quasi-statische Beanspruchungen wie z. B. wärmeausdehnungsbedingte Spannungen im Bauteil ermittelt werden. Diese Messtechnik hat heute einen Stand erreicht, der Messungen auch unter schwierigen Bedingungen erlaubt, z. B. bei wasserumspülten Oberflächen, hohen Oberflächentemperaturen oder bei der Messwertübertragung von bewegten Bauteilen (Bild 7‑2). Um ein Höchstmaß an Sicherheit bei der Ermittlung der Bauteilbeanspruchung zu gewährleisten, ist der kombinierte Einsatz von Berechnungs- und Messmethoden (sofern von der Zugänglichkeit und den Größenverhältnissen her möglich) erforderlich. So können Theorie und Praxis zu einer ganzheitlichen Sichtweise zusammengeführt werden und sich damit in hervorragender Weise ergänzen.
7.1.2.2
Beanspruchung ausgewählter Motorbauteile
Pleuel eines mittelschnelllaufenden Dieselmotors Typisch für die Pleuel eines Motors ist, dass im Hinblick auf die Festigkeit nur die mechanischen Belastungen relevant sind. Die Bauteiltemperaturen liegen im Bereich der Öltemperatur und weisen nur geringe Gradienten auf. Damit spielen sie weder für die Festigkeitskennwerte noch für die Beanspruchung eine Rolle. Die Hauptbeanspruchungen in einem Pleuel werden durch die maximale Gaskraft im Zünd-OT („Stauchen“) und im Gaswechsel-OT durch die Massenkraft des Kolbens bzw. des Pleuels selbst („Ziehen“) hervorgerufen. An einigen Auswertepunkten sind die maximalen Spannungen nicht einer OT-Stellung des Pleuels zuzuordnen. So kann z. B. die Querbiegung für manche Punkte (z. B. für die Pleuelschrauben) bestimmend sein. Bei manchen Pleuelkons truktionen können sogar Eigenfrequenzen eine Rolle spielen. Werden diese durch entsprechende Erregerfrequenzen (z. B. aus dem Gasdruckverlauf) angeregt, so kann dies allein zum Versagen des Bauteils führen. Immer häufiger müssen auch die Relativbewegungen zwischen den einzelnen Bauteilen (z. B. zwischen Lagerkörper und Lagerschale) eingehend untersucht werden. Ein unzulässiges Maß an Relativbewegung, verbunden mit hohen Pressungsanteilen, kann zu einer massiven Schädigung der Kontaktfläche und so zu einer Absenkung der Dauerfestigkeit führen. Die Beanspruchungsermittlung eines Pleuels ist somit eine umfangreiche Aufgabe
222 7 Belastung von Motorbauteilen
Bild 7-2 Typische Dehnungsmessstreifen-Applikation mit drahtloser induktiver Übertragung, hier an einer Wasserpumpenwelle (Drehmomentmessung)
und muss vorzugsweise durch Anwendung aller zur Verfügung stehenden rechnerischen und experimentellen Methoden gelöst werden.
Brennraumbegrenzende Bauteile Alle den Brennraum umschließenden Bauteile werden durch den Gasdruck und die Wärmebeaufschlagung hoch belastet. Zusätzliche Belastungen durch Massenkräfte sind außerdem am Kolben und an den Gaswechselventilen zu beachten. Hinzu kommt die Forderung, dass die brennraumseitigen Oberflächen auf einem Temperaturniveau gehalten werden müssen, bei dem die Festigkeit des Werkstoffes noch nicht unzulässig beeinträchtigt wird. Bei großer Wärmebelastung infolge des Verbrennungsvorganges helfen dünne Wanddicken die brennraumseitige Oberflächentemperatur zu senken und gleichfalls – infolge des geringen Wand-Temperaturgefälles – die thermischen Spannungen abzubauen; möglicherweise ist aber dadurch die Konstruktion nicht widerstandsfähig gegenüber hohen Verbrennungsdrücken. All diese Umstände führen letztlich dazu, dass Brennraumbauteile für den Motorenentwickler deutlich schwieriger zu beherrschen sind als andere Bauteile. Schon bei der Wahl geeigneter Randbedingungen sind intensive Vorunter suchungen z. B. des Verbrennungsvorgangs oder der Kühl-
wasserströmung nötig. Dies bedeutet einen hohen, häufig nicht realisierbaren Zeit- und Kostenaufwand. Manche Vorgänge wie z. B. eine Spritzölkühlung lassen sich zudem kaum vorausberechnen. Daher ist eine Vielzahl von Annahmen bei der Definition der Randbedingungen nötig. Auch das schwierig zu erfassende Kontaktverhalten (Rutschvorgänge, Wärmeleitung) in einer thermisch belasteten Baugruppe kann sich verschlechternd auf die Ergebnisqualität auswirken. Bild 7-3 zeigt das FEM-Modell, das zur Temperaturfeldberechnung und der darauf aufbauenden Strukturanalyse einer Zylinderbuchse benötigt wird. Als weitere Beanspruchungsgrößen sind Spannungen aus der Vorspannkraft der Zylinderkopfschrauben sowie aus dem Gasdruck zu berücksichtigen. Die in Bild 7-4 dargestellte Temperaturverteilung im Stahl-Oberteil eines gebauten Stahlkolbens, der Kolbenkrone, zeigt deutlich, dass hier die höchste Temperaturbelas tung und der höchste Temperaturgradient auftreten. Daher kommt hier der Ermittlung der auftretenden Wärmespannungen sowie dem Einfluss auf die Festigkeitskennwerte eine große Bedeutung zu. Im Unterteil dominieren die mechanischen Belastungen aus den Gas- und Massenkräften. Vor allem bei größeren Dieselmotoren spielt auch die Kolbensekundärbewegung eine wichtige Rolle bei der Beanspruchung des Kolbenhemds.
7.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung 223
Bild 7-3 FEM-Modell einer Zylinderbuchsenberechnung für einen Großdieselmotor mit Detaildarstellung des Buchsenbundes und Stützrings
Gaswechselventil mit Antrieb Bei dieser Baugruppe spielen neben Gaskräften und thermischen Belastungen am Ventilkegel vor allem die Massenkräfte eine entscheidende Rolle. Die Hubkurve des Ventils ist durch den Nocken vorgegeben. Die sich daraus ergebenden Beschleunigungen erzeugen in allen Bauteilen (Stößel, Stoßstange, Kipphebel, Ventilfeder, Ventil) erhebliche Massenkräfte. Wichtigste Voraussetzung für die einwandfreie Funktion des Ventiltriebs ist, dass die Ventilfederkraft zu jedem Zeitpunkt größer ist als die entgegengesetzt wirkenden Massenkräfte. Nur dann werden Kontaktverluste zwischen den Teilen des Antriebes z. B. durch Abheben des Stößels vom Nocken und damit hohe Stoßkräfte im gesamten System vermieden. In einem ersten Schritt lässt sich die Ventiltriebskinematik mit analytischen Mehrmassenmodellen berechnen, dabei werden jedoch im wesentlichen nur Hubverlauf, Beschleu-
nigung, Bauteilmassen und Ventilfederkräfte zu Grunde gelegt. Mit diesem Ansatz lässt sich die häufig systembestimmende Ventiltriebsdynamik nicht erfassen. Aus diesem Grund werden bei Bedarf Mehrkörpersimulationen eingesetzt, bei denen zusätzlich die Strukturelastizität, die Systemdämpfung, die Kontaktsteifigkeiten und die Spiele berücksichtigt werden können [7-6]. Diese Modellbildung ist zwingend notwendig, wenn z. B. der Ladungswechsel durch steilere Flanken der Hubkurve und größere Ventildurchmesser verbessert werden soll, was sich durch Anheben der Beschleunigungen und Vergrößerung der Ventilmasse in zweifacher Hinsicht auf die Höhe der Massenkräfte auswirkt. Bild 7‑5 zeigt exemplarisch einen so berechneten Stoßstangenkraftverlauf, der mit sehr guter Genauigkeit dem gemessenen Verlauf entspricht. Bei der Auslegung des Ventiltriebs ist eine Beanspruchungsanalyse notwendig, um die im Ventilschaft und am
224
7 Belastung von Motorbauteilen
Bild 7-4 FEM-Modell eines gebauten Kolbens mit rechnerisch ermittelter Temperaturverteilung
Bild 7-5 Messungs-/Rechnungsvergleich eines typischen Stoßstangenkraftverlaufes
7.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung 225 Ventilteller auftretenden Spannungen zu ermitteln. Diese kann durch entsprechende Simulationen erfolgen, dabei sind die Gasdruckbeanspruchung bei geschlossenem Ventil sowie das Aufsetzen auf den Sitz entscheidende Randbedingungen. Auch hier ist jedoch (sofern machbar) eine messtechnische Absicherung der Ergebnisse dringend anzuraten, da die Beanspruchung starken Streuungen unterworfen ist (Bild 7-6). Ursächlich dafür sind die freien Biegeschwingungen während der Öffnungsphase, die spielbehaftete Ventilführung sowie eine eventuelle Drehung des Ventils. Dadurch sind die Aufsetzbedingungen auf dem Ventilsitz nie eindeutig festgelegt und unterliegen somit stochas tischen Schwankungen. Daraus ergibt sich ein von Arbeitsspiel zu Arbeitsspiel stark streuendes Band für den Span nungsverlauf. Im Langzeitmotorbetrieb können zudem Verschleiß- und Verschmutzungserscheinungen im Sitz- und Führungsbereich auftreten, die diese Effekte noch vergrößern.
7.1.3
Festigkeitsnachweis der Bauteile
Zur Beurteilung der Zuverlässigkeit von Bauteilen genügt nicht allein die Bestimmung der im Motorbetrieb auftretenden Spannungen (Wirkspannungen, Ist-Spannungen). Ebenso wichtig ist die Ermittlung der ertragbaren Spannungen, d. h. der Bauteilfestigkeit. Entscheidend ist das Verhältnis der ertragbaren zur maximal auftretenden Spannung.
Dieses Verhältnis ist gleichbedeutend mit dem Sicherheitsbeiwert des Bauteiles. Bei sehr vielen Dieselmotorenbauteilen sind die maximalen Wirkspannungen durch die Gas- bzw. Massenkräfte gegeben. Die Anzahl der Belastungszyklen eines Bauteiles erreicht dabei nach relativ kurzen Betriebszeiten Werte in der Größenordnung von über 106 Lastwechsel, so dass eine Bemessung auf Dauerfestigkeit notwendig ist [7-7]–[7-9]. Geht man z. B. bei einem Lkw-Motor von einer Lebens dauer von 20000 Stunden aus, so muss das Motorgehäuse in dieser Zeit ca. 109 Belastungszyklen durch die maximale Gaskraft ohne Dauerbruch ertragen. Den hochfrequenten dynamischen Spannungen sind im Bauteil statische Spannungen (z. B. durch Schraubenkräfte) und bei Brennraum bauteilen auch Wärmespannungen überlagert. Wärmespannungen verändern sich mit der Motorleistung, so dass sie streng genommen auch als „Schwingbeanspruchung“ zu interpretieren wären. Da die „Spannungsamplituden“ aus Wärmespannungen jedoch extrem niederfrequent sind, werden Wärmespannungen im Motorenbau normalerweise als quasi-statisch angenommen. In manchen Fällen, z. B. bei der Bewertung von lokalen plastischen Verformungen, ist das „Low Cycle Fatigue“-Verhalten (LCF) durch Anwendung entsprechender Konzepte zu berücksichtigen. In der Regel wird eine „High Cycle Fatigue“-Beurteilung (HCF) in einem Dauerfestigkeitsschaubild vorgenommen. Dieses Schaubild drückt aus, dass die ertragbare Spannungs-
Bild 7-6 DMS-Messung der Beanspruchung im Schaft eines Gaswechselventils
226 7 Belastung von Motorbauteilen amplitude (Dauerfestigkeit) von der wirksamen statischen Spannung (Mittelspannung) abhängt. Bei der heutigen Werkstoffausnutzung im Dieselmotorenbau ist die früher übliche alleinige Berücksichtigung des Werkstoffverhaltens dabei nicht mehr ausreichend. Es empfiehlt sich daher, sog. bauteilbezogene Dauerfestigkeitsschaubilder zu verwenden, bei der im Nachweispunkt spezielle Randbedingungen konkreter Bauteile berücksichtigt werden können. Wichtige Eingangsgrößen sind hier die Oberflächenbeschaffenheit (Rauigkeit), die Stützwirkung im Nachweispunkt, der technologische Größenfaktor, die lokale Bauteiltemperatur oder auch eine eventuelle Oberflächenbehandlung (Randschichteinfluss). Als Beispiel für die Durchführung eines solchen Festigkeitsnachweises auf Basis örtlicher Bauteilspannungen sei hier die Anwendung der FKM-Richtlinie „Rechnerischer Festigkeitsnachweis für Maschinenbauteile“ genannt (Bild 7‑7), [7‑10]. Die Sicherheitsfaktoren nach FKM-Richtlinie sind je nach Schadensfolgen, Wahrscheinlichkeit des Auftretens der größten Last, Möglichkeiten der Bauteilinspektion sowie vorhergehenden Qualitätssicherungsmaßnahmen (speziell bei Bauteilen aus Eisengusswerkstoffen) unterschiedlich. Dabei sind etwaige Unsicherheiten in der Beanspruchungsermittlung nicht enthalten und müssen beim Festigkeitsnachweis zusätzlich berücksichtigt werden. Auch wenn
Bild 7-7 Bauteilbezogenes Dauerfestigkeitsschaubild nach HAIGH
hochwertige Methoden zur Bestimmung der wirksamen Spannungen zur Verfügung stehen und die Berechnung der Dauerfestigkeit speziell für das Bauteil durchgeführt wird, so zeigt die Erfahrung, dass zur Abdeckung immer noch bestehender Unsicherheiten ein Gesamtsicherheitsfaktor von 1,5 bis 2 (bei Gusswerkstoffen sogar bis 3) eingeplant werden muss. Besonders schwierig gestaltet sich der Festigkeitsnachweis bei komplexen Spannungszuständen, beispielsweise bei drehenden Spannungstensoren oder nicht-proportionalen Hauptspannungsverläufen. Für diese Fälle ist die Berück sichtigung entsprechend aufwändiger Konzepte notwendig. Der Nachweis erfolgt dann i. Allg. durch den Einsatz spe zieller Software zur Betriebsfestigkeit. Ein weiterer Aspekt bei der Durchführung von Festigkeitsnachweisen ist die Untersuchung des Bauteils im Hinblick auf bruchmechanische Aspekte, da die traditionellen Festigkeitsnachweise von einem fehlerfreien Werkstoff ausgehen. Die Anwendung der Bruchmechanik [7‑11] liefert daher einen ergänzenden Beitrag z. B. bei der Bewertung von Materialfehlern und ist daher ein wichtiges Instrument bei der Qualitätssicherung heutiger Dieselmotoren. Komponentenversuche mit realen Bauteilen sowie der Langzeitbetrieb von Motoren auf Prüfständen sind weitere Möglichkeiten zur Durchführung von Betriebssicherheits-
7.1 Mechanische und thermische Bauteilbelastung 227 nachweisen. Obwohl es in beschränktem Umfang möglich ist, durch extreme Belastungsabläufe einen Zeitraffereffekt zu erreichen, ist diese Vorgehensweise aus Gründen des hohen Aufwandes nur bei kleineren Bauteilen und Fahrzeugmotoren vertretbar.
7.1.4
Typische Bauteilschäden bei Dieselmotoren
Wie in anderen Maschinenbaubereichen resultieren Schäden aus Produktfehlern (Konstruktion, Werkstoff, Fertigung) und Betriebsfehlern (Wartung, Bedienung). Aus beiden Gruppen gibt es für Dieselmotoren typische Beispiele, die selbstver ständlich auch stark mit der jeweiligen Belastungssituation der Bauteile zusammenhängen. Für Motorenentwickler und -betreiber gleichermaßen wichtig sind Einflüsse, die bei der Dimensionierung der Bauteile zahlenmäßig ungenügend oder gar nicht berücksichtigt werden können, aber doch auftreten und dann zum Ausfall eines Motors führen können. Die bei Dieselmotoren häufigste Schadensart ist das Versagen durch Schwingbruch (Dauerbruch). Dies ergibt sich aus der dominierenden Schwingbeanspruchung der meisten Bauteile durch Gas- und Massenkräfte. Bei Bauteilen aus Stahl sind Schwingbrüche verhältnismäßig einfach an der Oberflächenstruktur des Bruches zu erkennen. Die Schwingbruchfläche ist meist glatt und feinkörnig, während der Restbruch (Gewaltbruchfläche) eine grobe, zerklüftete Ober flächenstruktur aufweist. Konzentrisch zur Ausgangsstelle des Bruches finden sich häufig sog. Rastlinien, die durch unterbrochenen Rissfortschritt entstehen. Ursache für Schwingbrüche können, wie bei anderen Maschinen, falsche Dimensionierung oder nicht entdeckte Werkstofffehler sein. Besonders überraschend und oft erst nach langen Betriebszeiten treten Schwingbrüche auf, die durch Reibkorrosion (Passungsrost) an Kontaktflächen zwischen den Bauteilen hervorgerufen werden. Reibkorrosion kann die Dauer festigkeit auf ca. 20% des Ausgangswertes absenken. Erkennbar ist der Bruch oft an einer kleinen „Nase“ am Bruchanfang. Diese ist dadurch bedingt, dass die ersten Anrisse durch Schubspannungen erfolgen. Gefährdet sind u. a. Aufnahmebohrungen für Gleitlagerschalen (z. B. in Pleuelund Grundlagern), Passschrauben oder Pressverbindungen an Wellen. Eine weitere Ursache für Dauerbrüche kann Kavitation sein. Hiervon sind Bauteile mit Kühlwasser- oder Schmierölführung betroffen, deren Medien stark schwankenden Drücken oder hohen Umlenkgeschwindigkeiten unterliegen. Beispielhaft sind hier vor allem Triebwerks- oder Einspritzkomponenten zu nennen. Ursache ist immer die Unterschreitung des Dampfdrucks der jeweiligen Flüssigkeit. Dies führt zur Bildung und Zerfall von Dampfblasen. Dadurch treten im Medium hohe Beschleunigungen, Temperaturen
und Druckspitzen auf, die in Wandnähe eine massive Schädigung der Oberfläche zur Folge haben können. Ein besonderes Problem stellt die z. B. an der Kühlwasserseite von Zylinderlaufbuchsen auftretende Schwingungskavitation dar. Diese kann durch hochfrequente Biegeschwingungen der Laufbuchse ausgelöst werden, die beispielsweise von der Kolbensekundärbewegung angeregt wird. Ist das Kühl wasser außerdem noch chemisch aktiv, so kommt neben der Kavitation auch noch der zerstörende, lokal ansetzende Korrosionsangriff hinzu [7‑12]. Schnelllaufende Hoch leistungsdieselmotoren können hiervon besonders betroffen sein. Das Ausmaß der Schädigung hängt sehr von der Korrosionsart ab. Während bei gleichmäßigem Korrosionsabtrag (Flächenkorrosion) die Schädigung verhältnismäßig gering ist, nimmt sie bei ungleichmäßigem Abtrag (z. B. Lochfraß) durch größere Kerbwirkung an den korrodierten Stellen deutlich zu. Ganz besonders schädigend ist die Schwingungs risskorrosion. Diese wird möglich, wenn der Korrosionsangriff und dynamische Zugspannungen gleichzeitig auftreten. Das Bauteil besitzt in diesem Fall keine Dauerfestigkeit mehr, weil dessen Lebensdauer nur von der Rissfortschritts geschwindigkeit bestimmt wird, die wiederum vom Werkstoff, vom korrosiven Medium und von der Höhe der Spannungsamplitude abhängt. Für den Betreiber von Motoren ist es daher sehr wichtig, die vom Hersteller vorgeschriebene Pflege des Kühlwassers mit geeigneten Korro sionsschutzmitteln einzuhalten, s. Abschn. 9.2.6. Eine andere Art der Korrosion insbesondere bei Großdieselmotoren im Schwerölbetrieb ist die Nass- oder Nieder temperaturkorrosion, hervorgerufen durch die Kondensation des Wasserdampfes bei Anwesenheit von Schwefeldioxid. Dadurch wird die Bildung einer sehr aggressiven schwef ligen Säure ermöglicht. Bestimmt wird dieser Vorgang durch das Zusammenwirken von Temperatur- und Druckniveau und betrifft neben abgasführenden Leitungen vor allem die Zylinderlaufbuchse: Durch unter Schwachlast des Motors eintretende Nasskorrosion wird der Verschleiß beschleunigt, s. Abschn. 4.3. An den brennraumseitigen Oberflächen treten Schadensarten auf, die mit örtlich hohen Temperaturen zusammenhängen. Durch Verbrennungsprodukte des Kraftstoffes werden die schützenden Oxidschichten aufgelöst. Unter teilweiser Auflösung der Werkstoffmatrix korrodiert der Werkstoff mit einem entsprechenden Materialabtrag. Bei den thermisch hoch belasteten Kolben z. B. großer Zweitaktmotoren kann dies örtlich zur Schwächung des Kolbenbodens führen und somit die Lebensdauer begrenzen. Dieses als Hochtemperaturkorrosion bekannte Phänomen tritt auch an den Auslassventilen auf [7‑15]. Gegenmaßnahmen stellen die
228 7 Belastung von Motorbauteilen Begrenzung der Ventiltemperatur am Ventilsitz (Vermeidung von Ablagerungen aus schmelzflüssigen Schlacken und damit einhergehenden Korrosionsangriffen) sowie der Einsatz besonderer, korrosionsfester Werkstoffe mit hohen Warmfestigkeitswerten dar. Eine weitere Schadensart sind die sog. Wärmestauchrisse als Folge thermischer Überlastung. Sie entstehen an Stellen, an denen das Bauteil lokal stark erhitzt wird und die freie Wärmedehnung durch umgebendes kälteres Bauteilvolumen stark behindert wird. Die Folge sind Druckspannungen, die eine plastische Stauchung des Werkstoffes hervorrufen. Nach Abstellen des Motors und Tempera turausgleich stellen sich an diesen Stellen hohe Zugeigenspannungen ein. Die bei Wiederholungen dieses Vorganges gegebene hohe „Low-Cycle“-Spannungsamplitude führt schließlich zu Anrissen. Bekannt sind solche Anrisse bei Zylinderköpfen in den Stegen zwischen den Ventilöffnungen, an der inneren Oberkante von Zylinderbuchsen sowie am Rand von Brennraummulden. Hauptursache für derartige Schäden kann ein gestörter Verbrennungsvorgang, ein erhöhter Wärmeübergang bei nagelnder oder klopfender Verbrennung (z. B. bei Dieselgasmotoren) sowie eine ungenügende Kühlung sein. Zur weitergehenden Information über Analyse und Vermeidung von Schäden wird auf die Literatur verwiesen [7‑12], [7‑13].
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 7.2.1
Einleitung
Der Wandwärmeverlust QW ist neben der Abgasenthalpie HA und der üblicherweise vernachlässigbaren Leckageenthalpie HL der bedeutendste innere Verlust in der inneren Energiebilanz eines Verbrennungsmotors, Gl. (7‑1). (7-1) Im Vergleich mit den anderen Anteilen der Energiebilanz, der inneren Arbeit Wi, der Ansaug- und der Kraftstoffenthalpie HE bzw. HB sowie der freigesetzten Kraftstoffenergie QB ist er messtechnisch nur schwer bestimmbar. Da jedoch seine Wirkung für den Prozessablauf, den Wirkungsgrad und die Bildung von Schadstoffen so wesentlich ist, wird nahezu seit Anbeginn der Verbrennungsmotoren entwicklung der Wandwärmeverlust intensiv erforscht und auch heute ist hier noch kein Ende absehbar. Entsprechend umfangreich ist daher die Literatur zu diesem Thema. Eine Suchabfrage mit dem Stichwort „Wall Heat Transfer“ bei der Society of Automotive Engineers (www.sae.org) lie-
fert beispielsweise ca. 2000 verschiedene SAE-Paper die innerhalb der letzten 5 Jahre publiziert wurden. Obwohl bereits 1977 erschienen, kann trotzdem das Standardwerk „Der Wärmeübergang in der Verbrennungskraftmaschine“ von Pflaum/Mollenhauer [7‑2] als ein führendes Werk in die Thematik bestens empfohlen werden. In diesem relativ kurzen Abschnitt werden deshalb nur die für das Verständnis wichtigen Grundlagen und Messtechniken, die wichtigsten Wärmeübergangsgleichungen und einige Anwendungsbeispiele aufgeführt. Des Weiteren wird kurz auf die besondere Problematik der Wärmeübergangs modellierung bei der 3D-CFD-Rechnung (Computational Fluid Dynamics) eingegangen.
7.2.2 Grundlagen der Wärmeübertragung in Verbrennungsmotoren Der Wandwärmeverlust (Qw) in einem Motorbrennraum wird im Rahmen der realen Prozessrechnung üblicherweise mittels des Newtonschen Wärmeübergangsansatzes als Integral über ein Arbeitsspiel (ASP) berechnet:
(7-2) Die Temperaturdifferenz Wand–Gastemperatur (Tw-Tz) ist dabei so definiert, dass sich im Zahlenwert der Wandwärme ein negatives Vorzeichen ergibt, wenn Energie das System „Brennraum“ verlässt. In Gl. (7‑2) bedeuten weiterhin: ϕ Kurbelwinkel, ω Kreisfrequenz, A momentane Brennraum oberfläche und α Wärmeübergangskoeffizent. Die Anwendung des Newtonschen Ansatzes impliziert bereits, dass der Wärmeübergangsmechanismus in Motorbrennräumen im Wesentlichen durch erzwungene Konvektion erfolgt und die beiden anderen Wärmeübertragungs mechanismen (Strahlung und Wärmeleitung) demgegen über vernachlässigbar klein sind. Wie noch zu zeigen sein wird, erfolgt die Wärmeübertragung in unmittelbarer Wandnähe sehr wohl durch Wärmeleitung, da die Strömung dort laminar sein muss, außerhalb dieser viskosen Unterschicht der Grenzschicht dominiert jedoch eindeutig der Mechanismus der erzwungenen Konvektion. Der Anteil an Wärmeübertragung der durch Strahlung erfolgt ist sehr stark davon abhängig, wie viel Ruß sich während der Verbrennung im Brennraum bildet (z. B. [7-43], [7-21]), da nur die vom Ruß ausgehende Festkörperstrahlung energetisch relevant ist. Eine eventuell vorhandene Gasstrahlung ist dem gegenüber auf jeden Fall vernachlässig bar, weil Gase selektive Strahler sind und deshalb nur in schmalen Wellenlängenbanden strahlen. Der Anteil an Rußstrahlungsverlust wiederum hängt neben der strahlen-
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 229 den Rußmasse und deren Temperatur, auch von der Höhe des konvektiven Wärmeübergangs ab. Realistisch ist davon auszugehen, dass lediglich bei langsam laufenden Großdieselmotoren der Strahlungsverlust einen bedeutsamen Anteil erreicht [7-39]. Dies spiegelt sich auch darin wieder, dass die am häufigsten verwendeten Wärmeübergangsgleichungen auf einen expliziten Strahlungsterm verzichten (s. Abschn. 7.2.4). In einem Motorbrennraum ist nun grundsätzlich davon auszugehen, dass zu jedem Zeitpunkt und an jedem Ort alle Zustandsgrößen (Druck, Temperatur und Gaszusammensetzung) unterschiedlich sind. Dies gilt ebenfalls für die Wandoberflächentemperatur und die den Wärmeübergang stark beeinflussende Turbulenz. Weiterhin kann damit gerechnet werden, dass keine ausgebildeten Strömungsverhältnisse vorliegen, sondern von Staupunkt- und instationären Anlaufströmungen auszugehen ist. Eine eigentlich nicht fassbare Situation. Betrachtet man jedoch die Verhältnisse in der Nähe der Brennraumwand ganz prinzipiell (Bild 7‑8), so wird deutlich, dass eine Betrachtung des Phänomens „Wärmeübergang“ mittels der Ähnlichkeitstheorie, wie bei vielen anderen technischen Wärmeübergangsproblemen, zielführend ist. Dabei beschreiben dimensionslose Kennzahlen die Phänomene und deren Verknüpfung. Im Falle des erzwungenen,
konvektiven Wärmeübergangs ist dies die Nusseltzahl für die Temperatur- und die Reynoldszahl für die Strömungsgrenzschicht. Die Prandtlzahl
beschreibt die Wechselwirkung zwischen
beiden Grenzschichten. Bei Pr = 1 sind z. B. beide Grenzschichten gleich dick. Bei Luft und Abgas ist Pr immer < 1 und damit die Strömungsgrenzschicht immer dünner als die Temperaturgrenzschicht. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass alle diese Betrachtungen streng genommen nur für den stationären, bzw. quasistationären Fall gelten. D. h. Änderungen müssen so langsam erfolgen, dass keine Instationäreffekte, z. B. Trägheitseffekte auftreten. Der Wärmeübergang im Verbrennungsmotorenbrennraum ist sicherlich nicht „quasistationär“, sondern ändert sich, vor allem bei schnell laufenden Motoren, zeitlich und örtlich sehr schnell. Trotzdem konnte bis heute messtechnisch nicht nachgewiesen werden, dass Instationäreffekte einen quantitativ bedeutenden Einfluss auf den Wärmeübergang haben (vgl. hierzu Abschn. 7.2.8). Der Wärmeübergangskoeffizient α wird berechenbar indem man die dimensionslosen Kennzahlen mittels eines
Bild 7-8 Prinzipielle Darstellung des Wärme übergangs durch erzwungene Konvek tion an einer Brennraumwand
230 7 Belastung von Motorbauteilen allgemeinen Potenzansatzes verknüpft: (7-3) Umfangreiche Untersuchungen [7-45] haben gezeigt, dass bei Verbrennungsmotoren für die Exponenten m und n die von der turbulenten Rohrströmung bekannten Zahlenwerte n = 0.78 und m = 0.33 gültig sind. Im Rahmen des relevanten Temperaturbereiches ist Pr0.33 damit innerhalb einer Toleranz von ± 1% konstant und kann der Konstanten C zugeschlagen werden. Damit ergibt sich basierend auf der Ähnlichkeitstheorie eine allgemeine Wärmeübergangsgleichung für motorische Brennräume zu:
(7-4)
In [7-2] finden sich empirische von der Temperatur und Gaszusammensetzung abhängige Polynome für die Wärmeleitfähigkeit λ und die dynamische Viskosität η. Die Dichte ρ lässt sich mittels der thermischen Zustandsgleichung zu
formulieren.
Die explizite Aufstellung einer Wärmeübergangsgleichung erfordert damit eine geeignete, auf Messwerte gestützte Interpretation der charakteristischen Länge d und der wärmeübergangsrelevanten Geschwindigkeit w, sowie einer „Skalierung“ mittels der Konstanten C. „Messwertgestützt“ bedeutet, eine numerische oder gar analytische Lösung des Problems ist nicht bekannt, so dass mittels geeigneter Messungen an ausgeführten Motoren eine Datenbasis geschaffen werden muss, die eine halbempirische Modellierung erlaubt, deren Anspruch in einer möglichst weitgehenden Allgemeingültigkeit liegt, um eine Anwendbarkeit auch für zukünftige Brennverfahrens entwicklungen sicher zu stellen.
7.2.3
Messverfahren zur Wärmestrommessung
Nach heutigem Kenntnisstand sind im Wesentlichen drei Verfahren geeignet eine Datenbasis zur mathematischen Modellierung einer Wärmeübergangsgleichung zu schaffen: Die „innere Wärmebilanz“ (Bild 7‑9) erlaubt eine Berechnung des zeitlich und örtlich mittleren Wandwärmeverlustes gemäß der inneren Energiebilanz des Brennraumes, Gl. (7‑1). Gemessen werden müssen Ansaug-, Abgas-, Leckageund Kraftstoffenthalpie. Die Brennwärme Qb ergibt sich aus der Multiplikation der eingespritzten Kraftstoffmasse mit dem unteren Heizwert Hu (Qb = mb · Hu). Die innere Arbeit wiederum folgt aus dem Ringintegral über ein Arbeitsspiel des in Abhängigkeit des Kurbelwinkels gemessenen Druck-
Bild 7-9 Prinzip der inneren Wärmebilanz zur Bestimmung des zeitlich und örtlich mittleren Wandwärmeverlustes Qw
verlaufes pz multipliziert mit der Volumenänderung dV/dϕ, s. Abschn. 1.2. Sorgfältige Messungen vorausgesetzt ist die „innere“ Wärmebilanz ein notwendiges, aber nicht hinreichendes Verfahren zur Bestimmung der Wandwärmeverluste [7-16]. Da nur die Gesamtenergiebilanz ausgewertet wird, sind Aussagen über den zeitlichen Verlauf des örtlich mittleren Wand wärmestromes, z. B. für eine thermodynamische Druckverlaufsanalyse nicht möglich (s. Abschn. 1.3). Direkte Messverfahren zur Bestimmung der Wandwärmeverluste sind a) die Wärmestromsonde zur Bestimmung einer lokalen, zeitlich mittleren Wärmestromdichte qw und b) die Oberflächentemperaturmethode zur Messung der lokalen, zeitlich veränderlichen Wärmestromdichte (s. Bild 7‑10). Der Einbau einer Wärmestromsonde soll möglichst bündig mit der Brennraumoberfläche erfolgen. Durch eine über Luftspalte erreichte Isolation besteht dadurch im Innern der Sonde eine definierte, eindimensionale Wärmeleitstrecke. Bei bekannter Wärmeleitfähigkeit des Werkstoffes der Wärmeleitstrecke lässt sich durch Messung der beiden Temperaturen T1 und T2 in definiertem Abstand s die Wärmestromdichte mittels der eindimensionalen, stationären Wärmelei tungsgleichung in einfacher Weise berechnen.
(7-5) In Bild 7.11 ist eine ausgeführte Wärmestromsonde dargestellt, wie sie z. B. in [7‑16] und [7‑2] erfolgreich eingesetzt wurde. Hier zeigt sich, dass zwar das Prinzip des Verfahrens sehr einfach ist, die praktische Anwendung jedoch zu einer
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 231
Bild 7-10 Prinzip von Sonden zur direkten Messung von a der lokalen, zeitlich mittleren und b der lokalen, zeitlich veränderlichen Wärmestromdichte qW an der Brennraumwand
Bild 7-11 Ausgeführte Wärmestromsonde mit Kühlung, Korrekturmessstellen und Messzylinder aus Reineisen
relativ aufwändigen Sondenausführung führt, wenn eine hohe Genauigkeit erreicht werden soll. Vorteilhaft an dieser Methode der Wärmestrommessung ist trotzdem die relativ einfache Anwendung und die erzielbare hohe Genauigkeit, da lediglich wenige Bauteiltemperaturen hochgenau gemessen werden müssen und nicht Differenzen der Messwerte mehrerer, unterschiedlicher Messverfahren gebildet werden müssen, deren Absolutwert im Normalfall sogar deutlich größer ist, als der zu bestimmende Differenzwert, wie bei der Methode der „inneren Wärmebilanz“. Eindeutig nachteilig ist jedoch, dass die Wärmestromsonde normalerweise nur an einer oder allenfalls zwei Positionen im Brennraum eingebaut werden kann, da auf eine oberflächenbündige Anordnung unbedingt zu achten ist. Sonst würde der konvektive Wärmeübergang durch sonst nicht vorhandene Kanten unzulässig verändert werden. Damit repräsentieren die Messergebnisse lediglich die lokalen Verhältnisse am Einbauort und eine Aussage über den zeitlichen Verlauf ist überhaupt nicht möglich. Der mit den beschriebenen Methoden ermittelte zeitlich mittlere Wandwärmestrom variiert jedoch mit der sich während eines Arbeitsspieles ständig ändernden Gastemperatur und beeinflusst somit auch den Arbeitsprozess. Das einzige bekannte Verfahren zur Messung der lokalen, veränderlichen Wandwärmestromdichte ist die sog. Oberflächentemperaturmethode. Bild 7‑10b zeigt wieder das Prinzip dieses Verfahrens zur Wärmestrommessung. Bei der Oberflächentemperaturmethode werden Temperatursensoren oberflächenbündig in die Brennraumoberfläche eingebaut deren tatsächlicher Temperaturmesspunkt weniger als 2 µm darunter liegt. Damit wird es möglich, die
232 7 Belastung von Motorbauteilen Oberflächentemperaturschwingung zu messen, die durch den veränderlichen Wandwärmestrom verursacht wird. Zum Einsatz kommen bei diesem Verfahren z. B. MantelThermoelemente, deren eigentliche Temperaturmessstelle durch eine mittels Dünnschichttechnik aufgebrachte Metallschicht mit einer Dicke von lediglich 0,3 µm erzeugt wird. Ein Ausführungsbeispiel eines derartigen Thermoelementes zeigt Bild 7‑12 [7‑16]. In Bild 7‑13 sind typische, berechnete Temperaturschwingungen in verschiedenen Bauteiltiefen dargestellt, wie sie bei geschlepptem Betrieb eines Nfz-DE-Dieselmotors entstehen. Auffällig ist zunächst, wie klein die Temperatur schwingungen in Relation zur Veränderung der Gastemperatur sind. Ursächlich hierfür ist die extrem unterschiedliche Wärmeeindringzahl b (Gl. (7‑7)), die bei Metallen ungefähr um den Faktor 500 größer ist als bei Gasen. Entsprechend kleiner ist die Amplitude der Temperaturschwingung. Weiterhin wird das sehr schnelle Abklingen der Schwingung im Bauteil sichtbar. Bereits in einer Tiefe von 2 mm kann von einem rein stationären Temperaturfeld ausgegangen werden. Die „wahre“ Oberflächentemperatur kann also nur gemessen werden, wenn die Temperaturmessstelle höchs tens 2 µm von der Oberfläche entfernt ist. Nimmt man Periodizität der Temperaturschwingung und ein eindimensionales, instationäres, einseitig unendlich ausgedehntes Temperaturfeld an der Oberfläche der Brennraumwand an, so lässt sich mittels der Laplaceschen
Differentialgleichung aus den Temperaturverläufen die sie verursachenden Wärmestromdichten berechnen. Die Lösung der Laplaceschen Differentialgleichung in Form von Fourier’schen Reihen wurde erstmalig von Eichelberg formuliert [7‑20]
Die mit der Oberflächentemperaturmethode erzielbare Genauigkeit ist sehr stark davon abhängig, wie sorgfältig die Oberflächenthermoelemente in die Brennraumwand eingebaut werden. D. h. sowohl die thermische Anbindung an den umgebenden Werkstoff, als auch die absolute Oberflächenbündigkeit sind von ausschlaggebender Bedeutung. Weiterhin muss die für das Oberflächenthermoelement, einschließlich der es umgebenden Werkstoffe, gültige Wärmeeindringzahl
Bild 7-12 Oberflächenthermoelement nach [7-16]
(7-6)
(7-7)
Bild 7-13 Berechnete Oberflächentemperaturschwingungen. Nkw-DE-Diesel, Schub, n = 2300 min–1 [7‑17]
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 233 abhängig von der Temperatur individuell kalibriert werden. Dies kann rechnerisch geschehen [7-16] oder mit einem speziellen experimentellen Verfahren [7‑46]. Letztlich bleibt noch die Frage, wie beim Einsatz der Oberflächentemperaturmethode die zeitlich mittlere Wärmestromdichte q˙m ermittelt werden soll. Messtechnisch wäre dies möglich durch Integration von Oberflächenthermo elementen in Wärmestromsonden. Wie noch zu zeigen sein wird, sollten aber bei der Oberflächentemperaturmethode möglichst eine Vielzahl von Thermoelementen eingebaut werden, um einen repräsentativen, örtlichen Mittelwert bilden zu können. Eine Alternative hierzu ist das sog. „Nulldurchgangsverfahren“, das den üblicherweise während des Kompressionshubes stattfindenden Nulldurchgang der Temperaturdifferenz (Tw – Tg) = 0 ausnutzt, weil bei Vernachlässigung eventuell auftretender Instationäreffekte, die momentane Wärmestromdichte gemäß Gleichung (7‑2) ebenfalls q˙ = 0 sein muss. Gleichung (7‑6) wird damit zu:
(7-8)
Gleichung (7‑8) ist insbesondere deshalb mit ausreichender Genauigkeit auch lokal für einzelne Oberflächentemperaturmessstellen einsetzbar, da während der Kompression, im Unterschied zur Verbrennung, keine allzu großen örtlichen Gastemperaturunterschiede existieren, so dass die Gastemperatur Tg als sog. Massenmitteltemperatur Tz mittels der thermische Zustandsgleichung berechnet werden kann.
(7-9) Speziell bei Dieselmotoren, aber auch bei Ottomotoren, tritt im Betrieb das Problem der Bildung von Ablagerungen (Ruß, Ölkohle, etc.) auf den Messstellen auf, wodurch die eigentliche Temperaturmessstelle nicht mehr direkt an der Oberfläche liegt und dadurch eine Dämpfung des Messsignals erfolgt. Die Temperaturverläufe sehen dann aus, wie in Bild 7-13 dargestellt. In [7‑16] und [7‑46] werden Methoden angegeben, wie diese Ablagerungen korrigiert werden können, sofern die Schichtstärken nicht zu groß geworden sind und keine auswertbare Schwingung mehr gemessen werden kann. Grundsätzlich ist deshalb der Betrieb mit nichtrußenden Modellkraftstoffen sehr zu empfehlen, um diese Problematik gänzlich zu vermeiden. Dies wird jedoch selten getan, da zum einen nicht übertragbare Beeinflussungen des Wandwärmeüberganges durch nicht serienmäßige Kraftstoffe befürchtet werden. Zum anderen sind bestimmte Phänomene
nur schwer mit Modellkraftstoffen darstellbar, wie z. B. identische Gemischbildungseigenschaften bei Wandinteraktio nen (Tröpfchenbildung, Penetration, Wandauftrag, Verdampfungsverhalten und Zündwilligkeit). Hierfür wird dann lieber in Kauf genommen, dass nur wenige Betriebspunkte gemessen werden können, bevor z. B. der Zylinderkopf und/ oder der Kolben mit den Messstellen wieder demontiert, gereinigt, neu beschichtet und wieder montiert werden muss. Zur Minimierung des Aufwandes und der Kosten werden dabei meist nur einige wenige Oberflächenthermoelemente eines käuflichen Typs [7‑18] eingesetzt (z. B. [7‑25] bis [7‑26]). In [7‑16] wurde jedoch eine sehr große Anzahl von Oberflächenthermoelementen verwendet. Es handelte sich zwar um einen Ottomotor, trotzdem sind grundlegend wichtige Feststellungen damit ableitbar. Bild 7-14a zeigt die 182 Wärmestromdichteverläufe bei geschlepptem Motorbetrieb. Die Form des Einlasskanals als reinen Füllungskanal bewirkte, dass das Strömungsfeld lediglich aus ungerichteter Turbulenz bestand, so dass über 100 Arbeitsspiele gemittelt alle Messstellen nahezu identische Verläufe zeigen. Gänzlich anders stellen sich die Verhältnisse bei Verbrennung dar (Bild 7‑14b). Nach dem Zündzeitpunkt (IP) steigen die Wärmestromdichten steil an, sobald die Flammenfront die Oberflächentemperaturmessstelle erreicht hat. Mit zunehmendem Abstand zur Zündkerze, d. h. zu immer später werdendem Zeitpunkt der Verbrennung verliert die Flammenfront an Intensität (Abfall der Temperatur im Verbrannten nach Spitzendruck). Der „Steilanstieg“ der Wärmestromdichte wird dadurch sichtbar flacher. Sind die Abläufe beim Überlaufen der Messstellen durch die Flammenfront noch einfach zu interpretieren, so schwer fällt eine schlüssige Erklärung des ohne jede erkennbare Systematik verlaufenden Abfalls der Wärmestromdichte nach Erreichen des Maximums. Hier zeigt sich ein an jeder Messstelle individuelles Verhalten, das durch die chaotischen Turbulenzzustände im Verbrannten bei expandierendem Kolben geprägt ist. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, dass eine große Anzahl Oberflächentemperaturmessstellen eingesetzt werden muss, um einen wirklich repräsentativen örtlichen Mittelwert bilden zu können. Immer wieder in der Literatur zu findende Vergleiche an einzelnen Messstellen gemessener Wärmestromdichteverläufe mit den bekannten Wärmeübergangsgleichungen, die einen örtlichen Mittelwert beschreiben, sind unzulässig und ergeben keinen Sinn. Erst aus der für den gesamten Brennraum repräsentativen, örtlich gemittelten Wärmestromdichte kann der Wärmeübergangskoeffizient α berechnet werden, da bei Verbrennung die lokal stark veränderlichen, außerhalb der Temperatur grenzschicht anliegenden Gastemperaturen nicht bekannt sind und deshalb das treibende Temperaturgefälle Gas-Wand
234 7 Belastung von Motorbauteilen
a
b
mittels der aus der thermischen Zustandsgleichung berechneten Massenmitteltemperatur Tz bestimmt werden muss. Bild 7‑15 zeigt ein Beispiel einer derartigen Auswertung. Die im Bereich 110 °KW im Wärmeübergangskoeffizienten auftretende Unstetigkeit rührt aus der Bestimmung der zeitlich mittleren Wärmestromdichte q˙m mittels des beschriebenen „Nulldurchgangsverfahren“. Es handelt sich also keineswegs um den Nachweis eines „Instationäreffektes“, sondern vielmehr um das Ergebnis geringfügiger Phasenverschiebungen (elektrische Laufzeit der Messketten) zwischen der Brennraumdruckmessung aus der die Massenmitteltem-
Bild 7-14 182 Wärmestromdichteverläufe für den Scheibenbrennraum eines Ottomotors, a Schleppbetrieb n = 1465 min–1 im LWOT; b gefeuert n = 1500 min–1, pi = 7,35 bar (wi = 0,735 kJ/dm³) im ZOT, IP: Zündzeitpunkt
peratur Tz und der Oberflächentemperaturmessungen aus denen die Wärmestromdichten berechnet wurden. Die Quotientenbildung q˙ /(Tz – Tw) = q˙/DT = a führt dann im Bereich q˙ = 0 und DT = 0 zu dem gezeigten Effekt. Idealerweise müsste sich mathematisch eine Polstelle ergeben. Abschließend ist festzuhalten, dass keine Methode bekannt ist, die es erlaubt direkt den örtlich mittleren, aber zeitlich veränderlichen Verlauf der Wandwärmeverluste zu messen. Die bekannten Methoden sind jeweils nur in der Lage entweder örtliche und zeitliche Mittelwerte oder lokale Zeitverläufe zu liefern, wobei letzteres Verfahren, die Ober-
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 235
Bild 7-15 Aus 182 Wärmestromdichteverläufen flächenbezogen bestimmte örtliche Mittelwerte und örtlich mittlerer Wärmeübergangskoeffizient, Ottomotor, Scheibenbrennraum, gefeuerter Betrieb, n = 1500 min-1, pi = 7,35 bar [7‑16], IP: Zündzeitpunkt
flächentemperaturmethode, zwar sehr aufwändig ist, aber als einziges Verfahren bei Einsatz genügend vieler Messstellen alle Anforderungen erfüllt. Die im Folgenden vorgestellten, meist verwendeten Wärmeübergangsgleichungen wurden entweder unter zu Hilfenahme einer oder mehrerer der drei Messverfahren aufgestellt, oder zumindest mehrfach mit ihnen verifiziert.
7.2.4 Wärmeübergangsgleichungen für die reale Prozessrechnung Die Historie der Veröffentlichung von Wärmeübergangsgleichungen zur Berechnung der örtlich mittleren, aber zeitlich veränderlichen Wandwärmeverluste im Rahmen der realen Prozessrechnung beginnt, soweit bekannt mit Nusselt Anfang des letzten Jahrhunderts. Obwohl er die Nusselt-Zahl als wesentliche dimensionslose Kennzahl zur Berechnung des erzwungenen, konvektiven Wärmeüberganges formuliert hat, war die von ihm 1923 [7‑36] veröffentlichte Wärmeübergangsgleichung rein empirisch formuliert und basierte nicht auf der Ähnlichkeitstheorie. Auch Eichelberg 1928 [7‑20] veränderte lediglich die Konstanten und Exponenten der „Nusselt-Gleichung“ ohne grundlegende Änderungen. Ba-
sierend auf der empirischen „Nusselt-Gleichung“ entstanden weitere empirische Gleichungen im deutschen und englischen Sprachraum. All diese Gleichungen sind auf Grund ihres rein empirischen Charakters kaum auf andere Motoren, als die für die sie abgestimmt wurden, übertragbar und besitzen deshalb keine Allgemeingültigkeit. Elser 1954 verwendete als Erster eine Gleichung basierend auf der Ähnlichkeitstheorie [7-22]. Allerdings fand diese Gleichung relativ wenig Beachtung. Woschni blieb es vorbehalten, die erste, auf die Ähnlichkeitstheorie gestützte Wärmeübergangsgleichung für Verbrennungsmotoren zu formulieren, die noch heute verwendet wird. Zunächst im Rahmen des Einsatzes der EDV bei der MAN für die reale Prozessberechnung entwickelt wurde sie in ihrer „Rohform“ bereits 1965 veröffentlicht [7-47]. Die endgültige Gleichung lautet seit 1970 [7-45]:
(7-10)
236 7 Belastung von Motorbauteilen mit C1 = 6,18 +0,417 cu/cm von Auslass öffnet bis Einlass schließt C1 = 2,28 +0,308 cu/cm von Einlass schließt bis Auslass öffnet und C2 = 0,00324 m/(s K) für Motoren mit nicht unter teiltem Brennraum C2 = 0.0062 m/(s K) für Motoren mit unterteiltem Brennraum (in Haupt- und Nebenbrennraum) C2 = 0 für Kompression und Ladungswechsel Neben der Rundung des Exponenten n der Re-Zahl, s. Gl. (7-4), von 0,78 auf 0,8 wählt Woschni als charakteristische Länge den Durchmesser D des Zylinders. Er formuliert unter Verwendung der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm einen Strömungsterm w mit integriertem Verbrennungsterm unter Verzicht auf die Wärmestrahlung. Danach erzeugt die Verbrennung Turbulenzen, modelliert durch die Differenz „Druck mit Verbrennung pZ – Druck ohne Verbrennung p0 (Schubbetrieb)“, skaliert durch die Größe C2 abhängig vom Verbrennungsverfahren und durch die drallabhängige Größe C1 = f (cu /cm) für die Strömungsgeschwindigkeit (zur Be stimmung der Drallzahl bzw. der Umfangsgeschwindigkeit cu s. Abschn. 2.1.2.4). Für die Ladungswechselphase gelten andere Konstanten als für die Hochdruckphase, wobei durch den Wechsel der Kons tanten und durch das „Abschalten“ des Verbrennungsterms bei Auslass öffnet ein etwas unschöner „Knick“ in den Wandwärmestromverläufen entsteht (Bild 7‑16).
Der Wandwärmestrom ist mit der berechneten Massenmitteltemperatur Tz (Gl. (7‑9)) für die treibende Temperaturdifferenz zur Wand zu berechnen. Es können verschiedene „Wandtemperaturbereiche“ (z. B. Zylinderkopf, Kolben, Laufbüchse) berücksichtigt werden. Eine dadurch sich ergebende Abhängigkeit des Wärmeübergangskoeffizient ist jedoch nicht vorgesehen. Weiterhin ist die Gleichung so abgestimmt, dass die Oberfläche des Feuersteges unberücksichtigt bleibt, als gehöre sie nicht zum Brennraum. Wird der Feuersteg in der Prozessrechnung explizit berechnet, so ist der dort entstehende Wandwärmeverlust in geeigneter Form mit invertiertem Vorzeichen im Brennraum wieder zu berücksichtigen, da sonst die Energiebilanz nicht korrekt sein kann. Gleichung (7‑10) ist die seit mehr als 35 Jahren mit weitem Abstand weltweit am häufigsten eingesetzte Wärme übergangsgleichung. Unter der Anleitung von Woschni wurde die Gleichung mehrfach verifiziert (z. B. [7‑25] und [7‑41]) und durch Ergänzungen verbessert, bzw. an spezielle Fragestellungen angepasst. Kolesa [7‑33] hat den Einfluss hoher Wandtemperaturen auf den Wandwärmeverlust untersucht. Ergebnis war, dass der Wärmeübergangskoeffizient ab einer bestimmten Wandtemperatur (Tw > 600 K) deutlich ansteigt, weil die Flamme näher an die Wand heran brennt, das wandnahe Verlöschen (quenchen) der Flamme also später eintritt. Die thermische Grenzschicht wird dadurch dünner und der Temperaturgradient innerhalb der Grenzschicht nimmt zu. Damit erklärt sich der Anstieg des Wärmeübergangskoeffizienten. Dieser Anstieg wirkt der Abnahme des Wandwärmestromes durch
Bild 7-16 Vergleich der Ergebnisse von Gleichung 7‑10 mit Oberflächentemperatur-Messungen für Dieselmotor [7‑41] und Ottomotor [7‑25]
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 237 die mit einem Wandtemperaturanstieg kleiner werdende treibende Temperaturdifferenz entgegen, so dass zunächst der Wandwärmeverlust sogar zunimmt und erst bei höheren Wandtemperaturen abzunehmen beginnt, bis bei Temperaturidentität mit der energetischen Massenmitteltemperatur (vgl. Abschn. 7.2.7) der Zustand des wärmedichten Motors erreicht wird. Die von Kolesa erarbeitete Änderung wirkt sich nur auf die Konstante C2 des Verbrennungsterms aus und wurde nur für Motoren mit nicht unterteilten Brennräumen verifiziert:
(7-11)
Auch in den USA wird Gl. (7‑10) weiterentwickelt. Zur Anpassung an HCCI Verbrennungen hat 2004 Assanis et al. [7-26] ebenfalls die Woschni-Gleichung als Basis verwendet. Doch wie die Erfahrung zeigt, wird keine der erwähnten Änderungen auf breiter Basis angewendet, sondern überwiegend die Urform der Gl. (7‑10), trotz ihrer bekannten Schwächen. Wenn von dieser zum Standard gewordenen Form abgewichen wird, wird meist eine andere Gleichung für den Wärmeübergangskoeffizienten WÜK gewählt. Hohenberg veröffentlicht 1980 eine Gleichung für den Wärmeübergang in Dieselmotoren, die ebenfalls auf der Ähnlichkeitstheorie basiert [7-30]. (7-14)
Die unschöne Fallunterscheidung wurde von Schwarz 1993 durch Überführung von Gl. (7‑11) in eine stetige Form beseitigt [7‑40]. (7-12)
Mit häufigerem Einsatz der Wärmeübergangsgleichung von Woschni wurde deutlich, dass bei niedrigen Lasten und geschlepptem Motorbetrieb der Wärmeübergang mit der bekannten Gleichung zu niedrig berechnet wurde. Weiterhin wurde entdeckt, dass der Wandwärmeverlust abhängig ist von der Berußung der Brennraumoberfläche. Huber [7‑46] und Vogel [7‑42] haben Gl. (7‑10) deshalb mit einem variablen Term ergänzt, der ein modifiziertes Geschwindigkeitsglied w ergibt. Die Konstante C3 wird hier nur für Dieselmotoren angegeben. Für andere Brennverfahren, bzw. Kraftstoffe gelten C3 = 0.8 für Benzin und C3 = 1.0 für Methanol. Wenn:
dann: mit:
(7-13)
Im Aufbau relativ einfach, wird sie häufig zu Vergleichen mit der Woschni-Gleichung herangezogen. Als charakteristische Länge verwendet Hohenberg den Radius einer Kugel, deren Volumen dem momentanen Brennraumvolumen entspricht. Eine Kugel deshalb, weil es der einzige geometrische Körper ist, der durch Angabe einer geometrischen Größe beschrieben werden kann. Dadurch werden Motoren mit unterschiedlichen Hub/Bohrungsverhältnissen besser abgebildet. Bemerkenswert ist, dass durch Einbeziehung des Exponenten „3“ (V = π r3) ein sehr kleiner Exponent (–0,06) entsteht, der zeigt, dass der Wärmeübergangskoeffizient weitgehend unabhängig ist von den geomet rischen Abmessungen des Motors. Für den Einfluss der Geschwindigkeit wählt Hohenberg ebenfalls die mittlere Kolbengeschwindigkeit cm, ergänzt durch eine Konstante (1,4) für den Einfluss der Verbrennung und eine leichte Temperaturabhängigkeit dieses Terms: 1,4 TZ0,163. Hohenberg beschreibt zwar in [7‑30] dass er auch einen leichten Druckeinfluss auf die wärmeübergangsrelevante Geschwindigkeit experimentell festgestellt hat (pZ0,25 · 0,8). Dafür reduziert er aber den reinen Druckexponenten von 0,8 auf 0,6, so dass im strengen Sinne der Ähnlichkeitstheorie (Re0,8) mathematisch doch kein Druckeinfluss auf die Geschwindigkeit vorhanden ist und der Druckexponent insgesamt bei 0,8 verbleibt. Im Unterschied zur „Woschni-Gleichung“ wird auch die Feuerstegfläche bei der Berechnung der momentanen Gesamtbrennraumfläche A in Gl. (7‑2) berücksichtigt: (7-15) Der Faktor 0.3 berücksichtigt dabei, dass der Wärmeübergang im Feuersteg lediglich 30% des Wärmeüberganges im Brennraum ist. Die Feuerstegfläche AFeuersteg ergibt sich aus dem Brennraumumfang multipliziert mit der Feuersteghöhe des Kolbens mal zwei (AFeuersteg = D · p · 2 · hFeuersteg).
238 7 Belastung von Motorbauteilen Gleichung (7‑14) ist Ergebnis sehr umfangreicher experimenteller Untersuchungen an einer größeren Zahl sehr unterschiedlicher Motoren mit verschiedensten Messtechniken [7‑30] und [7‑31]. Bargende veröffentlicht 1991 [7‑16], [7‑15] eine weitere, zunächst für Ottomotoren entwickelte Beziehung für den WÜK, die jedoch auch bei Dieselmotoren angewendet wird [7‑14] und [7‑34]. Auch sie basiert auf der Ähnlich keitstheorie.
(7-16)
Anstatt eines gerundeten Wertes (0,8) wird der exakte Wert für den Exponenten n = 0,78 verwendet. Als charakteristische Länge wird die Formulierung von Hohenberg übernommen (d–0,22 ·V–0,073). Als für den Wärmeübergangskoeffizienten relevante Temperatur wird eine Mitteltemperatur aus Massenmitteltemperatur und Wandtemperatur
ein-
gesetzt, da innerhalb der thermischen Grenzschicht der Temperaturausgleichsvorgang Gastemperatur zu Wandtemperatur stattfindet, so dass die Stoffwerte (λ, η) und die Dichte ρ mit einer Mitteltemperatur zu berechnen sind. Um höheren Ansprüchen zu genügen, kann auch eine Abhängigkeit von der Gaszusammensetzung über den Luftgehalt r berücksichtigt werden. Der Luftgehalt r ist definiert zu
(7-17)
und bewegt sich im Zahlenwert zwischen r = 0 für ein stö chiometrisches Luftverhältnis (λ = 1) und r = 1 für reine Luft (λ → ∞). Der Stoffgrößenterm lautet dann:
(7-18)
Die wärmeübergangsrelevante Geschwindigkeit w wird mittels eines globalen k‑ε‑Turbulenz-Modells beschrieben: (7-19) Mit ck als der momentanen Kolbengeschwindigkeit. Für die Änderung der spezifischen kinetischen Energie gilt:
(7-20)
Mit ε = εq = 2,184 und der charakteristischen Wirbellänge . Für die Berechnung der spezifischen kinetischen Energie der Quetschströmung kq muss eine topfförmige Mulde definiert werden, welche die realen, meist von diesem Idealfall abweichenden Verhältnisse möglichst gut wieder gibt [7‑16]. In jüngster Zeit wurde in [7‑39] dieses k-ε-Modell in ganz ähnlicher Form verwendet, um die wärmefreisetzungsrelevante Konvektion zu modellieren. Als Verbrennungsterm wird im Unterschied zu den Modellen von Woschni und Hohenberg keine im Strömungsterm integrierte Formulierung verwendet. Vielmehr modelliert der multiplikative Verbrennungsterm ∆ die unterschiedlichen treibenden Temperaturgefälle vom Unverbrannten mit einer Temperatur Tuv und vom Verbrannten mit einer Temperatur Tv zu den Brennraumwänden [7‑16]. Im Vergleich zu den älteren Wärmeübergangsgleichungen von Woschni und Hohenberg ist die von Bargende deutlich unübersichtlicher hinsichtlich des Einflusses geänderter Motorparameter auf den Wandwärmeverlust. Den Gleichungen von Woschni und Hohenberg ist der Einfluss einer Drehzahlerhöhung auf die Wandwärmeverluste sofort zu entnehmen. Dieser einfachen Interpretation verschließt sich die Bargende-Gleichung mit dem für die Modellierung des Geschwindigkeitsterms verwendeten k-ε-Modell. Hier zeigt sich deutlich, dass durch die heutige, ausschließlich programmierte Anwendung derartiger Modelle auf Übersichtlichkeit zugunsten höherer Genauigkeit verzichtet werden kann. Dieser Trend wird sich auch in Zukunft fortsetzen, wie beispielhaft die jüngeren Arbeiten [7‑39] und [7‑21] auf dem Gebiet der Wärmeübergangsmodellierung zeigen. Allerdings darf nicht der Fehler begangen werden, einen „Scheingenauigkeitsgewinn“ mit der Modellbildung zu suggerieren, der dann entsteht, wenn Phänomene in die Modellierung einbezogen werden, die experimentell nicht überprüfbar sind. Derartige Gleichungssys teme sind nur scheinbar „physikalische“ Modellierungen, aber tatsächlich sind sie rein empirische Anpassungen mit entsprechend eingeschränktem Gültigkeitsbereich.
7.2.5
Anwendungsbeispiele
Eine Gegenüberstellung der unterschiedlichen Ergebnisse, die mit den im vorigen Abschn. beschriebenen Wärmeübergangsgleichungen erzielt werden, findet relativ häufig statt, zumeist um entweder eine neue Gleichungsformulierung einzuordnen oder um Mess- mit Rechenergebnissen zu vergleichen. Auch hier soll deshalb ein Vergleich der drei wesentlichen Wärmeübergangsgleichungen angestellt werden, um dem
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 239 Anwender eine für seine Fragestellung passende Auswahl zu erleichtern. Bild 7‑17 zeigt hierzu im linken Diagramm den gemessenen Druckverlauf und die aus ihm thermodynamisch analysierten Verläufe der Massenmitteltemperatur- und des Brennverlaufs eines typischen, modernen direkteinspritzenden (DE) Common Rail (CR) Pkw-Dieselmotors in der Teillast bei konventionellem, heterogenem Betrieb, in diesem Beispiel mit einer Voreinspritzung appliziert. Im rechten Diagramm von Bild 7‑17 sind die Wärmeübergangskoeffizienten nach Woschni (Gl. (7‑10)), Hohenberg (Gl. (7‑14)) und Bargende (Gl. (7‑16)), sowie die Wandwärmeverluste im Hochdruckteil (HD) bezogen auf die umgesetzte Brennwärme dargestellt. Korrespondierend dazu zeigt Bild 7‑18 bei identischem Motor die Analyseergebnisse bei homogener Verbrennung (HCCI, s. Abschn. 3.3). Deutlich zu erkennen ist hier die, wie eine Vorverbrennung aussehende, sog. „kalte Verbrennung“ („Cool Flame“) im Brennverlauf direkt vor der Hauptverbrennung („Hot Flame“). Bedingt durch die insgesamt frühere und kürzere HCCIVerbrennung steigt der Spitzendruck gegenüber der heterogenen Verbrennung deutlich an und wird bei einer früheren
Kurbelwinkellage relativ zu ZOT erreicht. Im Wesentlichen durch die höheren Drücke ergeben sich mit allen drei Gleichungen leicht höhere Wärmeübergangskoeffizienten beim HCCI-Betrieb. Zusammen mit den höheren Massenmitteltemperaturen und insbesondere durch die geringere verbrannte Kraftstoffenergie Qb entstehen merklich höhere bezogene Wandwärmeverluste im Hochdruckteil (HD) bei homogener als bei heterogener Verbrennung. Die Unterschiede im berechneten relativen Wandwärmeverlust zwischen den drei Gleichungen sind bemerkenswert groß und rühren aus den starken Differenzen in den berechneten zeitlichen Verläufen der Wärmeübergangskoeffi zienten her. Diese Diskrepanzen findet man auch in den Energiebilanzen, Bild 7‑19, dargestellt als Quotient aus dem Maximalwert des integrierten Brennverlaufs Qb Max und der zugeführten Kraftstoffenergie QKrst, reduziert um die unvollständig (CO), bzw. unvollkommen (HC) verbrannten Energieanteile QHC,CO. Letzteres ist insbesondere bei HCCI-Betrieb erforderlich, da hier nennenswerte un- bzw. teilverbrannte Energieanteile im Abgas vorhanden sind. Die von der „Woschni“-Gleichung gelieferten zu niedrigen Bilanzwerte bei heterogenem Betrieb sind seit langem
Bild 7-17 Vergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei einem heterogen betriebenen CR-DE Pkw Diesel in der Teillast mit e iner applizierten Voreinspritzung und 20% gekühlter, äußerer AGR
240 7 Belastung von Motorbauteilen
Bild 7-18 Vergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei einem homogen (HCCI) betriebenem CR-DE Pkw Diesel in der Teillast mit 60% gekühlter, äußerer AGR
bekannt ([7‑46] und [7‑42]). Bei heterogenem Betrieb ist nicht zu erkennen, ob die „Hohenberg“- oder die „Bargende“-Gleichung das genauere Ergebnis liefert, da aus gemessenen Brennraumdruckverläufen ausgewertete Energiebilanzen selbst bei sorgfältigster Kalibrierung und Anwendung der Messtechniken einen Vertrauensbereich von mindestens ± 2% aufweisen. Damit relativiert sich die Frage nach der Genauigkeit etwas, da die in Bild 7-19 aufgetragenen Abweichungen bei heterogener Verbrennung, bezogen auf „Hohenberg“, weniger als ± 4% betragen. Insgesamt bemerkenswert ist, dass bei HCCI-Betrieb überhaupt plausible Ergebnisse berechnet werden, da keine der drei Gleichungen für die homogene, selbstgezündete Dieselverbrennung entwickelt, bzw. verifiziert wurde. Dies ist ein eindeutiges Indiz dafür, dass Wärmeübergangsgleichungen, die konsequent und sorgfältig auf der Änlichkeitstheorie basierend entwickelt wurden, tastsächlich eine weitgehende Allgemeingültigkeit erreichen. Erwartungsgemäß liefert jedoch die „Bargende“-Gleichung das Ergebnis mit der besten Energiebilanz, da der HCCI-Betrieb energetisch relativ ähnlich zu einer otto motorischen Vormischverbrennung mit turbulenter Flam-
menausbreitung ausgehend von einem singulären Zündort ist. Auch bei Anwendung der drei Gleichungen in der Volllast von DE-Dieselmotoren ergeben sich signifikante Unterschiede. Bild 7‑20 zeigt im oberen Diagramm den mittleren indizierten Druck pi und den indizierten Wirkungsgrad ηi über der Motordrehzahl für einen auf Euro‑4 Grenzwerte abgestimmten Volllast-Betrieb eines Common Rail Pkw-Dieselmotors. Im unteren Diagramm sind die bezogenen Wandwärmeverluste im Hochdruckteil (HD) dargestellt. Im qua litativen Verlauf sind alle drei Gleichungen identisch, hinsichtlich der quantitativen Wärmeverluste ergeben sich jedoch deutlich Unterschiede, vor allem zur „Woschni“-Gleichung. Besonders auffällig ist der hohe Verlustanteil bei n = 1000 min–1, obwohl der indizierte Wirkungsgrad (berechnet aus innerer Arbeit und eingespritzter Kraftstoffmasse) im Vergleich mit n = 1500 min–1 keinerlei Auffälligkeit zeigt. Auch die mit der „Woschni“-Gleichung berechneten Wandwärmeverluste bei höherer Drehzahl erscheinen mit weniger als 10% Energieanteil eher etwas zu gering zu sein. Eine genauere Betrachtung der Verläufe der Wärmeübergangskoeffizienten lässt darauf schließen (Bild 7‑21), dass
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 241
Bild 7-19 Vergleich der Energiebilanzen bei Berechnung der Wandwärmeverluste mit Woschni, Hohenberg und Bargende bei heterogener (konv. CR-DE) und homogener (HCCI) Verbrennung (CRDE Pkw Diesel, n = 2000 min-1, Teillast, gekühlte, äußerer AGR
Bild 7-20 Volllastvergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende (CR-DE Pkw Diesel)
242 7 Belastung von Motorbauteilen
Bild 7-21 Volllastvergleich der Wärmeübergangsgleichungen von Woschni, Hohenberg und Bargende bei n = 1000 min-1 und n = 4000 min-1 (CR-DE Pkw Diesel)
mit der „Woschni“-Gleichung der Verbrennungseinfluss auf den Wärmeübergang bei n = 1000 min–1 zu stark und bei n = 4000 min–1 eher zu schwach wiedergegeben wird und sich daraus die Unterschiede im bezogenen Wandwärmeverlust erklären. Der Vergleich der drei diskutierten Beziehungen für den Wärmeübergang führt zu unterschiedlichen Ergebnissen. Bei großen Dieselmotoren scheint die „Woschni“-Gleichung die besten Ergebnisse zu liefern [7‑48]. Insbesondere bei Nfz-Dieselmotoren scheint es die „Hohenberg“-Gleichung [7‑30] zu sein. Bei homogenen und teilhomogenen Brennverfahren, die stärkere Ähnlichkeiten mit ottomotorischen Prozessabläufen, insbesondere bezüglich Kurbelwinkellage und Dauer der Wärmefreisetzung zeigen, dürfte es die „Bargende“-Gleichung sein ([7‑28],[7‑29]). Jedoch ist auch die „Bargende“-Gleichung mittlerweile mehr als 15 Jahre alt, die „Hohenberg“-Gleichung mehr als 25 Jahre und die „Woschni“-Gleichung gar vor mehr als 35 Jahren veröffentlicht worden. Seitdem hat der dieselmotorische Prozessablauf deutliche Veränderungen erlebt. Stellvertretend sei hier nur die Flexibilisierung der Einspritzgestaltung durch das Common Rail System als Beispiel genannt. In einer Vielzahl von Veröffent lichungen wurden auch die Auswirkungen auf die Modellie-
rung der Wandwärmeverluste besprochen. Trotzdem ist zu bemerken, dass die älteste aller auf der Ähnlichkeitstheorie basierenden Wärmeübergangsgleichungen, die „Woschni“Gleichung nach wie vor die am häufigsten eingesetzte ist, trotz aller bekannten Schwächen, wie auch wieder in dem hier gezeigten Vergleich zu sehen ist. Das Thema „Wärmeübergang vom Brennraumgas an die Brennraumwände“ ist offensichtlich als Forschungsthema bei weitem noch nicht abgeschlossen. Zum heutigen Stand kann daher nur die Empfehlung gegeben werden, die jeweils eingesetzten Wärmeübergangsgleichungen stets kritisch zu überprüfen. Aber dies sollte im Rahmen physikalischer Plausibilität geschehen. Beispielsweise ist ein Bilanzfehler von deutlich mehr als 5% sicherlich nicht durch eine „falsche“ Wärmeübergangsgleichung verursacht. Hilfreich ist dabei immer der parallele Einsatz mehrerer Gleichungen, weil dies die Plausibilitätsprüfung deutlich erleichtert. Schlussendlich ist viel Erfahrung in der Anwendung durch nichts zu ersetzen und eine universell richtige Lösung existiert heute noch nicht.
7.2 Wärmeübergang und Wärmebelastung im Motor 243
7.2.6 Wärmeübergang für den Ladungswechsel und die Ansaug- und Abgaskanäle Der Ladungswechsel erstreckt sich definitionsgemäß von Auslass öffnet bis Einlass schließt. Der Wärmeübergang im Zylinder während dieser Phase des Prozessablaufes wurde bis heute lange nicht so intensiv erforscht wie im Hochdruckteil des Prozesse von Einlass schließt bis Auslass öffnet. Zunehmend werden immer höhere Ansprüche an die Genauigkeit der realen Prozessberechnung gestellt, so dass auch der Wandwärmeverlust während des Ladungswechsels an Bedeutung gewinnt. Er beeinflusst in deutlichem Maße: – die Abgasenthalpie und damit die energetische Beaufschla gung einer Abgasturboladerturbine, – die Abgastemperatur und damit indirekt die Temperatur einer äußeren Abgasrückführung (AGR), in noch stärke rem Maße aber die Temperatur des intern, während der Ventilüberschneidung über den Ansaugkanal rückge führtem, bzw. im Zylinder verbleibendem Abgas, – Die Frischladungsfüllung und deren Temperatur durch mehr oder weniger starke Aufheizung während der Ansaugphase. Indirekt wird dadurch auch nennenswert die Schadstoffbildung (Stickoxide) durch Veränderung des gesamten Prozesstemperaturniveaus beeinflusst, – Der direkte Einfluss auf den Ladungswechselwirkungsgrad ist relativ gering, vielmehr entstehen sekundäre Einflüsse auf den gesamten Prozesswirkungsgrad durch die vorher genannten Einflüsse. Wie im Hochdruckteil wird zur Berechnung des zylinderseitigen Wärmeübergangs im Ladungswechsel am häufigsten die „Woschni“-Gleichung eingesetzt: (7-21) Mit C1 = 6,18 +0,417 cu/cm für den Ladungswechsel. Auch die Konstante C1 erfuhr eine Überarbeitung, so 1999 von Gerstle [7‑27] für den Einsatz bei mittelschnelllaufenden Dieselmotoren im Hinblick auf genauere Erfassung der Abgasenthalpie:
Der Wandwärmeverlust von Auslass öffnet bis Einlass öffnet wird dadurch gegenüber der Ur-Version deutlich abgesenkt und die „Aufheizung“ der Frischladung während des Ansaugvorganges deutlich angehoben. Nach [7-30] ist die „Hohenberg“-Gleichung mit identischen Konstanten sowohl für den Hochdruck-, als auch für den Ladungswechselteil einsetzbar.
Da die „Bargende-Gleichung“ nur für den Hochdruckteil von ES bis AÖ gilt, sollte für den Ladungswechsel auf die „Woschni“-Gleichung gewechselt werden. Eine Ladungswechselsimulation oder -analyse benötigt neben dem Wärmeübergang im Zylinder auch entsprechende Modelle für den Ansaug- und den Auslasskanal als Randbedingungen. Von Zapf wurden 1969 [7‑49] zwei ebenfalls auf der Ähnlichkeitstheorie turbulent durchströmter Rohre basierende Gleichungen für die Kanäle veröffentlicht: (7-22)
Zur Anwendung ist eine Auflösung der Nusseltzahlen für den Einlasskanal NuEK und den Auslasskanal NuAK nach dem Wärmeübergangskoeffizienten α erforderlich. Der Term hv/di beschreibt den Quotienten aus Ventilerhebung und innerem Ventildurchmesser. Die Gln. (7‑22) wurden in [7‑44] sehr aufwändig und systematisch untersucht und erwiesen sich als sehr gut geeignet, um den Wärmeübergang in den Kanälen mit guter Genauigkeit zu berechnen.
7.2.7 Energetisch mittlere Gastemperatur zur Berechnung der thermischen Belastung der Bauteile Zur Berechnung der Temperaturfelder in den Brennraumwänden wird keine zeitliche Auflösung des Arbeitsspieles im Kurbelwinkelmaßstab benötigt. Es genügt, den Wärmeübergangskoeffizienten und die Gastemperatur zur Berechnung der Randbedingung „Wärmestromdichte an der Brennraum oberfläche“ als Mittelwerte über jeweils ein Arbeitsspiel einzusetzen. Für die Berechnung von Kalt- und Warmstarts sowie allgemein Änderungen des Betriebspunkts ist sogar eine noch geringere zeitliche Auflösung empfehlenswert, um die Rechenzeiten begrenzt zu halten und eine gute Konvergenz sicher zu stellen [7‑38]. Für den mittleren Wärmeübergangskoeffizienten αm gilt: (7-23) Für die energetisch mittlere Massenmitteltemperatur Tzm gilt:
(7-24)
244 7 Belastung von Motorbauteilen Durch diese Wichtung der Massenmitteltemperaturen Tz mit dem momentanen Wärmeübergangskoeffizienten α ergeben sich deutlich höhere Temperaturen, als bei arithmetischer Mittelung über das Arbeitsspiel (ASP). Eine Berechnung von Temperaturfeldern mit arithmetischer Mitteltemperatur führt zu gänzlich falschen, viel zu niedrigen Wandtemperaturen. Der Wandwärmeverlust und die thermische Belastung der Bauteile würde deutlich unterschätzt werden. Das heißt aber auch, dass das Erreichen eines wärmedichten Motors der Bedingung:
gehorchen muss. Die Wandtemperaturen müssten danach bei Volllast deutlich mehr als Tw=1000 K erreichen. Abgesehen von dieser Schwierigkeit haben entsprechende Untersuchungen [7‑33] gezeigt, dass durch eine derartige Maßnahme keine Wirkungsgradverbesserungen erzielbar sind, sondern im Gegenteil der Kraftstoffverbrauch sogar zunimmt.
7.2.8 Wärmeübergangsmodellierung in der 3D-CFDRechnung Mit der Verfügbarkeit ausreichend schneller Computer wurden für die Auslegung des motorischen Prozessverlaufs und insbesondere der Verbrennung instationäre, dreidimensio-
nale Simulationsprogramme entwickelt. Mit diesen Simula tionswerkzeugen wurde anfänglich erwartet, dass auf Ähnlichkeitstheorie basierte Wärmeübergangsgleichungen verzichtet werden kann und eine deutlich verbesserte und insbesondere lokal aufgelöste Berechnung der Wand wärmeströme ermöglicht wird. Eingesetzt wurden aus der Turbulenz Modellierung stammende klassische turbulente, bzw. logarithmische Wandgesetze, wie sie in anderen CFD‑Anwendungen sehr erfolgreich zur Anwendung kommen. In [7‑35] und [7‑37] werden die grundlegenden Zusammenhänge sehr anschaulich dargestellt. Bei Anwendung des logarithmischen Wandgesetzes im Verbrennungsmotor zeigte sich jedoch bald, dass der globale, integrale Wandwärmeverlust um bis zu einem Faktor 5 unterschätzt wurde, im Vergleich zu Bilanzmessungen und realen Prozessrechnungen. Bei einer derart großen Diskrepanz konnte nicht erwartet werden, korrekte Ergebnisse für alle anderen interessierenden Größen zu erhalten. Die Ursache für diese Differenzen ist in den sehr dünnen Grenzschichten im Verbrennungsmotor zu suchen. Die laminaren, viskosen Unterschichten sind sogar extrem dünn, wie eine Abschätzung mittels folgender, einfacher Gleichung für die Dicke der viskosen Unterschicht δ´t entsprechend Abschn. 7.2.2 zeigt.
(7-25)
Bild 7-22 Verlauf der Dicke der viskosen Unterschicht der thermischen Grenzschicht. Wärmeübergangskoeffizient nach Bargende (CR-DE Pkw Diesel)
7 Literatur 245 In Bild 7‑22 sind die Verläufe der örtlich mittleren Dicken der viskosen Unterschicht der thermischen Grenzschicht berechnet mit Gl. (7‑25) für die vier in Abschn. 7.2.5 ausführlich diskutierten Betriebspunkte dargestellt. Obwohl es sich mit der einfachen Beziehung nur um eine Abschätzung handeln kann, wird doch deutlich, dass eine numerische Diskretisierung einer höchstens 20 µm dicken Unterschicht an der Brennraumwandoberfläche nicht möglich ist und deshalb mit Näherungen gearbeitet werden muss. Trotz der von z. B. Reitz erarbeiteten Fortschritte bei einer für 3D-CFD Simulationen geeigneten, lokalisierten Formulierung des Wandgesetzproblems (z. B. [7‑43]), wird bis heute sehr häufig eine der drei in Abschn. 7.2.5 diskutierten Wärmeübergangsgleichungen in der 3D-CFD Simulation verwendet. Bei intelligenter Implementierung ergibt sich hierdurch der unschätzbare Vorteil einer laufenden Kontrolle (bzw. falls erforderlich: Korrektur) der Energiebilanz der 3D-CFD Rechnung durch eine simultan laufende reale Prozessrechnung [7‑19].
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8
G estaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
8.1
B auformen und mechanische Eigenschaften des Triebwerks
8.1.1
Funktion und Anforderungen an das Triebwerk
In Hubkolbentriebwerken wird die oszillierende Kolbenbewegung über die sowohl mit den Kolbenbolzen als auch mit den Hubzapfen der Kurbelwelle gelenkig verbundenen Pleuel in eine Rotationsbewegung der Kurbelwelle umgesetzt. Bei der Triebwerksauslegung ist die Laufruhe ein allgemein wichtiges Kriterium. Priorität bei Ottomotoren hat die Schnelllauffähigkeit. Möglichst geringe bewegte Massen stehen daher absolut im Vordergrund. Bei Dieselmotoren ist der Schwerpunkt etwas verschoben. Die Beherrschung der Gaskraftwirkungen ist hier die primäre Herausforderung. Denn im Vergleich mit Ottomotoren treten mindestens doppelt so hohe, mit der Baugröße weiter zunehmende Zünddrücke auf. In Verbindung mit Direkteinspritzung sowie ein- oder zweistufiger Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung erreichen z. B. Pkw-Dieselmotoren heute spezifische Leistungen von Ottomotoren. Darüber hinaus bestimmen aktuell Kraftstoffverbrauchssenkung (Reduzierung der CO2-Emission), stringente Emissionsgesetze, Leichtbau sowie immer kompaktere Bauweise ohne Abstriche bei der Zuverlässigkeit die Motorenentwicklung. Weiter steigende Zünd- und Einspritzdrücke führen allerdings prinzipiell zu immer „härterer“ Verbrennung. Zwangsläufig resultieren daraus vermehrt akustische und schwingungstechnische Probleme. Dem stehen zunehmende Komfortansprüche gegenüber. Der Verbesserung der Akustik und des Schwingungsverhaltens moderner Dieselmotoren dienen Mehrfacheinspritzung, optimierte Schwingungsdämpfung, schwungradseitiger Steuertrieb, Zweimassenschwungrad und die bei Diesel-Pkw mittlerweile übliche Teilkapselung. Nicht zuletzt die weiter zunehmenden Amplituden des Gasdrehkraftverlaufs lassen der Beherrschung von Trieb-
werksschwingungen, der Verbesserung des Massenausgleichs und der Verringerung der Schwingungserregung über die Motoraufhängung/-lagerung und den Antriebs strang noch mehr Bedeutung zukommen. Der Dieselmotor hat sich in Europa vom nach wie vor primären Nutzfahrzeugantrieb zum inzwischen auch häufig genutzten PkwAntrieb weiterentwickelt. Aber auch der enormen mechanischen Triebwerksbeanspruchung moderner Dieselmotoren ist Rechnung zu tragen. Die Triebwerkskomponenten erfordern eine hinsichtlich Gestaltfestigkeit, Steifigkeit und Masse optimierte kons truktive Auslegung. Das Wissen um örtlich vorliegende, bauteilbezogene Dauerschwingfestigkeiten betreffender Werkstoffe hält nicht ganz Schritt mit der mittlerweile recht genauen Simulation der Beanspruchungsverhältnisse. Dies offenbart eine potenzielle Schwachstelle bei Betriebsfestigkeitsberechnungen im Grenzbereich. Insofern gilt es, technologische Einflüsse und Qualitätsschwankungen in der Fertigung in ihrer praktischen Auswirkung künftig noch genauer erfassen zu können.
8.1.2
Triebwerkskräfte
Dem Kurbeltrieb des Hubkolbenmotors sind im Schrifttum zahllose Darstellungen gewidmet (z. Β. [8‑1], [8‑2]). Kolbenseitig wird das Triebwerk von der mit dem Kurbelwinkel j veränderlichen Kolbenkraft FK(j) beaufschlagt. Diese ergibt sich nach Bild 8‑1 durch Überlagerung der Gaskraft FGas(j) mit der oszillierenden Massenkraft Fmosz(j): (8-1) Die Gaskraft FGas(j) ist das Produkt aus Zylinderdruck pZ(j) und Kolbenfläche AK. Der Zylinderdruckverlauf kann über die Zylinderdruckindizierung gemessen oder mit Hilfe der realen Prozessrechnung berechnet werden, die oszillierende Massenkraft nach Gln. (8‑30). Mit dem Pleuelschwenkwinkel ψ folgt im gehäusefesten System aus der Kolbenkraft FK die Pleuelstangenkraft FPl :
248 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-1 Im Hubkolbentriebwerk wirkende Kräfte, Kolbenbolzen desaxiert
(8-2)
Infolge der Schrägstellung des Pleuels wirkt auf die Zylinderlauffläche die Kolbenseitenkraft FKN: (8-3) lPl ist das Pleuelstangenverhältnis (der Quotient aus Kurbelradius r und Pleuellänge lPl). Am Hubzapfen der Kurbel greift im wellenfesten System die Tangential- oder Drehkraft Ft an: (8-4) Radial am Hubzapfen greift die Radialkraft Frad an: (8-5) Die Tangentialkraft Ft erzeugt mit dem Kurbelradius r als Hebelarm das Drehmoment M der Kurbel. Dieses kann auch als Reaktionsmoment am Zylinderkurbelgehäuse – bedingt durch die Kolbenseitenkraft FKN und den Momentanabstand h zwischen Kolbenbolzen- und Kurbelwellenachse – definiert werden:
(8-6)
Die Lagerkräfte FPlL bzw. FKWHL im Pleuel- bzw. in den Kurbelwellenhauptlagern erhält man durch Vektoraddition der Pleuelstangenkraft FPl mit den zugehörigen rotierenden Massenkräften. Im Fall des Pleuellagers ist es die Massenkraft des mit dem Hubzapfen rotierend angenommenen Masseanteils des Pleuels FmPlrot , im Fall der Kurbelwellenhauptlager die ge samte Massenkraft Fmrot der mit der Kurbel rotierenden Massen. Letztere ergeben sich als Summe aus den rotierenden Massenkräften des Pleuels FmPlrot und der Kurbel FmKWrot :
(8-7)
Bei der statisch unbestimmt gelagerten Kurbelwelle von Mehrzylindermotoren ist die Krafteinleitung durch angrenzende Zylinder – abhängig von deren Phasenlage und Aufteilung auf die Hauptlager der betreffenden Kurbelkröpfung – zu bedenken. Die wirklichkeitsnahe Erfassung aller Effekte (elastische Lagerstuhl- und Kurbelwellenverformung, unterschiedliche Lagerspiele, hydrodynamische Schmierfilmbildung in dynamisch verformten Lagern und fertigungsbedingte Fluchtungsfehler der Lagergasse) gestaltet sich entsprechend schwierig und aufwändig (z. B. [8‑3] bis [8‑8]). Ein in der Zeit t durchlaufener Kurbelwinkel j beträgt bei konstanter Motordrehzahl (Kreisfrequenz w) j = wt. Den Zusammenhang zwischen den Winkeln j und y liefern schließlich folgende Beziehungen:
8.1 Bauformen und mechanische Eigenschaften des Triebwerks 249
(8-8)
(8-9)
Damit können die den Pleuelschwenkwinkel y enthaltenden Gleichungen auch als Funktion des Kurbelwinkels j dargestellt werden. Gl. (8-9) gilt exakt nur für das ungeschränkte Hubkolbentriebwerk, das zudem keine Desaxierung des Kolbenbolzens aufweist. Letztere ist meist gering und daher bei hinreichender Rechengenauigkeit vernachlässigbar. Andernfalls wird Gl. (8-8, links) mit dem seitlichen Versatz y bzw. e ergänzt (Bild 8‑2): (8-10) Es wird zwischen Desaxierung zur Druckseite aus Geräuschgründen (Beeinflussung des Anlagewechsels) und „thermischer“ Desaxierung zur Gegendruckseite (Vermeidung einseitigen Ölkohleaufbaus) unterschieden [8-9]. Schränkung bzw. Desaxierungen vergrößern den Hub und lassen den oberen und unteren Totpunkt aus den definitionsgemäßen Lagen wandern. Die Totpunkte werden dann in der sog. „Streck-“ bzw. „Decklage“ erreicht, d. h., wenn Kurbelund Pleuel geometrisch die gleiche Richtung haben. Eine
Bild 8-2 Geschränkter Kurbeltrieb
gewisse Schränkung kann bei Reihenmotoren bei Inkaufnahme einer Störung des Massenausgleichs und Beeinflussung der Erregeramplituden erwogen werden, um die gaskraftbedingte Kolbenseitenkraft und damit die Reibungsverluste zu reduzieren.
8.1.3
Motorbauweise, Gestaltung des Triebwerks
8.1.3.1
Einflussgrößen
Die freien Gas- und Massenkraftwirkungen bestimmen die mechanischen bzw. dynamischen Eigenschaften des Triebwerks. Grundsätzliche Bedeutung gewinnen in diesem Zusammenhang – die Zylinderzahl z und – die Motorbauweise in Form der Anordnung der Zylinder. Wesentliche Einflussgrößen sind dabei – der Zylinderdruckverlauf, – die Kurbeltriebsmassen, – die kinematischen Parameter des Kurbeltriebs, – der Zylinderbohrungsdurchmesser und Zylinderabstand sowie – die Kröpfungsanordnung der Kurbelwelle (Zündabstand, Zündfolge).
8.1.3.2
Gängige Bauweisen
Ottomotoren sowie schnelllaufende Dieselmotoren für Pkw, Nkw, Lokomotiven und kleine Schiffe werden, um Bauraum und Masse zu sparen, mit Tauchkolbentriebwerken gebaut. Langsamläufer, d. h. große Zweitakt-Dieselmotoren, werden dagegen mit Kreuzkopfkurbeltrieb ausgeführt. Der Kreuzkopf ist bei dem für diese Motoren typischen großen Hub im Verhältnis zur Zylinderbohrung unverzichtbar. Ein entsprechendes Tauchkolbentriebwerk wäre andernfalls infolge des limitierten Pleuelschwenkwinkels nur mit einer sehr langen Pleuelstange darstellbar. Ein weiterer dabei nutzbarer Vorteil ist die vollständige konstruktive und funktionelle Trennung zwischen dem Kolben, der mit seiner Kopfseite Teil des Brennraums und somit thermisch hoch beansprucht ist, und der Geradführung [8‑10]. Bei Dieselmotoren findet man die herkömmliche Reihen(mit R abgekürzt) und V‑Bauweise. Die Boxerbauweise spielt bei Ottomotoren eine Nischenrolle. Beim V- einschließlich VR‑Motor [8‑11] sind die Zylinderbänke bzw. -reihen V‑förmig, beim Sonderfall W‑Motor (nur Ottomotor [8‑12]) fächerartig angeordnet. Kennzeichnend ist der bzw. sind im letzteren Fall die V‑Winkel aV zwischen den Zylinderbänken.
250
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
8.1.3.3
Anzahl der Zylinder
Mit zunehmender Anzahl der Zylinder z in geeigneter Anordnung reduzieren sich die freien Gas- und Massenkraftwirkungen erheblich. Insbesondere wird, wie in Bild 8-3 beispielhaft dargestellt, eine Vergleichmäßigung des am Schwungrad abgegebenen Drehmoments erreicht (z. B. [8-2]). Andererseits verschärft sich die Anfälligkeit für Drehschwingungen (s. Abschn. 8.3) mit zunehmender Baulänge der Kurbelwelle. Bei Fahrzeugmotoren beschränken die Einbausituation und Wartung sowie die Absicht, Schwingungsdämpfungsmaßnahmen gering zu halten, die Anzahl der Zylinder. Es erfolgt daher bei Ottomotoren sowie Pkw- und Nfz-Dieselmotoren eine Beschränkung auf sechs Zylinder in Reihe. Größere Zylinderzahlen erfordern die V-Bauweise mit acht, zehn und 12 Zylindern.
Bei Anwendung großer Dieselmotoren als Schiffsantrieb erweist sich dagegen die Laufruhe hoher Zylinderzahlen als günstig, da damit die Schwingungsanregung des Schiffsrumpfes und der Aufbauten minimiert wird. Ein möglichst gleichmäßiger Drehkraftverlauf ist bei Generatorbetrieb ebenfalls von Vorteil. Der Dämpfung von Torsionsschwingungen muss dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Mittelschnellläufer sind z. B. auch mit ungeraden Zylinderzahlen in der lückenlosen Abstufung R6-, R7-, R8-, R9- und R10-Motor (z. B. MAN Diesel SE, Baureihe L32/40) verfügbar. Bei Zweitakt-Langsamläufern kann eine Baureihe ebenfalls lückenlos z. B. vom R6- einschließlich eines R11bis zum R12-Motor reichen und noch eine R14-Variante umfassen (z. B. MAN Diesel SE, Baureihe K98MC MK7). Mittelschnelllaufende Dieselmotoren werden in V-Bauweise in unterschiedlichen Stufungen mit bis zu 20 Zylindern hergestellt.
Bild 8-3 Überlagerung der an den einzelnen Kröpfungen eines R6-Zylinder-Viertaktmotors erzeugten Drehkräfte bzw. Drehmomente
8.1 Bauformen und mechanische Eigenschaften des Triebwerks 251
8.1.3.4
K röpfungsanordnung und freie Massenwirkungen
Bei Mehrzylindermotoren kann allein durch geeignete Kröpfungsanordnung bereits ein recht günstiges dynamisches Verhalten des Triebwerks erreicht werden. Beim Reihentriebwerk sind die freien Massenkräfte 1. Ordnung bei zentralsymmetrischer Kurbelwelle – zentralsymmetrischem Kurbelstern 1. Ordnung (s. Abschn. 8.3.3.2) – vollständig ausgeglichen. Dies ist der Fall, wenn der Kröpfungswinkel der Kurbelwelle jK einem gleichmäßigen Zündabstand jz entspricht:
(8-11) Die Zündfolge spielt dabei keine Rolle. Bleibt der Kurbelstern 2. Ordnung (fiktive Verdopplung des Kröpfungswinkels aller Zylinder) zentralsymmetrisch, so verschwinden auch die freien Massenkräfte 2. Ordnung. Längssymmetrische Kurbelwellen von Viertakt-Reihenmotoren mit gerader Zylinderzahl sind auch frei von Massenmomenten in allen Ordnungen. Beim V‑Triebwerk wirken die Kräfte jeweils eines VZylinderpaares auf eine Doppelkröpfung der Kurbelwelle. Üblich ist heutzutage die Anordnung „Pleuel-neben-Pleuel“, d. h. zwei axial versetzte, aber am selben Hubzapfen angelenkte Pleuel. Der axiale Pleuelversatz erzeugt ein durch die Gas- und Massenkräfte bedingtes, über die Kurbelwelle in die Lagerstuhlwand eingeleitetes Biegemoment. Dies hat konstruktiv deutlich aufwändigere Pleuelkonstruktionen in Form des Gabelpleuels und des Hauptpleuels mit an diesem
angelenkten Nebenpleuel entstehen lassen, die diesen Nachteil zwar vermeiden aber aus Kostengründen nicht mehr eingesetzt werden (Bild 8‑4). Bei V‑Motoren erscheinen die Verhältnisse, wie im Abschn. 8.3.3.2 näher erläutert, etwas komplexer. Die freien Massenkräfte 1. Ordnung eines V‑Triebwerks sind vollständig durch Gegengewichte an der Kurbelwelle ausgleichbar, wenn folgende Bedingung erfüllt ist: (8-12) Neben dem V‑Winkel aV bezeichnet d den Hubzapfenversatz oder Pleuelversatzwinkel (Winkel, um den die Hubzapfen einer Doppelkröpfung gegebenenfalls versetzt, d. h. gegeneinander verdreht sind). Dieser Winkel beträgt z. B. beim 90°/V8-Triebwerk d = 0°, beim Boxermotor (a = 180°) d = 180° und beim 60°/V6-Triebwerk d = +60°. Das Vorzeichen + steht dabei für einen Versatz entgegen der Drehrichtung der Kurbelwelle. Bei großem Pleuelversatzwinkel ist aus Fes tigkeitsgründen eine Zwischenwange zwischen den versetzten Hubzapfen unvermeidlich. Dies geht allerdings zu Lasten der Baulänge, da sich zumindest der Zylinderbankversatz um deren Breite erhöht (Bild 8‑5). Bei kleinem Hubzapfenversatz (Pleuelversatzwinkel) kann in Verbindung mit Maßnahmen zur Steigerung der Dauerfestigkeit auf eine Zwischenwange gänzlich verzichtet werden (diese Ausführung wird „split-pin“ genannt). Kleine Hubzapfenversätze werden zunehmend angewandt, um bei modularer Bauweise ungleiche Zündabstände zu egalisieren. Vornehmlich ist dies bei V6- und V10-Triebwerken bei einem am V8‑Triebwerk ausgerichteten V-Winkel von 90° anzutreffen. Der Pleuelversatzwinkel berechnet sich dann –
Bild 8-4 Unterschiedliche Pleuelanordnungen beim V-Triebwerk: a Pleuel neben Pleuel, b Gabelpleuel, c Haupt- und Nebenpleuel
252 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-5 Unterschiedliche Kröpfungsausfüh‑ rungen der Kurbelwelle beim V-Trieb‑ werk: a gemeinsamer Hubzapfen zweier axial versetzter Pleuel, b Dop‑ pelkröpfung mit Zwischenwange bei großem Hubzapfenversatz (Pleuelver‑ satzwinkel), c Doppelkröpfung mit kleinem Hubzapfenversatz (Sonder‑ fall: keine Zwischenwange („splitpin“-Ausführung))
hier den Viertaktmotor unterstellt – mit der Anzahl der Zylinder z wie folgt: (8-13) Es folgen daraus für das 90°/V6-Triebwerk d = +30°, für das 90°/V10-Triebwerk d = –18° (die Vorzeichen sind wie oben erläutert zu interpretieren). Im Hinblick auf die freien Drehkräfte wird einem gleichmäßigen Zündabstand u. U. mehr Bedeutung eingeräumt. Zum vollständigen Ausgleich des freien Massenmoments 1. Ordnung wird dann eine Ausgleichswelle (s. Abschn. 8.3.6) zusätzlich in Betracht gezogen. V-Triebwerke mit ihrer regulär zwar geraden Zylinderzahl weisen nur im Sonderfall eine längssymmetrische Kurbelwelle auf. Dann tritt meist kein freies Massenmoment 1. Ordnung auf. Bei zentralsymmetrischem Kurbelstern 1. Ordnung resultieren auch aus dem Hubzapfenversatz weder eine freie Massenkraft noch ein freies Massenmoment 1. Ordnung.
8.1.3.5
Charakterisierung von Dieselmotor-Triebwerken
Die Charakterisierung von Triebwerken bezieht sich im Folgenden auf das vorherrschende Viertakt-Arbeitsverfahren. Einzylinder-Dieselmotoren (Massenausgleich des Einzylinders s. Abschn. 8.3.3.1) haben Bedeutung als Antrieb für kleine Aggregate. Auch bei kleinen Motoren werden unkonventionelle Lösungen mit kombinierten Maßnahmen zur Verbesserung der Laufruhe angewandt [8-13]. Beim R2-Viertaktmotor besteht ein Zielkonflikt. Bei gleichmäßigem Zündabstand von 360° addieren sich die freien Massenkräfte 1. und die höherer Ordnungen ungünstig. Dafür tritt kein freies Massenmoment auf. Eine Kurbelwelle mit 180° Kröpfungswinkel (dies entspricht einer R2-ZweitaktKurbelwelle) kehrt die Verhältnisse um. In der 1. Ordnung treten nun keine freien Massenkräfte, aber ein freies Massenmoment auf. Der jetzt ungleiche Zündabstand ist hinsichtlich
der Erregung von Drehschwingungen in Anbetracht kurzer Baulänge weniger kritisch. Der R2-Dieselmotor hat als PkwAntrieb keine Bedeutung. Ehemaliger Vertreter dieser Bauform war der VW „Öko Polo“ [8‑14] mit Zündabstand 360° (Bild 8-6). Eine seitlich angeordnete, negativ (gegensinnig) mit Kurbelwellendrehzahl rotierende Ausgleichswelle führt den vollständigen Massenkraftausgleich 1. Ordnung herbei. Die einseitige Anordnung erzeugt allerdings ein zusätzliches Moment um die Motorlängsachse, das das freie Massendrehmoment jedoch günstig beeinflusst. Wird von Viertakt-Stern-Flugmotoren und in neuerer Zeit vom VW VR5-Pkw-Motor [8-15] abgesehen, so eignet sich nur der Reihenmotor prinzipiell für ungerade Zylinderzahlen. Die genannten Motorbauarten sind als Ottomotoren ausgeführt; die VR‑Bauart ist aufgrund der hohen Belas tungen (Kolbenseitenkraft- und Lagerbelastung) für das Dieselverfahren weniger geeignet. Der R3-Viertaktmotor ist wegen seines Komfortdefizits nicht besonders populär. Ursächlich sind die freien Massenmomente, insbesondere der 1. Ordnung. Der Ausgleich kann bei ungeraden Zylinderzahlen nicht allein durch Gegengewichte an der Kurbelwelle bewerkstelligt werden. R3-Dieselmotoren besetzen allerdings seit einigen Jahren die Nische besonders Kraftstoff sparender kleiner PkwAntriebe (z. B. VW „Lupo 3L“ [8‑16], DaimlerChrysler „Smart“ [8‑17]). Der Verzicht auf eine Ausgleichswelle wird bei diesen kleinen Motoren günstiger beurteilt. Hinsichtlich der im Fahrgastraum wahrnehmbaren Schwingungen tritt die gaskraftbedingte 1,5. Ordnung kritischer in Erscheinung als die Massenwirkungen 1. Ordnung [8‑17]. Beim aktuellen Smart/Mitsubishi R3‑Dieselmotor kommt dennoch mittlerweile eine negativ (gegensinnig) mit Kurbelwellendrehzahl rotierende Ausgleichswelle zum Einsatz [8‑18]. Die Mehrzahl der Pkw-Dieselmotoren stellen ReihenVierzylinder dar. Das R4‑Triebwerk hat in der 1. Ordnung
8.1 Bauformen und mechanische Eigenschaften des Triebwerks
253
Bild 8-7 Kurbelwelle des VW R5-TDI®-Dieselmotors (mit in das motorfrontseitige Gegengewicht integriertem Schwingungsdämpfer [8-22])
Bild 8-6 Vollständiger Ausgleich der freien Massenkräfte 1. Ordnung beim R2-Dieselmotor des VW Öko-Polo [8-14]
keine freien Massenkräfte sowie in dieser und in höheren Ordnungen keine freien Massenmomente. Aber in der 2. Ordnung addieren sich die Massenkräfte aller vier Zylinder. Zudem fallen Zündfrequenz und 2. Ordnung ungünstig zusammen. Ohne geeignete Versteifungsmaßnahmen kann die niedrigste Biegeeigenfrequenz des Motor-Getriebeverbunds zu geringen Abstand zur entsprechenden Erregerfrequenz aufweisen. Unangenehme Brummgeräusche im Fahrgastraum sind die Folge. Aufgrund gestiegener Komfortansprüche wird die Laufruhe zunehmend durch den Einsatz von zwei Ausgleichswellen, die mit doppelter Drehzahl gegensinnig rotieren, verbessert (z. B. [8-19]). Die Vorbehalte gegen das R5-Triebwerk sind wiederum in einem Zielkonflikt beim Massenausgleich begründet. Die Auslegung kann zu Lasten entweder eines ungünstig großen Kippmoments 1. oder 2. Ordnung erfolgen (s. Abschn. 8.3.4) [8-20], [8-21]. Ersteres kann allein durch Gegengewichte an der Kurbelwelle nicht vollständig ausgeglichen werden. Ist es groß, so wird die Kurbelwelle vergleichsweise schwer. Letzteres erfordert, da oszillierend, ein mit doppelter Drehzahl gegensinnig rotierendes Paar von Ausgleichswellen. Trotz in jüngerer Zeit neu entwickelter R5-
Dieselmotoren (Bild 8-7 [8-22]) scheint diese Bauweise wieder an Bedeutung zu verlieren. Hohes Drehmoment und weiter gesteigerte spezifische Leistung von R4-Dieselmotoren ermöglichen deren Einsatz auch als Basismotorisierung oberhalb der Mittelklasse. Außerdem ist ein Trend zum V6-Dieselmotor erkennbar. „Fahrzeug-Package“, „Crash-Länge“ und die Option des Motorquereinbaus (zunehmende Variantenvielfalt) beeinflussen bei Pkw allgemein diese Entwicklung. Der R6-Motor baut demgegenüber länger, besticht jedoch durch seine hervorragende Laufruhe (keine freien Massenwirkungen einschließlich der 4. Ordnung). Er genießt vor allem auch bei Nutzfahrzeugen unter Berücksichtigung des Kosten-/Nutzenaspekts einen hervorragenden Ruf. Diese Güte der Laufruhe erreichen V6-Triebwerke wegen der freien Massenmomente 1. und 2. Ordnung nicht (Sonderfall DV = 180° hier nicht betrachtet). Ein vollständiger Ausgleich des freien Massenmoments 1. Ordnung ist jedoch bei V-Winkeln von 60° – Hubzapfenversatz hierbei ebenfalls +60° – und 90° durch den sog. „Normalausgleich“ (s. Abschn. 8.3.3) möglich. 90° bedeuten beim V6-typischen Kröpfungswinkel von 120° aber bekanntlich ungleichmäßige Zündabstände. Die Vergleichmäßigung erfordert beim AUDI V6-TDI Motor [8-23] den im Abschn. 8.1.3.4 bereits erwähnten Hubzapfenversatz von +30° nach Gl. (8-13). Beim DaimlerChrysler V6-Dieselmotor mit dem hier untypischen V-Winkel 72° beträgt dieser +48° [8-24]. Dadurch entsteht ein negativ (gegensinnig) rotierendes Massenmoment 1. Ordnung. Dem vollständigen Ausgleich dient eine ebenfalls negativ mit Kurbelwellendrehzahl rotierende Ausgleichswelle. Bei größeren Dieselmotoren ist die V8-Bauweise mit 90° V-Winkel weit verbreitet. Bei dieser Anordnung treten in
®
254 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks der 1. und 2. Ordnung keine freien Massenkräfte und in der 2. Ordnung kein freies Massenmoment auf. Das verbleiende freie Massenmoment 1. Ordnung kann wiederum durch „Normalausgleich“ (s. Abschn. 8.3.3) vollständig ausgeglichen werden. In Verbindung mit dem Ladungswechsel akustisch wahrnehmbar sind die ungleichmäßigen Zündabstände je Zylinderbank (keine wechselseitige Zündung beider Zylinderbänke). Diese ließen sich nur mit „flacher“, also mit um 180° anstelle von 90° gekröpfter Kurbelwelle („R4Kurbelwelle“), bei Inkaufnahme von freien Massenwirkungen 2. Ordnung vermeiden. Nur bei triftigen Gründen wird beim V8-Motor vom V‑Winkel 90° abgewichen, beispielsweise 75° beim DaimlerChrysler V8-Pkw-Dieselmotor OM629 [8-25]. Mit Hubzapfenversatz +15° wird einem gleichmäßigen Zündabstand wiederum Vorrang eingeräumt. Daher kommt die bereits mehrfach angesprochene Ausgleichswelle 1. Ordnung zum Einsatz. Sie ist Platz sparend im Hauptölkanal untergebracht. Zwecks geringer Motorbreite wurde der SKL-Dieselmotor 8VDS24/24AL mit V‑Winkel 45° konzipiert [8‑26]. Der Massenausgleich 1. Ordnung bedingt eine „Kreuzwelle“ mit +90° Hubzapfenversatz. Aus Festigkeitsgründen kann dabei auf eine dicke Zwischenwange nicht verzichtet werden. Hohe Motorleistungen bedingen nicht nur großen Hubraum, sondern auch hohe Zylinderzahlen. V10- haben zwischen den V8- und V12‑Triebwerken Bedeutung erlangt. Größere Dieselmotoren basieren meist auf einem Kosten sparenden modularen Motorenkonzept. Der Massenausgleich des V8‑Triebwerks gibt dann i. d. R. einen einheitlichen V-Winkel von 90° vor. Bei „Normalausgleich“ (s. Abschn. 8.3.3) tritt in der 1. Ordnung kein freies Massenmoment mehr auf. Bei entsprechender Kröpfungsanordnung (Zündfolge) kann zudem das freie Massenmoment 2. Ordnung minimiert werden. Bei Viertakt-Mittelschnellläufern kann eine 90° V‑Baureihe noch breiter konzipiert sein und neben einer V8-, V10-, V12- auch V16- und V20‑Varianten einschließen (z. B. MTU 2000 (CR), DEUTZ-MWM 604 [8-27], 616 und 620, MTU 396 und 4000). Bild 8‑8 zeigt den V16-Motor der Baureihe MTU 4000. Bei anderen Zylinderzahlen und -stufungen ist der beste einheitliche V‑Winkel unter Berücksichtigung der jeweiligen Randbedingungen zu ermitteln. Die freien Massenwirkungen fallen ab 12 Zylindern zwar immer weniger ins Gewicht, ungleichmäßige Zündabstände erfordern andererseits eine wirksame Schwingungsdämpfung. Anzumerken ist, dass ein V‑Winkel von 90° noch ausreichend Bauraum für die Unterbringung von Nebenaggregaten zwischen den Zylinderbänken schafft. Zunehmende Zylinderzahl verringert aber den sich rein rechnerisch ergebenden V‑Winkel. Der Motor wird dann immer kopflastiger, wenn Nebenaggregate weiterhin entsprechend
Bild 8-8 MTU V16‑Dieselmotor der Baureihe 4000 (Quelle: MTU Friedrichs‑ hafen GmbH)
angeordnet werden sollen. Dieser Gesichtspunkt kann die Entscheidung, den V-Winkel für einen V12- und V16Motor – wie bei der MTU-Baureihe 595 [8-28] – entsprechend größer zu wählen (hier 72° statt 60° bzw. 45°), mit beeinflussen.
8.2
Beanspruchung des Triebwerks
8.2.1
V orbemerkungen zur Bauteilbeanspruchung im Kurbeltrieb
Kolben einschließlich Kolbenbolzen, Pleuel und Kurbelwelle (Kurbeltrieb) sowie Schwungrad bilden zusammen das Triebwerk des Hubkolbenmotors. Die Komponenten des Kurbeltriebs unterliegen neben hohen Gaskräften enormen Beschleunigungen (Massenwirkungen). Konträre Anforderungen, wie einerseits möglichst geringe Masse, andererseits hohe Steifigkeit und Betriebsfestigkeit stellen bei der Bauteil auslegung eine Herausforderung dar. Den Bauteilen Kolben und Pleuel widmet sich dieses Handbuch an anderer Stelle (s. Abschn. 8.6) so dass die Ausführungen zu deren Beanspruchung hier kurz gefasst werden können.
8.2.2
A nmerkungen zur Beanspruchung von Kolben und Pleuel
Die Kolbenmasse leistet einen wesentlichen Beitrag zur oszillierenden Masse und unterliegt daher strengen Leichtbaukriterien. Der Kolben wird durch Brennraumdruck und -temperatur thermomechanisch hoch beansprucht. Aluminium-Kolbenlegierungen verbinden geringe Werkstoffdichte mit hoher thermischer Entlastung infolge ausgezeichneten
8.2 Beanspruchung des Triebwerks 255 Wärmeleitungsvermögens. Ihr Einsatz stößt allerdings beim Dieselmotor bei Zünddrücken über 200 bar an physikalische Grenzen. Die Kolbenkraft (Gl. (8‑1)) stützt sich in der Bolzennabe ab. Die Massenkraft wirkt der Gaskraft mit zunehmender Drehzahl entlastend entgegen. Der Kolbenschaft beaufschlagt die Zylinderlaufbahn mit der kinematisch bedingten Seitenkraft (Gl. (8‑3)). Bei Dieselmotorkolben dominiert die Gaskraftbeanspruchung. Bei hochdrehenden Ottomotoren kann die Massenkraftbeanspruchung gegenüber der Gaskraftbeanspruchung überwiegen. Vermeidung einer Überbeanspruchung der Bolzennabe erfordert eine Begrenzung der Flächenpressung sowie eine geringe Bolzenverformung (Durchbiegung und Ovalverformung). Trotz seines Beitrags zur oszillierenden Masse ist der Kolbenbolzen bei Dieselmotoren besonders solide zu dimensionieren. Das Pleuel, Bindeglied zwischen Kolbenbolzen und Hubzapfen, wird in einen oszillierenden und rotierenden Masseanteil aufgeteilt (Gln. (8‑24) und (8‑25)). AluminiumLeichtbaupleuel spielen nur bei sehr kleinen Motoren eine Rolle. Titanlegierungen verbieten sich aus Kostengründen und bleiben primär dem Rennsport vorbehalten. Massenreduzierung und Optimierung der Gestaltfestigkeit sind ähnlich wie beim Kolben untrennbar miteinander verbunden. Gaskraft (ZOT) und oszillierende Massenkraft (ZOT und LOT) beanspruchen den Pleuelschaft von Dieselmotoren im Druckschwellbereich. Primär geht es um ausreichende Knicksicherheit. Eine Biegewechselbeanspruchung des Pleuelschafts infolge Querbeschleunigung fällt beim Drehzahlniveau von Dieselmotoren weniger ins Gewicht. Pleuelkopf und kleines Pleuelauge werden durch Massen kraft schwellend auf Zug und Biegung beansprucht. In den gekrümmten Augenquerschnitten wirken Biege-, Normalund Radialspannungen. Auf den Pleuelkopf wirkt die oszillierende Massenkraft von Kolben und Pleuel abzüglich der des Pleuellagerdeckels, auf das kleine Pleuelauge nur die des Kolbens. Die Pleuelverschraubung erzeugt im Klemmlängenbereich eine statische Druckvorspannung. Die Presssitze der Pleuelbuchse wie der Pleuellagerschalenhälften verursachen statische Schrumpfspannungen. Die Pleuelaugen dürfen sich nur gering verformen, um negative Auswirkungen auf den Schmierfilm bis hin zum „Lagerklemmen“ zu vermeiden. Exzentrisch wirkende Schrauben- als auch Betriebskräfte verursachen Biegemomente in der Trennfuge. Das dadurch begünstigte einseitige Klaffen in der Trennfuge ist sicher zu vermeiden. Formschluss (Kerbverzahnung oder aktuell „Bruchtrennpleuel“) verhindert eine Verschiebung durch Querkräfte insbesondere bei montagebedingt schräg geteiltem Pleuelkopf von größeren Dieselmotoren.
8.2.3
G estaltung, Werkstoffe und Herstellung der Kurbelwelle
8.2.3.1
Gestaltung der Kurbelwelle
Die Gestalt und die äußeren Abmessungen der Kurbelwelle werden bestimmt durch das Kröpfungsstichmaß (Zylinderabstand) aZ, den Hub s, die Anzahl der Kurbelkröpfungen sowie den Kröpfungswinkel jK zwischen diesen, optional durch den Hubzapfenversatz (Pleuelversatzwinkel d) sowie Anzahl, Größe (begrenzt durch Kurbelwellenfreigang im Zylinderkurbelgehäuse) und Anordnung der Gegengewichte. „Innere“ Abmessungen einer Kurbelkröpfung sind die Grund- und Hubzapfenbreite, die zugehörigen Zapfendurchmesser sowie die Kurbelwangendicke und -breite (Bild 8-9). Auf der Abtriebsseite befindet sich der Schwungradflansch mit Lochkreis und Zentrierung. Das freie Ende der Welle ist als Wellenzapfen zur Befestigung von Riemenscheibe, Schwingungsdämpfer usw. ausgeführt. Der von der Kurbelwelle angetriebene Steuertrieb kann front- oder bei Dieselmotoren aus Schwingungsgründen verstärkt schwungradseitig angeordnet sein. Die Anzahl der Kröpfungen hängt ab von der Zylinderzahl z und der sich aus der Bauweise ergebenden Anzahl der Kurbelwellenhauptlager (R-Triebwerk: z Kröpfungen, z + 1 Grundzapfen, V-Triebwerk: z/2 Doppelkröpfungen, z/2 +1 Grundzapfen). Beim Reihenmotor legt der Zylinderabstand aZ – Zylinderbohrungsdurchmesser DZ und Zylinderstegbreite DaZ – das Kröpfungsstichmaß fest. Umgekehrt können z. B. beim V‑Motor „innere“ Abmessungen für den Zylinderabstand maßgeblich werden, wenn gegenüber einem entsprechenden Reihenmotor eine vergrößerte Hauptlagerbreite, verstärkte Kurbelwangen sowie eine Doppelkröpfung mit Hubzapfenversatz und Zwischenwange erforderlich werden. Insbesondere bei der Boxerbauweise mit (horizontal) gegenüberliegenden Zylinderpaaren mit um 180° versetzten Kurbelkröpfungen bestimmen bei z +1 Hauptlagern, d. h. Verzicht auf Doppelkröpfungen, ohnehin „innere“ Abmessungen das Kröpfungsstichmaß.
8.2.3.2
Werkstoffe und Herstellung der Kurbelwelle
Die hohen Anforderungen an die dynamische Festigkeit, speziell auch an die Steifigkeit, lassen sich mit geschmiedeten Kurbelwellen aus hochwertigen Vergütungsstählen am besten erfüllen. Zunehmend finden preiswertere mikrolegierte Stähle mit Vergütung durch gesteuerte Abkühlung aus der Schmiedehitze (Kennzeichnung „BY“) Verwendung. Bei geringer belasteten Pkw-Motoren (primär Otto-Saugmotoren) können diese auch aus Gusseisen mit Kugelgraphit (Sphäroguss
256 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-9 Kurbelwelle, Ausführungsbeispiel: Stahlkurbelwelle eines MAN V10‑Nfz‑Dieselmotors [8-2]
der höchsten Qualitäten GJS-700-2 bzw. GJS-800-2) gegossen werden [8‑29], [8‑30]. Dies reduziert die Kosten sowohl für die Herstellung des Rohlings als auch für die Zerspanung. 8 bis 10% geringere Werkstoffdichte gegenüber Stahl und optional hohle Ausführung wirken sich zudem günstig auf die Kurbelwellenmasse aus. In Kauf zu nehmen sind ein im Vergleich mit Stahl deutlich geringerer Elastizitätsmodul, geringere dynamische Festigkeitswerte und eine geringere Bruchdehnung (Kennzeichnung „-2“ steht für garantierte 2%). Eine wirtschaftliche Zerspanung limitiert die Zugfestigkeit der Werkstoffe auf etwa 1.000 MPa. Maßnahmen zur Steigerung der Dauerfestigkeit der spannungskritischen Übergangs- bzw. Hohlkehlenradien zwischen Zapfen und Wange sind daher unerlässlich. Anwendung finden mechanische, thermische und thermochemische Verfahren. Drücken, Festwalzen [8‑31] sowie Verfestigungsstrahlen, induktives bzw. Einsatzhärten und Nitrieren bauen Druckeigenspannungen auf und verfestigen die Randschicht (Bild 8‑10). Alle Verfahren steigern die Dauerfestigkeit mit unterschiedlicher Güte. Bei Nitrierhärtung ist die Tiefenwirkung vergleichsweise gering, so dass Dauerbrüche im oberflächennahen Kerngefüge nicht ganz auszuschließen sind. Bei
Fahrzeugmotoren werden auch die Zapfen gehärtet. Mit induktivem Härten steht ein recht preisgünstiges Verfahren zur Verfügung [8‑32], [8‑33]. Der mit Einsatzhärten verbundene Aufwand beschränkt dagegen die wirtschaftliche Anwendung auf größere Kurbelwellen. Beim Einhärten der Hohlkehlen ist aus Verzugsgründen die Reihenfolge zu beachten. Dünne Zwischenwangen oder Ölbohrungen in geringer Tiefe unter den Hohlkehlen sind bei der Härtung kritisch wegen der erforderlichen hohen Heizleistung bei sehr kurzer Aufheizzeit. Gießen und Schmieden erfordern eine ans Herstellverfahren angepasste Rohteilgestaltung. Bei gegossenen Kurbelwellen kommen Sandguss (Grünsand oder gebundene Sandkerne), Maskenform-, -träger- oder Vollformguss zur Anwendung. Das Schmieden großer Serien erfolgt im Gesenk (Dauerfestigkeit begünstigender Faserverlauf), das großer Kurbelwellen dagegen im Freiformschmieden (ungünstigerer Faserverlauf). Bei größeren Kurbelwellen und kleineren Stückzahlen wird Faserflussschmieden angewandt. Das Kröpfen der Welle erfolgt dabei einzeln unter dem Hammer oder durch Schlagen der Kröpfungen in Teilgesenken. Zunehmend werden Kurbelwellen auch in einer
8.2 Beanspruchung des Triebwerks 257
Bild 8-10 Steigerung der Dauerschwingfestig‑ keit am Beispiel gegossener Kurbel‑ wellen aus Sphäroguss (GJS) bei un‑ terschiedlichen Verfahren zur Verfesti‑ gung der Randschicht (nach Vorlesung „Grundlagen der Verbrennungskraft‑ maschinen“, Prof. Dr.-Ing. H. Pucher, TU Berlin)
Ebene im Gesenk geschlagen und anschließend in den Grundzapfen gedreht. Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren haben „voll“ oder „halb“ gebaute Kurbelwellen (Schrumpfverbund oder Unterpulver-Engspaltschweißen) [8‑34]. Die mechanische Bearbeitung von Kurbelwellen beschränkt sich auf Zapfen, Anlaufbunde sowie Gegengewichtsradien. Nur hohe Beanspruchung rechtfertigt allseitige Bearbeitung. Größere Kurbelwellen haben angeschraubte Gegengewichte (hochfeste Schraubenverbindung).
8.2.4
Beanspruchung der Kurbelwelle
8.2.4.1
Beanspruchungsverhältnisse
Die Beanspruchungsverhältnisse der Kurbelwelle sind recht komplex. Die Richtungskomponenten der Pleuelstangenkraft, die Tangential- oder Drehkraft und ein Anteil der Radialkraft (Gln. (8‑4) und (8‑5)) beruhen auf der mit dem Kurbelwinkel periodisch veränderlichen Gas- und oszillierenden Massenkraft. Ein zusätzlicher Massenkraftanteil der Radialkraft ist nur mit der Drehzahl veränderlich. Auf den Hubzapfen wirkt noch die Fliehkraft des rotierend angenommenen Pleuelmasseanteils. Außerdem sind die Fliehkräfte der Kurbel und der Gegengewichte zu beachten. In Umfangsrichtung resultiert aus dem Gas- und Massendrehkraftverlauf das zwar mit dem Kurbelwinkel veränderliche, dennoch oft als „statisch“ bezeichnete Drehmoment. Die Überlagerung der Drehmomentbeiträge der einzelnen Kurbelkröpfungen (Bild 8‑3) erzeugt in den einzelnen Grund-/Hubzapfen sehr unterschiedliche Drehmomentamplituden. Harmonische des Drehkraftverlaufs (s. Abschn.
8.3.8) regen zudem Drehschwingungen (Torsions schwingungen) des Triebwerks an. Bei der Überlagerung der „dynamischen“ mit den „statischen“ Drehmomentverläufen kommt es zu Drehmomentüberhöhungen. Harmonische der Radialkraft regen außerdem Biege- und Axialschwingungen an, wobei alle Schwingungsformen miteinander gekoppelt sind. Zudem sind infolge Gewichtskraft und Hebelarm des Schwungrads („Schwungradtaumeln“) bzw. Schwingungsdämpfers, Riemenkräften oder auch Zwangsverformung bei nicht exakt fluchtenden Hauptlagern gyros kopische Effekte (Präzession im Gleich- und Gegenlauf) nicht zu vermeiden. Im Resonanzfall ist ein mit Präzessionsfrequenz umlaufendes Biegemoment zusätzlich zu beachten. Schließlich kann rascher Zünddruckanstieg dpZ/dj in Verbindung mit Lagerspielen Massenwirkungen der Kurbelwelle verursachen, die ebenfalls zu einer dynamischen Überhöhung der Beanspruchung der Kurbelwelle führen [8‑35].
8.2.4.2
Ersatzmodelle für die Kurbelwellenberechnung
Die Auslegung der Kurbelwelle erfolgt heute üblicherweise in zwei Schritten, einer Konzept- und einer Lay-out-Phase [8‑8]. Die Konzeptphase beinhaltet die Festlegung der Hauptabmessungen, elementare Auslegung der Lager, auf analytischer Methode beruhende Festigkeitsberechnung (s. Abschn. 8.2.4.3 bzw. 8.2.4.4) sowie 1D-Drehschwingungsberechnung. Die detaillierte Analyse findet dann in der Layout-Phase statt. Hier kommen die 3D-Mehrkörperdynamik (MKS) und die Finite-Elemente-Methode (FEM) zum Einsatz. Dabei geht es um die möglichst realitätsnahe Abbildung aller maßgeblichen Phänomene:
258
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
– Beanspruchung der mehrfach gelagerten (statisch unbestimmten) Kurbelwelle unter allen räumlich verteilten und zeitlich versetzten äußeren und inneren Kräften bzw. Biegemomenten im gesamten Arbeitszyklus, – Berücksichtigung der zusätzlichen Beanspruchung infolge gekoppelter Schwingungen einschließlich deren Dämpfung (der elastischen, dynamischen Verformung der rotierenden Kurbelwelle), – Berücksichtigung der Reaktionen (einschließlich Massenwirkung) des nur endlich biegesteifen Zylinderkurbelgehäuses mit elastisch nachgiebigen Lagerstühlen (Lagerstützwirkung) sowie – spielbehafteten, sich ebenfalls elastisch verformenden Hauptlagerbohrungen mit nichtlinearen, hydrodynamischen Reaktionen des Schmierfilms (EHD). Hierzu gibt es geeignete Berechnungsansätze sowie Vorschläge zur Reduzierung des Rechenaufwands [8-8], [8-36], [8-37]. Große Bedeutung kommt insgesamt der zulässigen Vereinfachung der Ersatzmodelle – auch als Modelkondensierung bezeichnet – zu (Bild 8-11): – Basis: aus 3D-CAD-Modell diskretisiertes Finite-Elemente- oder Boundary-Elemente-Strukturmodell (FEM, BEM) der Kurbelwelle (Spannungsberechnung),
– daraus abgeleitet: dynamisch äquivalentes 3D-Strukturmodell (Balken-Massen-Ersatzmodell), dynamisch äquivalentes 1D-Drehschwingungsmodell. Die Erzielung hoher Steifigkeit bei geringer Masse und befriedigendem dynamischem Verhalten sowie das Aufdecken versteckter Betriebsfestigkeitsrisiken, aber auch – speziell bei Fahrzeugmotoren – die Vermeidung von Überdimensionierung können nur mit zeitgemäßen numerischen Simulationstechniken zuverlässig gelingen. Die Erörterung der Vor- und Nachteile gebräuchlicher Modelle [8-36] wie auch das Eingehen auf Dynamikberechnungen an elastischen Mehrkörpersystemen [8-37] sprengen den Rahmen dieses Handbuchs. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Grobdimensionierung der Kurbelwelle in der Konzeptphase auf herkömmliche, stark vereinfachte Weise. Die bei Mehrzylindermotoren mehrfach statisch unbestimmte Lagerung und zeitlich versetzte Einflüsse von benachbarten Kröpfungen auf die Belastung bleiben unberücksichtigt. Das Rechenmodell reduziert sich somit auf das statisch bestimmte Modell einer Kröpfung. Eine Vernachlässigung der Einspannmomente der Hauptlager ist – so die früher gebräuchliche Argumentation – insofern vertretbar, als diese dem Belastungsmoment entgegen wirken und folglich die Beanspruchung verringern.
Bild 8-11 Rechnergestützte Kurbelwellenberechnung; spezifischen Anforderungen genügende Ersatzmodelle der Kurbelwelle [8-8]
8.2 Beanspruchung des Triebwerks 259 Die Kröpfung wird durch die Radialkraft nur auf Biegung, durch die Tangentialkraft sowohl auf Biegung (hier vernachlässigt) als auch Torsion beansprucht (Bild 8‑12). Die Berechnung konzentriert sich auf die Stellen höchster Beanspruchung. Dies sind die Übergänge von den Zapfen zu den Wangen (z. B. [8‑1]). Dort treten wegen Kraftumlenkung und Kerbwirkung Spannungsspitzen auf. Die ältere Fachliteratur beschäftigt sich ausführlich damit, ob der Grund- oder Hubzapfenübergang gefährdeter ist. Mit modernen Berech nungsmethoden, die eine sehr exakte Spannungsverteilung über das gesamte Bauteil liefern, tritt diese Frage in den Hintergrund. Die Widersprüchlichkeit mancher Aussage hängt mit der unterschiedlichen Größenordnung zusammen. Während Kurbelwellen von Fahrzeugmotoren dünne Kurbelwangen und große Zapfenüberschneidung kennzeichnen, trifft bei Großmotoren eher das Gegenteil zu. Am Hubzapfenübergang treten unter Gaskraft Zugspannungen auf. Die querkraftbedingten Druckspannungen wirken entlastend. Zugspannungen am Hubzapfen sind kritischer zu bewerten als unter gleichen Bedingungen auftretende Druckspannungen am Grundzapfen. Diese erhöhen sich dort aber um den Anteil der Querkraft. Versuchseinrichtungen, die die Kurbelkröpfung nicht mit einem dreieckförmigen, sondern mit einem konstanten Biegemoment belas ten, vernachlässigen diesen Umstand.
8.2.4.3
Biege- und Torsionsspannungen
Die vereinfachte Spannungsberechnung beruht auf definierten Nennspannungen infolge Biegung, Querkraft und
Torsion sbn, sNn und tTn. Die Biege- und Normalspannung beziehen sich auf den Querschnitt der Kurbelwange AKWW ([8‑38], [8‑39], [8‑40]) mit axialem Flächenträgheitsmoment Ib bzw. Widerstandsmoment Wb, die Torsionsspannung auf den jeweils betrachteten Zapfenquerschnitt mit polarem Flächenträgheitsmoment Ib bzw. Widerstandsmoment WT:
(8-14)
(8-15)
(8-16)
Das Biegemoment Mb I in Gl. (8‑14) bzw. die Torsionsmomente MTI, II in Gl. (8‑16) gehen aus Bild 8‑12 bzw. 8‑13 (s. dort auch die Definition der geometrischen Parameter) hervor. Kräfte, Momente und daraus resultierende Spannungen sind mit dem Kurbelwinkel j veränderliche Größen. Die quasistationäre Biegenennspannung sbKWrot der rotierenden Massenkräfte bezogen auf Mitte-Kurbelwange, d. h. die Stelle x = l2 in Bild 8‑13, wird getrennt berechnet:
Bild 8-12 Statisch bestimmtes Einkröpfungsmodell, Biege- und Torsionsmomente infolge der am Hubzapfen angreifenden Triebwerkskräfte
260 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
(8-17) mKWroti sind die rotierenden Massenanteile. Der Pfeil zeigt hinsichtlich der Massenschwerpunkte von Gegengewichten an, dass nur die in der Kröpfungsebene liegenden Richtungskomponenten der Massenkräfte zu addieren sind. ri sind die Schwerpunktsradien und li die Abstände von Mitte-Grundzapfen (Stelle x = 0 in Bild 8‑13). Den örtlichen Spannungsspitzen sb max, sN max und tT max in den Übergangsradien bzw. Hohlkehlen wird bei der analytischen Methode durch experimentell ermittelte Formzahlen für Biegung, Querkraft und Torsion ab, aq und aT Rechnung getragen: (8-18) Die Formzahlen gelten streng genommen nur für den durch Versuche abgedeckten Bereich der Kröpfungsparameter. Stellvertretend für zahlreiche Bemühungen sei hier auf die der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen e. V. (FVV) hingewiesen [8‑38], [8‑39]. Erweitert um den Einfluss der bei großen Kurbelwellen noch üblichen Hinterstiche wurden die Formzahlen inzwischen von allen Klassifikations-Gesellschaften in den „Unified Requirements M53“ der IACS übernommen [8‑40]. Die Berechnung der Formzahlen beruht auf empirischen Formeln. Nach [8‑38], [8‑39] wird eine spezifische Konstante mit Werten fi multipliziert, die mit Hilfe von Polynomen berechnet werden. Die Polynome enthalten Potenzen der (mit Ausnahme der Hohlkehlenradien) stets auf den Hubzapfendurchmesser bezogenen geometrischen Kröpfungs
parameter. Die Biegeformzahl ab für den Hubzapfen übergang beruht beispielsweise auf folgendem Ansatz: (8-19)
mit: sZü – Zapfenüberschneidung rKWH – Hohlkehlenradius des Hubzapfens Die übrigen Parameter sind bereits bekannt. Auf eine vollständige Darstellung der analytischen Methode wird ange sichts schwindender Bedeutung an dieser Stelle verzichtet (z. B. [8‑2]). Abweichungen bis 20% sind bei bestimmten geo metrischen Gegebenheiten möglich [8‑36]. Dass eine Formzahl aK streng genommen nur für statische Beanspruchung gilt und bei dynamischer Beanspruchung mittels einer Kerbempfindlichkeitsziffer hK in eine Kerbwirkungszahl bK umzurechnen ist (z. B. [8‑41]), ist im Fall der Kurbelwelle immer wieder kontrovers diskutiert worden. Die Vorbehalte gegen dieses Vorgehen beruhen auf den damit verbundenen Unsicherheiten im Vergleich mit auf zuverlässigen Messungen beruhenden aK-Werten.
8.2.4.4
Vergleichsspannungen
Maßgeblich für die dynamische Beanspruchung ist der Zapfen mit dem größten Wechseldrehmoment unter Berücksichtigung der Drehschwingungen (s. Abschn. 8.4). Die Ge-
Bild 8-13 Geometrische Parameter der Kurbel‑ kröpfung für die Berechnung der Nennspannungen sowie der Maximal‑ spannungen im Übergang Zapfen – Wange (für Letzteres zusätzlich erfor‑ derliche Parameter in Klammern)
8.2 Beanspruchung des Triebwerks 261 staltänderungsenergie-Hypothese erlaubt die Berechnung einer Vergleichsspannung resultierend aus Biege- und Tor sionsbeanspruchung. Dabei kommt der zeitlichen und örtlichen Beziehung beider Spannungsmaxima große Bedeutung zu. Der Bezug auf ein Dauerfestigkeitsschaubild bedingt streng genommen, dass diese zeitgleich sowie an derselben Stelle auftreten und synchron wechseln, was alles nicht zutrifft. Es sei nur am Rande erwähnt, dass zudem der Phasensprung von 180° beim Durchlaufen einer Resonanz (insta tionärer Betrieb) die phasenrichtige Überlagerung von Biegung und Torsion problematisiert. Die Grobauslegung erlaubt dennoch folgendes Vorgehen mit zeitlich richtiger Zuordnung von Biege- und Torsionsbeanspruchung nach Tabelle 8‑1 (Gl. (8‑20)): Zunächst sind die Extremwerte der Biege- und Torsionsspannungsverläufe während eines Arbeitszyklus – die Ober- und Unterspannungen so und su bzw. to und tu bei den zugehörigen Kurbelwinkeln j1 und j2 bzw. j3 und j4 – zu ermitteln. Um ZOT wirkt die Massenkraft gegen die Gaskraft, um LOT nur die Massenkraft. Aus den dann zu berechnenden Biege- und Torsionsmittel- und -wechselspannungen folgen die zugehörigen Vergleichsspannungen. Primäre Bedeutung kommt der Torsionswechselspannung zu. Amplitude und Frequenz sind deutlich höher als die der Biegewechselbeanspruchung. Bild 8‑14 zeigt den prinzipiell wiedergegebenen Verlauf des Torsionsmoments im schwungradseitigen Hauptlager eines R4‑Triebwerks bei Volllast nach [8‑36]. Das hier verwendete einfache 1D‑Drehschwingungs-Ersatzmodell stimmt quantitativ gut mit der Realität überein. Daneben sind auch typische Verläufe des Biegemoments dargestellt (selber Motor, aber geringfügig höhere Drehzahl). Der dynamische Verlauf weicht deutlich vom rein kinematischen ab. Die Notwendigkeit der
Erfassung aller dynamischen Phänomene wird erkenntlich, setzt jedoch ein rotierendes 3D-Balken-Massen-Ersatzmodell voraus. Aus der äußeren Belastung folgt die Verformung als Knotenverschiebungen. Die darauf beruhende Spannungsberechnung kann z. B. so erfolgen, dass die berechneten Knotenverschiebungen schrittweise dem Volumenmodell (der Finten-Elemente-Struktur) aufgeprägt werden. Für die Festigkeitsberechnung ist dieses im Bereich großer Spannungsgradienten bezüglich Diskretisierung und Wahl des Elementtyps sinnvoll anzupassen. Aus Bild 8‑15 geht z. B. die Verteilung der maximalen Haupt-Normalspannungen infolge Biegung an der schwungradseitigen Kröpfung beim BMW V8‑Dieselmotor hervor [8‑42].
8.2.4.5
Ö rtliche Dauerfestigkeit im Übergang ZapfenKurbelwange
Die genaue Kenntnis der örtlichen Dauerfestigkeit stellt insbesondere im Fall der dynamisch hoch beanspruchten Kurbelwellen eine besondere Problematik dar. Denn die Einflussfaktoren sind vielfältig: – Technologische Einflüsse: – Gussqualität: Gussgefüge, Poren, Seigerungen, im Rah men der Fertigungsüberwachung nicht identifizierte Oxideinschlüsse, – Schmiedequalität: Faserverlauf, Verschmiedungsgrad, im Rahmen der Fertigungsüberwachung nicht identi fizierte Schlackenzeilen, – Eigenspannungen, – Wärmebehandlung, Vergütung, – Nachbehandlungseinfluss (Polieren, Kaltverfestigen, Här ten, Nitrieren),
Tabelle 8-1 Berechnung der Vergleichsmittel- und -wechselspannungen im Übergang Zapfen – Kurbelwange (Gln. (8-20)) Größte positive und negative Biegespannung bei den Kurbelwinkeln φ1 und φ2 σo = σb (φ1) (um ZOT) σu = σb (φ2) (LOT, nur Massenkraft)
Größte positive und negative Torsionsspannung bei den Kurbelwinkeln φ3 und φ4 τo = τT (φ3) τu = τT (φ4)
Zugehörige Torsionsspannungen τo = τT (φ1) τu = τT (φ2)
Zugehörige Biegespannungen σo = σb (φ3) σu = σb (φ4)
Biege- und Torsionsmittelspannungen
Biege- und Torsionswechselspannungen
σbm = –12 (σo + σu) (8-21)
σba = | –12 (σo – σu) |
τTm = –12 (τo + τu) (8-22)
τTm = | –12 (τo – τu) |
Vergleichsmittelspannung
Vergleichswechselspannung
2 2 σvm = √σ bm + 3 τ Tm (8-25)
2 σva = √σ ba + 3 τ Ta2
262 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-14 Berechneter Biege- bzw. Torsionsmo‑ mentverlauf in der schwungradsei‑ tigen Kurbelwange bzw. im schwung‑ radseitigen Grundzapfen einer R4Kurbelwelle (Zusammenfassung von zwei bedingt vergleichbaren Darstel‑ lungen nach [8‑36] in einem Bild)
– Oberflächeneinfluss: Oberflächenrauheit, – Bauteilgrößeneinfluss (mit steigender Bauteilgröße abneh mende Dauerfestigkeit) – mit steigender Bauteilgröße abnehmendes bezogenes Spannungsgefälle im Querschnitt des Bauteils (8-21) – mit steigender Bauteilgröße abnehmender Verschmie dungsgrad. Eine örtliche Probenentnahme für die dynamische Werkstoffprüfung entzieht sich aufgrund der Probengröße der Durchführbarkeit. Ein angegossener oder angeschmiedeter Probestab liefert wiederum nicht die örtliche Auflösung. Folglich kann nur indirekt auf die örtliche Dauerschwing festigkeit geschlossen werden. Das Ergebnis mehrerer FVVVorhaben, eine Formel für die Dauerwechselfestigkeit sw des Kurbelwellenwerkstoffs [8‑43], [8‑44], [8‑45], basiert auf einem bekannten Ansatz [8‑46]. Diese Größe erlaubt den direkten Vergleich mit der Vergleichswechselspannung sva (auch andere Vorschläge basieren auf dem genannten Ansatz: CIMAC [8‑40] und z. B. [8‑47]): (8-22)
Die Zugfestigkeit Rm (bei alternativen Formeln die ZugDruck-Wechselfestigkeit szdw ) des angeschmiedeten glatten Probestabs ist in MPa, die Rautiefe Rt in µm, (hier) der Hubzapfendurchmesser dKWH und der zugehörige Hohlkehlenradius rKWH in mm einzusetzen. Die Vergleichsmittelspannung bleibt dabei zunächst unberücksichtigt. Es gibt zwar verschie dene Vorschläge für Hilfskonstruktionen entsprechender Dauerfestigkeitsschaubilder, dennoch dürfte, wie im Abschn. 8.1.1 bereits vermerkt, das genaue Wissen um das werkstoffliche Vermögen trotz umfangreicher Erfahrung der Motorenhersteller immer noch hinter der mittlerweile recht genauen Kenntnis der Beanspruchung zurückbleiben. Der übliche Bezug auf ein Biegedauerfestigkeitsschaubild wird mit dem an der höchstbeanspruchten Stelle vorliegenden Spannungstensor sowie Spannungsgradienten gerechtfertigt (z. B. [8‑37]). Die angegebenen Dauerfestigkeitswerte beziehen sich üblicherweise auf eine Überlebenswahrscheinlichkeit von 90%. Ein Wert von 99,99% bedeutet nach [8‑37] einen Sicherheitsfaktor von 1,33 (nur gültig für einen Variationskoeffizienten s/x¯ = 0,09). Nach [8‑37] genügt es – ein geeignetes Berechnungsmodell vorausgesetzt – die Unsicherheit der berechneten Beanspruchung der Kurbelwelle mit dem
8.3 Massenausgleich des Triebwerks
Bild 8-15 Beispiel für die maximale Hauptnormalspannungsverteilung der schwungradseitigen Kurbelkröpfung der Kurbelwelle des BMW V8-Pkw-Dieselmotors [8-42]
Faktor 1,05 (demnach gering) zu bewerten. Aus der Multiplikation folgt dann ein erforderlicher Sicherheitsfaktor von 1,4. Bild 8-16 gibt einen Eindruck vom Verhältnis der Vergleichswechsel- zur Vergleichsmittelspannung im Dauerfestigkeitsschaubild für das Berechnungsbeispiel einer Kurbelwelle eines Mittelschnellläufers [8-37]. Ohne Verallgemeinerung verringert hier der Mittelspannungseinfluss die ertragbare Spannungsamplitude noch nicht entscheidend.
8.3
Massenausgleich des Triebwerks
8.3.1
Vorbemerkungen zum Massenausgleich
263
Freie Massenkräfte des Kurbeltriebs beruhen auf der Beschleunigung von Triebwerksmassen infolge auch bei konstanter Motordrehzahl ungleichförmiger Bewegung sowie Fliehkraftwirkung. Bei Mehrzylindertriebwerken sind die Abstände zwischen den Zylindern, beim V-Triebwerk auch der Hubzapfenversatz, Hebelarme, durch die freie Massenmomente entstehen. Der Massenausgleich dient dem Schwingungskomfort, indem solche Massenwirkungen durch primäre Maßnahmen am Kurbeltrieb minimiert werden. Sekundäre Maßnahmen zur Schwingungsisolation geraten sonst schnell an ihre physikalischen Grenzen. Die Ausführungen beschränken sich auf die überwiegend eingesetzten Tauchkolbentriebwerke. Ausführliche Darstellungen sind z. B. in [8-1], [8-6], Zusammenfassungen z. B. in [8-9], [8-48] zu finden. Der Massenausgleich bezieht sich weitgehend auf konstante Motordrehzahl. Bei veränderlicher Drehzahl können zusätzliche harmonische Anteile der freien Massenkräfte und -momente für die Körperschallerregung im Antriebsstrang verantwortlich sein. Bei den Ausgleichsmaßnahmen sind Gegengewichte an den Kurbelwangen die Regel. Je nach Motorkonzept und Komfortanspruch werden – abhängig von den jeweiligen Erfordernissen – bis zu zwei Ausgleichswellen zusätzlich eingesetzt. Die oszillierenden Triebwerksmassen beeinflussen über ihren Drehkraftanteil auch den Verlauf des Motordrehmoments. Im günstigen Fall können Drehmomentspitzen und damit die Torsionswechselbeanspruchung der Kurbelwelle reduziert werden. Gegenge-
Bild 8-16 Dauerfestigkeitsschaubild nach [8-37] (Darstellung nach Smith); Verhältnis der Wechselspannungsamplitude zur Mittelspannung im Übergang Hubzapfen – Wange am Beispiel der Kurbelwelle eines Mittelschnellläufers, Sicherheit gegen Dauerbruch
264 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks wichtsmassen erhöhen das Massenträgheitsmoment der Kurbelwelle. Abhängig von ihrer Anzahl, Größe und Anordnung nehmen sie Einfluss auf die Biegebeanspruchung der Kurbelwelle sowie die Hauptlagerbelastung. Auf die Notwendigkeit ausreichender Auswuchtgüte der Kurbelwelle sei hier ebenfalls hingewiesen. Für die zulässige Restunwucht gibt es Empfehlungen (VDI-Richtlinie 2060, Mindestgütestufe Q40). Beim Wuchtzentrieren des Rohlings müssen Meisterringe und u. U. noch nicht vorhandene Ausgleichsmassen simuliert werden. Beim Fertigwuchten hilft die etwas aufwändige Verwendung von Meisterringen im Gegensatz zu deren Simulation, unvermeidliche Fertigungstoleranzen mit zu berücksichtigen und damit die Güte des Wuchtens zu verbessern.
8.3.2
Bild 8-17 Motor-Koordinatensystem einschließlich Definition eines positiv angenommenen Drehsinns (x‑Achse: Motorhochachse, y‑Achse: Motorquer‑ achse, z‑Achse: Motorlängsachse, Koordinatenursprung: z. B. Kurbelwellen‑ mitte)
Kurbeltriebsmassen, Massenkräfte und -momente
Der Massenausgleich unterscheidet zwischen oszillierenden und rotierenden Massenkräften. Letztere laufen mit der Kurbelwelle um und erscheinen daher nur in der 1. Ordnung. Die oszillierenden Massenkräfte weisen auch höhere Ordnungen auf. Der Massenausgleich beschränkt sich jedoch auf maximal die 2. Ordnung. Geringe Restunwuchten höherer Ordnungen sind praktisch vernachlässigbar. Für die Berechnung ist ein kartesisches Koordinatensystem vorteilhaft. (8-23) Längskräfte Fxi wirken in Richtung der Zylinder- bzw. Motorhochachse, Querkräfte Fyi in Querrichtung, d. h. mit Blick auf die Motorlängsachse (z‑Achse) rechtwinklig zur Zylinder- bzw. Motorhochachse. Die Längskräfte erzeugen in Summe ein Kippmomente My um die y‑Achse, die Querkräfte ein Längsmoment Mx um die x-Achse (Bild 8‑17). Gas- und Massendrehkräfte überlagern sich. Daraus resultiert ein ungleichförmiges Motordrehmoment um die zAchse. Um diese Achse wirkt zudem auch das „Massenumlaufmoment“. Es entsteht auch bei konstanter Drehzahl durch die ungleichförmige Schwenkbewegung des Pleuels, bei veränderlicher Drehzahl durch die Drehbeschleunigung rotierender Massen (s. Abschn. 8.3.5). Parameter der freien Massenkräfte des Kurbeltriebs sind nach Bild 8‑18: – Kolbengesamtmasse mKges, Kurbelwellenmasse ohne Gegengewichte mKW und Pleuelmasse mPl, – Kurbelradius r und Radius r1 des Schwerpunkts der Kurbel,
– Augenabstand des Pleuels lPl und Abstand lP1 des Schwerpunkts des Pleuels vom großen Pleuelauge, – Pleuelstangenverhältnis lPl = r/lPl . Die rotierende Kurbelwellenmasse mKWrot wird auf den Kurbelradius r reduziert. Die Pleuelmasse wird in einen mit dem Kolben oszillierenden (mPlosz) und einen mit der Kurbelwelle rotierenden Anteil (mPlrot) aufgeteilt. Die oszillierenden (mosz) und rotierenden Massen (mrot) definieren sich damit wie folgt:
(8-24)
(8-25) Die Beschleunigung der Masse mosz folgt aus der Hubbewegung xK des Kolbens (hier von OT-Stellung aus betrachtet), die mittels der Gln. (8‑6, rechts) und (8‑9) einfach hergeleitet werden kann:
(8-26)
Gl. (8‑26) berücksichtigt weder Desaxierung noch Schränkung. Zweckmäßigerweise wird von einer alternativen, zunächst noch allgemeinen Reihendarstellung Gebrauch gemacht. Zweimalige Differenziation nach der Zeit t liefert die Beschleunigung:
8.3 Massenausgleich des Triebwerks 265
(8-31)
8.3.3
Ausgleichfreier Massenkräfte durch Gegengewichte
8.3.3.1
Gegengewichte beim Einzylindertriebwerk
Als Mindestanforderung gilt beim Einzylindertriebwerk der Ausgleich der rotierenden Massenkraft. Dies leistet unter Berücksichtigung der Gln. (8‑24), (8‑25) und (8‑31) der Querkraftausgleich: (8-32)
Bild 8-18 Ersatzmassensystem des Kurbeltriebs
(8-27) Die Koeffizienten Bi sind ohne Desaxierung bzw. Schränkung nur Potenzreihen des Pleuelstangenverhältnisses lpl. Sie reduzieren sich somit auf die nachfolgend mit Ai bezeichneten Koeffizienten, wobei ungerade Ordnungen verschwinden:
(8-28)
Mit einem Fehler meist < 1% kann folgende einfache Formel Anwendung finden: (8-29) Die oszillierenden Massenkräfte 1. und 2. Ordnung F (1) mosz und F (2) mosz sowie die rotierende Massenkraft Fmrot bei idealisierter, gleichförmig angenommener Drehbewegung (w = konst.) können somit wie folgt definiert werden:
(8-30)
In höheren Ordnungen treten nur noch Längskräfte auf. In der 1. Ordnung erfolgt die Aufteilung in einen Längs- und Querkraftanteil Fx(1) und Fy :
Die Erfüllung von Gl. (8‑32) bedeutet ein negatives Vorzeichen für den Schwerpunktsradius r1 der Kurbel, was so nicht praktikabel ist. Die Lösung des Problems ist eine momentfreie (symmetrische) Anbringung einer Gegengewichtsmasse mGg . Ihr Massenschwerpunkt liegt dabei in rückwär tiger Verlängerung der Kurbel im Abstand rGg . Der gemein Drehachse same Massenschwerpunkt wird dadurch in die der Kurbelwelle verlagert. Mit der entsprechend modifizierten Gl. (8‑32) lässt sich die erforderliche Gegengewichtsmasse berechnen:
(8-33)
Es sei noch erwähnt, dass die Auflösung von Gl. (8‑32) nach lPl1 zur Forderung lPl1 > lPl, d. h. einer Verlagerung des Massenschwerpunkts des Pleuels jenseits der Drehachse des kleinen Pleuelauges, führt. Wegen Minimierung der Kolben kompressionshöhe und geringem Pleuelfreigang ist dies keine praktikable Lösung. Die Einbeziehung der oszillierenden Massenkraft 1. Ordnung führt wiederum unter Berücksichtigung der Gln. (8‑24), (8‑25) und (8‑31) zum Längskraftausgleich 1. Ordnung:
(8-34)
Es werden analog zu Gl. (8‑33, 1. Zeile) Gegengewichts massen an der Kurbelwelle benötigt, die den gemeinsa-
266 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks men Schwerpunkt in die Drehachse der Kurbelwelle verlagern:
(8-35)
Das Ergebnis steht offensichtlich im Widerspruch zum Querkraftausgleich (Gl. (8‑33)). Die oszillierende Massenkraft wird zwar in Längsrichtung kompensiert, tritt jedoch jetzt in Querrichtung auf. Beim erforderlichen Kompromiss – dem Normalausgleich – werden die rotierende Massenkraft vollständig und zusätzlich 50% der oszillierenden Massenkraft 1. Ordnung ausgeglichen. Die Berücksichtigung dieses Sachverhalts in den Gln. (8‑34) reduziert die Gegengewichtsmasse entsprechend:
(8-36)
Ein vollständiger Ausgleich der oszillierenden Massenkraft in allen Ordnungen ist theoretisch möglich. Der gemeinsame Massenschwerpunkt müsste in den Hubzapfen wandern. Die Bedingung Fmosz = 0 beschert einen negativen Schwerpunktsabstand lPl1 des Pleuels. Eine größere Zusatzmasse unterhalb des Pleuelkopfes scheitert praktisch an den
beengten Verhältnissen im Kurbelraum. Teilverbesserungen liefert der Fußausgleich [8‑49], [8‑50], wobei sich die Zusatzmasse am Pleuelkopf auf ein konstruktiv vertretbares Maß beschränkt. Beim Normalausgleich rotiert der freie „Restkraftvektor“ mit konstantem Betrag. Bei Unter- bzw. Überausgleich wird weniger bzw. mehr als 50% der oszillierenden Massenkraft 1. Ordnung ausgeglichen. Die Spitze des Restkraftvektors beschreibt abhängig vom Ausgleichsgrad eine Kreis- oder eine vertikal bzw. horizontal orientierte ellipsenähnliche Bahn (Bild 8‑19). Entsprechend verhält es sich mit der wahrnehmbaren Schwingungsamplitude des Einzylinder triebwerks. Die freie Massenkraft bzw. die vom Ausgleichsgrad abhängige Restkraft kann mittels Vektoraddition zweier gegenläufig mit Kurbelwellendrehzahl rotierender Vektoren veranschaulicht werden (Bild 8‑20). Nur der positiv – im Drehsinn der Kurbelwelle – umlaufende Vektor kann durch einen invertierten Vektor der Gegengewichtskraft ausgeglichen werden. Sein Betrag entspricht der halben oszillierenden Massenkraft. Die Winkelgeschwindigkeit des Massenkraftvektors schwankt bei gleichförmiger Drehbewegung periodisch, sofern dessen Spitze nicht eine Kreisbahn beschreibt. Das Schrifttum befasst sich ausführlich mit der Darstellung der Methode der Vektoraddition positiv und negativ umlaufender Vektoren (z. B. [8‑1], [8‑6]). Hier wird ein analytischer Ansatz bevorzugt, der für beliebige Problemstellungen und die Programmierung von Vorteil ist.
Bild 8-19 Freier Massenkraft- bzw. Restkraft‑ vektor 1. Ordnung in Abhängigkeit vom Ausgleichsgrad Ω: a Ausgangszu‑ stand, b Ω = 0: Querkraftausgleich (rot. Massen), c Ω = 0,5: „Normalaus‑ gleich“ (100% rot. + 50% osz. Mas‑ sen, d Ω = 1 Längskraftausgleich
8.3 Massenausgleich des Triebwerks 267 In den höheren Ordnungen reduziert sich die Berechnung auf die Längskräfte. Für nicht ausgeglichene Ordnungen gilt allgemein folgender Sachverhalt:
Bild 8-20 Darstellung der freien Massenkraft des Einzylindertriebwerks mit‑ tels positiv und negativ rotierender Vektoren
8.3.3.2
Gegengewichte beim Mehrzylindertriebwerk
Es werden zunächst Reihentriebwerke betrachtet. Bekanntlich kompensieren sich die freien Massenkräfte beim Mehrzylindertriebwerk im Fall zentralsymmetrischer Kurbelsterne gegenseitig. Die Zündfolge spielt dabei keine Rolle. Die Kurbelsterne der Ordnungen i entstehen, indem ausgehend von Zylinder 1 in OT-Stellung die den einzelnen Zylindern zuordenbaren Kröpfungswinkel jKk (k = 1, 2, …, z) (i ) bzw. deren Vielfaches jKk (k = 1, 2, …, z; i = 1, 2, 4, 6) entgegen der Drehrichtung der Kurbelwelle abgetragen werden (Bild 8‑21).
(8-37) Die Werte cF(i) werden als Einflusszahlen der Massenkräfte i. Ordnung bezeichnet. Sie entsprechen bei Reihenmotoren der Zylinderzahl z, d. h. bei der betreffenden Ordnung addieren sich die oszillierenden Massenkräfte aller Zylinder. Komplizierter sind die Verhältnisse bei V‑Triebwerken. Zunächst wird deshalb nur ein V‑Zylinderpaar (V2‑Triebwerk) betrachtet (Bild 8‑22), nämlich der allgemeine Fall mit beliebigem V-Winkel aV und Hubzapfenversatz (Pleuelversatzwinkel d). Längs- und Querkräfte beider Einzylindertriebwerke in zylinderspezifischen Koordinaten x1, y1 bzw. x2, y2 bedürfen keiner weiteren Erläuterung (Gln. (8‑30) und (8‑31)). Die bankspezifischen Kurbelwinkel j1 bzw. j2 werden dabei ausgehend von den jeweiligen OTStellungen beider Zylinder gemessenen. Nach Zerlegung der Triebwerkskräfte in ihre Richtungskomponenten im übergeordneten x-y-Koordinatensystem, der Aufsummierung und Einführung eines von der x-Achse aus gemessenen Kurbelwinkels j mit den Transformationsgleichungen
(8-38)
können die Massenkräfte 1. Ordnung des V2‑Triebwerks angegeben werden. Es treten nun sowohl in x- als auch in y‑Richtung höhere Ordnungen auf:
Bild 8-21 Zündabstand und Kurbelsterne 1. und 2. Ordnung bei Viertakt‑Reihentrieb‑ werken
268 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-22 Schematische Darstellung des Kurbel‑ triebs eines V‑Zylinderpaares mit be‑ liebigem V‑Winkel aV und Hubzap‑ fenversatz (Pleuelversatzwinkel δ)
(8-39)
Ein vollständiger Massenausgleich allein durch Gegengewichte an der Kurbelwelle ist unter folgenden Umständen möglich: (8-40) Dann gilt die Bedingung: (8-41) Diese entspricht dem Normalausgleich. Da nur eine Kurbel vorhanden ist, ist je Zylinder nur deren halbe Masse zu berücksichtigen. Der bereits mehrfach gebrauchte Ansatz für die Gegengewichtsmasse führt dann zu folgendem Ergebnis:
(8-42)
Das V2-Triebwerk hat nur bei Motorradmotoren Bedeutung erlangt. Bei V‑Triebwerken kompensieren sich die Massenkräfte 1. Ordnung bei zentralsymmetrischem Kröpfungsstern ebenfalls gegenseitig. Die Massenkräfte i. Ordnung können bei gerader Zylinderzahl z, zentralsymmetrischer Kurbelwelle mit um den Winkel DjK versetzten Kröpfungen noch wie folgt berechnet werden:
(8-43)
Zur Anordnung „Pleuel-neben-Pleuel“ gibt es bekanntlich Alternativen (Bild 8‑4) mit mittlerweile allerdings geringerer
8.3 Massenausgleich des Triebwerks 269 praktischer Bedeutung, auf deren Auswirkungen auf den Massenausgleich hier folglich nicht näher eingegangen wird: a) Gabel- mit direkt angelenktem Innenpleuel (ungleiche Pleuelmassen) b) Haupt- mit an diesem mittelbar angelenktem Nebenpleuel (ungleiche Pleuelmassen, veränderte Kurbeltriebskine matik).
8.3.4
A usgleich freier Massenmomente durch Gegengewichte
Freie Massenmomente resultieren bekanntlich aus der Längsverteilung – den Hebelarmen – der freien Massenkräfte (s. Definition des Längs- und Kippmoments im Abschn. 8.3.2). Freie Massenmomente beziehen sich auf einen Referenzpunkt im Triebwerk, per Konvention Kurbelwellenmitte. Viertakt-Reihentriebwerke mit gerader Zylinderzahl haben längssymmetrische Kurbelwellen und sind folglich frei von freien Massenmomenten in allen Ordnungen. Bei ungerader Zylinderzahl treten freie Massenmomente in der 1. und in höheren Ordnungen auf. Ein freies Massenmoment 1. Ordnung kann unter diesen Umständen durch Gegengewichte nicht mehr vollständig ausgeglichen werden. Auch ein freies Massenmoment kann mittels Vektoraddition zweier gegenläufig rotierender Momentvektoren veranschaulicht werden (Bild 8‑23). V‑Motoren profitieren zumindest in der 1. Ordnung ebenfalls von der Längssymmetrie. Dies ist hier aber der Sonderfall. Ohne Längssymmetrie kann ein freies Massenmoment 1. Ordnung in bestimmten Fällen durch Gegengewichte an der Kurbelwelle durch Normalausgleich dennoch
vollständig ausgeglichen werden (z. B. [8‑1]). Voraussetzungen sind ein zentralsymmetrischer Kröpfungsstern, zum Kröpfungswinkel passender V‑Winkel, geeignete Kröpfungs konfiguration und gegebenenfalls erforderlicher Hubzapfenversatz. Bei Zentralsymmetrie resultiert aus Letzterem in der 1. Ordnung bekanntlich kein Massenmoment. Der Massenmomentausgleich darf seinerseits keine freien Massenkräfte erzeugen. Das freie Massenmoment 1. Ordnung sowie dessen teilweiser Ausgleich sei am Beispiel des R5-Triebwerks für die Zündfolge 1 – 2 – 4 – 5 – 3 (eine der (z – 1)!/2 = 12 „dynamisch“ sich unterscheidenden Zündfolgen) erklärt. Der Zündabstand beträgt beim Viertaktmotor jZ = 4p/5 = 144°. Die Zündfolge bedingt folgende Phasenbeziehungen:
(8-44)
Mit Hilfe des Abstandsdiagramms (Bild 8-24) lässt sich das Kippmoment 1. Ordnung My(1) und das Längsmoment Mx unter Berücksichtigung der Phasenbeziehungen herleiten (Referenzpunkt Kurbelwellenmitte, rechtsdrehendes Moment mit positivem Vorzeichen angenommen): (8-45)
Bild 8-23 Darstellung des freien Massenmo‑ ments sowie dessen teilweisen Aus‑ gleichs durch Gegengewichte mittels positiv und negativ rotierender Vek‑ toren
270 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-24 Nicht längssymmetrische Kurbelwelle, Kurbelstern 1. Ordnung und Ab‑ standsdiagramm des R5‑Triebwerks mit der Zündfolge 1 – 2 – 4 – 5 – 3
(8-46) Die Praxis erfordert mindestens den Ausgleich des Massenmoments der rotierenden Massen, auch als Längskippmomentausgleich bezeichnet. Der Massenmomentvektor, bestehend aus den Anteilen My (Anteil der rotierenden Massenkräfte von My(1)) und Mx , rotiert dann mit konstantem Betrag im Drehsinn der Kurbelwelle und ist folglich mit Gegengewichten vollständig ausgleichbar:
(8-49)
(8-47)
Der Zielkonflikt besteht darin, dass die alternative Zündfolge 1 –5 – 2 – 3 – 4 die Einflusszahl 2. Ordnung von 4,980 zwar auf 0,449 reduziert. Die der 1. Ordnung erhöht sich dann aber auf 4,980 [8‑51]. Solche Ergebnisse können auch mittels graphischer Vektoraddition unter Zuhilfenahme der Kurbelsterne 1. und 2. Ordnung erzielt werden (Bild 8‑25). Aus den Richtungskomponenten des Momentvektors folgt dessen Phasenwinkel b bezogen auf den OT von Zylinder 1 (j1 = j = 0) :
den Abständen aGg1, aGg2 unter den Winkeln b1, b2 so angebracht, dass keine freien Kräfte und Momente auftreten. Für identische Ausgleichsmassen mGg und Hebelarme aGg sowie infolge Zentralsymmetrie sich gegenseitig ausgleichender Massenkräfte reduziert sich der Ansatz zur Ermittlung der Gegengewichtskraft FGg und der Winkel b1, b2 wie folgt:
(8-48)
Beim „dynamischen Wuchten“ werden zwei Gegengewichtsmassen mGg1, mGg2 an beiden Enden der Kurbelwelle in
Das Gl.-System (8‑49) führt unter Berücksichtigung der Gln. (8‑45) und (8‑46) und Bezug auf den OT von Zylinder 1 (j1 = j = 0) zu folgenden Ergebnissen:
(8-50)
b1 ist so zu wählen, dass die Gegengewichtskraft positiv wird. Demnach beträgt b1 = 234° (s. Gl. (8-51)) und b2 = 54° (Bild 8‑25). Es bleibt noch, die Gegengewichtsmasse mGg mittels der Gln. (8‑49), z. B. mit dem Massenmoment My , der Massenkraft FGg eines Gegengewichts, dem Kurbelradius r und dem Schwerpunktradius der Gegengewichte rGg zu bestimmen:
8.3 Massenausgleich des Triebwerks 271
Bild 8-25 Graphische Bestimmung des resultierenden Massenmomentvektors – hier der rotierenden Massenkräfte – und Anordnung der Gegengewichte beim Längskippmomentausgleich am Beispiel der Kurbelwelle des R5‑Triebwerks
(8-51)
Die bisher nicht betrachteten oszillierenden Massenkräfte erzeugen einen oszillierenden Kippmoment-Restvektor. Ein Normalausgleich dient der weiteren Verbesserung, d. h. Halbierung des Vektorbetrags. Übrig bleibt dann noch ein negativ, jetzt mit konstantem Betrag rotierender Restmomentvektor, der mittels entsprechender Ausgleichswelle wieder vollständig kompensierbar ist. Es ist gängige Praxis, über den Ausgleichsgrad der oszillierenden Massenkraft die primäre Richtung der Schwingungserregung zu steuern. Ein rotierender Restmomentvektor bewirkt eine Taumelbewegung des Motors. Sofern er keinen konstanten Betrag aufweist, unterliegt dessen Winkelgeschwindigkeit ebenfalls periodischen Schwankungen. Ferner kann der Kippmomentausgleich durch ungleiche Zylinderabstände herbeigeführt werden [8‑1], wovon wegen der damit verbundenen Verlängerung des Triebwerks selten Gebrauch gemacht wird. In Tabelle 8‑2 sind die Eigenschaften von Triebwerken mit praktischer Bedeutung zusammengefasst.
8.3.5
Massenumlaufmoment
Das Massenumlaufmoment wirkt um die z-Achse, die Drehachse der Kurbelwelle. Eine ungleichförmige Drehbewegung erzeugt nach dem Drallsatz der Mechanik bei Vorhandensein eines Massenträgheitsmoments ein Drehmoment. Der Dreh-
impuls des Pleuels TPl = TPlosz + TPlrot kann nicht vernachlässigt werden: (8-52) (8-53) mit: ΘPlosz bzw. ΘPlrot – Massenträgheitsmomente der Massen mPlosz bzw. mPlrot, kPlosz bzw. kPlrot – zugehörige Trägheitsradien (Bezugsachse ist die Kolbenbolzen- bzw. Hubzapfenachse.), ψ˙ – Winkelgeschwindigkeit der Schwenkbewegung, w – Winkelgeschwindigkeit der Kurbelwelle, r – Kurbelradius. Mit Einführung des Trägheitsradius kPl des Pleuels, bezogen auf dessen Massenschwerpunkt, und der Pleuelmasse mPl liefert der Satz von Steiner unter Berücksichtigung der Gln. (8‑24) folgenden Zusammenhang:
(8-54) Der nur bei veränderlicher Drehzahl relevante Drehimpuls der Kurbelwelle (8-55) kann entsprechend definiert werden. Schließlich lässt sich der gesamte Drehimpuls der „umlaufenden Massen“ mit Hilfe „reduzierter“ Massenträgheitsmomente Θred1 und Θred2 vereinfacht in folgender Form angeben:
Triebwerk
Arb.Verf.
αv1)
φK2)
δ3)
Übliche Zündfolgen4)
Einflussfaktoren der Massenkraft ohne Ausgleich5) (2) c (1) F bzw. c F
Einflussfaktoren der Massenkraft mit NormalAusgleich5) (2) c (1) F bzw. c F
Einflussfaktoren des Massenmoments ohne Ausgleich6) c M(1) bzw. c M(2)
Einflussfaktoren des Massenmoments mit Normal-Ausgleich6) c M(1) bzw. c M(2)
Wichtigste ErregerOrdnungen7)
R2
2-Takt
–
180°
–
1–2
(1): 0 (2): 2
(1): 0 (2): 2
(1): 1 (2): 0
(1): 0,5 (2): 0
1; 2; 3; … 0,5; 1,5; 2; 2,5;…11)
R2
4-Takt
–
360°
–
1–2
(1): 2 (2): 2
(1): 1 (2): 2
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
1; 2; 3; …
R3
2-Takt
–
120°
–
1–3–2
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 1,732 (2): 1,732
(1): 0,866 (2): 1,732
3; 6; 9; …
R3
4-Takt
–
240°
–
1–3–2
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 1,732 (2): 1,732
(1): 0,866 (2): 1,732
1,5; 3; 4,5; 6; …
R4
2-Takt
–
90°
–
1–4–2–3 1–3–2–4 bzw. 1–3–4–2 1–2–4–3
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 1,414 (2): 4
(1): 0,707 (2): 4
4; 6; 8; …
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 3,162 (2): 0
(1): 1,581 (2): 0
R4
4-Takt
–
180°
–
1–3–4–2 1–4–3–2
(1): 0 (2): 4
(1): 0 (2): 4
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
2; 4; 6; …
R5
4-Takt
–
144°
–
1–2–4–5–3 bzw. 1–5–2–3–4
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 0,449 (2): 4,98
(1): 0,225 (2): 4,98
2,5; 5; 7,5; …
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 4,98 (2): 0,449
(1): 0,225 (2): 0,449
R6
2-Takt
–
60°
–
1–6–2–4–3–5 1–5–3–4–2–6
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 3,464
(1): 0 (2): 3,464
3; 6; 9; …
R6
4-Takt
–
120°
–
1–5–3–6–2–4 1–4–2–6–3–5 1–3–5–6–4–2
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
3; 6; 9; …
V6
4-Takt
60°
120°
+60°
1–6–3–5–2–4 1–4–2–5–3–6
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 1,5 (2): 1,5
(1): 0 (2): 1,5
3; 6; 9; …
272 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Tabelle 8-2 Überblick über die dynamischen Eigenschaften von Triebwerken mit großer praktischer Bedeutung, Einflusszahlen der freien Massenkräfte und Massenmomente, Erreger-Ordnungen
Tabelle 8-2 (Fortsetzung) Triebwerk
Arb.Verf.
αv1)
φK2)
δ3)
Übliche Zündfolgen4)
Einflussfaktoren der Massenkraft ohne Ausgleich5) (2) c (1) F bzw. c F
Einflussfaktoren der Massenkraft mit NormalAusgleich5) (2) c (1) F bzw. c F
Einflussfaktoren des Massenmoments ohne Ausgleich6) c M(1) bzw. c M(2)
Einflussfaktoren des Massenmoments mit Normal-Ausgleich6) c M(1) bzw. c M(2)
Wichtigste ErregerOrdnungen7)
V6
4-Takt
90°
120°
–8)
1–4–3–6–2–5
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 1,731 (2): 2,449
(1): 0 (2): 2,449
1,5; 3; 4,5; 6; …
V6
4-Takt
90°
120°
+30° 9)
1–4–3–6–2–5
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 2.121 (2): 2,121
(1): 0,448 (2): 2,121
3; 6; 9; …
V8
4-Takt
90°
90°
–
1–5–4–8–6–3–7–2 1–5–4–2–6–3–7–8
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 3,162 (2): 0
(1): 0 (2): 0
4; 8; 12; …
V10
4-Takt
90°
72°
–10)
1–6–5–10–2–7–3–8–4–9 1–10–9–4–3–6–5–8–7–2
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 4,98 (2): 0,634
(1): 0 (2): 0,634
2,5; 5; 7,5; …
V12
4-Takt
60°
120°
–
1–7–5–11–3–9–6–12–2–8–4–10 1–12–5–8–3–10–6–7–2–11–4–9
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
(1): 0 (2): 0
6; 12; 18; …
8.3 Massenausgleich des Triebwerks 273
1) V-Winkel der Zylinderbänke; 2) Kröpfungswinkel der Kurbelwelle; 3) Pleuelversatzwinkel bei Hubzapfenversatz; 4) Unterschiedliche Zählweise der Zylinder beim R- bzw. VR- und V-Triebwerk sind zu beachten: R bzw. VR: Durchgehend vom freien Wellenende bis zur Abtriebseite, V: Bei Zylinderbank A beginnend durchgehend vom freien Wellenende bis zur Abtriebsseite, Fortsetzung entsprechend bei Zylinderbank B; (2) (1) (1) (2) (2) 5) c (1) F = F res(osz) /F mosz , c F = F res(osz) /F mosz ; 6) c M(1) = M (1)res(osz) /(F (1)mosz az) cM(2) = M(2)res(osz) /(F (2)mosz az) (Einflussfaktoren der Massenkäfte bezogen auf die oszillierenden Massenkräfte, die der Massenmomente auf Letztere multipliziert mit dem Zylinderabstand; Massenmoment der rotierenden Massenkräfte durch Gegengewichte vollständig ausgleichbar); 7) Erregung von Torsionsschwingungen des Triebwerks; 8) Ungleicher Zündabstand 90°–150°–90°–150°; 9) Gleicher Zündabstand 120°; 10) Zündabstand 90°–54°–90°–54°; 11) Ungleicher Zündabstand 180°–540°–180°–540° und halbe Ordnungen im Viertakt-Betrieb.
274 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
(8-56)
Die zeitliche Änderung des Drehimpulses bewirkt das Massenumlaufmoment:
(8-57)
ψ¨ ist die Winkelbeschleunigung der Schwenkbewegung des Pleuels, w˙ die der Kurbelwelle bei veränderlicher Drehzahl (andernfalls gilt: w˙ = 0). Der Schwenkwinkel ψ = arcsin (lPl sin j) (Gln. (8‑8)) führt nach Reihenentwicklung und zweimaliger Differenziation nach der Zeit t zu folgender Schwenkwinkelbeschleunigung:
(8-58)
Die Konstanten Ci sind wiederum Polynome des Pleuelstangenverhältnisses lPl :
(8-59)
Das Massenumlaufmoment ist ausgeglichen, wenn die reduzierten Massenträgheitsmomente (Gln. (8‑56, 2. und 3. Zeile)) zu Null werden. Der Trägheitsradius des Pleuels muss der Forderung k2Pl = lPl1 (lPl – lPl1) genügen, was mit kleinen Zusatzmassen an Pleuelkopf und kleinem Pleuelauge erfüllbar ist, ein Pleuelschwerpunktsabstand lPl1 > lPl dagegen offensichtlich nicht.
8.3.6
Massenausgleich mit Hilfe von Ausgleichswellen
Ausgleichswellen erzeugen Mehraufwand bei Konzeption, Entwicklung und Herstellung des Motors. Ihr Einsatz reduziert sich daher meist auf die Kompensation freier Restkräfte und -momente, die durch Kurbelwellen-Gegengewichte nicht auszugleichen sind. Sie werden Bauraum sparend in das Zylinderkurbelgehäuse- und Nebenantriebskonzept integriert. Der Antrieb erfolg über Kette, Zahnrad oder Zahnriemen. Er muss dauerhaft phasentreu, dauerfest, reibungsarm und akustisch unauffällig sein. Ausgleichswellen müssen
sicher gelagert werden, wobei die doppelte Motordrehzahl beim Ausgleich 2. Ordnung erhöhte Anforderungen stellt. Gleitlagerung bedingt die Einbeziehung in den Schmierölkreislauf. Hinsichtlich ihrer Positionierung dürfen im Regelfall weder freie Kräfte noch Momente entstehen.
Massenkraftausgleich mit Hilfe von Ausgleichswellen Der Ausgleich eines freien Restkraftvektors erfordert zwei symmetrisch zur Kurbelwellendrehachse angeordnete Exzenterwellen mit (einseitig) exzentrischen Massen. Deren resultierender Massenkraftvektor wirkt entgegen dem freien Restkraftvektor. Folgende Fälle sind zu unterscheiden(Bild 8‑26): – Negativ (gegensinnig) rotierender Restkraftvektor 1. Ordnung → beide, zwecks Vermeidung eines Massen moments, symmetrisch angeordnete Exzenterwellen rotieren ebenfalls negativ mit Kurbelwellendrehzahl. – Oszillierender Restkraftvektor → spiegelsymmetrisch angeordnete Exzenterwellen rotieren gegeneinander mit Kurbelwellen- (1. Ordnung) oder doppelter Drehzahl (2. Ordnung). Beim „Lanchester-Ausgleich“ – Unsymmetrie/ Höhenversatz der Wellen – besteht die Möglichkeit der begrenzten Beeinflussung des freien Drehmoments 2. Ordnung, allerdings nur in einem bestimmten Betriebs punkt (Bild 8‑27).
Massenmomentausgleich mit Hilfe von Ausgleichswellen Zum Ausgleich eines rotierenden freien Restmomentvektors genügt eine Ausgleichswelle. Diese verfügt über zwei in möglichst großem Abstand angebrachte, gegeneinander um 180° verdrehte Exzentermassen. Der so erzeugte Ausgleichsmomentvektor wirkt entgegen dem Restmomentvektor. Die Ausgleichswelle rotiert negativ (gegensinnig) mit Kurbelwellendrehzahl (beim Ausgleich 2. Ordnung – bei bestimmten V-Triebwerken tritt auch ein rotierendes Massenmoment 2. Ordnung auf – entsprechend mit doppelter Drehzahl). Hierbei wird bereits unterstellt, dass der positiv umlaufende Momentvektor 1. Ordnung durch Gegengewichte vollständig ausgeglichen ist (s. Abschn. 8.3.4). Der Ausgleich eines oszillierenden Massenmoments benötigt dagegen zwei spiegelsymmetrisch angeordnete, gegeneinander rotierende Ausgleichswellen. Die parallel zum Restmomentvektor, aber entgegengesetzt gerichteten Vektorkomponenten addieren sich, die senkrecht dazu stehenden kompensieren sich. Folglich oszilliert der resultierende Vektor in Gegenphase.
8.3.7
„Innerer“ Massenausgleich des Kurbeltriebs
Folgende Aspekte sind bisher nicht berücksichtigt worden: – Massenkraftbeanspruchung der Kurbelwellen-Hauptlager,
8.3 Massenausgleich des Triebwerks
275
Bild 8-26 Möglichkeiten des vollkommenen Ausgleichs der freien Massenkraft 1. Ordnung beim Einzylindertriebwerk mittels zweier Ausgleichswellen bei„Normalausgleich“ (links), bei Ausgleich der rotierenden Massenkräfte durch Gegengewichte (Mitte); Ausgleich der Massenkraft 2. Ordnung (rechts)
Bild 8-27 Anordnung der Ausgleichswellen beim„LanchesterAusgleich“ (neben dem Ausgleich der freien Massenkräfte 2. Ordnung wird Einfluss auf das freie Massenmoment 2. Ordnung in bestimmtem Betriebspunkt genommen)
– Erregung von Schwingungen infolge innerer Biegemomente durch Übertragung von den Hauptlagern auf das Zylinderkurbelgehäuse. Zwecks Begrenzung der Verformung der Kurbelwelle und deren Rückwirkung auf das Gehäuse kommen daher auch dann Gegengewichte zum Einsatz, wenn nach außen ausgeglichene Massenwirkungen dies nicht erforderlich machen. Der „in-
nere“ Massenausgleich darf aber wiederum seinerseits keine freien Massenwirkungen erzeugen (Zentral- und Längssymmetrie). Sonst gibt es keine allgemein gültigen Regeln. Sinnvollerweise werden an jeder Kurbelwange angemessene Gegengewichtsmassen vorgesehen. Entscheidend ist die dabei erzielte Korrektur der Biegelinie der Kurbelwelle. Das „innere“ Moment bezeichnet die Längsverteilung der Biegemomente der nicht gestützten, somit „frei im Raum
276 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks schwebenden“ Kurbelwelle (Bild 8‑28). Meist müssen zwei senkrecht zueinander stehende Wirkungsebenen betrachtet werden. Die freie Durchbiegung der Kurbelwelle unter dem „inneren“ Moment ist eine fiktive Vergleichsgröße zur Beurteilung der Güte des „inneren“ Massenausgleichs. Daneben interessiert das „Gehäuse-Biegemoment“ ohne Stützwirkung der inneren Hauptlager. Bild 8‑28 zeigt dieses am einfachen Beispiel eines R4‑Viertakttriebwerks, wo kröpfungsbedingt nur eine Ebene zu betrachten ist. Ebenfalls dargestellt ist die Verringerung des Gehäuse-Biegemoments bei Anbringung unterschiedlich großer Gegengewichtsmassen.
8.3.8
Drehkraftverläufe
Massenkraft bedingter Drehkraftverlauf Die mit dem Kurbelwinkel veränderlichen Drehkräfte Ft(j) regen Drehschwingungen des Triebwerks an (s. Abschn. 8.4). Die Drehkraft Ft kann gemäß Gl. (8‑4) aus der Kolbenkraft FK berechnet werden. Im Fall der Massendrehkraft Ftmosz reduziert sich die Kolbenkraft auf die oszillierende Massenkraft Fmosz (Gl. 8‑1):
(8-60)
Einsetzen der Beschleunigung x¨ der oszillierenden Masse (Gl. (8‑29)), d. h. Berücksichtigung der Terme 1. und 2. Ordnung, führt schließlich zu folgendem Ergebnis: (8-61)
Der Bezug auf die Kolbenfläche AK liefert den Tangentialdruck ptmosz = Ftmosz /AK der oszillierenden Massenkraft. Bei Mehrzylindertriebwerken heben sich infolge Überlagerung bei Phasenverschiebung bestimmte Ordnungen gegenseitig auf und tragen nicht zum resultierenden Drehmoment bei [8‑1].
Gaskraft bedingter Drehkraftverlauf Im Fall der Gasdrehkraft FtGas ist die Kolbenkraft FK in Gl. (8-60, oben) durch die im Zylinder wirkende Gaskraft FtGas = pZ(j)AK zu ersetzen. Aufgrund des periodischen Verlaufs des Zylinderdrucks pZ(j) kann die Gasdrehkraft mittels harmonischer Analyse [8‑52] in ihre harmonischen Anteile zerlegt, somit als Fourier-Reihe dargestellt werden (Bilder 8‑29 und 8‑30) [8‑53]:
(8-62)
Bild 8-28 Längsverteilung des Biegemoments der nicht gestützten Kurbel‑ welle und des Gehäusebiegemoments am Beispiel eines R4‑Viertaktmotors (oben); Gehäusebiegemoment bei unterschiedlichem „inneren“ Massenaus‑ gleich (unten)
FˆtGasi ist die i. harmonische Erregeramplitude der Drehkraft, di der zugehörige Phasenwinkel (niedrigste Ordnung beim Viertakter: i = 1/2, beim Zweitakter: i = 1, ). Auch für die Gaskraft kann ein Tangentialdruck (ptGas = FtGas/AK) defi-
8.3 Massenausgleich des Triebwerks 277 Massendrehkraft erfolgt wegen der Phasenbeziehungen durch Vektoraddition (z. B. [8‑2]). Die Massendrehkraft ist oberhalb der 4. Ordnung vernachlässigbar klein.
Haupt- und Nebenerreger-Ordnungen
Bild 8-29 Harmonische Anteile der Drehkraft (Tangentialkraft) Fi am Bei‑ spiel des Viertakt-Hubkolbenmotors
niert werden. Außerdem gilt für den mittleren indizierten Arbeitsdruck pmi = 2p FtGas0/AK . Bei Mehrzylindermotoren ergeben die Zündabstände die Phasenverschiebungen der Drehkraftverläufe. Überlagerung führt wiederum zum resultierenden Drehmoment. Bei V‑Motoren ist es sinnvoll, zunächst den Drehkraftverlauf eines Zylinderpaars zu bestimmen. Die Überlagerung der Harmonischen der Gas- und
Die Erregung von Drehschwingungen erfolgt durch höhere Ordnungen der Gasdrehkraft. Analog zu den Kurbelsternen gibt es auch für die Harmonischen der Drehkräfte entsprechende Zeigerdiagramme. Bei einer Haupterreger-Ordnung iH sind die Zeiger gleichgerichtet (Bild 8‑31). Liegen die Zeiger auf einer Linie, zeigen jedoch in entgegen gesetzte Richtung, so handelt es sich um 1. Nebenerreger-Ordnungen iN . Die Amplituden der resultierenden Haupterreger-Drehmomente sind im Gegensatz zu denen der Nebenerreger-Drehmomente unabhängig von der Zündfolge [8‑2], die entsprechend günstig zu wählen ist (Regeln hierfür z. B. in [8‑1]).
8.3.9
U ngleichförmigkeit der Drehbewegung, Bemessung des Schwungrads
Der ungleichmäßige Drehkraftverlauf des Hubkolbenmotors erzeugt eine Drehzahlschwankung Dw während eines Arbeitszyklus. Diese Drehzahlschwankung bezogen auf die mittlere – ist der Ungleichförmigkeitsgrad d ≤ 10%: Drehzahl w U
(8-63)
Bild 8-30 Beispielhafte Amplituden der Harmo‑ nischen der Gasdrehkraft Ft Gasi beim Zwei- und Viertaktmotor nach [8‑53]
278 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-31 Zeigerdiagramme (Richtungssterne) der Erreger-Drehmomente; Haupter‑ reger-Ordnungen, 1. und weitere Ne‑ benerreger-Ordnungen des R6‑Vier‑ taktmotors mit Zündfolge 1 – 3 – 5 – 6 – 4 – 2
Die während eines Arbeitszyklus (hier Viertaktmotor vorausgesetzt) geleistete innere Arbeit Wi verlangt bezüglich des mittleren Tangentialdrucks ¯p¯l und des mittleren indizierten Arbeitsdrucks pmi folgende Äquivalenz:
(8-64)
AK ist die Kolbenfläche, r der Kurbelradius und z die Zy linderzahl. Die Änderung der Rotationsenergie während einer Beschleunigungs- bzw. Verzögerungsphase (w1 → w2) im Kurbelwinkelbereich j1 bis j2 unter Berücksichtigung des auf die Kurbelwelle bezogenen Massenträgheitsmoments Θges des Triebwerks liefert eine energetische Betrachtung:
(8-65)
Somit kann der „Arbeitsüberschuss“ WÜ – gemäß Definition die Differenz zwischen dem sich dabei zeigenden größten positiven und negativen Energiebetrag – bestimmt und der Ungleichförmigkeitsgrad dU angegeben werden:
(8-66)
Nicht zuletzt erfordert akzeptables Leerlaufverhalten ein ausreichendes Schwungrad-Massenträgheitsmoment ΘSchw . Dieses kann in Abstimmung mit dem Massenträgheitsmoment der Kurbelwelle ΘKWges einschließlich der auf diese zu beziehenden Massen richtig bemessen werden (z. B. [8‑2]):
(8-67)
8.4
Drehschwingungen des Triebwerks
8.4.1
Vorbemerkungen zu Triebwerksschwingungen
Die dreh-, biege- und längselastische Kurbelwelle stellt mit den Triebwerksmassen ein schwingungsfähiges System dar, das durch Wechselkräfte, Wechseldreh- und -biegemomente zu Schwingungen angeregt wird. Diese verursachen eine zusätzliche dynamische Beanspruchung der Kurbelwelle und deren Lagerung (s. Abschn. 8.2.4). Im Resonanzfall können unzulässig große Schwingungsamplituden zum Dauerbruch führen. Triebwerksschwingungen tragen darüber hinaus ganz wesentlich zur Körperschallanregung bei. Die heute übliche Zwischenlagerung jeder Kurbelkröpfung erzeugt Kurbelwellen mit kurzen Hauptlagerabständen, wodurch die biegekritischen Drehzahlen in günstiger Weise angehoben
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks 279 werden. In der Realität sind zwar alle Schwingungsphänomene miteinander gekoppelt, aber in der Konzeptphase des Triebwerks (s. Abschn. 8.2.4.2) wird Biegeschwingungen zunächst nicht die gleiche Bedeutung wie Drehschwingungen beigemessen (bezüglich gekoppelter Triebwerksschwin gungen z. B. [8‑37]).
8.4.2
Dynamische Ersatzmodelle des Triebwerks
8.4.2.1
Ersatzmodelle für Motor- und Antriebsstrang
Die ungleichförmigen Gas- und Massendrehkraftverläufe (Gln. (8‑61) und (8‑62)) sowie veränderliche Lastmomente im Antriebsstrang regen das Triebwerk von Hubkolbenmotoren zu Drehschwingungen an. Die Schwingungsamplituden, d. h. elastische, dynamische Torsionsverformungen des Triebwerks, überlagern die Drehbewegung. Die Berechnung der Drehschwingungen kann sich auf den Motor selbst (Kurbeltrieb einschließlich Schwungrad) beziehen oder den kompletten Antriebsstrang ohne oder mit Verzweigung (Motor, Arbeitsmaschine, zwischengeschaltete Getriebe, Antriebswellen etc.) umfassen (Bild 8‑32). Die isolierte Betrachtung des Motors ist zulässig, wenn ein herkömmliches Schwungrad – anders als beim Zwei-
massen-Schwungrad – aufgrund seiner großen Massenträgheit im betrachteten Frequenzbereich einer weitgehenden Entkopplung vom restlichen Antriebsstrang gleichkommt. Übliche Drehschwingungs-Ersatzmodelle entsprechen dem elastisch gekoppelten Mehrmassenschwinger (z. B. [8‑54]). Auf einer ungekröpften, masselosen Ersatzwelle sind Ersatzdrehmassen angeordnet. Für das Triebwerk gibt es pro Kröpfung eine Ersatzdrehmasse. Hinzu kommt das Schwungrad. Für den gesamten Antriebsstrang sind vereinfachte Ersatzmodelle gebräuchlich.
8.4.2.2
Massen- und Längenreduktion
Die Ersatzlängen lred von Wellenabschnitten und die dazwischen angeordneten Ersatzdrehmassen Θred werden mittels Längen- und Massenreduktion bestimmt [8‑1], [8‑6]. Die Massenreduktion beruht auf dem Prinzip äquivalenter kinetischer Energie des Ersatzmodells:
(8-68)
(Formelzeichen s. Abschn. 8.3.2). Im Gegensatz zu einer rotierenden Masse ändert sich beim Hubkolbentriebwerk die kinetische Energie einer oszillierenden Masse und damit die
Bild 8-32 Antriebsstrang mit Verzweigung be‑ stehend aus Motor mit Schwungrad, Getriebe, Generator und Antriebswel‑ le hier mit Schraube; Drehschwin‑ gungs-Ersatzsysteme
280 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks Ersatzdrehmasse (das Massenträgheitsmoment) Θred mit dem Kurbelwinkel j :
(8-69)
Es wird daher ein repräsentativer Wert benötigt, den z. B. die Frahmsche Formel liefert:
(8-70)
sichtigen. Besonders geeignet hierfür ist die Finite Elemente Methode (FEM). Man kann sich andererseits verschiedener Reduktionsformeln bedienen (Faustformeln für langsam laufende Großdieselmotoren nach Geiger oder Seelmann, für schnelllaufende Fahrzeug- und Flugmotoren nach B.I.C.E.R.A. (British Internal Combustion Engine Research Association), Tuplin oder Carter (z. B. [8-53], [8-55], [8-56])). Die übersichtlichste ist die nachfolgend angegebene nach Carter:
Die Längenreduktion wird so vorgenommen, dass die dreh elastische Verformung eines Ersatzwellenabschnitts der Länge lred der einer Kurbelkröpfung, bestehend aus zwei Anteilen des Wellengrundzapfens, dem Hubzapfen sowie den beiden Kurbelwangen, in der Realität entspricht. Zweckmäßigerweise erfolgt dabei ein Bezug auf das polare Flächenträgheitsmoment Ired = IKWG des Grundzapfens. Bei homogener Kurbelwelle genügt die Ersatz-Torsionsfedersteifigkeit c der Gleichung:
(8-71) G ist der Schubmodul des Werkstoffs der Ersatzwelle bestehend aus den reduzierten Längen li = lred . Neben der reinen Torsion durch ein äußeres Drehmoment ist die zusätzliche Verformung infolge tangentialen Kraftangriffs am Hubzapfen nicht zu vernachlässigen (s. auch Bild 8‑12). Die Verfahren zur Längenreduzierung müssen diesen Umstand berück-
(8-72)
mit: Ired – polares Flächenträgheitsmoment des Bezugsquerschnitts, IKWG, IKWH – entsprechende Größen des Grund- und Hubzapfenquerschnitts, lKWG, lKWH – zugehörige Zapfenlängen,
– äquatoriales Flächenträgheitsmoment eines repräsentativen (mittleren) Kurbelwangenquerschnitts (I*KWW ⊥ IKWW) und r – Kurbelradius (s. auch Bild 8‑13).
8.4.2.3
Reduktion von Getrieben
Ein Antriebsstrang mit Getriebe lässt sich auf ein Ersatzsys tem mit durchlaufender Welle und einzelnen Drehmassen reduzieren. Voraussetzung ist die Äquivalenz der potenziellen und kinetischen Energie. Die Bezugswelle – i. d. R. die Kurbelwelle – entspricht dem realen System. Die Drehmassen Θi und Drehsteifigkeiten ci werden mit dem Übersetzungsverhältnis i (nicht zu verwechseln mit dem Index i) auf die Bezugswelle wie folgt reduziert (Bild 8‑33):
(8-73)
Bild 8-33 Reduktion eines realen Drehschwingungs‑Systems mit Überset‑ zungsgetriebe auf ein Ersatzsystem mit durchlaufender Welle
(8-74)
Die hier nicht erläuterten Formelzeichen werden aus Bild 8‑33 ersichtlich. Die Drehmassen eines Getriebes müssen dabei nach folgendem Prinzip zu einer Ersatzdrehmasse ΘGred zusammengefasst werden, wobei der Index „1“ die Bezugswelle, der Index „2“ die übersetzte Welle kennzeichnet:
(8-75)
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks 281
8.4.2.4
Dämpfung des Hubkolbentriebwerks
Dämpfungseinflüsse auf Drehschwingungen von Triebwerken sind äußerst vielfältig. Reibung, Quetsch- und Plansch ölverluste bewirken die äußere, Werkstoffeigenschaften und bei gebauten Kurbelwellen auch Fügestellen die innere Dämpfung. Die üblichen Ansätze sind linear und geschwindigkeitsproportional. Das Einsetzen wirklichkeitsnaher Koeffizienten in die Dämpfungsmatrix K (s. Abschn. 8.4.2.5) gestaltet sich schwierig, ändert sich doch die äußere Reibung mit dem Betriebszustand (Schmieröltemperatur) und der Betriebszeit des Motors (Verschleiß der Triebwerkskomponenten, Alterung des Schmieröls usw.). Die innere Dämpfung ist genau genommen auch abhängig vom Torsionswinkel. Ferner sind beide Anteile frequenz- und somit drehzahlabhängig. Die Praxis orientiert sich daher oft an Erfahrungswerten aus dem Vergleich Messung – Rechnung. Eine gängige Methode ist eng verknüpft mit der Entkopplung des Schwingungsgleichungssystems (s. Abschn. 8.4.3.3). Für die Anteile der äußeren und inneren Dämpfung Ka, Ki der Dämpfungsmatrix K gilt dabei folgender Ansatz [8-54]: (8-76) Dieser beinhaltet Proportionalitätsfaktoren a für die äußere Dämpfung bezogen auf die Matrix der Drehmassen und b für die innere Dämpfung bezogen auf die Steifigkeitsmatrix C.
8.4.2.5
S chwingungsgleichungssystem, Systemparameter
Ein Drehschwingungs-Ersatzmodells ist ein System von n Drehmassen und demzufolge n – 1 Eigenfrequenzen und Eigenschwingungsformen (Bild 8‑34). Die Anzahl der Schwingungsknoten entspricht dem Grad der Eigenschwingungs form. Des Öfteren genügt es, nur die Schwingungsform 1. Grades mit nur einem Schwingungsknoten zu berücksich-
tigen, weil die übrigen kritischen Drehzahlen oberhalb des Nutzdrehzahlbereichs liegen. Die Drehbeschleunigung ϑ¨ der einzelnen Drehmasse Θ
folgt aus dem Drallsatz:
i
i
(8-77) (8-78)
ist das resultierende Torsionsmoment der beidseitig an einer Drehmasse wirkenden Torsionsmomente. Das Torsionsmoment MTi+1 im betrachteten Wellenabschnitt ist dabei der Differenz der Torsionswinkel ϑi+1 – ϑi der angrenzenden Ersatzdrehmassen proportional. Die Konstante ci+1 ist die Torsionsfedersteifigkeit. Gemäß Bild 8‑34 kann auf der Basis der Gl. (8‑77) und (8‑78) ein System von Differentialgleichungen aufgestellt werden: ¨ + C = 0 (8-79) Damit können die modalen Größen unter Vernachlässigung der relativ geringen Dämpfung des Schwingungssystems be¨ sind als Vektoren, als Matrix der stimmt werden. bzw. Drehmassen und C als Steifigkeitsmatrix aufzufassen. Zur Berechnung erzwungener Drehschwingungen müssen die Dämpfung in Form der Dämpfungsmatrix K und der Vektor der Erreger-Drehmomente ME(t), d. h. beim Mehrzylindermotor die Beiträge der einzelnen Zylinder, berücksichtigt werden (Bild 8‑35). Dabei sind die Phasenbeziehungen (Zündabstand, Zündfolge) zu beachten. Die ˙ , hier Dämpfungsmomente sind den Schwingschnellen ebenfalls als Vektor aufzufassen, proportional: ¨ + K. + C = ME (t) (8-80) Die Bewegungs-Differentialgleichungen eines Ersatzmodells mit beispielsweise noch übersichtlichen vier Ersatzdrehmassen nimmt dann folgende Form an, wobei die Erweiterung auf n Ersatzdrehmassen nach der hier erkennbaren Systematik vorzunehmen ist:
(8-81)
Bild 8-34 Drehschwingungs-Ersatzmodell des Triebwerks ohne Berücksich‑ tigung der Dämpfung
Die Erreger-Drehmomente folgen aus der Überlagerung der Gas- und Massendrehkräfte (s. Abschn. 8.3.8). Bei Betrach-
282 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-35 Drehschwingungs-Ersatzmodell des Trieb‑ werks mit Berücksichtigung der inneren und äußeren Dämpfung
tung des kompletten Antriebsstrangs wird für den Mehrzylindermotor nur ein resultierendes Erreger-Drehmoment mit seinen relevanten Harmonischen als eine Komponente des Vektors der Erregerdrehmomente gebildet. Dieses leistet dieselbe Erregerarbeit wie die in der Phase verschobenen Erreger-Drehmomente der einzelnen Zylinder (z. B. [8‑2]). Ferner sind die jeweiligen Last- und Reibmomente der einzelnen Systemkomponenten Bestandteile des betreffenden Vektors. In Abschn. 8.4.2.4 wird bereits zwischen innerer und äußerer Dämpfung unterschieden (hierfür gebräuchlicher Ansatz: Gl. (8‑76)). Für die Koeffizienten kij der Dämpfungsmatrix und cij der Steifigkeitsmatrix gelten unter Beachtung der in Bild 8‑35 dargestellten Verhältnisse folgende Berechnungsvorschriften: (8-82)
8.4.3
Berechnung der Drehschwingungen
8.4.3.1
L ösung der Bewegungs-Differentialgleichungs systeme
Die Lösung des Systems homogener Differential-Gln. (8‑79) liefert bekanntlich die modalen Größen des Schwingungssys tems:
– Eigenkreisfrequenzen w0k und ˆ , d. h. – zugehörige Eigenschwingungsformen ˆek bzw. M Tek Amplituden der Torsionswinkel- und -momente. Die Eigenschwingungsformen lassen sich bildlich in Form relativer (normierter) Drehschwingungsamplituden der Ersatzdrehmassen bezogen auf Θ0 oder den größten Θ-Wert sowie ihrer Anzahl und Lage der Schwingungsknoten beschreiben. Die Lösung des Systems inhomogener Differential-Gln. (8-81) folgt in zwei Schritten: – Ermittlung der Amplitudenfrequenzgänge aij (w) mit zugehörigen Phasenbeziehungen bij (w) sowie Übertra gungsfaktoren gij , – Bestimmung der von den Erregerdrehmomenten erzwun genen Torsionswinkel ϑi (t) und Torsionsmomente MT i (t) in den einzelnen Wellenabschnitten. Unverzweigte wie verzweigte Systeme sind durch zur Haupt diagonalen symmetrisch angeordnete Koeffizienten der Steifigkeits- und Dämpfungsmatrix gekennzeichnet. Bei unverzeigten Systemen fällt zudem die bandförmige Struktur ins Auge (Gl. 8‑81)). Die Auswahl geeigneter Lösungsverfahren orientiert sich am Aufbau der genannten Matrizen. Die modalen Größen sind als Lösungen des nachfolgend erläuterten Eigenwertprob lems gegeben. Hierzu stehen insbesondere folgende Algorithmen zur Lösung des Gleichungssystems zur Verfügung: – Determinantenmethode – Verfahren von Holzer-Tolle und – Verfahren der Übertragungsmatrizen. Die beiden zuletzt genannten Verfahren unterscheidet lediglich die mathematische Darstellung. Ihre Anwendung emp-
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks 283 fiehlt sich nur bei unverzweigten Systemen. Die beiden zuerst genannten Verfahren werden nachfolgend kurz erläutert. Die Modal-Analyse kann auch an einer geeignet diskretisierten Struktur des Triebwerks mittels der Finite-Elemente-Methode (FEM) durchgeführt werden.
Determinantenmethode
8.4.3.2
Der Lösungsansatz (8-83) führt beim Gleichungssystem (8‑85) zum Eigenwertproblem (C – w2 )ˆ = 0.
(8-84)
Dieses Gleichungssystem wiederum hat nur im folgenden Fall nichttriviale Lösungen: det (C – w2 ) = 0
(8-85)
Die Berechnung der Determinante erzeugt ein charakteris tisches Polynom n. Grades Pn(w), dessen Nullstellen die Eigenkreisfrequenzen w0k, k = 0, 1, 2, …, n – 1, darstellen (w00 = 0) gehört zur Starrkörperbewegung, deren triviale Eigenschwingungsform für alle Freiheitsgrade gleich große Schwingungsamplituden aufweist). Die Lösungen des Gleichungssystems (8-85) bilden nach Einsetzen einer bestimmten Eigenkreisfrequenz w0k den zugehörigen Eigenvektor k. Grades ˆek . Dessen n Komponenten, d. h. Torsionsschwingungsamplituden der Ersatzdrehmassen, werden wegen linearer Abhängigkeit der Lösungen normiert dargestellt (Bild 8‑36). Die entsprechenden n – 1 normierten Torsionsˆ Tek lassen sich gemäß momentamplituden des Vektors M Gl. (8‑78) berechnen. Gängige Mathematik-Software hält Methoden zur Lösung solcher Gleichungssysteme bereit.
Verfahren von Holzer-Tolle Die Gl. (8‑77) und (8-78) werden nach Einsetzen der Ansätze
in folgende Form gebracht:
weite Dw erhöht. Erfüllt das „Resttorsionsmoment“ die Beˆ = 0, so ist w = w . Das Programm bricht die dingung M Tn 0k Berechnung ab, wenn beim „automatischen Hochlauf “ von w schließlich k = n – 1 Eigenkreisfrequenzen gefunden wurden. Die Berechnung liefert zwangsläufig auch die Kompoˆ . nenten der Eigenvektoren ˆek bzw. M Tek
(8-86)
Die Übertragungsfunktion H(w) ist ein Quotient. Sie beschreibt das mit der Kreisfrequenz w veränderliche Verhältnis zwischen einer dynamischen Ausgangs- und Eingangsgröße eines Systems. Hier werden die Drehschwingungs amplituden ˆ als Systemantwort auf die Amplituden der Er ˆ bezogen. Dabei ist es zweckmäßig, reger-Drehmomente M E bei einem beliebigen harmonischen Erreger-Drehmoment ME(t) von einer mathematisch komplexen Schreibweise und der Eulerschen Formel Gebrauch zu machen, und einen analogen Ansatz für den Torsionswinkel ϑ(t) zu wählen: (8-88) Das System inhomogener Differential-Gln. (8‑80) nimmt dann folgende Form an: ˆ ˆ (– w2 + jw K + C) = ˆ B = M E –1 –1 ˆ ˆ =B M B = H ( jw)
(8-89)
E
B–1 = H (jw), d. h. die invertierte Matrix B, ist die Matrix der
Übertragungsfunktionen mit den komplexen Elementen Hij(jw) (Index j ist von der mit selbem Symbol dargestellten imaginären Einheit j = –1 zu unterscheiden): (8-90) Mittels dieser Übertragungsfunktionen lassen sich die Amplitudenfrequenzgänge aij(w) und die zugehörigen Phasenverschiebungen bij(w) der Ersatzdrehmassen an den Stellen i infolge der Erreger-Drehmomente an den Stellen j berechnen:
Ermittlung der Frequenzgänge
(8-91)
(8-87)
ˆ = 0 und z. B. beliebig ϑˆ = Die Anfangswerte sind dabei M T0 0 1. Das rekursive Verfahren ist für die Programmierung hervorragend geeignet. Der Startwert der Kreisfrequenz beträgt z. B. w = 0. Die Kreisfrequenz wird dann von Berechnungsschleife zu Berechnungsschleife um eine geeignete Schritt-
Die Größen gij bezeichnen dabei die Übertragungsfaktoren. Bild 8‑37 zeigt beispielhaft und schematisch solche Amp litudenfrequenzgänge aij(w) eines Zweimassen-Schwingers ohne und mit einer bestimmten Dämpfung.
284 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-36 Beispielhafte Eigenschwingungsformen (normierte Schwingungsamplituden) eines Drehschwingungssystems mit sechs Freiheitsgraden, zugehörige nor‑ mierte Torsionsmomente in den Wellenabschnitten
Bild 8-37 Schematische Darstellung der Amplitudenfrequenzgänge a00(ω), a11(ω) und α01(ω) für die Drehmassen Θ0 und Θ1 eines Zweimassen-Schwingers bezogen auf die Erreger-Drehmomente ME0(t) und ME1(t) ohne und mit Dämpfung
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks 285
8.4.3.3
E rmittlung erzwungener Drehschwingungs amplituden
Ausgehend von einem Ansatz analog zu Gl. (8‑62)
(8-92) für die an den Stellen j gleichzeitig wirkenden harmonischen Erreger-Drehmomente der Ordnungen n des Motors (s. Abschn. 8.3.8) lassen sich die Torsionswinkel der Ersatzdrehmassen an den Stellen i durch Superposition (Überlagerung der Einzelanteile) berechnen:
(8-93)
Im Fall einer anderen, beliebigen harmonischen Erregung im Antriebsstrang sind die Erregerkreisfrequenzen nw in den Gln. (8‑92) und (8‑93) durch nwj zu ersetzen, wobei dann k = 1 gilt. Die Torsionswinkelanteile ϑij können alternativ auch mittels Fourier-Transformation einfach berechnet werden:
(8-97) (8-98)
Es besteht nun die Möglichkeit, für die Resonanzamplituden modale Dämpfungen Dk = k*k/(2Θ*kwk) zu verwenden. Die Rücktransformation gemäß Gl. (8‑95, 1. Zeile) liefert den Torsionsschwingungsausschlag der Drehmasse Θi an der Stelle i:
(8-99)
Die zugehörigen Torsionsmomente in den Wellenabschnitten werden wiederum gemäß Gl (8‑78) berechnet. Bild 8‑38 zeigt noch ein signifikantes Beispiel für den Einfluss der Zündfolge auf die Erregung von Drehschwingungen. Dargestellt sind am Beispiel eines R6‑Triebwerks die im Abschn. 8.4.2.5 bereits erwähnten Ersatzerreger-Drehmomente wichtiger Ordnungen. Diese sind bei vereinfachter Berechnung gedacht als Ersatz für die Erreger-Drehmomente
(8-94) Für die Beschreibung der dynamischen Systemeigenschaften können anstelle komplexer Übertragungsfunktionen auch vollständig entkoppelte Gleichungen herangezogen werden. Unter Zuhilfenahme modaler Größen wird das Gl.-System (8‑80) hierzu mit der Matrix der Eigenvektoren ϑe auf modale Koordinaten x (Hauptkoordinaten genannt) transformiert und mit dem transponierten Vektor ϑeT multipliziert:
(8-95)
(8-96) Die Transformation (Gln. (8‑95) zur Entkopplung der Gleichungen führt nur für K = 0 zum Ziel [8‑54]. Die Matrizen der Systemparameter ϑeTΘϑe und ϑeTCϑe werden dadurch „diagonal“. Sie sind nur noch in der Hauptdiagonalen mit modalen (generalisierten) Koeffizienten besetzt. Um die Entkopplung mit Dämpfung zu gewährleisten, muss bei der Dämpfungsmatrix ϑeTKϑe von einem Ansatz gemäß Gl. (8‑76) Gebrauch gemacht werden. Für die k = 1 bis n – 1 Eigenschwingungsformen liegen jetzt voneinander unabhängige, einfach zu lösende Gleichungen modaler EinmassenSchwinger vor:
Bild 8-38 Ersatzerreger-Drehmomente der relevanten Ordnungen n (leisten gleiche Erregerarbeit wie die in der Phase verschobenen Erreger-Drehmo‑ mente MEjn der Ordnungen n an den Stellen j) im relativen Größenvergleich und entsprechende kritische Drehzahlen eines R6‑Triebwerks bei unterschied‑ licher Zündfolge (nach [8‑2])
286 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks ˆ einer Ordnung n an den Stellen j und greifen fiktiv am M Ejn freien Wellenende an. Hierzu müssen die relativen Drehschwingungsamplituden der betrachteten Eigenschwingungsform in Richtung der Strahlen des Kurbelsterns der betrachteten Ordnung abgetragen werden. Die Vektorsumme liefert einen resultierenden Vektor. Dessen Betrag muss schließlich noch mit der Amplitude der entsprechenden Harmonischen der Drehkraft und dem Kurbelradius multipliziert werden. Bild 8‑38 zeigt solche Ersatzerreger-Drehmomente im relativen Größenvergleich sowie die entsprechenden kritische Drehzahlen (Darstellung nach [8‑2]).
8.4.4
Dämpfung und Tilgung von Drehschwingungen
8.4.4.1
Drehschwingungsdämpfer und -tilger
Bei fester Betriebsdrehzahl des Motors ist ein resonanzfreier Betrieb durch eine entsprechende Systemabstimmung prinzipiell möglich. Allerdings müssen beim Hochfahren und Auslaufen Drehschwingungs-Resonanzen durchfahren werden. Bei instationärem Betrieb ist das sich wiederholende Durchfahren von bzw. das zeitweilige Verharren in Resonanzbereichen kaum zu vermeiden. Daher werden Drehoder Torsionsschwingungsdämpfer („TSD“) und -tilger – üblicherweise am freien Ende der Kurbelwelle, dort, wo große
Schwingungsamplituden auftreten – angebracht. Sie reduzieren diese im betreffenden Resonanzfrequenzbereich, begrenzen damit die Schwingungsbeanspruchung, wirken Verschleiß mindernd und verbessern den Komfort. Bild 8‑39 zeigt die prinzipielle Wirkungsweise von Tilger und Dämpfer sowie die bei Kombination beider Konzepte: – Drehschwingungsdämpfer wandeln Bewegungsenergie in Wärme um. Sie bestehen aus einer Zusatzdrehmasse ΘD, die über ein theoretisch rein dämpfendes (kD), in der Realität jedoch zudem elastisches Element (cD > 0) mit der Welle verbunden ist. Die dämpfende Wirkung wird mittels Schubspannungen in hochviskosem Siliconöl, Reibflächen in Verbindung mit Stahlfedern, Ölverdrängung oder Werkstoffdämpfung von Elastomeren erzeugt. Die unvermeidliche Elastizität erzeugt mit der gekoppelten Dämpfermasse eine zusätzliche Resonanzfrequenz, die unterhalb des Erreger-Frequenzbereiches liegen muss. Die ursprüngliche Resonanzfrequenz wird zu höheren Fre quenzen hin verschoben. Ausreichende Wärmeabführung ist die Voraussetzung für Funktion und Lebensdauer der primär auf Energiedissipation basierenden Dämpferwir kung. Federsteifigkeit und Dämpfung entsprechender Werkstoffe sind mehr oder weniger amplituden- und temperaturabhängig. Der zusätzliche Tilgungseffekt ist bauartbedingt. Ein Dämpfer ist umso wirksamer, je weiter entfernt er vom Schwingungsknoten eingebaut wird.
Bild 8-39 Prinzipielle Wirkungsweise von Drehschwingungsdämpfer, -tilger und Kombination beider Konzepte am einfachen Beispiel der Vergrößerungsfunktion (Amp‑ litudenüberhöhung) des ungedämpften Einmassenschwingers; a), b) und c) Resonanzabstimmung; a reine Tilgung ohne Dämpfung; b starre Kopplung der Tilgermasse; c Tilgung mit Dämpfung; d und e Dämpfung ohne Tilgung; e dabei optimale Auslegung nach [8‑2]; f optimale Tilgung mit Dämpfung nach [8‑2]
8.4 Drehschwingungen des Triebwerks 287 – Drehschwingungstilger erzeugen, ein den Erreger-Dreh momenten entgegen gerichtetes Massendrehmoment. Sie vernichten keine Schwingungsenergie, sondern lenken diese größtenteils zum angekoppelten Tilgersystem ab. Sie bestehen ebenfalls aus einer Zusatzdrehmasse ΘT und einer Drehfeder der Steifigkeit cT . Die unvermeidlichen Dämpfungseigenschaften (kD > 0) der Drehfeder wie auch des gesamten Schwingungssystems reduzieren die Wirk samkeit des Tilgers im Frequenzbereich, für den er ausge legt wurde. Diese Tilgereigenfrequenz wird auf die Erregerfrequenz abgestimmt (Resonanzab stimmung). Bei Hoch- und Auslaufvorgängen können beim Durchlaufen der durch den Tilger zusätzlich verur sachten Resonanzfrequenz – die ursprüngliche Resonanz stelle wird wiederum in zwei benachbarte Resonanzstellen aufgespaltet – infolge geringer Dämpfung große Schwin gungsamplituden auftreten. Letzteres gilt auch für die Tilgermasse selbst. Die Drehschwingungsamplituden des Tilgers sind daher bei dessen Auslegung/Anpassung auf Zulässigkeit zu überprüfen. Große Beanspruchung der Drehfeder begrenzt die Lebensdauer des Tilgers, ein prak tischer Grund, warum Tilgung mit Dämpfung kombiniert werden. Unter „innerer Tilgung“ ist eine – nachträglich meist nur in einem engen Frequenzbereich mögliche – Anpassung der Systemparameter zu verstehen. Beim „drehzahl adaptiven Tilger“ („DAT“) kann, was allgemein wünschens wert ist, der Einfluss der Erreger-Ordnung, auf die der Tilger abgestimmt ist, im gesamten Drehzahlbereich unterdrückt werden (z. B. Sarazin-Tilger [8‑1], [8‑53]).
Bild 8-40 Bauarten von Drehschwingungsdämpfern/-tilgern, a GummiDrehschwingungstilger, b viskoelastischer Drehschwingungstilger, c hydrody‑ namisch gedämpfter Drehschwingungstilger (Hülsenfederdämpfer, MAN B&W Diesel AG)
Dessen Eigenfrequenz verhält sich nämlich proportional der Drehzahl. Die Funktion beruht dabei auf dem Prinzip des Fliehkraftpendels. Die Ersatzsysteme von Drehschwingungsdämpfern und -tilgern sind aus oben erwähnten Gründen identisch. Nur deren Einsatzbereich unterscheidet sich gewissermaßen. In ihrer praktischen Ausführung genügen sie – abhängig von der jeweiligen Ausführung – mehr oder weniger beiden Anforderungen (Bild 8‑40). Bei mehr als vier Zylindern reicht die Eigendämpfung durch Schmierölverdrängung in den Hauptund Pleuellagern [8‑56] meist nicht mehr aus. Der herkömmliche, einfache „Gummidämpfer mit Schwungring“ erreicht angesichts begrenzten Bauraums schnell seine Grenzen, sodass mit steigender Zylinderzahl aufwändigere Kons truktionen erforderlich werden. Speziell bei sehr hohen Gasdrehkraftamplituden aufgeladener Motoren werden Drehschwingungsdämpfer bzw. -tilger unvermeidlich. Bei Fahrzeugmotoren ist häufig auch die Kombination Riemenscheibe – TSD anzutreffen. Nebenbei sei auch der zunehmende Einsatz von entkoppelten Riemenscheiben, zusätzlichen Kurbelwellen-Biegeschwingungsdämpfern, Nocken wellen- und Ausgleichswellentilgern bzw. -dämpfern erwähnt.
8.4.4.2
Zweimassen-Schwungrad
Die aktuelle Entwicklung im Fahrzeugbereich – hohe dynamische Drehmomente, Massenreduzierung im Antriebs strang, Erhöhung der Zahl der Getriebegänge, Lastschaltgetriebe, niederviskose Schmieröle und besonders Kraftstoff sparendes, niedertouriges Fahren – verschärfen die Schwingungsproblematik im gesamten Antriebsstrang. Das Zweimassen-Schwungrad („ZMS“) dient daher bei Fahrzeugmotoren der Entkopplung des Triebwerks gegenüber dem Antriebsstrang (Bild 8‑41). Das Prinzip beruht auf der Trennung der Schwungmasse in eine motorseitige Primär- und eine abtriebsseitige Sekundärmasse durch dazwischen geschaltete drehelastische bzw. viskoelastische Elemente. Das ZMS erzeugt eine zusätzliche, sehr niedrige Eigenfrequenz im Schwingungssystem Triebwerk – Antriebsstrang. Es wirkt demnach als mechanisches Tiefpassfilter. Das Übertragungsverhalten verändert sich allerdings mit der Motordrehzahl, was bei der Auslegung zu berücksichtigen ist [8‑57]. Die motorseitige Anregung des Getriebes und des übrigen Antriebsstranges sind erheblich reduziert. Die demzufolge nahezu gleichförmige Drehbewegung der Getriebe eingangswelle wirkt sich sehr günstig auf die bekannten Geräuschphänomene des Antriebsstrangs (Getrieberasseln, Hinterachsbrummen usw.) aus. Die Drehungleichförmigkeit des Motors selbst wird durch das ZMS jedoch größer, weil
288 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-41 Zweimassen-Schwungrad, Prinzip‑ skizze und Ausführungsbeispiel (Foto: LuK GmbH & Co. oHG, Bühl)
die primäre Schwungmasse kleiner wird. Dies ist bei der Abstimmung des Steuertriebs und der Nebenantriebe zu beachten. Insgesamt wirkt sich das ZMS jedoch eher günstig auf die Torsions- und Biegeschwingungen des Triebwerks aus, weil die kleinere primärseitige Schwungmasse geringere Reak tionen der Kurbelwelle erzeugt (Bild 8‑42). Unter günstigen Umständen kann auf einen TSD sogar verzichtet werden. Die abtriebsseitig nur noch geringe Drehungleichförmigkeit ent-
lastet das Getriebe von hochfrequenten Drehmomentamplituden. Bei Dieselmotoren erlaubt dies die Übertragung eines um bis zu 10% höheren statischen Drehmoments [8‑58]. Die Resonanzfrequenz wird durch eine hinreichend große Sekundärschwungmasse unter die Leerlaufdrehzahl ge drückt. Eine gewisse Problematik stellt dennoch der Resonanzdurchgang mit großen Drehmomentamplituden beim Starten des Motors dar. Dieselmotoren mit drei und vier Zylindern sind in dieser Hinsicht eine besondere Herausfor-
Bild 8-42 Getriebeseitige Schwingungsisolation eines Zweimassenschwungsrads (ZMS) im Vergleich mit einem her‑ kömmlichen Schwungrad [8‑58]
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe 289 derung. Teilweise ist eine Zusatzdämpfung notwendig, die allerdings dann die Wirksamkeit des ZMS einschränkt. Hohes Startmoment und hohe Starterdrehzahl sowie eine optimale Abstimmung der Systemparameter können dieses Problem in Grenzen halten. Ruckeln beim Anfahren und Rasseln beim Abstellen des Motors können u. U. etwas störend in Erscheinung treten. Bei Dieselmotoren haben sich „Weitwinkel-Ausführungen“ mit hohem Verdrehwinkel bei niedriger Verdrehsteifigkeit bewährt. Auch im konventionellen Antriebsstrang von Kraftfahrzeugen leistet ein Torsionsdämpfer in der Kupplungsscheibe seinen Dienst, bei niedrigen Drehzahlen allerdings ohne nennenswerte Schwingungsisolation. In Nutzfahrzeugen kommen als Bindeglied zwischen Motor und Getriebe hyd raulische Torsionsschwingungsdämpfer mit einem FederMasse-System („HTD“) zum Einsatz. Neue Entwicklungen lösen den Zielkonflikt Dämpfung - Isolation (z. B. Hydrodamp® HTSD von Voith). Eine zusätzliche TSD-Funktion im Antriebsstrang hat auch der „Integrierte Starter Alternator Dämpfer“ (ISAD). Bei anderen Anwendungen kommen im Antriebsstrang auch hochelastische Wellenkupplungen mit Drehschwingungsdämpferfunktion sowie Überlastkupp lungen zum Einsatz.
– Pleuellager im kleinen Pleuelauge in Form von Buchsen, – Kolbenlager in Form von Buchsen, – Nockenwellenlager in Form von Halbschalen oder Buch sen, – Kipphebellager in Form von Buchsen, – Zwischenradlager bei Steuergetrieben in Form von Buch sen, – Massenausgleichswellenlager als Halbschalen oder Buch sen, – Kreuzkopflager in Form von Halbschalen, – Kreuzkopfführungen in Form von Gleitbahnen verwendet.
8.5
Lager und Lagerwerkstoffe
8.5.2
Funktionsweise und Beanspruchungen
8.5.1
Lagerstellen im Triebwerk von Dieselmotoren
8.5.2.1
Hydrodynamik der Gleitlager
Bei Dieselmotoren haben sich wie bei Ottomotoren Gleitlager als beste Lösung für die Triebwerkslager erwiesen. Gründe hierfür sind vor allem: – ihre Eignung zur Aufnahme starker stoßartiger Belastun gen, bedingt dadurch, dass der Schmierstofffilm zwischen Lager und Welle ein hochbelastbares Trag- und Dämp fungselement darstellt, – ihre Eignung für hohe Drehzahlen und ihre lange, meist die Lebensdauer des gesamten Motors erreichende Gebrauchsdauer, – ihr einfacher Aufbau in Form von massesparenden, dünn wandigen Lagerschalen, die problemlos geteilt hergestellt werden können, wie dies zur leichteren Montage in Verbindung mit Kurbelwellen nötig ist, – ihre wirtschaftliche Fertigungsmöglichkeit im Bandbe schichtungsverfahren, das eine gleichmäßig hohe Qualität gewährleistet. In Form und Werkstoff speziell auf den jeweiligen Anwendungsfall zugeschnitten, werden Gleitlager z. B. als: – Kurbelwellenhauptlager in Form von Halbschalen, – Pleuellager im großen Pleuelauge in Form von Halbscha len,
Aufgrund der höheren Verdichtungsverhältnisse und sehr hohen Gasdrücke sind Gleitlager in Dieselmotoren, insbesondere auch bedingt durch die übliche Turboaufladung, mechanisch weitaus stärker belastet als in Ottomotoren. Außerdem wird von Dieselmotoren in Nutzfahrzeugen, und mehr noch von Industrie- und Schiffsmotoren, eine wesentlich längere Gebrauchsdauer verlangt. Dieses Problem wird bezüglich der Gleitlager sowohl durch größere Lagerdimensionen als auch durch höher belastbare Lagerwerkstoffe gelöst.
Gleitlager in Verbrennungsmotoren arbeiten nach dem hy drodynamischen Funktionsprinzip. Das dem Lager an einer zweckmäßigen Stelle zugeführte Schmieröl wird durch Haftung an der Wellenoberfläche in Drehrichtung mitgenommen, wobei durch die so entstehende Schleppströmung in Verbindung mit dem sich durch exzentrische Verlagerung der Welle relativ zum Lager bildenden Schmierkeil ein Druck im Schmieröl aufgebaut wird. Das so entstehende Druckfeld wirkt als Federkraft. Neben der Drehbewegung führt die Welle infolge der veränderlichen Belastung Bewegungen mit einer radialen Komponente aus. Hierdurch wird der Schmierstoff sowohl in beide Umfangsrichtungen als auch in beide Axialrichtungen aus dem sich verkleinernden Schmierspalt verdrängt. Das durch diesen Vorgang entstehende Druckfeld wirkt als Dämpfungskraft. Die Druckfelder aus Drehung und Verdrängung überlagern sich zu einem resultierenden Druckfeld, das die Lagerreaktionskraft bildet und die Gleitflächen von Welle und Lager trennt. Bild 8‑43 zeigt die beiden Druckfelder und die zugehörigen Lagerreaktionskräfte. Grundlage von Berechnungen der Hydrodynamik in Gleitlagern bildet die Reynoldssche Differentialgleichung (Herleitung z. B. [8‑59]), in der die Schmierstoffströmung im Schmierspalt durch die mit der Kontinuitätsbedingung
290
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-43 Druckaufbau im Schmierstoff von instationär belasteten hydrodynamischen Gleitlagern. F Lagerbelastungskraft; FD Lagerreaktionskraft aus dem Druckfeld durch Drehung; FV Lagerreaktionskraft aus dem Druckfeld durch Verdrängung; e Exzentrizität des Zapfens; δ Lagewinkel der Zapfenexzentrizität; hmin minimale Schmierfilmdicke; ω Winkelgeschwindigkeit des Zapfens
verknüpfte Bewegungsgleichung (Navier-Stoke’sche Gleichung) beschrieben wird. Bei der nur numerisch möglichen Lösung der Differentialgleichung (z. B. nach [8-60] bis [8 64]) werden aus Vereinfachungsgründen üblicherweise zahlreiche idealisierende Annahmen und Voraussetzungen zugrunde gelegt. Die Zulässigkeit der meisten dieser Voraussetzungen ist experimentell und praktisch hinreichend bestätigt. Eine Ausnahme hiervon ergibt sich allerdings für die Annahme einer vollkommen steifen Lagergeometrie. Bei früheren Motoren war dies wegen der niedrigeren Belastungen und mit Reserven versehenen Dimensionierung noch annähernd zutreffend. Durch die heutigen aufgrund von Leistungssteigerungen und Leichtbauweise extrem gestiegenen spezifischen Lagerbelastungen ergeben sich insbesondere bei den Pkw- und Nfz-Dieselmotoren so große Betriebsverformungen, dass sie für eine verlässliche rechnerische Lager-Auslegung berücksichtigt werden müssen. Berechnungen der Hydrodynamik (HD) der Gleitlager mit steifen Lagergeometrien dienen bei diesen Anwendungen im Entwurfsstadium nur als erster Überschlag, dem nach Vorliegen der genauen Bauteilgeometrien (z. B. Pleuelstange, Motorblock, Kurbelwelle) i. d. R. Berechnungen der Elasto-Hydrodynamik (EHD) der Gleitlager, also unter Berücksichtigung der mechanisch-elastischen Bauteil-Ver-
formungen gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung thermisch-elastischer Verformungen (TEHD) folgen.
8.5.2.2
Berechnung der Lagerbeanspruchungen
Unter der Lagerberechnung ist die Ermittlung von Betriebskennwerten des tribologischen Systems Gleitlagerung, bestehend aus den Elementen Lagergehäuse, Lagerschalen, Schmierstoff und Wellenzapfen, zu verstehen. Zur Überprüfung der Funktionssicherheit sind die für alle relevanten Betriebszustände ermittelten Betriebskennwerte mit Betriebsrichtwerten (Grenzwerte aus Versuchen bzw. aus Erfahrung) zu vergleichen und auf ihre Zulässigkeit zu überprüfen. Die rechnerische Überprüfung der Funktion von Gleitlagern besteht hauptsächlich in der Ermittlung der mechanischen Belastung und des Abstands der Welle vom Lager (minimale Schmierfilmdicke) im Betriebszustand. Weitere Beurteilungsgrößen sind die Reibverlustleistung, der Schmieröldurchsatz und die sich einstellende Lagertemperatur. Die Betriebs-Berechnung der Motorgleitlager beginnt mit der Ermittlung der Belastungskräfte (s. Abschn. 8.2.4). Bild 8-44 zeigt den typischen Verlauf einer Pleuellagerbelastung bei einem Nutzfahrzeug-Dieselmotor in Form eines Polardiagramms, wobei die Pleuelachse senkrecht verläuft
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe
291
len (Ähnlichkeitsgröße für Gleitlager, Erklärung z. B. in [8-59]) erhält man die Änderungen der Zapfenexzentrizität 'e und deren Lagewinkel 'δ bei Änderung des Kurbelwinkels um die Schrittweite 'φ. Durch Addition dieser Änderungen zu den jeweils aktuellen Werten berechnet man die Verlagerungsbahn des Zapfens für ein bzw. mehrere Arbeitsspiele, bis eine periodische und geschlossene Kurve, d. h. Konvergenz, erreicht wird. Bild 8-45 zeigt den so berechneten, zu Bild 8-44 gehörenden Verlauf der Verlagerung des Wellenzapfens innerhalb des Lagers, wobei der Abstand zwischen der Verlagerungskurve und dem äußeren Kreis ein Maß für den Abstand zwischen Wellenzapfen und Lager (minimale Schmierfilmdicke hmin) ist. Aus den auf die Lagerschale bezogenen (schalenfesten) Polardiagrammen für die Verläufe der Belastung (Bild 8-44) und der Zapfenverlagerung (Bild 8-45) können auch Schlüsse auf günstige Positionierungen für die konstruktiv notwendigen Elemente der Schmierstoffversorgung (Schmierlöcher, Schmiernuten, Schmiertaschen) in den Lagern gezogen werden, bei denen die Tragfähigkeit der Lagerung möglichst wenig beeinträchtigt wird. Eine entsprechende Hilfe für die Positionierung der Elemente der Schmierstoffversorgung in den Zapfen (Schmierlöcher) bieten auf den Zapfen bezogene (zapfenfeste) Polardiagramme. Bild 8-46 zeigt beispielhaft den starken Einfluss der Verformungen des großen Pleuelauges auf das Lagerverhalten. Hiervon sind nicht nur Größe, Lage und Verteilung der Schmierfilmdrücke und die damit verbundenen Spannungsmechanismen in Lager (mit eventueller Materialermüdung) und Pleuelstange, sondern auch Größe und Lage der Schmierfilmdicken und die damit verbundene Verschleißgefährdung betroffen.
8.5.2.3 Bild 8-44 Typischer Belastungsverlauf im Pleuellager eines Nfz-Motors mit Angabe der Kurbelwinkel φ (schalenfestes Diagramm)
und der Schaft oben sowie der Deckel unten zu denken sind. Um die Zapfenverlagerungsbahn in Pleuel- und Hauptlagern zu ermitteln, wird die Lagerkraft F in zwei Komponenten in Richtung des minimalen Schmierspaltes hmin sowie senkrecht dazu zerlegt, (s. Bild 8-43), die dann ins Gleichgewicht gesetzt werden mit den entsprechenden Komponenten der Lagerreaktionskraft FD und FV (Index D: Druckentwicklung durch Drehung, Index V: Druckentwicklung durch Verdrängung). Aus den damit gebildeten Sommerfeld-Zah-
Betriebskennwerte heutiger Lager
Die Beurteilung des Beanspruchungsgrades von Gleitlagern in Verbrennungsmotoren bezieht sich primär auf die Maximalwerte der spezifischen Lagerbelastung und des Schmierfilmdrucks sowie die Minimalwerte der Schmierfilmdicke. Die Extremwerte dieser Beurteilungskriterien haben sich bei Dieselmotoren in den letzten Jahren stark verändert. Grundsätzlich ist anzumerken, dass die extremsten Beanspruchungen bei den kleineren Bauarten in turboaufgeladenen Pkw-Motoren auftreten und sich mit zunehmender Motorgröße zu etwas moderateren Betriebswerten hin bewegen. Der triftigste Grund hierfür ist die mit der Motorgröße zunehmende Forderung nach einer längeren Gebrauchsdauer. Eine an sich wünschenswerte und von der Motorenindustrie geforderte theoretisch verlässliche Voraussage der Gebrauchsdauer der Gleitlagerungen ist heute
292
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-45 Typische Zapfenverlagerungsbahn des Hubzapfens im Pleuellager eines Nfz-Motors mit Angabe der Kurbelwinkel φ (schalenfestes Diagramm). ε = 2e/C relative Zapfenexzentrizität; e absolute Zapfenexzentrizität; C absolutes Lagerspiel (Differenz der Durchmesser von Lagerbohrung und Zapfen); 1 - ε=hmin /(C/2)
allerdings noch ebenso wenig möglich wie die der genauen Lebensdauer eines Verbrennungsmotors. Wegen des starken Einflusses des Anteils unterschiedlicher Betriebsbedingungen während des Motoreinsatzes, insbesondere der Drehzahlen und Belastungen, und von Störungen, z. B. durch Wartungsfehler, muss daher bei der Gebrauchsdauervorhersage größtenteils auf Versuche, praktische Erfahrungen und Statistiken zurückgegriffen werden. Die letzten Jahre haben dabei gezeigt, dass trotz Erhöhungen der Betriebsbeanspruchungen auch der Forderung nach weiterer Gebrauchsdauerverlängerung entsprochen werden konnte, was letztlich auf ein ganzes Bündel von technischen Verbesserungen zurückzuführen ist. Bezüglich der Triebwerkslager gehören hierzu Fortschritte bei: – den Lagerwerkstoffen, – der Bearbeitung von Lagerschalen und Wellenzapfen, – der verformungsarmen Lagergestaltung (z. B. mittels Finite-Element-Methode),
– den Schmierölen, – der Filtertechnik, – der Schmierölführung, – der Exaktheit und der Sauberkeit bei der Motormontage. Da die rechnerischen Betriebswerte in ihrer Größe je nach Berechnungsmethode unterschiedlich sein können, ist anzumerken, dass alle angegebenen Werte in Tabelle 8-3 mit dem in den Abschn. 8.5.2.1 und 8.5.2.2 erwähnten HD-Berechnungsverfahren ermittelt wurden. Alle Angaben sind Extremwerte von einzelnen Diesel-Serienmotoren. Weitere Steigerungen sind in den nächsten Jahren zu erwarten. Der Großteil aller Motoren weist allerdings stark gemäßigte Bedingungen auf, wobei im Mittel die maximalen Belastungen etwa bei 65% und die minimalen Schmierfilmdicken bei etwa 150% bis 200% der angegebenen Werte liegen.
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe
Bild 8-46 Beispiel für den Einfluss der elastischen Betriebsverformung auf die Werte und die Verteilung sowie die Lage des Schmierfilmdrucks in MPa und auf die minimale Schmierfilmdicke hmin
Tabelle 8-3 Zusammenstellung derzeitiger Betriebsextremwerte (Rechenwerte) von Pleuellagern und Hauptlagern europäischer, in Serie gebauter Pkw-, Nfz- und Groß-Dieselmotoren Betriebswert
Pkw-Dieselmotoren Wellendurchmesser ≤ 75 mm Betriebsdauererwartung ca. 3000 h Pleuellager Hauptlager
Nfz-Dieselmotoren 75 mm ≤ Wellendurchmesser ≤ 150 mm; Betriebsdauererwartung ca. 15000 h Pleuellager Hauptlager
Groß-Dieselmotoren Wellendurchmesser ≥ 350 mm Betriebsdauererwartung ca. 50000 h Pleuellager Hauptlager
maximale spezifische Lagerbelastung in MPa minimale Schmierfilmdicke in μm
130 0,15
100 0,30
55 2
60 0,25
60 0,60
40 3
293
294
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
8.5.3
Konstruktive Ausführungen
8.5.3.1
Grundsätzlicher Aufbau
Gleitlager für moderne Dieselmotoren bestehen heute fast ausschließlich aus Verbundwerkstoffen. Dabei werden Stahlbänder in unterschiedlichen, meist kontinuierlichen Verfahren, auf die im Abschn. 8.5.4 näher eingegangen wird, mit Lagerwerkstoff beschichtet. Aus den Bimetallbändern werden Platinen gestanzt, diese zu Halbschalen gebogen und anschließend spanend bearbeitet. In bestimmten Fällen werden zur Verbesserung der Funktion noch zusätzlich sehr dünne Gleitschichten auf den eigentlichen Lagerwerkstoff aufgebracht. Bei großen Abmessungen (etwa ab Durchmessern von 200 mm) werden auch Stahlrohre anstelle von Stahlbändern als Ausgangsmaterial verwendet, wobei der Lagerwerkstoff im Schleudergussverfahren auf die innere Rohrfläche aufgebracht wird. Die Rohre werden danach in zwei Halbschalen getrennt.
8.5.3.2
Pleuellager und Kurbelwellenhauptlager
Die Bilder 8-47 und 8-48 zeigen den konstruktiven Aufbau von typischen Pleuellagern und Kurbelwellenhauptlagern (kurz Hauptlager) von Nfz-Dieselmotoren. Die relativ dünnwandige Ausführung dient der Einsparung von Platzbedarf und Gewicht. Da Pleuellager vom Pleuelzapfen her mit Schmieröl versorgt werden, benötigen sie keine Schmiernuten. In den Fällen, in denen das Kolbenbolzenlager im kleinen Pleuelauge entweder von Spritzöl durch eine Bohrung im großen Pleuelauge oder von Drucköl durch eine Pleuelschaftbohrung aus der Schmierölaustrittsbohrung im Hubzapfen geschmiert wird, weisen die Pleuellagerschalen entsprechende Öllöcher auf. Bei Großmotoren wird das Drucköl häufig durch eine Deckelschalennut sowie durch Bohrungen im großen Pleuelauge und im Pleuelschaft dem Kolbenbolzenlager zugeführt. Die verlaufende Wanddicke im Bild 8-47 dient der Abstimmung mit der Geometrie der Pleuelbohrung, um die bezüglich der Tragfähigkeit und Schmierfilmdicke optimale Kreiszylinderform zu erreichen. Die Hauptlagerschalen werden bei den kleinen und mittleren Motoren i. d. R. dickwandiger als die Pleuellagerschalen ausgeführt, um genügend tiefe Schmierölnuten vorsehen zu können. Diese dienen nicht nur der Ölversorgung der Hauptlager, sondern auch der Pleuellager. Dabei fließt das Öl aus den Nuten durch Kurbelwellenbohrungen vom Hauptzapfen zum Hubzapfen. Wegen der Verbesserung der Tragfähigkeit werden i. d. R. bei Dieselmotoren lediglich die Gehäuse-
Bild 8-47 Beispiel einer Pleuellager-Stangenschale eines Nfz-Motors Lageraußendurchmesser D=98,022 mm; Wanddicke der Lagerschale im Scheitel wI=2,463 + 0,012 mm; Wanddicke der Lagerschale 25° von der Teilfläche wll=0,010 + 0,010 mm dünner als Istmaß von wI
Lagerhalbschalen (Oberschalen) mit Nuten versehen, während die Deckel-Lagerhalbschalen (Unterschalen) entweder gar keine Nuten oder nur vom Nutgrund auf die Gleitflächen hin verlaufende Partialnuten aufweisen. Die Schmierstoffzufuhr von der Hauptölleitung in das Hauptlager erfolgt entweder durch Rundlöcher oder durch Langlöcher, die Vorteile bei einem eventuellen Winkelversatz zwischen den Bohrungen im Gehäuse und in der Lagerschale bieten. Die Nocken an der Teilfläche dienen lediglich als Montagehilfe zum lagerichtigen Einbau (Positionierhilfe). Die Verdrehsicherung der Lagerschalen in der Aufnahmebohrung muss über einen ausreichend bemessenen Presssitz erfolgen. Die Tendenz im gesamten Verbrennungsmotorenbau, auch bei Dieselmotoren, ist permanent auf Verringerung des Platzbedarfs und auf Gewichtseinsparungen gerichtet. Bei den Motorlagern werden immer geringere Durchmesser, Breiten und Schalenwanddicken angestrebt. Auch die lageraufnehmenden Komponenten werden immer leichter gebaut. Dies bedeutet, dass in Zukunft auch bei Dieselmotoren, wie schon seit längerem bei extrem leicht gebauten Ottomotoren, dem Erreichen eines ausreichenden Presssitzes der Gleitlager besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss.
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe
295
aus verschiedenen, den unterschiedlichen Aufgaben angepassten, Werkstoffen bestehen können. Oft kommen jedoch separate Anlaufhalbscheiben zum Einsatz, die beidseitig vom Radiallager in Aussparungen im Gehäuse, bzw. im Lagerdeckel, eingelegt werden (Bild 8-49). Der Trend bei den kleineren Motorgrößen geht heute meist zu dieser preiswerteren Lösung mit losen Anlaufscheiben, die bei den Großmotoren aus Fertigungsgründen schon immer Standard war.
8.5.3.4
Lager von Kolbenbolzen, Kipphebeln und Nockenwellen
Kolbenbolzenlager und Kipphebellager werden grundsätzlich als Buchsen ausgeführt, die zur Einhaltung kleiner Lagerbohrungstoleranzen in aller Regel erst im eingebauten Zustand bezüglich der Innenbohrung fertig bearbeitet werden. Wo möglich, werden auch für Nockenwellenlager Buchsen verwendet. In einigen Fällen sind jedoch aus konstruktiven Gründen Lagerschalen erforderlich.
Bild 8-48 Beispiel einer Kurbelwellenlager-Gehäuseschale eines Nfz-Motors Lageraußendurchmesser D=115,022 mm;Wanddicke der Lagerschale w=3,466+0,012 mm
Die üblichen mittleren Lagerspiele liegen in der Größenordnung von 1/1000 des Lagerinnendurchmessers. Aus Gründen der besseren Tragfähigkeit werden möglichst geringe Kleinstspiele angestrebt, wobei die Grenze durch die fertigungs- und montagebedingten Formfehler der die Gleitlagerung bildenden Elemente (Gehäuse, Lagerschale, Welle) und eine noch ausreichende Kühlwirkung des die Lager durchfließenden Ölstroms gebildet wird.
8.5.3.3
Axiallager
Zur axialen Führung der Kurbelwelle und zur Aufnahme des Kupplungsdrucks (bei Verwendung automatischer Getriebe teils auch zur Aufnahme ständiger Axiallasten) wird eine der Kurbelwellen-Hauptlagerstellen mit einem beidseitig wirkenden Axiallager bestückt. Hierfür wurden früher bei Fahrzeugmotoren oft Bundlager verwendet, bei denen Radiallager (Schalen) und Axiallager (zwei Bunde) aus einem Stück bestanden. Moderne Bundlager werden heute bevorzugt in gebauter Form ausgeführt. Dabei werden Lagerhalbschalen beidseitig mit Anlaufhalbscheiben verbunden (verklinkt oder verschweißt). Dies hat den Vorteil gegenüber den Bundlagern aus einem Stück, dass Anlaufscheiben und Schalen
8.5.4
Lagerwerkstoffe [8-67]
8.5.4.1
Gleitlagerbeanspruchungen und Funktion im Motorbetrieb
Gleitlager in Verbrennungsmotoren werden mechanisch durch die dort auftretenden Gaskräfte und Massenkräfte belastet. Der hydrodynamische Schmierfilmdruck zwischen den Gleitflächen von Wellenzapfen und Lager tritt infolge der instationären Belastungskräfte schwellend auf und verursacht eine Pressung der Gleitflächen. Die thermische Beanspruchung ergibt sich durch die unvermeidlich entstehende Reibungswärme und eventuell auftretende Wärmeeinfälle von den Brennräumen her. Verschleißbeanspruchung ergibt sich aus der Tatsache, dass sich die angestrebte, praktisch verschleißfreie Flüssigkeitsreibung mit vollkommener Trennung der Gleitflächen durch den Schmierfilm nicht in allen Betriebspunkten erreichen lässt und dadurch zeitweilige Mischreibungszustände nicht zu vermeiden sind. Hinzu kommen durch Fertigungs- und Montageungenauigkeiten verursachte Anpassungsvorgänge der Gleitpartner, die ebenso zusätzliche Beanspruchungen bezüglich Pressung und Verschleiß der Gleitflächen hervorrufen wie die mechanisch und thermisch bedingten Verformungen der Gleitflächen im Betrieb. Schließlich können die Gleitflächen auch korrosiven Beanspruchungen ausgesetzt sein, wenn entweder extern oder intern bedingte Veränderungen des Schmierstoffs zu chemischen Reaktionen mit deren Werkstoffen führen.
296
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-49 Beispiel einer Anlaufhalbscheibe eines Nfz-Motors. Wanddicke 3,360 + 0,05 mm
Um unter dem Zusammenwirken dieser Beanspruchungen die Funktionsfähigkeit des tribologischen Systems „Gleitlagerung“ im erforderlichen Umfang zu gewährleisten, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: – Es darf kein unzulässiger mechanischer oder korrosiver Verschleiß auftreten! – Es darf keine unzulässige Lagertemperatur auftreten! – Es darf keine Werkstoffermüdung auftreten! Dieser Katalog von Basisforderungen setzt nicht nur voraus, dass die Bedingungen für eine hydrodynamische Schmierung erfüllt sind, sondern verlangt auch von den Gleitlagerwerkstoffen eine ganze Reihe spezieller Eigenschaften, die im folgenden beschrieben werden.
8.5.4.2
Anforderungen an Gleitlagerwerkstoffe
Die wohl wichtigste Eigenschaft, die einen bestimmten Werkstoff zum „Gleitlagerwerkstoff “ macht, ist dessen Verträglichkeit im Betrieb mit dem Werkstoff der Gegengleitfläche, z. B. einer Welle. Die Verträglichkeit und weitere erforderliche Einzelheiten im Verhalten von Gleitlagerwerkstoffen sind in ISO 4378/1 definiert. Es sind dies: – Anpassungsfähigkeit (Kompensieren von geometrischen Mängeln), – Einbettfähigkeit (Einbettung von harten Partikeln aus dem Schmieröl),
– Einlauffähigkeit (Verminderung von Reibung beim Einlaufen) und – Verschleißwiderstand (Abriebfestigkeit). Hierzu kommen aber noch die dort nicht aufgeführten Eigenschaften: – Notlauffähigkeit (Aufrechterhaltung des Lagerbetriebs auch bei Mangelschmierung durch geringe Fressneigung) und – Ermüdungsfestigkeit (gegen schwellende Druckbelastung). Anpassungs- und Einlauffähigkeit sowie die ebenfalls erwünschte geringe Fressneigung können nur durch relativ weiche Werkstoffe ermöglicht werden, deren Schmelzbereich meist recht niedrig liegt. Infolgedessen ist der weiteren Forderung nach möglichst hoher Ermüdungsfestigkeit gegen schwellende Druckbelastung ebenso eine Grenze gesetzt wie einem möglichst hohen Verschleißwiderstand, da diese Eigenschaften eher relativ harte Werkstoffe erfordern. Wünschenswert sind weiter eine gute Wärmeleitfähigkeit und eine ausreichende Korrosionsfestigkeit, z. B. gegen aggressive Bestandteile im Schmieröl. Von großer Bedeutung ist auch eine technisch und wirtschaftlich gute Herstellbarkeit. Lediglich durch Presssitz mit der Aufnahmebohrung verbundene Lagerschalen und Buchsen erleichtern deren Austausch und sind im Reparaturfall von Vorteil. Welcher von den aufgeführten Eigenschaften die erste Priorität zukommt, ist abhängig vom jeweiligen Einsatz des
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe 297 Gleitlagers und den Betriebsbedingungen. Treten beispielsweise bei hydrodynamisch geschmierten Gleitlagern mit niedrigen Gleitgeschwindigkeiten Störungen bei der Vollschmierung auf, so hat die entstehende Mischreibung erfahrungsgemäß meist nur abrasiven Verschleiß zur Folge. Dieser nimmt mit der Lagerbelastung zu, wodurch zwar die Lebensdauer der Lagerung verkürzt wird, jedoch erst bei extrem hohen Lagerbelastungen Schäden durch spontane Lagerfresser auftreten. Ist bei hohen spezifischen Belas tungen und niedrigen Gleitgeschwindigkeiten (z. B. bei Kolbenbolzenbuchsen und Kipphebelbuchsen) Mangelschmierung nicht ganz zu vermeiden, wird in der Praxis Gleitlagerwerkstoffen mit möglichst hohen Werten bezüglich Verschleißwiderstand und Dauerfestigkeit der Vorrang gegenüber jenen mit hoher Anpassungsfähigkeit gegeben. Hierfür kommen relativ harte Lagerwerkstoffe in Frage. Ganz besonders hohe und vielseitige Anforderungen werden an den Lagerwerkstoff gestellt, wenn bei starken, insta tionären spezifischen Belastungen gleichzeitig hohe Gleitgeschwindigkeiten auftreten (z. B. bei Pleuellagern und Hauptlagern von Fahrzeug-Dieselmotoren). Neben hoher Dauerfes tigkeit müssen hier auch möglichst gute Verschleißfestigkeit und Verträglichkeit des Lagerwerkstoffs vorhanden sein. Diese vielseitigen, teilweise widersprüchlichen Anforderungen kann man am ehesten durch heterogen aufgebaute Lagerwerkstoffe erfüllen. Heterogenität kann sowohl durch das Gefüge der Lagerlegierung selbst (Mischkristalle oder Unlöslichkeiten der Legierungsbestandteile) als auch durch geschichteten Aufbau der Lagerwerkstoffe erreicht werden. Im Verbrennungsmotorenbau hat sich daher bereits seit Jahrzehnten das aus Mehrschicht-Verbundwerkstoffen bestehende Gleitlager, in Form von Halbschalen oder Buchsen mit einem Stahlrücken, der die für den Presssitz in der Aufnahmebohrung notwendige Festigkeit erbringt, durchgesetzt.
8.5.4.3
B asismaterialien und grundsätzlicher Aufbau von Gleitlagerwerkstoffen
Bei niedrigen Lagerbelastungen wurden früher Lagerlegierungen auf Blei- oder Zinn-Basis verwendet. Dabei sind in einer weichen Matrix, deren Vorteil gute Notlaufeigenschaften sind, zur Verbesserung der Belastbarkeit und Verschleißfestigkeit harte Mischkristalle („Tragkristalle“), i. d. R. Antimon-Legierungen, eingelagert. Diese Werkstoffe sind heute aufgrund ihrer zu niedrigen Belastbarkeit, des durch die Europäische Altauto-Verordnung verhängten Bleiverbots in Fahrzeug-Verbrennungsmotoren und durch die weltweit von den meisten Motorherstellern praktizierten Verbote der Verwendung toxischer Stoffe in Verbrennungsmotoren so gut wie verschwunden.
Bei mittleren Belastungen werden häufig Lagerlegierungen auf Aluminium-Basis, bei hohen Belastungen solche auf Kupfer-Basis eingesetzt. Dabei sind in Umkehrung des Prinzips bei den Blei- und Zinnlegierungen in einer härteren Matrix mit höherem Soliduspunkt, deren Vorteile hohe Dauerfestigkeit und guter Verschleißwiderstand sind, weichere, niedrigschmelzende Komponenten (z. B. Zinn) eingelagert, durch welche die erforderlichen Notlaufeigenschaften erreicht werden.
8.5.4.4
Einschichtlager
Gleitlager in Einschichtbauweise werden in Verbrennungsmotoren in einigen Fällen als Buchsen im kleinen Pleuelauge und in den Kolben als Kolbenbolzenbuchsen aus Cu-Legierungen sowie selten als massive Anlaufscheiben aus Al‑Legierugen für Kurbelwellen verwendet. In der weitaus überwiegenden Zahl aller Fälle kommen sowohl in Dieselmotoren als auch in Ottomotoren aus Gründen der höheren Festigkeit bezüglich Betriebsbelastung und Presssitz Gleitlagerschalen und Buchsen in Mehrschichtbauweise zur Anwendung.
8.5.4.5
Zweischichtlager
Bei der Herstellung von Zweischichtlagern werden die Laufschichten üblicherweise durch kontinuierliches Gießplattieren, Sinterplattieren oder Walzplattieren auf ein Stahlband aufgebracht. Eine der wichtigsten Anwendungen sind hochbelastbare, gerollte Buchsen im kleinen Pleuelauge, oder in Kipphebeln, bei hoch belasteten Kolben auch in den Kolbennaben, die aus im Gieß- oder Sinter-Plattierverfahren hergestellten Bronze-Bimetallbändern gefertigt werden. Die frühere Standardlegierung CuPb10Sn10 ist wegen des Bleiverbots von bleifreien Legierungen abgelöst worden. Basis ist i. d. R. ein CuSn-Werkstoff mit unterschiedlichen zusätzlichen Legie rungselementen. Ein Beispiel aus den zahlreichen neuen bleifreien Werkstoffentwicklungen ist CuSn10Bi3. Weitere Anwendungen von Zweischicht-Verbundwerkstoffen als Buchsen sind z. B. Nockenwellenlager und Getriebelager, für welche wegen der höheren Gleitgeschwindigkeiten meist etwas weichere anpassungsfähige Legierungen zum Einsatz kommen. Bild 8‑50 zeigt ein Schliffbild der bisher verwendeten bleihaltigen Gusslegierung CuPb10Sn10 und der bleifreien Sinterlegierung CuSn10Bi3. Besonders häufig finden mittels Walzplattieren hergestellte Zweischichtlager Anwendung. Hierbei werden die Lagerlegierungen auf ein Stahlband aufgewalzt. Dieses Verfahren hat sich bei Lagerwerkstoffen auf Aluminium-Basis besonders gut bewährt.
298
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-50 Schliffbilder der beiden Zweischicht-Verbundwerkstoffe Stahl/CuPb10Sn10 und Stahl/CuSn10Bi3
Weit verbreitet ist AlSn20Cu. Dieser Lagerwerkstoff wird in den Kurbelwellenhauptlagern von Pkw-Motoren sowohl bei Otto- als auch bei Dieselmotoren eingesetzt. Auch einige Großmotoren haben diesen Lagerwerkstoff wegen seiner guten Korrosionsbeständigkeit als Pleuellager und Kurbelwellenhauptlager im Einsatz. Bild 8-51 zeigt das Gefüge dieses Werkstoffs im Schliff. Das im Aluminium praktisch unlösliche Zinn ist durch entsprechende Glühbehandlungen fein verteilt, womit man eine befriedigende Dauerfestigkeit erreicht. Um noch höhere, den Bronzen nahe kommende Dauerfestigkeiten zu erreichen, wurden zahlreiche, wegen des Bleiverbots heute durchweg bleifreie Aluminium-Legierungen auf AlSn-Basis mit unterschiedlichen zusätzlichen Legierungselementen entwickelt. Bei Verwendung von Gusswellen, ein
Bild 8-51 Schliffbild des Zweischicht-Verbundwerkstoffs Stahl/AlSn20Cu
Trend bei Pkw-Dieselmotoren, haben sich AlSn-Legierungen mit Silizium als vorteilhaft erwiesen. Dünne zusätzliche Schichten verschiedener Zusammensetzungen zwischen Aluminium-Legierung und Stahl erhöhen die Dauerfestigkeit.
8.5.4.6
Dreischichtlager
Die in Pleuellagern von Verbrennungsmotoren auftretenden hohen spezifischen Belastungen, die in den letzten Jahren durch stetige Erhöhung der spezifischen Leistungen und Verringerung der Abmessungen extrem gesteigert wurden, stellen zusammen mit den hohen Gleitgeschwindigkeiten höchste Anforderungen an die Gleitlagerwerkstoffe. Bei diesen anspruchsvollen Anwendungen kommen Dreischichtlager zum Einsatz. Auf relativ harte Zweischicht-Verbundwerkstoffe, deren Zweitschicht i. d. R. etwa 0,2 bis 0,7 mm dick ist, wird zusätzlich eine dritte Schicht durch Galvanisieren oder Bedampfen als Drittschicht (Gleitschicht) aufgebracht, die sowohl die Notlaufeigenschaften als auch die Anpassungsfähigkeit und die Einbettfähigkeit von Fremdpartikeln im Schmieröl verbessert. Um die Belastungsfähigkeit der Lager durch die bei Galvanik-Lagern sehr weiche Drittschicht nicht zu stark abzusenken, dürfen diese Schichten nur etwa 0,010 bis 0,040 mm dick sein, was gießtechnisch nicht erreichbar ist. Der Zweitschicht fällt die Sicherstellung der erforderlichen Belastbarkeit zu. Bei örtlichem Verschleiß der Drittschicht muss sie aber auch durch ausreichenden Widerstand gegen Fressen für die weitere Funktionsfähigkeit der Lagerung sorgen.
8.5 Lager und Lagerwerkstoffe Die früheren Zweitschicht-Bronzen der DreischichtLagerschalen auf CuPbSn-Basis, z. B. CuPb22Sn, sind wegen des Bleiverbots von bleifreien Legierungen abgelöst worden. Basis ist i. d. R. ein CuSn-Werkstoff mit unterschiedlichen zusätzlichen Legierungselementen. Ein Beispiel aus den zahlreichen neuen bleifreien Werkstoffentwicklungen ist CuSn8Ni mit weiter gesteigerter Belastbarkeit. Die früheren Galvanikschichten auf PbSnCu-Basis, z. B. PbSn14Cu8, sind von bleifreien Legierungen, i. d. R. auf Sn-Basis, abgelöst worden. Ein Beispiel aus den zahlreichen neuen bleifreien Drittschicht-Entwicklungen ist SnCu6. Bild 8-52 zeigt einerseits das Schliffbild des früher häufig eingesetzten bleihaltigen Dreischicht-Verbundwerkstoffs Stahl/CuPb22Sn/PbSn14Cu8, der bei den Pleuellagern und Kurbelwellenlagern sowohl von Pkw-Motoren als auch von Nfz- und Großmotoren, teils mit leicht variierenden Legierungsanteilen in der Drittschicht, verwendet wurde. Der zwischen der Bleibronze und der Drittschicht zusätzlich 1 bis 2 µm dick galvanisch aufgebrachte Nickeldamm dient der Verminderung der bei Betriebstemperatur auftretenden Zinn-Diffusion aus der Drittschicht zur Bleibronze hin, welche den Korrosionswiderstand der bleihaltigen Drittschicht sonst zu stark verringern würde. Andererseits zeigt Bild 8-52 das Schliffbild des bleifreien Dreischicht-Verbundwerkstoffs Stahl/CuSn8Ni/ SnCu6. Unter Beibehaltung des prinzipiellen Aufbaus der bleihaltigen Lagerwerkstoffe auch bei den bleifreien wurden durch Kombinationen mit verschiedenen neuartigen Zwischenschichten Ermüdungs- und Verschleißfestigkeit deutlich gesteigert.
299
Bei mit Schweröl betriebenen Dieselmotoren und Gasmotoren wird aus Gründen der guten Korrosionsfestigkeit auch eine Drittschicht aus SnSb7 verwendet. Eine frühere Idee, die in manchen Fällen nicht ausreichende Ermüdungsfestigkeit und Verschleißfestigkeit der galvanischen Deckschicht zu verbessern, bestand darin, nicht die komplette Gleitfläche galvanisch mit Drittschicht zu überziehen, sondern nur die in die Oberfläche eines Zweischicht-Verbundwerkstoffs eingebrachten Ausnehmungen auf galvanischem Weg zu füllen. Die härteren Bereiche erhöhen Tragfähigkeit und Verschleißfestigkeit, die weicheren Bereiche sorgen für noch ausreichende Notlaufeigenschaften. Diese Lagerart kam als Pleuel- und Kurbelwellenlager von Nfz- und Mittelschnellläufer-Dieselmotoren zum Einsatz, wird jedoch (vor allem im Nfz-Bereich) wegen ungenügender Lebensdauer infolge Auswaschungen des Galvanikwerkstoffs) immer seltener verwendet. Trotz Erhöhung der Verschleiß- und Ermüdungsfestigkeit der galvanischen Drittschichten durch Steigerung der Härte (z. B. CuSn6) sind diese den heutigen Höchstanforderungen in hochaufgeladenen Dieselmotoren häufig nicht mehr gewachsen. Deshalb mussten noch härtere Legierungen für die Drittschicht entwickelt werden, wobei man das Bedampfen mittels PVD-Beschichtungsverfahren zu Hilfe nimmt (Physical Vapor Deposition), das auch mit „Sputtern“ bezeichnet wird. Dabei wird der Werkstoff im Vakuum in der Dampfphase abgeschieden. Für höchste Belastbarkeit wurden bisher als Zweitschicht gegossene Bleibronzen mit erhöhtem Zinngehalt eingesetzt, die heute aber wie bei den Galvanik-Dreischicht-Verbundwerkstoffen durch in der Belastbarkeit noch weiter gestei-
Bild 8-52 Schliffbilder der beiden Dreischicht-Verbundwerkstoffe Stahl/CuPb22Sn/PbSn14Cu8 und Stahl/CuSn8Ni/CuSn6
300
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
gerte bleifreie Legierungen (z. B. CuSn8Ni) abgelöst wurden. Die relativ harte PVD-Drittschicht besteht i. d. R. aus AlSn20 (Bild 8-53). Einsatzbeispiele sind Pleuellager in hoch aufgeladenen Pkw-Dieselmotoren sowie Pleuel- und Kurbelwellenlager in hoch aufgeladenen Nfz-Dieselmotoren insbesondere bei solchen mit modernen Direkteinspritzverfahren und Ladeluftkühlung.
8.5.5
Lagerschäden und ihre Ursachen [8-68], [8-69]
8.5.5.1
Beeinträchtigungen des Betriebs
Der Betrieb des Lagers kann durch verschiedene Störeinflüsse beeinträchtigt werden. Hierunter sind alle Ursachen zu verstehen, die einen hydrodynamischen Betrieb unter Vollschmierung trotz richtiger Auslegung verhindern. Dazu zählen z. B. Schmierstoffmangel, verschmutzter, verdünnter oder luftverschäumter Schmierstoff, Überlastung, mangelhafte Geometrie der Gleitpartner aufgrund von Herstellungs- oder Montagefehlern. Folgen der Störeinflüsse können Verschleiß, Überhitzung, Werkstoffermüdung oder Korrosion sein. Liegen diese Beeinträchtigungen nur in geringem Grad vor, behält die Lagerung im Allg. ihre Funktionsfähigkeit bei. Im fortgeschrittenen Stadium können sie jedoch letztlich alle zum Ausfall der Lagerung führen.
8.5.5.2
Verschleiß
Reicht die Schmierfilmdicke zwischen zwei Gleitpartnern nicht aus, deren Gleitflächen vollkommen voneinander zu trennen, so tritt statt der verschleißfreien Vollschmierung bei reiner Flüssigkeitsreibung Mischreibungsverschleiß auf. Wegen der herstellungsbedingten Oberflächenrauheiten entstehen Furchen durch den härteren im weicheren Gleitpartner, und es tritt ein Abscheren der Rauhigkeitsspitzen auf. Solche
Bild 8-53 Schliffbild eines Sputterlagers
Mikrozerspanungsvorgänge werden als Abrasionsverschleiß bezeichnet. Dieser kann bei Gleitlagern als zulässig bezeichnet werden, wenn die Abtragsgeschwindigkeit des Lagerwerkstoffs so gering ist, dass die angestrebte Lebensdauer der Gleitlagerung hierdurch nicht herabgesetzt wird. Dabei ist flächiger Abtrag harmloser als riefiger, da er den Aufbau des hydrodynamischen Tragdrucks weniger beeinträchtigt. Flächiger Einlaufverschleiß ist als positiv anzusehen, da durch die damit erzeugte Glättung der Gleitflächen die Hydrodynamik verbessert wird. Bild 8-54 zeigt flächigen Abrasionsverschleiß. Der durch harte Fremdpartikel im Schmieröl erzeugte Lagerverschleiß wird als Erosionsverschleiß bezeichnet. Viele kleine Partikel erzeugen eher flächigen, wenige große Partikel riefigen Abtrag. Bei unzulässig hohen Verschleißgeschwindigkeiten kann es zu stärkeren Überhitzungen und zu Schmelzvorgängen des Lagerwerkstoffs kommen. Hierdurch entstehen örtlich Verbindungsbrücken mit dem Gleitpartner, die beim Abscheren zu Adhäsionsverschleiß führen. Ist eine Trennung der Adhäsionsbrücken nicht mehr möglich oder mit starken Zerstörungen verbunden, wird von Lagerfressern gesprochen. Diese bedeuten i. d. R. den Totalausfall des Lagers. Korrosionsverschleiß kann infolge von chemischen Reaktionen des Lagerwerkstoffs mit aggressiven Medien im Schmieröl entstehen. Solche Medien können sich z. B. beim Überschreiten der vorgeschriebenen Schmierstoff-Wechselintervalle insbesondere auch bei hoher thermischer Belastung und Alterung des Schmierstoffs in Form von Säuren bilden. Auch können Korrosion erzeugende Medien vom Kraftstoff (Schweröl, Deponiegas) in das Schmieröl gelangen. Korrosionsverschleiß ist eine chemische Zersetzung des Lagerwerkstoffs, die dessen Eigenschaften verändert und häufig zu lochfraßähnlicher Abtragung des Materials bis hin zu Totalschäden mit Lagerfressern führen kann.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
301
lute Höhe des Schmierfilmdrucks, sondern vor allem auch dessen örtlicher Gradient die Ermüdung des Lagerwerkstoffs. Durch die Zerstörung der Gleitfläche vermindert sich die Tragfähigkeit des Lagers, da der hydrodynamische Druckaufbau gestört wird. Meist treten dann zusätzlich Verschleiß, Überhitzung und letztlich der Totalausfall durch Fressen auf.
Bild 8-54 Abrasionsverschleiß bei einer Dreischicht-Lagerschale
8.5.5.3
Ermüdung
Nach [8-59] und [8-66] werden Ermüdungsrisse im Lager durch zu hohe dynamisch wechselnde Umfangsspannungen verursacht, die durch den dynamisch schwellenden Schmierfilmdruck hervorgerufen werden. Bei veränderlicher Lagerbelastung ergeben sich durch das zwischen den Gleitflächen dynamisch schwellend auftretende Druckfeld im Schmierstoff tangentiale Normal- und Schub-Wechselspannungen im Lagerwerkstoff. Beim Überschreiten der Dauerfestigkeit des Werkstoffs kommt es zu Ermüdungsschäden. Ermüdung ist ein rein spannungsmechanischer Vorgang. Die Schäden treten als Risse von der Oberfläche in die Tiefe gehend, im fortgeschrittenen Stadium als Ausbröckelungen in der Gleitschicht auf. Bild 8-55 zeigt typische Ermüdungsschäden von Galvanik-Gleitlagern. Nach [8-59] und [8-66] beeinflusst nicht nur die abso-
8.6
Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
8.6.1
Funktion des Kolbens
Der Kolben ist das erste Glied in der Kette der kraftübertragenden Teile eines Verbrennungsmotors. Als bewegliche, kraftübertragende Wand hat er zusammen mit den Kolbenringen den Brennraum gegen Gasdurchtritt und Schmieröldurchfluss bei allen Betriebs- und Lastzuständen zuverlässig abzudichten. Durch die spezielle Gestaltung des Kolbenbodens als wesentlicher Teil des Brennraumes beeinflusst er bei den verschiedenen Arbeitsverfahren die Strömungsverhältnisse beim Ladungswechsel, die Gemischaufbereitung und die Verbrennung. Durch Erhöhung der Drehzahl und des mittleren effektiven Drucks mit Hilfe der Aufladung wachsen die Anforderungen an die mechanische und thermische Belastbarkeit der Kolben von Dieselmotoren ständig. Mit den erhöhten Belastungen ist es aber zunehmend schwieriger geworden, die an moderne Kolbenausführungen gestellten Forderungen, wie Anpassungsfähigkeit an wechselnde Betriebsbedingungen, Fresssicherheit, hohe Gestaltfestigkeit, Laufruhe, niedrigen Ölverbrauch und lange Lebensdauer zu erfüllen. Außerdem sind die Einsatzgrenzen mancher konventioneller Kolbenkonstruktionen und auch der üblichen Werkstoffe deutlich geworden. Beim Entwurf von Kolben für Hochleistungs-Dieselmotoren müssen daher alle Möglichkeiten in Bezug auf Werkstoff und konstruktive Gestaltung ausgeschöpft werden.
8.6.2
Bild 8-55 Ermüdung der Drittschicht einer Dreischicht-Lagerschale
Temperaturen und Kräfte am Kolben
Die sehr schnelle Umsetzung der im Kraftstoff gebundenen Energie in Wärme führt bei der Verbrennung zu einer beträchtlichen Temperatur- und Drucksteigerung. Dabei bedingen die verschiedenen Arbeitsverfahren unterschiedliche Verdichtungs- und Kraftstoff-Luft-Verhältnisse, die Spitzentemperaturen der Gase im Brennraum zwischen 1800 und 2600 °C zur Folge haben. Während des Arbeitsspiels sinken die Temperaturen stark ab, wobei die den Verbrennungsraum verlassenden Abgase immer noch zwischen 500 und 1000 °C heiß sein können. Der Wärmeübergang von den heißen Brenngasen an die Brennraumwände und damit an den Kolbenboden erfolgt vorwiegend durch Konvektion und nur zu einem geringen Teil durch Strahlung (s. Abschn. 7.2).
302
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Die starken periodischen Temperaturschwankungen im Brennraum führen zu Temperaturschwankungen in der obersten Schicht des Kolbenbodens. Die Amplituden der Schwingungen liegen in der Größenordnung von einigen Grad an der Oberfläche und klingen nach einer Exponentialfunktion innerhalb weniger Millimeter nach innen ab [8-70]. Ein großer Teil der vom Kolbenboden während des Arbeitstaktes aufgenommenen Wärme fließt über die Kolbenringpartie und über die Zylinderwand an das Kühlmittel ab. Je nach Motor und Kolbenbauart, beeinflusst durch das Arbeitsverfahren und die Kolbengeschwindigkeit, liegt der dabei hauptsächlich über die Kolbenringe abfließende Anteil zwischen 20 und 60% der am Kolbenboden einfallenden Wärmemenge. Ein kleiner Teil der Wärme wird während des Gaswechsels auf das Frischgas übertragen. Das Schmierbzw. Kühlöl, welches an die Innenwandung des Kolbens gelangt, übernimmt die restliche Wärmeabfuhr. Im Kolben entsteht ein dreidimensionales Temperaturfeld, das sich unter Zuhilfenahme von Randwerten mit FiniteElement-Programmen berechnen lässt. Charakteristische Oberflächentemperaturen an Kolben von Otto- und Dieselmotoren sind aus Bild 8-56 ersichtlich. Sie werden im Motor mit nichtelektrischen Messmethoden (Schmelzstifte, Templug, Resthärte) und aufwändigen elektrischen Messverfahren (Thermoelemente, NTCWiderstände,Telemetrie) ermittelt. Durch Kühlung (Anspritzkühlung, Zwangsölkühlung) kann die Kolbentemperatur beeinflusst werden.
Am Kolben herrscht ein Gleichgewicht aus Gas-, Massenund Stützkräften (Pleuel- und Seitenkräfte). Für die mechanische Beanspruchung des Kolbens ist der maximale Gasdruck von entscheidender Bedeutung. Er beträgt bei SaugDieselmotoren 80 bis 110 bar, bei aufgeladenen Dieselmotoren 160 bis 250 bar. Die Drucksteigerungsgeschwindigkeit erreicht 3 bis 8 bar/°KW, bei Verbrennungsstörungen kann sie 20 bar/°KW überschreiten ([8-71] bis [8-73]).
8.6.3
Gestaltung und Beanspruchung des Kolbens
8.6.3.1
Hauptabmessungen des Kolbens
Der Kolben verfügt über die Funktionsbereiche Kolbenboden, Ringpartie mit Feuersteg, Bolzennabe und Schaft. Zusätzliche Funktionselemente wie Kühlkanal und Ringträger kennzeichnen die Kolbenbauart. Zur Baugruppe Kolben zählen auch die Kolbenringe und der Kolbenbolzen sowie die Bolzensicherungen. Die Kolbenhauptabmessungen (Bild 8-57, Tabelle 8-4 [8-74]) stehen in enger Wechselbeziehung zu den Hauptabmessungen des Motors und den Abmessungen anderer Bauteile (Kurbelgehäuse, Kurbelwelle, Pleuel). Wichtigstes Maß neben dem Zylinderdurchmesser ist beim Kolben die Kompressionshöhe, d. h. der Abstand zwischen Bolzenmitte und Feuerstegoberkante. Die Kolbenmasse spielt besonders bei schnelllaufenden Motoren eine große Rolle.
Bild 8-56 Betriebstemperaturen an Kolben von Fahrzeugmotoren bei Volllast (schematisch)
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
Bild 8-57 Wichtige Abmessungen und Begriffe am Kolben. F Feuersteg; St Ringsteg; s Bodendicke; KH Kompressionshöhe; DL Dehnlänge; GL Gesamtlänge; BO Nabenbohrungs-Durchmesser (Bolzendurchmesser); SL Schaftlänge; UL untere Länge; AA Nabenabstand; D Kolbendurchmesser
Tabelle 8-4 Hauptabmessungen von Leichtmetallkolben für Dieselmotoren Viertakt-Dieselmotoren Durchmesser D in mm Gesamtlänge GL/D Kompressionshöhe KH/D Bolzendurchmesser BO/D Feuersteg F/D 1. Ringsteg St/D** Nutenhöhe für 1. Ring in mm Schaftlänge SL/D Nabenabstand AA/D Bodendicke s/D Gewichtskennzahl GN/D in g/cm3
75…100 0,8…1,3 0,50…0,80 0,35*…0,40 0,10…0,20 0,07…0,09 1,5…3,0 0,50…0,90 0,27…0,40 0,10…0,15*** 0,8…1,1
>100 1,1…1,6 0,70…1,00 0,36…0,45 0,10…0,22 0,07…0,12 3,0…8,0 0,70…1,10 0,25…0,40 0,13…0,20 1,1…1,6
* unterer Wert für Pkw-Diesel. ** Werte gelten für Ringträgerkolben. *** bei Direkteinspritzern ~ 0,2 x Muldendurchmesser.
8.6.3.2
Beanspruchungsverhältnisse am Kolben
Allgemeine Beschreibung Die am Kolben wirkenden Gas-, Massen- und Führungskräfte erzeugen Verformungen und damit Spannungen im Kolben. Der Druck der Verbrennungsgase wirkt auf den Kolbenboden. Die daraus resultierende Kraft wird vom Kolben
303
über den Kolbenbolzen und die Pleuelstange an die Kurbelwelle weitergeleitet. Da sich die Bolzenaugen im Bereich des Schaftes auf den Kolbenbolzen abstützen, wird der Kolbenschaft an seinem offenen Ende oval verformt. Die Verformung wird durch die Verformung des Bolzens (Abplattung und Durchbiegung) und durch die Anlagekräfte im Zylinder, die sich ebenfalls auf die Verformung des Kolbens auswirken, beeinflusst. Diesen aus den mechanischen Kräften herrührenden Kolbendeformationen sind Verformungen überlagert, die sich aus dem im Kolben herrschenden Temperaturfeld ergeben. Sie führen beim betriebswarmen Kolben gegenüber dem kalten Zustand zu Verwölbungen des Bodens und ansteigenden Durchmesservergrößerungen vom unteren Schaftende bis zum Feuersteg. Beim Entwurf eines Kolbens werden ausreichend große Wandstärken angestrebt, um Brüche und Verformungen, auch durch die Seitenkräfte, zu vermeiden, die in bestimmten Bereichen aber elastisch genug sind, um von außen aufgeprägten Verformungen (z. B. durch den Zylinder) nachgeben zu können. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass der Kolben als schnell bewegtes Teil im Motor eine möglichst geringe Masse haben sollte. Mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode können Deformationen und Spannungen infolge der Wirkung eingeprägter Kräfte und Temperaturfelder berechnet werden (Bild 8-58).
Belastung des Kolbenbodens Der Kolbenboden bei Dieselkolben ist einer extremen Temperaturbelastung mit Temperaturen von weit über 300 °C ausgesetzt, bei der die Dauerfestigkeit der verwendeten Werkstoffe bereits erheblich reduziert ist. Durch die geometrische Gestaltung, insbesondere des Muldenrandes und des Muldengrundes, muss dafür gesorgt werden, dass sich nach Möglichkeit keine lokalen Temperaturspitzen und keine festigkeitsmindernden Kerbwirkungen ergeben, die ein Anreißen begünstigen könnten ([8-76] bis [8-78]). Für den Muldenrand ergibt sich im motorischen Betrieb eine deutliche Temperaturwechselbeanspruchung. Durch lokales Aufheizen und Verformungsbehinderung durch umliegende kältere Bereiche kann es örtlich zur Plastifizierung des Kolbenwerkstoffes kommen und im Extremfall zur Entstehung von thermisch bedingten Anrissen. Um die Anrissneigung zu reduzieren, kann durch Anodisation des Kolbenbodens eine Aluminium-Hartoxidschicht erzeugt werden. Bei Mulden für Motoren mit Direkteinspritzung erfordert häufig die Optimierung des Schadstoffausstoßes, dass der Muldenrand mit möglichst kleinem Radius, oft auch mit einem Hinterschnitt ausgeführt wird. Am Muldenrand ent-
304
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
a
b
Bild 8-58 Finite-Elemente-Berechnung eines Kolbens. a FE-Netzwerk und Temperaturfeld in °C; b Verformungen unter Temperaturbelastung
steht dann zwangsläufig ein ausgeprägtes Temperaturmaximum. In die Kolbenlegierung eingebrachte keramische Kurzfasern aus Aluminiumoxid erhöhen die Festigkeit des lippenförmig ausgeführten Muldenrandes wesentlich. Da die Kolbenlegierung in flüssigem Zustand allerdings nur unter erhöhtem Druck in das poröse Paket aus Fasern eindringt, ist ein spezielles Gießverfahren erforderlich, um derartige Kolben mit faserverstärktem Muldenrand (Bild 8-59) oder örtlich faserverstärkten Bodenpartien herstellen zu können [8-79].
Beanspruchung der Ringpartie Die thermische und mechanische Belastung der ersten (in manchen Fällen auch der zweiten) Ringnut erfordert bei Aluminiumkolben für Dieselmotoren zum Erreichen der heute geforderten Lebensdauer zusätzliche Maßnahmen. Der Ringnutverschleiß (Flankenverschleiß) hat seine Hauptursache in der radialen Bewegung der Ringe, verursacht durch Kippbewegung des Kolbens im Zylinder. Auch die Axialbewegung infolge von Gas-, Massen- und Reibungskräften und das Rotieren der Ringe tragen zum Ringnutverschleiß bei. Die hohe thermische Beanspruchung, insbesondere der ersten Ringnut, verstärkt einerseits den mechanischen Ver-
schleiß, kann andererseits bei Dieselmotoren aber auch zur Verkokung der Ringnut und zum Festgehen des ersten Ringes führen. In der Regel ist die erste Ringnut von Aluminium-Dieselkolben durch Eingießen eines Ringträgers armiert, der meist aus „Niresist“ hergestellt wird. Es handelt sich dabei um ein austenitisches Gusseisen, dessen Wärmeausdehnung etwa der des Aluminiums entspricht. Zwischen Ringträger und Kolbenwerkstoff wird durch das Alfinverfahren eine intermetallische Bindung erzielt, die ein Lösen des Ringträgers durch Gas- und Massenkräfte vermeidet und einen besseren Wärmeübergang ermöglicht. Andere Maßnahmen zur Ringnutbewehrung wie innenspannende Stahlringe an der Nutoberflanke oder Einlegieren von verschleißmindernden Werkstoffen bieten im Vergleich zum Ringträger meist nur geringeren Verschleißschutz.
Naben- und Abstützungsbereich Die auf den Kolben einwirkenden Kräfte werden über die Bolzennabe in den Kolbenbolzen und über das Pleuel in die Kurbelwelle eingeleitet. Die Bolzennabe zählt zu den am höchsten beanspruchten Partien des Kolbens.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 305
Kolbenkühlung
Bild 8-59 Flüssiggepresster, keramikfaserverstärkter Kolben mit gekühltem Ringträger und Nabenbuchsen
Zur kraftflussgerechten Abstützung des Kolbenbodens kommen verschiedene Nabenformen zum Einsatz (Blockoder Trapezabstützung). Bei größeren Dieselmotoren für Bahn- und Schiffsantriebe wird vielfach durch abgesetzt ausgeführte Bolzennaben (Stufenpleuel) die Flächenpressung reduziert. In den Nabenabstützungen befinden sich die Nabenbohrungen zur Aufnahme des Kolbenbolzens. Wegen ihrer Aufgabe als Gleitlager muss die Nabenbohrung mit hoher Oberflächengüte hergestellt werden. Die Dimensionierung des Kolbenbolzens und der Breite des kleinen Pleuelauges haben wesentlichen Einfluss auf die Belastbarkeit der Nabenbohrung. Bei einer Leistungssteigerung eines Motors kann es unter den gegebenen Bedingungen (Zünddruck, Temperatur, Lebensdauer) erforderlich werden, die Feingeometrie der Nabenbohrung abweichend von der zylindrischen Kontur zu gestalten, um einen rissfreien Dauerbetrieb im Nabenbereich zu gewährleisten [8‑80], [8‑81]. Durch eine leichte Ovalität des Bolzenlochs oder eine optimierte trompetenförmige Aufweitung zum Pleuel hin lässt sich die Bauteilfestigkeit im Bereich der Bolzennabe um etwa 5 bzw. 15% steigern. Weitere Möglichkeiten bieten sich durch Entlastungstaschen in der Bolzennabe und durch Kolbenbolzen mit profilierter Außenkontur (Formbolzen, s. Abschn. 8.6.5). Allerdings führen alle diese Maßnahmen zu einer Erhöhung der mechanischen Spannungen am Kolbenboden.
Die thermische Belastung der Kolben lässt sich wegen der oberhalb von etwa 150 °C mit zunehmender Temperatur stark abnehmenden Dauerfestigkeit der Al‑Si‑Legierungen nur begrenzt steigern. Daher wird bei Dieselmotoren in den meisten Fällen eine gezielte Kühlung des Kolbens benötigt [8‑82]. Hierfür reicht in manchen Fällen das Anspritzen der Kolbeninnenform mit Öl durch Standdüsen aus (Temperaturreduzierung in der 1. Ringnut um 10 bis 30 °C). Vielfach wird hinter der Ringpartie ein umlaufender Hohlraum, der sog. Kühlkanal erforderlich. Kühlkanalkolben werden mit wasserauslösbaren Salzkernen oder als „gekühlter Ringträger“ mit einem am Ring träger angebrachtem Blechkühlkanal hergestellt. Das Kühlöl wird von einer sorgfältig justierten, gehäusefesten Düse aus über eine Zulauföffnung im Kolben in den ringförmigen Kühlkanal eingespritzt. Für eine gute Wärmeabfuhr ist die Einhaltung der richtigen Ölmenge von entscheidendem Einfluss. Den Ablauf bilden eine oder mehrere Bohrungen an der Kolbeninnenseite, die bevorzugt auf der dem Zulauf in etwa gegenüberliegenden Seite des Kühlkanals angeordnet sind. Abhängig von der Lage des Kühlkanals wird eine deutliche Temperaturabsenkung am Muldenrand sowie im Ring-, Abstützungs- und Nabenbereich erreicht. Im Bereich der 1. Nut können Temperaturabsenkungen von 25 bis 50 °C erreicht werden (Bild 8-60, Tabelle 8-5). Bei gebauten Kolben lassen sich im Boden aus Stahl Kühlräume gestalten, die eine wirkungsvolle Kühlwirkung, besonders im Bereich der Ringzone, ermöglichen. Üblicherweise erfolgt die Zuführung des Kühlöls in den äußeren, ringförmigen Kühlraum und der Rücklauf aus dem inneren Kühlraum. Da die Temperatur im Bereich der Nut des ersten Verdichtungsringes wegen Säurebildung durch Taupunktunterschreitung des in den Verbrennungsgasen enthaltenen SO2 und SO3 im Teillastbereich 150 °C nicht unterschreiten sollte, kann es erforderlich werden, den Kühlölkreislauf im Kolben zu ändern, so dass zuerst der Kolbenboden und anschließend der Bereich der Ringpartie gekühlt wird.
8.6.3.3
Kolbenbauarten
Kolben für Pkw-Dieselmotoren Verfahrensbedingt tritt beim Dieselmotor neben der thermischen auch eine höhere mechanische Belastung auf. Bei noch relativ niedrig belasteten Pkw‑Dieselmotoren reichte der übereutektische Aluminiumwerkstoff mit 18% Siliziumgehalt aus. Bei höher belasteten Motoren hat sich jedoch der Ringträger als Schutz gegen Verschleiß in der ersten Nut
306 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Tabelle 8-5 Einfluss der Motorbetriebsbedingungen und Kühlung auf die Kolbentemperaturen von Fahrzeugmotoren Betriebszustand
Änderung des Betriebszustandes
Temperaturänderung an der 1. Ringnut
Drehzahl n (pe = konst.)
100/min
2…4°C
Last pe (we) (n = konst.)
1 bar (0,1kJ/dm3)
≈10°C (Muldenrand ≈20°C)
1 bar bei Kühlkanalkolben
5…10°C (Muldenrand 15…20°C)
Förderbeginn (nach früh)
1° KW
+ 1…3°C (Muldenrand <4,5°C)
Verdichtung
um 1 Einheit
4…12°C
Kühlmitteltemperatur (Wasser)
10°C
4…8°C
Kühlmittelzusammensetzung (Wasserkühlung)
50% Glykol
+5…+10°C
Schmieröltemperatur (Ölsumpf)
10°C
1…3°C
Kolbenkühlung durch Öl
Spritzdüse am Pleuelfuß Standdüse Kühlkanal Kühlöltemperatur 10°C bei Kühlkanalkolben
–8…–15°C einseitig –10…–30°C –25…– 50°C 4 … 8°C (auch am Muldenrand)
Bild 8-60 Möglichkeiten der Kolbenkühlung und Kühlölbedarf
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 307 durchgesetzt. Meist handelt es sich dabei um Kolben aus eutektischen Al-Si-Legierungen mit 11 bis 13% Silizium. Bei aufgeladenen Motoren mit höherer thermischer Belas tung ist eine Kühlung der Kolben erforderlich. Dies kann durch Spritzölkühlung der Kolbeninnenkontur oder durch eine Zwangsölkühlung bei Kolben mit Kühlkanälen erreicht werden. Neben konventionellen Salzkern-Kühlkanalkolben (Bild 8‑61) werden auch gegossene Kolben mit gekühltem Ringträger (Bild 8‑62) eingesetzt, die ein erhebliches Potenzial an Temperaturabsenkung an kritischen Bauteilstellen ermöglichen. So erhöht eine effektive Temperaturabsenkung von 15 °C am Muldenrand die relative Lebensdauer an dieser Stelle um mehr als 100%.
Kolben für Nfz-Dieselmotoren Standardausführung für Nfz-Dieselmotoren ist heute der im Kokillengussverfahren gegossene Ringträgerkolben. Gegossene Vollschaftkolben ohne Ringträger finden nur noch in Motoren mit niedriger spezifischer Leistung oder begrenzter Lebensdauer Verwendung. Da sich gepresste Vollschaftkolben gegenüber gegossenen Kolben durch erhöhte Festigkeit auszeichnen, fanden sie in vielen Fahrzeug-Dieselmotoren Verwendung. Mit der Erhöhung der Leistung zeigte sich jedoch im Verschleißverhalten der ersten Nut bei übereutektischer Legierung ohne armierte Ringnut eine begrenzte Verwendbarkeit. Die bei geschmie
Bild 8-61 Kühlkanalkolben mit Ringträger (Salzkernkolben)
deten Kolben mögliche mechanische Verankerung zwischen Ringträger und Kolbenmaterial hat nie befriedigt. Gegenüber nur örtlich mit Öl an der Kolbenunterseite angespritzten Kolben erlauben Kolben mit Kühlkanälen, die zwangsweise von Öl durchflossen sind, eine generelle Senkung des Temperaturniveaus. Der Kühlkanal wird dabei nur teilweise gefüllt, um den gewünschten „Shaker“-Effekt mit gutem Wärmeübergang zu erzielen [8‑70]. Aluminium-Kühlkanalkolben werden heute für hochbelastete aufgeladene Dieselmotoren mit Ladeluftkühlung und mittleren effektiven Drücken von über 20 bar und bei maximalen Zylinderdrücken bis über 200 bar eingesetzt. Die weitere Reduzierung des Rußanteils im Abgas sowie eine Erhöhung des thermischen Wirkungsgrades kann durch höhere maximale Zylinderdrücke und in ihrer geometrischen Form veränderte Verbrennungsmulden im Kolbenboden, meist mit exponierten, hinterschnittenen Muldenrändern erreicht werden. Die thermischen Anforderungen an den Kolben, insbesondere im Brennraum muldenbereich, steigen dadurch. Eine Kolbenbauart für extrem hohe mechanische und thermische Beanspruchungen ist der Pendelschaftkolben (Ferrotherm -Kolben, Bild 8‑63). Er besteht aus zwei Teilen, dem Kolbenkopf aus Stahl und dem Aluminium-Kolbenschaft, die über den Kolbenbolzen beweglich miteinander verbunden sind. Der Kolbenkopf übernimmt zusammen mit den Kolbenringen die Abdichtfunktion gegen die heißen Brenngase und die Übertragung der Gaskraft auf den
®
Bild 8-62 Kühlkanalkolben mit gekühltem Ringträger
308 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks Kurbeltrieb. Vom Kolbenschaft werden die vom Kurbeltrieb eingeleiteten Querkräfte und die daraus resultierenden Gleitbahnkräfte aufgenommen. Eine weitere Kolbenvariante ist der einteilige Stahlkolben (Monotherm -Kolben, Bild 8‑64). Aus dem geschmiedeten Stahlrohteil wird der Kolben fertig bearbeitet. Er weist einen nur an den Naben oder zusätzlich am Kolbenboden angebundenen Schaft auf. Wegen der schlechteren Wärmeleitfähigkeit der Eisenwerkstoffe ist der Kühlbedarf des Kolbens, um Ölalterung zu vermeiden, höher als bei einem Aluminiumkolben. Die Zufuhr des Kühlöls erfolgt über Spritzdüsen in den Zulaufkanal des Kolbens. Durch Abdeckbleche an der Unterseite des Kühlraumes im Kolbenkopf kann aus dem offenen Kühlraum ein dem Kühlkanalkolben ähnlicher, geschlossener Kühlraum geschaffen werden („Shaker“-Effekt des Kühlöls). Die erste Ringnut, eingestochen in den aus Stahl gefertigten Kolbenkopf, bedarf keiner Armierung durch einen Ringträger wie bei einem Aluminiumkolben [8‑83].
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Kolben für Lokomotiv-, Stationär- und Schiffsdieselmotoren Bild 8-63 Pendelschaftkolben (Ferrotherm-Kolben) mit Stahl-Kolbenkopf und Aluminiumschaft
Bild 8-64 Einteilig geschmiedeter Stahlkolben (Monotherm-Kolben)
Die weniger stark wechselnden Betriebsbedingungen bei stationären Anlagen, Schiffsantrieben, Triebwagen- und Lokomotivmotoren ermöglichen in vielen Fällen den AluminiumVollschaftkolben einzusetzen. Die Boden- und Ringpartie ist bei diesen Kolben kräftig ausgeführt und bietet dem Wärmefluss ausreichende Querschnitte. Derartige Kolben mit Ringträger und Kühlschlange bzw. Ringkanal werden entweder gegossen oder es wird der gepresste Kolbenkörper und das gegossene Ringband mit Ringträger und Kühlkanal mittels Elektronenstrahl durch Schweißen verbunden (Bild 8‑65). Bei mit Schweröl betriebenen mittelschnelllaufenden Motoren hat sich die Grenze der Verwendbarkeit von Leichtmetalllegierungen gezeigt. Die Widerstandsfähigkeit gegen mechanischen Abrieb am Feuersteg durch feste Verbrennungsrückstände reichte nicht mehr aus. Die günstigeren Eigenschaften von Sphäroguss insbesondere bei stark schwefelhaltigen Kraftstoffen führten zum gießtechnisch sehr anspruchsvollen einteiligen Eisenkolben in Leichtbauweise (Monoblock, Bild 8‑66). Beim gebauten Kolben dagegen werden die Eigenschaften verschiedener Werkstoffe in einem Kolben vereint. Drei Generationen von gebauten Kolben sind heute im Einsatz. Allen gemeinsam ist die Kolbenkonstruktion, bei der der Kolbenboden mit der Ringzone (Kolbenoberteil) den einen, der Kolbenschaft mit den Bolzennaben (Kolbenunterteil) den anderen Hauptbestandteil des Kolbens bildet. Beide Teile sind über geeignete Verbindungselemente miteinander verbunden.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 309 Zu der klassischen Form des gebauten Kolbens mit geschmiedetem, rotationssymmetrischem Stahlkolbenboden mit äußerem und innerem Kühlraum und geschmiedetem Aluminium-Unterteil (Bild 8‑67) kam die Ausführung mit bohrungsgekühltem Stahlboden (Bild 8‑68). Stahl-Kolbenböden mit radial angeordneten Kühlölbohrungen zeichnen sich bei gesteigerten Zünddrücken trotz dünner Wandungen durch ausreichend hohe Steifigkeit bei unverändert wirkungsvoller Wärmeableitung im Vergleich zu konventionellen Stahlböden aus. Zur Verschleißreduzierung werden die Kolbenringnuten im Stahlbereich induktiv gehärtet oder verchromt. Unterteile aus Aluminium haben den Vorteil, dass bei massegleichen Konstruktionen im Vergleich zu anderen Werkstoffen das Unterteil sehr dickwandig und steif ausgeführt werden kann. Beim gebauten Kolben mit Unterteil aus Sphäroguss anstelle von geschmiedetem Aluminium stehen ein geringes Kolbenkaltspiel und daraus folgend eine geringe Kolbense-
Bild 8-65 Elektronenstrahlgeschweißter Kolben mit Kühlkanal und Ring träger
Bild 8-66 Einteiliger Kolben aus Sphäroguss (Monoblock)
Bild 8-67 Gebauter Kolben, konventionell gekühlt, mit Aluminium-Unter‑ teil
310 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-68 Bohrungsgekühlter Stahlboden eines gebauten Kolbens
kundärbewegung, hohe Fresssicherheit und geringe Korrosion im Vordergrund der Überlegung. Als Boden findet der klassische geschmiedete, rotationssymmetrische Stahlkolbenboden mit äußerem und innerem Ringkühlkanal Verwendung (Bild 8‑69). Der gebaute Kolben mit Sphäroguss- oder SchmiedestahlUnterteil und Stahlboden ist die Ausführung des gebauten Kolbens, wie er für den Einsatz im maximalen Zylinderdruckbereich von mehr als 200 bar vorgesehen wird. Geringe Verformungen des Kolbenbodens und des Unterteils, hohe strukturelle Festigkeit und kleine Kaltspiele sind charakteristische Eigenschaften dieser Bauart [8‑84]. Durch die Verwendung von Materialien mit höherer Dichte erhöht sich die Gesamtmasse gegenüber einem Kolben aus einer Al-Legierung um ca. 20 bis 50%. Kolben für Zweitakt-Dieselmotoren (Kreuzkopfmotoren) bestehen meist aus einem topfförmigen, rotationssymmetrischen Stahlteil (z. B. aus 34CrMo4), das direkt oder über ein Einsatz- oder Zwischenteil mit der Kolbenstange verschraubt ist (Bild 8‑70). Die Anwendung der Bohrungskühlung (ein von Sulzer entwickeltes Prinzip) führte zu einfachen, robusten Konstruktionen mit großen Sicherheiten in Bezug auf thermische und mechanische Belastungen. Die mechanischen Beanspruchungen und auch die unvermeidbaren Verformun gen der Kolbenkrone können ohne nennenswerte Spannungs erhöhungen aufgenommen werden [8‑85], [8‑86]. Der Einsatzbereich verschiedener Großkolbenbauarten für mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren ist aus Bild 8‑71 ersichtlich.
Bild 8-69 Gebauter Kolben, konventionell gekühlt, mit dünnwandigem Sphäroguss-Unterteil
8.6.3.4
Werkstoffe
Kolbenwerkstoffe Dass im Laufe der Entwicklung von Verbrennungsmotoren für Kolben besondere – bei anderen Bauteilen nicht verwendete – Werkstoffe eingesetzt werden, deutet darauf hin, dass bei diesem Bauteil außergewöhnliche Anforderungen zu erfüllen sind. In der Tat stellen die heute gebräuchlichen Kolbenwerkstoffe einen Kompromiss zwischen einer ganzen Reihe einander zum Teil widersprechender Ansprüche dar. Aluminium-Silizium-Legierungen (vorwiegend eutektisch) sind die im Kolbenbau überwiegend eingesetzten Werkstoffe (Bild 8‑72). Hohe Wärmeleitfähigkeit, geringe Dichte, gute Gieß- und Umformbarkeit sowie gute Bearbeitbarkeit und hohe Warmfestigkeit sind nur einige der Merkmale dieser Leichtmetalllegierungen (Tabelle 8‑6). Nachteilig ist der bei 150 bis 200 °C einsetzende merkliche Abfall der Werkstoff-Kennwerte inklusive der Härte.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
311
Durch Modifizierung der Legierungszusammensetzung, insbesondere mit erhöhtem Cu-Gehalt, konnte die Dauerfestigkeit der Al-Si-Legierungen im Bereich von Temperaturen über 250 °C deutlich gesteigert werden, allerdings zu Lasten eines erhöhten Aufwands bzgl. der Gießtechnik. Al-SiLegierungen werden in gegossenem und geschmiedetem Zustand eingesetzt (Tabelle 8-7). Bei erhöhtem Staubanfall oder hohen Betriebstemperaturen reicht der Verschleißwiderstand dieser Legierungen nicht mehr aus, so dass, wie im Abschn. 8.6.3.2 erwähnt, Ringträger erforderlich werden. Bei Kolben für Schiffsdiesel- und Stationärmotoren, insbesondere bei Schwerölbetrieb, kommt Sphäroguss (GGG 70) für den Schaft von gebauten Kolben oder für den ganzen Kolben (Monoblock) zum Einsatz (Tabelle 8-8). Stähle (42CrMo4) werden für die Böden von gebauten Kolben und für die Köpfe von Ferrotherm-Kolben für Nutzfahrzeugmotoren sowie für Monotherm-Kolben eingesetzt. Vorteilhaft sind die höhere Temperaturbeständigkeit, das verbesserte Verschleißverhalten, die höhere Steifigkeit und die insgesamt höhere Bauteilbelastbarkeit, bei allerdings meist größerer Masse und höherem Fertigungsaufwand (Tabelle 8-9).
Beschichtung von Oberflächen Bild 8-70 Kolben für Kreuzkopf-Zweitakt-Dieselmotor
Bei Kolben werden unterschiedliche Oberflächenschichten verwendet. Gemäß ihren Aufgaben kann man sie in zwei Gruppen aufteilen. Die erste Gruppe umfasst die Schichten, die besonders gegen thermische Überbeanspruchung schützen. Die Schichten der zweiten Gruppe sollen die Laufeigenschaften verbessern. Schutzschichten Durch Hartanodisieren des Grundwerkstoffs werden Oxidschichten erzeugt, die sich durch innige Verbindung mit dem Grundwerkstoff auszeichnen. Diese Schichten gewähren dem Kolbenboden einen Schutz gegen den thermischen und mechanischen Angriff der heißen Verbrennungsgase und erhöhen die Widerstandsfähigkeit gegen thermisch und mechanisch bedingte Muldenrand- und Bodenanrisse. Da die Notlaufeigenschaften der harten Oxidschichten nicht günstig sind, müssen Schaft und Ringpartie der Kolben bei der Behandlung abgedeckt werden. Laufschichten
Bild 8-71 Kolbenflächenleistung von verschiedenen Großkolben mittelschnelllaufender Viertakt-Dieselmotoren
Das Laufverhalten des Kolbenschaftes ist in erster Linie durch die Paarung von Kolben- und Zylinderwerkstoff und deren Oberflächenrauhigkeit bestimmt. Letztere ist insofern wichtig, als durch sie die Ausbildung und Haftung eines tragfähigen Schmierfilms auch unter spärlicher Ölzufuhr stark beeinflusst wird. Darüber hinaus sind dünne Schichten weicher Metalle oder von Graphit in der Lage, auch bei ausge-
312 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Bild 8-72 Gefügebilder der Aluminium-Kolben‑ legierungen
Tabelle 8-6 Chemische Zusammensetzung von Aluminium-Kolbenlegierungen Legierungsanteil %
Al-Si-Legierungen eutektische
Si Cu Mg Ni Fe Mn Ti Zn Cr Al
übereutektische
AlSi 12 CuMgNi
AlSi 12 Cu4Ni2Mg
AlSi 18 CuMgNi
AlSi 25 CuMgNi
11…13 0,8…1,5 0,8…1,3 0,8…1,3 ≤0,7 ≤0,3 ≤0,2 ≤0,3 – Rest
11…13 3…5 0,5…1,2 1...3 ≤0,7 ≤0,3 ≤0,2 ≤0,3 – Rest
17…19 0,8…1,5 0,8…1,3 0,8…1,3 ≤0,7 ≤0,2 ≤0,2 ≤0,3 – Rest
23…26 0,8…1,5 0,8…1,3 0,8…1,3 ≤0,7 ≤0,2 ≤0,2 ≤0,2 ≤0,6 Rest
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 313
Tabelle 8-7 Werkstoff-Kennwerte von Aluminium-Kolbenlegierungen (Festigkeitswerte gelten für getrennt hergestellte Probestäbe) Kennwert
eutektisch
übereutektisch
AlSi 12 CuNiMg Kokillenguss
AlSi 12 CuNiMg geschmiedet
AlSi 12 Cu4Ni2Mg Kokillenguss
AlSi 18 CuNiMg Kokillenguss
AlSi 25 CuNiMg geschmiedet
Zugfestigkeit Rm N/mm2
20°C 50°C 250°C 350°C
200…250 180…200 90…110 35…55
300…370 250…30 80…140 50…100
200... 280 180... 240 100... 120 45... 65
180…220 170…210 100…140 60…80
230…300 210...260 100…160 60…80
Streckgrenze Rp 0,2 N/mm2
20°C 150°C 250°C 350°C
190…230 170…200 70…100 20…30
280…340 220…280 60…120 30…70
190…260 170... 220 80... 110 35... 60
170…210 150…190 100…140 20…40
220…260 200…250 80…120 30…40
Bruchdehnung A %
20°C 150°C 250°C 350°C
0,1…1,5 1,0…1,5 2…4 9…15
1…3 2,5…4,5 10…20 30…35
<1 <1 1,5…2 7…9
0,2…1,0 0,3…1,2 1,0…2,2 5…7
0,5…1,5 1…2 3…5 10…15
Biegewechselfestigkeit σbw N/mm2
20°C 150°C 250°C 350°C
90…110 75…85 45…50 20…25
110…140 90…120 45…55 30…40
100…110 80…90 50…55 35…40
80…110 60…90 40…60 15…30
90…120 70…110 50…70 20…30
Elastizitätsmodul E N/mm2
20°C 150°C 250°C 350°C
80000 77000 72000 65000
80000 77000 72000 69000
84000 79000 75000 70000
83000 79000 75000 70500
84000 79000 76000 70000
Wärmeleitzahl λ W/(mK)
20°C 150°C 250°C 350°C
155 156 159 164
158 162 166 168
125 130 135 140
143 147 150 156
157 160 163 –
mittlere, lineare Wärmeausdehnung 20…200°C (1/K)x10–6
20,6
20,6
20,0
19,9
20,3
Dichte ρ (g/cm3)
2,68
2,68
2,77
2,68
2,68
relativer Verschleißwert
1
1
~0,9
~0,8
~0,8
Brinellhärte HB 2,5/62,5
90…125
sprochener Mangelschmierung wenigstens vorübergehend, die Gleitfähigkeit sicherzustellen. Durch Verzinnen der Kolben lassen sich günstige Lauf eigenschaften erzielen. Verfahrenstechnisch beruht die Schichtbildung auf dem Prinzip des Ionenaustausches. Die Aluminiumkolben werden dabei in Lösungen von Zinnsalzen getaucht. Da Zinn in der elektrochemischen Span-
nungsreihe edler als Aluminium ist, wird es auf der Kolbenoberfläche abgeschieden. Bei dem Vorgang wird gleichzeitig Aluminium gelöst, bis sich eine geschlossene Oberfläche aus Zinn gebildet hat. Die entstehende 1 bis 2 µm dicke Metallschicht wird wegen ihrer guten Notlaufeigenschaften noch in geringem Umfang bei Kolben für Nutzfahrzeugund Pkw-Motoren verwendet.
314 8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Tabelle 8-8 Gusseisenwerkstoffe, Richtwerte GGG 70
Gußeisen austenitisch mit Lamellengraphit
Gußeisen austenitisch mit Kugelgraphit
Legierungselemente % C Si Mn Ni Cr Cu Mo Mg
3,5…4,1 2,0…2,4 0,3…0,5 0,6…0,8 – <0,1 – 0,04…0,06
2,4…2,8 1,8…2,4 1,0…1,4 13,5…17,0 1,0…1,6 5,0…7,0 – –
2,4…2,8 2,9…3,1 0,6…0,8 19,5…20,5 0,9…1,1 – – 0,03…0,05
Zugfestigkeit Rm in N/mm2 20°C 100°C 200°C 300°C 400°C
≥700 640 600 590 530
≥190 170 160 160 150
≥380 – – – –
Streckgrenze Rp in N/mm2 20°C 100°C 200°C 300°C 400°C
≥420 390 360 350 340
150 150 140 140 130
≥210 – – – –
Bruchdehnung A in % 20%
≥2
≥2
≥8
Brinellhärte HB 30 20°C
240…300
120…160
140…180
Biegewechselfestigkeit sbw in N/mm2 20°C
≥250
≥80
–
Elastizitätsmodul E in N/mm2 20°C 200°C
177000 17100
100000 –
100000 –
Wärmeleitzahl λ in W/(m · K) 20°C
27
32
13
mittlere, lineare Wärmeausdehnung 20…200°C (1/K)x10–6
12
18
18
Dichte ρ in (g/cm3)
7,2
7,45
7,4
besondere Eigenschaften Verwendung
hochbeanspruchte Kolben, Kolben böden und Unterteile für gebaute Kolben
hohe Wärmeausdehnung; für Ringträger
Wärmeausdehnung und Festigkeit hoch; für Ringträger
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen 315
Tabelle 8-9 Stahlwerkstoffe für geschmiedete Kolbenteile, Richtwerte AFP-Stahl 38 Mn VS6
Tabelle 8-9 (Fortsetzung) AFP-Stahl 38 Mn VS6
42 CrMo 4 V
Dichte ρ (g/cm3)
7,8
7,8
Wärmeleitzahl λ W/(m K) 20°C 200°C 300°C 400°C 450°C
44 – 40 – 37
38 – 39 – 37
mittlere, lineare Wärmeaus‑ dehnung (1/K)x10–6 20…200°C 20... 300°C 20…400°C 20... 450°C
– 13,2 – 13,7
– 13,1 13,2 13,7
BY-Stahl für Kol‑ ben, -böden und Unterteile von gebauten Kolben
wamfester Vergü‑ tungsstahl für Kolben, -böden und Schrauben von gebauten Kolben
42 CrMo 4 V
Legierungselemente % C Si Mn Cr Mo V (P, S)
0,34…0,41 0,15…0,80 1,2 …1,6 <0,3 <0,08 0,08... 0,2 (<0,025,0,02...0,06)
0,38…0,45 0,15…0,40 0,60…0,90 0,90…1,20 0,15…0,30 – (<0,02)
Zugfestigkeit Rm N/mm2 20°C 100°C 200°C 300°C 400°C 450°C
>910 – – 840 – 610
>920 – – 850–930 – 630–690
Streckgrenze Rp N/mm2 20°C 100°C 200°C 300°C 400°C 450°C
>610 – – 540 – 450
>740 – – 680–750 – 520–580
Bruchdehnung A % 20% 200°C 300°C 400°C 450°C
≥14 – 11 – 15
12–15 – 10–13 14 15–16
Brinellhärte HB 30
240–310
265…330
Biegewechselfestigkeit sbw N/mm2 20°C 200°C 300°C 400°C 450°C
≥370 – 320 – 290
≥370 – 340–400 – 280–400
Elastizitätsmodul E N/mm2 20°C 200°C 400°C 450°C
210000 189000 – 176000
210000 193000 – 180000
besondere Eigenschaften Verwendung
Graphit macht den Schmierstoff haftfähiger und entfaltet selbst eine Schmierwirkung, wenn der Ölschmierfilm versagt. Wichtig ist es, haftfeste Graphitschutzschichten (Gleitlacke) auf dem Kolben zu erzeugen. Die metallische Oberfläche wird hierzu in alkalischen Bädern mit einer ca. 3 bis 5 µm dicken Metallphosphatschicht überzogen, die einen guten Haftgrund für die Kunstharzgraphitschicht darstellt. Diese besteht aus feinem Graphitpulver, das mit einem Polyamidimid(PAI)-Harz gebunden ist. Die etwa 10 bis 20 µm dicke Schicht wird nach dem Auftragen bei erhöhter Temperatur eingebrannt (polymerisiert). Graphitschichten werden bei größeren Kolben sowie bei Kolben für Pkw-Otto- und -Dieselmotoren eingesetzt. Graphitschutzschichten können sowohl auf Aluminiumkolben als auch auf Eisenkolben aufgebracht werden. Ihre „ölfreundliche“ Oberfläche hat sehr günstige Notlaufeigenschaften.
8.6.4
Kolbenringe
8.6.4.1
Allgemeine Beschreibung
Kolbenringe haben im Verbrennungsmotor die Aufgabe, den Kolben als beweglichen Teil des Brennraumes gegen den
316
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Kurbelgehäuseraum möglichst vollständig abzudichten. Sie unterstützen ferner die Wärmeabfuhr vom Kolben an die Zylinderwand und regeln den Ölhaushalt, wobei sie eine ölverteilende und ölabstreifende Wirkung ausüben. Die verschiedenen Ringe werden deshalb entsprechend ihrer Funktion in Verdichtungsringe und Ölkontrollringe unterteilt. Zur Erzeugung des notwendigen Anlagedrucks gegen die Zylinderwand erhalten die Ringe die Form einer offenen Ringfeder (Bild 8-73). Durch Doppelformdrehen, einer gleichzeitigen Bearbeitung des an den Flanken geschliffenen Rohlings innen und außen im Kopierdrehverfahren, erhält der Ring nach Heraustrennen des der Maulweite entsprechenden Stücks (Stoß) die für seine Funktion im Zylinder erwünschte Radialdruckverteilung. Der Ring liegt dabei lichtspaltdicht an der Zylinderwand an und drückt mit vorgegebenem Radialdruck gegen den Zylinder. Die im eingebauten Zustand radial wirkende Federkraft wird im Motorbetrieb durch den auch hinter dem Ring herrschenden Gasdruck verstärkt. Die axiale Anlage an der Kolbennutflanke wird im Wesentlichen durch die Gasdruckbeaufschlagung der Ringflanke erzeugt (Bild 8-74 [8-87]).
8.6.4.2
Verdichtungsringe
Sie übernehmen die Abdichtfunktion und die Wärmeabführung an die Zylinderwand. Sie sind außerdem an der Regelung des Schmierölhaushaltes beteiligt. Die Abdichtungsaufgabe umfasst vor allem die Verhinderung des Durchtritts der Verbrennungsgase aus dem Brennraum in das Kurbelgehäuse. Erhöhtes Durchblasen gefährdet Kolben und Ringe durch Überhitzen, stört den Schmierzustand an der Zylinderwand und beeinflusst das Schmieröl im Kurbelraum negativ. Als Verdichtungsringe haben sich Ringe mit rechteckoder trapezförmigem Querschnitt und balliger, asymmetrisch balliger und konischer Lauffläche bewährt. Ist die Lauffläche im Bereich von einigen Winkelminuten konisch ausgeführt (Minutenringe), so entsteht infolge der linienförmigen Berührungsfläche zunächst eine hohe Pressung zwischen Ringlauffläche und Zylinderwand, was den Einlaufvorgang verkürzt. Der gleiche Effekt kann auch durch eine konstruktive Unsymmetrie im Ringquerschnitt (Innenwinkel, Innenfase) erreicht werden. Der Ring verwirft sich dann beim Einbau durch den einseitig veränderten Querschnitt tellerförmig. Es bildet bzw. verstärkt sich eine zur Zylinderlaufbahn konische Lauffläche („Twist“-Effekt). Unter Gasdruck wird der Ring plangedrückt, wodurch im Betrieb eine zusätzliche dynamische Beanspruchung entsteht. Der „Twist“-Winkel liegt ebenfalls im Bereich von nur wenigen Winkelminuten (Tabelle 8-10 [8-88]). Die Kolbenringe der ersten Nut sind an der Lauffläche meist ballig ausgeführt, um einen raschen Einlauf zu erzie-
Bild 8-73 Bezeichnungen am Kolbenring. a (radiale) Wanddicke; h (axiale) Ringhöhe; d Nenndurchmesser
len. Bei asymmetrischer Balligkeit schwimmt der Ring beim Aufwärtshub stärker auf und ermöglicht eine größere Ölmenge im oberen Totpunkt, dem durch Mischreibungszustände zwickelverschleißgefährdeten oberen Teil der Zylinderbuchse.
8.6.4.3
Ölabstreifringe
Ölabstreif- oder -kontrollringe regulieren und begrenzen den Ölhaushalt. Sie streifen überschüssiges Schmieröl von der Zylinderwand ab und führen es wieder dem Kurbelraum zu. Ungenügendes Abstreifen kann zu Ölverkoken oder Ölübertritt in den Brennraum und damit zu erhöhtem Ölverbrauch führen. Ölabstreifringe haben üblicherweise zwei getrennte Laufflächen. Sie können durch Schlauchfedern in ihrer Flächenpressung variiert werden. Eine Zwitterstellung nimmt der Nasen- oder Nasenminutenring ein. Er wirkt sowohl als Verdichtungs- als auch als Ölabstreifring (Tabelle 8-11). Auch wenn die Abdichtung gegen Verbrennungsgase die Hauptaufgabe der Verdichtungsringe und die Ölverteilung und Ölabstreifung die Hauptaufgabe der Ölkontrollringe ist, so spielen im tribologischen System zwischen Kolben, Kolbenring und Zylinder auch die Werkstoffe sowie die Ober-
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
317
Bild 8-74 Kräfte am Kolbenring
flächenschicht und Oberflächenfeinstruktur eine wichtige Rolle. Kolbenringe bestehen meist aus hochwertigem Gusseisen mit lamellaren oder globularen Graphiteinlagerungen. Außerdem kommen verschiedene, auf hohe Festigkeit und geringen Verschleiß ausgelegte Sonderwerkstoffe und verschiedene Stahlsorten für Kompressionsringe und Ölkontrollringe sowie für tangentialspannungserhöhende Schlauchfedern zum Einsatz. Zur Verlängerung der Lebensdauer von Kolbenringen werden Laufflächen galvanisch verchromt, im Flammspritz-, Plasmaspritz- oder HVOF-Verfahren (High Velocity Oxygene Fuel) mit Molybdän gefüllt oder ganzflächig beschichtet, mit metallischen, metallkeramischen und Keramik-Mischschichten überspritzt oder mit PVD-Verfahren beschichtet. Zur Verbesserung des Einlaufs oder der Verschleißminderung an Flanken und Lauffläche werden Oberflächenbehandlungen am ganzen Ring vorgenommen. Hierbei kommen Verfahren, wie Phosphatieren, Nitrieren, Ferrooxidieren, Verkupfern, Verzinnen und andere zur Anwendung.
8.6.5
Kolbenbolzen
Der Kolbenbolzen stellt im Kraftfluss die Verbindung zwischen Kolben und Pleuel her. Infolge der oszillierenden Bewegung des Kolbens und der Überlagerung von Gas- und Massenkräften ist er hohen Belastungen wechselnder Richtung ausgesetzt. Wegen der geringen Drehbewegung an den
Lagerstellen zwischen Kolben, Bolzen und Pleuel liegen ungünstige Schmierverhältnisse vor (Tabelle 8-12). Für die meisten Anwendungen hat sich der rohrförmige Kolbenbolzen als Standardkonstruktion durchgesetzt (Bild 8-75 (a)). Forderungen in Bezug auf einfache Technik und wirtschaftliche Herstellung werden durch ihn in optimaler Weise erfüllt. Kolbenbolzen sind durch Kolbenbolzensicherungen gegen seitliches Auswandern aus der Nabenbohrung und Anlaufen gegen die Zylinderwand gesichert. Dazu werden fast ausschließlich außenspannende Sicherungsringe aus Federstahl verwendet, die in Nuten am Außenrand der Nabenbohrungen eingesetzt werden. Für Nfz-Dieselmotoren und Großmotoren werden hauptsächlich gewickelte Flachdrahtringe oder gestanzte Sicherungsringe verwendet. Bei Dieselmotoren wird der im Kolben und im Pleuel „schwimmend“ gelagerte Bolzen bevorzugt. Um eine weichere Anpassung von Bolzen und Nabe zu erreichen, kommen teilweise Formbolzen zum Einsatz, bei denen im Bereich der Auflagen der Bohrungsinnenkanten der Bolzennaben der Bolzenaußendurchmesser durch Einstechschleifen geringfügig zurückgenommen ist (Bild 8-75 (b)). Insbesondere bei Großkolben wird häufig das Kühlöl von der Pleuelstange über den Bolzen zum Kolben geleitet. Die Bolzen sind daher mit Längs- und Querbohrungen und verschlossenen Bohrungsenden versehen (Bild 8-75 (c) und (d)).
318
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Tabelle 8-10 Verdichtungsringe, Haupttypen
Die mit„Top“ bezeichneten Ringflanken müssen zum Kolbenboden (Brennraum) zeigen.
8.6 Kolben, Kolbenringe und Kolbenbolzen
319
Tabelle 8-11 Ölabstreifringe, Haupttypen
Die mit„Top“ bezeichneten Ringflanken müssen zum Kolbenboden (Brennraum) zeigen.
Aus der Funktion des Kolbenbolzens ergeben sich folgende Anforderungen: – geringe Masse, – möglichst hohe Steifigkeit, – ausreichende Festigkeit und Zähigkeit, – hohe Oberflächengüte und Formgenauigkeit. In Bild 8-76 ist die Spannungsverteilung an einem Kolbenbolzen unter Wirkung der Gaskraft schematisch dargestellt. Zur Erhöhung des Verschleißwiderstandes an der Lauffläche und der Festigkeit an der Oberfläche der Bohrung werden Bolzen einsatzgehärtet oder nitriert.
Als Bolzenwerkstoffe werden Einsatzstähle (17Cr3, 16MnCr5) oder für höher belastete Motoren Nitrierstähle (31CrMoV9) nach DIN 73126 verwendet. Diese Stähle haben nach der Wärmebehandlung die erforderliche harte, verschleißfeste Oberfläche sowie einen zähen Kern. Kolbenbolzen für Großmotoren werden aus ESUWerkstoffen hergestellt. Durch das ESU-Verfahren (ElektroSchlacke-Umschmelzen) wird ein hoher Reinheitsgrad erreicht. Kolbenbolzen werden nach [8-89] näherungsweise auf Biegespannung, Abplattungsspannung und Gesamtspannung berechnet. Für eine genauere Spannungsermittlung sind erweiterte Berechnungsansätze entwickelt worden
320
8 Gestaltung, Mechanik und Beanspruchung des Triebwerks
Tabelle 8-12 Dimensionierung von Kolbenbolzen, Richtwerte Anwendung
Verhältnis Bolzen außen zu Kolben
Verhältnis Bolzen innen zu Bolzen außen
Dieselmotoren
0,30…0,42 0,36…0,45 0,36…0,45
0,48…0,52 0,40…0,52 0,45
0,39…0,48
0,30…0,40
Pkw-Moten Nfz-Motoren Mittelmotoren (160…240 mm Kolben-) Großmotoren (>240 mm Kolben-)
[8-90]. Die gesamte Baugruppe Kolben, Kolbenbolzen und kleines Pleuelauge lässt sich mit Hilfe der dreidimensionalen Finite-Elemente-Methode bezüglich Spannungen und Verformungen berechnen.
8.6.6
Entwicklungstendenzen
Motorseitig sind die Ziele bei der Weiterentwicklung des Dieselmotors: – höhere spezifische Leistung, – geringerer spezifischer Kraftstoffverbrauch, – erhöhte Lebensdauer sowie bedingt durch die Restriktionen der Abgasgesetzgebung – in besonderem Maße – – die Reduzierung der Abgasschadstoffe (NOX, Ruß/Partikel, CO, HC). Weitere Aspekte sind Geräusche, Massen- und Kostenreduzierung.
Auf die Kolbenentwicklung haben die genannten motorseitigen Entwicklungsziele mehrfache Auswirkungen. Die mechanische Belastung der Kolben (maximaler Zylinderdruck) steigt ebenso wie die thermische Belastung. Für Kolben aus Al-Si-Legierungen werden daher eine massiver gestaltete Innenform (Wanddicke, Domform), trapez- oder stufenförmig bearbeitete Augenabstützungen und vergrößerte Bolzenaußendurchmesser erforderlich. Wegen der Erhöhung der Spannungen am Kolbenboden – je nach Muldengeometrie – werden konstruktive Maßnahmen an der Nabenbohrung zur Erhöhung der Nabenfestigkeit sehr abgewogen eingesetzt. Verstärkt kommen eingeschrumpfte Nabenbuchsen (z. B. Messing oder Aluminiumbronzen) zur Anwendung (Bild 8-77). Zur Schadstoffreduzierung wird neben der geometrischen Gestaltung der Direkteinspritzermulde mit Hinterschneidungen die Forderung nach minimalem Totvolumen im Bereich des Feuerstegs durch das Höherlegen der ersten Ringnut erfüllt. Die thermische Belastung des ersten Ringes und der Ringnut steigt dadurch an. Die mechanischen Spannungen am Muldenrand erhöhen sich in Bolzenrichtung, was lokale Verstärkung durch Fasereinlagen erforderlich machen kann. Üblicherweise wird ein Volumenanteil der Fasern von 10 bis 20% gewählt, wodurch die Biegewechselfestigkeit bei den am Muldenrand auftretenden Temperaturen um ca. 30% gesteigert werden kann. Bei weiter steigenden Belastungen könnten auch im PkwStahlkolben zum Einsatz kommen.
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Bild 8-75 Kolbenbolzen-Ausführungen. a Standard-Kolbenbolzen; b Formbolzen (schematisch); c Bolzen mit Ölleitrohr für Kolben mit Ölkühlung; d Bolzen mit Verschlussdeckeln für Kolben mit Ölkühlung
8 Literatur
Bild 8-76 Spannungsverteilung am Kolbenbolzen (schematisch)
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321
Bild 8-77 Kolben für hochbelasteten Dieselmotor mit Nabenbuchsen
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9
Motorkühlung
9.1
Interne Motorkühlung
9.1.1
Aufgabe der Motorkühlung
9.1.1.1
Wärmebilanz und Wärmetransport
Ein Dieselmotor setzt die zugeführte Brennstoffenergie je nach Motorgröße sowie Arbeits- und Verbrennungsverfahren zu 30 bis 50% in Nutzarbeit um. Der restliche Anteil – abgesehen von Umsetzungsverlusten bei der Verbrennung – wird als Wärme an die Umgebung abgegeben (Bild 9‑1), größtenteils mit dem Abgas und über das Kühlsystem. Nur ein relativ kleiner Anteil gelangt über die Motoroberfläche durch freie Konvektion und Strahlung an die Umgebung. Die über das Kühlsystem abgeführte Wärme umfasst neben der
an das Kühlmittel übertragenen Bauteilwärme auch die im Schmieröl- und Ladeluftkühler abgeführten Wärmen. Eine Nutzung der Verlustenergie für Heizzwecke etc. (s. Abschn. 14) erfordert eine detaillierte Analyse zum Enthalpiegehalt der einzelnen Wärmen sowie über Einsatz und Art des Motors. Auch das externe Kühlsystem, Abschn. 9.2, ist in die Überlegungen einzubeziehen. Die interne Motorkühlung erfasst im Wesentlichen die bei der Energiewandlung im Brennraum auftretenden Wandwärmeverluste (s. Abschn. 1.3 und 7.2), die über einen Wärmedurchgangsprozess an das Kühlmittel gelangen. Daneben werden oftmals auch weitere Motorbauteile direkt gekühlt, z. B. Einspritzdüsen, Abgasturbolader und Abgasleitungen. Betrachtet man die Motorkühlung allein vom Standpunkt der Energieumsetzung her, so erscheint sie als Energiever-
Bild 9-1 Äußere Wärmebilanz eines neuzeit‑ lichen Nfz‑Dieselmotors
9.1 Interne Motorkühlung 325 schwendung. Es stellt sich die Frage, ob der ungekühlte, wärmedichte Motor nicht ein lohnenswertes Entwicklungsziel darstellt. Zu Beginn der 80er‑Jahre glaubte man vielerorts, mit den neu entwickelten keramischen Werkstoffen geeignete temperaturfeste und wärmedämmende Mate rialien gefunden zu haben und dem wärmedichten Motor, einer der Basisideen Rudolf Diesels, einen Schritt näher gekommen zu sein. Schon 1970 wurde darauf hingewiesen, dass bei einem Fortfall der Kühlung die Bauteiltemperaturen des Motors auf etwa 1200 °C, ein für Hubkolbenmotoren auch heute noch nicht beherrschbares Temperaturniveau, ansteigen [9‑1], [9‑2]. Hinzu kommt, dass bei diesen Wandtemperaturen die Zylinderfüllung und damit die spezifische Leis tung abnehmen, wenn nicht der Füllungsverlust durch Aufladung bzw. durch einen erhöhten Ladedruck kompensiert wird. Experimentelle Untersuchungen an einem Motor mit wärmeisoliertem Brennraum ergaben statt der erwarteten Verbrauchsverbesserung eine spürbare Verschlechterung des Kraftstoffverbrauchs [9‑3]. Als Ursache hierfür wurde ein starker Anstieg des gasseitigen Wärmeübergangskoeffizienten im ersten Teil der Verbrennung nachgewiesen, sodass anstatt weniger nun mehr Wärme in das Kühlmittel gelangt (s. Abschn. 7.2). Schließlich haben Realprozessrechnungen gezeigt [9‑4], dass zu den Grundvoraussetzungen für eine niedrige Stickoxidemission eine wirkungsvolle Motorkühlung gehört, die einen Anstieg der Bauteiltemperaturen über das heute übliche Niveau vermeidet. Somit ist es eine unverzichtbare Aufgabe der Motorkühlung, die Temperaturen der den Brennraum bildenden Bauteile (Kolben, Zylinderkopf, Laufbuchse) soweit zu senken, dass ihre Festigkeit gewahrt bleibt. Um Reibungsverschleiß zwischen der Paarung Laufbuchse-Kolben zu vermeiden, ist ein ausreichendes Laufspiel durch eine begrenzte Wärmedehnung des Kolbens sicher zu stellen. Dazu gehört, dass das Schmieröl die erforderliche Viskosität aufweist und nicht thermisch überlastet wird. Bei den thermisch hoch belasteten Auslassventilen setzt die Hochtemperaturkorro sion eine zusätzliche Temperaturgrenze (s. Abschn. 4.3). Daneben dient die Motorkühlung auch – der Verbesserung der Leistung durch bessere Füllung, – der Verringerung des Kraftstoffverbrauches und der Abgasschadstoffemission, – der Verbesserung des ATL-Verdichterwirkungsgrades und schließlich – der Gewährleistung der Sicherheit für Maschine und Bedienpersonal. Bei der Kühlung des Motors wird grundsätzlich zwischen der Flüssigkeitskühlung und der Luftkühlung unterschieden. Welcher Kühlungsart jeweils der Vorzug gegeben wird, hängt
von der Höhe der Leistung und der Einsatzart des Motors, von den klimatischen Gegebenheiten und oftmals auch von der Einstellung des Käufers ab. Die Erfordernisse des Marktes und einsatzbedingte Gründe haben in der Vergangenheit beim flüssigkeits- und luftgekühlten Motor zu gewissen Einsatzschwerpunkten geführt: Schnelllaufende Dieselmotoren kleiner und mittlerer Leistungen, insbesondere für Baumaschinen, Landmaschinen und Aggregate sind häufig luftgekühlt. Im Nutzfahrzeugbereich ist der luftgekühlte Motor nur noch auf wenige Fabrikate beschränkt; im Pkw‑Bereich ist er in den vergangenen Jahren durch den flüssigkeitsgekühlten Dieselmotor weitgehend verdrängt worden. Beim flüssigkeitsgekühlten Motor wird – im Gegensatz zum luftgekühlten Motor – die Bauteilwärme nicht direkt, sondern auf indirektem Wege an die Umgebung abgeführt. Die an den wärmebeaufschlagten Zonen des Zylinderkopfes und Zylinders vom Kühlmittel aufgenommene Wärme wird über einen geschlossenen, separaten Kühlkreislauf zu einem Kühlmittel/Luft- oder einem Kühlmittel/Wasser-Wärmetauscher transportiert und erst dort, wie in Bild 9‑2 schematisch dargestellt, an die Umgebung abgegeben. Eine rechnerische Erfassung dieser aus mehreren Wärmeübergangsund Wärmeleitvorgängen bestehenden Wärmetransportvor ganges in seiner Gesamtheit ist sehr aufwendig. Der Motorenkonstrukteur beschränkt sich i. d. R. auf den Wärmetransport vom Arbeitsgas an das Kühlmittel, was vereinfacht einem Wärmedurchgang durch eine ebene Wand entspricht. Der Wärmeübergang vom Arbeitsgas an die umgebenden Brennraumwände wurde bereits im Abschn. 7.2 beschrieben. Das Kühlmittel des flüssigkeitsgekühlten Motors ist i. Allg. Wasser oder ein Wasser-Äthylenglykol-Gemisch mit Korrosions- und Kavitationsschutzadditiven. Durch die Zugabe von Äthylenglykol kann der Gefrierpunkt des Kühlmittels bis auf –50 °C herabgesetzt werden. Wasser ohne Zusatz von Äthylenglykol wird zwar in seiner Kühlwirkung von keinem anderen Kühlmittel übertroffen, doch beschränkt sich die reine Wasserkühlung nur auf mittelschnell- und langsamlaufende Schiffsdieselmotoren und wenige Aggregat motoren, bei denen entweder unter Zuhilfenahme von Fremdenergie oder bedingt durch den Installationsort des Motors ein Gefrieren des Kühlwassers nicht möglich ist. (Der Einfachheit halber wird von nun an bei mit Wasser/ Äthylenglykol gekühlten Motoren ebenfalls von Wasserkühlung gesprochen.) Einen Sonderfall der Flüssigkeitskühlung stellt die Ölküh lung dar, die bei einigen schnelllaufenden Motoren kleiner Leistung eingesetzt wird (nicht gemeint ist die Verwendung des Schmieröls zur Kolbenkühlung, s. Abschn. 8.6). Beim ölgekühlten Motor werden die Zylinderköpfe und Zylinder mit dem Schmieröl des Motors gekühlt, sodass nur zwei
326 9 Motorkühlung
Bild 9-2 Temperaturverlauf und Wärmeströme in Motor und Kühlsystem
Betriebsmittel (Schmieröl, Kraftstoff) benötigt werden und auf ein zusätzliches Kühlmittel verzichtet werden kann. Wegen der für Kühlzwecke ungünstigeren Stoffeigenschaften des Schmieröls ist die darstellbare Kühlleistung jedoch begrenzt (s. Abschn. 9.1.3).
9.1.1.2
Rechnerische Analyse des Wärmetransports
Bei der Analyse des Kühlwassertransports in den wärmebeaufschlagten Bauteilen des Motors kann neben den Modellversuchen und experimentellen Untersuchungen m Prototyp heute auf eine Vielfalt von CAE‑Techniken zurückgegriffen werden. Die zur Verfügung stehenden Programme auf Basis der Methode Finiter Elemente sind bei der filigranen Geometrie der Motorbauteile und ihrer Kühlräume, wie die Motordarstellungen im Abschn. 17.1 erkennen lassen, für Strö mungsmodellrechnungen und für die Berechnung von Temperaturfeldern und Wärmeströmungen geradezu optimal geeignet. Mit ihnen können Auswirkungen von sich ändernden Randbedingungen, wie Geometrieänderungen oder Parametervariationen, schon im Konstruktionsstadium relativ zeit- und kostensparend untersucht werden. Derartigen Berechnungen geht die Generierung eines FEM-Netzes voraus, wie im Bild 9‑3 für den Kühlwasserraum eines Motorblocks wiedergegeben. Damit können dann an Hand einer Strömungsmodellrechnung beispielsweise die Geschwindigkeits- und Druckverteilungen im gesamten Kühlmittelraum des Motors analysiert, vorhandene Totwasserbereiche lokalisiert und der Kühlmitteldurchfluss im Ventilstegbereich optimiert werden. Ferner ist es heute
auch möglich, Anhaltswerte über die Größe des kühlmittelseitigen Wärmeübergangskoeffizienten zu erhalten. Mit diesen Werten und unter Zuhilfenahme der Realprozessrechnung können auf Basis der Strukturmodelle des Zylinderkopfes und des Zylinderkurbelgehäuses die Temperaturverteilungen an den Bauteilinnenseiten vorausberechnet werden. Die in Bild 9‑4 gezeigte Temperaturverteilung im Zylinderkopfboden eines ölgekühlten Motors stellt das Ergebnis einer solchen Rechnung dar.
9.1.2
Wasserkühlung
9.1.2.1
Wärmeübergang bei Wasserkühlung
Voraussetzung für eine wirkungsvolle Bauteilkühlung ist eine ausreichende Kühlmittelbeaufschlagung der Zylinderköpfe und Laufbuchsen. In den Kühlräumen müssen Totwasserzonen vermieden werden. Dampfblasen, die an thermisch hoch belasteten Bauteilpartien entstehen, müssen von dem Kühlmittelstrom fortgespült werden. Die den Wärmeübergang vom Bauteil an das Kühlmittel beschreibenden Größen sind aus Bild 9‑2 entnehmbar: Unter der Annahme, dass die von der Bauteilwand an das Kühlmittel übertragene Wärme der vom Kühlsystem aufgenommenen entspricht, gilt für die Wärmestromdichten mit dem Wärmeübergangskoeffizienten und der Wandtemperatur auf der Kühlmittelseite qWK = qK = aK (TWK – TK). Die Kühlmitteltemperatur und die lokalen Wandtemperaturen können relativ einfach gemessen werden. Wesentlich
9.1 Interne Motorkühlung
327
Bild 9-3 FEM-Netz für den Kühlmittelraum eines Pkw-Dieselmotors (VH=1,9 l; VW)
schwieriger gestaltet sich die Bestimmung des Wärmeübergangskoeffizienten für den kühlmittelseitigen Wärmeübergang. Er ist außer von der Strömungsgeschwindigkeit des Kühlwassers, dessen Dichte, spezifischen Wärmekapazität, Wärmeleitfähigkeit und Zusammensetzung auch von der Wärmebelastung und der Ausformung des Bauteils sowie von den Strömungsverhältnissen am Bauteil abhängig. Außerdem wird lokal der Wärmeübergang mitunter durch Blasensieden und Schwingungskavitation stark beeinflusst, sodass insgesamt an einem Motor örtlich sehr unterschiedliche Wärmeübergangsverhältnisse bestehen können. Den aus der Ähnlichkeitstheorie mit ihren Kenngrößen hergeleiteten Gesetzmäßigkeiten der Wärmeübertragung [9-6], [9-7] bzw. die daraus entwickelten Beziehungen gelten meist für einfache geometrische Körper und definierte Strömungszustände. Sie sind daher nur bedingt auf Motoren zu übertragen [9-8], [9-9].
Laufbuchsen gegenüber den meist vorausgesetzten glatten Rohren zu berücksichtigen. So wird man sich oft mit den in Tabelle 9-1 bzw. in der Literatur [9-5] angegebenen Erfahrungswerten für die Wärmeübergangskoeffizienten (WÜK) DK begnügen müssen. Bei kleineren (Pkw)-Dieselmotoren, Abschn. 17.1, kann entsprechend dem Aufbau von Motorblock und Zylinderanordnung (Bild 9-6) der Wärmeübergang an das Kühlmittel durch einen Ansatz für „querangeströmte, fluchtende Rohrbündel“ beschrieben werden [9-10]. Das ergab ein Messungs-Rechnungs-Vergleich an Motoren und Modellen für Wasser und Öl als Kühlmittel. Dazu ist ausgehend von der Kühlmittelgeschwindigkeit c0 im leeren Kanalquerschnitt und dem Hohlraumanteil \ des Strömungskanals die Geschwindigkeit c\ unter Verwendung der im Bild 9-6 angegebenen Größen wie folgt zu ermitteln:
Laufbuchse. Im Kühlwasserraum von Laufbuchsen größerer Motoren (Bild 9-5), herrscht überwiegend eine Vertikalströmung mit geringen Strömungsgeschwindigkeiten von weit unter 1 m/s, wobei unter 0,5 m/s der Einfluss der freien Konvektion gegenüber der erzwungenen überwiegt. Mit steigendem Temperaturgefälle TWK – TK und Abnahme der umspülten Länge L geht die freie laminare Konvektion in eine freie turbulente über und der Wärmeübergang nimmt zu. Außerdem ist auch die Rauhigkeit an der Außenseite der
Mit a = S1/D’ und b = S2/D’ bestimmt sich der Anordnungsfaktor fA zu
c\ = c0 /\ = c0 /[1 – S D'/(4H)] .
Mit dem äußeren Durchmesser D' des umströmten Zylinders bzw. der charakteristischen „Überströmlänge“ L = S · D'/2 folgt für die auf c\ bezogene Reynolds-Zahl
328
9 Motorkühlung
Bild 9-4 Temperaturverteilung im Zylinderkopfboden (oben) und in der Zylinderkopfbodenplatte (unten) eines ölgekühlten Deutz-Dieselmotors, Typ BF4M 2011, Kühlölführung s. Bild 9-10
9.1 Interne Motorkühlung
329
Damit kann bei bekannter Prandtl-Zahl Pr die unabhängige Nußelt-Zahl Nu* bestimmt werden (Bild 9-7) , bzw. bei bekanntem Rohrreihenbeiwert fR = [1 + (z – 1) fA]/z , der die Anzahl z der umströmten Zylinderrohre berücksichtigt, die Nußelt-Zahl Nu = DKL/O und damit der mittlere Wärmeübergangskoeffizient DK für den Wärmeübergang an den umspülten Zylinderrohren (Stoffwerte s. Tabelle 9-2). Bei hochbelasteten wassergekühlten Motoren kann an der Zylinderlaufbuchse durch hohe Beschleunigungen infolge Anlagewechsel des Kolbens Kavitation auftreten [9-12]. Dadurch wird lokal der Wärmeübergangskoeffizient bis auf das 10fache erhöht und die durch den Kavitationsangriff hervorgerufene Materialzerstörung beschleunigt (s. Abschn. 7.1).
Bild 9-5 Strömungsverhältnisse an der nassen Laufbuchse eines wassergekühlten, größeren Motors
Zylinderkopf . Auch bei den meisten Zylinderköpfen versagt wegen ihrer komplizierten Gestaltung jeder gesetzmäßige Ansatz für den WÜK, z. B. die Beziehungen für „längs angeströmte Platten“ für den Zylinderkopfboden, zumal es kaum zur Ausbildung einer geordneten Strömung kommt. Hinzu kommt, dass wegen der auch hier nur geringen Strömungsgeschwindigkeiten und hoher thermischen Belastung der Wärmeübergang weitgehend durch eine intensive Blasenverdampfung bestimmt wird [9-9] mit örtlichen Wärmeüber-
Bild 9-6 Strömungsverhältnisse und Schema der Zylinderanordnung bei Fahrzeugmotoren
330
9 Motorkühlung
Tabelle 9-1 Anhaltswerte für kühlmittelseitige Wärmeübergangskoeffizienten Art der Wärmeübertragung
freie Konvektion erzwungene Konvektion Blasensieden
aK in W/(m2 · K) Wasser
Wasser/Ethylenglykol 50%/50%
Öl
400… 2000 1000… 4000 2000…10000
300…1500 750…3000 1500…7500
300…1000
Bild 9-7 Nußelt-Zahl als Funkion von Reynolds-Zahl und Prandtl-Zahl für den kühlmittelseitigen Wärmeübergang an integrierten Laufbuchsen in Fahrzeugmotoren
9.1 Interne Motorkühlung gangskoeffizienten DK bis zu 20 000 W/m2 K (s. Tabelle 9-1 bzw. Abschn. 9.1.2.3). Übersichtliche Strömungsverhältnisse bestehen demnach nur für bohrungsgekühlte Motorbauteile (Bild 9-8), wo eine turbulente Rohrströmung mit relativ großen, durch die Zwangsströmung in engen Rohren bedingten Strömungsgeschwindigkeiten existiert. Durch Variation von Teilung und Durchmesser der Bohrungen sowie deren Abstand zur Oberfläche und des Kühlmitteldurchsatzes kann nahezu jede gewünschte Oberflächentemperatur erreicht werden, sodass die für die mechanische Beanspruchung maßgebenden Hauptwanddicken frei gewählt werden können [9-13]. Die Bohrungskühlung greift somit das Konstruktionsprinzip einer getrennten Aufnahme von thermischer und mechanischer Belastung auf (s. Abschn. 7.1).
9.1.2.2
Heißkühlung
Wie der Name bereits andeutet, unterscheidet sich die Heißkühlung vom konventionellen Kühlverfahren durch ein deutlich höheres Temperaturniveau des Kühlmittels. Bei der Heißkühlung werden im Teillastbereich auf der Kühlmittelaustrittseite des Motors Temperaturen bis zu 150 °C angestrebt, was naturgemäß einen entsprechenden Anstieg der Bauteiltemperaturen zur Folge hat. Durch eine geeignete Regelung der Kühlmitteltemperatur muss jedoch sichergestellt werden, dass die maximal zulässigen Bauteiltemperaturen in
331
keinem Lastpunkt des Motors überschritten werden. Ein bauteiltemperaturgeregeltes Kühlkonzept ist in [9-14] beschrieben worden. Da bei 150 °C der Dampfdruck von Wasser bei knapp 5 bar liegt, kann bei Motoren mit Heißkühlung kein herkömmliches Kühlmittel verwendet werden, sofern man nicht das gesamte Kühlsystem unter einen hohen, dem Siededruck entsprechenden Druck setzen will. Erfahrungsgemäß ist die dazu notwendige hermetische Dichtheit nicht erreichbar, sodass sich der Motor, bedingt durch kleinste Leckagen, „einnebelt“. Bei den in der Vergangenheit mit Heißkühlung betriebenen Flugmotoren wurde als Kühlmittel reines Äthylenglykol eingesetzt. Die Verwendung reinen Äthylenglykols reduziert jedoch den Wärmeübergangskoeffizienten auf ein Fünftel von dem reinen Wassers. Der Vorteil der Heißkühlung liegt in einer spürbaren Absenkung des Kraftstoffverbrauchs im unteren Teillastgebiet des Motors. Ursache hierfür ist die vergleichsweise höhere Schmieröltemperatur und eine dadurch niedrigere Ölviskosität, wodurch die hydrodynamischen Reibungsverluste des Motors reduziert werden [9-15]. Trotz der beschriebenen Verbrauchsvorteile und intensiver Forschungstätigkeiten, vor allem in den 1970er-Jahren, hat die Heißkühlung bei den schnelllaufenden Fahrzeug- und Industriemotoren bis heute keine Verbreitung gefunden. Der Grund hierfür ist das Fehlen eines geeigneten Kühlmediums, das die vielfältigen, an ein Kühlmittel gestellten Anforderungen erfüllt. Einen bedeutenden Schritt in Richtung Heißkühlung enthält die in Abschn. 9.1.3 beschriebene Ölkühlung, bei der die Kühlmitteltemperatur am Motoraustritt maximal 130 °C beträgt.
9.1.2.3
Verdampfungskühlung
Grundlagen
Bild 9-8 Bohrungskühlung bei einem Zylinderkopf eines Zweitakt-Großdieselmotors (MAN B&W) nach [9-9]
Die Verdampfungskühlung beruht auf dem physikalischen Prinzip der Kühlung durch latente Wärme und der damit verbundenen immanenten Temperaturregelung. An den zu kühlenden Bauteilen wird dabei die Kühlflüssigkeit bis auf Siedetemperatur erhitzt, so dass durch Blasensieden Wärme an das Kühlmittel übertragen wird, ohne dass eine Zwangsdurchströmung der Kühlräume des Motors erfolgen muss: Bei hoher thermischen Belastung des Bauteiles steigen an der kühlseitigen Oberfläche die Temperaturen, so dass in der wandnahen Grenzschicht ein überhitzter Zustand erreicht wird, obwohl die mittlere Temperatur der Kühlflüssigkeit unterhalb ihrer Sättigungstemperatur liegt. Die dadurch entstehenden Dampfblasen werden vom Kühlmittelstrom mitgerissen, so dass es in Wandnähe zu Implosionen kommt und somit infolge der weiterhin erfolgenden Dampfblasenbildung zu einer intensiven Pulsationsströmung. Diese nimmt
332
9 Motorkühlung
mit zunehmender Wärmebelastung zu, damit auch der Wärmeübergangskoeffizient WÜK. Eine in [9-10], [9-11] mitgeteilte und experimentell bestätigte Beziehung für den WÜK berücksichtigt das gleichzeitige Auftreten von Blasensieden und Konvektion. Blasensieden tritt mehr oder weniger stark an allen thermisch hochbelasteten Bauteilen auf, auch im oberen Bereich von Laufbuchsen. Der damit verbundene starke Anstieg des WÜK bedeutet für den Motor gewissermaßen einen thermischen Selbstschutz, da die Wandtemperatur auf der Kühlmittelseite wegen des erhöhten Wärmeübergangs nur um etwa 10 bis 20 K zunimmt. Bei lokal auftretendem Blasensieden kann dennoch der größere Temperaturgradient im Bauteil zu stärkeren Verformungen und Spannungen führen, insbesondere bei Wechsellastbetrieb.
Verdampfungskühlung mit geschlossenem System Zu den Vorteilen dieser Kühlungsart gehört, dass im Vergleich zur Zwangsumlaufkühlung die Temperaturverteilung im Bauteil wesentlich gleichmäßiger ist bei nur geringen lastabhängigen Temperaturschwankungen im Kühlmittel. Da die Siedetemperatur des Kühlmittels vom Dampfdruck und damit vom Systemdruck abhängt, kann durch eine programmierte Druckregelung das Temperaturniveau der Bauteile bei unterschiedlichen Motorbelastungen annähernd konstant gehalten werden. Damit erreicht man, wie mit der Heißkühlung, Abschn. 9.1.2.2, im Teillastbetrieb niedrigere Kraftstoffverbräuche infolge der höheren Bauteiltempera-
turen, die auch bei Volllast bei hohen Kolbenflächenleistungen im normalen Bereich bleiben. Bei dem in Bild 9-9 dargestellte Schema eines Verdampfungssystems mit geschlossenem Kreislauf wird das verdampfte Kühlmittel verflüssigt. Es zirkuliert mit Hilfe einer elektrisch angetriebenen Kühlmittelpumpe ständig durch die Motorkühlräume, bei kaltem Motor über die Kurzschlussleitung und bei warmem Motor über den Wärmetauscher, wobei das Kühlmittel sowohl in flüssiger als auch in dampfförmiger Phase vorliegt. Der Fluid-/Dampf-Abscheider sorgt dafür, dass vorwiegend Dampf zum Wärmetauscher geführt wird. Aufgrund der hohen Verdampfungswärme des auf Wasser basierenden Kühlmittels beträgt dessen Volumenstrom nur etwa 1 bis 3% des Wertes bei Zwangsumlaufkühlung, sodass relativ kleine Pumpen mit stark verringerter Antriebsleistung zugunsten eines geringeren Kraftstoffverbrauchs eingesetzt werden können. Zur Vermeidung von Kavitation am Pumpeneintritt muss das angesaugte Kühlmittel durch entsprechende Bemessung des Fahrzeugwärmetauschers und des Kühlmittelstromes ausreichend unterkühlt werden. Die Dampfströmung in den Wärmetauscher entsteht durch das Partialdruckgefälle gegenüber den Motorkühlräumen. Für ein gebräuchliches Äthylenglykol-Wasser-Gemisch mit einem Volumenanteil von 50/50% ergeben sich im thermischen Gleichgewicht systemabhängige Siedetemperaturen von 105 bis 120 °C bei einem Überdruck im System von 100 bis 300 mbar, also deutlich niedriger als bei der in Pkws üblichen Flüssigkeitsumlaufkühlung. Damit verringern sich
Bild 9-9 Schema einer Verdampfungskühlung (VW)
9.1 Interne Motorkühlung 333 die Anforderungen an die Druckfestigkeit der Bauteile. Die erreichbaren Verbrauchssenkungen betragen bei Ottomotoren bis zu 5%, bei Dieselmotoren wegen der nicht wirksamen thermischen Entdrosselung nur bis zu 3% [9‑16], [9‑17]. Problematisch ist, dass das übliche additivierte Äthylenglykol‑Wasser‑Gemisch nicht azeotrop ist, d. h. im Kühlraum des Motors destilliert der niedrig siedende Wasseranteil und bedingt somit eine Konzentrationserhöhung des Glykols. Daraus folgt ein stetiger Anstieg der Siedetemperatur und zum Ausgleich eine ständige Zufuhr von unterkühl ter Kühlflüssigkeit. Im Wärmetauscher kommt es dagegen zur Verminderung des Glykolanteils und damit zur Beeinträchtigung des Frostschutzes. Geeignete Alternativen für die Kühlflüssigkeit wurden bisher nicht gefunden. Berücksichtigt man dazu die z. T. noch ungelösten Prob leme bei der Gestaltung der Kühlräume, zur Frage des zusätzlichen Raumbedarfs für Wasserabscheider, Ausdeh nungsgefäß, größere Rohrquerschnitte etc., so erklärt sich, dass trotz der Vorteile ein Motor moderner Konzeption mit Verdampfungskühlung bislang nicht bis zur Serienreife entwickelt werden konnte, zumal im Hinblick auf den technischen Gesamtaufwand im Vergleich zur herkömmlichen Kühlung keine Kostenvorteile bestehen.
Verdampfungskühlung mit offenem System In früheren Zeiten auch in Europa bei kleinen, robusten Einzylinder-Dieselmotoren geringer Leistung angewendet, findet man dieses Kühlsystem in millionenfacher Ausführung als Einzylinder-Dieselmotoren in liegender Bauart, z. B. in China, zur Motorisierung von sog. walking tractors, die u. a. in der Landwirtschaft oder in der Bauindustrie die Menschen von schwerer körperlicher Arbeit entlasten. Das verdampfte Kühlwasser kann durch einfaches Rohwasser ersetzt werden.
9.1.3
Ölkühlung
Kühlung mit Öl verändert sowohl die thermische Beanspruchung der Bauteile als auch das Betriebsverhalten des Motors. Öl gefriert nicht und siedet nicht in dem relevanten Temperaturbereich von –50 °C bis 150 °C. Beim ölgekühlten Motor (Bild 9‑10) treten Probleme der Korrosion und der Kavitation nicht auf. Die Betriebstemperatur des Kühlöls liegt mit 100–130 °C deutlich über den üblicherweise auftretenden Kühlwassertemperaturen. Dies hat ein entsprechend höheres Bauteiltemperaturniveau zu Folge, was wiederum dazu führt, dass im Vergleich zum herkömmlichen wassergekühlten Motor die vom Kühlmittel abgeführte Bauteilwärme leicht verringert wird und der Wärmeinhalt des Abgasstroms
etwas erhöht wird. Der ölgekühlte Motor kommt dem „heißgekühlten“ Motor mit seinem im unteren Teillastgebiet geringeren spezifischen Kraftstoffverbrauch schon recht nahe. 130 °C heißes Öl hat gegenüber Wasser von 95 °C eine etwa 15% kleinere Dichte, eine nur ungefähr halb so große spezifische Wärmekapazität, eine nur etwa ein Fünftel so hohe Wärmeleitfähigkeit und eine um 10- bis 30fach größere dynamische Viskosität. Wegen der größeren Viskosität des Kühlmittels muss beim ölgekühlten Motor der Querschnittsbemessung der Kühlräume und der Kühlölbohrungen ein besonderes Augenmerk gewidmet werden. Der Wärmeübergangskoeffizient erreicht bei der Ölkühlung nur 25 bis 30% des Wertes von wassergekühlten Motoren (s. Tabelle 9‑1). Der Exponent der Geschwindigkeit in der Korrelation αK ~ cn beträgt im Mittel 0,3. Aufgrund der moderaten Wärmeübergangskoeffizienten auf der Kühlmittelseite kann mit dem ölgekühlten Motor naturgemäß nicht die gleiche spezifische Leistung wie mit einem wassergekühlten Motor erreicht werden. Die maximale spezifische Leistung des aufgeladenen, ölgekühlten Motors liegt bei 21 kW/Liter. Der weniger intensive Wärmeübergang und die höheren Kühlmitteltemperaturen haben jedoch den Vorteil geringer Temperaturgradienten im Bauteil und einer damit deutlich niedrigeren Materialbeanspruchung. Die Ölkühlung ist im Vergleich zur Wasserkühlung eine „wei che“ Kühlung. In [9‑19] wird die neue Baureihe 2011 von ölgekühlten Dieselmotoren als Weiterentwicklung der Baureihe 1011 [9‑18] vorgestellt (s. auch Abschn. 18.2). Die vornehmlich für Kleintraktoren, Baumaschinen und Aggregate konzipierten Motoren mit Direkteinspritzung und einer Leistung bis zu 65 kW bei einer Nenndrehzahl von 2800 U/min zeichnen sich durch ein ölgekühltes Zylinderkurbelgehäuse in „Open-Deck-Ausführung“ mit eingegossenen Laufbuchsen und einem gleichfalls ölgekühlten Zylinderkopf mit Bohrungskühlung in Blockbauweise aus. Die Öldurchströmung der Zylinderreihe erfolgt in Motorlängsrichtung. Das gesamte von der Ölpumpe geförderte Kühlmittel umströmt zuerst die Zylinderwände (Bild 9‑10).Um eine ausreichende Durchströmung auch der Zylinderzwischenwände zu gewährleisten, wurden die Strömungsquerschnitte im Kurbelgehäuse von Zylinder zu Zylinder variiert. Der Zylinderkopfboden hat eine zum Zylinderkurbelgehäuse spiegelbildliche Kühlraumgeometrie und wird vom Kühlöl in entgegengesetzter Richtung durchströmt, s. Bild 9-4. Die Kühlräume von Kurbelgehäuse und Zylinderkopf werden durch die Zylinderkopfdichtung getrennt. Durch darin befindliche Bohrungen strömt das Kühlöl vom Kurbelgehäuse in den Ringkanal des Zylinderkopfes. Schräg nach oben führende und miteinander verbundene Bohrungen sorgen für einen dosierten Ölabfluss jeder Zylinder-
334
9 Motorkühlung
Bild 9-10 Schema der Schmier- und Kühlölführung eines ölgekühlten Deutz-Dieselmotors, Typ BF-4M [9-18]
einheit. Zwei V-förmig im Zylinderkopf angeordnete Bohrungen über dem letzten Zylinder auf der Gebläseseite verbinden den Ringkanal im Zylinderkopfboden mit der Rücklaufgalerie. Dadurch wird der Strömungswiderstand im Zylinderkopf insgesamt reduziert, die Durchflussmenge erhöht und die Kühlung des Zylinderkopfes durch die gleichmäßige Verteilung der Kühlflüssigkeit verbessert. Die mit ölgekühlten Motoren gewonnenen Erfahrungen haben gezeigt, dass weder Ablagerungen in den Kühlräumen noch eine Verschlechterung der Viskositätseigenschaften und erhöhte Öloxidation auftreten.
9.1.4
Luftkühlung
9.1.4.1
Historischer Rückblick
Die Idee der Luftkühlung – die Bauteilwärme des Motors direkt an die Umge-bungsluft abzuführen – ist so alt, wie der
Verbrennungsmotor selbst. Bereits 1871 stellte der Franzose DE BISSCHOP einen luftgekühlten Verbrennungsmotor vor. Der nach dem atmosphärischen Prinzip von LENOIR arbeitende Einzylinder-Gasmotor [9-20] besaß am Arbeitszylinder angegossene Längsrippen, die die Kühlwärme durch freie Konvektion an die Umgebung abführten. Der nach BLERIOTS Flug 1909 über den Ärmelkanal einsetzende stürmische Aufbau einer Luftfahrtindustrie erfasste auch die Entwicklung des luftgekühlten Flugmotors und ist durch folgende Marksteine gekennzeichnet: Entwicklung von Aluminiumlegierungen (1915), Einführung von Leichtmetall-Zylinderköpfen (1920), Erforschung der physikalischen Zusammenhänge bei der Wärmeabfuhr über Kühlrippen [9-21], deren optimalen Gestaltung [9-22], [9-23] sowie des Einflusses der Kühlluftführung. Neben den Flug-Ottomotoren, die um 1944 Kolbenflächenleistungen von ca. 0,5 kW/cm2 erreichten, sahen sich viele Firmen in den 1930er Jahren weltweit veranlasst an der
9.1 Interne Motorkühlung 335 Entwicklung von Flugdieselmotoren zu arbeiten, um der Gefahr höhenbedingter Zündaussetzer zu begegnen und höhere Wirkungsgrade zu erreichen. Von insgesamt 25 Projekten waren 12 Motoren luftgekühlt, jedoch nur der wassergekühlte Gegenkolbenmotor Jumo 205 von JUNKERS erreichte größere Stückzahlen. Etwa zeitgleich kamen luftgekühlte Fahrzeugdieselmotoren auf dem Markt: 1927 stellte Austro-Daimler den ersten schnelllaufenden Dieselmotor vor, einen Vierzylinder-Reihenmotor mit einer Leistung von 15 PS. Das unter extremen klimatischen Bedingungen relativ große störanfällige System wassergekühlter Motoren führte während des 2. Weltkrieges zu Entwicklungsaufträgen für luftgekühlte Nfz- bzw. Panzer-Dieselmotoren an die Industrie. Aufbauend auf den dabei gewonnenen Ergebnissen wurden seit den 1950er Jahren luftgekühlte Dieselmotoren entwickelt und in Nutzfahrzeugen, Land- und Baumaschinen eingesetzt [9‑24] bis [9‑26]. Einige wenige Motoren firmen boten seinerzeit bewusst nur luftgekühlte Dieselmotoren an: Die Firma Klöckner-Humboldt-Deutz (heute Deutz AG) war dabei seit den 1950er Jahren weltweiter Marktführer. Luftgekühlte Dieselmotoren waren um 1980 in 80% der Baumaschinen deutscher Produktion zu finden. Der mit dem Trend zu höherer Leistungsdichte steigenden thermischen Bauteilbelastung konnte zunächst durch den Übergang zur direkten Einspritzung und durch die Verwendung von Aluminiumlegierungen höherer Warmfestigkeit begegnet werden. Doch seit Mitte der 80er Jahre sind die Produktionszahlen bei luftgekühlten Dieselmotoren rückläufig. Kleine Industrie-Dieselmotoren mit einer Leistung bis etwa 15 kW sind wegen der Kostenvorteile durch das integrierte Kühlsystem nach wie vor fast nur luftgekühlt, für Baumaschinen und Aggregate werden bis zu einer Leistung von ca. 100 kW auch heute noch luftgekühlte Dieselmotoren bevorzugt. In dem darüber liegenden Leis tungsbereich bis ca. 400 kW existieren beide Kühlungsarten nebeneinander [9‑27], [9‑28].
9.1.4.2
Wärmeübertragung vom Bauteil an die Kühlluft
Wärmeübergang und Kühlflächengestaltung Wärmeübergangskoeffizient α, Temperaturgefälle ∆TK und wärmeübertragende Fläche A bestimmen die übertragbare Wärme (s. Abschn. 9.1.2). Der Wärmeübergangskoeffizient (WÜK) hängt von der Strömungsgeschwindigkeit c und den Stoffeigenschaften (Wärmeleitzahl λ, kinematische Viskosi tät ν, Temperaturleitzahl a) ab. Schon die Gegenüberstellung der Stoffwerte in Tabelle 9‑2 weist auf die unterschiedlichen Wärmeübergangsverhältnisse bei Luft- und Flüssigkeitskühlung hin. Der Wärmeübergang in einem turbulent durchströmten Rohr der lichten Weite D kann mit Hilfe der Ähnlichkeitstheorie und ihrer Kenngrößen Nußelt-Zahl Nu = a · D/l, Reynolds-Zahl Re = c · D/v und Prandtl-Zahl Pr = v/a durch folgende Potenzgleichung beschrieben werden (104 < Re < 105): Nu = 0,024 · Re4/5 · Pr1/3. Für gleiche Rohrdurchmesser und Strömungsgeschwindigkeiten folgt für das Verhältnis der Wärmeübergangskoeffi zienten für Luft und Wasser (Index „Lu“ bzw. „Wa“): , bzw. nach Einsetzen der Stoffwerte (Tabelle 9‑2), . Der Wärmeübergangskoeffizient bei Wasserkühlung ist also unter gleichen Bedingungen etwa 900‑mal größer als bei Luftkühlung. Die gegenüber Wasser deutlich kleinere Dichte erlaubt aber wesentlich größere Luftgeschwindigkeiten und damit eine 8- bis 10fache Steigerung des Wärmeübergangs. Trotz der dadurch möglichen Verbesserung entsprechend einem Verhältnis von kann die gleiche Kühlleistung wie bei der Wasserkühlung nur durch größere Temperaturgefälle zwischen Bauteil und
Tabelle 9-2 Stoffwerte von Luft und Wasser
Dichte spezif. Wärmekapazität Wärmeleitfähigkeit kinematische Viskosität Temperaturleitfähigkeit
r cp λ ν a
kg/m3 kJ/(kg · K) W/(m · K) m2/s m2/s
Luft bei 60 °C
Wasser bei 95°C
Verhältnis Luft zu Wasser
1,045 1,009 28,94 · 10-3 18,90 · 10-6 27,40 · 10-6
961,70 4,21 675,30 · 10–3 0,31 · 10-6 0,17 · 10-6
1: 920 1: 4,2 1: 23 61 : 1 161 : 1
336 9 Motorkühlung Kühlmittel sowie durch das Verrippen der Bauteile und damit vergrößerte Oberflächen abgeführt werden. Bei gleicher Kühlleistung und einem Verhältnis der Temperaturdifferenzen von erfahrungsgemäß muss die wärmeabgebende Oberfläche an der Kühlseite auf vergrößert werden. Für gerade Rippen mit einem Rechteckquerschnitt, einer Rippenhöhe h, einer Rippenbreite b und Lückenweite s sowie einer Wärmeleitzahl λR gilt für den Kühlwärmestrom qK bei der Wandtemperatur TWK am Rippenfuß und der Kühllufttemperatur TK: mit dem Rippengütegrad der den von einer Kühlrippe tatsächlich abgegebenen Wärmestrom mit jenem vergleicht, den eine Rippe konstanter Oberflächentemperatur, also mit unendlich großer Wärme-
leitfähigkeit, übertragen würde. Wie aus Bild 9‑11 hervorgeht, nimmt mit größer werdendem Wärmeübergangskoeffizienten die zur Wärmeübertragung notwendige Rippenhöhe und damit die Bedeutung der Verrippung schnell ab. Kühlraumwände von wassergekühlten Motoren bleiben deshalb unverrippt. Für den Grenzfall, dass Rippenhöhe und Rippendicke gegen null gehen, vereinfacht sich die Gleichung für die Wärmestromdichte zu der für die ebene glatte Wand geltenden Form qK = aK (TWK – TK). Voraussetzung für eine hinreichend genaue Bestimmung des Kühlwärmestroms ist, dass außer der lokalen Bauteiltemperatur die Größe des Wärmeübergangskoeffizienten bekannt ist. Die verschiedenen Gleichungen für den Wärmeübergangskoeffizienten lassen sich prinzipiell auf einen der Ansätze – Wärmeübergang in einem durchströmten Kanal – Wärmeübergang an einem umströmten Körper zurückführen [9‑9]. Für den 1. Ansatz einer Kanalströmung kann für den Rippenkanal eines vollverkleideten Rippenrohres auf eine Vielzahl von gesicherten Wärmeübergangsgleichungen für turbulente Rohrströmung unter Einsetzen des hydraulischen Durchmessers zurückgegriffen werden
Bild 9-11 Einfluss der Rippenhöhe und des Wärmeübergangskoeffizi‑ enten auf die Wärmestromdichte bezogen auf das Tempe‑ raturgefälle für Graugussverrippung mit λR=58 W/(m K)
9.1 Interne Motorkühlung [9-29]. Der 2. Ansatz basiert auf Arbeiten von Krischer und Kast [9-30], [9-31] und entspricht dem Fall des unverkleideten Rippenrohres. Die rechnerische Behandlung des Wärmeübergangs in Anwendung auf den luftgekühlten Motor wird in [9-27] beschrieben. In Fällen, in denen die Strömungsverhältnisse an der Verrippung nicht hinreichend genau bekannt sind, muss letztlich auf experimentell gewonnene Wärmeübergangskoeffizienten zurückgegriffen werden [9-32]. Die Vergrößerung der wärmeabgebenden Oberfläche mittels Verrippung kann sowohl durch eine größere Rippenhöhe als auch durch eine höhere Rippenzahl erreicht werden. Beide Möglichkeiten führen bei gleicher Oberflächenvergrößerung jedoch nicht zwangsläufig zu derselben Erhöhung der Wärmestromdichte: Die Vergrößerung der Rippenhöhe über ein gewisses Maß hinaus bewirkt keine höhere Wärmeabfuhr, da sich die Temperatur der Rippenspitze bereits der der Kühlluft annähert. Die Wärmeleitfähigkeit des Rippen-
337
werkstoffes bestimmt maßgeblich den Temperaturverlauf zwischen Rippenfuß und Rippenspitze, wie die Gegenüberstellung einer Aluminium-Verrippung mit einer GraugussVerrippung in Bild 9-12 verdeutlicht. Die Oberflächenvergrößerung durch Erhöhung der Rippenzahl und Verkleinerung der Lückenweite ist ebenfalls nur bis zu einer bestimmten Grenze möglich. Diese wird durch jene Lückenweite festgelegt, bei der der Umschlag zur turbulenten Strömungsform unmittelbar vor dem Zusammenfließen der benachbarten Grenzschichten erfolgt. Die minimale, noch wirtschaftliche Lückenweite beträgt etwa 1,2 mm [9-33]. Derart kleine Lückenweiten liegen an der Grenze der Herstellbarkeit und sind nur an bearbeiteten Stahlzylinderrohren von luftgekühlten Hochleistungsmotoren anzutreffen. Bei im Kokillengussverfahren hergestellten AluminiumZylinderköpfen sind Rippenhöhen bis zu 70 mm mit minimalen Lückenweiten von 3,5 mm am Rippenfuß und Rip-
Bild 9-12 Einfluss von Rippenhöhe h und Wärmeleitfähigkeit OR der Rippe auf die Wärmestromdichte bezogen auf das Temperaturgefälle bei konstantem Wärmeübergangskoeffizienten DK=150 W/(m2 K)
338
9 Motorkühlung
pendicken von 3 bis 2 mm vom Fuß zur Spitze wirtschaftlich und auch einwandfrei ausführbar. Grauguss-Zylinderrohre werden aufgrund der kleineren Wärmeleitfähigkeit mit Rippenhöhen nicht über 35 mm und mit Lückenweiten von 3 mm am Rippenfuß sowie Rippendicken von 2,5 bis 1,5 mm vom Fuß zur Spitze im Sandgussverfahren hergestellt. Bei kleineren Rippendicken und Lückenweiten muss auf Verfahren der mechanischen Bearbeitung, wie im Flugmotorenbau, übergegangen werden. Bei einem mittleren Wärmeübergangskoeffizienten DK = 250 W/(m2K) setzt man für die maximal abzuführende Wärme bei einem Zylinderrohr mit gegossenen Graugussrippen ca. 0,2 103 kW/m2, mit bearbeiteten Alfin-Rippen 0,5 103 kW/m2 an. Im Vergleich dazu können von ther-
misch hochbelasteten Bauteilen bei Wasserkühlung durch örtlich auftretendes Blasensieden bis zu 5 103 kW/m2 an Wärme abgeführt werden.
Kühlluftführung und Wärmeübergang Die Kühlluftführung beeinflusst den Wärmeübergang und damit den Temperaturverlauf am Bauteil. Bei einem quer angeströmten Rippenrohr wird die Kühlluft zunächst am Auftreffpunkt gestaut, umströmt dann den Zylinder bis sie seitlich in Höhe des Meridianschnittes abreißt, so dass hinter dem Zylinder eine Totwasserzone entsteht. Das führt dazu, dass auf der Zylinderrückseite die höchste und auf der Zuströmseite die niedrigste Wandtemperatur auftritt (Bild 9-13). Um einen Verzug des Zylinders durch unterschiedliche Wärmedehnungen zu vermeiden, ist eine Kühlluftführung durch Verkleiden der Rippenrohre erforderlich (Bild 9-14). Nur bei Motoren mit kleinem Bohrungsdurchmesser und geringer Hubraumleistung, wie z. B. Motorradmotoren, kann man darauf verzichten. Durch die Führungsbleche soll erreicht werden, dass die Rippenkanäle ohne Totwasserzonen von der Kühlluft durchströmt werden. Durch die Wärmeaufnahme der Kühlluft im Rippenkanal ist prinzipbedingt bei Queranströmung eine vollständig gleichmäßige Temperaturverteilung am Umfang nicht zu erreichen. Erfahrungsgemäß gilt abhängig von der Erwärmung der Kühlluft um 'TKL für die maximale Temperaturabweichung am Umfang 'TUmfang [9-24] . Für eine maximal zulässige Temperaturunrunde von 40 K ist die Aufheizung der Kühlluft somit auf 50 K begrenzt.
Bild 9-13 Temperaturverlauf bei einem quer angeströmten, unverkleideten Zylinderrohr (Anströmung von links)
Bild 9-14 Kühlluftführungen: Argus-Verkleidung (links); am Rippenrohr anliegende Verkleidung (rechts) [9-35]
9.1 Interne Motorkühlung
9.1.4.3
Konstruktive Merkmale luftgekühlter Motoren
Gesamtaufbau des Motors Auffallendste Konstruktionsmerkmale des luftgekühlten Motors sind die Einzelzylinder und das integrierte Kühlsystem. Die fast ausnahmslose Verwendung von Zylinderköpfen aus Aluminium (gleichmäßigere Temperaturverteilung im Zylinderkopfboden, maximale Wärmeabfuhr an den Kühlrippen) sowie die Forderung nach ungehinderter Wärmedehnung der Bauteile erfordern bei der sehr unterschiedlichen Wärmedehnung von Aluminium und Gusseisen zwangsläufig die Einzelzylinderbauweise. Daher ist der luftgekühlte Motor geradezu prädestiniert für das Baukastenprinzip [9-36] mit einer großen Anzahl von Gleichteilen und den dadurch bedingten Kostenvorteilen bei der Herstellung und der Ersatzteilhaltung, insbesondere bei kleinen und mittleren Stückzahlen. Der modulare Motoraufbau gestattet ferner eine problemlose Instandsetzung im Bereich von Zylinderkopf, Zylinderrohr und Kolben ohne Ausbau des Motors und Demontage der Ölwanne. Zylindereinheiten luftgekühlter Dieselmotoren sind in den meisten Fällen mit vier Zugankern ausgerüstet, die den Zylinderkopf mit dem Kurbelgehäuse verbinden, das Zylinderrohr zwischen beiden verspannen und die Gaskräfte direkt in das Kurbelgehäuse übertragen. Die Zuganker sind schlanke, hochelastische Dehnschrauben, die die Wechselbelastungen in den Spannungsquerschnitten der Gewinde mindern und den Kraftzuwachs infolge der größeren Wärmedehnung von Zylinderkopf und Zylinder-
339
rohr gegenüber den wesentlich kühleren Schrauben begrenzen. Der für die Motorbaulänge maßgebliche Zylinderabstand wird bei luftgekühlten Reihenmotoren von der Kühlrippengestaltung und nicht durch das Abstandsmaß der Kurbelwellenlager bestimmt. Er beträgt, bezogen auf die Zylinderbohrung, i. Allg. 1,35 bis 1,45, im Extremfall nur 1,275 (KHD-Motorbaureihe B/FL 913). Vergleicht man die Einbauabmessungen von luft- und wassergekühlten Motoren, letztere einschließlich der externen Kühlanlage, so ist der luftgekühlte Motor mit seinem integrierten Kühlsystem trotz größeren Zylinderabstandes ein äußerst kompaktes Antriebsaggregat. Dies gilt besonders für den V Motor, bei dem das Kühlgebläse raumsparend zwischen den Zylinderreihen angeordnet wird.
Kurbelgehäuse Das Kurbelgehäuse mit dem Zylinderrohr nimmt den Kraftfluss vom Zylinderkopf zum Kurbeltrieb mit der Kurbelwellenlagerung auf und verlangt daher für einen einwandfreien Kolbenlauf eine hohe Formsteifigkeit. Auch dann, wenn z. B. bei Traktoren das Kurbelgehäuse gleichzeitig tragendes Element des Fahrzeugs ist. Die Gegenüberstellung der für die Biege- und Torsionssteifigkeit maßgeblichen Querschnitte des Kurbelgehäuses eines luftgekühlten und eines wassergekühlten Motors gleicher Hauptabmessungen im Bild 9-15 zeigt, dass die Gestaltung des Kurbelgehäuses vom luftgekühlten Motor aufgrund der durch den fehlenden Wasserkasten wesentlich kleineren Bauhöhe und der dadurch ungüns-
Bild 9-15 Für die Formsteifigkeit maßgeblicher Querschnitt eines luftgekühlten Motors mit Zylinderrohr und Einzelzylinderkopf (links) sowie eines wassergekühlten Motors mit Blockzylinderkopf (rechts)
340
9 Motorkühlung
tigeren Steifigkeitsvoraussetzungen großer Sorgfalt bedarf. Wirksame und bewährte Maßnahmen, dem Kurbelgehäuse des luftgekühlten Motors eine hohe Formsteifigkeit zu verleihen, sind – weit unter die Kurbelwellenachse heruntergezogene und nach Möglichkeit gewölbte Gehäuseseitenwände, – durchlaufende Versteifungsrippen an den Gehäuseseitenund Gehäusequerwänden sowie ein kräftiger, breiter Ölwannenflansch, – ein relativ dickes, nur wenig durchbrochenes Zylinderauflagedeck, – die Verwendung einer Gussölwanne anstelle einer Blechölwanne, – die Querverschraubung der Grundlagerdeckel mit den Gehäusewänden bei V-Motoren [9-37]. Luftgekühlte Motoren werden aus Steifigkeitsgründen häufig auch in der Tunnelbauart ausgeführt [9-27].
Zylinderrohr Das als Laufbuchse mit Kühlrippen ausgebildete Zylinderrohr wird gewöhnlich einteilig in Grauguss hergestellt. Auch bei hohen Stückzahlen ist das Sandgussverfahren noch kostengünstig. Um die durch die Schraubenkräfte und den Zylinderinnendruck auftretende Buchsenverformung möglichst klein zu halten, werden die Wände im oberen und unteren Rohrbereich meistens etwas dicker ausgeführt und die oberste Zylinderrohrpartie mit über dem Umfang geschlossenen Kühlrippen versehen. Bei Motoren mit hohen Hubraumleistungen muss aus Festigkeits- und Kühlungsgründen auf Stahlgussrohre übergegangen und der filigrane Kühlrippenkörper durch mechanische Bearbeitung hergestellt werden. Das unter dem Namen Alfin-Verfahren [9-38] bekannt gewordene Verbundgussverfahren (Bild 9-16), bei dem eine etwa 0,03 mm dicke metallische Zwischenschicht für eine spaltfreie Verbindung zwischen einer Stahlbuchse und dem verrippten Aluminiummantel sorgt, wird bzw. wurde bis auf wenige Militärapplikationen nur im Flugmotorenbau verwendet; unter Einsatz von Grauguss statt Stahl auch bei Dieselmotoren im kommerziellen Bereich. Zylinderrohre aus Leichtmetall mit entsprechend behandelten Laufflächen werden nur bei Ottomotoren eingesetzt [9-39], [9-40].
Zylinderkopf Die Vielseitigkeit der Aufgaben sowie wechselnde mechanische und thermische Beanspruchungen machen den Zylinderkopf zum schwierigsten Bauteil des Motors. Um die auf den Zylinderkopf wirkenden Gaskräfte auf das Kurbelgehäuse zu übertragen und gleichzeitig eine gasdichte Verbin-
Bild 9-16 Alfin-Zylinderrohr eines luftgekühlten Dieselmotors (TeledyneContinental Motor) [9-28]
dung zum Zylinderrohr sicherzustellen, muss der Zylinderkopf eine hohe Formsteifigkeit besitzen. Beim luftgekühlten Zylinderkopf sind neben den Gaskanälen, der Einspritzdüse, einer ggf. vorhandenen Nebenkammer und den Zylinderkopfschrauben noch die Kühlrippen und notwendigen Strömungsquerschnitte für die Kühlluft unterzubringen. Eine schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, dass beispielsweise bei einem Dieselmotor mit Direkteinspritzung zur Kühlung des Zylinderkopfbodens und des Auslasskanalbereiches eine Rippenfläche von der 30- bis 35fachen Kolbenfläche notwendig ist. Die Gestaltung der Kühlrippen muss darüber hinaus so vorgenommen werden, dass die maximale Zylinderkopftemperatur zwischen den Ventilen begrenzt bleibt und große Temperaturunterschiede zur Vermeidung hoher Wärmespannungen im Zylinderkopfboden vermieden werden. Diese Forderungen lassen sich i. Allg. nur mit Zylinderköpfen aus Aluminium erfüllen, dessen hohes Wärmeleitvermögen die Wärmeverteilung im Zylinderkopfboden begünstigt und die wirtschaftliche Herstellung dünner, hoher Kühlrippen ermöglicht. Diese Zylinderköpfe benötigen grundsätzlich Ventilsitzringe. Sie sind üblicherweise aus Schleuderguss und werden eingeschrumpft. Die Anordnung der Ventile quer zur Kurbelwellenachse erlaubt gegenüber der Parallelanordnung eine günstigere Kühlrippengestaltung im Ventilbereich und größere Strömungsquerschnitte für die Kühlluft; allerdings muss das Verbrennungsverfahren eine starke Neigung der
9.1 Interne Motorkühlung 341 Ventile zulassen (Ottomotoren).Bei zur Kurbelwelle parallel angeordneten Ventilen kann nur eine leichte Ventilneigung zur Zylinderachse realisiert werden, die aber, sofern das Verbrennungsverfahren einen schwach gewölbten Zylinderkopfboden zulässt, über dem Ventilsteg noch eine etwas größere Kühlrippenfläche ermöglicht. Um im thermisch hoch beanspruchten Stegbereich ein Maximum an Kühlrippen unterzubringen, müssen die Querschnitte der Gaskanäle notgedrungen relativ schmal und hoch ausgeführt werden. Vergegenwärtigt man sich die oberhalb des Zylinderkopfbodens sehr begrenzten räumlichen Verhältnisse, so wird verständlich, dass beim luftgekühlten Dieselmotor ein Zylinderkopf mit vier Ventilen nicht zu realisieren ist, während Vierventilzylinderköpfe bei luftgekühlten MotorradOttomotoren nahezu Standard sind. Aluminiumgusslegierungen von luftgekühlten Zylinderköpfen zeichnen sich durch eine besonders hohe Warmfes tigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit aus. Beide für die Formstabilität des Zylinderkopfes wichtigen Werkstoff eigenschaften werden durch komplexe Legierungszusammensetzungen (s. Tabelle 9‑3) einen geregelten Abkühlungsvorgang in der Kokille und durch eine spezielle Wärme nachbehandlung erreicht. Die mit Abstand höchste Warmfestigkeit von 230 N/mm2 bei 200 °C und noch gut 200 N/mm2 bei 250 °C weist der multilegierte Werkstoff RR350 auf. Wegen der stärkeren Wärmedehnung und Duktilität von Aluminiumlegierungen ist bei luftgekühlten Zylinderköpfen die Gefahr von Stegrissen ungleich größer als bei wassergekühlten Zylinderköpfen: Zwei eingegossene und als Dehnfugen wirkende Stahlbleche können den Ventilsteg beim Erkalten des Zylinderkopfes weitgehend frei von Zug spannungen halten und dadurch den Stegriss vermeiden (Bild 9‑17). Ein wesentliches Hilfsmittel bei der Entwicklung von luftgekühlten Zylinderköpfen sind Thermoschock
Bild 9-17 Im Ventilsteg eingegossene Stahlbleche zur Vermeidung von Stegrissen beim Zylinderkopf eines luftgekühlten Dieselmotors (Deutz AG, Typ FL 513)
untersuchungen [9‑42], bei denen der Bereich des Ventilsteges in etwa zweiminütigen Zeitintervallen auf 300 °C erwärmt und auf 100 °C abgekühlt wird.
9.1.4.4
Das motorintegrierte Kühlsystem
Vergleich mit dem externen Kühlsystem flüssigkeits gekühlter Motoren Da beim luftgekühlten Motor die Bauteilwärme direkt an die Umgebungsluft abgeführt wird, ist sein Kühlsystem prinzipbedingt motorintegriert. Motor und Kühlsystem stellen eine Einheit dar. Kühlgebläse mit Kühlluftführung und integriertem Schmierölkühler sowie geräte- bzw. fahrzeugseitige Kühler, z. B. der Hydraulikölkühler einer Baumaschine oder Getriebeölkühler eines Fahrzeugs, sind Anbauteile des Motors. Luftgekühlte Motoren benötigen aufgrund der besseren Ausnutzung (größeren Temperaturerhöhung) der Kühlluft
Tabelle 9-3 Aluminium-Gusslegierungen für luftgekühlte Zylinderköpfe [9-41] Legierungstyp
Legierungsbezeichnung
Legierungselemente in % der Masse Cu
Ni
Si
Mg
Mn
Ti
Co
Zr
Sb
AlMgSiMn
Hydronalium, Ho 411, 511, Hy 418, 511, Hy 51, Hy 71
0 bis 1,0
0 bis 1,5
0,7 bis 1,8
3,5 bis 6,5
0,1 bis 1,0
0,1 bis 0,2
– – –
– – –
– – –
AlCuNiMg
Y-Legierung, A-U4NT
3,5 bis 4,5
1,7 bis 2,3
0,2 bis 0,6
1,2 bis 1,7
0,02 bis 0,6
0,07 bis 0,2
– – –
– – –
– – –
AlCuNiCoMnTiZrSb
RR 350, A-U5NZr
4,5 bis 5,5
1,3 bis 1,8
0 bis 0,3
0 bis 0,5
0,2 bis 0,3
0 bis 0,25
0,1 bis 0,4
0,1 bis 0,3
0,1 bis 0,4
342 9 Motorkühlung
Bauformen und Auslegungskriterien von Kühlgebläsen
Bild 9-18 Kühlsysteme von Dieselmotoren mit Direkteinspritzung: Betriebs‑ bereiche für Kühlluftwiderstand abhängig vom Kühlluftbedarf: a maximal zu‑ lässige Kühllufterwärmung, b wirtschaftlich noch vertretbarer Kühlluftwider‑ stand, c max. Kühllufterwärmung bei konventionellen Systemen, d max. Druckerhöhung konventioneller Gebläse
kleinere Kühlluftmengen, allerdings führen die engeren Strömungsquerschnitte zu relativ hohen Luftgeschwindigkeiten an der Verrippung und damit zu relativ hohen Kühlluftwiderständen (Bild 9‑18). Die Anpassung des Kühlsystems an diese Gegebenheiten hat in Größe und Bauweise von wassergekühlten Motoren abweichende Komponenten zur Folge. So sind die Gebläse von luftgekühlten Motoren im Durchmesser nur etwa halb so groß wie Lüfter vergleichbarer flüssigkeitsgekühlter Motoren; sie werden jedoch mit etwa 2- bis 3fach höheren Drehzahlen betrieben und bauen wegen des erforderlichen Leitrades etwas länger. Auch die Kühler sind wesentlich kompakter, ihre kühlluftseitigen Stirnflächen sind bis zu 60% kleiner als konventionelle Wasserkühler. Sie werden üblicherweise ohne elastische Zwischenelemente am Motor befestigt, was zu hohen mechanischen Beanspruchungen führt und Aluminiumkühler mit geringeren Massenkräften und hoher Festigkeit und Steifigkeit erfordert. Bei luftgekühlten Motoren ist systembedingt von Anfang an die effiziente Ladeluftkühlung nach dem Luft/Luft-Prinzip angewendet worden. Damit wird die Rückkühlung der Ladeluft weit unter die Kühlmitteltemperatur des flüssigkeitsgekühlten Motors möglich. Je nach Art der Anordnung des Ladeluftkühlers (vor dem Kühlgebläse oder im Parallelstrom zu den übrigen Kühlluftverbrauchern) werden Ladelufttemperaturen erzielt, die nur 25 K oder 45 K über der jeweiligen Umgebungstemperatur liegen.
Der relativ hohe Kühlluftwiderstand des luftgekühlten Motors sowie die Forderungen nach kleinstmöglichen Abmessungen und niedrigen Drehzahlen des Gebläses führten zu Kühlgebläsen der axialen Bauart mit aerodynamisch hochbelasteten Strömungsgittern. Die grundsätzlich im Schwungrad untergebrachten Radialgebläse sind kleinen Ein- und Zweizylindermotoren vorbehalten. Der kompakte Aufbau der Axialgebläse begünstigt eine einfache Kühlluftführung, wobei bei sorgfältiger Auslegung und Fertigung der Strömungsgitter hohe Wirkungsgrade bei niedriger Geräuschemission erzielt werden. Man unterscheidet zwei Bauformen je nach Anordnung des Leitrades: Bei Gebläsen mit einem dem Laufrad nachgeschaltetem Leitrad (Nachleitrad-Gebläse) sind beide Beschaufelungen Verzögerungsgitter in denen der Druckaufbau erfolgt. Bei vorgeschal tetem Leitrad (Vorleitrad-Gebläse) ist das Leitrad ein Beschleunigungsgitter und senkt den statischen Druck, so dass das Laufrad allein die Druckerhöhung unter Kompensation des vorhergehenden Druckabfalls erbringen muss. Bei der Vielzahl der Randbedingungen kann über die Eignung der beiden Gebläsebauarten erst nach Abwägen der jeweiligen Merkmale entschieden werden, von denen in Tabelle 9‑4 die wichtigsten aufgeführt werden [9‑43]. In der Praxis haben sich beide Bauarten bewährt. Bei Einhalten bestimmter Werte für Liefer- und Druckzahl bzw. den Grenzen für ablösungsfreie Strömung im Axialgitter [9‑44] sind Gesamtwirkungsgrade von 80 bis 84% erzielbar, wobei der gesamte Leistungsaufwand für die motorintegrierte Kühlung je nach Gebläsewirkungsgrad, Kühlluftbedarf und Strömungswiderstand 2,5 bis 4,5% der Motornennleistung beträgt. Neben einer guten aerodynamischen Auslegung gewinnt das vom Gebläse verursachte Geräusch immer stärker an Bedeutung. Es darf das Gesamtgeräusch des Motors nicht nennenswert beeinflussen und muss frei von tonalen Anteilen sein, was in Hinblick auf steigende Umweltauflagen (s. Abschn. 16) oft höhere Entwicklungskosten erfordert. Das aerodynamische Geräusch des Gebläses besteht aus drei verschiedenen Komponenten: Das Turbulenz- und das Wirbelgeräusch, die stärkste Geräuschquelle, erstrecken sich über den gesamten hörbaren Frequenzbereich, wogegen das vom Laufrad erzeugte Tonalgeräusch mit einem Vielfachen der Grundfrequenz (Schaufelzahl mal Drehzahl) vom menschlichen Ohr viel lauter als ein gleich starkes Breibandgeräusch wahrgenommen wird. Eine ungleichmäßige Anordnung der Laufradschaufeln schafft hier Abhilfe. Die vom Kühlgebläse emittierte Schallleistung kann durch die empirisch gefundene Gesetzmäßigkeit
9.1 Interne Motorkühlung 343
Tabelle 9-4 Unterschiede zwischen dem Nachleitrad- und Vorleitrad-Gebläse Nachleitrad-Gebläse
Vorleitrad-Gebläse
max. Wirkungsgrad
84%
80%
min. spez. Schalleistungspegel
31 dB(A)
33 dB(A)
Werkzeugaufwand bei Druckgussherstellung
nur zwei Formhälften (Beschaufelungen sind über‑ deckungsfrei und erlauben Entformung in axialer Richtung)
zwei Formhälften plus radiale Schieber (Beschaufe‑ lungen sind nicht überdeckungsfrei)
Motoreinbau
hohe
geringe
akustische Empfindlichkeit bei Störungen vor Gebläse (Hindernisse, Strömungseinschnürungen)
˙ = Volumenstrom, Dpg mit den Betriebspunktkenngrößen V ˙0 = l m3/s, = Gesamtdruckerhöhung und den Bezugsgrößen V Dpg0 = l mbar beschrieben werden. Lsp ist die spezifische Schallleistung, eine für jede Gebläseausführung charakteris tische Konstante; der zweite Term entspricht der Betriebspunktschallleistung. In einem definierten Betriebspunkt (Kühlluftbedarf, Strömungswiderstand des Kühlsystems) ist eine Reduktion der Gebläselautstärke nur durch Herabsetzung der spezifischen Schallleistung möglich. Sie wird neben Lieferzahl und Druckzahl, deren Größen im Hinblick auf Bestausführungen nur in einem bestimmten Wertebereich variiert werden können, maßgeblich beeinflusst durch: – die Art der Leitradanordnung, – die aerodynamische Güte der Strömungsgitter und des Gebläseeinlaufes, – die Lage des Betriebspunktes zum Auslegungspunkt, – den Radialspalt zwischen Laufrad und Gehäusewand, – den Axialabstand zwischen beiden Beschaufelungen, – die Art der Laufradschaufelform (radial verlaufend oder gesichelt), – die Art der Schaufelanordnung am Laufradumfang, – die Schaufelzahlen und die Art der Schaufelzahlpaarung. Hochwertige Axialgebläse von luftgekühlten Motoren erreichen heute spezifische Schallleistungspegel von 31 dB(A) und zeichnen sich durch ein niedriges Breitbandgeräusch aus. Durch Regelung der Kühlluftmenge erreicht man ein gleichmäßiges Temperaturniveau von Bauteilen und Schmieröl und damit optimale Bedingungen für den Motorbetrieb (Verbrauch, Abgasqualität, Geräuschemission, Lebensdauer). Besonders vorteilhaft ist die Regelung, bei der die Zylinderkopftemperatur die Steuergröße ist und unter Berücksichtigung der Schmieröltemperatur konstant bleibt. Dabei kann die Gebläsedrehzahl durch eine in der Gebläsenabe eingebaute hydraulische Kupplung gesteuert werden.
9.1.4.5
Beispiele ausgeführter Dieselmotoren
Die Palette der auf dem Markt angebotenen luftgekühlten Dieselmotoren reicht vom in seinem Aufbau typischen und universell einsetzbaren Einzylinder-Kleindieselmotor mit Direkteinspritzung, der bevorzugt in kleinen Baumaschinen, Strom- und Pumpenaggregaten eingesetzt wird (s. Abschn. 18.1) bis zum leistungsstarken V12‑Dieselmotor für schwere Nutzfahrzeuge (Bild 9‑19). Die im Bild dargestellte Hochleistungsvariante mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung gehört zu einer Baureihe mit Sechs-, Acht- und Zehnzylindermotoren und ist auf die speziellen Anforderungen eines 38 t‑Muldenkippers zugeschnitten, wie er auf Großbaustellen und im Tagebau eingesetzt wird. Er demonstriert beispielhaft die Vorzüge des integrierten Motor kühlsystems, das nicht nur die eigentliche Motorkühlung sondern auch Wärmeüberträger zur Kühlung der Ladeluft, des Motoröls sowie des im Getriebe und im Retarder verwendeten Öls umfasst. Damit ist der Motor beim Einbau nur noch an die Kraftstoffversorgung und an die Abgasleitung anzuschließen. Der spezifische Luftbedarf für die Motorküh lung beträgt im Fahrbetrieb 41 kg/kWh, die Antriebsleistung des Gebläses erfordert ca. 11,6 kW. Dazwischen findet man im mittleren und unteren Leistungsbereich luftgekühlte Industrie-Dieselmotoren (s. Abschn. 18.2) die für vielerlei Einbauzwecke verwendet werden, darunter auch schall gedämpfte, mit einer Vollkapsel versehene Dieselmotoren (s. Abschn. 16.5).
9.1.4.6
Grenzen des luftgekühlten Motors
Die im Leistungsbereich bis 440 kW angebotenen luftgekühlten Dieselmotoren haben einen hohen Reifegrad erlangt und werden wegen ihrer Einfachheit und Robustheit bevorzugt als Industriemotoren eingesetzt (s. Abschn. 18.2). Im Fahrzeugbereich werden luftgekühlte Dieselmotoren wegen
344 9 Motorkühlung
Bild 9-19 Luftgekühlter Zwölfzylinder-Dieselmotor, Typ BF12L523CP, Fa.Deutz AG, VH=19,144 dm³; Pe= 441 kW bei 2300 min –1
ihres mangelnden Komforts insbesondere im Hinblick auf das geringe Heizwärmeangebot kaum noch akzeptiert. Mit höheren Aufladegraden wird die Luftkühlung als äquivalentes, alternatives Kühlverfahren heute immer häufiger in Frage gestellt, da hohe mittlere Nutzdrücke zu gro ßen mechanischen Belastungen von Zylindereinheit und Triebwerk sowie einem deutlichen Anstieg der thermischen Belastung von Kolben, Zylinderrohr und Zylinderkopf führen. Die Grenzen der thermischen Belastung folgen aus der Warmfestigkeit der Al‑Legierung für den Zylinderkopf und der maximal abführbaren Kühlwärme. Den Nachteil kleinerer Wärmeübergangskoeffizienten αK auf der Kühlseite kann man durch ein größeres Wärmegefälle zwischen Bauteil und Kühlluft sowie durch Vergrößerung der wärmeabgebenden Bauteiloberfläche durch dünnere und enger stehende Rippen ausgleichen, der aber ebenfalls Grenzen gesetzt sind. Das gilt auch für ein größeres Temperaturgefälle, da damit zwangsläufig die Bauteiltemperaturen zunehmen: Mit Rücksicht auf ausreichende Schmierung sollte die Temperatur an der Lauffläche der Buchse maximal 190 °C, am Zylinderkopfboden in Hinblick auf Formstabilität im Mittel 240 °C bzw. am Ventilsteg nicht über 280 °C betragen.
Die im Vergleich zu Grauguss geringere Warmfestigkeit von Al‑Legierungen macht den Zylinderkopf zum schwächs ten und damit zum leistungsbestimmenden Bauteil des luftgekühlten Motors. Die Formstabilität des Zylinderkopfes bestimmt die Qualität der Zylinderkopfdichtung. Es hat sich gezeigt, dass aufgrund der erhöhten Temperatur des Zylinderrohres und der größeren Wärmedehnung der Al‑Legierungen die thermisch verursachten Bauteilverformungen die mechanisch durch Kräfte und Drücke verursachten wesentlich übersteigen [9‑41]. Neben einer Verlagerung des maximalen Dichtdruckes auf die Dichtflächeninnenseite infolge des gewölbten Zylinderkopfbodens, ist auch die bei hochaufgeladenen Motoren zu beobachtende plastische Verformung des Auslasskanals von Einfluss auf die Dichtdruckverteilung. Das höhere Temperaturniveau der Bauteile luftgekühlter Motoren bewirkt jedoch auch eine stärkere Erwärmung der angesaugten Verbrennungsluft und damit eine geringere Zylinderfüllung. Bei gleicher Rauchentwicklung weisen luftgekühlte Dieselmotoren bei Saugbetrieb gegenüber wasserge kühlten eine um etwa 2,5% geringere Nennleistung auf bzw. -3,5% im Punkt des maximalen Drehmoments. Sie werden zu etwa 50% durch den heißeren Einlasskanal, zu ca. 30%
9.2 Externe Motorkühlsysteme 345 durch die höheren Wandtemperaturen der Laufbuchse und zu je 10% durch den heißeren Zylinderkopf bzw. Kolbenboden verursacht, wie eine rechnerische Analyse ergab. Bei aufgeladenen Motoren ohne Ladeluftkühlung tritt aufgrund der relativ kleinen Temperaturunterschiede zwischen den Bauteilen und der Verbrennungsluft kein nennenswerter Leistungsverlust auf; bei Motoren mit Ladeluftkühlung kann er durch einen geringfügig höheren Ladeluftdruck kompensiert werden. Das höhere Temperaturniveau der den Brennraum begrenzenden Bauteile zusammen mit der höheren Temperatur der Ladung bestimmt die Verdichtungsendtemperatur und damit die maximale Verbrennungstemperatur, die maßgeblich für die Bildung von NOX, ist (s. Abschn. 15.3). Das bestätigten Grundsatzversuche zum Einfluss der Kühlung auf die Entstehung von NOX [9‑45]. Die Bemühungen um niedrige NOX‑Emissionen bei ständig verschärften Abgasgrenzwerten werden hierdurch erschwert und bereiten dem luftgekühlten Motor erhebliche Probleme [9‑46]. Zwar könnten die beim luftgekühlten Dieselmotor durch die begrenzte äußere Wärmeabfuhr gegebenen Grenzen durch folgende Maßnahmen: – verstärkte Innenkühlung (Ladeluftkühlung, Kühlkanal kolben), – Anheben der Bauteiltemperaturgrenzen mit der Notwen digkeit des Einsatzes teurerer Werkstoffe, Schmierstoffe und aufwendigerer Bearbeitungen (Zylinderkopfwerkstoff sehr hoher Warmfestigkeit, hochlegierte Schmieröle, kaltverfestigte Zylinderlauffläche, alfingebundene Kolben ringträger, Doppeltrapezringe mit Molybdänbeschich tung), – wärmedämmenden Schutz der Bauteile (thermische Isolation des Auslasskanals vom Zylinderkopf)
turen als Kühllast an die Umgebung abführt, entweder direkt (z. B. bei Luftkühlung, s. Abschn. 9.4) oder heute meist über einen geschlossenen Kühlmittelkreislauf und eine Rückkühlanlage. Bei der Kühlung der Betriebsstoffe spricht man von einer direkten Kühlung, wenn die Wärme über einen Wärme übertrager direkt an die Kühlluft abgegeben wird. Bei Abgabe an einen geschlossenen Kühlmittelkreislauf liegt eine indirekte Kühlung vor. Die der Wärmeabfuhr dienenden Komponenten in ihrer Anordnung zueinander und deren Regelung werden als Kühlsystem bezeichnet. Wärmetechnisch gesehen besteht die Motorkühlung hinsichtlich der zu kühlenden Bauteile aus parallel und/oder in Reihe geschalteten „Wärmeübertragern“ mit meist kleinen Wärmeaustauschflächen, was wiederum große Wärmeübergangskoeffizienten bedingt [9‑47] (s. Abschn. 7.2 und 9.1). Neben der Rückkühlanlage für das Kühlmittel werden Wärmeübertrager unter anderem für – Motoröl, – Kolbenkühlöl bzw. -wasser, – Düsenkühlung durch Kraftstoff, Kühlwasser oder Kühlöl, – Ladeluft – Abgasrückführung und – Getriebeöl
9.2
Externe Motorkühlsysteme
in den Kühlmittelkreislauf mit eingebunden. Bei der Auslegung des Kühlsystems und seiner Komponenten müssen oft Kompromisse eingegangen werden. Wurde früher die Kühlung primär in Hinblick auf die Nennbzw. Überleistung unter Berücksichtigung ungünstiger Randbedingungen (Klima, Jahreszeiten) konzipiert, so haben die immer schärfer werdenden Forderungen an Kraftstoffverbrauch, Schadstoffemission sowie Leerlaufund Teillastverhalten dazu geführt, dass primär nicht mehr die Kühlung, sondern eine Temperierung der Bauteile und Betriebsstoffe Aufgabe des Kühlsystems ist. Dies erfordert neben der Bereitstellung einer ausreichenden Kühlleistungskapazität den Einsatz von regelbaren Aktuatoren wie Thermostate, Ventile, Pumpen oder Lüfter.
9.2.1
Aufgabe von Motor-Kühlsystemen
Kühlung des Motors
deutlich verschoben werden, doch beinhalten diese Maßnahmen eine höhere Technologiestufe, die der vergleichbare wassergekühlte Motor nicht bzw. nicht im gleichen Umfang benötigt.
Definitionen Wie in Abschn. 9.1 ausgeführt, erfüllt das Kühlsystem eine wichtige Voraussetzung für einen störungsfreien Motorbetrieb, indem es Wärme von thermisch kritischen Stellen an Motorbauteilen (Zylinderkopf, Kolben, Zylinderbuchse usw.) und aus Betriebsstoffen (Motoröl, Kraftstoff, Ladeluft usw.) zum Einhalten funktionsbedingter Grenztempera-
Die als Kühllast aus der Motorkühlung mit dem Kühlmittel abzuführende Wärme beträgt je nach Motor 40 bis 100% der Nennleistung bzw. 20 bis 40% der zugeführten Kraftstoff energie Tabelle 9‑5. Dabei hat die Steigerung der Leistungskonzentration mittels Hochaufladung dazu geführt, dass sich mit den gestiegenen Nutzwirkungsgraden die Wärmebilan zen in sich verschieben: Bei sinkender Wärmeabgabe des Motors an das Kühlmittel steigt die in Öl- und Ladeluftküh-
346 9 Motorkühlung
Tabelle 9-5 Abzuführende Wärmeströme in % der Nennleistung Motorart/Drehzahlbereich
Motorkühlunga)
Motoröl
Ladeluftkühlung
Kühlmittelwärme
Abgas-Kühlung
Langsamläufer 60…200 min–1
14…20
6…15,3b)
20…35
40…70
–
Mittelschnellläufer 400…1000 min–1
12…25
10…15
20…40
40…80
–
Hochleistungsmotoren 1000…2000 min–1
30…50
5…15
10…20
10…20
–
Nfz-Motoren 1800…3000 min–1 mit ATL und LLK
30…50
15…30
45…80
10…20c)
Saugmotoren
50…70
entfällt
50…70
–
a) Zylinder-, Zylinderkopf- und ATL-Kühlung b) Schmieröl- und Kolbenkühlöl-Kühlung c) Schmieröl-Kühlung (Kolbenkühlung durch Wasser) d) Abhängig von Rückführrate
Anm.: Diese wie auch die folgenden Zahlenangaben über Wärmemengen, Volumenströme und Temperaturen sind Anhaltswerte, deren große Bandbreite sich aus der Vielfalt der Motorenausführungen, Leistungsbereiche und Betriebsbedingungen erklärt.
ler aufgenommene Wärme, sodass die Kühllast annähernd gleich bleibt. Dagegen sinkt die Abgasenergie mit zunehmender Nutzarbeit. Durch die zur NOX‑Reduzierung eingesetzte gekühlte Abgasrückführung kommen – abhängig von den Rückführraten – wiederum zusätzliche Wärmemengen in das Kühlmittel. Dadurch steigt der Aufwand für das Rückkühlsystem oft erheblich. Die als Energieverlust zu wertende Abgabe der Kühllast an die Umgebung kann durch die Kraft-Wärme-Kopplung zur Steigerung des Systemwirkungsgrades ökologisch und ökonomisch sinnvoll genutzt werden (s. Abschn. 14.1).
Kühlung der Betriebsmittel Bei Motor-Getriebe-Anlagen und bei Fahrzeugmotoren muss auch die Verlustwärme von Getrieben und Bremsen abgeführt und das Kühlsystem entsprechend ausgelegt werden. Der zusätzliche Kühlbedarf bezogen auf die Getriebe-Eingangsleistung beträgt bei – mechanischen Getrieben 1 bis 3% – automatischen Getrieben mit Drehmomentwandler bis ca. 5% – hydraulischen Getrieben als Turbowendegetriebe für – Lokomotiven 35% bei Öl‑Wasser‑Kühlung (40% bei Luft‑Öl‑Kühlung) bzw. für
– Triebwagen 25% (zul. Temperatur des Getriebeöls T = 80 bis 100 °C, nur kurzzeitig 125 bis maximal 130 °C). Hydrodynamische Bremsen bei Nutzfahrzeugen (z. B. Retarder) können höhere Wärmemengen ins das Kühlsystem eintragen, als der Motor im befeuerten Betrieb abgibt. Die Temperaturen für die Betriebsmittel Wasser, Öl und Ladeluft richten sich nach Größe, Art und nach der Betriebsweise der Motoren. Die Motorkühlwassertem peraturen langsam- und mittelschnelllaufender Großmotoren werden etwas niedriger gehalten als bei Schnellläufern; die Schmieröltemperaturen liegen mit Rücksicht auf Kons truktion, Werkstoffe und Auslegung der Lager sogar deutlich darunter (Tabelle 9‑6). Die Kühlmittelvolumenströme ergeben sich aus den abzuführenden Wärmeströmen und den erwünschten bzw. zulässigen Temperaturdifferenzen (Tabelle 9‑7).
9.2.2
Aufbau von Kühlsystemen
9.2.2.1
Kühlsysteme mit direkter Wärmeabfuhr
Von den beiden Möglichkeiten zur Abfuhr der Motorwärme an die Umgebung [9‑48] wird bei direkter Kühlung die Kühllast in einem offenen Kühlmittelkreislauf an die Umgebung abgeführt. Dazu gehören
9.2 Externe Motorkühlsysteme 347
Tabelle 9-6 Kühlwassertemperaturen in °C langsamlaufende Zweitaktmotoren
mittelschnelllaufende Viertaktmotoren
schnelllaufende Viertaktmotoren
65 bis 75 75 bis 80 5 bis 10 50 60 bis 70
70 bis 80 (82) 80 bis 90 5 bis 10 40 bis 50 60 bis 70
76 bis 87 80 bis 95 (110) 4 bis 8 40 entfällt
32 bis 38 ≤ 50
32 bis 38 ≤ 50
32 bis 38 ≤ 50
Motorkühlwasser Eintritt in Motor Austritt aus Motor Temperatur-Differenz im Motor Vorwärmung auf Vorwärmung bei Schwerölbetrieb auf Frischwasser (Seewasser) Eintritt in Kühler, maximal*) Austritt aus Kühler, maximal *) Tropenbetrieb.
Tabelle 9-7 Auf die Motorleistung bezogene Kühlmittelvolumenströme in l/kWh
Motorkühlwasser Frischwasser
langsamlaufende Zweitaktmotoren
mittelschnelllaufende Viertaktmotoren
schnelllaufende Viertaktmotoren
Nfz-Motoren
6…15 30…40
30…40 30…50
50…80 30…50
50…90 entfällt
– luftgekühlte Motoren, – Motoren mit Wasserdurchlaufkühlung, – Motoren mit Kühlturmkühlung, – Motoren mit Verdampfungskühlung. Heute ist die direkte Kühlung – von Ausnahmen abgesehen – gleichbedeutend mit Luftkühlung (s. Abschn. 9.1.4).
9.2.2.2
Kühlsysteme mit indirekter Wärmeabfuhr
Wärmeabfuhr Der Motor gibt bei der indirekten Wärmeabfuhr oder Kühlung (Bild 9‑20) zunächst seine Kühlwärme in einem geschlossenen Kreislauf („Primärkreis“) an ein Kühlmittel ab; diese Wärme wird dann in einem Wärmeübertrager der Rückkühlanlage auf ein anderes Kühlmittel (Sekundärkreis) überführt. Bei wassergekühlten Motoren unterscheidet man dabei: – Motoren mit Gebläsekühlung (Luft/Wasserkühlung): Sie werden eingesetzt, wo für den Sekundärkreis kein Kühlwasser verfügbar ist („autarkes Kühlsystem“). Das gilt vornehmlich für Fahrzeugmotoren, aber auch für Statio närmotoren. Der Vorteil, kein Wasser zu verbrauchen,
muss mit dem Leistungsverbrauch des Gebläses, erkauft werden. Insbesondere bei den ungünstigen Einbauver hältnissen in Fahrzeugen müssen hier hohe Lüfterleistungen installiert werden (für Pkw < 1%, für mittlere Nutzfahr zeugmotoren bis ca. 5% und für große Nutzfahrzeugmotoren ca. 10% der Nennleistung). Um den Kraftstoffverbrauch nicht zu sehr zu erhöhen, werden diese Gebläse daher geregelt, so dass die maximale Leistungsaufnahme nur im kühlleistungskritischen Fall nötig wird. Die Rückkühlung mit Luft hat dafür keine frisch- bzw. seewasserführenden Komponenten und Leitungen. Nachteilig sind höhere Anlagekosten und größerer Raumbedarf. – Motoren mit Wasser/Wasserkühlung im geschlossenen Sekundärkreis: Das Frischwasser (Fremdwasser) des Sekundärkreises wird dabei von oben in einen Kühlturm geleitet, wo das Wasser großflächig verteilt bzw. verdüst im Gegenstrom zum natürlichen oder mittels Gebläse erzeugten Luftzug seine Wärme durch Verdunstung und Abkühlung an die Luft abgibt. Die Kühlleistung hängt von Lufttemperatur, -durchsatz und -feuchtigkeit ab. Der Wasserverlust beträgt etwa 3%. Nachteile sind großer apparativer Aufwand, problematischer Frostschutz und Schwadenbildung. Diese Art der Kühlung ist nur bei gro ßen Maschinenanlagen sinnvoll.
348
9 Motorkühlung
a a
b Bild 9-20 Indirekte Kühlung mit geschlossenem Kühlsystem; a Rückkühlung mit Luft; b Rückkühlung mit Wasser
– Motoren mit Wasser/Wasserkühlung im offenen Sekundärkreis: Der Frisch- oder Rohwasserkreislauf („Sekundärkreis“) ist offen. Bei dem Frischwasser handelt es sich um Süßwasser (Flusswasser, Wasser aus Binnenseen) oder um Seewasser bzw. Brackwasser. Frischwasser, insbesondere Seewasser, stellt eine nahezu unendliche Wärmesenke dar. Die Kühlung damit weist in der Praxis aber eine Reihe von Problemen auf, denen bei der Auslegung der Kühlkreisläufe Rechnung getragen werden muss. Sonderformen dieser Kühlungsart sind die Außenhaut- und die Kielrohrkühlung (Bild 9-22).
Aufbau des Kühlsystems Haupt- und Nebenkreiskühlung. Hierbei werden die Wärmeübertrager sekundärseitig, d. h. fremdwasserseitig, parallel geschaltet (Bild 9-22).
b Bild 9-21 Haupt- und Nebenkreiskühlung: Das Kühlsystem ist kühlmittelseitig (sekundärseitig) parallel geschaltet, wobei im Hauptkreis der größere, im Nebenkreis der kleinere Teil der Wärme abgeführt wird. a Kühlung mit Luft; b Kühlung mit Frischwasser
Ein-, Zwei- und Mehrkreiskühlung. Sekundärseitig werden bei diesen Systemen die Wärmeübertrager in Reihe geschaltet, wobei es hierbei mehrere Möglichkeiten der Anordnung gibt: – Einkreissystem: Bei dem Einkreissystem werden die zu kühlenden Komponenten entsprechend den gewünschten Temperaturen („Kühlpriorität“) in Reihe und/oder auch parallel in denn Kühlkreislauf geschaltet (Bild 9-23). Die Wärmeübertrager im Kühlkreis beeinflussen sich gegenseitig, was – bei entsprechender Anordnung – im Sinne einer „Selbstregelung“ ausgenutzt wird [9-48], [9-49]. – Zweikreissystem: Eine bessere Anpassung des Kühlsystems an Einflussgrößen wie Motorlast, Wärmebedarf oder Frischwassertemperatur erreicht man durch thermische
9.2 Externe Motorkühlsysteme
349
Bild 9-22 Wasserrückkühlung bei Binnenschiffen
Bild 9-23 Einkreiskühlung
Trennung der Kreisläufe in einen Hoch- und einen Niedrigtemperatur-Kreislauf (HTK; NTK). NTK- und HTK-Wärmeübertrager sind frischwasserseitig (bei Fahrzeugmotoren: kühlluftseitig) in Reihe geschaltet (Bild 9-24). Das hat auch den Vorteil, dass man mit kleineren Frischwasser-Volumenströmen auskommt. Die Aufteilung des Wärmestromes auf die Teilkreise richtet sich nach der Konzeption der Anlage: welche Wärmeübertrager in welchen Strängen liegen [9-48]. So besteht beispielsweise bei Fahrzeugmotoren, bei denen der Luft-Ladeluftkühler vor dem Luft-Motorkühlwasserwärmeübertrag er angeordnet ist, und bei Schiffs- und Aggregatsmotoren oft ein Zweikreis-Mischsystem.
– Zweikreis-Mischsystem: Bei diesem Kühlsystem, auch als „integriertes Kühlsystem“ bekannt, sind HTK und NTK hydraulisch gekoppelt (Bild 9-25). Das HT-Kühlwasser wird durch Mischen mit NT-Kühlwasser gekühlt, wodurch sich der HTK-Wärmeübertrager einsparen lässt. Allerdings erfordert das eine sorgfältige Auslegung, um den gewünschten Kühlmittelfluss in allen Zweigen des Kreislaufes sicherzustellen. Bei kompakten Motoren mit voll integriertem Zubehör werden je ein Strang des HTund des NT-Kreises zusammengefasst (Bild 9-26). Etwa 2 /3 des Kühlmittelstromes gehen durch den Hochtemperaturkreis (HTK), der Rest durch den Niedrigtemperaturkreis (NTK). Das Kühlwasser des HTK wird nicht
350
9 Motorkühlung
Bild 9-24 Zweikreiskühlung mit Hoch- (HTK) und Niedrigtemperaturkreis (NTK), mit Rückkühlung durch Frischwasser
Bild 9-26 Zweikreis-Mischkühlung mit zusammengefassten Strängen des Hoch- und Niedrigtemperaturkreises
Bild 9-25 Zweikreis-Mischkühlung: Hoch- und Niedrigtemperaturkreis sind hydraulisch gekoppelt
durch einen Wärmeübertrager, sondern durch Mischen mit dem Kühlwasser des NTK gekühlt. Der NT-Kreis wird bei Niedrig- und bei Teillast so gesteuert, dass das erwärmte Motorkühlwasser über eine Bypassleitung direkt in den Ladeluftkühler gelangt. Der Teilkreis bleibt ungekühlt und erwärmt die Ladeluft. Mit steigender Motortemperatur wird das Motorkühlwasser zunehmend durch den Wärmeübertrager und durch den Ladeluftkühler geschickt [9-50].
Durch Kombination dieser Merkmale und mit der Anordnung der Wärmeübertrager in den einzelnen Strängen des/ der Kühlmittelkreisläufe bieten sich viele Möglichkeiten für Auslegung und Optimierung des Kühlsystems abhängig von der jeweiligen Motorkonzeption und der Kühleranordnung im Sekundärkreis. Insbesondere bei Seewasserbetrieb ist dabei zu beachten, dass man hier mit Verschmutzungen und Ablagerungen rechnen muss [9-51].
9.2 Externe Motorkühlsysteme
351
bevorzugt, bei der ein großer Zentralkühler das Frischwasser aller anderen Wärmeübertrager kühlt. Der höhere apparative Aufwand durch mehr und auch größere Kühler (kleinere Eintrittstemperaturen-Differenzen, zusätzliche Wärmeübergangswiderstände), mehr Leitungen und Pumpen sind auch Indiz für die Probleme einer unmittelbaren Kühlung mit Seewasser. Andererseits kommt man dadurch mit weniger seewasserführenden Leitungen und Komponenten aus. Da die Temperatur in den Frischwasserkreisen weitgehend konstant bleibt, gestaltet sich die Regelung des Kühlsystems einfacher. Vor allem bei Mehrmotorenanlagen ist deshalb Zentralkühlung vorteilhaft.
Bild 9-27 „Konventionelle“ Seewasserkühlung (Einkreissystem)
Kühlsystem bei Seewasserbetrieb. Hier kann man unterscheiden in: – „konventionelle“ Seewasserkühlung (Bild 9-27): Die apparative Einfachheit, der wärmetechnische Vorteil größerer Eintrittstemperaturen-Differenzen und geringerer Pumpenleistungen infolge kleinerer Seewasser-Volumenströme müssen aber mit Nachteilen des Seewasserbetriebes erkauft werden. – Zentralkühlung (Bild 9-28): Wegen der Nachteile der konventionellen Kühlung wird meist die Zentralkühlung
Anordnung des Ladeluftkühlers. Die Anordnung des Ladeluftkühlers im Kühlkreis ist durch Forderung nach möglichst niedriger Ladelufttemperatur bei Volllast und nach Anpassung der Ladelufttemperatur an den jeweiligen Motorbetriebspunkt bestimmt. Es kann dazu unter mehreren Lösungen gewählt werden: – Interne Ladeluftkühlung: Eine gewisse Selbstregelung der Ladeluft-Temperatur ergibt sich mit kühlmittelseitig in den Motorkühlwasserkreis (Primärkreis) eingebundenen Ladeluftkühler (Bild 9-21). Zwar kann dadurch die Ladeluft allenfalls auf das Niveau der Motorkühlwassertemper atur heruntergekühlt werden (Leistungseinbuße!), passt sich aber der Motorbelastung an (Verbesserung des Motor betriebsverhaltens). Im oberen Lastbereich wird die Ladeluft gekühlt, im unteren aufgeheizt. – Externe Ladeluftkühlung: Hier werden der/die Ladeluftkühler in einen Nebenkreis gelegt und vom Kühlmittel parallel zu den anderen Wärmeübertragern durchströmt
Bild 9-28 Zentralkühlung
352
9 Motorkühlung
(Bild 9-23). Damit steht eine größere EintrittstemperaturenDifferenz zur Verfügung, die Ladeluft kann tiefer herabgekühlt werden. Diesen Vorteil sucht man neuerdings auch bei kleineren Motoren (Nfz-Motoren) zu nutzen. Da die Ladeluft thermisch vom Motor entkoppelt ist, muss sie durch entsprechende Regelung des externen Kreises an den Lastzustand des Motors angepasst werden. – Zwei-, mehrstufige Ladeluftkühlung: Darunter versteht man die Aufteilung der Ladeluftkühler in je einen in den Hoch- und Niedrigtemperatur-Kreislauf geschalteten Teilkühler („Zweistufige Ladeluftkühlung“, Bild 9-24). Durch die hohe Ladelufttemperatur bei Eintritt in den Kühler im HT-Kreis kann die Vorlauftemperatur für Wärmeverbraucher (z. B. Frischwasser-Erzeuger) auf 98 °C und das nutzbare Wärmegefälle entsprechend erhöht werden. Der größere Teil der Ladeluftwärme wird im HT-Kreis abgeführt (1,5 bis 2,6:1). Im Teillastbetrieb (≤ 40%, insbesondere bei voller Drehzahl) oder im Arktisbetrieb wird die Niedrigtemperaturstufe abgeschaltet und die Ladeluft durch das Motorkühlwasser im HT-Kreis aufgeheizt. Das bedeutet bessere Verbrennung, niedrigere Zünddrücke und geringere Rauchentwicklung! Sinkt die Motorbelastung unter 15%, wird ggf. eine Motorkühlwasserheizung eingeschaltet [9-48]. Derart komplex aufgebaute Kühlsysteme sind mit zahlreichen Stromverzweigungen und -vereinigungen und Bauteilen unterschiedlicher Strömungswiderstände durchsetzt (s. Abschn. 9.2.4). Für einzelne Stränge des Kreises werden rechnerisch die Druck- und Volumenströme ermittelt und im Versuch bzw. bei der Installation der Anlage verifiziert. Mit verstellbaren Blenden kann man die einzelnen Teilströme ggf. korrigieren [9-52].
Kühlsysteme bei Fahrzeug- und Kompaktmotoren Eine Sonderstellung nehmen Motoren für Fahrzeuge, fahrbare oder verladbare Generatoranlagen und schnelle Boote aller Art ein. Wegen der hier geforderten kompakten Gestaltung sind auch die Komponenten des Kühlsystems in den Motoraufbau zu integrieren oder möglichst nahe am Motor anzuordnen [9-53], [9-54]. Bei Fahrzeugmotoren oder ähnlich kompakt aufgebauten Motoren umfasst der Kreislauf des eigentlichen Motorkühlwassers den Motor selbst, Kühlmittelkühler, Leitungen, Ausgleichsbehälter, Temperaturregler und Umwälzpumpe. Die Motorkühlwasserpumpe, vom Motor direkt angetrieben, drückt das Kühlwasser durch die jeweils in Reihe oder parallel geschalteten Wärmeübertrager (Ölkühler; Ladeluftkühler), in die Kühlräume des Motors (Zylinder und Zylinderköpfe) sowie durch weitere zu kühlende Bauteile, so z. B.
Bild 9-29 Kühlkreislauf eines Nfz-Motors. 1 Kühler; 2 Wasserpumpe; 3 Ausgleichsbehälter; 4 Thermostat; 5 Bypassleitung; 6 Fülleitung; 7 Arbeitsventil; 8 Füllstutzen mit Sicherheitsventil; 9 Entlüftungsleitungen; 10 Überlaufleitung; 11 Wärmeübertrager für Fahrerhausheizung
durch Abgasturbolader, Abgassammelrohre etc. oder durch weitere Wärmeübertrager wie Ölkühler, Abgasrückführkühler etc., wobei der Kühlwasserstrom gemäß dem Kühlleistungsbedarf aufgeteilt wird. Ein Temperaturregler sorgt dafür, dass bei kaltem Motor das Kühlwasser ganz oder teilweise durch eine Bypassleitung am Kühlmittelkühler vorbei in die Saugleitung zur Motorkühlwasserpumpe gelangt (Bild 9-29). So werden schnelles Erreichen der Betriebstemperatur und Einhalten der gewünschten Temperatur auch bei wechselnder Motorlast gewährleistet. Der an der höchsten Stelle des Kühlkreises angeordnete Kühlwasser-Ausgleichsbehälter fängt die Volumenänderungen des Kühlwassers bei Temperaturschwankungen auf, entlüftet den Kühlkreislauf von Abgas (z. B. bei Durchblasen der Zylinderkopfdichtung) und Luft (z. B. Eintritt durch Wasserpumpendichtung). Das Entlüften bzw. Entgasen des Kühlkreislaufes ist deshalb so wichtig, weil Luft bzw. Gas im Kühlwasser den Durchsatz verringern: Bei einem Luftgehalt von 12% wird der Kreislauf instabil, bei 15% bricht er zusammen [9-55]. Außerdem wird der Wärmeübergang verschlechtert bzw. ein Korrosionsangriff begünstigt. Darüber hinaus beinhaltet der Ausgleichsbehälter eine Kühlmittelreserve für kleinere Leckagen und schafft ein gewisses Druckpolster. Ein kombiniertes Druck- und Saugventil sorgt für den nötigen Druckausgleich, wenn bei Erwärmung des Kühlwassers Überdruck und bei Abkühlung Unterdruck entstehen. Vom Motor – bei Fahrzeugmotoren auch vom Luft/
9.2 Externe Motorkühlsysteme 353 Wasserkühler – gehen Dauerentlüftungsleitungen zum Ausgleichsbehälter. Darüber hinaus führt vom Ausgleichsbehälter eine Verbindungsleitung zur Saugseite der Kühlwasser pumpe. Der Fluss des Kühlwassers durch Zylinder und Zylinderkopf wird sorgfältig gestaltet. In Motoren mit gemeinsamem Wasserraum für alle Zylinder muss durch definierte Strö mungsverhältnisse dafür gesorgt werden, dass die thermisch belasteten Partien gleichmäßig vom Kühlwasser umströmt werden („Queranströmung“). Die Strömungsgeschwindigkeit muss einerseits in Hinblick auf die Wärmeübertragung hoch genug sein, andererseits darf es nicht zu Kavitation kommen. Auch die Druckverluste sollen gering bleiben. Bei großen Motoren mit Einzelzylindern gestalten sich die Verhältnisse einfacher, weil aus einer Sammelleitung einzeln in die Zylinder eingespeist wird. In Zylinderköpfen mit ihrer komplizierten Struktur, bei der Gesichtspunkte der thermischen und mechanischen Festigkeit wie auch der Gießbarkeit im Vordergrund stehen, erfordert es Erfahrung, das Kühlwasser so zu führen, dass sich möglichst gleichmäßige Temperaturen einstellen. Bei Entgasung des sich erwärmenden Wassers und bei eventuellen Undichtigkeiten dürfen sich keine Luftpolster bilden, ebenfalls keine Dampfnester infolge örtlichen Siedens. Mit Strömungssimulationen (CFD) wird die Kühlwasserströmung optimiert. In Strömungsversuchen am Plexiglasmodell lässt sich der Kühlwasserfluss überprüfen.
9.2.3
Regelung von Kühlsystemen
Anforderungen an die Regelung Mit Blick auf Kraftstoffverbrauch, Verschleiß, Schadstoff emission und Geräusch strebt man schnelles Erreichen der Motor-Betriebstemperatur, das Einhalten der gewünschten Temperaturen unabhängig von der Motorbelastung (Vermeidung von Unterkühlung und Überhitzung) und eine minimale Leistungseinbuße durch zusätzliche Aggregate (z. B. Kühlgebläse) an, um die Kühlung aufrechtzuerhalten. Der Kühlmittelkreislauf muss sich dazu auf die Erfordernisse des Motorbetriebs und zusätzlicher Randbedingungen einstellen können. Neben der sich mit Wechsel der Motorbelastung ändernden Kühllast hat sich der Kühlmittelkreislauf auch den unterschiedlichen Temperaturen der Luft anzupassen (Jahreszeiten, geographische Gegebenheiten). Auch werden die Motoren unterschiedlich ausgelastet, so bei Volllast, Teillast, Leerlauf. In erster Näherung ist die aus Motorkühlwasser, Ladeluft- oder Motorölkühler anfallende Wärme von der Motorleistung abhängig. Die Kühlleistung der Wärmeübertrager wird vor allem durch die Massenströme des Kühlmittels im Sekundärkreis und des zu kühlenden
Fluids bestimmt, sodass immer dann, wenn sich der Kühlmitteldurchsatz nicht proportional mit der Motorleistung ändert, Kühlleistungsbedarf und -angebot divergieren. Da die Wärmeübertrager bzw. das gesamte Kühlsystem entsprechend der Nennleistung des Motors für den maximalen Kühlleistungsbedarf (Kühllast) ausgelegt werden, muss dafür gesorgt werden, dass sich auch bei hiervon abweichenden Betriebspunkten im Motor die gewünschten (vorgesehenen) Temperaturen einstellen. Auf eine Regelung der Kühlmitteltemperaturen kann also nicht verzichtet werden, wobei die Temperatur des Kühlmittels im Primärkreis geregelt wird. Rücklauftemperatur. Die Kühlmitteltemperatur am Motoraustritt dient als Index für den thermischen Zustand des Motors. Stellglied ist ein mit einem Temperaturfühler versehenes Thermostat-Regelventil. Durch Mischen von gekühltem mit ungekühltem, im Bypass am Rückkühler vorbei geführtem Kühlwasser im Regelventil wird die gewünschte Temperatur eingestellt. Entsprechend wird beim Ölkühler verfahren. Vorlauftemperatur. Die Kühlmitteltemperatur wird am Motoreintritt geregelt. Die sonst ähnlich ablaufende Mischtemperaturregelung wird vorzugsweise bei Mehrmotoren-Anlagen mit zentralem Kühlsystem angewendet. Größere Motoren haben elektrisch oder pneumatisch betätigte PI‑Regler; kleinere Motoren kommen mit Regler ohne Hilfsenergie (Dehnstoffregler) aus. Bei Laständerung des Motors kann die thermische Trägheit des Motorkühlwassers vernachlässigt werden; selbst bei großen Mittelschnellläufern erreicht das Kühlwasser nach 50 bis 70 s Betriebstemperatur. Bei Wechsel des Fahrtgebietes kann bei Schiffsmotoren der Seewasserdurchsatz durch Wasserpumpen mit polumschaltbaren E‑Motoren an den tatsächlichen Kühlbedarf angepasst werden. Vorwärmung. Motoren, von denen unmittelbar nach dem Start volle Leistung abverlangt wird (insbesondere Schnellund Sofortbereitschafts-Notstromanlagen), müssen vorgewärmt bzw. warmgehalten werden, und zwar durch Aufheizen des Motorkühlwassers auf 40 °C mittels elektrischer Vorwärmgeräte oder durch Heizwärmeübertrager. Größere und große Motoren werden grundsätzlich vorgewärmt (s. Tabelle 9‑6).
Gebläse-Rückkühlanlagen Bei Gebläse-Rückkühlanlagen, d. h. vor allem bei Fahrzeugmotoren und Stationäranlagen, wird der Kühlluftstrom über die Gebläsedrehzahl so gesteuert, dass sich die gewünschte Kühlwassertemperatur einstellt. Damit lassen sich Energie-
354 9 Motorkühlung verbrauch und Geräuschemission wirksam reduzieren. Die durch das Gebläse eingestellte Temperatur liegt oberhalb des Arbeitsbereichs des Thermostates. Der Lüfter kann wie folgt angetrieben werden: – mechanisch: Die starre Anbindung der Drehzahl des Gebläses an die Motordrehzahl erlaubt keinen Regeleingriff und ist daher unvorteilhaft. Bei Verwendung von sog. Bi‑Metall Visco‑Kupplungen kann die Drehzahl abhängig von der Kühllufttemperatur (nach Fahrzeugkühler) geregelt werden. Bei modernen elektrisch angesteuerten Kupplungen ist eine Regelung der Lüfterdrehzahl in Abhängigkeit beliebiger Führungsgrößen möglich. – elektrisch: Die Gebläsedrehzahl ist unabhängig von der des Motors. Das Gebläse kann bei Motorstillstand nachlaufen. Freizügigkeit bei der Anordnung von Gebläse und Kühler ist gegeben. – hydraulisch: Der Antrieb erfolgt über eine hydraulische Regelkupplung. Der Regelbereich ist begrenzt. Das Gebläse muss direkt am Motor angeordnet werden. Insgesamt handelt es sich um eine aufwendige Lösung, die vor allem bei größeren Fahrzeugmotoren angewendet wird, wenn sich die Antriebsleistung für das Gebläse mit Keilriemen nicht mehr problemlos übertragen lässt und Schwingungen im Antriebsstrang gedämpft werden sollen. – hydrostatisch: Auch höhere Antriebsleistungen lassen sich über größere Entfernungen übertragen. Dadurch kann der Kühler freizügig angeordnet werden. Der Regelbereich ist groß aber auch die Verlustleistung, Bauvolumen und Masse sind dagegen klein. Bei den mechanisch getriebenen Lüftern gibt es verschiedene Möglichkeiten der Gestaltung. Für höchste Anforderungen an Wirkungsgrad und Luftmassenstrom kommen Axiallüfter mit kleinem Spalt (ca. 8 mm) zu Einsatz. Aufgrund der Motorbewegung erfordert dieser kleine Spalt eine motorfeste Installation des Zargenrings um den Lüfter. Ohne diese motorfeste Zarge müssten die Relativbewegungen durch einen großen Spalt (20–30 mm) kompensiert werden. Um starke Rückströmungen durch den Spalt und Strömungsablösungen zu vermeiden, werden hier Düsenmantellüfter eingesetzt. Neben der höheren Toleranz bezüglich des Lüfterspalts hat diese Anordnung Vorteile bei Akustik und Stabilität der Strömung [9‑56].
9.2.4
Ausgeführte Kühlsysteme
Kühlsystem für Nfz-Dieselmotoren Das bereits beschriebene Standard-Kühlsystem zeigt Bild 9‑29. Die für die Fahrerhausheizung benötigte Wärmeübertragerleistung (ca. 6 bis 10 kW) wird bei der Auslegung des
Kühlerkreislaufes nicht berücksichtigt. Allerdings darf dem Kühlkreis nicht mehr als 20% Wärme entzogen werden, damit die Motorkühlwassertemperatur nicht zu stark absinkt. Die Motorkühlwasserwärme hochaufgeladener Motoren reicht u. U. nicht aus, den Wärmebedarf insbesondere von Hochdach-Fahrerhäusern (ca. 20 kW) zu decken. In solchen Fällen ist ein zusätzliches Heizgerät vorzusehen. Weitere Wärmeübertrager (für Retarder und Getriebeöl) werden zwischen Wasseraustritt aus Motor und Thermostat in Reihe mit dem Motor geschaltet. Extreme Anforderungen werden an Rückkühlanlagen gepanzerter Fahrzeuge gestellt, die große Wärmeströme aus Motor und Getriebe unter extremen Umgebungstemperaturen (–30 °C bis +45 °C) abführen müssen. Das erfordert große Kühlluftmassenströme und hohes Gefälle von Kühlwasser- zu Außentemperatur, z. B. 95 °C (110 °C) bei 20 °C (45 °C) Außentemperatur. Der beengte Raum in einem Panzer bedingt eine äußerst kompakte Konstruktion der Rückkühlanlage. Dazu muss das Gebläse hohe Ansaug- und Druckverluste überwinden bei entsprechend großer Gebläseleistung (z. B. Leopard II: 13,5% der Motorleistung von 1100 kW). Kühlsystem einer Diesellokomotive Das Kühlsystem von Diesellokomotiven der Baureihen 215, 218 und 210 der Deutschen Bahn ist als Zweikreisanlage mit Hoch- und Niedrigtemperaturkreis (HTK und NTK) ausgeführt (Bild 9‑30). Die eigentliche Kühlanlage besteht aus zwei V‑förmig angeordneten Kühlerblöcken, durch die ein hydrostatisch oder hydrodynamisch angetriebenes Axialgebläse die Kühlluft saugt. Die Lüfterdrehzahl wird so geregelt, dass die Kühlmitteltemperatur unabhängig von Motorlast und Außentemperatur nahezu konstant bleibt. Um ein Unterkühlen des NTK bei niedrigen Außentemperaturen zu vermindern, sind NTK und HTK durch ein Mischventil (Ansprechtemperatur 30 °C) hydraulisch gekoppelt. Ein zweites Mischventil (ca. 60 °C) ermöglicht Vorwärmen und Warmhalten beider Kühlkreise durch ein Heizgerät und eine Umwälzpumpe. Die jeweils von dem einen in den anderen Kreis überströmende Kühlmittelmenge wird in den Ausgleichsbehälter zurückgeführt [9‑57], [9‑58]. Kühlsystem einer Schiffsantriebsanlage Bild 9‑31 zeigt das Schema des zentralen Kühlsystems mit hydraulischer Kopplung des HTK und des NTK („integriertes Kühlsystem“) einer Schiffsmaschinenanlage in ausführlicher Darstellung mit Pumpen, Ausgleichsbehältern und sonstigem Zubehör. Der prinzipielle Aufbau entspricht Bild 9‑26. Dieses Kühlsystem liegt den Motorenbaureihen 40/54 bis 58/64 der MAN B & W zu Grunde.
9.2 Externe Motorkühlsysteme
a
b
Bild 9-30 Rückkühlanlage von Diesellokomotiven der Baureihen 215, 218 und 210 der Deutschen Bahn (Zweikreiskühlung mit NTK und HTK, s. auch Bild 9-24). a Schema des Kühlkreislaufes; b Rückkühlanlage in V-Anordnung
355
356 9 Motorkühlung
Bild 9-31 Zentrales Kühlsystem einer Schiffsantriebsanlage in integrierter Zweikreisausführung (MAN B&W)
9.2 Externe Motorkühlsysteme 357 Kühlmodule von Fahrzeugkühlsystemen In Fahrzeugen werden die wesentlichen zur Rückkühlung erforderlichen Komponenten zu einem Kühlmodul zusammengefasst, das i. d. R. aus Kühlmittelkühler, Ladeluftkühler, Klimakondensator und Lüfterhaube besteht. Der Lüfter kann elektrisch, oder direkt vom Motor mechanisch angetrieben sein. Bei Bussen und Sonderfahrzeugen werden auch häufig hydrostatische Lüfterantriebe eingesetzt. Die Anordnung der Wärmeübertrager im Kühlluftstrom ergibt sich aus den jeweiligen Eintritts- und Zieltemperaturen der zu kühlenden Fluide. Daraus ergibt sich i. d. R. die Reihenfolge Kondensator, Ladeluftkühler, Kühlmittelkühler, Lüfter. Um die installierte Kühlleistung des Kühlmoduls optimal zu nutzen, ist es wichtig, durch den Einsatz einer Umfeldabdichtung zu verhindern, dass erwärmte Luft wieder vorn angesaugt wird.
˙min als dem kleineren der beide Wärmeso erhält man mit W kapazitätsströme
mit
(9‑7)
(9‑8) bzw.
(9‑9) ε wird in diesem Zusammenhang als Übertragerwirkungs grad oder Betriebscharakteristik bezeichnet [9‑60], [9‑61]. Man kann zeigen, dass ε von den sog. Wärmeübertragungseinheiten (Number of heat transfer units) (9‑10)
9.2.5
Wärmeübertrager
9.2.5.1
Wärmetechnische Auslegung
dem Verhältnis der Wärmekapazitätsströme
Behandelt werden hier nur stationär betriebene Wärmeübertrager mit festen Trennwänden zwischen zwei Fluiden, sog. Rekuperatoren [9‑59]. Bei den Bezeichnungen wird stets der Index „1“ für das wärmeabgebende Fluid und der Index „2“ für das wärmeaufnehmende Fluid verwendet. Der Index „e“ steht für „Eintritt“ und der Index „a“ für „Austritt“. Es gilt somit für die Abkühlung des Massenstroms m ˙1
(9‑1)
und für die Aufwärmung des Massenstroms m ˙2
(9‑2)
Werden die Wärmekapazitätsströme (9‑3)
(9‑4) eingeführt, ergibt sich damit für die Wärmeübertragungsleis tung (9‑5) Bezieht man die Leistung auf die größte im Wärmeübertrag mögliche Temperaturdifferenz, die Differenz der Eintritts temperaturen der beiden Massenströme
(9‑6)
(9‑11) und der Stromführung im Wärmeübertrager abhängig ist [9‑61], [9‑62]. In Gl. (9‑10) ist kA das Produkt aus Wärmedurchgangskoeffizient k und Wärmeübertragungsfläche A, das bei berippten Flächen – wie sie hier meistens vorliegen – zweckmäßigerweise nicht zu trennen ist. Formeln und Diagramme für verschiedene Stromführungen (Bild 9‑32) können dem VDI-Wärmeatlas [9‑63] entnommen werden. Dort und in [9‑62] sowie [9‑64] ist auch ein numerisches Verfahren, die sog. Zellenmethode, angegeben, mit dem der Übertragerwirkungsgrad für beliebige Stromführungen berechnet werden kann. Bei der Auslegung von Wärmeübertragern besteht die Aufgabe darin, bei vorgegebenen Wärmekapazitätsströmen gemäß Gl. (9‑3) und (9‑4) und zu erzielender bezogener Wärmeübertragungsleistung Q˙c/DTc den erforderlichen Übertragerwirkungsgrad ε aus Gl. (9‑7) zu ermitteln. Je nach vorgesehener Stromführung kann dann aus der zugehörigen Formel bzw. dem entsprechenden Diagramm die Anzahl der Wärmeübertragungseinheiten N und damit gemäß Gl. (9‑10) der erforderliche kA Wert bestimmt werden. In vielen Fällen lässt sich N aus den angegebenen Formeln nicht explizit berechnen, sodass iterativ vorzugehen ist. Da im Übrigen die Größe der Wärmekapazitätsströme oftmals von der gewählten Wärmeübertragergröße und -bauart abhängig sind, z. B. bei einem durch Staudruck mit Kühlluft beaufschlagten Fahrzeugkühler, wird in der Praxis stets von einer angenommenen Wärmeübertragergröße
358
9 Motorkühlung
Bild 9-32 Einige Grundformen von Stromführungen in Wärmeübertragern. a reiner Gleichstrom; b reiner Gegenstrom; c reiner Kreuzstrom; d einseitig quervermischter Kreuzstrom
ausgegangen und über die mittelere Fluidtemperature iteriert, bis eine befriedigende Übereinstimmung erreicht ist. Aufgrund der damit ermittelten Wärmeübertragerleistung wird dann ggf. die Wärmeübertragergröße entsprechend den Leistungsanforderungen angepasst. Für die eigentliche Berechnung des kA-Wertes werden die Wärmeübergangskoeffizienten D1 und D2 sowie die Wärmeleitkoeffizienten der Trennwand Ow und der Rippen Or1 und Or2 benötigt. Dann gilt die Pecletsche Gleichung
angegeben. Dabei ist (9-14) die Reynolds-Zahl, (9-15)
Darin sind Aw die Fläche der ebenen Trennwand, Gw ihre Dicke, A1 und A2 die, zum Teil mit einem Rippenwirkungsgrad Kr bewerteten, wärmeübertragenden Flächen [9-65]. Die Wärmeübergangskoeffizienten sind i. d.R. in Form der Nußelt-Zahl
die Prandtl-Zahl, l eine charakteristische Abmessung des festen Körpers, O der Wärmeleitkoeffizient des strömenden Mediums, X seine Strömungsgeschwindigkeit, Q seine kinematische Viskosität, U seine Dichte und cp seine isobare massenspezifische Wärmekapazität. Wärmeübertrager für die Motorkühlung in Kraftfahrzeugen zeichnen sich durch eine sehr kompakte Bauweise aus. Kennzeichnend ist die auf das Bauvolumen V der Wärmeübertrager-Matrix bezogene Übertragungsfläche A1 oder A2 für die i. Allg. Werte von
(9-13)
(9-16)
(9-12)
9.2 Externe Motorkühlsysteme 359 vorliegen. Noch aussagefähiger sind allerdings die auf das Matrixvolumen V bezogenen kA‑Werte, für die in Tabelle 9‑8 einige Richtwerte angegeben sind.
9.2.5.2
Kühlmittelkühler
Es wird zwischen luftgekühlten und flüssigkeitsgekühlten Kühlmittelkühlern unterschieden. Die für Fahrzeug-Dieselmotoren eingesetzt, luftgekühlten Wärmeübertrager sollen sehr kompakt mit geringem Gewicht ausgeführt sein. Die Kompaktheit wird durch die zulässigen Druckabfälle auf der Luft- und Kühlmittelseite begrenzt. Außerdem muss beachtet werden, dass mit zunehmender luftseitiger Flächendichte gemäß Gl. (9‑16) die Verschmutzungsempfindlichkeit des Kühlernetzes zunimmt, und auch hierdurch, insbesondere für z. B. Traktoren und Baustellenfahrzeuge, Grenzen gesetzt sind. Kühlernetze bestehen aus Kombinationen von Rippen und Rohren, die je nach Herstellverfahren unterschiedlich ausgebildet sind. Bild 9‑33 zeigt den Aufbau eines gelöteten Kühlers, der aus Flachrohren und sog. Wellrippen besteht, die miteinander verlötet sind. Beim mechanisch gefügten Kühler (Bild 9‑34) werden durch genau bemessene Durchzüge in lamellenförmigen Rippen, runde oder ovale Rohre gesteckt. Diese werden dann mechanisch derart aufgeweitet, dass zwischen Rohr und Durchzug eine bleibende Flächenpressung zur Wärmeleitung vom Rohr zur Rippe entsteht. Zur Verbesserung des Wärmeübergangs sind die Rippen in beiden Fällen mit einer Vielzahl von kiemenartigen Ausstellungen versehen sind [9‑66]. Der Verteil- und Sammelkasten aus glasfaserverstärk tem Polyamid ist über eine elastische Dichtung mit dem jeweiligen Boden durch einen Formschluss verbunden. Es gibt beim gelöteten Kühler auch Lösungen mit angelöteten Sammelkästen aus Aluminium. Zur Vermeidung von laminarer Strömung, die bei kleinen Kühlmitteldurchsätzen auftreten könnte, ist es möglich Turbulenzeinlagen in den Rohren vorzusehen. Im Vergleich zu den gelöteten Kühlern zeichnen sich die mechanisch gefügten Kühler durch günstigere Herstellkos ten aus; ihre auf die luftseitige Stirnfläche bezogenen Wärme übertragungsleistung oder der luftseitige Druckabfall liegen i. Allg. jedoch ungünstiger, sodass größere Kühler oder höhere Lüfterleistung erforderlich sind [9‑67], [9‑68]. Bei Kraftfahrzeuganwendungen im Pkw und Nkw werden in Europa heute fast ausschließlich Kühlmittelkühler aus Aluminium eingesetzt. Eine weitere Bauart luftgekühlter Kühlmittelkühler ist der sog. Kühlerteilblock, wie er im Bild 9‑35 für eine Kühlanlage mit Haupt- und Nebenkreislauf dargestellt ist (s. Abschn. 9.2.2). Im Nebenkreislauf wird ein aus dem Hauptkreislauf
Bild 9-33 Aufbau eines hartgelöteten Kühlmittelkühlers aus Aluminium für den Einsatz in Kraftfahrzeugen (Quelle: Behr)
Bild 9-34 Aufbau eines mechanisch gefügten Kühlmittelkühlers aus Alumi‑ nium für den Einsatz in Kraftfahrzeugen (Quelle: Behr)
360
9 Motorkühlung
kommender Teilstrom weiter heruntergekühlt, um mit ihm z. B. in einem Ladeluftkühler eine niedrige Ladeluft-Austrittstemperatur zu erzielen. Der Teilblock besteht aus lamellenförmigen, meist glatten Cu-Rippen mit Durchzügen für die flachen Cu-Rohre. Die Verbindung zwischen Rohr und Rippe wird durch eine Blei-Zinn-Lotschicht auf den Rohren bewirkt. Böden, Sammel- und Verteilerkasten sowie die damit durch Hartlötung verbundenen, gegossenen Anschlussstücke bestehen aus Messing. Die Rohr-BodenVerbindung und das Auflöten der Kästen erfolgt mit Weichlot. Die sehr robusten und gegen Verschmutzung unanfälligen Kühlerelemente werden bevorzugt in Schienenfahrzeugen, aber auch bei stationären Motoren verwendet. Bild 9-36 zeigt den Einsatz von einfach durchströmten Kühlerteilblöcken bei einer sog. Unterflur-Kühlanlage für die Deutsche Bahn. Für direkt am Motor befestigte Kühler sind besonders schwingfeste Ausführungen zu wählen. Die Deutz AG verwendet für ihre neue Motorengeneration mit motorintegriertem Kühlsystem (s. Abschn. 18.2) luftgekühlte Kühl-
mittelkühler in sog. Schalen- oder Scheibenbauweise. Die kühlmittelführenden Elemente werden hier aus jeweils zwei Al-Scheibenhälften gebildet. Zwischen den einzelnen Elementen sind Al-Wellrippen, ähnlich den im Bild 9-33 gezeigten, angeordnet. Mit entsprechenden Endplatten und Anschlüssen versehen, wird der gesamte Kühler hartgelötet. Die Leistungsfähigkeit lässt sich leicht durch die Anzahl der Elemente verändern. Flüssigkeitsbeaufschlagte Kühlmittelkühler werden vor allem bei Schiffsmotoren, teilweise aber auch bei stationär eingesetzten Motoren verwendet. Da hierbei auf beiden Seiten des Wärmeübertragers ähnlich hohe Wärmeübergangskoeffizienten vorliegen, werden i. d. R. unberippte Systeme verwendet. Außerdem ist beim Einsatz von Seewasser auf geringe Verschmutzungsempfindlichkeit bzw. gute Reinigungsmöglichkeit und Resistenz gegen Korrosion zu achten. Neben den klassischen Rohrbündel-Apparaten [9-59] kommen Platten-Wärmeübertrager aus CuNi- oder Titan-Werkstoff zur Anwendung. Sie sind meistens vom Motor getrennt aufgestellt, können aber auch am Motor
Bild 9-35 Aufbau eines Kühlerteilblockes in Buntmetall-Ausführung für Kühlanlagen mit Haupt- und Nebenkreislauf in Schienenfahrzeugen (Quelle: Behr)
9.2 Externe Motorkühlsysteme
361
Bild 9-36 Unterflur-Kühlanlage für einen Triebwagen der Deutschen Bahn, bestehend aus zehn Kühlerteilblöcken mit 700 mm Länge und 200 mm Breite sowie einem flüssigkeitsgekühlten Getriebeölkühler in Scheibenbauweise und hydrostatisch angetriebenem Lüfter. An den Kühlluftstrom sind 405 kW bei einer EintrittstemperaturDifferenz von 58 K zu übertragen (Quelle: Behr)
integriert werden, wie das bei der neueren Motorenbaureihe „595“ der MTU Motoren- und Turbinen-Union GmbH erfolgt [9-69]. Eine andere, ebenfalls motorintegrierte Ausführung eines mit Seewasser beaufschlagten Kühlmittelkühlers zeigt Bild 9-37. Dabei befindet sich in einem Al-Gussgehäuse, das vom Motorkühlmittel durchströmt wird, ein FlachrohrKühlereinsatz. Das Seewasser strömt um die registerförmig angeordneten Flachrohre und kommt nur mit den miteinander hartverlöteten Teilen aus CuNi-Werkstoff in Berüh-
Bild 9-37 Seewasserbeaufschlagter Kühlmittelkühler in Flachrohrbauweise für den Anbau am Motor (Quelle: Behr)
rung. Die einzelnen Flachrohre sind auf den Breitseiten gegenüberliegend mit warzenförmigen Einprägungen versehen, die miteinander verlötet sind. Auf diese Weise wird die erforderliche Druckfestigkeit für einen Betriebsdruck von 6 bar Überdruck und gleichzeitig ein besserer Wärmeübergang als bei glatten Rohren erreicht.
9.2.5.3
Ölkühler
Gegenüber Kühlmittelkühlern müssen Ölkühler für höhere Betriebsdrücke von 10 bis 20 bar ausgelegt werden. Außerdem ist der Wärmeübergang vom Öl an die Wandflächen weitaus geringer, sodass auf der Ölseite stets mit turbulenzerzeugenden Strukturen gearbeitet werden muss. Durch ihre Verlötung mit den Wandflächen wird auch die notwendige Steigerung der Innendruckfestigkeit erreicht. Luftgekühlte Ölkühler werden fast ausnahmslos in Aluminium ausgeführt. Bild 9-38 zeigt einen Ölkühler in Flachrohrbauweise, wie er bei Kraftfahrzeug-Dieselmotoren zum Einsatz kommt. Der Aufbau des Kühlernetztes ist ähnlich wie bei gelöteten Kühlmittelkühlern; die Kästen sind aufgrund der erhöhten Betriebsdrücke jedoch aus Aluminium. Wie in Bild 9-39 dargestellt, sind die Turbulenzbleche als unterbrochene Stegrippen ausgebildet. Anstelle der Flachrohre werden teilweise auch ebene AlBlech verwendet, zwischen denen die Turbulenzbleche angeordnet sind. Durch Rechteckprofilstäbe, die als Berandung eingelötet werden, ergeben sich luft- bzw. ölführenden Kanäle. Diese sog. Paketbauweise hat den Vorteil, dass belie-
362 9 Motorkühlung
Bild 9-38 Luftgekühlter Ölkühler in Al-Flachbauweise für den Einsatz in Kraftfahrzeugen (Fa. Behr)
Bild 9-39 Verschiedene Turbulenzbleche für die Verwendung in luft- und flüssigkeits‑ gekühlten Ölkühlern. Ausführung in Aluminium oder Stahl (Fa. Behr)
big bemessene Kühler ohne spezielle Werkzeuge hergestellt werden können. Die typengebundenen Kästen werden auf den komplett gelöteten Wärmeübertragerblock aufgeschweißt. Eine weitere Variante luftgekühlter Ölkühler ist die Scheibenbauweise. Auch hierbei sind aus Festigkeits- und Wärmeübertragungsgründen auf der Ölseite mit den Scheiben verlötete Turbulenzbleche unabdingbar. Für mit Flüssigkeit beaufschlagte Ölkühler für Pkw-Dieselmotoren werden heute Aluminium Stapelscheibenölküh-
ler, wie in Bild 9‑40 dargestellt, eingesetzt. Dank der hochgezogenen Scheibenränder, die mit der jeweils nächsten Scheibe verlötet sind, benötigen diese Kühler kein separates Gehäuse. Auf der Kühlmittelseite und auf der Ölseite befinden sich Turbulenzeinlagen, ähnlich zu den in Bild 9‑39 dargestellten Blechen oder die Scheiben weisen bereits eine geprägte Struktur auf, die diese Aufgabe übernimmt. Häufig sind diese Kühler auch mit einem Ölfilter zum Filtermodul verschraubt.
9.2 Externe Motorkühlsysteme 363
Bild 9-40 Stapelscheibenölkühler für Pkw‑An‑ wendungen (Quelle: Behr)
Bild 9-41 Flüssigkeitsgekühlter Ölkühler in Scheibenbauweise für den Einbau unter dem Ölilter (geschnitten, links) bzw. im Motorblock oder separatem Gehäuse (rechts). Qulle: Behr
Für schwere Motoren, z. B. bei Nfz Anwendungen, wird häufig die im Bild 9‑41 (rechts) gezeigten Scheibenbauweisen verwendet. Es handelt es sich um einen LängsscheibenÖlkühlereinsatz, der in ein spezielles Gehäuse, wie im Bild 9‑36 dargestellt, oder direkt im Motorblock eingebaut wird. Das Öl durchströmt parallel die einzelnen mit Turbulenzblechen ausgestatteten Scheiben, und das Kühlmittel umströmt das Scheibenbündel im Gegen- oder Kreuzstrom.
Der im Bild 9‑41(links) aufgeschnitten abgebildete Rundscheibenölkühler kann unter dem Ölfilter eingebaut und so in den vorhandenen Ölstrom integriert werden. Durch die Verwendung von Stahl als Werkstoff und dem damit verbundenen hohen Gewicht, wird dieses Produkt inzwischen weniger häufig eingesetzt. Vereinzelt werden die Scheibenölkühler auch ganz aus Aluminium oder, beim Einsatz von Seewasser, aus einer CuNi-Legierung hergestellt.
364 9 Motorkühlung Bei Schiffs- und größeren Industriemotoren werden neben den Scheibenölkühlern sehr oft auch RohrbündelWärmeübertrager eingesetzt. Den ungünstigen Wärme übertragungseigenschaften des Öles Rechnung tragend, sind diese Rohrbündel mit einer intensiven, lamellenförmigen Verrippung versehen, die entsprechend der Anordnung der Umlenkbleche vom Öl überströmt werden. Bei einer anderen Bauweise werden glatte Rohrbündel verwendet, und das Öl wird durch die mit speziellen Füllkörpern versehenen Rohre geleitet. Auch motorintegrierte PlattenWärmeübertrager kommen für die Ölkühlung zur Anwendung [9‑69]. Bei diesen nur mit primärer Wärmeübertragungsfläche ausgestatteten Apparaten kann allerdings den ungleichgewichtigen Wärmeübertragungseigenschaften von Öl und Motorkühlmittel bzw. Seewasser nur bedingt entgegengewirkt werden.
9.2.5.4
Ladeluftkühler
Durch die Ladeluftkühlung wird über die Herabsetzung der Lufttemperatur eine Erhöhung der Dichte der Luft erreicht. Damit wird eine größere Luftmenge in den Verbrennungsprozess eingebracht, was eine höhere Motorleistung zur Folge hat. Bei der Ausgestaltung des Ladeluftkühlers ist daher darauf zu achten, einen möglichst niedrigen ladeluftseitigen Druckabfall ∆p1 zu erhalten. Anderenfalls kann die durch die Abkühlung bewirkte Erhöhung der Luftdichte durch den Druckabfall überkompensiert werden, und der Ladeluftkühler führt zu einer Verringerung der Motorleis tung. Zur Beurteilung des im Ladeluftkühler erreichten Dichterückgewinns ist in [9‑70] ein Gütegrad
(9‑17)
eingeführt worden. Hierin sind die Temperaturen T1e, T1a, T2e und T2a in K einzusetzen; p1e ist der Absolutdruck der Ladeluft am Eintritt in den Kühler. Bei einem idealen, unendlich großen Wärmeübertrager ohne Druckabfall wird ηρ=1. Treten jedoch bei geringen Ladedrücken hohe Druckabfälle auf, so kann ηρ auch negative Werte annehmen, was bedeutet, dass die Dichte abnimmt. In Kraftfahrzeugen werden größtenteils luftgekühlte Ladeluftkühler eingesetzt. Sie sind vor dem Kühlmittelkühler angeordnet, in Personenkraftwagen teilweise auch an anderer Stelle. Der Kühlerblock aus Aluminium entspricht im Aufbau dem der gelöteten Kühlmittelkühler. Bei Ladelufttemperaturen unterhalb von 190 °C werden, wie beim Kühlmittelkühler, Kästen aus glasfaserverstärktem Polyamid eingesetzt. Besonders beständige Kunststoffe erlauben sogar
Bild 9-42 Aufbau eines hartgelöteten Ladeluftkühlers aus Aluminium für den Einsatz in Kraftfahrzeugen (Quelle: Behr)
den Einsatz bis ca. 220 °C. Bei noch höheren Temperaturen müssen Kästen aus Al‑Kokillenguss aufgeschweißt werden, wie es Bild 9‑39 zeigt. In den Flachrohren befindet sich eine Innenberippung, die mit Rücksicht auf den Druckabfall aber nur eine mäßige Oberflächenvergrößerung bewirken soll. Sofern luftgekühlte Ladeluftkühler bei anderen Fahrzeugoder stationären Motoren zur Anwendung kommen, sind sie i. Allg. in einer Al‑Paketbauweise ausgeführt, wie sie in Abschn. 9.2.5.3 für Ölkühler beschrieben ist. Dabei sind die Rippen auf der Lade- und Kühlluftseite der in Bild 9‑42 gezeigten Ausführung ähnlich. Der Vorteil der Paketbauweise besteht wiederum darin, dass kompakte Kühler individueller Abmessungen in kleiner Stückzahl wirtschaftlich hergestellt werden können. Dort, wo Bauraum und Gewicht eine untergeordnete Rolle spielen, werden auch Flachrohrsysteme aus Stahl oder Buntmetall eingesetzt. Zugunsten eines niedrigen ladeluftseitigen Druckabfalls enthalten die Flachrohre oftmals keine Innenberippung. Die erforderliche
9.2 Externe Motorkühlsysteme 365
Tabelle 9-8 Übliche maximale querschnittspezifische Massenströme und zugehörige kA/V-Werte für Hochleistungswärmeübertrager. Fluid 1 wärmeabgebend, Fluid 2 wärmeaufnehmend Fluid 1
Kühlmittela) Schmierölb) Schmierölb) Ladeluft Ladeluft
Fluid 2
Luft Luft Kühlmittela) Kühlmittelc) Luft
spez. Massenströme m˙*1 kg/(m2 · s)
m˙*2 kg/(m2 · s)
(kA/V) · 10–3 W/(m3 · K)
250 150 150 12 20
12 6 200 40 10
370 200 1300 280 100
a) Gemisch aus Wasser und Glykol mit einem Volumengehalt von 70/30% bei ca. 100 °C. b) Essolub HDX 30 bei ca. 130 °C. c) Wie a, jedoch bei ca. 70 °C.
Kühlleistung muss dann über eine entsprechend groß bemessene Kühlerstirnfläche erreicht werden. Im Hinblick auf eine strömungsgünstige Ladeluftführung und damit vermiedene Druckverluste sind flüssigkeitsgekühlte Ladeluftkühler zu bevorzugen. Sie lassen sich am Motor harmonisch in die Ladeluftleitung integrieren [9‑69], [9‑71]. Außerdem bauen sie noch kompakter als luftgekühlte Ausführungen, weil größere kA/V‑Werte zu erreichen sind (s. Tabelle 9‑8) und das Verhältnis R der Wärme kapazitätsströme günstiger liegt. Hinzu kommt, dass oft eine Kreuzgegenstromführung realisiert werden kann, sodass hohe Übertragerwirkungsgrade zu erreichen sind. Das Hauptanwendungsgebiet flüssigkeitsgekühlter Ladeluftkühler sind heute die größeren aufgeladenen Dieselmotoren außerhalb des Kraftfahrzeuges, insbesondere die Schiffsmotoren. In stark zunehmendem Maße wird diese Technologie jedoch bereits auch in Kraftfahrzeugen eingesetzt. Bild 9‑43 zeigt einen solchen Kühler mit einer WärmeübertragerMatrix für die Ladeluftkühlung eines Schiffsdieselmotors, die aus Rundrohren mit einem Außendurchmesser von 8 mm und 0,12 mm dicken, leicht gewellten, lamellenförmigen Cu-Rippen besteht. Die Verbindung zwischen Rippe und Rohr wird wie bei den mechanisch gefügten Kühlmittelkühlern (s. Bild 9‑34) durch Aufweiten des Rohres erreicht. Je nach Einsatzfall wird für die Rohre eine CrNioder CuNi‑Legierung verwendet. Die Verbindung zu den Rohrböden aus Stahl oder Sondermessing erfolgt durch Einwalzen der Rohre. Für die Sammel- und Verteilkammern wird je nach verwendetem Kühlmittel Grauguss, eine AlSioder CuAl‑Legierung gewählt. Da zwischen Ladeluft und Kühlmittel erhebliche Temperaturdifferenzen auftreten können, wird teilweise zur Vermeidung von Wärmespan-
Bild 9-43 Seewasserbeaufschlagter Ladeluftkühler in Rundrohrbauweise für den Einbau in die Ladeluftleitung von Schiffsdieselmotoren (Quelle: Behr)
nungen einer der Böden als Schiebeboden ausgebildet. Dann kann für die gegossenen Seitenteile Aluminium verwendet werden; ansonsten wird Grauguss bevorzugt, um ähnliche Ausdehnungsverhältnisse wie bei den Rohren zu erhalten. Bild 9‑44 zeigt einen flüssigkeitsgekühlten Ladeluftkühler wie er schon seit einigen Jahren beim Mercedes Benz 12‑Zylinder Biturbomotor eingesetzt wird, der die Mer cedes‑S Klasse und den Maybach antreibt. Dieser Ladeluftkühler wird vollständig aus Aluminium hergestellt. Die Wärmetauschermatrix besteht aus Scheiben, wobei jeweils ein Scheibenpaar einen engen Kanal für die Führung des
366
9 Motorkühlung
Bild 9-44 Ladeluft/Kühlmittel-Kühler für Mercedes S-Klasse und Maybach (12 Zylinder Biturbo, M275)
Kühlmittels bildet. Zwischen diesen Scheibenpaaren sind Rippen angeordnet, die die Wärme der Ladeluft aufnehmen und an das Kühlmittel abgeben. Das Gehäuse ist aus Aluminium gegossen. Weitere Designvarianten existieren für die Anwendung im Nkw. Die mit Flüssigkeit beaufschlagten Ladeluftkühler eignen sich generell auch als Ladeluftvorwärmer und werden in gleicher Ausführung auch als solche eingesetzt.
9.2.5.5
Abgaswärmeübertrager
Bauarten, Ausführungsformen Abgaswärmeübertrager sind Gas-Wasser(Öl)-Wärmeübertrager. Es wurden bisher alle Formen mit unterschiedlichem Erfolg ausgeführt: Glatt- und Rippenrohrwärmetauscher mit der Gasstromführung in den Rohren (Rauchrohrbauweise) sowie äußerer Gasströmung in stehender und liegender Ausrichtung. Die Vielfalt der Bauweisen entsteht durch häufig eingeengte Einbauverhältnisse (stehende oder liegende Bauweise bzw. Anwendung von Rippenrohren aus der Luftkühler-Produktion), durch Fertigungsvorteile bei Bauart-Ableitung von Luft-Wasser-Serienkühlern oder durch besondere Preiszwänge. Dagegen gibt es eindeutige Konstruktionsregeln für Abgaswärmeübertrager für Dieselmotoren, die sich aus den Vorschriften [9-72] und verschiedenen Untersuchungen ergeben und von Fachfirmen automatisch beachtet werden:
– Verwendung grundsätzlich gerader Rohre mit innerer Abgasführung; für eine mechanische Reinigungsmöglichkeit und erleichterte Reparatur, – Aufnahme der Rohre durch Einschweißen in Rohrböden; Einwalzen genügt nicht, wenn örtliche Überhitzungen auftreten und die Walzpressungen schwächen, – Vorsorge für Wärmedehnungsmöglichkeiten der Rauchrohre treffen; z. B. für die Rohre Auslenkfreiheit aus der Geraden schaffen und durch kleine Vorauslenkung Bewegungsrichtung vorgeben oder beweglichen Rohrboden oder dehnbares Gehäuse vorsehen, – Vorzugsweise stehende Bauart, d. h. möglichst Austrittskammer unter den Rohren, mit Abgas-Stromrichtung nach unten verwenden, damit agglomerierte Partikel leichter herausfallen können und ggf. anfallendes Kondensat herausläuft; dabei evtl. Inkaufnahme von Nachteilen für die mechanische Reinigung wegen erforderlicher großer Manöverhöhen über dem Wärmetauscher, – Rohrdurchmesser nicht unter 12 mm wählen, – sichere Strömung des Kühlwassers an der Abgas-Eintrittsrohrplatte und im Eintrittsbereich der Rauchrohre konstruktiv erzwingen, – Kühlwasserströmung immer von unten nach oben vorsehen und für gute Entlüftung auch im Betrieb sorgen, – Abgasein- und -austrittskammern durch Rundflansche für leichtes Öffnen beider Seiten gestalten oder ausreichende Öffnungen vorsehen, damit Ruß oder evtl. vorhandene feste Ablagerungen von Metallsulfaten entfernt und der Kondensatabfluss freigemacht werden kann, – in durch Abgasklappen abgesperrten Abgaswärmeübertragern, bei denen heißes Abgas von laufenden Anlagen ansteht, stets einen geringen Wasserstrom zur Aufnahme von Wärme aus dem Leck-Abgas berücksichtigen, da es keine sicher schließenden Abgasklappen gibt, – kleine Rauchrohre (12–30 mm ) in Edelstahl X10CrNi MoTi 18.10, Werkstoff-Nr. 1.4571 ausführen, große sind auch in Normalstahl, St 37.10, wegen meistens vorhandener Wandstärkenreserve von marktgängigen Rohrhalbzeugen möglich; Rohrböden werden meistens in Normalstahl aus Werkstoff-Preis- und Fertigungskostengründen hergestellt; für Abgasein- und -austrittskammern wird ebenfalls Edelstahl X10CrNiMoTi 18.10, Werkstoff- Nr. 1.4571 gewählt. In Fahrzeuganwendungen werden für die Abgasrohre auch die Werkstoffe 1.4539 sowie 1.4404 eingesetzt. Bild 9-45 zeigt einen stehenden Abgaswärmeübertrager, der in Kleinserien hergestellt wird [9-73]. Für spezielle Einbauverhältnisse, niedrige Maschinenhallen oder bei fehlendem Manövrierraum über dem Abgas-
9.2 Externe Motorkühlsysteme
367
wärmetauscher werden für kleinere Leistungen auch liegende Ausführungen gebaut. Wegen der noch bestehenden gegenwärtigen Hemmnisse bei der Dieselmotor-Abgaswärmenutzung und der meist kleinen Stückzahlen werden die Spezial-Abgaswärmeübertrager i. Allg. in Einzelfertigung für jede Anlage individuell gefertigt. Abgas-Dampferzeuger sind wiederum besondere Bauarten von Abgaswärmeübertragern, ebenfalls in liegender und stehender Ausführung, die für den Einzelfall von Spezialfirmen gebaut und mit erheblich erweiterten Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet werden müssen.
Probleme der Heizflächenverschmutzung
Bild 9-45 Stehender Abgaswärmeübertrager (Fa. MBN, Neustadt/Wied). Wärmeleistung 718 kW zur Wassererwärmung von 100 °C auf 120 °C bei TA1=475 °C; TA2=180 °C; m˙ A/m˙ W = 8475/3087 kg/h/kg/h; A Abgasein- und B -austritt; C Wasserein- und D -austritt; E Sicherheitsventil; J Schaulöcher; K, L Wassersprühdüsen
Bei an Dieselmotoren als sog. Abhitzekessel eingesetzten Abgaswärmeübertragern (Abgas-Wasser-Wärmeübertrager) ist oftmals nach kurzer Zeit ein Zusetzen der Gaswege mit trocken-lockeren bis leicht feuchten Rußpartikelablagerungen und kondensierbaren Komponenten zu registrieren. Deshalb konnten Gas-Wasser-Wärmeübertrager üblicher Bauart bisher nur mit Zusatzmaßnahmen erfolgreich eingesetzt werden. Andererseits ist trotz aller Fortschritte in der Verbrennungstechnik die Rußbildung im Dieselmotor systembedingt, sodass auch Großmotoren mit teilweise sehr geringen Rußemissionswerten nicht völlig rußfrei sind (auch nicht nach einem Rußfilter!). Forschungsarbeiten [9-74] bis [9-76] konnten in systematischen Versuchen den Ablagerungsmechanismus weitgehend klären: Danach unterliegen die im Abgas mitgeführten Partikel verschiedenen Kräften (Bild 9-46). Es ist die Thermophorese, d. h. die Anziehung von Partikeln, die sich in die Richtung des Temperaturgefälles bewegen, sowie das Ankleben an der Wand (Adsorption) durch kondensierende Kohlenwasserstoffe, Wasser sowie Schwefel- oder schweflige Säure, die für die Anlagerung von Schmutzteilchen sorgt. Abgaspulsationen bzw. Turbulenzintensität im Abgas bewirken, dass die Partikel wieder mit dem Abgasstrom weggetragen werden. Darüber hinaus ist ein Austrocknen der Wandschicht als „Reinigung“ aussichtsreich. In systematischen Versuchen gewonnene Erkenntnisse liefern zwar Hinweise auf Verbesserungen, ohne dass damit alle Schwierigkeiten überwunden sind. Nach wie vor bestehen bei der Abgaswärmenutzung von Dieselmotoren folgende Probleme: – Die Verschmutzung kann ohne Einwirkung von außen zur allmählichen Verstopfung führen. – Die Wärmeübertragung vom Abgas an das Wärmenutzmedium, z. B. Wasser, wird durch die Verschmutzung sehr behindert bzw. verhindert.
368
9 Motorkühlung
Bild 9-46 Vorgänge bei der Bildung von Ablagerungen in Abgaswärmeübertragern
– Die Schmutzpartikel verlassen den Wärmeübertrager nicht stetig, sondern agglomerieren zu größeren Partikelteilen, die aperiodisch ausgestoßen werden und die Umgebung belasten. Nicht nur Rußpartikel verschmutzen die Heizflächen, sondern ggf. auch Metallsulfate (besonders Fe2(SO4)3 · H2O), die in Temperaturbereichen des Taupunkts von SchwefelsäureWasser im Abgaswärmeübertrager als voluminöse Feststoffe ausfallen. Diese Metallsulfate entstehen durch allmähliches Herauslösen – besonders von Eisen – z. B. aus dem Abgassys-
tem des Motors. Sie treten umso stärker auf, je mehr Schwefel im Kraftstoff und besonders SO3 im Abgas enthalten ist. Dieser Vorgang trat erst mit dem Einsatz von Oxidationskatalysatoren an Dieselmotoren verstärkt auf, indem vermehrt SO3 aus SO2 gebildet wurde.
Lösungsansätze Prinzipielle Maßnahmen, um Rußablagerungen zu vermeiden bzw. zu vermindern, liefern Forschungsarbeiten und Erfahrungen des Dieselmotor-Anlagenbaus gleichermaßen.
9.2 Externe Motorkühlsysteme 369 Darüber hinaus muss eine periodische, mechanische oder chemische Reinigung bei ganz oder teilweise geöffnetem Abgaswärmeübertrager im Stillstand der Anlage vorgesehen werden. Wassereindüsen Es ist ein mechanisches Verfahren, das man bei den ersten Blockheizkraftwerken mit Dieselmotoren als Neu- und Nach rüstmaßnahme einsetzte. Es beruht auf dem vom Dampfkesselbetrieb her bekannten Rußbläser-Effekt. Eine erfolgreiche Installation verzeichnet z. B. das seit 1979 betriebene DieselSpitzenlast-BHKW in Lülsfeld mit 2 × 1000 kWel, das bis 1991 eine Laufzeit von 18000 h hatte und bei dem gute Erfahrungen mit Eindüsungszyklen von ca. 10 min mit nur 5–6 Sekunden Spritzdauer vorliegen. Als allgemein anwendbare, zuverlässige Maßnahme ist dieses Verfahren jedoch nicht anzusehen. Die Wassereindüsung muss periodisch angewandt werden und bringt periodisch erhöhte Umweltbeeinträchtigungen. Zusätzlich muss Ruß enthaltendes Kondensat entsorgt werden. Waschen mit abgaseigenem Kondenswasser Bei Abkühlung der Abgase auf sehr niedrige Temperaturen, z. B. durch eine Kühlmitteltemperatur von nur 15 °C fällt eine große Menge Kondenswasser aus, die in der Lage ist, die Ablagerungen größtenteils abzuwaschen. Wegen der erforderlichen niedrigen Kühlmitteltemperaturen ist diese Maßnahme nur im Tieftemperaturbereich des Wärmeübertragers wirksam. Mechanisches Reinigen Die vom Kesselbau her bekannten Kugelregenapparate [9‑77] wurden bei fast 40 Großdiesel-Heizkraftwerken erfolgreich eingesetzt, besonders bei trockenen Ablagerungen. Alle ca. 60 bis 100 min., teilweise aber auch nur jede Woche einmal werden Weicheisenkugeln von 3 mm Durchmesser auf die Heizflächen geschleudert und schlagen die inzwischen angelagerten Schmutzpartikel ab. Die Kugeln werden wieder aufgefangen und erneut mit einem treibenden Luftstrom in den Wärmeübertrager eingebracht. Ruß und Schmutzpartikel werden mit dem Abgasstrom ausgetragen. Der erhöhte apparative Aufwand rechnet sich jedoch erst bei Großanlagen. Ausheizen des Wärmeübertragers Das bei Heizkraftwerken mit Dieselmotoren eingesetzte Verfahren, [9‑74], [9‑75] und [9‑78], verwendet zwei baugleiche, hintereinander angeordnete Abgaswärmeübertrager, bei denen durch eine Klappe die Strömungsrichtung des Abgases umgesteuert werden kann. In beiden Teilen kann der Kühlwasserstrom abgestellt werden, wie in Bild 9‑47 für den lin-
ken, vom Abgas beaufschlagten Teilapparat dargestellt. Das darin enthaltene Restwasser dampft aus, gelangt in einen Dampfabscheider und danach in einen Vorratsbehälter. Von den durch das Abgas aufgeheizten Wänden lösen sich die getrockneten Partikel und werden z. T. in dem zwischen beiden Wärmeübertragern angeordneten Zyklon ausgeschieden oder gelangen mit dem Abgas ins Freie. Steigt in dem nun der Erwärmung des Kühlwassers dienenden rechten Wärme übertrager der Abgasgegendruck an, wird die Abgasklappe umgelegt, der rechte Wasserzulauf gesperrt bzw. der linke wieder geöffnet und der Vorgang wiederholt sich bei umgeleiteter Strömungsrichtung des Abgasstromes. Turbulenzsteigerung Durch Steigerung der Strömungsturbulenz im Abgasstrom in der Nähe der wärmeübertragenden Wand können die infolge der Thermophorese zur Wand drängenden Partikel wieder in den Hauptabgasstrom gelangen. Neben den gegebenen Abgasdruckpulsationen können auch durch Helmholtz-Resonatoren erzeugte Pulsationen eingesetzt werden [9‑75], wobei sich zeigt, dass mit zunehmender Pulsationsamplitude auch die Neigung zur Bildung von Ablagerungen zurückgeht, ebenso mit steigender Temperatur des Kühlmediums, während die Pulsationsfreuenz anscheinend keinen Einfluss hat. Eine großtechnische Anwendung dieser Erkenntnisse steht allerdings noch aus. Für die gekühlte Abgasrückführung, eine zur Erreichung der Abgasnorm Euro4 gegenüber SCR‑Katalysatoren vorteilhafte Alternative bei Fahrzeug-Dieselmotoren [9‑80] (s. Abschn. 15.4), wurden Abgaswärmeübertrager (-kühler) entwickelt, die auch zur Nutzung der Abgaswärme für die Fahrzeuginnenraum-Heizung eingesetzt werden können. Um die Verschmutzung der Abgaskanäle zu verringern, werden turbulenzerzeugende Einbauten auf deren Oberfläche, sog. Winglets („Flügelchen“) angebracht [9‑79], die bei akzeptablen Druckverlusten das Abgas verwirbeln, somit die Verschmutzungsneigung verringern und gleichzeitig den Wärmeübergang verbessern. Die Winglets werden aufgeschweißt oder durch Drücken erzeugt (Bild 9‑48). Um die Abgaskanäle sind die Wasserräume angeordnet. Die Kanalmatrix wird aus dünnem Edelstahlblech lasergeschweißt (Bild 9‑49). Der Wärmeübertrager wird in Längen von 100 bis 800 mm gefertigt. Für die Abgasrückführung wird der Abgaskühler in eine Zweigleitung eingesetzt, die vom Abgassammelrohr des Motors zum Ansaugrohr nach dem Ladeluftkühler führt. Die Strömung wird darin sowohl durch den geringen Abgasüberdruck über dem Saugdruck als auch durch ein absaugendes Venturirohr am Ansaugsystem und auch durch ein Rückschlagventil zur Nutzung kurzzeitiger Druckwellen aufrecht erhalten. Der Abgasteilstrom wird darin auf 100 °C
370
9 Motorkühlung
a
b
Bild 9-47 Selbstreinigender Abgaswärmeübertrager durch Ausheizen
9.2 Externe Motorkühlsysteme 371 ser Lösung ist, dass die Rückführrate nicht mehr durch die Druckdifferenz zwischen Auslasskrümmer und Einlassstutzen des Motors limitiert ist, da der Verdichter „aktiv“ das Abgas in den Motor schiebt. Bei der Niederdruckabgasrückführung muss der Abgaskühler auf der Abgasseite einen deutlich niedrigeren Druckverlust aufweisen da der Abgasdruck nur etwas über dem Umgebungsdruck liegt.
Bild 9-48 Abgasströmungskanäle mit Winglets und Rohrboden (Fa. Behr)
Bild 9-49 Querschnitt durch die Rohrmatrix eines AGR-Kühlers (Fa. Behr)
bis 200 °C abgekühlt, um die NOX‑Emissionen wirkungsvoll zu reduzieren. Der Abgaskühler ist an den Kühlmittelkreislauf angeschlossen. Er ist bereits in Serie bei verschiedenen Pkw- und Nfz‑Modellen im Einsatz. Neben der Hochdruckanwendung, bei der auf der Hochdruckseite das Abgas zurückgeführt wird, werden auch Konzepte untersucht, bei denen das Abgas erst hinter der Abgasturbine und hinter dem Partikelfilter entnommen wird. Dabei wird das Abgas mit der Frischluft gemischt vom Verdichter angesaugt und verdichtet durch den Ladeluftkühler gefördert. Vorteil die-
Hochtemperaturbetrieb Der Betrieb des Abgaswärmeübertragers bei hoher Temperatur, d. h. >240 °C, vermeidet die klebende Wirkung kondensierender Komponenten aus dem Abgas. Derartige Wärme übertrager werden mit Thermoöl als Kühlmedium oder mit Druckwasser zur Dampferzeugung eingesetzt. Diese Apparate arbeiten befriedigend, weil sich bei ihnen die Ablagerung und die Erosion bei einer etwa konstant bleibenden Belagsschicht die Waage halten. Sie wurden zunächst in Schiffsanlagen meist als Zweizugkessel mit Gegenstrom (Überhitzer) bzw. Gleichstrom (Verdampfer) ausgelegt. Bei ihnen treten die Verschmutzungsschwierigkeiten weniger auf, dafür wird aber auch nur der Hochtemperaturanteil der Abgaswärme ausgenutzt. Abschließend ist anzumerken, dass die Ablagerung von Schwefelsulfaten und die Partikelbildung (s. Abschn. 4.3) prinzipiell durch den Einsatz von Kraftstoffen mit geringem Schwefelgehalt verringert wird. Konstruktiv sollten bei Abgaswärmeübertragern für einen einfachen Zugang zu den Gaswegen zwecks Reinigung gesorgt werden.
9.2.6
Kühlmittel
9.2.6.1
Kühlwasser: Eigenschaften und Anforderungen
Bei der Flüssigkeitskühlung wird vorwiegend Wasser mit Veredelungszusätzen (Kühlerschutzmittel, Chemical, Korrosionsschutzöl) verwendet. Sonderfälle sind der Einsatz von Kraftstoff zur Düsenkühlung und von Natrium zur Ventilschaft-Innenkühlung. Wasser, ein wegen seiner wärmetechnischen Eigenschaften ideales Kühlmittel, weist hinsichtlich des Motorbetriebs auch Nachteile auf: – Gefrier- und Siedepunkt begrenzen den nutzbaren Temperaturbereich auf maximal 100 K, allerdings können durch das Blasensieden thermisch hoch belastete Bauteile lokal intensiv gekühlt werden (thermischer Selbstschutz, s. Abschn. 9.1.2). – Im Wasser gelöste Stoffe können korrosiv wirken oder/und durch Ablagerungen den Wärmeübergang störend beein flussen.
372 9 Motorkühlung
Tabelle 9-9 Physikalische Eigenschaften der für die Kühlung von Motoren wichtigen Wärmeträger (bei 80 °C und 1 bar) Größe
Einheit
Dichte spez. Wärmekapazität kin. Viskosität Wärmeleitfähigkeit Prandtl-Zahl
ρ cp ν λ Pr
kg/m3 kJ/(kg · K) 10–6 m2/s 10–3 · W/(m · K) –
Luft
Wasser
Motorenöl
Kühlmittel*)
0,986 1,010 21,2 29,93 0,70
972,0 4,194 0,366 666,6 2,24
843,6 2,154 23,34 127 333,1
1035 3,59 1,01 429 8,73
*) Kühlmittel: Mischung aus 50 Vol.-% Wasser + 50 Vol.-% Glykol-basiertes Kühlerschutzmittel
Tabelle 9-10 Physikalische Eigenschaften der Wärmeträger, bezogen auf Luft (bei 80 °C und 1 bar) Wärmeträger Physikal. Größe
Luft
Wasser
Motorenöl
Kühlmittel (s. Tab. 9-2)
Dichte spez. Wärmekapazität kin. Viskosität Wärmeleitfähigkeit Prandtl-Zahl
1 1 1 1 1
986 4,15 0,017 22,27 3,20
856 2,13 1,10 4,24 475,9
1050 3,55 0,048 14,33 12,47
– Fehler und Schäden im Kühlwassersystem können schwere Schäden verursachen. 15 bis 20% aller Motorschäden werden direkt oder indirekt auf Fehler und Mängel im Kühlwassersystem zurückgeführt. Eine Gegenüberstellung der für die Wärmeübertragung wichtigsten Stoffwerte ist in den Tabellen 9‑9 und 9‑10 zu finden. Das Kühlwasser ist wie die Kraft- und Schmierstoffe ein Betriebsstoff, von dessen Beschaffenheit Betriebssicherheit und Lebensdauer des Motors abhängen. Die Eignung als Kühlmittel wird von den nachfolgend beschriebenen Eigenschaften bestimmt: Wasserhärte Darunter versteht man den Gehalt des Wassers an CalciumIonen und Magnesium-Ionen (DIN 38409, Teil 6). Die als Gesamthärte bezeichnete Summe der Erdalkalien („Gesamthärte“) setzt sich zusammen aus: – temporärer Härte („Carbonathärte“); bei Erwärmung scheiden sich aus gelösten Hydrogencarbonaten mit zunehmender Temperatur Carbonate aus und lagern sich als „Kesselstein“ bevorzugt an heißen Stellen ab, dort den Wärmeaustausch mit dem Kühlmittel behindernd. Das dabei frei werdende Kohlendioxid wirkt korrosiv, so dass zu dessen Bildung nur ein geringer Anteil an Carbonathärte vorhanden sein sollte.
– permanenter Härte („Nichtcarbonat‑Härte“); der Gehalt an Calcium- und Magnesiumchloriden und -sulfaten verändert sich nicht mit der Temperatur. Er beeinflusst aber die elektrische Leitfähigkeit und begünstigt so die Korrosion. Die Wasserhärte wird als Stoffmengenkonzentration der Härteionen in mmol/l angegeben. In der Motorentechnik sind jedoch auch die veralteten Angaben in mval/l bzw. in Deutscher Härte (°d) gebräuchlich. Der Zusammenhang zwischen der Menge der gelösten Härtebildner und den Härtegraden ist Tabelle 9‑11 zu entnehmen [9‑81]. pH-Wert Er ist ein Maß für die Wasserstoffionen-Konzentration. In neutralen Lösungen beträgt der pH‑Wert 7. Basische Lösungen haben einen größeren pH‑Wert (> 7), saure Lösungen einen kleineren pH‑Wert (< 7). Für Motorkühlwasser soll te der pH‑Wert zwischen 6,5 und 8,5 betragen (s. Tabelle 9‑12). Chloridgehalt Chloride wirken (insbesondere für Al‑Werkstoffe und Edelstahlkühler) stark korrosionsfördernd und begünstigen die Schlammbildung, so dass der Chloridgehalt möglichst klein sein bzw. unter 100 mg/l betragen soll, s. Tabelle 9‑12.
9.2 Externe Motorkühlsysteme 373
Tabelle 9-11 Zusammenstellung von Härtegraden Beurteilung
Gesamthärte mmol/l
Härtegrad °d
Frühere Einteilung °dH
sehr weich weich mittelhart hart sehr hart
0 bis 1 1 bis 2 2 bis 3 3 bis 4 >4
0 bis 5,6 5,6 bis 11,2 11,2 bis 16,8 16,8 bis 22,4 >22,4
0 bis 4 4 bis 8 8 bis 18 18 bis 30 > 30
Tabelle 9-12 Geforderte Eigenschaften von Motorkühlwasser Gesamthärte [°d]
pH-Wert [–]
Chloride [mg/l]
Sulfate [mg/l]
Hydrogencarbonate [mg/l]
max. 20
6,5…8,5
max. 100
max. 100
max. 100
Korrosion, Kavitation und Erosion Ursache der Korrosion von Werkstoffen und ihrer daraus resultierenden Auflösung ist eine elektrochemische Reaktion zwischen Metallen als galvanische Elemente und dem Kühlwasser als Elektrolyt. Darin gelöste Gase, wie z. B. Sauerstoff, Kohlen- und Schwefeldioxid, wirken korrosionsverstärkend wie auch vom vorgegebenen Richtwert abweichende pH‑ Werte [9‑82]. Das Gleiche gilt für das Auftreten von Strömungs- oder der durch den Kolbenanlagewechsel angeregten Schwingungs-Kavitation. Einen Sonderfall stellt die bei überhitzten Oberflächen auftretende Dampfblasenbildung dar, die durch ihre wandnahen Implosionen, vergleichbar dem Vorgang bei Kaviation, die Werkstoffoberfläche und ihre Schutzschichten schädigen, sog. Heißkorrosion. Was die Kaviation für die Motorkühlwasserräume ist die Erosion für den Wärmeübertrager: Die Erosion, der Werkstoffabtrag durch mechanische Reibung zwischen Kühlmittel und Werkstoffoberfläche, ist abhängig von der Strömungsgeschwindigkeit des Kühlmittel und den darin enthaltenen Feststoffen und Gasen.
9.2.6.2
Einfluss der Kühlwasserführung
Die Gefahr eines Motorschadens bis hin zum Totalausfall wegen ungeeigneten Kühlwassers verlangt dessen Aufbereitung und Pflege. Daneben können konstruktive Maßnahmen zum Abbau des Gefährdungspotenzials beitragen [9‑81]. Dazu gehören – Entlüftung und Entgasung des Kühlkreislaufes, – strömungsgünstige Gestaltung der Leitungen und Querschnitte,
– Erhöhung des Systemdrucks im Kühlkreislauf und – Wahl optimaler Strömungsgeschwindigkeiten. Der Kühlkreislauf kann mit Kühlmitteltemperaturen bis ca. 115 °C betrieben werden, wobei ein Systemüberdruck bis zu 2 bar erforderlich ist. Das System wird dabei durch ein Überdruckventil geschützt. Geringe Strömungsgeschwindigkeiten fördern die Bildung von Ablagerungen und erhöhen abhängig vom Werkstoff den korrosiv bedingten Materialabtrag. Richtwerte für Aluminium: 0,2 m/s
9.2.6.3
Kühlwasserpflege
Anforderungen an das Kühlwasser Die Kühlwasserpflege beginnt mit der Wahl des Wassers. Die Motorenhersteller schreiben hierfür sauberes, klares Wasser vor, frei von Fremdstoffen. Es können aber auch Kondensat
374
9 Motorkühlung
oder vollentsalztes Wasser verwendet werden. Grundsätzlich ungeeignet sind Seewasser, Brack- oder Flusswasser, aber auch Regenwasser. Kesselsteinablagerungen vermeidet man durch weiches Wasser (s. Tabelle 9-11), jedoch mit einer Mindesthärte von 2°d, um keine erhöhte Löslichkeit für Metallionen zu erhalten (s. Tabelle 9-12).
Kühlerschutzmittel Gefrierschutzmittel Wird der Motor bei Umgebungstemperaturen um oder unter dem Gefrierpunkt betrieben, muss dem Motorkühlwasser ein Kühlerschutzmittel zugegeben werden. Deren Basis ist Ethylenglykol (1,2 Ethandiol), seltener Propylenglykol (1,2 Propandiol). Ihre Wirksamkeit hängt vom Mischungsverhältnis mit dem Wasser ab. Bei ca. 50% Volumenanteil Glykol wird der Gefrierpunkt der Mischung auf etwa –50 °C erniedrigt, bei größeren Anteilen nimmt die Wirkung wieder ab (Bild 9-50). Der Glykolanteil verändert auch die Stoffwerte des Kühlmittels (Dichte, Wärmekapazität, Viskosität, Wärmeleitfähigkeit und Siedepunkt), was bei der Kühlerauslegung zu berücksichtigen ist (Bild 9-51) [9-53]. Da die Wasser/Glykol-Mischungen keinen genügenden Korrosionsschutz aufweisen, werden handelsüblichen Kühlerschutzmitteln außerdem noch Korrosionsschutzzusätze (Inhibitoren) zugesetzt.
Bild 9-50 Gefrierpunktsveränderung von Wasser/Ethylen-Glykol in Abhängigkeit von Glykol-Volumenanteil
Bild 9-51 Siedepunktskurven von Wasser/Ethylen-Glykol-Mischungen in Abhängigkeit vom Druck
Silikathaltige Kühlerschutzmittel Sie enthalten überwiegend anorganische Inhibitoren wie z. B. Silikate, Nitrite, Nitrate oder Molybdate, im geringen Umfang auch organische Inhibitoren, z. B. Tolyl oder Benzotriazolt. Zusätze, wie z. B. Borat, Phosphat, Benzoat oder Imidazol, dienen als Puffersubstanzen, um über die gesamte Betriebsdauer den gewünschte, schwach alkalische pH-Wert zu sichern. Daneben werden noch Reinigungsmittel (z. B. Sulfonate), Antischaummittel und Farbstoffe beigefügt. Diese Kühlerschutzmittel haben sich in der Praxis jahrzehntelang bewährt. Speziell der Silikatanteil wirkt durch die Bildung dünner, schützender Beläge der gefährlichen Heißkorrosion bei Aluminium-Motoren entgegen. Nachteilig ist jedoch die geringe Löslichkeit einiger Zusätze, so dass die Konzentration der Inhibitoren nicht beliebig erhöht werden kann. Auch werden im Fahrbetrieb die anorganischen Zusätze abgebaut, so dass ggf. ein Nachdosieren oder Austausch erforderlich wird, sollte die Mindestkonzentration unterschritten werden. OAT (Organic Acid Technology)-Kühlerschutzmittel Sie werden seit einigen Jahren angeboten und enthalten statt der anorganischen eine Kombination aus organischen Inhibitoren. Typisch sind Kombinationen aus aliphatischen Mono- und Dicarbonsäuren, Azelain- und aromatische Carbonsäuren, auch Mischungen aus Carbonsäuren mit anorganischen Inhibitoren werden verwendet, jedoch üblicherweise keine Silikate. Der Vorteil der OAT-Produkte besteht darin, dass sie sich im Fahrbetrieb erheblich langsamer abbauen, womit sich deren Gebrauchsdauer erhöht und somit den Wartungsaufwand verringert.
9 Literatur 375 Chemicals Sie werden nur dann verwendet, wenn keine Frostgefahr besteht und die Vorschriften des Motorenherstellers es erlauben. Die hierbei verwendeten Zusätze enthalten kein Glykol, dienen also nur dem Korrosionsschutz. Dadurch erhöhen sich jedoch die Verdampfungsverluste und damit die Wartungsintervalle, auch steigt die Korrosionsgefahr bei mechanischer Belastung. Chemicals werden meist in einer Konzentration von 5–10% zugesetzt. Korrosionsschutzöle Nur noch selten eingesetzt, beruht ihr Schutz vor Korrosion und Kavitation darauf, dass sie den Zutritt von Sauerstoff und anderer im Kühlwasser gelöster Gase an die Wände im MotorKühlwasserraum durch Bildung eines Schutzfilmes verhindern und die elektrochemische Korrosion unterbinden. Die im Mischungsverhältnis von 1:200 bis 1:100 (70) zugesetzten Korrosionsschutzöle bestehen aus emulgierbaren Mineralölen mit Zusätzen zum Schutz vor Korrosion bzw. vor Schlammablagerung, falls die Emulsion bricht, z. B. bei Erwärmung auf >95 °C oder Kontakt mit Kupfer-Werkstoffen. Allgemein gilt für alle Zusätze, dass die Betriebsvorschrift des Motorenherstellers zu beachten ist, ebenso die Verträglichkeit für Mensch und Umwelt beim Einsatz und bei der Entsorgung.
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10 Werkstoffe und ihre Auswahl
10.1 Bedeutung der Werkstoffe für den Dieselmotor Die Werkstofftechnik ist eine jener Schlüsseltechnologien, die mit der Entwicklung des Dieselmotors von Beginn bis in die heutige Zeit eng verknüpft ist. Nicht nur die schon mit der Grundidee verbundenen hohen Drücke und Temperaturen, sondern auch zusätzliche korrosive und tribologische Einwirkungen beanspruchen die Motorbauteile sehr komplex und bestimmen die Werkstoffauswahl. Sie orientiert sich primär an den Zielsetzungen – Zuverlässigkeit durch Verwendung von Materialien vielseitiger, hoher Leistungsfähigkeit und – Wirtschaftlichkeit durch Begrenzung von Aufwand und Kosten. Der erreichte Stand [10-1], [10-2] wird am besten dadurch charakterisiert, dass ausgehend von Leistungsgewichten von 25 bis 50 kg/kW Anfang des 20. Jahrhunderts heute teilweise nur noch ein Zehntel dieses Materialeinsatzes benötigt wird.
Dabei werden trotz höherer Beanspruchungen wesentlich größere Anforderungen an Gebrauchsdauer und Zuverlässigkeit erfüllt. Die besten Voraussetzungen für eine Anwendung in industriellem Maßstab besitzt die Werkstoffgruppe der Metalle. Aufgrund ihres geordneten, kristallinen Aufbaus bieten sie neben guten Grundeigenschaften besonders zahlreiche und attraktive Möglichkeiten der Eigenschaftsbeeinflussung und werden deshalb bereits seit langer Zeit in großtechnischem Umfang hergestellt und eingesetzt. Wie Bild 10-1 zeigt, bestehen heute ca. 90% eines modernen Hochleistungsdieselmotors zu etwa gleichen Teilen aus Gusseisenlegierungen, Stahl und Aluminium. Andere Metalle und Nichtmetalle haben nur ca. 10% Masseanteil. In Abhängigkeit von Konstruktion, Größe und Anwendung des Motors sind die Hauptbestandteile anteilmäßig variabel. So bringen zum Beispiel Leichtbauanforderungen bei Fahrzeugmotoren eine deutliche Verringerung des Eisenanteils zugunsten von Leichtmetalllegierungen auf Aluminiumoder Magnesium-Basis oder unverstärkten und verstärkten
Bild 10-1 Masseaufteilung nach Werkstoffen eines Hochleistungsdieselmotors für Schiffsantrieb
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile Kunststoffen. Die grundsätzliche Basis wird jedoch auch in Zukunft bestehen bleiben, da ein weitgehender Ersatz der technisch und wirtschaftlich hoch entwickelten Metalllegierungen durch andere Stoffe in absehbarer Zeit nicht möglich ist. Für die überwiegende Zahl der Motorbauteile übernimmt bei schnellen, zyklischen Lastwechseln (High-Cycle-Fatigue HCF) die Dauerfestigkeit eine Leitfunktion. Mitunter jedoch geforderte, teilweise widersprüchliche Zusatzeigenschaften führten dazu, dass nahezu alle technischen Metalle und ihre Legierungen verwendet werden, Tabelle 10-1. Die folgenden Abschn. geben einen Überblick zum Stand der Technik und zu künftig erwartete Entwicklungen. Hierbei wird neben den DIN-Normen auch das in den letzten Jahren stark erweiterte EN-Normenwerk [10-7] berücksichtigt. Hinsichtlich genauer Angaben zu den Werkstoffeigenschaften wird auf die Standardliteratur [10-3] bis [10-6]verwiesen.
379
10.2
Technische Werkstoffe für Motorenteile
10.2.1
Werkstoffe für Triebwerksteile
Kurbelwellen Triebwerksteile des Motors wurden mit Ausnahme des Kolbens ursprünglich aus geschmiedetem Stahl hergestellt. Seit Beginn der 70er-Jahre erfolgte, insbesondere für kleinere Motoren, aus ökonomischen Gründen eine Umstellung auf Kugelgraphitguss. Im wirtschaftlichen Wettstreit der Formgebungsverfahren Gießen und Schmieden wurden die aus der Schmiedehitze geregelt abgekühlten, schmiedeperlitischen oder mikrolegierten Legierungen im Zustand BY (BestYield) entwickelt. Bei dieser nach ihrer Gefügekonstitution (ausscheidungshärtend, ferritisch-perlitisch) heute auch AFP-Stahl genannten Werkstoffgruppe werden teure Legierungselemente i. d. R. durch geringe Vanadium- oder NiobZusätze ersetzt und Energiekosten dadurch eingespart, dass die Vergütungsbehandlung entfällt [10-35]. Durch die geregelte Abkühlung im Schmiedeprozess kommt es gegenüber dem Schmiedestandardprozess zum einen zur Bildung von
Tabelle 10-1 Typische Werkstoffe für Motorenbauteile
380 10 Werkstoffe und ihre Auswahl
Tabelle 10-2 Werkstoffe für Kurbelwellen Gusseisen mit Kugelgraphit
schmiedeperlitische/mikrolegierte Stähle
unlegierte und legierte Stähle
Sorten
EN-GJS-600-3… EN-GJS-700-2
C38mod. 30MnVS 6 46MnVS 3
C 35 E…42CrMo4 mod. 34CrNiMo6
Zugfestigkeit Rm MPa
700 bis 850
700 bis 1000
700 bis 1150
Formgebung
Gießen
Gesenkschmieden
Gesenk-, Einzelhub- und Freiformschmieden
geregeltes Abkühlen aus der Schmiedehitze (BY)
Vergüten (V) Normalisieren (N)
Pkw-, Nfz-Motoren
Pkw-, Nfz-, Großmotoren
Wärmebehandlung Einsatz
Pkw-Motoren
Sonderkarbiden der Mikrolegierungselemente V oder Nb und zum anderen zu erhöhten Perlit-Anteilen. Beide gefügetechnischen Maßnahmen führen zu einer Erhöhung der Fes tigkeitskennwerte. Tabelle 10-2 zeigt den heutigen Stand der Werkstofftechnologie für Kurbelwellen. Für hohe Beanspruchungen sind die geschmiedeten Stahlsorten am besten geeignet [10-8]. Da Stahl aufgrund seiner Erschmelzung und Walzbehandlung Einschlüsse und Inhomogenitäten aufweist, müssen bereits beim Schmieden die Regeln der Gestaltfestigkeit beachtet werden. Kontinuierliche, der Wellenform angepasste Ausbildung des Faserverlaufs ergibt sich im Gegensatz zum Freiformschmieden durch Gesenkschmieden, Bild 10-2. Da in der Ebene der Gesenkteilung die stärksten Formänderungen auftreten und die verunreinigte Kernzone nach außen gepresst wird, ist der Bereich der Gratnaht i. d. R. durch Einschlüsse und Seigerungen am stärksten geschwächt. Um die Sicherheit gegen Dauerbrüche durch Verdrehbeanspruchung zu erhöhen, kann es zweckmäßig sein, die Gratnaht aus der hochbeanspruchten Kröpfungsmittelebene zu verlegen. Eine besondere Möglichkeit ist das Einzelhuboder Faserflussschmieden. Dabei wird in einem Gesenk mit beweglichen Teilen jeweils eine Einzelkröpfung angestaucht. Dieses Verfahren ist aus wirtschaftlichen Gründen nur für größere Wellen (mittlerer Längenbereich zwischen 4…9 m) in kleineren Stückzahlen geeignet, da für das Schmieden jeder Anschlusskröpfung die komplette Welle im Ofen wieder erwärmt werden muss. Das Schmieden der Wellen erfolgt je nach Stückzahl und Abmessung auf Pressenstraßen, in Schmiedehämmern nach dem Gegenschlagprinzip oder großen hydraulischen Pressen. Nach dem Hooke’schen Gesetz gilt für die elastische Verformung eines metallischen Werkstoffs ε = σ/E. Da von den
großtechnisch verwendeten Metallen Stahl, unabhängig vom Anteil der Legierungselemente, mit ca. 210000 MPa bei Raumtemperatur den höchsten Elastizitätsmodul aufweist, ist die Steifigkeit der Kurbelwellenkonstruktion bei gegebenen Hauptabmessungen durch Werkstoffvariation nicht zu verbessern. Deshalb ist größter Wert auf die Gestaltung der Abstützung zu legen, da bei hohen Zünddrücken die Kurbelwelle nicht selbsttragend sein kann. Aber auch dann müssen oft an hochbeanspruchten Bereichen, wie Hohlkehlen, dauerfestigkeitssteigernde Maßnahmen angewendet werden, um die Haltbarkeit abzusichern. Dazu werden häufig
Bild 10-2 Faserverlauf einer gesenkgeschmiedeten Kurbelwellenkröpfung mit induktiv gehärteter Zapfen- und Hohlkehlenoberfläche
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile Zapfen und Hohlkehlen oberflächengehärtet. Ausgehend von der aus Verschleißgründen eingeführten Härtung der Laufflächen für die Grund- und Pleuellager hat sich die Technik der Hohlkehlenhärtung nach 1950 stufenweise durchgesetzt. Die ursprünglich verwendete Flammhärtung wurde durch die Induktionshärtung abgelöst. Durch verbesserte Wärmebehandlungs- und Fertigungsmethoden ist heute die Härtung sämtlicher Hohlkehlen einer Welle möglich, s. Bild10-2. Früher konnte aus Verzugsgründen nur ein Teil der Hohlkehlen gehärtet werden, da das Richten auf der Presse oder mit Schlagstempel über ungehärtete Bereiche erfolgen muss. Durch das Hohlkehlenhärten sind aufgrund der durch die martensitische Gefügeumwandlung erzeugten Druckeigenspannungen und des Festigkeitsanstiegs in der Oberfläche Dauerfestigkeitssteigerungen bei Biegebeanspruchung von 50 bis 100% möglich, Bild 10-3. Die Steigerung der Dauerfestigkeit durch das Härten ist bei Torsion i. d. R. geringer als bei Biegebeanspruchung, da hier andere Schwachstellen mit hohen Spannungsspitzen auftreten können, z. B. an Ölbohrungen. Bei Kurbelwellen
381
wird die Dauerfestigkeit auch durch andere thermische oder mechanische Verfahren, wie Nitrieren, Schlagverfestigen oder Walzen bzw. durch Kombination verschiedener Maßnahmen gesteigert (vgl. Abschn. 10.5.2). Hier entscheiden im Einzelfall technische Möglichkeiten und Wirtschaftlichkeit. Bei den für Pkw- und Nfz-Motoren häufig verwendeten Kugelgraphitgusssorten EN-GJS-600 und -700 (GGG-60 und GGG-70) lassen sich die grundsätzlich niedrigeren Festigkeitswerte durch Vorteile bei Formgebung und Masse ausgleichen. Die o. g. Verfahren zur Lebensdauersteigerung sind in ähnlicher Weise anwendbar und wirksam. Nur bei Großmotoren ist die Oberflächenbehandlung wegen der Forderung der Nacharbeit nicht üblich. Die nachweislich bei Kurbelwellen aus Sphäroguss vorhandenen höheren Verschleißraten an den Grund- und Pleuellagern können durch Festwalzen der Kurbelwellenzapfenoberflächen reduziert werden, da dadurch die „schabende“ Wirkung der Ränder der Graphitkugeleinschlüsse verringert wird. Für angeschraubte Gegengewichte werden neben sämtlichen Gussei-
Bild 10-3 Steigerung der Biegedauerfestigkeit von Kurbelwellenkröpfungen durch Hohlkehlenhärtung. Regressionsgeraden im Zeitfestigkeitsbereich. PÜ Überlebenswahrscheinlichkeit
382 10 Werkstoffe und ihre Auswahl sensorten sowie unlegierten und niedriglegierten Stählen in Sonderfällen Einsätze aus gesintertem Schwermetall auf Wolframbasis mit einer Dichte von 17 bis 19 g/cm3 verwendet.
Pleuel Die in Tabelle 10-2 aufgeführten Werkstoffgruppen finden auch beim Pleuel Anwendung [10-11]. Bei kleineren, gegossenen Teilen wird anstelle von Kugelgraphitguss auch Temperguss der Festigkeitsstufen GJMB-650 bis GJMB-700 (GTS-65 bis GTS-70) eingesetzt. Generell dominieren jedoch vergütbare Stähle, die unlegiert oder mit Cr, CrMo, CrMoV bzw. CrNiMo niedrig legiert sein können. Aus Kostengründen haben sich auch hier Mitte der 80-er Jahre die schmiedeperlitischen AFP-Qualitäten durchgesetzt. Bei gleichen Zugfestigkeitswerten wird trotz geringerer Streckgrenze gleiche Dauerfestigkeit wie bei den Vergütungsstählen erreicht. Bei der Forderung nach immer höherem Zünddrücken muss die bei den AFP-Stählen vergleichsweise niedrige Dehn- bzw. Stauchgrenze bereits bei der Auslegung der Pleuel Beachtung finden. Unabhängig von der Grundfestigkeit kann für alle Schmiedestähle im unbearbeiteten Zustand die gleiche Dauerfestigkeit erwartet werden, da der Einfluss von Oberflächenfehlern mit Tiefen von wenigen Zehntelmillimetern die Unterschiede in der statischen Festigkeit überdeckt. Anfang der 90-er Jahre begann beim Pleuel die Entwicklung der Bruchtrenntechnologie. Mitte der 90-er Jahre wurde der Stahl C70S6 als Serienwerkstoff zum Bruchtren-
nen für Pleuelstangen im PKW- und LKW-Sektor eingeführt. Der Werkstoff C70S6 wies zwar zum Beginn der Serieneinführung etwas geringere Festigkeitseigenschaften als der in diesem Fahrzeugsegment vorhandene Standardwerkstoff C38mod. auf, die Bruchtrenntechnologie (Fracture Splitting) brachte jedoch durch Wegfall des Sägeschnitts und einer Verkürzung der Prozesskette deutliche wirtschaftliche Vorteile. Die systematische Weiterentwicklung der Bruchtrenntechnologie führte zu einer Anhebung der Streckgrenze, sodass heute die Festigkeitswerte des C70S6 den meisten Anforderungen in diesem Segment genügt. Beste Ausnutzung der Festigkeitseigenschaften ist durch Bearbeiten der Oberflächen und anschließendes Verfestigungsstrahlen möglich; dabei kann die Dauerfestigkeit in Abhängigkeit von Legierung und Zugfestigkeit wieder um bis zu 100% gesteigert werden. Beim Pleuel sind i. d. R. bestimmte Bereiche mit hoher Verformung oder starken Kerben versagenskritisch und müssen durch konstruktive, werkstoffliche oder verfahrenstechnische Maßnahmen ertüchtigt werden. Beispiele hierfür sind verzahnte Trennflächen oder Innengewinde des großen Pleuelauges. Bei ausgeschöpften Gestaltungsmöglichkeiten kann die Dauerfestigkeit auch an diesen Stellen durch Kugelstrahlen der Oberflächen oder spanloses Formen (Furchen) des Gewindes deutlich gesteigert werden. Bild 10-4 zeigt die Ergebnisse entsprechender Dauerversuche an schräg geteilten Pleuelstangen mit Dauerfestigkeitserhöhungen von über 30%. Auch bei Pleuelstangen werden neben den mechanischen Methoden gelegentlich thermische (Oberflächen-
Bild 10-4 Pulserversuche an schräggeteilten Pleuelstangen. Erhöhung der Dauerfestigkeit durch Furchen der Innengewinde
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 383 härten) oder thermochemische Behandlungsverfahren (Nitrieren) zur lokalen oder vollständigen Oberflächenveredelung angewendet. Sie haben aber nicht die gleiche Bedeutung erlangt wie bei Kurbelwellen.
Kolben Kolben- und Kolbenringwerkstoffe sind für den Dieselmotor von besonderer Bedeutung; sie werden in Abschn. 8.6 behandelt.
10.2.2 Werkstoffe für Steuerungsteile und Einspritzausrüstung Für Nockenwellen und Zahnräder eignen sich bevorzugt Stähle mit Oberflächenhärten um 60 HRC. Dazu gehören Einsatzstähle sowie Vergütungsstähle mit Eignung zur induktiven Oberflächenhärtung oder Nitrierung. Nockenwellen und Flachstößel für kleinere Motoren werden meist aus ledeburitisch erstarrtem Schalenhartguss hergestellt; für Rollenstößel werden die vorgenannten harten Stähle und Durchhärter des Typs 100Cr6 verwendet. Typisch für Ventilfedern sind CrV- oder CrSi-legierte Federstähle in hochvergütetem und kugelgestrahltem Zustand. Einatz- und Nitrierstähle finden auch für Einspritzdüsen und Hochdruckpumpenteile Anwendung. In Einzelfällen werden, z. B. für Pumpenstempel, auch hochlegierte Kalt-, Warm- oder Schnellarbeitsstähle mit karbidbildenden Zusätzen wie Cr, Mo, W und V eingesetzt. Die Forderung nach immer geringeren Emissionswerten und somit höheren Systemdrücken macht bei tribologische beanspruchten Common-Rail-Triebwerks- oder Injektorbauteilen den Einsatz von klassischen Hartstoffschichten wie Titannitrid oder reibwertmindernden, diamantähnlichen dünnen, amorphen Kohlenstoff-Schichten notwendig [10-12]. Innendruckbeaufschlagte Komponenten wie z. B. Gehäuse werden zur Dauerfestigkeits- und damit zur Lebensdauersteigerung durch eine Autofrettage mit Innendrücken bis zu 6000 bar verfestigt [10-13], [10-14].
10.2.3
Schraubenwerkstoffe
Werkstoffe und Eigenschaften von Schrauben sind in ISO898 bzw. DIN EN 20898 weltweit genormt. Für die Zuverlässigkeit der Motorenkonstruktion sind vor allem die hochfesten Klassen 8.8, 10.9 und 12.9 wichtig. Für diese Schrauben werden vergütete Stähle mit geringen härte- und festigkeitssteigernden Legierungszusätzen von Cr, Mo, Ni und B verwendet [10-15]. Die Gewinde werden nach dem Vergüten gerollt und erhalten so erhöhte Dauerfestigkeit. Bei Festigkeitswerten über 1000MPa werden die Werkstoffe gegen Versprö-
dung anfällig, wobei meist atomar aufgenommener Wasserstoff die Ursache ist. Deshalb werden sehr hohe Festigkeitsstufen mit eingeschränkter Zähigkeit vermieden und nur solche Oberflächenschutzschichten aufgebracht, bei denen das verfahrensbedingte Wasserstoffangebot gering ist bzw. der Wasserstoff wieder leicht ausdiffundieren kann (anorganische Zn- oder Mn-Phosphatschichten, metallische ZnÜberzüge). Die Altautoverordnung der Europäischen Union fordert ab 2007 Chrom(VI)-freie Beschichtungen. Dies hat in den letzten Jahren insbesondere bei Schrauben die Entwicklung und Anwendung sog. Duplex-Schichten (Lackschichten mit Zn-Lamellen) als Ersatz für die Verzinkung mit Chromatierung forciert.
10.2.4
Werkstoffe für Tragstrukturen
Kurbelgehäuse Für die komplexen Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe, deren Gestaltung durch kühlwasserführende Hohlräume zusätzlich erschwert ist, werden Gusswerkstoffe mit den zugehörigen, vielfältigen Herstellungstechnologien verwendet [1016]. Während bereits frühzeitig Stahlguss und Leichtmetallguss Anwendung fanden, stehen heute Graugusssorten wie EN-GJL-250 (GG-25) mit geringen Legierungszusätzen an Cr, Mo oder Ni sowie Kugelgraphitgusslegierungen des Typs EN-GJS-500 (GGG-50) im Vordergrund. In Tabelle10-3 sind die typischen Werkstoffe mit ihren kennzeichnenden Gefügekonstitutionen und Eigenschaften zusammengestellt. Da nur Stahlguss für Konstruktionsschweißungen geeignet ist, werden die übrigen Legierungen als Monoblock verarbeitet. Eine hochentwickelte Technik der Warmschweißung für Nachbesserungen an Rohteilen macht Kugelgraphitguss, insbesondere bei großen Gehäusen, wirtschaftlich. Da es nahe lag, die guten Eigenschaften von Grau- und Sphäroguss zu kombinieren, wurde die Gusseisensorte „Vermiculargraphitguss“ entwickelt, deren besonderes Merkmal die „würmchenartige“ Ausbildung des Graphits darstellt. So nutzt man bei Vermiculargraphitguss die gegenüber Grauguss höhere Steifigkeit und Dauerfestigkeit und die gegen über Sphäroguss besseren Gieß-, Dämpfungs- und Wärmeleiteigeneigenschaften. Der metallurgische Aufwand ist bei GJV allerdings höher als bei Grau- und Sphäroguss; dies gilt insbesondere bei stark unterschiedlichen Wandstärken. Mit neuartiger Gießtechnologie erscheint jetzt auch die Anwendung für größere Serien möglich (vgl. Abschn. 10.6.1). Neue Motorenentwicklungen verwenden als Kurbelgehäusewerkstoff Vermiculargraphitgusseisen wie z. B. GJV-450 (GGV45), wobei im Lagerdeckelbereich auch hier z. T. die Bruch trenntechnologie eingesetzt wird.
384 10 Werkstoffe und ihre Auswahl
Tabelle 10-3 Werkstoffe für Kurbelgehäuse und Zylinderköpfe
Für Konstruktionen mit der Zielsetzung hoher Leistungsdichte bzw. niedrigen Leistungsgewichts sind Aluminiumgusswerkstoffe des Typ AlSiMg im warmausgehärteten Zustand sehr gut geeignet. Diese sog. Siluminlegierungen (wie EN AC-ALSi7Mg, -AlSi9Mg bzw. -ALSi10Mg) vereinigen niedriges spezifisches Gewicht, günstige Gießeigenschaften mit guten Festigkeitseigenschaften. Einen innovativen Kurbelgehäuse-Werkstoff stellt Magnesium dar [10-17], [10-18]. Der außerordentliche Gewichtsvorteil durch die Verwendung von Magnesium ist im spezifischen Gewicht dieses Werkstoffes begründet: Magnesium ist ca. 30% leichter als Aluminium (Dichte Magnesium 1,81 g/cm3, Aluminium 2,68 g/cm3, Gusseisen 7,2 g/cm3). So kann durch die Verwendung von Kurbelgehäusen aus Aluminium-Zink-Magnesiumlegierungen z. B. AZ-91 das Leistungsgewicht von 1,19 (Al-Kurbelgehäuse) auf 1,02 reduziert werden [10-17]. Die Nachteile des Magnesiums wie geringe Steifigkeit, Kriechneigung, Korrosions- und Verschleißbeständigkeit werden durch einen Werkstoffverbund zwischen Magnesium und Aluminium oder Gusseisen eliminiert. So werden z. B. Inserts aus ENAC-AlSi17Cu4 für die Laufbuchsen und deren Kühlwasserraum oder Inserts aus Vermiculargraphitguss für die Grundlagergasse verwendet. Nur diese Kombination aus Magnesium-Mantel und
Kurbelgehäuse, Zylinderköpfe Grauguss, Vermiculargraphitguss, Kugelgraphitguss, Stahlguss, Aluminiumguss
Aluminium- oder Gusseisen-Inserts erfüllt die hohen Anforderungen an Steifigkeit, Akustik und Langlebigkeit eines modernen PKW-Dieselmotors.
Ölwannen Die Ölwanne bzw. das Kurbelgehäuseunterteil kann, je nach Ausführung der Konstruktion, zur Steifigkeit der Motorgesamtstruktur beitragen. Anwendung finden gegossene Teile aus AlSi-, AlSiMg- und AlSiCu-Legierungen oder Stahlblechkonstruktionen der Sorten FeP03/04 (St13/14) oder S235JR/S355J2 (St37/52). Für Ölwannen von Fahrzeugmotoren werden erstmals auch Kunststoffe (glasfaserverstärkte Polymere) in größerem Umfang eingesetzt [10-33].
Zylinderköpfe Die in Tabelle 10-3 enthaltenen Gusslegierungen stellen auch das gängige Werkstoffspektrum für Zylinderköpfe dar. Bei diesem Bauteil werden die Beanspruchungsverhältnisse durch die Temperaturbelastung auf der Brennraumseite verschärft. Daraus resultieren niederfrequente, durch Belas tungsänderungen des Motors ausgelöste Wärmespannungen als Folge behinderter Wärmedehnung (Low-Cycle-Fatigue
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile 385 LCF). Aufgrund günstiger physikalischer Eigenschaften, guter Gießbarkeit und niedriger Kosten wird konventioneller Grauguss nach wie vor bevorzugt; bei hohen Beanspruchungen wird auch Kugelgraphitguss eingesetzt. Vermiculargraphitguss (GJV) in den Festigkeitsstufen 400 und 500 hat sich, abgesehen von einzelnen Anwendungen, bisher nicht generell durchsetzen können. Die durch Temperatur und Verschleiß hochbeanspruchten Ventilsitze im Zylinderkopf werden teilweise induktivoder lasergehärtet. Reicht dies nicht aus, werden Sitzringe aus Schleuderguss mit Brinellhärten von 35 bis ca. 50 HRC vorgesehen. Graphithaltige und graphitfreie Qualitäten erhalten dabei durch mittlere und hohe Zusätze von Cr, Mo und V die erforderliche Temperatur- und Verschleißbeständigkeit. Für höchste Zünddruck und Temperaturbeanspruchungen werden auch Kobalt-Basislegierungen mit intermetallischen Hartphasen als Ventilsitzringwerkstoff eingesetzt, die eine Härte von 42 HRC bis 58 HRC und gleiche Oberflächeneigenschaften über einen weiten Temperaturbereich aufweisen. Diese Werkstoffgruppe gewährleistet hohen Widerstand gegen Ventilsitz-Verschleiß und -Heißkorro sion, insbesondere auch bei ungünstigen Schmierungsverhältnissen. Die Graugusssorte EN-GJL-250 (GG-25) hat sich auch für Ventilführungen bewährt. Daneben werden aushärtbare Kupferwerkstoffe (z. B. CuNi2Si) verwendet. Für die Großserienproduktion von Fahrzeugmotoren wurden Eisensinterlegierungen mit verschleißhemmenden Karbid- und Bronze-Einlagerungen entwickelt.
Laufbuchsen Bei den Laufbuchsen steht die Verschleißbeständigkeit des Werkstoffes im Vordergrund. Seit Beginn der Motorentwicklung haben sich werkstoffseitig keine grundsätzlichen Veränderungen ergeben. Dominierende Werkstoffsorte war und ist Grauguss der Stufe EN-GJL-250 (GG-25) mit Zulegierungen an Cr und Mo sowie in Europa mit erhöhtem Phosphor-Gehalt, was zu der Ausbildung eines verschleißhemmenden Phosphidnetzes im Gefüge beiträgt. Große Buchsen werden im Sandguss-, kleinere im Schleudergussverfahren hergestellt. Zur Erhöhung der Verschleißbeständigkeit werden Zylinderlaufbuchsen teilweise induktiv oder in Einzelfällen lasergehärtet, Bild 10-5. Auch verzugsarmes Nitrieren zählt zu den verschleißverbessernden Maßnahmen. Wie im Abschn. „Kurbelgehäuse“ ausgeführt werden bei PKW-Dieselmotoren mit Al-Kurbelgehäusen auch Grauguss-Laufbuchsen eingegossen oder übereutektische, hochsiliziumhaltige Aluminiumgusslegierungen als Lauffläche für die Kolbenringe verwendet.
10.2.5 Werkstoffe für Heißteile Grundsätzliche Problematik Ventile, abgasführende Teile und Abgasturboladerkomponenten erfordern den Einsatz hochwarmfester Legierungen, da sie mittlere Abgastemperaturen, die 750 °C übersteigen können, ertragen müssen. Der Dieselmotorenbau konnte da-
Bild 10-5 Lasergehärtete Zylinderlaufbuchse
386
10 Werkstoffe und ihre Auswahl
bei in den vergangenen Jahrzehnten die Werkstoffentwicklungen für Gasturbinen nutzen, z. B. die Nickelbasislegierungen mit festigkeitsverbessernden intermetallischen Verbindungen (J´-Phase Ni3(Ti, Al)). Ein besonderes Problem tritt auf, wenn die Motoren mit Schweröl oder Mischkraftstoff betrieben werden. Durch hohe Schwefel- und Vanadiumgehalte wird der Heißkorrosionsangriff an gasführenden Teilen wesentlich verstärkt. Bei Überschreiten der Grenztemperaturen kommt es zu Bildung von Nickelsulfid oder Vanadiumpentoxid und damit zur Zerstörung des Werkstoffs. Kritische Stellen, wie die heißen Auslassventilsitzflächen an Zylinderkopf und Ventilen, werden deshalb auch durch Auftragschweißen mit Stelliten oder ähnlichen Legierungen gepanzert (vgl. Abschn. 7.1.4).
Ventile und Vorkammern Ventile von Dieselmotoren besitzen aufgrund ihrer chemischen, tribologischen und thermomechanischen Beanspruchungen ein komplexes Anforderungsprofil. Die Werkstoffwahl muss diesem Anforderungsprofil gerecht werden. Während für Einlassventile lange Zeit warmfeste Vergütungsstähle mit CrMoV-Zusätzen verwendet wurden, wurden für Auslassventile bereits frühzeitig hochlegierte, härtbare Stahlsorten auf Basis CrSi oder Sonderstähle wie Austenite des Typs CrNiW entwickelt. Da die temperaturbeständigen, austenitischen Legierungen relativ geringe Warmfestigkeitswerte aufweisen, war es notwendig, die Maximaltemperaturen im Tellerbereich zu begrenzen und hochbeanspruchte Partien zu ertüchtigen. Dies wird durch Hohlventile mit Natriumfüllung des Ventilkörpers und Aufschweißen bzw. Panzern von Ventilsitz und Schaftende erreicht. Heute wird weitgehend auf diese aufwendige Gestaltung mit zusätzlichen Fehler- und Versagensmöglichkeiten verzichtet. Stand der Technik sind Monometallventile für die Einlassund reib- oder stumpfgeschweißte Bimetallventile für die Auslassseite, Bild 10-6. Die Werkstoffpalette nach DIN EN 10090 reicht dabei vom vergütbaren hitzebeständigen Stahl X45CrSi9-3 über ausscheidungshärtbare stickstofflegierten Austenite bis zur Nickelbasislegierung NiCr20TiAl (Nimonic 80A) [10-19]. Neuere Entwicklungen beschäftigen sich auch mit druckaufgestickten Stählen als Einlassventilwerkstoff [10-20]. Diese neue Werkstoffgruppe verknüpft die guten Eigenschaften des konventionellen Einlassventilwerkstoffes X45CrSi9-3 wie Härte und Duktilität mit hoher Warmfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit. Zu den lebensdauerverbessernden Maßnahmen gehört das Verchromen der Ventilschäfte, das sich zusammen mit Badnitrieren als Standardverfahren für diesen durch Verschleiß und Korrosion beanspruchten Bereich durchgesetzt hat.
Bild 10-6 Ventilausführungen
Für Vorkammern werden neben hochlegierten Stählen vor allem Nickel- und häufig Kobaltbasislegierungen verwendet.
Abgasführende Leitungen und Gehäuse Bauteile mit kleineren Abmessungen werden aus Gründen der Wirtschaftlichkeit aus Grauguss mit warmfestigkeitssteigernden Legierungszusätzen an Cr und Mo oder ferritischem Sphäroguss GJS-400-15 hergestellt. Über oxidationsbeständigeren Kugelgraphitguss mit höheren Si- und Mo-Gehalten (EN-GJS-X SiMo5-1, GGG-SiMo51) hinaus stehen für thermisch hochbelastete Teile die hochlegierten, austenitischen GJL- und GJS-„Ni-Resist“-Sorten zur Verfügung [10-16]. Bei größeren Motoren finden auch gekapselte, gekühlte Konstruktionen mit Innenschalen aus hitzebeständigen Stählen (z. B. X15CrNiSi20-12) oder Nickelbasislegierungen bis zum mischkristallhärtenden NiCr22Mo9Nb (Inconel 625) Verwendung.
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile
Abgasturbolader Zur konsequenten Nutzung der Abgasturboaufladung wird eine Reihe von Hochleistungswerkstoffen eingesetzt. Als Turbinenrad- oder Schaufelwerkstoff wird bevorzugt die hochwarmfeste, ausscheidungshärtende Superlegierung GNiCr13MoAl (Inconel 713), teilweise mit gezielt unter 0,08% gesenktem Kohlenstoffgehalt, verwendet. Wesentlich breiter ist das Werkstoffspektrum bei den ebenfalls sehr hochbelasteten Verdichterrädern [10-6]: Es reicht von gegossenen Aluminiumteilen der Typen AlSi bzw. AlCu bei Pkw- und Nutzfahrzeugmotoren über höherfeste, geschmiedete Sorten der Zusammensetzung AlCuMgNi bis zur Titanlegierung TiAl6V4 für hohe Druckverhältnisse und Umfangsgeschwindigkeiten, Bild 10-7.
10.2.6
Lagerwerkstoffe
Bei hochbelasteten Gleitlagern werden Schicht-Verbundwerkstoffe eingesetzt, s. Abschn. 8.5.4. Für die zahlreichen anderen Lagerstellen im Motor haben sich Kupferlegierungen, wie Zinnbronze (CuSn8) oder Messing (CuZn31Si1), sowie auch Aluminiumwerkstoffe, wie die Kolbenlegierung AlSi12CuMgNi, bewährt. Lagerfunktionen mit geringer Beanspruchung können durch Buchsen aus Sinterlegierungen auf Basis Eisen, Stahl oder Bronze erfüllt werden.
387
Bei den vereinzelt für Kurbelwellen verwendeten Wälzlagern stützt man sich auf die durchhärtbaren Wälzlagerstähle, wie 100Cr6 und 100CrMn6, sowie einsatzhärtbare Chromstähle mit hohem Reinheitsgrad.
10.2.7
Werkstoffe für Korrosionsbeanspruchung
Das Spektrum korrosiver Beanspruchungsarten der Motorteile ist sehr groß. So müssen zunächst viele Werkstoffe, die aufgrund ihrer Zusammensetzung keinen natürlichen Korrosionsschutz aufweisen, für Lagerung und Betrieb geschützt werden. Soweit dies nicht durch Behandlung mit Korrosionsschutzölen, -fetten oder Anstrichstoffen geschehen kann, werden die Oberflächen, z. B. bei Schrauben, mit galvanisch aufgebrachten Zinkschichten, Zinklamellenschichten, oder Bonderschichten aus Zink- oder Manganphosphat überzogen. Ein besonderes Problem komplexer korrosiver Beanspruchung ist bei allen kühlwasserbenetzten Oberflächen vorhanden. Obwohl von allen Motorenherstellern nur gereinigtes Wasser geeigneter Qualität zur Kühlung zugelassen wird, führt die energetische Unterstützung in thermisch und mechanisch beanspruchten, kühlwasserführenden Bauteilen zu Korrosionsangriffen, häufig in Form des besonders kritischen Lochfraßes. Werkstofftechnische Abhilfemaßnahmen durch Beschichtungen und Verwendung korrosionsbeständiger Sonderwerkstoffe haben sich als untauglich erwie-
Bild 10-7 Werkstoffe für Abgasturbolader am Beispiel einer Läufergruppe mit Radiallaufrädern
388 10 Werkstoffe und ihre Auswahl sen oder sind für Bauteile des internen Kreislaufs aus wirtschaftlichen Gründen nicht realisierbar. Durch die Arbeiten der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen zu Beginn der sechziger Jahre wurden wesentliche Erkenntnisse zur Korrosionsinhibierung der Kühlflüssigkeiten gewonnen, die heute auch die problemlose Verwendung von Aluminium für kühlwasserführende Bauteile und Kühler (AlMn-Legierungen) ermöglichen. Sehr stark eingeschränkt ist die Werkstoffauswahl bei Seewasserkühlung im Sekundärkreislauf von Schiffsmotoren. Zufriedenstellende bis gute Beständigkeit weisen hier nur Sonderwerkstoffe wie Kupferlegierungen (Rotguss/ CuSnZnPb-C, Mehrstoffaluminiumbronze/CuAL10Ni-C und Kupfernickel/CuNi10/30Fe) bzw. Reintitan auf. Austenitische Stähle haben nur beim Zulegieren von Stickstoff oder entsprechend hohen Molybdängehalten ausreichende Chloridionenbeständigkeit. Da die Aggressivität des Wassers in Hafenbereichen durch Verschmutzung mit flüssigen und festen Stoffen sehr stark ansteigt, werden Rohre und Kühlereinsätze teilweise durch Kunststoffüberzüge geschützt. Teile der (See-)Wasserführung werden auch komplett in Kunststoff ausgeführt.
10.2.8
Sonderwerkstoffe für Funktionsteile
Dichtungen, Filter und andere Funktionselemente des Motors werden meist aus nichtmetallischen, organischen Werkstoffen hergestellt [10-21]. Für die Vielzahl unterschiedlicher Teile und Materialien seien nur beispielhaft einige Probleme und Tendenzen erwähnt: – Ersatz von Asbest durch Aramidfasern oder völlig neue Werkstoffkombinationen bei thermisch beanspruchten Flachdichtungen, – zunehmende Verwendung von höherbeständigem Fluor kautschuk (FPM) anstelle von Nitrilkautschuk (NBR) und anderen Elastomersorten bei Kühlmittel- und Ölabdich tungen, – Einsatz von Polytetrafluoräthylen (PTFE) bei verschleiß beanspruchten Teilen, z. B. Radialwellendichtringen, – Verwendung von Ringen aus Al2O3- oder SiC-Keramik für Wasserpumpen-Gleitringdichtungen anstelle von Spezial kohle, – Einsatz von Kunststofffaservliesen mit höherer Feinheit anstelle von imprägnierten Papieren für Ansaugluft- und Schmierölfilter, – entsorgungsgerechte bzw. recyclingfähige Ölfilterkonzepte. Nach wie vor sind montierbare Formteildichtungen aus Elas tomeren an vielen verschiedenen Stellen für die Funktion des Motors unersetzlich. Bei Großserien von Fahrzeugmotoren wird jedoch auch dazu übergegangen, Trennflächen wie zwi-
schen Kurbelgehäuse und Ölwanne durch mittels Dosierroboter aufgetragenes, pastöses Silikon abzudichten.
10.3
Faktoren für die Werkstoffauswahl
Die Beurteilung von Werkstoffen im Hinblick auf ihre Eignung für Bauteile von Dieselmotoren darf nicht auf Zusammensetzung und Eigenschaften beschränkt werden. Vielmehr ist eine ganzheitliche Betrachtungsweise erforderlich, die Gesichtspunkte der Gestalt, Herstellung, Bearbeitung und Veredelung einschließt. Zusätzlich sind in den letzten Jahren Aspekte des Umweltschutzes und der Entsorgung hinzugekommen. Neben den vorgenannten Faktoren sind die Werkstoffkosten von außerordentlicher Bedeutung, Bild 10-8. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur teure Basiswerkstoffe oder Legierungselemente, sondern vor allem aufwendige Formgebungs- und Bearbeitungsverfahren dominierenden Einfluss auf die Kosten haben können. In Bild 10-8 sind die Werkstoffkosten einiger im Motorenbau eingesetzter Werkstoffgruppen aufgeführt. Die Streuungen in den Kosten für die Gusslegierungen ergeben sich hauptsächlich durch den geometriebedingten, gießtechnischen Aufwand. Werkstoffkostenvergleiche erfolgen i. d. R. massebezogen. Da die Leistungsfähigkeit der Werkstoffe bei voller Ausnutzung dem Volumen proportional ist, würden Volumenpreise eigentlich bessere Vergleiche ermöglichen. Hierbei schneiden Kunststoffe häufig sehr gut ab. Bei stark unterschiedlichen Werkstoffen kann jedoch meist nicht geometrisch ähnlich konstruiert werden, sodass im Einzelfall Bauteil mit Bauteil verglichen werden muss [10-34].
10.4
Lebensdauerkonzepte und Werkstoffdaten
Solange nur wenige physikalische und statische Kennwerte zur Beschreibung des Werkstoffverhaltens vorhanden waren, konnten Eignung und Zuverlässigkeit der Werkstoffe lediglich im Bauteil- oder Motorenversuch bewertet werden. In Ergänzung zu dieser experimentellen Ermittlung der Betriebsfestigkeit wurden weitere Bemessungskonzepte entwickelt [10-22]. Im Motorenbau werden vor allem das seit langem bekannte Nennspannungskonzept sowie in neuerer Zeit das Konzept der örtlichen Beanspruchungen (örtliches Konzept, Kerbgrundkonzept) benutzt (s. Abschn. 7.1.3 und 8.6). Während für das Nennspannungskonzept Versuche an Originalbauteilen erforderlich sind (Bild 10-9), baut das örtliche Konzept direkt auf der Spannungsanalyse durch FE-Berechnung oder DMS-Messung auf und kommt mit am Vollstab ermittelten Werkstoffkenndaten aus. Dabei wird von der Annahme ausgegangen, dass das Verhalten des Vollstabes auf das Verhalten des höchstbean-
10.2 Technische Werkstoffe für Motorenteile
389
Bild 10-8 Anhaltswerte für Werkstoffpreise. Vergleichsbasis: Massenstahl mit Preisfaktor 1 (Stand Dez. 2005)
Bild 10-9 Dauerschwingversuche an Kurbelwellenkröpfungen nach dem Resonanzprinzip
390
10 Werkstoffe und ihre Auswahl
spruchten Werkstoffelementes im Kerbgrund des Bauteils übertragen werden kann. Plastische Verformungen können berücksichtigt werden. Da die Konzepte immer noch zahlreiche Lücken aufweisen, werden sie in der Praxis häufig kombiniert [10-23]. Beiden ist gemeinsam, dass für die genaue Voraussage der Betriebsfestigkeit bzw. der Lebensdauer zuverlässige Werkstoffkennwerte benötigt werden. Die aus Veröffentlichungen, Standardwerken und Werkstoffdatenbanken zu entnehmenden Werte des zyklischen Werkstoffverhaltens sind für eine gesicherte Bauteilauslegung meist nicht ausreichend. Im Einzelfall ist ihre experimentelle Ermittlung unter bekannten Randbedingungen unumgänglich. Versuchsführung und Zahl der Proben sollten so gewählt werden, dass eine Auswertung nach statistischen Gesichtspunkten, wie z. B. beim Treppenstufenverfahren, möglich ist. Die weitere Verbesserung der Lebensdauervorhersage erfordert auch zukünftig umfangreiche experimentelle und theoretische Untersuchungen zu Beanspruchungsund Versagensverhalten der verschiedenen Werkstoffe.
10.5
Verfahren zur Lebensdauersteigerung
10.5.1
Urformungsverfahren
Ein technisch verwendbarer Werkstoff ist umso wertvoller, je besser sich seine Eigenschaften den i. d. R. über Querschnitt und Volumen des Bauteils sehr unterschiedlichen Beanspru-
Bild 10-10 Verfahren zur Lebensdauersteigerung für Motorenbauteile
chungen nach dem Prinzip der Aufgabenteilung anpassen lassen, Bild 10-10. Da die höchsten Beanspruchungen durch Temperatur, Spannung und Verschleiß meist an der Oberfläche oder in oberflächennahen Bereichen der Bauteile mit steilem Beanspruchungsabfall in Richtung Werkstoffzentrum auftreten, haben vor allem die verschiedenen Oberflächenbehandlungsverfahren der metallischen Werkstoffe, insbesondere für Eisengusswerkstoffe und Stähle, wesentliche Bedeutung erlangt. Nur mit ihrer Hilfe ist es möglich, bei gleichbleibenden Triebwerksabmessungen Entwicklungsziele, wie Verbrauchsabsenkung durch Steigerung des maximalen Zylinderdrucks oder Leistungsgewichtsverminderung durch Anheben des mittleren effektiven Drucks, zu verwirklichen. Gleiche Bedeutung haben bei tribologisch beanspruchten Bauteilen, wie Gleitlagern und Kolbenringen, die verschiedenen Beschichtungstechnologien erlangt, während die weiterführenden Möglichkeiten der Urformung aus wirtschaftlichen Gründen nur vereinzelt angewendet werden. Problematisch bei Stahl sind nach wie vor Seigerungen und nichtmetallische Einschlüsse, wobei die Gefahr eines dadurch bedingten Dauerbruchs durch den Übergang vom Block- auf Strangguss, durch verbesserte Prüftechnik sowie durch Vakuumerschmelzen und Umschmelzen [10-24] wie z. B. Elektroschlacke-Umschmelzen (ESU) stark herabgesetzt werden konnte. Durch ESU werden die Zähigkeitsund Dauerfestigkeits-Kennwerte deutlich gesteigert, Bild
10.5 Verfahren zur Lebensdauersteigerung
391
– Bild 10-11 Steigerung der Biegedauerfestigkeit von Stahl durch Elektroschlackeumschmelzen (ESU). Auswertung mit arcsin√P-Transformation
10-11, so dass Vergütungs-, Einsatz- und Nitrierstähle in ESU-Qualität für hochbeanspruchte Bauteile wie Kurbelwellen, Kolbenbolzen und Einspritzpumpenteile verwendet werden. Bei Gussteilen bilden Gasporen und Schrumpflunker häufig innere Kerben, die die Versagensstelle trotz niedriger Beanspruchung ins Innere des Werkstoffvolumens verlegen. Hier kann durch heißisostatisches Pressen (HIP) Abhilfe geschaffen werden [10-25], das z. B. bei hochlegierten Nickelbasis-Feingusslegierungen (Turbinenräder) und Leichtmetallguss (Kurbelgehäuse) eingesetzt wird, um gussspezifische Hohlräume durch die beim HIP-Prozess vorhandenen Drücke und Temperaturen zu verschweißen und somit die Dauerfestigkeit zu steigern, Bild 10-12. Zu erwähnen ist, dass jedoch Oberflächenporositäten und Gefügefehler dadurch nicht beseitigt werden können. Praktisch homogene Werkstoffe mit isotropen Eigenschaften liefert die Pulvermetallurgie (PM), die nicht nur eine kostengünstige Massenfertigung (z. B. Ölpumpenräder, Ventilführungen), sondern auch das Sinterschmieden von Pleuelstangen bis hin zur Herstellung leistungsfähigen Kolben-Legierungen ermöglicht. Verschiedene Sonderverfahren der Pulvermetallurgie, wie das sog. Sprühkompaktieren nach dem Osprey-Verfahren, befinden sich noch in der Entwicklung [10-24]. Anwendungen der Pulvermetallurgie erfordern bestimmte Mindeststückzahlen und sind durch Stückmasse und Form begrenzt.
10.5.2
Oberflächenbehandlungsmethoden
Die Bedeutung der verschiedenen Behandlungsverfahren für Oberflächen- und Randbereiche bei Eisenwerkstoffen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die hierdurch erzielbaren Steigerungen der Eigenschaftswerte, besonders im Hinblick auf Verschleiß- und Dauerbeanspruchung, übersteigen die Möglichkeiten der Legierungstechnik bei weitem. Bereits lange bekannt und benutzt sind die verschiedenen thermischen Verfahren des Vergütens und Härtens. Die Härtung der Oberfläche eines Stahlteils ist aufgrund der Martensitbildung mit messbarer Volumenvergrößerung verbunden. Diese führt zu einem überlagerten Eigenspannungszustand mit hohen Druckeigenspannungen im gehärteten Bereich. In Verbindung mit der erhöhten Härte und Festigkeit sind diese die wesentliche Ursache für die Steigerung der Dauerfestigkeit. Aus Gleichgewichtsgründen müssen die Druckeigenspannungen durch entsprechende Zugeigenspannungen kompensiert sein. Damit kann bei ungünstiger Lage der Härtezone Versagen unter geringerer Beanspruchung an anderer Stelle auftreten. Ähnliche Möglichkeiten der Eigenschaftsverbesserung bestehen mit den thermochemischen Verfahren des Nitrierens, worunter auch die verwandten Methoden des Nitrocarburierens in Salzbad, Gas oder Plasma (Ionnitrieren) zu verstehen sind. Beachtung bedürfen dabei der Porositätsgrad etwaiger Nitrid-Verbindungsschichten und die generell
392
10 Werkstoffe und ihre Auswahl
Bild 10-12 Steigerung der Biegedauerfestigkeit von Aluminiumguss durch heißisostatisches Pressen (HIP). Regressionsgeraden im Zeitfestigkeitsbereich
höhere Verletzungs- und Mittelspannungsempfindlichkeit nitrierter Oberflächen. Gewindebereiche dürfen deshalb auf keinen Fall nitriert werden. Lange Zeit etwas vernachlässigt waren die mechanischen Verfestigungsverfahren, obwohl sie das größte Potenzial der Festigkeitssteigerung bei Metallen besitzen. Bereits einfaches Reinigungsstrahlen von Guss- oder Knetlegierungen kann zu merklichen Dauerfestigkeitserhöhungen führen. Die Palette der Möglichkeiten reicht dabei über Festigkeitsstrahlen, Schlagverdichten und Rollen bis zu den verschiedenen Methoden des Glatt- und Festwalzens [10-26]. Für die Eigenschaftsverbesserungen sind je nach Verfahren Glättungen der Mikrogeometrie und plastische Verformungen der Randbereiche mit Festigkeitserhöhung und geeigneter Druckeigenspannungsausbildung in ähnlicher Weise wie bei den thermischen Verfahren verantwortlich. Ein interessantes Sonderverfahren stellt das Autofrettieren (Selbstschrumpfen) von innendruck-beaufschlagten Bauteilen dar, bei dem durch einmalige Beanspruchung mit sehr hohem Innendruck die Innenoberfläche plastifiziert und unter Druckvorspannungen gesetzt wird. Das Verfahren ist geeignet, bei nahtlos gezogenen Einspritzleitungen aus St30Al Drücke über 1500 bar zuverlässig zu beherrschen.
10.5.3
Beschichtungsverfahren
Während bei den gleitenden und auf Verschleiß beanspruchten Bauteilen des Motors Beschichtungstechniken wesentliche Entwicklungssprünge ermöglichten, ist ihr Anteil bei den übrigen Bauteilgruppen noch vergleichsweise gering, Tabelle 10-4. Hinderlich sind die i. d. R. notwendige Unterbrechung des Fertigungsablaufs und der zusätzliche, häufig
beträchtliche Kostenaufwand. Trotzdem wird eine Vielzahl von Verfahren und Schichten im Labormaßstab entwickelt und erprobt, da nach wie vor Bedarf an speziellen maßgeschneiderten Lösungen für technisch anspruchsvolle Motorbereiche, wie das System Kolben–Kolbenringe–Laufbuchse, besteht. Hier werden in Ergänzung zu den bekannten Verfahren des chemischen und elektrochemischen Beschichtens, des Metallspritzens und Auftragsschweißens vor allem von den Techniken der physikalischen und chemischen Gasphasenabscheidung (Physical und Chemical Vapour Deposition/PVD und CVD) Lösungen erwartet.
10.6
Entwicklungstendenzen
10.6.1
Werkstoffe
Eine große Zahl von Zielsetzungen moderner Motorenentwicklungen ist bereits durch das Leistungspotenzial konventioneller, bekannter Werkstoffe erfüllbar, wenn die Möglichkeiten konstruktiver Gestaltung, moderner Herstellungs-, Bearbeitungs- und Behandlungstechnologie konsequent genutzt werden. Die große Teilevielfalt mit unterschiedlichen und komplexen Beanspruchungsmechanismen sowie neue Anforderungen des Motorenbaus sind jedoch nach wie vor für die Nachfrage nach werkstofftechnischen Innovationen bestimmend, Bild 10-13. Weiter zunehmende Bedeutung haben dabei die Anforderungen des Leichtbaus für Fahrzeugmotoren [10-34], [10-35]. Sehr große Erwartungen wurden in die Substitution konventioneller Metalle durch Strukturkeramik gesetzt. Hierunter werden im Motorenbau nichtmetallische, anorganische Werkstoffe auf der Basis von Nitriden, Karbiden und Metall-
10.6 Entwicklungstendenzen 393
Tabelle 10-4 Anwendungsmöglichkeiten für Beschichtungen von Motorbauteilen Beschichtungsverfahren
Schichtart
Anwendung
elektrochemische (galvanische und chemische Abscheidung
– Cr
Zylinderlaufbuchsen, Zylinderköpfe, Ventilschäfte, Kolbenoberteile, Kolbenringnuten Kolbenringe Zylinderlaufflächen Gleitlagerlaufschichten Gewindeteile, Schrauben, Leitungen Bauteile aus niedriglegiertem Stahl, Schrauben Aluminiumbauteile, Kolben
– – – – – –
Cr, Cr-Al203 Ni-SiC/NiKasil PbSnCu/CuPb Zn Zn/Mn-Phosphat (Hart-)Anodisierschichten
Abscheidung aus der Gasphase (PVD)
– TiN – WC/C – AlSn
Einspritzpumpenkolben, Steuerungsteile, Einspritzpumpenkolben, Steuerungsteile, Gleitringdichtungen Gleitlagerlaufschichten
Spritzverfahren
– Mo – metallische/keramische Mischschichten – Zr02
Kolbenringe, Laufflächen für Radialwellendichtringe Kolbenringe abgasführende und brennraumbegrenzende Teile
Auftragsschweißen
– Hartlegierungen
Ventile, Ventilsitze
Lackieren/mechanisches Auftragen
– – – –
Kolben Schrauben seewasserführende Kühlerbauteile, Feder Schrauben, Federn
Graphitierung Gleitlack Kunststoffüberzüge metallhaltige Einbrennschichten
oxiden verstanden. Nachdem sich der physikalische Ansatz des brennraumisolierten, wärmedichten Motors mit besserem, thermischem Wirkungsgrad als nicht zutreffend erwiesen hat (s. Abschn. 7.2), werden Anwendungsmöglichkeiten zukünftig vor allem im Hinblick auf Reduzierung von Reibung und Verschleiß (Kolbenringe, Laufbuchsen und Ventilführungen), Verringerung bewegter Massen (Ventile, Kolbenbolzen und ATL-Turbinenräder) und Wärmeisolierung im Abgastrakt gesehen [10-28], [10-29]. Obwohl keramische Werkstoffe in vielen Eigenschaften Stahl überlegen sind (Tabelle 10-5), ist eine Substitution bei den meisten Motorteilen allein aus Kostengründen nicht zu erwarten. Zusätzlich sind Defizite beim Verformungs- und Versagensverhalten konstruktiv zu berücksichtigen und entwicklungstechnisch zu minimieren. Wahrscheinlich werden neben einzelnen, bereits heute üblichen Strukturkeramikteilen, wie hochbeanspruchten Wasserpumpengleitringen und Stößelrollen, vor allem weiterentwickelte keramische Schichten, wie für Kolbenringe, serienmäßige Anwendung finden. Technisch möglich sind bereits heute Wärmeisolationen durch Beschichtung und Verbundkonstruktionen, ATLTurbinenräder mit kleineren Durchmessern sowie Ventile und andere Teile der Motorsteuerung. Einsatzmöglichkeiten von keramischen Werkstoffen in Kolben oder ATL-Verdichterrädern sind bei Hochleistungs-
anforderungen auch für faserverstärkte oder weiterentwickelte, pulvermetallurgisch hergestellte Aluminiumlegierungen zu erwarten. Wegen der Möglichkeiten zur Reduzierung von Gewicht, Geräusch und Kosten besteht zunehmendes Interesse an der Verwendung von Polymerenwerkstoffen in geringer belasteten Bereichen der Motorperipherie (Deckel, Luftführungen usw.). In Konkurrenz zur Strukturkeramik treten heute immer häufiger die Intermetallischen Phasen wie z. B. Nickel- oder Titanaluminide. Die nur geringfügig höhere Dichte der Intermetallischen Phasen (Titanaluminide ρ = 3,8 g/cm3) im Vergleich zur Strukturkeramik (Siliziumnitrid ρ = 2,5…3,2 g/cm3) bei gleichzeitig höherer Duktilität macht diese Werkstoffgruppe für Bauteile von Verbrennungskraftmaschinen interessant, die hohen Beschleunigungen und Temperaturen ausgesetzt sind [10-36]. Erste Anwendungen im Bereich Turbinenräder oder Auslassventile sind zurzeit in Erprobung. Neben den Intermetallischen Phasen sollen auch massiv aufgestickte, austenitische Stähle (High Nitrogen Steels) als Ventilwerkstoffe zum Einsatz kommen. Auf dem Gebiet der Stähle werden die AFP-Sorten in Richtung höherer Festigkeits- und Dehngrenzenwerte weiterentwickelt. Teure Legierungselemente werden durch Boroder massive Stickstoffzugabe ersetzt. Die Reihe der Guss eisensorten kann durch höherfeste, zwischenstufenvergüte-
394 10 Werkstoffe und ihre Auswahl
Bild 10-13 Zukünftige Ziele der Werkstoffentwicklung
Tabelle 10-5 Keramische Werkstoffe für den Motorenbau. Eigenschaftswerte im Vergleich zu Stahl Eigenschaften Werkstoffe
Dichte p g/cm3
Elastizitäts modul E GPa
Längenausdehnungskoeff. α 10–6 m/(m · K)
Wärmeleit fähigkeit λ W/(m · K)
Zug- bzw. Biegefestigkeit R MPa
max. Einsatztemp. Tmax °C
Eigenschaften mögliche Anwendungen
Siliziumnitrid Si3N4
2,5…3,2
180…320
3,0…3,5
11…35
220…700
>1400
Kolben, Laufbuchseneinsatz, Vorkammer, Ventilführung,
Siliziumkarbid SiC
2,5…3,2
350…410
4,4…4,8
70…90
300…450
1600
ATL-Turbinenrad
Aluminiumoxid Al2O3
3,9
360
4,0
30
300
1200…1900
Gleitring, Strukturverstärkung
Zirkonoxid ZrO2
5,8
200
9,5
2,5
>500
900
Kolben, Laufbuchseneinsatz, Zylinderkopfplatte, Ventil, Portliner
Aluminiumtatanat Al2TiO5
3,2
20
2,0
2,0
40
900
Kolbenmulde, Portliner
Vergütungsstahl 34CrNiMo6
7,8
210
11,0
50
1000
500
Triebwerksteile
10 Literatur 395 te, bainitische Sphärogusssorten ergänzt werden. Vermiculargraphitguss kann bei prozesssicherer Darstellung des Gefügezustandes (Sinter Cast-Verfahren) eine deutliche Zunahme erfahren. Bei Leichtmetallen wird für Bauteile wie Kurbelgehäusen, Zylinderhaubendeckel und Ölwannen, die Verwendung von Magnesiumlegierungen weiter vorangetrieben werden, um die Leistungsgewichte für Fahrzeugmotoren weiter zu verbessern. An unkonventionellen Werkstoffen, z. B. Feinkornkohlenstoff für Kolben und intermetallischen Titan- oder Nickel aluminiden als Ersatz für hochwarmfeste Legierungen, wird weiter gearbeitet und optimiert werden [10-30].
werden Überlegungen zu gezieltem Recycling von Bauteilen und Stoffen zukünftig eine Rolle spielen. Dabei sind vorrangig noch logistische Probleme zu lösen. Anspruchsvolle Aufgabenstellungen auf dem Gebiet der Schadstoffminimierung im Abgas werden in Zukunft gänzlich neue Lösungen erfordern. Dabei besteht vor allem Bedarf für geeignete, auch bei tiefen Temperaturen wirksame Katalysatormaterialien sowie an Werkstoffen und Elementen zur Russfilterung. Auf diesem Gebiet sind innovative Beiträge zur Absicherung und Weiterentwicklung der Wettbewerbsfähigkeit des Dieselmotors auf dem Markt zu erwarten.
10.6.2
Literatur
Verfahren
Wesentliche Bedeutung im Hinblick auf wirtschaftliche Fertigung wird der Weiterentwicklung und Vervollkommnung der Verfahrenstechnik zukommen. Die in Abschn. 10.5 beschriebenen Methoden werden optimiert und durch Neuentwicklungen ergänzt werden. Aus der großen Zahl verschiedenartiger Verfahren seien beispielhaft genannt: – Hartdrehen, – Wasserstrahlschneiden und -verfestigen, – Bruchtrennen von Pleuelstangen und Grundlagerdeckeln (Fracture Splitting), – Umschmelzen und Auflegieren von Oberflächenschich ten, – Laserlegieren von AL-Laufbuchsen, – Laser- und Elektronenstrahlschweißen der Verbindung Turbinenrad/Welle, – Laser- und Elektronenstrahlhärten der Radiallager laufflächen von Turbinenläufern, – Ionenstrahltechnik (Implantieren). Das zukünftige Potenzial der einzelnen Methoden ist jedoch noch schwierig abzuschätzen [10-11], [10-26], [10-31], [1032], [10-34], [10-35].
10.6.3
Umwelt
In den vergangenen Jahren musste bereits eine Reihe umweltgefährdender und -belastender Stoffe substituiert werden. Dies war in einigen Fällen mit Problemen verbunden. Zu nennen ist der Ersatz von Kadmiumschichten durch Phosphat- und Zinküberzüge sowie von Asbest durch andere Faserwerkstoffe. Wegen neuerer Erkenntnisse und Anforderungen sind weitere Entwicklungen und Veränderungen zu erwarten. Zurzeit werden Cr(VI)-freie Korrosionsschutzschichten insbesondere für Schrauben (s. Abschn. 10.2.3.) und bleifreie Lagermetalle für Gleitlager qualifiziert. Auch
10-1 Sperber, R. (Hrsg.): Technisches Handbuch Dieselmotoren. Abschn. 9, Berlin: Verlag Technik 1990 10-2 Schmidt, R.M.; Trebs, J.: Werkstoffe im Hochleis tungsdieselmotor. Ingenieur-Werkstoffe 4 (1992) 1/2, S. 56–59 10-3 Bargel, H.J.; Schulze, G. (Hrsg.): Werkstoffkunde. 9. Aufl. Berlin/Heidelberg/New York: Springer 2005 10-4 Metals Handbook. American Society for Metals. Metals Park, Ohio 44073 10-5 Stahlschlüssel. 20. Aufl. Marbach: Verlag Stahlschlüssel 2004 10-6 Aluminium-Zentrale (Hrsg.): Aluminium Taschenbuch. Bd. 1, 16. Aufl.: Grundlagen und Werkstoffe (2002); Bd. 2, 13. Aufl.: Umformen, Gießen, Oberflächenbehandlung (1999); Bd. 3, 16. Aufl.: Weiterverarbeitung und Anwendung (2003). Düsseldorf: Aluminium Verlag 10-7 Klein, M.: Einführung in die DIN-Normen. 13. Aufl. Berlin: Beuth 2001 10-8 Coenen, H.P.; Wetter, E.: Das Pressenschmieden von Kurbelwellen. Thyssen Edelstahlwerke AG: Technische Berichte (1988) 2 10-9 Adlof, W.: Neuere Entwicklungen bei geschmiedeten Kraftfahrzeug-Kurbelwellen. Schmiede-Journal (2001) 9 10-10 Adlof, W.: Fortschritte beim Schmieden großer Kurbelwellen. Schmiede-Journal Report 1999 10-11 Pischel, H.: Stand und Entwicklungstendenzen beim Herstellen von Pleueln. Werkstatt und Betrieb (1990) 12, S. 949–955 10-12 Benz, G.: Harte Schichten für hohe Beanspruchungen. Bosch Research Info (2001) 3 10-13 Greuling, S., et al.: Dauerfestigkeitssteigerung durch Autofrettage. FVV e.V., Heft R 506, Frankfurt 2000, S. 29–46
396 10 Werkstoffe und ihre Auswahl 10-14 Jorach, R.; Doppler, H.; Altmann, O.: Heavy Fuel Common Rail Systems for Large Engines. MTZ Motortechnische Zeitschrift 61 (2000) 10-15 Kayser, K.: Hochfeste Schraubenverbindungen. Die Bibliothek der Technik, Bd. 52. Landsberg/Lech: Verlag Moderne Industrie 1991 10-16 Fußgänger, A.: Eisengußwerkstoffe im Fahrzeugbau gestern, heute – morgen? Konstruktion 44 (1992), S. 193–204 10-17 Krebs, R. et al.: Magnesium Hybrid Turbomotor von Audi. MTZ (2005) 4 10-18 Schöffmann, W. et al.: Magnesium Kurbelgehäuse am Leichtbau-Dieselmotor. Magdeburg: VDI Verlag 2005 10-19 TRW Thompson, Barsinghausen: TRW-Motorenteile. 7. Aufl. 1991 10-20 Escher, C.: Druckaufgestickte Stähle für Verbrennungsmotoren – Fortschr.-Berichte VDI 5/569 Düsseldorf: VDI Verlag 10-21 Walter, G.; Eyerer, P. (Hrsg.): Kunststoffe und Elastomere in Kraftfahrzeugen. Stuttgart: Verlag Kohlhammer 1985 10-22 Haibach, E.: Betriebsfestigkeit. Verfahren und Daten zur Bauteilberechnung. Berlin/Heidelberg/New York: Springer 2002 10-23 Sonsino, C.M.: Zur Bewertung des Schwingfestigkeitsverhaltens von Bauteilen mit Hilfe örtlicher Beanspruchungen. Konstruktion 45 (1993), S. 25–33 10-24 Gräfen, H. (Hrsg.): VDI-Lexikon Werkstofftechnik. Düsseldorf: VDI-Verlag 1991 10-25 Hofer, B.W.: Nachverdichten statt Nachgießen – Verbesserung der Eigenschaften durch heißisostatisches Pressen. Gießerei 75 (1988) 2/3, S. 45–49
10-26 DVM-Arbeitskreis Betriebsfestigkeit: Moderne Fertigungstechnologien zur Lebensdauersteigerung. 17. Vortrags- und Diskussionsveranstaltung GF/Schaffhausen Schweiz. 16. u. 17.10.1991 10-27 Technische Keramik. Jahrbuch Ausgabe 1. Essen: Vulkan-Verlag 1988 10-28 Tietz H.D. (Hrsg.): Technische Keramik – Aufbau, Herstellung, Bearbeitung, Prüfung. Düsseldorf: VDIVerlag 1994 10-29 Eisfeld, F. (Hrsg.): Keramik-Bauteile in Verbrennungsmotoren. Referate der Fachtagung am 15. u. 16.3.1988 in Essen. Wiesbaden: Vieweg 1988 10-30 Dowling, W.E. Jr.; Allison, J.E.; Swank, L.R.; Sherman, A.M.: TiAl-Based Alloys for Exhaust Valve Applications. SAE-Paper 930620. International Congress and Exposition Detroit/Michig. 1993 10-31 Georg Fischer Formtech AG Schaffhausen, Schweiz: Pleuel Cracken 1993 10-32 Haefer, R.A.: Oberflächen und Dünnschicht-Technologie Teil II. Berlin/Heidelberg: Springer 1991 10-33 Weibrecht, A.: Ölwannen aus SMC. Kunststoffe 88 (1998), S. 318–322 10-34 Weber, A. (Hrsg.): Neue Werkstoffe. Düsseldorf: VDI-Verlag 1989 10-35 Werkstoffe im Automobilbau 1999/2000. Sonderausgabe ATZ/MTZ 1999 10-36 Knippscheer, S.; Frommeyer, G.: Intermetalic TiAl(Cr,Mo,Si) Alloys for lightweight engine parts – Structure, Properties and Applications. Advanced Engineering Materials 1 (1999) 3/4
Teil III
Betrieb von Dieselmotoren
11 Schmierstoffe und Schmiersystem . . . . . . . . . . . . . . 399 12 Start- und Zündhilfesysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 13 Ansaug- und Abgasanlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 14 Abwärmeverwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444
11 Schmierstoffe und Schmiersystem
11.1
Schmierstoffe
11.1.1 Anforderungen an Motorenöle für Dieselmotoren Der Dieselmotor stellt nicht nur an die Belastungsfähigkeit aller Bauteile höchste Ansprüche, sondern auch an den Schmierstoff, also an das Motorenöl, das deswegen ein technisch komplexer Betriebsstoff ist [11-1] bis [11-3]. Da sich die Einsatzbedingungen für Pkw- und Nfz-Dieselmotoren sowie Großdieselmotoren erheblich unterscheiden, kommen unterschiedliche, für den Verwendungszweck optimierte Schmieröle zum Einsatz. Das Motorenöl ist nicht nur Schmierstoff, sondern ein für Funktion und Lebensdauer des Motors wichtiges, entscheidendes und integrales Konstruktionselement und muss daher dem technischen Qualitätsstandard des Motors angepasst sein. Erst durch die Wechselwirkung zwischen Bauteiloberfläche und Schmierstoff bilden sich unter mechanischer und thermischer Belastung (vor allem während des Einlaufs) die tribologisch optimierten Schichten aus, die das Reib- und Verschleißverhalten des Motors bestimmen. Unterschiedliche Motorkonzepte stellen grundsätzlich unterschiedliche Anforderungen an das Motoröl, die vom Hersteller unter Berücksichtigung des Schmierungssystems, des Wartungskonzepts, der Metallurgie und der Konstruktion der Motorbauteile zu spezifizieren sind. Darüber hinaus stellen neue Technologien zur Senkung der Emission von klimarelevanten Gasen und Schadstoffen, initiiert durch Kyoto-Protokoll und verschiedene staatliche Abgasnormen, zusätzliche, sehr spezifische Anforderungen, die die Entwicklung von kraftstoffsparenden Leichtlaufölen und katalysatorkompatiblen Formulierungen notwendig gemacht hat. Vom Motorenöl wird verlangt, dass es unter allen vor kommenden Betriebsbedingungen mindestens bis zum vorgesehenen Ölwechsel seine Aufgaben, die über die Funktion eines Schmieröls weit hinausgehen, voll erfüllt.
Von den vom Motorbetrieb her an das Motorenöl gestellten Hauptaufgaben, nämlich – Trennung der Gleitflächen, – Übertragung von Kräften, – Unschädlichmachen unerwünschter Produkte, – Verschleißschutz, – Korrosionsschutz, – Abdichten und – Kühlen lassen sich dann die Anforderungen an das Motorenöl herleiten, die durch chemische, physikalische und technologische Eigenschaften charakterisiert sind. In Tabelle 11‑1 werden die Aufgaben oder Funktionen für die Motorbereiche und Betriebszustände, für die sie wirksam sind, sowie die erforderlichen Eigenschaftskomplexe zusammengestellt. Man erkennt zum einen, dass bestimmte Funktionen nicht getrennt voneinander behandelt werden können, sondern gemeinsam betrachtet werden müssen, und zum anderen, dass zur gleichzeitigen Erfüllung bestimmter Aufgaben auch gleichzeitig unterschiedliche, zum Teil entgegengesetzte Eigenschaften vorliegen müssen, um optimale Verhältnisse zu erzielen. Etwas vereinfacht können daher die Eigenschaften von Motorenölen in folgende Eigenschaftskomplexe unterteilt werden: – Viskosität und Fließverhalten, – oberflächenaktives Verhalten und – Korrosionsschutz. Hinsichtlich des oberflächenaktiven Verhaltens ist zu unterscheiden, ob es sich gegenüber Motor-Oberflächen oder gegenüber Verunreinigungen auswirkt. Der Korrosionsschutz be zieht sich sowohl auf das Neutralisationsvermögen gegenüber sauren Verbrennungsprodukten als auch auf eine Stabilisierung des Schmierstoffs selbst gegenüber oxidativem Abbau. Neben den Hauptaufgaben werden folgende Zusatzanforderungen an das Motorenöl gestellt:
400 11 Schmierstoffe und Schmiersysteme
Tabelle 11.1 Aufgaben von Motorenölen und daraus resultierende Anforderungen Aufgabe
Motorbereich Betriebsbereich
Erforderliche Eigenschaft
Gleitflächen trennen und Tabelle 11-1 Aufgaben von Motorenölen und daraus resultierende Anforderungen a) Kräfte übertragen a 1) durch unter Druck stehenden Tragfilm a 2) durch chem.-phys. Reaktionsfilm
Reibstellen mit Flüssigkeitsreibung Reibstellen mit Mischreibung
hohe Viskosität oberflächenaktives Verhalten, hohe Viskosität (EP- und AW-Eigenschaften)1)
b) Unschädlichmachen unerwünschter Produkte (gegen Verschmutzung) Neutralisationsvermögen Detergier- und Dispergiervermögen b1) Neutralisation flüssiger Verunreinigungen b2) Suspension fester Verunreinigungen
tiefe und hohe Betriebstemperaturen
Neutralisationsvermögen Detergier- und Dispergiervermögen
c) Verschleißschutz c 1) siehe a 1) c 2) siehe a 2)
Reibstellen mit – Flüssigkeitsreibung – Mischreibung
hohe Viskosität oberflächenaktives Verhalten/hohe Viskosität (EP- und AW-Eigenschaften
d) Korrosionsschutz d 1) siehe a 2) d 2) siehe b 1)
Tiefe und hohe Betriebstemperaturen Stillstand und Betrieb des Motors
Oberflächenaktives Verhalten Neutralisationsvermögen
e) Abdichten
Kolben- Kolbenringzone/ Zylinderwand
Hohe Viskosität
f) Kühlen
Bereiche mit Flüssigkeits- und Mischreibung
Wärmeabfuhrvermögen/ niedrige Viskosität
1 Geeignet für Höchstdrücke (extrem pressure) bei geringem Verschleiß (anti wear).
– neutrales Verhalten gegenüber Dichtungswerkstoffen, – geringe Schaumneigung, – hohe Gebrauchsdauer, große Ölwechselintervalle, – niedriger Ölverbrauch, – niedriger Kraftstoffverbrauch und – geringe Belastung der Abgasreinigungssysteme.
11.1.2
Aufbau und Zusammensetzung
Wie andere Schmieröle auch, bestehen Motorenöle aus einem Grundöl bzw. Grundölgemisch und Zusätzen (sog. Additiven oder Wirkstoffen). Als Grundöle werden reine Mineralöle, Gemische aus Mineral- und Syntheseölen oder reine Syntheseöle verwendet. Insbesondere zur Herstellung von Mehrbereichsölen haben neben konventionellen Mineralölen Hyd rocracköle und bestimmte synthetische Flüssigkeiten wie Polyalfaolefine oder Diester, Polyolester usw. komplexeste Bedeutung erlangt. Syntheseöle werden als Grundölkomponenten wegen ihrer im Vergleich zu Mineralölen höheren oxidativen Beständigkeit, geringeren Verdampfungsverluste, verminderten Verkokungsrückstände und geringeren ViskositätsTemperatur-Abhängigkeit verwendet, wobei man auf schlechtere Löslichkeit und problematischere Verträglich-
keit mit Dichtungswerkstoffen achten muss. Die höchsten Anforderungen lassen sich nur mit Syntheseölen reali sieren. Zur Erfüllung der an sie gestellten Aufgaben enthalten Motorenöle heute ausnahmslos Additive und werden daher als legierte Öle bezeichnet. Früher eingesetzte wirkstofffreie, unlegierte Motorenöle werden nicht mehr verwendet. Man kann davon ausgehen, dass moderne Hochleistungsmotorenöle die in Tabelle 11-2 aufgeführten Wirkstofftypen enthalten. Diese Tabelle enthält auch Beispiele für die chemischen Verbindungen, die für die verschiedenen Wirk stofftypen gebräuchlich sind, sowie einige Hinweise zu deren Funktion. Detergents und Dispersants lagern sich mit ihrem polaren „Kopf “ an ölunlösliche Verbrennungs- und Oxidationsprodukte an, halten sie mit Hilfe ihrer oleophilen Kohlen wasserstoffkette in Schwebe und verhindern damit Ablagerungen an Metalloberflächen, Öleindickung und Schlammbildung im Motor. Basische (overbased) Detergents enthalten Metallionen (Calcium, Magnesium) in überstöchiometri scher Menge und wirken dadurch zusätzlich als Korrosionsschutz. Durch diese alkalische Reserve werden in das Öl gelangte saure Verbrennungsprodukte neutralisiert. Die mit der TBN (Total Base Number) beschriebene Alkalität des
11.1 Schmierstoffe 401 Motorenöls ist besonders für mit schwefelreichem Schweröl betriebene Großdieselmotoren von besonderer Bedeutung. Insbesondere für die Zylinderschmierung dieser Motoren bilden hochalkalische, öllösliche Wirkstoffe homogene Einphasenöle mit einer TBN bis 100 (entsprechend 100 mg KOH/g Öl) und vermindern die Gefahr eines chemisch korrosiven Verschleißes. Von den Additiven wird zusätzlich verlangt, dass sie bei der Verbrennung möglichst wenig Asche von nur weicher Struktur ergeben. Bei aschefreien Dispersants enthalten die polaren Kopfgruppen nur funktionelle Gruppen mit Sauerstoff- und Stickstoffatomen, also keine aschebildenden Metallionen. Dispersants mit einem makromolekularen oleophilen Molekülteil wirken zusätzlich als Viskositätsindex(VI)-Verbesserer. Antioxidantien sollen den Abbau des Schmierstoffs durch die Einwirkung von Sauerstoff verhindern. Während gehinderte Phenole durch Abfangen von freien Radikalen die Kettenreaktion der Kohlenwasserstoffoxidation unterbrechen, greifen Zinkdithiophosphate über eine Wechselwirkung mit bei der Oxidation gebildeten Peroxiden ein. VI-Verbesserer sind langkettige Kohlenwasserstoff polymere, die sich bei niedrigen Temperaturen zu engen Knäueln (mit überwiegend intramolekularen Wechselwirkungen) zusammenlagern und bei hohen Temperaturen wieder entwirren und durch die damit verbundene Volumenvergrößerung (mit zunehmenden intermolekularen Wechselwirkungen) einen Eindickeffekt mit Viskositätszu nahme bewirken. Bei der Ölformulierung mit VI-Verbesserern ist jedoch auf eine mögliche Minderung deren Wirksamkeit durch z. B. mechanische Scherung (Scherstabilität) und durch temporäre Viskositätsverminderung im Lagerspalt bei hoher Temperatur und hohem Schergefälle zu achten (HT-HS Viskosität). Insofern ist die aufwändigere Ölformulierung für Hochleistungsöle mit Grundölen geringer Viskositäts‑Temperatur-Abhängigkeit (z. B. Syntheseöle) und entsprechend niedrigerem Gehalt ausgewählter VI‑Verbesserer der zwar teurere aber technisch vorteilhaftere Weg. Insbesondere bei Leichtlaufölen spielen der permanente und der temporäre Viskositätsverlust eine zunehmende Rolle. Bei sog. „Stay in Grade“ Ölen ist gewährleistet, dass sie während der Gebrauchsdauer die Viskositätsgrenzwerte der spezifizierten SAE-Klassifizierung einhalten. Durch die Zugabe von Stockpunktverbesserern wird die Kristallisation von in mineralischen Grundölen enthaltenen Paraffinen (Wachsen) verzögert und damit das Tieftem peraturverhalten der Öle verbessert. Reibungssenkende Additive, sog. Friction Modifier (FM), erlangen zunehmende Bedeutung im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs. Sie wirken im Bereich der Mischreibung dadurch, dass sie den
adhäsiven Anteil der Festkörperreibung mindern, indem sie auf den Oberflächen Adsorptionsschichten bilden, die Metalloberflächen voneinander trennen können. Die asche freien rein organischen FM haben sehr polare Kopfgruppen mit einer hohen Affinität zu Oberflächen sowie olefinische Kohlenwasserstoffketten, die die Trennung der Oberflächen unter Mischreibungsbedingungen bewirken. Molybdänorganische FM wirken durch die Bildung von reibungsminderndem Molybdänsulfid an den Reibstellen. Da die Verbrennungsprodukte aschebildender sowie schwefel- und phosphorhaltiger Additive als potenzielle Katalysatorgifte die Lebensdauer von Dreiwegekatalysator und Dieselpartikelfilter herabsetzen, sind katalysatorkompatible Hochleistungsöle mit niedrigen Grenzwerten für die Gehalte an Schwefel, Phosphor und Sulfatasche entwickelt worden.
11.1.3
Charakterisierung von Motorenölen
11.1.3.1
Allgemeine Kennwerte
Üblicherweise werden die im Abschn. 11.1.1 aufgeführten Anforderungen durch eine Kombination folgender Kriterien charakterisiert: – chemisch-physikalische Daten: z. B. Dichte, Flammpunkt, Viskosität, alkalische Reserve, Sulfatasche usw. (sowohl des Frischöls als auch des Gebrauchtöls), – Messwerte aus genormten oder auch ungenormten Einund Mehrzylindermotorenprüfläufen (Beispiele: MWM „B“, OM 602 A, OM 411 LA), – Ergebnisse aus mehr oder weniger genau überwachten Fahrversuchen, – Erfahrungswerte aus der Praxis. Tabelle 11-3 enthält eine Auswahl von physikalischen, chemischen und technologischen Prüfmethoden, die zur Beschreibung neuer und gebrauchter Motorenöle herangezogen werden können.
11.1.3.2
SAE-Viskositätsklassen für Motorenöle
Die Society of Automotive Engineers (SAE) hat das Viskositäts klassifikationssystem eingeführt, das international angewendet wird. Tabelle 11-4 zeigt einen Auszug aus der SAE-Klassifizierung für Motorenölviskositäten SAE J300. Sie umfasst die „Winter“-Öle von SAE 0 W bis SAE 25 W und die „Sommer“-Öle von SAE 20 bis SAE 60. Man erkennt, dass für die W-Öle Anforderungen an die Maximalviskosität bei tiefen und an die Mindestviskositäten bei hohen Temperaturen zu erfüllen sind. Demgegenüber wird von den „Sommer“-Ölen nur eine Mindestanforderderung an die Hochtemperaturvis-
402 11 Schmierstoffe und Schmiersysteme
Tabelle 11-2 Motorenöladditive. Typen, chemische Verbindungen und Funktion Typ
Beispiele
Funktion
1. basische Detergents
Calcium- oder Magnesium-Sulfonate, -Phenolate oder -Salicylate
1. Neutralisation von Säuren 2. Verhinderung von Lackbildung
2. aschefreie Dispersants
Polyisobuten-Succinimide
1. Dispergieren von Ruß und Oxidationsprodukten 2. Verhinderung der Ablagerung von Fremdstoffen und Lackbildung
3. Antioxidantien
Zinkdithiophosphate, gehinderte Phenole, phosphor-sulfurierte Olefine, Metallsalicylate, Amine
Verhinderung von Öloxidation und Öleindickung
4. Hochdruck-(EP)-Additive
Zinkdithiophosphate, org. Phosphate, org. Schwefelverbindungen
Verhinderung von Verschleiß
5. Korrosions-/ Rostschutz- Additive
Calcium- oder Natrium- Sulfonate, Aminphosphate Zinkdithiophosphate
Verhinderung von Korrosion
6. Viskositätsindex- Verbesserer
Polymethacrylate, Äthylen- Propylen-Copolymere, Styrol- Butadien-Copolymere
Reduzierung des Viskositätsabfalls der mit steigender Temperatur auftritt
7. Schaumdämpfer
Silicon-Verbindungen, Acrylate
Verhinderung von Schaumbildung bei starker Umwälzung
8. Reibkraftminderer („Friction Modifier“)
Fettsäuren, Fettsäure-Derivate, organische Amine, Amin- Phosphate i. a. mildere EP-Additive
Reduzierung der Reibkraftverluste
kosität gefordert. 1994 wurde auch eine Mindestviskosität bei hoher Temperatur und hohem Schergefälle eingeführt. Zur Motorschmierung können sowohl Ein- als auch Mehrbereichsmotorenöle verwendet werden, sofern die zu erwartenden Außentemperaturen es zulassen. Führende Hersteller setzen zunehmend Leichtlauföle wie z. B. 0W-30 ein. Bei modernen Hochleistungsmotoren sind auf jeden Fall die Herstellervorschriften zu beachten. Einbereichsöle sind in Mitteleuropa nicht mehr üblich.
11.1.3.3
Klassifikationen, Spezifikationen, Tests
Militärische Spezifikationen Um das Leistungsvermögen der auf die Einsatzbedingungen zugeschnittenen Motorenöle beurteilen zu können wurden Spezifikationen festgelegt, die mit dem Probanden auch den genauen Ablauf des Prüflaufs vorschreiben. Die praxisnahen USA-Militär-Spezifikationen, z. B. MIL-L-2104 (verschie dene Buchstaben bedeuten unterschiedliche Ausgaben), hatten früher eine weltweit überragende Bedeutung auch im zivilen Bereich. Dies ist heute nicht mehr der Fall.
Zivile Spezifikationen Bei den zivilen Klassifikationen und Spezifikationen von Mo torenölen und deren Leistungsfähigkeit ist zwischen allgemeinen und firmenbezogenen zu unterscheiden. Zu den allgemein gültigen zivilen Motorenölspezifikationen bzw. -klassifikationen gehören die API (American Petroleum Institute)- und die ACEA (Association des Constructeurs d’Automobiles)-Klassifikationen, die die CCMC (Comite des Constructeurs d‘Automobiles du Marche Commun)-Klassifikationen abgelöst haben. Folgende API-Klassen sind heute vor allem von Bedeutung: – API SG und API SH für Ottomotorenöle, – API CD,API CD-II, API CE, API GF4 und API CG für Dieselmotorenöle (Tabelle 11-5). Bei ACEA gibt es die Klassifikationen AxBx für Otto- und Pkw-Dieselmotoren (Tabelle 11-6) und Ex für Nfz-Dieselmotoren (Tabelle 11-7) sowie eine neue Klassifikation Cx für katalysatorkompatible Motorenöle, die eine längere Lebensdauer von Dreiwegekatalysator und Dieselpartikelfilter sowie eine nachhaltige Senkung des Kraftstoffverbrauchs garantieren soll. ACEA-Testsequenzen gibt es für: – Pkw-Otto- und -Dieselmotoren: A1/B1-04, A3/B3-04 , A3/B4-04, A5/B5-04,
11.1 Schmierstoffe 403
Tabelle 11-3 Physikalische, chemische und technologische Prüfmethoden zur Charakterisierung von neuen und gebrauchten Motorenölen und Grundölkomponenten Kennzahlen
Norm-Methode
Kennzahlen
Dichte Flamm- und Brennpunkt frisch gebraucht Viskosität: Ubbelohde Cannon-Fenske Viskositätsindex m-Wert Cold Cranking Simulator Mini Rotary Viskosimeter Kälte-Viskosität SAE-Klassen für Motorenöle Neutralisationszahl Verseifungszahl Total Base Number Verkokungsneigung Conradson Ramsbottom Aschegehalt Oxid Sulfat Farbe (ASTM) Verdampfung Schaumneigung Seq. 1 - 3 Seq. 4 Luftabschneidevermögen Alterungsstabilität
DIN 51 757
Verhalten gegen Dichtungsmaterialien: Quellung Shore-Härte Kugeldruckhärte Referenzelestomer Nitril-Kautschuk (Zugprüfung) Verschleißprüfung: FZG-Test VKA-Test Eisengehalt IR-Analyse IR-Ruß-Gehalt Röntgenfluoreszenz-Analyse (RFA) Kohlenstoffvereilung Metallgehalte(Ba,Ca,Zn) Magnesiumgehalt Chlorgehalt Phosphorgehalt Schwefelgehalt
Oxidationsstabilität Thermostabilität Scherstabilität : mechanisch Beschallung Korrosionsschutzprüfung Meerwasser HBr
DIN EN ISO 2592 DIN EN 22719 DIN 51 562 DIN 51 366 DIN ISO 2909 DIN 51 563 ASTM D 5293 ASTM D 4684 DIN 51 377 DIN 51 511 DIN 51 558 DIN 51 559 DIN ISO 3771 DIN 51 551 ASTM D 524 DIN ISO 6245 DIN 51 575 DIN ISO 2049 DIN 51 581 ASTM D 892 ASTM D 6082 DIN 51381 DIN 51 352 IP 48 ASTM D 2272 MIL-II-27601A DIN 51 381 ASTM D 2603
Bleigehalt Andere Metalle (Sn,Si,Al u. a.) Benzin-Benzol-Unlösliches Ungelöste Stoffe Membranfiltermethode Wassergehalt-Destillationsverfahren Kraftstoffgehalt (Benzin) Ethylenglykolgehalt Schmierölgehalt in Zweitaktgemischen Probenahme Prüffehler
Norm-Methode DIN 53 521 DIN 53 505 DIN 53 519 DIN 53 503 DIN 51 354 DIN 51 350 DIN 51397 DIN 51451 DIN 51452 DIN 51396-2 DIN 51 378 DIN 51 391 DIN 51 431 DIN 51 577 ASTM D 1091 DIN 51 768 DIN 51 450 ASTM D 810 ASTM D 811 DIN 51 588 DIN 51 592 DIN ISO 3733 DIN 51 565 DIN 51 375 (E) DIN 51 784 DIN 51 750 DIN 51 848
DIN 51 358 DIN 51 357
– Katalysatorkompatible Öle: C1-04, C2-04, C3-04 (Tabelle 11-8), – Nfz-Dieselmotoren: E2-96, E4-99, E6 04, E7-04 (Tabelle 11-9). Bei ACEA [11-4] wurde der Umfang der Motorenprüfläufe erweitert. Für die katalysatorkompatiblen Cx Öle wurden Grenzwerte für Sulfatasche sowie Schwefel- und Phosphorgehalt eingeführt bzw. verschärft.
Die Viskositätsanforderungen sind schärfer als bei SAE. Es werden die folgenden Motorentests den aufgeführten Anforderungen zugeordnet: – Ringstecken und Kolbensauberkeit (CEC-L-78-T-99): Im VW-1,9-1-DI, der hier den VW 1,6 TC D abgelöst hat, müssen die Öle zeigen, wie sie in den genannten Disziplinen im Vergleich mit RL 206 abschneiden. – Abtrag der Honung und Kolbensauberkeit: Für E4- bis E7Öle ist der OM-441LA-Test (CEC-L-52-T-97) das bestim mende Qualitätskriterium. Möglichst wenige Ablagerun gen in den Kolbenringnuten sind entscheidend.
404 11 Schmierstoffe und Schmiersysteme
Tabelle 11-4 Viskositätsklassen für Motorenöle nach SAE J 300 (2004), Auszug SAE Viskositätsklasse1)
CCS-Viskosität2) max. mPa s bei °C
0W 5W 10 W 15 W 20 W 25 W 20 30 40 40 50 60
< 6200 < 6600 < 7000 < 7000 < 9500 < 13000 – – – – – –
–35 –30 –25 –20 –15 –10
Tieftemperatur Pumpviskosität3) mPa s bei °C
kinematische Viskosität4) (mm²/s) bei 100 °C
< 60000 < 60000 < 60000 < 60000 < 60000 < 60000 – – – – – –
3,8 3,8 4,1 5,6 5,6 9,3 5,6 9,3 12,5 12,5 16,3 21,9
–40 –35 –30 –25 –20 –15
min.
max.
Hochschergefälle Viskosität5) (mm²/s) bei 150°C und 106 s–1 min. – – – – –
9,3 12,5 16,3 16,3 21,9 26,1
2,6 2,9 2,9 6) 3,7 7) 3,7 3,7
Anmerkungen zur Tabelle: 1) Anforderung gemäß ASTM D 5293; 2) Cold Cranking Simulator: ASTM D 5293 o. DIN 51 377; 3) Mini Rotary Viskosimeter: ASTM D 4684; 4) ASTM D 445 oder DIN 51 562; 5) ASTM D 4683 oder CEC L-36-A-90 (ASTM D 4741); 6) Für 0W-40, 5W-40 und 10W-40 Öle; 7) Für 15W-40, 20W-40, 25W-40 und 40 Öle
Tabelle 11-5 API-Klassifizierung für Dieselmotorenöle API-Klasse
Status
Einsatzbereich/Anforderungen
CA
Ungültig
Für ansaugende Dieselmotoren der 40er und in den 50er Jahren
CB
Ungültig
Für ansaugende Dieselmotoren unter milden bis mäßigen Betriebsbedingungen ab 1949
CC
Ungültig
Für leicht aufgeladene Dieselmotoren unter mittleren bis schweren Betriebsbed. ab1961
CD
Veraltet
Für aufgeladene Dieselmotoren hoher Drehzahl und Leistung ab 1955
CD II
Veraltet
Für Zweitakt-Dieselmotoren
CE
Veraltet
Für schwerbelastete und schnelllaufende Dieselmotoren ab 1987
CF
Aktuell
Ersetzt ab 1994 API-CD Für hochaufgeladene Dieselmotoren. Hohe Asche. Geeignet für Dieselkraftstoffe mit Schwefelgehalten > 0,5 %.
CF-2
Aktuell
Nur für 2-Takt-Dieselmotoren. Ersetzt ab 1994 API-CD II.
CF-4
Aktuell
1990 eingeführte Motorenölspezifikation für schnell laufende auch aufgeladene 4-Takt-Dieselmotoren. Überdeckt die Anforderungen von API-CD & CE, ergänzt um Anforderungen bezüglich Ölverbrauch und Kolbensauberkeit
CG-4
Aktuell
Für hochbeanspruchte LKW-Motoren. Berücksichtigt EPA Emissionsbegrenzungen ab1994, wenn der Massenanteil des Schwefels im Dieselkraftstoff zwischen 0,05 und 0,5 % schwankt. Gegenüber API CF-4 verbesserte Detergiereigenschaften und Schaumverhalten. Kann auch anstatt von API-CD, CE und CF-4 verwendet werden, 1995 eingeführt.
CH-4
Aktuell
1998 eingeführt für hochdrehende Viertaktmotoren, die für neue verschärfte Abgasvorschriften konzipiert wurden. Vergleichbar mit ACEA E5, niederer Aschegehalt. Für Schwefelgehalte < 0,5 %. Wird hauptsächlich für Motoren amerikanischer Herstellung gefordert. Kann auch anstatt von API-CD, CE, CF-4 und CG-4 verwendet werden
CI-4
Aktuell
Ab 2002. Für hochdrehende Viertaktmotoren konzipiert, die zukünftige Abgasgesetze nur noch mittels Abgasrückführung erfüllen können Geeignet für Schwefelgehalte < 0,5 %. Kann auch anstatt von API-CD, CE, CF-4, CG-4 und CH-4 verwendet werden
11.1 Schmierstoffe 405
Tabelle 11-6 ACEA Spezifikationen für Pkw-Diesel-Motorenöle ACEA-Klasse
Status
Einsatzbereich / Anforderungen
B1
Aktuell
Kategorie für Fuel-Economy-Motorenöle mit besonders niedriger High-Temperature-High-Shear-Viskosität (entsprechend A1)
B2
Zurückgezogen
Kategorie für konventionelle und Leichtlauf-Motorenöle
B3
Aktuell
Kategorie für konventionelle und Leichtlauf-Motorenöle; übertrifft ACEA B2 bezüglich Nockenverschleiß, Kolbensauberkeit, Viskositätsstabilität bei Rußbelastung
B4
Aktuell
Neue Kategorie für Direkteinspritzerdieselmotoren (TDI)
B5
Aktuell
Entspricht ACEA B4, allerdings mit abgesenkter HTHS-Viskosität. In einem Prüfmotor muss im Vergleich zu einem 15W-40 Re ferenzöl eine Kraftstoff-Einsparung ≥ 2,5 % nachgewiesen werden.
C1
Aktuell
Ab 2004 für PKW-Dieselmotoren mit Dieselpartikelfilter, Sulfataschegehalt max. 0,5 %, mit abgesenkter HTHS (Ford).
C2
Aktuell
Ab 2004 für PKW-Dieselmotoren mit Dieselpartikelfilter, Sulfataschegehalt max. 0,8 %, mit HTHS > 2,9 mPas (Peugeot).
C3
Aktuell
Ab 2004 für PKW-Dieselmotoren mit Partikelfilter, Sulfataschegehalt max. 0,8 %, mit HTHS > 3,5 mPas. (DaimlerChrysler und BMW)
Tabelle 11-7 ACEA Spezifikationen für Lkw-Diesel-Motorenöle ACEA-Klasse
Status
Einsatzbereich / Anforderungen
E1
Zurückgezogen
Entspricht weitestgehend der bisherigen CCMC D 4.
E2
Aktuell
Basiert weitestgehend auf MB 228.1, zusätzlich wird Mack T8-Test gefordert
E3 E4
Basiert weitestgehend auf MB 228.3, zusätzlich wird Mack T8-Test gefordert Aktuell
Basiert weitestgehend auf MB 228.5; kein Motorentest OM 364 A, dafür Mack T8 &T8E, längste Ölwechsel, geeignet für Euro III-Motoren.
E5
Zurück-gezogen
Kategorie für Euro III- Motoren, reduzierter Aschegehalt im Vergleich zu E4. Qualitätsniveau zwischen ACEA E3 und E4.
E6
Aktuell
Für AGR Motoren mit / ohne Dieselpartikelfilter und SCR NOX Motoren; empfohlen für Motoren mit Dieselpartikelfilter in Kombination mit schwefelfreiem Kraftstoff; Sulfataschegehalt < 1 % (Gew.)
E7
Aktuell
Für Motoren ohne Dieselpartikelfilter der meisten AGR Motoren und der meisten SCR NOX Motoren; Sulfataschegehalt max. 2 % (Gew.) Dieselmotoren
– Öleindickung: Der Mack T-8E wurde ausgewählt mit einem Grenzwert für den Viskositätsanstieg pro Stunde. – Verschleiß: Der OM-602-A-Motor wurde für Verschleiß und weitere Kriterien ausgewählt. – Kolbensauberkeit und Viskositätsanstieg werden in einem Peugeot-Motor gemessen. Einige Motorenhersteller haben selbstverständlich auch eigene Klassifikationen und Spezifikationen aufgestellt. Beispiele dafür sind: – MAN 270 und 271, – QC 13-017, – Mercedes Benz 228.1 bis 229.5, – MTU MTL 5044,
– Volvo Drain Spec., VDS, VDS-2, – VW 505.00 bis 507.00, wobei für bestimmte Technologien (Dieselpartikelfilter, Pumpe-Düse) und Serviceangebote (Wartungsintervallverlängerung) Anforderungen gestellt werden, die über die ACEA-Spezifikationen hinausgehen. Für die bei schwerölbetriebenen Großdieselmotoren eingesetzten alkalischen Motorenöle bestehen keine internationalen Spezifikationen, so dass auch hier die Freigabe nur nach länger dauernden Prüfläufen beim Hersteller erfolgt. Mindestens muss aber, abgesehen von der TBN, die Spezifikation MIL-L-2104C oder API CD erfüllt werden [11-5] (Tabelle 11‑4).
Anforderung
Testverfahren
Eigenschaften
Einheit
Grenzwerte Öle für Pkw Otto- und Dieselmotoren A1/B1-04
A3/B3-04
A3/B4-04
Katalysatorkompatible Öle A5/B5-04
C1-04
C2-04
C3-04
Laborversuche Viskositätsklasse
SAE J 300
Keine Beschränkungen außer den Anforderungen an Scherstabilität und HT/HS. Hersteller können auf spezifische Anforderungen an die Viskosität in Bezug auf die Umgebungstemperatur hinweisen
Scherstabilität
CEC-L-14-A-93 oder ASTM D6278
100 °C Viskosität nach 30 Zyklen
mm²/s
xW-20 s.i.g. xW-30 ≥8,6 xW-40≥12,0
Für alle Klassen muss die Viskosität in den Grenzen der Klasse bleiben (stay in grade)
HT/HS Viskosität
CEC-L-36-A-90 (2. Auflage) (Ravenfield)
Viskosität bei 150 °C und einer Scherrate von 106 s–1
mPa s
≤ 3,5 xW-20 ≥2,6 andere≥2,9
≥ 3,5
≥ 3,5
≥ 2,9 ≥ 3,5
≤ 3,5
≥ 2,9
≥ 3,5
Verdampfungsverluste
CEC-L-40-A-93
Max. Gewichtsverlust nach 1 h bei 250 °C
%
≤15
≤13
≤13
≤13
≤13
≤13
≤13
Sulfatasche
ASTM D874
% m/m
≤1,3
≤1,5
≤1,6
≤1,6
≤0,5
≤0,8
≤0,8
Schwefel
ASTM D5185
% m/m
angeben
≤0,2
≤0,3
≤0,3
≤0,5
≤0,090
≤0,090
–
–
≥6
Phosphor
ASTM D5185
% m/m
angeben
Chlor
ASTM D6443
ppm m/m
angeben
TBN
ASTM D2896
mg KOH /g
–
Schaumstabilität
ASTM D892
ml
Sequenz I (24 °C) 10 – Null Sequenz II (94 °C) 50 – Null Sequenz III (24 °C) 10 – Null
Hochtemperatur-Schaumstabilität
ASTM D6082
ml
Sequenz IV (150 °C) 100 - Null≥ 3,5
Ringstecken
Bewert.
≥ 9,0 ≥ RL 216
Kolbensauberkeit Viskositätsanstieg Ölverbrauch
Bewert. mm²/s kg/Test
Tendenz -Stabilität
Motorenversuche Hochtemperaturablagerungen Ringstecken Öleindickung
CEC-L-88-T-02 (TU5JP-L4) 72 h Test
≤ RL 216 angeben
≤ 0,8 x RL 216
406 11 Schmierstoffe und Schmiersysteme
Tabelle 11-8 ACEA-Testsequenzen für Otto- und Dieselmotorenöle sowie für katalysatorkompatible Öle
Kaltschlamm
ASTM D6593-00
mittl. Motorschlamm
Bewert.
≥ 7,8
Ventildeckelschlamm
Bewert.
≥ 8,0
mittl. Kolbenlack
Bewert.
≥ 7,5
mittl. Motorlack
Bewert.
≥ 8,9
Kompressionsring (heiß fest)
Ventiltrieb
CEC-L-38-A-94
keiner
Ölsiebverstopfung
%
≤ 20
Nockenverschleiß Mittelwert Maximum Ventilfuß
µm µm Bewert.
≤ 10 ≤ 15 ≥ 7,5
CEC-L-53-T-95 (M111)
Schlamm im Motor (Mittelwert)
Bewert.
≥ RL 140
Kraftstoffverbrauch
CEC-L-54-T-96
Verbesserung geg. RL 191 (15W-40)
%
≥ 2,5
Medium Temperatur Dispersivity
CEC-L-56-T-9 (XUD11BTE) Or CEC-L-093 (DV4TD)
Viskositätsanstieg Kolbenbewertung
mm/s² Bewert.
Viskositätsanstieg Kolbenbewertung
mm/s² Bewert.
≤ 0,5 RL 197 ≥RL 197 - 6 Pkte. ≤ 0,6 RL 223 ≥RL 223 - 2,5 Pkte.
Verschleiß Viskositäts-Stabilität Ölverbrauch
CEC-L-51-A-98 (OM602A)
Mittl. Nockenverschleiß Viskositätsanstieg b.40 °C Bore polishing mittl. Zylinderverschleiß Ölverbrauch
µm % % µm kg/Test
≤ 50,0 ≤ 90 ≤ 7,0 ≤ 20,0 ≤ 10,0
DI Diesel Ringstecken und Kolbensauberkeit
CEC-L-78-T-99
Kolbensauberkeit
Bewert.
≥RL 206 -3 Pkte.
Ringstecken 1.u.2. Ring Mittelwert Max f. 1. Ring Max f. 2. Ring
ASF ASF ASF
≤1,2 ≤2,5 ≤0,0
≥ 2,5
≥ 2,5
≥ 2,5
≥ 1,0 (f. 0W-30)
≤ 0,5 RL 197 ≥ RL197 ≤ 0,6 RL 223 ≥RL 223 ≤ 45,0 ≤ 70,0 ≤ 4,5 ≤ 15,0 ≤ 10,0 ≥RL 206 -3 Pkte.
≥RL 206 -3 Pkte.
≥RL 206
≥RL 206
≥RL 206
≥RL 206 -3 Pkte.
11.1 Schmierstoffe 407
Schwarzschlamm
Anforderung
Testverfahren
Eigenschaften
Einheit
Grenzwerte Öle für Nfz-Dieselmotoren E2-96
E4-99
E6-04
E7-04
Laborversuche Viskositätsklasse
Scherstabilität
SAE J 300
Keine Beschränkungen außer den Anforderungen an Scherstabilität und HT/HS. Hersteller können auf spezifische Anforderungen an die Viskosität in Bezug auf die Umgebungstemperatur hinweisen
CEC-L-14-A-93 oder ASTM D6278
Viskosität nach 30 Zyklen 100 °C
mm²/s
xW-30 ≥9,0. xW-40 ≥12,0 xW-50≥15,0
ASTM D6278
Viskosität nach 90 Zyklen 100 °C
mm²/s
HT/HS Viskosität
CEC-L-36-A-90 (2. Auflage) (Ravenfield)
Viskosität bei 150 °C, Scherrate von 106 s–1
mPa s
≥ 3,5
Verdampfungsverluste
CEC-L-40-A-93
Max. Gewichtsverlust nach 1 h bei 250 °C
%
≤13 ≤2,0
stay in grade
stay in grade
Sulfatasche
ASTM D874
% m/m
Schwefel
ASTM D5185
% m/m
Phosphor
ASTM D5185
Schaumstabilität
ASTM D892
Hochtemperatur-Schaumstabilität
ASTM D6082
Oxidation
CEC-L-85_T-99
Induktionszeit
min
≤3,5
Korrosion
ASTM D 6594
Zunahme von Blei
ppm
≤100
% m/m Tendenz -Stabilität
≤1,0
≤2,0
≤0,3 ≤0,08
ml
Sequenz I (24 °C) 10 – Null Sequenz II (94 °C) 50 – Null Sequenz III (24 °C) 10 – Null
ml
Sequenz IV (150 °C) 100 - Null≥ 3,5
408 11 Schmierstoffe und Schmiersysteme
Tabelle 11-9 ACEA Testsequenzen für Öle für Nfz-Dieselmotoren
Motorenversuche Abtrag der Honung Kolbensauberkeit
CEC-L-42-T-99 (TU5JP-L4) 72 h Test
Abtrag der Honung Kolbensauberkeit Zwickelverschluss Schlamm Ölverbrauch
% Bewert. µm Bewert. kg/Test
≤ 3,5 ≥ 4,0 ≤ 3,5 ≥ 9,4 ≤ 16,0
Verschleiß
CEC L-51-A-98 (OM602A)
Nockenverschleiß Viskositätsanstieg bei 40 °C Abtragung der Honung Ölverbrauch
µm % % kg/Test
≤ 50,0
Ruß im Öl
ASTM D 5967
Versuchsdauer Rel. Viskosität bei 1 Test/2 Test/ 3 Test (Mittelw.) Viskositätsanstieg b. 1 Test/2 Test/ 3 Test (Mittelw.)
h % % mm2/s
300 4,8% Ruß ≤ 2,1/2,2/2,3 3,8% Ruß ≤ 11,5/12,5/13,0
% Bewert. % kg/Test
≤2,0 ≥40,0 ≤4 ≤40
Bore polishing Kolbensauberkeit Turbolader Ablagerungen
CEC-L-52-T-97
Abtragung der Honung Kolbensauberkeit Ladedruckverlust nach 400h Ölverbrauch
Rußinduzierter Verschleiß
Cummins M11
Kipphelbel mittl. Gew.-Verlust b. 4,5 Ruß 1 Test/2 Test/3 Test (Mittelw.) Druckdifferenz am Ölfilter 1 Test/2 Test/ 3 Test (Mittelw.) Motorschlamm 1 Test /2 Test/3 Test (Mittelw.)
Verschleiß (Kolbenringnuten)
Mack T-10
≤ 50,0 ≤ 90,0 ≤ 7,0 ≤ 10,0
≤ 50,0 ≤ 90,0 ≤ 7,0 ≤ 10,0
≤2,0 ≥40,0 ≤4 ≤40
≤2,0 ≥25,0 ≤4 ≤40
≤6,5/7,5/8,0 ≤79/93/100 ≤8,7/8,6/8,5 µm mg ppm ppm g/h
≥1000 ≤32 ≤158 ≤35 ≤14 ≤65
≥1000 ≤32 ≤158 ≤35 ≤14 ≤65
11.1 Schmierstoffe 409
Bewertung Mittl. Zylinderverschleiß Mittl. Gew.-Verlust 1. Ring Bleigehalt (Versuchsende) Zunahme Bleigehalt 250–300 h Ölverbrauch (Phase II)
≤ 50,0 ≤ 90,0 ≤ 7,0 ≤ 10,0
410 11 Schmierstoffe und Schmiersysteme
11.1.4 Betriebsbedingte Veränderungen des Motorenöls 11.1.4.1 überwiegend bedingt durch Verdampfung, VI‑Verbesserer und Eintrag von Fremdstoffen Verdampfungsverluste Veränderungen des Motorenöls im Motorbetrieb werden teils durch physikalische Effekte infolge einer mechanischen und thermischen Beanspruchung, teils durch chemische Reaktionen verursacht. Zu den physikalisch bedingten Veränderungen gehören die Verdampfungsverluste. Sie hängen bei gegebenem Temperaturniveau von folgenden Parametern ab: – Molekulargewicht und Viskosität des Grundöls, Grund öltyp (Mineralöl, Syntheseöl), – Grundölformulierung (Kernfraktion besser als Gemisch von hoch und niedrigviskosen Grundölen), – Molekulargewicht, -verteilung von VI-Verbesserern. Die Folgen des Verdampfungsverlustes sind sowohl erhöhter Ölverbrauch als auch Öleindickung, d. h. Viskositätserhöhung.
Viskositätsverringerung durch Scherung Durch mechanischen, thermischen und oxidativen Abbau der hochmolekularen Polymere, die als VI-Verbesserer verwendet werden, erfolgt ein Absinken auf ein niedrigeres Viskositätsniveau sowie eine Verschlechterung des ViskositätsTemperatur-Verhaltens des Motorenöls. Das Ausmaß der Scherverluste hängt von den Betriebsbedingungen, der chemischen Struktur sowie vom Molekulargewicht und von der Konzentration der Polymerzusätze ab. Gehören die Öle auch nach dem Scheren noch der Aus gangsviskositätsklasse an, so werden sie als „Stay-in-Grade“Öle bezeichnet.
entsprechende HTHS-Grenzwerte erfüllen um trotz niedriger Nennviskosität (SAE-Klasse) ausreichende Schmier sicherheit bei hoher Belastung zu gewährleisten.
Viskositätsverringerung durch Kraftstoff Vor allem im Kurzstreckenverkehr unterhalb der normalen Betriebstemperatur kann nicht ausgeschlossen werden, dass nicht verbrannter Kraftstoff an den kühlen Zylinderwänden kondensiert und in das Motorenöl gelangt. Dadurch wird dessen Viskosität herabgesetzt. In der Praxis bezeichnet man Kraftstoffanteile im Motorenöl bis zu 2% noch als normal, höhere Werte als bedenklich. Bei der Wertung dieser Zahlen sollte man berücksichtigen, dass bereits wenige Prozent Kraftstoff genügen, um die Viskosität des Motorenöls in die nächstniedrigere Viskositätsklasse abfallen zu lassen (Verschleißgefahr).
Viskositätserhöhung durch feste Fremdstoffe Zu den festen Fremdstoffen in gebrauchtem Motorenöl gehören mit der Luft von außen eingedrungene Schmutzpartikel, ölunlösliche Reaktionsprodukte der Ölalterung sowie Rückstände aus der Kraftstoffverbrennung. Der aus dem zuletzt genannten Vorgang entstehende Ruß ist in erster Linie in Dieselmotoren von Bedeutung. In der Praxis gelten Massenanteile von Ruß im Öl von 1 bis 2% als unbedenklich. Der prozentuale Anstieg der Motorölviskosität als Funktion des Gehalts an festen Fremdstoffen zeigt, dass bei hochviskosen Ölen bereits weniger als 1% Ruß genügt, um die Viskosität in die nächsthöhere Viskositätsklasse ansteigen zu lassen. Der Rußeintrag ins Motoröl bei Dieselmotoren mit Direkteinspritzung ist geringer als bei solchen mit Kammerbrennverfahren.
11.1.4.2 überwiegend durch Erschöpfung der Wirkstoffe (Additive)
Temporäre Viskositätsverringerung
Versäuerung
Bei hohem Schergefälle kann sich bei Ölen, die mit Viskositätsindex-Verbesserern formuliert werden, im Ölfilm zwischen den Gleitflächen ein temporärer Viskositätsverlust einstellen. Dies kann durch eine Ausrichtung der langkettigen Moleküle der Wirkstoffe in Fließrichtung erklärt werden. Insbesondere kann dies bei Kraftstoff sparenden Leichtlaufölen mit niedriger Viskosität ein Problem darstellen. Zu der weiterhin gebräuchlichen Viskositätsmessung in der Kapillare bei 100 °C nach Ubbelohde wurde deshalb eine zusätzliche Viskositätsmessung bei 150 °C unter hohem Schergefälle (HTHS-Viskosität) eingeführt. Leichtlauföle müssen
Ursache der Versäuerung des Motorenöls ist die Oxidation des Öls. Dabei entstehen organische öllösliche Säuren. Auch die bei der Verbrennung schwefelhaltiger Kraftstoffe – besonders ausgeprägt beim Schwerölbetrieb von Groß dieselmotoren – entstehenden Verbindungen tragen zur Versäuerung des Öls bei. Auswirkungen der Versäuerung des Motorenöls sind chemischer Verschleiß an Zylinderlaufbahnen und Korrosion vor allem in den Lagern. Zu den wichtigsten Maßnahmen gegen die Versäuerung des Motorenöls und deren Auswirkungen gehört die Ver-
11.2 Schmiersystem 411 wendung von Oxidations- und Korrosionsinhibitoren im Motorenöl. Das Öl muss stets alkalisch bleiben und rechtzeitig vor der Versäuerung gewechselt werden.
Rückstandsbildung Ursachen für die Rückstandsbildung sind die thermische Zersetzung und Oxidation des Öls, wobei hochmolekulare, organische, wasserstoffarme und ölunlösliche Verbindungen entstehen. Auswirkungen des genannten Prozesses sind das Ausfallen der Verbindungen aus dem Öl und ihr Absetzen im Motorinneren, auf den Kolben und in den Ölbohrungen und -leitungen. Die wichtigste Maßnahme gegen die Rückstandsbildung ist die Verwendung von Detergent-/Dispersantwirkstoffen im Motorenöl.
Schlammbildung Durch Verbinden der Ölrückstände mit festen Fremdstoffen, Wasser und Säuren bilden sich schlammartige Massen, wobei man zwischen zwei Arten unterscheidet: – Kaltschlamm: Der Kaltschlamm ist typisch für den Stopand-go-Verkehr im unterkühlten Betriebszustand des Motors. Wird die normale Betriebstemperatur nicht erreicht, können bei der Verbrennung entstehendes Wasser sowie nicht verbrannter Kraftstoff kondensieren und sich mit den Ölrückständen zum Schlamm verbinden. – Heißschlamm: Heißschlamm kann vor allem bei hohen Betriebstemperaturen entstehen und besteht aus ölunlöslichen Reaktionsprodukten aus Blow-By-Gasen, Stickoxiden und dem Motorenöl. Diese Art von Ablagerung findet sich im Motor vorzugsweise auf dem Ventildeckel (Zylinderkopf), wo sie nicht durch einen Ölwechsel entfernt werden kann (Gefährdung des Kurbel gehäuseentlüftungssystems). Die die Heißschlammbildung beeinflussenden Faktoren sind neben Motoreigenschaften und Betriebsbedingungen das Motorenöl und der Kraftstoff. Generell wird der Schlammbildung durch eine entsprechende Detergent-/Dispersantlegierung des Motorenöls entgegengewirkt.
11.2
Schmiersystem
11.2.1
Aufgaben und Anforderungen
Die optimale Auslegung des Ölkreislaufes bestimmt maßgeblich die Lebensdauer heutiger Dieselmotoren.
Der Ölkreislauf, bestehend aus den Hauptkomponenten Ölreservoir, Ölpumpe, Ölkühler und Ölfilter, muss neben seiner Hauptaufgabe der Schmierung auch die Kühlung und den Korrosionsschutz der Motorbauteile gewährleisten [11-6] bis [11-10]. – In jedem Betriebspunkt des Motors und unter allen Einsatzbedingungen, wie extrem hohen und niedrigen Betriebstemperaturen, muss das Ölversorgungssystem die notwendigen Ölmengen für alle Bauteile zur Verfügung stellen. Dazu wird u. a. der Öldruck im Hauptölkanal gemessen und überwacht. – Das Schmiersystem ist so auszulegen, dass außer dem regelmäßigen Öl- und Filterwechsel und der Überwachung der Ölmenge (z. B. mit einem Ölmessstab) sowie der Öldruckanzeige keine weiteren Arbeiten während der gesamten Lebensdauer des Motors erforderlich sind.
11.2.2
Aufbau
11.2.2.1
Dimensionierung des Ölkreislaufs
Bild 11-1 zeigt den Schmierölkreislauf eines ausgeführten Nfz-Motors OM 906 LA mit der realen Anordnung der einzelnen Komponenten, der Ölkanäle und Versorgungsleitungen. Es zeigt, dass ein hoher Aufwand erforderlich ist, um die Versorgung und Kühlung der Bauteile mit der vorhandenen Ölmenge gegenseitig abzustimmen bzw. für jedes Bauteil ausreichend Öl zur Verfügung zu stellen. Bei der Ölverteilung ist davon auszugehen, dass ca. 25 bis 30 l Öl je KWh benötigt werden. Diese Menge wird zu je einem Drittel auf die Baugruppen Triebwerkslagerung, Kolbenkühlung und Steuerung mit Turbolader aufgeteilt. Die gesamte Ölmenge in einem Fahrzeugmotor beträgt ca. 2 l/dm3 Hubraum. Zur Minimierung der Druckverluste sollten die Verbraucher im Ölkreislauf geringst mögliche Strömungswiderstände aufweisen. Dies führt zu kompakter Bauweise, d. h. außen liegende Leitungen werden vermieden, der Ölkühler wird oft in das Kurbelgehäuse integriert, das Ölfilter ist am Motor angebaut, damit kurze Ölwege mit geringen Druckverlusten erreicht werden. Besonders zu beachten ist auch die Reihenfolge der Komponenten im Kreislauf. Das Ölfilter sollte vor dem Hauptölkanal angeordnet sein, um den Urschmutz sowie alle Verunreinigungen aufnehmen zu können. Der Ölkühler befindet sich nach der Ölpumpe, damit das Temperaturniveau im Triebwerk niedrig gehalten werden kann. Die Kurbelwellenlager müssen allgemein eine höhere Ölmenge erhalten, damit neben der hydrodynamischen Schmierung auch eine Kühlung der Lagerschalen erreicht wird. Erhöhter Öldurchfluss führt aber zu erhöhtem Durch-
412 11 Schmierstoffe und Schmiersysteme
Bild 11-1 Ölkreislauf OM 906 LA
flusswiderstand und somit zu Lagererwärmung. Dies macht die Notwendigkeit der exakten Abstimmung der Ölmengen nochmals deutlich. Die Ölversorgung der Steuerungsteile, wie Nockenwellenund Kipphebellager erfolgt über Ölkanäle, die Nocken und die Stößel erhalten abgeschleudertes Spritzöl, bzw. werden durch Spritzdüsen mit Öl versorgt. Die Auslegung eines Ölkreislaufs erfolgt heute z. B. auf experimentellem Wege mittels Durchflussmessung (Flowmeter), Auffangschalen, Particle-Image-Velocimetry(PIV)-, Laser-Dopller-Anemometrie(LDA)- und Temperaturmessungen sowie High-Speed-Filmaufnahmen. Zur rechnerischen Auslegung verwendet man im einfachsten Fall Simulationsprogramme zur eindimensionalen Strömungsberechnung. Zur Erfassung phänomenologischer Strömungseffekte werden CFD-Strömungsberechnungen durchgeführt. Bei Messung und Simulation ist stets darauf zu achten, dass alle Betriebsbedingungen von Kaltstart bis zu extrem hohen Temperaturen berücksichtigt werden.
11.2.2.2
Schmiersysteme
Bild 11-2 zeigt den Ölkreislauf eines Nutzfahrzeugmotors in schematischer Form. Die Ölpumpe saugt aus dem Reservoir und fördert das Öl über Kanäle zu den Verbrauchern. Da die zeitlich umgewälzte Ölmenge mit der Drehzahl ansteigt, begrenzt ein Ventil den maximalen Öldruck auf 5 bar, um keine Schäden am Ölkühler, Ölfilter und den Dichtungen zu verursachen. Von der Ölpumpe verläuft der Ölfluss zuerst durch Kühler und Filter zum Hauptölkanal mit der Messstelle für den Öldruck. Von dort aus gehen sämtliche Verzweigungen zu den übrigen Schmierstellen. Abgasturbolader und Einspritzpumpe werden ebenfalls vom Hauptölkanal aus geschmiert. Im Triebwerksbereich gelangt das Öl zu den Grundlagern, von dort durch die Kurbelwelle zu den Pleuellagern und über Bohrungen in der Pleuelstange zu den Kolbenbolzen. Alternativ kann der Kolbenbolzen und das kleine Pleuelauge mit Spritzöl versorgt werden.
11.2 Schmiersystem 413
Bild 11-2 Ölkreislaufschema 1 Pumpe, 2 Ölfilter, 3 Ölkühler, 4 Überdruckventil, 5 Ölabscheider, 6 Motorgehäuse, 7 Ölsumpf
414
11 Schmierstoffe und Schmiersysteme
Zur Schmierung der Steuerungsteile gelangt das Öl über Kanäle zur Nockenwelle, zu den Stößeln und Kipphebeln. Nach der Schmierung fließt das Öl drucklos über Rückläufe und Kanäle wieder in die Ölwanne.
11.2.3
Komponenten des Schmiersystems
11.2.3.1
Ölpumpen
Die Ölpumpe hat die Aufgabe, die erforderliche Ölmenge bzw. den notwendigen Öldruck im Drehzahlbereich des Motors zur Verfügung zu stellen. Zumeist werden Zahnradpumpen (Bild 11-3), Sichelpumpen oder Flügelzellenpumpen eingesetzt, die direkt von der Kurbelwelle angetrieben werden. Größere Motoren besitzen oft mehrere parallelgeschaltete Ölpumpen, um ausreichend große Volumenströme zur Verfügung zu stellen, Bauraumbegrenzungen einhalten zu können und eine Redundanz zu erzeugen. Darüber hinaus haben die Motoren oft auch zusätzliche Vor- bzw. Dauerschmierung, um das Triebwerk bereits vor dem Starten betriebsbereit zu halten. Bei der Auslegung ist darauf zu achten, dass bei allen zulässigen Schräglagen des Motors keine Luft angesaugt wird. Andererseits darf die Kurbelwelle nicht ins Öl eintauchen, um keine Reibarbeit durch Panschen hervorzurufen.
11.2.3.2
Ölkühler
Zum Einsatz kommen entweder Rohr- oder Plattenwärmeübertrager, die i. d. R. über Motorkühlwasser rückgekühlt werden (Öl-Wasser-Wärme-Tauscher). Der Kühler muss so
dimensioniert werden, dass auch bei maximaler Wassertemperatur keine unzulässig hohen Öltemperaturen auftreten. Optimaler Wärmeübergang und beste Wärmeleistung werden mit Aluminiumwärmetauschern erreicht, jedoch mit dem Nachteil, dass die mechanische Festigkeit geringer und die Korrosionsgefahr höher als bei den weiter verbreiteten Edelstahlwärmeübertragern ist. Die mechanische Festigkeit ist gefordert, da die Ölpumpe während des Kaltstarts und auch im normalen Motorbetrieb Druckspitzen erzeugt.
11.2.3.3
Das Ölfilter besteht i. d. R. aus einem Ölfiltergehäuse und einem Ölfiltertopf, in dem sich das Filterelement befindet. Im Ölfiltergehäuse sind die Zu- und Ablaufkanäle und das Ölfilterumgehungsventil untergebracht. Mitunter ist auch der Ölkühler integriert (Bild 11-4). Die gesamte Ölfiltereinheit ist zumeist am Motorblock angeflanscht. Der Öldurchfluss durch das Filter ist aus Bild 11-5 ersichtlich. Das noch ungefilterte Öl wird über den Zulaufkanal im Ölfiltergehäuse in den Filtertopf geleitet, wo es von außen nach innen durch das Filterelement strömt und die Schmutzpartikel abgeschieden werden. Um auch bei verstopftem Ölfilterelement die Ölzirkulation im Motor aufrecht zu erhalten, ist der Zu- und Ablaufkanal mit dem Ölfilterumgehungsventil verbunden.
11.2.3.4
Ölabscheider
Verbrennungsprodukte findet man nicht nur in Form fester Partikel im Motoröl, sondern über die Kolbenringe gelangen auch Blow-By-Gase in den Kurbelgehäuseraum. Diese bestehen aus feinen Ölpartikeln, Kraftstoff- und Wasserdampf. Zusammen mit Ölausdampfungen bei hohen Temperaturen werden sie über das Abscheidesystem in das Motor-Ansaugsystem abgeleitet. Kühlen sich die Blow-By-Gase im Ansaugsystem ab, dann scheiden sich die Ölpartikel zumeist an den Wänden ab. Bild 11-6 zeigt ein Ölabscheidesystem, das die Entlüftungsgase in die Luftansaugung weiterleitet. Die Öldämpfe gelangen dabei zunächst in ein Stahlwollegeflecht, in dem größere Öltropfen abgeschieden werden, während durch den Unterdruck im Ansaugsystem die abgeleiteten Öldämpfe über eine Membran der Ansaugluft zugeführt werden. Diese dient dazu, den Unterdruck im Kurbelgehäuse konstant zu halten, so dass Ölundichtheiten im Kurbelgehäuse reduziert werden.
11.2.4 Bild 11-3 Zahnradpumpe mit Überdruckventil (MB, OM 442)
Ölfilter
Schmierölpflege
Während des Motorbetriebs bildet sich eine Vielzahl von Schmutzpartikel, die zu Sedimentation und Verschleiß füh-
11.2 Schmiersystem
Bild 11-6 Ölabscheider
Bild 11-4 Ölfiltereinheit, bestehend aus Ölfilter und Ölkühler
Bild 11-5 Öldurchfluss durch das Ölfilter (MB, Baureihe 400, NG 90)
415
416
11 Schmierstoffe und Schmiersysteme
ren oder chemische Reaktionen im Öl hervorrufen und somit die Ölzersetzung beschleunigen. Die Partikel haben unterschiedliche Größen, sind nur teilweise im Öl löslich und können in zwei Gruppen eingeteilt werden: – anorganische Produkte, vor allem Verschleißprodukte von Zylinderlaufbahnen, Kolbenringen und Lagern oder Silikate (Gusssand, Staub über die Verbrennungsluft, Urschmutz), – organische Produkte, wie Rußprodukte aus der Ölalterung, Kraftstoffverbrauchsprodukte oder Verunreinigungen, bedingt durch Undichtheiten im Kühlmittelkreislauf. Je nach Partikelgröße und -verteilung treten unterschiedliche Verschleißmechanismen auf. Partikel > 20 µm werden heute generell ausgefiltert, da sie zu hohem Verschleiß in den Grund- und Pleuellagern, an Kolbenringen, Zylinderlaufbahnen und an Zahnrädern führen. Bild 11-7 zeigt, dass auch kleinere Partikel < 20 µm einen Einfluss auf den Bauteilverschleiß haben. Selbst Partikel der Größe 2,5 bis 5 µm verursachen mehr als 50% des Verschleißes größerer Partikel. Um Verunreinigungen wirkungsvoll aus dem Ölkreislauf fernzuhalten, sind folgende Ölfiltersysteme gebräuchlich: – Hauptstromfilter: Die gesamte Ölmenge wird vor Eintritt in den Hauptölkanal gefiltert. – Haupt- und Nebenstromfilteranlagen: Zur Filterung der feineren Partikel wird ein geringer Teil des Öls durch ein feineres Nebenstromfilter geleitet. – Langzeitölfilteranlagen: Der Nebenstromfiltereinsatz ist in einem separat vom Motor angeordneten Behälter
untergebracht und die Motorölmenge wird zusätzlich erhöht (Bild 11-8). Aufgrund der besseren Filtrierung und des größeren Ölvolumens können die Ölwechselintervalle verlängert werden. – Sicherheitsfilterelemente: Diese sind nach dem eigentlichen Filterelement angeordnet und schützen mit Hilfe eines ca. 50 µm engen Filters den Motor im Fall eines beschädigten Hauptfilterelements vor Schmutzpartikeln. – Ölaufbereitungsanlage: Bei Großdieselmotoren und Mehrmotorenanlagen kommen oft zentrale Ölaufbereitungsanlagen zum Einsatz, in denen das Öl aller Motoren gesammelt und gereinigt wird. Als Filtermedien werden entweder Papier (Partikelgröße exakt festlegbar), Faserwerkstoffe (gegenüber Papier bessere Tiefenwirkung), Baumwolle oder gestapelte Papierscheiben verwendet. Als Sonderform der Nebenstromfilterung gibt es für Fahrzeugdieselmotoren die Ölzentrifugen. Dabei wird in einer durch den Ölstrahl angetriebenen Zentrifuge (Freistrahlzentrifuge) eine äußerst feine Filtration erreicht. Zur Dimensionierung des Ölfiltersystems sind neben der eigentlichen Filtergröße die zur Verfügung stehende Gesamtölmenge und die geforderten Ölwechselintervalle ausschlaggebend. Das Ölfilter muss bezüglich der Porengröße und der Schmutzaufnahmekapazität des Öls so ausgelegt werden, dass alle motorschädlichen Partikel bis zum nächsten Ölbzw. Filterwechsel ausgefiltert werden. Generell gilt, dass ein Filterwechsel auch ohne Ölwechsel, ein Ölwechsel aber nie
Bild 11-7 Relativer Verschleiß in Abhängigkeit von der Partikelgröße der Verunreinigungen
11 Literatur
417
Bild 11-8 Langzeitfilter und Ölabsaugung (MB, OM 442 A)
ohne Filterwechsel erfolgen darf. Grund hierfür ist das mögliche Herauslösen von Filtrat aus gebrauchten Filtern durch frische Additive in neuem Öl. Darüber hinaus darf der Filterwiderstand auch am Ende des Filterwechselintervalls nicht so hoch werden, dass das Ölfilterumgehungsventil anspricht und ungefiltertes Öl in den Motor gelangt. Wird kein Umgehungsventil eingesetzt, kann ein zu hoher Filterwiderstand zum Öldruckabfall im Motor oder zur Zerstörung des Ölfilterelementes führen.
Literatur 11-1 11-2 11-3 11-4 11-5
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11-6
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12 Start- und Zündhilfesysteme
Das Starten eines Fahrzeugs mit Dieselmotor bei tiefen Temperaturen war in den Anfangszeiten des Diesels nur unter starker Rauchentwicklung begleitet von lauten Nagelgeräuschen möglich. Vorglüh- und Motorstartzeiten von mehreren Minuten waren üblich. Die Verbesserung der Startwilligkeit von Selbstzündern war und ist deshalb ein wichtiges Ziel der Entwicklungsaktivitäten von Motorherstellern und Zulieferern. Die Weiterentwicklung von geeigneten Starthilfesystemen und deren Anpassung an die motorischen Gegebenheiten führten zu entscheidenden Fortschritten beim Kaltstart- und -laufverhalten von Dieselmotoren. Zur Unterstützung des Motorstarts- und -laufs bei geringen Außentemperaturen werden bei Pkw Glühstiftkerzen (GLP) (Hubraumvolumen typisch kleiner 1 l/Zylinder) und bei Nkw mit größerem Hubvolumen Ansaugluftvorwärmsysteme wie Anheizkerzen, Heizflansche oder Flammstartanlagen verwendet. Die Weiterentwicklung heutiger Pkw-Dieselmotoren in Richtung erhöhtem Fahrspaß durch eine gesteigerte spezifische Leistung und noch besserer Umweltverträglichkeit durch weiter verminderte Abgasemissionen (Ruß/NOX) führt zu Motorenkonzepten mit abgesenktem Verdichtungsverhältnis. Heutige Pkw-Motoren mit Direkteinspritzung (DI) weisen Verdichtungsverhältnisse von 16‑18:1 auf. Derzeit niedrigstes Verdichtungsverhältnis (ε) in einem SerienPkw-Dieselmotor ist 15,8:1 [12-1]. Frühe Vorkammerdiesel hatten typischerweise Verdichtungsverhältnisse von ca. 21:1. Die Absenkung des Verdichtungsverhältnisses von 18:1 auf 16:1 führt ohne Zusatzmaßnahmen zu verschlechtertem Kaltstart- bzw. Kaltleerlaufverhalten. In Verbindung mit dem Wunsch nach ottomotorähnlichem Kaltstart- und Kaltleerlaufverhalten werden dadurch höhere Anforderungen an zukünftige Glühsysteme (Glühzeitsteuergerät, GCU und GLP) für Pkw gestellt: – schnellste Aufheizgeschwindigkeiten (1000 °C in weniger als 2 s) für ottomotorähnlichen Kaltstart bis –28 °C, – flexible Anpassung der Glühtemperatur an die motorischen Anforderungen,
– maximale Glühtemperaturen bis 1300 °C und Dauerglüh temperaturen bis 1150 °C zur Reduktion von Abgasemis sionen bei niedrigverdichtenden Motoren (17:1 und klei ner), – verlängerte Nachglühfähigkeit im Minutenbereich für emissionsarmen Kaltleerlauf mit erhöhter Laufkultur, bei niedrigverdichtenden Motoren auch in der Warmlauf phase, – Zwischenglühfähigkeit z. B. zur Unterstützung der Partikel filterregeneration, – hohe Glühsystemlebensdauer bis zu 200.000 km, – über die Lebensdauer der Glühstiftkerzen konstante Glüh eigenschaften (Temperatur und Aufheizgeschwindigkeit), – OBDII‑, EOBD‑Fähigkeit, – Unterstützung moderner Kommunikationsschnittstellen wie z. B. CAN oder LIN. Typische Verdichtungsverhältnisse bei Nkw‑Motoren liegen derzeit zwischen 17 : 1 und 20,5 : 1. Zukünftig werden Nkw‑Motoren mit 2‑stufiger Aufladung eingeführt. Da durch steigt der Spitzendruck ohne zusätzliche Maßnah men im Zylinder an. Durch eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses auf 16‑16,5 : 1 kann der Spitzendruck trotz höherer Aufladung auf heutigem Niveau gehalten werden. Bei Dieselmotoren unterscheidet man zwischen Selbstzündung und einer durch Starthilfsmittel unterstützten Zündung.
12.1
Bedingungen zur Kraftstoffselbstzündung
Bei Dieselmotoren wird der Kraftstoff bei ausreichend warmem Motor durch Selbstzündung entflammt. Für einen Motorselbstlauf muss das im Zylinder verdichtete KraftstoffLuft-Gemisch die Selbstzündungstemperatur (typisch > 250 °C) überschreiten. Die zur Erreichung dieser Temperatur notwendige Wärmemenge wird durch die während des
12.2 Kraftstoffzündung mit Hilfsmitteln 419 Verdichtungstaktes verrichtete Kompressionsarbeit erzeugt. Ob die Selbstzündungstemperatur erreicht wird, hängt von der Ansaugluft- und Motortemperatur, dem Verdichtungsverhältnis sowie den Leck- und Wärmeverlusten beim Kompressionsvorgang ab. Die Kompressionsarbeit und damit die Kompressionsendtemperatur steigt mit zunehmendem Verdichtungsverhältnis. Leckverluste im Motor verringern das effektive Verdichtungsverhältnis und führen zusammen mit Wärmeverlusten zu einer abnehmenden Kompressionsendtemperatur. Durch die Erhöhung der Motordrehzahl können Leck- und Wärmeverluste reduziert werden. Die Drehzahl, ab der eine Selbstzündung erfolgt, wird Startdrehzahl genannt. Diese hängt von weiteren Einflussgrößen wie Zylindervolumen, ‑anzahl und der Motorbauart ab. Typische Werte für die Startdrehzahl liegen beim Dieselmotor bei 80 bis 200 min–1. Pkw-DI-Motoren haben im Vergleich zu Vor- und Wirbelkammermotoren bei gleichem Brennraumvolumen eine kleinere wärmeabführende Brennraumoberfläche. Dies resultiert in einem verbesserten Kaltstartverhalten und einer geringeren Startdrehzahl dieses Motorentyps. Zusätzliche Starthilfsmittel sind bei Pkw-DI-Motoren mit einem Verdichtungsverhältnis von 18:1 erst unterhalb 0 °C erforderlich. Die höheren Wärmeverluste bei Pkw Wirbel- bzw. Vorkammermotoren machen den Einsatz von Starthilfsmitteln bereits ab ca. 20 °C bis 40 °C notwendig. Großvolumige Motoren für z. B. Nkw besitzen im Vergleich zu Pkw‑Motoren ein nochmals deutlich niedrigeres Verhältnis zwischen Brennraumoberfläche und -volumen. Heutige Nkw‑Motoren starten bei Temperaturen von bis zu –20 °C ohne Starthilfsmittel.
Um das beim Kaltstart sehr hohe Reibmoment zu überwinden, wird die Einspritzmenge bis zur maximalen Luftausnutzung erhöht.
12.2
Kraftstoffzündung mit Hilfsmitteln
Bei niedrigen Temperaturen (Kaltstart) wird eine vollständige Verbrennung des Kraftstoffs nur durch zusätzliche Starthilfsmittel ermöglicht. Man unterscheidet zwei Prinzipien zur Kaltstartunterstützung: Einerseits wird dem Kraftstoff-Luft-Gemisch im Brennraum durch Glühstiftkerzen lokal begrenzt Energie zugeführt. In diesem Fall spricht man von Glühzündung. Glühsysteme bestehen aus Glühstiftkerzen und Glühzeitsteuergeräten und werden bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen eingesetzt. Andererseits wird durch Flammstartanlagen, Heizflansche oder Anheizkerzen der Ansaugluft Wärmeenergie zugeführt, so dass durch die Kompression im Brennraum die Selbstzündungstemperatur erreicht wird. Aufgrund des sehr hohen Volumen- zu Oberflächen-Verhältnisses (geringe Wärmeverluste) bei groß volumigen Motoren reicht die relativ geringe Erwärmung der Ansaugluft zum Kaltstart aus. Glühsysteme führen dem aus Kraftstoffstrahl und angesaugter Luft gebildeten Gemisch Wärmeenergie i. d. R. über einen konzentrierten heißen „Fleck“ an den Glühstiftkerzen zu. Wird zündfähiges Gemisch nahe der Glüheinrichtung auf eine ausreichend hohe Temperatur gebracht, beginnt dort der Verbrennungsprozess (Bild 12‑1). Diese lokal begrenzte Vorentflammung führt in der hier gezeigten Brennkammer bei fortschreitender Einspritzung zu einer Flammausbreitung über den gesamten Einspritzstrahl. Unter
Bild 12-1 Metallglühstiftkerze entflammt Dieselspray unter Kaltstartbedingungen. Aufnahmen in einer Brennkammer. Die Glühstiftkerze entzündet zunächst einen kleinen Bereich des Einspritzstrahls. Mit Zunahme der Energiezufuhr entstehen mehrere solcher lokal begrenzter Flammkerne und führen bei weiterer Vermischung zur Entzündung des gesamten Einspritzstrahls. Quelle: RWTH Aachen/VKA
420 12 Start- und Zündhilfesysteme realen Bedingungen im Zylinder wird die Flammausbreitung zusätzlich durch die Verwirbelung (Drall) des Gemischs unterstützt. Die Wirksamkeit der Glühstiftkerze wird von ihrer Temperatur und der geometrischen Anordnung im Brennraum bestimmt. Die Erhöhung der mittleren Lufttemperatur durch die Glühstiftkerze im Zylinder spielt für die Glühzündung eine untergeordnete Rolle. Im kalten Motor kommt es aufgrund der lokalen Begrenzung der Glühzündung nicht immer zu einer vollständigen Verbrennung oder zu einem völligen Ausbleiben der Zündung des Kraftstoff-Luft-Gemischs (Zündaussetzer). Die Vollständigkeit der Verbrennung und die Durchbrenngeschwindigkeit hängen von den jeweiligen Zündbedingungen im Bereich des Glühstiftes ab. Eine hohe Durchbrenngeschwindigkeit verursacht einen schnellen Druckanstieg. Dies macht sich durch harte Verbrennungsgeräusche bemerkbar (Dieselnageln, siehe Bild 12-2, oben). Bei kaltem Motor variieren die Zündbedingungen und damit die Druckgradienten bei den einzelnen Kompressionstakten. Die Variation des Brennraumdruckgradienten resultiert in einer Modulation des Verbrennungsgeräusches. Eine Erhöhung der Oberflächentemperatur der Glühstiftkerzen führt zu einer nahezu vollständigen und langsameren
Verbrennung. Der dadurch erfolgende sanftere Druckanstieg hat ein leiseres Motorengeräusch zur Folge. Für einen komfortablen Kaltleerlauf kann abhängig vom jeweiligen Motorentyp eine Glühunterstützung von mehreren Minuten bei Temperaturen bis über 1150 °C erforderlich sein.
12.3 Start- und Zündhilfesysteme 12.3.1
Start- und Zündhilfesysteme für Pkw
Glühsysteme bestehen aus Glühstiftkerzen, einem Glühzeitsteuergerät und gegebenenfalls einer Glühsoftware. Bei konventionellen Glühsystemen werden Glühstiftkerzen mit einer Nennspannung (Spannung, bei der die GLP ihre Nenntemperatur erreicht) von 11 V verwendet, die direkt mit der Bordnetzspannung angesteuert werden. Niederspannungs-Glühsysteme erfordern Glühstiftkerzen mit Nennspannungen unterhalb 11 V, deren Heizleistung über ein elektronisches Glühzeitsteuergerät an die Anforderung des Motors angepasst wird. Der Glühvorgang besteht aus bis zu fünf Phasen. – Beim Vorglühen wird die GLP auf Betriebstemperatur erhitzt.
Bild 12-2 Glühtemperaturabhängigkeit des indizierten Mitteldruck- und Zylinderdruckverlaufs im Kaltleerlauf mit optimierter Zündstrahllage bei –20 °C bei einem 4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 16:1
12.3 Start- und Zündhilfesysteme 421 – Während des Bereitschaftsglühens hält das Glühsystem eine zum Start erforderliche GLP‑Temperatur für eine definierte Zeit vor. – Beim Motorhochlauf wird das Startglühen angewendet. – Nach dem Starterabwurf beginnt die Nachglühphase. – Das Zwischenglühen unterstützt die Dieselpartikelfilter regeneration oder vermindert die Rauchentwicklung bei Lastwechsel im ausgekühlten Motor.
12.3.1.1
Bordnetzspannungs-Glühsysteme
Bei konventionellen Bordnetzspannungs-Glühsystemen startet und beendet die Glühsoftware der EDC den Glühvorgang in Abhängigkeit von der Betätigung des Zündschalters und den in der Software abgelegten Parametern (z. B. Kühlwassertemperatur). Das GCU steuert nach den Vorgaben der EDC die Glühstiftkerzen mit Bordnetzspannung über ein Relais an. Die Nennspannung der Glühstiftkerzen beträgt 11 V. Damit ist die Heizleistung von der aktuellen Bordnetzspannung und dem temperaturabhängigen Widerstand (PTC) der GLP abhängig. Es ergibt sich dadurch ein Selbstregelverhalten der GLP. Eine motorlastabhängige Abschaltfunktion in der Glühsoftware der Motorsteuerung schützt die GLP sicher vor Überhitzung. Die Anpassung der Nachglühzeit an den Motorbedarf ermöglicht eine hohe Lebensdauer der GLP bei gleich bleibend guten Kaltlaufeigenschaften.
12.3.1.2
Niederspannungs-Glühsysteme
Bei Niederspannungssystemen werden die GLP so angesteuert, dass die Glühtemperatur optimal an die motorischen Anforderungen angepasst ist. Um beim Vorglühen die für den Motorstart erforderliche Glühtemperatur möglichst rasch zu erreichen, werden die Glühstiftkerzen in dieser Phase kurzzeitig mit der sog. Push-Spannung betrieben. Die Push-Spannung liegt oberhalb der Nennspannung der GLP. Während des Startbereitschaftsglühens wird dann die Ansteuerspannung auf die GLP‑Nennspannung abgesenkt. Beim Startglühen wird die Ansteuerspannung wieder angehoben, um die Abkühlung der Glühstiftkerze durch die kalte Ladeluft auszugleichen. Im Nach- und Zwischenglühbereich können die Kühleffekte der Ladeluft und die Heizeffekte der Verbrennung kompensiert werden. Die erforderliche Ansteuerspannung wird aus der Bordnetzspannung durch eine Pulsweitenmodulation (PWM) erzeugt. Dabei wird der zugehörige PWM‑Wert einem Kennfeld entnommen, das an den jeweiligen Motor im Rahmen der Applikation angepasst wird. Das Kennfeld enthält wichtige Parameter, die den Betriebszustand des Motors kennzeichnen wie z. B.: – die Motordrehzahl, – die Einspritzmenge (Last),
– die Zeit nach Starterabwurf und – die Kühlwassertemperatur. Bei hoher Motordrehzahl und geringer Einspritzmenge wird die Glühstiftkerze beim Ladungswechsel gekühlt, bei niedriger Motordrehzahl und hoher Einspritzmenge durch die Verbrennungswärme erhitzt. Die Ansteuerspannung wird abhängig von diesen beiden Parametern so gewählt, dass die für den Motorlauf notwendige Temperatur der Glühstiftkerze erreicht und die Glühstiftkerze nicht überhitzt wird. Die für einen leisen und emissionsarmen Motorlauf notwendige Glühstiftkerzentemperatur nimmt nach dem Starterabwurf kontinuierlich ab. Dies kann zur Erhöhung der GLP‑Lebensdauer durch eine kontinuierliche Absenkung der GLP‑Glühtemperatur in der Nachglühphase verwendet werden. Die Reduktion der GLP‑Temperatur und die Verkürzung der Nachglühzeit bei „warmem“ Kühlwasser – z. B. bei Pkw-DI-Motoren ab ca. 10 °C – verlängert die Lebensdauer der Glühstiftkerzen weiter.
12.3.1.3
Metall-Glühstiftkerzen
Bei Metall-GLP besteht der Glühstift aus einem Rohrheiz körper, der in einem Gehäuse (Bild 12-3, Pos. 5) gasdicht eingepresst ist. Der Rohrheizkörper besteht aus einem heißgas‑ und korrosionsbeständigen Glührohr aus Inconel oder Nicrofer (4), in den eine in verdichtetem Magnesiumoxidpulver (2) eingebettete Glühwendel eingebracht ist. Diese Glühwendel besteht i. d. R. aus zwei in Reihe geschal teten Metallwiderständen: aus der sich in der Glührohrspitze befindenden Heizwendel (1) und der Regelwendel (3). Die Heizwendel weist einen von der Temperatur unabhängigen elektrischen Widerstand auf. Die Regelwendel besitzt dagegen einen elektrischen Widerstand mit positivem Temperaturkoeffizienten (PTC); ihr Widerstand er höht sich mit zunehmender Temperatur. Moderne 11 VGlühstiftkerzen erreichen die zur Zündung des Kraftstoffs benötigte Oberflächentemperatur von 850 °C in ca. 4 s. Typischerweise können diese GLP mehrere Minuten nachgeglüht werden. Die Heizwendel ist zur Kontaktierung masseseitig in die Kuppe des Glührohrs eingeschweißt. Die Regelwendel ist am Anschlussbolzen kontaktiert, über den der Anschluss an das Glühzeitsteuergerät erfolgt. Beim Anlegen der Spannung an die Glühstiftkerze wird zunächst der größte Teil der elektrischen Energie in der Heizwendel in Wärme umgesetzt; die Temperatur an der Spitze der Glühstiftkerze steigt steil an. Die Temperatur der Regelwendel – und somit der Widerstand – erhöht sich zeitlich verzögert. Die Stromaufnahme der Glühstiftkerze verringert sich und die Temperatur nähert sich dem Behar-
422 12 Start- und Zündhilfesysteme
Bild 12-3 Aufbau einer Metallglühstiftkerze
rungszustand. Es ergeben sich die in Bild 12‑4 dargestellten Aufheizcharakteristiken. Der prinzipielle Aufbau und die Funktionsweise von Niederspannungs-Metallglühstiftkerzen entsprechen der 11 V‑Version. Die Heiz- und Regelwendel sind hier auf eine geringere Nennspannung und größere Aufheizgeschwindigkeiten ausgelegt. Die schlankere Bauform ist auf den beschränkten Bauraum bei Vierventilmotoren abgestimmt. Der Glühstift hat im vorderen Bereich eine Ver jüngung, um den Abstand Heizwendel – Glührohr zu reduzieren und damit den Wärmetransport von der Glühwendel an die Oberfläche der Glühstiftkerze zu beschleunigen. Dies ermöglicht mit dem hier angewandten Ansteuerprinzip „Push-Betrieb“ (Ansteuerung der GLP mit einer Spannung oberhalb der Nennspannung) Aufheizge schwindigkeiten von bis zu 330 °C/s. Die maximale Glühtem peratur liegt bei über 1000 °C, die Temperatur während des Startbereitschaftsglühens und im Nachglühbetrieb beträgt ca. 980 °C. Für Motoren mit einem Verdichtungsverhältnis von größer als 18:1 beträgt die typische Nachglühdauer bis zu 3 Minuten, für Motoren mit Verdichtungsverhältnissen kleiner als 18:1 verlängert sich diese auf bis zu 10 Minuten.
12.3.1.4
Keramik-Glühstiftkerzen
Moderne Pkw-Motoren mit niedrigem Verdichtungsverhältnis erfordern Glühstiftkerzen, die maximale Temperaturen von bis zu 1300 °C und lange Glühzeiten ohne Alterung bei über 1150 °C möglich machen. Der Wunsch nach ottomotorähnlichem Sofortstart auch bei sehr tiefen Temperaturen macht Aufheizgeschwindigkeiten von bis zu 600 °C/s notwendig (siehe Bild 12‑4).
Für die Kombination von hoher Thermoschock- und Heiß gaskorrosionsbelastung sind Glühstiftkerzen mit Si3N4‑basierten keramischen Heizern entwickelt worden (Bild 12‑5). Der keramische Heizer (1) besteht in der vorliegenden Ausführung aus elektrisch isolierendem Si3N4, in das elekt risch hochleitfähige Zuleitungen (2) und ein innen liegender Heizleiter (3) mit PTC‑Effekt eingebettet sind. Im Gegensatz zu metallischen Glühstiftkerzen ist hier die Heiz- und Regelfunktion im Heizleiter kombiniert. Der Heizer ist in einem Metallrohr (4) fixiert und gasdicht in ein Gehäuse (5) eingepresst. Die elektrische Kontaktierung des + Pols ist über einen Anschlussbolzen (6) realisiert. Die Masseverbindung zum Motorblock wird über das Metallrohr und das Gehäuse hergestellt. Durch die Anpassung des Heizerwiderstandes entstehen 11 V und Niederspannungsvarianten. Die Ansteuerung keramischer Glühstiftkerzen über das Glühzeitsteuergerät erfolgt analog zu metallischen GLP. Das bei metallischen Glühstiftkerzen oft zu beobachtende Absinken der Glühtemperatur durch Alterung und damit die allmähliche Verschlechterung des Kaltstart- und Kaltlaufverhaltens ist bei keramischen Varianten kaum zu beobachten. Selbst bei konstant sehr hohen Glühtemperaturen von 1200 °C verringert sich die Glühtemperatur nach 3000 Betriebsstunden typischerweise um weniger als 50 °C.
12.3.1.5
Glühzeitsteuergeräte
Aufgabe eines Glühzeitsteuergerätes (GCU) ist die Ansteuerung und die Überwachung der Glühstiftkerzen. Hierfür gibt es unterschiedliche Konzepte: – Abhängig von der Betriebsspannung der Glühstiftkerzen werden Relais (für 11 V Systeme) oder Transistoren (Nie derspannungssysteme) als Leistungsschalter verwendet.
12.3 Start- und Zündhilfesysteme 423
Bild 12-4 Aufheizcharakteristik verschiedener Metallglühstiftkerzen und einer keramischen Glühstiftkerze
Bild 12-5 Keramische Glühstiftkerze mit innenliegendem Heizleiter
– Die Bestromung der Glühstiftkerzen kann über eine Zuleitung für alle GLP oder Zuleitungen für jede einzelne GLP erfolgen. – Das GCU kann abhängig (Glühsoftware und Parameter in der EDC, Bild 12‑6) oder unabhängig (autarke Systeme, Software und Parameter im GCU) von der EDC betrieben werden. Als Leistungsschalter für 11 V Systeme werden typischerweise Relais verwendet. Dabei dient das Relais ausschließlich als Ein- und Ausschalter für die GLP. Die Heizleistung des
Glühsystems wird dadurch von der aktuellen Bordnetz spannung und dem temperaturabhängigen elektrischen Widerstand der Glühstiftkerze bestimmt. Dies kann sich besonders nachteilig bei sehr tiefen Temperaturen auswirken, da bei schwacher Batterie im Startvorgang ein Spannungseinbruch auf bis zu 7–8 V zu einer deutlichen Verminderung der Glühleistung der GLP führt. Glühzeitsteuergeräte für Niederspannungssysteme ermöglichen die gezielte Spannungssteuerung der Glühstiftkerzen über Pulsweitenmodulation (PWM) der Bordnetzspannung. Das Verhältnis von Ein- und Ausschalten der
424 12 Start- und Zündhilfesysteme
Bild 12-6 Glühsystem mit nicht autarkem GCU. Es wird durch ein Motorsteuergerät mit hinterlegtem Kennfeld ange- steuert
Bordnetzspannung durch den Leistungsschalter im GCU ermöglicht das Einstellen einer Effektivspannung an der Glühstiftkerze. Der erforderliche Effektivwert wird einem motorspezifischen Kennfeld entnommen. Dadurch kann die Heizleistung des Glühsystems perfekt an die dynamischen motorischen Anforderungen angepasst werden. Zusätzlich ermöglicht diese Art der Ansteuerung auch eine Bordnetzspannungskorrektur, d. h. die Tastrate des PWM Signals passt sich an die Höhe der Bordnetzspannung an. Zur Modulation der Bordnetzspannung steigen die Anforderungen an den Leistungsschalter in Bezug auf die Schaltgeschwindigkeit und Schalthäufigkeit. Daher sind Halbleiterschalter (Power MOSFET) erforderlich. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, eine zeitlich versetzte Ansteuerung der Glühstiftkerzen zu realisieren. Dies reduziert die Maximalbelastung des Bordnetzes während der Kaltstart- und Nachglühphase auf ein Minimum. Da Niederspannungsglühstiftkerzen typisch unter 7 V betrieben werden, hat ein Einbruch der Bordnetzspannung im Startvorgang keinen nennenswerten Einfluss auf die Glühleistung. Werden alle Glühstiftkerzen parallel über eine Leitung angesteuert, kann dies sehr hohe Schaltströme bis zu 300 A zur Folge haben. Der Ausfall einer einzelnen Glühstiftkerze kann bei dieser Art der Beschaltung nicht diagnostiziert werden. Daher werden die Glühstiftkerzen oftmals mit je einer Leitung angesteuert, wodurch eine Einzeldiagnose der Glühstiftkerzen ermöglicht wird. Die Einzelkerzenüberwachung ist Vorraussetzung für moderne Diagnosekonzepte wie OBDII, die in Zukunft gefordert werden.
Der Glühvorgang wird bei autarken Systemen von Sensor informationen gesteuert, die den Zustand des Motors beschreiben. Nach Aktivierung des Steuergeräts über den Zündschalter wird die Kühlwassertemperatur ausgewertet. Die Glühstiftkerzen werden nur angesteuert, wenn die EDC eine Freigabe erteilt (Master‑Slave). Alle Informationen zur Steuerung des Glühvorgangs sind in dem GCU in einem Mikroprozessor abgelegt oder werden über Schnittstellen bezogen. Zum Schutz der Glühstiftkerze vor Überhitzung wird bei der Überschreitung einer kritischen Einspritzmenge der Nachglühvorgang verkürzt. Diese Geräte können auch die Ansteuerung der Diagnoseanzeige im Fahrzeug übernehmen. Nicht autarke Glühzeitsteuergeräte steuern nach den Vorgaben des Motorsteuergeräts die Glühstiftkerzen an und geben Diagnoseinformationen an dieses zurück.
12.3.2
Start- und Zündhilfesysteme für Nkw
Großvolumige Dieselmotoren werden üblicherweise mit vorgewärmter Ansaugluft gestartet. Reicht dies nicht aus, können zusätzlich leichtflüchtige und zündwillige Kohlenwasserstoffe (z. B. Startpilot) in den Luftfilter gespritzt werden. Das Vorwärmen der Ansaugluft erfolgt mit Anheizkerzen, Heizflanschen oder Flammstartkerzen, die in den Ansaugtrakt eingebaut werden. Anheizkerzen und Heizflansche arbeiten nach dem Fönprinzip, d. h. die kalte Luft wird an möglichst großen und heißen Metallflächen vorbeige-
12.4 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren 425 führt und dabei erwärmt. Sie senken die natürliche Startgrenze eines Dieselmotors um 3 bis 5 °C. Mit Flammstartkerzen kann diese Grenze um 8 bis 12 °C nach unten verschoben werden, da sie nicht nur die Ansaugluft erwärmen, sondern auch reaktionsfreudige Radikale erzeugen, die mit der Ansaugluft in den Brennraum gelangen. Flammstartkerzen bestehen aus 1 bis 3 parallel geschalteten Glühstiften, an deren heißer Oberfläche Dieselkraftstoff verdampft und teilweise verbrannt wird. Die Oberfläche wird meist durch mehrere um die Glühstifte gewickelte Lagen eines Drahtsiebes vergrößert. Das Ausblasen der Flamme durch die Ansaugluft verhindern Schutzhülsen, die die Glühstifte und die Sieblagen umgeben. Der Dieselkraftstoff wird über spezielle, dem Hubvolumen des Motors entsprechende Spaltdrosseln den Flammstartkerzen zugeführt. Heizflansche und Anheizkerzen haben einen großen Bedarf an elektrischer Leistung, der im Bereich von 1 bis 3 kW liegt.
12.4 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren Bei kalten Dieselmotoren entstehen ohne zusätzliche Maßnahmen aufgrund einer unvollständigen Verbrennung des Kraftstoffs vermehrt HC und Ruß. Dies macht sich durch sichtbaren Rauch (Abgastrübung) bemerkbar. Zusätzlich tritt verstärktes Dieselnageln auf. Ziel ist es, durch zusätzliche Zündhilfsmittel Emissionen und Geräuschentwicklung auf ein möglichst geringes Niveau abzusenken.
12.4.1
Verdichtungsverhältnis 18:1
Die Reduktion der Abgastrübung (Lichtdurchlässigkeit) durch Glühstiftkerzen und eine Optimierung der Einspritzstrahllage sind in Bild 12‑7 dargestellt. Im betrachteten Zeitraum bis 220 s nach Kaltstart bewirkt ein Abschalten der Glühstiftkerzen eine deutliche Erhöhung der Abgastrübung. Langes Nachglühen verringert die Kaltleerlaufemissionen. Der übliche Nachglühzeitbereich für Metall‑GLP beträgt abhängig von motorischen Randbedingungen bis zu 180 s. Die Nachglühzeit von keramischen GLP kann ohne Lebensdauer
Bild 12-7 Abgastrübung in Abhängigkeit von der Zündstrahllage und der Nachglühzeit bei einer Voreinspritzung. 2,2 l, 4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 18:1 bei –20 °C
426 12 Start- und Zündhilfesysteme verlust je nach Bedarf des Motors mehrere Minuten betragen. Dadurch kann die Gesamtabgastrübung bei Verwendung von Keramik-Glühstiftkerzen verringert werden. Bei dem vorliegenden Common Rail‑Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 18:1 wird die Abgastrübung durch eine optimierte geometrische Anordnung von Glühstiftkerze und Einspritzstrahl von über 60% auf unter 20% verringert. Der Einspritzstrahl wird nahe an der heißen GLP vorbeigeführt. Der Drall der angesaugten Luft lenkt das Kraftstoff-Luft-Gemisch zusätzlich in Richtung der GLP. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich zündfähiges Gemisch in der Nähe der GLP befindet; die Verbrennung wird stabilisiert, die Abgastrübung nimmt ab. Bei Kaltstarts mit optimierter Einspritzstrahllage und Glühstiftkerzentemperaturen oberhalb 900 °C ist die Motorstartzeit (Zeit zwischen Drehzahlanstieg des Motors und dem Erreichen von 800 min–1) bis –20 °C unabhängig von der GLP-Temperatur. Der Kraftstoff verbrennt bei der ersten Einspritzung gut, der Motor läuft rasch hoch. Für eine kurze Motorstartzeit ist in diesem Fall vorrangig das Zusammenspiel von Einspritzmenge und Raildruck (300–600 bar) von Bedeutung. Die Gesamtstartzeit, Vorglühzeit plus Motorstartzeit, ist vor allem bei tiefen Temperaturen < 0 °C bei Niederspannungs‑GLP signifikant kürzer als bei GLP in Bordspannungsauslegung (Bild 12‑8). Dies ist auf die sehr kurze Aufheizzeit der Niederspannungs‑GLP zurückzuführen.
12.4.2
Verdichtungsverhältnis 16:1
Eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses (ε) ermög licht eine Steigerung der spezifischen Motorleistung kW/ Hubraum bei gleichem Verbrennungsspitzendruck durch Erhöhen des Ladedrucks und der Einspritzmenge. Gleichzeitig können die Ruß/NOX‑Emissionen im Warmlauf signifikant reduziert werden, wie Motorversuche an stationären Betriebspunkten zeigen. Als problematisch ist dagegen der Themenkomplex Kaltstart bzw. Kaltleerlauf im Zusammenhang mit einer Absenkung des Verdichtungsverhältnisses zu sehen. Die Motorstarttemperatur, ab der ein Kaltstart ohne Starthilfesystem möglich ist, erhöht sich aufgrund der geringeren Kompressionsendtemperatur um ca. 10 °C (Vergleich zwischen 18:1 zu 16:1). Zusätzlich nimmt durch eine ε‑Absenkung die Abgastrübung im Kaltleerlauf deutlich zu. Ursache ist das schlechtere Durchbrennen des Kraftstoffs aufgrund der geringeren Kompressionsendtemperatur. Die Abgastrübungswerte im Kaltleerlauf hängen bei einem Verdichtungsverhältnis von 16:1 stark von der Glühstiftkerzentemperatur und der Glühzeit ab (Bild 12‑9 und 12‑10). Die mittleren Temperaturen der verwendeten GLP im Zeitraum 0 bis 35 s nach Starterabwurf betragen 950 °C (11 V Metall‑GLP), 1010 °C (5 V-Metall‑GLP) und 1200 °C (Keramik‑GLP). Die niedrige mittlere Glühtemperatur der
Bild 12-8 Gesamtmotorstartzeit in Abhängigkeit von der GLP-Aufheizgeschwindigkeit und der Umgebungstemperatur
12.4 Kaltstart-, Kaltlaufverhalten und Kaltlaufemissionen bei Pkw-Motoren 427 11 V Metall‑Glühstiftkerze ist darauf zurückzuführen, dass beim Start die Bordnetzspannung einbricht (hier auf 7 V) und der Generator i. d. R. erst ca. 3 s nach Motorstart hochläuft. Somit wird die 11 V‑Metall-Glühstiftkerze während des Startvorgangs mit einer Spannung unterhalb ihrer Nennspannung betrieben und die Glühtemperatur fällt ab. Die Abkühlung der 11 V GLP während des Startvorgangs bewirkt die Zunahme der Abgastrübung bei einer Reduktion des Verdichtungsverhältnisses von 18:1 auf 16:1 nach Starterabwurf von unter 20% auf ca. 40% (siehe Bild 12‑7 und 12‑9). Niederspannungs-Glühstiftkerzen können dagegen auch während des Startvorgangs so angesteuert werden (Uansteuer ≥ UNenn-GLP), dass sie nicht abkühlen. Deshalb zeigen die Niederspannungssysteme nach Starterabwurf bei abgesenktem Verdichtungsverhältnis (ε = 16) und 2 Voreinspritzungen vergleichbare Abgastrübungen wie 11 V GLP bei ε = 18 und einer Voreinspritzung. Die Abgastrübungskurven der Metall‑GLP nähern sich nach dem Start im Kaltleerlauf wieder an, da sich deren Glühtemperaturen angleichen. Die Temperatur der 11 V Metall‑GLP nimmt durch den Anstieg der Bordspannung nach Starterabwurf zu. Ist die GLP‑Oberflächentemperatur im gesamten Messintervall höher als 1150 C° (TKeramik-GLP) bleibt die Abgastrübung deutlich unter 20% und nimmt mit zunehmender Kaltleerlaufzeit aufgrund der Motorerwärmung weiter ab.
Nach Glühende steigen die Abgastrübungen deutlich an, Verbrennungsaussetzer bzw. verspätete Verbrennungen treten auf. Die im Vergleich zu Metall‑Glühstiftkerzen höhere Lebensdauer von Keramik-Glühstiftkerzen kann hier zu einer erheblichen Verlängerung der Nachglühzeiten genutzt werden. Dadurch kann die Abgastrübung in der Warmlaufphase signifikant reduziert werden. Bild 12‑10 zeigt den Einfluss der über dem Zeitintervall 0 bis 35 s nach Motorstart gemittelten GLP‑Oberflächentemperatur auf die im selben Zeitraum kumulierte relative Abgastrübung (11 V Metall-Glühstiftkerze = 100%). Es wird deutlich, dass die Abgastrübung im Temperaturbereich unterhalb 1100 °C stark von der Glühstiftkerzenoberflächentemperatur abhängt und oberhalb 1150 °C sich nicht weiter verbessert. Die Ergebnisse zeigen: Erst eine Optimierung der Einspritzstrategie und der Zündstrahllage in Kombination mit hohen Glühtemperaturen in allen Glühphasen sowie langen Nachglühzeiten reduziert die Abgastrübungswerte auch bei abgesenktem Verdichtungsverhältnis auf sehr niedrige Werte. Gleichzeitig kann die Geräuschentwicklung (Dieselnageln) verringert werden.
Bild 12-9 Abgastrübung in Abhängigkeit von den Glühstiftkerzeneigenschaften und der Nachglühdauer bei zwei Voreinspritzungen und optimierter Zündstrahllage. 2,2 l, 4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 16:1 bei –20 °C
428
12 Start- und Zündhilfesysteme
Bild 12-10 Einfluss der GLP-Oberflächentemperatur auf die relative Abgastrübung mit zwei Voreinspritzungen. 2,2 l, 4 Zylinder Common Rail-Motor mit einem Verdichtungsverhältnis von 16:1 bei –20°C
Zusammenfassung:
Literatur
Für eine Absenkung des Verdichtungsverhältnisses auf H = 16,0 werden folgende Anforderungen an das Glühsystem/Einspritzsystem gestellt: a) hohe Oberflächentemperatur der Glühstiftkerze (1150 °C), auch bei Abfall der Bordnetzspannung, b)langes Nachglühen (je nach Warmfahrcharakteristik ca. 2 bis 15 min), c) optimierte Einspritzstrategie, d)optimale Lage Zündstrahl / Glühstiftkerze.
12-1 Reichenbach, M.: Neuer 2,2 l Dieselmotor mit Verdichtungsverhältnis 15,8:1: MTZ 9 (2005) 66, S. 638
Weiterführende Literatur Tafel, St.: Entwicklung eines Brennverfahren für kleine, drallfreie Direkteinspritzer-Dieselmotoren. VDI Fortschritts-Berichte 377, Diss. 1998 Robert Bosch GmbH (Hrsg.): Dieselmotor-Management. 4. Aufl. Wiesbaden: Vieweg 2003
13 Ansaug- und Abgasanlagen
13.1
Luftfilter
13.1.1
Anforderungen
Luftfilter haben die Aufgabe, den in der Ansaugluft enthaltenen Staub vom Eintritt in den Motor fernzuhalten. Sie verhindern dadurch vorzeitigen Motorenverschleiß. Über das Luftfilter wird außerdem das Ansauggeräusch des Motors gedämpft. Der Staubgehalt der Luft ist von den Einsatzgebieten und den Straßenverhältnissen abhängig. Tabelle 13-1 enthält eine Übersicht der mittleren Staubkonzentrationen, Bild 13-1 die Korngrößenverteilungen verschiedener Praxisstäube. Zum Vergleich wurden hierin auch zwei genormte Teststäube eingezeichnet, die bei Luftfilterversuchen im Labor verwendet werden [13-1]. Sowohl die Staubkonzentrationen als auch die Korngrößenverteilungen differieren je nach Einsatzgebieten um Größenordnungen voneinander. Diese Daten sind für die Auslegung von Luftfiltern für unterschiedliche Anwendungsfälle wichtig; sie erlauben eine Vorausschätzung der zu erwartenden Standzeiten. Staub, der mit der Ansaugluft in den Motor eintritt, verursacht an gleitenden Systemen Abrieb. Kritische Stellen
sind Zylinderlaufbuchsen, Kolben und Kolbenringe, Kurbelwellen und Pleuellager, Ventile und Dichtungen. Der Verschleiß an diesen Teilen wirkt sich negativ auf die Lebensdauer des Motors aus. Bild 13-2 zeigt den mit einem Staubprüfstand gemessenen prozentualen Verschleiß an drei verschiedenen kritischen Stellen des Motors, einmal ohne Luftfilter, mit einem älteren Luftfiltertyp – dem sog. Ölbadluftfilter – und mit einem Papierluftfilter. Den wirksamsten Verschleißschutz bieten Papierluftfilter mit einer deutlichen Verschleißminderung. Neben der pauschalen Kenntnis der Verschleißminderung verschiedener Luftfiltertypen ist noch der Einfluss der Partikelgrößen für die Auslegung wichtig. Bild 13-3 zeigt die Verschleißanteile verschiedener Partikelgrößenbereiche als Verhältnis des Staubverschleißes zu dem Grundverschleiß ohne Staubeinwirkung am Beispiel eines Kolbenringes in einem Dieselmotor. Die Staubkonzentration der Ansaugluft beträgt 2,3 mg/m³. Die stärkste Verschleißzunahme gegenüber dem Basisverschleiß ohne Staubzugabe bewirkt die 5- bis 10-µm- Fraktion, gefolgt von der 10- bis 20-µm-Fraktion. Ein Luftfilter muss deshalb diese Fraktionen mit Sicherheit aus der Ansaugluft ausfiltrieren.
Tabelle 13-1 Mittlere Staubkonzentrationen Einsatzbedingungen
in mg/m3
normaler europäischer Straßenverkehr außereuropäischer Straßenverkehr Gelände (Baustelleneinsatz) Busse mit Heckansaugung im normalen europäischen Straßenverkehr Busse mit Hecnansaugung im außereuropäischen Straßenverkehr Baumaschinen (Radlader, Raupen) landwirtschaftliche Schlepper im mitteleuropäischen Raum landwirtschaftliche Schlepper im außereuropäischen Raum Mähdrescher im Kolonnenbetrieb
0,6 3 8 5 30 35 5 15 35
430
13 Ansaug- und Abgasanlagen
Bild 13-1 Korngrößenverteilungen von Praxisstäuben. Kurve a: auf Baustellen; Kurve b: auf unbefestigten Straßen; Kurve c: auf befestigten Straßen; Kurve d: auf außereuropäischen Staubstraßen; Kurve e: bei sandsturmartigen Verhältnissen
Bei Motoren mit ATL ist zu beachten, dass neben dem abrasiven Verschleiß durch Staubpartikel sich auch Ablagerungen von Feinstaub auf den Wänden des Verdichters bilden können. Diese führen zu einer Verringerung des Wirkungsgrades des Verdichters [13-4]. Eine sehr feine Filterung, wie sie technisch durchaus möglich ist, lässt sich i. Allg. aus Platz- und Kostengründen nicht durchführen. Das Einspritzen von Flüssigkeiten während des Betriebs stellt hierfür eine wirkungsvolle Maßnahme zur Reinigung der Oberflächen im Verdichter von abgelagertem Feinstaub dar. Für die Filterauslegung werden Richtwerte für Abscheidungsgrad und Standzeit aus langjährigen Praxiserfahrungen zugrunde gelegt, die guten Schutz vor Verschleiß und ausreichende Betriebsdauer ergeben. Missachtung dieser Werte führte zu geminderten Abscheidleistungen und nicht genügender Staubkapazität. Dies ist dann besonders kritisch, wenn die Motoren in staubreicher Umgebung betrieben werden.
Im Fahrzeugbau ist außerdem noch zu beachten, dass die Einbauräume knapp bemessen sind, sodass Größe und Bauform des Filters vielfach den Bauräumen angepasst werden müssen. Weiterhin ist zu beachten, dass Luftfilter einer Wartung bedürfen. Hierfür ist gute Zugänglichkeit zum Filter bei möglichst einfacher Handhabung vorzusehen.
13.1.2
Filtermaterialien und Leistungsdaten
Als Filtermaterialien für Luftfilter werden überwiegend Faserstoffe auf der Basis von Zellulose und Kunststoffen eingesetzt. Filter dieser Art haben meist auswechselbare Elemente und werden als Trockenluftfilter bezeichnet. Daneben werden noch sog. Nassluft- und Ölbadluftfilter verwendet, bei denen Öl einen wichtigen Part bei der Abscheidung der Staubpartikel übernimmt. Die Abscheideleistungen dieser Filter sind jedoch geringer als diejenigen der Trockenluftfilter. Dazu kommt noch, dass die Abscheidungsgrade abhängig vom Lastzustand sind. Bei abnehmendem Volumenstrom
13.1 Luftfilter
431
Bild 13-2 Verschleißminderung durch Luftfilterung an Bauteilen des Motors [13-2]
Bild 13-3 Kolbenringverschleiß durch verschiedene Staubpartikelfraktionen [13-3]
nimmt auch der Abscheidungsgrad ab. Nassluft- und Ölbadfilter sind jedoch zu reinigen und benötigen bei der Wartung kein Austauschelement. Trockenluftfilter haben einen in allen Lastbereichen gleichbleibend hohen Abscheidungsgrad. Sie bieten eine einfache Wartung durch Austauschen des Filterelements, sind unabhängig von der Einbaulage und können flexibel an die Motorbetriebsbedingungen angepasst werden. Die Filterelemente der Trockenluftfilter bestehen aus technischen Spezialpapieren oder Vliesen mit genau festgelegten Zusammensetzungen, Faserstrukturen und Porengrößen. Sie haben weltweit einen hohen und gleichmäßigen Qualitätsstandard und ein günstiges Preis/Leistungsverhältnis. Die Filterleistung wird festgelegt durch den Fraktionsabscheidungsgrad, den Gesamtabscheidungsgrad, die Staubkapazität sowie den Durchflusswiderstand. Der Fraktionsabscheidungsgrad gibt den Prozentsatz an, zu dem eine bestimmte Partikelgröße abgeschieden wird, während der Gesamtabscheidungsgrad den Prozentsatz der Abscheidung aller Partikelgrößen, bezogen auf einen Teststaub, angibt. Die Staubkapazität ist definiert als die Menge des Staubes, die von einem Filter bis zu einem vorgegebenen Durchflusswiderstand aufgenommen wird. Diese Begriffe sind in Normen [13-5], [13-6] mit den dazugehörigen Prüfverfahren definiert.
Diese Leistungsdaten sind abhängig von der Struktur des Filtermaterials, der Anströmgeschwindigkeit und dem zugelassenen Widerstandsanstieg während des Betriebs. Zusätzlich ist für die Staubkapazität natürlich noch die Filterfläche maßgebend. Als Richtwerte für die Auslegung der Papierluftfilter mit bewährten und vorwiegend verwendeten Materialien, haben sich aus der Praxiserfahrung folgende Daten ergeben: Pkw: >2500 cm2/m3/min oder 200 cm2/kW, Nfz: >4000 cm2/m3/min oder 320 cm2/kW. Je nach Einsatzgebiet, Motorentyp sowie Filtermaterial können diese Werte erheblich streuen, so dass sie nur Mittelwerte darstellen. Für Großmotoren gelten die gleichen Auslegungskriterien wie für Nfz-Motoren. (Die Angabe der spezifischen Fläche in cm2/m3/min entspricht dem Kehrwert der Anströmgeschwindigkeit.) Bild 13-4 enthält für Pkw- und Nfz-Trockenluftfilter typische Funktionsdaten. Mit dem Ansaugvolumenstrom nimmt der Durchflusswiderstand quadratisch zu, der einen Anfangswert von 10 bis 30 mbar nicht übersteigen soll, um den Motorbetrieb nicht zu beeinflussen und Reservekapazität für die Staubabscheidung zu haben. Das rechte Diagramm liefert Angaben zum Gesamtabscheidungsgrad und zur Staubkapazität des Filters. Diese Werte wurden durch
432
13 Ansaug- und Abgasanlagen
Bild 13-4 Typische Kennlinien von Papierluftfiltern für Pkw und Nfz (spezifische Filterflächen: 2500 bzw. 4000 cm²/m³/min)
13.1.3
Bild 13-5 Luftfilter für Personenkraftwagen
normgerecht durchgeführte Versuche [13-6] mit den angegebenen Nenn-Volumenströmen und grobem SAE-Teststaub bestimmt. Die kleineren spezifischen Flächen bzw. die höheren Anströmgeschwindigkeiten führen bei den PkwLuftfiltern zu geringeren Gesamtabscheidungsgraden und kleineren Staubkapazitäten. Diese sind jedoch ausreichend für die speziellen Einsatzbedingungen des Pkw. Die kleinere spezifische Flächenauslegung bei Pkw-Luftfiltern ist ein guter Kompromiss zwischen der notwendigen Filterfunktion und den beengten Raumverhältnissen unter der Motorhaube von Pkw sowie den dort im Mittel herrschenden geringeren Staubkonzentrationen.
Bauformen
Trockenluftfilter enthalten als zentrales Filterelement einen auswechselbaren Filtereinsatz aus gefaltetem Filtermittel, das zu einem Flach- oder Rundfilter mit den dazugehörigen Dichtungen geformt ist. Das Filtermittel ist fast ausnahmslos mit einem Kunstharz imprägniert, um ausreichende Festigkeit gegenüber thermischen, mechanischen und chemischen Beanspruchungen zu erhalten. Weiterhin sind zur mechanischen Stabilisierung des Filterpapierbalges Abstandshalter oder Rillen in die Papierfalten eingeprägt. Bedingt durch die unterschiedlichen Einbau- und Anbauverhältnisse bei Pkw- und Nfz-Motoren unterscheiden sich die Luftfilter im Aufbau. Das in Bild 13-5 dargestellte typische Pkw-Luftfilter besteht aus einem Rechteckgehäuse aus Kunststoff (Polypropylen oder Polyamid) mit einem rechteckigen flachen Papiereinsatz. Der Einbau des Filters erfolgt unmittelbar am Motor oder im Seitenbereich des Motors als sog. Radkastenfilter. Die Filtereinsätze werden nach Erschöpfung in dem von den Motorenherstellern festgelegten Wartungsintervall ausgewechselt. Für jeden Motortyp müssen Pkw-Luftfilter gesondert entwickelt und abgestimmt werden, um Leistung, Kraftstoffverbrauch, Drehmomentverlauf und Ansauggeräuschdämpfung zu optimieren. Auch für Nutzkraftfahrzeuge kommen vorwiegend Papierluftfilter zum Einsatz; in einigen wenigen Fällen auch die weniger wirksamen, doch regenerierbaren Ölbadluftfilter. Sie sind trotz des geringeren Verschleißschutzes dann von Vorteil, wenn die Versorgung mit Ersatzeinsätzen nicht gesichert ist (s. Abschn. 17 u. 18). Der prinzipielle Aufbau eines Ölbadluftfilters ist aus Bild 13-6 zu ersehen. Über ein zentrales Mittelrohr wird die Luft
13.1 Luftfilter
433
Bild 13-6 Ölbadluftfilter für Dieselmotoren
angesaugt und durch ein Ölbad im unteren Teil des Filtergehäuses nach Umlenkung um 180° nach oben in die Filterfüllung geleitet. Die Luft durchströmt dabei den unteren ölbenetzten und danach den oberen trockenen Bereich der Filterfüllung zum Reinluftaustritt. Damit erreicht man einen Abscheidungsgrad von 99% bei Volllast mit abnehmender Tendenz im Teillastbereich. Die Auslegung der Ölbadluftfilter muss genau auf die Ansaugluftmenge des Motors abgestimmt sein. Eine Überbzw. Unterdimensionierung führt zu Ölmitreißen bzw. zu geringeren Abscheidungsgraden. Die Auslegung und Anbaurichtlinien der Hersteller sind deshalb korrekt zu beachten. Eine Standardausführung eines Trockenluftfilters für Nfz ist in Bild 13-7 dargestellt. Sie enthält ein zylindrisches Papierelement mit einem im Gehäuse integrierten Zyklon zur Verlängerung der Standzeit und damit des Wartungsintervalls. Die Luft wird im Zyklon über einen Leitschaufelkranz in Rotation versetzt, wobei ein Großteil des Grobstaubes infolge der Fliehkräfte ausgeschieden wird. Der vorabgeschiedene Staub gelangt über Staubaustragventile ins Freie oder wird in einem Staubsammelbehälter aufgefangen. Welche Möglichkeit jeweils geeigneter ist, hängt von der Pulsation der Ansaugluft ab. Bei stärkeren Pulsationen haben sich Staubaustragventile als einfache und gute Lösung erwiesen. Die Vorabscheidungsgrade einfacher Zyklone erreichen 85%, bezogen auf Staub nach SAE grob. Das entspricht einer Standzeitverlängerung um etwa das Vierfache.
Bild 13-7 Kombinationsluftfilter für Nutzkraftfahrzeuge (MANN & HUMMEL)
Sie kann durch als sog. Kleinzellen bezeichnete Vorzyklone noch gesteigert werden, die sowohl vor Trocken- als auch vor Ölbadluftfilter angeordnet werden können. Damit sind Vorabscheidegrade bis zu 95% erreichbar. Ein Beispiel eines einfachen Standard-Vorzyklons für Nfz-Motoren ist in Bild 13-8 dargestellt. Er wird auf das Rohluftrohr des Luftfilters aufgesteckt bzw. befestigt und sammelt den ausgetragenen Staub in einen umgebenden durchsichtigen Behälter. Für größere stationäre Dieselmotoren, die in geschlossenen Räumen oder auf Schiffen betrieben werden, ist die Staubbelastung relativ gering. In diesen Fällen begnügt man sich mit einfachen Nassluftfiltern: Ein von außen nach innen durchströmter zylindrischer Filterkörper aus Stahlgestrick, Streckmetall oder Kunststoffe wird zur Erhöhung der Wirksamkeit mit Öl benetzt. In neuerer Zeit werden auch bei stationären Dieselmotoren vermehrt Trockenluftfilter in gleicher Bauweise wie für Nfz-Motoren wegen ihrer hohen Abscheideleistung eingesetzt.
434
13 Ansaug- und Abgasanlagen
einer entsprechenden Dämpfungskurve für ein Pkw-Luftfilter zeigt Bild 13-9. Hierin sind sowohl der theoretische Verlauf als auch zwei gemessene Verläufe dargestellt. Die auftretende Resonanzfrequenz f0 hängt gemäß der Beziehung
Bild 13-8 Zyklon- Vorabscheider für Nutzkraftfahrzeuge
13.1.4
Ansauggeräuschdämpfung
Die Dämpfung des Ansauggeräusches von Dieselmotoren in Pkw und Nfz ist eine wichtige Maßnahme zur Erfüllung der gesetzlichen Auflagen hinsichtlich des Fahrzeug-Gesamtgeräusches. Auch aus Gründen des Fahrkomforts ist es notwendig, das Innengeräusch, das durch das Ansauggeräusch sehr stark beeinflusst wird, im Pegel möglichst niedrig zu halten. Die Dämpfung des Ansauggeräusches erfolgt dadurch, dass das Luftfilter als Reflexionsschalldämpfer in der speziellen Form des Helmholtz-Resonators ausgebildet ist. Ein Helmholtz-Resonator besteht aus einer Dämpferkammer mit angeschlossenem Rohrstück. Den charakteristischen Verlauf
von der Schallgeschwindigkeit c der Luft, vom Volumen V des Resonators, der Länge l und dem mittleren Querschnitt S des Ansaugrohres ab. Bei Resonanz wird der Schall ver– stärkt, ab f = f0 √2 nimmt die Dämpfung mit steigender Frequenz zu. Um eine möglichst gute Dämpfung zu erreichen, muss f0 möglichst unterhalb der im Betrieb auftretenden Frequenzen liegen. Das kann mit einer Vergrößerung des Luftfiltervolumens, mit Verkleinerung des Ansaugquerschnitts oder mit einer Verlängerung des Ansaugrohres erreicht werden [13-8]. Als Richtwert für Viertaktmotoren gilt, dass das Volumen eines Dämpferfilters wenigstens das Fünfzehnfache, besser noch das Zwanzigfache des Hubvolumens eines Zylinders betragen soll. Damit werden i. Allg. Dämpfungen von 10 bis 20 dB(A) erreicht. Die Verengung des Ansaugquerschnittes und die Verlängerung des Ansaugrohres stoßen wegen der Widerstandserhöhung bzw. der Raumverhältnisse schnell an Grenzen. Das Ansauggeräusch eines Dieselmotors kann bis zu 100 dB(A) betragen. In Bild 13-10 ist das ungedämpfte Ansauggeräusch eines Nfz-Dieselmotors der erreichten Verbesserung mit einem Standardluftfilter gegenübergestellt. Es lassen sich weitere Verbesserungen erzielen, wenn Länge und Anordnung der Ansaugleitung sowie die Abmessung des Filtergehäuses aufeinander abgestimmt werden.
Bild 13-9 Schalldämpfung eines Ansauggeräuschdämpfers (Helmholtz-Resonator)[13-7]. Kurve a: theoretischer Dämpfungsverlauf (f0 = 66 Hz); Kurve b: gemessener Dämpfungsverlauf bei kleiner Schallenergiedichte ohne Gleichströmung (Lautsprechermessung); Kurve c: gemessener Dämpfungsverlauf bei großer Schallenergiedichte mit Gleichströmung (Messung am Motor)
13.2 Abgasanlagen Die erreichte zusätzliche Dämpfung ist für das dargestellte Beispiel ebenfalls aus Bild 13-10 zu entnehmen. Die Wirkung eines Luftfilterdämpfers kann durch zusätzlich auftretende Resonanzen im Filtergehäuse oder im Ansaugrohr erheblich beeinträchtigt werden (s. Bild 13-9). In diesen Fällen, in denen das Luftfilter allein nicht mehr das gewünschte Maß an Ansauggeräuschdämpfung erbringt, werden zusätzliche Geräuschdämpfer verwendet. Die akustischen Eigenschaften der hierfür geeigneten wichtigsten Schalldämpfertypen sind in Tabelle 13-2 aufgelistet. Mit solchen Zusatzschalldämpfern lassen sich störende Einzelgeräusche sehr gezielt angehen und dämpfen. Diese lassen
435
sich häufig auch so in das Luftfiltergehäuse integrieren, dass platzsparende und kostengünstige Lösungen entstehen.
13.2
Abgasanlagen
13.2.1
Aufgaben und grundsätzlicher Aufbau
Abgasanlagen übernehmen im Kraftfahrzeug im Wesentlichen drei Aufgaben: – Abführung des bei der Verbrennung des KraftstoffLuftgemisches im Motor entstehenden heißen Abgases ins Freie,
Bild 13-10 Ansauggeräusch eines SechszylinderNfz-Dieselmotors von 147 kW [13-9]
Tabelle 13-2 Akustische Eigenschaften der wichtigsten Schalldämpferarten Dämpferart
Eigenschaften
Absoprtionsdämpfer
breitbandig; geeignet für mittleren und höheren Frequenzbereich von ca. 300 bis 5000 Hz
Drosseldämpfer
breitbandig; geeignet für mittleren und höheren Frequenzbereich
Reihenresonator
schmalbandige Dämpfung im Bereich oberhalb der Resonanzfrequenz f0; geeignet für Frequenzen bis etwa 500 Hz
Abzweigresonator
schmalbandige Dämpfung im Bereich oberhalb der Resonanzfrequenz f0; geeignet für tiefe und mittlere Frequenzen; Parallelschaltung verschieden abgestimmter Resonatoren mögliche
Pfeifenresonator
schmalbandige Dämpfung bei den Frequenzen f = C (2m + 1)/4 l; m = 0, 1, 2, …l =
Interferenzdämpfung durch Umwegleitung
sehr schmalbandige Dämpfung bei den Frequenzen f = C (2m + 1)/4 l; m = 0, 1, 2, …l = Weglängendifferenz; sehr hohe Dämpfungswerte mögliche
436 13 Ansaug- und Abgasanlagen – Reinigung des Abgases von schädlichen chemischen Komponenten und Partikeln, zur Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen, – Dämpfung des Abgasgeräusches auf das gesetzliche Mindestmaß [13-12] und darüber hinaus Gestaltung im Sinne des vom Kunden gewünschten Sound Designs. Hierfür sind bei den Abgasanlagen folgende Komponenten vorgesehen: – Abgaskrümmer zur Zusammenfassung der Abgase nach Austritt aus den Ventilen, – Katalysatoren und Diesel-Partikelfilter (DPF) zur Ab gasnachbehandlung, s. Abschn. 15.5, – Schalldämpfer zur Minderung und Beeinflussung des Abgasgeräusches, – Verrohrung zur Führung des Abgases bis zum Auslass in die Umgebung. Bei Motoren mit Abgasrückführung (AGR), s. Abschn. 15.4, wird zusätzlich ein Abgasrückführventil in die Abgasanlage integriert. Bei Dieselmotoren mit Abgasturbolader (ATL), dient der Abgaskrümmer auch als Zuströmkanal zur Abgasturbine. Abgas- wie Ansauganlage haben über den Ladungswechsel erheblichen Einfluss auf die Motorleistung bzw. das Drehmoment. Hierbei sind besonders die ersten Reflexio nen der beim Auslassvorgang entstehenden Druckwellen an motornahen Rohreinbauten wie Abgaskrümmer und Katalysatoren von Einfluss und verlangen eine sorgfältige Abstimmung. Der Abgasgegendruck soll bei Dieselmotoren mit ATL ein gewisses Maß nicht überschreiten, s. Abschn. 2.2, so dass hier besonders auf einen niedrigen Strömungswiderstand zu achten ist. Das betrifft auch die Abgasschalldämpfer. Daher werden bei sehr leistungsstarken Motoren mit entsprechend starkem Abgasmassenstrom mitunter zweiflutige Abgasund Schalldämpferanlagen eingesetzt. Dies bedeutet, dass das Abgas entweder schon vom Krümmer an durch zwei Rohrstränge geführt wird, z. B. bei V-Motoren, oder es findet im mittleren Bereich der Abgasanlage z. B. im Mittelschalldämpfer (MSD) eine Auftrennung des Abgasstromes statt. In diesen Fällen wird das Abgas meist 2 Nachschalldämpfern (NSD) zugeführt. Die unterschiedliche Gasführung hat jedoch wiederum erheblichen Einfluss auf das akustische Übertragungsverhalten der Abgasanlage. Die schalltechnische Auslegung wird darüber hinaus in den meisten Fällen durch die Platzverhältnisse am Fahrzeugunterboden erschwert, da die Lage und maximale Größe der Schalldämpfer häufig bereits zu Beginn der Entwicklung vorgegeben ist. Die Funktionsentwicklung einer Abgasanlage ist daher neben der Abgasreini-
gung ein für die Entwicklung typischer Optimierungsprozess der von folgenden z. T. konträren Parametern beeinflusst wird: – Gegendruck und damit Motorleistung, – Schalldämpfervolumen und -gewicht, – Schalldruckpegel an der Mündung sowie – auch von den Systemkosten.
13.2.2
Mündungsgeräuschdämpfung
13.2.2.1
Allgemeine Zusammenhänge
Die Hauptursache des Abgasgeräuschs liegt im pulsieren den Gasausstoß aus den Zylindern. Dabei entsteht in Ab hängigkeit von der Zündfolge der Zylinder und durch Laufzeitunterschiede im jeweiligen Abgaspfad ein spezifisches Frequenzspektrum. Man spricht hierbei von Motorordnungen (MO). Für einen einzelnen Zylinder ist im Viertaktmotor die 0.5te MO dominierend, da das Kraftstoff-Luft-Gemisch bei jeder zweiten Kurbelwellenumdrehung gezündet und anschließend ausgestoßen wird. Beim Mehrzylindermotor addieren sich diese Ordnungen der einzelnen Zylinder. Somit dominiert die 2. MO bei Vierzylindermotoren, die 3. MO bei Sechszylindermotoren usw. Diese jeweils dominierende MO wird auch Zündfrequenz genannt. Der Klangcharakter wird nun grundlegend durch das Amplitudenverhältnis der Motorhauptordnung (Zündfrequenz) und den Nebenordnungen (halbe, gerade und ungerade MO) bestimmt. Dieses Verhältnis ist seinerseits abhängig von der Zündfolge und der akustischen Ausbreitung der Geräuschbeiträge der einzelnen Zylinder bis zu einer gemeinsamen Abgasführung, also insbesondere vom Krümmer. Die Frequenz der Wechseldruckschwankungen infolge von MO ist stets direkt proportional der Motordrehzahl. Bild 13-11 zeigt den Frequenzverlauf der Motorordnungen MO eines Viertaktmotors. Eine Drehzahl von 3000 U/min eines Viertaktmotors entspricht somit bei der 1. MO oder auch Drehfrequenz von hier 50 Hz sowie bei einem 4-Zylinder-Motor einer Zündfrequenz von 100 Hz. Insgesamt liefern bei einem typischen Fahrzeug-Dieselmotor die MO wesentliche Beiträge zum Mündungsschall nur in einem Frequenzbereich von etwa 30 bis 600 Hz. Weiterhin entstehen beim Ausstoß sowie der Weiterleitung des Abgases jedoch auch erhebliche Strömungsgeräusche, die ebenfalls bedämpft werden müssen. Diese sind durch eine spektrale Breitbandigkeit gekennzeichnet und reichen im Unterschied zu den Pulsationsgeräuschen auch in den hohen Frequenzbereich bis etwa 10 kHz. Grundsätzlich ist die Stärke von Strömungsgeräuschen überproportional an die Strömungsgeschwindigkeit gekoppelt. Durch
13.2 Abgasanlagen
437
Bild 13-11 Motorordnungen bei 4-Taktmotoren
Vermeidung zu hoher Gasgeschwindigkeiten in Rohren, Umlenkungen und beim Ein- und Ausströmen kann man daher diesen Geräuschanteil schon an der Quelle wirkungsvoll absenken. Insgesamt bildet die Abgasanlage an einem Verbrennungsmotor mit allen Rohren und angekoppelten Volumen der Schalldämpfer und Katalysatoren ein schwingungsfähiges System mit zahlreichen akustischen und mechanischen Eigenresonanzen. Die geometrische Lage der Schalldämpfer ist dabei für die Lage der Eigenfrequenzen und die Höhe der Dämpfung von großer Bedeutung [13-13]. Häufig betrachtet man zur Analyse des Mündungsgeräusches nur noch die wichtigen Ordnungen und trägt die Pegel der Ordnungen in Abhängigkeit von der Drehzahl auf. In Bild 13-12 sind für alle Drehzahlen und Frequenzen die Schalldruckpegel eines 6-Zylinder-Dieselmotors als Campell-Diagramm dargestellt. Hier erkennt man sehr schön die wesentlichen Motorordnungen 3, 6 und 9 als dunkle Bereiche sowie eine schwache, durch Strömungsgeräusche angeregte Resonanz bei etwa 1000 Hz. Die gezielte Abstimmung der Eigenfrequenzen der gesamten Abgasanlage geschieht heute bei Pkw durch computergestützte Berechnungen. Entsprechende kommerziell erhältliche Softwarepakete gestatten die Modellierung von Ansauganlage, Verbrennungsmotor und Abgasanlage sowie die Berechnung des Ladungswechsels innerhalb einer Anwendung [13-14]. Als Ergebnisse stehen u. a. die Temperaturen und Drücke in der Abgasanlage sowie der Mündungsschall in jedem interessierenden Motorbetriebspunkt (Drehzahl und Last) zur Verfügung. Durch konsequente Nutzung statistischer Verfahren, wie z. B. Design of Experi-
ment (DoE) und Verknüpfung diverser Softwaretools, ist heute eine automatisierte akustische Auslegung von Abgasanlagen Stand der Technik in der Entwicklung [13-15]. Beim Aufbau von Schalldämpfern unterscheidet man grundsätzlich nach den physikalischen Prinzipien der Absorption und Reflexion. Weiterhin werden Schalldämpfer jedoch auch danach unterteilt, ob sich die akustische Wirkung durch ein Schaltelement während des Betriebs ändert (semiaktive Schalldämpfer) oder der Schall direkt mit einem
Bild 13-12 Campbell-Diagramm des Schalldruckpegels gemessen an der Mündung eines typischen 6-Zylinder-Dieselmotors
438
13 Ansaug- und Abgasanlagen
Schallerzeuger durch Wellenüberlagerung ausgelöscht wird (aktive Schalldämpfer). Unter diesen Gesichtspunkten werden konventionelle Absorptions- und Reflexions-Schalldämpfer auch als passive Schalldämpfer bezeichnet. Andererseits funktionieren semiaktive und aktive Schalldämpfer letztlich nach dem Reflexionsprinzip.
13.2.2.2
Absorptions-Schalldämpfer
Von Absorption spricht man in der Akustik, wenn Schallenergie durch Reibung der Gasmoleküle untereinander oder an Strukturen in Wärme umgewandelt wird. Die Reibung zwischen den Gasmolekülen ist in Luft relativ gering, so dass die sog. Luftabsorption meist vernachlässigbar ist. Die Reibung an Strukturen ist umso größer, je größer die Oberfläche des Materials ist. Poröse und faserige Materialien wie z. B. Wolle und Schaum absorbieren daher besonders gut, weil die Luftteilchen gut in das Material eindringen und an den vielen dünnen Fasern bzw. vielen kleinen Poren stark reiben. Die Wirksamkeit dieses akustischen Effekts wird mit dem Absorptionsgrad gemessen, der als Verhältnis der absorbierten zur auftreffenden Schallleistung definiert ist. Im Allgemeinen nimmt die Absorption ebenso wie die Schalldämpfung von tiefen zu hohen Frequenzen zu. Als Absorptionsmaterial dient manchmal Glaswolle; wegen der besseren Temperaturbeständigkeit wird aber meist eher langfaserige Basalt- oder Steinwolle mit einer Stopfdichte von etwa 100 Gramm pro Liter Volumen verbaut. Bild 13-13 zeigt den typischen Aufbau eines gestopften Absorptionsschalldämpfers, durch den ein perforiertes Rohr führt, im Unterschied zu einem konventionellen
Reflexions-Schalldämpfer und einer Kombination aus beiden Prinzipien. Durch die Formgebung der Perforation und die Führung des Rohres durch die Wolle wird dafür Sorge getragen, dass das Material von der Pulsation des Abgases trotz der hohen Strömungsgeschwindigkeiten nicht ausgeblasen werden kann. Gelegentlich schützt man die Mineralwolle mit einer Lage Edelstahlwolle um das perforierte Rohr. Auf Grund der breitbandigen Wirkung im mittleren und hohen Frequenzbereich werden Absorptions-Schalldämpfer besonders zur Reduzierung von Strömungsgeräuschen eingesetzt.
13.2.2.3
Reflexions-Schalldämpfer
Schalldämpfer dieser Bauart bestehen aus verschieden langen Kammern, die durch Rohre miteinander verbunden sind. Die Querschnittssprünge zwischen Rohren und Kammern, sowie die Umlenkungen des Abgases und die sich aus den Verbindungsrohren mit den Kammern bildenden Resonatoren produzieren eine besonders für tiefe Frequenzen wirksame Dämpfung. Jede Umlenkung und jedes Ein- und Ausströmen im Reflexions-Schalldämpfer verursacht aber einen höheren Abgasgegendruck und bedingt i. d. R. daher einen höheren Leistungsverlust als Absorptionsdämpfer mit gerade geführter Strömung. Auch Katalysatoren und Partikelfilter müssen als akustische Elemente angesehen und angepasst werden. Durch geschickte Formgebung der Einströmtrichter des Katalysators, wobei auch die Rohrführung vor dem Element berücksichtigt werden muss, erreicht man eine gleichmäßige Beaufschlagung bei gleichzeitiger Steigerung von Dauerhaltbarkeit und Wirksamkeit.
Bild 13-13 Prinzipieller Aufbau von Schalldämpfern
13.2 Abgasanlagen 439 Zur Beseitigung einer besonders störenden tieffrequenten Resonanz im Mündungsgeräusch einer Schalldämpferanlage (z. B. Anfahrbrummen) werden wie in der Ansauganlage Abzweig- oder auch Saugresonatoren nach dem HelmholtzPrinzip eingesetzt. Hierbei wird über einen seitlichen, nicht vom Gas durchströmten, Anschluss am gasführenden Hauptrohr Schallenergie in ein abgedichtetes Volumen geführt, dort zwischengespeichert und anschließend zeitversetzt dem Hauptgasstrom wieder zugesetzt. Bei der Resonanzfrequenz ist der Zeitversatz genau so groß, dass sich beide Schallwellen auslöschen. Die Strömungsgeschwindigkeit wirkt sich beim Helmholtz-Resonator allerdings negativ auf die Wirkung aus. Sie können daher nur an Stellen mit niedriger Geschwindigkeit angebracht werden. Da der Helmholtz-Resonator nur bei einer Frequenz wirkt, steht das Volumen nicht für die Dämpfung anderer Frequenzen bzw. bei anderen Drehzahlen zur Verfügung, s. Abschn. 13.1. Hinzu kommt, dass für seine Wirkung meist eine recht hohe Dichtigkeit erforderlich ist, so dass dieses Prinzip nur in Problemfällen eingesetzt wird. Bild 13-14 stellt den fiktiven Aufbau eines konventionellen, passiven Schalldämpfers mit diversen Möglichkeiten zur Schalldämpfung dar.
13.2.2.4
Semiaktive Schalldämpfer
Eine gute akustische Dämpfungswirkung kann man durch teilweises Versperren des Strömungsweges erreichen. Verschließt man z. B. durch eine Abgasklappe (Bild 13-15) eines von zwei Schalldämpferendrohren, dann sinken die tieffrequenten Mündungsgeräusche im Vergleich zu einer Anlage ohne Abgasklappe um bis zu 10 dB, was einer Halbierung der empfundenen Lautstärke entspricht. Tieffrequente Mündungsgeräusche treten hauptsächlich bei Stadtfahrten und verstärkt im Schubbetrieb auf (etwa vor Ampeln). Bei hoher Drehzahl und Last (z. B. schnelle Fahrt auf der Autobahn), wenn ohnehin Roll- und Fahrgeräusche überwiegen, steht jedoch die Verringerung des Abgasgegendrucks im Vordergrund. Dazu wird die Klappe geöffnet. Das Gas strömt dann durch beide Endrohre, das Strömungsgeräusch wird reduziert, der Abgasgegendruck sinkt und der Motor kann seine volle Leistung entfalten. Es gibt über Druck und Strömung selbstgesteuerte Klappen und extern angesteuerte Klappen. Diese externe Ansteuerung erfolgt über eine Schnittstelle zur Motorelektronik. Dadurch ist diese Technologie deutlich flexibler in der last- und drehzahlabhän-
Bild 13-14 Fiktiver Schalldämpfern zur Darstellung von verschiedenen passiven Dämpfungsmechanismen
440 13 Ansaug- und Abgasanlagen
Bild 13-15 Aktiv geschaltete Abgasklappe an einem Endrohr eines Nachschalldämpfers
gigen Wahl des Umschaltpunktes. Somit bieten sich erheblich mehr Möglichkeiten der kennfeldabhängigen Soundgestaltung. Außerdem ist der durch eine extern gesteuerte Klappe verursachte Gegendruck meist geringer, als bei einer durch die Strömung betätigten Klappe. Selbstverständlich ist aber auch der technische Aufwand erheblich größer als bei selbst gesteuerten Klappen, weshalb sie nur in anspruchsvollen Applikationen zum Einsatz kommen.
13.2.2.5
sich schnell ändernden Drehzahlen und Lastzustände des Motors den Einsatz eines prozessorgestützten Reglers (Controller). Mit neu entwickelten leistungsfähigen und preiswerten Schallwandlern sind auf diesem Gebiet jedoch wesentliche Forschritte bei Kfz erzielt worden [13-16]. Darüber hinaus kann man feststellen, dass sich diese Technologie auf Grund der bei Dieselmotoren im Vergleich zu Benzinmotoren i. Allg. geringeren Abgastemperaturen besonders anbietet. Ein weiteres Problem wurde durch Fortschritte in der Mikroelektronik und deren massenhafter Verbreitung in der Fahrzeug- und Konsumgüterindustrie in den letzten Jahrzehnten gelöst: Die nötige Controller-Hardware ist inzwischen derart klein und leistungsfähig, dass sie z. B. in heute übliche Motorsteuergeräte integriert werden kann oder als kleines separates Steuergerät mit diesem über ein Standardbus (CAN, MOST) kommuniziert (Bild 13-16). Neben der Auslöschung von Schallwellen und somit der reinen Schalldämpfung kann das ANC-System auch bestimmte – zum Beispiel angenehme Frequenzen (Motorordnungen) – anheben, um ein gewünschtes Klangbild (Sound Design) zu erzielen. So lassen sich auch Fahrzeuge mit unattraktivem oder unauffälligem Sound akustisch aufwerten. Dies geschieht allein über Softwareeinstellungen. Im Gegensatz zu konventionellen Abgasanlagen mit passiven Schalldämpfern kann dadurch in Zukunft das Abgasgeräusch in gewissen Grenzen unabhängig vom Motor, dem Fahrzeugtyp und/oder der Fahrsituation adaptiert werden.
Aktive Schalldämpfer (ANC)
Das Wirkprinzip von aktiver Lärmbekämpfung (englisch: active noise control – ANC) ist einfach: Zu den störenden Schallwellen erzeugt man gezielt ein negatives Spiegelbild und überlagert beide Anteile an einem Punkt. In der Folge löschen sich die Schallwellen gegenseitig aus. Grundsätzlich eignet sich diese Technologie besonders zum Einsatz in Schalldämpfern, da man die Ausbreitung der Wellen dort gut vorhersagen kann und es sich hauptsächlich um tieffrequente Geräusche handelt. Ein Lautsprecher dient dabei meist als Quelle des gegenphasigen Geräuschs. Für die zeitliche Koordinierung und richtige Stärke des Antischalls muss eine verlässliche und schnelle Elektronik sorgen. Um die Funktionsfähigkeit eines Anti-Schallsystem sicherzustellen, müssen aber einige grundsätzliche Probleme gelöst werden: Die in Abgasanlagen herrschenden Umgebungsbedingungen (Hitze, Feuchtigkeit, hohe Schalldruckpegel) beeinträchtigen die Lebensdauer des Lautsprechers, der das Gegengeräusch erzeugt. Außerdem erfordern die
Bild 13-16 Prinzipschaltbild der ActiveSilence-Technologie™
13.2 Abgasanlagen 441
13.2.3
Körperschallabstrahlung von Abgasanlagen
Neben dem Schall aus der Endrohrmündung strahlt eine Abgasanlage auch über ihre Oberfläche Schall ab. Diese Körperschallabstrahlung wird durch Vibrationen hervorgerufen, die ihrerseits durch mechanische Anregung vom Motor oder dem Turbolader erzeugt werden können oder über die pulsierende Gassäule erzwungen werden. Die Weiterleitung von Körperschall, der vom Motor oder dem Turbolader über Rohre zu den Schalldämpfern gelangt, kann durch Körperschall-Entkopplungselemente im motornahen Bereich wirkungsvoll unterdrückt werden. Zur Reduzierung der Abstrahlung von Körperschall über den Mantel eines Gehäuses (Schalldämpfer, Katalysator, Diesel-Partikelfilter) bestehen technisch mehrere Möglichkeiten: – Erhöhung der Wandstärke des Bleches, – Verwendung von Doppelblech sowie – Optimierung der äußeren Gestalt. Eine dickere Wand führt infolge der Massenerhöhung und Versteifung der Struktur meist auch zu einer Verringerung der Körperschallabstrahlung. Damit wird aber stets die Abgasanlage schwerer und teurer, so dass man von dieser Möglichkeit nur ungern Gebrauch macht. Bei Doppelblech kommt es auf Grund der bei Schwingungen auftretenden Relativbewegung zwischen den zwei Blechlagen zu Reibung, die ebenfalls die Körperschallabstrahlung mindert. Teilweise wird zur thermischen Isolierung sowie zur weiteren Verbesserung der Entkoppelung beider Lagen auch eine Vlieslage eingebracht. Diese Lösung ist jedoch technisch aufwendig und mechanisch nicht so stabil wie Einfachblech. Bei Schalldämpfern, die aus Halbschalen gefertigt sind, kann die Optimierung der äußeren Form zu einer Vermeidung von hörbaren Strukturresonanzen beitragen. Dabei sind jedoch häufig Kompromisse bezüglich der Bauraumausnutzung, der Dauerhaltbarkeit und der Herstellbarkeit der Werkzeuge einzugehen. Somit verbleibt es eine jeweils im Einzelfall zu lösende Entwicklungsaufgabe, welcher der genannten Lösungen der Vorzug zu geben ist.
13.2.4
Sound Design
Neben technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten spielen beim Kauf eines Automobils auch emotionale Aspekte eine erhebliche Rolle. Diese Emotionen werden über die sinnliche Erfahrung wie zum Beispiel den empfundenen Klang angesprochen. Bei hochwertigen Produkten insbesondere mit ausgeprägt sportlichem Charakter kommt es daher darauf an, sich auch im „Sound“ positiv von Fahrzeugen anderer Hersteller abzuheben. Das Mündungsgeräusch einer
Abgasanlage hat neben der Ansauganlage einen wesentlichen Einfluss auf den akustischen Gesamteindruck eines Fahrzeugs. Dies gilt im Außenbereich für Passanten ebenso wie im Innenraum für Fahrer und Insassen des Automobils. Auf Grund des geforderten Geräuschkomforts sowie der gesetzlichen Anforderungen sind einer simplen Anhebung der Lautstärke zur Betonung der Sportlichkeit klare Grenzen gesetzt. Bei den Herstellern von Abgasanlagen beschäftigt man sich daher umfassend damit, wie bei gleichem oder ähnlichem Pegel ein besonders ausgeprägter Klangeindruck entsteht [13-17]. Im Rahmen eines gezielten Sound Designs wird das Geräusch von Abgasanlagen in intensiven Hörversuchen im Soundstudio schrittweise optimiert. Um den Wünschen der potenziellen Kunden möglichst weitgehend zu entsprechen, sind die Anforderungen der Automobilhersteller je nach Positionierung im Marktsegment sowie Motor- und Fahrzeugtyp stark differenziert. Im Gegensatz zu Benzinmotoren sind dem Sound Design mit Abgasanlagen bei Dieselmotoren jedoch enge Grenzen gesetzt, da durch den häufig verwendeten Abgasturbolader sowie den für die Abgasreinigung nötigen Diesel-Partikelfilter (DPF) der Gaspulsation emotional interessante Geräuschkomponenten genommen werden. Dies stellt bis heute ein nicht zu unterschätzenden Hinderungsgrund zur Einführung von Dieselmotoren in sportlichen Pkw dar.
13.2.5
Bauformen
Abgasanlagen im Pkw sind je nach Fahrzeugart, Motorisierung und Unterboden recht unterschiedlich aufgebaut. Bild 13-17 zeigt oben eine einflutige Anlage eines für einen 4-Zylinder-Diesel-Motor mit dem vom Turbolader kommenden Vorrohr, Katalysator, luftspaltisoliertem Zwischenrohr, DPF und einem größeren Nach-Schalldämpfer. Der DPF übernimmt hier gleichzeitig die Funktion des Mittel-Schalldämpfers. Das Zwischenrohr ist isoliert, um das Abgas mit möglichst hoher Temperatur dem DPF zuzuführen, weil dadurch eine thermische Regeneration des mit Ruß beladenen Filters einfacher möglich ist. In der unteren Hälfte ist eine zweiflutige Abgasanlage eines V8-Biturbolader-Motors dargestellt. Durch die Strangtrennung sind jeweils zwei Katalysatoren, Dieselpartikelfilter und Nachschalldämpfer vorgegeben. Statt des Mittel-Schalldämpfers gibt es lediglich eine kleine Übersprechstelle im Mittelteil der Abgasanlage. Eine besonders innovative Lösung für eine kompakte Abgasanlage eines Kleinwagens mit 3-Zylinder-DieselMotor zeigt Bild 13-18. Hier wurden der Katalysator, DPF und der Schalldämpfer in ein Gehäuse integriert. Prinzipiell sind Abgasanlagen für Nutzfahrzeuge ähnlich denen von Pkw aufgebaut. Da aber die verwendeten Motoren üblicherweise hubraumstärker sind, haben die Schalldämp-
442 13 Ansaug- und Abgasanlagen
Bild 13-17 Aufbau von zwei Abgasanlagen für Pkw mit 4- und 8-Zylinder-Dieselmotor
große Oberfläche dieser Schalldämpfer kann hier neben dem Mündungsgeräusch selbst die Körperschallabstrahlung eine Rolle beim gesetzlich limitierten Vorbeifahrtgeräusch spielen.
Literatur
Bild 13-18 Aufbau einer extrem kompakten Abgasanlage für einen kleinen Pkw mit 3-Zylinder-Dieselmotor
fer größere Volumen von bis zu 1000 Liter. Allerdings sind auch hier den Dimensionen der Schalldämpfer durch die Platzverhältnisse im Fahrzeug Grenzen gesetzt. Da die gesetzlich vorgeschriebenen Geräuschgrenzwerte für Nutzfahrzeuge über denen von Personenkraftwagen liegen, und das akustische Verhalten sich erheblich von Personenwagen unterscheidet, reicht i. d. R. ein groß dimensionierter Schalldämpfer aus, der bei heutigen Nutzfahrzeugen auch Katalysatoren und gegebenenfalls Partikelfilter enthält. Durch die
13-1 Erdmannsdörfer, H.: Trockenluftfilter für Fahrzeugmotoren – Auslegungs- und Leistungsdaten. MTZ 43 (1982) 7/8, S. 311–318 13-2 James, W.S.; Brown, B.G.; Clark, B.E.: Air cleaner – oil filter Protection, Critical factor in Engine wear. SAE Journal 1952, S. 18–26 13-3 Thomas, G.E.; Culbert, R.M.: Ingested Dust, Filters and Diesel Engine Ring Wear. SAE Paper 680536 (1968) 13-4 Schropp, G.: Versuche über Entstehung und Auswirkung der Verschmutzung in Verdichtern. Brown Boveri Mitteilungen Bd. 55, Nr. 8 13-5 DIN 71450: Filter für Kraftfahrzeuge und Verbrennungsmotoren: Begriffe für Filter und Komponenten. Deutscher Normenausschuß (Hrsg.), Ausgabe (1990) 5 13-6 Entwurf DIN ISO 5011: Luftfilter für Verbrennungsmotoren und Kompressoren; Prüfverfahren. Deutscher Normenausschuß (Hrsg.), Entwurf (1992) 5 13-7 Blumenstock, K.-U.: Motorenfilter. In: Die Bibliothek der Technik Bd. 31. München: Moderne Industrie 1989
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13-16 Krüger, J.; Castor, F.; Jebasinski, R.: Aktive AbgasSchalldämpfer für PKW – Chancen und Risiken. Fortschritte der Akustik – DAGA 2005, S. 21–22 13-17 Heil, B.; Enderle, Ch.; Bachschmid, G.; Sartorius, C.; Ermer, H.; Unbehaun, M.; Zintel, G.: Variable Gestaltung des Abgasmündungsgeräusches am Beispiel eines V6-Motors. Motortechnische Zeitschrift MTZ (2001) 10, S. 787–797 13-18 Krüger, J.; Castor, F.: Zur akustischen Bewertung von Abgasanlagen. Fortschritte der Akustik – DAGA 2002, S. 188–189 13-19 Krüger, J.; Castor, F.; Müller, A.: Psychoacoustic investigation on sport sound of automotive tailpipe noise. Fortschritte der Akustik – DAGA 2004, S. 233–234
14 Abwärmeverwertung
14.1
Grundlagen der Abwärmenutzung
14.1.1
Vorbemerkung
Wenngleich die in den siebziger Jahren in der gesamten Bevölkerung bewusst gewordene Endlichkeit der Vorräte an fossilen Energieträgern wieder etwas in den Hintergrund getreten ist, so wird durch die Auswirkungen des Schadstoffeintrags aber auch des CO2-Eintrags in die Erdatmo sphäre doch immer wieder die Notwendigkeit einer langfris tig zielorientierten, umweltschonenden Energiepolitik deutlich. Beide Problembereiche – Ressourcenschonung und Vermeidung von Umweltschäden – erfordern künftig in verstärktem Ausmaß ein Vorgehen, das versucht, das reichlich vorhandene Potenzial von Energieeinsparmöglichkeiten auszuschöpfen und darüber hinaus regenerative, d. h. nicht erschöpfliche Energieträger verstärkt zu nutzen. Beide Ziele sind dabei nicht sequentiell, sondern zeitlich nebeneinander, also parallel, zu verfolgen. Sowohl im Sinne der Primärenergieeinsparung als auch im Sinne der Schonung der Umwelt gilt es also zu prüfen, welche Arten von Abwärme bei der dieselmotorischen Verbrennung anfallen und wie diese sinnvoll genutzt werden können.
14.1.2
– Abwärme, die von der Motoroberfläche an die Umgebung als Strahlungs- und Konvektionswärme abgegeben wird. Während die Abgaswärme durch den Ladungswechsel im Auslassvorgang abgeführt wird, müssen alle anderen Abwärmen zwangsweise mit Hilfe von Kühlmitteln (Wasser, Öl oder Luft) abgeführt werden. Diese an verschiedenen Stellen des Motors anfallenden Wärmen (Bild 14‑1) werden für eine Nutzung mit unterschiedlichem Aufwand an Wasser als Wärmeträgermedium übertragen. Während die Übertragung der Kühlwärmen in
Abwärme von Dieselmotoren
Bedingt durch ihre Entstehung können folgende Arten von Abwärmen unterschieden werden: – Abwärme aus dem Abgas bedingt durch den Ladungs wechsel, – Abwärme, die als Kühlwärme zum Schutz der metallischen Wandungen entsteht, wie Zylinderkühlung, Kolbenküh lung, ggf. Kühlung des ATL-Turbinengehäuses und die Ölkühlung als Lager- und Innenwandkühlung, – Abwärme aus der Ladeluftkühlung, die zur Steigerung der Motorleistung und des effektiven Wirkungsgrades dient,
Bild 14-1 Äußere Wärmebilanz und Abwärmen eines Dieselmotors
14.1 Grundlagen der Abwärmenutzung 445 Wasser/Wasser- bzw. Luft/Wasser-Wärmeübertragern prob lemlos erfolgt, gestaltet sich die Übertragung der Wärme des mit Staub- und Rußpartikeln beladenen Abgases in einem Gas/Wasser-Wärmeübertrager doch etwas aufwendiger, s. Abschn. 9.2.5.5. Die vom Motor abgegebene Strahlungs- und Konvektionswärme wird üblicherweise durch Be- und Entlüftung der Motorumgebung abgeführt. Sie kann aber grundsätzlich auch, was allerdings in sehr wenigen Fällen ausgeführt wurde, mit Hilfe einer Luft/Wasser-Wärmepumpe abgeführt und genutzt werden. Neben der Unterscheidung der einzelnen Arten der Abwärmen von Dieselmotoren hinsichtlich der Wärmeabfuhr und der Wärmeübertragung weisen die unterschiedlichen Abwärmen auch entsprechend dem Ort der Ent stehung im Motor unterschiedliche Temperaturniveaus auf. So fällt die Abgaswärme, die Abwärme mit dem höchsten Temperaturniveau, im Bereich von 300 °C bis 500 °C an, je nach Art und Größe des Motors. Die Austrittstemperaturen des Motorkühlwassers liegen üblicherweise im Bereich von 75 °C bis 95 °C. Während die Wassertemperaturen im Ladeluftkühler bzw. im Niedertemperatur-Ladeluftkühler bei mehrstufiger Ladeluftkühlung bei 30 °C bis 40 °C liegen, können hier die Wassertemperaturen im HochtemperaturLadeluftkühler das Temperaturniveau des Motorkühlwassers erreichen. Ebenfalls im Bereich des Temperaturniveaus des Motorkühlwassers oder geringfügig darunter liegen üblicherweise die Wassertemperaturen zur Kühlung der Schmierölwärme.
14.1.3
Bestimmung der Abwärmeleistungen
Leistungsbilanz eines Dieselmotors Zur Bestimmung der Abwärmeleistungen von Dieselmotoren können die folgenden Beziehungen herangezogen werden: Für die äußere Wärmebilanz des Dieselmotors gilt PB = Pe + ΦA + ΦK + ΦR . Danach entspricht die als Brennstoff- oder Kraftstoffleis tung PB zugeführte Wärme Φzu dem Produkt aus Brennstoffmassenstrom m ˙ B und Heizwert Hu Φzu = PB = m ˙ B · Hu , der Summe aus effektiver (mechanischer) Leistung Pe, der mit dem Abgas abgeführten Wärmeleistung ΦA, der Kühlleis tung ΦK und dem im Restglied ΦR enthaltenen Verlust durch Strahlung und Konvektion an die Umgebung. Dabei umfasst die gesamte Kühlleistung ΦK ΦK = ΦZK + ΦÖK + ΦLLK
(14-1)
die vom Motor (Zylinder) abgegebene Kühlwärme ΦZK sowie die im Ölkühler (ΦÖK ) und im Ladeluftkühler (ΦLLK ) anfallenden Wärmeströme.
Abgaswärmeleistung ΦA Mit Bezug auf die durch den Umgebungszustand (pU, TU) gegebene Systemgrenze gilt für die Abgaswärmeleistung nach Austritt Turbolader (Index L: Luft; Index A: Abgas) ausgedrückt durch die Enthalpiedifferenz unter Einsatz der jeweiligen spezifischen Enthalpie h in (kJ/kg): ΦA = m ˙ A hA – m ˙ L hL = m ˙ A [hA – (1/d0)hL] . Das Massenstromverhältnis 1/d0 = m ˙ L/m ˙ A folgt mit dem minimalen Luftbedarf Lmin und dem Gesamt-Luftverhältnis λV der Verbrennung aus 1/d0 = Lmin/(1 + lVLmin) .
(14-2)
Davon sind im Abgaswärmetauscher (Index AK) nutzbar ΦAK = m ˙ A hAWT (hA1 = hA2] , wobei für den Gütegrad des Abgaswärmetauschers ηAWT = 0,95…0,98 und die Abgastemperaturen TA1 = TA – 5 K bzw. TA2 = 160…180 °C (zur Vermeidung von Nasskorrosion) eingesetzt werden kann. Werte für die spezifischen Enthalpien h von Luft und Abgas bezogen auf den absoluten Nullpunkt sind der Auftragung nach [14‑1] in Bild 14‑2 als Funktion von Temperatur und Luftverhältnis zu entnehmen.
Kühlwärmeleistung ΦK Die vom Motor als Kühlung abzuführende Wärme setzt sich i. d. R. aus drei Anteilen zusammen, s. Gl. (14‑1). Anhaltswerte über die Verteilung der drei Anteile bei den verschiedenen Motoren und die Wertigkeit der Zylinder- und Schmierölkühlwärmen sind in Abschn. 11 aufgeführt.
Im Ladeluftkühler abgeführte Wärmeleistung ΦLLK Die Verdichtung der bei Umgebungstemperatur TU angesaugten Luft entsprechend dem isentropen Verdichtungsver hältnis πL des Verdichters, „Laders“, erhöht die Temperatur der Ladung am Austritt des Verdichters auf TL1 = Temperatur Eintritt LLK. Mit dem isentropen Wirkungsgrad ηSL des Verdichters folgt für die relative Temperaturerhöhung TL1/TU bzw. T2 /T1 , G1. (2-37) TL1/TU = [1 – (pLk–1/k – 1)/hSL]. Die im Ladeluftkühler abzuführende Wärmeleistung beträgt dann mit der Lufttemperatur TL2 am Austritt des Ladeluftkühlers: ˙ L (hL1 – hL2). ΦLLK = m
446
14 Abwärmeverwertung
Tabelle 14-1 Spezifischer Luftverbrauch le, in kg/kWh Nutzfahrzeug-Dieselmotor
mit ATL und LLK
le = 6,0 .. 6,4
Schnelllaufender Hochleistungsdieselmotor
mit ATL und LLK
le = 6,8 .. 7,2
Mittelschnelllaufender Dieselmotor
mit ATL und LLK
le = 7,0 .. 7,2
Langsam laufender 2- TaktDieselmotor
mit ATL und LLK
le = 9,8 .. 10,5
die mit dem Kraftstoff zugeführte Leistung von Dieselmotoren angeführt.
Bild 14-2 Spezifische Enthalpie von Luft und Abgas als Funktion von Temperatur und Luftverhältnis
Mit der Bezugstemperatur TU = 298 K nach ISO 3046-1 und der Temperatur der Ladung bei Eintritt in den Motor TL2 > TL kann )LLK ebenfalls mit Hilfe des h-, T-Diagramms (Bild 14-2) ermittelt werden.
Anhaltswerte für den Luft- und Abgasmassenstrom Mit den Anhaltswerten für den spezifischen Luftdurchsatz le in kg/kWh aus Tabelle 14-1 folgt mit dem Massenstromverhältnis δ0, Gl. (14-2), bedingt durch die Zunahme der Luftmasse beim Verbrennungsvorgang m ˙ A ≈ le Pe G0 . Der Mindestluftbedarf Lmin folgt aus der Verbrennungsrechnung bei bekannter Elementaranalyse des Kraftstoffes, wobei anhaltsweise gilt: – Dieselkraftstoff (DK) Lmin = 14,6 kg Luft/kg Krst., – bzw. Schweröl (HF) Lmin = 14 kg Luft/kg Krst., Als Anhaltswerte für die abzuführenden und ggf. nutzbaren Wärmen von Dieselmotoren unterschiedlicher Größe sind in Tabelle 14-2 die bei Volllast gemessenen Anteile bezogen auf
14.2
Möglichkeiten der Abwärmenutzung
14.2.1
Abwärmenutzung in Form von mechanischer Energie
14.2.1.1
Turbo-Compound-Betrieb
Wenngleich es nahe liegt, der primären Bestimmung des Dieselmotors zur Abgabe von mechanischer Energie entsprechend, auch die Abwärme nach Möglichkeit in mechanische Energie zu verwandeln, sind hier in der Praxis vor allem im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit enge Grenzen gesetzt. Vor allem bei kleineren Motoren stellt die durch den technischen Aufwand und den niedrigen Umwandlungswirkungsgrad bedingte Auswirkung auf die spezifischen Kosten des Motors den Einsatz solcher Verfahren in Frage. Dennoch kommt das Turbo-Compounding, bei dem das Abgas in einer nachgeschalteten Abgasturbine zusätzlich Nutzarbeit leistet, die entweder an die Motorwelle oder an einen Generator übertragen wird, in Nutzfahrzeugmotoren, vor allem aber in Großmotoren zum Einsatz (s. Abschn. 2.2.4.4 und 18.4.4).
14.2.1.2
Dampfkraftanlage (Bottoming Cycle oder Organic Rankine Cycle)
Die Abwärmen des Motors können auch in einer Dampfkraftanlage genutzt werden. Diesen, auch Bottoming Cycle genannten Anlagen, liegt üblicherweise der Clausius-Rankine-Prozess als Idealprozess zugrunde (Bild 14-3). Für die maximale, nutzbare Temperaturspanne gemäß dem Carnot-Prozess bestehen enge Grenzen zwischen der mit den Abgastemperaturen erreichbaren Dampftemperatur und der Umgebungsluft als Prozess-Abwärmesenke. Im Abgas werden die höchsten Temperaturen mit 300 °C bis 500 °C angeboten (s. auch Tabel-
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung 447
Tabelle 14-2 Dieselmotor-Kenngrößen Kenngröße
Motortyp 18V 32/40 MAN Diesel
18V 48/60 MAN Diesel
pe Bohrung/Hub Leistung Drehzahl Abgastemperatur
bar mm/mm kW min–1 °C
24,9 320/400 9000 750 310
23,2 480/600 18900 500 315
Anteile an Kraftstoffleistung Kühlwasser HT-Kreisa Kühlwasser NT Kreisb Abgas (180 °C)c Strahlung und Konvektion
% % % %
14,2 10,7 12,5 1,9
13,8 9,8 12,7 1,7
Wirkungsgraded ηe d ηa (therm. nutzbar)e ηges (effekt.+therm.)e
% % %
46,2 37,4 83,6
47,7 36,3 84,0
a
Hierin sind enthalten: Zylinderkühlung + Ladeluftkühlung Hierin sind enthalten: NT Anteil Ladeluftkühlung + Ölkühlung c Anteil Abgaswärme bei Abkühlung auf 180°C d Einschließlich Ölpumpe(n) ohne Kühlwasserpumpen e Einschließlich Nutzung der Niedertemperaturwärme b
len 14‑2 und 1-3). Abhängig von der jeweiligen Auslegung (Abkühlspanne des Abgases) bewegen sich damit die Dampftemperaturen im Bereich von 200 °C bis 250 °C. Aufgrund der niedrigen Temperaturen sind die Kühlwasserwärmen (Motorkühlwasser, Ladeluft- und Ölwärme etc.) zur Erzeugung mechanischer bzw. elektrischer Energie wenig geeignet, abgesehen von einer Teilnutzung zur Speisewasservorwärmung mit entsprechendem Zusatzaufwand (Bild 14‑3). Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung und Steigerung der effektiven Motorwirkungsgrade und den damit verbundenen niedrigeren Abgastemperaturen wird auch die Möglichkeit der Nutzung der Abgaswärme in Dampfkraftanlagen zunehmend geringer. Als Expansionsmaschinen kommen Dampfturbinen, Schraubenmotoren und Kolbendampfmotoren in Frage. Während Dampfmotoren mit Drehzahlen zwischen 750 min–1 und 1500 min–1 einen Direktantrieb des Generators erlauben, erfordern Dampfturbinen und Schraubenmotoren mit ihren relativ hohen Drehzahlen Getriebe zur Anpassung der Drehzahlen für die Kopplung an den Generator. Dies verringert die aufgrund der kleinen Leistungen ohnehin niedrigen Wirkungsgrade der Expansionsmaschinen noch zusätzlich.
Neben Wasserdampf als Kreislaufmedium können auch Flüssigkeiten mit im Vergleich zu den Abgastemperaturen günstigerem Siedeverhalten eingesetzt werden [14‑2]. Es handelt sich hier um übliche Kältemittel, oft als sog. Kaltdämpfe oder organische Dämpfe bezeichnet, die im Organic-Rankine-Cycle arbeiten. Vorteilen durch zu erwartende bessere Kreislaufwirkungsgrade stehen Nachteile in der Toxizität, der thermischen Stabilität, der Materialverträglichkeit etc. gegenüber. Wasserdampf ermöglicht, auch im Hinblick auf die negativen Auswirkungen herkömmlicher Kältemittel auf Basis von Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen auf die Ozonschicht, einen sicheren Betrieb. Dies wurde auch durch detaillierte Untersuchungen an einem Nfz-Dieselmotor bestätigt [14‑3]. Die dabei ermittelte Leistungssteigerung betrug maximal 3%. Wenngleich diese Ergebnisse die begrenzten Möglichkeiten der Abwärmenutzung zur Umwandlung in mechanische bzw. elektrische Energie aufzeigen, gewinnt dieses Verfahren, bedingt durch den kontinuierlichen Anstieg der Kraftstoffpreise zunehmend an Interesse. Vor allem an Großanlagen können die Ergebnisse mit zielgerichteten Entwicklungen durchaus verbessert werden [14‑4], [14-5].
448 14 Abwärmeverwertung
Bild 14-3 Dieselmotor mit nachgeschaltetem Dampfkraftprozess (Bottoming Cycle) zur Stromerzeugung in einem Turbogenerator. 1 Motor mit ATL; 2 Abgaskessel mit Überhitzer; 3 Turbogenerator; 4 Kondensator; 5 Kondensatpumpe; 6 Speisewasserbehälter; 7 Speisepumpe; 8 Vorwärmer; 9 Ladeluftkühler
Mittlerweile wird aber auch in der Automobilindustrie an Einsatzmöglichkeiten dieses Verfahrens in Personenkraftwagen gearbeitet [14‑5].
14.2.2 Abwärmenutzung in Form von thermischer Energie 14.2.2.1
Heiz- und Prozesswärme
Die technisch einfachste Möglichkeit der Abwärmenutzung ist neben der direkten Verwendung zu Heizzwecken für die Raumheizung in Gebäuden auch die Brauchwassererwärmung, ferner die Nutzung als Prozesswärme in der Produktion oder zur Gewinnung von Frischwasser aus Seewasser auf Schiffen. Haupteinsatzgebiet dürfte doch die nicht mehr wegzudenkende Nutzung bei Kraftfahrzeugen zur Beheizung der Fahrgastkabinen sein. Dabei ist die klassische Heizung in den Kühlmittelkreislauf des Motors integriert. Bei wirkungsgradoptimierten Fahrzeugmotoren hat sich gezeigt,
dass in der Kaltstart- und Warmlaufphase nicht nur der Fahrgastraum wegen ungenügender Heizleistung unzureichend aufgewärmt wird, sondern dass auch die Schadstoff emission, der spezifische Verbrauch und der Motorverschleiß gegenüber dem betriebswarmen Motor zunehmen. Daher werden zunehmend insbesondere bei Dieselmotoren sog. Zuheizer, kraftstoffbetriebene Heizgeräte, zur Kompensation des Wärmedefizits eingesetzt [14‑6].
14.2.2.2
Kraft-Wärme-Kopplung
Allgemeines Die gleichzeitige Nutzung von mechanischer Energie und der anfallenden Wärme führt zum Prinzip der Kraft-WärmeKopplung (KWK). Ziel des KWK-Prinzips ist es, einen möglichst hohen Anteil der mit dem Kraft- oder Brennstoff zugeführten Primärenergie zu nutzen und damit zur Schonung der Energieressourcen sowie mit der damit verbundenen
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung Verringerung von Verbrennungsprodukten auch zur Reduzierung der Emission von Umweltschadstoffen beizutragen. Der Einsatz von KWK-Anlagen ist also sowohl aus ökonomischer als auch aus ökologischer Sicht vorteilhaft.
Blockheizkraftwerk Gemäß VDI Richtlinie 3985 [14-7] sind Blockheizkraftwerke (BHKW) Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen mit Verbrennungsmotoren oder Gasturbinen, die gleichzeitig Strom und nutzbare Wärme erzeugen. Ein Blockheizkraftwerk (Bild 14-4) besteht aus einem oder mehreren BHKW-Modulen mit den zum Betrieb not-
Bild 14-4 Definitionen und Abgrenzung der BHKW-Komponenten nach DIN 6280
449
wendigen Hilfseinrichtungen, den zugehörigen Schalt- und Steuerungseinrichtungen, Schallschutzmaßnahmen, Abgasabführungen sowie dem entsprechenden Aufstellungsraum. Die Basiseinheit eines Verbrennungsmotor-BHKW, das BHKW-Aggregat, besteht aus dem Verbrennungsmotor als Erzeuger mechanischer und thermischer Energie, dem Generator als Wandler mechanischer in elektrische Energie und den Kraftübertragungs- und Lagerungselementen. Mit den Wärmeübertragungskomponenten, den Steuer-, Regelungsund Überwachungseinrichtungen, dem Ansaug- und Abgassystem, dem Schmieröl- und Kraftstoffsystem sowie den Sicherheitseinrichtungen wird daraus ein BHKW-Modul.
450
14 Abwärmeverwertung
Während bei großen Leistungen üblicherweise das BHKW-Aggregat an die Baustelle angeliefert wird und alle anderen Komponenten individuell angeordnet zur Anlage ausgebaut werden, kommt bei kleineren Leistungen meist die Bauart des Kompaktmoduls mit allen bereits enthaltenen Komponenten einschließlich des Primärschalldämpfers zur Anwendung. Eingesetzt werden Blockheizkraftwerke sowohl in kommunalen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Schwimmbädern, Schulen als auch in Industrie und Gewerbe sowie in Büro- und Wohngebäuden. Die Leistungsspanne erstreckt sich von wenigen Kilowatt bis in den zweistelligen Megawattbereich elektrischer Leistung. Während bei großen Leistungen und der Nutzung der BHKW-Wärme zur Dampferzeugung vielfach Gasturbinen als Antriebsmaschinen eingesetzt werden, kommen bei kleineren Einheiten und Leistungen Verbrennungsmotoren zum Einsatz. Neben Dieselmotoren und Diesel-Gasmotoren sind dies aus Gründen der niedrigen Abgasschadstoffemissionen überwiegend Otto-Gasmotoren, s. Abschn. 4.4. Im Rahmen der Nutzung regenerativer Energiequellen stehen als Kraftstoff für Dieselmotoren und Diesel-Gasmotoren auch Pflanzenöle, insbesondere Rapsöl oder Rapsölmethylester (RME) zur Verfügung [14-8]. Mit einer Reihe von in den letzten Jahren im Bundestag verabschiedeten Gesetzen konnte die Wirtschaftlichkeit von BHKW Anlagen in Deutschland weiter verbessert werden. So sind BHKW mit einer Leistung bis 2 MW nach dem Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform von
der Stromsteuer und bei einem Jahresnutzungsgrad von mindestens 70% auch von der Mineralölsteuer befreit. Nach dem Gesetz zur Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien wurden lukrative Einspeisevergütungen festgelegt. Bei Einsatz von Kraftstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wird noch ein zusätzlicher Bonus zur Einspeisevergütung gewährt. Unbestritten ist, dass mit Hilfe der kombinierten Stromund Wärmeerzeugung im BHKW gegenüber der getrennten Erzeugung von Strom im Kraftwerk und Wärme im Kessel ein erheblicher Anteil an Primärenergie eingespart werden kann. Auch ist der Schadstoffeintrag in die Atmosphäre sowohl im Hinblick auf NOX als auch auf CO2 im Vergleich zur getrennten Erzeugung von Strom im kalorischen Kraftwerk und Wärme im Kessel niedriger. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass zur Reduzierung der NOX-Emissionen geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Beim Betrieb von Blockheizkraftwerken in Deutschland mit einer Feuerungswärmeleistung ab 1 MW sind die Grenzwerte der TA-Luft zu berücksichtigen (s. Abschn. 15.2). Während Otto-Gasmotoren mit Hilfe von innermotorischen Maßnahmen (Magergemischtechnik) die ohnehin niedrigeren Grenzwerte im Vergleich zu Dieselmotoren erheblich unterschreiten, sind hier beim Betrieb von Diesel- und Diesel-Gasmotoren in den meisten Fällen nachgeschaltete Abgasreinigungssysteme erforderlich. Im Sinne eines ökonomisch und ökologisch zukunftsweisenden Konzepts erfolgt die Energieversorgung des Reichstages in Berlin durch ein Blockheizkraftwerk, bestehend aus
Bild 14-5 Aufbau eines BHKW-Moduls in Kompaktbauweise
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung 451 vier BHKW-Modulen, angetrieben mit dem regenerativen Energieträger Rapsölmethylester. Damit wird das CO2-Einsparungspotenzial in zweifacher weise genutzt, nämlich einerseits durch die Verbrennung eines regenerativen Energieträgers mit der bekannten güns tigen CO2-Bilanz und andererseits durch die Anwendung des KWK-Prinzips mit dem immanenten Potenzial an Primärenergieeinsparung und der damit verbundenen niedrigen CO2-Emission. Mit den vier BHKW-Modulen mit einer elektrischen Leis tung von je 400 kW wird bei elektrischen Wirkungsgraden von 42,5% eine Primärenergienutzung von 90% erzielt. Die Wärmeauskopplung erfolgt in einem HT-Kreis (Motorkühlwasser- + Ölkühlerwärme + Abgaswärme) bei 110 °C und einem NT-Kreis (Ladeluftkühlwärme) bei 40 °C. Um neben dem zwar nicht toxischen, aber für die Erd atmosphäre schädlichen Kohlendioxid CO2 auch die bei der Verbrennung gebildeten Abgasschadstoffe entsprechend den Forderungen des Auftraggebers minimieren zu können, mussten die Aggregate mit einem System zur Abgasnachbehandlung versehen werden. Dazu werden in einem Partikelfilter mittels katalytisch beschichteter Filterpatronen die nichtflüchtigen Partikel aus dem Abgas abgeschieden. Ein SCR-Katalysator bestehend aus beschichteten Katalysatorwaben reduziert unter Eindüsen von Harnstoff die NOX-Emission und ein zusätzlicher Oxidationskatalysator die Emission an Kohlenmonoxid sowie Kohlenwasserstoffen. Damit werden die vorgegebenen, im Vergleich zur TA Luft (s. Abschn. 15.2) stark herabgesetzten Emissionswerte eingehalten. – Ruß (Partikel) < 10 mg/m³ – Staub < 20 mg/m³. – Stickoxide NOX < 100 mg/m³ – Kohlenmonoxid CO < 300 mg/m³ – Kohlenwasserstoffe HC < 150 mg/m³ (Zur Zeit der Bauphase waren nach TA-Luft z. B. für NOX 4000 mg/m³ bezogen auf Normzustand (273,15 K; 101,3 kPa) unter Abzug des Feuchtegehaltes bei einem Sauer stoffgehalt des Abgases von 5% zulässig!). Wenngleich Erfahrungen aus einer Vielzahl von gebauten und erfolgreich betriebenen BHKW-Anlagen vorliegen, ist jedoch in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein BHKW sinnvoll eingesetzt werden kann und welches Konzept den besten Erfolg verspricht. Ressourcenschonung und Umweltentlastung alleine reichen in den seltensten Fällen für die positive Kaufentscheidung eines Betreibers aus. Deshalb müssen auch BHKWAnlagen, wie andere Investitionsgüter, einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit unterzogen werden. Bevor jedoch eine
Wirtschaftlichkeitsrechnung durchgeführt wird, ist eine Planung der Anlage unumgänglich. Es muss eine Bestandsaufnahme der Energieströme, der Energielieferund -bezugsverträge gemacht werden. Hierzu sind detaillierte Angaben über den zeitlichen Strom- und Wärmebedarf erforderlich. Anhand von Jahresdauerlinien, Tagesund Wochenganglinien können durch Eintragen der Modulleistungen die Laufzeiten der BHKW-Module ermittelt werden [14‑9]. Hier geht natürlich auch die Betriebsweise des BHKW ein. Erfolgt der Betrieb wärmegeführt, stromgeführt oder alternierend? Ist es aufgrund des Strombezugsvertrages günstig, Spitzenlast zu fahren? Wie sieht die Energiebedarfsprognose aus? Steht nun das Konzept fest, kann eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durchgeführt werden. Hierfür werden die aus der Investitionsrechnung bekannten finanzmathematischen Methoden angewendet. Bewährt hat sich neben der Annuitätsmethode vor allem die Kapitalwertmethode. Der Verlauf des Kapitalwerts über den Nutzungsjahren liefert neben der Amortisationszeit auch den Gewinn am Ende der Nutzungsdauer. Die Amortisationszeit, die die Zeitspanne zwischen dem Investitionszeitpunkt und dem Zeitpunkt angibt, an dem der höhere Kapitaleinsatz durch Energiekosteneinsparungen wiedergewonnen ist, stellt neben der Aussage über die Wirtschaftlichkeit eine wichtige Kenngröße zur Beurteilung des finanziellen Risikos dar. Je kürzer die Amortisationszeit, desto geringer ist das Risiko der Investition. Sowohl die Aussage über das Risiko als auch die Angabe über den erzielbaren Überschuss geben Hilfestellung bei der Auswahl des geeigneten Konzepts.
Kenngrößen von BHKW-Anlagen Um eine einheitliche Regelung für die vielen im Laufe der Jahre verwendeten Begriffe zu finden, wurden die wesentlichen Kenngrößen in der Norm DIN 6280 Teil 14 festgelegt [14‑10]. Diese im August 1997 veröffentlichte Norm gilt für Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren zur Erzeugung von Wechselstrom und Nutzwärme. Ähnlich den Wirkungsgraden sind die Nutzungsgrade in DIN 6280 Teil 14 definiert. Hierbei werden die erzeugte Energie (elektrisch, thermisch, gesamt) zur Wärmeenergie der zugeführten Kraftstoffmenge, bezogen auf den Heizwert (Hu), innerhalb einer längeren Zeitdauer (z. B. 1 Jahr) ins Verhältnis gesetzt. Im Gegensatz zu den Wirkungsgraden werden bei den Nutzungsgraden auch die Energie der Hilfsantriebe (z. B. Pumpen, Lüfter) und die Stillstandsverluste berücksichtigt. Die gemessenen bzw. angegebenen Wirkungsgrade sind jeweils abhängig vom Betriebszustand des BHKW (Nenn-
452 14 Abwärmeverwertung
Tabelle 14-3 Definition BHKW-Wirkungsgrad nach DIN 6280 Elektrischer Wirkungsgrad
ηel
Verhältnis der erzeugten elektrischen Wirkleistung zur Wärmeleistung der zugeführten Kraftstoffmenge bezogen auf den Heizwert (Hu)
Thermischer Wirkungsgrad
ηth
Verhältnis der erzeugten thermischen Leistungen zur Wärmeleistung der zugeführten Kraftstoffmenge bezogen auf den Heizwert (Hu)
Gesamtwirkungsgrad
ηges
Summe des elektrischen und thermischen Wirkungsgrades. In dem Gesamtwirkungsgrad ist die Leistung für die Hilfsantriebe nicht berücksichtigt.
last oder Teillast, Drehzahl, Kühlwassertemperatur, Ladelufttemperatur, Abkühltemperatur des Abgases etc.). Alle Kenngrößen, sowohl Wirkungsgrade als auch Nutzungsgrade für die jeweilige Einheit (Aggregat, Modul, BHKW) beziehen sich auf eine definierte Systemgrenze z. B. Stromabgang an den Generatorklemmen, Heizwassereinund -austritt am Modul, Ladeluftkühlwasserein- und austritt am Modul. Zur Einordnung der Kenngrößenangaben sind diese Randbedingungen unabdingbar. Während sich die Messungen bzw. Angaben von Wirkungsgraden auf konstante Betriebsbedingungen beziehen, sind in den Angaben von Nutzungsgraden auch An- und Abfahrvorgänge, Teillastbetrieb und Stillstandszeiten berücksichtigt. Das heißt, die Planung und Auslegung der Gesamtanlage sowie die durch den Betreiber gewählte Fahrweise haben ganz wesentlichen Einfluss auf die Nutzungsgrade einer Anlage. Es können daher keine Rückschlüsse von den Nutzungsgraden auf die Güte einer Maschinenanlage gezogen werden. Nach der Verbreitung von Blockheizkraftwerken mit Gasmotoren wird immer wieder der Wunsch geäußert, die Laufzeiten von Notstromdiesel-Aggregaten durch Anbau von Apparaten zur Wärmeauskopplung zu verlängern bzw. auch im Dauerbetrieb zu fahren. Hiervor muss entschieden gewarnt werden, da Diesel-Notstromanlagen allein für den Noteinsatz ausgelegt werden. Dies bezieht sich sowohl auf den Motor, der konstruktiv auf diesen Betrieb (höhere Leis tung bei geringen Laufzeiten) ausgelegt ist, als auch für alle anderen Komponenten die nicht für den Dauerbetrieb vorgesehen sind. Erst nach relativ aufwendigen Umbauten Tabelle 14-4 Bereiche üblicher BHKW-Wirkungsgrade Elektrischer Wirkungsgrad
ηel
25 bis 48%
Thermischer Wirkungsgrad
ηth
30 bis 56%
Gesamtwirkungsgrad
ηges
65 bis 92%
(Motor, Steuerung etc.) bzw. der Neufestlegung der elektrischen Leistung und dem Anbau aller erforderlichen Komponenten zur Wärmeauskopplung, sowie dem zur Einhaltung der behördlich vorgegebenen Grenzwerte der Schadstoffemissionen erforderlichen Abgasnachbehandlungssys tem, kann eine Notstromanlage im Netzparallelbetrieb oder als Netzersatzanlage betrieben werden.
Dieselmotor-Wärmepumpe Bei der Dieselmotorwärmepumpe handelt es sich um eine Kompressionswärmepumpe deren Verdichter von einem Die selmotor angetrieben wird. Der prinzipielle Aufbau einer Dieselmotor-Wärmepumpe ist im Schaltbild (Bild 14‑6) dargestellt. Zur Verdichtung des Arbeitsmediums (Kältemittel) werden überwiegend die Verdichterbauarten Kolbenverdichter, Schraubenverdichter und Turboverdichter eingesetzt. Das komprimierte und gleichzeitig erhitzte Arbeitsmedium strömt in den Kondensator (Verflüssiger) und gibt hier Nutzoder Heizwärme auf einem hohen Temperaturniveau ab. Nach der Druckabsenkung in der Drossel nimmt das Arbeitsmedium im Verdampfer Energie in Form von nicht nutzbarer Wärme aus der Umgebungsluft, aus Flusswasser, Seewasser oder anderen Niedertemperaturwärmequellen auf. Dem Prinzip der Wärmepumpe entsprechend wird die Niedertemperaturwärme unter Zufuhr von Verdichterarbeit in Hochtemperaturwärme umgewandelt. Als Kennzahl zur Beurteilung des Wärmepumpenprozesses dient die Wärme-Leistungszahl
e = Q˙ c /Pe als Verhältnis von im Kondensator abgegebener Wärmeleis ˙ c zur Verdichterantriebsleistung Pv, wobei hier gilt tung Q Pv Pe. Bei den üblichen zur Raum- oder Brauchwassererwärmung eingesetzten Wärmepumpen liegen die Leistungszahlen abhängig von der Temperatur der Heizwärme und der im Verdampfer zugeführten Niedertemperaturwärme und vom Kältemittel bei Werten zwischen 2 und 4.
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung 453
Bild 14-6 Schaltbild einer Verbrennungsmotor-Wärmepumpe
In der Dieselmotor-Wärmepumpe wird aber auch die vom Motor abgegebene thermische Energie genutzt. Sie kann entweder dem Heizkreislauf nach Kondensator zur Erhöhung der Vorlauftemperatur zugeführt werden, oder in einem zweiten getrennten Kreislauf zur Versorgung anderer Verbraucher herangezogen werden. Als Kennzahl zur Beurteilung des Gesamtprozesses der Dieselmotor-Wärmepumpe dient die Heizzahl
z = Q˙ N/PB als Verhältnis der gesamten abgegebenen Nutzwärmeleis ˙ N zur Wärmeleistung der zugeführten Kraftstofftungen Q menge PB bezogen auf den Heizwert (Hu).
Die Heizzahl kann auch aus der Beziehung
z = ehe + ha , also aus Leistungszahl, Motorwirkungsgrad und Anteil der nutzbaren Motorabwärme bezogen auf die zugeführte Kraftstoffleistung errechnet werden. Bei den üblichen zur Raum- oder Brauchwassererwärmung eingesetzten Wärmepumpen liegen die Heizzahlen abhängig von der Temperatur der Heizwärme und der im Verdampfer zugeführten Niedertemperaturwärme, vom Kältemittel sowie den entsprechenden Motordaten (siehe auch Tabelle 14‑2) bei Werten zwischen 1,5 und 2.
454 14 Abwärmeverwertung Die Wärmeverhältnisse einer ausgeführten DieselmotorWärmepumpenanlage mit einer Motorleistung von 250 kW und einer Wärmeleistung von 1085 kW sind in Bild 14‑7 dargestellt. In diesem Beispiel wird die zur Raumheizung sowie zur Brauchwassererwärmung genutzte Heizwärme von der Wärmepumpe mit einer Temperatur von 70 °C/50 °C (Vorlauf / Rücklauf) abgegeben. Als Energiequelle wird Grundwasser mit einer Temperatur von 10 °C genutzt. Bei einer Abkühlung des Wassers um 4 K können Verdampfertemperaturen von +1 °C bei Volllast und 4 °C bis 5 °C bei Teillastbetrieb gefahren werden. Bei Kondensatortemperaturen von 60 °C bei Volllast und entsprechend niedrigeren Werten bei Teillastbetrieb kommt hier ein für die Leistungszahl der
Bild 14-7 Energieflussbild einer Dieselmotor-Wärmepumpe
Wärmepumpe ausschlaggebender Temperaturhub von 50 K bis 59 K zwischen Verdampfung und Kondensation des Kältemittels zum tragen.
Verdichter-Modul Eine weitere Möglichkeit der direkten Abwärmenutzung ist beim Betrieb von mit Verbrennungsmotoren angetriebenen Verdichtern gegeben. In den überwiegend zur Drucklufterzeugung eingesetzten Aggregaten kommen vor allem Schraubenverdichter und Turboverdichter zum Einsatz. Der Aufbau eines Verdichter-Moduls ist vergleichbar einem Blockheizkraftwerksmodul mit dem Verdichter anstelle des Generators.
14.2 Möglichkeiten der Abwärmenutzung 455 Wie auch im Energieflussbild (Bild 14‑8) zu ersehen, ist mit einem Dieselmotor-Verdichter-Modul in der Leistungsklasse 400 kW eine Primärenergienutzung von 87% möglich.
14.2.2.3
Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung
In der Mehrzahl der Anwendungsfälle erfolgt die Auslegung der BHKW-Anlage im Hinblick auf eine wärmegeführte Betriebsweise. Das heißt, die Leistung wird so festgelegt, dass die BHKW-Wärme nach Möglichkeit ganzjährig genutzt werden kann, woraus hohe Laufzeiten resultieren und womit ein wirtschaftlicher Betrieb gegeben ist. Dies führt dazu, dass in Anwendungsfällen mit Nutzung der Wärme zur Raumheizung die Auslegung der BHKW-Leistung eher nach dem niedrigeren im Sommer anfallenden Wärmebedarf vorgenommen
Bild 14-8 Energieflussbild eines Verdichter-Moduls
wird. Es sollte bei der Planung daher geprüft werden, ob anstatt des Wärmebedarfs in den Sommermonaten nicht ein entsprechender Kältebedarf gegeben ist. Vor allem in Verwaltungsgebäuden mit größeren EDV-Anlagen, Krankenhäusern, Hotels, Einkaufszentren u. a. besteht vielfach Kühlungs- und Klimatisierungsbedarf. Sieht der Jahresverlauf des Bedarfs von elektrischer Energie, Wärme und Kälte ähnlich dem in Bild 14‑9 dargestellten aus, kann durchaus ein wirtschaftlicher Betrieb mit einer Anlage nach dem Prinzip der Kraft-WärmeKältekopplung (KWKK) in Frage kommen. Eine Anlage nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-KälteKopplung besteht aus einem oder mehreren Blockheizkraftwerksmodulen gekoppelt mit einer Sorptionskältemaschine. Hier werden überwiegend Absorptionskälteaggregate, in einigen Fällen auch Adsorptionskälteaggregate eingesetzt [14‑11].
456 14 Abwärmeverwertung
Bild 14-9 Energieprofil für elektrische Energie, Wärme, Kälte
Als Kältemittel wird in Anlagen zur Klimatisierung (Kaltwasserkreis 12 °C/6 °C) überwiegend Wasser und als Lösungsmittel Lithiumbromid verwendet. In Anlagen zur Kühlung unter 0 °C kommt als Kältemittel überwiegend Ammoniak und als Lösungsmittel Wasser zur Anwendung. Die Energiebilanz einer KWKK-Anlage mit Absorptionskälteaggregat bei BHKW-Heizwassertemperaturen von 95 °C/85 °C, einer Kühlturmtemperatur zur Kühlung des Absorbers von 27 °C und Kaltwassertemperaturen von 6 °C/12 °C ist in Bild 14‑10 dargestellt. Die Vorteile aller Sorptionsanlagen liegen im niedrigen Verschleiß (nur wenige bewegte Teile) und dem damit verbundenen niedrigen Wartungsaufwand, dem guten Teillastverhalten mit stufenloser Lastregelung und der niedrigen Geräuschemission. Auch im Hinblick auf die Umweltverträglichkeit bieten Sorptionsanlagen, die keine Fluor-ChlorKohlenwasserstoffe als Kältemittel mit den negativen Auswirkungen auf Treibhauseffekt und Ozonschicht benötigen, Vorteile gegenüber Kompressionskälteanlagen. Grundsätzlich gilt für alle Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung bzw. Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung, dass in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob ein sinnvoller Einsatz möglich ist, und welches Konzept den besten Erfolg verspricht. Wie bereits angeführt, sind in den seltensten Fällen ökologische Vorteile ausreichend zur Entscheidung für den Bau
solcher Anlagen. Aufgrund der erforderlichen Investitionen ist eine sorgfältige Planung der Anlage und eine eingehende Prüfung der Wirtschaftlichkeit unumgänglich.
14.2.3
Schlussbemerkung
Wenngleich in den zurückliegenden Jahren die bekannten Arten der Abwärmenutzung von Dieselmotoren sowohl in Form von mechanischer Energie, als auch in Form von thermischer Energie in vielen Fällen die erforderlichen Wirtschaftlichkeitskriterien nicht erfüllt haben, so rücken diese Techniken mit dem stetigen Anstieg der Kraftstoffpreise wieder zunehmend in den Mittelpunkt des Interesses. Das auch in Zukunft zu erwartende hohe Niveau der Kraftstoffpreise fördert andererseits aber auch den Einsatz von regenerativen Energieträgern in Verbrennungsmotoren, die, nicht zuletzt wegen der geringeren Besteuerung, finanzielle Vorteile bieten. Gerade aber unter dem Aspekt der Ressourcenschonung von fossilen Energieträgern und der Vermeidung von Umweltschäden durch geringeren CO2-Eintrag in die Atmosphäre kommt der Nutzung der Abwärme von Dieselmotoren besonders in Kombination mit dem Einsatz biogener Energieträger in Zukunft ein zunehmend höherer Stellenwert zu.
14 Literatur 457
Bild 14-10 Energieflussbild einer Kraft-WärmeKälte-Kopplungsanlage
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14-8 14-9 14-10
14-11
lungsanlagen mit Verbrennungskraftmaschinen. (1997) 10 Ortmaier, E.; Hirschbichler, F.: Regenerative Energieträger als Brennstoff für BHKW. VDI-Berichte 1312, Düsseldorf: VDI-Verlag 1997 Hirschbichler, F.: Auslegung eines Blockheizkraftwerks. Fachzeitschrift der Deutschen Mineralbrunnen (1998) 2 DIN 6280: Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Hubkolben-Verbrennungsmotor. Teil 14: Grundlagen, Anforderungen, Komponenten und Ausführung und Wartung. Teil 15: Prüfungen. (1995) 10 Wärme macht Kälte. Kraft-Wärme-Kopplung mit Absorptionskältemaschinen. ASUE, Arbeitsgemeinschaft für sparsamen und umweltfreundlichen Energieverbrauch e.V. ASUE-Druckschrift Nr. 190990
Teil IV
Umweltbelastung durch Dieselmotoren
15 Abgasemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . . . 461 16 Geräuschemission von Dieselmotoren . . . . . . . . . . . 537
15 Abgasemission von Dieselmotoren
15.1
Allgemeine Zusammenhänge
Die direkte Abgabe der Abgaskomponenten aus Verbren nungsvorgängen an die Umgebung, d. h. die Emission ist der primäre und wichtigste Prozess in einer Wirkkette von der Emission über die Transmission zur Immission und Wirkung. Grundsätzlich unterscheiden wir natürliche Emis sionen, z. B. aus der Vegetation, von Meeren, aus der Vulkan aktivität oder aus der Fäulnis von Biomasse, und sog. anthro pogene, d. h. vom Menschen verursachte oder beeinflusste Emissionen, wie z. B. bei der Energieerzeugung, dem Ver kehr, der Industrie, dem Haushalt und der Landwirtschaft. Wir beschäftigen uns nachfolgend ausschließlich mit den an
thropogenen Emissionen aus dem Verbrennungsvorgang des Dieselmotors. Bild 15‑1 zeigt diese Wirkungskette mit den wichtigsten anthropogenen Quellen [15‑1]. Die Abgaskom ponenten können sowohl schädlich als auch unschädlich sowie gasförmig, flüssig oder fest sein. Bild 15‑2 zeigt eine Übersicht über die anthropogenen Emissionen und ihre Quellen in Deutschland. Unter der Einwirkung von Topographie, Klimaverhältnis sen, Temperaturen, Feuchtigkeit und Luftbewegungen wer den die Abgaskomponenten verdünnt und physikalischchemischen Reaktionen unterzogen und durch den atmo sphärischen Transport über große Entfernungen verteilt (Transmission).
Bild 15-1 Zusammenhang von Emission, Transmission, Immission und Wirkung
462
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-2 Anthropogene Emission nach Verursachern in Deutschland: a Alle Quellen (Quelle: UBA 2003); b Verkehr (Quelle: UBA 2001)
15.1 Allgemeine Zusammenhänge Unter Immission (engl. air quality) verstehen wir die nach der Transmission sich endgültig einstellende Konzentration an einem bestimmten Ort, an dem z. B. Messungen an einer Straßenkreuzung vorgenommen werden. Die Immission ist die sich einstellende Belastung des Menschen oder der Natur durch die Abgasemission und Transmission. Unter Wirkung werden die Folgen der Immission auf die Umwelt, Lebewesen oder Güter verstanden. Die komplexen Vorgänge des Emissionstransports führen zu täglichen und jahreszeitlichen Schwankungen des jeweiligen Immissionsergebnisses. Daraus folgt, dass einerseits Grenzwerte für Emissionen von Abgasschadstoffen aus z. B. Fahrzeugen oder Hausheizungen und andererseits Grenzwerte für die Luftqualität bzgl. Schwefeldioxid, Partikel, Blei und Ozon [15-2] bestehen. Die beim Verbrennungsprozess entstehenden Abgasschadstoffe können in unschädliche, d. h. unvermeidbare, natürliche Verbrennungsprodukte, und andererseits in schädliche, d. h. limitierte und nicht limitierte Abgaskomponenten eingeteilt werden. Bild 15-3 zeigt die Zusammensetzung des Abgases bei idealer und vollständiger Verbrennung mit reinem Sauerstoff. In diesem Fall entsteht neben der gewünschten Wärme, die in mechanische Energie im Verbrennungsmotor umgesetzt wird, nur Kohlendioxid und das Verbrennungswasser. Beide Komponenten sind nicht schädliche aber klimarelevante Komponenten. Bei Verbrennung mit Luft sind unter idealen Bedingungen neben den bereits erwähnten, nicht schädlichen Komponenten nur noch Stickstoff bzw. im Falle des Dieselmotors mit Luftüberschuss zusätzlich Sauerstoff im Abgas zu finden. Bei der tatsächlich realen Verbrennung entstehen jedoch weitere schädliche und deshalb z. T. limitierte Komponen-
463
ten, wie Kohlenmonoxid CO, unverbrannte Kohlenwasserstoffe HC, Stickstoffoxide NO, NO2 (NOX), Partikel, Schwefelverbindungen, Aldehyde, Zyanid, Ammoniak, spezielle Kohlenwasserstoffe, wie z. B. Benzol und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, wie Phenatren, Pyren, Fluoren [15-3]. Bild 15-4 zeigt die Rohemission und ihre Zusammensetzung bei realer Verbrennung als Gewichtsanteil dargestellt. Der Schadstoffanteil ist bei Dieselmotoren wesentlich geringer als bei Ottomotoren, allerdings entstehen beim Dieselmotor aufgrund der inhomogenen Gemischbildung noch zusätzlich Partikel, d. h. Feststoffe (überwiegend Ruß) und als Kondensat vorliegende Komponenten. Die jeweilige Zusammensetzung ist stark vom Betriebspunkt des Motors abhängig. Bei Ottomotoren mit Ladungsschichtung, d. h. inhomogenen Gemischanteilen, ist ebenfalls die Partikelemission zu berücksichtigen. Insgesamt konnten die limitierten, schädlichen Abgaskomponenten in den vergangenen Jahren dramatisch reduziert werden und die Prognoserechnungen bis zum Jahr 2020 bestätigen diesen Trend auch für die Zukunft, Bild 15-5. Das Bild zeigt deutlich, dass insbesondere für die Stickoxidund Partikelemission die dieselmotorisch betriebenen Fahrzeuge verantwortlich sind und hierauf die Reduzierungsmaßnahmen zu konzentrieren sind. Vor dem Hintergrund einer berechneten und mit hoher Wahrscheinlichkeit eintretenden Zunahme der mittleren Erdtemperatur um etwa 1,5 bis 5 °C bis zum Ende dieses Jahrhunderts werden zukünftig auch die Treibhausgase limitiert werden. Verantwortlich für diesen „Treibhauseffekt“ sind vor allem Kohlendioxid CO2 und Methan CH4 (überwiegend aus der Landwirtschaft). Weitere Treibhaus-
Bild 15-3 Abgaskomponenten bei idealer Verbrennung
464
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-4 Abgaskomponenten bei realer Verbrennung
gase, wie z. B. die Fluorkohlenwasserstoffe FCKW, Stickstoffdioxid N2O und Schwefelverbindungen haben z. T. ein deutlich höheres, sog. Global Warming Potential (GWP), bezogen auf CO2, aber sie treten in deutlich geringeren Konzentrationen auf und sind deshalb weniger relevant. Der Anteil des CO2 an der prognostizierten Temperaturerhöhung beträgt ca. 65%. Die Entwicklung der globalen CO2-Emission zeigt Bild 15-6. Der verkehrsbedingte Anteil liegt je nach Abschätzung zwischen 15 und 20%, Beispiel Bild 15-7. Intensive politische und wirtschaftliche Diskussionen und Anstrengungen werden neben den bereits vorhandenen Grenzwerten für die Luftqualität (Klimakonferenz, KyotoProtokoll, EU-Gesetze) auch zur Limitierung der CO2Emission von Kraftfahrzeugen führen. So ist ein FlottenCO2-Wert für Pkw von 120 bis 130 g/km bis zum Jahr 2012 vorgesehen. Die schädlichen oder klimarelevanten Emissionen lassen sich in der Praxis nur durch das Zusammenspiel verschiedenster Maßnahmen, einem sog. Integrated Approach, wirkungsvoll reduzieren. Dies sind z. B.: – Festlegungen gesetzgeberischer Maßnahmen (Emissionsgrenzwerte in Verbindung mit den zugrunde gelegten Testzyklen), – Begünstigung umweltfreundlicher Fahrzeuge durch Anreizsysteme; (Steuervorteil, Erhöhung der Attraktivität öffentlicher Verkehrsmittel usw.), – Verringerung der Emissionen am Entstehungsort durch verbesserte Verbrennungsprozesse und Abgasnachbehandlung,
– Erhöhung des Wirkungsgrades bei der Energiewandlung, – Einsatz emissionsreduzierender Kraftstoffe, – Antriebs- und fahrzeugseitige Verbesserungen (Getriebeauslegung, Rollwiderstand, Aerodynamik), – Antriebsenergiemanagement durch Einsatz optimierter Antriebssysteme (Hybridisierung des Fahrzeugantriebs), – Dynamischer Verkehrslenkung (Verkehrsflusssteuerung angepasst an das jeweilige Verkehrsaufkommen) und – Emissions- und verbrauchsarmer Betrieb durch den Fahrer (Fahrerschulung). Transmission und Immission stehen in enger Wechselwirkung. Einflussfaktoren sind: – Lokale Emission, – Straßenführung, – Bebauung, – Verkehrsdichte, – Klimatische Einflüsse: – Windstärke, – Windrichtung, – Temperatur, – Sonneneinstrahlung. – Chemisch-physikalische Reaktionen. Auf der Basis sog. Ausbreitungsmodelle und unter Berücksichtigung der o. g. Einflussfaktoren lassen sich die zu erwartenden Immissionen an bestimmten geographischen Orten vorausberechnen. Dies ist z. B. wichtig bei der Planung von neuen Wohngebieten und der damit zusammenhängenden Straßenführung. Während die Emissionen von Kohlenmon-
15.1 Allgemeine Zusammenhänge
465
Bild 15-5 Emissionsentwicklung, verursacht durch den Straßenverkehr in Deutschland (VDA Jahresbericht 2006)
oxid und Kohlenwasserstoffen inzwischen auf einem extrem niedrigen Niveau angekommen sind, nicht zuletzt durch die Einführung der Katalysatortechnik (3-Wege-Katalysator) bei benzinbetriebenen Fahrzeugen, sind bei dieselmotorisch betriebenen Pkw und Nfz besonders die Partikelemission (Feinstaub) und die NOX-Emission relevant. Hinzu kommt das sich erst in der Atmosphäre bildende Ozon O3. Nachfolgend werden diese drei für die Lufthygiene und die Wirkung auf den Menschen wichtigen Komponenten näher betrachtet.
Feinstaub Staub gehört zu den Luftschadstoffen, die die Luftqualität bestimmen. Sämtliche in der Luft verteilten Feststoffe werden – unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung – unter den Begriffen „Staub“ oder „Partikel“ zusammengefasst. Für den Menschen bedeutsam sind vor allem die Feinstäube, die für das menschliche Auge nicht mehr wahrnehmbar sind. Sie machen den gesundheitlich relevanten Teil des Schwebstaubs aus und werden nach ihrem aerodynamischen Durchmesser dAero klassifiziert. Als Feinstaub
466
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-6 Entwicklung der anthropogenen CO2-Emission, weltweit (Quelle: Lenz)
Bild 15-7 Aufteilung der anthropogenen CO2-Emission auf die Quellen (VDA, 2003)
15.1 Allgemeine Zusammenhänge 467 (PM10, PM = Particulate Matter) wird die Masse aller im Ge samtstaub enthaltenen Partikel bezeichnet, deren aerodyna mischer Durchmesser bis zu 10 µm beträgt. Er repräsentiert den überwiegend inhalierbaren Anteil an der Gesamtstaub masse. Feinstaub kann natürlichen Ursprungs sein (bei spielsweise als Folge von Bodenerosion) oder durch mensch liches Handeln (anthropogen) hervorgerufen werden. Fein staub entsteht aus Energieversorgungs- und Industrieanla gen, aus stationären Feuerungsanlagen, bei der Metall- und Stahlerzeugung oder beim Umschlagen von Schüttgütern. In Ballungsgebieten ist der Straßenverkehr oft die dominie rende Staubquelle. Als Bezeichnungen, die allerdings im Schrifttum nicht einheitlich verwendet werden, sind in Gebrauch: Schwebstaub Teilchen bis zu einem dAero von (Total Suspended rund 30 µm (Gesamtstaub, alle luftParticulates, TSP): getragenen Partikel) Feinstaub (PM10): Teilchen, die einen größenselektie renden Lufteinlass passieren, der für dAero = 10 µm einen Abscheide grad von 50% aufweist Grobe Partikel: Teilchen größer als 2,5 µm (und kleiner als 10 µm (im englischsprachigen Raum „coarse fraction“) Feine Partikel Teilchen, die einen größenselektie(PM2.5): renden Lufteinlass passieren, der für dAero = 2,5 µm einen Abscheide grad von 50% aufweist Ultrafeine Partikel Teilchen kleiner als 100 nm (PM0.1): Nanopartikel: Teilchen kleiner als 50 nm Die Partikelfraktion PM2.5 wird auch als lungengängiger Feinstaub bezeichnet. Der aerodynamische Durchmesser dAero eines Teilchens beliebiger Form, chemischer Zusammensetzung und Dichte ist gleich dem Durchmesser einer Kugel mit der Dichte ein Gramm pro Kubikzentimeter (1 g/cm³), welche in ruhender oder wirbelfrei strömender Luft die gleiche Sinkgeschwin digkeit hat wie das betrachtete Teilchen. In der Europäischen Union sind mit der LuftqualitätsRahmenrichtlinie (96/62/EG, über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität), die mit der sog. „1.Tochterricht linie“ (1999/30/EG, über Grenzwerte für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und Stickstoffoxide, Partikel und Blei in der Luft) konkretisiert wurde, strenge Grenzwerte für die Luft qualität festgelegt worden. Diese Grenzwerte (Immissions werte) besitzen rechtsverbindlichen Charakter, d. h. sie „... dürfen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwir kungen nicht überschritten werden“. Eine Novellierung der
RL 96/62/EG und der drei Tochterrichtlinien ist für 2007 vorgesehen. Grenzwerte ab 1. Januar 2005: – 50 µg/m³ für den 24-Stunden-Mittelwert von PM10, es sind 35 Überschreitungen pro Jahr erlaubt, – 40 µg/m³ für den Jahresmittelwert von PM10. Grenzwerte ab 1. Januar 2010: – weiterhin 50 µg/m³ für den 24-Stunden-Mittelwert von PM10, es sind jedoch nur noch 7 Überschreitungen pro Jahr erlaubt, – 20 µg/m³ für den Jahresmittelwert von PM10. Die in der Tochterrichtlinie festgelegten Grenzwerte ba sieren auf Arbeiten der WHO und liegen i. d. R. deutlich unter den Werten früherer Regelungen. So ersetzen bei den Partikeln die neuen Grenzwerte für Feinstaub (PM10) die bisherigen Grenzwerte für Gesamtschwebstaub (TSP, mit Partikeldurchmessern bis 40 µm). Mit der 22. BundesImmissionsschutz-Verordnung (22. BimSchV, vom 11. 09. 2002), [15-2], wurden die Luftqualitäts-Rahmenrichtlinie und die ersten beiden Tochterrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt. Üblicherweise unterscheidet man zwischen anthropo genen (von Menschen verursachten) und natürlichen Quel len. Beide Quellen lassen sich in primäre und sekundäre Quellen unterteilen. Bei primären anthropogenen Quellen entstehen die Staubteilchen unmittelbar in diesen Quellen und werden von ihnen frei gesetzt. Hierzu zählen ortsfeste (stationäre) Quellen, wie Verbrennungsanlagen zur Energieversorgung (Kraftwerke und Fernheizwerke), Abfallverbrennungsanla gen, Hausbrand (Gas, Öl, Kohle u. a. feste Brennstoffe), Industrieprozesse (z. B. Metall-, Stahlerzeugung, Sinteranla gen), Landwirtschaft und der Schüttgutumschlag. Mobile Quellen, wie der Straßenverkehr, z. B. Diesel-Nkw und Diesel-Pkw, sind vor allem in Ballungsgebieten die dominierenden Quellen. Zu den Rußpartikeln aus dem Aus puff sind beim Straßenverkehr zusätzlich der Abrieb der Reifen, Bremsen und Kupplungsbeläge sowie der wieder aufgewirbelte Straßenstaub als sog. diffuse Emissionen zu berücksichtigen. Der Schienenverkehr, die Schifffahrt (mit Dieselmotoren) und der Luftverkehr sind weitere mobile Quellen mit nennenswertem Staub-Ausstoß. Bei den sekundären anthropogenen Quellen werden reaktionsfähige Gase freigesetzt (u. a. Schwefel- und Stickstoffoxide, Ammoniak), die sich über Reaktionen in der Atmosphäre in sekundäre Staubteilchen umwandeln. Dazu zählen u. a. Ammoniumsulfate und Ammoniumnit rate, die sich an bereits in der Atmosphäre befindlichen feinen Teilchen anlagern und so die Sekundäraerosole bil den.
468
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-8 Entwicklung des Staubausstoßes in Deutschland von 1990 bis 2002 (Quelle: UBA 2004)
Zu den natürlichen Quellen zählen Vulkane, Meere (Seesalzaerosole), Waldbrände und biologisches organisches Material (z. B. Pflanzenpollen). Diese Teilchen können über größere Entfernungen aus der ursprünglichen Quellregion verfrachtet werden und so einen Beitrag zum Ferntransport leisten. Verweildauer in der Atmosphäre und möglicher Transportweg werden durch die Teilchengröße entscheidend bestimmt. So können kleine Teilchen innerhalb von wenigen Tagen über einige tausend Kilometer transportiert werden. Ein Beispiel ist der Saharastaub, der – je nach Windrichtung – bis nach Europa oder Amerika gelangen kann. Der Staubausstoß in Deutschland hat sich in den letzten 15 Jahren drastisch verringert. Beachtet werden muss dabei, dass bis 2001 überwiegen der Gesamtstaub gemessen wurde. Bild 15-8 zeigt die Entwicklung des Staubausstoßes mit folgenden Randbedingungen: – Enthalten sind: Emissionen aus verkehrsbedingten und nicht verkehrsbedingten Verbrennungsvorgängen, aus Industrieprozessen und Schüttgutumschlag.
– nicht enthalten sind: sowohl die Aufwirbelung und der Abrieb von der Straßenoberfläche durch den Straßenverkehr als auch der erhebliche Abrieb der Reifen und Bremsen. Der Anteil der Dieselrußpartikel am Feinstaub ist schwer abzuschätzen. Lokal in städtischen Gebieten mit hohem Verkehrsaufkommen kann der Anteil relativ hoch sein. Dort ergreifen die Behörden Maßnahmen gegen den erhöhten Verkehr mit hohem Dieselrußausstoß. Weiterhin wird durch strengere Emissionsgrenzwerte (Euro 5 und 6) und steuerliche Anreize die Ausrüstung der Dieselfahrzeuge mit Dieselpartikelfiltern beschleunigt. Gezeigt wird in Bild 15-9 eine Quellenanalyse vom PM10 an einer verkehrsbelasteten Messstation in Berlin. Zu beachten ist, dass dem Straßenverkehr 49% der Gesamtstaubbelastung anzulasten ist, jedoch nur 11% aus dem Auspuff der Fahrzeuge des örtlichen Verkehrs stammen (etwa 8% Lkw, 3% Pkw). Nachdem verschiedene Studien gezeigt haben, dass Feinstaub gesundheitsgefährdend ist, wurden entsprechend der
15.1 Allgemeine Zusammenhänge
469
Bild 15-9 Feinstaubbelastung an einer verkehrsnahen Messstation in Berlin [15-4]
Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Regelungen zur Reduzierung getroffen. Ultrafeine Partikel haben nur geringe Massenanteile an PM (wenige Prozent), weisen jedoch wegen ihrer großen Anzahl (bis zu 90%) eine erhebliche Teilchenoberfläche auf. An dieser können sich schädliche Stoffe (zum Beispiel Schwermetalle oder organische Stoffe, wie polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe oder Dioxine) anlagern. Der Ruß aus dem Auspuff von Dieselfahrzeugen besteht auch aus ultrafeinen Teilchen. Schwebstaubteilchen können als Fremdkörper dort, wo sie im Körper abgelagert werden, eine Reizwirkung ausüben, die zu entzündlichen Veränderungen führt. Je kleiner die Partikel sind, desto weiter können sie in die Atemwege vordringen. Partikel über 10 µm Teilchengröße kommen kaum über den Kehlkopf hinaus, nur ein kleiner Teil davon kann die Bronchien und die Alveolen erreichen. Für Teilchen unter 10 µm und besonders für diejenigen unter 2,5 µm ist dies jedoch möglich. Ultrafeine Partikel, also solche, deren Teilchengröße unter 0,1 µm liegt, können sogar über die Lungenbläschen in die Blutbahn vordringen und sich über den Blutweg im Körper verteilen.
In den vergangenen Jahren gab es immer mehr Hinweise darauf, dass es – im Gegensatz zu früheren Annahmen – bei Schwebstaub keine Schwelle gibt, ab der sich der Staub negativ auf die Gesundheit auswirkt. Befunde aus Kohortenstudien zeigen, dass infolge der Inhalation von Feinstaub mit einer Verkürzung der Lebenserwartung der Bevölkerung zu rechnen ist [15-5]. Derartige Studien sind jedoch nicht unumstritten.
Stickoxide NOX Während im Brennraum beim Verbrennungsvorgang überwiegend NO (ca. 60 bis 90%) und wenig NO2 entstehen, die als Gemisch betrachtet und mit NOX bezeichnet werden, ist für die Lufthygiene als Immission ausschließlich NO2 relevant. NO2 wird gezielt beim Dieselmotor in den Katalysatoren aus NO erzeugt und zur Oxidation der Rußpartikel wie auch zur effizienten Reduzierung in DENOX-Systemen eingesetzt. In der Luft wird NO zu NO2 oxidiert. Es handelt sich dabei um ein Gas, das zu Schleimhautreizungen führt und in Verbindung mit Feuchtigkeit ätzende Wirkung hat (saurer Regen). Besonders unter körperlicher Anstrengung führt es
470 15 Abgasemission von Dieselmotoren bei Asthmatikern zu erhöhten körperlichen Belastungen. Auf die Pflanzen wirkt NO2 „düngend“, d. h. wachstumsför dernd. Nach [15-2] wird im Jahr 2010 in der EU ein Grenzwert von 40 µg/m2 NO2-Konzentration in der EU gelten. Bild 15‑10 zeigt die aktuelle NO2-Konzentration, die seit etwa 1997 unabhängig vom Ort konstant geblieben ist. Um den genannten Grenzwert zu erreichen, sind erhebliche Anstrengungen in allen Bereichen, d. h. nicht nur im Ver kehrsbereich, notwendig.
Ozon O3 Beim Ozon sind zwei Wirkungsbereiche zu unterscheiden: a) Die Ozonschicht: In einer Höhe von 30 bis 40 km (Stratosphäre) wirkt Ozon als Filter gegen die harte UVStrahlung (UV-C und UV-B) und ist daher lebenswichtig. In den letzten 20 Jahren konnte eine zunehmende Aus dünnung der Ozonschicht beobachtet werden, verursacht durch FCKW und Halone. Besonders im Frühling (September, Oktober) kommt es über der Antarktis zu einer dramatischen Reduzierung der O3-Konzentration
Bild 15-10 NO2-Immission in Deutschland und Grenzwerte
(Ozonloch). Abgasemissionen haben keinen Anteil daran. Nach jüngsten Berechnungen wird bis etwa 2040/2050 dieses Ozonloch wieder geschlossen sein. b) Das bodennahe Ozon: Es wird als Sommersmog bei starker Sonneneinstrahlung aus dem Luftsauerstoff unter Einwirkung von Photooxidantien (NOX, VOC, CO) gebildet und ist giftig, daher unerwünscht. Da diese Vorläufersubstanzen z. T. aus den Kfz-Abgasen stammen, werden ab bestimmten O3-Konzentrationen Informatio nen bis zu Fahrverboten an die Verkehrsteilnehmer gegeben, um den Kfz-Verkehr zu reduzieren. Stickoxide initiieren einerseits die O3‑Bildung, fördern andererseits aber auch seinen Zerfall. So kann sich durchaus in ländlichen Gegenden eine höhere Ozon-Konzentration als in verkehrsreichen Stadtgebieten einstellen. Ozon ist ein Reizgas und kann den Sauerstofftransport verändern. Es reduziert die Resistenz gegen Virusinfek tionen, das pflanzliche Wachstum und beeinflusst die At mung.
15.2 Abgasgesetzgebung 471
15.2
Abgasgesetzgebung
15.2.1
Abgasgesetzgebung für Pkw-Motoren
Die ersten Abgasvorschriften für Fahrzeuge mit Dieselmotor entstanden Anfang der 1970er Jahre in den USA und etwas später dann auch in Japan und Europa. Der Fokus der Ge setzgeber liegt heute wie auch damals schon auf der Limitie rung des Dieselrauchs, der Partikelemission und der Stick oxidemission. Der Abgastest soll eine quantitative Aussage über die Emissionen eines Fahrzeugszeuges unter repräsen tativen Bedingungen liefern. Dies erfolgt auf einem Rollen prüfstand und mit standardisierten Fahrzyklen. Da das Fahr verhalten in USA, Europa und Japan aber unterschiedlich ist, haben sich parallel auch verschiedene Fahrzyklen für die Ab gas- und Verbrauchsmessung entwickelt. Die wesentlichen Fahrzyklen sind in Bild 15‑11 dargestellt. Während man anfangs dem Diesel bei den Stickoxiden höhere Emissionen zubilligte, geht die Entwicklung der Abgasvorschriften in die Richtung der Gleichbehandlung von Otto- und Dieselmotoren, d. h. technologieneutrale Grenzwerte. Nach den Anfängen der Abgasgesetzgebung in USA, Europa und Japan haben sich Vorschriften zur Begrenzung der Emissionen in vielen Ländern entwickelt. In mehr als 30 Ländern existieren heute unterschiedlich strenge Abgasvor schriften. Diese Vorschriften greifen aber im Wesentlichen auf die Beispiele USA, Europa und Japan zurück. Daher reicht eine Konzentration auf die Vorschriften dieser drei Länder in den folgenden Betrachtungen.
15.2.1.1
Dieselrauch
Die Dieselrauchmessung, anfangs auch für die Bewertung von Neufahrzeugen sinnvoll, macht wegen des insgesamt niedrigen Emissionsniveaus heutzutage nur noch Sinn für die Prüfung von Fahrzeugen im Verkehr. Grundsätzlich unterscheidet man zwei Typen von Diesel rauchprüfungen. Zum einen kommt eine Volllastmessung (hier werden je nach Vorschrift 4 bis 6 Punkte auf der Voll lastlinie des Motors angefahren) und eine freie Beschleuni gung (Beschleunigung des Motors bis zur Abregeldrehzahl) zur Anwendung. Darüber hinaus werden seitens der Mess
technik die Lichtabsorptionsmessung und die Filtermessung unterschieden. Einen direkten und eindeutigen Rückschluss auf das Partikelemissionsniveau im Rollenprüfstandstest lassen die Ergebnisse aus diesen Messungen allerdings nicht zu. Mittels der Dieselrauchprüfung können sinnvoll ledig lich hoch emittierende Fahrzeuge ermittelt und auch in bestimmten Fällen unerlaubte Veränderungen am Einspritz system erkannt werden.
15.2.1.2
Gasförmige Emissionen und Partikelemission
Für die Typprüfung von neuen Fahrzeugen sind die Emissi onen von HC, CO, Stickoxid und Partikel im Fahrzyklus auf einem Rollenprüfstand zu ermitteln. Außerdem fordert der Gesetzgeber eine Überwachung der produzierten Fahrzeuge und auch teilweise die Prüfung von Fahrzeugen im Verkehr (in der EU können derzeit Fahrzeuge bis zu einer Laufleistung von 100.000 km der Prüfung unterzogen werden). Im Rahmen der Typprüfung wird auch die Einhaltung der Emissionsgrenzwerte über die Fahrzeuglebenszeit gefordert. Zur Nachweis erbringung hat der Hersteller hier i. d. R. die Wahl zwischen der Anwendung von festen Verschlechterungsfaktoren (Ta belle 15‑1) – die Emissionen werden über die lineare Regres sion auf die Lebensdauer hochgerechnet – und der Durchfüh rung eines Dauerlaufes. Für die USA gilt die Option der festen Verschlechterungsfaktoren allerdings nur für Kleinserien und ist darüber hinaus anpassungsbedürftig hinsichtlich der Dau erlaufdistanz. Die Fahrzeuglebenszeit wird unterschiedlich angesetzt. So muss in den USA der Nachweis über 120.000 Meilen (193.000 km) erbracht werden, während man in Europa lediglich den Nachweis über 80.000 km fordert. Die Emissionen beim Rollenprüfstandstest werden aus dem verdünnten Abgasstrom analysiert. Zusätzlich sammelt ein durch einen Teilabgasstrom beaufschlagtes Filterplätt chen die Abgaspartikel, welche anschließend auf einer Waage vor und nach dem Test gewogen werden. Die Diskus sion um das gesundheitsgefährdende Potential der Diesel rußpartikel führte auch zu der Frage, ob die Partikelmasse hier die relevante Messgröße ist oder ob nicht etwa die Anzahl der Partikel bestimmend für das Gesundheitsrisiko ist. In Europa überlegt man daher mittelfristig die Messung der Partikelmasse mit der Partikelanzahlmessung zu er gänzen.
Tabelle 15-1 Verschlechterungsfaktoren (DF – Deterioration Factor) in Europa/Japan
EU Japan
CO
HC
NOx
Σ HC+NOx
PM
Dauerhaltbarkeit
1,1 1,2
– 1,3
– 1,0
1,0 –
1,2 1,2
80 000 km 80 000 km
472 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-11 Pkw-Abgastestzyklen
15.2 Abgasgesetzgebung 473 Mit der Markteinführung von Partikelfiltersystemen haben die Gesetzgeber in Europa eine ergänzende Prüfung von periodisch regenerierenden Partikelfiltern festgelegt. Hier werden Emissionen und Verbrauch sowohl in der Par tikel-Akkumulationsphase als auch in der Regenerierphase ermittelt. So fließen also gewichtet die höheren Emissionen während der Regenerierung des Partikelfilters in die Ender gebnisse mit ein.
15.2.1.3
Abgasvorschriften USA
Die verschiedenen Abgasgrenzwertstufen werden in den USA Bund als „Tier“ (Stufe) bezeichnet. Die aktuelle Stufe ist Tier 2. Diese unterscheidet wiederum verschiedene Grenz wertsätze (bin). Der Hersteller kann zwischen mehreren bin wählen, muss jedoch beachten, dass der NOX‑Wert seiner Fahrzeugflotte im Mittel 0,07 g/Meile (phase-in bis Modell jahr 2007) nicht überschreitet. Dies schränkt die Wahl der möglichen Grenzwertsätze stark ein, da im Durchschnitt bin5 erreicht werden muss. Der am wenigsten strenge Grenz wertsatz ist bin8. Wesentlich an den Abgasgrenzwerten in den USA ist, dass sie sowohl für Diesel- als auch für OttoFahrzeuge gelten, welches eine besondere Herausforderung an die Abgasreinigung des Dieselmotors ist, Tabelle 15‑2. Des Weiteren wird die Einhaltung von Emissionsgrenzwer ten in Zusatzzyklen, der sog. Supplemental Federal Test Procedure (SFTP) gefordert. Ausgehend von der besonderen Situation bezüglich Klima, Bevölkerungsdichte und damit auch der Verkehrs dichte haben sich bis heute eigenständige Emissions vorschriften für den Bundesstaat Kalifornien gehalten. Hier ersetzt der NMOG-Flottengrenzwert (Non Methan Organic Gases) den in USA Bund gültigen NOX-Flottenwert. Der NMOG-Flottenmittelwert eines Herstellers bestimmt die Stückzahlen in den 3 Grenzwertklassen, die hier LEV (Low Emission Vehicle), ULEV (Ultra Low Emission Vehicle) und SULEV (Super Ultra Low Emission Vehicle) heißen, Tabelle 15‑3. Die kalifornischen Abgasgrenzwerte sind die strengsten weltweit.
Tabelle 15-2 Abgasgrenzwerte Tier 2 bin8/bin5 für „half useful life” (50 000 Meilen) Emissionen im FTP-75 Zyklus
bin 8 bin 5
NMOG [g/mi]
CO [g/mi]
NOx [g/mi]
PM [g/mi]
HCHO [g/mi]
0,100 0,075
3,4 3,4
0,14 0,05
0,02 0,01
0,015 0,015
Tabelle 15-3 Abgasgrenzwerte Kalifornien für „half useful life” (50 000 Meilen) Emissionen im FTP-75 Zyklus
LEV ULEV SULEV*
NMOG [g/mi]
CO [g/mi]
NOx [g/mi]
PM [g/mi]
HCHO [g/mi]
0,075 0,040 0,010
3,4 1,7 1,0
0,05 0,05 0,02
0,01 0,01 0,01
0,015 0,008 0,004
NMOG: Non-Methan Organic Glases HCHO: Formaldehyd * full useful life (120 000 Meilen)
15.2.1.4
Abgasvorschriften Europäische Union
Erst spät hat die Entwicklung der Abgasvorschriften in der Europäischen Union (EU) mit der Abgasstufe Euro 1 An schluss an das Niveau der Gesetzgebung in USA gefunden. Mittlerweile ist man bei der Stufe Euro 4 (Tabelle 15‑4) ange langt, die seit dem 1.1.2005 für alle neuen Typen und seit dem 1.1.2006 für alle neu zugelassenen Fahrzeuge gilt. Es gibt bereits weiterführende Festlegungen für Euro 5 (gültig ab 1.9.2009) und zu Euro 6 (ab 1.9.2014). Gegenwärtig gelten in den Euro-Abgasstufen noch unterschiedliche Grenzwerte für Otto- und Dieselmotoren. Außerdem werden Pkw noch durch ihre zulässige Gesamtmasse unterschieden. Die Ab gasgrenzwerte für Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamt masse von unter 2500 kg müssen strengere Werte erfüllen als die Fahrzeuge mit 2500 kg und mehr. Von dieser Regelung profitieren im Wesentlichen Kleinbusse. Die Abgasvorschriften in der EU werden durch die EU Kommission vorgeschlagen und durch die Institutionen bestätigt. Mittlerweile werden immer häufiger Komponen ten der Gesetzgebung, wie etwa Testverfahren aus der Arbeit im World Forum For Harmonization der Vereinten Nationen (UN-ECE) übernommen. Ein Beispiel hierfür ist das Prüf verfahren von Fahrzeugen mit periodisch regenerierenden Abgasnachbehandlungssystemen wie dem Dieselpartikel filter. Bei diesem Verfahren wird der sog. Regenerierungs faktor (ki) durch Messung der Emissionen vor, während und nach der Regenerierung des Abgasnachbehandlungssystems ermittelt, Bild 15‑12. Die Messwerte aus der Abgasprüfung mit einem unbeladenen Partikelfilter werden dann mit dem ki-Wert multipliziert. Eine Fortschreibung der Euro-Stufen ist gegenwärtig in Gang. Die anvisierten Einsatztermine liegen in 2009 bzw. 2014. Der Fokus der Verschärfung wird auf einer weiteren Reduzierung der NOX‑Emissionen speziell beim Diesel motor liegen, um die zulässigen Emissionen von Otto und
474 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Tabelle 15-4 Euro4/5/6 Grenzwerte für Fahrzeuge mit Dieselmotoren Europäischer Fahrzeugzyklus NEFZ
Euro 4 Euro 5 Euro 6*
CO [g/km]
HC + NOx [g/km]
NOx [g/km]
PM [g/kg]
0,5 0,5 0,5
0,30 0,23 0,17
0,25 0,18 0,08
0,025 0,005 0,005
* gem. Verordnung 715/2007/EG
Diesel näher aneinander zu rücken und dann in einer weiter folgenden Stufe möglicherweise anzugleichen. Auch bei den Partikelemissionen liebäugelt der Gesetzgeber mit Verän derungen. So gibt es Bestrebungen, neben der bisherigen Messgröße Partikelmasse auch die Anzahl der emittierten Partikel zu ermitteln.
Ob auch eine Änderung des Testzyklus kommen wird, steht noch im Raum. Äußerungen des Gesetzgebers, dass der aktuelle Testzyklus NEFZ nicht mehr repräsentativ sei, deuten dies zumindest an. Möglicherweise werden diese Aktivitäten mit jenen bei der UN-ECE koordiniert.
15.2.1.5
Abgasvorschriften Japan
Die japanischen Großstädte mit ihren Ballungsräumen lei den bereits seit langer Zeit unter dem Smog-Problem, verur sacht durch die hohen Konzentrationen von Kohlenwasser stoffen und Stickoxiden. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistet der Straßenverkehr. Daher lag bei der Entwicklung der Abgasgesetzgebung das Augenmerk besonders bei der Redu zierung der NOX-Emissionen. Neben den Abgasgrenzwerten für das ganze Land gab es daher im sog. NOX-Control-Law strengere Werte für die Zulassung von Dieselfahrzeugen in den Ballungsräumen. Aber auch in Japan geht die Fortschrei bung der Abgasvorschrift in Richtung der Gleichbehandlung
Bild 15-12 Verfahren zur Bestimmung der Emission von periodisch regenerierenden Systemen
15.2 Abgasgesetzgebung 475
Tabelle 15-5 Abgasgrenzwerte Diesel-Pkw Japan HC [g/km]
CO [g/km]
NOx [g/km]
PM [g/km]
0,28 (0,43)
0,052 (0,11)
0,14 (0,20)
0,013 (0,017)
0,08 (*)
0,005 (*)
Emissionen im 10.15-Mode Long Term Targets
seit 2004
0,12 (0,24)
0,63 (0,98)
Emission im 11-/10.15-Mode ab 2008:Emissionen im JC08-/10.15-mode New Long Term Targets
ab 1.9.2007
0,024 (0,032)
0,63 (0,84)
Emissionen im JC08-/10.15-mode Emissionen im JC08-/JC08-mode Post New Long Term Targets
ab ca. 2010
0,024 (0,032)
0,63 (0,84)
Klammerwerte gelten für Kleinserien bis max. 2000 Fahrzeuge pro Typ und Kalenderjahr * Grenzwerte sind noch nicht festgelegt
von Otto- und Diesel-Fahrzeugen. Die Einführungstermine sind zeitversetzt für Fahrzeuge aus japanischer Produktion und Importfahrzeugen. Diese Praxis ist aber für die Zukunft noch nicht festgeschrieben. Außerdem werden auch zwei verschiedene Grenzwertsätze definiert, einer für Großserien und der andere für Kleinserien bzw. geringe Importstück zahlen (max. 2000 Fahrzeuge pro Typ und Kalenderjahr), Tabelle 15‑5.
On-Board Diagnose (OBD) Um die Funktion der emissionsmindernden Bauteile auch im Betrieb des Fahrzeuges überwachen zu können, fordert der Gesetzgeber die sog. on‑board Diagnose. Diese Anforde rung wurde erstmalig in Kalifornien in 1988 mit der OBD I gestellt. Die aktuelle Version der Diagnose ist nun die OBD II für Kalifornien. In der EU wurde die on‑board Diagnose mit der Euro 3-Gesetzgebung ab dem Jahr 2000 eingeführt (EOBD). Die Aufgabe der OBD ist es, den Fahrer über Fehl funktionen oder gar Ausfälle von emissionsrelevanten Bau teilen durch eine optische Warnanzeige zu informieren. Die erkannten Fehlfunktionen werden in einen Fehlerspeicher eingetragen und können über eine genormte Schnittstelle mit einem externen Diagnosetool ausgelesen werden. Die OBD für USA und Europa unterscheiden sich im Wesentli chen durch die Überwachungsparameter und die Höhe des Emissionsschwellwertes, ab welchem eine Fehlfunktion an gezeigt wird.
15.2.2
Abgasgesetzgebung für Nutzfahrzeugmotoren
15.2.2.1
Prüfmodus und Abgasgrenzwerte
Die Typenvielfalt der Nutzfahrzeuge, ihre Entwicklung zum Komponenten-Truck sowie der Reifen- und Bremsenver schleiß beim Rollenprüfstandsbetrieb haben für schwere Nutzfahrzeuge weltweit zu Emissionsprüfungen auf Motor prüfständen geführt. Dabei erfolgt die Einteilung der Klassen in der Europäischen Union wie in Tabelle 15‑6 dargestellt. Da nicht jedes Einsatzprofil eines Motors geprüft werden kann, ist es erforderlich, den Motor in einem möglichst typischen Prüfzyklus zu betreiben, um die Emissionen zu bewerten und um den Zertifizierungsaufwand in Grenzen zu halten. Bei der Prüfung werden die Emissionen der fol genden Komponenten gemessen: – Stickoxide (NOX), – Kohlenwasserstoffe (HC), – Kohlenmonoxid (CO), – Partikel (PM), – sichtbare Emission (Abgastrübung). Die in den verschiedenen Ländergruppen festgelegten Ab gasgrenzwerte sind tabellarisch dargestellt, Tabelle 15‑7 und 15‑8. Aus allen länderspezifischen Gesetzgebungen ist ein deutlicher Trend zu niedrigen Abgasgrenzwerten festzu stellen. Die Grenzwertschärfe der einzelnen Länder ist nicht direkt vergleichbar, da die Motoren auf den jeweiligen Prüf zyklus abgestimmt werden müssen.
476 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Tabelle 15-6 Fahrzeugklassen nach RREG 70/156/EWG1 für dieselgetriebene Fahrzeuge. Prüfandorderungen für gasförmige Emissionen und Partikel Personenbeförderung Sitzplätze2
Klasse
Güterbeförderung zul. Gesamtgewicht
Testzyklus 3
Klasse
zul. Gesamtgewicht
Testzyklus
M1
≤8
≤3,5 t >3,5 t
EUDC ESC; ELR; ETC; ECE-R 49
N1
≤3,5 t
Wahlweise EUDC3 oder ECE-R 49; ESC, ELR; ETC
M2
>8
≤5 t
ECE-R 49 ESC; ELR; ETC (EUDC)4
N2
≤3,5 t… ≤12 t
ECE-R 49 (EUDC)4
M3
>8
>5 t
ECE-R 49 ESC; ELR; ETC
N3
≤12 t
ECE-R 49 ESC; ELR; ETC
1 2 3 4
EUDC (ECE-R49) gültig für Straßenfahrzeuge mit mindestens 4 Rädern und einer Höchstgeschwindigkeit von mehr als 50 (25) km/h (ohne Arbeitsmaschinen). Ohne Fahrer. EUDC: Neuer Europäischer Rollen-Zyklus bis 120 km/h nach RREG 70/220/EWG. Rollentest kann für M2- und N2-Fahrzeuge dann erfolgen, wenn Bezugsmasse 2840 kg nicht übersteigt. ESC: European Steady Cycle. ETC: European Transient Cycle. ELR: European Load Responsetest.
Tabelle 15-7 Entwicklung der Grenzwerte gas- und partikelförmiger Emissionen dieselbetriebener Nutzfahrzeuge über 3,5 t in der EU 1995/96 Euro II
2000/01 Euro III
Testzyklus
ECE-R49
ECE-R49
ESC
ETC
ESC
ETC
ESC
ETC
ESC
ETC
CO g/kWh
4,5(4,9)
4
2,1
5,45
1,5
4
1,5
4
1,5
3
HC g/kWh
1,1(1,23)
1,1
0,66
NMHC g/kWh
2005/06 Euro IV
EEV**** Sonderdefinition
1992/93 Euro I
2008/09 Euro V
0,46 0,78
0,46 0,55
0,25 0,55
0,4
NOx g/kWh
8,0 (9,0)
7
5
5
3,5
3,5
2
2
2
2
PM g/kWh
0,61(0,68)* 0,36(0,4)
0,25** 0,15
0,13*** 0,10
0,21*** 0,16
0,02
0,03
0,02
0,03
0,02
0,02
CH4 g/kWh ELR Smoke m–1
1,6 0,8
Nachfolgend werden die wichtigsten Prüfverfahren beschrieben.
15.2.2.2
Amerikanischer Prüfzyklus
In den USA ist seit 1985 ein dynamisches Prüfverfahren für Nutzfahrzeugmotoren vorgeschrieben, Bild 15‑13. Der Prüf zyklus (US-FTP) ist in normierter Form (Drehzahl, Dreh moment) vorgegeben, dauert 20 Minuten und wird zweimal gefahren (Kalt- und Heißtest). Für das Endergebnis wird der Kalttest mit 1/7, der Heißtest mit 6/7 gewichtet. Die wesent
1,1 0,5
1,1 0,5
0,65 0,15
lichen Betriebshäufigkeiten konzentrieren sich auf den Be reich hoher Drehzahlen. Die aus Verbrauchsgründen häufig gefahrene Drehzahl des maximalen Drehmomentes ist nur sehr wenig berücksichtigt, weshalb sich die europäische Ge setzgebung dem US-FTP bisher nicht anschließen konnte. Die Tatsache, dass durch den Prüfzyklus die Fahrereig nisse im realen Fahrbetrieb nicht erfasst werden, wurde dazu genutzt, die Applikation so durchzuführen, dass zu Lasten der NOX-Emission günstige Kraftstoffverbräuche im Feld erreicht werden. Dieser Missbrauch (cycle beating) führte zu einer deutlichen Verschärfung der US Gesetzge
15.2 Abgasgesetzgebung 477
Tabelle 15-8 Entwicklung der Grenzwerte gas- und partikelförmiger Emissionen dieselbetriebener Nutzfahrzeuge über 3,5 t in den USA bzw. über 2,5 t in Japan Testzyklus Gültig ab
USA FTP [g/kWh]
ESC [g/kWh]
Japan
1998
NOx HC CO PM
5.4 1.7 20.8 0.13/0.07
1999
NOx HC CO PM
2004
NOx HC CO PM
2005
NOx HC CO PM
2007
NOx HC CO PM
1.5 0.19 20.8 0.02
1.5 0.19 20.8 0.02
2009
NOx HC CO PM
0.3 0.19 20.8 0.02
0.3 0.19 20.8 0.02
D 13 [g/kWh]
JE05 [g/kWh]
4.5 2.9 7.4 0.25 3.35 20.8 0.13/0.07
3.38 0.87 2.22 0.18 2.0 0.17 2.22 0.027
0.7 0.17 2.22 0.01
Die Europäische Gemeinschaft hat dann für Euro III ab 1999 einen neuen Prüfzyklus eingeführt, dessen Betriebs punkte durch umfangreiche Fahrmessungen bestimmt wur den [15‑6]. Die Motoren werden nach dem neuen Zyklus ESC (European Stationary Cycle) mit ELR (European Load Reponse Test) bei drei Prüfdrehzahlen in mehreren Last punkten geprüft, Bild 15‑16. Der Prüfbereich bestimmt sich aus der Volllastkurve des Motors, Bild 15‑17. Zur Absiche rung eines homogenen NOX Kennfeldes wird die NOX Emission in drei willkürlich vom Prüfer innerhalb des Prüf bereiches ausgewählten Messpunkten ermittelt. Die dyna mische Partikelemission wird durch den ELR (European Load Response Test) begrenzt. Bild 15‑18. Motoren mit Partikelfilter, Abgasnachbehandlungs-Syste men zur Denoxierung und Gasmotoren sowie grundsätzlich alle Euro IV und Euro V Motoren müssen zusätzlich im ETC Zyklus (European Transient Cycle) geprüft werden, der von derselben Datenbasis abgeleitet ist, Bild 15‑19. Wie der US-Transienttest ist der ETC auf Basis normierter Drehzahlund Drehmomentwerte festgelegt, wird aber nur als Heiß test gefahren und dauert 30 Minuten. Der sichtbare Rauch wird in Europa durch die Regelung ECE‑R24 abhängig vom theoretischen Motor-Luftdurchsatz begrenzt, Bild 15‑20. Um die Wirkung der ladedruckabhän gigen Volllastmengenbegrenzungen zu prüfen, wird zusätz lich der Rauchstoß bei freier Motorbeschleunigung aus dem Leerlauf gemessen. Der ermittelte, und auf dem Motoren typschild angegebene Plakettenwert dient als Basis für die in einigen Ländern eingeführte Abgasuntersuchung (AU) und Feldüberwachung.
15.2.2.4
Japanischer Prüfzyklus
bung. Neben der zusätzlichen Einführung des Euro III ESC Tests wurde ein Bereich des Motorkennfeldes festgelegt, die sog. NTE (not‑to‑exceed) Zone, Bild 15‑14, in dem die Emissionen den jeweiligen Grenzwert um nicht mehr als um einen von der Grenzwertschärfe abhängigen Faktor überschreiten dürfen. Für die Begrenzung der sichtbaren Emission (Abgastrü bung) ist ein dynamischer Prüfzyklus vorgeschrieben, der aus verschiedenen Schub-, Last- und Verzögerungsphasen aufgebaut ist, Bild 15‑15.
Wie in Europa wurde auch in Japan bisher ein stationärer 13‑Punkte-Test (D 13) verwendet, dessen Prüfpunkte haupt sächlich den Bereich des maximalen Drehmomentes und Leerlaufes erfassen, Bild 15‑21. Seit 2005 gilt ein transienter Prüfzyklus (JE 05), der im Gegensatz zu US-FTP und ETC jedoch wie bei Pkw als Fahrzeugzyklus in km/h festgelegt ist, Bild 15‑22. Die Prüfung selbst wird aber nach wie vor am Motor vorgenommen. Dazu liefert der Gesetzgeber ein Re chenprogramm, mit dessen Hilfe der Fahrzeugzyklus in Ab hängigkeit vom Fahrzeugtyp in den Motorzyklus umgewan delt wird.
15.2.2.3
15.2.2.5
Europäischer Prüfzyklus
Ein europäischer Prüfzyklus wurde durch die UN Wirt schaftskommission für Europa (ECE) mit Sitz in Genf erst mals 1982 im Rahmen der Regelung ECE R49 eingeführt. Dieser Zyklus ist seit dem Jahre 2000 nicht mehr gültig.
Weltweit harmonisierter Prüfzyklus (WHDC)
Die Prüfzyklen in USA, Europa und Japan unterscheiden sich signifikant in ihren jeweiligen Betriebsbereichen, Bild 15‑23. Mit immer schärferen und sich weiter annä hernden Grenzwerten bedeutet das für einen weltweit täti
478
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-13 Drehmoment und Drehzahlverlauf im USA-Transient-Testzyklus für Nfz-Dieselmotoren
Bild 15-14 USA-Kontrollzone (NTE)
15.2 Abgasgesetzgebung
Bild 15-15 USA-Rauchtest
Bild 15-16 ESC (European Stationary Cycle)
479
480
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-17 Ermittlung des Prüfbereiches für ESC (European Stationary Cycle)
Bild 15-18 ELR (European Load Response Test)
Bild 15-19 ETC (European Transient Cycle)
15.2 Abgasgesetzgebung
Bild 15-20 Rauchgrenzkurven nach ECE-R 24 und A30, Schweden
Bild 15-21 Messpunkte und Wichtung im Japan-Dreizehn-Punkte-Test (D 13)
481
482
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-22 Japanischer Transient-Test (JE 05)
Bild 15-23 Betriebsbereiche im USA-, EU- und Japan-Test
15.2 Abgasgesetzgebung gen Nfz-Hersteller einen unverhältnismäßig hohen Entwicklungsaufwand für die prinzipiell gleiche Abgastechnologie. Auf Anregung der europäischen Nutzfahrzeugindustrie hat deshalb die UN Wirtschaftskommission für Europa (ECE) im Jahre 1997 die Entwicklung eines Welt-Testzyklus für die Zertifizierung schwerer Nfz-Motoren übernommen. Dieser Zyklus wurde 2006 als globale Richtlinie (gtr = global technical regulation) verabschiedet und soll zu einer weltweiten Harmonisierung der Prüfprozeduren und Messtechniken führen. Für Europa ist der Einsatz frühestens mit Euro VI im Jahre 2012 zu erwarten. Der Zyklus wurde aus Fahrdaten von über 80 Fahrzeugen weltweit entwickelt und ist ein Kompromiss aus europäischen, japanischen und amerikanischen Fahrprofilen, Bild 15-24. Er ist damit nicht repräsentativ für einen bestimmten Fahrzeugeinsatz (z. B. Fernverkehr), ermöglicht aber die Entwicklung und Verwendung von effizienter Abgastechnologie für alle Bereiche. Wie bei US-FTP und ETC ist der transiente Prüfzyklus (WHTC) in normierter Drehzahl und normiertem Drehmoment festgelegt, Bild 15-25. Der Hauptdrehzahlbereich ist deutlich zu niedrigen Drehzahlen verschoben, die man auch im tatsächlichen Fahrbetrieb findet. Die Normierung
Bild 15-24 Häufigkeitsvergleich der Straßenkategorien in USA, EU und Japan
483
ist wesentlich komplexer als bisher, wodurch das Risiko einer Umgehung des Zyklus (sog. cycle bypass) minimiert wird. Zusätzlich gibt es auch einen Stationärtest WHSC, da sich die Kombination von Transient- und Stationärtest inzwischen weltweit durchgesetzt hat.
15.2.2.6
Neue Elemente der Abgasgesetzgebung
Bis zum Ablauf der Abgasstufe Euro III bestand die Abgasgesetzgebung im Wesentlichen nur aus Testzyklus und dem jeweiligen Abgasgrenzwert. Ab Euro IV (2005) wird in der EU erstmals das bereits von Pkw bekannte OBD (On-Board Diagnose) System für Nfz verbindlich. Bei fehlerhaftem Abgassystem wird der Fahrer durch eine Diagnoselampe darauf hingewiesen, eine Werkstätte zur Reparatur aufzusuchen. Auch auf diesem Gebiet wurde durch die ECE bereits eine globale Regelung (WWH-OBD) erarbeitet, die in 2006 verabschiedet und voraussichtlich ab 2010 weltweit zur Anwendung kommen wird. Ein weiterer zentraler Punkt zukünftiger Abgasregelungen ist die Überwachung der Emissionen im Feld (InUse Compliance). Hier wird das Nfz neue Wege gehen. Da der Testzyklus auf den Motor bezogen, ein Ausbau des
484 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-25 WHTC (Worldwide Harmonized Transient Cycle)
Motors für die Prüfung aber unzweckmäßig ist, wird die Emission mit Hilfe portabler Abgasmessgeräte (PEMS = Portable Emissons Measurement System) direkt im realen Betrieb des Fahrzeuges gemessen. Die Ausführungsbestim mungen sind zurzeit in Diskussion, die Einführung ist in USA ab 2007, in Europa ab 2008 vorgesehen.
15.2.3
Abgasgesetzgebung für Industriemotoren
Unter Industriemotoren sind hier alle Motoren zu verstehen, die nicht in Straßenfahrzeugen eingebaut sind. Da dieser Be reich ein sehr weites Spektrum vom Rasenmähermotor bis zum Schiffsdiesel umfasst, können im Folgenden nur die we sentlichen Regelungen abgehandelt werden. Um für dieses breite Anwendungsspektrum entsprechende Emissionsbe grenzungen betriebsgerecht durchführen zu können, erar beitete ein Gremium das Normenprojekt ISO 8178 [15‑7] (s. Anhang: Normen und Richtlinien für Verbrennungsmo toren). Dabei werden für typische Einsatzzwecke bestimmte Prüfzyklen zugeordnet, siehe Tabelle 15‑9. Die entspre chenden Testpunkte und Wichtungsfaktoren sind in Ta belle 15‑10 zusammengefasst.
Die von den Motoren einzuhaltenden Grenzwerte sind nicht Gegenstand der Norm, sondern werden von entspre chenden Gremien erarbeitet und dem Gesetzgeber zugeleitet.
15.2.3.1 Stationäre Motoranlagen – Technische Anleitung Luft Durch die Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) werden die Emissionen stationärer Verbrennungsmotoren, wie z. B. für Notstromaggregate, Kraft-Wärme-Kopplungs anlagen, Blockheizkraftwerke und dergleichen, begrenzt. Die TA Luft vom 24. Juli 2002 präzisiert die Ausführungsbe stimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und gibt Anleitungen für die praktische Durchführung und Beispiele vorliegender Rechtsprechung, Tabelle 15‑11. Für die Stickoxid- und Staubgrenzwerte wird nach Otto-, Diesel- und Diesel-Gas-Motoren differenziert. Dabei ist zu beachten, dass für einige Brennstoffe (Klär-, Bio- und Depo niegas) eine Dynamisierungsklausel für Emissionen (wie Staub, CO, NOX, SO2 (für Bio- und Klärgas) und organische Stoffe) besteht. Danach sind alle Möglichkeiten auszuschöp fen, um die Emissionen durch dem Stand der Technik ent
15.2 Abgasgesetzgebung 485
Tabelle 15-9 Testzyklen für Industriemotoren – Anwendungsbereiche Testzyklus
Anwendungsbeispiele
C1 C2 D1 D2 E1 E2 E3 E4 E5 F G1 G2 G3
Off-Road Dieselmotor Off-Road Ottomotor Konstantdrehzahl Konstantdrehzahl Marine Marine Marine Marine Marine Bahn Kleinmotoren (Rasenmäher usw.) Kleinmotoren Kleinmotoren
Baumaschinen, Landwirtschaftliche Geräte, Materialtransport Baumaschinen, Landwirtschaftliche Geräte, Materialtransport Kraftwerke, Bewässerungspumpen Gas Kompressoren, Generatoren Schiffe mit Dieselmotor unter 24 m Länge Seeschiffe mit Konstantdrehzahl Seeschiffe mit Propellerkurve Sportboote mit Ottomotor unter 24 m Länge Schiffe mit Dieselmotor unter 24 m Länge (Propellerkurve) Lokomotiven, Triebwagen, Rangierlokomotiven Zwischendrehzahlanwendungen Nenndrehzahlanwendungen Handgehaltene Geräte
Tabelle 15-10 Testzyklen für Industriemotoren – Betriebspunkte und Wichtungsfaktoren Nenndrehzahl
Zwischendrehzahl
Leerlauf
Drehmoment/Leistung* [%] Typ
100
75
50
C1
0.15
0.15
0.15
C2
25
10
100
75
50
0.10
0.10
0.10
0.10
0.02
0.05
0.32
0.19
0.32
0.50 91%
0.15 80%
0.15 63%
0.14 80%
0.15 60%
0.17 80%
0.32 63%
0.06
D1
0.30
0.50
0.20
D2
0.05
0.25
0.30
0.10
0.15
0.15
E1
0.08
0.11
E2
0.20
0.50
*E3
0.20
*E4
0.06
*E5
0.08
F
0.25
0.13 91%
0.09 0.09
G3
0.90
10
0.20
0.29
0.30
0.07
0.20
0.29
0 0.15
0.30
0.10
0.15
0.30
0.25 40%
0.40 0.30
0.15
G1 G2
25
0.60 0.30
0.07
0.05 0.05 0.10
486 15 Abgasemission von Dieselmotoren sprechende Maßnahmen weiter zu senken (s. TA Luft 2002). Die jeweiligen Grenzwerte sind auf einen Sauerstoffgehalt im Abgas von jeweils 5 Vol% zu beziehen. Die Messung der Staubemissionen hat nach der VDI 2066 emissionsnah, d. h. im heißen Abgas, zu erfolgen, während sich die für Nutzfahrzeugmotoren und mobile Maschinen vorgeschriebene Messung der Partikelemission auf eine Verdünnung des Abgases bezieht. Die in Tabelle 15‑11 angegebene thermische Leistung (Pth in [MWth]) bezieht sich auf den gesamten Brennstoffdurch satz der jeweiligen Anlage.
15.2.3.2
Mobile Maschinen und Traktoren
Mobile Maschinen umfassen Anwendungen wie Radlader, Bagger, Gabelstapler, Straßenbearbeitungsgeräte u. ä. Der Zyklus nach Typ C1 wird verwendet, wenn in diesen Anwen dungen Dieselmotoren eingesetzt werden.
Die Abgas-Grenzwerte sind abhängig von der Motorleis tung festgelegt. Nach langen Verhandlungen ist es gelungen, Testzyklen und Grenzwerte weltweit in hohem Umfang zu harmonisieren. Für Motoren in mobilen Maschinen und Traktoren gelten die in Tabelle 15‑12 angegebenen Grenz werte [15‑8], [15‑9].
15.2.3.3
Schiffsmotoren
Die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) hat ein neues Kap. 8a „Emissionen von gasförmigen Schadstoffen und luftverunreinigenden Partikeln aus Dieselmotoren“ in die Rheinschiffsuntersuchungsordnung (RheinSchUO) auf genommen, das in der ersten Stufe am 1.1.2002 in Kraft ge treten ist, Tabelle 15‑13. Die Stufe II folgt ab dem 1.7.2007. Auch die europäische Kommission hat ihre Abgasrichtli nie 97/68/EG in der Änderung 2004/26/EG um Anforde rungen für Binnenschiffsmotoren erweitert. Da das Technolo
Tabelle 15-11 TA Luft - Grenzwerte für stationäre Verbrennungsmotoren ≥ 1 MWth (für Deponiegas besteht keine Leistungsgrenze) in mg/m3 Staub
201)
SO2
Abhängig vom Kraftstoff, z. B. 350 bei Biogas oder Klärgas
Formaldehyd
60
Gesamt-C
–
Chlor, Fluor, Halogene
3%
CO2) 3)
a) Selbstzündungsmotoren und Fremdzündungsmotoren mit flüssigen Brennstoffen, Selbstzündungsmotoren (Zündstrahlmotoren) und Fremdzündungsmotoren mit gasförmigen Brennstoffen (ausgenommen Bio-, Klärgas oder Grubengas)
300
b) Fremzündungsmotoren mit Bio- oder Klärgas4)
< 3 MWth 10003)
c) Fremdzündungsmotoren mit Grubengas
650
c) Fremdzündungsmotoren mit Grubengas
< 3 MWth 20003)
≥ 3 MWth 650
a) Selbstzündungsmotoren mit flüssigen Brennstoffen
< 3 MWth 1000
≥ 3 MWth 500
- Zündstrahlmotoren mit Bio- oder Klärgas
< 3 MWth 1000
≥ 3 MWth 500
- Magergasmotoren und andere 4-Takt-Ottomotoren mit Bio- oder Klärgas
500
- Zündstrahlmotoren und Magergasmotoren mit sonstigen gasförmigen Brennstoffen
500
c) Sonstige 4-Takt-Ottomotoren
250
d) Zweitaktmotoren
800
NOx3)
≥ 3 MWth 650
b) Gasbetriebene Selbstzündungsmotoren (Zündstrahlmotoren) und Fremdzündungsmotoren
1)
80 mg/m3 bei ausschließlichem Notantrieb oder bis zu 300 Stunden zur Abdeckung der Spitzenlast bei der Stromerzeugung 2) Deponiegas z. Zt. allgemein 650 mg/m3 3) Emissionswerte finden keine Anwendung bei ausschließlichem Notantrieb oder bis zu 300 Stunden zur Abdeckung der Spitzenlast bei der Stromerzeugung 4) Bei Fremdzündungsmotoren mit Grubengas 650 mg/m3 Werte in mg/m3, O2-Gehalt 5 %
Tabelle 15-12 Grenzwerte für Motoren in mobilen Maschinen
15.2 Abgasgesetzgebung 487
488 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Tabelle 15-13 Abgasgrenzwerte für Binnenschiffe nach der RheinSchUO in Abhängigkeit von Nennleistung PN und Nenndrehzahl nN Stufe I: Nennleistung PN [kW]
CO [g/kWh]
HC [g/kWh]
NOx [g/kWh]
PM [g/kWh]
37 ≤ PN < 75
6,5
1,3
9,2
0,85
75 ≤ PN < 130
5,0
1,3
9,2
0,70
PN ≥ 130
5,0
1,3
nN ≥ 2800 1/min = 9,2 500 ≤ nN < 2800 1/min = 45 nN–0,2
0,54
PN [kW]
CO [g/kWh]
HC [g/kWh]
NOx [g/kWh]
PM [g/kWh]
18 ≤ PN < 37
5,5
1,35
8,0
0,8
37 ≤ PN < 75
5,0
1,3
7,0
0,4
75 ≤ PN < 130
5,0
1,0
6,0
0,3
130 ≤ PN < 560
3,5
1,0
6,0
0,2
Stufe II:
PN ≥ 560
3,5
≥ 3150 min–1 = 6,0
1,0
gieniveau zwischen EU- und ZKR-Vorschrift nahezu gleich ist, ist eine gegenseitige Anerkennung der Vorschriften (EU vs. ZKR) sichergestellt. Die IMO (International Maritime Organization) hat für Schiffsdieselmotoren mit einer Leistung > 130 kW ab 1.1.2000 Grenzwerte für die NOX-Emissionen festgelegt, Tabelle 15‑14 [15‑10] bzw. Bild 15‑26. Es ist geplant, die abhängig von Einsatz (Hauptantrieb oder Hilfsmotor) und Betriebsweise (konstante Drehzahl oder Propellerantrieb) nach den in Bild 15‑27 angegebenen Testzyklen ermittelten Grenzwerte später an die weitere technische und umweltpolitische Entwicklung anzupassen. Seit dem 1. Januar 1998 erhebt Schweden emissionsab hängig Hafengebühren in Anlehnung an den IMO-Code [15‑11]. Der dadurch erhoffte Anreiz zum Einsatz einer emissionsmindernden Abgasnachbehandlung trat jedoch
Tabelle 15-14 Abgasgrenzwerte nach IMO für Schiffsdieselmotoren mit einer Leistung ab 130 kW Nenndrehzahl nN in l/min
NOx-Emission in g/kWh
0 < nN ≤ 130 130 < nN ≤ 2000 nN > 2000
17 45 nN–0,2 9,8
nN 343 ≤ n < 3150 min–1 = 45 x nN(–0,2) – 3 n < 343 min–1 = 11,0
0,2
wegen des finanziellen Ungleichgewichts zwischen zusätz lichen Betriebskosten und möglicher Gebührenermäßigung nicht ein.
15.3
Schadstoffe und ihre Entstehung
Bei der ideal verlaufenden motorischen Verbrennung von Kohlenwasserstoffen (HC: Hydrocarbons) entstehen neben der gewünschten Wärmeenergie als Produkte lediglich Was ser (H2O) und Kohlendioxid (CO2), wobei deren Mengen verhältnis vom H:C-Verhältnis des Kraftstoffs abhängt. So wohl Diesel- als auch Ottokraftstoff können mit der Sum menformel CxHy beschrieben werden, der ideale stöchiome trische Verbrennungsprozess liefert dann .
(15-1)
Das entstehende Wasser ist umwelttechnisch unbedenklich, CO2 ist ungiftig, trägt aber signifikant zum Treibhauseffekt bei. Eine Reduktion der CO2 Emissionen erfolgt bei der mo torischen Verbrennung durch Absenkung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs (be). Sowohl beim Otto- als auch beim Dieselmotor verläuft die Verbrennung nicht ideal, und es entstehen weitere Nebenprodukte, die z. T. umweltschädlich sind. Beim homo genen Betrieb des Ottomotors (λ = 1) entsteht als Schadstoff neben Stickoxiden (NOX) und unverbrannten Kohlenwas
15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung 489
Bild 15-26 IMO-Grenzkurve für die NOx Emission von Schiffsdieselmotoren mit Pn > 130 kW und Testergebnissen nach CLEAN
Bild 15-27 IMO-Testzyklen für Schiffsmotoren nach ISO 8178
490 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-28 Schadstoffkonzentrationen im Abgas eines Dieselmotors bei Variation des Luftverhältnisses λ (nach [15‑14])
serstoffen (HC) hauptsächlich Kohlenmonoxid (CO) durch unvollständige Verbrennung. Grund für die unvollständige Verbrennung ist ein Erlöschen der Flammenfront an der kalten Brennraumwand oder in Quetschspalten. Bei inho mogenen Brennverfahren mit λ > 1, der typischen diesel motorischen Verbrennung, aber auch bei geschichtet betrie benen Ottomotoren mit Direkteinspritzung, entsteht als weiterer Schadstoff Ruß, Bild 15‑28. Die Hauptvorteile des Dieselmotors – geringer Verbrauch, hohes Drehmoment bei niedriger Drehzahl – entfalten sich gerade bei abgasturboaufgeladenen Motoren mit Direktein spritzung. Dieses Brennverfahren ist gekennzeichnet durch örtlich stark schwankende Luftverhältnisse. Im Inneren der einzelnen Flammen, die sich um die Einspritzstrahlen aus bilden, besteht Luftmangel (λ << 1), zwischen den Ein spritzstrahlen und an der Brennraumwand besteht Luft überschuss (λ >> 1). Ruß entsteht in Bereichen von Luft mangel, Stickstoffoxide entstehen hauptsächlich direkt hin ter der lokal sehr heißen Flammenfront. Die Entstehung der beiden Hauptschadstoffe bei der dieselmotorischen Ver brennung ist also direkt an das Brennverfahren gekoppelt. Die kontinuierliche Absenkung dieser Schadstoffe, bei gleichzeitig stetiger Verbrauchsabsenkung und Leistungsop timierung, ist unverändert der Fokus der Entwicklung von Dieselmotoren bis in die heutige Zeit [15‑12]. Bevor in Abschn. 15.4 innermotorische Maßnahmen und in Abschn. 15.5 nachmotorische Maßnahmen (Abgasnachbe handlung) zur Emissionsminderung beschrieben werden,
wird im Folgenden detaillierter auf die Entstehung der ver schiedenen Schadstoffe eingegangen.
15.3.1
Stickoxide (NOX)
Von den unterschiedlichen Stickstoffoxiden (NO, NO2, N2O, N2O3, N2O5) werden in nennenswerter Menge lediglich die Verbindungen NO und NO2 (Stickstoffmonoxid und Stick stoffdioxid) erzeugt. Abkürzend für die Summe von NO und NO2 wird häufig die Bezeichnung NOX (Stickoxide) verwen det. Der wichtigste Entstehungsmechanismus von NOX ist die Bildung von thermischem NO, wie sie von Zeldovich 1946 erstmals beschrieben wurde [15-13]. Im Einzelnen treten folgende Elementarreaktionen auf: O2 ⇔ 2 · O
(15-2)
N2 + O ⇔ NO + N
(15-3)
O2 + N ⇔ NO + O
(15-4)
OH + N ⇔ NO + H (15-5) Die Gleichungen (15-3) und (15-4) beschreiben die Zeldo vich-Kettenreaktion: Bei Vorhandensein von elementarem Sauerstoff (O) entsteht NO und N aus N2. Im folgenden Schritt reagiert der entstandene molekulare Stickstoff (N) mit O2 zu NO und O, womit der Kreislauf geschlossen ist
15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung 491 und die Reaktionskette von vorne beginnt. Gl. (15-5) beschreibt die NO Entstehung in brennstoffreichen Zonen, wie sie hinter der Flammenfront anzutreffen sind. Das Vorhandensein von atomarem Sauerstoff, welcher bei Temperaturen oberhalb von 2200 K aus molekularem Sauer stoff entsteht Gl. (15-2), ist Grundbedingung für den Start der Zeldovich-Reaktionen nach Gl. (15-3) und (15-4). Eine der Voraussetzungen für die NO Entstehung sind also hohe Spitzentemperaturen, wobei explizit darauf hingewiesen werden soll, dass es sich hierbei um lokale Spitzen temperaturen und nicht um mittlere Brennraumtempera turen handelt. Die zweite Grundvoraussetzung für die NO Entstehung ist die Anwesenheit von überschüssigem Sauer stoff, also lokaler Luftüberschuss [15‑13]. Ideale Bedingungen für die NOX-Entstehung liegen beim Ottomotor bei λ = 1,1 vor, beim Dieselmotor ist das Maxi mum der NOX-Konzentration im Abgas zu etwas höherem Luftverhältnis hin verschoben. In Bild 15‑28 sind die Kon zentrationen der unterschiedlichen Schadstoffe über dem Luftverhältnis λ aufgetragen [15‑14]. Die NOX-Konzentra tion weist für fallendes λ einen kontinuierlich wachsenden Verlauf auf, was auf die steigende Abgastemperatur zurück zuführen ist. Bis zu einem Wert von λ = 2 begünstigt die steigende Prozesstemperatur trotz abnehmendem Sauer stoffgehalt die Zunahme der NOX-Konzentration. Unterhalb von λ = 2 steht bei weiter steigender Abgastemperatur lokal nicht mehr ausreichend freier Sauerstoff zur Verfügung. Der Gradient der NOX-Konzentration als Funktion des Luftver hältnisses nimmt ab und es entsteht ein lokales Maximum. Die Zeldovich-Reaktionen sind Gleichgewichtsreaktionen, deren Gleichgewichtsparameter in Abhängigkeit von der Temperatur bekannt sind. Allerdings sind die Verbren nungsvorgänge bei der motorischen Verbrennung so schnell, dass die Gleichgewichtskonzentrationen üblicherweise nicht erreicht werden und die tatsächlichen NOX-Konzentra tionen unter denen liegen, die beim thermischen Gleichge wicht erreicht würden. Andererseits führt das Absinken der Brennraumtemperatur während der Expansionsphase dazu, dass die Rückreaktionen nach den Gl. (15-3) und (15-4) „eingefroren“ werden. Eine NO‑Rückbildung findet unter halb von ca. 2000 K nicht mehr signifikant statt, wodurch im tatsächlichen Abgas die NOX-Konzentrationen über den Gleichgewichtskonzentrationen liegen. Eine Vorhersage der NOX-Emissionen ist somit nicht über Gleichgewichtsreak tionen alleine, sondern nur unter Zuhilfenahme der Reak tionskinetik und unter Berücksichtigung des Zeitablaufs der tatsächlich stattfindenden Verbrennung möglich. Über den Prozessablauf kann beim Dieselmotor starker Einfluss auf die Höhe der NOX-Emissionen genommen werden. So kann die Verbrennungstemperatur durch Küh lung von Ladeluft und rückgeführtem Abgas einerseits,
durch spätes Einspritzen und Verbrennung nach OT ande rerseits, begrenzt werden. Abgasrückführung senkt das Sauerstoffangebot, wodurch zum einen die NOX-Entstehung direkt reduziert wird. Gleichzeitig wird durch die geringere Sauerstoffkonzentration die Brenngeschwindigkeit redu ziert, was seinerseits die lokalen Spitzentemperaturen begrenzt. Eine weitere Reduktion der lokalen Spitzentempe raturen bei Abgasrückführung wird durch die höhere spezi fische Wärmekapazität der dreiatomigen Gase (CO2 und H2O) im rückgeführten Abgas erreicht. Die verschiedenen motorischen Verfahren zur Reduktion der NOX-Emissionen werden detailliert in Abschn. 15.4 diskutiert. Der Anteil von NO2 an den gesamten NOX-Emissionen beträgt beim Ottomotor 1‑10%, beim Dieselmotor 5‑15%, wobei im unteren Teillastbereich bei entsprechend nied rigen Abgastemperaturen auch höhere Konzentrationen festgestellt werden können [15‑14]. Innermotorisch bildet sich NO2 aus NO durch Reaktion mit HO2- und OH-Radi kalen. Die wahrscheinlichste Gleichung lautet: NO + HO2 ⇔ NO2 + OH
(15-5)
Bei Umgebungstemperatur liegt das chemische Gleichge wicht nahezu vollständig bei NO2. In der Atmosphäre rea giert NO mit Ozon bei Lichteinfall zu NO2, wobei sich das Gleichgewicht nach einigen Stunden bis Tagen – abhängig von den Umgebungsbedingungen – einstellt. Weitere Mechanismen der NO-Entstehung, wie promptes NO aus der Reaktion von N2 mit Kraftstoffradikalen, NO aus im Brennstoff gebundenem Stickstoff oder Bildung von NO aus N2O haben bei der dieselmotorischen Verbrennung eher untergeordnete Bedeutung.
15.3.2
Partikel (PM)
Unter den Partikelemissionen eines Fahrzeugs wird nach den gesetzlichen Prüfbestimmungen üblicherweise die Gesamt masse von Feststoffen und angelagerten flüchtigen oder lös lichen Bestandteilen verstanden. Die Prüfbedingungen sind hierbei genau festgelegt: eine Abgasprobe wird mit gefilterter Umgebungsluft verdünnt und auf maximal 52 °C abgekühlt [15‑15]. Die Partikel werden auf einem definierten und kon ditionierten Probenträger abgeschieden, die Gesamtmasse wird durch Wägung bei definierten Bedingungen ermittelt. Ein Beispiel für eine typische Partikelzusammensetzung ist in Bild 15‑29 dargestellt [15‑16]. Der Abbildung ist zu entnehmen, dass der überwiegende Anteil der Partikel aus Ruß – aus elementarem Kohlenstoff – besteht. Auf diesen wird weiter unten noch näher eingegangen. Den zweitgröß ten Anteil stellen organische Verbindungen dar, die aus unverbrannten Kohlenwasserstoffen bestehen, die aus dem Schmieröl oder dem Kraftstoff selbst stammen können. Bei
492 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-29 Typische Partikelzusammensetzung mit serienmäßigem Oxidationskatalysator (nach [15-16])
den oben beschriebenen Bedingungen für die Partikelent nahme und -wägung wird der Taupunkt von zahlreichen Kohlenwasserstoffen unterschritten: es kommt zu Konden sation und Anlagerung der Verbindungen an den Feststoff kernen. Der Sulfatanteil der Partikel wird im Wesentlichen durch den Schwefelgehalt des Kraftstoffs und des Motorenöls bestimmt. Der Schwefel oxidiert im Verbrennungsprozess zu SO2, bei Abgastemperaturen oberhalb von 450 °C zu SO3. Der letzte Oxidationsprozess kann auch durch eine nachge schaltete Abgasnachbehandlung an einem Oxidationskata lysator gefördert werden [15‑17]. Über die Bildung von Sulfat-Ionen entsteht durch das Zusammenwirken mit Was ser Schwefelsäure (H2SO4), die im abgekühlten Abgas an den Partikeln kondensiert. Metalloxide entstehen als Pro dukte von Additiven zum Schmieröl oder zum Kraftstoff und sind in den Partikelemissionen nur als Spuren enthal ten. Wenn dem Kraftstoff ein Additiv zur Partikelfilterrege neration hinzugegeben wird, können diese Oxide einen signifikanten Anteil an der Partikelmasse annehmen. Die in Bild 15‑29 dargestellte Partikelzusammensetzung entspricht dem Mittelwert von Messungen an verschiedenen Pkw und kann je nach Fahrzeugbetrieb und -art stark vari ieren. So wird ein Nutzfahrzeugmotor, betrieben bei hoher Last, einen größeren Anteil von elementarem Kohlenstoff aufweisen, bei Pkw im Teillastbetrieb kann der Anteil an Kohlenwasserstoffen den in Bild 15‑29 dargestellten Wert deutlich übersteigen. Ruß stellt den größten massebezogenen Anteil an den Partikeln. Dieser Anteil kann durch motorische Maßnah men beeinflusst werden und soll im Folgenden näher beschrieben werden. Ruß entsteht generell in Zonen, in
denen Luftmangel besteht. Bei Vorkammermotoren älterer Bauart waren dies u. a. Wandfilme, an denen durch Verko kung des Kraftstoffs z. T. große Rußpartikel entstanden [15‑18], die dann im Abgas sichtbar wurden. Bei modernen Dieselmotoren mit Direkteinspritzung sind die Partikel üblicherweise deutlich kleiner, und somit im Abgas nicht mehr sichtbar, auch sind die Entstehungsprozesse deutlich unterschiedlich. Zurzeit existieren zwei – hier stark verein facht dargestellte – Ruß-Entstehungshypothesen [15‑19]:
Elementarkohlenstoff-Hypothese Bei dieser Hypothese wird davon ausgegangen, dass der Kraftstoff bei den hohen Verbrennungstemperaturen disso ziiert – also zerlegt in seine Elementarbausteine Kohlenstoff und Wasserstoff – vorliegt. Die Wasserstoffmoleküle diffun dieren wesentlich schneller zur sauerstoffhaltigen Umge bung, als die größeren Kohlenstoffatome. Diese bilden über ihre 4fach Valenzen unter Sauerstoffentzug sehr schnell Clus ter, wobei bevorzugt hexagonale und pentagonale Strukturen entstehen. Es formen sich gekrümmte Schalen, die innerhalb von Millisekunden zu typischen Partikelgrößen von etwa 10 nm anwachsen.
Polyzyklen-Hypothese Bei dieser Hypothese wird Ethin (früher: Acetylen, C2H2) eine entscheidende Bedeutung zugesprochen. Das Ethin wird durch Pyrolyse – Zersetzung des Kraftstoffs unter Aus schluss von O2 – von Aliphaten und Aromaten unter Abspal tung von Wasserstoff gebildet. Ausgehend von einer poly zyklischen Struktur kann durch wiederholte Anlagerung von
15.3 Schadstoffe und ihre Entstehung 493
Bild 15-30 Entstehung von Rußpartikeln nach Siegmann (nach [15-21]). 1 Polyzyklen (PAK) Wachstum; 2 planares Wachstum der PAK; 3 Rußkeimbildung durch Formung von 3DClustern; 4 Wachstum der Rußkeime durch Kondensation
Ethinmolekülen eine graphitische Struktur wachsen [15‑20]. Ein fortschreitendes Wachstum durch wiederholte Anlage rung von Ethin ist links oben in Bild 15‑30 angedeutet. Die entstehenden Makromoleküle krümmen sich durch die Bil dung von gelegentlichen 5fach Ringen. Mehrere dieser Mole küle lagern sich in Schichten übereinander ab, es entstehen die sog. Primärpartikel. Der Entstehungsprozess ist in Bild 15‑30 visualisiert. Die entstehenden Primärpartikel ha ben eine typische Größe von 2–10 nm. Nach beiden Entstehungshypothesen bilden sich zunächst sog. Primärpartikel mit einem Durchmesser von unter 10 nm. Die Partikel sind annähernd sphärisch mit einer Dichte um 1,8 g/cm³. Aus diesen Primärpartikeln entstehen im Folgenden die eigentlichen Rußpartikel durch Agglome ration, wobei die einzelnen Partikel aneinander haften blei ben. Einige typische Agglomerate sind in REM Aufnahmen in Bild 15‑31 dargestellt. Die Dichte der sehr lockeren Agglomerate beträgt lediglich 0,02‑0,06 g/cm³ [15‑21]. Die Agglomerate wachsen zunächst sehr schnell durch den Zusammenschluss von Primärpartikeln mit hoher Beweglichkeit. Bei abnehmender Konzentration von Pri märpartikeln und durch die verminderte Beweglichkeit der größeren Agglomerate nimmt das Größenwachstum jedoch ab [15‑22], und es stellt sich eine typische Größenverteilung der Agglomerate ein. Diese Größenverteilung ist auch für unterschiedliche Motoren recht einheitlich. In der Regel findet man eine Log‑Normal Verteilung um einen Wert von ca. 80–100 nm. In Bild 15‑32 sind die Größenverteilungen der Partikelemissionen unterschiedlicher Fahrzeuge bei einem konstanten Betriebspunkt, der einer Fahrzeugge schwindigkeit von 100 km/h entspricht, dargestellt [15‑23]. Die Absolutanzahl der Partikel entspricht den unterschied
lichen Emissionen der Fahrzeuge im dargestellten Betriebs punkt und weist im Maximum Schwankungen bis zum Dreifachen auf. Die Form der Verteilung und die Lage des Maximums ist hingegen nahezu unabhängig vom Fahrzeug und wird als charakteristisch für alle modernen Brennver fahren angesehen. Ein Großteil des während der Verbrennung entstandenen Rußes oxidiert noch im Brennraum. Diese Nachverbren nung findet bei Temperaturen oberhalb 1000 K statt, sobald sich die Verbrennungsgase mit der verbliebenen Frischluft mischen, d. h. wenn wieder ausreichend Sauerstoff zur Ver fügung steht. Im Gegensatz zum Ottomotor sinkt die Mischungstemperatur bei mager betriebenen Dieselmo toren während der Expansionsphase rasch unter einen kri tischen Wert und die Nachoxidation wird eingefroren. Die verbleibenden Partikel werden ausgestoßen und können nur durch Abgasnachbehandlung mit einem Partikelfilter (siehe Abschn. 15.5) beseitigt werden [15‑17].
15.3.3
Kohlenmonoxid (CO)
Die Kohlenmonoxid (CO)-Emission von Dieselmotoren ist i. Allg. sehr niedrig und steigt bei einem konventionellen Brennverfahren lediglich bei Annäherung an die Rußgrenze an. Im übrigen Kennfeld ist ausreichend Sauerstoff für die vollständige Oxidation des Kraftstoffs vorhanden, allerdings ist hierfür eine gute Durchmischung der teilverbrannten Gase mit der verbleibenden Frischluft bei ausreichend hohen Temperaturen Voraussetzung. Nebenkammermotoren, mit deren intensiver Gemischverwirbelung beim Überströmen aus der Vorkammer in den Hauptbrennraum weisen beson ders niedrige CO-Emissionen auf [15‑18]. Moderne Brenn
494
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-31 Dieselpartikel-Agglomerate
Bild 15-32 Größenverteilung von Partikelemissionen von 11 unterschiedlichen Pkw mit modernen Dieselantriebsaggregaten (nach [15-23])
verfahren weisen Drall- und/oder Quetschströmungen auf, mit deren Hilfe die Gemischbildung luftseitig gestützt wird. Die Abstimmung von der Luftströmung in der Brennkammer, der Brennkammergeometrie und der Einspritzgeometrie aufeinander minimiert die CO-Emissionen, wobei die Optimierung im gesamten Kennfeld erfolgen muss. Besonderes Augenmerk ist hier auf den unteren Teillastbereich zu legen, da die Nachoxidation von CO hier aufgrund der niedrigen Temperaturen früher zum Erliegen kommt [15-24]. Bei
einigen Motoren wird einer der Füllungskanäle in diesem Bereich geschlossen, um dadurch den Drall, d. h. die luftseitige Gemischbildung zu fördern. Jüngste Untersuchungen [15-24] haben gezeigt, dass der Anteil von CO aus dem fetten Strahlkern an den COGesamtemissionen gering ist. In diesem Bereich ist die Temperatur ausreichend hoch, um eine vollständige Oxidation von CO zu CO2 bei der sich nach Brennende anschließenden Vermischung mit Luft zu gewährleisten.
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion 495
15.3.4
Kohlenwasserstoffe (HC)
Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) können bei Diesel motoren emittiert werden, wenn unzureichend aufbereiteter Kraftstoff in Gebiete gelangt, in denen die Temperatur für eine Verbrennung nicht mehr ausreicht. Bedingungen hier für bestehen im unteren Teillastbereich bei großem Luft überschuss. Aufgabe des Einspritzsystems ist es, den Kraft stoff durch gute Zerstäubung so aufzubereiten, dass auch bei niedrigen Temperaturen eine vollständige Verdampfung er folgen kann. Weitere Quellen von HC Emissionen können örtlich sehr fette Gemischzonen, beispielsweise beim Auftreffen von Kraftstoffstrahlen auf die Brennraumwand, sein. Insbesonde re beim Kaltstart kann hier keine vollständige Verdampfung gewährleistet werden und die HC Emissionen steigen an. Zündaussetzer wie bei der Verbrennung magerer Gemische beim Ottomotor werden beim Dieselmotor üblicherweise nicht beobachtet, da durch die Direkteinspritzung stets ein Bereich mit annähernd stöchiometrischer Mischung und somit mit idealen Selbstzündungsbedingungen vorliegt. Weiterhin ist der nach Einspritzende in den Düsenlö chern und im Sackloch der Einspritzdüse enthaltene Kraft stoff eine Quelle der HC-Emissionen. Dieser Kraftstoff ver dampft während der Expansionsphase bei Temperaturen weit unterhalb der für eine Oxidation erforderlichen Grenze und wird unverbrannt in den Abgastrakt geschoben. Eine Minimierung des Sacklochvolumens hat diese Quelle der HC-Emissionen in den vergangenen Jahren deutlich redu ziert [15‑25]. Sowohl Kohlenwasserstoffe als auch Kohlenmonoxid können mit Hilfe eines Oxidationskatalysators (siehe Abschn. 15.5) weiter reduziert werden [15‑17].
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion Bei der Optimierung von Dieselmotoren bewegt man sich generell in einem Zielkonflikt zwischen Verbrauchs- und Emissionsminderung. Nur wenige Zusatzmaßnahmen er lauben eine Optimierung beider Parameter gleichzeitig. Gleichermaßen können selten alle gesetzlich limitierten Schadstoffe mit einer Maßnahme gleichzeitig reduziert wer den. Die Feinabstimmung eines Motors erfordert hier einen Kompromiss. Weitere wichtige Parameter für die Motorab stimmung sind Komfort (Geräusch) und Motordynamik. Eine Herausforderung ist die Motorabstimmung im gesam ten Kennfeld – für den gesamten Drehzahlbereich bei unter schiedlichen Lasten – da die Wirkung einiger Maßnahmen sich auf bestimmte Bereiche des Kennfelds beschränkt und sich in anderen Bereichen umkehren kann. Die Gewichtung der zahlreichen Optimierungsparameter erfolgt bei den Schadstoffen nach den gesetzlichen Vorga ben, beim Zielkonflikt hinsichtlich Komfort und Kraftstoff verbrauch nach Kundenwunsch. So ist beispielsweise das Verbrennungsgeräusch bei Pkw Motoren ein Parameter auf den zunehmend Augenmerk gelegt wird. Bei Nutzfahrzeu gen mit hohen Laufleistungen ist generell der Kraftstoffver brauch die entscheidende Größe für den Kundennutzen. Selbstverständlich müssen insbesondere auch die Kosten bei allen Motortypen berücksichtigt werden, um ein am Markt konkurrenzfähiges Produkt anbieten zu können. Tabelle 15‑15 gibt einen Überblick über verschiedene, heutzutage gängige Verfahren zur Motoroptimierung und deren Einfluss auf die Schadstoffemissionen sowie den spe zifischen Kraftstoffverbrauch und das Verbrennungsge räusch. Die prinzipiellen Zusammenhänge sind dabei für alle Fahrzeugtypen gleich, lediglich die Gewichtung ändert sich nach den Markterfordernissen, so dass die unterschied lichen Maßnahmen im Einzelfall stets neu bewertet werden
Tabelle 15-15 Verschiedene Maßnahmen zur Brennverfahrenoptimierung bei Dieselmotoren und deren Einfluss auf unterschiedliche Parameter Maßnahme
NOx
HC/CO
Ruß
be
Geräusch
später Spritzbeginn Abgasrückführung gekühlte AGR Aufladung Ladeluftkühlung Piloteinspritzung angelagerte Nacheinspritzung Einspritzdruckerhöhung abgesenktes Verdichtungsverhältnis
+ + + + 0 + 0 +
– – – + – + 0 + –
– – + + + – + + +
– – + + + 0 – + 0
+ + 0 0 0 + 0 0 –
496
15 Abgasemission von Dieselmotoren
müssen. Für die Bewertung wurde ein modernes DI-Brennverfahren zugrunde gelegt. Der Tabelle ist zu entnehmen, dass keine der Maßnahmen positiv auf alle Parameter wirkt. Um einen nachteiligen Effekt zu kompensieren, ist häufig eine Kombination von mehreren Maßnahmen erforderlich. So wirkt sich beispielsweise eine Erhöhung des Einspritzdrucks nur in Kombination mit Abgasrückführung positiv auf die NOX-Emissionen aus. Ausgewählte Maßnahmen sollen im Folgenden detailliert diskutiert werden.
15.4.1
Spritzbeginn
Der Spritzbeginn war der erste Parameter der dieselmotorischen Einspritzung, auf den gezielt betriebspunktabhängig Einfluss genommen werden konnte. Bereits bei einigen Verteilereinspritzpumpen konnte der Spritzbeginn zunächst mechanisch und später über ein elektrisch angesteuertes Magnetventil kontrolliert werden. Die Wichtigkeit des Einspritzbeginns für die motorischen Emissionen ist in Bild 15-33 veranschaulicht. Die NOX- und PM-Emissionen sind für unterschiedliche Spritzbeginne aufgetragen, wobei 0° Kurbelwinkel (0° KW) den oberen Totpunkt kennzeichnet. Deutlich ist der stetige Anstieg der Partikelemissionen und der kontinuierliche Abfall der NOXEmissionen zu erkennen. Den Messungen liegt ein Nutzfahrzeugmotor bei mittlerer Last und 1425 min–1 zugrunde.
Für vier ausgewählte Spritzbeginne aus Bild 15-33 sind die während des Motorbetriebs gemessenen Zylinderdruckverläufe in Bild 15-34 dargestellt. Die einsetzende Verbrennung ist in dieser Darstellung durch den Druckanstieg nach dem oberen Totpunkt (OT) zu erkennen. Bei frühem Einspritzbeginn verläuft dieser Druckanstieg steiler, als bei Einspritzung und Verbrennung weit nach OT. Der flachere Druckanstieg bei später Verbrennung ist auf die fortschreitende Expansion zurückzuführen. Einerseits begrenzt sie den Druckanstieg direkt, andererseits führt die Expansion zu niedrigeren Brennraumtemperaturen und damit zu einer langsamer ablaufenden Verbrennung. Aus den gezeigten Druckverläufen lässt sich ableiten, dass die in den Zylindern auftretenden Spitzentemperaturen ebenfalls mit spätem Einspritzbeginn niedriger ausfallen werden, da die durch die langsamere Verbrennung entstehende Wärme mehr Zeit hat, sich aus der direkten Verbrennungszone heraus zu verteilen. Wie in Abschn. 15.3.1 erläutert, ist neben dem Sauerstoffangebot die lokale Spitzentemperatur ein entscheidender Parameter für die Bildung von NOX, womit sich schlussendlich aus den Zylinderdruckverläufen in Bild 15-34 die bei spätem Einspritzbeginn sinkenden NOX-Emissionen (Bild 15-33) erklären lassen. In Bild 15-33 ist eine Partikelzunahme mit spätem Einspritzbeginn zu erkennen. Dies ist ein typisches Beispiel für die erwähnten Zielkonflikte bei der Minimierung aller Emissionsparameter. Die Partikelzunahme gilt mit Ausnahme der
Bild 15-33 Einfluss von Spritzbeginn auf PM- und NOX-Emissionen eines Nutzfahrzeugmotors bei 1425 min–1 und mittlerer Last
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion
497
Bild 15-34 Zylinderdruckverlauf für vier unterschiedliche Spritzbeginne (vgl. Bild 15-33)
Niedriglastbereiche für den größten Teil des Kennfelds. Ursache für die steigenden Partikelemissionen sind die mit fallender Gemischdichte abnehmende Güte der Gemischaufbereitung sowie die reduzierte Nachoxidation der Partikel aufgrund der niedrigeren Temperaturen im Brennraum. Im unteren Lastbereich kann man auch ein Abnehmen der Partikelemissionen mit spätem Einspritzbeginn beobachten. Ursache sind hier die fallenden Temperaturen im Brennraum, die verhindern, dass Partikel überhaupt gebildet werden [15-24]. Allerdings muss in diesen Fällen ein deutlicher Anstieg der CO- und HC-Emissionen sowie des Verbrauchs hingenommen werden, so dass diese Strategie zur simultanen Reduktion von NOX und Partikeln nur bedingt verwirklicht werden kann. Weiterhin wirkt sich der späte Spritzbeginn nachteilig auf den spezifischen Verbrauch aus (hier nicht dargestellt). Der Verbrauchsnachteil lässt sich ebenfalls anschaulich aus den Zylinderdruckverläufen aus Bild 15-34 ableiten: die schnelle Verbrennung nahe OT bei frühem Einspritzbeginn ähnelt der verbrauchsoptimalen isochoren Verbrennung, während eine Annäherung an die isobare Verbrennung bei später Einspritzung zu einer Verbrauchsverschlechterung führt.
15.4.2
Einspritzdruck
Seit der Einführung von Dieselmotoren mit Direkteinspritzung erfolgte durch technische Weiterentwicklungen eine
kontinuierliche Erhöhung des maximalen Einspritzdrucks [15-25]. Der Einfluss des Einspritzdrucks auf NOX- und PM-Emissionen (hier ist die Messgröße Schwarzrauch (SZ) angegeben) und auf den spezifischen Verbrauch be ist für einen Teillastpunkt eines Pkw-Motors bei 50% Last und n = 1400 min–1 in Bild 15-35 dargestellt. Im unteren Bildteil ist der oben diskutierte Anstieg des spezifischen Verbrauchs für späten Spritzbeginn für alle untersuchten Einspritzdrücke zu erkennen. Hierbei ist entscheidend, dass für höhere Einspritzdrücke ein deutlich späterer Spritzbeginn ohne Verbrauchsnachteil eingestellt werden kann, als bei niedrigen Einspritzdrücken. Im hier dargestellten Beispiel verschiebt sich das Minimum des spezifischen Verbrauchs von –19 °KW bei 500 bar Einspritzdruck auf –12 °KW bei einem Einspritzdruck von 1100 bar. Die Gründe hierfür sind zum einen die kürzere Einspritzdauer – da die Einspritzrate mit dem Einspritzdruck ansteigt – und die mit steigendem Einspritzdruck verbesserte Qualität der Gemischaufbereitung. Die Schwerpunktlage der Verbrennung, die im Wesentlichen den spezifischen Verbrauch bestimmt, kann also in etwa konstant gehalten werden. Der entscheidende Vorteil eines höheren Einspritzdrucks ist im mittleren Bildteil in Bild 15-35 an der deutlich reduzierten Partikelemission – hier ist die Schwärzungszahl SZ dargestellt – zu erkennen. Für steigende Einspritzdrücke sinken die Rußemissionen bei konstantem Spritzbeginn deut-
498
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-35 NOX Emissionen, Schwarzrauch (SZ) und spezifischer Kraftstoffverbrauch als Funktion des Einspritzbeginns mit dem Einspritzdruck als Parameter
lich ab, ein Anstieg ist bei steigendem Einspritzdruck erst bei wesentlich späteren Spritzbeginnen zu beobachten. Der Grund hierfür ist wieder in der verbesserten Gemischaufbereitung zu finden. Zum einen ist die Rußentstehung durch verbesserte Zerstäubung bei höherem Einspritzdruck geringer, zum anderen wird die Nachoxidation durch die höhere Gemischbildungsenergie gefördert. Allerdings wirkt sich ein höherer Einspritzdruck über höhere lokale Spitzentemperaturen negativ auf die NOXEmissionen aus. Bei konstantem Spritzbeginn steigen die NOX-Emissionen mit steigenden Einspritzdrücken signifikant an. Vergleicht man die NOX-Emissionen hingegen bei konstantem spezifischem Verbrauch, so relativiert sich der Vergleich (z. B. weisen die NOX-Emissionen bei minimalem spezifischem Verbrauch bei –19 °KW für 500 bar Einspritzdruck und bei –12 °KW für 1100 bar Einspritzdruck etwa konstante Werte von ca. 16 g/kWh aus). Eine deutliche Reduktion der NOX-Emissionen bei Erhöhung des Einspritzdrucks ist durch Kombination mit Abgasrückführung (siehe Abschn. 15.4.3) zu erreichen. Dieser Strategie sind allerdings Grenzen gesetzt. Abhängig vom Brennverfahren und vom Lastpunkt existiert eine Obergrenze für den Einspritzdruck oberhalb der eine weitere Anhebung des Drucks keine weiteren Vorteile bringt.
15.4.3
Abgasrückführung
Abgasrückführung (AGR) wird bei Pkw heute flächendeckend als wichtiges Mittel zur Reduktion von NOX einge-
setzt. Die Abgasrückführrate xAGR ist definiert als das Verhältnis von rückgeführtem Abgasmassenstrom zu Gesamtmassenstrom im Ansaugtrakt: (15-6) Sie beträgt bei modernen Brennverfahren bis zu 50% und wird über ein elektrisch oder pneumatisch angesteuertes Ventil geregelt. Die Frischluftmasse wird über einen Heißfilmmassensensor ermittelt. In Bild 15-36 ist der Einfluss der Abgasrückführung auf spezifischen Verbrauch, Geräusch sowie HC- und PM-Emission als Funktion der NOX-Emissionen dargestellt. In der hier gewählten Darstellung wurden die gemessenen NOX-Emissionen als Abszisse gewählt und die anderen Größen auf den Ordinaten in den einzelnen Teilbildern als abhängige Größen dargestellt. Die einzelnen, experimentell ermittelten Punkte ergeben sich durch eine Variation der AGR Rate. Im Teilbild unten rechts entstehen in Abhängigkeit von der AGR-Rate die typischen PM-NOX Trade-off-Hyperbeln. Die Untersuchung erfolgte für zwei verschiedene Einspritzdrücke. Die AGRRate steigt in den einzelnen Teilbildern jeweils von rechts nach links von 0% auf den Maximalwert von hier 40%. Für beide Einspritzdrücke ist in allen Diagrammen eine kontinuierliche Reduktion der NOX-Emissionen für steigende AGR-Rate zu erkennen. Die langsamere Verbrennung, die Spätverschiebung des Brennbeginns durch Vergrößerung der Zündverzugszeit und die Vergrößerung der
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion 499
Bild 15-36 Einfluss der Abgasrückführrate auf Geräusch, spezifischen Kraftstoffverbrauch, HC- und PMEmissionen als Funktion der NOXEmissionen für unterschiedliche Einspritzdrücke bei 2000 min–1 und 50% Last
spezifischen Wärmekapazität durch den höheren Anteil von dreiatomigen Gasen (Inertgas) in der Zylinderfüllung wirken alle reduzierend auf die maximale lokale Spitzen temperatur und somit auf die NOX-Emissionen. Der Ein fluss der AGR-Rate auf HC-Emissionen fällt beim hier untersuchten Motor recht gering aus. In den beiden unteren Teilbildern ist hingegen ein Anstieg sowohl der PM-Emis sion als auch des spezifischen Verbrauchs zu erkennen. Der Anstieg des Kraftstoffverbrauchs wird durch die lang samere Verbrennung und damit durch eine Verschiebung des Verbrennungsschwerpunkts nach spät bewirkt. Der Hauptgrund für die höheren Rußemissionen ist in der Begrenzung des für die Rußoxidation ebenfalls erforder lichen Sauerstoffs gegeben. Der durch die AGR reduzierte Sauerstoffgehalt wirkt sich stets vermindernd auf die NOXEmissionen und erhöhend auf die Rußemissionen aus. Die im Teilbild unten rechts entstehenden Hyperbeln sind charakteristisch für die Zielkonflikte bei der Optimierung von Dieselmotoren. Der in Abschn. 15.4.2 diskutierte Effekt, dass die NOXEmissionen ohne weitere Maßnahmen bei Erhöhung des Einspritzdrucks ansteigen, ist in Bild 15‑36 ebenfalls zu erkennen. Die mit den Kreisen gekennzeichneten Punkte markieren diejenigen Experimente, bei denen die Emis sionen ohne AGR gemessen wurden. Deutlich ist die Erhö hung der NOX-Emissionen mit dem Einspritzdruck zu erkennen, wobei die PM-Emissionen deutlich niedrigere Werte aufweisen.
Bei Erhöhung der AGR-Rate liegt der Verlauf des PMNOX Trade-offs für 800 bar Einspritzdruck deutlich unter dem für 600 bar. Dieser Effekt wird als erhöhte AGR-Verträglichkeit bezeichnet. Da die Gemischbildungsenergie nun überwiegend aus dem Einspritzstrahl gewonnen wird, ist eine stärkere O2‑Reduktion durch Erhöhung der AGR-Rate möglich, ohne dass die PM-Emissionen zu stark ansteigen. Abhängig vom Brennverfahren sind dieser Vorgehensweise jedoch Grenzen gesetzt. Die in Bild 15‑36 im Teilbild unten rechts eingezeichnete Gerade markiert ein Verhältnis der NOX-Emissionen zu den PM-Emissionen von 10:1, was einer typischen Pkw-Appli kation noch Euro 4 entspricht, da die gesetzlich festgelegten Grenzwerte der Emissionen eben dieses Verhältnis aufwei sen. An den Schnittpunkten der Trade-offs mit dieser Gera de kann abgelesen werden, dass eine Erhöhung des Ein spritzdrucks von 600 auf 800 bar die NOX- und die PMEmissionen um ca. 35% reduziert. Im Teilbild unten links ist für diesen Betriebspunkt eine Reduktion des spezifischen Kraftstoffverbrauchs von ca. 3% zu erkennen. Nachteilig wirkt sich eine Erhöhung des Einspritzdrucks lediglich auf das Geräusch aus (Teilbild oben links). Die Erhöhung des Geräuschs ist auf die größere Kraftstoffmasse zurückzuführen, die während des Zündverzugs eingespritzt wird und bei Brennbeginn nahezu schlagartig verbrennt. Bei konstanter AGR-Rate ist der chemische Zündverzug kons tant, der physikalische wird durch die kleineren Tröpfchen bei höherem Einspritzdruck geringfügig verringert, aller
500 15 Abgasemission von Dieselmotoren dings überwiegt hier der Effekt der höheren Einspritzrate bei höherem Einspritzdruck. Die Pilot- oder Voreinspritzung als wichtigste innermoto rische Maßnahme zur Reduktion des Verbrennungsge räuschs soll im Folgenden diskutiert werden.
15.4.4
Piloteinspritzung
Die sog. Pilot- oder Voreinspritzung (PI: Pilot Injection) hat sich bei DI-Dieselmotoren als wirkungsvolle Maßnahme zur Geräuschreduktion etabliert. Hierbei werden in kurzem zeit lichen Abstand vor der Haupteinspritzung kleine Mengen (1‑3 mm³ pro Einspritzung) Kraftstoff eingespritzt. Brenn beginn dieser kleinen Menge ist typischerweise kurz vor OT. Resultat ist eine Erhöhung von Temperatur und Druck im Brennraum vor Einspritzbeginn der Haupteinspritzung. Ty pische Zylinderdruckverläufe für einen Teillastpunkt mit unterschiedlichen Piloteinspritzmengen sind in Bild 15‑37 bei konstantem Ruß/NOX-Verhältnis von 1:10 dargestellt. Im unteren Diagrammteil ist der Nadelhub des Injektors dargestellt. Parameter der unterschiedlichen Kurven ist die Menge der Piloteinspritzung. Eine Verlängerung der Ein spritzdauer der Piloteinspritzung mit steigender Vorein spritzmenge ist in der Abbildung zu erkennen. Die Dauer der Haupteinspritzung ist entsprechend verkürzt, um die am Prüfstand eingestellte Last konstant zu halten. Die schwarze Kurve im oberen Diagrammteil stellt den im Zylinder während des Betriebs ohne Voreinspritzung
gemessenen Druckverlauf dar. Bis zum Brennbeginn der Haupteinspritzung (ca. 12 °KW nach OT) entspricht dieser Druckverlauf dem eines geschleppten Motors (Schlepp kurve). Der steile Druckanstieg bei Brennbeginn bis ca. 15 °KW nach OT führt zu unerwünscht hoher Geräuschemission. Druck-Oszillationen nach Brennende sind Artefakte, die auf das Messverfahren zurückzuführen sind. Die drei unterschiedlich grau gefärbten Kurven wurden mit unterschiedlich großen Voreinspritzmengen ermittelt. Ansteuerbeginn von Haupt- und Voreinspritzung wurden dabei konstant gehalten. Der Brennbeginn der Voreinsprit zung ist an dem Druckanstieg bei ca. 12 °KW vor OT zu erkennen, an dem der Druckverlauf signifikant von der Schleppkurve abzuweichen beginnt. Jeweils etwa bei OT wird ein lokales Druckmaximum erreicht, wobei der Abso lutwert von der Größe der Voreinspritzmenge abhängt und mit dieser ansteigt. Die bei zunehmender Voreinspritzmenge steigenden Zylinderdrücke und ‑temperaturen führen zu einer Verkür zung des chemischen Zündverzugs für die Haupteinspritz menge. Dieser ist in Bild 15‑37 an dem Druckanstieg, der den Brennbeginn der Haupteinspritzung kennzeichnet (6–12 °KW nach OT) und für steigende Voreinspritzmen gen immer näher nach OT wandert, abzulesen. Gleichzeitig ist in der Abbildung zu sehen, dass der Gradient des Druckanstiegs der Haupteinspritzung für steigende Vorein spritzmengen – im hier gewählten Beispiel bei etwa kon
Bild 15-37 Zylinderdruckverläufe im Teillastbetrieb bei Variation der Voreinspritzmenge
15.4 Innermotorische Maßnahmen zur Schadstoffreduktion stantem Maximaldruck – stets kleiner wird. Die Gründe hierfür sind bereits diskutiert worden: Ein kürzerer Zündverzug führt zu einer kleineren während des Zündverzugs eingespritzten Kraftstoffmenge. Die schnelle Verbrennung dieser Menge bei Brennbeginn bestimmt den Druckanstieg und das Verbrennungsgeräusch. Der Zylinderdruckgradient ist deshalb ein Maß für die Höhe des Verbrennungsgeräuschs. Der Einfluss der Voreinspritzmenge auf das Geräusch und die Emissionen in Abhängigkeit von der Abgasrückführrate ist in Bild 15-38 als Funktion der NOX-Emissionen dargestellt. Die Art der Darstellung ist bereits aus Bild 15-36 bekannt: Durch Variation der AGR-Rate wurden die unterschiedlichen Kenngrößen als Funktion der NOX-Emissionen dargestellt. Im Teilbild oben links ist die oben diskutierte Abnahme des Verbrennungsgeräuschs durch die Voreinspritzung abzulesen. Bereits bei 0,5-1 mg3 Pilotmenge pro Einspritzung wird ein Minimum erreicht. Eine weitere Erhöhung der Pilotmenge auf 1,5 mg3 führt zu einem Geräuschanstieg: das Verbrennungsgeräusch wird jetzt durch die Verbrennung der Voreinspritzmenge selbst bestimmt. Weiterhin ist zu erkennen, dass eine steigende AGR-Rate bei allen Voreinspritzmengen zu einer leichten Geräuschreduktion führt. Diese ist auf eine langsamere Verbrennung durch den verminderten Sauerstoffgehalt der Verbrennungsluft zurückzuführen. Die Piloteinspritzung führt zu einer Verringerung der HC-Emissionen wie im Teilbild oben rechts dargestellt,
501
wobei dieser Effekt stark vom Brennverfahren und vom Betriebspunkt abhängt. Ein negativer Effekt der PI ist die deutlich reduzierte AGRVerträglichkeit des Brennverfahrens, wie sie im Teilbild unten rechts zu erkennen ist. Dieser nachteilige Effekt ist umso größer, je größer die Pilotmenge ist. Im Hinblick auf eine kombinierte Optimierung von Geräusch und Partikeln wird damit die Wichtigkeit einer präzisen Einspritzung von kleinsten Pilotmengen unterstrichen [15-25]. Ein Teil der Vorteile beim PM-/NOX-Trade-off und beim spezifischen Verbrauch, die durch die Erhöhung des Einspritzdrucks gewonnen wurden, geht also wieder verloren, da das gestiegene Verbrennungsgeräusch bei manchen Anwendungsfällen durch eine Piloteinspritzung kompensiert werden muss. Eine Optimierung des Gesamtsystems erfordert also wieder eine gewichtete Betrachtung aller Einflussgrößen. Moderne Brennverfahren setzen zur weiteren Optimierung eine zweite Piloteinspritzung und/oder eine kurz nach der Haupteinspritzung positionierte Nacheinspritzung ein. Während die zweite Piloteinspritzung zur weiteren Optimierung des Geräuschs eingesetzt wird, reduziert die angelagerte Nacheinspritzung die Rußemissionen. Durch eine Erhöhung der Turbulenz in der Brennkammer, verursacht durch die angelagerte Nacheinspritzung, wird die Rußoxidation gefördert. Gleichzeitig wird die Temperatur bei Brennende gesteigert, was sich ebenfalls positiv auf die Rußoxidation auswirkt. Die Wirksamkeit der angelagerten Nacheinspritzung hängt dabei stark vom Brennverfahren und dem betrachteten Kennfeldbereich ab.
Bild 15-38 HC- und PM-Emissionen sowie spezifischer Kraftstoffverbrauch und Geräusch im Teillastbetrieb mit und ohne Piloteinspritzung als Funktion der NOX-Emissionen bei Variation der AGR-Rate
502
15 Abgasemission von Dieselmotoren
15.4.5
Kühlung von AGR und Ladeluft
Eine möglichst niedrige Temperatur der Ladeluft vor den Einlassventilen ist aus verschiedenen Gründen vorteilhaft. Zum einen führt die mit sinkender Temperatur steigende Dichte der Ladeluft zu einer effizienten Befüllung der Zylinder. Man spricht von thermischer Entdrosselung des Motors. Als Folge steigt die AGR-Verträglichkeit und die Emissionen von NOX und PM lassen sich weiter senken. Außerdem führt die thermische Entdrosselung über den Weg eines höheren Luftverhältnisses zu einem Verbrauchsvorteil, was den positiven Einfluss der AGR und Ladeluftkühlung für das thermodynamische Verhalten des Motors unterstreicht. Sowohl die Verdichtung der Ladeluft im Turbolader, als auch die Rückführung von heißem Abgas bewirken eine Steigerung der Lufttemperatur am Zylindereinlass, weswegen Verfahren entwickelt wurden, die Temperatur zu begrenzen. Diese sind der nahezu flächendeckende Einsatz von Ladeluftkühlern, und insbesondere bei Pkw der Einsatz von Verfahren zur Kühlung des rückgeführten Abgases. Letzteres kann durch eine lange Leitungslänge, durch Leitungsführung durch den Zylinderkopf hindurch und/oder durch einen mit Kühlwasser gekühlten Wärmetauscher erfolgen. In zahlreichen Anwendungen kann die Kühlleistung geregelt werden, oder das Kühlaggregat in einem Bypass umgangen werden, um bei Kaltstart das Motorkühlwasser für die Erwärmung der Fahrgastzelle schnell aufheizen zu können, oder um einen Anstieg der HC- und COEmissionen durch zu niedrige Brennraumtemperaturen bei Betrieb im unteren Teillastbereich zu vermeiden.
Aus thermodynamischer Sicht ist es dabei nicht relevant, ob die Reduktion der Gastemperatur an den Einlassventilen durch Kühlung der rückgeführten Abgasmasse, oder durch Kühlung der verdichteten Ladeluft erfolgt. In Bild 15-39 sind die NOX- und Partikelemissionen als Funktion der AGR-Rate für zwei unterschiedliche Temperaturniveaus nach Verdichter (T2) dargestellt. Im oberen Teilbild ist das resultierende Luftverhältnis dargestellt. Spezifischer Kraftstoffverbrauch und Geräuschemissionen sowie Ladedruck und Abgasgegendruck wurden bei den einzelnen Messungen gleichgestellt. Ganz rechts in der Abbildung ist für eine AGR-Rate von 0% an dem höheren Wert für O im oberen Teilbild zu erkennen, dass die niedrigere Temperatur zu einer besseren Befüllung der Zylinder führt. Im unteren Teilbild sind bei abgeschalteter AGR für kältere Ansaugluft geringere NOX-Emissionen abzulesen, welche auf die niedrigeren resultierenden Spitzentemperaturen zurückzuführen sind. Verbessertes Emissionsverhalten mit Abgasrückführung ist für den Fall der niedrigeren Lufttemperatur in Bild 15-39 ebenfalls zu erkennen: deutlich höhere AGR-Raten mit entsprechend niedrigeren NOXEmissionen können ohne einen zu hohen Anstieg der Partikelemissionen angewendet werden.
15.5
Abgasnachbehandlung
15.5.1
Einleitung
Die Emissionsgrenzwerte für Dieselfahrzeuge sind in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken und weitere zukünf-
Bild 15-39 Einfluss der AGR-Rate auf NOX- und -Partikelemissionen, sowie resultierendes O für unterschiedliche Lufttemperaturen nach Verdichter (T2) für einen Teillastpunkt bei ca. 50% Last und 2000 min–1
15.5 Abgasnachbehandlung 503 tige Reduzierungen sind bereits vereinbart. Unter dem Be griff Emissionsminderung werden alle Techniken und Sys teme verstanden, die dazu beitragen, dass die Emissionen des Fahrzeugs bzw. des Motors reduziert werden. Emissionsmin derungssysteme müssen neben den gesetzlichen Anforde rungen auch anderen technischen Rahmenbedingungen (z. B. Bauraum, Abgastemperaturen) und ökonomischen Vorgaben genügen. Die Emissionsminderung lässt sich in motorische Maß nahmen und nachmotorische Maßnahmen, die häufig auch als Abgasnachbehandlung zusammengefasst werden, unter teilen. In der Vergangenheit konnten zunächst die Senkung der Emissionsgrenzwerte durch Verbesserungen in der moto rischen Verbrennung mit entsprechenden Minderungen der Rohemissionen erreicht werden (s. Abschn. 15.4). Trotz sich weiter verringernder Rohemissionen ist abzusehen, dass dies zukünftig nicht mehr ausreichend sein wird. Unter dem Begriff Abgasnachbehandlung werden die Systeme zusammengefasst, die sich im Abgasstrang befin den und deren primäre Funktion es ist, die motorischen Emissionen zu mindern. Zu ihnen gehören Katalysatoren, Sensoren, Partikelfilter sowie Hilfssysteme, z. B. zur Ein bringung eines Reduktionsmittels oder zur Unterstützung der Partikelfilterregeneration. Abgasnachbehandlungssyste me verringern überwiegend durch chemische Prozesse die Schadstoffkonzentration. Beim Partikelfilter kommt zusätz lich eine physikalische Abscheidung hinzu. Neben dem gewünschten Umsatz der Schadstoffe gibt es eine Reihe zusätzlicher technischer Anforderungen, die bei der Auswahl der Systeme beachtet werden müssen. Im Fol genden werden diese Randbedingungen kurz vorgestellt, bevor dann die einzelnen Komponenten beschrieben wer den. Die Abgastemperaturen moderner Dieselmotoren sind meist so gering, dass die chemischen Prozesse selbst beim Einsatz hochwertiger Katalysatoren häufig kinetisch limi tiert sind. Zudem sind die Abgastemperaturen stark von den motorischen Betriebsbedingungen insbesondere vom Dreh moment abhängig. Sie können Werte zwischen der Außen temperatur (unmittelbar nach dem Motorstart), bis zu über 700 °C bei Volllast erreichen. Typischerweise liegen die Temperaturen im vorderen Unterbodenbereich des Abgasstrangs beispielsweise beim europäischen Fahrzyklus zwischen 150 °C und 250 °C. Bei der Auslegung der Kompo nenten und ihrer Positionierung muss deshalb neben der Optimierung der chemischen Reaktionsrate auch auf den Bauteilschutz geachtet werden. Der Abgasmassenstrom hängt ebenfalls sehr stark von den motorischen Betriebsbedingungen, insbesondere Drehzahl, Aufladegrad und Abgasrückführungsrate ab. Diese Betriebs
bedingungen können sich innerhalb weniger Sekunden erheblich ändern. Hierdurch wird die sog. Raumgeschwin digkeit (das Verhältnis von Abgasvolumenstrom zum Volu men der einzelnen katalytischen Komponenten) im gleichen Maße geändert. Die Raumgeschwindigkeit ist ein Maß für die Verweilzeit des Abgases im Katalysator. Bei zu kurzen Verweilzeiten kann das Gas nur unzureichend reagieren und der Umsatz wird verringert. Die Katalysatoren müssen deshalb so dimensioniert werden, dass auch bei hohen Abgasmassenströmen ein genügend großer Umsatz sicher gestellt wird. Mit zunehmender Komponentengröße steigt jedoch auch deren thermische Masse, was sich auf den Tem peraturverlauf der stromabwärts liegenden Komponenten auswirkt. Die Berücksichtigung derartige Wechselwirkungen und die Gesamtsystemoptimierung hinsichtlich aller Anfor derungen sind Gegenstand der Systementwicklung, die im Anschluss an die Beschreibung der Komponenten erörtert wird. Abgasnachbehandlungskomponenten stellen strömungs technische Hindernisse dar, welche in Abhängigkeit vom Abgasvolumenstrom einen Abgasgegendruck verursachen. Dieser Abgasgegendruck muss vom Motor überwunden werden und erhöht die Ladungswechselverlustarbeit. Im ungünstigen Fall führt dies zu einem messbaren Kraftstoff mehrverbrauch. Dies bedeutet zum einen eine Erhöhung der Betriebskosten und zum anderen eine Erhöhung der CO2-Emission. Bei der Auslegung von Abgasnachbehand lungssystemen muss deshalb auf möglichst geringe Strö mungsverluste geachtet werden. Der Strömungswiderstand führt außerdem zu einer Dämpfung des abgasinduzierten Motorgeräusches. Durch den Betrieb des Fahrzeugs werden Beschleunigungsmomente auf den Abgasstrang übertragen. Diese mechanischen Belas tungen müssen bei der Konstruktion der Bauelemente und des Gesamtsystem berücksichtigt werden. Diese Aspekte werden an anderer Stelle behandelt (s. Abschn. 13‑2). Im motorischen Abgas ist Wasserdampf enthalten, welches nach dem Abstellen des Motors beim Auskühlen des Abgasstrangs kondensiert. Dieses Abgaskondensat enthält auch korrosive Bestandteile, die sich durch Reaktion mit den im Abgas enthaltenen Stickoxiden und dem Schwefeldioxid bilden. Der Korrosionsschutz muss bei der Konstruktion und Werkstoffauswahl berücksichtigt werden. Ein geeignetes Abgasnachbehandlungssystem erfüllt die Anforderungen bezüglich der Minderung mehrerer Schad stoffe, unter Berücksichtigung der genannten Restriktionen zu möglichst geringen Kosten. Bei der Auslegung ist eben falls auf eine ausreichend lange Lebensdauer des Systems zu achten. Neben den bereits erwähnten korrosiven und mechanischen Belastungen muss auch die Alterung der katalytischen Schichten berücksichtigt werden.
504 15 Abgasemission von Dieselmotoren Die Auslegung ist durch die Vielzahl der Anforderungen und Wechselwirkungen komplex und für jede Fahrzeugserie individuell zu optimieren. Zunächst werden die einzelnen Komponenten eines Abgasnachbehandlungssystems vorgestellt. Diese haben neben einer Hauptfunktion meist noch Nebenfunktionen. Durch eine geeignete Auslegung von Abgasnachbehandlungs systemen mit einer dazugehörigen Abstimmung der moto rischen Rohemission lässt sicht die Komplexität und der Aufwand der gesamten Emissionsminderung verringern. Dieser Aspekt der Systemauslegung soll im daran anschlie ßenden Teil angesprochen werden.
15.5.2
Komponenten der Abgasnachbehandlung
15.5.2.1
Diesel-Oxidations-Katalysator (DOC)
Der Diesel-Oxidations-Katalysator (DOC – Diesel Oxida tion Catalyst) war der erste Katalysator, der serienmäßig in Dieselfahrzeugen eingesetzt wurde. Seine primäre Funktion ist es, die motorischen Kohlenmonoxid- (CO) und Kohlen wasserstoff- (HC) Emissionen mit dem Restsauerstoff des Abgases zu den harmlosen Gasen H2O und CO2 zu oxidie ren. Hierfür werden edelmetallhaltige Beschichtungen ein gesetzt. Moderne Abgasnachbehandlungssysteme umfassen noch zusätzliche Komponenten und der DOC übernimmt in diesen Systemen noch weitere Funktionen: – Oxidation der flüchtigen Bestandteile der Partikel (adsorbierte Kohlenwasserstoffe). Hierdurch wird die Partikelmasse um bis zu 30% vermindert. – Verbesserung des Verhältnisses aus Stickstoffdioxid (NO2) zu Stickstoffmonoxid (NO). Dieser Schritt ist für die Stickoxidminderung insbesondere für den SCR-Prozess förderlich. – Freisetzung von Wärme durch die Oxidation von bewusst zugeführten Kohlenwasserstoffen und CO (sog. „Kat brenner“). Hierdurch wird die Temperatur des Abgas systems nach DOC erhöht. Man wendet dies an, um die für die Partikelfilterregeneration erforderliche Temperatur erhöhung zu unterstützen. Außerdem wird diese Temperaturmanagementmaßnahme eingesetzt, um Denoxierungs systeme nach dem Start möglichst schnell auf Betriebs temperatur zu bringen, was eine Verbesserung des NOXUmsatzes bewirkt. – Durch den Einsatz geeigneter Beschichtungen ist es außerdem möglich, NOX durch eine Reaktion mit HC und CO in geringem Umfang (etwa 5‑10%) zu reduzieren. Alle diese Funktionen werden durch das gleiche Prinzip er füllt, das durch die Grundstruktur des Katalysators ermög lich wird. Der Katalysatorkörper besteht aus einer kera
mischen oder metallischen Wabenstruktur, in welcher das Abgas durch dünne, etwa 1 mm breite Kanäle geleitet wird. Die Kanalwände bestehen aus einer Trägerstruktur aus Kera mik oder Metall, die mit einer edelmetallhaltigen Kata lysatorschicht (sog. Washcoat) überzogen ist. Beim Durch strömen des Katalysatorkörpers gelangen die zu oxidieren den Komponenten des Abgases durch Diffusion an diese Katalysatorschicht und werden oxidiert. Die wesentlichen Einflussgrößen auf den Umsatz sind: – Aktivität der Katalysatorbeschichtung, – Größe und innere Geometrie des Katalysators, damit verbunden die Verweildauer des Gases, bzw. die Raumgeschwindigkeit, – Katalysatortemperatur, – Konzentration der Reaktionspartner. Die katalytische Aktivität der Beschichtung wird wesentlich durch die Art und Menge des Materials sowie die räumliche Struktur der Oberfläche festgelegt. Im DOC werden Edelme talle der Platingruppe (Platin, Palladium) eingesetzt, welche in Form sehr kleiner Partikeln (Größenordnung wenige nm) auf einem oxidischen Washcoat (Aluminiumoxid, Ceroxid oder Zirkonoxid) dispergiert sind. Der Washcoat sorgt für eine sehr große innere Oberfläche, stabilisiert die Edelmetall partikel gegenüber Sinterung und unterstützt die ablau fenden Reaktionen entweder direkt durch Reaktionen an der Grenze zwischen Partikel und Substrat oder indirekt durch Adsorption von Katalysatorgiften. Die eingesetzte Katalysa tormenge, auch häufig als Katalysatorbeladung bezeichnet, liegt im Bereich 50–90 g ft-3 (1,8‑3,2 g l–1). Wesentliche strukturelle Merkmale des Katalysatorkör pers sind seine Außenmaße (Durchmesser und Länge), die Dichte der Kanäle (angegeben in cpsi–Channels Per Square Inch) und die Wandstärke zwischen den einzelnen Kanälen. Diese Eigenschaften bestimmen die mechanische Stabilität, den Abgasgegendruck und das Aufwärmverhalten des Kata lysators. Typische Werte für die Raumgeschwindigkeit liegen zwi schen 150.000 bis 250.000 h–1. Der Abgasvolumenstrom hängt u. a. vom Hubraum des Motors ab. Setzt man das Volumen des Katalysators in Beziehung zum Hubraum, so ergeben sich Werte von VKat /VHub= 0,4–0,8. Wie bereits in der Einleitung beschrieben, hängt die Kata lysatortemperatur vom Betriebszustand des Motors ab. Steigt die Abgastemperatur nach Abgasturbolader, so folgt mit einer durch die thermische Masse des Abgasstrangs bedingten Verzögerung auch die Katalysatortemperatur. In Bild 15‑40 ist ein typischer Umsatzverlauf für die CO-Oxi dation dargestellt. Man erkennt einen sehr steilen Anstieg des Umsatzes. Die Abgastemperatur, bei der der Umsatz 50% beträgt, wird als Light-Off-Temperatur (Anspringtem
15.5 Abgasnachbehandlung
Bild 15-40 CO- und HC-Umsatz in Abhängigkeit von der Katalysatortemperatur
peratur) des Katalysators bezeichnet und liegt je nach Katalysatorzusammensetzung, Strömungsgeschwindigkeit und Abgaszusammensetzung bei 150–200 °C. Der COUmsatz liegt dann für höhere Temperaturen bei über 90%. Die Oxidation von Kohlenwasserstoffen verläuft ähnlich, jedoch bei etwas höheren Temperaturen und hängt im Detail von der Zusammensetzung der Kohlenwasserstoffe ab. So wird beispielsweise Methan erst bei sehr hohen Temperaturen umgesetzt, während kurzkettige Alkene bereits bei niedrigen Temperaturen reagieren. Eine wesentliche Funktion des DOC ist die Verbesserung des NO2- zu -NO-Verhältnisses. NO2 ist für eine Reihe von Abgasnachbehandlungssystemen (DPF, NSC, SCR) vorteilhaft. NO und NO2 stehen in Anwesenheit von Sauerstoff in einem Gleichgewicht zueinander, das bei niedrigen Temperaturen (<250 °C) auf der Seite des NO2 und für hohe Temperaturen (>450 °C) auf der Seite des NO liegt. Der NO2-Anteil am NOX liegt im motorischen Abgas betriebspunktabhängig zwischen etwa 5 und 50% und damit für die meisten Betriebsbedingungen weit unter dem für die Abgastemperaturen geltenden Gleichgewichtswert. Durch katalytische Reaktionen kann der DOC deshalb das NO2- zu -NO-Verhältnis ab etwa 180-230 °C in Richtung des Gleichgewichts erhöhen. Für hohe Temperaturen (>450 °C) sinkt dann die NO2-Konzentration entsprechend dem thermodynamischen Gleichgewicht mit steigender Temperatur. Außer der Abgastemperatur ist auch die HC- und CO-Konzentration ein wesentlicher Faktor, der die NO-Oxidation beeinflusst. So kann der NO2Anteil durch Reduktion mit HC oder CO auch im mittleren Temperaturbereich unter den Ausgangswert sinken. Auf Grund der geringen Konzentration führt die bei der Oxidation freiwerdende Reaktionswärme nicht zu einer
505
merklichen Temperaturerhöhung des Abgases. Ist eine Temperaturerhöhung z. B. zur Einleitung einer Partikelfilterregeneration gewünscht, so müssen zusätzliche Kohlenwasserstoffe vor dem DOC eingebracht werden. In diesem Fall übernimmt der DOC die Aufgabe einer katalytischen Heizkomponente („katalytischer Brenner“ oder „Catalytic-Burner“). Die HC-Einbringung kann entweder durch eine motorische Nacheinspritzung erfolgen oder durch eine nachmotorische Einrichtung. In beiden Fällen lässt sich die einzubringende Kraftstoffmenge aus der gewünschten Temperaturerhöhung und dem Abgasmassenstrom berechnen. Als Näherung gilt, dass eine Erhöhung der CO-Konzentration um 1% zu einem Temperaturanstieg von etwa 90 °C führt. Die Energiefreisetzung erfolgt an der katalytischen Oberfläche, welche die Wärme über Konvektion an das Abgas überträgt. Die Heizleistung ist durch die maximal zulässige Temperatur des Washcoats limitiert (z. B. 800 °C). Die motorische Nacheinspritzung ist so zu applizieren, dass sie möglichst nicht mehr an der Verbrennung teilnimmt, was ansonsten zu einer unerwünschten Drehmomenterhöhung führen würde. Andererseits führt eine zu späte Einspritzung dazu, dass ein Teil des Diesels bis zur Zylinderwand gelangt, was eine Schmierölverdünnung verursachen würde. Bei der nachmotorischen HC-Einbringung kommt es darauf an, dass die geforderte Menge möglichst homogen über den Strömungsquerschnitt verteilt und vollständig verdampft zum Katalysator gelangt. Für diese Aufgabe sind verschiedene Lösungsansätze in Entwicklung: – Die flüssige Einbringung eine Dieselsprays mit einem Dosierventil. – Die Einbringung von Diesel in Form von verdampftem Kraftstoff. – Die Einbringung von Gasen mit geringer Light-OffTemperatur, z. B. von H2/CO-Gemischen, welche vorzugsweise direkt im Fahrzeug aus Diesel erzeugt werden. Die Wirksamkeit des Katalysators kann durch den Betrieb im Laufe der Zeit abnehmen. Man spricht in diesem Fall von Katalysatoralterung. Zwei Alterungsmechanismen sind hierfür wesentlich. Zum einen kann es bei sehr hohen Abgastemperaturen zu einer Agglomeration der Edelmetallpartikel kommen, was die spezifische Edelmetalloberfläche verringert. Zum anderen können Katalysatorgifte die Edelmetalloberfläche entweder direkt belegen oder durch die Bildung voluminöser Schichten auf dem Washcoat sie für die erforderlichen Diffusionsvorgänge unzugänglich machen. Das bekannteste Katalysatorgift ist der im Kraftstoff enthaltende Schwefel. Dieser bildet auf der Oberfläche Sulfate, welche die Zugänglichkeit des Edelmetalls behindert. Moderne Kraft-
506 15 Abgasemission von Dieselmotoren stoffe sind schwefelfrei oder zumindest schwefelarm, wodurch die Gefahr der Verschwefelung des DOC verringert wird. Ein Teil der Schädigungsprozesse ist irreversibel und es muss durch die Wahl geeigneter Abgastemperaturen und Kraftstoffqualitäten darauf geachtet werden, dass diese Pro zesse verhindert werden. Einige Katalysatorvergiftungen sind hingegen reversibel und können durch Wahl geeigneter Betriebsbedingungen rückgängig gemacht werden.
15.5.2.2
Partikelfilter
Die Aufgabe des Partikelfilters (DPF: Diesel Particle Filter) ist es, einen sehr hohen Anteil der Partikel aus dem Abgas strom abzutrennen. Auf Grund der geringen Partikelgröße (Großteil unter 100 nm, siehe Abschn. 15.3.2) bietet nur die Filtration einen hinreichend großen Abscheidewirkungsgrad bei geringem Aufwand. Die zunehmende Filtratmenge vergrößert mit der Zeit den Strömungswiderstand über den Filter, was einen höheren Kraftstoffverbrauch verursacht. Es ist deshalb erforderlich, den Filter in gewissen Intervallen zu regenerie ren, das heißt durch geeignete Betriebsbedingungen, die brennbaren Bestandteile des Filtrats zu oxidieren (die nicht brennbaren Bestandteile des Filtrats bleiben als Asche zurück). Der Betrieb lässt sich also in lange Phasen der Par tikelabscheidung unterbrochen durch kurze Regenerations phasen unterteilen. Der Betrieb eines Partikelfilters erfor dert deshalb eine Betriebsstrategie sowie weitere Komponen ten die zusammen das DPF-System bilden. Es wird im Fol genden zunächst die für die Abscheidephase wichtige Struk tur des DPF beschrieben, dann auf die Regenerationsphase eingegangen und schließlich die weiteren Bestandteile eines DPF-Systems erörtert. Die Anforderungen an einen Partikelfilter sind: – Hoher Abscheidegrad auch für sehr kleine Partikel (je nach Gesetzgebung und Rohemission 50% bis 95%), – Geringer Strömungswiderstand, – Thermische Beständigkeit, gegen die bei der Regeneration auftretenden Temperaturen von bis zu 1000 °C, – Gute strukturelle und strömungstechnische Toleranz gegenüber nicht oxidierbaren Partikelbestandteilen (Filterasche). Derzeit befinden sich vier Filtertypen in der Anwendung: a) Keramisches Extrudat aus Cordierit, b) Keramisches Extrudat aus Siliziumcarbit (SiC), c) Sintermetallfilter (besonders für den Retrofitmarkt), d) Partikelabscheider mit offenen Strukturen. Die ersten drei Filtertypen basieren auf dem sog. Wand stromfilterprinzip, bei dem die komplette Abgasmenge durch
Bild 15-41 Filterstruktur. 1 Rohabgas vom Motor, 2 Gehäuse, 3 Keramikpfropfen, 4 Wabenkeramik, 5 ausströmendes Abgas
eine poröse Wand geführt wird („geschlossene“ Filtersys teme). Bei den keramischen Extrudaten ist hierfür jeder Ka nal jeweils alternierend an der Vorder- oder an der Rückseite verschlossen (Bild 15‑41). Die Extrudatwände werden hier durch zu einer porösen Filterfläche mit einer sehr großen Oberfläche (etwa 1 m2 lFilter–1). Beim Durchgang durch die poröse Wand lagern sich die Partikel zunächst durch Diffu sion an die innere Oberfläche der Poren an. Nach kurzer Zeit bildet sich an der Oberfläche der Wände zunächst eine dünne Oberflächenfiltratschicht aus, welche eine wesentlich geringe Porengröße aufweist als die Trägerstruktur und in der Folge den größten Teil der Partikel abfiltriert. Mit zunehmender Beladungszeit wächst die Filtratschichtdicke, wodurch sich zunächst der Durchströmungswiderstand und im weitern Verlauf auch der Strömungswiderstand in den Einlasskanä len des Filters erhöht. Der Strömungswiderstand und der Filtrationswirkungsgrad hängen von der Wanddicke (0,3– 0,4 mm) und der Größe der Poren ab. Außerdem ist die Kanaldichte (100–300 cpsi) wichtig für den Strömungswi derstand. Eine hohe Kanaldichte erhöht zwar die innere Oberfläche und verringert hiermit den Wanddurchtrittswi derstand, führt auf der anderen Seite aber auch zu kleineren Kanaldurchmessern. Dies vergrößert den Strömungswider stand in den Kanälen, insbesondere wenn der Querschnitt der Zulaufkanäle durch das Oberflächenfiltrat zusätzlich verengt wird. Bei einer neuen Entwicklung ist der Durch messer der einlaufenden Kanäle größer als der Durchmesser der ablaufenden Kanäle, was den dort auftretenden Strö mungsverlust durch ein Oberflächenfiltrat und die Verträg lichkeit gegenüber Ascheablagerungen verbessert. Sintermetallfilter werden aus Filtertaschen zusammenge setzt, die am Eingang zunächst einen großen Eintrittsquer schnitt aufweisen, der sich in Strömungsrichtung zuneh mend verjüngt. Auch diese Geometrie führt zu einer Verrin gerung des Zuströmverlustes und zu einer höheren Asche verträglichkeit.
15.5 Abgasnachbehandlung 507 Bei Wandstromfiltern wird das gesamte Abgas filtriert, was zu Filterwirkungsgraden von über 95% für das gesamte relevante Größenspektrum (10 nm‑1 µm) führt. Kann der Filter nicht rechtzeitig regeneriert werden, z. B. weil bei einer Nachrüstlösung nicht alle Maßnahmen zur Einleitung einer Regeneration zur Verfügung stehen, so kann der Abgasgegendruck soweit ansteigen, dass der Motorlauf behindert wird. Dieses Verblocken des Filters ist bei „offenen“ Partikelabscheidern nicht möglich. In der Struktur des offenen Partikelabscheiders wird das Abgas nicht zwangsweise durch eine Wand geführt, son dern zunächst durch in die Filterkanäle hineinragende Taschen umgelenkt. Das Gas erhält hierdurch einen Impuls, der es in Richtung einer porösen Kanalwand beschleunigt. Bei geringer Filterbeladung durchdringt es ähnlich wie beim Wandstromfilter zu einem großen Teil die Kanalwand und baut ein Filtrat auf. Mit steigendem Durchtrittswider stand nimmt der Anteil des durch die Wand durchtre tenden Gases ab und der Anteil, der sich im Kanal an der Tasche vorbei bewegt, nimmt zu. Bei derartigen Strukturen ist der Abscheidewirkungsgrad deshalb abhängig von der Beladung und liegt im realen Einsatz zwischen etwa 30% und 70%. Ähnlich wie beim DOC, richtet sich die Baugröße und damit die Filterfläche des Filters nach dem Hubvolumen (typischerweise VDPF/VHub = 1,2–2,0). Die Regeneration des Filters ist je nach Auslegung und Rohemission nach 300‑800 km erforderlich. Ruß verbrennt mit dem im Abgas enthaltenden Sauerstoff oberhalb von etwa 600 °C zu CO2 unter Wärmefreisetzung. Auslegepunkt für die Regeneration ist die akkumulierte Rußmenge (je nach Filtermaterial 5–10 g l–1). Ist diese Menge zu groß, so kann es bei der exothermen Regeneration zu lokalen Tem peraturüberhöhungen kommen, welche das Substrat bzw. ggf. die katalytische Beschichtung schädigen. Die zur Regeneration erforderlichen Temperaturen liegen nur im Nennleistungsbereich des Motors vor. Es müssen deshalb zusätzliche Maßnahmen und Hilfsmittel vorgese hen werden, welche eine rechtzeitige Filterregeneration auch im üblichen Fahrbetrieb ermöglichen. Es gibt folgende Regenerationsstrategien: 1. Nichtkatalysierte Oxidation durch Restsauerstoff bei 550–650 °C, 2. Additiv unterstützte Regeneration, 3. Regeneration mit NO2, 4. Regeneration mit katalytisch beschichtetem Filter.
ratur angehoben. Grundsätzlich kann die DPF-Temperatur durch Verschlechterung des Motorwirkungsgrads (Einspritz verlaufsänderung), durch Verringerung des Abgasmassen stroms (Ladedruckabsenkung, Androsseln) oder durch nachmotorische Temperaturerhöhung (z. B. „Catalytic-Bur ner“ am DOC) erhöht werden. Bei allen Maßnahmen muss darauf geachtet werden, dass der Restsauerstoffgehalt am DPF ausreichend hoch für eine zügige Regeneration ist (>5%). Die Maßnahmen sind abhängig vom Motorbetriebs punkt und werden zu Maßnahmenpaketen zusammenge fasst (Bild 15‑42). Im Bereich 1 (Nennleistungsbereich) sind die motorischen Temperaturen bereits so hoch, dass keine weiteren Maßnah men eingeleitet werden müssen. Dieser Bereich kommt im Pkw-Betrieb sehr selten vor.
Nichtkatalytische Oxidation Bei der nichtkatalysierten Oxidation wird durch verschie dene Maßnahmen die Filtertemperatur bis zur Zündtempe
Bild 15-42 Motorische Maßnahmen zur Abgastemperaturanhebung
508 15 Abgasemission von Dieselmotoren Im Bereich 2, in dem sehr hohe Drehmomente angefor dert werden, ist es wichtig, dass diese trotz der Regenera tionsmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Die Haupteinspritzung wird etwas nach spät verschoben, womit sich der Wirkungsgrad des Motors verschlechtert und die Abgastemperatur wunschgemäß zunimmt. Zusätzlich erfolgt eine angelagerte (frühe) Nacheinspritzung, die noch an der Verbrennung teilnimmt und einen weiteren Dreh momentsbeitrag liefert. Diese Maßnahmen, die durch Ver schlechterung des Wirkungsgrads auf eine Erhöhung der Motorabgastemperatur zielen, werden auch als „Engine Burner“ bezeichnet. Im Bereich 3, ist die Aufladung gering und das Luftver hältnis bei optimaler Verbrennung bereits unter 1,4. Eine angelagerte Nacheinspritzung würde in diesem Fall örtlich zu sehr kleinen Luftverhältnissen und dadurch zu einem starken Anstieg des Schwarzrauchs führen. Die Nachein spritzung wird deshalb soweit verzögert, dass sie nicht mehr an der Verbrennung teilnimmt (späte Nacheinspritzung). Die zusätzlichen HC- und CO-Emissionen werden am DOC in Wärme ungesetzt („catalytic-burner“). Im Bereich 4 werden verschiedene Maßnahmen miteinan der kombiniert. Zum einen wird durch eine Ladedruckab senkung der Abgasmassenstrom reduziert. Die Spätverschie bung der Haupteinspritzung und eine angelagerte Nachein spritzung sorgen wie im Bereich 2 für eine weitere Erhöhung der Abgastemperatur. Die Anteile der einzelnen Maßnah men müssen im Hinblick auf Geräusch, Emissionen und Verbrauch optimiert werden und sind meist nicht alle gleichzeitig erforderlich. Im Bereich 5 ist eine große Temperaturerhöhung von 300–400 °C erforderlich. Die Luftmasse wird in diesem Bereich zusätzlich durch eine Drosselklappe reduziert. Hier durch sind weitere Maßnahmen zur Stabilisierung der Ver brennung, wie Erhöhung der Voreinspritzmenge und Anpassung des Abstands zwischen Vor- und Haupteinsprit zung erforderlich. Im Bereich 6, bei sehr kleinen Drehmomenten, ist die Einleitung einer Regeneration mit Temperaturen > 600 °C nicht möglich. In allen Bereichen hängt der Umfang der Maßnahmen maßgeblich von der zu erzeugenden Temperatur ab. Damit die im Motor erzeugte Wärme möglichst vollständig im Filter wirksam wird, sollte der thermische Verlust zwischen Motor und Filter gering gehalten werden. In vielen Anwen dungen befindet sich deshalb der Filter möglichst nahe am Motor. Eine andere Möglichkeit die erforderliche Regenera tionstemperatur abzusenken besteht darin, die Rußoxida tion katalytisch zu unterstützen.
Additivsystem Im Additivsystem wird dem Kraftstoff ein Additiv (meist eine Cer- oder Eisenverbindung) zugesetzt. Bei der moto rischen Verbrennung wird das Metall an den Ruß angelagert. Im Filter ergibt sich hierdurch eine Rußoberfläche, die mit Mischoxiden dotiert ist, welche die Zündtemperatur auf 450–500 °C absenken. Die oben aufgezählten Maßnahmen können deshalb in ihrem Umfang reduziert werden. Nach der Rußoxidation bleibt das Metalloxid als Rückstand im Fil ter zurück und erhöht damit den Ascheanteil, der durch ther mische Regeneration nicht entfernt werden kann. Her kömmliche Wandstromfilter müssen deshalb bei additivba sierter Regeneration alle 120.000–180.000 km ausgebaut und mechanisch gereinigt werden.
Regeneration mit NO2 NO2 stellt ein sehr aktives Oxidationsmittel dar, das Ruß be reits ab Temperaturen von 250–350 °C oxidiert. Diese Tem peraturen werden bei Nkw-Anwendungen häufig und bei Pkw-Anwendungen beispielsweise bei Autobahnfahrten er reicht. Bei der Rußoxidation bildet sich NO. 2 NO2 + C → 2 NO + CO2
(15-7)
NO2 + C → NO + CO
(15-8)
CO + NO2 → CO2 + NO
(15-9)
CO + ½ O2 → CO2
(15-10)
Aus den Gleichungen lässt sich erkennen, dass für die voll ständige Oxidation von Ruß die achtfache Masse an NO2 vorhanden sein muss. Ist die Temperatur und das Massen verhältnis ausreichend hoch (T>350 °C), so wird im Durch schnitt genauso viel Ruß oxidiert, wie neuer Ruß abgeschie den wird. Man spricht dann von einem CRT®-Effekt (Conti nuous Regenerating Trap). Das erforderliche NO2 wird in vorgelagerten Oxidationskatalysatoren aus NO gebildet. In der Praxis wird stets ein gewisser Anteil des Rußes insbeson dere in Hochlastphasen durch den CRT®-Effekt oxidiert. Hierdurch können die Regenerationsintervalle vergrößert werden. Insbesondere für Pkw-Anwendungen ist jedoch die vollständige DPF-Regeneration durch Nutzung des CRT®Effekts nicht für alle individuellen Fahrbedingungen erreich bar, so dass die oben erwähnten zusätzlichen aktiven Regene rationsmaßnahmen vorgesehen werden müssen.
Katalytisch beschichtete Filter (CDPF) Durch eine katalytische Beschichtung (coated DPF) des Fil ters kann die Regenerationstemperatur geringfügig herabge
15.5 Abgasnachbehandlung 509 setzt werden. Der Effekt ist zwar wesentlich geringer als beim Einsatz von Kraftstoffadditiven, dafür entstehen andererseits keine Additivaschen. Die katalytische Beschichtung erfüllt mehrere Funktio nen: – Oxidation von CO und HC, – Oxidation von NO zu NO2. Wie beim DOC können auch am CDPF HC und CO unter Wärmefreisetzung oxidiert werden. Der entstehende Tempe raturhub wirkt in diesem Fall direkt an der Stelle, an der hohe Temperaturen zur Zündung des Rußes erforderlich sind. Die Wärmeverluste, welche bei der Verwendung eines vorgela gerten katalytischen Brenners auftreten, können vermieden werden. Wie beim katalytischen Brenner wird das erforder liche HC und CO entweder durch eine motorische Nachein spritzung oder durch eine nachmotorische Dosiereinrich tung dem Abgasstrang zugeführt. An der katalytischen Beschichtung wird außerdem NO zu NO2 oxidiert. Dieses kann im geringen Umfang die Rußoxi dation bei niedrigen Temperaturen unterstützen. Ein DPF-System besteht neben dem Partikelfilter aus weiteren Komponenten: – DOC, der als katalytischer Brenner und zur Anhebung des NO2-Anteils verwendet wird, – Temperatursensor vor DOC. Dient dazu, die HC-Umsatz fähigkeit am DOC („Light-Off “-Zustand) zu bestimmen, – Differenzdrucksensor. Dieser misst die Druckdifferenz über den Partikelfilter, aus dem sich mit dem Abgasvolu menstrom der Strömungswiderstand errechnen lässt, – Temperatursensor vor DPF, der zur Bestimmung der DPFTemperatur dient. Diese Temperatur ist wichtig, um die Regeneration zu steuern. Ein DPF-System muss außerdem über geeignete Steuerge rätefunktionen verfügen, welche die Regeneration steuern und überwachen. Während der Beladungsphase muss zu nächst der Beladungszustand des Partikelfilters erfasst wer den (Beladungserkennung). Hierfür werden verschiedene Verfahren eingesetzt. Mit Hilfe des Differenzdrucksensors wird der Strömungswiderstand bestimmt, der mit zuneh mender Filterbeladung ansteigt. Die Korrelation zwischen Rußmenge und Strömungswiderstand wird durch den Ein fluss der Morphologie (z. B. Gleichverteilung der Schicht dicke über den Filter, Porosität des Filtrats) der Rußschicht gestört, die von den zurückliegenden Betriebsbedingungen abhängt. Es wird deshalb zusätzlich die eingelagerte Rußmenge modellbasiert berechnet. Diese ergibt sich aus der Integrati on des motorischen Rußmassenstroms. Weiterhin wird der Rußabtrag durch den CRT®-Effekt mit einbezogen. Wäh
rend der Regenerationsphase wird der Rußabbrand in Abhängigkeit von der Filtertemperatur und dem Sauerstoff massenstrom berechnet. Ein sog. Koordinator bestimmt aus den mit beiden Ver fahren ermittelten Werten der Rußmasse, die für die Rege nerationsstrategie maßgebliche Rußmasse. Mit der Regenerationsstrategie wird entschieden, wann eine Regeneration ausgelöst wird und welche Maßnahmen eingeleitet werden. In Abhängigkeit vom eingesetzten Mate rial wird ein Schwellwert für die Rußmasse festgelegt, ab der eine Regeneration erfolgen soll, um eine thermische Schädi gung des Substrats während der Regeneration zu verhin dern. Es ist sinnvoll, eine Regeneration vorzuziehen, wenn besonders günstige Verhältnisse (z. B. Autobahnfahrt) vor liegen. Die Regenerationsstrategie legt in Abhängigkeit von der Rußmasse, sowie des Motor- und Fahrzeugbetriebszu stands fest, welche Regenerationsmaßnahmen durchzufüh ren sind. Diese werden als Statuswert den anderen Motor steuerungsfunktionen übergeben. Zur Vermeidung unkontrollierter Überhitzungen im Fil ter oder eines unkontrollierten Regenerationsabbruchs wird die DPF-Temperatur während der Regeneration geregelt. Als Stellgrößen stehen der Einspritzverlauf und die Luftmas se zur Verfügung.
15.5.2.3
NOX-Reduktions-Katalysatoren
Ähnlich wie bei der Partikelminderung können nur einige der theoretisch denkbaren Verfahren zur NOX-Minderung im Fahrzeug umgesetzt werden. Die bei Benzinmotoren erfolgreich eingesetzten Dreiwe gekatalysatoren, bei denen NOX mit sehr hohem Umsatz bei λ = 1 mit HC und CO zu N2, H2O und CO2 reagieren, lassen sich im mageren Dieselabgas nicht einsetzen. Hier konkur riert die gewünschte Reduktion von NOX mit der Reduktion des Restsauerstoffs, der in etwa 1000fach höherer Konzen tration vorliegt. Derzeit befinden sich zwei Verfahren (SCR und NSC) in der Markteinführung.
Selektive katalytische Reduktion (SCR) Beim SCR-Prozess (Selective Catalytic Reduction) wird NOX in einem geeigneten Katalysator mit Ammoniak (NH3) als Reduktionsmittel zu Stickstoff reduziert. Der SCR-Prozess ist in Großfeuerungsanlagen bewährt und befindet sich bei Nutzfahrzeugen (seit etwa 2005) in der breiten Markteinfüh rung. Auch erste Anwendungen im Pkw. (ab etwa 2007) sind geplant. Die eigentliche SCR-Reaktion verläuft im Wesentlichen gemäß den folgenden Reaktionsgleichungen:
510 15 Abgasemission von Dieselmotoren 4 NO + O2 + 4 NH3 → 4 N2 + 6 H2O
(15-11)
NO + NO2 + 2 NH3 → 2 N2 + 3 H2O
(15-12)
6 NO2 + 8 NH3 → 7 N2 + 12 H2O
(15-13)
Eine Reaktion des Reduktionsmittels mit Sauerstoff findet im SCR-Katalysator bei den fahrzeugüblichen Temperaturen unter 550 °C nicht statt, das heißt die Selektivität bezüglich der NOX-Reduktion ist 100%. In den meisten Fällen domi nieren die beiden ersten Reaktionen. Die erforderliche Reduktionsmittelmenge lässt sich dann direkt aus der ge wünschten NOX-Minderung berechnen. Bezogen auf ein Tankintervall würde sich ein beträchtlicher NH3-Bedarf er geben (je nach Rohemission ca. 0,3%–1% der Kraftstoff menge), dessen Speicherung im Fahrzeug auf Grund der Toxizität von NH3 sicherheitstechnisch bedenklich ist. NH3 kann im Fahrzeug jedoch verhältnismäßig einfach auch aus einer Reihe von Vorläufersubstanzen erzeugt wer den. Diese Vorläufersubstanzen unterscheiden sich hin sichtlich Speicherdichte, Giftigkeit, Verfügbarkeit und Stabi lität voneinander. In den 90er Jahren hat sich die europä ische Automobilindustrie im Hinblick auf die Nutzung im Nkw auf die Verwendung einer 32,5%igen wässrigen Harn stofflösung (Markenname AdBlue®) geeinigt. Harnstoff wird großtechnisch als Düngemittel eingesetzt und ist che misch bei Umweltbedingungen ausreichend stabil. Harn stoff ist außerdem gut in Wasser löslich und bildet als 32,5%igen Lösung ein eutektisches Gemisch, dessen Gefrier punkt –11 °C beträgt. Die Harnstoff-Wasser-Lösung wird vor dem SCR-Kataly sator eindosiert und der enthaltene Harnstoff hydrolysiert im Abgasstrang bei Temperaturen ab etwa 250 °C in einem zweistufigen Prozess über Isocyansäure als Zwischenpro dukt zu NH3. (NH2)2CO → NH3 + HNCO (Thermolyse)
(15-14)
HNCO + H2O → NH3 + CO2 (Hydrolyse)
(15-15)
In einer Nebenreaktion können aus der Isocyansäure feste Ablagerungen (Biuret und höhermolekulare Verbindungen) entstehen. Zur Vermeidung dieser festen Ausscheidungen ist es erforderlich, dass die Hydrolysereaktion durch die Wahl geeigneter Katalysatoren und genügend hoher Temperaturen (ab etwa 250 °C) ausreichend schnell erfolgt. Das entstehende Ammoniak wird im SCR-Katalysator adsorbiert und steht dann für die SCR-Reaktionen zur Ver fügung. Hohe Umsätze lassen sich mit NH3 im Temperatur bereich von 180 °C bis 450 °C erreichen. Unter Berücksich tigung der vorgelagerten Hydrolysereaktion ist ein dauerhaft hoher Umsatz mit Harnstoff-Wasser-Lösung erst ab 250 °C möglich.
Bei niedrigen Temperaturen (<300 °C) läuft die Reaktion überwiegend über die Gleichung (15-12) ab. Zur Steigerung des Umsatzes befindet sich deshalb vor dem SCR-Katalysa tor und vor der Eindosierstelle ein oxidierender Katalysator, der das NO2- zu -NOX-Verhältnis auf etwa 50% anhebt. Der Oxidations-Katalysator kann entweder der DOC oder ein CDPF sein. Die NOX-Minderung ist über die SCR- und Hydrolyse reaktionen direkt mit der zudosierten AdBlue-Menge ver bunden. Das Massenverhältnis aus AdBlue-Bedarf und NOX-Minderung beträgt 2 gAdBlue/gNOx. Das Dosierver hältnis α (auch „Feed-Verhältnis“ genannt) ist definiert als das molare Verhältnis von zudosiertem NH3‑Äquivalent zu dem im Abgas vorhandenen NOX. Die theoretisch maximal mögliche NOX-Minderung entspricht dem Dosier verhältnis α. Bei α = 1 ist theoretisch eine vollständige NOX-Beseitigung möglich. Wird über eine längere Dauer mit α > 1 dosiert, so wird die Adsorptionsfähigkeit des Katalysators überschritten und nicht umgesetztes NH3 ver lässt den SCR-Katalysator (NH3-Schlupf). NH3 hat eine sehr niedrige Geruchsschwelle (15 ppm in Luft). Ein zu großer NH3-Schlupf würde zu einer Geruchsbelästigung in der Umgebung führen. Neben der Umsatzoptimierung, welche durch ein möglichst großes Dosierverhältnis ermöglicht wird, muss deshalb auch auf einen möglichst kleinen NH3-Schlupf geachtet werden. Neben der Schlupfbegrenzung durch ein genügend kleines Dosierverhältnis kann das entweichende NH3 auch durch einen nach geschalteten Oxidations-Kata lystor (Sperrkatalysator) beseitigt werden. In ausgeführten Systemen kann der erreichte Umsatz kleiner als das über das Dosierverhältnis definierte theore tische Umsatzpotenzial sein. Für diese Abweichung gibt es eine Reihe von möglichen Gründen: – Auch bei α < 1 kann ein NH3-Schlupf auftreten, wenn eine unzureichende Homogenisierung der AdBlue-Lösung im Abgas zu einer inhomogene Reduktionsmittelkonzentra tion am Eintritt des SCR-Katalysators führt. Der erreichte NOX-Umsatz wird um die durchtretende NH3‑Menge gemindert. – Bei einer unvollständigen Hydrolyse geht Reduktionsmittel durch die Bildung von Abscheidungen für die SCR-Reak tion verloren. – Bei hohen Temperaturen kann ein Teil des NH3 durch Oxidation mit Sauerstoff reagieren. – Ist das NO2- zu -NOX-Verhältnis zu groß, so kann ein Teil des NO2 gemäß Gleichung (15‑13) reagieren. Für diesen Anteil ist der NH3-Bedarf um 30% größer als bei den Reaktionen gemäß den Gleichungen (15-11) und (15-12). Wie bereits beim DOC und DPF richtet sich das SCR-Kata lysatorvolumen nach dem Hubraum (VSCR/VHub = 1,0–2,5).
15.5 Abgasnachbehandlung 511 Im praktischen Einsatz kann bei einem NH3‑Schlupf von <20 ppm ein NOX-Umsatz von 90% erreicht werden. Der erreichbare Umsatz hängt sehr stark von der Dosier strategie ab. In der einfachsten Ausführung wird das Reduk tionsmittel mit einem konstanten Dosierverhältnis dosiert. Die erforderliche Reduktionsmittelmenge, die sich aus dem NOX-Massenstrom ergibt, kann beispielsweise über Motoroder Fahrzeugversuche ermittelt werden. Die Dosierfreigabe erfolgt, wenn die Temperatur am SCR-Katalysator die Arbeits temperatur (z. B. 250 °C–450 °C) erreicht hat. Diese einfache Dosierstrategie ist für einen stationären Motorbetrieb geeig net. Sie ist nicht geeignet, um bei im Fahrzeugbetrieb üblichen dynamischen Betriebsbedingungen einen hohen NOX-Umsatz bei geringem NH3‑Schlupf zu erreichen. Der SCR-Katalysator besitzt ein sehr gutes NH3-Speicher vermögen (ca. 1 g l–1). Das Speichervermögen ist stark tem peraturabhängig (z. B. ab 350 °C nur noch 10% vom Nieder temperaturwert). Das Speichervermögen hat den Vorteil, dass eine kurzzeitige Überdosierung von AdBlue nicht direkt zu einem NH3-Schlupf führt und auch bei Tempera turen, die zu niedrig für eine Hydrolysereaktion sind, ein NOX-Umsatz mit dem eingespeicherten NH3 ablaufen kann. Auf der anderen Seite besteht durch die Temperaturabhän gigkeit des Speichervermögens die Gefahr, dass bei zu schnellen Temperaturerhöhungen ein Teil des adsorbierten NH3 desorbiert, was zu einem NH3‑Schlupf führt. Zur Beherrschung dieser Eigenschaft besitzt eine erweiterte Dosierstrategie ein Speichermodell, welches die Speicherfä higkeit und den Speicherzustand des SCR-Katalysators berücksichtigt. Der Speicherzustand des SCR-Katalysators wird durch die eindosierte Reduktionsmittelmenge erhöht und durch den NOX-Umsatz und den auftretenden NH3‑Schlupf verringert. Ziel ist es, einen hohen NOXUmsatz mit einem temperaturabhängig optimalen Speicher zustand zu erreichen. In Phasen abnehmender Speicherfä higkeit wird deshalb die Dosiermenge gegenüber der Dosie rung mit konstantem Dosierverhältnis verringert, bei abnehmender Temperatur erhöht. Ein hoher Umsatz mit geringem NH3‑Schlupf ist nur möglich, wenn die Berechnung des Speicherzustands kor rekt ist. In realen Systemen führen Driften in der Reduktions mitteldosierung und Abweichungen in der NOX-Rohemis sion dazu, dass der berechnete Speicherzustand vom realen Zustand abweicht, was entweder in einem zu geringen NOXUmsatz oder bei hohen Dosierverhältnissen zu einem kon tinuierlichen NH3‑Schlupf führen würde. Höchste Umsätze können erreicht werden, wenn die NOX‑ und NH3‑Konzen trationen nach SCR-Katalysator gemessen werden und die Dosierung entsprechend nachgeregelt wird. Ein vollständiges AdBlue‑SCR‑System umfasst folgende Komponenten und Teilsysteme (Bild 15‑43)
– DOC oder CDPF, zur Erhöhung des NO2- zu -NOXVerhältnis, – Temperatursensor nach SCR-Katalysator zur Bestimmung der SCR‑Temperatur, – NOX-Sensor nach SCR (optional) zur Bestimmung der NOX-Konzentration und bei geeigneter Querempfind lichkeit der NH3‑Konzentration, – NOX-Sensor vor SCR (optional) zur Verbesserung der Regelgüte, – Tanksystem zur Speicherung der Harnstoff-WasserLösung, einem integrierten Füllstandsensor, einer Heizung, einem Temperatursensor (optional) und einem Qualitäts sensor (optional), – Fördermodul bestehend aus einer Pumpe, welche die Harnstoff-Wasser-Lösung vom Tank zum Dosiermodul fördert. Bei einer luftunterstützten Gemischbildung, wird außerdem mit einem Luftregelventil und einem Luftdrucksensor ein geeigneter Luftmassenstrom vom Luft vorratsbehälter (Nkw‑System) zum Dosiermodul eingestellt, – Dosiermodul, in dem durch ein Magnetventil eine exakte Menge an Harnstoff-Wasserlösung eingestellt wird. In einem luftunterstützten System gelangt diese Menge zusammen mit der Druckluft in eine Mischkammer, von wo aus eine Leitung das Aerosol zur Eindosierstelle im Abgasrohr transportiert. In Systemen ohne Luftun terstützung erfolgt die Zerstäubung und Gemischbil dung über eine entsprechende Düse direkt am Abgas rohr, – Steuerungseinheit, welche die Sensoren ausliest und gemäß der Dosierstrategie die entsprechenden Aktoren ansteuert. Gleichzeitig werden die Komponenten über entsprechende Diagnosefunktionen überwacht. Die Kommunikation mit dem Motorsteuergerät erfolgt über einen CAN‑Bus.
NOX-Speicherkatalysator (NSC) Der NOX-Speicherkatalysator (NSC – NOX-Storage-Catalyst; auch LNT – Lean NOX Trap) ermöglicht die NOX-Minde rung ohne einen zusätzliche Betriebsstoff zu tanken (Bild 15‑44). Der NOX-Abbau erfolgt dabei in zwei Schritten: – Beladungsphase: NOX wird im mageren Abgas in die Spei cherkomponente des Katalysators eingespeichert. – Regenerationsphase: das eingespeicherte NOX wird ausge speichert und in fettem Abgas zu N2 reduziert. Die Beladungsphase dauert betriebspunktabhängig etwa 30–300 s, die Regenerationsphase etwa 2–10 s. Durch diese Betriebsweise, werden die zu reduzierenden Stickoxide zu
512 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-43 SCR-System für Nfz (Bosch)
15.5 Abgasnachbehandlung
513
Bild 15-44 NOX-Speicherkatalysator System (NSC)
nächst aufkonzentriert. Nur in der sehr kurzen Regenerationsphase werden diese aufkonzentrierten NOX zusammen mit dem Restsauerstoff durch das Reduktionsmittel reduziert. Der Anteil des bei der NOX-Reduktion parasitär wirkenden Sauerstoffs wird hierdurch erheblich reduziert. Der Reduktionsmittelbedarf kann dadurch auf einen Kraftstoffmehrverbrauch von 2–4% begrenzt werden.
NOX-Einspeicherung Der NSC ist mit chemischen Verbindungen beschichtet, welche eine hohe Neigung haben, mit Stickoxiden eine feste, aber chemisch reversible Verbindung einzugehen. Beispiele hierfür sind die Oxide und Karbonate der Alkali- und Erdalkalimetalle, wobei auf Grund des Temperaturverhaltens besonders häufig Bariumverbindungen verwendet werden. Zur Nitratbildung muss NO schrittweise oxidiert werden. NO wird zunächst an einer katalytischen Beschichtung zu NO2 oxidiert. Das NO2 reagiert anschließend mit den Speicherverbindungen in der Beschichtung und Sauerstoff (O2) zum Nitrat: BaCO3 + 2 NO2 + 1/2 O2 ' Ba(NO3)2 + CO2
(15-16)
Der NOX-Speicherkatalysator speichert so die vom Motor emittierten Stickoxide ein. Die Speicherung ist nur in einem materialabhängigen Temperaturintervall des Abgases zwischen 250 und 450 °C optimal. Darunter ist die Oxidation von NO zu NO2 sehr langsam, oberhalb von 450 °C ist das
gebildete Nitrat instabil und es kommt zur thermischen Ausspeicherung von NOX. Neben der genannten Speichermöglichkeit als Nitrat besitzt der Katalysator auch in begrenztem Umfang die Möglichkeit, NOX bei niedrigen Temperaturen in einer sog. Oberflächenspeicherung zu binden. Dieser Speicher reicht aus, um beispielsweise während der Startphase, mit geringen Katalysatortemperaturen, Stickoxide im ausreichenden Umfang zu speichern. Die Bildung der Nitrate aus den Karbonaten ist eine Gleichgewichtsreaktion. Mit zunehmender Menge an gespeicherten Stickoxiden (Beladung) nimmt die Fähigkeit des Katalysators, weiter Stickoxide zu binden, ab. Hierdurch steigt die durchgelassene NOX-Menge mit der Zeit an. Es gibt zwei Möglichkeiten um zu erkennen, wann der Katalysator so weit beladen ist, dass die Einspeicherphase beendet werden muss: – Ein modellgestütztes Verfahren berechnet unter Berücksichtigung des Katalysatorzustandes die Menge der eingespeicherten Stickoxide, daraus das verbleibende Speichervermögen, den Einspeicherwirkungsgrad und damit die Menge der durchgelassenen NOX. – Ein NOX-Sensor hinter dem NOX-Speicherkatalysator misst NOX im Abgas und bestimmt so den aktuellen Füllgrad. Zur Begrenzung des NOX-Durchtritts muss der Speicherkatalysator nach der Einspeicherphase regeneriert werden.
514 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Regeneration des NSC Bei der Regeneration werden die eingelagerten Stickoxide aus der Speicherkomponente ausgespeichert und in die un bedenklichen Komponenten Stickstoff und Kohlendioxid konvertiert. Die Vorgänge für die Ausspeicherung des NOX und die Konvertierung laufen getrennt ab. Dazu muss im Abgas ein Sauerstoffmangel (λ<1, auch „fette Abgasbedingung“ genannt) eingestellt werden. Als Reduktionsmittel dienen die im Abgas vorhandenen Kom ponenten Kohlenmonoxid (CO) und Kohlenwasserstoffe (HC). Die Ausspeicherung – im folgenden beispielhaft mit CO als Reduktionsmittel dargestellt – geschieht in der Weise, dass das CO das Nitrat (z. B. Bariumnitrat Ba(NO3)2) zu NO reduziert und zusammen mit Barium wieder das ursprüng lich vorliegende Karbonat bildet. Ba(NO3)2+3 CO → BaCO3+2 NO + 2 CO2
(15-17)
Dabei entstehen CO2 und NO. Eine Rhodium-Beschichtung reduziert anschließend die Stickoxide in einer vom Dreiwe gekatalysator bekannten Weise mittels CO zu N2 und CO2: 2 NO + 2 CO → N2 + 2 CO2.
(15-18)
Mit zunehmendem Fortschritt der Regeneration wird weni ger Stickoxid ausgespeichert und damit weniger Reduktions mittel verbraucht. Es gibt zwei Verfahren, das Ende der Ausspeicherphase zu erkennen: – Das modellgestützte Verfahren berechnet die Menge der noch im NOX-Speicherkatalysator vorhandenen Stickoxide, – Eine Lambda-Sonde hinter dem Katalysator misst den Sauerstoffüberschuss im Abgas und zeigt einen λ‑Wechsel auf λ<1 an, wenn die Ausspeicherung beendet ist (CODurchbruch). Die für die Regeneration erforderlichen fetten Betriebs bedingungen (λ < 1) können beim Dieselmotor durch Spät einspritzung und Ansaugluftdrosselung eingestellt werden. Auf Grund der Drosselverluste und der nicht wirkungsgrad optimalen Kraftstoffeinbringung wird der Motor während der Regenerationsphase mit einem schlechten Wirkungsgrad betrieben. Um den Kraftstoffmehrverbrauch gering zu hal ten, sollte deshalb das Verhältnis der Dauern von Regenera tionsphase zur Einspeicherphase möglichst klein gehalten werden. Bei der Umschaltung von Mager- auf Fettbetrieb sind uneingeschränkte Fahrbarkeit sowie Konstanz von Drehmoment, Ansprechverhalten und Geräusch zu gewähr leisten. Eine weitere Möglichkeit fette Betriebsbedingungen ein zustellen, ist die nachmotorische Einbringung von Reduk tionsmittel. Ähnlich wie beim Betrieb des katalytischen Brenners (s. Abschn. 15.5.2.1) kann die Einbringung entwe
der als Dieselspray, als verdampfter Kraftstoff oder in Form hochreaktiver Spezies, meist als Reformatgas (H2/COGemisch) erfolgen. Der Eingriff in die motorische Verbren nung, insbesondere die Applikation einer Späteinspritzung kann entsprechend verringert werden. Zur Verminderung des Reduktionsmittelbedarfs sollte jedoch die Luftmasse z. B. durch Absenkung des Ladedrucks oder durch Andros seln abgesenkt werden.
Desulfatisierung Ein Problem von NOX-Speicherkatalysatoren ist ihre Schwe felempfindlichkeit. Die Schwefelverbindungen im Kraftstoff und Schmieröl werden während der Verbrennung zu Schwe feldioxid (SO2) oxidiert. Die im NSC eingesetzten Verbin dungen zur Nitratbildung (BaCO3) besitzen eine sehr große Bindungsstärke (Affinität) zum Sulfat, welche die Bindungs stärke des Nitrats übersteigt. Die Sulfate werden bei einer normalen Regeneration nicht entfernt, so dass die Menge des gespeicherten Sulfats während der Betriebsdauer allmählich ansteigt. Dadurch sind weniger Speicherplätze für die NOXSpeicherung vorhanden und der NOX-Umsatz nimmt ab. Speicherkatalysatoren erfordern deshalb die Verwendung von schwefelfreiem Kraftstoff (≤10 ppm). Selbst beim Betrieb mit Kraftstoff mit einem Schwefelge halt von 10 ppm wird wegen der abnehmenden NOX-Spei cherfähigkeit nach einer Fahrstrecke zwischen 500 und 2.500 km eine Schwefelregeneration (Desulfatisierung) erforderlich. Hierfür wird der Katalysator für eine Dauer von mehr als 5 min auf typischerweise über 650 °C aufge heizt und mit Pulsen von fettem Abgas (λ < 1) beaufschlagt. Die möglichen Maßnahmen zur Temperaturerhöhung ent sprechen dabei denjenigen zur DPF-Regeneration. Durch diese Bedingungen wird das Bariumsulfat wieder zu Barium carbonat umgewandelt. Bei der Desulfatisierung ist durch die Wahl einer geeigneten Prozessführung (z. B. oszillie rendes λ um 1) darauf zu achten, dass das ausspeichernde SO2 nicht durch Mangel an Rest-Sauerstoff zu Schwefelwas serstoff (H2S) reduziert wird (alternativ muss ein entspre chender „Sperr-Kat“ vorgesehen werden). Die bei der Desulfatisierung eingestellten Bedingungen müssen außerdem so gewählt werden, dass die Katalysato ralterung nicht übermäßig erhöht wird. Hohe Temperaturen (typischerweise >750 °C) beschleunigen zwar die Desulfati sierung, bedingen aber auch eine verstärkte Katalysatoralte rung. Eine katalysatoroptimierte Desulfatisierung muss deshalb in einem begrenzten Temperatur- und Luftzahl fenster erfolgen und dabei den Fahrbetrieb des Fahrzeugs nicht beeinträchtigen. Für die Auslegung von Speicherkatalysatoren ist vor allem der Einspeichervorgang von Bedeutung. Die Einspeicher effizienz hängt von der Katalysatortemperatur, der Edelme
15.5 Abgasnachbehandlung 515 tallbeladung, der Raumgeschwindigkeit und der verfüg baren Speichermenge ab. Das Verhältnis aus Katalysator volumen zum Hubraum (VNSC/VHub) beträgt 0,8‑1,5. Die effiziente Oxidation von NO über NO2 zum Nitrat und die möglichst vollständige Nutzung der HC-Verbindungen bei der Regeneration erfordern eine hohe Edelmetallbeladung von etwa 100 g ft–3. Gelingt es den NSC möglichst motornah anzubringen, so kann er die Funktionen des DOC überneh men, so dass diese Komponente entfallen kann. NSC-Katalysatoren erlauben über die Lebensdauer eine NOX-Minderung von 50% bis 80%.
Vergleich der NOX-Minderungssysteme NSC- und SCR-Systeme unterscheiden sich durch eine Viel zahl von Eigenschaften. Die Entscheidung, welches System in einem Fahrzeug eingesetzt werden soll, hängt stark von den Anforderungen und Rahmenbedingungen ab. Im Fol genden werden die für die Entscheidung wichtigsten Unter schiede diskutiert. – Der aus heutiger Sicht maximal erreichbare Wirkungsgrad von SCR-Systemen ist größer als derjenige von NSCSystemen. Dieses Kriterium ist wesentlich, wenn es um die Einhaltung sehr ambitionierter NOX-Grenzwerte geht. – SCR-Systeme benötigen einen weiteren Betriebsstoff (z. B. AdBlue®). Dies hat drei Konsequenzen, die zu beachten sind: a) Der Betriebsstoff muss in der betreffenden Region zur NOX-Minderung zugelassen sein. b) Die Betankung muss in geeigneten Intervallen gesichert sein. c) Der Betriebsstoff muss im Fahrzeug bevorratet werden, was Platz erfordert und – je nach Betriebsstoff – Maßnahmen zum Gefrierschutz und zum Auftauen erforderlich macht. Bei Nkw-Systemen wird derzeit in Europa eine flächen deckende AdBlue-Infrastruktur aufgebaut, welche die Befüllung im Tankintervall ermöglicht. Für Pkw könnte ein etwa 20 bis 25 l großer Tank auch für ein Wartungs intervall ausreichen, so dass das Nachfüllen über Werkstät ten möglich wäre. – Die hubraumproportionalen Katalysatorkosten sind bei SCR‑Systemen geringer als bei NSC‑Systemen. Dafür entstehen durch das AdBlue‑System Fixkosten. Für Pkw mit geringem Hubraum sind deshalb die Kosten für ein NSC‑System geringer, während für Nkw SCR‑Systeme preiswerter sind. – Die Art und Höhe der Betriebskosten sind unterschiedlich. Beim SCR‑System wird AdBlue verbraucht, beim
NSC‑System kommt es je nach gewünschter NOX‑Min derung und Systemauslegung zu einem Kraftstoffmehr verbrauch von 2 bis 4%. Die Betriebskosten sind für SCR‑Systeme bei vergleichbarer NOX-Minderung geringer als für NSC‑Systeme.
15.5.3
Abgasnachbehandlungssysteme
Für die Gesamtauslegung eines Abgasnachbehandlungssys tems (Bild 15‑45) ist zunächst das Wissen um die Funktion jedes einzelnen Systembausteins erforderlich. Zusätzlich ist es jedoch auch wichtig, die Wechselwirkung der Abgasnach behandlungskomponenten untereinander zu verstehen. Es muss außerdem darauf geachtet werden, dass durch eine gute Abstimmung zwischen motorischen Maßnahmen der Emis sionsminderung und dem Abgasnachbehandlungssystem eine robuste, hocheffiziente Schadstoffminderung mit mög lichst geringem Aufwand erreicht wird. Im Folgenden wird zunächst auf die Wechselwirkung der Abgasnachbehandlungskomponenten untereinander einge gangen und dann die Verknüpfung mit der motorischen Emissionsminderung erläutert.
15.5.3.1 Wechselwirkung der Abgasnachbehandlungsteilsysteme Die Abgasnachbehandlungskomponenten sind im Abgas strang seriell angeordnet, d. h. das physikalisch‑chemische Verhalten einer Komponente hat Auswirkung auf die strom abwärts liegenden Komponenten. Für alle Komponenten ist der Abgasmassenstrom unter Berücksichtigung einer gerin gen Laufzeitverzögerung (Größenordnung 0,1–1 s) gleich.
Thermische Kopplung Losgelöst von ihrer chemischen Funktion besitzen alle Abgasnachbehandlungskomponenten einschließlich der Rohre eine Wärmekapazität. Ändert sich die Temperatur des Abgases vor einer Komponente, so führt dies zu einer Temperaturänderung der Komponente und einer gedämpften Temperaturänderung des Gases hinter der Komponente (thermischer Tiefpass mit einer Zeitkonstante in der Grö ßenordnung 10–100 s). Gleichzeitig wird Wärme aus dem Abgassystem über die Außenwand (Rohrwand, Katalysator gehäuse) an die Umgebung abgegeben, so dass weiter strom abwärts liegende Komponenten eine geringere mittlere Tem peratur aufweisen als stromaufwärts liegende Komponen ten. Wie im vorigen Abschn. beschrieben, erfordern alle che mischen Prozesse je nach Komponente minimale Arbeits temperaturen von 150 °C (Light‑Off CO‑Oxidation) bis
516 15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-45 Gesamtsysteme zur Abgasnachbehandlung (HCI – HC-Injection)
250 °C (CRT®‑Effekt). Da unterhalb dieser Temperaturen kein Umsatz stattfindet, ist es für einen hohen Umsatz ent scheidend, darauf zu achten, dass die Komponenten mög lichst schnell nach dem Start des Motors ihre Arbeits temperatur erreichen. Aus diesem Grund werden die Kom ponenten möglichst motornah angebracht. Wärmeverluste über die Rohre können durch die Verwendung isolierter Rohre verringert werden. Sehr schnelle Startvorgänge erfordern zusätzlich Start heizmaßnahmen, die im Prinzip den Maßnahmen zur Erhö hung der DPF‑Temperatur entsprechen. Für die thermische Regeneration des DPF wird häufig ein Teil der erforderlichen Temperaturerhöhung über einen vorgeschalteten katalytischen Brenner erreicht. Dies ist mit ein Grund dafür, dass sich ein DOC stets stromaufwärts eines DPF befindet.
Kopplung über Schadstoffe Jede aktive Abgasnachbehandlungskomponente vermindert gemäß ihrer Hauptfunktion mindestens eine Schadstoff komponente. Die anderen Schadstoffkomponenten können diesen Prozess stören, fördern oder werden teilweise mit umgesetzt. Tabelle 15-16 gibt diese Wechselwirkungen wieder. Eine besonders wichtige Kopplung ist die Förderung der Partikelminderung, durch NOX insbesondere durch NO2 über den CRT®‑Effekt. Des Weiteren stören HC- und CO‑Verbindungen die NOX-Einspeicherung im NSC und den SCR‑Prozess. In beiden Fällen ist NO2 eine Schlüssel komponente, die in Anwesenheit von HC und CO zu NO reduziert wird. Befindet sich sowohl ein Partikelfilter als auch ein Stick oxidminderungssystem im Abgassystem, so ist stets über die
15.5 Abgasnachbehandlung 517
Tabelle 15-16 Wechselwirkung der Abgasnachbehandlungssysteme Komponente
Schadstoff
DOC
CDPF
NSC
SCR
Einspeicherung
Regeneration
HC CO Partikel NO NO2
X X – – +
–– –– X – +
–– –– – X X
– –– O X X
– – – X X
X: Hauptzweck der Komponente; --: Schadstoff wird stark reduziert; –: Schadstoff wird reduziert; O: Keine Änderung; +: Schadstoff wird vermehrt; : Schadstoff fördert Prozess stark; : Schadstoff fördert Prozess; : Schadstoff behindert Prozess.
relative Anordnung der Komponenten zu entscheiden. Neben der thermischen Kopplung ist der Einfluss der Schadstoffe auf die Funktion der Komponenten wichtig. Im Folgenden werden beide Wechselwirkungen gemeinsam diskutiert. Befindet sich der DPF vor dem NOX‑Minderungssystem, kann die DPF‑Beladung durch den CRT®‑Effekt verringert werden. Unter günstigen Bedingungen können hierdurch die Regenerationsintervalle erheblich verlängert werden. Außerdem ist es in dieser Anordnung leichter möglich, den DPF auf die Regenerationstemperatur zu bringen und dort zu halten, da der thermische Tiefpass des NSC- oder SCR‑Katalysators entfällt. Andererseits führt die relativ große Wärmekapazität des DPF dazu, dass das NOX-Minde rungssystem erst sehr spät nach dem Start die Betriebstem peratur erreicht. Für hohe NOX‑Konvertierungsraten müs sen deshalb Startheizmaßnahmen vorgesehen werden. Befindet sich hingegen ein beschichteter DPF hinter einem SCR‑System, so kann der DPF gleichzeitig die Funktion eines Sperrkatalysators für einen möglichen NH3‑Schlupf übernehmen. Die Fülle der Argumente zeigt, dass es keine allgemein gültige Empfehlung bezüglich der relativen Anordnung geben kann. Häufig wird erst in Kombination mit der Motor- und Fahrzeugauslegung klar, welche Anordnung für das betreffende Fahrzeug die größeren Vorteile aufweist.
15.5.3.2 Wechselwirkung zwischen motorischen Betriebsparametern und Abgasnachbehandlung Der vorangegangene Abschn. zeigte wie komplex die Wech selwirkung zwischen den verschiedenen Komponenten im Abgasnachbehandlungssystem ist. Auch zwischen der moto rischen Verbrennung und der Abgasnachbehandlung gibt es eine Reihe von Abhängigkeiten, die es im Sinne einer Ge samtsystemauslegung zu optimieren gilt.
Aus der historischen Entwicklung heraus wurden Abgas nachbehandlungssysteme zunächst ohne Eingriff in die motorische Verbrennung betrieben. Der DOC erreicht kurze Zeit nach dem Motorstart die für die CO- und HCOxidation erforderliche Light‑Off‑Temperatur und bleibt, abgesehen von langen Schub- oder Leerlaufphasen, bis zum Abschalten des Motors oberhalb dieser Temperatur. Ähnlich verhält es sich mit SCR‑Systemen. In den ersten Anwendun gen wurde die für die angestrebte NOX-Konvertierung erfor derliche Dosiermenge über Motorprüfstands- und Fahr zeugversuche ermittelt und entsprechend der so gewonnen Applikationsdaten in den Serienfahrzeugen zudosiert. Erst bei höheren Anforderungen an die NOX‑Minderung wird die Berücksichtigung von Schwankungen in der motori schen NOX‑Emission so wichtig, dass nur mit Hilfe einer Regelung der Dosiermenge die Umsatzwerte erreicht wer den können. Auch hier werden jedoch die motorischen Betriebsparameter während des Betriebs nicht an die Erfor dernisse der Abgasnachbehandlung angepasst. Diese Situation ändert sich, wenn Speicherkatalysatoren oder Partikelfilter eingesetzt werden. Beide Systeme müssen regelmäßig regeneriert werden, wobei die Betriebsparame ter weit außerhalb des für Dieselmotoren üblichen Bereichs eingestellt werden. Beim Partikelfilter kommt hinzu, dass mit steigender Beladung der Abgasgegendruck steigt. Hier durch steigt zunächst der Druck nach Turbolader und in der Folge der Druck vor der Turbine. Diese Druckerhöhung erhöht nicht nur die Ladungswechselverlustarbeit, sondern hat auch Einfluss auf das Druckgefälle über die AGR‑Stre cke. Eine Änderung des Abgasgegendrucks muss deshalb vom Luftsystem ausgeglichen werden. Die Betriebsparame ter ändern sich somit kontinuierlich mit dem Füllstand des Filters. Auf Grund der Komponentenkosten, der komplexen Wechselwirkungen der Komponenten untereinander und der Rückwirkungen auf den Motorbetrieb ist es verständ
518 15 Abgasemission von Dieselmotoren lich, dass versucht wird, die Emissionsziele mit möglichst geringer Komponentenzahl zu erreichen. Über die motori schen Betriebsparameter (z. B. AGR‑Rate und Einspritzzeit punkte) ist es möglich, das Verhältnis zwischen Ruß- und NOX‑Emission zu verändern (sog. Ruß‑NOX‑Trade‑Off). Mit diesem Hilfsmittel gibt es zwei Hauptstrategien zur Ver ringerung des Aufwands in der Abgasnachbehandlung: a) eine Ruß‑optimierte Verbrennung mit einer nachmotori schen NOX‑Minderung b) Eine NOX‑optimierte Verbrennung mit einer nachmotori schen Partikelminderung. Bei der Ruß‑optimierten (und NOX‑reichen) Verbrennung kann ein sehr günstiger motorischer Wirkungsgrad erreicht werden. Außerdem entfällt der Gegendruckbeitrag des Par tikelfilters, der ebenfalls zu einem spürbaren Kraftstoffmehr verbrauch führt. Bei Nkw‑Anwendungen, bei denen die Be triebskosten sehr wichtig sind, ist deshalb die nachmoto rische NOX‑Minderung (mit einem SCR‑System) die Vor zugslösung. Andererseits werden in naher Zukunft die Partikelgrenz werte erheblich gesenkt. Sind die Partikelgrenzwerte nicht oder nur mit einem erheblichen Aufwand innermotorisch zu erreichen, so kann es im Sinne einer Gesamtsystemopti mierung vorteilhaft sein, einen Partikelfilter mit einem sehr hohen Abscheidewirkungsgrad einzusetzen und durch eine NOX-optimierte (und partikelreiche) Verbrennung den Auf wand der nachmotorischen NOX‑Minderung zu vermeiden. Dieser Weg wird derzeit bei europäischen Pkw‑Anwen dungen beschritten. Schließlich gibt es neue Märkte für Dieselfahrzeug, z. B. USA, bei denen sowohl die Partikel-, wie auch die NOX‑Grenzwerte so gering sind, dass alle Maßnahmen der innermotorischen und nachmotorischen Emissionsminde rung ergriffen werden müssen. Obwohl der hiermit verbun dene Aufwand erheblich ist, kann der Weg angesichts der Alternativen lohnenswert sein. Denn nach wie vor sind Die selmotoren den Ottomotoren im Wirkungsgrad erheblich überlegen. Dies ist angesichts weltweit begrenzter Kraftstoff reserven und der CO2‑Emissionen ein zunehmend wichtiges Argument, die Steigerung des Dieselanteils voranzutreiben.
15.6
Abgasmessverfahren
Abgas Messsysteme bestehen hauptsächlich aus Abgas-Mess anlagen und Verdünnungssystemen. Für die Bestimmung der umweltrelevanten Massenemission sind einerseits die Konzentrationen und andererseits die Abgasvolumina des Motors zu bestimmen.
15.6.1 Abgas-Messanlagen für gasförmige Emissionen Die Messung der einzelnen Schadstoff-Konzentrationen er folgt durch einzelne Abgasanalysatoren, die in einer AMA zusammengebaut werden. Solche Anlagen (Bild 15‑46) be stehen aus einer Basiseinheit, die eine Abgasprobe aus dem Abgastrakt des Motors entnimmt, das Probengas zur Anlage fördert, konditioniert und den einzelnen Analysatoren zur Messung der Konzentrationen zuführt. Zusätzlich sind auch eine Vielzahl an Ventilen, die die verschiedensten Betriebsund Kalibriergase ebenfalls den Analysatoren zuführen, not wendig. Die Probenkonditionierung verhindert, dass sich die Zusammensetzung der Probe auf dem Weg zu den Ana lysatoren verändert, wie zum Beispiel die Verhinderung von Kondensation von Wasser oder Ablagerungen von gewissen Kohlenwasserstoffverbindungen beim Dieselabgas. Außer dem werden aus dem Probengas zum Schutz der Analysa toren Partikel herausgefiltert. Null- und Endpunkt-Einstellung (Kalibrierung) Bei allen Gasanalysatoren ist der regelmäßige Abgleich der Null- und Endpunktkalibrierung erforderlich (Bild 15‑47). Je nach Anwendung erfolgt diese vor jeder Messung oder zumin dest einmal pro Tag. Dazu werden ein Nullgas und ein Kali briergas aus Gasflaschen dem Analysator zugeführt und dessen Messwert auf die bekannte Konzentration dieser Kalibriergase abgeglichen. In der Regel erfolgt diese Kalibrierung vollauto matisch. Die absolute Genauigkeit der Messung ist maßgeb lich von der Genauigkeit dieser Kalibriergase abhängig. Linearisierung Um die Genauigkeit der Messwerte zwischen Nullpunkt und dem Endpunkt des Analysators sicherzustellen, wird eine Li nearisierung durchgeführt (Bild 15‑48). Dazu werden über den Messbereich verteilt unterschiedliche Gaskonzentra tionen dem Analysator zugeführt und die Messwerte mit den erwarteten Konzentrationen verglichen. Im Falle von größe ren Abweichungen (> 2%) wird eine mathematische Korrek tur der Messwerte durchgeführt (Linearisierungskurve). Eine solche Linerarisierung oder zumindest deren Überprü fung wird üblicherweise in Abständen von 3 Monaten durch geführt. Die Vergleichskonzentrationen werden aus Nullund Kalibriergas in einem hochgenauen und mehrstufigen Gasteiler zusammengemischt. Diagnosetests Je nach Analysatortyp und Anwendung werden eine Vielzahl von Diagnosetests durchgeführt, die die Messqualität der Anlagen sicherstellen. Dazu gehören unter anderem Quer empfindlichkeitstests, die sicherstellen, dass der Messwert
15.6 Abgasmessverfahren 519
Bild 15-46 Schematischer Aufbau einer Abgasmessanlage (ISO 16183 [15-33])
Bild 15-47 Schema Kalibrierung
Bild 15-48 Schema Linearisierung
520
15 Abgasemission von Dieselmotoren
einer Gaskomponente nicht oder nur minimal durch andere Gaskomponenten beeinflusst wird, oder Dichtheitstests der Anlage.
15.6.1.1
Messung der Kohlenwasserstoffe
Die Messung von Kohlenwasserstoffen erfolgt mittels eines Flame Ionisation Detektors (FID) (Bild 15-49). Im Abgas gibt es eine Vielzahl von unterschiedlichen Kohlenwasserstoff-Verbindungen. Im Regelfall ist es nicht von Bedeutung diese einzeln zu erfassen, sondern deren Gesamtsumme. Das FID-Messprinzip misst die meisten unterschiedlichen Kohlenwasserstoffverbindungen und ermöglicht damit dieses Summenergebnis. Messprinzip FID: Es brennt eine Flamme im Inneren der Messzelle, diese wird erzeugt aus einem konstanten Fluss von synthetischer Luft und einem Gasgemisch aus Wasserstoff und Helium. Die Flamme brennt in einem elektrischen Feld zwischen Kathode und Anode. Dieser Flamme wird ein konstanter Durchfluss des Probengases hinzu gemischt. Dabei werden Kohlenwasserstoff-Moleküle gekrackt und ionisiert. Die dabei erzeugten Ionen transportieren einen sehr kleinen Strom zwischen Kathode und Anode (Messsignal). Idealerweise würden alle Kohlenwasserstoffmoleküle in ionisierte Teile zerlegt, die nur ein Kohlenstoffatom enthalten. Dann wäre auch der Ionenstrom proportional zur Anzahl von Kohlenstoffatomen mit einer Bindung zu Wasserstoff in der Abgasprobe. Praktisch funktioniert der Cracking- und Ionisierungsprozess jedoch nicht vollständig. Er hat aber eine konstante Effizienz
für die einzelnen Kohlenwasserstoffmoleküle. Dies wird als Strukturlinearität bezeichnet und mit Responsefaktoren gekennzeichnet. Diese Responsefaktoren geben den Unterschied zwischen dem Messwert des FID und der wirklichen Konzentration der einzelnen Kohlenwasserstoffe an. Typischerweise liegen sie zwischen 0,9 und 1,1. Bei der Messung von Kohlenwasserstoffen im Abgas von Dieselmotoren muss die komplette Abgasprobe von der Entnahmestelle bis zum FID auf 190 °C beheizt sein, da Dieselmotorenabgas viele Kohlenwasserstoffe enthalten, die unterhalb dieser Temperatur bereits kondensieren würden. Ohne diese Beheizung würden die dann kondensierten Kohlenwasserstoffe nicht gemessen werden und auch die Gaswege verunreinigen.
15.6.1.2
Messung der Stickoxide (NO und NOX)
Die Messung der Stickoxide NO und NO2 wird meist als Summenmessung realisiert, man spricht dann von NOX. Dazu wird typischerweise ein Chemo-Luminescence Detektor (CLD) verwendet (Bild 15-50). Messprinzip CLD: Die Messung basiert auf dem Chemoluminescence-Effekt, der beim Zusammenmischen von NO und Ozon O3 entsteht. Dabei wird in einer chemischen Reaktion NO und O3 zu NO2 umgewandelt. Ungefähr 10% dieser Reaktionen ergeben NO2 in einem energetisch angeregten Zustand (NO2*). Nach kurzer Zeit fallen diese Moleküle aus dem energetisch angeregten Zustand wieder zurück in den Basiszustand; dabei wird der Energieüberschuss als Lichtquanten (Photonen)
Bild 15-49 Schema FID (Flame Ionisation Detector)
15.6 Abgasmessverfahren
521
Bild 15-50 Schema CLD (Chemoluminescence Detector)
abgegeben. Das entstehende Licht wird mit Fotodioden oder Photomultiplieren gemessen. Die Intensität des Lichtes ist direkt proportional zur NO-Konzentration in der Messzelle. NO + O3 o NO2 + O2 bei ca. 90% der NO Moleküle in der Probe
(15-19)
NO + O3 o NO2* + O2 bei ca. 10% der NO Moleküle in der Probe
(15-20)
NO2* o NO2 + hQ mit h ... Planckkonstante hQ ... Lichtquantum (Photonen)
(15-21) (15-22)
Das benötigte Ozon O3 wird im Analysator selbst in einem Ozongenerator aus Sauerstoff O2 erzeugt, je nach Analysatortyp geschieht dies aus reinem Sauerstoff, synthetischer Luft oder Umgebungsluft. Ein CLD kann nur NO messen. Um NOX (NOX = NO + NO2) messen zu können werden vor dem CLD Detektor alle NO2 Moleküle in NO umgewandelt. Dies geschieht in einem beheizten NO2/NO Konverter, der ähnlich einem Katalysator diese Umwandlung bewerkstelligt. Da NO2 auch mit Wasser reagieren kann, muss zumindest bis zum NO2/NO Konverter jegliche Wasserkondensation verhindert werden. Anderenfalls würde das zu messenden NO2 verloren gehen und sich aggressive Säuren bilden. Üblicherweise werden deshalb der komplette Messgasweg und der Analysator beheizt. Bei älteren Analysatoren wurde das Probengas erst nach dem NO2/NO-Konverter, in dem
alles NO2 bereits zu NO umgewandelt wurde, getrocknet und dann ein nicht beheizter CLD Detektor eingesetzt. Das sog. NOX-Quenching tritt auf, wenn NO2* Moleküle noch vor der Lichtabgabe mit anderen geeigneten Molekülen kollidieren. Dann wird die Energie nicht als Licht sondern an das andere Molekül abgegeben. Damit wird weniger Licht erzeugt und es kommt zu einem zu kleinem Messwert. Im Abgas sind solche Moleküle vor allem H2O und CO2. Solche Kollisionen treten öfters auf und damit ergibt sich auch ein größerer Quenching-Effekt, umso mehr Moleküle in der Messzelle sind. Daher werden die meisten CLD Analysatoren im Vakuum (ca. 20 bis 40 mbar absolut) betrieben, womit die Anzahl an Molekülen und damit das Quenching-Potenzial deutlich verringert wird. Neben der Kalibrierung und Linearisierung des Analysators sind zwei Diagnosetests besonders wichtig beim CLD, einmal der H2O- und CO2-Quenchtest, der das Maß an Quenching überprüft und zum Anderen der NO2/NOKonvertertest, der die Umwandlungsfähigkeit und Effizienz überprüft. Typischerweise soll die Effizienz über 90% liegen.
15.6.1.3
Messung von Kohlenstoffmonoxid (CO) und Kohlenstoffdioxid (CO2)
Die Messung von Kohlenstoffmonoxid CO und Kohlenstoffdioxid CO2 erfolgt mittels Non-Dispersive Infra-Red Analysatoren (NDIR) (Bild 15-51).
522
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-51 Schema eines zwei-kanaligen NDIR (Non-Dispersive Infrarot) Detektors
Messprinzip NDIR: Ein breites Infrarot-Spektrum wird von einem Strahler ausgesandt. Diese Strahlung wird durch eine zweigeteilte Messzelle geschickt. Ein Teil der Messzelle ist mit nicht absorbierendem Gas (z. B. Stickstoff N2) gefüllt, man spricht von der Referenzzelle. Der andere Teil wird vom Probengas durchströmt. Mit einem Chopper (z. B. rotierende Lochscheibe) wird die Infrarot-Strahlung alternierend unterbrochen. Enthält das Probengas Gasmoleküle, die im Infrarotbereich absorbieren, wie CO oder CO2, wird ein Teil der Strahlung von diesen Molekülen absorbiert. Damit ist die Strahlung am Ausgang der Messzelle geringer als die Strahlung durch die Referenzzelle. Der Unterschied in der Intensität der austretenden Strahlung wird von einem Detektor gemessen. Auch der Detektor besteht aus zwei Kammern, eine empfängt die Strahlung von der Referenzzelle und die andere jene aus der Messzelle. Beide Detektor-Kammern sind jeweils mit dem Gas gefühlt, welches vom Detektor gemessen werden soll (z. B. CO oder CO2). Damit kommt es im Detektor zur Absorption der Infrarotstrahlung, identisch wie in der Messzelle für diese Gaskomponente. Abhängig von der Konzentration der zu
messenden Gaskomponente in der Messzelle wird der Infrarotstrahl durch die Messzelle schwächer sein als durch die Referenzzelle, da bereits Strahlung absorbiert wurde. Die Strahlung in der Detektor-Kammer wird ebenfalls absorbiert, da sie mit dem gleichen Gas gefüllt ist, das gemessen werden soll. In der abgeschlossenen Kammer erhöht sich durch diese Absorbtion die Energie und damit der Druck. Durch die unterschiedliche Strahlung der beiden Zellen kommt es in den beiden Detektor-Kammern zu einem Druckunterschied, der gemessen wird. Dies erfolgt entweder mittels einer beweglichen Membrane zwischen den Kammern, deren Verbiegen kapazitativ gemessen wird (wie im gezeigten Bild), oder mittels einer Durchflussmessung der Ausgleichsströmung zwischen den beiden Kammern. Das Messsignal ist umso größer, je größer die Konzentration des zu messenden Gases in der Messzelle ist. Der Zusammenhang zwischen Konzentration und Messsignal entspricht dem Lambert-Beer’schen Gesetz, welches eine nicht lineare Funktion ist. Daher müssen NDIR-Detektoren immer linearisiert werden. Sehr viele Gase absorbieren im Infrarot, und es kommt auch zu Überlappungen der Absorptionsspektren von unter-
15.6 Abgasmessverfahren schiedlichen Gasen. Bei CO- und CO2-Analysatoren ist das besonders eine Querempfindlichkeit zu Wasserdampf. Bei CO-Analysatoren kommt es auch zu einer Querempfindlichkeit zu CO2. Eine solche Querempfindlichkeit bedingt immer eine Erhöhung des Messwertes. Typischerweise wird das Probengas bei Rohabgas zuerst getrocknet bevor es zu den NDIR Analysatoren strömt. Damit ist eine Querempfindlichkeit zu Wasser nicht mehr relevant. Nur in der verdünnten Beutelmessung (CVS-System) muss feuchtes Gas gemessen werden. In solchen Applikationen sind WasserQuerempfindlichkeitstests (Interferenzchecks) erforderlich.
15.6.1.4
Messung von Sauerstoff O2
Die Messung der Sauerstoff-Konzentration im Abgas erfolgt mittels eines paramagnetischen Detektors (PMD) (Bild 15-52). Messprinzip PMD: Sauerstoff ist eines von wenigen Gasen, die eine paramagnetische Eigenschaft haben. In einer Messzelle wird das Probengas an einem starken Magnetfeld vorbeigeführt. Aufgrund ihrer magnetischen Eigenschaft versuchen die Sauer-
Bild 15-52 Schema PMD (Paramagnetischer Detektor)
523
stoffmoleküle ins Zentrum des Magnetfeldes zu kommen. In diesem Zentrum ist aber eine Quarzkugel, die keine magnetische Eigenschaft aufweist. Da ein solcher Detektor symmetrisch ausgeführt ist, gibt es sowohl zwei Magnetfelder als auch eine zweite Quarzkugel. Beide Kugeln sind mit einem Arm verbunden, man spricht auch von einer Hantel. Diese Hantel ist drehbar gelagert. Die Sauerstoffmoleküle, die ins Magnetfeld drängen, versuchen die Hantelkugeln zu verdrängen. Je höher die Sauerstoffkonzentration ist, umso größer ist diese Verdrängungskraft. Auf der drehbaren Achse der Hantel ist ein Spiegel montiert. Mittels eines Lichtstrahls und eines Lichtdetektors wird die Auslenkung gemessen. Entweder ist die Auslenkung selbst das Messsignal, oder es wird über ein geregeltes Magnetfeld die Kugel immer im Zentrum gehalten, dann ist der dazu nötige elektrische Strom das Messsignal. In beiden Fällen ist das Messsignal direkt proportional zur Sauerstoffkonzentration im Probengas. Das Messprinzip ist auch gering sensitiv zu NO, NO2 and CO2, da diese Gase auch einen leicht paramagnetischen Effekt aufweisen. Da diese Gase in jeder Abgasmessanlage gemessen werden, wird diese geringe Querempfindlichkeit mathematisch korrigiert. Da diese Querempfindlichkeit relativ klein ist, spielt sie auch nur bei Ottomotoren eine
524 15 Abgasemission von Dieselmotoren Rolle, die bei λ = 1 und darunter nur einen sehr kleine O2Konzentration haben. Ohne Korrektur können Fehler in der Größenordnung von 5000 ppm auftreten.
15.6.1.5
Sondermesstechnik
Die oben angeführten Messprinzipien sind die StandardMessmethoden, oft auch konventionelle Messtechnik ge nannt. Das sind auch die Messprinzipien, die in den meisten Abgasgesetzgebungen [15-26], [15-27], [15-28], [15-30] vor geschrieben sind. Besonders im Forschungs- und Entwick lungsbereich werden auch andere Meßmethoden benötigt und eingesetzt. Dies er-folgt, um ein noch besseres Bild von der Abgaszusammensetzung zu erhalten und auch Gaskom ponenten zu messen, die nicht oder noch nicht durch die Gesetzgebung erfasst sind. Nachstehend sind einige solcher Messmethoden aufgelistet. Schnelle Messtechniken (Ultra Fast Response) Diese beruhen auf den konventionellen Messprinzipien, wie oben dargestellt. Die Messsysteme sind aber auf schnelle Sig nal-Ansprechzeiten von wenigen Millisekunden getrimmt. Dadurch ergeben sich allerdings deutlich geringere Stand zeiten und kürzere Wartungsintervalle. Non Dispersive Ultraviolett Analysator (NDUV) Ähnlich einem NDIR-Analysator werden auch hier Gaskom ponenten gemessen. Im Gegensatz zum NDIR wird aber ul traviolettes Licht verwendet. Diese Analysatoren werden meistens zur Messung von NO, NO2 und NH3 eingesetzt. Fourier Transform Infrarot Spectroscopy (FTIR) Das ist eine optische Messmethode, die eine Vielzahl an Ab gaskomponenten zeitgleich misst. Die Messung basiert auf der Absorption von infrarotem Licht durch die einzelnen Gaskomponenten. Besonders für moderne Dieselmotoren mit Abgasnachbehandlungssystemen, wie NOX-Speicherund SCR-Katalysatoren und Dieselpartikelfilter wird die FTIR verbreitet eingesetzt. In diesen Anwendungen ist be sonders die differenzierte Messung von NO, N2O, NO2, NH3 und anderen Abgaskomponenten wichtig. FTIR verwendet ein breites Wellenband im Infrarot um zeitgleich alle Spektralinformationen der Abgasprobe zu erfassen. Die Intensität der einzelnen Infrarot-Wellenlängen wird kontinuierlich verändert. Das erfolgt mittels eines Michelson-Interferometers. Die Infrarotstrahlung der Licht quelle wird mit einem Strahlungsteiler in zwei Strahlen aufgeteilt. Einer der Strahlen trifft auf einen beweglichen Spiegel, der andere auf einen fixierten Spiegel. Anschließend werden die beiden Strahlen wieder zu einem Strahl zusam mengeführt. Durch die kontinuierliche Bewegung des einen
Spiegels ergeben sich Weglängenunterschiede und daraus Interferenzeffekte beim wieder vereinten Strahl. Abhängig von der Stellung des beweglichen Spiegels kommt es zu Auslöschung oder Verstärkung einzelner Wellenlängen. Der so kontinuierlich modifizierte Infrarot-Strahl wird durch die Messzelle geführt und es kommt zur Absorption einzel ner Wellenlängen durch die unterschiedlichen Gaskompo nenten in der Abgasprobe. Mittels der Fourier-Tranfor mation wird aus den Interferogrammen durch komplexe mathematische Formeln ein Infrarot Spektrum (Intensität über Wellenlänge) berechnet und mit speziellen Auswerte methoden lassen sich daraus die Konzentrationen der ein zelnen Gaskomponenten ermitteln. Massenspektrometer (MS) MS ermöglicht die Messung von vielen Gaskomponenten im Abgas. Dazu wird das Probengas ionisiert, das kann z. B. mittels Reaktantgasen oder elektrischer Ionisation erfolgen. Im Analysator werden die Ionen nach ihrer Masse getrennt. Dafür gibt es mehrere Methoden, alle beruhen aber darauf, dass es zu Unterschieden in der Bewegung der Ionen im Analysator kommt, abhängig von deren Masse. Das können zum Beispiel Laufzeitunterscheide oder unterschiedliche Kurvenradien bei der Ablenkung sein. Solche Geräte wer den wegen ihrer Komplexität jedoch eher im Laborbereich eingesetzt als im regulären Prüfstandsbetrieb. Besonderen bei der Messung von Schwefelkomponenten (SO2, H2S, COS) und Wasserstoff H2 werden MS Systeme verwendet. Dioden-Laser-Spektroskopie (DIOLA) Dies ist ähnlich zum Infrarot Messprinzip wie es in NDIRAnalysatoren verwendet wird, jedoch ergeben sich sehr kurze Signal-Ansprechzeiten. Sie finden besonders bei der Entwicklung von Katalysatoren Anwendung. Abgas-Verdünnungssysteme Prinzipiell erfolgt die Bestimmung der umweltrelevanten Schadstoffmassen im Abgas aus der Konzentration der je weiligen Abgaskomponente, deren Dichte und dem Abgas volumenstrom des Motors. Im stationären Motorbetrieb ist dies eine relativ einfache Aufgabe. Im instationären Betrieb ist es dagegen eine eher komplizierte Messtechnik, die so wohl den schnellen Änderungen im Abgas folgen, als auch Konzentrationen über mehre Zehnerpotenzen genau mes sen können muss. Zusätzlich ist auch der sehr dynamische Abgasvolumenstrom zu messen. Die gemessenen Daten müssen dann vor der weiteren Berechnung zeitlich genau zugeordnet werden, da jedes Signal unterschiedliche Lauf zeitverzögerungen aufweist. Diese Anforderungen waren am Beginn der Abgasgesetzgebung nicht erfüllbar, daher wurde nach alternativen Methoden gesucht, die diese Auf
525
15.6 Abgasmessverfahren gabe mit den damals verfügbaren Messgeräten und Computern erfüllen konnte. Durch die Verwendung der VollstromVerdünnung wurde dies erreicht. Auch wenn es heute möglich ist diese Anforderungen ohne Verdünnung zu erfüllen, ist die Vollstrom-Verdünnung noch in fast allen Abgasgesetzgebungen verpflichtend gefordert. Ausnahmen sind nur stationäre Abgastestes und bei den instationären Tests die Europäische-Nutzfahrzeug-Abgasgesetzgebung ab EURO IV (2005 [15-32]). Dieses etwas konservative Verhalten der Gesetzgebung beruht auch darauf, dass es dem Abnahmebeamten bei der wenig komplexen Vollstrom-Verdünnungsmethode leicht möglich ist, die Richtigkeit bei gesetzlichen Abgastest zu überprüfen. Berechnung der Masse einer Schadstoffkomponente im Abgas (vereinfacht): Verwendete Größenbezeichnungen: Qexh Volumendurchfluss des Motors QCVS Volumendurchfluss der CVS-Anlage VCVS Gesamtvolumen des verdünnten Abgases über die Messzeit q Verdünnungsverhältnis der CVS-Anlage Concraw Konzentration der Schadstoffkomponente im unverdünnten Abgas Concdil Konzentration der Schadstoffkomponente im verdünnten Abgas ConcBag Konzentration der Schadstoffkomponente im Abgasbeutel U Dichte der Schadstoffkomponente T Messzeit (Dauer des Testzyklus) m Masse der Schadstoffkomponente Unverdünntes Abgas (s. Schema c, Bild 15-53):
Bild 15-53 Schema der Berechnungsmethoden für Abgasmassenemissionen (vereinfacht). 1 unverdünntes Abgas; 2 verdünntes Abgas; 3 Beutelmessung
Beutelmessung (verdünntes Abgas, s. Schema e, Bild 15-53): aus Gl. (15-24) wird mit
(15-23) Verdünntes Abgas (s. Schema d, Bild 15-53): aus Gl. (15-23) wird mit (Gl. 15-25)
(15-24)
Die Verdünnung des Motorabgases hat auch den Effekt, dass im verdünnten Abgas die Wasserkonzentration so weit abgesenkt werden kann, das es zu keiner Wasserkondensation mehr im Messsystem kommt. Voraussetzung dafür ist eine hinreichend große Verdünnung. Durch die Verdünnung werden auch chemische Reaktionen der einzelnen Abgaskomponenten wie in der Umgebungsluft (Realbetrieb) simuliert, was besonders für die Partikelbildung entscheidend ist. Durch die Verdünnung des Abgases bleibt die gesamte Masse der Schadstoffe im Abgas vollständig erhalten, da kein Abgas entfernt wird. Durch die Zugabe von Verdünnungsluft werden aber auch geringe Mengen an Schadstoffen hinzuge-
526
15 Abgasemission von Dieselmotoren
fügt, die bereits in der Umgebungsluft enthalten sind. Um das Messergebnis dadurch nicht zu verfälschen, wird auch die Verdünnungsluft in einem Beutel gesammelt und analysiert. Bei der Ergebnisberechnung wird die Schadstoffmasse, die durch die Verdünnung hinzugefügt wurde, wieder abgezogen. Schadstoffe die mit der Ansaugluft dem Motor zugeführt werden, werden nicht korrigiert und gelten somit als Abgase.
Vollstrom-Verdünnung CVS Die Hauptfunktion einer CVS (Constant Volume Sampling) liegt darin, das gesamte Abgas des Motors (Vollstrom) zu verdünnen und den Volumenstrom des verdünnten Abgases (Abgas und Verdünnungsluft) konstant zu halten. Das kann mittels verschiedener Methoden erfolgen: – CFV Critical Flow Venturi, überkritische Venturi Düse, – PDP Positive Displacement Pump, Roots-Gebläse, – SSV Sub Sonic Flow Venturi, unterkritische VenturiDüse mit geregeltem Gebläse, – UFM Ultrasonic Flow Meter, Ultraschall-Durchflussmesser mit geregeltem Gebläse. CFV (Critical Flow Venturi) Das verdünnte Abgas wird mittels eines Gebläses durch eine Venturi-Düse gesaugt. Durch die Verengung des Querschnitts in der Düse erhöht sich dort die Strömungsgeschwindigkeit. Wenn der Druckunterschied zwischen Düseneinlass und der engsten Stelle ca. den Faktor 2 hat, erreicht man in der engsten Stelle Schallgeschwindigkeit. Da die Geschwindigkeit nicht weiter gesteigert werden kann, ergibt sich damit ein konstanter Durchfluss, unabhängig wie stark das Gebläse hinter der Düse auch sein mag. Man nennt diesen Zustand dann überkritisch und daher auch die Düse eine überkritische Venturi Düse. Der genaue Durchfluss kann aus dem Kalibrierparameter der Düse, dem Druck und der Temperatur am Düseneintritt berechnet werden.
Bild 15-54 Geschwindigkeits- v und Druckverlauf p über eine überkritische Venturi Düse
Es gibt keinen Einfluss auf den Durchfluss vom Druck hinter der Venturi-Düse. Daher muss das Gebläse auch nicht geregelt werden, es ist aber erforderlich, dass es stark genug ist um in der Düse überkritische Strömungsverhältnisse zu erzeugen. Üblicherweise werden 3 oder 4 unterschiedliche VenturiDüsen parallel geschaltet, um unterschiedliche Durchflüsse einstellen zu können, je nach Motor und Test. Idealerweise hat die jeweils nächst größere Venturi-Düse den doppelten Durchfluss. Damit können, wie im binären Zahlensystem, durch die Kombination von 4 Düsen 15 unterschiedliche Durchflüsse realisiert werden, bei 3 Düsen 7 Durchflüsse.
(15-26) VS Volumetrischer Durchfluss normiert auf die für die US Gesetzgebung geltenden „Standard“-Konditionen bei 20 °C and 1013 mbar bzw. für die europäische Gesetzgebung geltenden „Norm“Konditionen bei 0 °C and 1013 mbar, KV Venturi-Kalibrierfaktor, abhängig vom engsten Düsenquerschnitt, pV Absolutdruck vor der Venturidüse, TV Temperatur vor der Venturidüse in Kelvin.
PDP (Positive Displacement Pump) Eine andere Möglichkeit den Durchfluss einer CVS konstant zu halten stellt die Positive Displacement Pump PDP dar, auch als Roots-Gebläse bekannt. Das Gas wird durch zwei Drehkolben im Gehäuse gefördert, dabei wird das Volumen aber nicht komprimiert und der Volumenstrom ist direkt proportional zur Drehzahl der Pumpe. Diese Variante der CVS hat den Vorteil, das der Durchfluss über eine Drehzahlregelung einstellbar ist. Vor allem wegen der hohen Kosten werden moderne CVS-Systeme nicht mehr mit PDP ausgeführt.
15.6 Abgasmessverfahren 527 Durchflussmessung und aktive Regelung In einigen neueren Gesetzgebungen ist auch die Verwendung einer Durchflussmessung und die aktive Regelung des Ge bläses zulässig. Die Durchflussmessung erfolgt dann entweder mit einer unterkritisch betriebenen Düse (Sub-Sonic-Venturi, SSV). Da in dieser Düse nicht wie bei der CFV Schallgeschwindig keit erreicht wird, erfolgt die Berechnung des Durchflusses mittels des Differenzdruckes an der Düse nach der BernoulliGleichung. Alternativ werden auch Ultraschall-Durchfluss messer (Ultrasonic Flow Meter, UFM) verwendet. Übliche Durchflussbereiche eines CVS-Systems Je nach Anwendung und Motorgröße werden CVS-Systeme mit unterschiedlichen Durchflussbereichen eingesetzt. Der Durchfluss muss hinreichend groß sein um eine Wasserkon densation im System zu verhindern, und bei Dieselmotoren die Temperatur des verdünnten Abgases bei der Partikelmes sung immer unter 52 °C zu halten. Nutzfahrzeugmotoren 120…180 m3/min Personenkraftwagen 10…30 m3/min Motorräder 1…5 m3/min Probennahme an einer CVS Für die Analyse der verdünnten Konzentrationen in der CVS wird nur eine kleine Menge an Gas aus der CVS entnommen. Damit werden Beutel gefüllt, die vor dem Test evakuiert wur den und nach dem Test analysiert werden. Die Abgaskon zentration im Beutel ergibt einen zeitlichen Mittelwert über den Test. Für die Bestimmung der Partikelemissionen wird das verdünnte Abgas über Analysefilter geleitet, auf denen die Partikel aus der entnommenen Probe abgeschieden wer den. Die Analysefilter werden vor und nach der Messung gewogen um die Menge der abgeschiedenen Partikel zu be stimmen. Damit die Bestimmung der Gesamtemissionsmassen aus dem gesamten CVS-Volumenstrom während der Messung und den im Beutel gemittelten Konzentrationen sowie der abgeschiedenen Partikelmasse am Filter korrekt erfolgt, ist es nötig, dass der Probenstrom in den Beutel und durch den Partikelfilter proportional zum CVS-Durchfluss ist. Da der Durchfluss an einer CVS nicht absolut konstant ist sondern abhängig vom Druck und der Temperatur vor der Düse leicht variieren kann, muss entweder der Proben strom diesen Änderungen proportional folgen oder es wird der CVS-Durchfluss hinreichend konstant gehalten. Für die gasförmigen Abgaskomponenten, die in die Beutel gefüllt werden, ist dies im Falle einer CFV-CVS erfüllt, wenn auch dieser Probenstrom über eine CFV erfolgt. Damit ist jegli cher Druck- oder Temperatur-Einfluss für beide Düsen (CVS- und Proben-Düsen) identisch und die nötige Propor
tionalität gegeben. Für die Partikelmessung ist der Einsatz von Düsen in der Probenentnahme nicht zulässig, da es zu Partikelabscheidung an der Düsenverengung kommt und die niederen Drücke hinter der Düse zu einer veränderten Partikelformation führen können. Entweder wird hier die Partikelentnahme proportional zum CVS-Durchfluss aktiv nachgeregelt (moderne Partikelsammler) oder die Tempera tur vor der CVS-Venturi wird durch den Einsatz eines Wär metauschers vor der CVS-Venturi konstant gehalten und damit auch der Durchfluss. Da eine CVS über den Verdün nungslufteingang immer offen ist zur Umgebung kommt es zu keinen signifikanten Druck-Veränderungen, die den Durchfluss verändern würden. Anforderungen bei der Messung von Dieselmotoren Bei der Messung von Dieselabgas bestehen noch zusätzliche Forderungen, die hauptsächlich die Messung von Partikel- und Kohlenwasserstoff-Emissionen betrifft, siehe Bild 15-56. Für die Partikelmessung wird ein sog. Verdünnungstun nel an der CVS verwendet. Im Grunde ist dies nur ein langes gerades Rohr aus Edelstahl, mittels dem eine realis tische Partikelformation stattfinden soll. Der Durchmesser ist so zu wählen, dass immer eine turbulente Strömung gegeben ist und die Reynolds Zahl (Maß für die Turbulenz) über 4000 liegt. Die Länge soll so sein, dass die Verweilzeit des verdünnten Abgases im Tunnel ausreichend ist, um die Partikelformation in der Umwelt zu simulieren. Üblicher weise wird dazu eine Länge des Verdünnungstunnels vom 10 fachen des Durchmessers verwendet. Die Verdünnung muss auch groß genug sein um die Temperatur des ver dünnten Abgases an der Stelle der Partikelmessung immer unter 52 °C zu halten. Bei Nutzfahrzeugen reicht dazu meist die Verdünnung der bereits sehr großen CVS-Anlagen nicht aus. Es wird dann eine doppelte Verdünnung durchgeführt, bei der der entnommene kleine Probenstrom aus der CVS nochmals verdünnt wird. Man spricht von einer sekundären Verdünnung. Die Partikel Messung selbst erfolgt am Ende des Verdün nungstunnels, mittels eines Partikel Sammlers (PTS). Dieser zieht eine einstellbare Menge an verdünntem Abgas über Analysefilterplättchen. Diese Filter werden vor und nach der Messung abgewogen, und aus dem Gewichtszuwachs und den Durchflüssen werden die Partikelemissionen berech net. Kohlenwasserstoffverbindungen sind im Dieselabgas deutlich höhersiedend als die im Abgas aus Ottomotoren. Dies rührt von der Herstellung des Kraftstoffes her. Verein facht dargestellt besteht Benzin aus Kohlenwasserstoffen die bis zu 200 °C verdampfen und Diesel aus solchen die zwi schen 200 °C und 400 °C verdampfen. Daher können Koh lenwasserstoffe vom Dieselabgas auch bei höheren Tempe
528
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-55 Unterschiedliche Verdünnungssysteme zur Messung von Partikeln
raturen noch kondensieren und werden damit nicht mehr als gasförmige Komponenten gemessen und führen zu Verunreinigungen der Messsysteme, die nachfolgende Messungen negativ beeinflussen würden, man spricht von Hang-Up-Effekten. Deshalb werden die Kohlenwasserstoffe nicht aus den Beuteln gemessen, wie bei Ottomotoren, sondern direkt vom CVS-Verdünnungstunnel. Alle gasführenden Leitungen und Komponenten für die Kohlenwasserstoffmessung, inklusive des Analysators (FID) werden auf 190 °C beheizt. Damit wird eine solche Kondensation unterbunden. Bei Nutzfahrzeugmotoren wird zusätzlich zu der Kohlenwasserstoffmessung auch noch die Stickoxidmessung beheizt und direkt aus dem Verdünnungstunnel durchgeführt.
15.6.2
Messung der Partikel- und Staubemission
15.6.2.1
Partikelemission – Verdünnungstunnel
Die in allen gesetzlichen Bestimmungen angegebenen Grenzwerte für die Partikelemission beruhen auf einer integralen Messung durch gravimetrische Bestimmung der Partikelmasse nach Verdünnung in einem Vollstrom- oder Teilstromtunnel, wie sie zuerst von der US EPA („environmental protection agency“) definiert [15-26] und dann weltweit übernommen wurde [15-27], [15-28]: Abgas wird nach dem
„CVS-Prinzip“ mit gefilterter Luft gemischt und ein Teilstrom des verdünnten Abgases, der eine Temperatur <52 °C aufweisen muss, über inerte Filter mit >99% Abscheidegrad gezogen. Aus dem Massenzuwachs des Filters wird die Emission berechnet. In Bild 15-56 ist dies für eine Anlage mit Sekundärverdünnung, wie sie für Nutzfahrzeuge üblicherweise verwendet wird, schematisch dargestellt. Bei Pkw wird die Emission des Fahrzeugs am Rollenprüfstand im Prinzip gleich, jedoch ohne Sekundärverdünnung, gemessen. Partikel setzen sich aus Ruß, adsorbierten organischen Komponenten, kondensierter und adsorbierter Schwefelsäure und festen Bestandteilen wie Abrieb, Aschen etc. zusammen. Kondensierte und adsorbierte Substanzen werden im Wesentlichen erst im Verdünnungstunnel gebildet, aber auch die Rußkonzentration ist – entgegen ersten Erwartungen – zwischen Motor und Mess-Filter nicht völlig stabil [15-29]. Es ist daher einsichtig, dass schon kleine Änderungen in der Auslegung der Verdünnungs- und Partikelsammelanlage einen Einfluss auf die gemessene Partikelmasse hat. Um bei abnehmender Partikel-, vor allem auch RußEmission die Wiederholbarkeit und Reproduzierbarkeit der Messmethode zu erhöhen, hat die US-EPA ab 2007 das Verdünnungs-, Partikelsammlungs- und Wäge-System genauer spezifiziert [15-30], [15-31].
15.6 Abgasmessverfahren
529
Bild 15-56 Vollstromverdünnung für die Zertifizierung
In der EU (und damit in fast allen Ländern Asiens und Lateinamerikas) ist für Nutzfahrzeuge die Verwendung von Teilstromverdünnungstunneln erlaubt [15-32], die einen konstanten Prozentsatz des Abgases verdünnen, wie es in der Norm ISO 16183 festgelegt ist [15-33]. Dem Platz- und Kostenvorteil dieser Systeme – siehe Prinzip-Darstellung Bild 15-57 – steht eine aufwändige Regelung der Massenströme gegenüber. Zusätzlich müssen mehrere Randbedingungen beachtet werden, damit die gemessene Emission gleich der einer Vollstromanlage ist [15-34].
15.6.2.2
Kondensationskernzähler (PNC), andrerseits werden die flüchtigen Nanopartikel Anteile eliminiert, sodass nur nichtflüchtige Partikel, d. h. hauptsächlich Rußpartikel gezählt werden. Der Hintergrund für diese Anforderung hat zwei Seiten. Einerseits scheinen nichtflüchtige Partikel toxikologisch relevanter für die menschliche Gesundheit zu sein, andrerseits hat sich herausgestellt, dass es extrem schwierig ist, Emissionen von flüchtigen Partikeln reproduzierbar zu messen. Das ist kein Problem der Messung per se – flüchtige
Partikelzählung
Da die Partikelemissionen moderner Verbrennungsmotoren nur noch mit sehr empfindlichen Messgeräten erfasst werden können, hat sich die PMP-Expertengruppe der UNECEGRPE mit neuen Messmethoden zur Partikelmessung befasst. Die Empfehlung dieser Gruppe für weitere Zertifizierungen sind neben einer modifizierten „US-2007“ Partikelmessung („particulate measurement“) auch die Partikelzählung („particle number counting“) [15-35], [15-36]. Die PMP-Gruppe hat ein aufwändiges System zur Konditionierung des bereits verdünnten Abgases definiert, das in Bild 15-58 schematisch dargestellt ist: Erstens, Abscheidung von groben Partikeln, die nicht direkt aus der Verbrennung, sondern von wiedereingetragenen Wandablagerungen stammen. Zweitens, hohe Abgasverdünnung und nachfolgendes Aufheizen auf 400 °C. Dadurch erhält man einerseits die im praktischen Betrieb erforderliche niedrige Partikelanzahl im
Bild 15-57 Teilstromverdünnung für die Zertifizierung
530
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-58 Abgasaufbereitung für die Partikelzählung nach PMP [15-35]
Partikel können genauso gezählt werden wie feste – aber die Bildung von homogen kondensierten Kohlenwasserstoffen und Sulfaten nach Partikelfilter ist extrem empfindlich auf kleinste Änderungen der Motor- oder Abgaskonditionierung. Drittens wird vor dem PNC noch mal verdünnt, um das Abgas abzukühlen und die Partikelanzahl weiter abzusenken. Das derartig konditionierte Abgas kann auch auf Partikeleigenschaften wie Größenverteilung, aktive Oberfläche etc. untersucht werden (nicht notwendig nach PMP). Kondensationskernzähler (Condensation Particle Counting) sind die empfindlichsten Systeme zur Messung der Partikelanzahl (Particle Number Counting) im sub-µBereich bis hin zu einigen Nanometern. Das Prinzip eines CPC ist in Bild 15-59 dargestellt. Aus Nanopartikeln werden durch heterogene Kondensation von übersättigtem Dampf „Mikropartikel“ generiert. Diese werden anschließend mittels einer Streulichtmethode gezählt.
15.6.2.3
15.6.2.4
Alternative Verfahren
Die gravimetrische Ermittlung der Partikelemission hat gravierende Nachteile: sie ist aufwändig und integrierend. Für die Motorentwicklung ist jedoch häufig eine schnelle Messung und/oder die Zeitzuordnung der Emission zu den dynamischen Fahrzuständen erforderlich. Es wurden daher eine Reihe einfacherer und/oder dynamischer Messverfahren entwickelt. Im Allg. weichen die Messgrößen aber von den gesetzeskonform ermittelten Partikeln ab, und die ermittelten Korrelationen sind nur bedingt gültig. Eine besondere Rolle nimmt hier allerdings die Messung der Rußemission ein, da diese auch für sich allein genommen ein wichtiger
Staubmessung
Stationär betriebene Dieselmotoren fallen in Deutschland unter die Gesetzgebung der TA Luft. Die Probenahme erfolgt nach VDI 2066 [15-38], bei der die Probe aus dem heißen Abgas ohne vorherige Verdünnung gezogen wird, so dass die Partikel praktisch keine kondensierten und adsorbierten Anteile am Ruß enthalten. Diese „Staubmasse“ korreliert daher nicht mit den Partikeln, die bei verdünntem Abgas gemessen werden, wobei der Unterschied je nach Lastpunkt zwischen 10% und 90% liegen kann.
Bild 15-59 Funktionsprinzip eines Kondensationskernzählers (CPC) [15-37]
15.6 Abgasmessverfahren
531
Bild 15-60 Prinzip der Smokemeter-Messung [15-39]
Indikator für die Verbrennungsqualität ist. Dafür wurden mehrere Methoden entwickelt, die i. Allg. auf der starken Absorption von Strahlung durch Ruß basieren. Neuere Verfahren weisen eine sehr gute Zeitauflösung und/oder sehr hohe Empfindlichkeit auf. Die wichtigsten alternativen Messmethoden sind in Tabelle 15-17 zusammengefasst und in den Bildern 15-60 bis 15-67 schematisch dargestellt. Für alle Meßmethoden gibt es i. Allg. verschiedene Ausführungsformen und kommerzielle Anbieter. Wichtige weiterführende und/oder zusammenfassende Information zu nichtkonventionellen modernen Methoden der Dieselpartikelmessung finden sich in den Literaturzitaten [15-47] bis [15-50].
Bild 15-62 Photoakustisches Messprinzip [15-44]
Bild 15-63 Prinzip der Laserinduzierten Glühemission, LII [15-45]
Bild 15-61 Prinzip der OpazimeterMessung [15-39]
532
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-64 Photoelektrisches Messprinzip [15-46]
Bild 15-66 TEOM: Glaskanüle mit dem Filter an der Spitze. Die Vibrationsfrequenz der Glaskanüle ändert sich bei Beladung des Filters [15-40]
Bild 15-65 Prinzip des Diffussionsladungs-Sensors [15-41]
15.6 Abgasmessverfahren 533
Tabelle 15-17 Vor- und Nachteile alternativer Methoden zur Partikel-/Rußmessung Methode
Vorteile
Nachteile
Opazimeter [15-39]
– F ür einige Zertifizierungstests, z.B. ELR vorgeschrieben. – Robuste, kostengünstige, etablierte Methode zur Messung der Abgastrübung. – Sehr gute Zeitauflösung, 0.1 sec – Hohe Empfindlichkeit (0.1% Opazität, entspricht ungefähr 300 µg/m3 Ruß). – Mit spezieller Gasführung bis zu Abgasdrücken von 400 mbar einsetzbar, Zusatz für höhere Drücke in Entwicklung. – Akzeptable Korrelation zur Ruß Konzentration (mg/m3) kann für Motorenfamilien aufgestellt werden.
– B ei probenehmenden Systemen Probeströme bis 40 l/min erforderlich – Hohe Empfindlichkeit nur mit ausgefeilter Systemauslegung möglich: große optische Weglänge L, gute thermische Konditionierung. – Relativ starke Querempfindlichkeit auf NO2
TEOM [15-40]
– M essung der Partikel- (nicht Ruß-) Emission – Ergebnis ähnlich der gesetzlich vorgeschriebenen Methode zur Partikelmessung – Zeitauflösung im Sekundenbereich
– ersetzt den Partikelfilter, erfordert aber Abgasverdünnung – Volle Äquivalenz zur gesetzlich vorgeschriebenen Methode im allgemeinen nicht gegeben. – Empfindlichkeit abhängig von der Zeitauflösung, typisch 1 mg/m3 – kostspielig
MASMO [15-41]
– M essung der Partikel- (nicht Ruß-) Emission – Ergebnis ähnlich der gesetzlich vorgeschriebenen Methode zur Partikelmessung – Zeitauflösung im Sekundenbereich – Empfindlichkeit ca. 1 µg/m3 – Zusätzliche Abschätzung der mittleren Partikelgröße.
– e rsetzt den Partikelfilter, erfordert aber hohe Abgasverdünnung – Äquivalenz zur gesetzlich vorgeschriebenen Methode häufig unvollständig. – kostspielig
Smokemeter [15-39]
– R obust, kostengünstig – Etablierte Methode – Hohe Empfindlichkeit (0.002 FSN, entspricht ca. 20 µg/m3 Ruß) bei längeren Entnahmezeiten – Mit „Sonderentnahme“ Vorrichtung ist eine Messung des Abgases vor Dieselpartikelfilter möglich – Gute Korrelation zur Ruß Konzentration, (mg/m3), minimale Querempfindlichkeit auf andere Abgaskomponenten.
– Integrierende Methode – zeitliche Auflösung ca. 1 Minute
Photoakustischer Ruß Sensor [15-42] [15-43] [15-44]
– Hohe Empfindlichkeit – typisch < 5 µg/m3 Ruß – Sensor Signal direkt und linear empfindlich auf Ruß Konzentra tion, minimale Querempfindlichkeit – Gute Zeitauflösung, ≈ 1 sec – Anwendbar für Untersuchungen von Dieselpartikelfiltern. – Moderate Kosten. – Hoher Dynamikbereich (1: 10.000)
– – – –
Laser Induzierte Glühemission [15-45]
– Hohe Empfindlichkeit – typisch < 5 µg/m3 Ruß – Sensor Signal direkt und linear empfindlich auf Ruß Konzentra tion, minimale Querempfindlichkeit – Gute Zeitauflösung, ≤ 1 sec – Anwendbar für Untersuchungen von Dieselpartikelfiltern.
– sehrhohe Kosten – Kalibriermethode nicht etabliert – Hoher Dynamikbereich nur mit optischen Abschwächern erreichbar (Einführen von Absorber Filtern)
Photoelektrischer Aerosol Sensor [15-46]
– K ompaktes, kostengünstiges System – Hohe Empfindlichkeit – typisch < 1 µg/m3 Ruß – Empirische Korrelation der elektrischen Signals zur Rußemission von Dieselmotoren häufig gegeben.
– Z eitauflösung, ≤ 10 sec – Starker Einfluss durch Substanzen mit hoher Photoemission (PAH)
Diffussions Ladungs Sensor [15-41] [15-46] [15-47]
– – – –
– Nicht proportional zur Partikelmasse – Zeitauflösungeinige Sekunden
K ompaktes, kostengünstiges System Misst die aktive Partikeloberfläche (Fuchs’sche Oberfläche) Hohe Empfindlichkeit – typisch < 1 µg/m3 Partikel In einigen Fällen wurde eine empirische Korrelation des Signals zur Partikelemission von Dieselmotoren gefunden
E rfordert Abgas-Verdünnung. Kalibriermethode nicht rigoros etabliert. Messung vor DPF erfordert Abgaskonditionierung Regelmäßige Wartung einfach, aber erforderlich
534
15 Abgasemission von Dieselmotoren
Bild 15-67 Dekati Mass Monitor DMM, Schema der Sensorik und Datenverarbeitung. [15-41]
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16 Geräuschemission von Dieselmotoren
16.1
Grundlagen der Akustik
Wie viele andere Maschinen erzeugen auch Dieselmotoren Schwankungen des Luftdruckes. Diese Schwankungen breiten sich als Longitudinal-Schwingungen in der Luft aus. Innerhalb eines Frequenzbereiches von ca. 16 Hz bis 16 kHz können diese Druckschwankungen vom menschlichen Ohr als Luftschall wahrgenommen werden. Dabei werden „tief-“ bzw. „hoch-“frequente Luftschallanteile aus dem genannten Frequenzbereich weit weniger laut empfunden als Luftschall im Frequenzbereich 0,5 kHz bis 5 kHz. Dieser frequenzabhängigen Empfindlichkeit des menschlichen Ohres kann durch eine ebenfalls frequenzabhängige Bewertungskurve Rechnung getragen werden („A-Bewertung“). Das menschliche Ohr ist in der Lage, z. B. bei einer Frequenz von 1 kHz Luftschalldruckamplituden zwischen etwa 2 · 10–5 Pa und 20 Pa zu hören. (Oberhalb dieses Amplitudenbereiches werden die Druckschwankungen als Schmerz empfunden.) Wegen der großen Amplitudenbandbreite des menschlichen Hörvermögens wäre eine Angabe linearer Schall(druck)werte sehr unhandlich. Stattdessen ist die Verwendung von Schall(druck)pegeln üblich: Lp = 20 log p/po (Lp: Schalldruckpegel, p: Schalldruck, po = 2 · 10–5 Pa: Bezugsschalldruck). Der Schalldruckpegel gibt den Luftschallpegel für einen Messort an, also die Luftschallbelastung (= „Luftschallimmission“) an diesem Messort. Zur Beschreibung des Geräusches, das ein Bauteil oder eine Maschine abstrahlt, dient dagegen entweder die Angabe des Schalldruckpegels und zusätzlich des Messabstandes (!) oder alternativ der Schallleistungspegel: LW = 10 log P/Po (P: Schallleistung, Po = 10-12 W: Bezugsschallleistung).
Die Bezugsgrößen po und Po sind so gewählt, dass gilt: LW = Lp + 10 log A/Ao (A: Messfläche, Ao = 1 m²: Bezugsfläche) Als Messfläche wird die die Schallquelle umhüllende Fläche bezeichnet, in der der Schalldruck gemessen wird. Einheit von Schalldruck- und Schallleistungspegeln ist das Dezibel (dB). Eine übliche Benutzung der A‑Bewertung wird durch einen Zusatz kenntlich gemacht (LpA bzw. LWA, Einheit dBA oder dB(A)). Eine Verdopplung der Schallenergie entspricht einer Erhöhung des Schalldruck- oder Schallleistungspegels um 3 dB bzw. 3 dB(A). Der Mensch empfindet eine derartige Verdopplung der Schallenergie allerdings nicht als „doppelt so laut“; erst ungefähr eine Verzehnfachung der Schallenergie, also eine Schalldruckpegelerhöhung um 10 dB(A) wird subjektiv als Verdopplung des Geräusches empfunden. Luftschall kann mit Hilfe von Mikrophonen gemessen werden, die die Luftdruckschwankungen über eine dünne Membran erfassen. Die Membran bildet einen Teil eines Kondensators; Luftdruckschwankungen führen also zu Membranschwingungen und diese wiederum zu entsprechenden Schwankungen der elektrischen Kondensatorladung, die proportional zu den Luftdruckschwankungen sind und messtechnisch relativ einfach erfasst und weiterverarbeitet werden können.
16.2
Entwicklung der Motorgeräuschemission
Seit Beginn der 1970er Jahre hat der Gesetzgeber die Geräusch-Grenzwerte praktisch aller Fahrzeuge und Aggregate kontinuierlich verschärft. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht absehbar, zumal die erfolgten Geräuschreduktionen beim einzelnen Fahrzeug oder Aggregat weitgehend durch die zunehmende Verkehrsdichte kompensiert worden sind. Eine Verringerung der Lärmbelästigung der Bevölkerung hat bisher jedenfalls nicht in ausreichendem Maß stattgefunden,
538
16 Geräuschemission von Dieselmotoren
obwohl dies gesundheitspolitisch unbedingt erforderlich wäre (z. B. [16-1], [16-2]). Gesetzliche Grenzwerte zur Limitierung der Geräuschemission von Verbrennungsmotoren existieren nicht. Der Gesetzgeber begrenzt nicht die Motorgeräuschemission, sondern die Geräuschemission des gesamten Fahrzeuges oder Aggregates. Er überlässt also dem Gerätehersteller die Entscheidung, ob er diese Geräuschgrenzwerte z. B. durch relativ leise Motoren oder durch geräteseitige Motorkapselung erreichen will. Wegen der erheblichen Mehrkosten, die den Geräteherstellern durch derartige Kapselmaßnahmen entstehen, besitzen relativ leise Motoren jedoch einen Marktvorteil. Auf diese Weise erzwingt die Gesetzgebung indirekt auch die Reduktion der Geräuschemission von Verbrennungsmotoren. Die Entwicklung immer leiserer Motoren war und ist deshalb eine Daueraufgabe des modernen Motorenbaus. Daneben spielen allerdings auch zunehmend andere Geräuschquellen eine bedeutende Rolle, wie z. B. Antriebsstrang- und Reifengeräusche bei Lkw oder Hydraulikgeräusche bei Baumaschinen. Am Beispiel der als Lkw- und Industriemotoren eingesetzten direkt einspritzenden Dieselmotoren mit Hubräumen von 3…16 Litern verdeutlicht Bild 16-1 [16-3], [16-4] die erzielte Verringerung des Motorgeräusches in den letzten Jahrzehnten. Für die Jahre 1975 und 1990 sind jeweils
die Streubänder der Geräuschemission von unterschiedlichen Motoren angegeben. Generell ist die Streubandbreite erheblich. Im Durchschnitt ist jedoch eine Absenkung der Geräuschpegel zwischen 1975 und 1990 in einer Größenordnung von 3 dB(A) zu erkennen. Seit 1990 sind darüber hinaus eine Reihe neuentwickelter, moderner Motoren in den Markt eingeführt worden. Bei diesen neuen Motorbaureihen haben vor allem konsequent durchgeführte Strukturoptimierungen mittels FEM sowie durchgreifende Maßnahmen zur Verringerung der Geräuschanregung (wie die Verlegung des Steuerrädertriebs auf die Schwungradseite, s. Abschn. 16.3.1.5) einen regelrechten Entwicklungssprung ermöglicht, der die Geräuschemission (im Vergleich zu 1990 bzw. 1975) um durchschnittlich 5 dB(A) bzw. 8 dB(A) abgesenkt hat (Bild 16-1). Das vorhandene Geräuschminderungspotenzial ist damit aber noch längst nicht ausgeschöpft. Der „akustische Wirkungsgrad“, also das Verhältnis der Motorschallleistung zur abgegebenen Motornennleistung, ist seit den 90er Jahren kontinuierlich gesunken (Bild 16-2, [16-3] bis [16-6]). In einer Studie konnte darüber hinaus nachgewiesen werden, dass die Geräuschemission selbst eines akustisch bereits sehr günstigen Industriedieselmotors noch um über 6 dB(A) verringert werden kann; ein erheblicher Teil dieses Geräuschminderungspotentials konnte an einem
Bild 16-1 Geräuschpegel-Vergleich für Heavy-Duty Dieselmotoren für die Zeiträume vor 1975 und um 1990 sowie für akustisch günstige Neuentwicklungen, die seit 1990 in den Markt eingeführt wurden (Serienmotoren, Nennleistung, 1 m Messabstand) [16-3]
16.3 Motoroberflächengeräusch
539
Bild 16-2 Absenkung des akustischen Wirkungsgrades bei akustisch günstigen Nutzfahrzeug-Dieselmotoren zwischen 1988 und 2001
Versuchsmotor experimentell nachgewiesen werden [16-7], [16-8]. Voraussetzung für eine Verringerung des Motorgeräuschs ist die Kenntnis der Geräuschquellen. Motoren regen Luftschall an durch – Schwingungen („Körperschall“) der Motoroberflächen („Oberflächengeräusch“), – von Ansaug-, Abgas- und Kühlsystem(en) erzeugte Pulsationen („aerodynamisches Geräusch“) und – Übertragung von Schwingungen über die Motorlager in das Fahrgestell bzw. Fundament.
tragungseigenschaften der Motorstruktur durch die Transferfunktion T = a/F beschrieben werden. An der Oberfläche wird die Beschleunigung a in den Luftschalldruck p umgesetzt. Diese Abstrahlung kann durch den Abstrahlgrad A = p/a charakterisiert werden. Zur Absenkung des Geräusches gibt es daher folgende Möglichkeiten, und zwar eine Verringerung – der den Körperschall anregenden Kraft F, – der Körperschallübertragung, also der Transferfunktion T oder – der Luftschallabstrahlung, also des Abstrahlgrades A.
Dabei spielt in den meisten Fällen die Motoroberfläche die größte Rolle.
Beim realen Motor ist allerdings nicht eine einzelne Kraft F, sondern eine Vielzahl von dynamischen Kräften zwischen verschiedenen Bauteilen für die Anregung des Geräusches maßgebend. Bei den Erregungsmechanismen kann man unterscheiden zwischen – direktem Verbrennungsgeräusch infolge Körperschallanregung der Brennraumwände durch die Gaskraft, – indirektem Verbrennungsgeräusch, z. B. infolge des Durchlaufens von Spielen unter Gaskrafteinfluss (Kurbeltrieb, Stirnradgetriebe) oder unter Einfluss lastabhängiger Kräfte (Einspritzpumpe) und – mechanischem Geräusch infolge des Durchlaufens von Spielen unter Massenkrafteinfluss (Kurbeltrieb, Ventiltrieb).
16.3
Motoroberflächengeräusch
16.3.1
Körperschallanregung
16.3.1.1
Anregungsmechanismen
Der Mechanismus der Anregung des Motoroberflächengeräuschs ist schematisch in Bild 16-3 [16-9] dargestellt. Die zur Beschreibung des Mechanismus notwendigen Größen können nach FOURIER als Funktionen der Frequenz aufgefasst und als Spektrum dargestellt werden: Eine Kraft F, hier als Beispiel die Gaskraft im Brennraum, bewirkt eine Körperschallbeschleunigung a, wobei die Körperschall-Über-
540
16 Geräuschemission von Dieselmotoren
Bild 16-3 Entstehungsmechanismus des Motoroberflächengeräusches (schematisch) [16-9]
16.3.1.2
Direktes Verbrennungsgeräusch
Durch eine Absenkung des direkten Verbrennungsgeräusches ist eine Geräuschabsenkung möglich – beim direkteinspritzenden Diesel-Saugmotor im gesamten Betriebsbereich sowie – bei allen Dieselmotoren während des Kaltstarts, im Bereich des niedrigen Leerlaufs und im instationären Betrieb. Ein Schwerpunkt jeder Verbrennungssystem-Entwicklung muss deshalb auf einer akustischen Optimierung des Verbrennungsablaufes liegen. Für die Anregung des direkten Verbrennungsgeräusches ist der Zylinderdruckverlauf maß-
gebend. Um eine akustische Bewertung des Druckverlaufes vorzunehmen, wird dieser i. d. R. aus dem Zeitbereich in den Frequenzbereich transformiert. Man erhält so ein Zylinderdruck-Anregungsspektrum. Dabei hängt das Anregungsspektrum von verschiedenen Kenngrößen des Zylinderdruckes ab (Bild 16-4 [16-9]). Für den A-bewerteten Pegel des Motorgeräusches sind in der Praxis die durch Druckanstieg bzw. Druckanstiegsgeschwindigkeit bestimmten Frequenzbereiche maßgebend. Sie umfassen etwa den Bereich von 0,5 kHz bis 3 kHz, in dem die Motorstruktur relativ „durchlässig“ ist. In Bild 16-5 werden Anregungsspektren für verschiedene Brennverfahren verglichen [16-10]. Es zeigt sich der für DI-
16.3 Motoroberflächengeräusch
541
Bild 16-4 Zusammenhang zwischen Zylinderdruckverlauf und Zylinderdruck-Anregungsspektrum (schematisch) [16-9]
Bild 16-5 Vergleich der Gasdruck-Anregungsspektren verschiedener Brennverfahren [16-10]
542 16 Geräuschemission von Dieselmotoren Diesel typische höhere Anregungspegel in einer Größenordnung von 10 dB gegenüber dem IDI-Diesel. Bei noch höheren Frequenzen kommt es außerdem zur Ausbildung von Eigenschwingungen im Brennraum, die zu Überhöhungen im Anregungsspektrum führen und besonders die Lästigkeit des Geräusches erhöhen (z. B. [16‑11], [16‑12]). Speziell bei IDI-Dieselmotoren kommen Schwingungen des Systems Hauptbrennraum-Schusskanal-Nebenbrennraum hinzu, deren Eigenfrequenz i. d. R. bei etwa 2 kHz liegt. Die dadurch verursachten Anregungspegel sind oftmals für den Luftschall pegelbestimmend. Die hohen Anregungspegel bei niedrigen Frequenzen (kleiner 0,5 kHz) sind für das Motorgeräusch i. d. R. nicht relevant, da die Dämmwirkung der Motorstruktur hierbei sehr hoch ist. Außerdem sind der Abstrahlgrad und gleichzeitig die Empfindlichkeit des menschlichen Ohres in diesem Frequenzbereich gering. Bei der Entwicklung von Verbrennungsverfahren treten Zielkonflikte auf. Nur wenn von Entwicklungsbeginn an alle Forderungskomplexe an ein modernes Brennverfahren – niedriger Kraftstoffverbrauch, niedrige Schadstoffkonzen trationen im Abgas und niedriges Verbrennungsgeräusch bei akzeptablen Fertigungskosten – berücksichtigt werden, kann ein zufriedenstellender Kompromiss gefunden werden, aus dem ein bedeutendes Geräuschminderungspotential ohne nennenswerte Nachteile resultiert. Eine günstige Verbrennungsanregung, also ein Anregungs spektrum mit möglichst geringen Pegelwerten, wird durch einen „weichen“ Zylinderdruckverlauf erreicht (Bild 16‑4). Maßgeblich sind dafür die Bedingungen der Verbrennungseinleitung; eine Reduktion des direkten Verbrennungsgeräuschs kann vor allem durch eine Verringerung der zündfähigen Kraftstoffmenge zum Zeitpunkt der Zündung erreicht werden. Die wichtigsten Möglichkeiten hierzu sind – ein späterer Einspritzbeginn, – ein früherer Zündbeginn (z. B. durch Erhöhung des Ver dichtungsverhältnisses, Aufladung, Abgasrückführung und/oder Heißkühlung) sowie – eine geformte oder geteilte Einspritzung. Um eine Erhöhung der Ruß- und HC-Emission zu vermeiden, wird außerdem ein möglichst frühes Einspritzende angestrebt. Ein späterer Beginn der Einspritzung ist deshalb praktisch immer nur in Verbindung mit einer leistungsstärkeren Einspritzanlage möglich, die die Einspritzzeit verringert. Hierdurch kann sich allerdings die Geräuschanregung in der Einspritzpumpe selbst und im Einspritzpumpenantrieb erhöhen (s. Abschn. 16.3.1.3). Eine geformte oder geteilte Einspritzung kann z. B. durch Modifikation der Einspritzpumpe oder des Düsenhalters verwirklicht werden. Besonders Common Rail Einspritzsys
teme mit elektronisch gesteuerten Einspritzdüsen ermög lichen eine akustisch günstige Formung oder Teilung des Einspritzverlaufes in Kombination mit einem kennfeldabhängigen Förderbeginn und dadurch eine drastische Reduktion des direkten Verbrennungsgeräusches in weiten Betriebsbereichen. Durch eine geformte oder geteilte Einspritzung sind Absenkungen des direkten Verbrennungsgeräusches von über 10 dB(A) bei Leerlauf und Teillast möglich; das Motorgesamtgeräusch kann durchaus um 3 dB(A) und mehr reduziert werden (Bild 16‑6 [16‑13]). Gleichzeitig kann die Impulshaltigkeit des Geräuschs verringert und damit der subjektive Geräuscheindruck deutlich verbessert werden. Alternative Kraftstoffe wie RME („Biodiesel“) oder Pflanzenöle können das direkte Verbrennungsgeräusch deutlich beeinflussen. Je nach Motortyp und Betriebszustand kann durch die Verwendung alternativer Kraftstoffe sowohl eine deutliche Erhöhung als auch eine Verringerung des Geräuschpegels verursacht werden [16‑5].
16.3.1.3
Indirektes Verbrennungsgeräusch
Bei schnelllaufenden aufgeladenen direkteinspritzenden Dieselmotoren dominiert im Bereich der Volllast das indirekte Verbrennungsgeräusch. Hier spielt z. B. das Kolbengeräusch eine wichtige Rolle (z. B. [16‑8], [16‑14] bis [16‑18]). Infolge der Kolbensekundärbewegung kommt es zwischen Kolben und Zylinder zu Stoßanregungen, die vor allem durch die Gaskräfte bei hohen Lasten verursacht werden. Je nach Betriebspunkt wechselt der Kolben im Zylinder 2–10 mal je Arbeitsspiel die Anlage. Wegen der Abhängigkeit der Geräuschanregung vom Verbrennungsdruck spricht man vom „indirekten Verbrennungsgeräusch“. (Allerdings werden auch durch die Massenkräfte Geräusche angeregt, und zwar besonders bei hohen Drehzahlen und bei Leerlauf. Man spricht hier vom „mechanischen Geräusch“.) Das Kolbengeräusch, also der infolge von Stoßvorgängen zwischen Kolben und Zylinder erzeugte Schallanteil, lässt sich gezielt verringern, indem die Stoßimpulse beim Kolbenaufprall möglichst klein gehalten werden. Wesentliche Parameter zur Beeinflussung des Kolbengeräusches sind Spiel, Schaftlänge, Schleifkontur, Schaftsteifigkeit und Bolzendesachsierung. Akustisch besonders günstig ist für viele Industrie- und Nutzfahrzeugmotoren eine druckseitige Desachsierung des Kolbenbolzens (um 1 bis 2% des Kolbendurchmessers). Neben dem Kolbengeräusch sind besonders bei aufgeladenen Dieselmotoren auch Einspritzpumpen- und Kurbelwellengeräusch wichtig (z. B. [16‑18] bis [16‑20]). Dabei ist wegen der stark gestiegenen Einspritzdrücke und Einspritzdruckgradienten, wie sie für moderne, abgas- und
16.3 Motoroberflächengeräusch
543
Bild 16-6 Absenkung des Motorgesamtgeräusches durch ein Common Rail Einspritzsystem mit Voreinspritzung (aufgeladener ladeluftgekühlter Heavy-Duty-Sechszylinder-Reihenmotor, VH = 5,7 dm³) UPS Unit Pump System (Pumpe-Leitung-Düse-Einspritzsystem), CR Common Rail Einspritzsystem, PI Pilot Injection (geteilte Einspritzung) [16-13]
geräuschoptimierte Brennverfahren notwendig sind, speziell das Einspritzpumpengeräusch inzwischen besonders relevant. Sowohl die Geräuschemission des Pumpengehäuses als auch die Körperschallanregung des Motorblocks durch die Pumpe als auch die Körperschallanregung im Pumpenantrieb infolge von Wechseldrehmomenten (s. u.) können eine wichtige Rolle spielen. Auch die Kurbelwelle regt Geräusche im Steuerrädertrieb und in den Hauptlagern an. Dies gilt besonders für die Drehzahlen, in denen die erste Torsionseigenfrequenz der Kurbelwelle durch die Anregung der unteren (n-ten) Ordnungen der Gaskräfte in Resonanz gerät. Hier werden resonanzüberhöhte Wechseldrehmomente in den Rädertrieb eingeleitet und führen dort zu Stößen. Gleichzeitig erfolgen
in den Hauptlagern mit der Torsionsschwingung gekoppelte radiale Bewegungen der Kurbelwelle, die den Motorblock mit der (n-1)ten und (n+1)ten Ordnung tieffrequent sowie durch Stöße auch hochfrequent anregen können [16-21], [16-22]. Resonanzüberhöhte Geräuschanregungen durch die Kurbelwelle lassen sich durch den Einsatz von Torsionsschwingungsdämpfern beseitigen.
16.3.1.4
Mechanisches Geräusch
Mechanisches Geräusch wird im Dieselmotor durch den Ventiltrieb und die Ölpumpe sowie ggf. die Wasserpumpe angeregt, in gewissem Umfang außerdem durch Kurbelwelle und Kolben (s. Abschn. 16.3.1.3).
544
16 Geräuschemission von Dieselmotoren
Beim Ventiltrieb ist dabei die Geräuschanregung durch Stoßvorgänge beim Schließen der Ventile sowie (bei Motoren mit kleiner Zylinderzahl) durch das Einleiten von Wechseldrehmomenten in den Rädertrieb vorherrschend [16-23], [16-24]. Der Anteil des Ventilgeräusches ist zwar relativ klein, wird wegen seiner starken Impulshaltigkeit aber als „lästig“ empfunden. Maßnahmen zur Verringerung der Geräuschanregung durch den Ventiltrieb sind nach [16-25] bis [16-27] z. B. eine hohe Eigenfrequenz des Ventiltriebs, eine dynamisch optimierte Nockenkontur, geringe bewegte Ventiltriebsmassen, ein hydraulischer Ventilspielausgleich und bei Motoren mit mehr als zwei Ventilen pro Zylinder ein (geringfügiger) Winkelversatz der Nocken („Phasing“). Die Ölpumpe kann Geräusch insbesondere durch Öldruckpulsationen erzeugen. Eine Geräuschverringerung kann durch Abbau dieser Druckspitzen erfolgen (Optimierung der Verzahnung bei Zahnradpumpen, des Absteuerventils, der Ölkanäle vor und/oder hinter der Pumpe usw. [16-8], [16-28]). Die Geräuschanregung durch die Wasserpumpe ist im Normalfall vernachlässigbar klein.
16.3.1.5
Steuertriebsgeräusch
Im Einspritzpumpen-, Kurbelwellen- und Ventiltriebsgeräusch enthalten ist das Steuertriebsgeräusch. Das Steuertriebsgeräusch lässt sich deshalb weder dem „indirekten Verbrennungsgeräusch“ noch dem „mechanischen Geräusch“ vollständig zuordnen. Als Beispiel für die Geräuschanregung im Rädertrieb eines Heavy-Duty-DI-Dieselmotors wird in Bild 16-7 die Entstehung von Impulsen auf dem Einspritzpumpen- und Zwischenzahnrad gezeigt: Durch den Druckanstieg in der Einspritzpumpenleitung (Bild 16-7 oben) bzw. damit auch auf dem Einspitzpumpenplunger wird das Einspritzpumpenzahnrad zunächst verlangsamt. Dadurch wird das Spiel zwischen Einspritzpumpenradzähnen und Zwischenradzähnen durchlaufen. Es kommt zu einem Stoß zwischen den Zahnflanken, der als Impuls im Körperschall und auf beiden Zahnrädern deutlich zu erkennen ist (Bild 16-7 Mitte und unten) und über die Lager der Zahnräder die Motorstruktur anregt. Möglichkeiten zur Verringerung des Steuerrädertriebsgeräusches sind Torsionsschwingungsdämpfer, Zusatzmassen auf dem Einspritzpumpenzahnrad, das Eliminieren von Spielen durch gesplittete Zahnräder, Verwendung sog. „Hochverzahnungen“ mit relativ schlanken Zähnen und hohem Überdeckungsgrad sowie eine Verlegung des Rädertriebs auf die Schwungradseite (Bild 16-8 [16-8], [16-18] bis [16-20], [16-23], [16-24], [16-29] bis [16-32]). Einen erheblichen Einfluss auf das Motoroberflächengeräusch können auch über Nebenabtriebe des Rädertriebs angetriebene Zusatzaggregate wie Kompressoren oder
Motorgeräusch
Bild 16-7 Zusammenhang zwischen Anstieg des Einspritzleitungsdrucks pE, Tangentialbeschleunigung au der Steuertrieb-Zahnräder und Körperschallbeschleunigung a in der Motorstruktur [16-24]
Hydraulikpumpen besitzen. Kolbenkompressoren bringen Wechseldrehmomente in den Rädertrieb ein, was ein „Klappern“ im Rädertrieb bewirkt, das Rädertriebsgeräusch erhöht und sich besonders bei Leerlauf und niedrigen Drehzahlen häufig auch subjektiv unangenehm bemerkbar macht [16-8], [16-28]. Im Gegensatz dazu können Hydraulikpumpen, die über Nockenwellen- oder Einspritzpumpenzahnrad angetrieben werden, die Geräuschemission sogar senken, wenn das von ihnen abgenommene quasi-statische Drehmoment ausreichend groß ist, um ein Spieldurchlaufen im Rädertrieb zu verhindern. Bei Pkw- und kleineren Industrie-Dieselmotoren ist der Einsatz von Ketten- oder Zahnriemen eine akustisch günstigere Alternative zum Steuerrädertrieb. Allerdings können auch Ketten- und Zahnriementriebe akustisch auffällig sein. Subjektiv besonders störend sind Pegelüberhöhungen, die in einzelnen Drehzahlbereichen auftreten und sich auf Resonanzschwingungen einzelner Ketten- bzw. Riemenabschnitte
16.3 Motoroberflächengeräusch
545
Bild 16-8 Verringerung des Motorgesamtgeräusches LA durch schwungradseitige Anordnung des Steuerrädertriebes (aufgeladener Heavy Duty-Vierzylinder-Reihenmotor) [16-7]
zurückführen lassen. Dabei werden Eigenschwingungen durch Inhomogenitäten der Kette oder des Riemens, Exzentrizitäten der Räder, oszillierende Momente und/oder Torsionsschwingungen der beteiligten Wellen angeregt. Diese Schwingungen erhöhen besonders im Resonanzfall die Auftreffgeschwindigkeit von Kette bzw. Riemen und damit die Geräuschanregung. Im Luftschallspektrum ragen die Zahneingriffsordnung und ihre Vielfachen heraus
(Bild 16-9). Bei Zahnriemen ist eine Geräuschreduktion möglich durch eine Modifikation von Rad- und/oder Riemenprofil, Veränderung der Kontaktfläche von Riemen und Rad, Verschiebung der Eigenfrequenzen von Umlenkrollen und/oder Einsatz von Beruhigungsrollen [16-33]. Die akustisch günstigen Maßnahmen für Kettentriebe ähneln zum Teil denen, die oben für Zahnriementriebe genannt wurden. Die Ketten selbst können akustisch opti-
Bild 16-9 Einfluss des Zahneingriffs eines Steuerriemens auf das Luftschallspektrum
546 16 Geräuschemission von Dieselmotoren miert werden. Zahnketten sind günstiger als Rollenketten. Auch die Führung durch Schienen und Spannelemente beeinflusst die Geräuschanregung [16‑34]. Das Abfedern der Kettenlaschen auf seitliche Gummischeiben erhöht die Ketteneingriffsdämpfung [16‑35]. Eine intensive Öleinspritzung verringert Stöße und Geräusch [16‑36]. Eine Duplexkette mit einem Versatz der Kettenglieder reduziert Heulgeräusche [16‑34].
16.3.2
Körperschallübertragung im Motor
Neben einer Verringerung der Körperschallanregung ist eine akustische Optimierung der körperschallleitenden Struktur notwendig, um das vorhandene Geräuschminderungspotential ausschöpfen zu können. Dabei kann zumindest bei Neukonstruktionen das durch Strukturoptimierung nutzbare Geräuschreduktionspotential größer sein als das durch Verringerung der Geräuschanregungen nutzbare Potential.
16.3.2.1 Körperschallübertragung durch Motorblock und Zylinderkopf Dem gleichzeitig kraftführenden und geräuschabstrahlenden Motorblock ist besondere Beachtung zu widmen, da dieser und die von ihm fußpunkterregten Anbauteile bei Reihenmotoren erfahrungsgemäß mindestens 50% des Motorgesamtgeräusches verursachen [16‑37]. Der Motorblock ist deshalb (bei gleichzeitiger Minimierung der Gesamtmasse und Optimierung der Massenverteilung) steif und ohne Massenanhäufungen auszubilden, um dadurch eine Verschiebung der Eigenfrequenzen zu hohen Frequenzen hin bzw. eine Verringerung der Körperschallweiterleitung im für das Geräusch besonders wichtigen Frequenzbereich von 0,5 bis 3 kHz zu erreichen. Die Optimierung insbesondere kraftführender Strukturen erfolgt i. Allg. in einer Vielzahl kleiner Schritte. Die Wirksamkeit jedes einzelnen Schrittes lässt sich am befeuer ten Vollmotor wegen des großen Aufwandes für die Erstellung zahlreicher Motorvarianten sowie wegen der zahlreichen Störeinflüsse (Montage, Messgenauigkeit, Reproduzierbarkeit, hohe Dämpfung) nur schwer untersuchen und wird daher meist lediglich für die Summe der Maßnahmen nachgewiesen. Zielgerichteter, schneller und kostengüns tiger kann die Entwicklung jedoch durch die Beurteilung einzelner Schritte bzw. Maßnahmen anhand von Prinzipversuchen, wie z. B. der experimentellen Modalanalyse, sowie anhand von Berechnungen mit der Finite-Elemente-Methode durchgeführt werden (z. B. [16‑7], [16‑8], [16‑32], [16‑38] bis [16‑42]). Bild 16-10 zeigt das mit Hilfe moderner Rechen- und Analysetechniken entwickelte akustische Konzept für den
Motorblock eines modernen, akustisch günstigen Nfz- und Industrie-Dieselmotors: – Durch dünne, aber hohe Rippen, einen breiten Ölwannenflansch und steife Decks besonders im Bereich des (Einzel-) Einspritzpumpenkastens wird eine hohe horizontale Steifigkeit erreicht. – Geradlinige Kraftflüsse minimieren die geräuscherzeugen den Bewegungen der Blockoberfläche. – Darüber hinaus versteift eine interne Verrippung besonders die unteren Blockpartien. – Durch die sehr steife Kurbelgehäuseschürze findet keine Kopplung von Blockquerwand und Schürzenschwingungen statt. Die Querwandschwingungen sind daher akustisch nicht relevant. Ergebnis dieses Konzeptes sind Motorblöcke, die gute akus tische Eigenschaften bei akzeptablem Gewicht und niedrigen Fertigungskosten aufweisen. Bild 16-11 zeigt Motorblockstrukturen, die bei Neukons truktionen aus akustischen Gründen als Alternative zur Standardbauweise (a) verwendet werden können. Ein axia ler Hauptlagerdeckelverbund (b) verschiebt die Eigenfrequenzen der Querwände zu hohen Frequenzen hin und kann dadurch Schürzenschwingungen verringern. Ein Leiterrahmen (c) versteift die Kurbelgehäuseschürze und verhindert vor allem gegenphasige Schwingungen dieser Motorblockpartie. Leiterrahmen und Hauptlagerdeckelverbund können auch kombiniert werden. Bedplate (d) und Tunnelgehäuse (e) ermöglichen die Ausbildung sehr steifer Motorblöcke. Beim Skelettmotorblock (f) (z. B. [16‑43] bis [16‑45]) wird schließlich die durch elastische Elemente vom Motorblock isolierte Ölwanne bis auf Zylinderhöhe hochgezogen. Die schallabstrahlende Oberfläche des Blocks kann dadurch drastisch reduziert werden. In den letzten Jahren sind zunehmend häufiger Motorblöcke mit einem Hauptlagerverbund, einem Leiterrahmen oder sogar einer Bedplate vorgestellt worden und in Serie gegangen [16‑46]. Die anderen oben genannten Motorblockbauarten werden dagegen nach wie vor bei nur sehr wenigen Motortypen realisiert. Infolge der zunehmenden akustischen Optimierung anderer Motorbauteile haben der Zylinderkopf und von ihm fußpunkterregte Anbauteile zunehmend an Bedeutung für die Geräuschemission gewonnen. Der untere Teil des Zylinderkopfes ist durch Bodenplatte und Zwischendeck ausreichend steif, die Körperschallschnellepegel sind daher relativ niedrig. Im oberen Bereich des Zylinderkopfes treten dagegen hohe Pegel auf. Die Struktur ist deshalb hier z. B. durch höhere Wandstärken oder (besser) durch Verrippung oder (noch besser) durch Bombierung zu versteifen. Eine Alternative zu diesen Versteifungsmaßnamen kann der Einsatz von abgekoppelten oder stark bedämpften, über den oberen
16.3 Motoroberflächengeräusch
547
Bild 16-10 Akustisches Konzept eines Heavy-Duty-Dieselmotorblocks [16-41]
Teil des Zylinderkopfes heruntergezogenen, den Kopf also abdeckenden Zylinderkopfhauben sein [16-26], [16-46] bis [16-49].
16.3.2.2
Bild 16-11 Alternative Motorblockkonzepte a) Standard-Motorblock; b) Standard-Motorblock mit axialem Hauptlagerverbund; c) Motorblock mit Leiterrahmen; d) Motorblock mit Bedplate; e) Motorblock als Tunnelgehäuse; f) Skelett-Motorblock
Körperschallübertragung durch Anbauteile
Außer den kraftführenden Bauteilen Motorblock und Zylinderkopf spielen auch die Anbauteile akustisch eine große Rolle. Besonders problematisch sind dabei häufig Anbauteile aus Aluminium-Druckguss, da diese aus Fertigungs-, Kosten- und Gewichtsgründen leicht und dünnwandig sein müssen. Bild 16-12 zeigt die mittels „Finite Elemente Methode (FEM)“ berechneten bzw. mittels Modalanalyse gemessenen Schwingungsformen der ersten beiden Eigenschwingungen eines Ansaugrohres und Bild 16-13 die Transferfunktion zwischen Ansaugrohr (zwei Varianten – vor und nach der Optimierung) und Zylinderkopf (als dem Bauteil, von dem aus die Fußpunkterregung des Ansaugrohres stattfindet). Durch umlaufende Verstärkungsbänder können die Eigenfrequenzen zu höheren Frequenzen hin verschoben werden. Da die Spektren der anregenden Kräfte mit zunehmender Frequenz abfallen, bewirkt die Erhöhung der Eigenfrequenzen also ihre Verschiebung in Frequenzbereiche
548
16 Geräuschemission von Dieselmotoren
Bild 16-13 Transferfunktionen zwischen Zylinderkopf und Rohroberfläche zweier Ansaugrohrvarianten; je niedriger die Amplituden und je höher die Frequenz der Spitzen der Transferfunktion, desto akustisch günstiger ist das Rohr
Bild 16-12 Schwingungsformen eines Ansaugrohres. Oben: unverformt; Mitte: 1. Form (FEM: 3580 Hz, exp. Modalanalyse: 3766 Hz); unten: 2. Form (FEM: 4081 Hz, exp. Modalanalyse: 3980 Hz) [16-7]
kleinerer anregender Kräfte (Bild 16-3). Gleichzeitig können die Amplituden der Transferfunktion reduziert werden. Durch eine Kombination von Quer- und Längsrippen sowie die Ausbildung von geschlossenen Räumen um die Einspritzdüsen (Bild 16-14) wird das Bauteilgeräusch einer Zylinderkopfhaube um maximal 8 dB(A) gegenüber der völlig unverrippten, eckigen und flachen Variante abgesenkt. Die Optimierung von Zylinderkopfhaube und Ansaugrohr verringerte im hier vorgestellten Beispiel die Motorgesamtgeräuschemission bei Vergleich mit einer völlig unverrippten Variante um 1,5 dB(A) am Messort über dem Motor sowie in geringerem Umfang auch an den seitlichen Messorten [16-7], [16-8]. Eine Geräuschabsenkung lässt sich bei nicht kraftführenden Anbauteilen auch durch Körperschallisolation mittels elastischer Elemente zwischen Anbauteil und den das
Anbauteil fußpunkterregenden Bauteilen erreichen. Bei Isolation von Bauteilen mit relativ niedriger dynamischer Steifigkeit lassen sich deutliche Geräuschreduktionen erreichen (z. B. [16-4], [16-5]). Im Gegensatz dazu ist natürlich nur eine relativ geringe zusätzliche Geräuschminderung zu erzielen, wenn Bauteile akustisch isoliert werden, für die vorher bereits eine Strukturoptimierung durchgeführt worden war [16-32]. Die Geräuschemission von Anbauteilen kann auch durch Verwendung stark dämpfender Materialien reduziert werden [16-50]. Bekannt ist vor allem die Verwendung von Sandwichblechen für Ventilhauben, Ölwannen oder bei luftgekühlten Motoren auch von Kühlluftführungen. Akustisch ebenso wirksam ist die Herstellung von Ventilhauben, Ansaugrohren, Kühlluftführungen und sogar Ölwannen aus hochdämpfendem Kunststoff (Bild 16-15 und Bild 16-16 [16-51]). Erfolgreich durchgeführt wird auch die Geräuschverringerung z. B. von Ölwannen aus Aluminiumguss durch Beschichtung mit hochdämpfenden Kunststoffbelägen. Eine weitere Möglichkeit ist die Bedämpfung von schwingenden Oberflächen vorzugsweise im Bereich hoher Schwingungsamplituden. Z. B. können durch eine Beschichtung eines Stirnräderdeckels mit hochdämpfenden Elastomeren im Bereich der Deckelmitte die (für den untersuchten Motor das Motorgesamtgeräusch dominierenden) Membranschwingungen dieses Deckels drastisch abgesenkt und das Motorgeräusch am Messort vor dem Motor deutlich reduziert werden. Allerdings verursachen derartige Beschichtungen nicht nur erhebliche Zusatzkosten und Mehrgewicht, sondern auch Probleme während des Recyclings [16-50].
16.3 Motoroberflächengeräusch
Bild 16-14 Zylinderkopfhaube mit innerer Verrippung
Bild 16-15 Kunststoff-Bauteile eines Lkw-Dieselmotors [16-51]
549
550
16 Geräuschemission von Dieselmotoren
Bild 16-16 Geräuschreduktion durch den Einsatz von Kunststoff-Bauteilen bei einem Lkw-Dieselmotor [16-51]
Durch Isolation oder Bedämpfung lässt sich häufig eine noch größere Geräuschminderung erzielen als durch eine Erhöhung der Steifigkeit, weshalb diese Geräuschminderungsmöglichkeit zunehmend häufiger genutzt wird [16-3].
16.3.3
Geräuschabstrahlung
Eine Verringerung der Geräuschabstrahlung ist möglich entweder durch Kapselmaßnahmen (siehe Abschn. 16.5 und 16.6) oder durch Erzeugung eines akustischen Kurzschlusses. Ein „akustischer Kurzschluss“ entsteht, wenn sich die von einer schwingenden Fläche erzeugten Über- und Unterdrücke des Luftschalls gegenseitig ausgleichen. Dadurch treten in größerem Abstand von den schwingenden Flächen keine Luftdruckschwingungen mehr auf, so dass auch keine im Fernfeld nachweisbare Luftschall-Abstrahlung stattfindet. Dieser Effekt lässt sich beispielsweise bei der akustischen Optimierung von Keilriemenscheiben nutzen. Die akustisch relevanten Schwingungsformen von Keilriemenscheiben sind üblicherweise ihre Membranschwingungen. Durchbrüche in der Keilriemenscheibe verändern zwar Eigenfrequenzen und Schwingungsamplituden nur geringfügig, ermöglichen aber einen Druckausgleich zwischen Vorder-
und Rückseite der Scheibe. Dadurch können sich die Druckschwankungen nicht mehr ausbreiten, eine Schallabstrahlung ins Fernfeld des Motors findet nicht mehr statt.
16.4
Aerodynamische Motorgeräusche
16.4.1
Ansaug- und Abgassystem
Im Ansaug- und noch stärker im Abgassystem von Verbrennungsmotoren treten starke Druckpulsationen auf, die ungedämpft alle anderen Motorgeräuschanteile übertönen würden. Für das Ansauggeräusch kann zumindest bei aufgeladenen Motoren u. U. schon der Luftfilter eine ausreichende Dämpfung erzeugen. Bei weitergehenden Ansprüchen werden spezielle Dämpfungssysteme eingesetzt, in denen z. B. sog. „Venturirohre“ vorzugsweise den höherfrequenten Ansauggeräuschanteil und/oder „Resonatoren“ durch Reflexion und Überlagerung der Ansaugschallpulsationen den tieffrequenten Anteil reduzieren (z. B. [16-52]). Obligatorisch ist in jedem Fall eine Abgasgeräuschreduktion durch Schalldämpfer(systeme), die üblicherweise die
16.5 Geräuschreduktion durch Kapselung 551 oben genannten Prinzipien der Schalldämpfung über Venturirohre, Umlenkungen oder auch durch Auskleidung mit schallabsorbierenden Materialien sowie der Auslöschung von tieffrequenten Schallanteilen durch Reflexion und Überlagerung miteinander kombinieren. Dabei besteht ein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen Schalldämpfungsvermögen, Bauvolumen und dem (den Motorwirkungsgrad verschlechternden) Dämpfer-Gegendruck. Das erreichbare Dämpfungsvermögen wächst sowohl mit dem Bauvolumen als auch mit dem zulässigen Gegendruck (s. Abschn. 13.1 und 13.2). Neben konventionellen „passiven“ Schalldämpfersystemen werden möglicherweise zukünftig auch „aktive“ Systeme eine Rolle spielen. Hierbei messen Mikrofone die Schallemission. Diese Messungen werden rechnerisch analysiert und dementsprechend werden Lautsprecher angesteuert, die schallgleiche Amplitude und Frequenz erzeugen. Die Geräuschabstrahlung durch den Lautsprecher ist jedoch derart phasenversetzt, dass es bei der Überlagerung des gemessenen und des zusätzlich erzeugten Schalls zu einer Auslöschung der entsprechenden (tieffrequenten) Schallanteile kommt. Vorteile der „aktiven“ Schalldämpfersysteme sind eine Verringerung des Gegendruckes und eine deutliche Verkleinerung der notwendigen (Rest-)Dämpfervolumina. Dem gegenüber stehen allerdings eine Reihe von Nachteilen wie beispielsweise der zusätzliche elektrische Leistungsverbrauch oder die erheblichen Zusatzkosten für die notwendigen mechanischen und elektronischen Elemente der aktiven Schalldämpfung.
16.4.2
Kühlsystem
Während in den 70er Jahren das von Lüfter oder Gebläse erzeugte Geräusch des Kühlsystems noch häufig eine wichtige, ja manchmal dominierende Rolle spielte, so ist sein Einfluss auf das Motorgesamtgeräusch heute meist eher klein. Dies wurde erreicht (vgl. [16‑53] bis [16‑57]) durch – aerodynamisch günstigere Gestaltung des gesamten Kühlsystems und speziell der Lüfterflügel bzw. Gebläse schaufeln, – ungleiche Flügel- bzw. Schaufelteilungen zur Vermeidung von Drehklängen und besonders, – Einsatz von Regelsystemen zur Begrenzung der Lüfterbzw. Gebläsedrehzahlen auf das zur Kühlung im jeweiligen Betriebspunkt noch zulässige Minimum. Das von den Lichtmaschinenlüftern angeregte aerodynamische Geräusch kann im oberen Drehzahlbereich dominierend für das Motorgeräusch sein [16‑8], [16‑28]. Immer höhere elektrische Leistungen haben zu immer größeren Generatoren und höheren Generatordrehzahlen geführt. Auch
neue Generatorbauarten mit leiseren innenliegenden Lüftern konnten das Lichtmaschinengeräusch nicht ausreichend absenken. Wirksamer ist der Einsatz von Viskokupplungen auch zwischen Motor und Lichtmaschine oder der Einsatz flüssigkeitsgekühlter Lichtmaschinen.
16.5
Geräuschreduktion durch Kapselung
16.5.1
Einsatz von Kapseln und Kapselmotoren
Vor einer Geräuschminderung durch zusätzliche Maßnahmen in Form der Teil- oder Vollkapseln sollten zunächst alle Geräuschreduzierungsmaßnahmen an der Quelle ausgenützt werden. Dieses Vorgehen ist sinnvoll, da Maßnahmen an der Quelle meistens kostengünstiger ausfallen als eine Kapselung oder entsprechende akustische Maßnahmen am Motorraum. Auch unter Gewichts- und Bauraumaspekten sind Maßnahmen an der Quelle zunächst der Kapselung vorzuziehen. Jedoch ist die Wirkung von Maßnahmen an der Quelle auf nur einige dB(A) beschränkt (s. Abschn. 16.3 und 16.4). Die Vollkapselung eines Motors führt dagegen zu einer erheblichen Geräuschminderung, die 10–13dB(A) betragen kann. Dabei wird verglichen mit dem ungekapselten Motor ein nur unwesentlich größerer Bauraum benötigt (Bild 16‑17). Eine Geräuschminderung um 13dB(A) bedeutet, dass 20 gekapselte Motoren das Geräusch eines ungekapselten Motors erzeugen. Die Entwicklung einer Geräuschminderung durch Teiloder Vollkapselungen an Dieselmotoren wurde seit Ende der 60er-Jahre verstärkt (s. [16‑61] bis [16‑63]). Seit 1977 ist eine erste serienmäßig gekapselte Motorenbaureihe von luftgekühlten Zwei-, Drei- und Vierzylindermotoren auf dem Markt [16‑64], [16‑65]. Bei der Entwicklung der Kapselung muss angestrebt werden, die Geräuschminderung für alle möglichen Betriebspunkte und für alle Abstrahlrichtungen zu erreichen. Bild 16‑18 zeigt dazu die in der Serienproduktion erreichten Ergebnisse. Gekapselte Motoren werden überall dort eingesetzt, wo extreme Geräuschanforderungen auf andere Weise nicht zu erfüllen sind. Ein weiterer großer Einsatzbereich findet sich insbesondere bei frei aufgebauten Motoren. Hier spart der Gerätehersteller die Motorhaube, den Motoreinbau, die eigenen Geräuschminderungsmaßnahmen und die eventuell zusätzlich notwendigen Kühlungsmaßnahmen. Dies ist besonders bei Spezialgeräten, die in kleinen Stückzahlen hergestellt werden, eine kostengünstige Lösung.
16.5.2
Teilschallquellen der Vollkapsel
Das Gesamtgeräusch eines Kapselmotors setzt sich (Bild 16‑19) aus dem Oberflächengeräusch der Kapselung,
552
16 Geräuschemission von Dieselmotoren
Bild 16-17 Luftgekühlter Einzylinder DI-Dieselmotor, Größenvergleich ungekapselt – gekapselt
dem Geräusch der Mündung der Verbrennungszuluft und dem Geräusch der Mündung des Abgases zusammen. Hinzu kommt bei wassergekühlten Motoren das Geräusch des Kühler-/Lüftersystems beziehungsweise bei luftgekühlten Motoren das Geräusch der Zu- und Abluftöffnung der Kühlluft. Gegen alle diese Teilgeräusche müssen in ihrer Wirksamkeit gleichwertige Maßnahmen getroffen werden, um ein niedriges Gesamtgeräusch zu erreichen. Bei der Kapselung von wassergekühlten Motoren wird das Kühler-/Lüftersystem normalerweise außerhalb der Kapsel belassen. Damit ist die Geräuschminderung an diesen Teilen dem Anwender des Motors überlassen. Alternativ wird teilweise bei flüssigkeitsgekühlten Motoren ein integriertes Kühlsystem ähnlich wie beim luftgekühlten Motor angeboten. Beim luftgekühlten Motor ist immer das Kühlgebläse direkt am Motor und damit in der Kapselung angeordnet. Auch die Geräuschminderung durch Zu- und Abluftschächte ist damit in der Motorkapsel enthalten.
Bild 16-18 Motorgesamtgeräusch LA als Funktion der Drehzahl, Messabstand 1 m, Volllast, Abgas abgeleitet (Motoren aus Bild 16-17)
Oberflächengeräusch Die Kapseloberfläche wird vor allem durch Körperschalleinleitung vom Motor her auf dem Weg über die Kapselbefestigung zu Schwingungen und damit zur Geräuschabstrahlung angeregt. Deshalb ist eine sorgfältig ausgelegte elastische Kapselbefestigung vorzusehen. Dies muss auch für alle an
16.5 Geräuschreduktion durch Kapselung
553
Bild 16-19 Teilschallquellen am Kapselmotor
der Kapselaußenwand anstoßenden Teile wie z. B. Dichtleisten zur Trennung in heiße bzw. kalte Räume in der Kapsel vorgesehen werden. Der von der Motoroberfläche abgestrahlte Luftschall wird von der Kapselwand auch wieder zurück zum Motor reflektiert. Deshalb wird gegenüber dem ungekapselten Motor innerhalb der Kapsel ein ca. 3–5 dB(A) höherer Geräuschpegel gemessen. Diese Geräuscherhöhung in der Kapsel kann durch Absorptionsmaterialien innerhalb der Kapsel vermindert werden. Das Geräusch in der Kapsel regt die Kapselwände zu Schwingungen an. Diese werden dann in verminderter Stärke von der Kapseloberfläche nach außen abgestrahlt. Das Ausmaß dieser Verminderung wird als Wanddämmung bezeichnet. Das Dämm-Maß ist frequenzabhängig und wird hauptsächlich vom Flächengewicht und der Biegesteifigkeit der Wand bestimmt. Als Wandmaterial für Kapselungen erweist sich 1mm starkes Stahlblech als gut geeignet. Weiter erhöhte Schalldämm-Maße können z. B. mit mehrschichtigen Wänden erreicht werden [16-66]. Für die Kapseloberfläche muss aus akustischen wie aus Festigkeitsgründen durch entsprechende konstruktive
Gestaltung vermieden werden, dass sich ausgeprägte Eigenschwingungen ausbilden können. Undichtigkeiten in der Kapseloberfläche lassen das durch die Kapselreflektion erhöhte Motorgeräusch nach außen dringen und setzen damit die erreichbare Wanddämmung drastisch herab. Aus diesem Grunde sollte die Kapsel absolut dicht sein. Wird der Abgasschalldämpfer außerhalb der Motorkapsel angeordnet, so ist auch das Oberflächengeräusch des Schalldämpfers mit zu betrachten. Maßnahmen an der Oberfläche des Schalldämpfers wie z. B. Doppelwände mit oder ohne Zwischenschichten ergeben häufig nur unzureichende Verbesserungen. In den meisten Fällen ist eine Kapselung auch des Abgasschalldämpfers notwendig.
Mündungsgeräusche Als Mündungsgeräusche werden die Ansaug- und Abgasgeräusche bezeichnet. Das Vorgehen zu deren Reduktion unterscheidet sich für den gekapselten Motor nicht von dem für den ungekapselten Motor (s. Abschn. 16.4.1). Jedoch muss am Kapselmotor ein wesentlich besseres akustisches Ergeb-
554 16 Geräuschemission von Dieselmotoren nis erreicht werden. Die Mündungsgeräusche müssen etwa um den gleichen Betrag verbessert werden, um den auch das Gesamtgeräusch durch die Kapselung reduziert werden soll. Der Abgasschalldämpfer an einem Kapselmotor ist üblicherweise an oder in der Kapselkonstruktion integriert, da dem Kunden ein komplettes Antriebsaggregat zur Verfügung gestellt werden soll [16‑67]. Damit entfällt am Kapselmotor die z. B. an Fahrzeugen übliche Möglichkeit, durch Abstimmung von Volumina und Leitungslängen eine gute Geräuschreduktion des Abgasschalles zu erzielen. Die Auslegung der Abgasschalldämpfer ist auch heute noch weitgehend Erfahrungssache und Versuchsarbeit. Auch beim Ansauggeräusch ist es notwendig, gegenüber dem ungekapselten Motor ein um mindestens 10 dB(A) verbessertes Geräuschergebnis zu erzielen. Gekapselte luftgekühlte Motoren sind mit geräuschmindernden Zuluftstrecken für die Kühlluft ausgestattet. Hier bietet es sich an, die Verbrennungsluft erst innerhalb der Kapsel anzusaugen, um so die akustische Wirkung der Absorptionsstrecke für die Kühlluft auch für die Verbrennungsluft mit auszunutzen. In diesem Fall müssen die Querschnitte des Zuluftkanals der Gesamtluftmenge angepasst werden. Die Verbrennungsluft darf sich innerhalb der Kapsel nicht wesentlich erwärmen.
Geräusche durch Motorkühlung Neben der Kühlung des Grundmotors sind besonders Grenztemperaturen für Gummiteile, Dichtungen, Keilriemen, elas tische Motorlagerung, Anbauteile, wie z. B. Lichtmaschine und elektronischen Spannungsregler zu beachten. Auch die Oberflächentemperatur einer Schallkapsel ist niedrig zu halten. Insbesondere nach dem Abstellen aus Volllast können hier stark erhöhte Temperaturen möglich sein. Da diese vom Benutzer nicht erwartet werden, kann aus Sicherheitsgründen ein Berührschutz notwendig werden. Die Ablufttemperatur beim Austritt aus dem Kühlsystem ist beim wassergekühlten Motor niedriger als beim luftgekühlten Motor. Da wegen der höheren Ablufttemperatur mehr Wärme pro durchsetzte Luftmenge abgeführt wird, ergeben sich für den luftgekühlten Motor kleinere notwendige Luftmengen. Damit werden auch die notwendigen Zuund Abluftschalldämpfer kleiner als beim wassergekühlten Motor. Bei der Anordnung des Kühlsystems außerhalb der Kapsel (wassergekühlter Motor) ist eine zusätzliche Kapselbelüftung notwendig. Hier bieten sich kleine elektrisch angetriebene Lüfter an. Für die Luftöffnungen sind Zu- und Abluftschalldämpfer notwendig – nicht wegen des (geringen) Geräusches des Lüfters, sondern um das laute Geräusch innerhalb der Kapsel nicht nach außen dringen zu lassen. Ein außerhalb der Kapsel liegendes Kühlsystem benötigt
ebenfalls Maßnahmen zur Geräuschreduzierung, da es bei voller abzuführender Wärmemenge deutlich lauter als der gekapselte Motor sein kann. Zu- und Abluftschalldämpfer wirken durch Absorptionsmaterialien. Hierfür kommt Schaumstoff bzw. Mineralwolle zum Einsatz. Die Wirkung des Schalldämpfers wird durch Umlenkungs- oder auch Querschnittssprünge verstärkt. Die Schalldämpfer können bei Kenntnis der Abmessungen, Lufttemperaturen und Materialeigenschaften ausreichend genau vorausberechnet werden [16‑66]. Innerhalb der Kapsel muss zur einwandfreien Kühlung des Motors eine sorgfältige Trennung in warme und kalte Räume vorgenommen werden. Dies ist notwendig, damit nicht z. B. die Wärme des Abgasschalldämpfers die Verbrennungsluft aufheizt.
16.5.3
Einbau und Wartung des Motors
Die Forderung nach einwandfreier Körperschallisolation des Motors vom angetriebenen Gerät bekommt bei Anwendung eines Kapselmotors besonderes Gewicht, da andernfalls die Schallabstrahlung des Gerätes so groß werden kann, dass sie die Vorteile der Motorkapselung zunichte macht. Bei der Absenkung des Motorgeräusches um 10 dB(A) oder mehr durch eine Kapselung kommt das Geräusch des Motors in Bereiche, in denen das Geräusch der angetriebenen Maschine nicht mehr in allen Fällen vernachlässigbar ist. Zunächst muss hier durch eine sorgfältige Planung des Gerätes mit Kenntnis der Geräuschpegel der angetriebenen Maschine festgestellt werden, welche anderen Teile außer dem Motor noch einer Geräuschsenkung bedürfen, um das gewünschte Gesamtergebnis zu erreichen. Die Motorkapseln können so gestaltet sein, dass sie kleinere angetriebene Geräte, z. B. Hydraulikpumpen, in sich aufnehmen können. Die Wartungsstellen an einem Kapselmotor sind so zu gestalten und anzuordnen, dass sie ohne zusätzlichen Aufwand erreichbar sind. Dies gilt besonders für häufig benötig te Teile wie z. B. den Ölpeilstab, der ohne Öffnen der Kapsel erreichbar sein sollte. Die dadurch aus der Kapsel herausragenden körperschallbehafteten Teile des Motors müssen eine möglichst kleine schallabstrahlende Fläche aufweisen, damit das von ihnen abgestrahlte Geräusch gering bleibt. Weitere Wartungsstellen, zu denen seltener ein Zugriff notwendig ist, wie z. B. Ventildeckel (Ventilspiel), werden hinter leicht zu öffnenden Deckeln der Kapsel angeordnet (Bild 16‑17).
16.5.4
Teilkapselung
Teilkapseln werden eingesetzt, um mit möglichst geringen Kosten ein begrenztes akustisches Ziel zu erreichen. Als ein
16 Literatur 555 häufig anzutreffendes Beispiel können hier kleine Stromaggregate genannt werden, die beim Einsatz auf Baustellen innerhalb der EG einen Schallleistungspegel von LWA ≤ 100 dB(A) (elektrische Leistung >2kVA) einhalten müssen. Da die antreibenden Dieselmotoren in ihrem Geräuschpegel nur gering über diesem Grenzwert liegen, kann mit mehreren einfachen Teilkapseln die Einhaltung des Grenzwertes für das Generatoraggregat sichergestellt werden. Häufig werden Abdeckungen des Zylinderkopfes, des Schalldämpfers, des Luftfilters inklusive des Ansaugrohres eingesetzt. Oft werden auch Teilkapselmaßnahmen mit primären Geräuschminderungsmaßnahmen verbunden (z. B. körperschallisolierte Ölwannen). Die Anwendung der Teilkapselmaßnahmen führt zu Geräuschminderungen um bis zu 4 dB(A). Bei einem solchen Konzept sind wesentliche Teile der Motoroberfläche nicht abgedeckt. Besondere Kühlungsmaßnahmen sind dabei noch nicht erforderlich.
16.6
Geräteseitige Motorgeräuschdämmung
Der Dieselmotor ist immer eine wesentliche und häufig sogar die wichtigste Geräuschquelle des von ihm angetriebenen Fahrzeuges oder Aggregates. Nur in den seltensten Fällen lassen sich die akustischen Anforderungen an Fahrzeuge oder Aggregate erfüllen ohne entweder eine Motorkapselung (s. Abschn. 16.5) oder eine Motorgeräuschdämmung durch eine entsprechende Gestaltung des Einbauraumes. Hierzu bestehen sehr vielseitige Möglichkeiten, die vom jeweiligen Einsatzfall, dem zur Verfügung stehenden Bauraum, dem notwendigen Umfang der Geräuschpegelabsenkung usw. abhängen. In irgendeiner Art und Weise sind heute fast alle Motorräume akustisch optimiert. Die für die akustischen Maßnahmen im Motorraum in Kauf zu nehmenden Mehrkosten könnten allerdings durch den Einsatz eines leiseren Motors oft deutlich reduziert werden [16‑8], [16‑52]. Der Vorteil eines akustisch relativ günstigen Motors wird dabei umso größer, je höher die Anforderungen an die Geräuschemis sion des Fahrzeuges, Aggregates oder Gerätes sind. „Lärm arme“ Fahrzeuge, Aggregate oder Geräte sind deshalb praktisch immer mit „leisen“ Motoren ausgerüstet. Außer durch Geräuschabstrahlung seiner Oberfläche und durch aerodynamische Geräuschanregungen erzeugt ein Verbrennungsmotor auch dadurch Geräusche, dass er über seine Lagerung das Fundament und damit die mit dem Fundament verbundenen Motorraumwände, Bedienungskabinen etc. zur Geräuschabstrahlung anregt. Allgemein üblich sind Motorlagerelemente aus Natur- oder Kunstkautschuk. Aus akustischer und schwingungstechnischer Sicht häufig noch günstiger sind hydraulisch dämpfende Lagerelemente,
die eine hohe Dämpfung im Resonanzfall mit niedriger Übertragungssteifigkeit verbinden (z. B. [16‑58], [16‑59]), aber aus Kosten- und Bauraumgründen seltener eingesetzt werden. Eine andere Möglichkeit der Reduktion der Körperschallübertragung über die Motorlagerung besteht in der Verwendung von Tilgern oberhalb der Lagerung [16‑60]. Auch eine entsprechende Anordnung der Motorlager kann die Anregung der Karosserie bzw. Fahrerkabine z. B. durch das Leerlaufrütteln des Motors verringern („Neutral Torque-Axis“).
Literatur 16-1 Möse, R.: Sonderstellung des Lärms im Umweltgeschehen. AVL-Tagung Motor und Umwelt Graz 1990 16-2 Gottlob, D.: Verkehrslärmimmissionen – Gesundheitliche Auswirkungen, Gesetzgebung in Deutschland. AVL-Tagung Motor und Umwelt Graz 1996 16-3 Spessert, B.: Auf dem Weg zum leisen Motor. 2. Symposium Motor- und Aggregateakustik, Magdeburg: Haus der Technik 2001 16-4 Spessert, B.: Noise Reduction Potential of Single Cylinder DI Diesel Engines. Small Engines Technologies Conference 03SETC-19 (2003) 16-5 Spessert, B.; Pohl, M.: Akustische Untersuchungen an Einzylinder-Industriedieselmotoren. 4. Sympo sium Motor- und Aggregateakustik, Magdeburg: Haus der Technik 2005 16-6 Spessert, B.: Noise Emissions of Engines in Different Vehicle Groups: Historical Review, State of the Art and Outlook. FISITA Congress Helsinki 2002 16-7 Spessert, B. et al.: Development of Low Noise Diesel Engines Without Encapsulations. CIMAC Congress London 1993 16-8 Moser, F.X.; Spessert, B.; Haller, H.: Möglichkeiten der Geräuschreduzierung an Nutzfahrzeug- und Industriedieselmotoren. AVL-Tagung Motor und Umwelt Graz 1996 16-9 Flotho, A.; Spessert, B.: Geräuschminderung an direkteinspritzenden Dieselmotoren. Automobilindustrie, (1988) 4 u. (1988) 5 16-10 Wolschendorf, J.: Zyklische Schwankungen im Verbrennungsgeräusch von Dieselmotoren und ihre Ursache. Diss. RWTH Aachen 1990 16-11 Schlünder, W.: Untersuchungen des direkten Verbrennungsgeräusches an einem Einzylinder-Dieselmotor. Diss. RWTH Aachen 1986 16-12 Schneider, M.: Resonanzschwingungen der Zylinderladung von Dieselmotoren und ihre Bedeutung für das Verbrennungsgeräusch. Diss. RWTH Aachen 1987
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16 Literatur 557 16-47 Röpke, P.; Schwaderlapp, M.; Kley, P.: Geräuschoptimierte Auslegung von Zylinderköpfen. MTZ 55 (1994) 16-48 Haiduk, T.; Wagner, T.; Ecker, H.J.: Der VierventilDI-Zylinderkopf – eine Herausforderung für die Strukturoptimierung. MTZ 59 (1998) 16-49 Kraus, N. et al.: Cylinder Head Noise Reduction on a 4-Cylinder 4-Valve SI Engine. IMechE C521/036 (1998) 16-50 Spessert, B.: Realisierung ambitionierter Motorgeräusch-Zielwerte mit Motorbauteilen aus Kunststoff. 4. Kunststoff Motorteile Forum 2001 16-51 Harr, T. et al.: Der neue Sechszylinder-Dieselmotor OM906LA von Daimler-Benz. MTZ 59 (1998) 16-52 Spessert, B.: Geräuschminderung bei Baumaschinen und landwirtschaftlichen Fahrzeugen. AVL-Tagung Motor und Umwelt Graz 1990 16-53 Esche, D.: Beitrag zur Entwicklung von Kühlgebläsen für Verbrennungsmotoren. MTZ 37 (1976) 16-54 von Hofe, R.; Thien, G.E.: Geräuschoptimierung von Fahrzeugkühlern, Axiallüftern und saugseitig angeordnetem Wärmetauscher. ATZ 4 (1984) 16-55 Esche, D.; Lichtblau, L.; Garthe, H.: Cooling Fans of Air-Cooled DEUTZ-Diesel Engines and their Noise Generations. SAE 900907 16-56 Lichtblau, L.: Aerodynamischer und akustischer Entwicklungsstand von Axialgebläsen für kompakte Motorkühlsysteme. VDI-Tagung Ventilatoren im industriellen Einsatz. Düsseldorf Febr. 1991 16-57 Esche, D.: Konzeptmerkmale und Besonderheiten von integrierten Kühlsystemen schnellaufender Dieselmotoren. Tagung Konstruktive Gestaltung von Verbrennungsmotoren. Essen: Haus der Technik März 1991 16-58 Härtel, V.; Hoffmann, M.: Optimierung körperschalldämmender Motorlagerungen. Düsseldorf: VDI-Berichte 437 (1982) 16-59 Holzemer, K.: Theorie der Hydrolager mit hydraulischer Dämpfung. ATZ 87 (1985) 16-60 van Basshuysen, R.; Kuipers, G.; Hollerweger, H.: Akustik des AUDI 100 mit direkteinspritzendem Turbo-Dieselmotor. ATZ 92 (1990) 16-61 Frietzsche, G.; Krause, P.: Entwicklung von schalldämmenden Motorkapseln. Düsseldorf: VDI Fortschrittsberichte 26 (1969) 6 16-62 Thien, G.E.; Fachbach, H.A.; Gräbner, W.: Kapsel optimierung. Forschungsbericht der Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen (1979) 262 16-63 Donath, G.; Fackler, M.: Geräuschminderung an mittelschnellaufenden Dieselmotoren durch Teilverschalung. BMFT-FB-HA 82-018 (1982) 9
16-64 N.N.: MTZ April 1977, S. 165 16-65 Kunberger, K.: Progress With Quiet Small Diesels. Diesel and Gas Turbine Progress. May 1977 16-66 Heckl, M.; Müller, H.A.: Taschenbuch der Technischen Akustik. 3. Aufl. Berlin: Springer 1994 16-67 Kochanowski, H.A.: Performance and Noise Emission of a New Single-Cylinder Diesel Engine – with and without Encapsulation. Second Conference of Small Internal Combustion Engine C372/023. Institution of Mechanical Engineers April 1989
Teil V
Ausgeführte Dieselmotoren
17 Fahrzeugdieselmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 561 18 Industrie- und Schiffsmotoren . . . . . . . . . . . . . . . . 619
17 Fahrzeugdieselmotoren
17.1
Dieselmotoren für Personenkraftwagen
17.1.1
Historie
Nach seiner ersten betriebsfähigen Ausführung im Jahr 1897 wurde der Dieselmotor relativ spät als Pkw-Antrieb eingesetzt. Erst mit der Serieneinführung der ersten dieselmotorisch angetriebenen Personenkraftwagen im Jahr 1936 gelang es, den Dieselmotor auch in diesem Segment als alternatives Antriebskonzept den damals dominierenden Ottomotoren entgegenzusetzen. Die Voraussetzungen dafür waren die durch Bosch aufgegriffene Entwicklung und Fertigung der Einspritztechnik (1927) möglich gewordene, zeitlich hochpräzise Dosierung der Kraftstoffmasse und die Beherrschung der Gemischbildungsund Verbrennungsvorgänge bei relativ hohen Drehzahlen durch Anwendung der auf L‘Orange zurückgehenden Unterteilung des Brennraumes in Vorkammer und Hauptbrennraum.
Getrieben durch die gegen Ende des letzten Jahrhunderts zunehmende Fokussierung auf energiesparende Antriebsquellen im Hinblick auf Ressourcenschonung und Reduzierung der klimarelevanten CO2-Emissionen erlebte der Dieselmotor im Pkw immer wieder kurzzeitige Achtungserfolge ohne sich jedoch wirklich durchzusetzen. Der eigentliche Durchbruch gelang dann in der zweiten Hälfte der 90er Jahre mit der serienmäßigen Verfügbarkeit neuer Hochdruckeinspritzsysteme, wie Pumpe‑Düse‑Systeme und vor allem der Common Rail-Einspritztechnologie, der damit ermöglichten Umstellung auf Direkteinspritzung sowie der Entwicklung innovativer Abgasturbolader mit variablen Turbinenleitapparaten. Durch diese neuen Technologien konnten die kundenrelevanten Gebrauchseigenschaften von dieselgetriebenen Pkw enorm verbessert werden. In Bild 17‑1 ist diese eindrucksvolle Entwicklung für Leistung, Drehmoment, Kraftstoffverbrauch und Emissionsverhalten dargestellt.
Bild 17-1 Entwicklung der Gebrauchseigenschaften von Pkw-Dieselmotoren
562 17 Fahrzeugdieselmotoren
17.1.2
Fahrzeugspezifische Anforderungen
17.1.2.1
Eigenschaftskriterien
Der Dieselmotor als Pkw-Antriebsaggregat steht in konzeptioneller Hinsicht in vielfältiger Wechselbeziehung zum Fahrzeug über verschiedene Subsysteme (Getriebe, Fahrwerk, usw.). Die Anforderungen an die Auslegung des Antriebsmotors müssen deshalb von den allgemeinen Eigenschaftskriterien des Fahrzeuges und den Aspekten der Kraftübertragung – im Wesentlichen Bauart und Charakteristik des verwendeten Getriebes - abgeleitet werden. Die Grundanforderungen an das Fahrzeug bezüglich Produkteigenschaften beziehen sich auf Kriterien wie Transportleistung, Sicherheit, Komfort, Betriebssicherheit und Umweltverträglichkeit. Die einzelnen Themenkreise lassen sich danach auf weitere Teilaspekte aufschlüsseln. Daraus können dann die motorrelevanten Kriterien abgeleitet werden. Mit der Funktionsanforderung an die Transportleistung sind Fahrleistung, Energieeinsatz und Energieumwandlung angesprochen. Anforderungen an die Fahrzeugsicherheit haben auch für die Kraftübertragung Konsequenzen. Sie betreffen zum Beispiel: – das Ansprechverhalten des Motors und die Dosierbarkeit der Motorleistung, – die Übertragung des Antriebsmomentes auf die Fahrbahn oder auch – adäquate Notfahrstrategien im Fehlerfall. Ebenfalls ist die Brandsicherheit ein wichtiger Aspekt für die Motorkonstruktion. Die Erfordernisse an den Komfort sind vielfältig. So ist Fahrkomfort motorseitig durch das Schwingungsverhalten des Antriebsstranges zu beeinflussen. Der Bedienungskomfort bezieht sich auf Kraft-Weg-Charakteristiken (z. B. Fahrpedal) und auf die Erleichterungen bei der Bedienung (z. B. automatisiertes Vorglühen vor dem Motorstart). Durch den Klimakomfort wird der Bedarf an Heiz- und Kühlleistung definiert, der durch die Konstruktion des Motors sicherzustellen ist. Schließlich ist der Akustikkomfort des Fahrzeuges von Bedeutung, der durch die entsprechenden schalltechnischen Eigenschaften des Motors maßgebend beeinflusst werden kann. Die Anforderungen an die Betriebssicherheit des Fahrzeuges können nach zwei Kategorien unterschieden werden: die Langzeitqualität und die Gebrauchsqualität unter Sonderbedingungen. Unter diesen Aspekten sind daher die Anforderungen an Zuverlässigkeit, Lebensdauer, Funktionsstabilität, Systemdiagnose und Wartungsfreundlichkeit (Umfang, Häufigkeit und Zugänglichkeit) festzulegen.
Die Umweltverträglichkeit von Personenkraftwagen ist unter den genannten Kriterien von zunehmend größerer Bedeutung. Die Teilaspekte beziehen sich auf die Abgasund Geräuschemission und die Schonung der Ressourcen durch Betrieb, Altstoff‑Recycling und Entsorgung bzw. sparsamen Rohstoffeinsatz und Energieaufwand bei der Herstellung. Die Konstruktion und das Arbeitsverfahren des Motors werden hierdurch, je nach Anforderungsstufe, wesentlich bestimmt. Unter den vielfältigen Anforderungen, die an das Fahrzeug bezüglich Gefälligkeit gestellt werden, sind das Motorund Motorraumdesign für die Konstruktion des Motors von Bedeutung. Sie führen zu eigenständigen und individuellen Lösungen sowohl bei der Anordnung der Aggregate als auch bei der Gestaltung der Bauteile. Einen zusätzlichen nicht zu vernachlässigenden Aspekt stellt auch die geometrische Ähnlichkeit der Pkw‑Dieselmotoren mit den i. d. R. in den gleichen Fahrzeugen zum Einsatz kommenden Ottomotoren dar. Dies gilt im Besonderen für die Außenabmessungen der Motoren und für die Schnittstellen zum Fahrzeugkühlsystem, zur Ansaugluftführung, zur Abgasanlage und zu den meistens aus demselben Bau kasten stammenden Handschalt- und Automatikgetrieben. Konsequenter Leichtbau ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ein wichtiger Baustein. Nur wenn es gelingt, das Mehrgewicht der Dieselmotoren auf sehr geringen Niveau zu halten, können bei Verwendung einheitlicher Fahrwerkskomponenten über eine Fahrzeugbaureihe hinweg auch bei Einsatz von Dieselmotoren vergleichbar gute Fahrdynamik eigenschaften erzielt werden.
17.1.2.2
Aspekte der Antriebsauslegung
Infolge der unterschiedlichsten Betriebsverhältnisse eines Personenkraftwagens wie: – Anfahren, – Beschleunigen, – Überwinden von Steigungen und – Halten von konstanten Geschwindigkeiten werden an die Zugkraft eines Fahrzeuges Anforderungen gestellt, die vom Motor mit seiner Leistung in einem breiten Drehzahlbereich erfüllt werden müssen. Die Leistung eines Kraftfahrzeuges kann aus dem Zugkraft-Geschwindigkeitsdiagramm (auf den Motor bezogen: Drehmoment über Motordrehzahl) abgeleitet werden. Danach haben Drehmomentcharakteristik und maximale Drehzahl bzw. der Betriebsdrehzahlbereich des Motors wesentlichen Einfluss auf die Festlegung der Gangstufen, ihre Anzahl als auch auf die Größe der einzelnen Übersetzungen des Getriebes. Das Zusammenwirken von Motor
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen und Getriebe macht sich in der Steigfähigkeit und im Beschleunigungsvermögen sowie in der Anfahrfähigkeit des Personenkraftwagens bemerkbar. Motorseitig gute Voraussetzungen für eine Pkw-gerechte Abstimmung des Antriebsstranges sind zum Beispiel dann gegeben, wenn: – die Momentenkurve eine Charakteristik aufweist, die mit fallender Drehzahl bis zu ihrem Maximum, möglichst bei niedriger Drehzahl (nMmax/nmax ca. 0,4 bis 0,5), ansteigt und – die maximale Motordrehzahl bzw. der für den im Hauptfahrbetrieb relevante Drehzahlbereich hinreichend groß für eine optimale Getriebeauslegung (Anzahl der Übersetzungsstufen, Übersetzung) gewählt ist.
17.1.3
Konzeptionelle Merkmale von Pkw-Dieselmotoren
17.1.3.1
Motorgröße und Schnellläufigkeit
Unter den verschiedenen Dieselmotorengattungen (langsam-, mittelschnell-, schnelllaufende Dieselmotoren) sind Motorgröße und Drehzahlniveau das herausragende Unterscheidungsmerkmal. Pkw-Dieselmotoren werden mit einem Zylinder-Hubrauminhalt von etwa 0,3 dm3 bis 0,55 dm3 ausgeführt. Während früher fast ausschließlich Vier-, Fünf- und Sechszylinderversion i. d. R. in Reihenbauweise eingesetzt wurden, hat sich die Angebotspalette in den letzten Jahren mit Drei-, Acht- und sogar Zehnzylindermotoren deutlich ausgeweitet. Zusätzlich findet bei den Sechszylindermo-
563
toren, in erster Linie getrieben durch die fahrzeugseitigen Randbedingungen, vermehrt die V-Bauweise Verwendung. Aus thermodynamischer Sicht ist das größere Hubvolumen aus Gründen des kleinen Oberflächen-Volumen-Verhältnisses (Maß für die Wärmedichtheit) und der kompakten Gestaltungsmöglichkeit des Brennraumes grundsätzlich anzustreben. Außerdem ist die hubraumstarke Auslegung des Motors im Hinblick auf das gute Anfahrvermögen und die niedrige Leerlaufdrehzahl bei hohem Leistungsbedarf der Nebenaggregate (Lenkhilfepumpe, Klimaanlage usw.) sowie für den guten Startvorgang wünschenswert. Andere Aspekte sprechen für kleine Zylinderhubvolumina. Das wichtigste Argument dafür liegt in der „Betriebspunktverlagerung“, die in Verbindung mit der Aufladung zur Senkung des Kraftstoffverbrauches und der Emissionen des Fahrzeuges genutzt werden kann. Die Aufladung dient hier dazu, dass die Leistung bei entsprechend geringem Hubraum gleichgehalten bzw., dass ein höheres Momentenangebot genutzt wird, um eine größere Gesamtübersetzung zu wählen. Die beiden prinzipiellen Möglichkeiten zur Verbrauchsreduzierung sind in Bild 17-2 verdeutlicht. In das schematisch dargestellte Motorkennfeld sind in der linken Hälfte zwei Fahrwiderstandslinien eingezeichnet, die aus unterschiedlichen Hinterachsübersetzungen herrühren, zusammen mit einer Linie konstanter Motorleistung. Man erkennt sofort, dass man durch die höhere Gesamtübersetzung bei reduzierter Drehzahl und erhöhter Last in ein Gebiet niedrigeren spezifischen Verbrauchs vorstößt. Das Gleiche ist in der rechten Bildhälfte für zwei unterschiedliche Hubvolumina verdeutlicht. Bei einer Verkleinerung des Hubvolumens wird der Betriebspunkt zu einer höheren
Bild 17-2 Möglichkeiten der Betriebspunktverlagerung
564 17 Fahrzeugdieselmotoren Last, d. h. in einen Bereich mit besserem Motorwirkungsgrad, gelegt. Bei leistungsgleichen, aber im Hubraum verschieden bemessenen Motoren kann die Verschiebung zu einer beträchtlichen Verbrauchssenkung führen, wie das eingetragene Beispiel für den Übergang vom 2,5 dm³ freisaugenden auf einen 1,6 dm³ turboaufgeladenen Dieselmotor zeigt. Danach reduziert sich der Fahrzeugverbrauch ohne Beeinträchtigung der Fahrleistung um 16%. Ein weiterer vorteilhafter Effekt – nämlich eine Emissionsreduktion – resultiert im niedrigen Teillastgebiet aus der Verringerung des Massendurchsatzes infolge des kleineren Hubvolumens, da die Gesamtemission ein Produkt aus Massendurchsatz und Konzentration ist. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit als Maß für die Schnellläufigkeit liegt für PkwDieselmotoren in einem Bereich von 13 bis 15 m/s. Sie steht in enger Beziehung zu der maximalen Drehzahl des Motors. Die Wahl der maximalen Motordrehzahl hat wiederum weitgehende Konsequenzen auf die Auslegung des Antriebsstranges. Zur Erläuterung dient Bild 17‑3, in dem die dimensionslosen Motorkennfelder für zwei Motoren mit hoher und niedrigerer Nenndrehzahl dargestellt sind. Die relative Verkleinerung des für den Fahrbetrieb nutzbaren Drehzahlbereiches bei niedriger Nenndrehzahl macht entweder eine weitere Übersetzungsstufe (6. Gang) oder in den niedrigen Gängen sehr weit gespreiztes Getriebe notwendig.
17.1.3.2
Gemischbildungs- und Verbrennungsverfahren
Im Hinblick auf die hohe Motordrehzahl und die damit verbundene sehr kurze Zeitspanne für den Arbeitsprozess ist das Gemischbildungs- und Verbrennungsverfahren bei PkwDieselmotoren von zentraler Bedeutung. Durch das jeweils gewählte Verfahren werden die Drehzahlgrenze, der Kraftstoffverbrauch, die Abgaszusammensetzung und das Verbrennungsgeräusch bestimmt. Dabei sind die für große und langsam laufende Motoren entwickelten Systeme auf PkwDiesel nicht übertragbar: Einerseits ist die Anordnung der Ventile und der Düse bei kleinen Zylindereinheiten nach dem Schema der geometrischen Ähnlichkeit nicht realisierbar, andererseits reicht die geringe Gemischbildungsintensität wegen des Zündverzuges bei hoher Drehzahl nicht aus, um die Verbrennung rechtzeitig zu beenden. Nachdem über lange Jahre für die Pkw‑Anwendungen ausschließlich die sog. Nebenkammerverfahren (Zweikammerverfahren) – dezentral angeordnete Wirbelkammer oder zentrale Vorkammer – dominierten, hat sich das Bild in den letzten zehn Jahren in Gänze gewandelt. Mit der Verfügbarkeit moderner Hochdruckeinspritzsys teme hat sich die Direkteinspritzung innerhalb weniger Jahre rasant durchgesetzt. Neben dem Hauptmotivator – dem im Vergleich zu Nebenkammerverfahren um ca. 15% besseren Wirkungsgrad – haben diese modernen Direkteinspritzbrennverfahren auch deutliche Vorteile bezüglich Leis tungsdichte und Niedrigstemissionen. Wegbereiter für die
Bild 17-3 Einfluss des nutzbaren Drehzahlbereichs auf die Getriebeauslegung
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 565 Umsetzung dieser hocheffizienten sauberen und leistungsstarken Pkw‑Direkteinspritzmotoren war zweifellos die Entwicklung von hochflexiblen Hochdruckeinspritzsystemen mit Einspritzdrücken von derzeit bis zu 1800 bar (vgl. Abschn. 5.3). Aber auch die deutlich gesteigerte Leistungsfähigkeit des elektronischen Motormanagements stellt einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung dar.
17.1.4
Motorkonzeption
Die wesentlichen Schwerpunkte bei der Konzeption und Entwicklung von Pkw-Dieselmotoren können auf die folgenden Themenfelder zusammengefasst werden: – hochbelastbare, kompakte Grundmotorkonstruktion, – Auslegung der Brennraumform und der Gemischbildungs organe, – Kraftstoffhochdruckeinspritzsystem, – Aufladekonzept und Ladungswechselabstimmung, – elektronisches Motormanagement mit den Schnittstellen zum Fahrzeugbordnetzverbund und – hocheffiziente Abgasnachbehandlung. Nachfolgend werden der Stand der Technik sowie ein Überblick zu den heute gewählten Ausführungsformen dieser Themenfelder dargestellt.
17.1.4.1
Grundmotorkonstruktion
Wie schon erwähnt finden heute Pkw‑Dieselmotoren je nach Fahrzeugsegment in 3-, 4-, 5-, 6-, 8- bis hin zu 10-zylindriger Ausführung Verwendung. Je nach Zylinderzahl und Bauform sind unterschiedliche Trends bei der Grundmotorkonstruktion erkennbar (vgl. Abschn. 8.1 und 8.2). Bei den 3- und 4-Zylindermotoren, die teilweise in sehr kostensensitiven Fahrzeugen eingesetzt werden, kommen daher neben 4-Ventilmotoren immer noch auch eine erhebliche Anzahl von 2-Ventilmotoren und damit unsymmetrischer Brennraumkonfiguration zum Einsatz. Im Motorensegment mit 5 und mehr Zylindern dagegen gibt es praktisch nur noch Vierventilmotoren mit symmetrischer Anordnung von Ventilen und Einspritzdüsen. 3-, 4- und 5-Zylindermotoren werden ausschließlich in Reihenbauweise dargestellt, 8- und 10-Zylindermotoren nur in V-Bauweise. Bei den 6-Zylindermotoren sind sowohl die Reihen- als auch die V-Bauweise vertreten. Welche Bauweise bei 6-Zylindermotoren gewählt wird, hängt wesentlich von zwei Haupteinflüssen ab, zum einem von den Einbaubedingungen in den darzustellenden Fahrzeugen und zum anderen von der Fertigungsstrategie. Der Reihensechszylinder ist technisch die überlegene Lösung, da er neben seinem erst-
klassigen Schwingungsverhalten auch Gewichts- und Kostenvorteile aufweist. Zusätzlich dazu hat er deutliche Vorteile in der Anordnung der luft- und abgasführenden Bauteile. Andererseits ist die gegenüber V6-Motoren größere Motorbaulänge für viele Fahrzeughersteller ein Hinderungsgrund die Reihenbauweise anzuwenden. Vielfach mitentscheidend ist auch der ideale Fertigungsverbund. Hier ist vom Hersteller zu entscheiden, ob sich bezüglich Gesamtkostenoptimum und der erforderlichen Stückzahlflexibilität eine Verbundfertigung zwischen Reihe 4- und Reihe 6-Zylindermotor oder aber zwischen V6- und V8-Motor besser darstellt. Ein weiterer entscheidender Faktor für die Grundmotorkonzeption ist die angestrebte Positionierung des Motors. Werden für Einstiegssegmente die Motoren für maximale Brennraumdrücke bis zu 150 bar ausgelegt, so sind die Anforderungen im Premiumsegment mit einer Auslegung bis zu 180 bar deutlich anspruchsvoller. Dies hat Auswirkungen auf die Bauteilausführung, aber auch auf die zu wählenden Materialien und Fertigungsverfahren. Die Kernkomponenten stellen das Kurbelgehäuse und der Zylinderkopf dar. Während für den Zylinderkopf durchgängig nur noch einteilige Zylinderköpfe aus Aluminiumlegierungen verwendet werden, ist das Spektrum der technischen Lösungen beim Kurbelgehäuse noch deutlich breiter. Dieses reicht von Kurbelgehäusen aus Aluminiumdruckguss für kleine, spezifisch nicht sehr hoch beanspruchte Motoren über normalen Grauguss, hochbelastbaren Vermikulargrauguss bis hin zu hochfesten Aluminiumspeziallegierungen, die im Schwerkraftguss mit nachträglicher Wärmebehandlung hergestellt werden und zunehmend mehr im Premiumsegment zum Einsatz kommen. Bild 17‑4 zeigt die konstruktive Ausführung für solch ein High‑End‑Aluminiumkurbelgehäuse für einen R6- und einen V8-Zylindermotor. Die Abdichtung zwischen Zylinderkopf und Kurbelgehäuse stellte lange Zeit die Limitierung bezüglich der realisierbaren maximalen Brennraumdrücke dar. Durch den Ersatz der früher üblichen Weichstoffdichtungen durch mehrlagig ausgeführte Stahldichtungen konnte ein Quantensprung bezüglich der Abdichtsicherheit erreicht werden. Die hohen Spitzendrücke stellen auch hohe Anforderungen an die Komponenten des Kurbeltriebs. So werden fast ausschließlich hochbelastbare geschmiedete Stahlkurbelwellen eingesetzt. Die Pleuel werden i. d. R. an der Kurbelwellenlagerstelle in gecrackter Ausführung angewandt. Das kleine Pleuelauge wird sehr oft in Trapezform ausgeführt um einerseits eine optimale Einbindung in die Kolbenkontur zu erreichen und andererseits an der höher belas teten unteren Lagerhälfte eine möglichst große Lagerfläche zu erzielen. Die Kolben sind durchgängig aus hochbelastbaren Aluminiumlegierungen (vgl. Abschn. 8.6). Eingegos-
566 17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-4 Aluminium-Kurbelgehäuse für hochbelastete Dieselmotoren
sene Ringträger sowie Kühlkanäle sind ebenfalls Standard. Bild 17‑5 zeigt beispielhaft den Kolben-Pleuelverband für eine hoch belastete Anwendung. Nachdem die Erwartungen an den Vibrations- und Schwingungskomfort bei Pkw‑Dieselfahrzeugen mittlerweile ein ähnlich hohes Niveau wie für Ottofahrzeuge erreicht haben, setzten sich Massenausgleichssysteme bei Reihenvierzylinder- und V6‑Motoren zunehmend durch. Bei den Reihenvierzylindermotoren werden dabei fast durchgängig sog. „add-on“-Systeme eingesetzt. Dabei handelt es sich um zwei in der Ölwanne angeordnete, von der Kurbelwelle über Kette oder Zahnräder angetriebene gegenläufig rotierende Ausgleichswellen. Vorteil dieser „add-on“Lösungen ist der modulare Aufbau des Motors, sodass auf sehr einfache Weise auf einer Fertigungslinie Motoren mit und ohne Ausgleichswellen – je nach Anforderung an den Schwingungskomfort in den verschiedenen Fahrzeuganwendungen – produziert werden können. Ein Beispiel einer solchen Ausgleichswelleneinheit zur Reduzierung der Massenkräfte zweiter Ordnung wird in Bild 17‑6 gezeigt. Bei V6-Motoren kommt eine Ausgleichswelle zum Einsatz, diese ist normalerweise im Kurbelgehäuse integriert. Der Steuerungsantrieb erfolgt entweder über wartungsfreie Kettenantriebe oder aber durch hochfeste Zahnriemen. Der Antrieb über Kette bietet neben der Wartungsfreiheit auch das Potential an der Motorrückseite angeordnet zu werden. Diese in ersten Anwendungen schon am Markt
befindliche Lösung hat den Vorteil, dass der Nockenwellenantrieb nahe am Schwingungsknoten der Kurbelwelle liegt und daher die Drehungleichförmigkeit deutlich geringer ist als am vorderen Kurbelwellenende. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, die Motorhöhe im vorderen Bereich zu reduzieren und damit mehr Freiraum für das Vorderwagendesign zu erhalten. Im Hinblick auf möglichst geringe Reibleistungsverluste werden die Ventile bei der Mehrzahl der Pkw‑Dieselmotoren über rollengelagerte Schlepphebel betätigt, siehe Bild 17‑8. Die Nebenaggregate wie Wasserpumpe, Generator, Lenkhilfepumpe und Klimakompressor werden meistens über einen am vorderen Ende des Motors angeordneten Poly‑V‑Riemen angetrieben. Für Fahrzeuge mit gehobenen Komfortansprüchen erfolgt dies mit einer im Drehschwingungsdämpfer integrierten entkoppelten Riemenscheibe. In Bild 17‑7 ist ein Beispiel für einen modernen Drehschwingungsdämpfer mit entkoppelter Riemenscheibe für einen Sechszylindermotor im Schnittbild dargestellt. Bild 17-8 zeigt einen Querschnitt durch einen aktuell ausgeführten 4-Zylinder-Direkteinspritz-Dieselmotor.
17.1.4.2
Brennraum und Gemischbildung
Die optimale Brennraum‑Konfiguration für einen modernen Pkw-Direkteinspritzdieselmotor ist die vollkommen
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 567
Bild 17-5 Konstruktive Ausführung KolbenPleuelverband
Bild 17-7 Drehschwingungsdämpfer mit integrierter entkoppelter Riemenscheibe
Bild 17-6 Ausgleichswelleneinheit für 4‑Zylindermotor
568 17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-8 Motorquerschnitt
symmetrische Anordnung des Injektors und der Brennraummulde im Kolben. Dies ist natürlich nur bei einer Ausführung mit vier Ventilen geometrisch möglich. Die Einlasskanale werden aus dem Luftsammler heraus getrennt zum Zylinderkopf geführt. Dies ermöglicht den Einsatz einer Kanalabschaltung, d. h. dass in bestimmten Kennfeldbereichen ein Kanal über i. d. R. stufenlos verstellbare Klappen ganz oder teilweise verschlossen werden kann. Die bei Direkteinspritz‑Dieselmotoren für eine optimale Gemischbildung sehr wichtige, gerichtete Luftbewegung im Brennraum, der Drall, kann damit gezielt für den jeweiligen Betriebsbereich eingestellt werden. Die Auslasskanäle sind meistens in Zwillingsausführung dargestellt, d. h. die Zusammenführung erfolgt bereits innerhalb des Zylinderkopfes. Zweiventilmotoren haben insbesondere bezüglich der erreichbaren Zylinderladungsbewegung deutlich geringere Freiräume, sodass diese heute nur mehr in den unteren Leistungsklassen bei kostensensitiven Motoren eingesetzt werden. Zusätzlich zu den Ventilen und dem Einspritzinjektor ist die Anordnung einer Glühkerze (vgl. Kap. 12) im Brennraum erforderlich. Neben der ursächlichen Aufgabe, im Kaltstartfall den für einen sicheren Kaltstart notwendigen „Hotspot“ im Brennraum darzustellen, wird die Glühkerze zunehmend auch während des Motorbetriebs beheizt um betriebspunktabhängig den Verbrennungsablauf im Hinblick auf das Geräusch- und Emissionsverhalten positiv zu beeinflussen. Die Leistungsfähigkeit der Glühsysteme konn-
te dabei in den letzten Jahren massiv gesteigert werden. Waren früher Vorglühzeiten im Kaltstartfall von bis zu 20 Sekunden keine Seltenheit bewegen sich heute die erforderlichen Glühzeiten auch bei sehr tiefen Außentemperaturen unter 5 Sekunden. Bild 17‑9 zeigt beispielhaft die Charakteristik eines modernen Spontanglühsystems. Der Kraftstoff wird über die Einspritzdüse betriebspunkt abhängig mit verschiedenem Einspritzdruck und aufgeteilt in derzeit bis zu fünf Einzeleinspritzungen pro Verbrennungsvorgang eingespritzt. Üblich sind dabei Einspritzdüsen mit sechs bis acht Düsenlöchern je nach Anwendung. In Bild 17‑10 ist beispielhaft die Brennraumkonfiguration für einen Vierventilmotor gezeigt.
17.1.4.3
Hochdruckeinspritzung
Mit dem Durchbruch der Direkteinspritzung auch im Diesel‑Pkw‑Bereich hatten sich drei unterschiedliche Hochdruckeinspritzsysteme etabliert (vgl. Kap. 5 und 6). Neben dem mittlerweile dominanten Common Rail-System waren dies noch die Hochdruckverteilerpumpe und das Pumpe‑ Düse-System. Während die Verteilerpumpe und das Pumpe‑Düse-System zu den nockenbetriebenen Systemen zählen, bei denen die Druckerzeugung direkt an die Motordrehzahl und die Kurbelwellenposition gekoppelt ist, ermöglicht das Common Rail System eine völlig freie Wahl des Einspritzdruckes und des Zeitpunktes der Einzeleinspritzungen, unabhängig von Drehzahl und Kurbelwellenstellung.
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 569
Bild 17-9 Spontanglühtechnologie
Bild 17-10 Brennraumkonfiguration 4-Ventilmotor
Durch die steigenden Anforderungen bezüglich des Akus tik- und Schwingungsverhaltens, der erforderlichen weiteren Reduzierung der Abgasemissionen und des Verbrauches sowie der Notwendigkeit den reibungslosen Betrieb komplexer Abgasnachbehandlungssysteme mit verschiedenen Einspritzstrategien zu unterstützen, hat infolge dieser Systemflexibilität das Common Rail-System immens an Bedeutung gewonnen.
Die Hochdruckverteilereinspritzpumpe und das PumpeDüse-System werden praktisch nicht mehr appliziert und laufen für Pkw‑Anwendungen aus. Die Kernkomponenten des Common Rail-Systems haben zudem deutlich geringere Wechselwirkungen auf die Motorgrundkonstruktion und lassen sich sehr flexibel in unterschiedliche Motorausführungen integrieren. Beispielhaft ist die Anordnung der Hochdruckpumpe mit Antrieb über die Steuerkette, das Rail mit integriertem Drucksensor sowie dem Druckregelventil, der im Zylinderkopf positionierten Injektoren sowie der dazugehörigen Hochdruckleitungen für einen Reihensechszylinder- sowie einen V8‑Motor in Bild 17‑11 dargestellt. Der heute in Pkw-Dieselmotoren verwendete Druckbereich reicht von 250 bar im leerlaufnahen Bereich bis zu 1800 bar im Nennleistungsbereich. Die Anzahl der verwendeten Einzeleinspritzungen pro Verbrennungsvorgang reicht von einer Blockeinspritzung bis zu fünf Einspritzereignissen. Während die der Haupteinspritzung vorgelagerten Piloteinspritzungen i. d. R. der Absenkung des Verbrennungsgeräusches dienen, werden Nacheinspritzungen zur Unterstützung des jeweils verwendeten Abgasnachbehandlungssystems eingesetzt.
17.1.4.4
Aufladung und Ladungswechsel
Neben der Hochdruckeinspritzung hat die Aufladung wesentlich zur heutigen starken Marktposition von Pkw‑Dieselmotoren beigetragen (vgl. Kap. 2). Durch die begrenzte Hochdrehzahlfähigkeit und die Notwendigkeit des Magerbetriebs ist ein ausreichendes Frischluftangebot die Grund-
570 17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-11 Anordnung Common Rail Einspritzkomponenten
voraussetzung für eine adäquate Leistungsausbeute. Zudem ist das dieselmotorische Prinzip prädestiniert für Aufladung. Durch die innere Gemischbildung und die Selbstzündung sind auch hohe Aufladegrade problemlos darstellbar. Dies hat dazu geführt, dass heute der freisaugende Dieselmotor im Pkw praktisch vom Markt verschwunden ist. Dominierend am Markt sind Abgasturbolader mit variab ler Turbinengeometrie. Bild 17‑12 zeigt ein Schnittmodell eines ausgeführten Aggregates mit elektrischer Verstelleinrichtung des turbinenseitigen Leitapparates. Mit diesen Turboladern ist die bei Pkw‑Motoren notwendige große Drehzahlspanne mit sehr guten Turbinen- und Verdichterwirkungsgraden darstellbar. Zusätzlich kann der Leitapparat in der Teillast geschlossen und durch den dabei erhöhten Abgasgegendruck das Spülgefälle zwischen Abgaskrümmer und Frischluftseite zugunsten einer höheren Abgasrückführrate deutlich erhöht werden. Da die Abgasrückführung eine der wirksamsten NOx-Reduktionsmaßnahme bei Dieselmotoren ist, liefert diese Technologie auch einen erheblichen Beitrag zur Umweltverträglichkeit der Dieselmotoren.
Bild 17-12 Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 571
Bild 17-13 Zweistufige Abgasturboaufladung
Der Einsatz von Festgeometrieturbinen mit Wastegate‑Regelung nimmt daher zunehmend ab und ist heute auf das Segment der Einstiegsmotorisierungen beschränkt. Im Topsegment wird dagegen zunehmend versucht die Aufladegrade weiter zu steigern. Die damit einhergehende Steigerung der spezifischen Leistungsausbeute ermöglicht hohe Potenziale zum Downsizing und wird dadurch weitere Beiträge zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Abgasemissionen leisten. Eine viel versprechende Technologie dazu stellt die zweistufige Abgasturboaufladung dar, die bereits in ersten Serienanwendungen eingesetzt wird. Bild 17‑13 zeigt das Schnittbild einer solchen Anwendung, bei der zwei hinter einander geschaltete, unterschiedlich große Turbolader für hohe Ladedrücke im unteren Drehzahlbereich und zugleich für hohe spezifische Leistungsausbeute im Nennleistungsbereich sorgen. Auch die sequentiell geschaltete Registeraufladung mit zwei gleichgroßen Turboladern ist bereits in einer ersten Serienanwendung auf dem Markt. Eine Basistechnologie bei allen aufgeladenen Pkw‑Dieselmotoren stellt die Ladeluftkühlung dar, dabei wird die Luft/ Luft‑Kühlung bevorzugt verwendet. Für schwierige Packagebedingungen wird aber auch fallweise auf die etwas aufwändigere Wasser/Luft-Ladeluftkühlung zurückgegriffen. Diese erfordert aber neben dem normalen Kühlmittelkreislauf noch einen zusätzlichen Niedertemperaturkreislauf um die angestrebten niedrigen Ladelufttemperaturen bei allen Fahrzuständen sicher zu erreichen.
17.1.4.5
Elektronisches Motormanagement
Neben den entscheidenden Verbesserungen, die bei der Belastbarkeit der Motoren und den Einspritz- und Aufladetechnologien erreicht wurden, haben natürlich auch die großen Fortschritte in der Elektronik maßgeblich zum Durchbruch des Dieselmotors als Antrieb für Pkw beigetragen (vgl. Kap. 6). Seit der Erstanwendung von vollelektronisch geregelten Dieselmotoren 1988 hat sich die Leistungsfähigkeit der Motorsteuergeräte und auch die in ihnen enthaltene Funktio nalität vervielfacht. Zusätzlich zur ehemaligen Kernaufgabe, kennfeldbezogen die richtige Einspritzmenge zum richtigen Zeitpunkt zuzumessen, übernehmen die Motorsteuergeräte heute vielfältige Aufgaben im immer komplexer werdenden Fahrzeugbordnetzverbund. Die Funktionsarchitektur eines Pkw’s ist dabei hierarchisch strukturiert. Als oberste Ebene fungiert ein Fahrzeugkoordinator, der die Fahrzeugbewegung, den gesamten Antriebsstrang, die Karosseriefunktio nen und das elektrische Bordnetz kontrolliert. Für den Antriebsbereich kommt dabei in vielen Fällen ein eigenes Bus-System, der Powertrain-CAN, zum Einsatz. Auf diesem Powertrain-CAN kommunizieren das Motor- und Getriebesteuergerät und die Fahrdynamikregelsysteme. Bild 17‑14 zeigt schematisch den momentenbasierten Bordnetzverbund. Systemkomponenten wie z. B. die Klimaanlage oder der Generator kommunizieren mit den Systempartnern über genau definierte physikalische Schnittstellen. Neben der dadurch möglichen exakten, bedarfsorientierten dreh-
572 17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-14 Bordnetzverbund
momentorientierten Steuerung des Antriebsstranges ist der modulare Aufbau dieser Bordnetzarchitekturen sehr vorteilhaft. Einzelne Komponenten können für verschiedene Motor- oder Getriebevarianten sehr einfach ausgetauscht werden. Für die wesentlichen, verbrennungsrelevanten Parameter des Einspritzsystems und auch des Luftsystems werden vielfach standardisierte Abgleichfunktionen und zunehmend auch selbst lernende Abgleiche eingesetzt. So wird jeder Einspritzinjektor am Ende seines Produktionsprozesses in definierten Betriebspunkten exakt vermessen und die Ergebnisse in einem Data-Matrix-Code auf dem Injektor dokumentiert. Im Zuge der „Verheiratung“ des Steuergerätes mit dem fertigen Motor werden dann die Daten jedes einzelnen Injektors eingelesen und im Steuergerät mit einem Korrekturwert belegt. Ein weiteres Beispiel stellt der im Betrieb selbst lernende Abgleich des Luftmassenmessers für die Erfassung der in den Zylinder eingebrachten Luftmasse dar. Mit den Größen Drehzahl, Ladedruck und Lufttemperatur wird regelmäßig in quasistationären Betriebszuständen aus
der Gasgleichung eine vom Luftmassenmesser unabhängige Luftmasse ermittelt und die über der Fahrzeuglebensdauer unvermeidbare Signaldrift des Luftmassenmessers durch die Software korrigiert.
17.1.4.6
Abgasnachbehandlung
Mit den steigenden Anforderungen im Hinblick auf minimale Abgasemissionen hat auch bei den Dieselfahrzeugen die Abgasnachbehandlung immens an Bedeutung gewonnen (vgl. Abschn. 15.5). Neben der konsequenten Optimierung des Verbrennungsprozesses auf niedrigste Rohemissionen sind dabei als wichtige Technologien eine hochwirksame gekühlte Abgasrückführung, ein möglichst motornah angeordneter Oxidationskatalysator, der Partikelfilter und ein NOx‑Reduktionssystem anzusehen. Bei der Abgasrückführung wird dabei ein Teil des Abgases vor dem Abgasturbolader abgezweigt und über einen in den Kühlmittelkreislauf eingebundenen Abgas-/Wasserwärmetauscher wieder der Ansaugluft zugeführt.
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 573 Durch diesen teilweisen Ersatz der Frischluftmasse durch rückgeführtes Abgas kann die Stickoxidemission erheblich gesenkt werden. Die Zumessung der Abgas‑Rückführmenge erfolgt i. d. R. über ein von der Motorsteuerung geregeltes, pneumatisch oder elektrisch betätigtes Rückführventil. Die Abgasrückführung gehört streng genommen zu den innermotorischen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung. Die eigentliche Abgasnachbehandlung selbst erfolg dann entweder nur mittels Oxidationskatalysator oder einer Kombination von Oxidationskatalysator und Partikelfilter und gegebenenfalls eines DeNOx‑Systems Obwohl die derzeit gültigen EU4-Emissionsgrenzwerte in vielen Motor-/Fahrzeugkombinationen auch ohne Partikelfilter unterschritten werden können, setzen die meisten Hersteller inzwischen auch den Partikelfilter ein. Als Oxidationskatalysatoren kommen platinbeschichtete Substrate aus Corderit oder Metallfolien zum Einsatz. Nahezu alle heute eingesetzten Partikelfilter haben dagegen ein Substrat aus dem deutlich temperaturbeständigeren Silizium karbid. Während der Oxidationskatalysator i. d. R. kontinuierlich arbeitet benötigt der Partikelfilter eine diskontinuierliche Betriebsstrategie. Im normalen Motorbetrieb werden die Rußpartikel aus dem Abgas abgeschieden und im Partikelfilter eingelagert. Je nach Beladungszustand des Filters muss dann von Zeit zu Zeit eine aktive Regeneration, das heißt ein gezielter Abbrand der im Filter angesammelten Rußmasse, erfolgen. Um die Regeneration durchzuführen wird über eine geänderte Betriebsstrategie temporär die Abgastemperatur des Motors über die Rußzündtemperatur angehoben. Dies geschieht in erster Linie durch den Einsatz
einer späten Nacheinspritzung in Kombination mit einer Ansaugluftdrosselung. Die zu treffenden Maßnahmen sind über das Motorkennfeld hinweg unterschiedlich und müssen sorgfältig ausgewählt und abgestimmt sein. Zusätzlich sind Maßnahmen notwendig um auch die Zündwilligkeit der eingelagerten Partikel zu verbessern. Dies wurde bei der ersten Generation von Partikelfiltern durch die Zugabe eines Additivs zum Kraftstoff erreicht. Die Partikelfilter der zweiten Generation dagegen verzichten auf diese Additivierung. Bei ihnen schafft eine katalytische Beschichtung, direkt auf dem Partikelfiltersubstrat, ausreichend gute Zündbedingungen. Entscheidend für ein sicheres Betriebsverhalten der Partikelfilter ist eine optimale Beladungs- und Regenerationsstrategie. Im Motorsteuergerät wird während des Motorbetriebs kontinuierlich mittels eines Beladungsmodells die aktuelle Rußmasse im Filter errechnet. Sind etwa 70% der Beladungskapazität erreicht, wird begonnen, bevorzugt bei günstigen Temperaturbedingungen (hohe Drehzahl, hohe Motorlast), die aktive Regeneration einzuleiten. Zusätzlich zum Beladungsmodell wird der Abgasgegendruck permanent überwacht, überschreitet dieser bestimmte Limits, wird ebenfalls eine aktive Regeneration eingeleitet. Die üblichen Regenerationsintervalle betragen je nach Fahrkollektiv bei additivgestützten Systemen zwischen 300 und 800 km, bei katalytisch beschichteten Partikelfiltern zwischen 500 und 2000 km. Um beste Regenerationsbedingungen zu erreichen ist eine motornahe Anordnung des Partikelfilters vorteilhaft. Bild 17‑15 zeigt eine „closed-coupled“-Anordnung bei der der Oxidationskatalysator, beschichteter Partikelfilter sowie
Bild 17-15 „Closed‑coupled“-Partikelfilter
574 17 Fahrzeugdieselmotoren die zugehörige Sensorik für Druck, Temperatur und Luft überschuss (8-Sonde) in einem Gehäuse kombiniert sind.
17.1.5
Betriebsverhalten
17.1.5.1
Kraftstoffverbrauch und CO2
Während die energiepolitische Diskussion um bessere Effi zienz bei der Nutzung der fossilen Energieträger vor allem von der Sorge um die Erschöpfung der Erdölvorräte geprägt war, ist sie heute zusätzlich von der Gefahr einer möglichen globalen Klimaveränderung durch Kohlendioxid-Emis sionen (CO2) bestimmt. Da Kohlendioxid das Endprodukt jeder Kohlenstoffverbrennung ist, steht der Kraftstoffverbrauch in unmittelbarem Zusammenhang mit der CO2‑Emission und ist somit – neben der Abgasemission – der wichtigste umweltrelevante Faktor. Der Kraftstoffverbrauch eines Pkw wird von einer Vielzahl von Einflussfaktoren bestimmt, die nicht allein mit dem Motor in Beziehung stehen. Diese sind: – die Gesamtmasse sowie der Luft- und Rollwiderstand des Fahrzeuges, – die Betriebspunktlage im Motorkennfeld, die sich in Abhängigkeit der Auslegung des Antriebsstranges und des Hubvolumens ergibt, – der Leistungsbedarf der Hilfsaggregate für das Fahrzeug (Generator, Lenkhilfepumpe, Klimakompressor, Unter druckpumpe) und – die Fahrbedingungen, Verkehrsführung und individuelle Fahrweise. Die Energieeffizienz des Dieselmotors wird durch die Höhe des spezifischen Kraftstoffverbrauchs im Minimum, d. h. durch den maginalen effektiven Wirkungsgrad im Bestpunkt des Verbrauchskennfeldes, pauschal charakterisiert. Die Größe des Bestwirkungsgrades hängt hauptsächlich von der Wahl und der Optimierungsgüte des Verbrennungsverfahrens und der Motorreibung ab. Die besten Verbrauchswerte liegen für direkteinspritzende Pkw‑Dieselmotoren bei ca. 200 g/kWh. Diese entsprechen einem effektiven Wirkungsgrad von bis zu 44%. Ein Mehrverbrauch entsteht während der Warmlaufphase als Folge der ungünstigen Gemischbildung und der erhöhten Reibung. Aus diesem Grund wird bei der Optimierung auch die Warmlaufphase berücksichtigt. Im Hinblick auf einen guten Kraftstoffverbrauch im Fahrzeug wird eine Ausdehnung der wirkungsgradgünstigen Bereiche angestrebt. Seit Anfang 1996 wird der Kraftstoffverbrauch in einem neuen europäischen Testzyklus (MVEG-A) ermittelt. Dieser kombinierte Zyklus besteht aus einem Stadtanteil (ECE) und
einem außerstädtischen Zyklus (EUDC). Aus dem Summenverbrauch wird ein durchschnittlicher Wert in l/100 km berechnet. In den USA ist der Kraftstoffverbrauch in mpg (miles per gallon, Umrechnung: 23,5 mpg = 10 Liter/100 km) angegeben und in Form des Flottenverbrauchs limitiert. Er ergibt sich aus den stückzahlgewichteten Reichweiten per Gallone der Fahrzeuge eines Herstellers. Bild 17‑16 zeigt die CO2–Emission im neuen europäischen Testzyklus über der Fahrzeugmasse für moderne Diesel‑Pkw im Vergleich zu Ottomotoren. Der Vorteil des Diesel‑Pkw beträgt gegenüber Ottomotoren ca. 15 bis 25%. Aufgrund der höheren Dichte des Dieselkraftstoffes liegt der Verbrauchsvorteil demzufolge zwischen 25 und 35% zuguns ten des Diesel‑Pkw. Ein zusätzlicher CO2-Emissionsvorteil für Dieselkraftstoff in Höhe von 6% resultiert aus allen energieverbrauchenden Prozessen von der Förderung bis zum Endverbrauch.
17.1.5.2
Abgasemission
Im Bemühen, die Luftqualität zu verbessern, wurden in den letzten Jahren deutliche Fortschritte auch bei der Reduzierung toxikologisch bedenklicher Emissionen erzielt. Der Dieselmotor hat von Natur aus sehr niedrige Emissionen an Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffen (HC) und Stickoxiden (NOx) (vgl. Kap. 15). Durch den Einsatz modernster Hochdruckeinspritzsys teme, der Hochaufladung und hochwirksamer Abgasrückführsysteme konnten diese in den letzten zehn Jahren weiter massiv abgesenkt werden. Der zusätzliche Einsatz von Oxidationskatalysatoren und des Partikelfilters haben dazu geführt, dass der moderne Diesel‑Pkw bezüglich CO, HC und Partikelemission praktisch an der Nachweisbarkeitsgrenze liegt. Einzig bei der NOx-Emission liegt der Dieselmotor prinzipbedingt noch über dem Ottomotor, welche aber durch in naher Zukunft einzuführende DeNOx‑Systeme deutlich reduziert wird. In Bild 17-17 sind anhand der Grenzwertentwicklung in Europa für Partikel- und NOx-Emissionen die deutlichen Verbesserungen ausgehend von EU1 bis zur Grenzwertstufe EU5 dokumentiert.
17.1.5.3
Leistungsverhalten
Die Fahrleistung eines Personenkraftwagens wird nach den Kriterien des quasistationären und instationären Betriebes beurteilt. Die quasistationären Fahreigenschaften, wie Anfahrbeschleunigung, Elastizität, Höchstgeschwindigkeit und Steigfähigkeit am Berg, werden von der Höhe der Nennleistung
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 575
Bild 17-16 CO2 Emissionen von Pkw
Bild 17-17 Entwicklung Emissionsniveau in Europa
576 17 Fahrzeugdieselmotoren und des maximalen Drehmomentes sowie der Volllastcharakteristik, d. h. vom Verlauf des Drehmomentes über der Drehzahl, maßgebend beeinflusst. Das Ansprechen auf eine geforderte Last- und Drehzahländerung (Ansprechverhalten) ist hingegen von jenen Trägheiten abhängig, die in der Form von Massenträgheitsmoment, Massenspeicher (Füllen und Entleeren) und thermi schen Speichern im System enthalten sind. Pkw‑Dieselmotoren erfuhren in den letzten zehn Jahren durch die Einführung der Direkteinspritzung, Hochaufladung und Elektronik eine deutliche Leistungssteigerung, die es ermöglichte, sich in nahezu allen Fahrleistungskriterien über die der Pkw‑Ottomotoren zu positionieren. Dies gilt insbesondere für das im alltäglichen Praxisbetrieb entscheidende Durchzugspotential aus niedrigen und mittleren Drehzahlen heraus. Zum Vergleich der Leistungsdichte der Motoren wird als Maß die Literleistung als Kennzahl verwendet. Dieser Wert ist das Verhältnis der maximalen Leistung zum Hubvolumen. Die Werte heutiger Dieselmotoren reichen von ca. 30 kW/dm3 bei Einstiegsmotorisierungen bis zu 70 kW/dm3 im oberen Premiumsegment. Eine sehr wichtige Kennzahl stellt auch das Leistungsgewicht dar. Liegen heute die besten Dieselmotoren schon nahe an dem auch für Ottomotoren guten Wert von 1,0 kg/kW ist zu erwarten, dass diese „Schallmauer“ demnächst von den ersten Pkw‑Dieselmotoren durchbrochen werden wird.
17.1.5.4
Komfort
Fahr-, Akustik-, Klima- und Bedienungskomfort sind primär fahrzeugbezogene Eigenschaften, die vom Motor jedoch entscheidend beeinflusst werden. Der Komfortaspekt findet in Anbetracht des hohen Standards bei Personenkraftwagen auch bei Pkw-Dieselmotoren schwerpunktmäßig Berücksichtigung. Demzufolge ist die Dieseltechnologie bezüglich Komfortgüte derart ausgereift, dass sie in Europa als Antriebskonzept in den gehobenen Fahrzeugklassen bereits dominiert. Der Fahr- und Akustikkomfort wird primär durch den Motor als Hauptschwingungserreger und Geräuschquelle geprägt (vgl. Kap. 16 und Abschn. 18.2). Die Schwingungsanregung resultiert aus dem Vorgang der Verbrennung und des Ladungswechsels sowie aus den oszillierenden Hubkolbenbewegungen und der Rotation der Kurbel- und Nockenwelle. Abhängig von der Schwingungsquelle spricht man von Verbrennungs- und mechanischem Geräusch. Das Verbrennungsgeräusch ist im rapiden Druckanstieg und Druckabfall im Zylinder begründet. Zylinderkopf, Kurbelgehäuse und Kurbeltrieb erfahren hierdurch stoßartige Anregungen, die Schwingungen verursachen und Luftschall
abstrahlen. Für das mechanische Motorgeräusch sind die periodisch auftretenden Wechselkräfte im Triebwerk verantwortlich. Alle anderen, am Antrieb beteiligten Komponenten, wie Getriebe, Antriebswelle, Differentialgetriebe und Nebenaggregate sowie Ansaug- und Abgasanlage, gelten als Körperschallbrücken zur Fahrzeugkarosserie oder/ und als Luftschallabstrahler. Um guten Fahr- und Akustikkomfort zu erreichen, sind gezielte Eingriffe im Schwingungserreger und im Übertragungsmechanismus erforderlich. Die aktiven motorseitigen Maßnahmen sind u. a. auf die Verringerung der oszillierenden Massen (Kolben-, Kolbenbolzen- und Pleuelmasse) und des Laufspiels zwischen Kolben und Zylinderwand ausgerichtet. Optimierter Massenausgleich, hohe Kurbelwellensteifigkeit bezüglich Biegung, direkte Anordnung der Hauptlager an der Kröpfung sowie ausreichende Steifigkeit der Lagergasse und Entkoppelung zur tragenden Motorstruktur führen zu einer Begrenzung des Schwingungspegels auf ein akzeptables Niveau. Ebenfalls sind Vorkehrungen im Ventiltrieb zu treffen. Durch Öffnen und Schließen der Ventile entstehen Stoßbzw. Massenkräfte beim Ladungswechsel, die sowohl im unteren als auch im oberen Drehzahlbereich schmalbandig eine Schwingungspegelerhöhung verursachen. Zum Abbau dieser Kräfte tragen bei: – geringere Ventilfederkräfte, – leichte Ventile, – Nockenformen mit niedrigen Beschleunigungsspitzen und – steife Nockenwellenträger mit hoher Lagerimpedanz. Alle am Kurbelgehäuse befestigten Hilfsaggregate mit hoher Masse verändern das Schwingungsverhalten des Motors und können eine Schalldruckpegelerhöhung im bestimmten Frequenzbereich bewirken. Um dieser zu begegnen, sind folgende Regeln zu beachten: – kleinstmöglicher Befestigungsabstand zum Kurbelgehäuse, – geringstmögliche Masse der Hilfsaggregate, – sehr steife Halter und – Befestigungsaugen an steifer Stelle des Kurbelgehäuses. Das Ansaugsystem wird über die pulsierende Ansaugluft angeregt. Mit ausreichend großem Volumen des Luftfiltergehäuses (bei Vierzylindermotoren etwa fünffaches Hubvolumen) kann eine hinreichende Dämpfung erzielt werden. Weitere Maßnahmen, wie Anschluss eines zusätzlichen Hohlraumbehälters (Helmholtz-Resonator) oder Resonanzrohres und Anordnung der Ansaugöffnung an einer unempfindlichen Stelle der Karosserie, bringen Abhilfe (vgl. Kap. 13). Passive Maßnahmen sind auf die Unterbrechung der Über-
17.1 Dieselmotoren für Personenkraftwagen 577 tragungswege für die Schwingungsenergie ausgerichtet. Die Entkoppelung von Ventilhaube, Ölwanne und Riemenabdeckungen sowie Einsatz zusätzlicher Abdeckbleche sind wirksame Maßnahmen zur Absenkung der Geräuschemission. Ein Sonderproblem stellen die Rassel- und Klappergeräusche von Fahrzeugen mit Schaltgetrieben dar, die vor allem im unteren Drehzahlbereich bei Teil- und Volllast einschließlich Leerlauf zum Vorschein treten. Das Zweimassenschwungrad ist hierbei eine effektvolle Technik zur Vermeidung dieser Problematik (vgl. Abschn. 8.2). Das Zweimassenschwungrad, aufgebaut aus einem Primärschwungrad kurbelwellenseitig, einem mehrstufigen Torsionsdämpfer und einem Sekundärrad mit Reibungskupplung und starr befestigter Mitnehmerscheibe, wirkt wie ein Tiefpassfilter hinsichtlich der Drehungleichförmigkeiten. Da Resonanzen nur unterhalb der Leerlaufdrehzahl auftreten, können Geräusche nur beim An- und Abstellen des Motors entstehen. Zur Begrenzung des Außengeräusches zeichnet sich der Trend ab, den Motorraum entweder zum Boden hin abzudecken oder schalldicht zu verkapseln. Die Kapselung des Motorraumes kann, je nach Aufwand, eine akustische Reduktion bis zu 12 dB bei Leerlauf und 5 dB bis 7 dB im 2. bzw. 3. Gang gegenüber ungekapselten Fahrzeugen bewirken. Zusätzliche fahrzeugbezogene passive Maßnahmen an der Triebwerkslagerung, wie Hydrolager, und an der Auspuffaufhängung tragen zu besserer Körperschallisolation der Karosse und somit zum guten Schwingungskomfort des Diesel-Pkw bei.
17.1.6
Ausblick
Der moderne Dieselmotor hat sich in Europa mittlerweile vollständig etabliert.
In vielen anderen Märkten außerhalb Europas hat ebenfalls bereits ein signifikantes Wachstum im Diesel-Pkw-Segment begonnen. Andere große Märkte wie z. B. die USA verhalten sich noch abwartend. Nach und nach gewinnt jedoch auch dort das Thema Schonung fossiler Energieressourcen und damit die Forcierung verbrauchsarmer Antriebskonzepte zunehmend an Bedeutung. Bild 17-18 zeigt die weltweiten und europäischen Dieselanteile an der Produktion von Pkw. Technologisch sind noch zahlreiche Potenziale zur weiteren deutlichen Steigerung der Gebrauchseigenschaften von Pkw-Dieselmotoren erkennbar. Die Weiterentwicklung bei Werkstoffen, Herstellverfahren und auch Simulationsmethoden wird es ermöglichen, die Belastbarkeit der Motoren weiter zu steigern. So erscheint heute die Zielsetzung 210 bar maximaler Brennraumdruck, selbst in Kombination mit Leichtmetallkurbelgehäusen zu erreichen, durchaus realistisch. Auch bei den Einspritzdrücken und den Ladedruckniveaus werden weitere, zum Teil erhebliche Steigerungen gelingen. 2000 bar Einspritzdruck werden in absehbarer Zeit auch mit CR‑Systemen erreichbar. Bei der Einspritzpräzision und –flexibilität gibt es durchaus realistische Ansätze für nächste innovative Schritte, z. B. den direktbetätigten Piezo-Einspritzinjektor. Die größte Herausforderung und zugleich auch die Chance den Diesel auch in den USA flächendeckend einsetzen zu können, wird aber in der Entwicklung und serienmäßigen Umsetzung eines hochwirksamen NOxAbgasnachbehandlungssystems liegen. Auch hier liegen bereits durchaus viel versprechende Ansätze und Konzepte in Form der Speicherkat- oder auch der SCR-Technologie vor. Die technische und auch wirtschaftliche Umsetzung dieser Techniken wird aber noch einige Jahre benötigen. Sie wird aber längerfristig dazu führen, dass der Pkw-Dieselmo-
Bild 17-18 Dieselanteile im Pkw‑Segment
578 17 Fahrzeugdieselmotoren tor auch seinen letzten heute noch verbliebenen Nachteil der leicht höheren NOx ablegen wird.
17.2
Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge
17.2.1
Definition „leichte Nutzfahrzeuge“
Aufgrund seiner hohen Zuverlässigkeit und Langlebigkeit ist der Dieselmotor schon immer bevorzugter Antrieb von Nutzfahrzeugen gewesen. Als Antrieb für schwere Lastkraftwagen kommen im europäischen Raum ausschließlich Dieselmotoren zur Anwendung. Inzwischen hat auch auf dem Gebiet leichter Nutzfahrzeuge der Dieselmotor den Ottomotor in Europa weitestgehend verdrängt. Leichte Nutzfahrzeuge prägen das heutige Verkehrsbild maßgeblich mit, da sie insbesondere in Städten und deren Umfeld sowohl zum gewerblichen Nutzen, wie auch in zunehmendem Maß im privaten Bereich, zum Transport von Gütern und Personen auf vielfältige Art eingesetzt werden. Die Europäische Gemeinschaft teilt Straßenfahrzeuge mit Eigenantrieb gemäß Richtlinie 71/320/EWG, je nach Nutzung und Bauart, in drei verschiedene Klassen ein (Tabelle 17-1). Nach dieser Klassifizierung kann man die leichten Nutzfahrzeuge den Klassen M2 , N1 und N2 zuordnen. Dieses entspricht einem zulässigen Gesamtgewicht von maximal 5 t
(M2) für die Personenbeförderung und als Nutzfahrzeug bis 3,5 t der Klasse N1, darüber bis 5 t der Klasse N2 . Die deutsche Straßenverkehrsordnung zählt Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse von 2,8 t bis 7,5 t zu den leichten Nutzfahrzeugen. Es können jedoch auch Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht unter 2,8 t als Lastkraftwagen zugelassen werden, sofern die bauartbedingte Nutzfläche mindestens 50% der Gesamtfläche beträgt. Die Nutzlast dieser Fahrzeuge beträgt bei einer Gesamtmasse von 1,7 t ca. 0,55 t, bei 2,8 t ca. 1 t und bei 3,5 t ca. 1,8 t. Die Bedeutung der leichten Nutzfahrzeuge lässt sich u. a. daran erkennen, dass deren Anteil bei Lastkraftwagen erheblich ist. Die Neuzulassungen der Lastkraftwagen aus dem Jahr 2004 in der Bundesrepublik Deutschland zeigen, dass der Anteil von Nutzfahrzeugen mit einer Gesamtmasse von 1,4 bis 7,5 t ca. 87% beträgt [17-1]. Die Kategorie der Fahrzeuge mit einer Gesamtmasse bis 1,5 t gewinnt zunehmend an Bedeutung. Diese wird hier jedoch nicht näher betrachtet, da sie nahezu ausnahmslos vom Pkw abgeleitet sind. Ebenfalls wird auf die Darstellung der Motorisierung der sog. Off-Road-Fahrzeuge verzichtet, die bzgl. ihrer Motorisierung häufig dem Luxussegment der Pkw-Klasse zuzuordnen sind. Die Einsatzgebiete von leichten Nutzfahrzeugen sind äußerst vielfältig. Die kommerzielle Anwendung dieser Fahrzeuggattung umfasst in erster Linie die Beförderung von Waren im Nahbereich. Darüber hinaus werden sie im
Tabelle 17-1 Klasseneinteilung von Kraftfahrzeugen gemäß EG 71/EWG
Klasseneinteilung
Klasse L
Klasse M
Klasse N
Fahrzeuge mit weniger als vier Rädern, Krafträder, Dreiräder
Zur Personenbeförderung bestimmte Kraftfahrzeuge mit mindestens vier Rädern oder drei Rädern und einer Gesamtmasse > 1 t
Zur Güterbeförderung bestimmte Fahrzeuge mit mindestens vier Rädern oder drei Rädern und einer Gesamtmasse > 1 t
L1
L2
L3
L4
L5
M1
M2
M3
N1
Bauart
zweirädrig
dreirädrig
zweirädrig
Dreirädrig (asymmetr.)
Dreirädrig (symmetr.)
–
–
–
–
Hubraum
< 50 ccm
< 50 ccm
> 50 ccm
> 50 ccm
> 50 ccm
Höchstgeschwindigkeit
< 50 km/h
< 50 km/ h
> 50 km/ h
> 50 km/h
> 50 km/h
Anzahl der Sitzplätze
_
–
–
–
–
1-5
>9
>9
zul. Gesamtmasse
–
–
–
–
<1t
>1t
1–5t
>5t
1 – 3,5t
N2
N3
3,5–12t
>12 t
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge 579 Handwerk, Kleingewerbe und für kommunale und gewerbliche Dienstleistungen (z. B. Taxi, Schulbus, Kranken- und Behindertentransport, Straßenreinigung, Feuerwehr usw.) verwendet. Auch beim privaten Nutzer erfreut sich diese Fahrzeugkategorie in den letzten Jahren wachsender Beliebtheit. Der Trend zur aktiven Urlaubs- und Freizeitgestaltung hat dazu geführt, dass Campingfahrzeuge, Wohnmobile und Kleinbusse zu einer gewohnten Erscheinung im Straßenbild gehören. Die Anforderungen, die an Motoren für leichte Nutzfahrzeuge gestellt werden, resultieren aus den oben genannten vielfältigen Einsatzgebieten. Für den kommerziellen Einsatz stehen niedrige Betriebskosten, hohes Drehmoment und hohe Verfügbarkeit im Vordergrund. Bei privaten Anwendern werden zusätzlich hohe Fahrleistungen wie Beschleunigungsvermögen und Höchstgeschwindigkeit neben Komfort und niedrigem Kraftstoffverbrauch, ähnlich dem Pkw, erwartet.
17.2.2 Anforderungen an Motoren für leichte Nutzfahrzeuge Bei leichten Nutzfahrzeugen kommen Gesetzesvorschriften zur Schadstoffemission zur Anwendung, die sowohl von den schweren Nutzfahrzeugen als auch von den Vorschriften für Personenkraftwagen abgeleitet sind. Mit der Einführung der EURO III-Grenzwerte sind für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 t in Weiterentwicklung des 13-Stufentestes gem. der ECE R49Richtlinie die Prüfprozedur nach dem ESC- und ELR-Test zur Anwendung gekommen. Fahrzeuge mit Dieselpartikelfilter sind außerdem nach dem ETC zu testen. Für leichte Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht unter 3,5 t gelten Schadstoffgrenzwerte, deren Einhaltung auf einem Rollenprüfstand ermittelt wird. Für diese Fahrzeugklasse kommt der gleiche Rollentest zur Anwendung wie er auch für Pkw vorgeschrieben ist. Je nach Bezugsmasse gelten dabei unterschiedliche Grenzwerte (vgl. Kap. 15). Die Bezugsmassenklasse 1 bis 1305 kg gilt für Pkw, die Klassen 2 (< 1760 kg) und 3 (> 1760 kg) gelten für Fahrzeuge wie sie die leichten Nutzfahrzeuge darstellen. Für diese Fahrzeugklasse (2 und 3) sind die Grenzwerte entsprechend höher angesetzt. Aufgrund dieser, je nach Klasse zur Anwendung kommenden Vorschriften, werden unterschiedliche Maßnahmen ergriffen. Die Abgasvorschriften unterliegen einer kontinuierlichen Verschärfung, so dass der Entwicklungstand der Motoren in entsprechend kurzen Zyklen der aktuellen Gesetzgebung angepasst werden muss. Hierbei hat sich die Common Rail Technik in den letzen Jahren fast ausnahmslos
durchgesetzt. Dieses Gemischbildungsverfahren bietet eine Fülle von Freiheitsgraden, wie die Einspritzung hinsichtlich Menge, Zeitpunkt, Häufigkeit (Vor- und Nacheinspritzung) und Druck zu gestalten. Weitere Maßnahmen wie beispielsweise gekühlte, geregelte Abgasrückführung oder Regelung des Ladedruckes sind durch die Anwendung der Elektronik in den Dieselmotor inzwischen selbstverständlich geworden. Erschwerend kommt jedoch hinzu, dass die in Frage kommenden Motoren ein Zylindervolumen von deutlich unter 1 dm3 aufweisen. Dieses, gegenüber den Motoren für schwere Lastkraftwagen, relativ kleine Zylindervolumen erschwert aufgrund der geringen freien Einspritzstrahllängen die Verbrennungsoptimierung. Verbesserungen beim Ölverbrauch und vor allem im Kraftstoffverbrauch sind für die Zukunft unabdingbar. Trotz Einsatz aller motorisch vorgesehenen Maßnahmen gewinnt die Abgasnachbehandlung zunehmend an Bedeutung. Mit der Einführung der Abgasstufe 4 für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht > 3,5 t nach dem 13‑Stufentest und für Fahrzeuge < 3,5 t nach dem Rollentest wird bei den leichten Nutzfahrzeugen neben dem Oxidations katalysator der Dieselpartikelfilter zur Erreichung der Abgas grenzwerte eingesetzt. Die deutliche Reduzierung der Stickoxide mit Einführung der Euro 5-Grenzwerte zum 1.10.2008 wird darüber hinaus auch in dem hier betrachteten Fahrzeugsegment vermutlich weitere Abgasnachbehandlungs systeme erfordern. Die Geräuschemission von Nutzfahrzeugen wird durch die EG-Vorschrift 70/157/EWG limitiert, s. Abschn. 16.2. Zur Einhaltung dieser Vorschrift sind Maßnahmen am Motor wie auch am Fahrzeug notwendig. Am Motor wird man diesen Anforderungen durch eine steife Gestaltung des Zylinderkurbelgehäuses, der Verwendung einer gegossen Ölwanne und des Einsatzes eines Leiterrahmens für die Hauptlagergasse gerecht. Sekundärseitig lassen sich durch Kapselungen Verbesserungen erreichen. Wesentlichen Einfluss lässt sich durch die Gestaltung des Brennverlaufs, wie eine oder mehrere Voreinspritzungen, auf das Verbrennungsgeräusch nehmen. Neben den gesetzlichen Randbedingungen bestimmen auch das Einsatzgebiet des Nutzfahrzeuges und die Kundenanforderungen die Motorenentwicklung. Für den Gütertransport im Nahbereich ist weniger eine hohe Nennleistung als vielmehr ein hohes Drehmoment bereits bei niedrigen Drehzahlen erwünscht. Eine derartige Drehmomentcharakteristik wird mit Hilfe von Turboladern mit variabler Turbinengeometrie erreicht. Eine weitere Möglichkeit stellt die 2‑stufige Aufladung dar, wie sie sich bereits im Pkw-Bereich in Serie befindet [17-2]. Für den privaten Nutzer, vor allem bei personentransportierenden Ausführungen, ist dagegen eine relativ hohe Motorleistung gefragt. Bei Fahrzeugen
580 17 Fahrzeugdieselmotoren dieser Kategorie werden Motoren mit hoher spezifischer Leistung angeboten. Die Abgasturboaufladung ist bei Dieselmotoren zur Selbstverständlichkeit geworden, ausnahmslos wird hierbei die Ladeluftkühlung eingesetzt. Die Triebwerksbelastungen durch hohen Zylinderspitzendruck sind sowohl verbrennungsseitig wie konstruktiv zu beherrschen. In dem Fahrzeugsektor mit entsprechend hoher Leistung sind Ottomotoren vorzufinden. Faktoren wie Langlebigkeit, Zuverlässigkeit, Robustheit und lange Wartungsintervalle haben bei leichten Nutzfahrzeugen eine große Bedeutung. Die im leichten Nutzfahrzeug bis 3,5 t eingesetzten Pkw-Motoren werden für diese Anwendung gesondert angepasst. Meist werden diese Motoren im maximalen Drehmoment, der Nennleistung, dem maximalen Ladedruck und der Nenndrehzahl begrenzt, um die oben genannten Kriterien zu erfüllen. Hinzu kommen Modifikationen im Triebwerkbereich zur Anpassung an das Nfz-spezifische Lastkollektiv sowie periphere Maßnahmen wie die Wartungsintervallanzeige und Anpassungen an die Einbausituation. Nutzfahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 5 t sind i. d. R. mit Dieselmotoren bestückt, deren Nenndrehzahl bei ca. 3000 min–1 oder niedriger liegt, um den Motorverschleiß in Grenzen zu halten und lange Laufzeiten gewährleisten zu können.
17.2.3 Ausgeführte Motorisierungen leichter Nutzfahrzeuge 17.2.3.1
Gesamtbetrachtung
Die Palette von ausgeführten Dieselmotoren, die heute als Antrieb in Kraftfahrzeugen Anwendung findet, reicht vom kleinvolumigen 0,8 l – Motor mit 30 kW bis zum 18 l – Motor mit 485 kW. Die zur Motorisierung von leichten Nutzfahrzeugen mit einer Gesamtmasse von 2 bis 5 t verwendeten Motoren decken inzwischen einen Leistungsbereich von ca. 50 bis 170 kW ab (Bild 17‑19). Als Triebwerke werden sowohl Otto-, als auch aufgeladene direkt einspritzende Dieselmotoren mit Ladeluftkühlung eingesetzt, deren Hubvolumina von 1,9 bis 3,7 Liter reichen. Hervorzuheben ist, dass sich neben dem klassischen Otto- und Dieselantrieb auch Motoren mit Erdgas als Treibstoff etablieren. Leichte Nutzfahrzeuge bis zu 2 t zulässiger Gesamtmasse werden i. d. R. mit aus dem Pkw-Antrieb stammenden Diesel-Aggregaten bestückt. Die Leistung beträgt zwischen 50 bis 90 kW, der Hubraum liegt bei ca. 2 Litern. Bei leichten Nutzfahrzeugen bis zu einem zulässigen Gesamtgewicht von 6 t reicht die Motorleistung bis ca. 130 kW bei 2,5 bis 3 Liter Hubvolumen. In dem Bereich der Fahrzeuge zur Personenbeförderung sind teilweise größer volumige Ottomotoren zu finden (Bild 17‑20).
Bild 17-19 Nennleistung von Verbrennungsmotoren für leichte Nutzfahrzeuge mit unterschiedlichem Gesamtgewicht
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge 581
Bild 17-20 Hubraum von Verbrennungsmotoren für leichte Nutzfahrzeuge mit unterschiedlichem Gesamtgewicht
Für Lastkraftwagen mit einer Gesamtmasse im Bereich zwischen 6 und 7,5 t, die ebenfalls zu den kleinen Nutzfahrzeugen zählen, werden Motoren verbaut, die unübersehbar aus den Motorfamilien der schweren Nutzfahrzeuge abgeleitet sind. Die Nennleistung ist aufgespannt zwischen 90 und 160 kW bei Hubvolumina zwischen 3 und nahezu 5 Litern. Werden die Leistungsdaten von ausgeführten Kraftfahrzeug-Dieselmotoren verglichen, so lassen sich spezifische Zuordnungen zu den Anwendungsgebieten feststellen. In Bild 17‑21 ist der mittlere effektive Druck der Motoren bei Nennleistung in Abhängigkeit von der volumenspezifischen Leistung aufgetragen. Zusätzlich sind in dem Diagramm die entsprechen Nenndrehzahlen eingetragen. Motoren für leichte Nutzfahrzeuge weisen erwartungsgemäß Auslegungsdaten auf, die näher bei den Pkw-Motoren angesiedelt sind. Es sind Literleistungen von bis zu 50 kW/l vorzufinden, der Mittelwert beträgt ca. 40 kW/l. Im Diesel-PkwBereich werden bei Spitzenmotorisierungen nahezu 70 kW/ l erreicht. Die Nenndrehzahlen der Nutzfahrzeugmotoren decken den Bereich um 3500 min-1 ab und liegen unter denen der Pkw-Motoren. Die Auslegung ergibt sich einerseits aus den geometrischen Abmessungen des Triebwerks und ist andererseits begrenzt durch die beim nutzfahrzeugspezifischen Lastkollektiv lebensdauerkritischen Kolbengeschwindigkeiten. Als Verbrennungsverfahren finden bei Dieselmotoren für die betrachtete Kategorie der leichten Nutzfahrzeuge das
Direkteinspritzverfahren Anwendung. Zur Gemischbildung hat sich inzwischen das Common Rail-Verfahren etabliert. Kammer-Brennverfahren mit einer Verteilereinspritzpumpe werden inzwischen nicht mehr appliziert, weil mit dieser Art der Gemischbildung und Verbrennung die Emissionswerte nicht mehr zu erfüllen sind. Aufgrund der vielseitigen Möglichkeiten zur Regelung haben sich ausnahmslos elekt ronische Systeme durchgesetzt. Maßgeblich ist diese Entwicklung durch die Abgasgesetzgebung beeinflusst worden. Aufgrund des hohen Wirkungsgrades und seiner Langlebigkeit hat sich das Direkteinspritzverfahren schon lange als Lkw-Antrieb bei Motoren oberhalb der Hubraumgrenze von 2,5 l durchgesetzt. Der Kraftstoffverbrauch und damit die Betriebskosten haben die Entscheidung für dieses Konzept maßgeblich geprägt. Aus obengenanten Gründen werden auch keine Saugmotoren mehr für die Anwendung im leichten Nutzfahrzeug angeboten. Mit bescheidenem Marktanteil im Vergleich zum Dieselantrieb wird in dem Segment des exklusiv ausgestatteten Fahrzeuges des Privatkunden das obere Leistungsspektrum mit Ottomotoren abgedeckt. Daneben ist der Trend zu beobachten, die leichten Nutzfahrzeuge bis zu einer Tonnage von 5 t mit Erdgasantrieb auszustatten (Bild 17‑22). Bild 17-23 zeigt die maximalen Drehmomente, die von ausgeführten Nutzfahrzeug-Dieselmotoren erreicht werden. Im unteren Teil der Darstellung sind die Erdgasantriebe
582 17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-21 Leistungsdaten ausgewählter Dieselmotoren für den Fahrzeugeinsatz
Bild 17-22 Motorauslegung für leichte Nutzfahrzeuge
17.2 Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge 583
Bild 17-23 Maximales Drehmoment von Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge mit unterschiedlichem Gesamtgewicht
gefolgt von den Otto-Motoren zu finden. Es wird der Drehmoment‑Bereich zwischen 100 und 200 Nm abgedeckt. Eine Ausnahme bilden die größeren, teilweise auch aufgeladenen Ottomotoren. Dieselmotoren für Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 6 t erreichen Drehmomente von 400 Nm. In der Fahrzeugklasse bis 7,5 t sind Drehmomente von 400 bis ca. 800 Nm üblich. Die in den vorangegangenen Bildern aufgeführten Motoren erfüllen die Abgasstufe 3 bzw. 4. Zur Einführung der Abgasstufe 5 am 1.10.2008 für den 13‑Stufentest ist mit einer weiteren Modifikation der Aggregate hinsichtlich der Gemischbildung im Dieselbereich zu rechnen. Mit der zukünftigen Generation der Hochdruckpumpen lässt sich ein Einspritzdruck von 2000 bar und mehr darstellen. Im Weiteren ist zur Reduzierung der Stickoxide mit dem Einsatz eines entsprechenden Abgasnachbehandlungssystems zu rechnen. Inwieweit sich eines der Systeme für die leichten Nutzfahrzeuge durchsetzen wird, lässt sich aus heutiger Sicht nicht abschließend abschätzen.
17.2.3.2
Ausgewählte Beispiele
Nachfolgend sind stellvertretend für die Palette der Dieselmotoren für leichte Nutzfahrzeuge zwei ausgewählte Motorenreihen unterschiedlicher Hersteller beschrieben, die den Hubraum zwischen 2,2 und 2,5 l abdecken. Diese Hubraumklasse stellt den größten Teil der im leichten Nutzfahrzeug angewen-
deten Motoren dar (Bild 17‑20). In der Tabelle 17‑2 sind die Basisdaten zweier ausgewählter Motoren genannt.
Fünfzylinder DI-Dieselmotoren (Volkswagen) In der Transporterbaureihe T5 von Volkswagen werden neben einigen Ottomotoren 4 und 5‑Zylinder-Dieselmotoren eingesetzt. Im Nachfolger des LT2s, dem Crafter, werden ausschließlich 5‑Zylinder‑Diesel‑Motoren angeboten [17-3]. Das bewährte Triebwerk geht in seinen Ursprüngen auf den Pkw‑Motor der 80er Jahre zurück und ist für die Nutzfahrzeuganwendung stets weiter entwickelt worden. Für den Einsatz im Crafter ist das Aggregat grundlegend überarbeitet worden. Wesentlicher Bestandteil ist der Einsatz der Common Rail-Technologie der 3. Generation. Der Einspritzdruck erreicht 1600 bar. Die Injektoren sind mit Piezo‑Aktuatoren versehen. Die Leistung ist von 65 bis 120 kW in 4 Klassen gespreizt. Die Nenndrehzahl beträgt durchgängig 3500 min-1. Das maximale Moment wird bei einer Drehzahl von 2000 min-1 erreicht. Variable Turbinengeometrie und die Ladeluftkühlung sind inzwischen bei dieser Fahrzeugkategorie zur Selbstverständlich geworden. Mit einem Hub von 95,5 mm und einem Zylinderdurchmesser von 81 mm handelt es sich um einen vergleichsweise langhubigen Motor. Bei einem Hubvolumen von 2461 cm3 entspricht das Zylinder-Hubvolumen dem des für Pkw bzw. leichte Nutzfahrzeuge verwendeten Vierzylindermotors.
584 17 Fahrzeugdieselmotoren
Tabelle 17-2 Basisdaten ausgewählter Motoren leichter Nutzfahrzeuge
Bauart Hubraum Bohrung Hub Abgasrückführung Ladeluftkühlung ATL-Geometrie Einspritzsystem Nennleistung Max. Drehmoment Spez. Leistung
ccm mm mm
kW/min Nm kW/l
Das Zylinderkurbelgehäuse besteht aus Grauguss, der Zylinderkopf aus einer Aluminiumlegierung. Im Zusammenhang mit einer Aluminiumölwanne, die den Getriebeflansch mitgestaltet, ergibt sich ein steifer Verbund des Gesamtaggregates. Bei einem Zylinderabstand von 88 mm und einer Bohrung von 81 mm verbleibt zwischen den Zylindern eine minimale Stegbreite von 7 mm, die mittels einer Metallsicken- Zylinderkopfdichtung sicher beherrscht wird. Mit Hilfe des Dichtungsverbundes wird der Zylinderverzug in engen Grenzen gehalten, was für den Ölverbrauch von entscheidender Bedeutung ist. Der Zylinderkopf auf Aluminiumbasis mit 2 Ventilen ist als Gleichstromkopf ausgeführt. Die hydraulischen Tassenstößel der Ventile werden über eine Nockenwelle betätigt. Der Antrieb der Nockenwelle und der Common RailPumpe erfolgt über einen automatisch gespannten Zahnriemen. In diesen Riementrieb ist ebenfalls der Antrieb der Kühlmittelpumpe integriert. Die fortlaufende Weiterentwicklung der verwendeten Materialen der Zahnriemen, so wie die moderaten Belastungen durch die Common RailTechnik erlauben ein Zahnriemenwechselintervall von 200.000 km. Die Erfüllung der Abgasgrenzwerte nach Stufe 4 sowohl für den Rollentest wie auch für die Zulassung nach dem 13‑Stufentest sichert der Einsatz eines beschichteten Dieselpartikelfilters.
DaimlerChrysler
Volkswagen
R4 2148 88 88,3 ja ja variabel Common Rail 110/3800 330 51,2
R5 2461 81 95,5 ja ja variabel Common Rail 120/3500 350 48,8
maximale Moment der leistungstärksten Auslegung beträgt 330 Nm. Nach oben schließt ein V6‑Diesel die Motorisierung ab. Das Zylinderkurbelgehäuse ist in Grauguss ausgeführt. Die Seitenwände des Triebwerkes sind zur Steigerung der Steifigkeit weit heruntergezogen. Einer erhöhten Triebwerksbelastung wird durch Verwendung eines Trapezpleuels Rechnung getragen. Trotz Einsatz eines Trapezkolbens
Vierzylinder-2,2-l-Dieselmotor (DaimlerChrysler) DaimlerChrysler verwendet im leichten Nutzfahrzeugsegment unter anderem 4‑Zylinder-Dieselmotoren die ebenfalls im Pkw ihren Ursprung haben, [17-4]. Die Leistung der 4‑Zylinder-Motorenbaureihe reicht im neuen Sprinter von 65 bis 110 kW bei einer Nenndrehzahl im Nfz von 3800 min–1. Das
Bild 17-24 2,5-l-Turbo‑Dieselmotor von Volkswagen
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 585 konnte an der Axialführung der Pleuel im Kolben (Obenführung) festgehalten werden. Der Zylinderkopf ist in einer Aluminiumlegierung aus geführt. Zwei oben liegende Nockenwellen treiben die jeweils 4 Ventile an. Der CR‑Injektor ist zentral angeordnet, wodurch eine zentrisch im Kolben liegende Mulde ermög licht wird. Hinsichtlich der Temperaturverteilung sind hierdurch deutliche Vorteile gegenüber einem 2‑Ventil-Motor mit exzentrischer Kolbenmulde zu erwarten. Der Motor ist mit einem Common Rail-System der 3. Generation ausgestattet. Der erreichbare Einspritzdruck beträgt 1600 bar. Der Antrieb der Ventilsteuerung ist als Kettentrieb ausgeführt, in den der Antrieb der Common Rail-Pumpe integriert ist.
17.2.4
Ausblick
Die künftige Entwicklung von Dieselmotoren, die als Antrieb für leichte Nutzfahrzeuge vorgesehen sind, wird auch zukünftig entscheidend durch die Gesetzgebung beeinflusst. Die weitere Limitierung von Schadstoff- und Geräuschemissionen sowie die Entwicklung der Rohölpreise und damit die Steigerung der Energiekosten werden maßgebliche Einflussfaktoren für den Motorenentwickler darstellen und diesen bzgl. seiner Entscheidungen hinsichtlich des Antriebskonzeptes nachhaltig beeinflussen. Der Ottomotor wird künftig wohl nur noch in solchen Nutzfahrzeugen Anwendung finden, die aus dem Pkw direkt abgeleitet sind und überwiegend dem Personentransport dienen. Es sind vornehmlich die kleineren Tonnagen, die mit Otto-Motoren versehen sind. Die zukünftigen Gesetzesvorlagen werden mehr denn je von der CO2-Diskussion vor dem Hintergrund des Treibhauseffektes getrieben. Aufgrund des günstigeren H/C-Verhältnisses beim Erdgas im Vergleich zum Vergaserkraftstoff oder zum Dieselöl gewinnt auch diese Antriebsart an Bedeutung [17-5]. Einige Hersteller leichter Nutzfahrzeuge haben bereits Erdgasantriebe im Angebot. Dieselmotoren sind heute ausschließlich als Direkteinspritzer ausgeführt; steigende Kraftstoffpreise haben diesen Trend nachhaltig verstärkt. Bei der Gemischbildung hat sich die Common Rail-Technik weitgehend durchgesetzt. Die Formgebung des Einspritzverlaufs und damit des Brennverlaufs kann damit besser verwirklicht werden. Die Frage, ob die Piezo-Technik den magnetventilgesteuerten Injektor in den nächsten Jahren vom Markt verdrängen wird, lässt sich aus heutiger Sicht nicht abschließend beantworten. Derzeit kommen beide Systeme nebeneinander zur Anwendung. Hinsichtlich der Abgasturboaufladung hat sich die variab le Turbinengeometrie durchgesetzt. Zur Steigerung der Fahrleistungen und zur Erfüllung der Abgasgesetzgebung
wird am Dieselmotor vermehrt die 2‑stufige Aufladung zum Zuge kommen. Zur Erfüllung der Euro 5-Grenzwerte wird auch in diesem Fahrzeugsegment die Abgasnachbehandlung über den Einsatz des Dieselpartikelfilters hinaus eingesetzt werden. Der Dieselmotor mit seinem günstigen Kraftstoffverbrauch wird bei leichten Nutzfahrzeugen in den nächsten Jahren der beherrschende Antrieb sein. Dabei werden die strengen gesetzlichen Vorschriften eingehalten, Lebensdauer und Wartung verbessert sowie der Komfort dem Pkw weiter angepasst werden.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 17.3.1
Definition „schwere Nutzfahrzeuge“
17.3.1.1
Klassifizierung
Nutzfahrzeuge werden vom Gesetzgeber nach ihrer zulässigen Gesamtmasse für die Güter- bzw. Personenbeförderung eingeteilt (Bild 17‑25). Diese Klassifizierung wird für viele Regelungen herangezogen, die das Nutzfahrzeug und sein Umfeld betreffen. Dazu gehören z. B. die Begrenzung von Emissionen, Erhebung von Steuern, Klasseneinteilung der Fahrerlaubnis oder zulässige Geschwindigkeit. Im Bereich der schweren Nutzfahrzeuge, die nach der deutschen Straßenverkehrsordnung bei 7,5 t beginnt, ist noch einmal eine Unterteilung in leichte, mittlere und schwere Klassen üblich (Bild 17‑25). Die Grenzen sind dabei fließend. Die obere Grenze für die Gesamtmasse beträgt bei schweren Nutzfahrzeugen, die auf öffentlichen Straßen fahren dürfen, in Europa 40 t. Ausnahmen von dieser Regelung sind lokal möglich.
17.3.1.2
Einsatzgebiete
Nutzfahrzeuge sind das Rückgrat unserer modernen arbeitsteiligen Wirtschaft und ein Garant für Wachstum und Wohlstand. Rund drei Viertel aller Güterverkehrsleistungen werden in der europäischen Union mit dem Nutzfahrzeug abgewickelt, der weitaus größte Teil im Nahbereich. Während im europäischen schweren Fernverkehr der Sattelzug dominiert (Bild 17‑26), werden in Deutschland in hohem Maße auch Gliederzüge eingesetzt. Im regionalen und örtlichen Verteilerverkehr werden hauptsächlich Fahrzeuge der Mittelklasse und der leichten Klasse betrieben. Hierzu gehören auch Kommunalfahrzeuge für Stadtreinigung und Müllabfuhr sowie Feuerwehrfahrzeuge. In diesen Einsatzgebieten wird vorwiegend ohne Anhänger gefahren.
586
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-25 Einteilung der schweren Nutzfahrzeuge nach ihrer Gesamtmasse
Bild 17-26 Schwere Sattelzugmaschine mit aufliegendem Anhänger, Gesamtmasse 40 t
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 587 Im Personentransport werden Reisebusse im fernen und mittleren Reiseverkehr eingesetzt. Sie werden in vielen Varianten bezüglich Nutzlast und Sitzplatzkapazität angeboten. Omnibusse im öffentlichen Personen-Nahverkehr, also Stadtbusse und Regionalbusse, sind die weitaus zahlreichsten Vertreter dieser Fahrzeuggattung. Auch hier sind zahlreiche Varianten, z. B. Doppeldecker und Gelenkbusse, anzutreffen.
17.3.2
Anforderungen des Betreibers an die Motoren
17.3.2.1
Wirtschaftlichkeitsfaktoren
Kostenanalyse Nutzfahrzeuge sind Investitionsgüter, deshalb stehen Wirtschaftlichkeitserwägungen bei deren Anschaffung an erster Stelle. Die Kaufentscheidung wird nach Analyse der Transportaufgabe für das dafür am besten geeignete Fahrzeug getroffen. Vorwiegend werden dabei die Kosten während der Nutzungsdauer des Fahrzeuges betrachtet, s. z. B. [17-6]. Ein Beispiel für Fernverkehrs-Fahrzeuge enthält die Tabelle 17-3. Sie zeigt die Anteile der verschiedenen Kostenarten an den Gesamtkosten. Die dominierenden Faktoren sind erwartungsgemäß die Kraftstoffkosten gefolgt von Fahrzeug-Leasing und Autobahnmaut. Vom Fahrzeughersteller können
neben den Herstellkosten nur die Wartungs- und Reparaturkosten beeinflusst werden, deren Anteil 5,7% beträgt.
Leistung, spezifische Leistung Für den Bereich der schweren Nutzfahrzeuge werden vom Markt Motorleistungen zwischen 100 kW und 500 kW gefordert. Die wirtschaftlichste Antriebsleistung wird im Einzelfall nach der gegebenen Transportaufgabe ermittelt. Wenn die erforderliche Leistung festgelegt ist, kommt die spezifische Leistung als Wettbewerbskriterium ins Spiel. Raumbedarf und Gewicht des Motors sollen Transportvolumen und Nutzlast des Fahrzeugs so wenig wie möglich einschränken.
Kraftstoffverbrauch Der Kraftstoffverbrauch ist neben der Zuverlässigkeit für den Betreiber wegen seiner unmittelbaren Beeinflussung der Kosten der wichtigste Wirtschaftlichkeitsfaktor (s. Tabelle 17-3), zumal er auch wegen der öffentlichen Diskussion um die Schonung der Ressourcen und der Umwelt im Vordergrund steht. Deshalb wird im Markt der schweren Nutzfahrzeuge fast ausnahmslos nur der verbrauchsgünstigste Antrieb, der direkteinspritzende Dieselmotor, akzeptiert. Dies gilt vor allem für die schwere Klasse, da dort die Fahrleis
Tabelle 17-3 Nutzungsdauer-Kostenanteile. Sattelzugmaschine, geeignet für 40t Gesamtzugmasse, Nutzungsdauer 48 Monate, Gesamtfahrleistung 600.000km, ohne Kosten für Fahrpersonal, Verwaltung und Garage (Stand 2006) Variable Kosten
Rahmenbedingungen
Auswertung
Kosten Diesel (€/100 km = ct/km)
32,11
Einsatztage (Tage/Jahr)
240
Kosten AdBlue (€/100 km = ct/km)
0,00
Nutzungsdauer (Monate)
48
Autobahnmaut (€/100 km = ct/km)
9,60
Variable Kosten (€/100 km = ct/km)
41,71
Fixe Kosten Fahrzeug-Leasing (€/Jahr) Service und Reparatur (€/Jahr) Reifen (€/Jahr) Versicherung, Steuern, sonstige Fixkosten (€/Jahr) Fixe Kosten (€/Jahr)
122,93 19,67
Laufleistung Fahrzeug (km/Jahr)
150.000
Variable Kosten (€/100 km = ct/km)
41,71
Laufleistung Autobahn mautpflichtig (km/Jahr)
120.000
Fixe und variable Kosten (€/100 km = ct/km)
61,38
Fahrzeug-Leasing (€/Monat)
1.285,00
Service u. Reparatur (€/Monat) 15.420,00
Fixe Kosten (€/Tag) Fixe Kosten (€/100 km = ct/km)
438,00
Fahrzeug-Leasing (€/Jahr)
15.420,00
Reifen (€/Monat)
75,00
Wartung und Reparatur (€/Jahr)
5.256,00
Verbrauch Diesel (l/100 km)
34,90
Reifen (€/Jahr)
900,00
900,00
Verbrauch AdBlue (l/100 km)
0,00
Kraftstoff (€/Jahr)
48.162
7.926,00 29.502,00
Autobahnmaut (€/100 km = ct/km)
12,00
Maut (€/Jahr)
Preis Diesel (€/l)
0,92
Steuer u. Versicherung (€/Jahr)
Preis AdBlue (€/l)
0,60
Summe (€/Jahr)
5.256,00
14.400,00 7.926,00 92.064,00
588 17 Fahrzeugdieselmotoren tungen im Fernverkehr mit teils über 200.000 km/Jahr am höchsten sind. Im Bereich der leichten Klasse im Verteilerverkehr hat der Kraftstoffverbrauch unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten weniger Bedeutung. Solche Fahrzeuge kommen teilweise über 20.000 km/Jahr nicht hinaus. Für den Betreiber sind die streckenbezogenen Verbrauchswerte des Fahrzeugs maßgebend. Dafür mitentscheidend ist zunächst die fahrzeugseitige Optimierung von Roll- und Luftwiderstand, um die Verlustleistung zu minimieren. Ein weiteres fahrzeugseitiges Entwicklungsziel insbesondere für Tank- und Silofahrzeuge muss die Verringerung des Leergewichts sein. Dadurch wird nicht nur ein direkter Beitrag zur Energieeinsparung, sondern auch indirekt durch Erhöhung der Transportleistung bewirkt. Für die Motorenentwicklung genügt aber nicht, ein möglichst niedriges Verbrauchsminimum zu erzielen. Es sollte möglichst breit und im Motor-Kennfeld in dem Bereich liegen, in dem der Motor am häufigsten betrieben wird. Umgekehrt beeinflusst das Motor-Verbrauchskennfeld auch die Auslegung des Antriebsstranges. Erst die Optimierung dieser Wechselbeziehungen zwischen Motor, Getriebe, Hinterachse und Radgröße erfüllt die Ansprüche des Betreibers.
Verfügbarkeit, Wartung, Reparatur, Gewährleistung Wie alle Investitionsgüter soll auch das Nutzfahrzeug für den beabsichtigten Einsatzzweck möglichst uneingeschränkt zur Verfügung stehen. Im Idealfall bedeutet dies für den Betreiber, dass nur die Betriebsstoffe nachgefüllt werden müssen. Komponenten mit einer kürzeren Nutzungsdauer als das Fahrzeugleben werden im Rahmen von Wartung und Instandhaltung erneuert, ausgetauscht oder nachgestellt. Da diese Aufwendungen ein ganz erheblicher Wettbewerbsfaktor sind, wird versucht, die Intervalle nach Möglichkeit zu verlängern und zu synchronisieren, um notwendige Stillstandszeiten zu reduzieren. Im Folgenden wird der Stand der Technik bei Wartung und Instandhaltung aus der Sicht des Betreibers untersucht. Schmierölsystem. Wegen der Alterung des Schmieröls ist dessen Wechsel in bestimmten Intervallen bisher unvermeidbar, obwohl eine teilweise Auffrischung durch den Ölverbrauch erfolgt. Dieser ist im Hinblick auf Emissionen und Abgasnachbehandlungssysteme zwar unerwünscht, aber auf niedrigem Niveau weiterhin unvermeidlich. Den Betreiber belastet der Ölwechsel durch Kosten für Ölmenge, Ölfilter und Arbeitszeit. Als wichtiges Entwicklungsziel gilt daher, den Ölverbrauch weiter zu senken und das Wechselintervall zu verlängern.
Verlängerte Ölwechselintervalle erfordern daran angepasste Ölreinigungssysteme. Im Filtersystem werden Verunreinigungen zurückgehalten, um den abrasiven Verschleiß an Tribopartnern zu vermeiden. Weit verbreitet sind heute Ölfilter im Nebenstrom, während die früher eingesetzte Ölzentrifuge zur weiteren Verlängerung der Ölwechselintervalle ebenfalls angeboten wird. Verschiedentlich werden in Verbindung mit Wartungsrechnern schon Ölwechselintervalle von bis zu 150.000 km im Fernverkehr erreicht. Dabei können verschiedene Parameter wie z. B. Ölqualität, Kraftstoffart, Schwefelgehalt oder Einsatzbedingungen berücksichtigt werden. Verbrennungsluft. Die bedarfsgerechte Wartung des Luftfiltersystems ist für die Lebensdauer des Motors von entscheidender Bedeutung, da die Verbrennungsluft staubfrei sein muss, um vorzeitigen Verschleiß an Zylinder, Kolben und Kolbenringen zu vermeiden. Die Intervalle sind abhängig von den Einsatzbedingungen des Fahrzeuges. Bei erhöhter Staubbelastung werden häufig dem Hauptfilter vorgeschaltete Zyklonabscheider verwendet. Auch in Nutzfahrzeugen haben sich Papierluftfilter in Form von Wechselpatronen durchgesetzt, s. Abschn. 13.1. Die Filterbeladung und der notwendige Filterwechsel werden durch Unterdruckwächter auf der Reinluftseite angezeigt, da vermieden werden muss, dass der Motor unter Luftmangel leidet. Unvollständige Verbrennung mit Rauchentwicklung, Leistungsabfall, Kraftstoffverbrauchserhöhung, aber auch Motorschäden können die Folge sein. Kraftstoffsystem. Außerordentlich hohe Anforderungen an die Reinheit des geförderten Mediums gelten für das Kraftstoffsystem, wo feinste Passungen bei hohen mechanisch-hydraulischen Beanspruchungen vorhanden sind. Verunreinigungen werden mit dem Kraftstoff beim Tanken übernommen oder können durch die notwendige Belüftung des Tanks in den Kreislauf gelangen. Die erforderliche Reinheit ist nur durch Feinstfiltereinsätze zu erreichen. Ihre Standzeit sollte bei normalen Umgebungsbedingungen ebenfalls dem Ölwechselintervall entsprechen. Ventilspiel. Während in den letzten Jahrzehnten noch die klassische Bauweise mit Nockenwelle im Kurbelgehäuse und Übertragung der Bewegung über Stößel und Kipphebel auf die Ventile dominierte, wird nun auch beim schweren Nutzfahrzeug zunehmend bei Neuentwicklungen eine obenliegende Nockenwelle mit Übertragung über Rollenkipphebel eingesetzt. Für jedes Ventilpaar ist eine Einstelleinrichtung vorzusehen, die in bestimmten – möglichst großen – Intervallen überprüft und, falls erforderlich, korrigiert werden muss. Ein automatischer Spielausgleich auf hydraulischer
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 589 Basis lässt sich im Nutzfahrzeugmotor bisher nicht mit akzeptabler Betriebssicherheit verwirklichen: es muss vermieden werden, dass im Motorbremsbetrieb mit Bremsklappe im Auspuffstrang und ungesteuert öffnenden Auslassventilen der automatische Spielausgleich wirksam wird und dadurch die Ventile am Schließen gehindert werden, vgl. Abschn. 17.3.3.2.
Dehnung unterworfen. Sie funktionieren nur zuverlässig und erreichen die erwartete Nutzungsdauer, wenn sie mit einer definierten Vorspannung betrieben werden. Die Längenänderung muss deshalb in der Antriebsgeometrie ausgeglichen werden. Auch bei Nutzfahrzeugen haben sich heute selbstnachstellende federbelastete Spannrollen durchgesetzt.
Keilriemenantriebe. Nutzfahrzeugmotoren müssen eine Reihe unterschiedlicher Nebenaggregate antreiben. Je nach Fahrzeug- und Einsatzart gehören hierzu Lüfter, Generatoren, Luftkompressoren, Lenkhilfepumpen, Kältemittelkompressoren, Hydraulikpumpen und andere Aggregate. Eine einfache und kostengünstige Leistungsübertragung war der Keilriemen [17-7]. Bei neueren Entwicklungen hat sich der leistungsfähigere Keilrippenriemen [17-8] durchgesetzt (Bild 17‑27). Die Lebensdauer dieser Antriebselemente ist deutlich geringer als die des Motors, weshalb sie in bestimmten Abständen erneuert werden müssen. Keilriemen sind aufgrund ihrer Konstruktion und durch ihre Beanspruchung dem Verschleiß und zunehmender
Reparaturen, Gewährleistung. Ausfälle anderer Motorkomponenten sollen nicht vor der Nutzungsdauergrenze des Motors auftreten. Sie fallen deshalb nicht unter den Begriff Wartung, sondern gelten als Schaden, der eine Re paratur erfordert. Im Fernverkehr werden Laufleistungen von einer Million Kilometer und mehr erreicht. Nebenaggregate wie z. B. Wasserpumpe, Generator oder Abgasturbolader erreichen bei manchen Anwendungen diese Werte nicht. Garantiezusagen für den Antriebsstrang bei schweren Nutzfahrzeugen werden unterschiedlich limitiert, beispielsweise mit 2 Jahren nach Erstzulassung und/oder 200.000 km Laufstrecke, je nachdem, welche Grenze zuerst erreicht
Bild 17-27 Antrieb der Nebenaggregate durch einen Keilrippenriemen an einem Dieselmotor für Omnibusse. a Kurbelwelle; b Umlenkrolle; c Generator; d Wasserpumpe; e Spannrolle; f Feder‑Dämpfer‑Element; g Klima‑Kompressor; h CR‑Hochdruckpumpe
Motor
590
17 Fahrzeugdieselmotoren
wird. Die Gewährleistungsverpflichtung erstreckt sich auf den Ersatz schadhafter Komponenten, vorausgesetzt, dass der Motor nicht missbräuchlich beansprucht wurde. Kaufpreis, Herstellkosten. Da ein wartungsfreier Motor nicht oder nur durch aufwendige Zusatzmaßnahmen realisierbar ist, gilt es, den richtigen Kompromiss zwischen Herstellkosten sowie Wartungs- und Instandhaltungskosten zu finden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass zunehmend umweltentlastende, aber teuere Maßnahmen ins Gewicht fallen, die der Gesetzgeber entweder direkt durch wirkungsorientierte Vorschriften oder indirekt durch emmissionsbezogen gestaffelte Steuerbelastungen des Betreibers veranlasst.
17.3.2.2
Fahrbarkeit, Bedienungsfreundlichkeit, gesellschaftliche Akzeptanz
Leistungscharakteristik, Schaltarbeit Bild 17-28 zeigt für einen 40 t-Zug den Leistungsbedarf für verschiedene Fahrbahnneigungen abhängig von der Fahrgeschwindigkeit. Um den Fahrwiderstand bei einer Geschwindigkeit von 80 km/h auf ebener Fahrbahn zu überwinden, ist eine Motorleistung von ca. 100 kW notwendig. Die Antriebs-
übersetzungen in der höchsten Gangstufe sind so ausgeführt, dass sich dabei Motordrehzahlen von 1300 bis 1400 min–1 ergeben. Da die Motorleistungen dieser Fahrzeugklasse meist zwischen 250 und 400 kW bei Nenndrehzahlen um 1900 min–1 liegen, ermöglicht diese Auslegung eine kraftstoffsparende und geräuscharme Fahrweise. Daraus leitet sich die Forderung ab, dass die Motoren schon ab etwa 1000 min-1 ein möglichst hohes Drehmoment haben müssen, so dass auch kleine bis mittlere Steigungen schaltarm befahren werden können. Bild 17-29 zeigt Volllastcharakteristiken, die auf Grund dieser Forderungen entwickelt wurden. Während Hersteller A eine Kombination aus Konstantleistung und Konstantdrehmoment im Hinblick auf die Fahrbarkeit favorisiert, stuft Hersteller B einen stetigen Drehmomentanstieg bis zu den unteren Volllastdrehzahlen als günstiger ein. Die daraus resultierenden Drehmomentüberhöhungen von ca. 35% ergeben ein durchzugstarkes elastisches Betriebsverhalten und – vor allem in Verbindung mit automatisierten Getrieben – entspanntes Fahren. Ermöglicht wurden diese Charakteristiken durch die Anwendung der Abgasturboaufladung mit Ladeluftkühlung, die bei Motoren für schwere Nutzfahrzeuge seit Jahrzehnten Standard ist, bei den oberen Leistungen meist mit einem Wastegate. Im Gegensatz zu Pkw oder leichten Nutzfahrzeugen bietet die
Bild 17-28 Abhängigkeit des Fahrleistungsbedarfs an den Rädern Prad von der Fahrgeschwindigkeit und der Fahrbahnsteigung. Fahrzeuggesamtmasse m=40.000 kg, Stirnfläche A=8,45 m2, Luftwiderstandsbeiwert cW=0,62, Luftdichte D=1,250 kg/m3, Rollwiderstandsbeiwert fr=0,006
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse
Bild 17-29 Volllastcharakteristiken von Nutzfahrzeug-Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung
591
592 17 Fahrzeugdieselmotoren variable Turbinengeometrie bei Motoren für schwere Nutzfahrzeuge auf Grund des kleineren Drehzahlbandes in Verbindung mit 12- oder 16‑Ganggetrieben keine besonderen Vorteile.
Anfahrverhalten Ein weiterer wichtiger Parameter ist das Beschleunigungsverhalten des Motors unter Last bei niedrigen Drehzahlen. Dieses Verhalten wird besonders bei Nutzfahrzeugen im innerstädtischen Verkehr, z. B. bei Stadtomnibussen, Kommunalfahrzeugen, Fahrzeugen im Güter-Verteilerverkehr, kritisch beurteilt. Der ausgeprägte Stop-and-Go-Betrieb in Ballungsgebieten erfordert ein hohes Motormoment schon bei niedrigen Betriebsdrehzahlen. Darüber hinaus muss es unverzüglich auf Fahrerwunsch zur Verfügung stehen. Hier wird auch bei Turbomotoren gefordert, das etwas verzögerte Ansprechverhalten (Turboloch) weitgehend zu vermeiden. Da Zusatzmaßnahmen wie mechanisch oder elektrisch angetriebene Verdichter aus energetischen, Kosten- und/oder Verfügbarkeitsgründen bisher ausschieden, waren motorische Maßnahmen zu entwickeln. Die Lösungen ergaben sich in Form von elektronisch geregelten Einspritzsystemen in Verbindung mit hohem Einspritzdruck.
Bremsverhalten, Motorbremse Die Wettbewerbsfähigkeit des Fahrzeugbetreibers hängt besonders im Fernverkehr von der erreichten Reisegeschwindigkeit des Fahrzeuges ab. Diese sollte im Idealfall sehr nahe bei der jeweils zulässigen Höchstgeschwindigkeit liegen. Um dies zu erreichen, müssen auch Gefälle entsprechend schnell und gefahrlos gefahren werden. Nach Bild 17‑28 ist die dafür erforderliche Bremsleistung so hoch wie die Antriebsleistung in Gegenrichtung, vermindert um den Fahrwiderstand des Fahrzeuges. Die Reibungsbremsen an den Rädern wären bei einem solchen Dauerbremsbetrieb thermisch überfordert, weshalb zahlreiche verschleißfreie Zusatzbremssysteme entwickelt wurden. Dabei wird der Motor nach dem Prinzip des Luftverdichters als Dauerbremse benutzt. Die Bremswärme wird direkt mit der verdichteten Luft über die Abgasanlage abgeführt. Bild 17‑30 zeigt auf das Hubvolumen bezogene Leistungskurven verschiedener Motorbremsen, s. a. Abschn. 17.3.2. Mit Hilfe der Getriebestufen kann die Bremsleistung an den Bedarf des Fahrzeuges angepasst werden.
Innengeräusche, Vibrationen Für den Fahrer eines Nutzfahrzeuges im Fernverkehr ist die Fahrerkabine der Arbeitsplatz, den er während der Arbeits-
zeit nicht verlassen kann. Seine Gestaltung und Optimierung im Hinblick auf Funktionalität und Komfort erfolgt in den Entwicklungsabteilungen daher mit hoher Priorität. Es werden Pkw-Maßstäbe erreicht und das, obwohl i. d. R. der Motor direkt unter der Fahrerkabine eingebaut ist. Wesentliche Schritte hierzu waren die Entwicklung steifer Motoroberflächenstrukturen mit geringer Schallabstrahlung oder die verbesserte Dämpfung von Schwingungen in den Motortrag lagern, s. a. Kap. 16. Nachteilig für den Fahrkomfort können nach außen wirkende, freie Massenkräfte und Massenmomente des Motors sein, die über die Motorlagerung in die Fahrzeugstruktur eingeleitet werden. Diese aus dem Bewegungsablauf des Kolbentriebwerks stammenden Kräfte hängen in ihrer Größe und Auswirkung von der Bauform und der Größe des Motors ab (s. Abschn. 8.2). Es kann notwendig sein, den Motor mit zusätzlich angetriebenen Wellen auszustatten, die ausgleichend angeordnete Gegenmassen tragen. Für den Antrieb der schweren Klasse werden weitgehend Sechszylinder-Reihenmotoren, aber auch Sechs- und Achtzylinder-V-Motoren mit 90°‑V‑Winkel eingesetzt. R6- und V8‑Motore sind bezüglich der Massenkräfte und Massenmomente nach außen vollkommen ausgeglichen. Sie stellen aus dieser Sicht ideale Lösungen für hohen Fahrkomfort dar. In der Drehungleichförmigkeit hat der V8‑Motor Vorteile wegen der größeren Zylinderzahl. Dies ist in der Praxis jedoch nur bei sehr niedrigen Drehzahlen unter Volllast spürbar. In den Bereichen der mittleren und hohen Leistungen haben sich noch weitere Bauformen etabliert. Hierzu gehören der Fünfzylinder-Reihenmotor sowie der V10‑Motor in der schweren Klasse. Für den Fünfzylinder-Reihenmotor muss die Motorlagerung sehr sorgfältig abgestimmt werden, da diese Bauform ein ausgeprägtes freies Massenmoment 2. Ordnung nach außen abgibt, s. Abschn. 8.3. In der Regel sind daher Momentenausgleichswellen im Motor erforderlich. Ein Ausführungsbeispiel zeigt Bild 17‑31 mit einem internen Ausgleich der Massenmomente durch zwei Getriebe mit je zwei gegenläufigen Wellen mit Ausgleichsmassen, die mit doppelter Kurbelwellendrehzahl laufen. Die Getriebe sind unter den Kurbelwellenlagern 2 und 5 angeordnet und werden jeweils von einem Zahnkranz auf einer Kurbelwange angetrieben. Am unteren Ende der Leistungsskala der schweren Nutzfahrzeuge, im Bereich der leichten Klasse, sind häufig Vierzylinder-Reihenmotoren anzutreffen. Diese Motoren mit nicht ausgeglichenen Massenkräften 2. Ordnung sind akzeptabel, wenn es mit einer gut abgestimmten Motorlagerung gelingt, unzulässige Schwingungen vom Fahrerhaus fernzuhalten. Bei erhöhten Komfort-Anforderungen z. B. im Kleinbus erhalten solche Motoren Massenausgleichswellen.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse
Bild 17-30 Auf den Hubraum bezogene Motorbremsleistungsverläufe verschiedener Ausführungen der Motorbremse. a offene Motorbremsklappe (Schleppleistung), R6-Motor; b geschlossene Motorbremsklappe, Motor wie a; c EVB (Exhaust Valve Brake), Motor wie a; d Konstantdrossel mit geschlossener Motorbremsklappe, V8-Motor; e Jake-Brake, R6-Motor; f Intebrake, R6-Motor; g wie d, jedoch mit Turboaufladung im Bremsbetrieb
593
594
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-31 Getriebe zum Ausgleich der Massenmomente 2. Ordnung an einem Fünfzylinder-Reihenmotor (MAN Nutzfahrzeuge AG)
Startverhalten, Kälteverhalten Der Betreiber eines schweren Nutzfahrzeuges erwartet, dass der Motor auch bei tiefen Außentemperaturen zügig und ohne auffällige Emissionen startet. Auf Grund der direkten Kraftstoffeinspritzung mit hohem Druck und Verdichtungsverhältnissen von 17 bis 20:1 ist dies bei Kaltstarts oberhalb ca. –15 °C Umgebungstemperatur und erst recht bei Heißstarts die Regel. Für tiefere Temperaturen sind Kaltstart-Hilfseinrichtungen zur Ansaugluftvorwärmung wie z. B. elektrische Heizkörper oder Brenner erforderlich. Die Vorheizzeit beträgt abhängig von der Umgebungstemperatur bis zu 25 s. In den Brennraum ragende schnelle Glühstiftkerzen, wie sie aus dem Pkw bekannt sind, können in Motoren für schwere Nutzfahrzeuge wegen der Beeinträchtigung der Emissionen nicht eingesetzt werden.
Gesellschaftliche Akzeptanz Vor dem Hintergrund des zeitweise dichten Fahrzeugverkehrs auf den Orts- und Fernstraßen ist die gesellschaftliche und damit politische Akzeptanz des schweren Nutzfahrzeuges sehr wichtig geworden. Das Nutzfahrzeug wird bereits allein durch seine Anwesenheit im Verkehr vom Individual-Verkehrsteilnehmer als hinderlich für das eigene Vorankommen betrachtet. Wenn noch Belästigungen durch Abgase und Geräusche hinzukommen, werden ablehnende Tendenzen bei der politischen Willensbildung in der Gesellschaft noch stärker. Argumente, dass auch das Nutzfahrzeug in hohem Maße zur Lebensqualität des einzelnen beiträgt, können sich dann oftmals nicht durchsetzen. Es liegt also im Geschäftsinteresse des einzelnen Nutzfahrzeugbetreibers und dient dem Ansehen des Straßen-Güter-
transportgewerbes, wenn Nutzfahrzeugmotoren nicht durch belästigende Emissionen jeder Art im Verkehr auffallen. Für die Motorenentwicklung lautet also die Maximalforderung: Der Motor soll über den Pegel der Fahrgeräusche hinaus nach außen nicht wahrnehmbar sein, seine Abgase sollen nicht sichtbar und nicht riechbar sein. Die Aufgabe besteht darin, mit im Wettbewerb wirtschaftlich vertretbarem Aufwand diesem Ziel möglichst nahe zu kommen [17-9].
17.3.2.3
Gesetzgebung
Abgasemissionen Stickoxide (NOX), Kohlenmonoxid (CO), Kohlenwasserstoffe (CXHY) und Partikel (PM) aus festen und flüssigen Bestandteilen sind als unerwünschte Abgasemissionen gesetzlich limitiert, vgl. Abschn.15.2. Messtechnik und Bestimmungsverfahren sind ebenfalls in Kap. 15 beschrieben. Im Unterschied zum Pkw werden für den Dieselmotor im schweren Nutzfahrzeug die Abgasemissionen auf die abgegebene Leistung bezogen. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Motorleistung und Transportaufgabe in einem direkten, unmittelbaren Zusammenhang stehen. Leistungsbezogene Emissions-Grenzwerte sorgen somit für die sachgerechte Gleichbehandlung der Transportleistungen von der leichten Klasse bis zum 40 t-Zug. Um die geltenden und zukünftigen Grenzwerte zu erreichen, muss als schwierigste Aufgabe der Zielkonflikt zwischen der Stickoxidemission und der Partikelemission gelöst werden. Auch auf den Einfluss der Kraftstoffqualität ist hinzuweisen, s. Abschn. 4.1. Die Motorenhersteller fordern daher die weitestgehende Verminderung des Schwefel- und Aromatengehaltes im Kraftstoff [17-10], [17-11].
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 595 Ein weiterer Zielkonflikt besteht zwischen den Emis sionen von Stickoxiden und Kohlendioxid (CO2). Das Kohlendioxid als angestrebtes Produkt vollständiger Verbrennung ist zwar kein Schadstoff im herkömmlichen Sinn, aber es gilt als klimarelevantes, sog. „Treibhausgas“. Wird die Stickoxidemission vermindert, dann verschlechtert sich grundsätzlich der indizierte Wirkungsgrad des Motors. Dies bedeutet höheren Kraftstoffverbrauch und als Folge vermehrte Kohlendioxidemission. Auch hier gilt es, durch Weiterentwicklung von Gemischbildung und Verbrennung die Verbrauchsnachteile bei der Minderung der Stickoxid emission nach Möglichkeit zu vermeiden. Mit der Einführung der Grenzwertstufe Euro 4 wurde nun ein Niveau erreicht, das die Einführung einer Abgasnachbehandlung erforderlich macht, zumal zeitgleich auch eine Emissionsstabilität über 7 Jahre/ 500.000 km garantiert werden muss. Grundsätzlich bieten sich zwei Lösungsansätze an, vgl. auch Abschn. 15.4 bzw. 15.5. A. innermotorische Stickoxidminimierung und Partikelreduzierung durch einen Partikelfilter Die gekühlte externe Abgasrückführung (AGR) ist die wirkungsvollste Maßnahme zur Begrenzung der NOx-Emission im Verbrennungsprozess. Sie erhöht die Masse der Zylinderladung und verlangsamt die Reaktionsgeschwindigkeit, so dass geringere Brennraumtemperaturen auftreten. Nachteilig ist, dass auch die Rußoxidationsvorgänge verlangsamt werden, gekennzeichnet durch einen Anstieg der Rußemission. Durch weiter steigende Einspritzdrücke (>2000 bar), aber auch durch eine Nacheinspritzung kann die Nachoxidation verbessert werden. Zur Einhaltung des Partikelgrenzwertes ist daher ein Filter erforderlich. Seine Regeneration erfolgt i. d. R. kontinuierlich mit Hilfe von Stickstoffdioxid NO2, das an einem platinbeschichteten Katalysator erzeugt wird, wenn die Abgastemperaturen ausreichend hoch sind. B. innermotorische Partikelminimierung und Stickoxidreduzierung durch die SCR-Technologie Ein gegensätzlicher Weg wird bei der Verwendung eines SCR- (Selective Catalytic Reduction) Systems beschritten. Durch Optimierung der Verbrennung werden die Partikel auf das geforderte Niveau gebracht. In einem nachgeschalteten Katalysator werden die Stickoxide mit Hilfe des Reagenz Ammoniak wieder zu Luftstickstoff N2 reduziert. Das Ammoniak wird dabei aus einer wässerigen Harnstoff-Lösung mit dem Handelsnamen AdBlue erzeugt. Die Hydrolyse erfolgt bei ausreichend hohen Temperaturen nach Einsprühen in den Abgasstrom.
Geräusch Die gesetzliche Begrenzung der Geräusche schwerer Nutzfahrzeuge bezieht sich auf die Geräuschabstrahlung nach außen, vgl. Kap. 16. Die Geräuschemission wird auf das Gesamtfahrzeug bezogen, wo der Motor eine Geräuschquelle unter anderen ist. Unter den Bedingungen der Typprüfung bei beschleunigter Vorbeifahrt nach 70/157/EWG [17-21] ist der Motor i. d. R. als Hauptschallquelle anzusehen. Zur Minderung der Ansaug- und Auspuffmündungsgeräusche stehen wirksame Dämpfersysteme zur Verfügung, s. Kap. 13. Es ist darauf zu achten, dass Druckverlust und Bauraum akzeptabel bleiben. Schwieriger ist die Geräuschemission des Motors selbst zu beherrschen. Ausgehend vom Impuls der Verbrennung wird über die Körperschallleitung durch die Motorstruktur in Verbindung mit Resonanzerscheinungen von der Motorund Getriebeoberfläche Luftschall abgestrahlt. Hinzu kommen Geräusche, die durch Impulse aus der Motormechanik, z. B. durch Lagerspiele, Verzahnungsspiele, Ventilspiele usw., ausgelöst werden. Beim Verbrennungsgeräusch lassen sich Minderungen durch eine „weiche“ Verbrennung, d.h. durch einen niedrigen Verbrennungsdruckgradienten, erreichen [17-9], [1710]. Durch die Einführung elektronisch geregelter Einspritzsysteme mit der Möglichkeit einer Voreinspritzung konnten wesentliche Fortschritte erzielt werden, ohne eine Beeinträchtigung des Motorwirkungsgrades. Bei Motorneuentwicklungen sind geräuschoptimierte Kurbelgehäusestrukturen und als Sekundärmaßnahme auch schalldämmende Elemente wirkungsvoll, s. a. Abschn. 17.3.3.2. Voll- oder Teilkapseln, s. Abschn. 16.5, davon können sowohl motor- als auch fahrzeuggetragen ausgeführt werden. In allen Fällen müssen Gewichtserhöhungen und oft auch Behinderungen bei den notwendigen Wartungsarbeiten am Motor in Kauf genommen werden.
17.3.3 Ausgeführte Motorkonstruktionen für schwere Nutzfahrzeuge 17.3.3.1
Gesamtbetrachtung
Leistungsdichte Die Motorenentwicklung wird nachhaltig durch die Emis sionsgesetzgebung beeinflusst. Dies hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass in allen schweren Nutzfahrzeugen ausschließlich Dieselmotoren mit Abgasturboaufladung und Ladeluftkühlung und dementsprechend hohen spezifischen Leistungen zu finden sind. In Bild 17‑32 werden verschiedene europäische Motoren für schwere Nutzfahrzeuge mit
596
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-32 Leistung und Drehmoment von Nutzfahrzeugmotoren mit Turboaufladung und Ladeluftkühlung, abhängig vom Hubraum
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse ihrer Nennleistung eingetragen. Im unteren Hubraumbereich werden auf Grund der höheren Nenndrehzahlen Maximalwerte um 35 kW/l erreicht. Eine weitere wichtige Größe bei Nutzfahrzeugmotoren ist das auf den Hubraum bezogene Drehmoment. Es entspricht dem mittleren effektiven Druck pe, s. Abschn. 1.2. Bild 17-32 enthält für die gleichen Motoren auch die Werte des maximalen Drehmoments. Die höchsten spezifischen Drehmomentwerte liegen bei etwa 200 Nm/l, was einem mittleren effektiven Druck pe | 25 bar bzw. einer spezifischen Nutzarbeit von we | 2,5 kJ/dm3 entspricht, s. Abschn. 1.2.5.
Hubvolumen Die Anhebung der spezifischen Leistung durch Turboaufladung und Ladeluftkühlung führte generell zu kleineren Motoren (Downsizing). Die Nennleistungs- und Hubraumwerte der Motoren in den verschiedenen Fahrzeugklassen kann man den Angaben aus Bild 17-32 entnehmen. Bei den europäischen schweren Nutzfahrzeugen werden Motoren zwischen etwa 4 l und 16 l Hubraum eingesetzt. In der leichten
Bild 17-33 Entwicklung des Zylinderspitzendruckes über der Zeit
597
Klasse sind Vier- und Sechszylindermotoren üblich. In der Mittelklasse sind es fast ausschließlich sechs Zylinder. In der schweren Klasse sind Zylinderzahlen von 6, 8 und 10 zu finden sind. Das Hubvolumen liegt zwischen 0,7 l/Zylinder und 2,2 l/Zylinder und die dazugehörige Nenndrehzahl zwischen 2500 min–1 und 1800 min–1.
Zylinderdrücke Als Folge der Leistungskonzentration war es notwendig, auch die den Brennraum begrenzenden Teile sowie die Kraftübertragung über Pleuel, Kurbelwelle und Schwungrad zu ertüchtigen. Bild 17-33 zeigt die Entwicklung der Verbrennungsdrücke seit 1990, wobei eine deutliche Auswirkung der Abgasemissionsgesetzgebung insbesondere ab Euro 3 sichtbar wird.
Kraftstoffverbrauch Wie bereits erwähnt, werden in schweren Nutzfahrzeugen, abgesehen von einigen Sonderanwendungen bei Bussen oder Kommunalfahrzeugen, ausnahmslos Dieselmotoren einge-
598
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-34 Nfz-Dieselmotor mit geregelter Abgasrückführung, zweistufiger Aufladung und Zwischenkühlung sowie Common Rail-Einspritzsystem (MAN D08, MAN Nutzfahrzeuge AG)
setzt. Damit werden die niedrigsten spezifischen KraftstoffVerbrauchswerte beim Antrieb von Straßenfahrzeugen erzielt. In Abschn. 17.3.2.2 wurde bereits dargelegt, dass die gesetzlichen Begrenzungen der Stickoxidemission, aber auch der Partikelemission den Kraftstoffverbrauch erhöhen. Durch gezielte Weiterentwicklung des Verbrennungsablaufs hinsichtlich geringer Abgasemissionen wird versucht, die negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch so klein wie möglich zu halten. Im Bestpunkt werden dennoch Werte von unter 190 g/kWh entsprechend einem Gesamtwirkungsgrad des Motors von ca. 45% erzielt. Für den Fahrzeugbetreiber ist der auf die Fahrstrecke bezogene Kraftstoffverbrauch des Fahrzeugs aussagekräftiger. Es ist aber kaum möglich, hierzu Standardwerte anzugeben, weil viele Randbedingungen, z. B. Fahrzeugabmessungen, Einsatzprofil, Beladung, Topographie, Windverhältnisse oder Verkehrsdichte die Ergebnisse beeinflussen. Mit Fernverkehrsfahrzeugen meist der schweren Klasse führen Fachzeitschriften auf gleich bleibenden Strecken Fahr- und Verbrauchstests durch, die dem Betreiber als Orientierungshilfe dienen können, s. z. B. [17-12].
17.3.3.2
Ausgewählte Ausführungen
Verbrennungsverfahren, Ladungswechsel Motoren für schwere Nutzfahrzeuge haben ausnahmslos die luftverteilende Direkteinspritzung (vgl. Abschn. 3.1). Zur Verbesserung der Gemischbildung und Verbrennung ist eine Un-
terstützung durch einen gerichteten Drall im Brennraum hilfreich. Seine Höhe ist von den Randbedingungen wie Druckpotenzial des Einspritzsystems, Abgasrückführrate, Aufladegrad etc. abhängig. Die Drehströmung wird in einem drallerzeugenden Kanal aufgebaut, der vor den Einlassventilen liegt. In der Regel steuern vier Ventile, d. h. je zwei Einlass- und Auslassventile, den Ladungswechsel. Neben der Vergrößerung der Strömungsquerschnitte bringt diese Entwicklung auch Vorteile bei der Verbrennung, weil die Einspritzdüse zentral in Brennraummitte angeordnet werden kann. Eine Variante mit erhöhtem Drallbedarf verkörpert der Motor in Bild 17-34. Der Reihen-Sechszylinder mit 108 mm Zylinderbohrung und 125 mm Hub entsprechend 6,9 l Hubraum leistet 240 kW bei 2300 min–1. Er ist mit einer extern gekühlten Abgasrückführung (AGR) versehen, die den Zielkonflikt zwischen Schadstoffemission und Kraftstoffverbrauch entspannt, vgl. Abschn. 17.3.2.2. In Verbindung mit einer zweistufigen Aufladung und Zwischenkühlung erfüllt er durch innermotorische Maßnahmen die Euro 4-Grenzwertstufe für NOX. Wie nahezu alle Motoren dieser Klasse verfügt er über zwei Einlass- und Auslassventile je Zylinder. Die Nockenwelle ist im Zylinderblock angeordnet. Einen Vertreter der drallarmen Motoren mit mehr kraftstoffverteilter Gemischbildungsenergie zeigt Bild 17-35 [17-13]. Als erstem Vertreter eines neuen Motorendesigns mit einem Hubraum VH = 7,8 l folgten ihm noch Baureihen mit 10,5 und 13 l Hubraum mit identischen Konstruktionsmerkmalen, [17-14], [17-15]. Der Reihen-Sechszylindermotor besitzt 115 mm Bohrung bei 125 mm Hub und leistet
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse
599
Bild 17-35 Nutzfahrzeugdieselmotor mit im Zylinderkopf angeordneter Nockenwelle und Pumpe-Düse-Einspritzsystem (Iveco)
257 kW bei 2500 min-1. Der Zylinderkopf enthält zwei Einlass- und Auslassventile je Zylinder. Die Mitten der Einlassventile sind jeweils quer zur Kurbelwellenachse angeordnet. Analog gilt dies für die Auslassventile. Die Gemischbildung wird u. a. durch die Geometrie des Brennraums mit Turbulenzen unterstützt, die sich am Ende des Verdichtungshubes ergeben. Den größeren Anteil an der mechanischen Gemischbildungsenergie trägt die Kraftstoffeinspritzung bei. Eine in der Zylinderachse angeordnete Pumpedüse sorgt für eine gleichmäßige Verteilung der Kraftstoffstrahlen auf den zentrischen Brennraum. Durch den maximalen Einspritzdruck von 1900 bar wird der Kraftstoff in sehr kleine Tröpfchen aufgelöst. Verdampfung und Mischung des Kraftstoffes mit
der Luft kommen in dieser Auslegung mit der langsameren Drehströmung der Ladung aus. Ein Einspritznocken auf der im Zylinderkopf liegenden und über Zahnräder angetriebenen Nockenwelle treibt über einen Kipphebel den Kolben der Pumpedüse. Einspritzbeginn und Einspritzmenge werden durch ein Magnetventil an der Pumpedüse gesteuert. Eine Elektronikeinheit regelt die Gesamtanlage, zu der in der leistungsstärksten Ausführung auch eine variable Turbinengeometrie VTG gehört. In Bild 17-36 ist der Querschnitt durch einen turboaufgeladenen und ladeluftgekühlten V8-Motor mit 420 kW bei 1800 min-1 dargestellt [17-16]. Die Zylinderbohrung beträgt 130 mm Durchmesser, der Hub 150 mm. Eine V6-Variante ist ebenfalls verfügbar. Die vier Ventile je Zylinder betätigt
600 17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-36 Querschnitt durch einen V‑Achtzylinder-Dieselmotor mit Pumpe‑Leitung‑Düse‑Einspritzsystem und Kons tantdrossel (Daimler Chrysler AG)
eine Nockenwelle jeweils über Rollenstößel, Stößelstange, Kipphebel und Ventilbrücke je Einlass- und Auslassventilpaar. Die Nockenwelle ist im Kurbelgehäuse in der Mitte zwischen den beiden Zylinderbänken gelagert. Sie wird von der Kurbelwelle am schwungradseitigen Ende direkt ohne Zwischenrad angetrieben. Die Nockenwelle trägt außer den Nocken zur Ventilbetätigung je Zylinder einen weiteren Nocken, der die in das Kurbelgehäuse eingesetzte, magnetventilgesteuerte Steckpumpe zur Kraftstoffeinspritzung antreibt, vgl. Abschn. 5.3. Einspritzmenge und Spritzbeginn regelt eine Elektronikeinheit.
Motorbremse Eine einfache und häufig angewendete Ausführung ist eine Drosselklappe in der Abgasleitung, die die Bremsleistung durch den hohen Gegendruck in der Ausschubphase des Kolbens erzielt, Bild 17‑37. Der Gegendruck und damit die erreichbare Bremsleistung müssen aber begrenzt werden, um Bauteilschäden zu vermeiden. Höhere Bremsleistungen werden erzielt, wenn nicht nur der Ausschubhub des Kolbens, sondern auch der Verdich-
tungshub verlorene Arbeit aufnimmt. Diese wird durch Abblasen der verdichteten Luft gegen Ende des Verdichtungshubes erreicht. Systeme, die mit dementsprechend gesteuerten Ventilen arbeiten, sind als Jake(Jacobs)-Brake [17-17], Konstantdrossel [17-18], EVB (Exhaust Valve Brake) [17-19] und als Intebrake [17-20] bekannt, vgl. Abschn. 17.3.3.1. Weitere Steigerungen der Bremsleistung erzielt man durch Turbobrake, durch zusätzliche Nutzung eines VTG-Turboladers, s. Abschn. 2.2.5.2. Bei dem V-Motor nach Bild 17‑36 werden die vier Gaswechselventile je Zylinder durch ein weiteres Ventil ergänzt, das den Verdichtungsraum mit dem Auslasskanal verbindet, wie im Schnitt der linken Zylinderbank zu erkennen ist. Dieses Ventil ist im Normalbetrieb geschlossen. In Kombination mit der Drosselklappe in der Auspuffleitung dient es dazu, die Motorbremsleistung zu erhöhen. Dazu wird es druckluftbetätigt dauernd einen definierten Spalt weit geöffnet. Die zusätzliche negative Arbeit entsteht im Verdichtungshub durch Abblasen der Luft über dieses Drosselventil, der sog. „Konstantdrossel“ [17-18], vgl. Abschn. 17.3.2.1. Im Motorbrems-System EVB (Exhaust Valve Brake) [17-19] übernimmt das Auslassventil die Funktion der Ab
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse 601
Bild 17-37 Funktionsweisen von Motorbremssystemen
blasdrossel. Bild 17‑37. Den dazu erforderlichen Eingriff in die Ventilsteuerung in der Viertaktabfolge zeigt Bild 17-38: Um die Motorbremse zu aktivieren, wird die Drosselklappe im Abgastrakt geschlossen. Der auspuffseitige Druck, geprägt durch die Druckwelle eines ausschiebenden Nachbarzylinders, lässt das Auslassventil am Ende des Ansaugtaktes aufspringen. Eine ölhydraulische Sperre im Kipphebel verhindert das vollständige Schließen des Auslassventils. Durch den verbleibenden, definierten Spalt am Ventilsitz (1,5…2 mm) wird ein Teil der im Kompressionstakt verdichteten Luft abgeblasen und dadurch die Bremsleistung erhöht, vgl. Abschn. 17.3.2.1. Die am Ende des Expansionstaktes beginnende nockengesteuerte Öffnung des Auslassventils deaktiviert die ölhydraulische Sperre. Eine andere Möglichkeit, verdichtete Ladung abzublasen und dadurch die Motorbremsleistung zu erhöhen, besteht darin, das Auslassventil am Ende des Verdichtungshubes gesteuert zu öffnen. Bei der Jacobs-Brake [17-17], bekannt als „Jake-Brake, wird bei Motoren mit Pumpe-Düse-Einspritzsystemen die mechanische Betätigung der Pumpedüse
herangezogen, um mit Hilfe einer zusätzlichen Hydraulikeinheit das Auslassventil im Verdichtungs-OT zu öffnen. Die „Intebrake“ profitiert zugunsten hoher Bremsleistung von zwei obenliegenden Nockenwellen, deren eine ausschließlich die Pumpedüsen betätigt, während die zweite die Ventile steuert. Auf der zweiten Welle ist je Zylinder ein zusätzlicher Nocken angeordnet, der über einen zu- und abschaltbaren Rollen-Kipphebel das Auslassventil öffnet, um die verdichtete Luft abzublasen. Dadurch sind die Funktionen Motorbremse und Kraftstoffeinspritzung voneinander unabhängig und für beide können optimale Steuerzeiten und Nockenprofile verwirklicht werden, vgl. Abschn. 17.3.2.1.
Kurbelgehäuse und Triebwerk Bild 17‑39 stellt den Querschnitt eines R-Sechszylindermotors, Leistung 321 kW, einer Baureihe mit 120 mm Zylinderdurchmesser und 155 mm Hub dar. Das Kurbelgehäuse wurde, erstmals in dieser Motorenklasse, aus Vermicular-
602
17 Fahrzeugdieselmotoren
a
b
c
Bild 17-38 Funktion der EVB (Exhaust Valve Brake). a Ansaugtakt: Sperrkolben liegt am Ventil an; b Verdichtungs- und Expansionstakt: Ventil ist durch auspuffseitige Druckwelle aufgesprungen, Sperrkolben hält definierten Ventilspalt (1,5 . . . 2 mm), Luft bläst ab; c Auspufftakt: Nockenhub deaktiviert Sperre (MAN Nutzfahrzeuge AG)
graphitgusseisen GJV-450 gegossen und für hohe Belastungen konzipiert. Auf Grund der hohen Festigkeit dieses Werkstoffs ergeben sich Möglichkeiten für eine kompakte und leichte Motorkonstruktion. Da die Übertritte von Kühlmittel und Motoröl nicht durch die Zylinderkopfdichtung, sondern über externe Anbauteile erfolgen, konnten das Deck des Kurbelgehäuses bzw. die Bodenplatte des Zylinderkopfes sehr steif ausgeführt werden. Die ebenfalls erstmals an einem Nutzfahrzeugmotor- in Crack-Technologie ausgeführten Hauptlagerdeckel sind mit je zwei hochfesten Rollschaft-Bundschrauben am Kurbelgehäuse befestigt. Gecrackte Bauteile finden bei lagerichtiger Montage exakt in die richtige Ursprungsposition zurück. Querbelastungen können auf Grund der rauen Oberfläche besser aufgenommen werden. Der Kolben besteht aus einer gegossenen Aluminiumlegierung. Für den ersten Kolbenring ist ein Ringträger aus Niresist mit Alfinbindung eingegossen. Die drei Ringnuten sind mit einem verchromten Doppel-Trapezring, einem Minutenring und einem verchromten Dachfasen-Schlauchfederring als Ölabstreifer bestückt. Der Kolbenbolzen ist axial durch Seegerringe gesichert.
Die Pleuelstange ist aus Vergütungsstahl ohne Gewichtsausgleichsstollen im Gesenk präzisionsgeschmiedet und durch Bruchtrennen (Cracken) des Lagerdeckels schräg geteilt. Lagerdeckel und Stange werden durch die beim Cracken erzeugte Oberflächenmakrostruktur zueinander fixiert und mit hochfesten Torx-Bundschrauben verschraubt. Die Pleuellager sind für höchste Belastungen und Lebensdauer ausgelegt. Die stangenseitige Schale besteht aus verschleißfestem Sputter-Lagermetall. Die Ölversorgung des kleinen Pleuelauges mit eingepresster Lagerbuchse erfolgt über Spritzöl aus der Kolbenkühlung. Die Kurbelwelle wird im Gesenk aus hochvergütetem mikrolegiertem Stahl geschmiedet. Acht angeschmiedete Gegengewichte dienen zum Ausgleich der Massenkräfte. Mit Hilfe der FEM-Berechnung wurde die Kurbelwelle für hohe Biege- und Torsionssteifigkeit ausgelegt. Am vorderen Wellenende sitzt zur Dämpfung der Kurbelwellen-Drehschwingungen ein Visco-Torsionsschwingungsdämpfer mit Kühlrippen zur effektiven Wärmeabfuhr. Als Hauptlager werden einbaufertige Dreistofflager verwendet. Die axiale Lagerung erfolgt durch in das Kurbelgehäuse eingelegte Anlaufscheiben.
17.3 Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge und Busse Bild 17-39 zeigt, dass das Hochdruck-Speichereinspritzsystem „Common Rail“ (ohne Druckübersetzung im Injektor), s. Abschn. 5.3.5, auch an Dieselmotoren für schwere Nutzfahrzeuge entwickelt wurde. Als Druckerzeuger wird eine 3-Stempel-Hochdruckpumpe verwendet, die mit Kraftstoff geschmiert wird. Somit wird der Vergiftungsgefahr des Abgasnachbehandlungssystems durch Öladditive vorgebeugt. Der im Rail gewünschte Kraftstoffdruck ist im gesamten Kennfeld flexi-
603
bel einstellbar und liegt über kurze Leitungen auch an den magnetventilgesteuerten Injektoren an. In dem hier verwendeten System der 2. Generation ist er noch auf 1600 bar begrenzt, weitere Steigerungen sind in Entwicklung. Der Injektor steht senkrecht und zentral über dem Brennraum. Der Kraftstoff wird durch eine 7-Loch-Düse mit gleichmäßig über den Brennraum verteilten Strahlen eingespritzt. Je Arbeitsspiel erfolgt eine Mehrfacheinspritzung mit Vor-, Haupt- und Nacheinspritzung. Die Motorelektronik
Bild 17-39 Wesentliche Konstruktionsmerkmale eines modernen Nutzfahrzeugdieselmotors (MAN Nutzfahrzeuge AG)
604 17 Fahrzeugdieselmotoren steuert deren Verlauf, jeweils gekennzeichnet durch Raildruck, Spritzbeginn und Spritzdauer, abhängig von gespeicherten Kennfeldern. Dadurch lässt sich ein Verbrennungsablauf erzielen, der sich vorteilhaft auf Abgas- und Geräusch emissionen sowie den Kraftstoffverbrauch auswirkt. Der Verbrennungsdruck im Zylinder erreicht maximal 200 bar.
17.3.4
Ausblick
Gebrauchsnutzen und die damit verbundenen Kosten werden auch in Zukunft die entscheidenden Wettbewerbskriterien für Dieselmotoren in schweren Nutzfahrzeugen sein. Weiterhin werden die gesetzlichen Vorgaben zur Umweltverträglichkeit die Entwicklung erheblich beeinflussen. Dies hat bereits dazu geführt, dass die Grenzwertstufen für Stick oxidemissionen und Partikel ab dem Jahr 2005 nicht mehr allein durch motorinterne Maßnahmen erreichbar waren: leistungsfähige und gebrauchstüchtige Abgasnachbehandlungssysteme mussten zur Marktreife entwickelt werden. Die Nutzfahrzeugindustrie hat sich dabei für zwei unterschiedliche Strategien entschieden, die beide jeweils mit Vor-, aber auch Nachteilen behaftet sind. Hersteller von AGR-Motoren reklamieren für sich z. B. geringere Herstellkosten, Bauraumvorteile, niedrigeres Gewicht oder Unabhängigkeit von einer AdBlue-Infrastruktur; Hersteller von SCR-Motoren nehmen für ihr Produkt geringere Kraftstoffkosten oder Benutzervorteile durch staatliche Förderungen wegen Vorerfüllung künftiger Emissionsstandards in Anspruch. Welcher Weg für Euro 4 und 5 auch immer gewählt wurde: es wird die Prognose gewagt, dass für die noch in der Diskussion befindliche Stufe Euro 6 ab etwa 2012 beide Technologien zur gleichen Zeit am gleichen Motor verbaut werden müssen. Die Fähigkeit der einzelnen Unternehmen, die Potenziale zur Minimierung der Rohabgasemissionen zu erschließen, wird den Aufwand für die Abgasnachbehandlungssysteme und damit deren Kosten nachhaltig beeinflussen. Im Interesse des Kunden darf dabei der Gebrauchsnutzen in Form von Lebensdauer, Wartungsaufwand etc. nicht beeinträchtigt werden. In jedem Fall erfordern Abgasnachbehandlungssysteme einen Dieselkraftstoff, dessen Schwefelgehalt auf unter 10 ppm abgesenkt und dessen Aromatengehalt auf ein wirtschaftlich vertretbares Maß abgesenkt ist. Auf längere Sicht werden deutliche Beiträge durch die Zumischung synthetischer Kraftstoffe wie CTL, GTL oder BTL zu erwarten sein, vgl. Abschn. 4.2. Trotz der Herausforderungen der Emissionsgesetzgebung ist zu erwarten, dass die spezifische Leistung der Motoren sich auch in der Zukunft weiter steigern lässt. Dazu wird auf Basis hoher AGR-Raten sowie zweistufiger Aufladung mit Zwischenkühlung eine Steigerung der Spit-
zendruckfestigkeit der Motorbauteile auf deutlich über 200 bar, aber auch eine Weiterentwicklung der Fahrzeugkühlsysteme erforderlich sein. Einen deutlichen Schub in Richtung größerer und damit stärkerer Motoren könnte eine Anhebung des zul. Gesamtgewichtes im normalen Straßeneinsatz mit sich bringen. Entsprechende Feldversuche laufen in verschiedenen Regionen Europas bis hin zu 60 t. Ob sich eine der Aufladeturbine im Abgasstrom nachgeschaltete Nutzturbine durchsetzen wird, bleibt weiterhin abzuwarten. Das Ergebnis wird davon abhängen, wie sich das Verhältnis von Aufwand zu Kraftstoffeinsparung für ein solches Turbo-Compound-System entwickelt, s. Abschn. 14.1. Mittelfristig wird die Motorleistung der FernverkehrsLkw mit 40 t Gesamtmasse auf etwa 500 kW steigen. Diese Leistung wird gebraucht, um Autobahnsteigungen von 4% mit der zulässigen Geschwindigkeit von 80 km/h befahren zu können.
17.4 Schnelllaufende Hochleistungs dieselmotoren 17.4.1 Einordnung der schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren Im Allgemeinen versteht man hierunter Dieselmotoren mit einer hohen Leistungsdichte. Eine eindeutige Abgrenzung der schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren (SHD) zu den übrigen Dieselmotoren ist nicht möglich. Die Übergänge sind fließend. SHD sind i. d. R. Motoren, deren Auslegungsdrehzahl oberhalb 1000 min–1 liegt. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal, hier im Besonderen zum mittelschnelllaufenden Dieselmotor, ist die mittlere Kolbengeschwindigkeit cm, die beim SHD deutlich über 10 m/s liegt. Eine wesentliche Kenngröße für Hochleistung ist die spezifische Arbeit we (entspricht dem „mittleren effektiven Druck“ pe, s. Abschn. 1.2), die bei SHD im Nennleistungspunkt mehr als 2 kJ/dm3 beträgt. Kennzeichnend für Hochleistung beim Dieselmotor ist außerdem die spezifische Kolbenflächenleistung, deren Abhängigkeit von der Bohrung D für ausgeführte SHD in Bild 17‑40 dargestellt wird. Die spezifische Kolbenflächenleistung erreicht danach im Mittel Werte von 5 W/ mm2. Der Maximalwert liegt bei annähernd 10 W/mm2. Die auf die Leistung bezogene Motormasse mP, das sog. Leistungsgewicht, ausgeführter Hochleistungsdieselmotoren wird im Bild 17‑41 gezeigt. Um günstige Leistungsgewichte darstellen zu können, werden SHD in V-Anordnung ausgeführt. Prinzipiell ist danach festzustellen, dass das Leistungsgewicht bei konstanter spezifischer Kolbenflächenleistung PA mit steigender Bohrung zunimmt, was einer allgemeinen
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren
605
Bild 17-40 Abhängigkeit der spezifischen Kolbenflächenleistung von der Zylinderbohrung bei ausgeführten Dieselmotoren
Bild 17-41 Leistungsmassen ausgeführter Dieselmotoren in Abhängigkeit von der Zylinderbohrung
Gesetzmäßigkeit entspricht, s. Abschn. 17.4.2. Legt man für die Schnellläufigkeit von SHD als Randbedingungen cm ≤13 m/s, n ≥1000 min–1 fest, so ist das Zylindervolumen Vh schnelllaufender Hochleistungsdieselmotoren nach oben begrenzt, indem mit s = cm/2n
für den Hub folgt: s < 390 mm. Für ein effektives Verbrennungsverfahren sollte das Hub/ Bohrungs-Verhältnis bei s/D ≥ 1,25 liegen,
606
17 Fahrzeugdieselmotoren
sodass daraus die maximal mögliche Bohrung für den schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotor zu berechnen ist: D ≤ 300 mm. Wählt man gemäß Bild 17-40 die spezifische Kolbenflächenleistung PA = 10 W/mm2, so berechnet sich die maximal mögliche Zylinderleistung: PZ ≈ 700 kW bei einem Zylinderhubvolumen von ca. 27 dm3. In diesen Grenzbereich ist man bisher aber nicht vorgestoßen, da mit SHD dieser Größenordnung kein Kundennutzen erzeugt werden kann, wie im weiteren noch näher beschrieben wird. Die obere Grenze des schnelllaufenden Hochleistungsmotors mit Pe = 9100 kW (455 kW/Zyl.) stellt heute die Baureihe 8000 von MTU dar (Bild 17-42). Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor wird überall dort eingesetzt, wo geringes Leistungsgewicht und/ oder geringes Bauvolumen zu Vorteilen des Gesamtsystems führen. Zu nennen sind: – schnelle Schiffe, – Stromaggregate mit besonderen Anforderungen (transportabel), – Lokomotiven und Triebwagen sowie – große Muldenkipper.
Von besonderer Bedeutung ist der SHD für schnelle Schiffe, da „pay load“ ähnlich wie beim Flugzeug entscheidend vom Gewicht der Antriebsanlage abhängig ist. Ohne näher auf die Schiffstechnik eingehen zu wollen (s. hierzu z. B. [17-22] bis [17-24]), steigt grundsätzlich der Bedarf nach geringem Leistungsgewicht mit sinkender Verdrängung und steigender Geschwindigkeit des Schiffes und umgekehrt. Das bedeutet, das Leistungsgewicht des Antriebssystems verliert mit steigender Verdrängung des Schiffes an Bedeutung, wenn nicht gleichzeitig extreme Forderungen an die Geschwindigkeit gestellt werden. Exakte Einsatzgrenzen für den SHD im oberen Leistungsbereich sind aber dennoch nicht festlegbar, da diese erheblich von den Anforderungen an das Antriebssystem abhängig sind. Als Richtgröße lässt sich sagen, dass für den Leistungsbereich zwischen 5000 kW und 10000 kW und einer Geschwindigkeit im Bereich ≤ 30 kn (kn: Knoten, d. h. Seemeilen pro Stunde, wobei 30 kn ≈ 55 km/h entsprechen) die Bedeutung des SHD stetig abnimmt und die Bedeutung des mittelschnelllaufenden Dieselmotors mit günstiger Leistungsmasse (mP ≤ 6 kg/kW) ständig zunimmt. Bei hohen Geschwindigkeitsanforderungen in Zusammenhang mit großen Schiffseinheiten kann die erforderliche Leistung nur durch Gasturbinen zur Verfügung gestellt werden. In der Regel wird der Leistungsbereich bis 1500 kW mit preiswerten Derivaten des Nutzfahrzeugdieselmotors abgedeckt. Oberhalb 1500 kW sind speziell entwickelte SHD vorzufinden, auf deren Auslegung und Konstruktion in den Abschn. 17.4.2 und 17.4.3 besonders eingegangen wird.
Bild 17-42 MTU 20V 8000 M91, 9100 kW bei 1150 min–1, Bohrung 265 mm, Hub 315 mm, spez. Arbeit 2,73 kJ/dm3
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 607
17.4.2 Darstellung hoher Leistungen beim Dieselmotor Basierend auf den für die Leistung eines Verbrennungsmotors üblichen Bestimmungsgleichungen (vgl. Abschn. 1.2) ist es für das typische Anwendungsfeld des SHD, nämlich den Schiffsantrieb, wegen der dabei in weiten Bereichen frei wählbaren Drehzahl sinnvoll, von folgendem Zusammenhang auszugehen: Pe ~ z ∙ we ∙ cm ∙ D2.
(17-1)
Von entscheidender Bedeutung für die Leistungsmasse ist die Zylinderzahl z. Es ist zu überlegen, welchen Einfluss die Zylinderzahl bei konstanter mittlerer Kolbengeschwindigkeit cm, konstanter spezifischer Arbeit we und konstanter Leis tung des Motors Pe auf die Leistungsmasset hat. Für die Masse eines Hubkolbenmotors gilt in 1. Nährung: m ~ D3.
(17-2)
Damit folgt unter Berücksichtigung von Gl. (17-1) für die leistungsbezogene Motormasse, auch Leistungsgewicht genannt: mP = m/Pe ~ D/(z ∙ we ∙ cm) ~ D/(z ∙ PA).
(17-3)
Unter Beachtung von Gl. (17-1) sinkt für Pe, we und cm = konst. mit steigender Zylinderzahl der Bohrungsdurchmesser D. Damit sinkt bei gleichzeitig steigender Zylinderzahl z das Leistungsgewicht bei sonst konstanten Randbedingungen überproportional. Der Einfluss der Zylinderzahl auf die Leistungsmasse ist in Bild 17‑43 für Motoren konstanter Leistung in V-Anordnung dargestellt. Neben hohen Werten für die spezifische Kolbenflächenleis tung PA sind beim SHD hohe Zylinderzahlen anzustreben. Da i. d. R. ein Leistungsbereich mit einer Baureihe abgedeckt werden muss, werden die Zylinderzahlen 12, 16 und 20 in V‑Anordnung für eine SHD-Baureihe gewählt. Bei kleineren Motoren, mit Zylinderhubvolumen kleiner 3 dm3, ist aus Steifigkeitsgründen des Kurbelgehäuses eines V20‑Motors nicht mehr in Betracht zu ziehen. Motoren ab 12 Zylinder in V‑Anordnung können für jeden V‑Winkel so ausgeführt werden, dass ohne zusätzlichen Massenausgleich 1. bzw. 2. Ordnung ein vollständiger Massenausgleich möglich ist. Der Nutzwirkungsgrad eines Dieselmotors als ein Produkt von Teilwirkungsgraden, vgl. Abschn. 1.2, wird im Wesentlichen vom Verhältnis maximaler Zylinderdruck (Spitzendruck) zu spezifischer Arbeit pZmax/we, von der Verbrennung nach Güte und zeitlichem Verlauf, vom Auf-
Bild 17-43 Relative Leistungsmasse in Abhängigkeit von der Zylinderzahl bei V‑Motoren
608 17 Fahrzeugdieselmotoren ladewirkungsgrad (s. Abschn. 2.2) und den mechanischen Verlusten beeinflusst, wobei weder pZmax/we noch der Aufladewirkungsgrad durch die Zylinderzahl beeinflusst werden. Vergleicht man Motoren mit gleicher Leistung, aber mit unterschiedlichen Zylinderzahlen, so nehmen bei sonst gleichen Randbedingungen gem. Gl. (17‑1) mit zunehmender Zylinderzahl die konstruktiven Zylinderabmessungen ab, sodass wegen der damit verbundenen Zunahme der Wandwärmeverlust infolge vergrößerten Oberflächen-VolumenVerhältnissen und der Ladungswechselverluste der Gütegrad bzw. der indizierte Wirkungsgrad sinkt. Verglichen mit allen übrigen Maßnahmen zur Reduzierung des Leistungsgewichtes ist dies jedoch die Maßnahme, die zu den geringsten Einbußen beim Wirkungsgrad führt. Da die Motorleistung proportional mit der spezifischen Arbeit zunimmt, nimmt bei gleichen Abmessungen die leis tungsbezogene Motormasse ab, wobei gleichzeitig relativ betrachtet die mechanischen Verluste abnehmen. Es ist also für die Motorauslegung von Interesse, die obere Grenze der spezifischen Arbeit zu ermitteln. Für SHD liegt mit einstufiger Aufladung der erreichbare Ladedruck bei ca. 4,5 bar absolut. Höhere Ladedrücke sind zwar prinzipiell möglich, doch reicht dann das schmaler werdende Verdichterkennfeld nicht aus, um z. B. bei Schiffsantrieben das notwendige Motorenkennfeld darstellen zu können, vgl. Abschn. 17.4.3. Mit 4,5 bar Ladedruck ist dann ein Wert für die spezifische Arbeit we bis 2,8 kJ/dm3 erreichbar. Oberhalb dieses Wertes sind die Motoren mehrstufig aufzuladen. In Abhängigkeit vom zulässigen Spitzendruck und der möglichen Einspritzdauer folgt daraus das maximal mögliche Verdichtungsverhältnis. Hoher Spitzendruck lässt auch hohe Verdichtungsverhältnisse zu. Durch Verkürzen der Einspritzdauer kann bei konstantem Einspritzdruck der Einspritzbeginn zu späteren Zeitpunkten verlegt werden. Bei vorgegebenem Spitzendruck sind somit wiederum höhere Verdichtungsverhältnisse möglich. Da zum Starten und zum weißrauchfreien Leerlaufbetrieb ein Mindestverdichtungsverhältnis notwendig ist, ist für eine gegebene Motorenkonstruktion der zulässige Ladedruck nach oben begrenzt und damit wiederum auch die maximal mögliche spezifische Arbeit we unter den angegebenen Randbedingungen (ηemax, λVmin). Das minimal notwendige Verdichtungsverhältnis liegt bei kleinen Motoren (Vh < 3 dm3) bei 14 bis 15, bei größeren Motoren bei 13 bis 14. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass – hoher Spitzendruck, – hoher Wirkungsgrad, – geringes Luftverhältnis, – kurze Einspritzdauer,
hohe Ladedrücke und damit hohe spezifische Arbeit ermöglichen. Dabei hat der Spitzendruck einen großen Einfluss sowohl auf die Motormasse als auch den Wirkungsgrad des Motors. Es besteht ein Zielkonflikt, der sorgfältig abgewogen werden muss. Im Bild 17-44 ist der Einfluss der spezifischen Arbeit auf die Leistungsmasse eines Dieselmotors unter unterschiedlichen Randbedingungen dargestellt. Für beide Kurven sind die Zylinderleistung PZ wie auch die mittlere Kolbengeschwindigkeit konstant. Die Leistungspositionierung muss bei der Auslegung des Motors zuerst festgelegt werden. Die Kurven geben jeweils für ein bestimmtes Konstruktionsprinzip die zu erwartenden Leistungsgewichte in Abhängigkeit der spezifischen Arbeit we an, d. h. mit we variiert auch die Bohrung entlang der Kurven mit PZ = konst. Für die durchgezogenen Kurven ist außerdem das Verhältnis pZmax/we konstant, d. h., der Wirkungsgrad und damit der spezifische Kraftstoffverbrauch sind in erster Nährung konstant. Für die gestrichelte Kurve gilt pZmax = konst., sodass mit Zunahme der spezifischen Arbeit resp. des mittleren effektiven Drucks das Verhältnis pZmax/we und damit der Wirkungsgrad abnehmen. Die Unstetigkeitsstellen bei we = 2,8 kJ/dm3 stellen den Übergang von einstufiger auf zweistufige Aufladung dar. Die Masse des Motors wurde durch Ähnlichkeitsbetrachtungen an den Bauteilen eines konkreten konstruktiven Konzeptes berechnet. Es ist festzustellen, dass mit höherer spezifischer Arbeit das Potenzial für ein Reduzieren des Leistungsgewichts abnimmt. Um den Zusatzaufwand der zweistufigen Aufladung ausgleichen zu können, ist eine Steigerung der spezifischen Arbeit notwendig. Hohe spezifische Arbeit führt nur dann zu spürbaren Vorteilen beim Leistungsgewicht, wenn der Spitzendruck im Zylinder und damit die notwendige Bauteilfestigkeit begrenzt wird und Zugeständnisse an den Wirkungsgrad möglich sind. Die Bohrung ist ein weiterer Parameter, der die Leistung eines Dieselmotors entscheidend beeinflusst. Die Bohrung wird einerseits geometrisch durch den Zylinderabstand und andererseits in Kombination mit dem angestrebten Spitzendruck durch die zulässige Lagerbelastung begrenzt. In Bild 17‑45 wird die Zylinderbohrung D in Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit we dargestellt unter der Annahme, dass sowohl der Zylinderabstand x als auch die mittlere Kolbengeschwindigkeit cm im gesamten Diagramm konstant sind. Bei konstantem Zylinderabstand x ist die Bohrung aus geometrischen Gründen nach oben gemäß D ≤ x/1,3 limitiert. Jeder Bohrung ist bei konstantem Zy linderabstand ein maximaler Verbrennungsdruck gemäß D2 ∙ pZmax = konst. zuzuordnen. Nach oben wird der max.
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 609
Bild 17-44 Relative Leistungsmasse und relativer Kraftstoffverbrauch eines Dieselmotors abhängig von der spezifischen Arbeit
Spitzendruck auf 220 bar begrenzt. Hier handelt es sich um eine variable Grenze, die sich in Abhängigkeit vom technischen Fortschritt nach oben verschiebt. Weiterhin sind Linien konstanter Zylinderleistung PZ und Linien mit pZmax/we = konst. eingetragen. Beide verlaufen parallel, da sowohl die Leistung als auch die Triebwerksbelastung quadratisch von der Bohrung abhängen, wobei außerdem für Linien pZmax/we = konst. ein annähernd gleicher Nutzwirkungsgrad angenommen werden kann. Begrenzt wird das Feld durch ein minimal mögliches pZmax/we ≥ 50, unterhalb dieses Wertes sind Start- und Teillastprobleme zu erwarten. Die Grenze der einstufigen Aufladung liegt bei we = 2,8 kJ/dm3, die der zweistufigen Aufladung bei we = 4,0 kJ/dm3. Unter den gegebenen Randbedingungen wäre nur durch Erhöhung des Spitzendruckes oder Reduzierung des zulässigen Verhältnisses pZmax/we eine Erhöhung der spezifischen Arbeit auf Werte oberhalb 4,0 kJ/ dm3 möglich. Verlaufen Linien mit konstanter Leistung sowohl durch den Bereich der einstufigen als auch den Bereich der zweistufigen Aufladung, d. h. bei hohen Verhältnissen pZmax/we, so sind für die Darstellung der angestrebten Leistung hohe spezifische Arbeit bei kleiner Bohrung und geringe spezifische Arbeit bei großer Bohrung gleichbe
rechtigte Mittel. Werden gute Verbräuche angestrebt, d. h. pZmax/we ≥ 70, so ist es möglich, die dann zulässige Leistung mit einstufiger Aufladung darzustellen. Leistungssteigerung durch Erhöhen der spezifischen Arbeit we bei gegebenem Spitzendruck pZmax führt wegen der Abnahme des Verhältnisses pZmax/we zu einer Verschlechterung des spezifischen Kraftstoffverbrauches. Für den Bereich 50 ≤ pZmax/we ≤ 60 ist die Leistung nur zweistufig darstellbar. Es ist zu erwarten, dass durch Fortschritte bezüglich der Belastungsfähigkeit des Grundmotors, d.h. Erhöhung des Spitzendruckes bei konstantem Zylinderabstand, höhere Werte für pZmax/we als 60 mit zweistufiger Aufladung und geometrisch maximaler Bohrung möglich werden. Die zweistufige Aufladung ist daher dann anzuwenden, wenn bei einer Neuauslegung extreme Leistungsdichte angestrebt wird und einerseits eine Vergrößerung der Bohrung aus geometrischen Gründen nicht möglich ist und andererseits die Grenzen der einstufigen Aufladung erreicht sind. Auch bei vorhandenen Baureihen kann mit Hilfe der zweistufigen Aufladung eine Leistungssteigerung vorgenommen werden, wenn das Potenzial der einstufigen Auf ladung erschöpft ist.
610
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-45 Zylinderbohrung und maximaler Zylinderdruck eines Dieselmotors in Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass mit der zweistufigen Aufladung mit Zwischenkühlung höhere Aufladewirkungsgrade erreichbar sind als mit der einstufigen Aufladung, sodass für den spezifischen Kraftstoffverbrauch ein Bonus von 3 bis 4 g/kWh besteht (s. Abschn. 2.2). Abschließend ist als weiterer, die Leistung beeinflussender Parameter die mittlere Kolbengeschwindigkeit zu betrachten. Gemäß Gl. (17-1) ist die Leistung direkt proportional der mittleren Kolbengeschwindigkeit, die durch Erhöhung des Hubes und/oder Erhöhung der Drehzahl gesteigert werden kann. Beide Maßnahmen wirken sich unterschiedlich auf das Leistungsgewicht und den Wirkungsgrad des Motors aus. Die Zusammenhänge sind sehr komplex, werden daher an dieser Stelle nur qualitativ diskutiert. Um die Auswirkungen exakt zu erfassen, ist für den konkreten Fall der Einfluss auf die Auslegung des Triebwerkes einschließlich des Einflusses auf das schwingungsfähige Gesamtsystem, auf die Reibung und die Gaswechselverluste zu untersuchen. So wird z. B. beim Vergrößern des Hubes die Zapfenüberdeckung der Kurbelwelle geringer, deshalb muss zur Beibehaltung der Steifigkeit der Zapfendurchmesser vergrößert werden. Das Triebwerk wird dadurch schwerer und die Lagerreibung nimmt zu. Die Gaswechselverluste steigen
quadratisch mit der mittleren Kolbengeschwindigkeit, sodass bedingt durch diese beiden Abhängigkeiten der Wirkungsgrad des Motors abnimmt. Soll die spezifische Arbeit gehalten werden, so kann dies nur durch Erhöhen des Ladedruckes ausgeglichen werden, was i. d. R. eine Reduzierung des Aufladewirkungsgrades nach sich zieht. Dies ist besonders problematisch zu bewerten, wenn man bereits an die Grenzen eines Aufladeverfahrens gestoßen ist. Zusätzlich führen bei einer gegebenen Einspritzausrüstung höhere notwendige Einspritzmengen zu einer Verlängerung der Einspritzdauer, das wiederum zu einer Verschlechterung des thermischen Wirkungsgrades führt. Die Verlängerung des Hubes führt in jedem Fall zur Massenzunahme des Motors. Die zweite hier zu diskutierende Maßnahme, nämlich die Drehzahlerhöhung bei konstantem Hub, hat zwar einen geringeren Einfluss auf die Masse des Motors, führt aber zu höheren Gaswechselverlusten. Bei konstanter mittlerer Kolbengeschwindigkeit hat der langhubige Motor gegenüber dem kurzhubigen Motor eine geringere Drehzahl. Eine geringere Drehzahl hat geringere Gaswechselverluste zur Folge, da die Zeitquerschnitte größer sind, indem bei einer geringen Drehzahl absolut mehr Zeit für den Gaswechselvorgang zur Verfügung steht (s. Abschn. 2.1). Für die Ausle-
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 611 gung eines SHD mit vorgegebener Leistung ist zusammenzufassen: – hohe Zylinderzahl und – größtmögliche Bohrung für gegebenen Zylinderabstand anstreben, – Verhältnis von maximalem Zylinderdruck zu spezifischer Arbeit an den angestrebten Wirkungsgrad sowie an das geforderte Start- und Teillastverhalten anpassen, – hohe mittlere Kolbengeschwindigkeit anstreben, jedoch auf 13 m/s begrenzen.
17.4.3
Konstruktion von Hochleistungsdieselmotoren
17.4.3.1
Vorbemerkungen
100 Jahre Dieselmotorenbau haben zu einer hoch entwickelten Verbrennungskraftmaschine geführt. In dieser Zeit wurden sehr viele interessante konstruktive Lösungen entwickelt. Heute ist jedoch zu sagen, dass hauptsächlich aus Kos tengründen aufwendige Grundkonzepte nicht mehr verfolgt werden, sodass sich neuentwickelte Dieselmotoren in den wesentlichen Merkmalen des Grundmotors nur wenig unterscheiden. Mit der Weiterentwicklung der Abgasturbo aufladung werden konstruktive Ansätze, große Hubvolumina in kleinem Bauraum unterzubringen, z. B. durch Anordnen mehrerer Zylinderreihen in Delta-, W- oder H-Form, nicht mehr verfolgt. Somit beziehen sich die folgenden Ausführungen allein auf den gegenwärtigen Stand der Technik bei Viertakt-Dieselmotoren. Historisch interessierte Leser werden auf die Literatur verwiesen, z. B. [17-25], [17-26]. Auslegung und Ausführung eines schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors (SHD) hängen in großem Maße vom Know-how und Know‑why des einzelnen Herstellers ab. Um bei der Neu- bzw. Weiterentwicklung moderner SHD erfolgreich zu sein, ist die Anwendung modernster Hilfsmittel, wie – CAD-Technik (CAD: Computer aided design), – neuere Erkenntnisse der Mechanik, Thermo- und Aerodynamik, – Prozesssimulation des Gesamtsystems Dieselmotor, – neueste Fortschritte in der Mess- und Analysetechnik unerlässlich. Nur mit Hilfe dieser Mittel ist es möglich, das Gesamtsystem, Teilsysteme und Komponenten bezüglich ihrer Eigenschaften zu optimieren. Im Besonderen werden betrachtet: – Grundmotor und – Aufladeverfahren.
17.4.3.2
Grundmotor
Zum Grundmotor gehören im Wesentlichen das Kurbelgehäuse, die Komponenten des Triebwerkes, der Zylinderkopf, die Ventilsteuerung, das Einspritzsystem und der bzw. die Rädertriebe. Das Kurbelgehäuse wird heute i. d. R. aus lamelaren bzw. bei höheren Anforderungen aus globularen Gusseisen hergestellt. Das Kurbelgehäuse hat die Aufgabe, den Kraftfluss zwischen Zylinderkopf und Triebwerk zu schließen. Es treten also hohe dynamische Belastungen auf. Für den SHD mit gutem Leistungsgewicht ist es daher von großer Bedeutung, mit geringem Materialeinsatz eine hohe Gestaltfestigkeit darzustellen. Um dieser Forderung zu entsprechen, wird das Kurbelgehäuse weit bis unter die Lagerungsebene der Kurbelwelle heruntergezogen (Bild 17‑46). Zur Erhöhung der Steifigkeit werden die Lagerdeckel seitlich verspannt. Um Mikrobewegungen an der Trennfläche Lagerdeckel – Kurbelgehäuse, die zu Reibrost führen können, zu vermeiden, ist auf Höhe der Trennebene entweder ein geeigneter Formschluss vorzusehen oder es sind durch Zuganker entsprechende Vorspannkräfte aufzubringen. Mit Hilfe der FE Methode ist die Struktur bezüglich der Steifigkeit zu optimieren, was nicht nur zur Entlastung der Kurbelwelle und der Kurbelwellenlagerung führt, sondern auch das Körperschallübertragungsverhalten günstig beeinflusst. Bei entsprechender Gestaltung der Ölwanne kann diese zur Erhöhung der Steifigkeit der Struktur beitragen. Da das Kurbelgehäuse das teuerste Einzelbauteil des gesamten Motors ist, sollte man sich darum bemühen, es nicht durch Nebenfunktionen zu belasten, die auch konstruktiv anders gelöst werden könnten. Die Konstruktion des Kurbelgehäuses im oberen Bereich hängt sehr stark von anderen Komponenten wie dem Einspritzsystem und dem Abgassys tem ab, sodass in diesem Bereich nur wenig Allgemeingültiges zu sagen ist. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Bereich, dass die Gewinde für die Zylinderkopfschrauben tief im Kurbelgehäuse angeordnet sind, um eine günstige Druckverteilung am Dichtverband Laufbuchse – Zylinderkopf zu erhalten. Das Triebwerk hat die Aufgabe, eine Linearbewegung in eine Rotationsbewegung umzusetzen und besteht aus den Komponenten Kurbelwelle, Pleuellager, Pleuelstange, Kolbenbolzen und Kolben. Um die Belastung der Hauptlager und der Gehäusestruktur zu reduzieren bzw. nach außen wirksame freie Kräfte und Momente zu eliminieren bzw. zu reduzieren (zylinderzahlabhängig), werden auf der Kurbelwelle Gegengewichte angeordnet. Die Kurbelwelle wird aus einem Vergütungsstahl geschmiedet. Zur Erhöhung der Dauerwechselfestigkeit können die Radien am Hubzapfen gehärtet werden. Bei der Dimensionierung der Kurbelwelle und Anordnung der
612
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-46 Kurbelgehäuse mit hoher Gestaltfestigkeit
Hubzapfen muss ein Kompromiss eingegangen werden bezüglich des Drehschwingungsverhaltens bei verschiedenen Zylinderzahlen, der Zündfolge, des Massenausgleichs und der Lagerbelastungen. Unter Berücksichtigung o. g. Einflüsse sind der Hauptlagerzapfen, die Wange und der Hubzapfen zu dimensionieren. Es müssen im Vorfeld umfangreichere strukturmechanische Berechnungen durchgeführt werden, da sowohl der notwendige Zylinderabstand als auch der notwendige Gegengewichtsradius und damit Masse und Bauraum des Motors davon abhängen. Bei neu entwickelten Motoren werden die Pleuelstangen aus Kostengründen ausschließlich nebeneinander auf einem Hubzapfen angeordnet (Bild 17-47). Der Schaft der geschmiedeten Pleuelstange wird auf Knickung ausgelegt. Im Bereich des Pleuellagers ist die Pleuelstange steif auszuführen, um eine zusätzliche Belastung des Lagers durch Verformung zu reduzieren und Relativbewegungen am Lagerrücken zu vermeiden. Um eine masseoptimierte Pleuelstange zu erhalten und zusätzlich den notwendigen Gegengewichtsradius und damit Masse zu reduzieren, ist die Pleuelstange vollständig zu bearbeiten. Um hohe Drücke aufnehmen zu können, ist das kleine Pleuelauge stufen- oder trapezförmig auszubilden (Bild 17-48).
Der Kolbenbolzen wird im Kolben in einer Bronzebuchse gelagert, um bei hohen Belastungen Nabenbrüche des Kolbens zu vermeiden. Für Spitzendrücke bis 180 bar werden elektronenstrahlgeschweißte Vollschaftkolben verwendet. Grenzen sind darüber hinaus bei der Brennraumgestaltung durch Einschränkungen bei der Ausbildung des Kühlkanals gegeben. Für Spitzendrücke >180 bar und tiefe Brennraummulden müssen gebaute Kolben mit Aluminiumschaft und Stahloberteil vorgesehen werden, Bild 17-48 (s. dazu Abschn. 8.6). Bei den damit gegebenen hohen Leistungsdichten ist der Kolben intensiv mit Öl zu kühlen. Dies geschieht i. d. R. über eine Spritzdüse, die im unteren Totpunkt in den Kolben eintaucht. Der Zylinderkopf hat die Aufgabe, sowohl den Brennraum nach oben hin zu begrenzen bzw. abzudichten als auch die Gaswechselorgane und die Einspritzdüse aufzunehmen. Der Gestaltung des Zylinderkopfes ist besondere Aufmerksamkeit zu widmen: – optimale Gestaltung der Ein- und Auslasskanäle (je zwei bei SHD), – ausreichende Kühlung im Bereich des Zylinderkopfbodens und des Auslasskanals,
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren
613
Bild 17-47 Triebwerk mit paralleler Anordnung der Pleuelstangen
Bild 17-48 Verbindung Kolben – Kolbenbolzen – Pleuel
614
17 Fahrzeugdieselmotoren
– steife Struktur, um eine gleichmäßige Pressungsverteilung am Dichtverband Laufbuchse-Zylinderkopf zu erzielen, – Anordnung der Zylinderkopfschrauben, um Gaskräfte mit dem Kraftfluss in die Lagerwände des Kurbelgehäuses einzuleiten, – Erfüllung von Zusatzforderungen, wie Dekompression und Druckluftanlassen. Hierzu sind umfangreiche strukturmechanische und strömungstechnische Untersuchungen notwendig, um die genannten Forderungen miteinander in Einklang zu bringen. In der Regel wird der Zylinderkopf als Querstromkopf ausgeführt, d. h., Einlasskanaleintritt und Auslasskanalaustritt befinden sich gegenüber. Abhängig vom gewählten Brennver-
fahren befinden sich bei drallarmen Verfahren die Teilkanäle nebeneinander bzw. bei Brennverfahren mit starkem Drall hintereinander. Zwischenstellungen sind auch möglich, doch wird dann die Steuerung komplizierter. Die Zylinderköpfe werden bei Hubvolumina über 3 dm3 ausschließlich als Einzelzylinderköpfe ausgeführt, da sonst im Betrieb zu hohe Relativbewegungen durch Wärmedehnung entstehen können. Außerdem wird dadurch die Wartung erleichtert. Die Steuerung der Gaswechselorgane erfolgt i. d. R. über eine untenliegenden Nockenwelle, Stößel, Stoßstange und Kipphebel (Bild 17-49). Je nach Anordnung der Ventile werden zum Weiterleiten der Betätigungskräfte auf die beiden Ventile Gabelkipphebel oder Brücken verwendet.
Bild 17-49 Steuerung der Gaswechselorgane
17.4 Schnelllaufende Hochleistungsdieselmotoren 615 Die Anordnung einer untenliegenden Nockenwelle ermöglicht die einfache Demontage einzelner Zylinderköpfe im Wartungsfall. Obenliegende Nockenwellen verursachen einen erheblichen konstruktiven Zusatzaufwand, der in keinem Verhältnis zum Nutzen steht. Die Einspritzausrüstung hat die Aufgabe, den Kraftstoff zum richtigen Zeitpunkt in der benötigten Menge in angemessener Dauer in den Brennraum zu befördern. Es wird eine Einspritzdauer von max. 25°KW bei Volllast angestrebt, um hohe thermische Wirkungsgrade erreichen zu können. In Abhängigkeit von der Motorgröße und vom Verbrennungsverfahren sind dazu Einspritzmaximaldrücke oberhalb 1500 bar notwendig. Bekannte Einspritzsysteme sind (vgl. Abschn. 5.3): – Einzeleinspritzpumpe-Leitung-Düse, – Pumpe-Düse-System, – Hochdruckspeicher-Leitung-Injektor (Common Rail). Für Neuentwicklungen wird i. d. R. das Common Rail Einspritzsystem mit vollelektronischer Regelung über Magnetventile gewählt. Der Einspritzdruck ist nicht mehr von der Motordrehzahl abhängig und der Einspritzbeginn ist frei wählbar. Darüber hinaus kann der Einspritzverlauf z. B. durch eine Vor- oder Nacheinspritzung sehr einfach über Softwareparameter variiert werden. Damit bietet das Common Rail Einspritzsystem die Möglichkeit, die Emissionen und den Kraftstoffverbrauch entscheidend zu beeinflussen. Erhebliche Vereinfachungen am Grundmotor sind mit diesem Einspritzsystem möglich. So kann auf den 2. Rädertrieb auf der Abtriebsseite verzichtet werden. Es ist möglich, den Ventiltrieb über eine zentrale Nockenwelle zu betreiben und eine der sonst üblichen zwei Nockenwellen damit einzusparen. Das aufwendige Reguliergestänge entfällt komplett. Die neue MTU-Baureihe 4000 ist mit diesem fortschrittlichen Einspritzsystem ausgerüstet (Bild 17‑50).
17.4.3.3
Aufladeverfahren
Die Aufladung von Dieselmotoren dient dazu, die Leistung und den thermodynamischen Wirkungsgrad des Dieselmotors zu steigern. Hinsichtlich der thermodynamischen Zusammenhänge sei auf den Abschn. 2.2 verwiesen. Im Folgenden werden hier die konstruktiven Belange näher diskutiert. Für den Viertaktdieselmotor hat sich die Abgasturboaufladung durchgesetzt, da hiermit freie konstruktive Gestaltungsmöglichkeiten gegeben sind. Das Abgasturboaufladesystem eines schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotors (SHD) besteht aus folgenden Komponenten: – Abgasleitungssystem, – Abgasturbolader,
– Ladeluftkühler, – Ladeluftverteilungssystem. Da das Schluckverhalten der Hubkolbenmaschine Dieselmotor und das Förderverhalten der Strömungsmaschine Abgasturbolader stark voneinander differieren, können Dieselmotor und Abgasturbolader nur in einem Betriebspunkt im Kennfeld optimal abgestimmt werden. In Abhängigkeit der angestrebten spezifischen Nutzarbeit, des geforderten Motorenkennfeldes und der zulässigen Grenzwerte des Turboladers bzw. Dieselmotors sind daher Anpassungen im Betriebskennfeld notwendig. Jedes Aufladesystem ist bezüglich seiner thermodynamischen Eigenschaften und des notwendigen konstruktiven Aufwandes zu bewerten. So sind für den SHD im Wesentlichen die Stoß- und die Stauaufladung zu unterscheiden. Zwischenlösungen sind auch möglich und werden durchaus ausgeführt. Die Aufladeverfahren werden im Abschn. 2.2 detailliert beschrieben.
17.4.3.4
Ausgeführte Konstruktionen
Beispielhaft für einen ausgeführten SHD wird die im Jahre 2000 vorgestellte Baureihe 8000 der MTU Friedrichshafen beschrieben (Bild 17‑42), die im Grenzbereich zwischen den schnelllaufenden Hochleistungsdieselmotoren und den mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotoren (Abschn. 17.3) angesiedelt ist. Diese Baureihe wird zunächst als V20-Version für die Schiffsanwendung angeboten. Das Zylinderhubvolumen beträgt 17,37 dm3. Bei einer maximalen Drehzahl von 1150 min–1 ergibt sich eine mittlere Kolbengeschwindigkeit von 12,1 m/s, ein Wert, der für die Größe dieses Motors beachtlich ist. Mit einstufiger Registeraufladung beträgt die spezifische Arbeit we = 2,7 kJ/dm3, ein Wert, mit dem die Grenze der einstufigen Aufladung weiter nach oben verschoben werden konnte. Der konstruktive Aufbau der Motoren der BR 8000 ist klar gegliedert. Auf der Kraftabgabeseite (KS) sind die Komponenten der Aufladung, d. h. der sog. Anschlusskasten mit Ladeluftkühlern und Lufteinlauf in das Kurbelgehäuse sowie das Trägergehäuse mit den vier Abgasturboladern angeordnet. Auf der Kupplungsgegenseite (KGS) befinden sich die Komponenten des Serviceblocks, beginnend von unten mit der Ölpumpe, zwei Hochdruckpumpen für das CR‑Einspritzsystem, gefolgt von der Seewasserpumpe auf der Aund der Motorwasserpumpe auf der B-Seite. Oberhalb der beiden Wasserpumpen sind die Kraftstofffilter, der Automatik-Ölfilter und der Ölkühler angeordnet. Außen auf der A-Seite sind Motorkühlwasser-Thermostat
616
17 Fahrzeugdieselmotoren
Bild 17-50 Zylinderkopf mit Common Rail Einspritzsystem
und Zentrifugen für die Ölpflege im Nebenstrom angebracht. Mittig über den Ölwärmetauschern befinden sich die Komponenten der Motorelektronik. Der Bauraum oberhalb des Motors zwischen KS und KGS ist gut zugänglich für die Montage von power-units. Die power-unit und das Common Rail Einspritzsystem sind besondere konstruktive Merkmale dieses Motors. Unter der power-unit wird die gemeinsam als Einheit montierbare Gruppe von zylinderstationsbezogenen Bautei-
len, bestehend aus Zylinderkopf (mit Elementen der Steuerung und der Einspritzung), Laufbuchse, Kolben und Pleuel, verstanden. Die power-unit wird lediglich über vier Stehbolzen im Kurbelgehäuse gehalten. Auf diese Weise bieten sich für die optimale Gestaltung des Zylinderkopfes mit den Ein- und Auslasskanälen Freiräume, die sich in exzellenten Durchflusswerten der Kanäle und in einem robusten, dauerfesten Zylinderkopf ausdrücken.
17 Literatur 617 Gegenüber herkömmlichen Gestaltungsvarianten werden bei der BR 8000 die Halte- und die Dichtkraft durch unterschiedliche Konstruktionselemente aufgenommen. Die Dichtkraft für die Verbindung der Laufbuchse mit dem Zylinderkopf wird durch 24 Schrauben von unten aufgebracht. Dadurch werden sehr gleichmäßige Flächenpressungen im Hochdruckdichtverband erzeugt. Die beiden Hochdruckpumpen für das Common Rail Einspritzsystem erzeugen im Kraftstoffsystem Drücke von bis zu 1800 bar. Der Kraftstoff wird über doppelwandige Leitungen, die längs am Motor verlegt sind, und über Verteiler in sog. Akkumulatoren oder Einzelspeicher gefördert. Diese Speicher besitzen ein Volumen, das groß genug ist, um bei Einspritzen der maximalen Einspritzmasse einen Druckabfall vor Injektor und Druckschwingungen im Kraftstoffsys tem zu vermeiden. Die Einspritzung selbst erfolgt über Injektoren, die im Zylinderkopf zentral (bezogen auf den Brennraum) angeordnet sind. Die Steuerung von Einspritzbeginn und Dauer wird über eine elektrische Ansteuerung vom Motormanagement-System vorgenommen. Über eine Anzahl von Sensoren gewinnt das elektronische Motormanagement-System Informationen über den Betriebszustand des Motors. Diese Informationen werden mit hinterlegten Kennfeldern verknüpft und liefern die Daten nicht nur für das Timing, sondern auch für den betriebszustandsabhängigen Druck im Kraftstoffsystem. Der Vorteil des Common Rail Systems liegt darin, dass der Einspritzdruck unabhängig vom Betriebszustand des Motors frei gewählt werden kann. Das heißt, dass auch – im Gegensatz zu Motoren mit konventionellen Einspritzsystemen – bei niedrigen Motordrehzahlen hohe Einspritzdrücke zur Verfügung stehen, die auch im Teillastbereich eine effiziente und schadstoffarme Verbrennung ermöglichen.
17.4.4
Ausblick
Der schnelllaufende Hochleistungsdieselmotor (SHD) hat heute einen hohen Entwicklungsstand erreicht, d. h. Kundennutzenelemente wie Leistungsgewicht, Bauraum, Lebensdauer und Nutzwirkungsgrad befinden sich auf hohem Niveau. Zukünftig wird der Dieselmotor immer mehr bezüglich seiner Umweltverträglichkeit beurteilt werden. Betrachtet man den Material- und Energieeinsatz während der Produktion und des Betriebes eines Dieselmotors, so lässt sich feststellen, dass der Dieselmotor, über seine Lebensdauer gesehen, eine relativ umweltfreundliche Maschine ist. Dafür kennzeichnend sind: – Verarbeitung von unbedenklichen Werkstoffen wie Gusseisen, Stahl und Aluminium,
– konventionelle Fertigungsverfahren, – beherrschbare Umweltbelange, – hoher recyclingfähiger Materialanteil, – lange Lebensdauer, – hoher thermischer Wirkungsgrad. Als problematisch ist aus heutiger Sicht die Abgasemission zu bewerten, s. Kap. 15. Von besonderem Interesse sind dabei die Bestandteile NOx und Partikel. Zusätzlich gewinnt CO2 wegen des Treibhauseffektes an Bedeutung. Um zukünftige Grenzwerte erfüllen zu können, ist es notwendig, den Dieselmotor so zu konzipieren, dass güns tige Voraussetzungen für geringe Abgasemissionen vorliegen. Prinzipiell sind hierzu innermotorische und außermotorische Maßnahmen möglich, s. Kap. 15. Außermotorische Maßnahmen bedeuten einen erheblichen Zusatzaufwand in Form von Kosten, Bauraum und Gewicht. Die spezifischen Eigenschaften der SHD, nämlich geringe Masse und geringerer Bauraum gehen damit verloren, sodass die Zielsetzung besteht, beim SHD günstige Abgasemissionswerte mit innermotorischen Maßnahmen zu erzielen. Zunächst sind hierfür die konventionellen Methoden wie Anpassung des Brennraumes, des Dralls und des Einspritzsystems auszuschöpfen. Neuentwicklungen sind mit drall armen Brennverfahren zu konzipieren, wodurch zwingend leistungsfähige Einspritzsysteme notwendig werden. Um im mobilen Anwendungsbereich NOx-Grenzwerte <5 g/kWh erreichen zu können, sind Zusatzmaßnahmen wie Abgasrückführung notwendig.
Literatur 17-1 Kraftfahrt-Bundesamt: Statistische Mitteilungen. Reihe 1, (2005) 12 17-2 Steinparzer, F.; Stütz, W.; Kratochwill, H.; Mattes, W.: Der neue BMW-Sechszylinder-Dieselmotor mit Stufenaufladung. MTZ 66 (2005) S. 334–345 17-3 Krebs, R.; Hadler, J.; Blumensaat, K.; Franke, J.-E.; Paehr, G.; Vollmers, E.: Die neue 5-Zylinder-Dieselmotoren-Generation für leichte Nutzfahrzeuge von Volkswagen. Wiener Motorensymposium 2006 17-4 Brüggemann, H.; Klingmann, R.; Fick, W.; Naber, D.; Hoffmann, K.-H.; Binz, R.: Dieselmotoren für die neue E-Klasse. MTZ 63 (2002) S. 240–253 17-5 Bach, C.; Rütter, J.; Soltic, P.: Diesel- und Erdgasmotoren für schwere Nutzfahrzeuge, Emissionen, Verbrauch und Wirkungsgrad. MTZ 66 (2005) S. 395– 403 17-6 DVZ: Deutsche Verkehrszeitung. 17 (2006) 1, S. 9ff.
618 17 Fahrzeugdieselmotoren 17-7 DIN 7753 Teil 3: Endlose Schmalkeilriemen für den Kraftfahrzeugbau. Berlin: Deutsches Institut für Normung (Hrsg.) (1986) 2 17-8 DIN 7867: Keilrippenriemen und -scheiben. Berlin: Deutsches Institut für Normung (Hrsg.) (1986) 6 17-9 Neitz, A.; Held, W.; D’Alfonso, N.: Schwerpunkte der Weiterentwicklung des Nutzfahrzeug-Dieselmotors. Düsseldorf: VDI-Z. Special (1990) 1, S. 17 17-10 Held, W.: Die MAN-Strategien für Euro 4, 5 und in der Zukunft, MAN Nutzfahrzeuge. Ambience & Safety Conference 2005 17-11 Lange, W. et al.: Einfluß der Kraftstoffqualität auf das motorische Verhalten und die Abgasemissionen von Nutzfahrzeug-Dieselmotoren. MTZ 53 (1992) 10, S. 466 17-12 TRUCKER. München: Verlag Heinrich Vogel GmbH Fachverlag 17-13 Biaggini, G.; Buzio, V.; Ellensohn, R.; Knecht, W.: Der neue Dieselmotor Cursor 8 von Iveco. MTZ (1999) 10 17-14 Im Aufwind. lastauto omnibus (1999) 11, S. 16 ff. 17-15 TEST&TECHNIK. lastauto omnibus. (2001) 1, S. 34 17-16 Schittler, M. et al.: Die Baureihe 500 von MercedesBenz. MTZ (1996) 9, S. 460, (1996) 10, S. 558, (1996) 11, S. 612 17-17 Price, R.B.; Meistrick, Z.S.A.: New Breed of Engine Brake for the Cummins L10 Engine. SAE-Paper 831780 (1983) 17-18 Körner, W.-D.; Bergmann, H.; Weiß, E.: Die Motorbremse von Nutzfahrzeugen – Grenzen und Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Automobiltechnische Zeitschrift 90 (1988) 12, S. 671 17-19 Haas, E.; Schlögl, H.; Rammer, F.: Ein neues Motorbremssystem für Nutzfahrzeuge. VDI Fortschrittberichte Reihe 12, Nr 306, S. 279–298 17-20 Cummins Engine Company Inc.: Signature Engine. Bulletin 3606151 (1997) 7
17-21 Rat der Europäischen Gemeinschaft (Hrsg.): EWGRichtlinie 70/157 vom 6. Februar 1970 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen (1990) 3 17-22 Théremin, H.; Röbke, H. (Hrsg.): Schiffsmaschinenbetrieb. 3. Aufl. Berlin: Verlag Technik 1978 17-23 Holden, K.O.; Faltinsen, O.; Moan, T. (Hrsg.): Fast ´91. First International Conference on Fast Sea Transportation. Trondheim: TAPIR Publishers 1/2 (1991) 6 17-24 Jewell, D. A.: Possible Neval Vehicles. Neval Research Reviews, Okt. 1976. Office of Neval Research Arlington (VA), USA 17-25 Zima, S.: Hochleistungsmotoren – Karl Maybach und sein Werk. Düsseldorf: VDI-Verlag 1992 17-26 Reuß, H.J.: Hundert Jahre Dieselmotor. Stuttgart: Franckh-Kosmos-Verlag 1993
Weiterführende Literatur Rudert, W.; Wolters, G.-M.: Baureihe 595 – Die neue Motorengeneration von MTU, Teil 1. MTZ 52 (1991) S. 274–282 List, H.: Das Triebwerk schnellaufender Verbrennungskraftmaschinen. Berlin/Heidelberg: Springer 1949 Kraemer, G.: Bau und Berechnung der Verbrennungsmotoren. Berlin/Heidelberg: Springer 1963 Scheiterlein, A.: Der Aufbau der raschlaufenden Verbrennungskraftmaschinen. Berlin/Heidelberg: Springer 1964 Pischinger, A.; List, H.: Die Steuerung der Verbrennungskraftmaschine. Berlin/Heidelberg: Springer 1948 Maaß, H.; Klier, H.: Kräfte, Momente und deren Ausgleich in der Verbrennungskraftmaschine. Berlin/Heidelberg: Springer 1981
18 Industrie- und Schiffsmotoren
18.1
Einzylinder-Kleindieselmotoren
18.1.1
Einleitung
Der Einzylinder-Industrie-Dieselmotor hat eine tradi tionsreiche Geschichte, die vom ersten, betriebsfähigen Dieselmotor im Jahre 1897 bis zu dem heutigen, luftgekühlten, vielfältig einsetzbaren Einzylinder-Kleindieselmotor reicht. Wegen geringer leistungsspezifischer Herstellkosten, geringem Kraftstoffverbrauch, günstigen Schmierbe dingungen und besserer Abgasqualität wird er nur noch als Viertaktmotor vor allem im Kleindieselsegment ausgeführt. Ungeachtet des erreichten hohen Entwicklungsstandes werden auch weiterhin Verbesserungspotenziale erforscht, die vor allem in der Nutzung neuer, hochwertiger Materialien und in den Gemischbildungs- und Steuerungskriterien gesehen werden. Wenn auch Lebensdauer und Zuverlässigkeit von Industriemotoren stets die erste Priorität besitzen werden, so sind neben den komplizierten Marktmechanismen zunehmend zusätzliche Parameter, wie die Abgas – und Schallemission, zu berücksichtigen (s. Kap. 15 und 16). Der technische Fortschritt in artverwandten Produktbereichen beflügelt auch die Entwicklung der Kleindieselmotoren, aber nicht immer ist der gleiche Maßstab anzusetzen: Die Entwicklung einer neuen Motorengeneration oder die Einführung neuer Technologien erfordert sorgfältige Stu dien, einschließlich einer genauen Analyse der bisherigen, jahrzehntelang im rauen Industrieeinsatz bewährten Motortechnik. Nur bei richtiger Einschätzung abzusehender Entwicklungsschritte und künftiger Anforderungen, können neue Technologien frühzeitig in die eigene Produktentwicklung eingebunden und erfolgreich mit zeitlichem Vorsprung gegenüber der Konkurrenz angeboten werden. Einsatzgebiete dieser Motoren mit einem Leistungsbereich von 2 bis 12 kW bei Drehzahlen von 3000, maximal 3600 min–1, sind Baumaschinen, der Kommunalbereich, die Bereiche Lawn
& Garden, Landwirtschaft sowie Kleintraktoren, Stromerzeuger, Wasserpumpen und Bootsantriebe. Der klassische Einzylinder-Kleindieselmotor ist der stehende Viertakt-Motor mit Direkteinspritzung. Die liegende Bauart findet man heute nur noch in Asien. VertikalwellenMotoren, bislang als Benzinmotoren typisch für Rasenmäher- und Außenbordmotoren, werden seit 4 Jahren auch als Einzylinder-4 Takt-Dieselmotoren angeboten (Bild 18‑1). Die freien Massenkräfte und -momente machen sich bei Geräten mit tiefer Schwerpunktlage wie z. B. Rasenmäher nicht stark bemerkbar. Die Wünsche der Motorenkunden sind vielfältig und sehr unterschiedlich. Jeder möchte seinen aktuellen Einbaufall in Funktion und Kosten optimal gelöst sehen. Auf alle Kundenwünsche einzugehen würde zu einer Vielfalt unterschiedlichster Motoren führen, die sich nur rechnen, wenn entsprechende Stückzahlen dahinter stehen. Dies ist i. d. R. nicht der Fall. Somit versucht jeder Motorenhersteller eigene Konzeptstrategien zu entwickeln, die von einem Basismotor ausgehend ein möglichst variables, universell einsetzbares und individuell aufadaptierbares Triebwerk anbieten können. Einbauprojektierung im Dialog zwischen Motorenanbieter und Anwender sind Vorbedingung. Die Abstimmung des Pflichtenheftes und begleitende Einbauberatung bis zum Serienanlauf eines Gerätes einschließlich Abnahmeprotokoll gehören heute zum Standardprogramm eines Motorenherstellers.
18.1.2 Lastenheft und Grunddaten von Einzylinder-Dieselmotoren 18.1.2.1
Leistungsbereich und Verbrennungsverfahren
Motorleistung Der Markt benötigt Viertakt-Einzylinder-Dieselmotoren mit 2 bis 12 kW Leistung und Zylindervolumen von Vh = 200 bis 850 dm³. Der weltweite Bedarf an diesen Motoren beträgt
620
18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-1 Motor 1B20V – Vertikalwellenmotor Vh = 232 cm3, Pe = 3,8 kW / 3600 min–1
jährlich 1,2 Mio. – Tendenz steigend. Über 12 kW Leistung sind bereits Zweizylinder-Motoren sinnvoll, wobei je nach Anforderung an das Drehmoment eine untere Grenze von 8 kW bei 3600 min1 unter Berücksichtigung der Kosten vertretbar ist. Die geringen freien Massenkräfte und der damit ruhigere, vibrationsärmere Motorlauf geben hier den Ausschlag. Einen Leistungsgewinn über höhere Drehzahlen zu erzielen, ist anwendungstechnisch nachteilig und wenig effektiv. Hier haben sich Nenndrehzahlen von max. 3000 min1 im oberen Hubraumbereich bzw. bis zu 3600 min1 im unteren Hubraumbereich bewährt.
Verbrennungsverfahren Grundbedingung für Einzylinder-Dieselmotoren ist nach wie vor Handstartfähigkeit bei mindestens –6 °C (–12 °C) ohne elektrische Hilfseinrichtungen wie Glühkerze oder Glühwendel. Da ein Wirbelkammer-Motor unter 0 °C nicht
ohne Vorglühen startet, kommt für kleine Hubvolumen (≤ 0,4 l) nur die direkte Einspritzung (DI) in Frage.
18.1.2.2
Anforderungen an die Konstruktion
Hub/Bohrungsverhältnis. Grundsätzlich ist ein Hub/Bohrungsverhältnis von s/D>1 zu bevorzugen, jedoch verhindern größere Hübe, die Vorteile einer optimalen Bauhöhe zu nutzen. Dies kann mitunter ausschlaggebend für die Realisierung eines Motorisierungsprojekts sein, so dass auch Motoren bis zu einem s/D- Verhältnis von ≥ 0,6 angeboten werden. Stark im Kommen sind aus Gründen der Bauhöhe sog. Vertikalwellen -Motoren, z. B. für den Einbau in Rasenmähern (s. Bild 18-1). Kühlverfahren. Nahezu ausschließlich wird die direkte Luftkühlung angewendet, s. Abschn. 9.1.4, mit einem in das Schwungrad integrierten Radial-Sauggebläse. Bei diesem
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren platzsparenden und kostengünstigen Prinzip wird die Kühlluft mittels Leitbleche gezielt an die temperaturkritischen Bauteile wie Zylinderkopf und Zylinderrohr geführt. Je größer die zur Kühlung herangezogene Motoroberfläche ist, umso größer ist die Reserve für den Einsatz in Ländern mit hohen Umgebungstemperaturen. Eine Wasserkühlung, wie bei kleinen Mehrzylindermotoren, ist zu aufwendig und kommt daher nicht in Betracht. Die ständig verschärften Vorschriften für die Geräuschemission von Geräten, Apparaten etc. zielen auch auf den Antrieb, den Verbrennungsmotor, so dass oftmals nur die vollständige Kapselung des Motors Abhilfe schafft, s. Abschn. 16.5. Die dabei auftretenden thermischen Probleme beim Motor und die notwendige Dämpfung der Kühlluftgeräusche, zwingen die Motorenhersteller neue
621
Konzepte für vollständig gekapselte Motoren zu entwickeln. Für Motoren der sog. B-Baureihe, Fa. Hatz, ist dafür eine Flüssigkeitskühlung mit Schmieröl und externem Wärmetauscher in der Erprobung (Bild 18-2). Erkennbar sind der geänderte Zylinderkopf, die Ölführung an der Steuerseite sowie der größere Ölvorrat. Der vergrößerte und mit Öl gefüllte Spalt zwischen den slip-fit-Laufbuchsen dient zu deren Kühlung bzw. als Wärmebrücke zum Gehäuse. Motorbefestigung. Sofern möglich, sollte der Motor elastisch gelagert werden. Hierfür bietet die Zulieferindustrie umfangreiche Möglichkeiten: Hydrounterstützte Elemente auf der Basis Gummi/Polymere haben sich hier sehr gut bewährt, auch dann, wenn beim Hochlauf des Motors bzw. Aus-
Bild 18-2 Flüssigkeitskühlung mit Schmieröl und externem Wärmetauscher der sog. B-Baureihe, Fa. Hatz (in Erprobung)
622
18 Industrie- und Schiffsmotoren
lauf beim Motorstop Resonanzdrehzahlen durchfahren werden. Beim Riemenantrieb von Arbeitsmaschinen gibt es die Möglichkeit, diese zunächst zusammen mit dem Motor auf einen Zwischenrahmen starr aufzubauen und diesen Rahmen über Dämpfungselemente zum Fundament zu entkoppeln. Ein starrer Aufbau des Motors ist in Verbindung mit sehr steifen und massebehafteten Rahmen und Fundamenten möglich. Abtriebsmöglichkeiten. Universeller Motoreinsatz erfordert den Abtrieb sowohl auf der Schwungradseite als auch auf der gegenüberliegenden Steuerseite, womit sich der Drehsinn umkehrt. Die heute verstärkt eingesetzte Reversierstarteinrichtung blockiert jedoch die Abtriebsmöglichkeit auf der Schwungradseite. Verzichtet man auf die simple Handstarteinrichtung und wählt den komfortableren, aber auch anfälligeren Elektro-Start, ergeben sich je nach Motorkonzeption weitere
Abtriebsmöglichkeiten wie es z. B. der 1D81 Motor mit 4 Ausgängen (PTO’s) darbietet (s. Bild 18-3). Neben Links- (Standard) oder Rechtslauf bestehen folgende Optionen für die Drehmomentabnahme: – 100% an der Schwungradseite axial über Kupplungsflansch oder radial über Riemenscheibe (1), – 100% steuerseitig an der Kurbelwelle radial und axial (2), – 100% zusätzlich bei Handkurbelstart auch auf der Steuerseite, an der Nockenwelle durch Keilriemenscheibenanbau (3), – begrenzte Momentabnahme an der Nockenwelle zum Antrieb kleiner Hydraulikpumpen (4).
Starteinrichtungen, Startmöglichkeiten Handkurbelstart. Dieser erfordert in jedem Fall ein höheres Massenträgheitsmoment, als dies beim Elektro-Start erforderlich ist. Höheres Massenträgheitsmoment heißt jedoch
Bild 18-3 Abtriebsmöglichkeit an einem luftgekühlten Einzylinder-Dieselmotor (HATZ SUPRA 1D81). Vh=0,667 dm3
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren beträchtlich höheres Motorgewicht aufgrund des notwendigerweise schwereren Schwungrades. Mögliche Korrosion an elektrischen Bauteilen sowie Beschädigung der Batterien durch starkes Rütteln, sprechen gegen den Elektrostart im rauen Baumaschineneinsatz. Das Baumaschinen-Verleihgeschäft ist durch Wartungsverfall, unsachgemäße Bedienung usw. gekennzeichnet: „einfach“, „robust“ und „in der Funktion überschaubar“ lautet hier die Forderung. Das spricht für den Handkurbelstart bei größeren Einzylinder-Dieselmotoren ab Vh > 0,5 dm3, bei dem über mehrere, vorwählbare, dekomprimierte Arbeitsspiele das Schwungrad soweit auf Drehzahl gebracht wird, dass dessen Energie für einen oder mehrere OT-Durchläufe bei voller Verdichtung Selbstzündung und Hochlauf des Motors erreichen lässt. Gegen das gefährliche Rückschlagen (-drehen) bei unzureichendem Schwungmoment und vor OT einsetzender Zündung schreibt der deutsche Gesetzgeber Schutzmaßnahmen vor, indem z. B. eine in die Handkurbel verlegte Ausklinkmechanik den Kraftschluss zum Rückschlagmoment nach wenigen Winkelgraden aufhebt. Der Handkurbelstart ist bei richtiger Wahl des Schwungrades und der Übersetzung von Handkurbel- zur Kurbelwellendrehzahl bis 0,8 l Hubraum möglich. Ergonomisch ist eine Handkurbeldrehzahl von 2,5 Umdrehungen pro Sekunde mit einem maximalen Handkurbelradius von 200 mm
623
bei vollem Kraftaufwand über eine Zeitdauer von 3,5 s gerade noch vertretbar. Der Trend, die leistungsbezogene Motormasse durch leichtere Schwungräder zu senken, geht zu Lasten von Startsicherheit und Kaltstartverhalten. Hierzu stellt das Diagramm in Bild 18-4 die Zusammenhänge für einen sicheren Kaltstart bei –6 °C dar. Reversierstart. Der bei Einbau-Benzinmotoren fast ausnahmslos eingesetzte Reversierstarter wird zunehmend auch bei Klein-Dieselmotoren angewendet, zumal kaum Verletzungsgefahr besteht. Die über einen Seilzug von 0,7 bis 1 m Auslenkung von Hand eingebrachte Energie muss das Schwungrad innerhalb eines Arbeitsspieles, also zwei Umdrehungen, auf die Startdrehzahl bringen. Dekompression durch Anheben des Auslassventils um ca. 0,1 bis 0,2 mm über ein einfaches, nach einem Arbeitsspiel zurückspringendes Hebelwerk oder eine automatische, fliehkraftgesteuerte Dekompressionseinrichtung erleichtern den Startvorgang. Dem Diagramm in Bild 18-4 ist auch das Trägheitsmoment des Schwungrades für flimmerfreien Generatorbetrieb mit 3000 min1 zu entnehmen, womit allerdings schon ab 300 cm3 Hubraum ein Kaltstart mittels Reversierstart problematisch ist. Der in diesem Fall günstigere Handkurbelstart lässt höhere Übersetzungen zu, die bei IDI-Motoren mit
Hubvolumen Vh in cm3 Bild 18-4 Erforderliches Trägheitsmoment des Schwungrades in Abhängigkeit vom Hubvolumen für Einzylinder-Dieselmotoren an der Kaltstartgrenze bei –6 °C
624 18 Industrie- und Schiffsmotoren Vh< 0,4 l zwischen 4:1 und 5:1 betragen. Außerdem erfordern Nebenkammermotoren (IDI) unter –6 °C elektrische Vorglüheinrichtungen. Elektrostart. Abgesehen vom rauen Bausektor wird der Start mit elektrischem Startermotor über Ritzel und Zahnkranz am Schwungrad zunehmend eingesetzt, z. B. bei Klimaanlagen, Lift- und Hubgeräten, bei denen von vornherein eine Fernbedienung oder Regelelektronik vorgesehen ist. Wegen der langen Auspendelzeiten (bis 2,5 s) von Einzylinder-Dieselmotoren ist ein Verzahnungsmodul > 2,5 mm zu wählen, um Zahnausbrüche bei versehentlichem Nachstarten zu vermeiden. Grundsätzlich ist daher ein elektronisches Startsperr-Relais zu empfehlen, das bei fernbedienten Motoren unverzichtbar ist. Abschließend sei vermerkt, dass beim Handstart in den Ansaugtrakt zu sprühende „Zündhilfen“ ebenso wie der einfache Handseilstart in Deutschland und künftig in Europa wegen der Unfallgefahren verboten sind.
Ansaug- und Abgasanlage Luftfilter. Die bei Kleindieselmotoren früher verwendeten Ölbadluftfilter haben zwar schlechtere Abscheidegrade, sind jedoch einfach zu warten, da sie mit dem auf Baustellen verfügbaren Motoröl auskommen. Der hinsichtlich Abscheidegrad deutlich bessere Trockenluftfilter, s. Abschn. 13.1, bedarf neben der Bevorratung von Filterpatronen einer Wartung, indem die Filterbelegung kontrolliert wird. Die dazu übliche Unterdruckanzeige am Filtersystem ist bei Einzylindermotoren wegen der starken Ansaugpulsationen problematisch. Eine verstopfte Filterpatrone kann jedoch schon nach kurzer Zeit schwere Schäden im Zylinderkopfbereich durch Überhitzen aufgrund Verbrennungsluftmangels initiieren. Da bei Einsatz im Bausektor erhöhte Staubbelastungen auftreten, sollte das Motorgrundkonzept beide Filterarten vorsehen und bei extremer Staubbelastung den Anbau eines Vorabscheiders (Zyklons) ermöglichen. Bei unsicherer Ersatzteilversorgung, z. B. in sog. „Drittländern“, ist dem Ölbadluftfilter der Vorrang zu geben. Ansaugtrakt. Vom Luftfiltereintritt der Rohluft bis zum Motoreintritt der Ansaugluft ist eine dichte Anbindung, z. B. über elastische Schläuche, vorzusehen. Bei Motoreinbauten in halben oder ganz geschlossenen Räumen sollte die Luft von außen ohne Druckverluste und Temperaturerhöhung zugeführt werden (Richtwerte: ≤ 10 mbar (100 mm WS) Unterdruck bzw. 5 K Temperaturerhöhung gegenüber der Außenluft, gemessen am Einlasskanaleintritt bei Nenndrehzahl). Abgasanlage. Das Schalldämpfervolumen soll möglichst groß gewählt werden. Einerseits ist ein hinsichtlich Leis tungsverlust bzw. Mündungsgeräusch ideales Volumen vom
10fachen Hubvolumen wegen des Bauraums nicht möglich, andererseits ist unter einem 3fachen Hubvolumen keine wirksame Dämpfung ohne Leistungsverluste bis zu 10% erreichbar. Der mittlere Gegendruck am Schalldämpfereintritt (= Auslasskanalaustritt) soll dabei < 25 mbar (250 mm WS) bei Nenndrehzahl betragen. Abgasleitungen sind abgesehen von der Dichtheit je nach Motorbefestigung starr oder mit flexiblen Kompensatoren zur schwingungstechnischen Entkoppelung anzubringen. Bei Motoreinbau sind innerhalb geschlossener Räume möglichst kurze, wärmeisolierte Abgasleitungen zu verwenden. Motorraumbelüftung. Beim Motoreinbau in enge, geschlossene Räume (Kapseln) ist die Kühlluft möglichst ohne Temperaturanstieg (< 3 K) dem Gebläseradeintritt zuzuführen. Um den Wärmehaushalt des Motors bzw. des Einbauraumes zu entlasten, ist die erwärmte Abluft möglichst ohne Lässigkeiten über Bälge, Schläuche oder Schächte auf dem kürzesten Wege nach außen zu führen. Bei außerhalb des Einbauraumes angeordnetem Schalldämpfer und kurzer, isolierter Abgasleitung genügt i. d. R. die Teilabsaugung aus dem Einbauraum mit dem Schwungradgebläse. Befindet sich der Schalldämpfer im Motorraum, muss dieser abgeschottet in einem Abluftschacht platziert werden, ebenso die weiterführenden Abgasrohre. Eine Fremdbelüftung ist nur dann notwendig, wenn keine dichte Abluftführung vorliegt.
Kraftstoffversorgung Standard ist ein am Motor angebauter Kraftstofftank mit Filter, Kraftstoffleitung zur Einspritzpumpe sowie Rücklauf von dieser bzw. Leckölrückführung vom Düsenhalter in den Tank. Sicherer Motorbetrieb verlangt ein Mindestgefälle vom Tank zur Einspritzpumpe von ≥ 50 mm, wobei ein möglicher Schräglagenbetrieb zu beachten ist. Ebenso sind horizontale oder wenig geneigte Leitungsführungen von < 10 ° zu vermeiden. Dies gilt besonders für den Vorlauf vom Tank zur Einspritzpumpe. Für einen sicheren Abtransport der Gasbzw. Luftbläschen im Kraftstoff nach dem Abstellen des Motors, vor allem im Bereich der Einspritzpumpe, ist zu sorgen. Bei Versorgung aus einem tiefer liegenden Kraftstofftank sollte ein unmittelbar vor der Membranförderpumpe eingebautes Rücklaufsperrventil verhindern, dass sich das Kraftstoffsystem bei Motorstillstand entleert, was langwierige Entlüftungsprozeduren beim Neustart erfordern würde.
Lichtmaschine Die Lichtmaschine wird am Einzylinder-Dieselmotor meist platzsparend als sog. Schwungradlichtmaschine ausgebildet: Am Schwungrad in einem Ring angeordnete Magnetseg-
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren mente laufen mit einem Spalt von etwa 0,4 mm an sternförmig am Kurbelgehäuse befestigten Spulenkörpern vorbei. Der Spannungsregler ist leicht zugänglich am Motor befestigt und liefert drehzahlabhängig einen gleichgerichteten Ladestrom von 15 A bei 12 V und 8 A bei 24 V und damit eine Ladeleistung von ≈ 200 W. Bei einem anderen Konzept wirken am Schwungrad angebrachte Permanentmagnete über einen axialen Luftspalt mit einem am Kurbelgehäuse fixierten Spulenträger zusammen. Nur dieser wird bei Defekten ausgewechselt, was den Ausbau des Motors bzw. Schwungrades erspart. Durch zusätzliche Spulen kann die Lichtmaschinenleistung einfach gesteigert werden.
18.1.3
Konstruktiver Aufbau der EinzylinderKleindieselmotoren
18.1.3.1
Kurbelgehäuse
Graugussgehäuse bieten zwar Vorteile hinsichtlich der Geräuschemission, sind aber aus Gewichtsgründen und ebenso wie die zwar leichten, im Sandguss- oder Kokillenverfahren gegossenen Al-Gehäuse wegen der teuren Bearbeitung nicht mehr aktuell (Bild 18-5). Aus Kostengründen werden vorrangig druckgussfähige Kurbelgehäuse oder Gestellkonstruktionen aus Leichtmetall
625
eingesetzt. Technisch optimale, kostengünstige Lösungen bieten in Al-Druckguss hergestellte Gehäusekonstruktionen mit integrierter, hochgezogener Aufnahme für die Laufbuchse, die einseitig offen und somit leicht entformbar sind (s. Bild 18-6 und Bild 18-7). Der Steuerdeckel als abschließendes Bauteil nimmt ein Hauptlager auf. Verfolgt man den Kraftlinienverlauf erkennt man, dass dieses Konstruktionsprinzip jedoch Grenzen aufweist. Bei Hubvolumen größer als 0,6 dm3 ergeben sich Zünddrücke, die nicht mehr beherrscht werden können. Hier bietet sich für größere Einzylinder-Dieselmotoren eine druckgussfähige, einteilige und nach unten offene Konstruktion an, bei der wie bei Mehrzylindermotoren eine angeschraubte Ölwanne das Gehäuse verschließt. Nockenwelle, Regler. Bei der Positionierung der Nockenwelle verfährt man unterschiedlich: Sie kann entweder wie bei einem Reihenmotor seitlich parallel zur Kurbelwelle angeordnet werden (Bild 18-7) oder mittig über der Kurbelwelle, wahlweise steuer- oder schwungradseitig (Bild 18-6). Bei für die Regelung der Einspritzpumpe verwendeten P-Regler wird das Übertragungsglied meist von der Nockenwelle oder dem Ölpumpenrad angetrieben. Dabei sind Übersetzungen ins Schnelle regeltechnisch vorteilhaft und reduzieren den Raumbedarf für den Regler. Hier hat jeder Motorenhersteller eigene, je nach Einsatz mehr oder weni-
Bild 18-5 Luftgekühlter Einzylinder-Dieselmotor älterer Bauart mit Graugussgehäuse. s/D=82/82 (DEUTZ F1L 208)
626
18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-6 Luftgekühlter Einzylinder-Kleindieselmotor mit LeichtmetalldruckgussTopfgehäuse und direkter Einspritzung (HATZ 1B20). Vh=0,23 dm3; s/D=62/69
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren
627
Bild 18-7 Luftgekühlter Einzylinder-Kleindieselmotor mit LeichtmetalldruckgussTopfgehäuse und direkter Einspritzung (LOMBARDINI 15LD315). Vh=0,315 dm3; s/D=66/78
628 18 Industrie- und Schiffsmotoren ger flexible Systeme. Zum Standard gehören: Alldrehzahlregelung, ± Angleichung zur Steuerung des Drehmoments, frei wählbarer Proportionalitätsgrad von 3 bis 10% (bei Stromerzeuger 3 bis 5%). Nockenwelle mit Einspritznocken und Ventiltrieb werden zusammen mit Einspritzpumpe, Drehzahlregler und Antrieb der Ölpumpe meist in den offenen Raum zwischen Steuerdeckel und Kurbelwange untergebracht (s. Bild 18‑7). Lediglich die Ausgleichswelle für den 100%igen Massenausgleich 1. Ordnung unter Inkaufnahme eines freien Massenmomentes befindet sich auf der Schwungradseite.
Triebwerk Kurbelwelle. Die geschmiedete Kurbelwelle wird vergütet und im Bereich der Hauptlagerzapfen und des Hubzapfens gehärtet. Gleitlager stehen nach wie vor für lange Lebensdauer, Wälzlager für geringe Reibung. Auch werden in jüngster Zeit zur Reduzierung der Reibung, vor allem der Kaltreibung, PTFE- beschichtete Gleitlager eingesetzt. Rillenkugellager erreichen heute rechnerische Lebensdauererwartungen von 4000 bis 5000 Betriebsstunden, was für Standardanwendungen von Einzylinder-Dieselmotoren aus reicht. Oft sind Kombinationen von Wälz- und Gleitlagern bei Anordnung des Wälzlagers auf der Schwungradseite zu finden. Sphäroguss-Kurbelwellen sind bei kleinen Einzylinder-Motoren denkbar, doch steht die praktische Bewährung im harten Baumaschineneinsatz noch aus. Gebaute Kurbelwellen sind selbst im Kleinst-Dieselmotorenbau nicht verlässlich genug und bleiben Ottomotoren vorbehalten.
Schwungrad. Das Schwungrad besteht vorwiegend aus Grauguss mit eingegossener Beschaufelung. Man findet auch am Schwungrad angeschraubte Gebläseringe aus Kunststoff. Bei kleinen Motoren sind tiefgezogene, aus mehreren Blechlagen bestehende und damit schalltote Schwungräder im Trend s. Bild 18‑6. Massenausgleich. Für den Massenausgleich sind angeschraubte Gegengewichte üblich, die zusätzlich zum rotierenden Masseanteil 35 bis 70% der oszillierenden Massen umfassen, s. Abschn. 8.1 und 8.3. Unter 0,5 l Hubraum genügt meist der 50%-Massenausgleich (Normalausgleich) erster Ordnung. Der 100%-Massenausgleich der Massenkräfte 1. Ordnung ist häufig mit einem zusätzlichen, freien Moment verknüpft, s. Abschn. 8.3. Einen im Vergleich dazu idealen 100%-Massenausgleich 1. Ordnung erreicht der im Bild 18‑3 dargestellte Motor (HATZ SUPRA-Baureihe 1D30/40/60/80) Bild 18‑8 lässt das Prinzip erkennen: Eine einzelne, kleine Gegenmasse an der schwungradseitigen Kurbelwange ermöglicht eine kleine Motorbauhöhe und gleichzeitig einen steuerseitigen Freiraum, um in fast idealer Position ein zur Drehrichtung gegenläufiges Ausgleichswellensystem zu betreiben, s. Abschn. 8.3.6. Alle übrigen Gegenmassen werden im Schwungrad an geordnet, ohne im Gehäuseinnenraum zu stören.
Laufbuchse, Zylinderkopf, Ventiltrieb Zylinder. Verrippte und aufs Kurbelgehäuse aufgesetzte Graugusskompaktzylinder mit durchlaufender Zuganker-
Pleuelstange. Das Standardpleuel ist aus Stahl geschmiedet, im großen Pleuelauge geteilt und im Bolzenauge mit einer Bronzebuchse versehen. Geschmiedete Aluminiumpleuel können bei Kurzhubmotoren unter 0,3 l Hubvolumen bei entsprechender Formgestaltung eingesetzt werden. Zukünftig ist mit Pleuelstangen aus Sintermaterial zu rechnen. Auch GGG 60 kann als Pleuelmaterial eingesetzt werden, mit dem Vorteil büchsenlos im kleinen Bolzauge fahren zu können. Kolben. Wegen möglichst geringer oszillierender Massen werden ausschließlich Vollschaftkolben aus Al‑Legierungen, s. Abschn. 8.6, verwendet. Regelkolben sind die Ausnahme und nur bei großen Einzylinder-Motoren sinnvoll. Die Standardbestückung besteht aus drei Ringen: – einem meist verchromten Verdichtungsring als Rechteckoder Trapezring, ballig gehont und mit Minuteneffekt, – einem weiteren Verdichtungsring mit Minuteneffekt als Nasenring bzw. Ring mit Innenfase und – einem Ölabstreifring als Gleichfasen- oder Dachfasenring ohne oder mit Federunterstützung (Schlauchfederring).
Bild 18-8 Anordnung von Ausgleichsmassen und -wellen für einen voll ständigen Ausgleich der Massenkräfte 1. Ordnung (HATZ-SUPRA-Baureihe, s. Bild 18‑3)
18.1 Einzylinder-Kleindieselmotoren
629
Bild 18-10 Darstellung des patentierten Single-Cam System SCS (HATZ)
Bild 18-9 Mechanischer Ventilspielausgleich – automatisch nachspringendes Exzenterrastenwerk
konstruktion werden wegen ihrer guten Formstabilität eingesetzt. Weit verbreitet sind auch aufgesetzte AluminiumRippenzylinder mit eingegossener Graugussbuchse. Bis zur Zylinderkopfauflage hochgezogene Kurbelgehäuse mit integrierter, eingegossener Graugusslaufbuchse sind bei Motoren mit Vh < 0,4 l ebenfalls Stand der Technik und werden aus Kostengründen bevorzugt (s. Bild 18-7). Die Firma Hatz verwendet in der B-Motorenreihe eine auf einem Ölpolster schwimmende Schlendergussbüchse, mit dem Vorteil der Auswechselbarkeit im Servicefall (s. Bild 18-6). Die Zylinderköpfe luftgekühlter EinzylinderDieselmotoren sind vorwiegend aus Aluminium-Gusslegierungen mit im Croning-Kernverfahren eingebrachten Spiral-Drall-Kanälen zur Luftdrallerzeugung für die Gemischbildung bei direkter Einspritzung (DI). Eine sehr interes-
sante Lösung bietet das für den Druckguss geeignete Kernteilungs- und Auszugsverfahren, das bei den Zylinderköpfen der Baureihe B der Firma Hatz verwendet wird (Bild 18-6). Die Ventile werden ausschließlich durch Kipphebel und Stoßstangen betätigt, wobei entweder die Ventilstößel oder der zwischengeschaltete Schlepphebel den direkten Kontakt mit dem Nocken haben. Als Kipphebel werden geschmiedete oder tiefgezogene Blechhebel verwendet. Interessant ist ein rein mechanischer Ventilspielausgleich, Patent Hatz (s. Bild 18-9), der zusammen mit aus Blech gefertigten Kipphebeln erfolgreich in den Motoren der B-Baureihe dieser Firma eingesetzt wird. Bei diesen Motoren werden zudem Platz sparend das Einlass-, Auslassventil und der Einspritzpumpenantrieb nur über eine Nockenprofilbahn betätigt (pat. Single-Cam System SCS; Bild 18-10). Einspritzsystem. Es überwiegt das PLD (Pumpe-LeitungDüse)-System, wobei für die direkte Einspritzung (DI) kurze Einspritzleitungen für kleinste Totraumvolumina im Hochdrucksystem sowie größtmögliche dynamische Steifheit des Antriebes gefordert werden. Diese Forderungen erfüllt im besonderen Maße eine über Rollenstößel oder obenliegende Nockenwellen angetriebene Pumpe-Düse-Einheit (UnitPump-System UPS) und gilt daher auch hinsichtlich Einbauraum als eine denkbare Alternative für künftige EinzylinderKleindieselmotoren. Für PLD-Systeme sind Stangendüsenhalter und P-Düsen mit 4 mm Nadeldurchmesser, also kleiner bewegter Masse, der Standard. Zweifeder-Düsenhalter ermöglichen eine Voreinspritzung zur Minderung des Verbrennungsgeräusches bei
630 18 Industrie- und Schiffsmotoren Schwachlast mit dem Nachteil hoher Rauchwerte im Volllastbereich. Eine Multijet-Einspritzung wäre auch für die Kleindieselmotoren wünschenswert, scheidet hier jedoch wegen zu hoher Kosten aus. Als sehr geeignet haben sich RSN-Düsen erwiesen, die bei größerem Nadelhub eine variable Vordrossel-Steuerung erreichen und somit sowohl das Verbrennungsgeräusch als auch die NOx- und CO- Emission reduzieren. Da elektronische Komponenten für die Steuerung des Spritzbeginns ebenfalls aus Kostengründen ausscheiden bzw. für die Einzylinder-Kleindieselmotoren nicht verfügbar sind, ist man auf einfache, wenn auch nicht optimale hydraulische Maßnahmen am Pumpenelement und am Einspritzventil angewiesen.
18.2
Einbau- und Industriemotoren
18.2.1
Definition und Einteilung
Unter dem Begriff Einbau- und Industriemotoren kann man fast alle Verbrennungsmotoren verstehen, die für den Einsatz außerhalb des Straßenverkehrs abgestimmt und zertifiziert wurden, auch als Non-Road-Anwendungen bezeichnet. Fahrzeuge mit Industriemotoren dürfen zwar auch teilweise auf öffentlichen Straßen betrieben werden, wie z. B. Traktoren, Straßenreinigungsmaschinen oder Radlader, jedoch spielt der Anteil des Straßenverkehrs für diese Anwendungen nur eine untergeordnete Bedeutung. Die Zertifizierung erfolgt in einem von der Anwendung abhängigen Stufenzyklus gemäß ISO 8178 (s. Abschn. 15.2). Charakteristisch für Einbau- und Industrie motoren ist die Vielzahl der Applikationen mit oft nur geringen Stückzahlen. Daraus resultiert die Anforderung an den Hersteller, die Motoren in einer Modulbauweise herzustellen, um den Gegebenheiten des jeweiligen Einbaus gerecht zu werden. Für die Anbauteile ist ein Baukastensystem erforderlich, mit dem eine möglichst hohe Anzahl von möglichen Anwendungen abgedeckt wird, ohne die Variantenvielfalt in unwirtschaftliche Größenordnungen wachsen zu lassen. Bei den Anwendungen lässt sich eine grobe Einteilung in drei Gruppen vornehmen: – Stationärmotoren, – Mobile Arbeitsmaschinen, – Landtechnik. Stationärmotoren dienen im Wesentlichen der Stromerzeugung (Gensets), werden aber auch für andere Aggregate wie z. B. Kühlsysteme, Pumpen und Kompressoren verwendet. Je nach Anwendung befinden sie sich im Dauereinsatz mit zum Teil hohen Anteilen im Schwachlastbetrieb oder im stark intermittierenden Einsatz, dann aber mit hoher Auslastung, wie z. B. bei Notstromaggregaten. Stationärmotoren werden mit wechselnder Last, aber mit konstanter Drehzahl betrieben. Dies gilt insbesondere für Stromaggregate, die zur Gewährleistung einer konstanten Wechselstromfrequenz von 50 Hz in Europa bei 1500 min–1 bzw. für 60 Hz in den USA
bei 1800 min–1 betrieben werden. Die Zertifizierung erfolgt gemäß ISO 8178 im D2‑Zyklus, s. Abschn. 15.2. Der Anwendungsbereich der mobilen Arbeitsmaschinen umfasst sowohl den großen Bereich der Baumaschinen, wie Bagger, Radlader und Planierraupen sowie auch Gabelstapler, Schienenfahrzeuge und Flugfeldschlepper. Je nach Anwen dung werden Motoren in mobilen Arbeitsmaschinen im gesamten Kennfeld betrieben, wie auch bei einer festen Arbeitsdrehzahl, wenn die Leistungsanforderung von einer Hydraulikeinheit kommt. Die Arbeitsdrehzahl entspricht meis tens der Nenndrehzahl des Motors. Bahnmotoren werden entweder wie Industriemotoren zertifiziert oder aber auch entsprechend der Gesetzgebung für Nutzfahrzeugmotoren. Landtechnikmotoren entsprechen in ihrer Anwendung eigentlich den mobilen Arbeitsmaschinen, jedoch stellt die Landtechnik bezüglich der Leistungsanforderungen und der Einbauten eine Besonderheit dar, weswegen die Landtechnik motoren auch technologisch eine eigene Gruppe bilden. Eine konstruktive Besonderheit von Landtechnikmotoren liegt häufig in der Übernahme einer versteifenden Funktion des Fahrzeugs. Entsprechend ihrer konstruktiven Basis lassen sich Industriemotoren in modifizierte Fahrzeugmotoren und gezielt für die Industrieanwendung entwickelte Motoren einteilen. Zu den modifizierten Fahrzeugmotoren gehören sowohl abgeleitete Pkw-Motoren für Leistungen bis ca. 100 kW als auch Nfz‑Motoren für Motorleistungen bis ca. 500 kW. Generell decken Industriemotoren einen Leistungsbereich von 2 bis ca. 500 kW ab. Anwendungen oberhalb 1000 kW werden durch mittelschnelllaufende und langsamlaufende Mittel- und Großmoto ren bedient (s. Abschn. 18.3 und 18.4). Im Leistungsbereich zwischen 500 und 1000 kW gibt es nur sehr wenige Motoren. Wie bei Pkw- und Nfz-Motoren, setzen sich auch bei Industriemotoren elektronisch geregelte Einspritzsysteme durch; dies gilt vor allem für Motorleistungen oberhalb 75 kW. Mit der 2006 in Kraft getretenen Abgasgesetzgebung der Stufe 3 für Industriemotoren sind die Anforderungen in diesem Leistungsbereich nicht mehr mit vertretbarem Aufwand mit mechanisch geregelten Einspritzsystemen zu erreichen. Im Wettbewerb der Einspritzsysteme stehen hier Steckpumpen, Pumpe-Düse und in zunehmendem Maß auch Common Rail. Die Elektronik erlaubt darüber hinaus auch die Übernahme von Kundenfunktionen und eine intelligente Verknüpfung von Motorelektronik und Fahrzeugbzw. Maschinenelektronik, s. Kap. 5 bzw. 6. Für Motoren kleiner 75 kW sind viele Motoren auch aufgrund der weniger scharfen Emissionsanforderungen mit mechanisch geregelten Einspritzsystemen ausgerüstet. Da in diesem Marktsegment der Anschaffungspreis des Motors gegenüber den Betriebskosten eine dominierende Rolle spielt, verzichtet man hier auf die Vorteile der Motorelektronik.
18.2 Einbau- und Industriemotoren 631 Ursprünglich wurden Industriemotoren nur als luftgekühlte Motoren gebaut (s. Abschn. 9.1.4). Der Verzicht auf ein zusätzliches Kühlmedium bedeutet für die Handhabung und Wartung einen unbestreitbaren Vorteil hinsichtlich der Robustheit besonders für die teilweise sehr harten Einsatzbedingungen, z. B. bei extremen klimatischen Bedingungen. Die schrittweise Verschärfung der Emissionsgrenzwerte bewirkte eine teilweise Verdrängung der Luftkühlung durch die Wasserkühlung, da letztere aufgrund der niedrigeren Bauteiltemperaturen einen Vorteil bei den Stickoxid emissionen, aber auch bei der Leistungsdichte besitzt. Da es den Entwicklern in den vergangenen Jahren immer gelungen ist, alle Grenzwertstufen entgegen der ursprünglichen Erwartung auch mit luftgekühlten Motoren zu erfüllen, ist auch in naher Zukunft von einem Fortbestand des Marktes für luft gekühlte Motoren auszugehen. Es sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass der Hersteller Deutz mit einem Konzept ölgekühlter Motoren sehr erfolgreich im Markt ver treten ist (s. Abschn. 9.1.3). Das Grundkonzept kommt der Konstruktion wassergekühlter Motoren sehr nahe, vermeidet aber das zusätzliche Kühlmedium Wasser. Da jedoch die Öltemperaturen gemeinhin oberhalb der Kühlmitteltemperatur wassergekühlter Motoren liegt, wird auch der ölgekühlte Motor mit etwas höheren Bauteiltemperaturen betrieben, s. Abschn. 9.1.3.
18.2.2
gen Stückzahlen einhergeht. Dennoch gibt es zahlreiche namhafte Fahrzeughersteller, die auch Industriemotoren anbieten. Einen Einblick – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – auf das weltweite Angebot von Industriemotoren gibt Bild 18-11. Die Verwendung von modifizierten Fahrzeugmotoren im Industriemotorenbereich bietet insbesondere die sich aus einer Großserienfertigung ergebenden Vorteile. Allerdings geht dies häufig mit einer geringen Flexibilität bezüglich einbaubedingter Abweichungen einher. Gerade in der Flexibilität liegt jedoch die Stärke der auf die Produktion von Industriemotoren spezialisierten Hersteller. Bei den Herstellern von Industriemotoren ist zwischen den sog. Captive und Non-Captive-Herstellern zu unterscheiden. Für die „Captive“ Hersteller (captive = gefangen) besteht das Kerngeschäft in der Produktion von Industriema schinen oder -fahrzeugen. Die für diese Maschinen erforderliche Motorenpalette decken sie aus einer eigenen Motorenproduktion ab. Für diesen Markt typische Hersteller sind z. B. Caterpillar, JohnDeere und Yanmar. Dieses Marktsegment wird als „captive“ bezeichnet, weil es für andere Motorenhersteller nicht erreichbar ist. Die genannten Hersteller bieten ihre Motoren aber auch auf dem „noncaptive“ Markt an und stehen damit im Wettbewerb mit reinen Motorenherstellern wie Cummins oder Deutz. Aufgrund der auch durch die Abgasgesetzgebung getriebenen zunehmenden Komplexität zeichnet sich in den vergangenen Jahren bei den Herstellern von Industriemotoren ein Konzentrationsprozess ab, wie man ihn auch in der Automobilindustrie beobachten kann. Besonders kleinere „Captive“ Hersteller – deren Motorenproduktion bei 20000 bis 30000 Einheiten im Jahr liegt – gehen vermehrt dazu über, ihre Motoren auf dem „Non-Captive“ Markt einzukaufen.
Angebot und Auswahl
Trotz des in den vergangenen Jahren in der weltweiten Automobil- und Motorenindustrie stattfindenden Konzentrations prozesses ist das weltweite Motorenangebot immer noch sehr groß, so dass es hier nicht ausführlich und vollständig behandelt werden kann. Tabelle 18‑1 vermittelt eine Vorstellung über die weltweiten Einsatzfelder der Dieselmotoren. Die maßgeblichen Anwendungen kommen aus den Bereichen Pkw, Nfz und Landtechnik. Dies dokumentiert, dass die Vielzahl der Anwendungen für Einbau- und Industriemotoren i. d. R. mit gerin
18.2.3
Applikationen
Der Markt für Einbau- und Industriemotoren ist geprägt von einer Vielzahl von Applikationen, die sehr häufig mit geringen
Tabelle 18-1 Verwendung der hergestellten Dieselmotoren (100 Stück) Land
Japan
Ostasien
Nordamerika
Westeuropa
Osteuropa
Summe weltweit
Personenkraftwagen Nutzfahrzeuge Landmaschinen Baumaschinen Industriemotoren Stromaggregate Schiffs- und Schiffshilfsmotoren
323 774 590 299 140 204 38
167 1.047 7.156 61 47 179 203
0 693 42 112 31 17 13
4.383 2.328 340 271 186 247 35
1.013 277 67 22 9 28 3
6.209 5.853 8.792 812 482 711 297
Summe
2.368
8.860
908
7.790
1.1419
23.156
632 18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-11 Das Leistungsangebot für Industriemotoren der wichtigsten in- und ausländischen Hersteller (Quelle: Marktanalyse der DEUTZ AG)
Stückzahlen bis hin zur Einzelfertigung verbunden sind. Die Kunst des Motorenherstellers besteht darin, diese Applikations vielfalt abzudecken, ohne dabei in der eigenen Produktion in eine unüberschaubare und kommerziell nicht tragbare Variantenvielfalt zu geraten. Der Lösungsansatz besteht in einer Plattformstrategie basierend auf einem Grundmotor und einem Baukastenkonzept für die Anbauten, wie dies beispielhaft in Bild 18‑12 dargestellt ist [18-1]. Eine besondere Variantenviel-
falt aufgrund der Einbaubedingungen besteht für Ölwannen, Ansaug- und Abgaskrümmer. Letztere müssen den verschiedenen Anbaulagen für Abgasturbolader gerecht werden. Ebenso variabel ist der Anbau von Lichtmaschinen, wenn sie für den Einbau überhaupt erforderlich sind. Die Applikationsvielfalt ist nicht nur ein Resultat der Einbaurestriktionen, sondern auch durch Lastprofile, klimatische Einsatzbedingungen, Kraftstoffqualitäten, unterschiedliche
18.2 Einbau- und Industriemotoren
633
Bild 18-12 Modulkonzept eines Industriemotors bestehend aus dem Basismotor und verschiedenen Optionen für Anbauteile
Emissionsstandards, Anforderungen an den Kraftstoffverbrauch und den erzielbaren Verkaufspreis des Motors bedingt. Während in der EU und Nordamerika nur noch Motoren verkauft werden, die die Anforderungen der Abgasgrenzwertstufe 3 (s. Abschn. 15.2) erfüllen, gelten in großen Teilen Afrikas und des Nahen- und Mittleren Ostens keinerlei Emissionsstandards. In diesen Regionen ist der Verkauf von Motoren, die die Grenzwertstufe 3 erfüllen, aus kommerziellen Gründen wie auch aufgrund der technologischen Komplexität der Motoren nicht möglich. Auch aus klimatischen und logistischen Gründen werden hier luft- oder ölgekühlte Motoren mit mechanisch geregelten Einspritzsystemen bevorzugt. Ein weiterer schon bei der Entwicklung zu beachtender Gesichtspunkt sind die weltweit sehr unterschiedlichen Kraftstoffqualitäten. Dem für Westeuropa geltenden Kraftstoffstandard gemäß EN590 mit einer Cetanzahl von mindestens 51 stehen in den USA Dieselkraftstoffe mit einer Cetanzahl von durchschnittlich 40 bis 42 gegenüber. Dies führt erfahrungsgemäß zu einem Anstieg der Stickoxidemissionen um ca. 0,2 g/kWh. Da für die USA und Europa die gleichen Grenzwerte für Industriemotoren gelten, muss dies bei der Abstimmung des Motors berücksichtigt werden. Des Weiteren stellt der Schwefelgehalt des Kraftstoffs – in
einigen Regionen über 5000 ppm – eine Herausforderung dar; dies sowohl hinsichtlich der Auswirkungen auf die Partikelemissionen wie auch auf Schäden durch Schwefelsäurekorrosion. In einigen EU-Ländern darf Heizöl für Industriemotoren verwendet werden. Auch dies entspricht nicht dem EN590 Standard. Es sei noch erwähnt, dass zunehmend Biokraftstoffe verwendet werden. Für diese unter dem Begriff FAME (Fatty acid methyl ester) zusammengefassten, auf Pflanzenölbasis veresterten Kraftstoffe erteilen die Hersteller von Einspritzsystemen i. d. R. keine Freigabe, so dass das Freigaberisiko auf der Seite des Motorenherstellers liegt. Bei dem in Deutschland gängigen Biodiesel handelt es sich um Rapsölmethylester (RME), s. Abschn. 4.2. Da die Dauerhaltbarkeit eines Motors auch von seiner Beanspruchung abhängt, wird die Einstellung herstellerseitig in sog. Leistungsgruppen vorgenommen, s. Tabelle 18-2. Dabei wird die Leistung des Motors reduziert, um eine thermische Überlastung durch einen dauerhaften Volllastbetrieb zu vermeiden. Die Komplexität eines Einbaus veranschaulicht Bild 18-13 anhand des Kühlerpakets für einen Traktor. Der Einbau wird der nach unten gezogenen Frontpartie des Traktors gerecht, deren Konstruktion der Verbesserung des Sichtfelds für den Fahrer dient. Da der Wirkungsgrad der Kühler ganz
634
18 Industrie- und Schiffsmotoren
Tabelle 18-2 Beispiel für die Definition von Leistungsgruppen und den jeweiligen Zuordnungen der Anwendungen auszugsweise Leistungsgruppe
Leistungsreduktion
Fahrzeugmotoren
Einbaumotoren Baumaschine
Land- und Forstmaschinen
Pumpen und Verdichter
I
0%
Baustellenfahrzeuge Feuerlöschfahrzeuge Muldenkipper Kranfahrzeuge Straßenreinigungsmaschinen
Radlader Baggerlader Grader Erdtransportgeräte Straßenwalzen Beton- und Mörtelmischer
Mähdrescher
Feuerlöschpumpen Notpumpen
II
5%
Schneefräsen Schneeräumer
Hydraulikbagger Schwarzdeckenfertiger Beton- und Straßenfräsen
Vierradschlepper Forstschlepper Baumschneider Feldhächsler Erntemaschinen
Beregnungs- und Bewässerungsanlagen Hochdruckkompressoren bis 10 bar
III
10%
Grabenfräsen Bohrgeräte
Hochdruckkompressoren über 10 bar
Bild 18-13 Kühlerpaket eines Traktors mit sieben Kühlmodulen
18.2 Einbau- und Industriemotoren 635 erheblich von der Anordnung und der Durchströmung abhängt, muss vor der technischen Freigabe eine Einbau simulation durchgeführt werden, um zu gewährleisten, dass das Kühlerpaket die Auslegungsdaten des Motors erfüllt. Dies ist erforderlich, um einerseits die Emissionsanforderungen zu erfüllen und andererseits eine thermische Über lastung des Motors zu vermeiden.
18.2.4
Modifizierte Fahrzeugmotoren
18.2.4.1
Allgemeine Bemerkungen
Neben den speziell ausschließlich als Industriemotoren entwickelten Dieselmotoren gibt es Triebwerke, die als Modifikation von Pkw- oder Nfz-Motoren in den allgemeinen industriellen Einsatz gelangen. Die unbestreitbaren Vorteile der modifizierten Fahrzeugmotoren für diese Verwendung sind insbesondere der Kostenvorteil infolge der Synergien mit der Großserienfertigung und der Leichtbau mit einem günstigen Verhältnis von Leistung zu Motormasse. Grenzen der Anwendung bestehen dann, wenn Wirt schaftlichkeit oder technische Eigenschaften leiden, z. B. durch zu hohe Beanspruchung des Triebwerkes, das sich bei Fahrzeugmotoren durch Leichtbau auszeichnet. Das gewichtsoptimierte Triebwerk sollte deshalb hinsichtlich der Motorlagerung auch wie beim Fahrzeugeinbau behandelt werden. Deshalb sollte aus Festigkeitsgründen das Motorkur belgehäuse nicht zu systemtragenden Aufgaben herangezo gen werden, so wie dies häufig bei Land- und Baumaschinen konstruktionen üblich ist. Der masseoptimierte Fahrzeugmotor ist infolge seiner kleineren Massen bei den Geräuschund Schwingungsdämpfungsmaßnahmen gegenüber einem schwereren Industriemotor schon etwas aufwändiger zu behandeln. Die Leistungen eines Fahrzeugmotors sind auf fahrzeugspezifische Anforderungen abgestimmt und sollten zugunsten der Motorlebensdauer mit geringem Verschleiß für Industriemotoren im Dauereinsatz entsprechend der DIN/ISO 3046 deutlich niedriger gewählt werden, vgl. Abschn. 18.2.3. Bei der Motorenauswahl sollte auch darauf geachtet werden, dass bei Forderungen nach einem hohen Anfahrdrehmoment nach Möglichkeit kein Pkw-Dieselmotor, sondern besser gleich ein Nfz-Triebwerk zur Basis erklärt wird: Pkw-Motoren erreichen i. d. R. ihr maximales Drehmoment erst im oberen Drehzahlbereich. Es besteht zwar die Möglichkeit, mit einer speziellen Abstimmung der Einspritzpumpe das maximale Drehmoment innerhalb bestimmter Grenzen in den unteren Drehzahlbereich zu ver lagern. Doch jede Abweichung von einer Fahrzeug Serien ausrüstung wird teuer und unrentabel, wenn zu viele zwar wünschenswerte, aber nicht unbedingt notwendige Sonderausstattungen gefordert werden.
Um die Möglichkeiten eines serienmäßigen Fahrzeugmotors zur Anpassung an die Belange beim Einsatz als Industrie motor abschätzen zu können, sind diese mit den dabei auftretenden Anforderungen in Übereinstimmung zu bringen. Für Industriemotoren spielen Lebensdauer und Wartungs intervalle eine ausschlaggebende Rolle. Zugunsten längerer Ölwartungsintervalle sind für diese Einsätze oft größere Motorölvolumen erforderlich. In Abstimmung mit den Einbaugegebenheiten werden spezielle Ölwannen mit bis zu 20 Liter Ölvolumen gegenüber der Pkw-Version mit ca. 4 Liter verwendet. Hierbei sind nicht nur die Sonderkosten, sondern auch die bestehenden Fertigungseinrichtungen bzw. Fertigungsmöglichkeiten abzuwägen, ob eine derartige Modifikation noch zielführend bzw. noch bezahlbar ist.
18.2.4.2
Ausgeführte Motoren
Ein Beispiel für einen modifizierten Fahrzeugmotor [18‑2] zeigt Bild 18‑14 am Beispiel des Herstellers Volkswagen. Der Motor basiert auf dem Pkw-Motor und unterscheidet sich von diesem nur noch in seinem Datensatz, um ein Höchstmaß an Synergie mit der Pkw-Großserienproduktion zu erreichen. Wirbelkammermotoren werden als Saugmotoren nur noch im Leistungsbereich bis 37 kW hergestellt, die aber ab der Grenzwertstufe 3A durch direktein spritzende Motoren ersetzt werden. Diese werden bis ca. 80 kW mit 1,9 und 2,5 l Hubvolumen sowohl als Saugmotoren wie auch als aufgeladene Motoren mit und ohne Ladeluftkühlung hergestellt. Für die Anpassung dieser für den Fahrzeugeinsatz ent wickelten Basismotoren an die verschiedenartigen Anforderungen von Industrieapplikationen wurde ein Datensatz konzept entwickelt, das aus einem Block von der jeweiligen Applikation unabhängiger Motorgrundfunktionen und einem Block Industriemotorenfunktionen besteht. Die In dustriemotorenfunktionen sind in sieben spezifischen Datensätzen im Motorsteuergerät gespeichert. Diese unterscheiden sich in der Art der Motorregelung: – Momentensteuerung mit Vorgabe über das Fahrpedal, – Leistungssteuerung mit Vorgabe über das Fahrpedal, – Arbeitsdrehzahlregelung mit Vorgabe über das Fahrpedal in Form eines P-Reglers, – Arbeitsdrehzahlregelung über eine 0 – 5 V-Schnittstelle in Form eines PI-Reglers mit oder ohne Sicherheitskonzept, – Automotives Fahren durch Umsetzung des Fahrerwunsches über das Fahrpedal in eine Einspritzmenge, – Stationärer Betrieb durch eine extern geschaltete Festdreh zahlregelung. Abweichend vom Fahrzeugmotor verfügt die Elektronik über einige für Industrieanwendungen spezifische Aktoren und
636
18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-14 Aufgeladener 2,5 l TDI®-Motor von VW mit elektronisch geregelter Verteilereinspritzpumpe, Zweiventilzylinderkopf, Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie. Maximale Leistung 80 kW bei 3500 min–1
Sensoren. Diese hier dargestellte Varianz war bislang bei Motoren mit einer mechanisch-hydraulisch arbeitenden Einspritzpumpe nur durch eine applikationsabhängige Einstellung der Einspritzpumpe in Verbindung mit einer speziellen Ausrüstung, wie einem Alldrehzahlregler, häufig nur zusammen mit einer zusätzlichen elektronischen Regelung darstellbar.
18.2.5
Industriemotoren
18.2.5.1
Produktkonzept
Ausschließlich als Einbau- und Industriemotoren entwickelte Dieselmotoren sind in der Klasse bis ca. 75 kW Leistung zu finden. Zwischen einem und vier Zylindern sind alle Zylinderzahlen üblich. Kraftstoffverbrauch und Leistungsdichte spielen eine untergeordnete Rolle; wichtiger sind Anschaffungskosten, Robustheit und Vielseitigkeit. Aufgrund der Emissionsanforderungen werden die Saugmotoren zunehmend durch aufgeladene Motoren ersetzt; aus Einbau- und Kostengründen aber häufig ohne Ladeluftkühler. Im Leistungsbereich bis 37 kW dominieren jedoch noch Saugmotoren. Mehrere Nebenabtriebe und die Möglichkeit einer 100prozentigen Kraftabnahme am dämpferseitigen Kurbel-
wellenende sind üblich. Geringe Wartungsansprüche führen bei dieser Leistungsklasse u. a. dazu, dass ein sehr hoher Anteil luft- oder öl-/luftgekühlt ist. Industriemotoren im Leistungsbereich oberhalb von 75 kW – ausgeführt als 4-, 6- oder 8-Zylindermotor – sind meistens entweder von Nfz-Motoren abgeleitet oder Industriemotoren, die auch als Fahrzeugmotoren einsetzbar sind, sodass bezüglich Abgas- und Lärmemission, Wartung, Lebensdauer, Leistungsgewicht und -dichte usw. in dieser Leistungsklasse für Industriemotoren ähnliche Anforderungen wie an Nfz-Motoren bestehen. Sie unterscheiden sich von Nfz-Motoren nur durch spezielle konstruktive Merkmale wie zusätzliche Nebenabtriebe, Kraftabnahme auch am dämpferseitigen Kurbelwellenende, besonders steife Motorblöcke, versteifte Ölwannen und Massenausgleichsgetriebe bei Schleppereinbau, zusätzliche Kühlsysteme für Hydraulikanlagen und Generatoren. Die Vielfalt der Einsatzmöglichkeiten von Industriemotoren und damit der Kundenwünsche erfordert entsprechend viele Ausrüstungsvarianten, die oft nur in relativ kleinen Stückzahlen produziert werden. Industriemotoren sind daher im Normalfall etwas teurer als entsprechende Pkw- oder Nfz-Motoren.
18.2 Einbau- und Industriemotoren
18.2.5.2
Ausgeführte Motoren
Angesichts der breiten Palette der Industriemotoren sollen in diesem Abschn. anhand einiger Ausführungsbeispiele grundsätzliche Merkmale für das Hubraumsegment zwischen 200 und 400 cm3 und das Segment im Bereich 1 l pro Zylinder dargestellt werden. Die ganze Vielfalt lässt sich an dieser Stelle nicht erfassen. Im kleinen Hubraumsegment bis 400 cm3 gibt es eine Vielzahl von mehrzylindrigen, fast ausschließlich als Reihenmotoren konzipierte, wassergekühlte Triebwerke. Maßgebliche Hersteller sind hier Kubota, Yanmar, Daihatsu, Isuzu, Lister Petter und Deutz. Das konstruktive Grund-
637
prinzip ist bei allen sehr ähnlich, jedoch findet eine breite Varianz der Einspritzausrüstung vom System Pumpe-Leitung-Düse über Verteilerpumpen, Reihenpumpen bis zu Einsteckpumpenblöcken. Häufig wird das indirekteinspritzende Wirbelkammerverfahren angewandt, dass gegenüber dem direkteinspritzenden Verfahren neben dem Geräuschvorteil und den geringeren Herstellkosten auch ein niedrigeres Stickoxidemissionsniveau aufweist. Der damit verbundene Verbrauchsnachteil wird in diesem Marktsegment akzeptiert. Ein konstruktiv sehr interessantes Beispiel ist die Baureihe W35 des Herstellers Hatz (s. Bild 18-15), die mit einem Hubraum von 350 cm3 pro Zylinder als Reihenmotor mit 2,
Bild 18-15 Querschnitt des Motors 4W35NA der Fa. Hatz Vertikal in Längsrichtung geteiltes Alu-Druckguss-Kurbelgehäuse
638
18 Industrie- und Schiffsmotoren
3 und 4 Zylindern angeboten wird. Der Reihenmotor hat eine in Längsrichtung vertikale Teilungsebene. Beide in AluDruckguss herstellbaren Gehäusehälften beinhalten bereits Ölwanne, Steuergehäuse, Räderkasten, Schwungradgehäuse, Zylinderkopf- und Laufbüchsenaufnahme. Der Zylinderkopf und die dünnwandige Schleuderguss-Laufbuchse sind Module. Die Wasserpumpe ist im Rädertrieb des Steuerkastens integriert. Mit lediglich drei Bauteilen bestehend aus der linken und der rechten Kurbelgehäusehälfte sowie dem Ventildeckel ist der Motor bereits komplett geschlossen. Auch das Einspritzsystem und dessen Steuerung sind modular aufgebaut. Zum Einsatz kommt eine mechanisch geregelte sehr kurz bauende Pumpe-Düse, deren Antrieb über die oben liegende Nockenwelle und den Antriebshebel erfolgt. Bild 18-16 zeigt den konstruktiven Aufbau des komplett ausgerüsteten 4W35-Saugmotors. Die Ausführungsbeispiele in den Bildern 18-17 und 18-18 zeigen, wie unterschiedliche Markt- und Gesetzgebungsan-
forderungen die Ausführung eines Motors einer Baureihe beeinflussen. Für die 64 kW-Variante gilt ein Emissionsgrenzwert von 4,7 g/kWh für NOX+HC und 0,3 g/kWh für Partikel im C1-Zyklus gemäß ISO 8178, s. Abschn. 15.2. Aus Bauraum- und Kostengründen besitzt dieser Motor keinen Ladeluftkühler und ist mit einem mechanisch geregelten Steckpumpeneinspritzsystem ausgestattet. Das Emissionsziel wurde durch die entsprechende Gestaltung der Brennraum- und Einspritzdüsengeometrie, des Einspritzzeitpunktes und des Ladungswechsels erreicht. Die mit diesem Konzept verbundenen Nachteile im Kraftstoffverbrauch werden durch die niedrigen Herstellkosten mehr als kompensiert. Die 113 kW-Variante in Bild 18-18 wurde für eine hohe Auslastung in einem Traktor abgestimmt. Für diese Leistung gilt ein Emissionsgrenzwert von 4,0 g/kWh für NOX+HC und 0,2 g/kWh für Partikel im C1-Zyklus. Aufgrund des Lastkollektivs wie auch der hohen Betriebsstundenzahl pro Jahr spielt der Kraftstoffverbrauch eine wesentlich größere Rolle. Dabei werden ein
Bild 18-16 Wassergekühlter 4 Zylinder OHC-Reihenmotor mit mechanisch geregelter Pumpedüse aus der Motorbaureihe W35 des Herstellers Hatz
18.2 Einbau- und Industriemotoren 639
Bild 18-17 Aufgeladener Vierzylindermotor ohne Ladeluftkühlung der DEUTZ Baureihe 2012, Typ TD2012L04 2V mit mechanisch geregeltem Pumpe-LeitungDüse Einspritzsystem, Zwei ventilzylinderkopf, seitlich angebautem Abgasturbolader. Maximale Leistung 67 kW bei 2200 min–1
technologisch höherer Aufwand und damit ein höherer Preis des Motors akzeptiert. Sowohl die Ladeluftkühlung wie auch die gekühlte Abgasrückführung sind geeignete Maßnahmen, niedrige Stickoxidemissionen verbunden mit einem guten Kraftstoffverbrauch zu erzielen. Darüber hinaus erlaubt das Common Rail Einspritzsystem eine Optimierung von Kraftstoffverbrauch, Verbrennungsgeräusch und Emissionen im gesamten Motorkennfeld [18‑3], [18‑4]. Die Motoren bieten als charakteristische Einbaumotoren mehrere Möglichkeiten zur Kraftabnahme: über den Steuerrädertrieb können neben der Nockenwelle auch eine oder mehrere Hydraulikpumpen und/oder Kompressoren angetrieben werden. Alternativ können bis zu 100% der Motorleistung auch stirnseitig abgenommen werden. Auch für diese wassergekühlten Motoren ist ein integriertes Kühl system vorgesehen: Öl- und Wasserkühler werden dazu seitlich am Motor befestigt, wobei wahlweise auch ein
zusätzlicher Kühler für Hydrauliköl vorgesehen werden kann. Dies ermöglicht nicht nur eine sehr kompakte Bauweise, sondern vereinfacht auch die Montage des komplett mit der integrierten Kühlung angelieferten Motors. Ein typischer Einsatzfall des Industriemotors ist die Landmaschine. Die hohe Steifigkeit des Motorblocks verringert nicht nur die Geräuschemission, sondern ermöglicht auch, den Motor als tragendes Schlepper-Bauteil einzusetzen. Dazu eliminiert ein Massenausgleichsgetriebe bei der Vierzylinder-Variante die freien Massenkräfte und garantiert dadurch die für einen starren Einbau in den Schlepper notwendige Laufruhe.
18.2.6
Ausblick
Die Weiterentwicklung der Industriemotoren wird, wie die Entwicklung der Fahrzeugmotoren, in den nächsten Jahren
640 18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-18 Aufgeladener Vierzylindermotor mit Ladeluftkühlung der DEUTZ Baureihe 2012, Typ TD2012L04 2V mit elektronisch geregeltem Common Rail Einspritzsystem, Vierventilzylinderkopf, mittig oben angebautem Abgasturbo lader und externer gekühlter Abgasrückführung. Maximale Leis tung 113 kW bei 2200 min–1
von einer weiteren drastischen Verschärfung der Abgasgesetzgebung geprägt sein (s. Abschn. 15.2). Die damit verbundenen technologischen Anforderungen haben bereits in der Grenzwertstufe 3A bei vielen Motoren zu einer Ablösung der mechanisch geregelten Einspritzsysteme durch elektronisch geregelte Systeme geführt. Lediglich im Leistungsbereich unter 75 kW dominieren weiterhin mechanisch geregelte Ein spritzsysteme. Die Erfüllung der Grenzwertstufe 4 erfordert die Einführung von Abgasnachbehandlungstechnologien wie dem Partikelfilter und der Stickoxidnachbehandlung durch SCR. Da diese Technologien eine Überwachung und Regelung benötigen, ist ein integriertes Motormanagement unerläss-
lich, dass auch die Abgastemperaturregelung für die Abgasnachbehandlung übernimmt. Aufgrund der höheren Emissionsgrenzwerte ist lediglich im Leistungsbereich unter 56 kW auch künftig die Anwendung der kostengünstigen mechanisch geregelten Einspritzsysteme wahrscheinlich. Mit seiner Flexibilität, insbesondere der Möglichkeit von Mehrfacheinspritzungen, wird dem Common Rail Einspritzsystem das größte Zukunftspotenzial zugeschrieben. Dies erleichtert auch die Abstimmung des dynamischen Betriebsverhaltens, das neben den Kundenanforderungen durch die Einführung eines Transientzyklusses auch der Emissionsgesetzgebung genügen muss. Das elektronische Motormanagement bietet darüber hinaus die Möglichkeit
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren der Integration zusätzlicher Kundenfunktionen und erlaubt einen Datenaustausch mit anderen Fahrzeug- bzw. Maschinensystemen. Diese zunehmende Komplexität der Technologien und ihre Integration in das Gesamtsystem Motor erfordern von dem Motorenhersteller neben der Kompetenz auf den Gebieten Einspritzung und Verbrennung zusätzliches Expertenwissen in der Elektronik und der Abgasnachbehandlung. Von Maschinenherstellern, die Motoren in verhältnismäßig geringen Stückzahlen für den Eigenbedarf herstellen, ist dies kaum noch zu leisten. Sie gehen vermehrt dazu über, Motoren bei Herstellern zu kaufen, die aufgrund ihrer Größe die genannten Fachgebiete als Kernkompetenzen besitzen. So ist auch in den kommenden Jahren mit einer Fortsetzung des Konzentrationsprozesses bei den Motorenherstellern zu rechnen.
18.3
Mittelschnelllaufende ViertaktDieselmotoren
18.3.1
Definition und Beschreibung
18.3.1.1
Einordnung der mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotoren
Unter dem Begriff „Mittelschnellläufer“ werden Tauchkolbenmotoren verstanden, die heute fast ausschließlich im Viertakt-Verfahren arbeiten. Die am Markt noch vereinzelt existierenden Zweitakt-Tauchkolbenmotoren sind von untergeordneter Bedeutung und sollen hier nicht näher betrachtet werden. Die Drehzahlen der mittelschnelllaufenden ViertaktMotoren liegen zwischen etwa 300 min–1 und 1200 min–1.
641
Die Zylinderabmessungen reichen von unter 200 mm bis über 600 mm. Die mittleren Kolbengeschwindigkeiten haben sich in den letzten Jahren bei ca. 9 bis 11 m/s, in Einzelfällen auch darüber, eingependelt. Dazu werden mittlere effektive Drücke pe von bis zu 29 bar erreicht, was einer effektiven Nutzarbeit von we ≤ 2,9 kJ/dm3 entspricht. Ausgehend von diesen Werten ergibt sich ein Leistungsbereich moderner mittelschnelllaufender Viertakt-Motoren von etwa 100 kW/Zyl. bis über 2000 kW/Zyl. Es werden heute Reihenmotoren 6 bis 10 Zylindern (teilweise auch darunter) sowie V-Motoren mit 12 bis 20 Zylindern gebaut.
18.3.1.2
Einsatz mittelschnelllaufender Dieselmotoren
Mittelschnelllaufende Viertakt-Motoren werden als Schiffshauptmotoren, als Schiffshilfsmotoren sowie im Stationäreinsatz zum Antrieb von Generatoren verwendet. Kleinere Mittelschnellläufer werden auch zum Antrieb von Pumpen und Verdichtern, in Blockheizkraftwerken oder als Traktionsmotoren eingesetzt. In der zivilen Schifffahrt haben sich in den letzten 40 Jahren die Dieselmotoren gegenüber anderen Antriebsmöglichkeiten (Dampf- oder Gasturbinen) durchgesetzt. Mittelschnelllaufende Viertakt-Motoren haben stark an Bedeutung gewonnen und Eingang auch bei Schiffstypen gefunden, die bisher dem langsamlaufenden Zweitakt-Motor vorbehalten waren (Bild 18-19). Für viele Anwendungsfälle kommen aus Gründen der Raumnutzung von vornherein nur mittelschnelllaufende Motoren in Frage, wie beispielsweise bei Fährschiffen, RoRo- und sonstigen Spezialschiffen. Bei Passagier- und Kreuzfahrtschiffen werden aufgrund
Bild 18-19 Einmotorenanlage mit Mittelschnellläufer, Untersetzungsgetriebe und Generatorantrieb über PTO (Power Take off). Motorleistung 12500 kW bei 428 min–1 für den Antrieb eines Kühlschiffes mit 400000 cft Ladekapazität
642
18 Industrie- und Schiffsmotoren
der hohen Flexibilität vielfach dieselelektrische Antriebe mit Mittelschnellläufern eingesetzt. Auch in der Binnenschifffahrt werden überwiegend kleinere Mittelschnellläufer als Antriebsmotoren verwendet. Bei den Schiffshilfsmotoren kommen zumindest bei größeren Schiffen fast ausschließlich mittelschnelllaufende Motoren zum Einsatz (Bild 1820). Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich sind Dieselkraftwerke zur Stromerzeugung, die vor allem in den industriellen Schwellenländern, ohne flächendeckende Verbundnetze, große Verbreitung gefunden haben. Mit Aggregatleistungen von 10 bis 20 MW lassen sich mit der entsprechenden Anzahl von Maschinensätzen Kraftstationen bis zu 100 MW und darüber in kurzer Bauzeit wirtschaftlich erstellen, zumal ein stufenweiser, an den Bedarf angepasster Ausbau in einfacher Weise möglich ist.
18.3.1.3
Kraftstoffe
Schwerölbetrieb Moderne, größere Mittelschnellläufer können heute Schweröle bis zu schlechten Qualitäten, wie sie beispielsweise in CIMAC H/K55 definiert sind, verarbeiten (vgl. Abschn. 4.3).
Dies wurde durch konsequente Bauteilentwicklung, vor allem im Bereich des Brennraumes, an den Ventilen, an Kolben und Zylinderbuchsen usw., erreicht. Sowohl bei den als Schiffshauptantrieb eingesetzten, als auch bei den Stationäranlagen kommt bei großen Mittelschnellläufern heute fast ausschließlich Schweröl zum Einsatz, soweit nicht Einschränkungen durch Umweltauflagen vorhanden sind. Eine wesentliche Einflussgröße bei der Verbrennung von Schwerölen ist die für die Verbrennung zur Verfügung stehende Zeit. Es ist daher verständlich, dass die Schweröltauglichkeit bei den größeren Mittelschnellläufern mit Drehzahlen bis 750 min–1 leichter darzustellen ist, als bei den kleineren Motoren mit Drehzahlen im Bereich von 1000 min–1 und darüber. Bei diesen höherdrehenden Motoren können sich hinsichtlich der zulässigen Schwerölqualität u. U. gewisse Einschränkungen ergeben. Dennoch wird auch bei den Schiffshilfsmotoren in zunehmendem Maße Schwerölbetrieb vorgesehen, um Haupt- und Hilfsmaschinen mit gleichem Kraftstoff versorgen zu können (Unifueled Ship). Bei der Verbrennung von Schweröl sind entsprechende Vorkehrungen, sowohl bei der Kraftstoffaufbereitung als auch bei der Wahl des Schmieröles, zu treffen (s. Abschn. 4.3). Bei der Motorauslegung ist dafür zu sorgen, dass an den schwerölbeeinflussten Bauteilen die „richtigen“ Tempe-
Bild 18-20 Maschinenraumanordnung eines Kreuzfahrtschiffes. – Hauptmotoren in je 2x„Vater-und-Sohn“-Anordnung über Untersetzungsgetriebe auf zwei Schrauben arbeitend. Drei Hilfsmotoren des gleichen Motortyps für die Erzeugung des Bordstroms, zusätzlich Generatoren an den„Sohn“-Motoren
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 643 raturen herrschen, um schädliche Korrosionseinflüsse und Ablagerungen zu vermeiden (s. hierzu auch Abschn. 18.3.3 bzw. 7.1). Daher werden kleinere, höher drehende Mittelschnellläufer oft mit Dieselöl betrieben. Hier lohnt sich der für die Schwerölaufbereitung erforderliche Aufwand in den meis ten Fällen nicht.
Gasbetrieb Neben Schwerölen und Dieselkraftstoffen verschiedenster Qualität werden mittelschnelllaufende Viertakt-Motoren auch mit unterschiedlichen Brenngasen betrieben, wobei sowohl Otto-Gas- als auch Diesel-Gasverfahren, eingesetzt werden (s. Abschn. 4.4). Bei der konventionellen Dieselgas-Ausführung, bei der ein homogenes Gas-Luftgemisch verdichtet und die Zündung durch das Einspritzen einer kleinen Zündölmenge ausgelöst wird, muss der mittlere effektive Druck bzw. die Leistung gegenüber dem Dieselbetrieb zurückgenommen werden. Wie neuere Entwicklungen zeigen [18‑5], ist es bei entsprechender konstruktiver Ausführung mit einem Diesel-Gasmotor möglich, annähernd die Leistung des Dieselbetriebs zu realisieren, ohne das Gas-Diesel-Verfahren mit seiner Hochdruck-Gaseinblasung anwenden zu müssen, s. Abschn. 4.4.3.1. Um die Emissionswerte niedrig zu halten, wurde das sog. Lean-burn-Verfahren entwickelt: in einem Nebenbrennraum wird mittels Zündöl ein mageres Gas-Luftgemisch entzündet, das beim Austritt aus der Nebenkammer als energiereiche Zündhilfe für das arme Gemisch im Hauptbrennraum dient [18‑6]. Sowohl dieses Lean-burn-Verfahren als auch Otto-Gasmotoren haben in den letzten Jahren bei den mittelschnelllaufenden Viertakt-Motoren zunehmende Verbreitung gefunden.
18.3.1.4
Vorteile der Mittelschnellläufer
Der mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotor steht zwischen dem schnelllaufenden Hochleistungsmotor und dem langsamlaufenden Zweitakt-Motor. Die Übergänge hinsichtlich des Einsatzes sind fließend. Der wesentliche Vorteil des Mittelschnellläufers gegen über dem Zweitakt-Motor liegt in seinem geringeren Raumbedarf sowie dem vergleichsweise niedrigeren Leistungsgewicht, verbunden mit günstigeren spezifischen Kosten [18‑7]. Dies gilt obwohl ein Mittelschnellläufer als PropulsionsMotor in jedem Falle mit einem Untersetzungsgetriebe ausgestattet ist (Bild 18-21).
Neben den Raumvorteilen sprechen noch weitere Punkte für den Mittelschnellläufer: – freie Wahl der optimalen Propellerdrehzahl, – gute Eignung für elastische Aufstellung zur Körperschall isolierung, – sehr einfache Möglichkeit der Abwärmenutzung, – generatorgängige Drehzahlen, – einfacher Wellengeneratoranbau zur Energieerzeugung im Schwerölbetrieb, – günstige Voraussetzungen für Maßnahmen zur Schad stoffreduzierung, – leichter Anbau von Power- bzw. Compound-Turbinen zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, – gute Eignung für Motormanagementsysteme und Fern überwachung.
18.3.2
Auslegungskriterien
18.3.2.1
Spezifische Leistung
Ausgelöst durch den Wettbewerbsdruck und ermöglicht durch die Weiterentwicklung der Aufladetechnik wurden die spezifischen Leistungen im Laufe der Jahre kontinuierlich angehoben. Bei den mittleren effektiven Drücken bzw. der spezifischen Arbeit ging man dabei teilweise bis an die Grenze des mit einstufiger Aufladung Erreichbaren. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit erfuhr ebenfalls eine kontinuierliche Steigerung. Kenngröße für den Stand der Technik ist die spezifische Kolbenflächenleistung PA, siehe Abschn. 1.2, die dem Produkt aus spezifischer Arbeit und mittlerer Kolbengeschwindigkeit proportional ist. Heutige mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren erreichen Kolbenflächenleistungen von 5 W/mm2 bei Spitzenwerten von ca. 7 W/mm2.
18.3.2.2
Maximaler Zylinderdruck
Parallel zur Steigerung der spezifischen Kolbenflächenleis tung wurden, nicht zuletzt ausgelöst durch die Ölkrisen in den 70er und 80er Jahren und den stetigen Kraftstoffpreisanstieg, große Anstrengungen unternommen, den Kraftstoffverbrauch zu senken. Als eine wesentliche, den Wirkungsgrad kennzeichnende Größe, hat sich das Verhältnis von maximalem Zylinderdruck zur effektiven Arbeit, auch ausgedrückt durch das Verhältnis pZmax/pe, erwiesen. Mit steigendem Mitteldruck müsste daher der Spitzendruck nach Möglichkeit überproportional mit angehoben werden, um ein ausreichend hohes Verhältnis pZmax/pe von ca. 7 bis 8 und daraus resultierend einen möglichst niedrigen Kraftstoffverbrauch sicherzustellen. Die maximalen Zylinderdrücke haben daher in den letzten Jahren ein beachtliches Niveau er-
644 18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-21 Größenvergleich eines mittelschnelllaufenden Viertaktmotors und eines leistungsgleichen, langsamlaufenden Zweitakt-Kreuzkopf-Motors
reicht. Motoren mit 200 bar Spitzendruck sind heute bereits in Betrieb, und die Tendenz ist weiter steigend. Bild 18-22 zeigt die Entwicklung des maximalen Zylinderdruckes und des spezifischen Kraftstoffverbrauches in den zurückliegenden Jahrzehnten.
18.3.2.3
Hub/Bohrungsverhältnis
Gerade im Schwerölbetrieb ist es wichtig, dass die Drucksteigerungsrate dpZ/dφ, d. h. der Abstand zwischen Kom pressionsenddruck und maximalem Zylinderdruck, der sog. Zündsprung, nicht zu groß wird. Daraus folgt, dass hohe maximale Drücke auch deutlich höhere Kompressionsenddrücke erfordern. Der Kompressionsenddruck wird beeinflusst vom Ladedruck und dem Kompressionsverhältnis.
Aus thermodynamischen Erwägungen (vgl. Abschn. 2.2) ist die Höhe des Ladeluftdruckes begrenzt. Der zulässige Ladedruck lässt sich zweckmäßigerweise mit einer Kenngröße beschreiben, die das Verhältnis von Ladedruck zum mittleren effektiven Druck angibt. Um einerseits günstige Verbräuche zu gewährleisten, andererseits aber auch das Temperaturniveau der Brennraumbauteile im Schwerölbetrieb in einem betriebssicheren Rahmen zu halten, hat sich für Mittelschnellläufer ein Verhältnis pL/pe von 0,15 bis 0,17 als optimal erwiesen. Daraus folgt letztendlich, dass das Verdichtungsverhältnis entsprechend angehoben werden muss, um den gewünschten Verdichtungsenddruck zu erreichen. Somit beträgt das Verdichtungsverhältnis heutiger Mittelschnellläufer abhängig vom Bohrungsdurchmesser ε = 13 bis 16.
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 645
Bild 18-22 Entwicklung von maximalem Zylinderdruck und spezifischem Kraftstoffverbrauch bei mittelschnelllaufenden Viertaktmotoren in den letzten 40 Jahren.
Ein höheres Verdichtungsverhältnis lässt sich mit einem längerhubigen Motor leichter erreichen, ebenso wie auch eine günstige Brennraumform. Mit kürzer werdendem Hub wird bei vorgegebenem Verdichtungsverhältnis der Brennraum immer flacher, und es wird zunehmend schwieriger, eine gute Verbrennung zu erzielen. Bei all diesen Überlegungen spielt auch die absolute Motorgröße eine Rolle. Je kleiner die Zylinderabmessungen werden, umso nachteiliger machen sich die schädlichen Räume im Bereich der Ventile bemerkbar. Sie nehmen mit kleiner werdenden Abmessungen überproportional zu. Daraus folgt, dass man zur Erzielung eines bestimmten Verdichtungsverhältnisses bei einem größeren Zylinderdurchmesser mit einem kleineren Hub/Bohrungsverhältnis auskommt, als dies bei einem kleineren Zylinderdurchmesser der Fall ist.
18.3.2.5
18.3.2.4
18.3.3
Konstruktive Lösungen
18.3.3.1
Motorgrundaufbau
Drehzahl
Aus Kolbenhub und mittlerer Kolbengeschwindigkeit ergibt sich die entsprechende Motordrehzahl. Je nach Zylinderdurchmesser, Hub/Bohrungsverhältnis und maximal zulässiger mittlerer Kolbengeschwindigkeit ergeben sich Drehzahlen im Bereich von etwa 300 min–1 bis zu 1200 min–1. Motoren zur Drehstromerzeugung mit 50 bzw. 60 Hertz können somit mit den entsprechenden Generatordrehzahlen betrieben werden (vgl. Abschn.1.2).
Weitere Kriterien
Bei mittelschnelllaufenden Viertakt-Motoren wird neben niedrigem Kraftstoff- und Schmierölverbrauch, Schweröltauglichkeit, günstigen Herstellkosten usw. von Seiten der Betreiber auch großen Wert auf Einfachheit im Aufbau und Wartungsfreundlichkeit gelegt. Dies ist u. a. der Grund, dass sich aufwendige technische Lösungen, wie z. B. eine zwei- oder mehrstufige Aufladung bislang bei den Mittelschnellläufern nicht durchgesetzt haben. Entwicklungsschwerpunkte sind die Schweröltauglichkeit auch unter hohen spezifischen Belastungen sowie Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Verbesserung der Abgas emission. Im nachfolgenden Abschn. wird dies beispielhaft an konstruktive Lösungen dargestellt.
Es können hier nur einige wesentliche Bauteile herausgegriffen und in ihren grundsätzlichen Merkmalen beschrieben werden. Die früher beim Motorgehäuse vielfach übliche Bauweise mit Grundplatte, von oben eingelegter Kurbelwelle und einem aufgesetzten und mit Zugankern mit der Grundplatte verschraubten Zylinderblock wurde bei neueren Konstruk
646
18 Industrie- und Schiffsmotoren
tionen in den meisten Fällen von einer einteiligen Gestellausführung mit hängender Kurbelwelle abgelöst. Diese Bauweise gewährleistet einen sehr günstigen Kraftfluss, vermeidet zusätzliche, belastete Trennflächen und ist kostengünstig. Eine interessante Lösung wurde bei den Mittelschnellläufern von MAN Diesel gewählt. Hier wird durch verlängerte, bis zur Oberkante des einteiligen Gestells führende Grundlagerschrauben und bis weit in das Gestell reichende Zylinderdeckelschrauben eine deutliche Entlastung der Gussstruktur erzielt (Bild 18-23).
18.3.3.2
Triebwerk
Kurbelwelle und Kurbelwellenlager. Um Lagerschwierigkeiten im Schwerölbetrieb, hervorgerufen durch korrosiven oder abrasiven Verschleiß, zu vermeiden, ist neben einer entsprechenden Ölpflege auch die Dimensionierung der Kurbelwellenlager von großer Bedeutung. Die Praxis hat gezeigt,
dass gewisse Mindestrestspalte im Schmierfilm nicht unterschritten werden dürfen, wenn befriedigende Standzeiten der Lagerschalen erreicht werden sollen. In Zusammenhang mit den gegenüber früher deutlich höheren Zylinderdrücken sind aus Festigkeitsgründen vielfach stärkere Grundlagerund Kurbelzapfen erforderlich, die die Lagerflächen vergrößern. Darüber hinaus konnte durch die Einführung neuer Lagertechnologien, wie beispielsweise Rillenlagern oder Sputterlagern, die Belastbarkeit erheblich gesteigert werden. Dadurch konnte erreicht werden, dass trotz höherer Gaskräfte die Betriebssicherheit der Lagerung und die Lagerstandzeiten gegenüber früher in vielen Fällen sogar deutlich angehoben werden konnten, s. Abschn. 8.5. Pleuel. Eine einfache gerade Teilung am Kurbelzapfenlager ist nur in den wenigsten Fällen bei vergleichsweise gering belasteten Motoren möglich. In der Regel erfordern die der höheren Belastung angeglichenen stärkeren Kurbelzapfen zumindest eine Schrägteilung des Pleuels (Treibstange), um beim Kolbenziehen das Pleuel bzw. den Pleuelschaft durch die Zylinderbuchse durchführen zu können. In vielen Fällen wird eine sog. Marinekopf-Ausführung verwendet, bei der der Schaft mit einem eigenen, zweiteiligen Lagerkörper verschraubt ist (Bild 18-24). Diese zusätzliche Trennfuge hat den Vorteil, dass bei der Dimensionierung des Lagerkörpers weniger räumliche Beschränkungen gegeben sind und daher eine steife, verformungsarme Gestaltung möglich ist. Darüber hinaus braucht beim Ausbau eines Kolbens das Lager nicht geöffnet zu werden.
18.3.3.3
Bild 18-23 Motorgestell mit Einzelzylindermänteln, verlängerten Hauptlagerschrauben und verlängerten Zylinderdeckelschrauben (Bauart MAN Diesel)
Brennraumbauteile
Kolben. Mittelschnelllaufenden Viertakt-Motoren haben, neben Monoblockkolben aus Sphäroguss bei kleineren Zylinderabmessungen, in den meisten Fällen gebaute Kolben. Das Kolbenoberteil ist aus Stahl, die Ringnuten sind oft, um den Verschleiß zu reduzieren gehärtet oder verchromt (siehe Abschn. 8.6). Das Kolbenunterteil besteht wegen der gestiegenen Belastung vorwiegend aus Sphäroguss, seltener aus Leichtmetall. Vereinzelt wird auch das Kolbenhemd wie die Kolbenkrone aus Stahl gefertigt [18-8]. Mit derartigen gebauten Stahl-/ Sphärogusskolben lassen sich Zünddrücke bis über 200 bar beherrschen. Die hohe thermische Belastung erfordert eine optimale Kühlung des Kolbenoberteiles (s. Abschn. 7.1). Als Kühlmedium wird Öl aus dem Umlaufsystem verwendet, das in den meisten Fällen über das Pleuel dem Kolben zugeführt wird (s. Abschn. 8.6). Durch die Shakerwirkung bei der Auf- und Abwärtsbewegung des Kolbens wird das Kühlöl an die Innenwände des Kolbenbodens geschleudert, nimmt die
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren
647
Bild 18-25 Gebauter Stufen-Kolben mit Stahloberteil und Sphärogusshemd für sehr hohe Zylinderdrücke (Quelle: MAN Diesel)
Bild 18-24 Pleuelstange mit Marinekopf-Ausführung
Wärme auf und läuft über entsprechende Rücklaufbohrungen im Kolbenhemd in den Triebraum zurück. Zur Vergrößerung der Wärmeübergangsfläche ist das Kolbenoberteil oft mit Kühlbohrungen ausgestattet (Bild 18-25). In Verbindung mit einem Feuerstegring an der Laufbuchse werden die Kolben als Stufenkolben ausgebildet, um Ablagerungen von Verbrennungsrückständen an der Laufbuchse und somit Blankstellen an der Buchse zu vermeiden sowie ferner den Ölverbrauch zu reduzieren. Durch ein enges Kolbenspiel, das abrasive Teilchen zurückhält und den Schmierfilm schützt, wird die mechanische Belastung der Kolbenringe verringert. Alle Kolbenringe sind in der Stahlkrone angeordnet.
Mit der Entwicklung von Chromringen mit keramischen Einlagerungen, den sog. CKS-Ringen, wurde die hohe Belastbarkeit von Plasmaringen mit dem geringeren Verschleiß von Chromringen verbunden, Damit können auch bei schlechtesten Kraftstoffen niedrige Verschleißraten in der Größenordnung von 0,01 bis 0,02 mm/1000 h erzielt werden (Bild 18-26). Moderne mittelschnelllaufende Dieselmotoren haben daher beim ersten Kompressionsring eine Chrom-Keramikbeschichtung und Chrombeschichtungen für den zweiten und ggf. dritten Ring, womit eine hohe Standfestigkeit des Ringpaketes erzielt wird. Zylinderlaufbuchse. Getrennt, einzeln stehende Zylindermäntel zur Aufnahme der Laufbuchsen bieten vor allem bei größeren Motoren Vorteile, da Einwirkungen von benachbarten Zylindern oder von Schiffsdeformationen reduziert und damit im Betrieb eine optimale Rundheit der Zylinderlaufbuchsen erreicht wird. Die Wasserführung und intensive Kühlung beschränkt sich auf den oberen Bereich der Lauf-
648
18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-26 Durchschnittlicher Verschleiß des ersten Kolbenringes bei mittelschnelllaufenden Viertaktmotoren im Schwerölbetrieb
buchse, da sie nur dort erforderlich ist. Ziel ist eine gleichmäßige Temperaturverteilung über die ganze Buchsenoberfläche als Vorbeugung gegen Kaltkorrosion und zur Sicherung guter Schmierverhältnisse. Zusammen mit der stabilen Zylindergeometrie sind somit die Voraussetzungen für einen niedrigen Schmierölverbrauch gegeben, der bei modernen Mittelschnellläufern nicht mehr als 0,5 bis 1 g/kWh betragen sollte. Einen wesentlichen Fortschritt brachte in den 90er Jahren die Einführung von sog. Feuerstegringen, die u. a. auch unter der Bezeichnung Anti-Polishing-Ring eine weite Verbreitung gefunden haben. Neben der in Bild 18-27 gezeigten Ausführung eines gekühlten Feuersteges werden auch ungekühlte bzw. indirekt gekühlte Ausführungen verwendet, bei denen ein relativ dünnwandiger Ring direkt in die Laufbuchse eingesetzt wird. Allen Ausführungen gemeinsam ist der gegenüber der eigentlichen Lauffläche der Zylinderlaufbuchse etwas kleinere Ringdurchmesser, wodurch in Kombination mit einem Stufenkolben, das sog. „bore polishing“ (durch harte Koksablagerungen an der Kolbenkrone hervorgerufene blanke Stellen oder Vertiefungen im mittleren Bereich der Zylinderlauffläche) wirkungsvoll verhindert wird. Damit erzielt man bei verringertem Ölverbrauch eine Lebensdauer von bis zu 80000 h für Laufbuchse, Feuerstegring und Stufenkolben. Dazu gehören auch die in Bild 18-28 dargestellten, in Verbindung mit CKS-Ringen erzielten niedrigen Verschleißwerte von ca. 0,01 mm/1000h, gemessen am Umkehrpunkt des obersten Kolbenringes. Üblicherweise tritt an dieser Stelle der Zylinderlauffläche der größte Verschleiß auf, bekannt unter dem Begriff „Zwickel-Verschleiß“.
Zylinderkopf mit Ventilen. Mit zunehmenden Belastungen kommt beim Zylinderkopf in verstärktem Umfang Sphäroguss zur Anwendung. Aufgrund seiner deutlich höheren mechanischen Festigkeitswerte im Vergleich zu laminarem Grauguss trägt er in Verbindung mit einer beanspruchungsgünstigen Gestaltung wesentlich zur Betriebssicherheit dieses mechanisch und thermisch hochbelasteten Bauteiles bei. Bei höher belasteten Mittelschnellläufern werden heute vier Ventile verwendet (Bild 18-29). Auf Ventilkörbe wird zunehmend auch bei größeren Motoren verzichtet [18-9]. Die Betriebssicherheit wurde erhöht und die Ventilstandzeiten wurden so weit verlängert, dass der Zylinderkopf auch für andere Wartungsarbeiten (z. B. Kolbenringe) demontiert werden muss. Damit entfällt der Wartungsvorteil durch den Ventilkorb und es überwiegen dessen Nachteile wie Bauaufwand, reduzierte Zylinderkopfsteifigkeit sowie zusätzliche potenzielle Leckagestellen. Die Ventilsitzringe sind oft, zumindest auf der Auslassseite, gekühlt. Sowohl die Ventilkegel als auch die Sitzringe weisen üblicherweise eine Sitzpanzerung z. B. mit Stelliten (Hartmetallen) auf, die einen hohen Verschleißwiderstand sicherstellt und das Einschlagen von Verbrennungspartikeln beim Schwerölbetrieb und somit sog. Durchbrenner infolge ungenügender Dichtheit des Ventilsitzes und daraus resultierenden Austritts heißer Verbrennungsgase verhindert. Verschiedentlich kommen auch Nimonic-Ventile mit und ohne Sitzpanzerung zum Einsatz. Die Praxis hat gezeigt, dass bei der Verbrennung von Schweröl eine Drehung der Ventile während des Betriebes unbedingt erforderlich ist. Diese Drehung kann durch
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren 649
Bild 18-27 Zylinderlaufbuchse mit Wassermantel und Feuerstegring mit Bohrungskühlung
mechanische Drehvorrichtungen, z. B. Rotocaps, bewerkstelligt werden. Einzelne Hersteller verwenden auf der Auslassseite Drehflügel am Ventilschaft. Durch das ausströmende Abgas wird dabei eine im Vergleich zu den mechanischen Drehvorrichtungen wesentlich intensivere Drehbewegung erzielt. Dabei erfolgt, bedingt durch die Massenträgheit des Ventils, ein schleifendes Aufsetzen auf den Sitz.
18.3.3.4
Einspritzsystem
Zum Grundsätzlichen wird auf Abschn. 5 verwiesen. Hier können nur die bei Mittelschnellläufern heute üblichen Auslegungen bzw. Ausführungen kurz gestreift werden.
Da neben dem Verhältnis pZmax/pe auch die Brenndauer einen nicht unerheblichen Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch hat, wurde auch bei den Mittelschnellläufern versucht, die Brenndauer zu optimieren und so kurz wie möglich zu halten. Bei den ausschließlich verwendeten Einspritzsystemen für direkte Einspritzung besteht ein relativ enger Zusammenhang zwischen Brenndauer und Einspritzdauer: Kurze Brenndauer erfordert auch entsprechend kurze Einspritzdauer. Dies hat dazu geführt, dass heute bei vielen Herstellern Einspritzsysteme mit einer hohen Intensität verwendet werden, die letztlich auch zu vergleichsweise hohen Drücken im Einspritzsystem führen, was wiederum bei der Auslegung der Bauteile entsprechend zu berücksichtigen ist. In fast allen Ausführungsfällen ist das Einspritz-
650
18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-28 Durchschnittlicher Verschleiß der Zylinderlaufbuchse bei mittelschnelllaufenden Viertaktmotoren im Schwerölbetrieb
Bild 18-29 Vergleich der Zylinderköpfe des MAN 48/60 Motors mit Drehflügel-Ventilen auf der Auslassseite (48/60 mit Auslassventilkörben / 48/60B ohne Auslassventilkörben)
ventil zentral im Zylinderkopf angeordnet und der Kraftstoff wird über eine Mehrlochdüse in den Brennraum eingebracht. Bei der Verbrennung von Schwerölen mit ggf. sehr unterschiedlichen Brenneigenschaften ist es vorteilhaft, die Einspritzung darauf abstimmen zu können. So gibt es beispielsweise Ausführungen, bei denen über eine geringe Voreinspritzmenge versucht wird, den Verbrennungsablauf positiv zu beeinflussen. Andere Hersteller wiederum haben die Möglichkeit geschaffen, den Zündzeitpunkt bzw. Einspritzzeitpunkt zu beeinflussen, um damit unterschiedlichen Zündverzügen entsprechend Rechnung tragen zu können. Derartige Maßnahmen werden im Zusammenhang mit den bestehenden gesetzlichen Emissionsbeschränkungen
zunehmend an Bedeutung gewinnen, da der NOx-Ausstoß u. a. durch eine Verlegung des Zündzeitpunktes beeinflusst werden kann. Common Rail Systeme bieten aufgrund ihrer Variabilität dem Motorenentwickler ein breites Spektrum und höhere Flexibilität der Einspritzparameter, wobei für eine optimale Verbrennung mit niedrigem Schadstoffgehalt zusätzlich zu den Variablen Einspritzbeginn und Einspritzdruck auch die Mehrfacheinspritzung erforderlich werden kann. Common Rail Systeme werden zunehmend auch bei Mittelschnellläufern eingesetzt, trotz der im Schwerölbetrieb auftretenden Probleme durch die Verwendung von Schwerölen mit einer Viskosität von bis zu 700 cSt (bei 50 °C), da diese Kraftstoffe auf eine Temperatur von bis zu 150 °C vor-
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren geheizt werden müssen, um die notwendige Einspritzviskosität zu ereichen. Dazu kommt der hohe Gehalt an abrasiven Partikeln und aggressiven Bestandteilen, die in den Schwerölen vorhanden sind. Die Einspritzbauteile müssen unter diesen Einsatzbedingung bei hohen Temperaturen zuverlässig funktionieren. Ein über die gesamte Motorlänge durchgehender Druckspeichers (Rail) ist bei Groß-Dieselmotoren aus Gründen der thermischen Ausdehnung sowie den Herstellungsmöglichkeiten eines solchen Bauteils für 1600 bar mit radialen Bohrungen problematisch. Daher wird der Druckspeicher bei den bisher vorgestellten Systemen von Wärtsilä und MAN Diesel in mehrere Segmente unterteilt [18-10], [18-11]. Auch die Kraftstoffzufuhr kann auf mehrere Hochdruckpumpen verteilt werden. Die Zufuhr von Hochdruckkraftstoff in das Speichersystem über zwei oder mehr Hochdruckpumpen hat den zusätzlichen Vorteil, dass auch bei Ausfall einer der Pumpen der Betrieb des Motors möglich ist. Auf Grundlage des Konzepts mit einem segmentierten Rail hat MAN Diesel ein modulares System für mehrere Motortypen entwickelt (Bild 18-30). Die Segmentierung in einzelne Rail Module bietet neben dem Vorteil der höheren Flexibilität zur Anpassung an verschiedene Zylinderzahlen und einer besseren Nutzung des
Bild 18-30 Aufbau des MAN Diesel Common Rail-Systemes
651
vorhandenen Bauraums durch die kompakten Einheiten weitere Vorteile bei der Montage und der Lagerung von Ersatzteilen [18-12]. Es wird erwartet, dass das Common Rail System die klassische mechanische Einspritzung mit von einer Nockenwelle angetriebener Einzelpumpe zukünftig verdrängen wird.
18.3.3.5
Aufladesystem
Zur Theorie der Aufladung wird auf Abschn. 2.2 verwiesen. In dem vorliegenden Abschn. werden verschiedene, für Mittelschnellläufer typische Auslegungs- bzw. Ausführungsgesichtspunkte angeschnitten. Moderne Mittelschnellläufer sind nahezu ausschließlich mit einer Abgasturbo-Aufladung ausgerüstet. Je nach Motorgröße kommen Axial- oder Radialturbolader zur Anwendung. Die in den vergangenen Jahren erzielten Fortschritte im Turboladerbau ermöglichen heute in einer Stufe Druckverhältnisse von fünf und darüber, eine weitere Steigerung ist in der Entwicklung. Bei den kleineren Motoren wird sowohl die Stoß- als auch die Stauaufladung angewendet. Bei größeren Mittelschnellläufern hat sich in den letzten Jahren mehr und mehr die Stauaufladung durchgesetzt, da die Vorteile wie niedrigerer Verbrauch, gleichmäßige Beaufschlagung der Turbine, ein-
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18 Industrie- und Schiffsmotoren
fachere Abgasleitungsführung, keine aufladetechnisch benachteiligten Zylinderzahlen den Nachteil des schlechteren Beschleunigungsverhaltens überwiegen. Dieser kann durch enge Abgasleitungen abgemildert sowie – wenn erforderlich – durch entsprechende Zusatzmaßnahmen (z. B. durch „Jet Assist“, wobei während der Hochlaufphase der Verdichter kurze Zeit mit Druckluft beaufschlagt wird) an die Verhältnisse im Stoßbetrieb angeglichen werden. Werden die luft- und abgasführenden Kanäle strömungsgünstig gestaltet und die Diffusoren zur Druckrückgewinnung richtig angeordnet, lässt sich der Wirkungsgrad des gesamten Aufladesystemes günstig beeinflussen. Das wirkt sich positiv auf den Kraftstoffverbrauch aus (Bild 18-31). Ein Problem bei der einstufigen Aufladung in Verbindung mit den hohen mittleren effektiven Drücken besteht darin, dass es, bedingt durch die unterschiedlichen Kennlinien von Motor und Turbolader, zunehmend schwieriger wird, den Luftbedarf des Motors über den ganzen Lastbereich optimal abzudecken. Durch Maßnahmen, wie Umblasen von Ladeluft im unteren Lastbereich und ggf. Abblasen von Abgas bei Überlast (waste gate), lassen sich hier jedoch durchaus zufriedenstellende Ergebnisse erzielen. Die optimale Lösung wäre eine stufenlos veränderbare Turbinengeometrie. Versuche mit verstellbaren Leitschau-
feln führten aber im Schwerölbetrieb aufgrund der Verschmutzungen zu erheblichen Problemen.
18.3.4
Betriebsüberwachung und Wartung
Neben Regel-, Steuerungs- und Überwachungssystemen, die der Betriebsoptimierung dienen und elektronisch unterstützt werden, kommen auch Diagnose- und Trendsysteme zur Anwendung. Damit erhält der Betreiber Informationen über den jeweiligen Zustand seiner Anlage, die ihm die Entscheidung über zu treffende Maßnahmen erleichtern soll. Der letzte Stand dieser Entwicklung ist der Einsatz von Expertensystemen, die nicht nur den momentanen Zustand der Anlage aufzeigen, sondern dem Betreiber ganz gezielt mitteilen, welches Bauteil aufgrund geänderter Motorbetriebswerte zu überholen oder auszutauschen ist. Damit wird der Übergang von einer zeitlich geplanten zu einer zustandsabhängigen Wartung ermöglicht [18-13]. Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass bei Bauteilen moderner Mittelschnellläufer heute trotz gestiegener Belastungen lange Wartungsintervalle vorgesehen werden konnten. Die durchzuführenden Arbeiten an den Verschleißteilen, wie Kolbenringen, Einspritzdüsen, Ein- und Auslassventilen, Grund- und Pleuellagern usw., werden durch
Bild 18-31 Stauaufladesystem mit strömungsoptimierten Kanälen und Diffusoren zwischen Zylinderkopf und Abgasleitung sowie nach dem Verdichter zur Druckrückgewinnung
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren gute Zugänglichkeit sowie Einsatz entsprechend konzipierter Spezialwerkzeuge wesentlich erleichtert. Etwaige Fehler bei der Durchführung der Wartungsarbeiten wurden weitestgehend minimiert, ein Umstand, der nicht unerheblich zur Betriebssicherheit der Motorenanlage beiträgt.
18.3.5
Abgasemission
Maßnahmen zur Verbesserung der Abgasemission zielen auch bei mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotoren vornehmlich auf die Reduktion der Stickoxide NOx und der Rußbildung bei der Verbrennung. Letztere ist ursächlich nicht nur für die Abgasschwärzung sondern auch für die Emission an Partikeln verantwortlich (s. Abschn. 15.3). Erschwerend kommt hinzu, dass Großdieselmotoren überwiegend mit schwefelhaltigen Schwerölen betrieben werden, s. Abschn. 4.3.4.2. Außerdem kommt es besonders bei Schwachlast zu verstärkter Bildung von Ruß, die sich durch starke Rauchfahnen bemerkbar macht: Ein Problem für seegehende Schiffe beim Manövrieren in Häfen. Um hier Abhilfe zu schaffen, sind zunächst innermotorische Maßnahmen angebracht, wie z. B. verbesserte Einspritzung, veränderte Ventilsteuerzeiten etc. [18-8], [18-14], [18-15]. Externe Maßnahmen, wie Einsatz von WasserKraftstoff-Emulsionen oder Partikelfilter (s. Abschn. 15.5), erschweren i. Allg. das Handling für die Motoranlage und steigern deren Störanfälligkeit. Diesem Grundsatz folgend, wurde bei der Entwicklung emissionsarmer MaK-Großdieselmotoren in einem ersten
653
Schritt die NOx-Emission entsprechend der Vorgabe der IMO, s. Abschn.15.2.3.3, reduziert, danach auch die Rauchentwicklung unter die Sichtbarkeitsgrenze gesenkt. Fernziel war ein Low-Emission-Motor(LEE) in Hinblick auf künftige Anforderungen [18-16]. Dabei hat sich gezeigt, dass mehrere Maßnahmen lastabhängig zu kombinieren sind: Mit dem Miller-Verfahren (s. Abschn. 2.2.4) sinkt im oberen Lastbereich die maximale Verbrennungstemperatur und somit die NOx-Bildung. Der damit verbundene Füllungsverlust kann durch erhöhten Ladeluftdruck kompensiert werden, vorausgesetzt man stößt nicht an die Grenzen der einstufigen Aufladung (s. Abschn. 2.2.3). Mit einem größeren Verdichtungsverhältnis verbunden mit einem längeren Hub (s/D = 1,5) lassen sich die NOx-Emissionen deutlich vermindern, doch oft unter einer stärkeren Rauchentwicklung bei Schwachlast. Durch Einsatz der Flexible Camshaft Technologie (FCT) kann jedoch bei geringer Leistung die Abgasschwärzung unter der Sichtbarkeitsgrenze (Schwärzungszahl SZ d 0,4…0,5, s. Abschn. 15.6) gehalten werden (s. Bild 18-32). Dazu wird bei Schwachlast ab einer Leistung von etwa 25% der Nennleistung der Einspritznocken nach früh verschoben, so dass in Verbindung mit einer modifizierten Einspritzpumpe eine bessere Zerstäubung und somit rußärmere Verbrennung erfolgt. Gleichzeitig öffnet und schließt das Einlaßventil unter Verzicht auf den Miller-Effekt später, während das Auslassventil früher öffnet, um über ein größeres Abgasgefälle den Ladedruck steigern zu können.
Bild 18-32 NOX-Emission und Abgastrübung (SZ) eines abgas-optimierten Dieselmotors, Caterpillar M 43 C, für den Schiffsantrieb (IMO-Grenzwert z. Zt. NOX = 12,9 g/kWh, SZ: Schwärzungszahl nach der Bosch-Filtermethode)
654
18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-33 Mittelschnellläufer-Familie von MAN Diesel im oberen Leistungsbereich, bestehend aus vier weitgehend baugleichen Reihenmotoren
18.3 Mittelschnelllaufende Viertakt-Dieselmotoren
18.3.6
Ausgeführte Motoren
Aus der Fülle unterschiedlicher mittelschnelllaufender Motoren verschiedenster Hersteller (besonders im unteren Leistungsbereich ist die Typenvielfalt sehr groß) können hier nur einige wenige Beispiele herausgegriffen werden. Bild 18-33 zeigt die Familie großer Mittelschnellläufer von MAN Diesel, bestehend aus den Typen L58/64, L48/60,
655
L40/54 und L32/40 mit Zylinderleistungen von 1400 kW, 1200 kW, 720 kW und 500 kW bei Drehzahlen von 428 bis 750 min–1. Bemerkenswert ist der einheitliche konstruktive Aufbau dieser vier Motoren, die jeweils in Reihenanordnung gebaut werden. Zusätzlich ist von den Typen mit 320 mm und 480 mm Bohrung auch eine V-Version verfügbar. Im Bereich von 250 bis 350 mm Bohrung existiert am Markt eine breite Palette von mittelschnelllaufenden Moto-
Bild 18-34 Wärtsilä 46
656
18 Industrie- und Schiffsmotoren
ren. Sehr erfolgreich war hier in den letzten Jahren u. a. der Wärtsilä 32. Bei einem Zylinderdurchmesser von 320 mm und einem Hub von 400 mm wird bei einer Drehzahl von 750 min–1 eine Zylinderleistung von 500 kW erreicht. Auch dieser Motor wird in Reihen und V-Ausführung mit Zylinderzahlen von 6, 7, 8 und 9, bzw. 12, 16 und 18 gebaut. Der größere Wärtsilä 46, den Bild 18-34 im Querschnitt zeigt, hat einen Zylinderdurchmesser von 460 mm und einen Hub von 580 mm. Er ist mit Zylinderleistungen von 975, 1050 und 1155 kW bei 500 1/min erhältlich. Für die Entwicklungsstufe W46F wurde die Drehzahl auf 600 1/min gesteigert und damit eine Zylinderleistung von 1250 kW erreicht. Als Vertreter der kleineren Abmessungen im Bereich von 200 mm Zylinderbohrung sei als Beispiel der Motor M20 von MaK aufgeführt (Bild 18-35). Dieser Motor weist eine Reihe von konstruktiven Merkmalen auf, die bisher den
Bild 18-35 Querschnitt des Motors M20 von MaK
größeren Mittelschnellläufern vorbehalten waren, wie beispielsweise einzeln aufgesetzte Zylindermäntel. Der zurzeit in Reihen-Version mit 6, 8, und 9 Zylindern angebotene Motor besitzt bei 200 mm Bohrung, 300mm Hub und einer Drehzahl von 1000 min–1 eine Zylinderleistung von 190 kW.
18.3.7
Ausblick
An einen mittelschnelllaufenden Viertakt-Dieselmotor werden heute und künftig eine Reihe von Anforderungen gestellt, wobei aus der Sicht des Betreibers naturgemäß die Forderungen nach hoher Wirtschaftlichkeit, nach Zuverlässigkeit und Einfachheit der Wartung im Vordergrund stehen. Die technischen Konzepte moderner, mittelschnelllaufender Viertakt-Dieselmotoren erfüllen diese Forderungen heute zu einem sehr hohen Prozentsatz. Hohe Lebensdauer bedeutet vor allem niedrige Verschleißwerte der wichtigsten Bauteile. Zur Wirtschaftlichkeit gehört die Einfachheit der Wartung, d. h. der Einsatz von einfach zu handhabenden hydraulischen Werkzeugen und die gute Zugänglichkeit der der Wartung zu unterziehenden Bauteile. Unter Wirtschaftlichkeit versteht man selbstverständlich auch niedrige spezifische Verbräuche von Kraftstoff und Schmieröl. Durch Anheben des maximalen Zylinderdruckes, Optimieren des Verbrennungsprozesses sowie durch die Entwicklungen in der Aufladetechnik konnten in den letzten Jahren die Kraftstoffverbräuche wesentlich gesenkt werden. Heute kann ein mittelschnelllaufender ViertaktMotor mehr als 50% der im Kraftstoff enthaltenen Energie in mechanische Arbeit umwandeln. Bei der Weiterentwicklung der mittelschnelllaufenden Viertaktmotoren steht in den nächsten Jahren neben einer weiteren Leistungskonzentration eine Reduzierung der Emissionen an vorderster Stelle (s. Abschn. 18.3.5 bzw. Teil IV dieses Buches). Neben der Reduzierung des NOx-Ausstosses wird auch an der weiteren Verringerung der Partikelemission intensiv gearbeitet. Die Zielvorstellung bei den Mittelschnellläufern geht dahin, durch Unterdrücken der Rußbildung künftig auch im Schwerölbetrieb einen unsichtbaren Auspuff von Leerlauf bis Volllast zu realisieren. Dadurch könnte im Idealfall verhindert werden, dass sich Verbrennungsprodukte des Schwefels an den Ruß anlagern und die Partikelemission erhöhen. Wie in Abschn. 4.3 erwähnt, ist jedoch eine geringe Abgasschwärzung kein Kriterium für eine ebenso geringe Partikelemission, sofern Kraftstoff mit hohem Schwefelgehalt verbrannt wird. Bei der Schallemission werden elastische und halbelastische Aufstellungen im Schiff zur Reduzierung des Körperschalls weiter an Bedeutung gewinnen. Den Luftschall wird
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 657 man außer durch schallmindernde und schalldämmende Maßnahmen am Motor selbst, was heute schon weitgehend ausgeschöpft ist, durch entsprechend schalltechnisch gestaltete Maschinenräume oder, soweit dies bei den Abmessungen dieser Motoren machbar ist, durch Kapselung noch weiter senken.
18.4 Langsamlaufende ZweitaktDieselmotoren 18.4.1 Entwicklung und Merkmale langsamlaufender Zweitakt-Dieselmotoren 18.4.1.1
Entwicklung des Zweitakt-Langsamläufers
Bald nach der Vorstellung des ersten Dieselmotors mit dem von Diesel vorgesehenen Viertaktprinzip wurde gegen den Rat Diesels 1899 durch Hugo Güldner ein Zweitakt-Dieselmotor vorgeschlagen und konstruiert, dem allerdings der Erfolg versagt blieb [18‑17]. Den Gebrüdern Sulzer, Winterthur, gebührt das Verdienst, den ersten lauffähigen, als Schiffsmotor eingesetzten Zweitakt-Dieselmotor im Jahre 1906 vorgestellt zu haben. Andere Firmen, wie MAN-Nürnberg, Krupp-GermaniaWerft, Burmeister & Wain (Kopenhagen) folgten bald darauf, sah man doch in dem Zweitaktverfahren zusammen mit größeren Zylinderabmessungen einen Weg, beim Schiffsantrieb in Konkurrenz zu den Kolbendampfmaschinen mit ihren großen Leistungseinheiten treten zu können. Zwar würde theoretisch der Zweitaktmotor mit seinen zwei Arbeitshüben die doppelte Leistung eines gleich gro ßen Viertaktmotors erbringen, doch in der Praxis betrug diese Zunahme aufgrund von Verlusten durch geringere Reinheit der Ladung und das notwendige Verdichten der Spülluft nur ca. 60%. Dies führte über Jahrzehnte gezwungenerweise zu einer großen Vielfalt von Motorkonzepten, die einerseits durch allgemeine ähnliche Grundzüge geprägt waren, andererseits aber auch herstellerspezifische Merkmale trugen, die sich u. a. mit den Namen Doxford, Grandi Motori Trieste (vorm. Fiat), Götaverken, Stork, Werkspoor u. a. verbinden und durch folgende Kriterien gekennzeichnet werden: Wirkungsweise: – einfachwirkend, – doppeltwirkend, – Gegenkolben. Spülverfahren: – Gleichstromspülung, – Umkehrspülung, – Querspülung.
Aufladeverfahren: – mechanische Aufladung, – Abgasturboaufladung, – kombinierte mechanische und Abgasturboaufladung. Kombinationen der einzelnen Verfahren führten zu den verschiedenartigsten Konstruktionen, die sich zum Teil bis in die 1970er-Jahre hinein halten konnten, wobei alle Hersteller mit direkter Kraftstoffeinspritzung statt der anfangs üblichen Lufteinblasung arbeiteten. Die beiden sog. „Ölkrisen“ in der zweiten Hälfte der 1970er- bzw. zu Beginn der 1980er-Jahre lösten einerseits hinsichtlich der Kraftstoffökonomie des Dieselmotors nochmals große Entwicklungsschritte aus, andererseits leiteten sie eine Konzentration auf weltweit nur noch drei Firmen ein, die langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren entwickeln und konstruieren sowie neben der Lizenzvergabe z. T. auch selbst fertigen. Dies sind seit Mitte der 1990erJahre, Bild 18‑36: – MAN Diesel SE (ehemals MAN B&W DieselAG), – Wärtsilä Schweiz (ehemals Gebrüder Sulzer/New Sulzer Diesel), – Mitsubishi Heavy Industries (MHI), wobei alle drei Anbieter das selbe Konzept verfolgen: Den langsamlaufenden einfachwirkenden, abgasturboaufgeladenen, gleichstromgespülten Zweitakt-Dieselmotor. Es ist damit eine Tatsache, dass die einstmals große Vielfalt des Konzepts im Wesentlichen einem aus heutiger Sicht logischen Konzept den Platz überlassen hat.
18.4.1.2
Übergang zur Gleichstromspülung
Bis Mitte der 1970er Jahre bewegten sich bei allen noch im Markt agierenden Herstellern die Hub/Bohrungsverhältnisse zwischen 1,7 und 2,1. Diese ließen die Umkehr- oder Querspülung zu, und zwar ohne Einbußen am Spülgrad. Diese beiden Spülsysteme zeichneten sich durch besondere Einfachheit in der Konstruktion aus, die ohne Auslassventil im Zylinderdeckel auskam. Die Wartung war dementsprechend äußerst einfach und bedienerfreundlich, was diesem Maschinentyp zu besonderen Markterfolgen in den 60er und 70er Jahren verhalf. Die erste der sog. Ölkrisen (1973) löste in der Folge jedoch eine klare Wende in der Entwicklung aus. Maßgebend hierfür war, dass der Anteil der Kraftstoffkosten an den gesamten Betriebskosten nach 1973 sprunghaft zunahm. So wurde zur Einsparung von Kraftstoff nicht nur in schneller Folge der maximale Zylinderdruck angehoben, sondern es setzten auch auf der schiffbaulichen Seite Entwicklungen in Richtung Kraftstoffökonomie ein. So wurden die Propel-
658 18 Industrie- und Schiffsmotoren
a
b
c
Bild 18-36 Neuzeitliche Ausführungen von langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotoren mit Gleichstromspülung. a MAN B&W: S90MC-C (D=900 mm); b Mitsubishi: UEC85LsII (D=850 mm); c Wärtsilä RT-flex82C (D=820 mm)
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 659 lerdrehzahlen niedriger, die Durchmesser der Propeller und damit die Propellerwirkungsgrade größer. Dies zog beim Zweitaktmotor zwangsläufig größere Hub/ Bohrungsverhältnisse nach sich, um die mittlere Kolbengeschwindigkeit und damit die Leistungsausbeute beibehalten zu können. Die Firmen MAN-Augsburg und Sulzer konnten in dieser Entwicklung mit ihren einfachen, ventillosen Motoren mit einem Hub/Bohrungsverhältnis von ca. 2,1 bis Ende der 1970er Jahre mithalten. Dann aber drängte sich durch die Nachfrage des Marktes nach weiterer Senkung der Drehzahlen der Übergang zur Gleichstromspülung auf. Die MAN löste dieses Problem Anfang 1980 mit der Übernahme der Dieselaktivitäten der dänischen Firma Burmeister & Wain (B&W), da B&W-Zweitakt-Großmotoren mit einem Hub/Bohrungsverhältnis von ca. 2,4 bereits seit langem mit der Gleichstromspülung liefen. Für die Entwicklung und Konstruktion galt es in der Folge, die sprichwörtliche Zuverlässigkeit der ventillosen, umkehrgespülten, mit der geforderten größeren Langhubigkeit der gleichstromgespülten Motoren zu kombinieren. Diese Aufgabe wurde Anfang der 1980er Jahre von Sulzer durch die Einführung der RTA-Baureihe („Superlongstroke“) zuerst gelöst [18‑18], indem die Gleichstromspülung mit zentralem Auslassventil übernommen und das Hub/ Bohrungsverhältnis erstmals bis auf ca. 3,0 erhöht wurde. Dadurch waren wesentlich geringere Nenndrehzahlen möglich (67 min–1 bei den größten Motoren). Bald darauf wurden auch von MAN B&W (L…MC/ MCE) sowie Mitsubishi (UEC…L) derartige Motor-Baureihen angeboten. Mit diesen leistungskonzentrierten, extremen Langhubern ließ sich der die Betriebskosten bestimmende Kraftstoffverbrauch der Schiffsanlage, außer über den besseren Verbrennungsprozess auch über den güns tigeren Propulsionswirkungsgrad verringern. Heute unterscheiden sich die modernen, langsamlaufenden Zweitaktmotoren aller drei Hersteller bezüglich der Grundprinzipien nicht voneinander. Wie an anderen Industrieprodukten des auslaufenden 20. Jahrhunderts zu beobachten war, hat auch hier eine „natürliche“ Selektion stattgefunden, dies nicht zuletzt aufgrund der heute zur Verfügung stehenden modernen Konstruktionsund Berechnungswerkzeuge, die rasch und effizient die Wahl der logisch richtigen Lösung gestatten. Trotz der in den letzten Jahren stark erhöhten spezifischen Leistungen, geringeren Motorgewichten und der damit verbundenen höheren Belas tung, ist die Zuverlässigkeit dieser Maschinen soweit verbessert worden, dass heute Überholintervalle von bis zu drei Jahren möglich sind. Die wesentlichen Unterschiede zwischen den drei Herstellern liegen heute in den verschiedenen Konzepten für die elektronisch gesteuerte Einspritzung.
18.4.1.3
Merkmale moderner Zweitakt-Langsamläufer
Der langsamlaufende Dieselmotor hat in seiner mehr als 90jährigen Geschichte eine enorme technische Entwicklung durchgemacht, ermöglicht durch: – konzeptionelle Weiterentwicklung, – Übergang auf die Gleichstromspülung, – Fortschritte in der Aufladetechnik und im Turboladerbau, – neue Erkenntnisse in der Werkstofftechnologie, – Nutzen moderner Entwicklungsverfahren theoretischer und experimenteller Art, – Übergang zur elektronisch gesteuerten Einspritzung und – Ventilsteuerung. Seit Anfang der 1950er Jahre stieg der mittlere effektive Druck pe der damaligen Saugmotoren von ca. 5 bar bei den in der Folge aufgeladenen Motoren auf 20 bar, was einer Zunahme der spezifischen Nutzarbeit we von 0,5 auf ca. 2,0 kJ/ dm3 entspricht. Die mittlere Kolbengeschwindigkeit nahm von ca. 5 auf über 9 m/s zu. Der maximale Zylinderdruck pZmax nahm dabei von ca. 50 bar auf ca. 160 bar zu. Als konstruktives Merkmal heutiger Zweitakt-Großdieselmotoren, deren Zylinderdurchmesser D zwischen 260 und 980 mm betragen kann, ist die aus geprägte Langhubigkeit mit Hub/Bohrungsverhältnissen zwischen ca. 3,0 bis 4,2 anzusehen. Als Spülverfahren wird heute ausschließlich die Gleichstromspülung mit einem zwangsgesteuerten Auslassventil eingesetzt. Die durch die spezifische Kolbenflächenleistung PA gekennzeichnete Leistungsdichte erreicht dabei Werte von mehr als 790 W/cm2, was zeigt, dass auch der große Zweitakt-Langsamläufer ein „High-Tech“-Produkt darstellt, vgl. Abschn. 1.2. Gleichzeitig sank der spezifische Kraftstoffverbrauch von ca. 220 g/kWh in Verbindung mit Turbocompounding und Abgaswärmerückgewinnung auf 154 g/kWh, was einem effektiven Wirkungsgrad von ca. 55% entspricht. Dabei ist der langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotor dank der Robustheit seines Grundkonzeptes gleichzeitig in der Lage, Kraftstoffe schlechtester Qualität zu verbrennen. Die Zylinderleistungen der größten Motoren stiegen während dieses Zeitraumes von einigen hundert kW auf über 5700 kW, womit Antriebsleistungen von über 80000 kW mit einem Motor möglich wurden. In den letzten Jahren wurden auch schon Antriebsleistungen von 100000 kW und mehr gefordert, bedingt durch den Trend zu immer größeren Containerschiffen, die wie bisher nur mit einem Propeller ausgerüstet sind und mit Rücksicht auf den erhöhten Zeitbedarf für das Be- und Entladen sowie den Linienverkehr mit gleicher bzw. auch höherer Geschwindigkeit laufen sollen.
660 18 Industrie- und Schiffsmotoren Nach Gl. (1-13) besteht für die Motorleistung eine lineare Abhängigkeit von der spezifischen Arbeit we (bzw. vom mittleren effektiven Druck pe), der mittleren Kolbengeschwindigkeit cm und der Zylinderzahl z, wogegen die Motorleistung mit dem Quadrat des Kolbendurchmessers D zunimmt. Folgerichtig versuchten die Hersteller bisher den Forderungen nach größerer Leistung, abgesehen von der ständigen, schrittweisen Steigerung der spezifischen Leis tungsdaten, durch Motoren mit größeren Kolbendurchmessern nachzukommen. Die obere Grenze liegt bis jetzt bei D ≤ 1 m, jedoch ist eine weitere Zunahme von D bei entsprechender Auslegung der thermischen Belastung (s. Abschn. 7.1), der Masse der Bauteile sowie der Gemischbildung und Verbrennung durchaus denkbar. Als weitere Möglichkeit bleibt die Erhöhung der Zylinderzahlen über die bisher übliche Maximalzahl von 12 Zylindern hinaus. So bietet Wärtsilä bereits Zweitakt-Großmotoren mit 960 mm Kolbendurchmesser (Type RTA96C und RTflex96C) und Zylinderzahlen bis zu z = 14 in Reihe an, so dass bei Werten von pe = 18.6 bar bzw. we = 1,86 kJ/dm3 und cm = 8,5 m/s eine Zylinderleistung von 5720 kW und eine Gesamtmotorleistung von 80080 kW erreicht wird. Damit stellt dieser Motortyp den bislang größten und leis tungsstärksten Dieselmotor dar, der jemals gebaut wurde. Die ersten Motoren dieser Art wurden 2006 in Dienst gestellt. Höhere Zylinderzahlen als z = 14 sind aus heutiger Sicht kaum als realistisch anzusehen, da mit z zwangsläufig Motormasse und Baulänge zunehmen, was insbesondere Probleme hinsichtlich der Motorlager und der Belastung des Schiffsrumpfes aufwirft. Aus dieser Überlegung heraus führt MAN seit 2002 einen noch größeren Motor vom Typ K108MC-C in ihrem Programm. Mit einer nominellen Zylinderleistung von 6950 kW würde dieser Motor bei einer maximalen Zylinderzahl von z = 12 eine Gesamtleistung von 83400 kW erzielen. Weitere Überlegungen zur Reduktion von Baulänge und Motormasse führten zur Option einer V-Anordnung der Zylinder. Entsprechende Entwürfe und Berechnungen von MAN ergaben, dass sich für einen 12-Zylinder-V-Motor mit 900 mm Kolbendurchmesser die Motormasse um 15% und die Länge um 6,8 m d. h., um ca. 30%, reduzieren würden. Auch zeigte sich, dass hinsichtlich Wartung und Zugänglichkeit keine größeren Probleme zu erwarten sind. Bislang wurde jedoch noch keine dieser beiden Motorvarianten mit größerer Bohrung oder V-Anordnung realisiert [18‑19]. In Bild 18‑37 ist die zeitliche Entwicklung der wesentlichen Motorparameter von Wärtsilä 2-Takt-Grossdieselmotoren dargestellt.
18.4.2 Konstruktion des modernen ZweitaktLangsamläufers 18.4.2.1
Motorfamilien, Leistungskennfeld
Wie bereits erwähnt, weisen alle heute angebotenen Zweitakt-Langsamläufer das gleiche Konzept und damit ähnliche Züge in ihrer Konstruktion auf, sodass es genügt, den Motor eines Herstellers detailliert zu beschreiben. Da Motorleistung und Drehzahl beim direkt angetriebenen Propeller einander fest zugeordnet sind, besteht für jeden Hersteller auch die Notwendigkeit einer eng gestaffelten Motorenfamilie unterschiedlicher Bohrungen und Hub/Bohrungsverhältnisse. Hierzu stellt Bild 18‑38 beispiel haft die sich teilweise überlappenden Kennfelder dar, wie sie von einem Hersteller angeboten werden. Damit wird die Wahl des optimalen Motors unter Berücksichtigung zusätzlicher Kriterien wie Einbaumaße, Zylinderzahl, Kraftstoffverbrauch usw. ermöglicht. Innerhalb der hier dargestellten Familie der WärtsiläMotoren ist zu unterscheiden zwischen: – Motoren mit Hub/Bohrungsverhältnissen bis ca. 3,5 (RTA52U, RT-flex60C, RTA62U, RTA72U, RTA82C/RTflex82C,RTA96C/RT-flex96C), die relativ schnell drehend hohe Leistungen vor allem für schnellere Schiffe, z. B. Containerschiffe oder Autotransporter, erbringen, und – Motoren mit Hub/Bohrungsverhältnissen über 4.0 (RTA48T, RTA58T/RT-flex58T, RTA68/RT-flex68, RTflex82T). Bei entsprechend geringeren Drehzahlen sind sie für langsamere Schiffe mit entsprechend größerem Propeller, z. B. für Tanker, Massengutschiffe, bestimmt. Das Leistungskennfeld jedes Motors ist durch die Eckpunkte R1/R2 bis R3/R4 bestimmt (Bild 18‑38), wobei die Nennleis tung des Motors für eine bestimmte Anwendung innerhalb dieses Kennfeldes frei gewählt werden kann. Diese zusätzliche Freiheit gestattet – je nach Bedarf – die volle Leistungsausschöpfung (Punkt R1) oder eine leistungsreduzierte Variante mit dem Vorteil des geringeren Verbrauchs und/oder der niedrigeren Propellerdrehzahl. Eine weitere Auslegungsvariante stellt das R1+ -Kennfeldkonzept dar, mit den bei erhöhter Drehzahl und reduzierten Mitteldrucke die gleiche Antriebsleitung in Verbindung mit einem um 2 g/kWh reduzierten Verbrauch dargestellt werden kann.
18.4.2.2
Konstruktive Gestaltung
Motorgestell. Beginnend mit dem Motorgestell sollen die typischen Merkmale eines modernen, langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotors am Beispiel des im Bild 18‑36 darge-
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren
661
Bild 18-37 Entwicklung der Motorparameter maximaler Zylinderdruck pZ,max und mittlerer effektiver Druck pe in den letzten 65 Jahren (Fa. Wärtsilä; RTX-2, RTX-4: Forschungsmotoren)
stellten Motors des Typ Sulzer RTA96C erläutert werden, welcher der momentan leistungsstärkste, im Betrieb befindliche Dieselmotor der Welt ist (14RT-flex96C, 80080 kW, 102 rpm). Für diesen Motor gelten die folgenden Motorparameter: Hub/Bohrung (mm/mm) 2500/960 (= 2,6) Zylinderleistung (kW) 5720 Nenndrehzahl (min–1) 102 mittl. effektiver Druck (bar) 18,6 spezifische Arbeit (kJ/dm3) 1,86 mittlere Kolbengeschwindigkeit (m/s) 8,5 spez. Verbrauch (g/kWh) 171 maximaler Zylinderdruck (bar) 145 790 Kolbenflächenleistung (W/cm2) Das Motorgestell dieses Motors besteht aus einer steifen, geschweißten Konstruktion mit Grundplatte und Ständer, in der auch die Kreuzkopf-Bahnen aus Weißmetall integriert sind. Der daraufliegende gegossene Zylindermantel, der die Laufbuchsen aufnimmt, ist bei modernen Motoren „trocken“, d. h. enthält keinen Kühlwasserraum. Alle drei Komponenten sind miteinander verschraubt und geben somit die
verlangte stabile Struktur. Alle Verschraubungen sind leicht von außen zugänglich. Die Spannungen und Deformationen sind in diesen wichtigen Motorbauteilen sehr niedrig und gewähren eine hohe Sicherheit, Bild 18-39. Dieser Grundaufbau ist bei allen Motoren der RTA-Baureihe ähnlich und ist dem Prinzip nach auch bei den anderen Herstellern zu finden. Triebwerk. Es ist der zentrale Bereich der Motorkonstruktion, durch dessen Gestaltung die ordnungsgemäße Funktion aller Triebwerkselemente, wie Kurbelwelle, Schub(Pleuel)stange, Kreuzkopf, Kolbenstange, Lager etc., während der gesamten Betriebsdauer von teilweise mehr als 25 Jahren gewährleistet sein muss. Die Kurbelwelle besteht aus geschmiedeten Einzelkröpfungen, die durch Querpresspassung (Schrumpfen) mit dem Grundlagerzapfen verbunden sind. Außer durch Einschrumpfen können Kröpfungen und Grundlagerzapfen auch durch Engspaltschweißen verbunden werden, Steifigkeit und Spannungen der sehr schlanken Kröpfungen werden durch FEBerechnungen und dynamische Messungen sorgfältig optimiert, Bild 18-40. Die Berechnungen benutzen dynamische
662 18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-38 Kennfelder von Leistung und Drehzahl für das Motorenprogramm von Wärtsilä Zweitakt-Dieselmotoren
Analysen der Kurbelwellen- und Lagerbelastungen unter Berücksichtigung von Steifigkeit und Dämpfung der radialen und axialen Lagerstrukturen einschließlich der ZylinderDämpfungseffekte. Damit werden bei hoher Sicherheit kurze Zylinderabstände (ca. 1,75 x Bohrung) möglich. Um die Motorhöhe trotz großem Hubverhältnis zu beschränken, wird eine sehr kurze Pleuelstange verwendet. Das Schubstangenverhältnis r/l (Kurbelradius/Pleuellänge) beträgt 0,5 bis 0,45, d. h., es ist etwa doppelt so groß wie üblich. Die hohen Seitenkräfte können jedoch ohne weiteres durch großzügig dimensionierte Flächen der Kreuzkopfgleitschuhe aufgenommen werden. Das eigentliche Kreuzkopflager stellt eine Besonderheit dieser Motorart dar [18‑20]: Seine Bewegung ist lediglich oszillierend, der Belastungsvektor ist zudem stets nach unten gerichtet, womit eine zuverlässige hydrodynamische Schmierung bzw. die Ölzufuhr erschwert werden. Abhilfe wird z. B. durch die hydrostatische Schmierung mit ca. 12 bar Öldruck in speziell dafür vorgesehenen Öltaschen geschaffen. Mit deren Hilfe wird der Kreuzkopfzapfen bei jeder Umdrehung kurz angehoben (Bild 18‑41), um die Ölzufuhr sicherzustellen.
Die besonders hohe Zuverlässigkeit der Haupt-, Pleuelund Kreuzkopflager ist ein Charakteristikum dieser Motorenbauart. Die folgenden Gründe tragen dazu bei: – Die spezifischen Belastungen werden durch eine entspre chende Dimensionierung relativ niedrig gehalten. – Die Weißmetall-Laufschicht weist sehr gute Notlaufeigen schaften auf und ist sehr anpassungsfähig. – Die klare Trennung zwischen Brennraum und Kurbelraum, die Zweitaktmotoren zu eigen ist, schützt diese Lager vor der Wirkung der Verbrennungsprodukte. Brennraum. In Anbetracht des bei großen Zylinderbohrungen hohen Energieumsatzes (Brennstoffmasse) ist eine sorgfältige Gestaltung des Brennraumes Voraussetzung für die Betriebszuverlässigkeit. Die gleichzeitige Aufnahme hoher thermischer und mechanischer Belastungen bei modernen aufgeladenen Dieselmotoren hat Ende der 1970er-Jahre zur Einführung der Bohrungskühlung geführt, Bild 18‑42, welches von der Firma Sulzer bereits Ende der 1930er-Jahre zum Patent angemeldet wurde. Damit wird eine wirksame, genau dosierte Kühlung der Brennraumteile (Kolben, Laufbuchse, Zylinderdeckel, Ventil und Ventilsitz) bei gleichzeitig
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren
Bild 18-40 Kurbelwellen-Einzelkröpfung. FE-Rechnungen und Messungen der Deformationen
Bild 18-39 Motorgestell (RTA95C), bestehend aus Grundplatte und Ständer in Schweißkonstruktion mit gegossenen Einzel-Zylinderblöcken als Strukturmodell für FE-Rechnung
hoher Steifheit realisiert, ohne die Notwendigkeit von thermischen Beschichtungen, sog. „Cladding“. Die Temperaturen der Brennraumwände konnten somit trotz der kontinuierlich gestiegenen spezifischen Leistung in zulässigen Grenzen gehalten werden, Bild 18-43. Die zur Kolbenkühlung anfangs verwendete Wasserkühlung wurde außerdem bei allen Zweitakt-Großmotoren durch die betriebstechnisch einfachere Ölkühlung ersetzt. Insbesondere wurde durch Spritzdüsen („Jet-Shaker“) der Wärmeübergang in den Kühlbohrungen gegenüber dem bisherigen „Shaker-Effekt“ um 50% gestei-
Bild 18-41 Kreuzkopflager. Berechnung und Messung der Ölfilmdicke
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Bild 18-42 Bohrungskühlung
gert. Dieses Prinzip haben auch andere Motorhersteller übernommen. Auslassventil. Früher eine häufige Quelle von Störungen beim Schwerölbetrieb, erreicht es bei dem hier beschriebenen Motor eine bemerkenswerte Zuverlässigkeit. Es werden 80000 Betriebsstunden ohne Wartungsarbeiten erreicht, was insbesondere auf das korrosionsfeste Ventilmaterial Nimonic 80A zurückzuführen ist. Neben den durch die Bohrungskühlung erreichten optimalen Oberflächentemperaturen (Bild 18-43) trägt dazu auch die Selbstreinigung des Ventilsitzes von Verbrennungsrückständen bei, die durch das schleifende Aufsetzen des rotierenden Ventils bewirkt wird. Die Ventildrehung wird periodisch durch das ausströmende Abgas mittels eines am Ventilschaft angebrachten Flügelrades erzeugt. Mechanische Schwingungen im Ventilantrieb werden durch die hydraulische Ventilbestätigung ausgeschlossen. Zudem wird die Schließkraft für das Ventil pneumatisch durch Kompression einer Luftfeder erzeugt.
Bild 18-43 Gemessene Oberflächentemperaturen an den Brennraumwänden des Motors 11RTA96C bei einer Leistung von Pe = 54 340 kW, einem mittleren effektiven Druck von pe = 18,2 bar (we = 1,82 kJ/dm3) und einer Drehzahl von n = 90 min–1 (Leistungsstufe R3, s. Abschn. 18.4.4.1)
Steuerwelle. Ihr Antrieb erfolgt sehr präzise durch Zahnräder, die auch nach jahrelangem Betrieb im Vergleich zum Kettenantrieb gleich bleibende Steuerzeiten garantieren. Die Einspritzpumpen und die Aktuatoren für den hydraulischen Ventilantrieb sind für jeweils zwei Zylinder oben am Motorständer platziert. Das Umsteuern des Motors wird durch Verdrehen der Einspritznocken mittels Einzel-Servopumpen
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 665 ermöglicht. Die Einspritzpumpen sind bei Wärtsilä-Motoren ventilgesteuert, bei MAN B&W über Schrägkanten gesteuert. Eine Teillast-Optimierung kann durch eine variable Einspritzsteuerung (VIT) erreicht werden. Die Einspritzung erfolgt durch drei Einspritzventile, die im Zylinderdeckel am Umfang symmetrisch verteilt angeordnet sind und somit optimale Oberflächentemperaturen am Kolben gewährleisten, s. Bild 18-43. Neu bei Zweitakt-Großdieselmotoren ist die Anwendung der Common Rail-Technologie, die erstmals durch die Firma Wärtsilä verwirklicht wurde, s. Abschn. 18.4.5.2. Spülung und Aufladung. Der moderne Zweitakt-Langsamläufer erfordert Turbolader mit hohem Gesamtwirkungsgrad bis zu 72% und hohem Druckverhältnis bis 4,2. Der Ladeluftkühler befindet sich bei kompakter Anordnung nahe beim Zylindermantel. Das bei der Ladeluftkühlung unvermeidbare Kondensat muss noch vor den Zylindern abgeschieden werden, um Kaltkorrosion und eine Störung des Schmierölfilmes zu vermeiden. Die symmetrische Anordnung der Spülschlitze und des Auslassventils ermöglicht eine effiziente Spülung, deren Resultat ein volumetrischer Spülgrad von über 95% ist, gegen über Werten von ca. 85% bei umkehrgespülten Motoren.
18.4.3 Betriebsverhalten des ZweitaktLangsamläufers Der langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotor hat mit gutem Grund den Ruf der zuverlässigsten Wärmekraftmaschine erlangt. Während der letzten drei Jahrzehnte haben verschiedene Faktoren den Dieselmotorenbauer veranlasst, die inhärente Zuverlässigkeit des Motors zusätzlich zu erhöhen: – Die Schwerölqualität hat sich seit der „Ölkrise“ in den 1970er-Jahren spürbar verschlechtert, weil die Erdölraf finerien die Gewinnung leichter Destillate aus dem Rohöl durch neue Verfahren intensivierten (vgl. Abschn. 4.3). – Die Kunden erwarten trotz der dadurch erschwerten Betriebsbedingungen längere Überholintervalle von drei Jahren, was dem üblichen Zyklus eines Schiffes für die periodische Wartung im Trockendock entspricht. Um dies zu erreichen, hat der Zweitakt-Großmotor in den letzten Jahren weitere Verbesserungen erfahren. Als Beispiel sollen nur zwei der wichtigsten Baugruppen erwähnt werden, die für die Überholintervalle maßgebend sind: Kolbenring- und Laufbuchsen-Verschleiss. Der Entwicklungsfortschritt in diesem Bereich beruht auf: – vollgehohnte Laufbuchsen mit klar definierten Hartpha senanteilen zur optimalen Betriebslastverteilung,
– Chrom-Keramik-Kolbenringe zur Verbesserung des Ein laufverhaltens und der Betriebssicherheit, – „Anti-polishing“-Ring am oberen Rand der Laufbuchse zum Abstreifen möglicher Koksablagerungen am Kolben hemd, – Verbesserung des Schmierfilms und Verringerung der Mischreibungszonen [18‑20] durch elektronisch gesteuerte Zylinderschmiersysteme zur exakten Dosierung der Schmierölmenge, die besonders effektiv für die hydrody namische Schmierung zwischen Ringen und Laufbuchse ist, – Bohrungskühlung, wie beschrieben, zwecks optimaler Bauteiltemperaturen, – drei Einspritzdüsen zwecks optimaler Gemischbildung und Verbrennungstemperaturen sowie – Verhindern von Materialabtrag am Kolben. Damit sind Überholintervalle von drei Jahren oder ca. 18000 Betriebsstunden bei heutigen, modernen Zweitaktmotoren möglich geworden. Die Bedingungen, unter denen diese Intervalle erbracht werden müssen, belegt Bild 18-44 mit Hilfe der bei Propellerbetrieb gemessenen Betriebswerte für einen großen Zweitaktmotor. Der maximale Zünddruck erreicht danach bei Volllast den Wert von 142 bar und wird durch die variable Steuerung des Einspritzbeginns zwischen ca. 80% Last und Volllast konstant gehalten. Der Verlauf des spezifischen Kraftstoffverbrauchs über der Last bleibt damit sehr flach. Bemerkens wert sind auch die sehr niedrigen Abgastemperaturen (ca. 450 °C vor bzw. 300 °C nach der Turbine), die auf einen besonders hohen Wirkungsgrad dieser Motorenbauart hinweisen, wobei noch genügend Energie für die Abgasboiler bereitsteht.
18.4.4
Zweitakt-Langsamläufer als Schiffsantrieb
18.4.4.1
Abstimmen der Propulsionsanlage
Der optimalen Auslegung der Propulsionsanlage kommt eine besondere Bedeutung zu, da der Dieselmotor ein Teil eines Systems ist. Wichtige Parameter in dieser Hinsicht sind: – die optimale Abstimmung Schiff – Propeller – Motor, – die Optimierung der für den Motor notwendigen Systeme (Schmieröl-, Kraftstoff-, Kühlsystem usw.), – die Vermeidung störender oder schädlicher Schwingun gen, – die optimale Erzeugung der Hilfsenergie an Bord und – die optimale Ausnutzung der Abwärme. Um Antrieb, Propeller und Schiff optimal aufeinander abzustimmen, muss zunächst der mit einem Festpropeller gekop-
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18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-44 Verlauf der wichtigsten Motorparameter am Beispiel des Motors 11RTA96C bei Propellerbetrieb für R3-Leistung: Pe = 54 340 kW; n = 90 min–1
pelte Dieselmotor, unter Berücksichtigung der Propellerund Schiffscharakteristika, aus den verfügbaren Typen einer Baureihe gewählt werden. Ausgehend von der Schiffsform und von den Propellerdaten kann die Propulsionsleistung bei der gewählten Schiffsgeschwindigkeit aufgrund von Modellversuchen, Berechnungen und früheren Beispielen bestimmt werden. Dabei müssen die verschiedenen Schiffsbetriebszustände, z. B. beladen, Ballast, saubere oder verschmutzte Schiffsaußenhaut, berücksichtigt werden. Sind Leistung und Drehzahl bekannt, so erfolgt die Wahl des Motors. Da die Leistungskennfelder der einzelnen Motoren aus
der Baureihe überlappend sind, können für einen bestimmten Fall oft mehrere Motoren die gewünschte Leistung-Drehzahl-Kombination liefern. Für die endgültige Entscheidung können dann weitere Kriterien, wie Anzahl der Zylinder, Abmessungen, spezifischer Verbrauch usw., beigezogen werden. Werden vom Motor weitere Aggregate, z. B. Wellengeneratoren, angetrieben, so müssen diese zusätzlich bei der Festlegung der erforderlichen Nennleistung berücksichtigt werden. Wellengeneratoren können ebenso wie eigene Dieselgeneratoren zum Erzeugen der an Bord des Schiffes
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren benötigten elektrischen Energie herangezogen werden. Die sog. Hilfsdieselmotoren besitzen den Vorteil einer großen Betriebsflexibilität bei etwas höheren Betriebskosten, sofern sie nicht auch mit billigerem Schweröl statt Dieselöl betrieben werden (Unifuel-Konzept). Im Vergleich dazu weisen die über Getriebe mit dem Hauptmotor verbundenen Wellengeneratoren durch das PTO-Konzept (Power-TakeOff) niedrige Kraftstoffkosten auf, erfordern aber höhere Investitionskosten in die Anlage. Ein wesentlicher Kostenfaktor ist dabei die erforderliche Anpassung der Stromfrequenz bei geänderter Propellerdrehzahl durch ein Getriebe mit variabler Übersetzung oder einen Thyristor-Umrichter. Dem energetisch vorteilhaften Einsatz von Turbogeneratoren sind durch die niedrigen Abgastemperaturen von 270 ° bis 300 °C am Austritt der Abgasturbine enge Grenzen gesetzt. Bedingt durch den hohen thermischen Wirkungsgrad des langsamlaufenden Zweitakt-Dieselmotors wird über 50% der thermischen Energie in mechanische Arbeit umgesetzt, sodass im Vergleich zu 4-Takt-Dieselmotoren weniger Abgaswärme für eine Rückgewinnung zur Verfügung steht. Die Abgaswärme wird primär zur Dampferzeugung genutzt, die der ersten Stufe des Ladeluftkühlers entzogene Wärme zur Warmwasser- oder Frischwassererzeugung in Süßwassergeneratoren, ebenso ein Teil der Kühlwasserwärme, s. Kap. 14. Eine attraktive Möglichkeit zur Abgaswärmenutzung bietet ein erweitertes Turbocompound-Konzept der Firma
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Wärtsilä, das sog. „Waste-Heat-Recovery“(WHR)-System, Bild 18-45. Ermöglicht wird dieses Konzept durch die Entwicklung hocheffizienter Turbolader, die heute Wirkungsgrade bis zu 72% bieten. Ein Großteil der Abgasmenge wird nach dem Austritt aus dem Turbolader einem zweistufigen Dampferzeuger zugeführt, der eine Dampfturbine speist. Der hohe Wirkungsgrad der Turbolader erlaubt es, etwa 10% der Abgasmenge bereits vor dem Turbolader abzuzweigen und einer Abgasturbine zuzuführen, deren Welle über ein Getriebe mit der Welle der Dampfturbine verbunden ist. Der von dieser Anordnung angetriebene Generator versorgt die elektrische Anlage an Bord des Schiffes mit zusätzlicher elektrischer Leistung, die über einen Wellenmotor auch in erhöhte Antriebsleistung des Schiffes umgewandelt werden kann. Der Gesamtwirkungsgrad des 2-Takt-Großmotors in Verbindung mit der Waste-Heat-Recovery-Anlage kann dadurch auf ca. 55% gesteigert werden, Bild 18-46. Damit reduzieren sich die CO2-Emissionen im Vergleich zum Standardmotor um ca. 11%, und im gleichen Verhältnis nehmen auch die übrigen Abgasemission, bezogen auf die abgegebene Motorleistung, ab [18-21]. Die Firma MAN Diesel SE bietet ein ähnliches Konzept unter dem Namen „Thermo Efficiency System“ (TES) an.
Bild 18-45 Schematische Darstellung einer Schiffsantriebsanlage mit einem langsamlaufenden 2-Takt-Großdieselmotor und Abgaswärmenutzung (Total-Heat-Recovery)
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Bild 18-46 Wärmebilanz eines langsamlaufenden Zweitakt-Großdieselmotors, Typ Wärtsilä 12RT-flex96C, mit einem Gesamtwirkungsgrad von 54,9% durch Nutzung der Abwärme mittels Turbogenerator zur Erzeugung elektrischer Energie
18.4.4.2
Dämpfen von Schwingungen im Antriebsstrang
Das Streben nach höherem Propulsionswirkungsgrad hat, wie bereits erwähnt, zu niedrigeren Motordrehzahlen für eine bestimmte Motorleistung geführt. Dies wurde erreicht durch – das Anheben des Hub/Bohrungsverhältnisses von ca. 2,0 auf über 4,0, – den vermehrten Einsatz niedrigtouriger Motoren mit großen Bohrungen und folglich kleineren Zylinderzahlen, z. B. Vier- und Fünfzylindermotoren. Der Trend zu höheren s/D-Verhältnissen hat zu einer Herabsetzung der Eigenfrequenzen der schlanker werdenden Kurbelwelle geführt. Kritische Drehzahlen kommen damit öfter in die Nähe der Betriebsdrehzahl des Propulsionsmotors, sofern dies durch eine sorgfältige Abstimmung des Schwingungssystems Motor – Propellerwelle – Propeller nicht vermieden wird, Bild 18-47. Können die Resonanzen nicht völlig aus dem Betriebsbereich eliminiert werden, so wird die
Bild 18-47 Berechnung des Schwingungssystems Motor – Propellerwelle – Propeller. Verminderung der Torsionsschwingungsamplitude mittels Dämpfer. T1 zulässige Grenze für Dauerbetrieb; T2 zulässige Grenze für Durchfahrtbetrieb
Schwingungsamplitude mittels Schwingungsdämpfer reduziert. Ähnliche Verfahren kommen auch bei der Dämpfung oder „Verstimmung“ der Axialschwingungen des Wellensystems zur Anwendung. Der Übergang zu kleineren Zylinderzahlen erfordert zusätzliche Vorkehrungen zur Tilgung der bei Vier- und Fünf-Zylindermotoren nicht ausgeglichenen freien Momente erster und zweiter Ordnung. Die optimale Platzierung des Motors im Schiff kann hier bereits Abhilfe leisten: Um keine Schiffskörperschwingungen anzuregen, sollte der Motor nicht in einem Knotenpunkt des schwingenden Schiffskörpers platziert werden. Kann hier trotzdem keine befriedigende Lösung gefunden werden, so werden die freien Momente erster Ordnung durch Gegengewichte auf der Kurbelwelle in ihrer Phasenlage und Amplitude „verstimmt“. Die freien Momente zweiter Ordnung können üblicherweise durch mit doppelter Motordrehzahl laufende „Lanchester“Balancer ausgeglichen werden, s. Abschn. 8.1 bzw. 8.2. Für das bei RTA-Motoren mit vier bis sechs Zylindern häufig
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren
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Theoretische Betrachtungen von Eberle [18-22] zeigen, dass thermische Wirkungsgrade über 60% und noch höhere spezifische Leistungen durchaus möglich sind. Da von MarineDieselmotoren jedoch nach wie vor eine besonders hohe Zuverlässigkeit gefordert wird, sind Kompromisse zugunsten der Leistungskonzentration bzw. zu Lasten der Betriebssicherheit nicht zulässig. Nachfolgend sollen mögliche Entwicklungsszenarien hinsichtlich einiger Motorkennwerte erörtert werden, deren Aussagen allerdings von nicht einschätzbaren Randbedingungen, wie Wirtschaftswachstum, Umweltauflagen, Rohölverfügbarkeit, technische Entwicklungen usw. beeinflusst werden können und daher eine gewisse Unsicherheit in sich bergen.
Bild 18-48 Momentenausgleich 2. Ordnung durch am freien Motorende angeordnete, elektrisch und an der Antriebsseite über Getriebe angetriebene Unwuchten
auftretende vertikale Moment M2V zweiter Ordnung hat sich die Anordnung einer elektrisch angetriebenen Unwucht am freien Motorende in Verbindung mit der an der Abtriebsseite im Motor integrierten und über ein Getriebe angetriebenen Ausgleichsmasse bewährt. Die Wirkung des Momentenausgleichs kann dadurch unabhängig von Last und Drehzahl im Schiffsbetrieb kostengünstig erprobt und abgestimmt werden, Bild 18-48. Eine weitere Möglichkeit zur Dämpfung der Vibrationen, insbesondere bei Schiffen mit weit achtern befindlicher Brücke, bietet die Anordnung eines ebenfalls elektrisch angetriebenen Balancers 2. Ordnung, der möglichst weit im Hinterschiff aufgestellt wird und dabei evtl. auch störende Auswirkungen des Propellermomentes miterfasst, Bild 18-49.
18.4.5
Ausblick
18.4.5.1
Trendabschätzung der künftigen Entwicklung
Allgemeine Bemerkungen. Die gerade in den letzten Jahrzehnten erreichten Fortschritte hinsichtlich Wirkungsgrad und Zuverlässigkeit von Zweitakt-Großmotoren bedeuten nicht, dass die Entwicklung ihre Grenzen bereits erreicht hat.
Mittlerer effektiver Druck und maximaler Zylinderdruck. Ein konstantes Verhältnis von maximalem Zylinderdruck und mittlerem effektiven Druck (bzw. spezifischer Arbeit) entspricht thermodynamisch einem annähernd gleich bleibenden Gleichraumgrad bzw. thermischen Wirkungsgrad. Bei einem als optimal erwiesenen Verhältnis von pZmax/pe = 8,0 bei heutigen Zweitakt-Großmotoren steigt damit der maximale Zylinderdruck linear mit dem mittleren effektiven Druck, will man keinen Wirkungsgradverlust hinnehmen, Bild 18-50: – Höhere mittlere effektive Drücke bedingen implizit hohe Maximaldrücke im Zylinder, sodass bei einem pe = 21 bar der Druck pZmax auf 168 bar steigt. – Ebenso sind auch höhere Ladedrücke von ca. 4.2 bar und entsprechend hohe Wirkungsgrade des Turboladers von ca. 72% notwendig (s. Abschn. 2.2). Diese Werte sind aus heutiger Sicht durchaus realistisch. Im Hinblick auf das Bauteiltemperaturniveau bietet das Bohrungskühlungsprinzips (s. Abschn. 18.4.2.2) noch beträchtliches Potenzial. Die tribologische Entwicklung der Paarung Kolbenring-Laufbuchse muss diesem Trend ebenfalls folgen, um die traditionelle Zuverlässigkeit des Zweitakt-Dieselmotors beibehalten zu können. Hub/Bohrungsverhältnis und mittlere Kolbengeschwindigkeit. Betrachtet man die allgemeine Definition der Motorleistung Pe (s. Abschn. 1.2) in ihrer Abhängigkeit von Zylinderzahl z, mittlerer Kolbengeschwindigkeit cm, Motordrehzahl n, Hub/Bohrungsverhältnis s/D = ] und vom mittleren effektiven Druck pe in einer weniger üblichen Formulierung Pe ~ z · pe · cm3/(n2 · ]2), so erhält man mit der vom Propeller absorbierten Leistung P als Funktion der Auslegungsdrehzahl np = n Pe ~ na,
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18 Industrie- und Schiffsmotoren
Bild 18-49 Erzeugung einer freien Kraft 2. Ordnung durch elektrisch angetriebene Ausgleichsmasse zur Dämpfung der vom Massenmoment M2V verursachten Vibrationen
wobei a ≈ 0,3 ist, eine Abhängigkeit des Hub/Bohrungsverhältnisses von den genannten Parametern
]2 = ]1(n1/n2)1,15 · (pe2/pe1)0,5 · (cm2/cm1)1,5 · (z2/z1)0,5 Dabei entspricht der Index „1“ dem heutigen „State-of-theart“-Referenzmotor, der Index „2“ der möglichen nächsten Entwicklungsstufe. Eine nochmalige Hub/Bohrungsverhältnis-Erhöhung ist zu erwarten – bei höherer Kolbenflächenleistung PA ≈ pe · cm , – bei der Anwendung noch größerer, langsam drehender Propeller mit höherem Wirkungsgrad. Der Erhöhung des Hub/Bohrungsverhältnisses stehen jedoch die höheren spezifischen Kosten und die Höhe und Breite des Motors entgegen. Eine Steigerung des Leistungsbereiches hochaufgeladener Zweitakt-Langsamläufer durch Anheben des mittleren effektiven Drucks auf 21 bar und darüber in Verbindung mit
den zu erwartenden Emissionsvorschriften erfordert aber zwingend eine flexible Motoreinstellung mit elektronisch gesteuerter Einspritzung und Auslassventilsteuerung. Betriebsparameter, die bei Volllast einer optimalen Einstellung entsprechen, sind im Teillastbereich nicht mehr ohne weiteres ebenfalls optimal. Dazu ist die lastabhängige Einstellung – der Einspritzparameter, – der Ventilsteuerzeiten, – von Kühlung und Schmierung erforderlich, sowie ein Hochleistungs-Aufladesystem, das das erforderliche Druckverhältnis in Verbindung mit dem benötigten höheren Wirkungsgrade liefern kann. Damit kann: 1. das Motorverhalten bezüglich Verbrauch, Belastung, Emissionen bei jeder Last optimal eingestellt werden, 2. die Zuverlässigkeit der Bauteile durch Überwachung und Regelung der wichtigen Motorfunktionen erhöht werden.
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren
Bild 18-50 Maximaler Zylinderdruck pZmax, Ladeluftdruck pL und Tubolader- Wirkungsgrad ηTL als Funktion des mittleren effektiven Druckes pe bei gleich bleibendem thermischen Wirkungsgrad
Die in den letzten Jahren entwickelte Common Rail-Einspritzung erfüllt die dafür erforderlichen Voraussetzungen.
18.4.5.2
Common Rail-Technologie bei ZweitaktGroßdieselmotoren
Ein technologischer Sprung in die erwähnte Entwicklungsrichtung ist mit der Einführung des schweröltauglichen Common Rail-Einspritzsystems für große Zweitaktmotoren erreicht worden. Das RT-flex-Konzept der Firma Wärtsilä wurde seit 1998 am Versuchsmotor erprobt und 2001 erstmals auf einem Serienmotor des Typs 6RT-flex58T eingesetzt. Die Nockenwelle, die bisher die Einspritzung und die Betätigung des Auslassventils steuerte und das Optimierungspotential stark einschränkte, wurde durch eine elektronische Steuerung ersetzt, die große Flexibilität für eine Optimierung des Motors unter verschiedensten Betriebsbedingungen bietet. Sowohl der Schwerölbrennstoff als auch das Hydrauliköl zum Betätigen der Auslassventile werden von einer zentralen Pumpeneinheit („Supply Unit“) den beiden Speichern in der „Rail Unit“ zugeführt, die sich auf der Höhe der Zylinder-
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18-51 Aufbau eine Wärtsilä RT-flex96C 2-Takt-Dieselmotors mit schweröltauglichem Common Rail-Einspritzsystem und elektronisch gesteuertem Auslassventil
deckel befinden, Bild 18-51. Von dort aus gelangt der Brennstoff und das Hydrauliköl über je eine Steuereinheit zu den drei peripheren Einspritzventilen bzw. zu dem zentralen Auslassventil auf jedem Zylinder. Durch die vollelektronische Steuerung beider Funktionen sind die wichtigen Betriebsparameter Einspritzzeitpunkt und -dauer sowie Bewegung des Auslassventils vollkommen frei einstellbar. Während das Servosystem für die Ventilbetätigung mit einem Druck von 200 bar arbeitet, liegt der maximale Einspritzdruck im Brennstoff-Rail bei 1000 bar. Die Einspritzsteuerung für jeden Zylinder erfolgt volumetrisch durch einen in der Einspritzsteuereinheit integrierten Dosierkolben, dessen Position zu jedem Zeitpunkt elektronisch erfasst wird und dadurch eine exakte Zumessung der Einspritzmenge für jeden Zylinder ermöglicht. Die drei Einzeldüsen pro Zylinder sind einzeln ansteuerbar und erlauben damit auch die Abschaltung einzelner Düsen bei tiefen Lasten, um das Einspritzverhalten bei kleinsten Brennstoffmengen zu verbessern und die Bildung von Teillastrauch zu verhindern [18-23]. Die wesentlichen Vorteile des RT-flex Systems liegen in einem reduzierten Brennstoffverbrauch und geringerer
672 18 Industrie- und Schiffsmotoren Abgasemission. Außerdem bietet diese Technologie die Möglichkeit, die Betriebsparameter des Motors selbsttätig dem aktuellen Motorzustand anzupassen, was einen elementar wichtigen Schritt hin zum „intelligenten“ Motor darstellt. Im Einzelnen werden durch die Common Rail-Technologie folgende Vorteile für das Betriebsverhalten des 2-TaktGroßmotors erzielt: – geringerer Kraftstoffverbrauch im mittleren und oberen Teillastbereich durch variablen Einspritzdruck und frei wählbare Ventilsteuerzeiten, – rauchfreier Betrieb unter allen Betriebsbedingungen, – präzise Drehzahlregelung und stabiler Motorlauf selbst bei niedrigsten Drehzahlen im Bereich von 10–15 Umdre hungen pro Minute, – geringere mechanische und thermische Belastung durch gleichmäßigere Verbrennung und ausgeglichenes Zylinderdruckniveau, – einfachere Einstellung und geringerer Wartungsbedarf der Common Rail-Komponenten, – höhere Betriebssicherheit und Verfügbarkeit durch integrierte Überwachungsfunktionen sowie Redundanz von Schlüsselkomponenten, – niedrigeres Motorgewicht (ca. 2 t pro Zylinder bei mittleren Bohrungsgrößen) und – geringere Vibrationen. Das Startluftsystem wird ebenfalls elektronisch gesteuert und erlaubt dadurch ein verbessertes Start- und Bremsverhalten des Motors im Vergleich zu mechanisch gesteuerten Anlagen. Die Firma MAN Diesel SE hat ihr 2-Takt-Motorenprogramm in den letzten Jahren ebenfalls um eine elektronisch gesteuerte Baureihe mit der Bezeichnung „ME“ erweitert, bei der die Nockenwelle durch ein elektro-hydraulisches Servo-Ölsystem ersetzt wurde. Dieses System, das nicht mit einem Common Rail-System gleichzusetzen ist, nutzt elektro-hydraulisch betätigte Einzelpumpen für die Brennstoff einspritzung sowie elektronisch gesteuerte Ventilaktuatoren für die Auslassventilfunktion [18‑24]. Die Flexibilität von Einspritzdruck, -timing und Ventilsteuerzeiten ist vergleichbar mit der von Common Rail-Systemen. Wesentliche Unterschiede sind die erhöhten Anforderungen an das hydraulische Dämpfverhalten im Servo-Ölsystem, dem mit Hilfe von Blasenspeichern Rechnung getragen wird, sowie der Verzicht auf individuelle Ansteuerung und Abschaltung einzelner Einspritzdüsen.
18.4.5.3
Abgasemissionen
Die Reduktion der Abgasemissionen steht bei der Weiterentwicklung großer Zweitakt-Schiffmotoren heute an oberster
Stelle des Pflichtenhefts. Der inhärente Vorteil des langsamlaufenden Dieselmotors besteht in seinem hohen Wirkungsgrad. Damit sind auch die Kohlendioxidemissionen sowie der Anteil von unverbrannten Kohlenwasserstoffen sehr gering. Das gilt auch für den Rußanteil, jedoch nicht für die der ISO-Normung zugrunde gelegte Partikelemission, insbesondere bei Schwerölbetrieb (s. Abschn. 4.3.4.2). Demgegenüber ist der Anteil der Stickoxide – verglichen mit anderen Wärmekraftmaschinen mit niedrigerem Wirkungsgrad – relativ hoch. Der geltende Stickoxidgrenzwert der IMO Marpol Annex VI-Vorschrift für Schiffsmotoren liegt für Motoren mit einer Drehzahl unter 130 min-1 bei 17.0 g/kWh. Um diesen Wert einzuhalten, werden bei heutigen Zweitakt-Großmotoren folgende Maßnahmen angewendet: – höheres Verdichtungsverhältnis, – optimierte Spritzlochgeometrie der Einspritzdüsen (Anzahl, Lochdurchmesser, Spritzwinkel) und – späterer Einspritzzeitpunkt. Das Potenzial zur weiteren Minderung der NOX‑Emission durch Ausschöpfen aller hier aufgezeigten Möglichkeiten ist nur noch gering, s. Bild 18‑52 (optimierte NOX‑Reduktion). Ein weiteres Absenken des Grenzwertes für Stickoxide im Rahmen der IMO-Vorschrift bzw. lokaler Abgasgesetzgebungen ist absehbar. Zur weiteren NOX-Reduktion stehen folgende zusätzliche Möglichkeiten zur Verfügung (s. dazu Bild 18‑52): – Optimieren der Einspritzparameter durch Common Rail Einspritzung (CR Injektion). – Reduktion von NOX zwischen 20% und 50% durch motorinterne Maßnahmen unter Verwendung von Wasser (Wet-Technologies), wie Spülluftbefeuchtung, WasserKraftstoff-Emulsionen, direkte Wassereinspritzung, auch in Kombination mit der Common-Rail-Einspritzung (Wärtsilä RT-flex –Verfahren). – Kombination von Wassereinspritzung mit interner Abgasrückführung durch Verkürzen des Spülvorganges (WaCoReG) ermöglicht eine NOX-Reduktion bis zu 70%. – Abgasnachbehandlung mittels eines SCR-Katalysators, in den Ammoniak oder eine Harnstoff-Lösung eingespritzt wird (s. Abschn. 15.5), ermöglicht eine bis zu 95%ige Umsetzung der Stickoxide. Bei Zweitakt-Großmotoren ist der SCR-Katalysator vor dem Abgasturbolader zu platzieren, da hier die Abgastemperatur noch ein ausreichend hohes Niveau besitzt, um eine optimale Umsetzungsrate zu erreichen und gleichzeitig Korrosionsprobleme zu verhindern. Besonders kompakte Ausführungen erlauben den Einbau des Katalysators in das Abgasrohr am Motor.
18.4 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 673
Bild 18-52 Maßnahmen zur Reduktion von Stickoxiden für einen langsamlaufenden Zweitaktmotor und ihr Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch be , ausgehend vom z. Zt. gültigen NOX-Grenzwert von 17 g/kWh gemäß IMO-Vorschrift als Basis
Gleichzeitig kann bei Einsatz eines SCR-Katalysators durch einen modifizierten Verbennungsablauf außerdem der Brennstoffverbrauch verringert werden, wogegen die bisher besprochenen Reduktionsmaßnahmen stets einen höheren Brennstoffverbrauch bedingen, Bild 18‑52. Die Nutzung der Abwärme mittels eines Dampferzeugers in Verbindung mit einem Turbogenerator und einer AbgasNutzturbine (Total Heat Recovery, s. Bild 18‑45) liefert eine insgesamt um 11% gesteigerte Gesamtleistung der Antriebs anlage, was umgekehrt eine Reduktion der leistungsbezogenen Stickoxidemission um den selben Betrag bedeutet und gleichzeitig eine entsprechenden Wirkungsgraderhö hung, wodurch sich der Kraftstoffverbrauch um 18 g/kWh reduziert, s. Bild 18‑52.
18.4.5.4
Schlussbetrachtung
Der langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotor konnte seinen Vorsprung bezüglich thermischem Wirkungsgrad, Schweröltauglichkeit und Zuverlässigkeit im Wettbewerb mit anderen Wärmekraftmaschinen als dominierende Antriebsquelle für Hochseeschiffe bisher behaupten und sogar ausbauen. Auch die Zukunftsaussichten sind ermutigend, da bezüglich Leis tungsdichte, Wirtschaftlichkeit, Zuverlässigkeit und Emis sionsverhalten dank des technischen Fortschritts im Bereich der Werkstofftechnologie, der Turboaufladung und der elektronisch gesteuerten Common Rail- Einspritzung noch ein beträchtliches Potenzial vorhanden ist. Dem Einsatz modernster Technologien zur weiteren Verminderung der Abgasemissionen, insbesondere von Kohlendioxid, Stickoxiden, Schwarzrauch und Partikel, kommt dabei entscheidende Bedeutung zu.
674 18 Industrie- und Schiffsmotoren
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Normen und Richtlinien für Verbrennungsmotoren
Deutsche Normen Folgende DIN-Normen liegen veröffentlicht vor: Norm
Titel
Ausgabedatum
DIN 1940
Verbrennungsmotoren; Hubkolbenmotoren, Begriffe, Formelzeichen, Einheiten
1976-12
DIN 6261
Verbrennungsmotoren; Teile für Kreiskolbenmotoren, Äußerer Aufbau, Triebwerk, Begriffe
1976-02
DIN 6262
Verbrennungsmotoren; Arten der Aufladung, Begriffe
1976-06
DIN 6267
Verbrennungsmotoren; Arten der Ölschmierung, Begriffe
1971-01
DIN 6271-3
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Anforderungen; Leistungstoleranzen; Ergänzende Festlegungen zu DIN ISO 3046 Teil 1
1991-04
DIN 6274
Verbrennungsmotoren für allgemeine Verwendung; Druckluftbehälter mit Ventilkopf; 38 mm Durchgang; Zusammenstellung
1982-04
DIN 6275
Verbrennungsmotoren für allgemeine Verwendung; Druckluftbehälter für zulässigen Betriebsüberdruck bis 30 bar
1982-04
DIN 6276
Verbrennungsmotoren für allgemeine Verwendung; Ventilköpfe für Druckluftbehälter; 38 mm Durchgang
1982-04
DIN 6280-10
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Stromerzeugungsaggregate kleiner Leistung; Anforderungen und Prüfung
1986-10
DIN 6280-12
Stromerzeugungsaggregate - Unterbrechungsfreie Stromversorgung – Teil 12: Dynamische USV-Anlagen mit und ohne Hubkolben-Verbrennungsmotor
1996-06
DIN 6280-13
Stromerzeugungsaggregate – Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 13: Für Sicherheitsstromversorgung in Krankenhäusern und in baulichen Anlagen für Menschenansammlungen
1994-12
DIN 6280-14
Stromerzeugungsaggregate – Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 14: Blockheizkraftwerke (BHKW) mit HubkolbenVerbrennungsmotoren; Grundlagen, Anforderungen, Komponenten, Aus führung und Wartung
1997-08
676 Deutsche Normen
Norm
Titel
Ausgabedatum
DIN 6280-15
Stromerzeugungsaggregate – Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotor – Teil 15: Blockheizkraftwerke (BHKW) mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Prüfungen
1997-08
DIN 6281
Stromerzeugungsaggregate mit Kolbenkraftmaschinen; Anschlußmaße für Generatoren und Kolbenkraftmaschinen
1978-04
DIN 6288
Hubkolben-Verbrennungsmotoren - Anschlussmaße und Anforderungen für Schwungräder und elastische Kupplungen
200-07
DIN 24189
Prüfung von Luftfiltern für Verbrennungskraftmaschinen und Kompressoren; Prüfverfahren
1986-01
DIN EN 1679-1
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheit – Teil 1: Dieselmotoren; Deutsche Fassung EN 1679-1:1997
1988-05
DIN EN 1834-1
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die Kons truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen – Teil 1: Motoren der Gruppe II für Bereiche mit explosionsfähigen Gasen und Dämpfen; Deutsche Fassung EN 1834-1:2000
2000-03
DIN EN 1834-2
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die Kons truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen – Teil 2: Motoren der Gruppe I zur Verwendung in untertägigen Bergwerken, die durch Grubengas und/oder brennbare Stäube gefährdet werden können; Deutsche Fassung EN 1834-2:2000
2000-03
DIN EN 1834-3
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die Kons truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen – Teil 3: Motoren der Gruppe II für Bereiche mit explosionsfähigen Stäuben; Deutsche Fassung EN 1834-3:2000
2000-03
DIN EN 12601
Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheit; Deutsche Fassung EN 12601:2001
2001-05
DIN EN ISO 8178-1
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 1: Messung der gasförmigen Emission und der Partikelemission auf dem Prüfstand (ISO 8178-1:1996); Deutsche Fassung EN ISO 8178-1:1996
1996-12
DIN EN ISO 8178-2
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 2: Messung der gasförmigen Emission und der Partikelemission am Einsatzort (ISO 8178-2:1996); Deutsche Fassung EN ISO 8178-2:1996
1996-12
DIN EN ISO 8178-4
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 4: Prüfzyklen für verschiedene Motorverwendungen (ISO 8178- 4:1996); Deutsche Fassung EN ISO 8178-4:1996
1996-12
DIN EN ISO 8178-5
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 5: Spezifikationen von Testkraftstoffen (ISO 8178-5:1997); Deutsche Fassung EN ISO 81785:1997
1999-03
DIN EN ISO 8178-6
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 6: Prüfbericht und Messergebnisse (ISO 8178-6:2000); Deutsche Fassung EN ISO 8178-6:2000
2001-10
Deutsche Normen 677
Norm
Titel
Ausgabedatum
DIN EN ISO 8861
Schiffbau-Maschinenraum-Lüftung auf Schiffen mit Dieselmotoren-Antrieb – Grundlagen für Entwurf und Auslegung (ISO 8861:1998); Deutsche Fassung EN ISO 8861:1998
1998-10
DIN EN ISO 11102-1
Verbrennungsmotoren - Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 1: Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfung (ISO 11102- 1:1997); Deutsche Fassung EN ISO 11102-1:1997
1997-11
DIN EN ISO 11102-2
Verbrennungsmotoren – Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 2: Verfahren zur Messung des Auslösewinkels (ISO 11102- 2:1997); Deutsche Fassung EN ISO 11102-2:1997
1997-11
DIN EN ISO 14314
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Reversierstarteinrichtung – Allgemeine Sicherheitsanforderungen (ISO 14314:2004); Deutsche Fassung EN ISO 14314:2004
2004-11
DIN EN ISO 16147
Kleine Wasserfahrzeuge – Eingebaute Dieselmotoren – Am Motor befestigte Kraftstoff- und Elektrikbauteile (ISO 16147:2002); Deutsche Fassung EN ISO 16147:2002
2003-02
DIN ISO 1204
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Bezeichnung der Drehrichtung, der Zylinder und der Ventile in Zylinderköpfen und Definitionen der Rechts-Reihenmotoren, Links-Reihenmotoren und Motor-Seiten
1994-11
DIN ISO 2261
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Handbetätigte Stellteile – Bewegungsrichtungen (ISO 2261:1994)
1996-08
DIN ISO 3046-3
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Anforderungen – Teil 3: Messungen bei Prüfungen; Identisch mit ISO 3046-3:1989
1994-12
DIN ISO 3046-4
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Anforderungen – Teil 4: Drehzahlregelung (ISO 3046-4:1997)
2000-01
DIN ISO 3046-5
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Anforderungen; Teil V: Drehschwingungen
1982-08
DIN ISO 3046-6
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Anforderungen – Teil 6: Überdrehzahlschutz; Identisch mit ISO 3046-6:1990
1996-10
DIN ISO 4548-1
Verbrennungsmotoren – Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierlölfilter – Durchflusswiderstand; Identisch mit ISO 4548- 1:1982
1987-07
DIN ISO 4548-2
Verbrennungsmotoren – Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierölfilter – Eigenschaften des Umgehungsventils; Identisch mit ISO 4548/2, Ausgabe 1982
1987-07
DIN ISO 4548-3
Verbrennungsmotoren – Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierölfilter – Differenzdruckfestigkeit und Temperaturbeständigkeit; Identisch mit ISO 4548-3:1982
1987-07
DIN ISO 4548-5
Verbrennungsmotoren; Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierölfilter; Kaltstartsimulation und Pulsationsfestigkeit; Identisch mit ISO 4548-5:1990
1993-06
DIN ISO 4548-6
Verbrennungsmotoren; Prüfverfahren für Hauptstrom – Schmierölfilter; Statische Druckfestigkeit; Identisch mit ISO 4548-6:1985
1990-02
678 Deutsche Normen
Norm
Titel
Ausgabedatum
DIN ISO 4548-7
Verbrennungsmotoren; Prüfverfahren für Hauptstrom-Schmierölfilter; Dauerschwingfestigkeit; Identisch mit ISO 4548-7:1990
1993-06
DIN ISO 6826
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Brandschutz (ISO 6826:1997)
2000-05
DIN ISO 7648
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Schwungradgehäuse; Maße; Identisch mit ISO 7648:1987
1988-10
DIN ISO 7967-1
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Benennungen der Bauteile und Systeme; Äußerer Aufbau; Identisch mit ISO 7967-1:1987
1993-11
DIN ISO 7967-2
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Benennungen der Bauteile und Systeme; Triebwerk; Identisch mit ISO 7967-2:1987
1993-11
DIN ISO 7967-3
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Benennungen der Bauteile und Systeme; Ventile, Nockenwellenantrieb und Ventilantriebe; Identisch mit ISO 79673:1987
1993-11
DIN ISO 7967-4
Hubkolben-Verbrennungsmotoren; Benennungen der Bauteile und Systeme; Aufladung und Luft- und Abgasleitungssysteme; Identisch mit ISO 79674:1988
1993-11
DIN ISO 7967-8
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Benennungen der Bauteile und Systeme – Teil 8: Startsysteme; Identisch mit ISO 7967-8:1994
1996-10
DIN ISO 8528-1
Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 1: Anwendung, Bemessungen und Ausführungen (ISO 8528-1:1993)
1997-11
DIN ISO 8528-2
Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 2: Hubkolben-Verbrennungsmotoren (ISO 8528-2:1993)
1997-11
DIN ISO 8528-3
Wechsel-Stromerzeugungsaggregate mit Antrieb durch Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 3: Wechselstrom-Generatoren für Stromerzeugungs aggregate (ISO 8528-3:1993)
1997-11
DIN ISO 8528-4
Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 4: Steuer- und Schalteinrichtungen (ISO 8528-4:1993)
1997-11
DIN ISO 8528-5
Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 5: Stromerzeugungsaggregate (ISO 8528-5:1993)
1997-11
DIN ISO 8528-6
Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 6: Prüfverfahren (ISO 8528-6:1993)
1997-11
DIN ISO 8528-7
Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 7: Technische Festlegung für Auslegung und Ausführungen (ISO 8528-7:1994)
1997-11
DIN ISO 8528-9
Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Teil 9: Messung und Bewertung der mechanischen Schwingungen (ISO 8528-9:1995)
1999-01
Deutsche Normen 679
ISO TC 70 „Internal Combustion Engines“ Folgende ISO-Normen liegen veröffentlicht vor: Norm
Titel
Ausgabedatum
ISO 1204
Reciprocating internal combustion engines; designation of the direction of rotation and of cylinders and valves in cylinder heads, and definition of righthand and left-hand in-line engines and locations on an engine
1990-12
ISO 2261
Reciprocating internal combustion engines – Hand-operated control devices – Standard direction of motion
1994-12
ISO 2710-1
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary – Part 1: Terms for engine design and operation
2000-09
ISO 2710-2
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary – Part 2: Terms for engine maintenance
1999-12
ISO 3046-1
Reciprocating internal combustion engines – Performance – Part 1: Declarations of power, fuel and lubricating oil consumptions, and test methods; Additional requirements for engines for general use
2002-05
ISO 3046-3
Reciprocating internal combustion engines; performance; part 3: test measurements
1989-11
ISO 3046-4
Reciprocating internal combustion engines – Part 4: Speed governing
1997-03
ISO 3046-5
Reciprocating internal combustion engines – Performance – Part 5: Torsional vibrations
2001-12
ISO 3046-6
Reciprocating internal combustion engines; performance; part 6: overspeed protection
1990-10
ISO 6798
Reciprocating internal combustion engines – Measurement of emitted airborne noise – Engineering method and survey method
1995-12
ISO 6826
Reciprocating internal combustion engines – Fire protection
1997-02
ISO 7967-1
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and systems – Part 1: Structure and external covers
2005-06
ISO 7967-2
Reciprocating internal combustion engines; Vocabulary of components and systems; Part 2 : Main running gear Trilingual edition
1987-11
ISO 7967-2/ AMD
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and systems – Part 2: Main running gear; Amendment 1
1999-12
ISO 7967-3
Reciprocating internal combustion engines; Vocabulary of components and systems; Part 3 : Valves, camshaft drive and actuating mechanisms Trilingual edition
1987-11
ISO 7967-4
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and systems – Part 4: Pressure charging and air/exhaust gas ducting systems
2005-06
ISO 7967-5
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and systems – Part 5: Cooling systems
2003-02
680 Deutsche Normen
Norm
Titel
Ausgabedatum
ISO 7967-6
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and systems – Part 6: Lubricating systems
2005-06
ISO 7967-7
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and systems – Part 7: Governing systems
2005-06
ISO 7967-8
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and systems – Part 8: Starting systems
2005-06
ISO 7967-9
Reciprocating internal combustion engines – Vocabulary of components and systems – Part 9: Control and monitoring systems
1996-11
ISO 8528-1
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 1: Application, ratings and performance
2005-06
ISO 8528-2
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 2: Engines
2005-06
ISO 8528-3
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 3: alternating current generators for generating sets
2005-06
ISO 8528-4
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 4: Controlgear and switchgear
2005-06
ISO 8528-5
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 5: Generating sets
2005-06
ISO 8528-6
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 6: Test methods
2005-06
ISO 8528-7
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 7: Technical declarations for protectioning and design for the operating of generating sets
1994-11
ISO 8528-8
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 8: Requirements and tests for low-power generating sets
1995-12
ISO 8528-9
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 9: Measurement and evaluation of mechanical vibration
1995-12
ISO 8528-10
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 10: Measurement of airborne noise by the enveloping surface method
1998-10
ISO 8528-12
Reciprocating internal combustion engine driven alternating current generating sets – Part 12: Emergency power supply to safety services
1997-09
ISO 8861
Shipbuilding – Engine-room ventilation in diesel-engined ships – Design requirements and basis of calculations
1998-05
ISO 8665
Small craft – Marine propulsion engines and systems – Power measurements and declarations
1994-08
ISO 8999
Recipricating internal combustion engines – Graphical symbols
2001-03
Deutsche Normen 681
Norm
Titel
Ausgabedatum
ISO 10054
Internal combustion compression-ignition engines – Measurement apparatus for smoke from engines operating under steady-state conditions – Filter-type smokemeter
1998-09
ISO 11102-1
Reciprocating internal combustion engines – Handle starting equipment – Part 1: Safety requirements and tests
1997-10
ISO 11102-2
Reciprocating internal combustion engines – Handle starting equipment – Part 2: Method of testing the angle of disengagement
1997-10
ISO 13332
Reciprocating internal combustion engines – Test code for the measurement of structure-borne noise emitted from high-speed and medium-speed reciprocating internal combustion engines measured at the engine feet
2000-11
ISO 14314
Reciprocal internal combustion engines – Recoil starting equipment – General safety requirements
2004-03
ISO 14396
Reciprocating internal combustion engines – Determination and method for the measurement of engine power – Additional requirements for exhaust emission tests in accordance with ISO 8178
2002-06
ISO 15550
Internal combustion engines – Determination and method for the measurement of engine power – General requirements
2002-05
ISO/FDIS 21006
Internal combustion engines – Engine weight (mass) declaration
2006-01
ISO TC 70/SC 7 „Internal combustion engines – Tests for lubricating oil filters“ Folgende Teile der Normenreihe ISO 4548 liegen veröffentlicht vor: Norm
Titel
Ausgabedatum
ISO 4548-1
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines – Part 1: Differential pressure/flow characteristics
1997-09
ISO 4548-2
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines – Part 2: Element by-pass valve characteristics
1997-09
ISO 4548-3
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines – Part 3: Resistance to high differential pressure and to elevated temperature
1997-09
ISO 4548-4
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines – Part 4: Initial particle retention efficiency, life and cumulative efficiency (gravimetric method)
1997-12
ISO 4548-5
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines; part 5: cold start simulation and hydraulic pulse durability test
1990-12
ISO 4548-6
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines; Part 6 : Static burst pressure test
1985-12
ISO 4548-7
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines; part 7: vibration fatigue test
1990-11
682 Deutsche Normen
Norm
Titel
Ausgabedatum
ISO 4548-9
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines – Part 9: Inlet and outlet anti-drain valve tests
1995-07
ISO 4548-11
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines – Part 11: Self-cleaning filters
1997-09
ISO 4548-12
Methods of test for full-flow lubricating oil filters for internal combustion engines – Part 12: Filtration efficiency using particle counting, and contaminant retention capacity
2000-02
ISO TC 70/SC 8 »Internal combustion engines – Exhaust emission measurement« Folgende Teile der Normenreihe ISO 8178 liegen veröffentlicht vor: Norm
Titel
Ausgabedatum
ISO 8178-1
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 1: Messung der gasförmigen Emission und der Partikelemission auf dem Prüfstand
1996-08
ISO 8178-2
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 2: Messung der gasförmigen Emission und der Partikelemission am Einsatzort
1996-08
ISO 8178-3
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 3: Definition der Methoden des Abgasrauches unter stationären Bedingungen
1994-09
ISO 8178-4
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 4: Prüfzyklen für verschiedene Motorverwendungen
1996-08
ISO 8178-5
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 5: Testkraftstoffe/ Achtung: Korrigierte Fassung vom Mai 1998
1997-08
ISO 8178-6
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 6: Prüfbericht und Messergebnisse
2000-11
ISO 8178-7
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 7: Bestimmung der Motorfamilie
1996-11
ISO 8178-8
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 8: Bestimmung der Motorgruppe
1996-11
ISO 8178-9
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 9: Prüfzyklen und Prüfverfahren zur Prüfstandsmessung des Abgasrauches von Dieselmotoren bei Betrieb unter transienten Bedingungen
2000-10
ISO 8178-9 Amd 1
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 9: Prüfzyklen und Prüfverfahren zur Prüfstandsmessung des Abgasrauches von Dieselmotoren bei Betrieb unter transienten Bedingungen
2004-10
ISO 8178-10
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 10: Prüfzyklen und Prüfverfahren zur Feldmessung des Abgasrauches von Dieselmotoren unter transienten Bedingungen
2002-11
ISO/DIS 817811
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Abgasmessung – Teil 11: Prüfstandsmessung der gasförmigen Emission und der Partikelemission von Motoren für den Einsatz in mobilen Maschinen für den nicht-strassengebundenen Bereich unter transienten Bedingungen
2004-05
Deutsche Normen 683
Europäische Normen des CEN / TC 270 Folgende europäischen Normen liegen veröffentlicht vor: Norm
Titel
Ausgabedatum
EN 1679-1
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheit – Teil 1: Dieselmotoren; Deutsche Fassung EN 1679-1:1997
1998-02
EN 1834-1
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die Kons truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen – Teil 1: Motoren der Gruppe II für Bereiche mit explosionsfähigen Gasen und Dämpfen; Deutsche Fassung EN 1834-1:2000
2000-01
EN 1834-2
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die Kons truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen – Teil 2: Motoren der Gruppe I zur Verwendung in untertägigen Bergwerken, die durch Grubengas und/oder brennbare Stäube gefährdet werden können; Deutsche Fassung EN 1834-2:2000
2000-01
EN 1834-3
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Sicherheitsanforderungen für die Kons truktion und den Bau von Motoren zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen – Teil 3: Motoren der Gruppe II für Bereiche mit explosionsfähigen Stäuben; Deutsche Fassung EN 1834-3:2000
2000-01
EN 10090
Ventilstähle und -legierungen für Verbrennungskraftmaschinen
1998-02
EN 12601
Stromerzeugungsaggregate mit Hubkolben- Verbrennungsmotoren – Sicherheit; Deutsche Fassung EN 12601:2001
2001-02
EN ISO 11102-1
Verbrennungsmotoren – Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 1: Sicherheitstechnische Anforderungen und Prüfung (ISO 11102- 1:1997); Deutsche Fassung EN ISO 11102-1:1997
1997-10
EN ISO 11102-2
Verbrennungsmotoren – Handkurbel-Starteinrichtungen – Teil 2: Verfahren zur Messung des Auslösewinkels (ISO 11102- 2:1997); Deutsche Fassung EN ISO 11102-2:1997
1997-10
EN ISO 14314
Hubkolben-Verbrennungsmotoren – Reversierstarteinrichtung – Allgemeine Sicherheitsanforderungen (ISO 14314:2004); Deutsche Fassung EN ISO 14314:2004
2004-03
Sachverzeichnis
1. Hauptsatz der Thermodynamik 22 1. Nebenerreger-Ordnung 277 1D-Drehschwingungs-Ersatzmodell 261 1D-Drehschwingungsmodell 258 3D-Strukturmodell 258 A Abgas-Messanlagen für gasförmige Emissionen 518 – Chemo-Luminescence Detektor (CLD) 520 – Diagnosetest 518 – Flame Ionisation Detektor (FID) 520 – Kalibrierung 518 – Linearisierung 518 – Non-Dispersive Infra-Red Analysatoren (NDIR) 521 – ParaMagnetic Detektor (PMD) 523 Abgas-Verdünnungssysteme 524 – CFV (Critical Flow Venturi) 526 – PDP (Positive Displacement Pump) 526 – Probennahme 527 – Vollstrom-Verdünnung CVS 526 Abgasemission 461, 574, 653 – Emission 461 – Immission 461 – Kohlenmonoxid (CO) 574 – Kohlenwasserstoffen (HC) 574 – Stickoxide NOX 469, 574 – Transmission 461 – Wirkung 461 Abgasgegendruck 436 Abgasgeräusche 553 Abgasgesetzgebung 471 – Abgasvorschriften 471 – Dieselpartikelfilter 473 – Dieselrauchmessung 471 – Fahrzyklen 471 – für Pkw-Motoren 471 – on-board Diagnose 475 – Partikelfiltern 473
Abgasgrenzwerte 475 Abgasklappe 439 Abgasmessverfahren 518 Abgasnachbehandlung 502, 572 – Abgasgegendruck 503 – Abgasmassenstrom 503 – Abgastemperatur 503 – aktive Regeneration 573 – Nacheinspritzung 573 – Oxidationskatalysator 572 – Partikelfilter 572 – Raumgeschwindigkeit 503 – Rußpartikel 573 – Rußzündtemperatur 573 Abgasnachbehandlungs-Systeme 477, 515 – CRT-Effekt 516 Abgasrückführung (AGR) 80, 498 – Abblasventil 82 – Abgasnachbehandlung 80 – AGR-Rate 81 – Aufladung 81 – NOX-Emission 81 – Registeraufladung 82 – Rückführrate 81 – Turbinengeometrie, variable 82 – Verbrennungstemperatur 80 – Zeldovich-Mechanismus 80 Abgasschalldämpfer 554 Abgastrübung 427, 475 Abgasturboaufladung 615 Abgaswärmeübertrager 366 – Verschmutzung 367 Abnahmeuntersuchung 17 Absorptionsschalldämpfers 438 Abstandsdiagramm 269 Abtriebsmöglichkeiten 622 Abwärme 444 – Abgas 444
686 Sachverzeichnis Abwärme – Konvektion 444 – Kühlwärme 444 – Ladeluftkühlung 444 – Strahlung 444 ACEA 402 Additive 86, 89, 92, 95, 105, 400 Additivsystem 508 Aerodynamische Motorgeräusche 550 – Ansauggeräusch 550 – Schalldämpfer(systeme) 550 AFP-Stahl 379, 382 AGR-Kühlung 502 Ähnlichkeitstheorie 229, 230, 235, 237, 238, 242, 243, 244 Akustikkomfort 576 Alfin-Verfahren 340 Alkalität 400 Alternative Kraftstoffe 105 – Biodiesel 108 – biogene Kraftstoffe 106 – BTL-Verfahren 112 – Dimethylether 110 – Erdgas 110 – Ethanol 108 – flüssige Kraftstoffe 107 – Flüssiggas 110 – Fossile Quellen (GTL) 111 – IOGEN-Verfahren 109 – Kraftstoffpfade 106 – Methanol 108 – Nachhaltigkeit 105 – NExBTL 114 – Ökobilanz 115 – Regenerative Quellen (BTL) 111 – reine Pflanzenöle 108 – synthetische Kraftstoffe 106, 110 – Wasserstoff 106, 110 Aluminiumdruckguss 565 Ammoniak-Schlupf 510 Amplitudenfrequenzgänge 282, 283 Analyse 276 – harmonische 276 ANC 440 ANC-System 440 Anheizkerzen 424 Ansauggeräuschdämpfung 432 Ansauggeräusche 553 Ansaugluft 429 – Korngrößenverteilung 429 – Staubgehalt 429 – Staubkonzentration 429
Antioxidantien 94, 401 Antriebsauslegung 562 API 402 Applikation 214 – Diagnoseumfang 216 – Motor- und Getriebeschutzfunktionen 215 – motorische Basisabstimmung 215 – Regelungstechnische Funktionen 215 Arbeit, spezifische 16 Arbeitsprozess, realer 13 Arbeitsüberschuss 278 Aromaten 88, 91, 99, 101, 102 Aromatengehalt 89 Aufladewirkungsgrad 48 Aufladung 42, 569, 651 – Abgasrückführung 570 – Abgasturboaufladung 42, 46, 570 – Downsizing 571 – Ladeluftkühlung 571 – Magerbetrieb 569 – Mechanische Aufladung 42, 45, 62 – variable Turbinengeometrie 570 Ausgleich freier Massenkräfte 265 Ausgleichswelle 252, 253, 271, 274, 566 Autofrettage 383, 392 B Beanspruchung des Kolbens 302 – Bolzennabe 302 – Feuersteg 302 – Hauptabmessung 302 – Kolbenbolzen 302 – Kolbenmasse 302 – Kompressionshöhe 302 – Kühlkanal 302 – Ringpartie 302 – Schaft 302 Beanspruchungsanalyse 219, 223 Bedarfskennung 18 Bedienungskomfort 576 Belastung 219 – dynamische 220 – mechanische 220 – statische 219 – thermische 219 Belastungsanalyse 219 Berechnungsverfahren 221 Beschichtung 311 – Gleitfähigkeit 313 – Laufschichten 311 – Oberflächenrauhigkeit 311
Sachverzeichnis 687 – Oberflächenschicht 311 – Schmierfilm 311 – Schutzschichten 311 Beschichtungsverfahren 392 Betriebsfehler 227 Betriebspunktverlagerung 563 Biegemoment 259, 275 Biegespannung 259 Blasensieden 332 Blasenverdampfung 329 Blockheizkraftwerk 449 – BHKW-Aggregat 449 – BHKW-Modulen 449 – Kenngrößen 451 Blow-By-Gase 411, 414 Bohrungskühlung 331 Bohrungsverhältnis 10 Bordnetzspannungs-Glühsysteme 421 – Selbstregelverhalten 421 – Zündschalter 421 Bottoming Cycle 446 Brenngase 129 Brennraum 566 Brennraummulde 568 Brennraumoberfläche 228, 231 Brennverlauf 24, 75, 84 – 3D-Modellierung 84 – 3D‑Simulation 84 – CFD-Modellierung 84 – Diffusionsflamme 77 – Einspritzrate 75 – Gleichdruckverbrennung 77 – Modellrechnung 84 – Netzstruktur 84 – Spritzdauer 76 – Strahleindringgeschwindigkeit 75 – Verdampfungsgeschwindigkeit 75 – Wirkungsgrad 75 Bruchtrennpleuel 255 Bruchtrenntechnologie 382 C Calcium 400 Carnot-Prozess 14 CDPF 508 CO2-Emission 574 – Energieeffizienz 574 – Kraftstoffverbrauch 574 Common Rail-Dreikolben-Radial-Hochdruckpumpe 172 Common Rail Ein- und Zweikolben-Radial-Hochdruckpumpe 172
Common Rail Reihen-Hochdruckpumpe 173 Common Rail System 164, 168, 187 – Druckregelung 168 – Hochdruckpumpe 166, 168 – Hochdrucksystem 166, 168 – Injektoren 176 – Kraftstofffilter 168 – Niederdrucksystem 166 – Rail 168 – Systemdrücke 165 – Vorförderpumpen 167 – Zumesseinheit 168 Common Rail System für Schweröl 190 Compoundmotor 3, 5, 6 Comprex 48, 62 CRT®-Effekt 508 cycle beating 476 D Dämpfer 286 Dämpfung 281 – äußere 281 – innere 281 Dämpfungsmatrix 281, 282, 285 Dauerfestigkeit 225, 256 Dauerfestigkeitsschaubild 225, 226 Dauerschwingfestigkeit 262 Desaxierung (Kolben) 249 Detergentien 94 Detergents 400 Diagnose 211 – Diagnose-System‑Management (DSM) 212 – EOBD 212 – OBD (On Board Diagnostic) 212 – On Bord Diagnostic (OBD) 211 – Werkstattdiagnose 212 Dichte 101 Diesel-Oxidations-Katalysator (DOC) 504 – Differenzdrucksensor 509 – katalytischer Brenner 505 – Schmierölverdünnung 505 – Temperatursensor 509 dieselelektrische Antriebe 642 Dieselkraftstoff 86 – Destillation 86 – Verfügbarkeit 87 Dieselmotor-Wärmepumpe 452 – Heizzahl 453 – Leistungszahl 452 Dieselpartikelfilter 206, 402 Direkteinspritzung 490
688 Sachverzeichnis Dispersants 400 Downsizing 57 Drehgeschwindigkeit 10 Drehimpuls 271, 274 Drehkraft 248 – harmonische Erregeramplitude 276 Drehkräfte 276 Drehkraftverlauf 250 Drehmoment 16, 250 Drehschwingung 279, 285 Drehschwingungs-Ersatzmodell 281 Drehschwingungs-Resonanzen 286 Drehschwingungsdämpfer 286 Drehschwingungstilger 287 Drehungleichförmigkeit 288 Drehzahlen – kritische 281 Drei-Wege-Katalysator 139, 402 Drosselzapfendüsen 147 Druck, mittlerer effektiver 16 Druckbegrenzungsventil 176 Druckregelventil 175 Druckseite (Kolben, Zylinder) 249 Druckverlaufsanalyse 24 Druckwellenaufladung 62 Druckwellenkompensation 181 Druckwellenkorrektur (DWK) 182 Dual-Fuel-Motor 135 Düsenauslegung 80 Düsenhalter 146, 152 – 1‑Federhalter 152 – 2‑Federhalter 152 Düsennadel 146 Düsenüberstand 80 dynamische Viskosität 230 E eBooster 59 Eigendämpfung 287 Eigenfrequenz 281, 437 Eigenschwingungsform 281 Eigenwertproblem 282 Einflusszahlen der freien Massenkräfte und Massenmomente 272 Einflusszahlen der Massenkräfte 267 Einlassdrall 38 Einmassen-Schwinger 285 – modaler 285 Einspritzdruck 497 Einspritzdüse 79, 146, 147 – Düsenauslegung 80
– Düsenüberstand 80 – Quetschströmung 80 – Strahlausbreitung 80 Einspritzhydraulik 143 – Behälter 144 – Drosseln, Ventile 145 – Druckkräfte 146 – Kavitation 146 – kurzes Rohr 145 – Leitungen 145 – Spaltströmung 146 Einspritzmanagement 207 – Haupteinspritzungen 207 – Nacheinspritzungen 207 – Rechner 208 – Spritzbeginn 207 – Voreinspritzungen 207 Einspritzsystem 153, 615, 649 – Common Rail 159, 615, 650 – Hochdruckpumpe 617 – Hochdruckspeicher 615 – Injektor 615 – Pumpe-Düse 158 – Pumpe-Leitung-Düse 159 – Reihenpumpe 157 – Unit-Pump 159 – Unit Injector 158 – Verteilerpumpe – axial 157 – Verteilerpumpe – radial 157 Einspritzsysteme 185, 192 – Durchflussmessung 192 – Einspritzmengenmessung 193 – Einspritzverlaufsmessung 193 – Großdieselmotoren 185 – Injektorprüfung 194 – Messtechnik 192 Einspritzung 156 – druckgesteuerte 156 – hubgesteuerte 156 Einspritzverlauf 84 – 3D-Modellierung 84 – 3D‑Simulation 84 – CFD-Modellierung 84 – Modellrechnung 84 – Netzstruktur 84 Einzelpumpen-Systeme 162 Einzonenmodell 21 Einzylinder-Dieselmotor 619 – Abtriebsmöglichkeiten 622 – Elektrostart 624 – Handkurbelstart 622
Sachverzeichnis 689 – Kühlverfahren 620 – Lastenheft 619 – Massenausgleich 628 – Motorleistung 619 – Motorraumbelüftung 624 Elektrokraftstoffpumpe 167 Elektronische Regelung 199 – Aufbautechnik 200 – Ausgangsschaltung 203 – AUTOSAR 204 – Common Rail System 199 – Digitale Regler 204 – Drehmomentanforderungen 200 – Echtzeitbetrieb 199, 204 – Eingangsschaltung 199, 203 – Haupteinspritzungen 199 – Motorsteuerung 199 – Nacheinspritzungen 199 – Rechenleistung 199 – Rechnerkern 201, 202 – Software-Architektur 203 – Speicherplatz 199 – Spritzbeginn 199 – Umgebungsbedingungen 200 – Unit Injector System 199 – Verbindungstechnik 200 – Voreinspritzungen 199 Elektronisches Motormanagement 571 – Luftmasse 572 – Luftmassenmesser 572 – Motorsteuergerät 571 Elektroschlacke-Umschmelzen 390 Elektrostart 624 Elementaranalyse 12 Emissionen 425 Emissionsreduktion 564 Emissionsverhalten 568 Energiebilanz 239, 240, 245 Entkopplungselemente 441 Entleermethode 27 Erdöl 87 Erdöl (Rohöl) 118 – Benzin 118 – Destillate 118 – Dieselkraftstoff DK 122, 127 – Gasöl 118, 122, 123 – Heizöl 118 – Rückstandsöl 118 – Schweröl 118, 120, 122, 123, 124, 125, 127 Erreger-Drehmoment 281, 285 – harmonischer 285
Erreger-Ordnungen 272 Ersatzbrennverlauf 24 – Doppel-Vibe-Funktion 26 – Vibe-Funktion 25 Ersatzdrehmasse 280 euATL 60 Expertensysteme 652 Exzentermassen 274 Exzenterwellen 274 F Fahrkomfort 562, 576 Fahrwiderstand 20 Fahrzeugantrieb 20, 136 Fahrzeugmotoren 630 – modifizierte 630 – Verwendung 631 Fanggrad 34 Feinstaub 465 Feuerstegringe 648 Filtrierbarkeit 89 Finite-Elemente-Methode (FEM) 221 Flammengeschwindigkeit, laminare 132 Flammpunkt 102 Flammstartkerze 424 Fließfähigkeit 100 Fließverbesserer 92 Fließverhalten 90 Formzahlen 260 Fremdzündung 12 Friction Modifier 401 Führungskraft – Spannung 303 – Verformung 303 Füllmethode 27 Fußausgleich 266 G Gabelpleuel 251, 269 Gasdrehkraft 276 Gaskraft 247 – Spannung 303 – Verformung 303 Gasmischer 136, 137 Gasmotor 129, 132 – Diesel-Gasmotor 134, 135 – Gas-Dieselmotor 134, 135 – Otto-Gasmotor 133, 134 Gasmotoren 477 Gegendruckseite 249 Gegengewichtsmasse 265, 270
690 Sachverzeichnis Gehäuse-Biegemoment 276 Gemisch 12 – heterogenes 12 – homogenes 12 – stöchiometrisches 12 Gemischbildung 12, 68, 136, 564, 566 – äußere 12 – Brennraum 70 – Direkteinspritzer 69 – innere 12, 68 – Luftausnutzung 69 – Luftbewegung 70 – Luftdrall 70 – Muldengeometrie 71 – Quetschströmung 71 – Schirmventile 70 – Selbstzündung 68 – Spiralkanäle 70 – Verdichtungsverhältniss 69 – Vorkammer 69 – Wirbelkammer 69 – zentrale 136 Gemischheizwerte 14, 130 Generatorbetrieb 20 Geräusch 432 – Helmholtz-Resonator 434 – Reflexionsschalldämpfer 434 Geräuschabstrahlung 550 – Kapselmaßnahmen 550 – Keilriemenscheibe 550 Geräuschdämmung 555 – Motorlager 555 Geräuschentwicklung 425 Geräuschkomforts 441 Geräuschminderung 551 Geräuschminderungspotenzial 538 Gestaltung des Kolbens – Bolzennabe 302 – Feuersteg 302 – Hauptabmessung 302 – Kolbenbolzen 302 – Kolbenmasse 302 – Kompressionshöhe 302 – Kühlkanal 302 – Ringpartie 302 – Schaft 302 Getriebeauslegung 563 Gewindefurchen 382 Gleichstromspülung 657 Gleitlager 289 – Axiallager 295
– Beanspruchungen 291 – Betriebsextremwerte 293 – Dreischichtlager 298 – Eigenschaften 296 – Einschichtlager 297 – Ermüdung 301 – Gleitlagerwerkstoff 296 – Hydrodynamik 289 – Kurbelwellenhauptlager 294 – Lagerberechnung 290 – Lagerspiel 295 – Pleuellager 294 – Verschleiß 300 – Zweischichtlager 297 Glühkerze 568 Glühstiftkerzentemperaturen 426 Glühsysteme 420, 568 Grauguss 565 Grundmotor 611 Grundöl 400 H Handkurbelstart 622 Haupterreger-Ordnung 277 Hauptgleichung des Dieselmotors 16 Hauptölkanal 412 Hauptpleuel 251, 269 Hauptstromfilter 416 HCCI-Betrieb 240 Heißfilmmassensensor 498 heißisostatisches Pressen 391 Heißkühlung 331 Heizflansche 424 Heizwärme 448 Heizwert 12, 103, 130 Helmholtz-Resonator 439 Herstellung 87 – atmosphärische Destillation 87 – atmosphärische Vakuum-Destillation 89 – Crackverfahren 87, 89 – Entschwefelung 88, 99 – Hydrocracken 88, 99 – Vakuum-Destillation 87 High Cycle Fatigue 225 Hochdruckeinspritzung 568 – Common Rail-System 568 – Druckregelventil 569 – Drucksensor 569 – Pumpe-Düse-System 568 – Rail 569 Hochdruckpumpen 170
Sachverzeichnis 691 Hochdrucksystem 168 Hohlkehlen 260 HT-HS Viskosität 401 Hubbewegung 264 Hubkolbentriebwerke 247 Hubverhältnis 10 Hubzapfenübergang 259 Hubzapfenversatz 251 I Indikatordiagramme 4 Industriemotoren 484, 630 – Angebot 631 – Anwendungen 630 – Applikationen 631 – Blockheizkraftwerke 484 – Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen 484 – Landtechnik 630 – Leistungsbereich 630 – Leistungsgruppen 633 – Luftkühlung 631 – Notstromaggregate 484 – Produktkonzept 636 – Schiffsmotoren 486 – Wasserkühlung 631 – Weiterentwicklung 639 Injektor 568 Injektormengenabgleich 181 Innenpleuel 269 innere Wärmebilanz 230 Intermetallischen Phasen 393 Isentropenexponente 13 J Jet Assist 652 K k-ε-Modell 238 Kältefestigkeiten 100 Kälteverhalten 92 Kaltleerlaufemissionen 425 Kaltstart 426 Kapselbelüftung 554 Kapselung 551 – Wartungsstellen 554 Katalysatoralterung 505 Katalysatorbeladung 504 Katalysatorgifte 505 Katbrenner 504 Kavitation 227, 329 Keramik-Glühstiftkerzen 422, 427
– Alterung 422 – Einzelkerzenüberwachung 424 – Glühstiftkerzen 422 – Glühzeit 422 – Heizerwiderstand 422 – Überhitzung 424 – Zündschalter 424 keramische Heizer 422 keramische Werkstoffe 393 Kerbwirkungszahl 260 Kinetische Energie 71 – Druckgefälle 72 – Düseninnenströmung 71 – Einspritzdruck 72 – Kavitation 72 – Kraftstoffstrahl 71 – Strahleindringtiefe 72 Kippmoment 253, 264 Kippmomentausgleich 271 Klangcharakter 436 Klappe 439 Klimakomfort 562, 576 Kohlenmonoxid (CO) 475 Kohlenmonoxid-Entstehung 493 Kohlenstaub 5, 6 Kohlenwasserstoff-Entstehung 495 Kohlenwasserstoffe (HC) 475 Kolben 301, 612, 646 – Anspritzkühlung 302 – dreidimensionales Temperaturfeld 302 – Fresssicherheit 301 – Funktion 301 – Gestaltfestigkeit 301 – Kolbenboden 301 – Kühlung 302 – mechanische Beanspruchung 302 – Oberflächentemperatur 302 – Ölverbrauch 301 – Stufenkolben 647 – Temperaturen 301 – Zwangsölkühlung 302 Kolbenbauarten 305 – Al-Si-Legierung 307 – Aluminiumkolben 308 – eutektisch 307 – gebaute Kolben 308 – Kolbenkaltspiel 309 – Kolbenkrone 310 – Kühlkanalkolben 307 – Monoblock 308 – Pendelschaftkolben 307
692 Sachverzeichnis Kolbenbauarten – Ringträgerkolben 307 – Spritzölkühlung 307 – Stahlkolben 308 – Vollschaftkolben 307 – Wärmeleitfähigkeit 308 – Zwangsölkühlung 307 Kolbenboden 301 Kolbenboden, Belastung 303 – Festigkeit 304 – Kolbenlegierung 304 – Muldengrund 303 – Muldenrand 303 – Temperaturwechselbeanspruchung 303 Kolbenbolzen 301, 317 – Anspritzkühlung 302 – außenspannender Sicherungsring 317 – dreidimensionales Temperaturfeld 302 – Formbolzen 317 – Fresssicherheit 301 – Funktion 301 – Gestaltfestigkeit 301 – Kraftfluss 317 – Kühlung 302 – mechanische Beanspruchung 302 – Oberflächentemperatur 302 – Ölverbrauch 301 – Pleuel 317 – rohrförmig 317 – Temperaturen 301 – Zwangsölkühlung 302 Kolbenflächenleistung 17, 604, 607 Kolbengeschwindigkeit 11 – mittlere 11 – momentane 11 Kolbenkraft 247 Kolbenkühlung 305, 411, 663 – gekühlter Ringträger 305 – Kühlkanal 305 – Kühlöl 305 – Wärmeabfuhr 305 Kolbenring 301, 315 – Abdichtfunktion 316 – Anspritzkühlung 302 – dreidimensionales Temperaturfeld 302 – Durchblasen 316 – Fresssicherheit 301 – Funktion 301 – Gestaltfestigkeit 301 – Kolbenboden 301 – Kühlung 302
– mechanische Beanspruchung 302 – Minutenring 316 – Mischreibung 316 – Oberflächentemperatur 302 – Ölkontrollring 316 – Ölverbrauch 301 – Temperaturen 301 – Verdichtungsring 316 – Wärmeabführung 316 – Zwangsölkühlung 302 Kolbenringe 647 – Chromringe 647 – CKS-Ringe 647 – Plasmaring 647 – Plasmaringe 647 – Verschleißrate 647 – Zwickel-Verschleiß 648 Kolbenringpartie 302 Kolbensauberkeit 403 Kolbenseitenkraft 248 Kolbensekundärbewegung 222, 227 Kolbenweg 10 Komfort 576 – Kapselung 577 – Massenausgleich 576 – Schwingungen 576 – Schwingungsanregung 576 – Schwingungserreger 576 – Schwingungsquelle 576 – Zweimassenschwungrad 577 Kompressionsendtemperatur 419 Koordinaten 285 – modale 285 Körperschallabstrahlung 442 Körperschallanregung 539 Körperschallisolation 554 Körperschallübertragung 546 – Ansaugrohr 547 – Kühlluftführung 548 – Motorblock 546 – Ölwanne 546 – Ölwannen 548 – Stirnräderdeckels 548 – Ventilhauben 548 – Zylinderkopf 546 – Zylinderkopfhauben 547 Korrosion 227 – Flächen- 227 – Hochtemperatur- 227 – Nass- 227 – Niedertemperatur- 227
Sachverzeichnis 693 – Reib- 227 – Schwingungsriss- 227 Korrosionsinhibitoren 411 Korrosionsschutz 94, 399 Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung 455 Kraft-Wärme-Kopplung 448 Kraftstoff 410 Kraftstoff, schwefelfreier 100 Kraftstoffnormen 96 Kraftstoffverbrauch 402, 574, 587 – CO2-Emission 574 – Energieeffizienz 574 – streckenbezogen 588 Kraftstoffverbrauch, spezifischer 18 Kraftstoffzündung 419 – Anheizkerzen 419 – Flammausbreitung 419 – Glühstiftkerzen 419 – Glühsysteme 419 – Glühzeitsteuergeräte 419 – Glühzündung 419 – Kaltstartunterstützung 419 – Selbstzündungstemperatur 419 Kreisprozess 13 – idealer 13 Kreuzkopf 661 – Kreuzkopflager 662 Schubstangenverhältnis 662 Kreuzkopfkurbeltrieb 249 Kreuzkopflager 662 Kreuzwelle 254 Kröpfungsstichmaß 255 Kröpfungswinkel 251, 255, 267 Kühlgebläse 342 – Schallleistung 342 Kühlluftführung 338 Kühlmittel 325, 371 – Stoffwerte 335 Kühlmittelkreislauf 345 Kühlmittelkühler 359 Kühlrippe 336 – Rippengütegrad 336 – Rippenhöhe 337 – Rippenzahl 337 Kühlsystem 345 – Einkreissystem 348 – Gebläse 353 – Hochtemperaturkreis 349 – Ladeluftkühlung 351 – Lokomotive 354 – Lüfter 354
– Nfz 354 – Niedrigtemperaturkreis 349 – Panzer 354 – Schiff 354 – Seewasserbetrieb 351 – Thermostat 353 – Wärmeübertrager 357 – Zweikreissystem 348 Kühlwasser 371 – Glykol 374 – Kühlwasserpflege 373 – OAT (Organic Acid Technology) 374 – Wasserhärte 372 Kurbeldrehwinkel 10, 248 Kurbelgehäuse 384, 411, 414, 565, 611 – Aluminiumguss 384 – Grauguss 384 – Kugelgraphitguss 384 – Stahlguss 384 – Vermiculargraphitguss 384 Kurbelkröpfungen 255 Kurbelstern 251 Kurbelsterne 267 Kurbelwelle 255, 257, 412, 611, 646 – gebaute 257 Kurbelwellen 379 – AFP-Stahl 379 – Faserflussschmieden 380 – Induktionshärtung 381 – Kugelgraphitgusssorten 381 – schmiedeperlitischen 379 Kurbelwellenlager 646 L Ladedruckregelung 53 – Motorbetriebslinie 54 – Registeraufladung – Variable Turbinengeometrie (VTG) 55 – Waste-Gate 54, 62 Ladegrad 34 Ladeluft-Kühlung 502 Ladeluftkühlung 53 – Ladeluftkühler 53, 364 – Ladeluftkühlerwirkungsgrad 53 Ladeluftkühler 364 – Dichterückgewinn 364 Laderbauarten 42 – Strömungslader 44, 59 – Verdrängerlader 43 Laderkennlinie 43, 44 Ladungswechsel 23, 34, 437, 569
694 Sachverzeichnis Ladungswechsel – Abgasrückführrate 570 – Abgasturbolader 570 – Downsizing 571 – Ladeluftkühlung 571 – Ladungswechselberechnung 63 – Magerbetrieb 569 – variable Turbinengeometrie 570 – Viertaktverfahren 35 – Zweitaktverfahren 40 Ladungswechselrechnung 63 – Charakteristikenverfahren 64, 65 – eindimensionale instationäre Rohrströmung 65 – Füll- und Entleermethode 63 – nulldimensionale Verfahren 63 Lagerkräfte 248 Lanchester-Ausgleich 274 Längenreduktion 279, 280 Langsamlaufende Zweitakt-Dieselmotoren 657 – Abgasemissionen 672 – Aufladung 665 – Auslassventil 659, 664 – Common Rail 671 – Firmen 657 – Gleichstromspülung 657, 659 – Hub/Bohrungsverhältnisse 660, 669 – Kolbenflächenleistung 659 – Kraftstoffverbrauch 659 – Ladeluftkühlung 665 – maximaler Zylinderdruck 659 – Merkmale 659 – mittlere Kolbengeschwindigkeit 669 – mittlerer effektiver Druck 659 – Motorgestell 660 – Spülschlitze 665 – Spülverfahren 657 – Startluftsystem 672 – Triebwerk 661 – Umsteuern 664 – Ventildrehung 664 – Wasser-Kraftstoff-Emulsion 672 – Wassereinspritzung 672 – Zylinderleistung 659 – Zylinderzahl 660 Längskippmomentausgleich 270 Längskraftanteil 265 Längskräfte 264, 265 Längsmoment 264 Laufbuchse 617 Lebensdauer 411 leichte Nutzfahrzeuge 578, 583, 585
– Abgasnachbehandlung 579 – Anforderung 579 – Common Rail 583 – Drehmoment 580 – Geräuschemission 579 – Gesamtgewicht 580, 583 – Grauguss 584 – Hubraum 580 – Klassifizierung 578 – Ladeluftkühlung 583 – Motoren 579 – Nennleistung 580 – Piezo-Aktuatoren 583 – Rollenprüfstand 579 – Schadstoffemission 579 – Variable Turbinengeometrie 583 – Vierzylindermotor 583 – Zylinderkurbelgehäuse 584 Leichtlauföl 399, 401, 410 Leistungsgewicht 604 Leistungsvergleich 17 Leistungsverhalten 574 – Ansprechverhalten 576 Lieferkennung 18 Liefergrad 34 Light-Off-Temperatur 504 Literleistung 17 Lochdüsen 148 Low Cycle Fatigue 225 Luftaufwand 34, 41 Luftdurchsatz, spezifischer 18 Luftfilter 429 – Abscheidungsgrad 430 – Auslegung 431 – Durchflusswiderstand 431 – Filterleistung 431 – Gesamtabscheidungsgrad 431 – Ölbadluftfilters 432 – Standzeit 430 – Trockenluftfilter 431 – Vorabscheidungsgrad 433 – Vorzyklone 433 – Zyklon 433 Luftgehalt 238 Luftverhältnis 12 M Magnetventil-Injektor 177 Magnetventilgesteuerte Pumpen 186 Marinekopf-Ausführung 646 Massenausgleich 275
Sachverzeichnis 695 – innerer 275 Massendrehkraft 276 Massendrehmoment 252 Massenkraft 247, 265 – oszillierende 220 – rotierende 220, 265 – Spannung 303 – Verformung 303 Massenmitteltemperatur 237 Massenmoment 269 Massenmomentausgleich 269 Massenreduktion 279 Massenträgheitsmoment 271, 278 Massenumlaufmoment 264, 271, 274 Mechanische Regler 198 – Bauart RQ 198 – Bauart RQV(K) 198 Mechanisches Geräusch 543 – Ölpumpe 543, 544 – Ventilgeräusch 544 – Ventiltrieb 543 – Wasserpumpe 544 Mehrbereichsmotorenöle 402 Mengenmittelwertadaption (MMA) 181, 184 Mengensteuerung 171 Messung der Partikel- und Staubemission 528 – alternativer Methoden zur Rußmessung 533 – Kondensationskernzähler (PNC) 529 – Partikelzählung 529 – PMP 529 – Staubmessung 530 – Verdünnungstunnel 528 Metall-Glühstiftkerzen 421, 427 – Glührohr 421 – Glühstift 421 – Glühwendel 421 – Heizwendel 421 – Nachglühdauer 422 – Regelwendel 421 – Rohrheizkörper 421 Metallurgie 399 Methanzahl 130 Micro-Pilot-Motor 135 Miller-Verfahren 59 Mindestluftmasse 11 Mineralöle Hydrocracköle 400 Mischreibung 401 Mitteldruck 16 mittelschnelllaufender Dieselmotor 641 – Abgasemission 653 – Common Rail System 650
– Drehzahlen 641 – effektive Nutzarbeit 641 – Gasbetrieb 643 – Hub/Bohrungsverhältnis 644 – Kolbenflächenleistung 643 – maximaler Zylinderdruck 643 – mittlere Kolbengeschwindigkeit 641 – Schwerölbetrieb 642 – Zylinderabmessungen 641 mittlere Kolbengeschwindigkeit 610 Mobile Maschinen 486 – Bagger 486 – Gabelstapler 486 – Radlader 486 Modal-Analyse 283 Modelle, quasidimensionale 27 Modifizierte Fahrzeugmotoren 635 Moment 275 – inneres 275, 276 Motor 589 – Nebenaggregate 589 Motorbetriebslinie 45, 47, 54 Motorbefestigung 621 Motorbremse 600 – Exhaust Valve 600 – Intebrake 600 – Jake(Jacobs)-Brake 600 – Konstantdrossel 600 – Turbobrake 600 Motorenöl 399, 411 Motorentest 403 Motorfunktionen 204 – Abgasmanagement 205 – AdBlue 207 – Dieselpartikelfilter 206 – Drehmoment, -anforderungen 200, 204, 207 – Lambda-Regelung 206 – Luftmanagement 205 – Luftmenge 205 – NOX-Speicher-Katalysator (NSC) 206, 207 – Regeneration 206 – Regenerationsbetrieb 206 – SCR-Verfahren 207 Motorgeräusch 544 – Nebenabtriebe 544 Motorgeräuschemission 537 – Kühlsystem 551 Motorkennfeld 477 Motorkenngröße 16, 17 Motorkühlung 325, 345, 554 – Abgaswärmeübertrager 366
696 Sachverzeichnis Motorkühlung – direkte 347 – Entlüften 352 – Fahrzeuge 352 – Flüssigkeitskühlung 325 – indirekte 347 – Kühllast 345 – Kühlmittelkühler 359 – Kühlmodul 357 – Kühlwasser 372 – Ladeluftkühler 364 – Lüfterleistung 347 – Luftkühlung 325 – Ölkühler 361 Motorprozesssimulation 63 Motorschlucklinie 44, 45, 46 Mündungsgeräusch 439, 553 N Nachglühen 425 Nadelführung 148 Nadelhub 149 Nassluftfilter 430 Nebenkammermotor 493 Nebenpleuel 251, 269 Nebenstromfilter 416 Nennspannung 427 Niederspannungs-Glühsysteme 421 – Ansteuerspannung 421 – Nennspannung 421 – Pulsweitenmodulation 421 NOX-Entstehung 491 NOX-Reduktions-Katalysatoren 509 NOX-Speicherkatalysator (NSC) 511 – LNT 511 – NOX-Sensor 513 Nockenwelle 614 Nockenwellenantrieb 566 Normalausgleich 253, 254, 266, 268, 269, 271 Normalparaffine 90 Normalspannung 259 NSC-Desulfatisierung 514 NSC-Regeneration 514 Nullmengenkalibrierung (NMK) 181, 183 Nusseltzahl 229, 235 Nutzarbeit 16 Nutzfahrzeuge 475, 580, 581, 585 – Fahrkomfort 592 – Klassifizierung 585 – Kostenanalyse 587 – leichte 580, 581
– Leistungsbedarf 590 – schwere 581 – Verteilerverkehr 585 Nutzfahrzeugmotoren 589 – Abgasemissionen 594 – Anfahrverhalten 592 – Bremsverhalten 592 – Entwicklung 604 – Startverhalten 594 Nutzleistung 16 O OBD 483 Oberflächenbehandlungsmethoden 391 Oberflächenfiltratschicht 506 Oberflächengeräusch 552 Oberflächentemperaturmethode 230, 231, 232, 233, 234 Oberspannung 261 Ölabscheider 414 Ölabstreifring 316 – Einlauf 317 – Flanken 317 – Lauffläche 317 – Oberflächenbehandlungen 317 – Schlauchfeder 316 – Verschleißminderung 317 Ölalterung 416 Ölbadluftfilter 429, 430, 432 Öldruck 411, 414 Öldurchfluss 411 Ölfilter 411, 414, 416 Ölkreislauf 411 Ölkühler 361, 411, 414 Ölmenge 411 Ölpumpe 411, 412, 414 Ölreservoir 411 Ölwannen 384 Ölwechsel 399, 416 Organic-Rankine-Cycle 447 Oxidationskatalysator 140 Oxidationsprodukte 400 Oxidationsstabilität 104 Ozon O3 470 P Papierluftfilter 429, 432 Parameterstudien 29 Partikel 414, 416, 475, 491 – Entstehung 491 Partikel-NOX-Hyperbel 498 Partikelfilter 477, 506
Sachverzeichnis 697 – DPF 506 – Regeneration 507 Partikelmessung 533 – Diffussions Ladungs Sensor 533 – Laser Induzierte Glühemission 533 – MASMO 533 – Opazimeter 533 – Photoakustischer Ruß Sensor 533 – Photoelektrischer Aerosol Sensor 533 – Smokemeter 533 – TEOM 533 Partikelzusammensetzung 492 PEMS 484 Pflanzenöle 5 Phasenbeziehungen 282 Phasenverschiebung 283 Phosphor 401, 403 Piezo- Injektor 179 Piloteinspritzung 500 Pkw-Antrieb 561 Pleuel 255, 565, 646 Pleuelauge 255, 565 Pleuelkopf 255 Pleuellagern 412 Pleuelschaft 255 Pleuelschwenkwinkel 249 Pleuelstange 612 Pleuelstangenkraft 247 Pleuelstangenverhältnis 10, 248 Pleuelversatz 251 Pleuelversatzwinkel 251 Prandtlzahl 229 Präzession 257 Primärpartikel 493 Primärzerfall 72 – Düsenlochdurchmesser 73 – Kraftstoffdichte 73 – Oberflächenspannung 72 – Strahlausbreitung 73 – Strahlgeschwindigkeit 73 – Strahlzerfall 72 – Tropfenbildung 73 – Weberzahl 73 Produktfehler 227 Propellerbetrieb 20 Prozesssimulation 84 – 3D-Modellierung 84 – Netzstruktur 84 Prozesswärme 448 Prüfzyklus 475 – C1 486
– D 13 477 – ELR 477 – ESC 477 – ETC 477 – JE 05 477 – US-FTP 476 – WHSC 483 – WHTC 483 Pulsation 433 Pumpgrenze 44, 47, 48, 54 Q Qualitätssteuerung 12 Quantitätssteuerung 12 Querbiegung 221 Querkraftanteil 265 Querkraftausgleich 265 Querkräfte 264 Quetschströmung 80 R Radialkraft 248 Rail 173 Raildruck 168 – Hochdruckleitungen 169 – Injektoren 169 Raildrucksensor 175 Rauchgrenze 18 Realprozessrechnung 21 Reduktionsformel 280 Reibarbeit 27 Reihenpumpe 160 Reinheit 103 Relativbewegungen 221 Resonanzabstimmung 287 Resonanzfrequenz 434 Restkraftvektor 266, 274 Restmomentvektor 271 Restunwucht 264 Reversierstart 623 Reynoldszahl 229 Ringpartie 304 – Aluminiumkolben 304 – Bolzennabe 304 – Nabenabstützung 305 – Nabenbohrung 305 – Nabenform 305 – Ringnutverschleiß 304 – Verkokung 304 Ringstecken 403 Rohöl 87, 118
698 Sachverzeichnis rollengelagerte Schlepphebel 566 Rückstandsbildung 411 Rudolf Diesel 3, 7 – Patent DRP 67207 3 – Patent DRP 82168 4 Ruß 410, 416, 492, 493 – Agglomerate 493 – Größenverteilung 493 – Nachverbrennung 493 Rußbildung 492 S Sacklochdüse 149, 495 SAE-Klassifizierung 401 Saugseitige Regelung 169 – Steuergerät 170 Schadstoff 488 Schadstoffbildung 77 – Kohlenwasserstoffe 77 – Kraftstofftropfen 77 – Strahlkern 77 – Strahlrand 77 – Temperatur 77 Schadstoffreduktion, innermotorisch 495 Schalldämpfer 436, 437 Schalldruckpegel 537 Schallleistungspegel 537 Schaumdämpfer 93 Schiffsantrieb 665 – Abgaswärmenutzung 667 – Propellecharakteristik 666 – Propulsionsmotor 668 – Schiffskörperschwingungen 668 – Schweröl 667 – Schwingungen 668 – Turbocompound 667 – Wellengenerator 666 Schlammbildung 400, 411 Schmierfähigkeit 103 Schmierölsystem 588 – Ölreinigungssysteme 588 – Wechselintervall 588 Schmierstoff 399 Schmierungssystem 399 Schränkung 249 Schwefel 401, 403 Schwefelgehalt 86, 95, 96, 99, 100, 103 Schweröl 642 Schwerölbetrieb 644 Schwingbruch 227 Schwingungskavitation 227
Schwingungsknoten 281 SCR-Katalysator 672 Seiliger-Prozess 14 Sekundärzerfall 73 – Dampfform 74 – Einspritzdruckverlauf 73 – Kraftstoff 74 – Kraftstoffverdampfung 74 – Luftdichte 73 – Luftverhältnis 74 – Reaktionszone 74 – Strahlkegelwinkel 73 – Strahlzerfall 72 – Tropfendurchmesser 74 – Verdampfung 74 Selbstzündung 90, 418, 419 Selbstzündungstemperatur 418 Selektive katalytische Reduktion (SCR) 509 – AdBlue 510 – Ammoniak 509 – NOX-Sensor 511 – Temperatursensor 511 Sensoren 208 – Abgastemperatursensoren 210 – Differenzdrucksensor 210 – Drehzahlgeber 209 – Fahrpedalmodul 208 – Heißfilmluftmassenmesser 209 – Ladedruckfühler 210 – Lambdasensor 210 – NOX-Sensor 210 – Phasengeber 209 – Raildrucksensor 210 – Regelklappe 209 – Temperaturfühler 209 Sicherheitsfaktor 226, 263 Siedeverhalten 99 Single-Cam System SCS 629 Sintermetallfilter 506 Sitzgeometrie 148 Sitzlochdüsen 148 Sondermesstechnik 524 – Dioden-Laser-Spektroskopie (DIOLA) 524 – Fourier Transform Infrarot Spectroscopy (FTIR) 524 – Massenspektrometer (MS) 524 – Non Dispersive Ultraviolett Analysator (NDUV) 524 Sound Design 441 Spannungen 225 – Ist-Spannungen 225
Sachverzeichnis 699 – Wirkspannungen 225 Spannungsgefälle 262 – bezogenes 262 Spezifikationen 405 spezifische Arbeit 608 Spiralkanal 79 – Tangentenkanal 79 Spritzbeginn 496 Spritzgeometrie 150 Spritzlochlänge 150 Spritzöl 412 Spülgrad 34, 41 Spülverfahren 40 – Gleichstromspülung 40 – Kurzschlussströmung 41 – Nachauslass 40 – totale Mischung 41 – Umkehrspülung 40 – Verdrängungsspülung 41 Stähle 380 – schmiedeperlitische 380 Starrkörperbewegung 283 Startdrehzahl 419 Starteinrichtungen 622 Starthilfesystem 418, 420, 424, 426 – Bereitschaftsglühen 421 – Glühsoftware 420 – Glühstiftkerzen 420 – Nachglühphase 421 – Niederspannungs-Glühsysteme 420 – Startglühen 421 – Vorglühen 420 – Zwischenglühen 421 Stauaufladung 52 Staubkapazität 431 Staubkonzentration 429 Stegrisse 341 Steifigkeitsmatrix 281 Steuertriebsgeräusch 544 – Torsionsschwingungsdämpfer 544 – Zahnriemen 545 Steuerungsteile 412, 414 Stickoxid 411, 475, 490 Stockpunktverbesserern 401 Stoßaufladung 50 Strahlausbreitung 80 Strahlauslegung 151 Strahlbildanalyse 151 Strahlkraftanalyse 151 Strangtrennung 441 Strömungsberechnung 412
Strömungsgeräusche 436 Strukturkeramik 392 Sulfatasche 401, 403 Syntheseöle 400 T Taktzahl 16 TA Luft 139 Tangentialdruck 276 Tangentialkraft 248 Tauchkolbentriebwerken 249 Teilschallquellen 551 – Kühlungsgeräusch 552 – Mündung des Abgases 552 – Oberflächengeräusch 551 – Verbrennungszuluft 552 Temperaturgradienten 219 Temperaturverteilung 222 thermische Entdrosselung 502 Thermophorese 367 Tilger 286, 287 Tilgereigenfrequenz 287 Tilgermasse 287 Torsionsmoment 259, 281 Torsionsschwingungsdämpfer 286 Torsionsspannung 259 Torsionswinkel 281 Total Base Number 400 Totwasserzonen 326, 338 Trägheitsradien 271 Traktoren 486 Triebwerk 254, 611, 628 Triebwerkslagerung 411 Trockenluftfilter 430, 432 Turbinenkennfeld 49 – effektiver Turbinenquerschnitt 48 – reduzierter Massenstrom 49 – Turbinenwirkungsgrad 47, 49 Turbobrake 62 Turbocompounding 61, 446 Turbolader 411 Turboladerhauptgleichungen 46 – I. Turbolader-Hauptgleichung 47 – II. Turbolader-Hauptgleichung 48 Turboloch 62 U Übergangsradien 260 Übertragungsfunktion 283 – Matrix der 283 Ungleichförmigkeitsgrad 277
700 Sachverzeichnis Unit Injector-System 162 Unit Pump-System 163 Unterspannung 261 V V-Triebwerke 267 Ventile 35, 386, 648 – Auslassventil 664 – Bimetallventil 386 – Drehung 648 – Durchflussbeiwert 37 – Monometallventil 386 – Selbstreinigung 664 – Steuerzeiten 35 – Ventilhubkurven 35 – Ventilkörbe 648 – Ventilquerschnitt 37 – Ventilüberschneidung 36 Verbrennung 68, 75 – Diffusionsflamme 77 – Direkteinspritzer 69 – Einspritzrate 75 – Gleichdruckverbrennung 77 – innere 68 – Luftausnutzung 69 – Selbstzündung 68 – Spritzdauer 76 – Strahleindringgeschwindigkeit 75 – Verdampfungsgeschwindigkeit 75 – Verdichtungsverhältniss 69 – Vorkammer 69 – Wirbelkammer 69 – Wirkungsgrad 75 Verbrennungsgeräusch 540, 542, 564 – Alternative Kraftstoffe 542 – Common Rail Einspritzsysteme 542 – Zylinderdruck-Anregungsspektrum 540 Verbrennungsrechnung 11 Verbrennungsverfahren 564 Verbrennungsverfahren, alternative 82, 115 – CCS (Combined Combustion System) 117 – Dilution Controlled Combustion System“ (DCCS) 83 – Dimethylether (DME) 82 – Gas to Liquid 82 – GtL-Kraftstoffe 82 – HCCI-System (Homogeneous Charge Compression Ignition) 83 – HCLI-System (Homogeneous Charge Late Injection) 82 – Homogenisierung 82
– HPLI-Verfahren (Highly Premixed Late Injection) 83 – Methanol 82 – Nacheinspritzung 82 – Rapsöl-Methylester (RME) 82 – Vielstoffmotoren 83 Verbundverfahren 61 Verdampfungskühlung 332 – geschlossenem System 332 – offenen System 333 Verdampfungsverluste 410 Verdichtungsverhältnis 10, 425, 426 Verfestigungsstrahlen 382 Vergleichsmittelspannung 263 Vergleichsprozess 13 – Gleichdruck-Prozess 14 – Gleichraum-Prozess 14 – Seiliger-Prozess 14 Vergleichsspannung 261 Vergleichswechsel 263 Versäuerung 410 Verschleiß 399, 410, 416 Verschleißschutz 399 Verschleißschutz-Additive 93 Verteilereinspritzpumpen 161 VI-Verbesserer 401 VI-Verbesserern 410 Viertaktverfahren 16 Viskosität 101, 399, 410 Vollkapsel 551 Vorkammer 134, 138 W Wanddämmung 553 Wandgesetz 244 – logarithmisches 244 Wandwärmestrom 231, 232, 236 Wandwärmestromdichte 231 Wandwärmeverlust 23, 228, 230, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 242, 243, 244 Wandwärmeverlust 228 Wärmebelastung 222 Wärmebilanz 230, 324, 445 – Abgaswärmeleistung 445 – äußere 324 – Brennstoffleistung 445 – innere 230 – Kühlleistung ΦK 445 – Ladeluftkühler 445 Wärmedurchgangsprozess 324 Wärmeeindringzahl 232
Sachverzeichnis 701 Wärmeleitfähigkeit 230 Wärmemotor, rationeller 4 Wärmestauchrisse 228 Wärmestromdichte 230, 233, 234 Wärmestrommessung 231 Wärmestromsonde 230, 231, 233 Wärmetauscher 414 Wärmeübergang 229, 231, 237, 243 Wärmeübergangsgleichung 230, 238, 240, 242, 244, 245 – Bargende-Gleichung 238, 240, 242, 243 – Hohenberg-Gleichung 237, 238, 240, 242, 243 – Woschni-Gleichung 238, 239, 240, 242, 243 Wärmeübergangskoeffizient 229, 233, 234, 236, 237, 238, 239, 240, 243 Wärmeübertrager 345, 357 – gelötet 359 – Kühlmittelkühler 359 – mechanisch gefügt 359 – Paketbauweise 361 – Prandtl‑Zahl 358 – Rohrbündel 360 – Scheibenbauweise 360 – Wärmekapazitätsströme 357 – Wärmeübertragungsleistung 357 Wärmeübertragung 228 – Konvektion 228 – Strahlung 228 – Wärmeleitung 228 Wartung 430 Washcoat 504 Wasserstoffbetrieb 136 Werkstoffe 310 – Dauerfestigkeit 311 – Kolbenwerkstoffe 310 – Leichtmetalllegierungen 310 – Monoblock 311 – Monotherm 311 – Sphäroguss 311 – Verschleißwiderstand 311 – Wärmeleitfähigkeit 310 – Warmfestigkeit 310 Winglets 369 Wirkungsgrad 16 – Carnot-Wirkungsgrad 14 – effektiver 16 – Gütegrad 16 – innerer/indizierter 16 – mechanischer 16 – thermischer Wirkungsgrad 14 – Umsetzungsgrad 16 Woschni-Gleichung 237
Wuchten 270 – dynamisches 270 Z Zahnradpumpe 167 Zapfenüberschneidung 259 Zeldovich 490 Zinkdithiophosphate 401 Zumessfunktionen 181 Zündabstand 251 Zündbeschleuniger 93 Zündeinrichtung 138 – Laserzündung 138 – Vorkammerzündkerze 138 – Zündkerze 138 Zündfolge 267, 269 Zündgrenzen 132 Zündhilfesystem 420, 424 – Bereitschaftsglühens 421 – Glühsoftware 420 – Glühstiftkerzen 420 – Nachglühphase 421 – Niederspannungs-Glühsysteme 420 – Pkw 420 – Startglühen 421 – Vorglühen 420 – Zwischenglühen 421 Zündöl 133, 134 Zündung 74 – Cetanzahl 74 – Diffusionszone 75 – Zündbeginn 74 – Zündwilligkeit 74 Zündverzug 74 – Cetanzahl 74 – Diffusionszone 75 – Zündbeginn 74 – Zündwilligkeit 74 Zündwilligkeit 86, 89, 90, 97, 98, 99 – Cetanindex 97, 99 – Cetanzahl 92, 93, 97, 98, 99 – Cetanzahlen 91 Zustandsänderungen von Gasen 13 – adiabate 13 – ideale 13 – isobare 13 – isochore 13 – isotherme 13 Zustandsgleichungen 22 – kalorische 22 – thermische 22
702 Sachverzeichnis Zweimassen-Schwungrad 287 Zweistufige Aufladung 57, 65 Zweitaktverfahren 16 Zweizonenmodell 22 Zylinderbankversatz 251 Zylinderdruckindizierung 24 Zylinderkopf 612, 648 Zylinderköpfe 384
– Aluminiumguss 384 – Grauguss 384 – Kugelgraphitguss 384 – Stahlguss 384 – Vermiculargraphitguss 384 Zylinderladung 12 Zylinderlaufbuchse 647 – Feuerstegringe 648
Inserentenverzeichnis
AVL Deutschland GmbH
IAV GmbH
Peter-Sander-Str.32 55252 Mainz-Kastel Tel. 06134 / 7179-0 www.avl.com
Carnotstraße 1 10587 Berlin Tel. 030 / 39978-0 www.iav.de
Beru AG
Mahle International GmbH
Mörikestr. 155 71636 Ludwigsburg Tel. 07141 / 132-0 www.beru.com
Pragstraße 26-46 70376 Stuttgart Tel. 0711 / 50-10 www.mahle.com
Emitec Gesellschaft für Emissionstechnologie mbH
MTU Friedrichshafen GmbH
Hauptstraße 128 53797 Lohmar Tel. 0 22 46/ 109-0 www.emitec.com
Maybachplatz 1 88045 Friedrichshafen Tel. 07541 / 90-0 www.mtu-online.com
Federal Mogul Wiesbaden GmbH
Schaeffler KG
Stilstraße 11 65201 Wiesbaden Tel. 0611 / 201-0 www.federal-mogul.com
Industriestraße 1-3 91074 Herzogenaurach Tel. 09132 / 82-0 www.schaeffler-gruppe.de
Honsel GmbH & Co. KG
WTZ Roßlau GmbH
Fritz-Honsel-Str. 30 59872 Meschede Tel. 0291 / 291-0 www.honsel.com
Karl-Liebknecht-Straße 38 06862 Roßlau Tel. 034901 / 883-0 www.wtz.de